Handbuch der Betriebswirtschaft: Das moderne Wissen über Konzept und erfolgreiche Steuerung von Einzelwirtschaften [1 ed.] 9783428550746, 9783428150748

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Handbuch der Betriebswirtschaft: Das moderne Wissen über Konzept und erfolgreiche Steuerung von Einzelwirtschaften [1 ed.]
 9783428550746, 9783428150748

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Werner Pepels

Handbuch der Betriebswirtschaft Das moderne Wissen über Konzept und erfolgreiche Steuerung von Einzelwirtschaften Teilband I + II

Duncker & Humblot



Berlin

WERNER PEPELS

Handbuch Betriebswirtschaft

Handbuch Betriebswirtschaft Das moderne Wissen über Konzept und erfolgreiche Steuerung von Einzelwirtschaften

Von

Werner Pepels

Duncker & Humblot  ·  Berlin

Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar.

Alle Rechte vorbehalten

© 2017 Duncker & Humblot GmbH, Berlin Druck: buchbücher.de gmbh, Birkach Printed in Germany

ISBN 978-3-428-15074-8 (Print) ISBN 978-3-428-55074-6 (E-Book) ISBN 978-3-428-85074-7 (Print & E-Book) Gedruckt auf alterungsbeständigem (säurefreiem) Papier entsprechend ISO 9706

Internet: http://www.duncker-humblot.de

Vorwort Jedes neue Buch zur Betriebswirtschaft hat angesichts zahlreicher, teilweise bereits jahrzehntelang aufliegender Standardwerke die Notwendigkeit zu seiner Rechtfertigung. Fraglos sind diese Standardwerke von ausgereifter Qualität, aber viele von ihnen sind doch strukturell in die Jahre gekommen. Im Zuge von Neuauflagen kann man zwar gut punktuelle Aktualisierungen vornehmen, aber den historischen Aufbau können oder wollen die Autoren verständlicherweise nicht ändern. Dies hat zur Folge, dass viele moderne Aspekte in diesen Werken vernachlässigt werden. Zu nennen sind hier etwa folgende: • Die Bedeutung moderner Disziplinen wie Qualität, Vertrieb, Marktforschung oder Führung. • Die Berücksichtigung von Unternehmenskrisen und Existenzgründungen in der Betriebswirtschaft. • Die Relevanz von ökologischen, statistischen und informationellen Rahmenbedingungen der BWL. • Die wachsende Bedeutung von Dienstleistungen in der Wirtschaft, vor allem in Form des Handels. • Der Einbezug von neuen Aspekten wie Prozessen, Innovation, e-Commerce, Internet, Erfolgsfaktoren. • Die starke Integration von rechtlichen und volkswirtschaftlichen Aspekten in die BWL. Mit diesem Werk wird daher der Versuch unternommen, einen modernen, managementorientierten Ansatz als Einstieg in die Betriebswirtschaft einzuschlagen. Dabei handelt es sich fraglos um ein anspruchsvolles Unterfangen, das aber anzugehen lohnend ist. Eine Danksagung ist an dieser Stelle an den Berliner Wissenschafts-Verlag (BWV) zu richten, namentlich Frau Brigitta Weiss, Geschäftsführerin, für die großzügige Erlaubnis, eigene Beiträge aus Sammelwerken ihres Hauses in komplett überarbeiteter und aktualisierter Form in diesem Band einarbeiten zu dürfen. Es handelt sich um folgende Beiträge: • Systematik der Betriebswirtschaft, Marketing, Unternehmenswachstum, Grundlagen der Informationswirtschaft, Internationale Betriebswirtschaft und andere, aus dem Sammelwerk BWL im Nebenfach (Berlin 2016)

Vorwort

VI

• Konstitutive Faktoren der Unternehmung, Organisation, Krisenbewusstes Management, Betriebswirtschaft der Dienstleistungen und andere, aus dem Sammelwerk ABWL (Berlin 2015) • Gesamtwirtschaftlicher Rahmen der BWL, Privatrechtlicher Rahmen der BWL, Ökologische Betriebswirtschaft und andere, aus dem Sammelwerk Trainingsbuch zur ABWL (Berlin 2016). • Übungsaufgaben und Lösungshinweise aus den Sammelwerken Prüfungstraining für Wirtschaftsstudierende (Berlin 2015) und Trainingsbuch zur ABWL (Berlin 2016). Ein weiterer Dank gilt dem Verlag Duncker & Humblot, insb. Herrn Dr. Florian Simon, Geschäftsführer, für die Chance der Veröffentlichung dieses umfangreichen Projekts in seinem Haus. Der Autor konnte sich bei der Erstellung dieses Buches nicht auf einen mehr oder minder umfangreichen Stamm von Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern stützen, sondern musste die Inhalte allein stemmen. Insofern gehen auch trotz sorgfältiger Redaktion etwaig noch verbliebene Unklarheiten allein auf sein Konto. Das Werk richtet sich an Managerinnen und Manager ohne betriebswirtschaftliche Erstausbildung sowie an Personen mit betriebswirtschaftlicher Erstausbildung, deren Abschluss aber bereits einige Jahre zurückliegt. Ihnen bietet es einen fundierten Einstieg in die Materie bzw. ein aktuelles Brush up der Inhalte. Außerdem wendet sich das Werk an Studierende der BWL und verwandter Fächer wie Ökonomie, Wirtschaftswissenschaften, Wirtschaftsingenieurwesen o. Ä. an wissenschaftlichen und praxisorientierten Hochschulen sowie an anspruchsvollen nicht-akademischen Einrichtungen wie IHK’en, VWA’en o. Ä. Ihnen allen bietet das vorliegende Handbuch eine saubere Strukturierung der betriebswirtschaftlichen Inhalte in 30 Kapiteln, unterstützt durch über 460 Abbildungen und punktuelle Beispiele. Abgerundet wird es durch 450 Übungsaufgaben mit Lösungshinweisen je Kapitel sowie Hinweise zu Lern- und Arbeitstechniken. Beim „Handbuch Betriebswirtschaft“ handelt es sich um ein Kompendium mit Fokus auf die Transferorientierung seiner Inhalte. Die Ausführungen sind daher theoriegestützt, jedoch immer von anspruchsvoller Praxisorientierung geleitet. Insofern bietet es allen Zielpersonen eine nützliche Hilfe für die Durchdringung dieses komplexen Themengebiets. Dabei sei ihnen jeder erdenkliche Erfolg gewünscht. Krefeld, im November 2016

Werner Pepels

Inhaltsübersicht

I. Teil 1



Einführung und Übersicht 3



II. Teil 13



A. Die Prinzipien der Betriebswirtschaft 15

1. Systematik der BWL . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 15 2. Konstitutive Faktoren der Unternehmung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 44

B. Der Rahmen der Betriebswirtschaft 67

3. Gesamtwirtschaftlicher Rahmen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 67 4. Privatrechtlicher Rahmen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 104

C. Die Güterwirtschaft der Unternehmung 135

5. Beschaffung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 135 6. Produktion . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 168 7. Logistik .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 199 8. Qualität .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 226 9. Marketing . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 272 10. Vertrieb . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 315

D. Die Geldwirtschaft der Unternehmung 343

11. Buchführung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 343 12. Bilanzierung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 372 13. Kostenrechnung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 401 14. Investition . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 438 15. Finanzierung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 466

VIII



 E. Die Koordinierung der Unternehmung 503

16. Personal . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 503 17. Organisation .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 551 18. Führung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 591 19. Controlling . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 625

F. Das Management der Unternehmung 665

20. Strategieentwicklung .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 665 21. Erfolgsfaktoren im Management . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 705 22. Unternehmenswachstum . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 745 23. Krisenbewusstes Management . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 773 24. Existenzgründung .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 791

G. Die Hilfswissenschaften der BWL 815

25. Grundlagen der Wirtschaftsstatistik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 815 26. Grundlagen der Informationswirtschaft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 860

H. Die Speziellen Betriebswirtschaften 905

27. Internationale Betriebswirtschaft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 905 28. Betriebswirtschaft der Dienstleistungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 934 29. Betriebswirtschaft des Handels . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 969 30. Ökologische Betriebswirtschaft .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1006

III. Teil 1029



Übungsaufgaben und Lösungshinweise 1031

1. Übungsaufgaben zur Systematik der Betriebswirtschaft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1031 2. Ü  bungsaufgaben zu den Konstitutiven Faktoren der Unternehmung .. . . . . . . . . . . . . . . 1041 3. Ü bungsaufgaben zum Gesamtwirtschaftlichen Rahmen der BWL .. . . . . . . . . . . . . . . . . 1053 4. Übungsaufgaben zum Privatrechtlichen Rahmen der BWL . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1059 5. Übungsaufgaben zur Beschaffung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1066 6. Übungsaufgaben zur Produktion . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1074 7. Übungsaufgaben zur Logistik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1081 8. Übungsaufgaben zur Qualität . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1089



IX

9. Übungsaufgaben zum Marketing .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1098 10. Übungsaufgaben zum Vertrieb .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1110 11. Übungsaufgaben zur Buchführung .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1115 12. Übungsaufgaben zur Bilanzierung .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1123 13. Übungsaufgaben zur Kostenrechnung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1134 14. Übungsaufgaben zur Investition . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1142 15. Übungsaufgaben zur Finanzierung .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1150 16. Übungsaufgaben zum Personal . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1159 17. Übungsaufgaben zur Organisation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1170 18. Übungsaufgaben zur Führung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1174 19. Übungsaufgaben zum Controlling . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1183 20. Übungsaufgaben zur Strategieentwicklung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1196 21. Übungsaufgaben zu Erfolgsfaktoren im Management . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1206 22. Übungsaufgaben zum Unternehmenswachstum . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1217 23. Übungsaufgaben zum Krisenbewussten Management . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1232 24. Übungsaufgaben zur Existenzgründung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1246 25. Übungsaufgaben zu den Grundlagen der Wirtschaftsstatistik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1253 26. Ü bungsaufgaben zu den Grundlagen der Informationswirtschaft . . . . . . . . . . . . . . . . . 1261 27. Übungsaufgaben zur Internationalen Betriebswirtschaft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1269 28. Übungsaufgaben zur Betriebswirtschaft der Dienstleistungen .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1284 29. Übungsaufgaben zur Betriebswirtschaft des Handels .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1297 30. Übungsaufgaben zur Ökologischen Betriebswirtschaft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1302 Stichwortverzeichnis....................................................................................................... 1309 Über den Autor................................................................................................................ 1327

Inhaltsverzeichnis I. Teil

Einführung und Übersicht 3

Literaturhinweise .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 9

II. Teil

A. Die Prinzipien der Betriebswirtschaft 15

1. Systematik der BWL . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 15

1.1 Wissenschaftsrahmen der BWL   . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 15 1.2 Wirtschaftseinheiten als Akteure   . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 18 1.2.1 Haushalt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 18 1.2.2 Betrieb . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 19 1.2.3 Unternehmung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 20 1.3 Wirtschaften als Kern der BWL . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 22 1.4 Unternehmensverfassung als Rahmen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 24 1.5 Verantwortung der Unternehmung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 26 1.5.1 Nachhaltigkeit der Geschäftstätigkeit .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 26 1.5.2 Corporate Citizenship . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 28 1.6 Ziele der Unternehmung .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 31 1.6.1 Zentrale Zielinhalte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 31 1.6.2 Zielarten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 33 1.7 Entscheidungen der Unternehmung .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 36 1.7.1 Anforderungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 36 1.7.2 Situationen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 37 Literaturhinweise .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 42 Übungsaufgaben . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 43 2. Konstitutive Faktoren der Unternehmung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 44

2.1 Rechtsformen der Unternehmung  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 44 2.1.1 Einteilung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 44

XII

Inhaltsverzeichnis 2.1.2 Einzelunternehmung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 45 2.1.3 Personengesellschaften . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.1.3.1 Gesellschaft bürgerlichen Rechts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.1.3.2 Offene Handelsgesellschaft .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.1.3.3 Kommanditgesellschaft .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.1.3.4 GmbH&CoKG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.1.3.5 Stille Gesellschaft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.1.3.6 Europäische Wirtschaftliche Interessenvereinigung .. . . . . . . . 2.1.3.7 Partnerschaftsgesellschaft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

46 46 47 48 48 49 50 50

2.1.4 Kapitalgesellschaften . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.1.4.1 Gesellschaft mit beschränkter Haftung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.1.4.2 Aktiengesellschaft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.1.4.3 Kommanditgesellschaft auf Aktien .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

50 51 52 54

2.1.5 Sonstige Rechtsformen der Gesellschaft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 55 2.1.6 Wechsel der Rechtsform . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 58 2.2 Standort der Unternehmung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 59 2.2.1 Herstellerbezogene Standortwahl .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 59 2.2.2 Wiederverkäuferbezogene Standortwahl . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 62 Literaturhinweise .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 64 Übungsaufgaben . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 66



B. Der Rahmen der Betriebswirtschaft 67

3. Gesamtwirtschaftlicher Rahmen .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 67

3.1 Konzepte der VWL . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 67 3.2 Wirtschaftsordnungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 71 3.3 Markt und Preis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 74 3.4 Wettbewerb .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 79 3.5 Volkswirtschaftliche Gesamtrechnung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 82 3.6 Geld und Währung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 84 3.7 Wirtschaftspolitikfelder .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 88 3.7.1 Ordnungspolitik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 88 3.7.2 Konjunkturpolitik .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 89 3.7.3 Strukturpolitik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 92 3.7.4 Sozialpolitik .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 93 3.7.5 Wachstumspolitik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 95 3.7.6 Umweltpolitik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 97 3.8 Außenwirtschaft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 98

Inhaltsverzeichnis

XIII

Literaturhinweise .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 101 Übungsaufgaben . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 103 4. Privatrechtlicher Rahmen .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 104

4.1 Bürgerliches Recht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 104 4.1.1 Grundlagen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 104 4.1.2 Vertragsrecht .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 108 4.2 Handelsrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 113 4.2.1 Grundlagen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 113 4.2.2 Kaufmannsrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 114 4.3 Kaufvertragsrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 118 4.4 Leistungsstörungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 124 4.5 Allgemeines Wettbewerbsrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 127 4.6 Allgemeines Arbeitsrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 127 4.7 Allgemeines Steuerrecht  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 128 4.8 Gewerblicher Rechtsschutz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 129 4.9 UN-Kaufrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 131 Literaturhinweise .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 133 Übungsaufgaben . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 134



C. Die Güterwirtschaft der Unternehmung 135

5. Beschaffung .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 135

5.1 Beschaffungsobjekte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 135 5.2 Transaktionsphasen der Beschaffung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 139 5.2.1 Initialisierung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 139 5.2.2 Problembeschreibung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 142 5.2.3 Beschaffungstaktik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 145 5.2.4 Anfragenerstellung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 148 5.2.5 Angebotseinholung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 150 5.2.6 Angebotsbewertung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 151 5.2.7 Anbieterauswahl . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 153 5.2.8 Bestellverfahren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 154 5.2.9 Kaufabwicklung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 156 5.3 Organisationale Beschaffung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 162 Literaturhinweise .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 165 Übungsaufgaben . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 167

XIV

Inhaltsverzeichnis

6. Produktion . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 168

6.1 Produktionsinput . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 168 6.2 Produktionsoutput . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 171 6.3 Produktionstheorie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 174 6.4 Produktionslayout . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 179 6.5 Produktionsmanagement . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 182 6.5.1 Anlagenmanagement . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 182 6.5.2 Technologiemanagement . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 184 6.5.3 Kapazitätsmanagement . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 187 6.5.4 Produkt und Programm . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 188 6.5.5 Fertigungssysteme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 189 6.6 Operations Management .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 190 6.7 Produktionsverschlankung .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 194 Literaturhinweise .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 197 Übungsaufgaben . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 198 7. Logistik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 199

7.1 Darstellung und Bedeutung .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 199 7.2 Eingangslogistik .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 201 7.3 Entscheidungen zur Lagerung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 205 7.4 Entscheidungen zum Transport . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 207 7.5 Logistische Absatzhelfer . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 211 7.6 Zwischenlagerung und Umladung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 213 7.7 Ausgangslogistik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 217 7.8 Entsorgungslogistik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 220 7.9 Supply Chain Management . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 221 Literaturhinweise .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 224 Übungsaufgaben . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 225 8. Qualität . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 226

8.1 Begriff .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 226 8.2 Qualitätsmanagement .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 227 8.2.1 Konzept . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 227 8.2.2 Qualitätsplanung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 229 8.2.3 Qualitätsprüfung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 230 8.2.4 Qualitätslenkung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 232 8.2.5 Qualitätssicherung .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 233

Inhaltsverzeichnis

XV

8.3 Total Quality Management . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 234 8.4 Qualitätsmessung .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 237 8.5 Six Sigma-Philosophie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 239 8.6 Qualitätswerkzeuge .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 241 8.6.1 Fehler-Möglichkeits- und -Einfluss-Analyse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 242 8.6.2 Quality Function Deployment . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 245 8.6.3 Statistische Prozessregelung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 247 8.6.4 Weitere Qualitätswerkzeuge . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 249 8.6.5 Qualitätszirkel . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 252 8.7 Zertifizierung .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 254 8.7.1 Intention der Qualitätsnormenreihe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 254 8.7.2 Elemente zur Zertifizierung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 255 8.7.3 Vorgehen der Zertifizierung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 257 8.7.4 Qualitätsabweichungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 259 8.7.5 Einteilung der DIN EN ISO-Normenreihe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 8.7.5.1 Qualitätsnorm 9000:2015 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 8.7.5.2 Qualitätsnorm 9001:2015 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 8.7.5.3 Qualitätsnorm 9004:2009 .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

260 261 262 263

8.8 Qualitätsauszeichnungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 264 8.9 Fehlerfolgen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 265 Literaturhinweise .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 270 Übungsaufgaben . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 271 9. Marketing .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 272

9.1 Denkhaltung im Marketing . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 272 9.1.1 Marketingkonzept . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 272 9.1.2 Marketinginhalte .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 274 9.1.3 Leitlinien des Marketings . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 276 9.1.4 Marktarten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 281 9.2 Aktivitäten im Marketing . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 283 9.2.1 Marketing-Instrumente . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 283 9.2.2 Angebotsgestaltung .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 284 9.2.2.1 Produktpolitik im Marketing . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 285 9.2.2.2 Programmpolitik im Marketing . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 288 9.2.3 Gegenleistungsgestaltung .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 288 9.2.3.1 Preispolitik im Marketing . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 289 9.2.3.2 Konditionenpolitik im Marketing . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 294

XVI

Inhaltsverzeichnis 9.2.4 Informationsgestaltung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 295 9.2.4.1 Kommunikationspolitik im Marketing . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 295 9.2.4.2 Identitätspolitik im Marketing .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 299 9.2.5 Verfügbarkeitsgestaltung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 301 9.2.6 Marketing-Instrumental-Mix . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 301 9.3 Marktinformationsbasis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 303 9.3.1 Bedeutung .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 303 9.3.2 Datenquellen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 305 9.3.3 Erhebungsformen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 307

Literaturhinweise .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 312 Übungsaufgaben . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 314 10. Vertrieb . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 315

10.1 Absatzkanal als Denkmodell des Vertriebs . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 315 10.2 Absatzkanalgestaltung .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 318 10.2.1 Wahl der Absatzkanaltiefe .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 318 10.2.2 Wahl der Absatzkanalbreite . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 319 10.2.3 Wahl der Absatzkanalstruktur .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 321 10.2.4 Wahl des Vertriebssystems . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 325 10.2.5 Wahl der Absatzform . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 326 10.3 Formen des Direktvertriebs . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 328 10.3.1 Nullstufiger Direktvertrieb . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 328 10.3.2 Halbstufiger Direktvertrieb . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 330 10.3.3 Marktveranstaltungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 332 10.3.4 e-Commerce-Absatz .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 333 10.4 Indirektabsatz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 334 10.5 Kundenwertmanagement . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 335 Literaturhinweise .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 341 Übungsaufgaben . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 342



D. Die Geldwirtschaft der Unternehmung 343

11. Buchführung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 343

11.1 Grundsätze . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 343 11.1.1 Grundsätze des betrieblichen Rechnungswesens . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 343 11.1.2 Grundsätze ordnungsgemäßer Buchführung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 345

Inhaltsverzeichnis

XVII

11.2 Buchungssystematik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 348 11.3 Kontenplan .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 352 11.4 Inventur und Inventar . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 354 11.5 Sondertatbestände der Buchung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 356 11.6 Jahresabschluss . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 359 11.7 Unternehmensbesteuerung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 361 11.8 Zahlungsverfahren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 364 11.8.1 Inlandszahlung .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 364 11.8.2 Auslandszahlung .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 367 11.8.2.1 Dokumenteninkassi . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 367 11.8.2.2 Dokumentenakkreditive .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 368 Literaturhinweise .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 370 Übungsaufgaben . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 371 12. Bilanzierung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 372

12.1 Bilanzfunktion . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 372 12.2 Bilanzaufbau . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 374 12.3 Aktivapositionen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 380 12.3.1 Anlagevermögen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 380 12.3.2 Umlaufvermögen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 381 12.4 Passivapositionen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 383 12.4.1 Eigenkapital . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 383 12.4.2 Fremdkapital . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 384 12.5 Aktivierungs- und Passivierungspflichten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 385 12.6 Vermögensbewertung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 386 12.7 Gewinn- und Verlustrechnung (GuV) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 389 12.8 Weitere Bestandteile des Jahresabschlusses . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 392 12.9 Bilanzpolitik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 395 Literaturhinweise .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 398 Übungsaufgaben . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 400 13. Kostenrechnung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 401

13.1 Begrifflichkeiten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 401 13.2 Kostengliederung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 402 13.3 Kostenrechnungssysteme .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 405 13.3.1 Einteilungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 405

XVIII

Inhaltsverzeichnis 13.3.2 Kostenartenrechnung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 407 13.3.3 Kostenstellenrechnung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 411 13.3.4 Kostenträgerrechnung auf Vollkostenbasis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 414 13.3.4.1 Kostenträgerstückrechnung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 414 13.3.4.2 Kostenträgerzeitrechnung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 417 13.3.5 Teilkostenrechnung .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 419 13.3.5.1 Arten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 419 13.3.5.2 Auswertungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 421

13.4 Plankostenrechnung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 425 13.5 Kostenmanagement . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 429 13.5.1 Prozesskostenrechnung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 430 13.5.2 Zielkostenrechnung .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 432 13.5.3 Deckungsbeitragsrechnung mit relativen Einzelkosten .. . . . . . . . . . . . . 434 Literaturhinweise .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 436 Übungsaufgaben . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 437 14. Investition . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 438

14.1 Formen und Einflussgrößen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 438 14.2 Sachinvestitionen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 441 14.2.1 Statische Rechenverfahren .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 14.2.1.1 Kostenvergleich . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 14.2.1.2 Gewinnvergleich . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 14.2.1.3 Rentabilitätsvergleich . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 14.1.2.4 Amortisationsvergleich .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 14.1.2.5 Weiterungen und kritische Bewertung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

441 442 444 445 446 448

14.2.2 Dynamische Rechenverfahren .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 14.2.2.1 Kapitalwertmethode .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 14.2.2.2 Interne Zinsfußmethode .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 14.2.2.3 Annuitätenmethode . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 14.2.2.4 Amortisationszeitmethode . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 14.2.2.5 Weiterungen und kritische Bewertung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

449 451 453 454 455 456

14.3 Finanzinvestitionen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 457 14.3.1 Equity Deal-Bewertung .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 457 14.3.1.1 Analytische Verfahren .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 457 14.3.1.2 Multiplikatorverfahren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 459 14.3.2 Share Deal-Bewertung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 461 Literaturhinweise .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 464 Übungsaufgaben . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 465

Inhaltsverzeichnis

XIX

15. Finanzierung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 466

15.1 Anforderungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 466 15.2 Instrumente der Finanzierung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 468 15.3 Kreditfinanzierung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 470 15.3.1 Kreditsicherung .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 470 15.3.2 Langfristige Kreditfinanzierung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 476 15.3.3 Kurzfristige Kreditfinanzierung .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 479 15.3.4 Kreditsubstitute .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 481 15.3.5 Finanzierungsarten im Außenhandel . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 486 15.3.5.1 Kurzfristige Finanzierung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 486 15.3.5.2 Langfristige Finanzierung .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 487 15.4 Beteiligungsfinanzierung .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 490 15.5 Selbstfinanzierung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 493 15.6 Rückstellungsfinanzierung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 495 15.7 Mezzanine-Kapital . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 497 15.8 Finanzanalyse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 498 Literaturhinweise .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 500 Übungsaufgaben . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 501



E. Die Koordinierung der Unternehmung 503

16. Personal . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 503

16.1 Mitarbeitende als Erfolgsfaktor . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 503 16.2 Personalbeschaffung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 505 16.2.1 Personalbedarf .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 505 16.2.2 Beschaffungswege .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 506 16.2.3 Bearbeitung eingehender Bewerbungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 508 16.3 Bewerberauswahlverfahren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 511 16.4 Personalbeurteilung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 515 16.5 Personaleinsatz .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 516 16.5.1 Arbeitszeitgestaltung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 516 16.5.2 Arbeitsortgestaltung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 519 16.5.3 Personalservice . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 520 16.6 Personalentlohnung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 521 16.6.1 Monetäres Entgelt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 521 16.6.2 Materielles und ideelles Entgelt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 523

XX

Inhaltsverzeichnis 16.7 Entgeltbasis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 524 16.7.1 Zeitlohn . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 524 16.7.2 Leistungslohn . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 526 16.7.2.1 Ausprägungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 526 16.7.2.2 Arbeitsbewertung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 527 16.7.3 Erfolgslohn .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 529 16.7.4 Entgeltsystem . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 530 16.8 Personalentwicklung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 531 16.8.1 Schlüsselqualifikationen .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 531 16.8.2 Arbeitsfeldveränderungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 533 16.8.3 Mitarbeiterförderung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 535 16.8.4 Auslandsentsendung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 537 16.9 Personalfreisetzung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 538 16.9.1 Optionen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 538 16.9.2 Kündigungsformen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 540 16.9.3 Aufhebung und Outplacement .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 542 16.10 Arbeitsrechtsrahmen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 543 16.10.1 Kollektives Arbeitsrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 543 16.10.2 Individuelles Arbeitsrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 547

Literaturhinweise .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 548 Übungsaufgaben . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 550 17. Organisation .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 551

17.1 Begriff und Abgrenzung .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 551 17.2 Aufgabengestaltung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 553 17.3 Stellenbildung .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 554 17.4 Aufbauorganisation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 557 17.4.1 Spezialisierung der Struktur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 17.4.1.1 Funktionsorganisation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 17.4.1.2 Objektorganisation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 17.4.1.3 Sekundärorganisation .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

558 559 560 564

17.4.2 Konfiguration der Struktur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 17.4.2.1 Einlinienorganisation .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 17.4.2.2 Mehrlinienorganisation .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 17.4.2.3 Stablinienorganisation .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 17.4.2.4 Zwei- und Dreidimensionale Formen .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

565 566 567 569 570

17.4.3 Koordination der Struktur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 572 17.4.3.1 Projektorganisation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 572

Inhaltsverzeichnis

XXI

17.4.3.2 Teamorganisation .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 574 17.4.3.3 Gremienorganisation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 576 17.4.3.4 Zentralbereichsorganisation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 577 17.4.4 Hybride Formen der Organisation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 579 17.5 Arbeitserledigung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 580 17.6 Ablauforganisation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 581 17.7 Organisationaler Wandel . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 583 17.7.1 Unternehmenskultur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 583 17.7.2 Organisationsentwicklung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 586 17.7.2.1 Ungeplanter Wandel . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 586 17.7.2.2 Geplanter Wandel .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 587 Literaturhinweise .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 589 Übungsaufgaben . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 590 18. Führung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 591

18.1 Wahl des Führungsstils . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 591 18.1.1 Eigenschaftsorientierte Ansätze . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 591 18.1.2 Verhaltensorientierte Ansätze . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 593 18.1.2.1 Eindimensionale Ansätze .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 593 18.1.2.2 Zweidimensionale Ansätze . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 595 18.1.3 Situationsorientierte Ansätze . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 600 18.1.3.1 Dreidimensionale Ansätze .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 600 18.1.3.2 Mehrdimensionale Ansätze .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 603 18.2 Praktische Führungsprinzipien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 604 18.3 Organisationale Menschenbilder . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 608 18.4 Verhalten in Unternehmen .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 611 18.4.1 Intrapersonale Determinanten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 611 18.4.2 Interpersonale Determinanten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 614 18.5 Motivationstheorien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 617 18.6 Leadership . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 621 Literaturhinweise .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 623 Übungsaufgaben . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 624 19. Controlling . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 625

19.1 Elemente des Controlling . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 625 19.2 Planung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 627 19.2.1 Planungsdimensionen .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 628

XXII

Inhaltsverzeichnis 19.2.2 Planungstechniken .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 630 19.2.3 Budgetplanung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 634 19.3 Überprüfung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 637 19.3.1 Risikomanagement . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 638 19.3.2 Benchmarking . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 641 19.3.3 Wertanalyse .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 644 19.4 Überwachung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 645 19.4.1 Kennzahlen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 646 19.4.2 Kennzahlensysteme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 648 19.4.3 Performance Management . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 649 19.5 Informationsversorgung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 652 19.5.1 Data Warehousing . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 652 19.5.2 Reporting-Systeme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 653 19.5.3 Abfrage-Systeme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 655 19.5.4 OLAP-Systeme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 658 19.5.5 Data Mining-Systeme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 660

Literaturhinweise .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 661 Übungsaufgaben . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 663



F. Das Management der Unternehmung 665

20. Strategieentwicklung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 665

20.1 Strategische Grundlagen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 665 20.1.1 Strategisches Geschäftsfeld . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 666 20.1.2 Strategische Gruppe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 668 20.1.3 Strategische Geschäftseinheit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 670 20.1.4 Strategische Positionierung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 671 20.2 Zielsystem der Unternehmung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 674 20.3 Istsituations-Analyse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 676 20.4 Strategische Stellgrößen .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 680 20.4.1 Marktfeld . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 680 20.4.2 Marktwahl .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 685 20.4.3 Konkurrenzvorteil .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 689 20.4.4 Konkurrenzverhalten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 695 20.4.5 Zeitabfolge .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 696 20.5 Strategiebewertung .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 701 Literaturhinweise .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 703 Übungsaufgaben . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 704

Inhaltsverzeichnis

XXIII

21. Erfolgsfaktoren im Management . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 705

21.1 Erfolgsfaktorenforschung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 705 21.1.1 Peters und Waterman-Ansatz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 705 21.1.2 Pümpin-Ansatz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 709 21.1.3 Profit Impact of Market Strategies (PIMS) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 712 21.2 Innovationsmanagement . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 714 21.2.1 Innovationsdimensionen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 714 21.2.2 Wissensmanagement . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 717 21.2.3 Forschung & Entwicklung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 719 21.3 Kernkompetenzen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 721 21.4 Prozessmanagement .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 723 21.4.1 Geschäftsprozesse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 723 21.4.2 Prozessgestaltung .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 724 21.4.2.1 Inhalt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 724 21.4.2.2 Ablauf . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 726 21.4.3 Prozessmodell . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 728 21.4.4 Wirkungsgrad als Leistungskenngröße . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 730 21.4.5 Komplexitäten als Störgröße .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 731 21.4.6 Business Process Reengineering .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 734 21.5 Wertschöpfungskette . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 736 21.5.1 Wertkette als Denkmodell . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 736 21.5.2 Wertkettenstruktur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 738 21.5.3 Wertkettengestaltung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 739 21.5.3.1 Wertschöpfungsbreite . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 739 21.5.3.2 Wertschöpfungstiefe .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 741 Literaturhinweise .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 743 Übungsaufgaben . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 744 22. Unternehmenswachstum . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 745

22.1 Begriff und Abgrenzung .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 745 22.2 Formen der Kollusion . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 746 22.2.1 Faktisches Parallelverhalten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 747 22.2.2 Abgestimmte Verhaltensweise . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 747 22.2.3 Kartell . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 748 22.2.3.1 Genehmigungsfähige Kartellformen .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 749 22.2.3.2 Nicht-genehmigungsfähige Kartellformen .. . . . . . . . . . . . . . . . 751 22.3 Formen der Unternehmenskooperation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 753 22.3.1 Temporäre Auslegungsformen .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 754

XXIV

Inhaltsverzeichnis 22.3.1.1 Formen ohne eigene Rechtspersönlichkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . 755 22.3.1.2 Formen mit eigener Rechtspersönlichkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . 755 22.3.2 Dauerhafte Auslegungsformen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 758 22.3.2.1 Branchenweite Formen .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 758 22.3.2.2 Selektive Formen .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 759

22.4 Formen der Unternehmenskonzentration . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 760 22.4.1 Beteiligung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 760 22.4.2 Konzernbildung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 760 22.4.3 Vorliegen einer marktbeherrschenden Stellung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 763 22.5 Formen der Fusion . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 764 22.5.1 Eingliederung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 765 22.5.2 Übernahmeverhalten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 765 22.5.3 Verschmelzung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 767 22.5.4 Entstehen einer marktbeherrschenden Stellung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 768 22.6 Diversifikation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 769 Literaturhinweise .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 771 Übungsaufgaben . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 772 23. Krisenbewusstes Management .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 773

23.1 Begriff und Abgrenzung .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 773 23.2 Vorsorgemanagement . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 774 23.3 Sanierungsmanagement . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 775 23.4 Turnaround-Management . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 777 23.5 Insolvenzmanagement .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 783 23.5.1 Regelinsolvenzverfahren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 784 23.5.2 Insolvenzplanverfahren .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 785 23.5.3 Insolvenz in Eigenverwaltung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 787 23.5.4 Restschuldbefreiung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 787 Literaturhinweise .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 788 Übungsaufgaben . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 790 24. Existenzgründung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 791

24.1 Geschäftsidee . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 791 24.1.1 Informationsquellen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 792 24.1.2 Absatzquellen .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 794 24.2 Geschäftsmodell . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 795 24.3 Ideenpräsentation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 799

Inhaltsverzeichnis

XXV

24.4 Business Plan . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 800 24.4.1 Strukturierung .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 800 24.4.2 Aufstellung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 802 24.4.3 Eigenes Angebot .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 803 24.4.4 Marktanalyse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 804 24.4.5 Finanzierungsquellen .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 805 24.5 Finanzierungsarten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 806 24.6 Investitionsplanung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 808 24.7 Umsetzung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 809 Literaturhinweise .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 813 Übungsaufgaben . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 814



G. Die Hilfswissenschaften der BWL 815

25. Grundlagen der Wirtschaftsstatistik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 815

25.1 Grundbegriffe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 815 25.1.1 Elemente . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 815 25.1.2 Anforderungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 820 25.1.3 Wahrscheinlichkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 822 25.2 Induktive Datenanalyse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 824 25.2.1 Schätzung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 824 25.2.2 Test . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 825 25.3 Datenauswertung .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 830 25.3.1 Einteilungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 830 25.3.2 Skalierungsverfahren und -techniken . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 831 25.4 Univariate Häufigkeitsanalysen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 835 25.4.1 Aussage . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 835 25.4.2 Momente der Verteilung .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 836 25.5 Bi- und multivariate statistische Analysen .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 841 25.5.1 Bivariate Analyseverfahren .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 25.5.1.1 Kreuztabellierung / Kontingenztafel . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 23.5.1.2 Korrelationsanalyse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 23.5.1.3 Regressionsanalyse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

842 842 843 845

25.5.2 Multivariate Analyseverfahren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 847 25.6 Datendarstellung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 853 25.7 Prognoseverfahren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 855 Literaturhinweise .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 858 Übungsaufgaben . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 859

XXVI

Inhaltsverzeichnis

26. Grundlagen der Informationswirtschaft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 860

26.1 IT-Infrastruktur .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 860 26.1.1 Grundlagen der Datenverarbeitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 860 26.1.2 Aufbau des Computers . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 865 26.1.3 Eingabegeräte .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 867 26.1.4 Ausgabegeräte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 867 26.1.5 Speichermedien .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 868 26.1.6 Software . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 869 26.1.7 Netze .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 871 26.2 Internet als Netz der Netze . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 873 26.2.1 Aufbau und Teilnehmer . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 873 26.2.2 Strukturen und Prozesse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 876 26.2.3 Sprachen und Sicherheit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 878 26.3 Dienste im Internet . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 880 26.3.1 WWW-Medium . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 880 26.3.2 Non-WWW-Medien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 882 26.3.3 Web 2.0-Medien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 26.3.3.1 Networking .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 26.3.3.2 Blogging . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 26.3.3.3 Filesharing . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 26.3.3.4 Tagging .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

884 885 886 888 889

26.4 Suchmaschineneinsatz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 890 26.4.1 Typen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 890 26.4.2 Nutzung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 893 26.5 Informationsrecherche . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 894 26.6 Mobilkommunikation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 897 26.6.1 Technische Basis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 897 26.6.2 Anwendungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 899 Literaturhinweise .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 902 Übungsaufgaben . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 903



H. Die Speziellen Betriebswirtschaften 905

27. Internationale Betriebswirtschaft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 905

27.1 Eckpunkte der Internationalisierung .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 905 27.1.1 Marktwahl und Marktrisiken . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 905 27.1.2 Zeit- und Raumdimension der Markterschließung .. . . . . . . . . . . . . . . . . . 907 27.1.3 Einflussfaktor Landeskultur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 910 27.1.4 Marktführung .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 912

Inhaltsverzeichnis

XXVII

27.2 Markteintrittsformen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 914 27.2.1 Grenzüberschreitender Handel . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 27.2.1.1 Exportgeschäft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 27.2.1.2 Sonderformen des Exportgeschäfts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 27.2.1.3 Veredelung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 27.2.1.4 Kompensationsgeschäft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

914 914 916 917 919

27.2.2 Aktivität auf Dauervertragsbasis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 27.2.2.1 Lizenzierung und Franchising .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 27.2.2.2 Managementvertrag und Kooperation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 27.2.2.3 Strategische Allianz .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

921 921 925 925

27.2.3 Direktes Auslandsengagement . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 926 27.2.3.1 Akquisition . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 927 27.2.3.2 Neugründung .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 929 Literaturhinweise .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 932 Übungsaufgaben . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 933 28. Betriebswirtschaft der Dienstleistungen .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 934

28.1 Bedeutung und Begriff . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 934 28.1.1 Deskriptive Definitionsansätze . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 934 28.1.2 Analytische Definitionsansätze .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 936 28.2 Zweistufigkeit der Produktion .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 938 28.3 Immaterialität der Leistung .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 942 28.4 Kundenintegration . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 945 28.5 Dienstleistungsspezialitäten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 948 28.5.1 Kundendienste .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 948 28.5.2 Öffentliche Dienste . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 950 28.5.3 Freiberufler-Services . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 950 28.6 Gestaltung des Leistungsangebots .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 951 28.6.1 Leistungsprogramm . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 951 28.6.2 Leistungsetablierung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 953 28.6.3 Leistungsentwicklung und -eliminierung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 954 28.7 Gestaltung des Leistungsentgelts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 955 28.8 Gestaltung der Leistungsverfügbarkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 959 28.9 Gestaltung der Leistungsinformation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 961 28.10 Zufriedenheitsmanagement . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 963 Literaturhinweise .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 966 Übungsaufgaben . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 967

XXVIII

Inhaltsverzeichnis

29. Betriebswirtschaft des Handels . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 969

29.1 Elementare Bedeutung des Handels für die BWL . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 969 29.2 Handelsfunktionen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 970 29.3 Betriebsformen des Einzelhandels .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 974 29.3.1 Originäre stationäre Betriebsformen .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 976 29.3.2 Originäre nicht-stationäre Betriebsformen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 979 29.3.3 Derivative Betriebsformen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 980 29.4 Betriebsformen des Großhandels . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 981 29.5 Dynamik der Handelsbetriebsformen .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 983 29.6 Vertikale Kooperationen im Absatzkanal . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 984 29.7 Aktionsparameter des Handels . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 988 29.7.1 Sortiment und Artikel .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 988 29.7.2 Preis und Konditionen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 992 29.7.3 Werbung und Aktionen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 993 29.8 Warenwirtschaftssystem .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 995 29.9 e-Trade .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1000 Literaturhinweise .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1004 Übungsaufgaben . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1005 30. Ökologische Betriebswirtschaft .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1006

30.1 Darstellung und Bedeutung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1006 30.1.1 Postulat der Nachhaltigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1006 30.1.2 Erfolgsprinzipien der Ökologie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1009 30.2 Maßnahmenrahmen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1011 30.3 Hoheitliches Umweltmanagement .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1015 30.3.1 Marktbesonderheiten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1015 30.3.2 Instrumentarium . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1017 30.4 Unternehmerisches Umweltmanagement . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1021 Literaturhinweise .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1026 Übungsaufgaben . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1027

III. Teil

Übungsaufgaben und Lösungshinweise 1031

1. Übungsaufgaben zur Systematik der Betriebswirtschaft .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1031 2. Übungsaufgaben zu den Konstitutiven Faktoren der Unternehmung . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1041

Inhaltsverzeichnis

XXIX

3. Übungsaufgaben zum Gesamtwirtschaftlichen Rahmen der BWL . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1053 4. Übungsaufgaben zum Privatrechtlichen Rahmen der BWL . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1059 5. Übungsaufgaben zur Beschaffung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1066 6. Übungsaufgaben zur Produktion . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1074 7. Übungsaufgaben zur Logistik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1081 8. Übungsaufgaben zur Qualität . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1089 9. Übungsaufgaben zum Marketing .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1098 10. Übungsaufgaben zum Vertrieb .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1110 11. Übungsaufgaben zur Buchführung .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1115 12. Übungsaufgaben zur Bilanzierung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1123 13. Übungsaufgaben zur Kostenrechnung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1134 14. Übungsaufgaben zur Investition . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1142 15. Übungsaufgaben zur Finanzierung .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1150 16. Übungsaufgaben zum Personal . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1159 17. Übungsaufgaben zur Organisation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1170 18. Übungsaufgaben zur Führung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1174 19. Übungsaufgaben zum Controlling . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1183 20. Übungsaufgaben zur Strategieentwicklung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1196 21. Übungsaufgaben zu Erfolgsfaktoren im Management . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1206 22. Übungsaufgaben zum Unternehmenswachstum .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1217 23. Übungsaufgaben zum Krisenbewussten Management . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1232 24. Übungsaufgaben zur Existenzgründung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1246 25. Übungsaufgaben zu den Grundlagen der Wirtschaftsstatistik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1253 26. Übungsaufgaben zu den Grundlagen der Informationswirtschaft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1261 27. Übungsaufgaben zur Internationalen Betriebswirtschaft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1269 28. Übungsaufgaben zur Betriebswirtschaft der Dienstleistungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1284 29. Übungsaufgaben zur Betriebswirtschaft des Handels . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1297 30. Übungsaufgaben zur Ökologischen Betriebswirtschaft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1302 Stichwortverzeichnis.. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1309

Über den Autor................................................................................................................ 1327

Abbildungsverzeichnis Abbildung 01: Einordnung der BWL-Wissenschaft  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3 Abbildung 02: Prinzip Induktion vs. Deduktion  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5 Abbildung 03: Arten von Modellen  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5 Abbildung 04: Prinzip Falsifikation vs. Verifikation  .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 7 Abbildung A1: Strukturierung der BWL  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 15 Abbildung A2: Betriebswirtschaftliche Forschungsrichtungen  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 16 Abbildung A3: Wirtschaftseinheiten in der Betriebswirtschaft  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 18 Abbildung A4: Gütereinteilung  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 22 Abbildung A5: Betriebswirtschaftliche Produktionsfaktoren  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 23 Abbildung A6: Begriffe Wertschöpfung, Gewinn, Fertigungstiefe  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 25 Abbildung A7: Gruppen von Stakeholders  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 30 Abbildung A8: Dimensionen der Zielanalyse  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 32 Abbildung A9: Zielarten  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 34 Abbildung A10: Ökonomische Prinzipien  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 34 Abbildung A11: Prinzipien des Wirtschaftens  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 36 Abbildung A12: Alternative Entscheidungssituationen  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 37 Abbildung A13: Beispiel Entscheidungsregeln  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 39 Abbildung A14: Sondersituationen der Entscheidung  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 40 Abbildung A15: Unternehmensformen  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 44 Abbildung A16: Formen der Personengesellschaft  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 46 Abbildung A17: Formen der Kapitalgesellschaft  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 51 Abbildung A18: Sonstige Gesellschaftsformen  .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 55 Abbildung A19: Standortentscheidungen  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 59 Abbildung A20: Herstellerbezogene Standortwahl  .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 60 Abbildung A21: Wiederverkäuferbezogene Standortwahl  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 63 Abbildung B1: Teilgebiete der Volkswirtschaftslehre  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 67 Abbildung B2: Wirtschaftskreislauf  .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 68 Abbildung B3: Gesamtwirtschaftliche Sektoren  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 69

XXXII

Abbildungsverzeichnis

Abbildung B4: Volkswirtschaftliche Produktionsfaktoren  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 69 Abbildung B5: Einkommensquellen  .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 70 Abbildung B6: Formen von Vermögen  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 70 Abbildung B7: Maßstäbe für Verteilungsgerechtigkeit  .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 71 Abbildung B8: Gegenstand von Märkten  .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 74 Abbildung B9: Formen von Märkten  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 75 Abbildung B10: Beispiel Oligopolmarkt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 75 Abbildung B11: Kriterien für einen vollkommenen Markt  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 76 Abbildung B12: Begriffe vollständiger Wettbewerb, polypolistischer Wettbewerb  . . . . . 78 Abbildung B13: Zentrale Funktionen des Preises  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 79 Abbildung B14: Elemente der volkswirtschaftlichen Gesamtrechnung  . . . . . . . . . . . . . . . . . 83 Abbildung B15: Zentrale Funktionen des Geldes  .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 84 Abbildung B16: Geldpolitische Instrumente der EZB  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 86 Abbildung B17: Wirtschaftspolitikfelder  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 88 Abbildung B18: „Magisches Viereck“ der Wirtschaftspolitik  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 89 Abbildung B19: Phasen der Konjunkturpolitik  .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 90 Abbildung B20: Orientierungen der Lohnpolitik  .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 94 Abbildung B21: Formen der Arbeitslosigkeit  .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 95 Abbildung B22: Elemente der Zahlungsbilanz  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 99 Abbildung B23: Elemente eines Rechtsgeschäfts  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 106 Abbildung B24: Funktionen des Erfüllungsorts  .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 107 Abbildung B25: Kennzeichen eines Kaufvertrags  .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 108 Abbildung B26: Kaufmännische Vertragsarten  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 108 Abbildung B27: Begriffe Eigentum, Besitz  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 110 Abbildung B28: Formen des Eigentumsvorbehalts  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 111 Abbildung B29: Nichtigkeit von Rechtsgeschäften  .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 112 Abbildung B30: Anfechtbarkeit von Rechtsgeschäften  .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 112 Abbildung B31: Erlangung der Kaufmannseigenschaft  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 114 Abbildung B32: Formen der Kaufmannseigenschaft  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 115 Abbildung B33: Begriffe Handlungsvollmacht, Prokura  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 117 Abbildung B34: Arten von Leistungsstörungen  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 120 Abbildung B35: Gründe und Arten von Sachmängeln  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 120 Abbildung B36: Sachmangelrechte  .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 121 Abbildung B37: Fehlergruppen in der Produzentenhaftung  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 123

Abbildungsverzeichnis

XXXIII

Abbildung B38: Stufen des gerichtlichen Mahnverfahrens  .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 125 Abbildung B39: Formen Gewerblicher Schutzrechte  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 130 Abbildung C1: Arten von Beschaffungsobjekten  .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 135 Abbildung C2: B-t-B-Geschäftstypen  .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 138 Abbildung C3: Transaktionsphasen der Beschaffung  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 139 Abbildung C4: Buygrid-Kaufklassen  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 140 Abbildung C5: Beschaffungsbedeutung von Produkten  .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 141 Abbildung C6: Lieferantenstatus  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 142 Abbildung C7: Eigenschaften von Beschaffungsobjekten  .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 143 Abbildung C8: Formen von Beschaffungsrisiken  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 144 Abbildung C9: Beschaffungstaktik nach der Lieferantenzahl  .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 145 Abbildung C10: Beschaffungstaktik nach dem Lieferantengebiet  .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 146 Abbildung C11: Entscheidungen zur Anfragenerstellung  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 148 Abbildung C12: Verbindlichkeitsgrad eines Anfrageergebnisses  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 149 Abbildung C13: Alternative Kaufheuristiken  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 152 Abbildung C14: Tableau Bestelltermine / Bestellmengen  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 155 Abbildung C15: Bestellrhythmus-/Bestellpunktverfahren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 156 Abbildung C16: Arten von Kaufabwicklungsdokumenten  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 157 Abbildung C17: Alternative Übergabeklauseln  .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 158 Abbildung C18: Übliche Lieferungsbedingungen  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 159 Abbildung C19: Internationale Lieferungsbedingungen (1)  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 160 Abbildung C20: Internationale Lieferungsbedingungen (2) .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 161 Abbildung C21: Disposition der Beschaffer  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 162 Abbildung C22: Zusammensetzung eines Einkaufsgremiums  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 163 Abbildung C23: Arten der physischen Produktion  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 170 Abbildung C24: Alternative Fertigungsarten  .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 171 Abbildung C25: Ausprägungen der Mass Customization  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 173 Abbildung C26: Ausprägungen von Produktarten  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 174 Abbildung C27: Alternative Produktionsfunktionen  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 175 Abbildung C28: Klassische Produktionsfunktion  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 175 Abbildung C29: Neoklassische Produktionsfunktion  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 176 Abbildung C30: Totale Substitutionalität  .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 177 Abbildung C31: Partielle Substitutionalität  .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 177

XXXIV

Abbildungsverzeichnis

Abbildung C32: Lineare Limitationalität  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 178 Abbildung C33: Arten von Fertigungssystemen  .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 179 Abbildung C34: Elemente des Produktionsdesigns  .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 181 Abbildung C35: Phasen im Anlagenmanagement  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 183 Abbildung C36: Aktoren im Anlagenmanagement  .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 184 Abbildung C37: Wettbewerbspotenzial der Technologie  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 186 Abbildung C38: Umsetzung der Forschung & Entwicklung  .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 186 Abbildung C39: Auftragsauslösungspunkte im Pull-Effekt  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 189 Abbildung C40: Generationen von PPS-Systemen  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 192 Abbildung C41: SAP R/3-Module . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 193 Abbildung C42: Zentrale Logistikaufgaben  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 200 Abbildung C43: Elemente des Lieferservices  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 202 Abbildung C44: Alternative Methoden zur Bedarfsermittlung  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 204 Abbildung C45: Zentrale Logistikentscheidungen  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 205 Abbildung C46: Optionen der Transportmittelwahl  .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 207 Abbildung C47: Logistische Absatzhelfer  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 211 Abbildung C48: Zentrale Lagerfunktionen  .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 214 Abbildung C49: Alternative Lagerplatzordnungen  .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 215 Abbildung C50: Elemente der Transportverpackung  .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 219 Abbildung C51: Generationen der Logistikdienstleistungen  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 219 Abbildung C52: SCOR-Modell  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 222 Abbildung C53: Alternative Qualitätssichtweisen  .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 227 Abbildung C54: PDCA-Zyklus  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 228 Abbildung C55: TQM-Bestandteile  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 234 Abbildung C56: Qualitätsmanagementprozess  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 235 Abbildung C57: Six Sigma . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 239 Abbildung C58: DMAIC-Zyklus  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 240 Abbildung C59: „Japanische“ Qualitätstechniken  .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 241 Abbildung C60: FMEA-Phasen  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 243 Abbildung C61: FMEA-Bewertungsschema  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 244 Abbildung C62: House of Quality  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 247 Abbildung C63: Qualitätsregelkarte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 249 Abbildung C64: Fischgrät-Diagramm  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 251 Abbildung C65: Kano-Modell . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 253

Abbildungsverzeichnis

XXXV

Abbildung C66: Arten von Qualitätsfehlern  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 267 Abbildung C67: Einteilung der Fehlerkosten  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 268 Abbildung C68: Qualitätskosten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 269 Abbildung C69: Marktseitenrelation  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 273 Abbildung C70: Marketinginhalte  .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 275 Abbildung C71: Leitlinien des Marketings  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 277 Abbildung C72: Markenwert-Rating 2016  .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 280 Abbildung C73: Marktarten  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 282 Abbildung C74: Marketing-Instrumente  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 284 Abbildung C75: Angebotsgestaltung  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 285 Abbildung C76: Produktlebenszyklus  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 286 Abbildung C77: Up Grading/Down Grading  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 287 Abbildung C78: Gegenleistungsgestaltung  .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 289 Abbildung C79: Basis der Preisbildung  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 289 Abbildung C80: Konsumentenrente/Produzentenrente . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 290 Abbildung C81: Ansätze zur betriebszielorientierten Preisbildung  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 292 Abbildung C82: Informationsgestaltung  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 295 Abbildung C83: Dimensionen der Integrierten Kommunikation  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 300 Abbildung C84: Verfügbarkeitsgestaltung  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 301 Abbildung C85: Alternative Ausprägungen des Marketing-Mix  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 302 Abbildung C86: Datenquellen für Marktinformationen  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 305 Abbildung C87: Erhebungsformen  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 307 Abbildung C88: Alternative Befragungsformen  .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 308 Abbildung C89: Alternative Beobachtungssituationen  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 309 Abbildung C90: Elemente des Marktexperiments  .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 310 Abbildung C91: Einteilungen des Testdesigns  .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 310 Abbildung C92: Ströme im Absatzkanal  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 315 Abbildung C93: Push & Pull-Prinzip  .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 317 Abbildung C94: Optionen der Absatzkanaltiefe  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 318 Abbildung C95: Optionen der Absatzkanalbreite  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 320 Abbildung C96: Optionen der Mehrkanaldistribution  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 323 Abbildung C97: Alternative Absatzkanaldesigns  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 324 Abbildung C98: Optionen des Vertriebssystems  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 325 Abbildung C99: Optionen der Absatzform  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 327

XXXVI

Abbildungsverzeichnis

Abbildung C100: Einsatz von Vertriebsaußendienstmitarbeitern  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 329 Abbildung C101: Formen von akquisitorischen Absatzhelfern  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 330 Abbildung C102: Formen organisierter Marktveranstaltungen  .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 333 Abbildung C103: ABC-Kundenanalyse  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 336 Abbildung C104: ABCD-Kundenanalyse  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 337 Abbildung C105: Ansatzpunkte zum Kundenwertmanagement  .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 340 Abbildung D1: Grundsätze ordnungsgemäßer Buchführung  .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 345 Abbildung D2: Abgrenzung der Erfolgsgrößen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 350 Abbildung D3: Kontenrahmen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 352 Abbildung D4: Prinzip T-Konten  .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 353 Abbildung D5: Formen der Inventur  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 355 Abbildung D6: Zusammenhang Inventur / Doppik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 356 Abbildung D7: Prinzip der Abschreibung .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 357 Abbildung D8: Prinzip der Rückstellung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 358 Abbildung D9: Variable der Unternehmensbesteuerung  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 362 Abbildung D10: Optionen der Zahlungsabwicklung  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 365 Abbildung D11: Internationale Zahlungssicherungen  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 367 Abbildung D12: Zentrale Funktionen der Bilanz  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 373 Abbildung D13: Wesentliche Positionen auf der Aktivseite der Bilanz  .. . . . . . . . . . . . . . . . . 375 Abbildung D14: Wesentliche Positionen auf der Passivseite der Bilanz  . . . . . . . . . . . . . . . . . 376 Abbildung D15: Transformationen der Bilanz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 377 Abbildung D16: Bilanzaufbau . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 379 Abbildung D17: Eigenkapitalpositionen .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 383 Abbildung D18: Verfahren zur Bewertungsvereinfachung  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 388 Abbildung D19: Alternative Verfahren der Erfolgsrechnung  .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 390 Abbildung D20: Gesamtkostenverfahren vs. Umsatzkostenverfahren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 391 Abbildung D21: Bestandteile des Jahresabschlusses  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 392 Abbildung D22: Elemente der Bilanzpolitik  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 395 Abbildung D23: Instrumente der Bilanzpolitik  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 397 Abbildung D24: Zentrale Kostenbegriffe  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 402 Abbildung D25: Abbaubarkeit von Fixkosten  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 404 Abbildung D26: Alternative Methoden zur Kostenauflösung  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 405 Abbildung D27: Arten der Kostenrechnung  .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 406

Abbildungsverzeichnis

XXXVII

Abbildung D28: Zeitbezug der Kostenrechnung  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 407 Abbildung D29: Alternative Kontenrahmen  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 408 Abbildung D30: Kalkulatorische Kosten  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 410 Abbildung D31: Prinzip der Kostenstellenrechnung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 412 Abbildung D32: Kalkulationsverfahren der Vollkostenrechnung  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 414 Abbildung D33: Prinzip der Zuschlagskalkulation  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 416 Abbildung D34: Auswertungen der Deckungsbeitragsrechnung  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 422 Abbildung D35: Break Even-Analyse  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 423 Abbildung D36: Anlage der Plankostenrechnung  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 426 Abbildung D37: Prinzip der starren Plankostenrechnung .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 427 Abbildung D38: Prinzip der flexiblen Plankostenrechnung .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 427 Abbildung D39: Abweichungsanalyse der Plankostenrechnung  .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 428 Abbildung D40: Prinzip der Grenzplankostenrechnung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 429 Abbildung D41: Alternative Ansätze der Zielkostenrechnung  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 432 Abbildung D42: Prinzip der Market in Company-Zielkostenrechnung  .. . . . . . . . . . . . . . . . . 433 Abbildung D43: Beispiel Ermittlung des Zielkostenindexes . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 434 Abbildung D44: Beispiel Value Control Chart . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 435 Abbildung D45: Mögliche Investitionsanlässe  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 439 Abbildung D46: Einflussgrößen des Investitionsentscheids  .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 440 Abbildung D47: Statische Investitionsrechnungsverfahren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 442 Abbildung D48: Beispiel Kostenvergleich . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 443 Abbildung D49: Beispiel Gewinnvergleich . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 444 Abbildung D50: Beispiel Rentabilitätsvergleich . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 446 Abbildung D51: Beispiel Amortisationsvergleich .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 448 Abbildung D52: Dynamische Investitionsrechnungsmethoden  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 450 Abbildung D53: Prinzip der Barwertdiskontierung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 450 Abbildung D54: Beispiel Kapitalwertmethode  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 452 Abbildung D55: Beispiel Interne Zinsfuß-Methode .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 453 Abbildung D56: Alternative Wertausrichtungen bei Finanzinvestitionen  . . . . . . . . . . . . . . . 458 Abbildung D57: Mögliche Basis für Multiplikatorverfahren  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 460 Abbildung D58: Shareholder Value . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 462 Abbildung D59: Anforderungen der Finanzierung  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 467 Abbildung D60: Tableau der Finanzierungsquellen  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 470 Abbildung D61: Bewertungsschemata der Rating-Agenturen  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 472

XXXVIII

Abbildungsverzeichnis

Abbildung D62: Optionen für Kreditsicherheiten  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 473 Abbildung D63: Formen der lang- und kurzfristigen Kreditfinanzierung  .. . . . . . . . . . . . . . 479 Abbildung D64: Ablauf Wechseldiskontkredit .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 480 Abbildung D65: Häufige Kreditsubstitute  .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 481 Abbildung D66: Ablauf Factoring . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 482 Abbildung D67: Ablauf Asset Backed Securities . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 484 Abbildung D68: Ablauf Leasing . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 485 Abbildung D69: Quellen der Selbstfinanzierung  .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 494 Abbildung D70: Quellen der Rückstellungsfinanzierung  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 497 Abbildung D71: Optionen für Mezzanine-Kapital  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 498 Abbildung D72: Gruppen von Finanzkennzahlen  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 499 Abbildung E1: Optionen der Beschaffungswege  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 507 Abbildung E2: Optionen der Bewerberauswahlverfahren  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 512 Abbildung E3: Flexible Formen der Arbeitszeitgestaltung .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 516 Abbildung E4: Muster für Gleitarbeitszeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 517 Abbildung E5: Flexibler zeitlicher und räumlicher Personaleinsatz  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 519 Abbildung E6: Komponenten des Entgelts  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 521 Abbildung E7: Optionen des Entgelts  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 524 Abbildung E8: Verfahren zur Arbeitsbewertung  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 527 Abbildung E9: Schlüsselqualifikationen  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 532 Abbildung E10: Optionen der Arbeitsfeldveränderungen  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 533 Abbildung E11: Optionen der Mitarbeiterförderung  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 535 Abbildung E12: Anlässe und Formen der Personalfreisetzung  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 540 Abbildung E13: Elemente des Kollektiven Arbeitsrechts  .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 543 Abbildung E14: Alternative Organisationsverständnisse  .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 551 Abbildung E15: Elemente der Aufgabenanalyse  .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 553 Abbildung E16: Elemente der Aufgabensynthese  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 554 Abbildung E17: Alternativen der Organisationsspezialisierung  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 559 Abbildung E18: Schema der Funktionsorganisation  .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 560 Abbildung E19: Schema der Produktorganisation  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 561 Abbildung E20: Schema der Gebietsorganisation  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 563 Abbildung E21: Schema der Kundenorganisation  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 564 Abbildung E22: Alternativen der Organisationskonfiguration  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 566

Abbildungsverzeichnis

XXXIX

Abbildung E23: Schema der Einlinienorganisation  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 567 Abbildung E24: Schema der Mehrlinienorganisation  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 568 Abbildung E25: Schema der Stablinienorganisation  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 569 Abbildung E26: Schema der Matrixorganisation  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 571 Abbildung E27: Alternativen der Organisationskoordination  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 572 Abbildung E28: Schema der Projektorganisation  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 573 Abbildung E29: Schema der Teamorganisation  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 575 Abbildung E30: Schema der Gremienorganisation  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 577 Abbildung E31: Schema der Zentralbereichsorganisation  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 578 Abbildung E32: Elemente der Arbeitserledigung  .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 580 Abbildung E33: Formen der Willensbildung  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 582 Abbildung E34: Eisberg-Modell nach Schein  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 585 Abbildung E35: Kulturtypologisierung nach Deal / Kennedy  .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 586 Abbildung E36: Alternative Führungsstile  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 592 Abbildung E37: D.I.S.G.-Konzept  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 593 Abbildung E38: Eindimensionale Führungsstile nach Tannenbaum / Schmidt  .. . . . . . . . . . 594 Abbildung E39: Schema der Führungsstile  .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 596 Abbildung E40: Schema des GRID-Modells  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 597 Abbildung E41: 3-D-Theorie nach Reddin . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 601 Abbildung E42: Situative Reifegrade nach Hersey / Blanchard .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 602 Abbildung E43: Ausgewählte Management by ...-Techniken  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 605 Abbildung E44: Alternative Menschenbilder  .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 608 Abbildung E45: Transaktionsanalyse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 610 Abbildung E46: Intrapersonale Determinanten für Verhalten in der Unternehmung  . . . 611 Abbildung E47: Interpersonale Determinanten für Verhalten in der Unternehmung  .. . . 615 Abbildung E48: Motivationstheorien  .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 618 Abbildung E49: Ausgewählte Inhaltstheorien der Motivation  .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 618 Abbildung E50: Bedürfnispyramide nach Maslow .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 619 Abbildung E51: Ausgewählte Prozesstheorien der Motivation  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 620 Abbildung E52: Basisfunktionen des Controllings  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 625 Abbildung E53: Dimensionen der Planung  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 629 Abbildung E54: Ausgewählte Planungstechniken  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 630 Abbildung E55: Ablauf der Netzplantechnik .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 631 Abbildung E56: Beispiel für den Entscheidungsbaum  .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 633

XL

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Abbildung E57: Beispiel der Nutzwertanalyse  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 633 Abbildung E58: Prinzip der Simplex-Methode  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 634 Abbildung E59: Bereiche von Kontrollen  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 637 Abbildung E60: Ausprägungen des Benchmarkings  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 642 Abbildung E61: Tableau des externen Benchmarkings  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 643 Abbildung E62: Gängige Kennzahlen  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 647 Abbildung E63: Inhalte von Kontrollen  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 647 Abbildung E64: DuPont-Kennzahlensystem  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 649 Abbildung E65: Prinzip der Balanced Score-Card  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 650 Abbildung E66: Beispiel KPI-Dashbord . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 652 Abbildung E67: Tableau der Informationsversorgungs-Systeme  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 653 Abbildung E68: Kategorien von Reporting-Systemen  .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 654 Abbildung E69: Alternative Abfrage-Systeme  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 656 Abbildung E70: Struktur des Expertensystems  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 658 Abbildung E71: Prinzip „Datenwürfel“  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 659 Abbildung E72: Slice and Dice-Prinzip  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 660 Abbildung F1: Strategie als Weg vom Ist zum Soll  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 665 Abbildung F2: Abgrenzung des Strategischen Geschäftsfelds  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 666 Abbildung F3: Beispiel Strategische Gruppe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 668 Abbildung F4: Optionen der Strategischen Gruppe  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 669 Abbildung F5: Anforderungen an Strategische Geschäftseinheiten  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 670 Abbildung F6: Entwicklung der Positionierung  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 671 Abbildung F7: Beispiel Positionierung Uhrenmarken  .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 673 Abbildung F8: Elemente des Zielsystems der Unternehmung  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 674 Abbildung F9: Ausgewählte Verfahren zur Istsituations-Analyse  .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 676 Abbildung F10: Five Forces-Modell nach Porter  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 677 Abbildung F11: Zusammenhang im Vier-Felder-Portfolio  .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 679 Abbildung F12: Neun-Felder-Portfolio  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 680 Abbildung F13: Füllung der Strategischen Lücke  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 681 Abbildung F14: Optionen der Marktfeldstrategie  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 684 Abbildung F15: Tableau der Marktparzellierung  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 687 Abbildung F16: Kriterien zur Bestimmung der Zielgruppe  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 688 Abbildung F17: Tableau des Strategischen Spielbretts  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 689

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XLI

Abbildung F18: Wettbewerbsstrategien nach Porter (1)  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 690 Abbildung F19: Wettbewerbsstrategien nach Porter (2)  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 691 Abbildung F20: Wettbewerbsstrategien nach Porter (3)  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 692 Abbildung F21: Quellen für Größeneffekte  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 693 Abbildung F22: Stückkostendegression  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 693 Abbildung F23: Erfahrungskurveneffekt  .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 694 Abbildung F24: Tableau zum Konkurrenzverhalten von Unternehmen  . . . . . . . . . . . . . . . . . 695 Abbildung F25: Tableau zur Zeitabfolge von Unternehmen  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 697 Abbildung F26: Outpacing-Konzept  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 699 Abbildung F27: Hyper Competition-Konzept .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 700 Abbildung F28: Blue Ocean Strategy . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 701 Abbildung F29: Ausgewählte Verfahren zur Strategiebewertung  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 702 Abbildung F30: „Sieben S’s“ nach Pascale / Athos  .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 706 Abbildung F31: Kernempfehlungen des Peters- und Waterman-Ansatzes  .. . . . . . . . . . . . . . 707 Abbildung F32: Kernempfehlungen des Pümpin-Ansatzes  .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 709 Abbildung F33: Standardauswertungen der PIMS-Studie  .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 714 Abbildung F34: Hauptdimensionen der Innovation  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 715 Abbildung F35: Stellenwert einer Innovation  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 715 Abbildung F36: Tableau des Innovationsinhalts  .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 716 Abbildung F37: Stufen der Forschung & Entwicklung  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 719 Abbildung F38: Anforderungen an Kernkompetenzen  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 722 Abbildung F39: Aufbau eines Geschäftsprozesses  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 725 Abbildung F40: „Magisches Viereck“ der Anforderungen an Geschäftsprozesse  .. . . . . . 729 Abbildung F41: Elemente des Wirkungsgrads  .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 730 Abbildung F42: Ursachen für Komplexitäten  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 732 Abbildung F43: Optimale Aktionsgröße  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 733 Abbildung F44: Wertkettenstruktur  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 739 Abbildung F45: Formen des externen Unternehmenswachstums  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 746 Abbildung F46: Formen der Kollusion  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 746 Abbildung F47: Genehmigungsfähige Kartellformen  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 749 Abbildung F48: Nicht-genehmigungsfähige Kartellformen  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 752 Abbildung F49: Tableau der Gelegenheitsgesellschaften  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 754 Abbildung F50: Formen des Konsortiums  .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 757 Abbildung F51: Dauerhafte Kooperationsformen  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 758

XLII

Abbildungsverzeichnis

Abbildung F52: Formen des Vertragskonzerns  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 761 Abbildung F53: Formen der Holding  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 762 Abbildung F54: Formen der Fusion (Merger)  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 764 Abbildung F55: Alternatives Übernahmeverhalten  .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 766 Abbildung F56: Formen der Diversifikation  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 770 Abbildung F57: Alternative Ausprägungen des Krisenmanagements  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 773 Abbildung F58: Ausprägungen des Vorsorgemanagements  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 774 Abbildung F59: Ansätze für Turnaround-Management  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 778 Abbildung F60: Alternative Formen des Insolvenzverfahrens  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 784 Abbildung F61: Gruppen von Ideengenerierungsverfahren  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 793 Abbildung F62: Elemente des Geschäftsmodells  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 796 Abbildung F63: Ausgewählte Zeitmanagement-Werkzeuge  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 811 Abbildung G1: Methoden der Wirtschaftsstatistik  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 816 Abbildung G2: Statistische Ausgangsmassen  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 816 Abbildung G3: Beispiel Binomialverteilung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 819 Abbildung G4: Beispiel Hypergeometrische Verteilung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 819 Abbildung G5: Normalverteilung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 820 Abbildung G6: Anforderungen an Informationen  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 821 Abbildung G7: Zusammenhang Reliabilität – Validität  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 822 Abbildung G8: Zweiseitiger Signifikanztest . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 826 Abbildung G9: Prinzipien der statistischen Induktion  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 827 Abbildung G10: Abfolge im Testverfahren  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 828 Abbildung G11: Testfehler  .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 829 Abbildung G12: Einteilungen zur Datenauswertung  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 830 Abbildung G13: Alternative Skalenniveaus  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 833 Abbildung G14: Alternative Skalierungstechniken  .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 834 Abbildung G15: Diagrammarten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 836 Abbildung G16: Univariate Datenanalysen  .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 837 Abbildung G17: Modus – Median – arithmetisches Mittel . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 838 Abbildung G18: Beispiel Quartile .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 839 Abbildung G19: Beispiel Lorenzkurve .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 841 Abbildung G20: Ausgewählte Verfahren der bivariaten Datenanalyse  . . . . . . . . . . . . . . . . . . 842 Abbildung G21: Prinzip Boxplot  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 843

Abbildungsverzeichnis

XLIII

Abbildung G22: Beispiel Korrelationskoeffizienten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 844 Abbildung G23: Beispiel Lineare Regression . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 846 Abbildung G24: Ausgewählte Verfahren der multivariaten Datenanalyse  . . . . . . . . . . . . . . 847 Abbildung G25: Prinzip Diskriminanzanalyse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 848 Abbildung G26: Beispiel Faktorenanalyse Einzelhandel .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 850 Abbildung G27: Beispiel Dendrogramm . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 851 Abbildung G28: Beispiel Kausalanalyse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 852 Abbildung G29: Ausgewählte quantitative Prognoseverfahren  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 855 Abbildung G30: Ausgewählte intuitive Prognoseverfahren  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 856 Abbildung G31: Prinzip Szenariotechnik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 857 Abbildung G32: Elemente der Datenverarbeitung  .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 861 Abbildung G33: Elemente der Computer-Hardware  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 862 Abbildung G34: Funktionsweise Zentralprozessor  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 862 Abbildung G35: Prinzip Steuerwerk . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 863 Abbildung G36: Prinzip Rechenwerk . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 864 Abbildung G37: Funktionseinheiten eines Computers  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 865 Abbildung G38: Software-Arten  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 870 Abbildung G39: Prinzip Firewall  .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 880 Abbildung G40: Web 2.0-Medien  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 885 Abbildung G41: Typen von Suchmaschinen  .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 890 Abbildung G42: Auswahl SEO-Parameter . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 893 Abbildung H1: Parameter der Internationalisierung  .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 906 Abbildung H2: Zeitabfolge zur Markterschließung  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 908 Abbildung H3: Tableau des EPRG-Ansatzes  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 909 Abbildung H4: Formen des grenzüberschreitenden Handels  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 915 Abbildung H5: Formen von Kompensationsgeschäften  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 920 Abbildung H6: Aktivitäten auf Dauervertragsbasis  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 921 Abbildung H7: Formen der internationalen Beteiligung  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 928 Abbildung H8: Formen der internationalen Neugründung  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 929 Abbildung H9: Alternative Dienstleistungsdefinitionen  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 935 Abbildung H10: Kennzeichen von Dienstleistungen  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 938 Abbildung H11: Zweistufigkeit der Dienstleistungen  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 939 Abbildung H12: Lösungsmöglichkeiten für Restriktionen zweistufiger Produktion  . . . . 940

XLIV

Abbildungsverzeichnis

Abbildung H13: Prinzip Yield Management-System .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 941 Abbildung H14: Lösungsmöglichkeiten für Restriktionen der Immaterialität  . . . . . . . . . . 943 Abbildung H15: Typen der Kundenintegration  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 945 Abbildung H16: Ansätze zur effizienten Kundenintegration  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 946 Abbildung H17: Dienstleistungsspezialitäten  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 948 Abbildung H18: Arten von Kundendiensten  .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 949 Abbildung H19: Gestaltung des Leistungsprogramms  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 951 Abbildung H20: Tableau zur Bestimmung des Leistungsentgelts  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 955 Abbildung H21: Elemente zur Gestaltung der Leistungsverfügbarkeit  .. . . . . . . . . . . . . . . . . 959 Abbildung H22: Optionen zur Messung der Kundenzufriedenheit  .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 964 Abbildung H23: Übersicht gängiger Handelsfunktionen  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 971 Abbildung H24: Ströme im Absatzkanal  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 974 Abbildung H25: Tableau der Einzelhandelsbetriebsformen  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 975 Abbildung H26: Übersicht der originär-stationären Einzelhandelsbetriebsformen  .. . . . . 976 Abbildung H27: Originäre nicht-stationäre Einzelhandelsbetriebsformen  . . . . . . . . . . . . . . 979 Abbildung H28: Derivative Einzelhandelsbetriebsformen  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 980 Abbildung H29: Kriterien zur Einteilung von Großhandelsbetriebsformen  . . . . . . . . . . . . . 982 Abbildung H30: Alternative Profilierungsstrategien des Handels  .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 984 Abbildung H31: Übersicht der Kooperationsformen zwischen Hersteller- und Handelsstufe   985 Abbildung H32: Aktionsparameter des Handels  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 989 Abbildung H33: Ermittlung Direkte Produkt-Profitabilität  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 997 Abbildung H34: Platzierungskonsequenzen  .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 998 Abbildung H35: Elemente des Efficient Consumer Response  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 998 Abbildung H36: Kriterien zur Einteilung virtueller Marktplätze  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1000 Abbildung H37: Transaktionsbereiche im e-Commerce  .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1001 Abbildung H38: Ökologische Prinzipien der Unternehmensführung  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1011 Abbildung H39: Kreislaufwirtschaft vs. Linearwirtschaft .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1012 Abbildung H40: Rückstandsbewirtschaftung  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1013 Abbildung H41: Lenkung ökologischer Prinzipien  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1020 Abbildung H42: Nachhaltige Unternehmensentwicklung (CSR) .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1022 Abbildung H43: CSR-Check . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1024

Abkürzungsverzeichnis ABS

Asset Backed Securities (Finanzinstrument)

AEUV

Vertrag über die Arbeitsweise der Europäischen Union

AG Aktien-Gesellschaft AGB

Allgemeine Geschäftsbedingungen

AGG

Allgemeines Gleichbehandlungsgesetz

AktG Aktiengesetz ASB

Asset Backed Securities

ASCII

American Standard Code for Information Interchange (IT)

B Brief BAB

Betriebs-Abrechnungs-Bogen (Kostenrechnung)

BAG

Bundesarbeitsgericht, Erfurt

bB

bezahlt Brief

BERI

Business Envinronment Risk Information

BetrVG Betriebsverfassungsgesetz bG

bezahlt Geld

BGB

Bürgerliches Gesetzbuch

BGH

Bundesgerichtshof, Karlsruhe

BIP Bruttoinlandsprodukt BSG

Bundessozialgericht, Kassel

B-t-B

Business to Business (Gewerbekunden)

B-t-C

Business to Consumer (Privatkunden)

C

Corporate Identity

C&C

Cash & Carry (Großhandelsform)

CAD

Computer Aided Design

CIM

Computer Integrated Manufacturing

CJM

Conjoint Measurement (Präferenzmessung)

CPFR

Collaborative Planning Forecasting Replenishment

CPM

Critical Path Method (Netzplantechnik)

CPU

Central Processing Unit (Mikroprozessor)

CRM

Customer Relationship Management

CSMA/CD Carrier Sense Multiple Access with Collision Detection CSR

Corporate Social Responsibility

Abkürzungsverzeichnis

XLVI

CVA

Cash Value Added

CYMK

Cyan Yellow Magenta Key (Farbdarstellung)

DAX

Deutscher Aktienindex

DBR Deckungsbeitragsrechnung DCF

Discounted Cash-flow

DIHT

Deutscher Industrie- und Handelskammertag

DPI

Dots per Inch

DPMA

Deutsches Patent- und Markenamt

DPP

Direkte Produkt-Profitabilität

DPR

Direkte Produkt-Rentabilität

DSS

Decision Support System

DVD

Digital Versatile Disc

e.Kfm.

eingetragener Kaufmann

ebB

etwas bezahlt Brief

EBDIT

Earnings before Depreciation, Interest, Taxes (Finanzkennzahl)

EBDIT

Earnings before Depreciation, Interest and Tax

ebG

etwas bezahlt Geld

EBIT

Earnings before Interest and Taxes (operativer Gewinn)

EBITDA Earnings before Interest, Taxes, Depreciation and Amortisation (Finanzkennzahl) EBT

Earnings before Taxes (Vorsteuergewinn)

ECR

Efficient Consumer Response

EDI

Electronic Data Interchange

eG

eingetragene Genossenschaft

EIS

Executive Information System

EL Eltern-Ich EP

Efficient Promotion

EPI

Efficient Product Introduction

EPRG

Ethno-, Poly-, Regio-, Geocentricity

ER Erwachsenen-Ich ERG

Existence, Relatedness, Growth

ERP

Enterprise Resource Planning

ESA

Efficient Store Assortment

ESS

Executive Support System

e.V.

eingetragener Verein

EVA

Economic Value Added

EZB

Europäische Zentralbank

Abkürzungsverzeichnis EWIV

Europäische wirtschaftliche Interessenvereinigung

exBA

ex Berichtigungsaktie

exBR

ex Bezugsrecht

exD

ex Dividende

FAQ

Frequently Asked Question

FMEA

Fehler-Möglichkeits- und Einflussanalyse

FuE

Forschung und Entwicklung

G Geld GbR

Gesellschaft bürgerlichen Rechts

GDP

Gross Domestic Product

GenG Genossenschaftsgesetz GmbH

Gesellschaft mit beschränkter Haftung

GmbHG GmbH-Gesetz GTIN

Global Trade Item Number (Nachfolger von EAN)

GuV

Gewinn- und Verlustrechnung

GWB

Gesetz gegen Wettbewerbsbeschränkungen

GWWS

Geschlossenes Waren-Wirtschafts-System

HDMI

High Definition Multimedia Interface

HGB Handelsgesetzbuch HoQ

House of Quality

HTML

Hyper Text Markup Language

HTTP

Hyper-text Transfer Protocol

i.A.

im Auftrag

ICC

International Chamber of Commerce

IFRS

International Financial Reporting Standards

IG Interessengemeinschaft InsO Insolvenzordnung IP

Internet Protocol

IPO

Initial Public Offering

ISO

International Organisation for Standardization

i.V.

in Vertretung

JiT

Just in Time

JV

Joint Venture

XLVII

Abkürzungsverzeichnis

XLVIII

KAPOVAZ Kapazitätsorientierte variable Arbeitszeit KEP

Kurier-, Express-, Paketdienste

KG Kommanditgesellschaft KGaA

Kommanditgesellschaft auf Aktien

KI Kindheits-Ich KMU

Klein- und Mittelständische Unternehmen

KontraG

Gesetz zur Kontrolle und Transparenz im Unternehmensbereich

KPI

Key Performance Indicator

KVP

Kontinuierlicher Verbesserungsprozess

LAN

Local Area Network

LBS

Location Based Service

LEH Lebensmitteleinzelhandel LIBOR

London Interbank Offered Rate

LoI

Letter of Intend

Ltd. Limited LTE

Long Term Evolution

MAPI

Messaging Application Programming Interface

MbO

Management by Objectives

MIS Management-Informations-System MPM

Metra Potential Method (Netzplantechnik)

MRP I

Material Requirement Planning

MRP II

Manufacturing Resource Planning

MRS

Management Reporting System

NFC

Near Field Communication

NGO

Non Governmental Organisation

NOPAT

Net Operating Profit after Taxes (Finanzkennzahl)

NPO

Non Profit Organisation

OEM

Original Equipment Manufacturer (Originalteilehersteller)

OHG

Offene Handelsgesellschaft

OLAP

Online Analytical Processing

ORI

Operational Risk Index (BERI)

PAF Preis-Absatz-Funktion PartG Partnerschaftsgesellschaft PIMS

Profit Impact of Market Strategies

Abkürzungsverzeichnis PoS

Point of Sale

PPS

Produktions-Planung und Steuerung

PR

Public Relations

PRI

Political Risk Index (BERI)

QFD

Quality Function Deployment

QR

Quick Response

RAM

Random Access Memory

ratB

rationiert Brief

ratG

rationiert Geld

RFI

Remittance and Repatriation Factor Index (BERI)

ROCE

Return on Capital Employed

RoI

Return on Investment

ROM

Read only Memory

RPZ

Risiko-Prioritäts-Zahl (FMEA)

RSS

Really Simple Syndication

SCM

Supply Chain Management

SCOR

Supply Chain Operations Reference

SE

Societas Europaea

SEA

Search Engine Advertising

SEO

Search Engine Optimization

SGE

Strategische Geschäfts-Einheit

SGF

Strategisches Geschäfts-Feld

SGr

Strategische Gruppe

SMS

Short Message Service

S-O-R

Stimulus - Organism - Response

SPC

Statistical Process Control

S-R

Stimulus - Response

StG

Stille Gesellschaft

SWOT

Strenghts, Weaknesses, Opportunities, Threats

TCP

Transmission Control Protocol

TFT

Thin Film Transistor

TOWS

Threats, Opportunities, Weaknesses, Strengths (Matrix)

TQM

Total Quality Management

TransPuG

Transparenz- und Publizitätsgesetz

TUL

Transport, Umschlag, Lagerung

XLIX

Abkürzungsverzeichnis

L

UG Unternehmergesellschaft URL

Uniform Resource Locator

USB

Universal Serial Bus

USP

Unique Selling Proposition

UWG

Gesetz gegen unlauteren Wettbewerb

VC

Venture Capital

VCC

Value Control Chart

VIE

Valenz – Instrumentalität – Erwartung

VWL Volkswirtschaftslehre WACC

Weighted Average Cost of Capital (Finanzkennzahl)

WTO

World Trade Organisation

XPS

Expert System

ZAV

Zentrale Auslands- und Fachvermittlung

ZVEI

Zentralverband Elektrotechnik- und Elektronikindustrie

I. Teil

Einführung und Übersicht Die Betriebswirtschaft umfasst das moderne Wissen über das Konzept und die erfolgreiche Steuerung von Einzelwirtschaften. Die Betriebswirtschaftslehre gehört zu den Realwissenschaften. Im Unterschied dazu stehen Idealwissenschaften wie Mathematik, Philosophie, Theologie (auch Formal- und Metawissenschaften genannt). Innerhalb der Realwissenschaften gehört die Betriebswirtschaftslehre zu den Geisteswissenschaften. Das Komplement dazu bilden die Naturwissenschaften wie z.B. Physik, Chemie, Biologie. Innerhalb der Geisteswissenschaften gehört die Betriebswirtschaftslehre wiederum zu den Sozialwissenschaften. Im Unterschied dazu sind die Kulturwissenschaften wie Recht, Kunst, Sprachen etc. zu nennen. Innerhalb der Sozialwissenschaften gehört die Betriebswirtschaftslehre zu den Wirtschaftswissenschaften, In Abgrenzung dazu stehen allgemeine Sozialwissenschaften wie Soziologie, Politologie, Psychologie etc. Innerhalb der Wirtschaftswissenschaften schließlich gibt es die einzelwirtschaftliche Betrachtungsebene (Betriebswirtschaftslehre / BWL) und die gesamtwirtschaftliche Betrachtungsebene (Volkswirtschaftslehre / V WL) (siehe Abb. 01).

Abbildung 01: Einordnung der BWL-Wissenschaft (eig. Abb.)

4

Einführung und Übersicht

Die Betriebswirtschaftslehre ist ein vergleichsweise junger Wissenschaftszweig. Sie hat in Westeuropa und den USA unterschiedliche Entwicklungen genommen. In den USA entstand sie Anfang des letzten Jahrhunderts zumeist als Aufbau­ studium für Techniker und Ingenieure, weil diese angesichts zunehmend kom­ plexer kaufmännischer Fragestellungen im betrieblichen Einsatz rasch überfordert schienen. Diese postgradualen Studiengänge schlossen, sofern sie praxisbezogen angelegt waren, als MBA (= Master of Business Administration) ab und setzten bereits Berufserfahrung voraus. In Europa entstand die Betriebswirtschaftslehre hingegen vorwiegend aus den Handelshochschulen in Wien, Leipzig, Aachen, Köln etc. eingangs des zwanzigsten Jahrhunderts, weil im Handel kaufmännische Aufgaben als Geld-, Waren- und Informationsflüsse am vordergründigsten erlebbar waren. Im Zuge fortschreitender Industrialisierung wurden in Amerika später grundständige, theoriegeleitete Studiengänge zu Business Administration angeboten, in Europa entstanden Betriebswissenschafts-Fachbereiche an Hochschulen in den 1920er bis 1930er Jahren. Begründer der Betriebswirtschaftslehre im deutschsprachigen Raum waren vor allem die Professoren Schär, Niklisch, Rieger, Schmalenbach und Schmidt. In den 1950er Jahren kamen Professoren wie Gutenberg, Heinen (Kölner Schule) und Ulrich (St.Galler Schule) hinzu. Weitere heute bedeutsame Ansätze entstanden durch die Verhaltensorientierung aus sozialwissenschaftlicher Perspektive, die Umweltorientierung aus nachhaltig-bewahrender Perspektive, die Prozessorientierung mit den Phasen Planung, Entscheidung, Ausführung, Kontrolle sowie die Institutionenorientierung in den Zweigen Informa­ tionsökonomik, Property Rights, Transaktionskosten und Principal-Agent. Zur Erkenntnisgewinnung werden in der BWL sowohl die Induktion, also der generalisierende Schluss von empirisch feststellbaren Besonderheiten auf eine logisch dazu gehörige Allgemeinheit, als auch die Deduktion, also der ableitende Schluss von der logischen Allgemeinheit auf zugehörige empirische Besonderheiten, angewandt (siehe Abb. 02). Dabei wird jeweils die anderweitig kaum beherrschbare Komplexität der Realität durch Setzung von Prämissen zu vereinfachen gesucht. Die verbleibenden, mehr oder minder überschaubaren Zusammenhänge von Variablen werden dann in Modellen abgebildet, über deren vermutete Ergebnisaussagen Arbeitshypothesen aufgestellt werden, meist in Form von Wenn-dann-Beziehungen. Diese werden im Rahmen von Experimenten zumindest vorläufig bestätigt, man sagt verifiziert, oder widerlegt, man sagt falsifiziert. Im Fall der Ablehnung greift sinnvollerweise eine zuvor gebildete Alternativhypothese, mit der dann in gleicher Weise verfahren wird. Häufig wird dabei isolierend nur der Einfluss einer Variablen unter Konstantsetzung aller anderen im Rahmen einer Ceteris paribus-Klausel untersucht. Diese an sich realitätsfremde Annahme dient der Komplexitätsreduktion. Je weiter ein Modell aber der Wirklichkeit angenähert wird, desto mehr Prämissen müssen aufgegeben werden und desto unbestimmter wird das Ergebnis. Daher treten an die Stelle von Modellen häufig Heuristiken als Erfahrungsregeln, die als so zu vermuten und gegeben unterstellt werden.

Einführung und Übersicht

5

Abbildung 02: Prinzip Induktion vs. Deduktion (eig. Abb.)

Bei den Modellen kann es sich um beschreibend-deskriptive, erklärend-ex­ plikative oder entscheidend-dezisive Modelle handeln (siehe Abb. 03). Ein deskriptives Modell findet sich z.B. beim Güter-, Geld- und Informationsstrom in der Supply Chain, hier werden die Flüsse und ihre Interaktion beschrieben, ein explikatives Modell findet sich z.B. bei der Trendprognose, hier wird eine Vorhersage für die Zukunft gewagt, und ein dezisives Modell ist z.B. der Kapitalwert, der die Vorteilhaftigkeit einer Investition in Anbetracht des Return on Investment beurteilt. Die Modellbildung geschieht dabei im Einzelnen in folgenden Stufen:

Abbildung 03: Arten von Modellen (eig. Abb.)

• Strukturierung des Kernproblems und Ableitung der für die Problemerkenntnis erforderlichen Daten, • vereinfachte Abbildung der realen Umwelt durch Formulierung passender funktionaler Beziehungen, • optimale Lösung dieses vereinfachten Problems durch geeignet erscheinende Algorithmen,

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Einführung und Übersicht

• laufende Überprüfung und Pflege des Modells sowie Gewährleistung dessen Aussagefähigkeit. Innerhalb der Modelle können einseitige Abhängigkeiten, gegenseitige Zusammenhänge oder Ausschließlichkeiten zwischen Variablen vorgefunden bzw. unterstellt werden. Abhängigkeit bedeutet, dass eine oder mehrere abhängige Variable in ihrer Entwicklung von einer oder mehreren unabhängigen Variablen beeinflusst werden, Zusammenhang bedeutet, dass zwei oder mehr Variable untereinander wechselseitig verbunden sind, und Ausschließlichkeit bedeutet, dass beim Auftreten bestimmter Variabler eine oder mehrere andere Variable zugleich nicht auftreten können. Stillschweigende Voraussetzung bei betriebswirtschaftlichen Modellen ist im Regelfall das Ziel der Gewinnmaximierung als privates, erwerbswirtschaftliches Prinzip, was allerdings kritisch zu hinterfragen oder zumindest in ein langfristiges Gewinnmaximierungsziel zu modifizieren ist. Dabei werden dann Restrik­ tionen eingehalten, so dass auch von einer Gewinnoptimierung als Maximierung unter Nebenbedingungen gesprochen werden kann. Vielfach wird dazu die Maxime einer maximalen Gesamtkapitalrentabilität ausgelobt. Dies ist etwa in Konzepten des Shareholder Value der Fall. Allerdings ist strittig, ob Wissenschaft überhaupt Handlungsempfehlungen geben soll oder nicht. Ersteres sieht Wissenschaft als Hilfe zur Realitätsbewältigung (Relevance / Schmalenbach), letzteres sieht Wissenschaft als Selbstzweck zur Schaffung neuen Wissens (Rigor / Rieger). Die Sicht des Anwendungsbezugs hat sich jedoch weithin durchgesetzt und entspricht auch der modernen Managementorientierung. Die Überprüfung der Hypothesen auf ihre Belastbarkeit hin erfolgt durch Verifikation oder Falsifikation: • Verifikation bedeutet die Suche nach Bestätigung der Hypothese und kann immer nur vorläufig sein, da nicht ausgeschlossen werden kann, dass neue Tatsachen bekannt werden, welche die Bestätigung der Hypothese aufheben. • Falsifikation bedeutet die Suche nach Widerlegung der Hypothese. Hypothesen müssen daher so formuliert sein, dass sie widerlegbar sind, ansonsten handelt es sich um tautologische Aussagen. Eine Tautologie ist eine Aussage, die in sich nicht widerlegbar ist, also immer stimmt. Sie bietet jedoch keinen Wissensfortschritt. Werturteile des Forschers müssen dabei jeweils ausgewiesen werden. Man unterscheidet dazu: • Werturteile im Basisbereich, also im Wissenschaftsprogramm, etwa in Bezug auf Ökologieanspruch, • Werturteile im Objektbereich, also in Bezug auf die Aussagefähigkeit der Inputdaten,

Einführung und Übersicht

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• Werturteile im Aussagenbereich, also in Bezug auf daraus gezogene Schlussfolgerungen. Im Falle der Falsifikation einer Hypothese muss nach Ansicht des Kritischen Rationalismus (Popper) eine Alternativhypothese formuliert werden, die dann wiederum überprüft und vorläufig verifiziert oder falsifiziert werden kann, so dass der obsoleten eine neue Hypothese folgt. Auf diese Weise kann ein Wissensfortschritt entstehen. Denn nur, wenn ausgewiesen wird, was anstelle einer falsifizierten Hypothese gelten soll, kann durch die neue Hypothese ein höheres Wissensniveau erreicht werden. Hypothesen, die mehrfach bestätigt worden sind, gelten als „vorläufige Wahrheit“. Man nennt dies auch ein Paradigma. In größeren Zeitabständen ergeben sich, meist durch erratische äußere Einflüsse, Paradigmawechsel. Bisher gültig erscheinende Wahrheiten verlieren dann ihren Wert und werden durch neue ersetzt, solange bis auch diese an Aussagekraft einbüßen (siehe Abb. 04).

Abbildung 04: Prinzip Falsifikation vs. Verifikation (eig. Abb.)

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Einführung und Übersicht

Grundlage sind jeweils Definitionen als Zuordnung von Wörtern zu Sachverhalten. Definitionen sind dabei nicht richtig oder falsch, sondern im speziellen Untersuchungsfall zweckmäßig oder unzweckmäßig. Dazu haben sie u.a. vollständig, redundanzfrei, objektiv, aktuell und relevant zu sein. Zur Durchdringung der Betriebswirtschaft wird im vorliegenden Fall folgende Struktur angewendet: • Abschnitt A befasst sich mit den Prinzipien der Betriebswirtschaft, • Abschnitt B mit den Rahmenbedingungen der Betriebswirtschaft, • Abschnitt C mit der Güterwirtschaft der Unternehmung, • Abschnitt D mit der Geldwirtschaft der Unternehmung, • Abschnitt E mit der Koordinierung der Unternehmung, • Abschnitt F mit dem Management der Unternehmung, • Abschnitt G mit den Hilfswissenschaften der BWL, • Abschnitt H mit den Speziellen Betriebswirtschaften. Innerhalb jedes Abschnitts widmen sich Kapitel den jeweiligen Spezialaspekten: • In Abschnitt A geht es um die Systematik der BWL (1.) und Konstitutive Faktoren der Unternehmung (2.), • in Abschnitt B geht es um den Gesamtwirtschaftlichen Rahmen (3.) und den Privatrechtlichen Rahmen (4.), • in Abschnitt C geht es um die betrieblichen Güterfunktionen Beschaffung (5.), Produktion (6.), Logistik (7.), Qualität (8.), Marketing (9.) sowie Vertrieb (10.), • in Abschnitt D geht es um die betrieblichen Geldfunktionen Buchführung (11.), Bilanzierung (12.), Kostenrechnung (13.), Investition (14.) und Finanzierung (15.), • in Abschnitt E geht es um die betrieblichen Koordinationsfunktionen Personal (16.), Organisation (17.), Führung (18.) und Controlling (19.), • in Abschnitt F geht es um das Unternehmensmanagement mit Strategieentwicklung (20.), Erfolgsfaktoren im Management (21.), Unternehmenswachstum (22.), Krisenbewusstem Management (23.) und Existenzgründung (24.), • in Abschnitt G geht es um die Grundlagen der Wirtschaftsstatistik (25.) und die Grundlagen der Informationswirtschaft (26.), • und in Abschnitt H schließlich geht es um Spezielle Betriebswirtschaften in Form der Internationalen Betriebswirtschaft (27.), der Betriebswirtschaft der Dienstleistungen (28.), der Betriebswirtschaft des Handels (29.) und der Ökologischen Betriebswirtschaft (30.).

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Abgerundet wird dieser Band durch eine Anleitung zu wissenschaftlichen Lern- und Arbeitstechniken sowie zahlreichen Übungsaufgaben zu jedem Kapitel mit ausführlichen Lösungshinweisen. Zu jedem Kapitel gibt es zu Beginn eine ausführliche Gliederung sowie am Ende weiterführende Literaturempfehlungen für die Vertiefung.

Literaturhinweise Bea, Franz Xaver / Helm, Roland / Schweitzer, Marcell: BWL-Lexikon, Stuttgart 2009 Bea, Franz Xaver / Schweitzer, Marcell (Hrsg.): Allgemeine Betriebswirtschaftslehre, 10. Auf­ lage, Stuttgart 2009 Busse von Colbe, Walther / Coenenberg, Adolf G./Kajüter, Peter / Linnhoff, Ulrich / Pellens, Bernhard (Hrsg.): Betriebswirtschaftslehre für Führungskräfte, 4. Auflage, Stuttgart 2011 Dillerup, Ralf / Stoi, Roman: Unternehmensführung, 4. Auflage, München 2013 Hahn, Dietger / Taylor, Bernard (Hrsg.): Strategische Unternehmensplanung – Strategische Unternehmensführung, 9. Auflage, Berlin 2005 Hopfenbeck, Waldemar: Allgemeine Betriebswirtschafts- und Managementlehre, 14. Auflage, Landsberg 2002 Hutzschenreuter, Thomas: Allgemeine Betriebswirtschaftslehre, 5. Auflage, Berlin / Heidelberg 2013 Jung, Hans: Allgemeine Betriebswirtschaftslehre, 13. Auflage, München / Wien 2015 Lechner, Karl / Egger, Anton / Schauer, Reinbert: Einführung in die Allgemeine Betriebswirtschaftslehre, 25. Auflage, Wien 2010 Oehlrich, Marcus / Dahmen, Andreas: Betriebswirtschaftslehre, 3. Auflage, München 2013 Olfert, Klaus / Rahn, Horst-Joachim: Einführung in die Betriebswirtschaftslehre, 11. Auflage, Herne 2013 –– Lexikon der Betriebswirtschaftslehre, 7. Auflage, Ludwigshafen 2011 Paul, Joachim: Praxisorientierte Einführung in die Allgemeine Betriebswirtschaftslehre, 3. Auflage, Wiesbaden 2015 Peters, Sönke / Brühl, Rolf / Stelling, Johannes N.: Betriebswirtschaftslehre, 12.  Auflage, Mün­ chen / Wien 2005 Schierenbeck, Henner / Wöhle, Claudia B.: Grundzüge der Betriebswirtschaftslehre, 18. Auflage, München / Wien 2012 Schmalen, Helmut / Pechtl, Hans: Grundlagen und Probleme der Betriebswirtschaft, 15. Auflage, Stuttgart 2013 Schneck, Ottmar: Lexikon der Betriebswirtschaftslehre, 8. Auflage, München 2011

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Schweitzer, Marcell / Baumeister, Alexander: Allgemeine Betriebswirtschaftslehre, 11. Auflage, Berlin 2015 Thommen, Jean-Paul / Achleitner, Ann-Kristin: Allgemeine Betriebswirtschaftslehre, 7. Auflage, Wiesbaden 2012 Töpfer, Armin: Betriebswirtschaftslehre, 2. Auflage, Berlin 2007 Vahs, Dietmar / Schäfer-Kunz, Jan: Einführung in die Betriebswirtschaftslehre, 7. Auflage, Stuttgart 2015 Weber, Wolfgang / Kabst, Rüdiger: Einführung in die Betriebswirtschaftslehre, 8. Auflage, Wiesbaden 2012 Wöhe, Günter / Döring, Ulrich: Einführung in die Allgemeine Betriebswirtschaftslehre, 25. Auflage, München 2013

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II. Teil

A. Die Prinzipien der Betriebswirtschaft 1. Systematik der BWL In diesem Kapitel werden folgende Inhalte behandelt und geklärt: • der Wissenschaftsrahmen der BWL, • die Wirtschaftseinheiten als Akteure darin, • das Wirtschaften als Kern der Betriebswirtschaft, • die Unternehmensverfassung als deren Rahmen, • die Verantwortung der Unternehmung, • die Ziele der Unternehmung, • die Entscheidungen der Unternehmung. 1.1 Wissenschaftsrahmen der BWL Innerhalb der BWL sind drei Einteilungen zur Strukturierung gängig (siehe Abb. A1):

Abbildung A1: Strukturierung der BWL (eig. Abb.)

• die institutionelle Gliederung unterscheidet in die allgemeine BWL und spe­ zielle BWL’en. Die Allgemeine BWL (A-BWL) untersucht Sachverhalte, die für alle betrieblichen und haushälterischen Wirtschaftseinheiten überwiegend zutreffen. Dabei handelt es sich um konstitutive Faktoren, die eine Wirtschaftseinheit erst ausmachen. Spezielle BWL’en betrachten demgegenüber nur Sach-

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A. Die Prinzipien der Betriebswirtschaft

verhalte, die für bestimmte Wirtschaftssektoren zutreffen, wie Industrie, Handel, Banken, Tourismus etc. • die funktionelle Gliederung unterscheidet in verschiedene betriebswirtschaftliche Funktionen, wie Beschaffung, Produktion, Absatz, Finanzierung, Personal, Rechnungswesen etc. Dort werden dann die jeweiligen strategischen und operativen Sachverhalte analysiert, erläutert und geklärt. • die genetische Gliederung macht am Lebenszyklus einer Unternehmung fest. Dabei sind mindestens die Phasen Gründung, Wachstum, Entwicklung und Krise zu unterscheiden, in denen jeweils spezifische Anforderungen an betriebliches Handeln gestellt werden. Im Verlauf der Zeit entstanden verschiedene Forschungsrichtungen in der BWL, von denen einige wichtige hier vorgestellt werden (siehe Abb. A2):

Abbildung A2: Betriebswirtschaftliche Forschungsrichtungen (eig. Abb.)

• Der faktortheoretische Ansatz stammt von Erich Gutenberg. Er sieht die Gewinnmaximierung als oberste Maxime und strebt auf quantitativ-methodischer Basis eine optimale Kombination der Produktionsfaktoren Betriebsmittel, Werkstoffe und exekutive Arbeit (Elementarfaktoren) sowie dispositive Arbeit an, die dabei zugleich einer kostenminimalen Kombination entspricht. Im Vordergrund steht hier die methodengestützte Optimierung von Input und Output des Betriebs. • Der entscheidungsorientierte Ansatz stammt von Edmund Heinen. Er strebt an, Erkenntnisse für optimale Entscheidungen, vor allem in Bezug auf Produktion, Finanzierung, Investition, zu liefern. Dabei wirken immer Zielkonflikte

1. Systematik der BWL

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und Unsicherheiten (Informationsdefizite) ein, die durch quantitative, meist unternehmensrechnungsbasierte Modelle (OR) optimiert werden können. • Der systemtheoretische Ansatz von Hans Ulrich strebt die Gestaltung von „zukünftigen betrieblichen Wirklichkeiten“ an und bedient sich dabei der Steuerungs- und Regelungslehre der Kybernetik. Dazu werden simultan ökonomische, verhaltenswissenschaftliche und technologische Aspekte einbezogen. Diese Aspekte werden hierarchisch in solche normativer, strategischer und operativer Art eingeteilt. • Der verhaltensorientierte Ansatz bezieht psychologische und soziologische Erkenntnisse ein, um der häufigen Irrationalität menschlichen Handelns gerecht zu werden. Von Kritikern wird zuweilen die Kompetenz der BWL zum Einbezug dieser Wissenschaften bezweifelt (Dilettantismus-Vorwurf). Dieser Ansatz ist jedoch vor allem in Marketing, Personal und Organisation dominant und zwischenzeitlich auch unstrittig. • Der umweltorientierte Ansatz stellt die Nachhaltigkeit wirtschaftlichen Handelns in den Vordergrund. Dabei geht es um die Einbeziehung ökologischer Anforderungen in die traditionelle BWL oder weiter gefasst um den Primat der Ökologie bei ökonomischen Fragestellungen. Diese Sichtweise ist von zentraler Bedeutung für die Zukunftsfähigkeit von Unternehmen, aber auch der Gesellschaft. • Der institutionenökonomische Ansatz (Coase / Williamson) geht der vordergründig einfachen Frage nach, warum es überhaupt Unternehmen gibt. Im Mittelpunkt stehen dabei Informationsasymmetrien zwischen Marktpartnern, die Verträge mit wirtschaftlicher Relevanz abschließen. Der Partner mit der besseren Informationsbasis neigt dazu, dies zulasten des anderen auszunutzen (Opportunistisches Verhalten). Zur Aufklärung dieser Situation dienen drei An­sätze. Der Property Rights-Ansatz betrachtet den Tausch von Verfügungsrechten in solchen Verträgen und die daraus folgenden Handlungskonsequenzen. Der Transaktionskosten-Ansatz betrachtet die Kosten, die mit einem Übertrag von Verfügungsrechten verbunden sind (Such-, Verhandlungs-, Prüf-, Abwicklungs-, Reklamationsaufwand). Und der Principal Agent-Ansatz betrachtet die Beziehungen zwischen Auftraggeber (Principal) und Auftragnehmer (Agent). Dabei geht es vor allem um die Anreizkompatibilität der Verträge. • Der ressourcenorientierte Ansatz (Penrose) geht von einem Wettbewerb um den Aufbau von Kompetenzen aus, die eine Palette noch unbekannter, zukünftiger Kernprodukte ermöglichen. Die Unternehmung ist damit primär Speicher und Bündel heterogener, spezifischer Ressourcen (vor allem auch Wissen), die als Erfolgstreiber wirken. Somit geht es um die Identifizierung, Entwicklung, Integrierung und Nutzung solcher Kompetenzen. Sind diese Fähigkeiten dauerhaft ausgelegt, schwer angreifbar, auf andere Leistungen transferierbar und bleiben von außen weitgehend verborgen, handelt es sich um Kernkompetenzen. Die Unternehmensführung ist damit offensiv und langfristig ausgerichtet.

A. Die Prinzipien der Betriebswirtschaft

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Durch Transfer entstehen neue Produkte und Märkte (Inside-out). Der Ansatz basiert auf dem Resource-Conduct-Performance-Paradigma. • Der marktorientierte Ansatz (Porter) geht vom Wettbewerb zwischen aktuellen Anbietern an einem Markt, substitutiven, komplementären und potenziellen Anbietern sowie Machtbeziehungen zu Lieferanten und Abnehmern aus. Unternehmen verfügen dabei über ein Portfolio von Produkt-Markt-Kombinationen (SGE’s), das durch Gestaltung i. S. e. Gewinn-Gefahren-Ausgleichs optimiert werden kann. Als Instrumente im Wettbewerb ergeben sich dafür Kosten-, Differenzierungs- und Spezialisierungsvorteile bei Unternehmen. Diese sind zeitlich befristet, erodierbar, von der Unternehmung nutzbar und im Markt wahrnehmbar. Die Unternehmensführung ist tendenziell defensiv ausgerichtet und auf Aufbau bzw. Verteidigung bestehender Geschäftsfelder und Anpassung an die Wettbewerbskräfte gerichtet (Outside-in). Alle Anbieter verfügen über eine vergleichbare Ressourcenausstattung, die Ressourcen sind mobil und es werden rationale Entscheide getroffen. Der Ansatz basiert auf den Industrial Economics mit ihrem Structure-Conduct-Performance-Paradigma. 1.2 Wirtschaftseinheiten als Akteure 1.2.1 Haushalt

Die BWL kennt verschiedene Wirtschaftseinheiten, insb. Haushalte, Betriebe und Unternehmen (siehe Abb. A3). Haushalte produzieren Güter und Dienste

Abbildung A3: Wirtschaftseinheiten in der Betriebswirtschaft (eig. Abb.)

1. Systematik der BWL

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zum Zwecke der eigenen Bedarfsdeckung. Sie sind somit konsumorientiert. Es gibt private Haushalte verschiedener Zusammensetzung wie Einpersonen- oder Mehrpersonenhaushalte, die Gebrauchs- und Verbrauchsprodukte nachfragen. Des Weiteren sind hybride Haushaltsformen verbreitet, etwa als Vereine, Verbände und Anstalten. Auch dort werden Güter ge- und verbraucht. Außerdem gibt es die öffentlichen Haushalte des Bundes, der Länder und der Gemeinden (Staat), die ganz erhebliche Teile der gesamtwirtschaftlichen Leistung in Anspruch nehmen. Haushalte dienen allgemein der Maximierung des Nutzens der Individuen, die ihnen zugehören. 1.2.2 Betrieb

Betriebe produzieren Güter und Dienste zum Zwecke der fremden Bedarfsdeckung durch planvoll organisierte Kombination der Produktionsfaktoren Betriebsmittel, Werkstoffe und exekutive wie dispositive Arbeit. Sie sind gekennzeichnet durch die Prinzipien der Wirtschaftlichkeit als Rationalität und des Finanzgleichgewichts als Ausgaben-Einnahmen-Saldo. Nach dem Eigentum gibt es private Betriebe und öffentliche Betriebe. Besondere Kennzeichen privater Betriebe sind das Privateigentum an den Produktionsfaktoren, die Autonomie in der Entscheidung und die Gewinnerzielungsabsicht. Besondere Kennzeichen öffentlicher Betriebe sind das Gemeineigentum an den Produktionsfaktoren, das Organprinzip zur Mitsprache staatlicher Stellen und die Gemeinnutzorientierung. Öffentliche Betriebe befinden sich ganz oder teilweise im Eigentum des Staates, also Bund, Länder, Gemeinden, und finden sich z. B. in Bereichen wie Versorgung, Entsorgung, Verkehr / ÖPNV, Kredit, Versicherung und Medien sowie in Kultur, Bildung, Erholung / Freizeit, Gesundheit / Pflege, Schutz / Sicherheit etc. Allerdings vollzieht sich dabei eine zunehmende Privatisierung dieser Betriebe im Zuge der Liberalisierung der Märkte, z. B. Flughafenbetrieb, Energieversorgung. Meist, jedoch nicht immer, geht damit eine Verbesserung der Marktleistung einher. Öffentliche Betriebe lassen sich vielfältig rubrizieren. Nach ihrem Status werden sie als Regiebetrieb der jeweiligen Gebietskörperschaft geführt, z. B. bei Abfallentsorgung oder Schlachthof, also organisatorisch unselbstständig und ohne eigene Rechtspersönlichkeit, oder als Eigenbetrieb mit kaufmännischer Betriebsführung, z. B. bei Museum oder Theater, also organisatorisch selbstständig, aber ohne eigene Rechtspersönlichkeit. Außerdem gibt es Anstalten des öffentlichen Rechts wie Rundfunkanstalten, Sparkassen, Landesbanken und öffentlich-rechtliche Körperschaften, z. B. die Ortskrankenkassen, sowie öffentliche Stiftungen, diese weisen eine eigene Rechtspersönlichkeit auf.

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A. Die Prinzipien der Betriebswirtschaft

Dabei handelt es sich im Regelfall um Non Profit-Organisationen / NPO’s. Bei diesen wird das Gewinnziel durch das Bedarfsdeckungsziel ersetzt. Ausprägungen sind im Einzelnen Gemeinwirtschaftliche NPO’s wie Öffentliche Verwaltungen, Krankenhäuser, Hochschulen, Museen, Theater, Bibliotheken etc., Wirtschaftliche NPO’s wie Berufsverbände, Organisationen etc., Soziokulturelle NPO’s wie Vereine, Zirkel etc., Politische NPO’s wie Parteien, Natur-, Heimat-, Umweltschutzinitiativen etc. und Karitative NPO’s wie Hilfegruppen für Behinderte, Geschädigte, Süchtige, Arme, Benachteiligte etc. Nach der Güterart, die durch Betriebe allgemein bereitgestellt wird, kann in Sachleistungs- und Dienstleistungsbetriebe unterteilt werden, wobei die meisten Betriebe dem Markt beide Leistungsarten in mehr oder minder großem Anteil zur Verfügung stellen. Erstere sind im primären gesamtwirtschaftlichen Sektor mit Anbau- und Abbauwaren als Gewinnungsbetriebe tätig und im sekundären Sektor für Industrie, Veredlung, Aufbereitung, Fertigung als Verarbeitungsbetriebe. Letztere sind im tertiären Sektor tätig und machen rund 2/3 des Bruttoinlandsprodukts aus, d. h. der Summe aller im Inland von Inländern und Ausländern erzeugten Waren und Dienste / BIP. Dazu gehören z. B. Betriebe des Handels, der Banken, der Versicherungen etc. Am Anteil der Dienstleistungen am BIP kann man geradezu den Entwicklungsstand einer Volkswirtschaft ablesen. Dienstleistungen sind dabei durch drei Kriterien gekennzeichnet: • Die Zweistufigkeit der Produktion besagt, dass Dienstleistungen zunächst durch Kombination der internen Produktionsfaktoren anbieterseitig zum Verkauf bereitgestellt werden. Danach erst erfolgt durch Einbringung des nachfragerseitigen Externen Faktors die marktwirksame Endkombination. • Die Immaterialität der Dienstleistung besagt, dass Dienstleistungen nicht lager- und nur begrenzt transportfähig sind. Sie müssen im Moment der Produktion konsumiert werden (Uno actu) und sind dabei zu wesentlichen Teilen nicht physisch fassbar (intangibel). Jedoch sind sie ggf. vorreservierbar. • Die Individualität der Dienstleistung besagt, dass jede Dienstleistung, da sie des Nachfragers als Co-Produzenten bedarf, so individuell ist wie dieser und daher kaum eine Dienstleistung der nächsten gleicht, weshalb Standardisierungsvorteile aus Größeneffekten nur eingeschränkt nutzbar sind.

1.2.3 Unternehmung

Die Unternehmung ist der formale, vor allem rechtliche und finanzielle Mantel eines privaten Betriebs. Sie ist ein produktives soziales System, dessen Zweck es ist, den Ansprüchen verschiedener Anspruchsgruppen gerecht zu werden. Oberziele der Unternehmung sind ihre Existenzsicherung, die Gewinnerzielung, der

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optimale Ressourceneinsatz und ein qualitatives bzw. quantitatives Wachstum. Dabei müssen die Prozesse durch unternehmerische Entscheidungen an erratisch sich verändernde Umfeldbedingungen immer wieder angepasst werden. Nach der Größe handelt es sich dabei um Groß-, Mittel- oder Kleinunternehmen. Fraglich ist jedoch, woran der Begriff „Größe“ festgemacht werden soll, denkbar sind etwa Umsatz (< 32 Mio. €), Mitarbeiterzahl (< 250 Personen) oder Bilanzsumme (< 16 Mio. €, Angaben jeweils nach § 267 HGB) für KMU’s. Je nach Kriterium (Industrie- und Handelskammertag / DIHT, Bundesministerium für Wirtschaft / BMWi) machen die ca. 98 % aller deutschen Unternehmen als Klein- und Mittelunternehmen (KMU’s) ca. 50 % der gesamtwirtschaftlichen Wertschöpfung (BIP) aus, andererseits aber die ca. 2 % aller anderen Unternehmen als Großunternehmen die restlichen 50 %. In den 98 % der KMU’s arbeiten zugleich 42 % der Beschäftigten, in den 2 % der Großunternehmen demnach aber 58 % der Beschäftigten. Insofern ist fraglich, welcher der beiden Gruppen die höhere gesamtwirtschaftliche Bedeutung zukommt. Nach dem Geschäftsgebiet werden nationale und internationale Unternehmen unterschieden. Internationale Unternehmen sind grenzüberschreitend tätig. Für die Abgrenzung werden verschiedene Kriterien zugrunde gelegt. Denkbar sind etwa der Anteil des im Ausland erwirtschafteten Umsatzes am Gesamtumsatz, der Anteil der im Ausland Beschäftigten an allen Mitarbeitern oder der Anteil der von Ausländern gehaltenen Eigentumsanteile am Eigenkapital. Je nachdem, welches Kriterium man anlegt, kann ein und dasselbe Unternehmung durchaus als national oder international gelten. Insofern sind die Übergänge fließend. Nach der Inputstruktur handelt es sich um personalintensive Unternehmen mit hohem Lohnkostenanteil, um anlagenintensive mit hohem Betriebsmittelanteil, um materialintensive mit hohem Rohstoffeinsatzanteil, um energieintensive mit hohem Ressourcenverbrauch oder informationsintensive mit hohem Datenanteil. Personal, Anlagen und Informationstechnologie haben überwiegend Fixkostencharakter, so dass daraus eine gewisse wirtschaftliche Inflexibilität folgt, Material und Energie haben überwiegend variablen Kostencharakter, so dass eine flexible Anpassung möglich wird. Dies ist vor allem bei Rückgang der Beschäftigung relevant, da Fixkosten aufgrund ihrer Remanenz nicht oder zumindest nicht kurzfristig abbaubar bleiben, sofern diese ungedeckten Fixkosten (Leerkosten) jedoch zahlungsflusswirksam (pagatorisch) sind, daraus Illiquidität entstehen kann. Nach der Personenidentität von Management und Eigentümerschaft gibt es eigentümergeführte Unternehmen, bei denen die Eigentümer alle zentralen betrieblichen Führungsfunktionen selbst ausüben. Managergeführte Unternehmen sind hingegen solche, bei denen die zentralen Führungsfunktionen an Angestellte übertragen werden, die selbst nicht oder nur unwesentlich an der Unternehmung beteiligt sind. Dadurch kommt es zu einem Auseinanderfallen von Risikoüber-

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A. Die Prinzipien der Betriebswirtschaft

nahme beim Eigenkapitalgeber und Leitung beim Management. Insofern ist eine Transparenz seitens des Managements über Chancen und Risiken einer Unternehmung gegenüber den Anteilseignern, aber auch anderen Interessengruppen unerlässlich. 1.3 Wirtschaften als Kern der BWL Wirtschaften bedeutet allgemein den planvollen Einsatz knapper Ressourcen für einen gewünschten Güterzweck. Güter können dabei nach verschiedenen Art eingeteilt werden (siehe Abb. A4):

Abbildung A4: Gütereinteilung (eig. Abb.)

• Freie Güter sind unbegrenzt verfügbar und damit nicht Gegenstand der BWL (z. B. Luft). Knappe Güter sind nur begrenzt vorhanden, über ihren Einsatz muss daher planvoll entschieden werden. Um sie dreht sich die BWL. Knappe Güter sind Sachgüter, Dienstleistungen oder Rechte. Freie Güter mutieren dabei zunehmend zu knappen Gütern (z. B. Sand). • Materielle Güter sind körperlich anfassbar (tangibel) wie Betriebsmittel, Werkstoffe etc. Immaterielle Güter sind nicht anfassbar (intangibel) wie Dienste, Rechte, Forderungen etc. Dieser Bereich gewinnt zunehmend an Bedeutung. Materielle Güter können abnutzbar oder nicht-abnutzbar sein. Abnutzbare Güter sind beweglich wie Maschinen, Fahrzeuge etc. oder unbeweglich wie Gebäude, landwirtschaftliche Flächen etc. • Realgüter haben einen objektiven, originären Wert, Nominalgüter sind nur zugewiesene Verfügungsrechte für diese Realgüter als Geld oder Anrechte auf

1. Systematik der BWL

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Geld. Die wirtschaftliche Entwicklung ist durch ein Auseinanderdriften beider Größen gekennzeichnet (Dominanz der Geldwirtschaft). • Inputgüter sind betriebliche Einsatzstoffe wie Arbeit, Maschinen, Materialien etc. Outputgüter sind Ergebnisse des betrieblichen Transformationsprozesses von Eigenleistung in Kombination mit dem Input vorgelagerter Wertschöpfungsstufen. Sie werden allgemein Produkte genannt. • Produktionsgüter erlauben als Potenzialfaktoren den mehrfachen Ge- / Verbrauch als Betriebsmittel wie z. B. Anlagen, Grundstücke. Konsumtionsgüter als Werkstoffe wie Roh-, Hilfs- und Betriebsstoffe verzehren sich bei ihrem Ge- / Verbrauch als Repetierfaktoren und gehen danach wirtschaftlich unter. Dazu gehört auch die Nutzung von Gütern. Betriebliche Leistungen in Form von Gütern verschiedener Art entstehen durch die Bereitstellung von Einsatzstoffen als Inputfaktoren. Diese werden einem planmäßigen Umwandlungsprozess unterworfen, dem sog. Throughput. Daraus entstehen wiederum andere, marktfähige Güter und Dienste als Output. Die Basis dieser Aktivitäten bildet ein zielgerichteter Transformationsprozess mit messbarer Eingabe und messbarer Ausgabe. Als Input stehen die Produktionsfaktoren zur Verfügung (siehe Abb. A5): • Werkstoffe sind Roh-, Hilfs- und Betriebsstoffe, Halbfabrikate und Teile. Rohstoffe gehen als wesentlicher Bestandteil in zu erzeugende Produkte ein, Hilfsstoffe gehen als unwesentliche Bestandteile darin ein. Betriebsstoffe gehen nicht in ein Produkt ein, sind aber für dessen Erzeugungsprozess erforderlich.

Abbildung A5: Betriebswirtschaftliche Produktionsfaktoren (eig. Abb.)

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A. Die Prinzipien der Betriebswirtschaft

• Betriebsmittel sind Grundstücke und Gebäude, Maschinen und maschinelle Anlagen sowie innerbetriebliche Transport- und Lagereinrichtungen, Ver- und Entsorgungsanlagen, Werkzeuge / Vorrichtungen, Büro- und Geschäftsausstattung, Mess- und Prüfmittel, Computer etc. Sie stehen dem Transformationsprozess auf Dauer zur Verfügung und sind zu dessen Erhalt erforderlich. • Exekutive Arbeit steht in unmittelbarem wertschöpfenden Zusammenhang mit der Leistungserstellung, man spricht von primären Aktivitäten. Exekutive menschliche Arbeit wird allerdings zunehmend durch maschinelle Anlagen im Zuge arbeitssparenden technischen Fortschritts substituiert. Dies hängt vor allem mit den so gesehenen Kosten und Unwägbarkeiten des Faktors Arbeit zusammen. • Dispositive Arbeit betrifft die Administration und Koordination der Elementarfaktoren. Originäre Disposition ist von grundlegender Bedeutung für den Bestand der Unternehmung und umfasst Planung, Organisation, Kontrolle, derivative Disposition als Durchsetzung dient dem Management originär-dis­ positiver Entscheidungen, man spricht bei beiden von sekundären, unterstützenden Aktivitäten. Die Differenz zwischen dem erwirtschafteten Erlös einer Leistung am Markt und dem Wert dafür zugekaufter Güter und Vorleistungen steht zur Verteilung an die am Leistungsprozess Beteiligten zur Verfügung. Diese Differenz ist die Wertschöpfung, die zur Abdeckung der Eigenleistung im Transformationsprozess und eines letztlich als gewünscht verbleibenden Gewinns dient. Die Bruttowertschöpfung entsteht dabei vor, die Nettowertschöpfung nach Abzug von materiellen und immateriellen Abschreibungen zum Ausgleich von zeit- oder leistungsbedingten Wertminderungen. Zu unterscheiden davon ist die Fertigungstiefe, die den Anteil der Eigenleistung an der Gesamtleistung einer Transformation, ohne Gewinn, angibt. Die Fertigungstiefe ist hoch, wenn anteilig viel Eigenleistung in den Transformationsprozess einfließt, dies bedeutet im Umkehrschluss, dass zugleich anteilig wenig Fremdleistung eingeflossen ist. Der Trend geht eindeutig in Richtung niedriger Fertigungstiefe, also großen Zukaufvolumens von Fremdleistungen. Dies resultiert aus der Konzentration auf die jeweilige unternehmerische Kernkompetenz (siehe Abb. A6). 1.4 Unternehmensverfassung als Rahmen Die Unternehmensverfassung stellt die Grundordnung der unternehmerischen Eigentums-, Leitungs- und Kontrollrechte auf Basis der geltenden Rechtsordnung dar und manifestiert sich in Satzungen, Geschäftsordnungen o. Ä. Sie wird durch die Corporate Governance operationalisiert. Corporate Governance ist die Gesamtheit der auf die Interessen der Eigentümer ausgerichteten Grundsätze zur Unternehmensführung, vor allem die Organisation und Kontrolle der obersten

1. Systematik der BWL

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Abbildung A6: Begriffe Wertschöpfung, Gewinn, Fertigungstiefe (eig. Abb.)

Führungsorgane betreffend. Sie regelt die Grundrechte und -pflichten von Anteilseignern, Managern und Arbeitnehmern und fördert dadurch die Unternehmensziele. Die gesetzlichen Gestaltungsmöglichkeiten lassen eine individuelle Ausformung der Unternehmensverfassung zu. Im Kern wird dadurch der Zugang der verschiedenen Anspruchsgruppen zu den Leitungs- und Aufsichtsorganen der Unternehmung sowie deren Einflussnahme geregelt und in Strukturen implementiert. Die Betriebsverfassung regelt speziell soziale und personelle Belange in Betrieben ab fünf Beschäftigten. Daraus entsteht jedoch noch kein unmittelbarer Einfluss auf die Unternehmensführung. Wesentliche Elemente der Corporate Governance sind die Organisation in Bezug auf Management, Unternehmensstruktur, Gehaltssystem Leitender Angestellte, Dokumentation etc. und die Kontrolle in Bezug auf den Umgang mit Stakeholdern, Unternehmenstransparenz, Risikomanagement, Innenrevision etc. Gesetzliche Regelungen zur Corporate Governance finden sich zwischenzeitlich zahlreich. So hat der Vorstand einer AG ein Risikoüberwachungssystem zu implementieren und in einem Risikobericht im Rahmen des Jahresabschlusses Einblick in die spezifische Risikosituation zu geben. Auch müssen die Bezüge der einzelnen Vorstandsmitglieder börsennotierter AG’s veröffentlicht werden. Aufsichtsräte müssen mindestens zweimal jährlich ihrer Aufsichtsfunktion in der AG durch Ratssitzungen nachkommen. Die Zahl der Aufsichtsratsmandate ist je Person auf zehn begrenzt (Aufsichtsratsvorsitz zählt doppelt). Börsenrelevante Informationen sind unverzüglich in Ad hoc-Mitteilungen zu publizieren. Geschäfte der Vorstände und Aufsichtsräte mit Aktien der eigenen Unternehmung sind dem Bundesaufsichtsamt für Finanzdienstleistungen (BaFin) zu melden. Dafür bestehen erweiterte Offenlegungspflichten. Abschlussprüfer dürfen zur Vermeidung von Interessenkonflikten zugleich keine Beratungsleistungen für testierte Unternehmen erbringen, wie das früher bei Wirtschaftsprüfungsgesellschaften üblich

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A. Die Prinzipien der Betriebswirtschaft

war. Der Umsatzanteil eines Mandanten darf dabei 15 % nicht übersteigen, um eine wirtschaftliche Abhängigkeit zu vermeiden, die zu „Gefälligkeitstestaten“ führen könnte. Diese Bestimmungen entstammen dem Gesetz zur Kontrolle und Transparenz im Unternehmensbereich (KontraG) und dem Transparenz- und Publizitätsgesetz (TransPuG). Hinzu kommen freiwillige Bestimmungen, die in einem Verhaltenskodex empfohlen werden (Deutscher Corporate Governance-Kodex) sowie unternehmensindividuelle, darüber hinaus gehende Regelungen. Die Berechtigung dieser Regelungen leitet sich aus den vielfachen Fehlentwicklungen in Unternehmungen ab (Enron, Worldcom, Lehman Brothers etc.). Im angelsächsischen Board-System können Board Members bei Missachtung oder Schlechterfüllung ihrer Aufgaben von Anteilseignern oder Aufsichtsbehörden persönlich zur Rechenschaft gezogen werden. Dies ist im deutschen Recht nur begrenzt möglich, etwa bei Insidergeschäften, also wenn Mitarbeiter einer Unternehmung ihren Informationsvorsprung aus internen Quellen nutzen, um sich Gewinne am Kapitalmarkt zu verschaffen oder Verluste zu vermeiden, bevor negative (durch Verkauf) oder positive Nachrichten (durch Kauf) nach außen dringen. Eine Manipulation ist auch durch Bewertungen von Rating-Agenturen (S&P, Moody’s, Fitch) möglich. Rating-Agenturen bewerten die Bonität vornehmlich von kapitalmarktnotierten Unternehmen anhand von Kriterien und Levels und nehmen so Einfluss sowohl auf den Börsenkurs als auch auf die Konditionen, zu denen die bewerteten Unternehmen Fremdkapital aufnehmen können. Die Aussagefähigkeit dieser Ratings wird neuerdings vermehrt in Zweifel gezogen (Anlass: Subprime-Krise), zumal die zu auditierenden Unternehmen ihren Auditor für sein Rating bezahlen. 1.5 Verantwortung der Unternehmung 1.5.1 Nachhaltigkeit der Geschäftstätigkeit

Die Nachhaltigkeit betrieblicher Tätigkeit rückt immer stärker in den Mittelpunkt. Zentral geht es dabei um die Verhinderung und Begrenzung von Risiken bei Störfällen (z. B. RWE-Münsterland: Stromausfall infolge Schneelast auf Überlandmasten, Shell Brent Spar: beabsichtigte Entsorgung einer Ölförderplattform in der Nordsee) sowie die Erhaltung und Schonung knapper, nicht-regenerativer Ressourcen, vor allem bei energetischen Reserven. Übergreifendes Ziel ist die Vermeidung von Abfall mit Priorität vor der Verwendung, der Verwertung und der Beseitigung. Die dabei anfallenden Kosten sollen nicht externalisiert, also auf die Allgemeinheit verlagert, sondern nach dem Verursacherprinzip intern getragen werden. Das bedeutet, dass der Produktverantwortliche auch für die Folgen seines Handelns aufkommt.

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Umweltmanagementsysteme regeln die Verantwortlichkeiten, Prozesse und Voraussetzungen für Nachhaltigkeit detailliert. Die Grundprinzipien des Ökologiemanagements sind in der Norm ISO 14001:2015 niedergelegt: • Eigenverantwortung: Unternehmen und Organisationen soll zur Selbstkontrol­ le ein Managementinstrument zur Verfügung gestellt werden, mit dem es möglich ist, sowohl ökologische als auch ökonomische Ziele zu erreichen. • Führungsverantwortung: Unternehmensleitungen sollen von sich aus ihre Verantwortung für den Umweltschutz wahrnehmen und diesen zum integrierten Element der Unternehmenspolitik machen. Die Norm soll dazu dienen, die Wirksamkeit der Umsetzung einer selbst definierten Ökologiepolitik und konkreter Zielsetzungen beurteilen und glaubwürdig kommunizieren zu können. • Kontinuierlicher Verbesserungs-Prozess: Die Förderung des Umweltschutzes ist das übergeordnete Ziel eines Umweltmanagementsystems. Umweltbelastungen sollen im Einklang mit sozioökonomischen Erfordernissen vermieden werden. Dies setzt eine Analyse der Umweltwirkungen eigener Aktivitäten zur systematischen Bewertung und Überwachung von Risiken voraus. Dazu ist die Schaffung der notwendigen organisatorischen und personellen Voraussetzungen erforderlich, deren Wirksamkeit und Leistungsfähigkeit durch regelmäßige Audits überprüft wird. Damit soll eine dauerhafte Verbesserung der Umweltschutzleistung erreicht werden, deren Postulate offensiv nach innen und außen vertreten werden. Unternehmen, die diese Anforderungen erfüllen, können sich gemäß ISO 14001 extern zertifizieren lassen. Die Dokumentation erfolgt in Ökobilanzen, die mit Hilfe naturwissenschaftlich-technischer Methoden Energie- und Materialflüsse quantifizieren, sowie in Risikoanalysen, die Eintrittswahrscheinlichkeiten und Schadenpotenziale von Störereignissen erfassen. Im Ergebnis soll somit eine mehr als unvermeidliche Beeinträchtigung der Umwelt verhindert werden. Die betriebliche Umweltpolitik wird durch Geschäftsleitung, Umweltmanagement-Beauftragte/-Koordinatoren und Umweltbeauftragte verkörpert. Umwelt bezieht sich dabei nicht nur auf die natürliche Umwelt, etwa in Bezug auf Emissionen in die Natur oder Immissionen auf Menschen, sondern auch die technologische Umwelt, deren Stand der Technik für den Umweltschutz genutzt werden soll, die gesellschaftliche Umwelt in Bezug auf das Umweltbewusstsein in der Bevölkerung und die rechtliche Umwelt, also die Umweltschutzgesetzgebung. Die volle Einhaltung und strikte Anwendung der Umweltschutzrichtlinien wird durch turnusmäßige Systemprüfung, Leistungsbewertung und Rechtskonformitätsabgleich abgesichert, die typischerweise sowohl als Eigen-Review wie auch als Fremd-Review durchgeführt werden. Den dafür anfallenden Kosten stehen,

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von positiven externalen Effekten ganz abgesehen, erhebliche individuelle Nutzen gegenüber wie Risikominderung, Stärkung der Verhandlungsposition etc. So ist ein Umweltfokus auch abgesehen von unverzichtbaren sozialen und ethischen Aspekten betriebswirtschaftlich vorteilhaft. Gesamtwirtschaftlich entstehen vor allem die Vorteile der effizienten Nutzung endlicher Ressourcen sowie die Verringerung von Verschmutzungen verschiedener Art und Abfällen, die aufwändig zu entsorgen sind. Dabei stellt sich die Frage der Beziehung von ökologischen zu ökonomischen Zielen. Naheliegend ist es, einen Konflikt zwischen beiden zu unterstellen, der dann zugunsten eines Teilziels zu entscheiden wäre. Dabei werden ökologische Prinzipien nur insoweit berücksichtigt wie dies gesetzlich durch Gebote und Verbote vorgeschrieben ist. Hier wäre es dann Sache des Staates, durch Rahmenbedingungen die Verwirklichung ökologischer Ziele zu sichern. Eine solche Defensivstrategie ist jedoch zu kurz gedacht. Wer mittel- und erst recht langfristig denkt, erkennt, dass damit entscheidende Erfolgspotenziale unternehmerisch ungenutzt bleiben. Dann kommt es vielmehr zu einer Harmonie zwischen Ökologie- und Ökonomiezielen. Forderungen gehen soweit, den ökologischen Zielen gegenüber den ökonomischen Priorität einzuräumen. Das Verhältnis beider Teilziele kehrte sich dann um, die ökonomischen Anforderungen sind nurmehr Rahmenbedingungen. Dies ist uneingeschränkt wünschenswert, inwieweit dies jedoch von erwerbswirtschaftlich gesteuerten Akteuren verlangt oder auch nur erwartet werden kann, ist fraglich, denn zweifellos erzielen Unternehmen, die ökologische Ziele hintanstellen gegenüber ökologisch verantwortungsbewusst handelnden Unternehmen kurzfristig Vorteile, dies gilt im übertragenen Sinne auch für den Wettbewerb unter Ländern. Länder, die ökonomische Ziele priorisieren, verschaffen sich damit einen individuellen Wettbewerbsvorteil vor solchen, die sich freiwillig ökologisch restringieren. Insofern lassen sich ökologische Belange nicht auf einzelwirtschaftlicher bzw. nationaler Basis durchsetzen, weil die Anreize kontraproduktiv sind. Vielmehr sind diese Ziele nur auf gesamtwirtschaftlicher und internationaler Basis durchsetzbar. Dass dazu die Notwendigkeit besteht, ist offensichtlich, frustrierend ist jedoch festzustellen, dass diese Erkenntnis aus kurzfristigen bzw. egoistischen Gründen unterlaufen wird und Akteure, die dies versuchen, damit auch immer wieder zulasten Aller durchkommen. Zu wesentlichen Teilen gibt es immer noch nur Lippenbekenntnisse, wenn es ernst wird, dominiert der Profit. 1.5.2 Corporate Citizenship

Nachhaltigkeit ist zentraler Bestandteil der Unternehmensethik, die Glaubwürdigkeit für die Unternehmung durch verantwortliches, proaktives und kommu-

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nikatives Handeln herstellen will. Dabei wird übergreifend die Anforderung der Corporate Citizenship gestellt, d. h., dass eine Unternehmung sich als „gutes“ Mitglied der jeweils standortansässigen Gesellschaft verhalten soll. Dabei treten starke Konflikte zu rein betriebswirtschaftlichen Interessen auf, die im Zeitalter des Shareholder Value von Managern bei der Umsetzung durchaus Zivilcourage erfordern. Nach dem Shareholder Value-Konzept (Rappaport) hat die Unternehmensleitung die Aufgabe, alle Entscheidungen unter der Maxime zu treffen, dass dadurch die Einkommens- und Vermögensverhältnisse der Eigenkapitalgeber verbessert werden. Es wird behauptet, dass dies zugleich auch allen anderen Beteiligten am Wirtschaftsgeschehen maximalen Nutzen stiftet. Dieses Konzept ist in neuerer Zeit starker Kritik unterworfen. Fehlentwicklungen wie Unternehmens- und Wirtschaftskrisen angesichts des Postulats des Shareholder Value scheinen dies zu unterlegen. Daher wird verstärkt ein alternatives Konzept vertreten, das des Stakeholder Value. Nach dem Stakeholder Value-Konzept (Freeman) hat die Unternehmensleitung hingegen die Aufgabe, ihre Entscheidungen so zu treffen, dass alle Interessengruppen in angemessener Weise von Unternehmenshandeln und -erfolg profitieren, nicht nur die Anteilseigner, sondern auch alle, die durch das Unternehmenshandeln in irgendeiner Weise tangiert sind, und das ist praktisch jeder. Stakeholder stellen Ansprüche an die Unternehmung und können Machtmittel zu deren Durchsetzung einsetzen. Das Problem besteht nunmehr darin, dass diese Interessen durchaus vielfach konflingent sind und die Gruppen vom Einsatz ihrer Macht egoistisch Gebrauch machen, wenn sie der Ansicht sind, dass ihren Interessen unternehmensseitig nicht angemessen nachgekommen wird. So legen kleine Arbeitnehmergruppen (Lokführer, Fluglotsen etc.) Großunternehmen lahm, um unverhältnismäßige Lohnerhöhungen durchzusetzen. Solche Forderungen und Machtmittel sind vielfältig, dazu einige Beispiele (siehe Abb. A7): • Mitarbeitende fordern z. B. leistungsgerechte Bezahlung und produktive Arbeitsatmosphäre. Ihre Machtmittel sind Gewerkschaftsunterstützung / Streik, Mobilisierung der Öffentlichkeit etc. • Kapitalgeber / Aktionäre fordern z. B. höhere Dividenden und Kurspflege der Aktien. Ihre Machtmittel sind Hauptversammlungsauftritt, Prüfung der Geschäftsbücher, Verkaufsorders etc. • Kreditoren fordern z. B. pünktliche Zins- und Tilgungszahlung und Bonitätssicherung. Ihre Machtmittel sind Rückforderung von Darlehen / Streichung von Kreditlinien, falls Zahlungen ausbleiben, Verweigerung zusätzlicher Kredite etc. • Kooperationspartner fordern z. B. Know-how-Einbringung und faire Ertragsverteilung. Ihre Machtmittel sind Blockade, Wechsel zu Marktgegnern, Parallelaktivitäten etc.

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Abbildung A7: Gruppen von Stakeholders (eig. Abb.)

• Gewerbliche Endabnehmer fordern z. B. faire Geschäftspraktiken und zuverlässige Leistungen. Ihre Machtmittel sind Abwanderung zur Konkurrenz, Boykott von nicht zufriedenstellenden Angeboten etc. • Lieferanten fordern z. B. regelmäßigen Auftragseingang und Verzicht auf den Einsatz von Nachfragemacht. Ihre Machtmittel sind Zurückweisung von Aufträgen bei unzumutbaren Vertragsbedingungen, bevorzugte Belieferung von Konkurrenten etc. • Absatzmittler fordern z. B. zeitgemäße Leistungen zu vernünftigen Preisen und Leistungen, die hohe Nachfrageakzeptanz aufweisen. Ihre Machtmittel sind Zuliefererwechsel bei schlechten Vertragsbedingungen, Boykott von nicht reagierenden Anbietern etc. • Private Endverbraucher fordern z. B. Schutz sozialer Werte und Risikominderung. Ihre Machtmittel sind Ausübung von Druck auf die Regierung, Sanktion gegenüber einzelnen Unternehmen etc. • Medien fordern z. B. bessere Informationsbereitstellung und mehr Kontrolle der Unternehmenstätigkeit. Ihre Machtmittel sind Veröffentlichungen, die das Publikum negativ beeinflussen können, Zurückweisung von Werbeeinschaltungen etc. • Konkurrenten fordern z. B. solide Marktstrategien und stärkere Branchensolidarität. Ihre Machtmittel sind Innovationen, die andere zum Nachziehen oder Aufgeben zwingen, Preisunterbietung etc.

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• Staatliche Stellen fordern z. B. bessere Steuermoral, wirtschaftliche Entwicklung, Beschäftigung ortsansässiger Arbeitnehmer, Rücksicht auf Umwelt und Infrastruktur. Ihre Machtmittel sind Regulierungen / Sanktionen, Vergabe / Einschränkung laufender Genehmigungen etc. • Verbände / Interessenvertretungen fordern z. B. nachhaltigere Unterstützung bei der Anpassung an veränderte Umfeldbedingungen und mehr Solidarität. Ihre Machtmittel sind Unterstützung sich wohlverhaltender Unternehmen, Veröffentlichungen etc. Jede Unternehmung hat dabei eine ethische Verantwortung der Gesellschaft (Soziales, Umwelt) gegenüber (CSR / Corporate Social Responsibility). Sie muss also allen Transaktionspartnern in seiner Leistung gerecht werden und dabei eine Balance zwischen der Verfolgung wirtschaftlicher und gesellschaftlicher Ziele halten. CSR ist damit ein Teilbereich der außengerichteten Corporate Citizen­ship. Corporate Governance hingegen zielt vorwiegend auf die Koordinierung und Kontrolle der obersten Führungsorgane einer Unternehmung ab, ist damit also vornehmlich nach innen gerichtet. Beide Aspekte ergänzen sich notwendigerweise. 1.6 Ziele der Unternehmung 1.6.1 Zentrale Zielinhalte

Ziele stellen allgemein gewünschte Zustände der Zukunft dar. An Ziele sind eine Reihe inhaltlicher Anforderungen zu stellen. Zu nennen sind etwa folgende: • Realisierbarkeit / Durchsetzbarkeit, Ordnung / Gewichtung, Konsistenz / Wider­ spruchsfreiheit, Vollständigkeit, Bestimmtheit und Transparenz / Ü berprüf­ barkeit. Meist werden diese zu SMART (englischsprachiges Akronym) verkürzt, also Einfachheit, Messbarkeit, Ambitioniertheit, Realitätsnähe, Zeitbasierung. Der Ablauf der Zielplanung kann wie folgt gesehen werden. In der Zielsuche geht es um die Bestimmung der „richtigen“ Ziele auf der Sach- und Formalebene. Die Zielselektion hebt auf die dabei verfolgten ökonomischen Prinzipien ab. Die Operationalisierung betrifft die einzelnen Zieldimensionen (siehe Abb. A8). Die Zielanalyse untersucht die horizontalen Zielbeziehungen als Identität, Komplementarität, Neutralität, Konkurrenz und Antinomie: • identisch bedeutet, zwei oder mehr Ziele sind deckungsgleich, • harmonisch bedeutet, die Erreichung eines Ziels hilft auch, andere zu erreichen, • neutral bedeutet, dass die Erreichung eines Ziels keinerlei Auswirkung auf die Erreichung anderer hat, • konkurrierend bedeutet, dass die Erreichung eines Ziels die Erreichung anderer beeinträchtigt,

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A. Die Prinzipien der Betriebswirtschaft

Abbildung A8: Dimensionen der Zielanalyse (eig. Abb.)

• antinomisch bedeutet, dass die Erreichung eines Ziels die Erreichung anderer ausschließt. Nach der Hierarchie kann es sich um Oberziele, Zwischenziele oder Unterziele handeln. Unterziele leiten sich aus Zwischenzielen ab, diese wiederum leiten sich aus Oberzielen ab. Nach der Priorität handelt es sich um Hauptziele, die im Fokus des Managements stehen, oder um Nebenziele, die als Randbedingungen gelten. Nach dem Zielausmaß kann eine Extremierung oder Satisfizierung angestrebt werden. Extremierung findet als Maximierung oder Minimierung statt. Sind dabei, wie regelmäßig gegeben, Nebenbedingungen einzuhalten, handelt es sich um eine Optimierung. Satisfizierung findet in einer zufriedenstellenden Zielerreichung ihren Ausdruck, meist indem Mindest- oder Höchstwerte (Zielkorridor) dafür angegeben werden. Nach dem Inhalt gibt es ökonomische (quantitative / ökoskopische) und nichtökonomische (qualitative) Ziele, letztere sind ersteren vorgelagert, d. h. im Kern geht es in erwerbswirtschaftlichen Organisationen um die Erreichung ökonomischer Ziele, nicht-ökonomische wie Image, Vertrauen, Reputation etc. sind dazu nach klassischer Sicht Mittel zum Zweck. Nach dem Geldbezug kann es sich um monetäre / materielle oder nicht-monetäre / ideelle Ziele handeln, erstere lassen sich in Geldeinheiten ausdrücken, letztere werden in anderen Größen als Geld ausgedrückt. Weitere Dimensionen betreffen das Zielgebiet (lokal, regional, national, international), den Zielzeitraum (operativ, taktisch, strategisch), die Zieleinheit, die für die Umsetzung verantwortlich ist, und die Zielperson, die Adressat von Maßnahmen sein soll. Als Unternehmensziele können vor allem folgende gelten: • Marktleistungsziele wie Produktqualität, Produktinnovation, Kundenservice, Programm etc.,

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• Marktstellungsziele wie Umsatz, Marktanteil, Marktgeltung, Markterschließung etc., • Rentabilitätsziele wie Gewinn, Umsatzrendite, Gesamtkapitalrendite, Eigenkapitalrendite etc., • Finanzwirtschaftsziele wie Kreditwürdigkeit, Liquidität, Selbstfinanzierung, Kapitalstruktur etc., • Macht- und Prestigeziele wie Unabhängigkeit, Image / Reputation, politischer Einfluss etc., • Mitarbeiterziele wie Einkommen, Arbeitsplatzsicherheit, Arbeitszufriedenheit, soziale Integration, persönliche Entwicklung etc., • Gesellschaftsziele wie Umweltschutz, nicht-kommerzielle Leistungen für Anspruchsgruppen,, Beiträge zur gesamtwirtschaftlichen Infrastruktur etc. 1.6.2 Zielarten

Sachziele beziehen sich auf das konkrete Handeln (Was) in der Betriebsführung und können Beschaffungs-, Produktions- und Vermarktungshandeln oder Finanz-, Kapital- und Vermögenshandeln betreffen. Sachziele unterteilen sich in Leistungs-, Erfolgs- und Finanzziele: • Leistungsziele richten sich auf Produktarten, Produktionsmengen, Qualitäten etc., • Erfolgsziele richten sich auf Umsatz, Kostenstruktur, Gewinn etc., • Finanzziele richten sich auf Kapitalstruktur, Unternehmenswert, Investitionsvolumen, etc. Hinzu kommen übergeordnete Managementziele zur Realisierung der genannten Leistungs-, Erfolgs- und Finanzziele, insb. soziale und ökologische Ziele. Formalziele betreffen die Erfolgsgrößen, auf die dieses Handeln ausgerichtet ist (Wie). Sie orientieren sich an betriebswirtschaftlichen Maximen wie Gewinn, Kosten, Rendite etc. Dabei handelt es sich in allgemeinster Form um das ökonomische Prinzip. Dieses gilt als • Maximumprinzip, d. h., es geht darum, mit gegebenem Mitteleinsatz als Input bzw. Aufwand einen maximalen Erfolg als Output bzw. Ertrag zu erzielen. • Minimumprinzip, d. h., es geht darum, einen gegebenen Erfolg als Output bzw. Ertrag mit minimalem Mitteleinsatz als Input bzw. Aufwand zu erzielen. • Satisfaktionsprinzip, d. h., es geht darum, mit einem gegebenen Input einen zufriedenstellenden Output zu realisieren, • Optimumprinzip, d. h., es soll ein bestmögliches Verhältnis zwischen Erfolg als Output und Mitteleinsatz als Input erreicht werden (siehe Abb. A9).

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A. Die Prinzipien der Betriebswirtschaft

Abbildung A9: Zielarten (eig. Abb.)

Dem ökonomischen Prinzip dienen im Einzelnen drei Maximen (siehe Abb. A10). Die Produktivität ist eine mengenbezogene, realwirtschaftliche Relation, welche die Ergiebigkeit von Einsatzfaktoren pro Zeiteinheit misst, teilweise bezogen auf die Teilproduktivitäten von Arbeit als Arbeitsproduktivität, Material als Materialproduktivität und Betriebsmitteln als Betriebsmittelproduktivität. Sie ergibt sich wie folgt: Produktivität =

mengenmäßiger Ausstoß mengenmäßiger Einsatz (Arbeit, Material, Betriebsmittel)

Die Wirtschaftlichkeit ist eine wertbezogene, finanzwirtschaftliche Relation, welche die der Produktivität zugrunde liegende Mengenrelation mit jeweiligen Marktpreisen bewertet. Wirtschaftlichkeit und Produktivität können durchaus

Abbildung A10: Ökonomische Prinzipien (eig. Abb.)

1. Systematik der BWL

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auch gegenläufig sein, etwa wenn Marktpreise sinken bzw. Einsatzfaktorkosten steigen. Sie ergibt sich wie folgt: Wirtschaftlichkeit =

wertmäßiger Ertrag (Outputeinheiten × Erlös je Einheit) wertmäßiger Aufwand (Outputeinheiten × ∙ Kosten je Einheit)

Die Rentabilität ist ein relatives Maß für die Umsetzung des erwerbswirtschaftlichen Prinzips, d. h., der Ertrag einer Aktivität in Relation zu ihrem Ressourceneinsatz, teilweise auch bezogen auf Teilrentabilitäten als Eigenkapital-, Gesamtkapital- oder Umsatzrentabilität. Sie ergibt sich wie folgt: Rentabilität =

wertmäßiger Ertrag wertmäßiger Ressourceneinsatz

Neben diesen drei Maximen ist ein zentraler Kennwert für das Überleben der Unternehmung die Liquidität. Sie kann als absoluter Wert, also Gegenwert aller liquidisierbaren Vermögensgegenstände, oder als relative Liquidität verschiedener Grade ausgewiesen werden: Liquidität 1. Grades =

Liquidität 2. Grades = Liquidität 3. Grades =

Zahlungsmittelbestand Kurzfristige Verbindlichkeiten Kurzfristiges Umlaufvermögen Kurzfristige Verbindlichkeiten Gesamtes Umlaufvermögen Kurzfristige Verbindlichkeiten

Die Verwirklichung dieser Ziele wird übergeordnet an den Größen Effizienz und Effektivität gemessen (siehe Abb. A11). Effizienz bedeutet dabei die Beziehung zwischen erbrachter Leistung und Ressourceneinsatz und repräsentiert damit die Leistungswirtschaftlichkeit der Unternehmung, oder anders ausgedrückt, ob „die Dinge richtig getan werden“. Effektivität bedeutet den Grad der Zielerreichung und damit die Leistungswirksamkeit der Unternehmung, oder anders ausgedrückt, ob „die richtigen Dinge getan werden“. Die Effizienz wird im Rahmen der Kontrolle abgesichert, die Effektivität im Rahmen des Prüfung (Auditing). Das ökonomische Prinzip ist zunehmend durch soziale bzw. humanitäre, den Arbeitnehmer als Menschen in den Mittelpunkt stellende, sowie nachhaltige bzw. ökologische Prinzipien zu ergänzen, welche die Belange der Umwelt in den Mit-

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Abbildung A11: Prinzipien des Wirtschaftens (eig. Abb.)

telpunkt stellen und somit als Restriktionen für unternehmerisches Handeln anzusehen sind. Da dabei einzelwirtschaftliche Nachteile hinzunehmen sind, muss sichergestellt werden, dass keine kontraproduktiven Anreize entstehen, indem alle externalen Effekte, vor allem die negativen, internalisiert werden. 1.7 Entscheidungen der Unternehmung 1.7.1 Anforderungen

Wirtschaften bedeutet immer Entscheiden über knappe Ressourcen. Dies setzt Wahlmöglichkeiten voraus, die praktisch auch regelmäßig gegeben sind. Entscheide orientieren sich dabei an den Zielsetzungen. Dabei soll jeweils diejenige Option ausgewählt werden, die der Zielerreichung am besten dient. Dazu sind zunächst Entscheidungskriterien zur Bewertung festzulegen. Dabei sollen mehrere Anforderungen an solche Entscheidungskriterien gegeben sein: • Vollständigkeit bedeutet, dass alle relevanten Kriterien auch tatsächlich berücksichtigt werden. • Signifikanz bedeutet, dass diese Kriterien aussagefähig für die der Bewertung zugrunde liegende Entscheidung sind. • Redundanzfreiheit bedeutet, dass jedes Kriterium einen anderen Aspekt des Entscheidungsproblems abbildet und keine Dopplungen auftreten. • Objektivität bedeutet, dass die Kriterien anhand personenunabhängiger Maßstäbe einheitlich bewertet werden können. • Relevanz bedeutet, dass die Kriterien für die beabsichtigte Entscheidung als bedeutsam angesehen werden. • Aktualität bedeutet, dass für die einzelnen Kriterien aktuelle Datengrundlagen zur Verfügung stehen.

1. Systematik der BWL

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Eine Entscheidung ist die bewusste Wahl zwischen Alternativen oder zwischen mehreren unterschiedlichen Optionen anhand bestimmter Kriterien und Präferenzen von einem oder mehreren Entscheidungsträgern. Ein rational begründeter Entscheid richtet sich nach bereits vorab abgesteckten Zielen oder Wertmaßstäben. Allerdings entstehen dabei auch Entscheidungsdefekte, wie z. B. folgende: • Ambiguitätsvermeidung, d. h. Meidung unsicherer Situationen, die Stress verursachen, • Hindsight-Bias, d. h. zu optimistische Einschätzung von Eintrittswahrscheinlichkeiten, • Illusion of Control, d. h. eine Situation nur scheinbar im Griff zu haben, nicht aber tatsächlich, • Overconfidence-Bias, d. h. Überschätzung der eigenen Fähigkeiten bzw. Unterschätzen der Fähigkeiten Anderer, • Omission-Bias, d. h. Hinauszögern von Handlungen zur Vermeidung von Risiken, • Herdenverhalten, d. h. Ausrichtung der eigenen Entscheidung an der Mehrheit, • Kurzfristorientierung, d. h. Vernachlässigung der mittel- bis langfristigen Entscheidungskonsequenzen, • Vermeidung von Extremen (Framing), d. h. Wahl der „guten Mitte“, • Verlustaversion, d. h. übertriebene Meidung von Risiken („German Angst“). 1.7.2 Situationen

Für betriebswirtschaftliche Entscheidungen sind verschiedene Situationen gegeben, deterministisch, objektiv-stochastisch, subjektiv-stochastisch und indeterministisch (siehe Abb.  A12). Eine sichere Entscheidungssituation bedeutet, dass die

Abbildung A12: Alternative Entscheidungssituationen (eig. Abb.)

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A. Die Prinzipien der Betriebswirtschaft

Handlungsgrundlagen und -konsequenzen vollständig bekannt sind. Entscheidungen unter Sicherheit als deterministische Entscheide liegen somit vor, wenn alle entscheidensrelevanten Daten und Fakten verfügbar sind, so dass eine Entscheidung mit Sicherheit i. S. e. maximalen Ergebnisses getroffen werden kann. Dies ist leider in der Praxis so gut wie gar nicht gegeben. Eine unklare Entscheidungssituation bedeutet, dass die Handlungsgrundlagen und -konsequenzen zwar unbekannt sind, sich jedoch Anhaltspunkte für objektive Eintrittswahrscheinlichkeiten (objektiv-stochastisch / probabilistisch) bei Risiko oder zumindest subjektive Erfahrungen (subjektiv-stochastisch / heuristisch) bei Unsicherheit finden lassen. Das Entscheidungsfeld ist bei Risiko durch den Zustandsraum der möglichen, nicht beeinflussbaren Umweltsituationen und den Aktionsraum der möglichen, beeinflussbaren Handlungen begrenzt. Für jede Kombination aus Zustand und Aktion werden dann die zu erwartenden Gewinnbeiträge ermittelt. Diese werden mit objektiven Eintrittswahrscheinlichkeiten gewichtet. So ergibt sich der Erwartungswert. Die Kombination mit dem höchsten Erwartungswert ist die zu präferierende. Die Eintrittswahrscheinlichkeiten geben dabei Aufschluss über die Risikoscheu oder -gierigkeit des Entscheiders. Für gewöhnlich wird Risikoscheu unterstellt, dies gilt erst recht für Manager, die mit dem Kapital von Eigentümern und Kreditgebern arbeiten und dafür rechenschaftspflichtig sind. Die Streuung der Ergebnisse kann durch die Standardabweichung erfasst werden. Als Regeln dafür gelten folgende: • Modalwert, d. h. gemäß des höchsten Zielwerts im wahrscheinlichsten unter mehreren Umweltzuständen. • Die Bayes-Regel (µ-Regel) besagt, dass von mehreren Optionen diejenige mit dem höchsten Erwartungswert zu wählen ist. Daher wird für jede Option ein Erwartungswert als Eintrittswahrscheinlichkeit festgelegt. Dieser Wert multipliziert mit dem Ergebnis der jeweiligen Option ergibt die Basis der Entscheidung. Problematisch ist dabei, die Wahrscheinlichkeit für eine zukünftige Konstellation zu bestimmen. • Die Förstner-Regel (µ-σ) besagt, dass von mehreren Optionen diejenige zu präferieren ist, welche die geringste Risikostreuung gemessen in der Standardabweichung aufweist. • Das Bernoulli-Prinzip besagt, dass die Entscheidung mit einer von der Risikoeinstellung des Entscheiders abhängigen Nutzenfunktion zu bewerten ist, die den Zusammenhang zwischen Ergebnis und Nutzen anzeigt. Es wird eine subjektive Risikopräferenz des Entscheiders zugrunde gelegt. Diese bestimmt seine Entscheidung für oder gegen jede Option. Diese Risikopräferenzen sind jedoch schwer bestimmbar und unterliegen zahlreichen internen und externen Einflussfaktoren.

1. Systematik der BWL

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Entscheidungen unter Unsicherheit, also solche mit subjektiven Eintrittswahrscheinlichkeiten, sind häufig. Auch für diese Situationen gibt es mehrere Regeln (siehe Abb. A13): • Minimax-Regel. Diese zeichnet sich dadurch aus, dass durch ihre Anwendung die Gefahr der Enttäuschung minimiert wird. Es ist diejenige Option zu wählen, deren kleinstes Ergebnis aller Umweltsituationen größer ist als das kleinste Ergebnis aller anderen Alternativen. Der Entscheidungsträger ist daher durch ein hohes Maß an Pessimismus geprägt. Er geht vom ungünstigsten Fall aus, unter dem er seinen Gewinn zu maximieren sucht. Positive Folgen der jeweiligen Alternativen werden dabei jedoch außer Acht gelassen. • Maximax-Regel. Diese zeichnet sich dadurch aus, dass jene Option zu wählen ist, deren größtes Ergebnis aller Umweltsituationen größer ist als das größte Ergebnis aller anderen Optionen. Der Entscheidungsträger ist daher durch ein hohes Maß an Optimismus geprägt. Er geht vom günstigsten aller Fälle aus, die negativen Konsequenzen seiner Entscheidung lässt er jedoch außer Acht. • Pessimismus-Optimismus-Regel (Hurwicz). Dabei soll ein Kompromiss aus Pessimismus und Optimismus erreicht werden. Dazu werden sowohl die Maxima als auch die Minima der Optionen berücksichtigt, indem beide mit einem Faktor zwischen 0 und 1 gewichtet werden. Dieser drückt die subjektive Sicht

Abbildung A13: Beispiel Entscheidungsregeln (eig. Abb.)

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A. Die Prinzipien der Betriebswirtschaft

der Umweltsituation für den Entscheider aus. Das größte Ergebnis jeder Option wird mit diesem Faktor multipliziert, das kleinste Ergebnis jeder Option mit dem Restwert (1 – ∞). Bei ∞ = 0 entsteht die Minimax-Präferenz, bei ∞ = 1 entsteht die Maximax-Präferenz. • Die Laplace-Regel besagt, dass bei unbekannten Entscheidungssituationen für alle Umweltzustände die gleiche Wahrscheinlichkeit unterstellt werden muss. Daher wird die Situation mit dem höchsten Erwartungswert präferiert (Regel des unzureichenden Grunds). • Minimax-Risiko-Regel (Savage-Niehans). Dabei werden die relativen Nachteile jeder Option in den Mittelpunkt gestellt. Dazu wird für jede Umweltsituation die Differenz zwischen dem größtmöglichen Ergebnis und den Ergebnissen aller anderen Optionen ermittelt. Es ist dann jene Option zu wählen, bei der die maximal mögliche Enttäuschung, tatsächlich nicht die beste Option gewählt zu haben, minimiert wird. Dies ist der Fall, wenn der größtmögliche Nachteil verglichen mit den größtmöglichen Nachteilen aller anderen Optionen am kleinsten ist. Der Entscheidungsträger verhält sich also risikoscheu. Jede dieser Entscheidungsregeln hat eine gewisse Plausibilität, führt aber zu abweichenden Ergebnissen. Daher liegt es im Benehmen des Entscheiders, welches Ergebnis er sich zueigen macht. Eine ungewisse Entscheidungssituation bedeutet, dass die Handlungsgrundlagen und -konsequenzen unbekannt sind und dafür auch keinerlei Anhaltspunkte vorliegen. Bei Entscheidungen unter Ungewissheit als indeterministische Entscheide sind also entscheidensrelevante Daten und Fakten weder nach Wahrscheinlichkeit noch aus Erfahrung bekannt. Dies ist vor allem bei völlig neuartigen Situationen gegeben, wie sie aufgrund erratischer Umfeldveränderungen entstehen. Sonderfälle entstehen bei Entscheidungen mit mehreren, konkurrierenden Zielen, bei Entscheidungen, die nicht von den Umweltzuständen, sondern den Reak­ tionen der Marktpartner abhängig sind, bei Entscheidungen unter Nebenbedingungen und bei Entscheidungen in Kollektiven (siehe Abb. A14).

Abbildung A14: Sondersituationen der Entscheidung (eig. Abb.)

1. Systematik der BWL

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Für Entscheidungen bei mehreren, konkurrierenden Zielen gibt es vor allem folgende Verfahren: • Paarvergleich, dabei werden reihum jeweils zwei Optionen miteinander verglichen, die Option mit den meisten Überlegenheitsurteilen gilt als die beste. • Scoring, dies ist anwendbar, sofern es sich um quantitative (kardinale) Kriterien handelt, so dass sich die bestmögliche Option ergibt. Grundlage ist dabei eine metrische Punktskala. • Nutzwertanalyse, diese ist erforderlich, wenn qualitative (kategoriale) Kriterien vorliegen, die zunächst in quantitative umzurechnen sind. Dazu ist eine Nutzenfunktion erforderlich, die den Nutzwert jedes Kriteriums quantifiziert. Dabei können die nominalen bzw. ordinalen Kriterien noch subjektiv gewichtet werden. • Checklist-Verfahren, diese prüfen dichotom das Vorhandensein oder Nichtvorhandensein von Kriterien bei jeder Entscheidungsalternative. Dabei können Musskriterien und Sollkriterien unterschieden werden, je nachdem, ob die entsprechenden Kriterien als Ausschluss oder als Wunsch angesehen werden. Entscheidungen, deren Ergebnis nicht von den Umweltzuständen, sondern den Reaktionen der Marktpartner abhängig sind, werden in Spielsituationen erfasst. Dabei geht es im Regelfall um die Gewinnmaximierung bei rationalem Verhalten aller Beteiligten. Dabei kann unterschieden werden nach der Anzahl der Spieler (ein Gegner, mehrere Gegner), nach der Abfolge der Spielzüge (gleichzeitig, hintereinander) und nach der Anzahl der Züge (ein, mehrere). Es werden vor allem zwei Spielsituationen unterschieden: • Ein Nullsummenspiel ist eine kompetitive Situation, bei der die Ergebnisse der Beteiligten sich immer auf Null kompensieren. Was der eine gewinnt, muss der andere hergeben (Win-Lose). Ist ein Spiel bereits nach einer Runde beendet, handelt es sich um ein einstufiges Spiel, analog gibt es mehrstufige Spiele bei mehreren Runden. Würde sich das Verhalten in der nächsten Runde nicht gegenüber dem der vorhergehenden Runde verändern, ist ein (Nash-)Gleichgewicht erreicht. Spiele können aber auch kein oder mehrere Gleichgewichte (Sattelpunkte) aufweisen. • Ein sog. Gefangenen-Dilemma ist dadurch gekennzeichnet, dass die sich ergebende Situation für beide Seiten nicht optimal ist, keine Seite allein dies aber zu ändern vermag. Ändert ein Beteiligter autonom sein Verhalten und der andere behält sein Verhalten bei, gerät er in Nachteil. Insofern ist gegenseitiges Vertrauen Voraussetzung für eine Besserung der Situation aller Beteiligter (Win-Win). Dies erfordert die Zusammenarbeit der Beteiligten, es handelt sich also um eine kooperative Situation. Entscheidungen unter Nebenbedingungen werden im Rahmen des Operations Research (Unternehmensforschung) angegangen. Hierzu gibt es mehrere An-

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A. Die Prinzipien der Betriebswirtschaft

sätze, der einfachste ist der der linearen Optimierung. Dabei wird eine lineare Zielfunktion mit zwei oder mehr Restriktionen unterstellt. Im Ergebnis geht es dann um eine Maximierung oder Minimierung unter diesen Nebenbedingungen (Optimierung). Grafisch wird dabei die Zielfunktion an die Kante des durch die Restriktionen gebildeten Lösungsraums verschoben, die am weitesten vom Koordinatenursprung entfernt liegt. Ist eine mathematische Lösung nicht mehr möglich, kann eine Simulation vorgenommen werden. Dabei werden die Parameter systematisch variiert, um sich dadurch einem Optimalwert zu nähern (Trial & Error). Komplizierter wird die Lage bei Entscheidungssituationen mit mehreren Zielen und einem bzw. mehreren Umweltzuständen. Entscheidungsregeln schaffen jedenfalls eine klare Darstellung und Strukturierung des Problems und machen Entscheidungen transparent. Sie basieren jedoch auf simplifizierenden Prämissen (Risikopräferenz, einstufige Entscheidung, eindimensionale Zielfunktion etc.). Bei Entscheidungen in Kollektiven wird gemeinhin vermutet, dass Mehrpersonen-Einheiten zu besseren Ergebnissen kommen als einzelne Entscheidungsträger. Dies kann so sein, muss aber nicht. Es gibt vielfachen Anlass anzunehmen, dass Kollektive zu Entscheidungsdefekten (Groupthink-Phänomen) neigen. Dafür gibt es vor allem zwei Ursachen. Einerseits können Kollektive zu übertrieben risikoreichen Entscheiden kommen, weil jeder Beteiligte im Falle des Scheiterns nur einen Bruchteil der Konsequenzen daraus zu tragen hat und Risikofreude im Übrigen als sozial attraktive Eigenschaft gilt. Andererseits können Kollektive auch zu übertrieben risikoscheuen Entscheiden kommen, weil die Bedenkenträger sich gegenseitig hochschaukeln und insgesamt auch mehr Risiken offensichtlich werden.

Literaturhinweise Balderjahn, Ingo / Specht, Günter: Einführung in die Betriebswirtschaftslehre, 6. Auflage, Stuttgart 2011 Bandmann, Manfred: Grundlagen der Allgemeinen Betriebswirtschaftslehre, 2. Auflage, Wiesbaden 2014 Bernecker, Michael: Grundlagen der Betriebswirtschaftslehre, 4. Auflage, Köln 2011 Beschorner, Dieter / Peemöller, Volker H.: Allgemeine Betriebswirtschaftslehre, 2. Auflage, Herne 2006 Bleicher, Knut: Das Konzept Integriertes Management, 8. Auflage, Frankfurt a. M. 2011 Homburg, Christian: Quantitative Betriebswirtschaftslehre, 3. Auflage, Wiesbaden 2000 Junge, Philip: BWL für Ingenieure, 2. Auflage, Wiesbaden 2012 Macharzina, Klaus / Wolf, Joachim: Unternehmensführung, 8. Auflage, Wiesbaden 2012

1. Systematik der BWL

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Schaufenbühl, Karl / Hugentobler, Walter / Blattner, Matthias (Hrsg.): Betriebswirtschaftslehre für Bachelor, Zürich 2007 Staehle, Wolfgang Horst / Conrad, Peter / Sydow, Jörg: Management, 8. Auflage, München 1999 Steinmann, Horst / Schreyögg, Georg: Management, 6. Auflage, Wiesbaden 2005 Straub, Thomas: Einführung in die Allgemeine Betriebswirtschaftslehre, 2. Auflage, München 2014 Voss, Rödiger: BWL-kompakt, 7. Auflage, Rinteln 2014 Welge, Martin / Al-Laham, Andreas: Strategisches Management, 6. Auflage, Wiesbaden 2012

Übungsaufgaben   1. Welche Formen von Gütern werden in der BWL gemeinhin unterschieden?   2. Durch welche Merkmale ist ein Betrieb gekennzeichnet?   3. Welche Arten betriebswirtschaftlicher Modelle können unterschieden werden?   4. Welche Forschungsrichtungen können innerhalb der Betriebswirtschaftslehre im Wesentlichen unterschieden werden?   5. Was versteht man unter dem Begriff „Fertigungstiefe“?   6. Stellen Sie bitte die Einordnung der BWL in die Wissenschaften dar.   7. Wie unterteilt sich die BWL in Einzeldisziplinen?   8. Stellen Sie die zentralen Prinzipien des Wirtschaftens dar.   9. Welche Elemente umfasst der Systemansatz der St.Galler-Schule? 10. Was versteht man unter dem Shareholder Value-Ansatz in der Betriebswirtschaftslehre? 11. Was versteht man unter dem Stakeholder-Ansatz in der Betriebswirtschaftslehre? 12. Welche systematischen Sichtweisen der BWL können im Einzelnen unterschieden werden? 13. Was versteht man unter einem Haushalt, was unter einem Betrieb und was unter einer Unternehmung? 14. Was versteht man unter dem ökonomischen Prinzip und durch welche Maximen wird es verwirklicht? 15. In welchen Beziehungen können Ziele zueinander stehen?

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A. Die Prinzipien der Betriebswirtschaft

2. Konstitutive Faktoren der Unternehmung In diesem Kapitel werden folgende Inhalte behandelt und geklärt: • die Rechtsform der Einzelunternehmung, • die Rechtsformen der Personengesellschaft, • die Rechtsformen der Kapitalgesellschaft • die Standortentscheidung der Unternehmung. 2.1 Rechtsformen der Unternehmung Die Wahl der Rechtsform der Unternehmung gehört zu den konstitutiven Entscheidungen innerhalb der Betriebswirtschaft. Grundsätzlich können dabei Einzelunternehmen einerseits und Personen- oder Kapitalgesellschaftsformen andererseits unterschieden werden (siehe Abb. A15).

Abbildung A15: Unternehmensformen (eig. Abb.)

2.1.1 Einteilung

Genauer sind die Rechtsformen der Einzelunternehmung, der Personengesellschaft, der Körperschaft und der Stiftung zu unterscheiden. Personengesellschaften sind Mehrpersonenverbünde als natürliche Personen. Körperschaften sind verselbstständigte Gesellschaften als juristische Personen (Selbstständige). Stiftungen sind rechtsfähige juristische Personen mit staatlicher Anerkennung und Aufsicht. Die Einzelunternehmung kann als gewerbliches Einzelunternehmen oder als freiberufliche Praxis geführt werden. Die Personengesellschaft kann nach Privatrecht als Gesellschaft bürgerlichen Rechts (GbR) oder nach Handelsrecht als Offene Handelsgesellschaft (OHG), Kommanditgesellschaft (KG) oder GmbH& CoKG geführt werden. Daneben gibt es weitere Formen als Europäische Wirt-

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schaftliche Interessenvereinigung (EWIV), als Partnerschaftsgesellschaft (PartG) und als Stille Gesellschaft (StG). Die Körperschaft kann nach Handelsrecht als Gesellschaft mit beschränkter Haftung (GmbH), Aktiengesellschaft (AG) oder KGaA geführt werden. Daneben gibt es weitere Formen als Genossenschaft (eG) und als wirtschaftlicher Verein (e. V.). Die Stiftung kann mit öffentlicher oder privater Trägerschaft konstituiert sein. Für die Rechtsformenentscheidung sind eine Reihe von Kriterien maßgeblich. Vor allem sind folgende zu nennen: • Gründungsvoraussetzungen. Hier sind eine Mindestzahl von Gründern, deren erforderliche Mindesteinlagen und deren Eintragung in das lokale Handelsregister als Variable zu nennen. • Geschäftsführung. Hier sind die Beziehungen innerhalb der Unternehmung und die Vertretung der Unternehmung nach außen zu beurteilen. • Haftung. Diese kann sich auf das gesamte Vermögen der Eigentümer erstrecken (Vollhaftung) oder nur auf deren Geschäftsvermögen begrenzt bleiben (Teilhaftung). • Gewinn- und Verlustverteilung. Dabei ist eine Verteilung nach den Geschäftsanteilen oder nach der Anzahl der Teilhaber (nach Köpfen) möglich. • Besteuerung. Dafür kommen u. a. die Steuerarten Einkommens-, Körperschafts- und Gewerbesteuer in Betracht. • Arbeitnehmer-Mitbestimmung. Diese ergibt sich aus dem Arbeitsrecht (Betriebsverfassungsgesetz) oder der Unternehmensverfassung (Mitbestimmungsgesetz). • Publizität. Diese ergibt sich aus der Unternehmensgröße und der Rechtsform, hier ist u. a. der Wunsch nach Anonymität der Geschäftstätigkeit bedeutsam. • Rechtsformenabhängige einmalige Gründungs- und laufende Durchführungskosten sowie notwendige Formalitäten zur Gründung und Durchführung. • Kapitalbeschaffung und Eignung zum Fortbestand der Unternehmung unabhängig von der familiären Nachfolge. 2.1.2 Einzelunternehmung

Die Einzelunternehmung hat einen Gründer und Unternehmer. Dieser übt ein Handelsgewerbe aus (§§ 1 – 104 HGB). Ein Einzelunternehmen entsteht automatisch bei der Geschäftseröffnung, wenn keine andere Rechtsform gewählt wird. Sofern kein Handelsgewerbe ausgeübt, keine Firma geführt und kein Handelsregistereintrag vorgenommen wird, sind Freiberufler gegeben wie Ärzte, Rechtsanwälte, Steuerberater, Wirtschaftsprüfer, Notare, Architekten etc. Für Kaufleute

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A. Die Prinzipien der Betriebswirtschaft

besteht Eintragungspflicht in das Handelsregister, für Kleingewerbetreibende ist diese freiwillig möglich. Es ist kein Mindestkapital erforderlich. Rechtsgrundlage für das gewerbliche Einzelunternehmen ist das HGB. Die Firmierung trägt als Zusatz zum Namen des Unternehmers eine Kennzeichnung wie eingetragener Kaufmann (e. K.). Dies stellt jedoch keine Rechtsform dar, sondern ist Firmenbestandteil. Die Geschäftsführung liegt beim Einzelunternehmer. Er haftet persönlich, unmittelbar und unbeschränkt, bei ihm wird nicht zwischen Privat- und Geschäftsvermögen getrennt. Und er streicht allein Gewinne ein bzw. hat allein Verluste auszugleichen. Ein Gewinn unterliegt der Einkommenssteuer. Je nach Größe besteht zudem eine Publizitätspflicht der Rechnungslegung. 2.1.3 Personengesellschaften 2.1.3.1 Gesellschaft bürgerlichen Rechts

Die Personengesellschaft besitzt keine eigene Rechtspersönlichkeit (siehe Abb. A16). Als Gesellschaft bürgerlichen Rechts (GbR, §§ 705 – 740 BGB) ist sie auch keine Handelsgesellschaft und bedarf mindestens zwei Gründern. Ein in kaufmännischer Weise eingerichteter Geschäftsbetrieb ist nicht erforderlich. Zur Gründung ist kein Gesellschaftsvertrag notwendig, es reicht vielmehr ein konkludent übereinstimmendes Verhalten, jedoch ist ein formfreier Gesellschaftsvertrag praktisch angezeigt und auch allgemein üblich. Die gesetzlichen Bestimmungen sind, soweit sie das Verhältnis der Gesellschafter untereinander betreffen, weitgehend abdingbar, d. h. durch vertraglich abweichende Bestimmungen ersetzbar. Das Gesellschaftsvermögen ist ein Gesamthandeigentum, über das die Gesellschafter nur gemeinsam verfügen können. Es ist kein Mindestkapital zur Gründung erforderlich. Die GbR besitzt keine Firma. Die Ge-

Abbildung A16: Formen der Personengesellschaft (eig. Abb.)

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schäftsführung obliegt grundsätzlich gemeinschaftlich allen Gesellschaftern. Die Haftung ist nach außen unbeschränkt und gesamtschuldnerisch, d. h., zur Abdeckung von Gesellschaftsschulden kann jeder Gesellschafter einzeln und auch mit seinem Privatvermögen herangezogen werden. Im Falle der externen Vollstreckung in das Privatvermögen eines einzelnen Gesellschafters hat dieser einen internen Ausgleichsanspruch gegenüber seinen Mitgesellschaftern. Die Gewinn- und Verlustverteilung erfolgt grundsätzlich nach Köpfen, die Besteuerung erfolgt durch Einkommen- oder Körperschaftsteuer bzw. Gewerbesteuer. Die Gesellschafter haben grundsätzlich eine gleich hohe Einlage zu leisten. Die Kreditwürdigkeit der Gesellschaft hängt von den Bonitäten ihrer Gesellschafter ab. Ein Jahresabschluss muss nicht erstellt werden. Die GbR kann jede Rechtsposition einnehmen und somit eigene Rechte und Pflichten begründen. Sie tritt dabei als von den jeweiligen Gesellschaftern zu unterscheidende Personenmehrheit auf, ist zugleich aber keine juristische Person. Anwendung findet die GbR z. B. bei Projektgesellschaften. 2.1.3.2 Offene Handelsgesellschaft

Die Offene Handelsgesellschaft (oHG, §§ 105 – 160 HGB, §§ 705 – 740 BGB) ist eine Personengesellschaft mit gemeinschaftlicher Firma, deren Gesellschafter unbeschränkt mit ihrem Vermögen haften. Als Rechtsgrundlage dient das HGB plus der entsprechenden Bestimmungen des BGB. Die geschäftliche Tätigkeit macht einen in kaufmännischer Weise eingerichteten Geschäftsbetrieb erforderlich. Die Firma muss die Bezeichnung oHG enthalten. Die Gründung erfolgt durch formfreien Vertrag sowie zwingend durch Eintrag in das Handelsregister mit Namen der Gesellschafter, Firma, Sitz und Gegenstand der Unternehmung. Die Geschäftsführung und Außenvertretung der Unternehmung liegt bei jedem der Gesellschafter einzeln bzw. bei allen gemeinschaftlich, diese sind zur Leitung und Kontrolle berechtigt, aber auch verpflichtet. Ein Ausschluss ist nur für den Bereich der Leitung in Bezug auf bestimmte Aufgabengebiete möglich. Die Gesellschafter sind Vollhafter, d. h. haften für Gesellschaftsschulden mit ihrem Geschäfts- und Privatvermögen unmittelbar und unbeschränkt, sofern sie, was die Regel ist, natürliche Personen sind. Daher wird kein Mindestkapital zur Gründung vorausgesetzt. Es sind mindestens zwei Gründer erforderlich. Das Gesellschaftsvermögen ist Gesamthandvermögen. Dies bedeutet aber auch, dass jeder Gesellschafter nach außen hin für alle Schulden der Gesellschaft einzeln haftet. Neu hinzukommende Gesellschafter haften nach außen hin auch für Schulden, die vor ihrer Zeit als Gesellschafter entstanden sind (Altschulden). Die Gewinnverteilung erfolgt nach Köpfen, wobei zunächst 4 % Verzinsung auf den jeweiligen Eigenkapitalanteil abzuziehen sind. Die Besteuerung erfolgt durch Einkommen- oder Körperschaftsteuer sowie Gewerbesteuer. Es besteht die Pflicht zur Führung von Büchern und zum handelsrechtlichen Jahresabschluss, eine generelle Prüfung und Publizität ist nicht vorgeschrieben. Voraussetzung für das

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A. Die Prinzipien der Betriebswirtschaft

„Funktionieren“ einer oHG ist praktisch ein enges persönliches, vertrauensvolles Verhältnis der Gesellschafter untereinander. 2.1.3.3 Kommanditgesellschaft

Die Kommanditgesellschaft (KG, §§ 161 – 177 HGB) ist eine Personengesellschaft mit gemeinschaftlicher Firma, bei der mindestens ein Gesellschafter Gläubigern gegenüber für die Verbindlichkeiten der Gesellschaft unbeschränkt auch mit seinem Privatvermögen sowie mindestens ein Gesellschafter nur beschränkt auf seine Geschäftseinlage haftet. Der vollhaftende Gesellschafter wird Komplementär genannt, der teilhaftende Gesellschafter Kommanditist. Rechtsgrundlage der KG ist das HGB, die Firma muss den Zusatz KG führen. Die Gründung erfolgt durch formfreien Vertrag und Anmeldung beim Handelsregister, dabei werden auch die Höhe der Einlagen und die Namen aller Komplementäre und Kommanditisten erfasst. Es ist kein Mindestkapital erforderlich. Die Geschäftsführung liegt grundsätzlich bei jedem Komplementär einzeln, Kommanditisten haben jedoch ausgebaute Kontrollrechte. Allerdings können durch Gesellschafterbeschluss Komplementäre auch von der Geschäftsführung ausgeschlossen und Kommanditisten in diese aufgenommen werden. Komplementäre haften gesamtschuldnerisch und unbeschränkt, Kommanditisten haften über ihre Geschäftseinlage hinaus nur, wenn die Gesellschaft vor Eintragung in das Handelsregister mit deren Zustimmung bereits ihre Geschäfte begonnen hat. Die Haftung besteht grundsätzlich auch noch fünf Jahre nach Ausscheiden aus der Gesellschaft. Die Gewinn- und Verlustbeteiligung erfolgt in angemessenem Verhältnis, im Gewinnfall nach Abzug von 4 % Verzinsung auf den jeweiligen Eigenkapitalanteil, sofern nicht zuvor frühere Verluste gegenzurechnen sind. Die Besteuerung erfolgt durch Einkommensteuer bei den Personen und durch Gewerbesteuer bei der Gesellschaft. Die KG ist verpflichtet, Bücher zu führen und einen handelsrechtlichen Jahresabschluss zu erstellen. Es gibt jedoch keine generelle Prüfungs- und Publizitätspflicht. 2.1.3.4 GmbH&CoKG

Die GmbH&CoKG ist ein Mischtyp aus Personen- und Kapitalgesellschaft, deren Vollhafter, also Komplementär, eine GmbH ist. Die Gesellschafter der GmbH und die Kommanditisten der KG können personenidentisch oder -verschieden sein. Im Grundsatz handelt es sich jedoch um eine KG. Im Mittelpunkt der Motivation zur Gründung einer GmbH&CoKG steht die umfassende Haftungsbeschränkung, hinzu kommen steuerliche Vorteile aus der Entschädigung der GmbH für die Übernahme von Risiko-, Kapitaleinsatz- und Geschäftsführungsaufgaben. Rechtsgrundlage sind das HGB, dort wiederum die Bestimmungen zur KG, sowie das GmbHG. Die Firmierung muss den Namen mindestens eines Komplementärs in der Rechtsform GmbH sowie den Rechtsformenzusatz

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„&CoKG“ tragen. Zur Gründung bedarf es mindestens zweier Gesellschafter, ein Mindestkapital ist nicht erforderlich. Allerdings gibt es Mindestanforderungen an die Gründung der Komplementär-GmbH. Die Geschäftsführung erfolgt durch die Komplementärin. Die Komplementär-GmbH haftet für Verbindlichkeiten der Unternehmung nur mit ihrem Gesellschaftsvermögen. Die Gewinn- und Verlustverteilung kann individuell geregelt werden. Die Besteuerung erfolgt durch Körperschaftsteuer bei der Komplementär-GmbH, durch Einkommen- oder Körperschaftsteuer bei den Kommanditisten und durch Gewerbesteuer bei der Gesellschaft. Die GmbH&CoKG eignet sich z. B. für die Gestaltung einer Holdingkonstruktion. Diese kann in gleicher Weise, jedoch praktisch seltener, auch als AG&CoKG und als GmbH&typisch Still ausgebildet sein. 2.1.3.5 Stille Gesellschaft

Die Stille Gesellschaft (§§ 335 – 342 HGB) ist eine Personengesellschaft, bei der eine Person als Stiller Gesellschafter am Handelsgewerbe einer anderen Person im Rahmen einer Innengesellschaft, also nicht nach außen auftretend, mit einer Einlage beteiligt ist, die in das Vermögen des Gesellschafters des Handelsgewerbes und nicht in das Vermögen der Gesellschaft übergeht. Dies gleicht einer Kreditvergabe, jedoch mit der Möglichkeit zur gleichzeitigen Kontrolle der Geschäftstätigkeit. Es kommt zu einer Bilanzverlängerung, bei den Aktiva durch Vermögenszugang, bei den Passiva durch Eigenkapitalzugang. Die Stille Gesellschaft führt keine eigene Firma und hat keine Handelsregisterpublizität. Die Gründung erfolgt formlos durch Vertrag zweier Gesellschafter. Die Haftung liegt allein beim Inhaber, wird eine Verlustbeteiligung des Stillen Gesellschafters ausgeschlossen, hat er im Insolvenzfall sogar Anspruch auf Rückgewährung seiner Einlage. Eine Gewinnbeteiligung ist hingegen vorgeschrieben. Man unterscheidet die typische Stille Gesellschaft, die den Stillen Gesellschafter nur zur Bilanz­ einsicht berechtigt, und die atypische Stille Gesellschaft, die für ihn auch eine Geschäftsführungsbeteiligung vorsieht. Die Stille Gesellschaft ist zur Führung von Büchern und zum handelsrechtlichen Jahresabschluss verpflichtet. Eine Prüfungs- und Publizitätspflicht besteht nicht. Diese Gesellschaftsform ist vor allem für Existenzgründer interessant, sie erweitern damit ihre Kapitalbasis, ohne auf Entscheidungskompetenz zu verzichten. Für Existenzgründungsförderer, Business Angels genannt, ist diese Form interessant, weil sie eine Gewinnbeteiligung ermöglicht, ohne für Verbindlichkeiten zu haften oder Verluste notwendigerweise zu übernehmen.

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2.1.3.6 Europäische Wirtschaftliche Interessenvereinigung

Die Europäische Wirtschaftliche Interessenvereinigung (EWIV) ist für die grenzüberschreitende Zusammenarbeit von vor allem klein- und mittelständischen Unternehmen innerhalb der EU geeignet. Der Zweck ist nicht auf Gewinnerzielung der Gesellschaft gerichtet. Die Bestimmungen zur EWIV sind denen zur OHG angelehnt. Rechtsgrundlage ist die EWIV-Verordnung des EG-Ministerrats. Die Firma muss den Zusatz EWIV tragen. Die Gründung erfolgt bei Gesellschaften mit Sitz in Deutschland durch schriftlichen Vertrag und Eintrag in das Handelsregister. Zur Gründung müssen mindestens zwei Gesellschafter als natürliche Personen, Personengesellschaften oder juristische Personen vorhanden sein, die ihren Sitz in verschiedenen Ländern der EU-Mitgliedsstaaten haben. Die Geschäftsführung kann durch Fremdgeschäftsführer jeweils mit Alleinvertretungsmacht übernommen werden. Bei Schulden ist die Zahlung zuerst von der Gesellschaft einzutreiben, bleibt dies erfolglos, haftet jeder Gesellschafter unbeschränkt und gesamtschuldnerisch. Die Besteuerung erfolgt im jeweiligen EU-Mitgliedsstaat nach den dort geltenden Bestimmungen. 2.1.3.7 Partnerschaftsgesellschaft

Die Partnerschaftsgesellschaft ist eine Personengesellschaft mit ausschließlich natürlichen Personen als Gesellschaftern (PartG). Sie ist Freiberuflern vorbehalten, dazu sind mindestens zwei Gründer notwendig. Es ist kein Mindestkapital erforderlich und es wird kein Handelsgewerbe verfolgt. Rechtsgrundlage ist das Gesetz über Partnerschaftsgesellschaften Angehöriger Freier Berufe (PartGG). Die Regelungen sind ähnlich denen der GbR bzw. der OHG. Die Firma enthält den Namen mindestens eines Partners, den Rechtsformenzusatz sowie die Bezeichnung der vertretenen Berufe. Die Gründung erfolgt durch schriftlichen Vertrag mit Angaben zu jedem Partner und durch Anmeldung zur Eintragung in das Partnerschaftsregister beim Amtsgericht am Geschäftssitz. Jeder Partner kann die Gesellschaft einzeln vertreten und deren Geschäfte führen. Gesellschafter haften neben dem Vermögen der PartG für Verbindlichkeiten der Gesellschaft als Gesamtschuldner persönlich. Für Fehler in der Berufsausübung haftet jedoch allein derjenige, der den Fehler begangen hat. Freiberufler, deren Haftung durch Berufsgesetze und -verordnungen beschränkt ist, müssen daher eine Haftpflichtversicherung abschließen. Die Gewinn- und Verlustverteilung ist durch Gesetz nicht geregelt. 2.1.4 Kapitalgesellschaften

Kapitalgesellschaften sind Körperschaften, bei denen mehrere natürliche Personen einen Teil ihres Vermögens auf eine juristische Person übertragen, die

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selbstständiger Träger von Rechten und Pflichten ist (siehe Abb. A17). Gesellschafter können ihren Anteil nicht an die Gesellschaft, sondern nur an Dritte zurückgeben. Zur Handlungsfähigkeit beauftragt die Gesellschaft natürliche Personen, die nicht Gesellschafter sein müssen, für sie entsprechende Verfügungen zu treffen.

Abbildung A17: Formen der Kapitalgesellschaft (eig. Abb.)

2.1.4.1 Gesellschaft mit beschränkter Haftung

Die Gesellschaft mit beschränkter Haftung (GmbH) ist eine Kapitalgesellschaft, Rechtsgrundlage dafür ist das GmbHG. Die Firma muss immer den Zusatz „GmbH“ tragen. Die Gründung erfolgt durch notariell beurkundeten Vertrag. Zur Gründung reicht bereits ein Gesellschafter aus (Einmann-GmbH). Der Vertrag enthält mindestens die Firma, den Gegenstand der Gesellschaft, das Stammkapital (derzeit mindestens 25.000 €) und den Geschäftsanteil (mindestens 100 €). Einlagen sind als Geld- oder Sacheinlagen möglich, dabei kann eine Nachschusspflicht vereinbart werden. Mindestens 50 % des Stammkapitals müssen eingezahlt sein. Der Verkauf von Anteilen bedarf wiederum der notariellen Beurkundung sowie evtl. der Zustimmung der anderen Gesellschafter. Die Geschäftsführung kann durch die Gesellschafter selbst oder durch Dritte erfolgen. Die Gesellschaft haftet als juristische Person mit ihrem gesamten Geschäftsvermögen, die Gesellschafter haften als natürliche Personen nur mit ihrem Gesellschaftsanteil. Die Gewinn- und Verlustverteilung erfolgt grundsätzlich nach Geschäftsanteilen. Eine Ausschüttungssperre besteht in Höhe des Stammkapitals. Die GmbH weist als juristische Organe die Geschäftsführung, die Gesellschafterversammlung und ggf. den Aufsichtsrat auf, der bei über 500 Arbeitnehmern mit einem Drittel aus Vertretern von Belegschaftsmitgliedern besetzt ist bei über 2.000 Arbeitnehmern mit der Hälfte aus Vertretern von Belegschaftsmitgliedern. Die Leitungsbefugnis liegt bei der Geschäftsführung, die Kontrollkompetenz bei der Gesellschafterversammlung. Das Stimmenge-

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A. Die Prinzipien der Betriebswirtschaft

wicht richtet sich grundsätzlich nach den jeweiligen Stammkapitalanteilen. Die Geschäftsführung wird durch die Gesellschafterversammlung bestellt und entlastet. Sie kann auch von angestellten Geschäftsführern übernommen werden, deren Handlungsspielraum durch die Gesellschafter exakt abgesteckt werden kann. Die Geschäftsordnung kann Rechtsgeschäfte bestimmen, die vorab der Zustimmung der Gesellschafter bedürfen. Die Gesellschafterversammlung stellt den Jahresabschluss fest, die Ergebnisverwendung sowie die Bestellung, Abberufung, Prüfung und Überwachung von Geschäftsführern. Die Besteuerung erfolgt durch Körperschaft- und Gewerbesteuer. Es bestehen Prüfungs-, Publizitäts- und Mitbestimmungsregelungen, abhängig von der Größe der GmbH. Die Fremdkapitalbeschaffung ist für die GmbH aufgrund der beschränkten Haftung aufwändiger. Kreditgeber achten z. B. auf private Sicherheiten oder vergeben nur private Kredite, für welche die Gesellschafter dann auch mit ihrem Privatvermögen haften. Persönliche Haftung besteht ebenso bei Verstößen gegen die Regeln für das GmbH-Kapital sowie bei Durchgriffshaftung. 2.1.4.2 Aktiengesellschaft

Die Aktiengesellschaft (AG) ist eine Kapitalgesellschaft, deren Grundkapital in Anteilsscheine zerlegt ist. Nennbetragsaktien lauten auf einen €-Betrag (mindestens 50 €), Stückaktien auf einen Anteil am Grundkapital. Stammaktien gewähren ein Stimmrecht in der Hauptversammlung, bei Vorzugsaktien ist dieses Stimmrecht zugunsten einer erhöhten Gewinnausschüttung eingeschränkt. Inhaberaktien sind anonym, Namensaktien lauten auf den Namen des jeweiligen Aktionärs, letztere werden im Aktienregister geführt und können möglicherweise nur beschränkt veräußert bzw. übernommen werden (vinkuliert). Rechtsgrundlage ist das AktG. Die Firma muss den Zusatz „AG“ tragen. Die Gründung erfolgt durch notariell beurkundeten Gesellschaftsvertrag, darin sind umfängliche Mindestangaben verpflichtend, und zusätzlich durch Eintragung in das Handelsregister. Insgesamt ist der Gründungsaufwand recht hoch. Das Grundkapital, das bei der Gründung aufzubringen ist, beträgt mindestens 50.000 €, es ist in Aktien gestückelt. Mindestens 25 % des Grundkapitals müssen eingezahlt sein. Die Gesellschaft haftet mit ihrem gesamten Vermögen, die Aktionäre haften nur mit ihrer Einlage, also in Höhe des Aktiennennbetrags. Die Gewinn- und Verlustverteilung erfolgt durch Beschluss der Hauptversammlung auf Vorschlag des Vorstands. Gewinne werden als Dividende ausgeschüttet. Die Organe der AG sind der Vorstand, der Aufsichtsrat und die Hauptversammlung. Der Vorstand wird auf maximal fünf Jahre vom Aufsichtsrat bestellt und kann aus wichtigem Grund von diesem auch wieder abberufen werden. Er übernimmt die Geschäftsführung der AG, erstellt den Jahresabschluss und berichtet darüber regelmäßig an den Aufsichtsrat. Er ist allerdings nicht an die Weisungen

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von Aufsichtsrat oder Hauptversammlung gebunden. Bei Dissens kann er jedoch vom Aufsichtrat abberufen werden. In Montanbetrieben ab 1.000 Mitarbeitern ist zudem ein Arbeitsdirektor als Vorstandsmitglied vorgesehen. Der Aufsichtsrat besteht aus mindestens drei, höchstens 21 Mitgliedern. Ihre Amtszeit beträgt vier Jahre. In Montanbetrieben sowie ab 2.000 Mitarbeitern gibt es eine paritätische Mitbestimmung im Aufsichtsrat. Vorstand und Aufsichtsrat einer AG können nicht personenidentisch sein, wie das etwa außerhalb Deutschlands möglich ist (Board-System). Die Hauptversammlung wird aus den Aktionären gebildet, sie stimmt über alle wichtigen Geschäftsinhalte mit Mehrheit ab. Dabei gibt es mehrere Abstufungen, ab 25 % der Stimmanteile können wichtige Entscheidungen, die der 3/4-Mehrheit bedürfen, blockiert werden, ab 50 % der Stimmanteile sind alle anderen Entscheidungen mit einfacher Mehrheit möglich, ab 75 % der Stimmanteile können wichtige Entscheidungen getroffen werden, ab 95 % der Anteile können Aktionäre gegen angemessene Abfindung aus dem Gesellschafterkreis gedrängt werden. Die Hauptversammlung bestellt den Aufsichtsrat, beschließt über die Verwendung eines evtl. Bilanzgewinns mindestens bis zur Hälfte des Jahresüberschusses, bestellt die Abschlussprüfer und beschließt über Satzungsänderungen bzw. Kapitalerhöhungen oder -herabsetzungen. Die andere Hälfte des Jahresüberschusses kann der Vorstand als Gewinnrücklage einbehalten, um daraus spätere Verluste oder Dividendenzahlungen in gewinnlosen Jahren i. S. einer Dividendenstetigkeit zu finanzieren. Die Besteuerung erfolgt durch Körperschaft- und Gewerbesteuer. Es bestehen umfangreiche Prüfungs- und Publizitätspflichten. Dazu gehört die Veröffentlichung des Jahresabschlusses. Dieser besteht aus der Bilanz als Gegenüberstellung von Vermögen als Mittelverwendung und Kapital als Mittelherkunft, der Gewinn- und Verlustrechnung als Gegenüberstellung von Aufwand / Kosten und Ertrag / Erlös bzw. Gewinn oder Verlust, sowie dem Anhang, der Bilanzansätze und Bewertungswahlrechte erläutert sowie über die Erfolgs- und Finanzlage informiert. Im Lagebericht werden Geschäftsvorgänge von besonderer Bedeutung dargelegt. Bei börsennotierten AG’s sind zudem Ad hoc-Meldungen bei kurzfristig bedeutenden Geschäftsvorgängen erforderlich. Der Jahresabschluss wird, nach Größenklassen abgestuft, im Geschäftsbericht veröffentlicht. Die Abschlüsse werden sukzessiv von HGB-Standard unter dem Primat des Gläubigerschutzes auf IFRS (International Financial Reporting Standards) unter dem Primat der Informationstransparenz umgestellt (BilModG). Der Jahresabschluss bedarf darüber hinaus bei AG’s und großen und mittleren Kapitalgesellschaften der Bestätigung durch unabhängige Abschlussprüfer. Besonderheiten liegen bei einem Konzernabschluss vor. Ein Konzern wird von rechtlich selbstständigen, aber wirtschaftlich verbundenen Unternehmen unter einheitlicher Leitung gebildet. Der Abschluss muss dann konzernweit nach einheitlichen Maßstäben erfolgen und um Geschäftsvorgänge, die konzerngebundene Gesellschaften untereinander betreffen, bereinigt, d. h. konsolidiert, werden.

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A. Die Prinzipien der Betriebswirtschaft

Die Eigenkapitalbasis kann durch Kapitalerhöhung im Wege der Emission junger Aktien erweitert werden. Diese stehen den Altaktionären jeweils im Verhältnis ihres Kapitalanteils zu. Darauf erhalten sie ein Bezugsrecht, das sicherstellt, dass der prozentuale Anteil jedes Aktionärs am Grundkapital auch nach der Kapitalerhöhung unverändert bleibt. Besteht kein Interesse am Bezug junger Aktien kann das Bezugsrecht als unabhängiger Wert an Interessenten veräußert werden, denen dann die jungen Aktien zustehen. Die Emission wird meist durch ein Bankenkonsortium begleitet. Dies geschieht auch beim erstmaligen Börsengang ­einer AG als IPO / Initial Public Offering, wobei zur Kursfindung für die Emission meist das Bookbuilding-Verfahren eingesetzt wird. Ist die Emission überzeichnet, d. h. gibt es mehr Nachfrage als Angebot nach den neuen Aktien, erfolgt eine Zuteilung, ist eine Emission unterzeichnet, übernimmt das Konsortium die neuen Aktien und gibt sie später kursschonend an den Markt ab. Aktien können an der Aktienbörse als reglementierter Marktveranstaltung für Wertpapiere gehandelt werden, d. h., es bildet sich börsentäglich ein Kurs analog zur Relation von Angebot und Nachfrage. Wegen der Vielzahl der AG’s sind die Aktien in Handelscluster unterteilt wie DAX / Deutscher Aktienindex mit den größten 30 Unternehmen nach Börsenkapitalisierung, Tec-DAX / Hochtechnologie-AG’s, M-DAX für mittelgroße AG’s, S-DAX für kleine AG’s etc. An der Börse agieren zugelassene Börsenmakler, die im Auftrag von Kaufinteressenten potenzielle Verkäufer gewünschter Aktien kontaktieren und im Auftrag von Verkaufsinteressenten potenzielle Käufer. Für die Kontaktherstellung erhalten sie Provision (Courtage). Da Aktien gemeinhin aus dem Depot von Kreditinstituten gehandelt werden, kommt der Vertrag aber direkt zwischen diesen zustande. Der Auftrag dazu, der auch limitiert sein kann, geht jedoch immer treuhänderisch vom Kunden aus. Tafelgeschäfte, also die physische Einlieferung bzw. Auslieferung von Wertpapieren in das bzw. aus dem Depot, sind in Deutschland zur Vermeidung von Geldwäsche verboten. Der Auftraggeber erhält eine Abrechnung über das Geschäft incl. Gebühren und Steuern. Bei erheblichen Kursschwankungen kann der Handel (Notiz) von der Börsenleitung vorübergehend ausgesetzt werden. Für kleine Aktiengesellschaften ist die Gründung einer Ein-Mann-AG möglich, sie bedarf nicht mehr mindestens fünf Gesellschaftern. Zugleich entfallen der Gründungsbericht bei der IHK, die Vollversammlungseinberufung, die Mitbestimmung bis zu 500 Beschäftigten und die Abschlussprüferbestellung. 2.1.4.3 Kommanditgesellschaft auf Aktien

Die Kommanditgesellschaft auf Aktien (KGaA) ist eine Kapitalgesellschaft als Mischform, bei der mindestens ein Gesellschafter wie ein Komplementär vollhaftet und mindestens einer wie ein Kommanditist teilhaftet. Es handelt sich um eine KG, deren Grundkapital in Aktien zerlegt ist. Rechtsgrundlage ist das AktG

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(§§ 278 – 290). Die Firma muss den Zusatz KGaA tragen, zusätzlich muss erkennbar sein, wenn keiner der Gesellschafter unbeschränkt haftet. Die Gründung erfolgt durch notariell beurkundeten Vertrag mit mindestens fünf Gründern und 50.000 € Gründungskapital. Die Geschäftsführung erfolgt durch die Komplementäre in Analogie zum Vorstand einer AG. Die Haftung ist analog zur KG bzw. AG, d. h., die Gesellschaft haftet mit ihrem gesamten Geschäftsvermögen, der Komplementär haftet darüber hinaus mit seinem Privatvermögen, die Kommanditisten haften nur mit ihrem Geschäftsvermögen. Die Gewinn- und Verlustverteilung erfolgt auf Beschluss der Hauptversammlung und mit Zustimmung des Komplementärs. Organe der KGaA sind die Hauptversammlung und der Aufsichtsrat. Die Geschäftsführung liegt bei den persönlich haftenden Gesellschaftern. Die Besteuerung erfolgt durch Körperschaft- und Gewerbesteuer. Die Kommanditaktionäre üben ihr Stimmrecht in der Hauptversammlung aus, welche die Mitglieder des Aufsichtsrats bestellt, haben eine Gewinn- und Verlustbeteiligung und dürfen ihr Geschäftsvermögen nicht entnehmen. Der Komplementär hat Leitungskompetenz für die Gesellschaft, verfügt über ein Vetorecht bei wichtigen Hauptversammlungsentscheiden und darf durch den Aufsichtsrat nur eingeschränkt kontrolliert werden. Diese Gesellschaftsform bietet sich für große Familiengesellschaften an (z. B. Henkel KGaA). 2.1.5 Sonstige Rechtsformen der Gesellschaft

Daneben gibt es zahlreiche sonstige Gesellschaftsformen, die im Folgenden erläutert werden (siehe Abb. A18).

Abbildung A18: Sonstige Gesellschaftsformen (eig. Abb.)

Eine Europäische Aktiengesellschaft (SE / Societas Europaea) ist gegeben, wenn eine AG in mehr als einem Mitgliedsland der EU wirtschaftlich vertreten ist. Das Kapital muss mindestens 120.000 € betragen, die Firmierung trägt den Zusatz „SE“ vor oder nach dem Firmennamen. Der Geschäftssitz und die Haupt-

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A. Die Prinzipien der Betriebswirtschaft

verwaltung müssen sich in einem Mitgliedsland der EU befinden. Der Eintrag erfolgt in das Verzeichnis der Kapitalgesellschaften im Land des Geschäftssitzes. Die SE entsteht durch Verschmelzung zweier nationaler Gesellschaften, durch Gründung einer übergeordneten Holding, durch Gründung einer gemeinsamen Tochtergesellschaft oder durch Umwandlung einer nationalen Gesellschaft. Voraussetzung ist jeweils das Vorliegen nationaler Aktiengesellschaften. Dabei besteht die Wahl zwischen einer dualistischen Unternehmensverfassung aus Vorstand und Aufsichtsrat oder einer monistischen mit Verwaltungsrat, der mit exekutiven, geschäftsführenden und nicht-exekutiven, kontrollierenden Mitgliedern besetzt ist. Bei letzterem sind Leitung und Kontrolle also in einem Organ vereint. Die Mitbestimmungsregelungen werden dabei aus Deutschland übernommen. Beispiele sind (noch) selten, z. B. Porsche SE oder Allianz SE. Die Eingetragene Genossenschaft (eG) ist eine Körperschaft, also juristische Person, und zwar nicht als Handelsgesellschaft, sondern als wirtschaftlicher Verein, deren Mitgliederzahl veränderlich ist. Mit Eintritt in die eG erwirbt jeder Genosse einen Geschäftsanteil. Zweck der Genossenschaft ist die Förderung ihrer Mitglieder. Die Rechtsgrundlage bildet das GenG. Die Firma muss den Zusatz eG tragen. Die Gründung erfolgt durch Statut oder Satzung mit Eintrag in das Genossenschaftsregister. Es müssen mindestens sieben Gründer vorhanden sein, ein Mindestvermögen ist nicht reglementiert. Durch die veränderliche Mitgliederzahl schwankt auch das Eigenkapital. Der Anteilserwerb erfolgt durch Beitritts­ erklärung, die Kündigung durch Rückgabe des Anteils. Die Geschäftsführung liegt bei Vorstandsmitgliedern, die zugleich Genossen sein müssen. Die Haftung der Genossenschaft ist auf das Gesellschaftsvermögen beschränkt, die Genossen haften nicht für die Verbindlichkeiten der Genossenschaft. Im Insolvenzfall kann jedoch eine Nachschusspflicht vorgesehen werden. Gewinn- und Verlustverteilung erfolgen gemäß Geschäftsanteilen. Die Besteuerung erfolgt durch Körperschaft- und ggf. auch Gewerbesteuer. Organe sind die Generalversammlung, der Aufsichtsrat und der Vorstand. Jeder Genosse hat gleiches Stimmrecht (One Man, one Vote-Prinzip). Die Generalversammlung wählt Vorstand und Aufsichtsrat, stellt den Jahresabschluss fest und beschließt über dessen Verwendung, der Aufsichtsrat kontrolliert den Vorstand. Es besteht Prüfungspflicht. Anwendung findet die eG etwa in der Agrar-, Kredit- und Wohnungsbauwirtschaft. Der eingetragene Verein (eV) ist eine auf Dauer angelegte Personenvereinigung mit körperschaftlicher Verfassung, also unabhängig von der Mitgliedschaft bzw. dem Wechsel einzelner Mitglieder. Die Innenstruktur des Vereins ist in der Vereinssatzung geregelt. Die Geschäftsführung und -vertretung obliegt einem Vorstand, der von der Mitgliederversammlung gewählt wird. Die Haftung beschränkt sich auf das Vereinsvermögen, die Mitglieder haften nicht persönlich. Rechtsfähige Vereine sind solche, deren wirtschaftlicher Zweck durch staatliche Verleihung sanktioniert wird oder die keinen wirtschaftlichen Zweck verfolgen.

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Die Versicherungsverein auf Gegenseitigkeit (VVaG) ist eine juristische Person, die vergleichbar einem privatrechtlichen Verein bzw. einer Genossenschaft behandelt wird. Die Versicherungsnehmer sind zugleich die Vereinsmitglieder. Die Haftung ist auf das Vereinsvermögen begrenzt, die Organe sind Aufsichtsrat und Geschäftsführung. Nichtmitglieder dürfen nur versichert werden, wenn sie auf das Mitwirkungsrecht und den Gleichheitsgrundsatz der Prämien verzichten, z. B. HUK Coburg VVaG. Eine Reederei ist eine veraltete Gesellschaftsform, bei der mehrere Personen in Gesamthandgemeinschaft ein ihnen gemeinschaftlich zustehendes Schiff für Handelszwecke verwenden (§ 489 HGB), dies hat mit einer Reederei als Handelsgesellschaft jedoch nichts zu tun. Die Stiftung fördert als Rechtspersönlichkeit einen vom Stifter festgelegten Zweck, sie ist im Regelfall gemeinnützig angelegt (§§ 80 ff. BGB). Es gibt aber auch privatnützige Stiftungen, die dann meist als GmbH geführt werden. Die Firmierung ist frei wählbar, auch der Zusatz Stiftung ist nicht zwingend. Die Gründung erfolgt auf Grundlage des Stiftungsgeschäfts mit Genehmigung durch die zuständige Bezirksregierung als Aufsichtsbehörde. Die Geschäftsführung erfolgt durch den Vorstand. Der Stifter ist von der Haftung ausgenommen. Gewinne verbleiben in der Stiftung, die Besteuerung erfolgt durch Körperschaft- bzw. Gewerbesteuer, von der die Stiftung jedoch durch Finanzamtsbescheid freigestellt werden kann. Die Limited Company (Ltd) benötigt zur Gründung zwei Personen sowie e­ inen Direktor und einen Sekretär, die aber auch personenidentisch sein können. Die Geschäftsfähigkeit entsteht mit Aushändigung der Gründungsurkunde durch das Gesellschaftsregister, evtl. auch als Schnellgründung innerhalb 24 Stunden. Das Mindestkapital beträgt 1.000 Pfund Sterling, wovon nur zwei Pfund eingezahlt werden müssen. Die Ltd. hat eine eigene Rechtspersönlichkeit und haftet nur mit ihrem Firmenvermögen. Die Direktoren werden durch die Gesellschafterversammlung bestellt und entlassen. Als Direktoren können auch Treuhänder fungieren, womit die eigentlichen Geldgeber dann anonym bleiben können. Die Unternehmergesellschaft (haftungsbeschränkt)/UG ist als „Mini-GmbH“ schon mit 1 € Bar-Stammkapital zu gründen. Erforderlich sind zudem ein notariell beurkundeter Gesellschaftsvertrag und eine Errichtungsurkunde. Deren Mindestinhalt sind Firma der Gesellschaft (immer mit Zusatz), Sitz, Gegenstand der Unternehmung, Stammkapital mit max. 24.999 € voll eingezahlt, danach erfolgt automatisch der Übergang zur GmbH, Nennbeträge der Stammeinlagen und Namen der Gründungsgesellschafter (max. drei). Dafür gibt es ein Musterprotokoll mit Mindestinhalten. Es erfolgt eine Eintragung im Handelsregister. Auch kann ein Geschäftsführer bestellt werden. 25 % des Jahresgewinns müssen zur Sicherheit als Rücklage solange angesammelt werden, bis 25.000 € Stammkapital erreicht sind.

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A. Die Prinzipien der Betriebswirtschaft

2.1.6 Wechsel der Rechtsform

Der Rechtsformenwechsel selbst kann auf zwei Wegen vollzogen werden: • Bei der formellen Liquidation der bisherigen Unternehmung gehen deren Vermögensgegenstände und Schulden im Wege der Einzelübertragung auf die neue Unternehmung über. Probleme entstehen allerdings durch Bewertungsunklarheiten und Auflösung stiller Reserven. • Bei der Umwandlung folgt die neue Unternehmung der alten im Wege der Gesamtrechtsnachfolge nach. Es kann daher darauf verzichtet werden, die einzelnen Vermögens- und Schuldenpositionen zu ermitteln und zu übertragen. Für einen Wechsel der Rechtsform einer Unternehmung können interne oder externe Gründe ursächlich sein. Als interne Gründe sind vor allem folgende zu nennen: • Ein bisheriger Teilhaber scheidet aus dem Gesellschafterkreis aus. Für ihn gibt es keinen Nachfolger. Dadurch verschieben sich die Eigentumsanteile und machen eine Neuordnung erforderlich. • Ein neuer Teilhaber steigt in den Inhaberkreis ein. Für ihn gab es keinen Vorgänger. Dabei sind die Interessen des hinzukommenden Teilhabers in Bezug auf Führung, Haftung etc. zu berücksichtigen. • Der / die Eigentümer hat / haben den Wunsch nach einer Beschränkung des Haftungsrisikos. Dann bietet sich ein Wechsel von einer Personen- in eine Kapital­ gesellschaft an. • Es besteht die Absicht zur Erweiterung der Kapitalbasis durch Aufnahme neuer Gesellschafter. Dies erfordert womöglich, jedoch nicht notwendigerweise, eine Kapitalmarktnotierung (AG). Als externe Gründe sind etwa folgende zu nennen: • Es bestehen Rechtsänderungen im Gesellschaftsrecht, z. B. in Bezug auf die Haftung. Diese bewegen den / die Inhaber dazu, die Rechtsform zu wechseln. • Es bestehen Rechtsänderungen im Arbeitsrecht, z. B. in Bezug auf die Mitbestimmung. Dies trifft bei Überschreiten „kritischer“ Grenzwerte (Umsatz, Bilanzsumme, Mitarbeiterzahl) zu. • Es bestehen Rechtsänderungen in der Unternehmensbesteuerung. Dann geht es um eine legale Minimierung der Steuerlast. • Es bestehen Änderungen in Bezug auf mögliche Rechtsformen, z. B. durch neue „europäische“ Rechtsformen, die eine bessere Verwirklichung der Unternehmensziele erlauben.

2. Konstitutive Faktoren der Unternehmung

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2.2 Standort der Unternehmung Standortentscheidungen haben zweifelsfrei konstitutiven Charakter. Dabei sind für die herstellerbezogene und wiederverkäuferbezogene Standortwahl unterschiedliche Maßstäbe anzulegen (siehe Abb. A19).

Abbildung A19: Standortentscheidungen (eig. Abb.)

2.2.1 Herstellerbezogene Standortwahl

Bei der Standortwahl kann es sich um einen oder mehrere Standorte handeln sowie um internationale, nationale oder lokale Standorte. Bei internationalen Standorten stellt sich zudem die Frage des Internationalisierungsgrades. Dabei sind Überlegungen zur Erschließung ausländischer Absatzmärkte, zur Verlagerung von Produktionsvolumina in die räumliche Nähe von Schlüsselkunden, zur Nutzung von internationalem Know-how z. B. in der Technologie, und zur Rationalisierung, z. B. in Niedrigkostenstandorten, bedeutsam. Der Standort wird in der Makrosicht nach Ländern bzw. Regionen gewählt, in der Mikrosicht nach Kommunen bzw. Arealen. Standortentscheidungen fallen in allen Phasen der Unternehmensentwicklung an, in der Gründungsphase bei der Wahl des Startstandortes, in der Wachstumsphase bei der Wahl zusätzlicher Standorte, in der Restrukturierungsphase bei der Zusammenfassung oder Auflösung bestehender Standorte und in der Auflösungsphase bei der Schließung der Standorte. Der Standort ist der geografische Ort, an dem der Anbieter zum Zweck der Erreichung seiner Ziele Produktionsfaktoren zur Leistungserstellung kombiniert. Mögliche Anlässe für die Standortwahl sind • die Neugründung von Betrieben, die Umsiedlung ohne Veränderung der Betriebsgröße, die Verlagerung mit Erweiterung / Verkleinerung der Betriebsgröße, die räumliche Ausweitung der Geschäftstätigkeit, die räumliche Differen-

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A. Die Prinzipien der Betriebswirtschaft

zierung der Geschäftstätigkeit, die Zusammenlegung unabhängiger Betriebe oder die Schließung von Betrieben. Standortentscheidungen haben langfristige Auswirkungen und werden daher oft als Investitionsproblem mit Einzahlungen (= Kosten) und Auszahlungen (= Erlösen) betrachtet. Häufig sind dabei auch mehrere Standorte aufeinander abzustimmen. Dabei können qualitative und / oder quantitative Einflussgrößen berücksichtigt werden. Im Einzelnen handelt es sich um Beurteilungskriterien, Nutzwertanalysen, Checklisttechniken (siehe Abb. A20).

Abbildung A20: Herstellerbezogene Standortwahl (eig. Abb.)

Für die Standortwahl sind folgende Faktoren als Beurteilungskriterien von Bedeutung: • Die Struktur des betrieblichen Standorts dient dem Anbieter zur Bestimmung des Absatzpotenzials des Standorts. Faktoren sind hier Bevölkerungsstand und -verteilung, Bevölkerungskennzeichen, Erwerbs- und Sozialstrukturen, Einkommensverhältnisse und -verwendung, Einzugsgebiet, Lebensstandard, Konsumgewohnheiten, Mentalität etc. • Das Umfeld bezieht sich auf die Harmonie des betrieblichen Standorts mit dem Image des Betriebs. Dies gilt vor allem für Leistungen mit Vertrauensgutcharakter, bei denen aus den Umfeldfaktoren, wie I a-Lage, mangels anderer Anhaltspunkte, auf die Leistungsfähigkeit des Anbieters geschlossen wird. Faktoren sind hier Betriebsbestand und -formen, Geschäftsstättenpräferenzen, Infrastrukur, Lage, Personal- und -nebenkosten, Personalqualifikation, gesetzliche Bestimmungen, Immissionen etc. • Die Konkurrenz kann zu einer Meidung konkurrierender Betriebe führen (Evitation) oder gerade zu einer Suche der Nähe solcher anderen Betriebe (Agglomeration), um von der gemeinsam höheren Anziehungskraft des betrieblichen Standorts zu profitieren oder im Falle der Zusammenarbeit von kurzen Wegen.

2. Konstitutive Faktoren der Unternehmung

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• Die Erreichbarkeit betrifft die Zugänglichkeit des betrieblichen Standorts. Faktoren sind hier Topografie, Verkehrsanbindung etc. • Der Raum orientiert sich an den Raumkosten (Mietkosten, Bauinvestitionen etc.), an der Raumqualität (Architektur, Grünflächen etc.) und der Raumkapazität (Quadratmeter, Lagerfläche etc.). Faktoren sind hier Betriebsraum und  fläche, Gebäude, Unterhalt, Beschaffung, Logistik etc. Die Standortwahl kann nach verschiedenen Verfahren erfolgen, dabei kann man grob zwei Gruppen unterscheiden: • Nutzwertanalysen. Sie dienen der Operationalisierung zumeist vorzufindender qualitativer Kriterien wie Infrastruktur, Kultur, Risiken etc. durch Übersetzung in eine Nutzenfunktion und Gewichtung der Kriterien. Dadurch ergeben sich metrisierte Werte, die dann vergleichbar sind. Sofern nur quantitative Kriterien vorliegen, kann gleich ein Scoring-Verfahren (Punktwertanalyse) angewendet werden. • Checklist-Techniken mit Auswahlkriterien als Muss-, Soll- oder Kannkriterien. Dazu gehören input-, output- und abgabenorientierte Faktoren wie Transportkosten in Beschaffung und Absatz, Kosten der Arbeitskräfte, Wechselkurs­ effekte bzw. Zinskosten, zu zahlende Steuern bzw. erhaltene Subventionen, Energiekosten etc. Checklist-Techniken versuchen, zu einer Rationalisierung der Entscheidungsfindung durch Berücksichtigung aller relevanten Einflussgrößen zu gelangen. Problematisch ist dabei, dass Faktorkategorien einander inhaltlich überlappen (daher Abgleich der Faktoren) und nicht unbedingt gleich bedeutsam sind (daher Gewichtung der Faktoren). Zudem handelt es sich um eine Momentaufnahme, die um perspektivische Aspekte ergänzt werden muss. Auch sind viele Faktoren qualitativer Natur und daher von subjektiver Schätzung abhängig. Hier kann dann nur das Mittel aus mehreren, unabhängigen Schätzungen gezogen werden. In der Zusammenfassung ist ein Standortprofilvergleich über alle Kriterien möglich. Im Folgenden der Vorschlag einer Checklist für Standortfaktoren: • Demografische Faktoren wie Bevölkerungsstand und -verteilung (Gesamteinwohnerzahl, Einwohnerzahl und Haushaltungen nach Entfernungszonen, Bevölkerungsdichte, -entwicklung), Bevölkerungsstruktur (Altersklassen, Familienstand, Nationalität, Haushaltsstruktur), Erwerbs- und Sozialstruktur (Erwerbsquote, selbstständig und unselbstständig Erwerbstätige, berufstätige Frauen, soziale Einstufung), • Marktpotenzialfaktoren wie Einkommensverhältnisse (Pro Kopf-Einkommen, Aufteilung nach Einkommensklassen, Pro Kopf-Sparquote, Einkommenskennziffern), Einkommensverwendung (konsumtive Pro Kopf-Kaufkraft, durchschnittlicher Wohnungsmietwert, Haushaltsausgaben, Kaufneigung, regionale Verbrauchskennziffern), Marktpotenzial (Berufspendlerströme, Reise- und Ausflugsanlässe, Einkaufspendler, Fremdenverkehr, Passantenfrequenz),

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A. Die Prinzipien der Betriebswirtschaft

• qualitative Faktoren wie Lebensgewohnheiten (Lebensstandard, Freizeit, Arbeitszeit, Motorisierung), Konsumgewohnheiten (Einkaufsintervall, durchschnittlicher Einkaufsbetrag, erforderliche Wegstrecke, benutzte Verkehrsmittel, Einkaufszeiten), Mentalität (Geschäftsstättenattraktivität, Ladenimage, Erlebnisumfeld), • Konkurrenzverhältnisse wie Konkurrenzbestand und -formen (Anzahl und Größe der Betriebe, Distributionsform, Rechtsform, Umsatz, Filialbetriebe), Konkurrenzwirkung in Bezug auf Programm (Substitutions- und Komplementärangebote, Kaufkraftkonkurrenz), räumliche Präferenzen (Kundennähe, „Kundenmagnete“), sachliche Präferenzen (Preis, Qualität, Auswahl, Image, Kundendienst), • Infrastruktur wie Städtebau (Regionalplanung, Stadtfunktionen, Cityentwicklung und Agglomeration, öffentliche und private Bauprojekte, „Zentrifugalkraft“ der Stadt), Verkehr (Verkehrslage, öffentliche Verkehrseinrichtungen, privater Verkehrsanteil, zeitliche Verteilung, Parkplatzangebot nach Entfernungszonen, topografische oder künstliche Hindernisse), • Objektbewertung wie Geschäftslokal (Objektgröße, Ladenfront, Ausbaumöglichkeiten, Zufahrtsmöglichkeiten, Lagerraum), Umfeld (Wert und Struktur der Nachbargeschäfte, Verkehrsnetzanbindung), Grundstückseigenschaften, Rechte Dritter, Bodeneigenschaften, Eigenschaften bestehender Bauten, Image der Geschäftsadresse, Verwertbarkeit, Erschließung, Klima, • standortabhängige Kosten wie solche für Beschaffung und Logistik (Zulieferung, Hauszustellung, Fuhr- und Wagenpark, gebrochene Lieferung), Gebäude und Unterhalt (Grundstücks- und Gebäudekosten, Miete und Pacht, Einrichtungskosten, Reparaturen, Wartung, Energie, Steuern, Hebesätze, Gebühren), Verkauf (Personal, Steuern und Abgaben, Umlage aus Gemeinschaftsaktionen), Beschaffungsdistanzen, Einzugsbereich, • Rahmenbedingungen wie gesetzliche Bestimmungen (baupolizeiliche Vorschriften), Immissionen (Lärm, Geräusch, Geruch), Personaleinsetzbarkeit, Auflagen, Subventionen, Steuererleichterungen / Subventionen etc.

2.2.2 Wiederverkäuferbezogene Standortwahl

Speziell für Wiederverkäufer kommen weitere Verfahren zur Standortwahl in Betracht wie die Analogmethode, Raumgebietsmodelle und die Distanzenbetrachtung (siehe Abb. A21). Bei der Analogmethode wird ein strukturidentischer Vergleichsstandort herangezogen, von dessen Erfolg auf den mutmaßlichen Erfolg am Bewertungsstandort geschlossen wird. Dafür gibt es verschiedene Umrechnungsansätze:

2. Konstitutive Faktoren der Unternehmung

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Analogmethode

Abbildung A21: Wiederverkäuferbezogene Standortwahl (eig. Abb.)

• Bei der Pro Kopf-Umrechnung wird der Quotient aus der Absatzmenge des Vergleichsstandorts und der Zahl der Abnehmer dort mit der Zahl der Abnehmer am Bewertungsstandort multipliziert. • Bei der Marktanteils-Umrechnung wird der Quotient aus der Absatzmenge des Vergleichsstandorts und der Absatzmenge der zugehörigen Warengruppe dort mit der Absatzmenge der Warengruppe am Bewertungsstandort multipliziert. • Bei der Umsatzverhältnis-Umrechnung wird der Quotient aus der Absatzmenge des Vergleichsstandorts im Gesamtmarkt und der Absatzmenge des Bewertungsstandorts mit der Absatzmenge des Vergleichsstandorts multipliziert. • Bei der Kaufkraftindex-Umrechnung wird der Quotient aus dem verfügbaren Einkommen / Budget am Vergleichsstandort und dem verfügbaren Einkommen / Budget am Bewertungsstandort mit der Absatzmenge am Vergleichsstandort multipliziert. • Bei der Wiederkäufer-Umrechnung wird der Quotient aus der Abnehmerzahl, die am Vergleichsstandort einkauft, und der Abnehmerzahl am Bewertungsstandort mit der durchschnittlichen Absatzmenge pro Wiederkäufer und der Zahl der Abnehmer im Gesamtmarkt multipliziert. Voraussetzung ist dabei immer, dass der Vergleichsstandort auch wirklich hinsichtlich aller relevanten Parameter vergleichbar ist, worüber meist allenfalls spekuliert werden kann. Bei Raumgebietsmodellen geht es um die Bestimmung der räumlichen Grenzen von Marktgebieten. Dazu gibt es deterministische Ansätze (Gravitationsmodelle) und stochastische Ansätze (Potenzialmodelle). Eine Person in einem zwischen Einkaufszentren liegenden Gebiet ist danach bei deterministischen Modellen entweder Kunde des einen oder des anderen Zentrums bzw. kauft bei probabilistischen Modellen mit einer gewissen Wahrscheinlichkeit am einen oder anderen Standort. Bei Gravitationsmodellen geht es um die Abgrenzung der Absatzreich-

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A. Die Prinzipien der Betriebswirtschaft

weiten zwischen zwei Geschäftszentren. Dabei werden Kunden dichotom zugeteilt, d. h., es wird der Kauf entweder in dem einen oder in dem anderen Zentrum angenommen. Bei Potenzialmodellen überlappen sich die Absatzreichweiten, und es werden Wahrscheinlichkeiten dafür benannt, dass Kunden einer bestimmten Position entweder dem einen oder dem anderen Zentrum zuwandern. Man kann die Betrachtung jedoch auch umkehren und nicht die Standorte der Kunden, sondern den potenziellen Standort des Geschäfts als Basis für die Absatzreichweite nehmen und das entsprechende Einzugsgebiet betrachten. Für die zugrunde gelegten Größen sind mehrere Ansätze der Distanzenbetrachtung denkbar: • Bei der Entfernungsmethode wird die kürzeste räumliche Distanz zwischen Betriebsstandort und Einzugsgebiet zugrunde gelegt. Praktisch kann man konzentrische Kreise mit definiertem Radius um einen Standort legen (= Luftlinie). Mit steigender Entfernung sinkt dabei tendenziell das Kundenpotenzial, da der Beschaffungsaufwand steigt. • Bei der Wegemethode wird der effektive räumliche Abstand zwischen Standort und Einzugsgebiet zugrunde gelegt (= tatsächliche Wegstrecke). Zonen gleicher Wegstrecke werden zusammengefasst und von einer Indifferenzkurve umgeben. Hier kommt also die Wegetopografie ins Spiel. • Bei der Zeitdauermethode wird der effektive Zeitbedarf für die Zurücklegung dieser Distanz zugrunde gelegt. Dieser ist vor allem abhängig von Streckenausbau und Verkehrsverbindung innerhalb der Region. Gleich weite Distanzen können, je nach Anbindung, unterschiedlich schnell überbrückt werden. • Bei der Kostenmethode wird der effektive Kostenaufwand für die Zurücklegung dieser Distanz zugrunde gelegt. Dieser ergibt sich aus den Transferkosten je Wegeeinheit. Denn gleiche Zeiten können aus der Nutzung unterschiedlicher Transportmittel resultieren, deren Kosten meist mit sinkender Zeitdauer ansteigen. Die Standortwahl ist im Übrigen vielfältigen Restriktionen unterworfen. Zu nennen sind hier die Baunutzungsverordnung, das Landesplanungsgesetz, das Gesetz zur Landesentwicklung, das Bundesraumordnungsgesetz, das Baugesetzbuch etc.

Literaturhinweise Beschorner, Dieter / Peemöller, Volker H.: Allgemeine Betriebswirtschaftslehre, 2. Auflage, Herne 2006 Busse von Colbe, Walther / Coenenberg, Adolf G./Kajüter, Peter / Linnhoff, Ulrich / Pellens, Bernhard (Hrsg.): Betriebswirtschaft für Führungskräfte, 4. Auflage, Stuttgart 2011

2. Konstitutive Faktoren der Unternehmung

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Bleicher, Knut: Das Konzept Integriertes Management, 8. Auflage, Frankfurt a. M. 2011 Daum, Andreas / Petzold, Jürgen / Pletke, Matthias: BWL für Juristen, 3. Auflage, Wiesbaden 2016 Härdler, Jürgen / Gonschorek, Torsten: Betriebswirtschaftslehre für Ingenieure, 6. Auflage, München 2016 Homburg, Christian: Quantitative Betriebswirtschaftslehre, 3. Auflage, Wiesbaden 2000 Korndörfer, Wolfgang: Allgemeine Betriebswirtschaftslehre, 13. Auflage, Wiesbaden 2003 Kußmaul, Heinz: Betriebswirtschaftslehre, 8. Auflage, Berlin / Boston 2016 Macharzina, Klaus / Wolf, Joachim: Unternehmensführung, 8. Auflage, Wiesbaden 2012 Nagel, Michael / Mieke, Christian: BWL-Methoden, Konstanz 2014 Schaufenbühl, Karl / Hugentobler, Walter / Blattner, Matthias (Hrsg.): Betriebswirtschaftslehre für Bachelor, Zürich 2007 Schneck, Ottmar: Lexikon der Betriebswirtschaftslehre, 8. Auflage, München 2011 Staehle, Wolfgang Horst / Conrad, Peter / Sydow, Jörg: Management, 8. Auflage, München 1999 Steinmann, Horst / Schreyögg, Georg: Management, 6. Auflage, Wiesbaden 2005 Steven, Marion: BWL für Ingenieure, München 2012 Straub, Thomas: Einführung in die Allgemeine Betriebswirtschaftslehre, 2. Auflage, München 2014 Voss, Rödiger: Grundwissen Betriebswirtschaftslehre, 7. Auflage, Rinteln 2014 Welge, Martin / Al-Laham, Andreas: Strategisches Management, 6. Auflage, Wiesbaden 2012

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A. Die Prinzipien der Betriebswirtschaft

Übungsaufgaben   1. Charakterisieren Sie bitte die wesentlichen Merkmale einer Einzelunternehmung.   2. Charakterisieren Sie bitte die wesentlichen Merkmale einer Offenen Handelsgesellschaft.   3. Charakterisieren Sie bitte die wesentlichen Merkmale einer Kommanditgesellschaft.   4. Charakterisieren Sie bitte die wesentlichen Merkmale einer Gesellschaft mit beschränkter Haftung.   5. Charakterisieren Sie bitte die wesentlichen Merkmale einer eingetragenen Genossenschaft.   6. Charakterisieren Sie bitte die wesentlichen Merkmale einer Stillen Gesellschaft.   7. Charakterisieren Sie bitte die wesentlichen Merkmale einer Gesellschaft mit beschränkter Haftung und Co Kommanditgesellschaft.  8. Charakterisieren Sie bitte die wesentlichen Merkmale einer Aktiengesellschaft.   9. Charakterisieren Sie bitte die wesentlichen Merkmale einer Kommanditgesellschaft auf Aktien. 10. Welche Faktoren kommen für die Bewertung der Standortwahl einer Unternehmung in Betracht. 11. Charakterisieren Sie bitte die wesentlichen Merkmale einer Europäischen Aktiengesellschaft. 12. Charakterisieren Sie bitte die wesentlichen Merkmale einer Partnerschaftsgesellschaft. 13. Charakterisieren Sie bitte die wesentlichen Merkmale einer Gesellschaft bürgerlichen Rechts. 14. Welche Kriterien können für die Wahl der Rechtsform einer Unternehmung bedeutsam sein? 15. Stellen Sie bitte Inhalt und Bedeutung der Mitbestimmung als konstitutivem Faktor dar.

B. Der Rahmen der Betriebswirtschaft 3. Gesamtwirtschaftlicher Rahmen In diesem Kapitel werden folgende Inhalte behandelt und geklärt: • die Konzepte der VWL und Wirtschaftsordnungen, • die mikroökonomischen Größen Markt und Preis sowie Wettbewerb, • die makroökonomischen Größen Volkwirtschaftliche Gesamtrechnung sowie Geld und Währung, • die Wirtschaftspolitikfelder Ordnung, Konjunktur, Struktur, Arbeit und Soziales, Wachstum, Umwelt, • der außenwirtschaftliche Beitrag. 3.1 Konzepte der VWL Die Volkswirtschaftslehre (VWL) befasst sich mit den wirtschaftlichen Beziehungen und Entscheidungen der Wirtschaftssubjekte Haushalte, Unternehmen und Staat. Volkswirtschaften sind allgemein durch die Rechtsordnung, die Eigentumsverhältnisse, den technischen und wirtschaftlichen Fortschritt sowie weitere Rahmenbedingungen gekennzeichnet. Meist wird die VWL in Mikroökonomie und Makroökonomie unterteilt (siehe Abb. B1). Erstere betrachtet die einzelwirtschaftlichen Verhältnisse, also Angebot, Nachfrage, Märkte, Preise etc., letztere

Abbildung B1: Teilgebiete der Volkswirtschaftslehre (eig. Abb.)

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B. Der Rahmen der Betriebswirtschaft

betrachtet gesamtwirtschaftliche Verhältnisse, also Wirtschaftskreislauf (siehe Abb. B2), volkswirtschaftliche Gesamtrechnung, Wachstum und Arbeit.

Quelle: pussep.de/images/vollst_kreislauf.png

Abbildung B2: Wirtschaftskreislauf (eig. Abb.)

Haushalte wie Unternehmen sind in privater oder öffentlicher Anlage bzw. in Mischformen organisiert. Der Staat prägt große Teile der Gesamtwirtschaft. Grundlage des Wirtschaftens sind dabei Bedürfnisse, die durch ein Mangelempfinden geprägt sind. Die Summe der Bedürfnisse macht den Bedarf aus. Ist diese mit Kaufkraft unterlegt, entsteht marktwirksame Nachfrage nach Gütern. Diese sind frei und damit nicht Gegenstand des Wirtschaftens oder knapp, dies ist auf die Knappheit der Produktionsfaktoren zurückzuführen. Wirtschaften bedeutet daher allgemein den rationalen Umgang mit knappen Gütern und materiellen, finanziellen und personellen Ressourcen. Ziel der Akteure ist der produktive Umgang mit dieser Knappheit. Dabei gelten das Minimumprinzip, d. h. ein vorgegebenes Ziel soll mit einem möglichst geringen Einsatz an Mitteln erreicht werden, oder das Maximumprinzip, d. h. mit vorgegebenen Mitteln soll ein größtmöglicher Nutzen gestiftet werden. Zur Bewirtschaftung stehen Sachgüter und Dienstleistungen zur Verfügung. Sachgüter können wiederum Verbrauchs- oder Gebrauchsgüter sein, beide können im geschäftlichen (B-t-B) oder privaten Bereich (B-t-C) transferiert werden. Die Produktion dieser Güter erfolgt in den drei gesamtwirtschaftlichen Sektoren (siehe Abb. B3): • dem primären Sektor als Land- und Forstwirtschaft, Energieerzeugung etc., • dem sekundären Sektor als Industrie und Handwerk, • dem tertiären Sektor als Handel und Dienste.

3. Gesamtwirtschaftlicher Rahmen

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Abbildung B3: Gesamtwirtschaftliche Sektoren (eig. Abb.)

Es ist eine „Tertiarisierung“ der Wirtschaft in entwickelten Volkswirtschaften anzutreffen (spiegelbildlich eine „De-Industrialisierung“). Als vierter Sektor wird häufig die Information und Kommunikation (IuK) angesehen. Jegliche Produktion findet durch drei volkswirtschaftliche Produktionsfaktoren statt (siehe Abb. B4): • Natur (bzw. Umwelt) als Naturkräfte, Grundstücke etc., • Kapital als Geldkapital, Sachkapital, intellektuelles Kapital etc., • Arbeit als leitende oder ausführende Arbeit.

Abbildung B4: Volkswirtschaftliche Produktionsfaktoren (eig. Abb.)

Diese Produktionsfaktoren können in substitutivem oder limitationalem Verhältnis zueinander stehen, d. h. ein Produktionsfaktor kann durch die anderen völlig ersetzt werden oder ein Produktionsfaktor kann durch die anderen nur partiell ersetzt werden oder erfordert die anderen in einem genau vorgegebenen Verhältnis. Aus dem Angebot dieser Güter am Markt erzielen die Akteure Einkommen. Dabei werden Faktor- bzw. Erwerbs- und Vermögenseinkommen unterschieden, sie stammen aus Arbeitnehmerentgelten (Lohn, Gehalt), Unternehmereinkommen

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B. Der Rahmen der Betriebswirtschaft

(Gewinn) und Vermögensstock (Zinsen, Dividende) sowie Transfereinkommen des Staates (siehe Abb. B5). Daraus ergeben sich verschiedene Einkunftsarten aus

Abbildung B5: Einkommensquellen (eig. Abb.)

Land- und Forstwirtschaft, selbstständiger Tätigkeit, unselbstständiger Tätigkeit, Kapitalvermögen, Vermietung / Verpachtung und sonstigen Einkommensquellen. Die Summe dieser Einkommen macht das Volkseinkommen aus, gemessen als Summe aller den inländischen Wirtschaftssubjekten aus dem In- und Ausland in einer Periode zugeflossenen Einkommen (Bruttoinlandsprodukt). Das Nominaleinkommen ergibt sich dabei ohne Berücksichtigung der Kaufkraft, das Realeinkommen berücksichtigt hingegen die Preisniveauentwicklung. Das Nettoeinkommen ergibt sich nach Abzug der Abschreibungen vom Bruttoeinkommen. Das Einkommen verteilt sich auf Arbeitnehmer und Unternehmer. Die Lohnquote zeigt an, wie viel Prozent des erzielten Gesamteinkommens auf den Faktor Arbeit entfallen, die Gewinnquote zeigt an, wie viel Prozent auf den Faktor Kapital (und Boden) entfallen. Der Staat bezieht sein Einkommen im Wesentlichen derivativ, also aus Steuern, Gebühren, Abgaben etc. und investiert es in gesellschaftliche Aufgaben und für Transferleistungen an Einkommenslose. Die Vermögensverteilung in einer Volkswirtschaft wird aufgeteilt in Sachvermögens-, Geldvermögens- und Arbeitsvermögensanteile (siehe Abb.  B6). Dabei ist

Abbildung B6: Formen von Vermögen (eig. Abb.)

3. Gesamtwirtschaftlicher Rahmen

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eine zunehmende Ungleichheit der Vermögensverteilung festzustellen (Lorenzkurve). Folglich wird eine Vermögensumverteilung von „oben“ nach „unten“ für erforderlich gehalten. Instrumente dazu sind u. a. die Vermögensteuer (derzeit ausgesetzt) und die Erbschaftsteuer, die in den Vermögensbestand eingreifen. Instrumente, die in die Vermögensentwicklung eingreifen, sind u. a. der Investivlohn und die Ertragsbeteiligung. Ersterer bedeutet, dass Teile des Lohnzuwachses in Form von Wertpapieren (Unternehmensbeteiligungen) ausgezahlt werden. Letztere bedeutet, dass Teile des Unternehmensgewinns in einen Arbeitnehmer-Fonds eingezahlt werden. Leitbild ist dabei eine Verteilungsgerechtigkeit. Jedoch wäre dazu zunächst der Begriff der Gerechtigkeit zu klären (siehe Abb. B7). Denkbar ist eine • Leistungsgerechtigkeit, d. h., wer mehr leistet, erhält mehr Einkommen, dies wird jedoch verbreitet als unsozial angesehen, • Bedürfnisgerechtigkeit, d. h., wer mehr braucht, erhält mehr Einkommen, dabei ist die Messung des Bedarfs fragwürdig, • Verteilungsgerechtigkeit, d. h., wer etwas erwirtschaftet, erhält auch das Einkommen daraus, dies läuft jedoch dem Ziel der Umverteilung zuwider, • Regelgerechtigkeit, d. h., „Spielregeln“ legen die Verteilung fest, wobei diese bereits ein manifestes Werturteil enthalten.

Abbildung B7: Maßstäbe für Verteilungsgerechtigkeit (eig. Abb.)

3.2 Wirtschaftsordnungen Die freie Marktwirtschaft ist durch Merkmale gekennzeichnet wie • die Entscheidungsfreiheit der Unternehmer und Haushalte, deren Vertragsfreiheit, das Privateigentum an Produktionsmitteln, fehlende Eingriffe des Staates in die Wirtschaft, Märkte mit freiem Wettbewerb und freier Preisbildung, Gewinnerzielungsabsicht, Gewerbefreiheit, freie Berufswahl, freie Konsumwahl, unbeschränkter Handel etc. Daraus entsteht ein dynamisches Gleichgewicht, das auf Leistungsfähigkeit beruht. Grundlagen sind dabei Individualismus und Liberalismus. Die Menschen

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B. Der Rahmen der Betriebswirtschaft

sind hierbei freie, selbstbestimmte Individuen, die ohne Eingriffe „von oben“ ihr gesellschaftliches Zusammenleben gestalten. Das Streben nach Eigennutz dient letztlich dem Gemeinnutzen, wenn es jedem gut geht, geht es allen gut. Dem Staat kommt lediglich eine fragwürdige Ordnungs- und Sicherungsfunktion zu, damit die „Spielregeln“ eingehalten und die innere und äußere Sicherheit erhalten werden. Zusätzlich sorgt er für die Bereitstellung öffentlicher Güter, die Privaten nicht zugemutet werden können („Nachtwächterstaat“). Jahrzehntelang galt die Zentralverwaltungswirtschaft als Gegenpol dazu. Der Einzelne ist dabei der Gesellschaft untergeordnet. Diese Wirtschaftsordnung hat sich jedoch historisch erwiesen als nicht praxistauglich gezeigt. Das marktwirtschaftliche System baut auf den Elementen Markt und Preis auf („unsichtbare Hand“) und ist durch folgende Merkmale gekennzeichnet: • Es herrscht funktionsfähiger Wettbewerb, d. h. Angebot und Nachfrage bestimmen den Preis. • Es sind offene Märkte gegeben, d. h. jeder interessierte Marktteilnehmer ist zugelassen. • Es liegen eine individuelle Planung und Risikotragung vor, dies bedeutet auch Gewerbefreiheit für Anbieter und Konsumfreiheit für Nachfrager. • Es herrscht Vertragsfreiheit der Wirtschaftssubjekte. • Es wird ein Streben nach maximalem Gewinn bzw. Nutzen bei den Marktteilnehmern unterstellt. • Anbieter und Nachfrager können frei über den Einsatz ihrer jeweiligen Geldmittel entscheiden. • Es herrscht Privateigentum vor. • Die Menschen können frei ihren Beruf und ihren Arbeitsplatz wählen, die Unternehmen frei ihre Mitarbeiter. • Der Staat spielt eine untergeordnete Rolle. • Die Gesellschaft ist demokratisch organisiert. • Währungen verschiedener Länder sind frei konvertierbar. Problematisch sind dabei vor allem folgende Störungen: • externe Effekte, d. h. Benachteiligungen der Allgemeinheit, die nicht von einzelnen Akteuren zu tragen sind, • der stipulierte Vorrang der Gewinnerzielung vor der Sozialorientierung, • die allgemeine Krisenanfälligkeit der Wirtschaft mit Aufschaukelungseffekten (Bullwhip), • die ungleiche Einkommens- und Vermögensverteilung, • das mangelnde Angebot „öffentlicher Güter“ etc.

3. Gesamtwirtschaftlicher Rahmen

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Die Soziale Marktwirtschaft ist speziell durch die Betonung des sozialen Fortschritts und der sozialen Sicherheit innerhalb der Marktwirtschaft gekennzeichnet. Sie geht auf Walter Eucken (Vordenker), Alfred Müller-Armack (Begriff) und Ludwig Erhard (Politik) zurück. Die Eckpfeiler dieser Philosophie finden sich in den Artikeln des Grundgesetzes (GG): • Jeder hat das Recht auf freie Entfaltung seiner Persönlichkeit (Art. 2). • Das Recht zur Wahrung und Förderung der Arbeits- und Wirtschaftsbedingungen Vereinigungen zu bilden, ist für jedermann und für alle Berufe gewährleistet (Art. 9). • Alle Deutschen haben das Recht, Beruf, Arbeitsplatz und Ausbildungsstätte frei zu wählen (Art. 12). • Eigentum verpflichtet. Sein Gebrauch soll zugleich dem Wohle der Allgemeinheit dienen (Art. 14). • Die Bundesrepublik Deutschland ist ein demokratischer und sozialer Bundesstaat (Art. 20). • Die verfassungsmäßige Ordnung in den Ländern muss den Grundsätzen des sozialen Rechtsstaates i. S. d. Grundgesetzes entsprechen (Art. 28). Der Staat gewährleistet damit die Freiheitsrechte (Sicherheit nach außen und innen), sichert die Grundausrüstung der Wirtschaft (Rechtsordnung, Geldwesen etc.), hält einen funktionsfähigen Wettbewerb aufrecht, korrigiert Fehlentwicklungen ökonomischer Prozesse durch (ordnungs-)politische Eingriffe, übernimmt Aufgaben, die private Marktteilnehmer nicht selbst lösen können (Subsidiarität) und sichert das Sozialstaatsprinzip zum Schutze des Einzelnen und des Gemeinwohls. Sozialstaatsprinzip meint dabei sowohl die Unterstützung des Einzelnen durch die Gemeinschaft als auch die Unterstützung der Gemeinschaft durch den Einzelnen. Subsidiarität bedeutet, dass die Gemeinschaft nur diejenigen Aufgaben übernimmt, die Einzelne nicht in Eigenverantwortung übernehmen können. Das „soziale Netz“ umfasst dabei zahlreiche Transferleistungen des Staates, so u. a.: • Rentenversicherung, Krankenversicherung, Beamtenpension, Sozialhilfe, Lohnund Gehaltsfortzahlung, Jugendhilfe, Pflegeversicherung, Unfallversicherung, Beihilfe für Beamte, Zusatzversorgung im öffentlichen Dienst, Familienzuschlag für Beamte, Vermögensbildung, Wohngeld, Erziehungsgeld, Alterssicherung für Landwirte, öffentlicher Gesundheitsdienst, Versorgungswerk, Ausbildungsförderung, Lastenausgleich etc. Der Wettbewerb ist durch Regularien in seiner Fairness (Gesetz gegen unlauteren Wettbewerb / U WG) und seiner Funktionsfähigkeit (Gesetz gegen Wettbewerbsbeschränkungen / GWB) begrenzt. Es gilt das erwerbswirtschaftliche Prinzip. Das Privateigentum ist zwar gesichert, verpflichtet aber zugleich zum

B. Der Rahmen der Betriebswirtschaft

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Gemeinwohl (Sozialbindung). Der Staat nimmt zudem auf die Märkte vielfach begrenzend Einfluss, um Stabilität, Vollbeschäftigung, Wachstum und außenwirtschaftliches Gleichgewicht zu sichern. Der Staat übernimmt aber auch soziale Sicherungsaufgaben für schutzbedürftige Personengruppen. Dabei gilt die Tarifautonomie der Sozialpartner. Ein Abgleich der Interessen des Einzelnen und der Gemeinschaft erfolgt durch die gezielte Umverteilung von Einkommen. Dadurch sollen soziale Härten abgefedert werden. Das macht erst aus einer freien eine soziale Marktwirtschaft. 3.3 Markt und Preis Jedes Zusammentreffen von Angebot und Nachfrage etabliert einen Markt. Dabei können im Wesentlichen Märkte für Produktionsfaktoren als Input (also Arbeitsmarkt, Kapitalmarkt, Immobilienmarkt) und Märkte für Güter als Output am Konsumgütermarkt für Ge-/Verbrauch oder am Investitionsgütermarkt für Produktions-/Investitionsgüter unterschieden werden (siehe Abb. B8).

Abbildung B8: Gegenstand von Märkten (eig. Abb.)

Entsprechend der Anzahl der jeweiligen Marktteilnehmer ergeben sich verschiedene Marktformen (siehe Abb. B9). Im Grundsatz gibt es das • Monopol als Angebotsmonopol, d. h., an einem Markt befinden sich ein Anbieter und viele Nachfrager, als Nachfragemonopol (Monopson), d. h. ein Nachfrager und viele Anbieter, und als zweiseitiges Monopol, d. h. ein Anbieter und ein Nachfrager. • Oligopol als Angebotsoligopol, d. h., an einem Markt befinden sich wenige Anbieter und viele Nachfrager, als Nachfrageoligopol, d. h. wenige Nachfrager und viele Anbieter, und als zweiseitiges Oligopol, d. h. wenige Anbieter und wenige Nachfrager (siehe Abb. B10). • Polypol mit vielen Anbietern und vielen Nachfragern an einem Markt.

3. Gesamtwirtschaftlicher Rahmen

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Abbildung B9: Formen von Märkten (eig. Abb.)

Quelle: upload.wikimedia.org/wikipedia/5/5b/Regelzonen_deutscher_%C3 %9Cbertragungsnetzbetreiber.jpg

Abbildung B10: Beispiel Oligopolmarkt

Ein Markt wird dabei als vollkommen bezeichnet, wenn er folgende Merkmale aufweist (siehe Abb. B11): • Homogenität (völlige Austauschbarkeit) der Güter, • vollständige Markttransparenz, • Fehlen von Präferenzen jeglicher Art, • sofortige Reaktion auf Marktveränderungen.

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B. Der Rahmen der Betriebswirtschaft

Abbildung B11: Kriterien für einen vollkommenen Markt (eig. Abb.)

Fehlen eine oder mehrere dieser Bedingungen, wird der Markt als unvollkommen bezeichnet. Dies impliziert keine Wertung, sondern nur die Abwesenheit der genannten Prämissen. Ein Markt kann nach folgenden Kriterien beschrieben werden: • nach der Güterart handelt es sich um einen Realgüter- oder Nominalgütermarkt, • nach den Anbietern handelt es sich um öffentliche Betriebe oder private Betriebe, • nach den Nachfragern handelt es sich um Konsumenten, Produzenten, Institutionen oder Händler, • nach den Beziehungen der Akteure handelt es sich um solche der Kommunikation, der Kooperation, des Wettbewerbs, der Macht und der Rollen, • nach dem Marktgebiet handelt es sich um ein intranationales oder supranatio­ nales, • nach dem Marktzeitraum handelt es sich um einen punktuellen oder dauerhaften Markt, • nach dem Seitenverhältnis handelt es sich um einen Verkäufermarkt oder einen Käufermarkt, • nach dem Zutritt handelt es sich um einen offenen Markt oder einen geschlossenen Markt, • nach der Legalität handelt es sich um weiße Märkte oder graue / schwarze Märkte. Für die Aktivität der Nachfrager sind verschiedene Faktoren bestimmend. Zu denken ist an • deren Zielsetzung, diese wird meist als Nutzenmaximierung unterstellt, die Preise der gewünschten Güter, die Preise ähnlicher (substitutiver) Güter, das (frei) verfügbare Einkommen, die Bedarfsstruktur des Haushalts, die Erwartungen über zukünftige Wirtschaftsentwicklungen etc.

3. Gesamtwirtschaftlicher Rahmen

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Für die Aktivität der Anbieter sind ebenfalls verschiedene Faktoren bestimmend. Zu denken ist an • deren Zielsetzung, diese wird meist als Gewinnmaximierung unterstellt, die Preise der angebotenen Güter, die Preise ähnlicher Güter, die Faktorkosten zur Produktion, die Gewinnerwartungen, das Wettbewerbsumfeld, der Stand der Technik bzw. der technische Fortschritt etc. Die Preisbildung an den Märkten erfolgt in Abhängigkeit von den Marktbedingungen. Bei vollständigem Wettbewerb, also bei polypolistischer Struktur und vollkommenem Markt, stellt sich die Mechanik wie folgt dar. Die nachgefragte Menge ist umso größer, je geringer der Preis eines angebotenen Gutes ist. Da jeden Nachfrager eine andere Preisbereitschaft auszeichnet, ergeben sich individuelle Preis-Mengen-Kombinationen, die an einem Markt realisierbar sind. Diese Kombinationen aneinander gereiht ergeben die negativ-geneigte Preis-Absatz-Funktion (PAF) oder Nachfragekurve. Die angebotene Menge ist für gewöhnlich umso größer, je höher der Preis des nachgefragten Guts ist. Da jeden Anbieter eine andere Mengenbereitstellung auszeichnet, ergeben sich wiederum zahlreiche Preis-Mengen-Kombinationen, die gegenläufig zur Nachfragerkurve verlaufen. Sie bilden die linear oder nicht-linear verlaufende Angebotskurve. Im Schnittpunkt an Angebot und Nachfrage ergibt sich der Gleichgewichtspreis. Alle Anbieter, die einen höheren als den Gleichgewichtspreis fordern, finden keine Käufer am Markt. Und alle Nachfrager, die nur bereit sind, einen niedrigeren als den Gleichgewichtspreis zu akzeptieren, finden dort keine Verkäufer. Beide gehen also leer aus. Alle Anbieter, die bereit gewesen wären, zu einem niedrigeren als dem Gleichgewichtspreis anzubieten, realisieren den höheren Gleichgewichtspreis und streichen eine Anbieterrente in Höhe der Differenz zwischen ihrer individuell niedrigeren Preisforderung und dem höheren Gleichgewichtspreis ein. Alle Nachfrager, die bereit gewesen wären, einen höheren als den Gleichgewichtspreis zu akzeptieren, realisieren den niedrigeren Gleichgewichtspreis und streichen eine Nachfragerrente in Höhe der Differenz zwischen ihrer individuellen Preisbereitschaft und dem niedrigeren Gleichgewichtspreis ein. Wenn eine oder mehrere Prämissen des vollkommenen Marktes fehlen, aber eine polypolistische Marktstruktur vorliegt, handelt es sich um die Preisbildung am unvollkommenen Polypolmarkt (siehe Abb. B12). Hier gibt es keinen markteinheitlichen Preis, sondern jeder Polypolist kann in Maßen seinen realisierten Preis beeinflussen, z. B. indem er • sein Angebot heterogenisiert, Marktintransparenzen schafft, individuelle Präferenzen aufbaut oder Reaktionsverzögerungen am Markt nutzt. Es entsteht eine Situation, in welcher der Anbieter sich partiell wie ein Monopolist verhalten kann, partiell aber auch wie ein Polypolist verhalten muss. Im monopolistischen Bereich seiner Preis-Absatz-Funktion sieht er sich einer relativ starren Nachfragereaktion gegenüber, d. h. seine Preisveränderungen führen nur

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B. Der Rahmen der Betriebswirtschaft

Abbildung B12: Begriffe vollständiger Wettbewerb, polypolistischer Wettbewerb (eig. Abb.)

zu unterproportionalen Mengenveränderungen. Daraus ergibt sich die Möglichkeit zu aktiver Preispolitik, wohingegen der Polypolist allein als Mengenanpasser an seiner Kapazitätsgrenze zum Marktpreis reagiert. Gedanklich wird eine zweifach-geknickte Preis-Absatz-Funktion (akquisitorisches Potenzial / Gutenberg) zugrunde gelegt, die aus drei Bereichen besteht, zwei flach verlaufenden Bereichen hoher Preiselastizität der Nachfrage und dazwischen einem steil verlaufenden Bereich geringer Preiselastizität. Dort sollte der Polypolist im unvollkommenen Markt anbieten. Theoretisch ergibt sich sein Gewinnmaximum dort, wo seine Grenzerlöse (U’) gleich seinen Grenzkosten (K’) sind. Die Realität vieler Märkte ist aber durch Oligopole auf unvollkommenen Märkten gekennzeichnet. Die Anbieter reagieren dabei wegen der Enge des Marktes gegenseitig auf Preisveränderungen. Ihre Ziele sind die Konkurrenzverdrängung und die Sicherung ihrer Marktmacht. Dies führt zu einer Ambivalenz zwischen Preiskampf als ruinösem Wettbewerb und Kollusion als Wettbewerbsbeschränkung. Gedanklich wird eine einfach-geknickte Preis-Absatz-Funktion (­Sweezy) zugrunde gelegt, die aus zwei Bereichen besteht, einem flach verlaufenden Bereich, der für Preiserhöhungen gilt und einem steil verlaufenden Bereich, der für Preissenkungen gilt (zusammengesetzt aus zwei unabhängigen PAF’s). Ausgangspunkt ist ein Gleichgewichtspreis am Markt, in dem sich die beiden PAF’s schneiden. Auf die isolierte Preiserhöhung eines Oligopolisten reagieren die anderen Anbieter nicht, so dass von ihm viele Nachfrager abwandern. Auf die Preissenkung eines Oligopolisten reagieren die anderen Anbieter jedoch ebenfalls mit Preissenkungen, so dass ihm kaum Nachfrager zuwandert. Insofern lohnt sich für ihn weder eine isolierte Preiserhöhung noch eine -senkung. Dies erklärt die verbreitete Preisruhe auf oligopolistischen Märkten, die auch ohne Verabredung zustande kommt. Bei Kollusion wird der Gleichgewichtspreis durch Vorababstimmung gemeinsam auf ein höheres Niveau angehoben. Der Angebotsmonopolist ist in seiner Preis- und Mengenentscheidung autonom. Er sieht sich einer Nachfragefunktion gegenüber und bietet in der Preis-Men-

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gen-Kombination an, bei welcher der Abstand zwischen seinen Gesamtkosten und dem Gesamtumsatz maximal ist bzw. in dem seine Grenzkosten (K’) seinen Grenzerlösen (U’) entsprechen. Da sich meist mehrere Teilmärkte bilden, ergibt sich die Chance zu mehreren Preis-Mengen-Kombinationen. Diese Preisdifferenzierung entsteht, indem ein Gesamtmarkt künstlich in zwei oder mehr Teilmärkte aufgespalten wird (deglomerativ) oder gegebene Marktunvollkommenheiten vom Anbieter zur differenzierten Preissetzung genutzt werden (agglomerativ). Dem Preis kommen mehrere für die Marktwirtschaft essenzielle Funktionen zu (siehe Abb. B13): • Durch die Lenkungsfunktion wechseln Produktionsfaktoren aus Marktbereichen mit geringer Gewinnerwartung in solche mit höherer. Insofern wird die gesamtwirtschaftliche Produktivität gesteigert. • Durch die Ausschaltungsfunktion werden Nachfrager vom Markt verdrängt, deren Preisbereitschaft nicht ausreicht bzw. Anbieter, deren Preisforderung nicht akzeptiert wird (Markträumung). • Durch die Signalfunktion werden die Knappheitsverhältnisse am Markt widergespiegelt. Weniger nachgefragte Güter haben einen niedrigeren Preis, stärker nachgefragte einen höheren. • Durch die Ausgleichsfunktion wird eine Markträumung erreicht, d. h., es entsteht ein größtmögliches Transaktionsvolumen zwischen Anbietern und Nachfragern.

Abbildung B13: Zentrale Funktionen des Preises (eig. Abb.)

3.4 Wettbewerb Eine zentrale Rolle in der Marktwirtschaft spielt die Wettbewerbspolitik. Sie schützt den Wettbewerb und damit zugleich die Nachfrager vor Übervorteilung und die Anbieter vor Leistungseinbußen. Sie findet zunehmend auf europäischer

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Ebene als EU-Wettbewerbspolitik statt. Bestimmungen (Art. 101/102 AEUV) betreffen dort folgende: • Es gibt ein Verbot für alle Vereinbarungen zwischen Unternehmen, die den Handel zwischen Mitgliedsstaaten beeinträchtigen und den Wettbewerb innerhalb des Gemeinsamen Marktes beeinträchtigen. • Verboten ist die missbräuchliche Ausnutzung einer beherrschenden Stellung im Gemeinsamen Markt, soweit dies dazu führen kann, den Handel zwischen den Mitgliedsstaaten zu beeinträchtigen. • Unternehmenszusammenschlüsse sind auf ihre Vereinbarkeit mit dem Gemeinsamen Markt hin zu prüfen. • Der Schutz der Gesundheit, der Sicherheit und der wirtschaftlichen Interessen der Verbraucher sowie deren Recht auf Information werden gefördert. Das EU-Recht hat zwischenzeitlich im Zweifel Vorrang vor nationalen Gesetzgebungen. Auf nationaler Ebene greifen das GWB, das UWG und der Verbraucherschutz. Das GWB soll einen funktionsfähigen Wettbewerb sicherstellen und enthält dazu u. a. folgende Vorschriften: • Wettbewerbsbeschränkende Vereinbarungen, also solche, die eine Verhinderung, Einschränkung oder Verfälschung des Wettbewerbs bezwecken oder bewirken, sind verboten (Kartellverbot / § 1 GWB). Davon ausgenommen sind Vereinbarungen zwischen Unternehmen, die unter angemessener Beteiligung der Verbraucher an dem entstehenden Gewinn zur Verbesserung der Warenerzeugung oder -verteilung oder zur Förderung des technischen und wirtschaftlichen Fortschritts beitragen (z. B. Mittelstandskartelle). Darüber hinaus gibt es zahlreiche genehmigungsfähige Kartellformen (§§ 2 – 8 GWB). • Der Missbrauch marktbeherrschender Stellungen (§§ 19, 20 GWB) ist verboten, d. h. nicht bereits die marktbeherrschende Stellung als solche, sondern erst die Ausnutzung dieser Position in einer Art und Weise, wie sie nur möglich ist, weil Marktbeherrschung vorliegt und wie sie unter Wettbewerbsbedingungen nicht möglich wäre. Marktbeherrschend ist eine Unternehmung, wenn sie als Anbieter oder Nachfrager an einem Markt ohne Wettbewerber bzw. keinem wesentlichen Wettbewerb ausgesetzt ist oder eine im Verhältnis zu anderen Marktpartnern überragende Marktstellung hat. Diese macht sich fest an ihrem Marktanteil, ihrer Finanzkraft, ihrem Zugang zu Beschaffungs- und Absatzmärkten, ihren Verflechtungen mit anderen Unternehmen und den Marktzutrittsschranken für andere Unternehmen. Marktbeherrschende Unternehmen dürfen andere im Geschäftsverkehr, der gleichartigen Unternehmen üblicherweise zugänglich ist, weder unmittelbar noch mittelbar unbillig behindern oder gegenüber gleichartigen Unternehmen ohne sachlich gerechtfertigten Grund unmittelbar oder mittelbar unterschiedlich behandeln (Diskriminierungsver-

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bot / § 20 GWB). Eine Unternehmung darf andere nicht auffordern, bestimmte dritte Unternehmen durch Liefersperren oder Bezugssperren zu beeinträchtigen (Boykottverbot / § 21 GWB). • Eine Preisbindung der zweiten Hand (§ 1 GWB), bei welcher der Hersteller einem Händler vorgibt, welchen Preis er seinerseits gegenüber seinen privaten Endnachfragern berechnen darf, ist verboten. Ausnahmen gelten für bestimmte Presseerzeugnisse und Arzneimittel. • Unternehmenszusammenschlüsse sind dann zu untersagen, wenn zu erwarten ist, dass dadurch eine marktbeherrschende Stellung begründet oder verstärkt wird (Zusammenschlusskontrolle / §§  35  ff. GWB). Dazu ist eine Anmeldebzw. Genehmigungspflicht gegeben. Bestehende Konzentrationen können jedoch nicht rückgängig gemacht werden, es ist also keine Entflechtung möglich. Das Gesetz gegen unlauteren Wettbewerb (UWG) dient dem Schutz der Mitbewerber, der Verbraucher sowie sonstiger Marktteilnehmer und sichert der Allgemeinheit einen unverfälschten Wettbewerb: • Unlauter sind danach Wettbewerbshandlungen, die geeignet sind, Mitbewerber, Verbraucher oder sonstige Marktteilnehmer mehr als unerheblich zu beeinträchtigen. Solche Handlungen sind verboten, Zuwiderhandeln verpflichtet zur Unterlassung (nach Abmahnung). • Unlauter handelt u. a. wer Wettbewerbshandlungen vornimmt, die geeignet sind, die Entscheidungsfreiheit der Verbraucher oder sonstiger Marktteilnehmer durch Ausübung von Druck zu beeinträchtigen oder die Unerfahrenheit, Leichtgläubigkeit, Angst oder Zwangslage von Verbrauchern auszunutzen oder den Werbecharakter von Handlungen zu verschleiern, die Inanspruchnahme von Vorteilen nicht klar und eindeutig zu definieren, Mitbewerber herabzusetzen oder zu verunglimpfen oder gezielt zu behindern (§§  1 – 3 UWG). Typische Tatbestände, die gegen das UWG verstoßen sind etwa folgende: • Ausnutzen der geschäftlichen Unerfahrenheit von Kindern und Jugendlichen, • Schleichwerbung und getarnte Werbung (Sponsoring, Placement), • Werben mit Preisnachlässen, die an bestimmte Bedingungen geknüpft sind, die nicht angegeben werden, • Werben mit Preisausschreiben oder Gewinnspielen, ohne die Teilnahmebedingungen klar / eindeutig anzugeben, • Kopplung von Preisausschreiben oder Gewinnspiel an den Erwerb einer Ware, es sei denn, es besteht eine naturgemäße Verbindung, • unzulässige Behauptungen und Meinungsäußerungen über Konkurrenten sowie deren gezielte Behinderung (Anschwärzung), • Herkunftstäuschung, Rufausbeutung und unzulässige (sklavische) Produktnachahmung,

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B. Der Rahmen der Betriebswirtschaft

• Irreführung über Merkmale von Waren / Dienstleistungen wie Verfügbarkeit, Art, Ausführung, Verwendungsmöglichkeiten, Zusammensetzung, Herstellungsverfahren, Eignung, Menge, Beschaffenheit, Herkunft, Testergebnisse, • Irreführung durch Preisherabsetzungen, die in Wahrheit keine sind (Mondpreise), • Werbung mit Angeboten, die nicht oder nur in sehr geringen Mengen vorrätig sind (Lockvogelangebote). 3.5 Volkswirtschaftliche Gesamtrechnung Zwischen den einzelnen Wirtschaftseinheiten kommt es zu einer Vielzahl wirtschaftlicher Transaktionen. Vor allem handelt es sich dabei um Güter- und Geldbewegungen. Gleichgerichtete Geld- und Güterbewegungen zwischen zusammengefassten gleichartigen Wirtschaftseinheiten bezeichnet man als Geldund Güterströme. Wesentliche Akteure in diesen Strömen sind private Haushalte, öffentliche Haushalte, Unternehmen, Banken und das Ausland. Die Ströme werden in der volkswirtschaftlichen Gesamtrechnung erfasst und ausgewiesen. Dies gilt nicht nur national, sondern auch innerhalb der EU. Dabei werden mehrere Größen unterschieden. Die Bruttowertschöpfung ist die Differenz von Produktionswert der abgesetzten Leistungen und zugekauften Vorleistungen (Produktionswert der vorherigen Stufen). Der Produktionswert einer Volkswirtschaft ergibt sich aus der Multiplikation der produzierten Gütermengen mit den jeweiligen Herstellungspreisen in einem Jahr. Die Vorleistungen werden saldiert, um Doppelzählungen zu vermeiden. Zur Bruttowertschöpfung werden die gezahlten Gütersteuern addiert, subtrahiert werden die bezogenen Gütersubventionen. Daraus ergibt sich das Bruttoinlandsprodukt (BIP). Es umfasst die Summe aller Leistungen in einem Land in einem Jahr, gleich ob von Inländern oder Ausländern erstellt. Hier steht die Produktionsleistung im Fokus. Im Unterschied dazu bezieht sich das Bruttoinländerprodukt (BSP) auf die Summe aller Leistungen von Inländern weltweit in einem Jahr. Hier steht die Einkommensseite im Fokus. Werden beim Bruttoinlandsprodukt die von Inländern im Ausland bezogenen Einkommen addiert und die von Ausländern im Inland bezogenen Einkommen subtrahiert, entsteht das Bruttoinländerprodukt. Werden davon Abschreibungen durch Werteverzehr abgezogen, entsteht das Nettonationaleinkommen. Werden davon wiederum indirekte Steuern und Abgaben abgezogen und erhaltene Subventionen addiert, entsteht das Volkseinkommen. Im Rahmen der volkswirtschaftlichen Gesamtrechnung unterscheidet man drei Teilrechnungen (siehe Abb. B14): • Die Entstehungsrechnung ermittelt die Bruttowertschöpfung als Summe aller Wirtschaftsbereiche, also Land- und Forstwirtschaft, Fischerei (primärer Sektor), produzierendes Gewerbe, Baugewerbe (sekundärer Sektor), Handel,

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Abbildung B14: Elemente der volkswirtschaftlichen Gesamtrechnung (eig. Abb.)

Gastgewerbe, Verkehr, Finanzierung, Vermietung und Unternehmensdienstleistungen, öffentliche und private Dienstleistungen (tertiärer Sektor). • Die Verwendungsrechnung ermittelt das Bruttoinlandsprodukt als Summe von Konsumausgaben von privaten Haushalten, privaten Organisationen, Staat, und Bruttoanlageinvestitionen bzw. Außenbeitrag, also der Differenz zwischen Exporterlösen und Importausgaben. • Die Verteilungsrechnung ermittelt das Volkseinkommen als Summe aus Arbeitnehmerentgelten (Bruttolöhne und -gehälter) und Unternehmens- und Vermögenseinkommen (Betriebsüberschüsse, Selbstständigeneinkommen). Die Ermittlung erfolgt einerseits nominal mit den Preisen des jeweiligen laufenden Jahres und andererseits real mit den Preisen des jeweiligen Vorjahres, bereinigt um eine Geldentwertungsrate. Als Wohlfahrtsindikator ist das BIP jedoch schlecht geeignet, zu denken ist in diesem Zusammenhang an • Haushaltsarbeit, die in der Rechnung nicht erfasst wird, • Do it yourself / Nachbarschaftshilfe, dessen Wertschöpfung ebenfalls nicht erfasst wird, • externale Kosten (z. B. Umweltschäden) und Erträge (z. B. Infrastruktur), die nicht erfasst werden, • ehrenamtliche Tätigkeiten, die nicht erfasst werden, • Einkommensverteilung, deren Ungleichgewichtigkeit meist als ungerecht angesehen wird, • Schattenwirtschaft, deren Wertschöpfung nicht erfasst wird (geschätzt ein Siebtel des BIP), incl. Kriminalität, • staatliche Leistungen, welche die Wertschöpfung vielfach verzerren. Im Konsumentenbereich werden Instandhaltungs- und Instandsetzungsarbeiten als Erhöhung des BIP gewertet, obgleich dem kein Wirtschaftszuwachs

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entspricht. Konstante Wachstumsraten sind bei steigendem BIP zudem immer schwerer zu realisieren. Zwischen Wohlfahrt (Lebensqualität) und BIP besteht insofern nur eine lose Verbindung (ökonomisches Wachstum bedeutet nicht zugleich steigende Wohlfahrt). 3.6 Geld und Währung Dem Geld kommen in der Volkswirtschaft wichtige Funktionen zu (siehe Abb. B15): • Die Vergleichsfunktion setzt verschiedene Güter in monetäre Relation zueinander (Geld als Recheneinheit). • Die Tauschfunktion ermöglicht den Tausch von Geld gegen Güter und Dienste (Geld als Zahlungsmittel). • Die Übertragungsfunktion schafft den Transfer von Geld von Wirtschaftssubjekt zu Wirtschaftssubjekt. • Die Sparfunktion erlaubt die Akkumulierung von Geld und damit den Aufbau von Vermögen. • Die Speicherfunktion ermöglicht die Speicherung von Geld im Zeitablauf. (Geld zur Wertaufbewahrung)

Abbildung B15: Zentrale Funktionen des Geldes (eig. Abb.)

Diese Funktionen werden durch die Geldpolitik zu sichern gesucht. Geld tritt in Formen als Münzgeld, Papiergeld (beide bilden das Bargeld), Buchgeld (auf Sicht abrufbare Guthaben / Giro, Terminguthaben, Spareinlagen) oder Geldersatz auf. Bei Kurantmünzen entspricht der Wert des Geldes dem Metallwert (heute völlig unüblich), bei Scheidemünzen liegt der Metallwert unter dem Nennwert, Papiergeld ist stoffwertloses Geld. Als Buchgeld bezeichnet man Sichtguthaben bei Kreditinstituten (Giralgeld). Das Geld existiert also nur in den Büchern. Geld­ ersatzmittel stellen Schecks, Überweisungen, Zahlungsanweisungen, EC- oder Kreditkarten und virtuelle Zahlungsmittel (Cyber Money) dar. Die Herstellung

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und Ausgabe von Geld ist eine Staatsaufgabe und wird durch die Zentralbank wahrgenommen. Fast jedes Land hat seine eigene Währung (Ausnahme z. B. EU und EZB). Bei gebundenen Währungen ist die umlaufende Geldmenge an den Goldvorrat des Landes gebunden (obsolet). Bei freien Währungen wird die Geldmenge nach politischen Erfordernissen reguliert. Das Geldangebot wird von Banken zur Verfügung gestellt, die Geldnachfrage stammt von Haushalten und Unternehmen. Bei der Geldmenge gibt es drei Abgrenzungen (Geldmengenaggregate): • M1 sind der Bargeldumlauf und die täglich fälligen Sichtguthaben (Buchgeld) von Nichtbanken bei Banken. • M2 umfasst zusätzlich die Termin- und Spareinlagen (bis zu zwei Jahren Laufzeit bzw. bis zu drei Monaten Kündigungsfrist). • M3 umfasst weiterhin marktfähige Instrumente (vor allem Geldmarktfonds und Geldmarktpapiere) mit bis zu zwei Jahren Laufzeit. Die Geldmenge kann variiert werden. Bei der Geldschöpfung erhöht sie sich, etwa durch Kreditvergabe der Banken, um Zinseinnahmen zu erzielen. Diese multiple Geldschöpfung beeinflusst den Geldwert, denn ein Zuwachs an Vermögen hat dadurch nicht stattgefunden. Der Binnenwert des Geldes zeigt an, wie viele Güter man im Inland für diesen Wert kaufen kann (Kaufkraft). Dieser Binnenwert verändert sich im Zeitablauf, er kann steigen (Deflation) oder sinken (Inflation). Beide Ungleichgewichte sind dysfunktional. Allerdings wird eine mäßige Inflation als Wachstumsunterlegung angesehen. Als Indikator wird der Preisindex ausgewiesen, etwa für Konsumgüter aus einem gewichteten Warenkorb je Familienhaushaltsstruktur. Der Index hat ein rollierendes Basisjahr, der jeweilige Indexwert weist den dazu relativen Binnenwert des Geldes aus (Vorjahresvergleichszeitraum). Der Außenwert des Geldes bestimmt sich durch den Austauschwert von Zahlungsmitteln zwischen Ländern. Er hängt von Angebot und Nachfrage nach Devisen ab. Devisen sind ausländische Zahlungsmittel oder Sorten (Banknoten / Münzen). Das Wertverhältnis von zwei Währungen zueinander wird durch deren Wechselkurs dargestellt. Er ist der Preis einer ausländischen Währung. Wechselkurse können sich frei bilden (durch Angebot und Nachfrage) oder fest aneinander gekoppelt sein. Die EZB ist die „Bank der Banken“ und steuert die Geldmenge innerhalb der EU und damit auch den Zinssatz und die Inflationsrate. Die nationalen Zentralbanken übernehmen die praktische Durchführung dieser Aufgaben. Die Kredit­institute stellen die Verbindung zur Nachfrageseite her. Es handelt sich im Einzelnen um Geschäftsbanken, Sparkassen, Volksbanken, Genossenschaftsbanken, Nearbanks (z. B. Versicherungen), Nonbanks (z. B. Autohersteller) und Internet-Banken. Die Europäische Zentralbank (EZB) und die nationalen Zentralbanken (Notenbanken) sollen vor allem die Preisstabilität im Euro-Raum gewährleisten und darin die Wirtschaftspolitik der Gemeinschaft unterstützen. Dazu werden von der EZB geldpolitische Beschlüsse gefasst bzw. Leitlinien erlassen. Grundlegen-

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de Aufgaben der EZB sind die Festlegung und Ausführung der Geldpolitik im Euro-Währungsgebiet, die Durchführung von Devisengeschäften, die Verwaltung der Währungsreserven und die Förderung des Zahlungssystems. Die EZB gibt auch die Euro-Banknoten und -Münzen aus bzw. genehmigt deren Ausgabe durch die Mitgliedsstaaten. Die EZB wird durch das Direktorium und den (erweiterten) EZB-Rat geleitet, sie in unabhängig von Weisungen politischer Instanzen. Zur Sicherung der Preisstabilität verfügt die EZB über mehrere Instrumente wie Offenmarktgeschäfte (z. B. Zins-/Mengentender oder Ausgabe von Schuldverschreibungen, Pensionsgeschäfte), ständige Fazilitäten und Mindestreserven (siehe Abb. B16): • Offenmarktgeschäfte steuern die Zinssätze und damit die Liquidität am Kapitalmarkt durch Wertpapierkäufe bzw. -verkäufe. Sie werden als Hauptrefinanzierungsoperationen (Liquidität gegen Pfandkredit), Refinanzierungsgeschäfte und Feinsteuerungsoperationen umgesetzt. Der Kauf von Wertpapieren bedeutet eine Erhöhung der Geldmenge et vice versa. • Ständige Fazilitäten betreffen den kurzfristigen Kreditrahmen durch Spitzenrefinanzierungen der EZB (bei außergewöhnlichem Liquiditätsbedarf der Kreditinstitute) bzw. Einlagen bei der EZB (sie dienen zur kurzfristigen Liquiditätsabschöpfung). • Mindestreserven sind von den Kreditinstituten bei der EZB zu hinterlegen. Sie dienen der Stabilisierung der Geldmarktzinsen, der Steuerung der Liquidität und der Geldmenge in der Gemeinschaft und werden in Prozent der Sicht- und Termineinlagen, Schuldverschreibungen und Geldmarktpapiere berechnet. Höhere Mindestreserven bedeuten weniger Geldschöpfungsvolumen et vice versa. Darüber hinaus können Banken freiwillige Überschussreserven halten.

Abbildung B16: Geldpolitische Instrumente der EZB (eig. Abb.)

Durch die Geldpolitik kann direkt auf die Liquidität der Kreditinstitute, das Zinsniveau, Kreditaufnahmen, Investitionen, Nachfragevolumen, Konjunktur

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und Preisniveau Einfluss genommen werden. Die nationalen Zentralbanken übernehmen dabei die technische Durchführung, die Abwicklung des Zahlungsverkehrs, die Verwaltung der nationalen Devisenreserven und die Erstellung der nationalen Zahlungsbilanz. Allerdings ergeben sich faktisch Grenzen durch vielfache Rückkopplungen und Saldierungen bzw. Aufschaukelungen. Der Leitzins der Zentralbanken hat Signalwirkung auf die Volkswirtschaften. Der deutsche Staat greift auch durch Fiskalpolitik in die Wirtschaft ein, wo seiner Meinung nach Marktversagen zu verzeichnen ist. Dies trifft auch auf meritorische Güter zu, die keinen kostendeckenden Preis ermöglichen. Sie werden zu öffentlichen Gütern, die aus Steueraufkommen finanziert angeboten werden. Steuern sind der Preis, den Bürger eines Gemeinwesens für die Nutzung staatlicher Leistungen zahlen. Steuern werden meist nach dem Leistungsfähigkeitsprinzip, also durchaus interindividuell ungleich, erhoben. Es gibt direkte Steuern, bei denen derjenige, der die Steuer an das Finanzamt abführt, identisch ist mit demjenigen, der die Steuerlast trägt (z. B. Einkommensteuer). Bei indirekten Steuern fallen Steuerentrichter und Steuerlastträger auseinander (z. B. Umsatzsteuer). Die Einkommensteuer unterliegt einer progressiven Tarifierung. Der Durchschnitts­steuersatz entspricht der Belastung der Gesamteinkünfte, der Grenzsteuersatz entspricht der Belastung für die letzte Einkunftseinheit. Der Spitzensteuersatz liegt derzeit bei 42 %, der Eingangssteuersatz beträgt 15 % und ist ab 7.664 € fällig. Die Staatsquote beträgt ca. 48 % am BIP. Die Staatsverschuldung liegt bei ca. 1,5 Bio. €, das sind je Einwohner gut 18.200 € Schulden. Zwischen Bund, Ländern und Gemeinden erfolgt ein komplizierter vertikaler Finanzausgleich, außerdem erfolgt ein horizontaler Länderfinanzausgleich. Die Kredite werden durch Schuldscheindarlehen von Kreditinstituten und Versicherungen, Kassenobligationen von institutionellen Kreditgebern, Anleihen und Geldmarktverschuldungen (kurzfristig) finanziert. Das Haushaltsdefizit darf nach dem Maastricht-Kriterium der EU (Konvergenzkriterien) in der Regel nicht mehr als 3 % des BIP betragen. Die Inflationsrate darf nicht mehr als 1,5 Prozentpunkte über dem Durchschnitt der drei EU-Länder mit der geringsten Inflation liegen. Die Staatsverschuldung soll in der Regel nicht mehr als 60 % des BIP betragen. Staatsverschuldung belastet vor allem die kommenden Generationen und trägt zur Ungleichheit der Einkommensverteilung bei. Motiv für dieses irrationale Handeln ist vor allem das Ziel der Politiker, in einer Demokratie wiedergewählt zu werden. Sie finanzieren mit Schulden Wohltaten, welche die jetzige Wählergeneration spürt und belasten dafür zukünftige Generationen. Dieses Verhalten, durch die EZB forciert, darf als unverantwortlich bezeichnet werden. Leider hat Deutschland es initiiert (Eichel).

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3.7 Wirtschaftspolitikfelder 3.7.1 Ordnungspolitik

Träger der Wirtschaftspolitik ist der Staat, allerdings nehmen Interessengruppen (Lobbies) vielfachen Einfluss darauf. Entscheidungsträger sind die Parlamente von Bund und Ländern, die Bundesregierung, die EZB, die Kreditinstitute, der Sachverständigenrat und die Tarifpartner. Die Wirtschaftspolitik befasst sich somit mit der Gesamtheit aller Maßnahmen, die darauf abzielen, das Wirtschaftsgeschehen zu ordnen, zu beeinflussen und festzulegen. Dabei werden drei Teilpolitiken unterschieden (siehe Abb. B17).

Abbildung B17: Wirtschaftspolitikfelder (eig. Abb.)

Die Ordnungspolitik legt langfristig die rechtlichen, sozialen und wirtschaftlichen Rahmenbedingungen für wirtschaftliches Handeln fest. Die Konjunkturpolitik beeinflusst die volkswirtschaftlichen Prozesse. Und die Strukturpolitik verändert die Wirtschaftsbedingungen zum Ausgleich zwischen Regionen national / EU-weit, Branchen / Sektoren etc. Dabei hat der Staat die Erfordernisse des gesamtwirtschaftlichen Gleichgewichts zu beachten. Bei den Zielen der Wirtschaftspolitik wird meist von einem „magischen Viereck“ ausgegangen: Stabilität des Preisniveaus (niedrige Inflationsrate), Vollbeschäftigung (hoher Beschäftigungsstand), außenwirtschaftliches Gleichgewicht und angemessenes Wirtschaftswachstum. „Magisch“ bedeutet dabei, dass es nicht möglich ist, alle vier Teilziele gleichermaßen zu erreichen, sondern Zielkonflikte auftreten. Maßnahmen zur Erreichung eines Ziels wirken sich dabei häufig konflingent zu anderen Zielen aus. Ergänzend werden als Ziele der Wirtschaftspolitik eine gerechte Einkommens- und Vermögensverteilung und die Erhaltung der Lebensqualität genannt sowie humane Arbeitsbedingungen und die Sicherung der Ressourcen („Achteck“). Da Lebensqualität vor allem mit der Erhaltung einer lebenswerten Umwelt assoziiert wird, greifen staatliche Umweltauflagen, -abgaben und

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-vorschriften. Die traditionellen Zielgrößen der Wirtschaftspolitik bleiben jedoch folgende (siehe Abb. B18): • Die Stabilität des Preisniveaus sichert Wettbewerb, Wachstum und Beschäftigung. Dies bedeutet nicht, dass alle Preise stabil bleiben, sondern die Summe der Preise. Durch den Einfluss des Internet und den technischen Fortschritt sind viele Leistungen heute zu sehr geringen Preisen, teilweise auch kostenlos erhältlich, so dass deflationäre Tendenzen entstehen. Gleiches gilt unter Berücksichtigung der Preishöhe angesichts technischen Fortschritts. • Der Beschäftigungsstand wird bei einer Arbeitslosenrate unter 3 % gesehen. Dabei kommt es sehr auf die Messung dieser Rate an (z. B. wird die Arbeitslosigkeit unter Zuwanderern getrennt ausgewiesen). • Das außenwirtschaftliche Gleichgewicht bedeutet, dass von außerhalb keine Störungen in den Binnenmarkt eingetragen werden. Dies erfordert ein Gleichgewicht zwischen Zahlungsein- und –ausgängen bzw. zwischen Exporten und Importen. Deutschland hat ein sehr hohes Exportniveau und einen extremen Exportüberschuss, ist also von diesem Ziel weit entfernt. • Von Wachstum spricht man, wenn das reale Bruttoinlandsprodukt im Vergleich zum Vorjahr steigt. Dies betrifft das quantitative Wachstum unter Berücksichtigung der Geldentwertungsrate. Das qualitative Wachstum bezieht sich auf den Zuwachs an Lebensqualität in einer Volkswirtschaft. Dazu gehören Größen wie Gesundheit, Lernen / Ausbildung, Qualität des Arbeitslebens, Freizeit, Zeiteinteilung, persönliche Sicherheit, soziale Beteiligung etc.

Abbildung B18: „Magisches Viereck“ der Wirtschaftspolitik (eig. Abb.)

3.7.2 Konjunkturpolitik

Wirtschaft ist nicht statisch, sondern durchläuft dynamisch ständig Veränderungen von Seiten der Nachfrage, des Angebots, des Staates und der Außenwirtschaft, die zu Wirtschaftsschwankungen führen. Diese Schwankungen können

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saisonal sein, also unterjährig, nur einzelne Branchen betreffend und vorhersehbar, oder konjunkturell, also periodisch schwankend, unregelmäßig, mehrere Branchen betreffend, aber auch strukturell, also tiefgreifend, dauerhaft und eine ganze Branche erfassend. Konjunkturelle Schwankungen lassen sich in Konjunkturphasen unterteilen. Unterschieden werden der Aufschwung, der Boom, der Abschwung und die Depression (siehe Abb. B19): • Der Aufschwung ist durch optimistische Zukunftserwartungen, steigende Nachfrage / Produktion, steigenden Beschäftigungsstand, wachsende Investitions­ bereitschaft und steigende Preise, Löhne und Zinsen gekennzeichnet. • Der Boom ist durch starke Nachfrage, steigende Güterpreise, steigende Löhne / Gehälter, hohes Zinsniveau und hohen Beschäftigungsstand gekennzeichnet. • Der Abschwung ist durch pessimistische Zukunftsaussichten, Rückgang der Nachfrage, hohe Lagerbestände, fehlende Investitionen, Kurzarbeit und stabile Preise gekennzeichnet. • Die Depression ist durch Nachfragerückgang, niedrige Gewinnerwartungen, geringe Produktion / A rbeitslosigkeit, Betriebsstilllegungen und Deflation gekennzeichnet.

Abbildung B19: Phasen der Konjunkturpolitik (eig. Abb.)

Die Konjunkturschwankungen haben erfahrungsgemäß Zyklen von drei bis fünf Jahren. „Lange Wellen“ (Kondratieff) werden mit 50 bis 60 Jahren Dauer erwartet (Dampferzeugung / Webtechnik, Stahl / Eisenbahn, Elektrizität / Chemie, Erdöl / Automobil, IT / Gentechnologie). Zur Erklärung der Konjunktur dienen u. a. folgende Theorien: • Die Überproduktionstheorie sieht eine ungleiche Einkommensverteilung als Ursache eines konjunkturellen Abschwungs. Die zunehmende Produktion kann durch Nachfrager nicht aufgekauft werden, da deren Einkommen zu langsam steigt. Allerdings ist somit kein Wendepunkt im Konjunkturverlauf erklärbar.

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• Die Unterspartheorie besagt, dass die Ausgaben der Haushalte so stark steigen, dass ihre Ersparnisse nicht mehr ausreichen, die notwendigen Investitionen zu tätigen. Insofern kommt die Investition zum Erliegen. Auch hiermit ist der Wendepunkt der Konjunktur nicht erklärbar. • Die monetären Konjunkturtheorien gehen davon aus, dass im Aufschwung der Kreditzins unter dem internen Zinsfuß für Investitionen liegt, Investitionen sich also lohnen. Mit steigender Nachfrage nach Investitionen steigt jedoch der Kreditzins, die Investitionstätigkeit lässt nach, eine Rezession beginnt. • Die psychologischen Konjunkturtheorien sehen die Gründe für Konjunkturschwankungen in falschem Optimismus (Euphorie/„Blase“) bzw. falschem Pessimismus (Depression). Diese Entwicklungen wirken selbstverstärkend. Bei Deflation, also bei sinkendem Preisniveau, wird die Nachfrage in Erwartung weiter sinkender Preise zurückgehalten, was zur weiteren Schrumpfung der Wirtschaft führt. Bei Inflation, also bei steigendem Preisniveau, wird die Nachfrage aufgebläht bis sich irgendwann die „Blase“ entlädt. Die Messung des Verbraucherpreisindexes weist aber unvermeidliche Ungenauigkeiten auf. Gründe sind Substitutionsbeziehungen zwischen Gütern, das Aufkommen neuer Güter mit besserer Leistung bei gleichem Preis (technischer Fortschritt), Qualitätsverbesserungen mit Preissteigerung ohne Inflation bei bestehenden Gütern bzw. Qualitätsverschlechterungen ohne Preissenkung, die Dynamik der Haushaltstypen etc. Der Konjunkturverlauf wird durch Frühindikatoren zu prognostizieren versucht. Dabei handelt es sich etwa um • Auftragseingänge der Industrie, privates Geschäftsklima (GfK), Investitionsneigung der Unternehmen, Zinserwartungen der Banken, Wachstumsprognose (sich selbst erfüllende Erwartung), Aktienkurse (Handeln von Erwartungen) und Rohstoffpreise. Gegenwartsindikatoren zeigen hingegen den aktuellen Status an, dabei handelt es sich u. a. um Kapazitätsauslastung, Lagerbestände, Staatsausgaben, Lohnentwicklung, Nachfrage etc. Spätindikatoren zeigen den Übergang in die nächste Phase an, z. B. Inflationsrate, Arbeitslosenrate, BIP-Wachstumsrate, Staatshaushaltssaldo. Die nachfrageorientierte Wirtschaftspolitik reagiert antizyklisch auf den Konjunkturverlauf, d. h. entgegengesetzt zum Handeln der Wirtschaftssubjekte. Sie ist diskretionär oder regelgebunden angelegt. Ziel ist die Stabilisierung der Gesamtnachfrage. Die angebotsorientierte Wirtschaftspolitik geht hingegen von den Selbstheilungskräften freier Märkte aus und setzt auf eine Verbesserung des Güterangebots durch Bildung, Fortschritt, Steuersenkung etc. Innerhalb der Konjunkturpolitik sollen durch Veränderungen der Staatseinnahmen und Staatsausgaben wirtschaftspolitische Ziele erreicht werden. Wich-

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tigste Instrumente sind dabei die Fiskalpolitik, der Grad der öffentlichen Verschuldung, Subventionen, Konsumanreize bzw. -rückführungen, Sparanreize bzw. -rückführungen und Investitionsanreize bzw. -rückführungen. Die Fiskalpolitik gerät dabei jedoch an enge Grenzen. In der Aufschwungphase unterbleibt oft aus politischen Gründen eine eigentlich erforderliche restriktive Fiskalpolitik. Die Fiskalpolitik ist zudem nicht einheitlich, sondern föderalistisch strukturiert. Und durch politische Willensbildung entstehen Wirkverzögerungen. In der Rezession ist eine expansive Fiskalpolitik zur Erhöhung der Nachfrage angezeigt. Dies erfolgt durch • Senkung der Steuersätze, Erhöhung der Staatsausgaben, Verbesserung der Abschreibungsmöglichkeiten (oder Investitionsprämien), Erhöhung der Kreditaufnahme (Deficit Spending). Umgekehrt ist im Boom die Dämpfung der Nachfrage angezeigt (entgegengesetzte Maßnahmen). Neben diese nachfrageorientierten Instrumente treten angebotsorientierte in Form der • Finanzpolitik (Konsolidierung des Staatshaushalts, Erhöhung der Investitionsausgaben zulasten der Konsumausgaben, Steuervereinfachung, Privatisierung öffentlicher Unternehmen), • Sozialpolitik (Liberalisierung, Deregulierung etc.), • Wettbewerbspolitik (Abbau von Handelshemmnissen, Förderung von FuE, Existenzgründungen, vereinfachte Genehmigungsverfahren etc.). Zum Ausgleich von Schwankungen ist eine Konjunkturausgleichsrücklage zu bilden. Es ergeben sich allerdings vielfache Grenzen der Konjunkturpolitik, vor allem in deflationären Zeiten. Dabei ist immer die Abstimmung in der EU (Konvergenz) zu beachten. 3.7.3 Strukturpolitik

Die Strukturpolitik soll den Strukturwandel fördern und daraus folgende Härten abfedern. Dies betrifft regionale, aber auch sektorale Strukturen. Die Ursachen des Wandels sind vielfältig und bedingt durch Nachfrageverschiebungen, Angebotsveränderungen, technischen Fortschritt, Ordnungspolitik (Liberalisierung), Regulierungen, Natur (Rohstoffe), Internationalisierung etc. Unerwünschte Folgen sind dabei häufig Arbeitslosigkeit, Insolvenzen, sinkende Einkommen etc. Regionale Strukturpolitik dient vor allem der Stärkung schwacher Regionen, sektorale Strukturpolitik der Stärkung schwacher Branchen. Dadurch werden Anpassungsprozesse, die durch den Markt zwar zügig, aber hart vorgenommen werden, verlangsamt und abgeschwächt. Dies bedingt notwendigerweise Ineffi-

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zienzen, wird aber weithin durch Sozialaspekte gerechtfertigt. Strukturpolitische Maßnahmen umfassen die Strukturerhaltung durch Subventionen und Protektio­ nismus, die Strukturanpassung durch Investitionshilfen, Forschungsförderung, Weiterbildungsmaßnahmen etc. und die Strukturumgestaltung durch Liberalisierung von Märkten und Ansiedlung neuer Industrien. Dies kann neben dem nationalen Maßstab auch im internationalen Maßstab (z. B. innerhalb der EU) erfolgen. Instrumente dazu sind Industriepolitik, Mittelstandspolitik, Regionalförderung (z. B. „Aufbau Ost“), Sozialpolitik, Einnahmen-Ausgabenpolitik, Privatisierung etc. Im Falle von Anpassungs- und vor allem Erhaltungssubventionen sind allerdings erhebliche Kollateraleffekte zu beachten. Subventionen verzerren häufig den Leistungswettbewerb, fördern Mitnahmeeffekte bei Begünstigten, hemmen den Anpassungs- und Innovationsdruck, bremsen das Wachstum und verlagern unternehmerische Risiken auf die Allgemeinheit. 3.7.4 Sozialpolitik

Arbeit ist jegliche geistige und körperliche Tätigkeit, die einen Beitrag zur volkswirtschaftlichen Produktion leistet. Die Arbeitsproduktivität zeigt das Verhältnis von Produktionsoutput und Arbeitseinsatz an. Die Substitution von Arbeit durch Kapital (technischer Fortschritt) hat eine steigende Arbeitsproduktivität zur Folge. Alle Menschen, die in einer Volkswirtschaft ihre Arbeitskraft anbieten, machen den Arbeitsmarkt aus. Erwerbstätige üben eine Erwerbsarbeit aus und erhalten ein Entgelt dafür. Erwerbslose sind alle Arbeitskräfte, die von Lohn abhängig sind, aber aktuell keine Beschäftigung haben. Dies sind neben den offiziell arbeitslos gemeldeten auch Frührentner, geringfügig Beschäftigte etc. Die Arbeitslosenquote gibt den Anteil der als arbeitslos gemeldeten Personen an der Gesamtzahl aller zivilen Erwerbspersonen an. Die Löhne am Arbeitsmarkt bilden sich grundsätzlich durch Angebot und Nachfrage, die freie Lohnfindung ist jedoch durch staatliche Eingriffe (Mindestlohn) und gesetzliche Regelungen (Tarifautonomie) stark eingeschränkt. In Tarifverträgen regeln die Tarifpartner (Arbeitgeberverbände und Gewerkschaften) die Mindestbedingungen der Arbeit in Bezug auf Schutz, Lohnhöhe, Arbeitszeiten etc. Hinzu kommen Mitbestimmungsrechte der Arbeitnehmer. Der Staat versucht, durch Beschäftigungspolitik Vollbeschäftigung zu sichern. Dazu gibt es im Grundsatz drei Ansätze (siehe Abb. B20): • Die beschäftigungsorientierte Lohnpolitik strebt eine Bindung der Höhe der Löhne an die Produktivitätsentwicklung an, d. h. Löhne sollen nicht stärker steigen als die Arbeitsproduktivität. Lohnerhöhungen sollen somit insgesamt kostenniveauneutral bleiben, dazu ist auch die Berücksichtigung weiterer Kostenbestandteile wie Steuern, Zinsen etc. erforderlich. Dies betrifft den Arbeitgeberstandpunkt. • Die keynesianische Beschäftigungstheorie setzt auf kreditfinanzierte Ausgaben des Staates, um evtl. auftretende Arbeitslosigkeit zu beseitigen. Durch die

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B. Der Rahmen der Betriebswirtschaft

gestiegene Geldmenge sollen die Nachfrage am Markt verstärkt und damit der Beschäftigungsstand erhöht werden. Man spricht von einer nachfrageorientierten Konjunkturpolitik. Problematisch sind dabei Wirkverzögerungen und vielfache Interaktionen. • Die monetaristische Beschäftigungstheorie hebt auf funktionierende Märkte ab, die sich selbst regulieren und so weitgehende Vollbeschäftigung herbeiführen (angebotsorientiert). Folglich kann der Markt ohne staatliche Eingriffe besser arbeiten. Der Staat hat nur eine Ordnungs- und Wettbewerbssicherungsfunktion. Aufgabe des Staates ist es somit, positive Rahmenbedingungen für private Investitionen zu schaffen und dadurch den Konsum zu stärken.

Abbildung B20: Orientierungen der Lohnpolitik (eig. Abb.)

In der Praxis werden sowohl nachfrage- als auch angebotsorientierte Instrumente eingesetzt. Aktive Arbeitsmarktpolitik erfolgt durch Hilfen bei der Marktanpassung, Beratung, Vermittlung und Umschulung sowie Hilfen bei der Beschaffung, Erhaltung und Qualifizierung von bzw. für Arbeitsplätze(n). Passive Arbeitsmarktpolitik erfolgt durch Schaffung eines finanziellen Ausgleichs für ausfallenden Lohn bei Arbeitslosigkeit. Hinzu kommt ein System sozialer Sicherungen, um den sozialen Frieden zu sichern, das Existenzminimum zu gewährleisten und Einkommensgerechtigkeit zu erzielen. Daraus hat der Einzelne Anrecht auf öffentliche Hilfen und Leistungen, u. a. durch Sozialversicherung, Kindergeld, Jugendhilfe, Wohngeld etc. Das deutsche Sozialstaatsprinzip impliziert die Beitragsfinanzierung zu sozialen Pflichtversicherungen, die Solidarität aller Versicherten, Selbstverwaltung und Subsidiarität der Sozialversicherungsträger, Freizügigkeit innerhalb der EU, Äquivalenz zwischen Leistung und Altersbezügen, eine soziale Grundsicherung etc. Die Finanzierung erfolgt zum Teil aus Beiträgen, zum Teil aus Steueraufkommen. Zu den Sozialversicherungen gehören die Kranken-, Renten-, Arbeitslosen- und Pflegeversicherungen, die jeweils etwa zur Hälfte von Arbeitgeber und Arbeitnehmer bezahlt werden, sowie die Unfallsicherung, die allein vom Arbeitgeber bezahlt wird. Dadurch abgedeckte Risiken betreffen die Erwerbsminderung, Arbeitslosigkeit, Krankheit, Pflegebedürftigkeit, Unfallversorgung etc.

3. Gesamtwirtschaftlicher Rahmen

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Die Arbeitsmarktpolitik soll vor allem Vollbeschäftigung schaffen und die Beschäftigungsstruktur verbessern. Gesetzliche Grundlagen sind das Grundgesetz, das Gesetz zur Förderung von Stabilität und Wachstum sowie das Arbeitsförderungsrecht. Dabei ist eine europäische Harmonisierung anzustreben. Instrumente dazu sind die Arbeitsvermittlung (staatlich und privat), Arbeitsbeschaffungsmaßnahmen (z. B. Beschäftigungsgesellschaften), Wiedereingliederungshilfen in den Beruf (z. B. für Langzeitarbeitslose), Arbeitszeitregelungen (z. B. Altersteilzeit) und berufliche Qualifizierung. Bei der Arbeitslosigkeit sind verschiedene Gruppen zu unterscheiden (siehe Abb. B21). Die saisonale Arbeitslosigkeit ist jahreszeitlich bedingt, die friktionelle entsteht bei Pausen zwischen zwei Arbeitsverhältnissen, die strukturelle ist branchenbedingt, die konjunkturelle ist wirtschaftsstandbedingt und die technologische wird durch arbeitssparenden technischen Fortschritt verursacht. Weiterhin gibt es die Sockelarbeitslosigkeit von Personen, die dem Arbeitsmarkt nicht zur Verfügung stehen wollen. Der Beschäftigungsstand wird anhand der Arbeitslosenquote ausgewiesen. Diese erfasst allerdings nicht die verbreitete, verdeckte Arbeitslosigkeit wie Personen in Umschulungsmaßnahmen, 1 Euro-Jobber, betriebliche Frühverrentungen etc.

Abbildung B21: Formen der Arbeitslosigkeit (eig. Abb.)

Der Arbeitsmarkt ist durch die Tarifautonomie von Arbeitgeberverbänden und Gewerkschaften gekennzeichnet. Sie handeln Tarifverträge „in der Fläche“ aus. Auf Arbeitnehmerseite ist eine Einheitsgewerkschaft gegeben, d. h., die Gewerkschaft, welche die meisten Beschäftigten vertritt, vertritt alle Beschäftigten in den Branchenunternehmen (Tarifeinheit).

3.7.5 Wachstumspolitik

Die Wachstumspolitik umfasst alle wirtschaftspolitischen Maßnahmen zur Förderung und Sicherung des ökonomischen Wachstums. Instrumente dazu sind u. a. der Abbau von Wettbewerbsbeschränkungen, die Förderung von Innovatio-

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B. Der Rahmen der Betriebswirtschaft

nen, die Qualifizierung von Arbeitskräften, die Verbesserung der Infrastruktur und Steuerentlastungen für Haushalte und Betriebe. Das Wirtschaftswachstum wird gemeinhin im Zeitvergleich der Bruttoinlandsproduktentwicklung gemessen. Es bezieht sich auf die Erweiterung des Produktionspotenzials einer Volkswirtschaft. Der Konjunkturverlauf gibt Auskunft über dessen Auslastungsgrad. Nominelles Wachstum stellt die Zunahme zu laufenden Preisen dar, reales Wachstum die Zunahme zu konstanten Preisen (eines Basisjahrs). Bestimmungsfaktoren des Wachstums sind • die natürlichen Ressourcen eines Landes (Boden, Bodenschätze, geografische Lage etc.), • der Realkapitalstock (Produktionsmittel), • der technische Fortschritt durch Innovationen bei Produkten und Prozessen, • das Humankapital (Kenntnisse und Fähigkeiten der Arbeitskräfte). Das Wirtschaftswachstum wird unterstützt durch die Garantie freier Märkte, die Sicherung der Rechtsordnung, eine aktive Forschungspolitik, Infrastrukturmaßnahmen, Sozialpolitik, Umweltpolitik etc. Wirtschaftswachstum nutzt u. a. der Steigerung des Lebensstandards, dem Abbau sozialer Spannungen, der Erfüllung von Staatsaufgaben, der Erhaltung der sozialen Sicherheit und der Sicherung von Arbeitsplätzen. Es wird u. a. gefördert durch mehr Arbeitsangebot, Neuinvestitionen, technischen Fortschritt, Abbau von Rohstoffvorkommen, Ausbau der Infrastruktur etc. Gefahren liegen jedoch in der Ausbeutung natürlicher Ressourcen und steigender Umweltbelastung bis hin zur Umweltzerstörung. Besser wäre wohl statt eines quantitativen ein qualitatives Wachstum für mehr Lebensqualität der Einwohner anzustreben. Dies bedingt u. a. einen sparsameren Energie- und Rohstoffverbrauch über entsprechende Preisanpassung und die Verminderung der Umweltbelastung durch Emissionen und Immissionen. Doch dies erfordert politischen Mut, der leider nicht weit verbreitet ist, weil er bei demokratischen Wahlen meist prompt abgestraft wird. Dabei muss man wissen, dass wir das, was wir aktuell verbrauchen, unseren Kindern und Enkeln wegnehmen. Dies ist als wenig nachhaltig zu bezeichnen. Kritik macht somit vor allem fest an dem Verständnis des BIP als Wohlstands­ indikator, an der wachsenden internationalen Arbeitsteilung und der Auflösung gesellschaftlicher Milieus Die europäische Gemeinschaft (EU) ist durch eine gemeinsame Binnenwirtschaft und Währung, durch gemeinsame Außen- und Sicherheitspolitik sowie die Zusammenarbeit zwischen Innen- und Justizpolitik gekennzeichnet. Vor allem ist die Freizügigkeit von Waren, Personen, Dienstleistungen und Kapital wichtig. Freier Warenverkehr bedeutet, dass die Mitgliedsstaaten gegenseitig auf Zölle verzichten und einen gemeinsamen Zolltarif gegenüber Drittländern festlegen.

3. Gesamtwirtschaftlicher Rahmen

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Der freie Personenverkehr enthält das Recht, an jedem beliebigen Ort innerhalb der EU eine Wirtschaftstätigkeit zu suchen und auszuüben, ohne Behinderung und Diskriminierung. Der freie Dienstleistungs- und Transportverkehr regelt die Bedingungen für Verkehrsunternehmen und Verkehrssicherheit. Und der freie Verkehr von Kapital betrifft die Investition in jedem EU-Land. Um dies zu erreichen, bedarf es Preisstabilität, Haushaltsdisziplin, Währungsstabilität und Zinspolitik, die jedoch EU-weit nicht weit verbreitet sind. 3.7.6 Umweltpolitik

Die Umweltökonomie gewinnt an zentraler Bedeutung. Diese folgt daraus, dass Eigentumsrechte häufig nicht klar definiert sind und daher der im Grundsatz optimale Allokationsmechanismus der Märkte versagt. Das heißt, Verbräuche an Gütern spiegeln sich nicht angemessen in Kosten / Preisen, und es entstehen negative externe Effekte. Ökonomisches Handeln Einzelner beeinträchtigt so unbeteiligte Dritte, ohne dass der Verursacher dafür bezahlen muss. Dies entspricht der Neigung von Wirtschaftssubjekten, Nutzen in Anspruch zu nehmen, sich aber vor ihrer Bezahlung zu drücken (Trittbrettfahrermentalität / Free Rider). Aus sinnvollen einzelwirtschaftlichen Erwägungen werden so gesamtwirtschaftlich nachteilige Entscheidungen getroffen. Die individuelle Vorteilhaftigkeit der Wirtschaftssubjekte addiert sich somit nicht quasi automatisch zur gesamthaften Vorteilhaftigkeit. Werden Umweltgüter kostenlos verfügbar, folgt daraus vielmehr ihre Übernutzung, sie werden zerstört, der Markt versagt (Allmende-Problem). Daher sucht die Umweltpolitik, diese Dysfunktionalitäten zu vermeiden. Dazu dienen vor allem vier Prinzipien: • Das Verursacherprinzip besagt, dass die sozialen Zusatzkosten der Produktion und Konsumtion deren jeweiligen Verursachern anzulasten sind. Aus externen Kosten entstehen somit interne Kosten. Problematisch ist allerdings oft, die Verursachung exakt zu bestimmen. • Das Kooperationsprinzip besagt, dass die Verantwortlichen sich präventiv abstimmen sollen, um Gefährdungen der Umwelt erst gar nicht aufkommen zu lassen. • Das Vorsorgeprinzip besagt, dass die Nachhaltigkeit von Maßnahmen als prioritär anzusehen ist. Dies ist einerseits eine Frage der Verantwortung der gegenwärtigen Generation für die zukünftigen, andererseits aber auch ein ökonomisches Kalkül, weil die Vermeidung von Schäden im Regelfall kostengünstiger zu bewerkstelligen ist als die Behebung bereits eingetretener und später entstehender Schäden. • Das Gemeinlastprinzip besagt, dass die verbleibenden Kosten der Umweltpolitik durch die Gemeinschaft solidarisch zu finanzieren sind.

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B. Der Rahmen der Betriebswirtschaft

Zur Durchsetzung dieser Prinzipien dienen verschiedene Instrumente. Ordnungsrechtliche Instrumente betreffen: • Umweltgesetzgebung, Umweltstrafrecht, Ökosteuern etc., planerische Raumordnungsprogramme, Abfallwirtschaftspläne etc., finanzielle Umweltsteuern, umweltorientierte Beschaffung etc., kooperative Eigentums- und Nutzungsrechte, Selbstverpflichtungen, Umweltzertifikate etc. und informative Umweltbildung, Umweltinformation etc. Problematisch sind dabei einseitige Verbotsmechanismen („Strafender Staat“), da diese Widerstände in der Öffentlichkeit provozieren. Häufig besteht zudem kein Konzept-, sondern tatsächlich ein Vollzugsproblem. So verhindert die Vorgabe von (Mindest-)Standards eine mögliche Übererfüllung. Und überwiegend werden nur Fehler auf den Prozessstufen im Nachhinein korrigiert. Häufig werden auch Ökosteuern gefordert (Pigou-Steuer) wie für Strom oder Mineralöl. Dabei ergeben sich aber erhebliche Umsetzungsprobleme durch die unzutreffende Zurechnung externer Kosten. Eine bessere Lösung scheinen daher handelbare Umweltzertifikate zu sein (wie bei CO-Emissionen). 3.8 Außenwirtschaft Die volkswirtschaftliche Gesamtrechnung liefert umfangreiches Zahlenmaterial über die Leistungsfähigkeit einer Volkswirtschaft. Sie gibt durch die Zusammensetzung der Bruttowertschöpfung Auskünfte über die Wirtschaftsstruktur eines Landes. Sie ermöglicht Vergleiche der ökonomischen Aktivitäten einer Volkswirtschaft während verschiedener Perioden und gibt somit Auskunft über das Wirtschaftswachstum. Und sie ermöglicht den Vergleich der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit verschiedener Länder mit Hilfe von Kennziffern (z. B. Pro-Kopf-Einkommen) und lässt damit Rückschlüsse auf den Lebensstandard zu. Dies wird erreicht, indem die volkswirtschaftliche Gesamtrechnung die Kreislaufbeziehungen der Akteure abbildet. Sie weist aus, wo welche Werte geschöpft werden (Entstehung), wo diese Summe verbleibt (Verwendung) und wie die Summe zugewiesen wird (Verteilung). Die Zahlungsbilanz ist die systematische Aufstellung aller wirtschaftlichen Transaktionen zwischen dem Inland und Ausland innerhalb eines Jahres. Sie gibt Auskunft über die internationalen Verflechtungen einer Volkswirtschaft und ist auch Anlass zur Konjunkturpolitik. Die Zahlungsbilanz wird unterjährig von der Deutschen Bundesbank veröffentlicht. Im EU-Raum werden entsprechend die nationalen Zahlungsbilanzen aggregiert. Die Zahlungsbilanz besteht aus Teilbilanzen (siehe Abb. B22). Die Leistungsbilanz enthält Angaben • zum Außenhandel als Gegenüberstellung von Ausfuhren / Export und Einfuhren / Import (Handelsbilanz),

3. Gesamtwirtschaftlicher Rahmen

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Abbildung B22: Elemente der Zahlungsbilanz (eig. Abb.)

• zu Dienstleistungen als Gegenüberstellung von Einnahmen / Export und Ausgaben / Import, • zu Erwerbs- und Vermögenseinkommen als Gegenüberstellung der Faktoreinkommen Kapitalerträge und Einkommen aus unselbstständiger Arbeit, • zu laufenden Übertragungen als Gegenüberstellung von Geld- und Sachleistungen ohne direkte Gegenleistung (Übertragungsbilanz). Getrennt werden einmalige Vermögensübertragungen (z. B. Schuldenerlass) ausgewiesen. Außenhandel, Dienstleistungen und Erwerbs- und Vermögenseinkommen ergeben den Außenbeitrag zum Bruttoinlandseinkommen. Die Kapitalbilanz enthält Angaben zu Direktinvestitionen als Gegenüberstellung der nationalen Anlagen im Ausland und der ausländischen Anlagen im Inland (z. B. Unternehmensbeteiligungen), zu Wertpapieren als Gegenüberstellung von nationalen Anlagen im Ausland und ausländischen Anlagen im Inland, zum Kreditverkehr als Gegenüberstellung von Forderungen an das Ausland und Verbindlichkeiten gegenüber dem Ausland und sonstigen Kapitalanlagen. Zusätzlich gibt sie Veränderungen der Nettoauslandsaktiva der Bundesbank (Devisenbilanz) und nicht weiter aufgliederbare Restposten (statistische Unschärfepositionen) wieder. Formal ist die Zahlungsbilanz immer ausgeglichen, da ihr eine Doppik zugrunde liegt (volkswirtschaftliche Gesamtrechnung). Eine aktive Leistungsbilanz liegt vor, wenn der Saldo der Leistungsbilanz positiv ist (meist als Exportüberschuss), eine passive Leistungsbilanz liegt vor, wenn der Saldo negativ ist (etwa durch Importüberschuss). Deutschland ist durch einen sehr hohen Exportüberschuss gekennzeichnet. Dies bedeutet Defizite bei den Handelspartnern und, sofern diesen möglich, Währungsabwertungen und Importbeschränkungen sowie eine vermehrte Geldmenge im Inland (importierte Inflation). Ziel des Freihandels sind die Intensivierung des weltweiten Wettbewerbs und die Steigerung des Wachstums. Allerdings legen viele Staaten dennoch eine protektionistische Politik zugrunde. Dies erfolgt durch tarifäre Handelshemmnisse, also Importzölle (Schutzzölle) und Einfuhrsteuern, welche die einheimische

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B. Der Rahmen der Betriebswirtschaft

Produktion begünstigen, sowie Gewährung von Subventionen und Steuererleichterungen („Erziehungszölle“). Nichttarifäre Handelshemmnisse betreffen Beschränkungen der Ein- und Ausfuhren (Kontingente), nicht plausible, offensichtlich prohibitive technische Normen-, Gesundheits- und Sicherheitsstandards, staatliche Bevorzugungen inländischer Anbieter, Aufrufe zum Boykott ausländischer Anbieter, ein (politisch motiviertes) Embargo (z. B. Russland), schikanöse Formalitäten der Grenzabfertigung, erzwungene Local Content-Anteile (z. B. China) etc. Die Gründe dafür sind vielfältig: • Schutz bedrohter Produktionssektoren vor ausländischer Konkurrenz, Ausgleich der Zahlungsbilanz, Erhaltung / Ausweitung von Arbeitsplätzen, Reduktion der Abhängigkeiten vom Weltmarkt, Steigerung der Einnahmen des Fiskus bzw. der Parafici etc. Der Freihandel wird durch Freihandelszonen verschiedener Abstufungen gefördert, außerdem gibt es Organisationen der Weltwirtschaftsordnung (wie ­World Trade Organisation / WTO, General Agreement on Trade and Services / GATS, Trade-related Aspects of Intellectual Property Rights / TRIPS, International ­Monetary Fund / IMF, Weltbank, Organisation for Economic Co-Operation and Development / OECD etc.). Diese basieren auf den Zielen der Liberalisierung des internationalen Handelsaustauschs, der Gegenseitigkeit (Reziprozität) von Vorteilen und der Nichtdiskriminierung bzw. Meistbegünstigung. Die Vorteile des Freihandels sind erheblich und liegen vor allem in • Wohlstandsgewinnen aufgrund von Spezialisierung, größerer Angebotsauswahl und preisgünstigerer Versorgung, intensiverem Wettbewerb für technologischen Fortschritt, verstärktem interkulturellen Austausch etc. Dagegen sprechen allerdings ebenso Argumente wie die Folgenden: • die internationale Arbeitsteilung macht Länder durch Spezialisierung krisenanfällig, die Abhängigkeit vom Ausland steigt, es kommt zu Arbeitsplatzabbau und neuzeitlicher Völkerwanderung, die international niedrigsten Umweltund Sozialstandards setzen sich durch etc. Für den internationalen Handel gibt es eine Reihe von Theorien als Grundlage, u. a. folgende: • Die Nichtverfügbarkeit von Gütern in der erforderlichen Güte und / oder Menge in einem Land motiviert zu Außenhandel. Preisdifferenzen zwischen Gütern im In- und Ausland (absolute Kostenvorteile) sind ein weiterer Grund (Smith). Preisdifferenzen zwischen Ländern aufgrund komparativer (relativer) Kostenvorteile sind das überzeugendste Argument (Ricardo). Unterschiedliche Arbeitsproduktivitäten (Ohlin) sind ein weiterer Faktor. Abweichende Produktlebenszyklen sind denkbar. Hinzu kommen aber auch Argumente wie kostengünstiger internationaler Transport, sinkende Informations- und Kommunikationskosten (Internet-Öko-

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nomie), internationale Produktdifferenzierung aufgrund von Präferenzen, Skalenerträge bei großen Produktionsmengen, hohe Mobilität von Portfoliokapital, zunehmende personelle Mobilität etc., welche die Globalisierung fördern. Allerdings folgen daraus auch relevante Probleme: • schlecht qualifizierte Arbeitskräfte der entwickelten Länder geraten unter Druck, deren Arbeitsplätze werden tendenziell ins Ausland verlagert, eine enorme Welle der internationalen Unternehmenskonzentration („Global ­Players“) entsteht, eine Erpressbarkeit der nationalen Instanzen durch Gegeneinanderausspielen (z. B. in der Steuerpolitik) wird möglich, es kommt zu einer fehlenden Reichweite staatlicher Standards, eine überbordende Macht der Finanzjongleure („Finanzmärkte“) entsteht etc. Zum Schutz haben sich auch Nichtregierungsorganisationen (NGO’S) gebildet, die häufig bereits Gesprächspartner der politischen Instanzen sind. Außerhalb des EU-Raums ergeben sich auch Wechselkursschwankungen. Diese entstehen aufgrund von Kaufkraftparitätsunterschieden zwischen Ländern, wegen der Kapitalbewegungen von Finanzmarktakteuren und durch psychologische Faktoren (Spekulation, Krise etc.). Zum Ausgleich werden frei floatende Wechselkurse genutzt, d. h., der Preis der Währung wird ausschließlich dem Markt überlassen, darunter leidet die Kalkulierbarkeit, oder gelenkte Wechselkurse, d. h., es wird ein Schwankungskorridor definiert (z. B. Wertrelation Can-$ zu US-$) oder aber feste Wechselkurse (früher z. B. Schweizer Franken zu Euro), dies behindert dann aber die Anpassungsflexibilität.

Literaturhinweise Altmann, Jörn: Volkswirtschaftslehre, 7. Auflage, Stuttgart 2009 Baßeier, Ulrich / Heinrich, Jürgen / Utrecht, Burkhard: Grundlagen und Probleme der Volkswirtschaftslehre, 19. Auflage, Stuttgart 2010 Beck, Hanno: Volkswirtschaftslehre, München / Wien 2012 Blanchard, Olivier / Illing, Gerhard: Makroökonomie, 6. Auflage, München 2014 Bofinger, Peter: Grundzüge der Volkswirtschaftslehre, 3. Auflage, München 2011 Boller, Eberhard / Schuster, Dietmar: Volkswirtschaftslehre, 7. Auflage, Rinteln 2012 Brunner, Sibylle / Kehrle, Karl: Volkswirtschaftslehre, 3. Auflage, München 2014 Cezanne, Wolfgang: Allgemeine Volkswirtschaftslehre, 6. Auflage, München / Wien 2005 Eding, Herbert: Volkswirtschaftslehre schnell erfasst, 3. Auflage, Berlin / Heidelberg 2010 Fischbach, Rainer: Volkswirtschaftslehre I, 13. Auflage, München / Wien 2007 Hanusch, Horst: Volkswirtschaftslehre 1, 6. Auflage, Berlin / Heidelberg 2013

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B. Der Rahmen der Betriebswirtschaft

Heine, Michael / Herr, Hansjörg: Volkswirtschaftslehre, 4. Auflage, München / Wien 2012 Krugman, Paul / Wells, Robin: Volkswirtschaftslehre, Stuttgart 2010 Mankiw, N. Gregory / Taylor, Mark P.: Grundzüge der Volkswirtschaftslehre, 5. Auflage, Stuttgart 2012 Neubaumer, Renate / Hewel, Brigitte / Lenk, Thorsten (Hrsg.): Volkswirtschaftslehre, 5. Auflage, Wiesbaden 2010 Pindyck, Robert S./Rubinfeld, Daniel L.: Mikroökonomie, 8. Auflage, Stuttgart 2013 Roth, Steffen J.: VWL für Einsteiger, 4. Auflage, Stuttgart 2014 Theiler, Walter: Grundlagen der VWL: Makroökonomie, Konstanz 2012 Vry, Wolfgang: Volkswirtschaftslehre, 12. Auflage, Herne 2014 Woeckener, Bernd: Volkswirtschaftslehre, 2. Auflage, Wiesbaden 2013 Woll, Artur: Volkswirtschaftslehre, 16. Auflage, München 2011

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Übungsaufgaben   1. Welche Leitlinien kennzeichnen das Prinzip der Sozialen Marktwirtschaft?   2. Welches sind die Eckpfeiler der Sozialen Marktwirtschaft?   3. Welches grundlegende Prinzip verfolgt die Soziale Marktwirtschaft?   4. Welche Instrumente dienen zur Erhaltung eines funktionsfähigem Wettbewerbs?   5. Welches Ziel verfolgt die Wettbewerbspolitik und durch welche dynamische Phasenabfolge wird dies gefördert?   6. Welche Vorkehrungen in der Sozialen Marktwirtschaft tragen dazu bei, den Sozialen Frieden zu sichern?   7. Was versteht man unter „gerechter Einkommens- und Vermögensverteilung“?   8. Was versteht man unter „Preisniveaustabilität“?   9. Wie ist gesamtwirtschaftliches Wachstum als Ziel zu bewerten? 10. Wie ist das wirtschaftspolitische Ziel des außenwirtschaftlichen Gleichgewichts zu bewerten? 11. Wie stellt sich das gesamtwirtschaftliche Ziel der Vollbeschäftigung dar? 12. Welche Aufgaben kommen der Strukturpolitik zu? 13. Was versteht man unter Marktversagen und wodurch entsteht dieses? 14. Was versteht man unter Bruttoinlandsprodukt? 15. Welche Arten von Arbeitslosigkeit können unterschieden werden?

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B. Der Rahmen der Betriebswirtschaft

4. Privatrechtlicher Rahmen In diesem Kapitel werden folgende Inhalte behandelt und geklärt: • das Bürgerliche Recht, • das Handelsrecht, • das Kaufvertragsrecht und das Recht der Leistungsstörungen, • das allgemeine Wettbewerbs-, Arbeits- und Steuerrecht, • der Gewerbliche Rechtsschutz, • das UN-Kaufrecht.

4.1 Bürgerliches Recht 4.1.1 Grundlagen

Das Bürgerliche Recht ist im Bürgerlichen Gesetzbuch (BGB) kodifiziert und bildet die Grundlage des „Privatrechts“. Es regelt die Rechtsverhältnisse der einzelnen Bürger untereinander, im Unterschied zum öffentlichen Recht, das die Rechtsverhältnisse zwischen den Bürgern und dem Staat oder der staatlichen Organe untereinander regelt. Das BGB teilt sich in fünf „Bücher“ auf: den Allgemeinen Teil (§§ 1 – 240), das Schuldrecht (§§ 241 – 853), das Sachenrecht (§§ 854 – 1296), das Familienrecht (§§ 1297 – 1921) und das Erbrecht (§§ 1922 – 2385): • Der Allgemeine Teil stellt die rechtlichen Grundtatbestände und die dabei zugrunde gelegten Rechtsbegriffe dar wie z. B. natürliche und juristische Person, Frist / Termin, Verjährung, Rechtsgeschäft, Stellvertretung / Vollmacht. • Das Schuldrecht betrifft die Rechtsverhältnisse zwischen leistungsberechtigten Personen (Gläubiger) und leistungsverpflichteten Personen (Schuldner). Dies betrifft z. B. Kauf, Tausch, Miete, Pacht, Dienstvertrag, Werkvertrag. • Das Sachenrecht betrifft die Beziehungen zwischen Personen und beweglichen und unbeweglichen Sachen, also dinglichen Rechten wie Besitz, Eigentum, Pfandrecht etc. Die Trennung zwischen Schuldrecht und Sachenrecht kommt durch die Unterscheidung zwischen Verpflichtungsgeschäft (Schuldrecht) einerseits und Verfügungsgeschäft (Sachenrecht) andererseits zustande (Abstraktionsprinzip). • Das Familienrecht behandelt die Rechte aus Ehe, Verwandtschaft und Vormundschaft. • Das Erbrecht befasst sich mit dem Übergang des Vermögens von Verstorbenen auf Erben.

4. Privatrechtlicher Rahmen

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Das Privatrecht ist zu großen Teilen „dispositives“ (nachgiebiges) Recht, d. h., es kann durch vertragliche Vereinbarungen individuell verändert werden. Das öffentliche Recht ist hingegen zwingendes Recht und wird von Amts wegen geschaffen und durchgesetzt (vertikale Rechtsbeziehung). Die Handelnden in einer Rechtsordnung sind die Rechtssubjekte. Dies sind natürliche Personen (Menschen) oder juristische Personen (Personenvereinigungen oder Vermögensmassen) (§ 1 BGB). Es gibt juristische Personen privaten Rechts (private Körperschaften und Stiftungen) und juristische Personen öffentlichen Rechts (öffentliche Körperschaften und Stiftungen, Anstalten, Kammern) (§§ 21 – 89 BGB). Alle Rechtssubjekte tragen Rechte und Pflichten, vorausgesetzt, sie sind rechtsfähig. Natürliche Personen erwerben ihre Rechtsfähigkeit mit Vollendung ihrer Geburt und verlieren sie mit ihrem Tod (ein entsprechender Eintrag ist nur rechtsbezeugend / deklaratorisch). Juristische Personen erlangen ihre Rechtsfähigkeit bzw. verlieren diese durch Eintrag in ein öffentliches Register, durch Gesetz oder Verwaltungsakt, dies hat rechtserzeugende / konstitutive Wirkung. Rechtsfähigkeit ist allgemein die Fähigkeit von Personen, Träger von Rechten und Pflichten zu sein. Juristische Personen tragen einen Namen (bei Unternehmen ist das die Firma) und haben Organe, die für sie handeln, die ihrerseits aus natürlichen Personen bestehen. Die Geschäftsfähigkeit bedeutet, dass Rechtssubjekte rechtswirksame Willenserklärungen abgeben und entgegennehmen können. Juristische Personen erlangen ihre Geschäftsfähigkeit mit ihrer Rechtsfähigkeit. Natürliche Personen erlangen diese unbeschränkt mit Vollendung ihres 18. Lebensjahrs, ihre Willenserklärungen sind dann voll rechtswirksam. Zwischen dem 7. und dem 18. Lebensjahr liegt eine beschränkte Geschäftsfähigkeit vor, Willenserklärungen bedürfen dann der Zustimmung des gesetzlichen Vertreters und sind solange schwebend unwirksam, außer es werden nur eigene Geldmittel eingesetzt oder nur rechtliche Vorteile erlangt. Vor dem 7. Lebensjahr liegt Geschäftsunfähigkeit vor, Willenserklärungen sind dabei nichtig. Dies gilt auch für Personen, deren Geistestätigkeit dauerhaft und krankhaft gestört ist. Diese bedürfen eines Betreuers für Rechtsbeziehungen, außer für Geschäfte des täglichen Lebens mit geringwertigen Geldmitteln. Willenserklärungen von Geschäftsunfähigen sind nichtig. Die Willenserklärung ist die rechtlich wirksame Äußerung einer geschäftsfähigen Person, durch die sie bewusst Rechtsfolgen herbeiführen will. Sie kommt je nach Lage der Dinge durch ausdrückliche Äußerung, bloßes / konkludentes (schlüssiges) Handeln oder auch schon ggf. durch Schweigen zustande. Die Willenserklärung begründet so ein Rechtsgeschäft. Rechtsgeschäfte können einseitig angelegt sein, und zwar nicht empfangsbedürftig (z. B. Testament) oder empfangsbedürftig (z. B. Kündigung), oder zweiund mehrseitig (z. B. Kauf). Sie entstehen durch Antrag und Annahme (oder Ablehnung). Eine Willenserklärung unter Abwesenden ist solange bindend, wie es der Verkehrsüblichkeit entspricht, außer die Bindung ist durch Freizeichnung

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B. Der Rahmen der Betriebswirtschaft

ausgeschlossen (wie freibleibend, vorbehaltend etc.) oder durch Fristsetzung begrenzt. Mit Ablehnung oder verspäteter Annahme erlischt die Bindung. Unter Anwesenden ist eine Annahme des Antrags nur sofort möglich. Eine abgeänderte Annahme gilt als neuer Antrag, der dann wieder angenommen werden muss. Im Verpflichtungsgeschäft entsteht die schuldrechtliche Bindung zwischen Antragsgläubiger und -schuldner (Antrag / A nnahme). Im Erfüllungsgeschäft entsteht die sachenrechtliche Beziehung (Übergabe / Abnahme) (siehe Abb. B23). Der Erfül-

Abbildung B23: Elemente eines Rechtsgeschäfts (eig. Abb.)

lungsort ist der Ort, an dem die Leistung übergeht, die Gefahr übergeht und sich der Gerichtsstand befindet, es sei denn, es wird in Verhandlungen Abweichendes vereinbart. Gesetzlicher Erfüllungsort für die Leistung ist der Wohn-/ Geschäftssitz des Warenschuldners (Warenschulden sind Holschulden), für die Gegenleistung der Wohn-/Geschäftssitz des Gläubigers / Lieferanten / Verkäufers (Geldschulden sind Schickschuld). Als vertraglicher Erfüllungsort kann ein gemeinsamer vereinbart werden. Natürlicher Erfüllungsort ist der Ort, an dem die Leistung ihrer Natur oder den Umständen nach zu bewirken ist. Am Erfüllungsort wird der Schuldner durch rechtzeitige und mangelfreie Leistung von seiner vertraglichen Verpflichtung befreit. Der Erfüllungsort übernimmt zumeist folgende Funktionen (siehe Abb. B24): • Gerichtsstand ist der Ort, an dem die Vertragspartner klagen und verklagt werden können. Als Gerichtsstand gilt der gesetzlich vorgegebene oder der vertraglich vereinbarte. • Gefahrenübergang ist die Situation, durch die das Verschulden für Untergang oder Beschädigung der Vertragsware vom Verkäufer auf den Käufer übergeht, normalerweise mit Übergabe der Ware an den Käufer, seinen Erfüllungsgehilfen, einen Spediteur oder Frachtführer. Das Risiko kann durch Versicherung

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abgedeckt werden. Bei Geld trägt immer der Versender (i. d. R. der Käufer) das Risiko. • Kostenübergang ist die Situation, durch welche die Kosten der Lieferung vom Verkäufer auf den Käufer übergehen. Der Verkäufer trägt nach Gesetz die Kosten den Messens, Wiegens und des Transports zum Erfüllungsort (Holschuld), der Käufer die Kosten der Abnahme und Versendung zu einem anderen als dem Erfüllungsort sowie die Kosten der Zahlung (Bringschuld).

Abbildung B24: Funktionen des Erfüllungsorts (eig. Abb.)

Für die Geldzahlung trägt der Schuldner die Gefahr der Übermittlung bis zum Gläubiger. Für die Frist ist die Bereitstellung des Geldbetrags am Fälligkeitstag an dessen Wohn- / Geschäftssitz ausreichend. Für den Abschluss eines Kaufvertrags ergeben sich dabei folgende Möglichkeiten: • der Verkäufer macht ein verbindliches Angebot, das der Käufer bestellt (ein Vertrag ist damit zustande gekommen), • der Verkäufer macht ein Angebot, der Käufer bestellt verspätet oder mit Abänderung, dies gilt als neuer Antrag, der verkäuferseitig angenommen werden muss, • der Verkäufer macht ein freibleibendes Angebot, das der Käufer bestellt (ein Vertrag ist zustande gekommen), • der Verkäufer sendet unbestellte Ware, der Vertrag kommt zustande, wenn der Käufer die Ware annimmt, bei bestehenden Geschäftsbeziehungen gilt, wenn dies üblich ist, Stillschweigen als Annahme, besteht keine Geschäftsbeziehung, gilt Stillschweigen als Ablehnung (die Ware muss dann nur aufbewahrt werden), private Endabnehmer müssen unbestellte Ware weder aufbewahren noch bezahlen noch zurücksenden, • der Käufer bestellt ohne vorhergehendes Angebot, der Verkäufer nimmt die Bestellung an (ein Vertrag ist zustande gekommen),

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• der Käufer bestellt, der Verkäufer macht ein Gegenangebot, dies gilt als neuer Antrag, der käuferseitig angenommen werden muss. 4.1.2 Vertragsrecht

Der Kaufvertrag ist ein zweiseitiger Handelskauf, wenn beide Seiten gewerblich handeln, oder ein einseitiger Handelskauf, wenn nur eine Seite gewerblich handelt. Handeln beide Seiten privat, liegt ein bürgerlicher Kauf (Privatkauf) vor. Für den Vertragsabschluss herrscht Vertragsfreiheit als Abschlussfreiheit, d. h. freie Wahl des Vertragspartners, als Auflösungsfreiheit durch Rückabwicklung des Vertrags und als Inhaltsfreiheit im Rahmen der Gesetze (siehe Abb. B25). Als

Abbildung B25: Kennzeichen eines Kaufvertrags (eig. Abb.)

wesentliche Vertragsarten im Wirtschaftsbetrieb werden folgende unterschieden (siehe Abb. B26). Geschäftsbesorgungsverträge sind möglich als: • Dienstvertrag (§§ 611 ff. BGB) zur Leistung von Diensten oder Arbeit gegen Entgelt ohne Zusage eines Erfolgs (Arbeitnehmer, Arbeitgeber),

Abbildung B26: Kaufmännische Vertragsarten (eig. Abb.)

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• Werkvertrag (§§ 631 ff. BGB) zur Herstellung eines Werks gegen Entgelt mit Zusage des Erfolgs, die Materialien werden dabei vom Besteller beschafft, • Werklieferungsvertrag (§§ 651 ff. BGB) zur Herstellung eines Werks gegen Entgelt mit Zusage des Erfolgs, die Materialien werden dabei vom Lieferanten beschafft, • weitere Arbeitsbesorgungsverträge wie Reisevertrag, Versicherungsvertrag etc. Überlassungsverträge sind möglich als: • Mietvertrag (§§ 535 ff. BGB) zur Überlassung einer Sache gegen Entgelt zu Gebrauch und Rückgabe derselben Sache, der Vermieter trägt das Gebrauchsrisiko (Instandhaltung, Versicherung), abgewandelt als Leasingvertrag zur Überlassung eines Anlagegegenstands gegen Entgelt zu Gebrauch und Rückgabe derselben Sache, der Leasingnehmer / Mieter trägt dabei das Gebrauchsrisiko, • Pachtvertrag (§§ 581 ff. BGB) zur Überlassung einer Sache gegen Entgelt zu Gebrauch und Genuss der gewöhnlichen Erträgnisse und Rückgabe derselben Sache, • Leihvertrag (§§ 588 ff. BGB) zur unentgeltlichen Überlassung einer Sache zu Gebrauch und Rückgabe derselben Sache, • Darlehensvertrag (§§ 607 ff. BGB) zur meist entgeltlichen Überlassung einer Sache zu Ge- und Verbrauch und Rückgabe einer nach Menge und Güte vergleichbaren Sache oder eines Geldbetrags. Veräußerungsverträge sind möglich als: • Schenkungsvertrag (§§ 516 ff. BGB) als unentgeltliche Übereignung einer Sache, • Kaufvertrag (§§ 433 ff. BGB) als Übereignung einer (fertigen) Sache gegen Zahlung des Kaufpreises. Die Form kann frei (beliebig wählbar) oder gesetzlich vorgeschrieben sein, und zwar als schriftliche Form (z. B. Bürgschaft), elektronisch (z. B. Elster), in Textform (z. B. Gehaltsabrechnung), öffentlich beglaubigt (in Bezug auf Form und Unterschrift) oder notariell beurkundet (in Bezug auf Form, Inhalt und Unterschrift). Beim Kaufvertrag muss der Verkäufer dem Käufer die tatsächliche Herrschaft über die Ware verschaffen (Besitz) und ihm auch das Eigentum daran als rechtliche Herrschaft über die Ware übertragen (siehe Abb. B27). Ist der Besitzer zugleich Eigentümer, handelt es sich um Eigenbesitz, fallen Besitzer und Eigentümer aus­einander, um Fremdbesitz. Der Besitzer ist dabei unmittelbarer, tatsächlicher Besitzer, der Eigentümer mittelbarer, rechtlicher Besitzer. Der Besitzdiener ist Besitzer für einen anderen Besitzer. Das Eigentum kann Alleineigentum einer Person sein oder Gemeineigentum mehrerer Personen als Miteigentum nach Bruchteilen auf Basis einer Teilungserklärung oder als Gesamthandeigentum nur

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B. Der Rahmen der Betriebswirtschaft

zur gemeinsamen Verfügung. Das Eigentum an beweglichen Sachen wird durch Einigung zum Vertragsabschluss und Übergabe der Vertragssache erworben. Weiterhin durch Einigung und Abtretung (Zession und Übergabe eines indos-

Abbildung B27: Begriffe Eigentum, Besitz (eig. Abb.)

sierten Orderpapiers) und wenn die Sache sich bei einem Dritten befindet, nur durch Einigung, wenn der Besitzer neuer Eigentümer wird bzw. der Veräußerer Besitzer bleibt. Besitzt der Erwerber die Sache bereits, reicht ein rechtlicher Eigentumsübergang, besitzt jemand Anderes die Sache, entsteht ein materieller Herausgabeanspruch an dieser Sache gegen ihn. Voraussetzung ist, dass dem Veräußerer die Sache gehört. Ist dies nicht der Fall, kommt ein Übergang nur zustande, wenn der Erwerber den Veräußerer gutgläubig für den Eigentümer hält und er dabei nicht grob fahrlässig handelt. Ein gutgläubiger Erwerb ist nicht möglich bei gestohlenen oder verlorenen Sachen, außer bei Geld. Bestandteile einer Sache können nicht Gegenstand besonderer Rechte sein, das Recht an ihnen geht mit dem Übergang der Gesamtsache über. Durch Ersitzen kann eine Sache nach zehn Jahren in das Eigentum des Ersitzenden übergehen, wenn dieser gutgläubig handelt. Wird dem Besitzer der Besitz widerrechtlich entzogen, hat er das Recht zur Selbsthilfe. Wird dem Eigentümer der Besitz widerrechtlich entzogen, kann er auf Herausgabe klagen bzw. auf Beseitigung der Störung und ggf. Unterlassung. Der Eigentumsvorbehalt ist eine Vereinbarung zwischen Verkäufer und Käufer, wonach der Erwerber zunächst nur Besitzer der Ware werden soll, während der Verkäufer bis zur vollständigen Bezahlung des Kaufpreises ihr Eigentümer bleibt. Der Eigentümer kann bei Pfändung des Besitzers Freigabe und bei Insolvenz des Besitzers Aussonderung der Sache verlangen. Bei Zahlungsverzug kann der Eigentümer nach Rücktritt vom Vertrag (mit Nachfristsetzung) die Herausgabe seines Eigentums verlangen. Der einfache Eigentumsvorbehalt ist unwirksam, wenn

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die Sache an einen gutgläubigen Dritten weiterveräußert oder verpfändet wird, verarbeitet, mit einer Sache fest verbunden, verbraucht oder vernichtet wird. Zur Absicherung gibt es dann folgende Möglichkeiten (siehe Abb. B28): • verlängerter Eigentumsvorbehalt, d. h., das Recht geht anteilig auf die Sache über, in der die eigentumsvorbehaltene Sache verarbeitet ist, • erweiterter Eigentumsvorbehalt, d. h., die Rechte beziehen sich auch auf andere vom selben Verkäufer an den denselben Käufer gelieferte Waren, • weitergeleiteter Eigentumsvorbehalt, d. h., beim Weiterverkauf wird die entsprechende Forderung abgetreten bzw. die verarbeitete Sache sicherungsübereignet.

Abbildung B28: Formen des Eigentumsvorbehalts (eig. Abb.)

Bei immobilen Sachen (Häusern, Grundstücken) ist eine Eintragung der Rechtsänderung in das Grundbuch beim zuständigen Amtsgericht erforderlich, für dieses gilt bis zum Beweis des Gegenteils öffentlicher Glaube. Zudem ist eine notarielle Beurkundung des Geschäfts unter gleichzeitiger Anwesenheit aller Parteien bzw. deren Bevollmächtigter erforderlich. Immobilien können auch durch Zuschlag bei einer Zwangsversteigerung, durch Erbschaft oder durch Ersitzung (nach 30 Jahren) übergehen. Wohnungseigentum (ETW) besteht aus Sondereigentum an der Wohnung und Miteigentum am damit verbundenen, anteiligen Grundstück. Mit dem Notarvertrag wird für gewöhnlich eine Auflassungsvormerkung in das Grundbuch eingetragen. Dies sichert den Käufer dagegen ab, dass der Verkäufer parallel mit einem Dritten kontrahiert. Belastungen (Grundschulden, Hypotheken) werden entweder in ihren Verpflichtungen übernommen oder vor Übergang gelöscht. Der Besitz geht mit der Kaufpreiszahlung über, das Eigentum mit der Grundbucheintragung (Streichung im Grundbuch). Rechtsgeschäfte, die von Anfang an ungültig sind, werden als nichtig betrachtet und so behandelt, als wären sie nicht abgeschlossen worden (siehe Abb. B29). Nichtigkeitsgründe sind im Einzelnen: • fehlende Geschäftsfähigkeit bei Geschäftsunfähigen, Minderjährigen ohne Einwilligung bzw. bei fehlender Genehmigung ihres gesetzlichen Vertreters,

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B. Der Rahmen der Betriebswirtschaft

• Fehlen des rechtsgeschäftlichen Willens bei Verträgen, die im Zustand der vor­ übergehenden Störung der Geistestätigkeit, als Scheingeschäfte oder Scherzgeschäfte abgeschlossen wurden, • verbotene rechtsgeschäftliche Inhalte bei Verstoß gegen gesetzliche Verbote oder gegen die guten Sitten. Ein Verstoß gegen die guten Sitten liegt bei einem auffälligen Missverhältnis zwischen Leistung und Gegenleistung vor oder bei Ausnutzung einer Zwangslage, von Unerfahrenheit oder mangelnden Urteilsvermögens des Kontrahenten. • Nichteinhaltung einer Formvorschrift bei z. B. Beglaubigung, Beurkundung.

Abbildung B29: Nichtigkeit von Rechtsgeschäften (eig. Abb.)

Die Anfechtung strebt eine nachträgliche Ungültigkeit von Rechtsgeschäften an, diese bleiben jedoch bis dahin gültig (siehe Abb. B30). Anfechtungsgründe sind: • Irrtum in der Erklärung, d. h. über wesentliche Eigenschaften / Inhalte, • Irrtum in der Erklärungsübermittlung, die Anfechtung hat unverzüglich zu erfolgen und verjährt nach 30 Jahren, unverzüglich bedeutet dabei ohne schuldhafte Verzögerung, • Irrtum über wesentliche Eigenschaften einer Person oder Sache,

Abbildung B30: Anfechtbarkeit von Rechtsgeschäften (eig. Abb.)

4. Privatrechtlicher Rahmen

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• arglistige Täuschung wie z. B. Vortäuschung falscher Tatsachen, Verschweigen schwerwiegender Mängel, die Anfechtung hat binnen zwölf Monaten zu erfolgen, die Verjährung tritt nach 30 Jahren ein, • widerrechtliche Drohung z. B. als Nötigung, die Anfechtungsfrist beträgt zwölf Monate. Nicht anfechtbar sind ein Motivirrtum bei Abschluss aus falscher Absicht oder ein Kalkulationsirrtum bei Abschluss auf Basis von Rechenfehlern. Die Vertragsfreiheit hat dort ihre Grenzen, wo die Rechte Schwächerer unbotmäßig beeinträchtigt werden. Im Verhältnis zu privaten Endabnehmern (einseitiger Handelskauf) sind daher im AGB-Gesetz (Gesetz zur Regelung des Rechts der Allgemeinen Geschäftsbedingungen / AGBG) Vertragsbestandteile für eine Vielzahl von Verträgen und Vertragsinhalten, wie sie vormals im „Kleingedruckten“ wiedergegeben wurden, geregelt. Die Vorschriften über die AGB gelten grundsätzlich für Kaufverträge. Individuelle Vertragsabreden haben jedoch Vorrang vor den AGB. Bestimmungen der AGB, die den Vertragspartner unangemessen benachteiligen, sind unwirksam. Generell sind anbieterseitige AGB’s dann unwirksam, wenn sie den privaten Kunden entgegen Treu und Glauben unangemessen benachteiligen. Zum Schutz gelten u. a. folgende Bestimmungen: • keine Möglichkeit zur Preiserhöhung innerhalb von vier Monaten nach Vertragsabschluss, • keine Vereinbarung von Vertragsstrafen, die von Verbrauchern zu zahlen wären, • kein Ausschluss des Rücktritts bzw. Schadenersatzrechts bei Lieferungsverzug, • keine Verkürzung der gesetzlichen Gewährleistungsfristen. 4.2 Handelsrecht 4.2.1 Grundlagen

Das Handelsrecht ist Teil des Wirtschaftsprivatrechts. Es umfasst die für Kaufleute geltenden Sondervorschriften und ist im Handelsgesetzbuch (HGB) kodi­ fiziert. Ergänzend greifen weitere Gesetze, z. B. für Gesellschaftsformen, Wertpapiere, Wettbewerb. Handelsrecht kommt zur Anwendung, wenn bei ­einem Rechtsgeschäft alle Partner Kaufmannseigenschaft aufweisen. Wesentliche Unterschiede zum BGB beziehen sich auf einen verstärkten Vertrauensschutz (z. B. Schweigen als Annahme eines Antrags), eine rasche Abwicklung und die Ent­ geltlichkeit von Geschäftsbesorgungen. Ergänzend gelten nicht näher kodifi­ zierte Handelsbräuche und Gewohnheitsrechte der Kaufleute. Das HGB besteht

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B. Der Rahmen der Betriebswirtschaft

aus fünf „Büchern“: den Handelsstand (§§ 1 – 104), die Handelsgesellschaften (§§ 125 – 237), die Handelsbücher (§§ 238 – 339), die Handelsgeschäfte (§§ 343 – 460) und den Seehandel (§§ 476 – 905): • Der Handelsstand behandelt grundlegende Elemente wie Kaufmannseigenschaft, Anwendungsgebiet, Handelsregister, Firmenrecht, Recht der kaufmännischen Hilfspersonen etc. • Die Handelsgesellschaft betrifft Personengesellschaften und die Stille Gesellschaft (juristische Personen sind getrennt verortet). • Die Handelsbücher betreffen Buchführungs- und Bilanzierungsvorschriften, ergänzt um die Angleichung an internationale Standards (IFRS). • Die Handelsgeschäfte unterscheiden z. B. in Kommission, Spedition, Lagerung, Fracht. • Der Seehandel betrifft ausdifferenzierte spezielle Regelungen im Schiffsverkehr. 4.2.2 Kaufmannsrecht

Zentral ist der Begriff des Kaufmanns, der ein Grundhandelsgewerbe ausübt oder einen Gewerbebetrieb unterhält, der einen nach Art und Umfang kaufmännisch eingerichteten Geschäftsbetrieb erfordert. Als Grundhandelsgewerbe gelten die Anschaffung und Weiterveräußerung von Waren, die fabrikmäßige Bearbeitung und Weiterverarbeitung von Waren, die Versicherung gegen Prämie sowie Bankiersgeschäfte (siehe Abb. B31). Kaufleute kraft Rechtsform sind die Handelsgesellschaften OHG (Offene Handelsgesellschaft), KG (Kommanditgesellschaft), GmbH (Gesellschaft mit beschränkter Haftung), AG (Aktiengesellschaft) und eG (eingetragene Genossenschaft). Ergänzend gilt das Gesellschaftsrecht, das im Aktiengesetz (AktG), im GmbH-Gesetz (GmbHG) und im Genossenschaftsgesetz (GenG) geregelt ist. Dies betrifft vor allem die Gründung der Gesellschaft, die Rechtsverhältnisse der Gesellschaft gegenüber Dritten und

Abbildung B31: Erlangung der Kaufmannseigenschaft (eig. Abb.)

4. Privatrechtlicher Rahmen

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der Gesellschafter untereinander, den Aufbau und die Organe der Gesellschaft, die Rechnungslegung, Gewinn- und Verlustverteilung und Gewinnverwendung, die Auflösung der Gesellschaft und die Änderung des Gesellschaftsvertrags. Hinzu kommen Regelungen zur Kapitalerhöhung/-herabsetzung, Verschmelzung mit anderen Unternehmen, Umwandlung der Rechtsform, Rechnungslegung/-prüfung, Publizität von Jahresabschlüssen, Unternehmensverbindung etc. Ein Gewerbetreibender, der sich der Strenge des Handelsrechts entziehen will, muss darlegen und beweisen, dass er keinen kaufmännisch eingerichteten Geschäftsbetrieb benötigt. Ansonsten ist er Kaufmann kraft Gesetz (Istkaufmann) und zur Eintragung ins Handelsregister verpflichtet. Merkmale der Erfordernis sind Umsatzhöhe, Kapitalausstattung, Kundenzahl, Mitarbeiterzahl, Angebots­ palette, Betriebsstättenanzahl, kaufmännische Buchführung, Auslandsgeschäfte etc. Gewerbetreibende ohne kaufmännisch eingerichteten Geschäftsbetrieb (Nichtkaufleute) können die Kaufmannseigenschaft durch freiwillige Eintragung ihrer Firma ins Handelsregister erwerben. Die Eintragung ist auch rückgängig zu machen. Sie müssen sich aber dennoch rechtlich wie Kaufleute behandeln lassen. Land- und forstwirtschaftliche Unternehmen mit kaufmännisch eingerichtetem Geschäftsbetrieb können sich ebenfalls eintragen lassen (Kannkaufleute). Eine Eintragung ist für diese jedoch nicht rückgängig zu machen. Juristische Personen als Handelsgesellschaften sind Kaufleute kraft Rechtsform (Formkaufleute). Akquisitorische und logistische Absatzhelfer sind keine Kaufleute, sondern Gewerbetreibende. Scheinkaufleute (Fiktivkaufmann) sind zu unrecht im Handelsregister eingetragen, da sie kein Handelsgewerbe (mehr) betreiben. Sie werden aber wie ein Kaufmann behandelt (siehe Abb. B32).

Abbildung B32: Formen der Kaufmannseigenschaft (eig. Abb.)

Die Firma ist der Geschäftsname eines Kaufmanns, unter dem er seine Handelsgeschäfte betreibt und seine Unterschrift abgibt. Denkbar sind eine Personenfirma, Sachfirma (Gegenstand der Unternehmung), Fantasiefirma oder Mischfirma (Personen und Gegenstand). Die Firma unterliegt kraft Gesetzes folgenden Anforderungen: • Der Rechtsformenzusatz ist zwingend.

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B. Der Rahmen der Betriebswirtschaft

• Firmenöffentlichkeit bedeutet, dass jeder Kaufmann verpflichtet ist, seine Firma und seinen Geschäftssitz zur Eintragung in das Handelsregister anzumelden und auf seiner Geschäftsausstattung auszuweisen. • Firmenklarheit bedeutet, dass die Firma zur Kennzeichnung des Kaufmanns geeignet sein muss (Unternehmensart). • Firmenausschließlichkeit bedeutet, dass die Firma sich eindeutig von allen anderen am gleichen Ort bestehenden Firmen unterscheiden muss (Firmenmonopol im Amtsgerichtsbezirk). • Firmenwahrheit bedeutet, dass keine Angaben enthalten sein dürfen, die geeignet sind, über wesentliche geschäftliche Verhältnisse irrezuführen (Firmeninhaber). • Firmenbeständigkeit bedeutet, dass bei Übernahme eines Geschäfts die bisherige Firma, auch wenn sie den Namen des alten Geschäftsinhabers enthält, mit oder ohne Beifügung eines das Nachfolgeverhältnis anzeigenden Zusatzes fortgeführt werden darf, wenn dafür von diesem die Erlaubnis besteht. Die Firma kann einen erheblichen immateriellen Geschäftswert darstellen, der nach IFRS bei Erwerb mit dem jeweiligen Marktwert bilanzierungsfähig ist. Das Handelsregister ist das öffentliche Verzeichnis aller Kaufleute im Registerbezirk. Es wird beim lokalen Amtsgericht digital geführt. In Abteilung HRA sind Einzelunternehmen und Personengesellschaften eingetragen, in Abteilung HRB Kapitalgesellschaften. Inhalte des Eintrags sind • die Firma und der Name des Eigentümers bzw. die Namen der Gesellschafter sowie die Rechtsform, der Geschäftssitz, der Gegenstand der Unternehmung, die Höhe des gezeichneten Kapitals, die Mitglieder der Geschäftsführung bzw. des Vorstands, die Erteilung und Löschung von Prokura, die Eröffnung eines Insolvenzverfahrens und die Liquidation. Der Eintrag kann rechtsbekundend / deklaratorisch sein (z. B. Erteilung / Löschung von Prokuren), sofern Tatsachen eingetragen werden, die vorher schon rechtsgültig waren, oder rechtserzeugend / konstitutiv (z. B. Gründung einer Kapitalgesellschaft), sofern die Rechtswirkung erst durch die Eintragung entsteht. Das Handelsregister genießt öffentlichen Glauben und dient somit der Rechtssicherheit im Geschäftsverkehr. Eingetragene und bekannt gemachte Tatsachen muss ein Dritter grundsätzlich gegen sich gelten lassen. Nicht eingetragene und bekannt gemachte eintragungspflichtige Tatsachen können einem gutgläubigen Dritten nicht entgegengesetzt werden. Auf unrichtig eingetragene und bekannt gemachte Tatsachen kann ein gutgläubiger Dritter sich berufen. Alle Unterlagen sind digital beim Registergericht einzureichen, dazu ist eine Beglaubigung durch einen Notar erforderlich. Die Einsichtnahme ist für jedermann zu Informationszwecken möglich.

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Ein Kaufmann kann Vertretungsvollmachten in Form von Handlungsvollmacht oder Prokura erteilen (siehe Abb. B33). Die Handlungsvollmacht gilt für betriebsgewöhnliche Rechtsgeschäfte. Sie kann als Generalvollmacht für alle betriebsgewöhnlichen Geschäfte eines Handelsgewerbes, als Artvollmacht für eine bestimmte Art von Geschäften und Rechtshandlungen oder als Einzelvollmacht für nur ein spezielles Rechtsgeschäft ausgelegt sein. Für die Erteilung gibt es keine Formvorschriften. Erteilungsbefugt sind neben dem Geschäftsinhaber auch die gesetzlichen Vertreter der Gesellschaft oder ein Prokurist. Der Handlungsbevollmächtigte (gezeichnet i. V.) kann seinerseits Untervollmachten erteilen (gezeichnet i. A.). Außergewöhnliche Rechtsgeschäfte betreffen die Veräußerung oder Belastung von Grundstücken, die Eingehung von Wechselverbindlichkeiten, die Aufnahme von Darlehen oder die Prozessführung. Diese bedürfen einer Einzel- oder Sondervollmacht. Beschränkungen der Handlungsvollmacht sind Dritten gegenüber nur wirksam, wenn diese sie kannten oder kennen mussten. Das Erlöschen der Vollmacht erfolgt bei Einzel-/Sondervollmacht durch Erledigung des Auftrags, bei Art- und Generalvollmacht durch formlosen Widerruf, außerdem durch Beendigung des Dienstverhältnisses oder Auflösung des Geschäfts. Die Handlungsvollmacht wird inhaltlich vom Unternehmer geregelt, die Prokura hingegen ist gesetzlich geregelt.

Abbildung B33: Begriffe Handlungsvollmacht, Prokura (eig. Abb.)

Die Prokura erlaubt auch außergewöhnliche, gerichtliche wie außergerichtliche Rechtshandlungen. Sie kann nur vom Geschäftsinhaber oder seinem gesetzlichen Vertreter durch ausdrückliche Erklärung erteilt werden. Die Prokura

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B. Der Rahmen der Betriebswirtschaft

beginnt im Innenverhältnis mit der tatsächlichen Erteilung, im Außenverhältnis mit der Handelsregistereintragung. Sie kann als Einzelprokura an eine einzelne Person, als Filialprokura für eine oder mehrere unselbstständige Standorte oder als Gesamtprokura für mehrere Personen gemeinsam ausgelegt sein. Prokuristen zeichnen mit ppa. (per procura). Eine Beschränkung der Prokura ist nur für die Veräußerung und Belastung von Grundstücken möglich, für die Unterzeichnung der Steuererklärung, die Erteilung weiterer Prokurae, die Aufnahme / das Ausscheiden von Gesellschaftern, die Eintragung ins Handelsregister, die Veräußerung der Unternehmung und die Ableistung eines Eides sowie die Vertretung des Inhabers in privaten Angelegenheiten. Die Prokura ist nicht übertragbar und erlischt mit Widerruf durch den Inhaber, bei Ausscheiden des Prokuristen aus der Unternehmung oder Auflösung der Unternehmung. Der Handelsregistereintrag ist dann zu löschen. 4.3 Kaufvertragsrecht Von zentraler Bedeutung im kaufmännischen Geschäftsverkehr ist der Kaufvertrag. Er kommt durch zwei inhaltlich übereinstimmende Willenserklärungen zustande. Daraus ergeben sich die Pflichten des Verkäufers, nämlich die Ware zur rechten Zeit am richtigen Ort in der richtigen Art und Weise zu übergeben und dem Käufer das Eigentum daran zu verschaffen sowie die rechtzeitige Zahlung anzunehmen, sowie die Pflichten des Käufers, nämlich die ordnungsgemäß angelieferte Ware angemessen zu prüfen und abzunehmen und den dafür vereinbarten Kaufpreis rechtzeitig zu bezahlen. Beim Kaufvertrag sind verschiedene Arten wie folgt gegeben: • Gattungskauf (§ 243 HGB), dabei wird eine vertretbare (fungible) Sache gehandelt, • Stückkauf, dabei wird eine einmalige Sache gehandelt, die so nicht wiederbeschafft werden kann, • Kauf nach Probe (§ 494 HGB), dabei sind die Eigenschaften eines Musters oder einer Probe für die gesamte gekaufte Menge verbindlich (Proben / Muster sind daher aufzubewahren), • Kauf auf Probe (§ 454 BGB), dabei besteht ein Rückgaberecht innerhalb einer vorgegebenen Frist, • Kauf mit Umtauschrecht, d. h., der Käufer kann den Umtausch einer gekauften gegen eine andere Ware gleichen Werts verlangen, • Spezifikationskauf (§ 375 HGB), alle Vertragsbestandteile (Maß, Form, Farbe etc.) bis auf die innerhalb einer Frist gekaufte Warenmenge sind bestimmt, ansonsten ist eine Nachfrist zu setzen, danach nimmt der Verkäufer die Mengeneinteilung vor,

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• Sofortkauf, dabei soll die Lieferung unmittelbar erfolgen, • Terminkauf, dabei werden ein späterer Liefertermin oder eine Lieferfrist vereinbart, • Kauf auf Abruf, dabei soll die gekaufte Ware in Teilmengen oder nach Ermessen des Käufers geliefert werden, • Fixkauf, dabei werden ein fester, genau definierter Liefertermin bzw. eine feste Lieferfrist vereinbart, • Teillieferungskauf, dabei erfolgt die Lieferung in vorbestimmten Teilmengen (Rahmenvertrag mit Abrufaufträgen), • Kauf gegen Vorauszahlung (Geld vor Ware), • Barkauf, dabei wird der Kaufpreis „Zug um Zug“ mit der Übergabe der Ware beglichen, • Zielkauf, dabei wird der Kaufpreis gestundet, die Zahlung erfolgt demnach auf Ziel, • Platzkauf, dabei haben Verkäufer und Käufer denselben Geschäftsort, Erfüllungsort ist ansonsten nach Gesetz der Ort des jeweiligen Schuldners, • Versendungskauf, dabei erfolgt der Versand der Ware an einen anderen Ort als den Erfüllungsort, beim Streckengeschäft sendet der Verkäufer die Ware direkt an einen Abnehmer seines Kunden. Die Abrechnung der Versandkosten erfolgt bei wechselnden Lieferorten als Frachtbasis pauschaliert, werden die Lieferorte erst nachträglich bestimmt, wird ein fiktiver Übergangsort (Frachtparität / Frankogrenze) bestimmt. Ist der Abnehmersitz Erfüllungsort, handelt es sich um einen Versendungskauf, ist der Ort des Abnehmers Erfüllungsort, um einen Fernkauf. Das durch Abschluss des Kaufvertrags entstandene Schuldverhältnis (Verpflichtungsgeschäft) erlischt, wenn die beidseitig geschuldeten Leistungen an dem jeweiligen Gläubiger bewirkt sind (Erfüllungsgeschäft). Alle Verträge sind so auszulegen und zu erfüllen, wie Treu und Glauben mit Rücksicht auf die Verkehrssitte es dem Sinn nach erfordern. Bei zweiseitigem Handelskauf haben die Kaufleute Handelsbräuche einzuhalten. Verschulden kann im Einzelnen in Fahrlässigkeit, d. h. die im Verkehr erforderliche Sorgfalt wird außer Acht gelassen, oder Vorsatz liegen. Häufig treten Leistungsstörungen beim Kauf / Verkauf auf. Verkäuferseitig entstehen diese durch mangelhafte Lieferung (Schlechtleistung) und Lieferungsverzug sowie käuferseitig durch Annahmeverzug und Zahlungsverzug (siehe Abb. B34). Eine mangelhafte Lieferung liegt vor, wenn eine Ware zum Zeitpunkt des Gefahrenübergangs mit Fehlern behaftet ist oder ihr vertraglich zugesicherte Eigenschaften fehlen. Ein Sachmangel liegt vor, wenn die tatsächliche Beschaffenheit der Sache von der vereinbarten Beschaffenheit abweicht. Ferner, wenn

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B. Der Rahmen der Betriebswirtschaft

Abbildung B34: Arten von Leistungsstörungen (eig. Abb.)

die Beschaffenheit zwar nicht vereinbart wurde, der Käufer die Kaufsache aber nicht zu dem Zweck verwenden kann, zu dem er sie gekauft hat und der Verkäufer von diesem Zweck wusste oder eine solche Sache für gewöhnlich dazu verwendet wird. Ebenso, wenn die gelieferte Sache nicht den Versprechungen der Werbung entspricht oder die Kennzeichnung der Ware auf der Verpackung oder Ware selbst von der Kaufsache abweicht. Ferner bei fehlerhafter Montage durch den Verkäufer, bei fehlender oder fehlerhafter Montageanleitung des Verkäufers sowie bei zu geringer Liefermenge. Insofern kann es sich um Mängel in der Art (Gattungsmängel), in der Qualität, in der Menge (Quantitätsmängel) oder in der Beschaffenheit handeln (siehe Abb. B35).

Abbildung B35: Gründe und Arten von Sachmängeln (eig. Abb.)

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Rechtlich können diese offen, also bei einer Prüfung bereits klar erkennbar, oder versteckt, also auf den ersten Blick nicht erkennbar, vorliegen. Sie dürfen nicht nur unerheblich oder Gegenstand einer öffentlichen Versteigerung sein. Der Käufer hat beim Handelskauf eine Prüfungspflicht unverzüglich nach Eintreffen der Ware und muss dem Verkäufer gegenüber Mängel unverzüglich nach Prüfung rügen (bei offenen Mängeln) bzw. nach Entdeckung, aber innerhalb der Gewährleistungs-/Garantiefrist (bei versteckten Mängeln). Bei arglistig verschwiegenen Mängeln, also solchen, die der Verkäufer absichtlich verheimlicht, gilt eine Frist von drei Jahren nach Entdeckung der Täuschung, spätestens aber bis 30 Jahre nach Vertragsabschluss. Stellt der Käufer Mängel bereits bei der Übergabe fest, kann er die Abnahme verweigern. Der Käufer muss die beanstandete Ware (außer beim Platzkauf) dem Verkäufer zur Verfügung stellen und diese aufbewahren oder fremd einlagern, und wenn dies nicht sinnvoll möglich ist, notverkaufen. Die Mängelrüge ist grundsätzlich formfrei, ist aber immer schriftlich sinnvoll. Die Mängel sind zu definieren, wird fristgemäß keine Mängelrüge angezeigt, gilt die Ware als abgenommen. Der Käufer hat bei mangelhafter Lieferung folgende Rechte (siehe Abb. B36): • Nacherfüllungsanspruch (§ 439 BGB) als Nachbesserung (Mängelbeseitigung durch Reparatur), nach Wahl des Nachfragers auch Ersatzlieferung (Kosten zulasten des Anbieters), d. h. Umtausch der mangelhaften Ware gegen eine mangelfreie, wenn die Ware nicht mehr verwendbar ist, in Abhängigkeit von der Verhältnismäßigkeit von Kosten und Nutzen (ansonsten kann der Verkäufer die Nacherfüllung verweigern), • für den Fall, dass die Nacherfüllung durch i. d. R. zweimaliges Fehlschlagen der Nachbesserung binnen einer gesetzten Frist erfolglos geblieben ist, Rücktritt vom Vertrag (Wandelung), d. h. Rückgabe der mangelhaften Ware und Erstattung des Kaufpreises, oder Kaufpreisminderung, wenn die Ware noch verwendbar ist, und zwar im Verhältnis, in welchem zurzeit des Verkaufs der Wert der Sache in mangelfreiem Zustand zu dem wirklichen Wert gestanden hätte, dieser Anspruch unterliegt der allgemeinen Verjährungsfrist,

Abbildung B36: Sachmangelrechte (eig. Abb.)

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B. Der Rahmen der Betriebswirtschaft

• für den Fall, dass ein Schaden entstanden ist, der aus schuldhafter Pflichtverletzung des Verkäufers resultiert, kann neben der Erfüllung oder stattdessen Schadensersatz geltend gemacht werden, auch in Form vergeblicher Aufwendungen, wenn der Ware eine zugesicherte Eigenschaft fehlt, wenn sie nicht der unterstellten Probe entspricht oder ein Mangel arglistig verschwiegen wurde (dann können auch Folgeschäden reklamiert werden). Voraussetzung ist, anders als bei den übrigen Gewährleistungsrechten, der Nachweis eines Schadens. Die Rechte des Käufers sind auf zwei Jahre bei neu hergestellten Sachen und ein Jahr bei gebrauchten Sachen befristet. Ein Gewährleistungsausschluss in den AGB’s ist unwirksam (außer bei Gebrauchtwaren und Privatgeschäften), ebenso eine Einschränkung auf Nacherfüllung. Zusätzlich zu den gesetzlichen Ansprüchen gibt es die vertragliche Garantiefrist, die für Sachmängel infolge fehlerhafter Herstellung gilt. Bei vertretbaren Sachen treffen diese Regelungen auch auf Werklieferungsverträge zu, bei nicht vertretbaren Sachen gelten die Vorschriften des Werkvertrags. Ein Kulanzumtausch bezieht sich auf mangelfreie Ware und ist immer freiwillig, meist aus Gründen der Kundenzufriedenheit. Eine Mängelhaftung ist ausgeschlossen, wenn der Käufer den Mangel bei Abschluss des Vertrags kannte, ihm der Mangel infolge grober Fahrlässigkeit unbekannt geblieben ist, ein Haftungsausschluss vereinbart wurde oder die Sache im Wege des Pfandverkaufs erworben wurde. Tritt bei Verbrauchsgütern im Privatkauf innerhalb von sechs Monaten seit der Übergabe der Sache ein Sachmangel auf, wird vermutet, dass dieser Mangel von Anfang an bestanden hat. Der Verkäufer muss dann beweisen, dass die Sache bei der Übergabe noch einwandfrei war (Beweislastumkehr). Ein Hersteller, Händler, Vermieter, Importeur oder Zulieferer, der ein Produkt in Verkehr bringt, muss im Rahmen der Produkthaftung für alle Folgeschäden aus der Benutzung aufkommen. Ein Produkt hat einen Fehler, wenn es nicht die Sicherheit bietet, die berechtigterweise erwartet werden kann. Dies umfasst nicht nur den bestimmungsgemäßen, sondern auch einen voraussehbaren bestimmungswidrigen Gebrauch. Bei Personenschäden durch ein fehlerhaftes Produkt haftet der Lieferant bis zu 70 Mio. €, bei Sachschäden besteht ein Selbstbehalt von 500 €. Die Ansprüche verjähren drei Jahre nach Kenntnisnahme des Fehlers, spätestens jedoch zehn Jahre nach Inverkehrbringung eines Produkts durch den Hersteller. Ein Schmerzensgeldanspruch besteht nur bei nachgewiesenem Verschulden des Lieferanten. Für den Fehler, den Schaden und den Zusammenhang zwischen beidem trägt der Geschädigte die Beweislast. Ein Nachweis der Ursächlichkeit, also des Verschuldens, ist hingegen nicht erforderlich, denn es besteht eine verschuldensunabhängige Gefährdungshaftung des Herstellers. Gefährdungshaftung bedeutet die Pflicht für denjenigen, der einen seiner Natur nach gefährdenden Umstand schafft, für dadurch verursachte Schäden unabhängig von seinem sonstigen Verschulden einzustehen. Es handelt sich also um

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eine Schadensersatzpflicht, die nicht aufgrund eines Verschuldens eintritt, sondern dadurch, dass die zum Schadensersatz verpflichtete Person eine Tätigkeit ausübt, die eine gewisse „natürliche“ Gefährdung mit sich bringt. Beweislastumkehr bedeutet, nicht der Geschädigte muss den Nachweis des Verschuldens des Schädigers antreten, was im Einzelfall recht schwierig ist, sondern dieser muss sich dem Geschädigten gegenüber exkulpieren. Der Geschädigte muss lediglich die Ursächlichkeit eines Fehlers für den Schaden nachweisen. Eine Ersatzpflicht ist ausgeschlossen, wenn der Hersteller das Produkt nicht in Verkehr gebracht hat, das Produkt den Fehler zum Zeitpunkt des Inverkehrbringens noch nicht hatte, der Fehler auf zwingenden Rechtsvorschriften beruht oder nach dem Stand der Technik zum Zeitpunkt des Inverkehrbringens nicht erkannt werden konnte. Die verschuldensabhängige (deliktische) Haftung wird hingegen Produzentenhaftung genannt. Dabei haftet der Hersteller für Folgeschäden, die durch die Nutzung der von ihm hergestellten fehlerhaften Sache entstanden sind. Die Haftung erstreckt sich auf folgende Fehler (siehe Abb. B37): • Konstruktionsfehler, sie sind serientypisch für die gesamte Auflage, • Fabrikationsfehler, diese haften nur bestimmten Einzelstücken an, • Instruktionsfehler (sog. „IKEA“-Paragraph), sie beziehen sich auf unzureichende Bedienungsanleitungen, • Produktbeobachtungsfehler, sie resultieren aus mangelnder Überwachung im Markt. Geschädigten steht Schadenersatz zu sowie ggf. Schmerzensgeld. Das Produktsicherheitsgesetz verpflichtet Hersteller, vor unsicheren Produkten zu warnen und ggf. einen offenen oder verdeckten Rückruf unsicherer Produkte zu organisieren (z. B. bei Pkw).

Abbildung B37: Fehlergruppen in der Produzentenhaftung (eig. Abb.)

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4.4 Leistungsstörungen Ein Lieferungsverzug liegt vor, wenn der Verkäufer die Ware nicht rechtzeitig nach Vertrag bereitstellt (Schuldnerverzug). Voraussetzungen dabei sind, dass der Liefertermin eingetreten bzw. überschritten ist (Nichterfüllung trotz Fälligkeit), der Käufer nach Eintritt der Fälligkeit die Lieferung angemahnt hat und dem Lieferanten ein Verschulden am Verzug zuzurechnen ist. Eine Mahnung ist nicht erforderlich, wenn die Lieferung kalendermäßig (Datum) fixiert ist, der Lieferant erklärt, nicht liefern zu können / wollen oder die Lieferung mit einer festgesetzten Frist bestimmt ist. Kein Lieferungsverzug entsteht bei objektiver Unmöglichkeit der Lieferung (höhere Gewalt / Force Majeure). Rechte beim Lieferungsverzug sind das Verlangen auf Nachlieferung als Erfüllung des Vertrags oder Erfüllung und Schadenersatz wegen Verzögerung. Die Leistungspflicht des Lieferanten besteht also fort. Alternativ kann der Abnehmer nach Ablauf einer angemessenen Nachfrist die Lieferung ablehnen und Schadensersatz wegen Nichterfüllung verlangen oder seinen Rücktritt vom Vertrag erklären. Eine weitere Lieferpflicht entfällt somit. Ein Rücktritt vom Vertrag oder Schadensersatz wegen Nichterfüllung ist auch ohne Nachfristsetzung möglich, wenn es sich um ein Fixgeschäft handelt (datums- oder fristmäßig bestimmt). Der Schuldner haftet während des Verzugs erweitert auch für leichte Fahrlässigkeit und Zufall. Die Schadensbemessung erfolgt durch konkrete Kalkulation zusätzlicher Geldausgaben, durch Gewinnentgang oder pauschaliert durch Vertragsstrafen. Ein Annahmeverzug liegt vor, wenn der Käufer die ihm ordnungsgemäß vom Lieferanten angediente Ware nicht, nicht vollständig oder nicht rechtzeitig abnimmt (Gläubigerverzug) oder der Verkäufer die Zahlung nicht annimmt. Voraussetzungen sind dabei die Fälligkeit der Leistung (Liefertermin oder Sofortkauf), das ordnungsgemäße Andienen der Leistung, also richtige Zeit, richtiger Ort, richtige Art und Menge, und die Verweigerung der Annahme bzw. der vereinbarten Gegenleistung / Zahlung bei Zug um Zug-Geschäften. Die Gefahr des zufälligen Untergangs geht mit Eintritt des Verzugs auf den Gläubiger über. Die Haftung des Schuldners begrenzt sich auf grobe Fahrlässigkeit und Vorsatz. Die Rechte des Schuldners, i. d. R. des Verkäufers, sind folgende. Nach Wahl kann er die Ware zurücknehmen (Wandelung bei Ersatz von Lieferungskosten), sie einlagern und zugleich auf Abnahme klagen (die Leistungspflicht bleibt dann bestehen, sofern die Ware hinterlegungsfähig ist) oder den Selbsthilfeverkauf wählen, als öffentliche Versteigerung nach entsprechender Androhung, außer bei einem Notverkauf (z. B. bei Verderb), oder als freihändiger Verkauf bei Fungibilität mit Hinterlegung des Erlöses. Eine positive Differenz erhält dann der Käufer, eine negative trägt dieser, ebenso wie die Kosten des Verfahrens. Daraus ergibt sich eine Schadensersatzforderung wegen Nichterfüllung. Ein Zahlungsverzug liegt vor, wenn der Käufer trotz Mahnung seiner Zahlungspflicht schuldhaft nicht, nicht vollständig oder nicht rechtzeitig nachkommt (Schuldnerverzug). Dafür ist eine Nachfrist abzuwarten (automatisch 30 Tage nach

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Fälligkeit oder individuell vereinbart). Voraussetzungen des Zahlungsverzugs sind demnach also die Nichtzahlung trotz Fälligkeit, die Mahnung und die Verantwortlichkeit des Schuldners. Ein Verschulden ist dabei nicht Voraussetzung, da Geld eine Gattungsschuld darstellt. Die Rechte des Verkäufers sind dann folgende. Der Gläubiger kann ohne Setzung einer Nachfrist Erfüllung des Vertrags (also Zahlung) oder Erfüllung des Vertrags und Schadensersatz wegen Verzögerung verlangen. Nach Setzung und Ablauf einer angemessenen Nachfrist kann er die Zahlung ablehnen und Schadensersatz wegen Nichterfüllung verlangen oder vom Vertrag zurücktreten (die Leistungspflichten der Parteien entfallen also). Der Schaden bemisst sich als Zinsentgang (beim Handelskauf 5 % über Basiszinssatz der Notenbank, beim Handelskauf 8 %, höhere Zinssätze sind möglich). Kaufmännisch angezeigt ist, außer in Notzeiten, die außergerichtliche Mahnung, wenn eine Zahlung nicht rechtzeitig erfolgt. Dabei werden meist mehrere Stufen unterschieden (Zahlungserinnerung, erste Mahnung, zweite Mahnung, dritte Mahnung, angekündigter Forderungseinzug durch Inkassounternehmen, bei Uneinbringlichkeit letzte Mahnung mit Klageandrohung). Das gerichtliche Mahnverfahren wird auf Antrag des Gläubigers durch Erlass eines Mahnbescheids ohne weitere Prüfung der tatsächlichen Berechtigung eingeleitet (siehe Abb. B38). Sachlich und örtlich ist das Amtsgericht zuständig, in dessen Bezirk der Geschäfts-/Wohnsitz des Gläubigers liegt. Nach dessen Zustellung ergeben sich drei Möglichkeiten, erstens der Schuldner zahlt an den Gläubiger (Schuldbetrag) und das Gericht (Gebühren), dann ist das Verfahren damit beendet, oder zweitens der Schuldner erhebt Widerspruch binnen zwei Wochen, dann muss der Gläubiger seinen Anspruch begründen, oder drittens der Schuldner reagiert

Abbildung B38: Stufen des gerichtlichen Mahnverfahrens (eig. Abb.)

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nicht. In diesem Fall kann der Gläubiger nach Frist (mind. zwei, höchstens 26 Wochen) einen Vollstreckungsbescheid beantragen. Wird dieser zugestellt, ergeben sich wiederum drei Möglichkeiten, erstens der Schuldner zahlt incl. Gerichtsgebühren, dann ist das Verfahren beendet, oder zweitens der Schuldner erhebt Einspruch oder drittens der Schuldner reagiert nicht. Im letzten Fall kann der Gläubiger eine Zwangsvollstreckung einleiten (zwangsweise Eintreibung der Geldforderung), die vom Gericht / Gerichtsvollzieher zugestellt wird. Ein Einspruch binnen zwei Wochen ist möglich. Verläuft die Vollstreckung erfolgreich, ist das Mahn- bzw. Klageverfahren damit beendet, verläuft sie fruchtlos, kann der Gläubiger ein Vermögensverzeichnis mit eidesstattlicher Versicherung vom Schuldner verlangen. Verweigert der Schuldner dies, kann er in Erzwingungshaft bis 26 Wochen genommen werden. Erhebt der Schuldner binnen zwei Wochen Widerspruch, kommt es zum streitigen Gerichtsverfahren beim Amts- oder Landgericht (ab 5.000 € Streitwert). Das Gericht spricht den Schuldner entweder frei, dann ist das Verfahren kostenpflichtig für den Gläubiger beendet oder verurteilt ihn zur Zahlung. Wird diese nicht geleistet, folgt daraus die Zwangsvollstreckung in das bewegliche Vermögen des Schuldners. Erhebt der Schuldner binnen zwei Wochen Einspruch, kommt es ebenfalls zur mündlichen Verhandlung mit Freispruch oder (zwangs-)vollstreckbarem Urteil. Gegen ein Urteil kann Berufung mit Untersuchung der tatsächlichen Umstände des Einzelfalls in der nächsten Instanz eingelegt werden, danach gibt es möglicherweise eine Revision in der übernächsten Instanz (Überprüfung auf Rechtsfehler). Die Instanzen sind Amtsgericht (< 5.000 € Streitwert), Landgericht (> 5.000 € Streitwert), Oberlandesgericht (für Revisionen) und Bundesgericht (für Grundsatzentscheide). Eine Revision kann bei eindeutiger Rechtslage ausgeschlossen werden, dann bleibt der Weg der Beschwerde bei der nächsten Instanz. Unpfändbar sind Sachen des persönlichen Gebrauchs des Schuldners und seiner Familie sowie Sachen zur Fortsetzung seiner Erwerbstätigkeit. Werthaltige Sachen können dabei gegen weniger werthaltige ausgetauscht werden. Bei Pfändung einer Geldforderung wird das Einkommen herangezogen. Unpfändbar sind das Existenzminimum sowie Sozialleistungen wie Alters- und Erwerbsunfähigkeitsrenten, Unterstützungskassen, Urlaubs-/Weihnachtsgeld, Erziehungshilfen, Kindergeld, Arbeitslosengeld etc. Die gepfändeten Sachen sind zu bewerten bzw. werden öffentlich versteigert. Bei Geldforderungen erfolgt die Zwangsvollstreckung in bewegliche Sachen durch Pfändung und Wegnahme durch den Gerichtsvollzieher (zur Not auch als Taschenpfändung), bei Forderungen durch Pfändung und Überweisungsbeschluss, bei unbeweglichem Vermögen durch Zwangsversteigerung oder Zwangsverwaltung durch das Amtsgericht oder durch Eintrag einer Zwangshypothek über das Grundbuchamt. Ein Vollstreckungsbescheid verjährt erst nach 30 Jahren. Verjährung bedeutet allgemein, dass auch ein berechtigter Anspruch nach Ablauf der Verjährungsfrist nicht mehr durchgesetzt werden kann (Einrede der Verjährung). Dies entsteht aus dem Vorrang der generellen Rechtssicherheit vor

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der Einzelfallgerechtigkeit. Wird trotz eingetretener Verjährung vom Schuldner geleistet, kann das Geleistete vom Gläubiger einbehalten werden. Eine Unterbrechung der Verjährung bewirkt eine erneute vollständige Laufzeit von Anfang an. Gründe der Unterbrechung sind Schuldanerkenntnis, Vollstreckung etc. Eine Hemmung der Verjährung verlängert die Laufzeit des Anspruchs entsprechend der Hemmung. Hemmungsgründe sind u. a. Verhandlungen zwischen den Parteien, Klageerhebung, Mahnbescheid, Insolvenz, höhere Gewalt etc. Die Verjährungsfristen betragen: • drei Jahre für alle Forderungen von Privaten und Gewerbetreibenden, • zehn Jahre für Ansprüche an einem Grundstück, • 30 Jahre für Ansprüche auf Herausgabe von Eigentum, familiäre und erbrechtliche Ansprüche, vollstreckbare Urkunden, Insolvenzverfahren. 4.5 Allgemeines Wettbewerbsrecht Das Wettbewerbsrecht betrifft den Schutz des in der Marktwirtschaft vorherrschenden Ordnungsprinzips des Wettbewerbs. Der Wettbewerb ist historisch erwiesenermaßen am besten in der Lage, allgemeinen Wohlstand zu generieren. Allerdings sind in neuerer Zeit Auswüchse eines unkontrollierten, freien Wettbewerbs mehr als deutlich geworden, so dass der Wettbewerb zu seinem eigenen Schutz einer Regulierung bedarf. Außerdem sind die Wettbewerbsbedingungen, erst recht im internationalen Maßstab, so hart, dass es für die Beteiligten naheliegt, die Wettbewerbsintensität durch Beschränkungen zu vermindern oder sogar ganz auszuschalten. Auch von daher bedarf der Wettbewerb des hoheitlichen Schutzes. Weiterhin besteht ein Anreiz darin, sich einen einzelwirtschaftlichen Vorteil zulasten anderer durch Einsatz unfairer Praktiken im Wettbewerb zu verschaffen. Insofern ist auch der Schutz der Wettbewerbsteilnehmer untereinander und der Marktgegenseite erforderlich. Diese Aufgaben übernimmt das Wettbewerbsrecht durch das Gesetz gegen Wettbewerbsbeschränkungen (GWB), das Gesetz gegen unlauteren Wettbewerb (UWG) und weitere Gesetze. Das GWB (Kartellgesetz) nimmt sich u. a. der Preisbindung (bzw. deren Verbots) an, des Missbrauchs der Marktbeherrschung durch Unternehmen, der Diskriminierung im Wettbewerb etc. Das UWG schützt Marktteilnehmer u. a. vor Lockvogelangeboten, unwahrer vergleichender Werbung, Erwecken falscher Qualitätsvorstellungen, anreißerischer Werbung etc. 4.6 Allgemeines Arbeitsrecht Das Arbeitsrecht schützt unselbstständig Beschäftigte und regelt die Rechtsbeziehungen zwischen dem einzelnen Arbeitnehmer und dessen Arbeitgeber (Individualarbeitsrecht) sowie zwischen den Vertretern von Arbeitnehmern und

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Arbeitgebern (Kollektivarbeitsrecht). Damit soll der einzelne Arbeitnehmer seine Interessen besser gegenüber der Arbeitgeberseite geltend machen können. Außerdem soll ein fairer Interessensausgleich zwischen beiden Vertragspartnern erfolgen, dies folgt dem Gedanken der Sozialpartnerschaft. Das Arbeitsrecht ist bereits im Grundgesetz erfasst (freie Wahl von Beruf, Arbeitsplatz, Ausbildungsstätte, Bildung von Interessengemeinschaften), ferner im BGB (Dienstvertrag), in der Gewerbeordnung (GewO) für gewerbliche Arbeitnehmer und im HGB für Handlungsgehilfen. In speziellen Arbeitsgesetzen sind weitergehende Regelungen getroffen, so in Bezug auf Kündigungsschutz, Lohnfortzahlung im Krankheitsfall, Arbeitszeit, Arbeitssicherheit, Arbeitsförderung, betriebliche Altersversorgung, Arbeitnehmererfindung, Sozialplan etc. Besonderen Schutz erfahren sensible Arbeitnehmergruppen wie Mütter, Jugendliche, Schwerbehinderte, ältere Arbeitnehmer etc. Übergreifend gelten Gesetze zur Montanmitbestimmung (Bergbau, Eisen, Stahl), zum Tarifvertrag und dessen Rechtsgültigkeit, zur Betriebsverfassung und zur Mitbestimmung (hier geht es um die Mitwirkung und Mitsprache der Arbeitnehmer bei sie betreffenden Unternehmensentscheiden). 4.7 Allgemeines Steuerrecht Steuergesetze regeln Geldleistungen, die nicht eine konkrete Gegenleistung für eine besondere Leistung darstellen und von einem öffentlich-rechtlichen Gemeinwesen (Bund, Länder, Gemeinden) zur Erzielung von Einnahmen allen auferlegt werden, bei denen der Tatbestand zutrifft, an den das Gesetz die Leistungspflicht knüpft. Die Erzielung von Einnahmen (als Abgaben) kann ein Nebenzweck sein. Zölle und Abschöpfungen gehören zu den Steuern, nicht hingegen Gebühren, die für zuordnenbare Einzelleistungen gelten wie Personalausweisausstellung, Zollabfertigung, Abfallbeseitigung, Parken etc. und Beiträge, die bei Vorteilsziehung aus einer öffentlichen Einrichtung anfallen wie z. B. Anlieger, Krankenkasse, Rente. Bei den Steuern werden direkte und indirekte unterschieden. Direkte ­ Steuern sind Personensteuern wie Einkommensteuer, Körperschaftsteuer, Erbschaftsteuer, Schenkungsteuer, Kirchensteuer etc. oder Sachsteuern wie Gewerbesteuer, Grundsteuer etc. Sie werden nach finanzieller Leistungsfähigkeit erhoben. Indirekte Steuern werden hingegen über Vorgänge bei der Einkommens- bzw. Vermögensverwendung erfasst. Es handelt sich dabei um Verkehrsteuern (z. B. Umsatz-, Grunderwerb-, Versicherung-, Kraftfahrzeug-, Renn-, Lotteriesteuern), um Verbrauchsteuern (z. B. Mineralöl-, Tabak-, Alkohol-, Ökosteuern) oder Zölle. Der Steuer unterliegen Einkünfte aus Land- und Forstwirtschaft, Gewerbebetrieb, selbstständiger Arbeit, nichtselbstständiger Arbeit, Kapitalvermögen, Vermietung / Verpachtung und sonstige Einkünfte. Davon abzugsfähig sind Sonderausgaben, d. h. Aufwendungen der Lebensführung, die steuerlich begünstigt, also begrenzt oder unbegrenzt abzugsfähig, sind, Verluste, außergewöhnliche Belastungen, Freibeträge etc. Ferner werden Werbungskosten als Aufwendungen zur Erwerbung, Sicherung und Erhaltung der Einnahmen be-

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rücksichtigt. Sowie außergewöhnliche Belastungen, die zu berücksichtigen sind, wenn diese dem Steuerpflichtigen in nennenswert höherem Maße erwachsen als der Mehrzahl der Steuerpflichtigen. Schließlich können diverse Freibeträge angesetzt werden, wie der Grund-, der Sparerpausch-, der Altersentlastungs-, der Kinder-, der Ausbildungsfreibetrag etc. Die Einkommensteuer ist eine Veranlagungsteuer und unterliegt einem progressiv verlaufenden Steuertarif. Die Körperschaftsteuer ist die Einkommensteuer der Kapitalgesellschaften mit Sitz und / oder Geschäftsführung im Inland und gilt neben der Einkommensteuer für die Anteilseigner. Die Gewerbesteuer belastet die Ertragskraft eines Betriebs (Objektsteuer), der im Inland mit Gewinn- bzw. Einkünfteerzielungsabsicht geführt wird und sich am allgemeinen wirtschaftlichen Verkehr beteiligt (ausgenommen sind Land- und Forstwirtschaftsbetriebe sowie Freiberufler). Besteuerungsgrundlage ist der Gewerbeertrag. Die Gemeinden setzen über einen Hebesatz fest, wie viel Prozent der Messzahl als Steuer zu entrichten sind. Die Umsatzsteuer belastet als indirekte Steuer Lieferungen und Leistungen, Eigenverbrauch, Einfuhren etc. von Unternehmen. Sie ist als Netto-Allphasenumsatzsteuer ausgelegt und belastet nur die Wertschöpfung der jeweiligen Stufe, indem ein Vorsteuerabzug für bezogene Lieferungen und Leistungen etc. möglich ist. Die Steuer wird als Mehrwertsteuer von privaten Endabnehmern im Preis eingezogen, der Steuersatz ist gesplittet. Die Steuer wird per Voranmeldung vorausgezahlt. Die Ökosteuer betrifft Benzin, Diesel, Heizöl und Gas und dient den Belangen des Umweltschutzes. Es gibt allerdings zahlreiche steuerliche Begünstigungen. Weiterhin ist die Ab­geltungsteuer für Kapitalerträge (Kapitalertragsteuer) in Höhe von 25 % plus 5,5 % Solidaritätszuschlag plus ggf. Kirchensteuer zu nennen. Bei einem niedrigerem persönlichen Grenzsteuersatz werden zuviel bezahlte Ertragsteuern zurückerstattet. Bei höherem persönlichen Steuersatz gilt derzeit die Pauschalierung. Steuergesetze beeinflussen die unternehmerische Tätigkeit in vielfältiger Weise. Beispiele sind die Wahl und der Wechsel der Rechtsform, die Auswirkungen von Unternehmenszusammenschlüssen, die Standortwahl und -änderung, die Rechnungslegung, Produktion und Absatz, Finanzierung und Investition. 4.8 Gewerblicher Rechtsschutz Der Gewerbliche Rechtsschutz schützt das Eigentum an geistigen Gütern. Dabei gibt es mehrere Ausprägungen (siehe Abb. B39): • Das Patent ist der Rechtsschutz für die gewerbliche Verwertung von Erfindungen, die auf einer erfinderischen Überhöhung beruhen. Das Recht steht demjenigen zu, der die Erfindung als Erster anmeldet (zeitliche Priorität). Die Anmeldung erfolgt beim Deutschen Patent- und Markenamt (DPMA) in schriftlicher, genau bezeichneter und beschriebener Form. International ist der Rechtsschutz beim Europäischen Patentamt in München als Europäisches Gemeinschafts-

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B. Der Rahmen der Betriebswirtschaft

Abbildung B39: Formen Gewerblicher Schutzrechte (eig. Abb.)

patent möglich, das in allen EU-Mitgliedsstaaten gilt. Der Patenthalter hat das ausschließliche Recht, den Gegenstand seiner Erfindung selbst herzustellen, in Verkehr zu bringen, anzubieten und zu gebrauchen. Er kann das Patent veräußern, verpfänden, vererben oder für andere lizenzieren. Der Schutz dauert höchstens 20 Jahre. Pro Jahr ist eine steigende Patentgebühr zu zahlen. Patentverletzungen können mit Unterlassungsklage und Schadensersatz verfolgt werden. Im Nicht-EU-Ausland müssen Patente teilweise je Land getrennt gesichert werden. Besondere Regelungen gelten für Arbeitnehmererfindungen. Diensterfindungen sind solche, die ein Arbeitnehmer in Erfüllung seiner dienstlichen Verpflichtung macht. Sie müssen dem Arbeitgeber schriftlich angezeigt werden. Dieser kann sie uneingeschränkt nutzen, muss sie aber im Inland schützen und den Erfinder angemessen vergüten. Freie Erfindungen, die im Betrieb des Arbeitgebers verwendet werden können, müssen ihm unverzüglich angezeigt und angeboten werden. Solche freien Erfindungen werden außerhalb der Erfüllung der Dienstpflichten gemacht und stehen bei Ablehnung dem Arbeitgeber nicht zur Verfügung. Verbesserungsvorschläge sind ebenfalls, falls sie verwendet werden, zu vergüten. • Das Gebrauchsmuster ist der Rechtsschutz zur alleinigen gewerblichen Nutzung einer neuen Gestaltung oder Anordnung von Modellen, Arbeitsgeräten und Gebrauchsgegenständen („kleines Patent“). Der Eintrag erfolgt im Gebrauchsmusterregister des DPMA, danach steht dem Eingetragenen das ausschließliche Recht zu, das Muster gewerbsmäßig nachzubilden, in den Verkehr zu bringen und als Gebrauchsmuster zu bezeichnen. Die Schutzdauer beträgt zehn Jahre gegen Zahlung einer Aufrechterhaltungsgebühr. • Als Geschmacksmuster wird ein Muster geschützt, das neu ist und Eigenart besitzt. Damit wird also das Design des Erzeugnisses geschützt. Das neue Muster muss sich von bisherigen wesentlich unterscheiden, indem es sich im Gesamteindruck von anderen Mustern abhebt. Die Anmeldung und Eintragung erfolgt beim DPMA. Die Schutzdauer beträgt 20 Jahre gegen Zahlung einer Aufrechterhaltungsgebühr. • Markenzeichen sind Schutzmarken zur Unterscheidung der eigenen von fremden Sach- und Dienstleistungen. Sie werden in das Markenregister des DPMA

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eingetragen und schützen das Zeichen im geschäftlichen Verkehr. Der Markenhalter hat das ausschließliche Recht, Waren, Verpackungen, Schriftstücke, Werbemittel etc. mit seinem Markenzeichen zu versehen. Geschützt sind im großen und ganzen auch geschäftliche Bezeichnungen und geografische Herkunftsangaben. Die Schutzdauer beträgt zehn Jahre, sie kann beliebig gegen Gebühr verlängert werden. Ein Schutz innerhalb der EU ist beim Europäischen Markenamt in Alicante / ESP möglich. Waren, deren Herkunft mit Markenzeichen gekennzeichnet sind, nennt man Markenartikel. Das Markenzeichen kann aus Worten, Buchstaben, Zahlen, Bildern, Hörzeichen, dreidimensionalen Gestaltungen und allen sinnlich wahrnehmbaren Modalitäten bestehen. Marken stellen einen wesentlichen immateriellen Wert dar, weshalb sie gegen Piraterie (unbefugte Nutzung) geschützt werden müssen. Bei der Markenpiraterie werden geschützte Zeichen, Logos, Marken unverändert oder abgewandelt auf imitierten Produkten angebracht, bei der Produktpiraterie werden Produkte unter anderer Marke illegal nachgeahmt und vervielfältigt. Gütezeichen sind ein Garantieausweis für eine bestimmte Warengüte. Sie werden entweder von Herstellern gleichartiger Erzeugnisse aufgrund freiwilliger Vereinbarung gemeinschaftlich geschaffen oder vom Gesetzgeber festgelegt (gesetzliche Gütezeichen). Die Verwendung wird vom Deutschen Institut für Gütesicherung und Kennzeichnung (RAL / Reichsausschuß für Lieferbedingungen) überwacht (z. B. Umweltsiegel). 4.9 UN-Kaufrecht Im internationalen Geschäftsverkehr ist zu entscheiden, welches Landesrecht einem Vertrag zugrunde gelegt werden soll. Häufig ist dies schwierig, daher wurde das UN-Kaufrecht als Übereinkunft entwickelt, der Länder nach Wahl beitreten können. Das UN-Kaufrecht gilt nicht für Tauschgeschäfte, Anlagengeschäfte mit begleitenden Diensten, Rechte und Immobilien. Voraussetzung ist, dass Verkäufer und Käufer in zwei verschiedenen Vertragsstaaten ansässig sind, dann gilt das UN-Kaufrecht automatisch, oder einer der beteiligten seinen Sitz in einem Vertragsstaat hat, dann gilt es für alle Exporte aus dem und Importe in den Vertragsstaat sowie für Kaufverträge, wenn dies ausdrücklich so vereinbart wurde. Es ergeben sich allerdings wesentliche Abweichungen zum deutschen Recht. Diese betreffen vor allem folgende: • Ein Widerruf des Angebots ist auch nach Eingang der Willenserklärung noch möglich, sofern der Käufer sich noch nicht dazu geäußert hat. • Eine abweichende Annahme des Angebots gilt nur bei wesentlichen Änderungen als neues Angebot.

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• Eine verspätete Annahme ist kein neuer Antrag, sondern eine zweite Willenserklärung, die einen Vertrag zustande bringt (außer bei verzögerter Zustellung). Ist der Kontrahent nicht einverstanden, muss er widersprechen. • Der Verkäufer hat u. a. die Pflichten zur Lieferung der Ware, zur Übergabe der Warendokumente, zur Übertragung des Eigentums und zur Bereitstellung der Ware. Lieferort und -zeit werden vertraglich festgelegt. Erfüllungsort für die Leistung ist der Sitz des Verkäufers. • Der Käufer hat u. a. die Pflichten zur Bezahlung des Kaufpreises und zur Abnahme der Ware. Erfüllungsort für die Bezahlung ist der Ort des Verkäufers (bei deutschem Verkäufer also deutsches Recht). • Eine Vertragsverletzung seitens des Verkäufers liegt nur vor, wenn die Ware nicht die exakten Eigenschaften des Vertrags hat. Der Käufer hat dazu eine kurzfristige Prüf- und Rügepflicht. • Der Käufer kann bei Vertragsverletzung Erfüllung beanspruchen (Ersatzlieferung, Nachbesserung) oder Vertragsaufhebung (trotz Nachfrist) oder aber Kaufpreisherabsetzung (Minderung) oder Schadensersatz. • Eine Vertragsverletzung seitens des Käufers liegt vor, wenn er den Kaufpreis nicht bezahlt oder die vereinbarungsgemäße Ware nicht abnimmt. Rechte sind der Anspruch auf Erfüllung, Vertragsaufhebung, Verzugszinsen oder Schadensersatz. Als Gerichtsstand gilt der Ort des Verkäufers. Häufig werden auch Schiedsgerichtsvereinbarungen vorgesehen. Dabei handelt es sich um private Schlichtungsstellen, die ad hoc, also einzelfallbezogen, oder institutionalisiert (z. B. bei der Internationalen Handelskammer / ICC) eingesetzt werden. Im Ausland werden Schiedsgerichtssprüche problemlos umgesetzt, im Inland nur, wenn das Schiedsgericht nach ZPO (Zivilprozessordnung) auch hierzulande anerkannt ist. Die Parteien können die Verfahrensordnung des Schiedsgerichts frei gestalten. Unabdingbar sind die Gleichbehandlung, das Gebot der Gewähr rechtlichen Gehörs und das Recht auf anwaltliche Vertretung. Die Parteien können die internationale und örtliche Zuständigkeit sowie die Verfahrenssprache frei gestalten. Sie können auch bestimmen, welches Recht Anwendung finden soll. Beim Entscheid sind Handelsbräuche zu berücksichtigen. Auf das Zeugnis von Sachverständigen etc. kann verzichtet werden. Der Schiedsspruch beendet das Verfahren und ist schriftlich zu erlassen und den Parteien zuzustellen. Die Wirkung entspricht der eines rechtskräftigen Urteils eines ordentlichen Gerichts. Es gibt keine Berufung oder Revision. Im internationalen Business sind Schiedsgerichte der Regelfall (z. B. TTIP). Dies ist bedauerlich, weil die Fälle und Entscheidungsgründe geheim bleiben und insofern keine Rechtsfortbildung stattfinden kann.

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Literaturhinweise Brox, Hans / Walker, Wolf-Dietrich: Besonderes Schuldrecht, 38. Auflage, München 2014 –– Allgemeiner Teil des BGB, 38. Auflage, München 2014 –– Allgemeines Schuldrecht, 38. Auflage, München 2014 Emmerich, Volker: Das Recht der Leistungsstörungen, 6. Auflage, München 2005 Führich, Ernst: Wirtschaftsprivatrecht, 12. Auflage, München 2014 Gottwald, Peter: Sachenrecht, 16. Auflage, München 2014 Hasenpflug, Helwig / Schwind, Hans-Dieter / Melchior, Robin: Wirtschaftsrecht – leicht gemacht, 4. Auflage, Berlin 2014 Jaschinski, Christian / Hey, Andreas: Wirtschaftsrecht, 6. Auflage, Rinteln 2011 Köhler, Helmut / Lorenz, Stephan: Schuldrecht I: Allgemeiner Teil, 22. Auflage, München 2014 Medicus, Dieter / Lorenz, Stephan: Schuldrecht I: Allgemeiner Teil, 20. Auflage, München 2012 Prütting, Hanns: Sachenrecht, 35. Auflage, München 2013 Steckler, Brunhilde: Kompakt-Training Wirtschaftsrecht, 3. Auflage, Herne 2013 –– Kompendium Wirtschaftsrecht, 7. Auflage, Herne 2009 Ulrich, Norbert: Wirtschaftsrecht für Betriebswirte, 7. Auflage, Herne 2012

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B. Der Rahmen der Betriebswirtschaft

Übungsaufgaben   1. Was versteht man unter einer Firma und welche Firmengrundsätze gelten im Wesentlichen?   2. Welche Aufgaben kommen dem Handelsregister zu?   3. Was versteht man unter Prokura und welche Arten von Prokuren gibt es?  4. Was versteht man unter einer Handlungsvollmacht und welche Arten von Handlungsvollmachten gibt es?   5. Welche Arten von Kaufleuten unterscheidet das HGB?   6. Recherchieren Sie bitte, welche Merkmale einem Handelsvertreter zukommen.   7. Welche Inhalte umfasst das Gebrauchsmusterrecht?   8. Recherchieren Sie bitte, welche Gründe für einen Wechsel der Rechtsform ursächlich sein können und wie dieser vollzogen werden kann.   9. Was versteht man unter einem Rechtsgeschäft? 10. Was versteht man unter Rechtsfähigkeit? 11. Was versteht man unter Geschäftsfähigkeit? 12. Was versteht man unter einer Willenserklärung? 13. Wie ist die juristische Gültigkeit von Rechtsgeschäften einzuschätzen? 14. Welche Gewerblichen Schutzrechte gibt es? 15. Welche Inhalte umfasst das Markenrecht?

C. Die Güterwirtschaft der Unternehmung 5. Beschaffung In diesem Kapitel werden folgende Inhalte behandelt und geklärt: • die Beschaffungsobjektgruppen, • die Transaktionsphasen in der Beschaffung, • die Kennzeichen der Organisationalen Beschaffung. 5.1 Beschaffungsobjekte Als Beschaffungsobjekte kommen vier Gruppen in Betracht: Anlagen, unverarbeitete oder verarbeitete Produkte, Systeme, außerdem noch Energie, Immobilien und Dienstleistungen (siehe Abb. C1).

Abbildung C1: Arten von Beschaffungsobjekten (eig. Abb.)

Anlagenprojekte sind durch folgende Merkmale gekennzeichnet: • kundenindividuelle, meist einmalige Leistungserstellung, Losgröße = 1 (Fixkostenproblematik), evtl. Rationalisierung durch Modularisierung (Baukastenoder Plattformkonzepte), • Langfristigkeit der Abwicklung mit verschiedenen Episoden und jeweils umfassenden Entscheidungen, • hoher Projektwert in der Beschaffung, daher extensiver Kaufentscheid (hohes Risiko, viel Informationsbedarf, breite Auswahl, intensiver Vergleich etc.),

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C. Die Güterwirtschaft der Unternehmung

• internationale Beschaffungsbasis, häufig mit Nischenanbietern aus der Techniker-Kultur, • Vorteile aus Absatzfinanzierung (Financial Engineering), im häufigen Auslandsgeschäft ist eine zusätzliche Absicherung üblich, lange Zahlungsziele / Abschlagszahlungen, • Auftragsvergabe üblicherweise durch Ausschreibung (privat oder öffentlich) organisiert, • Diskontinuität der Beschaffung mit der Notwendigkeit zur Projektorganisation, • Nutzung ergänzender Kundendienste (Turnkey), • Bildung von Gelegenheitsgesellschaften (arbeitsteilig oder ergänzend) auf Lieferantenseite, Nutzung von Beschaffungsplattformen auf Abnehmerseite, • enger Markt mit hoher Transparenz und langfristigen Geschäftsbeziehungen, • endgültige Gestaltung erst unter Abnehmereinfluss, projektbegleitende Kalkulation, • üblich sind Scope of Work (Projektskizze), Feasibility Study (Durchführbarkeit), umfangreiche Vertragsklauseln, • häufig komplette Aufarbeitung (Revamping) und Instandsetzung (Refurbish­ ing) vorhandener Anlagen. Unverarbeitete Produkte (Werkstoffe) sind Rohstoffe als Anbauwaren und Abbauwaren (z. B. Mineralien, land-/forstwirtschaftliche Erzeugnisse, fossile Energieträger). Diese werden häufig erst über Standardisierung handelbar gemacht (Commodities). Dadurch sind auch andere Vertragsbestandteile als die Ware standardisierbar (Vereinfachung der Beschaffung). Ihre Kennzeichen sind: • Standortgebundenheit des Vorkommens (natürliches Angebotsmonopol), Sicherung der Ressourcen, • starke Qualitäts- und Quantitätsschwankungen, daraus folgend Preisschwankungen, • Vereinheitlichung des Angebots durch Klassifikation, Handel an Warenbörsen möglich, auch Terminhandel, • häufig Bewirtschaftung der Beschaffungsmärkte wegen (vorgeblicher) Dysfunktionalität der Märkte, Folge sind Unwirtschaftlichkeiten, • begrenzte Lager- und Transportfähigkeit (Verderb / Kosten), häufig Abrufaufträge und Pufferläger, • hohe Volatilität der Märkte, • häufig auch teilverarbeitete Produkte in Form von Einsatzstoffen, Hilfs- und Betriebsstoffen, Vorprodukten etc. Verarbeitete Produkte sind im Einzelnen Einzelteile / Baugruppen oder Aggre­ gate. Erstere gehen ohne wesentliche Be-/Verarbeitung unter Wahrung ihrer

5. Beschaffung

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Identität in Zwischen- oder Endprodukte ein (Ingredient Branding / Multistep Marketing). Letztere sind sowohl allein funktionsfähig als auch in ein System integrierbar (z. B. Fotokopierer). Sie sind hoch standardisiert, komplex, oft nur gering werthaltig und werden häufig über den Produktionsverbindungshandel beschafft. Meist sind Produkte über wenige Kriterien standardisierbar (New Commodities), dies ermöglicht eine effiziente Beschaffung über Internet-Marktplätze. Bei Systemen ist der Beschaffungsentscheid über eine Einheit abhängig von vorhergehenden oder parallelen Kaufentscheiden (Systemverbund). Dabei lassen sich verschiedene Typen unterscheiden: • Erweiterungssysteme sind gleichartig, additiv angelegt und dienen dem Kapazitätsausbau, z. B. mehrere Schreibtische, Bürostühle, Aktenschränke etc. • Verkettungssysteme sind verschiedenartig, integrativ angelegt und über Schnittstellen miteinander verbunden, z. B. Pay-TV, Satellitenfernsehen, Lkw-Maut etc. • Teilsysteme sind isoliert funktionsfähig, aber bei Bedarf auch in Systeme integrierbar, z. B. Fotokopierer. • Komponentensysteme sind allein nicht sinnvoll nutzbar, sondern nur mit anderen gemeinsam, z. B. DVD-Laufwerk. • Kritische Masse-Systeme setzen eine Mindestverbreitung zur sinnvollen Nutzung voraus, es gibt positive, direkte und indirekte Netzwerkexternalitäten (der Wert des Systems ist umso höher, je verbreiteter es ist / Normalfall: Knappheitssystem), z. B. Adobe-Anwendungs-Software, USB-Schnittstelle, Telefax etc. • offene Systeme sind kompatibel zu Drittanbietern (fördert hohe Marktdurchdringung und Defacto-Standard), z. B. VHS-Video, Windows PC-Betriebssystem etc. • geschlossene Systeme sind nur intern kompatibel (geheime Schnittstellen), z. B. Apple iOS, • homogene Systeme weisen nach dem Initialkauf gleichartige Folgekäufe auf, z. B. Kaffeeautomaten, Druckertoner, • heterogene Systeme weisen nach dem Initialkauf verschiedenartige Folgekäufe auf, z. B. Besteck-Set, Büroeinrichtung. Bei Systemen besteht ein Bindungseffekt, d. h. der Initialkauf bedingt womöglich systemtreue Folgekäufe und impliziert damit für den Käufer ein hohes Risiko. Die Folgekäufe können über den Anbieter des Initialkaufs erfolgen oder über Drittanbieter (Third Party für Peripherie, Infrastruktur, Kundendienst etc.). Einkaufsseitig besteht ein Informationsdefizit in Bezug auf die künftige Systementwicklung, die Aufwärtskompatibilität ist fraglich und das Ausmaß der Folgeinvestitionen unklar. Bei Systemwechsel entstehen Sunk Costs durch

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C. Die Güterwirtschaft der Unternehmung

Systembindung (funktionaler, ästhetischer, spezifischer Lock in). Systeme haben daher Vertrauensgutcharakter, Kompetenzsignale der Anbieter sind insofern bedeutsam. Häufig werden Abnehmer auch in die Systementwicklung einbezogen (Lead User) Das Zuliefergeschäft ist Folge des verbreiteten Outsourcings in arbeitsteiligen Wertschöpfungsketten. Der OEM (Original Equipment Manufacturer) bezieht dabei Fremdprodukte anstelle von Eigenfertigung bzw. Zulieferer übernehmen die Auftragsproduktion auf eigenen Anlagen. Typisch ist dabei die Ausprägung einer Lieferantenpyramide. Dies bedeutet, dass der OEM nurmehr direkte Geschäftsbeziehungen zu vergleichsweise wenigen Lieferanten der ersten Stufe unterhält. Dabei handelt es sich um Systemlieferanten (1st Tiers), die komplexe Produktgesamtheiten produzieren und zuliefern wie bei Automotive Chassis, Powertrain, Exterieur, Interieur etc. Sie stellen davon nur die Leistungen selbst her, die ihrer Kernkompetenz entsprechen und sourcen ihrerseits alle anderen Leistungen an nachfolgende Lieferanten aus. Dabei handelt es sich um Komponentenlieferanten (2nd Tiers), die schon weniger komplexe Produktgesamtheiten produzieren und den Systemlieferanten zuliefern wie im Beispiel Achsen, Bremsen, Tank, Sitze, Klima, Konsole etc. Ausgewählte Lieferanten dieser Stufe unterhalten ausnahmsweise direkte Geschäftsbeziehungen zum OEM, dabei handelt es sich um Modullieferanten (z. B. für Elektronik wie Multimedia, Navigation, Assistenzsysteme). Sowohl Komponenten- als auch Modullieferanten stellen diejenigen Leistungen selbst her, die ihrer Kernkompetenz entsprechen und sourcen den Rest an nachfolgende Lieferanten, die 3rd Tiers, aus. Diese Teilelieferanten unterhalten nur noch direkte Geschäftsbeziehungen zu den Komponenten- und Modullieferanten und stellen weniger komplexe Produktgesamtheiten her und verfahren im Übrigen wie alle anderen Beteiligten. Je weiter unten in der Pyramide ein Lieferant angesiedelt ist, desto geringer ist sein Leistungsanteil, desto austauschbarer wird er und desto stärker gerät er unter Verhandlungs- und Preisdruck, so dass hier häufig nur noch Anbieter an Billigstandorten in Frage kommen (siehe Abb. C2).

Abbildung C2: B-t-B-Geschäftstypen (eig. Abb.)

5. Beschaffung

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Mit Systemlieferanten werden vom OEM Rahmenverträge (Lifetime Contracts) zur gemeinsamen Entwicklung geschlossen. Dadurch entstehen Win-Win-Situationen, aber auch gegenseitige Abhängigkeiten (Single Sourcing). OEM’s unterziehen sie strengen Qualitäts-Audits (Second Party) und verlangen, dass diese dies ihrerseits mit ihren (Komponenten-/Modul-)Lieferanten auch so handhaben. Dies setzt sich auf den nachfolgenden Stufen fort. Dadurch kann ein sehr hohes Qualitätsniveau in der Supply Chain trotz einer Fertigungstiefe von häufig nur noch 20 – 30 %, deren Qualität der OEM selbst beeinflussen kann, gewährleistet werden. Außerdem stellt systematisches Benchmarking sicher, dass nur die leistungsfähigsten Lieferanten ihrer Klasse in die Pyramide einbezogen sind. Immer stärker spielt dabei die informationelle Vernetzung von maschinellen Anlagen und Produkten (Industrie 4.0) eine Rolle.

5.2 Transaktionsphasen der Beschaffung Die Beschaffungspolitik kann auf der Zeitachse in verschiedene Phasen unterteilt werden, in denen jeweils spezifische Probleme zu lösen und Entscheidungen zu treffen sind (siehe Abb. C3).

Abbildung C3: Transaktionsphasen der Beschaffung (eig. Abb.)

5.2.1 Initialisierung

Hinsichtlich der Art des Problems werden gemeinhin drei (Buygrid) resp. vier Kaufklassen unterschieden (siehe Abb. C4): • Beim Erstkauf (New Task) steht die beschaffende Unternehmung vor einer völlig neuen Problemstellung, bei der bisherige Erfahrungen wenig helfen. Beim

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C. Die Güterwirtschaft der Unternehmung

Abbildung C4: Buygrid-Kaufklassen (eig. Abb.)

modifizierten Wiederholungskauf (Modified Rebuy) liegt eine Problemstellung vor, die ihrer Art nach zwar nicht völlig neu ist, jedoch von bisherigen Erkenntnissen abweicht. Der reine Wiederholungskauf (Straight Rebuy) tritt bei wiederkehrenden Problemstellungen mit völlig ausreichender Informationslage auf. • Ein automatisierter Wiederholungskauf liegt bei virtueller Transaktionseinleitung vor, dabei wird kein individueller Kaufentscheid mehr getroffen, sondern innerhalb vordefinierter Kriterien löst der Rechner selbsttätig Käufe aus. Dies erfolgt etwa bei computerisierten Abrufaufträgen innerhalb eines vereinbarten Rahmenvertrags. Dies bedeutet, dass eine aktive Auseinandersetzung mit dem Kaufakt kaum mehr stattfindet. Dies gilt etwa für virtuelle Marktplätze bei normierten Produkten geringer Komplexität, bei denen individuelle Präferenzen keine Rolle spielen. Dazu durchsuchen Agentenprogramme auf Anbieteroder Nachfragerseite automatisch Marktplätze nach Abschlusschancen und nehmen diese passiv durch bloße Freigabe vom Entscheider oder auch völlig selbstständig in Abhängigkeit vorgegebener Limits wahr. Die Aktivitäten sind im Einzelnen davon abhängig, ob es sich bei der zu beschaffenden Sach- oder Dienstleistung um eine solche mit hohem oder niedrigem Kaufrisiko und Gewinneinfluss handelt. Dies wird meist in Form eines Portfolios veranschaulicht, wobei folgende Objekte unterschieden werden (siehe Abb. C5): • Hebelprodukte weisen ein hohes Beschaffungsrisiko und einen hohen Gewinneinfluss auf. Daher bedarf es abnehmerseitig einer präzisen Bedarfsprognose und sicherer, langfristiger Lieferantenbeziehungen. Evtl. ist eine Entscheidung über Eigenfertigung oder Zukauf erforderlich. Maßnahmen sind Global Sourc­ ing, Preisstrukturanalyse, Qualitätssicherung etc. • Engpassprodukte weisen ein hohes Beschaffungsrisiko, aber einen niedrigen Gewinneinfluss auf. Hier geht es beim Einkauf in erster Linie um die Mengensicherung des beschafften Produkts, flankiert von Ausweichplänen für den

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Abbildung C5: Beschaffungsbedeutung von Produkten (eig. Abb.)

Notfall von Lieferausfällen. Maßnahmen sind Sicherheitsbestände, langfristige Lieferbeziehungen, Fremdbevorratung, Bedarfsbündelung, Insourcing etc. • Schlüsselprodukte weisen einen hohen Gewinneinfluss, aber ein niedriges Beschaffungsrisiko auf. Hier gilt es, die Einkaufsmacht für günstige Konditionen zu nutzen bzw. den besten Lieferanten zu identifizieren. Maßnahmen sind Beschaffungsmarktforschung, Lieferantenbindung, Make or Buy-Analyse, Lieferantenintegration etc. • Normalprodukte weisen ein niedriges Beschaffungsrisiko und einen niedrigen Gewinneinfluss auf. Insofern werden abnehmerseitig eine Standardisierung der Produkte und eine Optimierung der Auftragsprozesse angestrebt. Maßnahmen sind e-Procurement, Outsourcing, zentrale Einkaufsvereinbarungen etc. Neben der Klassierung spielt auch der Lieferantenstatus eines Anbieters im Einkauf eine wichtige Rolle. Dabei werden zumeist vier Klassen (ABCD-Analyse) unterschieden (siehe Abb. C6): • A-Lieferanten sind solche, für die aus Abnehmersicht anderweitig keine wirklich akzeptablen Alternativen am Markt zu finden sind. Insofern nimmt der Lieferant hier eine starke Position ein. • B-Lieferanten sind solche, für die aus Abnehmersicht immerhin Alternativen am Markt bereits vorhanden sind oder herangezogen werden können, auf die jedoch zumindest nicht unmittelbar ausgewichen werden kann. • C-Lieferanten sind solche, die aus Abnehmersicht in ihrer Leistung austauschbar zu vielfältigen anderen am Markt sind. Daher befinden sich Lieferanten hier in einer ausgesprochen schwachen Position. Insofern treten Preise und Konditionen in den Vordergrund. • D-Lieferanten sind schließlich solche, die aus Abnehmersicht als nicht leistungsfähig genug angesehen werden, die Lieferantenbewertung ist negativ,

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C. Die Güterwirtschaft der Unternehmung

Abbildung C6: Lieferantenstatus (eig. Abb.)

prozessuale Schnittstellen werden aufgegeben, der Lieferant früher oder später ausgetauscht. Nach den Einsatzschwankungen der Beschaffungsobjekte kann in drei Gruppen unterteilt werden (XYZ-Analyse): • X-Produkte sind von stetigem Verbrauch mit nur gelegentlichen Schwankungen. Ihre hohe Vorhersagegenauigkeit erlaubt daher eine verbrauchssynchrone Beschaffung mit geringer Reichweite der Bestände. • Y-Produkte sind von konstant fallendem oder steigendem Verbrauch mit saisonalen Schwankungen. Sie haben eine mittlere Vorhersagegenauigkeit und erfordern daher eine Vorratsbeschaffung mit hoher Reichweite der Bestände. • Z-Produkte sind von völlig unregelmäßigem Verbrauch. Sie haben daher eine geringe Vorhersagegenauigkeit und erfordern eine bedarfsabhängige Beschaffung mit möglichst geringer Reichweite der Bestände. 5.2.2 Problembeschreibung

Das durch Beschaffung zu lösende Problem wird zumeist in zwei Dimensionen dargestellt: • Das Lastenheft gibt eine objektive (meist technische) Problemdefinition (Was?), für die eine Lösung durch Zukauf gesucht wird. Es geht um die Summe der Anforderungen, Bedürfnisse und Erwartungen an die zu beschaffende Sach- oder Dienstleistung hinsichtlich Liefer- und Leistungsumfang. Dazu gehören die Projektvorstellung, die Beschreibung der Istsituation, die Aufgabenstellung, die Bestimmung der Integration, die technischen Anforderungen, die Anforderungen an Inbetriebnahme / Einsatz, die Qualitätsmaßstäbe, die Projektabwicklung, die Aufwandskalkulation sowie spezifische infrastrukturelle und personelle Forderungen. • Der Pflichtenkatalog enthält die denkbare oder präferierte Lösungskonzeption für das technische Problem (Wie?). Er beschreibt daher die Produkteigenschaf-

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ten bzw. Produktionsverfahren. Es geht um die Umsetzung der Anforderungen in Produkt- und Prozessparameter unter Beachtung aller Randbedingungen und äußeren Einflüsse für die Entwicklung der Produktion wie Marktsituation, Entwicklungsziel, technische Lösung, Qualität, Einhaltung der Vorschriften / Verordnungen / Gesetze / Normen / Patente, Stückzahlen, Liefertermine, Kos­ten / Preise, personelle Forderungen etc. Dasjenige Angebot hat die größte Chance, zum Zuge zu kommen, das in seinen Merkmalen der Beschreibung von Lastenheft und / oder Pflichtenkatalog am ehesten entspricht. Je abstrakter ein Produkt dabei ist, desto schwieriger ist diese Einflussnahme. Dazu bietet es sich an, die Produkte nach Eigenschaftskategorien zu unterteilen. Sinnvollerweise werden dabei Such-, Erlebnis-, Erfahrungs- und Vertrauenseigen­ schaften unterschieden (siehe Abb. C7): • Produkte mit dominanten Sucheigenschaften (Inspection Goods) sind solche, die über dem Abnehmer bereits vor dem Kauf zugängliche und beim Kauf und danach ihm bekannte Eigenschaften verfügen. Ihre Beschaffung ist weitgehend unproblematisch, da man sich vor Übervorteilung schützen kann. Daher sind aussagefähige, nachprüfbare Kenndaten erforderlich (z. B. technische Produkte). • Produkte mit dominanten Erlebniseigenschaften (Experience Goods) sind solche, deren Eigenschaften zwar vor dem Kauf nicht zugänglich sind, aber beim Kauf und danach erkennbar werden. Dies gilt für verbreitete Dienstleistungen, die erst in der konkreten Interaktion zwischen Anbieter und Nachfrager marktwirksam entstehen. Ihre Beschaffung ist durchaus risikoreich, da man erst nach dem Kaufabschluss weiß, worauf man sich eingelassen hat. Daher ist Sicherheit von hoher Bedeutung, vor allem durch Hands on Experience, also Ausprobieren, evtl. Probeüberlassung (z. B. Ge- und Verbrauchsgüter wie Nahrungsmittel, Medikamente, Computersoftware).

Abbildung C7: Eigenschaften von Beschaffungsobjekten (eig. Abb.)

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C. Die Güterwirtschaft der Unternehmung

• Produkte mit Erfahrungseigenschaften (Knowledge Goods) sind solche, deren Eigenschaften vor dem Kauf und auch beim Kauf zwar nicht zugänglich sind, wohl aber danach. Das Risiko der Beschaffung ist hoch, insofern sind risikovermindernde Aktivitäten anzutreffen, z. B. durch Referenzen. • Produkte mit dominanten Vertrauenseigenschaften (Credence Goods) sind solche, deren Eigenschaften weder vor dem Kauf, noch beim Kauf erkennbar sind und nicht einmal danach. Hier ist das Risiko am höchsten, soll man sich doch auf etwas festlegen, was in seinen Leistungsmerkmalen nicht zugänglich ist. Daher wird ein Höchstmaß an Sicherheit angestrebt, z. B. durch Garantien, Rücktrittsmöglichkeiten etc. Jedes Produkt hat immer alle vier Merkmalsausprägungen, jedoch in unterschiedlichem Anteil. Darin liegt das Beschaffungsrisiko. Dieses lässt sich im Einzelnen in mindestens fünf Teilrisiken aufspalten (siehe Abb. C8): • Das Qualitätsrisiko beinhaltet die Ungewissheit, ob das angebotene Produkt den Erwartungen und Anforderungen im Hinblick auf seine objektive (meist technische) Problemlösungsfähigkeit entspricht. Hier sind aussagefähige Funktionsnachweise hilfreich, welche die Zweckeignung der Problemlösung belegen. • Das Herstellerrisiko beinhaltet die Unsicherheit des Abnehmers hinsichtlich der fachlichen Qualifikation und Zuverlässigkeit des Lieferanten. Daher sind vertrauenswürdige Informationen über den Anbieter erforderlich, z. B. Branchenstellung, Betriebserfahrung, Anerkennung im Markt (Reputation). • Das Preisrisiko beinhaltet die Unsicherheit des Abnehmers darüber, einen unangemessen hohen Preis für das ihm angebotene Produkt zu zahlen. Hier wird Risikoreduktion angestrebt, etwa durch Preisstrukturanalyse oder aussagefähige Preisvergleiche. • Das Informationsrisiko beinhaltet die Unsicherheit des Abnehmers, nicht über das erforderliche Maß an Informationen zur Bewertung angebotener Lösungen zu verfügen. Ein Übermaß an Information ist ebenso schädlich wie ein Zurückhalten als relevant angesehener Informationen.

Abbildung C8: Formen von Beschaffungsrisiken (eig. Abb.)

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• Das Sozialrisiko beinhaltet die Unsicherheit des Abnehmers darüber, wie der Kaufentscheid in seinem sozialen (privaten oder beruflichen) Umfeld aufgenommen wird. Hier wirken Referenzen risikoreduzierend, die als Vergleichsmaßstab für die Tauglichkeit eines Angebots dienen. Eine Risikoreduktion kann sich auf folgende Absichten beziehen: • Reduktion externer Ungewissheiten wie z. B. Besichtigung einer Referenzanlage des Anbieters, • Reduktion interner Ungewissheiten wie z. B. durch Kontaktaufnahme zu anderen Kunden des Anbieters, • Begrenzung externer Konsequenzen wie z. B. durch Order Splitting auf zwei oder mehr Lieferanten, • Begrenzung interner Konsequenzen wie z. B. durch organisatorische Verantwortungsdelegation auf Vorgesetzte oder Gremien. 5.2.3 Beschaffungstaktik

Für die konkrete Lieferantensuche werden verschiedene Beschaffungstaktiken eingesetzt. Nach der Anzahl der Lieferanten können folgende unterschieden werden (siehe Abb. C9): • Mit Single Sourcing ist gemeint, dass der Abnehmer sich in jeder Produktgruppe auf genau einen Lieferanten festlegt. Dadurch kann vor allem eine willkommene Komplexitätsreduktion erreicht werden. Allerdings entsteht auch ein hohes Maß an Abhängigkeit. • Mit Dual Sourcing ist gemeint, dass der Abnehmer sich in einer Produktgruppe alternierend zweier Lieferanten bedient, meist im Mengenverhältnis ca. 2 : 1. Motiviert ist diese Sourcing-Strategie durch ein Sicherheitsdenken (Fallback Position). Insofern wird ein guter Kompromiss erreicht. • Mit Multiple Sourcing ist gemeint, dass der Abnehmer sich in jeder Produktgruppe mehrerer Lieferanten bedient, die er einem Angebotsvergleich un-

Abbildung C9: Beschaffungstaktik nach der Lieferantenzahl (eig. Abb.)

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terzieht, um beim jeweils günstigsten von ihnen zu bestellen. Einerseits wird Unabhängigkeit gewonnen, andererseits bleibt das Involvement der Anbieter angesichts deren Konkurrenzsituation begrenzt. • Mit Sole Sourcing ist gemeint, dass der Abnehmer sich in jeder Produktgruppe nur einem Lieferanten gegenübersieht (Angebotsmonopol). Dies ist zwar selten der Fall, aber gelegentlich in der öffentlichen Beschaffung gegeben. Eine weitere Unterscheidung geht vom räumlichen Gebiet, innerhalb dessen ein Abnehmer nach Lieferanten Ausschau hält, aus. Dabei kommt es zu vier Formen (siehe Abb. C10): • Beim Global Sourcing erfolgt eine räumlich unbegrenzte, internationale Lieferantensuche. Dies ist sowohl für standardisierte, weithin unkomplizierte als auch hoch spezialisierte, selten angebotene Produkte der Fall. • Beim Local Sourcing erfolgt eine auf den Abnehmerstandort bezogene Lieferantensuche. Das heißt, jeder, auch internationale, Standort des Abnehmers bestimmt seine Lieferanten unter der Auswahl der im jeweiligen lokalen Umfeld ansässigen. Dies ist ökologisch sinnvoll, ökonomisch aber wenig chancenreich. • Beim Domestic Sourcing werden nur inländische Lieferanten berücksichtigt. Dies ist häufig bei Local Content-Vereinbarungen der Fall, die etwa im jeweiligen Ausland aus Protektionismusgründen vorgegeben werden. Dadurch verengt sich der Kreis potenzieller Lieferanten auf die lokal ansässigen. • Beim Regional Sourcing werden Lieferanten aus der Länderregion des Abnehmerstandorts gewählt. Dies schafft einen guten Kompromiss zwischen einer größeren Auswahl an Lieferanten und vergleichsweise kurzen Wegen bzw. schnellen Zeiten.

Abbildung C10: Beschaffungstaktik nach dem Lieferantengebiet (eig. Abb.)

Dabei hat es in neuerer Vergangenheit eine zunehmende Integration der Wertschöpfungskette zwischen Lieferant und Abnehmer gegeben, von der verlängerten Werkbank bis zum Outsourcing unkritischer Prozesse. Im Rahmen der Wertkettendenkweise hat sich etabliert, dass jeder Wertschöpfende sich auf denjenigen Ausschnitt der gesamtwirtschaftlichen Wertkette konzentrieren soll, der seiner

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Kernkompetenz entspricht. Alles andere unterfällt dem Outsourcing an Dritte, deren jeweilige Kernkompetenz dies ist. Von diesem Prozess des Outsourcings profitieren Anbieter im Rahmen des gesamtwirtschaftlichen Beschaffungsvolumens. Denkbar ist aber auch das Insourcing in die eigene Unternehmung, indem Kernkompetenz-Lieferanten ihren Wertschöpfungsanteil am Ort des Abnehmers erbringen. Dies geht von Industriepark-Modellen in unmittelbarer räumlicher Nähe des Abnehmers über verselbstständigte Arbeitsstationen als Werkvertragspartner bis hin zu Betreibermodellen, die faktisch, jedoch nicht rechtlich, einer Pacht gleichkommen. Im Zuge der Erfahrungen werden heute als Schlüsselprozesse identifizierte Aktivitäten häufig wieder reintegriert (Re-Outsourcing), wenn sie als kernkompetenzrelevant angesehen werden. Die Beschaffung kann individuell (Individual Sourcing) oder kooperativ erfolgen. Für eine kooperative Auslegung (Cooperative Sourcing) spricht vor allem die Möglichkeit zur Nutzung von Kostendegressionen. Wenn mehrere Abnehmer ihr jeweiliges Abnahmevolumen poolen, können sie potenziellen Lieferanten gegenüber ihre Einkaufsmacht erhöhen. Dies ist für alle Einkaufsobjekte möglich, die keinen strategischen Charakter haben, also komparative Konkurrenzvorteile (KKV’s) begründen. So etwa Objekte, die nicht kunden-wahrnehmbar sind (beim Pkw etwa das meiste, was unter dem Blech und außerhalb des Innenraums stattfindet) oder nicht kunden-wichtig (beim Pkw etwa viele Funktions-Basisausstattungen) sowie für Einkaufsobjekte, die nicht (erkennbar) in das Endprodukt eingehen (untergehende Produkte). Immer stärker spielen dabei Internet-Marktplätze für standardisierbare Produkte eine Rolle (Marketplace Sourcing) (s. u.). Ebenso sind in fortgeschrittenen Lieferanten-Abnehmer-Beziehungen bereits vom Lieferanten administrierte Bestellungen üblich (Vendor Managed Inventory) (s. u.). Eine Mischform stellen Co-Managed Inventories dar. Stock Sourcing bedeutet die Beschaffung auf Lager. Soll eine Lagerbildung vermieden werden, ist eine Just in Time-Lieferung möglich. Dabei stellt der Lieferant die schichtgenaue Anlieferung der bestellten Ware sicher, so dass der Abnehmer immer nur soviel Vorrat hat, wie für die Fortführung der unmittelbar anstehenden Arbeiten erforderlich. Die dabei entstehende Komplexität geht zulasten des Lieferanten. Einen Schritt weiter geht die Just in Sequence-Lieferung. Dabei stellt der Lieferant sicher, dass die angelieferte Ware in umgekehrter Reihenfolge der Verbauung beim Abnehmer sortiert ist, so dass eine abnehmerseitige Sortierung entfällt. Die Komplexität daraus geht wiederum zulasten des Lieferanten. Konsignations-Sourcing bedeutet, dass gelieferte Ware solange im Eigentum des Lieferanten verbleibt, bis der Abnehmer sie durch Lagerabruf braucht. Dann geht das Eigentum automatisch zu vorab festgelegten Bedingungen über und eine Rechnung wird fällig. Der Vorteil für den Abnehmer liegt in den vermiedenen Kapitalbindungskosten im Lager sowie in der sofortigen Nachschubmöglichkeit.

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Wesentliche Dispositionsziele sind dabei im Einzelnen eine hohe Versorgungssicherheit, eine ausgezeichnete Qualität, niedrige Einstandkosten und eine große Nachhaltigkeit. 5.2.4 Anfragenerstellung

In der Anfragephase konkretisiert sich das Auftragsszenario weiter. Dabei sind mehrere Entscheidungen erforderlich (siehe Abb. C11): • Die Budgetentscheidung bestimmt, welche Anschaffungen überhaupt finanzierbar sind. Dies kann durch laufende Mittel und / oder auch durch Finanzierungsmaßnahmen der Anbieter unterlegt sein. • Die Produktgruppenentscheidung bestimmt, welche Anschaffungen am dringlichsten durchzuführen sind. Denn naturgemäß reichen die Finanzmittel nicht zur Durchführung aller Beschaffungen aus. • Die Lieferantenentscheidung bestimmt, welche Lieferanten für die jeweiligen Anschaffungen ins Auge gefasst werden. Nur unter diesen fällt letztlich die engere Auswahl. • Die Mengenentscheidung bestimmt, welche Beschaffungsvolumina jeweils notwendig sind. Dabei wird aus Konditionengründen zumeist eine Regelung über Rahmenverträge gesucht, die eine lieferantenseitige Kommissionierung von Waren (Vorfinanzierung) oder eine Sukzessivlieferung vorsehen. • Die Zeitentscheidung bestimmt, wann die Lieferungen jeweils zu erfolgen haben. Dabei wird im Regelfall eine bedarfssynchrone Lieferung vereinbart, bei der Produkte exakt zu dem Zeitpunkt bereitgestellt werden, zu dem sie erforderlich sind (J-i-T).

Abbildung C11: Entscheidungen zur Anfragenerstellung (eig. Abb.)

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Hinsichtlich der Art der Anfrage sind vier Ebenen zu unterscheiden (siehe Abb. C12): • Die Kontaktanfrage (Request for Information) eruiert die generelle Bereitschaft eines potenziellen Lieferanten, einen Auftrag auszuführen und erwartet daraufhin dessen freibleibendes Angebot. • Die Richtanfrage (Request for Quotation) erwartet ein Spannenangebot, das in unverbindlicher Höhe einen Preisrahmen für eine Transaktion markiert. • Die Pflichtanfrage erwartet ein Festangebot, an das ein potenzieller Lieferant bis zum Ablauf einer Bindungsfrist gebunden ist und das währenddessen nicht zurückgezogen werden kann. • Die Ausschreibungsanfrage (Request for Proposal) erwartet ein Festangebot, das durch Annahme des Abnehmers während der Bindungsfrist einseitig gültig wird.

Abbildung C12: Verbindlichkeitsgrad eines Anfrageergebnisses (eig. Abb.)

Häufig ist mit der Anfrage bereits eine Durchführbarkeitsplanung (Feasibil­ ity Study) verbunden. Diese bezieht sich darauf, wie ein potenzieller Lieferant die angefragte Leistung zu erstellen gedenkt. Dabei werden die erforderlichen Ressourcen berücksichtigt, das notwendige Know-how, die Vorkehrungen in der Organisation, die Vorhaltung entsprechender Kapazitäten etc. Dazu sind ggf. Anbietergemeinschaften sinnvoll. Wegen der komplizierten Pflichten und Rechte dort ist deren gründliche juristische Absicherung unerlässlich. Meist kann jedoch die Leistungsfähigkeit des gesamten Angebots durch die Einbindung gegenüber Kooperationspartnern entscheidend erhöht werden. Sofern es gelingt, Produkte entsprechend Normen zu definieren, steht auch e-Procurement zur Auswahl bereit. Vor allem im B-t-B-Bereich können durch Internet-Marktplätze vorwiegend Wartungs- und Reparaturleistungen (Kundendienste) sowie Betriebsstoffe und indirekte Produkte gehandelt werden (MRO-Produkte), weiterhin C-Produkte (geringer Wertanteil im Beschaffungsbudget) und natürlich digitale Produkte.

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5.2.5 Angebotseinholung

Zwischenzeitlich geht es selbst bei Routinebeschaffungen nicht mehr ohne mindestens dreifache Ausschreibung (Triple Pitch). Dies gilt erst recht bei öffentlichen Institutionen, zumal dabei formalisierte Vergabeverfahren hinzukommen (nach LSP, VPöA). Die Bestandteile eines Angebots sind im Einzelnen umfangreich und teilen sich in Anschreiben, Kernteil und Anlagen auf. Das Anschreiben enthält den Adressaten der Anfrage (Name, Funktion, Position), die Anfragenummer, den Bezug der Anfrage und die Art des Angebots. Häufig wird auch eine spätere Kontaktaufnahme („Wiedervorlage“) avisiert. Der Kernteil des Angebots umfasst eine Reihe von Inhalten wie folgt: • die einzelnen Angebotspositionen nach Menge, Material, Art, Güte, Handelsklasse etc., • evtl. eine Alternativlösung zur angefragten Leistung, wenn dies argumentiert werden kann, jedoch nicht bei Preisbietungsverfahren, • die technische Lösung, die sich laut Pflichtenkatalog ergibt, vor allem auch der Nachweis der Integration in die bestehende technische, informationelle und organisatorische Infrastruktur, • begleitende Dienstleistungen (Kundendienste), die angeboten werden, dabei ist zu klären, ob diese entgeltlich und / oder durch Dritte (Third Party) erbracht werden, • genaue Spezifikationen der Leistungsdetails, vor allem Einhaltung der vorgegebenen Normen und Standards, • Voraussetzungen für die Inbetriebnahme und Abnahme, • Erfüllungsort und Gerichtsstand, beides relevant für den Eigentums- und Gefahrenübergang, • genauer Preis pro Leistungseinheit nach Abzug aller Nachlässe und Berücksichtigung aller Zuschläge, • Lieferzeitpunkt/-frist incl. Zwischenterminen, evtl. auch mit Lieferung auf Abruf, • inkludierte Nebenleistungen wie Verpackung, Verzollung, Versicherung, Kauffolgekosten etc., • anzuwendendes Recht, vor allem im internationalen Geschäft, ggf. Schiedsgerichtsvereinbarung bzw. Mediationsverfahren und salvatorische Klausel zur Wirksamkeit des Vertrags, • Zahlungs- und Lieferungsbedingungen, evtl. standardisiert (nach Incoterms im internationalen Geschäft),

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• gegenseitige Informations- und Dokumentationspflichten bzw. -rechte, • vertragliche Haftungsbedingungen und Gewährleistungsrechte, • Kreditbedingungen bei Absatzfinanzierung und korrespondierende Sicherungsklauseln, • Geheimhaltungsverpflichtungen für beide Parteien (Non Disclosure Agreement), • Rücktritts- und Kündigungsmöglichkeiten vom Vertrag, • Regelungen im Falle von Leistungsstörungen, insb. Vertragsstrafen / Pönale. Die Anlagen betreffen obligatorische ergänzende Inhalte wie technische Zeichnungen (CAD), Muster oder Abbildungen zur Spezifikation der Leistung. Weiterhin sind Prospekte und Referenzlisten sowie bei komplexen Projekten eine Wirtschaftlichkeitsberechnung zu erwarten. 5.2.6 Angebotsbewertung

Nach Abgabe der Angebote werden diese beim Beschaffer kollektiert, formal auf Vollständigkeit und Aussagefähigkeit hin geprüft und abgeglichen. Materiell werden unterschiedliche Bewertungskriterien angelegt, die unternehmensindividuell sind und sich aus den Anfrageinhalten ergeben. Bei der Angebotsbewertung ist entscheidend, welche Beurteilungsregeln der Beschaffer anlegt. Es lassen sich vier wesentliche Beurteilungsregeln (Kaufheuristiken) unterscheiden (siehe Abb. C13): • Bei der konjunktiven Regel wird durch den Beschaffer für jedes Angebotsattribut ein Mindestanspruchsniveau festgelegt. Es wird dasjenige Angebot ausgewählt, das hinsichtlich aller Attribute diesem Mindestanspruch genügt. Die Nichterfüllung eines Attributs kann selbst durch die Übererfüllung anderer Attribute nicht ausgeglichen werden. • Bei der disjunktiven Regel werden durch den Beschaffer als unverzichtbar angesehene Angebotsattribute festgelegt. Es wird nur dasjenige Angebot ausgewählt, das alle diese Attribute erfüllt. Ein Angebot, das einzelne dieser Attribute nicht erfüllt, kommt allein schon deshalb nicht zum Zuge. • Bei der lexikografischen Regel werden durch den Beschaffer die verschiedenen Angebote nur hinsichtlich ihrer wichtigsten Attribute verglichen. Es wird dasjenige Angebot gewählt, das in diesen Attributen die besten Ausprägungen hat. Untererfüllungen bei diesen können auch durch besondere Leistungen bei anderen Attributen nicht ausgeglichen werden. • Bei der kompensatorischen Regel werden durch den Beschaffer die verschiedenen Angebote hinsichtlich ihrer wichtigsten Attribute verglichen. Negative

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Abbildung C13: Alternative Kaufheuristiken (eig. Abb.)

Ausprägungen hinsichtlich einzelner Attribute können dabei, im Unterschied zu den vorgenannten Regeln, durch positive Ausprägungen hinsichtlich anderer Attribute ausgeglichen werden. Nach dem Beurteilungsmodell werden alle relevanten Eigenschaften einzeln bewertet und dann addiert (linear-additiv). Bei subjektiver Gewichtung entsteht ein nicht-linear-additives Modell. Gewählt wird die absolut beste Alternative. Nach dem Auswahlmodell werden fortgesetzte Paarvergleiche unternommen (Attribut-Dominanz), dabei können diese gewichtet sein (Erwartungsregel) oder die Bewertungsdifferenzen festgehalten werden (additive Differenzregel). Es kommt zur Wahl der relativ besten Alternative. Im Fall kooperativer Entwicklung ist auch die Fähigkeit eines Lieferanten zur Vorentwicklung von Bedeutung. Darunter versteht man den Funktionsnachweis einer geforderten technischen Problemlösung und die Umsetzung in Form eines Musters (Prototyping). Darüber hinaus ist auch die Prüfung der Produktionsverfahren wichtig. Nur so ist gewährleistet, dass die alles entscheidende, unzweifelhaft hohe Qualität bereits im Serienanlauf eines Prozesses bzw. unmittelbar nach Lieferantenwechsel gewährleistet ist. Dies bedeutet zwar erhebliche Vorinvestitionen seitens des Lieferanten, dafür winkt ihm jedoch bei erfolgreichem Abschluss ein Dauerliefervertrag (Lifetime Contract) mit pauschaliert zugesicherten Mindestabnahmemengen. Zur Verfeinerung werden die einzelnen Angebotsattribute meist einem Bewertungsverfahren unterzogen. Werden dabei nur quantitative Kriterien zugrunde gelegt, handelt es sich um ein Scoring. Entscheidend ist hier die Berücksichtigung / Nichtberücksichtigung oder auch graduelle Gewichtung relevanter Kriterien.

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Häufig sind es aber gerade qualitative Kriterien, die für eine Auftragserteilung ausschlaggebend sind. Dann ist es für Beschaffer erforderlich, diese im Rahmen der Angebotsbewertung zunächst zu quantifizieren. Dies erfolgt über eine Nutzwertanalyse. Dabei werden vordefinierten Ausprägungsspannen qualitativer Kriterien Punktzahlen zugeordnet, die dann für jedes Angebot addiert werden. Nicht selten wird dabei allerdings eine Scheingenauigkeit vorgespiegelt. 5.2.7 Anbieterauswahl

Im Zuge der Anbieterauswahl wird als erste Vereinbarung häufig ein Letter of Intend (LoI) abgeschlossen. Er ist informeller Natur und in seinem Inhalt noch unverbindlich. Zumeist dauert die Ausarbeitung vertraglicher Details noch so lange, dass dem Beschaffer zur Beschleunigung der Geschäftsprozesse daran gelegen ist, diese Absichtserklärung zu geben. Außerdem stellt der LoI dem Lieferanten sicher, dass ihm Aufwendungen, die er zur Vorbereitung der Geschäftsabwicklung ab Unterzeichnung eines LoI tätigt, vom Abnehmer auch ersetzt werden, falls es letztlich aus Gründen, die er nicht zu vertreten hat, doch nicht zum Geschäftsabschluss kommt. Am Ende der Verhandlungen steht eine Lieferantenvereinbarung, die, im Unterschied zur Absichtserklärung, formal verbindlich und ausführlich ausgelegt ist. Darin werden über die rein juristischen Vertragsinhalte hinaus vor allem Anhaltspunkte zur prozessualen Zusammenarbeit zwischen Lieferant und Abnehmer fixiert. Dies ist für Beschaffer umso bedeutsamer, je mehr ihr eigener Markterfolg vom Funktionieren der Lieferanten abhängig ist, also bei geringer Fertigungstiefe. Die Ausgestaltung der Inhalte hängt im Einzelnen von der relativen Verhandlungsmacht und dem Geschick der Beteiligten ab. Von Bedeutung ist dabei vor allem eine unvermeidliche Informationsasymmetrie zwischen Beschaffer und Lieferant, denn der Lieferant weiß zunächst sehr wohl, wie er zu leisten gedenkt, der Beschaffer aber kann nur hoffen, dass der Lieferant sich an seine Bekundungen hält (etwa durch Garantiezahlung besichert). Umgekehrt weiß der Beschaffer später sehr wohl, wie sein Zahlungsverhalten ausfällt, der Lieferant hingegen kann nur hoffen, dass seine Forderung nach Leistung auch beglichen wird (etwa durch Zahlungsbedingungen besichert). Beide Seiten haben somit ein Interesse daran, Sicherheit zu gewinnen. Dies geschieht vor allem durch Anreize, die jedem Partner in Aussicht gestellt werden, wenn er sich an seine Zusagen hält (z. B. Skonto bei vorzeitiger Zahlung) und Beiträge, die jeder Partner leisten muss, wenn er sich nicht an seine Zusagen hält (z. B. Anfallen von Vertragsstrafen). Nur wenn Anreize bzw. Beiträge größer sind als die Ausnutzung eines spezifischen Informationsvorsprungs (opportunistisches Verhalten), wird die Transaktion funktional ablaufen. Letztlich geht es dem Beschaffer um die gleichzeitige Erfüllung von vier Anspruchsgrößen: Preis, Qualität, Zeit und Individualität. In Bezug auf den

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Preis ist es naturgemäß sein Ziel, den niedrigstmöglichen Preis für ein Einkaufsobjekt zu realisieren. Zugleich ist es sein Ziel, dafür die höchstmögliche Qualität zu realisieren. Die gleichzeitige Umsetzung beider Ziele führt zum günstigsten Preis-Qualitäts-Verhältnis. Dabei ist die Zeit als immer wichtigerer Leistungsparameter anzusehen, so dass Zeitvorteile ein bedeutsames Argument sind. Weiterhin ist es unerlässlich, mit einem Partner zusammenzuarbeiten, der in der Lage ist, individuell passende Problemlösungen maßzuschneidern (Customization). 5.2.8 Bestellverfahren

Vor allem für Verbrauchsgüter ist die Durchführung des Bestellverfahrens in der Kaufabwicklungsphase von zentraler Bedeutung. Darauf wirken insb. die Beschaffungszeit, also die Zeitspanne zwischen Auftragserteilung und tatsächlicher Verfügbarkeit bestellter Waren, und die Einhaltung optimaler Bestellmengen, also die Minimierung der Kapitalbindungskosten bei gegebenem Servicegrad, ein. Am bekanntesten ist hier die Andler’sche Formel, die Bedarfsmengen, Bestellkosten, Einstandspreise und Lagerhaltungskosten berücksichtigt. Tatsächlich wirken aber auch Boni, Verwaltungskosten, Bedarfsschwankungen und Transportkosten darauf ein. Insofern kann das Ergebnis nur als Anhaltspunkt gelten. Neben der Menge geht es um die Bestimmung der optimalen Beschaffungstermine. Zur Lösung gibt es verschiedene Bestelldoktrinen (siehe Abb. C14 und Abb. C15): • Beim Bestellpunktverfahren wird zu einem jeweils veränderlichen Liefertermin disponiert. Der Bestellpunkt ist diejenige Menge, bei der eine Beschaffung ausgelöst wird. Dann wird eine feste oder variable Menge bestellt: –– Bei der s,q-Technik wird eine konstante Bestellmenge disponiert, die jeweils bei individueller Mindestbestandsunterschreitung ausgelöst wird (Bestellpunkt-Bestellmengen-Verfahren). –– Bei der s,S-Technik wird eine veränderliche Bestellmenge disponiert, die jeweils bei individueller Mindestbestandsunterschreitung ausgelöst wird (Bestellpunkt-Grundbestands-Verfahren). • Beim Kontrollpunktverfahren wird ein Auffülltermin bestimmt, der abhängig vom Meldebestand ist. Dann wird eine feste oder variable Menge aufgefüllt: –– Bei der t,s,q-Technik wird eine konstante Bestellmenge disponiert, die bei intervallbezogener Prüfung des Mindestbestands ausgelöst wird (Bestellpunkt-Bestellmengen-Zeitintervall-Verfahren). –– Und bei der t,s,S-Technik wird eine veränderliche Bestellmenge disponiert, die bei intervallbezogener Prüfung des Mindestbestands ausgelöst wird (Bestellpunkt-Grundbestands-Zeitintervall-Verfahren).

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Abbildung C14: Tableau Bestelltermine / Bestellmengen (eig. Abb.)

• Beim Bestellrhythmusverfahren wird zu einem festen Liefertermin disponiert. Der Bestellrhythmus ist derjenige Intervall, der zwischen den Bestellprüfungen bzw. -auslösungen liegt. Wird wiederum jeweils bis zum Grundbestand aufgefüllt, ergeben sich folgende Techniken: –– Bei der t,q-Technik wird zu einem festen Zeitpunkt eine konstante Bestellmenge bei Unterschreitung des Mindestbestands disponiert (Bestellrhythmus-Bestellmengen-Verfahren). –– Bei der t,S-Technik wird zu einem festen Zeitpunkt eine veränderliche Bestellmenge bei Unterschreitung des Mindestbestands disponiert (Bestellrhythmus-Grundbestands-Verfahren). Ziel dieser Verfahren ist es jeweils, die Fehlmengenkosten, d. h. die Opportunitätskosten aufgrund nicht realisierter, abrechenbarer Leistungen der beschaffenden Unternehmung, zu minimieren. Dabei entsteht allerdings ein Zielkonflikt derart, dass diese Minimierung zum Aufbau hoher Kapitalbindung im Umlaufvermögen führt. Gerade diese ist aber zu Zeiten von Lean Production nicht tolerierbar. Daher ist eine Optimierung beider Kostenverläufe im Gesamtkostenminimum erforderlich. Besonders offensichtlich sind die Konsequenzen von Fehlmengen bzw. Kapitalbindung im Einzelhandel. Dort führt die Nichtlieferfähigkeit von Waren womöglich zum Wechsel der Geschäftsstätte mit Umsatzverlust für den Händler nicht nur für die nicht-vorrätige Ware, sondern für die gesamte Einkaufsmenge, evtl. sogar auf Dauer. Zugleich ist die Verkaufsfläche der limitierende Faktor für den Geschäftserfolg, muss also angesichts verbreitet schmaler Margen bestmöglich genutzt werden. Zwei Ansätze zur Optimierung betreffen hierbei ECR und DPP.

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Quelle: chemanager-online.com/sites/chemanager-online.com/files/images/special/32133819_ original.png

Abbildung C15: Bestellrhythmus-/Bestellpunktverfahren

5.2.9 Kaufabwicklung

Für die Kaufabwicklung sind Dokumente (Paperwork) zentral, um Rechtssicherheit zu geben. Bei diesen Dokumenten handelt es sich um vielfältige Arten (siehe Abb. C16): • Transportdokumente wie Konnossement, Frachtbrief etc. regeln die Übergabe zum Transport, die Verantwortung für die Transportdurchführung und die Herausgabe der Ware nach dem Transport.

5. Beschaffung

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• Lagerungsdokumente wie Lagerschein etc. regeln die Übergabe an das Lager, die Verantwortung während der Lagerung (Vermischung, Beschädigung etc.) und die Herausgabe aus dem Lager. • Versicherungsdokumente (Policen) regeln die Absicherung gegen Gefahren / Risiken während des Transports und der Lagerung. Die Notwendigkeit und Zahlungspflichtigkeit ergibt sich aus den Lieferungsbedingungen. • Zahlungsdokumente wie Scheck, Wechsel etc. regeln die Modalitäten des Übergangs des Kaufpreises und der Erfüllung von Kreditierungen. Dabei ist es das Interesse des Käufers, nur für vertragskonforme Leistungen zu zahlen und das Interesse des Verkäufers, für erbrachte Leistungen auch die vereinbarte Zahlung zu erhalten. Ein Interessenausgleich erfolgt oft durch Einschaltung von Kreditinstituten. • Zolldokumente dienen der Legitimierung von Waren an den EU-Außengrenzen (Schengen-Abkommen) sowie bei Grenzüberschreitung außerhalb der EU. Ausnahmen sind Zollgebiete und Transite, hierbei kommt die Ware nicht im Inland auf den Markt. • Spezifikationsdokumente wie Ursprungszeugnis, Zertifikat etc. identifizieren Waren eindeutig und weisen sie entsprechend aus. Dies dient zum Beleg der vereinbarungsgemäßen Güte, Art und Herkunft von Waren.

Abbildung C16: Arten von Kaufabwicklungsdokumenten (eig. Abb.)

Einen wesentlichen Aspekt der Abwicklung stellen die Übergabeklauseln dar. Sie bestimmen die Risiko- und Kostenübertragung und den Austausch von Waren und Geldern. Hier sind drei Gruppen zu unterscheiden (siehe Abb. C17):

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• Geld vor Ware-Klauseln bestimmen, dass die Zahlung zeitlich vor der Lieferung erfolgt. Denkbar sind hier Vorauszahlung bzw. Anzahlung, Zahlung gegen Lieferschein (bar), Zahlung gegen Verladepapiere (bar) oder Zahlung per Nachnahme (bar). Jeweils wird zunächst der Geldbetrag eingezogen und dann erst die Warenübergabe vorgenommen. Dies ist für den Lieferanten die sicherste Form, falls Beschaffer das akzeptieren. • Zug um Zug-Klauseln bestimmen, dass Zahlung und Lieferung im Tausch vorgenommen werden. Denkbar sind hier Zahlung gegen offene Rechnung, Zahlung gegen Frachtbrief-Duplikat, Kassa gegen Dokumente (wobei die Art der übergabekonformen Dokumente zu bestimmen ist), Dokumente gegen Akkreditiv als besondere Form der Sicherung durch Zahlungshinterlegung und Dokumentenübergabe oder Dokumente gegen Wechselakzept. Insofern wird zeitgleich in einem Durchgang Ware und Geld getauscht. Dies gibt beiden Seiten gleichermaßen Sicherheit, ist jedoch abwicklungsaufwändig. • Ware vor Geld-Klauseln bestimmen, dass die Lieferung zeitlich vor der Zahlung erfolgt. Denkbar sind hier Zahlung nach Erhalt der Ware, Zahlung für Ziel, d. h. als offener Buchkredit mit periodischem Saldenausgleich, Zahlung auf Ziel, d. h. mit eingeräumter Zahlungsfrist, Zahlung nach Ziel, d. h. mit Zahlungsdatum, evtl. auch erst später valutiert. Jeweils wird die Ware übergeben und dann erst der Geldbetrag eingezogen. Dies ist für Abnehmer die günstigste Form.

Abbildung C17: Alternative Übergabeklauseln (eig. Abb.)

In Zusammenhang mit der Lieferung sind vor allem die Lieferungsbedingungen zu klären. Hier gilt nach Gesetz, dass Warenschulden Holschulden sind, d. h., der Beschaffer hat dafür zu sorgen, dass die Ware in seinen Verfügungsbereich gelangt und die Kosten und Risiken dafür zu tragen. Dies entspricht der Lieferungsbedingung „ab Werk“, d. h. die Ware wird „am Werkstor“ vom Lieferanten zur Abholung bereitgestellt. Das Gegenteil ist die „frei Haus“-Lieferung. Hier wird dem Beschaffer die Ware an seinem „Werkstor“ zur Abnahme bereitgestellt, alle Kosten und Risiken bis dahin trägt der Lieferant. Dies ist in der Beschaffung zu bevorzugen.

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Dazwischen sind vielfache Abstufungen möglich, die als Kompromissbasis genutzt werden können und üblich sind (siehe Abb. C18): • Lieferung unfrei bedeutet, dass die Ware zulasten des Lieferanten an der ersten Umladestation nach dem Abgangsort (bei gebrochenem Verkehr) bereitgestellt wird, von dort an übernimmt der Abnehmer alle Kosten und Gefahren. • Lieferung frachtfrei bedeutet, dass die Ware zulasten des Lieferanten an der letzten Umladestation vor dem Übergabeort auf seine Kosten bereitgestellt wird, alle Kosten und Gefahren danach trägt der Abnehmer. • Lieferung nach Zonenpreis bedeutet, dass die Lieferkosten nach Entfernungstaxe abgestuft ermittelt und dem Abnehmer in Rechnung gestellt werden, dafür ist er von den Gefahren befreit. • Lieferung frei Frankogrenze bedeutet, dass die Lieferkosten pauschaliert ermittelt und dem Abnehmer in Rechnung gestellt werden, dadurch ergibt sich eine Vereinfachung der Abrechnung. • Lieferung frei Frachtbasis bedeutet, dass ein fiktiver Übergabeort zwischen Lieferanten- und Abnehmerstandort vereinbart wird (häufig auf halber Strecke) und die Kosten und Gefahren bis dahin vom Lieferanten und ab dort vom Abnehmer getragen werden.

Abbildung C18: Übliche Lieferungsbedingungen (eig. Abb.)

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C. Die Güterwirtschaft der Unternehmung

Eine Lieferung mit Preis je Entfernungseinheit bedeutet, dass die Lieferkosten exakt nach tatsächlicher Entfernung (Luftlinie, Zeitdistanz oder Wegstrecke) abgerechnet werden. Dies ist die genaueste Form der Ermittlung. Im internationalen Bereich haben sich zur Vereinfachung der Lieferungsbedingungen Handelsbräuche durchgesetzt, die wahlweise vereinbart werden können. Dies ist sehr empfehlenswert, wird dadurch doch eine Rationalisierung der Vertragsverhandlungen erreicht. Am häufigsten werden im internationalen Bereich die Incoterms (International Commercial Terms) zugrunde gelegt, die Transportkosten, Transportrisiken und Sorgfaltspflichten definieren und darin Rechtssicherheit schaffen (siehe Abb. C19). Sie werden von der ICC (Internatio­ nal Chamber of Commerce) formuliert und aktualisiert. Sie betreffen jedoch nicht den Eigentumsübergang, die Zahlungsbedingungen, den Gerichtsstand o. ä. Regelungen.

Abbildung C19: Internationale Lieferungsbedingungen (1) (eig. Abb.)

Im Wesentlichen können aktuell elf Klauseln in zwei Gruppen unterschieden werden. Bei Einpunktklauseln fallen Kosten- und Gefahrenübergang in einem Punkt zusammen. Dazu gehören folgende Klauseln (siehe Abb. C20): • Ex Works (EXW), wobei die Kosten und Gefahren komplett vom Abnehmer getragen werden (logistischer Vor-, Haupt- und Nachlauf),

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• Free Carrier (FCA), diese Klausel gilt für Eisenbahn- und Flugzeugtransporte, der Vorlauf wird dabei vom Lieferanten gestellt, • Free alongside Ship (FAS), diese Klausel gilt für den Schiffstransport, der Vorlauf wird dabei vom Lieferanten gestellt, • Free on Board (FOB), diese Klausel gilt ebenfalls für den Schiffstransport (wie FAS), • Delivered at Terminal (DAT), diese Klausel gilt für Eisenbahn- und Flugzeugtransporte (wie FAS), • Delivered at Place (DAP), diese Klausel gilt für alle Transportmittel, Vor- und der Hauptlauf werden dabei vom Lieferanten gestellt, • Delivered Duty paid (DDP), hier werden die Kosten und Gefahren komplett vom Lieferanten getragen, also Vor-, Haupt- und Nachlauf.

Quelle: mylogistica.com/images/files/2010-incoterms.jpg

Abbildung C20: Internationale Lieferungsbedingungen (2)

Bei Zweipunktklauseln fallen Kosten- und Gefahrenübergang raum-zeitlich auseinander. Dazu gehören folgende Klauseln: • Cost and Freight (CFR), diese Klausel gilt für den Schiffstransport, • Cost, Insurance, Freight (CIF), diese Klausel gilt ebenfalls für den Schiffstransport und enthält die Kosten für die Versicherung der Risiken,

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C. Die Güterwirtschaft der Unternehmung

• Carriage paid to (CPT), diese Klausel bestimmt die Kosten- und Gefahrentragung im Nachlauf an den Hauptlauf, • Carriage and Insurance paid to (CIP), diese Klausel beinhaltet Fracht- und Versicherungskosten (frachtfrei versichert). 5.3 Organisationale Beschaffung Einkaufsentscheidungen ab einer gewissen Größenordnung werden typischerweise nicht mehr von Einzelpersonen getroffen, sondern von Gremien, weil die damit verbundene Verantwortung für eine einzelne Person als zu hoch empfunden wird. Für diese Gruppenentscheide werden zumeist drei Einflussgrößen zugrunde gelegt: Entscheidergremien, Promotoren / Opponenten und Clarifier / Simplifier (siehe Abb. C21):

Abbildung C21: Disposition der Beschaffer (eig. Abb.)

Entscheidergremien bestehen aus unterschiedlichen Personen, die verschiedene Funktionen wahrnehmen. Denkbar ist aber auch, dass ein Mitglied mehrere Funktionen gleichzeitig oder nacheinander übernimmt oder mehrere Mitglieder sich dieselbe Funktion teilen. Entscheide sind somit multiorganisational, multipersonal, multitemporal, multioperativ und komplex. Typische Funktionen in ­einem Gremium für die Beschaffung sind folgende (siehe Abb. C22): • der Entscheider, meist eine Person in leitender Stellung, welche die vorgeleistete Gremiumsarbeit durch ihr Votum sanktioniert. Fallweise nimmt sie dabei auf die Vorlage aus der operativen Ebene Einfluss, meist aber konzentriert sie sich auf die Auswirkungen der Entscheidung auf die gesamte Unternehmung und deren Geschäftsergebnis, • der Vorselektierer, übernimmt die Informationssammlung und wirkt dabei als „Schleuse“. Informationen, die diese nicht passieren, kommen für die Entscheidung womöglich gar nicht erst in Betracht. Häufig wird diese Funktion

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von Sekretärinnen oder Assistenten ausgefüllt. Sie wirken insofern nicht unerheblich auf den Entscheid ein, • der Betroffene, also die Person oder Personengruppe, der / die durch den Entscheid als Verwender tangiert ist. Er konzentriert sich auf seinen konkreten Nutzen und will diesen maximieren. Er setzt den Entscheidungsprozess häufig erst in Gang und gibt Anforderungen dafür vor, • der Beeinflusser, nimmt durch Kompetenz Einfluss auf die Beurteilung der Entscheidungsoptionen, ohne davon selbst betroffen zu sein, was ihn vermeintlich vorurteilsfrei werten lässt. Meist handelt es sich um eine unternehmensoder abteilungsexterne Person, häufig auch Berater. Ihr Einfluss ist immer verzerrend, • der Ausführer, setzt als Einkäufer formal die Entscheidung um. Er bedarf dazu des Backing seiner Vorgesetzten. Bei unpopulären Maßnahmen werden auch Externe damit beauftragt (Unternehmensberatung). Häufig wird auch ein limitierter Entscheidungsspielraum eingeräumt.

Abbildung C22: Zusammensetzung eines Einkaufsgremiums (eig. Abb.)

Problematisch ist dabei zumeist, dass die den einzelnen Funktionen zugehörigen Personen nicht vorab identifiziert werden können und deren tatsächlicher Entscheidungsanteil verschwommen bleibt, obgleich diese Informationen gerade von höchster Bedeutung sind. Gemeinhin wird eine eher rationale Entscheidungsfindung unterstellt, obgleich dies in praxi stark anzuzweifeln ist. Von Gruppen ist bekannt, dass sie Entscheidungsdefekte aufweisen (Group­ think-Phänomen), d. h., die Gruppe kommt zu Entscheidungen, die jeder Einzelne in der Gruppe nicht gutheißt, da sich jedoch niemand traut, diese Meinung zu äußern, weil er fürchtet, sich damit aus der Gruppe auszugrenzen, denkt jeder, alle anderen würden die Entscheidung tragen. Gruppen agieren sowohl übertrieben risikoavers (Bedenkenträger, Absicherung) als auch übertrieben risikogierig (Lastenverteilung, positives Persönlichkeitsmerkmal).

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C. Die Güterwirtschaft der Unternehmung

Auf der Verkäuferseite steht meist ein Selling Center gegenüber. Es besteht im Einzelnen zweckmäßigerweise aus folgenden Funktionen: • Techniker als Äquivalent zum Anwender, • Schlüsselkundenberater als Äquivalent zum Einkäufer, • Anwendungsberater als Äquivalent zum Beeinflusser, • Außendienstler als Äquivalent zum Vorselektierer, • Geschäftsführer als Äquivalent zum Entscheider. Speziell bei Neuerungen in Organisationen wird zwischen Promotoren und Opponenten unterschieden. Promotoren fördern Veränderungen, Opponenten behindern, d. h. verhindern, verzögern oder fraktionieren, Veränderungen. Promotoren setzen Innovationen gegen die sich technologische, ökonomische und umfeldbezogene Widerstände ergeben, z. B. Willensbarrieren aus weltanschaulichen, sachlichen oder persönlichen Gründen, in der Organisation durch. Dazu bedarf es einer Antriebsbasis. Machtpromotoren verfügen aufgrund ihrer hierarchischen Stellung in der Organisation über Entscheidungsmacht. Sie sind intern legitimiert, Vertragsabschlüsse bindend zu tätigen. Sie können Vorgänge durch Anordnung, Sanktion gegenüber „Bremsern“ und Unterstützung treibender Kräfte in Richtung und Tempo maßgeblich beeinflussen. Sie haben dabei weniger technisch-organisatorische Details im Sinn als vielmehr deren Auswirkungen auf die Unternehmung insgesamt. Fachpromotoren zeichnen sich, unabhängig von ihrer hierarchischen Stellung, durch spezifisches Wissen aus. Sie nehmen aufgrund fachlicher Legitimation auf die Entscheidung Einfluss. Fachpromotoren sind typischerweise im Middle Management angesiedelt. Promotoren sind also eher Personen, die Initiative ergreifen, sich engagieren, als solche, die nur mit Umsicht und Gelassenheit ihre Pflicht erfüllen und einschlägige Vorschriften beachten. Selten treten Macht- und Fachpromotoren in Personalunion auf. Macht- und Fachpromotoren können aber kombinativ auftreten, was ihnen besondere Effektivität verleiht. Gelegentlich werden Prozesspromotoren ergänzt, die für die Durchsetzung von Entscheidungen in der Organisation Sorge tragen. Sie wirken mittels Kenntnis der organisatorischen Prozesse ein und wissen, an den richtigen Stellschrauben zu drehen. Opponenten hemmen hingegen den Innovationsprozess. Man unterscheidet Machtopponenten (qua hierarchischer Stellung), Fachopponenten (qua Spezialistenwissen) und Prozessopponenten (qua Kenntnis interner organisationaler Abläufe). Wer im spezifischen Fall freilich Opponent und wer Promotor ist, ist vom Standpunkt des Betrachters abhängig. Außerdem gibt es verdeckte Opponenten und verborgene Promotoren.

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Das Reagierer-Konzept unterscheidet zwischen den Prototypen des Clarifier und des Simplifier. Der Clarifier als „zerlegender“ Faktenreagierer ist für eine Entscheidung an möglichst viel Information interessiert, die er sichtet und verarbeitet, um zu einem fundierten Ergebnis zu gelangen. Ihn ist an einer möglichst vollständigen, abgerundeten Beurteilung hinsichtlich aller beeinflussenden Faktoren gelegen. Dabei werden alle für die Unternehmung relevanten Gesichtspunkte geprüft, um das Entscheidungsrisiko zu senken. Wichtig ist daher eine detaillierte, aussagefähige, schriftliche und / oder mündliche Argumentation. Dem Simplifier als „sammelndem“ Imagereagierer ist hingegen gleich an verdichteten Informationen gelegen, die für ihn einfach zu verarbeiten sind. Es kommt also nicht auf die Vollständigkeit der Informationen an, sondern nur auf die Vorlage als wichtig erachteter Schlüsselinformationen, die einen Gesamteindruck über die Entscheidungsoptionen erlauben. Dabei ist jeweils der Nutzen für die Unternehmung zu betonen. Als Mischtyp aus beiden gilt der Reaktions-Neutrale. Ihm ist an einer ausgewogenen Relation aus punktuell vertiefenden Informationen bei gleichzeitiger Wahrung eines gesamthaften Überblicks gelegen. Er sammelt proaktiv Informationen oder stellt diese auch erst anlassbezogen zusammen. Evtl. lässt er sich entsprechende harte oder weiche Fakten auch von Organisationsmitgliedern zusammenstellen.

Literaturhinweise Altmannsberger, Urs: Profitabler Einkauf, Offenbach 2016 Arnolds, Hans / Heege, Franz / Röh, Carsten / Tussing, Werner: Materialwirtschaft und Einkauf, 12. Auflage, Wiesbaden 2012 Bichler, Klaus: Beschaffungs- und Lagerwirtschaft, 9. Auflage, Wiesbaden 2010 Büsch, Mario: Praxishandbuch Strategischer Einkauf, 3. Auflage, Wiesbaden 2012 Gabath, Christoph (Hrsg.): Innovatives Beschaffungsmanagement, Wiesbaden 2011 Grossmann, Matthias: Einkauf, München 2001 Hahn, Dietger / Kaufmann, Lutz (Hrsg.): Handbuch Industrielles Beschaffungsmanagement, 2. Auflage, Wiesbaden 2002 Hecht, Dirk (Hrsg.): Modernes Beschaffungsmanagement in Lehre und Praxis, Berlin 2014 Heß, Gerhard: Supply-Strategien in Einkauf und Beschaffung, 2. Auflage, Wiesbaden 2010 Hirschsteiner, Günter: Einkaufs- und Beschaffungsmanagement, 2. Auflage, Herne 2006 Hofbauer, Günter: Technisches Beschaffungsmanagement, Uni-Edition, 2013 Hofbauer, Günter / Mashhour, Tarek / Fischer, Michael: Lieferantenmanagement, 2. Auflage, München / Wien 2012

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Krampf, Peter: Beschaffungsmanagement, 2. Auflage, München 2014 Kürble, Peter / Helmold, Marc / Bode, Olaf H./Scholz, Ulrich: Beschaffung Produktion, Marketing, Marburg 2016 Kummer, Sebastian / Jammernegg, Werner / Grün, Oskar: Grundzüge der Beschaffung, Produktion und Logistik, 3. Auflage, München 2013 Large, Rudolf O.: Strategisches Beschaffungsmanagement, 5. Auflage, Wiesbaden 2013 Liebetruth, Thomas: Prozessmanagement in Einkauf und Logistik, Wiesbaden 2016 Melzer-Ridinger, Ruth: Materialwirtschaft und Einkauf: Band Beschaffungsmanagement, 5. Auflage, München / Wien 2008 Pfützenreuter, Jörg: Einkaufen wie die Profis, Göttingen 2009 Schuh, Günther (Hrsg.): Einkaufsmanagement, 2. Auflage, Berlin / Heidelberg 2013 Swoboda, Bernhard / Weiber, Rolf: Grundzüge betrieblicher Leistungsprozesse, München 2013 Weigel, Ulrich / Rücker, Marco: Praxisguide Strategischer Einkauf, Wiesbaden 2013

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Übungsaufgaben   1 Welche Aufteilung der Kaufobjekte ergibt sich bei einer Einteilung der Beschaffungsobjekte nach Kaufrisko und Gewinneinfluss?   2. Stellen Sie bitte Inhalt und Aussage der ABC-Analyse für Lieferanten dar.   3. Welche Teilrisiken in der Beschaffung können im Einzelnen unterschieden werden?  4. Unterscheiden Sie bitte Sourcing-Techniken nach der Zahl der je Produktgruppe eingeschalteten Lieferanten.   5. Unterscheiden Sie bitte Sourcing-Techniken nach der räumlichen Verteilung der Lieferanten.   6. Welche Optionen ergeben sich im Strategischen Sourcing?   7. Welche Kriterien machen die Lieferfähigkeit aus?   8. Stellen Sie bitte das Bestellpunktverfahren und das Bestellrhythmusverfahren aussagefähig dar.   9. Wie lauten die Kennzeichen des Gattungskaufs? 10. Was versteht man unter einem Fixgeschäft? 11. Wie unterscheiden sich der Kauf auf Probe, der Kauf nach Probe und der Kauf zur Probe? 12. Was versteht man unter einem Kauf in Bausch und Bogen? 13. Wie stellt sich eine Lieferantenhierarchie dar? 14. Welche Signalwirkung kommt dem Meldebestand zu? 15. Welche Signalwirkung kommt dem Sicherheitsbestand zu?

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6. Produktion In diesem Kapitel werden folgende Inhalte behandelt und geklärt: • der Produktionsinput und -output, • die Produktionstheorie, • die verschiedenen Produktionslayouts, • das Produktionsmanagement, • das Operations Management, • die Produktionsverschlankung. 6.1 Produktionsinput Produktion findet in allen drei gesamtwirtschaftlichen Sektoren statt: • im primären Sektor der Land- und Forstwirtschaft, Fischerei, Jagd (Urproduktion), • im sekundären Sektor von Handwerk, Industrie, Energie- / Wasserversorgung, Baugewerbe, Bergbau (produzierendes Gewerbe), • im tertiärer Sektor aus Handel, Verkehrsunternehmen, Nachrichtenübermittlung, Kreditinstitute, Versicherungen, Wohnungsvermietung, öffentliche Dienstleistungen Die Anteile dieser drei Sektoren am Bruttoinlandsprodukt in Deutschland betragen 68,5 % % für Dienstleistungen, 30,5 % für Industrie und knapp 1 % für Landwirtschaft (Quelle: Statista). Zum produzierenden Gewerbe gehören nach Ausweis des Statistisches Bundesamts folgende Bereiche: • Kohlebergbau, Torfgewinnung, Gewinnung von Erdöl und Erdgas, Erzbergbau, Gewinnung von Steinen und Erden, sonstiger Bergbau, • Ernährungsgewerbe, Tabakverarbeitung, Textilgewerbe, Bekleidungsgewerbe, Ledergewerbe, Holzgewerbe, Papiergewerbe, Verlags- / Druckgewerbe, Vervielfältigung, Kokerei, Mineralölverarbeitung, chemische Industrie, Herstellung von Gummi und Kunststoffwaren, Glasgewerbe, Keramik, Verarbeitung von Steinen und Erden, Metallerzeugung und -bearbeitung, Herstellung von Metallerzeugnissen, Maschinenbau, Herstellung von Büromaschinen, Datenverarbeitungsgeräten und -einrichtungen, Herstellung von Geräten der Elektrizitätserzeugung und -verteilung, Hörfunk-, Fernseh- und Nachrichtentechnik, Medizin-, Mess-, Steuer- und Regelungstechnik, Optik, sonstiger Fahrzeugbau, Herstellung von Möbeln, Schmuck, Musikinstrumenten, Sportgeräten, Recyc­ ling,

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• Elektrizitätsversorgung, Gasversorgung, Fernwärmeversorgung, Wasserversorgung, • Hochbau, Brücken- und Tunnelbau, Dachdeckerei, Abdichtung, Zimmerei, Straßenbau, Spezialbau und sonstiger Tiefbau, Elektroinstallation, Klempnerei, Gas-, Wasser-, Heizungs- und Lüftungsinstallation, Stuckateurgewerbe, Gipserei, Verputzerei, Fußboden-, Fliesen-, Plattenlegerei, Raumausstattung, Maler- und Glasergewerbe. Innerhalb der industriellen Fertigung stehen die Rationalisierung, Automatisierung, Standardisierung und Vernetzung (Produktion 4.0) im Mittelpunkt. Dazu findet eine standortunabhängige Verlinkung mittels Internet in der Produktion statt, d. h., die Produktionssteuerung erfolgt durch maschinelle Anlagen und Produkte selbsttätig innerhalb von Menschen vorgegebener Rahmen (Unterschied zu CIM). Man spricht hier auch vom „Internet der Dinge“. Die Bezeichnung 4.0 ergibt sich als vierte industrielle Revolution (nach Wasser-/Dampfkraft, Massenfertigung und Digitalisierung / CIM). Produktion ist allgemein jeder Transformationsprozess von Inputfaktoren wie Werkstoffen, Betriebsmitteln, Arbeit in Outputfaktoren aus Produkten als Sachund Dienstleistungen. Bei den Produktionsfaktoren als Input handelt es sich um folgende: • Werkstoffe sind Stoffe, die direkt bei der Erzeugung der Produkte eingesetzt werden. Sie bestehen aus Roh-, Hilfs- und Betriebsstoffen. Rohstoffe sind Materialien, die den Hauptbestandteil der späteren Produkte bilden. Hilfsstoffe sind Materialien, die ebenso direkt eingehen, aber von untergeordneter Bedeutung sind. Betriebsstoffe gehen nicht in das Produkt ein (indirekt), sind aber zum Lauf der Betriebsmittel erforderlich. • Betriebmittel sind Anlagen, die zur Produktion genutzt werden, indem sie vorgegebene Verrichtungen wiederholt durchführen bis ihr Nutzungspotenzial eines Tages erschöpft ist. Neben den abnutzbaren Betriebsmitteln gibt es auch nicht-abnutzbare Betriebsmittel wie Grundstücke und Rechte. • Arbeit betrifft die menschliche Tätigkeit. Arbeit kann exekutiver Art sein (Handarbeit) oder dispositiver Art (Kopfarbeit). Dispositive Arbeit umfasst ­dabei im Einzelnen die Planung, Steuerung und Kontrolle betrieblicher Abläufe. Außerdem gibt es Zusatzfaktoren, die nicht in der Disposition der Unternehmung stehen, sondern extern zur Verfügung gestellt werden wie Verkehrsinfra­ struktur, Rechtssicherheit etc. Nominalfaktoren sind Finanzmittel wie Geld, Darlehen, Beteiligungswerte etc. Ein weiterer zunehmend wichtiger Produktionsfaktor in einer Wissensgesellschaft sind Informationen. Bei Dienstleistungen kommt als externer Produktionsfaktor der Kunde bzw. ein (beigestelltes) Objekt des Kunden zum Einsatz. Häufig stellt auch die Natur einen Produktionsfaktor

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dar, der überaus massiv in Anspruch genommen wird. Produktionsfaktoren können vielfach unterteilt werden, so nach ihrer • Teilbarkeit (teilbar / unteilbar), Knappheit (frei / wirtschaftlich), Substitutivität (voll / begrenzt), Art (Potenzial / Repetition) und Materialität (stofflich / nichtstofflich). Zwischen Input und Output liegen Produktionsprozesse, die den Input gezielt in den Output transformieren (siehe Abb. C23). Dabei handelt es sich im Einzelnen um Prozesse des • Trennens durch Zerlegung wie Zerkleinern, Zerschneiden, Stanzen, Sortieren, Zentrifugieren, Sieben, Flotieren, Filtern, Destillieren etc., • Zusammenfügens von Werkstücken durch Verbindung verschiedener Elemente wie Kleben, Nageln, Schrauben, Löten, Nieten, Schweißen, Falzen, Flechten, Nähen, Mischen, Beschichten etc., • spanlosen Umformens durch Formänderung ohne Substanzverlust wie Walzen, Pressen, Biegen, Prägen, Schmieden, Ziehen, Treiben, Drücken, Stauchen, Strecken, Verdrehen etc., • spanenden Umformens durch Formänderung mit Substanzverlust wie Drehen, Fräsen, Hobeln, Bohren, Schleifen, Lasern, Schneiden etc. Außerdem handelt es sich um Umwandlungsverfahren • physikalischer Natur wie thermisch, elektrisch, magnetisch, optisch, akustisch etc., • chemischer Natur wie katalytisch, elektrochemisch, fotochemisch, biochemisch, kernphysikalisch, • biologischer Natur wie fermentieren, gären, reifen, trocknen.

Abbildung C23: Arten der physischen Produktion (eig. Abb.)

Hinzu kommen kognitiv-geistige Fähigkeiten auf allen Verantwortungsebenen wie bei Facharbeitern, leitenden Angestellten, Geschäftsführern etc.

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Speziell bei der Dienstleistungsproduktion ist eine zweistufige Produktion vorzufinden, die aus der Vorkombination der internen Produktionsfaktoren besteht sowie der Endkombination mit dem Externen Faktor: Das Produktionsmanagement bezieht sich im Einzelnen auf die Elemente der • Potenzialgestaltung wie z. B. Standortwahl, Technologiemanagement, Kapazitätsplanung, Materialwirtschaft etc., • Programmgestaltung wie z.  B. Produktprogramm, Produktionsprogramm, Losgrößenplanung etc., • Prozessgestaltung, wie z. B. Qualitätsmanagement, Umweltmanagement, Risikomanagement, Fließbandabstimmung, Ablaufplanung etc. Das Management ist dabei allgemein eingebunden in Globalisierung, Dynamisierung und Vernetzung als übergreifende Entwicklungen. 6.2 Produktionsoutput Bei den Produkten als Output des Produktionsprozesses handelt es sich um materielle oder immaterielle Leistungen. Bei materiellen Leistungen handelt es sich wiederum um Sachgüter, bei immateriellen Leistungen um Dienste. Materielle Leistungen können Zwischenprodukte sein, die noch weiterbe- oder -verarbeitet werden, um dann zu Endprodukten zu mutieren, oder um Endprodukte, die ihrer Art nach bereits marktfähig sind. Bei der Produktion entstehen allerdings auch Abfälle, Schadstoffe, Emissionen etc. als unerwünschte Outputs, die es gezielt zu behandeln gilt. Nach der Art der Produkte kann es sich um Standardprodukte mit wiederholbarer Produktion als Massenfertigung, aber auch als Sorten- bzw. Serienfertigung oder Individualprodukte als Einzelfertigung handeln. Daraus ergeben sich alternative Fertigungsarten (siehe Abb. C24): • Einzelfertigung bedeutet, dass nur ein Produkt zur Zeit gefertigt wird.

Abbildung C24: Alternative Fertigungsarten (eig. Abb.)

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• Serienfertigung bedeutet demgegenüber, dass eine begrenzte Anzahl gleichartiger Produkte nacheinander produziert wird. • Sortenfertigung bedeutet, dass Teilserien auf denselben Anlagen nach entsprechender Umrüstung produziert werden. • Massenfertigung bedeutet, dass eine unbegrenzte Anzahl gleicher Produkte nacheinander produziert wird. Eine Kombination ist durch Mass Customization möglich (massenhafte Einzelfertigung). Die Abgrenzung zur herkömmlichen Einzelfertigung liegt im industriellen Maßstab, die Abgrenzung zur herkömmlichen Massenfertigung in der Unifizierung der Leistung. Die Abgrenzung zur anbieterorganisierten Variantenproduktion liegt darin, dass diese nachfragerspezifisch angelegt ist, die Abgrenzung zu Dienstleistungen liegt in der materiellen Form der Ergebnisse. Für die Mass Customization ergeben sich mehrere Möglichkeiten: • durch Modularisierung der Bauteile mit vereinheitlichten Schnittstellen, dadurch entsteht eine hohe Produktvielfalt, • durch Plattformbildung mit wenigen Grundteilen und vielen Anbauteilen (wie etwa in der Automobilindustrie), • durch Paketierung (Überdimensionierung) von Bauteilen (Built-in Flexibility), um dadurch Kostendegressionseffekte zu nutzen, • durch Postponement als möglichst späte Aufgliederung der Produktion mit langer Nutzung von Kostendegression und kurzer Inkaufnahme von Kostenprogression. Die Umsetzung erfolgt als Soft Customization ohne Eingriff in die Produktion oder Hard Customization mit Eingriff in die Produktion (siehe Abb. C25). Soft Customization erfolgt im Einzelnen durch • Selbstindividualisierung seitens der Nachfrager durch Konfiguration, z. B. MS-Office-Software, • individuelle Endproduktion unter Mitwirkung des Kunden (Co-Design / Prosumership), • Serviceindividualisierung durch produktbegleitende Kundendienste. Hard Customization erfolgt im Einzelnen durch • individuelle Vorproduktion bei standardisierter Endproduktion, z. B. Nike IDShoes, • Baukastenprinzip durch Kombination vorkonfigurierter Elemente, z. B. Dell Computer, • vielfache Fertigung von Unikaten, z. B. Einbauküche.

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Abbildung C25: Ausprägungen der Mass Customization (eig. Abb.)

Weitere Unterscheidungen hinsichtlich der Produktarten (siehe Abb. C26) betreffen Ausprägungen nach • dem Informationsstand in –– Suchgüter (Search Goods), deren Leistungsmerkmale bereits vor dem Kauf prüfbar sind, –– Erlebnisgüter (Experience Goods), deren Leistungsmerkmale erst beim Kauf prüfbar sind (bei Dienstleistungen), –– Erfahrungsgüter (Knowledge Goods), die erst nach dem Kauf nachprüfbar sind, –– Vertrauensgüter (Credence Goods), die nicht einmal nach dem Kauf nachprüfbar sind. • dem Einsatz in –– konsumtive Ge- und Verbrauchsgüter, die das B-t-C-Geschäft betreffen, –– industrielle Investitions- und Produktionsgüter, die das B-t-B-Geschäft betreffen. • der Art als –– materielle Güter in Form von Sachleistungen, –– immaterielle Güter wie Dienstleistungen, Rechte.

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C. Die Güterwirtschaft der Unternehmung

Abbildung C26: Ausprägungen von Produktarten (eig. Abb.)

• der Marktwirksamkeit durch –– basales Produkt als funktional-technische Ausprägung, –– formales Produkt mit der handelsüblichen Markierung und Verpackung, –– erweitertes Produkt incl. produktbegleitender Dienstleistungen. • Kaufrisiko und Budgetanteil als –– Speciality Goods (langlebig) mit hohem Beschaffungsaufwand, –– Preference Goods, –– Shopping Goods, –– Convenience Goods (kurzlebig) mit niedrigem Beschaffungsaufwand. 6.3 Produktionstheorie Die Produktionsfunktion erlaubt die Abbildung von Produktionsprozessen in Form von Input-Output-Beziehungen (siehe Abb. C27). Bei der totalen Faktorvariation werden die Einsatzmengen aller Produktionsfaktoren im gleichen Verhältnis verändert (erhöht / vermindert) und betrachtet, wie der Output sich infolgedessen verhält. Bei der partiellen Faktorvariation wird nur ein Faktor isoliert variiert und betrachtet, wie der Output sich infolgedessen verändert. Daraus ergibt sich die benötigte Einsatzmenge eines Produktionsfaktors, um bei konstanten Mengen aller anderen Faktoren eine vorbestimmte Outputmenge herzustellen. Die

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Abbildung C27: Alternative Produktionsfunktionen (eig. Abb.)

Isoquante als Kurve gleichen Outputs gibt darüber hinaus an, inwieweit die Produktionsfaktoren gegeneinander austauschbar sind. In der klassischen Produktionsfunktion (Produktionsfunktion Typ A) wird betrachtet, wie sich der Output bei Variation eines Einsatzfaktors verändert (siehe Abb. C28). Der Grenzertrag ist diejenige Outputmenge, die sich ergibt, wenn sich der Inputfaktor um eine marginale Einheit verändert. Der Durchschnittsertrag ist der Quotient aus Gesamtertrag und Einsatzfaktormenge.

Abbildung C28: Klassische Produktionsfunktion (eig. Abb.)

Der Verlauf der Produktionsfunktion ist typischerweise s-förmig, d. h., der Gesamtertrag steigt zunächst progressiv, dann degressiv an und sinkt danach (regressiv). Der Durchschnittsertrag steigt dementsprechend zunächst und fällt dann. Gleiches gilt für den Grenzertrag. Bewertet man die Einsatzmenge mit je-

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weiligen Geldbeträgen, entsteht eine Kostenfunktion, diese verläuft spiegelbildlich zur Produktionsfunktion. Die klassische Produktionsfunktion unterliegt vielfacher Kritik und gilt als nicht mehr zeitgemäß. Die neoklassische Produktionsfunktion hat demgegenüber einen monoton steigenden Verlauf (siehe Abb. C29). Die Grenzerträge (Skalen­ ertrag) sind dabei konstant, wenn sich die Produktionsmenge im gleichen Verhältnis wie das Faktoreinsatzmengenniveau verändert, oder abnehmend, wenn die Produktionsmenge unterproportional zum Faktoreinsatzmengenniveau steigt oder fällt, oder zunehmend, wenn die Produktionsmenge überproportional zum Faktoreinsatzmengenniveau steigt oder fällt (letzteres wird jedoch pragmatisch ausgeschlossen, da davon auszugehen ist, dass die Ergiebigkeit eines konstanten Produktionsfaktors immer weiter abnimmt, je stärker er beansprucht wird). Der

Abbildung C29: Neoklassische Produktionsfunktion (eig. Abb.)

Grenzertrag ergibt sich, indem ein Faktor marginal verändert wird und alle anderen Faktoren konstant bleiben. Alternativ kann die Einsatzmenge eines Faktors verringert und die eines anderen erhöht werden, sofern Substitutionalität vorliegt. Die Grenzrate der Substitution gibt das Ausmaß der Substituierbarkeit an: • Bei totaler Substitutionalität kann ein Produktionsfaktor vollständig einen anderen ersetzen (siehe Abb. C30). • Bei partieller Substitutionalität kann jeder Produktionsfaktor nur unvollständig substituiert werden, es ist immer ein gewisser Mindestbetrag eines Faktors erforderlich (siehe Abb. C31: Partielle Substitutionalität).

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Abbildung C30: Totale Substitutionalität (eig. Abb.)

Abbildung C31: Partielle Substitutionalität (eig. Abb.)

Die Minimalkostenkombination ergibt sich dort, wo die mit Kosten bewerteten Faktoreinsatzmengen am geringsten sind, um ein gegebenes Outputniveau zu realisieren, bzw. wo mit gegebenen Kosten das zugehörige maximale Outputniveau erreicht werden kann.

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Bei der limitationalen Produktionsfunktion wird unterstellt, dass Produktionsfaktoren in verschiedenen, exakt definierten Einsatzmengen zur Verfügung stehen müssen, um ein bestimmtes Outputniveau zu realisieren. Kombinationen dazwischen sind insofern ineffizient, als immer mindestens ein Faktor überschüssig und damit unproduktiv eingesetzt ist, also Kosten verursacht, denen keine Outputsteigerung gegenüber steht. Insofern wird das Outputniveau durch denjenigen Faktor bestimmt, der relativ am knappsten verfügbar ist. Es ist keine Substitution möglich (siehe Abb. C32).

Abbildung C32: Lineare Limitationalität (eig. Abb.)

Die Gutenberg-Produktionsfunktion (Produktionsfunktion Typ B) geht von Nachfrageschwankungen aus, denen sich die Produktion auf verschiedene Weise anpassen kann: • zeitlich durch Variation der Leistungszeit für Arbeit und Betriebsmittel, • quantitativ durch Variation der Anzahl der eingesetzten Betriebsmittel, • intensitätsmäßig durch Variation der Produktionsgeschwindigkeit (Unterbrechung / Erhöhung) bei Arbeit und Betriebsmitteln. Die zeitliche Anpassung erfolgt durch Überstunden oder Kurzarbeit bzw. Mehrschicht- oder Einschichtbetrieb. Dadurch entstehen Kostenprogressionen. Die quantitative Anpassung erfolgt durch Anschaffung / Einsatz zusätzlicher Betriebsmittel bzw. durch Stilllegung vorhandener Betriebsmittel. Dadurch entstehen sprungfixe Kosten, d. h., die Gesamtkosten steigen stufenförmig an, die

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Durchschnittskosten steigen kurz an und fallen dann wieder. Bei rückläufiger Nachfrage entsteht das Problem der stufenweisen Kostenremanenz. Bei intensitätsmäßiger Anpassung steigen die Kosten ebenfalls progressiv, allerdings ist mit Unwirtschaftlichkeit (steigender Fehlerquote) durch Verschleiß, Überforderung etc. zu rechnen. Darüber hinaus gibt es noch die Produktionsfunktionen vom Typ C (Heinen), D (Leontief), E (Küpper) und F (Matthes), denen jedoch geringe Bedeutung zukommt. 6.4 Produktionslayout Die Produktion kann nach ihrer Faktorintensität unterschieden werden in: • arbeitsintensive Produktion, hier kann zwischen angelernten und fachlich ausgebildeten Kräften unterschieden werden, • betriebsmittelintensive Produktion bei Dominanz maschineller Anlagen, • werkstoffintensive Produktion bei Materialien als qualitativem oder quantitativem Engpass. Die produktionstechnische Transformation kann dabei in einem Arbeitsgang vollzogen werden (einstufig) oder in aufeinander folgenden (zwei- und mehrstufig). Der Automatisierungsgrad kann dabei gering bei manueller Fertigung, mittelhoch bei mechanischer Fertigung oder sehr hoch bei automatisierter Fertigung sein. Hierbei sind vor allem zwei Systeme von Belang, die Werkstattfertigung nach dem Verrichtungsprinzip und die Fließfertigung nach dem Objektprinzip (siehe Abb. C33): • Werkstattfertigungen betreffen Einzel- und Kleinserienfertigungen. Dabei werden funktionsgleiche oder -ähnliche Betriebsmittel räumlich in der Werk-

Abbildung C33: Arten von Fertigungssystemen (eig. Abb.)

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statt zusammengefasst. Der Materialfluss ist daher kurz. Jedoch weist dies erhebliche Produktivitätsdefizite auf, auch sind die Durchlaufzeiten unnötig lang, da es zu Anpassungsfriktionen kommt. Daraus resultieren hohe Bestände an unfertigen Erzeugnissen. Die Produktion erfolgt am Ort der Produktionsfaktoren. Man spricht auch vom Verrichtungsprinzip („Mann zu Ware“). Dabei sind die Kapazitäten der Betriebsmittel aufeinander abgestimmt. Der Transport erfolgt kontinuierlich („Ware zu Mann“). • Bei der Fließfertigung sind die Betriebsmittel in Reihe angeordnet und die Werkstücke bewegen sich von Maschine zu Maschine. Die Kapazitäten werden aufeinander abgestimmt (Taktprinzip), es entsteht eine hohe Produktivität. Die Durchlaufzeiten sind gering, es kommt zur Stückkostendegression. Allerdings ist die Flexibilität der Produktion stark eingeschränkt. Der Ausfall einer Maschine kann bereits die gesamte Fertigung blockieren. Ein Kompromiss beider Systeme ist die Gruppenfertigung (Teilautonome Arbeitsgruppe) als flexibles Fertigungssystem mehrerer Maschinen oder flexible Fertigungslinie mehrerer automatisierter Fertigungseinrichtungen. Die Verbindung wird durch automatisierte Transportsysteme realisiert (Innenverkettung). Dies rechnet sich bei mittelgroßen Fertigungslosen und wechselnden Anforderungen an die Produktion bzw. hoher Fertigungstiefe mit Vor- und Endmontagen. Dazu werden Produktionsinseln gebildet, dort finden sowohl exekutive als auch dispositive Arbeiten statt. Eine Sonderform ergibt sich bei der Baustellenfertigung. Hierbei erfolgt die Produktion ortsgebunden am Ort der Zweckbindung, z. B. Baugewerbe, aber auch bei Domizil-Dienstleistungen. Die Fließfertigung ist dadurch charakterisiert, dass Fertigungsanlagen eingesetzt werden, die auf die jeweilige Verrichtung spezialisiert sind und miteinander über ein Fördermittel verkettet werden. Es handelt sich um eine Spezialisierung nach dem Objektprinzip. Der Weitertransport zwischen den Arbeitsstatio­nen erfolgt in einem gemeinsamen Takt. Es gilt, die Durchlaufzeit eines Werkstücks über alle Stationen zu minimieren. Dabei können die Anzahl der Stationen sowohl als auch die Zeit pro Verrichtung unterschiedlich geplant werden. Die Untergrenze für die Taktzeit ist die längste zusammenhängende Operation, die Obergrenze die gesamte Bearbeitungszeit eines Werkstücks an einer Station. Zwischen mehreren Stationen können Puffer eingebaut werden, um Unregelmäßigkeiten im Arbeitsablauf auszugleichen, die ansonsten das gesamte Fließband betreffen würden. Die Zuordnung der Arbeiten zu Stationen ergibt sich aus der technisch vorgegebenen Reihenfolge. Teilweise ist dabei keine rein sukzessive Bearbeitung möglich, sondern Arbeitsschritte können / müssen parallel ablaufen. Hier bietet die Netzplantechnik Möglichkeiten der optimierenden Layoutgestaltung.

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Das Produktdesign kann vor allem nach Produktionsverbundenheit, -fluss und  -abfolge eingeteilt werden (siehe Abb. C34). Nach der Verbundenheit der Produktion kann unterschieden werden in • unverbundene Produktion, bei der die Produkte unabhängig voneinander hergestellt werden, • alternative Produktion, bei der mehrere Produkte nacheinander auf eine gemeinsame Anlage zugreifen (Engpass), • verkuppelte Produktion, bei der zwangsläufig mehr als ein Produkt im Produktionsprozess anfällt.

Abbildung C34: Elemente des Produktionsdesigns (eig. Abb.)

Der Produktionsfluss kann sich dabei darstellen als • durchlaufend in ununterbrochener Reihenfolge, • konvergierend aus einzelnen Elementen zusammengefügt, z. B. Montage, • divergierend aus einem Element aufgeteilt, z. B. Cracken, • umgruppierend, d. h. einzelne Elemente werden aufgeteilt und neu zusammengefügt. Die Produktionsabfolge gelingt dabei • kontinuierlich wie bei der Fließfertigung, • quasi-kontinuierlich nach Arbeitstakten aufgeteilt oder • diskontinuierlich mit Zwischenlagerung der Werkstücke.

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C. Die Güterwirtschaft der Unternehmung

Die Reihenfolge der Aufträge kann gleichartig oder mehr oder minder stark wechselnd ausgelegt sein. Die Produktion erfolgt auftragsbezogen, wenn ein Kunde als Auslöser des Prozesses dient (Kanban / Pull-Prinzip), oder kann auf Planungen (Prognosen) beruhen. Die Produktion erfolgt meist in Mehrprodukt-Unternehmen, die Investitions- oder Konsumtionsleistungen herstellen. 6.5 Produktionsmanagement Das Produktionsmanagement betrifft die Potenzialgestaltung zur Versorgung der Produktion mit den benötigten Produktionsfaktoren. Bei der Programmgestaltung geht es um die Realisierung vermarktbarer Erzeugnisse in der Produktion. Und bei der Prozessgestaltung handelt es sich um die Transformation von Inputs (Potenziale) zu Outputs (Ergebnisse). Formalziel ist dabei die Gewinnmaximierung, im Betrieb vor allem die Minimierung der Kosten. 6.5.1 Anlagenmanagement

Das Anlagenmanagement betrifft die langfristige Sicherstellung und Verfügbarkeit von Produktionsanlagen als Potenzialfaktoren unabhängig vom Eigentum, die „wiederauffüllbar“ sind (Reparatur). Anlagen sind Betriebsmittel und Sachanlagen, die einer Unternehmung längerfristig zur Nutzung zur Verfügung stehen wie Maschinen, Fahrzeuge, Grundstücke, Gebäude, Mobiliar etc. Merkmale von Anlagen sind folgende: • die Kapazität als maximale Produktionsmenge einer Anlage, • die Flexibilität als Anpassungsmöglichkeit einer Anlage, • die Kompatibilität als Schnittstelleneignung, • die Sicherheit als Gegenwert der Ausfallwahrscheinlichkeit und • die Kostenstruktur als fixe und variable Kosten. Anlagen können auf einen Zweck (Spezialanlagen) hin optimiert oder für mehrere Zwecke (Universalanlagen) ausgelegt sein. Einzweckanlagen weisen in der Regel deutlich höhere fixe Kosten auf (z. B. Espressomaschine), aber auch sehr viel niedrigere variable Kosten als Mehrzweckanlagen (z. B. Kaffeeautomat). Häufig wird auch eine rasche Umrüstbarkeit angestrebt (Single Minute Exchange of Dye) oder eine Plattformfertigung. Die fixen Kosten entstehen durch die Betriebsbereitschaft, die variablen Kosten sind rein nutzungsabhängig. Anlagenpotenziale werden durch Investition auf- bzw. ausgebaut sowie durch Stilllegung teilweise oder vollständig wieder abgebaut. Durch Umfeldveränderungen sind fortwährende Kapazitätsumstrukturierungen erforderlich, z. B. in Bezug auf Modernisierung, Umweltverträglichkeit, Fertigungsschwerpunkt.

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Eine Anlage durchläuft im Zeitablauf folgende Phasen: • In der Projektierung geht es um die Planung der Anlage. Neben der technischen Machbarkeit ist dafür die wirtschaftliche Sinnhaftigkeit entscheidend. Dazu sind neben den Anfangsauszahlungen (Investion) die laufenden Kosten der Anlage im Betrieb, in der Instandhaltung und in der Desinvestition (Entsorgung) zu berücksichtigen (Lifecycle Costs). • In der Bereitstellung geht es um die Beschaffung der Anlage. Dabei kann es sich um Kauf oder Miete (Leasing) handeln. Denkbar sind auch Mischformen. Dabei sind vor allem die Finanzierungsmöglichkeiten von Belang (z. B. Absatzfinanzierung der Anbieter, Leasing). • In der Installation erfolgt die Inbetriebnahme der Anlage. Dazu muss der innerbetriebliche Standort festgelegt werden, die Aufstellung (Montage) und der Anschluss der Anlage erfolgen. Meist wird ein Testbetrieb angeschlossen (Hochfahren der Anlage). • In der eigentlichen Produktion wird die Betriebsbereitschaft der Anlage genutzt. Dazu bedarf es der Inspektion (technische Überwachung), der Wartung (Instandhaltung) und Reparatur (Instandsetzung) der Anlage. • In der Entsorgung erfolgt die Ausmusterung der Anlage. Der Entsorgungszeitpunkt ergibt sich nach Ablauf der technischen oder wirtschaftlichen Nutzbarkeit infolge Obsoleszenz. Es folgt eine Wiederaufbereitung oder die Verschrottung (siehe Abb. C35).

Abbildung C35: Phasen im Anlagenmanagement (eig. Abb.)

Anlagen sind Potenzialfaktoren und umfassen folgende Stellgrößen (siehe Abb. C36): • die Anlagenkapazität als die maximale Produktionsmenge, die auf einer Anlage produziert werden kann, • die Anlagenflexibilität als die Möglichkeit, die Anlage an veränderte Produktionsbedingungen anzupassen,

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C. Die Güterwirtschaft der Unternehmung

• die Anlagenkompatibilität als die Integration einer neuen Anlage in eine bestehende Betriebsausstattung, • die Anlagensicherheit als die Ausfallwahrscheinlichkeit einer Anlage (auch in Bezug auf Arbeitsschutz), • die Anlagenkosten als Anschaffungs- und laufende Kosten der Anlage.

Abbildung C36: Aktoren im Anlagenmanagement (eig. Abb.)

Bei der Anlage kann es sich um Universalmaschinen oder Spezialmaschinen handeln. Letztere sind auf einen Produktionszweck hin optimiert und weisen höhere Fixkosten (Bereitschaftskosten), aber niedrigere variable Kosten (Betriebskosten) auf als erstere. Die Kapazitätsgestaltung bezieht sich auf den Ausbau von Produktionspotenzialen durch Einrichtungs- und Erweiterungsinvestitionen, den Erhalt der Kapazitäten über Erhaltungsinvestitionen, den Abbau von Kapazitäten mit Stilllegungs- und evtl. Wiederingangsetzungskosten oder die Kapazitätsumstrukturierung. 6.5.2 Technologiemanagement

Unter Technologien versteht man Lösungsprinzipien für betriebliche Anwendungen, die auf naturwissenschaftlich-technischem Wissen um Wirkungszusammenhänge beruhen. Ergebnisse kommen im technischen Fortschritt zum Ausdruck, der sich in Produkten oder Prozessen materialisiert. Die Invention bezieht sich auf die geplante oder ungeplante Erfindung bzw. die Entdeckung technischer Sachverhalte, die Innovation bezieht sich auf die wirtschaftliche Nutzbarmachung der Invention. Die konkrete Anwendung der Technologie ist die Technik. Zwei oder mehr Technologien können in komplementärem oder konkurrierendem Verhältnis zueinander stehen. Sie können für verschiedene Problemlösungen einsetzbar sein oder auf ein bestimmtes Anwendungsgebiet hin zugeschnitten. Technologien entwickeln sich in Zyklen, die in immer kürzeren Abständen aufeinander abfolgen. Im Rahmen der Forschungsförderung unterstützen Öffentli-

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che Hände die FuE. Patente sind Gewerbliche Schutzrechte zur Monopolisierung von FuE-Ergebnissen, diese können selbst genutzt, an Dritte verkauft oder für diese auslizenziert werden. Innerhalb mehrerer Technologien unterscheidet man • neutrale Technologien, die sich gegenseitig nicht beeinflussen, • komplementäre Technologien, die einander gegenseitig bei der Problemlösung unterstützen, • konkurrierende Technologien, die dasselbe Problem mit verschiedenen Technologien angehen. Auf einer anderen Ebene ergeben sich außerdem • Querschnittstechnologien, die sich in verschiedenen Produktionsbereichen einsetzen lassen, • spezifische Technologien, die auf ein bestimmtes Anwendungsgebiet zugeschnitten sind. Ferner gibt es nach ihrem Inhalt • Produkttechnologien, die sich auf neue Produkte beziehen, • Prozesstechnologien, deren Gegenstand Produktionsverfahren sind. Nach dem Wettbewerbspotenzial gibt es • Zukunftstechnologien für die fernere Zukunft, • Schnittmachertechnologien für die nähere Zukunft, • Schlüsseltechnologien für die nächste Produktionsgeneration, • Basistechnologien für die Gegenwart der Produktion (siehe Abb. C37). Dabei nimmt der Beherrschungsgrad mit steigender Gegenwartsferne zu. Festzustellen ist zudem, dass die Innovationszyklen immer schneller aufeinander abfolgen. Zugleich werden die Vorarbeiten für neue Technologien immer aufwändiger und der Vermarktungszeitraum dafür immer kürzer. Insofern besteht die Gefahr einer Zeitfalle. Dieser kann begegnet werden, indem die Vorlauffristen verkürzt (z. B. durch Simultaneous Engineering, Leapfrogging) und die Marktpräsenz verlängert wird (z. B. durch Relaunch / Produktmodifikation). Technik bezeichnet die konkrete Anwendung einer Technologie. Im Ergebnis kommt es zu fortschreitendem technischen Fortschritt durch Innovationen. Dabei können Wellen in größeren Abständen ausgemacht werden (Kondratjew: Bekleidung, Transport, Massenkonsum, Mobilität, Kommunikation, Gesundheit). Die Technologie unterliegt einem Lebenszyklus (meist als s-förmig unterstellt).

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Abbildung C37: Wettbewerbspotenzial der Technologie (eig. Abb.)

Die Ablösung folgt der Substitutionszeitkurve als kumulierter Lebenszykluskurve. Das FuE-Management kann sich marktgetrieben (Pull) vollziehen oder technologiegezogen (Push). Das Ausmaß hängt von der Innovationsneigung der Unternehmung ab. Es bedarf der Planung, der Budgetierung und der Organisation. Dabei sind umfangreiche Risiken involviert. Diese beziehen sich vor allem auf die Bereiche Technik, Kosten, Zeit und Wirtschaftlichkeit. Häufig werden auch andere als die beabsichtigten Resultate erreicht (Serendipität). Dafür ist dann eine Verwertung bereitzustellen. Die FuE-Implementierung bietet neben der immer nutzbaren Eigen-FuE weitere Möglichkeiten (siehe Abb. C38): • Bei der Auftrags-FuE wird die Forschung und Entwicklung outgesourced. Vorteile sind der Verzicht auf eigene, kostenintensive Arbeiten und die Möglichkeit, auf Spezialgebieten Skaleneffekte zu erzielen. Nachteile sind die Gefahr

Abbildung C38: Umsetzung der Forschung & Entwicklung (eig. Abb.)

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der ungewollten Wissensdiffusion, die Abhängigkeit von den Arbeiten Dritter und die Aufgabe der eigenen Fähigkeiten. • Bei der Gemeinschafts-FuE wird die Forschung und Entwicklung in horizontaler oder vertikaler Kooperation durchgeführt. Vorteile sind der Know-howund Kompetenzgewinn bei gleichzeitiger Nutzung von Synergiepotenzialen, die Kostenreduktion durch Verkürzung der Entwicklungszeit, die Risikoteilung und Vermeidung von Doppelarbeiten, die Ausschöpfung von Größenund Spezialisierungseffekten, der bessere Einstieg in neue Technologien, die Gestaltung gemeinsamer Normen und Standards sowie die Erleichterung des Marktzugangs durch größere Marktmacht. Nachteile sind die Abhängigkeit von den Kooperationspartnern, der Verlust von Eigenständigkeit und Flexibilität, die hohen Transaktionskosten durch Informationsaustausch und laufende Koordination, die Schwierigkeit bei der Zurechnung von Beiträgen und Ergebnissen, der Verlust des eigenen Wissensvorsprungs und die Gefahr der falschen Partnerwahl. • Bei der Lizenz-FuE werden die Forschungs- und Entwicklungsergebnisse Dritter einlizenziert. Vorteile sind der Verzicht auf eigene kostenintensive FuE und die schnelle und gezielte Beschaffung von Spezialwissen. Nachteile sind die limitierten Quellen für die Wissensübernahme, die begrenzte Nutzbarkeit der Schutzrechte, der erhebliche Zeitaufwand bis zum Lizenzerhalt und die schwierige Absetzung von Konkurrenten durch mangelnde Exklusivität. • Bei der Kauf-FuE werden die Forschungs- und Entwicklungsergebnisse Dritter erworben. Vorteile sind der Verzicht auf eigene kostenintensive FuE und die Möglichkeit zum Ausgleich interner Wissensdefizite. Nachteile sind die Abhängigkeit vom anbietenden Innovator und die Aufgabe wertschöpfender Aktivitäten in diesem Bereich. 6.5.3 Kapazitätsmanagement

Unter Kapazität versteht man das maximale Leistungsvermögen eines Betriebsmittels in einer Periode. Die quantitative Kapazität hebt dabei auf die Menge ab, die qualitative Kapazität auf die Leistungsarten. Die Maximalkapazität kann real kaum ausgenutzt werden infolge Ausfallzeiten, Rüstzeiten etc. Die optimale Kapazität ergibt sich im Stückkostenminimum einer Anlage. Bei mehrstufiger Produktion ist für die Planung der Engpasssektor ausschlaggebend (Ausgleichsgesetz der Planung), solange hier keine Kapazitätsausweitung erreicht wird, sind Überkapazitäten in anderen Sektoren gegeben und bewirken Unwirtschaftlichkeiten. Sinnvoll sind daher die detaillierte Planung dieser Engpasssektoren, die Vorwärts- und Rückwärtsterminierung von Aufträgen und die Simulation des Systemverhaltens (Optimized Production Technology / OPT). Der Kapazitätsnutzungsgrad gibt die Relation von genutzter zu nutzbarer Kapazität wieder. Eine Kapazitätsanpassung an die Nachfrage ist wünschenswert,

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jedoch schwierig zu realisieren infolge Leerkosten und fehlender Flexibilität. Eine Ausrichtung an der maximalen Nachfrage ist daher normalerweise nicht empfehlenswert. Eine Kapazitätsverstetigung kann durch Hereinnahme von Zusatzaufträgen, zeitliches Vorziehen von Aufträgen, Vergrößerung von Losen, Kurzarbeit, Schichtabbau, Teilstilllegung etc. bei Unterausdeckung bzw. Fremdvergabe von Aufträgen, spätere Produktion, Losteilung, Überstunden, Zusatzschichten, Nutzung von Reserveanlagen etc. bei Überausdeckung erfolgen. Eine Kapazitätsanpassung stößt häufig an enge Grenzen, daher kann versucht werden, die Nachfrage zu verstetigen. Hierzu bietet sich die Preispolitik zur Steue­rung an. So können höhere Preise bei zu vermutender Überlast erwogen werden bzw. Preisnachlässe bei zu vermutender Unterlast, denkbar ist auch ein Yield Management bei verbreiteten Dienstleistungen. Anlagen sind wirtschaftlich, aber oft auch technisch nur bei angemessener Auslastung sinnvoll nutzbar. Die Wirtschaftlichkeit einer Anlage ergibt sich durch deren Verfügbarkeitsgrad (Ausfallzeit), deren Leistungsgrad (Effizienz) und deren Qualitätsgrad (einwandfrei erbrachte Leistung). Diese drei Größen werden in der Overall Equipment Effectiveness (OEE) zu einer Kennziffer multiplikativ verknüpft. 6.5.4 Produkt und Programm

Die Produktentwicklung erstreckt sich über verschiedene Stufen. Am Anfang steht eine Produktidee. Diese wird in einem Produktkonzept konkretisiert. Da­ raus ergibt sich ein Prototyp zur Prüfung der wirtschaftlichen Durchführbarkeit. Daran schließt sich die Prüfung der technischen Durchführbarkeit in einer Nullserie an. Bei Gelingen folgt daraus die Serienfertigung. Von Zeit zu Zeit sind Produktveränderungen erforderlich (Produktdifferenzierung, Produktvariation, Produktstandardisierung). Denkbar ist auch die Produkteliminierung. Dabei sind strikte Anforderungen im Qualitätsmanagement zu berücksichtigen. Hinzu kommen Aspekte des Risikomanagements bei Gefährdungshaftung durch Risikovermeidung und -verminderung, Risikoausgleich durch Kompensation und / oder Risikoüberwälzung an Dritte. Notfalls ist ein Produktrückruf erforderlich. Vorbeugende Maßnahmen betreffen die Nutzung • des Redundanzprinzips durch Vorhalten einer Reserve oder einer Fallback-Lösung, • des Fail-Safe-Prinzips zur Vermeidung der Ausweitung der Fehlerfolgen, • der Produktsicherheit zur Erfüllung gesetzlicher Anforderungen, • der Verwendung von Prüfzeichen (Produkt) oder Zertifizierungen (Prozess). Die Produktionsprogrammplanung bezieht sich im Einzelnen auf die Breite des Programms, die Tiefe des Programms und die Struktur des Programms. Liegt

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in der Produktion kein Kapazitätsengpass vor, ist der absolute Deckungsbeitrag für die Zusammensetzung des Programms ausschlaggebend. Besteht ein Kapazitätsengpass, ist der relative Deckungsbeitrag die entscheidende Kenngröße (Quotient aus Stückdeckungsbeitrag / Spanne und Produktionskoeffizient / Kapazitätsbedarf je Einheit). Bestehen mehrere Kapazitätsengpässe, sind Operations Research-Methoden einzusetzen (z. B. lineare Optimierung). Im Rahmen der Fließfertigung ist auch eine Abstimmung der Reihenfolgeplanung erforderlich. Dies erfolgt durch Netzpläne. 6.5.5 Fertigungssysteme

Bei der Produktion können zwei Prinzipien unterschieden werden, Push und Pull. Nach dem Push-Prinzip erfolgt eine Produktion auf Vorrat. Die Bestände werden dazu bei häufig mehrstufiger Fertigung von Fertigungsstufe zu Fertigungsstufe weitergegeben. Dadurch erfolgt eine Entkopplung von Produktion und Markt. Allerdings ergeben sich große Unwirtschaftlichkeiten im Betrieb. Nach dem Pull-Prinzip geht der Anstoß zum Tätigwerden vom Markt aus, ohne Nachfrage also keine Produktion. Zwischen beiden Prinzipien gibt es Hybridformen mit unterschiedlichen Auftragsauslösungspunkten (siehe Abb. C39): • Make to Stock bedeutet, dass die gesamte Wertschöpfungskette prognosegetrieben ist, dies entspricht dem kompletten Push-Prinzip. • Make to Order bedeutet eine Beschaffung im Push-Prinzip, Teilefertigung, Vor- und Endmontage aber im Pull-Prinzip. • Subassemble to Order bedeutet die Beschaffung und Teilefertigung im Push-Prinzip, Vor- und Endmontage aber im Pull-Prinzip. • Assemble to Order bedeutet Beschaffung, Teilefertigung und Vormontage im Push-Prinzip, die Endmontage erfolgt im Pull-Prinzip. • Purchase to Order bedeutet, dass die gesamte Wertschöpfungskette auftragsbezogen ist, dies entspricht dem kompletten Pull-Prinzip.

Abbildung C39: Auftragsauslösungspunkte im Pull-Effekt (eig. Abb.)

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Die Zwischenformen führen zu Formen der Mass Customization, also einer maßgeschneiderten Massenproduktion. Dabei wird versucht, zu Kosten ähnlich denen der Massenproduktion kundenindividuelle Leistungen zu erstellen. Je mehr das Pull-Prinzip dominiert, desto höher sind c. p. die Stückkosten, aber auch desto individueller ist das Ergebnis. Der Markt toleriert erfahrungsgemäß ca. 20 – 30 % Aufpreis für Taylormade Productions. Bei der innerbetrieblichen Standortplanung soll im Regelfall auf eine vorab bestimmte Fläche eine gegebene Menge von Anordnungsobjekten platziert werden. Die zwischen ihnen bestehenden Mengenflüsse sind bekannt und sollen minimiert werden. Es geht um eine Verkürzung der Transport- und Durchlaufzeiten. Sind alle Flächen gleich groß, kann eine Minimierung, ausgehend von einer Startkonfiguration, durch Cityblock-Metrik (rechtwinklig) oder Euklidsche Metrik (Luftlinie) erreicht werden. Komplizierter wird es, wenn verschiedene Transportstrecken mit unterschiedlichen Kostensätzen verbunden sind. 6.6 Operations Management Bei den Materialien handelt es sich um Rohstoffe, Hilfsstoffe, Betriebsstoffe und Vorprodukte. Bei Vorprodukten wiederum handelt es sich um Bauteile, Baugruppen, Zwischenprodukte und Halbfabrikate, also be- oder verarbeitete Rohstoffe. Die Materialien sollen in der richtigen Menge, in der richtigen Qualität, am richtigen Ort und zur richtigen Zeit vorhanden sein (Aufgabe der Logistik). Dies wiederum soll zu minimalen Kosten erfolgen. Es ist sinnvoll, die Materialien nach ihrer Bedeutung in A-, B- und C-Teile einzuteilen. Dabei gilt die 80 : 20-Regel, d. h. 20 % der Teile machen erfahrungsgemäß 80 % des Beschaffungsvolumens oder -werts aus (Pareto-Prinzip). Gleichfalls können die Teile nach ihren Beschaffungsmustern in X-Teile mit hohem, aber regelmäßigem Verbrauch, Y-Teile mit mittlerem, schwankendem Verbrauch und Z-Teile mit geringem schwankenden Verbrauch eingeteilt werden. Die Materialbedarfsplanung erfolgt durch Auflösung der Stücklisten für die zu produzierenden Teile. Eine Stückliste ist eine Zusammenstellung aller zur Fertigung eines Produkts benötigten Teile (Materialien, Baugruppen etc.). Die Mengenstückliste führt die Produktbestandteile auf, die Strukturstückliste gibt die Reihenfolge ihrer Verbauung an. Die Baukastenstückliste gibt die Verarbeitungsstufen bei mehrstufiger Produktion an. Die Stücklistenauflösung kann sukzessiv oder simultan erfolgen. Sofern ein mehrstufiger Produktionsprozess vorliegt, ist eine Losgrößenplanung erforderlich. Sind die einzelnen Produktionsstufen nicht perfekt aufeinander abgestimmt, was praktisch häufig zu unterstellen ist, werden überschüssige Mengen auf ein Zwischenlager transferiert bzw. fehlende Mengen von diesem entnommen, um zu optimalen Losgrößen zu gelangen. Die Losgröße ist diejenige

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Anzahl von Produkten, die auf einer Anlage ohne Stillstand und ohne Unterbrechung hergestellt wird, bzw. bei Fremdbezug diejenige Anzahl von Produkten, die bei einem Lieferanten gemeinsam bestellt wird. Die optimale Losgröße liegt dort, wo die Summe aus Rüstkosten pro Stück zur Einrichtung der Anlage (mit Fixkostendegression) und Produktionskosten pro Stück (variable Kosten) insgesamt minimal ist. Bei kleineren Losgrößen ist die Kostendegression noch nicht weit genug fortgeschritten, um auf ein genügend niedriges Niveau zu führen, bei größeren Losen entstehen Kapitalbindungskosten für die Vorhaltung des großen Vorrats, die ebenfalls kostensteigernd wirken. Bei einem Lager kann es sich um das Wareneingangslager handeln, ein Zwischenlager oder das Ausgangslager (Fertigwarenlager). Ebenso ist eine optimale Größe der Lagerhaltung zu bestimmen. Einflussfaktoren darauf sind die Fixkosten des Lagers aus Abschreibungen, Energie, Lohn etc., die losfixen Kosten aus Lieferung, Einlagerung, Auslagerung etc., die variablen Lagerhaltungskosten mit Zinsen, Versicherung, Schwund etc. und die Fehlmengenkosten durch Vertragsstrafen, Kundenverlust etc. Die Gesamtkosten ergeben sich im Minimum dieser Kostenpositionen. Für die Berechnung der optimalen Lagerhaltung gibt es verschiedene Rechenmodelle (z. B. Andler). Allerdings sind dabei rigide Randbedingungen gegeben, so werden Fehlmengen, Rabatte, Lieferfristen, Mehrproduktfälle, Kapazitätsgrenzen etc. als nicht gegeben unterstellt. Für die Losgrößenplanung können auch verbrauchsgesteuerte Dispositionsverfahren genutzt werden. Sie arbeiten aufgrund von Verbrauchsprognosen und leiten daraus Bestellmengen und Bestelltermine ab. Mithilfe des MRP I (Material Requirement Planning) kann der Materialbedarf für die vorgesehene Produktion ermittelt werden. Er entsteht im Wesentlichen durch Kombination mehrerer Stufen. Ausgangspunkt ist das Produktions­ programm mit dem daraus resultierenden Primärbedarf an Endprodukten. Durch Stücklistenauflösung (Stücklistengenerator) entsteht der Sekundärbedarf an Zwischenprodukten. Dieser wird mit den Lagerbeständen abgeglichen, so dass sich der Nettobedarf ergibt. Durch Zusammenfassung von Bedarfsmengen ergibt sich so die Losbildung. Werden nunmehr noch durch Rückrechnung die Termine berücksichtigt, zu denen Teilmengen bereitstehen sollen, kann gestartet werden. Bei der Ablaufplanung geht es speziell um die Reihenfolgeplanung in der Produktion. Diese ist im Einzelnen abhängig von der Anzahl der Fertigungsstufen, dem Fertigungstyp (also Reihen- oder Werkstattfertigung), der Anzahl und Art der Anlagen, der Anzahl und Art der zu bearbeiteten Aufträge sowie zusätzlichen Ressourcenbeschränkungen wie vorgegebene Bearbeitungsreihenfolgen, Fertigstellungstermine, Kapazitäten etc. Relevante Einflussgrößen sind hier Rüstkosten, Verzugskosten, Zinskosten etc. Diesen kann durch Minimierungen der Durchlaufzeit, der Maschinenbelegungszeit und von Lieferterminabweichungen Rechnung getragen werden. Dabei besteht ein impliziter Zielkonflikt zwischen

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der Minimierung der Durchlaufzeiten und der Maximierung der Kapazitätsauslastung (bzw. Minimierung der Leerzeiten). Zur Lösung stehen quantitative und heuristische Verfahren zur Verfügung, z. B. für erstere das Gantt-Diagramm (Darstellung von Reihefolgenplänen) oder für letztere die Prioritätsregeln. Diese geben u. a. folgende Optionen für eine Priorität vor: • kürzeste Gesamtbearbeitungszeit, • kürzeste Restbearbeitungszeit, • geringste Differenz zwischen Liefertermin und ausstehenden Bearbeitungszeiten (Schlupfzeit), • First come-first served-Basis. Weitere Verfahren sind die belastungsorientierte Auftragsfreigabe, die optimierte Produktionstechnologie oder das Kanban-System. Hinzu kommen hierarchische Ansätze durch Dekomposition (Aufteilung) des Gesamtplanungsproblems und anschließende Aggregation (Verdichtung) der Elemente. Die Koordination der Pläne erfolgt Top down in der Hierarchie, nach pretialer Lenkung, durch Schlupf, Entscheidungsgremien etc. Häufig wird mit den Produktgruppen begonnen, es folgen die Produktfamilien bis zu den einzelnen Artikeln. Diese Planung wird durch PPS-Systeme unterstützt. Dabei handelt es sich um ein umfassendes, computergestütztes Informations-, Dispositions- und Steuerungssystem, das auf einer zentralen Datenbank aufbaut und die Abstimmung von Entscheidungen der Produktionsplanung und -steuerung unterstützt. Ausgangspunkt ist dabei die Stücklistenauflösung. Im Zeitablauf können mehrere Generationen von PPS-Systemen unterschieden werden (siehe Abb. C40): • Am Anfang stand die Stücklistenauflösung mit der Prognose der Primärbedarfsmengen. Ebenfalls ist die Auftragsverwaltung zu nennen, welche die Bestände in End- und Zwischenproduktlagern steuert. • Daraus entstand das Material Requirement Planning (MRP I) als terminierte Fertigungslose auf Basis der Stücklistenauflösung und der prognostizierten

Abbildung C40: Generationen von PPS-Systemen (eig. Abb.)

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Primärbedarfsmengen sowie das Manufacturing Resource Planning (MRP II) unter Berücksichtigung der geplanten Lose und verfügbaren Kapazitäten. Bei beiden handelt sich es um iterativ vorgehende Planungsansätze, die eine funktionale Aufteilung im Betrieb zugrunde legen. Das heißt, zunächst werden die zeitlich vorgelagerten Bereiche geplant und darauf aufbauend die zeitlich nachgeordneten. • Eine Weiterentwicklung stellen Enterprise Resource Planning-Systeme (ERP) dar, die ganzheitliche Geschäftsprozesse planen und verschiedene Funktio­ nen integrieren. Dadurch sind eine Automatisierung von Planungsabläufen und eine Standardisierung von Geschäftsprozessen möglich. Die bekannteste ERP-Lösung stammt von SAP unter der Bezifferung R/3 und umfasst die Module Logistik (SD Vertrieb, MM Materialwirtschaft, PP Produktionsplanung, QM Qualitätsmanagement, PM Instandhaltung), Rechnungswesen (FI Finanzwesen, CO Controlling, IM Investitionsmanagement), PS Projektsystem, HR Personalwirtschaft, WF Workflow, IS Branchenlösungen (siehe Abb. C41). • Aktuell wird das Supply Chain Management im Rahmen von Advanced Planning Systems (APS) in den Mittelpunkt gestellt, da im Zuge des Outsourcing Zulieferernetzwerke entstanden sind. Sie umfassen Beschaffung, Produktion, Distribution und Absatz und betreffen sowohl die kurzfristige als auch die mittel- und langfristige Planung von Bestellmengen, Losgrößen, Reihenfolgen, Lagerung, Transport und Absatz. Alle Systeme verwalten Kundenaufträge, Lagerbestände, Produktionsprogramme, Materialbedarfe, Termine etc. auf Basis einer zentralen Datenbank. Der

Quelle: einkauf.oesterreich.com/ERP-WS060302/bild/SAP_R3.html

Abbildung C41: SAP R/3-Module

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Aufbau ist im Regelfall modular und damit individuell anpassbar. Die Datenbank enthält die relevanten Bestands- und Bewegungsdaten für die Produktion, die stetig aktualisiert und an Umfeldveränderungen angepasst werden. In der Produktionsplanung geht es um die Programmplanung aufgrund von Aufträgen und Marktprognosen. Daraus folgen Stücklistenverwaltung und Losgrößenbestimmung sowie Terminierung und Kapazitätsplanung. Die Produktionssteuerung übernimmt die Auftragsfreigabe, die Ablaufüberwachung und die Qualitätskon­ trolle. Insgesamt wird allerdings wegen des Top down-Vorgehens keine Optimierung erreicht. In der Produktionsplanung werden die Arten und Mengen der in den nächsten Perioden herzustellenden Endprodukte auf Basis von Kundenaufträgen bestimmt. Bei Serien- und Massenfertigung erfolgt die Produktion auf Basis von Absatzprognosen. Die Materialwirtschaft ermittelt den Bruttobedarf an Rohstoffen, Fremdteilen und Zwischenprodukten und reserviert entsprechende Bestände. Ggf. werden Einkaufs- oder Fertigungsaufträge erteilt, um die Lagerbestände aufzustocken. Außerdem erfolgt die Bündelung zu Losgrößen. In der Zeitwirtschaft erfolgt die Planung der Fertigungstermine sowie die Reservierung der dafür erforderlichen Kapazitäten. Dann ist eine Planung über alle Fertigungsstufen mit dem Ziel der Minimierung der Durchlaufzeiten erforderlich. Dabei wird zumeist auf Erfahrungswerte (Heuristiken) zurückgegriffen. Auf Basis der Maschinenbelegungspläne werden die Fertigungsaufträge freigegeben und eingelastet (realisiert). Ferner werden die Auftragsverwaltung und die Lagerbestandsführung übernommen. Problematisch ist die Einpflegung von Sonderaufträgen, z. B. Eilaufträge, Sonderanfertigungen, Einzellose.

6.7 Produktionsverschlankung Lean Production folgt dem Grundgedanken der Kombination aus Einzel- und Massenfertigung. Als Mittel wird eine Verschlankung der Administrations- und speziell Fertigungsbereiche angesehen. Dies bezieht sich auf Personalbedarfe, Flächenbedarfe, Investitionsvolumina, Lieferzeiten, Produktentwicklungszeiten, Lagerbestände etc. Daraus ist ein deutlicher Wettbewerbsvorteil ableitbar. Dafür gibt es vielfältige Ansatzpunkte: • Der Einsatz flexibler Fertigungssysteme bedingt den Einsatz von Mehrzweckstatt Einzweckanlagen, eine geringe Arbeitszerlegung und Gruppenarbeit (Teilautonome Arbeitsgruppen / Personalentwicklung). • Fertigungspuffer sollen reduziert werden (Kapitalbindung im Umlaufvermögen), Verschwendung soll vermieden werden und das Flussprinzip von Push auf Pull (Kanban) umgestellt werden. Hinzu kommt eine Lieferantenhierarchie mit Komplexitätsreduktion. • Eine Verkürzung der Entwicklungs- und Fertigungszeiten soll erreicht werden. Dies bedingt weniger Rüstzeiten und schnelle Werkzeugwechsel.

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• Die Fertigungstiefe soll verringert werden, indem sich jede Unternehmung auf ihre Kernkompetenz konzentriert und vernetzt arbeitet. • Overheads sollen durch schlanke Aufbauorganisationsstrukturen reduziert werden. Dies erfolgt etwa durch Mehrlinienorganisationsformen. Unterstützend wirkt ein verbesserter Informationsaustausch. • Vermeidung von Verschwendung infolge Überproduktion, überhöhter Lagerhaltung, unnötigen Wartezeiten und Transportvorgängen, nicht wertschöpfenden Bearbeitungen, unproduktiven Bewegungen und vermeidbarem Ausschuss. • Kontinuierliche Verbesserung (Kaizen) zielt auf die schrittweise, aber ständige Verbesserung der Prozesse und Ergebnisse ab. • Qualität gilt als wesentlicher Erfolgstreiber. Es bedarf robuster Prozesse, um auch bei Schwankungen eine überragende Qualität sicherstellen zu können. • Standardisierung der Schlüsselprozesse gemäß Standardarbeitsblättern („Blaupause“) durch Unterscheidung in Standard- und Ausnahmeprozesse. Eine Absicherung erfolgt durch visualisierte Standards (farbliche Markierungen, feste Stellplätze, Behälter etc.). Diese Erkenntnisse werden konsequenterweise durch japanische Begriffe gekennzeichnet. Im Folgenden einige wichtige von ihnen: • Andon ist ein optisches Informationssystem in der Produktion („Werkstatt“) mit zentraler Anzeige des Problemorts bei einer Fehlerentdeckung. Mitarbeiter, die Fehler entdecken, betätigen den Andon-Knopf oder eine Zugleine. Sodann eilen Kollegen oder eigene Springerkolonnen herbei, um den Fehler noch innerhalb desselben Produktionsabschnitts zu beheben. Ist dies nicht möglich, folgt ein manuell ausgelöstes Anhalten des Produktionsflusses. Dann stoppt der Produktionsfortschritt solange, bis der Fehler behoben ist, erst dann wird die Fließfertigung wieder in Gang gesetzt. Zugleich wird die Fehlerursache ermittelt und ein für alle Mal abzustellen versucht. • Gemba meint die Werkstatt als Ort der Wertschöpfung. Die Verwaltung wird dabei nur als Serviceabteilung gesehen. Insofern ist immer der Arbeitsplatz „am Band“ aufzusuchen, wenn ein Problem auftritt. Notwendig sind dann eine Überprüfung der Arbeitsumgebung, also von Menschen, Maschinen, Materialien und Mitteln sowie die Ursachenanalyse und Fehlerquellenbeseitigung zur Vorbeugung gegen ein Wiederauftreten desselben Fehlers. • Unter Heijunka versteht man die Harmonisierung des Produktionsflusses durch mengenmäßigen Produktionsausgleich, der Warteschlangen infolge Liege- und Transportzeiten vermeidet. An die Stelle der Werkstatt- tritt die Fließfertigung mit kurzen Transportwegen und Komplettbearbeitung. • Jidoka ist ein selbststeuerndes Fehlererkennungssystem mit Sensoren an Maschinen, die bei Fehlfunktion automatisch ansprechen. Sie halten Maschinen an, um zu unterbinden, dass Fehler sich im Produktionsfluss weiter transportieren.

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Ein weiteres großes Feld neben der laufenden Produktion ist die Instandhaltung der Anlagen. Bei Total Productive Maintenance / TPM geht es vorbeugend um die zeitbezogene Instandhaltung in starren Intervallen oder die zustandsbezogene Instandhaltung entsprechend der Inspektion bzw. wiederherstellend um die schadensbezogene Instandhaltung als Reparatur von defekten Komponenten. Im Mittelpunkt steht die optimale Nutzung der Produktionskapazitäten durch Beseitigung der sechs großen Verlustquellen bei Produktionsanlagen: • Anlagenausfall,  Rüst-/Einrichtezeiten,  Leerlauf / Kurzstillstände,  verringerte Taktgeschwindigkeit, Ausschuss / Nacharbeit, Anlaufschwierigkeiten. Diese Verlustquellen werden durch folgende Maßnahmen (5 S’s) vermieden: • Seiri, d. h. Maßnahmen wie Ordnung schaffen / Sortieren, Notwendiges von Nichtnotwendigem trennen, alles Nichtnotwendige entfernen wie überhöhte Umlaufbestände, unnötige Werkzeuge, fehlerhafte Teile, überflüssige Akten etc. und sich auf das wichtigste konzentrieren. • Autonome Instandhaltung (Seiton) bedeutet, dass die an einer Produktionsanlage arbeitenden Mitarbeiter für das reibungslose Funktionieren verantwortlich sind und Maßnahmen zur Aufrechterhaltung und Verbesserung des Anlagenzustands selbstständig durchführen wie kontinuierliche Wartung, periodische Inspektion, Instandsetzung / Reparatur etc. Dies erfordert Ordnungsliebe und einwandfreien Zustand aller Arbeitsmittel, jeder Gegenstand soll dabei griffbereit am richtigen Platz aufbewahrt werden. • Grundlage ist ein geplantes Instandhaltungsprogramm, das turnusmäßig die maschinellen Produktionsvoraussetzungen überprüft (Seiso). Seiso bedingt Sauberkeit von Maschinen und Werkzeugen, der Arbeitsplatz ist nach jedem Arbeitsgang zu reinigen. • Notwendig sind Schulungen und Trainings der Mitarbeiter in Bezug auf kompromisslose Qualität in der Produktion (Seiketsu). Seiketsu bewirkt Standardisierung, Planung, Checklisten, Dokumentation etc., die dadurch zur persönlichen Gewohnheit werden sollen. • Der Schwerpunkt liegt aber auf der Instandhaltungs-Prävention (Shitsuke), die Ausfälle oder Leistungsminderungen für hohe Prozesssicherheit proaktiv verhindert. Shitsuke ist nur möglich, wenn Disziplin, Standards, Regeln und Vorschriften ausnahmslos eingehalten werden. Eine weitere Methode ist das Simultaneous Engineering (SE), bei dem von Beginn der Produktentstehung an alle betroffenen Bereiche parallel in sich überlappenden Tätigkeiten an parallelisierten Aufgaben zusammenarbeiten und auf diese Weise frühzeitig ihr spezifisches Wissen teilen. Die Zusammenarbeit erfolgt in interdisziplinären Teams unter Leitung von Projektmanagern mit dem Ziel einer drastischen Verkürzung der Markteinführungszeit bei gleichzeitiger Steigerung der Entwicklungsqualität und Reduzierung der Kosten. In der Produktentwicklung wird der größte Anteil der Kosten bereits vorbestimmt.

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SE führt zur Vermeidung von Rücksprüngen. Traditionell sequenziell erfolgende Abläufe der Produkt- und Produktionsmittelentwicklung sind, auch unter frühzeitiger Einbeziehung externer Kooperationspartner, zeitlich stärker zu parallelisieren. Dazu müssen Lieferanten, Komplementär-Anbieter und Abnehmer (Verwender / Weiterverarbeiter) einbezogen und koordiniert werden, etwa durch Nutzung von computergestützter Koordination (CAD), Engineering (CAE), Fertigung (CAM) etc. Basis ist die Erkenntnis, dass die Vermarktungsfrist angesichts rasanten technischen Fortschritts immer weiter schrumpft, zugleich die Vorlaufzeiten für die Vermarktungsreife aber steigen. Damit wird die Chance für Anbieter, immer höhere Vorinvestitionen am Markt zurück zu verdienen, immer geringer. Als Reaktionen bleiben eine Verlängerung der Marktpräsenzzeit durch Relaunch (Stretching) bzw. Steigerung des Absatzvolumens (Leveraging) oder aber eben eine Verkürzung der Vorlaufzeiten durch SE.

Literaturhinweise Bloech, Jürgen / Bogaschewsky, Ronald / Buscher, Udo / Daub, Anke / Götze, Uwe / Folker, Roland: Einführung in die Produktion, 7. Auflage, Wiesbaden 2014 Fandel, Günter / Fistek, Allegra / Stütz, Sebastian: Produktionsmanagement, 2. Auflage, Berlin / Heidelberg 2010 Gottmann, Juliane: Produktionscontrolling, Wiesbaden 2016 Grabner, Thomas: Operations Management, 2. Auflage, Wiesbaden 2015 Kiener, Stefan / Maier-Scheubeck, Nicolas / Obermaier, Kurt / Weiß, Manfred: ProduktionsManagement, 10. Auflage, München / Wien 2012 Reese, Joachim: Operations Management, München 2013 Schönsleben, Paul: Integrales Logistikmanagement, 6. Auflage, Wiesbaden 2011 Schuh, Günther / Schmidt, Carsten (Hrsg.): Produktionsmanagement, 2. Auflage, Berlin / Heidelberg 2014 Sihn, Wilfried / Sunk, Alexander / Nemeth, Tanja / Kuhlang, Peter / Matyas, Kurt: Produktion und Qualität, München 2016 Slack, Nigel / Chambers, Stuart / Johnston, Robert: Operations Management, 4th Edition, Illinois 2003 Steven, Marion: Produktionsmanagement, Stuttgart 2014 Syska, Andreas: Produktionsmanagement, Wiesbaden 2006 Thonemann, Ulrich: Operations Management, München 2015 Vahrenkamp, Richard: Produktionsmanagement, München / Wien 2008 Zäpfel, Günther: Strategisches Produktions-Management, 2. Auflage, München / Wien 2000

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C. Die Güterwirtschaft der Unternehmung

Übungsaufgaben   1. Erläutern Sie bitte das produktionstechnische Ertragsgesetz.   2. Stellen Sie bitte das Prinzip der Gutenberg-Produktionsfunktion dar.   3. Erläutern Sie bitte das Just in Time-Prinzip.   4. Erläutern Sie bitte das Kanban-Prinzip.   5. Welche Implikationen ergeben sich aus der Kapazität in der Produktion?   6. Stellen Sie bitte dar, wie die Kosten bei Kuppelproduktion zweckmäßig verrechnet werden können. Recherchieren Sie dazu geeignete Informationen.   7. Stellen Sie bitte die Inhalte der Lean Production dar.   8. Welche Merkmale weist die Leontief-Produktionsfunktion auf?   9. Wann liegt eine Limitationalität der Produktionsfaktoren vor? 10. Was versteht man unter Losgrößenplanung? 11. Nach welchen Prinzipien kann der Materialbedarf ermittelt werden? 12. Was versteht man im Rahmen der Produktion unter Modularisierung? 13. Wie kann die Minimalkostenkombination formal beschrieben werden? 14. Welche Aussagen lassen sich über Produktionsfaktoren treffen? 15. Was versteht man unter einer Teilautonomen Arbeitsgruppe?

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7. Logistik In diesem Kapitel werden folgende Inhalte behandelt und geklärt: • die Darstellung und Bedeutung der Logistik, • die Eingangslogistik, • die Entscheidungen zur Lagerung und zum Transport, • die Rolle der Logistischen Absatzhelfer, • die Zwischenlagerung und Umladung, • die Ausgangslogistik, • die Entsorgungslogistik, • das Supply Chain Management. 7.1 Darstellung und Bedeutung Der Ursprung des Begriffs Logistik kommt aus dem militärischen Bereich. Logistik umfasst die integrierte Planung, Gestaltung, Abwicklung und Kontrolle des gesamten physischen Materialflusses und des dazugehörigen Informationsflusses von den Lieferanten in die Unternehmung hinein, in der Unternehmung selbst und von der Unternehmung zu ihren Kunden hin sowie die damit verbundenen Entsorgungsprozesse. Die Ziele der Logistik lassen sich in den 6 R’s darstellen: • das richtige Gut (Art / Menge), im richtigen Zustand (Qualität), in der richtigen Menge und zur richtigen Zeit am richtigen Ort, dies zu den richtigen (minimalen) Kosten. Die dabei entstehenden Kosten bestehen im Wesentlichen aus Transport-, Lagerhaltungs- und Verpackungskosten. Im Ergebnis geht es um einen bestmöglichen Kompromiss aus Logistikservice einerseits und Logistikkosten andererseits. Bei den Objekten der Logistik handelt es sich im Regelfall um Sachleistungen, jedoch können auch Dienstleistungen, Informationen oder Personen Logistikobjekte darstellen. In Bezug auf Sachleistungen sind folgende logistische Prozesse als Aufgaben typisch (TUL) (siehe Abb. C42): • Transport als Überbrückung von Raumdisparitäten, • Umschlag als Bündelung, Verteilung, Handhabung, Umladung, Palettierung, Verpackung, Etikettierung, Kommissionierung, Sortierung, Mischung und • Lagerung als Überbrückung von Zeitdisparitäten. Durch die Bündelung werden Logistikobjekte zu logistischen Einheiten zusammengefasst. Durch die Verteilung werden Logistikobjekte aufgelöst (Men-

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C. Die Güterwirtschaft der Unternehmung

Abbildung C42: Zentrale Logistikaufgaben (eig. Abb.)

genänderung). Bei der Sortierung werden Logistikobjekte sortenrein aufgeteilt. Bei der Mischung werden sie sortenübergreifend zusammengefasst und bei der Verpackung der Logistikobjekte umhüllt, um ihre logistische Behandlung zu erleichtern. Der logistische Auftrag besteht darin, die vereinbarte Menge der Objekte (Güter, Lebewesen, Informationen, Energien) zu einem bestimmten Zeitpunkt an einem gewünschten Ort zu haben, um damit in einem abgegrenzten logistischen System minimale Kosten für notwendige Transformationen der Beschaffungsobjekte zu erzielen. Dabei besteht ein magisches Dreieck zwischen einem möglichst hohen Grad der Lieferfähigkeit bei möglichst niedriger Kapitalbindung in den Lägern und möglichst niedrigen Kosten der Beschaffung. Dabei unterscheidet man neben der Versorgungslogistik (Physical Supply) die innerbetriebliche Logistik als betriebliches Lager- und Transportwesen und die Distributionslogistik (Physical Purchase). Unter einem Logistiksystem wird die Gestaltung und Regelung von Realgüterströmen zur Überwindung von Raum- und / oder Zeitdisparitäten zwischen Angebot und Nachfrage verstanden. Logistik umfasst ausschließlich den körperlichen Umschlag von Waren, Rohstoffen, Halb- und Fertigfabrikaten, nicht aber den Finanzmittel- und Informationsstrom zwischen Unternehmen. Von daher ist es korrekt, Logistik mit physischer Distribution gleichzusetzen, einem Begriff, der aus dem Militärwesen, dort wiederum aus der Nachschubtechnik, stammt. Zur methodischen Erfassung und Lösung von Verteilungsfragen werden in der unternehmerischen Praxis Logistiksysteme entwickelt und implementiert, die eine im Hinblick auf das Kosten-Leistungs-Verhältnis möglichst effiziente und zuverlässige Überbrückung von Raum und / oder Zeit gewährleisten, also eine Optimierung der betrieblichen Warenpolitik zum Ziel haben. Schließlich schafft erst die physische Produktdistribution die materielle Verfügbarkeit der Waren am

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Ort und zur Zeit der gewünschten Bedarfsdeckung (dies ist für Dienstleistungen nur bedingt anwendbar). Aus einer eher routinemäßigen Hilfsaufgabe von untergeordneter Bedeutung bzw. nur unterstützendem Charakter ist somit angesichts zunehmenden Konkurrenzdrucks bei gleichzeitiger Gewinnnivellierung eine Hauptfunktion der Warenwirtschaft geworden. Zumal kompetitive Aktivitäten teilweise über Zusatzleistungen laufen, die durch Logistik optimal bereitgestellt werden müssen. Parallel wird diese Entwicklung durch den Trend zu wachsender geografischer Ausdehnung der Märkte durch Internationalisierung sowie breiteren und zugleich tieferen Programmen durch Proliferation verstärkt. Schließlich führen immer differenziertere Kundenwünsche mit der Konsequenz kleinerer, dafür aber häufigerer Bestellungen sowie die Rückverlagerung von Teilen der Distributionsfunktion von der Abnahme- auf die Lieferstufe zur Forderung nach schneller, bequemer und problemloser Bedarfsdeckung. Die Beschaffungslogistik hat die Funktion der Versorgung der Unternehmung mit Roh-, Hilfs- und Betriebsstoffen sowie Bauteilen und Baugruppen. Dabei geht es im Einzelnen um die Steuerung der Bedarfsermittlung, der Bestellabwicklung, der Warenannahme, der Einlagerung, der Lagerhaltung und der Auslagerung sowie der Bereitstellung von Materialien. Der Umfang der Logistik hängt von der Fertigungstiefe ab, der wiederum eine Make or Buy-Entscheidung zugrunde liegt. Dazu werden Kosten und Qualitäten eigenerstellter Leistungen und vom Markt fremd zugekaufter Leistungen gegenübergestellt. Dabei spielen auch Überlegungen zur Versorgungssicherheit, zur Komplexitätsreduktion, zur Unabhängigkeit, zur Flexibilität oder zur Kapazitätsauslastung eine große Rolle. Generell ist ein starker Trend zur Verringerung der Fertigungstiefe festzustellen. Durch das Outsourcing entsteht ein Ersatz fixer durch variable Kosten. Davon auszunehmen sind unbedingt Bereiche der eigenen Kernkompetenz. Der Logistik liegt ein Denken in Prozessen zugrunde. Von zentraler Bedeutung ist dabei die Qualität. Zum Aufbau eines Qualitätsmanagementsystems gilt die Schulung der Mitarbeiter, die Bestandsaufnahme der bestehenden Prozesse („Anamnese“), die Definition von logistikorientierten Zielen („Diagnostik“), die Umsetzung in Arbeitsanweisungen („Therapie“) und die Überprüfung des Systems mit entsprechender Optimierung als notwendig. 7.2 Eingangslogistik Ziel aller Bemühungen ist in jedem Fall die Erreichung eines unternehmerisch sinnvollen Niveaus an Lieferbereitschaft, Lieferzeit und Lieferzuverlässigkeit. Bereits hier wird deutlich, dass es grundsätzlich einen Zielkonflikt zwischen Serviceniveau als Output des Logistiksystems einerseits und Distributionskosten als dessen Input andererseits gibt.

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C. Die Güterwirtschaft der Unternehmung

Als wesentliche Parameter zur Gestaltung des Lieferservices ergeben sich folgende Größen (siehe Abb. C43): • Die Lieferbereitschaft definiert sich als die Sicherheit der unmittelbaren Verfügbarkeit gewünschter Produkte. Wobei der subjektiv vom Markt verlangte Sicherheitsgrad u. a. abhängig ist von der Substituierbarkeit der Ware, von der Länge des Produktlebenszyklusses und den Nachfrageschwankungen der Ware, vom monopolistischen Aktionsspielraum des Anbieters, von der Abnehmerstruktur etc. • Die Lieferzeit ist definiert als die Zeitdauer der gesamten Auftragsabwicklung vom Zeitpunkt der Auftragserteilung an gerechnet bis zum Eintreffen der Ware am Bestimmungsort. Hier kann unterstellt werden, dass ein Zeitvorteil zugleich einem Wettbewerbsvorteil entspricht. Die Lieferzeit setzt sich aus den Auftragsbearbeitungs-, Kommissionier-, Transport- und Einlagerungszeiten zusammen. Die Lieferzeit setzt sich zusammen aus den Zeiten für die Übermittlung des Auftrags vom Kunden an den Lieferanten, für die Auftragsbearbeitung, die Zusammenstellung / Kommissionierung, die Warenverpackung und -verladung, den Transport zum und die Einlagerung beim Kunden. Dies entspricht der Beschaffungszeit der Kunden. Eine Verringerung der Lieferzeit bedeutet also eine Senkung des durchschnittlichen Lagerbestands und damit eine Reduktion der Kapitalbindung. Das dadurch freizusetzende Kapital schafft einen Wettbewerbsvorteil. Die höhere Umschlaggeschwindigkeit führt c. p. zu einer Absatzsteigerung beim Lieferanten. • Die Lieferzuverlässigkeit beschreibt die Fähigkeit zur tatsächlichen Bereitstellung von Leistungen. Sie stellt sicher, dass es sich bei einer Lieferung nicht um irgendwelche, sondern genau um die gewünschten Produkte handelt und beschreibt die Fähigkeit zur Ausführung der Bestellung direkt ab Lager. Dies drückt aus, in welchem Umfang die tatsächlich auftretende Nachfrage während der Wiederbeschaffungszeit vom Lager aus befriedigt werden kann. Eine Quantifizierung ist durch Termintreue- bzw. Lieferbereitschafts-Kennziffern möglich. Die Lieferzuverlässigkeit wirkt akquisitorisch, jedoch auch kostentreibend beim Lieferanten, da dafür ein höherer Sicherheitsbestand erforderlich ist.

Abbildung C43: Elemente des Lieferservices (eig. Abb.)

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• Die Lieferbeschaffenheit betrifft den Grad der Einhaltung aller bei Geschäftsabschluss vereinbarten Konditionen im Vergleich zu den tatsächlich bereitgestellten Waren. Sie ergibt sich aus der Liefergenauigkeit und dem einwandfreien Zustand der gelieferten Produkte. Ersteres meint die Lieferung in der von Kunden bestellten Art und Menge, letzteres die Qualität der Lieferung. • Bei der Lieferflexibilität geht es schließlich um die Fähigkeit zum Eingehen auf Abnehmerwünsche (Liefermodalitäten) etwa zur Berücksichtigung von Änderungen oder Sonderwünschen seitens der Abnehmer beim Lieferanten. Sie betrifft die Modalitäten der Auftragserteilung (z. B. Lieferklauseln, Mindestabnahmemenge, Art der Auftragsübermittlung, Zeitpunkt der Auftragserteilung, Rabattpolitik), die Information des Kunden über Auftragsbearbeitungsstand, Liefertermin, zu erwartende Verzögerungen, Bearbeitung von Beschwerden etc. und die Kompatibilität der Logistiksysteme zwischen der Absatzlogistik des Lieferanten und der Beschaffungslogistik des Kunden. Die Leistungsfähigkeit des Gesamtsystems ist wesentlich abhängig von den Einwirkungsmöglichkeiten der Unternehmung auf die Beschaffungs- und Absatzmärkte, wobei eine möglichst breite und tiefe Kontrollspanne anzustreben ist. Darin wirken angebotsmächtige Lieferanten oder nachfragemächtige Abnehmer sowie rechtliche, politische und allgemein wirtschaftliche Richtlinien limitierend. Eine Logistik-Erfolgskontrolle ist daher immer zweiseitig anzulegen, umfasst also Kostenkontrolle einerseits und Leistungskontrolle andererseits. Wobei hinsichtlich der Kosten eine Minimierung oder hinsichtlich der Leistung eine Maximierung, in jedem Fall aber die bestmögliche Relation beider Größen als Zielsetzung gilt. Logistik kommt somit primär eine intermediäre Funktion zu, die als Voraussetzung ebenso eher produktnahe wie eher marktnahe Funktionen hat, beide Bereiche aber erst produktiv miteinander verbindet. Materialwirtschaft findet organisatorisch inner- und zwischenbetrieblich statt, räumlich ist sie national oder international angelegt. Bei den Inhalten dieser Prozesse handelt es sich um die Distribution, die Versorgung, die Verarbeitung und die Entsorgung in Bezug auf Abfälle, Rückstände und Retouren. Zur Bedarfsermittlung sind folgende Größen relevant: • Primärbedarf, d. h. Bedarf an verkaufsfähigen Enderzeugnissen nach Kundenaufträgen und Vorgabezahlen, • Sekundärbedarf, d. h. Bedarf an Rohstoffen, Einzelteilen, Baugruppen etc., die zur Herstellung des Primärbedarfs benötigt werden, • Tertiärbedarf, d. h. Bedarf an Hilfs- und Betriebsstoffen, die zur Herstellung des Primärbedarfs benötigt werden, • Bruttobedarf, d. h. gesamter periodenbezogener Primär-, Sekundär- und Tertiärbedarf,

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C. Die Güterwirtschaft der Unternehmung

• Nettobedarf, d. h. Bruttobedarf abzgl. Lagerbestand und Bestellung, zzgl. Sicherheitsbestand. Der Bedarf kann im Einzelnen programmgebunden oder verbrauchsgebunden ermittelt werden (siehe Abb. C44). Programmgebundene Verfahren sind • die Stückliste, die Baukastenstückliste enthält nur den Bedarf für die nächst­ höhere Baugruppe, die Strukturstückliste weist den Bedarf für alle Baugruppen und Einzelteile aus, die Mengenübersichtsstückliste gibt den Bedarf für alle Mengeneinheiten eines Erzeugnisses an, • der Gozinto-Graph, dieser gibt grafisch an, welche Menge eines Teils in eine Einheit eines höheren Teils einfließt, • die Direktbedarfs-Matrix, diese setzt den Gozinto-Graph in eine Tabellenform mit Zeilen und Spalten um. Verbrauchsgebundene Verfahren sind die • Mittelwertrechnung, einfach, gleitend oder gewichtet gleitend, diese weisen die Bedarfswerte der Vergangenheit aus, • Regressionsrechnung, diese prognostiziert den voraussichtlichen Bedarf der Planperiode aus den Daten der historischen Perioden, • Exponenzielle Glättung, diese ermittelt den Bedarf durch gewichtete Fortschreibung der Mittelwerte der Vergangenheit.

Abbildung C44: Alternative Methoden zur Bedarfsermittlung (eig. Abb.)

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• Saisonrechnung, diese berücksichtigt regelmäßig wiederkehrende Schwankungen innerhalb einer Periode. 7.3 Entscheidungen zur Lagerung Der Lagerung kommen folgende Funktionen zu: • Ausnutzung von Kostendegression im Einkauf, Überbrückung von Angebot und Nachfrage, Spekulation bei Preisschwankungen, Schutz vor Unsicherheiten, Veredelung in der Zeit. Bei den Lägern wird nach folgenden Funktionen unterschieden: • Vorratsläger halten Roh-, Hilfs- und Betriebsstoffe sowie Halberzeugnisse für die Produktion vor sowie Fertigerzeugnisse bei Saisonschwankungen, • Umschlagläger überbrücken die Umladung von Transportmittel zu Transportmittel (gebrochener Verkehr), • Verteilläger sind Ausgangspunkt für die Kundenbelieferung und damit für den Lieferservice entscheidend. In Bezug auf die Lagerung sind vor allem zwei Entscheidungen zu treffen (siehe Abb. C45). Erstens ist die Entscheidung zwischen einem zentralen (Werks-

Abbildung C45: Zentrale Logistikentscheidungen (eig. Abb.)

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C. Die Güterwirtschaft der Unternehmung

lager, Zentrallager) oder zwei oder mehr dezentralen Lagerstandorten (Regionalläger, Auslieferungsläger) zu treffen. Mit steigender Zahl der Läger sinken zwar die Transportkosten von den einzelnen Lagerstandorten zu den Bedarfsorten, umgekehrt steigen jedoch die Lagerhaltungskosten (Fixkostenintensität) und die Transportkosten von den Lagerstandorten zur Produktion. Zwischen diesen beiden gegenläufigen Entwicklungen ergibt sich ein Optimum beim Gesamtkostenminimum. Der Trend geht in Richtung dezentraler Lagerstandorte. Ursächlich dafür ist das erforderliche Serviceniveau in der Logistik, vor allem die Bedeutung der Zeit als Wettbewerbsfaktor. Dabei können zwei oder mehr Lagerstufen hintereinander geschaltet werden. Entscheidungskriterien für die Stufigkeit sind u. a. • angestrebter Lieferservice, Nachfrageentwicklung, Lagerkosten, Transportkosten zwischen den Lagerstufen, Arbeitskräfteverfügbarkeit, Programm / Sortiment, Bestellmengen, Bestellhäufigkeiten, Kundenstruktur, Art und Größe des Zielgebiets, Anzahl der Produktionsstätten. Die vertikale Distributionsstruktur bestimmt die Stufen in der Logistik, die horizontale die Anzahl und Verteilung der Standorte. Bei der horizontalen Distributionsstruktur unterscheidet man: • Werksläger am Standort der Produktionsstätte als Zentrallager oder Regionalläger (Auslieferungsläger) in der Nähe des Standorts der (großen) Kunden. Bei der vertikalen Distributionsstruktur unterscheidet man: • einstufige Lieferung von Hersteller zu Abnehmern, zweistufige Lieferung vom Hersteller über Auslieferungsläger an Abnehmer oder dreistufige Lieferung von der Produktion über Regionalläger und Auslieferungsläger an Abnehmer. Im Efficient Replenishment des ECR-Konzepts wird konsequenterweise eine einstufige Direktbelieferung angestrebt. Die zweite Entscheidung bezieht sich auf den Eigen- oder Fremdbetrieb des / der Lager(s). Ein eigenbetriebenes Lager bietet sich u. a. an, wenn • der Bedarf stabil ist, Märkte räumlich stark konzentriert sind, hoher Lagerdurchsatz gewährleistet scheint, direkte Kontrolle erforderlich bleibt, spezielle Ausrüstungen zur Manipulation nötig sind und eine spezielle Behandlung vor Auslieferung erfordern. Fremdbetrieb hingegen bietet sich eher an, wenn u. a. • der Bedarf stark (saisonal) schwankt, Produktionsstandorte räumlich verstreut sind oder wechseln, verschiedene Transportmittel eingesetzt werden, ein Produkt erstmals bezogen wird etc. Die Tendenz geht in Richtung angemieteter Lagerflächen aus Gründen des Fixkostenabbaus oder fremdbetriebener Lagerung aus Gründen der Kernkompetenznutzung.

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7.4 Entscheidungen zum Transport In Bezug auf den Transport sind ebenfalls zwei Entscheidungen zu treffen, erstens zur Transportmittelwahl und zweitens zum Transportmittelbetrieb. In der Transportlogistik lassen sich verschiedene Transportmittel unterscheiden. Im Folgenden wird auf Schiff, Flugzeug, Bahn und Automobil (LKW) eingegangen (siehe Abb. C46).

Abbildung C46: Optionen der Transportmittelwahl (eig. Abb.)

Bei der Schifffahrt ist nach See- und Binnenschifffahrt zu unterscheiden. Entscheidungen umfassen hier vor allem die Hafenwahl, z. B. in Abhängigkeit von den dort befindlichen Verladeanlagen, die Reederwahl, z. B. in Abhängigkeit von der Leistungsfähigkeit und Zuverlässigkeit der Verfrachter und die Wahl der Transportart, z. B. in Abhängigkeit von der Präferenz für Linien- oder Trampschifffahrt. Linienschiffe bieten Vorteile aus • klarer Terminkalkulation, da sie nach festen Routenplänen verkehren, • Anlauf bestimmter Standardhäfen in verlässlichen, regelmäßigen Zeitabständen, • guter Klassifizierung der eingesetzten Schiffe für den speziellen Transportzweck, • vorhersehbarem, festen Ankunftstermin für die Organisation des Vor- und Nachlaufs. Nachteile betreffen vor allem die Kostenhöhe durch eine kartellähnliche Marktstruktur unter den Anbietern und die Bindung an zugeteilte Schifffahrtslinien, die auf den jeweiligen Routen verkehren. Vorteile der Trampschifffahrt (auch Charter genannt) sind frei aushandelbare Frachtraten, die sich allein nach Angebot und Nachfrage richten und die Flexibilität in der Routenwahl, die auf individuelle Bedürfnisse abgestimmt werden kann. Nachteile liegen in • gelegentlich notleidender Seriosität und Bonität von Reederei und Schiff,

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C. Die Güterwirtschaft der Unternehmung

• mangelnder Eignung des Schiffes für den optimalen Transport der jeweiligen Güter, • der Gefährdung der Termintreue durch teilweise unzuverlässige Verbringung, • problematischer Kostenüberschaubarkeit, da die Preise im Vorhinein durch schwankende Auslastung schwer kalkulierbar sind. Als Frachtinhalt kommen für den Schiffstransport vor allem Massengut oder Stückgut in Betracht. Die Binnenschifffahrt hat oft eine Vor- oder Nachtransport­ aufgabe (gebrochener Güterverkehr). Man unterscheidet Motor-, Schlepp- und Schubschifffahrt. Wesentliche Schiffstypen sind Tankschiffe, Trockengüterschiffe und Containerschiffe. Die Beförderung erfolgt auf Basis eines Ladescheins (Konnossement). Man unterscheidet • nach dem Ort der Ausstellung das Bordkonnossement (Shipped on Board) oder das Übernahmekonnossement (Received for Shipment), • nach der Übertragbarkeit das Namenskonnossement (durch Zession) oder das Orderkonnossement (durch Indossament), • nach der Aussage über die Ware das reine Konnossement (Clean Bill of Lading) oder das unreine Konnossement (Foul Bill of Lading) Bei der Seeschifffahrt werden konventionelle Stückgutschiffe, Containerschiffe, Massengutschiffe (Bulk Carrier, Tanker), Roll on-/Roll-off-Schiffe und Leichter unterschieden. Die Beförderung erfolgt auf Basis eines Seefachtvertrags für Stückfracht oder Charter. Zuschläge entstehen für Schwergewicht, Überlänge, Währungsausgleich, Bunkerung, Hafenumschlag etc. Die wesentlichen Beurteilungsparameter für die Eignung der Luftfracht zum Transport liegen darin, dass • Luftfrachtraten in jeder Beziehung deutlich teurer als Seefrachtraten sind, • die Transportdauer dafür auch unvergleichlich viel kürzer ist, • der Zielflughafen meist näher am Bestimmungsort liegt als der Zielseehafen, so dass auch binnenländische Destinationen gut erreicht werden können, • bei hohem spezifischen Warenwert (d. h. Wert der Ware pro Gewichtseinheit) der Transportkostenanteil an den Gesamtkosten schrumpft, • der Verpackungsaufwand bei Luftfracht gemindert wird, da eine äußerst schonende Manipulation gegeben ist, • die Versicherungsprämien niedriger sind, da bezogen auf die transportierten Mengen und zurückgelegten Strecken die Luftfahrt als sehr sicheres Verkehrsmittel gilt, • eine raschere Verfügbarkeit durch höhere Schnelligkeit der Lieferung erreicht wird.

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Beförderungsbasis ist der Luftfrachtbrief (Air Waybill). Er ist Warenbegleitpapier, Beweisurkunde, Versicherungsschein, Verfügungsnachweis, Zolldeklaration, Haftungsbasis und Versandanweisung. Der Luftfrachtführer haftet nach Gefährdungshaftung unabhängig von seinem Verschulden. Die Luftfracht­raten berechnen sich nach einem internationalen Tarif (TACT) auf Basis des IATAKartells. Im Eisenbahngüterverkehr sind Waggonladungen oder Stückgut als normales Frachtgut oder als Eilgut zu befördern. Be- und Entladungen übernehmen dabei Absender bzw. Empfänger. Berechnungsbasis ist der Eisenbahntarif. Vorteile dieser Transportart liegen in der • Eignung für fast jede Güterart durch die hohe Variabilität der Transportmittel der Bahnen, • weitgehenden Unabhängigkeit von hohem Verkehrsaufkommen und widriger Witterung, • Eignung für sicheren Landtransport, der wenige Risiken des Verlustes birgt, • guten Erreichbarkeit der Abnehmer durch die große Zahl von Bahnhöfen, • schonenden Behandlung des Frachtguts bei der Be- und Entladung sowie während der Fahrt. Beim Schienengüterverkehr unterscheidet man Wagenladungs-, Stückgut-, Expressgut- und Dienstgutverkehr (werksintern). Dominanter Anbieter im Inland ist die DB Schenker Rail. Der Straßengüterverkehr steht in hartem Verdrängungswettbewerb zum Eisen­ bahngüterverkehr, bisweilen auch zur Binnenschifffahrt. Vorteile liegen in • der faktischen Haus-zu-Haus-Beförderung, auch als vor- bzw. nachgeschaltete Transportart (Vor-/Nachlauf), • hoher Flexibilität des Transports durch freie Vereinbarung von Routen, Zeiten und Kapazitäten. Von Nachteil sind hingegen • das relativ geringe gemeinsame Transportvolumen je Verkehrseinheit, • Sekundäreffekte wie Umweltbelastung durch Schadstoffemission, Lärmbelästigung und Verkehrsgefährdung. Beim Straßengüterverkehr unterscheidet man den Nah- und den Fernverkehr auf gewerblicher Basis. Daneben gibt es den werksinternen Verkehr. Beim Straßengüterverkehr sind Lenk- und Ruhezeiten zu beachten. Besonderheiten bestehen beim Werkverkehr. Dieser ist nur erlaubnisfrei gegeben, wenn • die beförderten Güter im Eigentum der Unternehmung stehen oder von ihr verkauft, gekauft, gemietet, hergestellt oder verarbeitet worden sind,

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C. Die Güterwirtschaft der Unternehmung

• die Güter innerhalb der Unternehmung, auf dem Weg dorthin oder von dort weg transportiert werden, • Fahrer und Beifahrer Betriebsangehörige sind, • die Beförderung nicht Hauptzweck der Unternehmung ist. Ansonsten ist der inländische Güterkraftverkehr an drei Erlaubnisse gebunden: • persönliche Zuverlässigkeit des Unternehmers, • finanzielle Leistungsfähigkeit der Unternehmung, • fachliche Eignung der Mitarbeitenden. Für den internationalen Güterkraftverkehr ist eine Gemeinschaftslizenz (EU) oder bilaterale Genehmigung erforderlich. Außerdem wird die Warenzustellung durch KEP-Dienste übernommen (Kurier-, Express-, Paketdienste). Anhand der unterschiedlichen fixen und variablen Kosten der Transportmittel kann ein Zusammenhang zwischen diesen und der Versandmenge hergestellt werden. So ist mit steigender Menge die Reihenfolge Luftfracht (niedrige fixe, dafür hohe variable Kosten), Straße, Bahn und Schiff (hohe fixe, dafür niedrige variable Kosten) gegeben. Eine wichtige Hilfe in der Durchführung sind Transportbehältnisse. Durch die Verwendung von Containern als Normverpackung wird der Stückguttransport rationalisiert. Umverpackungen entfallen, Beladung und Löschung werden vereinfacht. Kleinere Ladungen können zu Sammelladungen kombiniert werden, um die Containerkapazität optimal auszunutzen. Container vermeiden unnötiges Warenhandling, erleichtern die Umladung und sind auch für Spezialtransporte nutzbar. Man unterscheidet Haus-zu-Haus-Verkehr im Container, Haus zu Pier-Verkehr, Pier zu Haus-Verkehr, Pier zu Pier-Verkehr. Ein weiteres wichtiges Transportsystem sind Rohrleitungen, z. B. als Rohöloder Produktepipelines, wobei hier der immobile, unflexible Charakter eine Besonderheit darstellt. Häufig sind kombinierte oder multimodale Verkehre (mit Verkehrsmittelwechsel) anzutreffen. Eine weitere Entscheidung betrifft die Wahl zwischen Eigen- und Fremdtransport, die sich grundsätzlich bei jedem Transportmittel stellt. Für Eigenbetrieb sprechen • die größere Kontrolle über Service (Zeit) und Produkte (Qualität), der Einsatz von Spezialausrüstungen, die (akzidentelle) Werbeträgernutzung, die höhere, kurzfristige Flexibilität, die Vermeidung von Abhängigkeiten etc. Für Fremdbetrieb hingegen sprechen • die Gewährleistung professionellen Services, die größere räumliche Abdeckung, die Delegation von Pflichten und Verantwortung gegen Rechnung,

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Fixkostenersparnisse durch fehlende Investition und Instandhaltung, die freie Transportmittelwahl etc. Zwischen diesen Größen ist in jedem unternehmensindividuellen Einzelfall eine Abwägung zu treffen. 7.5 Logistische Absatzhelfer Transport- und Lagerunternehmen wie Spedition, Kurier-, Express- und Paketdienste (KEP), Verkehrs-, Lagerbetriebe etc., werden eigenverantwortlich als logistische Absatzhelfer tätig (siehe Abb. C47). Dabei handelt es sich vor allem um • Spediteure, die es gewerbsmäßig übernehmen, in eigenem Namen, aber für fremde Rechnung die Planung, Realisierung und Kontrolle der Beförderung von Gütern vom Absender zum Empfänger vorzunehmen. Versandspediteure verteilen Waren, Empfangsspediteure sammeln diese ein. Häufig kooperieren Speditionsbetriebe in bestimmten Gebieten zur Wege- und Zeitminimierung (Gebietsspedition).

Abbildung C47: Logistische Absatzhelfer (eig. Abb.)

 er Spediteur besorgt die Versendung eines Guts und organisiert dessen BeD förderung: –– Die Planung umfasst die Bestimmung des Transportmittels und des Transportwegs. –– Die Realisierung umfasst die Auswahl ausführender Frachtführer, den Abschluss der Verträge, die Erteilung von Informationen und Weisungen an diese. –– Die Kontrolle umfasst die Sicherung von Schadensersatzansprüchen des Versenders.

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C. Die Güterwirtschaft der Unternehmung

Dabei können auch Nebenleistungen wie Versicherung, Verpackung, Kennzeichnung, Zollbehandlung, Preisauszeichnung, Qualitätskontrolle etc. enthalten sein. Der Versender stellt die Dokumente zur Verfügung und erteilt Auskünfte. Als Rechtsgrundlage dienen die Allgemeinen Deutschen Spediteursbedingungen (ADSp). • Frachtführer, die sich als selbstständige Kaufleute durch Abschluss eines Beförderungsvertrags verpflichten, die Beförderung von Gütern per Schiene, Straße, See, Luft, Binnengewässer oder in Kombination (Vor- bzw. Nachlauf) dieser Transportarten je nach Zweckmäßigkeit durchzuführen. Ein Spediteur kann zugleich auch Frachtführer sein. Frachtführer haften für ihre Vertragserfüllung. Im Frachtvertrag verpflichtet sich der Frachtführer zur Beförderung des Guts zum Bestimmungsort und zur Auslieferung an den Empfänger. Der Absender zahlt die Fracht. Grundlage ist ein Frachtbrief (§§ 408 ff. HGB), der als Beweisurkunde dient. Besonderheiten betreffen Gefahrgut, Verpackung, Verladung / Entladung, nachträgliche Weisungen, Nachnahme, Haftungsausschluss etc. • Lagerhalter, die sich als selbstständige Kaufleute durch Abschluss eines Einlagerungsvertrags verpflichten, die Lagerung und Aufbewahrung von ihnen überlassenen Gütern zu übernehmen. Einzellagerung erfolgt für jeden Auftraggeber getrennt, Sammellagerung erfolgt durch Vermischung / Vermengung der Lagergüter mehrerer Eigentümer. Ein Spediteur kann zugleich auch als Lagerhalter fungieren. Der Lagerhalter hat folgende Pflichten: –– Empfangskontrolle auf erkennbare Beschädigungen / mangelhaften Zustand, –– Zutrittsgewährung während der Geschäftszeiten zur Besichtigung, Probenentnahme etc., –– Mitteilung bei unerwünschter Veränderung des Lagerguts, –– Versicherung bei Verlangen des Einlagerers, –– Herausgabepflicht gegen Rückgabe des Lagerscheins, –– Haftung für Schäden (Verschuldenshaftung mit umgekehrter Beweislast). Der Lagerhalter hat folgende Rechte: –– Vergütung lt. Vertrag, –– Schadensersatz bei von Einlagerungsgütern verursachten Schäden, –– Sammellagerung bei vertretbaren Sachen gleicher Art und Güte, sofern die Einlagerer dem zustimmen, –– Notverkauf bei drohendem Verderb, sofern der Einlagerer nicht erreichbar ist, –– Kündigung des Vertrags mit Rücknahme der Güter durch den Einlagerer,

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–– Ersatz von Aufwendungen (§ 474 HGB), –– Pfandnahme bei offenen Forderungen aus dem Vertrag oder anderen Verträgen. Für das Lagergeschäft sind zahlreiche rechtliche Regelungen wichtig. Zwischen Einlagerer und Lagerhalter wird ein Lagervertrag geschlossen (§ 467 HGB). Durch diesen verpflichtet sich der Lagerhalter, das Gut zu lagern und aufzubewahren und der Einlagerer, die dafür vereinbarte Vergütung zu zahlen. Der Lagervertrag enthält im Regelfall folgende Inhalte: • Parteien des Lagervertrags, Gegenstand des Lagervertrags (Lagergut, geplante Lagerdauer, Einlagerungsmenge, Hinweis auf ADSp etc.), • Aufgaben des Lagerhalters (Eingangskontrolle, Sicherungsmaßnahmen, Bestandsnachweis, Kommissionierung, Zustellung, Versicherungen etc.), • Ein- und Auslagerung (Geschäftszeiten, besondere Eigenschaften des Lagerguts etc.), • Kostentragung (Ein- und Auslagerung, Lagerhaltung, Kommissionierung, Verpackung, Palettierung, Auslagenersatz für Versicherung, Frachtkosten, Zoll, USt. etc.). Zur Lagerung dienen Dokumente in Form eines Lagerscheins. Ein Namenslagerschein lautet auf den Namen des Einlagerers. Ein Übertrag ist durch Abtretungserklärung (Zession) möglich, daraus folgt ein Herausgabeanspruch gegen den Lagerhalter (nicht aber ein Eigentumsübergang). Der Orderlagerschein lautet auf den Einlagerer oder eine weitere Person. Ein Übertrag ist durch Übertragungsvermerk (Indossament) möglich, daraus folgt ein Eigentumsübergang und Herausgabeanspruch. Das FIATA-Warehouse Receipt (FWR) ist ein internationaler Lagerschein, der als Papier handelbar ist. 7.6 Zwischenlagerung und Umladung Die Lagerung übernimmt eine Ausgleichsfunktion zwischen dem Zeitpunkt der Erstellung einer Leistung und deren Bedarf (Ge-/Verbrauch). Das Lager nimmt zentrale Funktionen wahr (siehe Abb. C48), so eine • Pufferfunktion im Ausgleich zwischen Lagerzu- und -abgang, • Sicherungsfunktion gegen unvorhersehbare Schwankungen im Lagerzu- und -abgang, • Veredelungsfunktion, wenn das Lagergut seinen Zustand wertsteigernd verändert (Reifung, Gärung etc.), • Umschlagfunktion für die Zwischenlagerung bei der innerbetrieblichen Mani­ pulation.

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C. Die Güterwirtschaft der Unternehmung

Abbildung C48: Zentrale Lagerfunktionen (eig. Abb.)

Das Lager besteht im Grundsatz aus folgenden Raumbereichen: • dem Wareneingangsbereich, hier erfolgen die Abladung, die Eingangserfassung (RFID / Scan), die Eingangskontrolle, die Güterannahme und die Lagervorbereitung, • dem Haupt-/Dauerlager, • der Kommissionierzone, hier werden Liefereinheiten nach Auftrag zusammengestellt, • der Verpackungszone, • dem Warenausgangsbereich, hier erfolgt die Bereitstellung zur Abholung, die Ausgangserfassung, die Verladung, • der Lagerverwaltung, hier erfolgt die Steuerung und Koordination. Bei den Lagergütern kann es sich um feste Güter als Stück- oder Schüttgüter (Commodities), um flüssige Güter ohne oder mit Behältnis sowie um gasförmige Güter mit oder ohne Druck handeln. Lagergestelle, in denen die Lagergüter untergebracht sind, können ausgelegt sein als • Bodenlager, hier wiederum als Zeilenlagerung oder Blocklagerung, • Fachbodenlager (Schubkästen), • Palettenregallager, hier wiederum als Hochregal oder Einfahrregal, • Kragarmlager, hier wiederum einseitig oder doppelseitig, • Durchlaufregal nach Schwerkraft. Die Lagerung kann auf offenen Flächen oder in ein- oder mehrstöckigen Gebäuden erfolgen. Hinsichtlich des Lagerplatzes sind folgende Optionen gegeben (siehe Abb. C49): • Bei einer festen Lagerplatzuteilung wird für jedes Gut ein bestimmter Lagerbereich reserviert. Dies ist übersichtlich, nutzt aber die insgesamte Lagerkapazität nur unzureichend. Diejenigen Waren, die häufig kommissioniert werden und klein sind, werden nahe am Kommissionierplatz gelagert.

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Abbildung C49: Alternative Lagerplatzordnungen (eig. Abb.)

• Bei der Querverteilung werden für jedes Gut mehrere Lagerbereiche reserviert, um auch bei Blockierung von Wegen Zugriff zu erhalten. • Bei der Zonenlagerung wird für jedes Gut ein Lagerbereich reserviert, die Detaileinräumung erfolgt dann nach Gewicht, Klima, Zugriffssicherheit, Gefahrgutklasse, Umschlagshäufigkeit, Lagerdauer etc. Dadurch können Wege für Fördermittel reduziert werden. • Bei der chaotischen Lagerung erfolgt eine völlig freie Lagerplatzzuordnung. Dadurch kann die Lagerkapazität bestmöglich genutzt werden, allerdings bedarf es einer dezidierten Zugriffsordnung. Das Zusammenstellen eines Produktions- oder Vertriebsauftrags wird Kommissionierung genannt. Ausgangspunkt ist ein Kommissionierauftrag. Dabei ist über die Form der Kommissionierung zu entscheiden: • sequenziell erfolgt diese je Auftrag nacheinander, • parallel erfolgt diese für Teilaufträge, die danach zusammengestellt werden, • stückweise erfolgt diese je Artikel, • relational erfolgt diese bis zur Komplettierung eines Transportmittels, • Pick-Pack erfolgt diese bis zur Komplettierung einer Transportverpackung. Beim „Mann zu Ware“-Prinzip bewegt sich der Kommissionierer bzw. das Kommissionierfördermittel auf den benötigten Artikel zu. Beim „Ware zum Mann“-Prinzip werden die Artikel zum Kommissionierer bzw. Handhabungsroboter gebracht und dort gesammelt. Die Zusammenstellung erfolgt nach Pickliste (schriftlich) oder mit mobilem Datenerfassungsgerät (MDE), durch Leuchtanzeige am Regal (Pick by Light) oder durch Sprachausgabe (Pick by Voice). Die Fortbewegung des Kommissionierers kann nur horizontal oder horizontal und vertikal erfolgen. Die Abgabe der Ware erfolgt dann an einem zentralen Sammelplatz oder dezentral zu Zwischenstationen oder zum nächsten Kommissionierplatz.

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C. Die Güterwirtschaft der Unternehmung

Bei den Fördermitteln handelt es sich um flurgebundene oder flurfreie Transportmittel. Erstere können • unstetig als Schienenbahn, fahrerloses Transportsystem, (Gabel-)Stapler, „Ameise“, Schlepper, Hubwagen, Luftkissenförderer, Kran, Lastenaufzug, Regalbediengerät etc. ausgelegt sein, ein Transport findet nur bei Bedarf statt, • stetig als Rollenbahn, Paternoster, Hängebahn, Kreisförderer, Kettenförderer, Gurtband, Plattenband, Rutsche etc. ausgelegt sein, hier wird die Ware kontinuierlich angeboten. Flurgebundene Fördermittel transportieren auf dem Boden, flurfreie auf eigenen Verbringungsebenen. Förderhilfsmittel erleichtern den Transport, das Handling und die Ein-/Auslagerung des Förderguts, schützen es gegen äußere Einflüsse oder bieten Informationen zum Fördergut an. Häufig anzutreffen sind umschließende Förderhilfsmittel wie Kästen, Kartons, Säcke, Plastikbeutel, Boxpaletten, Gitterboxpaletten (für Kleinteile), ebene Förderhilfsmittel wie Rungenpaletten, Bügelpaletten, Flachpaletten (wie Euro- oder Chep-Paletten) für mittelgroße Fördergüter und Großgutförderhilfsmittel. Dabei kann in Materialfluss • erster Ordnung zwischen Betrieben, • zweiter Ordnung zwischen Betriebsstandorten, • dritter Ordnung zwischen Arbeitsplätzen und • vierter Ordnung am Arbeitsplatz unterschieden werden. Lagerbestände binden Kapital, das an anderer Stelle in der Unternehmung produktiver eingesetzt werden kann, aber sie verkürzen auch Lieferzeiten und führen damit tendenziell zu erhöhter Wettbewerbsfähigkeit und zu erhöhter Flexibilität der Wertschöpfung, Und sie kompensieren Planungs-/Prognosefehler. Zur Verminderung der Nachteile werden Just in Time-Konzepte eingesetzt. Dabei erfolgt eine Zulieferung auf Abruf und entsprechend eine Produktion auf Abruf, beides erst bei Vorliegen eines Auslösers vom Markt her (Kanban-System). Inwieweit dabei Sicherheitsbestände zur Antizipation von Schwankungen vorgehalten werden, ist fraglich. Außerdem geht es dabei nicht nur um eine Optimierung des Lagerbestands in der eigenen Unternehmung, sondern übergreifend im Zuge der gesamten Wertschöpfungskette. Ansonsten führt das Kanban-System nur zu einer Verlagerung von Unwirtschaftlichkeiten, die in zusätzlichen Kosten und höheren Preisen resultiert.

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7.7 Ausgangslogistik Die Distributionslogistik verbindet den Fertigungsbereich mit den Absatzmärkten. Dabei geht es um die physischen Warenströme. Diese fließen entweder direkt vom Absender zum Empfänger oder häufiger in mehreren Stufen indirekt, wobei sich Bündelungs- und Auflösungspunkte ergeben: • Der direkte Fluss wird eingliedrig genannt, weil er ohne Umschlagvorgänge auskommt. Der indirekte Fluss wird mehrgliedrig genannt. • Bei einer mehrgliedrigen Lieferkette ohne Auflösung werden unselbstständige Ladeeinheiten (z. B. Container) umgeladen oder Huckepack auf Verkehrsträger verladen (Piggyback). • Bei der mehrgliedrigen Lieferkette mit Auflösung liegt ein gebrochener Verkehr mit mehreren Verkehrsträgern vor. Dabei wird in Vorlauf zur Bereitstellung der Transportgüter, Hauptlauf zur Überbrückung der großen Distanz zwischen Sammelpunkt und Verteilpunkt sowie Nachlauf zur Anlieferung der Ware unterschieden. Das Problem bei Direktlieferungen besteht darin, dass häufig Leer- oder Teileleerfahrten erfolgen, die unnötige Kosten verursachen und die Umwelt belasten. Daher werden Hubs (Warenumschlagplätze / Warenverteilzentren) eingerichtet, an denen die zu- und abgehenden Lieferungen konsolidiert werden. Lieferantenund abnehmerorientierte Spediteure tauschen dort gegenseitig ihre Ladungen aus. Noch einen Schritt weiter geht das Cross Docking. Dabei werden Waren bereits beim Versand abnehmergetreu zusammengestellt, so dass die Umladung ganzer Warenträger erfolgen kann, also keine Re-Kommissionierung erforderlich ist. Zur Durchführung der Distributionsvorgänge werden Transportsysteme eingesetzt. Nach dem Organisationsgrad kann es sich dabei um Linienverkehre nach festen Zeitplänen oder Gelegenheitsverkehre bei Bedarf handeln. Wichtige Entscheidungskriterien sind die Dichte des Verkehrsnetzes, also die tatsächliche Erreichbarkeit der Destinationen, die Erschließung der Region, also die Effizienz der Entfernungsüberbrückung und die Transportelastizität, also die Anpassbarkeit des Transportvolumens. Als Verkehrssysteme kommen folgende in Betracht: • landgebundener Transport erfolgt im Straßengüterverkehr als Fern-, Nah-, Werksverkehr, Schienengüterverkehr als Wagenladungs-, Stückgut-, Expressgut-, kombinierter Verkehr und Rohrleitungsverkehr als Pipeline für Fest- und Flüssigstoffe, • luftgebundener Transport erfolgt im Luftfrachtverkehr durch Passagier-, Frachtflugzeuge, Cargolifter, • wassergebundener Transport erfolgt in der Binnenschifffahrt als Motor-, Schlepp-, Schubschifffahrt oder Seeschifffahrt als Linien-, Charterverkehr.

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C. Die Güterwirtschaft der Unternehmung

Grundsätzlich ergibt sich dabei ein Trade off zwischen den Kosten des Transports und dessen Schnelligkeit, dabei gewinnt die Schnelligkeit des Transports zunehmend an Bedeutung. Immer wichtiger wird auch die Ökobilanz des Transports (Ecological Footprint). Für die Findung der optimalen Route zwischen mehreren Start- und Endpunkten des Transports ist eine Transportplanung erforderlich. Diese erfolgt computergestützt durch Transportmodelle auf OR-Basis. Ein verbreitetes Verfahren ist die Simplexmethode. Heuristisch können ausgehend von einer Anfangskonstellation (Nordwest-Ecken-Regel) sukzessive Verbesserungen nach der Stepping Stone-Regel zu erreichen gesucht werden. Die Tourenplanung betrifft die Zusammenfassung von Einzelaufträgen zu Auslieferungstouren je Fahrzeug bzw. Spediteur für einen gemeinsamen Auslieferungsort. Dabei sind zahlreiche Restriktionen zu beachten, z. B. Gewicht, Volumen, Arbeitszeit. Dies gilt immer dann, wenn die Auslieferungsmenge größer ist als mit einem Transportmittel allein zu bewältigen. Heuristisch wird ausgehend von einer Einzelbelieferung eine kostenminimale Zusammenstellung von Aufträgen angestrebt (Savings-Verfahren). Es wird unterstellt, dass damit auch eine Zeiteinsparung erreichbar ist. Bedeutsam sind dabei einfache Netzwerke (Hub and Spoke-System) oder vernetzte Systeme. Hier wird das Cross Docking eingesetzt. Die Routenplanung betrifft die Reihenfolge der anzusteuernden Kontaktpunkte während einer Tour. Auch hierbei geht es um eine entfernungs- bzw. zeitminimale Ausgestaltung, diesmal der Reihenfolge der Auflade- bzw. Abladeorte. Dabei sind Parameter wie Luftlinie, Entfernung, Wegerestriktionen etc. zu berücksichtigen, ebenso Parameter wie Zeitdauer, Geschwindigkeitsbeschränkungen, Ruhezeiten etc. Theoretisch wird dies im Wege des Travelling Salesman Problem (Rundreiseproblem) gelöst oder nach dem Sweep-Verfahren (zweistufig) bzw. dem Branch and Bound-Verfahren. Praktisch kommen GPS-Routenplaner zum Einsatz. Innerhalb der Logistik sind Transportverpackungen von großer Bedeutung (siehe Abb. C50). Diese bestehen aus Packstoffen, vor allem Papier, Pappe, Kunststoff, Metall, Glas, Holz etc. Diese Stoffe werden zu Packmitteln verarbeitet, z. B. Becher, Dosen, Gläser, Tuben, Fässer, Säcke, Beutel, Flaschen, Schachteln, Kisten etc. Diese wiederum werden durch Packhilfsmittel stabilisiert wie z. B. Klebestreifen, Etiketten, Schutzpolster etc. Das Ergebnis aus Packstoff, Packmittel und Packhilfsmittel ist die Verpackung. Die Verkaufsverpackung (Packung) enthält das Packgut für den Endkunden. Mehrere Packungen werden in Umverpackungen gebündelt. Sinnvoll sind Mehrwegpackungen, die kosten- und umweltschonend sind. Der Verpackung kommen wichtige Funktionen zu: • Sie bietet Schutz für das Packgut, sichert dessen Qualität und den bestimmungsgemäßen Ge- bzw. Verbrauch. • Sie erlaubt rationellen Transport, Umschlag und Lagerung, schützt vor Beschädigung und Diebstahl, hat ein möglichst geringes Eigengewicht, nutzt das

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Abbildung C50: Elemente der Transportverpackung (eig. Abb.)

Transportvolumen optimal aus und trägt die erforderlichen Wareninformationen. • Sie erfüllt akquisitorische und verwendungsbezogene Anforderungen und vor allem ökologische Anforderungen der Ressourcenschonung. Außerdem erfüllt sie alle gesetzlichen Bestimmungen. Logistische Dienstleistungen können von Unternehmen selbst erbracht werden (Make) oder fremd zugekauft werden (Buy). Im Verlauf der Zeit haben sich dabei vier Generationen von Logistikdienstleistungen ergeben (siehe Abb. C51): • Bei First Party Logistics erfolgt die Vergabe von Transportaufträgen durch das Lieferunternehmen selbst. • Bei Second Party Logistics erfolgt die Vergabe an Spediteure, die ihrerseits eigene oder fremde Frachtführer einsetzen. • Bei Third Party Logistics kümmern sich Spediteure nicht nur um die Durchführung der Logistik, sondern liefern auch ergänzende Dienstleistungen wie Tracking, Tracing, Dokumente etc. • Bei Fourth Party Logistics wird die Steuerung der gesamten Logistikkette durch Provider übernommen. Dabei geht es um die Optimierung der Logistik.

Abbildung C51: Generationen der Logistikdienstleistungen (eig. Abb.)

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C. Die Güterwirtschaft der Unternehmung

7.8 Entsorgungslogistik In neuerer Zeit hat die Entsorgungslogistik, also die der SCM entgegengesetzte Richtung, erheblich an Bedeutung gewonnen. Dabei geht es um die Erfüllung der Anforderungen der Kreislaufwirtschaft durch Rückführung, Behandlung und Beseitigung von Rückständen aus Produktions- und Konsumtionsprozessen, um die Rückführung nicht abgesetzter oder nicht benötigter Waren und Materialen sowie das Handling von Mehrwegbehältnissen zu deren Transport. Man spricht hier auch von Reverse Logistics oder Redistribution. Dabei liegen ökonomische wie auch ökologische Aspekte zugrunde. Die Flussrichtung ist vom Abnehmer auf den Lieferanten gerichtet. Dazu gehören die Sammlung und Sortierung von Rückständen, deren Transport / Umschlag, die Lagerung und Behandlung, die sie zu Sekundärrohstoffen werden lässt. Die Sammlung erfolgt durch Hol- (z. B. Hausmüllsammlung) oder Bringsysteme (z. B. Sammelstellen). Dazu sind entsprechende Behältnisse erforderlich (z. B. Container). Die Sammlung kann unspezifisch nach Inhalt, Form und Größe der Rückstände erfolgen (z. B. Sperrmüll) oder spezifisch nach ihrer Art. Die Behältnisse können umgeleert (z. B. Hausmüll) oder ausgewechselt werden (Tausch von leerem gegen vollen Behälter). Die Sammlung kann in Einweg- oder Mehrwegbehältern erfolgen. Außerdem sind Sonderverfahren (z. B. Absaugung) möglich. Die Sortierung erfolgt manuell oder automatisch und soll Sortenreinheit erreichen. Die Behandlung betrifft die physikalische (z. B. Zerkleinerung), chemische (z. B. Zersetzung), biologische (z. B. Kompostierung) oder thermische Einwirkung (z. B. Verbrennung) auf die Rückstände. Um eine Verwendung handelt es sich, wenn keine wesentlichen Änderungen an der Produktgestalt vorgenommen werden. Bei der Wiederverwendung erfolgt der Einsatz im ursprünglichen Prozess, bei der Weiterverwendung in einem anderen Prozess. Um eine Verwertung handelt es sich, wenn eine Aufbereitung bzw. Überarbeitung der Rückstände erforderlich ist. Eine Wiederverwertung findet im ursprünglichen Prozess statt, eine Weiterverwertung in einem anderen Prozess. Einen anderen Aspekt betrifft die Retourenlogistik, dabei handelt es sich um das Handling von Produkten, die von End- oder Zwischenkunden zurückgegeben werden, weil gegen eine der logistischen Zielsetzungen verstoßen wurde. Dabei stellen sich Aufgaben zur Retourenvermeidung (aktiv) und zur Retourenbehandlung (passiv). Es geht also darum, Retouren erst gar nicht entstehen zu lassen oder anfallende Retouren effizient abzuwickeln. Dies ist insb. im Rahmen des e-Commerce ein bedeutsames Problem, wo Retourenquoten enorme Höhen erreichen können. Die Retourenvermeidung kann durch Qualitätssicherung (Art / Menge) und Logistikoptimierung (Raum / Zeit) erreicht werden. Die Retourenabwicklung betrifft die Rückführung der Retouren in den Warenbestand, die Nachbesserung, die anderweitige Verwertung der Waren oder deren Vernichtung.

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Retouren betreffen nicht nur Produkte, sondern auch Verpackungen. In Bezug auf Verpackungen sind Mehrwegbehältnisse zu bevorzugen. Die Abwicklung kann durch unternehmenseigene Systeme, Multi-Partner-Systeme oder Poolsysteme mit standardisierten Behältern und Depots erfolgen. Dabei kann ein Zug um Zug-Tausch erfolgen (z. B. Paletten) oder ein Direkttausch (z. B. voll gegen leer) oder ein Saldenausgleich (nach Volumen). Die Berechnung erfolgt per pauschalem Pfand oder durch individuelle Berechnung. Die „Grüne“ Logistik soll ein Gleichgewicht zwischen ökonomischer und ökologischer Effizienz durch nachhaltige Konzepte erreichen, die der sozialen Verantwortung der Unternehmen entsprechen. Dabei ist vor allem der CO2-Verbrauch in den Mittelpunkt gerückt (Carbon Footprint). Dabei werden die Treibhausgasemissionen eines Produkts über seinen gesamten Lebenszyklus hinweg ermittelt und kumuliert. Ergebnis ist eine Umweltbilanz mit Ausweis der Schadstoffe bei der Rohstoffgewinnung, der Ver- und Bearbeitung, der Transporte, des Gebrauchs und der Entsorgung. Alle Emissionen werden dabei auf CO2-äquivalente Werte umgerechnet. Zur Verringerungen bieten sich zahlreiche Maßnahmen an: • Verkehrsvermeidung durch bessere Kapazitätsauslastung, Reduzierung der Fahrtstrecken, Verringerung von Anlieferstopps, • Verkehrsverlagerung durch Nutzung alternativer Verkehrsträger, vor allem Schiff und Bahn, • Gestaltung der Verkehre durch rollwiderstandsoptimierte Reifen, Leichtlauf­ öle, umweltschonende Antriebstechniken, leichtere Fahrzeuge, • präferenzielle Verwendung nachwachsender Rohstoffe, Modularisierung von Logistiklägern, • Verpackungsoptimierung, Produktoptimierung, Sendungsverdichtung, Transportbündelung etc. Die Überprüfung erfolgt durch eine Umweltmanagement-Zertifizierung nach DIN ISO 14001:2015. 7.9 Supply Chain Management Unter Supply Chain Management (SCM) versteht man die unternehmensübergreifende Planung, Steuerung und Kontrolle der Leistungserstellung sowie der logistischen Prozesse innerhalb einer mehrstufigen Wertschöpfungskette. Ziele im Güterfluss betreffen die Verkürzung der Produktentwicklungszeit, die Reduzierung der Bestände, die Vermeidung von zwischenbetrieblichen Liegezeiten, die maximale Lieferbereitschaft, die Losgrößenoptimierung und die Vereinfachung des Güterflusses. Ziele im Informationsfluss betreffen die Verkürzung

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der Auftragsdurchlaufzeit, die zeitrichtige Bereitstellung von Informationen, die schnellere Reaktion bei Veränderungen, die Nutzung freier Kapazitäten und Bestände, die Transparenz und Synchronisierung der Informationen. Voraussetzungen sind moderne IuK-Kapazitäten, die informationelle Vernetzung der Partner, eine belastbare Vertrauensbasis zwischen ihnen und eine einheitliche Software. Man geht dabei meist vom Supply Chain Operations Reference Model (SCOR) aus, dieses fungiert als Referenzmodell. Darin werden folgende Kernprozesse unterschieden (siehe Abb. C52): • die Planung der Angebots- und Nachfragebedingungen (Plan), • die entsprechende Beschaffung von Einsatzgütern (Source), • die Produktion der Erzeugnisse (Make), • deren Auslieferung an Abnehmer (Deliver), • deren Rücklieferung bei Redistribution (Return).

Abbildung C52: SCOR-Modell (eig. Abb.)

Daraus folgend ergeben sich Konfigurationsprozesse durch Planung, Ausführung und Entscheidungsunterstützung. Diese haben Prozesselemente zur Voraussetzung. Lieferanten und Abnehmer können Externe oder Interne sein, die netzwerkartig ineinander greifen. Dabei wird nicht nur die unternehmenseigene Wertschöpfung

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betrachtet, sondern auch die Verkettung zu vorgelagerten Aktivitäten (upstream) und nachgelagerten Aktivitäten (downstream). Dabei entsteht das Phänomen, dass bereits kleinere Schwankungen am Ende dieser Kette zu erratischen Ausschlägen an deren Anfang führen können (Bullwhip-Effekt). Dies kommt durch zeitliche Reaktionsverzögerungen, Sicherheitszuschläge der Beteiligten und unzureichende Informationslage zustande. Das SCM soll daher zu einer stufenübergreifend verbesserten Abstimmung der Beteiligten beitragen. Dazu sind Entscheidungen auf der Strukturebene, hier vor allem die Standortwahl, die Partnerwahl und die Netzwerkkonfiguration, auf der Prozessebene, hier vor allem Informationen und Wissen betreffend, und auf der Managementebene zu treffen, hier in Bezug auf Unternehmenskultur, Risikobeherrschung und Überwachung Ziel der Netzwerkstrukturierung ist vor allem die Kompression der Anzahl logistischer Knoten und der direkt daran beteiligten, die Segmentierung durch Entkopplung von Produktionsabschnitten und das Postponement zur zeitlichen Verschiebung von Auflösungspunkten. Bei der Prozessgestaltung geht es vor allem um das Layout der Prozesse, die Zuteilung entsprechender Ressourcen (Sachmittel, Finanzen, Personal) und die effiziente Steuerung der Abläufe. Dabei spielen die Synchronisation und Automatisierung der Informationsverarbeitung eine große Rolle. Dazu gehören Enterprise Resource Planning- (ERP zur Termin-, Materialbedarfs-, Produkt- und Maschinenplanung je Auftrag), Advanced Planning- (APS zur Zuordnung von Material, Reihenfolgen, Abläufen etc.), Collaborative Planning Forecasting Replenishment- (CPFR) und Supply Chain Event Management-Systeme (SCEM). Zentral ist dabei auch die Wissensgenerierung aus explizitem Wissen, das personenunabhängig vorhanden ist, und implizitem Wissen, das personenabhängig ist. Die Unternehmenskultur kann dabei positive wie negative Auswirkungen auf Ergebnisse haben. Negative Auswirkungen sollen auch durch das Management von Interdependenzrisiken, von Transferrisiken und von Länderrisiken vermieden werden. Die Ergebnisse aller Aktivitäten müssen schließlich im Rahmen der Kontrolle überwacht werden. Die SCM-Planung erfolgt durch informationsverarbeitende Systeme und Basis informationeller Vernetzung durch Electronic Data Interchange (EDI), genauer EDIFACT (for Administration, Commerce and Transport). Weitere Elemente sind optische (Barcode) oder drahtlose Steuerungen (RFID).

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C. Die Güterwirtschaft der Unternehmung

Literaturhinweise Beckmann, Kai: Logistik, 3. Auflage, Rinteln 2012 Ehrmann, Harald: Logistik, 8. Auflage, Herne 2014 Fortmann, Klaus-Michael / Kallweit, Angela: Logistik, 2. Auflage, Stuttgart 2007 Göpfert, Ingrid (Hrsg.): Logistik der Zukunft – Logistics for the Future, 7. Auflage, Wiesbaden 2016 Gudehus, Timm: Logistik, 4. Auflage, Heidelberg u. a. 2010 Heiserich, Otto-Ernst / Helbig, Klaus / Ullmann, Werner: Logistik, 4. Auflage, Wiesbaden 2011 Huber, Andreas / Laverentz, Klaus: Logistik, München 2011 Huth, Michael: Logistik, Weinheim 2015 Kluck, Dieter: Materialwirtschaft und Logistik, 3. Auflage, Stuttgart 2008 Koether, Reinhard (Hrsg.): Taschenbuch der Logistik, 4. Auflage, München 2011 Kummer, Sebastian (Hrsg.) / Grün, Oskar / Jammeregg, Werner: Grundzüge der Beschaffung, Produktion und Logistik, 3. Auflage, München 2013 Vahrenkamp, Richard: Logistik, 7. Auflage, München / Wien 2012

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Übungsaufgaben   1. Welche Aufgaben übernimmt ein Frachtführer?   2. Worum handelt es sich bei der Kommissionierung?   3. Es können verschiedene Lagerordnungen unterschieden werden. Stellen Sie bitte dar, um welche es sich handelt?   4. Erläutern Sie bitte die logistikrelevanten Merkmale von Spediteuren.   5. Was versteht man unter einem Materialfluss?   6. Was versteht man unter der Wiederbeschaffungszeit?   7. Was versteht man unter der Durchlaufzeit?   8. Was versteht man unter der Lieferzuverlässigkeit?   9. Was versteht man unter der Lieferqualität? 10. Was versteht man unter der Lieferflexibilität? 11. Welche zentralen Funktionen kommen dem Lager allgemein zu? 12. Welche Arten von Kanban-Systemen können unterschieden werden? 13. Aus welchen Zeitanteilen besteht die Kommissionierzeit im Einzelnen? 14. In der die EU-Außengrenzen überschreitenden Logistik sind Zolldokumente als Warenbegleitpapiere von Bedeutung. Um welche handelt es sich dabei? 15. Welche logistischen Entscheidungen sind in Bezug auf Transport und Lagerung zu treffen? Welche betriebswirtschaftlichen Überlegungen spielen dabei eine Rolle?

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C. Die Güterwirtschaft der Unternehmung

8. Qualität In diesem Kapitel werden folgende Inhalte behandelt und geklärt: • der Qualitätsbegriff, • die Inhalte des Qualitätsmanagements, • das Total Quality Management, • die Formen der Qualitätsmessung, • die Six Sigma-Philosophie, • die wichtigsten Qualitätswerkzeuge, • die Zertifizierung der Qualität und Qualitätsauszeichnungen, • die wirtschaftlichen und rechtlichen Fehlerfolgen. 8.1 Begriff Für Qualität gibt es zahlreiche Begriffsfassungen. Einleuchtend und knapp ist die Auffassung, dass Qualität die Eignung einer Leistung zur Erreichung eines bestimmungsgemäßen Nutzens ist, oder genauer: Qualität ist das Maß, in dem ein Angebot zu erwartende Kundenanforderungen erfüllt. Je mehr Leistung und Anforderung übereinstimmen, als desto höher wird die Qualität angesehen. Qualität ist daher regelmäßig subjektiv im Urteil des Kunden. Für den Fall, dass es festgelegte Anforderungen etwa durch Normen, Gesetze etc. gibt, ist Qualität ausnahmsweise auch objektiv bestimmbar. Qualität ist aber auch immer relativ, d. h. beurteilt sich im Vergleich zu den Qualitäten konkurrierender anderer Anbieter. Was als gute oder schlechte Qualität einzustufen ist, bemisst sich zumeist nach Erfahrungen mit gleichartigen Wettbewerbsleistungen oder für vergleichbar gehaltenen Leistungen des beurteilten oder anderer Anbieter. Was dabei als vergleichbar angesehen wird, ist der Beliebigkeit des Kunden überlassen, d. h. Qualitätserwartungen auf dieser Basis sind oftmals ungerecht. Der Qualitätsgrad ergibt sich als Quotient aus realisierter Beschaffenheit (Qualität) und Anforderungen an die Qualität einer Einheit. Dies entspricht dem Grad, in dem ein Satz dem Objekt innewohnender Kennzeichen alle verpflichtend festgelegten oder üblicherweise vorausgesetzten Erfordernisse erfüllt. Dabei ist allerdings fraglich, was unter Qualität zu verstehen ist (siehe Abb. C53): • Der transzendente Ansatz geht vom subjektiven Optimum einer Leistung aus. • Der produktbezogene Ansatz geht von messbaren, klassifizierbaren Eigenschaften aus. • Der kundenbezogene Ansatz geht von realistischen Erwartungen der Kunden aus.

8. Qualität

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• Der wertbezogene Ansatz geht vom Preis-Leistungs-Verhältnis einer Leistung aus. • Der produktionsbezogene Ansatz geht von den Voraussetzungen für Qualität aus.

Abbildung C53: Alternative Qualitätssichtweisen (eig. Abb.)

Daher ist Qualität kein absoluter Wert, sondern immer subjektiv in der Sicht dessen, der sie zu beurteilen hat (keine physikalische Größe, kein binärer Begriff (ja / nein)). Was der eine für Qualität erachtet, ist für den anderen inakzeptabel. Die Eigenschaft einer Einheit, auf deren Grundlage ihre Qualität beurteilt wird, ist das Qualitätsmerkmal. Dabei kann es sich um funktionale, ergonomische (Bedienbarkeit), physische (Material), sensorische (Wahrnehmungssinne), ökonomische (Preis / Leistung), ökologische, statusbezogene, zeitraumbezogene (Haltbarkeit) oder zeitpunktbezogene (Verfügbarkeit) Anforderungen handeln. 8.2 Qualitätsmanagement 8.2.1 Konzept

Qualitätsmanagement ist zentraler Bestandteil der Unternehmenspolitik und muss alle betrieblichen Bereiche integrieren. Dies erfordert die Etablierung eines Qualitätsmanagementsystems mit Vorgabe von Qualitätszielen und Sicherung ihrer Erreichbarkeit. Die Dokumentation findet im QM-Handbuch statt. Dies dient sowohl der Minimierung betrieblicher Risiken, was in regelmäßigen Audits überprüft wird, als auch eines ständig steigenden Qualitätsgrads im Wege Kontinuierlicher Verbesserung (Kaizen / KVP). Ziel des Qualitätsmanagements ist es, Qualität prozessbegleitend zu erzeugen. Daraus folgen Ziele für verschiedene Unterziele, so für • Kunden durch günstigen Preis, hohe Termintreue, geringe Fehlerquote, hohe Zufriedenheit etc.,

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C. Die Güterwirtschaft der Unternehmung

• Innovationserfolg durch Produktneuerungen, Prozessneuerungen etc., • Finanzmittel durch niedrige Kosten, hohen Umsatz, hohen Gewinn etc., • Prozesse durch Kapazitätsauslastung, hohe Produktivität, geringe Fehlerquote, Vorgabenerfüllung etc., • Mitarbeiter durch Qualifizierung, Motivierung etc. Dazu muss die gesamte Organisation zur Sicherung, Lenkung und Weiterentwicklung der Konzept- und Ausführungsqualität genutzt werden. Dabei sind vor allem die frühen Phasen der Produktentwicklung von Bedeutung, denn je später Fehler erkannt werden, desto mehr Kosten fallen zu ihrer Beseitigung an. Historisch sind die Qualitätskontrolle als Herausprüfen und Aussteuern schlechter Qualität und die Qualitätssicherung als ex ante-Planung von Qualität die Vorläufer. Die Weiterung findet durch das Total Quality Management (TQM) mit Ausrichtung der gesamten Unternehmung (Prozess) auf die von internen (Mitarbeitende) und externen Kunden (Markt) gewünschte Qualität statt. Qualitätsmanagement ist somit nicht nur ein moderner Begriff für Qualitätssicherung, sondern umfasst als Führungsaufgabe weitaus mehr. Dies wird gemeinhin mit dem PDCA-Zyklus (Deming-Kreis) erklärt (siehe Abb. C54): • P steht für Plan, also die Ziele vorgeben, die Konzeption erstellen und die Vorgehensweise planen (= Qualitätsplanung), • D steht für Do, also die probeweise Umsetzung vornehmen, verändern und experimentieren (= Qualitätsprüfung), • C steht für Check, also die Beobachtung, Messung und Überprüfung der sich herausstellenden Ergebnisse (= Qualitätslenkung), • A steht für Act, also die „flächendeckende“ Einführung der Verbesserung (= Qualitätssicherung).

Abbildung C54: PDCA-Zyklus (eig. Abb.)

8. Qualität

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8.2.2 Qualitätsplanung

Die Qualitätsplanung ist derjenige Teil des Qualitätsmanagements (QM), der auf das Festlegen der Qualitätsziele und der notwenigen Ausführungsprozesse sowie der zugehörigen Ressourcen zum Erreichen der Qualitätsziele ausgerichtet ist. Die Ziele ergeben sich aus der Gesamtheit der betrachteten Qualitätsmerkmale an die Beschaffenheit einer Einheit. Dazu bedarf es der Planung des QM-Systems und der Qualitätsforderungen. Die Planung umfasst die zur Verwirklichung des Qualitätsmanagements erforderlichen Organisationsstrukturen, Verfahren, Prozesse und Mittel. Die Auflösung wird in Verfahrensanweisungen dokumentiert. Qualitätsplanung ist die grundlegende Festlegung der qualitativen Produkt­ eigenschaften durch Spezifizierung der Qualitätsmerkmale und deren Realisierung. Von besonderer Bedeutung sind die Qualitätskosten. Die Qualitätsplanung in der Produktion betrifft die Dokumentation durch Spezifikationen, Aufzeichnungen, Dokumente, Protokolle, Berichte, Nachweise etc. Dabei ist vor allem die „Langzeitqualität“ von Bedeutung, d. h. das Verhalten einer Einheit im Zeitablauf der Nutzung. Parameter sind die Zuverlässigkeit (Ausbleiben von Ausfällen im Betrieb), die Instandhaltbarkeit, die Instandhaltung (Wartung, Reparatur), die Sicherheit (keine Unsicherheitssituationen), das Risiko (Ausmaß von Schäden) und die Verfügbarkeit (geringe Ausfall- und Standzeiten außerhalb der Einführungs- und Verschleißphase). Angesichts hoher Outsourcing-Anteile ist die Qualitätsplanung in der Beschaffung von hoher Bedeutung, um „unverschuldeten“ Kundenunzufriedenheiten zu begegnen, Störungen in der eigenen Fertigung zu verhindern sowie Gewährleistungs- und Produkthaftungsansprüche zu vermeiden. Dazu sind eine Reihe von Maßnahmen üblich: • die Lieferantenbewertung vor Auftragsvergabe stellt sicher, dass nur qualifizierte Zulieferer beauftragt werden, • die Lieferbedingungen stellen sicher, dass keine Beeinträchtigungen während der Zulieferung entstehen, • die Erstmusterprüfung stellt sicher, dass der Serienanlauf den technischen Liefervereinbarungen auch tatsächlich entspricht, • die Wareneingangsprüfung stellt sicher, dass die Anlieferung die Bedingungen einhält (aus schuldrechtlichen Gründen ist eine Stichprobenziehung erforderlich). Zusätzlich können während der laufenden Geschäftsbeziehung LieferantenAudits vereinbart werden (je nach Nachfragemacht). Diese Prüfungen dienen der Beweismittelsicherung bei Qualitätsproblemen.

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C. Die Güterwirtschaft der Unternehmung

8.2.3 Qualitätsprüfung

Die Qualitätsprüfung hat zum Ziel festzustellen, inwieweit ein Prüfobjekt eine Forderung erfüllt. Man spricht hier auch von Konformität, d. h., es kommt nicht auf den absoluten Qualitätsgrad an, sondern auf die Übereinstimmung mit dem vorab vereinbarten Qualitätsgrad. Die Prüfungen können nach verschiedenen Kriterien erfolgen: • nach dem Ort kann es sich um die Prüfung beim Wareneingang, an Fertigungsstellen, bei der Montage etc. handeln, • nach der Anzahl der Merkmale kann es sich um ein Merkmal oder zwei und mehr Merkmale handeln, • nach dem Anlass kann es sich um eine Zulassungsprüfung oder eine Beobachtungsprüfung handeln, • nach der Durchführung kann die Prüfung zerstörend oder nicht zerstörend sein, • nach dem Umfang kann eine Vollprüfung, Teilprüfung oder Stichprobenprüfung vorliegen, • nach den Prüfmerkmalen kann es sich um solche quantitativer oder qualitativer Natur handeln, • nach der Prüfmethode kann es sich um eine objektive (durch Maschinen) oder subjektive (durch Menschen) handeln, • nach dem Träger kann es sich um eine Selbstprüfung (Assessment) oder Fremdprüfung (Audit) handeln. Am verbreitetsten ist der Audit als systematische, unabhängige Untersuchung, um festzustellen, ob die qualitätsbezogenen Tätigkeiten und die damit zusammenhängenden Ergebnisse den geplanten Forderungen entsprechen, die Forderungen tatsächlich verwirklicht werden und sie geeignet sind, die Ziele zu erreichen. Der Audit kann sich hinsichtlich der Einhaltung der Forderungen beziehen auf • Produkte (Teile, Baugruppen, Dienstleistungen etc.), • Prozesse (Fertigungs-, Montage-, Servicevorgänge etc.), • Systeme (QM-System). Audits können intern (auch durch andere Stellen) oder extern durchgeführt werden. Dabei sind das zu auditierende Element, die verantwortliche Stelle und deren Mitarbeiter, der Gegenstand des Audits (meist Fehlerrate), die Auditoren und die relevanten Dokumente zu vereinbaren. Der Ablauf (Prüfplan) umfasst Vereinbarungen zu folgenden Aspekten: • Erstellung des allgemeinen Prüfplans und dessen Anpassung an die spezifischen betrieblichen Gegebenheiten,

8. Qualität

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• Bestimmung des Prüfmerkmals, • Prüfzeitpunkt, Prüfort und Prüfpersonal, • Prüfart und Prüfumfang (dabei werden häufig dynamisch-veränderliche Prüfumfänge zugrunde gelegt), • Prüfmittelüberwachung, also deren Instandhaltung, Kalibrierung, Justierung bzw. Eichung, • Prüfdatenauswertung in Bezug auf Learnings. Über den Audit wird ein Ergebnisprotokoll erstellt. In der Qualitätsprüfung wird festgestellt, inwieweit ein Produkt oder eine Dienstleistung die Qualitätsforderungen erfüllt. Durch die Prüfung erfolgt eine Fehlerfeststellung, die Ergebnisse werden in Qualitätsaufzeichnungen festgehalten und bilden eine der Grundlagen für die Fehlervermeidung. Qualität darf aber nicht herausgeprüft, sondern muss prozessbegleitend produziert werden. Die vorbeugende Prüfung erfolgt unter Verwendung von Prüfmitteln. Die Prüfung kann durch Vergleich mit anderen Einheiten (relativ) oder durch Messung einer Einheit (absolut) erfolgen. Prüfungen finden im Einzelnen statt als • Wareneingangsprüfung, sie stellt sicher, dass ein zugeliefertes Produkt nur verwendet wird, wenn es die festgelegten Qualitätsanforderungen erfüllt, z. B. äußerer Zustand, Übereinstimmung mit Bestellung, richtige Quantität, richtige Qualität, • Zwischenprüfung, sie stellt während der Fertigungsprozesse fest, ob die Qualitätsvorgaben eingehalten werden, • Endprüfung, sie ist die letzte Prüfung vor Übergabe der Einheit an den (internen oder externen) Kunden. Die Prüfung findet in folgenden Phasen statt: • Festlegung der Prüfplanung durch Vorgabe von Prüfspezifikationen und -anweisungen, • Prüfungsdurchführung, • Prüfauswertung durch Messprotokolle oder Qualitätsregelkarten. Unter Prüftechnik versteht man die Gesamtheit der zur Qualitätsprüfung erforderlichen technischen Ausrüstung als Überwachungs- und Messmittel. Dazu gehören: • Prüfmittel, sie dienen zur Vornahme der Qualitätsprüfung, • Prüfverfahren, diese können zerstörend oder zerstörungsfrei sein, • Lehren zur Abweichungsfeststellung, es wird geprüft, ob eine Einheit innerhalb des Toleranzbereichs liegt, es geht nicht um die genaue Ermittlung des Messwerts,

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C. Die Güterwirtschaft der Unternehmung

• Messmittel (Genauigkeit, Toleranz) nach Kalibrierung, hier geht es um die Ermittlung des Messwerts, die Messung kann direkt oder indirekt erfolgen. Unter Toleranzbereich versteht man die Differenz zwischen der kleinsten zulässigen und der größten zulässigen Abweichung zum Sollwert. Wird der untere oder obere Toleranzbereich verlassen, liegt ein Fehler vor. Unter Zugrundelegung einer Prüfstatistik kann von einer Stichprobe auf die Fehlerwahrscheinlichkeit in der zugehörigen Gesamtmenge geschlossen werden (induktiv).

8.2.4 Qualitätslenkung

Die Qualitätslenkung ist derjenige Teil des Qualitätsmanagements, der vorbeugend, überwachend und korrigierend auf die Erfüllung der Forderungen an die Beschaffenheit einer Einheit gerichtet ist. Die Qualitätslenkung kann sich auf die Tätigkeiten oder die Ergebnisse der Tätigkeiten zur Qualität beziehen (unmittelbar) oder auf die Sicherung der Rahmenbedingungen der Qualität (mittelbar). Qualitätslenkung meint die Steuerung auf ein bestimmtes Ziel hin, Qualitätsregelung meint dazu im Unterschied die Einhaltung von Zieltoleranzen. Die Lenkung erfolgt abgestuft auf allen Qualitätsebenen. Die Qualitätslenkung überwacht und korrigiert die Realisierung eines Produkts oder einer Dienstleistung mit dem Ziel, die Qualitätsforderung zu erfüllen. Dabei werden die Ergebnisse von Qualitätsprüfungen mit den Vorgaben aus der Qualitätsplanung verglichen. Bei Abweichungen (Fehlern) werden Korrekturmaßnahmen durchgeführt (Qualitätsregelkreis). Dies erfolgt durch Strukturierung der wettbewerbsentscheidenden Prozesse, Maßnahmen zur Erreichung der Konformität, Messung der Produkt- und Prozessqualität, Festlegung der Verantwortlichkeiten für Messen und Prüfen sowie Arbeit in Regelkreisen. Dieser Regelkreis besteht aus Zielformulierung, Zielumsetzung, Zielerreichung und Bewertung. Wesentliche Inhalte sind folgende: • Dokumentenlenkung, d. h. Regelung des Umgangs und der Verwaltung von Qualitätsdokumenten, • Qualitätskosten, d. h. Kosten des gesamten Qualitätsmanagements, • Qualitätssicherung, d. h. Erfüllung der Qualitätsanforderungen, • Qualitätsüberwachung, d. h. Nachweisführung zur Sicherstellung der festgelegten Qualitätsanforderungen, auch durch Analyse der Qualitätsaufzeichnungen, • Qualitätsverbesserung, d. h. vorbeugende, überwachende, korrigierende Maßnahmen zur Qualitätserhöhung,

8. Qualität

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• Reklamationsbehandlung, d. h. geordneter Umgang mit Reklamationen (intern, extern), • Statistische Prozesssteuerung und statistische Qualitätslenkung. Total Productive Maintenance betrifft dabei die planmäßige, vorbeugende Instandhaltung, d. h. Maßnahmen zur Bewahrung und Wiederherstellung des Soll-Zustands sowie zur Feststellung und Beurteilung des Ist-Zustands von technischen Mitteln eines Systems. Dazu gehören die Wartung (Reinigung, Schmierung etc.), die Inspektion (Verschleiß) und die vorbeugende Instandhaltung (Teileaustausch). Die Prüfmittelverwaltung umfasst die Beschaffung, die Erfassung, die Freigabe, die Lagerung, die Überwachung und die Aussonderung von Prüftechnik, eine Korrektur ist erforderlich, wenn Toleranzgrenzen überschritten werden oder eine Überschreitung erkennbar wird.

8.2.5 Qualitätssicherung

Die Qualitätssicherung ist derjenige Teil des Qualitätsmanagements, der auf die Erzeugung von Vertrauen in die Leistungsfähigkeit des QM-Systems gerichtet ist. Dieses Vertrauen wird durch QM-Darlegungen geschaffen. Dabei sollen alle geplanten und systematischen Tätigkeiten innerhalb des QM-Systems dokumentiert werden. Die Qualitätssicherung / QM-Darlegung (auch Quality Assurance) umfasst alle Maßnahmen, um eine dauerhafte Erfüllung der Qualitätsforderungen einer Einheit zu erzielen sowie alle geplanten und systematischen Tätigkeiten, die ein angemessenes Vertrauen schaffen, dass eine Einheit Qualitätsanforderungen erfüllen wird. Zur Fehlerbehebung sind statistische Methoden zur Qualitätsüberwachung erforderlich wie • Fehlerbaumanalyse (Fault Tree Analysis) als systematische Fehleruntersuchung zur Erkennung möglicher Fehlerursachen und Ermittlung deren Eintrittshäufigkeiten, • Maschinenfähigkeitsuntersuchung, ob Anforderungen an Arbeitsmittel stabil erfüllt werden, • Prozessfähigkeitsuntersuchung, ob Prozesse die Anforderungen stabil erfüllen, • Messsystemanalyse zur Bewertung der Messsysteme unter Anwendungsbedingungen hinsichtlich ihrer Genauigkeit, • Statistische Toleranzrechnung zur Bestimmung von Toleranzbereichen, • Stichprobenprüfung zur Ermittlung der Fehleranteile an der Grundgesamtheit,

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C. Die Güterwirtschaft der Unternehmung

8.3 Total Quality Management Total Quality Management (TQM) umfasst Mitarbeiter und Arbeit, Führungsstil, Einbeziehung der Mitarbeiter in Entscheidungen, Teamarbeit, ständiges Lernen und offenes Organisationsklima (siehe Abb. C55): • „Total“ bedeutet, dass die Einbeziehung aller an der Leistung beteiligten Interessengruppen wie Mitarbeiter, Zulieferer, Abnehmer etc. erforderlich ist, also die partnerschaftliche Kommunikation mit Kunden unter Einschluss aller Unternehmensangehörigen, bereichs- und funktionsübergreifend, über alle Hie­ rarchieebenen hinweg mittels Öffentlichkeitsarbeit, Gruppenarbeit und Netzwerk mit Lieferanten. • „Quality“ bedeutet, dass eine konsequente Orientierung aller betrieblichen Aktivitäten an den Qualitätsforderungen erforderlich ist, also Qualität der Unternehmung, der Prozesse, der Arbeit, der Produkte mit Kundenwünschen als Maßstab und Abbau nicht kundenrelevanter Aktivitäten. Wichtige Mittel sind dabei der Einsatz statistischer Verfahren und die vorbeugende Fehlervermeidung. • „Management“ bedeutet, dass Qualität als übergeordnetes Führungsprinzip in der Unternehmung verstanden wird (Unternehmenskultur), versehen mit Vorbildcharakter (Top down) durch prioritäre Qualitätsziele/-strategien. Wichtig sind dabei Team- und Lernfähigkeit, Beharrlichkeit, Qualifizierung der Mit-

Abbildung C55: TQM-Bestandteile (eig. Abb.)

8. Qualität

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arbeitenden, Anerkennung guter Leistungen und allgemein die Berücksichtigung von Humanität. Dabei werden im Einzelnen folgende Bausteine eingesetzt: • Die Qualitätspolitik ist die umfassende Absicht und Zielsetzung einer Organisation zur Qualität, wie sie formell durch die oberste Leitung ausgedrückt wird. • Die Aufbauorganisation ist die Festlegung der Verantwortungen, Befugnisse und gegenseitigen Beziehungen aller Mitarbeiter, die leitende, ausführende und überwachende Tätigkeiten ausüben, welche die Qualität beeinflussen. • Die Ablauforganisation ist die Festlegung und Abstimmung aller Prozesse, welche die Qualität beeinflussen. • Aufzeichnungen führen den Nachweis, dass die Qualitätsanforderungen erfüllt wurden und dass das Qualitätsmanagementsystem wirkungsvoll funktioniert. • In Regelkreisen erfolgt immer wieder ein Soll-Ist-Vergleich mit Korrekturmaßnahmen bei Abweichungen. Auf dem Weg dorthin sind mehrere Schritte als Qualitätsmanagementprozess erforderlich (siehe Abb. C56): • Der Qualitätsprozess umfasst die Auswahl, Klassifizierung und Gewichtung der Qualitätsmerkmale sowie die schrittweise Konkretisierung aller Einzelforderungen an die Leistung unter Berücksichtigung der Erfordernisse, der Anspruchsklasse und der Realisationsmöglichkeiten. Alle Aktivitäten in der Unternehmung müssen sich dabei am Kunden orientieren. Bemühungen zur Verbesserung von Qualität sind auf die Verbesserung und Beherrschung eben dieser Prozesse zu konzentrieren. Als Maßstab für Qualität gilt dabei immer „Null Fehler“. Fehler dürfen daher nicht einfach hingenommen, sondern müssen als Indiz für ein Versagen im Arbeitsprozess angesehen werden, aber zugleich auch als Chance, die Ursachen dieses Versagens zu beseitigen. Das wirtschaftlichste Konzept zur Qualitätsverbesserung ist die Vorbeugung, d. h. Fehler erst gar nicht entstehen zu lassen.

Abbildung C56: Qualitätsmanagementprozess (eig. Abb.)

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C. Die Güterwirtschaft der Unternehmung

• Die Qualitätsumsetzung betrifft sämtliche vorbeugenden, überwachenden und korrigierenden Tätigkeiten bei der Realisierung. Unmittelbar geschieht dies durch Lenkung der Tätigkeiten während der Erstellung der Leistung, konkret z. B. durch Schulungs- und Trainingsmaßnahmen bei Mitarbeitern. Ein zentrales Instrument sind auch Quality Circles, die bislang weitgehend ungenutztes Mitarbeiterpotenzial aktivieren. • Die Qualitätsanalyse dient der Feststellung, inwieweit ein Produkt die Qualitätsanforderungen der Kunden und des Anbieters erfüllt. Dies geschieht etwa durch Testläufe oder Beschwerdeerfassung. Daneben werden freilich verstärkt auch Prozesse zur Erstellung von Produkten geprüft. Eine effiziente Datensammlung bildet daher die Grundlage zum Erfolg. Wichtig ist zu beachten, warum, was, wann, wo, wer, wie und womit Merkmale in der Zeit gegeben sind. • Die Qualitätsdokumentation enthält alle geplanten und systematischen Tätigkeiten, die dargelegt werden, um angemessenes Vertrauen zu schaffen, dass angebotene Leistungen auch zukünftig alle Qualitätsforderungen erfüllen. Dies geschieht meist durch Qualitätshandbücher, die Ist-Zustände akzeptierter Prozesse festschreiben und Entwicklungsrichtlinien für neue Prozesse aufzeigen. Extern sind sie eine der Basen zur Zertifizierung durch unparteiische Dritte, die aufzeigt, dass angemessenes Zutrauen besteht, dass Qualitätsanforderungen zuverlässig erfüllt werden. Dadurch verfügt der Anbieter über einen europaweit anerkannten Nachweis seiner Fähigkeit, Qualitätsanforderungen konsistent zu erfüllen, was zwischenzeitlich eine der wichtigsten Voraussetzungen zur Auftragserteilung durch Dritte ist. Die Nutzen des Qualitätsmanagementsystems sind vielfältig. Die Sicherheit, dass alle Bereiche reibungslos funktionieren, gibt allen Beteiligten innere Ruhe und Motivation. Fehler müssen nicht mehr vertuscht, sondern können offensiv offengelegt werden. Die meisten Leistungen setzen sich aus verschiedenen Komponenten zusammen, die Endqualität ist damit nur so gut, wie das schwächste Glied dieser Kette. Der Betrieb kann Forderungen der Produkthaftung, wie sie europaweit gilt, leichter begegnen. Die Wettbewerbsfähigkeit der Unternehmung wird wesentlich gesteigert. Mit einer konsequenten Ausrichtung auf Qualität werden Kostensenkungspotenziale erschlossen. Die Probleme der Gewährleistung sind geringer. Jede Reklamation stört den normalen Geschäftsablauf, daher ist es wichtig, Störquellen bereits im Vorfeld zu erkennen und zu vermeiden. Eine der wesentlichen Aufgaben des Managements ist es, das Qualitätsdenken in der Organisation zu verbreiten und mit gutem Beispiel voranzugehen.

8. Qualität

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8.4 Qualitätsmessung Zu den Statistischen Mess- und Prüfverfahren gehören u. a. die Statistische Versuchsplanung, die Statistische Prozessregelung (SPC) und das Versuchsdesign (DoE). Bei der Statistischen Versuchsplanung geht Shainin vom Pareto-Prinzip aus, d. h., es gibt Haupteinfluss-, Sekundäreinfluss- und Tertiäreinflussgrößen auf die Produktion. Ziel ist die sukzessive Reduzierung dieser anfangs schwer überschaubaren Einflussgrößen auf diejenigen, wenigen Haupteinflussgrößen, die gut „eingestellt“ werden können. Die Identifizierung der Haupteinflussgrößen führt zur Validierung der Ergebnisse und zur Optimierung der Zielgrößen. Dazu dienen verschiedene Maßnahmen: • Beim paarweisen Vergleich wird versucht, die wesentlichen Störeinflüsse durch einen Vergleich von Gut- und Schlecht-Teilen einzugrenzen, indem jeweils eine gute und eine schlechte Einheit zufällig zu einem Paar zusammengestellt und hinsichtlich ihrer Abweichungen verglichen werden. • Beim Komponententausch geht es um das wechselseitige Vertauschen der Komponenten von guten und schlechten Einheiten mit anschließender grafischer Auswertung der Veränderung. • Mithilfe der Multi-Variations-Karte geht es um das Erkennen und Einstufen der Haupteinflussgrößen für Qualität. Dazu werden jeweils drei bis fünf Einheiten im Zeitablauf gemessen, um dadurch einen Ausweis der Lage der Qualitätswerte (wenige / viele Fehler), ihrer Abweichungen vom Mittelwert (große / geringe Abweichung) und ihrer Streuung im Zeitablauf (gleich bleibend, verbessert, verschlechtert) zu erhalten. • Bei der Variablensuche werden die Teile als 5 – 20 Steuergrößen auf zwei Stufen variiert und mit einem Vorlauf verglichen. Dann werden die Einflussgrößen nach Qualitätsbedeutung absteigend gerangreiht. Durch systematische Variation der Einstellungen werden die wichtigsten Prozessparameter aufgedeckt. Dazu wird das wichtigste Gut-Teil mit allen anderen schlechten Teilen gemeinsam integriert und gemessen, dann wird das wichtigste Schlecht-Teil mit allen anderen guten Teilen integriert und gemessen, dies erfolgt nacheinander für alle Teile. Diese Messungen werden mit nur guten bzw. nur schlechten Teilen verglichen, die größte Verschlechterung bei ansonsten nur Gut- bzw. die größte Verbesserung bei ansonsten nur Schlecht-Teilen ist qualitätskritisch. Qualitätskritische Teile müssen dann mit engeren Toleranzen eingestellt werden als weniger qualitätskritische. • Im vollständigen Versuch geht es um die Ermittlung der Effekte der Haupteinflussgrößen und ihrer Wechselwirkungen untereinander.

238

C. Die Güterwirtschaft der Unternehmung

• Anschließend geht es im Vergleich A zu B um die Bestätigung der optimalen Einstellung der gefundenen Haupteinflussgrößen durch Vergleich des vermutlich besseren Prozesses mit dem alten Prozess. • Im Streudiagramm kommt es zur Optimierung und Tolerierung der Einstellung der Haupteinflussgröße mit Problemlösung in Bezug auf die Kundenanforderungen. Als fähiger Prozess wird ein solcher bezeichnet, der innerhalb der Toleranzgrenzen liegt, statistisch spricht man hier von hoher Validität, als beherrschter Prozess wird ein solcher bezeichnet, der wiederholbar ist, statistisch spricht man von hoher Reliabilität. Ein fähiger, aber nicht beherrschter Prozess liegt zwar innerhalb der Toleranzgrenzen, schwankt aber in seiner Qualität, ein nicht fähiger, aber beherrschter Prozess ist zwar verlässlich wiederholbar, liegt aber beständig außerhalb der Toleranzgrenzen. Nicht fähige, nicht beherrschte Prozesse sind auszuschließen. Als Ziel stellen sich vielmehr fähige und beherrschte Prozesse, die nurmehr zufälligen Störeinflüssen unterliegen. Systematische Einflüsse treten unregelmäßig auf und beruhen auf Ursachen, die gefunden und abgestellt werden können, zufällige Einflüsse hingegen sind natürliche Streuungen, die nicht beeinflussbar, weitgehend stabil und nur wahrscheinlichkeitstheoretisch vorhersagbar sind. Ihre Häufigkeit wird durch Lokalisationsparameter wie vor allem Mittelwert / Median bzw. Dispersionsparameter wie vor allem Standardabweichung / Spannweite ausgewiesen. Eine Folge von sieben Werten pro Zyklus aus direkt nacheinander gezogenen Teilstichproben unterhalb bzw. oberhalb des Mittelwertes wird als systematischer Einfluss angesehen, daher muss die Produktion gestoppt bzw. mithilfe statistischer Versuchsplanung nachgeregelt werden. Dann beginnt eine neue Messung. Eine Trendanalyse kann erfolgen, sobald sechs aufeinander folgende Merkmalswerte in Sollbereich liegen (Statistical Process Control / SPC). Das Versuchsdesign (Design of Experiments / DoE) nach Taguchi ist eine anspruchsvolle statistische Versuchsplanung mit Einstellung der Kenngrößen eines Produkts oder Prozesses vor Beginn der Serie (offline) derart, dass sich optimale Ergebnisse bei möglichst geringer Streuung ergeben, weiterhin laufend während der Leistungserstellung (online). Ziel ist die Realisierung robuster Entwicklungen und Prozesse, die gegenüber von außen auf den Prozess einwirkenden Störgrößen möglichst unempfindlich sind. Qualität entsteht demnach nicht allein durch die Einhaltung von Toleranzen, sondern durch eine minimale Streuung der Istwerte um den Sollwert, ist also keine lineare, sondern eine parabolische Funktion. Ausgangspunkt ist ein ­Acceptable Quality Level (AQL) auf Basis einer Kennlinie für den Annahme- bzw. Ablehnungsbereich. Anbieterrisiko ist es, wenn gefertigte Teile besser als die Annahmeforderung sind, Abnehmerrisiko hingegen ist es, wenn angenommene Teile

8. Qualität

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schlechter als die Ablehnungsforderung sind. Der Fehleranteil wird in Parts per Million (PPM) ausgewiesen. 8.5 Six Sigma-Philosophie Six Sigma umfasst eine Arbeitsphilosophie, welche die Kundenorientierung in den Mittelpunkt stellt. Früher galt ein Wert von ± 3 σ, d. h. 99,73 % Wahrscheinlichkeit für Fehlerfreiheit gegenüber 95,5 % bei 2 σ und 68,3 % bei 1 σ als das höchste der Gefühle. Ein Mehr an Qualität wäre zwar durchaus möglich gewesen, hätte jedoch soviel Mehrkosten verursacht, die der Markt für mehr Qualität nicht zu erlösen bereit gewesen wäre, so dass der Gewinn geschmälert würde. Heute werden von qualitätsbewussten Unternehmen ± 6 σ realisiert. Dies bedeutet einen Fehleranteil von 0,00034 % (gegenüber 6,68072 % bei 3 σ, also das knapp 2000-fache). Dabei wird jeweils eine Mittelwertverschiebung um ± 1,5 σ unterstellt. Ausgangspunkt ist die Gauss’sche Normalverteilungskurve (siehe Abb. C57). Diese ist durch zwei Parameter normiert, den Mittelwert (µ) und die Standardabweichung (σ). Der Mittelwert gibt die Lage der Kurve an, die Standardabweichung die Streuung der Werte. Berücksichtigt man eine Streuung der Werte um +/– 1,5 σ liegen eines Intervalls von +/– 1 σ dann 31 % aller Fälle unterhalb der Kurve, innerhalb von +/– 2 σ 69 % aller Fälle, innerhalb von +/– 3 σ 93 %. 3 σ-Qualitätsniveau war früher die übliche Aussteuerung. Dabei ist zu bedenken, dass Produkte häufig aus Hunderten Teilen bestehen und jedes Teil seinerseits wiederum in mehreren Prozessstufen hergestellt wird.

Quelle: sixsigma.siegfried-seibert.de/uploads/SixSigmaInfo/Normal.jpg

Abbildung C57: Six Sigma

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C. Die Güterwirtschaft der Unternehmung

Dies ist dramatisch, weil somit bereits kleinste Fehlerraten in einzelnen Prozessen / Prozessstufen beim Durchlauf in der Unternehmung kumulieren. 3-σ-Qualität bedeutet etwa bei einem Krankenhaus mit 100 Operationen pro Tag eine misslungene OP pro Tag, bei einer Apothekenkette, die 1.000 Rezepte pro Tag annimmt, 10 falsch ausgelieferte Arzneimittel, 15 Minuten Stromausfall pro Tag bei den Elektrizitätswerken. Durch empirische Studien (PIMS-Projekt) ist jedoch bekannt, dass Unternehmen mit überdurchschnittlicher relativer Qualität nicht weniger Gewinn, sondern mehr Gewinn erzeugen als solche mit durchschnittlicher Qualität. Qualität kostet also nicht Gewinn, sondern Qualität bringt Gewinn. Bei der Durchführung der Qualitätssteigerung wird ein DMAIC-Arbeitszyklus zugrunde gelegt (siehe Abb. C58): • D steht für Definition eines Verbesserungsziels, M steht für Messung des Istzustands, A steht für Analyse der Steuerungsmöglichkeit, I steht für Umsetzung der Verbesserung und C für Prüfung des Ergebnisses. In der Definitionsphase wird der angestrebte Zielzustand definiert, die vermuteten Störursachen werden identifiziert und eine Projektbeschreibung wird erstellt (Charta). Dazu werden die Kundenforderungen formuliert, in operationalisierbare Größen übersetzt und die qualitätskritischen Parameter bestimmt. In der Messphase wird der Istzustand der Qualität festgestellt. In der Analysephase werden Hypothesen über die Fehlerentstehung erarbeitet. In der Verbesserungsphase werden Maßnahmen unter Umsetzbarkeits- und Kostengesichtspunkten festgelegt. Und in der Prüfungsphase wird verifiziert, ob die Verbesserungen die

Abbildung C58: DMAIC-Zyklus (eig. Abb.)

8. Qualität

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gewünschten Ergebnisse erbracht haben oder nicht, dann geht der Kreislauf von Neuem los. 8.6 Qualitätswerkzeuge Zur Umsetzung stehen dabei eine ganze Reihe von Instrumenten zur Verfügung (siehe Abb. C59), und zwar • die sieben Kundenwerkzeuge: Kano-Modell, Anforderungsstrukturierung, House of Quality, Verlustfunktion (Taguchi), Kundeninterviews, Kundenfragebögen, Conjoint-Analyse, • die sieben Schlankheitswerkzeuge: Standardisierung, Verschwendungsanalyse, Engpassanalyse, Flussdiagramm, Versorgungskettenmatrix, Rüstzeitanalyse, Red Tag-Analyse, • die sieben Projektwerkzeuge: Netzplan, Projekt- und Teambeschreibung, CTQAnalyse, Baumdiagramm, Fähigkeitsanalyse, Kosten-Nutzen-Analyse, Regelkarten, • die sieben Statistikwerkzeuge: Faktorielle Versuche, Fähigkeitsanalyse, Regressionsanalyse, Multivariate Analyse, Statistische Testverfahren, Wahrscheinlichkeitsplot, Gage R&R-Analyse,

Abbildung C59: „Japanische“ Qualitätstechniken (eig. Abb.)

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C. Die Güterwirtschaft der Unternehmung

• die sieben Designwerkzeuge: Robustes Design, Quality Function Deployment, TRIZ, Konzeptauswahlanalyse / Pugh, FMEA, Fehlerbaumanalyse, Toleranzdesign, • die sieben Qualitätswerkzeuge: Prüfformulare, Histogramm, Pareto-Diagramm, Ursache-Wirkungs-Diagramm, Grafischer Vergleich, Relationendiagramm, Regelkarten, • die sieben Managementwerkzeuge: Entscheidungsbaum, Affinitätsdiagramm, Beziehungsdiagramm, Baumdiagramm, Matrixdiagramm, Matrix-Daten-Analyse, Netzplantechnik. Einige wichtige dieser Werkzeuge werden im Folgenden erläutert. 8.6.1 Fehler-Möglichkeits- und -Einfluss-Analyse

Die Fehler-Möglichkeits- und -Einfluss-Analyse (FMEA) dient dazu, mögliche Fehler und deren Auswirkungen frühzeitig und systematisch zu ermitteln, um Folgekosten zu vermeiden. In crossfunktionalen Arbeitsgruppen werden dazu Funktionen und Prozesse des Produkts untersucht. Mögliche Fehler und deren Ursachen werden ermittelt und bewertet. Änderungsmaßnahmen mit Erfolgskontrollen werden festgeschrieben. Die FMEA ist ein Werkzeug zur systematischen Fehlervermeidung bereits im Entwicklungsprozess eines Produkts. Man unterscheidet die • System-FMEA zur Untersuchung der Funktionstüchtigkeit des Gesamtsystems, des Zusammenwirkens der Komponenten und Teilsysteme und der Schnittstellen des Systems in der Entwicklungsphase, • Konstruktions-FMEA zur Gestaltung und Funktionalität von Einzelteilen, Baugruppen und Produkten sowie Auswirkungen von Toleranzfestlegungen in der Design- bzw. Konstruktionsphase, • Prozess-FMEA zur Durchführung der Prozesse, einzelner Prozessschritte, von Teilprozessen und zur Behandlung von Störfaktoren in der Fertigungsvorbereitungsphase (siehe Abb. C60). Die FMEA ist abgeschlossen, sofern keine Änderungen am System, am Produkt oder Prozess mehr auftreten. Die Risikobewertung erfolgt im Einzelnen in der Risiko-Prioritäts-Zahl (RPZ). Die Höhe des Risikos wird anhand von drei Kenngrößen abgeleitet: • der Auftretenswahrscheinlichkeit eines Fehlers, hier wird nach hoch, mäßig, gering, sehr gering, unwahrscheinlich abgestuft, • der Bedeutung der möglichen Fehlerfolgen, hier wird nach äußerst schwerwiegenden Fehlern, schweren Fehlern, mittelschweren Fehlern, unbedeutenden Fehlern, vernachlässigbaren Fehlern abgestuft,

8. Qualität

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Abbildung C60: FMEA-Phasen (eig. Abb.)

• der Entdeckungswahrscheinlichkeit des Fehlers vor Auslieferung, hier wird invers nach unwahrscheinlich, sehr gering, gering, mäßig, hoch abgestuft. Jede Kenngröße wird von 1 bis 10 Punkten aufgrund fachlicher, subjektiver Einschätzung bewertet. Die Kenngrößen werden dann multiplikativ verknüpft. Das niedrigste Risiko ist 1, das höchste 1.000. Je größer die RPZ, desto wahrscheinlicher ist das Auftreten eines Fehlers, desto geringer ist die Entdeckungswahrscheinlichkeit und desto höher ist die Bedeutung für Kunden. Zumeist wird folgende Abstufung unterstellt (Untersuchungen beginnen zumeist bei RPZ 100): • RPZ < 40: Es liegt ein gut beherrschbares Risiko vor. • 41 < RPZ < 125: Es liegen weitgehend beherrschbare Risiken vor, angemessene Optimierungsmaßnahmen sind jedoch erforderlich. • RPZ > 125: Es sind zwingend Korrekturmaßnahmen festzulegen, abzuarbeiten und ihre Ergebnisse zu protokollieren (siehe Abb. C61).

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C. Die Güterwirtschaft der Unternehmung

Abbildung C61: FMEA-Bewertungsschema (eig. Abb.)

Typische Maßnahmen zur Korrektur sind folgende: • Materialänderung, Konstruktionsänderung, verschärfte Material- und Konstruktionsfreigabe, Lieferantenvereinbarung (SLA), prozessbegleitende Qualitätsprüfungen, statistische Prozessüberwachung, Wareneingangs- und -endprüfungen, Produkt- und Prozess-Audits. Jede Fehlermessung ist jedoch mit systematischen Verzerrungen (z. B. fehlerhafte Kalibrierung) und zufälligen Verzerrungen versehen (z. B. Störeinflüsse). In einer Voranalyse werden daher das zu betrachtende System abgegrenzt und die möglichen Fehler zusammengestellt. Die möglichen Fehlerfolgen werden be-

8. Qualität

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schrieben, die möglichen Fehlerursachen analysiert. Es kommt zur Zusammenstellung von Maßnahmen zur Aufdeckung der Fehler und zur Beseitigung ihrer Auswirkungen, sowie zur Erarbeitung von Abstellmaßnahmen und zur Festlegung von Verantwortlichkeiten / Zuständigkeiten. Dann werden fehlervermeidende bzw. fehlerentdeckende Maßnahmen ausgewählt und umgesetzt. 8.6.2 Quality Function Deployment

Das Quality Function Deployment (QFD / Hoshin) erlaubt die Übersetzung von Kundenwünschen in technische Merkmale. Es geht um die systematische und umfassende Qualitätsplanung auf Basis der Kundenforderungen, ihrer Bedeutung und ihres Zusammenhangs mit den Merkmalen. Idee ist die kundengerechte Konzeption von Produkten. Daher werden gezielt die Kundenanforderungen (Stimme des Kunden / Customer Voice) in technische Merkmale übersetzt. Dazu ist die vollständige Erfassung der relevanten Wünsche, Erwartungen, Forderungen und Probleme der Kunden erforderlich, die konsequente Umsetzung durch entsprechende Produktspezifikationen und die Erkennung, Auswahl und Kontrolle kritischer Faktoren auf die Kundenzufriedenheit. Dadurch werden in der späteren Entwicklungsphase aufwändige Korrekturen vermieden und Entwicklungskosten eingespart. Die Durchführung erfolgt durch ein QFD-Team in vier Phasen: • Produktplanung: Aus den Kundenanforderungen (Was) werden Produktmerkmale (Wie) abgeleitet. • Komponentenplanung: Die kritischen Produktmerkmale werden in Qualitätsmerkmale einzelner Teile umgesetzt. • Prozessplanung: Aus den kritischen Teilemerkmalen werden Prozessmerkmale ermittelt. • Produktionsplanung: Die kritischen Prozessmerkmale werden in Arbeits- und Prüfanweisungen umgesetzt. Die Vorgehensweise ist wie folgt: • Zunächst sind die Kundenanforderungen zu ermitteln. • Dann erfolgt die Bewertung der Kundenanforderungen nach Wichtigkeit. • Ein kritischer Leistungsvergleich aus Kundensicht mit Konkurrenzangeboten ergibt den Grad der Erfüllung der Kundenanforderungen der eigenen Leistung im Verhältnis zu den Wettbewerbsleistungen. • Es folgt die Ermittlung der Qualitätsmerkmale, die zu den kundengewünschten Leistungen führen (technische Übersetzung). Hieraus ergeben sich die Design-Anforderungen für leistungsorientierte Qualitätsmerkmale.

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C. Die Güterwirtschaft der Unternehmung

• Bei der Festlegung der Optimierungsrichtung (Zielgrößen) sind grundsätzlich die Möglichkeiten der Ausweitung vorhandener Qualitätsdimensionen, der Schaffung neuer Qualitätsdimensionen, der Beibehaltung von Qualität angesichts Qualitätsminderung beim Mitbewerber und der Reduktion von Qualität zur Vermeidung kostentreibender Überqualität zu nennen. • Bei der Erstellung der Beziehungsmatrix zwischen Kundenanforderungen und Qualitätsmerkmalen geht es um den Ausweis des Einflusses jedes Produktmerkmals auf die Kundenforderungen. • Durch die Bestimmung der technischen Wechselwirkungen innerhalb der Merkmale werden Zielbeziehungen zwischen Kundenwünschen und Qualitätsmerkmalen offen gelegt. • Danach kommt es zur Bewertung technischer Schwierigkeiten in Bezug auf die Realisierung. • Die Festlegung der objektiven Zielwerte im Hinblick auf Qualität erfolgt in Form von Einheiten, Maßgrößen etc. • In einem kritischen Produktvergleich aus Ingenieurssicht mit Konkurrenzprodukten wird festgestellt, ob das nunmehr qualitätspositionierte Produkt in Bezug auf kundengewünschte Merkmale objektiv konkurrenzüberlegen oder -unterlegen ist. • Die Bewertung der technischen Bedeutung (Wichtigkeit). Die Umsetzung erfolgt anhand des House of Quality (HoQ) durch optische Darstellung (Matrix) der Auswahl, Klassifizierung und Gewichtung von Qualitätsmerkmalen sowie schrittweise Konkretisierung aller Einzelforderungen an die Realisierung bzgl. Zweck, Anspruchsklasse und Möglichkeiten. Grafisch ergibt sich daraus ein „Haus“, das aus folgenden „Räumen“ besteht (siehe Abb. C62): • Ermittlung der Kundenforderungen (linker Raum) (Was?), • Ableitung der Qualitätsmerkmale (Decke) (Welche?), • Beziehungen der Merkmale untereinander (Innenraum) (wie?) • Festlegung der Zielwerte (Boden) (Wie viel?), • Leistungsvergleich mit Konkurrenten (rechter Raum) (Warum?), • Prüfung auf Wechselwirkungen zwischen Qualitätsmerkmalen (Dach).

8. Qualität

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Abbildung C62: House of Quality (eig. Abb.)

8.6.3 Statistische Prozessregelung

Die Statistische Prozessregelung (SPC) dient zur Überwachung der Wirksam­ keit von Qualitätsmaßnahmen durch prozessbegleitende Fehlererkennung und beruht auf statistischen Merkmalen und soll eine hohe Prozessfähigkeit (Vali­ dität) und Prozesssicherheit (Reliabilität) erreichen. Als Hilfsmittel zur Feststel­ lung werden Qualitätsregelkarten eingesetzt, die stichprobenartig ausweisen, ob Prozesse valide und reliabel sind. Um den Sollwert herum ergeben sich Regel­

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C. Die Güterwirtschaft der Unternehmung

grenzen zur Beobachtung und Eingriffsgrenzen zur Nachsteuerung eines Prozes­ ses. Tatsächlich ist jedoch jede Abweichung vom Sollwert, auch innerhalb von Toleranzgrenzen, als Verlust anzusehen. Insofern wird die Soll­grenze ex­trem eng gelegt, meist auf Basis von 6 σ-Abweichung, also 0,00034 % Fehler­toleranz. Durch grafische Darstellung wird eine interaktive Prozessbeobachtung mög­ lich, so können systematische Störungen frühzeitig erkannt und deren Ursachen beizeiten eliminiert werden. Ein Prozess, der innerhalb der Toleranzgrenzen liegt, wird als fähiger (valider) Prozess bezeichnet. Ein beherrschter (reliabler) Prozess ist ein solcher, der wiederholbar ist. Ein fähiger, aber nicht-beherrsch­ ter Prozess liegt zwar innerhalb der Toleranzgrenzen, schwankt jedoch in seiner Qualität. Ein nicht-fähiger, aber beherrschter Prozess ist zwar konstant, liegt je­ doch dabei außerhalb der Toleranzgrenzen. Nicht-fähige, nicht-beherrschte Pro­ zesse sind auszuschließen, fähige, beherrschte Prozesse, die nurmehr zufälligen Stör­einflüssen unterliegen, sind das Ziel. Die Qualitätsregelkarte ist ein Formblatt / Template zur grafischen Darstel­ lung statistischer Kennwerte für eine Serie von Stichproben. Für jede Einheit wird deren Merkmalswert grafisch abgetragen. Zielgröße ist der Sollwert. Nach oben und unten gibt es (obere und untere) Warngrenzen, die ein höheres Prüf­ niveau erfordern und (obere und untere) Eingriffsgrenzen, die eine Nachregu­ lierung des Prozesses erfordern, damit der Tolenzbereich nicht verlassen wird. Dazu werden fünf bis sieben Einheiten nacheinander geprüft. Zu unterscheiden sind zufällige Störgrößen und systematische, die einen unregelmäßigen Verlauf anzeigen (fallend, steigend, pulsierend etc.) (Shewhart-Regelkarte). Regelgrö­ ßen sind Mittelwert, Standardabweichung, Zentralwert, Spannweite etc. (siehe Abb. C63): • Bei Überschreiten der Warngrenzen ist ein Prozess nicht mehr sicher (be­ herrscht in Bezug auf die Lage), aber fähig, d. h., die Streuung liegt innerhalb der Spezifikationsgrenzen. Es sind entsprechende Beobachtungen erforderlich. • Bei Überschreiten der Eingriffsgrenzen ist ein Prozess weder sicher noch fä­ hig. Der Prozess ist daher unbedingt zu korrigieren. Dazu wird er gestoppt und nach Ursachen gesucht, da der Maximalwert der Standardabweichung über­ schritten wird. • Von einem Run spricht man, wenn die Stichprobenwerte hintereinander einsei­ tig über bzw. unter dem Mittelwert liegen. Von einem Trend spricht man, wenn die Stichprobenwerte sich kontinuierlich verschlechtern. Von einem Alternate spricht man, wenn die Stichprobenwerte abwechselnd über und unter dem Mit­ telwert liegen. Mögliche Ursachen für die Veränderungen sind vielfach denkbar, so z. B. • Verschleiß der Werkzeuge, Verschleiß der Vorrichtungen, Alterung der Mess­ geräte, Ermüdung der Mitarbeiter etc.

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Quelle: metallwarriors.files.wordpress.com/2015/04/067-2-qualitc3a4tsregelkarte-x-kar te- und-verteilung-der-mittelwerte.png

Abbildung C63: Qualitätsregelkarte

Für fremdbezogene Teile dient der Acceptable Quality Level (AQL) als Maß für die Annahme oder Ablehnung einer Lieferung. Der AQL ist in den Lieferbestimmungen von den Parteien verbindlich festzulegen. 8.6.4 Weitere Qualitätswerkzeuge

Im Rahmen des Qualitätsmanagements werden zudem weitere Werkzeuge eingesetzt und genutzt: • Das Pareto-Diagramm ordnet Qualitätsdaten nach ihrer Bedeutung. Die Daten werden nach ihrer Häufigkeit oder ihren Folgewirkungen absteigend gereiht. Das Pareto-Prinzip besagt, dass erfahrungsgemäß 80 % der Auswirkungen auf 20 % der Ursachen zurückzuführen sind. Diese 20 % der Ursachen sollten als erste zur Behebung angegangen werden, weil hier die Hebelwirkung am größten ist. • Im Korrelationsdiagramm werden statistische Werte in Zusammenhang gesetzt. Jeder Wert besteht aus einer Merkmalskombination. Der Zusammenhang wird durch den Korrelationskoeffizienten ausgewiesen, dieser kann Werte zwischen r = –1 und r = +1 annehmen. Je näher der Wert nahe r = 0 liegt, desto weniger ausgeprägt ist der Zusammenhang. Das Vorzeichen gibt die Richtung des Zusammenhangs an. Zumeist kann ein linearer Zusammenhang unterstellt werden. • Unter Poka yoke versteht man ein Konzept zur Verhinderung vermeidbarer Fehler wie sie durch Zufall, durch Unachtsamkeit, durch Überbeanspruchung etc. entstehen können. Zur Verhinderung gibt es Stopper und Warner. „Stopper“ beenden einen Prozess, um Fehler zu vermeiden, „Warner“ weisen auf

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C. Die Güterwirtschaft der Unternehmung

Fehler hin und überlassen es dem Mitarbeitenden, ob er trotzdem fortfahren will oder nicht. Erstere führen zu Auslösemechanismen wie Kontaktsensoren, Zähl­ einrichtungen, Schrittfolgemessern etc., letztere führen zu Reguliermechanismen wie Fehleranzeigen, Alarmauslösungen, Kontrollabfragen etc. Durch diese Vorkehrungen sollen vermeidbare Qualitätsmängel unterbunden werden. • Ein weiterer Ansatz ist das Up Streaming durch Warum-Fragen. Auf diese Weise kann immer tiefer in ein Problemfeld eingedrungen werden, bis man die Ursache hinter der Ursache gefunden hat und abstellen kann. Denn häufig wird an Symptomen zu kurieren versucht. • Es gilt, die 3 M’s zu vermeiden. Unter Muda versteht man alle Formen der Verschwendung, bedingt durch Überproduktion auf Vorstufen, Wartezeit, überflüssigen Transport, ungünstigen Produktionsprozess, überhöhte Lagerhaltung, unnötige Bewegungen und Erstellung fehlerhafter Teilleistungen. Mura betrifft die Unausgeglichenheit mit Verlusten aus nicht vollständiger Harmonisierung der Kapazitäten, bedingt durch Warteschlangenbildung vor Arbeitsstationen und Bildung von Zwischenlägern oder nicht optimal ausgelastete Kapazitäten / Leerkosten. Muri bedeutet Überlastung, bedingt durch Überbeanspruchung von Menschen bei der Handhabung durch körperliche und geistige Überforderung, Übermüdung, Stresserscheinungen, erhöhte Fehlerhäufigkeit, Arbeitsunzufriedenheit oder von Maschinen durch fehlerhafte Vorgabezeiten für Arbeitstakt und Arbeitsmittelwechsel oder mangelnde Harmonisierung im Produktionsfluss. • Die Taguchi-Methode sagt aus, dass die Qualität sich umgekehrt proportional zum Verlust verhält, den ein Produkt nach seiner Auslieferung verursacht. Danach ist statistisch Qualität nur bei Einhaltung des exakten Zielwerts gegeben, jede Abweichung davon, und sei es innerhalb eines Toleranzbereichs, stellt hingegen Nichtqualität dar. Daher ist es das Ziel, gegen Störungen robuste Prozesse zu entwickeln, d. h. solche, die bei Parameteränderungen eine geringe Sensibilität des Istwertes in Bezug auf den Sollwert aufweisen. • Das Ishikawa-Diagramm (Ursache-Wirkungs-Diagramm) wird wegen seiner Form auch Fischgrät-Diagramm genannt. Es handelt sich um eine Methode zur Visualisierung der relevanten Einflussgrößen auf Qualität bzw. Qualitätsschwachpunkte. Dabei werden vier bis sechs Einflussgrößen untersucht (siehe Abb. C64): –– Material, wie Abmessungen, Festigkeit, Spannungen, Stoffeigenschaften, Gefüge etc., –– Mensch, wie Qualifikation, Verantwortungsgefühl, Motivation, Belastungsgrad etc., –– Management / Organisation, wie falsche Qualitätsziele, falsche Qualitätsstandards etc., –– Mitwelt, wie Staub, Temperatur, Feuchtigkeit, Licht, Gase, Schwingungen etc.,

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Abbildung C64: Fischgrät-Diagramm (eig. Abb.)

–– Maschine / A rbeitsmittel, wie Rundlauf, Verschleiß, Geometrie, Toleranz etc., –– Methode. wie Fertigungsverfahren, Arbeitsabfolge, Prüfmethode etc. Ausgangspunkt ist eine Problemformulierung, Diese steht am „Kopfende“ des Diagramms. Für jede Einflussgröße werden dann mögliche Fehlerursachen benannt und daraufhin untersucht, inwieweit sie relevant sind. Dies erfolgt in Gruppensitzungen. Dazu wird die als wahrscheinlichste Fehlerursache angesehene Größe abgestellt und geprüft, inwieweit dadurch bereits eine Behebung des Fehlers möglich ist. Ist dies der Fall, ist die Technik abgeschlossen. Ist dies nicht der Fall, wird die als nächstwahrscheinlich angesehene Ursache abgestellt und wiederum geprüft, ob das Qualitätsproblem damit behoben ist. Dies erfolgt über alle gedachten Fehlerursachen hinweg solange, bis der Fehler abgestellt ist. Gelingt dies nicht, wird erneut eine Fehlerquelleninspektion vorgenommen und nach anderen Möglichkeiten der Abstellung gesucht. Ist die Fehlerursache entdeckt, muss sichergestellt werden, dass dieser Fehler nicht wieder auftreten kann. Danach wird der nächste Fehler in gleicher Weise untersucht. • Die Fehlersammelliste erfasst die Anzahl der Fehler in einem Arbeitsschritt oder Zeitraum. Dabei werden zugleich die Fehlerarten in Strichlisten festgehalten. Aus diesen Rohdaten können statistische Auswertungen vorgenommen werden. • Optische Hilfsmittel sind etwa folgende: –– Das Histogramm ist eine Häufigkeitsverteilung in Klassen. Es entsteht, wenn man über den Klassen gleicher Breite Rechtecke errichtet, deren Höhen den relativen Klassenhäufigkeiten entsprechen (proportionale Flächen-

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C. Die Güterwirtschaft der Unternehmung

inhalte). Die Klassengrenzen trennen die Klassen, die Visualisierung ist dann einer Analyse und Interpretation zugänglich. –– Das Affinitätsdiagramm dient der Strukturierung von Problemursachen, indem als verwandt angesehene Ursachen zu einem Problemcluster verdichtet werden. Dadurch wird eine Systematisierung möglich. –– Das Relationsdiagramm stellt Zusammenhänge und Abhängigkeiten zwischen Faktoren dar. Durch diese Darstellung kann rasch eine Übersicht über Sachbeziehungen gewonnen werden. –– Das Matrixdiagramm besteht aus zwei (L-Matrix), drei (T-Matrix) oder vier Dimensionen, die Zusammenhänge bzw. Abhängigkeiten geordnet darstellen. Damit können auch mehrdimensionale Wechselwirkungen erfasst werden. –– Der Problementscheidungsplan stellt Fehlerursachen und mögliche Gegenmaßnahmen in einem System dar. Dadurch werden Handlungsmaximen gegeben. • Im Kano-Modell werden folgende Anforderungen untersucht (siehe Abb. C65): –– Basisanforderungen müssen erfüllt werden und repräsentieren die grundlegenden Eigenschaften des Produkts, sie werden vom Markt als selbstverständlich einzuhalten angesehen, ihr Fehlen führt daher zur Unzufriedenheit, –– Leistungsanforderungen werden von der überwiegenden Mehrheit der Kunden als üblicher Standard angesehen, diese Forderungen sollten erfüllt werden, da sie in ihrem Ausmaß in direkter Beziehung zur Zufriedenheit stehen, –– Begeisterungsanforderungen sind häufig die einzigen Unterschiede zum Mitbewerb, sie können erfüllt werden, sind aber nur für eine verhältnismäßig kleine Zielgruppe wichtig, daher werden sie bei Nichterfüllung auch nicht vermisst. • Das Betriebliche Vorschlagswesen wird durch Prämien incentiviert. Diese gelten gleichberechtigt für alle Mitarbeitenden, sie dürfen nicht Verbesserung im eigenen Aufgabenbereich betreffen. Ausgeschlossen sind auch Vorschläge von Qualitäts-Beauftragten und Leitenden Mitarbeitern. Die Prämien sind monetär oder nicht-monetär ausgelegt, sie orientieren sich zumeist am Nettoeinspar­ volumen aus der Umsetzung des Verbesserungsvorschlags. 8.6.5 Qualitätszirkel

Qualitätszirkel sind moderatorengeleitete, ständige Gesprächsrunden in kleinen Gruppen möglichst gleicher Hierarchieebene und Erfahrungsgrundlage, aber cross-funktional besetzt, die sich regelmäßig und freiwillig während der Arbeits-

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Quelle: sophist.de/fi¬lead¬min/SO¬PHIST/Blog/Kano-Modell.jpg

Abbildung C65: Kano-Modell

zeit oder danach (bezahlt) treffen, um zu freigestellten Themen aus dem eigenen Verantwortungsbereich Problemlösungen mithilfe geeigneter Methoden systematisch zu erarbeiten und einem Entscheidergremium vorzutragen, um sie möglichst auch selbst zu realisieren und sich danach aufzulösen oder andere Probleme anzugehen. Denn die Ausführenden der Arbeit wissen selbst am besten, wie ihre Arbeitsumgebung effektiver und sozialer zu gestalten ist. Zugleich stärkt dies das allgemeine Qualitätsbewusstsein. Qualitätszirkel stellen eine Form der Kleingruppenarbeit im Betrieb dar. Das Ziel ist die Suche nach Verbesserungsmöglichkeiten der Arbeit der beteiligten Gruppenmitglieder bzw. die Verbesserung der Produktqualität, der Aufgabenerfüllung und der Humanisierung der Arbeit. Sie versuchen mithilfe von Problemlösungs- und Kreativitätstechniken Ursachen zu erkennen und Handlungsvorschläge zu erarbeiten. Die Qualitätszirkel einer Unternehmung gehören zu einem Qualitätszirkel-System, das aus Steuerungskomitee, Koordinator, Moderatoren und den eigentlichen Qualitätszirkelmitgliedern besteht. Die Anwendung erfolgt zumeist nach der 8-D-Methode: • Zusammenstellung des Teams zur Problemlösung, • Probleme müssen aussagefähig beschrieben werden, • Sofortmaßnahmen zur Schadensbegrenzung sind vorzusehen, • Grundursachen für Fehler sind zu ermitteln und zu belegen,

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C. Die Güterwirtschaft der Unternehmung

• Maßnahmen zur Fehlerbeseitigung sind festzulegen und in ihrer Wirksamkeit zu belegen, • Umsetzung der definierten Maßnahmen, • Maßnahmen zur unbedingten Vermeidung der Wiederholung derselben Fehler sind erforderlich, • das Team ist für seine Leistungen zu belohnen. In Bezug auf den Einsatz von Qualitätsmanagern kann abgestuft werden nach • Master Black Belts, sie sind die obersten Qualitätsmanager und werden intensiv in Six Sigma trainiert. • Black Belts, sie sind Mitarbeiter, die vollzeitig im Qualitätsmanagement arbeiten. • Green Belts, sie sind Mitarbeiter, die neben ihrer Stellenverantwortung einzelne Verbesserungsprojekte im Rahmen von Qualitätszirkeln führen und kleinere Projekte übernehmen. • White Belts, sie kennen die Grundzüge der Methodik und sind an Verbesserungsprojekten beteiligt.

8.7 Zertifizierung 8.7.1 Intention der Qualitätsnormenreihe

Das Ziel der DIN EN ISO 9000 ff. (DIN = Deutsche Industrie-Norm / EN = Europa-Norm / ISO = International Organization for Standardization) ist die Sicherstellung der Erfüllung von Qualitätsanforderungen und die Schaffung einer gemeinsamen Basis für ein unabhängiges, transparentes, transferierbares Anbieter-Qualifikationssystem durch Abgleich betriebsindividueller Prozesse mit genau festgelegten Abläufen und deren sorgfältige Dokumentation. Den Beschluss zur Einführung eines QM-Systems muss die oberste Unternehmensleitung treffen, die zugleich einen Qualitätsmanagement­beauftragten ernennt, der für die Einführung und Pflege des QM-Systems zuständig ist. Weiterhin müssen die Ziele der Qualitätspolitik in Abstimmung mit den beteiligten Mitarbeitenden formuliert und operationalisiert werden. Je konkreter und je individueller, desto besser, wobei die beteiligten Mitarbeitenden das Fachwissen stellen. Das Top-Management hat eine Vorbild-, Motivations- und Informationsfunktion, um organisationale Widerstände zu umgehen. Oftmals werden dafür auch externe Berater hinzugezogen. Das QM-System basiert auf internationalen und nationalen Normen und Standards, die branchenbezogen oder allgemein gelten:

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• Die DIN EN ISO 9000 ff. legt Mindestmaßstäbe für die Prozessorientierung und Zertifizierung fest. • Unternehmensindividuelle TQM-Modelle bleiben ohne diese allgemein verbindlichen Mindestanforderungen. • Das EFQM-Modell (European Foundation for Quality Management) nimmt eine Bewertung des qualitätsbezogenen Entwicklungsstands der Unternehmung vor und zielt auf Spitzenleistungen. Hinzu treten Standards für ein systematisches Umweltmanagement (ISO 14001:2009), für Arbeitsschutz- und Risikomanagement sowie Branchenstandards wie für die Automobilindustrie QS 9000, VDA 6.3 für Zulieferer oder ISO / TS 16949:2009 für QM-Systeme. 19011:2011 ist ein Leitfaden zur Auditierung von QM-Systemen.

8.7.2 Elemente zur Zertifizierung

Grundlage zur Zertifizierung ist eine ausführliche Qualitätsdokumentation. Diese umfasst mehrere Elemente: • Das QM-Handbuch ist eine Dokumentation über die grundsätzliche Einstellung des Managements sowie seine Absichten und Maßnahmen zur Sicherung und Verbesserung der Qualität in der Unternehmung. Es enthält Aussagen über die Qualitätspolitik der Unternehmung, Regelungen zur Verantwortung und Zuständigkeit sowie Einbeziehung der Mitarbeitenden, die Festlegung der organisatorischen Ausgestaltung sowie Verfahren und Anweisungen zur Umsetzung einzelner Maßnahmen. Damit gibt es einen Überblick der Aufbau- und Ablauforganisation mit Verweisen zu mitgeltenden Unterlagen wie Formblättern, Tabellen, Listen etc. Es beinhaltet die Ziele und die Politik der Unternehmung, den Kompetenzbereich der Unternehmensleitung, die Verteilung der Kompetenzen und die Qualitätsstandards. Es bietet als ständige Referenz eine adäquate Beschreibung des Qualitätssystems. • Der Qualitätsplan legt die spezifische Reihenfolge der erforderlichen Abläufe und Kontrollen fest. Er enthält die Qualitätsziele der Unternehmung, die Verantwortung des Managements und die Erfüllung der verschiedenen Anforderungen nach Normenreihe. • Die Verfahrensanweisungen zu den QM-Elementen legen den Grad der Verantwortung und der Entscheidungsfreiheit jeder Unternehmensfunktion sowie die notwendigen Schritte zur Realisierung des QM-Systems fest. Sie gelten bereichsübergreifend und stellen eine praktikable Arbeits- und Orientierungshilfe für Mitarbeitende dar. Sie sind Verfahrensinstruktionen, deren Nichtvorhandensein die Qualität der Leistung negativ beeinflussen würde.

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C. Die Güterwirtschaft der Unternehmung

• Die Arbeits- und Prüfanweisungen enthalten genaue Anweisungen für einzelne Tätigkeiten zum internen Gebrauch und sind damit Grundlage der individuellen Arbeit. Sie werden aus den relevanten Verfahrensrichtlinien abgeleitet und enthalten Angaben über Qualitätsziele, Kundenzufriedenheit, stetige Qualitätsverbesserung, Korrekturen, Sublieferantenauswahl, Mitarbeiterqualifikation etc. Dort wird in allen Einzelheiten beschrieben wie die Mitarbeitenden ihre jeweiligen Aufgaben auszuführen haben. Um die Wirksamkeit der Umsetzung des QM-Systems in der Unternehmung zu prüfen, werden Audits durchgeführt. Ein Audit ist die systematische, unabhängige Untersuchung einer Aktivität und deren Ergebnisse, durch die Vorhandensein und sachgerechte Anwendung spezifizierter Anforderungen beurteilt und dokumentiert werden: • Der Ergebnisaudit bezieht sich auf die Untersuchung einer kleinen Zahl von Leistungen auf deren Übereinstimmung mit vorgegebenen Spezifikationen zur Feststellung der Erfüllung unterstellter Kundenanforderungen bzw. Abweichungen davon. Es geht also um die Wirksamkeit der Qualitätssicherungselemente auf Grundlage von Qualitätsrichtlinien. Dabei werden mehrere Fehlerarten unterschieden, kritische Fehler, Hauptfehler und Nebenfehler. Die Einstufung erfolgt anhand von Qualitätskennziffern (QKZ). • Der Prozessaudit betrifft die Angemessenheit der Richtlinien bzw. Vorschriften / Maßnahmen im Hinblick auf das angestrebte Qualitätsziel und dient gleichzeitig der Verfahrensverbesserung und Fehlervermeidung. Ziel ist die prozessbegleitende Abstellung von Fehlerquellen. Als Unterlagen dienen Angaben zu Leistungserstellungsverfahren, Abläufen, Personalkenntnissen, Verfahrensvorschriften etc. • Der Potenzialaudit betrifft die Wirksamkeit und Funktionsfähigkeit einzelner Elemente bzw. ihrer Abweichungen oder des gesamten QM-Systems auf Basis der Empfehlungen der Norm DIN EN ISO 9004. Dabei geht es um die Beurteilung dessen Wirksamkeit durch Überprüfung der dazu notwendigen Bestandteile. Als Grundlagen dienen dafür das Qualitätsmanagementhandbuch, Verfahrensanweisungen, Auftragsunterlagen, Richtlinien der Unternehmensleitung, Checklisten, Prüfunterlagen, Qualitätsberichte etc. Audits können durch eigene Mitarbeitende, von Kunden oder von neutralen externen Stellen durchgeführt werden. Interne Audits sind fester Bestandteil von QM-Systemen auf Grundlage von Checklisten, Formblättern o. Ä. Jeweils ist dabei die Qualifikation der Auditoren / Mitarbeitenden im Team entscheidend für die Aussagefähigkeit. Der Audit-Bericht ist die Grundlage für die Durchführung von angeregten Verbesserungen. Audits sollen regelmäßig durchgeführt werden, um eine stete Einhaltung der Anforderungen zu gewährleisten und Regelungen veränderten Umfeldbedingungen adäquat anzupassen. Entsprechend ist die Dokumentation zu aktualisieren.

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8.7.3 Vorgehen der Zertifizierung

Die Qualitätsleistung unterliegt dabei mehreren Prüfungen. Die Erstprüfung erfolgt durch den Anbieter selbst (First Party Audit), diese Angaben können jedoch auch bloße Eigenwerbung sein, die Zweitprüfung erfolgt durch Kunden des Anbieters (z. B. als Referenzgeber / Second Party Audit), diese Aussagen können zur Akquisition verwendet werden, die Drittprüfung schließlich erfolgt durch unabhängige externe Prüfer (Zertifizierung / Third Party Audit) und hat daher den Charakter eines Gütesiegels. Zertifizierung ist die Prüfung der Unternehmung durch einen unabhängigen Dritten zum Erhalt eines Zertifikats, das die Übereinstimmung (Konformität) der Leistungserstellung als Geschäftsprozesse, nicht hingegen der Leistungsergebnisse selbst mit bestimmten Anforderungen und Normen ausdrückt. Als Prüfungsgrundlage dient die DIN EN ISO-Normenreihe. Die Zertifizierung ist Ziel des Qualitäts-Audits als systematische und unabhängige Untersuchung, um festzustellen, ob die qualitätsbezogenen Tätigkeiten und die damit zusammenhängenden Ergebnisse den geplanten Anordnungen entsprechen und ob diese Anordnungen wirkungsvoll verwirklicht und geeignet sind, die gesetzten Ziele zu erreichen. Die Zertifizierung der Konformität ist diejenige Maßnahme durch einen unparteiischen Dritten, die aufzeigt, dass angemessenes Vertrauen besteht, dass ein ordnungsgemäß bezeichnetes Erzeugnis oder Verfahren sich in Übereinstimmung mit einer bestimmten Norm oder einem bestimmten anderen normativen Dokument befindet. Die Zertifizierungsstelle führt solche Zertifizierungen der Konformität durch. Davon abzugrenzen ist die Akkreditierung. Sie bedeutet die formelle Anerkennung der Kompetenz einer Institution, bestimmte Prüfungen oder Prüfungsarten auszuführen. Die Akkreditierungsstelle wendet ein Akkreditierungssystem an und verwaltet bzw. gewährt Akkreditierungen. Die Akkreditierung beruht auf einer europaweit gültigen Kompetenzprüfung. Die Durchführung einer Zertifizierung erfolgt in vier Abschnitten und wird meist durch ein Auditorenteam aus qualifizierten Qualitätsmanagementfachleuten vorgenommen. Nach jedem Abschnitt besteht die Möglichkeit zu Abbruch (Drop) oder Weitermachen (Go): • Der erste Abschnitt besteht aus einer Frageliste zur Selbstbeurteilung. Hier kommt es auf die Vollständigkeit, die Relevanz, die Präzision und die Wirksamkeit der Normanforderungen an. Für diese Entscheidung kann zunächst Informationsmaterial vom Auditor angefordert werden. Die Frageliste fordert Angaben zur Aufbauorganisation der Unternehmung und zu den wichtigsten Forderungen der DIN EN ISO-Normenreihe. Sie dient der Feststellung evtl. größerer Nichtkonformitäten mit den genormten Anforderungen. Darüber erfolgt ein Bericht an die Unternehmung. Oft werden diese Inhalte bereits durch interne (Teilzeit-)Auditoren abgedeckt (um Kosten zu sparen).

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C. Die Güterwirtschaft der Unternehmung

• Der zweite Abschnitt besteht aus der Prüfung des Qualitätssicherungshandbuchs durch den benannten Audit-Leiter und einen unabhängigen zweiten Auditor. Damit ist nunmehr das Audit-Team festgelegt und genehmigt. Danach wird der genaue Prüfungsablauf festgelegt. Vom Audit-Leiter wird der Inhalt der Dokumentation auf die Einhaltung der Forderungen der gewählten ISONorm (Konformität) geprüft. Das Handbuch hat die Funktion eines Nachschlagewerks, es ist ein lebendes Dokument und mehrteilig aufgebaut (Teil I: Angaben zur Organisation, zum Gebrauch, zur Herausgabe und zur Pflege des Handbuchs, Teil 2: Ausführungen zu den Qualitätsmanagementelementen, Teil III: Anlagen wie Verfahrensanweisungen, Arbeitsanweisungen, Belege, Formblätter, mitgeltende Dokumente, Auflistung der zitierten Normen und Richtlinien). Teil I und II sind für Führungskräfte und Externe gedacht, Teil III wird an Mitarbeitende verteilt. Als übliche Inhalte des QM-Handbuchs können folgende gelten: –– Zweck und Ziel des Qualitätsmanagements mit Beschreibung der Absichten, Beschreibung der Motivation zur Verwirklichung dieser Ziele, –– Anwendungsbereich des Handbuchs (expliziert), –– Verantwortlichkeiten mit Beschreibung der Zuständigkeiten, Befugnisse und Pflichten, –– Beschreibung der angewandten Verfahren mit Abläufen, Prozessen, Methoden und Verfahren sowie Verweis auf entsprechende Verfahrens- und Arbeitsanweisungen, –– Dokumentation mit internen Dokumenten sowie zu benutzenden Formularen, Formblättern, –– Referenzen mit externen Dokumenten, die nicht dem Änderungsdienst unterliegen, –– Qualitätsindikatoren mit Kriterien, mit denen die Wirksamkeit des QM-Systems kontinuierlich erfasst und dokumentiert wird. Handbuch und Verfahrensanweisungen sind kontinuierlich zu pflegen. Der jeweilige Änderungsstand ist festzuhalten. Die Prüfungsergebnisse werden der Unternehmung mündlich und schriftlich mitgeteilt. Bei positiver Bewertung wird das eigentliche Audit-Programm eingeleitet. Schwachstellen hingegen sind vor dem Zertifizierungs-Audit zu beheben. • Der dritte Abschnitt besteht aus der Durchführung des Audits in der Unternehmung mit ausführlichem Bericht, und falls nicht zutreffend erfüllt, der Dokumentation von Nichtkonformitäten. Die Auditoren prüfen dazu das QM-System anhand eines abgestimmten Audit-Plans, welcher der Unternehmung auf Wunsch vorab zur Verfügung gestellt wird. Das heißt, es ist bekannt, welche Bereiche geprüft werden und welche nicht, was allerdings nahelegt, Quali-

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tätsmaßnahmen nur auf solche Bereiche zu beschränken, von denen eine Unternehmung annehmen kann, dass sie Gegenstand des Audits sind bzw. die Prüfung auf solche Bereiche zu beschränken, für die Konformität ohnehin zu erwarten ist. Die Beurteilung mündet in der Addition in die abgestuften Ergebnisse „erfüllt“, „teilweise erfüllt, noch akzeptabel“, „teilweise erfüllt, nicht akzeptabel“ sowie „nicht erfüllt“. Auf dieser Grundlage wird das Audit-Protokoll erstellt, das die festgestellten Übereinstimmungen und Abweichungen der Unternehmung mit der gewählten Zertifizierungsnorm festhält und die objektiven Nachweise für die tatsächliche Ausführung der Anweisungen des Handbuchs enthält. Dies wird in einem Schlussgespräch bzw. -bericht näher erläutert, alle Unterlagen werden zurückgegeben. • Der vierte Abschnitt besteht aus der eigentlichen Zertifikatserteilung auf Antrag und nach erfolgreichem Abschluss des Audits mit positiver Beurteilung der Ergebnisse durch den Zertifizierer. Das Zertifikat dokumentiert, dass ein wirksames QM-System nachgewiesen wurde. Dann wird das begehrte Zertifikat ausgestellt, das die Einzelheiten der Prüfung exakt dokumentiert. 8.7.4 Qualitätsabweichungen

Eine bedingte Anerkennung erfolgt, wenn zwar alle Elemente der Norm berücksichtigt und die Systeme auch dokumentiert, jedoch nicht vollständig implementiert sind oder eine Reihe von Abweichungen zur Norm festgestellt werden, die eine negative Entwicklung befürchten lassen. Dann ergeben sich folgende Möglichkeiten (s. u.): • Nebenabweichungen sind Fehler, welche die Beschreibung der erhobenen Prozesse betreffen, hier reicht eine Nachbesserungsverpflichtung ohne erneute Prüfung aus. Sie setzen voraussichtlich die Brauchbarkeit für den vorgesehenen Verwendungszweck nicht wesentlich herab oder bedeuten nur ein Abweichen von den geltenden Festlegungen, was den Gebrauch / Betrieb der Einheit nur geringfügig beeinflusst. Sie führen zu Empfehlungen • Unter Hauptabweichungen werden solche Fehler verstanden, die eine Nichterfüllung der genormten Forderungen erkennen lassen, sie sind auf jeden Fall vor Zertifizierung zu beheben (Folge-Audit). Es handelt sich um noch nicht kritische Abweichungen, die voraussichtlich zu einem Ausfall führen oder die Brauchbarkeit für den vorgesehenen Verwendungszweck wesentlich herabsetzen. Sie führen zu Auflagen. • Kritische Abweichungen verhindern die Erteilung eines Zertifikats. Dabei handelt es sich um Abweichungen, von denen anzunehmen oder bekannt ist, dass

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sie voraussichtlich für Personen, welche die betreffenden Produkte benutzen, instandhalten oder darauf angewiesen sind, gefährliche oder unsichere Situa­ tionen schaffen oder voraussichtlich die Erfüllung der Funktion einer größeren Anlage verhindern. Sie führen zur Aussetzung des Verfahrens. Falls im Zeitablauf erhebliche betriebliche Änderungen vorgenommen werden, die Einfluss auf das QM-System haben, ist der Zertifizierer zu informieren und prüft erneut deren Vereinbarkeit mit dem ausgestellten Zertifikat (Aktualisierungs-Audit). Um sicher zu stellen, dass das QM-System auch während der Gültigkeit eines Zertifikats in vollem Umfang aufrecht erhalten wird, werden mindestens einmal jährlich interne Überwachungs-Audits durchgeführt, die mit einem Kurzbericht abschließen. Die Gültigkeitsdauer des Zertifikats ist begrenzt (meist auf drei Jahre), sofern mindestens einmal jährlich ein Überwachungs-Audit vorgenommen wird, der interne Audit-Ergebnisse, Änderungen im QM-System und stichprobenartige Neuprüfungen enthält. Bei Ablauf der Gültigkeitsdauer wird ein Wiederholungs-Audit fällig, der erneut stichprobenartige Neuprüfungen des QM-Systems vorsieht und bei Erfolg die Gültigkeit um weitere drei Jahre verlängert, ansonsten verfällt das Zertifikat.

8.7.5 Einteilung der DIN EN ISO-Normenreihe

Das QM-System basiert auf internationalen und nationalen Normen und Standards, die branchenbezogen oder allgemein anwendbar sind. Die DIN EN ISO 9000 ff. legt Mindeststandards fest und ist ein internationaler Leitfaden für den Aufbau eines prozessorientierten Qualitätsmanagements mit der Möglichkeit zur Zertifizierung. Aktuell gelten als Qualitätsnormen die • DIN EN ISO 9000:2015 für Grundlagen und Begriffe, hier werden der prozess­ orientierte Ansatz erläutert, weiterhin die Aufgabe der Qualitätspolitik und die Rolle des Top-Managements dabei. • DIN EN ISO 9001:2015 für Anforderungen an ein QM-System, diese unterteilt sich in Abschnitte für Einleitung, Anwendungsbereich, normative Verweisungen, Begriffe, allgemeine und dokumentierte Anforderungen, QM-Handbuch, Lenkung von Dokumenten und Aufzeichungen, Verantwortung der Leitung, Management der Ressourcen, Produktrealisierung sowie Messung, Analyse und Verbesserung. • DIN EN ISO 9004:2009 für Leistungsverbesserungen mit Leiten und Lenken für den nachhaltigen Erfolg einer Organisation.

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• DIN EN ISO 14001:2009 für Anforderungen an ein Umweltmanagementsystem, hier handelt es sich um Leitfäden mit empfehlendem Charakter für Umweltkennzeichnungen und -bewertungen, Ökobilanzen, Treibhausgase etc. • DIN EN ISO 19011:2011 als Leitfaden zur Auditierung von Managementsystemen. Die Normen 9000:2015, 9001:2015 und 9004:2009 werden im Folgenden näher betrachtet. 8.7.5.1 Qualitätsnorm 9000:2015

Die Norm 9000:2015 enthält die Begriffe zum Qualitätsmanagement und zur Qualitätssicherung sowie die Normen zum Qualitätsmanagement und zur Qualitätssicherung / Qualitätsmanagementdarlegung (Leitfaden zur Auswahl und Anwendung). Die Norm gründet sich dazu auf acht Managementprinzipien als Grundsätzen jedes Qualitätsmanagements: • Kundenorientierte Ausrichtung der Organisation, d. h. Verstehen der Kundenerfordernisse sowie Erfüllen der Kundenanforderungen und deren Übertreffen, Kunde kann dabei ein Endverbraucher, Endabnehmer, Wiederverkäufer, Nutznießer oder Käufer sein, es kann sich um eine Privatperson handeln oder um den Angehörigen einer Organisation, der Kunde kann ein interner oder externer sein, • konsequente Führung in Bezug auf Qualität, d. h. Schaffung und Erhalt eines internen Umfelds, in dem sich Mitarbeitende voll und ganz für die Erreichung der Organisationsziele einsetzen, • frühzeitige und weitgehende Einbeziehung der Mitarbeitenden, d. h. vollständige Integration aller beteiligten Personen, um deren Fähigkeiten in der Organisation zu nutzen, • Prozessorientierte Sicht des Qualitätsmanagements, d. h. Leiten und Lenken der Tätigkeiten und Ressourcen, um die gewünschten Ergebnisse effizient zu erreichen, • Systemorientierte Managementprinzipien, d. h. Erkennen, Verstehen, Leiten und Lenken von miteinander in Wechselbeziehung stehenden Prozessen, • kontinuierliche Verbesserung der Qualitätsstandards, d. h. ständige Verbesserung der Gesamtleistung der Organisation, • rationaler Ansatz zur Entscheidungsfindung, d. h. sachbezogene Analyse von Daten und Informationen, um wirksame Entscheidungen treffen zu können, • Gestaltung der Lieferantenbeziehungen zum gegenseitigen Nutzen, d. h. erhöhte Wertschöpfung auf beiden Seiten. Die Norm 9001:2015 basiert auf drei Säulen: Grundsätze eines QM-Systems, Modell eines prozessbasierten QM-Systems und Anforderungen eines QM-Sys-

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tems. Zur Anpassung an unterschiedliche Voraussetzungen in Unternehmen werden drei Module definiert: Betriebe mit Entwicklung, Fertigung und Endprüfung haben Modul H, Betriebe mit reiner Montage haben Modul D und Dienstleistungsbetriebe Modul E anzuwenden. Die aktuelle Revision zeigt gegenüber früheren Versionen eine deutlich strategischere Ausrichtung mit Langfristorientierung und ganzheitlichem Verständnis. Wesentliche Inhalte sind die Kontextorientierung und Ganzheitlichkeit der Norm, die Stakeholder-, die Risiko-, die Prozess- und Wissensorientierung. Außerdem werden der Ansatz der lernenden Organisation sowie die Notwendigkeit von Vorbeugungsmaßnahmen verfolgt. Allerdings bleiben einige wesentliche Probleme erhalten wie • starre Rahmenbedingungen der Auslegung, mangelnde Vollständigkeit, da nicht alle Unternehmensbereiche berücksichtigt werden, hohe Durchführungskosten, mangelnde Objektivität mit Ermessensspielräumen, Druck zur Zertifizierung mit evtl. Demotivierung der Mitarbeitenden. 8.7.5.2 Qualitätsnorm 9001:2015

Die Norm 9001:2015 ist die Darlegungsnorm und dient als verlässlicher Nachweis des QM-Systems frei von selbstgesetzten Beschränkungen. Sie enthält das PDCA-Modell (Plan / Qualitätsplanung, Do / versuchsweise Umsetzung, Check / Messung der Resultate, Act: unternehmensweite Umsetzung bei Erfolg). Die Norm ist in zehn Kapitel unterteilt: • Kapitel 1, 2 und 3 enthalten Anwendungsbereich, normative Verweise und Begriffe, • Kapitel 4 betrifft den Kontext der Organisation, • Kapitel 5 betrifft die Verantwortung der Leitung (Führung), • Kapitel 6 betrifft die Planung des QM-Systems, • Kapitel 7 betrifft die Unterstützung, • Kapitel 8 betrifft die operative Umsetzung, • Kapitel 9 betrifft die Bewertung der Leistung, • Kapitel 10 betrifft die Systemverbesserung. Die Qualitätsnorm 9001:2015 enthält folgende allgemeine Anforderungen: • Die Unternehmensleitung muss verpflichtend ein QM-System aufbauen, dokumentieren, implementieren, aufrechterhalten und kontinuierlich verbessern. • Das Prozessmanagement hat dabei zu umfassen: –– die Identifikation und das Management der Prozesse, die Bestimmung der Abfolge und der Wechselwirkung der Prozesse, die Bestimmung der Krite-

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rien und der Methoden zur Effektivität und Lenkung der Prozesse, die Sicherstellung der Verfügbarkeit von Ressourcen zur Durchführung von Prozessen, die Messung, Überwachung und Analyse der Prozesse, Maßnahmen zur Zielerreichung und kontinuierlichen Verbesserung von Prozessen sowie die Lenkung von ausgegliederten Prozessen, welche die Produktqualität beeinflussen (Lohnarbeiten etc.). • Die Dokumentation zum QM-System muss Aussagen zur Qualitätspolitik und zu Qualitätszielen beinhalten, ferner ein Qualitätsmanagementhandbuch mit dokumentierten Verfahren, die durch die Norm gefordert werden, Dokumente, welche die Organisation zur wirksamen Planung, Durchführung und Lenkung ihrer Prozesse benötigt sowie durch die Norm geforderte Qualitätsaufzeichnungen. • Der Umfang der Dokumentation richtet sich nach Größe und Art der Organisation, nach der Komplexität der Prozesse und den Fähigkeiten des Personals. Das Medium zur Dokumentation kann beliebig gewählt sein. • Das QM-Handbuch muss den Anwendungsbereich des QM-Systems beinhalten, ferner Begründungen für jegliche Ausschlüsse von Anforderungen dieser Norm sowie die für das QM-System erstellten dokumentierten Verfahren oder Verweise darauf und eine Beschreibung des Zusammenwirkens der Prozesse im QM-System. Ein Dokument ist dabei allgemein jede qualitätsrelevante Information in Form eines Trägermediums. Eine Aufzeichnung ist ein Dokument, das erreichte Ergebnisse angibt oder einen Nachweis ausgeführter Tätigkeiten bereitstellt. 8.7.5.3 Qualitätsnorm 9004:2009

Die Norm 9004:2009 ist ein Leitfaden für das Qualitätsmanagement und Elemente eines QM-Systems, für Dienstleistungen, für verfahrenstechnische Produkte, für Qualitätsverbesserung, für Konfigurationsmanagement, für die Anwendung der Qualitätsnorm 9001 auf die Entwicklung, Lieferung und Wartung von Software, zur Anwendung der Darlegungsnorm und zum Management von Zuverlässigkeitsprogrammen. Das Qualitätsnormenwerk soll damit gleichermaßen für Produktionsbetriebe, Dienstleister, Software-Entwickler und verfahrenstechnische Betriebe geeignet sein. Die Norm betrachtet außerdem interessierte Parteien wie Kunden, Endabnehmer, Mitarbeitende der Unternehmung, Eigentümer und / oder Investoren, Lieferanten und Gesellschaft. Die Norm soll sowohl die Wirksamkeit als auch die Wirtschaftlichkeit eines QM-Systems verwirklichen. Die Dokumentation sollte u. a. anhand folgender Kriterien beurteilt werden: • Funktionstüchtigkeit (z. B. Verarbeitungsgeschwindigkeit), Benutzerfreundlichkeit, erforderliche Ressourcen, Maßnahmen und Ziele, aktuelle und künftige

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Anforderungen bzgl. der Lenkung des Wissens, Benchmarking von Dokumentationssystemen, von Kunden / Lieferanten / interessierten Parteien verwendete SchnittstellenundZugriffsmöglichkeiten. Art und Umfang der Qualitätsdokumentation müssen vertragliche, gesetzliche und behördliche Anforderungen, Erfordernisse und Erwartungen von Kunden und anderen interessierten Parteien erfüllen. 8.8 Qualitätsauszeichnungen Unter Qualitätsauszeichnungen sind Preisvergaben (Awards) durch spezielle Institutionen zu verstehen, die für den Nachweis der Förderung der Qualität, des Qualitätsverständnisses in der gesamten Unternehmung und dessen erfolgreicher interner wie externer Umsetzung vergeben werden. Solche Qualitätsauszeichnungen sind für viele Länder üblich. Der Deming Application Prize (Japan) hat Qualitätszielplanung, Durchsetzung in der Hierarchie und statistischen Methodeneinsatz als Schwerpunkte. Deming kam als amerikanischer Wiederaufbauhelfer nach dem Zweiten Weltkrieg nach Japan und gilt als einer der Begründer des Qualitätsgedankens. Der MBNQA (USA) ist vor allem management-, kundenund prozessorientiert. Baldrige war Wirtschaftsminister in der Reagan-Administration. Der EQA (EU) betont die gesellschaftliche Verantwortung. Es sollen Gewinner identifiziert werden, die als Vorbildunternehmen in Bezug auf Total Quality Management gelten können. Tatsächlich liegt der Nutzen für Teilnehmer weniger in der wohl eher geringen Chance einer Preisverleihung als bereits im gesamten Bewerbungsprozess. In Deutschland ist seit 1997 auf Initiative der Deutschen Gesellschaft für Qualität (DGQ) und des Vereins Deutscher Ingenieure (VDI) der Ludwig Erhard-Preis als nationaler Qualitätspreis der Industrie- und Handwerksverbände etabliert. Der Preis wird in allen Branchen und in verschiedenen Stufen für kleine, mittlere, große Unternehmen / Organisationen, Handel, Behörden, Dienstleister, Handwerk etc. vergeben. Er ist aus dem ehemaligen Bayerischen Qualitätspreis fortentwickelt. Als verbindliche Rahmenstruktur in der EU gilt zumeist das EFQM-Modell, innerhalb dessen sich Branchen und Unternehmen ihre spezifischen Konzepte auf dem Weg zur eigenen „exzellenten“ Unternehmung suchen können. Das Modell unterscheidet zwischen Befähigern und Ergebnissen: • Bei den Befähigern (Enablers) handelt es sich um Prozesse / Produkte / Dienste zur Kundenorientierung mit 14 % Anteil an der Gesamtbewertung, zur Mitarbeiterorientierung/-qualifikation (9 %), zur Politik / Strategie der Leistungsmessungen (8 %), zu den Ressourcen für Sachanlagen, Geld, Wissen, Partnerschaft etc. (9 %) und zur Führung durch Leitende Mitarbeiter (10 %).

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• Bei den Ergebnissen (Results) handelt es sich um Schlüsselergebnisse zum Erfolgsnachweis (15 % Anteil an der Gesamtbewertung), um Kundenzufriedenheit (20 %), um gesellschaftliche Verantwortung für Umwelt, Soziales etc. (6 %) und um Mitarbeiterzufriedenheit (9 %). Jedes Kriterium setzt sich wiederum aus diversen Unterkriterien zusammen. 8.9 Fehlerfolgen Fehler bedeutet allgemein die Nichterfüllung, genauer Nichtkonformität einer festgelegten Forderung i. S. v. Qualitäts- und Zuverlässigkeitsmerkmalen (DIN EN ISO 8402:1995/Fault), er führt zur Fehlfunktion oder Funktionsunfähigkeit (Failure) eines Produkts. Rechtlich ist eine Einheit fehlerhaft, wenn sie von der vereinbarten Beschaffenheit abweicht und dadurch ihr Wert oder ihre Tauglichkeit zum normalerweise vorgesehenen oder vertraglich vereinbarten Gebrauch aufgehoben oder mehr als unerheblich gemindert wird. Man unterscheidet offene Fehler, diese sind durch dem Stand der Technik entsprechende Verfahren und bei Anwendung der üblichen Sorgfalt bei einer Prüfung erkennbar und verdeckte Fehler, diese sind nicht ohne Weiteres erkennbar. Werden offene Fehler von Leistungsempfängern abgenommen, gelten sie als genehmigt, bei verdeckten Fehlern können hingegen Gewährleistungsrechte aktiviert werden. Der Fehlerbegriff unterscheidet sich vom Mangelbegriff. Ein Mangel ist die Nichterfüllung einer beabsichtigten oder auch nur berechtigten, den Umständen angemessenen Erwartung für den Gebrauch einer Einheit (Defect). Ein Mangel beeinträchtigt also nicht die Verwendbarkeit der betrachteten Einheit, ein Fehler sehr wohl. Er liegt begrifflich vor, wenn eine Ware oder Dienstleistung nicht die zugesicherten Qualitätsanforderungen erfüllt. Ein offener Mangel ist bereits bei der Übergabe / Abnahme der Einheit vorhanden und erkennbar. Ein versteckter Mangel ist zwar vorhanden, kann bei der Übergabe / Abnahme der Einheit aber nicht erkannt werden. Ein arglistig verschwiegener Mangel ist dem Lieferanten der Leistung zwar bekannt, er versäumt es aber, dem Abnehmer diesen Mangel anzuzeigen und verschafft sich dadurch einen Vorteil. Der Verursacher von Mängeln haftet, und zwar dem Vollstreckungszugriff des Staates gegenüber (etwa in der Umwelthaftung) oder dem Abnehmer gegenüber durch Übernahme des Schadens. Voraussetzung dafür ist Vorsatz oder grobe Fahrlässigkeit, außer etwa im Rahmen der Produkthaftung (Beweislastumkehr). Die Haftung erfolgt je nach Lage der Dinge persönlich mit dem gesamten Vermögen oder dinglich mit bestimmten Vermögensgegenständen. Bei gesamt-

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schuldnerischer Haftung kann der Gläubiger die Leistung nach seiner Wahl von jedem der Schuldner ganz einfordern. Die Schuldner haben dann untereinander für einen Lastenausgleich zu sorgen. Die Haftung kann aus Gesetz, z. B. Produkthaftung, oder Vertrag folgen. Der Fehlerbegriff ist durch die Produkthaftung definiert (§ 1 ProdHaftG). Wird durch den Fehler eines Produkts jemand getötet, sein Körper oder seine Gesundheit verletzt oder eine Sache beschädigt, so ist der Hersteller des Produkts verpflichtet, dem Geschädigten den daraus entstehenden Schaden zu ersetzen. Im Falle der Sachbeschädigung gilt dies nur, wenn eine andere Sache als das fehlerhafte Produkt beschädigt wird und diese ihrer Art nach gewöhnlich für den privaten Ge- oder Verbrauch bestimmt und hierzu von dem Geschädigten hauptsächlich verwendet worden ist. Davon gelten folgende Ausnahmen: • Der Hersteller hat das Produkt nicht in den Verkehr gebracht. • Das Produkt hat den Fehler noch nicht aufgewiesen, als es in den Verkehr gebracht wurde. • Das Produkt wurde nicht zum Verkauf / z u einer anderen wirtschaftlichen Nutzung hergestellt. • Der Fehler beruht auf der Einhaltung zwingender Rechtsvorschriften. • Der Fehler konnte nach dem Stand der Technik und Wissenschaft zu dem Zeitpunkt, an dem der Hersteller das Produkt in den Verkehr brachte, nicht erkannt werden. Bei Fehlern können verschiedene Arten unterschieden werden (siehe Abb. C66): • Kritische Fehler sind solche, von denen anzunehmen oder bekannt ist, dass sie für Personen, die mit der fehlerhaften Einheit umgehen, gefährliche oder unsichere Situationen schafft, sowie solche, von denen anzunehmen oder bekannt ist, dass sie die Erfüllung der Funktion einer größeren Einheit verhindern. • Hauptfehler sind nicht-kritische Fehler, die voraussichtlich die Brauchbarkeit der betreffenden Einheit für den eigentlichen Verwendungszweck wesentlich herabsetzen oder zu einem Ausfall der Einheit führen. • Nebenfehler sind Fehler, die voraussichtlich den Gebrauch oder den Betrieb der Einheit nur geringfügig beeinflussen oder den Verwendungszweck nur unwesentlich herabsetzen. Mögliche Fehlerursachen sind vielfältig, so als Bedienungsfehler, Beschädigungen, Einstellfehler, Korrosion, falsche Arbeitsunterlagen, falsche Arbeitsabläufe, fehlende Schmierung, Materialermüdung, Unachtsamkeit, Verschleiß etc. Mögliche Fehlerfolgen sind Ausschuss, Brandgefahr, erhöhter Verbrauch, Funk­ tionsausssetzer, Kurzschluss, Leistungsabfall, Maßabweichung, Nachbearbeitung, Risse, Stillstand, Undichtigkeit, Verunreinigung etc. Die Fehlerverhütung umfasst alle Maßnahmen, die Fehlerursachen ausschließen und damit bereits die

8. Qualität

267

Abbildung C66: Arten von Qualitätsfehlern (eig. Abb.)

Entstehung von Fehlern verhindern sollen. Die Fehlerentdeckung ist die letzte Chance zur Fehlerbeseitigung. Das Null-Fehler-Konzept versucht im Rahmen des Qualitätsmanagements einer 100 %igen Fehlerfreiheit nahe zu kommen. Praktisch wird es im Six Sigma-Konzept umgesetzt. Dieses ist aber nicht kostenlos zu haben, vielmehr fallen Qualitätskosten zur Fehlerverhütung, Qualitätsprüfung, Fehlerbeseitigung und Kompensation von Fehlerfolgen an (siehe Abb. C67): • Fehlerverhütungskosten entstehen für vorbeugende Maßnahmen zur Qualitätssicherung, dies sind die Übereinstimmungskosten, etwa Kosten für Qualitätsmanagement, Fähigkeitsuntersuchung, Durchführbarkeitsuntersuchung, Lieferantenbeurteilung, Qualitätsförderungsmaßnahme, Prüfplanung sowie Kosten der Qualitätsplanung in der Produktentwicklungsphase, der Lieferantenbeurteilung, für Qualitätsfähigkeitsuntersuchung, der Leitung des Qualitätswesens, der Prüfplanung, der Qualitätslenkung, der Auditierung, der Qualitätsförderung etc. • Prüfkosten entstehen für Prüfmitteleinsatz, Personal, Raum, Messeinrichtungen etc., um angemessene Qualität sicher zu stellen, dabei handelt es sich teilweise um Übereinstimmungs-, teilweise um Abweichungskosten, etwa Kosten für Prüfdokumentation, Prüfmittelüberprüfung, Wareneingangskontrolle, Fertigungs- und Zwischenprüfungen, Endprüfungen, Prüfungen bei eigenen Außenmontagen, Kundenabnahme-Prüfungen, Anschaffung von Prüfmitteln, Instandhaltung von Mess- und Prüfgeräten, Anfertigung von Qualitätsgutachten, Durchführung von Laboruntersuchengen etc. • Interne Fehlerkosten entstehen für die Beseitigung von negativen Qualitätsabweichungen, die vor Auslieferung festgestellt werden, hier handelt es sich um Abweichungskosten, etwa Kosten für fehlerbedingte Ausfallzeit, Ausschuss, Nacharbeit, Sortierprüfungen, Wiederholungsprüfungen, Fehlerursachenfindung, Wertminderungen etc. • Externe Fehlerkosten entstehen für die Beseitigung von negativen Qualitätsabweichungen, die erst nach Auslieferung festgestellt werden, auch hierbei

268

C. Die Güterwirtschaft der Unternehmung

Abbildung C67: Einteilung der Fehlerkosten (eig. Abb.)

handelt es sich um Abweichungskosten, etwa für Wertminderung, Gewährleistung, Kulanzgewährung, Nacharbeit, Produkthaftung etc. Darlegungskosten stellen Kosten für externe Qualitätsaudits und Zertifizierungen dar. Aktuell wird nicht mehr in diese Kostenarten unterschieden, da eine grafische Darstellung zeigt, dass dann das Gesamtkostenminimum bei einer deutlich geringer als 100 %igen Qualität liegt. Dies widerspricht den Six Sigma-Anforderungen. Vielmehr wird stattdessen in Konformitätskosten, diese steigen leicht mit steigendem Qualitätsgrad, und Nichtkonformitätskosten, diese fallen stark mit steigendem Qualitätsgrad, unterschieden. Erstere sind Kosten, die zur Erfüllung der Six Sigma-Anforderung anfallen, letztere sind Kosten, die dadurch zugleich vermieden werden. Das Gesamtkostenminimum liegt dann bei 100 %iger Qualität (siehe Abb. C68). Man rechnet bei den Fehlerkosten überschlägig mit dem Faktor 10 (Rule of Ten). Kostet die Mängelbehebung auf der eigenen Wertschöpfungsstufe noch 1 Geldeinheit (GE), kostet sie in der Eingangskontrolle der nachfolgenden Wertschöpfungsstufe schon 10 GE, in der Endprüfung des Lieferanten bereits 100 GE und beim Abnehmer schon 1.000 GE. Von daher ist internes Kundendenken unerlässlich. Auch angesichts dieser Kosten ist unstrittig, dass Qualität Wettbewerbs- und Erlösvorteile bietet. Insofern gilt die Wirtschaftlichkeit des Qualitätsmanagements als gesichert (z. B. Ergebnisse der PIMS-Studie). Die Qualitätskosten können nach Zeit-, Organisations- oder Funktionseinheiten unterschieden werden. Diesen Kosten sind die Opportunitätskosten, also der anderweitig entgehende Gewinn ohne Qualitätsmaßnahmen, gegenüber zu stellen, man könnte auch sagen, der durch Qualitätssicherung zuwachsende Gewinn. Quellen dafür sind Kundenbindung, Kundenzuwachs, Mehrverkauf, Zusatzverkauf, Überkreuzverkauf, positive Meinungsmultiplikation etc. Dennoch ist der Nachweis von Kosten, die anderweitig nicht entstanden, oder Nutzen, die anderweitig entgangen wären, praktisch schwierig. Qualitätskosten sind wie Investitionen zu betrachten, d. h., am Anfang einer Anstrengung zur Qualitätssteigerung stehen zwar Einzahlungen, wie bei jeder

8. Qualität

269

Kosten

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Qualitätsbezogene Kosten

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Konformitätskosten 0%

100 % Anteil fehlerfreier Teil beim Endkunden

Quelle: public.fh-wolfenbuettel.de/~czenskow/riqu/Grafiken/the06.PNG

Abbildung C68: Qualitätskosten

Investition, aber im Zeitablauf führen diese Einzahlungen durch Kostenersparnisse zu einer höheren Rentabilität. Einsparungen beziehen sich hier vor allem auf Fehlerfolgekosten. Früher war es üblich, im Prozess der Produktion nur hinlänglich auf Qualität zu achten, weil es eine Endkontrolle gab, in der gering qualitative Leistungen herausgeprüft wurden. Dies führt zu verhängnisvollen Folgen. So musste die zumeist hoch rationell erstellte ursprüngliche Leistung individuell nachgebessert werden, was einen hohen Aufwand an Zeit und damit Kosten implizierte. Zudem verlängerten sich dadurch die Durchlaufzeiten, was keineswegs kostenneutral ist. Und bei der Kon­trolle wurden auch immer wieder mal Fehler übersehen, die dementsprechend ohne Nachbesserung blieben („Montags-Auto“). Heute ist Qualität hingegen integraler Bestandteil des Produktionsprozesses, d. h., Qualität wird produktionsbegleitend in das Produkt eingebaut. Dabei ist es wegen vielfacher Wertschöpfungsstufen und zahlreicher Komponenten / Teile je Produkt erforderlich, auf jeder Stufe Null-Fehler-Qualität nicht nur anzustreben, sondern auch zu gewährleisten, damit verhindert wird, dass Fehler sich hoch kumulieren.

270

C. Die Güterwirtschaft der Unternehmung

Literaturhinweise Benes, Georg M. E. / Groh, Peter E.: Grundlagen des Qualitätsmanagements, 2. Auflage, München 2012 Brüggemann, Holger: Grundlagen Qualitätsmanagement, Wiesbaden 2012 Bruhn, Manfred: Qualitätsmanagement für Dienstleistungen, 9. Auflage, Wiesbaden 2013 Brunner, Franz J./Wagner, Karl Werner: Qualitätsmanagement, 5. Auflage, München 2010 Engelhardt, Werner H./Schütz, Peter: Total Quality Management, in: Wirtschaftswissenschaftliches Studium WiSt, 20. Jg./Nr. 8, S. 394 – 399 Eversheim, Walter: Qualitätsmanagement für Dienstleister: Grundlagen, Selbstanalyse, Umsetzungshilfen, Berlin / New York 2000 Frehr, Hans-Ulrich: Total Quality Management. Unternehmensweite Qualitätsverbesserung, München 1994 Garvin, David A.: Die acht Dimensionen der Produktqualität, in: Harvard Business Manager, 10. Jg./Nr. 3, S. 1866 – 1988 –– What does „Product Quality“ really mean?, in: Sloan Management Review, 26. Jg./No. 1, S. 25 – 43 Hermann, Joachim / Fritz, Holger: Qualitätsmanagement, München 2011 Kamiske, Gerd F./Brauer, Jörg-Peter: Qualitätsmanagement von A bis Z, München 1993 –– Qualitätsmanagement von A – Z, 7. Auflage, München 2011 –– ABC des Qualitätsmanagements, 4. Auflage, München 2012 Sauerwein, Elmar: Das Kano-Modell der Kundenzufriedenheit. Wiesbaden 2000 Schmitt, Robert / Pfeifer, Tilo: Qualitätsmanagement, 4. Auflage, München 2010 Weidner, Georg E.: Qualitätsmanagement, München 2014

8. Qualität

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Übungsaufgaben 1. Welche sechs Einflussfaktoren auf die Qualität können in Anlehnung an Ishikawa unterschieden werden? 2. Welche Aufgaben übernimmt das Qualitätsmanagement-Handbuch? 3. Was versteht man unter einem Quality-Audit? 4. Wodurch ist ein Qualitätsmangel gekennzeichnet? 5. Welche wesentlichen Merkmale zeichnen Qualitätszirkel aus? 6. Erläutern Sie bitte die Inhalte des Total Quality Managements. 7. Charakterisieren Sie bitte den Kontinuierlichen Verbesserungsprozess (KVP). 8. Welche Bedeutung kommt Normen zu? 9. Was ist und wozu dient die Null-Fehler-Produktion? 10. Was versteht man unter den „5 S“ und was unter den „3 Mu“ in der japanischen Produktionsphilosophie? 11. Welche Hauptgruppen der Produkthaftung aus Fehlerfolgen können unterschieden werden? 12. Welche typischen Fehlerkosten gibt es? Nennen Sie bitte geeignete Beispiele. 13. Nennen und erläutern Sie bitte wesentliche Ziele des Qualitätsmanagements. 14. Welche betrieblichen Probleme können Sie sich im Rahmen des TQM realistisch vorstellen? 15. Stellen Sie bitte verschiedene Sichtweisen der Qualität dar.

272

C. Die Güterwirtschaft der Unternehmung

9. Marketing In diesem Kapitel werden folgende Inhalte behandelt und geklärt: • die Denkhaltung im Marketing, • die Marketing-Instrumente in Angebot, Gegenleistung, Information und Vertrieb, • die Marktinformationsbasis. Dieses Kapitel widmet sich dem Marketing als Absatzvorbereitung. Der Vertrieb als Absatzvollzug wird im nachfolgenden Kapitel erarbeitet. 9.1 Denkhaltung im Marketing 9.1.1 Marketingkonzept

Im Zeitablauf sahen sich Unternehmen wechselnden ökonomischen Engpässen gegenüber. Da war zunächst der Engpass der Leistungserstellung, der durch Produktionstechnik überwunden wurde. Dann der Engpass der Beschaffung von Rohstoffen, Kapital und Personal, der durch Außenhandel, neue Rechtsformen und duale Qualifizierung überwunden wurde. Damit trat historisch der Engpass der Leistungsverwertung in Kraft. Immer limitiert der Engpass den gesamten wirtschaftlichen Erfolg, d. h., selbst ein Überschuss an Produktion, Rohstoff, Kapital und Personal führt zu keinem besseren Betriebsergebnis, solange ein Mehrabsatz von daraus resultierenden Gütern nicht gewährleistet ist. Aber auch die Nachfrage unterliegt Wandlungen. In Mangelzeiten sind die Anstrengungen, die Nachfrager unternehmen müssen, um in den Besitz gewünschter Waren zu gelangen, größer als die der Anbieter. Man spricht von einer Verkäufermarkt-Situation. Glücklicherweise haben die entwickelten Industrienationen diesen Zustand hinter sich gelassen. Die Realität ist heute die des Käufermarkts (siehe Abb. C69). Dabei müssen Anbieter, zumal im Parallelwettbewerb zueinander, versuchen, Nachfrager an ihre Leistung zu binden, neu zu akquirieren oder vom Mitbewerb wegzulocken, während die Nachfrageseite bequem verschiedenste Angebote vergleichen und das bevorzugte auswählen kann. Damit aber wird Marketing zum Engpass für den Geschäftserfolg und muss dafür Sorge tragen, dass die eigene Unternehmung gegen konkurrierende andere bei Abnehmern zum Zuge kommt. Ansonsten wenden diese sich Mitbewerbern zu. Marketing wird damit überlebenswichtig für jede erfolgreiche Unternehmung. Ihre Aktivitäten können dabei sowohl auf die Einkaufsseite als auch auf die Absatzseite gerichtet sein. Ersteres betrifft das Beschaffungsmarketing für Personal, Betriebsmittel, Finanzen, letzteres das Absatzmarketing von Gütern und Diensten der eigenen Unternehmung am Markt.

9. Marketing

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Abbildung C69: Marktseitenrelation (eig. Abb.)

Im Verlauf der Zeit ergab sich dabei außerdem ein Deepening vom Business Marketing über das Non Profit Marketing (auch Social Marketing genannt) zum Non Business Marketing (z. B. für Öffentliche Betriebe) und schließlich hin zum Generic Marketing (als zielorientierter Anbahnung, Erleichterung, Abwicklung und Bewertung des allgemeinen Austauschs von ideellen und materiellen Werten zwischen Parteien). Weiterhin ergab sich ein Broadening durch Einbeziehung über die rein kommerziellen Beweggründe hinaus gehender Aspekte in das Marketing wie die verstärkte Berücksichtigung humanitärer Pflichten (Human Concept), der gesamtgesellschaftlichen Verantwortung von Unternehmen (Corporate Citizenship) und zum Einbezug nachhaltig wirkender ökologischer Argumente (Sustainable Development). Marketing beruht damit im Kern auf drei Prinzipien auf Nachfrager- und Anbieterseite: • Durch eine Transaktion muss sich der Nachfrager besser stellen als vor dem Tausch. Die Transaktion muss einen Wert für ihn schaffen. Ein solcher Wert wird dann erzeugt, wenn der mit dem Angebot verbundene Nutzen größer ist als die mit dem Angebot verbundenen Kosten. Durch den Tausch muss sich auch der Anbieter besser stellen als vor dem Tausch (Erlöse > Kosten). • Der Wert des Angebots bzw. das Verhältnis von Nutzen und Kosten muss dem Anspruchsniveau des Nachfragers mindestens entsprechen. Das Anforderungsniveau wird gebildet durch interindividuell abweichende Anforderungen an die Leistung, Erwartungen und Erfahrungen. Der Wert des Angebots bzw. das Verhältnis von Nutzen und Kosten muss dabei dem Anspruchsniveau des Anbieters mindestens entsprechen. Dieses leitet sich aus dem von ihm für erforderlich erachteten Gewinn ab. • Der Nachfrager kauft bei demjenigen Anbieter, der ihm den größten Wert bietet, bzw. der Anbieter verkauft an denjenigen Nachfrager, der das für ihn günstige Verhältnis von Nutzen und Kosten aufweist.

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C. Die Güterwirtschaft der Unternehmung

Die Ursprünge der Marketingentwicklung liegen in Deutschland in der Handelsbetriebslehre. Aus diesen Anfängen zur vorletzten Jahrhundertwende entwickelte sich zwischen etwa 1925 und 1970 die Absatzwirtschaftslehre. In deren Mittelpunkt stand die Distributionsfunktion, also die Verwertung der wie auch immer erstellten Unternehmensleistung zur Liquidierung am Markt. Zwischen etwa 1965 und 1985 ergab sich daraus, aufbauend auf amerikanischen Ansätzen (Kotler, Levitt), die Marketinglehre. Ab etwa 1980 wurde dieser Ansatz entscheidend dadurch erweitert, dass die Marketingsichtweise als Maßgabe für jedwede strategische Ausrichtung angesehen wurde, nämlich als Marketing-Management, um damit entscheidende komparative Konkurrenzvorteile zu erreichen. Aktuell schließlich wird Marketing als marktorientiertes Führungskonzept verstanden, das die Ausrichtung der gesamten Unternehmung auf ihr Vermarktungsumfeld umfasst, also alle Anspruchsgruppen integriert.

9.1.2 Marketinginhalte

Zur Systematisierung der Marketinginhalte bietet sich eine Unterscheidung in fünf Marketing-Definitionsklassen im Zeitablauf an. Diese fundamentalen Veränderungen der Sichtweise innerhalb einer, nach Forschungsmaßstäben, recht knappen Frist sind typisch für eine vergleichsweise junge Wissenschaft wie die des Marketing, die in relativ kurzer Zeit die Entwicklungen, die „traditionelle“ Zweige der Betriebswirtschaftslehre bereits lange hinter sich gelassen haben, nachvollziehen muss (siehe Abb. C70): • Marketing 0 betrifft die Vor-Marketing-Ära (vor 1970). In dieser waren naturgemäß dennoch absatzwirtschaftliche Funktionen zu erfüllen. Nur waren diese auf verschiedene andere betriebliche Bereiche verteilt und diesen untergeordnet. Auch fand keinerlei konzeptionelle Integration der dabei ablaufenden Aktivitäten statt. Dies wurde aufgrund auskömmlicher Marktsituationen als nicht erforderlich angesehen. Im Zuge restriktiverer Vermarktungsbedingungen reichte diese Sichtweise jedoch mitnichten mehr aus. • Marketing 1.0 betrifft das Marketing als Absatzpolitik von Unternehmen (traditionelle Absatzwirtschaft/1970er Jahre). Dies führte zu einer Sichtweise des absatzpolitischen Instrumentariums (Produkt- und Programmpolitik, Preisund Konditionenpolitik, Kommunikations- und Identitätspolitik sowie, mit einem gewissen Schwerpunkt, Distributions- und Verkaufspolitik). Es geht bei Marketing I also um die Stimulierung des Flusses von (vor allem) Waren, (aber auch) Geldern und Informationen, im Absatzkanal. • Marketing 2.0 betrifft das Marketing als passive Marktanpassung (1980er Jahre). Dabei steht die Fiktion im Vordergrund, dass eine Unternehmung in dem Maße erfolgreich sein wird, indem es ihr gelingt, die Bedarfe ihrer (auch potenziellen) Nachfrager zu erkennen und Produkte und Dienste bereit zu stel-

9. Marketing

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Abbildung C70: Marketinginhalte (eig. Abb.)

len, die diese Bedarfe befriedigen. Problematisch ist allerdings, dass Nachfrage Idealkombinationen fordert und nicht kreativ ist, sondern nur auf Angebot reagieren kann, zumal die Bedarfe schneller wechseln als die Produktion mit der Realisierung nachkommt (Hase-Igel-Rennen). • Marketing 3.0 betrifft das Marketing als aktive Marktgestaltung (1990er Jahre). Dieses geht davon aus, dass Bedarfe kreativ formbar sind. Wenn es einer Unternehmung also gelingt, die (auch potenziellen) Bedarfe ihrer Nachfrager zu aktualisieren oder sogar zu generieren, schafft sie sich die Kunden selbst, die der Absatz braucht. Meist gelingt dies, kontrovers, nur über die Schaffung von Problemen, die Nachfrager ohne den Anbieter nicht hätten, die sie aber sofort wieder loswerden, da der Anbieter ihnen die Problemlösung zugleich mitliefert. • Marketing 4.0 betrifft das Management von Austauschprozessen und -beziehungen (Beziehungsmarketing/2000er Jahre). Es geht um Prozesse von Einzelpersonen, Personengruppen und Organisationen. Dies zielt auf eine Weiterung der einzelbetrieblichen Sichtweise um makroökonomische Aspekte ab. Marketing IV führt somit zum Management von Austauschprozessen und -bezie-

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C. Die Güterwirtschaft der Unternehmung

hungen mit unternehmensinternen und -externen Partnern, insbesondere mit Partnern auf Absatz- und Beschaffungsmärkten sowie im Bereich der allgemeinen Öffentlichkeit. Daraus leitet sich eine aktuelle Definition des Marketing ab: Marketing ist die Planung, Organisation, Implementierung und Kontrolle aller Aktivitäten mit der Absicht der Erreichung qualitativer und / oder quantitativer Vorgaben bei Kunden und deren Kunden durch Aufbau, Unterhalt, Ausbau oder Wiederherstellung von Geschäftsbeziehungen mit jeweils relevanten Zielgruppen im Absatzbereich. Aus der Sichtweise des Beziehungsmarketing wird die für das Marketing so typische, verbreitet vorkommende zweistufige Kundenbeziehung deutlich, nämlich die Gestaltung der Beziehungen zu (gewerblichen oder privaten) Endabnehmern (Pull) über häufig eingeschaltete (gewerbliche) Zwischenabnehmer (Push). 9.1.3 Leitlinien des Marketings

Das moderne Marketing lässt sich durch einige Leitlinien charakterisieren. Dabei handelt es sich im Einzelnen um das Kundenbeziehungsmanagement, die Marktsegmentierung, den Markenartikel, die Positionierung, die Wertorientierung, das Marketing 5.0 und das Stakeholder-Management (siehe Abb. C71). Beim Kundenbeziehungsmanagement ist es zweckmäßig, vier Phasen des Beziehungsmanagements zu Kunden (die 4 R’s) zu unterscheiden: • Die erste Phase ist die der Erreichung neuer Kundenbeziehungen (Customer Recruitment / A kquisitionsmarketing). Dabei geht es um die erstmalige Aufnahme einer Geschäftsbeziehung zwischen Anbieter und Nachfrager. Dazu sind anbieterseitig regelmäßig hohe Akquisitionsaufwendungen erforderlich. Zudem bleibt die Erfolgswahrscheinlichkeit (Hitrate) angesichts verstärkten Wettbewerbs eher begrenzt. Zur Forcierung wird das Vorkaufmarketing eingesetzt. • Die zweite Phase ist die der Pflege dieser Kundenbeziehungen (Customer Retention / Bindungsmarketing). Denn Kunden werden erst profitabel, wenn sie über den Erstabschluss hinaus in regelmäßigen, möglichst kurzen Abständen Umsätze mit der Unternehmung tätigen (Wiederkauf). Insofern ist es erforderlich, die einmal akquirierten Kunden gegen die Akquisitionsbemühungen der Konkurrenz zu verteidigen und an sich zu binden. Dies erfolgt durch Maßnahmen zur Steigerung der Kundenverbundenheit (freiwillig) und Kundengebundenheit (erzwungen). • Die dritte Phase ist die des Ausbaus der Kundenbeziehung (Customer Reinforcement / Entwicklungsmarketing). Denn ist eine Kundenbeziehung erst einmal stabilisiert, bietet sie hervorragende Möglichkeiten der Ausweitung des

9. Marketing

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Abbildung C71: Leitlinien des Marketings (eig. Abb.)

Geschäftsumfangs (Share of Wallet), zum einen wegen der steigenden Informationen über Kundenbedarfe auf Lieferantenseite, zum anderen wegen der erarbeiteten Vertrauensbasis auf Abnehmerseite. • Die vierte Phase schließlich ist, falls es doch zum Kundenverlust kommen sollte, die des Wiederaufbaus zerbrochener Kundenbeziehungen (Customer Recovery / Rückgewinnungsmarketing). Denn angesichts stagnierender Märkte darf die Abwanderung von Kunden zum Mitbewerb nicht hingenommen, sondern muss mit der Absicht deren Rückholung in den Kundenstamm beantwortet werden. Nur dies sichert den langfristigen Markterfolg. Die Phasen 2 – 4 finden nicht mehr in der Vorkauf- sondern in der Nachkaufphase statt. Dadurch ist erklärlich, dass der Fokus der Aktivitäten im Marketing sich immer mehr zugunsten der Nachkaufphase verschiebt. Außer bei Aufbau eines neuen Geschäfts (Existenzgründung) oder angesichts stark expandierender Märkte (z. B. Telekommunikation) kann das beste Neugeschäft immer mit bestehenden Kunden erreicht werden. Zumal die Bedienung bestehender Kunden um ein Vielfaches kostengünstiger zu bewerkstelligen ist als die Akquisition neuer Kunden. Ziel ist daher die Realisierung einer Kundenleiter mit zunehmender Kundenbindung. Unter Marktsegmentierung versteht man die Aufteilung eines Gesamtmarkts in hinsichtlich ihrer Marktreaktion intern weitgehend homogene und extern weitgehend heterogene Teilmärkte. Eine Marktsegmentierung ist konstitutiv für jedes Marketing.

278

C. Die Güterwirtschaft der Unternehmung

Wird ein gegebener Markt dabei künstlich in Teilmärkte aufgesplittet, handelt es sich um eine horizontale (deglomerative) Marktsegmentierung, gibt es von vornherein unterschiedlich reagierende Märkte, die dann auch differenziert bearbeitet werden, handelt es sich um eine vertikale (agglomerative) Marktsegmentierung. Durch Marktsegmentierung soll es vor allem zur Abschöpfung der Konsumentenrente bzw. zum Einbehalt einer Produzentenrente kommen, indem die unterschiedliche Preisbereitschaft und Leistungserwartung der Nachfrager genutzt wird. Außerdem soll der Markenwert besser kapitalisiert werden, indem ein Angebot, das Nachfragern aus einem Marktsegment bekannt und vertraut ist, in ein anderes Marktsegment transferiert werden kann. Die Marktsegmentierung führt zur Konsequenz der Programmdifferenzierung und der Preisdifferenzierung, d. h. zum Angebot mehrerer, voneinander abgehobener Versionen eines Produkts im Programm zu gegeneinander abgehobenen Preisen. Ohne Markenartikel gibt es kein Marketing, man kann sogar sagen: Marketing heißt, Marken machen. Prominente Marken haben Charakterzüge, wie sie ansonsten allenfalls noch vertrauten Personen des Umfelds zugeschrieben werden. Man spricht deshalb nicht zu unrecht und sehr anschaulich auch von Markenpersönlichkeiten. Sie sind die Visitenkarten ihrer Nutzer. Unter Marke versteht man die formale Kennzeichnung von Waren und Dienstleistungen (Produkten) oder Unternehmen, die Interessenten deren Herkunft anzeigt, um sie bei ihnen zu identifizieren und zu profilieren sowie von Produkten anderer Herkünfte / anderen Unternehmen zu unterscheiden und abzugrenzen. Eine Marke bildet materiell zugleich die Persönlichkeit (das Gesicht) eines Produkts, sie verhält sich komplementär zur Person ihres Verwenders und spiegelt dessen Werthaltungen, die damit im sozialen Umfeld spezifisch ergänzt oder verstärkt erkennbar werden. Produkte, die mit einer Marke versehen werden, sind, sofern ihnen vom Markt eine entsprechende Geltung zugesprochen wird, Markenartikel. Hinsichtlich der Markenartikelstrategien gibt es horizontale Markenstrate­ gien, welche die Beziehungen der Marken innerhalb einer Unternehmung zu­ einander erfassen, vertikale Markenstrategien, welche die Hierarchie der Marken innerhalb einer Unternehmung erfassen sowie sonstige, absenderbezogene Markenstrategien. Ein Problem besteht darin, dass jeder Käufer immer nur einige wenige aus allen vorhandenen Marken je Warengruppe präferiert. Da aber nur unter diesen letztlich der Kaufentscheid fällt, ist es für Anbieter überlebenswichtig, zu diesen wenigen Marken bei einer möglichst großen Anzahl potenzieller Käufer in jedem Zeitpunkt und an jedem Ort der Verbreitung zu gehören.

9. Marketing

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Der Begriff Positionierung wird als Wechselvokabel für zwei verschiedene Tatbestände verwendet. Erstens versteht man unter Positionierung ein grafisches Verfahren (Mapping) durch statistische Datenerhebung und -auswertung, zweitens das Ergebnis der Konzeptdefinitionen im Marketing (Positioning) mit Angebotsanspruch und Anspruchsbegründung. Traditionell wird hinsichtlich der Positionierung die Forderung nach einer Unique Selling Proposition (USP) erhoben, d. h., eines alleinstellenden Verkaufsvorschlags. Dies ist jedoch heute angesichts der Fraktionierung der Märkte sehr problematisch, weil sich häufig nur noch „abseitige“, gering relevante USP’s finden lassen, die von Konkurrenten übersehen oder mangels Effekt bewusst ausgelassen worden sind. Zudem lässt jede objektive Leistungsverbesserung des Mitbewerbs die eigene Position erodieren (z. B. fünf Klingen bei Nassrasierern). Dies limitiert aber von vornherein das Marktpotenzial und damit den präsumtiven Erfolg. Empfehlenswerter ist daher die Besetzung einer Unique Communication Proposition (UCP), d. h. einer werblichen Alleinstellungsbehauptung. Dabei kommt es nicht darauf an, ob ein Angebot objektiv alleinstellend ist, sondern nur, ob subjektiv eine glaubhafte Alleinstellungsbehauptung am Markt erhoben werden kann. Dies stellt die Metaebene der Wahrnehmung in den Mittelpunkt und macht die Position, selbst bei Leistungsverbesserung des Mitbewerbs, für diese uneinnehmbar, es sei denn, die Position wird leichtfertig freiwillig aufgegeben (z. B. Blend-a-med mit dem Parodontitis-UCP). Da die betrieblichen Ressourcen begrenzt sind, ist es bei Wertorientierung sinnvoll, diese im Marketing auf diejenigen Kunden zu konzentrieren, die dies am meisten rechtfertigen. Dieser Ansatz führt zur Sichtweise des Kundenwerts (Customer Equity) als Betrachtung der Werthaltigkeit von Kundenbeziehungen im Zeitablauf. Der Kundenwert ist die Summe aller Einnahmeüberschüsse, die im Zeitablauf aus der Geschäftsbeziehung zu einem spezifischen Kunden erzielt werden. Durch die dynamische Sichtweise des Kundenlebenszeitwerts (Customer Lifetime Value) wird zudem der unterschiedliche zeitliche Anfall von Einnahmen von und Ausgaben für Kunden durch deren Diskontierung auf einen gemeinsamen Zeitpunkt berücksichtigt. Auch die Marke kann einen erheblichen immateriellen Markenwert (Brand Equity) repräsentieren. Zu dessen Berechnung gibt es vielfältige Ansätze. Dabei lassen sich zumindest zwei große Bereiche unterscheiden: Finanzorientierte und nachfrageorientierte Messansätze sowie Kombinationen zwischen beiden. Viele Anbieter beziehen ihren Unternehmenswert heute im Wesentlichen aus der Marke, nicht mehr aus materiellen Assets (z. B. Apple) (siehe Abb. C72). Aktivitäten zu anderen Handlungsträgern als Kunden werden vorläufig nur insoweit als für das Marketing relevant betrachtet, als sie einen Einfluss auf die Zielerreichung bei Kunden und deren Kunden („Demandholders“) haben. Die

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C. Die Güterwirtschaft der Unternehmung

Abbildung C72: Markenwert-Rating 2016 (Quelle: Band 2) (eig. Abb.)

Weiterentwicklung des Marketing ist jedoch nicht mehr nur auf ökonomische Aktivitäten begrenzt, sondern betrifft jegliche Art sozialer Beziehungen (Generic Marketing). Damit ist das ganze Leben durchsetzt von Marketing und nichts Anderes als Ausdruck weithin normalen menschlichen Verhaltens. Marketing umfasst demnach die Gesamtheit der Bemühungen zur Gestaltung der Beziehungen zwischen Organisationen und Individuen. Grundlage sind jeweils Transaktionen, also der Austausch von Dingen von individuellem Wert wie Produkte, Dienstleistungen, Ideen, Gefühle, Verhaltensweisen etc. Immer dann, wenn vor einem Transaktionsprozess bedacht wird, wie ein individuelles Ziel unter Einbezug der Interessen beteiligter Anderer besser erreicht werden kann, handelt es sich demnach um Marketing 5.0 (nach 2010). Stakeholders sind Handlungsträger, die in der Lage sind, den eigenen Organisationserfolg positiv oder negativ zu beeinflussen. Sie leisten Beiträge (Stakes)

9. Marketing

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für den Geschäftserfolg des Anbieters und leiten daraus Leistungsansprüche an den Beitragsempfänger ab. Diese Ansprüche sind materieller und / oder immaterieller Natur. Sie bestehen in bilateralen Transaktions- und Interaktionsbeziehungen mit einem Fluss von Leistungen und Gegenleistungen. Stakeholders verfügen über Machtmittel, die sie im Zweifel zur Durchsetzung ihrer Interessen einsetzen und die auf verschiedenen Basen beruhen. Beispiele sind folgende: • Eigentümer (Ziele: Sicherheit und angemessene Kapitalrendite, Vermögenszuwachs, Gestaltungsrechte etc.), Management (Ziele: Einkommen, Status, Persönlichkeitsentfaltung, Selbstständigkeit etc.), Mitarbeiter (Ziele: Einkommen, Arbeitsplatzsicherheit, Arbeitsbedingungen etc.), Fremdkapitalgeber (Ziele: Sicherheit für Zins und Tilgung, Kapitalrentabilität, Mitspracherechte etc.), Lieferanten (Ziele: Zahlungsfähigkeit, Planbarkeit, Beziehungsstabilität etc.), Kunden (Ziele: Preis-Leistungsverhältnis, Zuverlässigkeit, Beziehungsstabilität etc.), Konkurrenten (Ziele: Fairness, Kooperation, Informationsaustausch etc.), Staat (Ziele: Steuereinnahmen, Sozialbeiträge, Umweltschutz etc.), Gesellschaft (Ziele: Infrastruktur, kulturelles Engagement, soziale Standards etc.) o. Ä. Ihre Machtmittel sind Kapitalentzug (Eigentümer), Abwanderung (Management), Streik (Mitarbeiter), Kreditentzug (Fremdkapitalgeber), Liefersperre (Lieferanten), Abnahmestopp (Kunden), Aggression (Konkurrenten), Sanktionierung (Staat), Meinungsmache (Gesellschaft) etc. 9.1.4 Marktarten

Die Marketing-Denkhaltung kann auf alle Marktarten übertragen werden (siehe Abb. C73). Ihren Ursprung hat sie sicherlich im Konsumgütermarkt, dort wiederum vor allem im Bereich der Produkte des täglichen Bedarfs (FMCG’s). Konsumgüter dienen dem privaten Ge- und / oder Verbrauch. Als Einkaufsziele sind neben der Bedarfsbefriedigung und Nutzenmaximierung immer auch zahlreiche eher irrationale Motive anzusehen. Die Kaufentscheidung erfolgt durch Einzelpersonen oder in Gruppen (Familie), häufig zudem wenig reflektiert als Spontan- oder Routinekauf. Der Industriegütermarkt umfasst alle Vermarktungsobjekte, die von Organisationen (Produzenten, Dienstleistern, Händlern, also Nicht-Konsumenten) gewerblich beschafft werden, um mit ihrem Einsatz (Ge- und / oder Verbrauch) Güter für die Fremdbedarfsdeckung zu erstellen, diese weiter zu verarbeiten oder wieder zu veräußern. Die Transaktionen beziehen sich dort im Einzelnen auf Urprodukte und Einsatzstoffe (Rohstoffgeschäft), auf Komponenten und Teilsysteme (Systemgeschäft), auf Ausrüstungen (Anlagengeschäft) sowie auf Teile und Aggregate (Produktgeschäft). Periphär spielen Energie, Immobilien und B-t-B-Dienstleistungen eine Rolle.

282

C. Die Güterwirtschaft der Unternehmung

Abbildung C73: Marktarten (eig. Abb.)

Der Dienstleistungsmarkt insgesamt ist in entwickelten Volkswirtschaften von extremer Bedeutung. Er weist als marketingspezifische Besonderheiten die Immaterialität der dort angebotenen „Produkte“ (mit dem Erfordernis zu ihrer Tangibilisierung), die kundenindividuelle Integration des „externen Faktors“ Kunde (mit dem Erfordernis zur Leistungsnormierung) sowie die zeit- und raumgleiche „Uno actu“ Produktion auf (mit dem Erfordernis getrennter Vor- und Endkombination der Produktionsfaktoren). Diese Besonderheiten erschweren die Vermarktung von Dienstleistungen erheblich. Der Social-Markt bezieht sich auf öffentliche Betriebe (Non Profit-Marketing) und ideelle Initiatoren (Non Business-Marketing). Öffentliche Betriebe sind gemeinwirtschaftlich, versorgungswirtschaftlich oder auch unternehmerisch organisiert und stellen Individualgüter (Erwerb zu marktüblichen oder subventionierten Preisen) sowie Kollektivgüter (an denen kein individuelles Eigentum erworben werden kann) zur Verfügung. Ideelle Institutionen verfolgen nicht gewerbliche, sondern religiöse, kulturelle, akademische, karitative, politische oder visionäre Anliegen, die aber dennoch dem Beziehungsmanagement zugänglich sind. Für diese Bereiche wurde lange Zeit eine Marktorientierung ihrer Aktivitäten nicht für erforderlich gehalten.

9. Marketing

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Der Beschaffungsmarkt gewinnt angesichts der verbreiteten Prozessdenkweise mit Verschränkung vor- und nachgelagerter Wertschöpfungsketten, der konsequenten Auslagerung nicht kernkompetenz-relevanter Aktivitäten und der daraus resultierenden immer geringeren Fertigungstiefe erheblich an Bedeutung. Dennoch ist fraglich, ob Marketingaktivitäten dort durchgängig angezeigt sind, denn Marketing setzt eine Käufermarktsituation voraus und ist für die Anbieterseite unerlässlich. Im Beschaffungsmarkt aber ist der Lieferant Anbieter, hingegen die beschaffende Unternehmung Nachfrager. Der Handelsmarkt bezieht sich auf Wiederverkäufer, die Ware ohne wesentliche Be- oder Verarbeitung weitergeben, diese jedoch mit Services vervollständigen. Dabei ist einerseits eine Emanzipation der Handelsstufen von der Herstellerstufe zu beobachten, wie sie in Handelsmarken, Geschäftsstättenmarken, Handelswerbung, Nachfragemacht etc. zum Ausdruck kommt, andererseits aber auch ein Trend zur Ausschaltung der Handelsstufen im Direktvertrieb (Disintermediation) zur Einsparung der Handelsspanne und ihrer Nutzung zu niedrigerem Marktpreis oder zusätzlichem Gewinneinbehalt, etwa in Formen des E-Commerce. 9.2 Aktivitäten im Marketing 9.2.1 Marketing-Instrumente

Zur Gestaltung des Marketing stehen nach überwiegender Meinung und langjähriger praktischer Übung vier Instrumente zur Verfügung. Angesichts der Verschiedenartigkeit der Unterteilung in der Literatur soll im Folgenden von den Bezeichnungen „Produkt- und Programmpolitik“, „Preis- und Konditionenpolitik“, „Kommunikations- und Identitätspolitik“ sowie „Distributions- und Verkaufspolitik“ ausgegangen werden (siehe Abb. C74). Die Produkt- und Programmpolitik umfasst als Angebotsgestaltung alle Aktivitäten zur Bestimmung des Leistungsprogramms und der einzelnen Produkte einer Unternehmung. Die Preis- und Konditionenpolitik umfasst als Gegenleistungsgestaltung alle Aktivitäten zur Justierung optimaler Konditionen im Gegenzug für erbrachte Leistungen. Die Kommunikations- und Identitätspolitik umfasst als Informationsgestaltung alle Aktivitäten zur zielgerichteten Werbeeinwirkung auf Kunden und andere Interessengruppen der Unternehmung. Die Distributions- und Verkaufspolitik umfasst als Verfügbarkeitsgestaltung alle Aktivitäten zur effektiven und effizienten Versorgung des Marktes mit Unternehmensleistungen. In neuerer Zeit hat sich heraus kristallisiert, dass die vier Marketing-Mix-In­ strumente zweckmäßigerweise in zwei Gruppen unterteilt werden können, erstens die Instrumente der Absatzvorbereitung (Angebots-, Gegenleistungs- und

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C. Die Güterwirtschaft der Unternehmung

Abbildung C74: Marketing-Instrumente (eig. Abb.)

Informationsgestaltung) sowie zweitens das Instrument des Absatzvollzugs (Verfügbarkeitsgestaltung). In der Absatzvorbereitung werden, aufbauend auf Erkenntnissen der Marketingforschung und des Käuferverhaltens und eingebunden in die Marketingstrategie und -koordination, die Grundlagen für den Markterfolg bestimmt. Daran an schließt sich erst die Phase des konkreten Absatzvollzugs. Im immer wichtiger werdenden Bereich des Dienstleistungsmarketing kann ein fünftes P. als erforderlich angesehen werden, die Personalpolitik. Darüber hinaus gibt es dort noch die P’s der Prozesspolitik, denn Dienstleistungen sind marktfähige Verrichtungen, also Prozesse, und der Präsentationspolitik, die wegen der Immaterialität von Dienstleistungen von besonderer Bedeutung ist (insofern kommt man auf 7 P’s). 9.2.2 Angebotsgestaltung

Die Angebotsgestaltung im Marketing ergibt sich aus der Produktpolitik und der Programmpolitik (siehe Abb. C75).

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Abbildung C75: Angebotsgestaltung (eig. Abb.)

9.2.2.1 Produktpolitik im Marketing

Das Teilinstrument der Produktpolitik umfasst im Einzelnen die Produkteinführung (Innovation), die Produktfortführung, die Produktveränderung (Varia­ tion) und die Produkteinstellung (Elimination). Zur Produkteinführung bedarf es zunächst einer neuen Angebotsidee. Diese kann intern oder auf externe Anregung hin entstanden sein. Sind nicht genügend tragfähige Ideen für Neuprodukte vorhanden, dienen Kreativitätstechniken (wie Brainstorming, Methode 6-3-5, Morphologischer Kasten etc.) zur zusätzlichen Ideengenerierung. Hinzu kommen moderne Methoden wie Crowdsourcing, Wikis und Intranet-Foren. Diese Ideen werden anschließend gesichtet und bewertet. Im Screening erfolgt eine Vorauswahl (Shortlist), im Scoring eine Priorisierung anhand von Beurteilungskriterien. Um aus der Idee ein letztlich vermarktbares Angebot werden zu lassen, bedarf es der grundlegenden oder anwendungsorientierten Forschung sowie der Entwicklung und funktionalen Erprobung (Handmuster, Prototyp, Vorserie). Diese mündet in einer Nullserie, die dann zumeist einem Technik- und Markttest unterzogen wird. Bei positivem Ergebnis kommt es zur Markteinführung (Launch), bei negativem Ergebnis zur Modifikation (On) bzw. einem erneuten Test oder zum Rückzug der Idee (No go). Wichtig ist, von Anbeginn der Marktpräsenz an eine hohe und konstante Qualität zu sichern. Dazu dienen ausgiebige Verfahren des Qualitätsmanagements. Die Qualität darf sich nicht nur auf die Verarbeitung (Total Quality Management, Zertifizierung nach DIN EN ISO 9000 ff.), sondern muss sich auch auf die Kon­ struktion beziehen (zur Vermeidung von Produkthaftung und Produktrückrufen). Dabei geht es um Vorbeugemaßnahmen zur Vermeidung von Fehlqualität und um den Wegfall von Kostenbelastungen ansonsten erforderlicher Prüfmaßnahmen zur Ermittlung von Fehlern sowie um Selektionsmaßnahmen zur Minimierung von Ausschuss, Nachbearbeitung und Gewährleistung. Hin und wieder ist jedoch

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C. Die Güterwirtschaft der Unternehmung

auch eine bewusste Qualitätsverschlechterung (künstliche Veralterung durch Lebensdauerbegrenzung oder Sozialtechnik) anzutreffen. Ein entscheidender weiterer Faktor ist der Schutz von Innovationen durch Gewerbliche Schutzrechte. Diese schaffen eine Monopolisierung der Nutzung einer Neuerung. Im Einzelnen handelt es sich dabei um Patente, Gebrauchsmuster, Geschmacksmuster, Markenzeichen und Urheberrechte. Zur Produktfortführung ist die kontinuierliche Angebotspflege unverzichtbar. Sie wird organisatorisch durch das Produktmanagement getragen und beinhaltet die stetige Optimierung des Marketing-Mix. Zumeist wird dabei ein Produktlebenszyklus als zeitbezogenes Marktreaktionsmodell zugrunde gelegt (siehe Abb. C76). Er durchläuft idealtypisch (grafisch in Glockenkurvenform) die Phasen der Vorbereitung, der Einführung, des Wachstums / der Reife, der Reife / Sättigung, des Verfalls / Absterbens oder ggf. des Wiederanstiegs. Ziel ist dabei eine Verlängerung der Marktpräsenz, damit sich die immer höheren Vorlaufaufwendungen besser über die Laufzeit verteilen. In der Vorbereitungsphase wird das Angebot noch nicht marktwirksam. In der Einführungsphase ist das Marktwachstum sehr hoch, wenngleich auf niedriger Basis. In der Wachstums-/ Reifephase erfolgt eine bessere Marktdurchdringung, die Wachstumsrate des Gesamtmarkts ist hoch, verläuft jedoch bald degressiv. In der Sättigungsphase normalisiert sich die Wachstumsrate und stagniert schließlich, die Gewinne erreichen ihr Maximum und verfallen danach infolge hoher Nachfrageelastizität und Wettbewerbsintensität. In der Verfalls-/Absterbephase brechen Umsatz und Gewinn ein, Verluste laufen auf, der Cash-flow wird negativ und Anbieter scheiden vom Markt aus.

Abbildung C76: Produktlebenszyklus (eig. Abb.)

9. Marketing

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Von Zeit zu Zeit ist jedoch auch eine Produktmodifikation erforderlich. Je nach deren Ausmaß kann es sich dabei um eine einfache Produktpflege (Product Care) oder um eine erkennbare Produktaufwertung (Facelift) handeln. Liegt hingegen eine umfassende konzeptionelle Umpositionierung (Relaunch) vor, geht die Produktmodifikation in eine Produktvariation über. Diese erfolgt durch Ablösung des bestehenden durch ein gleichartiges neues Produkt auf einem höheren Niveau (Up Grading), d. h., mit mehr Leistung zum gleichen bzw. einem geringfügig höheren Preis, oder auf einem niedrigerem Niveau (Down Grading), d. h., mit gleicher bzw. geringfügig geringerer Leistung zu einem geringeren Preis (siehe Abb. C77).

Abbildung C77: Up Grading / Down Grading (eig. Abb.)

Schließlich ist eine Produktaussonderung notwendig, wenn das Angebot aus internen (z. B. Kosten) oder externen Gründen (z. B. Wettbewerb, Nachfrage) nicht mehr tragfähig ist. Sehr häufig kommt es infolge unausgereifter Produkte oder Vermarktungskonzepte auch zu einem unfreiwilligen, vorzeitigen Flopp. Bei jeder Elimination sind jedoch potenzielle Verbundeffekte des eliminierten zu verbleibenden Produkten im Programm zu antizipieren (sachlicher, räumlicher, zeitlicher, formaler Verbund). Weitere wichtige Aspekte der Produktpolitik betreffen die Packung mit ihren essenziellen Funktionen der Rationalisierung (Logistik, Dimensionierung, Information), der Kommunikation (Präsentation, Verkaufserleichterung, Qualitätsauslobung) und der Verwendungserleichterung. Als Wechselvokabeln werden oft die Begriffe Verpackung, Umverpackung oder Ausstattung eingesetzt. Vor allem die Entsorgung ist dabei in den Mittelpunkt des Interesses gerückt („Grüner Punkt“).

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C. Die Güterwirtschaft der Unternehmung

Kundendienste sind produktverbundene Dienstleistungen, vorwiegend technischer oder kaufmännischer Natur sowie in mehr oder minder enger Beziehung zur eigentlichen Transaktion stehend. Gerade dadurch ist angesichts zunehmender objektiver Austauschbarkeit von Angeboten noch eine positive Differenzierung im Markt möglich. 9.2.2.2 Programmpolitik im Marketing

Innerhalb des Teilinstruments der Programmpolitik geht es um die Breite und Tiefe des Absatzprogramms (nicht hingegen des Produktionsprogramms). Das Absatzprogramm enthält neben den selbstproduzierten Produkten auch solche, die nicht selbst hergestellt, sondern fremd zugekauft werden (Handelsware). Das Produktionsprogramm enthält neben den selbst verkauften Produkten auch solche, die nicht selbst abgesetzt, sondern fremd abgegeben werden (OEM). Die Entscheidung über Eigenfertigung oder Fremdbezug (Make or Buy) ist in diesem Zusammenhang von zahlreichen Einflussgrößen abhängig. Das Programm ist in zwei Dimensionen gestaltbar, der Breite und der Tiefe. Breite bedeutet dabei die Anzahl verschiedenartiger Produktlinien (Einzelprodukte) innerhalb eines Programms, Tiefe die Anzahl verschiedener Ausprägungen einer Produktlinie im Programm. Folglich sind in der Breitendimension eine Programmausweitung bzw. eine Programmeinengung möglich sowie in der Tiefendimension eine Programmverkürzung bzw. eine Programmverlängerung. In der Breite führt die Programmausweitung zur Angebotsproliferierung (auch Produktdiversifizierung), meist aus Gründen der Synergienutzung oder Risikoreduktion), die Programmeinengung zur Angebotsunifizierung, meist aus Gründen der Fokussierung auf die Kernkompetenz. In der Tiefe führt die Programmverkürzung zur Angebotsstandardisierung (meist aus Gründen der Komplexitätsreduktion in Produktion und Organisation), die Programmverlängerung zur Angebotsdifferenzierung (auch Produktdifferenzierung), meist aus Gründen der Individualisierung der Nachfrage. Die Programmtiefe kann durch Mass Customization gesteigert werden. Da­ runter versteht man die kundenindividuelle Massenfertigung von Produkten, also die Kombination von Individualität im Ergebnis und Kostendegression im Prozess. Dies kommt im Einzelnen zustande durch Anwendung begleitender Kundendienste, Baukastenprinzipien (Plattformen / Module) und Built-in Flexibility. 9.2.3 Gegenleistungsgestaltung

Die Gegenleistungsgestaltung im Marketing ergibt sich aus der Preispolitik und der Konditionenpolitik (siehe Abb. C78).

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Abbildung C78: Gegenleistungsgestaltung (eig. Abb.)

9.2.3.1 Preispolitik im Marketing

Das Teilinstrument der Preispolitik umfasst die verschiedenen Formen der Preisbildung im Marketing (siehe Abb. C79: Basis der Preisbildung). Bei der marktorientierten Preisbildung erfolgt eine Ausrichtung am Marktpreis, der sich in marktwirtschaftlichen Systemen durch Angebot und Nachfrage bildet. Alle Anbieter, die bereit gewesen wären, zu einem niedrigeren als dem Marktpreis anzubieten, streichen dann eine Produzentenrente ein, d. h., sie erhalten ihre

Abbildung C79: Basis der Preisbildung (eig. Abb.)

Leistung mit einem höheren Preis honoriert als sie selbst akzeptiert hätten. Alle Anbieter, deren Preisforderung über dem Gleichgewichtspreis liegt, gehen, ein homogenes Angebot voraussetzt, leer aus. Umgekehrt profitieren Nachfrager, die bereit gewesen wären, einen höheren als den Marktpreis zu zahlen, in Form einer Konsumentenrente, d. h. der Differenz aus ihrer individuellen Preisbereitschaft und dem tatsächlichen Marktpreis. Nachfrager, deren Preisbereitschaft unter dem Gleichgewichtspreis liegt, gehen allerdings leer aus (siehe Abb. C80). Wie sich bei Marktungleichgewichten Anpassungsprozesse für ein Produkt gestalten, dar­über gibt die (direkte) Preiselastizität der Nachfrage Auskunft, die zwischen starr (0)

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Quelle: upload.wikimedia.org/wikipedia/commons/thumb/4/45/Economic-surplu ses_de.svg/2000px-Economic-surpluses_de.svg.png

Abbildung C80: Konsumentenrente / Produzentenrente (eig. Abb.)

und flexibel (∞) schwanken kann. Wie diese Prozesse Preise und Mengen verschiedener Produkte beeinflussen, darüber gibt die (indirekte) Kreuzpreiselastizität der Nachfrage Auskunft, die zwischen positiv und negativ schwanken kann. Bei der nutzenorientierte Preisbildung erfolgt eine Ausrichtung an verschiedenen Aspekten, so • Preisankern, die aus Preisgegenüberstellung, Preiserfahrung der Vergangenheit oder Preisvorteilssuggestion heraus vorhanden sind und zur gestützten Beurteilung einer Preisforderung führen, • Preisoptik, die sich in Schwellenpreisen (z. B. 5,99 €) und Preisfiguren (z. B. 5,55 €) ausdrückt, die in der subjektiven Wahrnehmung besonders attraktiv oder merkfähig erscheinen, • Kaufkraft, die in ihrer (verfügbaren / disponiblen oder frei verfügbaren / diskretionären) Höhe jedoch regionalen und lokalen Schwankungen unterliegt, die ihrerseits durch Kaufkraftkennziffern ausgewiesen werden, • Nachfrageeffekten, d. h., anomalen Nachfragereaktionen auf den Preis als Bandwagon-, Snob-, Veblen-Effekte, • Einkommenseffekten in Bezug auf superiore und inferiore Güter, etwa als Giffen-, Engel-Effekte, • Kaufvereinfachung, z. B. durch Preis-Qualitätsvermutung, Angebotsattribute, Anbieterempfehlung, generalisierende Kaufregeln.

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Letztlich ist für den Kaufentscheid das Preis-Leistungs-Verhältnis ausschlaggebend, wonach jeder Kaufentscheid anhand eines gedanklichen Quotienten aus Preisopfer im Zähler und Leistungserhalt im Nenner bewertet wird und nur solche Käufe getätigt werden, deren Quotient < 1 ist bzw. Käufe umso eher getätigt werden, je kleiner dieser Quotient ist. Die Kaufoptionen werden dann gedanklich gerangreiht und je Periode bis an die jeweilige Budgetgrenze realisiert, nicht realisierte Käufe werden unterdrückt, auf die nächste Periode verschoben oder durch Kredit vorgezogen. Dominant hat sich dabei ein Hybrides Verbraucherverhalten herausgebildet, wonach zwei unterschiedliche Kaufprogramme vorhanden sind, eines für gering involvierende Produkte (täglicher Bedarf), die nach absoluter Preisgünstigkeit entschieden werden (Mindestleistung / Preisdominanz), und ein anderes für hoch involvierende Produkte (Hobby, Außenwirkung), die nach relativer Preiswürdigkeit entschieden werden (Höchstpreis / Leistungsdominanz). Im Smart Shopper-Verhalten wird die Preisgünstigkeit auch auf hoch involvierende Produkte übertragen (gleichzeitige Preis- und Leistungsdominanz / System Beaters). Bei der kostenorientierten Preisbildung erfolgt eine Ausrichtung an der Preis­ untergrenze oder der Preisobergrenze. Die Preisuntergrenze wird traditionell durch eine einfache Zuschlagskalkulation (Selbstkosten plus Gewinn) oder eine differenzierte Zuschlagskalkulation (Materialkosten, Lohnkosten, Verwaltungs- und Vertriebskosten, Sondereinzelkosten, plus Gewinn minus Erlösschmälerungen) ermittelt, beide gehen progressiv vor. Alternativ dazu werden vor allem eine einfache Deckungsbeitragsrechnung (Deckungsbeitrag = Differenz aus Nettoumsatz und allen variablen, direkt zurechenbaren Kosten bzw. Summe aus Fixkostenblock und Gewinn) oder eine stufenweise Fixkostendeckungsrechnung (sukzessiver Abzug von Fixkostenanteilen vom einfachen Deckungsbeitrag mit Teildeckungsbeiträgen verschiedener Grade bis zum Gewinn / Verlust) eingesetzt, beide gehen retrograd vor. Dabei werden im Falle weit verbreiteter Unterauslastung der Kapazitäten Preisuntergrenzen verschiedener Grade für ein gewinnbringendes Angebot am Markt vorgegeben. Gleichermaßen kann damit im Fall von Überauslastung die profitabelste Nutzung je Engpasszeiteinheit anhand der relativen Deckungsspanne bestimmt werden (Deckungsspanne = Differenz aus Preis und variablen Stückkosten). Problematisch ist jedoch die Gefahr von Fehlentscheidungen bei hoher Fixkostenlastigkeit der Kostenstrukturen. Zudem stellen diese aufwärtsgerichteten Kalkulationen einen Fremdfaktor im Marketing dar, honoriert der Markt doch eindeutig keine Kosten, sondern nur Nutzen. Dies berücksichtigen abwärtsgerichtete Kalkulationen. Sie gehen von der am Markt für durchsetzbar erachteten Preisobergrenze aus und schließen davon auf die hinnehmbaren Selbstkosten. Dazu wird vor allem die Zielkostenrechnung eingesetzt. Ausgangspunkt ist die dekompositionell für jedes Leistungselement ermittelte maximale Preisbereitschaft der Nachfrage (Market into Company)

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C. Die Güterwirtschaft der Unternehmung

bzw. die erwiesene Gesamtpreisdurchsetzbarkeit beim Wettbewerb (Out of Competitor). Von diesem Nettopreis, ggf. korrigiert um Angebotsabweichungen, wird der Plangewinn abgesetzt, so dass sich die Kostenobergrenze ergibt (Allowable Costs). Liegen die tatsächlichen Selbstkosten (Drifting Costs) darunter, kann ein Zusatzgewinn eingestrichen werden, liegen sie darüber, muss konsequenterweise auf das Marktangebot verzichtet werden. Alternativ kann in der Zielkostenrechnung aufwärtsgerichtet auf Basis der Ermittlung von Selbstkosten (Out of Standard Costs) geprüft werden, ob ein markt- und wettbewerbsfähiger Preis realisierbar ist. Ist dies nicht der Fall, müssen durch Wertanalyse die Kosten reduziert (Target Costs) oder die Leistungswahrnehmung erhöht werden (Out of Optimum Costs). Schließlich kann gegenläufig für die Preisobergrenze eine Wertgestaltung derart vorgenommen werden (Into and Out of Company), dass die anteiligen Kosten jedes Leistungselements in Konstruktion und Fertigung dessen Wertanteil nicht überschreiten (Design to Costs). Dies schafft bereits im ersten Anlauf ein konkurrenzfähiges Angebot. Tatsächlich müssen beide Kalkulationsformen parallel angewendet werden, die aufwärtsgerichteten zur Rentabilitätssicherung und die abwärtsgerichteten, um keine Gewinnanteile am Markt zu vergeben. Die Break Even-Analyse gibt außerdem verschiedene Schwellenmengen vor, im häufigsten Fall diejenige Absatzmenge, bei welcher der Umsatz zum ersten Mal ausreicht, die aufgelaufenen Kosten plus einem evtl. Plangewinn zu decken. Bei der betriebszielorientierten Preisbildung werden statische, dynamische, modulare und gelenkte Ansätze unterschieden (siehe Abb. C81). Zu den statischen Ansätzen mit im Vorhinein ausgewiesenem Preis je Einzelobjekt gehören folgende: • Bei der Preisinnovation geht es um den Preisansatz bei Markteinführung. Möglich ist ein Preisansatz durchgängig oberhalb des durchschnittlichen Marktpreises (Prämienpreis), wenn ein entsprechender Nutzenvorteil vorhanden ist, durchgängig unterhalb des durchschnittlichen Marktpreises (Diskontpreis), wenn ein entsprechender Kostenvorteil vorhanden ist, oder im durchschnittlichen Marktpreis (Mediumpreis).

Abbildung C81: Ansätze zur betriebszielorientierten Preisbildung (eig. Abb.)

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• Bei der Preismodifikation geht es um die fallweise Änderung eines Preises, ohne dass dieser Bestandteil eines auf der Zeitschiene gerichteten Plans ist. • Bei der Preisvariation geht es um die planvolle Ablösung eines alten Preises durch einen neuen. Möglich ist dabei ein Preisansatz im Zeitablauf von einem hohen Preis durchgängig bis auf den Durchschnittspreis fallend (Abschöpfungspreis), im Zeitablauf von einem niedrigeren Preis bis auf den Durchschnittspreis steigend (Penetrationspreis) oder im Zeitablauf pulsierend, d. h., wechselnd als Normal- oder Sonderangebot (Aktionspreis). • Preisdifferenzierung (Ggs.: Preisunifizierung) bedeutet, dass für ein grundsätzlich gleiches Produkt systematisch, d. h., unter Zugrundelegung definierter Bezugsgrößen wie Raum, Zeit, Person, Menge, Verwendung etc. unterschiedliche Preise gefordert werden. Voraussetzung ist eine durchsetzungsfähige Marktsegmentierung. Zwischen verschiedenen Angeboten ist dabei ein preis­ politischer Ausgleich nach Tragfähigkeit simultan (zeitpunktbezogen) oder im Zeitablauf sukzessiv zwischen Ausgleichsgebern und Ausgleichsnehmern möglich. Eine Sonderform der computergestützten, zeitlichen Preisdifferenzierung stellt das Yield Management dar, das bei bestimmten Dienstleistungen Anwendung findet. Bei den dynamischen Ansätzen mit im Vorhinein nicht ausgewiesenem Preis je Einzelobjekt handelt es sich um folgende: • Auf informelle Weise erfolgt die Preisbildung durch freie Preisvereinbarung im Wege der Verhandlung. Dabei kommt es jeweils auf Verhandlungsposition und -geschick der Beteiligten an (1 : 1). Dies ist ebenfalls etwa auf Börsen, Märkten oder Messen der Fall (n : n). • Auf formelle Weise erfolgt die Preisbildung auf organisierten Marktveranstaltungen. Dabei handelt es sich bei Nachfragerkonkurrenz um (öffentliche) Auktion oder (verdeckte) Einschreibung mit gegenseitiger Preisüberbietung (1 : n). Diese Verfahren können sich sowohl auf realen wie auch auf virtuellen Marktplätzen vollziehen. • Sowie bei Anbieterkonkurrenz um (öffentliche) Lizitation oder (verdeckte) Submission mit gegenseitiger Preisunterbietung (n : 1). Diese Verfahren können sich ebenfalls sowohl auf realen wie auch auf virtuellen Marktplätzen vollziehen. Bei den modularen Ansätzen mit im Vorhinein nicht ausgewiesenem Preis im Verbund handelt es sich um folgende: • Eine Preisbündelung liegt vor, wenn ein gemeinsamer Preis für mehrere Sachund / oder Dienstleistungen besteht, deren Kombination nicht aufgeknüpft werden kann (Pure Bundle) oder nur begrenzt aufzuknüpfen ist (Mixed Bundle). • Ein Preisbaukasten liegt vor, wenn ein aus fixen und variablen Bestandteilen zusammengesetzter Tarif besteht. Dadurch wird die Preistransparenz herab-

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gesetzt und die Vergleichbarkeit von Angeboten erschwert. Nachfragern wird dabei häufig selbst die Wahl des Preismodells überlassen (Self Selection). Bei den gelenkten Ansätzen mit im Vorhinein ausgewiesenem Preis im Verbund handelt es sich um folgende: • Konzerninterne Verrechnungspreise gelten für Lieferungen und Abnahmen innerhalb einer Unternehmung mit Wertschöpfung in verschiedenen Organisationsbereichen (Profit Centers). • Grenzüberschreitende Transferpreise gelten für Lieferungen und Abnahmen innerhalb einer Unternehmung mit Standorten in verschiedenen Ländern. Beide können ihrerseits marktbasiert, kostenbasiert oder verhandlungsbasiert angesetzt sein. Bei der administrierten Preisbildung wird hoheitlich (z. B. durch Kalkula­ tionsvorschriften wie VPöA, LSP, VOB / VOL) oder privat in die freie Preishöhe oder Preisermittlung eingegriffen. Bei der Preisbindung der zweiten Hand gibt die Herstellerstufe der Handelsstufe verbindlich vor, welchen Preis sie ihrerseits gegenüber der Endabnehmerstufe zu berechnen hat (zwar grundsätzlich verboten, aber Ausnahmen für Arzneimittel, Verlagserzeugnisse, Saatgut etc.). Eine besondere Herausforderung ergibt sich bei der erstmaligen Preisfindung. Hierbei sind verschiedenartige Ansätze anwendbar, z. B. die Rekonstruktion einer Preis-Absatz-Funktion, das Preisexperiment, die Preisschätzung, die Experten- oder Kundenbefragung, die Preislotterie oder das Conjoint Measurement. Diese Entscheidung ist zentral bedeutsam, denn sie wirkt unmittelbar auf den Gewinn, ist nicht ohne Weiteres reversibel, ist direkt konkurrenzbezogen kurzfristig einsetzbar und hat eine starke Signalwirkung auf die Nachfrage. 9.2.3.2 Konditionenpolitik im Marketing

Das Teilinstrument der Konditionenpolitik bestimmt den Nettopreis, also den tatsächlich zu entrichtenden Geldbetrag (Out of Pocket Price), die bislang geschilderte Preispolitik hingegen den Bruttopreis (Listenpreis). Es umfasst folgende Elemente: • Absatzfinanzierungen als Alleinfinanzierung aus eigenen Mitteln des Anbieters, Refinanzierung gegen Kreditsicherungsgestellung in der Sache oder Person seitens des Abnehmers oder Drittfinanzierung durch Leasing oder Factoring. Der Kreditierung kommt eine erhebliche praktische Bedeutung zu, vor allem im Industriegüter- und Außenhandelsgeschäft (Financial Engineering). • Erlösschmälerungen vornehmlich durch Rabattierung als Preisnachlass auf der Basis von Funktionsübernahme, Mengenabnahme oder Transaktionszeit bei Abnehmern. Hinzu kommen häufig Nichtleistungskonditionen auf Basis von Nachfragemacht sowie Zuschläge als Negativrabatte bei Vorliegen von

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Angebotsmacht. Rabatte können nach ihrer Form (in Geld / Geldrabatt oder in Ware / Naturalrabatt), ihrer Berechnung (in fester Höhe / Festrabatt oder in Abhängigkeit von einer Bezugsgröße / Relativrabatt), ihrem Ausmaß (immer gleich hoch / Einheitsrabatt oder in der Höhe variierend / Staffelrabatt), ihrem Verlauf (relativ zur Bezugsgröße progressiv, degressiv oder linear) und ihrer Bezugsbasis (auf die volle Bezugsbasis / durchgerechnet oder nur auf die Veränderung der Bezugsbasis / angestoßen) unterschieden werden. • Kompensationsgeschäfte als vollständiger oder teilweiser Tausch von Ware gegen Ware. Solche Gegenseitigkeitsgeschäfte werden in vielfältigen Formen praktiziert (nach Tauschquote, nach Anzahl der Beteiligten, nach Verwertung, nach Geschäftsabfolge, nach Geschäftsverbundenheit, nach Anzahl der Verträge). Sie ermöglichen den Abschluss auch bei fehlenden, kontingentierten oder unerwünschten Geldmitteln. 9.2.4 Informationsgestaltung

Die Informationsgestaltung im Marketing ergibt sich aus der Kommunikationspolitik und der Identitätspolitik (siehe Abb. C82).

Abbildung C82: Informationsgestaltung (eig. Abb.)

9.2.4.1 Kommunikationspolitik im Marketing

Das Teilinstrument der Kommunikationspolitik betrifft die bewusste Beeinflussung marktwirksamer Meinungen mittels Instrumentaleinsatz und mit der Absicht, die Meinungsrealität im Markt den eigenen Zielvorstellungen darüber anzugleichen. Dazu sind zunächst die Eckpunkte der Kommunikation zu bestimmen. Dabei handelt es sich im Einzelnen um: • die Werbeinhalte (regelmäßig werden darunter die Bekanntmachung, die Sympathieweckung und die Kaufbeabsichtigung für ein Angebot verstanden),

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C. Die Güterwirtschaft der Unternehmung

• die Werbeziele (regelmäßig etwa Umsatzexpansion, Umsatzerhaltung, Nachfragelenkung, Absatzrationalisierung, Umsatzstabilisierung etc.), • die Werbeobjekte (regelmäßig handelt es sich um Einzelprodukte, Produktgruppen, Leitprodukte, Programm oder Unternehmen, die beworben werden), • das Werbebudget (regelmäßig gebildet als Restbetrag verfügbarer Finanzmittel, durch Fortschreibung aus der Vorperiode, als Ergebnisanteil von Unternehmenserfolgsgrößen, nach relativem Wettbewerbsmaßstab, nach Ziel-Mittel-Maßstab, als Fixbetrag, je Verkaufseinheit, die abgesetzt wird oder abgeleitet aus makroökonomischen Größen), • das Werbegebiet (lokal, regional, national oder international), • den Werbezeitraum (konzentriert anlassbezogen oder kontinuierlich ausdeckend). Der Kommunikationsprozess stellt sich als ausgesprochen schwierig dar. Zwar kann man nicht nicht kommunizieren (Watzlawick), jedoch ergibt sich eine erfolgreiche Kommunikation nur bei Durchlauf einer kumulativen Kette von Prozessstufen. Auf jeder dieser Stufen können Störungen auftreten, die dann den gesamten Kommunikationsprozess zum Scheitern bringen. Gemeinhin sind kumulativ folgende Elemente erforderlich: • Aufmerksamkeit für ein Angebot / einen Anbieter, • Akzeptanz der Botschaftsinhalte / Sympathie mit dem Botschaftsabsender, • Interesse an der rationalen Auseinandersetzung damit (Kompetenzzutrauen), • Überzeugung durch emotionale Identifizierung / Respekt, • Kaufakt als Vollzug des Absatzerfolgs, • Kaufnachbereitung zur Bestätigung des Entscheids, • Kundenkontakt zur Aufrechterhaltung einer Beziehungsbrücke, • Reaktivierung als Einleitung des Folgezyklusses. Die konzeptionelle Angebotsprofilierung findet durch die Copy-Strategie mit Formulierung des Angebotsanspruchs (Was behauptet ein Angebot besser zu können als alle anderen?) und der Anspruchsbegründung (Wie wird diese Behauptung substanziiert?) statt. Die Copy-Plattform transferiert diese Angebotsvorteile sinnvoll in Kundennutzen, die dann im Mittelpunkt der werblichen Umsetzung stehen. Sie besteht aus dem Nutzenversprechen (Was haben Nachfrager von der Inanspruchnahme des Angebots?) und der Nutzendarlegung (Welche Stilelemente werden zur Kommunikation eingesetzt?). Für diese Umsetzung stehen eine Reihe von klassischen und nicht-klassischen Kommunikationsinstrumenten zur Verfügung. Zu den nicht-klassischen (Below the Line Advertising), deren Anteil immer mehr steigt, gehören die:

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• Verkaufsförderung. Sie umfasst Maßnahmen der punktuellen Aktivierung zur Erhöhung von Absatzerfolg und Absatzchancen bei den Zielgruppen Kundenkontaktmitarbeiter, Absatzmittler und Endabnehmer mit dem Ziel von Reinverkauf in den Absatzkanal (Push), Durchverkauf und Rausverkauf aus dem Absatzkanal (Pull). Dabei geht es im Einzelnen um die Erzeugung von Aufmerksamkeit und Kontakt zur Marktetablierung neuer und zur Aktualisierung bestehender Angebote, um den Ausbau von Interesse und Motivation bei eigenen Mitarbeitern und fremden Absatzmittlern und -helfern sowie um die Auslösung und Umsetzung des Kaufakts bei Einzelpersonen und in Gruppen. • Öffentlichkeitsarbeit. Sie umfasst die traditionellen Formen der externen PR, internen PR und Multiplikatoren-PR auf dem Beschaffungsmarkt, dem Absatzmarkt und im Umfeld der Vermarktung. Sowie moderne Formen wie das Networking (Beziehungsnetzwerke vornehmlich zu Abnehmern), Placement (Schleichwerbung im redaktionellen Teil der Medien) und Sponsoring (in den Bereichen Sport, Kultur, Soziales und Ökologie). Ziel ist dabei immer die Gewinnung öffentlichen Vertrauens zum Absender einer Leistung, nicht der primäre Absatz dieser Leistung. • Dialogwerbung. Sie umfasst Direktwerbeanzeigen (Printwerbung mit Response-Element), Direktwerbefernsehspots (DR-TV mit Call Center-Anbindung), Direktwerbehörfunkspots (DR-R mit Call Center-Anbindung), Direkt­ aussendungen (adressierte Direct Mailings an vorab eigengenerierte oder fremdzugekaufte, selektierte Adressaten aus allgemein zugänglichen Quellen, andernfalls nur mit Opt-in und Herkunftsnachweis), Haushaltsverteilungen (nicht-adressierte Zustellungen), Online-Werbung (WWW-Banner, e-Mails etc.), Telefax-Werbung (rechtlich eng limitiert), interaktives Fernsehen (I-TV), Kataloge (als schriftliche Bestellunterlage) und Telefon-Werbung (rechtlich eng limitiert). Gemeinsam ist diesen Maßnahmen, dass sie sich an individuelle Adressaten richten bzw. bei disperser Kontaktaufnahme eine Reaktion gegenüber dem Botschaftsabsender in definierter Art und Weise erreichen sollen. • Schauwerbung. Sie umfasst Ausstellungen (als Repräsentationsmärkte), Handelsplatzauftritte (Schaufenster-, Innenraumwerbung etc./Visual Merchandising), Events (eigeninszenierte Ereignisse) und Persönliche Präsentationen (Roadshow, Hausmesse, Demonstrationsladen). Zu den klassischen Kommunikationsinstrumenten (Above the Line Advertising) gehören die: • Zeitungswerbung in Form von verschiedenformatigen Anzeigen und Beilagen in Zeitungen, die regional oder überregional, im Abonnement oder Einzelverkauf bzw. täglich oder wöchentlich in mehreren Formaten und Aufteilungen erscheinen, • Zeitschriftenwerbung in Form von verschiedenformatigen Anzeigen, Beilagen, Beiheftern und Beiklebern, die in unterschiedlichen Formen von Zeitschriften

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erscheinen (wie allgemeine Publikumstitel, themenspezifische Titel, zielgruppenspezifische Titel oder Fachpublikationen), • Werbung in sonstigen Printtiteln wie Supplements, Lesezirkelmappen, Anzeigenblätter, Offertenblätter, Stadtmagazine, Kundenhefte, Verzeichnisse etc., • Fernsehwerbung in öffentlich-rechtlichen oder privat-wirtschaftlichen Sendern durch verschieden lange Spotwerbung oder Sonderwerbeformen, wobei die Gefahr des Zappings, also der Vermeidung von werblicher Beeinflussung, besteht, • Hörfunkwerbung in öffentlich-rechtlichen oder privat-wirtschaftlichen Sendern durch verschieden lange Spotwerbung oder Sonderwerbeformen, wobei diese meist nur peripher als Hintergrundmedium aufgenommen werden, • Filmtheaterwerbung als Spots oder Standbilder, die in verschiedenen Rubriken von Kinos laufen wie Familien-, Action-, Studio-, Filmkunst-, Programm-, Sex-, Auto- Multiplexkinos etc., • Plakatwerbung auf Großflächen (18/1-Bogenplakat), Ganzstellen (als Tafeln oder Litfaßsäulen), Allgemeinstellen (als Tafeln oder Litfaßsäulen), Kleintafeln oder Spezialstellen, • Verkehrsmittelwerbung auf Omnibussen, Straßen-, U-, S-Bahnen durch Innenraum- und / oder Rumpfflächenwerbung, • sonstige Außenwerbung wie an Haltestellen, auf Shopping Center-Parkplätzen, als Fassaden-, Dach- Giebelwerbung oder als Luft-, Licht-, Laufwerbung sowie an Sonderwerbestellen. Im Rahmen der Mediaplanung geht es um die Auswahl der für den jeweiligen Zweck bestgeeigneten Medien, im Rahmen der Mediadurchführung um die zweckmäßige Belegung dieser Medien mit Werbung. Dazu muss zunächst im Rahmen der Integrierten Kommunikation eine Zuweisung von Aktivitäten für nicht-klassische und klassische Kommunikationsinstrumente erfolgen. Anschließend wird in der Mediaplanung im Intermediavergleich nach differenzierten Kriterien der Werbetechnik, der Werbeökonomie und der Werbeleistung die jeweilig bestgeeignete Mediagattung bestimmt. Daraufhin werden (bei klassischen In­strumenten) im Intramediavergleich innerhalb dieser Mediagattung die bestgeeigneten Werbeträger (Titel, Sender, Kinos, Stellen) auf Basis der Erkennt­ nisse von Markt-Media-Analysen bestimmt. Dies erfolgt im Einzelnen anhand der Media­leistungswerte • Reichweite, d. h., Anzahl der Zielpersonen, die mindestens einmal die Chance haben, mit einem Werbeträger und damit mit dem damit verbundenen Werbemittel (Anzeige, Spot, Plakat) in Kontakt zu geraten, • Kontaktintensität, d. h., gesamte Anzahl der Werbeträgerkontakte bei Zielpersonen,

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• Affinität, d. h., Ausmaß der durch einen Werbeträger erreichten und zugleich auch zur Zielgruppe gehörenden Personen, • Wirtschaftlichkeit, d. h., Relation der Leistungswerte Reichweite bzw. Kontaktintensität zu den Einschaltkosten des Werbeträgers (bezogen auf 1.000 Nutzer/1.000 Kontakte). Die Werbeträger werden nach einem dieser Kriterien gerangreiht und nach Menge und Frequenz zu Plankombinationen, die innerhalb der Budgetrestriktion (Streubudget) möglich sind, zusammengestellt. Die Plankombination mit dem besten Ergebnis in Bezug auf das gewählte Leistungskriterium ist die präferierte. In der Mediadurchführung erfolgt die administrative, kaufmännische und technische Abwicklung der Mediaeinschaltungen auf Basis von Streuplänen, Kostenplänen, Vorauszahlungsübersichten und Produktionsplänen. Dabei wird zugleich auch eine Optimierung der eingekauften Medialeistung vorgenommen. Die Messung der Werbeeffizienz ist in allen Fällen recht problematisch. Im Einzelnen kann die Werbung hinsichtlich ihrer Transportleistung (Mediaplanungsleistung), ihrer Aufmerksamkeitsleistung (vor, bei und nach ihrem Einsatz), ihrer Verarbeitungsleistung (bei Zielpersonen) und ihrer Wiedererkennungsleistung (Gedächtniswirkung) beurteilt werden. Jedoch ist die Zurechnung von Ergebnissen auf bestimmte Kommunikationsmaßnahmen wegen der vielfältigen internen Interdependenzen und externer Beeinflussungen leider praktisch, von Ausnahmefällen einmal abgesehen (z. B. elektronischer Mikromarkttest), so gut wie unmöglich. 9.2.4.2 Identitätspolitik im Marketing

Das Teilinstrument der Identitätspolitik befasst sich mit der Identität des Botschaftsabsenders durch Wahrung seiner Corporate Identity (CI). Dazu gehören das real wahrnehmbare Absenderverhalten (Corporate Behaviour als führungsorientierter CI-Ansatz), die formalen Erscheinungsmerkmale des Absenders (Corporate Design als gestaltungsorientierter CI-Ansatz) und die eingesetzten Kommunikationsprogramme (Corporate Communications als imageorientierter CI-Ansatz). Dazu ist eine Integration der Medien in Bezug auf ihre inhaltliche Aussage, ihre gestalterische Klammer, ihren zeitlichen und ihren räumlichen Einsatz erforderlich. Dies wird gerade angesichts internationalisierter Werbung und vielfältiger Kommunikationsinstrumente immer schwieriger (Integrierte Kommunikation) (siehe Abb. C83). Daher werden häufig externe Werbeberater (Werbeagenturen) hinzugezogen. Von höchster Bedeutung ist die Online-Werbung. Sie erfolgt über Webforen, FTP-Downloads, e-Mails und Newsletters. Am wichtigsten aber ist das World

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Abbildung C83: Dimensionen der Integrierten Kommunikation (eig. Abb.)

Wide Web / W WW. Hier wird Display-Werbung auf Webseiten eingesetzt. Dabei handelt es sich um statische oder dynamische Werbebanner sowie um Sonderformen und Banner-Netzwerke, meist gebucht im Programmatic Advertising. Hinzu kommen werbliche Web 2.0-Anwendungen wie vor allem • Soziale Netzwerke im privaten und beruflichen Bereich, • Blogs als online-geführte Tagebücher, • Tags zur Teilung präferierter Webadressen, • Sharing zur Teilung von Content in Foto-, Video- und Audio-Form, • Wikis als „Handwörterbücher“, • RSS-Feeds als Push-Dienst für Webinhalte, • Podcasts / Vodcasts als Audio-/Videodateien im Abonnement, • Bewertungsportale. Da das Universum der Webseiten nur durch Suchmaschinen strukturiert zugänglich ist, spielen die Suchmaschinenoptimierung / SEO, also die Verbesserung der organischen Auffindbarkeit in Suchmaschinen, und die Suchmaschinenwerbung / SEA, also die gekaufte Platzierung dort, eine große Rolle. Zunehmend erfolgt der Zugriff auf Online-Dienste mobil, so dass Werbung auf mobilen Endgeräten zentral wird. Dabei handelt es sich etwa um • Banner in verschiedenen Ausprägungen, die an die jeweilige Displaygröße angepasst sind,

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• SMSen als Textkurznachrichten (max. 160 Zeichen), • Apps durch kleine, bezahlte oder unbezahlte Anwendungsprogramme, • Mashups aus Verknüpfungen verschiedener Online-Inhalte. 9.2.5 Verfügbarkeitsgestaltung

Die Verfügbarkeitsgestaltung im Marketing ergibt sich aus der Distributionspolitik und der Verkaufspolitik (siehe Abb. C84). Das Teilinstrument der Distributionspolitik beschäftigt sich mit der akquisitorischen Gestaltung des Absatzkanals, d. h., des Flusses von Waren / Diensten, Geldern und Informationen vom Hersteller zu Zwischen- und Endabnehmern und wieder zurück. Das Teilinstrument der Verkaufspolitik befasst sich mit dem konkreten Übergang von Leistungen zwischen Anbieter und Nachfrager.

Abbildung C84: Verfügbarkeitsgestaltung (eig. Abb.)

9.2.6 Marketing-Instrumental-Mix

Der Legende nach soll der Begriff Mix in Analogie zum Backen entstanden sein. Denn gerade so, wie es beim Backen darauf ankommt, die richtigen Zutaten in der richtigen Menge zur richtigen Zeit in richtiger Qualität und richtiger Reihenfolge zueinander zu mischen, so kommt es im Marketing darauf an, die relevanten Zutaten (die Marketing-Instrumente) mit der geeigneten Intensität und mit zweckmäßigem Timing in professioneller Weise im Zeitablauf zu kombinieren. Die Instrumente sind bildhaft mit dem Begriff der 4 P’s, stellvertretend für Product, Price, Place und Promotion, belegt. Im Grundsatz sind diese vier In­ strumente seit ihrer „Erfindung“ in den 1960er Jahren (McCarthy, Borden), trotz mannigfacher Verfeinerungen, erhalten geblieben.

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C. Die Güterwirtschaft der Unternehmung

Hinsichtlich der Einteilung des Marketing-Mix hat sich der hier verfolgte Vier-Instrumente-Ansatz (4 P’s) durchgesetzt. Es gibt durchaus aber mit einiger Berechtigung auch Drei- und Fünf-Instrumente-Ansätze (siehe Abb. C85).

Abbildung C85: Alternative Ausprägungen des Marketing-Mix (eig. Abb.)

Drei-Instrumente-Ansätze kommen im Wesentlichen zustande, indem die Produkt- und die Preisteilinstrumente zusammengefasst werden. Autoren, die diese Auffassung vertreten, argumentieren, dass jegliches Angebot immer nur durch Produkt- und Preisdimensionen gemeinsam darstellbar ist. Allerdings leidet unter dieser Zusammenfassung womöglich die Differenziertheit der Erkenntnisse. Fünf-Instrumente-Ansätze kommen im Wesentlichen zustande, indem die Distributions- und die Verkaufsfunktion bzw. die Preis- und die Konditionenfunk­ tion aufgespalten werden. Eine andere Möglichkeit ist die Unterscheidung in Offline-Marketing-Instrumente und Online-Marketing-Instrumente. Die Instrumente stehen in vielfachen Beziehungen zueinander, so: • funktional (antinomisch, konkurrierend, indifferent, harmonisch, identisch), • zeitlich (strategisch, taktisch, operativ), • in der Abfolge (parallel, sukzessiv, intermittierend, versetzt, einander ablösend, vorlaufend / nachlaufend, sukzessiv einsetzend / auslaufend, springend), • hierarchisch (dominant, unterstützend), • intensitätsmäßig (gleichbleibend, steigend, fallend, pulsierend), • räumlich (lokal, regional, national, international),

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• streuungsorientiert (raumausgedünnt, raumverdichtet), • mengenmäßig (ein, wenige, mehrere, alle Instrumente), • nach der Notwendigkeit (obligatorisch, fakultativ). Dazu bedarf es der Abstimmung der verschiedenen Elemente innerhalb eines Mix-Instruments. Bei dieser intrainstrumentellen Abstimmung können zunächst die jeweils dominanten Elemente angewählt werden. Weiterhin ist eine interinstrumentelle Abstimmung notwendig, da Verbundeffekte und Beziehungen zwischen den Instrumenten bestehen. Verkürzt man die Beziehung der interinstrumentellen Abstimmung der MixInstrumente auf nur zwei Instrumente, so ergeben sich prototypisch folgende Beziehungen. Eine independente Beziehung bedeutet, dass die Setzung eines Instruments keinerlei Auswirkungen auf den Erfolg des anderen hat. Dies ist praktisch nicht zu vermuten. Eine interdependente Beziehung der Instrumente kann positiv, d. h., gegenseitig fördernd, negativ, d. h., gegenseitig beeinträchtigend, konditional, d. h., gegenseitig voraussetzend, oder kompensativ, d. h., gegenseitig ersetzend, ausgelegt sein. Hinsichtlich der Effizienz interdependenter Zusammenhänge ergeben sich drei Ausprägungen: • Ein substitutiver Zusammenhang bedeutet, dass ein Instrument in seiner Wirkung stufenlos durch ein anderes ersetzt werden kann. • Ein limitationaler Zusammenhang bedeutet, dass ein Instrument zu seiner Wirkung eines genau definierten Einsatzes des anderen bedarf. • Ein beschränkt limitationaler Zusammenhang bedeutet, dass ein Instrument auf mehreren verschiedenen Wirkniveaus effizient mit einem anderen kombiniert werden kann. Der Instrumental-Mix ist die Achillesferse des Marketing. Denn zwar weiß man Einiges über die Ausprägungen der einzelnen Instrumente, deren zweckmäßige Kombination stößt jedoch auf immense Probleme. Dies ist umso bedauerlicher, als gerade erst der „richtige“ Marketing-Mix in der Lage ist, die gewünschten Ergebnisse zu zeitigen. 9.3 Marktinformationsbasis 9.3.1 Bedeutung

Für die operative Absatzvorbereitung sind zureichende Marktinformationen unverzichtbar. Sie helfen vor allem bei der frühzeitigen Erkennung von Bedro-

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hungen, der Wahrnehmung von Innovationschancen, der Stärkung der Wissensressourcen, der Reduzierung unvermeidlicher Risiken, der transparenten Strukturierung von Daten und deren konzeptioneller Selektion sowie bei der Vorwegnahme möglicher Zustände der Zukunft. Dies erfolgt im Rahmen der Marktforschung. An die Informationen sind dabei vielfältige Anforderungen zu stellen: • Es soll ein möglichst hoher Informationsgrad vorliegen, d. h. Anteil der verfügbaren an allen vorhandenen Informationen. • Die Informationen sollen einen möglichst hohen Sicherheitsheitsgrad aufweisen, mindestens nach Wahrscheinlichkeit oder Erfahrung. • Die Informationen sollen eine hohe Aktualität haben, was infolge volatiler Marktumfelder immer bedeutsamer wird. • Es ist eine ausgewiesene Gültigkeit von Informationen erforderlich, d. h. ein hoher Wahrheitsgehalt der Aussagen. • Die Informationen sollen eine gute Zuverlässigkeit haben, d. h. eine hohe Belastbarkeit ihrer Gewinnung, Verarbeitung und Aussagen. • Zwischen den Gewinnungskosten und dem Nutzen der Informationen soll ein günstiges Preis-Leistungs-Verhältnis vorliegen. • Und die Informationen sollen einen dem Forschungszweck angemessenen Detaillierungsgrad aufweisen. Ein Marktforschungsprojekt durchläuft nacheinander im Regelfall folgende Stufen: • Wahrnehmung einer Informationslücke als Anregung zum Tätigwerden, • Bestimmung des für erforderlich erachteten Informationsbedarfs, • Auswahl einer geeignet erscheinenden Forschungsmethode, • Erhebung der relevanten Daten in Primär- oder Sekundärform, • Datenreduktion durch statistische Aufbereitung, • Auswertung und Schlussfolgerung der gewonnenen Daten, • Kommunikation der Ergebnisse durch Dokumentation und Präsentation. Für die Durchführung ist ein „Make or Buy“-Entscheid zu treffen, d. h. eine Bearbeitung im Rahmen der Betriebsmarktforschung oder als Institutsmarktforschung. Die jeweiligen Vor- und Nachteile verhalten sich spiegelbildlich. Relevante Aspekte sind dabei folgende: • Vertrautheit mit der Forschungsthematik, Einarbeitungszeit, • Kontrolle des Marktforschungsprozesses, Qualitätssicherung,

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• Kommunikation der Input- und Outputdaten, „Chemie“, • Vertraulichkeit der Behandlung, • Nutzung proprietärer Kenntnisse, Wissensakkumulation, • Liquiditätsbelastung / Kosten, • Unvoreingenommenheit des Herangehens, keine Betriebsblindheit, • Erfahrung mit Methoden und Instrumenten, Expertise, • Infrastruktur zur Datenerhebung, • Bearbeitungszeiten und -kapazitäten, • Nutzung von Ergebnisvergleichen (Benchmarking). 9.3.2 Datenquellen

Als Datenquellen kommen Sekundär- und Primärdaten in Betracht (siehe Abb. C86). Sekundärforschung (Desk Research) befasst sich mit der Auswertung von bereits anderweitig erhobenen Daten zum Untersuchungszweck. Selbst wenn dies sich als nicht ausreichend herausstellt, hilft es doch bei der Einarbeitung in eine Materie und bietet wertvolle Anregungen. Insofern ist sie ohnehin unverzichtbar. Als Datenquellen kommen sowohl betriebsinterne als auch betriebsexterne in Betracht.

Abbildung C86: Datenquellen für Marktinformationen (eig. Abb.)

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C. Die Güterwirtschaft der Unternehmung

Primärforschung (Field Research) befasst sich mit der originären Erhebung von Daten für den Untersuchungszweck. Wünschenswert ist dabei eine Erfassung aller für diesen Zweck sinnvollen Erhebungseinheiten (Vollerhebung in der Grundgesamtheit). Pragmatisch ergeben sich dafür jedoch vielfache Hindernisse wie Abgrenzung, Verfügbarkeit, Adressierbarkeit der Einheiten etc. Daher wird in der Praxis weit überwiegend nur eine Teilerhebung vorgenommen (Stichprobe aus der Grundgesamtheit). Dabei stellt sich die Frage der Auswahl der zu erhebenden Einheiten. Diese sollen in der Stichprobe zum selben Ergebnis kommen, das sich eingestellt hätte, wäre keine Teil-, sondern eine Vollerhebung durchgeführt worden (Hochrechnung). Die Güte der Projektion hängt im Wesentlichen von der Relation von Stichprobenzahl zu Grundgesamtheit und von der Streuung der Ursprungswerte in der Grundgesamtheit ab. Zudem soll die Stichprobe möglichst gut ausgeschöpft werden. Als Parameter für die Datenqualität gelten im Einzelnen • die Reliabilität, d. h. die Wiederholbarkeit der Ergebnisse, die Validität, d. h. die Gültigkeit der Ergebnisse, die Objektivität, d. h. die intersubjektive Nachvollziehbarkeit und die Signifikanz, d. h. die Überzufälligkeit der Ergebnisse. Für die Auswahl der Erhebungseinheiten kommen zwei Verfahren in Betracht: • Bei der Zufallsauswahl bestimmt das Zufallsprinzip, welche Einheiten der Grundgesamtheit in die Stichprobe eingehen und welche nicht. Dies setzt jedoch voraus, dass jedes Element der Grundgesamtheit die gleiche, berechenbare und von Null verschiedene Chance hat, gezogen zu werden. Dies ist aus mehreren Gründen praktisch kaum realisierbar. Neben der reinen Zufallsauswahl werden hilfsweise die Verfahren der systematischen Zufallsauswahl, der geschichteten Zufallsauswahl und der geklumpten Zufallsauswahl eingesetzt, die jedoch ebenso praktischen Limitationen ausgesetzt sind. • Bei der Bewusstauswahl bestimmt die Erhebungsperson, welche Elemente der Grundgesamtheit in die Stichprobe eingehen und welche nicht. Um dennoch ein repräsentatives Abbildung der Grundgesamtheit zu erhalten, werden dazu Auswahlvoraussetzungen bestimmt. Bei der Quota-Auswahl werden Anteilsverhältnisse (offensichtliche Quoten) für relevante Merkmale in der Grundgesamtheit festgelegt. Diese Quoten werden dann auf die Stichprobe übertragen. Ziel ist die Schaffung eines in Bezug auf diese Merkmale strukturidentischen, aber verkleinerten Abbilds der Grundgesamtheit. Bei der Konzentrations-Auswahl werden alle, für den Untersuchungszweck als besonders relevant angesehenen Einheiten erhoben und alle übrigen vernachlässigt. Dies lohnt sich bei hohem Konzentrationsgrad. Bei der Auswahl typischer Fälle werden nach Ansicht des Erhebers solche Einheiten erhoben, die als stellvertretend für die Grundgesamtheit anzusehen sind. Dies ist jedoch fragwürdig. Die Auswahl aufs Geratewohl ist gerade keine Bewusst- sondern eine Willkürauswahl und daher völlig unzulänglich. Sie wird unter Laien häufig fälschlicherweise als Zufallsauswahl interpretiert.

9. Marketing

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9.3.3 Erhebungsformen

Für Erhebungen stehen verschiedene Verfahren bereit (siehe Abb. C87). Die Befragung arbeitet im Frage und Antwort-Prinzip. Die Beobachtung arbeitet durch Sichtkontakt zur interessierenden Einheit. Beide können auch in experimenteller Form als Befragungs- oder Beobachtungs-Tests angelegt sein.

Abbildung C87: Erhebungsformen (eig. Abb.)

Die Befragung kann nach mehreren Modalitäten erfolgen: • Die mündliche Befragung arbeitet im Face to Face-Prinzip zwischen Inter­ viewer und Befragungsperson. Im Gruppeninterview werden mehrere Personen parallel befragt, häufig in Form einer Gruppendiskussion, die gut geeignet zur Einstimmung in eine Thematik ist. Beim Einzelinterview kann dieses vollstandardisiert, strukturiert, unstrukturiert oder frei erfolgen. Dabei ist eine Abwägung zwischen dem Eingehen auf die Individualität der Befragungsper-

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C. Die Güterwirtschaft der Unternehmung

son einerseits und der Vergleichbarkeit der Antworten untereinander andererseits vorzunehmen (Trade off). Von zentraler Bedeutung für die Qualität ist dabei der Interviewer. Stellgrößen sind seine Auswahl, sein Einsatz, seine Kontrolle und seine Qualifizierung. • Die fernmündliche Befragung nutzt das Telefon als Medium zwischen Interviewer und Befragungsperson. Dies ist zwischenzeitlich die häufigste Form der Erhebung. Sie hat zwar nennenswerte methodische Nachteile, weist jedoch pragmatische Vorteile (Kosten / Zeit) auf, die in der Praxis häufig überwiegen. • Die schriftliche Befragung arbeitet auf Basis von zugestellten / überlassenen Fragebögen, die auszufüllen sind. Dies bietet sich nur bei Spezialzielgruppen an und ist ansonsten kaum nutzbar (siehe Abb. C88).

Abbildung C88: Alternative Befragungsformen (eig. Abb.)

Alle Formen sind auch computergestützt möglich, so als computergestützte mündliche Befragung (Computer Assisted Personal Interviewing / CAPI), computergestützte fernmündliche Befragung (Computer Assisted Telephone Interview­ ing / CATI) und als computergestützte schriftliche Befragung (Computer Assisted Self Interviewing / CASI). Bei den Fragen kann zwischen geschlossenen und offenen Fragen unterschieden werden. Erstere weisen Antwortvorgaben auf (zwei bei Alternativfragen, mehr als zwei bei Selektivfragen), letztere erlauben hingegen eine freie Antwortformulierung. Die Fragen können direkt den interessierenden Sachverhalt ansprechen oder indirekt im Umfeld bleiben, was sich etwa bei Tabuthemen, Stigmatisierung etc. anbietet. Außerdem können verschiedene Fragetaktiken genutzt werden wie Instrumentalfragen, Ergebnisfragen oder Sonderfragen. Denkbar und methodich günstig ist es auch, mehrere Themen in einem Erhebungsdurchgang abzufragen (Omnibusbefragung als Beteiligungs- oder Eingliederungsuntersuchung). Dadurch sind professionelle Standards auch bei kleinem Budget darstellbar. Die systematische Beobachtung (Observation) kann nach ihrem Standardisierungsgrad (genormt / individuell), nach dem Erhebungsobjekt (selbst / f remd), nach der Erhebungsform (persönlich / apparativ) und der Erhebungsumgebung

9. Marketing

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(Feld / Labor) unterschieden werden. Vor allem aber wird nach dem Wissen um die Beobachtung und dem Wissen um den Erhebungszweck bei Probanden in folgende Situationen unterschieden (siehe Abb. C89): • offene / durchschaubar, nicht-durchschaubare, quasi-biotische, biotische / u ndurchschaubar.

Abbildung C89: Alternative Beobachtungssituationen (eig. Abb.)

Die offene Situation ist am leichtesten zu realisieren, birgt aber Verzerrungsgefahren, die biotische Situation führt c. p. zu den besten Ergebnissen, ist aber schwierig umzusetzen. Der Beobachtung kommt im Rahmen der Marktinformation eine große Bedeutung zu, zumal Erkenntnisse häufig durch Befragung allein nicht zu erheben sind. Anwendungen finden sich z. B. in Panels von Industrie, Händlern, Haushalten / Konsumenten. Die Panels können traditionell durch Aufschreibung oder modern durch Scanning ausgelegt sein. Allerdings gibt es dabei Probleme vor allem durch Paneleffekte, Panelroutine oder Panelmortalität. Dem kann zumindest durch Anlernphase, Gratifikation oder Rotation entgegen gewirkt werden. Experimentelle Befragungen oder Beobachtungen finden im Marketing in Form von Tests statt. Diese bestehen aus fünf Elementen (siehe Abb. C90): • Testelemente sind die Elemente, an denen das Experiment ausgeführt wird, • unabhängige Variable sind die Elemente, deren Einfluss gemessen werden soll, sie sind aktiv, • abhängige Variable sind die Elemente, an denen die Wirkung gemessen wird, sie sind passiv, • kontrollierte Variable sind Elemente, die auf die Situation zwar einwirken, aber beherrscht (z. B. konstant gehalten) werden können,

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• Störgrößen sind Elemente, die auf die Situation einwirken, aber nicht beherrscht werden können, sie sind gesondert zu behandeln (z. B. Matching, Zufallszuweisung).

Abbildung C90: Elemente des Marktexperiments (eig. Abb.)

Das Testdesign kann nach der Umgebung (Feld-/Laborexperiment), nach dem Zeiteinsatz (Projektiv-Experiment / Ex post facto-Experiment) und nach der Durchführung (informell / formal) gestaltet werden. Eine weitere Unterscheidung ergibt sich nach der Analyseform (siehe Abb. C91). Informalexperimente (Einfaktoren-/Quasi-Experiment) haben nur die Zeit als Variable. Dabei wird unterstellt, dass alle Einflussfaktoren darin bereits repräsentiert sind. Folglich wird vor dem Einsatz der unabhängigen Variablen und danach gemessen und aufgerechnet (EBA für Experimental Group before and afterwards). Zum Vergleich kann eine Kontrollgruppe eingeführt werden (EBA-CBA für Control Group before and afterwards). Dadurch können Carry over-Effekte als autonome zeitliche Veränderungen, Entwicklungseffekte als Lernwirkungen, Spill over-Effekte als Überstrahlungen und Gruppeneffekte zwischen Experimental- und Kontrollgruppe ausgewiesen werden. Formalexperimente (Mehrfaktoen-Experiment) finden durch multivariate statistische Auswertung statt (Varianzanalyse). Dabei können alle Einflussfaktoren (faktorielles Design) oder nur ausgewählte von ihnen (fraktionelles Design) erfasst werden.

Abbildung C91: Einteilungen des Testdesigns (eig. Abb.)

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Häufige Anwendungen von Test sind Markttests, und zwar als regionale Testmärkte oder, aus pragmatischen Gründen, als Testmarktersatzverfahren in Form von Testmarktsimulation, Storetest, Mini-Markttest, elektronischer Mikro-Markttest. Alle Erhebungsformen (Befragung, Beobachtung, Experiment / Test) sind auch virtuell im Rahmen der Online-Erhebung darstellbar. Befragungen finden etwa im WWW, per e-Mail, in Newsgroups oder Chats statt. Beobachtungen nutzen das Internet als Mittel oder als Gegenstand, letzteres z. B. durch Logfile-Analysen zur Kontrolle und Optimierung von Seiteninhalten und Werbemitteln. Tatsächlich bestehen jedoch erhebliche methodische Probleme, welche die Belastbarkeit von Ergebnissen bei Online-Erhebungen mehr oder minder stark in Zweifel ziehen lassen. Hier wird noch viel Lernerfahrung erforderlich sein. Generische Vorteile sind • die schnelle Rekrutierung der Probanden, • die zügige Projektdurchführung mit erhebungsbegleitender Auswertung, • eine Echtzeit-Erhebung mit stichtagsbezogener Auswertung, • multimediale und interaktive Inhalte sind möglich, • ersparte Kosten für Interviewereinsatz, keine räumlichen und / oder zeitlichen Restriktionen, • automatische Korrektur von Fehleingaben, • Datenverschlüsselung in der Übertragung, Anonymität der Teilnehmer bleibt gewahrt, • hohe Erreichbarkeit internet-affiner Zielgruppen. Dem stehen folgende Nachteile gegenüber: • Repräsentanz der Zielgruppe auf absehbare Zeit fraglich (Bias in Richtung junger, männlicher, gut ausgebildeter Großstädter), • Identität der Probanden ist nicht nachprüfbar, Mehrfachteilnahmen sind möglich, • im Regelfall keine Erfassung von Gestik, Mimik, Statik, Spontanreaktion etc., • Nachhaken bei Unklarheiten ist schwierig, • Ergebnisse mit geringer externer Validität, • Selbstselektion der Teilnehmer, • Teilnahmeabbruch mit zunehmender Zeitdauer, • enge rechtliche Grenzen zur Teilnehmerrekrutierung.

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C. Die Güterwirtschaft der Unternehmung

Literaturhinweise Ahlert, Dieter: Distributionspolitik, 5. Auflage, Stuttgart 2006 Berndt, Ralph: Marketingstrategie und Marketingpolitik, Berlin / Heidelberg / New York 2004 Bruhn, Manfred: Marketing, 12. Auflage, Wiesbaden 2014 –– Kommunikationspolitik, 7. Auflage, München 2012 –– Relationship Marketing, 3. Auflage, München 2012 Busch, Rainer / Dögl, Rudolf / Unger, Fritz: Integriertes Marketing, 4. Auflage, Wiesbaden 2008 Diller, Hermann: Preispolitik, 4. Auflage, Stuttgart u. a. 2007 Eckardt, Gordon H./Hardiman, Marco: Marketing. Grundlagen & Praxis, Göttingen 2010 Esch, Franz-Rudolf / Hermanns, Andreas / Sattler, Hendrik: Marketing, 4. Auflage, München 2013 Fritz, Wolfgang / Oelsnitz, Dietrich von der: Marketing, 4. Auflage, Stuttgart u. a. 2006 Helm, Roland: Marketing, 8. Auflage, Stuttgart 2009 Hermann, Andreas / Huber, Frank: Produktmanagement, 2. Auflage, Wiesbaden 2009 Homburg, Christian: Marketingmanagement, 4. Auflage, Wiesbaden 2012 –– Grundlagen des Marketingmanagements, 3. Auflage, Wiesbaden 2012 Homburg, Christian / Kuester, Sabine / Krohmer, Harley: Marketing Management, Berkshire 2009 Kotler, Philip u. a.: Grundlagen des Marketing, 5. Auflage, München u. a. 2010 Kotler, Philip / Keller, Kevin Lane / Bliemel, Friedhelm: Marketing-Management, 12. Auflage, München 2007 Kreutzer, Ralf T.: Praxisorientiertes Marketing, 4. Auflage, Wiesbaden 2012 –– Praxisorientiertes Online-Marketing, 2. Auflage, Wiesbaden 2014 Kroeber-Riel, Werner / Esch, Franz-Rudolf: Strategie und Technik der Werbung, 7. Auflage, Stuttgart 2011 Kuß, Alfred / Kleinaltenkamp, Michael: Marketing-Einführung, 6. Auflage, Wiesbaden 2013 Mattmüller, Roland: Integrativ-prozessuales Marketing, 4. Auflage, Wiesbaden 2012 Meffert, Heribert / Burmann, Christoph / Kirchgeorg, Manfred: Marketing, 11. Auflage, Wiesbaden 2011 Nieschlag, Robert / Dichtl, Erwin / Hörschgen, Hans: Marketing, 19. Auflage, Berlin 2002 Olbrich, Rainer: Marketing, 2. Auflage, Berlin u. a. 2006 Pechtl, Hans: Preispolitik, 2. Auflage, Stuttgart 2014

9. Marketing Ramme, Iris: Marketing, 3. Auflage, Stuttgart 2009 Rogge, Hans-Jürgen: Werbung, 6. Auflage, Ludwigshafen 2004 Sander, Michael: Marketing-Management, 2. Auflage, Stuttgart 2011 Scharf, Andreas / Schubert, Bernd / Hehn, Patrick: Marketing, 5. Auflage, Stuttgart 2012 Scheuch, Fritz: Marketing, 6. Auflage, München 2006 Schneider, Willy: Marketing und Käuferverhalten, 3. Auflage, München 2009 Schnettler, Josef / Wendt, Gero: Werbung planen, 4. Auflage, Berlin 2011 Siems, Florian: Preismanagement, München 2009 Simon, Hermann / Fassnacht, Martin: Preismanagement, 3. Auflage, Wiesbaden 2008 Theis, Hans-Joachim: Handels-Marketing, Band 1 + 2 + 3, Frankfurt a. M. 2007/08 Tropp, Jörg: Moderne Marketing-Kommunikation, 2. Auflage, Wiesbaden 2014 Weis, Hans Christian: Marketing, 16. Auflage, Ludwigshafen 2012 –– Verkaufsmanagement, 7. Auflage, Ludwigshafen 2010

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Übungsaufgaben 1. Wann ist vergleichende Werbung erlaubt? 2. Sie sind als Assistent / in der Vertriebsleiterin in einem kleineren Textilunternehmen tätig. Dieses arbeitet seither in der Feldorganisation branchenüblich mit Handelsvertretern. Ihre Chefin beauftragt Sie zu prüfen, unter welchen Aspekten eine Umstellung des Vertriebs auf Reisende sinnvoll ist. Welche Aspekte prüfen Sie in diesem Zusammenhang für die Entscheidung? 3. Sie arbeiten als Produktmanager / in und werden von der Marketingleitung aufgefordert, das Werbebudget des von Ihnen betreuten Produkts für das kommende Geschäftsjahr aufzustellen. Welche Ansatzpunkte zur Bestimmung der absoluten Budgethöhe stellen sich Ihnen, für welche Bezugsbasis entscheiden Sie sich und warum? 4. Wo liegen die wissenschaftlichen Wurzeln des Marketings? 5. Wie formulieren Sie die moderne Fassung des Marketings in einer begrifflichen Umschreibung? 6. Worin liegt die Bedeutung des Markenartikels im Wesentlichen begründet? 7. Worin liegt die Hauptproblematik eines jeden Marketing-Mix? 8. Nennen Sie einige produktpolitische Entscheidungen und erläutern Sie diese bitte kurz. 9. Worin liegt die Bedeutung der Integrierten Kommunikation? 10. Nennen und erläutern Sie bitte gängige experimentelle Verfahren zur erstmaligen Preisfindung. 11. Charakterisieren Sie bitte die Inhalte des Relationship-Managements im Rahmen des Marketing 5.0? 12. Nennen und erläutern Sie bitte mögliche Ausprägungen von Markenarchitekturen. 13. Was versteht man im Marketing unter Kundenbindung? 14. Welche Optionen zur Erreichung von Kundenbindung stellen sich im Marketing? 15. Welche Möglichkeiten des Werbecontrollings stehen zur Verfügung?

10. Vertrieb

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10. Vertrieb In diesem Kapitel werden folgende Inhalte behandelt und geklärt: • der Absatzkanal als Denkmodell des Vertriebs, • die Möglichkeiten zur Absatzkanalgestaltung, • die Formen des Direktvertriebs, • der Indirektabsatz, • die Ansätze zum Kundenwertmanagement. Dieses Kapitel widmet sich dem Vertrieb als Absatzvollzug (Marketing als Absatzvorbereitung wird im vorlaufenden Kapitel erarbeitet). Für den Erfolg neuer Produkte ist der Distributionsaufbau von existenzieller Bedeutung. Denn der Kauf hängt entscheidend von der Verfügbarkeit der Leistung im konkreten Kaufentscheidungszeitpunkt ab. 10.1 Absatzkanal als Denkmodell des Vertriebs Für den Vertrieb ist es hilfreich, eine Pipeline als Denkmodell zugrunde zu legen. Diese umfasst im Einzelnen Realgüterströme, Nominalgüterströme und Informationsströme (siehe Abb. C92): • Angebotsleistungen in Form von Realgütern werden von Herstellern über möglicherweise zwischengeschaltete Absatzmittler (Groß- und / oder Einzelhandel) mehrheitlich an gewerbliche, minderheitlich an private Endabnehmer weitergeleitet. Tatsächlich gibt es bei den Realgüterströmen aber auch die Re-Distribution als Rückgabe von Produkten an den Hersteller (z. B. Retoure, nicht-verkaufte Ware, Reklamation, Altgerät / Elektroschrott). • Entgegengesetzt verlaufen die Nominalgüterströme. Dabei werden Gelder und / oder Rechte von direkten oder indirekten Abnehmern an Hersteller transfe-

Abbildung C92: Ströme im Absatzkanal (eig. Abb.)

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C. Die Güterwirtschaft der Unternehmung

riert. Im Zuge der Re-Distribution gibt es jedoch auch hier die entgegengesetzte Richtung. • In beiden Richtungen verlaufen zudem Informationsströme. Hersteller informierten Absatzmittler, Absatzhelfer und Vertriebsmitarbeiter über erfolgsrelevante Daten und Fakten. Diese wiederum informieren Hersteller über das von ihnen wahrgenommene Markt-Feedback. Insofern handelt es sich beim Absatzkanal (Pipeline) um komplexe Interaktionen. Dies wird noch durch weitere Faktoren erschwert: • Am „oberen Ende“ der Pipeline gibt es zunehmend mehr Anbieter, die ihre Leistungen in die Pipeline „einfüllen“. Dies ist durch die Öffnung der internationalen Märkte bedingt, die Anbietern aus praktisch allen Ländern wunschgemäß mehr oder minder freien Zugang zu Nachfragern gewährt. • Jeder dieser Hersteller füllt immer mehr Produkte in die Pipeline ein, denn nur über Neuprodukte wird in gesättigten Märkten allgemein noch die Chance zu substanziellem Wachstum gesehen. Zudem ist wegen der hohen Flopprate mit einem erheblichen Abwachs im Neueinführungserfolg zu rechnen. • Zugleich wird die Pipeline aber zunehmend enger. Dies hängt mit dem Zurückgehen des gesamtwirtschaftlichen „Regalplatzes“ im indirekten Absatz zusammen. Mit Regalplatz ist hier die gedachte Summe der Flächen zur Präsentation von Produkten im Markt gemeint. Denn es geht mehr Regalplatz durch Schließung verloren als zusätzlicher Regalplatz neu entsteht. Das vermehrte Angebot trifft also auf eine immer geringere Aufnahmefähigkeit des Absatzkanals. • Selbst ein Ausweichen auf direkten Absatz vermag diese Problematik nicht zu beheben, sind doch zwischenzeitlich so viele Anbieter im Direktabsatz tätig, dass auch dort ein immenser Verdrängungswettbewerb herrscht. • Ferner wird das „untere Ende“ der Pipeline immer enger. Dies hängt mit den ­limitierten Budgets gewerblicher Abnehmer bzw. der limitierten Kaufkraft privater Endabnehmer zusammen. Die Kaufkraft / das Budget ist teilweise objektiv nicht vorhanden, teilweise wird sie / es aber auch nur subjektiv verknappt. • Alle Akteure entscheiden und handeln auf einem immer besseren Informa­ tionsstand, evtl. vorhandene Informationsasymmetrien, die auch unterlegenen und austauschbaren Angeboten zur auskömmlichen Marktpräsenz verhelfen können, greifen daher immer weniger. Insofern ist der Aufbau einer hinreichenden Distribution im Absatzkanal der Engpass im Marketing. Alles bleibt aber unergiebig, wenn es nicht gelingt, Angebotsleistungen wirkungsvoll durch die Widrigkeiten des Absatzkanals zu schleusen. Und das ist besonders schwierig, weil auf die meisten dieser Produkte ohnehin niemand gewartet hat.

10. Vertrieb

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Um dennoch erfolgreich vorzugehen, gibt es zwei Ansatzpunkte (siehe Abb. C93): • Erstens den Push-Effekt, d. h., die Ware wird von der vorgelagerten auf die nachgelagerte Absatzstufe durchgedrückt. So entsteht kumulativer Lagerdruck im Absatzkanal, der zu verstärkten eigenen Absatzbemühungen motivieren soll und die hineingedrückte Ware schließlich, häufig allerdings unter Hinnahme von Erlösschmälerungen, verkauft. Dieses Prinzip ist immer weniger anwendbar, da sich dagegen Widerstände im Absatzkanal auftürmen. • Zweitens den Pull-Effekt, d. h., der Hersteller wendet sich absatzstufenübergreifend an die Kunden seiner Kunden, um dort Bedarf nach seiner Ware zu generieren, die hoffentlich somit aus dem Absatzkanal herausgesogen wird. Die vorgelagerten Absatzstufen bestellen dann eigenmotiviert nach. Allerdings ist auch dieses Prinzip schwierig umsetzbar, da es immenser Finanzmittel bedarf, manifeste Nachfrage zu generieren. Dennoch ist es im Bereich der Fast Moving Consumer Goods (FMCG’s) und auch bei industriellen Vorprodukten (Ingredient Branding) immer wieder erfolgreich. • Verbreitet wird versucht, durch Kombination aus Push & Pull die Unzulänglichkeiten jedes Prinzips zu überwinden. Der Pull-Effekt sorgt für freie Kapazitäten im Absatzkanal aus inzwischen abverkaufter Ware, der Push-Effekt kann dies nutzen, um damit zusätzliche Ware in den Absatzkanal hinein zu verkaufen.

Abbildung C93: Push & Pull-Prinzip (eig. Abb.)

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C. Die Güterwirtschaft der Unternehmung

10.2 Absatzkanalgestaltung Der Absatzkanal kann in mehreren Dimensionen gestaltet werden, hinsichtlich seiner Tiefe, seiner Breite und seiner Struktur sowie nach Vertriebssystem und Absatzform. 10.2.1 Wahl der Absatzkanaltiefe

In Bezug auf die Absatzkanaltiefe kann ein direkter oder indirekter Vertrieb vorliegen (siehe Abb. C94): • Von direktem Vertrieb ist die Rede, wenn zwischen dem Produktehersteller und dessen Endabnehmern keine weiteren Akteure zwischengeschaltet sind. Es handelt sich damit in diesem Bezug um einen nullstufigen Absatz. Der Absatz erfolgt dabei intern direkt über angestellte Verkaufsmitarbeiter (Reisende) oder / und extern direkt über selbstständige Absatzhelfer wie Handelsvertreter. So hat man die beste Steuerung, muss aber alle Funktionen im Absatzkanal auch selbst übernehmen. • Von indirektem Vertrieb ist die Rede, wenn zwischen Hersteller und Endabnehmern eine, zwei oder mehr Absatzstufen zwischengeschaltet sind. Dabei handelt es sich um Absatzmittler, die in eigenem Namen und auf eigene Rechnung im Absatzkanal aktiv werden. Es bestehen folgende Ausprägungen: –– Ein einstufig-indirekter Vertrieb liegt vor, wenn eine Absatzstufe zwischengeschaltet ist, und zwar entweder die Großhandelsstufe bei B-t-B-Absatz

Abbildung C94: Optionen der Absatzkanaltiefe (eig. Abb.)

10. Vertrieb

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oder die Einzelhandelsstufe bei B-t-C-Absatz. Dies ist verbreitete Realität sowohl bei Konsum- wie auch Industriegütern und stellt einen guten Kompromiss zwischen überschaubarer Komplexität des Absatzkanals und Funktionsvergabe an Händler dar. –– Ein zweistufig-indirekter Vertrieb liegt vor, wenn zwei Absatzstufen zwischengeschaltet sind, also Großhandel (Absatz an Wiederverkäufer) und Einzelhandel (Absatz an private Endabnehmer). Dies ist vor allem beim Ziel weitreichender Erhältlichkeit im Markt erforderlich. Hier steigt die Komplexität, weil es zu Interaktionen zwischen den Handelsstufen kommt, jedoch ist eine bessere Marktausschöpfung möglich. –– Ein mehrstufig-indirekter Vertrieb liegt vor, wenn mehr als zwei Absatzstufen zwischengeschaltet sind, und zwar zwei oder mehr Großhandelsstufen (Aufkaufgroßhandel / Absatzgroßhandel) und eine Einzelhandelsstufe. Dies ist noch bei An- und Abbauwaren verbreitet (Rohstoffe, Agrarprodukte). Dies lässt sich nur in reglementierten Branchen durchhalten und ist ansonsten obsolet. Für welche dieser Optionen sich eine Unternehmung entscheidet, hängt von einem einfachen Kalkül ab. Sind die zusätzlichen Kosten, die durch die Eigenübernahme der Distribution entstehen, größer als der abzutretende Gewinn aus Fremdvergabe der Distribution, lohnt sich ein indirekter Absatz. Ist der aus Fremdvergabe der Distribution entstehende Gewinnentgang größer als die zuwachsenden Kosten durch Eigenübernahme der Distribution, lohnt sich ein direkter Absatz. Dabei ist zu berücksichtigen, dass Teile der Distribution auch von privaten oder gewerblichen Endabnehmern übernommen werden können und somit eigene Kosten ersparen (z. B. Kommissionierung bei C&C-Handel, Kunden­ information bei e-Commerce). 10.2.2 Wahl der Absatzkanalbreite

In Bezug auf die Absatzkanalbreite kann danach abgestuft werden, mit wie vielen Akteuren der nächsten Stufe ein Hersteller im Absatzkanal interagieren will. Als Maßzahl dafür wird der Distributionsgrad angegeben. Dabei ergeben sich vier Abstufungen wie folgt (siehe Abb. C95): • Ubiquitärer Distributionsgrad liegt vor, wenn der Hersteller mit allen, objektiv erreichbaren Akteuren der nächsten Stufe interagiert. Der Distributionsgrad beträgt dann 100 %. Dies ist nur in Ausnahmefällen sinnvoll und realisierbar. Vor allem der logistische Aufwand ist immens. Beispiele finden sich bei Impulsartikeln, deren Kauf von der Konfrontation der Ware mit potenziellen Nachfragern abhängt. • Intensiver Distributionsgrad liegt vor, wenn der Hersteller mit allen wirtschaftlich zu erreichenden Akteuren der nächsten Stufe interagiert. Der Distribu-

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C. Die Güterwirtschaft der Unternehmung

tionsgrad beträgt dann typischerweise über 90 %. Es fallen solche Akteure aus, mit denen akquisitorisch oder logistisch nicht effizient interagiert werden kann. Dies ist die verbreitete Realität im Konsumgütersektor bei Food- und Nearfood-Produkten. • Selektiver Distributionsgrad liegt vor, wenn der Hersteller nur mit ausgewählten Akteuren der nächsten Stufe interagiert. Diese wählt er unter den Gesichtspunkten der Effektivität aus. Dabei setzen die Bestimmungen des Diskriminierungsverbots im GWB (§ 20) allerdings enge Grenzen. Insofern kommt es auf eine wasserdichte juristische Auslegung der Vertriebsvereinbarungen an. • Exklusiver Distributionsgrad liegt vor, wenn der Hersteller innerhalb eines relevanten Markts nur mit einem einzigen Akteur der nächsten Stufe interagiert. Dieser fungiert praktisch als „verlängerter Arm“ des Herstellers im Markt. Auch hier sind die engen Bestimmungen des Diskriminierungsverbots zu beachten. Es kommt jedoch zu einer erheblich verknappten Verfügbarkeit des Angebots im Markt.

Abbildung C95: Optionen der Absatzkanalbreite (eig. Abb.)

Bei ubiquitärer und intensiver Distribution handelt es sich um einen offenen Absatzkanal, d. h., jeder Akteur der nächsten Stufe kann dem Absatzkanal nach

10. Vertrieb

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Belieben beitreten oder ihn wieder verlassen. Bei selektiver und exklusiver Distribution handelt es sich hingegen um einen geschlossenen Absatzkanal, d. h., der Hersteller bestimmt, mit welchen Akteuren der nächsten Stufe er interagieren will und mit welchen nicht. Diese Ausgestaltung bedarf immer detaillierter rechtlicher Prüfung. Beim Distributionsgrad ist noch zwischen bereits realisierter und gewünschter Distribution zu unterscheiden. So kann beim Distributionsaufbau noch eine selektive Distribution vorliegen, die aber nur notwendige Zwischenstufe für eine intensive Distribution darstellt. Insofern kann der Distributionsgrad erst in der „Endausbaustufe“ angemessen beurteilt werden. Hinsichtlich des Distributionsgrads ist außerdem zwischen numerischer und gewichteter Distribution zu unterscheiden. Numerisch bedeutet den Anteil der distribuierten Akteure der nächsten Stufe an allen Akteuren, die für die Distribution der Produktgattung in Betracht kommen (Relevanter Markt). Gewichtet bezieht sich hingegen auf den Umsatz der distribuierten Akteure am gesamten Umsatz des Relevanten Marktes. Setzt man beide in (reziproke) Relation zueinander, entsteht die Distributionsqualität. Gewünscht ist ein Quotient > 1, denn dann sind von allen Akteuren die umsatzbedeutenderen distribuiert. Ferner ist zwischen der theoretischen Verfügbarkeit eines Herstellerprodukts im Absatzkanal, ermittelt durch Einkäufe des Handels in der aktuellen Berichtsperiode, und der praktischen Verfügbarkeit zu unterscheiden. Liegt letztere unter ersterer, bestehen Distributionslücken (Out of Stock), d. h., Kaufinteressenten finden das Neuprodukt beim Kaufentscheid am POS nicht vor, obwohl sie sich bei Verfügbarkeit dafür entschieden hätten. Dies kann zum Aufschub des Kaufs führen, meist aber wohl zum Anbieter-/Markenwechsel, der dann bei Zufriedenheit mit der Alternative auch dauerhaft so bleiben kann. Insofern handelt es sich um eine sehr gefährliche Situation gerade bei Neuprodukten, deren Erfolg von einer hohen Erstkäuferrate abhängig ist. 10.2.3 Wahl der Absatzkanalstruktur

Für den Vertrieb stehen immer mehrere Absatzkanäle zur Verfügung. Bisher wurde unterstellt, dass nur einer dieser Absatzkanäle distribuiert werden soll (Monodistribution). Dies schafft ein hohes Maß an Transparenz und Konzentra­ tion, bedingt aber zugleich eine mindere Ausschöpfung des Absatzpotenzials. Vor allem seit Aufkommen virtueller Absatzkanäle wird dies daher als nicht mehr ausreichend angesehen. Vielmehr wird angestrebt werden, zwei oder mehr Absatzkanäle zu distribuieren (Dual-/Polydistribution). Dabei kann es sich um zwei oder mehr direkte, zwei oder mehr indirekte oder um einen Mix aus direkten und indirekten Absatzkanälen handeln. Der Mehrkanalabsatz (Multi Channel Distribution) ist gerade an-

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C. Die Güterwirtschaft der Unternehmung

gesichts des Booms von e-Commerce als Direktabsatz zusätzlich zu traditionell indirekten Absatzkanälen verstärkt vorzufinden. Für diesen Fall ist zu entscheiden, wie diese Absatzkanäle relativ zueinander zu behandeln sind. Denkbar sind dabei mehrere Optionen (siehe Abb. C96): • Der parallele Vertrieb behandelt zwei oder mehr, vorhandene oder angestrebte Absatzkanäle gleichartig, d. h., in allen Kanälen werden dieselben Produkte im selben Gebiet und für die selben Kunden angeboten. Dies ermöglicht zweifelsfrei eine verbesserte Ausschöpfung des Absatzpotenzials, unterstellt man wohl zutreffend, dass bestimmte Abnehmer bestimmte Absatzkanäle für den Kauf präferieren. Allerdings entstehen dadurch auch massive Probleme durch Kannibalisierung. Das eigene Neuprodukt tritt nicht mehr nur in Wettbewerb zu den Produkten anderer Anbieter, sondern auch untereinander in Wettbewerb darum, in welchem Kanal es abgesetzt wird. Zugleich treten damit auch die Akteure in den parallel distribuierten Absatzkanälen in unmittelbare Konkurrenz zueinander. Diese horizontalen Konflikte entstehen zusätzlich zu den verbreitet ohnehin vorhandenen vertikalen Konflikten, so dass ein erhebliches Maß an Komplexität entsteht. • Der gesplittete Vertrieb verzichtet daher auf eine Gleichbehandlung aller distribuierten Absatzkanäle, sondern versucht diese durch unterschiedliches Handling akquisitorisch „zu spreizen“. Damit kann eine Kannibalisierung unter den eigenen Produkten vermindert (wenngleich nicht verhindert) werden, zugleich vermindert sich jedoch auch die Ausschöpfung des Marktes. Eine Spreizung ist in Bezug auf drei Kriterien möglich: –– Erstens in Bezug auf die distribuierten Produkte, d. h., nicht jedes Produkt wird in jedem Kanal angeboten, sondern bestimmte Produkte erhalten bestimmte Kanäle zugewiesen und sind dementsprechend in anderen nicht verfügbar. –– Zweitens in Bezug auf die distribuierten Absatzgebiete, d. h., nicht jeder Kanal deckt alle realisierbaren Absatzgebiete ab, sondern jedes Absatzgebiet wird einem bestimmten Kanal zugewiesen und ist in anderen nicht verfügbar. –– Drittens in Bezug auf die distribuierten Abnehmer, d. h., nicht jeder Kanal kann an alle möglichen Abnehmer verkaufen, sondern jedem Kanal wird eine bestimmte Kundengruppe zugewiesen und er kann andere nicht erreichen. Für das Design sind eine Kombination aller drei Kriterien (Schnittmenge), aber auch die Kombination zweier Kriterien oder nur die Anlage eines Kriteriums möglich. Je präziser die Abgrenzung vorgenommen wird, desto geringer sind die Kannibalisierungseffekte, desto komplexer werden allerdings auch das Absatzkanaldesign und die Ausschöpfung des Marktes. Insofern ist hier ein vernünftiger Kompromiss anzustreben.

10. Vertrieb

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Abbildung C96: Optionen der Mehrkanaldistribution (eig. Abb.)

Weiterhin kann danach unterschieden werden, ob der Hersteller die Zuordnung aktiv vornimmt oder sich die Akteure einem von zwei oder mehr Absatzkanälen selbst zuordnen (Self Selection). Die Multi Channel-Anlage der Distribution kann noch mit den verschiedenen Kanälen der Kommunikation zum Cross Channel-Marketing erweitert werden. Dabei liegt die Vorstellung mehrerer Kaufprozessphasen zugrunde. Der Anbieter kann nun ein gewünschtes Design für die Verkettung dieser Phasen vorsehen (Customer Journey), das eine logische Abfolge von Kundenkontaktpunkten (Customer Touchpoints) bis zum Kauf bietet. Da Interessenten nicht gezwungen werden können, diese Abfolge einzuhalten, ist durch Querverweise von einem Kontaktpunkt auf den nächsten eine solche gewünschte Verkettung nahe zu legen. Dabei können vor allem die Vorkaufphasen, die eigentliche Transaktionsphase und die Nachkaufphasen unterschieden und zugeordnet werden. Um mögliche Absatzkanäle zu charakterisieren, werden die Kriterien • Stufigkeit, also nullstufig, einstufig-indirekt, zweistufig-indirekt, mehrstufigindirekt, • Rechtsstellung, also im Eigenhandel oder in fremden Namen und / oder auf fremde Rechnung, • Betriebsform nach verschiedenen Kriterien und • Physis oder Virtualität des Absatzkanals zugrunde gelegt.

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C. Die Güterwirtschaft der Unternehmung

Entsprechend ergeben sich im Wesentlichen folgende Ausprägungen (siehe Abb. C97): • interner Direktvertrieb, d. h., Verkauf durch eigene (angestellte) Verkaufsmitarbeiter, • externer Direktvertrieb, d. h., Verkauf über selbstständige Absatzhelfer, • einstufig-indirekter Großhandelsabsatz (B-t-B-Absatz wie z. B. über Produktionsverbindungshandel), • einstufig-indirekter Einzelhandelsabsatz (B-t-C-Absatz wie z. B. bei Großbetriebsformen des Einzelhandels), • zweistufig-indirekter Großhandels-Einzelhandels-Absatz (hintereinander geschaltete Stufen), • mehrstufig-indirekter Großhandels-Einzelhandels-Absatz (zwei oder mehr Großhandelsstufen und Einzelhandelsstufe), • interner Online-Direktvertrieb über eigenen e-Shop oder Internet-Portal (Marketplace), • externer Online-Direktvertrieb über Online-Absatzhelfer (vor allem Makler), • Online-Indirektabsatz über Internet-Absatzmittler (eigener Name / eigene Rechnung),

Abbildung C97: Alternative Absatzkanaldesigns (eig. Abb.)

10. Vertrieb

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• elektronischer Offline-Direktvertrieb über Telefon, Telefax, e-Mail, I-TV etc., • geprinteter Offline-Direktvertrieb über Direktaussendung, Katalog, Printmedien mit Response-Element etc. Aus diesem Set kann jeder Hersteller für seine Produkte einen, zwei oder mehrere Absatzkanäle auswählen und diese parallel oder, besser, gesplittet zur Distribution nutzen. Dabei ist festzustellen, dass traditionell stationäre Absatzmittler/-helfer (Pure Offline Players) Online-Direktabsatz hinzunehmen und traditionell virtuelle Online-Anbieter (Pure Online Players) stationäre Absatzstellen wie Flagship Stores, Factory Outlets etc. Insofern stellt sich wohl weniger die Alternative des Entweder-Oder als vielmehr die Wahl des Sowohl-als-Auch. 10.2.4 Wahl des Vertriebssystems

Weiterhin ist die Entscheidung für ein zentrales, dezentrales oder ausgegliedertes Vertriebssystem zu fällen (siehe Abb. C98): • Ein zentrales Vertriebssystem meint, dass der Absatz am Unternehmenssitz konzipiert, vorbereitet, durchgeführt und nachbereitet wird. Dies ist häufig im Industriegütersektor üblich, wo es um Anlagen oder Systeme geht, die weitgehende gegenseitige Verpflichtungen implizieren (hoher Betrag, lange Bindungsdauer, Reputationsbedeutung, Erklärungsbedürftigkeit etc.). • Ein dezentrales Vertriebssystem meint, dass der Absatz räumlich verteilt im relevanten Marktgebiet stattfindet. Dabei sind mehrere Ausprägungen möglich: –– Niederlassungen sind aus der Zentrale in den Raum ausgelagerte Absatzstellen mit eigenem Geschäftssitz und Gerichtsstand. Beispiele sind die BMW-, Porsche- oder Mercedes-Niederlassungen an wichtigen Standorten. –– Filialen sind aus der Zentrale in den Raum ausgelagerte Absatzstellen, die den Geschäftssitz und Gerichtsstand der Zentrale übernehmen. Man spricht

Abbildung C98: Optionen des Vertriebssystems (eig. Abb.)

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C. Die Güterwirtschaft der Unternehmung

daher von Regiebetrieben. Dies ist häufig bei Herstellerfilialisten vorzufinden wie IKEA, H&M, Zara etc. –– Flagship Stores sind herstellergeführte Absatzstellen, deren Zweck nicht primär im Verkauf, sondern im Erlebnis der Marke liegt (analog Brandparks). Beispielgebend sind Nike (Town), Apple (Retail Store) oder Prada (Boutique). –– Factory Outlets sind herstellergeführte Absatzstellen, deren Zweck im Absatz nicht oder nicht mehr marktgängiger Waren liegt wie Retouren, II. WahlWaren, Sonderauflagen, Vorsaisonwaren etc.  abei ist jeweils zu beachten, wie sich diese Absatzstellen in das Design des D Absatzkanals einfügen. • Ein ausgegliedertes Vertriebssystem meint, dass der Absatz über selbstständige Akteure im Markt erfolgt. Dabei sind mehrere Ausprägungen möglich: –– Sammelbesteller sind Mitarbeiter oder (nebenberufliche) Absatzhelfer, die Einzelaufträge bündeln und dadurch eine Rationalisierung des Vertriebs beim Hersteller bewirken. Dies erhalten sie von ihm entgolten (z. B. Otto-/ Baur-Versand). –– Strukturvertrieb (Multi Level Marketing) bildet eine vertikal-hierarchisierte Kette von Absatzhelfern, wobei die oberen Stufen automatisch an den Absatzerfolgen der unteren Stufen partizipieren. Häufig sind allerdings strafbare Ausprägungen als Schneeball- und Pyramidensysteme anzutreffen, bei denen nicht der Verkauf, sondern die Anwerbung neuer Systemteilnehmer oder eine übermäßige Warenbevorratung bestehender im Vordergrund stehen. 10.2.5 Wahl der Absatzform

Schließlich kann auch die Absatzform gestaltet werden. Dafür ergeben sich drei Ausprägungen (siehe Abb. C99): • Eine eigengestaltete Absatzform bedeutet, dass der Vertrieb vom Hersteller selbst übernommen wird. Dies ist im Einzelnen in vier Prinzipien möglich: –– Residenzprinzip liegt vor, wenn potenzielle Abnehmer sich zum Abschluss an den Ort des Lieferanten begeben (z. B. bei Verticals / Herstellerfilialisten). Dies bietet sich auch an, wenn Anbieter immobil sind. –– Domizilprinzip liegt vor, wenn der Lieferant sich zum Abschluss an den Ort der jeweiligen potenziellen Abnehmer begibt (z. B. bei Finanzdienstleistungen). Dies bietet sich auch an, wenn Nachfrager immobil sind. –– Treffprinzip liegt vor, wenn sich Lieferant und potenzielle Abnehmer an einem dritten Ort zum Zweck eines Abschlusses zusammenfinden (z. B. auf

10. Vertrieb

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Abbildung C99: Optionen der Absatzform (eig. Abb.)

einer Messe). Messen sind im Unterschied zu Ausstellungen, die Repräsentationsmärkte darstellen, Abschlussmärkte. –– Distanzprinzip liegt vor, wenn sowohl Lieferant als auch potenzielle Abnehmer immobil sind, dann erfolgt der Abschluss über geprintete (z. B. Katalog) oder elektronische Medien (z. B. WWW). Hier liegt zweifelsfrei die Zukunft der Absatzform.. • Eine fremdgestaltete Absatzform bedeutet, dass der Vertrieb nicht vom Hersteller, sondern von von ihm beauftragte Dritte übernommen wird (Indirektabsatz). Dabei kann es sich um Absatzmittler (eigener Name / eigene Rechnung) oder Absatzhelfer (fremder Name und / oder fremde Rechnung) handeln. Diese erhalten das Entgelt für ihre Tätigkeit dann entweder aus der Handelsspanne als Differenz zwischen ihrem Einstandspreis und dem Nettoverkaufspreis oder aus Provision für Vermittlung oder Abschluss. • Eine verbundengestaltete Absatzform bedeutet, dass eine starke vertikale Integration im Absatzkanal unter Führung des Herstellers stattfindet. Denkbare Ausprägungen sind folgende: –– Verkaufssyndikat, d. h. gemeinsame Verkaufsstelle von Kartellisten (ist bei Inlandswirkung nach § 1 GWB jedoch verboten), diese dienen dem Syndikat (Kartell höherer Ordnung) ihre Erzeugnisse zum Vertrieb an. –– Verkaufsholding, d. h. gemeinsame Konzerndachgesellschaft als Verkaufsorganisation für die Erzeugnisse der Untergesellschaften, die dementsprechend auf einen eigenständigen Vertrieb verzichten. Dies spielt praktisch nur eine geringe Rolle. –– Kontraktmarketing, d. h. planvereinbarter Absatz zwischen den Absatzkanalakteuren Hersteller und Handel. Diese Art dauervertraglicher Schuldverhältnisse ist verbreitet vorzufinden. Sie ist in der Lage, Interessensidentitäten im Absatzkanal zu fördern. Das Absatzkanaldesign zum Distributionsaufbau ergibt sich nunmehr aus der individuellen Kombination der Größen Absatzkanaltiefe, Absatzkanalbreite, Absatzkanalstruktur, Vertriebssystem und Absatzform.

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C. Die Güterwirtschaft der Unternehmung

10.3 Formen des Direktvertriebs Beim Direktvertrieb handelt es sich um einen nullstufigen (durch eigene Mitarbeiter / intern direkt) oder halbstufigen Vertrieb (durch Absatzhelfer / extern direkt). Hier liegt der Distributionsaufbau komplett in eigener Hand.

10.3.1 Nullstufiger Direktvertrieb

Beim nullstufig, intern-direkten Vertrieb wird auf die Einschaltung externer Akteure verzichtet. Stattdessen werden Vertriebsmitarbeiter (Reisende) eingesetzt. Für die Beschaffung von Reisenden stehen betriebsinterne und betriebsexterne Quellen zur Verfügung. Betriebsintern ist an interne Stellenausschreibung, Job Rotation oder Umschulung zu denken, betriebsextern an geprintete oder elektronische Stellenanzeigen, Einschaltung einer Personalberatung, Personal-Leasing, Bundesarbeitsagentur, Auswertung von Blind-/Vorratsbewerbungen oder persönliche Kontakte. Die Ausschreibung erfolgt über die zu besetzende Position, erforderliche formelle und / oder materielle Qualifikationen, Vorstellung der suchenden Unternehmung, Stellenangebotsdaten etc. Sofern mehr Bewerber vorhanden sind als zu besetzende Stellen, werden unpersönliche (nach Aktenlage) oder persönliche Auswahlverfahren (Gespräch, Assessment) erforderlich. Für die laufende Beurteilung und Qualifizierung kommt es auf die Schlüsselqualifikationen an. Dies sind Hard Skills als fachliche und methodische Kompetenzen und Soft Skills als soziale und individuelle Kompetenzen. Sofern hier Nachholbedarf besteht, ist dieser durch Training (Verhalten) oder Schulung (Wissen) auszugleichen. Für erstere werden meist Job Enrichment, Job Enlargement, Job Rotation etc. genutzt, für letztere unpersönliche (Medien) und persönliche Verfahren (Seminar). Falls hier Unterdeckungen bei Bewerbern bestehen, ist es generell empfehlenswert, fehlende Hard Skills nachzuschulen statt fehlende Soft Skills anzutrainieren. Gemäß der Qualifikation ist das Arbeitsentgelt zu bemessen. Dabei spielen betriebsspezifische, mitarbeiterbezogene und rechtliche Kriterien eine Rolle. Die Honorierung kann im Einzelnen materiell oder immateriell erfolgen: • Materiell ist eine monetäre oder nicht-monetäre Honorierung möglich. Monetär kann diese wiederum fix (Festgehalt) oder variabel ausgelegt sein. Das variable Entgelt kann dauerhaft als Provision oder punktuell als Prämie ausgezahlt werden. Bei der dauerhaften Variabilität sind die Bemessungsgrundlage (z. B. Absatz, Umsatz, Gewinn, Deckungsbeitrag etc.) und der Verlauf (Sockelbetrag, linearer / progressiver / degressiver Verlauf, Deckelung) zu bestimmen. Real sind häufig ein s-förmiger Verlauf (in Stufen) und eine Bemessung nach Punktesystem anzutreffen. Bei der punktuellen Variabilität sind arbeitsbegleitende oder nachträgliche Auszahlungen möglich (z. B. als Bonus, Gratifika­

10. Vertrieb

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tion, Erfolgsbeteiligung). Nicht-monetär ist eine Honorierung durch vorgegebene oder selbst auszuwählende Sachleistungen (Cafeteria) möglich. • Immateriell entsteht eine Honorierung durch Auszeichnung („Verkäufer des Monats“), Ernennung („100 %-Verkaufs-Club“) oder Anerkennung (Titularbeförderung, z. B. Senior-Berater). Real sind Mischsysteme anzutreffen, die jedoch im Allgemeinen rasch intransparent werden. Denkbar sind auch Sammelentlohnungen (Team, Pool) in vollem oder anteiligem Umfang. Sofern der Absatz über eigene Mitarbeiter (meist Verkaufsaußendienstler / VADM im Domizilprinzip) erfolgt, sind für deren Einsatz mindestens vier Parameter zu bestimmen (siehe Abb. C100): • Erstens die Gebietsaufteilung. Diese kann outputorientiert nach ungefähr gleichem Umsatz je Gebiet bei abweichendem Arbeitseinsatz erfolgen (Umsatz­ potenzialverfahren) oder inputorientiert nach ungefähr gleichem Arbeitseinsatz bei abweichendem Umsatz je Gebiet (Arbeitslastverfahren). Ziel ist ein fairer Ausgleich gebietsabhängig abweichender Umsatzpotenziale und Arbeitslasten. • Zweitens die Zeitbudgetierung. Diese erfolgt nach der Anzahl der Besuche in einem Verkaufsdurchgang (Tourenplanung) und nach der Reihenfolge der Besuche je Tour (Routenplanung). Für erstere gelten Heuristiken wie Sprungroutenprinzip, Wochenprinzip, Kuchenausschnittprinzip etc., für letztere Heuristiken wie Außenringverfahren, Angaben nach Navigationssystem etc. • Drittens die Besuchsnormen. Diese geben die Aktivitäten während eines Außenkontakts vor, z. B. Besuchshäufigkeit, Besuchsdauer, Anzahl der Leads, Präsentationen (für Neuprodukte), Anfragen-/Angebotsbearbeitung, Anzahl der Servicekontakte etc. Dies ist ein wesentliches Steuerungsinstrument der Führung. • Viertens das Berichtswesen. Dieses erfolgt im Allgemeinen computergestützt (Sales Automation) und soll vor allem implizites / inkorporiertes zu explizitem / anfassbarem Wissen machen. Hinzu kommen individuelle Zusatzinfor-

Abbildung C100: Einsatz von Vertriebsaußendienstmitarbeitern (eig. Abb.)

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C. Die Güterwirtschaft der Unternehmung

mationen, die jedoch dem Datenschutz (informationelle Selbstbestimmung) unterliegen. Neben dem Außenverkauf ist der Innenverkauf (Traffic) von zentraler Bedeutung im Vertrieb. In dessen Verantwortung liegen wichtige Aktivitäten wie: • Messe- / Eventunterstützung, Werbeaktion / Merchandising, Beschwerdeannah­ me, e-Mail-Bearbeitung, Bestellannahme, Hotline-Dienst / Postbearbeitung, Besuchsvorbereitung, Datenbankpflege und -abfrage, Sonderkundenunterstützung (Key Accounts, Referenzkunden, Behörden, querulante Kunden, Kleinabnehmer etc.), Kontakt zu internen Abteilungen, Anfragen- / Auftragsverfolgung etc. 10.3.2 Halbstufiger Direktvertrieb

Beim halbstufig, extern-direkten Vertrieb werden selbstständige, akquisitorische Absatzhelfer eingeschaltet (siehe Abb. C101). Bei dieser verbreiteten Form handelt es sich um folgende: • Handelsvertreter sind in fremdem Namen und auf fremde Rechnung dauerhaft für die vertretene Unternehmung tätig. Ihre Rechte und Pflichten sind folglich im HGB kodifiziert (§§ 84 – 92). Dabei gibt es verschiedene Ausprägungen: –– nach der Vertragsermächtigung gibt es Vermittlungsvertreter (Regelfall) und Abschlussvertreter (die im Außenverhältnis verbindlich für die vertretene Unternehmung in deren Namen und auf deren Rechnung Verträge abschließen können), daher benötigen Abschlussvertreter eine herausgehobene Vertrauensposition, –– nach der Anzahl der Vertretungen gibt es Einfirmenvertreter und Mehrfirmenvertreter (dies ist nur möglich, sofern alle vertretenen Unternehmen auf ihr Recht zum Konkurrenzausschluss verzichten), dies ist etwa bei marktstarken Vertriebsorganisationen gegeben (z. B. MLP, Bonnfinanz, DVAG), –– nach dem Umfang der Rechte gibt es Alleinvertreter (Gebietsschutz) und Bezirksvertreter (diese haben Provisionsanspruch auch für nicht selbst ver-

Abbildung C101: Formen von akquisitorischen Absatzhelfern (eig. Abb.)

10. Vertrieb

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mittelte / abgeschlossene Geschäfte mit Kundensitz in ihrem Bezirk), damit soll das Angefragtwerden aus anderen Bezirken unterbunden werden, die Akquisition in andere Bezirke hinein kann vertraglich ausgeschlossen werden, –– nach der Berufsausübung gibt es Generalvertreter, die ihrerseits freiberufliche Untervertreter mit der akquisitorischen Betreuung beauftragen. Nach diesen Kriterien kann der Handelsvertreter-Absatzkanal adäquat ausgestaltet werden. Beispiele für Handelsvertreter-Systeme im Vertrieb sind Post-Agenturen, Lotto-Annahmestellen, Marken-Tankstellen, LufthansaAgenturen, Versicherungs-Agenturen etc. • Kommissionäre sind in eigenem Namen, aber auf fremde Rechnung dauerhaft oder fallweise für die vertretene Unternehmung tätig. Ihre Rechte und Pflichten sind ebenfalls im HGB kodifiziert (§§ 383 – 406). Kommissionäre unterhalten ein eigenes Lager und sind Anlaufstelle für Reklamationen. Beispiele im Vertrieb sind Tchibo-Bäckereien, Gebrauchtwagenvermarkter, Wertpapiergeschäfte der Banken etc. • Handelsmakler sind nur fallweise im Interesse beider Seiten, Besteller und Lieferant, in der Kontaktherstellung zwischen diesen tätig. Auch ihre Rechte und Pflichten sind im HGB kodifiziert (§§ 93 – 104). Die Durchsetzung des Provisionsanspruchs von Maklern (Courtage) ist allgemein gefährdet, so dass der Gesetzgeber hier Vorsorge getroffen hat (Tagebuch, Schlussnote, Beweislastumkehr etc.). • Handelsversteigerer sind fallweise im Rahmen von Versteigerungen tätig. Ihre Rechte und Pflichten ergeben sich aus dem HGB und ergänzenden IHK-Bestimmungen im Zuge der subsidiären Selbstverwaltung. Bei Handelsvertreter, Kommissionär, Handelsmakler und Handelsversteigerer handelt es sich um akquisitorische Absatzhelfer, d. h. solche, die für vertretene Unternehmen Aufträge beschaffen. Daneben gibt es leistungsergänzende Absatzhelfer, die im Absatzkanal begleitend tätig werden, z. B. im Rahmen der Finanzierung als Kreditinstitute, der Absicherung als Versicherungen, der Information als Auskunfteien, der Beratung als Werbeagenturen etc. sowie logistische Absatzhelfer. Für den Vertrieb ist häufig die Entscheidung über intern-direkte oder externdirekte Form zu treffen. Dabei wird im Regelfall ein Vergleich zwischen angestelltem Reisenden und selbstständigem Einfirmen-Handelsvertreter angestellt. Dieser Vergleich kann quantitativ in Bezug auf die Wirtschaftlichkeit angelegt sein, und zwar im Einzelnen rechnerisch oder grafisch, oder qualitativ in Bezug auf die Wirksamkeit. Abgesehen davon ist die Präferenz häufig branchenspezifisch gegeben und historisch so gewachsen.

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C. Die Güterwirtschaft der Unternehmung

10.3.3 Marktveranstaltungen

Eine weitere Form des Direktvertriebs erfolgt über Marktveranstaltungen. Dabei handelt es sich um das raum-zeitliche Zusammentreffen von Verkaufs- und Kaufinteressenten zum Zweck des Abschlusses (Abschlussmärkte). Dabei können im Einzelnen organisierte und freie Formen unterschieden werden. Freie Formen unterliegen keinen Regularien, obgleich es auch dort Marktbräuche gibt. Möglich sind: • Messen als fremdinitiierte Veranstaltungen einer Branche, Region, Fachrichtung, Kundengruppe etc., • Märkte als informelle Veranstaltungen etwa als Wochen-, Trödel-, Jahrmärkte etc., • Musterungen als Messen mit Prototypen, die erst anhand der vermuteten Nachfrage zur Produktion aufgelegt werden. Organisierte Formen unterliegen Regularien und können als Anbieter- oder nach Nachfragerkonkurrenz ausgelegt sein, um zu einer dynamischen Preisfindung zu gelangen (siehe Abb. C102): • Die organisierte Anbieterkonkurrenz hat viele Anbieter und einen Nachfrager (N : 1) und kann offen als Lizitation bei extremer Käufermarktsituation oder verdeckt als Ausschreibung (Submission) stattfinden. Offen bedeutet, dass alle Bieter den jeweiligen Stand der anderen Gebote kennen, verdeckt bedeutet, dass kein Bieter die Gebote der anderen Bieter kennt. Dadurch sollen Preisabsprachen (Ringbildung) erschwert werden. • Die organisierte Nachfragerkonkurrenz hat einen Anbieter und viele Nachfrager (1 : N) und kann ebenfalls offen als Versteigerung oder verdeckt als Einschreibung stattfinden. Ziel ist jeweils der Zuschlag für den Bieter mit dem besten Gebot, bei Anbieterkonkurrenz dem niedrigsten Preis, bei Nachfragerkonkurrenz dem höchsten Preis. Sonderformen sind das Windhundverfahren mit Zuteilung in der Reihenfolge der Abschlussmeldungen (First come – First served) und das Bookbuilding zur Annäherung einer Preis-Absatz-Funktion durch Meldung von Preisbereitschaft und Nachfragevolumen. Bei Vertrieb über das Internet (meist WWW) finden solche Marktveranstaltungen virtuell statt (Auctions), dort wiederum vor allem im B-t-B-Bereich für Betriebsstoffe, Hilfsstoffe, C-Produkte, digitale Produkte, Commodities, indirekte Produkte, Ersatzteile etc., also für weitgehend standardisierte Produkte oder solche mit überproportionalen Transaktionskosten. Virtuelle Marktplätze werden nach verschiedenen Kriterien eingeteilt: • nach der Richtung in horizontale innerhalb einer Produktgruppe für mehrere Branchen, vertikale innerhalb einer Branche für mehrere Produktgruppen, la-

10. Vertrieb

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Abbildung C102: Formen organisierter Marktveranstaltungen (eig. Abb.)

terale innerhalb mehrerer Produktgruppen für mehrere Branchen und fokussierte innerhalb einer Produktgruppe für eine Branche, • nach der Initiative in anbietergetriebene, nachfragergetriebene (als Regelfall), maklergetriebene (Brokerage) und mittlergetriebene Marktplätze (durch leistungsergänzende Absatzhelfer wie Verbände), • nach dem Zugang in freie, registrierte (freier Zugang nach Anmeldung), geschlossene (Zugang erst nach Zulassung) und passive Marktplätze (Zugang nur nach Einladung), • nach der Zeitdauer in einmalig, fallweise sich wiederholende, regelmäßig sich wiederholende oder dauerhaft stattfindende Marktplätze. Die Preisbildung auf Marktplätzen kann dabei stattfinden • englisch (aufsteigend), holländisch (absteigend von Höchstpreis), japanisch (mit festem Inkrement), amerikanisch (mit Einzahlung nur des Inkrements zum Vorgebot), nach Vickrey-Prinzip (Zuschlag für den Höchstbietenden zum Preis des Zweithöchstbietenden), Zuschlag für einmaliges Niedrigstpreisgebot etc. 10.3.4 e-Commerce-Absatz

Der Vertrieb über Internet wird als e-Commerce bezeichnet. Dabei liegen verschiedene Geschäftsmodelle zugrunde: • Content bedeutet den Verkauf von Inhalten als Information, Unterhaltung, Infotainment, Bildung etc., • Sales bedeutet den Verkauf von Banner, Co-Shopping-Angebot, Zahlungsabwicklung, Rewardingsystem, Push-Dienst etc.,

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C. Die Güterwirtschaft der Unternehmung

• Context bedeutet den Verkauf von Verzeichniseinträgen als Suchmaschine, Web-Katalog etc., • Connection bedeutet den Verkauf zur Nutzung technischer Infrastruktur wie Communities, Internet-Portale, Soziale Netzwerke etc. • Coordination bedeutet den Verkauf als Unterstützer durch elektronischen Marktplatz, Cloud-Dienst / Hosting, Technologie (EDI, ECR, CPFR etc.). Erlöse werden dabei auf durchaus verschiedene Weise erzielt: • direkt und transaktionsabhängig durch Erfolgsprovision, Gebühr je Transak­ tion, Anteil an Einsparung / an Geschäftsvolumen etc., • direkt und transaktionsunabhängig durch Einrichtegebühr, Abonnementgebühr, Mitgliedsbeitrag, Datenvolumengebühr, Pay per Click / Visitor / Use, Pay for Availability, Probenutzung etc., • indirekt und transaktionsabhängig durch Zeitprovision (Bereitstellung / f ix), Erfolgsprovision (nach Aktion / variabel) etc., • indirekt und transaktionsunabhängig durch Bannerwerbung, Tunneling (VPN), Bundling, Sponsoring etc. Als Abrechnungsbasis dienen Tracking-Instrumente wie Logfile-Analysen, Cookie-Auswertungen, Webbug-Zählungen etc. Allerdings ist dabei auf Betrugsansätze (z. B. Clickbaiting) zu achten. Zunehmend findet eine Transformation von e-Commerce zu m-Commerce, also dem telekommunikativen Absatz über mobile elektronische Endgeräte statt wie Smartphone, Tablet, Phablet, Notebook etc. Diese erlauben die Mobilität der Nutzer, ihre jederzeitige Erreichbarkeit, ihre standortgenaue Lokalisierung und deren Geräteidentifizierung. Im nächsten Schritt entstehen daraus Wearables, also Telekommunikations-Endgeräte, die sich fest am Körper befinden (z. B. in der Kleidung eingebaut). 10.4 Indirektabsatz Beim Indirektabsatz sind zwischen Hersteller und Endabnehmer selbstständige Absatzmittler zwischengeschaltet, die in eigenem Namen und auf eigene Rechnung agieren, also Eigentümer der gehandelten Ware werden und von Kalkulationsaufschlag bzw. Handelsspanne leben. Absatzmittler werden umgangssprachlich als Händler bezeichnet. Der Handel ist hierzulande die Urzelle der Betriebswirtschaftslehre und erst recht des Marketing. Im 19. Jahrhundert galt der Handel noch als unproduktiv, Wirtschaft war generell nebensächlich, zentral hingegen war die Technik. Zunehmend wurde aber auch die Wirtschaft als Treiber der gesellschaftlichen Entwicklung erkannt. Wirtschaft fand nach damaliger Ansicht aber dominant im Handel statt. Daher gründeten sich die ersten Han-

10. Vertrieb

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delshochschulen, die sich systematisch-analytisch mit einzelwirtschaftlichen Fragen beschäftigten. Mit Entstehen von Großbetriebsformen der Industrie wurde deutlich, dass auch dort wirtschaftliche Aufgaben zentral waren. Es entstanden Hochschulen für Betriebswissenschaften (Scientific Management) und daraus wiederum solche für Betriebswirtschaft (Business Administration). Der Handel kann institutional und funktional betrachtet werden: • Institutional bedeutet: Wer treibt Handel? Hier gibt es Großhändler im B-t-BGeschäft und Einzelhändler im B-t-C-Geschäft. • Funktional bedeutet: Was macht der Handel? Hier wurden, auch zum Nachweis der Produktivität, im Laufe der Zeit umfangreiche Handelsfunktionskataloge entwickelt. Diese lassen sich auf drei Funktionen konzentrieren: Raumund Zeitüberbrückung (Logistik), Kundenakquisition und Mengenausgleich. Verbreitet sind vertikale Kooperationen zwischen Hersteller- und Handelsstufe, gerade auch angesichts häufiger Nachfragemacht auf der Handelsstufe. 10.5 Kundenwertmanagement Für den Vertrieb ist vor allem interessant, wie die Wertigkeit von Kunden (Wiederverkäufer, Weiterverarbeiter, gewerbliche und private Endabnehmer) einzuschätzen ist. Denn die Ressourcen im Vertrieb sind begrenzt, somit ist es ökonomisch rational, diese auf diejenigen Kunden zu richten, die den größten Erfolg versprechen. Solange dieser Engpass nicht optimal genutzt wird, scheint eine Verbesserung der Unternehmensposition im Markt nicht möglich. Deshalb ist ein Kundenwertcontrolling erforderlich. Damit sollen die potenzialstärksten Abnehmer bevorzugt kontaktiert werden. Dazu ist zunächst zu identifizieren, wie die Auftragswerte der Kunden sich darstellen. Hierbei geht es um den Nettoverkaufspreis, also den Preis nach allen Erlösschmälerungen. Außerdem ist zu identifizieren, wer als Entscheider für einen Auftrag fungiert. Durch Kumulation der Auftragswerte über eine Entscheidungseinheit ergibt sich deren Kundenwert (Customer Equity). Dieser kann als Umsatz, als Gewinn oder als Deckungsbeitrag ausgewiesen werden. Der Umsatz als Steuergröße ist hoch problematisch, da er nichts über die Ertragshaltigkeit von Aufträgen aussagt. Gerade große Kunden sind durch ihre Nachfragemacht in der Lage, den Nettoverkaufspreis erheblich zu drücken und den Gewinn damit zu marginalisieren. Der Gewinn ist ebenso problematisch, ergibt er sich doch erst nach Berücksichtigung der Fixkosten, die größte Teile des Kostenblocks ausmachen, durch den Vertrieb aber kaum nennenswert zu beeinflussen sind. Der Deckungsbeitrag ist zwar eine angemessene Größe, wobei das Problem in der Kommunikation dessen Zusammensetzung gegenüber betriebswirtschaftlich ungeschulten Mitarbeitenden mit falscher Deutung liegt.

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C. Die Güterwirtschaft der Unternehmung

Ist der Kundenwert erst einmal bestimmt, kann eine Einteilung nach Klassen vorgenommen werden. Dafür bieten sich eindimensionale Verfahren an wie • Recency als Zeit seit der letzten Bestellung, Frequency als Häufigkeit der Bestellungen in einer Periode, Monetary als Auftragswert der Bestellungen je Periode, Ratio als Kennzahl (RFMR), • Frequency, Recency, Amount of Purchase, Type of Merchandise (gekaufte Warengruppe) (FRAT), • Frequency, Recency, Amount of Purchase, Category (FRAC), • Amount of Purchase, Frequency, Recency, Affinity (AFRA) etc. Diese Einteilungen sind jedoch recht willkürlich. So ist unklar, was genau gerade die genannten Zielgrößen qualifiziert, aussagefähig für den Kundenwert zu sein. Zweidimensionale Verfahren ergeben sich durch • ABC-Analyse als Einteilung der Kunden nach drei Klassen in ihrem Anteil an allen Kunden und ihrem Anteil am Gesamtumsatz der Unternehmung, dabei sind häufig B-Kunden die ertragstärksten, weil sie nicht groß genug sind, die Konditionen entscheidend zu drücken, aber groß genug, ihre entstehenden Prozesskosten zu kompensieren (siehe Abb. C103), • ABCD-Analyse als Einteilung der Kunden nach vier Klassen in ihrem Anteil an allen Kunden und ihrem Anteil am Gesamtgewinn der Unternehmung, dabei stellt sich heraus, dass die Trennung von bestimmten (D-)Kunden ertrag-

Abbildung C103: ABC-Kundenanalyse (eig. Abb.)

10. Vertrieb

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reicher sein kann als ihre Weiterführung im Bestand, wenn keine Gewinnverbesserung möglich scheint (siehe Abb. C104), • Portfolio-Analyse als Einteilung der Kunden nach einem marktbezogenen und einem unternehmensbezogenen Kriterium in verschiedene Felder. Denkbar sind hier etwa marktbezogen Kundenwachstum, Kundenbedeutung, Kunden­ attraktivität etc. sowie unternehmensbezogen Lieferanteil in der Category, Bindungspotenzial, relative Wettbewerbsposition etc. Das Problem dieser Betrachtung liegt darin, dass es sich allenfalls um eine Gegenwartssicht, genauer sogar um eine Vergangenheitssicht handelt, diese aber für Planungsaufgaben eingesetzt werden soll. Daher ist eine dynamische Sicht als Kundenlebenszeitwert (Customer Lifetime Value) sinnvoll, also Vergangenheit und Zukunft gleichermaßen abdeckend. Dabei wird der Ressourceneinsatz in Kunden als Investition (Einzahlung) aufgefasst, die Erträgnisse (Auszahlungen) erbringen soll, die höher liegen. Um auf der Zeitachse eine aussagefähige Zuordnung zu erreichen, sind Verfahren der dynamischen Investitionsrechnung anzuwenden, genauer die Kapitalwertmethode. Dabei werden Einzahlungen (Investitionen) in Kunden und Auszahlungen (Erlöse) von Kunden in der Vergangenheit

Abbildung C104: ABCD-Kundenanalyse (eig. Abb.)

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C. Die Güterwirtschaft der Unternehmung

und Zukunft gemeinsam auf den Gegenwartszeitpunkt diskontiert. Der Kunde mit dem höchsten Kapitalwert ist dabei der „beste“, also derjenige, der den höchsten Überschuss seiner Auszahlungen über seine Einzahlungen in dynamischer Sicht erbringt. Ein negativer Kapitalwert zeigt nicht unbedingt einen Verlust an, sondern möglicherweise nur, dass eine alternative Investition am Geldmarkt bessere Ergebnisse gezeitigt hätte als die in den Kunden. Zur Berechnung sind vorab zahlreiche Einflussgrößen festzulegen wie • beizulegender Zinssatz, hier reicht der Marktzins nicht aus, weil Kundeninvestition auch eine Risikoprämie erwirtschaften muss, • Prognosezeitraum, grundsätzlich ist ein langer Zeitraum wünschenswert, jedoch steigt mit der Gegenwartsferne auch die Prognoseunsicherheit, • Prognoseverfahren, hier kommen vor allem intuitive und rechnerische Verfahren in Betracht, • Preisentwicklung, hier ist von einer Geldentwertung auszugehen, tatsächlich ist aber eine Deflation verbreitet. Die Unwägbarkeiten dieser Einflussgrößen führen in toto zu einer großen Schwankungsbreite der Ergebnisse. Der Wert wird jedenfalls als Kundenprofitabilität (absolute Gewinnhaltigkeit) oder als Kundenrentabilität (Verzinsung des eingesetzten Kapitals) ausgewiesen. Daraus ergibt sich dann eine Kundeneinteilung wie oben, nunmehr aber auf Basis dynamischer, damit womöglich weitaus aussagefähigerer Daten. Einflussgrößen auf den dynamischen Kundenwert sind dabei im Einzelnen folgende: • Einzahlungen der Vergangenheit, aufgezinst auf die Gegenwart, für Kosten der Erstakquisition, der laufenden Betreuung, für die Kundenreaktivierung und bei einer Kundenrückgewinnung, • Auszahlungen der Vergangenheit, aufgezinst auf die Gegenwart, für Erlöse aus Erstauftrag, aus Folgeaufträgen und aus Kundenreaktivierung, • Einzahlungen der Zukunft, abgezinst auf die Gegenwart, für Kosten der laufenden Betreuung, einer womöglich nötigen Kundenreaktivierung und möglicher Kundenrückgewinnung, • Auszahlungen der Zukunft, abgezinst auf die Gegenwart, für Erlöse aus Folgeaufträgen und möglicher Kundenreaktivierung. Hinzu kommt ein Migrationsfaktor (< 1) für die unvermeidliche Abwanderung von Kunden durch Geschäftsaufgabe, Standortschließung, Programmumstellung etc.

10. Vertrieb

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Zur Steigerung des Kundenwerts ist an vier Ansatzpunkte für die Erhöhung der Auszahlungen zu denken: • primär durch eine Absatzmengensteigerung (More Selling) und / oder Preiserhöhung / Bundling, • sekundär durch Up Selling in der gleichen Kategorie oder Cross Selling in einer anderen Kategorie, • tertiär durch eine Referenzierung des Kunden bei Dritten oder dessen aktive Weiterempfehlung, • quartär durch Informationsvorsprung aus bestehender Geschäftsbeziehung oder Integrationsnutzen aus Kundengebundenheit. Für die Senkung der Einzahlungen in Kunden ergeben sich ebenfalls vier Ansatzpunkte: • Prozessrationalisierung mit weniger Aufwand (kürzere Besuchszeiten, geringere Besuchsfrequenz etc.), • Absatzwegeumstellung von direktem Absatz auf indirekten Absatz (Verlagerung an die Handelsstufe), • Kundenweitergabe gegen Provision / Abstand an Akteure mit günstigerer Kostenstruktur, • Kundengebundenheit durch technische, wirtschaftliche, vertragliche Fixierung. Dies ist nur insoweit möglich, als die Senkung der Einzahlungen nicht durch einen Abwachs an Auszahlungen überkompensiert wird. Ansonsten bleibt nur die Hoffnung auf eine Koevolution mit dem Kunden (Quersubventionierung), die allerdings dem Shareholder Value-Denken zuwiderläuft. Im erfolgreichen Fall ist das Ziel die Entstehung einer Kundenleiter vom Customer Recruitment (Kundenakquisition) über Customer Retention (Kundenbindung) zu Customer Reinforcement (Kundenausbau) und wenn unvermeidlich zur Customer Recovery (Kundenwiedergewinnung). Daraus ergibt sich ein eindeutiger Akzent auf der Nachkaufphase innerhalb des Vertriebs: • Die Vorkaufphase besteht aus dem (potenziellen) Status als Produktinteressent und Kaufinteressent. • Die Kaufphase besteht aus dem Status als Erstkäufer der Gattung bzw. Probierkäufer der Marke. • Die Nachkaufphase besteht aus dem Status als Wiederkäufer der Marke, Exklusivkäufer der Marke, Intensivkäufer, Aufstiegskäufer, Mehrfachkäufer und Weiterempfehler.

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C. Die Güterwirtschaft der Unternehmung

Als Ansatzpunkte in dieser Abfolge bieten sich folgende Aktivitäten an (siehe Abb. C105): • Interessentenauswahl durch zweckmäßige Marktsegmentierung und Positionierung, • Kundenakquisition durch Einsatz elaborierter Verkaufstechniken, • Beziehungsaufbau (Sozialisation) zur Verbesserung des Nettoverkaufspreises und des Kundenlieferanteils (Share in Customer), • Produktwerterhöhung durch anbieter-/markentreue „Produktkarriere“ (Up Selling), • Produktanzahlerhöhung durch Cross Selling und Steigerung des kundenseitigen Ausgabenanteils (Share of Wallet), • Referenzierung (passiv) bei Dritten und Weiterempfehlung (aktiv) für Dritte, • Informations- und Integrationsvorsprung als In Supplier, • Kundenreaktivierung vor der üblichen Wiederkauffrist, • Kundenausgrenzung bei unzureichendem Kundenwert, der auch nicht mehr aufholbar scheint, • Kündigungsprävention anhand geeigneter Frühwarnindikatoren (proaktiv), • Kundenrückgewinnung nach bereits beendeter Kundenbeziehung, weil dies weniger aufwändig ist als eine Neuakquisition.

Abbildung C105: Ansatzpunkte zum Kundenwertmanagement (eig. Abb.)

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Literaturhinweise Ackerschott, Harald: Strategische Vertriebssteuerung, 3. Auflage, Wiesbaden 2001 Ahlert, Dieter: Distributionspolitik, 3. Auflage, Stuttgart / Jena 2005 Ahlert, Dieter u.a. (Hrsg.): Multikanalstrategien, Wiesbaden 2003 Belz, Christian: Stark im Vertrieb, Stuttgart 2013 Czech-Winkelmann, Susanne: Vertrieb, Berlin 2003 Dannenberg, Holger: Vertriebsmarketing, 4. Auflage, Neuwied 2001 Dannenberg, Holger / Zupancic, Dirk: Spitzenleistungen im Vertrieb, Wiesbaden 2007 Diller, Hermann / Haas, Alexander / Ivens, Björn: Verkauf und Kundenmanagement, Stuttgart 2005 Eckert, Heiko von: Praxishandbuch Vertrieb, Berlin 2005 Hofbauer, Günter/Hellwig, Claudia: Professionelles Vertriebsmanagement, 3. Auflage, Erlangen 2012 Homburg, Christian//Schäfer, Heiko/Schneider, Janna: Sales Excellence, 7. Auflage, Wiesbaden 2012 Homburg, Christian/Wieseke, Jan (Hrsg.): Handbuch Vertriebsmanagement, Wiesbaden 2011 Kollmann, Tobias: Online-Marketing, 2. Auflage, Stuttgart 2013 Küng, Pius u.a.: Key Account Management, 4. Auflage, Zürich 2011 Lammenett, Erwin: Praxiswissen Online-Marketing, 3. Auflage, Wiesbaden 2012 Lasko, Wolf: Professionelle Neukundengewinnung, 4. Auflage, Wiesbaden 2012 Maas, Martin: Praxiswissen Vertrieb, 4. Auflage, Wiesbaden 2011 Preißner, Andreas: Vertrieb, 2. Auflage, München 2013 Schögl, Marcus: Distributionsmanagement, München 2012 Specht, Günter/Fritz, Wolfgang: Distributionsmanagement, 4. Auflage, Stuttgart u.a. 2005 Steiner, Julia: Vertrieb, Konstanz 2013 Weis, Hans Christian: Verkaufsmanagement, 7. Auflage, Ludwigshafen 2010 Winkelmann, Peter: Marketing und Vertrieb, 8. Auflage, München / Wien 2012 –– Vertriebskonzeption und Vertriebssteuerung, 5. Auflage, München 2012 Wirtz, Bernd: Electronic Business, 4. Auflage, Wiesbaden 2013 –– Direktmarketing-Management, 3. Auflage, Wiesbaden 2011 –– Multi-Channel-Marketing, Wiesbaden 2007

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C. Die Güterwirtschaft der Unternehmung

Übungsaufgaben 1. Welche Flüsse werden gemeinhin innerhalb des Absatzkanals unterschieden? 2. Was versteht man unter Push, was unter Pull und was unter Push&Pull? 3. Was versteht man unter Direktvertrieb? 4. Was versteht man unter Indirektabsatz? 5. Was versteht man unter Breitendimension des Absatzkanals und welche Ausprägungen können dabei unterschieden werden? 6. Was versteht man unter numerischer Distribution und was unter gewichteter Distribution? 7. Wie unterscheiden sich paralleler und gesplitteter Vertrieb? 8. Welche Optionen der eigengestalteten Absatzform bestehen? 9. Was versteht man unter Franchising? 10. Was versteht man unter Regulated Distribution und was unter Controlled Distribution? 11. Welche Ausgestaltungen stehen im Rahmen des Vertriebssystems zur Verfügung? 12. Was versteht man unter Cross Channel Distribution und wie erfolgt diese? 13. Was versteht man im Vertrieb unter Regalplatzknappheit und wodurch ist diese verursacht? 14. Welche Möglichkeiten bestehen für Hersteller, Absatzkanalrestriktionen zu überwinden? 15. Was versteht man unter Verkaufsförderung?

D. Die Geldwirtschaft der Unternehmung 11. Buchführung In diesem Kapitel werden folgende Inhalte behandelt und geklärt: • die Grundsätze und Systematik der Buchführung, • der Kontenplan, • die Inventur und das Inventar, • die Sondertatbestände der Buchung, • der Jahresabschluss, • die Unternehmensbesteuerung, • die Zahlungsverfahren im In- und Ausland. 11.1 Grundsätze 11.1.1 Grundsätze des betrieblichen Rechnungswesens

Das betriebliche Rechnungswesen unterteilt sich je nach Adressaten in internes und externes Rechnungswesen. Das externe Rechnungswesen hat die Funktionen der • Dokumentation als Beleg gegenüber Dritten, • Information zur Planung und Kontrolle der wirtschaftlichen Lage, • Zahlungsbemessung. Dabei liegen sowohl eine Stichtags- wie auch eine Zeitraumrechnung zugrunde. Im Ergebnis handelt es sich bei ersterer um die (Handels- und Steuer-)Bilanz für Vermögen (Aktiva) und Kapital (Passiva) sowie bei letzterer um die Gewinn- und Verlustrechnung, die das Ergebnis am Geschäftsjahresende in Aufwand und Ertrag ausweist. Grundlage für diese Daten ist die Finanzbuchführung, die lückenlos chronologisch im Grundbuch und sachlich im Hauptbuch geordnet alle Geschäftsvorfälle übersichtlich nach Konten erfasst und in Zahlenwerte verdichtet. Buchführungsvorschriften für alle Kaufleute, die sich aus dem HGB ergeben, sind folgende: • Allgemeine Buchführungspflicht nach den Grundsätzen ordnungsmäßiger Buchführung (GoB) und weitere Anforderungen an die Buchführung (§§  238  f.),

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D. Die Geldwirtschaft der Unternehmung

• Vorschriften zum Inventar und zur Inventur (§§ 240 f.), • größenmäßige Befreiung von der Buchführungs- und Inventarpflicht (§ 241a), • allgemeine Vorschriften zum Jahresabschluss (Aufstellungspflicht, Aufstellungsgrundsätze, Sprache, Währung, Unterzeichnung) (§§ 242 – 245), • Vollständigkeitsgebot, Saldierungsverbot (-gebot) in Bilanz, Gewinn- und Verlustrechnung, allgemeine Angaben zum Bilanzinhalt bzw. zu Einzelpositionen (§§ 246 f.), • Bilanzierungsverbote und -wahlrechte (§ 248), • Rückstellungen, Rechnungsabgrenzungsposten, Haftungsverhältnisse (§§ 249 – 251), • allgemeine Bewertungsgrundsätze (§ 252), • Bewertungsvorschriften, Wertkategorien, Bewertungsvereinfachungsverfahren, Währungsumrechnung (§§ 253 – 256a), • Regeln zur Aufbewahrung und Vorlage von Unterlagen (Handelsbücher), §§  257 – 261), • Vorbehalt landesrechtlicher Vorschriften für die Rechnungslegung von öffentlichen Betrieben ohne eigene Rechtspersönlichkeit (§ 263). Als weitere Vorschriften für haftungsbeschränkte Personengesellschaften und Kapitalgesellschaften nach HGB kommen folgende hinzu: • Pflicht zur Aufstellung eines erweiterten Jahresabschlusses sowie Anforderungen an die Rechnungslegung (§§ 264, 264a), • Befreiung von der Jahresabschlusspflicht (§ 264b), • besondere Bestimmungen für haftungsbeschränkte Personengesellschaften und Konkretisierung der Kapitalmarktorientierung von Kapitalgesellschaften (§§  264c – 264d), • Grundsätze der Bilanz-, Gewinn- und Verlustrechnungs-Gliederung (§ 265), • Bilanzgliederungsschema, Ausweisvorschriften/-wahlrechte, Gliederungserleichterungen für kleine und mittelgroße Kapitalgesellschaften, Größenklassendefinition (§§ 266 f.), • Definition der Kleinstkapitalgesellschaften (§ 267a), • Vorschriften zu einzelnen Bilanzpositionen und weitere Angaben zur Entwicklung des Anlagevermögens und Eigenkapitals, Beteiligungen, Latente Steuern, größenmäßige Erleichterungen etc. (§§ 268 – 274a) • Gewinn- und Verlustrechnungs-Gliederungsschema (GKV / U VK) und größenmäßige Erleichterungen (§§ 275 f.),

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• Vorschriften zu einzelnen GuV-Positionen und zur Steuerberechnung (§§ 277 f.), • Berichtspflichten. Es besteht also eine gesetzliche Buchführungspflicht, deren Adressanten vor allem der Staat zur Steuerbemessung und die Anteilseigner zu deren Schutz sind. Die Buchführung dient aber auch der Selbstinformation der Unternehmung und dem Ausweis von Gewinn bzw. Verlust. Die gesetzliche Grundlage bilden dabei das Handelsrecht und das Steuerrecht. Jeder Kaufmann ist verpflichtet, Bücher zu führen und in diesen die Handelsgeschäfte und die Lage seiner Unternehmung nach den Grundsätzen ordnungsgemäßer Buchführung darzustellen (§ 238,1 HGB). Diese Pflicht gilt nur bei in kaufmännischer Weise eingerichtetem Geschäftsbetrieb, der durch die Merkmale Selbstständigkeit, Nachhaltigkeit, Gewinnerzielungsabsicht und Beteiligung am wirtschaftlichen Verkehr charakterisiert ist (nicht dazu gehören land- und forstwirtschaftliche sowie freiberufliche Betriebe und Kleingewerbetreibende). Steuerrechtlich werden auch Land- und Forstwirtschaftsbetriebe erfasst, sofern sie betriebliche Bagatellgrenzen überschreiten (Umsatz, Wirtschaftswert, Gewinn). 11.1.2 Grundsätze ordnungsgemäßer Buchführung

Basis der Buchführung sind die Grundsätze ordnungsgemäßer Buchführung (GoB). Dies ist ein System anerkannter Regeln, die festlegen wie Bücher geführt, das Inventar ermittelt und der Jahresabschluss erstellt wird. Zu den GoB gehören die Führung von Handelsbüchern, Inventurvereinfachungsmaßnahmen, die Aufstellung des Jahresabschlusses, Bewertungsvereinfachungsverfahren u. Ä. lt. HGB. Die Auslegung der GoB orientiert sich an Kaufmannsbrauch und Gewohnheitsrecht. Die GoB beziehen sich sowohl auf die Dokumentation und die Inventur als auch die ordnungsgemäße Bilanzierung (GoBi), die sich wiederum auf Rechenschaftslegung und Zahlungsbemessung bezieht. Die GoB gliedern sich in folgende Bereiche (siehe Abb. D1):

Abbildung D1: Grundsätze ordnungsgemäßer Buchführung (eig. Abb.)

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D. Die Geldwirtschaft der Unternehmung

• Grundsätze ordnungsmäßiger Dokumentation umfassen mehrere Anforderungen. Die Vollständigkeit bedingt die lückenlose Erfassung aller Geschäftsvorfälle. Die Richtigkeit und Wahrhaftigkeit bedingt, dass diese zeitgerecht, sachlich geordnet und zutreffend erfasst werden, also mit Kontierung, Belegnummer, Datum etc. Dazu gehört auch das Belegprinzip, ferner muss die Buchführung klar und übersichtlich gegliedert sein und Dritten ohne große Mühe Auskunft über die Liquidität, das Vermögen, die Schulden und den Erfolg der Unternehmung geben. Die Aufzeichnungen müssen zudem wahr sein. Die Dokumentationsgrundsätze beziehen sich auf die materielle und die formelle Ordnungsmäßigkeit der Buchführung. Zur materiellen Ordnungsmäßigkeit gehören –– ein systematischer Aufbau der Buchführung (z.B. Kontenrahmen, Kontenplan), –– die Richtigkeit und Vollständigkeit der Aufzeichnung der Geschäftsvorfälle nach Art und Höhe, fiktive Buchungen sind verboten, –– die zeitnahe und geordnete Eintragung ohne schuldhafte Verzögerung, –– das Belegprinzip, das besagt, dass keine Buchung ohne Beleg erfolgen darf und kein Beleg ohne Buchung bleiben darf. Die formelle Ordnungsmäßigkeit umfasst –– die Verständlichkeit der Buchführung, die Dritten eine Nachvollziehbarkeit ermöglichen muss (Inhalt, Form), –– die Unveränderlichkeit der Aufzeichnungen, Änderungen sind nur durch Stornierung bei gleichzeitiger Neubuchung zulässig, –– die Beachtung der Aufbewahrungsfristen für Bücher, Inventare, Eröffnungsbilanzen, Jahresabschlüsse, Einzelabschlüsse jeweils zehn Jahre lang, für Belege, Briefe und sonstige Unterlagen sechs Jahre. • Grundsätze ordnungsgemäßer Inventur dienen der einzelnen, vollständigen, fehlerfreien und nicht willkürlichen sowie nachprüfbaren Erfassung von Vermögensgegenständen. Dabei wird grundsätzlich von deren Einzelerfassung und -bewertung ausgegangen. • Grundsätze der ordnungsmäßigen Bilanzierung (GoBi) beziehen sich auf den Jahresabschluss. Dabei sind mehrere Anforderungen zu erfüllen. Es dürfen nur bilanzierungsfähige Posten aufgenommen werden. Dabei herrscht das Vorsichtsprinzip (Realisations- und Imparitätsprinzip). Der Jahresabschluss muss die betrieblichen Vorgänge korrekt wiedergeben. Dabei wird von einer Fortführung der Unternehmung ausgegangen. Die Inhalte sind klar und übersichtlich zu ordnen. Und aufeinander folgende Geschäftsjahre sind unter Anwendung der gleichen Erfassungs- und Bewertungsmethoden zu führen, um eine Vergleichbarkeit herzustellen.

11. Buchführung

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Die GoBi beziehen sich auf die Informationsvermittlung, das System, die Periodenabgrenzung und die Erfolgsermittlung. Die GoB umfassen im Einzelnen folgende Anforderungen: • Richtigkeit (§ 239,2 HGB): Die Eintragungen in Büchern und die sonstigen erforderlichen Aufzeichnungen müssen vollständig, richtig, zeitgerecht und geordnet vorgenommen werden. • Vergleichbarkeit (§246,3, § 252,1 – 6 HGB): Die auf den vorhergehenden Jahresabschluss angewandten Ansatzmethoden sind beizubehalten, ebenso wie die auf den vorhergehenden Jahresabschluss angewandten Bewertungsmethoden. • Klarheit und Übersichtlichkeit (§ 243,2 HGB): Der Jahresabschluss muss klar und übersichtlich gegliedert sein. Dies bezieht sich insb. auf den Aufbau, der den gesetzlichen Gliederungsvorschriften entsprechen muss. Ebenso sind Saldierungen von Positionen zu unterlassen. Die Darstellungsform soll beibehalten werden (Bezeichnungen, Gliederung, Posten) und der Bilanzansatz (z.B. Wahlrechte, Ermessensspielräume) und die Bewertung (Wertobergrenzen) verstetigt sein. • Vollständigkeit (§ 239,2 HGB, § 246,1 HGB): Der Jahresabschluss hat nach dem Stichtagsprinzip sämtliche Vermögensgegenstände, Schulden, Rechnungsabgrenzungsposten sowie Aufwendungen und Erträge zu enthalten, soweit gesetzlich nichts anderes bestimmt ist. • Bilanzstichtag (§ 252, 1 – 3+4 HGB): Die Vermögensgegenstände und Schulden sind zum Abschlussstichtag einzeln zu bewerten. • Periodisierung (§ 252, 1 – 3+4 HGB): Aufwendungen und Erträge des Geschäftsjahres sind unabhängig von den Zeitpunkten der entsprechenden Zahlungen im Jahresabschluss zu berücksichtigen. • Wirtschaftlichkeit und Wesentlichkeit: analog zu §§ 240,3 und 256 HGB, dabei bemisst sich das, was wesentlich ist, am Betrachter, schwankt also von Fall zu Fall. • Kontinuität der Bilanz (§ 252,1+2 HGB): Bei der Bewertung ist von der Fortführung der Unternehmenstätigkeit auszugehen, sofern dem nicht tatsächliche oder rechtliche Gegebenheiten entgegenstehen (Ausnahmen finden sich in §§ 240,3+4, 254, 256 HGB), d.h. die Schlussbilanz der Vorperiode entspricht der Anfangsbilanz der Folgeperiode, • Pagatorik (§ 252,1 – 5 HGB): Aufwendungen und Erträge des Geschäftsjahres sind unabhängig von den Zeitpunkten der entsprechenden Zahlungen im Jahresabschluss zu berücksichtigen. • Einzelbewertung (§ 252,1 – 3 HGB): Die Vermögensgegenstände und Schulden sind zum Abschlussstichtag grundsätzlich einzeln zu bewerten.

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D. Die Geldwirtschaft der Unternehmung

• Abstrakte Aktivierungsfähigkeit: Aktivierungsfähig sind alle wirtschaftlichen Vorteile, die eine selbstständige Verkehrsfähigkeit aufweisen und damit selbstständig bewertbar sind. • Abstrakte Passivierungsfähigkeit: Passierungspflichtig sind alle wirtschaftlichen Vermögensbelastungen, die Außenverpflichtungen darstellen und quantifizierbar sind. • Realisationsprinzip (§ 252,1 – 4 HGB): Gewinne sind nur zu berücksichtigen, wenn sie am Abschlussstichtag realisiert sind. • Abgrenzungsprinzip (§ 252,1 – 5 HGB): Aufwendungen und Erträge des Geschäftsjahrs sind unabhängig von den Zeitpunkten der entsprechenden Zahlungen im Jahresabschluss zu berücksichtigen. • Vorsichtsprinzip (§ 252,1 – 4 HGB): Es ist vorsichtig zu bewerten. • Imparitätsprinzip (§ 252,1 – 4 HGB): Namentlich sind alle vorhersehbaren Risiken und Verluste, die bis zum Abschlussstichtag entstanden sind, zu berücksichtigten, selbst wenn sie erst zwischen dem Abschlussstichtag und dem Tag der Aufstellung des Jahresabschlusses bekannt geworden sind. 11.2 Buchungssystematik Die Buchführung ist als Doppik (Doppelte Buchführung in Konten) ausgeführt. Das heißt, jeder Geschäftsvorfall wird doppelt erfasst und berührt zwei Konten (Gegenbuchung). Dadurch wird eine automatische Fehlerkontrolle erreicht. Jeder Geschäftsvorfall wird im Grundbuch chronologisch und im Hauptbuch (Journal) sachlich erfasst. Bei den Konten handelt es sich um Bestandskonten in der Bilanz oder Erfolgskonten in der Gewinn- und Verlustrechnung (GuV). Bei den Bestandsgrößen handelt es sich um Vermögen und Kapital, diese werden immer zu einem bestimmten Zeitpunkt (meist Geschäftsjahresende) ermittelt. Bei den Erfolgsgrößen handelt es sich um Zahlungs- und Leistungsvorgänge innerhalb einer Periode (meist des Geschäftsjahres). Als Basis dient im Einzelnen die Erfassung und Verrechnung in der Finanzbuchhaltung durch • Einzahlungen, dies sind Zuflüsse von Zahlungsmitteln in Form von Bar- oder Buchgeld, z.B. ein Kunde bezahlt die ihm gelieferte Ware bei der Unternehmung in bar, • Auszahlungen, dies sind Abflüsse von Zahlungsmitteln in Form von Bar- oder Buchgeld, z.B. die Unternehmung bezahlt die ihr gelieferte Ware beim Lieferanten in bar. Der Saldo aus Ein- und Auszahlungen ergibt die Veränderung des Zahlungsmittelbestands.

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Einzahlungen und Auszahlungen betreffen den Zahlungsmittelbestand: • Einnahmen sind Zunahmen des Geldvermögens in Form von Zahlungsmitteln, Forderungszugang oder Schuldenabbau, z.B. die Unternehmung verkauft Ware an einen Kunden auf Ziel, • Ausgaben sind Abnahmen des Geldvermögens in Form von Zahlungsmitteln, Forderungsabgang oder Schuldenaufbau, z.B. die Unternehmung kauft Ware von einem Lieferanten auf Ziel. Der Saldo aus Einnahmen und Ausgaben ergibt die Veränderung des Geldvermögens. Einnahmen und Ausgaben betreffen das Geldvermögen: • Erträge sind das Ergebnis aus erstellten oder verkauften Leistungen der Unternehmung, • Aufwendungen sind das Ergebnis aus verbrauchten oder gekauften Leistungen Dritter. Der Saldo aus Erträgen und Aufwendungen ergibt die Veränderung des Netto-/ Reinvermögens. Erträge und Aufwendungen betreffen das Reinvermögen: • Leistungen resultieren aus Erhöhungen des betriebsnotwendigen Vermögens, • Kosten resultieren aus dem bewerteten Verzehr an betriebsnotwendigem Vermögen. Der Saldo aus Leistungen und Kosten ergibt die Veränderung des betriebsnotwendigen Vermögens. Leistungen und Kosten betreffen somit das Vermögen der Unternehmung nach Abzug des neutralen Vermögens. Die Abgrenzung von Zahlungsmittelbestand und Geldvermögen ergibt sich wie folgt (siehe Abb. D2): • Es gibt Einzahlungen, die keine Einnahme darstellen, z.B. Kunde zahlt Rechnung aus der letzten Periode. • Es gibt Einnahmen, die keine Einzahlung darstellen, z.B. Verkauf eines Produkts auf Ziel. • Es gibt Auszahlungen, die keine Ausgabe darstellen, z.B. Bezahlung von auf Kredit gekauften Rohstoffen. • Es gibt Ausgaben, die keine Auszahlung darstellen, z.B. Kauf von Rohstoffen auf Kredit.

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D. Die Geldwirtschaft der Unternehmung

Abbildung D2: Abgrenzung der Erfolgsgrößen

• Es gibt Auszahlungen, die zugleich Ausgaben darstellen, z.B. Barkauf von Arbeitsmitteln. • Es gibt Einzahlungen, die zugleich Einnahmen darstellen, z.B. Barverkauf eines Produkts. Bei Abgrenzung von betriebsnotwendigem und nicht-betriebsnotwendigem Vermögen ergibt sich Folgendes: • Es gibt Einnahmen, die keinen Ertrag darstellen, z.B. Verkauf von Betriebsund Geschäftsausstattung. • Es gibt Erträge, die keine Einnahme darstellen, z.B. Lageraufbau an fertigen / unfertigen Erzeugnissen. • Es gibt Ausgaben, die keinen Aufwand darstellen, z.B. Anschaffung von Betriebs- und Geschäftsausstattung. • Es gibt Aufwendungen, die keine Ausgabe darstellen, z.B. Lagerabbau an fertigen / unfertigen Erzeugnissen.

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• Es gibt Ausgaben, die zugleich Aufwand darstellen, z.B. Kauf von Rohstoffen, die sofort verbraucht werden. • Es gibt Einnahmen, die zugleich Ertrag darstellen, z.B. hergestellte Maschine wird verkauft. Die Abgrenzung von Reinvermögen und betriebsnotwendigem Vermögen erfolgt wie folgt: • Grundkosten sind Kosten, denen Aufwendungen in gleicher Höhe gegenüberstehen, z.B. Buchung von Mitarbeitergehältern. • Kalkulatorische Kosten sind Anderskosten, sie repräsentieren einen Werteverzehr, der nach Höhe oder Zeitanfall abweichend anfällt, und Zusatzkosten, sie repräsentieren Opportunitätskosten als anderweitiger Gewinnentgang. Damit handelt es sich um Kosten, die zugleich Aufwand darstellen, z.B. Buchung des kalkulatorischen Unternehmerlohns. Die Aufwendungen können unterteilt werden in: • Zweckaufwand als Aufwendungen, denen Kosten in gleicher Höhe gegenüberstehen, dies entspricht den Grundkosten. • Neutraler Aufwand als betriebsfremde, außerordentliche und periodenfremde Aufwendungen. Betriebsfremde Aufwendungen stehen nicht in Zusammenhang mit der Betriebsleistung (z.B. Spende, Spekulationsverlust), außerordentliche Aufwendungen stehen zwar mit dem Betriebszweck in Verbindung, fallen jedoch nicht regelmäßig an (z.B. Begleichung eines Unwetterschadens, Bußgeld), periodenfremde Aufwendungen fallen ebenso für den Betriebszweck an, jedoch in vor- oder nachgelagerten Perioden (z.B. Gewerbesteuernachzahlung, Rückstellungen für Altlasten). Bei der Abgrenzung von Ertrag und Leistung kann die Leistung unterschieden werden in: • Grundleistungen als Leistungen, denen Erträge in gleicher Höhe gegenüberstehen, z.B. aktivierte Eigenleistungen, • Kalkulatorische Leistungen als Andersleistungen oder Zusatzleistungen, d.h. Leistungen, die keinen Ertrag darstellen, z.B. Bestandsbewertung über Marktpreis. Die Erträge können unterteilt werden in: • Zweckertrag als Erträge, denen Leistungen in gleicher Höhe gegenüber stehen, dies entspricht den Grundleistungen. • Neutraler Ertrag als betriebsfremder Ertrag, der nicht in Zusammenhang mit der betrieblichen Leistungserstellung steht (z.B. Mieteinnahme aus nicht betriebsnotwendigem Gebäude, Spekulationsgewinn), als außerordentlicher Ertrag, der zwar in Verbindung zum Betriebszweck steht, aber nicht regelmäßig

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anfällt (z.B. Entschädigung bei Enteignung) oder als periodenfremder Ertrag, der ebenso für den Betriebszweck anfällt, aber vor- oder nachgelagerte Perioden betrifft (z.B. Steuerrückerstattung). 11.3 Kontenplan Der Kontenplan ist die übersichtliche Strukturierung aller Konten einer Unternehmung. Er wird aus dem Kontenrahmen abgeleitet, der als allgemeines ­Orientierungsinstrument einer Branche gilt (z.B. Gemeinschaftskontenrahmen der In­dustrie / GKR, Industriekontenrahmen / IKR, Einzelhandels-Kontenrahmen /  EKR). Der Kontenplan kann in diesem Rahmen den individuellen Bedarfen angepasst werden. Der Kontenrahmen unterscheidet in Kontenklassen, Kontengruppen, Kontenarten etc. Dabei wird häufig in Finanz- bzw. Geschäftsbuchhaltung (Rechnungskreis I) und Kosten- und Leistungsrechnung (Rechnungskreis II / internes Rechnungswesen) unterschieden. Die Einteilung richtet sich dabei nach der Gliederung des Jahresabschlusses oder nach der Buchungstechnik (prozess­ orientiert) (siehe Abb. D3). Die Buchungen basieren auf Belegen, diese können externe Belege sein (z.B. Rechnungen) oder interne Belege (Eigenbelege) sowie für einen Geschäftsvorfall oder eine Reihe gleichartiger Geschäftsvorfälle gelten. Wichtige Bestandteile sind die Belegart, die Kostenstellen- und Kostenträgernummer, die Belegnummer, das Buchungsdatum, die Beträge und der Buchungstext (Buchungssatz). Die Belege werden auf sachliche und rechnerische Stimmigkeit geprüft und nach Buchungsbereichen (Buchungskreise) sortiert. Dann erfolgt

Quelle: acadepedia:de / media / Kontenrahmen.Gliederung.html

Abbildung D3: Kontenrahmen

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die Kontierung. Die Belege werden systematisch archiviert und bis zum Ende der Archivierungsfrist aufbewahrt. Dabei werden mehrere Bücher unterschieden. Das Grundbuch sortiert die Geschäftsvorfälle nach ihrer zeitlichen Reihenfolge (chronologisch), das Hauptbuch nach ihrer sachlichen Zuordnung. Außerdem werden Nebenbücher geführt wie das Kassenbuch, das Wechselbuch, das Kontokorrentbuch, das Lagerbuch etc. Bestandsveränderungen werden auf T-Konten verbucht (siehe Abb. D4). Dabei sind immer zwei Konten parallel betroffen. Ein Konto weist eine Soll- und eine Haben-Seite auf. Zum Geschäftsjahresbeginn werden die Bestände der Eröffnungsbilanz auf einzelne Konten übertragen. Die Bestände ergeben sich aus dem Schlussbilanzkonto des Vorjahres. Auf der Aktiva-Seite werden Zugänge im Soll (linke Seite des T-Kontos) und Abgänge im Haben (rechte Seite) gebucht, der Anfangsbestand steht im Soll, der Schlussbestand im Haben. Auf der Passiva-Seite werden Zugänge im Haben gebucht und Abgänge im Soll, der Anfangsbestand steht im Haben, der Schlussbestand im Soll. Die Buchung selbst erfolgt durch Buchungssätze. Dabei wird zuerst die Sollseite angesprochen und dann die Habenseite (Soll an Haben), z.B. aktives Bestandskonto an Eröffnungsbilanzkonto bzw. Eröffnungsbilanzkonto an passives Bestandskonto. Bei einfachen Buchungssätzen werden nur zwei Konten angesprochen, bei zusammengesetzten Buchungssätzen werden mehr als zwei Konten in Soll und Haben angesprochen. Zum Geschäftsjahresende werden alle Konten auf dem Schlussbilanzkonto abgeschlossen (Schlussbilanzkonto an aktives Bestandskonto bzw. passives Bestandskonto an Schlussbilanzkonto). Der Schlussbestand (Saldo) ergibt sich nach Skontrahierung aus Anfangsbestand plus Zugänge minus Abgänge. Bei Abweichungen sind die buchmäßigen Endbestände zwingend an den Inventurwert anzupassen. Veränderungen des Eigenkapitalkontos ergeben sich durch Privatentnahmen sowie Aufwendungen und Erträge (neutrales Ergebnis). Ertrag ist dabei der Wertzuwachs in einer Periode (rechte Kontoseite), Aufwand der Wertverzehr in einer Periode (linke Kontoseite). Erträge entstehen aus Umsatzerlösen, Zin-

Abbildung D4: Prinzip T-Konten (eig. Abb.)

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D. Die Geldwirtschaft der Unternehmung

sen, Provisionen, Mieten, Beteiligungen etc., Aufwendungen entstehen aus Roh-, Hilfs- und Betriebsstoffen, Zinsen, Mieten, Abschreibungen etc. Aufwendungen und Erträge laufen über das Gewinn- und Verlustkonto (GuV) als Unterkonto des Eigenkapitalkontos (entspricht nicht dem Privatkonto, das private Einlagen und Entnahmen erfasst). Überwiegen die Erträge, entsteht ein Gewinn (Saldo auf der Soll-Seite), überwiegen die Aufwendungen, entsteht ein Verlust (Haben-Seite). Der Saldo wird auf das Eigenkapitalkonto übertragen und erhöht dessen Bestand oder vermindert ihn. Der Anfangsbestand des Eigenkapitals wird auf dem Eigenkapitalkonto verbucht, so dass die GuV keine Anfangsbestände hat, auch der Schlussbestand wird auf das Eigenkapitalkonto übertragen. Das GuV-Konto wird in der Regel als Staffelkonto geführt. Beim Gesamtkostenverfahren werden sämtliche Erträge einer Periode incl. der Lagerzugänge, mit sämtlichen Aufwendungen dieser Periode incl. Lagerabgängen kontrastiert. Das Umsatzkostenverfahren erfasst nur die Aufwendungen der tatsächlich abgesetzten Leistungen (Umsatzerlöse). Der Jahresüberschuss/-fehlbetrag stellt den Gewinn / Verlust eines Geschäftsjahres nach Steuern dar, der Bilanzgewinn/-verlust ist der Betrag, der nach Gewinn-/ Verlustvortrag und Rücklagenentnahmen/-zuführungen zur Verfügung steht. 11.4 Inventur und Inventar Durch die Inventur werden alle Vermögensgegenstände und Schulden zu ­einem bestimmten Stichtag nach Art, Menge und Wert erfasst. Eine Inventur ist bei Unternehmensgründung, zu jedem Geschäftsjahresende und bei Veräußerung sowie Auflösung der Unternehmung erforderlich. Dabei sind verschiedene Formen möglich (siehe Abb. D5): • Die körperliche Inventur erfolgt als Aufzeichnung und Bewertung durch Messen, Zählen und Wiegen. Sie kann durch vollständige Bestandsaufnahme oder stichprobenartige Aufnahme erfolgen. • Die Buchinventur erfasst immaterielle Vermögensgegenstände, Verbindlichkeiten und Forderungen. Teilweise erfolgt dies durch Dokumentenaufnahme wie Lagerscheine, Rechnungen, Verträge, Frachtbriefe etc., sofern Posten nicht körperlich erfasst werden können. • Eine Stichtagsinventur erfolgt zum Bilanzstichtag (meist zum Geschäftsjahresende) oder in einem Zeitraum von zehn Tagen davor oder danach. Sie stellt Vermögen und Schulden am Abschlusstichtag bzw. in dessen unmittelbarer Nähe fest. • Eine zeitverschobene Inventur erfolgt bis zu drei Monaten vor oder zwei Monaten nach dem Abschlussstichtag, die Bestände werden durch Fortschreibung / Rückrechnung (Skontrahierung) auf den Stichtag bezogen.

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Abbildung D5: Formen der Inventur (eig. Abb.)

• Eine permanente Inventur erfolgt bei Vorräten durch lückenlose Erfassung von Zu- und Abgängen aus dem Warenwirtschaftssystem und einmalige Bestandsaufnahme zu einem beliebigen Termin im Abschlussjahr. Diese wird dann zum Bilanzstichtag fortgeschrieben. Dies stellt eine große organisatorische Erleichterung dar. • Eine Stichprobeninventur erfolgt durch anerkannte mathematisch-statistische Methoden, mit denen aus Teilbeständen auf den Gesamtbestand hochgerechnet wird. In der Inventur erfolgt der Vergleich der rechnerischen Bestände (Soll) mit den tatsächlichen Beständen (Ist). Der Saldo dazwischen wird Inventurdifferenz genannt, er kommt infolge Diebstahl, Verderb, Buchungsfehler etc. zustande. Der Abschlussstichtag muss nicht mit dem Kalenderjahr identisch sein, sondern kann auf einen für die Inventur günstigeren Termin gelegt werden. Grundsätzlich erfolgt die Inventur als Einzelaufnahme für alle Gegenstände des Anlage- und Umlaufvermögens. Eine Gruppenaufnahme ist nur bei gleichwertigen bzw. annähernd gleichpreisigen, beweglichen Gegenständen möglich. Ein Festwertverfahren ist bei Gegenständen des Anlagevermögens sowie bei Roh-, Hilfs-, und Betriebsstoffen möglich, deren Bestand im Wesentlichen gleich bleibt und deren Wertansatz nachrangig ist. Danach ist nur alle drei Jahre eine Inventur zur Kon­ trolle vorzunehmen (siehe Abb. D6). Das Ergebnis der Inventur ist das Inventar. Es enthält alle Vermögensgegenstände (Rohvermögen) und alle Schulden (Fremdkapital). Das Inventar ist zehn Jahre aufzubewahren. Zum Anlagevermögen gehören alle Gegenstände, die für den Geschäftsbetrieb dauerhaft notwendig sind wie Grundstücke, Maschinen,

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D. Die Geldwirtschaft der Unternehmung

Quelle: rechnungswesen-info/jahresabschluss.html

Abbildung D6: Zusammenhang Inventur / Doppik

Fahrzeuge, Betriebs- und Geschäftsausstattung etc. Zum Umlaufvermögen gehören alle Gegenstände, die nur vorübergehend für den Geschäftsbetrieb notwendig sind wie Waren, Forderungen, Sichteinlagen, Bargeld etc. Die Vermögensteile werden nach ihrer Liquidierbarkeit aufgeführt, die Schulden absteigend nach ihrer Fälligkeit. Als Saldo daraus entsteht das Reinvermögen der Unternehmung, es bildet das Eigenkapital. Das Inventar ist Grundlage für die Erstellung der Bilanz als Zusammenfassung. Es ist in Staffelform untereinander dargestellt, die Bilanz in Kontenform nebeneinander. 11.5 Sondertatbestände der Buchung Innerhalb der Buchungsvorgänge ergeben sich einige Sondertatbestände, die kurz erläutert werden. Abschreibungen erfassen den Wertverlust abnutzbarer Vermögensgegenstände in der Buchhaltung (siehe Abb. D7). Für die planmäßige Abschreibung wird dabei von der betriebsgewöhnlichen Nutzungsdauer und den Anschaffungskosten (Einstandspreis plus Betriebsbereitschaftskosten wie Transport, Montage, Überführung, Zulassung, Maklercourtage, Notariatskosten etc.) oder Herstellungskosten (Einzelkosten plus variable Gemeinkosten) ausgegangen. Dabei ist handelsrechtlich und steuerrechtlich verschieden vorzugehen. Außerplanmäßige Abschreibungen entstehen bei unvorhergesehenem Wertverlust, um dem niedrigeren beizulegenden Wert zu entsprechen (tatsächlicher Wert > bilanzierter Buchwert). Gründe für Abschreibungen sind technischer, wirtschaftlicher oder situativer Art. Abschreibungen vermindern als Aufwand den Gewinn

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Quelle: iwk-verlag.de/Demo/BwLex/Images/A_Images/abschreib.kalk2.html

Abbildung D7: Prinzip der Abschreibung

und auch die Gewinnsteuern. Bei der direkten Abschreibung erfolgt die Wertminderung unmittelbar auf dem entsprechenden Anlagekonto. Dann sind die Ausgangswerte nicht mehr ersichtlich, es sei denn, es gibt einen Anlagespiegel. Bei der indirekten Abschreibung erfolgt die Wertminderung auf dem GuV-Konto als Aufwand (Wertberichtigung). Dies ist nur bei Personengesellschaften zulässig. Abschreibungen können linear in gleich hohen Beträgen, degressiv in sinkenden Beträgen (jedoch steuerlich nicht erlaubt) oder progressiv in steigenden Beträgen (ebenfalls steuerlich nicht erlaubt) erfolgen. Arithmetisch-degressiv bedeutet, dass sich die Abschreibungsbeträge jedes Jahr um den selben absoluten Betrag verringern, geometrisch-degressiv bedeutet, dass sie sich jährlich um denselben Prozentsatz verringern. Denkbar ist auch eine leistungsabhängige Abschreibung, also nicht nach Zeitdauer, sondern nach Leistungsabgabe (steuerlich nur bedingt zulässig). Geringwertige Wirtschaftsgüter können im Jahr der Anschaffung / Herstellung komplett abgeschrieben werden (meist < 150 €). Außerdem können Sammelposten für Wirtschaftsgüter zwischen 150 € und 1.000 € vorgenommen werden. Auch Forderungen können abgeschrieben werden, wenn sie zweifelhaft (teilweise Abschreibung) oder uneinbringlich sind (volle Abschreibung). Die Forderungen können dabei einzeln, pauschaliert oder gemischt wertberichtigt werden. Eine periodengerechte Erfolgsabgrenzung dient dazu, Aufwendungen und Erträge korrekt einem Geschäftsjahr zuzuordnen. Dies ist dann nicht der Fall, wenn • der Zahlungsvorgang vor dem Bilanzstichtag liegt (transitorische Posten). Dann ist eine aktive Rechnungsabgrenzung bei Ausgaben / Aufwand erforder-

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D. Die Geldwirtschaft der Unternehmung

lich (z.B. Vorauszahlung) oder eine passive Rechnungsabgrenzung bei Einnahmen / Ertrag (z.B. Mietvorauseingang), • der Zahlungsvorgang nach dem Bilanzstichtag liegt (antizipative Posten). Dann entstehen sonstige Forderungen (z.B. Zinsverzug des Schuldners) oder sonstige Verbindlichkeiten (z.B. noch zu zahlende Gehälter). Bei transitorischen Posten ist der Geldfluss tatsächlich im alten Geschäftsjahr erfolgt, dessen wirtschaftliche Zuordnung liegt jedoch im neuen. Bei antizipativen Posten liegt die wirtschaftliche Zuordnung im alten Geschäftsjahr, der Geldfluss erfolgt aber tatsächlich erst im neuen. Eine weitere Besonderheit sind Rückstellungen, die für Verpflichtungen vorgenommen werden, die zwar dem Grunde nach feststehen, aber nach ihrer Betragshöhe und / oder ihrem Fälligkeitstermin ungewiss sind (siehe Abb. D8). Das heißt, die wirtschaftliche Zuordnung liegt im alten Geschäftsjahr, der Geldfluss erfolgt aber erst im neuen. Rückstellungen werden für Verbindlichkeiten oder Aufwendungen gebildet. Bei Verbindlichkeiten bestehen Pflichten gegenüber dem Staat oder Dritten, sie sind zwingend zu bilden bei ungewissen Verbindlichkeiten, drohenden Verlusten aus laufenden Geschäften und Kulanzleistungen. Bei Aufwendungen besteht eine Verpflichtung gegenüber sich selbst, etwa in Bezug auf unterlassene Instandhaltung oder unterlassene Abfallentsorgung. Rückstellungen werden auf vielfache Art gebildet, vor allem für Pensionen, Steuern, Prozessrisiken, Gewinnbeteiligungen etc. Rückstellungen werden als Aufwand im Soll verbucht. Ihre Anwendung ist vielfach restringiert.

Quelle: iwk-verlag.de/Demo/BwLex/Images/R_Images/Rueckstellung.html

Abbildung D8: Prinzip der Rückstellung

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Latente Steuern entstehen durch verschiedene Bewertungsansätze zwischen Handels- und Steuerbilanz in der Handelsbilanz. Dabei kann es sich sowohl um Steueransprüche (aktiv / Handelsbilanzergebnis < Steuerbilanzergebnis) als auch Steuerverpflichtungen (passiv / Handelsbilanzergebnis > Steuerbilanzergebnis) handeln. Passive latente Steuern müssen passiviert werden, aktive latente Steuern können aktiviert werden. Ansatzpunkte sind etwa Herstellungskosten, Abschreibungen, Rückstellungen, Verlustvorträge etc. 11.6 Jahresabschluss Der Jahresabschluss wird durch die Hauptabschlussübersicht (Abschlusstabelle) vorbereitet, dabei werden Inventar und Finanzbuchhaltung zusammengeführt. Zunächst wird die Eröffnungsbilanz angelegt, hier erfolgt die Übernahme der Summen aller in der Rechnungsperiode auf einzelnen Konten gebuchten Beträge. Dann wird die Umsatzbilanz angelegt. Daraus ergibt sich die Summenbilanz. In der Saldenbilanz I werden die Überschüsse der größeren gegenüber der kleineren Kontenseite ausgewiesen. Bei den Umbuchungen werden Korrekturen der Erfolgskonten im Rahmen der Doppik vorgenommen wie Abschreibungen, Wertberichtigungen, Jahresabgrenzungsposten etc. Daraus entsteht die (berichtigte) Saldenbilanz II (Saldo aus Saldenbilanz I und Umbuchungen) und daraus wiederum die Schlussbilanz und die Erfolgsübersicht (GuV). Dem Jahresabschluss kommen wichtige Funktionen zu, vor allem die Dokumentation durch Nachweis der in der Buchführung aufgezeigten Geschäftsvorfälle und Erfassung der finanz- und leistungswirtschaftlichen Sachverhalte, die Zahlungsbemessung für den Fikus und die Anteilseigner und die Information an Stakeholder wie Anteilseigner, Management, Gläubiger, potenzielle Kapitalgeber, Kunden, Lieferanten etc. Diese Gruppen sind zugleich Adressaten des Jahresabschlusses. Diesen soll eine Beurteilung der Vermögenslage der Unternehmung (Bilanz), ihrer Finanzlage (Kapitalfluss) und ihrer Ertragslage (GuV) möglich sein. Der Jahresabschluss besteht vor allem aus den Elementen Bilanz und Gewinnund Verlustrechnung / GuV (§ 242,3 HGB). Bei Kapitalgesellschaften kommen der Anhang (kleine Caps) und der Lagebericht (mittel-/große Caps) hinzu. Bei kapitalmarktnotierten Kapitelgesellschaften und Konzernen gibt es außerdem die Kapitalflussrechnung und den Eigenkapitalspiegel. Nach IFRS kommt optional die Segmentberichterstattung hinzu: • Die Bilanz stellt die Vermögensgegenstände, das Eigenkapital, die Schulden sowie die Rechnungsabgrenzungsposten und latente Steuern dar, dies ist verpflichtend für Nicht-Kapitalgesellschaften (§ 242 HGB). • Die GuV ermittelt durch die Gegenüberstellung von Aufwendungen und Erträgen den Jahresüberschuss/-fehlbetrag.

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D. Die Geldwirtschaft der Unternehmung

• Der Anhang erläutert die Wertangaben der Bilanz und der GuV und gliedert einzelne Positionen zusätzlich auf, dies ist verpflichtend für Kapitalgesellschaften (§§ 264, 289 HGB). • Der Lagebericht bietet spezifische Angaben zum Geschäftsverlauf und zur wirtschaftlichen Lage der Unternehmung, insb. Chancen und Risiken, dies ist verpflichtend für Kapitalgesellschaften (§§ 264, 289 HGB). • Der Eigenkapitalspiegel zeigt die Gründe für Eigenkapitalveränderungen auf (z.B. Gewinn / Verlust, Zuführung zu / Auflösung von Rücklagen) (gem. § 246 HGB). • Die Kapitalflussrechnung zeigt alle in einer Periode angefallenen Ein- und Auszahlungen in Bezug auf die zukünftige Liquiditätslage aufgegliedert auf (gemäß § 246 HGB). • Die Segmentberichterstattung gliedert Informationen zu Umsatzerlösen, Investitionen, Vermögen und Schulden zusätzlich auf, insb. Chancen und Risiken. Eine Besonderheit besteht beim Konzernabschluss. Der Umfang des Jahresabschlusses ist von der Größe der Unternehmung und ihrer Rechtsform abhängig. Bei einer AG ergibt sich die vorläufige Bilanz, die durch den Vorstand verabschiedet wird. Die daraus aufgestellte Bilanz wird durch den Aufsichtsrat und die Wirtschaftsprüfer geprüft und durch den Aufsichtsrat beschlossen. Die so festgestellte Bilanz wird veröffentlicht. Es entsteht die offengelegte Bilanz. Die Wirtschaftsprüfer unterliegen zahlreichen potenziellen Anfechtungen, so des Eigeninteresses, der Selbstprüfung, der Parteilichkeit, der Vertrautheit, der Einschüchterung etc. Die Bilanz stellt die Vermögensgegenstände einer Unternehmung (Aktiva) und ihr Kapital (Passiva) gegenüber. Die Bilanz hat zwei Seiten, die Aktiva geben über die Mittelverwendung nach ihrer Bindungsdauer (Liquidierbarkeit) Auskunft, die Passiva über die Mittelherkunft nach ihrer Überlassungsdauer. Neben der Handelsbilanz ist die Steuerbilanz zu beachten. letztere dient auf Basis steuerrechtlicher Bestimmungen der Berechnung von Ertragsteuern. Dabei gilt das Maßgeblichkeitsprinzip, d.h. im Grundsatz sind die Werte der Handelsbilanz in die Steuerbilanz zu übernehmen. Durch rigide Grundsätze mit geringen Ermessensspielräumen ist ein Vergleich der Bilanzen einer Unternehmung im Zeitablauf (Längsschnittanalyse) sowie zwischen verschiedenen Unternehmen möglich (Querschnittanalyse). Besonders rigide sind die Ansätze der Steuerbilanz im Sinne einer Gleichmäßigkeit der Besteuerung und des Prinzips der objektivierten Gewinnermittlung. Denkbar ist auch die Erstellung einer Einheitsbilanz, bei der nur solche Ermessungsspielräume in der Handelsbilanz genutzt werden, die auch in der Steuerbilanz möglich sind (dadurch können Beraterkosten gespart werden). Eine Bilanz muss mindestens zum Ende jedes Geschäftsjahrs erstellt werden, außerdem bei Sonderanlässen wie Gründung, Rechtsformenumwandlung, Fu­

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sion, Auseinandersetzung (Trennung), Sanierung und Insolvenz. Die Bilanz hat die Aufgaben der Ermittlung des Reinvermögens (statisch) und / oder der Analyse des Erfolgs (dynamisch / organisch). Jeder Kaufmann muss jährlich zum Ende des Geschäftsjahres einen das Verhältnis seines Vermögens und seiner Schulden darstellenden Abschluss erstellen. Die Bilanz und die Gewinn- und Verlustrechnung bilden den Jahresabschluss, bei Kapitalgesellschaften gehört noch der Anhang und der Lagebericht dazu. Der Jahresabschluss ist in deutscher Sprache und in Euro aufzustellen. Die Bilanz stellt die Vermögenslage dar, sie ist eine Bestandsrechnung und zeitpunktbezogen. Die GuV stellt die Ertragslage dar, sie ist eine Strömungsrechnung und zeitraumbezogen. Der Bilanz kommen die Funktionen der Information, Rechenschaft (Stakeholder), Dokumentation, Sicherung (Gläubiger) und Ermittlung zu. Neben der externen Bilanz gibt es auch interne Bilanzen. 11.7 Unternehmensbesteuerung Die Besteuerung greift auf vielfältige Weise in betriebswirtschaftliche Entscheidungen ein. Daher ist ein näherer Blick auf den Steuercharakter angezeigt. Steuern sind öffentlich-rechtliche Abgaben in Zusammenhang mit staatlichen Leistungen oder durch Steuerschuldverhältnis. Sie stellen keine Geldleistung dar, da sie nicht für besondere Gegenleistungen erbracht wird. Sie werden allen auferlegt werden, auf die der Tatbestand zutrifft, an den das Gesetz die Leistungspflicht knüpft. Die Erzielung von Einnahmen kann dabei Nebenzweck sein. Gebühren sind hingegen Geldleistungen, die als Gegenleistung für eine besondere Leistung der Verwaltung als Amtshandlung oder für die Inanspruchnahme öffentlicher Einrichtungen und Anlagen erhoben werden, z. B. Abfallbeseitigungsgebühren. Sie werden nur fällig, soweit diese in Anspruch genommen wird. Beiträge sind Geldleistungen, die dem Ersatz des Aufwands für die Herstellung, Anschaffung und Erweiterung öffentlicher Einrichtungen und Anlagen dienen. Sie werden als Gegenleistung dafür erhoben, dass den Beitragspflichtigen durch die Möglichkeit der Inanspruchnahme der Einrichtungen und Anlagen wirtschaftliche Vorteile zufallen, z. B. Grundstückserschließungsbeiträge. Steuerpflichtig ist, wer eine Steuer schuldet, wer für eine Steuer haftet, wer eine Steuer für Rechnung eines Dritten einzuhalten und abzuführen hat, wer eine Steuererklärung abzugeben, wer Sicherheit zu leisten, Bücher und Aufzeichnungen zu führen oder andere ihm durch die Steuergesetze auferlegte Verpflichtungen zu erfüllen hat. Steuerschuldner ist, wer den Tatbestand verwirklicht, an den das Gesetz die Leistungspflicht knüpft. Das muss nicht zwangsläufig der Steuerträger sein (siehe Abb. D9).

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D. Die Geldwirtschaft der Unternehmung

Abbildung D9: Variable der Unternehmensbesteuerung (eig. Abb.)

Steuern sind nahezu endlos, es gibt u.a. • Lohnsteuer, Umsatzsteuer, Mineralölsteuer, Gewerbesteuer, Körperschaftsteuer, Tabaksteuer, Solidaritätszuschlag, Grundsteuer, Kirchensteuer, Kfz-Steuer, Versicherungsteuer, Zinsabschlagsteuer, Einkommensteuer, Grunderwerbsteuer, Erbschaftsteuer, Branntweinsteuer, Lotteriesteuer, Kaffeesteuer, Biersteuer, Schaumweinsteuer, Feuerschutzsteuer, Vergnügungsteuer, Grunderwerbsteuer, Hundesteuer, Totalisatorsteuer, Zweitwohnungsteuer, Jagd-/Fischereisteuer, Sportwettsteuer, Getränkesteuer, Kinosteuer, Schankerlaubnissteuer, Reichensteuer. Steuerobjekt ist der Tatbestand, der als Basis der Besteuerung dient. Er wird im Rahmen der Steuerbemessungsgrundlage zugrunde gelegt. Man unterscheidet • Substanzsteuern aus Besitz, z. B. Kraftfahrzeugsteuer, • Verkehrsteuern aus Transaktionen, z. B. Grunderwerbsteuer, • Verbrauchsteuern aus Konsum, z. B. Mineralölsteuer. Eine andere Einteilung geht von Betriebsmittelsteuern (Erwerb, Bestand), Betriebsleistungssteuern (Menge, Preis) und Ergebnissteuern (betrieblich, persönlich) aus. Steuersubjekt ist eine natürliche oder juristische Person, der ein Steuerobjekt und die damit verbundene Steuerschuld zugerechnet wird. Steuerträger ist derjenige, dem die Steuer im Endergebnis tatsächlich belastet wird.

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Der Steuertarif stellt eine formelmäßige oder tabellarische Zusammenstellung aus Steuerart, Steuerbemessungsgrundlage und Steuersatz als Höhe der Steuern dar. Der Durchschnittssteuersatz gibt die durchschnittliche Steuerhöhe in Relation zur Bemessungsgrundlage an, der Grenzsteuersatz die Steuerhöhe für die letzte zu versteuernde Geldeinheit. Bei einer Flattax wären Durchschnitts- und Grenzsteuersatz gleich. Direkte Steuern erfassen unmittelbar die Steuersubjekte (Steuerschuldner und Steuerträger sind identisch), indirekte Steuern erfassen die Steuersubjekte hingegen über Vorgänge in der Vermögenssphäre und bei der Einkommensverwendung. Steuerschuldner, z. B. Einzelhandel, und Steuerträger, z. B. Konsumenten, fallen dann, etwa bei der Mehrwertsteuer, auseinander (= Steuerüberwälzung). Nach der Verteilung des Steueraufkommens unterscheidet man • Gemeinschaftssteuern von Bund, Ländern und Gemeinden, z. B. Umsatzsteuer, Einkommensteuer, Körperschaftsteuer, • reine Bundessteuern, z. B. Versicherungsteuer, Zölle, viele Verbrauchsteuern, • reine Ländersteuern, z. B. Erbschaftsteuer, Schenkungsteuer, Kfz-Steuer, Biersteuer, • reine Gemeindesteuern, z. B. Gewerbesteuer, Grundsteuer, Anteil an Verbrauch-, Lohn- und Einkommensteuern. Zwischen den Ländern erfolgt ein horizontaler Finanzausgleich (z. B. WestOst, Süd-Nord), zwischen Bund, Ländern und Gemeinden erfolgt ein vertikaler Finanzausgleich, d.h., Bund und Länder reichen Teile ihrer Steuereinnahmen an die Gemeinden weiter. Beide Verteilungsschlüssel sind schwer durchschaubar und immer wieder Gegenstand kontroverser Verhandlungen. Die Besteuerung erfolgt durch Ermittlung der Besteuerungsgrundlagen, Festsetzung der sich daraus ergebenden Steuerschuld und Erhebung dieser Steuerschuld beim Steuerschuldner. Bei säumiger Zahlung kommt es zum Vollstreckungsverfahren, bei verkürzter Zahlung zum Bußgeld- bzw. Steuerstrafverfahren. Als Rechtsmittel können dagegen Rechtsbehelfs- und Rechtsmittelverfahren eingelegt werden. Wichtige Steuerarten sind die Folgenden. Die Einkommensteuer ist eine direkte Steuer, eine Personensteuer, eine Besitzsteuer und eine Veranlagungssteuer. Sie knüpft an die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit natürlicher Personen an. Sie ist eine Gemeinschaftssteuer. Beschränkt steuerpflichtig sind Personen, die im Inland weder ihren Wohnsitz noch ihren gewöhnlichen Aufenthalt haben. Einkommensteuer wird auf Einkünfte aus Land- und Forstwirtschaft, Gewerbebetrieb, selbstständiger Arbeit, nicht-selbstständiger Arbeit, Kapitalvermögen, Vermietung / Verpachtung und sonstigen Einkünften erhoben. Einkünfte sind der Gewinn oder der Einnahmeüberschuss über die Werbungskosten. Verschiedene Einkunftsarten können in Grenzen miteinander verrechnet werden (= Verlustaus-

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D. Die Geldwirtschaft der Unternehmung

gleich). Der Einkommensteuertarif ist progressiv mit einem Einstiegssatz von derzeit 14 % bei ca. 8.000 € zu versteuerndem Einkommen und einem Höchstsatz von 42 % bei über 52.000 € zu versteuerndem Einkommen (jeweils für Ledige). Gut 40 % der Bevölkerung sind von dieser Steuer befreit (Schüler, Studierende, Rentner, Erwerbslose, Geringverdienende etc.). Die 10 % der Bestverdienenden bestreiten über 50 % des Einkommensteuer-Aufkommens. Der Anteil am gesamten Steueraufkommen beträgt 38 %. Körperschaftsteuer wird auf das Einkommen von Kapitalgesellschaften als juristische Personen erhoben (= Personensteuer). Kapitalgesellschaften, die im Inland ihre Geschäftsleitung oder ihren Sitz haben, sind hinsichtlich aller in- und ausländischen Einkünfte im Inland steuerpflichtig. Grundlage ist das Steuerbilanzergebnis, das von der Handelsbilanz abweicht. Ausgeschüttete Gewinne sind von der Besteuerung bei der juristischen Person freigestellt. Die Gewerbesteuer ist eine direkte Steuer, eine Realsteuer und eine Aufwandssteuer. Sie ist meist die bedeutendste Einnahmequelle der Gemeinden. Grundlage ist der sich aus der Gewerbesteuererklärung ergebende Gewerbesteuermessbetrag, auf den ein örtlich abweichender Hebesatz angewendet wird. Basis ist der Gewerbeertrag, nicht das Gewerbekapital, es gibt keine Substanzbesteuerung. Sie betrifft nicht Freiberufler. Die Umsatzsteuer ist eine indirekte Steuer, eine Objektsteuer, eine Verkehrssteuer und eine Selbstveranlagungssteuer, d.h., die Ermittlung der Besteuerungsgrundlage erfolgt durch den Steuerschuldner. Die Steuer wird auf die Wertschöpfung, den Mehrwert, erhoben, d.h. den Umsatz abzgl. aller Vorleistungen, auf die Vorsteuer gezahlt worden ist (= Allphasen-Nettoumsatzsteuer). Steuerträger sind private Endabnehmer. Steuern nehmen auf unternehmerische Tatbestände vielfachen Einfluss, so bei der Wahl oder dem Wechsel der Rechtsform, der Wahl oder dem Wechsel des Standorts, der Art der Finanzierung und Investition sowie beim betrieblichen Rechnungswesen. Die inflationäre Vielzahl von Steuern stranguliert dabei nicht selten unternehmerische Initiativen. 11.8 Zahlungsverfahren 11.8.1 Inlandszahlung

Die Zahlungsverfahren im betrieblichen Rechnungswesen umfassen Zahlungsmittel und Zahlungsabwicklung. Als Zahlungsmittel kommen folgende in Betracht: • Bargeld in Form von Banknoten und Münzen als gesetzliche Zahlungsmittel, • Buchgeld in Form von Einlagen oder Krediten bei Banken, • Geldersatzmittel in Form von Verbriefungen von Geld (z.B. Scheck, Wechsel).

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Die Zahlungsabwicklung erfolgt bar bzw. halbbar, bargeldlos oder elektronisch (siehe Abb. D10): • Die bare Zahlungsabwicklung erfolgt durch unmittelbare Barzahlung (Geld­ tausch) oder mittelbare Barzahlung (Bareinzahlung oder -auszahlung mit bargeldlosem Übergang). • Die halbbare Zahlungsabwicklung nimmt eine Umwandlung von Bargeld in Buchgeld vor (Zahlschein) bzw. umgekehrt von Buchgeld in Bargeld (Barscheck).

Abbildung D10: Optionen der Zahlungsabwicklung (eig. Abb.)

Der bargeldlose Zahlungsverkehr erfolgt im Wege • der Überweisung von Konto zu Konto, denkbar auch als Überweisungsauftrag, Eilüberweisung, Sammelüberweisung etc. Die Initiative geht dabei vom Geldschuldner aus. • des Lastschriftverfahrens, die Initiative geht dabei vom Geldgläubiger aus. Denkbar sind die Einzugsermächtigung (widerrufbar) oder der Abbuchungsauftrag (nicht widerrufbar). • von Schecks, und zwar als –– Barscheck mit Bargeldauszahlung vom Konto, –– Verrechnungsscheck mit Übertrag von Konto zu Konto, –– Inhaberscheck mit formloser Übertragung vom Schuldner an den Gläubiger, –– Orderscheck mit Indossament zur Übertragung an eine andere Person, –– Rektascheck ohne Übertragungsmöglichkeit an eine andere Person, –– bestätigter Scheck mit Vermerk der Bundesbank. • durch Wechsel, und zwar als –– gezogener Wechsel (Tratte), hierbei sind Aussteller, Bezogener und Begünstigter unterschiedliche Personen,

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D. Die Geldwirtschaft der Unternehmung

–– eigener Wechsel (Solawechsel), hierbei sind Aussteller und Bezogener personenidentisch, der Wechselaussteller verpflichtet sich selbst zur Zahlung einer Geldsumme. Elektronische Zahlverfahren sind vielfältig. Smartcard-Systeme funktionieren als „elektronische Geldbörsen“. Dazu gehören Karten mit Magnetstreifen und PIN (Persönliche Identifikations-Nummer) sowie Chip-Karten (Geldkarten). Karten mit Magnetstreifen erfordern ein Lesegerät. Die Eingabe der PIN sichert ab, dass Inhaber und Eigentümer der Karte personenidentisch sind oder der Inhaber bevollmächtigt zur Abbuchung ist. Chip-Karten können an Terminals aufgeladen werden (meist bis 200 €). Am Schreibtisch kann ein Kartenlesegerät installiert sein, der Zahlbetrag wird dann nach Freigabe von der Karte auf das angegebene Konto abgebucht. Kreditkarten zur bargeldlosen Zahlung bei Vertragsunternehmen funktionieren physisch oder virtuell. Bei letzterem gibt der Karteninhaber die Kreditkartendaten in ein Web-Formular des Verkäufers ein und bestätigt den Auftrag. Die Autorisierung der Daten erfolgt durch den Kartenemittenten. Der Verkäufer erhält dann einen Autorisierungscode. Der Zahlbetrag wird vom Konto des Käufers abgebucht, auf das Konto des Verkäufers überwiesen und der Kartenemittent erhält seine Provision auf den Zahlbetrag. Störungen entstehen durch falsche Kreditkartendaten, berechtigte Reklamation, falsche Zuordnung der Abbuchung oder Betrug. Bei Abwicklung gegen Rechnung geht der Verkäufer in Vorleistung (Ware vor Geld). Gründe für die Nichtbezahlung einer Rechnung sind u.a. falsche Rechnungsanschrift, unbekannter Rechnungsempfänger, berechtigte Reklamation, Verzug durch Vergessen der Zahlung, bewusstes Hinauszögern der Bezahlung aus Liquiditätsproblemen, Betrug. Denkbar ist das Clearing über einen Zahlungsdienstleister (z.B. Klarna). Der Verkäufer übermittelt die Auftragsdaten an den Service Provider und versendet die Ware. Der Käufer kann die Ware prüfen und dann auf Ziel beim Dienstleister bezahlen. Das Ausfallrisiko liegt beim Service Provider. Für das Inkasso wird eine Provision einbehalten. Bei Angabe eines Bankkontos kann vom Verkäufer das Lastschriftverfahren eingeleitet werden. Probleme entstehen, u.a. weil die Kontodaten ungültig sind, das Konto des Käufers nicht gedeckt ist, eine berechtigte Reklamation besteht, die Abbuchung vom Kunden nicht zuordnenbar ist und daher widerrufen wird, eine unberechtigte Rückbuchung vorgenommen wird oder wegen Betrug. Die Lastschrift ist auch über Inkasso-Dienstleister möglich. Falls durchsetzbar, ist Vorkasse zu bevorzugen (Geld vor Ware). Dies ist durchaus üblich, etwa bei der Nachnahme, hier verhalten sich Risiko und Sicherheit umgekehrt. Der Versanddienstleister stellt die Ware zu und zieht den Geldbetrag ein. Er zieht eine Nachnahmegebühr ab und überweist den Restbetrag an den Verkäufer. Probleme entstehen, weil der Käufer nicht anwesend ist, dann ist ein

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weiterer Zustellversuch erforderlich, oder nicht genügend Geld / akzeptierte Zahlungsmittel zur Hand hat. Bei Hinterlegung im Depot besteht die Gefahr, dass die Ware nicht abgeholt wird. Außerdem ist die Nachnahmegebühr sehr hoch. Der Käufer kann zudem meist nur die Verpackung prüfen, nicht den Inhalt (Falschlieferung, Bruch etc.). e-Payment erlaubt die Formen von e-Mail-basierter Zahlung (z.B. Paypal), Online-Banking (z.B. Giropay), Sofortüberweisung, jeweils auch mobil. 11.8.2 Auslandszahlung

Im Außenhandel bestehen vor allem Sicherheitsprobleme bei der Bezahlung. Innerhalb der Außenhandelskredite werden kurzfristige (unterjährig) und langfristige (überjährig) Kredite unterschieden. Kurzfristige Kredite kommen unter Einbindung der Banken von Exporteur und Importeur zustande. Dabei handelt es sich um Formen der Bevorschussung von Dokumenten durch Dokumenteninkassi bzw. Dokumentenakkreditive (siehe Abb. D11).

Abbildung D11: Internationale Zahlungssicherungen (eig. Abb.)

11.8.2.1 Dokumenteninkassi

Das Dokumenteninkasso ist eine Zahlungsbedingung, die den Importeur verpflichtet, bei Vorlage der Dokumente den Kaufpreis zu zahlen. Durch Empfang der Dokumente hat er die Sicherheit, dass die Ware versandt wurde. Die Bank fungiert als Treuhänder und Vermittler zwischen Exporteur und Importeur. Nach Abschluss des Kaufvertrags gibt der Exporteur dazu den Inkassoauftrag unter Zusendung der Dokumente an seine Bank zwecks Weiterleitung an die Bank des Importeurs. Dies geschieht auf der Grundlage der vertraglichen Vereinbarung mit dem Importeur, dass dieser bei Vorlage der Dokumente durch die Korrespondenzbank entweder zahlt oder ein Akzept gibt.

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Das Hauptrisiko des Lieferanten besteht beim Dokumenteninkasso darin, dass der Abnehmer im Ausland die von der Inkassobank avisierte Dokumentensendung nicht aufnimmt und der Rücktransport der Ware unmöglich oder zu aufwändig ist. Wird für den Warenversand nur ein Versanddokument präsentiert, riskiert der Lieferant, dass der Abnehmer im Ausland ohne Zahlung des Inkassobetrags oder ohne Akzeptierung der die Dokumentensendung begleitenden Tratte in den Besitz der Ware gelangt. Zur Sicherung dient ein Inkassoauftrag des Kreditinstituts, das die Warenfreistellung erst nach Zahlung / A kzept vornimmt. Das Dokumenteninkasso wird nach den Einheitlichen Richtlinien für Inkassi (ERI) der ICC gehandhabt. Bei den Dokumenten, die an die Abnehmerbank verschickt werden, kann es sich um folgende handeln: • Ursprungszeugnis (über das Herkunftsland, meist beglaubigt), Warenrechnung (beglaubigt), Ladepapiere wie Konnossement, Luftfrachtbrief, Frachtschein, Abladebestätigung, Postquittung etc., Zollfaktura (Rechnung nach Zollvorschriften), Versicherungspolice (für den Transport), Wechselakzept, Qualitätszeugnis etc. Bei Dokumente gegen Kasse (Documents against Payment) versendet der Exporteur die Ware auf einem Transportweg, der nicht unmittelbar mit der Übergabe an den Käufer endet, sondern die Ware verbleibt zunächst im Importland reserviert und wird nur gegen Vorlage bestimmter Dokumente ausgehändigt. Die Zahlung hat also zu erfolgen, bevor der Importeur die Ware auf Mängel hin untersuchen kann. Dabei muss der Käufer die für den Erhalt der Ware notwendigen Dokumente bei einer Bank einlösen. Er gelangt also erst in den Besitz der Ware, wenn er bezahlt hat. Der Exporteur hat dabei das Risiko, dass der Importeur die Annahme verweigert und die Dokumente nicht annimmt. Dokumente gegen Akzept (Documents against Acceptance) verpflichtet den Importeur oder die Importeursbank, gegen Vorlage der Dokumente eine Tratte in Höhe des Kaufpreises zu akzeptieren. Diese Vereinbarung entspricht der Regelung „Dokumente gegen Kasse“, jedoch mit dem Unterschied, dass die Dokumente, mit denen er die Ware übernehmen kann, dem Importeur nicht gegen sofortige Zahlung, sondern gegen Akzeptierung einer erst mit Zahlungsziel auf ihn gezogenen Tratte ausgehändigt werden. Der Exporteur erhält also statt der Zahlung ein Bankakzept des Importeurs, das er durch Diskontierung bei seiner Bank verwerten kann. Dadurch wird die Forderung für ihn refinanzierbar. 11.8.2.2 Dokumentenakkreditive

Weil der Exporteur beim Dokumenteninkasso nicht sicher sein kann, dass der Importeur die Dokumente aufnimmt (zahlt), und der Importeur nicht sicher sein kann, dass der Exporteur vertragsgerechte Ware liefert, erfolgt eine beiderseiti-

11. Buchführung

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ge Absicherung durch Dokumentenakkreditiv (abstraktes Zahlungsversprechen). Der Exporteur versendet die Ware erst, nachdem das Akkreditiv zu seinen Gunsten eröffnet worden ist. Er kann sicher sein, dass seine Forderung bei korrekter Erfüllung seinerseits durch Vorlage akkreditivkonformer Dokumente umgehend erfüllt wird. Die Banken sind dann zur Zahlung verpflichtet. Der Importeur kann sicher sein, dass die Zahlung nur erfolgt, wenn sichergestellt ist, dass der Exporteur vertragsgerecht geliefert hat. Dies kann durch entsprechende Dokumente bestätigt werden. Die Akkreditivformulare müssen absolut fehlerfrei ausgefüllt sein, ist dies nicht der Fall und richtet die Bank dennoch das Akkreditiv ein, trägt sie das volle Risiko. Ein Dokumentenakkreditiv (Documents against Payment Credit) ist also eine Vereinbarung, nach der sich das Kreditinstitut des Importeurs durch Akkreditiveröffnung im Auftrag des Importeurs verpflichtet, Zug um Zug gegen Herausgabe der Dokumente in einer festgelegten Zeit dem Exporteur oder dessen Hausbank den vereinbarten Gegenwert auszuzahlen, gegen Übergabe der Dokumente, also vor Eintreffen der Ware selbst, eine Wechselverpflichtung einzugehen oder die Dokumente anzukaufen. Dafür gibt es im Detail mehrere gängige Ausprägungen: • Das widerrufliche Akkreditiv (Revocable Letter of Credit) ist ein abstraktes Schuldversprechen einer Bank, das jederzeit bis zur Dokumentenaufnahme durch die eröffnende Bank auf Betreiben des Käufers hin auch ohne Benachrichtigung des Begünstigten, jedoch nur mit Ersatz bereits angefallener Kosten geändert oder annulliert werden kann, was eine drastische Minderung der Sicherheit bedeutet. • Beim unwiderruflichen Akkreditiv (Irrevocable Letter of Credit) übernehmen Akkreditivsteller und Akkreditivbank in jedem Fall die uneingeschränkte Verpflichtung zur Einlösung während der Laufzeit. Der Exporteur erhält gegen Vorlage bestimmter Dokumente bereits bei Versendung die vereinbarte Akkreditivsumme. Es muss im Akkreditivtext ausdrücklich „irrevocable“ tragen. Änderungen sind dann nur mit Zustimmung des Akkreditivbegünstigten möglich. Dies bietet die weitaus größere Sicherheit. • Beim Akkreditiv mit Bestätigung beauftragt die Bank des Bestellers eine Bank im Lieferantenland, dem Akkreditivschreiben eine zusätzliche Bestätigung beizufügen. Die Akkreditivstelle (auszahlendes Kreditinstitut) gibt also ein abstraktes unwiderrufliches Schuldversprechen ab. Dadurch kann der Exporteur zwischen der Haftung beider Banken wählen. Die Bestätigung gilt allerdings nur als erfolgt, wenn die Zahlstelle mit einer Meldung an den Exporteur der Forderung der Akkreditivbank auf Bestätigung nachkommt. • Beim Akkreditiv ohne Bestätigung besteht die Verpflichtung der Akkreditivbank, an den Begünstigten (Exporteur) zu zahlen. Ein Widerruf oder eine Änderung sind nur mit Zustimmung aller Beteiligten möglich. Die avisierte

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D. Die Geldwirtschaft der Unternehmung

Zahlstelle führt lediglich die Weisungen der Akkreditivbank aus, sie gilt als Nicht-Beteiligte. Es haftet neben dem Käufer nur diese Akkreditivbank gegenüber dem Begünstigten für die Zahlung des Akkreditivbetrags. • Beim Sichtakkreditiv erhält der Begünstigte (Exporteur) den Akkreditivbetrag Zug um Zug gegen Vorlage der akkreditivkonformen Dokumente nach Prüfung durch die zahlungspflichtige Bank. Der Exporteur kann dann sofort bei Vorlage der Dokumente von der Akkreditivstelle die Zahlung verlangen. • Das Nachsichtakkreditiv ist ein Akkreditiv mit hinausgeschobenem wechselseitigen Zahlungsziel des Akkreditivbetrags an den Begünstigten auf einen Nachsicht-Fälligkeitstag, also nach Eingang der Dokumente (Deferred Payment), meist begrenzt auf die Transportdauer der Warensendung. Die Zahlung durch die Akkreditivbank an den Begünstigten erfolgt nicht sofort bei Vorlage der Dokumente, sondern erst zu einem verabredeten Zeitpunkt nach Ablauf des Lieferantenkredits bzw. der Wechsellaufzeit. Für den Exporteur bedeutet dies „Dokumente gegen Zahlungsanspruch“ gegenüber der Akkreditivbank. Darüber hinaus gibt es zahlreiche Sonderformen von Akkreditiven. Beide Seiten sind damit abgesichert, was umso bedeutsamer ist, je risikoreicher ein Transfer angesehen wird.

Literaturhinweise Bähr, Gottfried / Fischer-Winkelmann, Wolf F.: Buchführung und Jahresabschluss; 9. Auflage, Wiesbaden 2006 Bieg, Hartmut / Kußmaul, Heinz / Waschbusch, Gerd: Externes Rechnungswesen; 6. Auflage, München 2012 Buchholz, Rainer: Internationale Rechnungslegung; 12. Auflage, Berlin 2015 Döring, Ulrich / Buchholz, Rainer: Buchhaltung und Jahresabschluss; 14. Auflage, Berlin 2015 Eisele, Wolfgang / Knobloch, Alois P.: Technik des betrieblichen Rechnungswesens, 8. Auflage, München 2011 Falterbaum, Hermann / Bolk, Wolfgang: Buchführung und Bilanz; 22. Auflage, Achim 2015 Gräfer, Horst / Schneider, Georg: Rechnungslegung; 4. Auflage, Berlin 2009 Keller, Gernot: Buchführung; Berlin 2016 Meyer, Claus: Betriebswirtschaftliche Kennzahlen und Kennzahlen-Systeme; 6. Auflage, Sternenfels 2011 Weber, Jürgen / Weißenberger, Barbara E.: Einführung in das Rechnungswesen; 9. Auflage, Stuttgart 2015 Wedell, Harald / Dilling; Achim A.: Grundlagen des Rechnungswesens; 14. Auflage, Herne 2013

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Übungsaufgaben 1. Was versteht man unter Auszahlungen, was unter Ausgaben, was unter Aufwendungen und was unter Kosten? 2. Was sind und wozu dienen Abschreibungen? Wie erfolgen diese im Einzelnen? 3. Wo findet das Prinzip der Bewertungsvereinfachung Anwendung? 4. Was versteht man unter dem Begriff „Ertrag“? 5. Welche Kennzeichen hat das Gesamtkostenverfahren? 6. Was versteht man unter dem Hauptbuch im Rahmen der Buchführung? 7. Was versteht man unter einem Inventar und was unter einer Inventur? 8. Was versteht man unter Kalkulatorischen Kosten und welche Kostenarten gibt es dabei? 9. Wie ist ein Kontenrahmen aufgebaut? 10. Charakterisieren Sie bitte neutrale Aufwendungen? 11. Erläutern Sie bitte Sinn und Zweck der Rechnungsabgrenzung. 12. Erläutern Sie bitte den Begriff „Rechnungswesen“. 13. Was versteht man unter dem Teilwert? 14. Wie wirken Steuern auf die buchhalterische Handhabung ein? 15. Wie geht das Umsatzkostenverfahren vor?

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D. Die Geldwirtschaft der Unternehmung

12. Bilanzierung In diesem Kapitel werden folgende Inhalte behandelt und geklärt: • die Bilanzfunktion und der Bilanzaufbau, • die Aktivapositionen der Bilanz, • die Passivapositionen der Bilanz, • die Aktivierungs- und Passivierungspflichten, • die Vermögensbewertung, • die Gewinn- und Verlustrechnung (GuV), • die weiteren Bestandteile des Jahresabschlusses, • die Bilanzpolitik. 12.1 Bilanzfunktion Die Bilanz ist Hauptbestandteil des Jahresabschlusses. Sie hat zwei Seiten, Aktiva und Passiva. Die Aktiva sind das Anlage- und Umlaufvermögen plus aktive Rechnungsabgrenzungsposten, die Passiva sind das Eigen- und Fremdkapital plus passive Rechnungsabgrenungsposten zu einem Stichtag. Der Saldo aus Vermögen und Schulden ist das Eigenkapital, das zur Finanzierung des Vermögens aus eigenen Mitteln aufgebracht wird. Das Fremdkapital haben Dritte zur Finanzierung von Vermögensgegenständen bereitgestellt. Aktiva und Passiva sind in der Summe immer gleich hoch (Bilanzgleichgewicht / „Waage“). Die Aktiva zeigen im Einzelnen Vermögen, Kapitalverwendung und Investition an, die Passiva Kapital, Kapitalherkunft und Finanzierung. Die Bilanz ist vom Einzelunternehmer, von dem / den persönlich haftenden Gesellschafter / n bzw. den gesetzlichen Vertretern einer Kapitalgesellschaft (Geschäftsführung / Vorstand) zu unterzeichnen. Sie versichern damit, dass sie nach bestem Wissen ein den tatsächlichen Verhältnissen entsprechendes Bild der Kapitalherkunft und der Kapitalverwendung erreichen wollen. Nachträgliche Änderungen sind nur aus wichtigem Grund möglich und sofern keine Dritten dadurch benachteiligt werden (außer diese stimmen zu). Fehlerhafte Jahresabschlüsse, die gegen bindende rechtliche, wirtschaftliche oder steuerliche Regelungen wie die Grundsätze ordnungsmäßiger Buchführung, gesetzliche Ansatz-, Bewertungsoder Gliederungsvorschriften etc. verstoßen, sind nichtig. Allgemein gilt dabei die Maßgeblichkeit der Handelsbilanz für die Steuerbilanz. Die Bilanzinformationen richten sich an Eigenkapitalgeber (Shareholder), Fremdkapitalgeber (Gläubiger), Mitarbeiter, Finanzamt und Öffentlichkeit (allgemeine Stakeholder). Die Bilanz hat (nach Olfert) damit folgende zentrale Funk­ tionen (siehe Abb. D12):

12. Bilanzierung

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Abbildung D12: Zentrale Funktionen der Bilanz (eig. Abb.)

• Dokumentationsfunktion als übersichtliche, vollständige und nachvollziehbare Aufzeichnung aller Geschäftsvorfälle mit entsprechender Aufbewahrungspflicht, • Rechenschaftsfunktion zum Nachweis der Handelsgeschäfte jedes Kaufmanns und zur Lage seines Vermögens, dabei wird ein den tatsächlichen Verhältnissen entsprechendes Bild der Vermögens-, Finanz- und Ertragslage der Unternehmung gegeben, • Zahlungsbemessungsfunktion unter Berücksichtigung des Gewinnausweises nach Ansatz und Bewertung und des Vermögenserhalts (Ausschüttungssperre / Mindestausschüttung). Die Darstellung der Vermögenslage bezieht sich auf die Höhe, Art, Bindungsdauer und Zusammensetzung des Vermögens sowie auf die Kapitalstruktur, Finanzierungsinstrumente und -konditionen, Fristigkeiten und Sicherheiten. Die Ertragslage bezieht sich auf die Struktur und Nachhaltigkeit der Erfolgsquellen. Bilanzen können in unterschiedlichen Formen vorliegen: • Externe Bilanzen dienen der verpflichtenden Veröffentlichung, interne Bilanzen dienen Planungs-, Informations-, Steuerungs- und Kontrollzwecken. Erstere sind gesetzlich vorgeschrieben als Handels- und Steuerbilanzen. • Nach dem Inhalt gibt es u. a. Erfolgsbilanzen, Vermögensbilanzen, Liquiditätsbilanzen und Bewegungsbilanzen. • Nach dem Anlass gibt es u. a. Gründungsbilanzen, Umwandlungsbilanzen, Auseinandersetzungsbilanzen, Fusionsbilanzen, Sanierungsbilanzen, Liquidationsbilanzen, Insolvenzbilanzen, Vergleichsbilanzen. • Nach der Anzahl der einbezogenen Unternehmen gibt es Einzelbilanzen, Gemeinschaftsbilanzen und Konzernbilanzen. • Nach dem Turnus sind regelmäßige Bilanzen, im Normalfall auf Jahresbasis und Sonderbilanzen möglich, letztere etwa bei Gründung, Umwandlung / Fu­ sion, Auseinandersetzung, Sanierung und Liquidation.

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D. Die Geldwirtschaft der Unternehmung

Im Ablauf kommt es zunächst zur Erstellung der vorläufigen (internen) Bilanz, dann zur Vornahme der Abschlussbuchungen (Aufgestellte Bilanz), weiterhin zur Prüfung der Bilanz durch Aufsichtsorgan (z. B. Aufsichtsrat) und Abschlussprüfer (Testat), schließlich zur Feststellung der Bilanz nach Prüfung und zur Veröffentlichung der Bilanz. 12.2 Bilanzaufbau Die Bilanz ergibt sich aus der Finanzbuchhaltung, in der alle Geschäftsvorfälle der Periode erfasst werden und dem Inventar als Verzeichnis der Vermögens- und Schuldenbestandteile. Die Buchführung ist chronologisch im Journal geordnet und sachlich im Hauptbuch. Das Inventar basiert auf der körperlichen Bestandsaufnahme der Inventur, die i. d. R. zum Ende jedes Geschäftsjahres durchzuführen ist. Das Geschäftsjahr läuft normalerweise über zwölf Monate, nicht notwendigerweise im Kalenderjahr, außer es liegt ein Rumpfgeschäftsjahr vor. Ein einmal gewähltes Geschäftsjahr kann nur in begründeten Ausnahmefällen abgeändert werden. Die Bilanz ist nach den Grundsätzen ordnungsmäßiger Buchführung in angemessener Frist nach dem Bilanzstichtag aufzustellen. Sie lautet bei Unternehmen mit Geschäftssitz in Deutschland in Deutsch und in Euro. Die Bilanz muss klar und übersichtlich sein. Die einzelnen Positionen sind aussagefähig aufzugliedern, die Gliederung richtet sich nach Rechtsform und Unternehmensgröße. Die Bilanz und die GuV sind mit Datum und Unterschrift des Kaufmanns bzw. der Vertretungsberechtigten zu versehen. Die Bilanz weist unter Aktiva (Vermögen) im Grundsatz folgende Gliederung auf: • Immaterielle Vermögensgegenstände wie selbstgeschaffene Gewerbliche Schutzrechte und ähnliche Rechte und Werte, entgeltlich erworbene Konzessionen, Gewerbliche Schutzrechte und ähnliche Rechte und Werte sowie Lizenzen an solchen Rechten und Werten, Geschäfts- und Firmenwert, geleistete Anzahlungen, • Sachanlagen wie Grundstücke, grundstücksgleiche Rechte und Bauten incl. der Bauten auf fremden Grundstücken, technische Anlagen und Maschinen, andere Anlagen, Betriebs- und Geschäftsausstattung, geleistete Anzahlungen und Anlagen im Bau, • Finanzanlagen wie Anteile an verbundenen Unternehmen, Ausleihungen an verbundene Unternehmen, Beteiligungen, Ausleihungen an Unternehmen, mit denen ein Beteiligungsverhältnis besteht, Wertpapiere des Anlagevermögens, sonstige Ausleihungen, • Vorräte wie Roh-, Hilfs- und Betriebsstoffe, unfertige Erzeugnisse, unfertige Leistungen, fertige Erzeugnisse und Waren, geleistete Anzahlungen,

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• Forderungen und sonstige Vermögensgegenstände wie Forderungen aus Lieferungen und Leistungen, Forderungen gegen verbundene Unternehmen, Forderungen gegen Unternehmen, mit denen ein Beteiligungsverhältnis besteht, sonstige Vermögensgegenstände, eingefordertes noch nicht eingezahltes Kapital, • Umlaufvermögen mit Wertpapieren, Anteile an verbundenen Unternehmen, sonstige Wertpapiere, • Umlaufvermögen mit Kassenbestand, Bundesbankguthaben, Guthaben bei Kreditinstituten, Schecks, • (aktive) Rechnungsabgrenzungsposten, • (aktive) latente Steuern, • aktiver Unterschiedsbetrag aus der Vermögensrechnung, • nicht durch Eigenkapital gedeckter Fehlbetrag (siehe Abb. D13).

Abbildung D13: Wesentliche Positionen auf der Aktivseite der Bilanz (eig. Abb.)

Die Passiva (Kapital) weisen im Grundsatz folgende Gliederung auf: • Eigenkapital wie gezeichnetes Kapital, Kapitalrücklage, Gewinnrücklagen (gesetzlich, an herrschenden oder mehrheitlich beteiligten Unternehmen, sat-

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zungsmäßig, sonstige), Gewinn- bzw. Verlustvortrag, Jahresüberschuss bzw. -fehlbetrag. • Gewinnvortrag, Jahresüberschuss/-fehlbetrag. • Rückstellungen für Pensionen und ähnliche Verpflichtungen, Steuern und sonstiges. • Verbindlichkeiten wie Anleihen, gegenüber Kreditinstituten, erhaltene Anzahlungen für Bestellungen, Lieferungen und Leistungen, Annahme gezogener Wechsel bzw. Ausstellung eigener Wechsel, gegenüber verbundenen Unternehmen, gegenüber Unternehmen, mit denen ein Beteiligungsverhältnis besteht, sonstige (Steuern, Soziale Sicherheit). • (passive) Rechnungsabgrenzungsposten. • (passive) latente Steuern (siehe Abb. D14).

Abbildung D14: Wesentliche Positionen auf der Passivseite der Bilanz (eig. Abb.)

Wertänderungen in der Bilanz können durch vier Transformationen entstehen (siehe Abb. D15): • Beim Aktivtausch werden zwei oder mehr Posten nur auf der Aktivseite der Bilanz angesprochen (z. B. Anlagenkauf aus Bankguthaben / A nlagenkonto an Bankkonto). • Beim Passivtausch werden zwei oder mehr Posten nur auf der Passivseite der Bilanz angesprochen (z. B. Begleichung von Verbindlichkeiten durch Aufnahme eines Bankdarlehens / Bankdarlehen an Verbindlichkeiten).

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Quelle: iwk-verlag.de/Demo/BwLex/Images/B_Images/Bilveraend.html

Abbildung D15: Transformationen der Bilanz

• Bei der Bilanzverlängerung werden beide Seiten der Bilanz vermehrend angesprochen (z. B. Warenkauf auf Ziel / Warenbestand an Verbindlichkeiten). • Bei der Bilanzverkürzung werden beide Seiten vermindernd angesprochen (z. B. Begleichung von Verbindlichkeiten in bar / Verbindlichkeiten an Kasse). Beim Aktivtausch bleibt die Bilanzsumme gleich, es findet jedoch eine Vermögensumschichtung statt. Beim Passivtausch bleibt die Bilanzsumme ebenfalls gleich, es findet aber eine Kapitalumschichtung statt. Im Rahmen der Bilanzierung sind der Bilanzansatz, die Bilanzierungsfähigkeit, die Bilanzbewertung und die Bilanzgliederung zu berücksichtigen. Der Bilanzansatz betrifft die Frage nach der Bilanzierungsfähigkeit von Posten. Dabei handelt es sich auf der Aktivseite um Vermögensgegenstände wie Anlagen, Vorräte, Grundstücke, Forderungen, Bargeld etc. Diese stiften der Unternehmung wirtschaftliche Vorteile, sie sind selbstständig bewertbar und eigenständig verkehrsfähig. Auf der Passivseite handelt es sich um Schulden. Diese stellen wirtschaftliche Belastungen dar, sind selbstständig bewertbar und implizieren Leistungsverpflichtungen der Unternehmung. Für die Bilanzierungsfähigkeit ist entscheidend, dass die Vermögensgegenstände und Schulden dem Kaufmann zuzuordnen sind, d. h. er die tatsächliche Sachherrschaft darüber ausübt. Allerdings sind hier Abweichungen möglich wie z. B. Eigentumsvorbehalt, Sicherungsübereignung, Factoring, Treuhand, Kommission, Leasing. Daher kommt es darüber hinaus auf die sachliche Zuordnung

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zum Handelsgewerbe des Kaufmanns an. Dies bezieht sich z. B. auf die Abgrenzung zwischen Betriebs- und Privatvermögen. Gehört ein Objekt beiden Bereichen an, entscheidet die mehrheitliche Nutzung über die Zuordnung. Unter 10 % handelt es sich um notwendiges Privatvermögen, bis 50 % betriebliche Nutzung besteht ein Wahlrecht hinsichtlich der Zuordnung. Hinsichtlich der gesetzlichen Ansatzvorschriften bestehen Bilanzierungsverbote wie z. B. für selbstgeschaffene immaterielle Geschäftswerte und Bilanzierungswahlrechte. Dabei stellt sich jeweils die Frage nach der Bilanzbewertung. Im Grundsatz gelten hier die Anschaffungskosten als Wertobergrenze. Dazu gehören neben dem Anschaffungspreis auch die Anschaffungsnebenkosten (Transport, Inbetriebnahme etc.). Bei selbsterstellten Vermögensgegenständen sind die Herstellungskosten anzusetzen, also der bewertete Verzehr an Gütern und Diensten zur Erstellung des Objekts, außer den kalkulatorischen Kosten. Der Herstellungsaufwand umfasst auch die Erweiterung des Objekts und dessen wesentliche Verbesserung. Hinzu kommt der Erhaltungsaufwand, der evtl. als anschaffungsnahe Herstellungskosten angesetzt werden kann. Bei Objekten mit Marktpreis ist dieser als beizulegender Wert anzusetzen. Für die Bewertung der Schulden kommt der Erfüllungsbetrag in Ansatz, der nach vernünftiger kaufmännischer Beurteilung vorliegt. Bei Marktpreisen gilt auch hier der beizulegende Zeitwert. Besonderheiten betreffen Sicherungsgeschäfte und Währungsumrechnungen. Die Bilanzgliederung soll den Grundsätzen der Klarheit, der formellen Bilanzkontinuität und der Wirtschaftlichkeit gehorchen (siehe Abb. D16). Vertikal ist dabei die Zusammenfassung und Reihenfolge des Ausweises der einzelnen Positionen zu beachten. Der Aufbau der Bilanz erfolgt nach Aktiva und Passiva, innerhalb der Aktiva wiederum nach Anlagevermögen, Umlaufvermögen und Rechnungsabgrenzung, innerhalb der Passiva nach Eigenkapital, Schulden und Rechnungsabgrenzung. Innerhalb dieser Rubriken folgt die Gliederung dem Liquiditätsgrad, den Rechtsverhältnissen und dem Leistungsprozess (nach Olfert). Neben der Bilanz umfasst der Jahresabschlusses noch die Gewinn- und Verlustrechnung und ggf. den Anhang und den Lagebericht. Ggf. sind eine Kapitalflussrechnung und ein Eigenkapitalspiegel anzulegen. Die Anforderungen sind unternehmensgrößenabhängig mit den Kriterien Bilanzsumme, Umsatzerlöse und Arbeitnehmerzahl. Das Gesetz über die Rechnungslegung von bestimmten Unternehmen und Konzernen (PublG) regelt die Pflicht zur Veröffentlichung. Die Veröffentlichung erfolgt beim Bundesanzeiger in elektronischer Form. Zuwiderhandeln stellt eine Ordnungswidrigkeit dar und ist mit Ordnungsgeld belegt. Von dort sind Kopien für Jedermann möglich. Bilanzen werden nach festen Regeln aufgestellt. Dabei handelt es sich international um folgende:

12. Bilanzierung

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Abbildung D16: Bilanzaufbau (eig. Abb.)

• IFRS (International Financial Reporting Standards) in Bezug auf den Konzernabschluss. IFRS unterscheidet beim Vermögen (Assets) nach langfristigem (Non-current) und kurzfristigem (current) sowie bei den Schulden nach kurzfristigen (Current Liabilities) und langfristigen (Long-term Dept), ebenso werden Rückstellungen in kurzfristige (Continguent Liabilitites) und langfristige (Deferred Credits) unterschieden. Hinzu tritt das Eigenkapital (Equity). • US-GAAP (Generally Accepted Accounting Principles) für Unternehmen, die an der New Yorker Börse (NYSE) notiert sind. Beide Regelwerke werden zu einem gemeinsamen Standard vereinheitlicht und lösen die Rechnungslegung nach HGB in Deutschland ab. Dies erfolgte durch das Bilanzmodernisierungs-Gesetz (BilMoG). Dabei wurde der primäre Gläubigerschutzgedanke des HGB durch die Informationsfunktion der Shareholder abgelöst. Die Ausschüttungsbemessung und die steuerliche Gewinnermittlung sowie die Grundsätze ordnungsmäßiger Bilanzierung wurden beibehalten.

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12.3 Aktivapositionen 12.3.1 Anlagevermögen

Auf der Aktivseite der Bilanz sind folgende Posten zu berücksichtigen. Im Anlagevermögen besteht die Pflicht zur Aktivierung entgeltlich erworbener immaterieller (Anlage- und Umlauf-)Vermögensgegenstände sowie selbstgeschaffenen immateriellen Umlaufvermögens. Ein Aktivierungswahlrecht besteht für selbstgeschaffenes immaterielles Anlagevermögen, gleichzeitig gibt es Ansatzverbote und Ansatzpflichten, die nach Handels- und Steuerrecht differieren. Dabei handelt es sich um Gewerbliche Schutzrechte, Konzessionen, geleistete Anzahlungen und Geschäfts-/Firmenwert. Bei letzterem wird zwischen derivativem Wert als Differenz zwischen dem gezahlten Kaufpreis für eine Unternehmung und deren Substanzwert (dieser ist aktivierungspflichtig) sowie originärem Wert als selbstgeschaffenem Wert (dieser darf nicht aktiviert werden) unterschieden. Zu den Sachanlagen gehören Grundstücke, grundstücksgleiche Rechte und Bauten, technische Anlagen, Maschinen, Betriebs- und Geschäftsausstattung etc. Zu den Finanzanlagen gehören Anteile an verbundenen Unternehmen, Beteiligungen, langfristige Wertpapiere, Ausleihungen an verbundene Unternehmen, Aus­leihungen durch Beteiligungsverhältnis etc. Das Anlagevermögen kann abnutzbar (z. B. Gebäude, Maschinen, Anlagen, Betriebs-/Geschäftsausstattungen) oder nicht-abnutzbar (z. B. Grundstücke, Finanzanlagen) sein. Anlagevermögen sind Vermögensgegenstände, die sachlich oder dispositionsbedingt auf Dauer dem Geschäftsbetrieb dienen. Immaterielle Vermögensgegenstände sind nicht-körperlich. Diese können selbstgeschaffen sein (originär) oder entgeltlich erworben (derivativ). Dabei handelt es sich um Konzessionen, Gewerbliche Schutzrechte, Miet- und Pachtrechte, Lizenzen an solchen Rechten etc. Bei den Sachanlagen handelt es sich um Immobilien (Grund und Boden, Gebäude) und Mobilien (maschinelle Anlage, Betriebs- und Geschäftsausstattung). Finanzanlagen umfassen langfristige und kurzfristige Investitionen. Das Anlagevermögen wird im Zeitablauf im Wert gemindert durch Verschleiß, Substanzabbau, technischen Fortschritt, Marktveränderungen, gesetzliche Rahmenbedingungen etc. Dem wird durch Abschreibungen Rechnung getragen. Planmäßige Abschreibungen folgen einem Abschreibungsplan. Ausgehend von den Anschaffungs- oder Herstellungskosten wird über die betriebsgewöhnliche Nutzungsdauer des Potenzials hinweg eine Wertverminderung beginnend mit dem Anschaffungs- und Herstellungstermin vorgenommen. Am Ende der Nutzungsdauer entsteht womöglich ein Restverkaufserlös. Die Abschreibungsmethode kann handelsrechtlich gewählt werden nach Leistungs- bzw. Verbrauchsabhängigkeit oder Zeitabhängigkeit. Zusätzlich sind außerplanmäßige Abschreibungen möglich bzw. zwingend, und zwar bei außergewöhnlicher technischer oder wirtschaftlicher Abnutzung. Nach Wegfall dieser Gründe

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besteht ein Wertaufholungsgebot durch Zuschreibungen. Für bestimmte Vermögensgegenstände bestehen Bewertungsvereinfachungen: • Eine Festbewertung ist möglich, wenn Sachanlagevermögen regelmäßig ersetzt wird, im Gesamtwert nachrangig ist und sein Bestand sich nur gering verändert. Dazu wird alle drei Jahre eine Bewertung durchgeführt und bei Abweichungen eine Wertanpassung vorgenommen. • Eine Gruppenbewertung ist bei gleichartigen beweglichen Anlagegütern möglich. • Geringwertige Anlagegüter können auch sofort abgeschrieben werden ( 50 %) zu eigenbetrieblichen Zwecken dient. Bei gewillkürtem Betriebsvermögen ist die betriebliche Nutzung minderheitlich (10 – 50 %), es besteht aber ein objektiver Zusammenhang zum Betrieb („ist bestimmt und geeignet, den Betrieb zu fördern“). Bei Privatvermögen liegt eine sehr geringe betriebliche Nutzung vor ( 1 Jahr) sind auf die Gegenwart abzuzinsen (Durchschnittszinssatz). Das gezeichnete Kapital ist mit dem Nennbetrag anzusetzen. Für die Bewertung gelten zudem allgemeine Bewertungsgrundsätze (§ 262 HGB): • Bilanzidentität bedeutet dabei, dass die Werte aus der Schlussbilanz des Vorjahres in die Eröffnungsbilanz des aktuellen Geschäftsjahres übernommen werden müssen. Die Unternehmensfortführung (Going Concern-Prinzip) geht bei der Bewertung von der Fortführung der Unternehmenstätigkeit, nicht von einer Liquidation oder Veräußerung, aus. • Einzelbewertung besagt, dass alle Vermögensgegenstände und Schulden einzeln zu erfassen und zu bewerten sind, insb. ist eine Saldierung verboten. Eine Ausnahme bildet die Möglichkeit der Sammelbewertung bei gleichartigen Gegenständen des Umlaufvermögens. Die Vorsicht ist das leitende Prinzip des HGB. Dieses drückt sich im Realisationsprinzip aus, d. h., Gewinne dürfen erst ausgewiesen werden, wenn sie

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bis zum Abschlussstichtag realisiert sind. Imparität bedeutet, dass Gewinne und Verluste nicht gleichartig zu handhaben sind, für Verluste gilt, dass sie nicht erst bei ihrer Realisierung, sondern bereits bei ihrer Entstehung in die Bilanz aufzunehmen sind. Dies bedeutet, dass für das Vermögen (Aktiva) ein Niederstwertprinzip gilt (streng bei dauerhafter Wertminderung, gemildert bei vorübergehender Wertminderung, außer bei immateriellem Vermögen). Für Schulden (Passiva) hingegen gilt ein Höchstwertprinzip. Entstehen im Zeitpunkt der Abschlusserstellung bessere Informationen über Wertansätze, sind diese zu berücksichtigen (Wertaufhellungsprinzip). Die Werte werden im Zeitraum ihrer Entstehung, nicht der daraus folgenden Geldflüsse erfasst (Verursachungsprinzip). Die gewählten Bewertungsmethoden sind grundsätzlich periodenübergreifend beizubehalten. Zu den Anschaffungskosten gehören alle Einzelkosten des Erwerbs eines Vermögensgegenstandes bis zu dessen betriebsbereitem Zustand, die diesem einzeln zugeordnet werden können. Dazu gehören Preisnachlässe wie Rabatt, Skonto, Bonus, Gutschrift, Rückvergütung etc., Anschaffungsnebenkosten wie Zoll, Versicherung, Abladung, Zulassung, Courtage etc. und Inbetriebnahmekosten wie Umbau, Ausbau, Erschließung, Zubehör etc. Die Herstellungskosten werden aus den Einzelkosten für Herstellung, Erweiterung, Verbesserung etc. gebildet. Nicht aktivierbar sind Vertriebs- und Forschungskosten. Dies bildet die abschreibungsfähige Wertuntergrenze. Als Wahlrecht kommen Gemeinkosten für Verwaltung, freiwillige soziale Leistungen, Fremdkapitalzinsen etc. hinzu. Sind die Kosten nicht exakt quantifizierbar, kann hilfsweise auch der beizulegende Wert, d. h. die Marktbewertung der Vermögensgegenstände, herangezogen werden. Steuerlich spielt der Teilwert eine Rolle, dies ist der Wert, den ein Erwerber der Unternehmung anteilig im Gesamtpreis für das jeweilige Wirtschaftsgut ansetzen würde. Bei Verbindlichkeiten gilt der Erfüllungsbetrag als ansatzfähig, dies ist die Summe aus Nennwert der Schulden und Preissteigerungen bis zum Erfüllungszeitpunkt (nicht steuerlich), bei Rückstellungen diskontiert um den Zinsanteil. Unter Barwert versteht man schließlich den Wert einer zukünftigen Zahlung zum gegenwärtigen Zeitpunkt. Dies gilt z. B. für Pensionsrückstellungen. Vom Grundsatz der Einzelbewertung kann durch Bewertungsvereinfachungsverfahren abgewichen werden. Dafür gibt es drei Ausnahmen (siehe Abb. D18): • Eine Festbewertung von Vermögensgegenständen ist möglich, wenn es sich um Sachanlagen (auch als Roh-, Hilfs- und Betriebsstoffe) handelt, die regelmäßig nach Abgang ersetzt werden, sofern ihr Gesamtwert von nachrangiger Bedeutung ist ( Aufwendungen) im Soll oder den Verlust (Aufwendungen > Erträge) im Haben aus. Bei Kapitalgesellschaften ist die Staffelform vorgeschrieben, bei Personengesellschaften ist sie wahlfrei. Dieser Saldo wird dem Eigenkapitalkonto in der Bilanz zugewiesen und erhöht oder verringert dessen Bestand. Durch die Staffelform können Untergruppen gebildet werden, z. B. das Betriebsergebnis, das Finanzergebnis und das außerordentliche Ergebnis. Bestandserhöhungen bzw. aktivierte Eigenleistungen stehen im Haben der GuV, eine Bestandsverminderung steht im Soll. Das Ergebnis (Gewinn / Verlust) bleibt in beiden Fällen gleich. Die Gliederung der GuV weist im Groben im Soll Kosten für Materialien, Personal, Betriebsstoffe, Mieten, Abschreibungen etc. aus und im Haben Erlöse aus Umsatz, Zuschüssen, Provisionen, Lizenzen, Mieten, Zinsen etc. Sind die Kosten

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niedriger als die Erlöse, entsteht ein Gewinn (im Soll), sind die Erlöse niedriger als die Kosten, ein Verlust (im Haben). Die GuV ist zum Ende jedes Geschäftsjahrs anzulegen und stellt Aufwendungen und Erträge gegenüber. Diese dürfen nicht gegeneinander saldiert werden. Im Unterschied zur Bilanz, die zeitpunktbezogen ist und Bestandsgrößen betrifft (der Erfolg wird dann als Veränderung zwischen zwei Stichtragen ausgewiesen) ist die GuV zeitraumbezogen und bezieht periodisierte Einnahmen und periodisierte Ausgaben ein. Dabei sind nicht die Zahlungsvorgänge entscheidend, sondern die wirtschaftliche Zuordnung. Dabei wird die betriebsgewöhnliche Geschäftstätigkeit vom außerordentlichen Ergebnis abgetrennt. Dies setzt allerdings voraus, dass Erträge und Aufwendungen sich auf dasselbe Mengengerüst beziehen. Dies ist aber nur der Fall, wenn Aufwendungen für die Produktion und Erträge aus dem Absatz sich in einer Periode genau entsprechen, also keine Bestandsveränderungen auftreten. Dies ist in der Praxis normalerweise nicht der Fall. Daher kann in zwei Verfahren vorgegangen werden (siehe Abb. D19): • Beim Gesamtkostenverfahren (Produktionserfolgsrechnung) werden alle Aufwendungen und Erträge erfasst, korrigiert um die Bestandsveränderungen bei fertigen und unfertigen Erzeugnissen. Dazu werden die Umsatzerlöse sämtlicher im Geschäftsjahr entstandenen Aufwendungen gegenübergestellt, unabhängig davon, ob sie für am Markt bereits abgesetzte oder noch am Lager befindliche Waren entstanden sind. Die Erträge werden dabei an das Mengengerüst der Periode angepasst. Mengenänderungen ergeben sich durch Bestandaufbau bzw. -abbau, Schwund, Verderb, Diebstahl etc. Wertänderungen ergeben sich durch Preiserhöhungen für Produktionsfaktoren, Qualitätsmängel, Zuschreibungen etc. Der Materialaufwand umfasst Aufwendungen für Roh-, Hilfs- und Betriebsstoffe sowie bezogene Waren und Leistungen. Der Personalaufwand umfasst Löhne, Gehälter, Sozialabgaben, Altersversorgung, Unterstützung. Abschreibungen umfassen immaterielles und materielles Vermögen, Vermögensgegenstände des Umlaufvermögens und sonstige betrieblichen Aufwendungen (siehe Abb. D20)

Abbildung D19: Alternative Verfahren der Erfolgsrechnung (eig. Abb.)

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• Beim Umsatzkostenverfahren (Umsatzerfolgsrechnung) werden nur die Aufwendungen und Erträge der abgesetzten Produkte erfasst, Bestandsveränderungen und aktivierte Eigenleistungen werden hingegen nicht erfasst. Insofern werden den Umsatzerlösen nur die Aufwendungen für die tatsächlich abgesetzten Waren gegenübergestellt, unabhängig davon, in welchem Geschäftsjahr sie angefallen sind. Die Aufwendungen werden an das Mengengerüst der Periode angepasst. Als Kosten entstehen Vertriebskosten, allgemeine Verwaltungskosten, sonstige betriebliche Aufwendungen und Erträge etc.

Abbildung D20: Gesamtkostenverfahren vs. Umsatzkostenverfahren (in Anlehnung an Wöltje)

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Beide Verfahren führen zum selben Periodenergebnis, aber die Zusammensetzung aus Aufwendungen und Erträgen unterscheidet sich. Das Umsatzkostenverfahren ist aussagefähiger und daher zu bevorzugen. 12.8 Weitere Bestandteile des Jahresabschlusses Zur Bilanz hinzu kommen zumeist weitere Bestandteile des Jahresabschlusses (siehe Abb. D21). Der Anhang dient der Erläuterung von Bilanz und Gewinn- und Verlustrechnung. Dort finden sich Pflichtangaben, z. B. zu Abschreibungsmethoden, Bewertungsansätzen. Wahlpflicht- und Zusatzangaben stellen die Vermögens-, Finanz- und Ertragslage dar. Freiwillige Angaben betreffen Sozialbilanz, Umweltberichterstattung, Wertschöpfungsrechnung etc. Der Anhang dient der Information der Stakeholder. Er ergänzt, erläutert und interpretiert die Angaben aus Bilanz und GuV. Dazu gehört auch ein Anlagenspiegel (Veränderung des Anlagevermögens). Dort finden sich, ausgehend von den Anschaffungs- oder Herstellungskosten Zu- und Abgänge an Anlagen, Umbuchungen, Zu- und Abschreibungen mit Ausweis des Restbuchwerts. Eine weitere Ergänzung bildet der Verbindlichkeitsspiegel mit Ausweis der Beträge für Anleihen, Debits gegenüber Banken, erhaltene Anzahlungen, Verbindlichkeiten aus Lieferungen und Leistungen und sonstigen Verbindlichkeiten, gestaffelt nach Zeitspannen und belegt mit Sicherheiten. Der Rückstellungsspiegel gibt über Art und Umfang (Zuführungen, Inanspruchnahmen, Auflösungen) von Rückstellungen Auskunft. Der Anhang ist dritter Pflichtbestandteil des Jahresabschlusses bei Kapitalgesellschaften, außer bei Kleinstgesellschaften. Er dient der Interpretation und dem

Abbildung D21: Bestandteile des Jahresabschlusses (eig. Abb.)

12. Bilanzierung

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Verständnis des Ergebnisses, der Entlastung bzw. Übersichtlichkeit und Ergänzung des Jahresabschlusses. Es gibt gesetzliche Pflicht- und Wahlbestandteile sowie freiwillige Bestandteile: • Pflichtbestandteile sind allgemeine und spezielle Informationen. Erstere betreffen Abweichungen in der Darstellungsform (Gliederung) des Jahresabschlusses mit fehlender intertemporaler Vergleichbarkeit der Posten. Sowie zusätzliche Angaben zu Bilanz und GuV, angewandte Bilanzierungs- und Bewertungsmethoden, Währungsumrechnung, Bildung von Bewertungseinheiten etc. Letztere betreffen Angaben zu Forschungs- und Entwicklungskosten, Investmentvermögen, Altersvorsorgeverpflichtungen, Aufgliederung der Verbindlichkeiten nach Art und Frist, antizipative / t ransitorische Rechnungsabgrenungsposten (Leistung in der Berichtsperiode, Ausgabe / Einnahme erst danach), latente Steuern, Eventualverbindlichkeiten, Aufgliederung der Umsatzerlöse etc. Außerdem werden nicht in der Bilanz enthaltene Geschäfte erläutert, sofern diese die Beurteilung der Finanzlage beeinflussen, wie Anzahl der Mitarbeiter, Gesamtbezüge der Organmitglieder der Gesellschaft, Beteiligungen, Geschäfte mit nahestehenden Unternehmen / Personen, ausschüttungsgesperrte Beträge etc. Auch wird eine Entsprechungserklärung zum Corporate Governance-Kodex gegeben. • Bei den freiwilligen Bestandteilen handelt es sich um Nebenrechnungen wie Bewegungsbilanz, Kapitalflussrechnung, Sozialbilanz, Wertschöpfungsrechnung, Umweltbilanz, Substanzerhaltungsrechnung etc., um kapitalmarktorientierte Informationen, Angaben zur internationalen Vergleichbarkeit, Berichtsverbote im Allgemeinwohlinteresse etc. Mittelgroße und große Kapitalgesellschaften haben den Jahresabschluss um einen Lagebericht zu ergänzen. Dieser ist nicht Bestandteil des Jahresabschlusses, sondern kommt eigenständig hinzu. Dabei ist ein den tatsächlichen Verhältnissen entsprechendes Bild der Gesellschaft zu geben. Pflichtbestandteile sind der Wirtschaftsbericht, dieser enthält den Geschäftsverlauf, die Lage der Gesellschaft, und der Prognosebericht (über Chancen / Risiken). Außerdem sind folgende Angaben erforderlich: • Ereignisse nach Abschlussstichtag, die für die Beurteilung der Gesellschaft wesentlich sind, • Risikomanagementbericht incl. des internen Kontroll- und Risikosystems, • Forschungs- und Entwicklungsbericht, • Niederlassungsbericht, • Vergütungsbericht, • Bericht zur Übernahmesituation,

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D. Die Geldwirtschaft der Unternehmung

• Erläuterungen zur Unternehmensführung (vor allem Corporate Govern­anceKodex). Darüber hinaus können weitere, freiwillige Bestandteile eingearbeitet werden. Die Kapitalflussrechnung ist feste Ergänzung zum Jahresabschluss. Sie zeigt Investitions- (Mittelverwendung) und Finanzierungsvorgänge (Mittelherkunft) auf. Insofern kann eine liquiditätsbezogene Analyse vorgenommen werden (Beständedifferenzen), daraus wiederum kann eine Bewegungsbilanz abgeleitet werden. Die Ein- und Auszahlungen erlauben eine Betrachtung des Cash-flow. Dabei sind drei Arten zu unterscheiden: • Cash-flow aus laufender Geschäftstätigkeit, dieser ist auf die Umsatzerzielung ausgelegt, Cash-flow auf Investitionstätigkeit, dieser ist auf das Anlagevermögen ausgerichtet und Cash-flow aus Finanzierungstätigkeit. Der Eigenkapitalspiegel weist die Veränderungen des Eigenkapitals im Geschäftsjahr aus. Daraus ergibt sich zugleich die Verwendung des Jahresüberschusses, z. B. differenziert für Rücklagen oder Ausschüttung. Einzelkaufleute und Personengesellschaften, die an drei aufeinander folgenden Bilanzstichtagen zwei der folgenden drei Merkmale erfüllen, sind publizitätspflichtig: • Bilanzsumme > 65 Mio. € oder Umsatzerlöse > 130 Mio. € oder Beschäftigtenzahl > 5.000. Kapitalgesellschaften und „atypische“ Personengesellschaften wie GmbH& CoKG sind publizitätspflichtig, wenn sie an zwei aufeinander folgenden Bilanzstichtagen zwei von drei, nach Größenklassen gestaffelten Merkmale erfüllen: • Kleinstunternehmen, ohne Lagebericht, ohne Anhang, mit verkürzter Bilanz und GuV-Rechnung, der Jahresabschluss unterliegt keiner Prüfung, • Kleinunternehmen, ohne Lagebericht, mit verkürzter Bilanz und GuV-Rechnung, mit Anhang, kein Anlagespiegel, der Jahresabschluss unterliegt keiner Prüfung, • Mittelunternehmen, mit verkürzter GuV-Rechnung, mit Anhang und Lagebericht, der Jahresabschluss muss durch einen Abschlussprüfer (vereidigter Buchprüfer) geprüft werden. Großunternehmen haben einen vollständigen Jahresabschluss incl. Anhang und Lagebericht zu veröffentlichen. Ihr Jahresabschluss muss von examinierten Wirtschaftsprüfern geprüft werden. Der Abschluss muss binnen drei bzw. vier Monaten nach Bilanzstichtag aufgestellt und binnen vier bzw. zwölf Monaten danach offengelegt werden. Der Bestätigungsvermerk ist eine Voraussetzung für die Entlastung des Vorstands. Kapitalmarktorientierte Großunternehmen haben die Kapitalflussrechnung und den Eigenkapitalspiegel zu ergänzen. Börsenno-

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tierte AG’s müssen zusätzlich eine Erklärung zur Corporate Governance abgeben. 12.9 Bilanzpolitik Unter Bilanzpolitik versteht man die bewusste und zielgerichtete Gestaltung der externen Rechnungslegung im Rahmen der legalen Gestaltungsmöglichkeiten mit dem Ziel der besseren Präsentation der Unternehmung in den relevanten Öffentlichkeiten (Bilanzkosmetik). Diese ergeben sich im Wesentlichen aus Bilanzierungs-, Wertansatz- und Methodenwahlrechten (siehe Abb. D22): • Bilanzierungswahlrechte beziehen sich auf die Nutzung von Aktivierungsund Passivierungswahlrechten, • Bewertungswahlrechte beziehen sich auf die Nutzung von Bewertungsspielräumen, • Methodenwahlrechte beziehen sich auf die Aufgliederung der Abschlussposi­ tionen, die Gestaltung von Sachverhalten zur Ergebnis- und / oder Darstellungsbeeinflussung.

Abbildung D22: Elemente der Bilanzpolitik (eig. Abb.)

Als Ziel dient zumeist der Ausweis eines niedrigeren Gewinns, z. B. durch legale Steuergestaltung oder Verringerung einer für erforderlich gehaltenen Gewinnausschüttung, aber auch der Ausweis eines höheren Gewinns, z. B. zur Verbesserung der Bonität oder Forcierung eines Verkaufspreises, oder aber die Erreichung einer Gewinnverstetigung. Außerdem geht es um die Beeinflussung der Bilanzstruktur auf der Aktiv- wie der Passivseite. Davon scharf abzugrenzen ist die Bilanzmanipulation als illegale Gestaltungsform. Dazu gehören die vorsätzliche Über- oder Unterbewertung von Bilanzposten, die nicht vollständige Erfassung von aktivierungspflichtigen Aktiva und passivierungspflichtigen Passiva, die Einstellung nicht vorhandener Aktiva oder

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D. Die Geldwirtschaft der Unternehmung

Passiva in den Jahresabschluss, die bewusste Falschbenennung von Bilanzposten oder die verbotwidrige Saldierung von Posten bzw. die verbotswidrige Unterlassung der Saldierung von Posten. Dadurch kommt es zu Verfälschungen der Bilanz. Als Ziele der legalen Bilanzpolitik sind folgende zu nennen: • Bildung bzw. Auflösung von offenen und stillen Reserven, • Erhaltung und Erweiterung des Eigenkapitals, • Gestaltung der Selbstfinanzierungsfähigkeit der Unternehmung, • Verbesserung der Liquidität der Unternehmung, • Steigerung der Kreditwürdigkeit der Unternehmung (Kreditkonditionen), • Verringerung der Ertragsteuerbelastung der Unternehmung, • Gestaltung des ausschüttungsfähigen Jahresgewinns (Dividendenpolitik), • Gestaltung der Offenlegungspflichten der Unternehmung, • Beeinflussung der Bilanzstruktur bzw. der Bilanzsumme, • Gestaltung gewinnabhängiger Vergütungen des Managements. Dabei sind die Interessen der verschiedenen Stakeholder zu berücksichtigen. Für die Bilanzpolitik stehen verschiedene Instrumente zur Verfügung (siehe Abb. D23). Dazu gehört vor allem die Sachverhaltsgestaltung. Hier sind folgende Instrumente einsetzbar: • die Wahl des Bilanzstichtags, • die zeitliche Vor- und Nachverlagerung von Geschäftsvorfällen, wie die Aufschiebung der Zahlung von Verbindlichkeiten bzw. die Aufnahme von Verbindlichkeiten mit Tilgung nach dem Bilanzstichtag, • umkehrbare Gestaltungen, • bilanzpolitisch motivierte Vornahmen, • die Erteilung von Pensionszusagen, • die Anschaffung geringwertiger Wirtschaftsgüter, • das Aufschieben von Warenauslieferungen in das nächste Geschäftsjahr bzw. das Vorziehen auf das aktuelle Geschäftsjahr, • die vorgezogene Anschaffung von Anlagegütern, • der Einsatz von Instandhaltungsmaßnahmen, • die Vergabe von Beratungsleistungen (z. B. Werbeagentur), • der Verkauf von Wertpapieren unter Anschaffungskurs, • der Verkauf von Anlagevermögen über Buchwert,

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Abbildung D23: Instrumente der Bilanzpolitik (eig. Abb.)

• der Verkauf von Vorratsbeständen, • die Saldierung von Forderungen und Verbindlichkeiten, soweit zulässig, • die Vorabausschüttung von Gewinnanteilen, • Sale and Lease back zur Tilgung von Verbindlichkeiten, • der Forderungsverkauf zur Tilgung von Verbindlichkeiten, • die Umfinanzierung von Fremdkapital, • die Ausgliederung von Unternehmensteilen, • Einlagen auf das Eigenkapital vor Bilanzstichtag bzw. Entnahmen vor Bilanzstichtag. Die Gewinnverwendung zielt auf die Begrenzung der Ausschüttung durch Bildung bzw. Auflösung offener und/oder stiller Rücklagen ab. Zum Beispiel kann bei einer AG bis zu 50 % des korrigierten Jahresüberschusses durch Vorstandsbzw. Aufsichtsratsbeschluss in andere Rücklagen eingestellt werden. Über die anderen 50 % beschließt dann die Hauptversammlung. Ziele können dabei u. a. die Substanzerhaltung oder die Dividendenkontinuität sein. Weiterhin geht es um die Sachverhaltsabbildung. Hier sind formelle und materielle Instrumente einsetzbar. Formelle Instrumente beziehen sich auf • Ausweiswahlrechte, wie die Gliederung der Bilanz und GuV, die Darstellung in Anhang und Lagebericht, • Gliederungswahlrechte, • Erläuterungswahlrechte im Anhang und Lagebericht,

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D. Die Geldwirtschaft der Unternehmung

• Ausweis der jeweiligen Position im Jahresabschluss, • Kapital- und Vermögensstrukturierung. Materielle Instrumente beziehen sich auf • den Ansatz als Aktivierungs- und Passivierungswahlrechte, z. B. für selbstgeschaffene immaterielle Vermögenswerte des Anlagevermögens, Disagioausweis, aktive latente Steuern, Pensionsrückstellungen, Wertaufholungsrücklage, • die Bewertung der einzelnen Posten im Jahresabschluss als Methodenwahlrechte und Abwertungs- und Aufwertungswahlrechte wie außerplanmäßige Abschreibungen bei Finanzanlagen bei vorübergehender Wertminderung, Einzel-, Gruppen- oder Festbewertung, Verbrauchsfolgeverfahren, Ermittlung der Herstellkosten für fertige und unfertige Erzeugnisse, Abschreibungsmethoden, Ermittlung des beizulegenden Zeitwerts, Festlegung der Nutzungsdauer, • die Nutzung von Ermessensspielräumen bei ungenauer Sachverhaltszuordnung oder unklarer Rechtsgrundlage wie Zuordnung von Wertpapieren zum Anlage- oder Umlaufvermögen, Wertberichtigungen auf Forderungen, Bildung von Rückstellungen, Abgrenzung von Herstellungs- und Erhaltungsaufwand. Bilanzpolitische Maßnahmen sind durch die Jahresabschlussanalyse identifizierbar. Dafür werden im Regelfall Kennzahlen zugrunde gelegt wie Sachanla­ genintensität, Umschlagdauer der Vorräte, Eigenkapitalquote, statischer Verschuldungsgrad, Liquidität 1., 2. und 3. Grades, Eigenkapital-/Gesamtkapitalrentabilität, Netto-/Bruttoumsatzrentabilität, Cash-flow etc.

Literaturhinweise Baetge, Jörg  /  Kirsch, Hans-Jürgen / Thiele, Stefan: Bilanzen; 13. Auflage, Düsseldorf 2014 Ballwieser, Wolfgang: IFRS-Rechnungslegung; 3. Auflage, München 2013 Bitz, Michael / Schneeloch, Dieter / Wittstock, Wilfried / Datek, Guido: Der Jahresabschluss; 6. Aufl.; München 2014 Busse von Colbe, Walther / Ordelheide, Monika u.a.: Konzernabschlüsse; 11. Auflage, Wiesbaden 2010 Coenenberg, Adolf G. / Haller, Axel / Schultze, Wolfgang: Jahresabschluss und Jahresabschlussanalyse; 23. Auflage, Stuttgart 2014 Ditges, Johannes / Arendt, Uwe / Rinker, Carola: Bilanzen; 14. Auflage, Herne 2012 Grottel, Bernd / Schmidt, Stefan u.a. (Hrsg.): Beck’scher Bilanz-Kommentar; 10. Auflage, München 2015 Endriss, Horst W. (Hrsg.): Bilanzbuchhalter-Handbuch; 10. Auflage, Herne 2015

12. Bilanzierung

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Federmann, Rudolf: Bilanzierung nach Handelsrecht, Steuerrecht und IAS / IFRS; 12. Auflage, Berlin 2010 Goldstein, Elmar: Jahresabschluss – leicht gemacht; 8. Auflage, Freiburg (i.Br.) 2013 Grefe, Cord: Kompakt-Training Bilanzen; 8. Auflage, Herne 2014 Hahn, Klaus: BilMoG Kompakt; 3. Auflage, Weil im Schönbuch 2011 Heno, Rudolf: Jahresabschluss nach Handelsrecht, Steuerrecht und internationalen Standards (IFRS); 8. Auflage, Heidelberg 2016 Kümpel, Thomas / Pollmann, René: Grundzüge der IFRS-Konzernrechnungslegung; Wiesbaden 2014 Meyer, Claus: Bilanzierung nach Handels- und Steuerrecht; 26. Auflage, Herne 2015 Moxter, Adolf: Bilanzrechtsprechung; 6. Auflage, Tübingen 2007 Muschol, Horst: Jahresabschluss; 4. Auflage, Plauen 2010 Pellens, Bernhard / Fülbier, Rolf U. u. a.: Internationale Rechnungslegung; 9. Auflage, Stuttgart 2014 Petersen, Karl / Zwirner, Christian / Künkele, Kai P.: Bilanzanalyse und Bilanzpolitik nach BilMoG; 2. Auflage, Herne 2010 Schildbach, Thomas: Der Konzernabschluss nach HGB, IFRS und US-GAAP; 7. Auflage, München 2008 Schildbach, Thomas / Stobbe, Thomas / Brösel, Gerrit: Der handelsrechtliche Jahresabschluss; 10. Auflage, Herne 2013 Sicherer, Klaus von: Bilanzierung im Handels- und Steuerrecht; 2. Auflage, Wiesbaden 2013 Tanski, Joachim S.: Jahresabschluss in der Praxis; 3. Auflage, Freiburg 2014 Vinken, Horst / Seewald, Hans-Christoph u. a.: BilMoG; 2. Auflage, Berlin 2011 Vollmuth, Hilmar J.: Bilanzen; 9. Auflage, Freiburg / Berlin / München 2009 Wöhe, Günter / Mock, Sebastian: Die Handels- und Steuerbilanz; 6. Auflage, München 2010 Wörner, Georg: Handels- und Steuerbilanz nach neuem Recht; 8. Auflage, München 2014

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D. Die Geldwirtschaft der Unternehmung

Übungsaufgaben 1 Aus welchen Positionen besteht das Anlagevermögen im Einzelnen? 2. Nennen und erläutern Sie bitte Grundsätze ordnungsgemäßer Buchführung und Bilanzierung. 3. Was versteht man unter der Bilanz? Welche Inhalte trägt die Aktivseite und welche die Passivseite der Bilanz? 4. Welche Inhalte umfasst die Bilanzanalyse? 5. Welche Inhalte umfasst die Bilanzpolitik? 6. Stellen Sie bitte die Bedeutung und Merkmale des Geschäftswerts dar. 7. Was versteht man unter einer Gewinnrücklage? 8. Erläutern Sie bitte die Inhalte eines Jahresabschlusses. 9. Welche Besonderheiten weist der Konzernabschluss auf? 10. Welche Inhalte finden sich für gewöhnlich im Lagebericht? 11. Was besagt das Maßgeblichkeitsprinzip in Bezug auf die Bilanz? 12. Worum handelt es sich bei Rücklagen? 13. Worum handelt es sich bei Rückstellungen? 14. Was versteht man unter Schulden und wie werden diese buchhalterisch behandelt? 15. Was hat man sich unter „Sonderposten mit Rücklagenanteil“ vorzustellen?

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13. Kostenrechnung In diesem Kapitel werden folgende Inhalte behandelt und geklärt: • die Begrifflichkeiten und die Kostengliederungen, • die Kostenrechnungssysteme in Bezug auf Kostenarten, Kostenstellen und Kostenträger, • die Plankostenrechnung, • das Kostenmanagement.

13.1 Begrifflichkeiten Die Kosten- und Leistungsrechnung gehört zum Bereich des internen Rechnungswesens. Sie besteht im Wesentlichen aus der Betriebsabrechnung, welche die in einer Periode in der Unternehmung angefallenen Kosten erfasst und verrechnet, sowie der Kalkulation, welche die Kosten von Leistungen ermittelt. Außerdem gehören dazu betriebliche Auswertungen wie Statistik und Planungsrechnungen. Das interne Rechnungswesen (Investitionsrechnung, Finanzierungsrechnung und, hier relevant, Kosten- und Leistungsrechnung) ist eng mit dem externen Rechnungswesen (Buchführung, Bilanzierung, Gewinn- und Verlustrechnung, Jahresabschluss) verknüpft. Es dient der Planung, Steuerung, Kontrolle und Entscheidung. Das Rechnungswesen übernimmt damit die Erfassung, Verarbeitung und Auswertung mengen- und wertmäßiger Informationen in der Unternehmung. Adressaten sind unternehmensinterne Stellen. Adressaten des externen Rechnungswesens (Rechnungslegung) sind demgegenüber unternehmensexterne Stake­holder (Anteilseigner, Gläubiger, Staat etc.). Wesentliche Zwecke des internen Rechnungswesens sind die Ermittlung der Selbstkosten für Fertigerzeugnisse, von Herstellkosten für selbsterstellte Anlagen und Bestände, die Information zum Leistungsprogramm, der Ausweis des Stückerfolgs, die Erfassung, Verteilung und Zurechnung von Kosten und Leistungen, die Kontrolle der Kostenarten, Kostenstellen und Kostenträger, die Erfolgskontrolle der betrieblichen Tätigkeit und die Wirtschaftlichkeitskontrolle des Ressourceneinsatzes. Der Ausweis erfolgt periodenbezogen. Das Ergebnis ­einer Periode wird den Ergebnissen vergangener Perioden (Längsschnittvergleich), den Ergebnissen vergleichbarer Unternehmen (Querschnittsvergleich) oder den Zielgrößen (Soll-Ist-Vergleich) gegenübergestellt.

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D. Die Geldwirtschaft der Unternehmung

13.2 Kostengliederung Kosten stellen allgemein den bewerteten, betriebszielbezogenen Verzehr an Waren und Diensten innerhalb einer Rechnungsperiode dar. Leistungen umfassen die bewertete, betriebszielbezogene Erstellung von Waren und Diensten innerhalb einer Rechnungsperiode. Betriebszielbezogen bedeutet, dass als Kosten und Leistungen nur solche Werte zu berücksichtigen sind, die dem Betriebsziel dienen. Die Rechnungsperiode bezieht sich regelmäßig auf das Geschäftsjahr. Die Kosten werden nach Mengen- und Wertkomponente erfasst. Der pagatorische Kostenbegriff umfasst nur Ausgaben. Die Wertkomponente kann sich an den Anschaffungskosten, dem Wiederbeschaffungswert, den Opportunitätskosten oder Verrechnungspreisen orientieren. Die Verrechnung der Kosten erfolgt nach dem Verursacherprinzip, dem Tragfähigkeitsprinzip oder dem Durchschnittsprinzip. Bei Leistungen handelt es sich um Absatzleistungen, Lagerleistungen, eigenerstellte Anlagen, Einrichtungen und Güter. Die Gliederung der Kosten ist nach verschiedenen Kriterien möglich (siehe Abb. D24): • Nach der Bezugsgröße ergeben sich Stückkosten und Gesamtkosten, erstere beziehen sich auf die Kosten einer einzelnen Leistung (auch Durchschnittskosten genannt), letztere auf die Kosten einer Gesamtheit (Stelle, Los, Unternehmung etc.). Außerdem gibt es Grenzkosten als Zuwachs der Gesamtkosten bei infi-

Abbildung D24: Zentrale Kostenbegriffe (eig. Abb.)

13. Kostenrechnung

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nitesimal kleiner Mengenausweitung bzw. Abwachs bei infinitesimal kleinem Mengenabwachs. • Nach der Zahlungswirksamkeit gibt es pagatorische Kosten und nicht-pagatorische Kosten. Pagatorische Kosten sind mit einer Auszahlung verbunden, dies gilt im Regelfall für alle variablen Kosten und für Teile der Fixkosten. Nicht-pagatorische Kosten sind nicht mit einer Auszahlung verbunden, dies gilt u. a. für kalkulatorische Kosten. Die Zahlungswirksamkeit ist bedeutsam, weil eine Unternehmung stets in der Lage bleiben muss, alle fälligen Zahlungen termingetreu und betragsgenau leisten zu können. Ansonsten droht Insolvenz. Bei primären Kosten für extern bezogene Faktoren fallen Zahlungen an, bei sekundären Kosten für innerbetriebliche Faktoren sind ggf. keine Zahlungen fällig. • Nach der betrieblichen Funktion, für die Kosten anfallen, entstehen Beschaffungs-, Fertigungs-, Verwaltungs-, Vertriebskosten etc. • Nach der Zurechenbarkeit auf eine Bezugsgröße ergeben sich Einzelkosten und Gemeinkosten. Bei Einzelkosten handelt es sich um solche, die einem Bezugsobjekt unmittelbar zugerechnet werden können. Bei Gemeinkosten handelt es sich hingegen um solche, die nicht einem Bezugsobjekt allein, sondern nur mehreren Bezugsobjekten gemeinsam zugerechnet werden können. Beim Bezugsobjekt kann es sich um Kostenstellen oder Kostenträger handeln. Außerdem werden Sondereinzelkosten der Fertigung und des Vertriebs unterschieden. Sie lassen sich unmittelbar einem Auftrag oder einem Projekt zurechnen. Bei Sondereinzelkosten der Fertigung handelt es sich z. B. um Konstruktions-, Patent- oder Spezialwerkzeugkosten, bei Sondereinzelkosten des Vertriebs z. B. um Verpackungs-, Zoll- oder Transportkosten. Die Zurechnung der Kosten erfolgt für die Einzelkosten nach dem Verursachungsprinzip, für die Gemeinkosten nach dem Proportionalitäts-, dem Durchschnitts- oder dem Tragfähigkeitsprinzip. Bei unechten Gemeinkosten handelt es sich um solche, die zwar als Einzelkosten erfasst werden könnten, deren Erfassung jedoch als zu aufwändig angesehen wird, um dies zu tun (z. B. Erfassung von Hilfsstoffen). Sie werden stattdessen geschlüsselt. • Nach der Abhängigkeit vom Beschäftigungsgrad lassen sich variable und fixe Kosten unterscheiden. Bei fixen Kosten handelt es sich um solche, die beschäftigungsgradunabhängig anfallen. Bei variablen Kosten handelt es sich hingegen um solche, die in Abhängigkeit vom Beschäftigungsniveau anfallen. Bei den fixen Kosten gibt es Nutzkosten, denen Beschäftigung gegenübersteht, und Leerkosten als ungedeckte Fixkosten, denen keine Beschäftigung gegenübersteht. Hinsichtlich der Kostenverläufe bei variablen Kosten kann es sich um einen proportionalen Verlauf (z. B. Akkordlohn), progressiven Verlauf (z. B. Überstundenzuschläge), degressiven Verlauf (z. B. Mengenrabatte im Einkauf) oder (sehr selten) regressiven Verlauf handeln (z. B. Heizkosten im Kinosaal). Außerdem gibt es sprungfixe Kosten, die innerhalb eines Be-

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schäftigungsintervalls unverändert bleiben, sich von Beschäftigungsintervall zu Beschäftigungsintervall aber sprunghaft verändern. Bei Kapazitätsabbau ergibt sich eine Kostenremanenz, d. h. eine verzögerte Abbaubarkeit dieser sprungfixen Fixkosten (siehe Abb. D25). • Nach dem Zeitbezug gibt es Istkosten als tatsächlich in einer Periode angefallene Kosten (auch effektive Kosten), Normalkosten als aus der Vergangenheit abgeleitete durchschnittlich gegenwärtig zu erwartende Kosten und Plankosten als methodisch begründete Kosten. Normalkosten und Plankosten werden auch Sollkosten genannt.

Abbildung D25: Abbaubarkeit von Fixkosten (eig. Abb.)

Einzelkosten sind generell variable Kosten, Gemeinkosten können fixen (überwiegend) oder variablen Charakter haben. Der Gesamtkostenverlauf kann analytisch oder synthetisch festgelegt werden (siehe Abb. D26). Die analytische Kostenauflösung zwischen fixen und variablen Kosten kann buchtechnisch nach Reagibilität der Kosten bei Beschäftigungsgradschwankungen, mathematisch aus dem Differenzialquotient zwischen zwei Beschäftigungsgraden oder grafisch nach der Kleinstquadratabweichungsmethode vorgenommen werden. Die buchtechnische Methode beruht letztlich auf Erfahrung aus historischen Daten, die mathematische Methode sucht eine funktionale Beziehung zwischen Kosten

13. Kostenrechnung

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Abbildung D26: Alternative Methoden zur Kostenauflösung (eig. Abb.)

und Menge herzustellen (Zweipunkteverfahren), die grafische Methode legt ein Streupunktdiagramm mit statistischer Auswertung zugrunde (Mehrpunkteverfahren mit Kleinstquadratabweichung). Die synthetische Kostenauflösung legt funktionale Beziehungen zwischen Faktoren und Prozessen zugrunde. Dies ist zwar aufwändig, aber letztlich allein exakt. Von Fixkostendegression spricht man bei einer Entwicklung der Durchschnittskosten, die pro Stück fallen, weil der Anteil der fixen Kosten daran mit steigender Menge fällt. Der Elastizitätskoeffizient gibt das Verhältnis der relativen Änderung der Periodenkosten zur relativen Änderung des Beschäftigungsgrads an. Der Beschäftigungsgrad wiederum entsteht aus der Relation zwischen tatsächlicher Auslastung einer Einheit und ihrer maximalen technischen oder wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit. 13.3 Kostenrechnungssysteme 13.3.1 Einteilungen

Nach der Art kann die Kostenrechnung in drei Bereiche eingeteilt werden (siehe Abb. D27). Die Kostenartenrechnung erfasst die Kosten einer Periode nach verschiedenen Arten wie Mieten, Personal, Material etc. Die Kostenstellenrechnung ordnet diese Kosten bestimmten Stellen in der Unternehmung zu. Und die Kostenträgerrechnung verrechnet diese Kosten auf bestimmte Leistungen. Die Kostenträgerstückrechnung führt dabei zur Vor- und Nachkalkulation von Aufträgen und Projekten, die Kostenträgerzeitrechnung führt zum Betriebsergebnis (auch kurzfristige Erfolgsrechnung). Die Einzelkosten werden unmittelbar in die Kostenträgerrechnung übernommen, die Gemeinkosten werden hingegen in der Kostenstellenrechnung mit Hilfe des Betriebsabrechnungsbogens (BAB) möglichst verursachungsnah verrechnet. Die Kostenstelleneinzelkosten werden dann aus den Hauptkostenstellen auf die Kostenträger übertragen, die Kostenstellengemeinkosten zunächst auf Hilfskostenstellen erfasst und dann auf die Hauptkostenstellen umgelegt. Die Kostenartenrechnung dient der Bereitstellung

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D. Die Geldwirtschaft der Unternehmung

Abbildung D27: Arten der Kostenrechnung (eig. Abb.)

der Kosten für die Kostenstellen- und -trägerrechnung, der Information über die Kostenbeiträge der Kostenarten und der Ermittlung des Betriebsergebnisses als Erlös- und Kostendifferenz. Die Kostenstellenrechnung dient der Zuordnung der Gemeinkosten auf die Kostenstellen, der Weiterverrechnung dieser Kosten auf die Kostenträger und der Kontrolle der Wirtschaftlichkeit. Die Kostenträgerrechnung dient der Aufbereitung und Auswertung der Kosten. Nach dem Zeitbezug unterscheidet man die Istkostenrechnung auf Basis von tatsächlich in der Vergangenheit angefallen Kosten, die Normalkostenrechnung auf Basis von Durchschnittswerten der Vergangenheit und die Plankostenrechnung auf Basis von analytisch ermittelten Kosten: • Die Istkostenrechnung ist vergangenheitsorientiert und damit für Planungsund Steuerungszwecke problematisch, wohl ist sie für Kontrollzwecke geeignet, sie ist als Voll- oder Teilkostenrechnung ausgelegt. • Die Normalkostenrechnung schafft Durchschnittswerte als Rechnungsbasis, sie ist praktisch immer als Vollkostenrechnung ausgelegt und kann starr oder flexibel sein. • Die Plankostenrechnung basiert auf systematisch zu erwartenden Kosten, sie kann auf Vollkostenbasis starr oder flexibel angelegt sein oder auf Teilkostenbasis als Grenzplankostenrechnung (siehe Abb. D28). Nach dem Umfang der Kostenverrechnung unterscheidet man die Vollkostenrechnung, bei der sowohl fixe als auch variable Kosten berücksichtigt werden, und die Teilkostenrechnung, bei der nur die entscheidungsrelevanten Kosten berücksichtigt werden. Dies können je nach Lage der Dinge die variablen Kos-

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Abbildung D28: Zeitbezug der Kostenrechnung (eig. Abb.)

ten in der klassischen Deckungsbeitragsrechnung oder die Einzelkosten in der Deckungsbeitragsrechnung mit relativen Einzelkosten sein. Die Vollkostenrechnung widerspricht dem Verursachungsprinzip, ist dafür aber leichter zu handhaben, die Deckungsbeitragsrechnung als Teilkostenrechnung kann einstufig oder mehrstufig ausgelegt sein. Außerdem ist die Grenzplankostenrechnung verbreitet. Die Vollkostenrechnung erfolgt auf Basis von Ist-, Normal- oder Plankosten, die Teilkostenrechnung erfolgt auf Basis von Ist- oder Plankosten. 13.3.2 Kostenartenrechnung

Die Kostenartenrechnung wird meist im Zuge von Kontenrahmen umgesetzt. Der Industriekontenrahmen (IKR) bzw. der DATEV- oder SAP-ERP-Kontenrahmen sind hier Beispiele (siehe Abb. D29). Bei einem Einkreissystem sind Finanzbuchhaltung und Betriebsbuchhaltung zusammengefasst, im Zweikreis werden sie getrennt geführt. Die Kostenartenrechnung dient der geordneten, vollständigen und periodengerechten Erfassung aller Kosten. Die Kosten werden indirekt durch Multiplikation von Mengen und Stückpreisen ermittelt oder aus den Belegen der Finanzbuchhaltung übernommen. Dabei gelten die Grundsätze der • Vollständigkeit, d. h. alle Kosten sind zu erfassen, • Reinheit, d. h., die Kostenarten müssen sauber gegeneinander abgetrennt sein, • Einheitlichkeit, d. h. transparente Kostenzurechnung, • Wirtschaftlichkeit, d. h. Erfassung nach Zweckmäßigkeit. Wichtige Kostenarten sind die Folgenden. Die Materialkosten setzen sich aus den bewerteten Verbrauchsmengen an fremdbezogenen Roh-, Hilfs- und Betriebsstoffen zusammen. Rohstoffe gehen als wesentlicher Bestandteil in Leis-

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Abbildung D29: Alternative Kontenrahmen (eig. Abb.)

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tungen als Endprodukte, Halbfabrikate, Baugruppen etc. ein. Hilfsstoffe gehen nur als unwesentlicher Bestandteil in Leistungen ein wie Schrauben, Klebstoffe etc. Betriebsstoffe gehen gar nicht in Leistungen ein, sondern sind vielmehr zur Leistungserstellung notwendig wie z. B. Schmierstoffe, Kühlmittel. Die Ermittlung dieser Kosten erfolgt durch die • Inventurmethode als Fortschreibung aus Anfangsbestand + Zugänge – Endbestand = Abgänge / Verbrauch, • Fortschreibungsmethode als Verbrauch = Summe aller Entnahmemengen, • retrograde Methode aus Rückrechnung durch Stücklistenauflösung. Die Bewertung der festgestellten Mengen kann zu Istpreisen als tatsächlichen Anschaffungskosten, als Wiederbeschaffungswert für ein gleichartiges Ersatzgut, als Tageswert bei Börsenpreis oder als Verrechnungswert erfolgen. Die Anschaffungskosten können auf effektiven Preisen, durchschnittlichen (einfachen, gewichteten, gleitenden) Preisen oder auf Verbrauchsfolgeverfahren beruhen (LiFo oder FiFo). Der Wiederbeschaffungswert muss Preisschwankungen berücksichtigen. Der Tageswert kann sich auf die Anschaffung oder die Lagerentnahme beziehen. Verrechnungswerte sind fiktive Preise. Die Personalkosten sind in Bezug auf die Wertschöpfung (Rohertrag) eine große Kostenposition. Dies gilt insb. im Dienstleistungsbereich. Die Kosten bestehen aus den eigentlichen Lohn-/Gehaltskosten, aber auch aus den Personalnebenkosten gesetzlicher oder freiwilliger Art. Dabei handelt es sich um die Kosten für Renten-, Kranken-, Arbeitslosen- und Pflegeversicherung (jeweils nur Arbeitgeberanteil) und Unfallversicherung (voll) sowie Betriebsrenten, Jubiläumsgelder, Krankheitskosten etc. Löhne sind leistungsbezogen und haben damit Einzelkostencharakter, Gehälter sind zeitbezogen und haben Gemeinkostencharakter. Bei den Löhnen kann in direkt zurechenbare Fertigungslöhne und nicht direkt zurechenbare Hilfslöhne unterschieden werden. Bei der Ermittlung kann es sich um Zeitlohn handeln oder um Einzel- oder Gruppen-Akkordlohn sowie Mischformen daraus oder um Prämien, die punktuell eingesetzt werden. Gehälter werden an Angestellte ausgezahlt. Abgaben in Form von Steuern, Beiträgen und Gebühren sind ebenso relevant. Steuern sind Geldleistungen, die nicht eine konkrete Gegenleistung für eine erhaltene Leistung darstellen und vom Staat zur Erzielung von Einnahmen oder für andere Zwecke allen auferlegt werden, auf die der Tatbestand der Leistungspflicht zutrifft. Man unterscheidet durchlaufende Steuern (z. B. MWSt.), aktivierungspflichtige Steuern (z. B. Grunderwerbsteuer) und Aufwandssteuern (z. B. Gewerbeertragsteuer). Gebühren sind Geldleistungen als Gegenleistung für die Inanspruchnahme öffentlicher Einrichtungen und Leistungen (z. B. Abfallentsorgung, Zollabfertigung). Beiträge sind Aufwandsersatzleistungen für die Bereitstellung öffentlicher Einrichtungen und die Inanspruchnahme deren Leistungen (z. B. Kammerbeiträge).

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D. Die Geldwirtschaft der Unternehmung

Unter Dienstleistungskosten fallen solche, die für fremde Dienstleistungen bezahlt worden sind wie im kaufmännischen Bereich Pachten, Leasingraten, Frachten, Provisionen, Mieten, Versicherungsprämien, Reise-/Bewirtungskosten, Rechts-/Steuerberatung, Porto etc. Im technischen Bereich zählen Kosten für Instandhaltungen, Werkzeuge, Energie etc. dazu. Abschreibungen berücksichtigen den Werteverzehr von Repetierfaktoren. Die Abschreibung kann linear in gleichen Jahresbeträgen, degressiv mit abnehmenden Jahresbeträgen oder leistungsabhängig erfolgen. Die degressive Abschreibung wiederum erfolgt proportional zum Restbuchwert geometrisch oder mit konstantem Betrag arithmetisch sowie digital mit im Zeitablauf fallenden Beträgen. Kalkulatorischen Kosten steht kein Aufwand (Zusatzkosten) oder aber ein Aufwand in anderer Höhe (Anderskosten) gegenüber, damit wird im internen Rechnungswesen von den Vorschriften des externen Rechnungswesens abgewichen (siehe Abb. D30). Bei den kalkulatorischen Kosten handelt es sich um folgende Zusatzkosten: • Kalkulatorischer Unternehmerlohn fällt bei Einzelunternehmen und Personengesellschaften an, sofern der / die Geschäftsführende / n Gesellschafter aus dem Gewinn alimentiert wird / werden. Insofern wird ein Geschäftsführer­gehalt eingespart und kann als aufwandsgleich verrechnet werden. • Kalkulatorische Miete fällt bei Einzelunternehmen und Personengesellschaften an, sofern die Unternehmung die Geschäftsräume des / der Gesellschafter / s nutzt. Auch hier können Opportunitätskosten verrechnet werden.

Abbildung D30: Kalkulatorische Kosten (eig. Abb.)

13. Kostenrechnung

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Bei den kalkulatorischen Kosten handelt es sich um folgende Anderskosten: • Kalkulatorische Abschreibung erfasst die tatsächliche Wertminderung bei Anlagegütern im Unterschied zu den rechtlich zulässigen Abschreibungsformen (= bilanzielle Abschreibung). Dabei handelt es sich vor allem um leistungsbezogene Abschreibungen. • Kalkulatorische Wagnisse umfassen nicht versicherte Schadensfälle und Verluste als allgemeine oder spezifische Risiken. Diese resultieren aus Beständen, Fertigung, Entwicklung, Anlagen, Gewährleistungen etc. • Kalkulatorische Zinsen werden verrechnet, wenn der Unternehmer seiner Unternehmung betriebsnotwendiges Kapital unentgeltlich zur Verfügung stellt. Dafür können fiktive Zinsen angesetzt werden. Bei den Erlösen sind verschiedene Erlösarten zu berücksichtigen. Dabei ist vor allem der Realisationszeitpunkt (zeitliche Abgrenzung) wichtig, d. h. Leistungserbringung, Rechnungsstellung, Zahlungseingang. Hinzu kommen etwaige Erlösschmälerungen wie Rabatte, Skonti, Boni, Konventionalstrafen etc. 13.3.3 Kostenstellenrechnung

Die Kostenstellenrechnung klärt auf Basis eines Kostenstellenplans, wo in der Unternehmung Kosten entstehen (siehe Abb. D31). Grundsätze für die Kostenstellenbildung sind, dass ein selbstständiger Verantwortungsbereich vorliegt, eine genaue Maßgröße für die Kostenverursachung angegeben wird und die Erfassung wirtschaftlich durchführbar ist. Die Kostenstelleneinteilung kann nur betriebsindividuell erfolgen. Im Wesentlichen können folgende Kostenstellen unterschieden werden: • Material wie Einkauf, Warenannahme und -prüfung, Verwaltung, Warenlagerung und -ausgabe etc., • Fertigung wie Vorbereitung, Zwischenlager, Werkzeuge, Qualitätssicherung, Montage, Sonderfertigung etc., • Forschung und Entwicklung wie Konstruktion, Erprobung, Musterbau etc., • Verwaltung wie Unternehmensleitung, Personalverwaltung, Finanz- und Rechnungswesen etc., • Vertrieb wie Akquisition, Auftragsabwicklung, Fertigwarenlager, Verpackung, Versand, Kundendienst etc., • Sonstiges wie Energieversorgung, Instandhaltung, Sozialeinrichtungen etc. Hauptkostenstellen (Endkostenstellen) sind solche, die unmittelbar zur Erstellung und Verwertung einer Leistung beitragen, Hilfskostenstellen (Vorkosten-

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D. Die Geldwirtschaft der Unternehmung

Kostenartenrechnung Kostenträger-Einzelkosten

Kostenträger-Gemeinkosten

Vorkostenstellen

Endkostenstellen

Primäre Kosten (bei Vollkostenrechnung) innerbetriebliche Leistungsschlüsselung (sekundäre Kosten) Kostenstellenumlage

Kostenstellenausgleich

Endkosten Kalkulationssätze

Kostenträgerrechnung

Abbildung D31: Prinzip der Kostenstellenrechnung

stellen) sind solche, die keine an den Markt abzugebenden Leistungen, sondern nur interne Leistungen für die Hauptkostenstellen erbringen. Von den Hauptkostenstellen werden die Kosten direkt auf die Kostenträger verrechnet, zumeist Material und Fertigung, bei den Hilfskostenstellen handelt es sich um solche, die ihrerseits interne Leistungen für Hauptkostenstellen erbringen. Hier erfolgt eine innerbetriebliche Verrechnung. Die Verrechnung der Gemeinkostenarten auf die Kostenstellen erfolgt im Betriebsabrechnungsbogen (BAB). Der BAB enthält in der Kopfspalte die Gemeinkostenarten und die Ein-

13. Kostenrechnung

413

zelkosten, in der Kopfzeile die Haupt- und die Hilfskostenstellen. Diese können funktional, räumlich, organisatorisch oder rechentechnisch unterteilt sein. Dabei sind allerdings Überschneidungen unvermeidlich. Sofern die Kosten je Stelle genau erfasst werden können, handelt es sich um Stelleneinzelkosten. Ist ihre einzelne Erfassung nicht möglich oder wird als nicht wirtschaftlich angesehen, handelt es sich um Stellengemeinkosten, die geschlüsselt werden müssen. Als Aufgaben entstehen die Verteilung der primären Gemeinkosten auf die Kostenstellen, die Durchführung der innerbetrieblichen Leistungsverrechnung und die Bildung von Kalkulationsätzen. Dazu werden zunächst die primären, also tatsächlich auf den Hauptkostenstellen angefallenen Gemeinkosten auf die Kostenstellen verteilt (meist nach einem Mengenschlüssel wie Maschinenstunden oder einem Wertschlüssel wie andere Kostenarten). Danach werden die sekundä­ ren Gemeinkosten der Hilfskostenstellen auf die Hauptkostenstellen geschlüsselt (meist anhand interner Verrechnungspreise). Dabei handelt es sich um Stellengemeinkosten, die aus mehreren Kostenarten bestehen. Zur Verrechnung werden zumeist Gleichungs-, Treppen-/Stufenleiter- oder Block-/Anbauverfahren genutzt: • Das Block-/Anbauverfahren berücksichtigt keine Leistungsbeziehungen zwischen den Hilfskostenstellen. Die Primärkosten sämtlicher Vorkostenstellen werden geschlüsselt direkt auf die Endkostenstellen verrechnet. • Das Treppen-/Stufenleiterverfahren berücksichtigt nur einseitige Leistungsbeziehungen zwischen Hilfskostenstellen. Die Kosten einer vorgelagerten Kostenstelle werden geschlüsselt an die nachgelagerten Kostenstellen entsprechend deren Leistungsabnahme weitergegeben. • Das Gleichungsverfahren berücksichtigt gegenseitige Leistungsbeziehungen zwischen Hilfskostenstellen. Dabei werden Verrechnungspreise für die Verflechtung zugrunde gelegt. Bestehen ringförmige Leistungsbeziehungen ist dabei ein iteratives Verfahren anzuwenden. Kostenträgergemeinkosten werden so zu Kostenstelleneinzelkosten oder Kostenstellengemeinkosten. Einzelkosten können mithilfe von Belegen einer Kostenstelle direkt zugerechnet werden, Gemeinkosten können nur durch Mengen- oder Wertschlüsselung einer Kostenstelle zugerechnet werden (z. B. Heizung, Miete, interner Transport, Büromaterial). Die Verrechnung kann nach Durchschnitts-, Tragfähigkeits- oder Verursachungsprinzip erfolgen. Am Ende sollten alle Gemeinkosten in voller Höhe den Hauptkostenstellen zugerechnet sein. Schließlich leiten sich daraus die Kalkulationssätze für die Hauptkostenstellen ab. Dabei kann es sich um Ist- oder Normal-Gemeinkostenzuschläge handeln. Dies erlaubt einen Vergleich der tatsächlichen Istkosten mit den Normalkosten des Durchschnitts auf Über- und Unterdeckungen. Ggf. müssen noch innerbetriebliche Leistungsverrechnungen auf Basis von Verrechnungspreisen berücksichtigt werden. Die Zuschlagssätze verbinden dadurch die Kostenarten- mit der Kostenträgerrechnung. Dabei werden die Gemeinkosten in Prozent der zugehö-

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D. Die Geldwirtschaft der Unternehmung

rigen Einzelkosten ausgedrückt. Für die Vorkalkulation wird im Regelfall von Normalkosten und Normalzuschlagssätzen ausgegangen. Dabei können die Istgemeinkosten über (= Unterdeckung der Kosten) oder unter den Normalgemeinkosten liegen (= Überdeckung der Kosten). 13.3.4 Kostenträgerrechnung auf Vollkostenbasis 13.3.4.1 Kostenträgerstückrechnung

Als Kostenträger werden die innerbetrieblichen und marktbezogenen Leistungen bezeichnet, die zu einem Werteverzehr geführt haben. Innerbetriebliche Leistungen entstehen durch interne Aktivitäten, marktbezogene Leistungen entstehen durch Kundenaufträge und Lageraufbau. Die Zurechnung erfolgt zumeist verursachungsgerecht, denkbar sind aber auch das Durchschnittsprinzip oder das Tragfähigkeitsprinzip. Die Kostenträgerstückrechnung betrifft die Kalkulation als Ermittlung der Kosten betrieblicher Leistungen. Dabei kann es sich um eine Vorkalkulation, meist zur Preisermittlung und Angebotserstellung auf Basis von Plankosten, eine Zwischenkalkulation bei langlaufenden Projekten oder unfertigen Erzeugnissen auf Basis von Sollkosten bzw. eine Nachkalkulation als kurzfristige Erfolgsrechnung auf Basis von Istkosten handeln. Als Kalkulationsverfahren stehen mehrere zur Verfügung (siehe Abb. D32). Die Divisionskalkulation kann in verschiedener Form erfolgen. Bei der einfachen Divisionskalkulation werden alle Kosten, die innerhalb einer Abrechnungsperio-

Abbildung D32: Kalkulationsverfahren der Vollkostenrechnung (eig. Abb.)

13. Kostenrechnung

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de entstanden sind, durch die in dieser Periode hergestellte Leistungsmenge dividiert (summarisch / k = K : x). Bei der differenzierten Divisionskalkulation werden die gesamten Kosten in solche von Material und Lohn (Einzel- und Gemeinkosten) und solche von Verwaltung und Vertrieb (Gemeinkosten) unterschieden. Bei der zweistufigen Divisionskalkulation werden sowohl die Material- und Lohnkosten als auch die Verwaltungs- und Vertriebskosten einer Periode durch die in dieser Periode hergestellte Leistungsmenge dividiert und dann addiert. Dadurch werden Lagerbestandsveränderungen bei fertigen Erzeugnissen neutralisiert. Bei der mehrstufigen Divisionskalkulation werden auch Lagerbestandsveränderungen bei unfertigen Erzeugnissen berücksichtigt. Die Divisionskalkulation eignet sich für die Massenfertigung. Die Äquivalenzziffernkalkulation wird angewandt, wenn zwei oder mehr ähnliche Produkte hergestellt werden (Sortenfertigung, d. h. Produkte mit ähnlicher Materialzusammenstellung wie Brauerei, Ölraffenerie). Ein abweichender Kostenanfall wird durch eine Gewichtung (Äquivalenzziffer) berücksichtigt. Dazu werden die tatsächlichen Produktionsmengen mittels der Ziffern in fiktive Produktionsmengen umgerechnet. Als Basis dient eine Sorte, z. B. die volumenstärkste. Die anderen Sorten werden relativ dazu gewichtet. Die gesamten Kosten werden durch diese Recheneinheiten je Sorte dividiert. Das Ergebnis wird dann mit den tatsächlichen Produktionsmengen multipliziert. Dies ist einstufig, also ohne Lagerbestandsveränderungen, oder mehrstufig möglich, also mit Lagerbestandsveränderungen. Die Äquivalenzziffernkalkulation eignet sich für Sortenfertigung. Die Zuschlagskalkulation differenziert in Einzel- und Gemeinkosten zur Ermittlung der Selbstkosten. In der summarischen Zuschlagskalkulation werden die gesamten Gemeinkosten auf die Kostenträger en bloc verrechnet. Dies reicht jedoch nicht aus, da die Gemeinkosten (Overheads) meist einen beträchtlichen Teil des gesamten Kostenblocks ausmachen und daher einer differenzierteren Betrachtung bedürfen. Zur Ermittlung des Zuschlagssatzes werden die zu verteilenden Gemeinkosten ins Verhältnis zu ihrer Zuschlagsgrundlage als Wert- oder Mengengröße, z. B. Maschinenstundensatz, gesetzt. Dabei werden Bestandsveränderungen nicht berücksichtigt, also die Produktion auf Lager bzw. der Absatz vom Lager. Außerdem ist keine Aufgliederung des Kostenblocks möglich. Die differenzierte Zuschlagskalkulation weist für jede Gemeinkostenart einen eigenen Zuschlagssatz auf. Tatsächlich werden aber nur einige Kostenarten unterschieden (elektive Kalkulation). Zumeist werden Materialeinzel- und -gemeinkosten, Fertigungslohneinzel- und -gemeinkosten, Verwaltungs- und Vertriebsgemeinkosten addiert. Dabei können die Fertigungslohnkosten nach Kostenstellen aufgesplittet und / oder Maschinenstundensatzkosten als Basis genommen werden. Weiterhin können Sondereinzelkosten der Fertigung und des Vertriebs berücksichtigt werden. So entstehen Materialkosten, Fertigungslohnkosten und daraus Herstellkosten. Für Lagerbestandsveränderungen können die Herstellkosten

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D. Die Geldwirtschaft der Unternehmung

der Produktion und die Herstellkosten des Absatzes unterschieden werden. Die Differenz sind Bestandsminderungen/-mehrungen an unfertigen und fertigen Erzeugnissen. Daraus ergibt sich das Kalkulationsschema der Zuschlagskalkulation (siehe Abb. D33). Auf die Selbstkosten werden ein Gewinnzuschlag (in % a. H.) und Erlösschmälerungen (in % i. H.) aufgeschlagen. Es folgt die Umsatzsteuer und es ergibt sich der Brutto-Angebotspreis.

Abbildung D33: Prinzip der Zuschlagskalkulation (eig. Abb.)

Die Zuschlagskalkulation eignet sich für Serien- und Einzelfertigung. Problematisch ist auch hier die unterstellte Proportionalität zwischen Einzel- und Gemeinkosten. Außerdem sind die Gemeinkosten oft sehr hoch im Vergleich zu ihren Einzelkosten, so dass daraus immense Zuschlagssätze folgen, die bei kleinen Erfassungsfehlern bereits zu großen Zurechnungsfehlern führen. Bei der Verrechnung mit Mengengerüst (Maschinenstundensatz) werden die Kosten je Mengeneinheit (Zeit) ausgewiesen. Dies bietet sich bei hohem Automatisierungsgrad besser an als die Fertigungslöhne. Die Kuppelkalkulation wird angewandt, wenn nicht nur ein Produkt oder verschiedene, voneinander unabhängige Produkte produziert werden, sondern verschiedene, technisch zwangsläufig zusammenhängende Produkte. Das heißt, es entsteht im Produktionsprozess nicht nur das gewünschte Produkt, sondern auch ein oder mehrere Kuppelprodukte. Als Grundlage kommen zwei Methoden in Betracht. Die Restwertmethode bietet sich an, wenn es sich dabei um ein Hauptprodukt und ein oder mehrere Nebenprodukte handelt. Dazu werden die Umsatz­

13. Kostenrechnung

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erlöse der / s Nebenprodukte / s von den Gesamtkosten der Produktion subtrahiert und durch die produzierte Menge des Hauptprodukts dividiert. Es wird also unterstellt, dass mit dem Nebenprodukt kein Gewinn erzielt werden soll, sondern die Kosten exakt den Erlösen entsprechen, und auch keine Nachbearbeitung (Gabelung) erforderlich ist. Nach der Verteilungsmethode werden die gesamten Kosten durch Schlüsselung im Verhältnis ihrer Verursachung auf die Kuppelprodukte verteilt. Dies bietet sich an, wenn mehrere Hauptprodukte vorliegen bzw. Haupt- und Nebenprodukte als gleichrangig unterstellt werden. Dabei wird angenommen, dass ein höherer Erlös auch eine bessere Kostentragfähigkeit bedeutet (Marktpreismethode). Alternativ können die Kosten auch nach technischen Eigenschaften der Produkte verteilt werden (Schlüsselmethode). Letztlich führt aber beides zu einer willkürlichen Zuordnung. Die Kuppelkalkulation eignet sich für verbundene Fertigung. 13.3.4.2 Kostenträgerzeitrechnung

Die Kostenträgerzeitrechnung hebt auf den Erfolg der Kostenträger innerhalb einer Abrechnungsperiode als kurzfristige Erfolgsrechnung ab. Zur Erfolgsermittlung werden die Kosten eines oder mehrerer Kostenträger ihren entsprechenden Leistungen (Erlösen) gegenübergestellt. Das Ergebnis zeigt Gewinn oder Verlust in der Periode an und ähnelt damit der Gewinn- und Verlustrechnung des Jahresabschlusses, ist nur kurzfristiger / unterjährig angelegt. Insofern gilt: • Ergebnis der Kostenträgerzeitrechnung – kalkulatorisches Ergebnis + neutrales Ergebnis = bilanzielles Ergebnis. Die Leistungsrechnung ist im Wesentlichen analog zur Kostenrechnung aufgebaut: • Die Erlösartenrechnung systematisiert die Einzel- und Gemeinerlöse. Einzel­ erlöse resultieren aus dem Produkt selbst, Gemeinerlöse aus damit verbundenen Kundendiensten. • Die Erlösstellenrechnung ordnet die Erlöse dem Ort ihrer Entstehung als Absatzsegmente wie Kunden, Gebiete, Branchen etc. zu. • Die Erlösträgerrechnung ermittelt die Erlöse pro Stück. Kosten und Leistungen werden in der internen Erfolgsrechnung kontinuierlich und differenziert einander gegenüber gestellt. Im Gesamtkostenverfahren werden die Kosten und Erlöse dabei nicht auf die insgesamt produzierten Kostenträger aufgeteilt, sondern nach Kostenarten gegliedert. Dadurch ist allerdings keine Erfolgszurechnung auf einzelne Produkte möglich, sondern es werden alle Kosten einer Periode betrachtet und den gesamten Leistungen dieser Periode gegenübergestellt. Bestandsveränderungen bei unfertigen und fertigen Erzeugnissen sowie aktivierte Eigenleistungen werden dabei nicht berücksichtigt. Daher ist für die

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D. Die Geldwirtschaft der Unternehmung

nächste Periode die Verbrauchsreihenfolge festzulegen. Im Umsatzkostenverfahren werden die Kosten der insgesamt verkauften Kostenträger kalkuliert. Dadurch kann der Erfolgsbeitrag einzelner Produkte und Produktgruppen zum Erfolg der Unternehmung ermittelt werden. Eine gesonderte Ermittlung von Lagerbestandsveränderungen ist hingegen nicht notwendig. Benötigt werden nur Angaben zu den Herstellkosten der verkauften Lagerbestände. Allerdings wird dafür eine aussagefähige Kostenstellen- und Kostenträgerstückrechnung benötigt. Das Ergebnis des Umsatzkostenverfahrens ist identisch mit dem des Gesamtkostenverfahrens. Die Verfahren der Vollkostenrechnung führen durch die Umlage der Fixkosten auf die Menge zu deren Proportionalisierung. Bei sinkendem Absatz legen sich die Fixkosten so auf immer weniger Einheiten um und erhöhen damit den fixen Anteil an den Stückkosten, woraus wiederum die Notwendigkeit zur Erhöhung des Preises je Einheit abgeleitet wird. Dies führt gerade bei rückläufiger Nachfrage zum Herausrechnen aus dem Markt, das in weiterem Absatzrückgang resultiert, so dass ein selbstverstärkender (prozyklischer) Preiseffekt nach oben entsteht. Vielmehr ist stattdessen eine Preissenkung erforderlich, um bestehende Kapazitäten besser auslasten zu können. Umgekehrt legen sich die Fixkosten bei steigendem Absatz auf immer mehr Einheiten um, führen damit zu ­einer Senkung des fixen Anteils an den Stückkosten und dadurch zum Fehlsignal der Senkung des Preises je Einheit. Stattdessen böte aber gerade die steigende Nachfrage die Chance zur Durchsetzung von Preissteigerungen am Markt, die auf diese Weise vergeben wird, zumal wenn Kapazitätsüberlast entsteht, und zu weiterem Preisverfall führt. In beiden Fällen kommt die Vollkostenrechnung somit zu falschen Entscheidungen. Daraus folgt zugleich, dass starre Verfahren, die fixe und variable Kosten undifferenziert bei der Entscheidung berücksichtigen (Vollkostenrechnung) im Gegensatz zu solchen (flexiblen), die nur variable Kostenbestandteile als entscheidensbedeutsam berücksichtigen (Teilkostenrechnung), prinzipbedingt zu Aussageverzerrungen führen. Die Vollkostenrechnung hat aber durchaus einige Vorteile. Zunächst ist ihre Einfachheit und Bequemlichkeit zu nennen, da einmal errechnete Zuschlagssätze über die gesamte Abrechnungsperiode hinweg aufrecht erhalten werden können. Kosten sind zudem verglichen mit Preisen noch als relativ stabil und sicher anzusehen, bieten also eine bessere Basis als bei retrograden Verfahren, die vom realisierbar erscheinenden Marktpreis auf die damit abdeckbaren Kosten zurückrechnen. Im Übrigen werden damit auch die Preisermittlungsvorschriften bei öffentlichen Aufträgen (VPöA / LSP) problemlos erfüllt. Es gibt jedoch einige elementare Nachteile. So basiert die Vollkostenrechnung auf vorgegebenen Mengen, für welche die Fixkosten proportionalisiert werden. Diese Mengen sind aber ihrerseits wiederum entscheidend vom Angebotspreis abhängig, der sich erst als Ergebnis der Rechnung einstellt. Die Rechnung setzt auch Normalbeschäftigungsniveau voraus, da ansonsten atypische Leer- oder Überlastkosten auflaufen. Ob die dafür erforderlichen Mengen jedoch am Markt

13. Kostenrechnung

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abgesetzt werden können, hängt wiederum vom Angebotspreis ab, dem Ergebnis der Rechnung (insofern also Zirkelschluss). Auch wird der Stückgewinn nicht korrekt ausgewiesen, da eine willkürliche Gemeinkostenschlüsselung zu falscher Verrechnung der indirekten Kosten auf die Kostenträger führt. Somit werden suboptimale Entscheidungen provoziert. 13.3.5 Teilkostenrechnung 13.3.5.1 Arten

In der Vollkostenrechnung erfolgt eine Proportionalisierung der fixen Kosten, obwohl diese nur ausnahmsweise von der Produktionsmenge abhängen, sondern eher von Zeitgrößen. Tatsächlich sind die fixen Kosten zumindest kurzfristig aber nicht entscheidungsrelevant, da nicht beeinflussbar. Daher betrachten Teilkostenrechnungsverfahren nur die Kostenbestandteile, die entscheidungsrelevant sind. Dabei handelt es sich um die einstufige und die mehrstufige Deckungsbeitragsrechnung, die relative Einzelkostenrechnung und die Grenzplankostenrechnung. Dazu werden die gesamten Kosten nicht, wie bei der Vollkostenrechnung, in Einzel- und Gemeinkosten unterteilt, sondern in fixe und variable Kosten. In der Kostenträgerstückrechnung werden nur die variablen Kosten verrechnet, die fixen Kosten bleiben hingegen unberücksichtigt. Außerdem wird von den Erlösen ausgegangen, statt von den Kosten. Man spricht daher von retrogradem Vorgehen. Konsequenterweise ist auch nicht der Gewinn pro Stück relevant, sondern die Deckungsspanne pro Stück als Differenz aus Preis und variablen Stückkosten. Die Deckungsspanne über alle betrachteten Stück kumuliert ergibt dann den Deckungsbeitrag. Dieser dient idealerweise zur Abdeckung der fixen Kosten und zur Erzielung eines Residualgewinns. Die Summe der Deckungsspannen einer Unternehmung sollte daher mindestens der Summe der fixen Kosten entsprechen. Jedes zusätzliche Geschäft mit einer positiven Deckungsspanne verbessert dabei den Erfolg. Daher bietet sich der Einsatz vor allem bei Unterauslastung an. Produkte mit negativer Deckungsspanne dürfen nicht produziert werden, da ihre variablen Kosten bereits höher liegen als der Erlös, also ein Stückverlust entsteht. Auch die Lagerbestände werden nur zu variablen Kosten bewertet. Die fixen Kosten der Lagerbestände werden in der Periode verrechnet, in der sie angefallen sind. Ergebnisabweichungen zwischen Voll- und Teilkostenrechnung ergeben sich durch abweichende Bewertung der Lagerbestandsveränderungen, bei Lagerbestandserhöhungen ist das Ergebnis auf Teilkostenbasis niedriger, bei Lagerbestandsverminderungen höher. In der Teilkostenrechnung werden somit nicht alle Kosten den Kostenträgern zugeordnet, sondern nur die jeweils entscheidungsrelevanten Kosten. Die fixen Kosten sind beschäftigungsgradunabhängig, fallen also an, gleich ob produziert

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D. Die Geldwirtschaft der Unternehmung

wird oder nicht. Insofern sind diese Kosten für die betriebswirtschaftliche Entscheidungsfindung irrelevant. Vielmehr sind nur die tatsächlich beeinflussbaren Kosten relevant, also die variablen Kosten. Dies wird in den verbreiteten Formen der Deckungsbeitragsrechnung berücksichtigt. Der Deckungsbeitrag ergibt sich dabei als Differenz zwischen den Umsatzerlösen und den gesamten variablen Kosten bei Gesamtbetrachtung bzw. dem Preis und den variablen Stückkosten bei Stückbetrachtung. Er dient zur Deckung der fixen Kosten und zur Erzielung eines Redidualgewinns. Bei der einstufigen Deckungsbeitragsrechnung (Direct Costing) werden die fixen Kosten en bloc abgezogen. Der Deckungsbeitrag ergibt sich durch Addition der Deckungsspannen (Stückdeckungsbeiträge) jedes Produkts. Die addierten Deckungsspannen ergeben somit den Deckungsbeitrag. Alternativ sind als Bezugsobjekte auch Absatzsegmente möglich, z. B. Kunden, Marktgebiete, Branchen. Problematisch ist vor allem der hohe Anteil der fixen Kosten an den Gesamtkosten. Außerdem ist die unterstellte Proportionalität der variablen Kosten selten gegeben. Auch ist die Trennung zwischen fixen und variablen Kosten schwierig, denn in Bezug auf die Periode sind variable Kosten im Regelfall fix. Bei der mehrstufigen Deckungsbeitragsrechnung (stufenweise Fixkostendeckungsrechnung) wird der Fixkostenblock daher aufgespalten. Dies geschieht zumeist in folgenden Stufen: • Erzeugnisfixkosten, dies sind die Fixkosten, die sich exakt einer Produktart zuordnen lassen, • Erzeugnisgruppenfixkosten, dies sind die Fixkosten, die sich exakt einer Produktgruppe (gleichartige Erzeugnisse) zurechnen lassen, • Kostenstellenfixkosten, dies sind die Fixkosten, die exakt nur in einer bestimmten Abteilung anfallen, • Bereichsfixkosten, dies sind die Fixkosten, die exakt nur in einem bestimmten Unternehmensbereich anfallen, • Unternehmensfixkosten, dies sind die restlichen Fixkosten, die sich anderweitig nicht feinteiliger zurechnen lassen. Analog zu den verschiedenen Fixkostenstufen ergeben sich auch verschiedene Deckungsbeiträge: • Erlös – variable Gesamtkosten = Deckungsbeitrag I, • Deckungsbeitrag I – Produktfixkosten = Deckungsbeitrag II, • Deckungsbeitrag II – Produktgruppenfixkosten = Deckungsbeitrag III, • Deckungsbeitrag III – Abteilungsfixkosten = Deckungsbeitrag IV, • Deckungsbeitrag IV – Bereichsfixkosten = Deckungsbeitrag V, • Deckungsbeitrag V – Unternehmensfixkosten = Ergebnis (Gewinn / Verlust).

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Die mehrstufige Deckungsbeitragsrechnung führt zum selben Betriebserfolg wie die einstufige Deckungsbeitragsrechnung und die Vollkostenrechnung. Durch die Aufspaltung des Fixkostenblocks lassen sich jedoch differenzierte Erkenntnisse gewinnen. 13.3.5.2 Auswertungen

Der Einsatz der Teilkostenrechnung erlaubt vielfache betriebliche Auswertungen (siehe Abb. D34): • Preisuntergrenzenbestimmung. Bei kostenorientierter Preisfindung gibt die Deckungsbeitragsrechnung Auskunft über die Preisuntergrenzen. Kurzfristig liegt diese bei einem Preis in Höhe der variablen Kosten. Dann entsteht allerdings nicht nur kein Gewinn, sondern ein Verlust in Höhe der Fixkosten. Mittelfristig liegt diese bei einem Preis in Höhe der Summe aus variablen Kosten und pagatorischen Fixkosten. Dann entsteht ein Verlust in Höhe der nicht-pagatorischen Fixkosten. Langfristig liegt diese bei einem Preis in Höhe der Summe aus variablen und allen fixen Kosten. Dann entsteht zwar kein Verlust, aber auch kein Gewinn. Sinnvoll ist eine Preisuntergrenze in Höhe der Realisierung des gewünschten Mindestgewinns, der Ziel der unternehmerischen Tätigkeit ist. • Annahme oder Ablehnung von Zusatzaufträgen. Generell lohnt sich die Annahme von Zusatzaufträgen zur Vermeidung von Leerkosten auch zu nicht vollkostendeckenden Preisen. Allerdings gibt es auch hier eine Preisuntergrenze. Zusatzaufträge bei Unterauslastung lohnen sich nur, wenn sie mindestens die variablen Kosten im Preis decken. Darunter sind sie abzulehnen. Allerdings ist der Deckungsbeitragsentgang der verdrängten Produkte / Aufträge zu berücksichtigen (Opportunitätskosten). Dieser muss hinzuaddiert werden. • Wahl des geeigneten Produktionsverfahrens. Hierbei geht es darum, welche Anlagen für die Fertigung genutzt werden sollen. Liegt kein Engpass vor, sind diejenigen Anlagen zu präferieren, die den höchsten Deckungsbeitrag pro Anlagenbelegungszeiteinheit (auch relativer Deckungsbeitrag) liefern, also die niedrigsten variablen Stückkosten aufweisen. Dies legt etwa die Nutzung von optimierten Einzweckanlagen nahe. • Wahl des optimalen Produktionsprogramms. Hierbei geht es darum, welche Produkte gefertigt werden sollen. Liegt kein Engpass vor, sind diejenigen Produkte zu präferieren, die den höchsten relativen Deckungsbeitrag pro Stück liefern, also die höchste positive Differenz zwischen Preis und variablen Stückkosten. Als Auslastung kann Unterbeschäftigung, Vollbeschäftigung oder Überbeschäftigung zugrunde gelegt werden. Bei Unterbeschäftigung sollte die Unternehmung alle Produkte herstellen, die noch einen positiven Deckungsbeitrag aufweisen, da sie neben der Deckung ihrer variablen Kosten auch einen

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D. Die Geldwirtschaft der Unternehmung

Abbildung D34: Auswertungen der Deckungsbeitragsrechnung (eig. Abb.)

Beitrag zur Deckung anteiliger Fixkosten leisten. Bei Vollbeschäftigung ist der relative Deckungsbeitrag je Engpassbelegungseinheit entscheidend. Der relative Deckungsbeitrag ist der Deckungsbeitrag, der pro Zeiteinheit am Engpass erwirtschaftet wird. Dadurch lässt sich eine Rangfolge der Produkte ermitteln. Die Produkte werden in fallender Reihenfolge ihrer relativen Deckungsbeiträge produziert. Bei Überbeschäftigung sind mathematische Gewinnmaximierungsmodelle anzuwenden. • Entscheidung über Eigenfertigung oder Fremdbezug. Hier geht es darum, ob es bei ansonsten gleichen Ausgangsvoraussetzungen kostengünstiger ist, ein Produkt selbst herzustellen oder es extern zu beschaffen. Liegt kein Engpass vor, ist Eigenfertigung zu präferieren, wenn der Lieferpreis pro Stück höher liegt als die variablen Stückkosten und umgekehrt. Die fixen Kosten bleiben bei dieser Entscheidung unberücksichtigt. Es ergeben sich folgende Optionen: Es wird auf Fremdbezug verzichtet und die Produktion eingestellt. Die Preisobergrenze für den Zukauf entspricht dann dem entgangenen Gewinn bei Nichtverkauf. Sofern alternative Bezugsquellen bestehen, liegt die Preisobergrenze bei der nächstpreisgünstigeren Alternative. Sofern Eigenfertigung anstelle von Fremdbezug möglich ist, ist die Preisobergrenze für den Fremdbezug gleich den Kosten der Eigenfertigung.

13. Kostenrechnung

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• Break Even-Analyse: Die Break Even- oder Gewinnschwellen-Analyse weist diejenige Produktions- und zugleich auch Absatzmenge aus, bei der die aufgelaufenen Erlöse erstmalig ausreichen, die aufgelaufenen Kosten zu decken. Jede Menge kleiner als die Break Even-Menge bedeutet Verlust, jede Menge größer als diese, Gewinn. Die Formel lautet: Fixkosten : Deckungsspanne. Zur Verfeinerung sind zahlreiche Variationen möglich (siehe Abb. D35): –– Erstens kann ein Plangewinn zusätzlich zu den Selbstkosten berücksichtigt werden (sinnvollerweise prozentual). Der sich dann ergebende plangewinnwirksame Break Even-Punkt weist aus, dass neben allen Kosten bei dieser Produktions- und Absatzmenge auch ein gewünschter Gewinn erzielt wird. Mengen größer als diese schaffen Zusatzgewinne (Surplus Profits), Mengen kleiner als diese (bis zum vollkostenwirksamen Break Even-Punkt) bedeuten die Hinnahme von Gewinnschmälerungen.

Abbildung D35: Break Even-Analyse (eig. Abb.)

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D. Die Geldwirtschaft der Unternehmung

–– Zweitens können die Fixkosten in solche unterteilt werden, die pagatorischer Natur sind, also auszahlungswirksam, und solche, die nicht-pagatorischer Natur sind, also nicht auszahlungswirksam. Auf die Deckung der nicht-ausgabenwirksamen Fixkosten kann zumindest vorübergehend verzichtet werden (dabei handelt es sich z. B. um kalkulatorische Kosten). Auf die jederzeitige Deckung der auszahlungswirksamen Fixkosten kann jedoch nicht verzichtet werden, da dies eine Situation der Illiquidität entstehen lässt, die wiederum zur Insolvenzanmeldung zwingt. Insofern ergibt sich eine weitere Break Even-Menge bei der Deckung der variablen und der auszahlungswirksamen fixen Kosten, hier entsteht ein Verlust in Höhe der nicht auszahlungswirksamen Fixkosten. Die Break Even-Analyse ist jedoch an zahlreiche implizite Voraussetzungen gebunden, die nicht praxistauglich sind und kann daher nur zur groben Abschätzung der Situation dienen. Der Sicherheitsabstand drückt aus, um wie viel Prozent der Umsatz sinken darf, bevor die Gewinnzone verlassen wird. Zusammenfassend gibt es bei der Deckungsbeitragsrechnung folgende Vorteile: • Sie berücksichtigt explizit die Preisabhängigkeit des Absatzes und vermeidet deshalb den Zirkelschluss progressiv arbeitender Verfahren. Sie lässt sich bei verschiedenen Zielvariablen wie Gewinn, Umsatz, Absatz, Beschäftigungsgrad, Deckungsbeitrag etc. anwenden. Sie erlaubt durch Kostenspaltung und Deckungsbudgets eine größere Preisflexibilität und verhindert, dass sich die Unternehmung bei Unterbeschäftigung durch überhöhte Preise aus dem Markt kalkuliert. Sie erfordert teilweise nur geringen internen Informationsaufwand und verpflichtet das Management durch die Abgabe von Absatzschätzungen zu einen objektivierten Entscheidungsprozess. Dem stehen aber folgende Nachteile gegenüber: • Die Deckungsbeitragsrechnung erlaubt keine analytisch exakte Bestimmung des Optimalpreises, vielmehr ist der gewählte Preis u. U. zu niedrig. Sie scheitert an den bzw. erfordert erhebliche Informationskosten zur Ermittlung der Absatzelastizität, wenn die Marktreaktionsfunktion unbekannt ist, was regelmäßig zu unterstellen ist. Sie führt zu einer unnötigen Preisnachgiebigkeit, weil der langfristige Anspruch der Vollkostendeckung vernachlässigt wird. Sie führt auch zu erhöhtem Marktwiderstand bei versuchter späterer Preisanhebung und fördert damit die Tendenz zum Preisverfall am Markt. Von entscheidender Bedeutung ist jedoch in jedem Fall, Deckungsbeitrag nicht mit Gewinn zu verwechseln, wie das in der Praxis leider immer wieder geschieht. Der Gesamtgewinn ergibt sich nach Abzug der gesamten variablen und fixen Kosten vom Umsatz bzw. der Stückgewinn nach Abzug der stückbezogenen variablen und proportionalisierten fixen Kosten vom Preis einer Einheit. Der Deckungsbeitrag ergibt sich hingegen nach Abzug nur der variablen Kosten vom

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Umsatz bzw. die Deckungsspanne nach Abzug nur der stückbezogenen variablen Kosten vom Preis einer Einheit. Der Unterschied ist leicht einsehbar. Der Deckungsbeitrag ist um die Fixkosten höher als der Gewinn. Er muss also neben dem Gewinn auch diese Kostenbestandteile abdecken. Ein Deckungsbeitrag von Null bedeutet daher keineswegs eine gewinnlose Situation, sondern bereits einen Verlust in Höhe der Fixkosten. Alle Deckungsbeiträge niedriger als die Fixkosten repräsentieren ebenso Verluste. In der Praxis geht man daher zunehmend dazu über, verlustbringende Deckungsbeiträge deutlich zu kennzeichnen bzw. den Begriff Deckungsbeitrag wegen seiner gefährlichen Verwechslungsfähigkeit mit Gewinn ganz zu vermeiden. Im Übrigen wird in der Praxis vermieden, absolute Zahlen zu nennen. Stattdessen werden Kennzeichnungen für verschieden abgestufte Deckungsbeiträge verwendet. ohne dass Einsicht in das exakte betriebswirtschaftliche Zahlenwerk erfolgt. 13.4 Plankostenrechnung Istkosten unterliegen dauernden Schwankungen, sind vergangenheitsorientiert und stehen erst am Ende der Periode fest. Dispositive Entscheidungen sind daher schwierig. Bei Normalkosten werden Zufallsschwankungen zwar vermieden und die Daten stehen aktuell bereit. Allerdings kommt es zu Abweichungen zwischen Ist- und Normalkosten und die Kostenkontrolle ist schwierig. Daher ist die Plankostenrechnung entwickelt worden. Sie hebt auf die belastbare Prognose zukünftig zu erwartender Kosten ab und ermöglicht auch Soll-Ist-Vergleiche. Die Plankostenrechnung strebt eine genauere Aussage über die Kostenwirtschaft an, indem außer in Einzel- und Gemeinkosten noch in Preise und Mengen der Leistungen und den Beschäftigungsgrad der Unternehmung unterschieden wird. Dadurch kann eine Abweichungsanalyse vorgenommen werden (Soll-IstVergleich), ferner ein Zeitvergleich verschiedener Perioden untereinander und ein Betriebsvergleich zwischen vergleichbaren Geschäftseinheiten. Die Plankostenrechnung ist als starre oder flexible Rechnung auf Vollkostenbasis sowie als Grenzplankostenrechnung auf Teilkostenbasis möglich (siehe Abb. D36). Die starre Plankostenrechnung ermittelt die Kosten nur für einen vorbestimmten Beschäftigungsgrad. Die flexible Plankostenrechnung lässt sich an verschiedene Beschäftigungsgrade anpassen. Letztere kann auf Voll- oder auf Teilkostenbasis beruhen. Die Planleistungen der Unternehmung bestehen im Wesentlichen aus den Umsatzerlösen, den Bestandserhöhungen und aktivierten Eigenleistungen. Die Plankosten ergeben sich als Produkt aus der erwarteten Beschäftigung und den erwarteten Kosten des Güterverzehrs. Die Planbeschäftigung ergibt sich als der wirtschaftlichste Beschäftigungsgrad. Die maximale Beschäftigung ergibt sich an der Kapazitätsgrenze. Die starre Plankostenrechnung geht in folgenden Schritten vor. Zunächst ist die Festlegung der Planbeschäftigung für die Abrechnungsperiode erforderlich.

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D. Die Geldwirtschaft der Unternehmung

Abbildung D36: Anlage der Plankostenrechnung (eig. Abb.)

Auf Basis dieses Beschäftigungsgrads werden die Einzelkosten geplant. Die Planung erfolgt auf Basis einer ausgewählten Planbezugsgröße. Die Ermittlung der Plankosten je Kostenstelle ergibt sich dann als Produkt aus Planverbrauch und dessen Planpreis. Unter Einbezug der Planbeschäftigung ergeben sich die verrechneten Plankosten. Diese entsprechen bei Einhaltung der Planbeschäftigung den Plankosten. Der Vergleich mit den Istkosten ergibt dann die positive oder negative Abweichung. Dadurch ist jedoch keine Analyse von Kostenabweichungen möglich. Abweichungen zwischen Plan- und Istkosten können zwar auf Preisabweichungen zurückgeführt, verbleibende Abweichungen hingegen nicht exakt ausgewiesen werden. Sie können auf Planungsfehlern, Beschäftigungsabweichungen oder Verbrauchsabweichungen zurückzuführen sein. Der Planverrechnungssatz ist nur dann zutreffend, wenn auch Planbeschäftigung vorliegt (Proportionalisierung der Fixkosten) (siehe Abb. D37). Bei der flexiblen Plankostenrechnung werden die verrechneten Plankosten (bei Planbeschäftigung) dem tatsächlichen Beschäftigungsgrad angepasst (siehe Abb. D38). Dafür sind zwei Verfahren üblich. Bei der Stufenmethode werden für verschiedene Beschäftigungsgrade die Sollkosten ausgewiesen. Bei der Va­ riatormethode werden die fixen und variablen Kostenanteile in Relation zueinander gesetzt, wobei ein linearer Kostenverlauf angenommen wird. Der Variator schwankt zwischen 0 (nur fixe Kosten) und ∞ (nur variable Kosten). Dadurch ist eine Analyse der Abweichung zwischen Soll- und Istkosten möglich, und zwar dahingehend, welcher Anteil der Abweichung auf das Element Preis, welcher Anteil auf das Element Menge und welcher Anteil auf das Element Beschäftigung zurückzuführen ist (siehe Abb. D39): • Preisabweichungen (Istmenge zu Planpreis – Istmenge zu Istpreis bzw. Istkosten nach Plan – Istkosten nach Ist) entstehen als Differenz zwischen den tatsächlichen Istkosten und den geplanten Sollkosten. Bei Einhaltung der Pla-

13. Kostenrechnung

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Kosten

Verrechnete Plankosten

angenommene Istkosten Gesamtabweichung verrechnete Plankosten

Plankosten bei Planbeschäftigung

Istbeschäftigung Planbeschäftigung

Beschäftigung

Quelle: kostenrechnung-info.de/starre_plankostenrechnung.html

Abbildung D37: Prinzip der starren Plankostenrechnung

Kosten

Verrechnete Plankosten Sollkosten angenommene Istkosten Sollkosten verrechnete Plankosten

Verbrauchsabweichung Beschäftigungsabweichung

Variable Plankosten bei Planbeschäftigung

Fixe Plankosten bei Planbeschäftigung

Istbeschäftigung Planbeschäftigung

Beschäftigung

Quelle: kostenrechnung-info.de/flexible_plankostenrechnung.html

Abbildung D38: Prinzip der flexiblen Plankostenrechnung

nung entspricht der Istpreis bei Planbeschäftigung den Sollkosten. Bei höherem Preis liegen die Istkosten über den Sollkosten, bei niedrigerem Preis darunter. Preisabweichungen resultieren aus der Differenz zwischen geplanten

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D. Die Geldwirtschaft der Unternehmung

und tatsächlichen Einstandspreisen im Zukauf. Eine positive Preisabweichung bedeutet eine Ergebnisverschlechterung et vice versa. • Mengenabweichungen (Verbrauch, Iatmenge zu Planpreis – Planmenge zu Planpreis bzw. Istkosten – Sollkosten) entstehen als Differenz zwischen dem tatsächlichen Istverbrauch und dem geplanten Sollverbrauch. Bei Einhaltung der Planung entspricht die Verbrauchsmenge mit Planpreisen bewertet den Sollkosten. Bei höherem Verbrauch liegen ist Istkosten über den Sollkosten, bei niedrigerem Verbrauch darunter. Verbrauchsabweichungen entstehen, wenn unwirtschaftlich gearbeitet worden ist, z. B. in Bezug auf Einsatzmengen, Verfahren, Seriengröße. • Bei gleichzeitigen Preis- und Mengenabweichungen entsteht ein kombinierter Effekt als Sekundärabweichung. • Beschäftigungsabweichungen (Planmenge/-preis zu Istbeschäftigung zu Planmenge/-preis zu Planbeschäftigung bzw. Sollkosten – verrechnete Plankosten) entstehen als Differenz zwischen der tatsächlichen Istbeschäftigung und der geplanten Sollbeschäftigung. Bei Unterbeschäftigung werden zu wenig fixe Kosten verrechnet, bei Überbeschäftigung zu viele. Bei Einhaltung der Planbeschäftigung entsprechen die verrechneten Plankosten den Sollkosten. Bei Unterbeschäftigung liegen die verrechneten Plankosten unter den Sollkosten, bei Überbeschäftigung darüber.

Abbildung D39: Abweichungsanalyse der Plankostenrechnung (eig. Abb.)

Die Grenzplankostenrechnung ist eine Teilkostenrechnung auf Plankostenbasis. Die fixen Kostenanteile entfallen daher für die Analyse. Insofern sind auch keine Beschäftigungsgradabweichungen ausweisbar. Die verrechneten Plankosten bestehen ausschließlich aus den variablen Kostenanteilen. Diese werden auf den Istbeschäftigungsgrad verrechnet. Ein Ausweis von Mengen- und Preisabweichungen ist jedoch möglich. Bei unterstelltem proportionalen / linearen Kostenverlauf sind die variablen Kosten zugleich die Grenzkosten. Die fixen Kosten werden nicht auf die Kostenträger verrechnet, sondern direkt in die Betriebsergebnisrechnung übernommen. Der Plandeckungsbeitrag ergibt sich durch Gegenüberstellung von Grenzkosten und Grenzerlösen. Beschäftigungsabweichun-

13. Kostenrechnung

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gen sind nicht möglich, da diese ausschließlich durch fehlerhafte Verrechnung der fixen Kosten entstehen. Bei Preisabweichungen werden die fixen Kosten nur periodenbezogen berücksichtigt. Die Sollkosten entsprechen dabei den verrechneten Plankosten. Als Auswertung ist ein Plan-Ist-Vergleich möglich. Dieser erfüllt dispositive (entscheidungsbezogene), analytische (auswertende) und dokumentarische Funktionen (belegende) (siehe Abb. D40).

Quelle: mkonetzky.de/aufsatz/Image17.html

Abbildung D40: Prinzip der Grenzplankostenrechnung

Die Plankostenrechnung mit relativen Einzelkosten funktioniert analog der Deckungsbeitragsrechnung mit relativen Einzelkosten, die im Folgenden dargestellt wird, nur dass die Basis dabei nicht Ist-, sondern Plankosten sind. Die Standardgrenzplankostenrechnung stellt eine Variante auf Basis von Normalkosten anstelle von Istkosten dar. 13.5 Kostenmanagement Das Kostenmanagement ist vor allem ein Unternehmensführungsinstrument, das Kostenstrukturen und -verhalten darstellen soll. Dabei steht die Analyse der zeitlichen Disponierbarkeit (Fixkostenanalyse) im Vordergrund. Denn diese erstreckt sich bereits auf die Produktentstehung, die 70 – 90 % der späteren Kosten determiniert. Dabei wird zunehmend über die statische Betrachtung hinaus

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D. Die Geldwirtschaft der Unternehmung

der Lebenszyklus von Produkten berücksichtigt. Dies erstreckt sich durchaus auch auf Produktfunktionsbetrachtungen über Kundennutzen (Wertanalyse) und Wertgestaltung (Zielkostenrechnung). Angesichts komplexer Produktionsstrukturen sind dabei die indirekten Kosten (Gemeinkostenwertanalyse, Zero Base Budgeting) von Bedeutung. Ebenso werden übergreifende Prozesse betrachtet (Prozesskostenrechnung). Verstärkt rücken zudem die Qualitätskosten in den Mittelpunkt. Schließlich geht es auch um die prospektive Kostengestaltung, genauer ihr Niveau durch Menge und Wert, ihren Verlauf durch Beschäftigungsabhängigkeit und ihre Struktur nach Flexibilität. 13.5.1 Prozesskostenrechnung

Die Prozesskostenrechnung (ursprünglich Activity Based Costing) ist ein Vollkostenrechnungssystem, das den einzelnen Prozess als Kostenträger sieht. Die Prozesse sind im direkten, wertschöpfenden Bereich unmittelbar zurechenbar, im zwischenzeitlich überwiegenden indirekten, nicht-wertschöpfenden Bereich müssen sie aber zugeordnet werden, um eine verursachungsgerechte Verrechnung analog zur Ressourcenbeanspruchung zu erreichen. Dies erfordert zunächst eine Zergliederung aller Prozesse in der Unternehmung in gut zuordnenbare Teilprozesse. Für jeden dieser vielen Teilprozesse ist dann eine adäquate Bezugsgröße zu bestimmen, welche über die Kostenverursachung aussagefähig ist. Auf Basis der Planprozessmengen werden dann die analog dazu zu sehenden Planprozesskosten ermittelt. Daraus ergeben sich die Prozesskostensätze je Teilprozess. Die Prozesskostenrechnung verrechnet die fixen Gemeinkosten nicht mithilfe von Zuschlagssätzen, sondern auf Basis von Kostentreibern (Cost Drivers). Dazu werden die Gemeinkosten in volumenabhängige, leistungsmengeninduzierte Kostenanteile und volumenunabhängige, leistungsmengenneutrale Kostenanteile unterschieden. Letztere können nicht näher aufgespalten werden. Für erstere wird nach Kostentreibern gesucht. Dabei handelt es sich um Prozesse. Auf dieser Basis wird der Prozesskostensatz als Quotient aus Prozesskosten und Prozessmenge festgelegt. Leistungsmengenneutrale Kosten werden in ihrem Verhältnis zu den gesamten Prozesskosten umgelegt (Umlagesatz). Besteht kein direkter Zusammenhang zwischen verbrauchten Ressourcen und Leistung, hilft nur eine Schlüsselung (Poolrechnung). Die Vorgehensweise der Prozesskostenrechnung ist im Einzelnen wie folgt: • Zunächst werden für eine oder mehrere Gemeinkostenbereiche die Prozesse und die Prozessgrößen bestimmt. Ausgangspunkt ist eine Prozessanalyse. Ein Prozess wird aus in sich abgeschlossenen, zeitlich und sachlogisch verketteten Aktivitäten gebildet. Eine Aktivität ist eine Tätigkeit, die Ressourcenverzehr bedeutet und nicht weiter sinnvoll unterteilbar ist. Daraus werden Teilprozesse, Hauptprozesse und schließlich Geschäftsprozesse aggregiert. Teilprozesse sind

13. Kostenrechnung

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Bündel von sachlich aufeinander bezogenen Aktivitäten einer Kostenstelle. Hauptprozesse werden durch kostenstellenübergreifende Zusammenfassung von Teilprozessen gebildet. Geschäftsprozesse sind die Zusammenfassung von Hauptprozessen. Je nach Detaillierungsgrad können die dabei entstehenden Kosten einer Kostenstelle verrechnet werden. Die Isterhebung erfolgt durch Interviews, Dokumentenanalysen, Beobachtungen, Selbstaufschreibungen etc. Daraus wird eine Prozesshierarchie erarbeitet, die alle in der Unternehmung vorzufindenden Aktivitäten erfasst. • Auf dieser Basis werden die Kostentreiber und Prozessmengen identifiziert. Die Teilprozesse werden dahingehend analysiert, ob sie mit dem Leistungsvolumen in der Kostenstelle variieren oder unabhängig davon sind. Für leistungsmengeninduzierte Teilprozesse (lmi) ist der jeweilige Kostentreiber zu identifizieren, d. h. diejenige Größe, von der die Kosten abhängig sind. Die leistungsmengenneutralen Teilprozesse (lmn) sind unabhängig vom Output. Die Kostentreiber sollten möglichst Mengen- oder Zeitgrößen sein. Denkbare Kostentreiber sind etwa qm-Lagerraum, Bestellpositionen, Materialbestellungen, Eingangsprüfungen, Stücklistenpositionen, Rüstvorgänge, Montagepositionen, Kundenaufträge, Rechnungsanzahl, Retoureneingänge, Frachtbriefe etc. Die Kostentreiber müssen nachvollziehbar und leicht erfassbar sein, z. B. indem sie aus dem ERP-System aufrufbar sind. Die Anzahl der Kostentreiber sollte limitiert werden, um Komplexitäten zu reduzieren. Schließlich sind die Prozessmengen auf Basis von Erfahrungs- oder Planwerten zu bestimmen. • Nunmehr ist eine Prozesskostenkalkulation möglich. Dazu werden die lmiProzesskosten ermittelt und die lmi-Prozesskostensätze berechnet sowie die lmn-Kosten verrechnet. Dies geschieht zunächst je Teilprozess und dann übergreifend je Hauptprozess. Die Selbstkosten ergeben sich durch Addition der Materialeinzelkosten und der Fertigungseinzelkosten mit den Gemeinkosten der direkten Bereiche über Bezugsgrößen und den Teil- bzw. Hauptprozesskosten. Vorteile in der Entscheidungsfindung sind der • Allokationseffekt, indem die Gemeinkosten der indirekten Leistungsbereiche nach Maßgabe der Inanspruchnahme betrieblicher Ressourcen genauer auf die Kostenträger verrechnet werden können, • Komplexitätsreduktionseffekt, weil die Vielschichtigkeit des Produktionsprozesses und des Variantenreichtums einzelner Kostenträger besser berücksichtigt werden kann, • Degressionseffekt, da die leistungsmengeninduzierte Verrechnung von Gemeinkosten zur Senkung der fixen Gemeinkosten pro Einheit mit steigender Stückzahl der Einheiten führt. Allerdings ist mit diesem Informationsgewinn ein erheblicher Aufwand verbunden. Die Prozesskostenrechnung wird vorwiegend bei komplexen Produkten /

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D. Die Geldwirtschaft der Unternehmung

Aufträgen angewendet, auf die unterschiedliche indirekte Kosten entfallen. Dadurch können Kostenbudgets besser gesteuert werden. Vor allem kommt es zur Allokation der Kosten der indirekten Bereiche auf die Kostenträger nach ihrer tatsächlichen Inanspruchnahme der betrieblichen Ressourcen. Dadurch werden kleinere Aufträge relativ zu größeren berechtigterweise teurer gerechnet. Abnehmer können dann entweder diese Preise akzeptieren oder verzichten auf eine Auftragsvergabe, was betriebswirtschaftlich keinen Verlust bedeutet, da dieser Auftrag ohnehin nicht verursachungsgerecht kostendeckend gewesen wäre. 13.5.2 Zielkostenrechnung

Die Zielkostenrechnung ist ein retrograd vorgehendes Kostenrechnungsverfahren. Dieses kann in verschiedenen Ansätzen erfolgen (siehe Abb. D41): • Market into Company bedeutet, dass vom tatsächlich am Markt für erzielbar gehaltenen Preis ausgegangen wird. Die Zielkosten ergeben sich nach der Subtraktionsmethode (s. u.). Dies ist die verbreitetste Form. • Out of Company bedeutet, dass die Zielkosten aus der Unternehmung heraus bestimmt und erst danach in Bezug auf ihre Markttauglichkeit untersucht werden. • Into and Out of Company bedeutet, dass Zielvereinbarungen zwischen den am Markt realisierbaren Preisen und den in der Unternehmung bestimmten Zielkosten vorgenommen werden (Mischform). • Out of Competitor bedeutet, dass sich die Zielkosten an den Kosten von Konkurrenzprodukten orientieren. Diese ergeben sich aus Reverse Engineering. • Out of Standard Costs bedeutet, dass interne Leistungen mit historischen Kosten sowie neu bereitgestellten Kostensenkungspotenzialen bewertet werden. Einsatzmöglichkeiten für die Zielkostenrechnung finden sich bei Neuproduktentwicklungen, zur Kostensenkung bei Altprodukten, zur Planung von Produktionsprozessen und zur Effizienzsteigerung im indirekten Bereich.

Abbildung D41: Alternative Ansätze der Zielkostenrechnung (eig. Abb.)

13. Kostenrechnung

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Ausgangspunkt der Market into Company-Form (Subtraktionsmethode) ist der am Markt für erzielbar gehaltene Preis (Target Price). Von diesem wird der geplante Gewinn (Target Profit) abgezogen. Es ergeben sich die plangemäßen Selbstkosten (Allowable Costs). Diesen werden die voraussichtlichen Produktkosten (Drifting Costs) gegenüber gestellt. Liegen die Allowable Costs über den Drifting Costs, kann die Differenz der Zielkosten (Target Costs) als zusätzlicher Gewinn (Surplus Profit) einbehalten werden. Denn es gibt keine Notwendigkeit, den Markt an eigenen Rationalisierungsvorteilen partizipieren zu lassen. Eine Weitergabe des Kostenvorteils im Preis ist nur angezeigt, wenn am Markt preis­ aggressiv vorgegangen werden soll. Liegen die Allowable Costs unter den Drifting Costs, müssen Produktkosten solange eingespart werden, bis das Niveau der Allowable Costs erreicht ist oder es muss auf ein Angebot verzichtet werden. Denn der Markt ist nicht bereit, wegen Unwirtschaftlichkeit höhere Preise zu akzeptieren (siehe Abb. D42).

Abbildung D42: Prinzip der Market in Company-Zielkostenrechnung (eig. Abb.)

Besteht eine Zielkostenlücke, ist eine Zielkostenspaltung erforderlich. Dazu werden die Gesamtkosten auf einzelne Elemente wie Komponenten, Module, Teile etc. herunter gebrochen. Häufig wird auch ein Zielkostenkontrolldiagramm (Value Control Chart) erstellt: • Zunächst muss die Funktionsstruktur eines Produkts bestimmt werden. • Diese Funktionen werden entsprechend der Bedeutung für Kunden gewichtet. Dazu wird meist die Präferenzanalyse (Conjoint Measurement) eingesetzt.

D. Die Geldwirtschaft der Unternehmung

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• Danach wird untersucht, inwiefern die verschiedenen Produktelemente zur Realisierung der einzelnen Funktionen beitragen. • Weiterhin wird die Bedeutung jeder Funktion ermittelt. Daraus ergibt sich der akzeptable Kostenanteil jedes Elements. • Dieser wird dem tatsächlichen Kostenanteil gegenüber gestellt. Daraus ergibt sich ein Zielkostenindex (Relation Marktbedeutung zu Kostenverursachung). Elemente mit einem Zielkostenindex < 1 verursachen in Relation zu ihrer Bedeutung zu hohe Kosten et vice versa (siehe Abb. D43). • Die Visualisierung erfolgt im Value Control Chart. Als Fahrstrahl wird ein Zielkostenindex = 1 eingetragen (Winkelhalbierende). Elemente mit Zielkostenindex < 1 sind entweder in den Kosten zu senken oder in ihrer Marktbedeutung zu steigern. • Praktisch wird ein Zielkostenkorridor um den Fahrstrahl zugelassen, innerhalb dessen sich Elemente 1 kompensieren können (siehe Abb. D44).

Ermiƒlung des Zielkostenindexes Kompo- Kundennutzen Kostenanteil der nenten Komponenten

K1 K2 K3 K4 K5 K6 K7 Summe

24.75% 18.00% 17.00% 17.75% 11.50% 8.50% 2.50% 100%

Zielkostenindex unter der Annahme dass Istkosten des Produktes und Zielkosten übereinsmmen

20% 25% 10% 20% 10% 5% 10% 100%

1.24 0.72 1.70 0.89 11.15 1.70 0.25

Quelle: wiin-kostenmanagement.de/wp-content/uploads/2016/01/Zielkostenindex.jpg

Abbildung D43: Beispiel Ermittlung des Zielkostenindexes

13.5.3 Deckungsbeitragsrechnung mit relativen Einzelkosten

Bei der Deckungsbeitragsrechnung mit relativen Einzelkosten wird der Kostenblock nicht in fixe und variable Bestandteile aufgeteilt, sondern in Einzelkosten verschiedener Zurechnungsebenen. Ziel ist die Umgehung der Schlüsselung der Gemeinkosten, indem alle Kosten zumutbar als Einzelkosten erfasst werden. Durch die Ablehnung von Abschreibungen als Schlüsselung von Periodengemeinkosten löst sich die relative Einzelkostenrechnung vom Periodenbezug. Es können

13. Kostenrechnung

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Quelle: irman.de/wp-content/uploads/2013/02/Zielkostendiagramm_Taschenlampe.png

Abbildung D44: Beispiel Value Control Chart

mehrere Bezugsobjekte nebeneinander abgedeckt werden und nicht nur Kostenstellen und Kostenträger. Die üblichen Kostenarten, -stellen und -trägerrechnungen werden als zweckneutrale Grundrechnung in Form relationaler Datenbanken geführt und durch eine Auswertungsrechnung nach Aufgabenstellung ersetzt. Die Aufteilung erfolgt hierarchisch derart, dass immer die niedrigstmögliche Zurechnungsebene in der Organisation gewählt wird, bei der Kostenelemente gerade noch als Einzelkosten ausweisbar sind. Einzelkosten einer niedrigeren Ebene sind dabei Gemeinkosten einer höher aggregierten und umgekehrt. Auf diese Weise erfolgt eine möglichst vollständige Erfassung aller Kosten möglichst nahe bei den jeweiligen Kostenverursachern. Der Deckungsbeitrag wird als Differenz aus Umsatz und fixen plus variablen, jeweils direkt zurechenbaren Einzelkosten aufgefasst, von dem fixe plus variable Gemeinkosten, die ihrerseits wiederum unechte Einzelkosten einer niedrigeren Stufe darstellen, sukzessiv abgezogen werden, bis sich am Ende wieder das Betriebsergebnis einstellt. Insofern erfolgt die Kostenaufteilung nicht nur nach Beschäftigungsgradabhängigkeit, sondern vor allem auch nach Zurechenbarkeit. Somit handelt es sich um eine Kombination aus mehrstufiger Deckungsbeitragsrechnung bzgl. des hierarchischen Aufbaus und Vollkostenrechnung bzgl. der Kostenzurechenbarkeit. Von daher ist es wichtig, sowohl die Vorgehensweise der Teil- als auch der Vollkostenkalkulation zu nutzen. In der Praxis wirken jedoch hohe Komplexitäten der Analyse und Anforderungen an das Auswertungs-Know-how abschreckend. Der Fortschritt in der IT-Technik durch leistungsstarke und dennoch übersichtliche relationale Datenbank-Software führt zur Verminderung dieser Probleme.

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D. Die Geldwirtschaft der Unternehmung

Literaturhinweise Coenenberg, Adolf G. / Fischer, Thomas M. / G ünther, Thomas: Kostenrechnung und Kostenanalyse, 9. Auflage, Stuttgart 2016 Däumler, Klaus-Dieter / Grabe, Jürgen: Kostenrechnung 1, 11. Auflage, Herne 2013 –– Kostenrechnung 2, 10. Auflage, Herne 2013 –– Kostenrechnung 3, 9. Auflage, Herne 2014 Fischbach, Sven / Fischbach, Anja: Grundlagen der Kostenrechnung, 6. Auflage, München 2013 Freidank, Carl-Christian: Kostenrechnung, 9. Auflage, München / Wien 2012 Friedl, Birgit / Göthlich, Stephan E. / Himme, Alexander: Kostenrechnung, München / Wien 2007 Friedl, Gunther / Hofmann, Christian / Pedell, Burkhard: Kostenrechnung, 2. Auflage, München 2013 Götze, Uwe: Kostenrechnung und Kostenmanagement, 5. Auflage, Berlin / Heidelberg 2010 Graumann, Mathias: Kostenrechnung und Kostenmanagement, 5. Auflage, Herne 2013 Haberstock, Lothar / Breithecker, Volker: Kostenrechnung 1, 13. Auflage, Berlin 2008 Horsch, Jürgen: Kostenrechnung, 2. Auflage, Wiesbaden 2015 Jossé, Germann: Basiswissen Kostenrechnung, 6. Auflage, München 2011 Kalenberg, Frank: Kostenrechnung, 3. Auflage, München / Wien 2013Schmidt, Andreas: Kostenrechnung, 7. Auflage, Stuttgart 2014 Olfert, Klaus: Kostenrechnung, 17. Auflage, Herne 2013

13. Kostenrechnung

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Übungsaufgaben 1. Was versteht man unter Deckungsbeitrag und warum ist diese Größe von besonderer Bedeutung? 2. Das Target Costing ist eine Gruppe moderner, verstärkt eingesetzter Verfahren zum Kostenmanagement und damit ein wichtiges Instrument zur Steuerung von Kosten und Leistungen. Stellen Sie bitte das Konzept und die Vorgehensweise des Target Costings aussagefähig dar. 3. Was ist der Break Even-Punkt und welche Break Even-Punkte können in Bezug auf Liquidität und Gewinn unterschieden werden? 4. Worum handelt es sich bei der Deckungsbeitragsrechnung mit relativen Einzelkosten? 5. Charakterisieren Sie bitte die Kostenartenrechnung in ihren wesentlichen Inhalten. 6. Charakterisieren Sie bitte die Kostenstellenrechnung in ihren wesentlichen Inhalten. 7. Charakterisieren Sie bitte die Kostenträgerstückrechnung in ihren wesentlichen Inhalten. 8. Welche variablen Kostenverläufe können unterschieden werden? 9. Woraus kann man ablesen, welcher Anteil der Gesamtkosten fix und welcher variabel ist? 10. Was versteht man unter Leerkosten? 11. Welche Kostenrechnungssysteme können unterschieden werden? 12. Welche Aufgaben übernimmt der Betriebsabrechnungsbogen (BAB)? 13. Erläutern Sie bitte wesentlichen Kritikpunkte an der Vollkostenrechnung. 14. Erläutern Sie bitte wesentliche Kritikpunkt an der einstufigen Deckungsbeitragsrechnung. 15. Stellen Sie bitte das Prinzip der Äquivalenzziffernkalkulation dar.

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D. Die Geldwirtschaft der Unternehmung

14. Investition In diesem Kapitel werden folgende Inhalte behandelt und geklärt: • die Einflussgrößen auf die Investition, • die Sachinvestitionen und deren Rechenverfahren, • die Arten der statischen Rechenverfahren, • die Arten der dynamischen Rechenverfahren, • die Finanzinvestitionen und deren Ausprägungen.

14.1 Formen und Einflussgrößen Unter Investition versteht man allgemein die Verwendung finanzieller Mittel zur Beschaffung von Gütern, die dem Unternehmenszweck dienen und somit einen spezifischen Beitrag zur Erreichung der Unternehmensziele leisten. Dabei wird meist nur auf längerfristig dem Unternehmenszweck dienende Vermögens­ positionen abgehoben. Allgemein wird dadurch ein Zahlungsstrom ausgelöst, der zunächst mit Auszahlungen beginnt und später Einzahlungen erwarten lässt. Nach der Entscheidungsfreiheit unterscheidet man unvermeidliche Investitionen etwa aufgrund gesetzlicher Erfordernisse und solche, für die eine Wahlfreiheit hinsichtlich Vornahme, Art, Höhe und Zeitpunkt der Investition besteht. Real­ investitionen erfolgen durch Sachmittel wie z. B. Sacheinlagen bei Unternehmensgründung, aber auch immaterielle Werte wie Gewerbliche Schutzrechte, Finanzinvestitionen erfolgen durch Geldmittel. Dabei können mehrere Investitionsobjekte parallel dotiert werden wie z. B. bei Verbundeffekten oder einander ausschließende Investitionen gegeben sein wie z. B. bei Budgetrestriktion. Die Investitionsobjekte können voneinander unabhängig sein oder aber komplementär. Wichtige Voraussetzung ist dabei die jederzeitige Aufrechterhaltung der Zahlungsfähigkeit der Unternehmung während der gesamten Nutzungsdauer des Investitionsprojekts. Insofern sind mit jeder Investition immer auch Finanzierungsüberlegungen verbunden (siehe Abb. D45). Investitionen beziehen sich als Realinvestitionen auf Objekte wie Anlagen oder als Nominalinvestitonen auf Finanzen wie Forderungen und Beteiligungen. ­Außerdem gibt es immaterielle Investitionen, z. B. in Wissen / Schutzrechte, Marken, Mitarbeiter etc. Neuinvestitionen haben erstmaligen oder einmaligen Charakter, z. B. zur Umstrukturierung der Unternehmung. Reinvestitionen beziehen sich auf die Erneuerung in der Vergangenheit getätigter Investitionen. Dabei werden nicht mehr nutzbare Objekte durch neue gleichartige Objekte ersetzt. Rationalisierungsinvestitionen betreffen die Umrüstung von Anlagen. Erweiterungsinvestitionen betreffen die Ausweitung der Kapazitäten.

14. Investition

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Abbildung D45: Mögliche Investitionsanlässe (eig. Abb.)

Für die Ermittlung der Vorteilhaftigkeit einer Investition ist es erforderlich, die Einzahlungen und Auszahlungen, die durch die Entscheidung für ein Investitionsobjekt ausgelöst werden, gegenüberzustellen. Der Investitionsprozess unterteilt sich dazu in die Phasen Planung und Entscheidung, Realisierung und Steuerung, Kontrolle und Korrektur. Dabei geht es um die Suche nach Investitionsmöglichkeiten, die Beurteilung einzelner Investitionsalternativen anhand geeigneter Kriterien und die Handlungsempfehlung. Projektbegleitend sind Abweichungsanalysen zur Korrektur von Ergebnissen und Verfahren bis hin zum Projektabbruch erforderlich. Ziele sind vor allem die Beurteilung des Erfolgs der Investitionspolitik, das Erkennen von Fehlentwicklungen, die Verbesserung zukünftiger Planungen, die Verhinderung von Manipulationen und die Aufdeckung von Schwachstellen. Einflussgrößen sind vor allem das Auftreten verbesserter, funktionsgleicher Anlagen, erforderliche Großreparaturen, Produktionsprogrammumstellungen, der Ablauf von Garantiefristen, die Beschaffung von Zusatzaggregaten, das Auftreten neuer Konkurrenten etc. Der Investition steht die Finanzierung gegenüber. Sie betrifft die Beschaffung von Kapital. Ebenso steht der Investition als Kapitalbindung die Desinvestition als Kapitalfreisetzung gegenüber. Für eine Investitionsentscheidung sind zahlreiche Prüfungen erforderlich. Meist geht es dabei um die Wahl der besten unter mehreren Investitionsoptionen oder den Vergleich zwischen der Geldanlage des Investitionsbetrags und seiner Investition in Sachvermögenswerte. Diese Entscheidungen werden durch Investitionsrechenverfahren unterstützt. Dabei werden zwei Gruppen und verschiedene Unterformen unterschieden. Bei den beiden Gruppen handelt es sich um statische und dynamische Rechenverfahren. Statische Investitionsrechenverfahren berücksichtigen nur die Kosten und Erlöse, die in einer bestimmten Wirtschaftsperiode anfallen. Weiterhin anfallende Kosten und Erlöse werden hingegen nicht berücksichtigt. Dies vereinfacht die rechnerische Ermittlung erheblich, führt jedoch zu mutmaßlich unzureichenden Ergebnissen. Dynamische Investitionsrechnungsverfahren berücksichtigen die zu erwartenden Einzahlungen in die und Auszahlungen aus der Investi­

440

D. Die Geldwirtschaft der Unternehmung

tion. Diese in der Zukunft liegenden Werte werden unter Zugrundelegung eines Kalkula­tionszinsfußes auf den Zeitpunkt der Investition zurückgerechnet, d. h. diskontiert. Bei den Unterformen handelt es sich um die Kostenvergleichsrechnung, die Gewinnvergleichsrechnung, die Rentabilitätsvergleichsrechnung und die Amortisationsvergleichsrechnung innerhalb der statischen Verfahren und um die dynamische Amortisationszeitvergleichsmethode, die Kapitalwertmethode, die Interne-Zinsfuß-Methode und die Annuitätenmethode innerhalb der dynamischen Verfahren. Einflussgrößen auf die Investitionsrechnung sind folgende (siehe Abb. D46) • die Nutzungsdauer des Investitionsobjekts als technische Nutzungsdauer und wirtschaftliche Nutzungsdauer bedingt durch Verschleiß, technischen Fortschritt etc. Wichtig sind dabei die betriebsgewöhnliche Nutzungsdauer und die rechtliche (Höchst-)Nutzungsdauer. • der Kalkulationszinsfuß, der sich orientiert am Kapitalmarktzins als Untergrenze, am Branchenzins oder an der unternehmensinternen Verzinsung. • die Kosten und Erlöse bzw. die Einzahlungen und Auszahlungen. Bei den Kosten handelt es sich um Anschaffungs- und Herstellkosten, bei den Erlösen um laufende oder einmalige (Restwert). Einzahlungen sind Rückflüsse aus Investitionen, Auszahlungen sind Abgänge von Geldmitteln zum Zweck der Investition. • der Kapitalbedarf, der sich aus Mengen-, Zeit- und Wertkomponenten ergibt sowie dessen Ermittlung durch Kapitalbedarfsrechnung und Finanzplan.

Abbildung D46: Einflussgrößen des Investitionsentscheids (eig. Abb.)

Ein Investitionsprojekt durchläuft für gewöhnlich mehrere Stufen: • Bei der Feststellung der Investitionsziele geht es um den betrieblich gewünschten Zustand nach der Investition. Im Allgemeinen sollen dadurch Kosten- und Leistungsziele, aber auch Qualitäts- und Zeitziele erreicht werden, welche die Wettbewerbsposition des Betriebs verbessern.

14. Investition

441

• In der Investitionsanregung geht es darum, konkretisierte Vorstellungen darüber zu entwickeln, wie mithilfe der Investition der gewünschte Zustand erreicht werden soll. Dies erfordert vor allem die Einholung, Sichtung und Auswertung von Marktinformationen. • Bei der Investitionsprüfung soll anschließend ermittelt werden, ob das Projekt finanziell stemmbar und technisch auch realistisch durchführbar ist (Feasibility). Zur Prüfung werden gemeinhin formalisierte Beurteilungsverfahren eingesetzt. • In der Investitionsbewertung werden die Erkenntnisse rechnerisch geprüft, dazu dienen dann Investitionsrechnungsverfahren (s. u.), aber auch inhaltlich hinterfragt. Dabei spielen vor allem Risikoaspekte angesichts der häufig involvierten absolut hohen Geldbeträge eine große Rolle. • Bei der Integration des Investitionsvorhabens geht es um die Abstimmung zwischen dem neuen Projekt und der bestehenden betrieblichen Infrastruktur. Dabei ist auf Schnittstellenprobleme und mögliche Synergieeffekte abzuheben. • Auf dieser Basis kann dann ein fundierter Investitionsentscheid getroffen werden. Wegen der Bedeutung vieler Investitionen werden dazu Entscheidergremien eingeschaltet. Zugleich wird die anderweitig vorbereitete Finanzierung abgerufen. • Es folgt die Investitionsdurchführung. Dabei geht es um die Realisierung des Projekts im Rahmen des Lieferantenmanagements. Die technische Realisierung kann sich durchaus über mehrere Jahre erstrecken und endet mit der Inbetriebnahme. • Innerhalb der Prämissenprüfung geht es dann um die Frage, ob die investierten Geldbeträge richtig angelegt sind und wie bei Änderungen der Prämissen zum Vorlauf dennoch eine Vorteilhaftigkeit der Investition erreicht werden kann. • Innerhalb der Ergebniskontrolle geht es um die Frage, ob geplante Budgets eingehalten, erforderliche technische Standards erreicht und gewünschte Ergebnisse erzielt werden konnten. Diese Erkenntnisse dienen dann als Feedback für weiter anstehende Investitionsprojekte. 14.2 Sachinvestitionen 14.2.1 Statische Rechenverfahren

Zur Beurteilung von Sachinvestitionen dienen mehrere Rechenverfahren. Im Allgemeinen werden je vier statische und dynamische Verfahren unterschieden (siehe Abb. D 47). Statische Verfahren beurteilen die Vorteilhaftigkeit einer Investition nur aufgrund der Werte einer Periode. Dabei kann es sich um die erste Zeitperiode han-

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D. Die Geldwirtschaft der Unternehmung

deln, meist ein Jahr, die jedoch nicht repräsentativ für die gesamte Investitionsperiode sein dürfte. Daher kann stattdessen ein „Normaljahr“ ausgewählt werden, anhand dessen gerechnet wird. Allerdings ist fraglich, woran man im Vorhinein ein später stattfindendes Normaljahr feststellen sollte. Denkbar ist auch eine Durchschnittsperiode, was jedoch eine belastbare Vorstellung über die Werte der zukünftigen Perioden voraussetzt. Außerdem ist die exakte Abgrenzung der Kosten und Erlöse aus dem betrieblichen Zusammenhang erforderlich. Zudem wäre es wichtig, nicht Bestandsgrößen, sondern Flussgrößen, also Einzahlungen und Auszahlungen, zugrunde zu legen. Insbesondere stellt sich die Frage, wie unter zwei oder mehr gleichartigen Objekten das vorteilhafteste ausgewählt werden kann.

Abbildung D47: Statische Investitionsrechnungsverfahren (eig. Abb.)

Statische Verfahren basieren auf Erlösen und Kosten. Sie sind Einperiodenverfahren, da ignoriert wird, dass Leistungen und Kosten im Zeitablauf über mehrere Perioden schwanken können. Sie vernachlässigen weiterhin, dass Leistungen und Kosten zu unterschiedlichen Zeiten anfallen und eignen sich daher allenfalls für die Beurteilung der Vorteilhaftigkeit von gleichartigen Investitionen. 14.2.1.1 Kostenvergleich

Der Kostenvergleich hat als Grundausrichtung die Kostenminimierung. Als Zielkriterium dienen die durchschnittlichen periodenbezogenen Kosten als Gesamtkostenbetrachtung oder die durchschnittlichen einheitenbezogenen Kosten als Stückkostenbetrachtung. Als Prämisse gilt bei ersterem, dass zu vergleichende Investitionsalternativen gleiche Kapazitäten und Laufzeiten haben, ansonsten erfolgt der Kostenvergleich über Stückkosten. Dennoch kann es zu betriebswirtschaftlichen Abweichungen durch den unterschiedlichen zeitlichen Anfall der zugrunde liegenden Zahlungen kommen. Außerdem ergeben sich Schwierigkeiten bei der Kostenschätzung für die Zukunft und es wird keine Aussage über die Rentabilität getroffen. Es handelt sich also um den Vergleich der in einer Periode

14. Investition

443

bei gegebener Kapazität anfallenden Kosten der alten und einer neuen Investition oder mehrerer neuer Investitionen. Die Alternative mit den geringsten Kosten ist die günstigste, d. h., das Kriterium der Vorteilhaftigkeit ist die Kostendifferenz zu den anderen Alternativen. Als Basis dient der Vergleich pro Periode oder pro Leistungseinheit (siehe Abb. D48).

Quelle: controllingportal.de/Fachinfo/Investitionsrechnung/Kostenvergleichsrechnung-Erlaeuterungmit-Beispiel.html, andi-menzel.de/juliamenzel/diplomarbeit/abbildungen/tab_31.JPG

Abbildung D48: Beispiel Kostenvergleich

Die Kostenvergleichsrechnung legt dabei die Kosten als Kriterium an und präferiert diejenige Investitionsoption, welche die geringsten Kosten aufweist. Bei den Kosten handelt es sich um verschiedene Größen. Bei den Kapitalkosten ist von kalkulatorischen Abschreibungen und kalkulatorischen Zinsen auszugehen. Bei den Betriebskosten ist von den Kostenarten Personal, Material, Instandhaltung, Raum, Energie und Werkzeug auszugehen. Sofern die mengenmäßige Auslastung der zu vergleichenden Anlagen gleich hoch ist, kann ein Kostenvergleich pro Periode vorgenommen werden. Sind die mengenmäßigen Auslastungen verschieden, muss ein Kostenvergleich pro Leistungseinheit vorgenommen werden. Die Kostenvergleichsrechnung bietet eine übersichtliche Anwendbarkeit. Jedoch erfolgt der Kostenvergleich nur auf einer kurzfristigen Basis. Insofern hängt die Entscheidung von der Wahl der „richtigen“ Periode ab. Die Aufteilung in fixe und variable Kosten ist nicht immer trennscharf, beeinflusst aber das Ergebnis. Die Erlöse aus der Investition bleiben bei der Rechnung unberücksichtigt. Es wird vielmehr unterstellt, dass sie innerhalb der Objekte gleich hoch und im Zeitablauf unverändert sind. Dies erscheint jedoch fraglich. Ebenso bleibt die Investi-

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D. Die Geldwirtschaft der Unternehmung

tionshöhe unberücksichtigt. Vielmehr wird unterstellt, dass sie bei allen Objekten gleich hoch ist. Abhilfe kann hier durch eine Differenzinvestition geschaffen werden. Dabei wird die Differenz zwischen der „billigeren“ und der „teureren“ Investition rechnerisch am Kapitalmarkt angelegt. Die daraus erzielten Erträge reduzieren die Kosten der „billigeren“ Anlage. 14.2.1.2 Gewinnvergleich

Der Gewinnvergleich hat als Grundausrichtung die Gewinnmaximierung. Als Zielkriterium dienen ihr die durchschnittlichen periodenbezogenen Gewinne als Differenz aus zurechenbaren Erlösen und Kosten. Es kommt zum Vergleich des Gewinnzuwachses aus der Gegenüberstellung der erwarteten Ergebnisse ohne und mit Durchführung der Investition. Dabei wird vorausgesetzt, dass alle zu vergleichenden Investitionsalternativen einen gleichen durchschnittlichen Kapitaleinsatz und gleiche Laufzeiten aufweisen. Hauptprobleme liegen wiederum in der Vernachlässigung von Zinswirkungen aus dem abweichenden zeitlichen Anfall von Zahlungen. Doch besteht eine Erweiterung des Kostenvergleichs, da auch die durch Investitionen erzielten Erlöse berücksichtigt und damit nun die zu erwartenden Jahresgewinne der Alternativen verglichen werden. Die Alternative mit dem im Durchschnitt höheren Jahresgewinn ist die günstigste. Voraussetzung sind ein gleicher durchschnittlicher Kapitaleinsatz und gleiche Laufzeiten aller Alternativen (siehe Abb. D49).

Quelle: controlling-wiki.com/de/index.php/Gewinnvergleichsrechnung, wiki-hs-schmalkalden.de/up loads/ Bwl1203StatischeInvestitionsrechenverfahren/bwl12070.gif

Abbildung D49: Beispiel Gewinnvergleich

14. Investition

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Die Gewinnvergleichsrechnung berücksichtigt die Erlöse aus der Leistung der Anlage, indem sie die Kosten und den verbleibenden Gewinn als Basis für einen Investitionsvergleich nimmt. Dadurch können quantitative Abweichungen zwischen Objekten ebenso berücksichtigt werden wie qualitative. Außerdem ist auch die Beurteilung eines einzelnen Investitionsobjekts möglich, mit dem Ziel eines Gewinns > 0. Bei zwei und mehr Investitionsobjekten ist dasjenige das vorteilhafteste, das den höchsten Erlösüberschuss über den Kosten erzielt. Bei gleicher Auslastung von Objekten kann wiederum der Gewinn pro Periode als Kriterium gewählt werden. Bei abweichenden Auslastungen der Objekte ist der Gewinn pro Leistungseinheit ausschlaggebend. Als Vorteil ist vor allem die leichte Handhabbarkeit des Verfahrens anzusehen. Nachteilig sind der Vergleich auf kurzfristiger Basis, die problematische Aufteilung in fixe und variable Kosten und die Nichtberücksichtigung des Kapitaleinsatzes. Hinzu tritt die schwierige Prognose der Erlöse in der Zukunft. 14.2.1.3 Rentabilitätsvergleich

Der Rentabilitätsvergleich ermittelt die durchschnittliche jährliche Verzinsung eines Objekts und berücksichtigt damit erstmals die Relation von Kapitaleinsatz zum Ertrag. Probleme ergeben sich aus der Erlöszurechnung und der Notwendigkeit zu einer Differenzinvestition, welche die Aussage komplizieren. Hier erfolgt insofern eine Verbesserung, als nicht nur die absolute Gewinnhöhe, sondern auch das Verhältnis zwischen Gewinn und eingesetztem Kapital berücksichtigt wird. Der Return on Investment / ROI bezieht den erwarteten Jahresgewinn auf das dazu investierte Kapital. Durch Einbeziehung des Umsatzes lassen sich Umsatz­ erfolg und Kapitalumschlag ermitteln. Die Alternative mit der größten Rentabilität ist die günstigste. Dazu werden die durchschnittliche Periodenkostenersparnis bzw. der durchschnittliche Periodengewinnzuwachs dem durchschnittlichen ­Periodenkapitaleinsatz gegenübergestellt. Dies ist sinnvoll, weil damit die Ergebnisse direkt mit der geforderten Mindestverzinsung verglichen werden können und sowohl die Zweckmäßigkeit der einzelnen Kapitalanlage als auch ihre Vorteilhaftigkeit gegenüber alternativen Einsatzmöglichkeiten beurteilt werden kann (siehe Abb. D50). Die Rentabilitätsvergleichsrechnung berücksichtigt erstmals den Kapitaleinsatz einer Investition. Damit lassen sich auch verschiedenartige Investitionsobjekte miteinander vergleichen, vor allem kann beurteilt werden, ob eine Sachanlage oder eine Finanzanlage vorteilhafter sind. Rentabilität bedeutet allgemein, dass der Gewinn einer Investition zu deren eingesetztem Kapital in Relation gesetzt wird. Die Größe Kapitaleinsatz ist als durchschnittlicher Kapitaleinsatz in der Nutzungsperiode zu verstehen, bei nicht-abnutzbaren Anlagen wie Grundstücken also der Anschaffungswert, bei abnutzbaren Anlagen der halbe Anschaffungswert. Evtl. Liquidationserlöse werden davon abgezogen, Erweiterungsinvestitionen hinzuaddiert. Beim Gewinn ist ebenso der durchschnittliche

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D. Die Geldwirtschaft der Unternehmung

Quelle: weka.ch/themen/finanzen-controlling/controlling/kennzahlen-und-kennzahlensysteme/artic le/rentabilitaetsrechnung-berechnung-der-rentabilitaet-von-investitionen/

Abbildung D50: Beispiel Rentabilitätsvergleich

Gewinn anzusetzen, und zwar vor kalkulatorischen Zinsen. Bei der Beurteilung nur eines Investitionsobjekts muss die erzielte Rentabilität höher liegen als die mindestens für erforderlich erachtete Rentabilität. Bei Vergleich von zwei oder mehr Objekten ist dasjenige mit der höchsten Rentabilität das zu präferierende. Sind die Kapitaleinsätze dabei verschieden, ist der Unterschied durch eine Differenzinvestition am Kapitalmarkt auszugleichen. Deren Erträge erhöhen den Gewinn der „billigeren“ Anlage. Durch die Einbeziehung des Kapitaleinsatzes kann eine aussagefähige Entscheidungsbasis gefunden werden. Vor allem ist auch bei zwei oder mehr Objekten ein Vergleich mit der mindestens gewünschten Rentabilität darstellbar, d. h. zwei oder mehr Objekte mit positiver Rentabilität können dennoch inferior sein, wenn sie die Mindestrendite nicht erzielen. Dann ist nach anderen Investitionsobjekten zu suchen oder eine alternative Anlage am Kapitalmarkt vorzunehmen. Ebenso lassen sich quantitativ und qualitativ unterschiedliche Anlageobjekte miteinander vergleichen. Problematisch bleiben die kurzfristige Rechenbasis, die fragliche Aufteilung in fixe und variable Kosten sowie die schwierige Zurechenbarkeit von Erlösen. 14.1.2.4 Amortisationsvergleich

Der Amortisationsvergleich hat als Grundausrichtung die Risikominimierung. Demgemäß gilt als Zielkriterium die Rücklaufzeit des eingesetzten Kapitals (Payoff Period: Anschaffungswert dividiert durch Reingewinn und Abschreibungen). Die isolierte Betrachtung ermittelt, wann so viel Gewinn angefallen ist, dass der

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Anschaffungswert durch den Gewinn abgedeckt werden kann. Die vergleichende Betrachtung ermittelt, wann gegenüber einer anderen Alternative so viel Kosten­ ersparnis erzielt wird, dass diese den Anschaffungswert abdeckt. Dabei werden allerdings gleiche Laufzeiten aller Alternativen unterstellt. Neben der auch weiterhin anzumerkenden Vernachlässigung von Zinswirkungen aufgrund unterschiedlichen zeitlichen Anfalls der zugrunde liegenden Zahlungen kann es zur Präferierung von Entscheidungsalternativen kommen, die erfolgswirtschaftlich inferior sind. Außerdem bleiben Gewinnzurechnung und Liquidationserlös außer Acht, und es wird keine Aussage zur Rentabilität getroffen. Je kürzer der effektive Zeitraum, in dem das investierte Kapital über die Erlöse wieder in die Unternehmung zurückfließt, im Vergleich zu der als gerade noch zulässig angesehenen Amortisationszeit ist, als desto vorteilhafter ist die Investition anzusehen. Damit kommt diese Methode dem Sicherheitsdenken der Unternehmenspraxis entgegen. Sie kann sowohl als Gewinnzuwachs- wie auch als Kostenersparnisversion durchgeführt werden (siehe Abb. D51). Die Amortisationsvergleichsrechnung untersucht den Zeitraum, der erforderlich ist, aus den Erlösen eines Investitionsobjekts die durch dieses verursachten Kosten zu decken (Wiedergewinnungszeitraum). Je kürzer diese Amortisationsdauer, als desto vorziehenswerter hat eine Investition zu gelten. Dieser Überlegung liegt die weit verbreitet unterstellte Risikoscheu zugrunde. Das Risiko einer Investition ist c. p. umso niedriger, je schneller der investierte Betrag aus dem Markt wieder in die Unternehmung zurückgeflossen ist. Bei einem Investitionsobjekt wird diese Frist mit der höchstens für akzeptabel gehaltenen Frist verglichen. Objekte, deren Frist länger ist, gelten als ungeeignet. Bei zwei oder mehr Investitionsobjekten ist dasjenige zu präferieren, das die kürzeste Kapitalrückflussfrist aufweist. Liegen die Rückflussfristen sämtlichst über der höchsten für akzeptabel gehaltenen Frist, ist keines der Objekte geeignet. Entsprechend ist nach anderen Objekten Ausschau zu halten oder eine alternative Anlage am Kapitalmarkt zu suchen. Eine kürzere Amortisationszeit bedeutet zugleich eine geringere Liquiditätsbelastung und eine bessere Planung wegen des kürzeren Zeithorizonts. Als Basis gilt der durchschnittliche Rückfluss, hier die Summe aus durchschnittlichem Jahresgewinn und Abschreibungen (bei Rationalisierungsinvestitionen analog die Summe aus durchschnittlicher jährlicher Kostenersparnis und Abschreibungen). Der Kapitaleinsatz entspricht der Investitionssumme, sofern von einem Restwert auszugehen ist, vermindert dieser den Kapitaleinsatz. Von Vorteil sind die einfache Durchführung und die Berücksichtigung des Risikos, das mit Investitionen zwangsläufig verbunden ist. Nachteilig sind die mangelnde Zurechenbarkeit von Erlösen und Kosten und die Nichtberücksichtigung des Kapitaleinsatzes und damit von Rentabilitätsaspekten. Ferner werden Rückflüsse nach Ende der Amortisationszeit außer Acht gelassen (z. B. durch Restwerte). Generell werden kurzlaufende Investitionen längerlaufenden vorgezogen, was zu aktionistischem Verhalten in der Unternehmung führen kann.

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D. Die Geldwirtschaft der Unternehmung

Quelle: wiki.hd-schmalkalden.de/uploads/Bwl1203StatischeInvestitionsrechenverfahren/bwl12074.gif

Abbildung D51: Beispiel Amortisationsvergleich

14.1.2.5 Weiterungen und kritische Bewertung

Bisher wurde eine Entscheidung über eine Erstinvestition unterstellt. Häufig ist jedoch eine Ersatzinvestition gegeben, d. h., eine Anlage wird nicht erstmals beschafft, sondern ersetzt eine bereits vorhandene. Hier gelten folgende Aussagen (Olfert): • Nach der Kostenvergleichsrechnung werden die Betriebskosten der bestehenden Anlage mit den Kapital- und Betriebskosten der anzuschaffenden verglichen. Dabei ist ein evtl. Restwert der bestehenden Anlage zu berücksichtigen. Dieser führt zu einer Verringerung der Kosten des Altobjekts. • Nach der Gewinnvergleichsrechnung werden die Gewinne aus alter und neuer Anlage gegenübergestellt. Auch hierbei ist ein evtl. Resterlöswert zu berücksichtigen. • Nach der Amortisationszeitvergleichsrechnung wird anstelle des durchschnittlichen Jahresgewinns die durchschnittliche Kostenersparnis durch eine Rationalisierungsinvestition zugrunde gelegt. • Nach der Rentabilitätsvergleichsrechnung wird die Kostenersparnis durch die Rationalisierungsinvestition berücksichtigt. Wiederum ist ein Resterlöswert zu berücksichtigen. Das MAPI-Verfahren verbindet als komplexes Verfahren die Rentabilitätsrechnung mit der Bestimmung des Zeitpunkts für Ersatzinvestitionen. Dazu wird folgende Rechnung aufgemacht: Mehreinnahmen oder Minderausgaben für die alte Anlage gegenüber der neuen Anlage im ersten Nutzungsjahr plus vermiedener Kapitalverzehr, d. h. Differenz aus Liquidationserlös der alten Anlage am Anfang und am Ende der Periode minus Kapitalverzehr bei Nutzung der neuen Anlage

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durch Abschreibungen, minus Ertragssteuern aus einem evtl. Einnahmeüberschuss und einem vermiedenen Kapitalverzehr. Die Summe wird dividiert durch den Nettokapitalbedarf, d. h. Anschaffungsausgabe der neuen Anlage minus Kapitalfreisetzung aus dem Liquidationserlös der alten Anlage plus vermiedene Reparaturkosten der alten Anlage. Häufig stellt sich in der betrieblichen Praxis die Frage, ob die Kapazitäten der zur Investition geplanten Anlage ausgelastet werden können. Bisher wurde unterstellt, dass eine Vollauslastung gegeben ist und diese Leistung auch am Markt abgesetzt werden kann. Kann dies nicht als gesichert unterstellt werden, ist ein wichtiges Entscheidungskriterium die Kritische Auslastung, also diejenige Auslastung, bei der die Kosten der zur Auswahl stehenden Investitionsobjekte gleich hoch sind (Kostensicht). Typischerweise hat eine Anlage ab dieser Kritischen Auslastung niedrigere Kosten, die andere höhere. Gilt dann eine Auslastung oberhalb der Kritischen Auslastung als gesichert, ist die Anlage mit den niedrigeren Kosten zu bevorzugen. Bei Gewinnsicht ist die Kritische Auslastung diejenige Menge, bei der die Gewinne der zur Auswahl stehenden Investitionsobjekte gleich hoch sind. Für statische Verfahren gelten in toto folgende Mängel: • Die zeitlichen Unterschiede beim Anfall der Umsatzerlöse und der Kosten werden nicht berücksichtigt. Es werden vielmehr nur jährliche Durchschnittswerte in Ansatz gebracht, in der Regel die Kostenersparnis oder der Gewinnzuwachs nach dem Einführungsjahr, die als repräsentativ für die gesamte Nutzungsdauer gelten. Schwankungen in den einzelnen Nutzungsjahren bleiben demzufolge unberücksichtigt. Auch die Kapitalbindung wird als Durchschnittswert angesetzt. Durch Einzelschätzung mit Durchschnittsbildung oder Ansatz einer Repräsentativmethode kann dieser Nachteil zum Teil ausgeglichen werden. Die Verfahren sind sinnvoll nur bei kurzfristigen Vorhaben oder bei unsicheren Ausgangsdaten anzuwenden. Sie sind jedoch übersichtlich, unkompliziert handhabbar und nutzen einfache Rechenmethoden. 14.2.2 Dynamische Rechenverfahren

Dynamische Verfahren versuchen, die Mängel der statischen Rechnungen zu vermeiden, dies allerdings um den Preis einer erhöhten Komplexität (siehe Abb. D52). Dazu werden alle Nutzungsperioden einer Investition, nicht nur eine repräsentative oder durchschnittliche Periode zugrunde gelegt. Die Beurteilung der Vorteilhaftigkeit erfolgt auf Basis von Bewegungsgrößen als Einzahlungen und Auszahlungen. Vor allem aber wird der Zeitpunkt dieser Ein- und Auszahlungen berücksichtigt, indem Zinsen in Ansatz gebracht werden. Dazu werden Erkenntnisse der Finanzmathematik genutzt. Dies bezieht sich vor allem auf die Größen Endwert, Barwert und Annuität:

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D. Die Geldwirtschaft der Unternehmung

Abbildung D52: Dynamische Investitionsrechnungsmethoden (eig. Abb.)

• Der Endwert ist derjenige Wert, der sich durch Aufzinsung von Einzahlungsströmen und Auszahlungsströmen auf den zukünftigen Endzeitpunkt ergibt. Die Zahlungen können einmalig erfolgen, z. B. in Form der Investitionsauszahlung oder in mehreren gleich hohen Teilbeträgen. Immer ist der Endwert höher als die Zahlung bzw. die einfache Summe der Zahlungen, da Zins und Zinseszins anfallen. • Der Barwert ist derjenige Wert, der sich durch Abzinsung zukünftiger Einzahlungsströme und Auszahlungsströme auf den Gegenwartszeitpunkt ergibt (siehe Abb. D53). Dabei kann es sich wiederum um eine einmalige Zahlung

Quelle: upload.wikimedia.org/wikipedia/commons/thumb/1/15/Abzinsung.svg/400px-Abzin sung.svg.png

Abbildung D53: Prinzip der Barwertdiskontierung

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oder wiederholte, gleich hohe Zahlungen handeln. Die Zahlungen der Zukunft werden dazu auf die Gegenwart diskontiert, der Barwert ist also immer niedriger als die kumulierten Zahlungen. Dabei kann die Zukunft auch „unendlich“ sein (ewige Rente). • Die Annuität ist ein jährlich in gleicher Höhe anfallender Zahlungsstrom. Da tatsächlich die Zahlungsströme über die Laufzeit einer Investition verteilt jährlich unterschiedlich hoch ausfallen, ist dazu eine Umrechnung mit dem zukünftigen Wiedergewinnungsfaktor erforderlich bzw. mit dem rückgerechneten Restwertverteilungsfaktor. Diese Zusammenhänge vorausgesetzt, können verschiedene Verfahren der dynamischen Investitionsrechnung genutzt werden. Dynamische Verfahren basieren auf Einzahlungen und Auszahlungen. Sie sind Mehrperiodenverfahren, da alle Ein- und Auszahlungen während der Nutzungsdauer berücksichtigt werden. Sie zinsen Zahlungen je nach Anfallzeitpunkt auf oder ab. 14.2.2.1 Kapitalwertmethode

Die Kapitalwertmethode hat die Gewinnmaximierung als Grundausrichtung. Zielkriterium ist der Barwert bzw. die Annuität des Barwerts der Ein- und Auszahlungen der Entscheidungsalternativen. Hierbei wird der Kapitalwert einer Investition durch Diskontierung der Zahlungsreihen von Einnahmen und Ausgaben mit dem angenommenen Kalkulationszinsfuß auf einen gemeinsamen Bezugszeitpunkt ermittelt. Die Differenz zwischen den Summen der abgezinsten Einnahmen und Ausgaben ergibt den Kapitalwert. Ein positiver Kapitalwert spricht für eine empfehlenswerte Investition, bei mehreren Objekten entscheidet der vergleichsweise höchste Kapitalwert. Je größer dieser ist, d. h. je mehr der Barwert der Einzahlungen den der Auszahlungen übersteigt, als desto vorteilhafter gilt eine Investition. Um die unterschiedlichen Investitionssummen und / oder Laufzeiten anzugleichen, sind Differenzinvestitionen anzusetzen. Probleme ergeben sich vor allem aus der mangelnden Prognostizierbarkeit aller Daten über den gesamten Entscheidungshorizont hinweg sowie aus evtl. erheblich abweichenden Zahlungsstrukturen der Entscheidungsalternativen bei Differenzinvestitionen (siehe Abb. D54). Die Kapitalwertmethode zinst eine Zahlungsreihe mit einem vorgegebenen Zinsfuß ab und beurteilt damit die Vorteilhaftigkeit einer anstehenden Investition anhand des durch diese realisierten Zinsfußes, genauer anhand des Zinsvorteils einer Investition über einen als mindestens erforderlich angesehenen Zinssatz. Der Kapitalwert besteht durch die Addition der Barwerte einer Zahlungsreihe. Diese Zahlungsreihe besteht aus der Auszahlung im Investitionszeitpunkt und den Einzahlungen im Laufe der Nutzungsdauer des Investitionsobjekts. Sofern ein Restwert gegeben ist, erhöht dieser die Einzahlungen. Der Kalkulationszinsfuß diskontiert die zukünftigen Einzahlungen auf den Gegenwartswert. Sofern

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D. Die Geldwirtschaft der Unternehmung

Quelle: (in Anlehnung an) images.slideplayer.org/12/3680525/slides/slide_20.jpg

Abbildung D54: Beispiel Kapitalwertmethode

ein Investitionsobjekt einen positiven Kapitalwert aufweist, ist es insofern als vorteilhaft anzusehen, als es einen vorgegebenen Kalkulationszinsfuß übertrifft. Die Investition verdient also nicht nur ihr eingesetztes Kapital zurück, sondern führt darüber hinaus zu einem Einzahlungsüberschuss. Bei einem Kapitalwert von Null ist eine Investition gerade noch lohnenswert, indem das investierte Kapital exakt zurückgewonnen, aber kein Überschuss daraus erzielt wird. Legt man als Kalkulationszinsfuß den Zinssatz am Kapitalmarkt zugrunde, bedeutet dies, dass eine Anlage im Investitionsobjekt oder am Kapitalmarkt gleich verzinslich sind. Dann kommt es auf das als geringer eingeschätzte Risiko an, welche Alternative bevorzugt wird. Bei einem negativen Kapitalwert erreicht die Anlage nicht die vorgegebene Verzinsung. Sie ist womöglich dennoch ertragreich, nur eben nicht in dem Maße, wie für erforderlich gehalten. Insofern sollte eine Investition unterbleiben oder eine Anlage alternativ dazu am Kapitalmarkt vorgenommen werden. Dies gilt bei der Beurteilung nur eines Investitionsobjekts. Beim Vergleich von zwei oder mehr Investitionsobjekten ist dasjenige zu bevorzugen, das den höheren Kapitalwert aufweist. Dabei kommt es nicht auf abweichende Anschaffungswerte oder unterschiedlich lange Nutzungsdauern an, weil unterstellt wird, dass rückfließende Zahlungsströme zum Kalkulationszinsfuß angelegt werden können. Insofern ist keine Differenzinvestition erforderlich. Darin und in der Berücksichtigung der Zahlungsreihen liegen große Vorteile der Kapitalwertmethode. Nachteilig sind die problematische Zurechenbarkeit der Zahlungsreihen zu Investitionsobjekten, die Schwierigkeit der belastbaren Datenprognose und die mangelnde Aussage über die exakte Rentabilität einer Investition. Es ist lediglich bekannt, wie eine Anlage in Bezug auf eine geforderte Mindestverzinsung abschneidet, nicht aber wie hoch die Rentabilität tatsächlich ist.

14. Investition

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14.2.2.2 Interne Zinsfußmethode

Die interne Zinsfußmethode hat ebenfalls die Gewinnmaximierung als Maxime. Zum Zielkriterium wird dabei dieser interne Zinsfuß. Dabei wird unterstellt, dass sich aufgenommene und angelegte Gelder mit diesem internen Zinsfuß ver­ zinsen, der mit dem Marktzins verglichen wird. Alternativ wird bei einem Kapitalwert = 0 die Verzinsung des angelegten Kapitals ermittelt. Ist der interne Zinsfuß höher als der Kalkulationszinsfuß, ist die Investition empfehlenswert, bei mehreren Objekten entscheidet der höchste interne Zinsfuß. Probleme ergeben sich wiederum aus unterschiedlichen Zahlungsstrukturen und einer evtl. Mehrdeutigkeit der Lösung sowie aus der Begrenzung auf Erweiterungs-, nicht jedoch Ersatzinvestitionen. Tatsächlich ergibt sich eine Umkehrung der Kapitalwertmethode, indem die Verzinsung des jeweils eingesetzten Kapitals ermittelt wird. Es wird also kein Zinssatz vorgegeben, zu dem sich der Kapitaleinsatz verzinsen soll, sondern es wird derjenige Diskontierungszinsfuß gesucht, der die Differenz zwischen der Einnahmen- und der Ausgabenreihe = 0 werden lässt, d. h. bei dem die Barwerte der beiden Zahlungsreihen gleich groß sind. Liegt dieser interne Zinsfuß über dem für die Mindestrentabilität maßgeblichen Kalkulationszinsfuß, ist die Investition vorteilhaft (siehe Abb. D55). Die Interne-Zinsfuß-Methode strebt eine Aussage über die Rentabilität einer Investition an. Sie hängt eng mit der Kapitalwertmethode zusammen. Der Interne Zinsfuß ergibt sich dort, wo der Kapitalwert einer Investition gleich Null ist. Der

Quelle: roehrenbacher.at/info/wirtschaft/investitionsrechnung/img/img8F.gif

Abbildung D55: Beispiel Interne Zinsfuß-Methode

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D. Die Geldwirtschaft der Unternehmung

Kapitalwert entspricht der Addition der Barwerte einer Zahlungsreihe. Bei einem Investitionsobjekt kann dieser Zinsfuß mit einem mindestens geforderten Zinsfuß verglichen werden, zumeist der Verzinsung am externen Kapitalmarkt incl. einer Risikoprämie. Bei zwei oder mehr Objekten ist dasjenige mit dem höheren Internen Zinsfuß das zu bevorzugende. Der Interne Zinsfus kann sowohl rechnerisch als auch grafisch ermittelt werden. Rechnerisch wird wie folgt vorgegangen: • Zuerst wird mit einem offensichtlich zu niedrigen Versuchszinssatz gerechnet. Dann wird ein offentsichtlich zu hoher Versuchszinssatz genommen. Die tatsächliche Rendite ergibt sich dann zwischen diesen Zinssätzen. Je enger die Versuchszinssätze beieinander liegen, desto genauer ist das Ergebnis. Grafisch wird wie folgt vorgegangen: • Die Rendite bei einem zu niedrigen Zinssatz und die Rendite bei einem zu hohen Zinssatz werden in zwei Quadranten ihren jeweiligen Kapitalwerten zugeordnet. Beide Renditen werden dann durch eine Gerade verbunden, das Ergebnis liegt im Schnittpunkt mit dem Kapitalwert = 0 als Lot. Vorteilhaft ist die vollständige sowie zeitlich und betragsmäßig differenzierte Erfassung der Zahlungsströme mit Berücksichtigung von Zins und Zinseszins. Nachteilig sind die mangelnde bzw. ungewisse Zurechenbarkeit der Zahlungsreihen und die Notwendigkeit einer Differenzinvestition. Außerdem darf es zu Einzahlungsüberschüssen erst nach dem Auszahlungsüberschuss kommen. 14.2.2.3 Annuitätenmethode

Die Annuitätenmethode hat Gewinnmaximierung anhand der Annuität des Barwerts aller auf den Anfangszeitpunkt abgezinsten Ein- und Auszahlungen zum Ziel. Bei Werten > 0 ist die Investition empfehlenswert, was zugleich bedeutet, dass die Summe der jährlichen Einnahmeannuitäten über jener der jährlichen Ausgabeannuitäten liegt. Die jährlichen Einzahlungsüberschüsse werden auf ihren Barwert abgezinst, anschließend erhält man durch Multiplikation mit dem Kapitalwiedergewinnungsfaktor die Annuität, d. h. die durchschnittlichen jährlichen Einzahlungsüberschüsse. Daneben ist der Kapitaldienst zu ermitteln, er errechnet sich analog durch Multiplikation des Kapitaleinsatzes als Investi­ tionsausgabe abzgl. möglichem Liquidationserlös mit dem Wiedergewinnungsfaktor. Es erfolgt ein Vergleich der durchschnittlichen jährlichen Auszahlungen der Investition mit den durchschnittlichen jährlichen Einzahlungen. Beide Zahlungsreihen werden in äquivalente, uniforme Reihen umgerechnet, aus denen sich die Höhe der durchschnittlichen Aus- und Einzahlungen für die Dauer der Investition ergibt. Bei gegebenem Kalkulationszinsfuß und mehreren Objekten ist dasjenige mit dem höchsten Barwert am vorteilhaftesten. Die Annuität ist dabei ein gleich bleibender Betrag, der neben Tilgung und Verzinsung in jeder Periode verfügbar ist. Eine Investition ist dann vorteilhaft, wenn die Annuität

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der Rückflüsse größer als der Kapitaldienst ist, dann liegt die Effektivverzinsung über dem angenommenen Kalkulationszinsfuß. Die Annuitätenmethode geht von einem über die gesamte Nutzungsdauer gleichbleibenden Rückfluss aus einer Investition aus. Dazu werden die Einzahlungs- und Auszahlungsströme einer Investition zunächst entsprechend der Kapitalwertmethode auf ihre Barwerte diskontiert. Diese werden dann mit einem Wiedergewinnungsfaktor multipliziert und ergeben so die Annuität. Bei der Auswahl zwischen zwei oder mehr Investitionsobjekten ist dasjenige mit der höheren Annuität zu bevorzugen. Bei abweichenden Investitionsvolumina ist keine Differenzinvestition erforderlich. Allerdings spielen unterschiedlich lange Nutzungsdauern eine Rolle. Vorteilhaft ist der Ausweis des Periodenerfolgs einer Investi­ tion, indem der Barwert einer Investition über deren Laufzeit gleichmäßig verteilt wird. Dies gilt auch bei abweichenden Anschaffungswerten. Allerdings ergeben sich Unsicherheiten bei der Zurechenbarkeit von Zahlungsreihen. 14.2.2.4 Amortisationszeitmethode

Die Amortisationszeitmethode hat die Risikominimierung zum Ziel. Als Entscheidungskriterium dient die Pay off-Periode. Prämisse ist dabei allerdings wiederum die gleiche Laufzeit aller Alternativen. Im Gegensatz zur statischen Amortisationsrechnung wird jedoch der Mangel fehlender Berücksichtigung der Zinswirkung bei unterschiedlicher zeitlicher Lage von Zahlungen behoben. So führt bei gleicher Summe ein früherer Mittelrückfluss zur Bevorzugung gegenüber einer Alternative mit späterem Mittelrückfluss, weil die Zinswirkungen mit eingerechnet werden. Die Amortisationszeit liegt dort, wo die addierten Rückflüsse erstmals ausreichen, die Investitionssumme zu egalisieren. Dabei sind Rückflüsse umso werthaltiger, je zeitnäher sie erfolgen. Daher sind alle Rückflüsse auf einen gemeinsamen Zeitpunkt zu beziehen (diskontieren). Dies wird erreicht, indem jedes Jahr mit einem spezifischen Abzinsungsfaktor versehen wird, der umso niedriger liegt, je gegenwartsferner das jeweilige Jahr ist. Er wird beeinflusst durch den zugrunde gelegten Zinssatz und die Nutzungsdauer. Zeitlich nähere Rückflüsse sind deshalb werthaltiger, weil sie für weitere Investitionen zur Verfügung stehen, in der Unternehmung thesauriert oder an die Anteilseigner ausgeschüttet werden können. Die dynamische Amortisationszeitrechnung geht nicht, wie die statische Version, vom durchschnittlichen Rückfluss eines Jahres aus, sondern kumuliert die Rückflüsse während der Nutzungszeit auf. Der Abzinsungsfaktor wird beeinflusst durch den zugrunde gelegten Zinssatz und die Nutzungsdauer.

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D. Die Geldwirtschaft der Unternehmung

14.2.2.5 Weiterungen und kritische Bewertung

Der Vollständige Finanzplan (VOFI) ermöglicht nicht nur die Auswahl des wirtschaftlichsten Projekts zusammen mit den günstigsten Finanzierungsmöglichkeiten, sondern auch die periodengenaue Nachvollziehbarkeit der Liquiditätssituation während der gesamten Nutzungsdauer des Projekts. Dazu werden die Aus- und Einzahlungsreihen, der Einsatz eigener liquider Mittel, Zins- und Tilgungsleistungen sowie Guthaben aus Geldanlage über die Anlagefrist hinweg erfasst und zwischen Real- und Finanzinvestition verglichen. Insofern werden Investitions- und Finanzierungsrechnung in geeigneter Weise zusammengeführt. Bei einer Ersatzinvestition sind die dynamischen Investitionsrechnungsverfahren wie folgt einsetzbar: • Mithilfe der Kapitalwertmethode ist es möglich, den Zeitraum (meist in Jahren) zu bestimmen, in dem die einzelnen Kapitalwerte je Periode berechnet werden. Im Jahr des höchsten Kapitalwerts ist der optimale Ersatzzeitpunkt erreicht. Allerdings wirken darauf auch die unterschiedlichen Liquidationserlöse je nach Lebensdauer der Anlage ein. • Die Interne-Zinsfuß-Methode ist zur Beantwortung der Frage nach dem optimalen Ersatzzeitpunkt nur bedingt tauglich, weil ein hoher Rechenaufwand dazu erforderlich ist und zudem die Differenzinvestitionen beeinflussend wirken. • Dies gilt auch für die Annuitätenmethode. Allerdings lässt sich feststellen, dass der optimale Ersatzzeitpunkt dort erreicht ist, wo die Annuität der zu ersetzenden Anlage in der nächsten Periode niedriger liegt als die Annuität der diese ersetzenden Anlage. • Die dynamiche Amortisationszeitvergleichsrechnung erfolgt wie die statische Version, nur auf diskontierter Basis. Für dynamische Verfahren gilt: • Die zeitlichen Unterschiede im Anfall von Einzahlungen (Erträgen) und Auszahlungen (Kapitaleinsatz, Kosten) werden durch Aufzinsung und Abzinsung (Diskontierung) auf einen einheitlichen Bezugspunkt berücksichtigt. Die unterschiedliche Höhe von Ein- und Auszahlungen bzw. Rückflüssen während der gesamten Nutzungsdauer wird ebenso in Ansatz gebracht. Die Zahlungsreihen werden dadurch projektbezogen und für jedes Jahr der Nutzungsdauer differenziert bestimmt. Problematisch sind jedoch die exakte Bestimmung der jährlichen Rückflüsse aus der Differenz von Ein- und Auszahlungen sowie die Schätzung der Nutzungsdauer, die richtige Festlegung des Kalkulationszinsfußes für die Diskontierung der Ein- und Auszahlungen sowie die Annahme eines vollkommenen Kapitalmarkts, der es Unternehmen erlaubt, zu jedem

14. Investition

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Zeitpunkt in beliebigem Umfang Kapital zu einem einheitlichen Kapitalzinssatz zu beschaffen oder anzulegen. 14.3 Finanzinvestitionen Bisher wurde unterstellt, dass es sich bei den Investitionsobjekten um Sachanlagen handelt. Denkbar ist aber auch, dass diese Finanzanlagen wie Bankguthaben, Darlehen, Wertpapiere etc. oder Beteiligungsrechte darstellen wie Aktien, Gesellschaftsanteile etc. 14.3.1 Equity Deal-Bewertung 14.3.1.1 Analytische Verfahren

Investitionen in Beteiligungen sind schwierig zu bewerten, fallen aber u. a. beim Kauf von Unternehmen, der Beteiligung an Unternehmen, dem Zusammenschluss mit Unternehmen oder der Pacht von Unternehmen an. Zentral für die Bewertung ist vor allem die Klärung der Frage, welchen Wert das Investi­ tionsobjekt hat. Zwar ist der Wert immer subjektiv in der Einschätzung dessen, der etwas zu bewerten hat, aber es lassen sich zumindest hinreichende Ansatzpunkte dafür ermitteln. Im Regelfall liegt die Wertvorstellung des Verkäufers mehr oder minder deutlich über der Wertvorstellung des Käufers. Dies beruht auf abweichenden Einschätzungen über Wertentwicklungen, Ressourcen und Synergien bzw. Risiken. Im Grundsatz stellen sich zwei Bewertungsansätze. Die Einzelbewertung ermittelt einen Unternehmenswert, indem alle inventurfähigen Unternehmensteile unabhängig voneinander bewertet und dann addiert werden. Es wird also unterstellt, dass das Ganze gleich der Summe seiner Einzelteile ist. Allerdings können sowohl Synergieeffekte (2 + 2 = 5) als auch Komplexitätseffekte (2 + 2 = 3) entstehen. Die Gesamtbewertung versucht, diese positiven bzw. negativen Kombinationseffekte zu berücksichtigen. Dies ist zwar gerechtfertigt, im Detail jedoch ausgesprochen schwierig in der Bewertung. Für die Wertausrichtung selbst kommen folgende Ansatzpunkte in Betracht (siehe Abb. D56). Das Substanzwertverfahren geht vom Tageswert der betriebsnotwendigen, bewertbaren Vermögensteile der Unternehmung zum Zeitpunkt der Investition aus. Beim Reproduktionswert (s. o.) bleiben alle nicht-betriebsnotwendigen und alle nicht-bewertbaren Vermögensteile dabei außen vor. Nicht-betriebsnotwendige Vermögensteile dienen nicht laufend dem Betriebszweck, nicht-bewertbare Vermögensteile sind immateriell. Alle Vermögensteile sind um Schulden unter Annahme der Weiterführung der Unternehmung zu bereinigen (Nettosubstanzwert). Dieser Betrag kann dann mit dem Investitionsbetrag für

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D. Die Geldwirtschaft der Unternehmung

Abbildung D56: Alternative Wertausrichtungen bei Finanzinvestitionen (eig. Abb.)

die Neuerrichtung der Vermögensteile in vergleichbarer Form verglichen werden. Liegt dieser Betrag über dem Substanzwert, ist eine Neuerrichtung sinnvoller. Das Ertragswertverfahren bemisst den Wert auf Basis der nachhaltig zu erzielenden Gewinne. Dies setzt allerdings einen häufig unrealistisch hohen Informationsstand voraus, der eine belastbare Prognose dieser zufließenden Gewinne zulässt. Alle Gewinne werden dann je nach ihrem zeitlichen Anfall auf den Gegenwartszeitpunkt diskontiert. Problematisch ist dabei auch die Wahl des Zinssatzes. Ebenso ist die Bewertung immaterieller Vermögen wie Mitarbeiterqualität, Wissen, Gewerbliche Schutzrechte etc. fragwürdig. Dabei können je Periode gleich- oder unterschiedlich hohe Gewinne unterstellt werden. Etwaige Liquidationserlöse sind ebenso zu berücksichtigen. Dies kann auf einen begrenzten Zeitraum bezogen werden oder aber auf eine im Vorhinein unbegrenzte Dauer (ewige Rente). Im Einzelnen kommen folgende Verfahren nach Gewinn, nach Cash-flow und nach Dividenden in Betracht Das Mittelwertverfahren geht bei der Berechnung vom arithmetischen Mittel aus Substanzwert und Ertragswert aus. Der Substanzwert wird dabei als untere Grenze gesehen, der Ertragswert als obere. Der Mittelwert ist eine hypothetische Größe, die theoretisch nicht herleitbar ist, dafür erfüllt sie pragmatische Anforderungen. Denkbar ist auch eine Gewichtung beider Größen. Das Übergewinnverfahren geht von dem über den Substanzwert hinausgehenden Wert aus. Dieser resultiert aus der Berücksichtigung des Firmenwerts. Der Käufer hat nach dieser Auffassung ein Recht darauf, diesen Mehrwert entgolten zu erhalten. Dabei wird von einer zeitlichen Begrenzung ausgegangen, da immaterielle Werte erodieren können. Denkbar ist auch, die immateriellen Werte mit einer höheren Nominalverzinsung anzusetzen als beim Substanzwert. Dies liegt in der besonderen Risikohaltigkeit dieser Übergewinne begründet. Sowohl die Bestimmung des Firmenwerts als auch die des Zinssatzes zu dessen Verrechnung ist jedoch fraglich. Weitere Verfahren machen machen am Liquidationswert oder Firmenwert fest. Der Liquidationswert ist derjenige Wert, der sich bei Auflösung einer Unterneh-

14. Investition

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mung ergeben würde (Veräußerungspreis). Dabei wird unterstellt, dass alle Vermögensteile, betriebsnotwendig wie nicht-betriebsnotwendig, verkauft und alle Schulden getilgt werden. Der dann verbleibende Wert ist de facto eine Wertuntergrenze für den Verkäufer. Der Firmenwert berücksichtigt die zusätzlich zu den materiellen Geschäftswerten vorhandenen immateriellen Geschäftswerte. Diese stellen einen Mehrwert gegenüber dem Substanzwert dar. Der originäre Firmenwert bezeichnet die selbst geschaffenen immateriellen Werte der Unternehmung. Der derivative Firmenwert ist der Wert, den ein potenzieller Käufer über den Substanzwert hinaus zu zahlen bereit ist. 14.3.1.2 Multiplikatorverfahren

Das Multiplikatorverfahren (Financial Multiples) geht von Basisgrößen aus und ermittelt den Wert eines Finanzinvestitionsobjekts durch Multiplikatoren. Dabei handelt es sich um eine heuristische Vorgehensweise, die jedoch plausibel sein kann, weil angesichts der Unsicherheiten der Bewertung differenzierte Überlegungen ohnehin auf schwacher argumentativer Basis gründen. Außerdem ist für bestimmte Gruppen von Finanzinvestitionsobjekten (Unternehmensgröße, -alter, Branche, Perspektive etc.) aus Erfahrung bekannt, welche Summen dort investiert worden sind. Stellt man diese den traditionell ermittelten Werten gegenüber, ergeben sich Multiplikatoren, von denen zumindest bekannt ist, dass sie marktgängig sind. Fraglich ist jedoch die Basis dieser Multiplikatoren. Dafür kommen mehrere in Betracht (siehe Abb. D57): • Umsatzbezogener Wert, d. h., hier wird ein Bruchteil bzw. ein Vielfaches des Umsatzes als Wert angesetzt. Diese Ermittlung ist sehr einfach, jedoch sagt der Umsatz nichts über die Profitabilität einer Investition aus. • Kurs-Gewinn-Verhältnis-Wert (KGV / Price-Earning-Ratio), d. h., der Unternehmenswert wird auf Basis eines Vielfachen des Aktienkurses berechnet (Quotient aus Börsenkurs eines Anteils und Gewinn je Aktie). Der Gewinn ergibt sich aus der Bilanz, korrigiert um Zurechnungen und Abrechnungen. KGV’s sind nach Branche, Land und Unternehmensgröße/-alter marktüblich. Von Vorteil ist die leichte Ermittelbarkeit dieses Wertes, der auch öffentlich zugänglich ist. Auch werden bereits Markterwartungen im Kurs eskomptiert. Von Nachteil sind die schwankende Bewertungsbasis und die nur grobe Orien­ tierung. • Die Interfinanzformel-Methode bewertet auf Basis der bereinigten und gewichteten Gewinne der letzten fünf Jahre sowie der Prognose für die nächsten zwei Jahre. Die Gewichtung erfolgt, indem neuere Werte mit höherem Anteil in das Ergebnis eingehen als ältere. Dabei wird eine Bereinigung um außerordentliche und betriebsfremde Ergebnisanteile vorgenommen. Der sich so ergebende Normalertrag wird mit einem Multiplikator verrechnet. Diese Daten sind leicht

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D. Die Geldwirtschaft der Unternehmung

Abbildung D57: Mögliche Basis für Multiplikatorverfahren (eig. Abb.)

zugänglich und objektiv überprüfbar. Der anzusetzende Multiplikator ergibt sich nach Branche, Land, Unternehmensgröße/-alter etc. • Die EBDIT-Methode ermittelt sich auf Basis des nachhaltig erzielbaren Ergebnisses vor (steuerlichen) Abschreibungen, Steuern und (Fremdkapital-) Zinsen. EBDIT steht dementsprechend für Earnings before Depreciation, Interest and Taxes. Dieser Wert wird mit einem Multiplikator verrechnet, der sich als Quotient aus Börsenwert der Unternehmung und EBDIT ergibt. Vom Ergebnis wird das Fremdkapital abgezogen. Der EBDIT wird als Durchschnitt über mehrere Jahre ermittelt. Ähnlich geht die EBIT-Methode vor (Earnings before Interest and Taxes). Fraglich ist hierbei die Höhe des Multiplikators, dieser ist letztlich Verhandlungssache. Dafür sind die anderen Daten öffentlich zugänglich. • Das Cash-flow-Verfahren geht von der finanziellen Wertschöpfung einer Unternehmung in einer Periode aus. Der Cash-flow ist ein Indikator sowohl für die Finanzkraft der Unternehmung (Innenfinanzierung) als auch für ihre Fähigkeit zur Schuldentilgung und Gewinnausschüttung. Die Ermittlung des Cash-flow erfolgt abweichend. Eine Form ergibt sich als Summe aus nicht entnommenem Gewinn, neugebildeten Rücklagen, Abschreibungen und Pauschalwertberichtigungen (Cash-flow i. e. S.). Eine andere Form ergibt sich aus der Summe von Jahresgewinn/-verlust plus Saldo aus Gewinnvortrag / Verlustvortrag plus Auflösung von Rücklagen plus Saldo aus Erhöhung und Auflösung von langfristigen Rückstellungen plus Abschreibungen plus Saldo aus ­außerordentlichem Aufwand und außerordentlichem Ertrag (Cash-flow i. w. S.). Davon zu unterscheiden ist der Free Cash-flow als Summe aus Gewinn vor Zinsen und Ertragssteuern (EBIT / Earnings before Interest and Taxes) und Abschreibungen, vermindert um Investitionen in das Anlagevermögen, Zuwachs im kurzfristigen Umlaufvermögen und Steuern.

14. Investition

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• Das Discounted Cash-flow-Verfahren (DCF) ermittelt den Wert als Summe aus den Marktwerten von Eigenkapital und Fremdkapital. Der Marktwert des Eigenkapitals entspricht bei börsennotierten Unternehmen der Börsenkapitalisierung. Ausgangspunkt ist die Free Cash-flow-Planung für die nächsten fünf bis sechs Jahre, die Werte werden auf die Gegenwart abgezinst. Der letzte Free Cash-flow wird als ewige Rente aufgefasst, kapitalisiert und diskontiert. Weiterhin wird der Marktwert des nicht-betriebsnotwendigen Vermögens ermittelt. Der Zinsfuß ergibt sich nach dem WACC-Ansatz (Weighted Average Cost of Capital). Dabei wird das Gesamtkapital in langfristiges Fremdkapital und vorhandenes Eigenkapital aufgesplittet, für beide wird die jeweilige Ver­ zinsung angesetzt. Der WACC-Zinsfuß ergibt sich, indem die Kapitalanteile mit ihrer Verzinsung gewichtet werden. Nur Investitionen, deren Verzinsung über diesem Zinsfuß liegt, steigern den Unternehmenswert. Die Summe der prognostizierten Free Cash-flows und der Barwert des Restwerts werden addiert, davon wird das Fremdkapital subtrahiert. • Die Shareholder Value-Methode nutzt den Discounted Cash-flow (DCF) und ist für börsennotierte Unternehmen sinnvoll. Basis sind wiederum die Free Cash-flows (hier nach Steuern) und der gewichtete Zinssatz aus Fremdkapitalkosten und Eigenkapitalkosten (WACC). Die Eigenkapitalkosten ergeben sich als Summe aus der Rendite einer risikofreien Anlage und der Risikoprämie. Die Risikoprämie ergibt sich wiederum aus dem CAPM-Ansatz (Capital Asset Pricing Model). Dieser Wert setzt sich zusammen aus dem Marktrisiko und der Differenz der Renditen einer risikofreien Anlage und einer aktienbasierten Anlage. Daraus resultieren die Eigenkapitalkosten (siehe Abb. D58). 14.3.2 Share Deal-Bewertung

Investitionen in Aktien setzen eine Bewertung dieser Aktien voraus. Diese kann sich wie folgt ergeben: • Der Bilanzkurs stellt das bilanzielle Eigenkapital (Gezeichnetes Kapital + Kapitalrücklage + Gewinnrücklage + Gewinnvortrag – Verlustvortrag) in Relation zum gezeichneten Kapital. Der Vergleich von Kurswert und Bilanzkurs zeigt die von Anlegern so gesehenen stillen Reserven der Unternehmung an. • Der Ertragswertkurs verkörpert den Barwert aller zukünftig erwarteten Rückflüsse. Basis sind die Gewinne der Zukunft plus eines evtl. Veräußerungsgewinns. Problematisch sind dabei die Schätzung der Zukunftsgewinne, des Planungshorizonts, des Kapitalisierungszinsfußes etc. • Die Price-Earning-Ratio (KGV) ergibt sich als Quotient aus Börsenkurs und Gewinn je Aktie. • Die Chart-Analyse bildet Bewertungen aus der grafischen Kursentwicklung der Vergangenheit. Dabei geht es technisch um Börsentrends (Unterstützungs-

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D. Die Geldwirtschaft der Unternehmung

Quelle: de.wikipedia.org/wiki/Datei:Shareholder_Value.png

Abbildung D58: Shareholder Value

linie, Trendkanal etc.), Formationen (Dreieck, Viereck, Bogen, Kopf-Schuler, V-Form etc.) und deren Analyse. Der Handel von Aktien erfolgt auf dem Geldmarkt zwischen Banken oder zwischen Unternehmen, auf dem Kapitalmarkt oder im Börsenhandel am Kassamarkt oder am Terminmarkt sowie außerbörslich. Der Börsenhandel findet im • regulierten Markt (Zulassungsvoraussetzungen gemäß General Standard oder Prime Standard) oder im • offenen Markt (früher Freiverkehr). weitgehend ohne Reglementierung, statt. Der Handel selbst erfolgt im • Parketthandel (früher) oder • Computerhandel (Xetra). Der Börsenkurs ergibt sich als Schlusskurs zum Börsentagesende, als variabler Kurs mit fortlaufender Notierung oder als Einheitskurs zu einem bestimmten Zeitpunkt. Der Kauf kann unlimitiert oder billigst, also zum niedrigstmöglichen Kurs erfolgen, der Verkauf unlimitiert oder bestens, also zum höchstmöglichen Kurs. Typische Kürzel im Aktienhandel sind folgende: • bG: Übernachfrage,

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• bB: Überangebot, • ebG: nicht alle limitierten Kaufaufträge konnten ausgeführt werden, • ebB: nicht alle limitierten Verkaufsaufträge konnten ausgeführt werden, • ratG: unlimitierte Kaufaufträge konnten nicht ausgeführt werden, • ratB: unlimitierte Verkaufsaufträge konnten nicht ausgeführt werden, • G: nur Nachfrage, kein Angebot zum Kurs, • B: nur Angebot, keine Nachfrage zum Kurs, • - : keine Umsätze • - G: keine Umsätze, aber Nachfrage, • - B: keine Umsätze, aber Angebot, • - T: geschätzter Kurs, • exD: Notierung nach Abschlag der Dividende, • exBR: Notierung nach Abschlag des Bezugsrechts, • exBA: Notierung nach Umstellung des Aktienkapitals, • aus: Notierung ist ausgesetzt, Handel ist nicht gestattet. Investitionen in festverzinsliche Wertpapiere wie Anleihen der öffentlichen Hand, Obligationen der Wirtschaft werden über die Effektivverzinsung bewertet. Zentrale Einflussgrößen sind dabei der Zinssatz, der Ausgabekurs, der Rücknahmekurs und die Laufzeit. Als Papiere kommen in Betracht: • aus dem öffentlichen Sektor Staatsanleihen, Anleihen der Bundesländer, Kommunalanleihen, • aus dem privaten Sektor Kommunalobligationen und Pfandbriefe. Die Bewertung transformiert den Nominalzinssatz in die Effektivverzinsung. Ein Sonderfall sind Null-Kupon-Anleihen ohne Verzinsung, aber mit einem Aus­ gabeabschlag (Disagio) bei voller Rückzahlung. Aktuell gibt es auch Null-Zins-Anleihen, teilweise sogar mit einem Ausgabeaufschlag.

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D. Die Geldwirtschaft der Unternehmung

Literaturhinweise Becker, Hans Paul: Investition und Finanzierung, 7. Auflage, Wiesbaden 2015 Beißer, Jochen / Read, Oliver: Investition und Finanzierung, Weinheim 2016 Buchert, Heiko / Vorfeld, Michael / Schneider, Jürgen: Investition und Finanzierung, 2. Auflage, München / Wien 2013 Burger, Alexander / Keipinger, Petra: Investitionsrechnung, München 2016 Busse von Colbe, Walter / Laßmann, Gert / Witte, Frank: Investitionstheorie und Investitionsrechnung, 4. Auflage, Wiesbaden 2015 Carstensen, Peter: Investitionsrechnung kompakt, Wiesbaden 2008 Däumler, Klaus-Dieter / Grabe, Jürgen: Grundlagen der Investitions- und Wirtschaftlichkeitsrechnung, 13. Auflage, Herne 2014 Drosse, Volker: Managerial Accouting, Stuttgart 2014 Götze, Uwe: Investitionsrechnung, 7. Auflage, Wiesbaden 2014 Heesen, Bernd: Investitionsrechnung für Praktiker, 3. Auflage, Wiesbaden 2015 Hoffmeister, Wolfgang: Investitionsrechnung und Nutzwertanalyse, 2. Auflage, Berlin 2008 Kesten, Ralf: Investitionsrechnung in Fällen und Lösungen, Herne 2010 Kruschwitz, Lutz: Investitionsrechnung, 14. Auflage, München / Wien 2014 Obermeier, Thomas / Gasper, Richard: Investitionsrechnung und Unternehmensbewertung, München / Wien 2008 Olfert, Klaus: Investition, 13. Auflage, Herne 2015 Pape, Ulrich: Grundlagen der Finanzierung und Investition, 3. Auflage, München / Wien 2015 Patzig, Wolfgang / Schützenmeister, Marcel: Investition und Finanzierung für Wirtschaftswissenschaftler, Weinheim 2016 Poggensee, Kay: Investitionsrechnung, 3. Auflage, Wiesbaden 2014 Troßmann, Ernst: Investition als Führungsentscheidung, 2. Auflage, München 2013 Zimmermann, Gebhard: Investitionsrechnung, 2. Auflage, München / Wien 2002 Zingel, Harry: Investitionsrechnung, Weinheim 2009

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Übungsaufgaben 1. Stellen Sie bitte das Prinzip der Annuitätenmethode dar. 2. Stellen Sie bitte das Prinzip der Amortisationsvergleichsrechnung dar. 3. Stellen Sie bitte kurz die Kostenvergleichsrechnung dar. 4. Stellen Sie bitte kurz die Gewinnvergleichsrechnung dar. 5. Stellen Sie bitte kurz die Rentabilitätsvergleichsrechnung dar. 6. Stellen Sie bitte kurz die dynamische Amortisationszeitmethode dar. 7. Stellen Sie bitte kurz die Kapitalwertmethode dar. 8. Stellen Sie bitte kurz die Interne Zinsfuß-Methode dar. 9. Welche Merkmale sind bei Verfahren der statischen Investitionsrechnung gegeben? 10. Welche Phasen in der Investitionsplanung können unterschieden werden? 11. Wodurch unterscheidet sich die Investitionsrechnung von der Kostenrechnung? 12. Welche Gruppen von Investitionsobjekten können unterschieden werden? 13. Welche speziellen Aspekte haben bei dynamischen Investitionsrechnungsverfahren Einfluss auf den Entscheid? 14. Welche stark eingrenzenden Prämissen sind bei den Investitionsrechnungsverfahren und deren Ergebnissen zu berücksichtigen? 15. Welche Aufgabe übernimmt die Sensitivitätsanalyse im Rahmen der Investi­ tionspolitik?

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D. Die Geldwirtschaft der Unternehmung

15. Finanzierung In diesem Kapitel werden folgende Inhalte behandelt und geklärt: • die Anforderungen an und die Instrumente der Finanzierung, • die Formen der Kreditfinanzierung, • die Formen der Beteiligungsfinanzierung, • die Formen der Selbstfinanzierung, • die Formen der Rückstellungsfinanzierung, • das Mezzanine-Kapital, • die Möglichkeiten der Finanzanalyse. 15.1 Anforderungen Finanzierung betrifft allgemein die Beschaffung von Kapital durch finanzielle Verpflichtung der Unternehmung gegenüber Dritten als Fremdkapital- oder Eigenkapitalgeber, als Vermögensschaffung oder Verbindlichkeitenerhöhung sowie als Einzahlungen oder Kapitalfreisetzungen. Ziele der Finanzierung sind die Maximierung der Rentabilität von Eigenkapital und Gesamtkapital, die Sicherstellung der absoluten und relativen Liquidität, die Maximierung der Sicherheit und der Erhalt der Unabhängigkeit. Finanzierungszwecke sind die Neufinanzierung oder die Umfinanzierung, letztere durch Verlängerung von Krediten, Austausch von Kapital oder Umwandlung von Kapital. Bei den Kapitalarten unterscheidet man Eigenkapital und Fremdkapital. Eigenkapital stammt aus einer Beteiligung an der Unternehmung. Der Eigenkapi­ talgeber haftet, je nach Rechtsform, mit seiner Einlage oder darüber hinaus. Er hat einen anteiligen Anspruch am Vermögen der Unternehmung (soweit vorhanden) und er ist anteilig am Gewinn / Verlust beteiligt (mit steuerlicher Belastung). Er ist zur Mitbestimmung berechtigt. Das Eigenkapital steht meist zeitlich unbegrenzt zur Verfügung. Der Eigenkapitalgeber hat im Regelfall ein substanzielles Interesse an der Fortführung der Unternehmung. Die Kapitalzuführung erfolgt von außen durch alte und / oder neue Gesellschafter. Fremdkapital begründet ein Schuldverhältnis. Der Fremdkapitalgeber haftet nicht für die Unternehmenstätigkeit, sondern ist Gläubiger. Er hat einen Anspruch auf Rückzahlung seines bereitgestellten Kapitals, meist mit Zinsanspruch. Er ist nicht an Gewinn oder Verlust beteiligt und hat regelmäßig keine Mitbestimmungsrechte. Das Fremdkapital steht zeitlich nur begrenzt zur Verfügung. Der Umfang hängt von den Sicherheiten der Unternehmung ab. Folglich liegt das Interesse im Rückerhalt des überlassenen Kapitals. Die Unternehmung kann

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Fremdkapitalzinsen steuerlich absetzen. Das Fremdkapital stammt aus (Sachoder Geld-)Krediten und Rückstellungen. Nach der Herkunft kann es sich um eine Außen- oder Innenfinanzierung handeln. Die Außenfinanzierung erfolgt durch Beteiligungen und Kreditierungen, die Innenfinanzierung aus Umsatzerlösen und Kapitalfreisetzungen. Die Finanzierung erfolgt laufend oder anlassbezogen, letztere bei Gründung oder Liquidation der Unternehmung, bei Kapitalerhöhung oder -herabsetzung, bei Umwandlung der Rechtsform oder bei Fusion. Die Finanzierung kann unbefristet oder befristet erfolgen, letztere wiederum kurzfristig (< 1 Jahr), mittelfristig (1 – 3/5 Jahre) oder langfristig (> 3/5 Jahre). Die Finanzierung verfolgt die Ziele der Rentabilität, Liquidität, Sicherheit und Unabhängigkeit (siehe Abb. D59): • Die Rentabilität kann sich nur auf das Eigenkapital oder auf das Gesamtkapital beziehen. Eine Steigerung der Eigenkapitalrentabilität ist durch einen erhöhten Fremdkapitalanteil möglich (Leverage-Effekt). Die Gesamtkapitalrentabilität bezieht sich auf die Summe aus Eigen- und Fremdkapital. Der Return on Investment (RoI) bezieht sich auf die Rentabilität des investierten Gesamtkapitals. Er setzt sich aus der Umsatzrentabilität (Return on Sales / RoS) und der Kapitalumschlagshäufigkeit zusammen. Statt des Gewinns können auch der Jahresüberschuss oder der Cash-flow gewählt werden. • Die Liquidität dient dem Erhalt des finanziellen Gleichgewichts. Eine Unternehmung ist liquide, wenn sie ihren Zahlungsverpflichtungen betragsgenau und zeitgetreu nachkommen kann. Bei Illiquidität besteht Anlass zur Insolvenzeröffnung. Von Unterliquidität spricht man, wenn die Liquidität gefährdet ist, von Überliquidität, wenn unnötig viele liquide Mittel zur Verfügung stehen.

Abbildung D59: Anforderungen der Finanzierung (eig. Abb.)

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D. Die Geldwirtschaft der Unternehmung

Die strukturelle Liquidität entspricht der „Goldenen Finanzierungsregel“. Bei der absoluten Liquidität handelt es sich um die Fähigkeit von Vermögensgegenständen, liquidisiert zu werden. Dafür sind im Wesentlichen drei Faktoren ausschlaggebend: die Qualität des Objekts, die Marktgegebenheiten und die Dringlichkeit der Liquidierung. Eine „natürliche“ Liquidierung entsteht durch den Verkauf von Unternehmensleistungen am Markt. Die relative Liquidität weist die Liquiditätsgrade bzw. Deckungsgrade aus. Dies berücksichtigt auch die Mittelverwendung. Daraus lässt sich ein Finanzplan erstellen. Die Liquidität kann stichtagsbezogen (statisch) oder zahlungsstrombezogen (dynamisch) ausgewiesen werden. • Die Sicherheit kann aus der Perspektive des Kapitalnehmers (Bilanzrela­tionen) oder des Kapitalgebers (Risiko) betrachtet werden. Beide sind Marktschwankungen ausgesetzt. • Die Unabhängigkeit betrifft die versuchte Einflussnahme von Kreditgebern auf die Unternehmung, um deren Kreditrisiko zu vermindern. Hier können mehrere Verpflichtungen (Financial Covenants) durchgesetzt werden, vor allem Informationspflichten an Banken, Gesellschafter, Betriebsrat, Öffentlichkeit etc. sowie Kontrollen durch Mitsprache, Weisungen, Genehmigungen etc. 15.2 Instrumente der Finanzierung Die Finanzplanung baut auf mehreren Bausteinen auf. Der Kapitalbedarf, der aus Investitionen und laufender Betriebstätigkeit besteht, bedarf der genauen Vorhersage je nach Prozess, Unternehmensgröße, Leistungsprogramm, Kapazitätsauslastung, Preis etc. Die Ermittlung folgt aus entsprechenden Analysen. Die Kapitalstruktur entsteht aus den Interessen der Eigenkapitalgeber, Fremdkapitalgeber und der Unternehmung selbst. Die vertikale Finanzregel beschreibt das Verhältnis von Fremdkapital zu Eigenkapital. Eine Relation von 1 : 1 steht für eine erstrebenswerte Situation, eine Relation von 2 : 1 steht für eine gesunde Situation, eine solche von 3 : ! für eine gerade noch zulässige Situation. Die horizontale Finanzregel steht für das Verhältnis von kurzfristigem Vermögen zu kurzfristigem Kapital (möglichst < 1) bzw. langfristigem Vermögen zu langfristigem Kapital (möglichst < 1), als goldene Bilanzregel auch für Anlagevermögen zu Eigenkapital (möglichst < 1). Von Einfluss auf die Kapitalhöhe sind auch die Kapitalkosten, einmalig als Beschaffungs- und Tilgungskosten, laufend als Nutzungs-, Zins- und Marktpflegekosten. Für eine gesunde zeitliche Struktur ist eine Fristenkongruenz entscheidend, d. h., langfristige Kapitalbindungen sollen durch langfristig zur Verfügung gestelltes Kapital finanziert werden, kurzfristige Kapitalbindungen durch kurzfristiges Kapital. Dabei ist eine angemessene Kapitalflexibilität erforderlich. Durch Fälligstellung von Fremdkapital und Rückziehung von Eigenkapital sind Umfinanzierungen zu berücksichtigen.

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Auf Basis der Finanzplanung entsteht die Finanzdisposition (Cash Management). Hier erfolgt die Steuerung des Liquiditätsbestands, also Bargeld / Sichtguthaben, nicht ausgenutzte Kreditlinien und kurzfristig liquidisierbare Finanz­ anlagen. Das Cash Management wird IT-gestützt durchgeführt und auch von Finanzdienstleistern im Outsourcing angeboten. Die Finanzierungsarten können wie folgt eingeteilt werden: • nach der Fristigkeit ergeben sich die kurzfristige Finanzierung (unterjährig), die mittelfristige Finanzierung (1 – 5 Jahre) und die langfristige Finanzierung (über fünf Jahre Laufzeit), • nach dem Anlass ergeben sich die Gründungsfinanzierung zur Bereitstellung des zur Existenzgründung notwendigen Kapitals, die Erweiterungsfinanzierung für Erweiterungsinvestitionen, die Sanierungsfinanzierung im Krisenfall, meist durch Kapitalherabsetzung, sowie die Umfinanzierung durch Sub­ stitution oder Transformation von Finanzmitteln, • nach der Relation zwischen Kapitalbedarf und Finanzmittelverfügbarkeit ergibt sich die Unterfinanzierung, die Überfinanzierung und die Kongruenzfinanzierung. Letzteres ist das Ziel der Unternehmung. Zur Systematisierung der Finanzierungsmöglichkeiten bietet sich eine Matrix aus Kapitalherkunft und Rechtsstellung der Kapitalgeber an: • Die Herkunft kann durch Kapitalzuführung als Außenfinanzierung aus Ein­ lage bzw. Beteiligung und Kreditfinanzierung oder Kapitalbildung als Innenfinanzierung aus eigenen Finanzmitteln und Rückstellungsauflösung erfolgen. • Die Rechtsstellung kann durch Eigenkapital als Eigenfinanzierung aus Einlage (IPO / Kapitalerhöhung) und Beteiligung (Mitarbeiter / Investoren) oder durch Fremdfinanzierung aus Kredit und Rückstellungsauflösung erfolgen. Entsprechend ergeben sich folgende Zuordnungen (siehe Abb. D60): • Kreditfinanzierung als Außen-Fremdfinanzierung durch langfristige Kredite wie Schuldverschreibungen, Bankkredite und kurzfristige Kredite wie Lieferantenkredit, Bankkredit, • Beteiligungsfinanzierung als Außen-Eigenfinanzierung in Buchform bei nichtemissionsfähigen Unternehmen oder in Effektenform bei emissionsfähigen Unternehmen, • Selbstfinanzierung als Innen-Eigenfinanzierung aus Gewinnthesaurierung als offene Selbstfinanzierung (Einbehalt versteuerten Gewinns) oder stille Selbstfinanzierung aus unversteuerten Mitteln durch Unterbewertung von Ver­ mögen bzw. Überbewertung von Schulden (gesetzlich, freiwillig, unbewusst) sowie Abschreibungen mit Kapitalfreisetzungs- und Kapitalerweiterungseffekt,

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D. Die Geldwirtschaft der Unternehmung

• Rückstellungsauflösung als Innen-Fremdfinanzierung aus langfristigen Posi­ tionen wie Pensionsrückstellungen oder kurzfristigen Positionen wie Rückstellungen für Steuern, Gratifikationen, Termingeschäfte, Garantien / Gewährleistungen, schwebende Geschäfte etc.

Abbildung D60: Tableau der Finanzierungsquellen (eig. Abb.)

15.3 Kreditfinanzierung 15.3.1 Kreditsicherung

Die Kredit- oder Fremdfinanzierung erfolgt durch Kreditmärkte (Banken etc.), Kapitalmärkte (Kapitalsammelstellen), Lieferanten / Kunden, Gesellschafter oder über Kreditsubstitute (Leasing, Factoring). Ein Kredit wird typischerweise beim potenziellen Gläubiger beantragt. Dieser nimmt sinnvollerweise eine Kreditwürdigkeitsprüfung vor und erteilt ggf. eine Kreditzusage. Stellgrößen sind dabei vor allem die Kredithöhe, die Kreditlaufzeit, die Kreditverwendung (Anlage-/ Umlaufvermögen), die Kreditform (Geld, Sache, Kreditwürdigkeit), die Kreditkosten (Bereitstellung, Nutzung / Zins, Tilgung) und die Kreditrückzahlungsmodalitäten. Sinnvollerweise überprüft der Gläubiger die Kreditwürdigkeit (Bonität) dabei laufend. Unter Kreditwürdigkeit versteht man allgemein die Fähigkeit, vertraglich vereinbarte Kreditverpflichtungen zu erfüllen. Denkbar sind in diesem Zusammenhang die Prüfung der rechtlichen Verhältnisse eines potenziellen Kreditnehmers, seiner persönlichen Verhältnisse und seiner wirtschaftlichen Lage. Sie wird nach den drei C´s des Schuldners beurteilt: Character (Persönlichkeit), Capacity (laufendes Einkommen / Umsatz), Capital (Vermögen). Sie bezieht sich also auf die Person (Fleiß, Zuverlässigkeit, Ruf etc.) oder die Sache (Sicherheiten, Rechtsform, Eigenkapitalbasis etc.). Eine persönliche Kreditwürdigkeit ist gegeben,

15. Finanzierung

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wenn der Kreditnehmer aufgrund seiner individuellen Zuverlässigkeit oder Qualifikation das Vertrauen des Kreditgebers genießt. Eine materielle Kreditwürdigkeit ist gegeben, wenn die wirtschaftlichen Verhältnisse des Kreditnehmers eine Rückzahlung von ihm aufgenommener Verpflichtungen erwarten lassen. Für Informationen über die Kreditwürdigkeit gibt es verschiedene Quellen: Auskünfte von Personen (Geschäftspartnern etc.), von Kreditinstituten, von Auskunfteien oder der Schutzgemeinschaft für allgemeine Kreditsicherung (Schufa). Wichtig ist auch die Prüfung der Kreditfähigkeit des Schuldners, d. h. seiner Fähigkeit, rechtswirksam Kreditverträge abzuschließen (Volljährigkeit, Güterstand, Vertretungsbefugnis etc.). Für die Prüfung sind persönliche und wirtschaftliche Faktoren relevant, persönliche Faktoren z. B. nach Ausbildung, Berufstätigkeit, Werdegang, Abhängigkeiten, Familie, Lebensstil, Nachfolge etc., wirtschaftliche Faktoren z. B. nach Einkommens- und Vermögensverhältnissen, Liquidität, Eigenkapital etc. Dabei kann auf historische Daten abgestellt werden oder auf prognostische. Bei Kreditinstituten sind für die Regelung der Bonitätsprüfung Regularien einzuhalten. Der Baseler Akkord steht dabei für eine internationale Vereinbarung zur Bankenaufsicht. In Basel I wurde bestimmt, dass grundsätzlich eine Bank nur das 12,5-fache des haftenden Eigenkapitals an Krediten (8 %) ausreichen darf. In Basel II wurde bestimmt, dass die Eigenkapitalunterlegung von Krediten in Abhängigkeit von der Bonität der Schuldner erfolgen muss. Ansonsten entsteht der kontraproduktive Anreiz, vorzugsweise Kredite an bonitätsschwache Schuldner zu höheren Zinsen auszureichen, in der Annahme, dass das Ausfallrisiko durch die Zinsprämie überkompensiert wird. Basel II stipuliert Eigenkapitalregeln, Überwachung durch Bankenaufsicht und größere Transparenz. Da diese Spekulation in der Finanzkrise 2007/8 zur Existenzbedrohnung des Wirtschaftssystems führte (systemrelevante Banken), wurden mit Basel III ein Kapitalerhaltungspuffer bei Eintritt von Krisen eingeführt sowie eine Verschuldungsobergrenze. Dazu wurde der Kapitalstock in Kernkapital und Ergänzungskapital definiert. Die Einhaltung wird durch Stress-Tests periodisch geprüft. Die Regularien sollen in Basel IV angesichts unveränderter Exzesse im Finanzsektor verschärft werden. Eine weitere Regularie stellen Ratings dar (verhältnisskaliert). Ratings richten sich nach Kreditausfallrisiko, Zinsänderungsrisiko, Kündigungsrisiko und Wechselkursrisiko. Jede kreditsuchende Unternehmung / Organisation wird dazu nach standardisierten Kriterien eingestuft. Diese Ratings erfolgen meist durch externe Dritte (Standard&Poor’s, Moody’s, Fitch). Je Risikoklasse wird dabei eine Note vergeben, die Einordnungen sind je nach Absender verschieden, reichen aber von außergewöhnlich guter Bonität (Kreditwürdigkeit) bis zu Zahlungsunfähigkeit. Aus den Risikoklassen ergeben sich die von Schuldnern zu zahlenden Zinsen, d. h. auch schlechte Schuldner erhalten Kredit (Junk Bonds), allerdings zu Zinssätzen, die das hohe Rückzahlungsausfallrisiko bereits eskomptieren. Hilfreich dabei ist auch eine Risikoteilung oder -streuung, z. B. durch strukturierte Finanzpapiere (siehe Abb. D61).

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D. Die Geldwirtschaft der Unternehmung

Abbildung D61: Bewertungsschemata der Rating-Agenturen (eig. Abb.)

Um das Rückzahlungsrisiko abzufedern, bietet es sich an, Sicherheiten vom Schuldner zu fordern (Ggs.: Blankokredit). Diese Sicherheiten können in der Person oder in Sachen des Schuldners liegen (siehe Abb. D62). Bei den Personalsicherheiten handelt es sich um • den Schuldbeitritt, d. h., eine dritte Person tritt einem bestehenden Kreditvertrag bei und haftet mit dem ursprünglichen Alleinschuldner gesamtschuldnerisch, • die Patronatserklärung, d. h., die Muttergesellschaft (z. B. Konzernholding) verpflichtet sich, für Kreditschulden von Tochtergesellschaften einzustehen, • die Verpflichtungserklärung, d. h., ein Kreditnehmer verpflichtet sich, alle oder einzelne Kreditgeber gleich zu behandeln und keinen neuen Gläubiger besser zu stellen als die bestehenden (Negativerklärung) bzw. festgelegte Bilanzrelationen (Financial Covenants) nicht zu verletzen, • die Bürgschaft, d. h., ein Bürge steht für die Erfüllung der Verbindlichkeiten eines Dritten dessen Gläubigern gegenüber ein. Die Bürgschaft ist akzessorisch, also abhängig von einer Hauptschuld, sie kann zeitlich und betragsmäßig begrenzt werden. Die „normale“ Bürgschaft erfolgt nach Einrede der Vorausklage, d. h., der Gläubiger muss zuerst alle rechtlichen Schritte zur Eintreibung seiner Forderung beschreiten, bevor er im Misserfolgsfall auf den Bürgen zugreifen kann (Ausfallbürgschaft). Bei der selbstschuldnerischen Bürgschaft hat der Bürge nach einfacher Aufforderung zu zahlen, sofern der Schuldner seinen Zahlungsverpflichtungen nicht nachkommt. Eine Mitbürgschaft entsteht, wenn sich zwei oder mehr Bürgen gesamtschuldnerisch verpflichten, für eine Verbindlichkeit zu haften. Die Nachbürgschaft greift, wenn sowohl Schuldner als auch Vorbürge sich als nicht zahlungsfähig oder -willig erwiesen haben. Die Rückbürgschaft erlaubt dem Bürgen die Weiterbelastung von Zahlungen

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Abbildung D62: Optionen für Kreditsicherheiten (eig. Abb.)

aus der Bürgschaft an einen Rückbürgen. Entscheidend für die Sicherheit ist damit die Kreditwürdigkeit des Bürgen. • Die Garantie, sie ähnelt einer Bürgschaft, wird jedoch von öffentlichen Körperschaften übernommen und garantiert den Eintritt eines bestimmten Erfolgs oder das Ausbleiben eines bestimmten Misserfolgs. Ausprägungen sind u. a. folgende: –– Die Anzahlungsgarantie betrifft die Leistung eines Teils des bei Lieferung geschuldeten Gesamtbetrags vor Erhalt der Ware. Dies kann der Sicherung der tatsächlichen Abnahme dienen, aber auch zur teilweisen Vorfinanzierung der Produktion der angezahlten Ware. Dadurch soll gewährleistet werden, dass einem Käufer, der bei einem Sukzessivgeschäft eine Anzahlung geleistet hat, diese zurückgezahlt wird, wenn keine Gegenleistung erfolgt. –– Bei der Zahlungsausfallgarantie verpflichtet sich eine Bank, auf Anforderung hin Zahlung zu leisten, wenn der Lieferant eine Erklärung einreicht,

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D. Die Geldwirtschaft der Unternehmung

dass der Abnehmer seiner Zahlungspflicht nicht nachgekommen ist. Eine gerichtliche Feststellung der letztgültigen Zahlungssäumnis ist hingegen nicht erforderlich. –– Die Schlusszahlungsgarantie sichert den Verkäufer bei länger laufenden Projekten dagegen ab, dass der Käufer die Abschlusszahlung als Sicherheit zurückbehält. Dies ist ansonsten üblich, um damit, meist krampfhaft gesuchte, Mängel an der Leistung zu beseitigen oder zu verrechnen. –– Die Bietungsgarantie sichert das Risiko, dass sich der Anbieter bei Erteilung des Zuschlags in einer Ausschreibung weigert, den Auftrag anzunehmen oder keine Lieferungs-/Leistungs-/Vertragserfüllungsgarantie stellen kann. Hält sich ein Bieter im Rahmen einer Marktveranstaltung, bei der er den Zuschlag erhält, also nicht an sein Angebot, verfällt der von ihm als Garantie gezahlte Geldbetrag. Umgekehrt erlischt die Bietungsgarantie bei offertgemäßer Andienung automatisch bzw. wird durch eine Lieferungsgarantie (2 – 2,5 % des Angebotswerts) ersetzt. –– Die Gewährleistungsgarantie sichert das Risiko aus Leistungsstörungen infolge Funktionsuntüchtigkeit und Fehlens zugesicherter Eigenschaften. Meist wird stattdessen ohne gesonderte vertragliche Vereinbarung (rechtswidrig) ein Teil des Rechnungsbetrags vom Käufer einbehalten, bis sichergestellt ist, dass die Lieferung mangelfrei oder mit Aufwendungen zur Mangelbehebung verrechnet ist –– Eine Kreditsicherungsgarantie sichert das Risiko, das der Bank aus einem Kreditverhältnis erwächst. Der Garantiegeber steht dabei der Bank gegenüber dafür gerade, dass der Kreditnehmer ihr die geliehenen Geldmittel pünktlich und vollständig mit Zins und Zinseszins zurückzahlt. –– Die Vertragserfüllungsgarantie dient der Absicherung des Käufers, falls er eine Lieferung nicht oder nicht zum vereinbarten Termin erhält und dadurch Betriebsstörungen entstehen. Sie soll sicherstellen, dass der Verkäufer dem Käufer nach Menge und Güte vertragsgerechte Ware liefert und seinen Pflichten nachkommt. Ist dies nicht der Fall, verfällt der Garantiebetrag (meist 10 % des Kontraktwerts). –– Die Transfergarantie greift, wenn der vom Käufer angeschaffte Betrag nicht in Devisen konvertiert oder ausgeführt werden darf. Ein Ausweg kann die vorübergehende Hinterlegung des Zahlungsbetrags durch den Importeur in seiner Landeswährung bei der Notenbank des Schuldnerlandes sein. Garantien spielen bei Außenhandelsgeschäften und Geschäften mit öffentlichen Auftraggebern eine große Rolle. • Der Kreditauftrag, d. h. der Auftraggeber gibt einem zukünftigen Gläubiger die Anweisung, einem Dritten einen Kredit zur Verfügung zu stellen, und haftet für dessen Bezahlung (meist konzernintern).

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Bei den Sachsicherheiten handelt es sich um den Zugriff auf Sachen des Schuldners im Falle des Zahlungsausfalls. Dafür kommen mehrere Formen in Betracht: • Beim Eigentumsvorbehalt vereinbaren Verkäufer und Käufer, dass das Eigen­ tum an einer gelieferten Sache erst mit vollständiger Bezahlung durch den Abnehmer übergeht. Eigentums- und Besitzübergang fallen also zeitlich auseinander. Dies ist die verbreitetste Form der Kreditsicherung. Dieser einfache Eigentumsvorbehalt ist allerdings fruchtlos, wenn die gelieferte Sache in anderen Sachen aufgegangen oder gutgläubig von Dritten erworben worden ist. Der weitergeleitete Eigentumsvorbehalt besagt daher, dass der Anspruch auch bei Weiterverkauf gegenüber Dritten bestehen bleibt. Der verlängerte Eigentumsvorbehalt enthält die Maßgabe, dass eine Weiterveräußerung der belasteten Sache nur gegen Vorausabtretung der entstehenden Forderung an den Lieferanten der Ware möglich ist bzw. der Sache, in welche die belastete Sache aufgegangen ist. Der erweiterte Eigentumsvorbehalt bezieht sich nicht auf eine Lieferung, sondern auf die Begleichung aller Forderungen des Lieferanten gegenüber dem Abnehmer. • Durch Pfandrecht wird eine bewegliche Sache oder ein Recht zur Sicherung einer Forderung mit einer Belastung belegt. Dazu ist allerdings eine Übergabe des Pfandgegenstands erforderlich, physisch durch effektive Übergabe, durch Herausgabeanspruch gegen einen Dritten, durch Übergabe eines verbrieften Rechts oder durch Lagerung der Sache unter Mitverschluss des Kreditgebers. Daher kommen nur Sachen dafür in Betracht, die nicht betriebsnotwendig sind. Die Verwertung des Pfands im Falle des Rückzahlungsausfalls erfolgt durch öffentliche Versteigerung oder freihändigen Verkauf, falls ein Marktwert dafür vorliegt. Voraussetzungen sind die Fälligkeit der Forderung, die Androhung der Versteigerung bzw. des freihändigen Verkaufs und die Einhaltung von Wartefristen. Die Haftung ist auf den pfandbesicherten Kredit beschränkt. • Bei der Sicherungsübereignung verbleibt der zu übereignende Gegenstand im Besitz des Schuldners, geht aber bis zur vollständigen Begleichung der kreditierten Forderung in das Eigentums des Gläubigers über. Daher können auch Sachen übereignet werden, die betriebsnotwendig sind (Besitzkonstitut). Dabei kann es sich um konkret bezeichnete Sachen handeln oder Sachenlisten innerhalb eines Mantelvertrags. Problematisch ist, dass auf diese Weise Mehrfachübereignungen nicht ausgeschlossen sind, außerdem treten Wertminderungen an übereigneten Sachen auf und es entstehen Transport- und Lagerprobleme. • Bei der Forderungsabtretung (Zession) tritt der Kreditnehmer seinerseits Forderungen, die er Dritten gegenüber hat (Drittschuldner) an einen Kreditgeber ab. Dabei sind mehrere Formen denkbar. Bei der offenen Zession wird dem Drittschuldner angezeigt, dass seine Zahlung ausschließlich an den Zessionar

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erfolgen darf. Bei der stillen Zession wird der Drittschuldner darüber nicht informiert. Er zahlt befreiend an den Kreditnehmer, dieser leitet den Betrag an den Zessionar weiter. Problematisch sind hier Mehrfachabtretungen und die Nichtabführung des eigenen Forderungsbetrags an den Zessionar. Die Abtretung kann sich auf eine einzelne Forderung beziehen oder mehrere Forderungen umfassen (Mantelzession). Bei letzterer verpflichtet sich der Kreditnehmer, laufende eigene Forderungen bis zu einer bestimmten Gesamthöhe (Deckelung) an den Zessionar abzutreten. Meist kann dieser bestimmen, welche Forderungen abgetreten werden. Bei der Globalzession werden alle Forderungen des Kreditnehmers Gegenstand der Abtretung. Problematisch sind hier nicht-pfändbare Forderungen. 15.3.2 Langfristige Kreditfinanzierung

Hierbei handelt es sich um Finanzierungen mit einer Laufzeit von mehr als fünf Jahren. Diese Kredite werden auch Darlehen genannt. Darlehensgeber sind Kreditinstitute, Versicherungen (Schuldscheindarlehen), öffentliche Institutionen oder private Personen (z. B. Gesellschafter). Hierbei gibt es mehrere Formen: • Grundpfandrechte beziehen sich auf immobile Vermögensgegenstände (Realsicherheiten). Sie werden in das Grundbuch beim zuständigen Amtsgericht eingetragen (belastet). Dabei kommt es auf den Rang der Eintragung relativ zu anderen an. Dazu gibt es drei Abteilungen, hier geht es um die Reihenfolge innerhalb einer Abteilung bzw. um das Datum der Eintragungen in verschiedenen Abteilungen. Generell gilt zeitliche Priorität innerhalb einer Abteilung, sofern kein Rangvorbehalt oder Rangrücktritt vereinbart wird. Als Grundpfandrechte gelten Hypotheken und Grundschulden. Die Hypothek ist ein dinglicher Anspruch an das Grundstück und ein persönlicher Anspruch an den Schuldner. Sie ist akzessorisch und damit abhängig vom Bestehen und von der Höhe einer Forderung. Man unterscheidet Briefhypotheken, die auch ohne Grundbucheintrag handelbar sind, und Buchhypotheken, die nur durch Umschreibungen (notariell) geändert werden können. Bei Sicherungshypotheken hat der Gläubiger die Pflicht zum Nachweis des Bestands einer Forderung (Verität), bei Höchstbetragshypotheken ist die Haftungssumme begrenzt. Eine Grundschuld ist fiduziarisch (abstrakt). Sie begründet einen dinglichen Anspruch an das Grundstück / Gebäude, aber keinen persönlichen Anspruch an den Schuldner. Analog gibt es hier die Brief- und die Buchgrundschuld sowie die Eigentümergrundschuld, sie entsteht aus einem Grundpfandrecht, wird ins Grundbuch eingetragen und kann auch nach Erfüllung wieder erneut belastet oder aber abgetreten werden. • Langfristige Bankkredite werden zumeist als Investitionskredite vergeben. Sie laufen über 15 – 30 Jahre, sie haben eine kurze Zinsfestschreibungsphase oder eine variable Verzinsung. Dabei wird meist ein Referenzzinssatz zugrunde

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gelegt wie Euribor (Euro Interbank Offered Rate), Libor (London Interbank Offered Rate), EONIA (Euro Overnight Index Average), Spareckzins etc. Die Tilgung kann als Annuität, Abzahlung oder Festbetrag erfolgen. Die Annuität ist ein jährlich gleich hoher Betrag aus Zinsen und Tilgung, der sich aus im Zeitablauf sinkendem Zinsanteil und spiegelbildlich steigendem Tilgungsanteil zusammensetzt. Die Abzahlung setzt sich ebenfalls aus Zins und Tilgung zusammen, da die Zinszahlungen mit fortschreitender Rückzahlung des Kredits sinken, sinkt auch der Gesamtbetrag. Der Festbetrag besteht nur aus den Zinsen, die Tilgung erfolgt erst am Ende der Laufzeit in einem Betrag. Die Auszahlung des Kredits erfolgt oft mit einem Abschlag (Damnum), dieser soll die Vorkosten des Kredits abdecken. Die Besicherung erfolgt häufig durch Grundpfandrechte. Die effektive Zinsbelastung ist von entscheidender Bedeutung, sie hängt von Nominalzinssatz, Damnum, Auszahlungskurs und Laufzeit ab. • Anleihen sind festverzinsliche Wertpapiere, Schuldverschreibungen, Rentenpapiere und Obligationen. Sie sind in verschiedenen Formen möglich: –– nach der Verzinsung als festverzinsliche, variabel verzinsliche oder unver­ zinsliche Anleihen, –– nach der Laufzeit als kurzfristige, mittelfristige oder langfristige Anleihen, –– nach der Währung als Euroanleihen oder Fremdwährungsanleihen, –– nach dem Emittenten als öffentliche Anleihen, Bankanleihen oder Indus­ trieanleihen, –– nach der Rückzahlung als gesamtfällige Anleihen, Tilgungsanleihen oder ewige Anleihen, –– nach dem Rang im Insolvenzfall als vorrangige, gleichrangige oder nachrangige Anleihen. Sie enthalten eine schuldrechtliche Verpflichtung des Schuldners gegenüber dem Emittenten dieser Papiere. Dadurch können Unternehmen sich langfristiges Fremdkapital zu transparenten Bedingungen sichern. Anleihen werden nicht für einen einzelnen Kapitalgeber aufgelegt, sondern für den Kapitalmarkt. Sie sind fungibel, was ihre Handelbarkeit an Börsen ermöglicht. Die Anleihe besteht aus dem Mantel (Schuldurkunde) und dem Bogen (Zinskupons, Erneuerungsschein). Die Besicherung besteht in Grundpfandrechten (Hypothek, Grundschuld), Bürgschaften oder Negativklauseln (Meistbegünstigtenstatus). Die Emission kann durch Kreditinstitute (häufig Bankenkonsortien) zur Platzierung oder Übernahme erfolgen oder durch die kreditnehmende Unternehmung selbst. Dabei entstehen Kosten für Börsenprovisionen und -zulassungen, Prospekte etc. neben den laufenden Zinszahlungen. Eine Kündigung der Anleihen ist meist erst nach einer Sperrfrist möglich. Die Tilgung erfolgt in Jahresraten oder einmalig. Die Tilgungsraten können gleichbleibend oder steigend sein (Annuität), eine vorzeitige Rückzahlung (Auslosung) ist möglich, ebenso

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ein Rückkauf, wenn der Börsenkurs unter dem Rückzahlungskurs liegt (unter pari). Häufig sind die ersten Jahre tilgungsfreigestellt. Die Zinsen gelten für die gesamte Laufzeit, außer sie sind kündbar und änderbar. Emittenten sind Wirtschaftsunternehmen (Industrieobligationen), vor allem Banken (Kommunalobligationen, Bankschuldverschreibungen) oder die öffentliche Hand (Staatsanleihen zur Haushaltsfinanzierung). Allgemeine Qualitätsmerkmale sind die Deckungsstockfähigkeit als vom Treuhänder verwaltete Kapitalreserve, die Mündelsicherheit gegenüber Vormund / Betreuer und die EZB-Fähigkeit (Europäische Zentralbank). • Eine Sonderform stellen Wandelschuldverschreibungen und Gewinnschuldverschreibungen dar. Wandelschuldverschreibungen bieten ein Anrecht auf Tausch in eine vorbestimmte Anzahl von Stammaktien der emittierenden AG. Gewinnschuldverschreibungen bieten zusätzlich zur normalen Verzinsung eine gewinnabhängige Zusatzverzinsung. Weitere Sonderformen sind Anleihen mit variablem Zins (Floating Rate Notes). Der Zinssatz ändert sich nach einem Referenzzins. Nullkupon-Anleihen (Zero Bonds) ergeben keine Zinszahlung, sie werden mit Disagio ausgegeben, aber zum Nennwert zurückgezahlt. Niedrigverzinsliche Anleihen (Discount Bonds) verzinsen unter Marktniveau, werden jedoch mit Abschlag ausgegeben und zum Nennwert zurückgezahlt. Hochzins-Anleihen (High Yield Bonds) verzinsen höher als das Marktniveau, werden jedoch von bonitätsarmen Emittenten herausgegeben. Index-Anleihen sind in ihrem Zinssatz an Bezugsgrößen gebunden (z. B. DAX). Umtauschanleihen können gegen Aktien einer Drittunternehmung getauscht werden. Annuitätenanleihen ergeben einen gleichbleibenden Zahlbetrag aus Zins und Tilgung. Ewige Anleihen haben keinen fixierten Rückzahlungszeitpunkt, sie können jedoch jederzeit aufgekündigt werden. Aktien-Anleihen werden entweder zum Nennwert zurückgezahlt oder am Laufzeitende in eigene Aktien gewandelt. • Ein Schuldscheindarlehen ist ein Dokument, das den Schuldner verpflichtet, den Bestand der Anleihe zu beweisen, um Anrecht auf Zins und Tilgung zu haben. Als Schuldschein kann auch ein Darlehensvertrag fungieren. Die Verzinsung ist variabel oder fest, die Auszahlung kann unter pari erfolgen, die Stückelung der Darlehensbeträge (Tranchen) ist frei wählbar. Die Laufzeit beträgt meist 5 – 15 Jahre. Die Sicherheiten sind erstklassig, meist mit Zwangsvollstreckungsklausel. Die Tilgungsmodalitäten können individuell vereinbart werden. Das Darlehen kann parallel zur Nutzungsdauer der Investition laufen, es kann aus mehreren kurzfristigen Tranchen bestehen, die sich zu einem langfristigem Kredit addieren (revolvierend), es kann direkt zwischen Kreditnehmer und Kreditgeber(n) zustande kommen oder durch Vermittlung von Kredit­ instituten / Maklern (siehe Abb. D63).

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Abbildung D63: Formen der lang- und kurzfristigen Kreditfinanzierung (eig. Abb.)

15.3.3 Kurzfristige Kreditfinanzierung

Kurzfristige Bankkredite entstehen als Kontokorrentkredit, Wechseldiskontkredit oder Lombardkredit (Geldleihe): • Beim Kontokorrentkredit erhält ein Kreditnehmer auf seinem laufenden Konto eine Kreditlinie eingeräumt. Diese Einräumung erfolgt formlos, auch die Tilgung ist formlos und die Laufzeit meist unbegrenzt. Bei Überschreiten der Kreditlinie entsteht ein Überziehungskredit. Allerdings entstehen hohe Kosten für Sollzinsen, Kreditprovision, Überziehungsprovision, Umsatzprovision und Barauslagen. Als Sicherheit reicht die Überprüfung der laufenden Kreditwürdigkeit. Evtl. ist eine Unterhaltung von Kontokorrentkrediten bei mehreren Kreditinstituten möglich (außer bei Ausschließlichkeitserklärung).

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• Der Wechseldiskontkredit ist durch Wechsel besichert und hat drei Beteiligte. Der Lieferant (Aussteller) zieht eine Tratte auf den Abnehmer (Bezogener), worin dieser sich verpflichtet, einen bestimmten Betrag zu einem definierten Termin zu zahlen. Durch sein Akzept verpflichtet sich der Abnehmer zur zukünftigen Zahlung. Das Kreditinstitut kauft den Wechsel an und finanziert ihn vor. Denkbar ist die Rediskontierung bei der Notenbank. Als Kosten entstehen dabei Diskontierungszinsen und Diskontspesen. Die Ware wird mit Eigentumsvorbehalt geliefert. Ein nicht eingelöster Wechsel geht zu Protest, der daraus folgende Wechselprozess erfolgt mit vereinfachter Beweisführung (siehe Abb. D64). • Der Lombardkredit ist ein Kredit des Kreditinstituts, der anteilig gegen den Wert eines Pfands gewährt wird. Bei diesem Pfand kann es sich um fungible Wertpapiere handeln (Effektenkredit), um nicht betriebsnotwendige Waren oder um Wechsel. Die Aufnahme eines Lombardkredits lohnt sich meist nur, wenn die vorhandenen Kreditlinien ausgeschöpft sind und neue nicht eingeräumt werden. Als Kosten entstehen Zinsen, Bewertungs-, Verwahrungs- und Verwaltungsgebühren.

Quelle: it-infothek.de/images/semester_2/bwl_46.gif

Abbildung D64: Ablauf Wechseldiskontkredit

Bei der Kreditleihe stellen Kreditinstitute Unternehmen anstelle von Geld ihre eigene Kreditwürdigkeit zur Verfügung, indem sie für deren Zahlungsverpflichtungen einzustehen versprechen. Denkbar sind zwei Formen: • Bei einem Akzeptkredit zieht ein Kunde einen Wechsel auf sein Kreditinstitut, das diesen akzeptiert. Damit erhält der Kunde eine einwandfreie Bonität. Dieser Wechsel kann entweder an Lieferanten für Zahlung weitergegeben werden oder zum Diskont bei dem betreffenden bzw. einem anderen Kreditinstitut eingereicht werden. Der Kunde verpflichtet sich dabei, den Wechselbetrag vor Fälligkeit auf seinem Konto bei dem Kreditinstitut einzuzahlen. Als Kosten

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entstehen Akzeptprovision und Bearbeitungsgebühren. Die Anwendung erfolgt vor allem im Außenhandel. • Bei einem Avalkredit übernimmt das Kreditinstitut eine Bürgschaft oder Garantie für seinen Kunden. Die Bürgschaft ist akzessorisch (abhängig vom Bestehen eines anderen Rechts), die Garantie abstrakt (unabhängig davon). Das Kreditinstitut stellt insofern seine Kreditwürdigkeit zur Verfügung. Dies dient etwa der Finanzierung von Zollgebühren, Frachtraten, Geboten, Anzahlungen, Leistungen und Gewährleistungen. Darüber hinaus gibt es zahlreiche weitere Kreditfinanzierungen. Zu denken ist vor allem an Bankkredite im Außenhandel wie Rembourskredite als Sonderform des Akzeptkredits und Negoziationskredite als Sonderform des Diskontkredits im Außenhandel. Euromarktkredite sind internationale kurz- und langfristige Kredite. Außerdem können Derivategeschäfte am Kassamarkt, wenn Geschäftsabschluss und Erfüllung zeitlich zusammenfallen, oder am Terminmarkt, wenn Geschäftsabschluss und Erfüllung zeitlich auseinanderfallen, abgeschlossen werden. Am Optionsmarkt besteht zudem ein Wahlrecht auf Ausübung einer Transaktion. 15.3.4 Kreditsubstitute

Kreditsubstitute ersetzen traditionelle Bankkredite. Dafür gibt es verschiedene Ausführungen (siehe Abb. D65). Factoring soll eine konsequente Umwandlung von Außenständen in liquide Mittel erreichen, wobei diese Aufgabe an Dienst-

Abbildung D65: Häufige Kreditsubstitute (eig. Abb.)

leister (Factoringgeber) vergeben wird. Factoring betrifft den vertraglich geregelten, regelmäßigen Ankauf von kurzfristigen Geldforderungen aus Lieferungen und Leistungen durch einen Factor auf mittelfristig dauerhafter Basis (siehe Abb. D66). Es ist weder ein Einzelverkauf von Forderungen denkbar noch die Übergabe langfristiger Forderungen. Voraussetzungen für eine wirtschaftliche Durchführung des Factoring sind folgende:

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Quelle: jeanmougin-factoring.de/factoring.html

Abbildung D66: Ablauf Factoring

• Jahresumsatz > 2,5 Mio. €, durchschnittlicher Rechnungsbetrag > 500 €, B-tB-Geschäft, weitgehend konstanter Kundenstamm, Zielgewährung < 90 Tage, voll erbrachte Leistungen als Grundlage. Sind diese Voraussetzungen nicht gegeben, lohnt sich Factoring wegen der hohen involvierten Kosten nicht. Im Grunde handelt es sich um eine Make or Buy-Entscheidung. Das vollständige Factoring (Non-recourse) besteht aus der Finanzierungs-, der Dienstleistungs- und der Kreditsicherungsfunktion: • Die Finanzierungsfunktion entsteht aus dem Ankauf offener Forderungen aus Lieferungen und Leistungen und deren Bevorschussung durch den Factor. • Die Dienstleistungsfunktion entsteht durch die Übernahme des Mahnwesens für offene Posten, der Buchhaltung, des Inkassos und evtl. Beratung. • Die Kreditsicherungsfunktion entsteht durch die Übernahme des Risikos der Uneinbringlichkeit von Forderungen durch den Factor. Praktisch werden Kreditlimite für jeden Debitor vereinbart, die auf Bonitätsprüfungen basieren. Daher entsteht ein hoher Initialaufwand. Man unterscheidet das offene und das stille Factoring: • Offenes Factoring bedeutet, dass der Debitor, also der Käufer von Lieferungen und Leistungen, vom Factoring in Kenntnis gesetzt wird und befreiend an den Factor zahlt.

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• Stilles Factoring bedeutet, dass der Debitor vom Factoring keine Kenntnis hat und mit befreiender Wirkung bei seinem Kreditor zahlt, der den Zahlungseingang dann an den Factor weiterleitet. Die Forderungen scheiden aus dem Vermögen der Unternehmung aus. Die Unternehmung haftet für den Bestand der Forderung (z. B. keine Reklamation, Rücksendung, Forderungsverrechnung). Der Factor ist ausschließlich mit der finanziellen Abwicklung einer Transaktion befasst, es liegt ein Gläubigerwechsel vor. Dies bedeutet u. a., dass Ansprüche aus verlängertem Eigentumsvorbehalt mit dem Forderungsverkauf untergehen. Der Unterschied zur Zession liegt da­ rin, dass der Factor auch die Uneinbringlichkeit einer Forderung übernimmt, der Zessionar hingegen nicht, uneinbringliche Forderungen müssen vielmehr vom Zedenten zurückgenommen werden. Im grenzüberschreitenden Warenverkehr ist ein internationales Factoring möglich, als Export-Factoring, wenn der Factor im Land des Exporteurs ansässig ist, als Import-Factoring, wenn dieser im Land des Importeurs ansässig ist. Beim Korrespondenz-Factoring sind sowohl ein Export- als auch ein Import-Factor eingeschaltet. Beim Saison-Factoring handelt es sich um einen auf Saisonzyklen begrenzten Forderungsverkauf, beim Ultimo-Factoring um den Forderungsverkauf vor dem Bilanzstichtag (Geschäftsjahresende). Eine weitere Form im Außenhandel ist der regresslose Verkauf von Wechsel- und Auslandsforderungen an spezialisierte Finanzinstitute, die mit dem Aufkauf das wirtschaftliche und politische Risiko übernehmen (Forfaitierung), nicht aber das rechtliche Risiko, das beim Exporteur verbleibt. Dabei handelt es sich meist um mittel- und langfristige Forderungen, die auch einzeln verkauft werden können. Allgemeine Vorteile des Factoring sind folgende: • Wegfall von Sach- und Personalkosten in der Unternehmung, Neutralisierung von Insolvenzrisiken von Kunden, Kapitalfreisetzungseffekt, günstigere Bilanzrelationen, Konzentration auf die Kernkompetenz. Allgemeine Nachteile des Factoring sind folgende: • pagatorische Kosten, Abhängigkeit vom Factor, schwierige Wiedereingliederung der Funktion, Komplexität in Bezug auf rechtliche Situation. Asset Backed Securities (ASB) stellen die Verbriefung (Backed) von handelbaren Zahlungsansprüchen (Assets) in Form von Wertpapieren (Securities) dar (siehe Abb. D67). Dazu werden die Forderungen von Gläubigern in einen Service Pool mit anderen Gläubigern gegeben, wodurch eine bessere Risikostreuung entsteht als bei nur einem Gläubiger. Der Markt honoriert dies durch bessere Konditionen. ASB ist also kostengünstiger als Factoring. Die Verbriefung erfolgt in Form von Fondszertifikaten als Vermögensanteile am Service Pool oder als Anleihen (Gläubiger gegenüber dem Service Pool).

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Quelle: blicklog.com/wp-content/uploads/2008/10/abs.jpg

Abbildung D67: Ablauf Asset Backed Securities

Beim Leasing wird ein Wirtschaftsgut von einem Leasinggeber einem Leasingnehmer gegen Entgelt zur Nutzung zur Verfügung gestellt. Der Leasinggeber kann der Hersteller des Wirtschaftsguts (direktes / Hersteller-Leasing) oder ein zwischengeschalteter Dritter (indirektes Leasing) sein (siehe Abb. D68). Es sind verschiedene Leasingformen möglich: • Nach dem Leasingobjekt gibt es Mobilien-Leasing und Immobilien-Leasing. • Nach der Anzahl der Leasingobjekte können diese mehrere Wirtschaftsgüter umfassen bis hin zu ganzen Fabriken (Plants) oder nur einzelne Wirtschaftsgüter (Equipment). • Nach der Gestaltung der Konditionen gibt es Vollamortisations- und Teilamortisationsverträge. Bei ersteren ist der Vertrag so gestaltet, dass die Leasing­ raten während der Grundmietzeit die Anschaffungs-/Herstellungskosten des Wirtschaftsguts, die übrigen Kosten und den Gewinnanspruch des Leasinggebers abdecken (Full Payout). Bei letzteren ist dies nicht der Fall, dafür wird eine Verwertung nach der Grundmietzeit vereinbart. Diese kann in einer Verlängerung der Leasinglaufzeit bestehen, im Erwerb des Leasinggegenstands zu einem vorab bestimmten Kaufpreis oder im Ausgleich des Verkaufspreises zum Restbuchwert (Verteilung oder Nachschuss). • Nach der Verpflichtung kann der Leasinggeber das Investitionsrisiko tragen und der Vertrag jederzeit unter Einhaltung der Kündigungsfrist aufgekündigt werden kann (unechtes / Operate Leasing), dieses kommt einem Mietvertrag

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Quelle: bwr-stoffsammlung.de/index.php?page=leasing

Abbildung D68: Ablauf Leasing

nahe. Oder das Investitionsrisiko liegt beim Leasingnehmer und der Vertrag ist während der Grundlaufzeit unkündbar (echtes / Finance Leasing). Bei ersterem ist eine Amortisation erst durch Anschlussvertrag möglich, bei letzterem erfolgt die Amortisation bereits im ersten Vertrag. Es können auch mehrere Investitionsobjekte in einem Pool finanziert werden. Außerdem wird Spezial-Leasing bei Investitionsobjekten hoher Spezifität angewendet. Verbreitet ist Leasing im Kfz-/Fuhrpark-Bereich, verbunden mit Dienstleistungen im Flottenmanagement wie Inspektion, Versicherung, Kraftstoff, Mobilfunk, Ersatzwagen, Reisekostenabrechnung etc. Im Immobilienbereich geht es um das Management von Gewerbeimmobilien, im Cross Border Leasing um grenzüberschreitende Geschäfte. Eine andere Form stellt die Projektfinanzierung dar. Diese erfolgt ausschließlich auf Basis der Ertragshaltigkeit des Projekts, festgemacht am zukünftigen Cash-flow für Zins und Tilgung, nicht jedoch der gegenwärtigen Bonität der Debitoren. Es ergeben sich keine direkten Auswirkungen auf die Bilanzen der beteiligten Unternehmen. Die Initiatoren teilen sich die mit der Finanzierung verbundenen Risiken. Häufig werden dazu Projektgesellschaften (Betreibergesellschaft) gegründet.

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15.3.5 Finanzierungsarten im Außenhandel 15.3.5.1 Kurzfristige Finanzierung

Der Negoziierungskredit überbrückt die Zeitspanne zwischen dem Warenversand und dem durch gewährte Zahlungsziele hinausgeschobenen Geldeingang. Dabei wird die Exportbank von der Importbank ermächtigt, vom Exporteur ausgestellte Tratten auf der Basis eines Negoziationsakkreditivs, eines Commercial Letter of Credit oder eines Dokumenteninkassos sofort anzukaufen, unabhängig davon, ob die Tratte vom Importeur oder seiner Bank akzeptiert worden ist. Es gibt zwei Ausprägungen des Negoziierungskredits (Drawing Authorisations). Ein widerruflicher oder unwiderruflicher Negoziierungskredit, bei dem sich die Bank bereit erklärt, gegen Übergabe der Dokumente die vom Exporteur auf den Importeur gezogene Tratte anzukaufen bzw. zu bevorschussen, ist eine Authority to Purchase. Die Importbank gibt diese Zusage an die Bank des Exporteurs mit dem Auftrag weiter, bei Vorlage entsprechender Dokumente seitens des Exporteurs die Tratte in voller Höhe oder teilweise zu bevorschussen und die Dokumente an die Importbank zu übersenden. Handelt es sich um einen Trattenankaufkredit auf Commercial Letter of Credit-Basis, bei dem eine Tratte vom Exporteur auf eine von der Importeursbank bezeichnete Korrespondenzbank im Land des Exporteurs gezogen wird, liegt ein Order to Negotiate vor. Gegen Vorlage der Dokumente wird die Tratte von der Korrespondenzbank entweder sofort diskontiert oder akzeptiert. Beim Umkehrwechsel (Scheck-Wechsel-Verfahren) zahlt der Käufer einer Ware unter Ausnutzung von Skonto mit einem Scheck und lässt gleichzeitig vom Lieferanten einen Wechsel auf sich ziehen, der er akzeptiert. Den Wechsel reicht er meist zur Refinanzierung der Scheckzahlung bei seinem Kreditinstitut zum Diskont ein. Allerdings haftet der Lieferant als Wechselaussteller. Umkehrwechsel dienen auch der Geldbeschaffung. Beim Akzept-Rembourskredit stellt die Hausbank des Exporteurs im Auftrag der ausländischen Bank des Importeurs gegen Vorlage der Dokumente einen Akzeptkredit zur Verfügung, den der Lieferant bei seiner Bank diskontieren lassen kann. Voraussetzung ist, dass zwischen beiden Banken eine Rembourskreditlinie vereinbart wurde. Insofern erfolgt ein gleitender Übergang zur Form des Rembourskredits. Der Rembourskredit stellt eine Kombination aus Akkreditiv, Akzeptkredit und Wechseldiskontkredit dar. Er ist ein kurzfristiger Akzeptkredit auf Dokumentenbasis, den ein Kreditinstitut im Rahmen eines Akkreditivs dem Importeur zu eigenen Lasten gegen Übergabe akkreditivkonformer Dokumente mit der Bereitschaft gewährt, dem Exporteur unter Diskontierung dieses Wechsels den Gegenwert auszuzahlen. Der Exporteur zieht dazu auf die Bank des Importeurs,

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die sich vorher zur Gewährung eines Akzeptkredits bereit erklärt hat, eine Tratte und reicht diese bei seiner Bank zusammen mit akkreditivkonformen Dokumenten zum Diskont ein. Rembourskredite werden nur an erstklassige Kunden und ausschließlich zur Finanzierung kurzfristig abzuwickelnder Importgeschäfte gewährt. Der internationale Avalkredit ist ein Bürgschaftskredit, bei dem ein Kreditinstitut für einen Kunden eine selbstschuldnerische Bürgschaft bzw. Garantie für gegenwärtige und zukünftige Zahlungsverpflichtungen übernimmt. Es handelt sich um die Abgabe eines bedingten Zahlungsversprechens gegenüber Dritten. Der Avalkreditgeber stellt kein Bargeld, sondern seine eigene Kreditwürdigkeit zur Verfügung (Kreditleihe), die Beträge stellen für ihn Eventualverbindlichkeiten dar. Die Kreditkosten sind jedoch vergleichsweise hoch. Der Zessionskredit ist ein Personalkredit, der zusätzlich durch Abtretung (Zession) einer oder mehrerer Forderungen des Kreditnehmers gegen Dritte gesichert ist. Der Zessionar übernimmt die Forderungen nur als Sicherheit, er kann sie jederzeit zurückgeben oder bessere verlangen. Im Auslandsabsatz ist der Zessionskredit ein reines Finanzierungsinstrument für den Exporteur. Er besteht darin, dass die Bank des Exporteurs diesem gegen Abtretung seiner Forderung gegenüber dem ausländischen Importeur als Sicherheit den Kaufpreis kreditiert (§§ 398 ff. BGB). Beachtenswert sind hierbei die Abtretung der Forderung, die Bonität des Schuldners, die Durchsetzbarkeit der Forderung auf dem Rechtsweg im Ausland und das Inkasso der Forderung bei Fälligkeit. Da diese Aspekte eher gegen einen Zessionskredit sprechen, wird er meist nur angewandt, wenn weder Verlade- oder Lagerdokumente noch Wechsel als Kreditgrundlage bereitstehen. 15.3.5.2 Langfristige Finanzierung

Bei langfristigen Außenhandelskrediten werden staatliche, internationale Organisationen zur Exportförderung eingeschaltet. Dabei erfolgt eine direkte Förderung durch zinsgünstige Mittel über die Ausfuhrkredit-Gesellschaft (AKA), eine Werfthilfe über die Kreditanstalt für Wiederaufbau (KfW) und eine indirekte Förderung mit Versicherungsschutz für die exportierende Unternehmung über Hermes. AKA-Kredite (Ausfuhr-Kredit-Anstalt) bestehen mit verschiedenen Plafonds (A für Lieferantenkredit, C, D, E für Bestellerkredite). KfW-Kredite (Kreditanstalt für Wiederaufbau) gelten vor allem zur Existenzgründung und für junge, wachstumsstarke Unternehmen. Die AKA ist ein Zusammenschluss aller wichtigen Banken, die einen revolvierenden Refinanzierungsrahmen bereitstellt. Die KfW fördert vor allem kleinund mittelständische Unternehmen, nutzt internationale Förderprogramme (z. B. ERP) und unterstützt die Außenhandelsfinanzierung mit Entwicklungsländern für Investitionsgüter mit einem hohen Abschlussvolumen.

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Weiterhin gibt es IKB-Kredite (Industrie-Kredit-Bank) ebenfalls für Existenzgründer und innovative Unternehmer sowie Kreditleihen, d. h. Ausfallbürgschaften des Staates, z. B. durch die Hermes-Kreditversicherung. Der Lieferantenkredit umfasst nicht-bundesgedeckte und bundesgedeckte Kredite, sowohl der Spezialinstitute als auch die selbstständigen Kreditfinanzierungen der Banken. Dabei übernimmt es der Exporteur, einen Exportkredit zu beschaffen, der für ihn die zeitliche Spanne zwischen Lieferung bzw. Produktion und endgültiger Bezahlung überbrückt. Er kann die Finanzierung selbst durch liquiditätspolitische Reserven tragen oder sich eine Refinanzierung beschaffen, die allerdings Kosten verursacht. Regelmäßig werden diese Kosten im Rahmen der Exportkalkulation dem Importeur in Rechnung gestellt. Der Exporteur erhält von seiner Bank oder einem Spezialinstitut (AKA, KfW) einen Kredit, um die Finanzierung eines Zahlungsziels an den ausländischen Besteller zu ermöglichen, mit dessen Liquidität er seinen Liefervertragskredit an den Abnehmer (Besteller) refinanziert und / oder seine Aufwendungen während der Produktionszeit finanziert. Der Exporteur tritt seine Lieferforderung nebst gestellter Sicherheiten als Sicherheit still an die refinanzierende Bank ab. Der Besteller zahlt Tilgungen und Schuldzinsen an den Exporteur. Der Exporteur tilgt und verzinst damit den von seiner Bank erhaltenen Kredit. Es herrscht eine strenge Zweckbindung vor, die Vergabe erfolgt durch den inländischen Lieferanten / Exporteur, die Kredithöhe ist auf die Ausfuhrforderungen abzgl. Anzahlungen bzw. Selbstfinanzierungsquote begrenzt. Der Bestellerkredit ist ein mittel- bis langfristiger, liefer- und leistungsgebundener Finanzkredit, den eine inländische Bank des Lieferanten (Exporteur) an einen ausländischen Besteller (Importeur) zur Bezahlung gegen die Lieferung vergibt und der ihn meist verpflichtet, sein Importgeschäft bzw. das zugrunde liegende inländische Exportgeschäft zu finanzieren. Damit sorgt der Käufer einer Ware selbst für die Sicherstellung der Finanzierung. Der Importeur kann somit zum Zahlungstermin bezahlen, gleichzeitig wird der Exporteur von langfristigen Exportforderungen entlastet. Daraus entsteht für den Exporteur insofern kein Risiko und auch keine Kostenbelastung. Diese Form umfasst neben den gebundenen Finanzkrediten auch Inlandskostenkredite und An- und Zwischenzahlungskredite sowohl der Spezialinstitute als auch der Banken. Sofern eine Indeckungnahme durch den Bund via Hermes erfolgt, ist zu beachten, dass die Kreditgewährung sich auf größere Geschäfte und förderungswürdige Investitionsvorhaben beschränkt und Entwicklungsländer bevorzugt sind. Eine mögliche Abwälzung des Selbstbehalts auf den Exporteur ist vorgesehen. Die Laufzeit bezieht sich auf die Zeit nach Ablauf der Gewährleistungsfristen. Außerdem ist Bedingung, dass erst bei sechsmonatiger Nichtzahlung ein Schadensfall vorliegt. Die Auszahlung erfolgt nach Ablauf der Gewährleistung, d. h. meist ein Jahr nach erreichter Betriebsbereitschaft. Bei der Projektfinanzierung wird die Finanzierung nicht von der Bonität des Bestellers abhängig gemacht, sondern nur von der Ertragskraft eines mit dem

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Kredit zu finanzierenden Projekts. Die Finanzierungsmittel werden also in Abhängigkeit von der Wirtschaftlichkeit der Anlageninvestition bereitgestellt. Dazu werden langfristige Cash-flow-Szenarien zur Rückzahlung des Kredits entwickelt. Üblich sind auch Zinsswaps. Dabei stellt der Lieferant dem Besteller einen Kredit mit seinem besseren individuellen Rating zur Verfügung, dessen Zinsen der Abnehmer bezahlt, der damit Zinsraten erhält, die für ihn selbst nicht realisierbar wären. Dabei werden ein fixer und ein variabler Zinssatz vereinbart, ersterer schützt gegen steigende Kurzfristzinssätze. Ebenso sind Leasing als Cross Border-Leasing und Factoring als Export-Factoring nutzbar. Eine höhere Bedeutung kommt jedoch der Forfaitierung zu. Forfaitierung ist der regresslose An / Verkauf einer meist mittel- bis langfristigen, wechselmäßig verbrieften Exporteinzelforderung, meist aus einem Investitionsgütergeschäft, durch eine Bank (Forfaiteur) unter Verzicht auf Rückgriff gegen den Verkäufer (Forfaitist) bei Zahlungsausfall, also mit vollständiger Übernahme aller mit der Kreditgewährung und -rückzahlung verbundenen wirtschaftlichen und politischen Risiken, sofern dafür Sicherheiten gestellt werden. Neben einem Wechsel können dies auch Akkreditiv, Bankgarantie, Ausfuhrgarantie oder Ausfuhrbürgschaft sein. Hauptzweck der Forfaitierung ist die völlige Verlagerung des Uneinbringlichkeitsrisikos auf den Forfaiteur ohne Selbstbeteiligung. Der Exporteur hat lediglich für den rechtlichen Bestand der Forderung zu haften. Seitens des Exporteurs liegt also eine Zession vor, während der Forfaiteur den Rechnungsbetrag unter Abzug eines Forfaitierungsabschlags erstattet. Die Finanzierungswirkung für den Exporteur liegt darin, dass er die sofortige Einlösung des Rechnungsbetrags erreicht und damit die Gewährung eines Lieferantenkredits vermeidet. Seine Liquidität wird erhöht, er wälzt zugleich das Zinsänderungs-, Wechselkurs- und Inkassorisiko ab. Dabei werden keine Servicefunktionen wie Debitorenbuchhaltung, Mahnwesen oder Inkasso übernommen. Forfaitierung findet Anwendung, wenn Ausfuhrrisiken nicht durch staatliche oder private Versicherungen abgedeckt werden, der Geschäftsbank die Bonität ihres Kunden nicht ausreichend erscheint, der Exporteur seine Kreditlinie schonen will und keine Bilanzbelastung auftreten soll. Das Zustandekommen einer Forfaitierung ist an einige einschränkende Bedingungen gebunden. Die übernommenen Risiken betreffen das Länderrisiko mit der Gefahr von Beschlagnahmung, des physischen Untergangs, der Beschädigung infolge kriegerischer Auseinandersetzungen, innerer Unruhen und anderer politischer Ereignisse, das Zahlungsausfall- und Moratoriumsrisiko inkl. der Gefahr der Verhinderung, Beschränkung oder Verzögerung der Zahlungserfüllung seitens zahlungswilliger und -fähiger Schuldner durch staatliche Eingriffe, sowie das Transfer- und Konvertierungsrisiko infolge staatlicher Währungsrestriktionen, Insolvenz oder Devisenmangel. Bei der Ausfuhrbürgschaft ist der ausländische Besteller ein Staat, eine Behörde oder eine Körperschaft öffentlichen Rechts. Sie dient der Absicherung

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gleichartiger Risiken und wird auch für gebundene Finanzkredite gewährt, um Verpflichtungen aus Lieferungs- und Leistungsgeschäften einer deutschen Unternehmung an das Ausland abzulösen. Sie dient weiterhin der Sicherheitsleistung für ungebundene Finanzkredite seitens deutscher Unternehmen sowie zur Deckung von Geldforderungen und Fabrikationsrisiken. Dadurch werden das wirtschaftliche Risiko der Zahlungsunfähigkeit des Schuldners und politische Risiken wie Zahlungsverbot, Konvertierungs-/Transferverzug oder hoheitliche Maßnahmen großenteils abgedeckt. Es besteht eine Selbstbeteiligung für politische Risiken (10 %) und Nichtzahlungsrisiken 15 %. Die Ausfuhrgarantie greift, wenn der ausländische Geschäftspartner eine private Unternehmung ist. Die Deckung bezieht sich auf die Selbstkosten, verringert um die Erträge aus alternativer Verwendung. Es besteht eine Selbstbeteiligung für politische Risiken von 10 %, für Insolvenzrisiken von 15 % und für Nichtzahlungsrisiken von 25 %. 15.4 Beteiligungsfinanzierung Beteiligungsfinanzierung betrifft die Beschaffung von Eigenkapital von außerhalb der Unternehmung. Dabei kann es sich um Geldeinlagen, Sacheinlagen oder Rechte wie Gewerbliche Schutzrechte, Lizenzen etc. handeln. Die Beschaffung von Einlagen ist von der Gesellschaftsform als Kapital- oder Personengesellschaft abhängig. Anlässe für Einlagen sind die Gründung einer Unternehmung als Bar- und / oder Sachgründung, die Kapitalerhöhung zur Liquiditäts-, Kapazitätserweiterung, Umschuldung etc. bzw. -herabsetzung zur Sanierung, Kapitalentnahme etc., die liquidierende oder liquidationslose Umwandlung der Rechtsform aus Steuer-, Haftungsgründen, etc., die Fusion durch Eingliederung bzw. Verschmelzung oder die totale oder partielle Liquidation. Eine Kapitalerhöhung kann nominell durch Aktiensplit bzw. Gratisaktien erfolgen oder effektiv durch Ausgabe junger Aktien. Eine ordentliche Kapitalerhöhung ist an einen Finanzierungsanlass gebunden, eine bedingte Kapitalerhöhung findet bei Wandelanleihen statt und ein genehmigtes Kapital erlaubt eine spätere Kapitalerhöhung. Junge Aktien gewähren Altaktionären ein Bezugsrecht. Eine Unternehmung ist emissionsfähig, wenn sie die Rechtsform einer AG, KGaA oder Kleinen AG (in Bezug auf Gründungsvorschriften, Hauptversammlungsprocedere, Gewinnverwendung etc.) hat und damit den organisierten Kapitalmarkt nutzen kann. Emission meint die Ausgabe von Aktien und anderen Wertpapieren. Dadurch können kleinere Kapitalbeträge von einer Vielzahl von Aktionären an einem anonymen Markt aufgebracht und zu einem großen Betrag kumuliert werden. Die Anteile (Aktien) sind fungibel und rechtlich eindeutig geregelt. Die Kapitalaufbringung wird vom Management abgekoppelt. Das Risiko der Aktionäre ist auf ihren Anteil am Grundkapital begrenzt. Das Grundkapital ist fix und entspricht der Summe der Nennwerte aller Aktien als gezeichnetes Ka-

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pital. Außerdem gibt es eine Reihe von Gewinnrücklagen als gesetzliche Rücklage. Diese ist so lange mit 5 % des Jahresüberschusses aufzufüllen, bis 10 % des Grundkapitals erreicht sind, als Rücklage für eigene Anteile, als satzungsmäßige Rücklage oder als sonstige Gewinnrücklage. Die Aktien können dabei verschieden ausgeprägt sein: • nach der Zerlegung als Nennwertaktien, Quotenaktien (prozentualer Anteil) oder Stückaktien (ohne Nennwert), • nach der Übertragbarkeit als Inhaberaktien oder Namensaktien, letztere sind im Aktienbuch erfasst, ist die Übertragung an die Zustimmung der Gesellschaft gebunden, handelt es sich um vinkulierte Namensaktien, diese bieten Schutz vor feindlicher Übernahme, • nach dem Umfang der Rechte als Stammaktien oder Vorzugsaktien, Stammaktien haben zumeist folgende Rechte: –– Teilnahme an der Hauptversammlung, Stimmrecht dort, Anspruch auf Gewinnanteil (Dividende), Anspruch auf Bezug junger Aktien bei Kapitalerhöhung, Anspruch auf Liquidationserlös bei Auflösung der AG, Anspruch auf Auskunft des Vorstands. Vorzugsaktien gewähren meist einen höheren Dividendenanspruch für die Hergabe des Stimmrechts auf der Hauptversammlung. • nach dem Ausgabezeitpunkt als alte Aktien oder junge Aktien, letztere werden bei einer Kapitalerhöhung an Altaktionäre ausgegeben. Diese erhalten ein Bezugsrecht, das sie ausüben können, sie erhalten dann ihren Stimmrechtsanteil, oder verkaufen können, sie erhalten dadurch zusätzliche Erlöse. Berichtigungsaktien stammen aus der Umwandlung von Rücklagen in Eigenkapital (Passivtausch), • nach der Verfügbarkeit als eigene Aktien oder Vorratsaktien. Eigene Aktien dürfen bis zu 10 % des Grundkapitals von der Unternehmung aufgekauft werden, sofern besondere Gründe vorliegen wie Ausgabe von Belegschaftsak­ tien, Abfindung von Aktionären, zur Schadensabwehr wie z. B. bei drohender Übernahme. Vorratsaktien entstehen, wenn mehr Aktien vorhanden sind als dem Kapitalbedarf entspricht. Neue Aktien können durch die Gesellschaft selbst emittiert werden, meist werden sie aber von einer Bank oder einem Bankenkonsortium emittiert. Die Bank(en) trägt / t ragen dann das Begebungsrisiko. Die Platzierung kann nur gegenüber einen begrenzten Kreis von Investoren als Privatplatzierung erfolgen oder an der Wertpapierbörse als öffentliche Platzierung. Der Preis der zu platzierenden Aktien kann als Festpreis ausgewiesen sein, Interessenten geben dann lediglich die Anzahl der gewünschten Aktien als Order an. Möglicherweise wird dabei aber Erlös vergeben oder es können nicht alle Aktien platziert werden. Daher werden dynamische Preisfindungsverfahren genutzt. Beim Bookbuild­

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ing nennen Interessenten ihre Preisbereitschaft und die abzunehmende Anzahl, dies dient zur Ermittlung einer Preis-Absatz-Funktion, auf deren Basis dann der Emissionspreis bei vorgegebene Zahl der Aktien festgelegt wird. Alternativ ist eine Versteigerung möglich (Tender) mit Zuschlag für den Höchstbietenden. Bei einer Kapitalerhöhung kann es sich um eine ordentliche, dies ist der Regelfall, oder bedingte handeln, diese ist abhängig vom Eintritt einer definierten Situation wie Fusion, Ausgabe von Schuldverschreibungen, Begebung von Belegschaftsaktien etc. Bei der genehmigten Kapitalerhöhung kann diese zu einem vom Vorstand zu bestimmenden Zeitpunkt erfolgen. Bei einer Kapitalerhöhung aus Gesellschaftsmitteln erfolgt eine Umwandlung von Rücklagen in gezeichnetes Kapital z. B. zur Kurskorrektur, Dividendenverbesserung, Erhöhung des Haftungskapitals etc. Stellgrößen der Kapitalerhöhung sind die Wahl des Ausgabezeitpunkts abhängig von der Kapitalmarktlage, der Kapitalbetrag und die Festlegung des Ausgabekurses. Die Kapitalerhöhung bedarf der qualifizierten Mehrheit der Hauptversammlung. Die Aktien werden börsentäglich nach Angebot und Nachfrage bewertet. Anhaltspunkte bieten der Ertragswert der Aktie, der Bilanzkurs und das Kurs-Gewinn-Verhältnis. Tatsächlich richten sich die Kurse aber nach der Gewinnerwartung. Die Börse ist eine organisierte Marktveranstaltung. Aktienbörsen finden an verschiedenen Orten statt (in Deutschland in Berlin, Bremen, Düsseldorf, Frankfurt, Hamburg, Hannover, München, Stuttgart). Die Börse ist in verschiedene Segmente aufgeteilt: • Der amtliche Handel ist in Bezug auf Anlegerschutz und Publizitätspflichten weitgehend reglementiert. Zulassungsvoraussetzungen sind u. a., dass die emittierende Unternehmung mindestens drei Jahre am Markt besteht, der Emissionswert mindest. 1,25 Mio. € beträgt, der Gesamtnennwert der Aktien mind. 250.000 € beträgt, mind. 25 % der Aktien im Publikum gestreut werden, Zwischen- und Ad hoc-Berichte im laufenden Geschäftsjahr erfolgen. • Der geregelte Markt ist weniger restringiert (mind. 250.000 € Grundkapital, mind. 10.000 Aktien im Umlauf, Ad hoc-Meldungen). Ad hoc-Veröffentlichungen sind erforderlich bei Neuigkeiten, die sich auf den Aktienkurs auswirken. Die Kursfestlegung erfolgt durch amtlich zugelassene Börsenmakler. • Der Freiverkehr ist nochmals weniger reglementiert. • Darüber hinaus gibt es internationale Segmente als General Standard und P ­ rime Standard. Für die Börsen gelten verschiedene Indexe zur Übersicht: • Der DAX umfasst die 30 größten Werte des Prime Standards der Frankfurter Wertpapierbörse. • Der MDAX umfasst die 50 nächstgrößeren Werte des Prime Standards in Frankfurt.

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• Der SDAX umfasst die 50 nächstgrößeren Werte. • Der TecDAX umfasst die 30 größten Werte der Technologiebranche im Prime Standard. Aktien werden heute elektronisch gehandelt (Xetra). Außerdem werden Aktienoptionen, Indexoptionen, Optionen auf Index-Futures und Index-Futures gehandelt. Die Beteiligungsfinanzierung bei nicht-emissionsfähigen Unternehmen kommt meist für KMU’s in Betracht. Es handelt sich um GmbH’s, Einzelunternehmen und Personengesellschaften (OHG, KG), die nicht auf den organisierten Kapitalmarkt zugreifen können. Die Eigentümer haften signifikant und erwarten entsprechende Mitsprache-/Mitwirkungsrechte und machen auch Gewinnansprüche geltend. Die Unternehmensanteile sind nicht fungibel. Neue Gesellschafter bedingen dann auch Mitspracherechte. Stille Reserven sind schwierig zu bewerten. Es kann zu Interessendivergenzen zwischen den Eigentümern kommen. Bei Einzelunternehmen erfolgt die Eigenkapitalbeschaffung durch Entnahmen aus dem Privatvermögen des Unternehmers oder durch Aufnahme stiller Gesellschafter. Die Eigenkapitalausstattung hängt von der Höhe des Privatvermögens des Unternehmers und seinen persönlichen Entnahmegewohnheiten ab. Das Eigenkapitalkonto variiert, die Eigenkapitalfinanzierung erfolgt durch Gewinnthesaurierung, Stille Beteiligung oder Aufnahme neuer Gesellschafter. 15.5 Selbstfinanzierung Bei der Selbstfinanzierung kommt die offene oder stille Form in Betracht (siehe Abb. D69): • Bei der offenen Selbstfinanzierung werden Teile des im Jahresabschluss ausgewiesenen Gewinns nicht bzw. nur zum Teil an die Eigenkapitalgeber ausgeschüttet. Der Rest bleibt zur weiteren Verwendung in der Unternehmung. Die so thesaurierten Gewinne werden in der Unternehmung versteuert (Einkommensteuer / Körperschaftsteuer) und erhöhen die Kapitalposition in der Bilanz, also das Eigenkapitalkonto bei Personengesellschaften bzw. die Gewinnrücklagen bei Kapitalgesellschaften. • Bei der stillen Selbstfinanzierung werden die einbehaltenen Gewinne nicht offen ausgewiesen. Dies entsteht durch Unterbewertung von Vermögen oder Überbewertung von Schulden im Rahmen der zulässigen Bilanzpolitik. Teilweise entstehen Zwangsreserven durch Aktivierungsverbote wie z. B. für originär erstellte immaterielle Geschäftswerte wie Markenwert, Kundenwert, Firmenwert, Rechte. Ermessensreserven entstehen, wenn Bewertungswahlrechte und Wertansätze genutzt werden, um Vermögen geringer auszuweisen. Willkürreserven sind hingegen nicht gesetzeskonform. Es führt allerdings

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Abbildung D69: Quellen der Selbstfinanzierung (eig. Abb.)

nicht jede stille Reserve zu einer Selbstfinanzierung, sondern nur eine solche, die einen Einzahlungsüberschuss bewirkt, der in der Unternehmung gebunden ist. Im Effekt entstehen Steuerstundung und Zinsgewinn. Die Selbstfinanzierung hat zahlreiche Vorteile: • Es müssen keine Kreditgeber oder Anteilseigner eingeschaltet werden. Somit können auch Zins- und Tilgungszahlungen vermieden werden. Die bessere Eigen­kapitalposition verbessert die Bonität und senkt damit die Zinsen für anderweitige Kreditaufnahmen. Daraus resultiert ein Zinseszinseffekt. Die Vermögensgegenstände bleiben von Belastungen frei. Es kann eine Verstetigung der Gewinnausschüttung erreicht werden. Über die aufgebrachten Mittel kann das Management frei verfügen. Als Nachteile sind vor allem folgende zu nennen: • Aus dem Überschuss entsteht möglicherweise eine Kapitalfehlleitung. Die Öffentlichkeit wird über die Gewinnsituation im Unklaren gelassen, die Aussagefähigkeit der Bilanz sinkt. Bei der Abschreibungsfinanzierung wird auf Gewinn und Steuern Einfluss genommen. Abschreibungen sind periodenbezogene Beträge, die den Werteverzehr von Wirtschaftsgütern, der bei der Herstellung und Bereitstellung von Gütern und Diensten entsteht, darstellen. Sie werden während der Nutzungszeit verteilt berechnet. Als kalkulatorische Abschreibungen dienen sie der Substanzerhaltung des unternehmerischen Kapitals. Als bilanzielle Abschreibungen dienen sie der steuerlichen Gewinnermittlung. Die Abschreibungen können linear, degressiv oder progressiv angesetzt werden. Ein Selbstfinanzierungseffekt entsteht erst bei einem Überschuss der Umsätze über die Abschreibungen und bei einer Gewinnsituation. Dabei wird davon ausgegangen, dass die betrieblichen Abschreibungen bereits im Preis einkalkuliert sind und durch den Umsatz zurückverdient werden, ohne dass damit Ausgaben in derselben Periode verbunden sind. Dabei entstehen zwei Effekte: • Der Kapitalfreisetzungseffekt besagt, dass die verdienten Abschreibungen aktuell Liquidität in die Unternehmung bringen, die erst bei der Reinvesti­

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tion benötigt wird und bis zu diesem Zeitpunkt genutzt werden kann. Insofern muss dafür kein zusätzliches Kapital aufgenommen werden. Je schneller die Abschreibungswerte zurückfließen, umso größer ist der Kapitalfreisetzungseffekt. • Der Kapitalerweiterungseffekt (Lohmann / Ruchti) besagt, dass die freigesetzten Mittel aus Abschreibungen kontinuierlich in neue Anlagen investiert werden können. Dies führt zu einer Erweiterung der Kapazität, ohne dass neues Kapital von außen zugeführt werden muss. Voraussetzung ist, dass die Summe der Abschreibungsbeträge höher ist als der Betrag für Reinvestitionen. Ersatz­ investitionen müssen hingegen erhalten bleiben. Vorausgesetzt wird, dass die Wiederbeschaffungspreise konstant bleiben, Nutzungs- und Abschreibungsdauer deckungsgleich sind und eine entsprechende Ausgangskapazität vorhanden ist. Ferner, dass entsprechende Absatzmöglichkeiten erfüllt werden können, das damit verbundene Umlaufvermögen finanziert werden kann, die Liquidität nicht durch Kredittilgung o. Ä. aufgezehrt wird und Anlagen entsprechend teilbar sind. 15.6 Rückstellungsfinanzierung Rückstellungen sind Passivposten in der Bilanz, die solche Wertminderungen der Berichtsperiode als Aufwand zurechnen, die durch zukünftige Handlungen bedingt werden und deshalb bzgl. ihrer Fälligkeit oder Höhe nicht völlig, aber dennoch ausreichend sicher sind. Rückstellungen werden für ungewisse Verbindlichkeiten und drohende Verluste aus schwebenden Geschäften gebildet. Die Ungewissheit bezieht sich auf den Betrag und / oder den Eintritt der Verbindlichkeit. Gründe sind etwa unterlassene Aufwendungen für Instandhaltung, die nachgeholt werden oder Gewährleistungen auf Kulanzbasis, weiterhin anfallende Steuern, Garantieleistungen, Denaturierungen, Prozessrisiken oder Provisionen, Gratifikationen und Gewinnbeteiligungen. Als Höhe ist ein Betrag anzusetzen, der bei vernünftiger kaufmännischer Sicht dafür notwendig ist. Der Finanzierungseffekt ergibt sich für den zeitlichen Abstand zwischen Aufwandsvorgang und Auszahlungsvorgang. Wegen der Kurzfristigkeit der meisten Rückstellungen ist dieser Effekt von geringem Belang. Erst bei einer langfristigen Bindung der Finanzmittel erzielen diese einen nennenswerten Finanzierungseffekt. Gerade dies gilt für Pensionsrückstellungen. Pensionen sind Zusagen an die Belegschaft, im Falle der Arbeitsunfähigkeit, bei Eintritt des Versorungsfalls oder des Ruhestands Zahlungen zu leisten. Wirtschaftlich handelt es sich um Lohn- und Gehaltsaufwendungen. Mittelbare Pensionsverpflichtungen werden nicht von der Unternehmung, sondern von Dritten wie Pensionskassen, Unterstützungskassen, Versicherungsunternehmen geleistet. Hier entsteht kein Finanzierungseffekt, weil die Mittel abfließen. Unmittelbare Pensionsverpflichtungen werden von der Unternehmung selbst erbracht und sind vertraglich vereinbart. Sie

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stellen ungewisse Verbindlichkeiten dar und werden wirtschaftlich dem Fremdkapital zugerechnet. Die Mittel stammen aber nicht von außen, sondern aus dem Umsatzprozess. Sie verringern den Gewinn und schmälern damit die Steuerlast. Die Höhe wird nach versicherungsmathematischen Grundsätzen ermittelt (Teilwert = Barwert plus Sterblichkeits-/Invaliditätsrate). Dies setzt voraus, dass ein Rechtsanspruch darauf ohne Vorbehalt besteht. Lohnend ist dies nur, wenn der Gewinn höher liegt als die jährliche Pensionsrückstellung und die Pensionsrückstellung höher liegt als die Pensionszahlungen. Der Finanzierungseffekt ist umso größer, je länger der zeitliche Abstand zwischen der Pensionsbildung und der -auszahlung ist. Die Liquiditätssituation bleibt unverändert, jedoch können Fremdkapitalzinsen erspart werden. Eine Innenfinanzierung durch Verkauf von nicht-betriebsnotwendigem Anlage- und Umlaufvermögen wird erreicht, indem gebundenes Kapital freigesetzt (Freisetzungseffekt) und Vermögen dadurch umgeschichtet wird (Umschichtungseffekt). Basis sind häufig Rationalisierungsmaßnahmen zur Kostensenkung oder Liquiditätsschaffung in einer Unternehmenskrise. Dadurch kommt es zu einem Aktivtausch, werden durch den Verkauf stille Reserven aufgelöst, kommt es zu einer Bilanzverlängerung. Denkbar ist auch ein Outsourcing unterstützender Unternehmensbereiche wie Catering, Logistik, Lagerhaltung, Fuhrpark etc. Vor allem auch die Monetarisierung von nicht-betriebsnotwendigen Wertpapieren und Grundstücken ist darstellbar. Generell kommen dafür Vermögensgegenstände in Frage, die einen im Verhältnis zu ihrer Ertragskraft hohen Liquiditäts-/ Substanzwert haben, deren Verkauf zu keiner Verringerung des Kreditpotenzials führen und die keine Buchverluste verursachen. Im Umlaufvermögen ist an die Reduzierung der Vorräte, die Verringerung der offenen Forderungen (Factoring) und die Verringerung der freien Liquiditätsreserven (Kasse / Konto) zu denken. Denkbar ist in diesem Zusammenhang ein Sale and Lease back. Dabei verkauft die Unternehmung Anlagegegenstände, die betriebsnotwendig sind, an einen Leasinggeber mit dem Ziel, diese anschließend von ihm als Leasinggut wieder zurückzunehmen. Dies bezieht sich auf maschinelle Anlagen (Mobilien), Gebäude und Grundstücke (Immobilien). Dadurch werden gebundene Geldmittel zu freien Geldmitteln, allerdings muss dann eine laufende Mietzahlung aufgebracht werden. Eine andere Form sind Asset Backed Securities. Dabei werden Vermögensgegenstände in einen Forderungspool eingebracht, anschließend in festverzinsliche Wertpapiere transferiert und an einem Sekundärmarkt gehandelt. Nach anfänglicher Euphorie ist die Nutzung nach der Finanzkrise zurückgegangen (siehe Abb. D70).

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Abbildung D70: Quellen der Rückstellungsfinanzierung (eig. Abb.)

15.7 Mezzanine-Kapital Zu den Mischformen der Finanzierung, die weder eindeutig Eigen- noch Fremdkapital sind, aber eigen- (Equity) oder fremdkapitalähnliche Züge (Debt) aufweisen (Mezzanine), zählen folgende (siehe Abb. D71): • die atypische stille Beteiligung (Stiller Gesellschafter als Mitunternehmer), • das wandelbare Gesellschafterdarlehen, dabei geben Gesellschafter ihrer Unternehmung anstelle von Eigenkapital Kredit, • der Debt Equity Swap, dabei tauschen Fremdkapitalgeber ihre Forderungen gegen die Unternehmung gegen Eigenkapitalwerte an der Unternehmung, • das Nachrangdarlehen von Banken, das anderweitig unbesichert ist und daher im Insolvenzfall erst nach anderen Verbindlichkeiten der Unternehmung bedient wird, • Industrieobligationen mit Sonderrecht zur Wandlung als Wandelschuldverschreibungen, dabei ist ein Umtausch der Obligation in Aktien nach einer Sperrfrist zu festgelegten Konditionen fest vorgesehen (dies setzt allerdings die Genehmigung zu einer bedingten Kapitalerhöhung voraus), • Industrieobligationen mit Sonderrecht als Option (Optionsanleihe), dabei ist ein Umtausch der Obligation in Aktien jederzeit möglich (dies setzt eine Bezugsrechtedefinition voraus), dieses Bezugsrecht als Optionsschein ist getrennt handelbar, d. h. kauf- und verkaufbar, • Industrieobligationen mit Sonderrecht zur Gewinnbeteiligung, dabei wird zusätzlich zu oder anstelle einer Mindestverzinsung ein Anteil am entstandenen Gewinn an den Fremdkapitalgeber gewährt, • der Genussschein, dies ist Eigenkapital, das an Gewinn, Liquidationserlös, Nutzungs-, Bezugs- und Umtauschrechten beteiligt ist, ohne auf die Entscheidungen der Unternehmung Einfluss nehmen zu können. Genussscheine werden getrennt gehandelt.

D. Die Geldwirtschaft der Unternehmung

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Abbildung D71: Optionen für Mezzanine-Kapital (eig. Abb.)

15.8 Finanzanalyse Die Finanzanalyse betrifft die Beurteilung der finanziellen Lage einer Unternehmung, insb. in Bezug auf Ertragslage, Rentabilität, Bonität und Wachstum. Bestandsorientierte Finanzkennzahlen basieren nur auf Größen der Bilanz, etwa in Bezug auf Vermögens-, Kapital- und Liquiditätsstruktur. Stromorientierte Finanzkennzahlen basieren sowohl auf Größen aus der Bilanz wie der Gewinn- und Verlustrechnung durch Erfolgs- und Aktivitätskennzahlen. Im Wesentlichen ergeben sich drei Gruppen von Finanzkennzahlen (siehe Abb. D72): • Vermögensstrukturkennzahlen beziehen sich auf die Anlagenintensität (Anlagevermögen zu Gesamtvermögen), Umlaufintensität (Umlaufvermögen zu Gesamtvermögen) und Vorratsintensität (Vorräte zu Gesamtvermögen). Das Gesamtvermögen ergibt sich dabei aus Anlage- und Umlaufvermögen. Das Anlagevermögen ergibt sich aus immateriellen, sachlichen und finanziellen Anlagen. Das Umlaufvermögen ergibt sich aus Vorräten wie Roh-, Hilfs-, Betriebsstoffen, unfertigen und fertigen Erzeugnissen, Anzahlungen, Forderungen, Wertpapieren und liquiden Mitteln. • Kapitalstrukturkennzahlen beziehen sich auf die Eigenkapitalquote (Eigenkapital zu Gesamtkapital), die Fremdkapitalquote (Fremdkapital zu Gesamtkapital) und den Verschuldungsgrad (Fremdkapital zu Eigenkapital). • Liquiditätsstrukturkennzahlen beziehen sich auf die strukturelle Liquidität (mittel-/langfristig) und die dispositive Liquidität (kurzfristig). Bei ersterer besagt die goldene Finanzregel, dass das langfristige Kapital größer als das langfristige Vermögen sein sollte. Das Anlagevermögen sollte vollständig durch Eigenkapital (evtl. plus langfristigem Fremdkapital) finanziert sein. Die

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dispositive Liquidität dient der jederzeitigen Zahlungsfähigkeit. Dabei werden drei Liquiditätsgrade (Cash Ratios) unterschieden: –– Liquidität 1. Grades: liquide Mittel zu kurzfristigen Verbindlichkeiten (Barliquidität mind. 20 %), –– Liquidität 2. Grades: liquide Mittel und kurzfristige Forderungen zu kurzfristigen Verbindlichkeiten (einzugsbedingte Liquidität mind. 100 %), –– Liquidität 3. Grades: liquide Mittel, kurzfristige Forderungen und Vorräte zu kurzfristigen Verbindlichkeiten (umsatzbedingte Liquidität mind. 200 %). Außerdem wird das Rein-Umlaufvermögen (Working Capital) ermittelt als kurzfristiges Umlaufvermögen abzgl. kurzfristige unverzinsliche Verbindlichkeiten.

Abbildung D72: Gruppen von Finanzkennzahlen (eig. Abb.)

Erfolgskennzahlen sind absolute oder relative Größen. Zu den absoluten Größen gehören folgende: • Earnings after Taxes (EAT: Jahresüberschuss und außerordentliches Ergebnis), Earnings before Taxes (EBT: Ertragssteuern), Earnings before Interest and Taxes (EBIT: Zinsaufwand), Earnings before Interest, Taxes, Depreciation and Amortisation (EBITDA: Zinsen, Steuern, Abschreibungen auf materielles und immaterielles Anlagevermögen). Zu den relativen Größen gehören folgende: • Return on Investment (RoI: Gesamtkapitalrentabilität), Return on Equity (RoE: Eigenkapitalrentabilität), Return on Sales (RoS: Umsatzrentabilität). Aktivitätskennzahlen sind etwa folgende: • Lagerumschlag, Materialaufwandsquote, Personalaufwandsquote, Kapital­um­ schlag, Arbeitsproduktivität, Laufzeit der Forderungen. Als zentral wird in diesem Zusammenhang der Kapitalfluss (Cash-flow) angesehen. Der Cash-flow ist der Saldo aus Einzahlungen und Auszahlungen einer

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Periode. Überwiegt der Mittelzufluss, entsteht ein positiver Cash-flow et vice versa. Der Cash-flow kann direkt oder indirekt ermittelt werden. Diese Daten sind für die Finanzplanung unerlässlich. Die Finanzplanung erfolgt kurzfristig (täglich, wöchentlich, monatlich, jährlich), mittelfristig (drei bis fünf Jahre) und langfristig (über fünf Jahre). Im Mittelpunkt steht die Ermittlung des Liquiditätsbedarfs, um die Existenz der Unternehmung zu sichern.

Literaturhinweise Becker, Hans Paul: Investition und Finanzierung, 7. Auflage, Wiesbaden 2015 Bösch, Martin: Finanzwirtschaft, 3. Auflage, München 2016 Drukarczyk, Jochen: Finanzierung, 10. Auflage, Stuttgart 2008 Gräfer, Horst / Schiller, Bettina / Rösner, Sabrina: Finanzierung, Berlin 2010 Guserl, Richard / Pernsteiner, Helmut: Finanzmanagement, 2. Auflage, Wiesbaden 2015 Hauser, Matthias: Grundlagen der Finanzierung, 4. Auflage, Heidenau 2008 Jahrmann, Fritz-Ulrich: Finanzierung, 6. Auflage, Herne 2009 Kugel, Jens: Sales Finance, Hamburg 2012 Olfert, Klaus: Finanzierung, Herne 2011 Pape, Ulrich: Grundlagen der Finanzierung und Investition, 2. Auflage, München / Wien 2011 Pernsteiner, Helmut / Andeßner, René: Finanzmanagement kompakt, 5. Auflage, Wien 2014 Perridon, Louis / Steiner, Manfred / Rathgeber, Andreas: Finanzwirtschaft der Unternehmung, 16. Auflage, München 2012 Pratsch, Joachim: Finanzmanagement, 4. Auflage, Berlin / Heidelberg 2012 Stiefl, Jürgen: Finanzmanagement, 2. Auflage, München / Wien 2008 Zantow, Roger / Dinauer, Josef: Finanzwirtschaft des Unternehmens, 3. Auflage, München 2011

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Übungsaufgaben 1. Was versteht man unter einem Genussschein? 2. Welche Ausprägungen der Aktien können unterschieden werden? 3. Worum handelt es sich bei einem Akzeptkredit? 4. Was versteht man unter Asset Backed Securities? 5. Worum handelt es sich bei einer Bürgschaft? 6. Welche Formen der Innenfinanzierung können unterschieden werden? 7. Welche Darlehensformen können unterschieden werden? Geben Sie dazu bitte einige Beispiele. 8. Recherchieren Sie bitte den üblichen Ablauf zum Erwerb einer Unternehmung. 9. Worum handelt es sich beim langfristigen Finanzierungsinstrument der Anleihe? 10. Im Geschäftsverkehr ist die Auskunftseinholung über potenzielle oder aktuelle Partner häufig. Welche Inhalte sind dabei üblich? 11. Was versteht man unter einer Außenfinanzierung? 12. Stellen Sie bitte die Charakteristika eines Avalkredits dar. 13. Erläutern Sie bitte den Begriff „Cash-flow“. Wie kann der Cash-flow im Einzelnen ermittelt werden? 14. Stellen Sie bitte die wesentlichen Kennzeichen einer Grundschuld dar. 15. Nennen und erläutern Sie bitte die wesentlichen Kennzeichen eines Darlehens.

E. Die Koordinierung der Unternehmung 16. Personal In diesem Kapitel werden folgende Inhalte behandelt und geklärt: • die Mitarbeitenden als Erfolgsfaktor, • die Personalbeschaffung und die Bewerberauswahlverfahren, • die Personalbeurteilung, • der Personaleinsatz und der Personalservice, • die Personalentlohnung und die Entgeltbasis dafür, • die Personalentwicklung, • die Personalfreisetzung, • der kollektive und individuelle Arbeitsrechtsrahmen. 16.1 Mitarbeitende als Erfolgsfaktor Das Management des Personals einer Unternehmung umfasst die Planung, Organisation, Implementierung und Kontrolle aller Entscheidungen, die sich mit der Einstellung von Mitarbeitenden, ihrem Arbeitsplatz und -umfeld, der Mitarbeiterentwicklung, der Kommunikation mit und zwischen Mitarbeitenden sowie der Freisetzung von Mitarbeitenden befassen. Zum Objektbereich des Personalwesens gehören Arbeiter (häufig nicht mehr differenziert), Angestellte, leitende Angestellte, Auszubildende und Praktikanten. Arbeiter sind traditionell Mitarbeitende im Betrieb, die überwiegend körperlich-mechanische Tätigkeiten ausüben, Angestellte sind traditionell Mitarbeitende, die überwiegend geistig-gedankliche Aufgaben erfüllen. Diese Unterscheidung gilt heute jedoch als weitgehend überholt, da exekutive Arbeit zunehmend auch dispositive Anteile aufweist. Leitende Angestellte sind Mitarbeitende, die dauerhaft Arbeitgeberfunktionen in der Unternehmung übernehmen. Dazu gehören vor allem die selbstständige Einstellung und Entlassung von Personal oder die Übernahme unternehmerischer Aufgaben, vor allem als Prokurist oder Generalbevollmächtigter. Auszubildende und Praktikanten durchlaufen eine Berufsausbildung oder sammeln erste Berufserfahrungen. Sie genießen daher einen Sonderstatus.

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E. Die Koordinierung der Unternehmung

Arbeitnehmer verrichten in eigener Person auf der Grundlage eines Arbeitsvertrags für einen Arbeitgeber Arbeit gegen Entgelt. Sie stehen in einem persönlichen Abhängigkeitsverhältnis zum Arbeitgeber und sind in dessen Betrieb eingegliedert. Organmitglieder sind Arbeitnehmer, die in einer besonderen gesellschaftsrechtlichen Beziehung auf Basis eines Dienstvertrags tätig sind wie Geschäftsführer, Vorstände etc. Freie Mitarbeiter erbringen selbstständige Dien­ste für die Unternehmung, stehen aber in keinem rechtlichen Abhängigkeitsverhältnis zu dieser. Arbeitnehmerähnlich Beschäftigte stehen in einem wirtschaftlichen Abhängigkeitsverhältnis, das ihnen Tarifvertrags- und Arbeitsschutz gewährt. Heimarbeiter sind personell nicht in den Betrieb der Unternehmung integriert. Leiharbeitnehmer gehören der Arbeitnehmerschaft einer Unternehmung mit allen Rechten und Pflichten an. Ihr Arbeitgeber ist jedoch ein Leihunternehmen. Zum Personalmanagement gehören vor allem folgende Aufgabenfelder: • Die qualitative und quantitative Personalbedarfsplanung: Welche Mitarbeitenden werden im Hinblick auf die Unternehmensführungsgrundsätze benötigt, um den prognostizierten Anforderungen gerecht zu werden? • Die Personalbeschaffung: Wo und wie können die benötigten Mitarbeitenden angesprochen und rekrutiert werden? • Die Personalauswahl und -einstellung: Nach welchen Kriterien und mit welchen Verfahren soll eine Auswahl aus den eingehenden Bewerbungen getroffen werden? • Der Personaleinsatz: Wie wird sichergestellt, dass geeignete Mitarbeitende im benötigten Umfang zeitlich und räumlich passend unter Berücksichtigung gesetzlicher, sozialer und individueller Rahmenbedingungen zur Verfügung stehen und wie können diese richtig eingearbeitet werden? • Das Personalentgelt: Nach welchen Prinzipien wird die Vergütung für geleistete Arbeit festgelegt und welche Entgeltformen werden dafür genutzt? • Die Personalbindung: Wie können geeignete Mitarbeitende gegen Abwanderungen zu anderen Arbeitgebern immunisiert werden? • Die Personalführung: Wie kann die Einbringung der vollen Leistungsfähigkeit der Mitarbeitenden in die Unternehmung gesichert werden und nach welchen Maßstäben wird dies beurteilt? • Die Personalentwicklung: Wie können Wissen, Können, Wollen und Dürfen der Mitarbeitenden so gefördert werden, dass sie der Unternehmung maximal nutzen und wie kann dies organisiert werden? • Die Personalfreisetzung: Nach welchen Kriterien und in welchen Verfahren wird ein Personalabbau gesteuert und wie können dabei soziale Härten abgefedert werden? Auf die wesentlichen Elemente wird im Folgenden näher eingegangen.

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16.2 Personalbeschaffung 16.2.1 Personalbedarf

Der Personalbedarf in einem Unternehmensbereich kann aus folgenden Größen ermittelt werden. Zum aktuellen Personalbestand kommen voraussichtliche Personalzugänge in der laufenden Periode aus • bereits bestätigten Neueinstellungen im Unternehmensbereich, • geplanten Versetzungen aus anderen Unternehmensbereichen in den Planbereich, • Rückkehr von Mitarbeitenden aus der Elternzeit, • Rückkehr von Mitarbeitenden aus Freistellungen (wie Sabbatical etc.), • Rückkehr von Mitarbeitenden aus Auslandsaufenthalten (Expatriates), • Aufstockung von Arbeitszeiten, • Kapazitätsausbau. Davon abzusetzen sind die voraussichtlichen Personalabgänge in der laufenden Periode aus • bereits bekannten Kündigungen im Unternehmensbereich, • geplanten Versetzungen aus dem Planbereich in andere Unternehmensbereiche, • prognostizierter natürlicher Fluktuation, • Beginn von Elternzeit, Freistellung, Auslandsaufenthalt, • Antritt von Mutterschutz, • Krankheitszeiten, Reha-Zeiten, Sterbefällen, • Ruhestandseintritt, vorgezogenem Ruhestand, gleitendem Ruhestand, • Verkürzung von Arbeitszeiten. Außerdem ist ein Personalreserveabbau/-aufbau zu berücksichtigen. Ein Personalbedarf für die folgende Periode entsteht, wenn der Personalbestand der folgenden Periode größer ist als der Personalbestand der laufenden Periode. Dann bedarf es der Personalbeschaffung. Dabei geht es neben dem quantitativen Personalbedarf auch um die Dimensio­ nen des • räumlichen Personalbedarfs, also die jeweilig gewünschten Einsatzorte der Mitarbeitenden, • zeitlichen Personalbedarfs, also Zeitpunkte bzw. Fristen des Personalbedarfs,

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E. Die Koordinierung der Unternehmung

• qualitativen Personalbedarfs, also Fähigkeiten und Kenntnisse der Mitarbeitenden für bestimmte Stellen. Insofern geht es um die aktuelle Zusammensetzung des Personalbestands, die Abstimmung mit dem Einsatzbedarf, die Eignung der Mitarbeitenden für zu erledigende Tätigkeiten und die tatsächliche Verfügbarkeit der Arbeitsleistung. Die Anpassungen berücksichtigen dabei die Einarbeitung, die Stellenzuweisung und -anpassung, die veränderten Arbeitsinhalte und die Arbeitszeitwirtschaft. Den Rahmen dafür gibt die Betriebsordnung vor, etwa in Bezug auf Arbeitszeiten, Pausen, Mehrarbeit, Urlaubsplanung, Sicherheitsvorschriften, Verhaltensstandards, Geheimhaltung etc. Im Arbeitsvertrag wird für gewöhnlich ausdrücklich auf diese Betriebsordnung verwiesen.

16.2.2 Beschaffungswege

Die Personalbeschaffung betrifft Angestellte, Arbeiter und freie Mitarbeiter. Das Beschaffungspotenzial bezieht sich dabei sowohl auf aktuell Stellensuchende als auch auf latent für eine Stellensuche ansprechbare Personen. Gründe für die Personalbeschaffung sind Mehrbedarf bei Expansion, Ersatzbedarf bei Fluktuation und (temporärer) Überbrückungsbedarf. Im Rahmen der Personalbeschaffung sind dann mehrere Entscheidungen erforderlich, zunächst zu den Beschaffungswegen. Die Beschaffungswege können verschieden ausgelegt sein (siehe Abb. E1). Intern erfolgt dies durch innerbetriebliche Stellenausschreibung, Versetzung, Personalentwicklung oder Mehrarbeit. Der Betriebsrat kann seine Zustimmung dazu verweigern, wenn Mindestanforderungen bei der Ausschreibung nicht eingehalten wurden, gegen das Allgemeine Gleichbehandlungs-Gesetz (AGG) oder gegen Auswahlrichtlinien verstoßen wurde oder die Ausschreibungsinhalte von den internen Bedarfen abweichen. Die Versetzung bezieht sich auf die Zuweisung eines anderen Arbeitsbereichs. Dabei müssen gleiche Bezüge gegeben sein. Ansonsten ist eine Änderungskündigung mit Anhörung des Betriebsrats erforderlich. Personalentwicklung betrifft die Ausbildung, die Fortbildung als Anpassungs- oder Aufstiegsmaßnahmen oder die Umschulung. Dazu gehört auch die Personalförderung durch Coaching oder Mentoring. Mehrarbeit entsteht infolge Verlängerung der Arbeitszeit durch Überstunden, sofern dies arbeits- oder tarifvertraglich so vereinbart ist, oder durch Änderung der betriebsüblichen Arbeitszeit. Externe Beschaffungswege betreffen mehrere Quellen. Denkbar sind etwa die Vermittlung durch eigene Mitarbeitende, der Aushang am Werkstor, die Ansprache anlässlich Betriebsbesichtigung oder bei Kontakt zu Bildungseinrichtungen sowie durch Werbemedien (Plakat, Handzettel, Kinospot etc.).

16. Personal

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Abbildung E1: Optionen der Beschaffungswege (eig. Abb.)

Die Arbeitsvermittlung erfolgt durch die Bundesagentur für Arbeit bzw. die Zentrale Auslands- und Fachvermittlung (ZAV) bzw. dezentrale Personal-Service-Agenturen zur Arbeitnehmerüberlassung. Private Arbeitsvermittlungen werden regelmäßig vom Arbeitgeber beauftragt und arbeiten auf Erfolgsbasis. Sinnvoll sind auch die Auswertung von Initiativbewerbungen, die Auswertung von Stellensuchanzeigen und die Sichtung der vorhandenen Bewerberdatei. Hinzu kommen Recruiting-Events an Hochschulen, die Einschaltung von Personalberatern oder die Direktansprache individuell bekannter Personen. Print-Stellenanzeigen können offen, also mit Absender, oder chiffriert inseriert werden. Sie können Fließtextanzeigen oder gestaltete Anzeigen sein und dienen dann häufig auch als Imageträger. Sie können im Printbereich in Tages- oder Wochenzeitungen, Wochen- oder Monatszeitschriften, Fachtiteln, Anzeigenblättern etc. erscheinen. Als Inhalte bieten sich mindestens folgende an: • Wer sind wir, welche Stelle ist zu besetzen, wen suchen wir, was bieten wir, welche Unterlagen sind erforderlich? Online-Stellenanzeigen sind auf der unternehmenseigenen Homepage platziert („Karriere“) oder in kommerziellen Jobbörsen, die wiederum nach Berufszweigen, Regionen, Bildungsabschlüssen etc. vielfach spezialisiert oder aber allgemein angelegt sind. Eine nicht-kommerzielle Jobbörse wird von der Bundesagentur für Arbeit betrieben. Eine weitere Möglichkeit ist die Nutzung von beruflichen Sozialen Netzwerken wie Xing, LinkedIn. Personalberater bieten ihre Dienste für die Besetzung von Führungspositionen an. Sie übernehmen dabei begleitende Leistungen wie Erarbeitung eines Qualifikationsprofils, Sichtung zur Vorauswahl, Beratung bei arbeitsvertraglichen Regelungen etc. Die Arbeitnehmerüberlassung erfolgt durch erlaubnispflichtige Personal-Leasing-Unternehmen. Diese schließen einen Arbeitsvertrag mit dem Leiharbeitnehmer, übertragen das Direktionsrecht vor Ort aber auf die entleihende Unternehmung. Sie erhalten vom Entleiher die Entlohnung und führen davon vor

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E. Die Koordinierung der Unternehmung

Weiterleitung Steuern und Sozialabgaben für den Arbeitnehmer ab. Die entleihende Unternehmung hat die Fürsorgepflicht und gliedert den Leiharbeitnehmer in ihren Betrieb ein. Die Arbeitsbedingungen der Leiharbeitnehmer dürfen von denen regulär Beschäftigter nicht nach unten abweichen. Vor allem müssen die tarifvertraglichen Vereinbarungen eingehalten werden. Eine Abwerbung, also die Direktansprache personalsuchender Unternehmen bei potenziellen Arbeitnehmern, ist grundsätzlich zulässig. Unzulässig ist dabei hingegen ein sittenwidriges Verhalten, d. h. die Abwerbung mit unlauteren Mitteln wie z. B. unwahren Behauptungen, systematischem Abzug. Zunehmend werden auch Werkverträge (schulden eine definierte Leistung) und Dienstverträge (schulden bestmögliches Bemühen, z. B. als Interims-Manager) durch Externe und Arbeitnehmerüberlassungen genutzt. Aufgrund der demographischen Entwicklung ist absehbar, dass High Potentials, also Nachwuchsführungskräfte, schon bald knapp werden könnten (War for Talents). In einigen Bereichen ist dies bereits derzeit absehbar, z. B. bei Ingenieuren, Naturwissenschaftlern, Informatikern, Technikern (MINT). Diese Lücke kann durch Immigration nicht ausgeglichen werden. Erstens ist der Wanderungssaldo in diesen Berufsfeldern negativ, d. h. High Potentials emigrieren, zweitens kommen vermehrt gering qualifizierte Immigranten ins Land, die zudem suboptimal integriert werden, drittens ist Deutschland als Arbeitsland für qualifizierte Zuwanderer offensichtlich wenig attraktiv und viertens werden für Zuwanderer aus Nicht-EU-Staaten hohe Verwaltungshürden aufgetürmt. Außerdem ist der Andrang auf die attraktiven Arbeitgeber unvermindert hoch, so dass diese Stellen weiterhin knapp sind. Häufig bilden Unternehmen im Rahmen des Talentmanagements einen Pool aus Bewerbern, die zwar interessant, aber im Einzelfall nicht zum Zuge gekommen sind, auf die sie bei Bedarf aktiv zugehen können. Umgekehrt können Interessenten über Initiativbewerbung ihre Daten in solche Pools einpflegen. Für Unternehmen ist es sinnvoll, sich als attraktive Arbeitgeber zu profilieren (Employer Branding). Dies kann durch Teilnahme an Bewerbermessen, Gestaltung von Karriereseiten im Netz, das Angebot von Praktika und Abschlussarbeitsbetreuungen, das Sponsoring von Veranstaltungen und Hochschulen / Lehrstühlen, die Ausschreibung von Wettbewerben und die Platzierung von Werbemitteln erreicht werden.

16.2.3 Bearbeitung eingehender Bewerbungen

Bewerbungen können unaufgefordert als Initiativbewerbung oder aufgefordert eingehen. Die Form kann dabei gedruckt oder online vorsehen, letztere wiede­ rum durch e-Mail (über Kurzprofil im Anschreiben mit Anhang), durch Ausfül-

16. Personal

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len strukturierter Web-Formulare (Templates) oder auf der Homepage der suchenden Unternehmung selbst („Karriere“-Button). Nach Eingang der Unterlagen erfolgt deren grobe formale und inhaltliche Durchsicht. Offensichtlich ungeeignete Bewerbungen werden danach aussortiert und freundlich kommentiert zurückgesandt. Geeignete Bewerbungen werden meist mit der Fachabteilung gemeinsam qualifiziert. Die Bewerber erhalten eine Eingangsbestätigung. Dann erfolgt eine Vorauswahl anhand vorab festgelegter Auswahlrichtlinien. Beachtenswert sind dabei vor allem das Anschreiben, das Bewerberfoto, der Lebenslauf, die Zeugnisse, etwaige Referenzen oder Arbeitsproben. Teilweise werden hier modern anonyme Bewerbungen pilotiert, um unbewussten Diskriminierungen vorzubeugen (z. B. Telekom). Für viele Stellenbesetzungen ist dies jedoch inadäquat. Inakzeptabel sind unkommentierte Ablehnungen von Bewerbungen, Rückmeldungen nur bei Annahme der Bewerbung, fehlende Zwischennachricht bei längerer Bearbeitungszeit, Einschaltung unqualifizierter Bewerbungsbüros etc., wie sie im Internet vorkommen. Der Lebenslauf zeigt die Entwicklung des Bewerbers in Bezug auf persönliche Daten, Schul-/Hochschulausbildung, berufliche Ausbildung / Weiterbildung, berufliche Tätigkeiten und besondere Fähigkeiten und Fertigkeiten auf. Denkbar sind weiterhin Angaben zu außerberuflichen Aktivitäten und privaten Interessen. Viele Unternehmen setzen standardisierte Personalfragebögen ein. Dabei ist zu beachten, dass nur arbeitsrechtlich zulässige Fragen gestellt werden. Unverlangt hat der Bewerber hingegen über absehbare Krankheiten, Schwerbehinderung oder Wettbewerbsverbot zu informieren. Bei Unterlassung ist der Arbeitsvertrag dann nichtig. Schul- und Arbeitszeugnisse sind wichtige Eckpunkte jeder Bewerbung. Arbeitszeugnisse sind jeweils als Zwischenzeugnis, einfaches oder qualifiziertes Zeugnis möglich. Die Inhalte müssen wahr sein und einen wohlwollenden Blickwinkel auf die Person einnehmen. In der Praxis gibt es zahlreiche Formulierungsfeinheiten, die für Nichteingeweihte nur schwer durchschaubar sind. Pflichtinhalte eines abschließenden Zeugnisses sind die Dauer der ausgeübten Tätigkeit, Termin und Grund des Ausscheidens aus der Unternehmung und die Beschreibung der Tätigkeitsinhalte. Zu den Bewerbungsunterlagen, die üblicherweise zu erwarten sind, gehören Anschreiben, Foto, Lebenslauf, Personalfragebogen, Zeugnisse, Referenzen und Arbeitsproben: • Beim Anschreiben geht es um das Aussehen des Anschreibens (Ordnung, Sauberkeit, Übersichtlichkeit etc.), den Inhalt (Grund für die Bewerbung, aus gekündigtem / ungekündigtem Arbeitsverhältnis, Fähigkeiten, Verfügbarkeitstermin etc.) und den Stil (Ausdruck, Satzbau, Satzverbindungen, Wortumfang etc.). • Beim Bewerberfoto sind die Art des Fotos (s-w / farbig), die Herstellung (Fotografen-/Automatenfoto), die Aktualität, die Kleidung und die Äußerlichkeiten

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E. Die Koordinierung der Unternehmung

des Auftretens von Bedeutung. Diese Merkmale werden neuerdings als irrelevant kritisiert. • Der Lebenslauf enthält Vorname, Nachname, Geburtsdatum, Geburtsort, Familienstand, schulische Ausbildung, berufliche Ausbildung, bestandene Prüfungen, berufliche Tätigkeiten, erfolgte Fort- und Weiterbildung etc. Meist ist er tabellarisch zeitlich absteigend angelegt. • Der Personalfragebogen stellt eine vereinheitlichte Erfassung von Personaldaten dar. Die erfassbaren Daten sind dabei nicht frei von rechtlichen Beschränkungen, z. B. in Bezug auf frühere Gehaltshöhe (wenn dies für die neue Stelle ohne Belang ist), chronische Krankheiten, Schwangerschaft (außer bei berechtigtem Interesse), Vermögensverhältnisse, Vorstrafen (außer bei Begründung), Pfändungen, Gewerkschafts-, Partei- oder Religionszugehörigkeiten. • Zeugnisse beziehen sich auf schulische Abschlüsse und Arbeitszeugnisse (Zwischenzeugnis, einfach / qualifiziert). Aus letzteren ergeben sich Dauer und Inhalte der geleisteten Tätigkeiten, Grund und Termin des Ausscheidens, Leistung und Führung anhand wohlwollender Formulierungen. • Referenzen können beiliegen oder nachgewiesen werden. Arbeitsproben bieten sich vor allem bei handwerklichen oder kreativen Arbeiten an. Wichtig ist dabei die Vollständigkeit bzw. Lückenlosigkeit der Unterlagen. Daraus ergibt sich eine erste Klassifizierung der Bewerbung. Abgelehnte Bewerber erhalten ihre Unterlagen mit einem Motivationsschreiben versehen zurück. Interessante Bewerber werden weiter behandelt. Dabei geht es um den Abgleich des Leistungsprofils mit dem Anforderungsprofil der Stelle, wie es sich in der Stellenbeschreibung findet. Die wesentlichen Inhalte der Stellenbeschreibung, für die Bewerber gesucht werden, sind dabei folgende: • Stellenbezeichnung, • Stelleneinordnung in der Organisationsstruktur, • Gehaltsbereich, meist nach Vergütungsklassen / Tarifstufen eingeteilt, • Fachliche Weisungen von ..., meist direkter oder indirekter Vorgesetzter, • Fachliche Weisungen an ..., meist direkte oder indirekte Unterstellte, • Stellvertretung aktiv, d. h. Stellvertretung wird übernommen für ..., • Stellvertretung passiv, d. h. Stellvertretung wird übernommen von ..., • direkter Vorgesetzter, • unterstellte Mitarbeitende, meist identisch mit „Fachliche Anweisungen an ...“, • formale Kompetenzen, z. B. durch erteilte Vollmachten, • Berichtspflicht an ..., meist identisch mit direktem Vorgesetzten,

16. Personal

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• Berichtsrecht von ..., meist identisch mit direkt unterstellten Mitarbeitenden, • Zusammenarbeit mit folgenden Stellen, d. h. Schnittstellen in der Unternehmung, • Beschreibung der Tätigkeit, • Arbeitsmittel, die von der Unternehmung zur Aufgabenerfüllung gestellt werden, • Richtlinien / Vorschriften, z. B. Betriebsvereinbarungen, • erforderliche Kenntnisse, Fertigkeiten, Erfahrungen, • Schlüsselqualifikationen, d. h. Fach-, Methoden, Sozial- und Individualkompetenzen, • Leistungsstandards, hier zur Bewertung der Aufgabenerfüllung. Wichtig ist, Mitarbeitende zu finden, die in ihrem Leistungsprofil dem Anforderungsprofil der Stelle möglichst gut entsprechen. Wenn sie mehr können als dieses fordert, ist zur prüfen, ob eine Überqualifizierung vorliegt, wenn sie weniger können, ist zu prüfen, ob durch Schulung (Wissen) oder Training (Verhalten) nachgebessert werden kann. Keinesfalls sollte die Stelle auf einen Bewerber maßgeschneidert werden.

16.3 Bewerberauswahlverfahren Die Bewerberauswahl erfolgt durch verschiedene Verfahren (siehe Abb. E2). Persönliche Verfahren zur Auswahl sind vor allem folgende: • Das Vorstellungsgespräch vollzieht sich im Einzel- oder Gruppengespräch, durch die Fach- oder Personalabteilung, jeweils einzeln nacheinander oder parallel. Das Gespräch kann unstrukturiert (frei), teilstrukturiert anhand eines Leitfadens oder standardisiert anhand von Checklistkriterien erfolgen. Der übliche Ablauf sieht eine informelle Begrüßung, eine Orientierung über die persönliche Situation des Bewerbers, schulische und berufliche Entwicklungen, Informationen über die Unternehmung, Vertragseckpunkte und die informelle Verabschiedung vor. Dabei können auch offene Fragen aus den Unterlagen geklärt werden, ebenso wie interessierende Sachverhalte, die in schriftlichen Unterlagen möglicherweise nur ungern dargelegt werden wie Kündigungsgrund, Gehaltsvorstellung, Verfügbarkeitstermin etc. • Das Assessment Center ist ein systematisches Gruppenverfahren, vor allem zur Feststellung des berufsrelevanten Verhaltens. Instrumente sind dabei Postkorb / e-Mail-Übung zur Methodennutzung unter Zeitdruck, Gruppendiskus­ sion, Rollenspiel, Gruppenprojektarbeit, jeweils zur Prüfung des Sozialverhaltens, Präsentation, Interview zur Prüfung des Individualverhaltens etc. Diese

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E. Die Koordinierung der Unternehmung

Abbildung E2: Optionen der Bewerberauswahlverfahren (eig. Abb.)

Übungen werden von zukünftigen Mitarbeitenden oder Beauftragten beobachtet und ausgewertet. • Das Telefoninterview dient zur Klärung ausgewählter Aspekte in der Vorbereitung weitergehender Auswahlprozesse, z. B. in Bezug auf Rückfragen zu den Bewerbungsunterlagen, ungeklärte Gehaltsvorstellungen. Außerdem ist es Teil der Filterung für weitere Auswahlmethoden. Häufig wird dabei auf Bildtelefonie / Skype zurückgegriffen, um sich ein erster persönliches Bild zu verschaffen. Persönliche Verfahren erlauben eine umfassende Beurteilung des Bewerberprofils, daraus ist ein Abgleich mit den Vorstellungen der Unternehmung im Dialog möglich. Der Ablauf kann stark strukturiert, leitfadengestützt oder frei erfolgen, es sind auch Mehrfachinterviews bzw. Gespräche mit mehreren Interviewern möglich. Zumeist sind Vertreter sowohl der Personal- als auch der Fachabteilung zugegen. Häufig ist eine Rollenverteilung der Gesprächspartner anzutreffen (Good Guy / Bad Guy). Je höher der Standardisierungsgrad, desto vergleichbarer sind verschiedene Interviews miteinander und desto besser ist sichergestellt, dass keine relevanten Informationen vergessen werden. Desto weniger kann allerdings auch auf die Individualität der Person des Bewerbers eingegangen werden. Persönliche Auswahlverfahren unterliegen zahlreichen Beurteilungsverzerrungen wie: • selektive Wahrnehmung, Stereotype / Vorurteile, Statusfehler, eigene Werthaltungen, Egoismen, Sympathie / A ntipathie, Primacy-Effekt (erster Eindruck), Halo-Effekt (Überstrahlung), Reihenfolgeeffekt, situative Faktoren / Umgebungseinflüsse, unklare Auswahlkriterien, fehlende Schulung / Erfahrung des Beurteiler. Unpersönliche Verfahren zur Auswahl sind folgende: • Die Auswertung graphologischer Gutachten in Bezug auf Persönlichkeitsmerkmale, dies bedarf allerdings der Zustimmung des Bewerbers.

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• Die ärztliche Eignungsuntersuchung in Bezug auf den (meist physischen) Tauglichkeitsgrad, etwa auch im öffentlichen Dienst. Ein Eignungstest ist nur mit Zustimmung des Bewerbers zulässig. • Ein Persönlichkeitstest sucht die relevante psychologische Disposition des Bewerbers zu eruieren. Entsprechende Tests müssen engen Bezug zu der zu besetzenden Position haben, um aussagefähig zu sein. • Ein Fähigkeitstest hebt auf die individuelle Belastbarkeit, Konzentration, spezielle Leistungsmerkmale, Begabungen oder Intelligenz eines Bewerbers ab. Entsprechende Tests müssen engen Bezug zu der zu besetzenden Position haben, um aussagefähig zu sein. • Der Biographische Fragebogen dient der Feststellung von berufsrelevanten Prädispositionen und Verhaltensmustern (z. B. schulischer / beruflicher Werdegang, markante Lebens- und Arbeitserlebnisse, Stellenwert der Arbeit etc.). • Der Rorschach-Test besteht aus zehn Kleckstafeln, die verschwommene Reize (Farben, unscharfe Bilder, Figuren) zeigen, die der Bewerber interpretieren soll. Dadurch soll die Persönlichkeitsstruktur des Bewerbers erfasst werden. • Beim Thematischer Apperzeptions-Test (TAT) werden mehrdeutige Bilder aus Alltagssituationen gezeigt, die der Bewerber interpretieren soll. Daraus soll auf die Persönlichkeit des Bewerbers und seine Umweltbeziehungen geschlossen werden. • Der Picture Frustration-Test (PFT) besteht aus 24 Zeichnungen von Zweiergruppen, wobei die eine Person in Sprechblasen der anderen Vorwürfe macht oder Entschuldigungen vorbringt. Der Bewerber soll die leere Sprechblase der jeweils anderen Person ausfüllen. Der Test soll Aufschlüsse über die Belastbarkeit des Bewerbers bei emotionalem Stress liefern. • Der MMPI-Test (Minnesota Multiphasic Personality Inventory) ist ein Fragebogentest mit 550 Statements, die mit „stimmt“, „stimmt nicht“ oder „weiß nicht“ beantwortet werden können. Dabei sollen zehn potenzielle Persönlichkeitsmängel bei Bewerbern gemessen werden. In abgewandelter Form wird er als Freiburger Persönlichkeits-Inventar (FPI) eingesetzt. • Der 16 PF-Test (Personality Factors) setzt sich aus Fragebogen mit Aussagen zusammen, denen der Bewerber zustimmen, bei denen er sich unsicher ist oder die er ablehnen kann. Dadurch sollen die für die Berufstätigkeit des Bewerbers wichtigen Charaktereigenschaften erfasst werden. Je Faktor gibt es ca. zehn Fragen. In ähnlicher Weise erfolgt der Maidsby Personality Inventory (MPI)-Test. • Im Wartegg-Test wird ein Arbeitsblatt mit acht quadratischen Feldern mit jeweiligen Anfangszeichen zu einer Zeichnung ergänzt. Dadurch soll der Persönlichkeitstyp des Bewerbers erkennbar werden. • Beim EPPS-Test (Edward Personal Preference Schedule) sind 225 Fragen mit Antwortmöglichkeiten vorgesehen, von denen jeweils eine auszuwählen ist.

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E. Die Koordinierung der Unternehmung

Gemessen werden soll dadurch die Bedürfnisstruktur des Bewerbers anhand von 15 Merkmalen. Auch unpersönliche Auswahlverfahren unterliegen zahlreichen Auswertungsverzerrungen wie: • fehlende Objektivität als interpersonelle Unabhängigkeit, mangelnde Reliabilität als Replizierbarkeit der Ergebnisse, fehlende Validität als Aussagefähigkeit der Ergebnisse, fragliche Effizienz als Wirtschaftlichkeit der Verfahren, mangelnde soziale Akzeptanz als Gefahr von Sozialtechniken. Der Betriebsrat hat ein Mitbestimmungsrecht bei personellen Einzelmaßnahmen, hierbei kann er seine Zustimmung verweigern, sowie bei vorläufigen personellen Maßnahmen unter dem Aspekt der Dringlichkeit. Innerhalb eines Einstellungsgesprächs sind alle Fragen zulässig, die objektiv mit der zu besetzenden Stelle in Zusammenhang stehen. Zulässige Fragen müssen dabei wahrheitsgemäß beantwortet werden. Bewusste Falschaussagen stellen eine arglistige Täuschung dar und ermöglichen die Anfechtung eines späteren Arbeitsvertrags. Unerlaubte Fragen brauchen hingegen nicht oder nicht wahrheitsgemäß beantwortet zu werden. Zulässig sind Fragen nach dem beruflichen Werdegang eines Bewerbers und einer evtl. Schwerbehinderung. Für den Fall eines Wettbewerbsverbots besteht eine Offenbarungspflicht des Bewerbers, d. h., der Bewerber muss von sich aus auf diesen Sachverhalt hinweisen. Die Frage nach chronischen Krankheiten ist nur insofern zulässig, als diese von Bedeutung für die Unternehmung, die übrigen Arbeitnehmer und die geschuldete Arbeitsleistung selbst ist. Die Frage nach einer Schwangerschaft ist nur bei unverzichtbaren Einstellungsvoraussetzungen zulässig, etwa für Sportlehrerinnen, Stewardessen, Models, oder bei einem anderweitigen Beschäftigungsverbot (körperliche Beanspruchung etc.). Sie ist unzulässig, sofern sich sowohl Männer als auch Frauen auf eine Stelle bewerben. Die Frage nach Heiratsabsichten ist in jedem Fall unzulässig. Fragen nach der bisherigen Einkommenshöhe sind zulässig, wenn daraus Rückschlüsse auf die Eignung eines Bewerbers möglich sind und damit Einfluss auf die zukünftige Vergütung besteht. Die Frage nach den Vermögensverhältnissen ist nur zulässig, sofern die Stelle eine besondere Vertrauensposition bedeutet (z. B. Geldfahrer). Pfändungen sind nur anzugeben, wenn sie gegenwärtig bestehen, nicht wenn sie früher bestanden haben. Die Frage nach Vorstrafen ist zulässig, sofern sie für die Stelle von Bedeutung ist (z. B. Verkehrsdelikte für Fernfahrer). Auskunft über eine Gewerkschaftszugehörigkeit ist erst nach Abschluss eines Dienstvertrags wegen einer bestehenden Tarifbindung oder des betrieblichen Beitragseinzugs zur Gewerkschaftskasse zulässig. Ein Auskunftsverlangen über eine Religionszugehörigkeit ist nur bei konfessionell gebundenen Einrichtungen zulässig, ebenso wie über eine Parteizugehörigkeit nur bei parteipolitisch gebundenen Einrichtungen.

16. Personal

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16.4 Personalbeurteilung Personalbeurteilungen sollen • eine Verbesserung des Personaleinsatzes herbeiführen, • zu einer Objektivierung der Personalentwicklung beitragen, • die Kommunikation zwischen Mitarbeitenden und jeweilig Vorgesetztem verbessern, • die Leistungs- und Entwicklungssituation der Beschäftigten klären, • Verbesserungspotenziale bei Mitarbeitenden identifizieren, • Bedarfe für dezidierte Schulungs- und Trainingsmaßnahmen festlegen, • die Motivation steigern und die Entgeltgestaltung differenzieren. Die Beurteilung kann sich im Eizelnen auf die Mitarbeitereigenschaften (Potenzial), das Mitarbeiterverhalten (Prozess) oder die Arbeitsergebnisse beziehen. Potenzialanalysen sollen vor allem Entwicklungsmöglichkeiten offenlegen. Dies spielt etwa bei Beförderung und Entgeltbestimmung eine große Rolle. Für die Beurteilung stehen objektive und subjektive Informationsquellen zur Verfügung. Erstere sind einer quantifizierbaren Messung zugänglich, letztere beruhen auf individuellen Einschätzungen. Dabei kann es sich um die Einschätzung des Vorgesetzen handeln, was allerdings vielfältig anfällig für Verzerrungen ist oder um die Einschätzung mehrerer Quellen im 360 °-Feedback. Dieses beinhaltet vier Perspektiven: • Erstens die Selbstbeurteilung des Mitarbeitenden. Diese schafft eine Informations- und Vergleichsgrundlage für die weitere Bewertung. • Zweitens die Beurteilung durch die unmittelbaren Kollegen. Hier geht es um Eigenschaften wie Teamverhalten, Eigeninitiative, Verantwortungsübernahme, Hilfsbereitschaft etc. • Drittens die Beurteilung durch Mitarbeitende anderer Abteilungen oder Außen­ stehende, zu denen der Mitarbeitende häufigen Kontakt hat. • Viertens die Beurteilung durch den nächsthöheren Vorgesetzten. Dies entspricht dem herkömmlichen Beurteilungsprinzip. Dadurch soll eine Diversität der Beurteilung gegenüber der einseitigen Vorgesetztenbeurteilung erreicht werden, die weitgehend frei von Beurteilungsfehlern bleibt. Je Gruppe werden wiederum mehrere Urteile eingeholt, um das Ergebnis auf eine möglichst breite Basis zu stellen. Der Ansatz ist sicherlich lobenswert, involviert in der Praxis jedoch einen großen Administrationsaufwand. Zumal wenn man bedenkt, dass Beurteilungen reihum immer wieder für andere Mitarbeitende eingeholt werden müssen. Gerade bei Klein- und Mittelunternehmen führt dies dazu, dass die Anforderungen immer wieder auf die gleichen Personen zulaufen.

E. Die Koordinierung der Unternehmung

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Das Ergebnis der Beurteilung sind Einstufungen (absolut), Rangordnungen (relativ) oder Vorgabenvergleiche (Ziel-Ist). Insofern handelt es sich um eine Personaldiagnostik. Als Kriterien kommen dafür etwa Fachkompetenz, Arbeitserfolg, Arbeitsweise, Motivation, Belastbarkeit, Verhalten in der Organisation in Betracht. Diese bestimmen die Verwendung der Mitarbeitenden in der Organisation. 16.5 Personaleinsatz 16.5.1 Arbeitszeitgestaltung

Neben der starren Arbeitszeit sind vor allem flexible Formen der Arbeitszeitgestaltung anzutreffen (siehe Abb. E3). Die Gleitarbeitszeit erfolgt mit einer Kernarbeitszeit (= Pflichtanwesenheitszeit) und frei gewähltem Beginn und Ende ­eines jeden Arbeitstages innerhalb der Rahmenarbeitszeit. Die Zeiten dazwischen machen die Gleitzeit aus und ermöglichen den Mitarbeitenden eine in diesem Rahmen flexible Arbeitszeitgestaltung. Dabei ist zu klären, wie Arbeitszeitüber- und -unterdeckungen über einen Zeitraum hinweg ausgeglichen werden, da die Wochenarbeitszeit einzuhalten ist. Denkbar sind die volle Übertragbarkeit, aber auch nur eine beschränkte Übertragbarkeit. Dazu werden Kurzzeit- oder Langzeitarbeitskonten unterhalten, denkbar sind auch Ampelsysteme. Weiterhin sind versetzte Kernarbeitszeiten möglich, um die Erreichbarkeit am Arbeitsplatz zu erhöhen (siehe Abb. E4).

Quelle: inqa.gawo-ev.de/cms/uploads/images/bilder-05/Bild3.png

Abbildung E3: Flexible Formen der Arbeitszeitgestaltung

16. Personal

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Quelle: teialehrbuch.de/Kostenlose-Kurse/Personalmangement/images/001.jpg

Abbildung E4: Muster für Gleitarbeitszeit

Gesetzliche Regelungen bestehen für Ruhepausen, erstmals nach sechs Stunden mind. 30 Min., Ruhezeiten mit mind. elf Stunden Abstand zwischen Arbeitsende und -beginn sowie Nachtarbeit und Sonn-/Feiertagsarbeit. Die Gleitzeit wird zumeist an einem Arbeitstag orientiert. Denkbar ist aber auch eine Orientierung an der Arbeitswoche. Dann werden Kernarbeitstage definiert, an denen Anwesenheitspflicht besteht, sowie Gleitarbeitstage, an denen Überstundenkontingente abgebaut werden können. Teilweise kann eine Mindestpräsenzzeit vorgesehen werden. Bei der Jahresarbeitszeit wird eine Regelarbeitszeit vereinbart, die jedoch innerhalb eines Jahres variiert werden kann. Wie die Jahresarbeitszeit sich auf Wochen oder Monate aufteilt, können Mitarbeitender und Unternehmung dabei frei vereinbaren. Dies bietet sich bei Saisonarbeiten an. Dazu wird ein Arbeitszeitkonto geführt. Bei der vollvariablen Arbeitszeit werden keine Kernzeiten mehr vereinbart. Vielmehr bestimmt der Arbeitnehmer in eigener Verantwortung, welche Zeiten er durch Anwesenheit am Arbeitsplatz verbringen will. Dabei werden mehr oder minder große Teile der Aufgabenerfüllung von zuhause aus oder auch von unterwegs (z. B. Geschäftsreisen) übernommen. Bei der Vertrauensarbeitszeit wird auf eine Erfassung der Anwesenheitszeiten verzichtet. Die Mitarbeitenden bestimmen autonom, wie sie ihre Arbeit zeitlich einteilen. Die Steuerung erfolgt anhand von Zielvereinbarungen. Dies setzt jedoch ein hohes Maß an Pflichtbewusstsein und Eigeninitiative der Mitarbeitenden voraus. Bei der Schichtarbeit gibt es vorbestimmte Zeiten für Arbeitsbeginn und -ende, jedoch wechseln diese Zeiten im Rhythmus. Im Zweischicht-Betrieb gibt es die Früh- und die Spätschicht (meist 6.00 – 14.00 Uhr und 14.00 – 22.00 Uhr), im

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E. Die Koordinierung der Unternehmung

Drei-Schicht-Betrieb die Früh-, Spät- und Nachtschicht. Denkbar sind auch vier Schichten pro Tag, Schichten mit unterschiedlicher Länge, Schichten im Wechsel pro Woche oder Monat, Schichten über Wochenenden und Feiertage etc. Schichtarbeit ist generell gesundheitlich fragwürdig. Bei der normalen Teilzeitarbeit arbeiten Mitarbeitende dauerhaft kürzer als Vollzeitbeschäftigte. Die Teilzeit kann täglich, wöchentlich, monatlich oder jährlich verteilt sein. Sie wird dann als Blockteilzeit bezeichnet. Teilzeit erlaubt vor allem eine, ansonsten hierzulande bedauerlicherweise problematische, Vereinbarkeit von Beruf und Familie. Bei der Abrufteilzeit (KAPOVAZ) werden Beginn, Ende und Dauer der Arbeit von der Unternehmung je nach Bedarf festgelegt. Mitarbeitende müssen darüber mindestens vier Tage im Voraus informiert werden, die tägliche Arbeitszeit muss mindestens drei Stunden, wöchentlich mindestens zehn Stunden betragen. Dadurch soll eine ansonsten unzumutbare ständige Bereitschaft bei Arbeitskräften verhindert werden. Die Abrufteilzeit ist im Einzelhandel häufig anzutreffen. Beim Job Sharing teilen sich zwei oder mehr Mitarbeitende eine Vollzeitstelle. Die Leistung wird dabei aber nicht von einem Team erbracht, sondern von jedem einzelnen Mitarbeitenden allein, so dass hier kaum Flexibilisierungsvorteile entstehen. Beim Job Splitting werden die Aufgaben aufgeteilt, beim Job Pairing werden sie von zwei oder mehr Mitarbeitenden gemeinsam wechselweise erledigt. Bei Lebensarbeitszeitmodellen werden Langzeitkonten geführt, die erst im Verlauf eines Berufslebens ausgeglichen werden müssen. Denkbar ist auch die Entgeltung von Zeitguthaben in Zeitwertmodellen. Problematisch ist das Modell allerdings bei Entlassung, Kündigung, Insolvenz des Arbeitgebers, Kurzarbeit etc. Insofern ist es zumindest derzeit wenig praxistauglich. Weitere Möglichkeiten bestehen durch flexible Ruhestandsmodelle, also Frühverrentung, vorgezogenen Ruhestand o. Ä. Dadurch sollen insbesondere Arbeitsplätze für jüngere Personen von älteren frei gemacht werden. Allerdings wird angesichts der Alterspyramide und der längeren Lebenszeit berechtigterweise auch eine Hinausschiebung des Ruhestands diskutiert. Häufig diskutiert, wenngleich praktisch von geringer Bedeutung, ist der temporäre Ausstieg aus dem Berufsleben (Sabbatical) mit der Option des Wiedereinstiegs in einer vergleichbaren Position. Dabei können Unternehmen, da freiwillig, bestimmte Voraussetzungen definieren (z. B. in Bezug auf Fristen). Aus gesetzlichem Grund ist eine Phase der Elternzeit möglich. Dabei steigt ein Partner für eine definierte Zeit aus dem Beruf aus, um sich um die Erziehung seiner Kinder zu kümmern, und kann in gleichwertiger Position wieder einsteigen. Ähnliches gilt für die Pflege von Angehörigen (sechs Monate) (siehe Abb. E5).

16. Personal

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Abbildung E5: Flexibler zeitlicher und räumlicher Personaleinsatz (eig. Abb.)

16.5.2 Arbeitsortgestaltung

Der Arbeitsort innerhalb der Unternehmung kann ein Einzel- oder Gruppenarbeitsplatz sein und ist dort gleichbleibend oder wechselnd verankert. Die Gestaltung des Arbeitsplatzes kann ergonomisch zur Anpassung der Arbeitsbedingungen an den Arbeitenden, physiologisch gemäß Umgebungseinflüssen durch die Arbeit, psychologisch gemäß Umgebungsbeeinflussung auf die Arbeit, aber auch sicherheitsbezogen erfolgen. Zunehmend sind auch Heim- und Telearbeitsplätze verbreitet. Denkbar ist weiterhin eine Entsendung als befristete Versetzung des Mitarbeitenden ins Ausland als Expatriate. Durch technischen Fortschritt ist es heute zunehmend nicht mehr erforderlich, seine Arbeit an einem zentralen Arbeitsort zu erfüllen, sondern die Leistung wird mehr oder minder ortsunabhängig erbracht (flexible Arbeitsortsregelung). Verbunden damit sind zumeist Modelle flexibler Arbeitszeitgestaltung. Wichtige Formen sind folgende: • Bei Desksharing-Konzepten haben Mitarbeitende keinen festen Arbeitsplatz, sondern wechseln diesen mit den gerade anstehenden Aufgaben. • Bei Teleworking werden mehr oder minder große Teile der Arbeit nicht am Arbeitsplatz, sondern zuhause erledigt (Home Office). • Bei Satelliten-Konzepten werden zusätzlich zum Unternehmensstandort weitere Arbeitsstandorte an verkehrsgünstig gelegenen Orten oder in der Nähe des

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E. Die Koordinierung der Unternehmung

Wohnortes der Mitarbeitenden als Arbeitsräume bereitgestellt, die eine effi­ ziente „Logistik“ erlauben. • Bei Onsite-Konzepten werden Arbeitsplätze an den Ort von Transaktionspartnern (Kunden, Lieferanten etc.) verlegt (Insourcing). 16.5.3 Personalservice

Zum Personalservice, auch Personal-/Mitarbeiterbetreuung, gehören im Allgemeinen folgende Leistungsbereiche: • Die betriebliche Altersversorgung entsteht durch freiwillige Ruhegeldverpflichtungen der Unternehmung gegenüber ihren Mitarbeitenden. Die Einzahlungen können auch in Pensionskassen (VVaG) oder Unterstützungskassen erfolgen. • Die Betriebskrankenkasse dient der freiwilligen Unterstützung der Mitarbeitenden im Krankheitsfall. • Maßnahmen zur Arbeitssicherheit und zum Unfallschutz sind verbindlich und ergeben sich aus Arbeitssicherheitsgesetz, Arbeitsstättenverordnung, Arbeitszeitgesetz, Gewerbeordnung etc., aber auch Jugendarbeitsschutzgesetz, Mutterschutzgesetz, Schwerbehindertengesetz etc. • Der medizinische Dienst stellt eine freiwillige Krankenversorgung der Mitarbeitenden dar. • Die Zurverfügungstellung von Werkswohnungen war zumindest früher weit verbreitet. • Die Mitarbeiterverpflegung kann durch Automaten oder in Kantinen gewährleistet werden. • Viele Unternehmen bieten auch Freizeit- und Kultureinrichtungen für ihre Mitarbeitenden an. • Betriebsveranstaltungen wie Betriebsfeste, Betriebsausflüge, Jubilarfeiern, Weihnachtsfeiern etc. dienen der Förderung des Betriebsklimas. Der Personalservice ist vor allem in Großunternehmen ausgeprägt. Dort wird die Beratung und Begleitung meist durch Personal-Service-Center geleistet. Ein weiterer Aufgabenbereich des Personalservices ist die Administration. Sie deckt die routinisierten Tätigkeiten im Rahmen des Personalwesens ab. Dazu gehören die Lohn- und Gehaltsabrechnung und die Führung der Personalstammdaten. Arbeitsmittel der Personalverwaltung sind vor allem • die Personalakte. Sie enthält die personenbezogenen Unterlagen jedes Mitarbeitenden, vertragliche Vereinbarungen, Dokumente zur Tätigkeit, zur Höhe der Bezüge und zur Abwesenheit. Der Arbeitnehmer kann die Personalakte

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einsehen, Erklärungen zu ihrem Inhalt einfordern sowie seinerseits abgeben und hat das Recht, nachweislich unrichtige Angaben entfernen zu lassen, • die Personaldatei. Sie enthält die Stammdaten jedes Arbeitnehmers sowie mitarbeiterbezogene Aufstellungen über spezielle Aspekte wie Fluktuation, Fehlzeiten, Ausbildungsstand, Beurteilung, Sozialleistungen etc., • das Personalhandbuch. Dieses enthält allgemeine Angaben zu Richtlinien der Personalarbeit, deren Handlungsspielraum, Arbeitsanweisungen, Entscheidungsgrundlagen und Organisationskultur, • die Personalstatistik. Sie greift auf unternehmensinterne und -externe Quellen zu. Auswertungen, die meist auf Kennzahlen bezogen sind, betreffen u. a. Personalstruktur, Personalbewegungen, Personalkosten, Arbeitszeiten, • das Personalinformationssystem. Dieses besteht aus IT-Datenbanken zu Personal, Arbeitsplatz, Methoden und Unternehmung und dient nach Form und Inhalt der Entscheidungsunterstützung. 16.6 Personalentlohnung 16.6.1 Monetäres Entgelt

Die Entlohnung der geleisteten Arbeit kann arbeitgeberseitig durch monetäre, materielle oder ideelle Gegenleistungen erfolgen (siehe Abb. E6). Monetär handelt es sich um die Lohn-/Gehaltsbasis sowie Lohn-/Gehaltszusatzleistungen in Geldform, letztere sind gesetzlich vorgeschrieben oder werden auf freiwilliger Basis von der Unternehmung angeboten. Das Entgelt kann auf Einzel- oder Gruppenbasis erfolgen. Gezahlt wird das Bruttoentgelt plus Nebenabgaben, zur Auszahlung kommt das Nettoentgelt abzgl. Steuern (ggf. Kirchensteuer) und Arbeitnehmeranteil an den Sozialversicherungen sowie Solidaritätszuschlag. Das Entgelt ergibt sich aus dem Tarifvertrag oder durch höhere, außertarifliche Be-

Abbildung E6: Komponenten des Entgelts (eig. Abb.)

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E. Die Koordinierung der Unternehmung

zahlung im Arbeitsvertrag. Eine Untergrenze ist gesetzlich unter Ausnehmung des Grundgesetzes durch Mindestlohn eingezogen (8,84 € / Std.). Als Basis dienen dabei Gesetze (BetrVG, AGG, TVG etc.), Tarifverträge (Manteltarif und Lohn-/ Gehaltstarif), betriebsgenerelle Vereinbarungen und personenindividuelle Arbeitsverträge. Bei den Personalzusatzkosten handelt es sich um den gesetzlichen Arbeitgeberanteil an den Sozialversicherungen (ca. 50 %), also die Krankenversicherung für Privatunfall, Krankheitskosten, Entbindung, Gesundheitsvorsorge etc., die Pflegeversicherung für häusliche oder stationäre Pflege, die Rentenversicherung für Versicherte und Hinterbliebene, die Arbeitslosenversicherung für Arbeitslosengeld I / II sowie die Unfallversicherung bei Arbeitsunfall (diese wird allein vom Arbeitgeber getragen). Hinzu kommen freiwillige Personalbetreuungskosten wie Betriebsrentenzusagen, Pensionskassenbeiträge (VVaG) und Direktversicherungen (niedrige Pauschalbesteuerung) sowie Betriebskrankenkassenbeiträge. Für den Arbeitnehmer werden noch Solidaritätszuschlag und ggf. Kirchensteuer zentral abgeführt. Ein Entgelt ist auch ohne Gegenleistung zu zahlen bei Arbeitsunfähigkeit nach Vorlage eines ärztlichen Attests, bei Kur / Heilbehandlung, im Urlaub, an gesetzlichen Feiertagen, bei persönlicher Verhinderung wie Hochzeit, Sterbefall, Behördengang, Prüfung etc., bei fehlender Leistungsabforderung durch den Arbeitgeber und objektiver Unmöglichkeit der Leistungserbringung wie bei Aussperrung. Beim Mitarbeiterentgelt kann es sich um Zeitlohn für die Potenzialbereitstellung der Arbeitskraft oder Akkordlohn für die tatsächliche Leistungserbringung handeln. Häufig sind auch Kombinationen aus einem fixen Sockelbetrag und ­einem variablen Aufbaubetrag vorzufinden. Die Leistungsabhängigkeit setzt die Akkordfähigkeit der Arbeit durch repetitive Tätigkeit, ihre Akkordreife durch prozessuale Standardisierung und die Beeinflussbarkeit der Leistungsmengen durch den Arbeitnehmer voraus. Der Geldakkord (auch Stückakkord genannt) berechnet je Leistungsmengeneinheit einen festen Akkordsatz, der Zeitakkord berechnet diesen Akkordsatz über Vorgabezeit und Minutenfaktor, letzteres ermöglicht eine einfachere Abänderung. Die Vorgabezeit ergibt sich im Einzelnen aus Rüst-, Grund-, Erholungs- und Verteilzeiten. Der Minutenfaktor ergibt sich dabei infolge qualifizierter Zeitschätzung, Zeitaufnahme nach REFA-Verfahren oder Multimomentaufnahme aus statistischen Stichproben. Die Auslegung kann als Einzel- oder Gruppenakkord erfolgen. Neben der kontinuierlichen Entlohnung ist auch eine punktuelle Entlohnung in Form von Prämien möglich. Für die Berechnung ist der Prämienverlauf festzulegen. Dieser kann linear, also parallel zur Bezugsgröße, überlinear also stärker steigend als die Bezugsgröße, unterlinear, also geringer steigend als die Bezugsgröße oder s-förmig, also zunächst unter- dann überlinear, verlaufen. Die Auslegung kann als Einzel- oder Gruppenprämie erfolgen.

16. Personal

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Bei Lohn-/Gehaltszusatzleistungen handelt es sich um Überstunden-, Leistungs- oder Funktionszuschläge sowie um Erschwerniszulagen, etwa wegen Gefahr, Schmutz, Lärm etc., um Arbeitszeitzuschläge, etwa sonntags, feiertags, nachts etc. und um Sozialzuschläge. Anlassbezogen können Gratifikationen wie Weihnachtsgeld, Jubiläumsgeld etc. hinzu kommen, auf die gesetzlich i. d. R. kein Anspruch besteht. Nachschüssig können auch Boni als Erfolgsbeteiligung ausgezahlt werden, dabei ist allerdings die Bezugsbasis zu klären. Die Auszahlung kann nach Köpfen, nach Leistungs- oder nach Bedürftigkeitsprinzip erfolgen. Sonderfälle sind Arbeitsnehmererfindungsentgelte und Verbesserungsvorschlagsprämien. 16.6.2 Materielles und ideelles Entgelt

Materielle Entlohnungsbestandteile betreffen nicht-monetäre Elemente der Gegenleistung. Dabei handelt es sich etwa um Betriebsarztversorgung, Bereitstellung einer Werkswohnung, Verpflegungskostenzuschuss, Freizeitangebot, Veranstaltungsangebot, Nutzung eines Firmenfahrzeugs etc. Hier werden Pauschalen vom Entgelt abgesetzt. Bei der Setzung von Anreizen ergibt sich für gewöhnlich als Problem, dass ein und derselbe Anreiz auf verschiedene Mitarbeitende ganz unterschiedlich motivierend wirkt bzw. jeder Mitarbeitende durch einen anderen Anreiz optimal motiviert wird. Daher geht das Cafeteria-System so vor, dass den Mitarbeitenden verschiedene Anreize zur Wahl gestellt werden, unter denen sich jeder berechtigte Mitarbeitende jeweils denjenigen Anreiz auswählen kann, der ihm individuell am attraktivsten erscheint, ihn also mutmaßlich maximal motiviert. Diese Anreize können sich nur auf freiwillige Leistungen der Unternehmung beziehen, nicht auf gesetzlich oder tariflich festgelegte, und jeder Mitarbeiter kann diese nur im Anteil seiner Berechtigung in Anspruch nehmen. Allerdings kann wechselnden Motivationen auf diese Weise durch vielfältige Anreize entsprochen werden. Denkbare Ausformungen dieser Anreize sind etwa folgende: • betriebliche Altersversorgung, Berufsunfähigkeitsvorsorge, Hinterbliebenenversorgung, Erhöhung der Unfallversicherung, Lebensversicherung (verrentet oder als Einmalzahlung), Direktversicherung (mit pauschalierter, niedriger Besteuerung), vermögenswirksame Leistungen, Fort- und Weiterbildungsangebot, Freizeitangebot wie Sport, Spiel, Unterhaltung etc., Zurverfügungstellung von Werkswohnungen / Boarding Houses, Angebot zur Kinderbetreuung, Angebot zur Unterstützung älterer Mitarbeiter, Beratungs- und Betreuungsangebot (z. B. Steuerberatung, Gesundheits-Check), Concierge-Dienste (Besorgungen), Firmenwagen (mit Pauschalversteuerung), Deputate zu vergünstigten Preisen / Mitarbeiterrabatte, Firmendarlehen zu vergünstigten Konditionen, kostenlose Vorsorgeuntersuchung, Grippeschutzimpfung, Wellness-Programm etc.

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E. Die Koordinierung der Unternehmung

Ideelle Entlohnungsbestandteile betreffen immaterielle Leistungen als Ernennungen wie z. B. Clubmitgliedschaft, als Auszeichnungen wie z. B. Mitarbeiter des Monats und als Anerkennungen wie z. B. Bürogröße, -lage. Ideelle Elemente haben gegenüber monetär-materiellen meist eine höhere und dauerhaftere Wirkung, da sie weniger Abnutzungseffekte (Wear out) aufweisen, zumal erstere der Besteuerung unterliegen und daher einen geringeren Nettoentgelteffekt haben. 16.7 Entgeltbasis 16.7.1 Zeitlohn

Die Entgeltbasis kann aus Zeitlohn, Leistungslohn oder Erfolgslohn bestehen (siehe Abb. E7). Der Zeitlohn ist eine feste Vergütung für eine bestimmte Zeiteinheit. Meist handelt es sich dabei um eine Zeitstunde als Stundenlohn. Denkbar sind aber auch der Arbeitstag, die Schichtzeit, der Wochenablauf, der Monat oder ein ganzes Jahr. Die Zeit dient dabei als Bewertungsmaßstab der erbrachten Leistung. Die Höhe des Arbeitslohns ergibt sich aus der Bewertung der Arbeit je Zeiteinheit. Diese Lohnhöhe gilt unabhängig von der erbrachten Leistung. Der Zeitlohn bleibt also bei Leistungsschwankungen gleich.

Abbildung E7: Optionen des Entgelts (eig. Abb.)

Vorteile des Zeitlohns liegen in folgenden Aspekten: • Menschen und Maschinen werden in der Arbeitsbelastung „geschont“, eine qualitativ höhere Arbeitsleistung ist möglich, eine gleichbleibend hohe Ar-

16. Personal

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beitsleistung wird begünstigt, arbeitgeberseitig besteht eine planbare Vergütungshöhe, die Lohnabrechnung ist einfach. Nachteile liegen hingegen in folgenden Aspekten: • Es besteht kein Anreiz zur kurzfristigen Leistungssteigerung, dem Prinzip der Leistungsgerechtigkeit wird nicht Rechnung getragen, leistungsbewusste Mitarbeitende schöpfen ihr Potenzial nicht aus, negative Schwankungen im Arbeitsanfall gehen allein zulasten der Unternehmung. Der reine Zeitlohn ist vor allem anwendbar, wenn die Qualität einer Arbeitsleistung wichtig ist, anderweitig Unfall- oder Gesundheitsgefahren drohen, sich häufig ändernde Arbeitsinhalte gegeben sind, die Leistung schwierig quantitativ zu bemessen ist, das Arbeitstempo durch den Mitarbeitenden nicht beeinflusst werden kann, es sich um schöpferisch-kreative Tätigkeiten handelt, der Arbeitsablauf stark schwankt oder reine Kontrolltätigkeiten betroffen sind. Der Zeitlohn mit Zulagen ist ein kombiniertes Verfahren zur Lohnbemessung. Der Zeitlohn, der leistungsunabhängig zumindest kurzfristig immer gleich hoch ist, wird dabei ergänzt durch eine variable Leistungszulage. Diese Zulagen können anlassbezogen ausgelobt werden, so dass eine punktuelle Leistungsbeeinflussung möglich wird. Vorteile liegen in folgenden Aspekten: • Es ergibt sich ein mittel- bzw. langfristig stabiler Lohn, zusätzlich können Anreize über persönliche Leistungszulagen eingesetzt werden, die Lohnabrechnung bleibt dennoch hinlänglich einfach. Nachteile liegen hingegen in folgenden Aspekten: • Der direkte Leistungsanreiz dringt nur abgeschwächt durch, die Bewertung der Leistungsmerkmale unterliegt subjektiven Wertungen des Arbeitgebers, es besteht keine verlässliche Planungsgrundlage mehr für Arbeitsabläufe, Arbeitskräfte- und Betriebsmittelbedarfe, Termine, Lohn- und Gemeinkostabrechnungen etc. Als Bewertungsmerkmale für solche Zulagen kommen im Einzelnen Umsatz, Deckungsbeitrag, Nutz-/Stillstandszeiten, Qualitätskriterien etc., aber auch Flexibilität, Kooperationswilligkeit, Qualifikationsbereitschaft etc. in Betracht. Solche Leistungszulagen können tariflich vereinbart oder auf freiwilliger Basis gewährt werden. Die Zulage kann laufend (pro rata temporis) oder nachschüssig als Bonus (meist am Jahresanfang für das vorausgehende Jahr) gezahlt werden. Allerdings ist dann ein unmittelbarer Leistungsanreiz nicht mehr gegeben. Daher bietet sich die Zulagenzahlung zum nächsten, auf die bewertete Leistung folgenden Zahlungstermin an.

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E. Die Koordinierung der Unternehmung

16.7.2 Leistungslohn 16.7.2.1 Ausprägungen

Eine leistungsabhängige Vergütung erfolgt im Akkordlohn. Als Grundlage dafür dient im Regelfall die vom Mitarbeitenden beeinflussbare Mengenleistung bzw. der daraus abgeleitete Zeitgrad. Man unterscheidet mehrere Formen, in jedem Fall besteht aber eine mehr oder minder direkte Beziehung zwischen Arbeitsleistung und Entgelt. Der Geldakkord ergibt sich als Produkt aus erbrachter Leistungsmenge und Akkordsatz (in €) pro Leistungseinheit. Der Zeitakkord ergibt sich als Produkt aus Leistungsmenge, Vorgabezeit und Minutenfaktor. Die Vorgabezeit ist diejenige Zeit, die bei Normalleistung für eine Arbeit anzusetzen ist. Darauf aufbauend gilt eine bestimmte Vergütung pro Minute. Voraussetzungen für den Einsatz sind jeweils die Akkordfähigkeit der Leistung, d. h., der Arbeitsablauf muss bekannt, wiederkehrend und messbar sind, sowie die Akkordreife, d. h., der Arbeitsablauf muss friktionslos und das Ergebnis durch den Mitarbeitenden gut beeinflussbar sein. Die Vorteile des Akkordlohns liegen in Folgendem: • Er wirkt motivierend und macht die Leistung kurzfristig und direkt beeinflussbar, er ist leistungsgerecht und erlaubt verlässliche betriebliche Planungen. Es gibt eine klare Zielorientierung, die Vorgabezeiten brauchen beim Zeitakkord bei Tarifänderungen nicht neu berechnet zu werden, der Zusammenhang zwischen Leistung und Lohn ist klar erkennbar, die Vorgabezeiten bieten eine verlässliche Planungs- bzw. Kalkulationsbasis. Die Nachteile liegen in Folgendem: • Die Permanenz der Leistungserbringung ist gefährdet (Gesundheit, Ausführungsqualität etc.), es bestehen Manipulationsmöglichkeiten, die zur Planungsunsicherheit führen, es entsteht eine Sozialproblematik durch mangelnde Bedürfnisgerechtigkeit, der Aufwand zur Datenermittlung, -kontrolle und -anpassung ist hoch. Vor allem aber ist die Ermittlung der Vorgabezeiten problematisch. Dabei wird für einen Arbeitsgang von folgenden Teilarbeitszeiten ausgegangen: • Die Rüstzeit ist die Zeit für die Vorbereitung einer Auftragsausführung, sie fällt i. d. R. nur einmalig an und besteht aus Rüstgrundzeit (produktiv), Rüst­ erholungszeit und Rüstverteilzeit. • Die Ausführungszeit ergibt sich aus der Menge der Leistungseinheiten multipliziert mit der Vorgabezeit. Sie besteht aus der Grundzeit, die wiederum aus Tätigkeitszeit und Wartezeit besteht.

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• Die Erholungszeit ist für die Regeneration des Menschen erforderlich. • Die Verteilzeit besteht aus unregelmäßig auftretenden, nicht-produktiven Zeiten, die sachlich oder persönlich verursacht sind. Die Erfassung der Vorgabezeiten erfolgt meist auf Basis von Zeitstudienverfahren. Beim Gruppenakkord werden die Leistungen der Gruppenmitglieder (Team) addiert und zur Berechnung der Akkordlöhne zugrunde gelegt. Die Entgeltdifferenzen zwischen Gruppenmitgliedern werden meist, aber nicht notwendigerweise, durch Äquivalenzziffern ausgeglichen. Dadurch können gruppendynamische Effekte erreicht werden. Der Akkord mit Mindestlohn greift, wenn die Vorgabezeit durch den Mitarbeitenden ohne sein Verschulden überschritten wird. Dies kann z. B. aufgrund von „Materialpausen“, Anlagendefekten, Datenpannen etc. entstehen. Der Akkord mit Zulagen unterstützt punktuelle Leistungssteigerungen (etwa bei Terminverzug). 16.7.2.2 Arbeitsbewertung

Die Arbeitsbewertung bildet die Grundlage für ein anforderungsgerechtes, inputorientiertes Entgelt (siehe Abb. E8). Das Rangfolgeverfahren listet alle Stellen im Betrieb nach ihrem Gesamtschwierigkeitsgrad auf. Dazu wird jede Stelle mit jeder anderen paarweise verglichen. Die Rangreihung erfolgt absteigend, je höher eine Stelle gerankt ist, desto mehr Entgelt rechtfertigt sie. Dabei wird von einer ordinalen Skalierung ausgegangen, d. h. nach relativen Abständen der Stellen zueinander. Über die Gehaltsabstände der ausführenden Mitarbeitenden wird jedoch keine Aussage getroffen. Außerdem ist fraglich, anhand welcher Kriterien der Schwierigkeitsgrad für die Aufgabenerfüllung einer Stelle konkret zu bemessen ist. Insofern werden zwar Anhaltspunkte für eine zutreffende Einordnung gegeben, allerdings ist eine monetäre Einordnung daraus nicht zuverlässig möglich.

Abbildung E8: Verfahren zur Arbeitsbewertung (eig. Abb.)

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E. Die Koordinierung der Unternehmung

Beim Entgeltgruppenverfahren werden zunächst die Schwierigkeitsgrade der Aufgabenerfüllung einer Stelle in Gruppen sortiert. Dabei wird für jede Gruppe ein Richtwert definiert, der angibt, welche Stellenarten und Stellenanforderungen für diese Gruppe gelten. Dann wird jede einzelne Stelle mit diesem Richtwert verglichen und aufgrund dessen der jeweils passenden Gruppe zugeordnet. Da jeder Gruppe zugleich eine bestimmte Entgelthöhe zugeordnet ist, wird auf diese Weise auch die Entgelthöhe jeder Stelle bemessen. Häufig wird eine dieser Gruppen als Ecklohngruppe definiert, deren Tarif dann Gegenstand von überbetrieblichen Verhandlungen zwischen den Tarifpartnern ist. Von der Ecklohngruppe ausgehend erhalten die anderen Gruppen entsprechende Zu- oder Abschläge. Typische Abstufungen lauten etwa: • einfache Arbeiten ohne Ausbildung, einfache Arbeiten, die nur geringe Sachund Arbeitskenntnis erfordern, Arbeiten, die eine Ausbildung erfordern, Arbeiten, die teilweise Facharbeiterniveau haben, reine Facharbeiten, schwierige Facharbeiten, besonders hochwertige Facharbeiten, Meisterklassearbeiten. Beim Rangreihenverfahren wird jede Anforderungsart einer Stelle mit denen aller anderen Stellen verglichen. Meist werden dabei als Anforderungsarten Können, Verantwortung, Belastung und Umgebungseinflüsse definiert. Diese Kriterien können gewichtet werden. Auf dieser Basis wird für jede Anforderungsart eine Stellenrangfolge erstellt. Durch Multiplikation von Rangfolgeplatz und Anforderungsart je Stelle ergibt sich deren Wertzahl, die Summe der Wertzahlen über alle Anforderungsarten ergibt den Arbeitswert einer Stelle. Je höher dieser Arbeitswert, desto höher auch das Entgelt des Stelleninhabers. Fraglich ist dabei, wie „gerechte“ Anforderungsarten gebildet werden können, ebenso wie eine „gerechte“ Gewichtung auszusehen hat. Überdies ist die Ermittlung der Daten ausgesprochen aufwändig, zumal sich die Anforderungsarten und deren Gewichtung mit der Unternehmensentwicklung verändern. Dafür können auf diese Weise aber auch gänzlich verschiedenartige Stellen „gleichnamig“ gemacht werden. Im Stufenwertzahlverfahren werden für jede Anforderungsart Stufen festgelegt, die durch einen Richtwert standardisiert sind. Jeder Stufe wird dann entsprechend ihrer Wichtigkeit eine Wertzahl zugeordnet. Ebenso ist eine Gewichtung der Anforderungsarten möglich. Auf dieser Basis wird jede Stelle je Anforderungsart den zuvor gebildeten Anforderungsstufen zugeordnet. Die Summe der Wertzahlen ergibt den Arbeitswert einer Stelle. Dieser ist wiederum Grundlage für die Entgeltermittlung. Dadurch ist eine hinlänglich objektivierte Zuordnung der Stellenleistungen zu Entgelthöhen möglich. Fraglich ist jedoch, wie dem stetigen Wandel der Anforderungsarten und daraus folgend den Richtwerten bzw. Wertzahlen Rechnung getragen werden soll. Die Zulagengestaltung beim Zeitlohn ist auch auf den Akkordlohn übertragbar und immer dann sinnvoll, wenn auch andere Bezugsgrößen als die Menge oder

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die Zeit für die Arbeitsausführung von Bedeutung sind wie Qualität, Kundenzufriedenheit, Energiesparsamkeit etc. 16.7.3 Erfolgslohn

Der Erfolgslohn ist von individuellen oder kollektiven Ergebnissen, also leistungsgerecht, abhängig und outputorientiert. Ein Prämienlohn basiert dabei auf einer anforderungs- und leistungsabhängig differenzierten Entlohnung. Denkbar sind • Prämienzeitlohn oder -stücklohn, Einzel- oder Gruppenprämien, Qualitätsoder Mengenprämien, Termintreue- oder Ersparnisprämien, Sicherheits- oder Nutzungsgradprämien, Verbesserungsvorschlags- oder Erfindungsprämien etc. Der Prämienlohn setzt sich aus einem leistungsunabhängigen Grundlohnanteil (Zeitlohn) und einem leistungsabhängig beeinflussbaren Prämienanteil zusammen. Für die Bemessung der Prämie können praktisch alle Kriterien als Leistungsziele vorgegeben werden, meist handelt es sich aber um Zeit oder Menge. Es können auch mehrere Kriterien kombiniert werden, allerdings geht dabei leicht die Übersicht verloren. Zur Bemessung sind eine prämienlose Leistungsbasis zu bestimmen sowie die Steigerungsrate und deren Verlauf. In Höhe der Leistungsbasis wird nur der Grundlohn gezahlt, der Prämienverlauf kann unterproportional, proportional oder überproportional ausgelegt sein. Als Vorteile sind vor allem zu nennen: • Eine Verwendung ist auch bei nicht akkordfähigen Arbeiten möglich, eine hohe Motivationswirkung ist gegeben, ebenso ist eine detaillierte Steuerung möglich. Als Nachteile sind zu nennen: • Es ergibt sich eine größerer Aufwand bei der Lohnabrechnung, das Mitarbeitereinkommen unterliegt Schwankungen, der Anreizcharakter der Prämie lässt im Zeitablauf nach. Die Beteiligung der Mitarbeitenden kann sich auf eine Beteiligung am Erfolg der Unternehmung oder seiner Kapitalbasis (Produktivkapital) beziehen. Abgesehen von verteilungspolitischen und finanzwirtschaftlichen Zielen werden damit ökonomisch konkret Leistungsanreizziele verfolgt. Eine solche Erfolgsbeteiligung ist durch verschiedene Formen möglich. Eine Beteiligung am Ertrag der Geschäftstätigkeit erfolgt z. B. durch Umsatzbeteiligung, Rohertragsbeteiligung (EBIT), Nettoertragsbeteiligung (EBITDA) oder Wertschöpfungsbeteiligung als Differenz zwischen Zukaufwert der Einsatzfaktoren und Marktwert der erstellten Leistung. Eine Beteiligung am Gewinn erfolgt

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E. Die Koordinierung der Unternehmung

z. B. auf Basis des Bilanzgewinns, der Ausschüttung an die Eigentümer (Dividende) oder des Substanzgewinns (incl. Unternehmenswertveränderung). Eine Beteiligung an der Unternehmensleistung erfolgt z. B. auf Basis der Produktionsmenge, der Produktivität oder von Kostenersparnissen. Häufig wird die Erfolgsbeteiligung nicht in Geld ausgeschüttet, sondern in Form von Unternehmensanteilen, oder sie wird ausgeschüttet und mit dem Angebot der Rückführung in die Unternehmung verbunden („Schütt’ aus und hol’ zurück“), was eine Steuerersparnis bedeutet. Als Formen der Kapitalbeteiligung kommen Anteile am Fremdkapital mit entsprechenden Zinszahlungen in Betracht wie Schuldverschreibungen, Darlehen etc. oder Anteile am Eigenkapital, direkt bei der arbeitgebenden Unternehmung oder indirekt über Beteiligungsgesellschaften wie z. B. durch Aktienoptionsprogramme. Denkbar sind auch Zwischenformen als Mezzanine-Kapital. Da diese am Kapital der Unternehmung beteiligt sind, verschiebt sich damit u. U. auch die Balance der paritätischen Mitbestimmung. Problematisch an diesen Formen der Mitarbeiterbeteiligung ist, dass bei ausbleibendem Erfolg keine Ausschüttung erfolgt bzw. bei Unternehmenskrisen auch eine Haftung der Arbeitnehmer für Verluste besteht. Andererseits profitieren Mitarbeitende erfolgreicher Unternehmen nennenswert. Die Ausschüttungen können nach Köpfen, also für alle Mitarbeitenden gleich hoch, oder nach Grundbezahlung differenziert erfolgen. 16.7.4 Entgeltsystem

An ein Entgeltsystem in der Unternehmung sind unterschiedliche, aber gleichrangige Anforderungen zu stellen: • Erstens ist dabei die Anforderungsgerechtigkeit zu nennen. Diese wird opera­ tionalisiert durch die Arbeitsbewertung, d. h., die Vergütung wird in Abhängigkeit vom Anspruchsgrad der Tätigkeit bemessen. • Zweitens ist die Leistungsgerechtigkeit zu nennen. Diese wird operationalisiert durch die differenzierte Leistungsbewertung, d. h., innerhalb einer Unternehmung sollen gleichwertige Tätigkeiten gleichartig vergütet werden und ungleichwertige ungleichartig. • Drittens ist die Marktüblichkeit zu nennen. Diese wird operationalisiert durch Vergütungsvergleiche, d. h., hier wird die Vergütung in einer Unternehmung mit den Vergütungen für vergleichbare Tätigkeiten in vergleichbaren anderen Unternehmen abgeglichen. • Viertens ist die Gleichbehandlung erforderlich. Hier gilt das Postulat „gleicher Lohn für gleiche Arbeit“. Allerdings ist dabei zu bedenken, dass die Arbeit

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nicht nur aus dem Arbeitsergebnis oder dem Arbeitsprozess besteht, sondern auch aus dem eingebrachten Arbeitspotenzial, d. h., trotz gleicher Ergebnisse und Prozesse kann eine abweichende Vergütung also durchaus gerechtfertigt sein. • Fünftens ist die soziale Gerechtigkeit zu beachten. Dies schließt auch ein Arbeitsentgelt ohne Leistung ein, d. h., wer weniger leisten kann als andere oder auch gar nicht leisten kann (z. B. infolge Krankheit), hat dennoch Anspruch auf eine angemessene Vergütung. Als gängige Bestandteile der Vergütung sind folgende zu betrachten: • Lohn bzw. Gehalt, Lohn- und Gehaltszulagen, Erfolgsbeteiligung, dies sind die Beträge, die der Arbeitgeber für die Arbeitsleistung entrichtet, • Arbeitgeberanteil an den Sozialversicherungen (Rentenversicherung, Arbeitslosenversicherung, Pflegeversicherung, Krankenversicherung), Beitrag zur Berufsgenossenschaft (Unfallversicherung), bezahlte Abwesenheitszeiten wie Urlaub, Feiertage, Krankheit, Mutterschaft etc., • tarifvertragliche Personalnebenkosten wie Urlaubsgeld, Weihnachtsgeld, 13.  Monatsgehalt, Sonderurlaub, vermögenswirksame Leistungen, weiterhin werden freiwillige Personalnebenkosten, bei denen der Arbeitnehmer beteiligt ist, abgezogen wie z. B. Direktversicherung mit Pauschalversteuerung, • gesetzliche Personalnebenkosten wie betriebliche Altersversorgung (Pensionskassen o. Ä.), Aus- und Weiterbildungsanspruch, Vorschlagswesenprämierung, Werksverpflegung, Werkskleidung etc. Das Bruttoentgelt ergibt sich aus dem vereinbarten Lohn bzw. Gehalt plus Zuschlägen. Als Abzüge werden die Lohnsteuer (abhängig von der Steuerklasse und der Bezugsbasis), der Solidaritätszuschlag (5,5 % der Lohnsteuer), der Eigenanteil am Krankenversicherungsbeitrag (gesetzlich / privat), der Eigenanteil am Pflegeversicherungsbeitrag, der Rentenversicherungsbeitrag und der Arbeitslosenversicherungsbeitrag (jeweils ca. 50 %) abgezogen. 16.8 Personalentwicklung 16.8.1 Schlüsselqualifikationen

Die Personalentwicklung bezieht sich auf die Förderung der Schlüsselqualifikationen bei Mitarbeitenden, also der Fachkompetenz (= Faktenwissen), der Methodenkompetenz (= Problemlösungsfähigkeit), der Sozialkompetenz (= Interaktionsvermögen) und der Individualkompetenz (= Persönlichkeitsprofil) (siehe Abb. E9). Die Förderung erfolgt im Einzelnen nach der Schule (primärer Bereich) durch Ausbildung (sekundärer Bereich), in Fortbildung (tertiärer Bereich) und als Umschulung (quartärer Bereich). Die Ausbildung erfolgt in der Schule

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E. Die Koordinierung der Unternehmung

Abbildung E9: Schlüsselqualifikationen (eig. Abb.)

und im Beruf, letzteres wiederum durch Berufsausbildung, Anlernausbildung, Volontariat (Praktikum) oder Traineeship. Die Berufsausbildung vollzieht sich in Deutschland in vorbildlicher Weise im Dualen Ausbildungssystem als praktische Ausbildung im Betrieb und überbetriebliche theoretische Ausbildung in berufsbildenden Schulen. Die Berufsausbildung ist nur in anerkannten Ausbildungsberufen möglich, für diese wiederum gelten Ausbildungsordnungen der IHK’en / HWK’en. Diese regeln u. a. Ausbildungsdauer, Rahmenstoffplan, Prüfungsanforderungen etc. Die Fortbildung dient der Erhaltung, Erweiterung und Anpassung erworbener Kenntnisse und Fertigkeiten. Sie soll einen beruflichen Aufstieg ermöglichen, zumindest aber den Arbeitsplatz sichern. Dazu muss der Qualifikationsbedarf (Stellen-Soll-Ist, Individualinteressen) ermittelt und daraus ein adäquater Maßnahmenplan abgeleitet werden. Die Fortbildung kann dabei intern oder extern umgesetzt werden. Die Umschulung soll den Übergang zwischen zwei Berufen ermöglichen. Sie kann betrieblich oder überbetrieblich angelegt sein und dabei dem Wunsch des Mitarbeitenden entspringen, betrieblichen Erfordernissen oder gesundheitlichen Bedingungen. Als Maßnahmen zur Personalentwicklung kommen im Einzelnen in Betracht: • persönliche Unterweisung, Lehrtexte/-briefe, Learning by Doing, dosierte Übertragung von Sonderaufgaben, geplanter Arbeitsplatzwechsel, Vorlesung, Lehrgespräch, programmierte Unterweisung, Fallstudienübung, Rollenspiel (Story­­telling), Planspiel etc. Weitere Möglichkeiten sind das Coaching für bestehende Mitarbeitende bzw. das Mentoring für neue Mitarbeitende und die Laufbahnplanung als Karriereentwicklung.

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16.8.2 Arbeitsfeldveränderungen

Zur Schaffung neuer bzw. Nutzung bestehender Kompetenzen werden Arbeitsfeldveränderungen durch Job Enlargement, Job Enrichment, Job Rotation und Teilautonome Arbeitsgruppe eingesetzt (siehe Abb. E10).

Abbildung E10: Optionen der Arbeitsfeldveränderungen (eig. Abb.)

Job Enlargement bedeutet eine Aufgabenerweiterung. Diese kommt durch Zusammenfassung mehrerer, gleichwertiger Aufgaben und deren Zuordnung zu einer Stelle zustande. Das Anforderungsniveau der Stelle bleibt im Übrigen unverändert. Dadurch kann einer Monotonie der Arbeitsbedingungen vorgebeugt werden, die einerseits demotivierend durch mangelnde Abwechslung, fraglichen Sinn der Arbeit, fehlende Sicht des Gesamtzusammenhangs etc. wirkt und andererseits auch den Krankenstand erhöht. Dadurch werden die Produktivität der Arbeit gesteigert und die Arbeitszufriedenheit erhöht. Allerdings muss das Qualifizierungsspektrum des Mitarbeitenden entsprechend erweitert und ihm eine zusätzliche Sachmittelausstattung bereitgestellt werden. Job Enrichment bedeutet Arbeitsanreicherung. Hierbei erfolgt eine qualitative Veränderung der Arbeit, vor allem übernehmen Mitarbeitende zusätzlich zu ihrer exekutiven Leistung auch dispositive Leistungsanteile. Insofern ergeben sich inhaltlich unterschiedliche Anforderungen, die eine entsprechende Qualifizierung der Mitarbeitenden erfordern. Dabei handelt es sich sowohl um Planungsals auch Kontrollaufgaben. Dies bewirkt eine größere Selbstbestimmung und Persönlichkeitsentfaltung der Mitarbeitenden. Zugleich kann der Arbeitsprozess individuell angepasst und von hierarchischem Ballast befreit werden. Vor allem ist eine Process Ownership auf diese Weise realisierbar (z. B. im Beschwerdemanagement). Allerdings müssen die Mitarbeitenden auch gewillt sein, diese gewonnene Verantwortung wahrzunehmen. Dies ist durchaus nicht immer der Fall. Job Rotation bedeutet den systematischen Arbeitsplatzwechsel innerhalb einer Unternehmung. Dies kann in selbstgewählten variablen oder festen Zeitabständen erfolgen. Es fördert die Abwechslung bei der Arbeit und das Verständnis

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E. Die Koordinierung der Unternehmung

für den Gesamtzusammenhang einer Leistungserstellung und dient sowohl der Qualifizierung wie auch der Motivierung der Mitarbeitenden. Insgesamt wird die Kenntnis der Prozessketten in der Unternehmung verbessert. Allerdings bedeutet dies zugleich auch, dass Mitarbeitende immer wieder Stellen einnehmen, deren Tätigkeiten sie nicht genau kennen und für die sie noch nicht hinlänglich erfahren sind. Im Laufe der Zeit erwerben sie zweifellos Kenntnisse und Fertigkeiten und könnten dann ihre Tätigkeit „richtig“ verrichten. Dann folgt im Zuge der Job Rotation aber häufig die Versetzung auf eine andere Aufgabe, für die wiederum zunächst Kenntnisse und Fertigkeiten fehlen. Wenn man das konsequent zu Ende denkt, bedeutet das, dass überall in der Unternehmung Mitarbeitende tätig werden, die erst on the Job lernen, was zu tun und zu lassen ist. Nicht darunter zu verstehen sind Springer-Tätigkeiten, die von Mitarbeitenden bei vorübergehendem Ausfall ihrer Kollegen übernommen werden, um Lücken zu schließen. Eine Teilautonome Arbeitsgruppe übernimmt die Verantwortung für eine zusammenhängende Prozesskette und führt diese auch aus. Dabei wird eine Gruppenarbeit zugrunde gelegt, bei der die Aufgabenwahrnehmung im selbstgewählten Rhythmus wechselt. Die Gruppenmitglieder übernehmen komplexe Aufgaben, die sachlich, räumlich und zeitlich verbunden sind. Daher ist es erforderlich, dass jedes Gruppenmitglied mehrere Teilaufgaben beherrscht. Teilautonomie bedeutet, dass die Gruppe ein Entscheidungsrecht über die Organisation der ihr zufallenden Aufgaben im Rahmen der betrieblichen Vereinbarungen hat. Das Ausmaß des Entscheidungsrechts kann verschieden ausgelegt sein. Voraussetzung ist dabei, dass die Mitarbeitenden bereit und in der Lage sind, komplexe und wechselnde Aufgaben zu übernehmen. Dies setzt eine hohe Qualifikation und angemessene Teamfähigkeit voraus. Häufig ist damit auch eine Zeitautonomie verbunden, d. h. die adäquate Ein- und Aufteilung der Arbeitszeiten. Methoden zur Personalentwicklung sind sehr vielfältig und werden im Einzelnen wie folgt vollzogen: • Into the Job erfolgt die Personalentwicklung durch Berufsfachausbildung, Anlernausbildung (Praktikum) oder Traineeship, • On the Job erfolgt die Personalentwicklung durch Unterweisung, Job Rotation als systematischen Arbeitsplatzwechsel, Job Enlargement als Arbeitsausdehnung („mehr vom Gleichen“) oder Job Enrichment als Arbeitsanreicherung, meist um dispositive Elemente, • Near the Job erfolgt die Personalentwicklung durch begleitende Projektarbeit, Assistenz, Qualitätszirkel (moderierte Gesprächsrunden), Lernstatt für weitgehend selbstorganisiertes Lernen oder Action Learning (Handlungsorientiertes Lernen),

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• Off the Job erfolgt die Personalentwicklung durch e-Learning (CBT / W BT), Seminare / Workshops, Corporate University, Blended Learning als Mixtum aus Präsenz- und Virtualsequenzen oder Erlebnistraining aus Events, • Along the Job erfolgt die Personalentwicklung durch Fördergespräche, Coach­ ing, Laufbahnplanung, Mentoring (Talentförderung), • Out of the Job erfolgt die Personalentwicklung durch Ruhestandsvorbereitung oder Outplacement zur beruflichen Neuorientierung. 16.8.3 Mitarbeiterförderung

Die Mitarbeiterförderung erfolgt durch vielfältige Maßnahmen (siehe Abb. E11). Im Rahmen eines Training on the Job sind verschiedene Maßnahmen darstellbar: • Ein Ausbildungsplan für Mitarbeitende, die neu auf einer Stelle bzw. neu in einer Unternehmung arbeiten, schafft eine systematische Qualifizierung, die an Zielen und Zwischenschritten (Milestones) ausgerichtet ist. Über Feedback vom Anzuleitenden ist jederzeit eine sinnvolle Leistungsstandskontrolle möglich. • Eine Arbeitsunterweisung stellt Lehrinhalte dar, die in geprinteter oder elek­ tronischer Form vorliegen und in die zu erledigenden Arbeiten einweisen. Dabei kommt es besonders auf die Anschaulichkeit der Ausführungen an, allerdings ist nicht jeder Mitarbeitende fähig und gewillt, Unterweisungen als Trainingsanleitung zu akzeptieren. • Eine Traineeship ist ein systematisches Einarbeitungsprogramm, bezogen auf eine Stelle oder die gesamte Unternehmung. Dabei wird Führungsnachwuchskräften in kurzer Zeit ein Überblick über die aufgabenrelevanten Strukturen und Prozesse der Arbeit geboten. Dies bietet sich vor allem für Personen an, die vorher noch keine Arbeitserfahrung gesammelt haben. • Eine Assistenz ist als Stabsstelle einer Leitungsposition zugeordnet. Ihr Ziel ist die Unterstützung für den Vorgesetzten. Gelegentlich wird daraus im Laufe

Abbildung E11: Optionen der Mitarbeiterförderung (eig. Abb.)

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E. Die Koordinierung der Unternehmung

der Zeit eine Stellvertreterposition, die sich davon dadurch unterscheidet, dass dann partiell Aufgaben des Vorgesetzten übernommen werden. • Eine Projekt-Stelle übernimmt inhaltlich oder räumlich abgegrenzte Sonderaufgaben, die zeitlich begrenzt sind. Im Zuge dessen können vor allem Querschnittskompetenzen aufgebaut werden wie Team-Building, Kooperationsfähigkeit, Kommunikationsfähigkeit etc. Im Rahmen eines Training off the Job sind folgende Maßnahmen darstellbar: • Ein Selbststudium erfolgt mithilfe mediengestützter Wissensvermittlung über Fach-, Methoden-, Sozial- und Individualkompetenzen im Beruf. Dabei kann es sich um Multiple Choice-Fragen, Übungen, Fallstudien etc. handeln, zu denen es jeweils ein leistungsbezogenes Feedback gibt. • Ein Seminar dient der traditionellen Wissensvermittlung über Lehrvorträge und seminaristischen Unterricht. Obwohl hier durchaus interaktive Elemente gewählt werden können, ist diese Form des Trainings dennoch einseitig auf Hard Skills ausgerichtet. • Eine Konferenzteilnahme strebt den Austausch der Teilnehmer über Praxisaspekte an. Dabei kommt es zu Diskussion und gegenseitiger Anregung. Hierbei ist der Weg das Ziel, also das Ergebnis nachrangig in Relation zum Prozess der Willensbildung. • Ein Planspiel simuliert die Realität anhand abstrahierter Ausschnitte der Unternehmung. Daran können Teilnehmer gut Ursache-Wirkungs-Prinzipien erlernen. Allerdings führen einengende Prämissen häufig zu wirklichkeitsfremden Situationen. • Ein Gruppentraining dient der Selbsterfahrung der Teilnehmer und stärkt deren Teamfähigkeit (Workshop). • Ein Förderkreis fasst Nachwuchsführungskräfte zusammen („Goldfischteich“) und entwickelt dort vor allem Schlüsselqualifikationen. • Beim e-Learning werden elektronische, interaktive Medien zur Wissensvermittlung und -einübung eingesetzt. • Die Corporate University ist eine von der Unternehmung betriebene, interne Fortbildungseinrichtung, die aber im Regelfall nicht, wie der Name fälschlich suggeriert, Hochschulstatus besitzt. • Online Learning bezeichnet eine zeitsynchrone e-Learning-Situation mit Hilfe von Software, Internet und Learning Tools wie Whiteboard. Denkbar ist aber auch eine zeitlich asynchrone Anlage als „virtuelles Klassenzimmer“. • Blended Learning stellt einen Mix aus Präsenzveranstaltungen und e-Learn­ ing-Tools dar. Beide werden wechselweise oder einander ergänzend eingesetzt und erlauben somit eine höhere Effektivität.

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• Action Learning bezeichnet eine interne Unternehmensberatungssituation mit einem realen Projekt, das zugleich im Lernfortschritt reflektiert wird. Weitere Möglichkeiten sind folgende: • Das Coaching ist ein systematisches Beratungs- und Handlungskonzept, das Impulse zur Selbsthilfe geben will. Direkte Vorgesetzte, interne oder externe Berater übernehmen dabei eine Betreuungsaufgabe für Coachees. Als Coach eignen sich nur anerkannte Persönlichkeiten. Primär geht es dabei um die Vermittlung von Schlüsselqualifikationen (Soft Skills) zur Persönlichkeitsentwicklung, nicht um eine fachliche Qualifizierung. Das Konzept ist auf Einzelpersonen, allenfalls Kleingruppen, ausgerichtet. • Das Mentoring betrifft die mittel- bis langfristige Begleitung einer Nachwuchsführungskraft (Mentee / High Potential) durch eine erfahrene, seniore Führungskraft (Mentor), meist, aber nicht zwingend aus der gleichen Unternehmung, auf Basis gegenseitiger Achtung und Wertschätzung. Der Mentor ist Ratgeber, Freund und Vorbild. Er ist Ansprechpartner zum persönlichen Feedback von Aufgaben und Herausforderungen, die in einem regelmäßigen Meinungsaustausch organisiert werden. • Die Supervision hat die Aufgabenbewältigung, das Arbeitsverhalten und den Umgang mit anderen Menschen im betrieblichen Alltag zum Inhalt. Durch deren kritische Reflektion soll ein besseres Verständnis der Prozesse und Probleme in der Unternehmung erreicht werden. Als Ansprechpartner dafür wird ein Supervisor bereitgestellt. Dieser soll die Handlungskompetenzen der Mitarbeitenden verbessern und somit ihre Fähigkeit zur Positionserfüllung steigern. 16.8.4 Auslandsentsendung

Eine Mitarbeiterförderung ist aber auch als Auslandsentsendung möglich. Darunter versteht man die temporäre Verlegung des Arbeitsplatzes vom Inland an einen ausländischen Firmenstandort, verbunden mit dem Ziel der persönlichen Entwicklung dort und der späteren Wiedereingliederung in die Unternehmung. Als Ziele aus Unternehmenssicht sind vornehmlich folgende zu nennen: • Es soll zu einem Transfer der fachlichen Qualifikation und von Management-Know-how vom Inland in die ausländische Dependance kommen (und umgekehrt). • Ein vorübergehender Mangel an geeigneten Mitarbeitenden vor Ort soll behoben werden. • Die Sicherung der Unternehmensinteressen der Zentrale soll am Auslandsstandort sichergestellt werden.

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E. Die Koordinierung der Unternehmung

• Die Ausbildung von Mitarbeitenden im Ausland kann durch Transfer von Kompetenzen verbessert werden. • Die Entsendeten entwickeln im Zuge ihrer Tätigkeit interkulturelle Fähigkeiten. Dies fördert generell die Zusammenarbeit in multinationalen Teams. • Durch Auslandseinsätze kann die Bindung wichtiger Mitarbeitender an die Unternehmung evtl. erhöht werden. Als Ziele aus Mitarbeitersicht sind vornehmlich folgende zu nennen: • Ein Auslandseinsatz verbessert die Karrieremöglichkeiten der Expatriates in der Unternehmung entscheidend. Aber auch auf dem externen Arbeitsmarkt werden die Vermittlungschancen erhöht. • Der Auslandseinsatz dient der Entwicklung der Persönlichkeit und der Verbesserung der individuellen Qualifikation. • Viele Mitarbeitende haben, vor allem in jungen Jahren, eine hohe Mobilitätsneigung, der dadurch gut entsprochen werden kann. • Ein Auslandseinsatz wird auch als Herausforderung verstanden, der man sich stellen und die man bewältigen sollte. • Nach der Wiedereingliederung kann ein höhere oder interessantere Position als vordem erreicht werden. Allerdings unterliegt die Wiedereingliederung zahlreichen Hemmnissen. • Viele Unternehmen bieten zudem finanzielle Anreize für eine Auslandstätigkeit. 16.9 Personalfreisetzung 16.9.1 Optionen

Unter Personalfreisetzung versteht man die Auflösung des Dienstvertrags zwischen Unternehmung und Mitarbeitendem. Als Ursachen dafür kommen zahlreiche in Betracht: • Häufig kommt es dazu infolge Stilllegung von Betriebsstandorten. Auch Unternehmenszusammenschlüsse verursachen meist eine Personalbestandsbereinigung. Die Elimination von Produkten oder Produktversionen erfordert weniger Personal. Eine Umstrukturierung der Unternehmensorganisation (Outsourcing) führt zu einer Verlagerung der Arbeit. Verbreitete Rationalisierungsmaßnahmen führen zu arbeitssparendem technischen Fortschritt. Eine Verschlechterung der Konjunkturlage erfordert eine Anpassung der Humanressourcen. Dies betrifft vor allem einen Absatzrückgang durch Verlagerung der Nachfrage oder eine Verknappung des Kapital- oder Liquiditätszugangs. Häufig führen sogar Tariferhöhungen zum Abbau von Arbeitsplätzen. Viele

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Märkte unterliegen auch strukturellen Veränderungen (Ende des Branchenlebenszyklusses). In aller Regel verschlimmern verzögerte Anpassungsprozesse und Planungsfehler diese Situation. Die Personalfreisetzung kann durch verschiedene Maßnahmen umgesetzt werden. Von indirekten Maßnahmen spricht man bei folgenden: • betriebsweiter oder partieller Verzicht auf Neueinstellungen (Einstellungsstopp) und stattdessen Nutzung von Aushilfen / Praktikanten / Werkstudenten etc., Verzicht auf Verlängerung von befristeten Arbeitsverträgen, stattdessen Personalleasing etc., Verzicht auf Übernahme von Auszubildenden in ein Beschäftigungsverhältnis. Der Personalbestand kann durch Förderung des freiwilligen Ausscheidens, etwa über vorgezogenen Ruhestand, durch Aufhebungsvertrag mit Abfindungszahlung, durch Outplacement-Hilfen für Leitende Angestellte etc. erfolgen. In einigen Fällen ist die Gründung von Transfergesellschaften zum Auffangen der nunmehr beschäftigungslosen Personen hilfreich. Dadurch kann max. ein Jahr bis zur Findung einer neuen Arbeitsstelle überbrückt werden. Meist sind damit auch Qualifizierungsmaßnahmen verbunden. Die Freisetzung von Mitarbeitenden kann intern oder extern erfolgen. Intern ist sie wiederum durch Reduzierung der Arbeitszeit, Flexibilisierung der Arbeitszeit oder Veränderung der Arbeitsaufgabe (mit Änderungskündigung) möglich. Die Reduzierung der Arbeitszeit erfolgt durch Verrechnung von vorher aufgebauter Mehrarbeit (Arbeitszeitkonto), durch Einführung von Teilzeitarbeit auf Basis der Wochenarbeitszeit sowie durch Kurzarbeit, wobei sich das Arbeitsentgelt entsprechend reduziert und Kurzarbeitergeld aus der Arbeitslosenversicherung gezahlt werden kann. Die Änderung der Urlaubsplanung bezieht sich auf die Terminierung der Betriebsferien oder entsprechende Urlaubsfestlegungen. Letzteres ist nur bei dringenden betrieblichen Erfordernissen möglich. Extern ist eine Personalfreisetzung durch Kündigung, Aufhebungsvertrag oder Outplacement möglich. Die Kündigung ist eine empfangsbedürftige Willenserklärung, sie bedarf der Schriftform und kann ordentlich oder außerordentlich begründet sein. Die ordentliche Kündigung bedarf der Einhaltung einer Kündigungsfrist, z. B. sechs Wochen zum Quartalsende, bei längerer Beschäftigungsdauer auch bis zu sieben Monaten. Vorher ist eine Freisetzung nur während der Probezeit, bis zu sechs Monaten, und bei Aushilfsarbeitsverhältnissen, dann ohne Frist, möglich. Auszubildenden darf hingegen nicht gekündigt werden. Der Betriebsrat hat bei Kündigungen ein Anhörungs- und Widerspruchsrecht (siehe Abb. E12).

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Abbildung E12: Anlässe und Formen der Personalfreisetzung (eig. Abb.)

16.9.2 Kündigungsformen

Ordentliche Kündigungen sind nach Gesetz nur wirksam, wenn eine angemessene Sozialauswahl berücksichtigt wird. Diese verlangt, die Dauer der Betriebszugehörigkeit, Lebensalter, Unterhaltspflichten, Schwerbehinderung bei Aussprache einer Kündigung in die Überlegungen einzubeziehen. Gleiches gilt, wenn eine anderweitige Weiterbeschäftigungsmöglichkeit im Betrieb möglich gewesen wäre. Als Gründe für eine rechtswirksame ordentliche Kündigung kommen folgende in Betracht: • Personenbedingte Gründe liegen vor, wenn die Fähigkeiten zur Erbringung der Arbeitsleistung fehlen oder verloren gehen, z. B. wegen häufiger Kurzerkrankungen, lang anhaltender Krankheit, krankheitsbedingter Leistungseinschränkung. Erforderlich sind dazu eine negative Gesundheitsprognose, erhebliche prognostizierte Fehlzeiten und eine wesentliche Beeinträchtigung berechtigter Interessen des Arbeitgebers. Weitere Gründe sind eine fehlende Eignung für die geschuldete Arbeitsleistung, das Nichtbestehen einer für die Stelle vorgesehenen oder verpflichtenden Prüfung, Suchtprobleme, fehlende Arbeitserlaubnis bei Ausländern, Arbeitsverhinderung wegen Haft etc. • Verhaltensbedingte Gründe liegen vor, wenn arbeitsvertragliche Pflichten verletzt werden, z. B. wegen Arbeitsverweigerung, wiederholt unentschuldigten Fehlens, eigenmächtiger Urlaubsnahme, Urlaubsüberschreitung, dauernder Un­

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pünktlichkeit, Beleidigungen, dauernder Gering- oder Schlechtleistung oder Verletzung der betrieblichen Ordnung. Ggf. ist dazu eine vorherige Abmahnung erforderlich. Keine Abmahnung ist erforderlich, wenn dem Arbeitgeber die Weiterbeschäftigung eines Mitarbeitenden nicht mehr zumutbar ist, z. B. bei Vertrauensverlust wegen Unterschlagung, Tätlichkeit, Beleidigung, Verstoß gegen Treue- oder Verschwiegenheitspflichten. Dabei hat jedoch eine Inte­ressensabwägung zum Arbeitnehmer stattzufinden, etwa über die Beschäftigungsdauer oder das Ausmaß des Verstoßes. Weitere Gründe sind die Annahme von Bestechungen, die Androhung von „Krankfeiern“, die Vortäuschung einer Krankheit, die nicht rechtzeitige Vorlage einer Arbeitsunfähigkeits­be­ scheinigung, ehrverletzende Äußerungen über den Arbeitgeber, wiederholte Mankobeträge, unerlaubte Nebentätigkeiten, unbefugtes Verlassen des Arbeitsplatzes, Führerscheinentzug bei Kraftfahrern, Nichtbeachtung eines Rauchverbots etc. • Betriebsbedingte Gründe liegen vor, wenn dringende betriebliche Erfordernisse einer Weiterbeschäftigung entgegenstehen. Dabei kann es sich um inner- oder außerbetriebliche Ursachen handeln wie Rationalisierung, Produktionsumstellung, Rohstoffmangel, Umsatzrückgang, Betriebsstilllegung, Standortverlagerung, Unternehmenszusammenschluss etc. Bei Massenentlassungen, die abhängig vom Anteil der Gekündigten an allen Arbeitnehmern und der gesamten Anzahl der Arbeitnehmer im Betrieb sind, gilt ein besonderer Kündigungsschutz mit Information des Betriebsrats, Anzeige bei der Bundesagentur für Arbeit etc. Ziele sind hier ein gerechter Interessensausgleich und ein Sozialplan zur Milderung von Nachteilen. Es besteht ein Rechtsanspruch auf Abfindung in Höhe von 0,5 Monatsentgelten je Jahr der Betriebszugehörigkeit. Eine außerordentliche Kündigung gilt mit sofortiger Wirkung bei Vorliegen besonderer Umstände wie Straftaten gegen den Arbeitgeber, rechtswidrigen schuldhaften Leistungsverstößen wie Sabotage, erheblicher Störung des Betriebsfriedens oder schweren Wettbewerbsverstößen. Die Kündigung muss zeitnah zum Bekanntwerden des Vorfalls erfolgen, der Betriebsrat hat dazu kein Widerspruchsrecht. Eine Abmahnung dient dazu, den Arbeitnehmer auf seine Verletzung arbeitsvertraglicher Verpflichtungen hinzuweisen, ihn aufzufordern, sein Fehlverhalten abzustellen und ihn für den Wiederholungsfall mit arbeitsrechtlichen Konsequenzen zu konfrontieren. Eine solche Abmahnung muss neben Beweismitteln und Datum die Aufforderung zur Unterlassung und die Ankündigung von Sanktionen enthalten sowie zeitnah zum Vorfall erfolgen. Eine einmalige Abmahnung reicht im Regelfall nicht aus. Häufige Anlässe für Abmahnungen sind Störungen des Vertrauensverhältnisses im Betrieb (z. B. Nichterfüllung zugesicherter Aufgabenerfüllung), Störungen im Leistungsbereich (z. B. unzumutbar geringe Arbeitsleistung), Störungen der betrieblichen Ordnung (z. B. Mobbing), Verlet-

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E. Die Koordinierung der Unternehmung

zungen arbeitsvertraglicher Nebenpflichten (z. B. unangemessenes Auftreten vor Kunden) oder Mängel im außerdienstlichen Verhalten (z. B. üble Nachrede). Eine Abmahnung hat die konkrete und präzise Schilderung des beanstandeten Fehlverhaltens, dessen ausdrückliche Bewertung als Vertragsverletzung, die Aufzählung der dagegen stehenden Pflichten des Arbeitnehmers, die Aufforderung zur Rückkehr zu einem vertragsgemäßen Verhalten und die Androhung arbeitsrechtlicher Konsequenzen bei Zuwiderhandeln zu enthalten. Bei einem anderen Anlass der Pflichtverletzung ist erneut abzumahnen. Bei Wiederholung der Pflichtverletzung ist erneut abzumahnen, wenn seit dem letzten Anlass mehr als zwei Jahre vergangen sind. Ansonsten erlaubt ein erneuter Verstoß gegen den Inhalt der Abmahnung eine fristlose Kündigung. 16.9.3 Aufhebung und Outplacement

Eine Freisetzung ohne Kündigung erfolgt mittels Aufhebungsvertrags. Dabei einigen sich Arbeitgeber und Arbeitnehmer auf eine einvernehmliche Beendigung ihres Arbeitsvertrags. Der Arbeitgeber darf dazu keinen Druck ausüben und nicht arglistig täuschen, z. B. über die finanziellen Folgen wie Sperrung des ALG etc. Der Arbeitgeber kann damit Mitbestimmungs- und Mitwirkungsrechte des Betriebsrats ausschalten, der Arbeitnehmer kann reputationsschädigende Kündigungsgründe vermeiden. Mit der Aufhebung kann eine Abfindung verbunden sein. Denkbar ist auch eine Beurlaubung des Arbeitnehmers als Freistellung, evtl. vorzeitig mit eingerechnetem Urlaubsanspruch, etwa um negative Effekte auf das Betriebsklima und den Zugriff auf aktuelle Betriebsinformationen zu vermeiden. Die Achtung von Betriebs- und Geschäftsgeheimnissen gilt selbstverständlich auch nach Beendigung des Arbeitsvertrags. Das Outplacement bezieht sich auf die Freisetzung von Leitenden Mitarbeitern. Sie sollen darin unterstützt werden, ihren Arbeitsplatzverlust psychisch zu verarbeiten und sich für neue Herausforderungen fit zu machen. Dafür stehen interne und externe Berater zur Seite. Bei Kündigungen von Mitarbeitenden ist ein Abgangsinterview hilfreich, um die „wahren“ Kündigungsgründe zu erfahren und daraus betriebliche Schwachstellen aufzudecken. Bei Kündigungen seitens der Unternehmung ist ein Entlassungsgespräch sinnvoll, um menschlichen Aversionen vorzubeugen und berufliche Perspektiven aufzuzeigen. In beiden Fällen ist ein Arbeitszeugnis verpflichtend. Ein einfaches Zeugnis enthält Angaben zur Person, den ausgeführten Tätigkeiten sowie Beginn und Ende des Arbeitsverhältnisses. Ein qualifiziertes Arbeitszeugnis enthält darüber hinaus Informationen zur Beurteilung der Arbeitsleistung und des Sozialverhaltens des ausscheidenden Mitarbeitenden. Mit dem Ausscheiden aus der Unternehmung gehen die Arbeitspapiere über. Zugleich wird festgestellt, ob die Unternehmung noch Forderungen gegen den

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ausscheidenden Arbeitnehmer hat und ob alle Arbeitsmaterialien an den Arbeitgeber zurückgegeben wurden. 16.10 Arbeitsrechtsrahmen 16.10.1 Kollektives Arbeitsrecht

Das kollektive Arbeitsrecht umfasst im Wesentlichen die Bereiche des Tarifvertragsrechts, des Arbeitskampfrechts und des Betriebsverfassungsrechts (siehe Abb. E13). Das Tarifvertragsrecht bezieht sich auf Verträge zwischen den Tarifparteien. Dazu gehören folgende: • Der Lohn- und Gehaltstarifvertrag regelt die Vergütung für Arbeitnehmer. Zentraler Bestandteil ist dabei der Ecklohn, der den Tariflohn auf 100 %-Basis repräsentiert. Aus ihm errechnen sich die Lohnhöhen in den anderen Tarifklassen nach Zu- und Abschlägen. • Der Manteltarifvertrag regelt die allgemeinen Bedingungen der Arbeit wie Arbeitszeit, Urlaubsanspruch, Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall etc. • Der Verbandstarifvertrag wird zwischen den Tarifvertragsparteien für eine Mehrzahl von Unternehmen abgeschlossen (im Allgemeinen in der Fläche, d. h. für ein Bundesland). • Der Firmentarifvertrag (Haustarif) wird bezogen auf nur eine Unternehmung abgeschlossen. Er darf im Regelfall nur nach oben vom Verbandstarif abweichen (Günstigkeitsprinzip). Der Tarifvertrag gilt für eine Branche, und dort wiederum für verschiedene Arbeitnehmergruppen. Davon darf individuell nur zugunsten der Arbeitnehmer abgewichen werden. Arbeitnehmer können zugleich nicht auf ihnen tarifvertraglich zustehende Rechte verzichten. Die Vereinbarungen der Tarifvertragsparteien

Abbildung E13: Elemente des Kollektiven Arbeitsrechts (eig. Abb.)

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gelten nur für die organisierten Teilnehmer (Unternehmen, Mitarbeiter), sie werden jedoch aus Gründen des Sozialen Friedens zumeist allgemein angewandt. Der Tarifvertrag wird zwischen einer Gewerkschaft und einem Arbeitgeberverband abgeschlossen. Zuständig ist diejenige Gewerkschaft, welche die meisten Beschäftigten in der Branche / in der Unternehmung repräsentiert. Neuerdings wird dieses Prinzip der Einheitsgewerkschaft durch Splitterorganisationen allerdings nennenswert durchbrochen. Die Tarifverhandlungen erfolgen in Tarifautonomie, d. h. ohne Einmischung des Staates. Die Gewerkschaften sind in der Spitzenorganisation DGB (Deutscher Gewerkschafts-Bund) zusammengeschlossen, dazu gehören u. a. Ver.di, IG Metall, IG Bergbau-Chemie-Energie. Die Spitzenorganisation der Arbeitgeber ist die BDA (Bundesvereinigung der Deutschen Arbeitgeberverbände) mit Mitgliedern wie Gesamtmetall, Chemie / BAVC etc. Die Tarifvereinbarungen gelten für die Mitglieder der Organisationen unabdingbar, Abweichungen sind nur als Öffnungsklauseln möglich oder auch nur nach dem Günstigkeitsprinzip. Die Bundesregierung kann diese Regelungen für allgemeinverbindlich erklären. Der Tarifvertrag gilt für die Vertragslaufzeit oder, falls eine solche nicht vereinbart ist, endet er mit der Kündigung. Die Laufzeit beträgt für gewöhnlich maximal zwei Jahre. Ein Haustarifvertrag wird zwischen der zuständigen Gewerkschaft und einem einzelnen Arbeitgeber geschlossen. Ein Verbandstarifvertrag wird zwischen der Gewerkschaft und einem Arbeitgeberverband abgeschlossen. Der Vergütungstarifvertrag regelt die Höhe der Entgelte für Mitarbeitende, der Manteltarifvertrag die allgemeinen Arbeitsbedingungen. Ein Bundestarifvertrag gilt deutschlandweit, ein Landestarifvertrag je Bundesland und ein Bezirkstarifvertrag für einen Tarifbezirk (häufig mit Pilotcharakter). Im Grundsatz gilt die Tarifeinheit im Flächentarifvertrag durch Gleichbehandlung. Dadurch werden Friedens-, die Ordnungs- und die Schutzfunktionen unterstützt. Das Arbeitskampfrecht regelt Auseinandersetzungen zwischen Arbeitnehmern und Arbeitgebern. Die Tarifverhandlungen zwischen beiden Parteien beginnen vor Ablauf der Tarifvertragslaufzeit. Die Gewerkschaften stellen dann ihre Forderungen, die Arbeitgeber nennen dazu ihre Angebote. Beide Seiten lehnen diese für gewöhnlich schroff ab. Es kommt zu Verhandlungen, die dann zu einer Einigung in letzter Minute führen oder auch nicht. Wird keine Einigkeit hergestellt, kann ein neutraler Schlichter (Mediator) angerufen werden. Während der Schlichtung herrscht Friedenspflicht. Wird wiederum keine Einigkeit hergestellt, können die Gewerkschaften den Streik ausrufen. Dazu muss eine Urabstimmung mit 75 % Zustimmung der Gewerkschaftsmitglieder erfolgen. Es dürfen nur organisierte Streiks durchgeführt werden, Generalstreiks als politische Demons­ trationen sind hingegen verboten. Kurzfristige Warnstreiks und Sympathiestreiks anderer Gewerkschaften sind jedoch erlaubt. Das Gegenmittel der Arbeitgeber ist die Aussperrung, also die Suspendierung des Arbeitsverhältnisses mit der Folge der Einstellung der Lohn- und Gehaltszahlungen. Für diese Fälle halten Ge-

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werkschaften eine Streikkasse vor, die aus den Mitgliedsbeiträgen gespeist wird. Der Streik kann durch Urabstimmung mit mindestens 25 % Zustimmung für die Streikbeendigung beendet werden. Streiks sind nur zulässig, wenn sie gewerkschaftlich organisiert sind (kein Wilder Streik). Arbeitgeber können auf Streiks mit einer Abwehraussperrung reagieren. Dies bedeutet die planmäßige Nichtzulassung mehrerer Arbeitnehmer zur Arbeit eines Arbeitgebers. Angriffsaussperrungen sind hingegen unzulässig. Das Betriebsverfassungsrecht regelt die Mitwirkungsmöglichkeiten der Arbeitnehmer in Unternehmen, sofern diese mehr als fünf ständig Beschäftigte haben, dann besteht ein Recht auf Gründung eines Betriebsrats. Der Betriebsrat ist das zuständige Vertretungsorgan der Arbeitnehmer in der Unternehmung. Seine Mitglieder werden alle drei Jahre für jeden Betriebsstandort gewählt. Der Gesamtbetriebsrat vertritt die Betriebsräte auf Unternehmensebene, der Konzernbetriebsrat die Gesamtbetriebsräte auf Konzernebene. Die Einflussnahme des Betriebsrats ist abgestuft nach Mitwirkung, hier bleibt die Entscheidung letztlich beim Arbeitgeber, und Mitbestimmung, hier kann der Betriebsrat ihm unliebsame Entscheidungen verhindern. Beide beziehen sich auf wirtschaftliche, personelle und soziale Angelegenheiten im Betrieb. Bei den Mitwirkungsrechten ist der Arbeitgeber verpflichtet, den Betriebsrat rechtzeitig und umfassend über geplante Maßnahmen in Kenntnis zu setzen, eine tatsächliche Beeinflussung dieser Maßnahmen ist jedoch kaum möglich. Es ist allenfalls eine zeitliche Verzögerung durchsetzbar. Dabei handelt es sich um folgende Rechte: • Im Rahmen des Informationsrechts ist der Arbeitgeber verpflichtet, den Betriebsrat rechtzeitig und umfassend über betriebliche Pläne z. B. in Bezug auf den Umbau von Arbeitsplätzen, wirtschaftliche Angelegenheiten oder die Einstellung Leitender Angestellter zu informieren (§§ 99, 106 BetrVG). Es handelt sich dabei um eine Einwegkommunikation. • Im Rahmen des Vorschlagsrechts muss der Arbeitgeber Vorschläge des Betriebsrats z. B. zur Personalplanung zur Kenntnis nehmen und prüfen (§ 92,2 BetrVG). Es besteht keine Pflicht zu deren Umsetzung. • Im Rahmen des Anhörungsrechts muss der Arbeitgeber vor Entscheidungen, z. B. bei Kündigungen, die Meinung des Betriebsrats einholen, muss dieser aber nicht zugleich folgen (§ 102,1 BetrVG). Es handelt sich dabei um eine Zweiwegkommunikation. • Im Rahmen des Beratungsrechts muss der Arbeitgeber aus eigener Initiative den Betriebsrat zur Beratung hinzuziehen und mit diesem Angelegenheiten wie Berufsbildung oder Betriebsänderungen besprechen (§ 96, 1 BetrVG). Arbeitgeber und Betriebsrat diskutieren also Maßnahmen gemeinsam. • Antragsrechte umfassen Vorlagen zur Diskussion mit der Unternehmensleitung.

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E. Die Koordinierung der Unternehmung

Ebenfalls zur Mitwirkung gehören die Widerspruchs- und Zustimmungsrechte. Sie beziehen sich darauf, dass Maßnahmen des Arbeitgebers der Zustimmung des Betriebsrats bedürfen (erzwingbare Mitbestimmung), damit sie durchgeführt werden können, oder der Betriebsrat ein Widerspruchsrecht hat, was bedeutet, dass die Maßnahmen nicht durchgeführt werden können, bis ein Arbeitsgericht ein entsprechendes Urteil erlassen hat: • Im Rahmen des Widerspruchsrechts kann der Betriebsrat durch Verweigerung seiner Zustimmung bestimmte Entscheidungen wie personelle Einzelmaßnahmen zu Einstellung, Eingruppierung, Umgruppierung, Versetzung etc. blockieren und den Arbeitgeber zwingen, seine Entscheidung durch ein Arbeitsgericht prüfen zu lassen (§ 99,2 BetrVG). Es handelt sich also um eine Möglichkeit zur Zustimmungsverweigerung. • Zustimmungsrechte bestehen bei personellen Einzelmaßnahmen wie Einstellung, Ein-/Umgruppierung und Versetzung, für Maßnahmen im Bereich der Berufsausbildung und beim Einsatz von Personalfragebögen, weiterhin Fragen zur Ordnung des Betriebs, zum Beginn und Ende der Arbeitszeit, zur vo­ rübergehenden Verlängerung / Verkürzung der Arbeitszeit, zur Leistungs- und Verhaltenskontrolle der Arbeitnehmer mittels technischer Einrichtungen, zur Ausschreibung von Arbeitsplätzen und zur Aufstellung / Ausgestaltung eines Sozialplans. Bei Meinungsverschiedenheiten soll hier eine Einigung angestrebt werden, bei Dissens entscheidet eine Einigungsstelle. Mitbestimmungsrechte bestehen in Bezug auf soziale Angelegenheiten wie Betriebsordnung, Arbeitszeiten, Arbeitspausen, Entgeltmodalitäten, Urlaubsplanung, Unfallschutz, Sozialeinrichtungen, Werkswohnungen, Arbeitsbewertung, Akkord- und Prämiensätze, Vorschlagswesen etc. Weiterhin bestehen sie in Bezug auf arbeitsplatzbezogene Angelegenheiten wie Arbeitsabläufe, Arbeitsplatz­ umgebung, Arbeitsgestaltung etc. Bei personellen Angelegenheiten geht es um Beurteilungsgrundsätze, Auswahlrichtlinien, Ausbilderbestellung, ordentliche Kündigungen etc. Über wirtschaftliche Angelegenheiten ist zu beraten und unterrichten. Hier bestehen Initiativ- und Vetorechte: • Im Rahmen des Initiativrechts kann der Betriebsrat auf eigene Initiative hin vom Arbeitgeber bestimmte Handlungen oder Unterlassungen verlangen z. B. in Bezug auf betriebliche Bildungsmaßnahmen, die Entfernung betriebsstörender Arbeitnehmer oder interne Stellenausschreibungen (§§ 98, 104 BetrVG). • Im Rahmen des Vetorechts kann der Arbeitgeber bestimmte Entscheidungen wie Änderungen der Arbeitsplätze, der Arbeitsumgebung, in der Personalauswahl etc. gegen den Willen des Betriebsrats nicht durchsetzen – auch nicht durch einen Entscheid des Arbeitsgerichts (§ 99, 95 BetrVG). Dabei handelt es sich um eine Reaktion. Das Mitbestimmungsgesetz regelt die Repräsentanz der Arbeitnehmer im Aufsichtsrat von Kapitalgesellschaften bei mehr als 2.000 Arbeitnehmern (Parität).

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Das Montanmitbestimmungsgesetz regelt die Repräsentanz im Aufsichtsrat bei mehr als 1.000 Arbeitnehmern in Parität mit einem zusätzlichen neutralen Aufsichtsratsvorsitzenden sowie einem Arbeitsdirektor im Vorstand. Das Personalvertretungsgesetz betrifft öffentlich-rechtliche, karitative, religiöse und erzieherische Einrichtungen, für die das Betriebsverfassungsrecht ansonsten nicht gilt. Betriebsvereinbarungen sind Verträge zwischen Betriebsrat und Betriebsleitung. Sie umfassen z. B. Unfallverhütung, Sozialeinrichtungen, Vermögensbildung in Arbeitnehmerhand, Datenschutz, Alkoholverbot, Altersversorgung etc. Sie gelten für alle Beschäftigten und sind ausreichend bekannt zu machen. Nicht vereinbart werden können darin Arbeitsentgelte und wichtige Arbeitsbedingungen. 16.10.2 Individuelles Arbeitsrecht

Arbeitsverträge müssen allgemein den gesetzlichen Vorgaben, dem Tarifvertrag, der Betriebsvereinbarung und der obersten Rechtsprechung (BGH, BSG, BAG) entsprechen. Der Arbeitsvertrag kann grundsätzlich formlos sein, Schriftform ist aber üblich und auch dringend anzuraten. Formularverträge bedürfen dabei der Zustimmung des Betriebsrats. Die Arbeitsverträge können unbefristet als Dauerarbeitsvertrag oder aber befristet ausgelegt sein. Befristete Arbeitsverträge bedürfen eines sachlichen Grundes, dürfen nicht länger als zwei Jahre laufen und höchstens dreimal verlängert werden. Ansonsten entsteht ein Kettenarbeitsvertrag mit daraus abfolgendem Weiterbeschäftigungsrecht. Ausnahmen gelten nur für Existenzgründungsunternehmen. Pflichtinhalte eines Arbeitsvertrags sind folgende: • Vertragsparteien, also Arbeitgeber und Arbeitnehmer, • Vertragsbeginn, • genaue Tätigkeitsbezeichnung, • allgemeine Tätigkeitsbeschreibung, • Arbeitszeit (regelmäßig, außerordentlich), • Vergütung, mindestens gemäß Tarifecklohn, differenziert nach Art, Höhe, Steigerung, Fälligkeit, Auszahlungsweise etc., • freiwillige Sozialleistungen der Unternehmung, • Urlaub, mindestens nach Tarifvertrag, • Entgeltfortzahlung ohne Leistung, mindestens nach Tarifvertrag, genauer bei Erkrankung, • Wettbewerbsverbot (Konkurrenzklausel), gültig nur mit Abfindung,

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E. Die Koordinierung der Unternehmung

• Probezeit, mit abgestufter Laufzeit, • Treuepflichten wie Geheimhaltung, Diensterfindungen, Nebentätigkeiten etc., • Kündigungsfrist nach Gesetz. Der Arbeitsvertrag ist nichtig, wenn er gegen ein gesetzliches Verbot oder die guten Sitten verstößt, ein Willensmangel bei Abschluss vorliegt oder die vereinbarte Leistung unmöglich ist.

Literaturhinweise Albert, Günther: Betriebliche Personalwirtschaft, 12. Auflage, Herne 2013 Anchouri, Cyrus: Human Resources Management, 2. Auflage, Wiesbaden 2015 Bartscher, Thomas / Stöckl, Juliane / Träger, Thomas: Personalmanagement, München 2012 Becker, Manfred: Personalwirtschaft, Stuttgart 2010 Berthel, Jürgen / Becker, Fred G.: Personal-Management, 10. Auflage, Stuttgart 2013 Bröckermann, Reiner: Personalwirtschaft, 6. Auflage, Stuttgart 2012 Bühner, Rolf: Personalmanagement, München / Wien 2004 Drumm, Hans Jürgen: Personalwirtschaft, 8. Auflage, Berlin / Heidelberg 2008 Eisele, Daniela / Doyé, Thomas: Praxisorientierte Personalwirtschaftslehre, 7. Auflage, Stuttgart 2010 Hansen, Katrin: Personalmanagement, Berlin 2015 Haubrock, Alexander / Öhlschlegel-Haubrock, Sonja: Personalmanagement, 2. Auflage, Stuttgart 2009 Hohlbaum, Anke / Olesch, Gunther: Human Resources, 3. Auflage, Rinteln 2008 Holtbrügge, Dirk: Personalmanagement, 5. Auflage, Wiesbaden 2013 Huber, Andreas: Personalmanagement, München 2010 Jung, Hans: Personalwirtschaft, 9. Auflage, München / Wien 2011 Klimecki, Rüdiger G./Gmür, Markus: Personalmanagement, 3. Auflage, Stuttgart 2001 Kolb, Meinulf / Burkart, Brigitte / Zundel, Frank: Personalmanagement, 2. Auflage, Wiesbaden 2010 Lindner-Lohmann, Doris / Lohmann, Florian / Schirmer, Uwe: Personalmanagement, 2. Auflage, Berlin / Heidelberg 2012 Nicolai, Christiana: Personalmanagement, 3. Auflage, Stuttgart 2014 Oechsler, Walter A. / Paul, Christopher: Personal und Arbeit, München 2015

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Olfert, Klaus: Personalwirtschaft, 15. Auflage, Herne 2012 –– Kompakt-Training Personalwirtschaft, 9. Auflage, Herne 2014 Ridder, Hans-Gerd: Personalwirtschaftslehre, 4. Auflage, Stuttgart 2013 Rosenberger, Bernhard (Hrsg.): Modernes Personalmanagement, Wiesbaden 2014 Rowold, Jens: Human Resource Management, Berlin / Heidelberg 2013 Scherm, Ewald / Süß, Stefan: Personalmanagement, 2. Auflage, München 2010 Schmeisser, Wilhelm / Andresen, Maike: Personalmanagement, Konstanz 2012 Scholz, Christian: Personalmanagement, 6. Auflage, München 2013 –– Grundzüge des Personalmanagements, 2. Auflage, München 2014 Stock-Homburg, Ruth: Personalmanagement, 3. Auflage, Berlin / Heidelberg 2013 Wickel-Kirsch, Silke / Janusch, Matthias / Knorr, Elke: Personalwirtschaft, Wiesbaden 2008

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Übungsaufgaben 1. Welche Aufgaben fallen in der internen Personalbeschaffung an? 2. Welche Gründe für eine „ordentliche“ Kündigung können gegeben sein? 3. Welche Aufgaben umfasst die Personalentwicklung? 4. Welche Anforderungen sind an die Mitarbeiterentlohnung zu stellen? 5. Welche Inhalte hat das Individualarbeitsrecht? 6. Welche Inhalte hat das Kollektivarbeitsrecht? 7. Welche Aufgaben fallen in der externen Personalbeschaffung an? 8. Nennen Sie bitte übliche Verfahren zur Bewerberauswahl. 9. Welchen Rahmen und welche Inhalte hat typischerweise ein Arbeitsvertrag? 10. Aus welchen Anlässen ist eine Abmahnung von Mitarbeitenden möglich? 11. Welche Einflussgrößen wirken auf die Planung des Personaleinsatzes ein? 12. Welche Aufgabenfelder fallen in den Rahmen des Personalmanagements? 13. Charakterisieren Sie bitte das Personal-Leasing. 14. Welche Aufgaben gehören zur Bearbeitung eingehender Personalbewerbungen? 15. Welche Aufgaben übernehmen Personalberater im Allgemeinen?

17. Organisation

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17. Organisation In diesem Kapitel werden folgende Inhalte behandelt und geklärt: • der Begriff und die Abgrenzung der Organisation, • die Aufgabengestaltung und die Stellenbildung, • die Spezialisierung in der Aufbauorganisation, • die Konfiguration in der Aufbauorganisation, • die Koordination in der Aufbauorganisation, • die Arbeitserledigung und die Ablauforganisation, • der ungeplante und geplante organisatorische Wandel. 17.1 Begriff und Abgrenzung Für den Begriff „Organisation“ gibt es drei Interpretationsansätze (siehe Abb. E14): • Der funktionale Organisationsbegriff versteht Organisation als zielgerichtete Tätigkeit zur Schaffung von Strukturen (die Unternehmung wird organisiert), es geht also um die Tätigkeit des Organisierens. • Der institutionale Organisationsbegriff versteht Organisation als zielgerichtetes, sozio-technisches System mit einer formalen Struktur (die Unternehmung ist dabei eine Organisation). • Der instrumentale Organisationsbegriff versteht Organisation als Instrument der Ordnung einer Unternehmung zur Zielerreichung (die Unternehmung hat demnach eine Organisation). An dieser Stelle wird folgende Definition zugrunde gelegt: Organisation ist ein bewusst geschaffenes System von Regeln, um gemeinsame Ziele zu verfolgen.

Abbildung E14: Alternative Organisationsverständnisse (eig. Abb.)

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E. Die Koordinierung der Unternehmung

Bei Elementen, die Gegenstand der Organisation sind, handelt es sich um folgende: • Aufgaben, die in der Unternehmung zu erledigen sind, • Aufgabenträger, die diese Erledigung übernehmen, • Sachmittel, die diese bei der Erledigung unterstützen, • Informationen, die zur Erledigung erforderlich sind. Die informale Organisation entsteht aus den Umständen des Einzelfalls, ist zufällig strukturiert und entwickelt sich beliebig weiter. Die formale Organisa­tion funktioniert demgegenüber nach bewusst geschaffenen Regeln. Diese Regeln beziehen sich u. a. auf folgende praktische Inhalte: • eindeutige Aufgabenzuordnung, Vertretungshandhabung, reglementierte Anweisungsrechte und Berichtspflichten, Prozessgestaltung, Schnittstellenklarheit, zeitliche und räumliche Aufgabenerfüllungseffizienz, gute Ressourcennutzung, klarer Entscheidungsspielraum, transparente Entscheidungswege. Ziele, welche die Organisation dabei verfolgt, sind folgende: • effizienter Arbeitsvollzug, reduziertes Konfliktpotenzial, Verteilung / Legitimation / Sicherung der Leitung, kreative Entfaltung der Mitarbeitenden, Grenzen der Selbstorganisation der Unternehmung, geordnetes Auftreten nach außen und innen, Absicherung der Unternehmensentwicklung. Beim Ausmaß der Organisation gibt es einen Gleichgewichtszustand. Eine Unterorganisation weist einen zu geringen generellen Regelungsgrad auf, eine Überorganisation einen zu hohen generellen Regelungsgrad. Beides ist der Effizienz abträglich. Der Begriff der Organisation ist abzugrenzen von verwandten Begriffen wie: • Disposition, diese besteht aus fallweisen Verfügungen anstelle systematischer Regelungen, • Improvisation, diese ist nur vorläufig ausgerichtet und in ihrer Anlage unsystematisch. Um organisieren zu können, sind eine Reihe von Überlegungen erforderlich: • die Aufgabengestaltung, die Auftragserledigung, die Stellenbildung, die Aufbauorganisation, die Arbeitserledigung, die Ablauforganisation, die Führung und der Organisationswandel.

17. Organisation

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17.2 Aufgabengestaltung Eine Aufgabe ist allgemein eine dauerhafte Verpflichtung der Mitarbeitenden, bestimmte Handlungen auszuführen, um ein vorab definiertes Ziel zu erreichen. Jede Aufgabe ist durch fünf Merkmale gekennzeichnet, die in der Aufgabenanalyse ermittelt werden (siehe Abb. E15): • Verrichtung, d. h. welche Aktivitäten werden im Einzelnen vorgenommen, • Objekt, d. h. an welchem Gegenstand werden diese Aktivitäten vorgenommen, • Rang, d. h. handelt es sich um überwiegend ausführende oder überwiegend entscheidende Aktivitäten, • Phase, d. h. handelt es sich um Planungs-, Realisations- oder Kontrollaufgaben, • Zweckbeziehung, d. h. handelt es sich um primäre Aktivitäten (Nutzleistung) oder sekundäre Aktivitäten (Stützleistung).

Abbildung E15: Elemente der Aufgabenanalyse (eig. Abb.)

Nachdem alle Aufgaben auf diese Weise analysiert worden sind, gilt es in der nächsten Stufe, sie zusammen zu führen. Die Aufgabensynthese betrifft die organisatorische Integration der Aufgaben durch ihre Zentralisation (Konzentration auf eine Stelle) oder Dezentralisation (Verteilung auf verschiedene Stellen). Eine Stelle ist dabei die kleinste, selbstständig handelnde organisatorische Einheit. Mehrere Stellen können zu Abteilungen zusammengefasst werden. Stellen lassen sich vielfach differenzieren: • nach der Art der Aufgabenträger in Menschen, Maschinen oder Mensch-Maschine-Kombinationen, • nach der Anzahl der Aufgabenträger in Singular-/Einpersonen- oder Plural-/ Mehrpersonenstellen, • nach der Entscheidungsbefugnis in Leitungsstellen (Instanzen) oder Ausführungsstellen (ohne Entscheidungs- und Weisungsbefugnis).

E. Die Koordinierung der Unternehmung

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Ziel ist die Zentralisation gleicher Aufgaben durch Zusammenfassung in einer Stelle, und zwar als • gemeinsame Verrichtung (z. B. Gesamtbuchhaltung), • gemeinsames Objekt (Produkt, Gebiet, Kunde), • ganzheitliche Entscheidung (Führungsaufgaben), • Planung und Kontrolle, • Sekundäraktivitäten (Administration), • Sachmittel (z. B. IT-Abteilung), • Regionen (z. B. Betriebsstandorte), • Prozesse (z. B. Auftragsbearbeitung), • Personen (Aufgabenträger). Die Aufgabensynthese führt zu einer Zentralisation oder Dezentralisation von Aufgaben auf Stellen. Kriterien zur Aufgabenzentralisation bzw. -dezentralisa­ tion sind folgende (siehe Abb. E16): • Aufgabenträger, d. h., wer erfüllt die Aktivitäten (personelle Zuordnung), • Sachmittel, d. h. Betriebsmittel und Werkstoffe zur Aufgabenerfüllung, • Zeit, d. h. zeitliche Erstreckung der Aufgabenerfüllung (temporale Zuordnung), • Raum, d. h. räumliche Erstreckung der Aufgabenerfüllung (lokale Zuordnung).

Abbildung E16: Elemente der Aufgabensynthese (eig. Abb.)

17.3 Stellenbildung Diese Zentralisation von Aufgaben wiederum führt zur Stellenbildung. Instanzen sind dabei Stellen mit fachlicher und disziplinarischer Weisungsbefugnis (beides kann auseinanderfallen). Sie können nach ihren dispositiven bzw. exekutiven Anteilen am oberen Ende (Top-Management), in der Mitte (Middle Management) oder am unteren Ende (Lower Management) der Hierarchie ange-

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ordnet sein. Instanzen koordinieren durch persönliche Weisung oder technokratisch über Programme und Pläne. Ihre Kennzeichen sind Richtlinienkompetenz und Rechte in Bezug auf Initiative, Entscheidung, Weisung und Kontrolle. Dies betrifft sowohl die Verantwortung für eigene Verfügungen als auch die für unterstellte, fremde Verfügungen. Als Vorteile persönlicher Weisung gelten vor allem die leichte Gestaltbarkeit (situative Anpassung) und schnelle Einsetzbarkeit (ad hoc). Als Nachteile sind die potenzielle Überlastung der Instanz, das Erfordernis hoher Qualifikation, der Kommunikationsüberschuss und Akzeptanzprobleme bei fehlendem Talent anzusehen. Alternativ dazu sind Programme (Wenn... dann-Verknüpfungen) denkbar. Ihre Vorteile sind • der geringe Abstimmungsbedarf, • die Entlastung der Leitungsspitze, • die Trennung von Sach- und Personenaspekten, • die verbesserte Entscheidungsqualität, • eine mutmaßlich allgemein höhere Effizienz. Als Nachteile sind hingegen anzusehen • ihre Bürokratisierungstendenz, • eine mangelnde Flexibilität, • die unzweckmäßige Anwendung, • der Rückgang der Eigeninitiative. Instanzen werden ggf. durch Leitungshilfsstellen unterstützt, die ihnen zuarbeiten (Stab, Assistenz etc.). Die Leitung kann auch durch Personengruppen wahrgenommen werden (Gremien, Kollegien, Ausschüsse etc.). Die Darstellung der Aufbauorganisation findet verbal als Stellenbeschreibung, grafisch durch Organigramm oder formalisiert über Symbolik statt. Die Stellenbeschreibung enthält zumeist folgende wesentlichen Inhalte: • Allgemeine Informationen wie Stellenbezeichnung, Aufgabenbereich, organisatorische Einordnung, Vollmachten, Entlohnungsgruppe etc., • Instanzangaben mit Über- und Unterstellung, aktiver und passiver Stellvertretung, fachlicher und disziplinarischer Zuständigkeit etc., • exakte Zielsetzung der Stelle, • Aufgabenbild mit Handlungs- und Entscheidungsspielräumen, überschlägigen Anteilen der Teilaufgaben, erfolgskritischen Arbeitsinhalten etc.,

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E. Die Koordinierung der Unternehmung

• Kommunikationsbild mit Koordinations-, Beratungs-, Informations- und Berichtsaspekten, • Leistungsbild mit Qualifikation, Fach-, Methoden-, Sozial- und Individualkompetenzen. Stellenbeschreibungen sind personenunabhängig zu bestimmen. Es entspricht einem häufigen praktischen Fehler, Stellenbeschreibungen um bestimmte Mitarbeitende herum zu definieren. Doch fallen diese Mitarbeitenden aus irgendeinem Grund aus, wird es kaum gelingen, einen Nachfolger mit exakt demselben Leistungsprofil zu finden. Das bedeutet, dass deswegen die Stellenbeschreibung modifiziert werden muss. Da Stellenbeschreibungen sich aber wie Puzzleteile ergänzen, bedeutet die Veränderung einer Stellenbeschreibung im Regelfall auch die Veränderung anderer, so dass bei jedem Personenwechsel Anpassungen erforderlich werden, was zu einer steten Unruhe in der Organisation führt. Bei Führungsstellen wird auf eine Stellenbeschreibung erstaunlicherweise oft verzichtet. Als Argument wird angeführt, dass die Aufgaben dort zu komplex und kompliziert seien, um sie in Stellenbeschreibungen zu normieren. Das aber ist ganz und gar nicht einsehbar. Bei Managementquerelen ist nicht selten der Anlass, dass das, was der Manager als Aufgabe verstanden hat und machen möchte, nicht dem entspricht, was die Unternehmung als Aufgabe zu besetzen hat. Daraus entstehen teure Missverständnisse. Zur Erfassung bietet sich eine Formularlösung an. Für professionelle Arbeit sind Formulare eine unerlässliche Hilfe. Man gerät als Mitarbeitender leicht in Verruf, „beamtig“ zu sein, wenn man diese einsetzt. Doch geeignete Formulare stellen sicher, dass man an alles gedacht hat und die schriftliche Form schafft eine hohe Verbindlichkeit. Das Organigramm ist die grafische Darstellung der Über- und Unterordnungsverhältnisse in der Aufbauorganisation sowie der organisatorischen Strukturierung. Daraus ergeben sich Weisungs- und Berichtsbeziehungen, Leitungsspannen und -tiefen, die Verteilung der Aufgaben und Zuständigkeiten sowie die Einordnung von Leitungshilfsstellen (angelegt als vertikale / horizontale Pyramiden, Säulen, Blöcke etc.). Dies ermöglicht zwar einen raschen Überblick, reduziert jedoch die dynamische Organisationsrealität oft unzulässig. Als Hierarchiestufen ergeben sich zumeist folgende: • Geschäftsführung / Gesamtvorstand, • Bereichsvorstand, • Bereichsleitung, • Hauptabteilungsleitung, • Abteilungsleitung, • Sachgebietsleitung,

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• Sachbearbeitung, • Assistenz. In neuerer Zeit hat sich die Leitungstiefe erheblich verringert (Lean Management). Dies hängt einerseits an dem Erfordernis zur Reduktion der Overheads (Gemeinkosten für nicht-wertschöpfende Tätigkeiten), andererseits an der Informationsfilterung und -verzerrung über mehrere Hierarchiestufen hinweg. Dies ist sowohl Top down problematisch, wenn dadurch die Einheit der Leitung gefährdet wird, als auch Bottom up, da davon auszugehen ist, dass die Mitarbeitenden an der Basis den besten Einblick in konkrete Sachverhalte haben. Symbole geben die Beziehungen der Organisationseinheiten zueinander mit standardisierten Zeichen wie durchgezogene Linie, gestrichelte Linie, Quadrat, Dreieck, Arena (oval), Raute (Verzweigung) etc. wieder, z. B. für Instanz, Ausführungsstelle, Stabsstelle. Weitere Symbole (Ikonografie) beziehen sich auf Stellvertreterregelungen, Kostenstellen, Vollmachten, Lohn-/Gehaltsgruppen etc. Daraus entstehen Diagramme, die folgende Ausprägungen haben: • als Funktionendiagramm mit Kürzeln für die Aufgaben Mitarbeit, Planung, Entscheidung, Kontrolle etc. oder entsprechenden Piktogrammen, • als Kommunigramme (Soziogramme) für die Intensität, Dauer und Richtung von Kommunikationsbeziehungen in der Organisation. Nachdem die Stelle abstrakt beschrieben worden ist, wird es erforderlich, dafür die bestgeeignete Besetzung zu finden. Dafür stehen interne und externe Beschaffungsquellen zur Verfügung. Entspricht das Profil des geplanten Stellen­ inhabers nicht den Anforderungen, kann durch Personalentwicklung über Wissensschulung und Verhaltenstraining eingewirkt werden. Alternativ ist auch ein Neuzuschnitt der Stelle denkbar. 17.4 Aufbauorganisation Unter Aufbauorganisation versteht man die sachliche und logische Aufteilung einer Gesamtaufgabe in Teilaufgaben und deren Zusammenfassung in Organisationseinheiten zur Erfüllung der Unternehmensziele. Dabei ergeben sich vor allem vier zentrale Probleme: • Wie ist bei der Aufgabenzuordnung und Stellenbildung zweckmäßig vorzugehen? • Welche Stellenarten sind einer Aufgabenverteilung zugänglich? • Wie viele Stellen werden zur Aufgabenerfüllung benötigt? • Wie können Stellen zu größeren Abteilungen sinnvoll zusammengefasst werden?

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E. Die Koordinierung der Unternehmung

Ergebnis dieser Überlegungen ist eine quantitative Aufgabenzuordnung, dabei arbeiten zwei oder mehr Stellen parallel. Oder eine qualitative Aufgabenzuordnung, und zwar horizontal durch gleichrangige Stellen nebeneinander oder vertikal durch direkt über- und untergeordnete Stellen. Die qualitative Aufgabenzuordnung führt zur Spezialisierung, diese kann im Einzelnen stattfinden nach: • Verrichtung, Objekt, Rang, Phase, Zweckbeziehung, Sachmittel, Zeit, Raum. Die Aufgabenzuordnung hängt von den Kompetenzen des jeweiligen Stelleninhabers ab, dabei handelt es sich im Einzelnen um: • Wissen (bezogen auf bestimmte Tätigkeiten oder allgemein) als Fachkompetenz, • Können (manuelle oder geistige Fertigkeiten) als Methodenkompetenz, • Verhalten (interpersonell) als Sozialkompetenz, • Verantwortung (motivational) als Individualkompetenz. Methoden-, Sozial- und Individualkompetenzen werden auch als Schlüsselqualifikationen bezeichnet. Dies ist klar zu unterscheiden von formalen Kompetenzen in Bezug auf Informationen, Verfügungen, Verpflichtungen, Entscheidungen, Weisungen, Kontrollen, Anträgen, Ausführungen etc.

17.4.1 Spezialisierung der Struktur

Bei Primärorganisationen handelt es sich um die Aufbauorganisation durchgängig nach einem Prinzip. Denkbar sind dabei das Verrichtungsprinzip (Funk­ tion) oder das Objektprinzip (Produkt, Gebiet, Kunde). In der Realität ist aber fast nur die Primärorganisation nach dem Verrichtungsprinzip anzutreffen. Eine Primärorganisation nach dem Objektprinzip bleibt die Ausnahme (siehe Abb. E17). Die Spezialisierung in der Aufbauorganisation entspricht dem nahe liegenden und bewährten Prinzip der Arbeitsteilung. Diese wird verbreitet als Basis für Produktivitätssteigerungen angesehen. Als allgemeine Vorteile der Spezialisierung sind folgende zu sehen: • hohe Übungs- und Einarbeitungseffekte durch die Aufgabenerfüllung, • hohe Produktivität durch Lerneffekte, • ergonomisch optimale Ausgestaltung der Arbeitsplätze (incl. Spezialmaschinen), • niedrige Personalkosten, da überwiegend geringere Qualifikation erforderlich.

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Abbildung E17: Alternativen der Organisationsspezialisierung (eig. Abb.)

Als allgemeine Nachteile der Spezialisierung sind folgende zu sehen: • potenziell hohe Krankheitsanfälligkeit durch einseitige Belastung, • Motivationsproblematik durch monotone Arbeit bzw. Entfremdung von der Arbeit, • Anpassungs- und Umstellungsfähigkeit geht verloren (Inflexibilität), • Umstellungskosten bei Umfeldveränderungen. 17.4.1.1 Funktionsorganisation

Dabei sind die betrieblichen Funktionen Gliederungskriterien für den Aufbau der Organisation. Dies ist auch die ursprüngliche Form der Aufbauorganisation (siehe Abb. E18). Als Vorteile der Funktionsorganisation sind folgende zu sehen: • Nutzung von Spezialisierungs- und Größenvorteilen, • flexible Reaktion auf volatile Umfeldbedingungen, • vergleichsweise einfache Personalbeschaffung, • klar geregelte Zuständigkeiten, • Betonung der Fachautorität (jeweils kompetente Mitarbeitende),

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E. Die Koordinierung der Unternehmung

• übersichtliche Steuerung und Kontrolle, • Nutzung von spezifischen Sachmitteln. Als Nachteile sind folgende zu sehen: • mangelnde Gesamtübersicht der Stelleninhaber über die Unternehmung, • häufig Ressortegoismus (Betriebsblindheit), • geringe Orientierung an Markt und Kunden, • zahlreiche Überschneidungsbereiche zwischen Funktionen (Schnittstellenprobleme), • hoher interner Kommunikations- und Koordinationsbedarf, • keine pretiale Lenkung (am Erfolg) möglich, • tendenzielle Überlastung der Unternehmensspitze, • Personalentwicklung eingeschränkt.

Abbildung E18: Schema der Funktionsorganisation (eig. Abb.)

17.4.1.2 Objektorganisation

Objektorganisationsformen sind praktisch nur ab der zweiten Hierarchieebene anzutreffen, eindimensional als divisionale Organisationsform, zwei- und mehrdimensional als Matrix-/Tensororganisationsformen. Bei der eindimensionalen Form lassen sich die Orientierung an Produkten bzw. Produktgruppen, an Gebieten bzw. Regionen und an Kunden bzw. Kundengruppen / Branchen unterscheiden. Dies entspricht zugleich der historischen Entwicklung.

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Als allgemeine Vorteile der Objektorganisation sind folgende zu sehen: • Motivationssteigerung der Mitarbeitenden durch unternehmerisches Denken im abgegrenzten Aufgabenbereich, • integrierte Entscheidungen in Bezug auf die jeweilige Organisationsdimen­ sion, • Nutzung des Wissens der Vielen durch interne Kunden-Lieferanten-Beziehungen, • hohe Effizienz durch Entlastung der Leitungsspitze. Als allgemeine Nachteile der Objektorganisation sind folgende zu sehen: • mögliche Fraktionierung der Unternehmung durch Objektdenken, • fehlende horizontale Abstimmung in der Organisation, • aufwändige Abstimmung zwischen Frontline- und Back Office-Aktivitäten, • qualitätsintensiver Personalaufbau. Die Produktorganisation geht davon aus, dass die Produkte der Unternehmung die zentralen Erfolgsfaktoren darstellen und es daher zweckmäßig ist, diese als Basis für den organisatorischen Aufbau zu wählen („erfunden“ von P&G in den 1930er Jahren für die Seife Camay). Dies bietet sich bei heterogenem (diversifiziertem) Produktprogramm, bei abweichenden Vermarktungsbedingungen der Produkte oder bei hoher Marktkomplexität und -dynamik an (siehe Abb. E19).

Abbildung E19: Schema der Produktorganisation (eig. Abb.)

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E. Die Koordinierung der Unternehmung

Als Vorteile der Produktorganisation sind folgende zu sehen: • große Marktnähe durch Berücksichtigung der Produktbesonderheiten, • frühzeitige Erkennung von Marktveränderungen, • effiziente Abstimmung produktbezogener Aktivitäten über die einzelnen Funktionen hinweg, • klare Zuständigkeiten für Aufgaben, • Nutzung von spezifischen Talenten, • hohe Flexibilität / Reaktionsfähigkeit, • Leistungsmotivation durch Möglichkeit der Erfolgszurechnung. Als Nachteile sind folgende zu sehen: • Gefahr von Kompetenzkonflikten zwischen den Organisationsebenen, • hohe Kompetenzanforderungen an die jeweiligen Stelleninhaber, • vergleichsweise hohe Personalkosten, • Gefahr des Zerfalls der Corporate Identity („Produktegoismen“), • Verteilungskonflikte um knappe Ressourcen, • Doppelarbeit bei Programmüberlappungen. Die Gebietsorganisation geht davon aus, dass die Konzentration auf die Absatzmärkte den zentralen Erfolgsfaktor darstellt. Dabei wird auf die Abweichungen zwischen Marktgebieten, im regionalen, nationalen, vor allem aber im internationalen Rahmen abgehoben. Dies bietet sich bei Unternehmen an, die unterschiedliche Marktgebiete mit abweichenden Vermarktungsbedingungen bearbeiten oder wenn bereits genaue Kenntnisse über die Marktgebietscharakteristika vorliegen (siehe Abb. E20). Als Vorteile der Gebietsorganisation sind folgende zu sehen: • gebietsspezifische Konzepte können erarbeitet und umgesetzt werden, • die Effizienz der Maßnahmen steigt, • es sind klare Zuständigkeiten gegeben, • es liegt eine transparente Organisationsstruktur vor, • Entlastung der Leitungsspitze durch hohe Marktnähe ist gegeben. Als Nachteile sind folgende zu sehen: • Gefahr von Kompetenzkonflikten zwischen den Organisationsebenen, • vergleichsweise hohe Personalkosten, • Tendenz zum Eigenleben der Gebietseinheiten,

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Abbildung E20: Schema der Gebietsorganisation (eig. Abb.)

• bewusste Überbetonung gebietsspezifischer Besonderheiten, • Verteilungskonflikte um knappe Ressourcen. Die Kundenorganisation geht davon aus, dass nicht die Produkte oder Gebiete die eigentlichen Erfolgsfaktoren der Unternehmung sind, sondern die Kunden, die Leistungen der Unternehmung abnehmen. Daher macht es Sinn, diese in den Mittelpunkt der Struktur zu stellen. Dabei ist an Kundengruppen / Branchen zu denken, dort wiederum vor allem an Großkunden (Key Accounts), aber auch an Sonder-, Potenzial-, Problemkunden etc. Eine verstärkte Ausprägung stellt das Kundenbeziehungsmanagement (CRM) dar. Dies bietet sich bei divergierenden Kundenbedürfnissen oder bei hohem Informationsstand über die Bedürfnisse der Kunden an (siehe Abb. E21). Als Vorteile der Kundenorganisation sind folgende zu sehen: • angemessenes Eingehen auf Kunden durch zielgruppenspezifische Vermarktung, • Konzentration auf die wichtigsten Kunden ist möglich, • Veränderungen der Kundenbedürfnisse können frühzeitig erkannt werden, • Stärkung der Verhandlungsposition bei Kunden, • im Grundsatz einheitliche Zuständigkeiten. Als Nachteile sind folgende zu sehen: • hohe Personalkosten,

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E. Die Koordinierung der Unternehmung

Abbildung E21: Schema der Kundenorganisation (eig. Abb.)

• Kompetenzkonflikte mit Funktionsabteilungen, vor allem dem Vertrieb, möglich, • evtl. Eigenleben der Kundeneinheiten, • Verteilungskonflikte um knappe Ressourcen, • Abgrenzung von Zuständigkeiten nicht immer eindeutig. 17.4.1.3 Sekundärorganisation

Die objektorientierten Spezialisierungsformen führen in der Praxis häufig zu einer Overlay-Struktur, d. h. einer Sekundärorganisation in Form von Produktmanagement (Category Management), Gebietsmanagement (Area Management) oder Kundenmanagement (Key Account Management). Diese Ebene wird zum Zweck der erfolgsorientierten Steuerung eingezogen und führt zur Center-Bildung und zu Sparten (Divisions). Diese kann dabei erfolgen als: • Cost-Center mit Verantwortung der Sparten für die Einhaltung vorgegebener Kostenbudgets, • Revenue-Center mit Verantwortung der Sparten für die Umsatzergebnisse, • Profit-Center mit Verantwortung der Sparten für das betriebswirtschaftliche Ergebnis, • Investment-Center mit Verantwortung der Sparten für die interne Gewinnverwendung.

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Als allgemeine Vorteile der Center-Organisation sind folgende zu sehen: • geringer Koordinationsaufwand innerhalb der Divisions, • Flexibilität und schnelle Reaktion auf Markt, Wettbewerb und Nachfrage sind möglich, • Entlastung der Unternehmensleitung vom operativen Geschäft, • hohe Identifikation mit den Center-Zielen, • Motivation zu selbstständigem unternehmerischen Handeln, • Steuerung der Centers anhand betriebswirtschaftlicher Kennzahlen möglich, • Delegation von Entscheidung / Verantwortung. Als Nachteile sind folgende zu sehen: • unvermeidliches Eigenleben der Centers, • Verteilungskonflikte zwischen den Centers um knappe betriebliche Ressourcen, • Förderung einer kurzfristigen Denkweise, • relativ große gedankliche und tatsächliche Ferne der Unternehmensleitung von den Centers, • hoher Anspruch an die Qualifikation der Führungskräfte in den Centers, • Spezialisierungs-/Größenvorteile können nicht angemessen genutzt werden. 17.4.2 Konfiguration der Struktur

Die Konfiguration betrifft die Verbindung zwischen über- und untergeordneten Stellen in der Organisationsstruktur. Einflussfaktoren darauf sind Größen wie: • Art der Abteilungsaufgabe, Entscheidungsspielräume der Mitarbeitenden, Qualifikation / Motivation der Mitarbeitenden, Führungsstil, Anteil von Ausführungsaufgaben, soziale Kompetenz des / der Vorgesetzten, vorhandene Hilfsmittel, Entlastung durch Leitungshilfsstellen. Daraus ergeben sich einerseits die Leitungsspanne als die Anzahl der einer vorgesetzten Stelle direkt unterstellten abhängigen Stellen (auch Subordinationsquote / Kontrollspanne) und andererseits die Leitungstiefe als die Anzahl der Hierarchiestufen in der Unternehmung, die einer vorgesetzten Stelle unterstellt sind. Eine kleine Leitungsspanne bedingt c. p. eine hohe Leitungstiefe et vice versa. Dabei ist ein deutlicher Trend zu geringer Leitungstiefe (Lean Management / f lache Organisation) zu verzeichnen. Generelle Vorteile daraus sind u. a. kurze Kommunikationswege, Entscheidungen von der Basis, weniger Overheads, Motivationssteigerung, mehr Kreativität etc. Nachteile sind demgegenüber u. a.

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E. Die Koordinierung der Unternehmung

Überlastung der Leitungsstellen, schwierige Kontrolle, limitierte Karrierechancen etc. Es ergeben sich mehrere Alternativen zur Organisationskonfiguration (siehe Abb. E22).

Abbildung E22: Alternativen der Organisationskonfiguration (eig. Abb.)

17.4.2.1 Einlinienorganisation

Kennzeichnend für die Einlinienorganisation ist die Einheit der Auftragserteilung, d. h. der Dienstweg ist der einzige Weisungs- und Berichtsweg. Eine Ausnahme stellt lediglich die sog. Fayol’sche Brücke dar, der „kleine Dienstweg“ auf gleicher Ebene. Es handelt sich um den „Normalfall“ der Organisationsstruktur (siehe Abb. E23). Als Vorteile der Einlinienorganisation sind folgende anzusehen: • klare Weisungs- und Kommunikationsbeziehungen (Einhaltung des Dienstwegs), • einheitliche Willensbildung ohne Eingriffe Dritter, • eindeutige, zielorientierte Entscheidungsfindung, • eindeutige Zuordnung von Kompetenz und Verantwortung, • leichte Steuerung und Kontrolle (lückenloser Informationsfluss), • gute Verständlichkeit und Überschaubarkeit des Leitungssystems, • Schutz der Hierarchie vor „Übergriffen“, • fachübergreifend handelnde Generalisten als Vorgesetzte, • Stärkung des Sicherheitsgefühls der Mitarbeitenden. Als Nachteile sind folgende anzusehen: • hohe quantitative und qualitative Belastung der Instanzen durch Kommunikationsprozesse, die sie nicht betreffen, • Gefahr, dass die systematische Entscheidungsfindung vernachlässigt wird, • vielfache Informationsfilterung und -verfälschung,

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Abbildung E23: Schema der Einlinienorganisation (eig. Abb.)

• nachgeordnete Stellen sind in hohem Maße von der ihr vorgesetzten Instanz abhängig, • Hang zur Bürokratisierung bzw. zu fehlender Dynamik, • Betonung der Positionsmacht des Vorgesetzten, • überdimensionierte Kommunikationsstrukturen erforderlich (vor allem bei übergeordneten Stellen), • Motivationsverlust auf den unteren Ebenen, • kritische Position der „Zwischeninstanzen“. 17.4.2.2 Mehrlinienorganisation

Hierbei wird das Prinzip des kürzesten Wegs durch Mehrfachunterstellung der ausführenden Stellen angestrebt. Vorgesetzte sind jeweils Funktionsspezialisten und Manager. Diese Form ist kaum mehr vorzufinden, z. B. aber in Teilen des Öffentlichen Dienstes, wo Fach- und Disziplinarvorsetzung auseinander fallen können (siehe Abb. E24). Als Vorteile der Mehrlinienorganisation sind folgende anzusehen: • Entlastung der Unternehmensleitung, • Betonung der Fachkompetenz des Vorgesetzten anstelle allein seiner Hierarchieposition, • die jeweils kompetentesten Mitarbeitenden treffen Entscheidungen, • kurze Kommunikationswege,

E. Die Koordinierung der Unternehmung

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• hohe Flexibilität, • Spezialisierung der Leitung durch Verteilung der Funktionen auf mehrere Instanzen, • Konflikte können positiv aufgelöst werden. Als Nachteile sind folgende anzusehen: • keine eindeutige Zuweisung von Verantwortungen, Aufgaben und Kompetenzen, • Ressourcenkonflikte zwischen Vorgesetzten (Ressortdenken), • möglicherweise widersprüchliche Vorgaben für Mitarbeitende, dadurch Verunsicherung, • hoher Kommunikationsbedarf und Koordinationsaufwand, • Gefahr „fauler“ Kompromisse, • viele Entscheidungsstellen (Instanzen) erforderlich, • Zurechnung von Erfolgen / Misserfolgen problematisch.

Abbildung E24: Schema der Mehrlinienorganisation (eig. Abb.)

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17.4.2.3 Stablinienorganisation

Dies ist eine Kombination der Einlinienorganisation mit Leitungshilfsstellen. Dabei kommt es zu einer personellen Trennung von formaler Leitungsbefugnis (Entscheidungsdurchsetzung) und Entscheidungsvorbereitung. Eine Stabsstelle kann einer oder mehreren Instanzen zuarbeiten, die Stabsstellen können auf mehreren Hierarchieebenen angesiedelt sein (siehe Abb. E25).

Abbildung E25: Schema der Stablinienorganisation (eig. Abb.)

Als Vorteile der Stablinienorganisation sind folgende anzusehen: • qualitative und quantitative Entlastung der Instanzen, • besserer Informationsstand für Entscheidungen der Instanzen, • Qualität der Entscheidungen steigt potenziell, • passgenauere Weisungen, • schnelle Entscheidungsfindung durch gründliche Vorbereitung, • transparente Aufbaustruktur, • einheitlicher Entscheidungsweg. Als Nachteile sind folgende anzusehen: • Konfliktpotenziale zwischen formaler und materieller Kompetenz möglich,

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E. Die Koordinierung der Unternehmung

• Tendenz zu überdimensionierter Stabsstellenstruktur, • Gefahr der Manipulation von Entscheidungen durch Stäbe, • fachliche und soziale Kompetenz der Leitungsstelle ist für den Erfolg entscheidend, • Demotivationsgefahr der Stabsmitarbeiter (bewusste Blockierung der Stabs­ empfehlungen), • Tendenz zu Stabshierarchien („Küchenkabinett“) mit problematischen Effekten, • informelle Macht der Stabsmitarbeiter. 17.4.2.4 Zwei- und Dreidimensionale Formen

Eine zweidimensionale Organisationsstruktur ist in der Praxis meist simultan nach einer funktionsorientierten (horizontal) und einer objektorientierten (vertikal) Ebene als Matrixorganisation aufgebaut (theoretisch ist aber auch die Kombination zwischen zwei objektorientierten Ebenen möglich). Damit unterscheidet sie sich von der Mehrlinienorganisation, die eindimensional sukzessiv aufgebaut ist. An den Matrixschnittstellen sind Aufgaben von zwei Managern koordinativ zu übernehmen, jeweils funktions- und objektorientierte. Zur Konfliktprävention sind hier die Priorisierung einer Dimension, eine jeweils dominante Aufgabenzuordnung, die Beschränkung der Matrix auf bestimmte Aufgabenbereiche oder informelle Regelungen möglich. Alle Lösungen schwächen jedoch den Charakter der Matrixorganisation. Zentral ist die Sichtweise, dass Konflikte als positives Element akzeptiert und daher bewusst institutionalisiert werden (siehe Abb. E26). Als Vorteile der Matrixorganisation werden folgende angesehen: • Entlastung der Unternehmensleitung durch Delegation von Entscheidungsbefugnissen, • unterschiedliche Perspektiven erbringen durchdachte, innovative Lösungsansätze, • kurze Kommunikationswege, • Kompetenzen sind wichtiger als Hierarchieposition, • hohe motivatorische Wirkung durch große Entscheidungsbeteiligung, • Konflikte können positiv aufgelöst werden, • schnelle, flexible Reaktion auf Umfeldveränderungen. Als Nachteile werden folgende angesehen: • schwierige Zuordnung von Erfolgen / Misserfolgen auf Stelleninhaber,

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Abbildung E26: Schema der Matrixorganisation (eig. Abb.)

• unklare Regelung von Entscheidungsbefugnissen / Unterstellungsverhältnissen, • hoher Zeitaufwand zum Interessenausgleich erforderlich, • langsame Entscheidungsfindung mit Gefahr „fauler“ Kompromisse, • geringeres Verantwortungsbewusstsein führt zu risikoreicheren Lösungen bzw. Bedürfnis zur Verantwortungsabsicherung führt zu chancenarmen Lösungen, • hohe fachliche Anforderungen an Stelleninhaber, damit hohe Personalkosten, • hohe soziale Kompetenz erforderlich (Schlüsselqualifikationen), • stressresistente, frustrationstolerante Führungskräfte zum Ausgleich von Konflikten zwischen Stellen erforderlich, • Bürokratisierungstendenz (Überorganisation), • komplexe Koordinationsstrukturen (wenig transparent). Bei der Tensororganisation handelt es sich um eine Weiterentwicklung der Matrixorganisation mit drei Ebenen, im Regelfall einer funktionsorientierten und zwei verschiedenen objektorientierten. Dies wird vor allem bei komplexen Umfeldbedingungen und hohen Unternehmensgrößen häufig als einzige Möglichkeit gesehen, die Organisation noch angemessen zu strukturieren. Die Vor- und Nachteile entsprechen denen der Matrixorganisation, nur jeweils in verstärktem Ausmaß.

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E. Die Koordinierung der Unternehmung

17.4.3 Koordination der Struktur

Die Koordination der Aufbauorganisation versucht festzulegen, wie die Abstimmung zwischen Stellen / Abteilungen geregelt wird und ob diese Abstimmung eigenständig oder fremdbestimmt erfolgt. Eigenständig bedeutet hier durch Selbstabstimmung informell z. B. über Intranet (Blogs, Soziale Netzwerke etc.). Dies ist allerdings recht instabil. Es ergeben sich mehrere Optionen zur Organisationskoordination (siehe Abb. E27).

Abbildung E27: Alternativen der Organisationskoordination (eig. Abb.)

17.4.3.1 Projektorganisation

Bei Projekten handelt es sich allgemein um zeitlich befristete Aktivitäten. Projekte sind zudem neuartig, komplex und bedürfen ressortübergreifender Koordination. Sie sind zielorientiert, finanziell definiert und risikobehaftet. In Unternehmen, die mit derartigen Aufgaben zu tun haben (z. B. Investitionsgüterindustrie), bietet sich ein Projektmanagement an. Dabei gibt es drei Grundformen: • Bei der Stabs-Projektorganisation wird ein Mitarbeitender zum Projektkoordinator bestimmt und koordiniert Mitarbeitende der Linienabteilungen zur Erfüllung seiner Projektaufgabe. Der Projektkoordinator ist nicht weisungsbefugt, die Mitarbeitenden der Linienabteilungen übernehmen die Projektaufgabe zusätzlich zu ihren Linienaufgaben. Daher kommt es hier vor allem auf Überzeugungsarbeit an. • Bei der reinen Projektorganisation werden Mitarbeitende aus den Linienabteilungen in eine Projektgruppe (Taskforce) abgestellt. Sie sind von ihren „normalen“ Aufgaben entbunden und unterstehen für die Projektdauer der fachlichen Anweisung des Projektleiters (die disziplinarische Weisung verbleibt meist bei der Linieninstanz). Die Projektgruppe ist hierarchieneutral und cross-funk­ tional aufgebaut. Nach Ende des Projekts kehren die Mitarbeitenden in ihre Linienstellen (oder vergleichbare andere) zurück. • Bei der Matrix-Projektorganisation sind zwei Dimensionen gegeben, die primäre (nach Funktion oder Objekt) und die sekundäre (nach Projekt). Der Pro-

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jektleiter trägt die Verantwortung für das Projekt und kann den Mitarbeitenden in der primären Dimension Weisungen erteilen. Diese Mitarbeitenden sind also zweifach unterstellt, ihrem Linienvorgesetzten im Rahmen ihrer Routinetätigkeiten und dem Projektleiter im Rahmen ihrer Sonderaufgaben. Teils wird für die Projektzeit eine rechtlich selbstständige Gelegenheitsgesellschaft (Arbeitsgemeinschaft / Konsortium) gegründet oder es werden dafür Mitarbeitende mit befristeten (Werk-)Verträgen eingestellt. Eine Projektorganisation bietet sich bei komplexen Aufgaben, bei Arbeitsumfängen, welche die Kapazität einer Person überschreiten oder bei hoher Bedeutung eines Projekterfolgs für den Gesamtunternehmenserfolg an (siehe Abb. E28).

Abbildung E28: Schema der Projektorganisation (eig. Abb.)

Als Vorteile der Projektorganisation werden folgende angesehen: • die laufenden Arbeiten in der Unternehmung bleiben unbeeinträchtigt, • die vorhandene Organisationsstruktur muss wegen Sonderprojekten nicht verändert werden, • die Mitarbeitenden werden angemessen involviert (Identifikation), • Störungen und Abweichungen im Projekt kann rasch begegnet werden, • es besteht die Möglichkeit zur Personalentwicklung und Talentförderung. Als Nachteile werden folgende angesehen: • mehr oder minder große Abhängigkeit vom Goodwill der Linienvorgesetzten,

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E. Die Koordinierung der Unternehmung

• schwerfällige Entscheidungsfindung (uneinheitlich), • Gefahr von Ressourcenengpässen und daraus abfolgenden Konflikten, • hoher Koordinationsbedarf, vor allem bei mehreren Projekten parallel (Multiprojektmanagement), • Gefahr der temporären Überlastung der Mitarbeitenden oder aber deren Unterauslastung, • Gefahr, dass Routineaufgaben wegen Gewöhnungseffekts vernachlässigt / uninteressant werden, • umfangreiche Stellvertretungsregelungen notwendig, • setzt hohe Sozialkompetenz voraus, • Unsicherheit über berufliche Zukunft nach dem Projekt, • Rekrutierungsprobleme für besonders qualifizierte Mitarbeitende, • Wiedereingliederungsprobleme in die Hierarchie (Entfremdungseffekt). 17.4.3.2 Teamorganisation

Ein Team ist allgemein durch folgende Kennzeichen charakterisiert: • Mehrpersoneneinheit, • cross-funktionale Zusammensetzung (Aufgabendifferenzierung), • hierarchieneutrale Auslegung, aber Teamleiter als Sprecher, • überwiegend ist jeder Mitarbeitende parallel Mitglied in zwei oder mehr Teams, • die Teamaufgabe ist von vornherein zeitlich unbefristet angelegt, • direkte Interaktion zwischen den Teammitgliedern, • gruppendynamische Effekte (oder auch Defekte), • Betonung von Fach- und Sozialkompetenzen (siehe Abb. E29). Teams „funktionieren“ nicht von selbst, sondern bedürfen eines Teambuildings, um zu High Performance Teams zu werden. Dabei sind folgende Phasen erforderlich: • Forming durch Orientierung des Einzelnen in der Gruppe (Kennenlernphase), • Storming in dem Maße wie Differenzen zutage treten (Behauptungsphase), • Norming als Akzeptanz und Findung eines Modus vivendi (Organisationsphase), • Performing durch Konzentration auf Sachfragen vor Personenfragen (Produktivitätsphase).

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Abbildung E29: Schema der Teamorganisation (eig. Abb.)

Als Vorteile der Teamorganisation werden folgende angesehen: • Bündelung der Expertise Vieler in einer Expertengruppe, • hohes Maß an Abwechslung und Wissenstransfer (Personalentwicklung), • Zusammenstellung des Teams nach unterschiedlichen Talenten, die erforderlich sind, • gruppendynamische Effekte, • konstruktive Arbeitsmöglichkeiten durch hierarchieneutrale Aufstellung, • fehlende Hierarchie vermindert Spannungen, • fachliche Eignung und menschliche Chemie sind kombinierbar. Nachteile der Teamorganisation sind folgende: • erhöhter Koordinationsaufwand durch Überzeugung anstelle von Anweisung, • Konkurrenz der Aufgaben in Bezug auf die Kapazität jedes Teams, • schlecht planbare Arbeitsbilanz durch Belastungsspitzen und Leerzeiten wahrscheinlich, • Zurechnung von Leistungen / Verantwortlichkeiten auf einzelne Teammitglieder ist schwierig.

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E. Die Koordinierung der Unternehmung

17.4.3.3 Gremienorganisation

Gremien sind allgemein durch folgende Merkmale gekennzeichnet: • Personenmehrheit (idealerweise drei bis sieben Mitglieder), • zeitüberdauernde Beständigkeit (Standing Committee), • direkte Interaktion zwischen den Gremiumsmitgliedern, • gemeinsame Normen (Verhaltensstandards), • Wir-Gefühl (keine Cliquen / Untergruppen), • Rollendifferenzierung nach Aufgaben. Gremien können als Haupttätigkeit (z. B. Leitungsgruppe, Arbeitsgruppe / Komitee) oder in Nebentätigkeit (z. B. Ausschuss, Taskforce) vorgesehen sein. Sie können spezialisiert, funktionsübergreifend, hierarchieübergreifend oder sowohl funktions- als auch hierarchieübergreifend angelegt sein. Ihrer Art nach unterscheidet man: • Informationsgremien zum Austausch von Daten und Fakten, • Beratungsgremien zur Entscheidungsvorbereitung durch Diskussion, • Entscheidungsgremien zur Auswahl unter ausgearbeiteten Vorlagen, • Ausführungsgremien zur Umsetzung von Maßnahmen, • Kontrollgremien zur Überprüfung von Vorgehensweisen und Überwachung von Ergebnissen. Die Beschlussfassung in Gremien erfolgt auf Basis verschiedener Abstimmungsprocederes: • Primatkollegialität bedeutet, dass der Vorsitzende durch Mehr-/Zweitstimme bei Stimmengleichheit den Ausschlag gibt, • Abstimmungskollegialität bedeutet, dass Beschlüsse auf Mehrheitsbasis getroffen werden, • Kassationskollegialität bedeutet, dass im Vier-Augen-Prinzip, also mit Gegenzeichnung, gearbeitet wird, • Ressortkollegialität bedeutet, dass es getrennte Aufgaben- und Entscheidungsbereiche im Gremium gibt. Den Gegensatz dazu bildet das Direktorialprinzip mit letztendlichem Einzelentscheid des ranghöchsten Gremiumsmitglieds. Gremien können funktionsübergreifend zusammengesetzt sein (horizontal) und / oder aus verschiedenen Rangstufen (vertikal). Sie können befristet oder unbefristet angelegt sein (siehe Abb. E30). Als Vorteile der Gremienorganisation werden folgende angesehen: • Nutzung vorhandener Managementkapazitäten,

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Abbildung E30: Schema der Gremienorganisation (eig. Abb.)

• mutmaßlich höhere Entscheidungsqualität, • besserer Informationsstand aller Beteiligten, • Poolung von Spezialisten-Know-how, • bessere Arbeitsergebnisse anstelle von zweifelhaftem Aktionismus, • Einhaltung formaler Procederes ist gewährleistet. Nachteile der Gremienorganisation sind folgende: • Tendenz zu faulen Kompromissen, • zeitaufwändige und nervenaufreibende Konsensfindung, • missachtet die Problemlösungskompetenz der einzelnen Fachmitarbeiter, • Gruppendefekte (z. B. hinsichtlich Risiken und Chancen), • Profilierungssucht einzelner Personen und / oder Abteilungen. 17.4.3.4 Zentralbereichsorganisation

Querschnittsfunktionen, die marktfern sind, werden häufig in Zentralbereichen organisiert (Back Office wie IT, Controlling, Recht / Steuern, Finanzen etc.). Die marktnahen, operativen Funktionen werden hingegen in Divisions (Sparten) organisiert. Dabei handelt es sich vor allem um Vertrieb, Werbung, Ausgangslo-

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E. Die Koordinierung der Unternehmung

gistik, Kundendienst etc. Ziele von Zentralbereichen sind die Nutzung von Synergieeffekten, die Sicherstellung der Rationalität der Unternehmensführung und die Zurverfügungstellung interner Services (Shared Service Center). Eine Entscheidung ist dahingehend zu fällen, ob diese Zentralbereiche von den Divisions in Anspruch genommen werden müssen oder können. Bei verpflichtender Inanspruchnahme kann zwar die zu vermutende überlegene Kompetenz der Zentralbereichsmitarbeiter genutzt werden, dafür besteht in den Divisions die Exkulpationsmöglichkeit für nicht zufriedenstellende Ergebnisse darin, dass man über Entscheidungen im Zweifel nicht selbst disponieren konnte, sondern von den Zentralbereichen abhängig war. Bei fakultativer Inanspruchnahme besteht die Gefahr, dass die Divisions Entscheidungen selber fällen und teure Zentralbereichsmitarbeiter unterausgelastet bleiben, obgleich ihre Einschaltung mutmaßlich zu besseren Entscheiden geführt hätte. Dafür ist dann eine einwandfreie Ergebniszurechnung möglich. Hier ist eine klare Zuordnung zu schaffen (siehe Abb. E31).

Abbildung E31: Schema der Zentralbereichsorganisation (eig. Abb.)

Als Vorteile der Zentralbereichsorganisation werden folgende angesehen: • Entlastung und Unterstützung der Leitungsinstanzen durch Arbeitsteilung, • gute Nutzbarkeit / Auslastung von kostenintensiven Fachspezialisten möglich, • Querabstimmung in der Unternehmung wird durch Aufgabenbündelung in Zentralbereichen verbessert,

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• die jeweils kompetentesten Mitarbeitenden übernehmen anstehende Aufgaben, • potenziell bessere Entscheidungsqualität, • gewinnorientierte Führung wird möglich (pretiale Lenkung / Center-Bildung). Als Nachteile werden folgende angesehen: • hoher Bedarf an Spezialisten, damit hohe Overheads, • Gefahr von Kompetenzkonflikten bei nicht eindeutiger Steuerung der Aufgabenteilung, • Ressortdenken überwiegt womöglich pragmatische, marktorientierte Lösungen, • Autonomieverlust der operativen Einheiten bei „wichtigen“ Entscheiden, • Exkulpationsmöglichkeit der Divisions bei obligatorischer Inanspruchnahme der Back Offices, • Gefahr ungenutzter, aber teurer Kapazitäten im Back Office bei fakultativer Inanspruchnahme. 17.4.4 Hybride Formen der Organisation

Neben diesen klassischen Aufbauorganisationsformen haben sich in neuerer Zeit Mischformen entwickelt. Dabei handelt es sich im Wesentlichen um folgende: • Bei Großunternehmen sind die Querschnittsfunktionen häufig in einer Holding angesiedelt. Dies ist die Dachgesellschaft eines Konzerns. Sie ist als operative, finanzielle oder strategische Einheit ausgelegt. Bei mehrstufigen Konzernen sind auch Zwischen-Holdings möglich. Jede Holding ist dabei eine rechtlich und womöglich auch wirtschaftlich selbstständige Einheit. Dadurch wird eine bessere Ordnung, vielleicht aber auch nur eine Verschleierung der Ordnung, erreicht. • Die Organisation nach Strategischen Geschäftseinheiten (SGE’s) geht von Produkt-Markt-Kombinationen aus, die Gegenstand strategischer Überlegungen sind. Diese können mit der Primärorganisation identisch sein oder verschieden davon (mehrere Einheiten der Primärorganisation bilden gemeinsam eine SGE bzw. eine Einheit der Primärorganisation besteht aus mehreren SGE’s). Dies dient vor allem der strategischen Steuerung und Lenkung der Unternehmung. • Duale Hierarchieformen ermöglichen Mitarbeitenden je nach Präferenz unterschiedliche Laufbahnen einzuschlagen, und zwar als Fachlaufbahn bei Objektspezialisierung, als Projektlaufbahn bei Koordinationspriorität oder als Funktionslaufbahn bei Verrichtungsspezialisierung. Häufig wechseln Mitarbeitende im Rahmen der Job Rotations auch zwischen diesen Formen, denn

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E. Die Koordinierung der Unternehmung

eine Karriere in nur einer Form („Schornsteinkarriere“) dürfte kaum mehr von Erfolg gekrönt sein. • Modulare Organisationsformen heben auf eine Zerlegung der Organisation in mehrere isolierte, jedoch miteinander verbundene Einheiten ab. Dazu ist eine formalisierte Ausprägung der innerbetrieblichen Kooperation erforderlich, z. B. durch virtuelle Teams. Dies bietet sich vor allem für internationalisierte Großunternehmen an oder für mittelständische Unternehmen, die international tätig sind. Insofern kommt es zu einer Arbeitsteilung. • Eine fraktale Organisation ist gegeben, wenn die innerbetrieblichen Organisationsmodule selbstständig und eigenverantwortlich arbeiten, dabei aber ein gemeinsames Ziel verfolgen. Dies erfordert eine einheitliche Steuerung (Coaching) und wird häufig bei Teilzeit- oder Home Office-Stellen angewandt, die den Ansprüchen der vorgeblichen Work-Life-Balance entsprechen. • Eine Netzwerkorganisation besteht demgegenüber aus überbetrieblichen Einheiten, die miteinander kooperieren, um dadurch Wettbewerbsvorteile zu erreichen. Die Steuerung übernimmt meist eine fokale Unternehmung. Eine typische Ausprägung ist die Strategische Allianz, bei der kernkompetenzrelevante Aktivitäten gepoolt werden. Dabei ist immer eine klare Abgrenzung zur Unternehmenskonzentration zu beachten. • Virtuelle Organisationen arbeiten projektbezogen als selbstständige Einheiten mit spezifischen Kernkompetenzen ohne hierarchische Zuordnung, aber räumlich verteilt mit Hilfe moderner IuK-Technologie (realtime) zusammen. Die Steuerung übernimmt eine Hub-Firm (Nabe). Die einzelnen Einheiten bilden dann die Spokes (Speichen). 17.5 Arbeitserledigung Die Arbeitserledigung kann in zwei Richtungen untersucht werden (siehe Abb. E32). In der Arbeitsanalyse wird jede Aufgabe in ihre kleinsten Elemente,

Abbildung E32: Elemente der Arbeitserledigung (eig. Abb.)

17. Organisation

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die Elementaraufgaben und Gangelemente, zerlegt. Es kann nur nach einem Gesichtspunkt gegliedert werden, aber in mehreren Tiefenstufen. Typische Analysetechniken sind folgende: • individuelle Interviews mit Mitarbeitenden, • standardisierter Fragebogen für Mitarbeitende, • persönliche oder apparative Beobachtung, • Multimomentaufnahme als stichprobenartige Erhebung durch Beobachtung, • Selbstaufschreibung durch z. B. Arbeitszeitbögen in der Verwaltung, • Dokumentenauswertung durch Inhaltsanalyse, z. B. e-Mail-Verkehr, • experimenteller Test anhand typischer Arbeiten und deren Operationalisierung, • Konferenz mit Mitarbeitenden zur Klärung. Die Ergebnisse dieser Analyseverfahren gehen dann in die Auswertung ein und sind Grundlage der Arbeitssynthese. Die Arbeitssynthese erfolgt nach personalen, lokalen oder temporalen Gesichtspunkten, welche die Systemprozesse festlegen. Dabei werden die Elementaraufgaben zu effizienten Ablaufschritten (Arbeitsgang) zusammengefasst und auf Aufgabenträger verteilt. Der Umfang hängt vom Grad der Arbeitsteilung ab, ganzheitlich oder fraktioniert. Die personale Synthese zielt auf die optimale Auslastung von Mitarbeitenden und deren Sachmittel am Arbeitsplatz ab. Die lokale Synthese hat die effiziente Gestaltung und Anordnung von Arbeitsplätzen im Fokus. Die temporale Synthese soll eine möglichst kurze Durchlaufzeit für ein Aufgabenobjekt (Produkt, Werkstück o. Ä.) erreichen. 17.6 Ablauforganisation Die Ablauforganisation trifft die personellen, räumlichen und zeitlichen Regelungen der materiellen und informationellen Arbeitsprozesse auf Basis der Ergebnisse der Arbeitserledigung. Dies hat in neuerer Zeit Dominanz im Organisationswesen erreicht. Konsequenterweise überwiegt sie somit die Sicht der Strukturorganisation. Die kleinste organisatorische Einheit ist damit nicht mehr eine Stelle, sondern ein Prozess (Case). Die Willensbildung in einer Organisation kann nach fünf Mustern erfolgen (siehe Abb. E33): • Top Down-Ansatz / retrograd bedeutet, dass die Willensbildung im Top-Management erfolgt und per Anweisung in die Organisation gegeben wird, dies ist schnell und pragmatisch, kann aber auf Widerstand auf allen Ebenen stoßen. Der Vorteil der schnellen Entscheidungsfindung geht allerdings auf dem Weg durch die Instanzen oft wieder verloren. Hinzu kommt jeweils eine unbewusste

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E. Die Koordinierung der Unternehmung

Abbildung E33: Formen der Willensbildung (eig. Abb.)

Verfälschung des Informationsinhalts, die im Ergebnis zu argen Verzerrungen führen kann. Da zudem die von oben oktroyierte Entscheidung nicht immer sachgerecht ist, bleiben Entscheide letztlich oft Makulatur, und die Unternehmensspitze entfernt sich zunehmend von der Basis. Probleme liegen auch im Vorgabecharakter, der die Planungsmotivation beeinträchtigt, in mangelnder Koordination und Information, die häufig als relevante Problembereiche verborgen bleiben, und in der Gefahr der Suboptimierung. • Bottom Up-Ansatz / progressiv bedeutet, dass die Willensbildung an der Mitarbeiterbasis erfolgt und als Orientierung an das Top-Management gegeben wird, das dann entsprechend entscheidet, dies ist zwar langwierig, aber zumindest konsensual. Auf allen Ebenen der Organisation vollzieht sich eine informelle Willensbildung mit dem Ziel des Konsens. Erst danach wird die vereinbarte Meinung an die jeweils vorgesetzte Stelle weiter gegeben. Dort wiederholt sich dieser Abstimmungsprozess, bis die gebündelte Meinung bei der Unternehmensspitze angekommen ist. Diese braucht dann nur noch entsprechend zu entscheiden und diese Entscheidung wird schlagartig auf allen Ebenen wirksam. Der Vorteil liegt zum einen in der erkennbaren Einbindung der Mitarbeitenden, die berechtigterweise das Gefühl haben, am Erfolg mitgewirkt zu haben, zum anderen in sachgerechten Entscheiden, die zu höherer Produktivität führen. Probleme liegen allerdings in der Negativkoordination, der Fortschreibung alter Ziele, dem hohen Arbeits- und Zeitaufwand und der Erfordernis zu ausgiebiger horizontaler Koordination.

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• Top Down-Bottom Up-Top Down-Ansatz / zirkulär (auch Gegenstrom) bedeutet, dass eine Entscheidungsidee vom Top-Management zunächst in die Organisation gegeben wird und die Mitarbeitenden ein Feedback dazu geben, so dass die eigentliche Anweisung entsprechend modifiziert wird. Dies erweist sich zwar als sinnvoll, letztlich aber als zu kompliziert. Besteht Übereinstimmung zwischen Entscheidungsvorhaben und Meinungsrückfluss, wird die Entscheidung entsprechend durchgesetzt. Gibt es Divergenzen, wird die Entscheidung solange modifiziert und erneut in der Organisation getestet, bis Konsens erzielt wird. Ebenso kann sich eine Meinung an der Basis gebildet haben, die dann an die Geschäftsführung weitergegeben wird, die diese ihrerseits kommentiert. Von Nachteil ist der hohe Koordinations- und Zeitaufwand. so dass de facto meist nur ausgewählte Gremien der Organisation (z. B. Expertenbeirat, Betriebsrat) konsultiert werden. • Middle Management-Ansatz bedeutet, dass das Top-Management eine Anweisung an die mittlere Führungsebene gibt, in der Erwartung, dass diese sie an die Mitarbeiterbasis weitervermittelt, daraus ergibt sich dort allerdings neben der ohnehin weiterzuführenden operativen Arbeit eine Doppelbelastung. Das Middle Management nimmt einerseits aufgrund seiner Leitungsfunktion Managementcharakter an, bringt aber aufgrund seiner Basisnähe praktischen Sachverstand ein. Da es jedoch vor allem mit der operativen Arbeit beschäftigt ist, stellt sich die berechtigte Frage, ob es hier nicht zu einer Überlastung mit nicht-wertschöpfenden Aktivitäten kommt, zumal wenn zugleich Hierarchie­ ebenen infolge Lean Management eingespart werden. • Management-Kerne-Ansatz bedeutet, dass das Top-Management eine Anweisung an informelle Kerngruppen in der Organisation gibt, von wo aus diese an die jeweilige Mitarbeiterbasis weitergereicht werden, dabei bestehen jedoch eine erhebliche Verzerrungsgefahr und die Gefahr von Unverständnis. Die „Kerne“ beruhen auf informellen Kontakten, auf großer Qualifikation und auf hohem Zusammengehörigkeitsgefühl. Die Kerne wirken meinungsbeeinflussend auf ihr Umfeld und schaffen Lobbies, die geeignet sind, zuerst Themen auf die Agenda der Geschäftsführung zu bringen und später deren Implementierung in der Organisation als Problemlösungen zu forcieren. 17.7 Organisationaler Wandel 17.7.1 Unternehmenskultur

Unter Unternehmenskultur versteht man die Gesamtheit der im Laufe der Zeit in einer Unternehmung entstandenen und weithin akzeptierten Basisannahmen (Werte), Normen und Standards, die durch gemeinsame Wahrnehmungs-, Denkund Verhaltensmuster das Entscheiden und Handeln der Organisationsmitglieder zu wesentlichen Teilen prägen. Die Unternehmenskultur ist relativ stabil, schafft

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E. Die Koordinierung der Unternehmung

für Mitarbeitende Sicherheit und erleichtert ihnen die Umfeldbewältigung. Unternehmenskultur zeichnet dabei Eigenschaften aus wie implizit, kollektiv, konzeptionell, emotional-basiert, historisch gewachsen und interaktiv vermittelbar. Vorteile einer ausgeprägten Unternehmenskultur sind vor allem folgende: • rasche Entscheidungsfindung, • reibungslose Kommunikation, • voraussehbare Vorgehensweisen, • Motivationswirkung (aus Gruppendynamik), • konkrete Handlungshilfe, • hohe Loyalität / Motivation / Teamgeist, • transparente Führung, • zügige Implementierung von Plänen / Projekten / Programmen, • geringer formaler Kontrollaufwand, • Systemstabilität. Nachteile sind hingegen: • tendenziell mangelnde Anpassungsfähigkeit der Unternehmung / Mitarbeiter, • Blockade gegen Veränderungsnotwendigkeiten / Erstarrung, • Abwertung anderer Orientierungen, • Tendenz zur Abschließung, • Fixierung auf tradierte Erfolgsmuster, • Konformitätszwang in der Organisation. Die Unternehmenskultur wird nach Schein bzw. Hall anhand des Sinnbilds des Eisbergs dargestellt (zu größten Teilen unsichtbar, nur zum kleineren Teil sichtbar) (siehe Abb. E34): • Grundannahmen (Basic Assumptions) sind Werte wie Umweltbezug, Wesen menschlicher Beziehungen etc., sie sind komplett unsichtbar, • Normen und Standards sind als Verhaltensrichtlinien, Maximen, Verbote zumindest teilweise sichtbar (z. B. Unternehmensleitsätze), • Artefakte wie Symbole, Zeichen, Rituale, Helden, Legenden, Ausstattungen, Sprache, Kleidung, Umgangsformen etc. werden komplett sichtbar und stehen stellvertretend für die unsichtbaren Elemente, daher sind sie interpreta­ tionsbedürftig.

17. Organisation

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Abbildung E34: Eisberg-Modell nach Schein (eig. Abb.)

Von Deal / Kennedy stammt der Versuch der Typisierung von Kulturen. Sie unterscheiden in folgende Kennzeichen nach dem Ausmaß des Feedbacks und der Höhe des Risikos (siehe Abb. E35): • Tough Guy Macho: Hohes Risiko, hohe Gewinnchance, individuelle Entscheidungen, rasch wechselnde Umfeldbedingungen, interner Wettbewerb, kurzfristige Erfolgsorientierung, aktionistisch, hohe Fluktuationsrate der Mitarbeitenden, Schnelligkeit statt Ausdauer (Machokultur). • Work and Play hard: geringes Risiko, vertriebsorientiert, schnelle Rückmeldung vom Markt zur Richtigkeit von Entscheidungen, interner Wettbewerb, Teambuilding, soziale Aktivitäten werden gefördert (Harte Arbeit, viel Spaß-Kultur). • Bet your Company: langfristige Entscheidungen, Besonnenheit ist wichtig, Festlegungen von hoher Tragweite werden vom Topmanagement getroffen, oft Durchbruchserfolge (Innovationen) (Risikokultur). • Process: stabiles, vorhersehbares Umfeld, geringes Risiko, wenig Feedback an die Mitarbeitenden, Mitarbeitende konzentrieren sich auf sich selbst, wichtig ist, die Dinge richtig zu tun, statt zu überlegen, welche Dinge richtig sind, Meetings und Arbeitsgruppen zur Abstimmung, stark hierarchische Ausprägung, viele Führungsebenen, bürokratisch (Verfahrenskultur). Dies ist freilich holzschnittartig, zumal in großen Unternehmen häufig Subkulturen in verschiedenen Bereichen nebeneinander bestehen.

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E. Die Koordinierung der Unternehmung

Abbildung E35: Kulturtypologisierung nach Deal / Kennedy (eig. Abb.)

17.7.2 Organisationsentwicklung 17.7.2.1 Ungeplanter Wandel

Ungeplanter organischer Wandel entsteht durch organisationales Lernen. Ausgangspunkt dafür sind erfahrungsgemäß im Zeitablauf einsetzende Hemmnisse wie mangelnde Veränderungsbereitschaft, -fähigkeit, aber auch organisationsexterne Faktoren wie Recht, Werte, Stakeholder etc. Solche Hemmnisse sind rational basiert, häufiger aber politisch und emotional. Nicht zuletzt sind Krisensituationen Anlass für Veränderung. Dabei können drei Abfolgen unterschieden werden: • Single Loop Learning findet als Anpassungslernen innerhalb des vorgegebenen Bezugsrahmens (Regelkreis) statt. • Double Loop Learning findet als Veränderungslernen durch Setzung neuer Bezugsrahmen statt (partielle Extinktion). • Deutero Learning findet als Lernen des Lernens (Metalernen) innerhalb einer Organisation statt. Das dabei entstehende Wissen kann kodifiziert (Explicit Knowledge) oder, mehrheitlich, in Menschen inkorporiert sein (Implicit Knowledge). Um die Organisation nicht von einzelnen Mitarbeitenden abhängig zu machen, besteht die Notwendigkeit, aus implizitem explizites Wissen zu schaffen, Mittel dazu ist allgemein die Informationsverarbeitung (Big Data).

17. Organisation

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17.7.2.2 Geplanter Wandel

Hinsichtlich des geplanten organisationalen Wandels sind drei Ansichten verbreitet: • Erstens, dass ein kultureller Wandel unmöglich ist, da er keinerlei Gestaltung (Social Engineering) zugänglich ist. • Zweitens, dass ein solcher Wandel zwar möglich, dieser aber manipulativ und daher grundsätzlich abzulehnen ist. • Drittens, dass ein solcher Wandel möglich ist und ethisch-moralisch auch umgesetzt werden darf. Insofern ist es erforderlich, die Kultur von Zeit zu Zeit auf ihren Fit zum volatilen Unternehmensumfeld hin zu prüfen und ggf. zu verändern. Dies ist ausgesprochen schwierig, da die Unternehmenskultur ein großes Beharrungsvermögen (Hysterese-Effekt) aufweist. Zur Veränderung werden von Lewin drei Schritte vorgeschlagen (UMR): • Die herkömmlichen Interpretations- und Handlungsmuster führen nicht weiter. Es tritt Verunsicherung ein. Die überkommenen Werte, Ziele und Normen verlieren an Glaubwürdigkeit und werden kritisiert. Daher ist die vorhandene Struktur aufzutauen (Unfreezing). • Es ist ein neues Ordnungsmuster zu entwickeln, das geeignet ist, die Krise zu meistern. Der Übergang zwischen alter und neuer Kultur kann evolutionär oder revolutionär gestaltet werden (Moving). • Die neue Kultur wird nicht zwangsläufig akzeptiert, denn es gibt eine Präferenz für Gewohntes, Bekanntes. Daher muss verhindert werden, dass die neue Kultur sich mit der alten synthetisiert und daher nur ein kleiner Fortschritt erreicht werden kann oder das Pendel gar zurückschwingt. Dies geschieht durch organisatorische Verankerung der neuen Kultur (Refreezing). Der Prozess setzt eine Veränderungsbereitschaft der Mitarbeitenden voraus und wird häufig von externen Beratern als Change Agents begleitet. Häufig werden neue Problemlösungen auch zunächst im kleinen Kreis oder versuchsweise angewendet, um ihre Akzeptanz zu erhöhen. Problematisch ist dabei, dass starke Kulturen zwar Erfolgsunterschiede zwischen Unternehmen bewirken können, die anhand „harter Fakten“ nicht erklärbar wären, dann aber letztlich schwer veränderbar sind, schwache, wenig ausgeprägte Kulturen hingegen gut veränderbar wären, dann aber als Erfolgsfaktor entfallen. Daher ist ein mittlerer Grad an Kulturstärke auszusteuern. Ausgeprägte Unternehmenskulturen ziehen Personen an, die diese Kultur als attraktiv wahrnehmen, stoßen aber zugleich Personen ab, die zu einer Veränderung eben dieser Kultur erforderlich wären. So verharrt die Kultur in sich und wird von dynamischen Umfeldern verdrängt. Für den Beruf ist es ausgesprochen wichtig,

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E. Die Koordinierung der Unternehmung

die sichtbaren Indikatoren einer spezifischen Kultur ernst zu nehmen. Denn Mitarbeitende, die nicht zur Unternehmenskultur passen, werden von anderen bewusst oder unbewusst ausgegrenzt, weil sie als Störfaktor empfunden werden. Weiterhin stellt sich die Frage nach dem Hebel zum Wandel. Dafür werden drei Ansätze diskutiert: • Evolutionärer (inkrementaler) Wandel 1. Ordnung als Kaizen (auch Kontinuierlicher Verbesserungs-Prozess / KVP) hat die permanente Verbesserung in allen Unternehmensbereichen und auf allen Ebenen zum Ziel. Dabei wird ein Vorgehen in dauerhaften, kleinen Schritten praktiziert, das am Ende des Tages zur Erreichung des Wandelziels führt. Allerdings besteht die Gefahr, dass wenn schon die Ausgangsbasis suboptimal ist, trotz Veränderung letztlich kein optimales Ergebnis erreicht werden kann. • Revolutionärer (fundamentaler) Wandel 2. Ordnung als BPR (Business Process Reengineering) hat als zentrale Komponenten ein radikales, fundamentales Vorgehen, eine strikte Prozessorientierung (Cases), eine hohe informationelle Vernetzung, das Empowerment der Mitarbeitenden (Case Workers) und ein Top down-Vorgehen. BPR erfolgt in folgenden Phasen, die oft von externen Experten getragen werden, weil sie intern kaum leistbar sind: –– Restrukturierung als Sollbild einer bestmöglich aufgestellten „neuen“ Unternehmung nach dem aktuellen Erfahrungswissen, –– Reorientierung als Entwicklung einer passenden Wandelstrategie, dazu wird die bestehende Organisation gedanklich ausgelöscht / Tabula rasa-Prinzip, –– Revitalisierung zur Nutzung vorhandener Kompetenzen in der Organisation, –– Remodellierung als Optimum einer „neuen“ Unternehmung, wobei der Übergang zwischen alt und neu ruckartig vollzogen wird. Allerdings wird dieser Ansatz als nicht sozialverträglich aufgefasst und ist damit in Konsensgesellschaften nicht akzeptiert. • Hybrides Vorgehen abwechselnd als Wandel 1. und 2. Ordnung, zunächst erfolgt eine „revolutionäre“ Veränderung in kleinerem Ausmaß, auf dieser Basis folgen evolutionäre Verbesserungen in kleinen Schritten, bis eine Effizienzgrenze erreicht ist, dann folgt wieder eine kleinere „revolutionäre“ Veränderung mit anschließenden kleineren Schritten usw. Fraglich bleibt allerdings das Pacing von abrupten und iterativen Veränderungen.

17. Organisation

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Literaturhinweise Bea, Franz Xaver / Göbel, Elisabeth: Organisation, 4. Auflage, Stuttgart 2010 Dillerup, Ralf / Stoi, Roman: Unternehmensführung, 4. Auflage, München 2013 Jones, Gareth, R./Bouncken, Ricarda B.: Organisation, 5. Auflage, München 2008 Kieser, Alfred / Walgenbach, Peter: Organisation, 6. Auflage, Stuttgart 2010 Nicolai, Christiana: Betriebliche Organisation, Stuttgart 2009 Olfert, Klaus: Organisation, 16. Auflage, Herne 2012 Picot, Arnold / Dietl, Helmut / Franck, Egon / Fiedler, Marina / Royer, Susanne: Organisation, 6. Auflage, Stuttgart 2012 Schiersmann, Christiane / Thiel, Heinz-Ulrich: Organisationsentwicklung, 4. Auflage, Wiesbaden 2013 Schmeisser, Wilhelm / Reiß, Michael: Organisation, Stuttgart 2014 Schreyögg, Georg: Organisation, 5. Auflage, Wiesbaden 2010 –– Grundlagen der Organisation, Wiesbaden 2012 Schulte-Zurhausen, Manfred: Organisation, 6. Auflage, München 2013 –– Grundlagen der Organisation, Wiesbaden 2012 Siedenbiedel, Georg: Organisation, Stuttgart 2010 Vahs, Dietmar: Organisation, 8. Auflage, Stuttgart 2012

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E. Die Koordinierung der Unternehmung

Übungsaufgaben 1. Welche Ansätze des Organisationsbegriffs können unterschieden werden? 2. Nach welchen Dimensionen kann eine Aufgabe charakterisiert werden? 3. Nach welchen Kriterien können Aufgaben zusammengeführt werden? 4. Was versteht man unter einem Organigramm? 5. Welche Formen der organisationalen Spezialisierung können unterschieden werden? 6. Was versteht man unter Konfiguration in der Organisation und welche Ausprägungen gibt es dafür? 7. Was versteht man unter einer Stabsstelle? 8. Welche Formen der organisationalen Koordination können unterschieden werden? 9. Was versteht man unter Organisationsentwicklung? 10. Nach welchen Prinzipien kann die Beschlussfassung in Gremien erfolgen? 11. Wie organisiert man Teamarbeit zweckmäßig? 12. Durch welche Kennzeichen ist die Aufbauorganisation charakterisiert? 13. Was versteht man unter der Aufgabenanalyse und was unter der Aufgabensynthese? 14. Wie stellt sich ein Mehrliniensystem der Aufbauorganisation dar? 15. Wie ist ein Organigramm aufgebaut?

18. Führung

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18. Führung In diesem Kapitel werden folgende Inhalte behandelt und geklärt: • die Wahl des Führungsstils nach verschiedenen Dimensionen, • die praktischen Führungsprinzipien, • die organisationalen Menschenbilder, • das Verhalten in Unternehmen, • die Motivationstheorien, • der Leadership-Ansatz. 18.1 Wahl des Führungsstils Führung bedeutet das Erreichen von Zielen mit Hilfe von Mitarbeitenden. Führen umfasst die Aufgaben des Informierens, des Anweisens, des Kontrollierens und des Motivierens. Die direkte Führung erfolgt über interpersonellen Kontakt, die indirekte Führung über Organisationsmittel. Die formelle Führung erfolgt über die Hierarchie, die informelle durch Gruppeneinfluss in der Organisation. Zur Führung bedarf es mindestens zweier Personen, des Führenden und des Geführten. Zwischen ihnen findet eine soziale Interaktion statt, d. h. das gegenseitige Verhalten bedingt einander. Diese Interaktion ist asymmetrisch, d. h. der Führende kann im Zweifel seinen Willen durchsetzen. Die Einflussnahme ist zielgerichtet, also auf den Unternehmenserfolg ausgerichtet. Und die Interaktion ist dynamisch, unterliegt also stetigen Veränderungen. 18.1.1 Eigenschaftsorientierte Ansätze

Der Führungsstil ist ein konstantes Verhaltensmuster von Vorgesetzten. Zur Erklärung gibt es verschiedene Theorien, eigenschaftsorientierte, verhaltensorientierte und situative (Stock-Homburg) (siehe Abb. E36). Bei den eigenschaftsorientierten Ansätzen können eindimensionale und zweidimensionale unterschieden werden. Zunächst zu den eindimensionalen: • Die Theorie der charismatischen Führung beruht auf persönlichen Disposi­ tionen einer Führungsperson, die zu einer starken Identifikation der geführten Person mit ihren Zielen führt. Dazu sind eine Reihe von Voraussetzungen beim charismatischen Führer erforderlich, so eine starke eigene Überzeugung, ein hohes Selbstvertrauen, eine starke Vorstellungskraft, eine ausgeprägte Macht­ orientierung, gute Informationsverarbeitung und Kommunikation, ein hohes Vertrauen der Geführten, moralische Integrität, hohe Umfeldsensibilität. Weiterhin gehören dazu das Verfolgen einer klaren Vision, das Vorleben von Werten, das Wecken von Begeisterung, hohe Leistungserwartungen an andere,

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E. Die Koordinierung der Unternehmung

Abbildung E36: Alternative Führungsstile (eig. Abb.)

hohes eigenes Engagement und Risikobereitschaft. Praktisch geht es um die Identifikation von Voraussetzungen und Konsequenzen charismatischer Führung zur Erhöhung der Motivation und Leistung der Geführten. • Die Theorie der transaktionalen Führung geht davon aus, dass sowohl die Führungsperson als auch die geführte Person nach Maximierung ihrer eigenen Nutzen streben. Dazu werden Anreizsysteme eingesetzt. Die transformationale Führung arbeitet hingegen mit Begeisterung, Inspiration, Stimulierung und Wertschätzung. Erfolgselemente sind dabei Motivation der Mitarbeitenden, Mitarbeiter- und Vorgesetzenbeurteilungen, klare Zielvereinbarungen, sinnvolles Delegieren von Aufgaben, ein funktionsfähiges Kommunikationssystem, authentisches Auftreten, Anerkennung der Mitarbeitenden, Anpassung von Verhaltensmustern etc. Praktisch geht es um die Erleichterung der Aufgabenerfüllung und Erhöhung der Leistung der Geführten durch Effizienz und Ziel-Commitment. Bei den zweidimensionalen Ansätzen sind folgende zu nennen: • Das D. I.S. G.-Konzept zeigt auf, welches persönlichkeitsbedingte Verhalten erfolgreiche Führungspersönlichkeiten kennzeichnet. Dabei wird davon ausgegangen, dass die Wahrnehmung des Umfelds und die Reaktion auf das Umfeld von Bedeutung sind. In einer Matrix ergeben sich daraus vier Verhaltenstendenzen (siehe Abb. E37): –– Dominanz bedeutet, dass eine Führungsperson hohe Entschlossenheit und Aktivität auszeichnet (D). Sie nimmt gesellschaftlich-soziale Beziehungen

18. Führung

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als herausfordernd wahr, glaubt diese bestehen und durch Zielstrebigkeit überwinden zu können. –– Initiative bedeutet, dass das Umfeld als angenehm wahrgenommen wird (I). Führungspersonen wollen Mitarbeitende für ihre Ziele begeistern und zugleich von ihnen akzeptiert werden. Sie sind daher freundlich, aufgeschlossen und überzeugend. –– Stetigkeit bedeutet, dass eine Führungsperson ein hohes Bedürfnis nach Sicherheit hat (S). Sie schafft daher stabile Umfeldbedingungen und ist für ihre Mitarbeitenden „berechenbar“. Veränderungen in der Unternehmung werden skeptisch gesehen. –– Gewissenhaftigkeit bedeutet, dass ein hohes Maß an Disziplin gefordert wird (G). Folglich ist der Umgang mit Geführten kontrolliert und strukturiert. Improvisation und Empathie treten dabei dahinter deutlich zurück. Praktisch geht es um die Beeinflussung der Persönlichkeitseigenschaften.

Abbildung E37: D.I.S.G.-Konzept (eig. Abb.)

18.1.2 Verhaltensorientierte Ansätze 18.1.2.1 Eindimensionale Ansätze

Auch bei den verhaltensorientierten Ansätzen können eindimensionale und zweidimensionale unterschieden werden. Zunächst zu den eindimensionalen: • Tannenbaum / Schmidt unterscheiden graduell in folgende Abstufungen (siehe Abb. E38): –– Autoritärer Stil: Der Führende entscheidet ohne Einbezug der Mitarbeitenden und ordnet an. Der Vorgesetzte führt kraft seiner Legitimation. Er er-

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E. Die Koordinierung der Unternehmung

Abbildung E38: Eindimensionale Führungsstile nach Tannenbaum / Schmidt (eig. Abb.)

wartet Gehorsam von Mitarbeitenden. Er trifft die Entscheidungen. Werden diese missachtet, folgen daraus Sanktionen. Führender und Geführte haben Distanz, es gibt ein hohes Maß an Kontrolle. –– Patriarchalischer Stil: Der Führende versucht die Mitarbeitenden von seiner Entscheidung zu überzeugen, bevor er schließlich anordnet. Es gibt e­ inen „Patriarchen“, der mit Autorität, aber auch Güte führt. Die Geführten haben jederzeitigen Zugang zu ihm. Von ihnen wird Gehorsam erwartet, dafür genießen sie Schutz und Fürsorge. –– Informativer Stil: Der Führende lässt zu seiner Entscheidung Fragen zu, mit deren qualifizierter Beantwortung er die Akzeptanz seiner Anordnung erhöhen will. –– Konsultativer Stil: Der Führende informiert seine Mitarbeitenden über seine beabsichtigte Entscheidung. Diese können Vorschläge machen und ihre Meinung äußern, bevor der Vorgesetzte anordnet. –– Kooperativer Stil: Der Führende stellt das Problem dar und lässt seine Mitarbeitenden Lösungsvorschläge dafür entwickeln, aus denen er dann einen Vorschlag auswählt. Ausführung und Kontrolle sind integriert. Die Ebene mit der höchsten fachlichen Kompetenz trifft die Entscheidung. Die Ausführenden kontrollieren sich selbst. Es gibt interpersonale Kontakte zwischen Führendem und Geführten. –– Partizipativer Stil: Der Führende zeigt das Problem auf und legt Spielräume fest, innerhalb derer die Mitarbeitenden autonom Lösungen entwickeln und sich für eine davon entscheiden. Der Führende sieht sich nicht vorrangig als Entscheider, sondern als Problemaufzeiger. Die Gruppe schafft dafür die bestmöglichen Lösungen. Dabei sind alle Betroffenen als Beteiligte einzubeziehen.

18. Führung

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–– Demokratischer Stil: Der Führende entwickelt gemeinsam mit seinen Mitarbeitenden eine Lösung. Er agiert dabei als Primus inter pares. –– Laissez-faire-Stil: Der Führende behandelt die Mitarbeitenden als Individuen. Diese sollen durch Freiheit motiviert werden. Informationen fließen dabei nur mehr oder minder zufällig. Die Mitarbeitenden üben dabei eine Selbstkontrolle aus. Die Zielorientierung gerät aus den Augen, Selbstverwirklichung bei der Arbeit steht im Vordergrund. Welcher Führungsstil präferiert wird, ist jeweils situationsabhängig. Fraglich ist allerdings, ob allein die Entscheidungsbeteiligung von Mitarbeitenden zur Einordnung von Führungsstilen ausreicht. 18.1.2.2 Zweidimensionale Ansätze

Bei den zweidimensionalen Ansätzen sind folgende zu nennen: • Bei Führungsstilen geht es um situationsinvariate, strukturierte Verhaltensmuster von Führenden im Umgang mit Geführten (z. B. in der Ohio-State-Leadership-Modell). Dabei werden zwei Einflussfaktoren unterstellt, die Leistungsorientierung als sachliche Ebene der Führung zur zielorientierten, strukturierten Ausrichtung der Mitarbeitenden und die Mitarbeiterorientierung als emotionale Ebene der Führung durch Betonung der zwischenmenschlichen Aspekte durch den Führenden. In einer Matrix ergeben sich daraus vier mögliche Führungsstile (siehe Abb. E39): –– Der autoritäre Führungsstil (hohe Leistungs- bei geringer Mitarbeiterorientierung) bedeutet klare Vorgaben ohne nennenswerte Einbindung der Mitarbeitenden. Im Vordergrund steht die Leistungsorientierung. Der Führende hat einen Alleinentscheidungsanspruch. Er bedient sich eines streng hierarchisch gestaffelten Führungsapparats. Es herrscht unbedingter Gehorsam. Das Betriebsklima ist durch Sachlichkeit bis hin zur Kälte gekennzeichnet. –– Der kooperative Führungsstil bedeutet Vereinbarung von Zielsetzungen mit den Mitarbeitenden. Dies hat sich als besonders geeignet erwiesen. Es kommt zu einer Kombination aus hoher Mitarbeiter- und zugleich Leistungsorientierung. Allerdings ist fraglich, ob nicht immanente Zielkonflikte zwischen beiden Orientierungen vorliegen und, als vorhanden unterstellt, diese im Einzelnen überwunden werden können. –– Der beziehungsorientierte Führungsstil bedeutet Betonung der Mitarbeiterorientierung. Leistungsziele werden dem untergeordnet. Führende verhalten sich wohlwollend, Geführte haben jederzeit Zugang zu ihnen. Es gibt ein angenehmes Arbeitsklima mit Offenheit und gegenseitiger Anerkennung. Der Führende setzt sich für seine Mitarbeitenden ein, behandelt sie gerecht und unterstützt sie in ihren Anliegen.

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E. Die Koordinierung der Unternehmung

Abbildung E39: Schema der Führungsstile (eig. Abb.)

–– Der bürokratische Führungsstil (sowohl geringe Mitarbeiter- wie auch Leistungsorientierung) bedeutet formale Kommunikation und starke Aufgabenstrukturierung sowie Reglementierung von Verhalten. Hier bestimmt der Führungsapparat das Verhalten, dieses ist legitimiert, reglementiert und determiniert. Befugnisse und Verpflichtungen sind präzise formuliert. Gleichbehandlung wird zum Prinzip. Die Mitarbeitenden werden umfassend materiell versorgt. • Blake / Mouton unterscheiden in ihrem GRID-Modell in ähnlicher Weise nach den Kriterien der sachlich-rationalen Aufgabenorientierung einerseits und der sozio-emotionalen Mitarbeiterorientierung andererseits in folgende Abstufungen (siehe Abb. E40): –– „Überlebens-Management“: Sowohl geringe Aufgaben- als auch Mitarbeiterorientierung (Improverished). Die erbrachte Leistung ist gering und Konflikte werden vermieden. Die Folge können Resignation und Apathie sein. Es erfolgt eine geringstmögliche Einwirkung auf Arbeitsleistung und Mitarbeitende. So besteht ein geringes Interesse an persönlichen Belangen und sachlichen Aufgabenerfüllungsaspekten. Ziele der Führenden sind vielmehr Überleben in der Organisation und Meidung von Kritik, die ansonsten eine Schwächung der eigenen Position bewirken kann und ihre Ursache oft in Resignation hat. Zu den Kennzeichen gehören folgende: –– Organisationsgrad: tendenziell gering, –– Aufgabenverteilung: ausgeprägte Entscheidungsdezentralisation, –– Rolle des Vorgesetzten: zumeist nur „Fähnlein nach dem Wind hängen“, –– Unterstellungsverhältnisse: meist hierarchisch nach Organigramm, –– Art der Anordnung: unverbindliche Weiterleitung von Anregungen, –– Arbeitsbeziehungen: wenig frequentierter Kontakt, Tendenz zur Isolation, keine kollegialen Formen,

18. Führung

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–– Formalzielbezug: persönlichkeitsbezogen, es geht ums Überleben, –– Förderung: weitgehend nicht vorhanden, –– Konfliktfall: wird tunlichst vermieden, –– Innovation: dient nur dem Erhalt des Status quo, –– Motivation: reines Erhaltungsstreben, keine besondere Leistungsmotiva­ tion, –– Mitarbeiterentwicklung: fehlt zumeist. –– „Glacéhandschuh-Management“: Geringe Aufgabenorientierung bei hoher Mitarbeiterorientierung (Country Club). Ein freundliches Betriebsklima ist primär, die erbrachte Leistung tritt dahinter zurück. Die sorgfältige Mitarbeiterbeachtung wird jedoch mit geringer Arbeitseffizienz erkauft. Es besteht ein starkes Interesse an humanen Elementen, weil diese als leistungsbestimmend angesehen werden. Unterstellungen sind dabei, dass Mitarbeitende Erfüllung in der Arbeit bei entsprechenden Arbeitsbedingungen finden, sie selbstständig arbeiten können und Ordnung und Leistungsstreben natürliches Resultat des Vertrauens sind, das dieser Führungsform zugrunde liegt. Zu den Kennzeichen gehören folgende: –– Organisationsgrad: geringe Konkretisierung der Aufgabe, –– Aufgabenverteilung: starke Entscheidungsdezentralisation, –– Rolle des Vorgesetzten: sorgt für Arbeitsbedingungen, die den Leistungswillen anregen, –– Unterstellungsverhältnisse: formale Organisation wird durch informale Beziehungen ergänzt oder sogar ersetzt, –– Art der Anordnung: Streben nach gemeinsamer Lösung, Überzeugung durch fachliche Autorität und zusätzliche Information, –– Arbeitsbeziehungen: informale Kanäle sind erlaubt, Direktinformation und Kollegialität dominieren,

Abbildung E40: Schema des GRID-Modells (eig. Abb.)

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E. Die Koordinierung der Unternehmung

–– Formalzielbezug: kaum Standards, menschliche Erfüllung ist wichtig, –– Förderung: Teamarbeiter werden bevorzugt, –– Konfliktfall: wird durchweg geleugnet oder geglättet, –– Innovation: ist gering, da Atmosphäre von Spannung und Widerspruch fehlt, –– Motivation: hohe persönliche Motivation über Möglichkeit zur Selbstverwirklichung, –– Mitarbeiterentwicklung: gering, weil sachliche Förderung fehlt. –– „Befehl-Gehorsam-Management“: Hohe Aufgabenorientierung bei geringer Mitarbeiterorientierung (Authotarian). Der Betriebserfolg steht im Vordergrund, Partizipation, Kritik und Konflikte werden ignoriert. Hier entsteht hohe Arbeitsleistung, ohne dass dabei viel Rücksicht auf zwischenmenschliche Beziehungen genommen wird. Es besteht ein sachliches Interesse an der Aufgabenerfüllung. Humane Elemente bleiben weitgehend außer Betracht. Unterstellungen sind dabei, dass Mitarbeitende unselbstständig sind, eine Abneigung gegen Arbeit haben, Ordnung sich nur aus Uniformität ergibt und alternative Führungsformen nur Zweifel an der Autorität schaffen. Zu den Kennzeichen gehören folgende: –– Organisationsgrad: hochgradige Konkretisierung der Aufgaben, –– Aufgabenverteilung: weitestgehende Entscheidungsdezentralisation (Zwang), –– Rolle des Vorgesetzten: Autoritätsperson, Subordination ist Pflicht, –– Unterstellungsverhältnisse: streng hierarchisch, klare Kompetenzen, –– Art der Anordnung: verbindliche Anordnung, keine Begründung, disziplinarische Drohung, –– Arbeitsbeziehungen: Kommunikation folgt Instanzenweg, keine kollegialen Arbeitszeitkontakte, –– Formalzielbezug: unmittelbar durch Mengen-, Zeit- und Geldstandards, –– Förderung: gewünscht ist der effizienteste Mitarbeitende im Hinblick auf das Ergebnis, –– Konfliktfall: nur Wahl zwischen persönlicher Ein-/Unterordnung oder Arbeitsplatzwechsel, –– Innovation: Ideen kommen nur von oben (Management), –– Motivation: fast ausschließlich materielle Anreize, Zwang zur Einhaltung der ökonomischen Existenz, –– Mitarbeiterentwicklung: gering, sachliche Leistung dominiert. –– „Team-Management“: Sowohl hohe Aufgaben- als auch Mitarbeiterorientierung. Arbeitsleistung und Stimmung haben gleiche Bedeutung, der

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Führende ist Vorbild und Moderator. Es erfolgt ein hoher Arbeitsdruck auf begeisterungsfähige Mitarbeitende zur Verfolgung gemeinsamer Ziele. Es entsteht ein Maximum an (formalem) Ergebnis. Die Arbeitsbedingungen entsprechen den Anforderungen geistig reifer Menschen. Unterstellungen sind dabei, dass Mitdenken und Einfluss positiv auf das Ergebnis wirken, Fehler nur durch Missverständnisse entstehen und durch Lernprozesse vermeidbar sind. Zu den Kennzeichen gehören folgende: –– Organisationsgrad: gering, –– Aufgabenverteilung: Entscheidungen i. d. R. dezentral in Gruppen oder einzeln, –– Rolle des Vorgesetzten: als helfender Lehrer, –– Unterstellungsverhältnisse: Vorgesetzter steht der Gruppe seiner Untergebenen gegenüber, –– Art der Anordnung: gemeinsame Lösung und Überzeugung, –– Arbeitsbeziehungen: kollegiale Formen werden betont, auch in Gremien, –– Formalzielbezug: leistungsbezogen, Blick auf das Gruppenergebnis, –– Förderung: menschliche Qualifikation und Problemlösungsfähigkeiten sind bei der Beförderung gleich bedeutend, –– Konfliktfall: direkte Konfrontation, rationale Lösung, –– Innovation: große Bereitschaft zu Neuerungen, –– Motivation: sozialbezogene Leistung, hohe Gruppenmotivation, materielle und immaterielle Anreize sind harmonisch aufeinander abgestimmt, –– Mitarbeiterentwicklung: starke Förderung, Vorbildcharakter der Führung. –– „Organisations-Management“: Kompromiss aus sowohl mittlerer Aufgaben- als auch Mitarbeiterorientierung nach der Devise „Leben und leben lassen“. Es kommt zu einem vertretbaren Kompromiss durch Ausbalancieren der Notwendigkeit zur Arbeitsleistung und zur Aufrechterhaltung der zu erfüllenden Aufgaben. Humane und sachliche Elemente werden ausgeglichen berücksichtigt. Bei beiden wird kein Maximum angestrebt. Unterstellungen sind dabei, dass beide Ziele nur im Idealfall zugleich erreichbar sind und daher ein Kompromiss anzustreben ist, der bei regelgerechtem Funktionieren quasi automatisch das Erreichen von Sach- und Formalzielen erlaubt. Zu den Kennzeichen gehören folgende: –– Organisationsgrad: mittel, –– Aufgabenverteilung: mittlerer Grad an Entscheidungsdezentralisation, –– Rolle des Vorgesetzten: Funktionär und Repräsentant der Organisation, –– Unterstellungsverhältnisse: hierarchische Züge nach Organigramm,

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E. Die Koordinierung der Unternehmung

–– Art der Anordnung: verbindliche Anordnung mit aufklärender BackgroundInformation, –– Arbeitsbeziehungen: formale und informale Kommunikation, Kollegien werden bevorzugt, –– Formalzielbezug: Funktionieren der Organisation, –– Förderung: bei organisationsgerechtem Verhalten, –– Konfliktfall: entspricht der Verletzung der Organisationsregeln, –– Innovation: nur sachliche Neuerungen, –– Motivation: Kompromiss zwischen Zielen des Einzelnen und der Organisation, materielle und immaterielle Anreize, –– Mitarbeiterentwicklung: organisierte Verfahren. Die Zuordnung realer Arbeitsbedingungen zu dieser Typisierung ist jedoch fraglich. Außerdem ist zweifelhaft, dass die beiden gewählten Kriterien hinreichend sind. 18.1.3 Situationsorientierte Ansätze 18.1.3.1 Dreidimensionale Ansätze

Zu den situativen Ansätzen gehören drei- und mehrdimensionale Ansätze. Zunächst zu den dreidimensionalen: • Reddin unterscheidet in seiner 3-D-Theorie neben Aufgaben- und Mitarbeiterorientierung auch in eine situative Komponente. Daraus entstehen dann zwölf Abstufungen (siehe Abb. E41): –– Verfahrensstil: Starre Regeln und Vorschriften führen dazu, dass dieser Stil nicht auf Situationen mit hoher Dynamik anwendbar ist. Aus Sorge um Verantwortung flüchtet der Vorgesetzte in Paragrafen und Dienstanweisungen bei der ineffektiven Ausprägung als „Kneifer“ oder sorgt für ein reibungsloses Funktionieren der Unternehmung bei der effektiven Ausprägung als „Verwalter“. –– Beziehungsstil: Hier bemüht sich der Vorgesetzte um ein gutes Verhältnis zu seinen Mitarbeitenden. Er geht dabei allen Unstimmigkeiten und Problemen aus dem Weg und vermeidet Konflikte bei der ineffektiven Ausprägung als „Gefälligkeitsapostel“ oder sorgt für eine vertrauensvolle Atmosphäre und motiviert die Mitarbeitenden zur Selbstverwirklichung bei der effektiven Ausprägung als „Förderer“. –– Aufgabenstil: Dieser stellt Leistung und Arbeitsergebnis in den Vordergrund. Dies erfolgt durch Druckausübung mit Reibungsverlusten bei der ineffektiven Ausprägung als „Autokrat“ oder durch Erfahrung, Fleiß und

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Initiative mit Entscheidungsrecht in der Gruppe bei der effektiven Ausprägung als „Macher“. –– Integrationsstil: Er kommt durch Berücksichtigung sowohl der Aufgabenals auch der Beziehungskomponente zum Ausdruck. Er erfolgt durch Zwang zu Kompromissen mit langer Bearbeitungszeit von Problemen bei der ineffektiven Ausprägung als „Kompromissler“ oder führt zur Akzeptierung der Persönlichkeit von Mitarbeitenden mit Koordination ihrer Aktivitäten anhand hoher Maßstäbe bei der effektiven Ausprägung als „Integrierer“.  ie Operationalität dieses Ansatzes bleibt allerdings vage, außerdem überD fordert die Vielzahl der Führungsoptionen sicherlich die meisten Führungskräfte.

Abbildung E41: 3-D-Theorie nach Reddin

• Hersey / Blanchard stellen den situativen Reifegrad in vier Abstufungen in den Vordergrund. Dieser ergibt sich aus der Fähigkeit eines Mitarbeitenden, die Aufgabe zu erfüllen und seiner psychologischen Reife (Selbstbewusstsein, Motiva­tion, Verantwortungsbereitschaft) wie folgt (siehe Abb. E42): –– Beim autoritären Führungsstil (Telling / Reifegrad 1) sind eine niedrige Mitarbeiterorientierung und eine hohe Aufgabenorientierung gegeben. Dies entspricht einem niedrigen bis mittleren Reifegrad. Der Vorgesetzte fixiert

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E. Die Koordinierung der Unternehmung

dabei eindeutig die Tätigkeiten seiner Mitarbeitenden und gibt Zeitpunkte für deren Erfüllung vor. Es herrscht ein para-militärischer Kommandoton. Den Mitarbeitenden mangelt es sowohl an Antrieb als auch an Motivation sowie Qualifikation und Kompetenz, Aufgaben erfolgreich zu bewältigen. Demnach wird ein stark aufgabenbezogener Führungsstil als sinnvoll angesehen, der Vorgesetzte muss genau erklären, was Mitarbeitende zu tun haben und ihre Arbeit entsprechend überwachen. –– Beim integrierenden Führungsstil (Selling / Reifegrad 2) sind eine sowohl hohe Mitarbeiterorientierung als auch Aufgabenorientierung gegeben. Dies entspricht einem niedrigen bis mittleren Reifegrad. Der Vorgesetzte berücksichtigt die Meinung seiner Mitarbeitenden, aber entscheidet selbst. Er ist bemüht, seine Entscheidung seinen Mitarbeitenden zu vermitteln. Mitarbeitende haben zwar den Willen, Aufgaben zu erfüllen, es fehlt ihnen aber an den dazu nötigen Fähigkeiten. Der Vorgesetzte muss daher klare Anweisungen erteilen. Weil aber der gute Wille vorhanden ist, kann er auf Akzeptanz setzen, was einen Kompromiss zwischen aufgaben- und mitarbeiter­ bezogenem Führungsstil erlaubt. –– Beim partizipativen Führungsstil (Participating / Reifegrad 3) sind eine hohe Mitarbeiterorientierung und eine niedrige Arbeitsorientierung gegeben. Dies entspricht einem mittleren bis hohen Reifegrad. Der Vorgesetzte spielt bei der Entscheidungsfindung und -durchführung eine wichtige Rolle,

Quelle: i nnosupport.net/fileadmin/Module_Medien/10_2Medien/10_2_1de/10_ 2_1en.gif.

Abbildung E42: Situative Reifegrade nach Hersey / Blanchard

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wer aber letztlich entscheidet, ist nicht eindeutig festgelegt. Mitarbeitende verfügen zwar über die erforderlichen Fähigkeiten, es fehlt ihnen jedoch am Willen, ihre Arbeit auch konsequent durchzuführen. Daher ist ein stark mitarbeiterbezogener Führungsstil erforderlich. –– Beim delegierenden Führungsstil (Delegating / Reifegrad 4) sind sowohl eine niedrige Mitarbeiterorientierung als auch Aufgabenorientierung gegeben. Dies entspricht einem mittleren bis hohen Reifegrad. Der Vorgesetzte verzichtet auf Führung und lässt die Mitarbeitenden selbst über Mittel und Wege zur Problemlösung entscheiden. Mitarbeitende haben dabei sowohl den Willen als auch die Fähigkeit, ihre Aufgaben zu erfüllen. Daher reicht ein Führungsstil, der sich auf die Setzung von Rahmenbedingungen konzentriert, in dieser Konstellation aus. 18.1.3.2 Mehrdimensionale Ansätze

Bei den mehrdimensionalen Ansätzen sind vor allem folgende zu nennen: • Fiedler geht in seinem Kontingenzansatz davon aus, dass der Einfluss des Vorgesetzten auf die Leistung seiner Mitarbeitenden von seinem Verhalten und der jeweiligen Situation abhängt. Ausgangspunkt ist der empirisch erhobene, vom Vorgesetzten hinsichtlich seiner Aufgabenerfüllung am wenigsten geschätzte Mitarbeitende (Least Preferred Co-Worker / LPC). Die Führungssituation wird darüber hinaus durch die Aufgabenstruktur und die Positionsmacht bestimmt. Insofern ist die Führungssituation für den Führungserfolg entscheidend. Allerdings ist diese Beziehung instabil, wenn z. B. der LPC aus der Organisation ausscheidet und womöglich nur deswegen der Führungsstil verändert werden muss. Die Führungssituation ergibt sich im Einzelnen aus der Führenden-Mitarbeitenden-Beziehung, der Positionsmacht des Führenden und dem Strukturierungsgrad der zu bewältigenden Aufgaben. Dadurch kann die Führung je nach LPC-Wert stärker mitarbeiter- oder stärker leistungsorientiert ausfallen. Der Führungsstil ist also der Führungssituation anzupassen. Dagegen wird aber umfangreiche Kritik angeführt. • Vroom / Yetton stellen die Sicherung der Entscheidungsqualität und -durchsetzung in den Vordergrund. Dafür werden fünf Entscheidungsoptionen unterschieden: –– Autokratisch AI: Der Vorgesetzte entscheidet allein und auf Grundlage seines Informationsstands (= autoritärer Prozess). –– Autokratisch AII: Der Vorgesetzte entscheidet allein, holt aber zuvor Informationen von einzelnen seiner Untergebenen ein (= kollektierender Prozess). –– Konsultativ BI: Der Vorgesetzte diskutiert ein Problem mit ausgewählten Untergebenen und entscheidet dann allein (= konsultativer Prozess).

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–– Konsultativ BII: Alle Mitarbeitenden können dem Vorgesetzten Vorschläge zur Entscheidung unterbreiten, der Vorgesetzte entscheidet aber allein (= gruppenzentrierter Prozess). –– Demokratisch G II: Ein Problem wird durch Vorgesetzten und Untergebene gemeinsam diskutiert, bewertet und gelöst (= delegierender Prozess). • Die Weg-Ziel-Theorie beschäftigt sich mit einer Wirkungskette des Führungsverhalten (unabhängige Variable) für den Führungserfolg (abhängige Variable). Als moderierende Variable dienen die Erwartungen und Werthaltungen der Geführten und situative Variable. Daraus werden vier Führungsstile identifiziert: –– Unterstützende Führung bedeutet Rücksichtnahme und Eingehen auf Mitarbeiterbedürfnisse in angenehmer Arbeitsatmosphäre. –– Direktive Führung bedeutet die Einhaltung von Standards und Regeln durch den Führenden, die Geführten sind weitgehend passiv. –– Partizipative Führung bedeutet, dass Führender und Geführte sich vor Entscheidungen über den besten Weg beraten. –– Ergebnisorientierte Führung bedeutet, dass Leistungsorientierung und Vorgabe anspruchsvoller Ziele dominieren. Zu den situativen Variablen gehören fehlendes Selbstvertrauen der Mitarbeitenden, mangelnde Eindeutigkeit der Aufgabenstellung des Führenden, niedriger Herausforderungsgrad der Aufgabe und ungerechte Beurteilung und Entlohnung. Die Operationalität der Theorie ist jedoch begrenzt. • Das Kombinatorische Modell nach Hoffmann kennt fünf Einflussgrößen: –– Die intrapersonale Sphäre umfasst die Einstellungen des Führenden, seine Fähigkeiten und seine formale Qualifikation. –– Die interpersonale Sphäre umfasst die Einstellungen der Geführten, ihre Fähigkeiten und formalen Qualifikationen. –– Die Aufgabensituation umfasst vielfache situative Erfordernisse. –– Das Entscheidungsverhalten umfasst die Tragweite einer Entscheidung. –– Das Führungsverhalten ist mitarbeiterorientiert, aufgabenorientiert oder strukturiert. 18.2 Praktische Führungsprinzipien Aus den Erkenntnissen der Führungstheorien leiten sich Empfehlungen zu Führungsprinzipien ab. Diese werden in Management by-Ansätzen formuliert. Davon gibt es beinahe unendlich viele. Einige wesentliche sind folgende (siehe Abb. E43):

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Abbildung E43: Ausgewählte Management by...-Techniken (eig. Abb.)

• Management by Objectives meint die Führung durch Zielvereinbarung zwischen Vorgesetztem und Mitarbeitenden. Dazu sind eine entsprechende Organisationsstruktur erforderlich sowie eine Entscheidungsdezentralisation und ein leistungsfähiges Planungs-, Informations- und Kontrollsystem. Ebenso ist eine hinreichende Schulung der Mitarbeitenden notwendig. Als Rahmen dient ein festgelegter Zielbildungs- und Planungsprozess mit Stellenbeschreibung und Festlegung von Ausnahmeregelungen. Die anvisierten Ziele sind dabei durch Leistungsstandards und Kontrolldaten zu konkretisieren. Im Verlauf werden regelmäßige Soll-Ist-Analysen durchgeführt, woraus sich eine Leistungs- und letztlich eine Personalbeurteilung ergibt. Zudem kann daran eine leistungsgerechte Vergütung orientiert werden. Regelmäßige bzw. anlassbezogene Mitarbeitergespräche dienen der Vereinbarung selbst und ihrer Überprüfbarkeit. Dieser Plan- und Zielbildungsprozess ist sehr zeitaufwändig. Eine zutreffende Zielidentifikation ist nicht ohne Weiteres darstellbar. Insofern ergibt sich eine Fokussierung auf messbare Ziele. Zudem besteht die Gefahr eines überhöhten Leistungsdrucks. Schwierig ist auch die Abgrenzung von Zielinterdependenzen über Stellengrenzen hinweg. • Management by Exception meint die Führung durch Abweichungskontrolle und diskretionären Eingriff im Ausnahmefall. Dies erfordert wiederkehrende Entscheidungssituationen und eine klare Regelung der betrieblichen Zuständigkeiten. Neben den Zielen müssen auch die tolerablen Abweichungsgrenzen bekannt sein, daraus ergibt sich die Definition von Ausnahmefällen. Dem liegt ein leistungsfähiges Berichts- und Kontrollsystem zugrunde. Zur Durchführung sind die Festlegung von Sollergebnissen, die Kontrolle von Abwei-

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chungen und deren Analyse erforderlich. Dies bedingt eine nachvollziehbare Kompetenzabgrenzung und eine aktive Informationsrückkopplung im Ausnahmefall. Dann hat der Stellenvorgesetzte die Entscheidung zu übernehmen. Dadurch bleiben allerdings Lerneffekte bei den Mitarbeitenden begrenzt. Es kann auch zur Demotivation kommen, weil diese nur Routineaufgaben selbstständig erledigen dürfen. Werden Ausnahmefälle zu eng interpretiert, muss der Vorgesetzte zudem ständig Arbeiten übernehmen, werden sie zu weit interpretiert, können unangenehme Überraschungen aus unterlassener Rückkopplung folgen. • Management by Delegation meint die Führung durch Aufgabendelegation vom Vorgesetzten an die Mitarbeitenden. Dies setzt eine entsprechende Delegationsbereitschaft des Vorgesetzten voraus, aber auch die Fähigkeit der Mitarbeitenden zum eigenständigen Entscheiden und Handeln. Dazu ist vorab zu klären, welche Aufgaben und in welchem Umfang diese delegierbar sind oder nicht. Dies erfordert den Aufbau und Unterhalt eines entsprechenden Berichtsund Kontrollsystems zur Information der Mitarbeitenden in einem dichten Kommunikationsgefüge. Vor allem ist die Festlegung der Kompetenzen und der Handlungsverantwortung der Mitarbeitenden erforderlich. Diese kann nur auf Basis entsprechender Stellenbeschreibungen erfolgen. Außerdem sind Regelungen der Dienstaufsicht und der Erfolgskontrolle notwendig. Das System funktioniert nur, wenn eine Rückgabe erhaltener Aufgaben bzw. eine Rücknahme delegierter Aufgaben ausgeschlossen ist. Dennoch ist die Regelung von Ausnahmefällen erforderlich. Insofern kommt es nicht zu gemeinsamen Entscheidungen von Vorgesetztem und Mitarbeitenden, sondern zu einer Verfestigung der Hierarchie, die statisch wirkt. Eine hohe Motivation der Mitarbeitenden wird stillschweigend unterstellt. Problematisch ist auch die Frage, welche Aufgaben delegierbar sind und welche nicht. Neben diesen Führungsstilen haben sich zahlreiche andere herausgebildet: • Management by Control stellt Ergebnis-, Verhaltens- und Leistungskontrollen für die Überwachung aller Prozesse und der damit beauftragten Personen durch Kennziffern in den Mittelpunkt (meist als Teilsystem anderer Managementsysteme). Vorteilhaft sind die ständige Ursachenanalyse, der hohe Beeinflussungsgrad und die rasche Reaktion auf Zielabweichungen. Nachteilig sind ein evtl. Kontrollmissbrauch, die Gefahr von verdeckten Observationen und Angstsyndrome bei Mitarbeitenden. • Management by Coordination bedeutet die Zusammenfassung von Teilaktivitäten im Hinblick auf unternehmensweite Ziele mit einer Vielfalt der Koordinationsaufgaben in sachlicher, organisatorischer, personeller, informationeller und zeitlicher Hinsicht. Dazu bedarf es der Einschaltung von Koordinatoren bzw. Koordinationsteams. Vorteilhaft sind die Entlastung des Top-Managements und die verbesserte Arbeitsteilung zwischen personellen und fachlichen

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Aufgaben. Nachteilig sind die Konzentration fachlicher Fähigkeiten bei den Koordinatoren mit Informationsvorsprung und die doppelten Berichtswege bei den Mitarbeitenden. • Management by Communication sieht eine funktionierende Kommunikation als Voraussetzung für jeden kooperativen Führungsstil. Es kommt zu einer starken Betonung der zwischenmenschlichen Beziehungen, vor allem bei projekt- und teamorientierten Arbeiten. Dadurch erfolgt der Übergang von der fachlichen Anweisung zur sozialen Interaktion mit hoher Anforderung an die Sozialkompetenz der Manager. Vorteilhaft sind das hohe Vertrauenspotenzial zwischen Mitarbeitenden und Managern und die Einbindung der Führungskraft in die Problemlösungsprozesse der Teams. Nachteilig sind die starke zeitliche Inanspruchnahme der Manager und die Notwendigkeit von Moderationssitzungen und Problemlösungsprozessen. • Management by Development bezieht sich auf Ausbildung und Training einzustellender und vorhandener Führungskräfte für neue Aufgaben zur Erzielung eines hohen Standards an Führungsqualität. Dazu werden Methoden wie Assessment Centers, Kommunikationstrainings und Trainings on the Job genutzt, um Schlüsselqualifikationen zu entwickeln. Vorteilhaft sind die Qualifizierung des Managementpotenzials und die langfristige Sicherung qualifizierter Mitarbeitender für sich stetig ändernde Aufgaben. Nachteilig ist eine Überqualifizierung bei nicht ausreichend zur Verfügung stehenden Managementpositionen. • Management by Motivation hebt auf die Erzielung einer größmöglichen Leistungsbereitschaft der Mitarbeitenden durch Anreize ab, die ihren Motiven entsprechen. Als Ziel gilt die Selbstverwirklichung des Menschen im Beruf. Die Anreizsysteme sollen die Identifikation der Mitarbeitenden mit der Unternehmung bewirken. Vorteilhaft ist die Verhaltenssteuerung der Mitarbeitenden unter Beachtung ihrer individuellen Motive und Fähigkeiten. Nachteilig sind die materielle Überbetonung, einseitige Anreize, persönliche Defizite bei Leistungsschwächeren und die tendenzielle Vernachlässigung humaner Wert. • Management by Systems hat eine Gesamtschau der Prozesse i. S. e. kybernetischen Regelkreises als modellartige Darstellung der Unternehmung im Fokus. Komplexität und Interdependenz werden funktional dargestellt und die prozessualen Zusammenhänge der wichtigsten Führungsaufgaben erläutert. Vorteilhaft sind der hohe didaktische Wert und die Erreichung einer Lernkurve. Nachteilig sind die mechanistische Darstellung ohne Bezug auf Führungsmodelle und Führungsverhalten sowie die Notwendigkeit zusätzlicher Erhebungen für die Umsetzung. • Management by Results stellt die Führung durch Ergebnisüberwachung in den Mittelpunkt. Die Erreichung einseitig vorgegebener, quantifizierter Ziele ist wichtig, der Weg dorthin bleibt hingegen sekundär. Dies fördert mora-

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E. Die Koordinierung der Unternehmung

lisch-ethische Grenzgänge. Vorteilhaft sind die klaren Zielvorgaben, die einfache Kontrolle und die pragmatische Grundeinstellung. Nachteilig sind die reine Ergebnisorientierung, die Gefahr der Demotivation der Mitarbeitenden bei unrealistisch hohen Zielvorgaben und die Dominanz von Bereichsegoismus. 18.3 Organisationale Menschenbilder Zur Einschätzung der zu Führenden werden häufig bestimmte Menschenbilder zugrunde gelegt. Dazu gibt es verschiedene Modelle, einerseits pessimistische wie von Machiavelli, Hobbes, Smith, Darwin / Spencer, Freud oder Taylor, andererseits optimistische wie von Locke, Sullivan / Fromm / Horney, Mayo oder Argyris / Bennis. An dieser Stelle seien die beiden wohl verbreitetsten Modelle angeführt (siehe Abb. E44). Das XY-Modell (McGregor) geht von zwei dichotomen Menschenbildern aus: • Theorie X besagt: Der Durchschnittsmensch ist gegenüber der Arbeit abgeneigt. Er meidet sie, wo er nur kann. Er hat nur wenig Ehrgeiz, scheut die Verantwortung und möchte angeleitet werden. Mitarbeitende haben ein dominantes Sicherheitsstreben. Daher muss mit Druck und Sanktionen versucht werden, die Unternehmensziele zu realisieren. Straffe Führung und häufige Kontrollen sind unerlässlich. • Theorie Y besagt: Der Durchschnittsmensch ist der Arbeit nicht abgeneigt, Arbeitsunlust ist nicht angeboren, sondern Folge schlechter Arbeitsbedingungen. Mitarbeitende besitzen Selbstdisziplin und -kontrolle, sie akzeptieren

Abbildung E44: Alternative Menschenbilder (eig. Abb.)

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Zielvorgaben. Ihre intellektuellen Potenziale sind größer als vermutet. Unter angemessenen Bedingungen wird Verantwortung gesucht. Belohnung und Persönlichkeitsentfaltung setzen Energien frei. Ein Problem dieser Theorie liegt in der Self Fulling Prophecy, d. h., autoritär geführte Menschen neigen zum Phlegma in Bezug auf ihre Arbeit, kooperativ geführte Mitarbeitende blühen angesichts der Freiräume vielleicht auf. Schein geht in seinem Modell von vier Grundtypen als Menschenbilder im Zeitablauf des letzten Jahrhunderts aus: • Der rational-ökonomische Mensch (Rational-economic Man / A nfang 1900er Jahre) wird durch materielle Anreize gesteuert und strebt nach Erhöhung seines Nutzens. Er lässt sich kaum durch Emotionen leiten. • Für den sozialen Menschen (Social Man / erste Hälfte der 1900er Jahre) sind soziale Beziehungen wichtig. Anerkennung und Aufmerksamkeit führen zu einer höheren Leistungsbereitschaft. • Der sich selbst verwirklichende Mensch (Self Actualizing Man / zweite Hälfte der 1900er Jahre) versucht, seine Fähigkeiten so weit wie möglich zu entfalten. Er ist von äußeren Anreizen unabhängig. • Der komplexe Mensch (Complex Man / Ende der 1900er Jahre) ist individualistisch und wandlungsfähig, er lässt sich nicht in Schemata pressen und erfordert daher eine situative Führung. Berne geht in seinem Transaktionsanalyse-Modell von drei Instanzen aus, welche die Persönlichkeit bestimmen (siehe Abb. E45): • Das Eltern-Ich, es reagiert nach Normen und Werten, die aus der Sozialisation übernommen worden sind. Das Kritische Eltern-Ich ist tadelnd und das Fürsorgliche Eltern-Ich ist ausgleichend. • Das Erwachsenen-Ich, es trifft sachliche Entscheidungen auf Faktenbasis. Grundlage sind objektive Informationen. • Das Kindheits-Ich, es reagiert ungezwungen und unangepasst. Das Freie Kindheits-Ich ist spontan, impulsiv, aggressiv und listig, das Angepasste Kindheits-Ich ist ängstlich und hilfesuchend. Bei den Richtungstypen (Jung) wird nach extravertierten und introvertierten Menschen unterschieden: • Extraversion in progressiver Form kennzeichnet Tatmenschen mit hoher Aktivität. Extraversion in regressiver Form kennzeichnet sich an der Umwelt orien­ tierende Menschen. • Introversion in progressiver Form kennzeichnet ruhige, bedachte, realistische Menschen. Introversion in regressiver Form kennzeichnet Menschen mit ausgeprägtem Eigenwertgefühl.

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Quelle: images.slideplayer.org/2/788463/slides/slide_23.jpg

Abbildung E45: Transaktionsanalyse

Bei den Konstitutionstypen (Kretschmer / Sheldon) werden folgende unterschieden: • Der Gefühlsmensch (zyklothymer Typ) ist von Emotionen gesteuert, schwankend, gutmütig, aber auch wenig belastbar. • Der Tatmensch (visköser Typ) hat starken Betätigungsdrang, ist ausdauernd, beharrlich, treu, aber auch leicht überfordert, engstirnig und pedantisch. • Der Verstandesmensch (schizothymer Typ) ist von Logik geleitet, systematisch und strukturiert, aber auch tendenziell kontaktarm. Bei den Temperamentstypen (Hippokrates) werden folgende unterschieden: • Der Sanguiker ist gefühlsbetont und heiter, umgänglich, aber auch schwankend. • Der Choleriker ist schnell reizbar, aggressiv, ermüdet rasch, aber auch willensstark. • Der Phlegmatiker ist ruhig, bedächtig, beständig, treu, aber auch antriebsarm. • Der Melancholiker ist pessimistisch, tiefgründig, beharrlich, aber auch starrköpfig. Bei den Körperbautypen (Kretschmer) werden folgende unterschieden: • Der leptosome Typ ist hager, feingliedrig, kühl, reserviert und vom Verstand geprägt.

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• Der pyknische Typ ist gedrungen, gemütlich, kontaktfreudig, wird aber auch schnell nervös. • Der athletische Typ ist kräftig, ausdauernd, zuverlässig und tatkräftig. 18.4 Verhalten in Unternehmen Zur Erklärung des individuellen Verhaltens in Organisationen dienen vor allem Strukturmodelle, die vornehmlich psychologische und soziologische Aspekte betrachten (siehe Abb. E46).

Abbildung E46: Intrapersonale Determinanten für Verhalten in der Unternehmung (eig. Abb.)

18.4.1 Intrapersonale Determinanten

Die intrapersonalen Determinanten können in drei Gruppen eingeteilt werden: die Erklärung durch aktivierende, durch individuelle oder durch kognitive Determinanten. Aktivierende Determinanten beschreiben innere Erregungszustände, welche den Organismus in einen Zustand erhöhter Leistungsbereitschaft und -fähigkeit versetzen. Man unterscheidet nach dem Aktivierungsniveau (tonisch) und im Zeitablauf nach Aktivierungsschwankungen (phasisch). Die Leistung ist dabei bei mittlerer Erregung (Arousal Level) am höchsten. Zu geringe Erregung führt zur Lethargie, zu hohe Erregung zu Hektik. Beides ist der Leistung (Zielverfolgung) nicht dienlich. Vielmehr muss ein mittlerer Erregungsgrad angepeilt werden. Bei den aktivierenden Determinanten handelt es sich im Einzelnen um Emo­ tion, Motivation und Einstellung. Emotion ist eine psychische Erregung, die subjektiv wahrgenommen wird (durch Interesse, Freude, Überraschung, Kummer, Zorn, Ehre, Geringschätzung, Furcht, Scham, Schuldgefühl etc.). Die Erregung bestimmt dabei das Maß der physiologischen Aktivierung, die Richtung die Art

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E. Die Koordinierung der Unternehmung

der Aktivierung (steigend oder fallend), die Qualität das Erlebnis der Aktivierung als angenehm oder unangenehm und das Bewusstsein den Wahrnehmungsgrad der Aktivierung (bewusst oder subliminal). Auslöser für Emotionen sind Schlüsselreize, also Reize, die mehrere Teilinformationen über das Wahrnehmungsobjekt in sich bündeln. Dabei handelt es sich z. B. um das Positionstitel, Büroausstattung, Bürolage. Motivation gilt als ein mit Antrieb versehenes und auf Behebung ausgerichtetes Bedürfnis. Je dringlicher dieses ist, desto eher soll es befriedigt werden. Mit der Befriedigung eines Bedürfnisses erhält automatisch das nächstfolgende Priorität. Es gibt primäre Motive, die angeboren sind (z. B. Versorgung, Arterhaltung, Nachteilsvermeidung) und sekundäre Motive, die erworben sind (z. B. Prestige, Macht, Lebensqualität) und in großer Mehrheit verhaltensrelevant sind. Weiterhin intrinsische Motive, die eine Selbstbelohnung / Vermeidung von Bestrafung zum Inhalt haben, und extrinsische Motive, die außengeleitet sind, sowie unbewusste Motive, die unterhalb der eigenen Wahrnehmungsschwelle liegen, also Verhalten im Verborgenen steuern, und bewusste Motive, die sich oberhalb befinden und denen gezielt nachgegangen werden kann. Sind die Antriebe widersprüchlich, entstehen Motivkonflikte. Ein AppetenzAppetenz-Konflikt liegt vor, wenn ein Mitarbeitender zwei oder mehr Motive als positiv wahrnimmt, sich aber für eines von ihnen entscheiden muss (die Qual der Wahl haben, z. B. mehr Urlaubstage oder bessere Sozialleistungen). Ein Appetenz-Aversions-Konflikt liegt vor, wenn ein identisches Ziel sowohl positive als auch negative Wahrnehmungen beim Mitarbeitenden auslöst, die gegeneinander abzuwägen sind (hin- und hergerissen sein, z. B. Positionsaufstieg, aber auch mehr Arbeitsbelastung). Ein Aversions-Aversions-Konflikt liegt vor, wenn ein Mitarbeiter sich zwischen zwei oder mehr, von ihm sämtlich als negativ wahrgenommenen Alternativen entscheiden muss (das geringere Übel wählen, z. B. Überstunden ableisten oder schlechte Beurteilung). Es sind verschiedene Modelle zur Motivationseinordnung entwickelt worden, am bekanntesten ist wohl das Modell von Maslow. Es sieht fünf Hierarchiestufen (Bedürfnispyramide) vor, nacheinander physiologische, sicherheitsbezogene, sozialkontaktbezogene, profilierende und selbstverwirklichende Elemente. Je höherwertiger ein angesprochenes Motiv ist, desto kaufauslösender wirkt es. Einstellung ist die relativ stabile innere Bereitschaft (Prädisposition) eines Mitarbeitenden, auf bestimmte Stimuli konsistent positiv oder negativ zu reagieren. Mehrdimensionale Einstellungen werden Images genannt. Einstellungen führen zu organisierten Überzeugungen, Vorurteilen, Meinungen etc. Positive Einstellungen erhöhen Motivation und Leistung, negative vermindern sie. Einstellungen haben die Merkmale des Objektbezugs, d. h., sie sind immer auf ein bestimmtes Bezugsobjekt (Sache, Person, Thema, Angebot) gerichtet, der Erworbenheit, d. h., sie entspringen allein dem Sozialisationsprozess (Lernen aus Erfahrung) und dem Systemcharakter, d. h., sie unterteilen sich in eine affektive Komponente, welche

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die gefühlsmäßige Einschätzung betrifft (Sympathie), eine kognitive Komponente, welche die verstandesmäßige Beurteilung betrifft (Respekt), und eine konative Komponente, welche die handlungsmäßige Konsequenz betrifft (Identifikation). Individuelle Determinanten unterteilen sich in die Elemente Involvement, Risikoempfinden und Werthaltung. Unter Involvement versteht man einen inneren Zustand der Aktivierung, der die Informationsaufnahme, -speicherung und -verarbeitung beeinflusst. Diese Aktivierung ist personen-, situations- und reizabhängig. High Involvement-Situationen sind solche, die für den Mitarbeitenden wichtig sind, weil sie ein hohes persönliches (Selbsteinschätzung), finanzielles (Geldmitteleinsatz), soziales (Fremdeinschätzung) oder psychologisches Risiko (Dissonanzen) bergen. Low Involvement-Situationen sind hingegen weniger wichtig und risikoreich, so dass es nicht sinnvoll erscheint, sich mit ihnen intensiv auseinander zu setzen. Die Low Involvement-Hierarchie unterstellt daher, dass es zu Verhalten ohne vorherige kognitive Auseinandersetzung kommen kann (V-E). Die High Involvement-Hierarchie unterstellt hingegen, dass ohne Einstellungsbildung kein Verhalten erfolgen kann (E-V). Das Risikoempfinden beschreibt die als nachteilig empfundenen Folgen einer Entscheidung, die nicht vorhersehbar sind. Diese Unsicherheit (Dissonanz) kann vor der Entscheidung oder vor allem danach auftreten. Dissonanzen sind meist kognitiv bedingt. Der Grad des wahrgenommenen Risikos ist von der individuellen Risikobereitschaft abhängig und hat einen finanziellen, funktionalen, sozia­ len und psychologischen Aspekt. Zweifel an der Richtigkeit einer Entscheidung wollen vom Menschen zur Konsonanz ausgeglichen werden. Insofern ist eine Dissonanzreduktion erforderlich. Diese erfolgt etwa durch Änderung im Umfang der Kognition, durch Hinzufügung neuer Kognitionen oder Ausschaltung dissonanter Kognitionen, durch Änderung von Inhalten der Kognition, nachträgliche Aufwertung des gewählten Entscheids bzw. nachträgliche Abwertung der verworfenen Entscheide, Unterstellung der Gleichartigkeit der gewählten zu dem / den verworfenen Entscheiden oder Rückgängigmachung des Entscheids (Ultima ratio). Das Element Werthaltung betrifft allgemein Auffassungen über Wünschenswertes. Sie unterliegen einem stetigen, manchmal auch sprunghaften Wandel (Wertewandel / Paradigmawechsel). Wertestrukturen kommen in Lebensstilen zum Ausdruck, die neben beobachtbaren Aktivitäten auch emotionale Interessen und kognitive Meinungen enthalten (AIO). Solche Lebensstile lassen sich, um den Preis einer gewissen Vergröberung, zu repräsentativen Merkmalskombinationen zusammen fassen, die hinsichtlich ihrer Werthaltungen hinreichend homogen zu charakterisieren sind und als Typologien ausgewiesen werden (z. B. Brot-und-Spiele-, Alles-oder-Nichts-, Prozess-, Bürokratie-Haltung). Bei den kognitiven Determinanten handelt es sich um die Elemente Wahrnehmung, Lernen und Gedächtnis. Unter Wahrnehmung versteht man die Aufnah-

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me, Organisation und Interpretation von Informationen. Ihre Kennzeichen sind folgende: • Aktivität, d. h., sie geht vom Menschen aus, teils als angeborener Reflex, • Subjektivität, d. h., sie ist von Mensch zu Mensch verschieden, da es eine objektive Wahrheit nicht gibt, sondern immer nur die subjektive Sicht der Wahrheit, • Kontextualität, d. h., sie erfolgt in Zusammenhängen / Framing, • Selektivität, d. h., es kann immer nur ein Ausschnitt der Realität wahrgenommen werden. Wahrnehmung kommt nur zustande, wenn eine minimale Reizschwelle überschritten wird, darunter ist zumindest keine bewusste Wahrnehmung möglich. Durch den „Verdeckungseffekt“ wird immer nur der „Lautstärkeüberschuss“ über dem allgemeinen „Grundrauschen“ wahrgenommen. Die Wahrnehmung unterliegt zudem zahlreichen Verzerrungseffekten. Ein kognitives Lernen entsteht als Lernen durch Einsicht (Ursache-Wirkungs-Bezug / Veridikation). Dann kann Verhalten aus einzelnen (beruflichen) Situationen auf andere, für vergleichbar gehaltene Situationen übertragen werden. Weiterhin durch Lernen am Modell als Orientierung an Vorbildpersonen (z. B. Vorgesetzte), deren Verhalten in Situationen normierend für das eigene Verhalten wirkt. Und als Lernen durch Rezeption im Rahmen schulischer Wissensvermittlung (wie in Seminaren). Das Gedächtnis bestimmt über das Behalten gelernter Inhalte und deren Abrufbarkeit. Dabei wird bildhaft im Gehirn zwischen Ultrakurzzeitspeicher für die Reizaufnahme, Kurzzeitspeicher für die Informationsverdichtung und Langzeitspeicher für die Datenablage unterschieden. Dem Behalten steht jedoch das Vergessen gegenüber. Dieses kann zeitabhängig (autonomer Verfall) oder abhängig von umgebenden Reizen sein (Interferenz). Folglich ist die stetige Wiederholung von Botschaften (etwa zum organisationalen Verhalten) wichtig bzw. deren besonders eindrucksvolle Vermittlung (Charisma). 18.4.2 Interpersonale Determinanten

Soziologische Determinanten gehen nicht von der einzelnen Person, sondern vom Zusammenwirken der Personen als Erklärungsgröße für das Verhalten in Organisationen aus. Dabei handelt es sich im Einzelnen um die Elemente Kultur, Gruppenstruktur (Familie / Rollenbeziehungen), Meinungsführerschaft und Diffusion / Adoption (siehe Abb. E47). Unter Kultur versteht man ein kollektives Wertesystem, das durch Normen Toleranzgrenzen für konformes Verhalten innerhalb einer Organisation festlegt. Bei Muss-Normen handelt es sich um Ge- oder Verbote (z. B. Betriebsordnung), bei

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Abbildung E47: Interpersonale Determinanten für Verhalten in der Unternehmung (eig. Abb.)

Soll-Normen um erwünschtes, jedoch noch nicht negativ sanktioniertes Verhalten (z. B. Fashion Code), und bei Kann-Normen um Verhaltensalternativen, die allesamt akzeptiert sind und dem Individuum einen gewissen Ermessensspielraum lassen (z. B. Besuch von Firmenfesten). Die Sanktionierung erfolgt durch Belohnung bzw. Vermeidung von Bestrafung bei Normeneinhaltung sowie Entzug von Belohnung bzw. Bestrafung bei Normenverstoß. Mitarbeitende sind daher im Allgemeinen bestrebt, sich normenkonform zu verhalten. Subkulturen sind in sich relativ geschlossene Gruppen in der Unternehmung, die sich z. B. nach ethnischen, altersmäßigen oder räumlichen Gesichtspunkten bilden. Sie gliedern die Belegschaft horizontal und werden von spezifischen, von der allgemeinen Wertestruktur teilweise abweichenden Normen geeint, die Ansatzpunkte für die Beeinflussung bieten. Subkulturen sollen im Rahmen des Diversity Management inkludiert werden. Die hierarchische Schicht ist durch die Gleichartigkeit ihrer Arbeitsumstände charakterisiert. Sie führt zu einer vertikalen Gliederung der Belegschaft. Dazu werden meist demografische Kriterien herangezogen wie Alter, Ausbildung, Beruf, Einkommen etc. Diese verlieren allerdings angesichts eines historischen Wandels von der Schichten- zu einer Lebensstilgesellschaft an Bedeutung. Gruppen in der Belegschaft eint damit nicht mehr nur eine ähnliche Demografie, sondern eine gleiche Werthaltung bei heterogener Demografie (dies spricht gegen Generations-Modelle). Bei Gruppen unterscheidet man Kleingruppen mit direktem Kontakt der Mitglieder und Großgruppen, weiterhin temporäre und dauerhafte Gruppen sowie (familiäre) Primär- und (außerfamiliäre) Sekundärgruppen. Das Ausmaß des Gruppeneinflusses auf das Verhalten hängt von der Identifikation des Individuums mit der Gruppe ab. Informelle Gruppen sind nur durch Kommunikationsbeziehungen untereinander gekennzeichnet, formelle Gruppen stehen in einem rechtlich begründeten Verhältnis zueinander. Weiterhin unterscheidet man Mitgliedschaftsgruppen, die durch bloße Teilnahme am Gruppenleben entstehen oder nominell durch Aufnahme und Teilhabe begründet werden. Sowie Bezugs-

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E. Die Koordinierung der Unternehmung

gruppen, in denen keine Mitgliedschaft besteht, mit denen eine Person sich aber identifiziert bzw. von der sie sich absetzen will. Diese Referenzgruppen werden häufig zum Vergleich mit der eigenen Arbeits- und Lebenssituation herangezogen. Zur Konfliktvermeidung werden Nachahmung und Konformität bzw. bewusste Absetzung betrieben. Bei positiven Bezugsgruppen (Peer Groups) wirken das Verhalten und die Wertungen dieser komparativen Gruppe normierend (z. B. respektierte Vorgesetzte), die für gewöhnlich eine halbe Klasse über der eigenen Klasse liegt. Der Abstand hat jedoch nach unten eine Toleranzgrenze, wird er zu groß (relative Deprivation), ohne dass dafür plausible Erklärungen erkennbar sind, wird dies als ungerecht betrachtet (Neidfaktor). Verhalten, das die Bezugsgruppe zeigt, hat eine besondere Attraktivität, weil Übernahme dabei zu helfen scheint, zumindest vordergründig deren Mitglied zu werden. Die wohl intensivst erlebte Gruppe ist die Familie (nur bei Familienunternehmen). Nach dem relativen Anteil an Entscheidungen unterscheidet man solche, die primär männlich dominiert sind (etwa im Bereich Technik, Finanzierung etc.), primär weiblich dominiert (etwa im Bereich Personal, Soziales etc.), die partizipativ entschieden werden (etwa im Bereich Rechtsform, Standort etc.) oder automon (etwa im Bereich der Stellenaufgabe). Die traditionelle Rollenverteilung gerät allerdings angesichts gesellschaftlicher Veränderungen ins Wanken. Hinsichtlich der Interaktion in Gruppen (Rollenbeziehungen) können Positions-, Kommunikations- und Machtbeziehungen unterschieden werden. Die relative Position verschiebt sich vor allem in Abhängigkeit von der Sozialen Schicht. Die informationellen Beziehungen der Gruppenmitglieder sind vielfältig gestaltet. Die Macht in der Gruppe beruht auf den Potenzialen der Belohnung (z. B. Beurteilung), Bestrafung (z. B. Übergehen bei Beförderung), Legitimation (über die hierarchische Position), Identifizierung (durch Vorbildfunktion) und des Expertentums (aus Wissensvorsprung). Dabei treten Interrollen- bzw. Person-Rolle-Konflikte auf, wenn durch die gleichzeitige Zugehörigkeit zu unterschiedlichen Bezugsgruppen abweichende gesellschaftliche Erwartungen von außen an eine Person herangetragen werden (z. B. ein Polizist soll eine Demo auflösen, unterstützt aber deren Ziele), sowie Intrarollen-Konflikte, wenn unterschiedliche Motive in einer Person vorliegen, die sie abweichende Ziele verfolgen lassen müsste. Dabei handelt es sich um In­ tra-Sender-Konflikte, z. B. wenn ein Vorgesetzter sich ambivalent verhält, einmal Gehorsam verlangt, ein andermal Selbstständigkeit erwartet oder um Inter-Sender-Konflikte, z. B. wenn ein Mitarbeitender sich widersprechenden Anforderungen seitens der Geschäftsleitung und seines Teams gegenübersieht. Bei Meinungsführern wird davon ausgegangen, dass sich die mediale Kommunikation zwischen Weisungsgeber und Weisungsempfänger nicht unbedingt direkt, sondern zweistufig vollzieht. Nämlich vom Botschaftsabsender an bestimmte Multiplikatoren (Opinion Leaders) in der Organisation und von diesen an weitere Organisationsmitglieder. Die Meinungsführer nehmen die Botschaft

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auf und versuchen, etwaige Informationsdefizite durch Kontaktsuche zum Weisungsgeber zu füllen. Gleichzeitig suchen weitere Personengruppen Kontakt zu diesen Meinungsbildnern, die auf sie dann in der zweiten Stufe ihren Einfluss ausüben. Dies macht sie aufnahmefähig für gezielte Nachrichten, die sie bei Gelegenheit ihrerseits an ihr Umfeld weitergeben. Diese Eigenschaft beruht auf informeller Kompetenz, selten auch auf Macht, und kann interpersonell je nach Themenstellung wechseln. Denkbar ist auch ein dualer Informationsfluss sowohl direkt vom Absender an die intendierten Adressaten als auch indirekt über zwischengeschaltete Meinungsbildner. Diese sind in allen hierarchischen Schichten anzutreffen, kommunikationsfreudiger als der Durchschnitt, inhaltlich vorwiegend auf ein bestimmtes Thema spezialisiert, häufig Nutzer von bevorzugten Informationsquellen und mit informeller Kompetenz ausgestattet. Ihre Aussagen sind daher glaubwürdiger und effizienter als Direktiven, weil man unterstellt, dass die Person aus ihrer Empfehlung keinen Vorteil zieht. Speziell bei organisationalen Neuerungen ist deren Diffusion und Adoption von Bedeutung, die Wachstums- und Sättigungseffekte beschreiben. Meist wird dazu modellhaft die Form der kumulierten Normalverteilungskurve genutzt. Die Adoption beschäftigt sich mit der Übernahme / Ablehnung von Neuerungen auf der Individualebene, die Diffusion mit dem aggregierten Prozess, der neben umfeld- und objektbezogenen Faktoren auch von personenbezogenen Faktoren abhängt. Meist werden dabei die Phasen Kenntnis, Überzeugung, (probeweise) Umsetzung und Integration sowie Bewertung der Neuerung unterschieden. Insofern wird nicht ein Verhaltensergebnis, wie bei Strukturmodellen, erklärt, sondern das Zustandekommen dieses Verhaltens. Diffusions-/Adoptionsprozesse werden häufig von Meinungsführern initiiert. Fördernd wirken dabei Argumente wie u. a. relative Vorteilhaftigkeit, Kompatibilität und Transparenz. Da auf jeder Stufe Adopter ausscheiden, ist es entscheidend, in der Eingangsstufe einer Veränderung eine möglichst breite Aufklärung zu betreiben. 18.5 Motivationstheorien Motivationstheorien versuchen, die Bestimmungsgründe für menschliches Verhalten zu erklären. Inhaltstheorien versuchen dabei, die Motive von Menschen im Ergebnis zu klassifizieren (Was). Prozesstheorien versuchen zu erklären, wie Motivation zu Verhalten führt (Wie). Zu beiden Ansätzen gibt es sehr verschiedenartige Theorien. Die verbreitetsten seien hier wiederum kurz erläutert (siehe Abb. E48). Zu den Inhaltstheorien gehören u. a. folgende (siehe Abb. E49): • Die Bedürfnishierarchie (Maslow) unterscheidet aufsteigend fünf Motivklassen. Physiologische Grundbedürfnisse richten sich auf die Selbsterhaltung des Menschen. Sicherheitsbedürfnisse beziehen sich auf seinen Schutz vor Gefah-

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E. Die Koordinierung der Unternehmung

Abbildung E48: Motivationstheorien (eig. Abb.)

ren. Soziale Bedürfnisse kennzeichnen den Kontakt zu anderen Menschen. Wertschätzungsbedürfnisse beziehen sich auf die Achtung und Anerkennung durch andere Menschen. Und Selbstverwirklichungsbedürfnisse betreffen den Wunsch nach persönlicher Entfaltung (siehe Abb. E50). Hierarchisch höhere Bedürfnisse gewinnen erst an Bedeutung, wenn die niedrigeren hinreichend befriedigt sind. Befriedigte Bedürfnisse wirken nicht mehr motivierend. Allerdings ist diese Hierarchie der Bedürfnisse fragwürdig und wohl eher anschaulich gemeint. • Die ERG-Theorie (Alderfer) reduziert die fünf Klassen nach Maslow auf nur noch drei: Existenzbedürfnisse (E), Beziehungsbedürfnisse (R) und Wachstumsbedürfnisse (G). Diese Bedürfnisse werden jedoch im Unterschied zu Maslow gleichrangig wirksam, Beziehungs- und Wachstumsbedürfnisse verstärken sich dabei gegenseitig. Unbefriedigte Bedürfnisse werden dominant und sowohl bei Befriedigung als auch bei Nichtbefriedigung erhalten jeweils andere Bedürfnisse Dominanz. Fraglich ist hier die empirische Fundierung. • Die Zwei-Faktoren-Theorie (Herzberg) unterscheidet in arbeitsbezogene Motivatoren wie Anerkennung, Verantwortung oder interessante Aufgabeninhalte

Abbildung E49: Ausgewählte Inhaltstheorien der Motivation (eig. Abb.)

18. Führung

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Quelle: cobocards.s3.amazonaws.com/card/480_300/2/2a8j00114.jpg

Abbildung E50: Bedürfnispyramide nach Maslow

einerseits und arbeitsbezogene Hygienefaktoren wie Bezahlung, Status oder Führungsqualität andererseits. Motivatoren wirken dauerhaft leistungsanreizend und nutzen sich nicht ab. Hygienefaktoren sind hingegen notwendige Rahmenbedingungen für Leistung, ohne jedoch selbst motivierend zu wirken. Ihr Fehlen führt zur Unzufriedenheit, ihr Vorhandensein ab einem Sättigungsgrad zu keinem weiteren Leistungsanreiz. • Die Theorie der gelernten Bedürfnisse (McClelland) kennt vier Motivgruppen, denen in der kulturellen Umwelt „anerzogene“, im Unterschied zu genetisch-bedingten, Bedürfnisse zugrunde liegen: das Leistungsmotiv, das Machtstreben, der Wunsch nach Zugehörigkeit und das Vermeidungsstreben. Die Herstellung förderlicher Bedingungen in der Unternehmung im Hinblick auf die Motive gestaltet sich jedoch schwierig, weil diese zeitlich und situativ schwanken. Zu den Prozesstheorien gehören u. a. folgende (siehe Abb. E51): • Nach der Erwartungstheorie (VIE / Vroom) ist die Motivation abhängig von der subjektiven Bedeutung eines bestimmten Ziels für einen Menschen und seiner Erwartung, durch seine Handlungen dieses Ziel auch erreichen zu können. Grundlage ist der Grad der individuellen Wünschbarkeit eines Ziels (Valenz), dann wird geprüft, ob dieses mit gegebenen Mitteln erreicht werden kann (Instrumentalität) und für wie wahrscheinlich dies zu erachten ist (Erwartung). Die Leistungsbereitschaft ergibt sich als Produkt aus Valenz, Instrumentalität und Erwartung. Diese drei Faktoren sind zugleich Ansatzpunkte für motivatorische Maßnahmen. • Der Erwartungs-Valenz-Theorie (Porter / Lawler) liegt ebenfalls das Prinzip des Erwartungswerts zugrunde. Sie geht von einer Motivation über Belohnung aus. Anstrengungen führen zu bestimmten Leistungen, die durch Zufrieden-

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E. Die Koordinierung der Unternehmung

Abbildung E51: Ausgewählte Prozesstheorien der Motivation (eig. Abb.)

heit zu neuen Leistungen antreiben. Einflussgrößen sind die Wertigkeit der Belohnung, die wahrgenommene Wahrscheinlichkeit dafür, die Anstrengung dazu, die Fähigkeiten und Persönlichkeitsbezüge, die Rollenwahrnehmung, die Leistung, intrinsische und extrinsische Belohnungen, die Belohnungsgerechtigkeit und die Zufriedenheit. • Die Flow-Theorie (Csikszentmihalyi) beschreibt den menschlichen Gemütszustand des Flow als ein völliges Aufgehen des Menschen in seiner Aufgabe, das ein Glückgefühl verbreitet. Dies setzt voraus, dass die Aufgabe ihn weder unter- noch überfordert. Entsprechend ist die Leistungsfähigkeit auszusteuern. Da Menschen sich weiterentwickeln, sind im Zeitablauf immer herausfordernde Aufgaben erforderlich, um diesen „Glückzustand“ noch zu erreichen. • Die Equity-Theorie (Adams) geht davon aus, dass Zufriedenheitsurteile mit der Leistung auf der Interpretation von Gerechtigkeit beruhen. Ziel einer Person ist daher ein Ertrag, der von ihr im sozialen Vergleich als gerecht für den erbrachten Einsatz angesehen wird, unabhängig von der rein ökonomischen Betrachtung. • Die Reiztheorie (Grossmann) unterscheidet homöostatische Triebe, die sich auf eine Verhaltensweise mit positiv besetzten Folgen beziehen (Appetenz) sowie nicht-homöostatische Triebe, die infolge Unlust (Aversion) demotivieren. Diese Reize führen zu erlerntem Verhalten, das wiederum durch externe Reize stimuliert werden kann. • Nach der Anreiz-Beitrags-Theorie (March / Simon) besteht die Organisation aus Teilnehmern, die ein System wechselseitiger sozialer Verhaltensweisen bilden. Jeder Teilnehmer erhält von der Organisation Anreize und leistet dafür Beiträge an die Organisation. Entscheidend ist das Verhältnis von Anreizen und Beiträgen. Beiträge einzelner Mitglieder sind zugleich Anreize für andere. Mitarbeitenden verbleiben solange in der Unternehmung, wie die Anreize, die sie empfinden, größer sind als die dazu erforderlichen Beiträge.

18. Führung

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Diese und andere Theorien sind nur unzulänglich in der Lage, die Inhalte und Prozesse der Motivation von Mitarbeitenden aufzuhellen. 18.6 Leadership Leadership zeichnet Unternehmertypen (Entrepreneurship) aus. Wichtige Merkmale sind die Ergebnisorientierung, eine ganzheitliche Sicht, Fokussierung auf das Wesentliche, Nutzung von Stärken, gegenseitiges Vertrauen und positives Denken. Als Aufgaben folgen daraus Ziele setzen, Organisieren, Entscheiden, Kontrollieren und Menschen fördern und fordern. Häufig ist dazu eine Aktivierung der gesamten Unternehmung erforderlich. Unterscheidet man nach der Intensität der Aktivierung (niedrig / hoch) und deren Richtung (zielführend / nicht zielführend), so ergeben sich vier Kombinationen: • Resignation bedeutet Vorherrschen negativer Emotionen (Enttäuschung / Frustration) mit innerer Abkehr von den Unternehmenszielen. Hier geht es um die Aktivierung durch Zukunftschancen. • Korrosion bedeutet erhebliche negative Energien, die destruktiv gegen die Unternehmung gerichtet sind. Hier geht es um den Abbau negativer Energien und die Öffnung für Herausforderungen. • Komfort bedeutet willkommene Trägheit und bedrohliche Zufriedenheit mit dem Status quo. Hier geht es um die Aktivierung durch Bedrohungen. • Produktivität bedeutet hohe Begeisterung und starke gemeinsame Anstrengung zur Zielerreichung. Hier geht es um die Erhaltung des Momentums. Ein anderer Führungsansatz basiert auf flexiblen, adaptiven Führungsprozessen und soll die Mitarbeitenden durch eine Kultur dezentraler Verantwortung zu unternehmerischem Denken und Handeln befähigen. Er ist unter dem Namen „Beyond Budgeting“ bekannt geworden. Grundprinzipien sind Sinnkopplung, dezentrale Verantwortung, Transparenz, relative Ziele, Teamorientierung und Vorbereitung statt Planung. Allerdings werden daran verbreitete Kritikpunkte festgemacht. Als Mittel zur Führung stehen im Einzelnen verschiedene bereit: • Als Basis dienen die Inhalte des Arbeitsvertrags. Er legt Pflichten wie Dienstleistung, Verschwiegenheit etc. des Geführten fest sowie Rechte des Führenden wie Direktion und Weisung (Anordnung, Vorgabe, Auftrag etc.). • Hinzu treten Anreize zur Ermunterung wie durch Anerkennung und Lob, zur Selbstverwirklichung (Arbeitszufriedenheit), zu Aufstieg und Entwicklung, zu Entgelt und Status etc. • Wichtig sind auch Kommunikationsmittel in Form von Gesprächen zur Steuerung, Kontrolle, Beurteilung etc.

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E. Die Koordinierung der Unternehmung

• Hinzu kommen besondere Führungsmittel für „Spezialgruppen“ wie Jugendliche, Behinderte, Ältere, Ausländer, Frauen, Süchtige etc., gerade auch bei Konflikten, die ein Diversitätsbewusstein erfordern. Die Führung in Kleingruppen (Teams) stellt besondere Anforderungen. Mitglieder von Kleingruppen treten in häufige, direkte Interaktion zueinander und arbeiten über längere Zeit zusammen. Sie sind durch Gruppendynamik und ein Zusammengehörigkeitsgefühl (Gruppenkohäsion) geprägt. Dieses hängt ab von der Gruppengröße, der Gruppenhomogenität, der Arbeitssituation, dem Sicherheitsgefühl und von Hilfeleistungen in der Gruppe. In der Gruppe vollziehen sich Urteilsfindung, Problemlösung und Lernen. In der Gruppe sind Klärungen um die interne Position, den formellen Status und das Prestige erforderlich. Die Gruppenmitglieder nehmen Rollen ein, die allerdings auch zu Konflikten führen können. Zur Gruppenführung sind zahlreiche Studien angelegt worden: • Die Hawthorne-Studie belegte die Bedeutung menschlicher Beziehungen im Betrieb für das Arbeitsverhalten und die Rolle von informellen Gruppenführern (Licht-, Pausen-, Montageexperimente). • Die Norton-Street-Gang-Studie (White) belegte die Rollen von Gruppenstars (Alpha-Position), Schwarzen Schafen (Omega-Position) und informellen Führern. Wichtig dafür sind Einflussfaktoren wie Sozialverhalten, Wahrnehmung, Meinungen, Intelligenz. • Die Konformitätsstudie (Asch) belegte die Übereinstimmung der individuellen Ziele mit den Gruppenzielen als bedeutsam für die Interaktion. Gruppenstörungen führen zum Zerfall der Gruppe. • Bei der Gruppenbildung (Tuckman) werden die Phasen von „Forming“ durch Ausprobieren bzw. Orientieren, des „Storming“ zur Konfliktlösung, des „Norming“ zum Zusammenhalt der Gruppe und des „Performing“ zur Etablierung von Rollenbeziehungen unterschieden. • Nach Homans sind zur Gruppenbildung Interaktions-, Angleichungs- und Dis­ tanzierungsregeln bedeutsam. • Im Soziometrieansatz werden die Kommunikationsbeziehungen der Gruppenmitglieder erfasst und visualisiert. Daraus ergeben sich die relativen Positionen der verschiedenen Gruppenmitglieder als Stars, Freche, Problembeladene, Intriganten, Drückeberger, Neulinge, Fröhliche, Ehrgeizige, Schüchterne, Gruppenclowns, Ausgleichende, Außenseiter etc.

18. Führung

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Literaturhinweise Dillerup, Ralf / Stoi, Roman: Unternehmensführung, 5. Auflage, München 2016 Felfe, Jörg / Dick, Rolf van: Handbuch Mitarbeiterführung, Berlin / Heidelberg 2016 Haller, Reinhold: Mitarbeiterführung kompakt, Zürich 2009 Hinterhuber, Hans H.: Leadership, 4. Auflage, Frankfurt a. M. 2007 Laufer, Hartmut: Grundlagen erfolgreicher Mitarbeiterführung, 15. Auflage, Offenbach 2014 Lieber, Bernd: Personalführung, 2. Auflage, Konstanz 2001 Malik, Fredmund: Führen Leisten Leben, Frankfurt / New York 2014 Neubauer, Walter / Rosemann, Bernhard: Führung, Macht und Vertrauen in Organisationen, Stuttgart 2006 Rahn, Horst-Joachim: Personalführung kompakt, München / Wien 2008 Rosenstiel, Lutz von / Regnet, Erika / Domsch, Michel E. (Hrsg.): Führung von Mitarbeitern, 6. Auflage, Stuttgart 2009 Schirmer, Uwe / Walter, Volker / Woydt, Sabine: Mitarbeiterführung, 2. Auflage, Wiesbaden 2012 Seliger, Ruth: Positive Leadership, Stuttgart 2014 Walenta, Christa / Kirchler, Erich: Führung, Wien 2010 Walter, Henry: Handbuch Führung, 3. Auflage, Frankfurt a. M. 2005 Weibler, Jürgen: Personalführung, 3. Auflage, München 2016 Wunderer, Rolf: Führung und Zusammenarbeit, Neuwied 2011

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E. Die Koordinierung der Unternehmung

Übungsaufgaben 1. Welche Aussagen trifft McClellands Vierfaktoren-Ansatz der Führung? 2. Welche Aussagen trifft McGregors Menschenbild-Ansatz der Führung? 3. Nennen und erläutern Sie bitte bekannte Management by-Konzepte. 4. Stellen Sie bitte die Struktur der Transaktionsanalyse dar. 5. Was versteht man unter der VIE-Theorie? 6. Welche vier Grundtypen des Menschen unterscheidet Schein? 7. Welche führungsrelevanten Aussagen trifft die Anreiz-Beitrags-Theorie? 8. Welche wesentlichen Erkenntnisse liefert das Hawthorne-Experiment? 9. Welche zentralen Hypothesen stellt Alfelder in Bezug auf die Arbeitsmotiva­ tion auf? 10. Welche Aussagen trifft das Attributierungsmodell nach Mitchell? 11. Welche Rolle spielt das Diversity Management in der Führung? 12. Welche Content-Faktoren (Motivatoren) und welche Context-Faktoren (Hygienefaktoren) unterscheidet Herzberg in seiner Zwei-Faktoren-Theorie? 13. Welche Möglichkeiten bieten sich einem Mitarbeitenden nach der Gleichheitstheorie von Adams an, um Zufriedenheit zu erreichen? 14. Wie stellt sich das Bedürfnis-Modell von Maslow in Bezug auf die Führung dar? 15. Stellen Sie bitte die wesentlichen Eckpunkte des Lawler-Modells der Motivation dar.

19. Controlling

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19. Controlling In diesem Kapitel werden folgende Inhalte behandelt und geklärt: • die Elemente des Controllings, • die Planung im Controlling, • die Überprüfung im Controlling, • die Überwachung im Controlling, • die Informationsversorgung im Controlling. 19.1 Elemente des Controlling Controlling betrifft im Einzelnen das Assessment (Revision) der Effizienz der Unternehmung durch Überwachung sowie den Audit (Kontrolle) der Effektivität der Unternehmung durch Überprüfung betrieblicher Aktivitäten. Flankierend kommen die Informationsversorgung zur Koordination der Unternehmenssituation und die Planung als Willensbildung hinzu (siehe Abb. E52).

Abbildung E52: Basisfunktionen des Controllings (eig. Abb.)

Controlling stellt allgemein die Rationalität der Unternehmensführung sicher (Weber), ist also Korrektiv zur Unternehmensführung, nicht aber Unternehmensführung selbst. Daraus leiten sich Entscheidungen in Bezug auf die Koordination ab. Controlling hat drei Dimensionen: • Die funktionale Dimension betrifft die Aufgaben, die Controlling im Rahmen der Führungsunterstützung in der Unternehmung zukommt.

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E. Die Koordinierung der Unternehmung

• Die institutionale Dimension betrifft die aufbau- und ablauforganisatorische Einordnung des Controllings in die Unternehmung. • Die instrumentelle Dimension betrifft die methodischen und sachlichen Hilfsmittel, derer sich Controlling bedient. Dabei geht es um die Bestimmung von Entscheidungsoptionen, die Bewertung dieser Optionen, die Entscheidung für eine Option, deren Durchsetzung und die Kontrolle der Realisierung. Controlling geht damit weit über Kontrolle hinaus, die landläufig darin gesehen wird, sondern umfasst die Steuerung der Unternehmung („Lotse“), greift jedoch kürzer als die Unternehmensführung („Kapitän“), da ihm Zielsetzung, Leitung, Organisation und Implementierung als Managementaufgaben fehlen. Es dient vielmehr der Transparenz durch konzeptionelle und methodische Beratung des Managements zur Verbesserung deren Informationsstands und damit der Führungsprozesse. Controlling ist also auch nicht gleich Management. Controlling basiert auf Modellen, Methoden und Kennziffern, die entscheidungsrelevant sind. Das operative Controlling hat die Sicherung der Wirtschaftlichkeit betrieblicher Prozesse zum Ziel. Primäre Zielgrößen sind dabei Gewinn und Liquidität. Es geht um die taktische und operative Planung sowie Budgetierung mit Hilfe von Jahresabschluss / Kosten- und Leistungsrechnung bzw. Finanzierungsrechnung. Der Zeitbezug ist kurzfristig, es geht darum, „die Dinge richtig zu tun“. Die Orientierung ist primär unternehmensintern, dabei werden eine stabile Umwelt und weitgehend sichere Informationen unterstellt. Das strategische Controlling hat die Anpassung der Unternehmung an die Unternehmensumwelt zur langfristigen Existenzsicherung zum Ziel. Zentral sind Erfolgspotenziale in der strategischen Planung. Einfluss darauf nehmen das Unternehmensumfeld und die Unternehmenszielsetzung. Der Zeithorizont ist mittel- bis langfristig angelegt, es geht darum, „die richtigen Dinge zu tun“. Die Orien­tierung ist primär unternehmensextern, das Umfeld wird dabei als komplex, dynamisch und diskontinuierlich angesehen. Dies bedingt eine hohe Unsicherheit der Informationen. Als Arbeitsschwerpunkte ergeben sich dabei folgende. Es geht um die steuerungsorientierte Auswertung des internen und externen Rechnungswesens und der betrieblichen Statistik. Es geht ferner um die Steuerung der Finanz- und Liquiditätsplanung, der Investitionsplanung, der Liquiditätssicherung, der Kapitalbeschaffung und der Wirtschaftlichkeitsrechnungen. Hinzu tritt die Implementierung von Planungs- und Kontrollrechnungen, die Budgetierung bzw. Budgetkontrolle, die Durchführung von Soll-Ist-Vergleichen und Abweichungsanalysen. Weiterhin gehören die Gestaltung des innerbetrieblichen Informationswesens und die Sicherstellung eines bestmöglichen Informationsstands des Ma-

19. Controlling

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nagements dazu. Evtl. gliedern sich hierzu die interne Revision und die interne Unternehmensberatungsfunktion an. 19.2 Planung Planung ist allgemein das systematische, zukunftsbezogene Durchdenken und Festlegen von Maßnahmen, Mitteln und Wegen zur Zielerreichung. Kontrolle ist dementsprechend die Gegenüberstellung der Zielgrößen und der erreichten Istgrößen verbunden mit der Analyse von Abweichungen. Planung und Kontrolle bilden einen Regelkreis, Planung ohne Kontrolle ist ebenso sinnlos wie Kontrolle ohne Planung unmöglich ist. Aufgabe der Planung ist es, die generellen unternehmenspolitischen Zielsetzungen unter Berücksichtigung interner und externer Gegebenheiten und Entwicklungen zu konkretisieren. Es handelt sich um den Entwurf einer Ordnung, nach der sich das betriebliche Geschehen der Zukunft vollziehen soll. Planung ist also gegenwärtiges Entscheiden über zukünftiges Tun oder Unterlassen. Sie ist abzugrenzen von Prognose als auf praktischer Erfahrung oder theoretischer Erkenntnis beruhenden Aussagen über die Zukunft, wobei die Zielsetzung fehlt, von Extrapolation als Projizierung eines Sachverhalts mithilfe statistischer Schätzmethoden, wobei die Gestaltung fehlt, und von Improvisation als ex post-Entscheidungen, wobei der Zukunftsaspekt fehlt. Planung vollzieht sich in mehreren Phasen. In der Anregungsphase geht es um die Erkennung und Definition von Problemstellungen, die der Planung bedürfen. In der Identifikationsphase geht es um die Beschaffung, Analyse und Interpretation aller für die Problemlösung relevanten Daten. In der Suchphase geht es um die Entwicklung von Lösungsoptionen, die geeignet scheinen, das Problem zu beheben. In der Auswahlphase geht es um die Bewertung dieser Lösungsoptionen und die Präferenz für eine Lösung. In der Durchsetzungsphase geht es um die Implementierung der ausgewählten Optionen. Und in der Kontrollphase geht es um evtl. notwendig werdende Korrekturaktivitäten. Planung geht willensbildend, informationsverarbeitend und systematisch vor und versucht dadurch, zukünftige Handlungsspielräume einzugrenzen, zu strukturieren und zu optimieren. Die Planung bezieht sich auf • den Planungsgegenstand, also das, was geplant werden soll, • das Planungssubjekt, also die Person, die plant, • die Planungsdaten, vor allem Raum, Zeit, Budget und Restriktionen.

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E. Die Koordinierung der Unternehmung

19.2.1 Planungsdimensionen

Die Planung baut auf den Zielen auf und setzt eine Problemanalyse voraus. Daraus leiten sich dann verschiedene Optionen für Lösungen ab, die zu bewerten und zu priorisieren sind. Planung kann dabei nach mehreren Dimensionen unterteilt werden (siehe Abb. E53): • Nach der Anpassungsfähigkeit ergibt sich die starre oder flexible Planung. Starre Planung bedeutet, dass ein Plan über den Zeitraum hinweg unverändert bestehen bleibt, flexible Planung bedeutet, dass ein Plan an Veränderungen der Planungsbedingungen angepasst werden kann, etwa durch Aufschiebung der Verabschiedung, Einbau von Planreserven, Alternativpläne (Optionen), Eventualpläne (Schubladenpläne) etc. • Nach dem Detaillierungsgrad gibt es die Grobplanung und die Feinplanung. Erstere dient zur kursorischen Orientierung, letztere zur detaillierten Durchorganisation. • Nach dem Umfang umfassen die Pläne alle Unternehmensbereiche (Totalplanung) oder nur einzelne von ihnen (Partialplanung). Die Partialpläne müssen dann zu einem Totalplan zusammengefasst werden, was große Probleme bereitet. Dazu werden sowohl betriebswirtschaftliche Standard-Software (Enterprise Resource Planning / ERP) als auch fortgeschrittene Informationsverarbeitung (Big Data) eingesetzt. • Nach der Fristigkeit ergibt sich die strategische Planung (> 3 – 5 Jahre), sie bezieht sich auf die Gestaltung der Leistungspotenziale und wird vom TopManagement vorgenommen, die taktische Planung (1 – 3/5 Jahre), sie bezieht sich auf die Auslegung der so definierten Potenziale und wird vom Senior Management vorgenommen, sowie die operative Planung (< 1 Jahr), sie bezieht sich auf die Detailorganisation und wird vom Middle Management vorgenommen. • Nach der Vorgehensweise ergibt sich die retrograde Planung, sie erfolgt Top down in der Hierarchie von der Unternehmensleitung an die einzelnen exekutiven Abteilungen gerichtet, die progressive Planung, sie erfolgt Bottom up in der Hierarchie von der Exekutive an das Top Management gerichtet sowie die zirkuläre Planung, sie ergibt sich zunächst abwärtsgerichtet als Rahmenplan durch die Unternehmensleitung, der dann aufwärtsgerichtet auf den einzelnen Ebenen überprüft und konkretisiert wird. • Nach der Zeitabfolge wird unterschieden in gereihte, gestaffelte und geschachtelte Pläne. Bei der geschachtelten Planung ist der kurzfristige Plan integraler Bestandteil des mittelfristigen Plans und dieser wiederum Bestandteil des langfristigen Plans. Bei der gestaffelten Planung überlappen die Planungshorizonte hingegen einander, der kurzfristige Plan ragt also zeitlich in den mittelfristigen hinein und der mittelfristige Plan seinerseits in den langfristigen. Bei

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Abbildung E53: Dimensionen der Planung (eig. Abb.)

der gereihten Planung sind die Pläne unterschiedlicher Fristigkeit lückenlos hintereinander geschaltet, die Planungshorizonte überlappen sich nicht. • Nach dem Planungsrhythmus wird wie folgt unterschieden. Bei einem rollierenden Plan wird immer, wenn eine operative Phase abgelaufen ist, die erste Phase der taktischen Planung operativ ausgefüllt, die erste Phase der strategischen Planung taktisch ausgefüllt und die strategische Planung um eine Phase verlängert. Die Pläne rücken also einmal im Geschäftsjahr nach. Bei einem revolvierenden Plan wird wie beim rollierenden vorgegangen, allerdings ist der Aktualisierungsrhythmus unterjährig, so dass eine schnellere Anpassung möglich wird. Bei einem anschließenden Plan werden die Planperioden einmal durchgeplant und dann auch nicht mehr geändert. Die Pläne sind immer überschneidungsfrei. • Nach der Elastizität wird unterschieden in die Eventualplanung, die Alternativplanung und die Engpassplanung. Die Eventualplanung berücksichtigt proaktiv Störfaktoren und hält für diesen Fall eine Fallback-Lösung bereit. Die Alternativplanung geht von zwei alternativen Szenarien aus, die komplett durchgeplant werden. Danach wird eine der Alternativen für das weitere Vorgehen zugrunde gelegt. Die Engpassplanung orientiert sich am betriebswirtschaftlichen Bottleneck (Ausgleichsgesetz der Planung / Gutenberg). Der Engpass limitiert das gesamtbetriebliche Erfolgsniveau. Davon abweichende Planungen sind unrealistisch, solange dieser Engpass nicht überwunden werden kann. • Nach der Koordination der Pläne unterscheidet man die Simultan- und die Sukzessivplanung. Erstere versucht, alle Teilpläne integrativ zu berücksichtigten, was zwar in einer enormen Komplexität resultiert, wodurch aber ein Gesamt­ optimum möglich wird, da gegenseitige Interaktionen berücksichtigt werden. Letztere geht Teilplan für Teilplan vor, was allerdings die Gefahr birgt, in der

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E. Die Koordinierung der Unternehmung

Summe suboptimal zu bleiben. Es wird also zunächst mit einem Planungsbereich begonnen. Dabei ist sinnvollerweise der betriebliche Engpass Ausgangspunkt jeder Planung, da dieser das gesamte Aktivitätenniveau limitiert. Jede Planung folgt den Grundsätzen der Vollständigkeit, Genauigkeit, Eindeutigkeit, Kontinuität und Wirtschaftlichkeit. Planung erfordert immer wirtschaftliche Entscheidung. Soll nur ein Ziel verfolgt werden, sind Entscheidungen vergleichsweise klar. Schwierig wird es, wenn mehrere Ziele zugleich verfolgt werden sollen oder Zielgewichtungen erforderlich sind, denn dann entstehen Zielkonflikte. 19.2.2 Planungstechniken

Zur Planung können mehrere Techniken eingesetzt werden (siehe Abb. E54). Die Netzplantechnik stellt den zeitlichen Ablauf einzelner Aktivitäten dar, verdeutlicht deren sachlichen Gesamtzusammenhang, lässt kritische Vorgänge als Aktivitäten ohne Zeitreserve erkennen und weist Zeitreserven bei anderen Vorgängen aus. Der Netzplan basiert auf der Graphentheorie. Unter einem Graph versteht man eine Menge von Knoten, die durch eine geordnete Menge von Kanten mit einer Richtungsangabe verbunden sind. Zwischen Anfangsknoten und Endknoten gibt es einen kürzesten Weg. Verzögerungen hier führen zu Verzögerungen im gesamten Ablauf (Kritischer Weg). Zur Netzplantechnik gehören verschiedene Verfahren, so CPM-Vorgangspfeilnetzplan bzw. MPM-Vorgangsknotennetzplan mit deterministischen Knoten und Kanten, PERT-Ereignisknotennetzplan mit stochastischen Kanten und deterministischen Knoten, GERT-Vorgangspfeilund -knotennetzplan mit stochastischen Knoten und Kanten etc. Die Idee ist, aus Gründen der Zeitersparnis und Kapazitätsnutzung verschiedene Tätigkeiten pa-

Abbildung E54: Ausgewählte Planungstechniken (eig. Abb.)

19. Controlling

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rallel auszuführen, ohne dass daraus Friktionen resultieren. Dies bedingt, dass bestimmt wird, welche Tätigkeiten wann begonnen werden bzw. beendet sein müssen, um den vorgesehenen Zeitplan einzuhalten (siehe Abb. E55). Daher gibt es früheste und späteste Anfangszeiten (FAZ / SAZ) bzw. Endzeiten (FEZ / SEZ). Am Beginn steht daher eine Strukturanalyse, aus ihr folgt eine Zeitanalyse. Durch Bewertung entstehen eine Kapazitäts- und Kostenanalyse. Maßnahmen zur Zeitverkürzung umfassen u. a.: • kapazitative Ausweitung, intensitätsmäßige Anpassung, zeitliche Ausdehnung in den Aktivitäten, Automatisierung der Aktivitäten, bessere Know-how-Nut-

Quelle: images.finanzen.net/mediacenter/unsortiert/netzplantechnik.jpg

Abbildung E55: Ablauf der Netzplantechnik

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E. Die Koordinierung der Unternehmung

zung (Wissensmanagement), Routinierung durch Übung (Erfahrungseffekt), Eliminierung „toter“ Phasen (Zeitpuffer, Lager), Verschränkung der Aktivitäten, Simultanbearbeitung der Aktivitäten, bessere Vorbereitung (Rüstarbeiten, Ausfälle), Wertanalyse mit Wahl der nächstbesseren Alternative, Vorziehen problembehafteter Aktivitäten, bessere Unterteilung der Arbeiten. Ablaufdiagramme zeigen grafisch die logische Abfolge von Tätigkeiten auf. Arbeitsmittel dazu ist die Ablaufkarte. Sie unterscheidet Arbeitsphasen nach Operation (O), Inspektion (I), Transport (S) und Stillstand (S). Durch diese analytische Aufgabenzerlegung im Blockdiagramm können Abläufe strukturiert werden. Balkendiagramme (Gantt) zeigen die zeitliche Ausdehnung von Aktivitäten auf. Die Balken sind zumeist horizontal in einem Diagramm mit der Zeit auf der Horizontalen und den Aktivitäten auf der Vertikalen abgetragen. Die Lage der Balken ergibt sich aus den jeweiligen Anfangs- und Endterminen der Aktivitäten. Die Balken zeigen die Reihenfolge, den Zeitverbrauch und den Kapazitätsbedarf an. Meilensteinpläne unterteilen die Aktivitätenfolge in Zeitabschnitte als Zwischentermine. Dabei handelt es sich um wichtige Eckpunkte (Milestones), deren Termineinhaltung gerade bei komplexen Aktivitäten leichter kontrolliert werden kann. Der Projektplan trägt die vorzunehmenden Aktivitäten in der Kopfspalte und das Kalendarium in der Kopfzeile. Jede Aktivität wird durch Markierungen abgetragen. Unabhängige Aktivitäten können einander überlappen. Der Projektstrukturplan geht nach zu bearbeitenden Objekten vor und innerhalb dessen nach Reihenfolge, der Projektablaufplan geht nach Reihenfolge vor und innerhalb dessen nach zu bearbeitenden Objekten. Der Line of Balance-Plan geht von einem einzuhaltenden Endtermin aus. Von dort werden die erforderlichen Aktivitäten in Bezug auf ihren Endtermin durchgeplant. Endet der Anfangstermin dann, wie in der Praxis häufig vorzufinden, in der Vergangenheit, ist die Planung unbedingt zu revidieren. Der Entscheidungsbaum besteht aus dem Strukturmodell, dessen Quantifizierung und der Rollback-Analyse. Im Strukurmodell werden die Aktivitäten geordnet. Die Visualisierung erfolgt in Form eines Baumes mit Ästen für die Handlungsalternativen und Knoten (Kästchen oder Kreise) für die Aktivitätsergebnisse, denen jeweils Eintrittswahrscheinlichkeiten zugeordnet sind. Die Äste werden in der Quantifizierung mit jeweiligen Periodenkosten bewertet und die erwarteten Erträge ausgewiesen. In der Rollback-Analyse wird rückwärts die optimale Entscheidung ermittelt. Bei Zufallsknoten wird der Erwartungswert errechnet, bei Entscheidungsknoten wird er maximiert (siehe Abb. E56). Checklisten sind Sammlungen von als relevant erscheinenden Kriterien. Diese können quantitativer Art sein, dann lassen sich die Kriterien unter Zielaspekten

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Quelle: unternehmerhandbuch.files.wordpress.com/2010/10/entscheidungsbaum_wsk_2.jpg

Abbildung E56: Beispiel für den Entscheidungsbaum (eig. Abb.)

im Scoring über verschiedene Handlungsoptionen hinweg bewerten. Das Ergebnis ist ein Rating dieser Optionen. Bei qualitativen Kriterien ist nur ein ordinale Skalierung möglich, das Ergebnis ist dann ein Ranking der Optionen. Denkbar ist, die qualitativen Kriterien zunächst in quantitative Kriterien „umzurechnen“ und dann zu scoren / raten. Dies erfolgt im Rahmen der Nutzwertanalyse (siehe Abb. E57). Optimierungsverfahren ergeben sich im Rahmen der linearen und nicht-linearen Programmierung. Verbreitet ist die lineare Optimierung nach der Simplex-Methode. Grafisch erfolgt die Darstellung in einem Koordinatensystem

Abbildung E57: Beispiel der Nutzwertanalyse (eig. Abb.)

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E. Die Koordinierung der Unternehmung

durch Eintrag der Zielfunktion und der Nebenbedingungen zu ihrer Erreichung. Daraus entsteht ein Polyeder, bei dem die Zielfunktion vom Koordinatenursprung aus soweit verschoben wird, bis sie die vom Ursprung am weitesten entfernte zulässige Position (Kante) erreicht. Dadurch lassen sich vor allem Zuweisungsprobleme optimal lösen (Ressourcen wie Arbeitskräfte, Kapazitäten, Material, Kapital etc.) (siehe Abb. E58).

Abbildung E58: Prinzip der Simplex-Methode (eig. Abb.)

19.2.3 Budgetplanung

Budgetierung ist allgemein die Umsetzung von Plänen in eine Menge von Geldwerten für die nächsten Perioden durch Gegenüberstellung der erwarteten Einnahmen und Ausgaben, die einem organisatorischen Verantwortungsbereich für einen bestimmten Zeitraum verbindlich zur Erfüllung der ihm übertragenen Aufgaben in eigener Verantwortung zur Verfügung gestellt wird. Dem Budget kommen verschiedene Funktionen zu: • Das Budget hat eine Orientierungsfunktion für den Verantwortungsträger. • Es hat eine Ermächtigungsfunktion zur Disposition über die finanziellen Mittel. • Ihm kommt eine Motivationsfunktion zu. • Es übernimmt die Koordinationsfunktion zur Zuteilung knapper Ressourcen. • Es hat Kontrollfunktion durch laufenden Soll-Ist-Abgleich.

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Die Budgetbestimmung kann durch verschiedene Verfahren erfolgen: • Einzelbetrieblich sind quantitative Größen wie Mengen und Werte zu nennen. Die Mengenbudgetierung macht an Ausbringungseinheiten fest, die Wertbudgetierung an Betriebserfolgsgrößen. • Bei qualitativen Größen ist vor allem an eine Ziel-Mittel-Budgetierung zu denken. • Bei überbetrieblichen Größen können konkurrenz- oder nachfrageorientierte Parameter herangezogen werden. • Bei der Wettbewerbsbudgetierung werden Budgets am vermuteten oder bekannten Budget der wichtigsten Konkurrenten festgemacht. • Bei der marktorientierten Budgetierung werden makroökonomische Größen zur Bestimmung zugrunde gelegt. • Verbreitet sind jedoch auch willkürliche (nicht-analytische) Bemessungen, etwa anhand verbleibender freier Budgetmittel (Restwert) oder auf Basis des Vorperiodenwerts (Festwert). • Auch kommt eine Fortschreibung des Budgets aus der Vorperiode in Betracht. Dabei kann der seinerzeitige Ausschöpfungsgrad berücksichtigt werden. Weiterhin ist eine grundständige Neuberechnung des Budgets (Zero Base Budgetierung) möglich. Das Budget ist ein fixierter, in Geldeinheiten bewerteter Plan, der einem Verantwortungsbereich für eine Periode verbindlich zur Verfügung gestellt wird und dadurch dessen Handlungsrahmen vorgibt. Budgets können • inputbezogen sein, d. h. die Bereitstellung von Ressourcen (Geldmittel, Sachmittel, Rechte, Humanressourcen) definieren, • outputbezogen sein, d. h. ein zu erreichendes Ergebnis vorgeben, dabei ist eine konkurrenz- oder marktorientierte Bestimmung möglich, • sich auf Kosten, Ausgaben (pagatorisch), Umsätze, Deckungsbeiträge etc. als Bestimmungsgrößen beziehen, • sich auf die gesamte Unternehmung, einzelne Bereiche (vor allem den Engpass), bestimmte Abteilungen, Kostenstellen, Prozesse oder Funktionen als Einheiten beziehen, • mit festen Ober- bzw. Untergrenzen, mit einem Toleranzbereich oder mit Orientierungsgrößen verbunden sein, • nach der Richtung Top down vom Gesamtunternehmen auf die Einzelabteilungsebenen oder Bottom up von den Einzelabteilungsebenen auf das Gesamtunternehmen (oder im Gegenstromprinzip) erfolgen,

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E. Die Koordinierung der Unternehmung

• nach der Koordination werden bei der simultanen Budgetierung alle Teilbudgets parallel geplant, bei der sukzessiven Budgetierung zunächst die Engpassbudgets und danach erst die weiteren Bereiche, eine simultane Budgetierung ist wünschenswert, übersteigt aber in ihrer Komplexität rasch die Möglichkeiten, die sukzessive Budgetierung birgt die Gefahr, dass mehrere Durchläufe zur Realisierung erforderlich sind, • nach der Verbindlichkeit starr auf Basis fixer Budgets oder flexibel durch Anpassung an Veränderungen sein, erstere wird einmal je Zeiteinheit festgelegt und ist dann auch nicht mehr veränderbar, dadurch ist zumindest eine feste Planungsbasis gegeben, letztere kann während der Periode Veränderungen angepasst werden, wodurch eine bessere Zweckeignung erreicht wird, aber um den Preis der Aufgabe einer festen Basis, • nach der Ebene als Stellenbudget, als Spartenbudget, als Gesamtbudget oder als Projektbudget ausgelegt sein, • sich am Funktionsbereich (Beschaffung, Produktion, Absatz, Personal etc.) orientieren, • nach der Geltungsdauer unterjährig, jährlich (kurzfristig), mehrjährig mittelfristig, mehrjährig langfristig laufen. Durch Handlungsspielräume bei der Budgeterfüllung soll die Leistungsbereitschaft der Budgetverantwortlichen gesteigert werden. Budgets können auch als Beurteilungsgrundlage und zur Vergütungsbemessung der Budgetverantwortlichen genutzt werden. Die Budgetgrößen haben Vorgabecharakter. Die Kontrolle der Budgets ermöglicht die Feststellung von Abweichungen und die Auslösung von Lernprozessen. Die vertikale und horizontale Koordination der finanziellen Ressourcen in der Unternehmung führt zu • periodisch-geplanten Budgets, d. h., das Budget wird für eine Periode erstellt, nach Periodenende wird ein neues Budget erstellt, die Budgets werden dabei nicht verkettet, • rollierend-geplanten Budgets, d. h., das Budget wird in Teilperioden unterteilt, die nacheinander detailgeplant werden, daher kann ggf. eine Anpassung erfolgen, • progressiv-geplanten Budgets, die von einer Gesamtgröße auf die einzelnen Verantwortungsbereiche herunter gebrochen werden, • retrograd-geplanten Budgets, die von den Verantwortungsbereichen auf die Gesamtgröße aggregiert werden. Probleme ergeben sich, weil eine Fehlallokation der finanziellen Ressourcen entstehen kann. Außerdem ist die Budgetierung ein sehr zeit- und arbeitsaufwändiger Vorgang. Detaillierte Budgets schränken die Flexibilität (Reaktionsge-

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schwindigkeit) der Unternehmensbereiche ein. Budgetvorgaben sind häufig nicht zielorientiert, insb. droht durch Fortschreibung eine dauernde Unwirtschaftlichkeit. Zudem kommt es zur Vernachlässigung von Investitionen und Innovationen. Schließlich sind dysfunktionale Verhaltensweisen wahrscheinlich („Dezember-Fieber“, Abteilungsegoismen, Budgetpuffer etc.). Als Lösungen kommen Verfahren wie Better Budgeting (zweckmäßigere Verfahren) und Beyond Budgeting (dezentrale Steuerung anstelle Budgetierung) in Betracht.

19.3 Überprüfung Bei der Überprüfung (Auditing) steht die Effektivität der unternehmerischen Aktivitäten im Mittelpunkt, bei der Überwachung (Monitoring) deren Effizienz. Die Überprüfungsaufgabe stellt eine Bewertung dahingehend dar, ob die „richtigen Dinge getan“ werden, denn es ist durchaus möglich, dass operativ sinnvoll gearbeitet wird, sich im Zeitablauf jedoch die Rahmendaten vorhersehbar oder auch unvorhersehbar geändert haben oder von Vornherein unzweckmäßig gesetzt wurden. Die Überwachungsaufgabe betrifft hingegen die Bewertung, ob die „Dinge richtig getan“ werden. Dabei geht es um die Aufdeckung von Abweichungen und die Indikation von Abweichungsursachen sowie Vorkehrungen zur Vermeidung zukünftiger Abweichungen. Dadurch erhält die operative Arbeit „Leitplanken“. Beide gemeinsam stellen Kontrollen dar, das Pendant dazu ist die Planung. Controlling ist somit deutlich mehr als Kontrolle, jedoch zugleich auch deutlich weniger als Unternehmensführung. Kontrollen können sich auf mehrere Bereiche beziehen (siehe Abb. E59): • Effizienzkontrollen stellen sicher, dass die Wirtschaftlichkeit von Maßnahmen bei allen Planungen im Vordergrund steht. Hier spricht man auch von Revision. Inhalte sind dabei vor allem Kennzahlen, Kennzahlensysteme und Leistungsindikatoren.

Abbildung E59: Bereiche von Kontrollen (eig. Abb.)

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E. Die Koordinierung der Unternehmung

• Effektivitätskontrollen stellen sicher, dass die Wirksamkeit von Maßnahmen bei allen Planungen im Vordergrund steht. Inhalte sind Positionsbestimmungen, Situationsanalysen, Prognosetechniken, Wertoptimierungen, Risikovorsorge etc. • Informationskontrollen stellen begleitend sicher, dass alle relevanten Daten in geeigneter Weise verfügbar gemacht worden und eingeflossen sind. Diese Daten werden in Management-Informations-Systemen (MIS) abgestuft nach Informationslevels zur Verfügung gestellt und nutzergeführt (Data Mining) oder automatisch (Online Analytical Processing / OLAP) ausgewertet. 19.3.1 Risikomanagement

Die Übernahme von Risiken gehört zum unternehmerischen Handeln, denn die Mehrzahl der Entscheidungen ist unter Unsicherheit zu treffen. Und je größer die Chancen, desto größer sind spiegelbildlich auch die Risiken. Daher ist ein bewusstes Handling von Risiken erforderlich. Risiken sind objektiv durch zwei Dimensionen gekennzeichnet, die Höhe eines möglichen Schadens und die Wahrscheinlichkeit seines Eintritts. Subjektiv kommt die Risikogierigkeit oder Risikoaversion der jeweiligen Entscheider hinzu. Zum bewussten Handling gehört die Risikoidentifikation. Sie ergibt sich aus der Inventarisierung der Risiken. Dabei ist ein Mindesterwartungswert als Untergrenze vorzusehen, außerdem sind Notfallpläne für das Eintreten eines Risikos vorzuhalten. Risiken können sowohl externer Art wie Wettbewerb, Recht, Politik etc. sein als auch interner Art wie Finanzen, Organisation, Qualität etc. In neuerer Zeit werden vor allem Reputationsrisiken gesehen. Eine Analyse kann etwa durch ein Ursache-Wirkungs-Diagramm (Ishikawa) erfolgen. Die Risiken sind dann entsprechend zu bewerten und zu aggregieren (Value at Risk). Eine Eingrenzung des Risikos kann durch Vermeidung, Verminderung, Streuung oder Überwälzung entstehen. Das daraus entstehende Ergebnis ist im Rahmen der Risikokontrolle zu überprüfen. Dies ist zwischenzeitlich auch Bestandteil der Jahresabschlussberichterstattung von Großunternehmen. Risiken sind allgemein negative Abweichungen von Zielen. Sie können aus Umfeldentwicklungen (extern) oder unzweckmäßigen Managemententscheidungen (intern) entstehen. Sie führen zu Gefahren und Verlusten, welche die Ertrags- und Liquiditätssituation des Unternehmens beeinträchtigen. Daher ist Risikomanagement ein zentraler Dispositionsbereich der krisenbewussten Unternehmensführung. Ziele sind die Existenzsicherung des Unternehmens, die Gewinnung neuer Handlungsspielräume, die Senkung der Kosten und die Sicherung des Gewinns. Entscheidend ist dabei eine geeignete Informationsversorgung. Diese erfolgt im Risikocontrolling.

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Bausteine eines Risikomanagement-Systems sind ein Früherkennungs- und e­ in Überwachungssubsystem. Die Anforderungen daran ergeben sich aus rechtlicher, wirtschaftlicher und auditierender Sicht. Standards tragen zur Transparenz und Verständlichkeit im Risikomanagement bei. Sie senken die Kosten und erhöhen die Prüfsicherheit. Entscheidend ist eine Risikokultur als Bestandteil der Unternehmenskultur, die Annahmen und Einstellungen der Mitarbeiter in Bezug auf Risiken und ihre Steuerung festlegt. Eine angemessene Risikokultur ist Leitlinie für ein adäquates Handeln der Mitarbeiter und schafft Akzeptanz für risikogierige, -neutrale oder -averse Entscheidungen. Die Risikostrategie legt Risikoziele des Unternehmens und Maßnahmen zu deren Umsetzung fest. Risikoziele beziehen sich z. B. auf die Realisierung eines angemessenen Chancen-Risiken-Verhältnisses. Das Risikodeckungspotenzial besteht aus den Liquiditäts- und Erfolgsreserven eines Unternehmens, die zum Ausgleich der negativen finanziellen Auswirkungen eintretender Risiken verwendet werden können. Dabei sind verschiedene Klassen von Risikodeckungspotenzialen zu unterscheiden. Je nach Risikoneigung wird ein mehr oder minder großer Teil davon als Risikodeckungsmasse „einbehalten“. Die Risikotragfähigkeit eines Unternehmens ist seine Fähigkeit, jederzeit die finanziellen Auswirkungen von Krisen auf Liquidität und Erfolg durch Einsatz der Risikodeckungsmasse ausgleichen zu können. Eine Risikoinventur umfasst die Aufnahme aller Risiken zu einem bestimmten Zeitpunkt. Sie steht am Beginn des operativen Risikohandlings. Sie muss vollständig, aktuell, systematisch, flexibel und wirtschaftlich sein. Instrumente zur Risikoidentifikation sind z. B. Besichtigungen / Begehungen, Risikochecklisten, Dokumentenanalysen, Unternehmens-/Umweltanalysen, System-/Prozessanalysen. Die Ergebnisse werden in einem Risikoinventar dokumentiert. Wichtig ist dabei eine einheitliche Akzeptanz von Risiken bzw. eines Chancen-Risiken-Kalküls als unternehmerisches Must. Die Risikobewertung umfasst die Identifikation von Risikofaktoren, die qualitative Beurteilung dieser Risiken, deren Quantifizierung und die Zusammenfassung der Einzelrisiken zu einem Gesamtrisiko. Bewertungsparameter sind dabei vor allem die Eintrittswahrscheinlichkeit einer Krise und das Schadensausmaß bei deren Eintritt. Risiken können sich aufschaukeln oder neutralisieren. Die Bewertung muss dennoch interindividuell nachvollziehbar und objektivierbar sein. Dazu werden verschiedene Instrumente eingesetzt, so Scoring-Modelle, Szenario-Analysen, At Risk-Modelle, Werttreiberbäume etc. Der Erfolg der Risikobewertung hängt von der aktuellen Datenlage, der Methodenkompetenz der Anwender und einer adäquaten Informationsbasis ab. Die Ergebnisse werden in der Risikoberichterstattung des Topmanagements kommuniziert. Sie dient der Informationsversorgung interner und externer Stake­ holder. Das interne Reporting ist dabei Basis für das externe Reporting. Neben

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E. Die Koordinierung der Unternehmung

der Standardberichterstattung gibt es auch Ausnahme- bzw. Ad hoc-Berichte aus gegebenem Anlass. Externe Adressaten sind vor allem Investoren und Kreditoren. Dafür bestehen einschlägige rechtliche Rahmenbedingungen. Zur Risikosteuerung gehören Risikovermeidung und Risikominderung als aktive Strategien. Risikolimitierung, Risikoüberwälzung und Risikovorsorge sind hingegen passive Strategien, da sich durch sie die Eintrittswahrscheinlichkeit und das Schadensausmaß nicht verändern. Die Maßnahmen des Risikomanagements unterliegen der Risikokontrolle. Diese kann Strukturen (Überwachung) oder Prozesse (Überprüfung) zum Inhalt haben. Erstere bezieht sich auf Vorkehrungen des Risikomanagements (z. B. Jahresabschlussprüfung), letztere auf deren tatsächliche Umsetzung durch Institutionalisierung und Zentralisierung des Risikomanagements. Hilfreich ist ein Risikomanagement-Manual mit Orientierungs-, Nachweis-, Informations- und Steuerungsfunktion. Dabei erfolgt zumeist eine IT-Stützung, je nachdem durch Standardsoftware, Spezialsoftware oder Business Intelligence-Lösungen. Verbleibende Risiken müssen durch Risikosteuerung behandelt werden. Dafür gibt es mehrere Möglichkeiten: • Risikoidentifikation durch Verbesserung des relativen Informationsgrads und des absoluten Informationsstands, • Risikobewertung durch Evaluierung der Handlungsoptionen nach deren jeweiligen Eintrittswahrscheinlichkeiten, • Risikoverhütung durch Risikostreuung oder Risikoverminderung. Bei der Risikostreuung handelt es sich um offensive Ansätze wie –– Ausgleich als Begrenzung drohender Risiken, z. B. durch Multiple Sourcing, mehrere Kunden, Absatzgebiete, Standorte, –– Vermeidung als Abdeckung unnötiger Risiken durch Dritte, z. B. durch Risikoübertragung im Termingeschäft, an Versicherung, Hedging, –– Teilung von Risiken durch Bildung von Risikogemeinschaften, z. B. als Werkgemeinschaft, Konsortium, –– Überwälzung an Dritte als proaktive Eindämmung von Risiken, z. B. durch Vertragsgestaltung (AGB), Service Level Agreements (SLA). –– Bei der Risikoverminderung geht es um Maßnahmen wie Eigentumsvorbehalt, Gleichteilenutzung, Produktrückruf etc. • Risikobewältigung unvermeidlicher, nicht zu verringernder Eintrittswahrscheinlichkeiten durch Selbsttragung von Risiken, die als gering angesehen werden oder denen große Chancen gegenüberstehen.

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Wichtig ist zu erkennen, dass unternehmerisches Handeln immer das Eingehen von Risiken bedeutet, es geht also nicht um die Elimination solcher Risiken, sondern um den bewussten Umgang mit ihnen. 19.3.2 Benchmarking

Um die Erfolgsposition eines Unternehmens besser beurteilen zu können, ist es erforderlich, dieses in Bezug zu anderen, vergleichbaren, möglichst überlegenen Einheiten zu setzen und nachvollziehbar zu machen, wie diese überlegenen anderen arbeiten. Dies erfolgt im Benchmarking. Benchmarking hat einen Mess-, Positionierungs- und Lernaspekt. Ziel ist es, bei jeder einzelnen Teilleistung ein passendes „Vorbild“ zu finden. Dies geht weit über herkömmliche, vor allem interne Kennzahlenvergleiche hinaus, die nur einen Messaspekt haben. Der Messaspekt bezieht sich auf das Merkmal „Wer ist Benchmark?“, der Positionierungsaspekt auf den Vergleich der eigenen Daten mit den Daten des jeweiligen Partners, um festzustellen „Warum ist jemand Benchmark?“ und der Lernaspekt stellt den gegenseitigen Nutzen dar, also „Wie kann man selbst Benchmark werden?“. Benchmarking verschafft hohe Glaubwürdigkeit und Akzeptanz für die Setzung anspruchsvoller Zielstandards, weil dem von anderen Unternehmen/-steilen bereits tatsächlich realisierte Leistungen zugrunde liegen, womit der praktische Beweis dafür erbracht ist, dass sie erreicht werden können. Daraus folgt ein hohes Maß an Motivation zu herausragenden Leistungen, deren Beurteilung objektivierbar ist. Die Übernahme bewährter, erfolgreicher Prozesse ist zudem meist schneller und risikoärmer als deren eigene Entwicklung. Allerdings darf man sich wirklich nur die jeweils Besten (Best of the Best) als Benchmarking-Partner auswählen. Glücklicherweise sind Kernkompetenzen von Unternehmung zu Unternehmung unterschiedlich verteilt, d. h., kein Unternehmen ist in allen Prozessen Spitzenklasse, aber auch keines in allen Prozessen wirklich schlecht, denn sonst würde es am Markt angesichts scharfen Wettbewerbs bereits längst nicht mehr bestehen können. Es gibt verschiedene Formen des Benchmarkings. Nach dem Inhalt werden das strategische und das operative Benchmarking unterschieden: • Das strategische Benchmarking bezieht sich auf die Analyse von Geschäftsmodell und Wertkette. Es betrifft damit die dispositiven Inhalte. • Das operative Benchmarking bezieht sich auf die Umsetzung der Strategie in aktuelles Unternehmenshandeln auf der exekutiven Ebene.

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Nach der Vergleichsbasis werden dazu das interne und das externe Benchmarking unterschieden (siehe Abb. E60): • Das interne Benchmarking dient dem Vergleich und der Analyse von Prozessen zwischen verschiedenen Abteilungen, Bereichen an einem Standort, Divisions an verschiedenen Standorten bzw. Konzernteilen einer Unternehmung. Es bietet den Vorteil der einfachen Datensammlung und liefert gute Ergebnisse für diversifizierte, bereits exzellente Unternehmen. Vor allem entstehen keinerlei Geheimhaltungsprobleme. Dagegen spricht, dass nur ein sehr begrenzter Ausschnitt der Wirtschaftswirklichkeit betrachtet wird und ein hohes Maß interner Befangenheit der unvoreingenommenen Beurteilung der Erkenntnisse entgegensteht. So kann letztlich doch „Schlendrian mit Schlendrian“ verglichen werden. • Das externe Benchmarking erfolgt mit Partnern außerhalb der Unternehmung und bietet den Vorteil der Vergleichbarkeit mit Praktiken / Technologien anderer Marktteilnehmer. Dies setzt zunächst die exakte Festlegung und Abgrenzung des Benchmarking-Themas und des dafür relevanten Informationsbedarfs voraus und funktioniert nur auf Basis der Gegenseitigkeit. Dagegen steht jedoch, dass es weitaus höhere Schwierigkeiten bei der Datensammlung als bei internem Vorgehen gibt. Vielmehr ist von einem antagonistischen Verhalten der beteiligten Unternehmen auszugehen.

Abbildung E60: Ausprägungen des Benchmarkings (eig. Abb.)

Nach der Form des externen Benchmarkings werden folgende nach abnehmender Übertragbarkeit, aber aufsteigender Realisierbarkeit unterschieden (siehe Abb. E61):

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Abbildung E61: Tableau des externen Benchmarkings (eig. Abb.)

• Kompetitives Benchmarking betrifft den Vergleich mit Wettbewerbern derselben Branche in der gleichen Funktion. Dazu bedarf es der Schaffung einer Vergleichsbasis, die angibt, wer worin genau als der Beste zu gelten hat. Diese ist aber immer fraglich. Wesentliche Vorteile sind die Gewinnung geschäftsrelevanter Informationen, die unmittelbare Vergleichbarkeit der dabei zugrunde liegenden Produkte / Prozesse, die relativ hohe Akzeptanz der Ergebnisse und die eindeutige Positionierung im direkten Vergleich. Von Nachteil sind jedoch die partiell schwierige Datenerfassung und die Gefahr branchenorientierter „Kopien“, die kein Überholen (Outpacing) mehr erlauben. • Sektorales Benchmarking hat den Vergleich innerhalb der Branche, aber in anderer Funktion zum Inhalt. Der Vorteil dieser Vorgehensweise liegt darin, dass die in jedem Fall erforderliche Adaptation leichter fällt, da innerhalb der Branchengrenzen operiert wird. Allerdings ist eine hohe Sensibilität erforderlich, da direkte Mitbewerber in Kontakt geraten. Andererseits dürfte die Identifizierung eines geeigneten Benchmarking-Partners gut gelingen. • Funktionales Benchmarking hat den Vergleich mit Unternehmen / Organisationen außerhalb der angestammten Branche, aber in der gleichen Funktion zum Inhalt, und zwar jeweils mit dem Klassenbesten einer Funktion (Best in Class). Dies erschließt ein großes nutzbares Potenzial durch die Entwicklung professioneller Netzwerke / Datenbanken zwischen interessierten Beteiligten. Dazu ist es erforderlich, für jede einzelne Funktion ein passendes „Vorbild“ zu finden. Es steht nicht der globale Betriebsvergleich, sondern der spezifische Einzelvergleich im Vordergrund. • Generisches Benchmarking umfasst Bereiche / Prozesse anderer Branchen und Funktionen, vorausgesetzt, es handelt sich bei ihnen um Best of the Best. Gera-

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de die Vielfalt der Unternehmensgrößen, Organisationsformen, Produkte und Märkte bietet gute Ansatzpunkte zur Effizienzsteigerung und Findung innovativer Lösungen für eine Vergrößerung des Ideenspektrums. Gelegentlich kann daraus ein „New Game“ abgeleitet werden. Dagegen stehen jedoch Schwierigkeiten bei der Übertragung von Erkenntnissen zwischen den Beteiligten, die zeit- und kostenaufwändig sind. Immer bedarf es einer genauen Absprache und Vorbereitung mit dem Bench­ marking-Partner, was Analysethema ist und wie dieses voll ausgeschöpft werden kann. Außerdem ist zu unterscheiden, was wirklich 1 : 1 in den eigenen Prozess übernommen werden kann und was hinsichtlich individueller Gegebenheiten angepasst werden muss. Neben der Primärerhebung von Daten kommt auch eine Sekundärerhebung in Betracht. Als Informationsquellen dienen einschlägige Publikationen zu den betreffenden Themen. Marktforschungsinstitute haben zumeist einen sehr guten Überblick über die „Unternehmenslandschaft“. Empirische Erhebungen und Fallstudien geben Aufschluss über Daten, die aus „realen“ Unternehmen stammen (Best Practice). Wenn möglich, ist die Betriebsbesichtigung vorbildlicher Unternehmen anzustreben. Zur Auswertung stehen auch Datenbanken mit internationalen Standardwerken zum Thema zur Verfügung. Berufsverbände kommen als Auskunftsgeber ebenso in Betracht wie Fachzeitschriftenverlage mit Artikeln über führende Unternehmen. Weiterhin gibt es Benchmarking-Clubs mit Zugang für Mitglieder zu Daten, deren Mitgliedschaft aber für gewöhnlich jeden Teilnehmer verpflichtet, selbst als Benchmarking-Partner für Andere zur Verfügung zu stehen. Schließlich verfügen Unternehmensberatungen oft über relevante Informationen aus ihren globalen Netzwerken. Darüber hinaus greifen diverse Maßnahmen der Competitive Intelligence. Allerdings bedarf es einer genauen Absprache und Vorbereitung mit dem jeweiligen Benchmarking-Partner, was Analysethema ist und wie dieses voll ausgeschöpft werden kann. 19.3.3 Wertanalyse

Bei der Wertanalyse handelt es sich um eine Problemlösungs- und Entscheidungsmethode zur Findung der günstigsten Relation von Funktionserfüllung ­eines Produkts oder Prozesses und den damit verbundenen Kosten.Eine gegebene Leistung soll zu minimalen Kosten bzw. bei gegebenen Kosten eine maximale Leistung erreicht werden, ohne dass deren Qualität oder Marktfähigkeit negativ tangiert werden. Es geht dabei um ein systematisches, analytisches Durchdringen von Funktionsstrukturen mit dem Ziel einer abgestimmten Beeinflussung deren Elemente in Richtung einer Wertsteigerung. Die Wertanalyse ist vor allem ein System zum Lösen komplexer Probleme, die nicht oder nicht vollständig algorithmierbar sind. Der Wertanalyse-Arbeitsplan

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ist die Beschreibung der Arbeitsschritte bei der Bearbeitung eines Projekts. Wertverbesserung betrifft die wertanalytische Behandlung eines bereits bestehenden und Wertgestaltung die Anwendung beim Schaffen eines neuen Wertanalyse-Objekts. Dieses wiederum ist ein entstehender oder bestehender Funktionsträger, der mit Mitteln der Wertanalyse behandelt werden soll. Ein Wertanalyse-Team entwickelt sich aus einer fach- und bereichsübergreifend zusammengesetzten Gruppe, die durch unmittelbare Kommunikation mit dem gemeinsamen Ziel zusammenarbeitet, ein Wertanalyse-Projekt abzuwickeln. Dabei greifen gruppendynamische Prozesse. Der Wertanalyse-Koordinator ist eine Person, die diese Aktivitäten unter Einbindung der hierfür relevanten Führungsebene plant, organisiert und lenkt. Er ist für die erfolgsorientierte Steuerung und Förderung der Arbeiten qualifiziert und verantwortlich. Als Funktion wird in der Wertanalyse jede einzelne Wirkung des Wertanalyse-Objekts bezeichnet. Man unterscheidet Ist- und Soll-Funktionen. Gebrauchsfunktion ist eine Funktion des Wertanalyse-Objekts, die zu dessen sachlicher Nutzung erforderlich ist. Die Rangordnung von Funktionen erfolgt in Funk­ tionsklassen mit Haupt- und Nebenfunktionen. Hauptfunktion ist diejenige Funktion, die deren i. S. d. Nutzung besonders hoch gewichtete Wirkung beschreibt. Nebenfunktion ist jede i. S. d. Nutzung deutlich geringer gewichtete Wirkung. Gesamtfunktion ist die Gesamtwirkung aller ihr in einer Funktionsstruktur untergeordneten Teilfunktionen. Unerwünschte Funktionen sind vermeidbare, nicht der gewollten Nutzung dienende (nur Ist-Zustand) oder unvermeidbare, nicht gewollte Wirkungen (sowohl Ist- als Soll-Zustand) des Wertanalyse-Objekts. Die Funktionenstruktur ist eine Darstellung der i. S. d. Nutzung folgerichtigen Zusammenhänge von Funktionen miteinander. Funktionenträger sind Elemente, durch die Funktionen verwirklicht werden. Diese sind mit Funktionskosten verbunden. Lösungsbedingte Vorgaben sind solche beachtenswerten, die außerhalb der Soll-Funktion liegen (z. B. Gesetz, Ethik, Umwelt). 19.4 Überwachung Bei der Überwachungsaufgabe geht es um die Aufdeckung von Abweichungen und die Indikation von Abweichungsursachen sowie Vorkehrungen zur Vermeidung zukünftiger Abweichungen. Diese Kontrollen beziehen sich auf Ergebnisse und können als Längsschnitt-, Querschnitt-, Leistungs- und Abweichungskontrollen angelegt sein. Sie erfolgen durch Kennzahlen, Kennzahlensysteme und Leistungsindikatoren.

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E. Die Koordinierung der Unternehmung

19.4.1 Kennzahlen

Kennzahlen sind aggregierte Daten, die mehr oder minder komplexe, dahinter stehende Sachverhalte komprimiert quantitativ ausweisen. Sie treten als Grundzahlen (absolute Werte) oder Verhältniszahlen (relative Werte) auf, bei letzteren wiederum als Gliederungs-, Beziehungs- und Indexzahlen. Den Kennzahlen können Bestandsmassen zugrunde liegen, deren Elemente eine Verweildauer aufweisen, so dass zu einem beliebigen Beobachtungszeitpunkt stets eine größere Anzahl von ihnen gleichbleibend vorhanden ist, oder aber Bewegungsmassen, bei denen Zu- und Abgänge Bestandsveränderungen bewirken, die zeitpunktbezogen sind. Für die Arbeit mit Kennzahlen ist es wichtig, dass nicht willkürlich beliebige Werte aus allen erdenklichen betrieblichen Bereichen ermittelt werden, für die kein sachgerechter Bezug festgestellt werden kann, sondern dass Kennzahlen sachgerecht ausgewiesen und genutzt werden. Als Anhaltspunkte dafür lassen sich folgende Anforderungen formulieren: • Eindeutigkeit der erkennbaren Zielsetzung, klare Abbildung und Interpretierbarkeit von dahinter stehenden, materiellen Tatbeständen, Aktualität der Ermittlung, Prognosefähigkeit der Daten, einfache Struktur, vertretbarer Erhebungsaufwand (siehe Abb. E62). Die isolierte Betrachtung einzelner Kennzahlen führt nur sehr eingeschränkt zu einer aussagefähigen Beurteilung der betrieblichen Situation. Vielmehr müssen zusätzliche sachliche und zeitliche Zusammenhänge entwickelt werden. Somit ist der Bereich des Kennzahlenvergleichs in den Mittelpunkt gerückt. Dabei können mehrere Formen unterschieden werden (siehe Abb. E63): • Der zeitliche (vorher vs. nachher) Zusammenhang ergibt sich, wenn die Entwicklung dieser Kennzahlen in einer Längsschnittbetrachtung vorgenommen wird. Dabei ist zunächst an den Vergleich aktueller mit vergangenen Daten zu denken. Dabei können Veränderungen festgestellt und näher analysiert werden. • Der (eigen vs. fremd) Betriebsvergleich als Querschnittsbetrachtung betrifft den Vergleich verschiedener Einheiten des gleichen Betriebs untereinander bzw. gleicher Einheiten verschiedener Betriebe miteinander. Allerdings besteht oft das Problem der mangelnden Einheitlichkeit der Bezugsbasis. Deshalb bemühen sich überbetriebliche Organisationen wie IHK’en, Verbände, Kreditinstitute etc. um eine entsprechende Vereinheitlichung der Ausgangsbedingungen. • Der Soll-Ist-Vergleich betrachtet die Entwicklung der realisierten Ergebnisse im Vergleich zu den vorgegebenen. Insofern handelt es sich um eine Strukturbetrachtung im eigenen Unternehmen. Meist wird dabei ein Abweichungskanal toleriert.

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Abbildung E62: Gängige Kennzahlen (eig. Abb.)

Abbildung E63: Inhalte von Kontrollen (eig. Abb.)

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E. Die Koordinierung der Unternehmung

Ein Kennzahlenvergleich kann sich auf Ergebnisse selbst oder auf das Zustandekommen dieser Ergebnisse als Benchmarking konzentrieren. Dabei liegt im Allgemeinen die Meinung zugrunde, dass alle materiellen Größen über finan­ zielle Größen „gleichnamig“ gemacht werden können. Dies ermöglicht dann eine Steuerung der unterschiedlichsten Geschäftseinheiten allein anhand finanzieller Maßgrößen. 19.4.2 Kennzahlensysteme

Da einzelne Kennzahlen zwangsläufig nur eine begrenzte Aussagefähigkeit haben, ist eine Verkettung zu Kennzahlensystemen sinnvoll. Diese stellen eine systematisch geordnete Gesamtheit von Kennzahlen dar, die zueinander als Rechensystem in Beziehung stehen, wobei häufig erst diese Gesamtheit in der Lage ist, vollständig über Sachverhalte zu informieren, da es Kennzahlen höheren und geringeren Aggregationsgrads gibt und einzelne Kennzahlen zwangsläufig nur eine begrenzte Aussagefähigkeit haben. Ein hierarchisches Kennzahlensystem ist nur in dem Maße erfolgreich, wie die Spitzenkennzahl richtig ausgewählt wird. Teilweise wird die Meinung vertreten, dass alle materiellen Größen über finanzielle Kennzahlen „gleichnamig“ gemacht werden können. Dies ermöglicht dann eine Steuerung der unterschiedlichsten Geschäftseinheiten allein über finanzielle Messgrößen, Als besonders geeignet haben sich in diesem Zusammenhang Return on Investment / ROI bzw. Gesamtkapitalrentabilität, z. B. im DuPont-System erwiesen, dann die Eigenkapitalrentabilität / RoE, z. B. im ZVEI- und im RL-System sowie Gewinn und Liquidität, z. B. im PuK-System. Im DuPont-System wird der Return on Investment (Gewinn : Gesamtkapital) sukzessive aufgespalten in • die Umsatzrentabilität (Gewinn : Umsatz) und den Kapitalumschlag (Umsatz : Gesamtkapital), • der Gewinn wiederum ergibt sich als Differenz aus Umsatz und Kosten, • das Gesamtkapital ergibt sich als Summe aus Anlagevermögen und Umlaufvermögen (investiertes Kapital), • die Kosten setzen sich ihrerseits aus variablen und fixen Kosten zusammen, • der Umsatz ergibt sich als Produkt aus Stückpreis und Absatzmenge, • das Umlaufvermögen ergibt sich als Summe aus Vorräten, Forderungen, liquiden Mitteln etc., • das Anlagevermögen ergibt sich als Summe aus Sachanlagen, Finanzanlagen, immateriellem Vermögen etc.

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Die Aufspaltung der Kenngrößen setzt sich dann pyramidenförmig fort (siehe Abb. E64). An Kennzahlen wird jedoch weit verbreitete Kritik geübt, sie • stellen nicht Ursache und Wirkung in Bezug zueinander (= mangelnde Objektivität), • basieren auf womöglich verzerrten Ursprungsdaten (= mangelnde Reliabilität), • messen womöglich nicht das, was eigentlich gemessen werden soll (= mangelnde Validität), • leisten nur mehr oder minder geringe Erklärungsbeiträge (= mangelnde Signifikanz), • sind einseitig Shareholder-orientiert.

Abbildung E64: DuPont-Kennzahlensystem (eig. Abb.)

19.4.3 Performance Management

Die Problematik solcher hierarchischen Systeme ist, dass sie die Realität oft unzulässig verkürzen. So kann ein Pilot ein Flugzeug auch nicht anhand nur eines

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Messwerts, wie Geschwindigkeit oder Höhe allein, steuern, sondern er braucht diverse, ausgewogene Werte über mehrere kritische Erfolgsgrößen, also auch Informationen über Kerosinverbrauch, Seitenwind, horizontale Neigung, vertikale Trimmung etc. Auf die Unternehmensebene übertragen wurde diese Erkenntnis im Performance Measurement als Balanced Score-Card-Analyse (BSC) verwirklicht. Dort wird nach Kaplan / Norton unterschieden in (siehe Abb. E65): • (materielle) Kennwerte für Finanzen / Kosten wie Durchschnittserlös = Umsatz : Absatz, Rabattquote = Rabatte : Bruttoumsatz, Außenstände = ausstehende Zahlungen : Nettoumsatz, • externe Kennwerte (Kunde / Markt) wie Marktanteil = eigener Umsatz : Marktvolumen, Neukundenanteil = Anzahl neuer Kunden : Anzahl aller Kunden, Fluktuationsquote = Anzahl wegfallender Kunden : Anzahl aller Kunden, • interne Kennwerte (Prozess / Qualität) wie Reklamationsquote = Anzahl reklamierter Bestellungen : Anzahl aller Bestellungen, Außenstandsanteil = Forderungen aus Lieferungen und Leistungen : Gesamtumsatz, • (immaterielle) Kennwerte für Lernen / Mitarbeiter wie Fluktuationsquote = Anzahl der Kündigungen : Anzahl der Mitarbeiter, Unternehmenszugehörigkeitsdauer = Dienstjahre aller Mitarbeiter : Anzahl der Mitarbeiter, Pro Kopf

Quelle: axel-schroeder.de/wp-content/uploads/2015/11/4-Perspektiven-der-Balanced-Scorecard.png

Abbildung E65: Prinzip der Balanced Score-Card

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Umsatz = Gesamtumsatz : Anzahl der Mitarbeiter, Verbesserungsvorschlagsquote = Anzahl Verbesserungsvorschläge : Anzahl der Mitarbeiter. Diese Eckwerte werden als wesentliche Erfolgstreiber (Key Performance Indicators / K PI’s) gleichgewichtig berücksichtigt und in Bezug auf Vision, Mission, Kernkompetenz, Kultur sowie Ziele, Istsituation und Strategien reflektiert. Da­ raus leiten sich die Erwartungen der Stakeholders, die Erwartungen der Kunden, die Anforderungen an Prozesse und die Anforderungen an laufendes Lernen ab, zwischen denen vielfältige Wechselwirkungen bestehen. Dazu ist zunächst eine Aufteilung der Perspektiven nach den genannten Kriterien erforderlich, für diese werden dann jeweils die • angestrebten Zielsetzungen / Teilziele abgeleitet, die es zu beeinflussen gilt, z. B. Imageaufwertung, Kundenservice, • dafür maßgeblichen Messgrößen / Kennzahlen bestimmt, anhand derer gemessen werden soll, z. B. Marktanteil im Hochpreissegment, Wiederkaufrate, dies sind die KPI’s, • gewünschten Zielvorgabewerte festgelegt, die es einzulösen gilt, z. B. X % Sollwert, Y Sollwert, • erforderlichen Maßnahmen aufgestellt, z. B. Designverbesserung, Vertriebs­ innendienst stärken. Problematisch ist dabei die Auswahl der Leistungsindikatoren. Sinnvoll sind • finanzwirtschaftliche Kennzahlen wie internes Wachstum stärken, Unabhängigkeit bewahren, Kostenbewusstsein intensivieren, • kundenbezogene Kennzahlen wie Termintreue steigern, Kundenbindung erhöhen, Neukunden gewinnen, • prozessuale Kennzahlen wie Fertigungsprozesse optimieren, Kundenservice verbessern, Logistik vereinfachen, • entwicklungsbezogene Kennzahlen wie Innovationstätigkeit fördern, Wettbewerbsumfeld besser kennenlernen, Mitarbeiterzufriedenheit/-qualität erhöhen, Dabei konzentriert man sich zur Komplexitätsreduktion auf solche Kennwerte, welche die größte Hebelwirkung für den Unternehmenserfolg (= Werttreiber) haben. Sie sind Basis des Performance Measurements im Unternehmen. Allerdings ist deren Ergebniswirksamkeit und Steuerungsrelevanz oft nur schwer beurteilbar. Die visuelle Darstellung der Ergebnisse erfolgt in Management Cockpits (Dashboard-/Ampel-System) (siehe Abb. E66).

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E. Die Koordinierung der Unternehmung

Quelle: druck-medien.net/uploads/tx_news/_processed_/csm_40_Printplus_badfbf3714.gif

Abbildung E66: Beispiel KPI-Dashbord

19.5 Informationsversorgung Für die Datenversorgung im Controlling gibt es mehrere Konzepte. Im Folgenden werden Systeme des Data Warehousing, des Reporting, der Abfrage, des OLAP- und des Data Mining-Prinzips näher betrachtet. 19.5.1 Data Warehousing

Im Data Warehouse-Konzept werden neue und historische Daten aus verschiedenen operativen Systemen zentral gesammelt und entscheidungsorientiert geordnet bzw. konsolidiert. Benutzer können somit Auswertungen aufgrund einer anwenderspezifischen Struktur erstellen. Es hat zum Ziel, eine logisch zentrale, einheitliche und konsistente Datenbasis für die vielfältigen Anwendungen zur Unterstützung analytischer Aufgaben aufzubauen, die losgelöst von operativen Datenbanken betrieben wird. Das Data Warehouse umfasst grundsätzlich alle Daten der Unternehmung und ist damit zentrales Instrument des Wissensmanagements.

19. Controlling

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Für die Orientierung an Datengesamtheiten ist es zunächst erforderlich, alle relevanten Daten gezielt zu sammeln und für die Analyse auszuwählen (Data Collection / Data Selection). Dazu werden die Daten verschiedener Datensätze miteinander integriert (Data Integration). Die Daten müssen bereinigt werden (Data Cleaning), d. h. als falsch erkannte oder inkonsistente Daten müssen entfernt oder korrigiert werden. Eine Teilmenge aus dem Datenpool (Subsample) wird für Testzwecke und aus Gründen geringer Zugriffszeiten ausgewählt. Die Daten werden einander angepasst (Transformation), um inhaltlichen (Dateityp, Feldlänge etc.) oder das Analyseprogramm betreffenden Anforderungen zu genügen. Die für die Analyse adäquatesten Parameter werden ausgewählt (Parameter Selection). Anschließend beginnt der eigentliche Auswertungsprozess, der das Ergebnis transparent macht (Data Analysis). Mit der Interpretation und Visualisierung der Ergebnisse wird der Prozess abgeschlossen (Visualisation), es sei denn, es ergibt sich weiterer Informationsbedarf. Dann kehrt man zu einem der früheren Schritte zurück. Zur Systematisierung der Inhalte bieten sich die Dimensionen der Vorgehensrichtung (Top down / deduktiv oder Bottom up / induktiv) sowie der Datenorientierung (einzelne Datensätze / Data Marts oder Datengesamtheiten / Entities) an. Entsprechend der Einteilung ergeben sich vier Felder (siehe Abb. E67).

Abbildung E67: Tableau der Informationsversorgungs-Systeme (eig. Abb.)

19.5.2 Reporting-Systeme

Top down-Vorgehen bei Orientierung an einzelnen Datensätzen führt zu Reporting-Systemen verschiedener Art. Im Wesentlichen unterscheidet man vier Kategorien nutzergesteuerter Systeme (siehe Abb. E68).

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E. Die Koordinierung der Unternehmung

Abbildung E68: Kategorien von Reporting-Systemen (eig. Abb.)

Berichtssysteme (Management Reporting Systems / MRS) dienen der regelmäßigen oder fallweisen Bereitstellung potenziell wichtiger Dokumentations-, Analyse- und Kontrollinformationen, die bei Auftreten eines entsprechenden Bedarfs jederzeit abgerufen werden können. Diese Informationen sind zumeist qualitativer Natur, d. h., sie haben die Form von Texten und Bildern. Dies wirft große Probleme bei der Speicherorganisation auf, da es an Formatierungsschlüsseln fehlt. Vielmehr müssen umfassende Deskriptoren- und Indexierungssysteme installiert werden. Dies ist zeit- und kostenaufwändig. Außerdem ist dies oft ungenau, so dass sich Probleme beim Wiederauffinden ergeben. Aufgrund großer Suchgeschwindigkeiten in Computern ist dies jedoch lösbar. Allerdings ergibt sich ein Wirtschaftlichkeitsproblem, d. h., die Aufbereitung und Pflege der Datenbestände erscheint oft aufwändiger als der Nutzenentgang ohne MRS. Globale Datennetze erlauben es zudem jedem Interessenten, externe Informationsbanken anzuzapfen. Dabei ist eine einmalige, retrospektive Recherche, in der alle bis zu diesem Zeitpunkt abgespeicherten Informationen zu einer eingegebenen Fragestellung durchsucht werden, möglich. Aber auch ein Recherche-Dauer­ auftrag ist möglich, bei dem zu einem bestimmten Thema periodisch alle neu zugegangenen Informationen verfügbar sind. Berichtssysteme enthalten interne und externe Daten. Planungssysteme (Decision Support Systems / DSS) haben demgegenüber eine stärkere Ausrichtung auf die spezifischen Informationsbedürfnisse der beteiligten Organisationsmitglieder. Wichtig ist dabei eine Flexibilität des Systems derart, dass dem Planungsträger ihm selbst relevant erscheinende Informationen in der von ihm gewünschten Form möglichst kurzfristig verfügbar gemacht, in der von ihm als notwendig erachteten Form aufgegliedert und miteinander verknüpft werden. Weiterhin kommt es auf die Dialogfähigkeit des Systems an, d. h. die unmittelbare Mensch-Maschine-Kommunikation. Dies ist vor allem wichtig, wenn kreative Prozesse initiiert werden sollen, die am Anfang noch nicht voll strukturiert sind. Dabei muss sichergestellt sein, dass jeder Anwender nur auf den für ihn relevanten Datenbestand zugreifen und auch nur diesen verändern kann. Statistische, analytische und simulative Funktionen dienen der direkten Unterstützung von Aufgabenträgern.

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Kontrollsysteme (Executive Information Systems / EIS) dienen der aktuellen Berichterstattung über interessierende Bereiche. Sie sind als Dokumentensystem ausgestaltet, wenn der Computer dem Anwender automatisch Informationen zur Verfügung stellt. Dies kann wiederum zeitbezogen erfolgen, d. h. als Standardberichte in periodischen Abständen, oder aber ereignisbezogen, d. h. als anlassorientierte Ausnahmeberichte. Letzteres erfolgt vor allem dann, wenn Abweichungen zwischen Ist- und Normalergebnissen (Meldebericht) oder zwischen Ist- und Sollergebnissen vorliegen (Warnbericht). Das heißt, Meldesysteme reagieren auf Abweichungen zwischen tatsächlichen und vorgegebenen Größen, Warnsysteme reagieren auf Abweichungen zwischen tatsächlichen und prognostizierten Größen. Außerdem gibt es Abrufsysteme, bei denen der Abrufzeitpunkt selbst gewählt wird. Bei einer Ausgestaltung als Auskunftssystem geht die Initiative zur Berichterstattung vom Anwender aus. Bei einer freien Abfrage kann der individuelle Informationsbedarf spezifiziert werden, bei einer starren Abfrage werden vorspezifizierte Informationen geliefert. Wichtig sind hier die Elimination irrelevanter Berichte, die Ausmerzung von Doppelarbeit und die formal aufnahmefreundliche Berichtsgestaltung. Entscheidungssysteme (Executive Support Systems / ESS) stellen ein sinnvolles Informationsangebot her, das in Abhängigkeit von der Hierarchie, vor allem aber zugeschnitten auf den Informationsbedarf von Führungskräften, jeweils angemessen aggregierte oder selektierte Informationseinheiten bereitstellt. Eine Verdichtung ist bei einer quantitativen Datenbasis über Kennziffern / Kennzahlensysteme wesentlich einfacher als bei einer qualitativen. Bei Bedarf sollten daher stärker detaillierte Informationen bereitgestellt werden. Selektion weist Informationen bei Überschreiten vorgegebener Toleranzen aus. Dies entspricht dem Führungskonzept des Management by Exception. Wichtig ist dabei die Ursachenforschung für Abweichungen, die im System zwar möglich ist, aber persönlich validiert werden sollte. 19.5.3 Abfrage-Systeme

Bottom up-Vorgehen bei Orientierung an einzelnen Datensätzen führt zu Abfrage-Systemen, wobei im Einzelnen zwei Anliegen zu unterscheiden sind. Datenbasierte Informationssysteme betreffen die computerbasierte Bereitstellung von Daten, zeigen aber Probleme bei der Implementierung. Wissensbasierte Expertensysteme bieten hingegen umfassende Hilfe für Entscheidungsträger bei unterschiedlichen Managementaufgaben, die Integration einer aufgabenbezogenen Informations- und Entscheidungsunterstützung, die Repräsentation von Expertenwissen und Schlussfolgerungsmechanismen. Beide werden im Folgenden kurz erläutert (siehe Abb. E69). Das Management-Informations-System (MIS) ist die übliche Form eines datenbasierten Informationssystems, d. h. einer planvoll entwickelten und geordne-

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E. Die Koordinierung der Unternehmung

Abbildung E69: Alternative Abfrage-Systeme (eig. Abb.)

ten Gesamtheit von organisatorischen Regelungen über Träger informatorischer Aufgaben, Informationswegen zwischen ihnen, Informationsrechten und pflichten und Methoden der Informationsbearbeitung zur Befriedigung des Informationsbedarfs. Es ist erforderlich, um die Informationsflut zu kanalisieren, die Aktualität der Informationen zu sichern und die tatsächliche Nutzung verfügbarer Informationen zu fördern. Voraussetzungen sind dabei eine hinreichend auf den Informationsbedarf abgestimmte Datenbasis, ein flexibles System der elektronischen Datenaufbereitung für unterschiedliche Fragestellungen, z. B. mit hierarchischer Verdichtung und flexibler Disaggregation, ein hinreichendes Reservoire an Methoden und Modellen zur Datenverknüpfung und eine leistungsfähige Computer-Hardware mit kurzen Zugriffszeiten und benutzerfreundlicher Oberfläche. Ein solches Management-Informations-System besteht im Einzelnen aus vier Komponenten: • Die interne Datenbank enthält IT-mäßig organisierte Datenbestände, hier werden die für Entscheidungen notwendigen inner- und außerbetrieblichen Informationen gesammelt. Eine Datenbank ist eine strukturierte Sammlung von Daten, aus der sich entscheidungsrelevante Informationen gewinnen lassen. Sie muss vor allem zwei Voraussetzungen erfüllen: einerseits Redundanzfreiheit, d. h., jede Information in der Datenbank ist nur einmal abgespeichert. Dadurch wird der Speicherplatz rationell genutzt. Dateninkonsistenzen können vermieden werden, die Datenaktualisierung wird vereinfacht. Allerdings werden dadurch auch lange Zugriffszeiten bedingt. Und andererseits Strukturflexibilität, d. h., Informationen lassen sich in beliebiger Weise verknüpfen. Dies verlangt eine vorausschauende Datenorganisation. • Die Modellbank enthält bekannte Modelle zur Beschreibung und Lösung von Managementproblemen. Hier sind quantifizierbare Sachzusammenhänge abgebildet. Die Anwendung der Modellbank bedingt allerdings zur seriösen Nutzung die Kenntnis der Zusammenhänge und Hintergründe der dort implementierten Modelle. Je komplexer diese aufgebaut und je mehr Randbedingungen einzuhalten sind, desto behutsamer sind sie einzusetzen.

19. Controlling

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• Die Methodenbank enthält statistische Verfahren zur Aufbereitung und Analyse von Daten, hier erfolgt also die Weiterverarbeitung der Informationen in einfachen und komplexen Verfahren. Wichtig ist auch die Erweiterbarkeit um neue, evtl. eigenentwickelte Methoden. Die Unterstützung betrifft die Methodendokumentation in systematischer Abstufung. Information Retrieval Systems erschließen verfügbare Methoden aufgrund von Stichwörtern. Außerdem soll Hilfe bei der Methodenauswahl gegeben werden. Dabei werden dem weniger fachkundigen Nutzer aufgrund seines Datenabrufs geeignet erscheinende Methoden vorgeschlagen bzw. ungeeignete gesperrt. Außerdem ist eine Methodenablaufsteuerung notwendig, welche die Vollständigkeit und Richtigkeit der Eingaben prüft (z. B. Parameter) oder durch Standardwerte ersetzt. Schließlich sollen auch Interpretationshilfen gegeben werden. • Durch die Dialogschnittstelle kann der Entscheider mit dem System in Kontakt treten. Hier geht es um benutzerfreundliche Datenein- und -ausgaben. Die Eingabe erfolgt in aller Regel online durch Tastatur, Datenträger, auch als Spracheingabe, die Ausgabe erfolgt als Ausdruck, auf Bildschirm oder Datenträger, auch als Sprachausgabe. Der Aufbau eines MIS bedarf erheblicher Investitionen. Sofern diese nicht aufgebracht oder bereitgestellt werden können, ist die Nutzung ausgeschlossen. Weiterhin ist mit Akzeptanzproblemen und Anpassungswiderständen in der Organisation zu rechnen, vor allem bei der Einführung. Expertensysteme (XPS) sind wissensbasiert, gehören zur künstlichen Intelligenz und haben zum Ziel, das Fachwissen, die Erfahrungen und die Problemlösungsstrategien von Experten auf einem eng gefassten Gebiet zu kodifizieren und durch Software einem breiten Anwenderkreis als geballte Intelligenz verfügbar zu machen. Sie haben damit Bündelungs- und Multiplikationsfunktion. Dabei stehen eher Heuristiken im Vordergrund, die auf Aufgaben Anwendung finden, für die keine Lösungsalgorithmen bekannt sind (= schlecht strukturierte Probleme). Das heißt, Expertensysteme lösen komplexe Probleme aus eng abgegrenzten Bereichen und simulieren dabei das Problemlösungsverhalten von Fachleuten des jeweiligen Wissensgebiets. Sie sind interaktiv modelliert und generieren Handlungsvorschläge für Aufgabenträger in fachspezifischen Entscheidungssituationen. Komponenten eines solchen Expertensystems sind (siehe Abb. E70): • die Wissensbasis, bestehend aus Fakten und Regeln, die allgemein zugängliches Fachwissen und Erfahrungen von Experten repräsentieren. Dort ist das Expertenwissen abgelegt, das von den Fachleuten selbst oder von qualifizierten Programmierern eingegeben wird, • das Inferenzmodul, das den zugrunde gelegten Problemlösungsmechanismus beinhaltet und aus der Wissensbasis und den vom Benutzer eingegebenen fallspezifischen Daten schrittweise Schlussfolgerungen bis hin zur Lösung ab-

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E. Die Koordinierung der Unternehmung

Abbildung E70: Struktur des Expertensystems (eig. Abb.)

leitet. Hier wird das gespeicherte Wissen auf die vom Benutzer spezifizierte Problemstellung angewendet, • das Wissenserwerbsmodul, das die Eingabe, Ergänzung und Aktualisierung von Wissen im System steuert. Dies ermöglicht es dem Experten, die Wissens­ basis zu erweitern, ohne selbst Programmierkenntnisse haben zu müssen, • das Erklärungsmodul, das die Vorgehensweise des Expertensystems bei der Problemlösung dokumentiert. Es beantwortet Fragen des Nutzers hinsichtlich der Gründe für die getroffene Entscheidung, • die Dialogschnittstelle, welche die Interaktion des Benutzers mit dem System sicherstellt. Sie bildet die Schnittstelle zwischen Benutzer, Experten, Programmierer und dem System. Probleme betreffen hierbei in erster Linie die Wissensakquisition, also die vollständige Erfassung von Hintergrundwissen, die Wissensstrukturierung, also die Operationalisierung dieses Wissens, und die Benutzeroberfläche, also die Akzeptanz und Aufbereitung des Wissens. 19.5.4 OLAP-Systeme

Top down-Vorgehen bei Orientierung an Datengesamtheiten führt zum Online Analytical Processing (OLAP). Dabei handelt es sich um interaktive, komplexe Analysen in Form einer mehrdimensionalen Sicht auf vorhandene Datenbestände (siehe Abb. E71). Diese werden meist als Datenwürfel versinnbildlicht, indem der Datenraum zunächst in Schichten zerteilt wird, durch die anschlie-

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Quelle: oracle.com/ocom/groups/public@otn/documents/digitalasset/105005.gif

Abbildung E71: Prinzip „Datenwürfel“ (eig. Abb.)

ßend Schnitte (Slicing) als vertikaler Längsschnitt, horizontaler Querschnitt etc. zur Analyse gelegt werden. Durch Drehen dieses Würfels entsteht ein Wechsel der Dimensionen (Dicing), der neue Erkenntnisse liefern kann (siehe Abb. E72). Eine andere Technik hebt auf die immer tiefer gehende Analyse von Daten ab (Drill down), indem Komplexität systematisch reduziert wird und dadurch immer feinteiliger untersucht werden kann. Umgekehrt können auch allzu feinteilige Details zu größeren Bezügen aggregiert werden (Roll up), um eine Vogelperspektive einnehmen zu können. Schließlich kann durch Screening eine Siebung der Daten hinsichtlich ihrer Relevanz für den Untersuchungszweck vorgenommen und durch Scoping eine erhebliche Fokussierung des jeweils interessierenden Datenausschnitts erreicht werden. Das Grundprinzip von OLAP basiert auf der Betrachtung von Daten aus verschiedenen Blickwinkeln / Dimensionen, die eine rasche und flexible Analyse erlauben, so dass auch große Datenmengen gut beherrschbar sind. Zum Beispiel können die Dimensionen Umsatz pro Jahr, Umsatz pro Produkt und Umsatz pro Region in verschiedenen Kombinationen betrachtet werden. So interessiert den Produktmanager typischerweise der Umsatz „seines“ Produkts in Zeitablauf und nach Regionen gesplittet, den Vertriebsmanager interessiert der Umsatz „seiner“ Region nach Produkten gesplittet und im Zeitablauf, den Marktforscher interessiert vielleicht der Umsatz im Zeitablauf, differenziert nach Produkten und Regi-

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E. Die Koordinierung der Unternehmung

Quelle: linearis.at/wp-content/uploads/Cube_Slice_and_Dice.jpg

Abbildung E72: Slice and Dice-Prinzip (eig. Abb.)

onen. Alle drei Informationsbedarfe können durch das OLAP-Konzept befriedigt werden, indem einmal erfasste Daten nach verschiedenen Dimensionen hin auswertbar sind. Gleichzeitig ist eine abgestufte Differenzierung der Betrachtungsebenen darstellbar, etwa in der Dimension Produkt unterteilt nach verschiedenen Artikeln, Farben, Größen, Ausführungen etc., in der Dimension Region unterteilt nach verschiedenen Untergebieten (Bundesland, Nielsen-Gebiet, Großraum, PLZ etc.) und in der Dimension Zeit nach verschiedenen Zeitperioden (auch stark unterjährig) herunter gebrochen. 19.5.5 Data Mining-Systeme

Bottom up-Vorgehen bei Orientierung an Datengesamtheiten führt zu Formen des Data Minings. Dieses hat ein selbstständiges Durchsuchen von Datenbeständen zum Ziel, um bisher unbekannte, signifikante Muster oder zukünftige Trends wirtschaftlicher Entwicklungen zu erkennen, Daten aufzudecken und daraus u. a. Vorhersagen zu generieren. In großen Datenbeständen können solche nicht-trivialen Verbundbeziehungen durchaus existieren, ohne weiter aufzufallen. Im Einzelnen werden dazu verschiedene Methoden eingesetzt, insbesondere alle multivariaten statistischen Verfahren der Klassifikation / Segmentierung, der Analyse von Abhängigkeiten / Zusammenhängen und zur Datenprognose wie Neuronale Netze, Entscheidungsbäume, Assoziationsverfahren, Clusterungen oder Fuzzy Logic.

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Ein Data Mining-System besteht im Einzelnen aus fünf Schichten: • den Datenquellen, die als Datenbanken mit internen und externen Quellen vorliegen, • der Vereinheitlichung der Datenstrukturen durch Datenextraktion, -transformation und -ladung sowie stetige Aktualisierung dieser Daten, • dem eigentlichen Data Warehouse als zentralem „Umschlagplatz“ der Daten, • der Analyseschicht, und zwar als –– Segmentierung durch Einteilung von Daten in Gruppen zusammengehöriger oder ähnlicher Datensätze, um diese mittels Neuronaler Netze, Clusteranalyse o. Ä. genauer betrachten zu können, –– Klassifizierung durch Zuweisung von Elementen mit unbekannten Eigenschaften in bereits bestehende Klassen, –– Assoziierung durch Auffindung von Mustern korrelierter Elemente, • der Präsentationsschicht (Front-end).

Literaturhinweise Baum, Heinz-Georg / Coenenberg, Adolf G./Günther, Thomas: Strategisches Controlling, 5. Auflage, Stuttgart 2013 Binder, Ursula: Schnelleinstieg Controlling, 5. Auflage, Freiburg 2012 Britzelmaier, Bernd: Controlling, München 2013 Deimel, Klaus / Wiltinger, Kai / Heupel, Thomas: Controlling, München 2013 Erichsen, Jürgen: Controlling-Instrumente von A – Z, 8. Auflage, Freiburg 2011 Fischer, Dirk: Controlling, München 2009 Fischer, Thomas M./Möller, Klaus / Schultze, Wolfgang: Controlling, Stuttgart 2012 Friedl, Birgit: Controlling, 2. Auflage, Stuttgart 2013 Graumann, Mathias: Controlling, 4. Auflage, Herne 2014 Horvath, Peter: Controlling, 12. Auflage, München 2011 Horvath, Peter / Gleich, Ronald: Controlling, 13. Auflage, München 2015 Horvath, Peter / Gleich, Ronald / Voggenreiter, Dietmar: Controlling umsetzen, 5. Auflage, Stuttgart 2012 Horvath & Partners: Das Controllingkonzept, 7. Auflage, München 2009 Joos, Thomas: Controlling, Kostenrechnung und Kostenmanagement, 5. Auflage, Wiesbaden 2014

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E. Die Koordinierung der Unternehmung

Jung, Hans: Controlling, 4. Auflage, München / Wien 2014 Krause, Hans-Ulrich / Arora, Dayanand: Controlling-Kennzahlen, 2. Auflage, München / Wien 2010 Küpper, Hans-Ulrich / Friedl, Gunther / Hoffmann, Christian / Hofmann, Yvette / Pedell, Burkhard: Controlling, 6. Auflage, Stuttgart 2013 Peemöller, Volker H.: Controlling, 5. Auflage, Herne 2005 Preißler, Peter R.: Controlling, 14. Auflage, München / Wien 2013 Probst, Hans-Jürgen: Controlling, München 2014 Reichmann, Thomas: Controlling mit Kennzahlen, 8. Auflage, München 2011 Schultz, Volker: Controlling, 2. Auflage, München 2015 Steinle, Claus / Daum, Andreas (Hrsg.): Controlling, 4. Auflage, Stuttgart 2007 Troßmann, Ernst: Controlling als Führungsfunktion, München 2013 Vanini, Ute: Controlling, Stuttgart 2009 Vollmuth, J. Hilmar: Controllinginstrumente, 5. Auflage, Freiburg 2010 Weber, Jürgen / Schäffer, Utz: Einführung in das Controlling, 14. Auflage, Stuttgart 2014 Ziegenbein, Klaus: Controlling, 10. Auflage, Ludwigshafen 2012

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Übungsaufgaben 1. Welche Aussagefähigkeit hat das Externe Rechnungswesen für die Informa­ tionsversorgungsfunktion des Controllings? 2. Welche Arten und Formen von Controlling-Berichten können unterschieden werden? 3. Was versteht man unter Risikomanagement und welche Aktivitäten sind dafür sinnvoll? 4. Wirtschaften heißt angesichts knapper Ressourcen immer Entscheiden in jedem Einzelfall. Um dabei zu belastbaren Ergebnissen zu kommen, hat die BWL Entscheidungstechniken entwickelt. Nennen und erläutern Sie in diesem Zusammenhang übliche Entscheidungstechniken im betriebswirtschaftlichen Controlling? 5. Wie arbeiten Frühwarnsysteme? 6. Wie arbeiten Früherkennungssysteme? 7. Wie arbeiten Frühaufklärungssysteme? 8. Welche Aufgaben der Planung fallen im Rahmen des Controllings an? 9. Welche Aufgaben der Informationsversorgung fallen im Rahmen des Control­ lings an? 10. Nennen und erläutern Sie bitte die wesentlichen Vorteile des Benchmarkings in der Unternehmenspraxis. 11. Kennzahlen spielen im Controlling eine zentrale Rolle. Viele von ihnen sind Schlüsselerfolgsindikatoren (KPI’s) im Rahmen der Erfolgsmessung (Performance Measurement). Dabei wiederum sind finanzielle Kennzahlen von hoher Bedeutung. Erläutern Sie solche Kennzahlen bitte aussagefähig. 12. In welchen Formen können Kennzahlen unterschieden werden? 13. Wie ist ein Kennziffernsystem aufgebaut? 14. Was ist und wozu dient die Balanced Score-Card? 15. Charakterisieren Sie bitte das Controlling und seine Teilbereiche aussagefähig.

F. Das Management der Unternehmung 20. Strategieentwicklung In diesem Kapitel werden folgende Inhalte behandelt und geklärt: • die Strategischen Grundlagen in Geschäftsfeld, Gruppe, Geschäftseinheit und Positionierung, • das Zielsystem der Unternehmung, • die Instrumente zur Istsituations-Analyse, • die Strategischen Stellgrößen in Marktfeld, Marktwahl, Konkurrenzvorteil, Konkurrenzverhalten, Zeitabfolge, • die Strategiebewertung. 20.1 Strategische Grundlagen Der Begriff Strategie ist vielfach und schillernd definiert. Am klarsten scheint jedoch die Fassung als Entscheidung zur Transformation eines gegebenen, nicht befriedigenden Istzustands in einen neuen, gewünschten Sollzustand. Dies bedingt, dass für eine Strategie drei Ausgangsbasen gegeben sein müssen: Das Ziel als Endpunkt, die Istsituation aus Ausgangspunkt und der Plan zur Über­ brückung der Distanz zwischen Ist und Soll (siehe Abb. F1). Ob man dabei mit dem Ziel oder der Istsituation beginnt, ist strittig. Beginnt man mit der Istsituation, kommt man zumindest zu realistischen Zielen, vielleicht aber auch zu solchen, bei denen man „unter der Latte“ durchspringt. Beginnt man mit dem Ziel, kommen zwar ambitionierte Vorgaben zum Zuge, vielleicht sind diese aber letztlich unrea­listisch.

Abbildung F1: Strategie als Weg vom Ist zum Soll (eig. Abb.)

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F. Das Management der Unternehmung

Die Strategie kann im Einzelnen marktorientiert oder ressourcenorientiert (mit Abwandlungen nach Fähigkeiten und Wissen) angelegt sein. Marktorientiert bedeutet im Wesentlichen, dass die Unternehmensstrategie als vom Umfeld abhängig angesehen wird. Das heißt, die Unternehmung prüft, wie sich das Umfeld in Bezug auf handlungsrelevante Akteure darstellt und wählt dann möglichst eine Strategie, die von diesen belassene Handlungsfelder nutzt. Damit kann vermeidbaren Herausforderungen entgangen werden, allerdings determinieren damit die Umfeldakteure den strategischen Handlungsspielraum. Ressourcenorientiert bedeutet im Wesentlichen, dass die Unternehmensstrategie nur auf den eigenen Vorteilen aufbaut und das Umfeld so zu gestalten sucht, dass es die Nutzung dieser Vorteile erfolgreich zulässt. Damit befreit man sich zwar von den Restriktionen des Umfelds, muss aber gegenwärtigen, dass die Strategie auf manifeste Widerstände stößt. Beide Ansätze lassen sich aber durchaus kombinieren. Innerhalb der strategischen Grundlagen gibt es vier strategische Säulen als Eckpfeiler jeder Strategie. Dabei handelt es sich um das Strategische Geschäftsfeld, die Strategische Gruppe, die Strategische Positionierung und die Strategische Geschäftseinheit. 20.1.1 Strategisches Geschäftsfeld

Das Strategische Geschäftsfeld (SGF) bestimmt die Abgrenzung des Relevanten Markts (auch Arena genannt). Das SGF weist damit aus, auf welchem Markt die Unternehmung aktiv ist / sein will und wie das Umfeld sich konkret darstellt. Eine zutreffende Abgrenzung des Relevanten Markts ist derzeit nicht befriedigend lösbar. Es gibt zwar verschiedene Ansätze, die aber alle Schwächen aufweisen. Die wichtigsten seien im Folgenden erläutert (siehe Abb. F2: Abgrenzung des Strategischen Geschäftsfelds): • Die totale Konkurrenz (v. Stackelberg) besagt, dass letztlich alles mit jedem in Konkurrenz zur knappen Kaufkraft / Budgets steht und damit die Gesamtheit

Abbildung F2: Abgrenzung des Strategischen Geschäftsfelds (eig. Abb.)

20. Strategieentwicklung

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des Marktangebots den Relevanten Markt ausmacht. Dies ist zwar stimmig, aber nicht operational und damit wenig hilfreich. • Abgrenzungen aus Angebotssicht wählen verschiedene Ansätze. Bei der technisch-physischen Ähnlichkeit von Produkten werden alle Angebote als zum selben Relevanten Markt gehörig angesehen, die von ihrer Angebotsphysis her ähnlich sind. Dies greift jedoch viel zu kurz. Bei der funktionalen Gleichheit des Angebots werden alle Angebote als zum selben Relevanten Markt gehörig angesehen, die dieselbe Funktion erfüllen, unabhängig von ihrem Äußeren. Dies ist gut darstellbar. Die Kreuzpreiselastizität (Triffin) gibt an, wie sich die Nachfrage nach einem Produkt aufgrund der Preisänderung eines anderen verändert. Produkte, die im Preis aufeinander reagieren (gleich ob positiv oder negativ), gehören danach zum gleichen Relevanten Markt, Produkte, die aufeinander nicht reagieren, gehören verschiedenen Relevanten Märkten an. Problematisch ist hier die reale Messung des Elastizitätskoeffizienten. Bei der subjektiven Austauschbarkeit aus Anbietersicht gehören alle Produkte zum selben Relevanten Markt, die Anbieter in ihren Strategieplänen berücksichtigen. Dies ist jedoch ein gedanklicher Zirkelschluss, da die Abgrenzung ja erst zur Strategie führen soll. • Abgrenzungen aus Nachfragesicht wählen ebenfalls verschiedene Ansätze. Bei der subjektiven Austauschbarkeit aus Nachfragersicht gehören alle Produkte zum selben Relevanten Markt, die Nachfrager in einer Situation als gleichartig in Bezug auf ihre Physis oder Funktion erachten. Dies ist jedoch indeterminiert, da diese Abgrenzung von Individuum zu Individuum unterschiedlich ausfällt. Beim faktisch-tatsächlichen Austauschverhalten kommt es auf die Auswahl in der konkreten Kaufsituation an (Relevant Set). Produkte, die diesem Set angehören, bilden damit den Relevanten Markt. Die Nutzungsähnlichkeit hebt darauf ab, dass alle Produkte als zum selben Relevanten Markt gehörig angesehen werden, die den gleichen Nutzen stiften. Auch dies ist weithin indeterminiert. Bei der Adressierung gleicher Kundentypen ergibt sich die Abgrenzung durch gleich definierte Zielpersonen, die von Anbietern als Käufer angestrebt werden. Damit liegt die Abgrenzung in der Erwägung der Anbieter. • Die mehrdimensionale Abgrenzung besagt, dass alle Produkte zum selben Relevanten Markt gehören, die kumulativ dieselbe Funktion erfüllen, dies mit derselben Technik erreichen und dabei dieselben Kaufentscheider ansprechen (Abell). Dieser Ansatz wird in der Literatur favorisiert, jedoch stellt sich die Frage, warum gerade diese drei Dimensionen gewählt werden und wie Funktion, Technik und Zielgruppe exakt definiert werden (z. B. konkrete oder abstrakte Funktionen, technische Varianten, demografische, aktiografische, verhaltenwissenschaftliche Charakterisierung). So kommt dieser Ansatz zu unzutreffenden Abgrenzungen (z. B. Handzahnbürste und elektrische Zahnbürste als getrennte Relevante Märkte).

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F. Das Management der Unternehmung

20.1.2 Strategische Gruppe

Insofern ist diese wichtige Frage bis heute leider ungelöst. Es kommt vielmehr auf eine auf Erfahrung beruhende Abgrenzung an. Aus dieser Abgrenzung ergibt sich das Konkurrenzumfeld, mit dem man es zu tun hat. Dabei stellt sich im Regelfall heraus, dass dieses nicht homogen strukturiert ist, sondern aus Gruppen einander ähnlicherer Konkurrenten besteht, die zueinander verschiedenartig sind (interne Homogenität bei externer Heterogenität). Eine solche Anballung relativ gleichartiger Konkurrenten stellt eine Strategische Gruppe (SGr) dar. Tatsächlich treten nicht nur die einzelnen Teilnehmer an einem Markt in Wettbewerb zueinander, sondern auch die Strategischen Gruppen. Dabei sind die Wettbewerbsbeziehungen zwischen den Konkurrenten der selben Strategischen Gruppe intensiver als zu Konkurrenten anderer Strategischer Gruppen in der selben Arena. Häufig gibt es sogar einen „Feind“ als Hauptwettbewerber. Daher ist es im nächsten Schritt erforderlich, die Strategischen Gruppen an einem Markt zu identifizieren (z. B. im Pkw-Markt deutsche, japanische, west-/südeuropäische, osteuropäische, andere fernöstliche Anbieter jeweils in der Unter-, Mittel-, Oberund Luxusklasse) und die eigene Zugehörigkeit zu bestimmen (siehe Abb. F3). Für die Strategie ergeben sich daraus drei Optionen (siehe Abb. F4): • Erstens kann angestrebt werden, in der bestehenden Strategische Gruppe zu dominieren. Dieser Absicht liegt zugrunde, dass die Gruppenführerschaft zu relativer Wettbewerbssicherheit führt, d. h. im Verdrängungsfall, der einer sehr häufigen Marktrealität entspricht, müssen normalerweise zunächst Folger in der Gruppe um ihre Existenz fürchten, bevor es den Gruppenführer erwischt.

Quelle: s t.merig.eu / f ileadmin / user_upload / unit_2/DE / unit2_kapi tel2_3_4figure3.gif

Abbildung F3: Beispiel Strategische Gruppe

20. Strategieentwicklung

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Abbildung F4: Optionen der Strategischen Gruppe (eig. Abb.)

Die Marktstellung wird zumeist am Umsatz gemessen, (wobei mehr als zweifelhaft ist, ob dies eine geeignete Messgröße darstellt). • Zweitens kann beabsichtigt werden, in eine als günstiger angesehene Strategische Gruppe zu wechseln. Dies ist etwa der Fall, wenn eine Gruppenführerschaft nicht realistisch erscheint oder die Gruppe durch strukturelle Nachteile bedroht ist. Allerdings ergeben sich bei einem Wechsel sowohl Austrittsbarrieren aus der bestehenden Gruppe als auch Eintrittsbarrieren in eine neue. Es gilt, beide zu überwinden, sich also faktisch und wahrnehmungsbezogen von der alten Strategische Gruppe zu lösen und ebenso faktisch und wahrnehmungsbezogen in der neuen Gruppe zu platzieren. Dies ist ein ausgesprochen schwieriges Unterfangen, zumal die Wettbewerber in der neuen Gruppe zu verhindern versuchen, dass ein solcher Eintritt gelingt. Aber auch die Lösung von der alten Gruppe ist wegen der Imageremanenz bei Zielpersonen ein langwieriger Akt. • Drittens kann angestrebt werden, eine neue Strategische Gruppe zu gründen. Dies ist dann der Fall, wenn die bestehende Gruppe als nicht tragfähig genug erscheint und der Eintritt in eine andere Gruppe als nicht realistisch (z. B. IKEA, Starbucks, Apple). Allerdings ist eine solche Neugründung nur möglich, wenn es am Markt Bereiche gibt, für die zwar latente Nachfrage besteht, die jedoch von bestehenden Gruppen nicht abgedeckt wird. Ob sich Nachfrage für ein Angebot, das es in dieser Weise noch nicht gibt, aber in ausreichendem Maße monetarisieren lässt, ist spekulativ, so dass das Risiko hier sehr hoch ist. • Viertens kommt als kollektive Maßnahme auch der generische Schutz der eigenen Strategischen Gruppe gegen Verdrängung durch andere Strategische Gruppen in Betracht. Dies kann aufgrund autonomen Konkurrenzverhaltens erfolgen, als wettbewerbliches Parallelverhalten oder als kollusive abgestimmte Verhaltensweise. Ein Beispiel ist die erfolgreiche Abwehr von Wal-Mart durch die deutschen Lebensmittel-Einzelhandels-Filialisten.

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F. Das Management der Unternehmung

20.1.3 Strategische Geschäftseinheit

Die Strategische Geschäftseinheit (SGE) hat im Unterschied zu den bisherigen Säulen eine Innensicht zum Inhalt. Eine SGE wird allgemein durch eine Produkt-Markt-Kombination konstituiert. Das Angebot eines Produkts auf verschiedenen Märkten konstituiert für gewöhnlich mehrere SGE’s, die Bearbeitung eines Marktes mit mehreren Produkten ebenfalls. Die Einteilung der Unternehmung in Strategische Geschäftseinheiten kann mit der internen Aufbauorganisation übereinstimmen, muss aber nicht (Sekundärorganisation). Es ist möglich, dass eine Organisationseinheit aus zwei oder mehr SGE’s besteht, ebenso wie eine SGE aus zwei oder mehr Organisationseinheiten bestehen kann. Komplexitätsreduzierend wirkt aber sicherlich eine Übereinstimmung zwischen Aufbauorganisation und Strategischen Geschäftseinheiten. Die SGE’s sind die Steuergrößen der Strategie. Strategische Aussagen beziehen sich daher immer auf die SGE, nur wenn eine Unternehmung nur eine Produkt-Markt-Kombination darstellt, entspricht diese auch der Unternehmensstrategie (z. B. Verpoorten). Ansonsten verfolgt eine Unternehmung mehrere Strategien, weil jede SGE sich auf einem anderen Relevanten Markt befindet oder einer anderen Strategischen Gruppe angehört oder eine andere Position relativ zum Mitbewerb und zur Zielgruppe dort einnimmt. Dazu muss eine SGE mehrere Anforderungen erfüllen (siehe Abb. F5): • Sie muss von zeitlicher Stabilität und räumlichem Bestand geprägt sein. Ansonsten ist keine durchgängige Abgrenzung möglich. Beim Produkt kann es sich auch um eine Gruppe verwandter Produkte (Range, Category) handeln, die sich ähnlichen Rahmenbedingungen gegenüber sehen. Beim Markt ist nicht nur an Gebietsmärkte zu denken, sondern vielmehr gerade auch an Marktsegmente. • Sie muss eindeutig zurechenbare Aufwendungen und Erträge aufweisen. Dies erfordert eine interne Kosten- und Leistungsrechnung, welche die Erfolgsobjekte abgrenzbar macht, etwa durch relative Einzelkostenrechnung. Ansonsten ist keine effektive Steuerung der SGE möglich.

Abbildung F5: Anforderungen an Strategische Geschäftseinheiten (eig. Abb.)

20. Strategieentwicklung

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• Sie muss von hinreichender Bedeutung in der Unternehmung und am Gesamtmarkt sein, damit eine getrennte Steuerung effizient ist. Denn mit der Center-Steuerung ist Ressourceneinsatz verbunden, der durch die Ergebnisse legitimiert werden muss. Sie muss über Steuergrößen in der Unternehmung dis­ ponieren, die eine eigenständige Umsetzung der Strategie ermöglichen. Dazu gehört vor allem der unabhängige Einsatz des strategischen Instrumentariums. 20.1.4 Strategische Positionierung

Die Strategische Positionierung bestimmt, wodurch das Angebot der Unternehmung sich im Vergleich zu anderen differenziert und gegenüber der Nachfrage profiliert. Die Positionierung ist dabei sowohl als grafisches Verfahren anzusehen (Mapping) wie auch als verbales Verfahren (Statement). Unter Mapping versteht man allgemein die Anordnung marktrelevanter Meinungsobjekte in einem mehrdimensionalen, gedachten Positionierungsraum derart, wie sie von Zielpersonen subjektiv wahrgenommen werden oder objektiv faktisch so gegeben sind. Die Positionen unter den Objekten bzw. zu einem fiktiven Idealobjekt im Raum sollen eine möglichst hohe Übereinstimmung mit dem Rating oder Ranking dieser Objekte hinsichtlich der dabei zugrunde gelegten ganzheitlichen Vergleichskriterien aufweisen. Zur Entwicklung eines Mapping dienen mehrere Stufen (siehe Abb. F6): • Zunächst geht es darum, die Angebotsdimensionen im Relevanten Markt zu bestimmen. Dabei kann es sich um objektive Dimensionen als Eigenschaftsraum oder um subjektive Dimensionen als Wahrnehmungsraum handeln. Meist ist es sinnvoll, die Dimensionen auf die wesentlichen zwei oder drei Dimensionen zu reduzieren, um eine gute Kommunikationsfähigkeit der Ergebnisse zu sichern. Meist handelt es sich dabei um die Dimensionen Preis bzw. wahrgenommener Wert einerseits und Funktion bzw. wahrgenommene Leistung andererseits. • In diesem Raum werden nunmehr Mitbewerber derselben Strategischen Gruppe positioniert. Handelt es sich dabei nur um reale, bereits am Markt existente

Abbildung F6: Entwicklung der Positionierung (eig. Abb.)

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F. Das Management der Unternehmung

Objekte, entsteht ein Ähnlichkeitsraum. Handelt es sich hingegen um ideale, hypothetische Objekte am Markt, entsteht ein Präferenzraum. Dabei ist wichtig, dass die Idealvorstellung von Produkten durch neue reale Produkte beeinflusst werden kann (z. B. Laserdrucker gegenüber Tintenstrahldruckern / HP, DOB gegenüber Jil Sander-Mode). Beim Ideal ist zudem wichtig, dass keine unrealistischen Merkmalskombinationen, wie sie häufig Ergebnis unzutreffender Marktinformationen sind, zugrunde gelegt werden. Außerdem gibt es durchaus mehrere Idealobjekte je nach Zielgruppe. Werden sowohl reale als auch ideale Objekte im gleichen Raum abgebildet, entsteht ein Verbundraum (Joint Space). • Beim zugrunde liegenden Verfahren können zwei Ansätze unterschieden werden. Beim Idealpunktverfahren gibt es (zweidimensional) Kreise / Ellipsen um ein gedachtes Idealobjekt. Der Präferenzwert eines Realobjekts sinkt mit steigendem räumlichen Abstand einer Eigenschaftsausprägung von diesem Idealpunkt. Beim Idealvektorverfahren gibt es eine als ideal unterstellte Kombina­ tion der Merkmale mit einer Rangordnung derart, dass die Präferenz auf einem Fahrstrahl als Richtung und Bedeutung angegeben ist und umso höher liegt, je weiter das vom Realobjekt auf den Vektor gefällte Lot vom Koordinaten­ ursprung entfernt ist. Der Steigungswinkel des Vektors gibt dabei die Relation der Eigenschaften zueinander an. • In Bezug auf die Interpretation der Konsequenzen der Darstellung kann die ausschließliche Wahl des präferierten Objekts unterstellt werden (Single Choice) oder eine von der relativen Position des Realobjekts zum Ideal abhängige, variierende Wahlwahrscheinlichkeit (Wahlaxiom). Im ersten Fall hat nur ein Objekt eine Chance, gekauft zu werden, im zweiten Fall haben alle berücksichtigten Objekte eine Chance, gekauft zu werden, freilich in absteigendem Ausmaß analog zu ihrem Abstand vom Ideal. Die Darstellung kann dabei statistisch exakt mithilfe multivariater Verfahren erfolgen (normativ) oder auf Basis qualifizierter Einschätzung (heuristisch). Meist reicht letzteres für die Praxis aus. • Nunmehr kann geprüft werden, ob die eigene Istposition zweckmäßig ist. Die Idealposition und die Raumdimensionen geben dabei an, in welchen Modalitäten eine als notwendig erachtete Veränderung vorgenommen werden sollte. Dabei gibt es drei Ansatzpunkte. Erstens kann versucht werden, den Grundaufforderungswert eines Angebots gegenüber dem Mitbewerb zu steigern (z. B. Mobiltelefon vs. Festnetztelefon). Außerdem kann versucht werden, dessen Zusatzaufforderungswert zu steigern, d. h. differenzierende Merkmale zu finden bzw. zu betonen, die über den Grundnutzen hinausgehen (z. B. Smartphone vs. Mobiltelefon). Und drittens ist eine Präferenzumwertung bei Nachfragern möglich, d. h. eine Verschiebung des Idealobjekts in Richtung der eigenen Istposition (z. B. iPhone vs. Smartphone). Dies ist freilich das anspruchsvollste Unterfangen (siehe Abb. F7).

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Quelle: 017_positionierungskreuz.jpg

Abbildung F7: Beispiel Positionierung Uhrenmarken (eig. Abb.)

Daraus ergibt sich die Ziel-Positionsbestimmung. Damit diese kommunizierbar ist, erfordert sie eine Verbalisierung im Positioning Statement. Dieses besteht aus zwei Definitionen. Der Angebotsanspruch gibt an, was eine Unternehmung behauptet, mit ihrem Angebot besser zu können als jede andere (Claim). Dabei kommt es nicht auf juristisch zu verteidigende Aussagen an, sondern es handelt sich noch um Konzept. Die Anspruchsbegründung gibt an, warum diese Aussage von Glaubwürdigkeit ist (Reason Why). Meist erfolgt die Argumentation über technische Features. Beide sind die Basis für weitere Aktivitäten. Die Positionierung selbst kann in vielfacher Form eingeteilt werden: • Nach der Situation ergeben sich die Erstpositionierung beim Launch eines neuen Angebots. Die Positionsrevitalisierung zielt auf die Aktualisierung ­ dieser Position im Zeitablauf ab, etwa durch Facelifts wie neue Farben, Geschmacksrichtungen, Packungsgrößen etc. Die Positionsverstärkung zielt auf die ausschöpfende Nutzung der Positionierung, etwa durch Flankers wie Lizenz- oder Transferprodukte, ab. Und die Umpositionierung strebt die Erreichung einer anderen Position an (Relaunch). • Nach der Richtung ergeben sich eine faktische oder eine kommunikative Alleinstellung in der Positionierung. Faktische Alleinstellungen (USP) sind kaum zu verteidigen und daher abzulehnen. Möglicherweise ist eine künstliche fak-

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F. Das Management der Unternehmung

tische Alleinstellung über Produktzusätze (Marketing Ingredients) sinnvoll. Kommunikative Alleinstellungen (UAP) sperren Konkurrenten dauerhaft aus, sofern sie wirkungsvoll besetzt werden. Alternativ dazu kommt, wenngleich nicht sonderlich einfallsreich, eine Partizipation an erfolgreichen anderen Positionierungen in Betracht (Me too, z. B. Dole vs. Chiquita, Maroc vs. Jaffa). • Nach der Auslegung ergeben sich mehrere Möglichkeiten, so die prägnante Zuspitzung mit Einsammlung von Nachfrage im Umfeld der Positionierung (z. B. Schweppes, After Eight) oder die breite Bedarfsabdeckung, allerdings mit fraglicher Profilierung (z. B. VW, Opel). Weiterhin die Positionierung an der Schnittstelle zwischen zwei oder mehr Märkten (z. B. Knusperriegel, SUV, Eisriegel), um ein überlegenes Angebot darstellen zu können oder eine solche in einer Marktnische. Die Marktnische kann latent sein, d. h. Nachfrager kaufen mangels Alternative ein anderes Angebot, oder manifest, d. h. Nachfrager verzichten mangels adäquaten Angebots auf den Kauf. 20.2 Zielsystem der Unternehmung Nimmt man das Zielsystem als Ausgangspunkt für die marktbezogene Strategie einer Unternehmung, so kann dafür eine Zielpyramide unterstellt werden, die aus verschiedenen Elementen besteht (siehe Abb. F8): • An der Spitze dieser Pyramide befindet sich die unternehmerische Vision. Sie bestimmt das „Endziel“ der Unternehmung und ist meist abgehoben von deren

Abbildung F8: Elemente des Zielsystems der Unternehmung (eig. Abb.)

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realer Tätigkeit. Gewinn kann kein Endziel sein, sondern immer nur Ergebnis der unternehmerischen Aktivitäten. Fast jeder erfolgreiche Gründer war von einer Vision beseelt, die materieller Natur ist. Daher sind Unternehmensgründungen nur zum Ziel des formalen Geldverdienens selten von Erfolg gekrönt. Ihnen fehlt es an der inneren Berechtigung zum Ressourcenverzehr. • Aus der Vision ergibt sich eine bestimmte Unternehmenskultur als „unsichtbare Hand“, die denk- und handlungsbestimmend wirkt. Zumeist wird die Allegorie eines Eisbergs bemüht (Schein), um deutlich zu machen, dass es dabei zu größten Teilen um ein hypothetisches Konstrukt geht, nämlich in Bezug auf die Basisannahmen (das Weltbild, die Werte und die Überzeugungen) und großenteils auch die Normen und Standards (Ideologien). Teile der Ideologien sind freilich bereits sichtbar, z. B. in Form von Unternehmensleitsätzen. Vollends sichtbar ist erst die Ebene der Artefakte, also Symbole, Helden, Rituale etc. Von den sichtbaren Elementen kann freilich problemlos auf die unsichtbaren geschlossen werden. Die Kultur unterliegt nur begrenzten Veränderungsmöglichkeiten. Daher sind ausgeprägte Kulturen zwiespältig zu betrachten, denn sie implizieren eine Tendenz zur Verharrung. • Darunter befindet sich die ökonomische Mission. Sie legt die Art und Weise fest, wie das visionäre Endziel erreicht werden soll. Sie zeichnet eine wirtschaftliche Erdung aus. Denn Visionäre scheitern zahlreich an der ökonomischen Realität. Daher ist der Geschäftszweck zentral. Wenn dieser nicht klar genug definiert ist, scheitert jedes unternehmerische Vorhaben. Denkbar sind etwa die Schaffung neuer Märkte, die Generierung kaufkraftunterlegter Probleme und deren Lösung, neue Anwendungen für bestehende Produkte etc. • Dabei ist die Kernkompetenz zentral, d. h. die Fähigkeit, die einer Unternehmung einen nachhaltigen Wettbewerbsvorteil verschafft. An diese Fähigkeit sind mehrere Anforderungen zu stellen (Barney): –– Sie muss von Relevanz für Abnehmer sein, indem sie einen dort manifesten oder aktivierbaren Bedarf adressiert. Deshalb ist die Unternehmenstätigkeit von Wert und generiert nachhaltige Erlöse. –– Sie muss eine faktische oder emotionale Alleinstellung herbeiführen, so dass keine Substitutionsgefahr durch andere Anbieter besteht. Denn dann ist die Fähigkeit nicht mehr rar und damit auch nicht sonderlich werthaltig. –– Sie darf nicht ohne Weiteres durch andere nachahmbar sein, sondern muss auf dauerhaften komparativen Vorteilen beruhen. Ansonsten ist die Fähigkeit nicht herausragend und damit auch nicht mehr werthaltig. –– Und sie muss sich aus der Unternehmensspezifität ergeben, da sie ansonsten keinen nachhaltigen Bestand aufweisen kann und aufgesetzt wirkt.

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F. Das Management der Unternehmung

20.3 Istsituations-Analyse In Folge ist zu bestimmen, wo genau die Unternehmung steht. Dazu gibt es verschiedene Analysemethoden, die durchaus kombiniert angewendet werden sollen, so wie ein Arzt sich bei der Anamnese auch nicht nur auf eine Analysemethode verlässt (EKG, Blutanalyse, Ultraschall etc.). Die Methoden lassen sich in mehrere Gruppen einteilen. Allgemeine Verfahren haben die Analyse des Vermarktungsumfelds zum Inhalt und wollen daraus den Spielraum für die Strategie ableiten. Ausgewählte Verfahren seien im Folgenden erläutert (siehe Abb. F9): • Ein Verfahren ist die Umfeld-Analyse. Dabei werden alle für relevant erachteten Einflussfaktoren auf die eigene Strategie aufgeführt und beschrieben. Um dabei eine Systematik zu unterlegen, erfolgt dies zumeist in Form einer PESTLE oder STEP-Analyse. Diese Begriffe sind Akronyme für sechs bzw. vier Kriterien: Politik, Ökonomie, Soziales, Technologie, Recht, Ökologie bzw. Soziales und Kultur, Technologie, Ökonomie, Politik und Recht. Diese Krite­ rien sichern eine gewisse Vollständigkeit der Analyse. Allerdings werden sie in Form einer Aufzählung abgearbeitet, also ohne strategische Schlussfolgerungen, sondern nur zur ersten Übersicht. • Ein anderes Verfahren ist die Branchenstruktur-Analyse (Porter). Sie unterscheidet fünf Einflussgrößen nach deren Macht, auf die eigene Strategie ein-

Abbildung F9: Ausgewählte Verfahren zur Istsituations-Analyse (eig. Abb.)

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zuwirken (siehe Abb. F10). Dabei handelt es sich zunächst um die Macht der Lieferanten (upstream) und die der Abnehmer (downstream). Sie limitieren den Spielraum infolge Abhängigkeit der Unternehmung. Weiterhin handelt es sich um die Macht der aktuellen Konkurrenten (in derselben SGr) und der substitutiven Konkurrenten (in anderen SGr’s des Relevanten Markts). Hinzu kommt die Macht potenzieller Konkurrenten, also von Anbietern, die derzeit nicht auf dem Markt tätig sind. Diese fünf Einflussgrößen (Five Forces) werden hinsichtlich ihrer Machtposition relativ zur eigenen Unternehmung nach Kausalität analysiert. Ist der Machtsaldo negativ für die eigene Unternehmung, muss auf diese Größen Rücksicht genommen und darf deren Macht nicht ohne Bedacht herausgefordert werden. Ist der eigene Machtsaldo positiv, stellen sie hingegen keine Limitation dar. Die Analyse beruht damit auf einem opportunistischen Verhalten der relevanten Akteure. Problematisch ist bei diesem marktorientierten Ansatz, dass die eigene Strategie sich passiv aus der Marktlage und der Wettbewerbsposition ergibt. • Rein deskriptive Analyseverfahren beruhen auf dem Vergleich der maximalen eigenen Leistungsfähigkeiten im Vergleich zu den maximalen Leistungsfähigkeiten der strategischen Mitbewerber (Ressourcen-Analyse), auf dem Vergleich der eigenen aktuellen Leistungsfähigkeiten zu den eigenen maximalen Leistungsfähigkeiten (Potenzial-Analyse) oder dem Vergleich der eigenen aktuellen Leistungsfähigkeiten zum geplanten Ergebnis (Abweichungs-Analyse). Im Rahmen der Engpass-Analyse werden die eigenen so gesehenen Vor- und Nachteile analog zu einer Bilanz als Aktiva und Passiva in Bezug auf einzelne Kriterien ohne Saldierungseffekte dargestellt.

Abbildung F10: Five Forces-Modell nach Porter (eig. Abb.)

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F. Das Management der Unternehmung

• Analytische Verfahren bemühen sich, über diese Beschreibung hinaus bereits Schlussfolgerungen zu ziehen. Dazu dient die Stärken-Schwächen-Analyse. Dies ist eine Gegenüberstellung der komparativen Vor- und Nachteile der eigenen Unternehmung gegenüber den strategischen Mitbewerbern. Überlegenheiten sind dabei konsequent zu nutzen (Ausbau / Absicherung), Unterlegenheiten ebenso konsequent zu meiden (Aufholen / Meidung). Die Chancen-Risiken-Analyse verfolgt die Prüfung der prognostizierten Marktentwicklung in Bezug auf für die Unternehmung und ihre Produkte positive oder negative Folgen. Positive Folgen bedeuten „Rückenwind“, negative „Gegenwind“. Diese Erkenntnisse können im Rahmen einer SWOT-Analyse (für Stärken, Schwächen, Chancen, Risiken) kursorisch aufgeführt werden. • Die TOWS-Matrix stellt diese Erkenntnisse in einem Tableau gegenüber. Aus der Zuordnung der einzelnen Felder ergeben sich bereits Empfehlungen für strategisches Denken und Handeln. Fallen Stärken und Chancen zusammen, geht es um Ausweitung durch Einsatz von Ressourcen. Fallen Schwächen und Risiken zusammen, geht es um Meidung durch Abzug von Ressourcen. Fallen Stärken und Risiken zusammen, geht es um Absicherung, damit Risiken die Stärken nicht gefährden. Und fallen Schwächen und Chancen zusammen, geht es ausnahmsweise um Aufholen, weil die Schwächen die Nutzung der Chancen verhindern. Insofern ist bereits eine normative Komponente erkennbar. Problematisch ist allerdings, dass es sich bei diesen Faktoren um qualitative, subjektiv höchst unterschiedlich einschätzbare Größen handelt. • Die Portfolio-Analyse strebt daher eine Objektivierung der Empfehlungen an. Dazu werden die Achsen der TOWS-Matrix mit metrischen / kardinalen Werten versehen. Für die Chancen und Risiken (Ordinate) dient die durchschnittliche Wachstumsrate, derer sich eine SGE an ihrem Markt gegenübersieht, als Indikator. Für die Stärken und Schwächen (Abszisse) steht die Position auf der dynamischen Erfahrungskurve (Boston-Effekt) als Relativer Marktanteil. Jede SGE wird nunmehr hinsichtlich dieser beiden Größen vermessen und im Portfolio positioniert. Der Anteil jeder SGE am Unternehmensumsatz wird durch die Kreisgröße um den Positionsschnittpunkt ausgewiesen. Entsprechend der vier Felder ergeben sich daraus Normstrategien für Question Marks (Chancen / Schwächen, daher Aufholen), Rising Stars (Chancen, Stärken, daher Ausweitung), Cash Cows (Risiken / Stärken, daher Absicherung) und Poor Dogs (Risiken / Schwächen, daher Meidung) (siehe Abb. F11). Dieses Vier-Felder-Portfolio (BCG) ist umfangreicher Kritik unterworfen, vor allem ist es ein statisches, geschlossenes, theoretisch angreifbares und in seinen Empfehlungen vorhersehbares Modell. • Das Neun-Felder-Portfolio (McKinsey) geht nach demselben Ansatz vor, sieht aber als Achsen die Marktattraktivität (Abszisse, analog zu Chancen und Risiken) und die relative Wettbewerbsstärke (Ordinate, analog zur Stärken und Schwächen) als jeweils multikriterielle Dimensionen vor. Das heißt, hinter bei-

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Abbildung F11: Zusammenhang im Vier-Felder-Portfolio (eig. Abb.)

den Dimensionen verbirgt sich nicht eine Größe, sondern eine Vielzahl von Größen, die gewichtet, bepunktet und im Durchschnitt bemessen wird. Die Größe des Relevanten Marktes ergibt sich aus dem Kreisdurchmesser um den Schnittpunkt der SGE, der Anteil der eigenen SGE am Relevanten Markt wird als Kreisausschnitt dargestellt. Es ergeben sich neun Felder mit Normstrate­ gien, die zumeist in drei Zonen eingeteilt werden. Die grüne Zone steht für Mittelbindung durch Investition, die rote Zone steht für Mittelfreisetzung durch Desinvestition und die gelbe Zone dazwischen erfordert eine Zuordnung der SGE’s zur Investition oder Desinvestition (siehe Abb. F12). Auch dieser Ansatz ist, wie zahlreiche andere, welche die Dimensionen und Einflussfaktoren nur variieren (z. B. 20-Felder-Portfolio / A. D. Little), zahlreicher Kritik unterworfen. Vor allem wird eine Scheinexaktheit vorgespiegelt und die Zuordnung der Positionen zu Konsequenzen ist weitgehend unklar. Wegen dieser Nachteile werden Portfolios heute nicht mehr zur Strategientwicklung, sondern, wie hier zugeordnet, zur Istsituations-Analyse verwendet. Sie geben ­einen raschen, groben Überblick über die Unternehmenssituation. Die Ableitung einer Strategie erfordert vielmehr differenzierte Instrumente.

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F. Das Management der Unternehmung

Abbildung F12: Neun-Felder-Portfolio (eig. Abb.)

20.4 Strategische Stellgrößen Innerhalb eines marktorientierten Strategienansatzes sind fünf Stellgrößen für erforderlich zu erachten, um eine konsistente Strategie zu entwickeln. Es handelt sich dabei um die Bestimmung des Marktfelds, die Bestimmung der Marktwahl, die Bestimmung des Konkurrenzvorteils, die Bestimmung des Marktverhaltens und die Bestimmung der Zeitabfolge. Die Strategie ist durchaus vergleichbar mit der medizinischen Therapie, es soll ein gewünschter Zielzustand ausgehend von einer Diagnose erreicht werden. 20.4.1 Marktfeld

Das Marktfeld (Source of Potential Demand) baut auf der Schließung der Strategischen Lücke (Gap) zwischen dem Status quo und anspruchsvollen Wachstumszielen auf. Im Status quo, also ohne Einleitung strategischer Maßnahmen, dürften sich die Ergebniswerte monoton fallend entwickeln. Die Abweichung zu den Zielwerten nimmt dabei im Zeitablauf zu. Denn sehr wahrscheinlich stehen der eigenen Lethargie Aktivitäten des Mitbewerbs gegenüber, die den eigenen relativen Markterfolg beeinträchtigen. Insofern bedeutet Stillstand Rückschritt. Sofern bereits bekannte oder eingeleitete Maßnahmen dies verhindern können,

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handelt es sich um eine operative (geschlossene) Lücke. Offen bleibt hingegen eine strategische Lücke, die es zu schließen gilt. Die vier Maßnahmenalternativen bei aktiver Haltung leiten sich nach dem Gesetz abnehmender Synergiepotenziale (Ansoff) durch bestehende oder neue Produkt-Markt-Kombinationen ab: • Mit zusätzlichen Maßnahmen des verstärkten Angebots bestehender Produkte auf bestehenden Märkten (Produkt-Markt-Durchdringung) dürfte zumindest eine Verringerung der negativen Abweichung erreichbar sein, wenngleich ein befriedigendes Ergebnis dadurch allein noch nicht gegeben ist. Es bleibt also weiterhin eine Ergebnislücke zurück. • Mit zusätzlichen Maßnahmen des Angebots bestehender Produkte auf neuen Märkten (Markterschließung) dürfte eine weitere Situationsverbesserung realisierbar sein, ohne dass das Minderergebnis wahrscheinlich schon dadurch allein in einem tolerablen Rahmen bleibt. • Mit zusätzlichen Maßnahmen des Angebots neuer Produkte auf bestehenden Märkten (Produkterweiterung) kann eine gewisse Annäherung des mutmaßlichen Ist-Ergebnisses an die Zielvorstellung erreicht werden, wobei immer noch eine negative Abweichung besteht. • Erst durch umfassende Maßnahmen des Angebots neuer Produkte auf neuen Märkten (Produkt-Markt-Entwicklung) aber dürften ehrgeizige Zielsetzungen egalisiert werden (siehe Abb. F13).

Abbildung F13: Füllung der Strategischen Lücke (eig. Abb.)

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Diese Abfolge wird zugleich im Sinne aufsteigenden Risikos empfohlen (in einer Matrix als Z-Strategie). Von Feld zu Feld ergibt sich gedacht eine exponenzielle Erhöhung des Risikos, ausgehend vom Index 100 bei der Marktdurchdringung über 400 bei Marktausweitung, 800 bei Produkterweiterung und 1.600 bei Diversifikation. Daher wird man die risikobehafteren Maßnahmen erst ergreifen, wenn vorgelagerte Maßnahmen zur Zielerreichung nicht ausreichen. Mit steigender Öffnung der Schere zwischen prognostiziertem Ist- und geplantem Soll-Ergebnis ist zum Abgleich die Aktivierung zunehmend risikobehafteter Maßnahmen erforderlich. Von besonderer Bedeutung ist dabei die Tatsache, dass mit wachsendem Zeithorizont Soll-Ist-Divergenzen eskalieren. Demnach sind möglichst frühzeitige Aktivitäten angezeigt, um Abweichungen zu korrigieren. In Bezug auf die GAP-Analyse wird umfangreiche Kritik vorgebracht (vor allem in Bezug auf die Statik der Sichtweise). Dennoch kann diese gut als Denkhilfe für konkrete Strategieansätze zum Marktfeld dienen. Für die Produkt-Markt-Durchdringung ergeben sich im Allgemeinen vier Optionen: • More Selling bedeutet, dass von bestehenden Produkten auf bestehenden Märkten mehr abgesetzt werden soll. Dies kann abnehmerseitig durch verstärkte Nachfrage erfolgen oder anbieterseitig durch vorzeitige Veralterung (gebrauchstechnisch, sozial, technischer Fortschritt etc.). • Kundenlieferanteil (Share of Wallet) zielt darauf ab, dass bestehende Abnehmer innerhalb der bestehenden Produktgruppe ihre Kaufkraft / ihr Budget auf einen Anbieter konzentrieren. Dies ist durchaus Marktstandard, etwa im B-t-BSektor durch Single Sourcing. • Kundenabhängigkeit bedeutet die erzwungene Bindung von Nachfragern an die Unternehmung (Kundengebundenheit aus technischer, wirtschaftlicher, vertraglicher oder institutioneller Bindung). Das Eingehen einer solchen Abhängigkeit gehorcht dem Anreiz-Beitrags-Prinzip. • Kundenreaktivierung postuliert, dass inaktive Kunden ein großes Potenzial darstellen. Denn die Akquisition neuer Kunden ist ungleich aufwändiger als die Reaktivierung bestehender. Ob der Versuch erfolgreich sein kann, ist allerdings fraglich (z. B. Märklin-Modelleisenbahn). Für die Marktausweitung ergeben sich folgende vier Optionen: • Konkurrenzverdrängung ist die nahe liegendste Option. Die Umsätze der Wettbewerber stellen dabei die primäre Absatzquelle dar. Allerdings ist dies zugleich auch das schwierigste Unterfangen, da die Wettbewerber ihre Kunden zu schützen versuchen werden. • Die Gebietsausdehnung meint die Bedienung räumlich neuer Märkte. Gelingt es, dort zu reüssieren, wachsen die erzielten Umsätze der Unternehmung zu.

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Allerdings bestehen dort auch fremde, wahrscheinlich widrige Marktverhältnisse, die einen Erfolg enorm erschweren. • Die Präsenzstreckung meint die Bedienung zeitlich neuer Märkte. Oft werden Produkte nur unterjährig angeboten, so dass durch zeitliche Ausweitung zusätzlicher Umsatz geschöpft werden kann. Die Grenzen sind lediglich Branchenusancen und „Scheren im Kopf“. • Beim Produktwandel wird ein faktisch weitgehend unverändertes Produkt wahrnehmungsmäßig neu erlebbar gemacht. Dadurch können dann neue Zielgruppen (personeller Markt) aktiviert werden (z. B. Jägermeister). Für die Produktausweitung ergeben sich folgende Optionen: • Up Selling meint eine anbieter- bzw. markentreue „Produktkarriere“. Nachfrager kaufen dadurch nicht häufiger, sondern werthaltiger. Dies entspricht dem Anliegen nach außengeleitetem Konsum bzw. innengeleiteter Belohnung. • Cross Selling bedeutet, dass Nachfrager neben den bestehenden Produkten auch andere, für sie subjektiv neue Produkte aus dem Programm des Herstellers kaufen. Hilfreich ist dabei das bereits angesammelte Wissen über Denkund Verhaltensweisen dieser Nachfrager. • Durch Zusatzverkäufe (Add-ons) entstehen weitere Umsätze neben dem Produkt (Zubehör) oder auch durch Bundling. Insofern kann die Kaufkraft besser ausgeschöpft werden. Die Zusatzverkäufe können zeitgleich mit dem Hauptkauf oder zeitlich versetzt dazu erfolgen. • Set-Alternative zielt darauf ab, dass das eigene Produkt neben anderen zu den präferierten des Evoked Set of Brands bei einer möglichst großen Vielzahl von Zielpersonen gehört und zumindest im Wechsel mit diesen anderen auch gekauft wird (z. B. Clausthaler). Für die Produkt-Markt-Entwicklung (Diversifikation) ergeben sich schließlich folgende Optionen: • Ganz selten kommt es zur Marktschaffung, also zum Angebot eines neuen Produkts auf einem neuen Markt, das nicht nur bestehende Umsätze substituiert, sondern zusätzliche Ausgaben initiiert. Zu denken ist etwa an Post it-Zettel, Senseo Portionskaffeemaschine oder Mobiltelefon. • Die Partizipation am Mitbewerb setzt auf die Verwechslungsfähigkeit des ­eigenen neuen Angebots zu bereits bestehenden anderen, um von deren Markt­ erfolg zu profitieren. Dadurch können Initialaufwendungen erspart werden. • Der Systemwechsel schafft eine generische Argumentation, wenn es am Markt zwei oder mehr Angebotssysteme gibt, die untereinander inkompatibel sind. Dann gilt es, zunächst eine Entscheidung zugunsten des eigenen Systems zu erreichen, weil danach erst der Zugang zum eigenen Angebot besteht (z. B. Fruchtnektar vs. Limonade).

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• Die Problemweckung zielt darauf ab, bei Nachfragern ein Problem zu generieren, das diese für plausibel und für sich auch relevant halten. Sofern der Anbieter für kompetent erachtet wird, eine Problemlösung herbei zu führen, gelingt es, die Nachfrage auf ihn zulaufen zu lassen. Für die Bestimmung des Marktfelds ist genau eine dieser Absatzquellen zu wählen (siehe Abb. F14). In der Strategie gilt es, eineindeutig zu sein, im späteren operativen Geschäft kommt es ohnehin zu genügend Verwässerungen. Wäre aber schon die Strategie unscharf, bliebe die Umsetzung ohne jede Chance auf Profilierung und Differenzierung. Diese erste Weichenstellung ist sehr bedeutsam, weil aus der Absatzquellenwahl ganz unterschiedliche operative Maßnahmen abfolgen.

Abbildung F14: Optionen der Marktfeldstrategie (eig. Abb.)

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20.4.2 Marktwahl

Bei der Bestimmung der Marktwahl geht es um die Zielgruppe bzw. das Marktsegment, das die Kaufkraft / das Budget, das im Marktfeld bestimmt worden ist, verkörpert. Denn Kaufkraft ist nicht abstrakt, sondern an personale Entscheider gebunden. Dies gilt im privaten sowohl wie auch im gewerblichen Bereich. Dazu ist zunächst entscheidend zu prüfen, ob Zugang zu dem gewählten Markt besteht. Denn Märkte sind durch Markteintrittsbarrieren gekennzeichnet, die es Außenstehenden erschweren, die Kaufkraft im Markt zu nutzen. Tatsächlich sind vielfache Eintrittsschranken gegeben, wenngleich diese heute durch finanzielle Leverage-Effekte gut zu überwinden sind. Wie beim Eintritt wirken diese Schranken auch beim Austritt hindernd. Hier ist festzustellen, dass die Marktaustrittsbarrieren allgemein hoch und manifest sind. Insofern ist für die Marktwahl vorher zu prüfen, ob im Misserfolgsfall eine Portabilität der investierten Vermögensbestandteile besteht oder diese im Markt gebunden bleiben (Exit). Auch hierfür gibt es zahlreiche Schranken. In Bezug auf die Markteintrittsbarrieren handelt es sich vor allem um folgende: • Hohe erforderliche Mindestinvestitionsvolumina, um die Kritische Masse im Markt zu erreichen. • Notwendigkeit zur Nutzung von Betriebsgrößenvorteilen zur statischen Kostendegression. • Hohe erforderliche Programmbreite aus Gründen eines abnehmergewünschten Single Sourcings. • Notwendigkeit zur Brechung von Käuferloyalität, vor allem in Form von Gebundenheiten. • Unvermeidliche / prohibitive Umstellungskosten bei Lieferantenwechsel auf Seiten der Abnehmer. • Verbreitete Standortlimitationen aus natürlichen oder hoheitlichen Gesichtspunkten. • Verstopfung des Vertriebskanalzugangs bei verbreitetem indirekten Absatzweg. • Hoheitliche Beschränkungen des Marktzugangs, etwa aus Standesrecht, Protektionismus etc. • Monopolisierung durch Gewerbliche Schutzrechte ohne Lizenzerteilung durch den Halter. Bei den Marktaustrittsbarrieren handelt es sich vor allem um folgende: • Technische Restriktionen ergeben sich aus inkompatiblen oder geheimen Schnittstellen.

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• Wirtschaftliche Restriktionen ergeben sich aus hohen Kosten für eine Portabilität von Assets. • Remante Kosten entstehen bei Beschäftigungsrückgang durch bleibende sprungfixe Kosten. • Nachfragemächtige Abnehmer sichern die Lieferantenpräsenz zudem durch Konventionalstrafen ab. • Aus dem Verlassen eines Marktes schließt das Umfeld häufig auf Unvermögen (Imageschaden). • Gesellschaftliche Restriktionen entstehen aus der Verpflichtung der Unternehmung für ihr Umfeld. • Soziale Restriktionen entstehen aus seiner Verpflichtung gegenüber freizusetzenden Mitarbeitenden. • Häufig sind Sozialpläne gesetzlich vorgeschrieben, um Beschäftigungshärtefälle abzufangen. • Gerade bei inhabergeführten Unternehmen bestehen emotionale Bindungen an einen Markt. Wegen der hohen Bedeutung ist es unbedingt notwendig, vor der Marktwahl sicher zu stellen, dass die Abgangsbarrieren überwunden werden können. Aus der Kombination von Markteintritts- und -austrittsschranken, jeweils in der Ausprägung hoch oder niedrig, ergeben sich vier Markttypen: • Flohmarkt (niedrig / niedrig, z. B. Freiberufler), Mausefalle (niedrig / hoch, z. B. Modehandel), Goldgrube (hoch / niedrig, z. B. Ölförderung) und Goldener Käfig (hoch / hoch, z. B. Lebensversicherung). Ist auf diese Weise ein Marktsegment / eine Zielgruppe identifiziert, stellen sich die Fragen der Marktbearbeitung und der Marktabdeckung (Marktparzellierung). Werden einzelne oder alle Marktsegmente gleichartig bearbeitet, handelt es sich um eine undifferenzierte Form, die heute kaum mehr machbar, sondern historisch gewachsen ist. Werden einzelne oder alle Marktsegmente unterschiedlich bearbeitet, handelt es sich um eine differenzierte Form. Werden alle möglichen Marktsegmente bearbeitet, handelt es sich um eine totale Abdeckung des (Relevanten) Marktes. Werden nur einzelne Marktsegmente bearbeitet, handelt es sic um eine partielle Abdeckung (Marktsegmentierung). Daraus ergeben sich dann acht Kombinationen (siehe Abb. F15): • einheitliche Bearbeitung bei totaler Abdeckung (z. B. Nivea), • einheitliche Bearbeitung bei partieller Produktabdeckung (z. B. Bosch Power Tools), • einheitliche Bearbeitung bei partieller Marktabdeckung (z. B. Porsche), • differenzierte Bearbeitung bei totaler Abdeckung (z. B. Volkswagen),

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• differenzierte Bearbeitung bei partieller Marktabdeckung (z. B. Kärcher Hochdruckreiniger), • differenzierte Bearbeitung bei partieller Produktabdeckung (z. B. Henkell Sekt), • differenzierte Bearbeitung bei multiselektiver Marktabdeckung (z. B. Fischer / Kettler), • differenzierte Bearbeitung bei monoselektiver Marktabdeckung (z. B. Vichy).

Abbildung F15: Tableau der Marktparzellierung (eig. Abb.)

Die Zielgruppen in den so definierten Marktsegmenten können nach verschiedenen Kriterien umschrieben werden (siehe Abb. F16): • Objektive Kriterien sind demografischer Natur wie Geschlecht, Alter, Haushaltsgröße / Kinderzahl, Wohnortgröße, Ausbildung, Einkommen, Beruf etc. • Subjektive Kriterien sind verhaltensorientiert wie Preisbedeutung, Mediennutzung, Einkaufsstättenwahl, Einkaufszeitpunkt, Produktvolumen, Verwendungsart, Besitz etc. • Psychografische Kriterien bauen auf intrapersonalen Dimensionen auf. • Soziografische Kriterien bauen auf interpersonellen Dimensionen auf. • Typologische Kriterien entstehen durch Kombination von demografischen, psychografischen und soziografischen Aspekten als Kunsttypen. • Neuroökonomische Kriterien gehen von der Gehirnstruktur und deren Veranlagungen aus, die für Käufe entscheidungswichtig sind.

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F. Das Management der Unternehmung

Abbildung F16: Kriterien zur Bestimmung der Zielgruppe (eig. Abb.)

Einen anderen Ansatz verfolgt das Konzept des Strategischen Spielbretts. Ausgangspunkt ist die Tatsache, dass auf den Märkten häufig nur noch wenige, extrem leistungsfähige Anbieter vorhanden sind. Diese zu übertreffen, ist daher ausgesprochen anspruchsvoll. Aber häufig sind diese Märkte durch ungeschriebene Gesetze gekennzeichnet, an die sich alle Beteiligten halten, weil sie es so gewohnt sind und es auch immer schon so war. Um einen Ansatzpunkt zu erhalten, lohnt es sich, die bestehenden Spielregeln (Old Game) in Frage zu stellen und durch neue (New Game) zu ersetzen. Dadurch kann häufig noch ein entscheidender Vorsprung realisiert werden. Diese neuen Spielregeln können auf dem Gesamtmarkt oder nur auf einem Teilmarkt angewandt werden. Insofern ergeben sich daraus vier Kombinationen (siehe Abb. F17): • Anwendung bekannter Regeln im Gesamtmarkt (Setzen auf Haupterfolgsfaktoren), • Anwendung bekannter Regeln in einem neuen Teilmarkt (kreative Segmentierung), • Anwendung neuer Regeln in einem neuen Teilmarkt (selektive Innovation), • Anwendung neuer Regeln im Gesamtmarkt (Differenzierung). Beispiele für Neue Spiele sind UPS (24 Stunden Parcel Service), McDonald’s (Schnellgastronomie), Body Shop (tierversuchsfreie Naturkosmetik), Avon (Kosmetik im Door to Door Selling) etc.

20. Strategieentwicklung

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Quelle: wirtschaftslexikon.gebler.de / Definition / strategisches-spielbrett.html

Abbildung F17: Tableau des Strategischen Spielbretts

20.4.3 Konkurrenzvorteil

Die Bestimmung des Konkurrenzvorteils beantwortet die wichtige Frage, warum die so definierte Kaufkraft das eigene Angebot gegenüber dem konkurrierender anderer bevorzugen soll. Dazu gibt es mehrere Erklärungen, vor allem den Zwei-Felder-, den Drei-Felder- und den Vier-Felder-Ansatz. Der Zwei-Felder-Ansatz (Porter) geht von einem stabilen Zusammenhang zwischen Gesamtkapitalrentabilität (RoI) einerseits und relativem Marktanteil anderseits derart aus, dass dieser U-förmig ausgebildet ist. Das bedeutet, die Rentabilität ist hoch bei kleinem relativen Marktanteil (Marktnischenposition) und großem relativen Marktanteil (Marktgesamtposition). Und niedrig bei ­einem mittleren relativen Marktanteil (Marktmitläufer). Man spricht auch von der Marktstimulierung (Becker) durch Präferenzposition aus Leistungsführerschaft oder Preis-Mengen-Position aus Preisführerschaft (siehe Abb. F18): • Die Präferenzposition (Differenzierung) wird durch folgende Maßnahmen erreicht und gefestigt: Betonung von Marke, Gewinnpriorität vor Absatz, Hochpreislevel im Angebot, Schaffung eines monopolistischen Preisspielraums, hohe Produktqualität, attraktive Packung, imagebildende Werbung, selektive Distribution. • Die Preis-Mengenposition (Kostenführerschaft) wird hingegen durch folgende Maßnahmen erreicht: Akzent auf Preiswettbewerb, Umsatz-/Absatzpriorität vor Gewinn, hohe absolute Preisgünstigkeit, Rationalisierung zur Kostenein-

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F. Das Management der Unternehmung

Abbildung F18: Wettbewerbsstrategien nach Porter (1) (eig. Abb.)

sparung, Grundnutzenargumentation im Verkauf, Einsparung von Marketingmaßnahmen, Akzeptanz hoher Risiken, breite Distribution. Unternehmen, die sich in der Verdrängung der Mitte befinden (Stuck in the Middle / Zwischen den Stühlen) benötigen entweder ein Upscaling zur Erreichung der Präferenzposition, verbunden mit kleinerem, dafür aber gewinnträchtigem Marktpotenzial, oder ein Downscaling zur Erreichung der Preis-Mengen-Posi­ tion, verbunden mit breiter Marktabdeckung bei schmalen Margen. Der Drei-Felder-Ansatz (Porter) berücksichtigt diese Marktabdeckung als Gesamtmarkt oder Teilmarkt explizit und kommt somit zu drei Erfolgspositionen (siehe Abb. F19): • Erstens eine Präferenzposition nicht nur in einer Marktnische, sondern auf dem Gesamtmarkt. Dies entspricht der Differenzierung. • Zweitens eine Preis-Mengenposition auf dem Gesamtmarkt (wie gehabt). Dies entspricht einer Kostenführerschaft mit Weitergabe des Kostenvorteils im Preis. • Drittens eine Präferenz- oder Preis-Mengenposition in einem Teilmarkt. Dies entspricht der selektiven Fokussierung entweder auf die Leistung oder (wie gehabt) auf den Preis. Die parallele Erfolgsträchtigkeit von Präferenz- und Preis-Mengenposition ist dadurch erklärbar, dass es dieselben Entscheider sind, die in beiden Positionen kaufen. Nur kaufen sie dort unterschiedliche Produkte. In der Präferenzposi­ tion entstehen hoch involvierende Käufe, in der Preis-Mengenposition gering

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Abbildung F19: Wettbewerbsstrategien nach Porter (2) (eig. Abb.)

involvierende. Das Geld, das durch absolute Preisgünstigkeit eingespart werden kann, wird nicht dem Markt entzogen, sondern für Ausgaben im subjektiv und emotional wichtigen anderen Bereich genutzt. Anbieter dazwischen sind weder preisgünstig genug als dass sie mit Low Cost-Anbietern mithalten könnten, noch sind sie imagestark genug, als dass sie eine Alternative zu Premium-Anbietern darstellen könnten. Sie werden folglich vom Markt verdrängt. Der Vier-Felder-Ansatz stellt eine Erweiterung der Fokussierung dar, indem diese auf dem Gesamtmarkt oder einem Teilmarkt möglich ist. Daher ergeben sich vier Optionen (Meffert) (siehe Abb. F20): • Die umfassende Kostenführerschaft bedeutet eine Preis-Mengenposition im Gesamtmarkt. Maßnahmen sind hier die Erreichung eines hohen Marktanteils, eine strenge Aufwandskontrolle, die Nutzung aller Kostensenkungsmöglichkeiten, ein durchgängiges Cash-Management und der Einsatz von Verfahrens­ innovationen bzw. -verbesserungen. • Die umfassende Leistungsführerschaft bedeutet eine Präferenzposition im Gesamtmarkt. Maßnahmen sind hier kundenorientierte Innovationen bzw. Qualitätssteigerungen, Marktpreise auf Premiumniveau, Betriebskosten, die vorwiegend am Kundennutzen bemessen sind und insgesamt differenzierungsfördernde Investitionen. • Die konzentrierte Leistungsführerschaft bedeutet die Präferenzposition in ­einem Teilmarkt. Maßnahmen sind hier vor allem die Abwandlung des Angebots und eine konstant hohe Produktqualität. • Die konzentrierte Kostenführerschaft bedeutet die Preis-Mengenposition in ­einem Teilmarkt. Maßnahmen sind hier vor allem die Zielung auf ausgewählte Marktsegmente und die Nutzung von Erfahrungskurveneffekten.

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F. Das Management der Unternehmung

Abbildung F20: Wettbewerbsstrategien nach Porter (3) (eig. Abb.)

Für die Kostenführerschaft ist generell die Nutzung von Größeneffekten Voraussetzung. Dabei können zwei Effektarten unterschieden werden (siehe Abb. F21): • Statische Größeneffekte (Savings) entstehen automatisch, also ohne dass man sie bewusst anstreben muss, indem sich die Fixkosten mit steigender Stückzahl immer günstiger pro Einheit umlegen (Bücher’sches Gesetz / K = (Kf : x) + kv . x. Dieser Effekt ist seit langem bekannt und beruht auf zwei Gründen: –– Bei steigendem Geschäftsumfang ist eine bessere Abstimmung der nicht- produktiven Kapazitäten bei mehrstufiger Wertschöpfung möglich (Betriebsgrößeneffekt) (siehe Abb. F22). –– Die administrativen Kosten (Overheads) verteilen sich besser auf eine steigende Produktzahl, sofern eine Kritische Masse erreicht ist. • Dynamische Größeneffekte (Economies of Scale / Erfahrungskurveneffekte) sind neueren Datums (Boston-Effekt) und besagen, dass zusätzlich zu den statisch ohnehin sinkenden Fixkosten pro Stück auch die variablen Kosten sinken,

20. Strategieentwicklung

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Abbildung F21: Quellen für Größeneffekte (eig. Abb.)

Abbildung F22: Stückkostendegression (eig. Abb.)

genauer zusammen bei jeder Ausbringungsmengenverdopplung seit Produktionsbeginn bezogen auf den eigenen Wertschöpfungsanteil (Fertigungstiefe) und inflationsbereinigt um 20 – 30 % potenziell. Allerdings tritt diese Degression nicht automatisch ein, sondern muss durch Managementmaßnahmen gezielt herbeigeführt werden (siehe Abb. F23). Dafür werden vier Gründe angeführt: –– Die frühzeitige Nutzung technischen Fortschritts ermöglicht bald ein niedrigeres Kostenniveau. Zwar liegen zu Beginn die Kosten einer neuen Tech-

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F. Das Management der Unternehmung

nik häufig noch höher als die der eingefahrenen alten, schnell kann jedoch eine signifikante Verbesserung erreicht werden (S-Kurven-Effekt). –– Im Zeitablauf wächst die Expertise in der Umsetzung einer Aufgabe. Diese kann in immer weniger Zeit mit immer höherer Qualität realisiert werden. Insofern kommt es zu Lerneffekten. –– Durch die mehrfache Nutzung von Wissen in der Unternehmung entstehen Verbundeffekte (Economies of Scope), d. h. Erfahrung aus einem Bereich kann in anderen Bereichen angewendet werden und verbessert dadurch die Kostenposition (Synergieeffekte). –– Rationalisierung entsteht neben der Produktion vor allem in der Beschaffung durch Durchsetzung günstigerer Konditionen infolge Nachfragemacht. Dies wird bei steigendem Anteil zugekaufter Leistungen immer bedeutsamer. Das Vorhandensein von Erfahrungseffekten ist empirisch vielfach bestätigt, allerdings herrscht über die Verursachungen immer noch Unklarheit. Kritik bezieht sich im Einzelnen auf die Datengrundlage, die Untersuchungsmethodik und die Strategieempfehlung der dynamischen Stückkostendegression. Die statische Stückkostendegression hingegen ist unzweifelhaft, allerdings werden auch Bedenken hinsichtlich entstehender Komplexitätskosten vorgebracht, die etwaige Degressionseffekte überkompensieren können. Vor allem ist der Verdacht der Tautologie zu nennen.

Abbildung F23: Erfahrungskurveneffekt (eig. Abb.)

20. Strategieentwicklung

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20.4.4 Konkurrenzverhalten

Die Bestimmung des Marktverhaltens legt die Konkurrenzeinstellung und den Führungsanspruch der Unternehmung fest. Die Konkurrenzeinstellung kann autonom, also auf Unabhängigkeit, oder konjektural, also auf Anpassung, ausgerichtet sein. Der Führungsanspruch kann gegeben oder nicht gegeben sein. Entsprechend ergibt sich eine Matrix mit vier Kombinationen (siehe Abb. F24): • Bei Autonomie und Führungsanspruch liegt das Verhalten eines Anführers vor. Daraus folgen erhebliche Chancen wie Preisführerschaft, Kompetenzvorsprung in der Öffentlichkeit, Marktmacht und Beeinflussung der Gesamtmarktentwicklung. Allerdings gibt es auch erhebliche Risiken wie gravierende Produktenttäuschung, Anker öffentlicher Kritik (Wettbewerbsrecht), Inflexibilität durch pure Größe, Innovationshemmung (Old Game) und Begünstigung von Marktnischen. • Bei Konjekturalität und Führungsanspruch liegt das Verhalten des Herausforders vor. Er versucht, die Marktführerschaft an sich zu reißen. Dazu muss er aber zuerst am Marktführer vorbei. Dafür ergeben sich mehrere Taktiken, die zumeist in Analogie zu Kriegstaktiken gesehen werden. Es handelt sich um folgende (Kotler): –– Frontalangriff als direkte Konfrontation, –– Flankenangriff auf eine vermutete Schwachstelle, –– Guerillaangriff mit Überraschungsmoment, –– Umzingelungsangriff als Einkesseln, –– Vorbeiangriff auf einen anderen als dem betrachteten Markt.

Abbildung F24: Tableau zum Konkurrenzverhalten von Unternehmen (eig. Abb.)

F. Das Management der Unternehmung

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 eispiele sind Pepsi vs. Coke, Creme 21 vs. Nivea, Samsung vs. Nokia. DenB noch gibt es vergleichsweise wenige Beispiele für Marktherausforderer, die Marktführer übertreffen konnten (z. B. IBM vs. Nixdorf, Sixt vs. Europcar, Sony vs. Philips / Grundig). • Bei Konjekturalität und fehlendem Führungsanspruch liegt das Verhalten des Mitläufers vor. Er befindet sich in einer Verteidigungsposition, da er von ständiger Verdrängung bedroht ist. Für ihn ergeben sich folgende Taktiken: –– Positionsverteidigung („Stellungskrieg“), –– Flankensicherung gegen mögliche Angriffe, –– Präventivschlag zur „Vorbeugung“, –– Gegenoffensive nach einer Attacke, –– Strategischer Rückzug, –– bewegliche Verteidigung, um kein festes Ziel abzugeben, –– kontrollierte Neuaufstellung.  er Marktmitläufer ist bemüht, Marktführer und -herausforderer nicht aus der D Reserve zu locken, sondern in deren Windschatten zu koexistieren. • Bei Autonomie und fehlemden Führungsanspruch liegt das Verhalten des Nischen-Players vor. Dies war früher eine durchaus lukrative Option, waren diese Marktnischen doch zu klein, um für große Anbieter am Markt interessant zu sein. Zumal sie häufig auch rein objektiv nicht in der Lage waren, diese Nischen zu bedienen. Das hat sich jedoch erheblich geändert, heute werden selbst kleine Marktnischen als attraktiv angesehen, und durch moderne Produktionskonzepte (Mass Customization) sind Anbieter in der Lage, auch kleine Marktpotenziale rentabel zu bearbeiten. Insofern handelt es sich um eine sehr risikoreiche Position (z. B. Loewe Opta bei LED-TV-Panels). Nach dem Structure-Conduct-Performance-Ansatz ist auf Dauer nur eine Verhaltensweise erfolgreich, die der Marktposition entspricht. Das heißt, Verhalten und Struktur sollten angepasst sein. Hinsichtlich der Ergebnisse werden in Deutschland weite Oligopole präferiert (Konzept des funktionsfähigen Wettbewerbs / Kantzenbach). 20.4.5 Zeitabfolge

Die Bestimmung der Zeitabfolge hebt auf die Innovationsneigung von Anbietern ab. Dabei ist die Alternative des Vorstoßes ebenso denkbar wie die der Verfolgung. Dies kann jeweils durch Innovation oder Nachahmung erfolgen, entsprechend ergeben sich vier Kombinationen als Matrix (siehe Abb. F25):

20. Strategieentwicklung

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• Bei Vorstoß durch Original handelt es sich um einen Innovationsführer. Lange Zeit galt dies als Erfolgsprinzip wegen der First Mover Advantage, eines „eingebauten“ Zeitvorteils, der praktisch nicht mehr aufholbar ist. Dies hat sich heute jedoch relativiert. Der Innovationsführer kann einen De facto-Standard am Markt etablieren, er kann Abschöpfungspreise darstellen, hat einen Erfahrungsvorsprung auf der Zeitachse und genießt einen Image-Goodwill in der Öffentlichkeit. Allerdings hat er auch die größte Erfolgsunsicherheit, muss hohe Markterschließungskosten tragen („Infrastruktur“), hohen FuE-Aufwand betreiben und leidet unter Imageschäden bei wohl unvermeidlichen „Kinderkrankheiten“ der Neuerungen. Außerdem ist fraglich, ob ein latenter Bedarf wie vermutet überhaupt vorhanden ist. • Bei Verfolgung durch Original handelt es sich um einen Frühen Folger. Er trägt ein geringeres Risiko als der Prionier, kann einen Alternativstandard zu diesem etablieren, sieht sich stark steigendem Marktwachstum gegenüber, bei dem noch nicht alle Marktpositionen vergeben sind. Allerdings bedarf es der Überwindung von Markteintrittsbarrieren des Pioniers, einer Strategieausrichtung an diesem und einer schnellen Reaktion, um nicht in eine „Zeitfalle“ zu geraten (später Markteinstieg mit kürzerer Marktpräsenz erlaubt keinen angemessenen Investitionsrückfluss mehr). • Bei Vorstoß durch Nachbildung handelt es sich um einen Modifikator. Er muss ein differenziertes Angebot machen, da er sich Zeit- und Positionsnachteilen gegenüber sieht. Dabei ist die Besetzung von Marktnischen möglich, es entstehen niedrige FuE-Kosten, das Risiko ist vergleichsweise geringer und einem Preisverfall kann noch zuvorgekommen werden. Allerdings sind erst die Markteintrittsbarriern der etablierten Anbieter zu überwinden, es sind Zusatznutzen erforderlich, die oft erklärungsbedürftig sind (Nice to have) und im Erfolgsfall werden weitere Anbieter angelockt.

Abbildung F25: Tableau zur Zeitabfolge von Unternehmen (eig. Abb.)

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F. Das Management der Unternehmung

• Bei Verfolgung und Nachbildung handelt es sich um einen Kopisten. Er schöpft den Markt bei fortgeschrittenem Lebenszyklus mit niedrigen Preisen ab. Dies ist möglich durch geringere FuE-Aufwendungen, Zukauf von Know-how über Finanzkraft, limitiertes Risiko und Nutzung etablierter Standards. Allerdings ist ein Aufbrechen der Geschäftsbeziehungen erforderlich, eigenes Know-how kann so kaum aufgebaut werden und es entstehen Imagenachteile in der Öffentlichkeit. Zudem bedroht die „Zeitfalle“ den Erfolg (Relation von Vorvermarktungszeitraum zu Marktpräsenz). Diese Sichtweise der Zeitabfolge ist jedoch statisch. Daher hat es Bemühungen gegeben, sie zu dynamisieren. Dies erfolgt durch das Outpacing-Konzept (Gilbert / Strebel). Dabei wird angenommen, dass Neuerungen am Markt mit einem geringen wahrgenommenen Produktwert und hohen effektiven Prozesskosten starten. Dies ist keine erfolgversprechende Kombination. Ziel der Anbieter ist vielmehr ein hoher wahrgenommener Produktwert bei niedrigen effektiven Prozesskosten. Fraglich ist, wie der Weg vom Start zum Ziel am schnellsten zurückgelegt werden kann, wobei ein Überholen des Wettbewerbs erforderlich ist. Dazu stellen sich im Grundsatz zwei Alternativen (siehe Abb. F26): • Das präventive Outpacing strebt an, zunächst eine Kostenführerschaft bei niedrigem akzeptierten Produktwert durch Kostensenkung zu erreichen und danach bei unverändertem Preisvorteil einen Qualitätsvorteil zu erlangen. Problematisch ist dabei die Falle des niedrigen Produktwerts zu beachten, welche die Erreichung einer hohen Qualitätsanmutung behindert, weil eine hohe Imageremanenz vorherrscht. • Das reaktive Outpacing strebt an, zunächst eine Leistungsführerschaft bei hohem wahrgenommenen Produktwert durch Qualitätsvorteil zu erreichen und danach bei unveränderter Qualität einen Preisvorteil zu erlangen. Problematisch ist dabei die Falle des hohem Preises, der Märkte klein macht und bei späteren Preissenkungen Qualitätsminderung nahelegt. Gleiches gilt für ein Over-Engineering. Da der Strategiefokus im Zeitablauf wechselt, spricht man von einer hybriden (sukzessiv gebrochenen) Strategie. Untauglich ist eine unentschiedene Strategie, da diese in der „Mitte“ des Marktes untergeht. Daher kommt im Zeitablauf nur ein Umsteigen von der einen auf die andere Strategie in Betracht (sequenziell-hybrid). Fraglich ist allerdings, in welcher Reihenfolge dies zweckmäßig ist und vor allem, welcher Wechsel am schnellsten zum Ziel führt (Outpacing), denn die Zeit ist der wesentliche Wettbewerbsfaktor. Das Konzept der Hyper Competition (D’Aveni) behauptet vier wesentliche Basen für Wettbewerbsvorteile von Unternehmen, die im Zeitablauf sukzessiv aufeinander abfolgen. Es gibt somit vier Arenen, in denen Wettbewerbskämpfe ausgetragen werden, in jeder Arena scheiden weniger anpassungsfähige Anbieter vom Markt aus. Wer eine Arena als erster erfolgreich verlässt, kann mit Zeitvor-

20. Strategieentwicklung

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Abbildung F26: Outpacing-Konzept (eig. Abb.)

sprung in die dahinter liegende nächste Arena starten (ähnlich einem Staffellauf) und damit seine Existenzchancen im Weiteren verbessern. In den einzelnen Arenen geht es um verschiedene Wettbewerbsparameter. Die erste Runde besteht aus der Konkurrenz um Kosten- oder Qualitätsvorteile. Unternehmen, die bei einer dieser beiden Parameter Nachteile aufweisen, haben keine Chance, sich am Markt durchzusetzen. Wer als erster diese Runde verlässt, gelangt in die zweite Runde, hier geht es um Wissen und Innovation. Unternehmen, die Wissens- oder Innovationsdefizite aufweisen, scheiden hier aus, die verbleibenden gehen in die dritte Runde, in der es um den Aufbau von Marktzutrittsschranken und Alleinstellungsmerkmalen geht. Die eigenen Märkte werden abgeschottet, um deren Pfründe nur noch selbst nutzen zu können. Die vierte Runde schließlich ist durch Finanzierungs- und Investitionswettbewerb gekennzeichnet. Hier geht es um die Verfügbarkeit von Eigen- und Fremdkapital und um strategische Angriffe (Mergers&Acquisitions). Insofern wird eine dynamische Sichtweise unterlegt, in der keine dauerhaften Konkurrenzvorteile mehr existieren und die Spielregeln des Wettbewerbs fortlaufend geändert werden. Der Status quo wird permanent erschüttert und die Konkurrenz systematisch durch Überraschungen gestört. Fraglich ist allerdings, ob

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F. Das Management der Unternehmung

die genannte Abfolge der Arenen zwangsläufig ist und damit auch die Eskalation des Wettbewerbs, oder ob nicht vielmehr Kollusionen entstehen, die dem allseitig ausgeprägten Sicherheitsstreben der Beteiligten entsprechen (siehe Abb. F27).

Quelle: weingartmair.en / Nikswiki / lib / exe / fetch.php?media=modell_des_hypercompetition.jpg

Abbildung F27: Hyper Competition-Konzept

Das Blue Ocean-Konzept (Kim / Mauborgne) basiert auf der generellen Empfehlung, dass Unternehmen durch Veränderung ihres Branchenumfelds Durchbruchsinnovationen schaffen sollten, statt sich mit anderen Anbietern um die gleiche Kaufkraft zu kannibalisieren. Nur dadurch können noch nicht besetzte Märkte gebildet und Konkurrenten marginalisiert werden. Neue Nachfrage wird geschaffen, indem entschieden Differenzierungs- oder Kostenführerschaftsstrategien bzw. hybride Strategien genutzt werden. Diese neuen Märkte werden Blue Oceans genannt, die bestehenden hingegen Red Oceans. Damit Blue Oceans identifiziert werden können, ist zunächst die relative Leistungsfähigkeit einer Unternehmung innerhalb ihrer Branche zu bestimmen. Diese kann verbessert werden, indem man die vorhandene Kernkompetenz auf weitere Branchen ausrichtet, sich an der Schnittstelle zwischen Märkten positioniert, statt Insel- nutzenrelevante Systemlösungen für Kunden generiert, die Spielregeln der Branche infrage stellt oder Innovationen initiiert. Bei erfolgreicher Implementierung dieser Ansätze kann eine relative Alleinstellung erreicht werden (USP). Nicht benötigte Produkte und Märkte sind im Programm zu reduzieren

20. Strategieentwicklung

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oder zu eliminieren, dazu erforderliche Märkte spiegelbildlich zu kreieren oder zu pushen (siehe Abb. F28).

Quelle: 4 .bp.blogspot.com/-jftc-vnN9nc / Tzp8MweiMUI / AAAAAAAAABs / SZptzugMO4c / s1600/ Blue2B Ocean% 2BStrategy.jpg

Abbildung F28: Blue Ocean Strategy

Allerdings wird dieser Ansatz vielfach kritisiert. Vor allem ist die Abgrenzung zu bereits vorhandenen Wettbewerbskonzepten unklar. 20.5 Strategiebewertung Für jede der Bestimmungsgrößen ist jeweils eine präferierte Option zu wählen, also für das Marktfeld, die Marktwahl, den Konkurrenzvorteil, das Konkurrenz­ verhalten und die Zeitabfolge. Führt man die fünf Faktoren und ihre jeweiligen Ausprägungen dazu grafisch in Feldern untereinander auf, können die präferierten Optionen miteinander verbunden werden, so dass ein optisches Strategieprofil entsteht. Dieses kann dann im Querschnittsvergleich mit anderen SGE’s oder Wettbewerbern verglichen werden oder im Längsschnittvergleich mit früheren eigenen Profilen. Dies ermöglicht eine gute Kommunikationsfähigkeit der Ergebnisse im Management, die für die Umsetzung bedeutsam ist. Wahrscheinlich gibt es aber nicht nur ein präferiertes Strategieprofil, sondern zwei oder mehr nebeneinander. Dann stellt sich Frage nach der vergleichenden Bewertung dieser Optionen. Dafür stehen eine Reihe von Verfahren zur Verfügung (siehe Abb. F29): • Bei der Dominanzprüfung werden die Strategieprofile nach zwei Kriterien in Bezug auf ihre jeweilige Überlegenheit grafisch gegeneinander bewertet. • Alternativ dazu ist eine Cross Impact-Prüfung möglich, bei welcher der Vergleich mehrerer Optionen rechnerisch erfolgt.

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F. Das Management der Unternehmung

Abbildung F29: Ausgewählte Verfahren zur Strategiebewertung (eig. Abb.)

• Sofern es sich um quantitative Werte handelt, kann ein Punktbewertungsverfahren zugrunde gelegt werden (Scoring). • Handelt es sich um qualitative Werte, sind diese zunächst in einer Nutzwertanalyse zu quantifizieren und dann zu verrechnen. • Sollen bestimmte Kriterien pflichtgemäß erfüllt sein, kann dies in einer Checklist mit evtl. Gewichtung der Kriterien verifiziert werden. • Bei Berücksichtigung finanzieller Aspekte bieten sich die Kapitalwertmethode (CAPM) oder andere Verfahren der Investitionsrechnung an. Am Ende sollte es jedenfalls eine präferierte Strategie geben, die dann in der nächsten Stufe im Rahmen des operativen Managements in den Instrumenten umgesetzt wird.

20. Strategieentwicklung

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Literaturhinweise Bea, Franz Xaver / Haas, Jürgen: Strategisches Management, 5. Auflage, Stuttgart-Jena 2009 Corsten, Hans / Corsten, Martina: Einführung in das Strategische Management, Stuttgart 2012 Dillerup, Ralf / Stoi, Roman: Unternehmensführung, 4. Auflage, München 2013 Hahn, Dietger / Taylor, Bernard (Hrsg.): Strategische Unternehmensplanung – Strategische Unternehmensführung, 9. Auflage, Berlin / Heidelberg 2005 Hopfenbeck, Waldemar: Allgemeine Betriebswirtschafts- und Managementlehre, 14. Auflage, Landsberg 2002 Hungenberg, Harald / Wulf, Torsten: Grundlagen der Unternehmensführung, 4. Auflage, Berlin 2011 Kutschker, Michael / Schmid, Stefan: Internationales Management, 7. Auflage, München-Wien 2010 Macharzina, Klaus / Wolf, Joachim: Unternehmensführung, 8. Auflage, Wiesbaden 2012 Müller-Stevens, Günter / Lechner, Christoph: Strategisches Management, 3. Auflage, Stuttgart 2005 Schulte-Zurhausen, Manfred: Organisation, 5. Auflage, München 2010 Steinmann, Horst / Schreyöff, Georg / Koch, Jochen: Management, 7. Auflage, Wiesbaden 2013 Thommen, Jean-Paul / Achleitner, Ann-Kristin: Allgemeine Betriebswirtschaftslehre, 7. Auflage, Wiesbaden 2012 Welge, Martin / Al-Laham, Andreas: Strategisches Management, 6. Auflage, Wiesbaden 2012 Wirtz, Bernd W.: Business Model Management, 2. Auflage, Wiesbaden 2011

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F. Das Management der Unternehmung

Übungsaufgaben 1. Was versteht man unter Generischen Wettbewerbsstrategien nach Porter? Welche Voraussetzungen sind dafür gegeben? 2. Häufig wird das Outpacing-Konzept diskutiert. Was versteht man darunter und welche Inhalte hat es im Einzelnen? 3. Häufig ist von einer Hyper Competition die Rede. Was versteht man darunter und welche Inhalte hat diese im Einzelnen? 4. Häufig ist von der Blue Ocean-Strategie die Rede. Was versteht man darunter und welche Inhalte hat sie im Einzelnen? 5. Im strategischen Management ist der Marktanteil in vielfacher Weise eine signifikante Steuerungsgröße. Stellen Sie bitte einige Zusammenhänge her. 6. Welche Marktaustrittsbarrieren können im Einzelnen unterschieden werden? 7. Welche Markteintrittsbarrieren können im Einzelnen unterschieden werden? 8. Wie stellen sich die einzelnen Phasen in der Produktlebenszyklus-Analyse dar? Recherchieren Sie bitte dazu Informationen. 9. Wie geht eine Strategische Bilanz vor? 10. Welche Konzepte zur Abgrenzung des Relevanten Markts gibt es? 11. Was versteht man unter einer Strategischen Gruppe und welche Handlungsoptionen bestehen für diese? 12. Was versteht man unter einer Strategischen Geschäftseinheit? 13. Welche Optionen ergeben sich für die Marktfeldstrategie der Unternehmensführung? 14. Was versteht man unter einem Strategischen Spielbrett? 15. Welche Optionen bieten sich einer Unternehmung zur Verteidigung ihrer Marktposition?

21. Erfolgsfaktoren im Management

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21. Erfolgsfaktoren im Management In diesem Kapitel werden folgende Inhalte behandelt und geklärt: • die Erfolgsfaktorenforschung, • das Innovationsmanagement, • die Kernkompetenzen, • die Ausprägungen des Prozessmanagements, • die Gestaltung der Wertschöpfungskette. 21.1 Erfolgsfaktorenforschung Ansatz der Erfolgsforschung ist es, erhärtete Faktoren zu identifizieren, die ein erfolgreiches strategisches Management ermöglichen. Ähnlich wie bei einer Rezeptur, die vorgibt, welche Zutaten in welcher Dosierung und Reihenfolge ein gelungenes Ergebnis herbeiführen. Dazu gab es verschiedene Ansätze, vor allem von Peters und Waterman, Pümpin und aus der PIMS-Studie. 21.1.1 Peters und Waterman-Ansatz

Peters und Waterman leiten aus ihrer Beratungspraxis bei McKinsey Erfolgsfaktoren bestgeführter US-Unternehmen ab. Diese sind allerdings durch die teilweise schlechte Geschäftsentwicklung von als in dieser Hinsicht vorbildlich dargestellten Unternehmen bereits in Mitleidenschaft gezogen worden. Dennoch lohnt ein Blick auf die Hintergründe und Zusammenhänge. Als Basis erfolgreicher Geschäftstätigkeit werden sieben Faktoren behauptet (ausgehend von Pascale / Athos, siehe Abb. F30), diese unterteilen sich in die drei harten „S“: • Strategy: Grundlegende mittel- bis langfristige Ausrichtung einer Unternehmung, um ihre Stärken einzusetzen und weiterzuentwickeln und sich auf Veränderungen der Umfeldbedingungen proaktiv einstellen zu können. • Structure: Formaler Organisationsaufbau mit autorisierten Regelungen zur Aufgabenzuordnung sowie betrieblichen Verhaltensvorschriften und Richt­ linien. Er ist prinzipiell personenunabhängig und betrifft die horizontale Arbeitsteilung, die Gestaltung der Leistungsbeziehungen, die Koordination, die Entscheidungsdelegation und die Standardisierung. • System: Maßnahmenbündel, Prozesse und Programme der technokratischen Führung einer Unternehmung (i. S. v. Werkzeugen). Als Hilfsmittel dazu dienen etwa Funktionendiagramme, Netzpläne, Aufgabenfolgepläne, IuK-Technologien etc.

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F. Das Management der Unternehmung

Abbildung F30: „Sieben S’s“ nach Pascale / Athos (eig. Abb.)

Sowie die drei weichen „S“: • Skills: Gesamtheit der fachlichen und sozialen Fähigkeiten der Organisationsmitglieder i. S. v. bereits aktualisierten Kompetenzen und Entwicklungspotenzialen. Zur Realisierung der Potenziale sind notwendigerweise Instrumente der Personalentwicklung einzusetzen. • Staff: Humanvermögen als Summe der für die betrieblichen Ziele relevanten Eigenschaften der Mitarbeitenden, ihre Qualifikation (Können-Komponente) und Motivation (Wollen-Komponente). In Humanvermögen kann investiert oder es kann abgeschrieben werden. • Style: Führungsstil als einheitliche Verhaltensdisposition von Instanzen (Vorgesetztenstellen) zur Förderung des Leistungs- und Sozialverhaltens der Organisationsmitglieder. Es hat interindividuellen Charakter und ist in der Unternehmung so erwünscht oder zumindest erwartet. Im Mittelpunkt aber steht das siebte „S“: • Shared Values: Ein gemeinsames Ziel- und Wertesystem der Organisationsmitglieder i. S. v. Unternehmenskultur. Es verbindet die drei harten S mit den drei weichen S. Hierzu gehören die Vision, die Geschäftsmission, die Leitsätze und die Oberziele. Die sieben „S“ sind nicht unabhängig voneinander, sondern müssen aufeinander abgestimmt werden (Fit). Dafür gibt es allerdings kein Patentrezept, sondern nur eine individuelle Ausprägung in jedem Einzelfall.

21. Erfolgsfaktoren im Management

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Daraus werden dann acht „Grundtugenden“ als Erfolgsfaktoren abgeleitet (siehe Abb. F31): • Der Primat des Handelns bedeutet, dass man, statt überzogen lange zu planen und Strategien zu entwickeln, besser pragmatisch im Trial and Error-Verfahren Maßnahmen umsetzt und auf ihre Tragfähigkeit hin testet. Damit soll nicht blindem Aktionismus das Wort geredet werden, denn natürlich sind Zielsetzung, Planung und Strategie unerlässlich. Es muss aber der Punkt gefunden werden, an dem man von der Theorie auf die Praxis umsteigt. Und oft geht dieser Punkt unter Bergen von Konzeptpapieren verloren. • Die Nähe zum Kunden bedeutet, dort zu sein, wo der Markt ist. Leider ist vielfach eine Tendenz zur Verwissenschaftlichung und Realitätsferne im Management auszumachen, wo doch ein Besuch beim Lieferanten, ein Store Check am Verkaufsort, ein Informationsgespräch „an der Kundenfront“ so unendlich viel mehr Erkenntnisse verschaffen könnten. Dies ist unerlässlich, um möglichst nahe am Kunden arbeiten, möglichst intensive Geschäftskontakte zu ihm unterhalten und hohe Servicestärke, erstklassige Qualität und Zuverlässigkeit demonstrieren zu können. • Freiraum für Unternehmertum bedeutet die Schaffung von Initiativen auf allen Ebenen der Unternehmung. Denn oft genug erstickt jegliches Engagement in einer hierarchisch vielstufigen Organisation, die keine Luft mehr zum Atmen lässt. Durch Initiativen wird ein erhebliches Maß an Dynamik in allen Betriebs­

Abbildung F31: Kernempfehlungen des Peters- und Waterman-Ansatzes (eig. Abb.)

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F. Das Management der Unternehmung

teilen geschaffen, die sich als Erfolg ausdrückt. So ergibt sich der Vorteil der Aufteilung der Führung auf die niedrigstmögliche hierarchische Ebene ohne zentralisiertes Anweisungssystem. Dem entsprechen auch kleine Arbeitsteams mit Verlässlichkeit in der Zusammenarbeit. • Produktivität durch Mitarbeitende bedeutet die Förderung deren Qualifikation und die Nutzung deren Potenzials. Letztlich sind es Menschen, die Unternehmen bewegen. Die Qualifizierung der Mitarbeitenden erhöht die Effizienz und damit auch den Betriebserfolg. Vertrauen in die Mitarbeitenden und ihre Beteiligung an der Verbesserung von Arbeitsabläufen stärken den Einsatzwillen der Mannschaft. Die Ausrichtung erfolgt am Leitbild des mündigen, ambitionierten und motivierten Mitarbeitenden. • Das sichtbar gelebte Wertesystem bedeutet die Achtung der moralisch-ethischen Verpflichtung der Unternehmung. Dies impliziert, dass nicht jeder Zweck alle Mittel heiligt. Vielmehr muss sich jede Unternehmung ihres gesellschaftlichen Stellenwerts bewusst sein und dieses Wertesystem sichtbar vorleben. Dazu ist es erforderlich, das Wertesystem stringent zu formulieren und alle Mitarbeitenden des Hauses darauf zu verpflichten. Wahrgenommene Verletzungen des Code of Conduct erschüttern nachhaltig die gesamte Glaubwürdigkeit einer eigenständigen Unternehmenskultur. • Die Bindung an das angestammte Geschäft bedeutet die Konzentration auf das, was man am besten kann, statt überall herumzuprobieren und letztlich nichts zu erreichen. Es scheint zunächst verlockend, in allen möglichen Marktfeldern, die Gewinnaussicht versprechen, mitzumischen. Regelmäßig stellt sich der Erfolg aber tatsächlich eher ein, wenn man sich auf den Ursprung seiner Geschäftstätigkeit zurückbesinnt und versucht, durch bessere Marktdurchdringung das gegebene Potenzial voll auszuschöpfen, bevor man neue Potenziale anzapft. • Straff-lockere Führung stellt eine ausgewogene Mischung aus so wenig Führung wie nötig und so viel Selbstbestimmung wie möglich dar. Zwar scheinen demokratische Entscheidungsprozesse zunächst verlockend. Da aber in der Wirtschaft immer der / die Vorgesetzte die Verantwortung trägt, muss ihm / ihr auch die Möglichkeit eingeräumt werden, letztlich entscheiden zu können. Dafür sind autoritative Züge das unerlässliche Korrektiv. Bei allem Freiraum für Eigeninitiative bedarf es aber auch der Disziplin jedes Einzelnen, diesen Freiraum nicht zu überstrapazieren. • Einfacher, flexibler Aufbau, d. h., der Bürokratie ist der Kampf anzusagen und statt dessen für eine transparente Organisation zu sorgen. Operative Einheiten vermeiden Ballast durch Verwaltungsapparate, die nicht nur nicht wertschöpfend sind, sondern die Wertschöpfung nicht selten sogar hemmen. Dazu gehören kleine Stäbe, aufs Notwendige reduziertes Berichtswesen und viel informeller Meinungsaustausch ebenso wie die kontinuierliche Weiterentwicklung von Strukturen und Prozessen und die konsequente Qualitätsausrichtung.

21. Erfolgsfaktoren im Management

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21.1.2 Pümpin-Ansatz

Pümpin hat ebenfalls Erfolgsfaktoren zu extrahieren gesucht. Ausgangspunkt war dabei, dass Wirtschaft Krieg mit anderen Mitteln ist und wer im Krieg besonders erfolgreich ist, mit entsprechend adaptierten Ansätzen auch in der Wirtschaft erfolgreich sein wird. Für China sind kriegsstrategische Überlegungen umfangreich dokumentiert (32 Strategeme). Daraus leitet er Erfolgsfaktoren ab, die leicht vereinfacht wie folgt lauten (siehe Abb. F32): • Konzentration der Kräfte bedeutet, sich nicht in diversen Aktivitäten zu verzetteln, sondern auf einen Bereich zu konzentrieren und diesen mit allem Nachdruck zu forcieren. Dadurch kann, einem Brennglas gleich, eine enorme Kraft ausgeübt werden. Die Kräfte der Unternehmung sind daher auf ausgewählte, möglichst angestammte Produkt-Markt-Kombinationen zu richten.

Abbildung F32: Kernempfehlungen des Pümpin-Ansatzes (eig. Abb.)

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F. Das Management der Unternehmung

Die Zuordnung der finanziellen, personellen und sächlichen Mittel ist nach einer Prioritätenfolge durchzuführen. Mit Vorteil werden die eigenen Mittel auf jene Bereiche konzentriert, in welchen die wichtigsten Konkurrenten schwach, hingegen Marktchancen groß sind. • Die Entwicklung von Stärken und die Vermeidung von Schwächen bewirkt die Nutzung der größeren Hebelwirkung. Steht man vor der Alternative, begrenzte Ressourcen entweder zu nutzen, um Schwächen auszubügeln oder Stärken auszubauen, soll die Präferenz zugunsten letzteren erfolgen. Denn ein markanter Vorsprung auf einem Gebiet ist höher zu bewerten als eine nivellierende Qualität auf allen weiteren. Deshalb baut die Strategie sinnvollerweise immer auf den Stärken der Unternehmung auf, die ungenannte Schwächen überdecken, sofern diese nicht existenzbedrohend scheinen. • Das Ausnützen von Umwelt- und Marktchancen vermeidet Dogmatismus und schafft flexible Reaktion auf Datenänderungen sowie das Aufspüren und Wahrnehmen von daraus resultierenden Optionen. Erfahrung zeigt, dass zupackende Pragmatiker gegenüber zaudernden Philosophen regelmäßig materiell im Vorteil waren. • Innovation erreicht die Erzielung von Marktvorsprüngen durch Neuheiten. Das Innovationspotenzial der Mitarbeitenden ist dabei zentral. Es bewirkt die Sicherung der Existenz der Unternehmung durch eine hohe Neuerungsrate. Allerdings darf es nicht so weit kommen, dass Innovation um ihrer selbst willen erfolgt. Vielmehr soll man sich auf die erfolgversprechendsten Arbeitsfelder konzentrieren und diese mit allem Nachdruck forcieren. • Das Ausnützen von Synergiepotenzialen, wo immer möglich, schafft synergetische Effekte durch Bearbeitung arrondierender Geschäftsfelder. Sie schaffen durch ihre Eigendynamik Vorsprünge am Markt und hohe Effizienz der Ressourcen. Dabei darf nicht nur auf bestehende Synergien abgehoben werden, sondern es müssen neue Synergiepotenziale kreativ entwickelt werden. • Die Abstimmung von Zielen und Mitteln für eine optimale Budgetallokation schafft eine Äquivalenz von Einsätzen und Ergebnissen. Dies scheint selbstverständlich, wird aber oft übersehen. So werden zu Beginn einer Geschäftsperiode die Ziele festgelegt und die dafür erforderlichen Mittel bestimmt. Im Verlauf des Zeitraums werden diese Mittel dann aus Kosteneinsparungsgründen gekürzt, ohne dass zugleich auch eine Korrektur der Ziele erfolgt. Im Effekt verwundert dann allseits, dass die angestrebten Ziele offensichtlich nicht erreicht werden konnten. • Die Schaffung einer zweckmäßigen und führbaren Organisation erleichtert die Anpassung der internen Abläufe an die Markterfordernisse. Denn zur konsequenten Ausrichtung reichen nur die marktbezogenen Aktivitäten allein nicht aus. Auch die internen Abläufe müssen sich an diesen Maßstäben orientieren. Das bedeutet eher flache Organisationsstrukturen, eher kleine Entscheidereinheiten und verursachungsgerechte Ergebnisermittlung.

21. Erfolgsfaktoren im Management

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• Das Ausnützen von Koalitionschancen begünstigt die Bildung von Strategischen Allianzen und Joint Ventures mit Mitbewerbern und Komplementäranbietern. Dem liegt die Erkenntnis zugrunde, dass es besser ist, mit starken Marktpartnern zu kooperieren, statt, wahrscheinlich vergeblich, gegen diese anzukämpfen („If you can’t beat them, join them“). • Risikoausgleich ist zur gegenseitigen Kompensation von Gefahrenpotenzia­ len erforderlich. Diese kann sowohl sachlich, räumlich als auch zeitlich erfolgen und sichert den Bestand gegen Verluste ab. Dabei ergibt sich ein gewisser Konflikt zur Konzentration der Kräfte, denn diese wirkt dem Ri­ sikoausgleich gerade entgegen. Lösbar wird dieses Dilemma durch die Rückstellung angemessener Reserven und durch möglichst risikoarme Geschäftsausweitung. • Beharrlichkeit bedeutet Stetigkeit und Nachhaltigkeit im Management. Man soll nicht sprunghaft mal hier und mal dort Aktivitäten entfalten, sondern gründlich die beste Strategie entwickeln und dann auch, solange keine Diskontinuitäten erkennbar sind, beharrlich bei dieser bleiben. Selbst wenn dem ersten Anlauf noch kein Erfolg beschieden ist. • Eine einheitliche Grundauffassung ist entscheidend für die Identität der Unternehmung. Die Denkhaltung, die konkrete Aufgabe und das Sozialkonzept von Anbietern müssen konsistent sein, um Glaubwürdigkeit zu vermitteln. Und sie müssen allen Mitarbeitenden bekannt gemacht werden, damit diese ihre Einstellung und ihr Verhalten danach ausrichten und ggf. sanktioniert werden können. • Einfachheit meint, dass es ein klares und verständliches Grundkonzept geben muss, nach dem ein breiter Kreis von Mitarbeitenden zielgerichtet arbeiten kann. Aufbau- und ablauforganisatorische Regelungen, die niemand mehr durchschaut, die arbeitshemmend und frustrierend wirken, sind kontraproduktiv. Das, was Mitarbeitende und Marktpartner verstehen und nachvollziehen können, unterstützt hingegen den Unternehmenserfolg. • Ein indirektes Vorgehen bewirkt, dass Mitbewerbern das Hauptziel des Vorgehens möglichst lange verborgen bleibt, damit sie keine Chance erhalten, diesem beizeiten entgegen zu wirken. Denn in einer Wettbewerbswirtschaft ist die eigene Zielerreichung meist nur zulasten Anderer möglich, daher muss es Strategiebestandteil sein, diesen anderen mit lauteren und sittlichen Mitteln zuvorzukommen. • Differenzierung bewirkt, dass die Erfolgswahrscheinlichkeit umso höher ist, je eher Marktnischen anvisiert werden, statt sich im Kernmarkt vergeblich zu versuchen. Diese Erkenntnis stimmt immer auch mit den analytischen Umsetzungsempfehlungen überein. Nur, wer polarisiert, ohne dabei mehr als unerlässlich zu provozieren, ist durchsetzungsfähig, wer ohne Ecken und Kanten bleibt, geht hingegen nur zu leicht in der Masse unter.

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F. Das Management der Unternehmung

• Aus der Imageprofilierung folgt, dass bei der Auswahl von Maßnahmen immer auch deren Außenwirkung berücksichtigt werden und eine starke Entscheidungspräferenz erhalten werden soll. Die entschlossene Umsetzung bietet, bei ansonsten gleicher Beurteilung der Folgen, die bessere Chance bzw. Erfolgsaussicht. Die genannten Faktoren decken sich, trotz des völlig anderen Ansatzes, recht genau mit denen von Peters / Waterman. Allerdings gibt es auch immanente bzw. latente Widersprüche (wie Konzentration der Kräfte vs. Risikoausgleich). 21.1.3 Profit Impact of Market Strategies (PIMS)

Die PIMS-Studie geht auf General Electric (GE) zurück, welche die Harvard Business School (HBS) damit beauftragte zu analysieren, durch welche Faktoren sich erfolgreiche von weniger erfolgreichen Unternehmen insbesondere unterscheiden. Ziel war dabei die Entdeckung von Marktzusammenhängen (Laws of the Market Place) und daraus abgeleitet die Empfehlung „guter“ Unternehmensstrategien. Dies unterstellt, müsste, wer sich so verhält wie die erfolgreichen, ähnlich erfolgreich werden können wie diese. Dazu wurden länder-, größen- und branchenübergreifend ca. 200 Schlüsselkennzahlen bei an der Studie beteiligten 300 Unternehmen(seinheiten) als Inputvariable in Datenbanken gesammelt und statistisch auf Zusammenhänge mit einer Outputvariablen, dem Return on Investment (RoI), hin ausgewertet. Dann wurden solche Inputvariable selektiert, die einen hohen Zusammenhang mit der Erfolgsgröße RoI aufweisen und als Erfolgsfaktoren identifiziert. Die Teilnehmer an der Studie konnten auf die anonymisierten Daten zur Ableitung gültiger Handlungsmaximen und zur Nutzung der Erfahrung der erfolgreichsten für die eigene Strategie zugreifen. Dabei wurden einige, bis heute bestimmende Erkenntnisse gewonnen: • Betriebe mit hoher Investitionsintensität weisen regelmäßig einen niedrigeren Return on Investment sowie einen niedrigeren Einnahmeüberschuss (Cashflow / CF) auf als weniger investitionsintensive. • Mit zunehmender Wertschöpfung pro Beschäftigtem (Produktivität) steigen RoI und Cash-flow. • Marktwachstum wirkt zwar positiv auf den absoluten Gewinn, neutral auf die Rendite, jedoch zugleich negativ auf den CF. • Hohe Qualität aus Kundensicht und relativ zum Mitbewerb korreliert positiv zu RoI und CF. • Maßnahmen zur Stärkung von Innovation und Eigenständigkeit wirken nur dann positiv, wenn der Betrieb bereits über eine starke Marktposition verfügt.

21. Erfolgsfaktoren im Management

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• Niedrigere Marktanteile verhindern die Finanzierung hoher Forschungs- und Entwicklungsausgaben (FuE) mangels Tragfähigkeit. • Hohe vertikale Integration wirkt nur in ausgereiften, stabilen Märkten positiv, bei wachsenden oder schrumpfenden Märkten jedoch negativ. • Marktzugang, Wettbewerbssituation und Marktstellung erklären im Wesentlichen die Leistungsfähigkeit des Betriebs. • Eine eher kleine Kundenzahl ist günstig zu beurteilen. • Mit einer stärkeren Marktposition (Marktanteil) steigen der RoI und CF überproportional. • Der erreichte Marktanteil ist entscheidend für die Gewinnhöhe des Betriebs, daher sind Marktanteils-Gewinnungsstrategien anzuwenden. • Hohe FuE-Ausgaben bauen Marktanteile auf, sofern entsprechende Innovationsstrategien nach ihrer Erfolgswahrscheinlichkeit ausgerichtet sind. • Niedrige Marktanteile verhindern die Finanzierung hoher FuE-Ausgaben. • Der wirtschaftliche Erfolg jedes Betriebs erklärt sich vor allem aus Marktwachstum, Produktdifferenzierung, Qualität, Service, Zuverlässigkeit, Marktanteil und Know-how. • Nicht dazu beitragen können kapitalintensive Leistungserstellung (Overengineering) und hohe FuE-Kosten. Eine breite Produktpalette kostet durch Komplexität Gewinnbeitrag. • Die Frist bis zum Zurückverdienen der Startkosten eines Betriebs wird regelmäßig unterschätzt. Die Break Even-Phase soll möglichst kurz gehalten werden, um Risiken zu limitieren. • FuE-Anstrengungen sind auf marktnahe Anwendungsmöglichkeiten zu konzentrieren (also wenig Grundlagenforschung). Der Produktnutzen ist wichtiger als der Produktpreis. • Die Erreichung einer Marktführerschaft hat als primäres Ziel zu gelten. Aggressive Vermarktung verbessert den Marktanteil, aber reduziert zunächst die Gewinne. • Der Eintritt in wachstumsstarke und in kleinere Märkte ist wegen geringerer Wettbewerbsintensität und weniger Marktteilnehmer dort zu bevorzugen. Detaillierte Aussagen erlauben weitere Analysen (siehe Abb. F33). Der PARReport stellt den Zusammenhang zwischen der abhängigen Variablen RoI und 36 unabhängigen Erfolgsdeterminanten durch multiple Regressionsanalysen her. Das Ergebnis liefert den zu erwartenden RoI, den ein Betrieb aufgrund seines strategischen Profils erwirtschaften können müsste. Der LIM-Report ist ein vereinfachtes Modell davon. Aufgrund der geringeren Zahl von Eingabedaten eignet

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F. Das Management der Unternehmung

Abbildung F33: Standardauswertungen der PIMS-Studie (eig. Abb.)

er sich vor allem für zeitkritische Entscheide oder wenn nur wenige Informationen vorliegen oder ansonsten wenig Vergleichsobjekte gegeben sind. Der Strategy Analysis-Report ermöglicht die bessere Abschätzung geplanter Strategieänderungen auf das Betriebsergebnis über Simulationsmodelle, indem sich ergebende Strategieoptionen gegen dann vergleichbare andere Betriebe gespiegelt werden. Der Optimum Strategy-Report untersucht die Auswirkungen bestimmter Strategien auf RoI bzw. CF, indem optimale Strategien zur Erreichung bestimmter Ziele ermittelt werden. Als Referenz dienen dabei besonders erfolgreich arbeitende Betriebe, deren Instrumentalkombination übernommen wird. Der Report on Look Alikes (ROLA) zieht eine Stichprobe von nach ausgewählten Kriterien strategisch ähnlich positionierten Betrieben aus der Datenbank. Diese werden nach Gewinner- und Verliererbetrieben aufgeteilt, um festzustellen, welche signifikanten Unterschiede zwischen beiden Gruppen bestehen, die Hinweise auf Maßnahmen geben, wie man selber zum Gewinner werden kann. Es gibt jedoch vielfältige Kritikpunkte an diesem Projekt, so vor allem, dass beim statistischen Ansatz fraglich ist, ob wirklich, wie unterstellt, Linearität und einwertige Abhängigkeit vorliegen. Auch die externe Validität der in der Datenbank repräsentierten Betriebe wird angezweifelt. Möglich ist auch, dass andere als die beobachteten Variablen für den Erfolg ausschlaggebend sind, wie Kultur, Glück etc. Außerdem sind alle Daten vergangenheitsbezogen. Dies führte dazu, dass die PIMS-Studie 1999 eingestellt wurde. 21.2 Innovationsmanagement 21.2.1 Innovationsdimensionen

Innovation ist allgemein die Durchsetzung neuer technischer, wirtschaftlicher, organisatorischer und sozialer Problemlösungen in Unternehmen und Markt, im Unterschied zur Invention als erstmaliger technischer Realisierung einer neuen

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Problemlösung und zur Technologie als Durchführung von (technischen) Prozessen. Nach den Dimensionen der Innovation kann man hauptsächlich unterscheiden in folgende (siehe Abb. F34): • Marktinnovation, d. h., ein entsprechendes Angebot ist erstmals überhaupt öffentlich verfügbar, man spricht von absoluter Innovation, • Unternehmensinnovation, d. h., ein Angebot ist nur für die betreffende Unternehmung selbst neuartig, nicht aber für den Markt als solchen, man spricht von relativer Innovation, • Produktinnovation, d. h., es handelt sich um ein neues, vermarktungsfähiges Angebot, das am Markt absolut oder relativ neu ist, • Verfahrensinnovation, d. h., es handelt sich um eine neue Methode zur Erstellung eines marktfähigen Angebots, die selbst nicht marktfähig ist.

Abbildung F34: Hauptdimensionen der Innovation (eig. Abb.)

Nach dem Stellenwert der Innovation wird unterschieden in die Folgenden (siehe Abb. F35): • Elementarinnovation der Grundlagenforschung anhand wissenschaftlicher Erkenntnisse. Sie ist gekennzeichnet durch hohen Ressourcenaufwand, erst lang-

Abbildung F35: Stellenwert einer Innovation (eig. Abb.)

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F. Das Management der Unternehmung

fristige Amortisation, hohes impliziertes Risiko, aber auch überproportionale Steigerung der Wettbewerbsfähigkeit. • Anwendungsneuerung der Forschung anhand von Prototypen. Sie ist gekennzeichnet durch mittelhohen Ressourcenaufwand, mittelfristige Amortisation, mittleres Risiko und immerhin eine nennenswerte Wettbewerbsverbesserung. • Routineentwicklung der Anwendungstechnik anhand von Detailänderungen. Sie ist gekennzeichnet durch geringen Ressourcenaufwand, kurzfristige Amortisation, geringes Risiko und allenfalls hinreichende Wettbewerbssteigerung. • Initiativumsetzung hinsichtlich Erzeugnis, Verfahren, Einsatz oder Leistung, die in Musterbau und Erprobung als ihrer konkreten Manifestation mündet. Hierbei handelt es sich meist um kleinere, eher „kosmetische“ Neuerungen, die dennoch marktwirksam sein können. Unterscheidet man bei den Dimensionen der Technik und der Anwendung jeweils nach „vorhanden“ und „neu“, so ergeben sich folgende Kombinationen der Innovation (siehe Abb. F36: Tableau des Innovationsinhalts): • Sind sowohl Anwendung als auch Technik schon vorhanden, liegt eine Verbesserungsinnovation vor, die nurmehr eine Verfeinerung bestehender Lösungen darstellt. • Ist die Anwendung zwar vorhanden, die Technik hingegen neu, liegt eine Potenzialinnovation vor, die einen bestehenden Status auf fortgeschrittenem Niveau ablöst. • Ist die Technik zwar vorhanden, die Anwendung hingegen neu, liegt eine Inkrementalinnovation vor, die sich in der neuartigen Umsetzung auf Marktniveau ausdrückt.

Abbildung F36: Tableau des Innovationsinhalts (eig. Abb.)

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• Sind sowohl Anwendung als auch Technik neu, liegt eine Lateralinnovation vor, die einen bedeutenden forscherischen Durchbruch darstellt. Was als Neuheit zu betrachten ist und was nicht, ist letztlich ein Messproblem und abhängig davon, aus wessen Sicht man urteilt und welchen Anforderungsgrad man dabei anlegt. Allgemeine Erfolgsindikatoren sind vor allem der relative, wahrgenommene Vorteil, den eine Innovation im Vergleich zu herkömmlichen Problemlösungen bietet, die Kompatibilität mit den Wertvorstellungen, Erfahrungen und Bedürfnissen potenzieller Nutzer, die Komplexitätsbeherrschung zum Verständnis und Einsatz der Innovation sowie die Möglichkeit zum Test vor dem Kauf bzw. zur Beobachtung der Neuerung bei Anderen. Je nach Anlass handeln Unternehmen nach dem Prinzip des Technology Push als proaktive Suche nach neuen Anwendungen vorhandenen technischen Wissens oder des Demand Pull als Forderung des Marktes nach neuen Problemlösungen durch Technik. Die Innovation kann auf der Faktenebene oder auf der Wahrnehmungsebene erfolgen und hat jeweils eine zumindest zeitweise Alleinstellung (Out of Category-Position / USP) zum Ziel. Sie erfordert eine stabile Basis in Forschung & Entwicklung an der Schnittstelle zwischen kaufmännischen und technischen Disziplinen. 21.2.2 Wissensmanagement

Im Zuge der Entwicklung von Unternehmen kommt dem Faktor Wissen ein zentraler Stellenwert zu. Insofern hat sich neben dem marktorientierten (Outside in-) und dem ressourcenorientierten (Inside out-)Ansatz der wissensorientierte Ansatz in der BWL etabliert. Das Wissensmanagement beabsichtigt, das in der Unternehmung explizit, in Dateien dokumentierte, oder implizit, individuell und kollektiv bei Personen vorhandene Wissen, zu sammeln, zu strukturieren, auszuwerten und weiterzuentwickeln. Wissen ist allgemein vernetzte Information, Träger von Wissen sind auf absehbare Zeit nur Menschen, Träger von Informationen hingegen sind beliebige Speichermedien. Im Einzelnen können folgende Stufen unterschieden werden: • Die Wissensidentifikation stellt fest, welches Wissen für relevant zu erachten ist und daher konkret weiterverfolgt werden soll. • Die Wissenssammlung schafft Transparenz über das in der Unternehmung bereits vorhandene Wissen aus verteilten Quellen. • Die Wissensstrukturierung organisiert dieses Wissen und identifiziert Potenziale, aber auch Lücken, die es operativ zu schließen gilt. • Die Wissensentwicklung erfolgt zur Anreicherung und Erweiterung des Wissensstands, man spricht auch von Wissensveredelung.

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• Die Wissensteilung erfolgt innerhalb der Unternehmung oder ggf. auch mit externen Dritten. • Die Wissensbewertung qualifiziert zukünftige Wissensbedarfe, die strategisch zu erschließen sind. • Die Wissensauswertung betrifft die produktive Nutzung des organisationalen Wissens im gegebenen Kontext. • Die Wissensbewahrung soll vorhandenes Wissen unabhängig von Personen für die Organisation konservieren. Darüber hinaus ist die stete Weiterentwicklung von Wissen aus externen, personalen oder materiellen Quellen unerlässlich, um wettbewerbsfähig zu bleiben. Aus diesem Wissen können die so entscheidenden Kernkompetenzen und Konkurrenzvorteile entwickelt werden. Dazu ist eine leistungsfähige Informationstechnologie erforderlich, die durch die Merkmale Kollaboration zur Verknüpfung, Aggregation zur Fokussierung und intelligente Suche zur Wiederauffindung (Retrieval) von Wissen gekennzeichnet ist. Zunehmend werden auch Wissensgemeinschaften etabliert (Verteilte Systeme / Wikis), die als Plattform für das Wissen der Vielen dienen, das durch Interaktion stetig weiterentwickelt wird. Das beständig anwachsende Wissen drückt sich in technischem Fortschritt aus. Dieser gründet auf Theorien, die Bekanntes in neuer Weise oder mit Unbekanntem kombinieren, und sich in Technik manifestieren. Diese Technik basiert auf Technologien als natur-, sozial- und ingenieurwissenschaftlichen Erkenntnissen, die produktbezogen, also auf das Ergebnis gerichtet, oder prozessbezogen, also auf die Produktion gerichtet, ausgelegt sein können. Je nach Fortschrittlichkeit dieser Erkenntnisse können verschiedene Kategorien unterteilt werden. So gibt es mit wachsender Gegenwartsnähe Zukunftstechnologien (fern), Schrittmachertechnologien, Schlüsseltechnologien und Basistechnologien (nah). Technologien können querschnittsbezogen oder anwendungsspezifisch ausgelegt sein, sie werden zu Technologieplattformen angeordnet, die Wissensbasen abbilden. Die Halbwertszeit des Wissens schwindet, d. h. die Zeitspanne, innerhalb derer die Hälfte des vormals vorhandenen menschlichen Wissens nicht mehr dem aktuellen Stand der Technik (State of the Art) entspricht. Zugleich wird der Aufwand zur Generierung neuen Wissens immer höher, so dass sich für Unternehmen ein Dilemma ergibt. Sie müssen immer mehr Ressourcen zur Schaffung von Neuerungen aufwenden, haben aber zugleich immer weniger Zeit, diesen Aufwand am Markt noch zurück zu verdienen. Im Gegenteil, der frühzeitige Umstieg auf die jeweils neueste Technik ist für alle Marktteilnehmer sinnvoll, da damit weitaus höhere Leistungspotenziale aktiviert werden können als durch das Ausreizen alter Techniken (Substitutionszeitkurve).

21. Erfolgsfaktoren im Management

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21.2.3 Forschung & Entwicklung

Unter Forschung & Entwicklung (FuE) sind alle Aktivitäten und Prozesse zu verstehen, die zu neuen materiellen und / oder immateriellen Gegenständen führen sollen. Sie ermöglichen damit neues natur- und ingenieurswissenschaftliches Wissen und eröffnen neue Anwendungsmöglichkeiten für vorhandenes Wissen, indem sie auf entsprechende Theorien zurückgreifen. Dabei kann in verschiedene Stufen unterschieden werden (siehe Abb. F37)

Abbildung F37: Stufen der Forschung & Entwicklung (eig. Abb.)

Grundlagenforschung ist dabei auf die Gewinnung neuer wissenschaftlicher oder technischer Erkenntnisse und Erfahrungen ausgerichtet, ohne überwiegend schon an deren unmittelbarer praktischer Anwendbarkeit orientiert zu sein. Zum Zeitpunkt der Aufgabenstellung steht das mögliche spätere Anwendungsgebiet somit noch nicht fest. Da die Ergebnisse der Grundlagenforschung nur selten rechtlich schützbar sind, haben Unternehmen daran im Allgemeinen nur insofern ein Interesse, als diese Erkenntnisse für darauf folgende anwendungsorientierte Arbeiten Voraussetzung sind wie z. B. in der Bioforschung zur Manipulation einzelner Gene. Teilweise besteht die Meinung, dass aus diesen Gründen bevorzugt Großunternehmen für Grundlagenforschung infrage kämen, was als wichtiges, jedoch umstrittenes Argument zugunsten der Unternehmenskonzentration angeführt wird. Ansonsten wird sie vorwiegend von privaten und öffentlichen (Non Profit-)Instituten betrieben wie Hochschulinstituten, Max-Planck-Gesellschaft, Batelle-Institut, Fraunhofer-Gesellschaft etc. Unter angewandter Forschung (auch Zweckforschung) sind alle Aktivitäten zur Gewinnung und Weiterentwicklung von Wissen und Fähigkeiten zu verstehen, die der Lösung praktischer Probleme in der Technik dienen sollen. Sie stützt sich dabei auf Ergebnisse der Grundlagenforschung, auf anwendungsorientiertes Wissen und praktische Erfahrungen. Als Zweck dient die Findung neuer Fähigkeiten mit praktischer Anwendbarkeit. Sie ist in ihrer Themenstellung bereits mehr oder minder stark durch die Umsetzbarkeit des Themas beeinflusst. Er-

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gebnis sind oftmals Erfindungen als Grundlage neuer oder verbesserter Produkte oder Prozesse. Ist sie hingegen auf die Gewinnung neuer wissenschaftlicher oder technischer Erkenntnisse gerichtet und vornehmlich am Ziel der praktischen Anwendbarkeit ihrer Ergebnisse orientiert, handelt es sich um den Bereich der Technologieentwicklung. Diese ist im betriebswirtschaftlichen Zusammenhang dominant. Die (Neu- oder Weiter-)Entwicklung hat die Nutzung dieser Erkenntnisse und Erfahrungen mit dem Ziel zum Inhalt, zu neuen oder verbesserten Produkten oder Prozessen zu gelangen, die marktfähig sind. Dabei unterscheidet man die Neuentwicklung bei neuen Erkenntnissen und Erfahrungen oder die Weiterentwicklung bei modifizierten Erkenntnissen und Erfahrungen. Beide beziehen sich auf die nächste bzw. übernächste Produktgeneration gegenüber der gegenwärtig verfügbaren und haben dabei die Anforderungen der produktionstechnischen Umsetzung zu berücksichtigen. Die Entwicklung kann wiederum unterteilt werden in die Phasen der Vorentwicklung, die mit der Erbringung von Funktionsnachweisen endet, sowie der Produkt- bzw. Prozessentwicklung, die eine konkret vermarktungsfähige Umsetzung auf Basis des vorhanden Wissens anstrebt. Produktentwicklung hebt auf die Einführung eines neuen Produkts im Markt ab, Prozessentwicklung auf das Anfahren eines neuen Prozesses in der Unternehmung. Beides wird auch als Erprobung bezeichnet. Die Erprobung von Erzeugnissen und Verfahren dient der Umsetzung funk­ tionsfähiger Erstmuster, der Fertigungsfreigabe bis zur Vorserie und deren Optimierung in einer Nullserie als Vorläufer der eigentlichen Auflage. Ziel ist insofern die Herstellung der Marktreife. In der Vorentwicklung wird der Funktionsnachweis einer technischen Problemlösung erbracht, danach kommt es zum Prototypenbau. Gerade bei komplexen Problemlösungen ist der Prototyp oft die einzige Chance, einen verlässlichen, praktischen Funktionsnachweis zu erhalten. In steigendem Umfang werden auch Computersimulationen / CAD anstelle von Prototypen eingesetzt. Nicht nur das resultierende Produkt muss einem Prototyping unterworfen werden, sondern auch die Produktionswerkzeuge, sofern, was der Regelfall ist, nicht mit bestehenden Werkzeugen weitergearbeitet werden kann. Schließlich wird beides einzeln optimiert und gemeinsam erneut getestet (Probelauf). Dabei muss die Qualität des Produktergebnisses vom Serienanlauf an „total“ i. S. v. Total Quality Management / TQM sein. Anlaufbedingte Qualitätseinschränkungen werden von Nachfragern schon lange nicht mehr hingenommen (siehe Elchtest / Mercedes-Benz A-Klasse, Unfallserie MCC Smart / Audi TT). Zur Verkürzung der Vorentwicklungszeiten wird versucht, das Prototyping soweit wie möglich in die Technologieentwicklung zu integrieren, damit sich keine „Schleifen“ als wiederholte Arbeitsgänge bilden, wenn am Prototyp Unzuläng-

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lichkeiten festgestellt worden sind, die zu einer Überarbeitung der Technologieentwicklung zwingen und damit zu einem zweiten Durchlauf bereits durchgeführter Arbeitsphasen. 21.3 Kernkompetenzen Eine Kernkompetenz ist eine Kombination mehrerer Ressourcen, durch die sich eine Unternehmung langfristig vom Mitbewerb absetzt und durch deren Transfer auf eine Vielzahl von Anwendungen, Produkten und Märkten den heutigen und zukünftigen Kunden ein erheblicher Nutzen angeboten wird. Bei diesen Ressourcen handelt es sich um • materielle Ressourcen wie maschinelle Anlagen, Grundstücke, Gebäude, ITHardware, Kommunikationsnetze, Logistikfazilitäten etc., • organisatorische Ressourcen wie Planungs- und Kontrollsysteme, Strukturorganisation, Prozessorganisation etc., • immaterielle Ressourcen wie Rechte in Form von Daten, Markenzeichen, Schutzrechten auf Wissen, Lizenzen, Verträgen etc., • immaterielle Ressourcen wie Image, Bekanntheit, Marktstanding, Reputation, Kundenvertrauen etc., • Humanressourcen wie Können / Fähigkeiten der Mitarbeitenden, Motivation, Corpsgeist, Unternehmenskultur, Werthaltung etc., • spezifische Unternehmensfähigkeiten wie Beschaffung, Kosteneffizienz, Auslandsmarktbearbeitung, Qualität etc., • Metakompetenzen wie Innovationsfähigkeit, Kooperationswilligkeit, Umsetzungsstärke, Flexibilität etc. Die Kernkompetenz entspricht dem Inside out-Denken der Unternehmen (Ressourcenorientierter Ansatz / Penrose). Dieses wurde als Gegenpol zum Outside in-Denken (Marktorientierter Ansatz / Porter) entwickelt. Letzterer ging davon aus, dass eine Unternehmung sich in ihren Aktivitäten an den Bedürfnissen des Markts bzw. der Marktkräfte auszurichten hat, ersterer geht davon aus, dass der Markt seine Bedürfnisse entweder gar nicht kennt, unrealistische Forderungen an Anbieter stellt oder seine Ansprüche ausgesprochen schnelllebig ändert. Folgt man diesen Annahmen, ist eine Ausrichtung der Unternehmung am Markt nicht unbedingt sinnvoll. Vielmehr ist es umgekehrt sinnvoll, besondere, unternehmensspezifische Fähigkeiten zu identifizieren und die Märkte dann so zu gestalten, dass sie die daraus resultierenden Leistungen akzeptieren und vor allem honorieren. Dazu ist im ersten Schritt zu bestimmen, welche Unternehmensfähigkeiten überhaupt kernkompetenzfähig sind. Im zweiten Schritt geht es dann darum zu prüfen, inwieweit die Märkte entsprechend diesen Fähigkeiten tatsächlich beeinflusst werden können. Kernkompetenzen gehen deutlich über den Bran-

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chenstandard hinaus, sie sind wettbewerbsstärker als bloße Schlüsselfähigkeiten und sie leisten, anders als Potenziale, einen hohen Beitrag zum Kundennutzen. Zur Bestimmung der Kernkompetenzfähigkeit gilt das VRIO-Schema (Barney) als Denkmodell. Danach sind Voraussetzungen für Kernkompetenzfähigkeiten folgende (siehe Abb. F38): • Relevanz für den Bedarf einer genügend großen Nachfragergruppe am Markt (Value), • Hinreichende wettbewerbliche Alleinstellung und fehlende Substitutionsgefahr (Rareness), • Wirtschaftliche Hebelwirkung durch eingeschränkte / fehlende Nachahmbarkeit (Imperfect Imitability), • Fit mit der Unternehmenskultur durch hohe Spezifität (Organisational Specificity).

Abbildung F38: Anforderungen an Kernkompetenzen (eig. Abb.)

Weitere Merkmale sind folgende: • Dauerhaftigkeit der Wirkung, wirtschaftliche Verwertbarkeit, Undurchschaubarkeit der Ursachen für Außenstehende, Komplexität der Ressourcen. Fähigkeiten, die kumulativ diese Voraussetzungen erfüllen, sind kernkompetenzfähig, ob sie dann vom Markt auch als solche angesehen werden, zeigt der Markt. Fähigkeiten, die aber diese Voraussetzungen nicht durchgängig erfüllen, sind nicht einmal kernkompetenzfähig und bieten damit allenfalls die Möglichkeit zur passiven Marktanpassung. Wichtig ist, dass eine Kernkompetenz immer eine neue oder überlegene Pro­ blemlösung darstellt, aber keinesfalls ein Produkt. Denn Produkte unterliegen Lebenszyklen und Kernkompetenzen, die über Produkte definiert werden, drohen damit am Ende ihres Lebenszyklusses unterzugehen. Doch Unternehmen müssen deutlich länger leben können als Produkte. Das Erfordernis zur Problemlösung bleibt immer gleich, die Produkte, mit denen diese erreicht wird, hingegen verän-

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dern sich. So gab es immer den Bedarf für Logistiklösungen, die Produkte, mit denen diesen Rechnung getragen wurde, wechselten jedoch stetig und werden auch in Zukunft stetig wechseln. Vielfach wird hier ein entscheidender Fehler begangen, indem Kernkompetenzen immer noch produktorientiert definiert werden. 21.4 Prozessmanagement 21.4.1 Geschäftsprozesse

Geschäftsprozesse sind wegen der aufbauorganisatorischen Dominanz der Vergangenheit betrieblich häufig nicht hinreichend dokumentiert, so dass zunächst eine Istbestandsaufnahme erforderlich wird, z. B. in Form der ereignisgesteuerten Prozesskette (Blueprint). Auf Basis dieser Information kann ein zielgerichtetes Geschäftsprozessmanagement angestrebt werden. Dabei wird vor allem nach folgenden Verbesserungspotenzialen gesucht: • Strukturverbesserungen wie ein möglichst seltener Wechsel der befassten Organisationseinheit durch Bündelung bei Process Owners, dadurch kommt es zu einer Verminderung von Informationsverlusten, Liegezeiten, Mehrarbeiten etc., • Steuerungsverbesserungen wie im Rahmen teilautonomer Arbeitsgruppen, • Ablaufverbesserungen wie das Parallelisieren seither sequenziell ablaufender Prozessstufen, das Standardisieren oder Eliminieren von Prozessen, die keine weiteren Aktivitäten auslösen oder abschließen, • möglichst geringe informationstechnische Brüche durch voll elektronisch geführte Datenverarbeitung mit enger informationeller Vernetzung (ERP), • Unterdrückung von Ereignissen, die nicht wertschöpfend sind (= Blindleistungen), • Vergleich unternehmenseigener Prozesse mit unternehmensfremden, maßstabsetzenden Prozessen (= Benchmarking). Prozessverbesserungen können zwar von der Basis an die Unternehmensspitze vorgeschlagen werden, also Bottom Up, müssen aber von der Unternehmensspitze bis an die Basis durchgesetzt werden, also Top Down. Die Informationsverarbeitung ist deshalb bedeutsam, weil sie bei der Analyse von Geschäftsprozessen hilft, aber auch, weil sie die Organisationsabläufe durch Workflow-Systeme unterstützt. Dazu gibt es umfangreiche Standard-Software (ERP-Programme wie SAP, Oracle), aber auch individualisierte Programmierungen mit wahrscheinlichen Kosten- und Zeitnachteilen, dafür aber Nutzenvorteilen. Prozessmanagement ist immer auch Querschnittsmanagement. Um die daraus resultierenden Schnittstellen zu vermindern, werden Prozessbeauftragte (Pro-

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cess Owner) eingesetzt, die einen kompletten Geschäftsprozess funktionsübergreifend verantworten. Dazu gehört insb., die Geschäftsprozesse zunächst ausreichend zu dokumentieren und entlang dieser Prozesse ein Qualitätsmanagement aufzubauen. Die Modellierung der Prozesse erfolgt grafisch als Programmablauf- oder Flusspläne. 21.4.2 Prozessgestaltung 21.4.2.1 Inhalt

Ein Prozess ist eine logisch zusammenhängende Abfolge von Aktivitäten, die eine bestimmte Leistung zielgerichtet innerhalb eines vorgegebenen Zeitraums nach reihenfolgebezogenen Regeln erstellen. Der Prozess ist inhaltlich abgeschlossen, hat ein definiertes, internes oder externes Ausgangsereignis (Quelle), eine definierte Transformation (Einsatz von Produktionsfaktoren als Ressourcen) und ein definiertes Ergebnis (Senke). Durch Kombination von Input und eigenen Ressourcen entsteht eine betriebliche Wertschöpfung als Differenz von Zukaufkosten und Markterlös der Leistung. Diese Wertschöpfung deckt den betrieblichen Ressourceneinsatz ab und lässt im besten Fall einen Residualgewinn übrig. Ziel der Prozesssteuerung ist die Optimierung unter Einbeziehung von direkten und indirekten Aktivitäten im Hinblick auf erhöhte Effektivität, gesteigerte Effizienz, schnellere Adaptationsfähigkeit und verbessserte Kostentransparenz. Sie erfolgt bereichsübergreifend und unter Beachtung der gegenseitigen Abhängigkeiten. Die partielle Zielmaximierung wird damit zugunsten einer die Interdependenzen berücksichtigenden umfassenden Verantwortung überwunden. Dies erfordert ganzheitliches Denken und Handeln, verstärkte Eigeninitiative, zunehmende Verantwortungsbereitschaft und ein internes Kunden-Lieferanten-Denken. Zunächst ist dazu die Verantwortlichkeit für Prozesse festzulegen (Process Ownership). Dabei muss bereichsübergreifend der gesamte Prozess mit seinen komplexen Wirkzusammenhängen beurteilt werden können. Dazu gehören die Definition der Prozesse und Teilprozesse, die Identifikation der Schnittstellen zwischen Prozessen, die Spezifikation der Input-Output-Beziehungen, die Dokumentation der Prozesse, die Bestimmung von Anforderungen an jeden Prozess und die Abstimmung mit Kunden und Lieferanten sowie die Festlegung von Messgrößen, Messpunkten und Methoden der Erfolgsmessung. Weiterhin sind die Zusammenstellung eines Koordinationsteams und die Beschreibung des Ist-Zustands notwendig. Danach folgt eine Schwachstellen-Analyse. Fehlerquellen sind ausfindig zu machen und Ursachen dafür zu bestimmen. Entsprechend ist der Prozess so zu verändern, dass er verbessert abläuft. Dabei ist eine Aufwands-Nutzen-Analy-

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se erforderlich, die im Zweifel besagt, den Prozess nicht zu verändern, sondern völlig neu zu definieren (Reengineering). Anschließend sind die neuen, veränderten Prozesse zu beobachten und erforderlichenfalls rechtzeitig zu korrigieren. Ziel ist ein gegenüber Störeinflüssen unempfindlicher Prozess (Robust Design). Dazu dienen statistische Kennzahlen zum Ausweis der Prozessbeherrschung und Prozessfähigkeit. Erstere ist durch die Stabilität der Niveau- und Mittenlage eines Prozesses gekennzeichnet (die Mittelwerte schwanken dann lediglich zufallsbedingt), letztere durch die Gleichförmigkeit funktionserfüllender Prozesse innerhalb vorgegebener Toleranzen. Die Stabilität kann in der Prozesssteuerung beeinflusst werden, die Gleichförmigkeit hingegen normalerweise nicht. Toleranzeinhaltung bedeutet aber keineswegs Fehlerfreiheit. Die Prozesse werden nach ihrer Komplexität unterschieden in • Geschäftsprozesse auf der Gesamtunternehmensebene (auch Schlüssel- oder Hauptprozesse), • Teilprozesse auf Bereichs-/Hauptabteilungsebene (auch Subprozesse) und • Elementarprozesse (Aktivitäten) auf Abteilungsebene (siehe Abb. F39).

Abbildung F39: Aufbau eines Geschäftsprozesses (eig. Abb.)

Weitere Unterscheidungen beziehen sich auf den • Prozessgegenstand als materielle Prozesse Güter und Gelder betreffend oder informationelle Prozesse für Kommunikation und Rechte, • Wertschöpfungsbezug als primäre Prozesse für produktive Nutzleistung oder sekundäre Prozesse für unproduktive Stützleistung. Prozesse laufen nicht isoliert ab, sondern sind untereinander in vertikalen Prozessketten verbunden. Suboptimal gestaltete Prozesse haben gravierende Nachteile für den Unternehmenserfolg, u. a.: • niedrige Produktivität, Kundenunzufriedenheit, hohe Fehlerquote, Nachbesserungsbedarf, lange Durchlaufzeiten, hohe Kosten, fehlende Transparenz,

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mangelnde Termintreue, mangelnde Flexibilität, unausgeschöpfte Erfolgspotenziale, demotivierte Mitarbeitende. 21.4.2.2 Ablauf

Die Prozessgestaltung erfolgt in mehreren Phasen. Bei der Prozessdefinition können referenzgestützte Standardprozessmodelle zugrunde gelegt werden oder aber unternehmensindividuelle Prozessmodelle. Für die Standardprozessmodelle gibt es umfangreiche informationelle Unterstützung (SAP, Oracle, Navision etc.), allerdings müssen die Betriebsbedingungen dieser Referenz möglichst exakt nachgebildet werden. Für Individualprozesse können die Betriebsbedingungen zwar unverändert bleiben, jedoch ist eine unternehmensspezifische Unterlegung mit Informationsnetzen erforderlich, die sehr kostenintensiv und auch fehleranfällig ist. In der Analysephase werden für jeden Prozess die relevanten Elemente, so der Prozessgegenstand, die Prozessinputs und -outputs, der Prozessablauf, die dazu benötigten Ressourcen, die Schnittstellen zu anderen Prozessen, Prozessverantwortliche etc., erfasst. Dazu werden alle Tätigkeiten nach Verrichtungen und Objekten aufgelöst und in den Gesamtzusammenhang einer Prozesslandschaft gestellt. Als Mittel dazu dienen die Verfahren der Arbeitsanalyse. Bei der Prozessstrukturierung wird ein Gestaltungsraster zugrunde gelegt. Maßgaben sind etwa folgende: • Aktivitäten, die in zwei oder mehr Stellen ablaufen, sollen in einer Stelle zusammengefasst werden, • Aktivitäten, die manuell erfolgen, sollten stattdessen automatisiert erfolgen, • zusammenhängende Aktivitäten sind in einem Teilprozess zu bündeln, • Fremdkontrollen sollen durch (eingebaute) Selbstkontrollen ersetzt werden, • Fehlervermeidung geht vor Fehlernachbesserung, • Aktivitäten sind nach Möglichkeit zu parallelisieren, um Zeit gegenüber sequenziellem Ablauf einzusparen, • Schleifenbildung (Redundanz) ist zu vermeiden, • alle Prozesse sind detailliert zu dokumentieren (Organisationshandbuch), • für jede Aktivität ist ein Prozessverantwortlicher zu bestimmen, • bei Kapazitätsengpässen sind Prioritätenregelungen zu schaffen, • Autonomiebereiche in der Gestaltung sind genau zu definieren, • es ist eine Reduktion der Zahl der Prozessschritte anzustreben (Quantitätsstruktur),

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• ebenso ist eine Reduktion der Schnittstellen anzustreben, • alle Aktivitäten sind dahingehend zu prüfen, ob sie schadlos eliminiert werden können, • jeder Prozessschritt ist auf Verbesserungen hin zu prüfen, • Engpässe müssen eliminiert werden, denn sie limitieren das gesamte Erfolgsniveau, • ein unmittelbares Feedback zu jedem Prozessschritt ist sicher zu stellen. Die Prozesseinführung erfolgt zumeist als Pilot oder zumindest in schrittweiser Umsetzung nach Abteilungen, Bereichen, Standorten etc. Dies erhöht zwar die Kosten gegenüber einer abrupten Umstellung (Big Bang / Scharfschaltung), vermindert jedoch erheblich das Risiko bei beinahe unvermeidlichen Suboptimalitäten. Nach der Einführung ist eine stetige Prozessoptimierung angezeigt. Diese erfolgt durch Abgleich der entwickelten Prozesslandschaft mit den tatsächlichen Prozessabläufen. Insofern handelt es sich nicht um einen in sich abgeschlossenen Vorgang, sondern vielmehr um einen revolvierenden. Für die Prozessoptimierung ergeben sich vielfältige Ansatzpunkte, u. a. folgende: • Reduktion der Zahl der durchlaufenen Prozessschritte zur Durchlaufzeitenverkürzung, • Schaffung klarer Verantwortlichkeiten für den Prozess und einzelne Prozessschritte mit Selbst- statt Fremdkontrolle, • Verbesserung der Arbeitsbedingungen, • Verringerung der Bestände, • Substituieren von Prozessen durch andere Prozesse, • Standardisieren analog einem vorgegebenen Regelwerk, • Flexibilisieren durch fallweise Regelung durch Mitarbeitende (Job Enrichment), • Outsourcen von Prozessschritten / Prozessen, die nicht die eigene Kernkompetenz tangieren, an Dritte, • Insourcing von Prozessschritten / Prozessen von Kunden oder Lieferanten, • Modularisieren von Prozessschritten, die in unterschiedlichen Prozessen eingesetzt werden, • Etablieren einer Qualitätssicherung, • Verbinden von Prozessen zwischen verschiedenen Unternehmen als Netzwerk, • Entflechten von Prozessen zwischen verschiedenen Unternehmen zur Komplexitätsreduktion,

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• Dezentralisieren von Kompetenzen / Aufgaben in der Frontline auf verschiedene Organisationseinheiten, • Zentralisieren von Kompetenzen / Aufgaben im Back Office in Zentralbereichen.

21.4.3 Prozessmodell

Jegliche Leistungserstellung erfolgt in Prozessen bzw. Prozessketten. Bei einem Geschäftsprozess handelt es sich speziell um die planvolle Transformation von Input zu Output unter Einbringung von Eigen- und Fremdleistungen derart, dass die Erstellungskosten dafür niedriger sind als der Markterlös. Solche Geschäftsprozesse sind eine Folge von einzelnen Funktionen bzw. Aufgaben oder Aktivitäten, die nacheinander, seriell, oder nebeneinander, parallel, sich gleichartig wiederholend ablaufen. Sie werden von Ereignissen ausgelöst und durch Ereignisse abgeschlossen. Sie laufen üblicherweise bereichsübergreifend ab und sind durch ihre Wiederholung einer Standardisierung zugänglich. Am Anfang jedes Prozesses steht eine Quelle, an dessen Ende eine Senke, dazwischen erfolgt die zielgerichtete, also wertschöpfende Transformation des Inputs in einen Output. Man unterscheidet finanzwirtschaftliche Prozesse wie Finanzierung, Investition, Zahlungsverkehr etc., warenwirtschaftliche Prozesse wie Beschaffung, Produktion, Absatz etc. sowie informationelle Prozesse (intern, extern). Die Anforderungen an Geschäftsprozesse sind vielfältig (siehe Abb. F40): • Der Prozess soll so kostengünstig wie möglich erfolgen, d. h., die Kosten der Wertschöpfung sollen minimiert werden, um bestmögliche Gewinnvoraussetzungen zu schaffen. Bei den Prozesskosten handelt es sich um leistungsmengeninduzierte Kosten, genauer die relativen Einzelkosten des Prozesses sowie leistungsmengenneutrale Kosten als Gemeinkostenanteil des Prozesses. Ziel ist hier eine Maximierung der Kapazitätsauslastung zur Vermeidung von Leerkosten. • Der Prozess soll so beschleunigt wie möglich ablaufen, d. h., die Zeitspanne, die zur Wertschöpfung benötigt wird, soll minimiert werden, dadurch werden die Kapazitäten besser ausgeschöpft und die Fixkosten verteilen sich. Bei den Prozesszeiten ist zu unterscheiden in die eigentliche Durchführungszeit und dazu unvermeidliche Rüstzeiten sowie Verteilzeiten durch (innerbetrieblichen) Transport und Lagerung. Diese Verteilzeiten bedeuten Kapitalbindung im Umlaufvermögen und sind daher unbedingt zu minimieren. • Der Prozess soll sich absolut mangelfrei vollziehen, d. h., die Qualität des Prozesses soll maximiert werden, denn Fehler werden vom Markt unnachsichtig bestraft. Bei der Qualitätsanforderung geht es um die Erfüllung der technisch-objektiven Qualität, mehr aber noch um die Erfüllung der wahrneh-

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mungsbezogen-subjektiven Qualität. Die Prozessqualität wird durch Zertifizierung (DIN ISO 9000 ff.) objektiviert geprüft und bestätigt. • Der Prozess soll auch auf bestmöglichem Informationsstand stattfinden, damit Ineffizienzen vermieden werden können. Beim Informationsgrad soll ein möglichst hoher Anteil der in der Organisation tatsächlich verfügbaren an allen vorhandenen Informationen erreicht werden. Dadurch kann eine potenziell bessere Entscheidungsfindung erreicht werden. Die Unternehmung verfügt über verschiedene Stellgrößen zur Prozessgestaltung. Dazu gehören die • Festlegung der zur Bearbeitung notwendigen Aktivitäten, • Zuordnung dieser Aktivitäten zu Stellen bzw. Abteilungen, • zur Bearbeitung der Aufgaben einzusetzenden Mittel und Methoden, • zur Unterstützung einzusetzende informationelle Vernetzung, • Make or Buy-Entscheidung für jede dieser Aktivitäten. • Zusammenlegung von Funktionen zur Vermeidung von Schnittstellen (Process Ownership), • Parallelisierung von Tätigkeiten zur Zeiteinsparung, • Standardisierung von Aufgaben zur Verhinderung von Sonderprozessen, • Bündelung von Prozessen zur Erreichung von Rationalisierungseffekten, • Eliminierung unnötiger Arbeitsschritte.

Abbildung F40: „Magisches Viereck“ der Anforderungen an Geschäftsprozesse (eig. Abb.)

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Die Anforderungen sind allerdings konflingent, d. h., die Erreichung eines dieser Teilziele, Kosten, Zeit, Qualität oder Information, behindert womöglich die Erreichung der anderen. Endziel jedes Geschäftsprozesses ist die Wertschöpfung, d. h., die Erzielung eines Preises für eine Leistung am Markt, der über den addierten Kosten des eigenen Faktoreinsatzes und der zugekauften Vorleistungen liegt und damit ein Gewinnresiduum ermöglicht. Auch darin sind alle Unternehmen im marktwirtschaftlichen System gleich.

21.4.4 Wirkungsgrad als Leistungskenngröße

Erfolgreichere Unternehmen unterscheiden sich von weniger erfolgreichen vor allem durch den besseren Wirkungsgrad ihrer Prozesse. Dieser entsteht aus der Aufteilung eines meist komplexen Prozesses in vier Teilprozessleistungen (siehe Abb. F41): • Die Nutzleistung (NL) als der eigentlich wertschöpfende Anteil der Produktion (direkt-positiv) soll maximiert werden, dabei handelt es sich um die erfolgszentralen Schlüsselprozesse, die primären Aktivitäten. • Die Stützleistung (SL), die zwar selbst nicht wertschöpfend ist, aber die Voraussetzungen zur Wertschöpfung schafft (indirekt-positiv), wird toleriert, ist aber so effizient (lean) wie möglich zu halten, dabei handelt es sich um die weniger wichtigen Supportprozesse, die sekundären Aktivitäten. • Die Blindleistung (BL), die nicht notwendig zur Wertschöpfung beiträgt, soll minimiert werden, z. B. Verschwendungen aller Art wie Wartezeiten, Kapazitätsengpässe, unnötige Vorratshaltungen, sind unbedingt zu vermeiden (wertneutral). • Und die Fehlleistung (FL), die wertvernichtend ist, muss komplett verhindert werden, dazu dient die Qualitätspolitik mit dem Postulat der Null-Fehler-Toleranz.

Abbildung F41: Elemente des Wirkungsgrads (eig. Abb.)

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Der Wirkungsgrad ergibt sich als Quotient aus Nutzleistung (NL) zu gesamter Prozessdauer. Der Erhöhung des Wirkungsgrads dient das Postulat des Lean Management. Lean Management zielt allgemein auf eine geringe Arbeitsteilung, eine weitgehende Entscheidungsdezentralisation, flache Hierarchien, die Einheit verschiedener dispositiver Aktivitäten, Teamarbeit und Pufferung der Abläufe ab. Im Vordergrund stehen Elemente wie Projektmanagement, Vielzweckarbeitseinsatz, Ausbildung von Schlüsselqualifikationen, Nutzung von Dispositionsspielräumen, Innovationspotenziale und permanentes Lernen. Dies bezieht sich im Einzelnen auf einen sinnvollen Automatisierungsgrad, eine flexible Anlagenauslegung (Mehrzweckmaschinen), einen geringen Änderungsaufwand (Standardprozess) und Wechselproduktion. Kennzeichnend ist dabei eine Prozessorganisation, die „quer“ zur gängigen Strukturorganisation verläuft. 21.4.5 Komplexitäten als Störgröße

Komplexität gilt heute als der wesentlichste Kostentreiber. Komplexitätskosten sind Kosten, die nur entstehen, weil eine Unternehmung so unüberschaubar arbeitet, wie sie ist und die vermeidbar wären, würde eine Komplexitätsreduktion erreicht. Im Detail können verschiedene Verursachungsgründe für vermeidbare Komplexitätskosten identifiziert werden: • breite Heterogenität, geringe Flexibilität, hohe Veränderlichkeit, starke Interdependenz, viele Freiheitsgrade der Entscheidung, turbulente Entwicklung, beschränkte Erfassbarkeit, ungewisse Problemlösung. Dies macht eine Prozesssteuerung enorm anspruchsvoll. Die Messung erfolgt anhand der Kennzahlen Prozessfähigkeit und Prozessbeherrschung: • Prozessfähigkeit meint die Validität des Ablaufs, eine hohe Prozessfähigkeit bedeutet also, dass ein Prozess genau so abläuft wie vorgesehen. Ein nicht-fähiger Prozess ist daher neu zu bestimmen. • Prozessbeherrschung meint die Reliabilität des Ablaufs, eine hohe Prozessbeherrschung bedeutet also, dass ein Prozess nicht nur einmalig / z ufällig genau so abläuft wie vorgesehen, sondern stetig. Ein nicht-beherrschter Prozess muss daher neu justiert werden. Als Zielgröße dienen fähige und beherrschte Prozesse, nicht-fähige und nicht-beherrschte Prozesse sind auszuschließen. Als Störgröße auf den Prozess­ ablauf wirkt dabei vor allem verbreitete Komplexität ein. Dafür gibt es mehrere Ursachen (siehe Abb. F42: Ursachen für Komplexitäten): • Marktkomplexität entsteht durch Mehrgeschäftsfeld-Unternehmen, resultierend aus Marktsegmentierung, Nachfragemacht, Kundenzahl etc. Abhilfe schafft die

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Dezentralisierung der Unternehmung in weitgehend unabhängige Einheiten mit Support durch Shared Service Centers. • Produktkomplexität entsteht aus der Proliferation des Angebots infolge fragmentierter Kundenanforderungen, resultierend aus technischem Fortschritt, Supportnotwendigkeit etc. Abhilfe schafft die Elimination unrentabler Produkte in der Programmbreite und -tiefe. • Produktionskomplexität entsteht durch Interdependenzen in der Fertigung, resultierend aus kundenspezifischer Fertigung, Arbeitsteilung, Material-, Tech­nologie-, Prozessvielfalt, verschiedenen Standorten etc. Abhilfe schaffen Modularisierung, Baukastensystem, Pakettierung, Postponement und Gleichteileeinsatz. • Organisationskomplexität entsteht durch die absolute Größe von Unternehmen und ihr „Silo“-Denken, resultierend aus Internationalität, Diversität, Leitungstiefe, Vernetzung, Aufgaben, M&A’s etc. Abhilfe schafft eine Aufspaltung von Unternehmen in handhabbare Einheiten.

Abbildung F42: Ursachen für Komplexitäten (eig. Abb.)

Zur Vermeidung daraus resultierender Unwirtschaftlichkeiten sind die Komplexitätsvermeidung durch Vorbeugung, die Komplexitätsbeherrschung zur Begrenzung und die Reduktion bereits bestehender Komplexitäten erforderlich. Empfehlenswerte Maßnahmen sind folgende: • Schlanke Prozesse, also solche ohne oder mit möglichst wenig Schleifen. Sie schaffen eine vollständige Transparenz über den Status jedes Entscheidungsobjekts, über die nächsten Schritte, die Termineinhaltung und Zuständigkeiten für Aktivitäten. • Konzentration auf Kernprozesse, also strategisch bedeutsame Aktivitäten. Dies befreit von Ballast und erlaubt die Fokussierung auf Potenziale, die komparative Wettbewerbsvorteile zu schaffen imstande sind. • Flache Hierarchien und Verlagerung der Entscheidung auf die niedrigstmögliche Stufe. Dadurch werden Informationsverzerrungen („Stille Post-Prinzip“)

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vermieden, die Fähigkeiten der Operative genutzt und die Motivation der dort tätigen Mitarbeitenden gestärkt. • Kommunikationsmedien zur Informationsaufnahme, -speicherung, -verarbeitung und -weiterleitung. Dadurch können Prozesse dezentral gesteuert und koordiniert (Effizienzerhöhung) und dadurch wiederum bessere Entscheidungen getroffen werden (Effektivitätserhöhung). Es steht zu vermuten, dass durch die fortgeschrittenen Konzentrationsaktivitäten der letzten Jahrzehnte viele Unternehmen bereits ihre optimale Aktionsgröße überschritten haben, d. h., die Unternehmung könnte durchaus kostengünstiger arbeiten, wäre sie überschaubarer. Eine optimale Aktionsgröße ist dort erreicht, wo Kostendegression infolge von Größeneffekten und Skalenerträgen einerseits und Kostenprogression infolge vermeidbarer Komplexitäten andererseits ein Gesamtkostenminimum ergeben (siehe Abb. F43). Bei Komplexitätskosten handelt es sich allerdings um schwer nachweisbare Opportunitätskosten, jedoch wird die Unternehmensgröße als wesentlich ursächlich dafür angesehen. Außerdem ist „Managerial Ego“, also irrationale Motive des Topmanagements, eine starke Triebfeder für Unternehmensgrößen weit jenseits der optimalen. Diese Unternehmen erweisen sich dann allerdings als kaum mehr effizient steuerbar. Die daraus entstehenden Defizite führen zu schweren Krisen. Dennoch hat sich die Befürchtung am Ende monopolisierter Märkte nicht bestätigt, denn immer, wenn ein Anbieter zu monopolisieren droht, bilden sich Gegenbewegungen mit dem Ziel der Kraftverteilung (z. B. Microsoft vs. Linux / Apple). Andererseits ist ggf. nur der Marktführer von den negativen Konsequenzen des Wettbewerbs ausgenommen, so dass es sich lohnt, diese Position anzustreben.

Abbildung F43: Optimale Aktionsgröße (eig. Abb.)

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Auf dieser Basis lassen sich vielfache Verlustquellen identifizieren wie • Anlagenausfall, Rüst-/Einrichtezeiten, Leerlauf / Kurzstillstand, verringerte Taktgeschwindigkeit, Ausschuss / Nacharbeit, Anlaufprobleme etc. Diese können vermieden werden durch Einhaltung von Prinzipien wie • Verkürzung der Durchlaufzeiten, Reduktion von Schnittstellen, Wegfall von Schleifen, Parallelisierung von Abläufen, Eliminierung von Blindleistungen, inkrementale Verbesserung, Überwindung von Engpässen, eindeutige Selbstverantwortung, schnelles Feedback, Vermeidung von Verschwendung, Verbesserung der Arbeitsbedingungen, Verringerung der Bestände / Umlaufvermögen. 21.4.6 Business Process Reengineering

Die fundamentale Prozessveränderung wird im Konzept des Business Process Reengineering (BPR) manifestiert (Hammer / Champy). Es hat drei Wortbestandteile, die den Begriff vollständig erklären: • „Business“ bedeutet, es geht um die geschäftliche Wertschöpfung und die Erzielung von Komparativen Konkurrenzvorteilen (KKV’s) darin. • „Process“ bedeutet, es geht um die Rückführung dieser Erfolge auf einzelne betriebliche Vorgänge (Prozesse) und Tätigkeiten (Subprozesse und Aktivitäten). • „Reengineering“ bedeutet, es ist eine revolutionäre Veränderung der Prozess­ organisation beabsichtigt, an die sich dann erst eine evolutionäre Weiterentwicklung anschließt, also ein radikales Redesign statt ständiger Verbesserung. Ausgangspunkt ist dabei die Frage: Wenn diese Unternehmung heute mit dem jetzigen Wissensstand und beim gegenwärtigen Stand der Technik neu gegründet würde, wie würde sie dann aussehen? Reengineering bedingt damit das grundsätzliche Durchleuchten von Geschäftsprozessen (Prinzip des weißen Blatts / Tabula rasa). Ausgangspunkt ist die Frage, ob diese Prozesse überhaupt so notwendig und wie sie ideal zu gestalten sind. Es werden also keine inkrementalen Verbesserungen wie bei Kaizen angestrebt, sondern radikale disruptive. Zur Erreichung solcher „Quantensprünge“ gehört eine Bestimmung / Auswahl und eine Aufzeichnung / Konzentration der maßgeblichen Kern-Geschäftsprozesse bzw. Prozessketten, die Einarbeitung zum Verständnis dieser Prozesse, die Festlegung der Prozessverantwortlichkeiten, die Berücksichtigung der Auswirkungen ganzheitlicher Veränderungen und die Beachtung der Wertvorstellungen der Mitarbeitenden bei der Einführung der neugestalteten Prozesse, obgleich ein einseitiger Top down-Ansatz typisch ist. Dabei sind vor allem Kunden-Lieferanten-Über­ gänge (Interfaces) hinsichtlich ihrer Anforderungen zu klären und die Prozessbeherrschung durch Prozessregelung herzustellen.

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Ziel des BPR ist ein radikales, revolutionäres Redesign durch fundamentales Überdenken der gesamten Unternehmung statt einer kontinuierlichen, evolutionären Optimierung bestehender Prozesse (Kaizen) und ist als Reaktion darauf zu verstehen. Denn erstens ist Kaizen sehr langwierig und die Zeit dafür besteht nicht und zweitens versagt es, wenn bereits die Ausgangsbasis suboptimal war. Dies führt zu schmerzlichen Einschnitten in liebgewonnene Besitzstände, ist aber gerade dann, wenn Unternehmen es versäumt haben, in ihrer Entwicklung stets auf der Höhe der Zeit zu bleiben, oft noch die einzige Überlebenschance. BPR entspricht einer amerikanischen Philosophie und unterliegt damit in auf Konsens gegründeten, z. B. abendländischen oder fernöstlichen Gesellschaften starken Vorbehalten. Dazu folgt das BPR im Einzelnen vier Stufen: • Reframing bedeutet die Einstellungsveränderung im Selbstverständnis der Organisation und ihrer Mitarbeitenden dahingehend, was sie heute ist und wohin sie sich zukünftig progressiv entwickeln muss. Dies bedingt die Mobilisierung aller Energien, den Entwurf einer tragfähigen Vision und deren Operationalisierung durch Ziele und Messgrößen. • Restructuring bedeutet, die Organisation in die Lage zu versetzen, ein wettbewerbsfähiges Niveau finanzieller Ressourcen zu erreichen. Dazu sind die Ermittlung aller Ressourcen und deren Einbindung in die betriebliche In­ frastruktur erforderlich, die Wertschöpfungskette zu optimieren (z. B. durch Outsourcing) und der Ablauf der Geschäftsprozesse entsprechend umzugestalten. • Revitalizing bedeutet die Einbettung der Unternehmung in ihr Wettbewerbs­ umfeld durch Wachstum in existierenden Geschäftsfeldern und Innovation neuer Geschäftsfelder. Dies bedingt eine zentrale Kundenfokussierung, die Erschließung ertragreicher zukünftiger Geschäftsfelder und den konsequenten Einsatz leistungsfähigster IuK-Technologien. • Renewing bedeutet das permanente Lernen und die Erneuerung von Unternehmen und Belegschaft. Einzelne Bereiche / Mitarbeiter werden dabei zu integralen Bestandteilen einer vernetzten und verantwortlichen betrieblichen Gemeinschaft. Dazu bedarf es der Nutzung von Anreizsystemen wie z. B. Beteiligungsmodelle, kontinuierlichem individuellen Lernen und einer mentalen Auffrischung der gesamten Organisation. Entscheidend sind dabei drei Ansätze. Die Prozess-Idee bedeutet den Primat der Prozesse vor den Strukturen. Es werden Kernprozesse definiert, die strategisch relevant sind, also dauerhaft, begrenzt substituierbar, nicht imitierbar, ressourcennutzend und einen Wertzuwachs für Kunden erzeugend. Diese werden zu Kernkompetenzen erhoben und in Value Centers divisionalisiert. Daneben gibt es Supportprozesse, die begleitend notwendig sind, jedoch ohne Wertschöpfung ablaufen. Ziel ist es, vom Input in die Organisation bis zum Output an Kunden

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möglichst ohne organisatorische Schnittstellen auszukommen, also mit einem Mitarbeitenden bzw. einem Team von Mitarbeitenden (Operations). Dadurch sollen Komplexitäten reduziert und Synergien genutzt werden. Die Triage-Idee dient zur Klassifizierung. Ausnahmefälle, die in Kosten, Zeit, Information und Qualität nur schwer beherrschbar sind, werden behandelt, indem alle Geschäftsvorfälle nach abgestufter Problemhaltigkeit bzw. Routinisierung in drei Kategorien eingeteilt werden: Hoch problemhaltige, daher wenig routinisierbare komplexe Fälle, wenig problemhaltige, daher hoch routinisierbare einfache Fälle sowie mittlere Fälle, die definitionsgemäß dazwischen liegen. Auf diese Weise können jeweils komplette Prozessabläufe für jede dieser drei Fallarten optimiert werden. Komplexe Fälle behindern damit nicht die Abwicklung einfacher Fälle und umgekehrt. Die informationelle Vernetzung (virtuelle Organisation) fungiert als technische Voraussetzung. Unterschieden wird dabei in die interorganisationale Vernetzung zwischen Unternehmen, die interfunktionale Vernetzung innerhalb der Unternehmung und die interpersonale Vernetzung im Arbeitsteam. Diese dienen vor allem der Steigerung der Prozesseffizienz bzw. der Verminderung von Leerzeiten als Differenz aus wertschöpfender Zeit und insgesamt vergangener Zeit. Als Gegenteil zu BPR wird Kaizen (wörtlich: Wandel zum Guten, auch fortschreitende Verbesserung oder Kontinuierlicher Verbesserungsprozess / KVP) angesehen. Dies meint das Streben nach ständiger Verbesserung, Grundprinzi­ pien von Kaizen sind die Bildung von Leistungsmodulen in der Fertigung, also weder fraktionierte Einzelteile noch ein werkstattähnliches Totalprodukt, sondern ein mittlerer Komplexitätsgrad, die Bildung von Teams aus Mitarbeitenden mit multifunktionalen Einsatzmöglichkeiten, die als Eigner von Prozessen eigenverantwortlich denken und handeln, die Verringerung der Produktionstiefe durch konsequentes Outsourcing aller Aktivitäten (meist in Kooperation), denen nicht strategische Bedeutung zukommt sowie die vertikale Integration der Wertschöpfungskette durch Einbezug von Systempartnern, die exklusiv und langfristig in die Prozessgestaltung eingeplant werden (Interfusion). 21.5 Wertschöpfungskette 21.5.1 Wertkette als Denkmodell

Die Betrachtung der Wertschöpfung resultiert vor allem aus der prozessorientierten Sichtweise im Management. Sie geht auf Porter zurück und ist für ihn zentral, um Wettbewerbsvorteile zu erzeugen und zu verteidigen. Die Unternehmung wird dabei als Kette sequenzieller Funktionen angesehen, die sukzessiv betrieblichen Aufwand in Wertsteigerung transformieren. Wettbewerbsvorteile

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erringt diejenige Unternehmung, der diese Transformation am besten gelingt. Zu deren Erreichung ist oftmals eine mehr oder minder komplette Neugestaltung der Wertkette erforderlich. Wertschöpfung ist dabei allgemein die Differenz aus Umsatzerlösen (plus Lageraufbau, sofern vorhanden), abzüglich Material- und Dienstezukauf sowie Sollzinsen. Sie deckt somit den eigenen Faktoreinsatz und den Gewinn ab. Die Wertschöpfungsspanne ist die Differenz aus allem, was an Unternehmensaktivitäten vom Markt honoriert wird und den zugekauften Vorleistungen. Aktivitäten, die nicht vom Markt honoriert werden, sind somit nicht wertschöpfend und zu minimieren (Blindleistung). Die Wertschöpfung kommt im Rahmen der Prozesse im Zeitablauf entlang einer Wertschöpfungskette zustande. Zu deren Analyse bedarf es der Schritte der Definition der Wertkette, der Identifikation relevanter Wertaktivitäten, der Ermittlung bedeutsamer Verknüpfungen, der Ermittlung der Kosten und der Diagnose der Kostenantriebskräfte. Unternehmen unterscheiden sich in Bezug auf die Wertkettengestaltung vor allem darin, • wie sie innerhalb dessen ihre Geschäftsprozesse im Einzelnen vollziehen, also in Bezug auf ihre Wertschöpfungsstruktur, • wie lang sich die Prozesskette zwischen Input und Output erstreckt, die sie abdecken, also in Bezug auf ihre Wertschöpfungsbreite, • und ob sie diese Prozesse selbst erstellen oder fremd erstellen lassen, also in Bezug auf ihre Wertschöpfungstiefe. Die unternehmerische Wertkette kann in Anbetracht von zwei Erfolgspositionen jeder Unternehmung (Porter-U-Kurve) aus Kostenführerschafts- oder Differenzierungsaspekten analysiert werden. Innerhalb der Kostenführerschaftsanalyse ist die richtige Wertkette zu ermitteln und ihr sind relevante Kosten und Investitionen zuzuordnen. Dazu sind die Kostenantriebskräfte (Cost Drivers) jeder Wertaktivität und deren Wechselwirkungen zu diagnostizieren. Es werden die Wertketten der Konkurrenten ermittelt und deren relative Kosten sowie die Quellen von komparativen Kostenunterschieden festgestellt. Daraus wird entweder eine Strategie zur Verbesserung der relativen Kostenposition durch Kontrolle der Kostenantriebskräfte oder eine Neustrukturierung der Wertkette bzw. der vor- und nachgelagerten Wertaktivitäten entwickelt. Dabei ist sicher zu stellen, dass Bemühungen um Kostensenkungen die Differenzierung nicht unbeabsichtigt beeinträchtigen. Die Kostensenkungsstrategie ist außerdem auf ihre Dauerhaftigkeit hin zu überprüfen. Innerhalb der Differenzierungsanalyse ist zunächst zu ermitteln, wer die realen Abnehmer der Unternehmensleistung sind. Dies sind nicht Unternehmen, Institutionen oder Haushalte, sondern Personen (allein oder im Kollektiv), welche die allgemeinen Nutzungskriterien interpretieren und Signalkriterien bestim-

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men. Sodann sind die Abnehmerwertkette und der Einfluss der Unternehmung darauf zu ermitteln. Daraus leitet sich eine Rangfolge der Kaufkriterien für Abnehmer ab. Die Wertkette ist in Bezug auf bestehende oder potenzielle Quellen der Einmaligkeit zu bewerten. Die Kosten vorhandener und potenzieller Differenzierungsquellen sind zu ermitteln. Anschließend wird eine Zusammenstellung von Wertaktivitäten derart gewählt, dass die, an ihren daraus entstehenden Kosten gemessen, für Abnehmer wertvollste Differenzierung entsteht. Die gewählte Option ist auf ihre Dauerhaftigkeit hin zu überprüfen. Bei Aktivitäten, die sich auf die gewählte Differenzierungsform nicht auswirken, sind darüber hinaus die Kosten zu senken. 21.5.2 Wertkettenstruktur

In Bezug auf die Wertschöpfung werden Prozesse gemeinhin in Form einer Wertkette versinnbildlicht. Jede Wertschöpfung kommt in zwei Aktivitätsbereichen zustande, erstens dem Bereich der primären Aktivitäten. Hierbei handelt es sich um die Sektionen: • Eingangslogistik, also wie kommen Vorleistungen als Inputfaktoren in das Unternehmen, • Produktion, wie vollzieht sich die Kombination der Produktionsfaktoren, • Vertrieb, wie werden Nutzen konfiguriert und Preisbereitschaften bei diesen Kunden aktiviert, • Ausgangslogistik, wie gelangt das vermarktungsreife Leistungsergebnis an Kunden, • Kunndendienst, wie wird die Nachverkaufsphase abgedeckt. Dieser Bereich ist der eigentlich wertschöpfende, da nur hier Aktivitäten erfolgen, die vom Markt honoriert werden, weil sie den wahrgenommenen Wert einer Leistung steigern. Allerdings ist dieser Bereich allein nicht arbeitsfähig. Er bedarf vielmehr der unterstützenden Steuerung. Diese Aktivitäten aber sind selbst nicht wertschöpfend, sondern nur Voraussetzungen für die Wertschöpfung im primären Bereich. Es handelt sich um sekundäre Aktivitäten wie • Beschaffung der Leistungsfaktoren durch Marktsichtung, Anfrageneinholung, Angebotserstellung, Anbietervergleich etc., • Technologiemanagement, also die Informations- und Kommunikations-Struktur der Unternehmung, • Personalwirtschaft, also der Einsatz der Humanressourcen für exekutive und dispositive Tätigkeiten, • Unternehmensführung und Administration als General Management.

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Dieses Modell war insofern revolutionär, als die vordem als wichtig angesehenen Tätigkeiten des Managements nurmehr als „notwendiges Übel“ ausgewiesen (sekundär) und die vordem gering geschätzten Tätigkeiten in der Operative vielmehr als zentral angesehen wurden (primär) (siehe Abb. F44).

Abbildung F44: Wertkettenstruktur (eig. Abb.)

Ziel ist es, durch das Zusammenwirken der primären und sekundären Aktivitätsbereiche eine Wertschöpfung zu erzielen, welche die Kosten der eigenen Prozesse abdeckt sowie einen Gewinn erlaubt. Ein solcher Gewinn entsteht aber nur, wenn das, was die Unternehmung den bezogenen Vorleistungen an Wert hinzu addiert, höher ist als die für diese Anreicherung entstehenden Kosten. Der Gewinn kann gesteigert werden, indem die Kosten der Inputfaktoren gesenkt, die Kosten der eigenen Prozesse gesenkt oder die Preisbereitschaft am Markt erhöht werden. 21.5.3 Wertkettengestaltung 21.5.3.1 Wertschöpfungsbreite

In Bezug auf die Optimierung ist jede Unternehmung frei in der Gestaltung des Ausschnitts aus der gesamtwirtschaftlichen Wertkette, den sie selbst nach außen hin abdecken will (= Wertkettenbreite). Man kann sich die gesamte Wirtschaft dazu als eine Aneinanderreihung einzelbetrieblicher Wertketten vorstellen, bei der jede Unternehmung bestimmen muss, welchen Ausschnitt dieser Kette sie autonom realisieren will und welche Ausschnitte durch andere erbracht werden sollen. Die jeweils vorgelagerten Wertkettenstufen liefern den Input für die je-

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weils nachgelagerten. Die Unternehmung kann ihre Wertkette nach Wahl ausdehnen oder reduzieren. Eine Ausdehnung bedeutet, dass der Anteil der ­eigenen Wertschöpfung an der gesamtwirtschaftlichen Wertschöpfung steigt, eine Reduzierung bedeutet, dass der eigene Anteil daran sinkt. Will die Unternehmung den vorhandenen Ausschnitt ändern, ergeben sich dafür vier Möglichkeiten in zwei Richtungen zur Spreizung oder Kappung: • Eine Verkürzung der Wertkette in Richtung Quelle (Upstream) bedeutet, dass Wertschöpfungsstufen im Eingangsbereich aufgegeben werden. • Eine Verkürzung der Wertkette in Richtung Senke (Downstream) bedeutet, dass Wertschöpfungsstufen im Ausgangsbereich aufgegeben werden. • Eine Verlängerung der Wertkette in Richtung Quelle bedeutet, dass Wertschöpfungsstufen im Eingangsbereich hinzu genommen werden. • Eine Verlängerung der Wertkette in Richtung Senke bedeutet, dass Wertschöpfungsstufen im Ausgangsbereich hinzu genommen werden. Veränderungen können also rückwärtsgerichtet (= upstream) in Richtung vorgelagerter Wertkettenstufen oder vorwärtsgerichtet (= downstream) in Richtung nachgelagerter Wertkettenstufen erfolgen. Man kann sich dies in Analogie zu einem Fluss merken, hin zur vorgelagerten Quelle (Ursprung) bedeutet flussaufwärts, hin zu nachgelagerten Senke (Mündung) flussabwärts. In jedem Fall geht es um nach außen sichtbare Aktivitäten des Eingehens oder der Auflösung rechtlicher und / oder wirtschaftlicher Verbindungen. Eine (verlängernde) Spreizung erfolgt rückwärts, also in Richtung auf die Sicherung und Beeinflussung der Vorleistungsquellen, z. B. bei Reiseveranstaltern in Richtung Flug, Hotel, Vor-Ort-Betreuung, Erschließung, oder vorwärts, also zur Sicherung und Beeinflussung der Absatzstellen, z. B. bei Autoherstellern in Richtung Kfz-Dienstleistungen, Gebrauchtwagen, Kraftstoffe, Entsorgung. Beides kann Sinn machen, etwa wenn es darum geht, rückwärts gerichtet die Beschaffungsbasis in Form der zur Leistungsausführung erforderlichen Rohstoffe zu sichern oder mehr noch, vorwärts gerichtet die Absatzbasis. Denn die Ansprüche der Abnehmer führen dazu, dass die Distribution sich zunehmend zum Engpass für den Vermarktungs- bzw. Unternehmenserfolg entwickelt hat. Eine solche breit integrierte Wertschöpfung gilt jedoch heute als zu unbeweglich, um der Dynamik spezialisierter Märkte folgen zu können. Gegenteilige Signale gehen allerdings von der Internet-Branche aus (z. B. Google, Amazon). Insofern besteht ein Trend zu einer engeren Auslegung. Für diese (verkürzende) Kappung ergeben sich ebenfalls zwei Alternativen: Eingangs bedeutet eine Abgabe von Aktivitäten an vorgelagerte Wirtschaftsstufen (z. B. Grundstoffchemie / Covestro bei Bayer), ausgangs eine Abgabe von Aktivitäten an nachgelagerte Wirtschaftsstufen (z. B. Paypal bei Ebay). Diese

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Separierung kommt häufig auf Druck der Shareholders zustande, die sich durch eine Fokussierung auf die Kernkompetenzen eine höhere Rendite ihres in der Unternehmung eingesetzten Kapitals versprechen und in vor- oder nachgelagerten Aktivitäten nur eine suboptimale Bindung von Managementressourcen sehen. Dies widerspricht der traditionell propagierten Integration von Wertschöpfungsstufen unter einem Dach (u. a. zum Einbehalt von Zwischengewinnen) und entspricht dem modernen Denken in Kernkompetenzen. Häufig handelt es sich um eine Auslagerung im Finishing (z. B. Lizenzierung an Subunternehmer), in der Distribution (z. B. über Vertragshändler), in der Verwendung (z. B. durch Kundenbeteilung bei Dienstleistungen) oder im Kundendienst (z. B. Wartung durch Service Providers). 21.5.3.2 Wertschöpfungstiefe

Die Wertkettentiefe betrifft das Ausmaß der Verschränkung der eigenen Wertkette mit vor- bzw. nachgelagerten Wertkettenstufen nach innen. Es geht also im Wesentlichen um die Selbstherstellung oder den Fremdzukauf (Make or Buy-Entscheid). Der Anteil der eigenerbrachten Leistungen an der gesamten vermarkteten Leistung wird Fertigungstiefe genannt. Zunächst scheint eine möglichst große Fertigungstiefe erstrebenswert. Aber dies bedeutet nicht zwangsläufig auch ein Mehr an Gewinn, dann nämlich nicht, wenn Leistungen extern kostengünstiger zugekauft als selbsterstellt werden können. Da vielfältige Lerneffekte (Economies of Scope, synergieabhängig) und Erfahrungseffekte (Economies of Scale, mengenabhängig) vorhanden sind, ist die Wertschöpfung höher, wenn jeder Prozess, der nicht durch eine Kernprozess unterfüttert ist, stattdessen an darauf spezialisierte Anbieter ausgelagert wird. Es kommt zur Verringerung der Fertigungstiefe, zu weniger Wertschöpfung, aber mehr Gewinn, weil das Einkaufsvolumen unter den eigenen Opportunitätskosten liegt. Eine hohe Fertigungstiefe bedeutet, dass eine Unternehmung das Gros der Transformationsprozesse selbst vollzieht. Dies ist die Ausnahme, aber bei Unternehmen wie Zara / Inditex, Time-Warner oder Trigema durchaus beinahe zu 100 % der Fall. Eine niedrige Fertigungstiefe bedeutet, dass eine Unternehmung das Gros der Transformationsprozesse fremd beschafft. Dies erfolgt durch Outsourcing. Dieses führt, konsequent zu Ende gedacht, zur Bildung virtueller Unternehmen, d. h., von Unternehmen weitgehend ohne eigene primäre Aktivitäten. Diese beschäftigen sich zentral mit dem Aufbau und Unterhalt eines Strategischen Netzwerks bei sehr niedrigerer eigener Fertigungstiefe. Dies kann bis nahe 0 % gehen, wenn praktisch alle primären Aktivitäten fremdvergeben werden. Dies ist bei Unternehmen wie Dell, Red Bull, Adidas, Puma etc. gegeben, die deshalb auch als Virtual Companies bezeichnet werden. Durch diese Aufgabenteilung entsteht eine langfristige, institutionelle Arbeitsteilung innerhalb der

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Wertkette mit einer führenden (fokalen) Unternehmung als Koordinator rechtlich selbstständiger, wirtschaftlich aber mehr oder minder abhängiger anderer. Die Einbindung kann in wiederum in zwei Richtungen erfolgen, vorgelagert oder nachgelagert. Vorgelagert bedeutet, dass Vorleistungen statt selbst erstellt fremd zugekauft werden. Hier ist das Beschaffungsmanagement gefordert, verschiedene Möglichkeiten von Systempartnerschaften abzuwägen, welche die gewünschte, symbiotische Wirkung erzeugen. Dabei wird meist eine Hierarchie der Zulieferer zugrunde gelegt. Der B-t-B-Abnehmer steht unmittelbar nur in Kontakt mit den Tier 1, trägt jedoch durch entsprechende Zertifizierungen dafür Sorge, dass auch die Tier 2- bis n-Lieferanten seinen Anforderungen genügen. Jeder Zulieferer steht daher vor der Entscheidung, sich mit der Bereitstellung auch bislang sachfremder Leistungen zu befassen und sich damit als kompetenter Systemlieferant zu qualifizieren oder ins zweite oder dritte Glied zurückzutreten, d. h. eine Entscheidung hinsichtlich seiner Wertschöpfungsbreite zu treffen. Nachgelagert bedeutet, dass Folgeleistungen statt selbst erstellt fremd zugekauft werden. Dies entspricht auf beiden Seiten dem Konzept der Konzentration auf Kernaktivitäten. Um eine Absicherung der Verschränkung zu gewährleisten, werden die Partner etwa durch Kooperationen fest eingebunden. Die bisher dort investierten eigenen Kapazitäten werden freigesetzt oder in Kernaktivitäten eingebracht. Dadurch entstehen wieder übersichtliche, gut beherrschbare Prozesse, die eine verstärkte Marktdurchdringung ermöglichen. Somit entwickeln sich Wertschöpfungspartnerschaften als Win-Win-Konstellationen. Insofern ist durchaus auch ein Insourcing möglich (begrifflich nicht das Gegenteil von Outsourcing), indem Wertaktivitäten Dritter in die eigene Produktion aufgenommen werden. Dies ist in mehreren Abstufungen möglich: • als Montage durch Zulieferer an der Abnehmer-Produktionsstätte („virtuelle Fabrik“), • als Verlagerung von Fertigungs- und / oder Montageumfängen der Zulieferer in die Abnehmer-Produktionsstätte, d. h. als Arbeit vor Ort, • als Industriepark, d. h. Kernlieferanten siedeln sich an einem Ort in unmittelbarer Nähe ihres Abnehmers an, • als Joint Venture, d. h. Neugründung eines Gemeinschaftsunternehmens mit Zulieferern und Abnehmern. Im Rahmen des Business Process Outsourcing / BPO bezieht sich dieses Out­ sourcing nicht mehr nur auf primäre, sondern auch auf sekundäre Aktivitäten. Dabei kann es sich um wettbewerbsneutrale Bereiche handeln wie Fahrzeugflotte, Call Center, Catering, Reinigung, Factoring etc., zunehmend aber auch um wettbewerbsrelevante wie Forschung und Entwicklung, Informationswirtschaft

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oder Interimsmanagement. Outsourcings im primären Bereich betreffen Kontraktlogistik, Auftragsproduktion, Vertriebsorganisation oder Werkstattservice.

Literaturhinweise Bea, Franz Xaver / Haas, Jürgen: Strategisches Management, 4. Auflage, Stuttgart / Jena 2005 Corsten, Hans: Grundlagen der Wettbewerbsstrategie, Leipzig 1998 Dillerup, Ralf / Stoi, Roman: Unternehmensführung, 2. Auflage, München 2008 Ehrmann, Harald: Unternehmensplanung, 5. Auflage, Ludwigshafen 2007 Hinterhuber, Hans H.: Strategische Unternehmensführung I, 7. Auflage, Berlin / New York 2004 –– Strategische Unternehmensführung II: Strategisch handeln, 7. Auflage, Berlin u. a. 2004 Hopfenbeck, Waldemar: Allgemeine Betriebswirtschafts- und Managementlehre, 14. Auflage, München 2002 Holzbaur, Ulrich D.: Management, Ludwigshafen 2001 Hungenberg, Harald: Strategisches Management in Unternehmen, 5. Auflage, Wiesbaden 2008 –– Grundlagen der Unternehmensführung, 3. Auflage, Berlin u. a. 2007 Macharzina, Klaus / Wolf, Joachim: Unternehmensführung, 6. Auflage, Wiesbaden 2008 Müller-Stewens, Günter / Lechner, Chistoph: Strategisches Management, 3. Auflage, Stuttgart 2005 Porter, Michael E.: Wettbewerbsvorteile: Spitzenleistungen erreichen und behaupten, Frankfurt / New York 2002 –– Wettbewerbsstrategie: Methoden und Analyse von Branchen und Konkurrenten, 11. Auflage, Frankfurt a. M. / New York 2008 Steinmann, Horst / Schreyögg, Georg: Management, 6. Auflage, Wiesbaden 2005

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Übungsaufgaben 1. Was versteht man unter Business Process Reengineering (BPR) und wie geht dieses vor? 2. Was ist und wozu dient Wissensmanagement? 3. Was versteht man unter dem Geschäftsmodell einer Unternehmung? 4. Welche Erkenntnisse lassen sich aus dem Peters-Waterman-Ansatz „Auf der Suche nach Spitzenleistungen“ ableiten? 5. Im Management-Jargon ist der Begriff „Wertschöpfung“ weit verbreitet. Wenn man konkret nachhakt, was darunter zu verstehen ist, entsteht jedoch verbreitet eine erhebliche Diffusität. Daher an dieser Stelle die Frage: Was ist Wertschöpfung und wie kann diese gesteigert werden? 6. Welche Optionen zur Wertschöpfungskettengestaltung bestehen? 7. Welche Merkmale zeichnen Kernkompetenzen aus? 8. Nennen Sie bitte wesentliche Input-Kenngrößen der PIMS-Studie. 9. Stellen Sie bitte die Grundannahmen der Analyse der Wertschöpfungskette (Value Chain Analysis) dar. 10. Stellen Sie bitte die wesentlichen Kennzeichen virtueller Unternehmen dar. 11. Welche Soft Factors spielen im 7-S-Modell von Peters und Waterman eine zentrale Rolle? 12. Häufig ist von Komplexitätskosten die Rede. Was versteht man darunter und wie entstehen diese? 13. Stellen Sie bitte die wesentlichen Unterschiede in den Wertschöpfungsketten des traditionellen Möbelhandels und von IKEA dar. 14. Welche Möglichkeiten zur Prioritätsregelung bei Geschäftsprozessen für Kostensenkung und Effektivitätssteigerung können Sie sich realistisch vorstellen? 15. Was versteht man unter Wirkungsgrad und was unter Durchlaufzeit von Prozessen?

22. Unternehmenswachstum

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22. Unternehmenswachstum In diesem Kapitel werden folgende Inhalte behandelt und geklärt: • der Begriff und die Abgrenzung des externen Wachstums, • die Formen der Kollusion, • die Formen der Unternehmenskooperation, • die Formen der Unternehmenskonzentration, • die Formen der Fusion, • die Diversifikation. 22.1 Begriff und Abgrenzung (Externes) Unternehmenswachstum entsteht aus Unternehmensverbindungen, verstanden als Ausmaß der Ressourcen, über die einzelwirtschaftlich disponiert wird. Sie bezeichnen den Zusammenschluss von auf Fremdbedarfsdeckung ausgerichteten Einzelwirtschaften. Daraus folgt eine mehr oder minder starke Einschränkung der wirtschaftlichen Dispositionsfreiheit bis hin zur Aufgabe der rechtlichen Selbstständigkeit. Unternehmenswachstum führt jedoch nicht notwendigerweise zu Unternehmenszusammenschlüssen. Es kann darüber hinaus auch vertragsfrei zustande kommen. Ziel ist die bessere Erfüllung der individuellen Unternehmensaufgaben durch Abstimmung, ggf. auch unter Beschränkung des gesamtwirtschaftlichen Rahmens. Nach der Richtung des Wachstums sind eine • horizontale, also stufen- und sektorgleiche, • vertikale, also sektorgleiche, aber stufenverschiedene oder • laterale, also sektor- und stufenverschiedene Auslegung möglich. Unternehmensverbindungen bedeuten dabei das partielle oder totale Eingehen einer Abhängigkeit. Diese ist der Beitrag, den die beteiligten Unternehmen leisten müssen, um in den Genuss des Anreizes wirtschaftlicher Vorteile daraus zu gelangen. Es kann danach unterschieden werden, ob diese Abhängigkeit aktiv oder passiv entsteht. Aktiv bedeutet, dass eine Unternehmung das Eingehen einer Abhängigkeit um der Erreichung ihrer Ziele willen anstrebt, passiv bedeutet, dass eine Unternehmung ohne selbst die Wahl zu haben, in eine Abhängigkeit gerät. Im Folgenden wird in die Formen der Kollusion, der Kooperation, der Konzentration und der Fusion unterschieden (siehe Abb. F45). Allerdings sind die Übergänge zwischen den Tatbeständen gelegentlich fließend. Entscheidend sind dabei

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F. Das Management der Unternehmung

die wirtschaftliche und / oder rechtliche Selbstständigkeit der Unternehmung. Erstere definiert als Fähigkeit, Entscheidungen ohne Druck von außen zu treffen, letztere definiert als eigenständige, vertraglich kodifizierte Struktur.

Abbildung F45: Formen des externen Unternehmenswachstums (eig. Abb.)

22.2 Formen der Kollusion Unter Kollusion versteht man allgemein die Koordination des Einsatzes von Aktionsparametern zwischen rechtlich selbstständigen Unternehmen. Dabei handelt es sich um die Formen des Faktischen Parallelverhaltens, der Abgestimmten Verhaltensweise und des Kartells (siehe Abb. F46).

Abbildung F46: Formen der Kollusion (eig. Abb.)

22. Unternehmenswachstum

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22.2.1 Faktisches Parallelverhalten

Hierbei handelt es sich um ein gleichförmiges Verhalten von Wettbewerbern, ohne dass eine individuelle Abstimmung unter diesem stattgefunden hätte. Ein solches gleichförmiges Verhalten kann sich bereits allein aus der Marktform ergeben. Typisch ist es für enge Oligopole, hier vor allem bezogen auf den Parameter Preis. Dies resultiert daraus, dass ein bestimmter Marktpreis für alle Beteiligten gewinnoptimal sein kann, ohne dass es dazu einer wie auch immer gearteten Abstimmung darüber zwischen ihnen bedürfte. Dies wird im Modell der einfach-geknickten Preis-Absatz-Funktion / PAF (Sweezy) erklärt. Danach liegen an einem engen Oligopolmarkt zwei sich im Marktpreis kreuzende Preis-Absatz-Funktionen vor, je eine für individuelle Preiserhöhungen und Preissenkungen. Bei individueller Preiserhöhung ist die PAF elastisch, grafisch also flach verlaufend, so dass bereits einer kleinen Preiserhöhung ein großer Mengenabwachs gegenüber steht, weil die Konkurrenten der Preiserhöhung nicht folgen. Bei individueller Preissenkung ist die Preis-Absatz-Funktion starr, also grafisch steil verlaufend, eine Preissenkung führt dann zu hohem Mengenabwachs, weil die Konkurrenten die Preissenkung nachvollziehen. Beides resultiert, c. p., in einer schlechteren Gewinnsituation, so dass eine Kollusion auf nahezu identischem Preisniveau ohne explizite Abstimmung zustande kommt. Dies ist etwa im Mineralölmarkt zu beobachten, wo die drei großen Tankstellenanbieter (Aral, Shell, Esso) und die drei kleineren Anbieter (Jet, Total, Agip) jeweils auf ähnlichem Preisniveau anbieten, ohne dass ihnen, trotz intensivster Prüfungen, Preisverabredungen nachgewiesen werden könnten. Es liegt allenfalls eine barometrische Preisführerschaft vor (= bewusstes Parallelverhalten). 22.2.2 Abgestimmte Verhaltensweise

Im Unterschied zum bewussten Parallelverhalten stimmen sich die Partner hierbei ab, ohne jedoch Inhalte darüber schriftlich festzulegen. Bei den Partnern handelt es sich für gewöhnlich um unmittelbare Konkurrenten auf weitgehend homogenen Märkten. Die fehlende formale Abstimmung wird hierbei meist durch persönliche Koordination der Beteiligten ersetzt. Man spricht daher auch von Gentlemen’s Agreement oder Frühstückskartell. Die Einhaltung der Verabredungen erfolgt freiwillig und ist auf kaufmännischer Ehre begründet. Es besteht keine weitere Koordinierung. Sofern dabei im Einzelfall eine Marktbeherrschung erreicht werden soll, entsteht der Spezialfall einer Ringbildung. Solche Abstimmungen sind, obgleich nicht schriftlich fixiert, hoch gefährlich, da die Kartellämter weitaus konsequenter als früher dagegen vorgehen. Dabei hilft eine Kronzeugenregelung, die besagt, dass diejenige Unternehmung, die als erste eine solche Absprache der Behörde gegenüber offenlegt, straffrei ausgeht (Rat Race), wohingegen alle anderen Unternehmen, die dann betroffen sind, mit

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Strafen bis zu max. 10 % ihres Gesamtumsatzes belegt werden können. Diese entstehen aus dem Basisschaden plus einem Malus für Anführer- und Wiederholungstäter-Unternehmen plus 5 % Zinsen p. a. je Jahr der Dauer. „Strafrabatt“ erhalten diejenigen Unternehmen, die sich als zweite, dritte und vierte bei der Behörde melden (bis zu 50 %). Hinzu kommen jedoch mögliche privatrechtliche Schadenersatzklagen der geschädigten Geschäftspartner (so hat die Deutsche Bahn daraus zwischenzeitlich eine eigene „Einnahmequelle“ entwickelt). 22.2.3 Kartell

Bei einem Kartell handelt es sich um die Zusammenarbeit rechtlich selbstständig bleibender Unternehmen mit dem Ziel der Beschränkung des Wettbewerbs untereinander. Ihre wirtschaftliche Selbstständigkeit wird insofern eingeschränkt. Kartelle sind nach § 1 GWB grundsätzlich verboten. Sie stellen nach Gesetz Vereinbarungen zwischen Unternehmen, Beschlüsse von Unternehmensvereinigungen und aufeinander abgestimmte Verhaltensweisen dar, die eine Verhinderung, Einschränkung oder Verfälschung des Wettbewerbs bezwecken oder bewirken. Kartellverträge sind daher unwirksam, sofern nicht Ausnahmen vorliegen, ihre Durchführung ist untersagt, Zuwiderhandeln führt als Ordnungswidrigkeit zur Geldstrafe. Zur Wirksamkeit muss immer ein bedeutender Anteil aller Unternehmen im relevanten Markt im Kartell repräsentiert sein, da ansonsten Außenseiter das Kartell unterlaufen können. Das Kartell tritt nach außen hin nicht in Erscheinung, die Rechtsform ist regelmäßig die einer GbR. Ist eine eigene Kartell-GmbH vorgesehen, entsteht daraus ein Kartell höherer Ordnung. Kartelle sind durch den Kartellgegenstand, also die Parameter, die Mitgliederanzahl, den räumlichen Kartellmarkt und die Marktgegenseite, die übervorteilt wird, determiniert. Abgesehen vom generellen Kartellverbot bestehen zahlreiche Ausnahmen. Nach § 2 GWB sind freigestellt vom Verbot des § 1 GWB Vereinbarungen, wenn sie die Verbraucher in angemessener Weise am entstehenden Zusatzgewinn zur Verbesserung der Warenerzeugung oder -verteilung beteiligen oder zur Förderung des technischen und wirtschaftlichen Fortschritts beitragen, sofern dafür nur solche Vereinbarungen getroffen werden, die für die Zweckerreichung unerlässlich sind und dabei ein wesentlicher Wettbewerb erhalten bleibt. Nach § 3 GWB gilt dies insbesondere, wenn durch die Rationalisierung wirtschaftlicher Vorgänge die Wettbewerbsfähigkeit kleiner oder mittlerer Unternehmen verbessert und der Wettbewerb auf einem Markt nicht wesentlich beeinträchtigt wird.

22. Unternehmenswachstum

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22.2.3.1 Genehmigungsfähige Kartellformen

Nach dem Kriterium der Intensität können folgende genehmigungsfähigen Kartellformen unterschieden werden (siehe Abb. F47): • Normen- und Typenkartelle dienen der Vereinheitlichung von Größen, Farben, Abmessungen, Qualitäten etc., sie haben praktisch kaum Bedeutung, obgleich ihre Berechtigung durchaus einleuchtet und ihre wettbewerbsbeschränkende Wirkung gering ist. • Kalkulationsverfahrenskartelle dienen der einheitlichen Beschreibung von Waren oder gewerblichen Leistungen bei Ausschreibungen, um zu einer vergleichbaren Preisaufgliederung zu gelangen, sie spielen ebenfalls keine große Rolle. Kalkulationskartelle sind bedenklich, soweit die erhöhte Markttransparenz auf der Angebotsseite die Möglichkeit zur Verhaltensabstimmung schafft oder im Oligopol ein so rasches Reagieren auf Wettbewerbsvorstöße erlaubt, dass dadurch der Anreiz zu Preisunterbietungen entfällt.

Abbildung F47: Genehmigungsfähige Kartellformen (eig. Abb.)

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F. Das Management der Unternehmung

• Reine Exportkartelle dienen der Stärkung und Sicherung der Position inländischer Unternehmen auf Auslandsmärkten, wobei keine Auswirkungen auf den Inlandsmarkt gegeben sind. Sie unterliegen auf den Auslandsmärkten ggf. einer andersartigen Beurteilung. • Konditionenkartelle verpflichten die verbundenen Unternehmen zur Anwendung einheitlicher Allgemeiner Geschäfts-, Lieferungs- und Zahlungsbedingungen, außer wenn sie den Preis betreffen und berechtigte Belange der Abnehmer außer acht lassen. Anbieter mit günstigerer Kostenstruktur realisieren bei Konditionenabstimmung somit eine Differenzialrente anstelle der Preisunterbietung. Dies ist bedenklich, weil dadurch eine optimale Faktorallokation verhindert wird. • Rabattkartelle verpflichten die verbundenen Unternehmen zur Gewährung einheitlicher Funktions-, Mengen- und Zeitrabatte, sofern es sich dabei um „echte“ Leistungsentgelte handelt und Abnehmer nicht diskriminiert werden (i. S. v. unterschiedlicher Behandlung Gleichartiger ohne sachlich gerechtfertigten Grund). Rabattkartelle sind bedenklich, da sie geeignet sind, den Nebenleistungswettbewerb zu behindern, der in weitgehend preisfriedlichen Märkten ein wichtiges Moment des verbleibenden Wettbewerbs darstellt. • Spezialisierungskartelle dienen der Rationalisierung wirtschaftlicher Vorgänge durch Arbeitsteilung in Bezug auf Produktion, Erbringung gewerblicher Leistungen oder Funktionsausübung. Sie haben vergleichsweise große praktische Bedeutung. Durch Spezialisierungskartelle werden jedoch Angebotsüberschneidungen am Markt beseitigt und somit die Wettbewerbsbeziehungen zwischen den Anbietern verringert. • Kooperationskartelle dienen der Leistungssteigerung bei kleinen und mittleren Unternehmen, wobei deren Größe sich am Konzentrationsgrad der Branche orientiert, sie können sich auf alle betrieblichen Funktionen beziehen, auch auf den Preis, wenn dies zur Leistungssteigerung wesentlich ist, und haben große praktische Bedeutung. Inhalt ist die Rationalisierung wirtschaftlicher Vorgänge durch zwischenbetriebliche Zusammenarbeit, wodurch die Leistungsfähigkeit gegenüber Großunternehmen der Branche gesteigert werden soll, vor allem, wenn die Größenunterschiede erheblich sind. • Rationalisierungskartelle dienen der Effizienzsteigerung wirtschaftlicher Vorgänge und müssen der Bedarfsbefriedigung der Abnehmer nützen und in angemessenem Verhältnis zur dadurch bedingten Wettbewerbsbeschränkung stehen. Ihnen kommt praktisch kaum Bedeutung zu. • Rationalisierungskartelle höherer Ordnung betreffen Preisabsprachen, Beschaffungspools oder Vertriebssyndikate, sofern der Rationalisierungszweck auf andere Weise nicht erreichbar ist und ein Interesse der Allgemeinheit am Rationalisierungszweck besteht, z. B. weil klein- und mittelständische Unternehmen gefördert, Arbeitsplätze erhalten oder Bedarfe der öffentlichen Hände

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besser erfüllt werden. Ihre Rechtfertigung ist teilweise fragwürdig. Die behauptete wettbewerbspolitische Unbedenklichkeit ist mit Hinweis darauf zu bestreiten, dass hier Kostenersparnisse durch kollektives Handeln und ex-ante-Koordinierung angestrebt werden, die nach marktwirtschaftlichem Prinzip durch individuelle Unternehmerinitiative und ex-post-Koordination über freie Preisbildung und Wettbewerb im Markt im Regelfall besser realisierbar sind. • Exportkartelle mit Inlandswirkung wirken sich zwar auf Auslandsmärkten aus, bedingen aber Absprachen im Inland, sofern dadurch keine zwischenstaatlichen Abkommen verletzt werden. Zugleich werden dadurch jedoch Abwehrreaktionen in anderen Ländern provoziert, die dann einen Protektionismus begründen, der dem wünschenswerten Freihandelsgedanken zuwiderläuft. • Strukturkrisenkartelle sollen Absatzänderungen, die durch nachhaltige, gravierende Nachfrageänderungen entstanden sind, entgegenwirken, z. B. durch Kapazitätsabbau, Quoten- und Gebietsabsprachen, Stilllegungsvereinbarungen, Investitionsmoratorien etc. Sie haben kaum praktische Bedeutung. Sie können dennoch negative Beschäftigungswirkungen eines Nachfragerückgangs durch Erhöhung der Preisrigidität verstärken, notwendige Strukturanpassungen verzögern und damit die Anpassungsflexibilität des Wettbewerbssystems mindern. • Importkartelle (zur Beschaffung) betreffen inländische Nachfrager, die sich keinem oder nur unwesentlichem Wettbewerb ausländischer Anbieter gegenüber sehen. Sie haben praktisch kaum Bedeutung. Sie verhindern dennoch das Wirksamwerden der Importkonkurrenz und vermindern damit die Chance zu bestmöglicher Versorgung und internationaler Arbeitsteilung. • Sonderkartelle liegen im Ermessen des Bundesministers für Wirtschaft, sofern ausnahmsweise die Beschränkung des Wettbewerbs aus überwiegenden Gründen der Gesamtwirtschaft und des Gemeinwohls notwendig ist, z. B. um eine unmittelbare Gefahr für den Bestand des überwiegenden Teils der Unternehmen eines Wirtschaftszweigs abzuwenden, wenn andere gesetzliche oder wirtschaftspolitische Maßnahmen nicht rechtzeitig greifen und nur die Beschränkung des Wettbewerbs geeignet ist, die Gefahr abzuwenden. Die praktische Bedeutung ist bislang gering. 22.2.3.2 Nicht-genehmigungsfähige Kartellformen

Verboten sind in jedem Fall die nachfolgenden Kartellausprägungen (siehe Abb. F48): • Preiskartelle, die in Bezug auf die Vereinheitlichung des von den Kartellanten eingeforderten Listenpreises geschlossen werden, • Quotenkartelle in Bezug auf die von den Kartellanten sich gegenseitig zugestandenen Absatzmengen,

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F. Das Management der Unternehmung

• Submissionskartelle zur Dämpfung der gegenseitigen Preisunterbietung bei öffentlichen Ausschreibungen, • Syndikate, bei denen die Kartellanten darauf verzichten, jeweils eigenständig am Markt zu agieren, sondern ihre Leistungen dem Syndikat zum Verkauf gesamthaft andienen bzw. Leistungen von diesem auf einheitlicher Basis beziehen, • Gewinnverteilungskartelle, d. h., die Kartellanten leiten ihre individuellen Gewinne an das Kartell weiter und erhalten von dort ihren Anteil nach vorvereinbarter Schlüsselung zurück (auf diese Weise kann opportunistisches Verhalten eingedämmt werden), • Markenschutzkartelle, d. h., die Kartellanten streben für ihre indirekt-distribuierten, markierten Produkte einheitliche Preise auf der (Groß- oder Einzel-) Handelsstufe an, • Gebietskartelle, d. h., die Kartellanten stimmen Absatzgebiete untereinander ab, so dass lokale / regionale Monopole entstehen. Verbotsausnahmen bestehen auch dann noch, wenn • die Nachfrager angemessen am Kartellgewinn beteiligt werden, • dadurch der technische Fortschritt forciert oder die Warenerzeugung bzw. -verteilung verbessert wird, • keine marktbeherrschende Stellung erreicht und • zugleich nicht EU-Verordnungen widersprochen wird.

Abbildung F48: Nicht-genehmigungsfähige Kartellformen (eig. Abb.)

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Verbotene Kartellverträge sind angesichts hoher Strafen bei Bekanntwerden für die beteiligten Unternehmen sehr risikoreich. Dass sie dennoch geschlossen werden, liegt im impliziten Misstrauen der Kartellanten untereinander begründet. Denn die Beteiligten kennen sich infolge international relevanter Märkte mit zahlreichen antinomischen Akteuren häufig nicht gut genug, um eine hinreichende Vertrauensbasis zu erreichen. Zugleich besteht eine zunehmende Gefahr durch Außenseiter, die Kartellabsprachen unterlaufen. Kartellstrafen betreffen ganz unterschiedliche Branchen z. B. Autoglas, Fahrstühle / Rolltreppen, Paraffinwachs, Stahl, Zement, Vitamine, Schaltanlagen, Vollwaschmittel, Acrylglas, Papier, Mehl, Zucker, Schienenmaterial, Interbankenzinssatz (Libor), Flüssiggas, Transformatoren. Eine Sonderform des verbotenen Kartells ist der IG (Interessengemeinschaften). Diese ist langfristig angelegt und bezieht sich auf alle Funktionen der Unternehmung. Es bestehen keine gegenseitigen Kapitalbeteiligungen, es gibt kein Gesellschaftsvermögen. Gegenstand der IG ist die gemeinsame Verfolgung eines wirtschaftlichen Zwecks (historisches Beispiel: IG Farben aus BASF, AGFA / Bayer und Hoechst). Einzelne Interessen der Beteiligten werden so im Wege der Vertragsvereinbarung vergemeinschaftet. Dabei soll der Gemeinschaftsgewinn größer sein als die Summe der Einzelgewinne ohne IG. Dies setzt eine Solidarität der Beteiligten voraus, von der beachtlich ist, ob und inwieweit sie Marktwirkungen hat. In jedem Fall sind dazu rechnungslegungsbezogene Vereinheitlichungen zu schaffen (gemeinsamer Bilanzstichtag, gemeinsames Abschlussschema, gemeinsame Bewertungsrichtlinien etc.). Zentral ist die Festlegung des Verteilungsschlüssels. 22.3 Formen der Unternehmenskooperation Unter einer Kooperation versteht man die aktive, vertragliche Verbindung von zwei oder mehr Unternehmen bei Erhalt ihrer rechtlichen Selbstständigkeit, aber unter Aufgabe ihrer wirtschaftlichen Selbstständigkeit in Bezug auf den Kooperationszweck, also insgesamt deren Einschränkung. Die Ziele können primär intern oder primär extern determiniert sein. Intern bedeutet, auf eine Verbesserung der Leistungspotenziale der Beteiligten gerichtet, extern bedeutet, auf eine Verbesserung der Marktstellung gerichtet. De facto gehen beide Zielsetzungen häufig einher. Kooperationen dienen allgemein der besseren Arbeitsteilung zwischen den beteiligten Unternehmen sowie der Überwindung von Kapazitäts- und / oder Kompetenzrestriktionen. Wesentliche Funktionsbasis ist das gegenseitige Vertrauen. Kooperationen haben wegen ihrer Außenwirkung häufig auch wettbewerbsrechtliche Konsequenzen. Sie sind im Allgemeinen unbedenklich, wenn an ihnen nur kleine und mittlere Unternehmen (KMU’s) beteiligt sind, sie zur Verbesserung der Leistungsfähigkeit der Beteiligten beitragen, sofern große Unternehmen beteiligt sind, dies im Interesse der KMU’s liegt und der Wettbewerb im Relevan-

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ten Markt nicht nachteilig davon betroffen ist (auch im Zuge von einseitigen Mittelstandsempfehlungen oder Wettbewerbsregeln). Die Begünstigung von KMU’s bei Kooperationen beruht auf dem Gedanken der gegengewichtigen Marktmacht (Countervailing Power / Galbraith), die jedoch im Ergebnis nur zu einer weiteren Vermachtung der Märkte führt, die dem Grunde nach irreversibel ist. 22.3.1 Temporäre Auslegungsformen

Bei den temporären Auslegungsformen der Kooperation handelt es sich um Gelegenheitsgesellschaften als einfache Kooperation und Partizipation (Kooperation höherer Ordnung) sowie als Arbeitsgemeinschaft (horizontal angelegt) und Konsortium (vertikal angelegt). Die Begrifflichkeiten werden in der Literatur nicht trennscharf gehandhabt, so dass hier der Versuch einer Einteilung unternommen wird. Unterteilt man nach nur schuldrechtlicher oder auch gesellschaftsrechtlicher Vertragsbeziehung einerseits sowie nur der Innen- oder sowohl Innen- als auch Außenwirkung andererseits, ergeben sich folgende Typen (siehe Abb. F49): • Bei Werkgemeinschaft und Partizipation fehlt die eigene Rechtspersönlichkeit, bei Arbeitsgemeinschaft und Konsortium ist sie gegeben. • Die Werkgemeinschaft und die Arbeitsgemeinschaft treten nach außen hin nicht auf, die Partizipation und das Konsortium haben auch Außenwirkung.

Abbildung F49: Tableau der Gelegenheitsgesellschaften (eig. Abb.)

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22.3.1.1 Formen ohne eigene Rechtspersönlichkeit

Eine Werkgemeinschaft (Kooperation erster Ordnung) lässt sich vielfältig rubrizieren, so nach der • Funktion, die betrieblich betroffen ist, z. B. Beschaffung, Produktion, Absatz, Logistik, IT, • Art als homogen (gleiche Funktion und gleiche Branche), heterogen (andere Funktion und gleiche Branche oder gleiche Funktion und andere Branche) oder lateral (andere Funktion und andere Branche), • Richtung als horizontal (gleiche Wertschöpfungsstufe) oder vertikal (andere Wertschöpfungsstufe, jeweils vorwärtsgerichtet oder rückwärtsgerichtet), • Fristigkeit als temporäre oder dauerhafte Auslegung, • Intensität mit straffer oder lockerer Koordination, • Raumerstreckung, national ausgerichtet oder international ausgerichtet, • Leitung, die zentralisiert oder dezentral erfolgen kann. Sie haben nur Innenwirkung und umfassen nur Teilbereiche der Unternehmung. Eine Partizipation ist eine Gelegenheitsgesellschaft, deren Mitglieder (Partizipienten) rechtlich selbstständig bleiben, ihre wirtschaftliche Selbstständigkeit jedoch in Bezug auf den Partizipationszweck aufgeben. Die Zusammenarbeit erstreckt sich nur auf Teilbereiche der Unternehmung (Betriebe). Partizipationen werden geschlossen, wenn eine einzelne Unternehmung eine erforderliche Aufgabenstellung (Partizipationsgeschäft) allein nicht erbringen kann (fehlende Kernkompetenz) oder will (unzumutbare Risikotragung). Bei ihnen handelt es sich um Kooperationen höherer Ordnung. Die Verbindung bzw. deren Mitgliedschaft hat Außenwirkung. Jeder Partizipient tritt zwar in eigenem Namen auf, jedoch auf gemeinschaftliche Rechnung. Es wird also für die Partizipation gemeinsam mit dem Auftraggeber abgerechnet, die Erlöse aus diesen Geschäften fließen dann nach einem vorher festgelegten Schlüssel den einzelnen Partizipienten zu. 22.3.1.2 Formen mit eigener Rechtspersönlichkeit

Die Arbeitsgemeinschaft (Arge) ist eine Innengesellschaft, die in eigenem Namen und auf eigene Rechnung mit Kontrahenten abschließt. Rechtsbeziehungen bestehen daher nur zwischen der Arbeitsgemeinschaft insgesamt und dem Auftraggeber einerseits, sowie zwischen der Arbeitsgemeinschaft und den einzeln beteiligten Unternehmen andererseits. Die ansonsten selbstständigen Arge-Unternehmen arbeiten zeitlich und inhaltlich abgegrenzt als Gelegenheitsgesellschaft zusammen, wenn sie diese Aufgaben allein kapazitativ nicht bewältigen können oder diese risikobezogen nicht bewältigen wollen. Dabei kann es sich

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um die Kooperation von komplementären oder aber substitutiven Gewerken handeln. Die Mitglieder sind untereinander gleichberechtigt. Es bestehen keine internen Liefer- und Abnahmebeziehungen, die Anlage ist horizontal ausgerichtet. Eine Arbeitsgemeinschaft entsteht als Zusammenschluss von zwei oder mehr natürlichen oder juristischen Personen, die gemeinsame Ziele anstreben, indem sie ein koordiniertes Zusammenwirken erreichen. Dabei geht es meist um die Durchführung gemeinschaftlicher Projekte in kurzfristiger Anlage. Zu lösen sind zuvor vor allem Fragen der Geschäftsführung der Arge, der Haftung der einzelnen Mitglieder für das gemeinschaftliche Projekt und der wechselseitigen Verrechnung von bereitgestellten Ressourcen. Vermögen, das die einzelnen Mitglieder der Arge zur Verfügung stellen, steht im jeweiligen Miteigentum aller Partner. Daraus kann ein Problem im Insolvenzfall eines Partners entstehen. Alle Arge-Partner haften dann persönlich und unbeschränkt. Die Arge endet planmäßig mit Erreichen des Vertragszwecks. Gläubiger können somit von jedem einzelnen Arge-Partner ihre volle Forderung befriedigen lassen. Der jeweils in Anspruch genommene Partner muss sich dann im Innenverhältnis bei den anderen Partnern quotenmäßig satisfizieren. Arge’s erfordern nur eine Einnahme-Überschuss-Rechnung. Gewinne und Verluste werden anteilig (nach Vertrag) verteilt, sie werden von jedem Partner mit seinen sonstigen Einkünften verrechnet und versteuert. Arge’s sind umsatzsteuerpflichtig. Durch die Arbeitsgemeinschaft können das Fachwissen und die Erfahrung der einzelnen Mitglieder akkumuliert werden. Sie sind vor allem bei Großprojekten anzutreffen, dort wiederum vor allem in der Baubranche. Beim Konsortium schließen sich mehrere Unternehmen projektbezogen auf vertraglicher Basis zusammen, um gemeinsam die Kapazitäten für die Bewältigung eines Auftrags bereitzustellen. Es handelt sich um eine eigenständige Gemeinschaft (meist GbR) zur Poolung gleichartiger (substitutiver) oder ergänzender (komplementärer) Leistungen von Unternehmen. Die einzelnen Partner erhalten dabei ihre rechtliche Selbstständigkeit, schränken ihre wirtschaftliche Selbstständigkeit jedoch in Bezug auf den Kooperationszweck ein. Zur Regelung des Innenverhältnisses wird ein Konsortialvertrag geschlossen. Er ist zwar formfrei, besteht jedoch in der Wirtschaftspraxis regelmäßig aus konvolutartigen Ausarbeitungen, die alle denkbaren Sachverhalte zwischen den Konsorten zu regeln trachten. Jedem Konsorten werden darin Pflichten und Rechte zugewiesen. In Bezug auf die Auslegung können zwei Formen unterschieden werden (siehe Abb. F50): • Im offenen Konsortium treten alle Konsorten eigenständig nach außen als Konsortialmitglieder auf.

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Beim stillen Konsortium vertritt ein Konsortialführer das gesamte Konsortium. Dabei haftet im Außenverhältnis der Konsortialführer, der im Innenverhältnis auf jeden Konsorten gesamthaft nach seiner Wahl zugreifen kann. Tatsächlich wird jedoch im Vertrag regelmäßig eine Haftung nach Anteilen am Konsortium vorgesehen. Dennoch muss der Konsortialführer nach außen hin in Vorlage treten. • Von einem Generalunternehmer (Pilot Contractor) ist die Rede, wenn ein Konsorte die Teilleistungen aller Konsorten koordiniert und dabei auch selbst Teilleistungen erbringt. Er unterhält als einziger Vertragsbeziehungen zum Auftraggeber und bedient sich zur Realisierung des Auftrags Unterlieferanten (Subkontraktoren). Dabei bestehen (vertikale) interne Liefer- und Abnahmebeziehungen.  in Generalübernehmer hingegen übernimmt nur die Koordination der BeteiE ligten und erbringt selbst keine Teilleistungen.

Abbildung F50: Formen des Konsortiums (eig. Abb.)

Konsortien gibt es vor allem in zwei Wirtschaftsbereichen. Im Bankengeschäft bilden sich Konsortien für Gründungs-, Emissions-, Begebungs-, Platzierungs-, Börseneinführungs- oder Investitionsgeschäfte. Regelmäßig tritt dabei eine Bank als Konsortialführer auf. Im Rahmen von Investitionsgütergeschäften bilden sich Industriekonsortien zur Übernahme von Großprojekten wie Autobahnbau, Kraftwerksanlagen, Gebäudekomplexen etc. Es gibt aber auch immer häufiger die Vorgabe von Auftragnehmern, solche Konsortien zu bilden. Dahinter steckt die Motivation, Komplexitäten zu reduzieren (One Face to the Customer) und / oder schlüsselfertige Projekte (Turnkey Projects) zu erhalten. Konsortien sind grundsätzlich kartellrechtsrelevant, weil sie eine Abstimmung der beteiligten Unternehmen vorsehen. Dies gilt nur dann nicht, wenn diese Unternehmen nicht in Wettbewerb zueinander stehen, weil sie auf verschiedenen Relevanten Märkten tätig sind, oder zwar auf demselben Relevanten Markt tätig sind, jedoch einen infrage stehenden Auftrag allein nicht bewältigen könnten oder als Auftragnehmer dafür ansonsten nicht in Frage kämen.

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F. Das Management der Unternehmung

22.3.2 Dauerhafte Auslegungsformen

Bei den dauerhaften Auslegungen von Kooperationen kommen branchenweite oder branchenselektive Formen in Betracht. Erstere sind als Unternehmensverbände und Wirtschaftskammern Standardeinrichtungen der Wirtschaftsordnung, letztere dienen als Allianzen oder Netzwerke vor allem strategischen Unternehmenszwecken (siehe Abb. F51).

Abbildung F51: Dauerhafte Kooperationsformen (eig. Abb.)

22.3.2.1 Branchenweite Formen

Unternehmensverbände verfolgen vorrangig die Ziele ihrer Mitglieder gegenüber Außenstehenden. Wirtschaftsfachverbände bestehen aus Unternehmen bestimmter Wirtschaftszweige und Regionen, sie haben auch Repräsentationsfunktion. Als Spitzenverband (Verband der Verbände) der Industrie in Deutschland ist der Bundesverband der Deutschen Industrie (BDI) etabliert. Arbeitgeberverbände sind sozialpolitisch engagiert. Sie bilden den Gegenpol zu Gewerkschaften als Tarifvertragspartei. Auch sie sind regional und branchenspezifisch organisiert. Spitzenverband ist hier die Bundesvereinigung Deutscher Arbeitgeberverbände (BDA). Beispiele für Unternehmensverbände sind der Verband der Deutschen Automobilindustrie / V DA oder der Bundesverband des deutschen Groß- und ­Außenhandels / BGA. Wirtschaftskammern erfüllen gesetzlich definierte Aufgaben als (Gebiets-) Körperschaften öffentlichen Rechts. Sie sind Selbsthilfeorganisationen, die im Rahmen des Subsidiaritätsprinzips hoheitliche Aufgaben unter staatlicher Aufsicht erfüllen. Dabei handelt es sich vor allem um Gewerbekammern wie Industrie- und Handelskammern (IHK’en), Handwerkskammern (HWK’en), Landwirtschaftskammern (LWK’en) sowie berufsständische Kammern etwa für freie

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Berufe wie Notare, Ärzte, Rechtsanwälte, Architekten, Apotheker, Steuerberater, Wirtschaftsprüfer etc. Weiterhin sind Außenhandelskammern (AWK’en) anzutreffen. Kammern wirken vielfach disziplinierend auf ihre Mitglieder ein. Häufig besteht auch eine Zwangsmitgliedschaft. Die Abgrenzung freier Berufe ist dabei durchaus unscharf, traditionell wird dabei auf besondere Verantwortung und spezielle Ausbildung abgehoben, was aber sicherlich nicht nur für diese Berufe in Anspruch genommen werden kann. 22.3.2.2 Selektive Formen

Unter einer Strategischen Allianz versteht man eine Form der sachlich begrenzten Zusammenarbeit zwischen zwei oder mehr rechtlich selbstständigen Unternehmen, die aktuelle oder potenzielle Konkurrenten sind, im Hinblick auf eine oder mehrere Wertaktivitäten, die auf ihre Kernerfolgspotenziale hin ausgelegt werden und in gegenseitigem Austausch von Leistungen durch Poolung bzw. gegenseitigem Zugang zu Kernkompetenzen durch Arbeitsteilung bestehen. Dabei erbringen alle beteiligten Unternehmen einen wesentlichen Teil ihres Beitrags zur Strategischen Allianz in nicht-monetären Leistungen. Die wirtschaftliche Eigenständigkeit wird insofern eingeschränkt. Die Wirkung ist nicht auf ein abgestimmtes Verhalten am Markt gerichtet. Voraussetzung ist eine Entsprechung der Alliierten bereits in der Ausgangssituation und ihr Wille zur Evolution der Partnerschaft in Bezug auf die Realisierung nachhaltiger gemeinsamer Wettbewerbsvorteile (Coopetition). Motive für Strategische Allianzen sind vor allem die Globalisierung des Wettbewerbs, der steigende Forschungs- und Entwicklungsaufwand bei gleichzeitig verkürzten Produktlebenszyklen (Zeitfalle), die Nutzung von Kernkompetenzen und Skaleneffekten sowie die Umgehung von Handelsbeschränkungen. Ein Beispiel ist die Star Alliance großer Linienfluggesellschaften unter Führung der Lufthansa. Zweck ist dabei der gegenseitige Tausch von Start- und Landerechten (Slots) sowie die Abstimmung von Flugplänen für Anschlussflüge an Drehkreuzen (Hubs). Eine Abwandlung ist in Form von Strategischen Netzwerken gegeben. Diese bestehen aus institutionalisierten Verflechtungen zwischen mehreren Partnerunternehmen, die auf die Realisierung von Wettbewerbsvorteilen in dynamischen Märkten abzielen. Die Partner nehmen dabei nur bestimmte Aufgaben entsprechend ihrer Kernkompetenzen im Netzwerk wahr, bleiben aber im Übrigen rechtlich selbstständig. Sie bilden dadurch eine virtuelle Unternehmung (Virtual Company / Brand Net Company, z. B. Dell, Nike, Red Bull). Teilweise sind zur Stabilisierung gegenseitige Minderheitskapitalbeteiligungen üblich, wie in der Form des japanischen Keiretsu. Es fehlt im Unterschied zum Konzern jedoch sowohl an der hierarchischen Struktur als auch an einer einheitlichen Leitung. Die Wertschöpfung wird dezentral verteilt, deren Verwertung erfolgt aber einheitlich und umfasst alle Wertaktivitäten. Oft ist eine Unternehmung als fokale Unternehmung koordinierend tätig.

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F. Das Management der Unternehmung

22.4 Formen der Unternehmenskonzentration Unter Konzentration wird ein externes Unternehmenswachstum verstanden, bei dem die rechtliche Selbstständigkeit der beteiligten Unternehmen erhalten bleibt, ihre wirtschaftliche Selbstständigkeit jedoch mehr oder minder stark eingeschränkt wird. Dies ist in den Formen der Minderheits- und Mehrheitsbeteiligung möglich. Häufig sind dann Konzerne gegeben. 22.4.1 Beteiligung

Die Beteiligung (Acquisition) betrifft den Übergang eines Anteils des Kapitals einer Unternehmung an eine andere in Minorität, Parität oder Majorität. Dies kann kurz- oder langfristig motiviert sein. Eine Minoritätsbeteiligung ist oftmals nur Vorstufe zum Aufbau einer weitergehenden Beteiligung oder wird als reine Finanzanlage gesehen (1 – 25 % bzw. 25,01 – 49,99 %). Bei AG’s liegt bei 25,01 % Stimmenanteil die Sperrminorität (qualifizierte Minderheitsbeteiligung), mit der „wichtige“ Beschlüsse in der Hauptversammlung selbst bei 100 % Präsenz blockiert werden können (bis 25 % liegt eine einfache Minderheitsbeteiligung vor). Eine Paritätsbeteiligung (50 %) hat zur Folge, dass im Falle von zwei Partnern diese zur Einstimmigkeit in ihren Beschlüssen gezwungen sind. Dies führt zwar zwangsweise zum Konsens, kann aber auch lähmend wirken. Eine einfache Mehrheitsbeteiligung (50,01 % – 75 %) ermöglicht die Beherrschung der Unternehmung, abgesehen von „wichtigen“ Beschlüssen. Ab 75,01 % liegt eine qualifizierte Mehrheitsbeteiligung vor, mit der bei AG’s wichtige Beschlüsse in der Hauptversammlung durchgesetzt werden können. Bereits ab 3 % Beteiligung (an einer Dax-AG) ist ggf. eine Ad hoc-Mitteilung erforderlich. Bei Erreichen einer 30 % Beteiligung ist vom Übernehmer ein pflichtgemäßes, öffentliches Übernahmeangebot an alle übrigen Aktionäre (einer Dax-AG) zu unterbreiten, das diese annehmen oder ablehnen können. 22.4.2 Konzernbildung

Bei Konzernen handelt es sich um zwei oder mehr abhängige Unternehmen unter einheitlicher Leitung regelmäßig auf Basis finanzieller Beteiligung. Der Konzern ist selbst nicht rechtsfähig, sondern nur in Form seiner Konzernunternehmen. Ein Unterordnungskonzern liegt vor bzw. wird vermutet, wenn eine Konstruktion aus einer herrschenden Unternehmung, der Konzernobergesellschaft, und mindestens einem, meist aber mehreren abhängigen Unternehmen, den Konzerntöchtern, vorliegt. Zwischen beiden wird als Basis entweder ein Beherrschungsvertrag geschlossen, daraus entsteht ein Vertragskonzern, oder

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es liegt eine beherrschende Beteiligung vor, daraus entsteht ein faktischer Konzern. Die Konzernobergesellschaft übernimmt in jedem Fall die Führung des Konzerns über die Konzernuntergesellschaften. Im faktischen Konzern besteht formell kein Weisungsrecht, im Vertragskonzern ist dieses durch Vereinbarung sanktioniert. Bei Vertragskonzernen sind mehrere Vertragsformen denkbar (siehe Abb. F52): • Ein Eingliederungsvertrag sieht die Eingliederung einer AG in eine andere (Hauptgesellschaft) vor. Dies setzt das Eigentum an 100 % deren Anteilen voraus (§ 319 AktG). Eine Eingliederung stellt die engste mögliche Form des Zusammenschlusses rechtlich selbstständig bleibender Unternehmen dar (s. u.). • Ein Beherrschungsvertrag besagt, dass eine Unternehmung (Kapitalgesellschaft) einer anderen unterstellt ist (Weisungsrecht). Es entsteht unwiderlegbar ein Unterordnungskonzern, die rechtliche Selbstständigkeit der beherrschten Unternehmung geht verloren (§ 291 AktG). • Ein Betriebspacht- bzw. -überlassungsvertrag besagt, dass eine Unternehmung einer anderen den Betrieb zur Nutzung oder in anderer Weise überlässt. Dies resultiert häufig in zwei rechtlich selbstständigen, nebeneinander existierenden Gesellschaften, die auch erst durch Aufspaltung einer Unternehmung entstehen können. In der Praxis handelt es sich dabei meist um eine Kapital- und um eine Personengesellschaft. Dies bietet steuerliche Vorteile durch Gestaltung des Gewinnanfalls in jeweils einer Betriebs- und einer Besitzgesellschaft (Doppelgesellschaft), die ein Pachtvertrag verbindet, wobei die Gesellschafter der Personen- mit den Anteilseignern der Kapitalgesellschaft personenidentisch sind. Häufig ist auch eine Aufspaltung in eine Produktions- und eine Vertriebsgesellschaft anzutreffen, wobei dann interne, marktadäquate Verrechnungspreise festzulegen sind. • Ein Gewinnabführungsvertrag besagt, dass eine Unternehmung verpflichtet ist, einer anderen ihren gesamten Gewinn abzuführen bzw. der gesamte Verlust durch eine andere Unternehmung getragen wird (bei Teilgewinnabführung gilt Analoges) (§ 291 AktG).

Abbildung F52: Formen des Vertragskonzerns (eig. Abb.)

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F. Das Management der Unternehmung

• Eine Gewinngemeinschaft besagt, dass Unternehmen ihre Gewinne zur Aufteilung nach einem vertraglich vereinbarten Schlüssel, meist mit einer (Mindest-) Dividende, und zur anschließenden Rückverteilung an die Beteiligten abtreten (bei einer Teilgewinnabführungsvertrag wird nur ein Teil des Gewinns abgetreten) (§ 292 AktG). Die Rechtsform ist dabei die einer GbR oder eines e. V. Ein praktisch seltener Gleichordnungskonzern liegt vor, wenn zwei oder mehr Unternehmen gleich berechtigt sind, aber eine einheitliche Leitung vorliegt, ohne dass ein herrschender Einfluss ausgeübt werden kann (Merger of Equals, z. B. DaimlerChrysler). Die rechtliche Selbstständigkeit der Unternehmen bleibt erhalten. Im Regelfall besteht eine gemeinsame Führung durch natürliche Personen oder Gesellschaftsorgane. Unternehmen können auch wechselseitig beteiligt sein (Überkreuzverflechtung, z. B. Allianz Versicherung und Münchner Rückversicherung). Beide Unternehmen sind dann jeweils sowohl herrschend als auch abhängig, dies setzt jeweils mehr als 25 % Beteiligungsquote voraus. Der Konzern kann einstufig oder mehrstufig aufgebaut sein, er kann auf faktischer Leitungsmacht oder Vertrag beruhen. Einstufigkeit besteht bei direkter Beteiligung des Konzerns, Mehrstufigkeit bei durchgerechneter Beteiligung. Die Konzernbildung kann durch eine Holding als Dachgesellschaft oder nach dem Verschachtelungsprinzip erfolgen. Eine Holdingkonstruktion entsteht, wenn es zusätzlich zu den Beteiligungsgesellschaften eine Dachgesellschaft gibt. Diese Holding kann wiederum eine operative Holding sein, d. h. unternehmerisch selbst aktiv agieren, oder eine Finanzholding, die ein Portfolio auf Basis finanzieller Kenngrößen, z. B. durch Performance Measurement, steuert und die operativen Aktivitäten abgibt oder aber eine Management-Holding, welche die dispositiven Aufgaben der angeschlossenen, exekutiven Unternehmen bündelt, ohne selbst Produktions- oder Handelsaufgaben zu übernehmen (siehe Abb. F53). Der Konzern ist selbst nicht rechtsfähig, erfordert aber im Zuge der Einheitstheorie eine eigene Rechnungslegung, die ihren Ausdruck als konsolidierte Bilanz findet, d. h., die konzerninternen Geschäfte werden gegeneinander aufgerechnet und saldiert. Insofern wird von der Fiktion einer rechtlichen Einheit

Abbildung F53: Formen der Holding (eig. Abb.)

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ausgegangen, die nur solche Transaktionen und Ergebnisse abbilden darf, die zwischen dem Konzern und externen Dritten anfallen, nicht hingegen solche, die konzernintern bleiben. Für Minderheitsaktionäre gibt es Schutzrechte bzw. Ausgleichszahlungen. Im Abhängigkeitsbericht werden die Beziehungen zwischen Obergesellschaft und verbundenen Gesellschaften zudem offengelegt. Bei Mehrheitsanteil ist eine Vollkonsolidierung erforderlich, d. h. vollständiger Ausgleich aller Beziehungen, bei Gemeinschaftsunternehmen eine prozentual anteilige Konsolidierung und bei Minderheitsanteil eine At Equity-Konsolidierung, d. h. nur auf das Eigenkapital bezogen. Außerdem bestehen Wahlmöglichkeiten hinsichtlich der Zusammenfassung von Positionen und des Abschlussstichtags. 22.4.3 Vorliegen einer marktbeherrschenden Stellung

Unternehmen, die eine marktbeherrschende Stellung einnehmen, sind gegeben, wenn sie im Relevanten Markt ohne Wettbewerber oder keinem wesentlichen Wettbewerb ausgesetzt sind oder die Unternehmung eine im Verhältnis zu ihren Wettbewerbern überragende Marktstellung hat oder eine Unternehmung allein mindestens 33 % Marktanteil hat, höchstens drei Unternehmen zusammen mindestens 50 % Marktanteil haben oder höchstens fünf Unternehmen zusammen mindestens 67 % Marktanteil (dabei gilt jeweils eine Mindestgröße der Unternehmung lt. § 18 GWB). Dies gilt nicht, wenn die Unternehmen nachweisen, dass die Wettbewerbsbedingungen zwischen ihnen dennoch wesentlichen Wettbewerb erwarten lassen oder die Gesamtheit der Unternehmen im Verhältnis zu den übrigen Wettbewerbern keine überragende Marktstellung innehat. Eine weithin ungeklärte, aber entscheidende Größe ist die dabei Abgrenzung des Relevanten Marktes. Dazu gibt es vielfältige Konzepte (Strategisches Geschäftsfeld / A rena), die aber alle wenig operational bleiben. Indikatoren zur Beurteilung sind neben der Verteilung der Marktanteile im Markt u. a. die Entwicklung der Marktanteile, die Finanzkraft der betrachteten Unternehmen, ihr Zugang zu Beschaffungs- und Absatzmärkten, die Verflechtungen mit anderen Unternehmen, formale oder materielle Marktzutrittsbeschränkungen, die Anzahl und Stärke der Wettbewerber etc. Bei marktbeherrschender Stellung greift eine Missbrauchsaufsicht des Kartellamts. Verboten ist demnach der Missbrauch einer Marktposition, auch durch mehrere Unternehmen gebildet, die ohne oder ohne wesentlichen Wettbewerb ist oder eine überragende Marktstellung aufweist (§ 19 GWB). Beispiele aus jüngerer Vergangenheit sind Transportbeton, Kalksandstein, Feinkostsalate, Schreibwaren, Versandapotheken, Sonnenschutzsysteme, Rasierklingen, Fernsehwerbung etc. Eine marktbeherrschende Stellung allein ist also nicht schon verboten, sondern nur ihr Missbrauch auf Anbieter- und / oder Nachfragerseite. Dieser ist gegeben bei Behinderung anderer Unternehmen im Wettbewerb, z. B. durch Kopplungs-

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verträge, Ausschließlichkeitsbindungen, Bonussysteme, Liefersperren etc., durch Ausbeutung über Preise oder Preisbestandteile, z. B. durch Konditionenspaltung, Nachfragemacht etc., sowie aus Diskriminierung durch ungerechtfertigte unterschiedliche Behandlung. Eingreiftatbestände und Auslegung der Missbrauchs­ aufsicht sind jedoch theoretisch heftig umstritten. Vor allem ist fraglich, ob dabei die Marktstruktur, das Marktverhalten oder die Marktergebnisse als Maßstab angelegt werden sollen und inwieweit diese einander gegenseitig bedingen oder nicht. Weiterhin ist fraglich, ob die Ergebnisse, die bei Marktbeherrschung vorzufinden sind, nicht auch ohne diese Marktbeherrschung so eingetreten wären. Da der Wettbewerb ein Entdeckungsverfahren ist, dessen Ergebnis nicht vorhersehbar ist, denn ansonsten bräuchte es den Wettbewerb als Prinzip nicht mehr, kann darüber lange philosophiert werden. Dies alles macht die Bestimmungen der §§ 18, 19 GWB unscharf und schwächt die Eingriffsmöglichkeiten des Kartellamts. Dies ist jedoch bei Konzipierung des GWB mit Absicht so gewollt worden und hat sich trotz vielfacher Novellierungen (tatsächlich Verschärfungen) bis heute nicht geändert. Staatliche Organe sollten nach dem Willen der Ordoliberalen daran gehindert werden, diskretionär in die Wirtschaft einzugreifen, da das Werturteil bestand, dass der Markt automatisch zu den besten Ergebnissen führt. Dies begründet gerade die systemische Überlegenheit der Marktwirtschaft. Zwischenzeitlich ist jedoch verbreitet von Marktversagen die Rede und dieses auch konkret erkennbar. 22.5 Formen der Fusion Die Fusion ist passiv aus der Sicht der übernommenen Unternehmung und vertraglich ausgelegt. Sie ist als Eingliederung und Verschmelzung möglich (siehe Abb. F54).

Abbildung F54: Formen der Fusion (Merger) (eig. Abb.)

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22.5.1 Eingliederung

Ab 95,01 % ist bei AG’s der „Herauskauf“ der Restaktionäre gegen angemessene Abfindung möglich, per Gerichtsbeschluss ab 90,01 % sowie durch einfachen Beschluss des Vorstands auch gegen den Willen der Hauptversammlung mit Entschädigung der Anteilseigner (Squeeze Out / Eingliederungsbeteiligung). Dann scheiden die bisherigen Minderheitsgesellschafter zwangsweise aus der einzugliedernden Gesellschaft aus, ihre Aktien gehen auf die Hauptgesellschaft (Alleinaktionärin) über. Gleiches gilt für die Schulden der einzugliedernden Gesellschaft. Eine angemessene Abfindung erfolgt in eigenen Aktien oder ggf. in bar. Was als angemessen anzusehen ist, bestimmt im Zweifel ein Gericht. Die Hauptgesellschaft erhält jedenfalls das uneingeschränkte Weisungsrecht, dieses ist umfangreicher als im Vertragskonzern. Zugleich können Gewinnverwendung und Publizität ggf. flexibler gehandhabt werden. Bei 100 % Anteil ist eine vollständige Beherrschung gegeben. Bei einer in Mehrheitsbesitz stehenden Unternehmung wird vermutet, dass sie von der mit Mehrheit beteiligten Unternehmung abhängig ist. Diese Vermutung kann bei AG’s widerlegt werden. Von einer abhängigen Unternehmung wird wiederum vermutet, dass sie mit der herrschenden einen Konzern bildet. Auch diese Vermutung kann widerlegt werden, wenn ein beherrschender Einfluss nicht zur einheitlichen Leitung genutzt wird. Die Mehrheit der Beteiligung bezieht sich regelmäßig auf die Stimmrechte in der Hauptversammlung, Ausnahmen bilden Mehrstimmenrechte je Anteil, Höchststimmenrechte (Stimmrechtsbeschränkung), die jedoch rechtlich problematisch sind, oder Vorzugsanteile ohne Stimmrecht. Die Aktionäre der abhängigen Gesellschaft sind in ihren Interessen geschützt. Mehrheitsbeteiligungen werden etwa von Finanzinvestoren (Private Equity Funds) angestrebt, Hedgefonds begnügen sich hingegen meist mit Minderheitsbeteiligungen, aus denen heraus sie aggressiv agieren, indem sie Minderheiteninteressen durchzusetzen trachten. Die Übernahme kann durch verschiedene Techniken erfolgen. Beim Leveraged Buy-out finanziert die übernommene Unternehmung ihren Kauf mit auf sie aufgenommenem Fremdkapital selbst, beim Management Buy-out übernehmen bisherige Manager die Unternehmung als Eigentümer, beim Management Buy-in steigen externe Manager in die Unternehmung ein. Bei einem Owner Buy-out werden die Erben der Unternehmensanteile ausgezahlt, um den Weg für eine managementgeführte Unternehmung frei zu machen. 22.5.2 Übernahmeverhalten

Die Fusion kann Folge der Aushandlung eines Übernahmevertrags im Zuge einer freundlichen Übernahme oder aber eines unerwünschten Übernahmeange-

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F. Das Management der Unternehmung

bots an die Anteilseigner im Zuge einer unfreundlichen / feindlichen Übernahme als Unfriendly / Hostile Takeover sein (siehe Abb. F55).

Abbildung F55: Alternatives Übernahmeverhalten (eig. Abb.)

Die Stufen einer freundlichen Übernahme sind im Allgemeinen folgende: • Auswahl der Zielunternehmung, Beurteilung der Genehmigungspflichtigkeit bzw. -fähigkeit einer Übernahme, • Erstkontakt der angepeilten Unternehmensführung, evtl. über die M&A-Abteilung einer Investmentbank, • Vereinbarung über Informationsaustausch (Information Memorandum), evtl. Exklusivitätsvereinbarung oder Bietungsverfahren (First Round Bidding Instructions), • Managementpräsentation, evtl. erneutes Bietungsverfahren (Final Round Bidding), • Vorverträge über Vertraulichkeitserklärung (Non Disclosure Agreement) und Verhandlung (Dataroom Procedure), • Abschluss einer im Detail noch nicht rechtsverbindlichen, gegenseitigen Absichtserklärung (Letter of Intend), • detaillierte Bucheinsicht zur Verifizierung der tatsächlichen Vermögens- und Liquiditätslage in gebotener Sorgfalt (Due Diligence), • finanzielle, rechtliche und organisatorische Strukturierung der Transaktion (Pre Closing Integration Plan), • Unternehmensbewertung / Preisfindung nach kumulierten Bilanzwerten, Börsenkurs oder Marktwert des Eigenkapitals, • Vorvertrag / Option (Memorandum of Understanding), konkretisierter Vertragsvorschlag und Angebotsabgabe, • Detailverhandlungen und Vertragsabschluss zur Übernahme (Signing),

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• ggf. Anmeldung / Genehmigung bei der Wettbewerbsbehörde, • Eigentumsübergang (Closing), • Umsetzung (Post Closing Integration). Eine feindliche Übernahme erfolgt gegen den Willen der übernommenen Unternehmung durch offenen oder verdeckten Aufkauf von Anteilen sowie durch ein ausdrückliches Übernahmeangebot. Ein Schutz davor ist letztlich in einer kapitalistischen Wirtschaft kaum möglich, man kann nur versuchen, die Übernahme unattraktiv zu machen. Dazu dienen etwa folgende Maßnahmen: • die Sperrminorität eines verlässlichen Partners, der Erwerb eigener Anteile (dies ist aus besonderem Anlass bis zu 10 % zulässig, evtl. auch zu überhöhten Preisen / Greenmail), eine wechselseitige Beteiligung (Überkreuz) mit einem verlässlichen Partner, die Andienung von Anteilen an einen selbstgesuchten Partner (White Knight) bei unvermeidlich scheinender passiver Übernahme oder, rechtlich allerdings problematische Stimmrechtsbeschränkungen oder Mehrstimmenanteile (Poison Pill), die Einräumung von Sonderrechten für Minderheitsaktionäre, eine Kapitalerhöhung ohne Bezugsrecht, evtl. mit stimmrechtslosen Aktien. • Weitere Möglichkeiten sind die Materialisierung von Wertsteigerungspotenzialen, auch durch eigene Übernahmen, die Ausgabe vinkulierter Namensaktien mit zustimmungsbedürftigem Eintrag in ein Aktienbuch, gestaffelte Vertragslaufzeiten von Führungspersonal (Staggered Board, mit hohen Abfindungen), aggressive Öffentlichkeitsarbeit (wie bei der Transaktion Mannesmann vs. Vodafone), eine gerichtliche Anfechtung als Verzögerungstaktik, ein gut vorbereiteter Gegenangriff (PacMan wie bei Volkswagen vs. Porsche), die proaktive Behinderung abfolgender Umstrukturierungen (Asset Lockup), die Veräußerung von für Übernehmer besonders attraktiven Unternehmensteilen mit stillen Reserven (Crown Jewels), die Fälligstellung von Krediten bei Eigentümerwechsel durch Financial Covenants oder hohe Abfindungen zentraler Führungskräfte (Golden Parachute) bzw. Ausstiegsmöglichkeiten bei Change of Control. Das Umtauschverhältnis und damit der Kaufpreis richten sich auf Basis einer Unternehmensbewertung nach den kumulierten Bilanzwerten, dem geglätteten Börsenkurs oder dem hochgerechneten Marktwert des Eigenkapitals. Ggf. kommen Paketzuschläge für Kontrollrechte hinzu. 22.5.3 Verschmelzung

Die Verschmelzung bedeutet den Zusammenschluss von zwei oder mehr Unternehmen in einer Weise, dass eine gemeinsame rechtliche Einheit entsteht. Die übertragende Gesellschaft verliert dabei neben ihrer wirtschaftlichen auch

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ihre rechtliche Selbstständigkeit. Bei Kapitalgesellschaften ist dies im Wege der Gesamtrechtsnachfolge möglich, ansonsten nur durch vorherige Liquidation der aufzunehmenden Unternehmung. Die Minderheitsanteilseigner der übertragenden Gesellschaft sind angemessen abzufinden. Die Haftung für Schulden geht im Wege der Gesamtrechtsnachfolge auf die neue Einheit über. Eine Verschmelzung kann im Einzelnen durch Aufnahme erfolgen, d. h., die übernommene Unternehmung geht vollständig in die übernehmende auf, oder durch Neugründung. Eine Verschmelzung durch Aufnahme bedeutet die Übertragung des Vermögens der aufzunehmenden Gesellschaft als Ganzes auf eine andere, bereits bestehende Gesellschaft. Eine Verschmelzung durch Neugründung führt zur Bildung einer neuen Gesellschaft, auf die das Vermögens jeder der sich vereinigenden Gesellschaften als Ganzes übergeht. Meist ist die Verschmelzung durch Aufnahme vorzuziehen, da sie juristisch leichter umzusetzen ist. 22.5.4 Entstehen einer marktbeherrschenden Stellung

Das Entstehen marktbeherrschender Stellungen bei Übernahmen soll durch eine Zusammenschlusskontrolle (§§ 35 ff. GWB) verhindert werden. Zusammenschlüsse zwischen Unternehmen einer bestimmten Größenordnung unterliegen danach einer Kontrolle bzw. Anmelde- und Anzeigepflicht, sie sind hingegen nicht generell untersagt. Eine Erteilung ist regelmäßig zu untersagen, wenn zu erwarten ist, dass eine marktbeherrschende Stellung begründet oder verstärkt wird. Entsprechend ergeben sich eine Anmelde- und Anzeigepflicht. Die Anmeldepflicht besteht in der unverzüglichen Anzeige eines Zusammenschlusses, die Genehmigungspflicht setzt zum Vollzug des Zusammenschlusses die Genehmigung des Bundeskartellamts (BKartA) voraus. Wird diese nicht erteilt, kann der Bundesminister für Wirtschaft eine Erlaubnis aus übergeordneten gesamtwirtschaftlichen Interessen erteilen (z. B. E.ON-Fusion aus Veba und Viag, Edeka und Kaiser’s). Außerdem bestehen Bereichsausnahmen. Eine Entflechtung von Unternehmen durch Rückgängigmachung bereits erfolgter Fusionen ist hingegen nach GWB, anders als etwa in den USA, nicht möglich (z. B. American Tobacco, Standard Oil, AT&T, IBM, Microsoft / eingestellt). Dadurch soll marktwirtschaftlich verhindert werden, dass der Staat das Wirtschaftsgeschehen diskretionär verzerrt. Die Fusionskontrolle bezieht sich auf Fusionen, die bestimmten Eingreifkriterien genügen (mind. 500 Mio. € Umsatz weltweit bzw. mind. 25 Mio. € deutschlandweit). Ein Zusammenschluss, von dem zu erwarten ist, dass er eine marktbeherrschende Stellung begründet oder verstärkt (> 33 % Marktanteil einer Unternehmung in Deutschland), ist zu untersagen, es sei denn, die beteiligten Unternehmen weisen nach, dass durch ihn auch Verbesserungen der Wettbewerbsbedingungen eintreten und diese die Nachteile der Marktbeherrschung

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überwiegen (§ 36 GWB). Kleinunternehmen sind durch eine Bagatellklausel ausgenommen. Als Zusammenschlüsse gelten im Einzelnen die Verschmelzung von Unternehmen, die Vermögensübertragung auf ein anderes Unternehmen, der Erwerb von Anteilen an einer anderen Unternehmung, die Gründung eines Gemeinschaftsunternehmens, der Abschluss von Unternehmensverträgen, die personelle Verbindung von Unternehmen und die Begründung eines beherrschenden Einflusses auf eine andere Unternehmung (§ 37 GWB). Auf EU-Ebene findet eine europäische Zusammenschlusskontrolle statt (> 25 % Marktanteil einer Unternehmung). 22.6 Diversifikation Unter Diversifikation versteht man heute Unternehmen, die auf mehreren Geschäftsfeldern tätig sind. Nach der Form kann es sich dabei um eine homogene Diversifikation handeln oder um eine heterogene. Die homogene Diversifikation wiederum ist horizontal angelegt oder vertikal: • Eine homogen-horizontale Diversifikation findet auf gleicher Marktstufe mit verwandten Programminhalten statt. Die Orientierung erfolgt dabei anhand der Materialtreue (Ursprung, Qualität, Hersteller), der Wissenstreue (Funktion, Problemlosigkeit, Preis) oder der Problemtreue (Nachfrageverbund, Bedarfsträger, Anlass). • Eine homogen-vertikale Diversifikation findet auf anderer Marktstufe mit verwandten Programminhalten statt. Eine heterogene Diversifikation ist graduell in verschiedenen Formen möglich (siehe Abb. F56): • Eine mediale Diversifikation findet auf gleicher Marktstufe mit ähnlichen Programminhalten statt. Eine diagonale Diversifikation findet auf gleicher Marktstufe mit anderen Programminhalten statt. Eine laterale Diversifikation findet auf anderer Marktstufe mit entfernt verwandten Programminhalten statt. Eine konglomerale Diversifikation findet auf anderer Marktstufe mit anderen Programminhalten statt. Die Abstufungen sind allerdings gleitend. Gelegentlich ist die Diversifikation auch nur Zwischenschritt einer Migrationsstrategie mit dem Verlassen des bestehenden Geschäftsfelds und Überführung der Ressourcen in ein anderes. Vorübergehend entsteht dann der Eindruck einer Diversifizierung. Generell wird Diversifikation heute im Management nicht mehr als angemessener Ansatz angesehen. Folglich werden diversifizierte Unternehmen an den Börsen mit einem Abschlag bewertet. Häufig werden diversifizierte Unternehmen auch „vom Markt gezwungen“, sich in mehrere konzentrische Unternehmen

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Abbildung F56: Formen der Diversifikation (eig. Abb.)

aufzuspalten, um dadurch Shareholder Value zu heben (z. B. Bayer, Ebay, Philip Morris). Die Ursachen dafür liegen wohl in der unvermeidlichen Komplexität der Organisation. Dies war noch anders zu den Hochzeiten der Diversifikation. Dort überlagerte das generische Branchenwachstum solche Ineffizienzen. Selbst das Argument der Risikostreuung verfängt nicht mehr, sind doch heute andere Möglichkeiten des Hedging verbreitet. Insofern hat sich in den letzten Jahrzehnten eine breite Bewegung der Entdiversifizierung ergeben, z. B. bei RWE, Eon, Volkswagen, Daimler, Thyssen. Angesichts volatiler Märkte wäre aber eine maßvolle Diversifizierung vielleicht gar keine so schlechte Idee (z. B. Preussag / TUI).

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Literaturhinweise Becker, Thomas / Dammer, Ingo / Howaldt, Jürgen / Loose, Achim (Hrsg.): Netzwerkmanagement, 3. Auflage, Berlin / Heidelberg 2011 Ganz, Walter / Meine, Thomas / Woywode, Michael (Hrsg.): Schnelles Unternehmenswachstum, Stuttgart 2005 Glaum, Martin: Mergers & Acquisitions, Stuttgart 2010 Glaum, Martin / Hommel, Ulrich / Thomaschewski, Dieter (Hrsg.): Wachstumsstrategien internationaler Unternehmungen, Stuttgart 2002 Hungenberg, Harald: Strategisches Management in Unternehmen, 7. Auflage, Wiesbaden 2012 Hungenberg, Harald / Wulf, Torsten: Grundlagen der Unternehmensführung, 4. Auflage, Berlin 2011 Jansen, Stephan A.: Mergers & Acquisitions, 5. Auflage, Wiesbaden 2008 Killich, Stephan / Luczak, Holger: Unternehmenskooperation für kleine und mittelständische Unternehmen, Berlin – Heidelberg 2003 Schreyögg, Georg / Koch, Jochen: Grundlagen des Managements, 2. Auflage, Wiesbaden 2010 Staehle, Wolfgang H. (u. M. v. Conrad, Peter / Sydow, Jörg): Management, 8. Auflage, München 1999 Steinmann, Horst / Schreyögg, Georg / Koch, Jochen: Management, 7. Auflage, Wiesbaden 2013 Welge, Martin / Al-Laham, Andreas: Strategisches Management, 6. Auflage, Wiesbaden 2012 Woeckener, Bernd: Strategischer Wettbewerb, 3. Auflage. Berlin / Heidelberg 2014

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Übungsaufgaben 1. Was versteht man unter einem Kartell, welche Ausprägungen haben Kartelle und wie sind sie organisiert? 2. Nennen und erläutern Sie bitte immer verbotene Formen von Kartellen. 3. Nennen und erläutern Sie bitte erlaubnisfähige Formen von Kartellen. 4. Welche Bestimmungen trifft das Wettbewerbsgesetz in Bezug auf Unternehmensfusionen? 5. Was versteht man unter einer Verschmelzung (Fusion / Merger / Trust)? 6. In welchen Stufen erfolgt üblicherweise eine freundliche Übernahme? Recherchieren Sie hierzu geeignete Informationen. 7. Kann eine Unternehmung sich gegen eine feindliche Übernahme wehren und ggf. wie? 8. Was versteht man unter einem Konzern und welche Ausprägungen von Konzernen sind vorzufinden? 9. Welche Formen des internen Unternehmenswachstums können unterschieden werden? Recherchieren Sie dazu bitte geeignete Informationen. 10. Was versteht man unter Diversifikation? 11. Welche Formen des externen Unternehmenswachstums können unterschieden werden? 12. Was versteht man unter einer Unternehmenskooperation, wie ist sie ausgestaltet und wie ist sie ökonomisch einzuschätzen? 13. Wodurch ist eine Werkgemeinschaft im Wesentlichen charakterisiert? 14. Wodurch ist eine Partizipation im Wesentlichen charakterisiert? 15. Wodurch ist eine Arbeitsgemeinschaft im Wesentlichen charakterisiert?

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23. Krisenbewusstes Management In diesem Kapitel werden folgende Inhalte behandelt und geklärt: • der Begriff und die Abgrenzung von Krisen, • das Vorsorgemanagement, • das Sanierungsmanagement, • das Turnaround-Management, • das Insolvenzmanagement. 23.1 Begriff und Abgrenzung Dass Unternehmen in volatilen wirtschaftlichen Zeiten in eine Krisensituation geraten können, ist nicht verwunderlich. Krisen sind allgemein durch Merkmale gekennzeichnet wie Existenzgefährdung, Ambivalenz in ihrem Ausgang, Überraschungsmoment, Problematik in Bezug auf Zahlungsfähigkeit und Steuerungsmöglichkeit, Stress, Komplexität, Eskalations- und Selbstreinigungseffekt. Solche Krisen erfordern in jedem Einzelfall ein spezielles Management, das in zwei Gruppen unterteilt werden kann (siehe Abb. F57): • Proaktives Krisenmanagement greift nur, sofern eine Krisensituation faktisch noch nicht eingetreten ist. Dabei sind wiederum zwei Gruppen unterteilbar. Erstens die Situation, dass einer Krise wirksam vorgebeugt werden soll, d. h., es handelt sich allenfalls um eine potenzielle Krise. Als Mittel dagegen erweist sich die Vorsorge. Zweitens die Situation, in der eine Krise zwar noch nicht eingetreten ist, aber Krisenanzeichen bereits unverkennbar sind. Es handelt sich dann um eine latente Krise, die durch Sanierung behoben werden kann und muss. • Reaktives Krisenmanagement greift hingegen, sofern bereits eine Krise eingetreten und nicht mehr autonom gestaltbar ist. Ist diese Krise zwar bereits akut, aber es gibt noch ausreichende Mittel, sie durch Ad hoc-Maßnahmen

Abbildung F57: Alternative Ausprägungen des Krisenmanagements (eig. Abb.)

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F. Das Management der Unternehmung

in allen Bereichen der Unternehmung abzuwenden, handelt es sich um einen Turnaround. Sofern die Krise akut ist, aber keine Möglichkeiten zu ihrer Beherrschung mehr gesehen werden, ist hingegen die Situation einer Insolvenz entstanden. 23.2 Vorsorgemanagement Im Zuge der Krisenvorsorge werden Präventionssysteme (Before Fact Ap­ proach) genutzt, dabei handelt es sich im Einzelnen um Verfahren der Frühwarnung, der Früherkennung und der Frühaufklärung (siehe Abb. F58): • Frühwarnsysteme streben an, eine krisenhafte Entwicklung frühzeitig anzeigen zu können, indem geeignete Kennzahleninformationen ausgewertet werden. Dazu werden potenziell krisenrelevante Kennzahlen gebildet und auf die Zukunft, den Prognosehorizont, hin hochgerechnet. Sodann findet für jeden Zeitpunkt ein kontinuierlicher Abgleich zwischen den so hochgerechneten Sollwerten und den tatsächlich sich ergebenden Istwerten statt. Solange die Soll-Ist-Abweichungen dabei innerhalb eines tolerablen Korridors bleiben, entstehen keine Warnanzeichen. Weichen jedoch die hochgerechneten Istwerte von den Sollwerten negativ signifikant ab, wird dies als Warnzeichen für eine Krise verstanden. Daraus ergibt sich dann eine Indikation zu Gegenmaßnahmen. Allerdings entsteht insofern Zeitverzug, als die krisenhafte Abweichung dann bereits eingetreten, die negative Entwicklung also schon mehr oder minder weit fortgeschritten ist. • Früherkennungssysteme versuchen, mehr Zeit für Gegenmaßnahmen zu gewinnen, indem vorlaufende Indikatoren für eine Krise identifiziert und diese kontinuierlich beobachtet werden. Welche Indikatoren dabei jeweils signifikant sind, kann aufgrund theoretischer Überlegungen oder Erfahrungen der Vergangenheit bestimmt werden. Eine negative Entwicklung eines zeitlich vorlaufenden, belastbaren Indikators zeigt damit eine zeitlich verschobene krisen-

Abbildung F58: Ausprägungen des Vorsorgemanagements (eig. Abb.)

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hafte Entwicklung an. Darauf kann dann mit relativem Zeitvorsprung reagiert werden. Voraussetzung ist allerdings, dass solche vorlaufenden Indikatoren vorhanden sind und dass diese relevant, objektiv, zuverlässig und gültig für die aus ihnen abgelesene spätere Entwicklung sind. Nur dann kann der Indikatoreffekt genutzt werden. Ein solcher Indikator ist z. B. für das Baugewerbe das Niveau der Darlehenszinsen. Allgemeine Prognoseindices sind etwa das ifo Geschäftsklima (ifo-Institut), der ZEW-Index (Zentrum für europäische Wirtschaftsforschung), das GfK-Konsumklima, der Einkaufs-Manager-Index (Bundesverband Materialwirtschaft, Einkauf und Logistik), der Earlybird (Commerzbank) etc. • Frühaufklärungssysteme arbeiten anhand sog. Schwacher Signale (Weak Signals). Ein Schwaches Signal ist ein Element von sehr geringer Merkmalsausprägung, das jedoch in der Lage ist, frühzeitig gravierende Änderungen im Unternehmensumfeld anzuzeigen. Werden diese Schwachen Signale rechtzeitig identifiziert, kann mit größtmöglichem zeitlichen Vorlauf auf eine krisenhafte Entwicklung eingewirkt werden. Problematisch ist dabei allerdings, was als Schwaches Signal und was nur als bloßer Zufall zu interpretieren ist. Denn Zufälligkeiten erfüllen alle Merkmale Schwacher Signale, sind aber eben nicht aussagefähig, weil nicht signifikant. Werden solche Zufälligkeiten als Anlass für unternehmerische Maßnahmen genommen, können diese daher unzutreffend sein (Fehler 1. Art). Umgekehrt, werden Schwache Signale fehlinterpretiert, nämlich als Zufälligkeiten, und dementsprechend keine Gegenmaßnahmen eingeleitet, kann einer Krise nicht ausreichend vorgebeugt werden (Fehler 2. Art). Solche Schwachen Signale werden u. a. im Trendscouting genutzt. Zur Krisenvermeidung ist eine kontinuierliche Sichtung aller relevanten Informationen erforderlich (= Scanning) sowie die vertiefende Analyse ausgewählter Bereiche (= Monitoring). Dies ermöglicht ein systematisches Risikomanagement. Die Notwendigkeit zu dessen Einrichtung ergibt sich bereits aufgrund gesetzlicher Anforderungen wie KonTraG (Gesetz zur Kontrolle und Transparenz im Unternehmensbereich) oder BilMoG (Bilanzrechtsmodernisierungsgesetz) oder TransPuG (Transparenz- und Publizitätsgesetz) oder BilReG (Bilanzrechtsreformgesetz), teilweise auch branchenspezifisch wie Basel II (für Banken). Unzureichendes Risikomanagement kann schwerwiegende Unternehmenskrisen auslösen. 23.3 Sanierungsmanagement Sind Aktivitäten zur Krisenvermeidung ohne Erfolg geblieben, steht die betriebswirtschaftliche Lösung solcherart entstandener Krisen im Sanierungsmanagement an. Die Sanierung erfordert strategische Maßnahmen, um eine Krise doch noch abwenden zu können. Grundlage ist eine kritische Überprüfung in Audits. Dort werden sowohl die Sanierungsfähigkeit als auch die Sanierungs-

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würdigkeit beurteilt. Im Wesentlichen werden Finanz- bzw. Liquiditätskrisen, Ertrags- bzw. Ergebniskrisen und Kosten- bzw. Preiskrisen unterschieden. Eine strategische Neuausrichtung baut auf der Situationsbeschreibung der Unternehmung und der Analyse ihrer Umfeldfaktoren auf. Außerdem werden die Ursachen für die Krisenentstehung analysiert und die daraus abgeleiteten Optionen beurteilt. Sodann wird ein Leitbild der Unternehmung, wie es sich nach der Sanierung darstellen soll, entworfen. Daraus folgen Maßnahmen zur Überführung des sanierungsbedürftigen Istzustands in den gewünschten Sollzustand als Restrukturierung. Dadurch sollen eine kurzfristige Überlebensfähigkeit und eine langfristige Neuausrichtung erfolgen. In diesem Zuge sind folgende Überlegungen sinnvoll: • Situationsbeschreibung mit Abgrenzung des Strategischen Geschäftsfelds, Abgrenzung der Strategischen Gruppe, Einteilung der Strategischen Geschäftseinheiten, Durchführung einer Branchen-Analyse (5-Forces), Durchführung einer Umfeld-Analyse (PESTEL), Durchführung einer Unternehmens-Analyse, Zusammenführung der Analyseergebnisse (Diagnose, z. B. SWOT), • Zielsituation auf Basis der unternehmerischen Vision, also dem Gründungszweck, der ökonomischen Mission, also der Geschäftsidee, der Unternehmenskultur, der Definition der Kernkompetenz, der konkreten Zieldimensionen, • Veränderungsmaßnahmen durch den Wechsel des Geschäftsmodells anhand einer Konzeptbasis, Wertschöpfungsarchitektur und Markt- bzw. Kundenzugang oder die Neuausrichtung durch Innovation bzw. Restrukturierung. Zentraler Bestandteil jeder Restrukturierung ist der Sanierungsplan (Re­ development Plan). Er enthält im Wesentlichen die Value Proposition, d. h., den Nutzen, den die Unternehmung dem Markt nachher mehr stiften soll als zuvor, die Architektur der Wertschöpfung, d. h., auf welche Art und Weise eine Leistung erstellt werden soll, und das Ertragsmodell, d. h. die Darlegung der damit verbundenen Einnahmen und Ausgaben. Ein Sanierungsplan besteht im Einzelnen aus verschiedenen Teilen: • die Executive Summary ist eine kurze Zusammenfassung der Ausführungen, • die Rahmenbedingungen zeigen sozio-ökonomische, technologische, ökonomische und politisch-rechtliche Restriktionen einer Veränderung auf, • das redesignte Geschäftsmodell weist aus, wie ein Input durch gezielte Transformation zu einem Mehrwert-Output werden soll, indem die dabei entstehenden Kosten vom dabei entstehenden Wertzuwachs übertroffen werden, • die voraussichtlichen Erfolgsfaktoren und die strategische Ausrichtung geben die Werttreiber an, • die operationalen Ziele der Unternehmung durch die Restrukturierung,

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• das Leistungsangebot (Produkt / Service, Marktlebenszyklus, Alleinstellung, Schutzrechte, Positionierung etc.) betrifft das Objekt der Wertschöpfung (technisch-funktionale Beschreibung), • der Kundennutzen stellt die komparativen Vorteile des Angebots im Vergleich zum Wettbewerb dar, • die Branchen- und Marktanalyse betrifft Chancen und Risiken (OT-Analyse) nach Abtasten und Erfassen der Umfeldfaktoren, nach Verfolgen und Interpretieren dieser Faktoren, deren Prognose und Folgenabschätzung, • die Wettbewerbsanalyse betrifft die komparativen Vor- und Nachteile des Angebots im Vergleich zu direkten Wettbewerbern (SW-Analyse) in Bezug auf Marktgröße, Marktsegmente, Marktwachstum etc., • das Markteintritts- und Absatzkonzept stellt dar, wie Zugang zu Abnehmern gewonnen und Umsatz erreicht werden soll, • die Organisation der Geldwirtschaft sichert eine ausreichende Mittelherkunft ab, dazu gehören Ergebnisplanung, Cash-flow-Prognose, Break Even, Sensitivitätsanalyse etc., Vermögen, Kapitalbedarf etc., • die Organisation der Beschaffungsquellen für Liquidität / Kapital und Produktionsfazilitäten, incl. Make or Buy, Anlagen / Einrichtungen, Kapazitäten etc., • die Humanressourcen ergeben sich aus dem Fähigkeitsprofil und der Wissensbasis der Belegschaft, • die Risikobewertung schätzt die Erfolgsaussichten der Restrukturierung ab (Controlling), • die Prüfung der konstitutiven Faktoren Rechtsform, Standort und Nachhaltigkeit erfolgt auf ihre Angemessenheit hin, • die Konzeption, also die Planung und Einhaltung von Zwischenzielen (Roadmap). 23.4 Turnaround-Management Ist eine akute Krisensituation aber erst einmal gegeben, helfen nur noch reaktive Ad hoc-Maßnahmen. Für langfristige Strategien und Gedankenspiele ist es eindeutig zu spät. Das Ruder muss rasch und wirksam herumgerissen werden. Dies darf jedoch nicht in Aktionismus münden. Daher ist es gerade in akuten Krisen wichtig, einen leitenden Gedanken für alle Maßnahmen zugrunde zu legen. Als mächtiges Werkzeug erweist sich dabei das Modell der Wertschöpfungskette (Porter). Die Wertschöpfungskette legt dar, wie von einem Anbieter chronologisch ein Mehrwert am Markt realisiert wird. Dabei wird in primäre, eigentlich wertschöpfende Aktivitäten (Nutzleistung) und sekundäre, selbst nicht

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wertschöpfende, aber zur Organisation der primären Maßnahmen erforderliche Aktivitäten (Stützleistung) unterschieden. Entlang der Wertschöpfungskette ergeben sich vielfältige Maßnahmen. Beispielhaft sollen einige von ihnen im Folgenden erläutert werden (siehe Abb.: F59).

Abbildung F59: Ansätze für Turnaround-Management (eig. Abb.)

Die Senkung der Sicherheitsbestände im Wareneingangslager führt zu einem Kapitalfreisetzungseffekt. Denn Warenvorräte binden Umlaufvermögen. Zwar ist es nicht schlecht, immer Sicherheitsreserven im Lager zu haben, im Falle einer akuten Krise ist Liquidität aber wichtiger. Vielleicht kann mit den Lieferanten vereinbart werden, Konsignationsläger einzurichten, d. h., die Ware im Lager bleibt bis zur Entnahme im Eigentum der Lieferanten. Die Bezahlung wird damit erst bei der Entnahme fällig. Dadurch kann unnötige Kapitalbindung im Lager vermieden und dennoch ein stetiger Nachschub gewährleistet werden. Alternativ dazu sind Abrufaufträge bei Lieferanten möglich. Dazu wird ein Rahmenvertrag geschlossen, der ein bestimmtes Transaktionsvolumen fixiert, das aber Just in Time, also terminsynchron zum Bedarf, mit einer gewissen Vorlaufzeit abgerufen wird. Auch dadurch kann die Liquiditätssituation verbessert werden. Da Fixkosten zeitabhängig sind, bedeutet eine Verkürzung der Durchlaufzeiten in der Produktion eine bessere Verteilung dieser Kosten pro Stück und da-

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mit letztlich eine niedrigere zur Kostendeckung erforderliche Preisuntergrenze. Diese füllt wiederum die Kapazitäten. Einer der wesentlichen Kostentreiber ist Komplexität. Eine wichtige Ursache der Komplexität ist die Versionsvielfalt (Programmtiefe). Eine Reduktion kann hier Overheads vermeiden und kompetitive Preise zulassen. Durch Modularisierung, Plattformen, Gleichteile oder Postponement kann dennoch eine erforderliche Vielfalt dargestellt werden. In der Produktion gibt es generell ein Dilemma zwischen Stückkostendegression einerseits und Komplexitätskostenprogression andererseits. Für eine Effizienzsteigerung ist daher die Optimierung der Losgrößen näherungsweise im Kostenminimum hilfreich, also weder zu kleine, suboptimale, noch zu große, risikoreiche Losgrößen. Kostendegressionseffekte entstehen häufig erst nach Zusammenlegung von Standorten, denn solange Einzellose getrennt gefertigt werden, legen sich die Rüstkosten nur ungenügend auf die Nutzkosten um. Daher ist eine Stilllegung von Produktionsstandorten kaum vermeidbar. Häufig sind mangelnde Kapazitätsabstimmungen Ursache für vermeidbare Kosten. Dem kann durch eine Planung vorwärts entlang der Lieferkette gemeinsam mit Kunden (CPFR) entgegengewirkt werden. Dazu ist eine informationelle Vernetzung über die eigene Unternehmung hinaus erforderlich. Ein ausgesprochen großes Erlöspotenzial liegt in der Durchsetzung von Preiserhöhungen am Markt. Denn auf der Kostenseite ist nach vielfachen Cost Cutting-Runden kaum mehr Einsparpotenzial vorhanden, auf der Erlösseite bleiben solche Potenziale aber häufig ungenutzt, weil es an nachvollziehbaren Alleinstellungsmerkmalen fehlt. Das Bundling von Einzelleistungen in Paketen eröffnet die Chance auf Zusatzumsätze. Dabei ist vor allem an die Kopplung von verschiedenen Produkten (Cross Selling) oder von Basisleistung und Zusatzleistungen (produktverbundene Kundendienste) zu denken. Die Einholung von Bonitätsauskünften verringert die Gefahr letztlich uneinbringlicher Forderungen. Zwar sind Vollständigkeit, Relevanz, Objektivität und Aktualität der Datenbasis fraglich, dennoch gibt der Bonitäts-Score einen Anhaltspunkt für die Zahlungsfähigkeit und -willigkeit von Kunden und erlaubt damit ein bewusstes Risikomanagement. Eine Verkürzung der Zahlungsziele bei Kunden führt dazu, dass der Unternehmung liquide Mittel frühzeitiger und insgesamt länger zur Verfügung stehen. Dies schont die Kreditlinien und verbessert die Bilanzrelationen. Fraglich ist allerdings, ob eine solche Zahlungszielverkürzung durchsetzbar ist. Die Bereinigung des Produktionsprogramms bewirkt eine Konzentration auf die erfahrungsgemäß 20 % aller Produkte, die für, idealtypisch, 80 % aller Erträge stehen. Dabei können eliminierte Produkte durchaus noch zu Geld gemacht werden (etwa über Lizenzvergabe, Markenverkauf, Kundenweitergabe etc.). Die Gewährung freiwilliger Garantien vermindert gerade bei Neukunden deren wahrgenommenes Risiko und begünstigt somit die Erteilung von Probeaufträgen. Diese können mit einem Rückgaberecht verbunden werden, so dass die Absatzbasis verbreitert werden kann. Denkbar ist auch die Akzeptierung einer erfolgsabhängigen Bezahlung. So wird einerseits das Risiko für Marktpartner vermindert und ist andererseits ein wichtiges Sig-

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naling für die eigene Leistungsfähigkeit und -willigkeit. Oft haben Kunden kein Budget / keine Kaufkraft, um bei ihnen Erlöse zu generieren. Dann ist zu überlegen, ob Tauschgeschäfte eingegangen werden können. Evtl. verfügen potenzielle Abnehmer über werthaltige Objekte, die in der eigenen Unternehmung benötigt oder an andere Unternehmen gegen Entgelt weitergegeben werden können. Dazu gehören vor allem Inzahlungnahme-Aktionen. Bei geforderten Preisnachlässen ist eher auf Naturalrabatte als Geldrabatte abzuheben, denn diese haben eine um die eigene Gewinnspanne höhere Wertanmutung. Gegenüber Rabatten sind wiederum Boni, also nachschüssig gezahlte Erstattungen oder Gutschriften zu bevorzugen (wegen des damit verbundenen Zinseffekts). Zentral ist eine schnellstmögliche Rechnungsstellung, denn jeder Tag Verzug gegenüber der Auslieferung von Waren strapaziert die Liquidität und bringt Zinsverluste. Durch Straffung der Prozesse im Rechnungswesen und engere informationelle Ankopplung sind die Voraussetzungen dafür zu schaffen. Denkbar ist die Anmietung von Transporteinrichtungen statt des Eigenbetriebs. Erstens können damit weitgehend durch Unterauslastung bedingte Leerkosten vermieden, und zweitens kann die Kapitalbindung verringert werden. Zudem sind die Konditionen frei verhandelbar und auch Spezialauslegungen von Transportmitteln nutzbar. Ebenso ist die Anmietung von Lägern statt des Eigenbetriebs denkbar. Auch dafür spricht die Vermeidung von Leerkosten und Kapitalbindung. Zudem können abnehmernahe Standorte genutzt werden, wodurch sich der Servicegrad erhöht und vor allem die Lieferzeiten verkürzen (Kundenzufriedenheit, Liquiditätseffekt). Konsequent ist auch eine Lieferung nur gegen Vorkasse oder Anzahlung (à conto). Einerseits wird damit im Falle eines Zahlungsausfalls wenigstens schon einmal ein Kostendeckungsbeitrag realisiert und zweitens kann mit dem Pränumerando-Erlös in der Unternehmung produktiv gearbeitet werden. Auf jeden Fall gilt es, Forderungen konsequent einzutreiben. Die Zurückhaltung bei Mahn- und Inkassoverfahren muss im Zweifelsfall aufgegeben werden, wenn die eigene Existenz gefährdet ist. Zudem besteht im B-t-B-Sektor keine rechtliche Notwendigkeit zur Mahnung, vielmehr gerät der Geldschuldner mit Fälligkeit der Rechnung im Regelfall automatisch in Verzug. Eine Intensivierung der produktbegleitenden Dienstleistungen gegen Entgelt führt zu Zusatzerlösen. Häufig sind Abnehmern Art und Umfang von Services nicht genügend präsent, sofern diese nutzenstiftend sind, generieren sie jedoch eine relevante Preisbereitschaft bei ihnen, die auch erforderlich ist, um die damit verbundenen Kosten abzudecken. Unbedingt zu versuchen ist, bisherige Inklusivleistungen getrennt abrechenbar zu machen. Dies ist schwierig, bei einer entsprechenden Neukonfiguration des Angebots (Mehrwertleistungen) aber machbar (etwa durch Preisbaukästen). Dadurch können zusätzliche Erlöse generiert werden. Eine Verlängerung der Zahlungsziele mit Lieferanten ist das Mittel der ersten Wahl. Lieferanten dürfte eine spätere Zahlung immer noch lieber sein als ein

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möglicher Zahlungsausfall. Jeden Tag, den man das Zahlungsziel hinauszögern kann, bedeutet über weniger Cash Drain einen besseren Liquiditätsstatus. Entgegen sonstiger Praxis ist auch die Ausnutzung von Zahlungszielen statt einer Skontoinanspruchnahme zweckmäßig. Zwar entgehen damit Zinsvorteile, aber gerade, wenn Kreditlinien bereits ausgeschöpft sind, kann durch Zahlungsziele der Verbleib liquider Mittel in der Unternehmung überlebenswichtig verlängert werden. Nahe liegend ist das Outsourcing von IT-Leistungen, weil dies für die wenigsten Unternehmen eine Kernkompetenz darzustellen scheint. Allerdings ist hier Vorsicht geboten, denn in einer Wissensgesellschaft ist Information immer kernkompetenzrelevant, und einmal outgesourcte Aktivitäten sind gerade bei raschem technischen Fortschritt nur schwer wieder rückholbar. Alternativ dazu kann versucht werden, die IT intern effizienter zu organisieren. Hier sind die Kosten von Updates, Reorganisationen und Neukonfigurationen gegen die kurzfristigen Einsparungen daraus gegen zu rechnen. Mittelfristige Amortisationszeiten sind womöglich nicht mehr von Belang. Eine wichtige Maßnahme betrifft die Umstellung von Anreizsystemen auf Liquiditätsziele, vor allem bei Mitarbeitenden mit Kundenkontakt (Frontline Staff). Stellgrößen sind etwa die Vermeidung von Erlösschmälerungen, die Forcierung von Barverkäufen oder die Kürzung von Zahlungszielen. Denkbar sind auch, wie in früheren Zeit regelmäßig üblich, einheitliche Betriebsferien. Dadurch kann die Beschäftigung gestreckt werden, zudem können unvermeidliche Wartungs-, Inspektions- und Instandsetzungsarbeiten rationell durchgeführt werden. Evtl. ist auch die Vereinbarung unbezahlten Urlaubs möglich. Sofern Überstunden durch Freizeit abgegolten werden (Arbeitszeitkonten), sind ein Abbau aufgelaufener Überstunden und die Vermeidung zusätzlicher Überstunden anzustreben. Dadurch wird das Liquiditätspolster geschont. Sofern dies nicht ausreicht, muss Kurzarbeit eingeführt werden. Dies ist allerdings abhängig von tarif- und sozialrechtlichen Bedingungen, bei Anmeldung kann immerhin ein mehr oder minder großer Ausgleich von Einbußen über die Zahlung von Kurzarbeitergeld durch die Agentur für Arbeit erreicht werden. Übertarifliche, freiwillige Gehaltszulagen sind situationsbedingt zu kürzen. Zwar mag dies die Motivation der Beschäftigten vermindern, aber vor die Wahl gestellt, den Arbeitsplatz durch Bestehen auf solche Gehaltszulagen aufs Spiel zu setzen oder durch teilweisen oder zeitweisen Verzicht darauf die Chance auf den Arbeitsplatzerhalt zu bessern, entscheiden sich Arbeitnehmer erfahrungsgemäß für letzteres (Gewerkschaften sehen das häufig anders). Eine nahe liegende Maßnahme ist das Einfrieren von Löhnen und Gehältern. Diese nehmen dann, zumindest vorübergehend, nicht mehr am Produktivitätsfortschritt teil, sondern dieser kommt der Gesundung der Unternehmung zugute. Untergrenzen ergeben sich aus Flächentarifvertrag und (Mindestlohn-)Gesetz. Wo noch nicht realisiert, ist auch eine Kappung der betrieblichen Altersversorgung angezeigt. Die Notwendigkeit zu Rückstellungen entzieht der

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Unternehmung Dispositionsfreiraum und verschlechtert die Bilanzrelationen, vermindert also die Kreditfähigkeit bzw. mindert die Kreditkonditionen. Mit dem Betriebsrat kann auch ein freiwilliger Lohn-/Gehaltsverzicht vereinbart werden. Dabei kann der tarifvertragliche Ecklohn mit Zustimmung der Gewerkschaft unterschritten werden, nicht aber ein gesetzlicher Mindestlohn. Häufig ist der Betriebsrat vor Ort dazu auch bereit, die Einheitsgewerkschaft hingegen nicht unbedingt. Durch Forderungsverkauf können zum einen auch (wenngleich nicht nur) zweifelhafte Forderungen liquidiert werden und zum anderen kann „Zeit gekauft“ werden, indem der Unternehmung liquide Mittel vorzeitig zur Verfügung stehen. Dafür müssen dann Rechnungsbetragsabschläge für Zinsdiskont, Gebühren und Risikoprämie hingenommen werden. Im internationalen Bereich ist auch die Nutzung einer Kreditversicherung denkbar. In betriebsnotwendigen Anlagen gebundenes Kapital kann im Sale and Lease Back-Verfahren monetarisiert werden. Dazu werden diese Anlagen an Leasing-Unternehmen verkauft und anschließend von diesen wieder zurückgemietet. Auf diese Weise können sie im Betrieb genutzt werden und setzen dennoch Kapital frei, das als Liquidität anderweitig dringend für Investition oder Verbrauch benötigt wird. Bei nicht-betriebsnotwendigen Vermögensgegenständen ist unbedingt ein Verkauf anzustreben. Denn diese binden Kapital, ohne produktiv zu sein. Häufig handelt es sich dabei um Gebäude und Grundstücke, die derzeit nicht genutzt werden. Denkbar sind auch eine Verpfändung (Beleihung) oder Sicherungsübereignung als Sicherheiten. Gerade große Unternehmen können versuchen, mit dem Argument der Sicherung von Arbeitsplätzen eine Garantie der Gebietskörperschaften einzuholen. Dies gilt auch im internationalen Geschäft, wenn die Einbringlichkeit von Forderungen aus Geschäftsabschlüssen ex ante fraglich scheint. Ein Ausgabenstopp sorgt dafür, dass der Liquiditätsabfluss abgestellt und damit kontrollierbar wird. Denkbar ist auch, dass Ausgaben ab einer definierten Mindesthöhe der Zustimmung durch Vorgesetzte / Geschäftsleitung bedürfen und ansonsten zu unterbleiben haben. Technisch vergleichsweise gut durchsetzbar ist eine globale Minderausgabe, d. h. eine lineare Budgetkürzung. Sich auf Einzeldiskussionen einzulassen, wessen Budget „wertvoller“ ist als das eines Anderen und damit von Kürzungen verschont bleiben sollte, ist hingegen brotlose Kunst. Mit Kreditoren sollte unbedingt über eine Stundung von Krediten verhandelt werden (Moratorium). Dies kann etwa durch eine Tilgungsaussetzung erfolgen. So erhalten die Gläubiger zumindest laufende Zinszahlungen und können die Hoffnung hegen, auch Tilgungen zu erhalten, sobald die Krisensituation überwunden ist. Einen Schritt weiter geht der Krediterlass. Dies ist vor allem erforderlich, wenn die Bilanzrelationen eine Überschuldung anzeigen, Verbindlichkeiten also dringend abgebaut werden müssen. Auch hier dominiert gläubigerseits die Hoffnung auf spätere Gesundung und damit Teilrückzahlung. Vor allem in Zeiten günstiger Kreditzinsen ist mit Banken über eine Umschuldung zu verhandeln. Teure alte

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Kredite können so durch billigere neue abgelöst werden. Dafür entstehen allerdings Vorfälligkeitsentschädigungen, wenn kein Sonderkündigungsrecht besteht. Möglich ist auch eine Fristentransformation, d. h. aus kurzfristigen Verbindlichkeiten werden mittel- bis langfristige. Als probates Mittel kann ebenso eine Kapitalaufstockung gelten. Diese erfolgt aus dem bestehenden Eigentümerkreis oder durch Aufnahme neuer Teilhaber. Naturgemäß leidet in Krisenzeiten der Wert der Assets, so dass die Gefahr besteht, diese unter Wert abgeben zu müssen. Wenn dadurch jedoch frisches Geld in die Unternehmung fließt und die Bilanzrelationen in Ordnung gebracht werden, muss das hingenommen werden. Außerdem ist die Erstellung eines kontinuierlichen Liquiditätsstatus (Cash Forecast) unerlässlich. Denn es muss zu jedem Zeitpunkt sichergestellt werden, dass die Ausgaben einer Unternehmung durch ihre Einnahmen mindestens gedeckt werden. Ansonsten droht eine ungewollte Insolvenz. 23.5 Insolvenzmanagement Ist die Situation der Unternehmung schließlich nicht-beherrschbar geworden und kann folglich nicht mehr aktiv eingegriffen werden, entsteht eine Insolvenz. Die Insolvenz hat den bis 1999 gültigen Konkurs abgelöst. Das Konkursverfahren hatte als primäre Zielsetzung die vollständige Verwertung des Vermögens des Schuldners zur Befriedigung seiner Gläubiger. Dabei musste oft festgestellt werden, dass bei umsichtigerem Vorgehen die betroffenen Unternehmen hätten erhalten bleiben können. Dies gilt insb. in Bezug auf den Schutz der dort noch vorhandenen Arbeitsplätze. Daher wurde ein Interessenausgleich zwischen der Fortführung der Unternehmung und der Befriedigung der Forderungen der Gläubiger zu erreichen gesucht, der sich in zwei zusätzlichen Möglichkeiten manifestiert, die es Schuldnern erlauben, ihr Geschäft, wenngleich unter Auflagen und Schutzbestimmungen, zunächst fortzuführen. Dadurch können auch Gläubiger in vielen Fällen besser gestellt werden als bei einer Abwicklung der Unternehmung. Dabei handelt es sich einerseits um das Insolvenzplanverfahren und andererseits die Insolvenz in Eigenverwaltung. Hinzu kommt außerdem die Möglichkeit der Restschuldbefreiung, auch im privaten Bereich (siehe Abb. F60). Dem Schuldner wird dadurch die Chance geboten, sich von seinen restlichen Verbindlichkeiten zu befreien und einen Neustart zu versuchen. Den Gläubigern bleibt nur als Konsequenz, auf einen mehr oder minder großen Teil ihrer ursprünglichen Forderungen zu verzichten. Für das Insolvenzverfahren ist das Amtsgericht zuständig, in dessen Bezirk eine Unternehmung ihren Sitz hat. Davon abweichend können auf Bundeslandebene andere Zuständigkeiten bestimmt werden. Bei mehreren Standorten bestimmt der Ort der Eröffnung des Verfahrens über die örtliche Zuständigkeit für das gesamte Verfahren. Das Verfahren kann auch schriftlich durchgeführt werden.

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Abbildung F60: Alternative Formen des Insolvenzverfahrens (eig. Abb.)

23.5.1 Regelinsolvenzverfahren

Das Regelinsolvenzverfahren wird auf schriftlichen Antrag hin über das Vermögen einer natürlichen oder juristischen Person eröffnet. Antragsberechtigt sind alle Gläubiger sowie der Schuldner selbst. Der Schuldner hat dazu ein Gläubigerverzeichnis beizufügen, incl. der Bilanzsumme und der Umsatzerlöse. Bei juristischen Personen sind außerdem die Mitglieder des Vertretungsorgans (Vorstand, Geschäftsführung) sowie jeder Gesellschafter antragsberechtigt. Es besteht die Verpflichtung, schon bei drohender Zahlungsunfähigkeit (nicht aber bei nur vorübergehender Zahlungsstockung) einen Eröffnungsantrag zu stellen. Gläubiger können einen Antrag stellen, sofern sie glaubhaft machen können, dass sie unbefriedigte Forderungen gegen den Schuldner haben. Der Schuldner hat dazu Auskünfte zu erteilen und ist anzuhören. Begleicht er die infrage stehende Forderung, wird das Verfahren eingestellt. Auslöser des Verfahrens sind drei Sachverhalte. Zahlungsunfähigkeit tritt ein, wenn der Schuldner nicht in der Lage ist, seine fälligen Zahlungsverpflichtungen in exakter Höhe zu erfüllen bzw. er seine Zahlungen ganz einstellt. Eine drohende Zahlungsunfähigkeit liegt vor, wenn der Schuldner voraussichtlich auf kurze Sicht illiquide wird. Eine Überschuldung liegt vor, wenn das Vermögen des Schuldners die bestehenden Verbindlichkeiten nicht mehr deckt (dies gilt nur für juristische Personen). Unterlässt die Schuldnergeschäftsführung bei diesen Tatbeständen die rechtzeitige Anmeldung, macht sie sich der Insolvenzverschleppung schuldig, dies ist ein Straftatbestand (z. B. Schlecker). Das Insolvenzgericht hat alle für die Gläubiger nachteiligen Veränderungen der Vermögenslage des Schuldners ab Antragszeitpunkt zu verhindern. Dazu bestellt es einen Insolvenzverwalter, setzt einen Gläubigerausschuss als Vertretung der Gläubiger ein, belegt das Vermögen mit einem Verfügungsverbot durch den Schuldner, verhindert Zwangsvollstreckungen in dieses Vermögen, die einzelnen Gläubigern Vorteile gegenüber anderen bieten würden, und stellt bevorrechtigte Forderungen fest.

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Mit Bestellung des Insolvenzverwalters geht das Verwaltungs- und Verfügungsrecht über das Vermögen des Schuldners auf diesen über. Er soll das Vermögen des Schuldners erhalten, die Fortführung seines Betriebs sichern oder dessen Stilllegung anweisen. Außerdem stellt er fest, ob das Vermögen des Schuldners die voraussichtlichen Kosten des Insolvenzverfahrens (Massekosten, z. B. für Gericht, Verwalter, Gutachter) deckt (dies kann durch Gutachten erhärtet werden). Ist dies nicht der Fall, wird das Verfahren „mangels Masse“ abgewiesen, die Gläubiger gehen weitgehend leer aus. Der Schuldner hat dem Insolvenzverwalter im Zuge des Verfahrens Zugang zu seinen Geschäftsräumen und Einsicht in die Geschäftsunterlagen zu gewähren sowie alle erforderlichen Auskünfte zu erteilen. Die Beschränkungen sind öffentlich bekanntzumachen. Nach Abschluss des Verfahrens wird der Schuldner in das Schuldnerverzeichnis eingetragen. Mit Eröffnungsbeschluss (Vermögensmasse > Massekosten) werden alle Gläubiger aufgefordert, fristgerecht ihre Forderungen beim Insolvenzverwalter anzumelden. Dies betrifft vor allem auch Sicherungsrechte. Dem Schuldner gegenüber brauchen ab sofort keine weiteren Leistungen mehr erbracht zu werden. Die bestehenden Forderungen werden auf ihre Berechtigung hin geprüft. Zugleich erfasst der Insolvenzverwalter das gesamte Vermögen, das aktuell vorhanden ist bzw. im Verlauf des Verfahrens zuwächst. Von dieser Insolvenzmasse werden Sachen, die nicht der Zwangsvollstreckung unterliegen (z. B. betriebsgewöhnliche Geschäftsausstattung) ausgeschlossen. Die verbleibende Insolvenzmasse dient zur Befriedigung der persönlichen Gläubiger mit Vermögensanspruch gegen den Schuldner (= Insolvenzgläubiger). Wer aufgrund eines dinglichen oder persönlichen Rechts geltend machen kann, dass ein Gegenstand nicht zur Insolvenzmasse gehört, kann dessen Aussonderung beantragen. Dies gilt z. B. bei Eigentumsvorbehalt. Gläubiger, die an einem Gegenstand der Insolvenzmasse ein Pfandrecht haben, sind zu dessen Absonderung berechtigt. Dies gilt auch für andere Zurückbehaltungsrechte wie Sicherungsübereignung, Steuerschulden, Schulden bei Sozialversicherungsträgern o. Ä. Das restliche Vermögen bildet die endgültige Insolvenzmasse. Davon werden nunmehr die Kosten des Verfahrens abgezogen. Der Rest wird nach Anteilen ihrer ursprünglichen Forderung an dem Forderungsgesamt (Massequote) an die Gläubiger ausgezahlt. Ein evtl. verbleibender Überschuss geht an den Schuldner. Unbefriedigte Forderungen können bis zu 30 Jahren nach Verfahrensaufhebung durch Vollstreckung weiterhin geltend gemacht werden. 23.5.2 Insolvenzplanverfahren

Abweichend von diesen grundlegenden Vorschriften kann ein Insolvenzplanverfahren eine Weiterführung der Unternehmung vorsehen. Basis ist dazu ein Insolvenzplan, der vom vorläufigen Insolvenzverwalter, aber auch vom Schuldner vorgelegt werden kann. Dieser Plan muss bereits vor Eröffnung des Insolvenz­

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verfahrens vorliegen. An der Planerstellung können auch Gläubigerausschuss, Betriebsrat, Sprecherausschuss (leitende Angestellte) etc. beteiligt sein. Im darstellenden Teil dieses Plans wird beschrieben, welche Ansprüche aller Beteiligter bestehen, im gestaltenden Teil des Plans wird dargelegt, durch welche Maßnahmen diesen Ansprüchen schuldnerseitig konkret bestmöglich entsprochen werden soll. Bei den Gläubigern sind Gruppen mit gleichartigen wirtschaftlichen Interessen zu bilden, z. B. absonderungsberechtigte Gläubiger, Kleingläubiger, Kreditgeber, die im Folgenden gleichartig behandelt werden sollen. Das Vermögen kann danach erschöpft sein und nachrangige Gläubiger gehen mit ihren Forderungen im Zweifel leer aus. Der Schuldner kann seinen Geschäftsbetrieb danach fortführen und seine Verbindlichkeiten nach seinen Möglichkeiten bedienen. Er gilt bei erfolgreicher Planabwicklung auf Antrag als von seinen restlichen Verbindlichkeiten befreit. Eine Aussetzung des Verfahrens ist jedoch jederzeit möglich. Das Insolvenzgericht kann den Plan zurückweisen, wenn seine Vorgaben nicht beachtet werden, der vorgelegte Plan offensichtlich keine Aussicht auf Erfolg hat oder nicht mehrheitsfähig ist. Letzteres wird anlässlich eines Abstimmungstermins erörtert, wobei der Plan auch abgeändert werden kann. Jede Gruppe ist stimmberechtigt, es reicht eine einfache Mehrheit (> 50 %) aus. Wird diese Mehrheit nicht erreicht, kann der Plan dennoch umgesetzt werden, wenn kein Gläubiger einer Gruppe durch den Insolvenzplan voraussichtlich schlechter gestellt wird als ohne ihn und kein Gläubiger durch den Plan wirtschaftliche Werte erhält, die über seine Forderungen hinausgehen. Dadurch soll verhindert werden, dass Einzelne den Erfolg des gesamten Verfahrens gefährden. Außerdem muss der Schuldner dem Plan zustimmen, dann bestätigt das Amtsgericht den Plan und hebt das Verfahren im Weiteren auf. Der Schuldner ist vor Zwangsvollstreckungen einzelner Gläubiger, die ihre Forderungen nicht angemeldet haben, nach Ablauf eines Jahres geschützt, die den Bestand seines Betriebs gefährden können. Die Planerfüllung wird durch den Insolvenzverwalter überwacht. Dieser verfügt auch über das Vermögen des Schuldners. Gläubigerausschuss und Gericht können jederzeitige Auskunft über den Verfahrensstand verlangen. Sie sind durch den Insolvenzverwalter zu informieren, wenn die Planerfüllung ausfällt. Bestimmte Rechtsgeschäfte können der Zustimmung des Insolvenzverwalters zu ihrer Wirksamwerdung bedürfen. Die Überwachung wird nach Erfüllung aller Ansprüche bzw. nach Ablauf von drei Jahren aufgehoben.

23. Krisenbewusstes Management

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23.5.3 Insolvenz in Eigenverwaltung

Einen weiteren Weg stellt die Insolvenz in Eigenverwaltung („Schutzschirmverfahren“/Chapter 11) dar. Der Schuldner ist dabei berechtigt, unter Aufsicht eines Sachwalters über die Insolvenzmasse zu verfügen, sofern das Insolvenzgericht dies so anordnet. Dies setzt voraus, dass die Eigenverwaltung vom Schuldner beantragt worden und zu erwarten ist, dass dadurch keine Nachteile für Gläubiger entstehen. Ein entsprechender Antrag ist nur vor Eröffnung eines Insolvenzverfahrens möglich. Auch hierbei gibt es einen Insolvenzplan. Als Sachwalter kann ein in Insolvenzsachen kundiger Steuerberater, Wirtschaftsprüfer oder Rechtsanwalt fungieren. Zu seinen Aufgaben gehört es, die wirtschaftliche Lage der Unternehmung zu prüfen, ggf. auch Ausgaben über die private Lebensführung bei Einzelunternehmern. Die Eigenverwaltung wird aufgehoben, wenn die geplante Sanierung aussichtslos geworden ist, der Gläubigerausschuss die Aufhebung beantragt, auf Antrag hin festgestellt wird, dass einzelne Gläubiger doch benachteiligt werden können oder der Schuldner zahlungsunfähig wird. Dann übernimmt ein Insolvenzverwalter die Geschäfte (Einleitung der Regelinsolvenz). Die Verfahrenseinleitung wird öffentlich bekanntgegeben. Verbindlichkeiten können vom Schuldner nur eingegangen werden, wenn der Sachwalter dem zustimmt. Im Regelfall wird er auch bestimmen, dass eingehende und ausgehende Zahlungen nur noch über sein Konto laufen. Bei Geschäften von besonderer Bedeutung ist außerdem die Zustimmung des Gläubigerausschusses einzuholen. Die Geschäftsführung der Unternehmung incl. deren Aufsichtsorganen wird vom Sachwalter überwacht. Er legt auch eine Vermögensübersicht bzw. einen Insolvenzplan an. 23.5.4 Restschuldbefreiung

Eine weitere Möglichkeit besteht in der Restschuldbefreiung des Schuldners. Der Schuldner gilt danach auf seinen Antrag hin bei Masseunzulänglichkeit, wenn also sein verbleibendes Vermögen nicht ausreicht, die gesamten Verbindlichkeiten zu bedienen, als von den nicht erfüllten Restschulden befreit. Dieser Antrag ist abzulehnen, wenn der Schuldner straffällig geworden ist, in den letzten zehn Jahren bereits ein Insolvenzverfahren über sein Vermögen eröffnet wurde und er dabei unangemessene Verbindlichkeiten eingegangen ist, Vermögen verschwendet oder eine Sanierung verzögert hat, er seine Auskunfts- und Mitwirkungspflichten verletzt oder unrichtige oder unvollständige Angaben über seine wirtschaftlichen Verhältnisse macht. Im Verfahren müssen alle Gläubiger gleich behandelt werden (bevorrechtigte wie auch nicht angemeldete). Die Abwicklung der Restschuldbefreiung wird durch einen Treuhänder vorgenommen. Die Restschuldbefreiung kann vom Insolvenzgericht aus wichtigem Grund widerrufen werden.

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F. Das Management der Unternehmung

Insolvente Unternehmen werden gelegentlich unter anderer Firma wiederbe­ lebt. Überlebensfähige Bereiche können ausgegliedert und getrennt weitergeführt werden (Spin Off). Manchmal übernimmt auch das Management die Eigen­t ümeranteile und führt die Unternehmung, meist auf kleinerer Basis, weiter (Management Buy-out). Häufig werden notleidende Unternehmen ihrer verbliebenen Vermögensgegenstände entäußert und anschließend liquidiert. Dabei sind strenge Regularien zur Vermeidung strafbarer Handlungen einzuhalten. Ist der Schuldner eine natürliche Person, die keine selbstständige, wirtschaftliche Tätigkeit ausübt, gelten die Bestimmungen der Verbraucherinsolvenz, soweit die Vermögensverhältnisse überschaubar sind (< 20 Gläubiger). Dazu sind ein Schuldenbereinigungsplan, ein Antrag auf Restschuldbefreiung, ein Einkommensverzeichnis, eine Vermögensübersicht, eine Übersicht der Familienverhältnisse und von Bürgschaften, Pfandrechten etc. bei Gericht einzureichen. Dabei helfen vereinfachende Formulare sowie Schuldnerberatungsstellen. Der Antrag zur Restschuldbefreiung ist nur möglich, sofern noch keine Zwangsvollstreckung eingeleitet und eine außergerichtliche Einigung gescheitert ist. Das Insolvenzgericht prüft die Unterlagen, solange ruht das Verfahren. Schuldenbereinigungsplan und Vermögensübersicht werden den Gläubigern zum Einverständnis zugestellt. Erfolgen von ihnen keine Einwendungen, gilt das Verfahren als angenommen. Es reicht aus, wenn mehr als 50 % der Gläubiger bzw. der Anspruchssumme zustimmen und anzunehmen ist, dass kein Gläubiger schlechter gestellt wird als bei Eröffnung eines Insolvenzverfahrens. Die Verfahrenseinleitung wird öffentlich bekanntgemacht. Die Abwicklung übernimmt ein Treuhänder. Die angestrebte Restschuldbefreiung tritt allerdings erst nach sechs Jahren Wohlverhaltensphase im siebten Jahr ein. Der Schuldner tritt solange alle pfändbaren Arbeitseinkommen an den Treuhänder ab. Dieser verteilt sie nach Abzug der Verfahrenskosten an die Gläubiger. Der Schuldner muss sich währenddessen um eine angemessene Erwerbstätigkeit bemühen, Wohnsitz- und Arbeitsplatzwechsel anzeigen, Erbschaften zur Hälfte herausgeben und darf keinem Gläubiger einen Sondervorteil gewähren. Eine Verkürzung dieser Phase auf drei Jahre ist möglich, wenn mindestens 35 % der Schulden beglichen wurden. Wurden nur die Verfahrenskosten beglichen, beträgt diese Phase fünf Jahre. Danach ist die Privatperson wieder schuldenfrei und kann einen Neustart beginnen.

Literaturhinweise Aigner, Dietmar / Aigner, Hans-Jürgen / Aigner, Johann: Krisen- und Sanierungsmanagement, Wien 2008 Arlinghaus, Olaf (Hrsg.): Praxishandbuch Turnaround Management, Wiesbaden 2007 Bédé, Axel: Notfall- und Krisenmanagement in Unternehmen, Stuttgart 2009

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Brühl, Volker / Göpfert, Burkard (Hrsg.): Unternehmensrestrukturierung, Stuttgart 2004 Burmann, Christoph / Freiling, Jörg / Hülsmann, Michael (Hrsg.): Management von Ad-hocKrisen, Wiesbaden 2005 Crone, Andreas / Werner, Henning (Hrsg.): Modernes Sanierungsmanagement, 3. Auflage, München 2012 Faulhaber, Peter / Landwehr, Norbert / Grabow, Hans-Joachim: Turnaround-Management in der Praxis, 4. Auflage, Frankfurt / New York 2009 Harz, Michael / Hub, Heinz-Günter / Schlarb, Eberhard: Sanierungs-Management, Stuttgart 2006 Hutzschenreuter, Thomas / Griess-Nega, Torsten (Hrsg.): Krisenmanagement, Wiesbaden 2006 Krystek, Ulrich / Moldenhauer, Ralf: Handbuch Krisen- und Restrukturierungsmanagement, Stuttgart 2007 Leoprechting, Gunter von: Unternehmenssanierung, Herne 2010 Liebig, Max: Reaktivierungsmanagement von Not leidenden Unternehmen, Wiesbaden 2010 Löw, Roman: Turnaround: Aus der Krise zum Top-Unternehmen, Frankfurt a. M. 2008 Müller-Ganz, Jörg: Turnaround: Restrukturierung und Sanierung von Unternehmen, Zürich 2004 Roselieb, Frank / Dreher, Marion: Krisenmanagement in der Praxis, Berlin 2007 Rowold, Jens: Human Resource Management, Wiesbaden 2013 Satory, Beda / Senn, Patrick / Mazumder, Sita / Zimmermann, Bettina: Praxishandbuch Krisenmanagement, Zürich 2013 Schallmo, Daniel: Geschäftsmodelle erfolgreich entwickeln und implementieren, Berlin / Heidelberg 2013 Schellberg, Bernhard: Sanierungsmanagement, Berlin 2007 Schmeisser, Wilhelm / Bretz, Michael / Keßler, Jürgen (Hrsg.): Handbuch Krisen- und Insolvenzmanagement, Stuttgart 2004 Seefelder, Günter: Unternehmenssanierung, 3. Auflage, Stuttgart 2012 Simon, Hermann: 33 Sofortmaßnahmen gegen die Krise, Frankfurt 2009 Teetz, Adrian: Krisenmanagement, Stuttgart 2012 Weber, Jürgen / Vater, Hendrik / Schmidt, Walter / Reinhard, Hartmut: Turnaround – Navigation in stürmischen Zeiten, Weinheim 2010 Wirtz, Bernd W.: Business Model Management, 2. Auflage, Wiesbaden 2011 Witte, Hermann: Allgemeine Betriebswirtschaftslehre: Lebensphasen des Unternehmens und betriebliche Funktionen, 2. Auflage, München / Wien 2007

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F. Das Management der Unternehmung

Übungsaufgaben 1. Was versteht man unter Überschuldung und wie kann diese genau geprüft werden? 2. Was versteht man unter sich abzeichnender Überschuldung und durch welche Maßnahmen kann dieser im Einzelnen entgegengewirkt werden? 3. Welche wesentlichen Inhalte gehören zu einem Sanierungsplan? 4. Stellen Sie das Sanierungsmanagement in seinen einzelnen Phasen dar. 5. Welche Stufen des Krisenmanagements können unterschieden werden? 6. Wie läuft ein Regelinsolvenzverfahren ab? 7. Wie erfolgt ein Insolvenzplanverfahren? 8. Wie erfolgt ein Insolvenzverfahren in Eigenverwaltung? 9. Was versteht man unter Illiquidität und durch welche Maßnahmen kann dieser im Einzelnen entgegengewirkt werden? 10. Wann ist von Bankrott im Rahmen der Insolvenz die Rede? 11. Wann ist genau Zahlungsunfähigkeit gegeben? 12. Wann ist genau eine drohende Zahlungsunfähigkeit gegeben? 13. Welche Formen der Insolvenz werden im Einzelnen unterschieden? 14. Wie vollzieht sich ein Vergleich in einer Krisensituation? 15. Wie läuft eine Liquidation im Einzelnen ab?

24. Existenzgründung

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24. Existenzgründung In diesem Kapitel werden folgende Inhalte behandelt und geklärt: • die Generierung einer Geschäftsidee, • das Geschäftsmodell, • die Ideenpräsentation, • die Inhalte eines Business Plans, • die Finanzierungsarten und die Investitionsplanung, • die Umsetzung des Projekts. 24.1 Geschäftsidee Die Existenzgründung durchläuft vor allem die Stufen der Entwicklung der Geschäftsidee, der Darlegung eines Business Plans und der Initialisierung der Geschäftstätigkeit. In Phase 1 wird die Geschäftsidee konkretisiert. Betriebswirtschaftliche Schlüsselgrößen werden auf die Tauglichkeit der Idee hin analysiert. Auf dieser Basis kann auch das Interesse potenzieller Investoren geweckt werden. In der nächsten Stufe wird die Idee weiterentwickelt und in die verschiedenen relevanten Bereiche durchdekliniert. Danach wird aus dem Plan eine funk­ tionsfähige Unternehmung. In Phase 2 geht es darum, ein Managementteam zusammenzustellen, das sowohl fach- als auch sozialkompetent agieren kann. Der Initiator fungiert zugleich meist als Primus inter pares. Dabei ist ein übertrieben optimistischer Blick zu vermeiden, eher sollte vom Worst Case ausgegangen werden. Gleichfalls werden externe Berater wie Rechtsanwälte, Steuerberater, Wirtschaftsprüfer, Marktforscher, Werbeexperten etc. hinzugezogen. Die Risiken sind zu begrenzen, schließlich scheitert die große Mehrzahl der Existenzgründungen. Die Phasen 1 und 2 kommen im Regelfall ohne finanzielle Unterstützung Externer aus. Allenfalls ist an Hilfen aus dem Bekannten- oder Verwandtenkreis zu denken, evtl. werden auch öffentliche Fördermittel in Anspruch genommen. In Phase 3 treten dann externe Investoren hinzu, die Wagniskapital einbringen. Venture Capital ist Risikokapital, das von Institutionen oder Einzelpersonen für die Finanzierung neuer Unternehmen zur Verfügung gestellt wird. Venture-Projekte haben hohe Gewinnchancen, aber zugleich auch hohe Verlustrisiken. Venture Capitalists fungieren als Coaches, Spezialisten, Türöffner und Ratgeber. Sie steigen später bei der Neugründung aus und machen ihr Engagement zu Geld, das sie wieder in neue Existenzgründungen investieren.

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F. Das Management der Unternehmung

24.1.1 Informationsquellen

Eine Geschäftsidee kann von Außenstehenden entwickelt und übernommen werden, erfolgversprechender ist es aber zweifellos, wenn sie von Personen entwickelt wird, die Erfahrung in der betreffenden Branche, im Wirtschaftsgebiet und in der Technologie haben. Insofern bietet es sich als potenzieller Gründer an, zunächst einige Jahre Berufserfahrung zu sammeln, um ein Beziehungsnetzwerk aufzubauen und die gröbsten Fehler vermeiden zu können. Hilfreich ist es zudem, die Idee mit senioren Managern zu diskutieren, die vielleicht den Advocatus diaboli spielen. Außerdem braucht eine Geschäftsidee Zeit, um zu reifen. Man sollte an ihr arbeiten, sie zwischendurch zur Seite legen und nach einiger Zeit wieder aufnehmen, um sie kritisch zu überprüfen und zu verändern, solange, bis sie vor dem eigenen kritischen Urteil Bestand hat. Meist besteht kein unmittelbarer Zeitdruck und wichtig ist, dass man in der Regel nur einen einzigen Anlauf finanzieren und durchhalten kann. Dieser muss also passen. Um auf eine tragfähige Geschäftsidee zu kommen, gibt es mehrere Wege: • Interne Informationen, also solche, die dem potenziell Gründenden vorliegen oder verfügbar sind, können ausgewertet werden. Dabei handelt es sich um Anregungen von Kolleginnen und Kollegen, Daten aus der Kostenrechnung / Nachkalkulation, Ergebnisse aus der Forschung und Entwicklung, Markt- und Konkurrenzstudien, Anregungen aus Blogs, Wikis, Chats etc. • Externe Informationen Dritter müssen beschafft und ausgewertet werden. Dabei handelt es sich um Quellen wie statistische Amtsdaten, Empfehlungen von Beratern, Daten aus kommerziellen Informationsdiensten, Kunden-/Lieferantenanregungen, Informationen über Konkurrenten, Patentanalyse, Crowdsourcing, Datenbankanalyse, Trendprognose etc. Bei beiden handelt es sich um Desk Research, also um die Sammlung, Sichtung und Schlussfolgerung bereits bestehender Daten und Fakten. Meist reicht dies schon vollständig aus. Selbst wenn die Auswertung zu keinem unmittelbar verwertbaren Ergebnis führt, ist es dennoch unerlässlich, diese Informationen zu prüfen, bevor man eigenständig Informationen sammelt. Wenn keine ausreichende Basis gegeben ist, ist Field Research erforderlich, also die originäre Sammlung von Informationen. Dies kann im Wesentlichen auf zwei Wegen erfolgen: • Erstens durch Marktforschung im Wege mündlicher, fernmündlicher und schriftlicher Erhebungen bei geeigneten Zielpersonen. Die Erhebung erfolgt persönlich, computergestützt oder internetgestützt. • Zweitens durch Nutzung von Ideengenerierungsverfahren, welche die Schöpfung neuer Geschäftsideen unterstützen.

24. Existenzgründung

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Bei diesen Ideengenerierungsverfahren geht es im Einzelnen um intuitiv-laterale, logisch-diskursive oder systematisch-kombinatorische Verfahren (siehe Abb. F61): • Bei den intuitiv-lateralen Verfahren handelt es sich z. B. um Brainstorming, Brainwriting, Synektik etc. Brainstorming ist eine spezielle Form der Gruppensitzung, in der durch ungehemmte Diskussion mit fantasievollen Einfällen kreative Leistungen erschaffen werden. Brainwriting arbeitet idealtypisch mit sechs Gruppenmitgliedern, die jeweils drei Lösungsvorschläge eines vordefinierten Problems innerhalb von fünf Minuten in ein Formblatt eintragen und dieses jeweils an ihren Nachbarn weiterreichen, der seinerseits drei neue Vorschläge hinzufügt und dies fünfmal. Bei Synektik handelt es sich um die gesteuerte Verfremdung einer Problemstellung durch Bildung zielgerichteter natürlicher, persönlicher, symbolischer und direkter Analogieketten sowie deren erzwungenen Rückbezug auf das vordefinierte Ausgangsproblem. • Bei den logisch-diskursiven Verfahren handelt es sich z. B. um Morphologischer Kasten, Funktionalanalyse etc. Im Morphologischen Kasten finden die Aufgliederung eines Problems hinsichtlich aller Parameter und die Suche nach Möglichkeiten zu deren neuartiger, vom bisher bekannten abweichenden Kombination statt. Die Funktionalanalyse betrifft die Aufgliederung eines Problems in Einzelfunktionen und die Suche nach denkbaren alternativen Optionen jeder Funktionserfüllung. • Bei den systematisch-kombinatorischen Verfahren handelt es sich z. B. um Eigenschaftsliste, Fragenkatalog, Bionik, Crowdsourcing etc. Die Eigen­ schaftsliste geht von einer bekannten, bestehenden Problemlösung aus und listet deren wichtigste Eigenschaften auf. Diese werden dann schrittweise zur Leistungsverbesserung modifiziert. Der Fragenkatalog impliziert die gedankliche Modifikation eines Ausgangsproblems durch systematische Infragestellung von Eigenschaften bestehender Lösungen. Bionik strebt die Übertragung biologischer Systeme auf technische Anwendungen an, um zu überlegenen Problemlösungen zu gelangen. Und Crowdsourcing nutzt das „Wissen der Vielen“, um zu neuen Ideen zu gelangen.

Abbildung F61: Gruppen von Ideengenerierungsverfahren (eig. Abb.)

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Nach Durchführung dieser Verfahren sind die dadurch generierten Ideen zu sichten (Screening) mit dem Ergebnis einer Shortlist und zu bewerten (Scoring). Dabei sind zweckmäßige Beurteilungskriterien zugrunde zu legen, quantitativ im Punktwertverfahren, qualitativ in der Nutzwertanalyse. Die am besten bewertete Idee wird dann ausgearbeitet. Erscheint sie in Folge nicht tragfähig, wird die zweitbeste Idee ausgearbeitet, solange bis eine tragfähige Idee gefunden ist. Reicht der Ideenvorrat dazu nicht aus, sind erneute Recherche- und Ideenfindungsaktivitäten einzusetzen. Für die Geschäftsidee ist der wichtigste Beurteilungsmaßstab die Problemlösung für Kunden. Nur wenn eine Idee ein absehbares Kundenproblem löst, hat sie eine Chance auf Erfolg. Selbst dann steht zwischen der Idee und dem Erfolg noch die Umsetzung des Geschäftsmodells. Im Vordergrund steht also zweckmäßigerweise zunächst nicht die Technik, sondern die Anwendung. Wichtig ist weiterhin, dass eine solche Anwendung noch nicht existiert oder zwar existiert, durch die vorliegende Idee aber besser dargestellt werden kann als bei anderen. Am besten ist, wenn das Problem noch gar nicht offensichtlich ist, aber von potenziellen Nachfragern für wahrscheinlich und relevant erachtet wird. Denn für bestehende Probleme gibt es zumeist bereits ausreichende Lösungen am Markt. 24.1.2 Absatzquellen

Sodann geht es darum, die Kaufkraft bzw. das Budget zu bestimmen, von dem die Idee am Markt existieren soll. Neben der Problemlösung kommen dafür weitere Quellen in Betracht wie etwa folgende: • Marktschaffung d. h. Kaufkraft / Budget, die / das bisher nicht ausgegeben wurde, wird für das neue Angebot eingesetzt, insofern wird hier ein neuer Markt geschaffen, der keine Konkurrenzverdrängung erfordert. • Bundling / Unbundling, d. h. Kopplung bestehender Angebote / Lösungen zu einem synergetischen neuen Angebot bzw. Entkopplung eines bestehenden Angebots zu isolierten Einzelangeboten mit verbesserter Funktionalität. • Zusatzverkäufe (Add ons), d. h. Angebot von Zubehör zu bestehenden Produkten zur Leistungserweiterung oder -verbesserung, ist eine ausreichende Installationsbasis durch Dritte erst einmal gegeben, kann daran erfolgversprechend partizipiert werden. • Gebietsausdehnung, d. h. Angebot von Leistungen, die in anderen Marktgebieten bereits erfolgreich sind, im eigenen, um hier einen Innovationsvorsprung zu erlangen. • Präsenzstreckung, d. h. Angebot von Leistungen, die nur zeitlich begrenzt angeboten werden, außerhalb der bestehenden Zeiträume, um zusätzliche Umsätze zu schaffen.

24. Existenzgründung

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• Produktwandel, d. h. neuer Einsatz eines bestehenden Produkts jenseits der bisherigen Einsatzmöglichkeiten durch Modifizierung / A npassung. • Set-Alternative, d. h. bewusste Alternative zu erfolgreichen Pionierangeboten im Markt mit dem Ziel der zumindest wechselweisen Nutzung. Es geht in Folge darum, eine einzige Absatzquelle zu bestimmen. Wenn dies gelungen ist ist, gilt es, den dahinter stehenden Markt zu quantifizieren. Wie groß wird das Marktpotenzial geschätzt, gemessen in Wert und Menge? Welchen Anteil daran glaubt man, für sich erreichen zu können, dies sind das Absatzpotenzial (Menge) oder das Umsatzpotenzial (Wert)? In welcher Zeitspanne soll dieser Marktanteil erreicht werden und wann kann man dabei Break even sein? Zum weiteren Vorgehen ist es unbedingt erforderlich, die Zielpersonen für das eigene Angebot zu identifizieren. Denn es sind im Regelfall Menschen, die als Privatpersonen oder gewerbliche Entscheider über Kaufkraft bzw. Budget dis­ ponieren. Diese können von einem Kauf nur überzeugt werden, wenn sie den Nutzenvorteil des Angebots höher einschätzen als das dazu aufzuwendende Preisopfer (Preis-Leistungs-Relation). Daher ist das Nutzenangebot zentral als Äquivalent zu den eingesetzten Finanzmitteln. 24.2 Geschäftsmodell Basis jeder Existenzgründung ist ihr Geschäftsmodell. Ein Geschäftsmodell bildet die Strukturen und Prozesse derjenigen Unternehmensaktivitäten ab, die erklären, wie Sach- und Dienstleistungen durch Integration von Strategiebasis, Wertschöpfungsarchitektur und Markt-/Kundenzugang entstehen, um durch deren innovative Konfiguration komparative Wettbewerbsvorteile zu erreichen, Kernkompetenzen auszuschöpfen und Wissensvorräte zu nutzen (in Anlehnung an Wirtz). Ein Modell ist allgemein ein vereinfachtes, strukturgleiches oder –ähnliches Abbild eines Ausschnitts der Realität, hier konkret von ausgewählten Aspekten der Ressourcentransformation der Unternehmung sowie ihrer Austauschbeziehungen mit anderen Marktteilnehmern. Das Geschäftsmodell besteht konkret aus drei Komponenten: der Konzeptbasis, der Wertschöpfungsarchitektur und dem Markt-/Kundenzugang (siehe Abb. F62). Die Konzeptbasis besteht wiederum aus dem Strategiemodul, dem Ressourcenmodul und dem Koordinationsmodul. Das Strategiemodul gibt an, wie ausgehend von der gegenwärtigen Situation die Zielsituation des Geschäftsmodells aussehen soll. Dazu bedarf es drei Festlegungen: • Ziele, die eine Unternehmung verfolgt, • Ist-Situation (Diagnose), derer sich eine Unternehmung gegenübersieht,

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F. Das Management der Unternehmung

Abbildung F62: Elemente des Geschäftsmodells (eig. Abb.)

• Strategie (Therapie) zur Überwindung von Diskrepanzen zwischen Zielen und Ist-Situation. Das Ressourcenmodul gibt an, welche Produktionsfaktoren und Finanzmittel zur Umsetzung der Strategie zur Verfügung stehen. Dazu stehen vier Variable zur Verfügung: • Finanzen, die aus Geldmitteln, aber auch aus Sachmitteln oder Rechten bestehen können,

24. Existenzgründung

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• Personal, das in dispositiver oder exekutiver Funktion zur Verfügung steht, • Wissen als wichtigste Ressource und vierter Produktionsfaktor, • Zeit als entscheidender Leistungsfaktor. Das Koordinationsmodul gibt an, wie die Arbeitsteilung in einer Unternehmung und mit externen Dritten erfolgen soll. Dazu sind wiederum drei Entscheidungen zu treffen: • Make or Buy, d. h. Eigenerstellung oder Fremdbezug von Leistungen, • Supply Chain Management (SCM) als Gestaltung der Liefer- und Leistungskette, • Standort als konstitutiver Faktor für die überwiegende Betriebstätigkeit. Die Wertschöpfungsarchitektur besteht aus einem güterwirtschaftlichen Modul, einem geldwirtschaftlichen Modul und einem informationswirtschaftlichen Modul. Das güterwirtschaftliche Modul gibt an, wie Werkstoffe, Betriebsmittel und Arbeit im Einzelnen wertschöpfend genutzt werden sollen: • Werkstoffe stehen als Verbrauchsfaktoren zum Einsatz zur Verfügung. • Betriebsmittel stehen als Potenzialfaktoren längerfristig zur Verfügung. • Arbeit wirkt als dispositive (planende, entscheidende, organisierende, kontrollierende) und exekutive Arbeit ein. Das geldwirtschaftliche Modul gibt an, wie die zur Verfügung stehenden Finanzmittel eingesetzt werden sollen. Dabei ergeben sich mehrere Quellen: • Eigenfinanzierung, d. h. Geld, das der Unternehmung gehört, • Fremdfinanzierung, d. h. Geld, das sich die Unternehmung von anderen leiht, • Innenfinanzierung, d. h. Geld, das aus der laufenden Geschäftstätigkeit folgt, • Außenfinanzierung, d. h. Geld, das außerhalb der Geschäftstätigkeit generiert wird. Das informationswirtschaftliche Modul gibt an, wie eine informationelle Vernetzung aller Wertschöpfungsfaktoren erreicht werden soll. Dazu sind zentrale technische Elemente vorzuhalten: • Hardware und Software, • Medien und Kanäle, • Internet und Kommunikation. Der Markt- und Kundenzugang besteht im Einzelnen aus einem Zielgruppenmodul, einem Positionsmodul und einem Erlösmodul. Das Zielgruppenmodul gibt an, welche Personen / Organisationen mit ihrer Kaufkraft / ihrem Budget aktiviert werden sollen:

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• demographisch, also nach personellen Merkmalen wie Geschlecht, Alter, Familienstand, Kinderzahl / Haushaltsgröße, Wirtschaftsgebiet, Wohnortgröße, Ausbildung, Einkommensklasse, Berufstätigkeit etc., • aktiographisch, also nach handlungsbezogenen Merkmalen wie Preisbedeutung, Mediennutzung, Einkaufsstättenwahl, Einkaufszeitpunkt, Produktart, Produktvolumen, Verwendungsart, Besitzstatus etc., • psychographisch, also nach intrapersonalen Merkmalen wie Emotion, Motivation, Einstellung, Involvement, Risikoempfinden, Werthaltung, auch als Typologie, • soziographisch, also nach interpersonalen Merkmalen wie Kultur-, Gruppenzugehörigkeit, Meinungsführerschaft, Rolle, Macht, Adoption, auch als Typologie, • neuroökonomisch, also nach Gehirnprioritäten und daraus abfolgenden Präferenzen, • individuell / kollektiv bei Entscheidern im organisationalen Bereich, • horizontal / vertikal bei gewerblichen Entscheidergruppen. Das Positionsmodul gibt an, warum die Zielgruppen ein Angebot bewusst konkurrierenden anderen vorziehen sollen. Dabei sind drei Elemente von Bedeutung: • Positionsentwicklung über verschiedene Stufen wie Abgrenzung des Relevanten Markts, Strategische Gruppe, Absatzquelle etc. • Positioning Statement durch Formulierung von Angebotsanspruch (Claim) und Anspruchsbegründung (Reasen Why). • Positionsoptionen als denkbare Vorsprungsbehauptungen. Das Erlösmodul gibt an, auf welche Art und Weise nennenswerte und nachhaltige Einnahmen aus der Wertschöpfung generiert werden sollen. Denkbare Möglichkeiten sind: • Abgabe der Leistungen gegen Berechnung eines Einzelpreises, • Abgabe von Leistungen gegen zeitbezogene Pauschalierung im Abo, • Schaltung von Werbung im Verfügungsbereich, • Weiterleitung von Interessenten an Dritte gegen Provision, • Datensammlung und Weitergabe an Dritte gegen Provision (Big Data). Die Module der Konzeptbasis, der Wertschöpfungsarchitektur und des Markt-/ Kundenzugangs sind in einem kohärenten Geschäftsmodell innovativ bzw. überlegen zu integrieren.

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24.3 Ideenpräsentation Im fortgeschrittenen Stadium der Planung ist eine Präsentation der Geschäftsidee vor externen und internen Zielgruppen unerlässlich. Sie betrifft das „Verkaufen“ des Gründungsvorhabens und der Gründer selbst. Als internes Auditorium kommen Probe-Panels aus Vertrauten, Kollegen und Förderern in Betracht, als externes Auditorium Banken-/Sparkassenvertreter und andere Fremdkapitalgeber. Die Präsentation erfolgt sowohl schriftlich als auch mündlich. Die schriftliche Präsentation der Geschäftsidee umfasst zweckmäßigerweise zwei bis fünf Seiten. Hierzu reichen aussagefähige Stichworte und instruktive Übersichten (Charts) aus. Die Darstellung sollte dabei einfallsreich, einfach und exakt sein. Wichtig ist ein Verweis auf die Vertraulichkeit aller zur Verfügung gestellten Informationen. Die mündliche Präsentation muss vorab eingeübt werden, denn sie ist ein wichtiges Indiz für die Professionalität der Herangehensweise. Häufig werden auch Kurzpräsentationen eingefordert (Elevator Pitch). Dabei geht es darum, binnen weniger Minuten (Dauer einer Hochhausaufzugsfahrt) das Besondere an der Geschäftsidee (Hook) herauszustellen. Für umfangreiche Hilfen im Vorfeld der Existenzgründung stehen verschiedene Institutionen bereit. Zu denken ist dabei vor allem an folgende: • Industrie- und Handelskammer (IHK) bzw. Handwerkskammer (HWK) durch spezialisierte Abteilungen, Veranstaltungen, Meetings etc., • Wirtschaftsförderungsbüro der Kommune mit Beratungsangeboten zur Existenzgründung, • Wirtschaftsministerien der Länder mit Beratung, aber auch konkreten finanziellen Fördermaßnahmen, • Hochschulen durch Technologieparks, Transferzentren, An-Institute etc., • private Finanzdienstleister durch Information und Beratung, • Unternehmer- und Branchenverbände als Anlaufstellen für Existenzgründungsanliegen, • private Beratungsgesellschaften für Existenzgründer, • gemeinnützige Organisationen durch Patenschaften, seniores Coaching etc. Unerlässlich ist in jedem Fall, sich als Existenzgründer zu prüfen, ob man dafür überhaupt geeignet ist. Nicht jeder ist ein Unternehmertyp, viele Menschen sind ausgesprochen risikoavers. Existenzgründung bedeutet aber immer auch, mit einem erheblichen Maß an Unsicherheit zu leben. Außerdem verlangt die Existenzgründung Führungsqualitäten. Das bedeutet, andere anzuleiten und zu überzeugen, aber notfalls auch den eigenen Willen durchzusetzen. Die Perspek-

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tive ändert sich erheblich im Vergleich zu der eines Angestellten oder Studierenden. Es gilt, zum gegebenen Anlass auch einmal harte Entscheidungen zu treffen. Man sollte sich fragen, ob man diese Eigenschaften in der Gründerperson verwirklicht sieht. Es handelt sich ausschließlich um Soft Skills, die in klassischen Ausbildungssystemen nicht geschult und in abhängiger Tätigkeit kaum trainiert werden. Insofern müsste man sie von „Natur“ aus mitbringen. Sie in der Selbstständigkeit zu lernen, ist unrealistisch, denn die Wirtschaft ist leider keine faire Veranstaltung. Es geht um das Überleben und da wird häufig ein Grenzweg als durchaus legitim angesehen. Man darf nicht unterschätzen, dass man große Zeitanteile bei Rechtsanwälten zubringen wird. Die Zahlungsmoral ist schlecht und Mitarbeitende handeln im Zweifel zum eigenen Vorteil. Auch viele der als sicher avisierten Aufträge materialisieren sich nicht. Zugleich laufen hohe, großenteils zahlungswirksame Fixkosten auf. Dies unterschätzen vor allem Gründer ohne betriebswirtschaftlichen Background. Dann kann die Existenzgründung schneller beendet sein als gedacht. Und schlimmer noch, häufig bleiben Schuldenberge, die auf Jahre hinaus das verfügbare persönliche Einkommen belasten. Sinnvoll ist es daher in jedem Fall, erst einmal mehrere Jahre Berufserfahrung zu sammeln, bevor man sich in das Abenteuer der Selbstständigkeit stürzt. Dadurch kann man professionelles Know-how bei seinem Arbeitgeber sammeln und sich ein Netzwerk aufbauen, auf das man später zurückgreifen kann. Hilfreich ist insofern eine Existenzgründung in derselben oder einer verwandten Branche. Bei Eingaben von Beratern ist unbedingt zu hinterfragen, wie lange diese schon selbstständig sind und mit welchem Erfolg. Denn es ist ein fundamentaler Unterschied, ob man aus der Theoretikersicht schlau erscheinende Ratschläge gibt oder den Dschungel des Kapitalismus hautnah erlebt hat. Zur Verminderung des Risikos ist aber vor allem eine minutiöse Planung angezeigt. 24.4 Business Plan 24.4.1 Strukturierung

Der Business Plan konkretisiert die Geschäftsidee. Er folgt einer als üblich angesehenen Struktur. Dazu gehören folgende Inhalte: • Executive Summary als kurze Zusammenfassung des Inhalts und der Ergebnisse, • Rahmenbedingungen durch sozio-ökonomische, technologische, ökonomische und politisch-rechtliche Restriktionen und deren Veränderung (analog zur STEP-Analyse), • Geschäftsmodell zur Transformation von Ressourcen in einen Mehrwert-Output mit Wertzuwachs, der über den dafür entstehenden Kosten liegt,

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• voraussichtliche Erfolgsfaktoren und strategische Ausrichtung der neuen Unternehmung, vor allem in Bezug auf deren Werttreiber und Ziele, • Leistungsangebot der neuen Unternehmung durch naturwissenschaftliche bzw. technisch-funktionale Beschreibung, • Kundennutzen durch komparative Vorteile des Angebots im Vergleich zum Mitbewerb im Relevanten Markt, • Branchen- und Marktanalysen (Sekundärquellen) zur Identifizierung von Chancen und Risiken als Basis für eine belastbare Prognose, • Wettbewerbsanalyse zu komparativen Vor- und Nachteilen im Vergleich zum direkten Mitbewerb mit Schätzung der Marktgrößen, • Markteintritts- und Absatzkonzept, um den Zugang zu Abnehmern zu gewinnen und daraus Umsatz zu erreichen, konsequenterweise jedoch mit Exit-Konzept, • Organisation der Geldwirtschaft für ausreichende Mittelherkunft und effiziente Mittelverwendung, meist anhand finanzieller Kenngrößen (KPI’s), • Organisation der Beschaffungsquellen für Ressourcen (Kapital, Sachmittel, Wissen etc.) und deren Einsatz, • Einsatz von Humanressourcen nach Quantität und Qualität bzw. deren Rekrutierung, Einarbeitung und Entlohnung, • Risikomanagement zum Handling (Vermeidung, Reduktion, Absicherung, Ausgleich etc.) der enorm hohen Start up-Risiken, • Prüfung der konstitutiven Faktoren Rechtsform, Standort und Nachhaltigkeit auf ihre wirtschaftliche, rechtliche und gesellschaftliche Angemessenheit (CSR), • Konzeption der Umsetzung anhand von Zwischenzielen (Roadmap) und Steuergrößen (BSC). Als Adressaten des Business Plans sind interne Stellen (Team), vor allem aber externe wie Lieferanten, Kunden, Kooperationspartner bzw. Geldinstitute, Fördermittelgeber, Venture Capitalists, Business Angels etc. anzusehen. Der Business Plan ist immer eine Bewerbung um Vertrauensvorschuss und Geld- bzw. Sachmittel. Er ist zugleich auch die erste Arbeitsprobe, die zeigt, ob und wie professionell gearbeitet wird. Im Grundsatz besteht der Business Plan aus Textteil (s. u.), Zahlen- und Tabellenteil sowie Anhang (mit Lebensläufen, Marktanalysen, Vertragsentwürfen etc.). Der Umfang des Textteils sollte zehn Seiten nicht überschreiten. Äußerlich sollte unbedingt eine ansprechende Gestaltung eingehalten werden, dazu gehören der Umschlag, die Coverseite, ein sauberes und einheitliches Schriftbild, ein verständlicher Sprachstil, die Vermeidung von Grammatikund Interpunktionsfehlern, eine klare Gliederung und eine realistische Einschätzung des Sachverhalts.

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Fehler im Business Plan können aus mehreren Fehleinschätzungen herrühren. So ist bei der Erstellung des Plans häufig das Augenmerk nicht auf die Zielgruppe und deren Interessen gerichtet, sondern auf die eigenen Interessen. Auch wird meist viel zu umfangreich ausgeführt, auf die Details kommt es in diesem Stadium aber gar nicht an. Häufig fehlen wichtige Unterlagen, so dass der Eindruck entsteht, man habe etwas zu verbergen. Auch wenig substanziierte Annahmen und eine Tendenz zur Selbstüberschätzung wirken kontraproduktiv. Oft werden die erforderlichen Ressourcen zu niedrig oder unrealistisch hoch angesetzt. Bei aller Balance muss aber auch der Enthusiasmus der Gründer für ihr Projekt erkennbar sein. Dem gerecht zu werden, ist ein anspruchsvolles Unterfangen, so dass mehrere Monate an Zeit für die Erstellung des Business Plans einzurechnen sind. Auf einzelne dieser Inhalte wird im Folgenden näher eingegangen. Am Beginn steht eine Executive Summary von max. zwei Seiten. Sie enthält die Kernaussagen des Plans und ist zum Überblick für Entscheider unter Zeitdruck gedacht. Die Verknappung der Inhalte (Single Sheet) ist sehr schwierig, denn alle Aussagen müssen punktgenau und klar erfolgen. Daraus ergibt sich dann aber die Essenz der Idee, so dass es zu einer notwendigen Fokussierung kommt. Die Zusammenfassung ist das Herzstück des Business Plans, oft ist sie das einzige Dokument, das überhaupt gelesen und ausgewertet wird, bevor über eine Fortsetzung des Kontakts oder dessen Abbruch entschieden wird. Sinnvoll ist eine englischsprachige Fassung. 24.4.2 Aufstellung

Im Falle der Fortführung der Beschäftigung mit einer Existenzgründung ist die Aufstellung der Unternehmung zentral. Wie ist ihre konkrete Zielsetzung? Über welche fachlichen und persönlichen Qualifikationen verfügen der / die Gründer, um diese zu erreichen? Wie ist die Aufgabenverteilung in der Unternehmung geplant? Welche Kompetenzen sind vorhanden, welche fehlen? Wie sollen fehlende Kompetenzen aufgefüllt werden? Interessant sind bei mehreren Gründern vor allem die Beteiligungsverhältnisse. Wie ist der Status des Gründungsprojekts? Welche Fakten sind bereits geschaffen worden? Gibt es Zusagen oder Ablehnungen im Vorfeld? Es folgt die Vorstellung des Managementteams. Die Investition erfolgt immer auch in die handelnden Akteure, ihre Erfahrungen, Talente und mentalen Dis­ positionen. Im Team können diese sich idealerweise ergänzen und verstärken bzw. ausgleichen, schlechtestenfalls aber auch gegenseitig zerstören. Letztlich sind die Schlüsselqualifikationen der Gründer für die meisten Investoren ausschlaggebend (Fach-, Methoden-, Sozial-, Individualkompetenzen). Bei Lücken ist zu überlegen, ob weitere Mitglieder in das Gründerteam aufgenommen werden sollen oder ob Externe diese Rolle zumindest temporär übernehmen können (Outsourcing).

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Danach kommt der organisatorische Rahmen. Dabei sind sowohl die Aufbauals auch die Ablauforganisation darzustellen. Entsprechend der Organisation ergibt sich der quantitative und qualitative Personalbedarf. Eine weitere Entscheidung betrifft die Standortwahl. Schließlich geht es um so entscheidende Faktoren wie die Aufteilung zwischen Eigenerstellung und Fremdleistung (Make or Buy) in der Wertschöpfung, die analog zu den Kernkompetenzen zu treffen ist. 24.4.3 Eigenes Angebot

Es folgt die Vorstellung des Produkts bzw. der Dienstleistung, die Gegenstand der Existenzgründung ist. Zentral sind dabei folgende Inhalte: die angestrebte überlegene Problemlösung, das konkretisierte Angebot und der derzeitige Entwicklungsstand. Weiterhin geht es um die Positionierung des Angebots und die Bestimmung des anzusprechenden Marktsegments. Positionierung betrifft die Abgrenzung eines Angebots / A nbieters vom Mitbewerb und seine Profilierung gegenüber Nachfragern. Grafisch erfolgt dies im Mapping-Verfahren, verbal im Positioning Statement. Das Mapping vollzieht sich in folgenden Stufen: • Abgrenzung des Relevanten Markts, Bestimmung der zentralen Angebotsdimensionen dort, Bildung Strategischer Gruppen als engeres Mitbewerberumfeld bzw. eines „Feindes“ als engstem Mitbewerber, Eintrag der relativen Positionen der Angebote / A nbieter in den Positionierungsraum, Eintrag der eigenen, realen Position bzw. der gewünschten Position. Die Verbalisierung dieser Position erfolgt durch zwei Postulate: Erstens den Claim (Angebotsanspruch) als Behauptung, was das eigene Angebot besser zu leisten imstande ist als alle vorhandenen sowie zweitens den Reason Why (Anspruchsbegründung), warum diese Behauptung von potenziellen Nachfragern als vertrauenswürdig anzusehen ist. Die schon angesprochene Zielgruppe wird durch die Identifikation eines potenzialstarken Marktsegments konkretisiert. Marktsegmentierung bedeutet allgemein die Aufsplittung eines Gesamtmarkts in Teilmärkte durch Bildung intern homogener bei gleichzeitig extern heterogen Segmenten anhand definierter Kriterien. Diese Aufsplittung kann einstufig anhand nur eines Kriteriums erfolgen, zwei-/mehrstufig sukzessiv durch Anlegen zwei oder mehr nacheinander geschalteter Kriterien oder zwei-/mehrstufig simultan durch zwei oder mehr parallel angelegte Kriterien. Als Kriterien kommen dafür im Einzelnen demografische, aktiografische, psychografische, soziografische, typologische und neuroökonomische in Betracht. Ein wesentlicher weiterer Punkt ist der Schutz der Geschäftsidee vor Nachahmung durch Gewerbliche Schutzrechte, die bestehen oder angemeldet werden

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sollen. Wichtig ist auch eine Vertraulichkeitserklärung, wenngleich diese vor einer Proliferation der Idee nicht schützt. Aber zumindest die Beweisbarkeit der Urheberschaft wird dadurch erleichtert. Der Vermarktung der Idee kommt eine Schlüsselrolle zu. Dazu steht im Prinzip der Marketing-Mix (4 P’s) zur Verfügung. Eine große Bedeutung kommt dabei angesichts finanzieller Restriktionen z. B. dem Guerilla-Marketing zu. Dabei handelt es sich um Maßnahmen des Trittbrettfahrens von Kommunikationsaktivitäten anderer (Ambush), des Einbezugs des Lebensumfelds der Zielpersonen (Ambient) oder der Empfehlungswirkung (Advocacy). Ambush-Effekte lassen sich durch vorgetäuschte, Eindringen in vorhandene oder Einbezug von Akteuren der primären Sponsorenschaft erzielen (z. B. Aubameyang / Dortmund). Am­bientEffekte entstehen durch die Nutzung ehemals neutraler Elemente im Lebensumfeld als Werbemittel. Advocacy-Effekte entstehen durch virale, exponenzielle Verbreitung einer Werbebotschaft im Markt, meist mithilfe des Internet. 24.4.4 Marktanalyse

In der Marktanalyse geht es um die Sicherung der Wettbewerbsfähigkeit des intendierten Angebots. Der Markt besteht dabei mindestens aus folgenden Partnern: • Endkunden, Zwischenkunden, Absatzhelfer etc. zur Transaktion, • Lieferanten für Sachmittel, Gelder, Personal etc. zur Transaktion, • Komplementäranbieter, Kooperationspartner etc. zur Interaktion, • aktuelle, potenzielle und substitutive Wettbewerber etc. zur Interaktion, • Promotoren wie Influencer, Experten etc. zur Interaktion. Hierbei geht es sowohl um Quantitäten (Menge, Wert) als auch Qualitäten (Solvenz, Verhalten). Es stellt sich die Frage, warum diese Partner die Existenzgründung forcieren sollen und welche Anreize ihnen dafür geboten werden können bzw. wie sie die Existenzgründung bekämpfen können und wie dies zu verhindern ist. Die Ergebnisse sind dabei immer auf der Zeitachse zu beurteilen, d. h. mit welchen Fristen können Partner aktiviert werden und wie lange dauert es, bis sich zählbare Ergebnisse einstellen? Denn mit der Existenzgründung beginnt ein Rennen gegen die Zeit. Nur wenn die Unternehmung schneller abhebt als die Marktkräfte sie verdrängen, gibt es eine realistische Aussicht auf Bestand. Zur Analyse ist eine umfangreiche Sichtung aller verfügbaren Daten erforderlich, mehr aber noch deren intelligente Auswertung. Dabei ist festzustellen, dass es keinen Mangel an Daten gibt, sondern im Gegenteil einen Überfluss (Information Overflow). Daher gilt es, die relevanten Informationen zu selektieren und in ihrer Aussage zu verknüpfen. Dabei ist eine Balance zwischen allzu euphorischer Einstellung und notwendigem Zweckpessimismus zu halten. Gründer neigen

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dazu, durch ihren verengten Blickwinkel Risiken auszublenden oder gering zu schätzen. Dies kann verheerend wirken. Allerdings ist auch eine allzu gedämpfte Perspektive nicht hilfreich, da sie Unternehmertum erstickt. Im Business Plan ist daher eine ausgewogene Sicht wichtig. Tatsächlich kommen jedoch auf jeden in den Medien gefeierten Existenzgründer, der es zu Status und Wohlstand gebracht hat, unzählige, die scheitern und ihre Freiheitsgrade dauerhaft einschränken. Insofern darf man sich von diesen Verlockungen nicht blenden lassen. 24.4.5 Finanzierungsquellen

Für jede Existenzgründung ist die Finanzplanung zentral. Diese bezieht sich auf Größen wie Erfolgsrechnung, Bilanz, Cash-flow-Rechnung, Break even etc. Die Erfolgsrechnung zeigt auf, wie es zu Gewinn kommt oder Verlust vermieden werden kann. Die Bilanz weist aus, wie Vermögen und Kapital in Relation zueinander stehen. Die Cash-flow-Rechnung ist entscheidend für die Liquiditätgrade. Und der Break even zeigt an, bei welchem Absatz die Gewinnschwelle erreicht wird. Für die Bereitstellung der Finanzmittel gibt es verschiedene Quellen: • Bei Familiendarlehen stellen Verwandte (Freunde) liquide Mittel leihweise zur Verfügung. Evtl. verzichten sie dabei auf Verzinsung und gewähren großzügige Rückzahlungsbedingungen. Naturgemäß setzt dies voraus, dass sich im engen persönlichen Umfeld Personen mit entsprechenden Finanzmitteln befinden. Selbst dann will diese Quelle gut überlegt sein, denn es muss mit dem realistischen Fall des Scheiterns und der Rechtfertigung gerechnet werden. • Existenzgründungsprogramme gewähren staatliche Mittel unter bestimmten Voraussetzungen. Allerdings ist der bürokratische Aufwand zur Einwerbung nicht zu unterschätzen. Programme stammen direkt aus ERP-Mitteln (Europäisches Regionalprogramm) über die KfW (Kreditanstalt für Wiederaufbau), die DtA (Deutsche Ausgleichsbank) bzw. indirekt aus Bürgschaften von Bund und Ländern, Sonderabschreibungsmöglichkeiten für Existenzgründer / K MU’s etc. Speziell gefördert werden Forschung und Entwicklung in Technologieunternehmen sowie Umweltprogramme. • Grundschulddarlehen werden von Finanzdienstleistern durch Beleihung von Immobilien gewährt. Voraussetzung ist, dass es solches belehnbares Grundvermögen gibt. Zu berücksichtigen sind der hohe Formaufwand der Grundschuld und die strikten rechtlichen Konsequenzen, falls Zins und Tilgung auch nur vorübergehend nicht wie geplant bedient werden können. • Öffentliche Förderungen werden durch Unternehmens-, Energiespar-, Umweltschutzberatung, Bereitstellung von Ausbildungsplätzen etc. gewährt. Auch direkte Zulagen für Investitionen sind möglich. Zudem gibt es regionale Förder-

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programme im Rahmen der Strukturpolitik und Förderungen für einschlägige Schulungen, Lehrgänge etc. • Bei Einstellung von Mitarbeitenden greifen vielfältige Fördermaßnahmen in Bezug auf Arbeitsvermittlung, Überbrückung von Kurzarbeit, Frauen in Volloder Teilzeit-Berufstätigkeit, Standorte in Neuen Bundesländern (Aufbau Ost), Umschulung, Berufsbildung, Arbeitsbeschaffung für Langzeitarbeitslose etc. • Leasing stellt eine kapitalschonende Möglichkeit dar, da nur die Nutzung von Anlagevermögen bezahlt wird, nicht aber dessen Anschaffung. Allerdings ist dies nicht für alle Wirtschaftsgüter darstellbar. Jedoch verbessern sich die Bilanzrelationen und auch die Kreditwürdigkeit des Start up. Auch können steuerliche Vorteile bestehen. • Kredite von Finanzdienstleistern werden für gewöhnlich nur gegen ausgiebige Sicherheiten gewährt, so dass, zugespitzt formuliert, nur derjenige Kredit bekommt, der ihn eigentlich nicht braucht. Dies ist eingedenk der hohen Kreditausfälle der Geldinstitute in der Vergangenheit womöglich auch nachvollziebar. 24.5 Finanzierungsarten Zudem gibt es spezielle Möglichkeiten der Eigenkapitalbeschaffung bei jungen Unternehmen durch Venture Capital (VC) und Business Angels. Business Angels sind Privatpersonen, die jungen Unternehmen Kapital und Know-how zur Verfügung stellen. Sie fordern dafür weitreichende Mitspracherechte und nehmen im Falle des Scheiterns zumeist eine Gläubigerposition ein. Business Angels unterstützen als informelle Ratgeber Existenzgründungen in der Seed- und Start up-Phase. Sie stellen allerdings Bedingungen an die Sicherheit und Ertragsträchtigkeit ihres Investments. Es handelt sich meist um Privatpersonen mit Managementerfahrung, die ihr Know-how weitergeben und davon auch profitieren wollen. Als Rechtsform wird meist die Stille Gesellschaft oder die GbR gewählt. Venture Capital-Beteiligungen sind am Anfang sehr risikoreich, versprechen aber im Erfolgsfall eine hohe Rendite. Die Kapitalrückführung erfolgt i. d. R. durch Rückkauf von Unternehmensanteilen, den Verkauf der Anteile an Drittunternehmen oder die Börseneinführung (IPO). Das Engagement ist zeitlich begrenzt, meist auf fünf Jahre, und unterstützt die Expansion sowie die Bonität und Kreditwürdigkeit. Häufig ist dies mit Unternehmensberatung verbunden. Die Anlage erfolgt zumeist in Hightech-Branchen. Dabei können mehrere Phasen unterschieden werden. Die Frühphasen-Finanzierung gliedert sich in Seed Financing, Start up Financing und First Stage Financing. Die Expansionsphasen-Finanzierung gliedert sich in drei weitere Stufen Growth, Bridge Stage und Buy-out.

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Zur Durchführung eines Börsengangs bedarf es einer Equity Story (Geschäftsplan), eines Emissionskonzepts (Eckpunkte des IPO), einer Due ­Diligence (Sorgfaltsprüfung), eines Wertpapierprospekts (zur Information) und eines Emis­sionskonsortiums (ab einer bestimmten Größe). Zur erstmaligen Kurseingrenzung wird häufig das Bookbuilding-Verfahren genutzt. Dabei werden institutionelle Investoren dahingehend erhoben, welche Anzahl von zu platzierenden Geschäftsanteilen sie zu welchem Preis abzunehmen bereit sind. Daraus entstehen Preis-Mengen-Kombinationen, aus denen eine Preis-Absatz-Funktion angenähert werden kann. Daraus wiederum lassen sich der optimale Kurs und die zugehörige optimale Menge an Anteilen bestimmen. Die Angaben sind unter Profis durchaus belastbar, dennoch kann man real knapp unterhalb des optimalen Kurses bleiben, um eine vollständige Platzierung zu erreichen. Nicht-platzierte Anteile werden vom Konsor­tium der Emissionsbanken in den eigenen Bestand übernommen und zeitversetzt kursschonend an den Markt abgegeben. Venture Capital stammt von professionellen Investoren (Kapitalsammelstellen), die allerdings hohe Anforderungen an ihr Engagement stellen. Zudem bedingen sie sich umfangreiche Mitspracherechte aus. Auch Finanzdienstleister und Großunternehmen haben Beteiligungsgesellschaften (Corporate Venture Capital) geschaffen, um sich an erfolgversprechenden Existenzgründungen zu beteiligen. Weitere Formen der Existenzgründung können durch Management-Buyout erfolgen. Dabei handelt es sich um den Unternehmenskauf durch das bestehende Management in Mehrheit oder zu wesentlichen Anteilen. Bisherige Führungskräfte werden so zu Teilhabern „ihrer“ Unternehmung. Dadurch kann deren Know-how genutzt werden. Buyouts sind in verschiedener Form möglich: • Leveraged Buyouts basieren auf mehrheitlicher Fremdkapitalfinanzierung (ähnlicher einer Immobilienfinanzierung), • Leveraged Management Buyouts kommen durch das bestehende Management auf Basis von Fremdfinanzierung zustande, • Management Buy-ins entstehen aus Buy-outs durch externe Manager, • Spin-offs sind Ausgründungen von Unternehmen aus Konzernen, um ihnen mehr Freiraum zu bieten, • Wachstums-Buyouts sind Angliederungen von Unternehmen an einen Konzern, um deren Innovation zu nutzen (was freilich selten von Erfolg gekrönt ist), • Mitarbeiterbeteiligung erfolgt auch für nicht-leitende Mitarbeiter. Management Buyouts erfolgen auf verschiedene Weise, so durch Asset Deals als Erwerb von Vermögensgegenständen, durch Share Deals als Erwerb von Anteilen, Fusion Deals durch Erwerb und Verschmelzung sowie Step Deals durch Erwerb von Anteilen und Vermögensgegenständen.

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Die einzelnen Arbeitsschritte stellen sich dabei wie folgt: • Vorstellung des Business Plans, Vorentscheidung, Erstkontakt und Vor-Ort-Besichtigung, Abschluss einer Vertraulichkeitserklärung (Non Disclosure Agreement), • gemeinsame Absichtserklärung (Letter of Intend), Strukturierung des Projekts, Detailprüfung der Situation (Due Diligence), Projektbewertung, Ermittlung von Kaufpreisobergrenzen, gesellschaftsrechtliche und steuerliche Konzeption, Memorandum of Understanding, Projektion der Unternehmensplanung, • Abschluss eines Vorvertrags (Term Sheet) mit Kontroll-, Informations- und Mitspracherechten, Haftungsbeschränkungen der Vertragspartner, Inhalt und Ausmaß der Managementunterstützung, Gewinnausschüttungen / A ktienoptionen, Bindungsdauer bis zum Exit, Kündigungsrechte, • Vertragsverhandlungen, Festlegung der Finanzierungsstruktur, Beschaffung der Finanzierungsmittel, Tilgungsplan, Renditeberechnung, laufende Unterstützung und Kontrolle, Vertragsabschluss (Signing), Festlegung und Erfüllung der Exitkriterien. Die Detailprüfung dient der aussagefähigen Bewertung aller Geschäftsrisiken und Ertragschancen. Sie bedingt absolute Vertraulichkeit, da der Existenzgründer seine Ressourcen bis ins Detail offenbaren muss. Dies dient letztlich der Bewertung des Existenzgründungsprojekts. Zur Kaufpreisermittlung werden meist • Substanzwertverfahren nach Reproduktions- oder Liquidationswert, • Ertragswertverfahren nach Gewinn (z. B. Economic Value Added / EVA), Cashflow (z. B. Discounted Cash-flow / DCF) oder Dividenden, • Financial Multiples auf Basis von Earnings, Real Options oder Börsenkursen zugrunde gelegt. 24.6 Investitionsplanung Das Spiegelbild der Finanzierung ist die Investition als Mittelverbleib. Sinnvoll ist es, die Investitionen über drei bis fünf Perioden (Geschäftsjahre) fortzuschreiben. Daraus ist ersichtlich, welcher Kapitalbedarf wann entsteht, wie die Liquidität und der Gewinn sich aus bis dahin generierten Erlösen darstellen, wie die Planbilanzen der Perioden strukturiert sind und welche Schlüsselkennzahlen (KPI’s) sich ergeben. In New Economy-Märkten wird eine solche Planung häufig als nachrangig angesehen, da man ein so beträchtliches Marktwachstum für die Zukunft unterstellt, dass selbst überdimensionale Investitionen bzw. Amortisationsfristen sich lohnen, damit die Unternehmung später an diesem Marktwachstum angemessen partizipieren kann. Man rechnet günstigstenfalls mit einer

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Amortisationszeit (Pay off Period) von sieben Jahren. Zahlreiche Unternehmen sind aber selbst dann nicht rentabel zu führen. Dennoch finden sich immer wieder Investoren, die Finanzmittel nachschießen, um damit ihre untergegangenen Investitionen zu retten (Lock in). In seltenen Fällen gelingt dies, in einer Mehrzahl von Fällen geht dies aber schief. Die Investoren hoffen dann, durch eine Streuung ihrer Investments andere, ertragreiche Unternehmen in ihrem Portfolio zu halten, die ihre Rendite sichern. Man geht von einer Erfolgsrate von 10 % aus. Im hier betrachteten Einzelfall hilft dies jedoch wenig. Wichtig sind auch die Auswirkungen auf die Gewinn- und Verlustrechnung (GuV). Durch die Bewegungsgrößen kann ermittelt werden, inwieweit saisonale Entwicklungen Einfluss auf die Existenz nehmen oder wie Störereignisse den Jahresüberschuss bzw. -fehlbetrag verändern. In den Planbilanzen sind die Investitionen auf der Aktivseite im Vermögen verbucht. Kapitalschonend kann aber auch statt mit Anschaffungen über Leasing operiert werden. Die absoluten Kosten sind zwar meist höher, dafür wird die Liquidität verbessert. Dies wiederum hat Einfluss auf die KPI’s, die für Kreditinstitute angesichts restriktiver Kreditvergaberichtlinien bedeutsam sind. Oft werden Kreditlinien von der Einhaltung solcher Kennzahlen abhängig gemacht (Financial Covenants). Von hoher Bedeutung ist, das Zustandekommen und die dafür zugrunde gelegten Prämissen deutlich auszuweisen. Problematisch ist, dass durch die Fortschreibung über mehrere Perioden Fehler hochkumulieren können. Dies erübrigt jedoch nicht die Notwendigkeit zur Planung. 24.7 Umsetzung Für die Umsetzung ist professionelles Projektmanagement erforderlich. Ein Projekt ist allgemein durch folgende Merkmale gekennzeichnet. Es hat einen definierten Anfang und ein definiertes Ende innerhalb dessen das Projekt läuft. Es zeichnet sich durch vergleichsweise hohe Komplexität aus, die Kosten-, Termin- und Qualitätsrisiken bedeutet. Die Bewältigung erfordert meist eine interdisziplinäre Zusammenarbeit in Arbeitsgruppen (Cross Functional Teams). Die Projektziele können vielfältig ausgelegt sein, vor allem sind sie in Bezug auf das gewünschte inhaltliche Ergebnis, die zeitlichen und räumlichen Dimensionen sowie formale Gewichtung zu definieren. Von einem Prozess unterscheidet sich das Projekt durch seine Einmaligkeit. Das Projektmanagement umfasst damit die Planung, Organisation, Steuerung und Kontrolle von Projekten. Es werden Arbeitstechniken und -mittel eingesetzt, um das Gründungsprojekt auszulösen, zu leiten, auszuführen und abzuschließen. Bei den Arbeitsmitteln handelt es sich um Ressourcen wie Budget, Manpower, Zeit, Know-how, Sachmittel etc. Bei den Projekttechniken handelt es sich um Modelle, Verfahren, Werkzeuge (häufig IT-gestützt), Maßnahmen etc. Dabei ist

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die Einhaltung von Gesetzen, Verordnungen, Normen und Standards erforderlich. Für die Erfolgsmöglichkeiten spielen vielfältige Randbedingungen (politisch, ökonomisch, sozio-kulturell, technologisch etc.) eine Rolle. Vor allem sind die involvierten Risiken abzuschätzen. Auf dieser Basis kann dann eine Entscheidung über die Fortführung getroffen werden (Go). Der Prozess wird meist durch den Gründer als Projektkoordinator oder -sprecher verantwortet. Die Einordnung hängt von der Weisungsbefugnis, den Verfügungsrechten, der Berichtsbefugnis und der Entscheidungskompetenz ab, die sich wiederum auf die Verantwortung für Ergebnis, Mitarbeiter (Zuweisung oder Auswahl), Termine (incl. Milestones), Sachmittel (Kapazitäten) und Budget (Geldmittel) bezieht. Die Beteiligten können aus dem Gründerteam stammen oder temporär oder auch dauerhaft von außen hinzukommen. Bei externen Mitarbeitenden ist vor allem an Berater zu denken. Die Honorierung kann zeitbezogen oder leistungsbezogen oder in Mischform erfolgen. Der Einsatzort kann zentral (an einem Ort) oder dezentral (an verschiedenen Orten) liegen, denkbar sind auch virtuelle Projektgruppen, die durch informationelle Vernetzung zusammenarbeiten. Eine wichtige Gestaltung betrifft die Ablauforganisation. Hier muss zunächst nach Hauptaufgaben, Teilaufgaben und Einzelaktivitäten gegliedert werden. In allgemeinster Form handelt es sich um die Phasen Planung, Organisation, Konzeption, Detaillierung, Realisierung, Test und Einführung. Wichtig ist dabei die Beachtung eines Kritischen Pfads, auf dem Verzögerungen zu einer zeitlichen Verschiebung des Gesamtprojekts führen. Vor allem ist auf zu optimistische oder zu pessimistische Einschätzungen zu achten. Diese sind oft Folge von Gruppenentscheiden, die zu Risikogierigkeit (attraktives Sozialmerkmal) oder auch zu Risikoaversion („Bedenkenträgerschaft“) führen. In diesem Zusammenhang ist eine bewusste Risikosicht erforderlich. In einer hoch reglementierten Volkswirtschaft fallen zudem zahlreiche gesetzliche Anmeldepflichten an, die zu erfüllen sind, bevor überhaupt agiert werden kann, so etwa • Gewerbeanmeldung (Ordnungsamt), Steueranmeldung (Finanzamt), Eintragung in Handelsregister / Partnerschaftsregister / Handwerksrolle, Anmeldung bei Agentur für Arbeit (Arbeitslosenversicherung), Krankenkasse (Krankenversicherung), Berufsgenossenschaft (Unfallversicherung), Rentenamt (Renten-/Pflegeversicherung). Kleine Fehler haben dabei weitreichende Folgen. Zur Meisterung der Umsetzung bieten sich einige Zeitmanagement-Werkzeuge an (siehe Abb. F63):

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• Das Eisenhower-Tableau teilt alle Aktivitäten nach deren Wichtigkeit und Dringlichkeit ein. Aufgaben, die dringlich und wichtig sind, haben die höchste Priorität. Sie sind sofort und selbst zu erledigen. Dies sind die A-Aufgaben. Aufgaben, die wichtig, aber nicht dringlich sind, sind entweder auf später zu terminieren oder zu delegieren. Dies sind die B-Aufgaben. Aufgaben, die dringlich, aber nicht wichtig sind, sind in jedem Fall zu delegieren. Dies sind die C-Aufgaben. Alle anderen Aufgaben (D-Aufgaben) können erledigt werden, falls dazu noch Zeit und Lust vorhanden ist. • Die Zeitplantechnik (Seiwert) teilt das zur Verfügung stehende Zeitbudget in geplante, unerwartete und sonstige Aktivitäten. Für geplante Aktivitäten ist nur 60 % des Zeitbudgets bereit zu stellen, für unerwartete Aktivitäten weitere 20 %. Dies vermeidet, dass zu eng getaktete Zeitpläne durch unvorhergesehene Ereignisse zu Fall kommen und in einem Dominoeffekt alle später geplanten Termine fallen, wie dies häufig bei Planung der spätesten Anfangszeit (mit Hilfe von Terminplanern etc.) passiert. 20 % für sonstige Aktivitäten sollen Freiraum für spontane, persönliche Interessen schaffen, die ansonsten zu kurz kommen würden. • Das Pareto-Prinzip besagt, dass erfahrungsgemäß 20 % der Aktivitäten für 80 % des Erfolgs ausschlaggebend sind (80:20-Regel). Daher gilt es, seine Aufmerksamkeit auf diese erfolgsbedeutsamen Aktivitäten zu konzentrieren (A-Aktivitäten). Denn dort ist die Hebelwirkung am größten. Weitere 30 % der Aktivitäten sind für etwa 10 % des Erfolgs bedeutsam (B-Aktivitäten). Und die restlichen 50 % der Aktivitäten machen nur weitere 10 % des Erfolgs aus (C-Aktivitäten). Gerade letztere blockieren aber Energie, so dass sie zu rationalisieren, zu delegieren oder outzusourcen sind.

Abbildung F63: Ausgewählte Zeitmanagement-Werkzeuge (eig. Abb.)

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Vor allem in engen Phasen der Unternehmensgründung entsteht kontraproduktiver Stress. Diesen gilt es zu bewältigen, damit er nicht in psychischer Belastung (Burn out) endet. Möglichkeiten zur Stressbewältigung sind die Umsetzung des aufgestauten Energieüberschusses in Bewegung (Sport), die Überdenkung der Wertmaßstäbe (Work-Life-Balance), die Änderung der Einstellung (Belastung reduzieren, Stressoren ausschalten) und die Steigerung der persönlichen Belastbarkeit (Stress-Toleranzgrenze) durch Training.

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Literaturhinweise Arnold, Jürgen: Unternehmensgründung, Burgrieden 2009 Delp, Andrea: Existenzgründung, München 2013 Dorf, Bob / Blank, Steve: Das Handbuch für Startups, Köln 2014 Dowling, Michael / Drumm, Hans J. (Hrsg.): Gründungsmanagement, 2. Auflage, Berlin / Heidelberg 2003 Fink, Christian / Vogelsang, Eva / Baumann, Matthias: Existenzgründung und Businessplan, 4. Auflage, Berlin 2016 Fueglistaller, Urs / Müller, Christoph / Müller, Susan / Volery, Thierry: Entrepreneurship, Wiesbaden 2012 Granig, Peter / Hartlieb, Erich / Lingenhel, Doris (Hrsg.): Geschäftsmodellinnovationen, Wiesbaden 2015 Hammer, Thomas: Existenzgründung, Berlin 2015 Hofert, Svenja: Praxisbuch Existenzgründung, 7. Auflage, Offenbach 2012 Kailer, Norbert / Weiß, Gerold: Gründungsmanagement kompakt, Wien 2012 Klandt, Heinz: Gründungsmanagement, 2 Auflage, München / Wien 2006 Lutz, Andreas / Schuch, Monika: Existenzgründung, Wien 2016 McKinsey & Company: Planen, gründen, wachsen, 4. Auflage, Heidelberg 2007 Nagl, Anna: Der Businessplan, Wiesbaden 2011 Schwab, Adolf J.: Managementwissen: Know-how für Berufseinstieg und Existenzgründung, Berlin / Heidelberg 2010 Schwetje, Gerald / Vaseghi, Sam: Der Businessplan, 2. Auflage, Berlin / Heidelberg 2005 Tanski, Joachim S. / Schreier, Andreas: Selbstständigkeit wagen, Freiburg 2012 Thönnessen, Felix: Erfolgreich Unternehmen gründen, München 2015 Vogelsang, Eva / Fink, Christian / Baumann, Matthias: Existenzgründung und Businessplan, 3. Auflage, Berlin 2015 Volkmann, Christine K./Tokarski, Kim Oliver: Entrepreneurship, Stuttgart 2006

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Übungsaufgaben 1. Wie vollzieht sich die Durchführung der Existenzgründung? 2. Welche Existenzgründungs-Förderungen seitens des Staates gibt es? 3. Welche wesentlichen Entscheidungen stellen sich im Rahmen einer Existenzgründung? 4. Welche steuerlichen Konsequenzen folgen aus einer Existenzgründung? 5. Welche Buchführungskonsequenzen folgen aus einer Existenzgründung? 6. Stellen Sie bitte das Geschäftsmodell als Basis der Existenzgründung dar. 7. Durch welche Komponenten kann unternehmerisches Handeln allgemein umschrieben werden? 8. Recherchieren Sie bitte, was unter Bootstrapping zu verstehen ist? 9. Welche Rolle spielen Gründerwettbewerber? Nennen Sie dafür bitte Beispiele. 10. Was versteht man unter Crowdfunding? Wie sehen dabei Finanzierungsmodelle aus? Recherchieren Sie bitte Informationen dazu. 11. Was versteht man unter Inkubatoren und was unter Accelerator-Programmen? Recherchieren Sie bitte Informationen dazu. 12. In welchen Schritten kann eine „kleine AG“ oder gAG (gemeinnützige AG) gegründet werden? 13. Wie vollzieht sich eine Gewerbeanmeldung? 14. Welche Phasen der Gründungsfinanzierung können unterschieden werden? 15. Was versteht man unter einem IPO und wie vollzieht sich dieser?

G. Die Hilfswissenschaften der BWL

25. Grundlagen der Wirtschaftsstatistik In diesem Kapitel werden folgende Inhalte behandelt und geklärt: • die Grundbegriffe der Statistik, • die Induktive Datenanalyse, • die Formen der Datenauswertung, • die Univariaten Häufigkeitsanalysen, • die Bi- und Multivariaten statistischen Analysen, • die Formen der Datendarstellung, • die Prognoseverfahren. 25.1 Grundbegriffe 25.1.1 Elemente

Statistik befasst sich allgemein mit der Erfassung und Aufbereitung von Dateninformationen. Innerhalb der Wirtschaftsstatistik können Datenanalysen bei sorgfältiger Auslegung wertvolle Entscheidungshilfen in der Ökonomie bieten. Statistik ist dabei sowohl als Prozess (Ermittlung) als auch als Ergebnis (Darstellung) zu verstehen. Ziel der Statistik ist es, Informationen und Erkenntnisse über Sachverhalte bereitzustellen, um damit letztlich bessere Entscheidungen zu ermöglichen. Zu den statistischen Methoden gehören deskriptive, probabilistisch und induktive (siehe Abb. G1): • Probabilistische Methoden betreffen Wahrscheinlichkeiten, Zufallsvariable, Wahrscheinlichkeitsverteilungen etc. bei unsicheren Ereignissen. • Deskriptive Methoden betreffen die Beschreibung erfasster Gruppen mittels Häufigkeiten, Lage- und Streuungsparametern, Abhängigkeiten, Zusammenhängen, Konzentrationen, Indizes etc. • Induktive Methoden betreffen den Schluss von Stichproben auf Parameter der interessierenden Grundgesamtheit bzw. den Test, inwieweit Aussagen über die Grundgesamtheit durch Stichprobenwerte gestützt werden können oder nicht.

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G. Die Hilfswissenschaften der BWL

Abbildung G1: Methoden der Wirtschaftsstatistik (eig. Abb.)

Bei der univariaten analytischen Statistik wird dabei nur ein Merkmal untersucht, bei der bivariaten sind es zwei, bei der multivariaten mehr als zwei. Die Grundgesamtheit enthält die Menge von Elementen (Objekten oder Personen), für die Sachverhalte untersucht werden sollen. Bei einer Vollerhebung werden alle Elemente der Grundgesamtheit untersucht, bei einer Teilerhebung wird nur eine Teilmenge, die Stichprobe, erfasst. Die Auswahl der Stichprobe muss dabei sicherstellen, dass diese ein zwar verkleinertes, ansonsten aber struktur­ identisches Abbildung der Grundgesamtheit, über die Aussagen getroffen werden sollen, liefert. Die Auswahl der Elemente kann zufällig oder bewusst erfolgen. Zufällige Auswahlverfahren sind z. B. einfache, geschichtete oder geklumpte Auswahlen. Bewusste Auswahlverfahren sind z. B. Quota- oder Konzentrationsauswahlen (praktisch häufig auch Willkürauswahlen, die aber völlig untauglich sind) (siehe Abb. G2). Die Erhebung kann durch erstmalige Untersuchung (Primärerhebung / Field Research) oder Auswertung vormaliger Untersuchungen (Sekundärerhebung / Desk Research) erfolgen.

Abbildung G2: Statistische Ausgangsmassen (eig. Abb.)

25. Grundlagen der Wirtschaftsstatistik

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Zur Operationalisierung müssen die Elemente beobachtbare Merkmale aufweisen. Die Elemente, denen diese Merkmale zugeordnet werden, sind die Merkmalsträger. Die möglichen Werte, die ein Merkmal dabei annehmen kann, sind die Merkmalsausprägungen. Diese werden als originäre Daten erfasst und durch Transformation wie Addition, Subtraktion, Multiplikation, Division, Aufteilung, Zusammenfassung etc. zu abgeleiteten Merkmalen. Allgemein lässt sich jede wirtschaftsstatistische Untersuchung in folgende Phasen unterteilen: • Die Planungsphase umfasst die Festlegung des Untersuchungsziels, die Ableitung der interessierenden Fragestellungen, die Definition der Grundgesamtheit, die Auswahl der Merkmale und die Bestimmung der Erhebungstechnik. • Die Erhebungsphase umfasst die Datenbeschaffung, die Datenerfassung, z. B. als Datenmatrix mit Zeilen und Spalten, und die Datenprüfung (formell, z. B. nach Vollständigkeit, und materiell, z. B. auf Plausibilität). • Die Verarbeitungsphase umfasst die Datentransformation (meist durch Komplexitätsreduktion) und die Datenanalyse. • Die Präsentationsphase umfasst die Ergebnisberichterstattung und Präsentation. Die Gesamtheit der Elemente, die unter einem zielgerichteten Aspekt gleichartig sind, nennt man statistische Masse. Eine solche Gesamtheit ist präzise räumlich, zeitlich und sachlich abgegrenzt, also im Hinblick auf das vorgegebene Untersuchungsziel hin gleichartig. Statistische Massen sind die Träger von Informationen über den zu untersuchenden Tatbestand. Man unterscheidet Bestandsmassen und Bewegungsmassen. Bestandsmassen sind über eine Zeitstrecke hinweg konstant, zu jedem Zeitpunkt ist eine größere Anzahl von Elementen vorhanden. Der Bestand kann geschlossen oder offen sein. Bewegungsmassen unterliegen Bestandsveränderungen durch Zu- und Abgänge (Ereignisse) im Zeitraum. Dadurch ist eine zeitliche Fortschreibung von Bestandsmassen möglich. Stationäre Massen weisen gleich große Zu- und Abgänge auf, nicht-stationäre Massen haben abweichende Zu- und Abgänge, d. h. vergrößern oder verkleinern sich bzw. ändern ihre Struktur. Merkmalsträger sind die Einheiten (Objekte), deren Eigenschaften, Verhaltensweise, Charakteristika etc. festgestellt werden sollen. Diejenigen Merkmale, die für eine Untersuchung interessant sind, stellen die Definitionsmerkmale dar. Die Gesamtheit der Definitionsmerkmale legt einen Begriffsinhalt fest. Die Ausprägungen der Merkmale, die erfasst werden sollen, bilden die Untersuchungsmerkmale. Jedes Merkmal hat dabei zwei oder mehr Ausprägungen. Eine Folge gleichartiger Merkmalswerte ergibt eine Reihe. Bei kategorialen Reihen unterscheiden sich die Merkmalsträger nach ihren Ausprägungen. Eine Zeitreihe ist eine chronologisch geordnete Folge von Beobachtungswerten. Eine

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G. Die Hilfswissenschaften der BWL

Frequenzreihe zeigt an, wie oft bestimmte Merkmalsausprägungen eines quantitativen Merkmals vorhanden sind. Ein statistischer Parameter ist eine Zahl, welche die Eigenschaft besitzt, die charakteristische Struktur der statistischen Masse zu kennzeichnen. Klassen entstehen durch Unterteilung des Intervalls, innerhalb dessen Merkmalsausprägungen der Einheiten einer Masse liegen, in Teilintervalle. Quantitative Merkmalsausprägungen unterscheiden sich in ihrer Größe, sie lassen sich durch Zahlenangaben kennzeichnen. Sie werden durch Messungen oder Zählungen erfasst. Die sich dabei ergebenden Merkmale sind diskret, d. h. können nur bestimmten Zahlenwerten zugewiesen werden, oder stetig, d. h. können beliebige Zwischenwerte zwischen zwei Merkmalsausprägungen annehmen. Diskrete Merkmale sind also diskontinuierlich, stetige Merkmale kontinuierlich. Merkmale mit begrenzt vielen Zwischenstufen sind approximativ-stetige Merkmale. Qualitative Merkmalsausprägungen sind nur verbal zu umschreiben, sie sind klassifikatorisch. In Bezug auf Merkmalsausprägungen kann nur Gleichheit oder Ungleichheit festgestellt werden. Die Klassifikation erfolgt nach einem Merkmal bzw. als Zuordnung von Elementen nach gleichartigen Eigenschaften. Statistische Einheiten mit häufbaren (multichotomen) Merkmalen besitzen gleichzeitig mehrere Ausprägungen, bei solchen mit nicht-häufbaren (dichotomen) Merkmalen ist raumzeitlich immer nur eine Ausprägung möglich. Häufbare Merkmale lassen sich auf nicht-häufbare reduzieren. Grundlage der Statistik ist das Messen als Entsprechung bestimmter Relationen zwischen den Objekten in analogen Relationen zwischen den Zahlen. Die Aussagefähigkeit der Messung ist von der Freiheit von Störeinflüssen abhängig. Da letzteres kaum möglich ist, wird versucht, die Störeinflüsse zumindest zu kontrollieren (Auf­splittung auf Gruppen, zufällige Zuweisung etc.). In der Statistik werden zwei Arten unterschieden. Die deskriptive, beschreibende Statistik umfasst alle Verfahren, die sich mit der Aufbereitung und Auswertung der untersuchten Datenmenge befassen. Die induktive, schließende Statistik erlaubt Aussagen über die Verallgemeinerung von Stichprobenergebnissen für die Grundgesamtheit. Der direkte induktive Schluss zielt von der Grundgesamtheit auf die Stichprobe, der indirekte induktive Schluss zielt von der Stichprobe auf die Grundgesamtheit. Bei letzterem stellen sich zwei Probleme, erstens die Schätzung der Parameter der Grundgesamtheit und zweitens die Hypothesenprüfung über vermutete Gegebenheiten in der Grundgesamtheit. Stichprobe ist die Menge von Elementen, die zur Generierung dieser Aussage gemessen wird. Dazu muss die Stichprobe möglichst struktur­identisch mit der Grundgesamtheit sein, da ansonsten Fehlprojektionen entstehen. Dazu wiederum die eine Annahme über die Verteilung der interessierenden Elemente in der

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Grundgesamtheit erforderlich. Mögliche Verteilungen sind die Binomialverteilung mit Zurücklegen, bei kleinen Fallzahlen (siehe Abb. G3), die Hypergeometrische Verteilung ohne Zurücklegen bei großen Fallzahlen (siehe Abb. G4) und die Normalverteilung bei sehr großen Fallzahlen. Die Poisson-Verteilung ist eine einparametrige, diskrete Verteilung als Grenzwert der Binomialverteilung für unendlich viele Fälle.

Quelle: media.4teachers.de/images/thumbs/image_thumb.5971.png

Abbildung G3: Beispiel Binomialverteilung

Quelle: help.matheass.eu/de/hypergeom.png

Abbildung G4: Beispiel Hypergeometrische Verteilung

G. Die Hilfswissenschaften der BWL

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Die Normalverteilung ist durch die Parameter Mittelwert für die Lage der Verteilung und Standardabweichung für die Streuung der Werte charakterisiert (siehe Abb. G5). Der Flächeninhalt unter der Normalverteilung entspricht der Gesamtwahrscheinlichkeit von 1. Die Standard-Normalverteilung ist durch einen Mittelwert (µ) von 0 und eine Standardabweichung (Sigma) von 1 normiert. Die Normalverteilung ist stetig, symmetrisch und eingipflig. Die häufigste Spezialform der Normalverteilung ist die Gauss’sche Normalverteilung. Bei ihr liegen zwischen einer Standardabweichung von • +/- 1 σ 68,27 % aller Fälle, • +/- 1,96 σ 95 % aller Fälle, • +/- 2 σ 95.45 % aller Fälle, • +/- 2,58 σ 99 % aller Fälle, • +/- 3 σ 99,73 % aller Fälle. Die kumulierte Gauss’sche Normalverteilung wird zur Exponenzialfunktion (Sättigungskurve).

Quelle: wirtschaftslexikon.gabler.de/media/873/50816.png

Abbildung G5: Normalverteilung

25.1.2 Anforderungen

Als Anforderungen an statistische Informationen sind folgende zu stellen (siehe Abb. G6): • Die Objektivität bedeutet, dass Informationen frei von subjektiven Einflüssen und damit intersubjektiv nachprüfbar sind. Verschiedene „Messer“ kommen somit unabhängig voneinander zu mehr oder minder gleichen Ergebnissen.

25. Grundlagen der Wirtschaftsstatistik

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Abbildung G6: Anforderungen an Informationen (eig. Abb.)

Anfälligkeiten für Verzerrungen ergeben sich aus der Durchführung der Messung, der Auswertung der Messergebnisse und der Interpretation der Mess­ ergebnisse. Objektivität ist notwendige, aber nicht hinreichende Voraussetzung für Reliabilität. • Die Reliabilität betrifft die formale Genauigkeit, mit der ein bestimmtes Merkmal gemessen wird, unabhängig davon, ob es auch tatsächlich gemessen werden soll. Die Messwerte sind bei wiederholter Messung reproduzierbar (stabil). Intrareliabilität meint die Stabilität in zwei Messzeitpunkten, Interreliabilität die Stabilität zwischen zwei „Messern“. Die Reliabilität weist den Zufallsfehleranteil an der Messung aus. Sie wird festgestellt durch Parallel-Test-(Vergleichsmessung), Test-Retest-(Wiederholungsmessung) oder Interne Konsistenz-Reliabilität. Reliabilität ist notwendige, aber nicht hinreichende Voraussetzung für Validität (siehe Abb. G7). • Die Validität betrifft die Gültigkeit einer Messung bzw. eines Messinstruments in Bezug auf charakteristische Eigenschaften des Messobjekts. Sie ist der Grad der materiellen Genauigkeit, mit dem man dasjenige Merkmal misst, das gemessen werden soll oder angegeben wird, gemessen zu werden. Externe Validität bezieht sich auf die Übertragbarkeit spezifischer Ergebnisse auf andere Außenbedingungen. Kriterien dafür sind Expertenurteil (Face Validity), theoretische Fundierung (Construct Validity), Kriteriumsgültigkeit (Criterion Validity), Konvergenz (Convergent Validity) bzw. Diskriminanz (Discriminant Validity), Aufsplittung (Cross Validity) und Ex­tremgruppen. Interne Validität bezieht sich auf die Ausschaltung von Störeinflüssen auf den Untersuchungsplan und die Erhebungssituation. Interne und externe Validität stehen in einem Spannungsverhältnis zueinander (Trade off). • Die Signifikanz von Informationen bedeutet, dass Ergebnisse nicht nur zufällig, sondern überzufällig zustande kommen. Dies ist vor dem Hintergrund der Wissenschaftsrichtung des Kritischen Rationalismus bedeutsam. Diese Anforderungen sind untereinander verbunden. Signifikanz ist Voraussetzung für Objektivität, Objektivität ist Voraussetzung für Reliabilität, diese ist

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G. Die Hilfswissenschaften der BWL

Voraussetzung der internen Validität und diese wiederum Voraussetzung der externen Validität.

Quelle: v ignette2.wikia.nocookie.net/marktforschung/images/7/7c/Realiabilität-validität.jpg/revision/latest?cb=20070 712150959.jpg

Abbildung G7: Zusammenhang Reliabilität – Validität

25.1.3 Wahrscheinlichkeit

Unter Wahrscheinlichkeit versteht man allgemein die Anzahl günstiger Fälle in Relation zur Anzahl möglicher Fälle für ein Ereignis. Der axiomatische Wahrscheinlichkeitsbegriff ist durch ein System von Grundsätzen, die keines Beweises bedürfen, gekennzeichnet. Danach ist jedem Zufallsereignis durch eine Funktion eine eindeutig bestimmte, reelle Zahl zugeordnet, die zwischen Null und Eins liegt. Die Wahrscheinlichkeit eines sicheren Ereignisses ist Eins, die eines unmöglichen Ereignisses Null, alle anderen Wahrscheinlichkeiten liegen dazwischen. Schließen sich zwei Zufallsereignisse gegenseitig aus, so ist die Wahrscheinlichkeit, dass entweder das eine oder das andere Ereignis eintritt, gleich der Summe der ihnen zugeordneten Einzelwahrscheinlichkeiten (= Additionssatz). Das heißt, die Wahrscheinlichkeit für ein vereinigtes Ereignis, das im Eintreffen des einen oder des anderen einer Reihe sich gegenseitig ausschließender Ereignisse besteht, ist gleich der Summe der Wahrscheinlichkeiten dieser Einzelereig-

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nisse (Oder-Satz). Schließen sich zwei Zufallsereignisse nicht gegenseitig aus, so ist von dieser Summe noch die Schnittmenge überlappender Wahrscheinlichkeiten abzuziehen. Stehen zwei Zufallsereignisse in einem komplementären Verhältnis zueinander und schließen einander aus, so ist die Wahrscheinlichkeit, dass sie unabhängig voneinander zugleich eintreten, gleich dem Produkt ihrer Einzelwahrscheinlichkeiten (= Multiplikationssatz). Das heißt, die Wahrscheinlichkeit für ein zusammengesetztes Ereignis, das im Eintreffen zweier oder mehrerer vonein­ ander unabhängiger Ereignisse besteht, ist gleich dem Produkt der Wahrscheinlichkeiten für die einzelnen Ereignisse (Und-Satz). Schließen Zufallsereignisse einander nicht aus, so besteht das Produkt aus der Einzelwahrscheinlichkeit für das Ereignis A und der bedingten Wahrscheinlichkeit für das Ereignis B unter der Bedingung, dass A bereits eingetreten ist. Der statistische Wahrscheinlichkeitsbegriff geht von einem Zufallsexperiment aus, das aus einer Vielzahl voneinander unabhängiger Versuche besteht und ­einem Grenzwert (= relative Häufigkeit) zustrebt. Subjektive Wahrscheinlichkeiten beziehen sich auf personenbezogene Glaubwürdigkeitsschätzungen für das Eintreten bestimmter Ereignisse. Dabei kann eine Wahrscheinlichkeitsverteilung unterstellt oder ohne diese Vorgabe ermittelt werden. Ist keine Verteilung vorgegeben, erfolgt die Messung durch direkte oder indirekte Methoden. Bei der direkten Messung werden Personen unmittelbar nach Eintrittswahrscheinlichkeiten möglicher, sich gegenseitig ausschließender Ereignisse befragt. Dabei können Antworthilfsmittel beigegeben werden (z. B. Skalen). Ähnlich können auch Wahrscheinlichkeitsrelationen von Ereignispaaren erfragt werden. Bei der indirekten Messung wird die Befragungsperson vor eine Entscheidungssituation bei mehrwertigen Erwartungen gestellt, aus ihrem Entscheidungsverhalten wird auf die zugrunde liegenden Wahrscheinlichkeitsurteile über das Eintreten relevanter Umweltzustände geschlossen. Bei der objektiven Wahrscheinlichkeit unterscheidet man die logische Wahrscheinlichkeit und Grenzwerte der relativen Häufigkeit. Die logische Wahrscheinlichkeit ist mathematisch begründet und beruht auf Elementarereignissen. Dies sind nicht weiter zerlegbare, sich gegenseitig ausschließende Ereignisse. Entsprechend lässt sich die Eintrittswahrscheinlichkeit eines Ereignisses als Verhältnis der Anzahl der darin enthaltenen möglichen zur Gesamtzahl aller möglichen Elementarereignisse ausweisen. Vorausgesetzt ist dabei das gleich mögliche Auftreten jedes Elementarereignisses. Dies ist dann nicht mehr gegeben, wenn eine Risikosituation vorliegt. Ausgangspunkt für Grenzwerte relativer Häufigkeiten ist ein Zufallsexperiment, das unter identischen Bedingungen häufig wiederholt wird. Dabei werden die relativen Häufigkeiten ermittelt, mit denen einzelne Ereignisse auftreten. Diese konvergieren jeweils auf einen Grenzwert zu. Das heißt, bei genügend gro-

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G. Die Hilfswissenschaften der BWL

ßer Fallzahl verteilen sich die Mittelwerte gezogener Stichproben normal. Die Summe der relativen Häufigkeiten ist immer gleich Eins, daher ist auch die Summe aller Wahrscheinlichkeiten gleich Eins. Sind identische Bedingungen nicht gegeben, wie das praktisch häufig vorkommt, oder sind Situationen sogar einmalig, ist dieser Ansatz nicht anwendbar. Ist eine Verteilung vorgegeben, wird die Gesamtheit der Wahrscheinlichkeiten für die einzelnen Werte einer Zufallsvariablen auf Basis von Zufallsexperimenten angeben. Die Menge der Werte, die eine Zufallsvariable annehmen kann, wird als Wertebereich bezeichnet. Man unterscheidet diskrete und stetige Zufallsvariable. Diskret bedeutet, dass der Wertebereich nur endlich viele oder abzählbar unendlich viele Zahlenwerte, nicht aber Zwischenwerte annehmen kann. Stetig bedeutet, dass der Wertebereich jeden beliebigen Zahlenwert eines bestimmten Intervalls annehmen kann. Diskrete Variable lassen sich grafisch durch Linien (Stäbe) darstellen, die einzelnen Werten zugeordnet sind. Bei stetigen Variablen liegen diese Stäbe so dicht beieinander, dass ihr Abstand gleich Null ist. Verbindet man nun ihre oberen Endpunkte durch eine Linie (Kurve), so entsteht eine Wahrscheinlichkeitsverteilung (= Dichtefunktion). Wahrscheinlichkeiten sind dann als Flächen unter der Dichtefunktion interpretierbar. Für die Darstellung einer stetigen Verteilung (Gleichverteilung) gilt die Verteilungsfunktion als Summenkurve bzw. die Dichtefunktion als deren erste Ableitung. Den Wert, den die Zufallsvariable durchschnittlich annimmt, nennt man Erwartungswert. Damit ist aber nur eine Dimension, die Lokalisierung, definiert. Die notwendige andere Dimension, die Dispersion, ist die Streuung der Werte einer Zufallsvariablen um diesen Erwartungswert. Die Wahrscheinlichkeitsverteilung für diskrete Zufallsvariable repräsentiert die Binomialverteilung / hypergeometrische Verteilung, die für stetige Zufallsvariable die Normalverteilung. 25.2 Induktive Datenanalyse 25.2.1 Schätzung

Die Basis der induktiven Statistik bilden Wahrscheinlichkeit, Erwartungswert und Varianz. Das betrachtete Merkmal muss diskret sein, d. h. endlich viele Ausprägungen haben, und die relativen Häufigkeiten müssen bekannt sein. Ziel ist es, Aussagen über die Ausprägung eines zufällig ausgewählten Merkmalsträgers zu treffen. Diese können nur mit einer gewissen Wahrscheinlichkeit getätigt werden. Die Wahrscheinlichkeit hat eine Ausprägung zwischen Null und Eins. Die Wahrscheinlichkeit, dass von zwei verschiedenen Ausprägungen eine eintritt, ergibt sich durch Addition der einzelnen Wahrscheinlichkeiten (Und-Verknüpfung). Die Summe der Wahrscheinlichkeiten für alle Ausprägungen ist gleich Eins, denn eine Ausprägung wird mit Sicherheit zutreffen. Die Zuordnung von Wahrscheinlichkeiten zu den Ausprägungen ergibt eine Verteilungsfunktion. Für jeden

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Merkmalswert besteht ein Erwartungswert (µ). Er ergibt sich als Lageparameter, wenn man für viele zufällig ausgewählte Merkmalstsräger den Durchschnitt der Ausprägungen berechnet. Binäre Merkmale unterliegen der Bernoulli-Verteilung mit zwei „Treppenstufen“. Werden mehrere Merkmalsträger betrachtet, ist die Binomialverteilung relevant. Die Merkmalsträger sollen sich gegenseitig nicht beeinflussen und ihre Anzahl soll sich nicht wesentlich verändern („mit Zurücklegen“). Dies gilt nicht bei kleinen Stichproben. Bei einem stetigen Merkmal sind unendlich viele Merkmalsausprägungen vorhanden. Daher wird hier eine Dichtefunktion zugrunde gelegt, deren Werte größer / gleich Null sind. Links der kleinsten und rechts der größten Ausprägung ist der Wert Null. Die Fläche unter der Dichtefunktion ist Eins. Für genügend große Merkmalszahlen und ohne Störeinflüsse ergibt sich die Form einer Glockenkurve. Man spricht von einer Normalverteilungskurve, die durch Lage (Mittelwert) und Breite (Standardabweichung) der „Glocke“ festgelegt ist. Engere „Glocken“ haben eine größere Höhe, breitere eine kleinere. Die Verteilung der Werte ist symmetrisch mit dem Erwartungswert im Maximum der Kurve. Die Kurve fällt rechts und links davon monoton (durchgängig) bis Unendlich. Für Stichprobenziehungen aus der Grundgesamtheit sagt der Zentrale Grenz­ wertsatz aus, dass der Erwartungswert für die Verteilung des arithmetischen Mittels dem Durchschnittswert µ der Grundgesamtheit entspricht, die Varianz σ mit zunehmendem Stichprobenumfang kleiner wird und die Verteilung die Form einer Normalverteilungskurve annimmt. Dies ist relevant, wenn die Struktur einer Stichprobe zwar bekannt ist, daraus aber die Struktur der ihr zugrunde liegenden Grundgesamtheit geschätzt werden soll (Induktion). Dabei sollen eine hohe Exaktheit und eine hohe Sicherheit der Schätzung erreicht werden. Beide Größen stehen im Trade off zueinander, d. h. je exakter eine Aussage für die gesuchte Kennzahl ist, desto größer wird das Fehlerrisiko einer Falscheinschätzung et vice versa. Wird der Exaktheit der Vorzug gegeben, entsteht eine Punktschätzung, wird der Sicherheit der Vorzug gegeben, entsteht eine Intervallschätzung. Damit wird ein Vertrauensbereich um den Schätzpunkt herum angegeben, in dem die gesuchte Kennzahl der Grundgesamtheit mit einer definierten Sicherheit liegt. Je höher der Sicherheitsgrad, desto kleiner das Intervall. 25.2.2 Test

Der gegenteilige Ansatz wird im Test verfolgt. Hier geht man von einer Hypothese über die Struktur der Grundgesamtheit aus und prüft, ob diese mit einer vorliegenden Stichprobe vereinbar ist oder nicht. Man spricht daher auch von Hypothesentests (Deduktion). Der Test kann sich auf die Lage der Grundgesamtheitswerte beziehen, dann spricht man von einem Parametertest, oder auf die Verteilungsform der Grundgesamtheit, dann spricht man von einem Verteilungstest. Durch eine Stichprobe kann allerdings die Gültigkeit einer Hypothese nicht be-

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G. Die Hilfswissenschaften der BWL

wiesen werden, sondern man kann die Hypothese nur widerlegen (Nullhypothese). Damit dann aber Klarheit über die Gültigkeit einer Aussage besteht, wird eine Alternativhypothese formuliert, die das Gegenteil der Hypothese ausdrückt. Da praktisch immer Unterschiede zwischen Nullhypothese und Stichprobenergebnis vorliegen, muss der Unterschied quantifiziert werden. Dies ist die Irrtumswahrscheinlichkeit. Aussagen, deren Irrtumswahrscheinlichkeit unter dem geforderten Sicherheitsgrad (Signifikanzniveau) liegen, sind signifikant. Da Tests darauf abzielen, spricht man auch von Signifikanztests. Der Ablehnungsbereich für die Nullhypothese kann einseitig oder zweiseitig angelegt sein (siehe Abb. G8).

Quelle: u ni-nachhilfe-ks.de/wp-content/uploads/2016/02/ normalverteilung.png

Abbildung G8: Zweiseitiger Signifikanztest

Bei der induktiven Datenanalyse interessiert es, von den bekannten Stichprobenwerten auf die unbekannten Parameter der Grundgesamtheit zu schließen, zumindest innerhalb gewisser Vertrauensintervalle (Repräsentationsschluss). Beim Inklusionsschluss soll vom wahren Wert der Grundgesamtheit auf zu erwartende Werte in der Stichprobe geschlossen werden (siehe Abb. G9). Beide Ergebnisse sind berechenbar. Das zu untersuchende Merkmale kann dabei metrischskaliert sein (kardinal / heterograder Fall) oder nicht-metrischskaliert (kategorial / homograder Fall), und zwar dichotom (zweiwertig) oder multichotom (mehrwertig). Bei der induktiven Datenanalyse werden zum Schätzen der unbekannten, wahren Werte der Grundgesamtheit Schätzer eingesetzt, die aus den bekannten Stichprobendaten abgeleitet werden. Man unterscheidet Punktschätzungen und Intervallschätzungen. Punktschätzungen kommen zu einem numerischen Wert, Intervallschätzungen beziehen sich auf einen Abschnitt (von – bis). Die Genauigkeit der Schätzung eines Intervalls wird mit seiner Breite angegeben, die Wiederholbarkeit der Ergebnisse mit der Eintrittswahrscheinlichkeit, mit der dieses Intervall den unbekannten Parameter umschließt. Beide Werte verlaufen gegenläufig, d. h., eine hohe Genauigkeit bedingt niedrige Sicherheit et vice ver-

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Abbildung G9: Prinzipien der statistischen Induktion (eig. Abb.)

sa. Das Konfidenzintervall gibt damit an, in wieviel Prozent aller Stichproben einer Grundgesamtheit erwartet werden kann, dass der unbekannte, „wahre“ Wert der Grundgesamtheit innerhalb der Grenzen des Intervalls liegt. Das Konfidenzniveau gibt den Flächenanteil unter der Normalverteilungskurve an, auf den die Wahrscheinlichkeit der Aussage zutrifft. Anforderungen an die Schätzer sind kumulativ folgende: • Freiheit von systematischen Fehlern (Erwartungstreue), • kleine Varianz (Effizienz), • Nutzung aller Daten (Suffizienz), • Umempfindlichkeit gegen Ausreißer (Robustheit). Bestehen aber Vorstellungen über die Werte eines Parameters in der Grundgesamtheit, kommt es zur Hypothesenbildung mit Annahme oder Ablehnung in Rahmen von Testverfahren. Hypothesenprüfungen finden durch Signifikanztests statt. Man unterscheidet • Unterschiedshypothesen, Zusammenhangshypothesen, Verteilungshypothesen und Veränderungshypothesen. Signifikanztests sollen die Überzufälligkeit empirischer Erkenntnisse erhärten. Als Testverfahren kommen je nach Skalenniveau, Verteilungstyp und Hypothesenart verschiedene in Betracht. Ausgangspunkt ist eine Arbeitshypothese. Die Entscheidung über Ablehnung oder Nichtablehnung hängt von einem festzulegenden Prüfwert aus der Prüffunktion ab. Die Nichtablehnung bedeutet nicht zugleich die Annahme der Hypothese. Die Abweichung ist dann lediglich nicht signifikant, also zufällig. Die Abfolge ist wie folgt (siehe Abb. G10):

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G. Die Hilfswissenschaften der BWL

• Zunächst wird eine Arbeitshypothese formuliert, die eine Vermutung über die unbekannte Grundgesamtheit aufgrund vorliegender Stichprobendaten enthält. In einem Pfaddiagramm werden entsprechende Wenn-dann-Beziehungen (Kausalitäten) aufgezeigt. • Daraus werden zwei Hypothesen formuliert. Die Nullhypothese ist meist so gefasst, dass man daran interessiert ist, sie abzulehnen. Damit im Falle der Ablehnung dennoch ein Wissensfortschritt entsteht, wird eine Alternativhypothese für die Nichtablehnung formuliert, die genau gegenläufig ist. • Für die Ablehnung oder Nichtablehnung werden Irrtumswahrscheinlichkeiten festgelegt. Diese können einseitig (ab, bis) oder zweiseitig gefasst sein (von – bis). Ausgehend von einer Normalverteilung entstehen so ein Annahmebereich und ein oder zwei Ablehnungsbereiche. Die Grenze zwischen ihnen bildet den Kritischen Wert. Eine Punkthypothese liegt vor, wenn nur ein exakter Wert getestet wird, eine Bereichshypothese, wenn eine Wertspanne getestet wird. Es gibt Einstichprobentests oder Zweistichprobentests. • Weiterhin ist die Testfunktion zu berechnen. Neben der Normalverteilung können eine t-Verteilung bei kleinen Stichproben oder eine F-Verteilung (linksschief) zugrunde gelegt werden. • Dann ist das Signifikanzniveau festzulegen, das über Ablehnung oder Nicht­ ablehnung entscheidet. Dies ist die Irrtumswahrscheinlichkeit. Sie wird für gewöhnlich bei 0,1 % als sehr hoch signifikant, bei 1 % als hoch signifikant, bei 5 % als signifikant und bei 10 % als schwach signifikant angesehen. Die Höhe hängt von den Folgen einer Fehlentscheidung ab. • Bei der Testentscheidung können zwei Fehlerarten unterschieden werden. Ein Fehler 1. Art bedeutet, dass die Nullhypothese (also die Ablehnung) verworfen wird, obwohl sie richtig ist. Ein Fehler 2. Art bedeutet, dass die Nullhypothese

Aufstellung der Nullhypothese

Abbildung G10: Abfolge im Testverfahren (eig. Abb.)

25. Grundlagen der Wirtschaftsstatistik

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angenommen wird, obwohl sie falsch ist. Richtig ist hingegen, die Nullhypothese zurecht zu verwerfen und die Alternativhypothese zurecht anzunehmen (Nichtablehnung) bzw. die Nullhypothese zurecht anzunehmen und die Alternativhypothese zurecht abzulehnen (siehe Abb. G11). Bei den Testarten kommen mehrere zur Anwendung in Betracht: • Parametertests beziehen sich auf Hypothesen über Mittelwerte und Streuungsmaße, d. h., es wird geprüft, ob die Parameter der Hypothese mit den Parametern der unterstellten Grundgesamtheit übereinstimmen. Dafür ist eine Prüfverteilung zugrunde zu legen. • Nicht-parametrische Tests beziehen sich auf die Gestalt der Verteilungsfunk­ tion der Stichprobenvariablen. Es handelt sich um einen verteilungsfreien Test, z. B. bei kleinen Stichproben oder Annahme einer schiefen oder mehrgipfligen Verteilung. • Anpassungstests beziehen sich auf die Übereinstimmung einer gegebenen Verteilung mit der in der Hypothese postulierten Verteilung, also ob die Grundgesamtheit die angenommene Verteilung aufweist oder nicht. Dafür ist wiederum eine Verteilung zugrunde zu legen. • Unabhängigkeitstests beziehen sich auf die stochastische Unabhängigkeit in der Kontingenztafel. • Zufälligkeitstests beziehen sich auf das Zutreffen oder Nichtzutreffen einer symmetrischen, stetigen Verteilung. • Variabilitätstests beziehen sich auf die Lage zweier Grundgesamtheiten anhand von Spannweite und Median. Bei Annahme einer F-Verteilung der Parameter wird der F-Test als Signifikanztest eingesetzt. Bei Annahme einer t-Verteilung der Parameter wird der t-Test eingesetzt. Im Chi Quadrat-Anpassungstest wird festgestellt, ob zwei Verteilungen miteinander übereinstimmen. Beim Chi Quadrat-Unabhängigkeitstest wird festgestellt, ob zwei Merkmale voneinander unabhängig sind oder nicht.

1–α

β (Fehler 2. Art)

α (Fehler 1. Art)

Abbildung G11: Testfehler (eig. Abb.)

1–β

G. Die Hilfswissenschaften der BWL

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25.3 Datenauswertung 25.3.1 Einteilungen

Bei der Datenauswertung können mehrere Einteilungen zugrunde gelegt werden (siehe Abb. G12): • Nach der Anzahl der Variablen gibt es die univariate Datenanalyse mit Untersuchung der Merkmalsausprägungen nur einer Variablen, die bivariate Datenanalyse mit Untersuchung der Beziehungen (Abhängigkeit / Zusammenhang) zwischen zwei Variablen und die multivariate Datenanalyse mit Untersuchung der Beziehungen von mehr als zwei Variablen. • Nach der Ausgabe von Werten kann es sich um Häufigkeiten oder Beziehungen handeln. Die Beziehungen können als Zusammenhänge oder Abhängigkeiten ausgeprägt sein. • Nach der Partitionierung der Datenmatrix werden Dependenzverfahren für Abhängigkeiten von einer oder mehreren abhängigen Variablen von einer oder mehreren unabhängigen Variablen und Interdependenzverfahren für Zusammenhänge, also wechselseitige Beziehungen zwischen zwei und mehr Variablen, unterschieden. • Nach der Richtung der Datenreduktion werden auf Variable und deren Strukturen gerichtete Verfahren und auf Elemente und deren Strukturen gerichtete Verfahren unterschieden. • Nach dem Ausgangspunkt der Auswertung werden strukturprüfende (konfirmatorische) und strukturentdeckende (explanatorische) Verfahren unterschie-

Abbildung G12: Einteilungen zur Datenauswertung (eig. Abb.)

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den, erstere betreffen die Überprüfung der Konsistenz der Daten mit vorab postulierten Beziehungen, letztere die Aufdeckung von Beziehungen innerhalb eines Datensatzes. • Nach dem Auswertungszweck werden Verfahren der Datenreduktion, der Klassifikation, der Beziehungsmessung und der Präferenzmessung unterschieden. Je nachdem, welche Einteilung man zugrunde legt, kommt man zu unterschiedlichen Zuordnungen von statistischen Verfahren. Im Folgenden wird in deskriptive Verfahren, die Aussagen über Strukturen in der Stichprobe treffen, und induktive Verfahren unterschieden, welche die Übertragung von Stichprobenbefunden auf die Grundgesamtheit betreffen. Ziele sind dabei die • Komprimierung der Rohdaten auf einige wenige überschaubare Größen, • Aufteilung einer Gesamtheit von Objekten in Gruppen, • Ermittlung der Beziehungen zwischen Variablen, • Beschreibung und Erklärung von Auswahlentscheidungen. 25.3.2 Skalierungsverfahren und -techniken

Für die Datenauswertung ist die Skalierung der Daten von zentraler Bedeutung. Man unterscheidet dabei Skalierungsverfahren und Skalierungstechniken. Skalierungsverfahren sind Vorschriften zur Konstruktion von Skalen und zur Durchführung der Messung. Die Zahlen stehen stellvertretend für interessierende Größen. Diese werden Items genannt. Daher ergeben sich Itemwerte. Weisen die Zahlenwerte die gleichen inhaltlichen Relationen auf wie die Items, sind diese isomorph, also eineindeutig (homomorph bedeutet hingegen nicht umkehrbar eindeutig). Das Messen setzt eine Maßskala voraus. Unter Skala versteht man eine gesetzmäßige Klassifikationsvorschrift zur Differenzierung von Eigenschaften einer Menge von Untersuchungseinheiten. Der Aufbau einer Skala ist die Skalierung. Die Skala kann ihrer Auslegung nach: • gleitend oder polar sein. Gleitend bedeutet, dass Intensitäten durch Abstufungen ausgedrückt werden können, polar bedeutet, dass es nur zwei extremierte Ausprägungen gibt, • unipolar oder bipolar sein. Unipolar bedeutet, dass die Abstufungen sich auf die Ausprägungen eines Merkmals beziehen (Stapelskala), also nur positive Zahlen umfassen, d. h. Intensitätsabstufungen nur einer Bezeichnung, der in mehr oder minder ausgeprägtem Maße zugestimmt werden kann bzw. die mehr oder minder abgelehnt werden kann (z. B. sehr gut – nicht so gut / stimme zu – stimme nicht zu). Bipolar bedeutet, dass sie sich auf zwei, diametral entge-

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G. Die Hilfswissenschaften der BWL

gengesetzte Ausprägungen eines Merkmals beziehen, also positive und negative Zahlenwerte um den Nullpunkt haben, zwischen denen in Abstufungen zu wählen ist (z. B. gut – schlecht, billig – teuer, aktiv – passiv, stark – schwach), • ungegliedert oder gegliedert sein. Ungegliedert bedeutet, dass Auskunftspersonen zwischen zwei Endwerten einen beliebigen Punkt markieren können. Damit sind theoretisch unendlich viele Skalenwerte denkbar. Dies spiegelt jedoch eine Scheingenauigkeit vor, denn tatsächlich sind Auskunftspersonen damit meist überfordert. Gegliederte Skalen vermeiden dieses Problem durch vorgegebene Stufen, • verbal oder non-verbal sein. Verbal bedeutet, dass die einzelnen Punkte der Skala durch verbale Umschreibung der Intensitätsgrade ergänzt oder durch diese ersetzt sind. Problematisch ist dabei die Wahl geeigneter Statements. Verbale Antworten bergen oft das Problem der semantischen Ausbalancierung positiver und negativer Kategorien (z. B. stimme voll und ganz zu, stimme zu, stimme nicht zu, stimme ganz und gar nicht zu). Non-verbale Skalen vermeiden dieses Problem indem die Kategorien durch Symbole angegeben sind. Häufig handelt es sich dabei um Farben, geometrische Figuren etc., • numerisch oder grafisch. Numerisch bedeutet, dass die Anzahl der Skalenpunkte durchgezählt ist, und zwar mit ungerader oder gerader Zahl von Alternativen. Meist sind vier bis sieben Abstufungen vorgegeben. Dabei ist eine gerade Anzahl von Skalenpunkten wegen der Tendenz zur Indifferenz („Fluchtpunkt“) gegenüber einer ungeraden Anzahl der Skalenpunkte (allerdings Häufung um den Mittelwert) zu bevorzugen. Ähnliches gilt für das Weglassen einer Ausweichkategorie (Weiß nicht) bei Forced Choice-Ratings. Grafisch bedeutet, dass Wertungen unter Verwendung von Bildern erfolgen, etwa durch vertikale Einteilung (Thermometer), größer werdende Flächen / K reise oder Symbole wie freundlicher werdende Gesichtsikonen (Kunin-Scale). In der Praxis sind zwei Skalenarten von Bedeutung: • Die Konstantsummenskala gibt eine bestimmte Anzahl von Präferenzen repräsentierenden Einheiten (z. B. Punkte) vor. Diese sind nach vorgegebenen Kriterien konkurrierenden Beurteilungsobjekten zuzuweisen. Je mehr z. B. Punkte einem Objekt zugeteilt werden, als desto komparativ besser wird es in Bezug auf das Kriterium bewertet. Damit werden Präferenzaussagen erzwungen und Tendenzen vorgebeugt, alles besonders wichtig, attraktiv etc. zu finden. • Die Magnitude-Skala misst Wahrnehmungsintensitäten analog zu phyischen Reizen wie Linienlänge, Tondauer, Kreisgröße etc. Einem Stimulus mit z. B. doppelter Stärke als ein anderer wird auch der doppelte Wert zugeordnet. Dadurch können Verzerrungen durch verbale oder numerische Vorgaben vermieden werden. Außerdem ist durch die analoge Angabe eine wesentlich differenziertere Aussage möglich.

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Die Messung der Sachverhalte kann unterschiedlich präzise erfolgen. Dies ist abhängig vom Skalenniveau, das wiederum darüber entscheidet, welche statistischen Methoden zulässig sind und welche nicht. Dabei kann ein höheres Skalenniveau auf ein niedrigeres reduziert werden (Abwärtskompatibilität), jedoch nicht umgekehrt. Es werden folgende Skalenniveaus unterschieden (siehe Abb. G13): • Die Nominalskala teilt ein Messkontinuum in einander wechselseitig ausschließende Merkmalsklassen auf und bezeichnet diese mit numerischen oder alphanumerischen Werten. Die Zuordnung erfolgt nach Gleichheit / Verschiedenheit. Es gibt keine Zwischenabstufung, Zahlen haben daher lediglich symbolischen Charakter. Beispiele sind Kontonummer, Geschlecht, Postleitzahl, Autokennzeichen etc. • Die Ordinalskala teilt ein Messkontinuum in einander wechselseitig ausschließende Merkmalsklassen auf und bezeichnet diese mit Zahlenwerten. So kommt es zu einer Bestimmung der Rangfolge (Ranking). Es gibt weder gleiche Intervalle zwischen den Positionen, noch einen absoluten Nullpunkt. Daher kann nicht nach der Intensität von Unterschieden zwischen Objekten abgestuft werden. Beispiele sind Härteskala, Richterskala, Tabellenstand, Schulnote, Windstärke etc. • Die Intervallskala (Nullpunkt und Maßeinheit sind willkürlich / Rating) teilt ein Messkontinuum in einander wechselseitig ausschließende Merkmalsklassen auf und bezeichnet diese mit Zahlenwerten. Höhere Zahlenwerte kennzeichnen höhere Positionen, die Abstände zwischen den Merkmalsklassen sind gleich groß. Zahlenwertdifferenzen können daher miteinander verglichen werden (relativ), der Nullpunkt ist aber willkürlich festgelegt. Somit sind Aussagen über die Abstände zwischen Merkmalsausprägungen möglich, nicht aber in Bezug auf deren absolutes Niveau. Beispiele sind Kelvin-Temperatur, Kalenderdatum, Intelligenzquotient etc. • Die Ratioskala (Nullpunkt natürlich, Maßeinheit willkürlich) teilt ein Messkontinuum in einander wechselseitig ausschließende Merkmalsklassen auf und bezeichnet diese mit Zahlenwerten. Höhere Zahlenwerte kennzeichnen höhere

Abbildung G13: Alternative Skalenniveaus (eig. Abb.)

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G. Die Hilfswissenschaften der BWL

Positionen, die Abstände zwischen den Merkmalsklassen sind gleich groß. Zahlenwertdifferenzen können miteinander verglichen werden. Die Zahl Null hat eine empirische Bedeutung und darf nicht verschoben werden, denn sie besagt, dass das gemessene Merkmal dort nicht vorhanden ist. Beispiele sind Länge, Zeit, Volumen, Preis, Einkommen, Währungseinheiten, Alter, Menge etc. • Neben Intervall- und Ratioskala ist als metrische Skala auch die Absolutskala nutzbar (Nullpunkt und Maßeinheit natürlich). Beispiele sind Angaben zu Einwohnern, Geburten, Verkehrsunfällen etc. Skalierungstechniken betreffen die Konstruktion von Skalen, also die Zuordnung von Itemwerten zu Skalenwerten. Dafür gibt es mehrere Möglichkeiten (siehe Abb. G14): • Skalierungsähnliche Techniken enthalten keine Vorschrift über die Zuordnung. Vielmehr werden subjektiv so wahrgenommene Ausprägungen erfasst. Es handelt sich um eine Selbsteinstufung. Diese erfolgt durch Ratingskala als Kontinuum, Magnitude-Skala nach Wahrnehmungsintensität, Rangordnung, Paarvergleich etc. sowie durch Indexbildung, Konstantsumme etc. als subjektive Fremdeinstufung. • Eindimensionale Skalierungstechniken stellen nur ein Konstrukt empirisch dar, z. B. die Einstellung. Es handelt sich um eine Fremdeinstufung. Beispiele sind Skalierungen nach Guttman, Likert, Thurstone, Coombs etc. • Mehrdimensionale Skalierungstechniken stellen zwei oder mehr Konstrukte empirisch dar. Sie können in mehrere eindimensinale Techniken zerlegt werden. Es handelt sich um eine Fremdeinstufung. Beispiele sind Skalierungen nach Fishbein, Trommsdorff, als Semantisches Differenzial / Polaritätenprofil, als Mehrdimensionale Skalierung etc. Bei Semantischem Differenzial und Polaritätenprofil geben Auskunftspersonen ihre Einordnung eines Urteilsobjekts auf einem Satz von Merkmalskontinua an, deren Pole mit gegensätzlichen Begriffen umschrieben sind (= bipolare Ra-

Abbildung G14: Alternative Skalierungstechniken (eig. Abb.)

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tingskala). Eine fallweise Drehung der Pole und der Reihenfolge verhindert Positionseffekte. Die Begriffe haben nur metaphorischen Charakter (konnotativ), sind also nicht objektbezogen (denotativ). Errechnet man je Statement den Mittelwert und verbindet die zugeordneten Skalenwerte für ein Objekt auf sämtlichen, untereinander angeordneten und normierten Skalen, so ergibt sich in der grafischen Auswertung ein Profil des Objekts. Dieses kann mit anderen Objekten. Soll-Vorgaben oder früheren Erhebungen verglichen werden. Der Unterschied liegt darin, dass beim Semantischen Differenzial (Osgood) jeweils als relevant erscheinende Begriffe auf der Basis von Pilotstudien ausgewählt werden, beim Polaritätenprofil (Hofstätter) hingegen die immer gleichen 24 Begriffspaare verwendet werden. Der Vorteil des Polaritätenprofils ist damit die Möglichkeit zum Benchmarking, der Nachteil der nur sehr allgemeine Bezug zum Urteilsobjekt. Beim Semantischen Differenzial ist dies genau umgekehrt. 25.4 Univariate Häufigkeitsanalysen 25.4.1 Aussage

Bei der univariaten Häufigkeitsanalyse wird aus einer Datenmatrix nur eine Spalte herausgegriffen und die Verteilung der dort anzutreffenden Ausprägungen untersucht. Dazu wird eine ungeordnete Beobachtungsreihe von Merkmalsausprägungen nach ihrer Größe aufgereiht und nach ihrer Auftrittshäufigkeit aufgezählt. Meist erfolgt dabei eine grafische Veranschaulichung, z. B. als Diagramm oder Polygonzug. Häufigkeitswerte können auch zu Klassen zusammengefasst werden. Dabei ist die Wahl der Klassenbreite wichtig. Man unterscheidet absolute, relative und kumulierte Häufigkeiten: • Die absolute Häufigkeit entspricht die Anzahl der Merkmalsträger, die diese Ausprägung aufweisen. • Die relative Häufigkeit entspricht dem Anteil der Merkmalsträger, die diese Ausprägung aufweisen, an allen erfassten Merkmalsträgern. • Die kumulierte Häufigkeit entspricht der addierten Häufigkeit mehrerer zusammengefasster, geordnet vorliegender Ausprägungen. Sie ergibt sich, indem die Häufigkeiten der Merkmalsausprägungen, die gleich der angegebenen Merkmalsausprägung sind, summiert werden. Die kumulierte absolute Häufigkeit gibt entsprechend an, wie viele Merkmalsträger eine Ausprägung haben, die kleiner oder gleich der angegebenen Ausprägung ist. Die kumulierte relative Häufigkeit ergibt sich, indem die kumulierte absolute Häufigkeit durch die Gesamtzahl aller Fälle dividiert wird. So entstehen Verteilungsfunktionen (Summenkurve). Die Darstellung erfolgt in Häufigkeitstabellen oder Grafiken verschiedener Gestaltung (siehe Abb. G15).

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G. Die Hilfswissenschaften der BWL

Quelle: prozessmanagement.ch/iGrafx/Ps/ekurs/images/berichtsfeld_als_dia gramm_art.jpg

Abbildung G15: Diagrammarten

Verbreitet ist bei den Merkmalen eine Klassenbildung erforderlich. Diese kann nach qualitativen Kriterien erfolgen (Rating) oder nach quantitativen Kriterien (Ranking). Dabei sind die Klassenzahl und daraus folgend die Klassengrenzen bedeutsam. Je weniger Klassen, desto größer ist zwar die Übersichtlichkeit, desto geringer ist aber zugleich der Aussagewert, et vice versa. Die Klassen sollen überschneidungsfrei sein und die Randklassen geschlossen. Die Klassenbreite sollte zur Vermeidung von Verzerrungen gleich groß gewählt werden, die Besetzung jeder Klasse ist dann verschieden. Alternativ dazu kann die Klassenbreite variierend aber auch so gewählt werden, dass sich eine weitgehend gleiche Besetzung ergibt. 25.4.2 Momente der Verteilung

Die Auswertung erfolgt nach Lokalisations-, Dispersions-, Form- und Konzentrationsparametern (siehe Abb. G16). Lokalisationsparameter bestimmen die Lage eines Untersuchungsmerkmals innerhalb aller vorkommenden Werte. Sie sind nur bei eingipfligen Verteilungen sinnvoll. Als Maße kommen folgende in Betracht: • Der Modus wird auch dichtester (häufigster) Wert genannt. Er stellt den Punkt mit der größen Merkmalskonzentration einer Reihe dar. Er ist unanfällig für Extremwerte und gilt für alle Merkmalsklassen. Bei klassierten Daten wird die Klasse mit der größten Besetzungsdichte als Modalklasse bezeichnet. Er kann auch für nominale Werte angewendet werden.

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Abbildung G16: Univariate Datenanalysen (eig. Abb.)

• Der Median halbiert eine der Größe nach geordneten Reihe von Merkmalswerten. 50 % der Merkmalsträger besitzen Ausprägungen, die kleiner als der Median, 50 % solche, die größer als der Median sind. Auch er ist unanfällig für Extremwerte, allerdings kann er auf einen Wert fallen, der real gar nicht vorkommt. Bei nominalen Werten handelt es sich um den Zentralwert. Der Median erfordert mindestens Ordinalskalenniveau. Ein Vergleich von Median und arithmetischem Mittel lässt erkennen, wie sich die Daten verteilen. • Das einfache arithmetische Mittel teilt eine geordnete Reihe quantitativer Werte derart, dass die Summe der Werte oberhalb dieses Werts gleich der Summe der Werte unterhalb ist. Die Summe der Differenzen aller Werte von ihrem Mittelwert ist gleich Null. Es handelt sich um das 1. Moment der Verteilung. Es erfordert eine metrische Skalierung. Bei Häufigkeitsverteilung errechnet sich das arithmetische Mittel, indem die Produkte aus Ausprägung und zugehöriger absoluter Häufigkeit addiert und durch die Zahl der Beobachtungen dividiert wird. Möglichst sollten unklassierte Daten vorliegen. Bei klassierten Daten lassen sich nur Ober- und Untergrenzen für das arithmetische Mittel errechnen (siehe Abb. G17). • Das gewogene arithmetische Mittel sieht eine Gewichtung einzelner Merkmalswerte einer Reihe vor. • Das geometrische Mittel ergibt sich als n-te Wurzel aus einer Messzahl. Voraussetzung sind metrische, positive Werte in zeitlicher Ordnung mit gleichen Abständen. Das harmonische Mittel ist ein Sonderfall. Die Bereichsmitte ist

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G. Die Hilfswissenschaften der BWL

Modus

Median

50% der Daten

Mittelwert

50% der Daten

Quelle: statistics4u.info/fundstat_germ/img/hl_median.png

Abbildung G17: Modus – Median – arithmetisches Mittel

die Hälfte der Summe der kleinsten und der größten tatsächlich vorhandenen Merkmalsausprägungen. • Das Quartil unterteilt eine Reihe in vier gleich große Abschnitte der Messwerte. Das untere Quartil ist der Wert, den mindestens 25 % der beobachteten Werte nicht überschreiten bzw. mindestens 75 % der beobachteten Werte überschreiten. Das obere Quartil ist spiegelbildlich dazu der Wert, den mindestens 75 % der Werte nicht überschreiten bzw. mindestens 25 % der beobachteten Werte überschreiten. Das mittlere Quartil entspricht dem Median. Abwandlungen sind Perzentile (Basis: 100) oder Dezile (Basis: 10). Dies gibt bereits Aufschluss über die Verteilung von Werten. Der verallgemeinende Begriff ist daher Quantil. Meist werden jedoch fünf Kennzahlen ausgewiesen: das Minimum, das 25 %-Quartil, der Median, das 75 % Quartil und das Maximum (siehe Abb. G18). Dispersionsparameter werden auch Streuungsmaße genannt. Sie beschreiben die Verteilung der Einzelwerte einer Häufigkeitsverteilung um ihren Mittelwert. Als Maße kommen folgende in Betracht: • Die Spannweite gibt die Differenz zwischen dem größten und dem kleinsten Wert einer Reihe wieder. Es besteht eine hohe Empfindlichkeit gegen Ausreißer. Sie erfordert mindestens ordinalskalierte Daten. • Die mittlere Abweichung ist das arithmetische Mittel aller Abweichungen einer Reihe im Verhältnis zu deren Mittelwert. Dies kann ungewogen oder gewogen erfolgen. Es erfordert metrischskalierte Daten. • Der Quartilsabstand ergibt sich als Differenz zwischen drittem und erstem Quartil, dividiert durch das zweite Quartil. Er erfordert mindestens ordinal­ skalierte Daten. Extremwerte fallen dabei nicht besonders ins Gewicht.

25. Grundlagen der Wirtschaftsstatistik

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• Die Varianz ist die Summe der quadrierten Abweichungen der Einzelwerte von ihrem arithmetischem Mittel, dividiert durch den Beobachtungsumfang. Dies kann ungewogen oder gewogen erfolgen und gilt nur für quantitative (metrische) Werte. Es sollten unklassierte Daten vorliegen. Bei klassierten Daten werden die Abweichungen der Klassenmitten vom arithmetischen Mittel quadriert und mit den absoluten Klassenhäufigkeiten multipliziert. Die Summe wird durch die Anzahl der Beobachtungen dividiert. • Die Standardabweichung ist die positive Wurzel aus der Varianz, d. h., die Quadrierung der Merkmalsdimension wird rückgängig gemacht. Sie liegt in derselben Einheit vor wie die Daten selbst. Sie stellt das 2. Moment der Verteilung dar. Die Standardabweichung ist größer oder gleich Null und kleiner als die Spannweite. Sie reagiert empfindlich auf Ausreißer. Sind arithmetisches Mittel und Standardabweichung bekannt, lassen sich Häufigkeiten für Wertebereiche angeben, ohne Kenntnis über die Verteilungsfunktion zu haben. • Der Variationskoeffizient ist der Quotient aus Standardabweichung und zugehörigem Mittelwert. Es handelt sich um ein relatives Streuungsmaß. Der Wert ist dimensionslos, daher können auch Daten unterschiedlicher Skalierung miteinander verglichen werden. Formparameter geben den Verlauf einer Verteilung an. Dafür kommen verschiedene Maße in Betracht: • Das Schiefemaß kennzeichnet die Symmetrie einer Häufigkeitsverteilung. Fallen Modus, Median und arithmetisches Mittel zusammen, ist die Verteilung symmetrisch. Kommen Modus, Median und arithmetisches Mittel nachei­

Kumulierte Häufigkeit der abhängigen Variable in %

100

75

50 25

3. Quartil Q3 2. Quartil Q2 1. Quartil Q1

10 12 14 16 18 20 22 24 26 28 30 Quartilabstand (QA)

Wahrscheinlichkeit der unabhängigen Variable

Quelle: spektrum.de/lexika/images/psycho/f2f262_w.jpg

Abbildung G18: Beispiel Quartile

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G. Die Hilfswissenschaften der BWL

nander, liegt eine linksschiefe Verteilung vor, bei umgekehrter Reihenfolge eine rechtsschiefe Verteilung. Linksschief (negative Schiefe / rechtssteil) bedeutet, dass die Mehrzahl der Ursprungswerte rechts des Mittelwerts liegt. Rechtsschief (positive Schiefe / linkssteil) bedeutet, dass die Mehrzahl der Ursprungswerte links des Mittelwerts liegt. Die Schiefe ist das 3. Moment der Verteilung Die Verteilung kann aber nicht nur eingipflig sein, sondern auch zwei- oder mehrgipflig. Es handelt sich dann um keine unimodale, sondern eine bi- oder polymodale Verteilung. Auch diese kann symmetrisch oder asymmetrisch ausgeprägt sein. • Der Exzess stellt die Wölbung der Häufigkeitsverteilung dar. Sie kann breitoder schmalgipflig sein. Je größer der Exzesswert, desto breitgipfliger ist ihr Verlauf. Man spricht von platy- (flach / breit), meso- (mittel) oder leptokurtischer Verteilung (hoch / eng). Der Exzess ist das 4. Moment der Verteilung. Konzentrationsparameter geben die Aufteilung der Merkmalssumme wieder. Der Ausweis erfolgt durch Kennziffern. Dafür gibt es zwei Einteilungen: • Konzentrationsmaße geben die absolute Aufteilung der Merkmalssumme an. Grafisch werden die Merkmalsmalsträger aufsteigend sortiert. Für die kumulierten Merkmalsausprägungen werden die kumulierten Häufigkeiten ermittelt und in einem Koordinatensystem abgetragen. Dann werden diese Punkte linear miteinander verbunden. Aus der grafischen Darstellung kann sowohl die Aufteilung des Merkmalsbetrags auf die Merkmalsträger als auch die Anzahl der Merkmalsträger abgelesen werden. Je stärker die Konzentrationskurve von der Gleichverteilungsgeraden abweicht, desto höher ist die absolute Konzentration. Zum Vergleich verschiedener Konzentrationsgrade ist jedoch die relative Konzentration entscheidend. Dazu werden die Merkmalsträger aufsteigend nach ihren Merkmalsausprägungen sortiert. Für die Merkmalsträger werden die kumulierten relativen Häufigkeiten auf der Abszisse und die kumulierten relativen Merkmalsbeträge auf der Ordinate berechnet. Ausgehend vom Koordinatenursprung werden die Punkte linear miteinander verbunden. Die Lorenzkurve liegt unterhalb der Gleichverteilungsgeraden. Werden die Merkmalsausprägungen absteigend sortiert, entsteht eine ABC-Kurve. Sie liegt oberhalb der Gleichverteilungsgeraden (siehe Abb. G19). • Disparitätsmaße geben die relative Aufteilung der Merkmalssumme an. Je stärker die Kurve gekrümmt ist, desto höher ist der Konzentrationsgrad. Der Gini-Koeffizient gibt als Kennziffer die Relation zur Gleichverteilung an. Er liegt zwischen 0 und 1, bei = 0 herrscht Gleichverteilung (45°-Gerade) vor, bei = 1 totale Konzentration. Allerdings kann ein und dieselbe Kennziffer ganz unterschiedliche Verläufe der Konzentrationskurve ergeben, denn zwei gleich große Flächen können durch zwei verschiedene Sachverhalte entste-

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Quelle: excelformeln.de/bilder/gini.gif

Abbildung G19: Beispiel Lorenzkurve

hen und damit auch durch zwei verschiedene Konzentrationskurvenverläufe. Insofern ist keine eindeutige Zuordnung möglich. 25.5 Bi- und multivariate statistische Analysen Für die statistische Analyse werden verschiedenartige Verfahren eingesetzt. Dabei können, je nach Einteilung, hier anhand von Dependenz- und Interdependenzanalyse, folgende unterschieden werden: • Bei der bivariaten Dependenzanalyse werden zwei Merkmale untersucht, von denen eine einseitige Abhängigkeit des einen vom anderen Merkmal angenommen wird. • Bei der multivariaten Dependenzananalyse werden mehr als zwei Merkmale untersucht, von denen eine einseitige Abhängigkeit eines Merkmals von zwei oder mehr anderen Merkmalen bzw. eine einseitige Abhängigkeit von zwei oder mehr Merkmalen von einem anderen Merkmal angenommen wird. • Bei der bivariaten Interdependenzanalyse werden zwei Merkmale untersucht, von denen ein unabhängiger Zusammenhang untereinander angenommen wird. • Bei der multivariaten Interdependenzanalyse werden mehr als zwei Merkmale untersucht, von denen ein unabhängiger Zusammenhang untereinander angenommen wird. Die Verfahren sind jedoch nicht überschneidungsfrei zuordnenbar.

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G. Die Hilfswissenschaften der BWL

25.5.1 Bivariate Analyseverfahren 25.5.1.1 Kreuztabellierung / Kontingenztafel

Um Fragestellungen von Zusammenhängen und Abhängigkeiten bei zwei Merkmalen zu beantworten, ist eine bivariate Datenanalyse erforderlich (siehe Abb. G20). Wenn beide Merkmale in überschaubarer Anzahl vorliegen, kann eine Kreuztabelle angefertigt werden. Dazu werden den möglichen Merkmalskombinationen die jeweiligen Fallzahlen zugeordnet. Daraus entsteht ein Ausgangstableau mit den Ausprägungen des ersten Merkmals in der Vorspalte und des zweiten Merkmals in der Kopfzeile. In den Zellen der Matrix stehen die gemeinsamen Häufigkeiten. Statt der absoluten Zahlen können auch relative Häufigkeiten eingesetzt werden. Die Relativierung erfolgt durch Division der ursprünglichen Fallzahlen durch die Gesamtzahl der Fälle, eine Division der Zeilenwerte durch die Werte der Summenspalte oder eine Division der Spaltenwerte durch die Summenzeile. Zulässig ist dabei die Berechnung von Zeilen-, Spalten- und Gesamtsummenprozenten, also horizontal prozentuiert (Zeilensumme gleich 1 bzw. 100 %), vertikal prozentuiert (Spaltensumme gleich 1 bzw. 100 %), beide als bedingte Häufigkeitsverteilungen, oder diagonal prozentuiert (Zeilen- und Spaltensumme gleich 1 bzw. 100 %), als Randverteilung. In welcher Richtung analysiert wird, ist im Wesentlichen abhängig davon, welches Merkmal als unabhängige und welches als abhängige Variable angesehen wird. Von Unabhängigkeit der Randverteilungen spricht man, wenn die Verteilung eines Merkmals unabhängig davon ist, welche spezielle Ausprägung des anderen Merkmals als Bedingung angegeben wird. Bei Abhängigkeit kann aus den Abweichungen zwischen den tatsächlich beobachteten Häufigkeiten und den bei Unabhängigkeit zu erwartenden Häufigkeiten eine Maßzahl für die Stärke der Abhängigkeit konstruiert werden.

Abbildung G20: Ausgewählte Verfahren der bivariaten Datenanalyse (eig. Abb.)

Durch Kontingenztafeln kann festgestellt werden, ob Merkmale untereinander Beziehungen aufweisen. In einer Spalte stehen daher die Häufigkeiten der Ausprägungen des ersten Merkmals für eine bestimmte Ausprägung des zweiten Merkmals bzw. die Ausprägungen des zweiten Merkmals bei Auftreten des

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ersten. Sind die Merkmale unabhängig, müssen beide Spalten gleiche / ähnliche absolute oder relative Häufigkeiten aufweisen. Man spricht daher von bedingten Häufigkeiten bzw. von einer bedingten Verteilung. Die Kontingenztafel stellt die Verallgemeinerung der Vierfelder-Tafel dar und wird im Rahmen der Korrespondenzanalyse ausgewertet. Wird der Zusammenhang zwischen zwei Merkmalen bei gleichzeitiger Konstanz der anderen Merkmale gemessen, handelt es sich um eine partielle Korrelation. Eine Abwandlung stellt die Pfad-Analyse dar. Sie unterscheidet in Ursachenvariable (Einflussgrößen) und Wirkungsvariable (Zielgrößen). Umgekehrt kann die Verteilung des zweiten Merkmals unter der Bedingung, dass das erste Merkmal eine bestimmte Ausprägung annimmt, untersucht werden. Die Darstellung in Säulenform hat dann dreidimensional zu erfolgen. Alternativ sind gruppierte oder gestapelte Balkendiagramme möglich. Eine andere grafische Darstellung ist durch Boxplots möglich. Ein Boxplot hat sieben Dimensionen. Insofern kann stark komprimiert eine Aussage über die Lage und Streuung von Werten getroffen werden (siehe Abb. G21): • Minimum-Extremwert, 25 %-Quartil (Kastenuntergrenze), Median / Mittelwert (Kastenmitte), 75 %-Quartil (Kastenobergrenze), Maximum-Extremwerte, jeweils „obere Antenne“ und „untere Antenne“ bei 1,5-fach interquartiler Dis­ tanz.

Abbildung G21: Prinzip Boxplot (eig. Abb.)

23.5.1.2 Korrelationsanalyse

Außerdem kommen Streuungsdiagramme mit dem einen Merkmal auf der Abszisse (bei Abhängigkeit das beeinflussende Merkmal) und dem anderen auf der Ordinate (bei Abhängigkeit das abhängige Merkmal) in Betracht. Die Kombination der Merkmale wird in einem Koordinatensystem abgetragen. Bei sol-

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G. Die Hilfswissenschaften der BWL

chen Abhängigkeiten handelt es sich um statistische (formale), nicht jedoch um logische oder kausale (materielle). Je nach Anzahl der untersuchten Variablen unterscheidet man zwischen einfacher (zwei Variable) und multipler Korrela­tion (mehr als zwei Variable). Unabhängigkeit bedeutet, dass keine Ausprägung des einen Merkmals eine Aussage über die Ausprägung des anderen erbringt. Bedingte Verteilungen und Randverteilungen stimmen überein. Die Stärke einer Abhängigkeit kann durch Assoziationsmaße ausgewiesen werden, die Stärke eines Zusammenhangs durch den Korrelationskoeffizienten. Assoziationsmaße geben Auskunft über die Entfernung zur Unabhängigkeit (Phi-Koeffizient, Kontingenzkoeffizient). Der Korrelationskoeffizient untersucht einen linearen Zusammenhang (siehe Abb. G22). Grafisch bedeutet ein vollständig linearer Zusammenhang, dass alle

Quelle: t methoden-psychologie.de/elearning/ausgewaehlte_korrelationen.png

Abbildung G22: Beispiel Korrelationskoeffizienten

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Kombinationen in einem Streuungsdiagramm auf einer Geraden liegen. Monoton ist der Zusammenhang, wenn der Zuwachs / die Abnahme eines Merkmals mit dem Zuwachs / der Abnahme des anderen einhergeht. Der Korrelationskoeffizient misst die Stärke des Zusammenhangs (Wert) und seine Richtung (Vorzeichen). Der Korrelationskoeffizient nach Bravais-Pearson läuft von –1 bis +1. Hinsichtlich der Richtung gilt: • positiver Wert = gleich gerichteter Zusammenhang vorhanden, • negativer Wert = entgegen gesetzter Zusammenhang vorhanden, • Wert nahe Null = kaum erkennbarer Zusammenhang vorhanden. Hinsichtlich des Werts des Korrelationskoeffizienten (r) gilt: • r < 0,3 = zweifelhafte Interpretation des Zusammenhangs, • 0,3 < r < 0,5 = mäßig valider Zusammenhang, • 0,5 < r < 0,7 = praktisch verwendbarer Zusammenhang, • 0,7 < r < 0,9 = enger, sehr valider Zusammenhang, • r > 0,9 = eindeutiger Zusammenhang. Die Kovarianz ist eine Kennzahl für die Streuung der Punktwolke um ihren Mittelpunkt. Der Mittelpunkt ergibt sich als Schnittpunkt der arithmetischen Mittel zweier Merkmale. Bei positiver Kovarianz weisen beide Merkmale einen positiven oder gleich gerichteten Zusammenhang auf, et vice versa. Bei einer Kovarianz = 0 liegt kein linearer Zusammenhang vor, jedoch kann ein nicht-linearer Zusammenhang bestehen. Alternativ kann der Rangkorrelationskoeffizient nach Spearman ermittelt werden. Er läuft von 0 bis +1. Er geht von ordinalen Werten aus und ist daher weniger anfällig für Extremwerte als der Bravais-Pearson-Koeffizient. Die Koeffizienten werden durch Statistik-Standardsoftware ermittelt. 23.5.1.3 Regressionsanalyse

Hierbei wird der funktionale Zusammenhang zwischen zwei oder mehr Merkmalen betrachtet. Der Verlauf der Funktion kann linear oder nicht-linear sein (siehe Abb. G23: Beispiel Lineare Regression). Die Merkmale müssen metrisch-skaliert sein. Es gibt verschiedene Arten der Regression: • Die einfache, lineare Regressionsrechnung betrachtet nur eine Einflussgröße, die Beziehung wird als linear unterstellt. • Bei der mehrfachen (multiplen) linearen Regressionsrechnung werden zwei oder mehr Einflussgrößen unterstellt. • Bei der einfachen, nicht-linearen Regressionsrechnung muss der Funktionstyp festgelegt werden, der sich am besten den Beobachtungswerten anpasst. Mög-

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licherweise kann eine nicht-lineare Funktion auch in mehrere, lineare Funk­ tionen überführt werden. • Die mehrfache, nicht-lineare Regressionsrechnung weist mindestens zwei Einflussgrößen auf, die in einer nicht-linearen Beziehung stehen.

Quelle: upload.wikimedia.org/wikipedia/commons/thumb/3/3a/Linear_regression.svg/2000pxLinear_regression.svg.png

Abbildung G23: Beispiel Lineare Regression

Für die Regressionsanalyse ist entscheidend zu bestimmen, welches Merkmal als abhängig und welches als unabhängig zu betrachten ist. Dies muss auf Basis logischer Überlegung erfolgen. Die Enge des Zusammenhangs wird über die Korrelationsanalyse ausgewiesen. Dabei wird der Anteil angegeben, der durch die Korrelationsrechnung erklärt wird, und komplementär der Anteil, der dadurch nicht erklärt wird. Der Korrelationskoeffizient kann dabei Werte zwischen –1 und + 1 annehmen. Bei einem engen Zusammenhang liegt der Koeffizient nahe +/–1. Das Bestimmtheitsmaß gibt die Streuung der Merkmalswerte um die Regressionsfunktion an. Die Werte schwanken zwischen 0 und +1. Der Korrela­ tionskoeffizient ergibt sich als Wurzel aus dem Bestimmtheitsmaß. Für den Fall, dass mehr als eine Einflussgröße gegeben ist, entsteht eine multiple Regression. Entsprechend wird das multiple Bestimmtheitsmaß angewendet oder die multiple Korrelation. Die Unabhängigkeit der Merkmale wird dann durch den Chi Quadrat-Test gemessen. Der sich ergebende Wert wird einem theoretischen Wert („Tabellenwert“) gegenübergestellt. Der Freiheitsgrad beträgt dann 1. Ist der berechnete

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Wert kleiner als der Tabellenwert, ist keine Abhängigkeit der Merkmale gegeben, ist der berechnete Werte größer, ist Abhängigkeit gegeben. 25.5.2 Multivariate Analyseverfahren

Multivariate Analyseverfahren gibt es in vielfacher Ausprägungen. Einige wichtige Verfahren sind im Folgenden kurz dargestellt (siehe Abb. G24): • Die Varianzanalyse stellt den Einfluss einer oder mehrerer qualitativer Merkmale auf eine oder mehrere quantitative Zielgrößen dar. Liegt nur eine Zielgröße vor, handelt es sich um eine univariate Varianzanalyse, liegen zwei oder mehr Zielgrößen vor, um eine multivariate Varianzanalyse. Liegt nur eine Einflussgröße vor, handelt es sich um eine einfache Varianzanalyse (einfaktoriell), liegen zwei oder mehr Einflussgrößen vor, um eine mehrfache (multifaktoriell) (Analysis of Variance / ANOVA). Im einfaktoriellen Fall wird die Gesamtvarianz in einen Teil zerlegt, der durch die unterschiedlichen Mittelwerte der Einflussgröße(n) erklärt werden kann und einen Teil, der durch Abweichungen der Einzelwerte gegeben ist. Durch den F-Test wird geprüft, ob die Varianz durch die Gruppenmittelwerte signifikant größer ist als die Varianz, die durch die Abweichungen der einzelnen Werte vom Gruppenmittelwert gegeben ist. Bei der multifaktoriellen Varianzanalyse werden zwei oder mehr Merkmale betrachtet, die jeweils in mindestens zwei Gruppen auftreten (Multivariate Analysis of Variance / M ANOVA). Dabei wird unterstellt, dass die Einflussgröße(n) (Faktoren) qualitativer Natur ist / sind und die Zielgröße(n) quantitativer Natur. Die Ermittlung ist nur durch computergestützte Verfahren (Standardsoftware) möglich.

Abbildung G24: Ausgewählte Verfahren der multivariaten Datenanalyse (eig. Abb.)

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• Die Diskriminanzanalyse eignet sich, wenn zwei oder mehr Gruppen optimal getrennt werden sollen. Die abhängige Variable ist dabei qualitativ, die unabhängig metrisch. Es wird eine Trennformel derart gesucht, dass der Abstand zwischen den Gruppen möglichst groß und zugleich die Summe der quadrierten Abweichungen der Diskriminanzwerte innerhalb der jeweiligen Gruppe möglichst gering sind. Dadurch sollen aussagefähige Erkenntnisse im Hinblick auf das Untersuchungsthema gewonnen werden. Im einfachsten Fall handelt es sich um eine lineare Trennung zwischen zwei Gruppen. Die Trennung zwischen mehr als zwei Gruppen ist praktisch nur mit Computerunterstützung möglich (SPSS) (siehe Abb. G25). • Die Kontrastgruppenanalyse dient der Aufdeckung der zwischen einer abhängigen und mehreren unabhängigen Variablen gegebenen Beziehungsstruktur. Durch fortgesetzte Zweiteilung der Ausgangswerte (Dichotomisierung) sollen Gruppen gebildet werden, die sich durch bestimmte Kombinationen von Merkmalsausprägungen gleichartig auszeichnen. Dabei sollen die kontrastierenden Gruppen einen maximalen Unterschied in Bezug auf die zu erklärende Variable aufweisen und zugleich in sich homogener sein als die Gruppe vor dieser Aufteilung. Die Aufteilung wird solange fortgesetzt, bis kein als sinnvoll erachteter Informationsgewinn mehr entsteht oder die Gruppen zu klein werden (Abbruchkriterien). Als Trennkriterium wird auf jeder Stufe diejenige unabhängige Variable gewählt, die ein Maximum an Erklärungskraft auf die abhängige Größe aufweist. Der Erklärungsbeitrag der Variablen ist umso größer, je früher diese zur Trennung der Gruppen herangezogen werden.

Quelle: spektrum.de/lexika/images/geogr/diskr_an_w.jpg

Abbildung G25: Prinzip Diskriminanzanalyse

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• Bei der Präferenzanalyse (Conjoint Measurement / CJM) wird der Gesamtnutzen eines Objekts (Produkt / Dienst) in mehrere Teilnutzen zerlegt. Es wird ermittelt, wie sich dieser Gesamtnutzen additiv aus den Teilnutzen zusammensetzt. Um eine gute Handhabbarkeit zu erreichen, werden die Merkmale zumeist auf wenige, realistische eingegrenzt. Ziel der konjunkten Analyse ist es, aus den Präferenzurteilen Rückschlüsse auf die Höhe der Teilnutzwerte zu ziehen. Dabei wird der Einfachheit unterstellt, dass die Summe der Teilnutzen gleich dem Gesamtnutzen ist (Additivitätsprämisse). Bei der Profilmethode werden alle Merkmale über alle Ausprägungen betrachtet. Bei der Trade off-Methode werden jeweils nur zwei Eigenschaften gleichzeitig betrachtet. Dadurch kann die Zahl der Messungen reduziert werden. In einem vollständigen Design werden alle denkbaren Kombinationen von Merkmalen und Ausprägungen gemessen, dies ufert jedoch rasch unrealistisch aus. In einem reduzierten Design wird nur eine Teilmenge aller Kombinationen gemessen. Dabei besteht allerdings die Gefahr, dass relevante Kombinationen übergangen werden. Bei einem symmetrischen Design haben alle Merkmale die gleiche Anzahl von Ausprägungen, bei einem asymmetrischen Design haben die Merkmale unterschiedliche Anzahlen von Ausprägungen. Das bekannteste reduzierte, symmetrische Design ist das Lateinische Quadrat. • Die Faktorenanalyse ermöglichst die Reduktion von Merkmalen auf wenige überschaubare Faktoren, wobei der Informationsverlust infolge der Datenreduktion möglichst klein gehalten werden soll (siehe Abb. G26). Bei der Hauptkomponentenanalyse werden mehrere senkrecht aufeinander stehende Achsen gebildet, wobei die erste Achse in Richtung der maximalen Ausdehnung ­einer Punktwolke liegt. Die zweite Achse liegt in Richtung der zweitgrößten Ausdehnung. Zwischen den betrachteten Merkmalen werden sodann die Korrelationskoeffizienten bestimmt. Aus diesen werden die Eigenwerte und die Eigenvektoren errechnet. Der Faktor mit dem höchsten Eigenwert liefert den größten Anteil der Varianzen der Merkmale. Werden alle Merkmale betrachtet, wird die Varianz somit vollständig erfasst. Durch Reduktion der Merkmale auf wenige übergeordnete Faktoren soll eine Rationalisierung der Interpretation erreicht werden, ohne dass der Inhalt der Ursprungswerte dabei verzerrt wird. Wenn alle Merkmale auf beide Faktoren hoch laden, ist eine Rotation des Koordinatensystems erforderlich, bis die Merkmale hoch auf den einen und zugleich niedrig auf den anderen Faktor laden. • Bei der Clusteranalyse geht es darum, die Vielzahl von Elementen in Klassen (Clusters) einzuordnen. Die Elemente eines Clusters sollen dabei einander möglichst ähnlich sein. Dazu gibt es zwei Ansätze, hierarchische und partitionierende. Bei den hierarchischen Verfahren werden zwei Verfahren unterschieden: –– Divisive Verfahren gehen davon aus, dass es ein Ausgangscluster gibt, der alle Elemente umfasst. Dieser wird fortlaufend in Teilcluster zerlegt, die

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Abbildung G26: Beispiel Faktorenanalyse Einzelhandel (in Anlehnung anmri.imh.unish.ch/repository/analysemethoden/grafiken/ faktoren/Faktoren.jpg)

dann immer weniger Elemente enthalten. Teilungskriterium ist dabei die größte Distanz zwischen zwei Elementen. –– Agglomerative Verfahren gehen davon aus, dass jedes Element zunächst sein eigenes Cluster abbildet. Dann wird die Gesamtheit der Elemente fortlaufend in immer weniger Cluster mit immer mehr Elementen zusammengefasst. Im Single Linkage-Verfahren werden dann die Cluster mit den kleinsten Distanzen fusioniert. Beim Complete Linkage-Verfahren werden die Cluster mit den geringsten Distanzen zwischen ihren entferntesten Elementen fusioniert. Beim Average Linkage-Verfahren werden der durchschnittliche Abstand zwischen den Elementen der betrachteten Cluster ermittelt und die Cluster vereinigt, bei denen dieser minimal ist. Partitionierende Verfahren gehen von Clusterzentren aus und streben eine überschneidungsfreie (disjunkte) Einteilung an. Die grafische Darstellung erfolgt

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zumeist durch Dendrogramme (siehe Abb. G27). Dazu gibt es wiederum zwei Verfahren: • Austauschverfahren streben eine Verbesserung der Aussage an, indem einem Cluster zugewiesene Elemente sukzessive gegen außenstehende Elemente ausgetauscht und dann auf eine Ergebnisverbesserung hin überprüft werden. • Im Iterationsverfahren wird die Zahl der Cluster vorgegeben. Die Teilung der Grundgesamtheit wird dann solange fortgesetzt, bis das vorgegebene Abbruchkriterium erreicht ist. Als Heuristik für die Clusterzahl gilt die Wurzeln aus halber Elementenzahl (Mardia). • Im Unterschied zur Faktorenanalyse, bei der eine Vielzahl verschiedener Merkmale auf eine geringe Zahl reduziert wird, wird bei der Clusteranalyse eine Vielzahl von Elementen in Klassen eingeordnet. Ziel ist übereinstimmend die Erreichung einer möglichst großen externen Heterogenität bei zugleich möglichst hoher interner Homogenität. Die Ähnlichkeit wird anhand von Proximitätsmaßen ermittelt. Am häufigsten werden dazu die Euklid’sche Distanz und die City-Block-Metrik angewandt. • Die Multidimensionale Skalierung hat zum Ziel, eine Anzahl von Elementen und deren relative Abstände zueinander in einem möglichst niedrig dimensionierten Darstellungsraum abzubilden. Bei metrischskalierten Merkmalen kann die Euklidsche Distanz für die Entfernung der Elemente gewählt werden. Bei nicht-metrisch skalierten Merkmalen sollen diese in Bezug auf ihre jeweils

Quelle: spektrum.de/lexika/images/bio/fff1564_w.jpg

Abbildung G27: Beispiel Dendrogramm

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paarweise Ähnlichkeit / Unähnlichkeit in eine Rangfolge derart gebracht werden, dass die Abstände der Elemente möglichst erhalten bleiben. Sind neben der Ähnlichkeit auch noch Präferenzurteile vorhanden, kann man mithilfe von Idealpunktmodellen die Merkmale in Bezug auf den Idealpunkt räumlich positionieren. Es gilt dann das Merkmal als das beste, dessen topografische Distanz zum Idealpunkt minimal ist. Einfluss auf den Abstand kann genommen werden, indem die Position des wahrgenommenen Ideals verschoben, die Merkmale relativ zum Idealpunkt verschoben oder andere Merkmale vom Idealpunkt weg verschoben werden. • Ziel der Kausalanalyse ist es, auf Basis eines hypothetischen Kausalmodells Beziehungsstrukturen der Faktoren aufzuzeigen, um ein theoretisch begründetes Modell statistisch zu testen. Insofern ist „kausal“ semantisch etwas zu hoch gegriffen (siehe Abb. G28). Dazu dienen im Einzelnen mehrere Verfahren: –– Die Pfadanalyse beruht auf der Abbildung von Kausalhypothesen in Form gerichteter Graphen, die in lineare Strukturgleichungen überführt werden. Daraus entsteht ein Pfaddiagramm mit Quadraten für beobachtbare Variable und Kreise für nicht-beobachtbare. Abhängigkeiten werden zumeist durch einen Pfeil ausgedrückt, Zusammenhänge durch zwei Pfeile. Die Stärke der Beziehung wird durch Pfadkoeffizienten ausgedrückt. –– Die Kovarianzanalyse weist aus, wenn mit Auftreten / Veränderung einer Variablen zugleich auch die andere auftritt / sich verändert. Somit können komplexe Zusammenhangsstrukturen zwischen beobachteten und nicht-beobachteten Variablen ausgewiesen werden. Die Kovarianz ermittelt also die

Quelle: calis.org/bilder/grafik_kausalanalyse.jpg

Abbildung G28: Beispiel Kausalanalyse

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Beziehungen der exogenen, nicht-kontrollierten Variablen untereinander und kann damit deren Einfluss auf das Ergebnis ausschalten. –– Die LISREL-Technik (Linear Structurel Relationships) ist ein Messkonzept aus Strukturgleichungsmodell und einem exogenen und endogenen Messmodell. Es handelt sich um ein Software-Paket zur Kausalanalyse 25.6 Datendarstellung Die Datendarstellung dient der Kommunikation der Ergebnisse an relevante Zielgruppen. Sie erfordert häufig eine Verdichtung aus absoluten Kennzahlen in relative Kennzahlen als Verhältniszahlen: • Grundzahlen sind absolute Zahlen, also Einzelzahlen, Summen, Differenzen, Mittelwerte etc. Sie erfüllen den Anspruch der Datenreduktion jedoch nur eingeschränkt. Dafür sind Verhältniszahlen besser geeignet. Sie bestehen als Gliederungs-, Beziehungs- und Indexzahlen. • Gliederungszahlen stellen den Anteil einer Teilmasse an der Gesamtmasse dar. Die Gesamtmasse wird dabei gleich 100 gesetzt und entsprechend gegliedert. Die Teilmassen sind echte Untermengen der jeweiligen Gesamtmenge, daher ist dies nur bei größeren Datenmengen sinnvoll. Die Ausrechnung erfolgt im traditionellen Dreisatz. • Beziehungszahlen setzen unterschiedliche, allerdings zeitlich identische Zahlengruppen, zwischen denen sachliche Zusammenhänge bestehen, in Beziehung zueinander. Das Ergebnis ist ein Quotient, dessen Wert umso näher bei Null liegt, je enger die Beziehung zwischen den Mengen ist. Der Kehrwert wird Bezeichnungszahl genannt. • Indexzahlen stellen zeitunterschiedliche, ansonsten aber identische, der gleichen Gesamtmenge zugehörige Mengen, Preise, Werte etc. gegenüber. Es handelt sich um Summenindexe oder Mittelwertindexe zur Längsschnittanalyse. Dabei wird eine interessierende Berichtsperiode einer (gleichen oder wechselnden) historischen Basisperiode (= 100) gegenübergestellt. Das Ergebnis ist dimen­sionslos. Als Indizes werden solche nach Laspeyres und Paasche unterschieden. Die Auswertung von Ergebnissen erfolgt durch statistische Software-Pakete. Dabei handelt es sich im Wesentlichen um folgende: • Statistical Package for Social Sciences (SPSS). Dieses wird über eine grafische Benutzeroberfläche bedient und unterstützt die Datenerfassung, die Datenauswertung, die Ergebnisanalyse und Berichterstattung. • SAS nimmt eine umfassende Erfassung, Integration und Präsentation von Daten mithilfe multivariater statistischer Verfahren vor (Business Intelligence).

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• STATA ist eine Software zur Datenanalyse und Auswertung mithilfe multivariater Methoden und Zeitreihenanalysen. Clustan bietet als Software die Durchführung von Clusteranalysen und mehrdimen­sionalen Skalierungen an. EQSI dient zur Regressionsanalyse, Pfadanalyse und konfirmatorischen Faktorenanalyse mit hoher Bedienerfreundlichkeit. Das Reporting der Ergebnisse erfordert die Visualisierung der Informationen. Dafür wiederum werden zumeist Diagramme eingesetzt: • Beim Punktediagramm werden Wertepaare in einem gemeinsamen Koordinatensystem abgetragen. • Beim Kurvendiagramm werden die Wertepaare durch höhenproportionale Stabdiagramme in Beziehung zueinander gesetzt. • Beim Polygonzug werden die Mittelpunkte der Flächenoberkanten verbunden. Bei genügend kleinen Klassenbreiten entsteht daraus ein kontinuierlicher Kurvenzug. • Bei der Summenkurve werden Häufigkeiten in aufsteigender oder abfallender Richtung angeordnet. • Das Flächendiagramm kann in verschiedenen Formen angewendet werden: –– Das Balkendiagramm wird angewendet, wenn die Merkmalsklassen nicht lückenlos aufeinander folgen. –– Sind die Klassen gleich breit gewählt, entsteht ein Histogramm. –– Wird die Darstellung in Kreisdiagrammform gewählt, sind die Ausschnitte („Kuchensegmente“) aussagefähig für den Anteil der Elemente an der Gesamtheit. –– Werden die Kreissegmente unterschiedlich strukturiert, entsteht ein Strukturdiagramm. • Beim Schmuckdiagramm sind ebenfalls verschiedene Formen anwendbar: –– Das Symboldiagramm verwendet Piktogramme zur Veranschaulichung. –– Das Polardiagramm enthält mehrere Strahlen, auf denen Merkmalsausprägungen abgetragen sind („Spiderweb“). –– Das Körperdiagramm verwendet dreidimensionale Formen zur Veranschaulichung. Für die Auswertung sind auch Tabellen mit Kopfzeile und Vorspalte unverzichtbar. Die Präsentation der Daten erfolgt durch mündlichen Vortrag und schriftliche Dokumentation (Forschungsbericht). Die klassische Reihenfolge im Aufbau betrifft dabei Zusammenfassung (Management Summary), Ausgangsproblem, gewählte Methodik, Forschungsergebnisse und Schlussfolgerungen.

25. Grundlagen der Wirtschaftsstatistik

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25.7 Prognoseverfahren Prognosen sollen zukünftige Zustände und die Folgen möglicher Reaktionen darauf für eine Unternehmung aufzeigen. Prognosen lassen sich nach vielfachen Kriterien einteilen: • Nach dem Verfahren handelt es sich um quantitative oder intuitive Verfahren. • Nach dem Ergebnis handelt es sich um quantitative Prognosen oder qualitative Prognosen. • Nach dem Zeitraum handelt es sich um kurzfristige, mittelfristige oder langfristige Prognosen. • Nach der Variablenzahl, die rechnerisch berücksichtigt werden, handelt es sich um univariate oder multivariate Prognosen. • Nach der Anzahl der Größen, die prognostiziert werden, handelt es sich um einfache oder multiple Prognosen. • Nach der Häufigkeit handelt es sich um einmalige (Ad hoc-)Prognosen oder wiederholte Prognosen. • Nach dem Ziel handelt es sich um eine Vorhersage der Entwicklung oder eine solche der Wirkung von Variablen. Bei quantitativen Verfahren sind u. a. folgende gegeben (siehe Abb. G29): • Die einfache Trendextrapolation nimmt eine Zerlegung einer Zeitreihe in Komponenten vor und setzt diese auf Basis des Trends fort. • Bei der Methode der gleitenden Durchschnitte ist jeder Punkt einer Zeitreihe gleitender Durchschnitte das arithmetische Mittel einer Anzahl von Punkten einer einfachen Zeitreihe. Dadurch lassen sich zyklische Schwankungen eliminieren. • Bei der Methode der exponenziellen Glättung werden die Daten der jüngeren Vergangenheit stärker gewichtet als weiter zurück liegende Daten, dadurch entsteht ein Ausgleich früherer Prognosefehler.

Abbildung G29: Ausgewählte quantitative Prognoseverfahren (eig. Abb.)

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G. Die Hilfswissenschaften der BWL

• Bei der einfachen Regression wird der zu prognostizierende Wert zu einer kausalen Größe in mathematische Beziehung gesetzt. Die Prognose erfolgt durch Anwendung der mathematischen Funktion. Bei der multiplen Regression wird der zu prognostizierende Wert zu mehreren, als kausal anzusehenden Größen in mathematische Beziehung gesetzt. Die Prognose basiert auf dieser Funktion. • Ökonometrische Modelle bilden ein System von interdependenten Regressionsgleichungen, die zu prognostizierende Bereiche beschreiben. Dabei erfolgt meist die simultane Schätzung aller kausalen Größen. Input-Output-Analysen prognostizieren den Fluss von Gütern und Diensten zwischen verschiedenen Wirtschaftszweigen, Unternehmen oder Märkten. Bei intuitiven Verfahren handelt es sich u. a. um folgende (siehe Abb. G30): • Prognostische Befragungen nehmen Prognosen auf Basis von Ergebnissen von Befragungen von Management, Außendienst, Handel, Endkunden etc. vor. Dabei sind allerdings die Eigeninteressen der Befragten bei den Ergebnissen zu berücksichtigen. • Die Delphi-Methode stellt eine unpersönliche (mediale) Befragung mehrerer Informanten mit Fachexpertise dar, die untereinander, auch nach Abschluss des Verfahrens, anonym bleiben und das der Prognose von Sachverhalten dient. Die Abfrage erfolgt mit geschlossenen Fragen in mehreren aufeinander abfolgenden Runden. Befragt werden jeweils 20 – 100 Experten. Die Koordination erfolgt durch einen Moderator. Nach jeder Runde werden allen Teilnehmern die in der Vorrunde insgesamt zurückgemeldeten Ergebnisse mitgeteilt und sie werden aufgefordert, ihre eigene Einschätzung gemäß dem nunmehr verbesserten Informationsstand zu überdenken und zu bestätigen oder ggf. zu korrigieren. Nach drei bis vier Runden, in denen dieses Procedere sich wiederholend durchgespielt wird, tritt erfahrungsgemäß eine Konvergenz der Ergebnisse ein. Insofern entsteht dann ein belastbarer Prognosewert. • Die Szenario-Technik hat eine Prognose von Zukunftsergebnissen durch Projektion der Gegenwartssituation zum Ziel. Je weiter dabei in die Zukunft ­hineinprojiziert wird, desto größer werden die Ergebnisschwankungen, so dass

Abbildung G30: Ausgewählte intuitive Prognoseverfahren (eig. Abb.)

25. Grundlagen der Wirtschaftsstatistik

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sich bildlich ein öffnender Trichter (Funnel) der Ergebnisstreuung ergibt. Geht man nur von positiven Einflussfaktoren aus, werden Ergebnisse im oberen Bereich dieses Trichters angenommen (Best Case Scenario), werden hingegen nur Ergebnisse im unteren Bereich dieses Trichters angenommen (Worst Case Scenario), geht man von einer Dominanz der negativen Einflussfaktoren aus. Die Ermittlung der Szenarios findet in mehreren Schritten statt. Zunächst geht es um die Analyse der Randbedingungen für die Projektion. Danach erfolgen subjektive Einschätzungen der qualitativen und quantitativen Beziehungen zwischen den identifizierten Umfeldern bei alternativen Randbedingungen. Dann kann die Projektion der Gegenwart in die mehr oder minder ferne Zukunft erfolgen. Dabei werden Annahmen über Störereignisse einbezogen, um die Trendli­nien entsprechend zu korrigieren. Schließlich werden die alternativen Szenarios nach der Wahrscheinlichkeit ihres Eintreffens beurteilt und daraus ein wahrscheinliches Szenario (Real Case Scenario) abgeleitet. Dieses dient dann als weitere Planungsbasis (siehe Abb. G31). • Die Relevanzbaum-Methode strebt eine retrograde Ableitung von Lösungsmöglichkeiten über mehrere Stufen hinweg an. Einzelne Pfade innerhalb des Baumes ermöglichen ein Durchspielen alternativer Maßnahmen in Bezug auf ihre Relevanz für die Zielsetzung der Analyse. • Die historische Analogie nimmt eine Prognose auf Basis als vergleichbar angesehener Entwicklungen in der Vergangenheit vor. Voraussetzung ist, dass solche Analogien vorhanden sind, dass diese zeitlich genügend vorauslaufen und aussagefähig analysiert werden können.

Quelle: bibliotheksportal.de/fileadmin/user_upload/content/themen/marketing/bilder/Innovationsmanage ment_2.png

Abbildung G31: Prinzip Szenariotechnik

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G. Die Hilfswissenschaften der BWL

Literaturhinweise Akkerboom, Hans: Wirtschaftsstatistik im Bachelor, 3. Auflage, Wiesbaden 2011 Bamberg, Günter / Baur, Franz / Krapp, Michael: Statistik, 17. Auflage, München / Wien 2012 Bleymüller, Josef / Weißbach, Rafael: Statistik für Wirtschaftswissenschaftler, 17. Auflage, München 2015 Falk, Jürgen: Statistik für Wirtschafts- und Sozialwissenschaftler, Weinheim 2015 Hörnstein, Elke / Kreth, Horst: Wirtschaftsstatistik, Stuttgart 2001 Jarrenberg, Jutta: Wirtschaftsstatistik für Bachelor, 2. Auflage, Konstanz 2015 Kobelt, Helmut / Steinhausen, Detlef: Wirtschaftsstatistik für Studium und Praxis, 7. Auflage, Stuttgart 2006 Lübke, Karsten / Vogt, Martin: Angewandte Wirtschaftsstatistik, Wiesbaden 2014 Mosler, Karl / Schmid, Friedrich: Beschreibende Statistik und Wirtschaftsstatistik, 4. Auflage, Berlin / Heidelberg 2009 Peren, Franz W.: Formelsammlung Wirtschaftsstatistik, 2. Auflage, Wiesbaden 2016 Schira, Josef: Statistische Methoden der VWL und BWL, München 2016 Schwarze, Jochen: Grundlagen der Statistik, Band 2, 10. Auflage, Herne 2013 –– Grundlagen der Statistik, Band 1, 12. Auflage, Herne 2014 Stiefl, Jürgen: Wirtschaftsstatistik, 2. Auflage, München / Wien 2011 Wewel, Max C.: Statistik im Bachelor-Studium der BWL und VWL, 3. Auflage, München 2014

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Übungsaufgaben 1. Wie unterscheiden sich die deskriptive und die induktive Statistik? 2. Was hat man sich unter einer Normalverteilung vorzustellen? 3. Was versteht man unter Reliabilität? 4. Wie wird die Reliabilität gemessen? 5. Was versteht man unter Validität? 6. Was versteht man in der Statistik unter Objektivität und welche Arten statistischer Objektivität können unterschieden werden? 7. Was versteht man unter statistischer Signifikanz und wie wird diese getestet? 8. Was versteht man unter einer t-Verteilung? 9. Was versteht man unter einem F-Test? 10. In welchen Beziehungen können Variable innerhalb der Statistik stehen? 11. Was versteht man unter einer Skala? 12. Wie ist eine Nominalskala gestaltet? 13. Wie ist eine Ordinalskala gestaltet? 14. Wie ist eine Intervallskala gestaltet? 15. Wie ist eine Ratioskala gestaltet?

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G. Die Hilfswissenschaften der BWL

26. Grundlagen der Informationswirtschaft In diesem Kapitel werden folgende Inhalte behandelt und geklärt: • die Elemente der IT-Infrastruktur, • das Internet als Netz der Netze, • die Dienste im Internet, • die Funktion von Suchmaschinen, • die Techniken zur Informationsrecherche, • die Besonderheiten der Mobilkommunikation. 26.1 IT-Infrastruktur 26.1.1 Grundlagen der Datenverarbeitung

Gegenstand der Informationswirtschaft sind Informationen, die auf vier Ebenen betrachtet werden können: • Auf der syntaktischen Ebene geht es um die formalen Beziehungen zwischen den Zeichen (Kodierung) in Form einer Sprachgrammatik. • Auf der sigmatischen Ebene geht es um die Darstellung in Form von Daten (Referenz). • Auf der semantischen Ebene geht es um die inhaltliche Bedeutung dieser Zeichen (Nachrichten), also logische Zusammenhänge, Bedeutungen etc. • Auf der pragmatischen Ebene geht es um die zweckgerichtete Nutzung dieser Zeichen (Information). Ziel der Informationswirtschaft ist es allgemein, die richtigen Informationen im richtigen Umfang in der richtigen Form zur richtigen Zeit und am richtigen Ort bereitzustellen. Dies übernehmen Computer (genauer: Rechner). Diese ermöglichen die Eingabe, die Verarbeitung, die Ausgabe und die Speicherung von Daten. Als Daten wird dabei eine Folge von Zeichen benannt (Ziffern, Buchstaben, Sonderzeichen etc.). Für die Datenverarbeitung ist dabei als kleinste Informa­ tionseinheit ein Bit (Binary Digit) definiert. Mit einem Bit lassen sich nur zwei Zustände darstellen: „Ein / Aus“. Die numerische Grundlage im Binärsystem ist deshalb die Zahl 2. Acht Bits können zu einem Byte zusammengefasst werden. Ein Byte entspricht dabei einem Zeichen. Bytes sind zugleich auch die Einheit für die Speicherkapazität eines Computers: 1.014 Bytes = 1 KB (Kilobyte), 1.024 KB = 1 MB (Megabyte), 1.024 MB = 1 GB (Gigabyte), 1.024 GB = 1 TB

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(Terabyte). Denkbar sind aber auch Darstellungen im Oktal- oder Hexadezimalsystem. Zur Vereinheitlichung der Zeichendarstellung ist international der ASCII-Code (American Standard Code for Information Interchange) entwickelt worden. Er umfasst 256 Zeichen, also z. B. den deutschen Schriftsatz in Groß- und Kleinbuchstaben, Ziffern, Sonderzeichen und Steuerzeichen etc. Bild- und Videodateien werden als Bitmap im Speicher vorgehalten. Sowohl für Bild-/Video- als auch Audiodateien sind Komprimierungsverfahren üblich (JPEG, MPEG, MP3 etc.). Zur Computer-Hardware gehören alle technisch-physikalischen Bestandteile eines Computers, Computer-Software sind die Daten und Programme, die zur Nutzung des Computers erforderlich sind. Zur Verbindung der Elemente bedarf es der Netze (siehe Abb. G32).

Abbildung G32: Elemente der Datenverarbeitung (eig. Abb.)

Die Zentraleinheit im Rechner besteht aus drei Elementen (siehe Abb. G33): • im Hauptspeicher werden die benötigten Daten in Speicherchips gespeichert, • über den Zentralprozessor werden die Programmbefehle durch Logikchips gesteuert, • in der Schnittstellensteuerung erfolgt der Übergang zur Peripherie und zum Nutzer. Der Hauptspeicher besteht aus dem flüchtigen Arbeitsspeicher (RAM / Random Access Memory) für Datenzugriffe und dem Festwertspeicher (ROM / Read Only Memory) mit festem Speicherinhalt. Dort ist u. a. das Betriebssystem hinterlegt. Wichtige Kenngrößen des Hauptspeichers sind seine Größe (MB / GB) und Zugriffszeit auf Daten (Millisekunden). Der Zentralprozessor (Central Processing Unit) ist das Kernstück des Rechners und besteht aus Steuerwerk, Rechenwerk und Zwischenspeichern (Caches) (siehe Abb. G34). Die CPU übernimmt die Verarbeitung der Befehle, wobei ihn

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G. Die Hilfswissenschaften der BWL

Abbildung G33: Elemente der Computer-Hardware (eig. Abb.)

ein Grafikprozessor meist von aufwändigen Berechnungen (Rendering) von Bildern entlastet: • Im Steuerwerk werden die Programmbefehle (wie addieren, subtrahieren, vergleichen, verknüpfen, eingeben, ausgeben etc.) entschlüsselt und an das Rechenwerk zur Abarbeitung weitergeleitet. Das Steuerwerk besteht im Einzelnen aus den Elementen Programmzähler, der auf den nächst-auszuführenden Befehl zeigt, Speicheradressregister, das die Adresse der nächst-zuladenden Speicherzelle enthält, Instruktionsregister, das den aktuellen Befehl enthält und Decodierer, der daraus die Anweisungen (Operanden) ableitet (siehe Abb. G35). • Das Rechenwerk besteht im Einzelnen als den Elementen Akkumulator, der Zwischenergebnisse enthält, Register, das die Operanden lädt oder speichert, arithmetisch-logischer Einheit, welche die Berechnungen durchführt und Sta-

Abbildung G34: Funktionsweise Zentralprozessor (eig. Abb.)

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Quelle: i nformatik.rwg-neuwied.net/sek2/technik/page132/page135/files/BIGSteuerwerk. png

Abbildung G35: Prinzip Steuerwerk

tusregister, das die Ergebnisse der Operationen anzeigt. Vor Ausführung eines Befehls wird der Programmzähler in das Speicheradressregister geladen, dadurch kann auf die Speicherzelle zugegriffen werden, der Inhalt wird in das Instruktionsregister geladen und das Ergebnis aktualisiert den Programmzähler (meist um 1). Dann kann der Befehl ausgeführt werden, meist durch Laden / Speichern von Daten oder Operanden aus dem / in das Register und Durchführung in der arithmetisch-logischen Einheit mit Ablage im Akkumulator. Das Ergebnis wird dann im Statusregister durch Flags angezeigt (siehe Abb. G36). Die Geschwindigkeit, mit der diese Operationen pro Sekunde ausgeführt werden, ist die Taktfrequenz, sie liegt im GHz-Bereich. Die dafür notwendigen internen Datenleitungen werden Bus genannt (Steuerbus, Adressbus, Datenbus etc.). Busse transportieren somit die Daten (Speicherinhalte, Adressen, Steuersignale) zwischen den Komponenten der Zentraleinheit. Die Bearbeitung folgt Algorithmen, die den Lösungsweg beschreiben. Das Programm setzt den Algorithmus in für den Computer ausführbare Anweisungen um. Die Verbindung nach außen (Input / Output) wird durch die Schnittstellensteuerung gewährleistet. Leitungsgebunden handelt es sich traditionell um Anschlüsse

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Quelle: informatik.rwg-neuwied.net/sek2/technik/page132/page136/files/BIGRechenwerk.png

Abbildung G36: Prinzip Rechenwerk

wie RS-232, Centronics, D-Sub, USB, FireWire, PCMCIA, HDMI etc., daneben gibt es Funkschnittstellen. Die Koordination der Hardware-Komponenten übernimmt die Betriebssystem-Software, im Einzelnen geht es dabei um die: • Steuerung und Überwachung der Programmausführung, • Verwaltung der Betriebsmittel, • Verwaltung der Dateien, • Organisation der Benutzerschnittstelle. Dort werden alle Ressourcen des Rechners organisiert und evtl. mehreren Prozessoren oder Nutzern zugeteilt. Treiber sind spezielle Programme, welche die Nutzung einzelner Peripheriegeräte steuern. Systemnahe Programme stellen Dienste und Funktionen für andere Programme bereit, sind aber eigenständig nicht nutzbar (z. B. Compiler / Interpreter). Die grafische Benutzeroberfläche (Graphical User Interface) vereinfacht den Zugang zur Rechnerleistung. Betriebssysteme können meist mehrere Anwendungen parallel (tatsächlich verschachtelt) in schneller Folge verarbeiten (Multi Tasking, Ggs.: Single Tasking) sowie mehrere Arbeitsplätze gleichzeitig ansteuern (Multi Using, Ggs.: Single Using). Dabei werden jedem Programm Zeitpartitionen zugeteilt, ist die Zeit abgelaufen, wird der Zwischenstand abgespeichert und für den nächsten Zy-

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klus wieder aufgegriffen. Zugleich ist eine Interaktion zwischen Nutzer und Anwendungssystem möglich. Der Computer wird über Eingabegeräte mit Daten und Anweisungen versorgt. Die Verarbeitung der Daten erfolgt in der Zentraleinheit mit Hilfe von Programmen. Die Ergebnisse werden über Ausgabegeräte aus- bzw. weitergegeben (Peripherie). Als Eingabeeinheiten kommen vor allem Tastatur (alphanumerisch), Maus (Zeiger / Cursor), Scanner, Joystick, Mikrofon, Touchpad, Kamera etc. in Betracht. Daneben gibt es Speichermedien, vor allem magnetische Festplatte, Speicherkarte (Flash-Speicher), Streamer, USB-Stick, optische Laufwerke (CD / DVD / Bluray). Als Ausgabeeinheiten kommen vor allem folgende Monitor, Drucker, Lautsprecher, Plotter, Beamer etc. in Betracht. 26.1.2 Aufbau des Computers

Bei den Rechnern werden verschiedene Klassen unterschieden: • Im Kleinformat existieren Smartphone, e-Book-Reader, Netbook etc. • Im Mittelformat existieren Laptop, Handheld-Computer etc. • Im Großformat existieren Desktop (Tower-PC, Workstation) etc. • Im Superformat existieren Großrechner (Mainframes), diese werden im professionellen Umfeld eingesetzt und von Fachkräften (Operators) bedient. Ein Desktop-PC besteht aus getrennten Eingabe-, Ausgabe- und Steuereinheiten, also z. B. Bildschirm, Zentraleinheit, Tastatur, Maus. Ein Tower-PC besteht ebenfalls aus getrennten Einheiten, bietet aber die Möglichkeit zur leichten Hardware-Erweiterung (Auf-/Nachrüstung über Steckplätze). Ein Notebook-PC ist mobil und vereint daher zentrale Eingabe-, Ausgabe- und Steuereinheiten in einem Gehäuse (siehe Abb. G37).

Abbildung G37: Funktionseinheiten eines Computers (eig. Abb.)

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G. Die Hilfswissenschaften der BWL

Die Steuereinheit (Steuerwerk) befindet sich auf einem Mainboard (auch Motherboard, Hauptplatine genannt). Sie besteht ggf. aus dem • Mikroprozessor, dem Bussystem, das die einzelnen Elemente des Rechners verbindet, dem Arbeitsspeicher / R AM (häufig als Festspeicher), dem CMOS (Complementary Metal-Oxide Semiconductor / Betriebssystemspeicher) für Sys­ temeinstellungen, Steckplätzen für Erweiterungskarten und externen Schnittstellen (wie USB, PS/2, optischer Ausgang, koaxialer Ausgang, LANAnschluss etc.). Der Integrierte Schaltkreis (Chip) organisiert den Datenverkehr im Computersystem. Er hat meist mehrere Kerne (Mikroprozessoren) zur Erhöhung der Verarbeitungsgeschwindigkeit. Das Package ist aus Plastik oder Keramik und hat häufig eine Metallkappe zum Schutz und zur Wärmeableitung (zusätzlich zu Kühlelementen oder Lüftern im Gehäuse). Chips werden unter Reinraumbedingungen auf Siliziumscheiben (Wafers) hergestellt. Sie bestehen aus einer Vielzahl von Transistoren (elektronischen Schaltern) und anderen Bauteilen wie Dioden. Die einzelnen Schaltelemente werden mit einer gleichbleibenden Taktfrequenz quarzgesteuert in Bewegung gesetzt. Diese Taktfrequenz gilt dann auch für alle anderen Einheiten des PC. Sie wird als Schwingungen pro Sekunde angegeben und liegt im Gigahertz-Bereich (Milliarde Arbeitsschritte / Sekunde). Die Steuerbefehle erfolgen in Bit / Bytes. Im Chip sind ein Steuerwerk und ein Rechenwerk integriert. Das Steuerwerk ist verantwortlich für die zeitliche Abfolge und Entschlüsselung der Steuerbefehle, es steuert die Programmabarbeitung, liest die Daten aus dem Arbeitsspeicher und speichert sie dort wieder zwischen sowie steuert die Ein- und Ausgaben zur Peripherie. Das Rechenwerk verknüpft die Daten miteinander und führt die Rechenoperationen durch. Der Arbeitsspeicher (Random Access Memory / R AM) besteht aus mehreren Speicherchips und hat eine extrem kurze Zugriffszeit (Nanosekunden / Milliardstel Sek.). Im Arbeitsspeicher werden die Daten zwischengespeichert, da die Verarbeitung in vielfachen Arbeitsschritten erfolgt. Der Speicherinhalt verändert sich also stetig. Beim Einschalten des Computers ist der Arbeitsspeicher leer, da er vom Netzteil abgekoppelt war (flüchtiger Speicher). Daher müssen zunächst in Speicherchips (ROM) residente Daten hochgeladen (gebootet) werden. Dies übernimmt das BIOS (Basic Input Output System). Dazu gehört das Hochladen des Betriebssystems und definierter Anwendungsprogramme von der Festplatte. Je größer der Arbeitsspeicher ist, desto mehr Daten kann der Computer verarbeiten, da der Zugriff vom RAM deutlich schneller ist als der Zugriff von einer Festplatte. Da die Daten des RAM mit dem Ausschalten verlorengehen, ist es wichtig, diese zuvor auf einem Speichermedium zu sichern (Festplatte, externe Speichermedien, Flash-Speicher etc.).

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Die meisten externen Geräte werden über eine USB-Schnittstelle (Universal Serial Bus) angebunden. USB-Stecker/-Buchsen gibt es in verschiedenen Größen, mit oder ohne Stromversorgung. Teilweise nehmen die Peripheriegeräte aber auch drahtlos Kontakt auf (z. B. über Bluetooth). 26.1.3 Eingabegeräte

Das wichtigste Eingabegerät ist sicherlich die Tastatur. Sie verfügt über eine standardisierte Tastenbelegung (QWERTZ) und dient der alphanumerischen Eingabe. Daneben gibt es die Computermaus zur analogen Eingabe durch Anklicken von Elementen auf dem Bildschirm. Weitere Bewegungen sind Zeigen, Doppelklick, Ziehen, Drag&Drop etc. Dies setzt eine grafische Benutzeroberfläche voraus, dies wiederum eine Pixelsteuerung, d. h. die Ansteuerbarkeit jeder einzelnen Bildzelle. Mit einem Scanner können Texte und Bilder von Vorlagen in den Computer eingelesen werden. Dazu wird die Vorlage in eine Vielzahl von Bildpunkten zerlegt und durch einen Analog-Digital-Wandler (A / D) digitalisiert. Meist handelt es sich um Flachbettscanner. Die Auflösung wird in Dots per Inch (DPI) angegeben. Bei Farbvorlagen wird jeder Bildpunkt in die drei Grundfarben Rot, Grün und Blau (RGB) zerlegt. Für jede Farbe stehen 8 Bit zur Verfügung, bei drei Grundfarben also 256 Farbabstufungen (genauer eine Farbtiefe von 24 Bit). Daraus lassen sich 16,77 Mio. Mischfarben am Bildschirm darstellen. Ein weiteres Eingabegerät ist die Videokamera (auch als Webcam). Die zeitliche und räumliche Auflösung ist meist begrenzt, aber etwa für Videotelefonie (Skype) ausreichend. Mit Hilfe eines Digitalisiertabletts oder drucksensiblen Displays können auch Freihandzeichnungen durch einen Stift in den Computer übertragen werden. 26.1.4 Ausgabegeräte

Das wohl wichtigste Ausgabegerät ist der Drucker. Drucker gibt es in verschiedenen Technologien. Am verbreitetsten sind Tintenstrahldrucker (Inkjet). Dabei werden aus Patronen winzige Tröpfchen Tinte auf Papier aufgebracht. Die Geräte sind geräuscharm und farbtauglich (CYMK), können allerdings keine Durchschläge erzeugen. Die Auflösung beträgt meist 1.200 dpi. Laserdrucker arbeiten über einen Lichtstrahl, der eine Belichtertrommel beschreibt. An den belichteten Stellen bleibt Tonerpulver haften. Dieses Pulver wird auf dem Papier eingebrannt. Laserdrucker können ein- und vierfarbig arbeiten. Plotter dienen zum Ausdrucken von Zeichnungen. Es gibt Flachbett- und Rollenplotter, letztere für große Formate.

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Als wesentliche visuelle Schnittstelle dient der Monitor. Es gibt verschiedene Bildschirmgrößen (Diagonalen, praktisch häufig bis 27“). Der Monitor wird von einer Grafikkarte angesteuert, diese bestimmt die Auflösung je Zeile, die in Pixel angegeben wird. Die Grafikkarte steuert den DVI (Digital Visual Interface)-Eingang an. Flachbildschirme (TFT / Thin Film Transistor) basieren auf Flüssigkristallen, die jedes einzelne Pixel ansteuern können. Dazu ist je Pixel ein Transistor zugeordnet. Die Farben ergeben sich über Farbfilter aus den Spannungsunterschieden bei drei Subpixeln (RGB), die Helligkeit aus der Leuchtkraft (Candela). Die Farbwechsel sind von der Reaktionszeit der Transistoren abhängig. Außerdem ist das Kontrastverhältnis Hell zu Dunkel ein wichtiger Parameter. 26.1.5 Speichermedien

Der wichtigste Dauerspeicher im Computer ist die interne Festplatte. Dabei handelt es sich tatsächlich um mehrere starre Platten, die auf einer Achse übereinander angeordnet sind, auf die jeweils eine magnetische Schicht aufgedampft ist. Die Platten drehen sich mit sehr hoher Geschwindigkeit (ca. 450 km / h). Je schneller die Drehung, desto kürzer ist die Zugriffszeit. Zwischen die Platten können Schreib- und Leseköpfe ein- und ausgefahren werden. Die Speicherung der Daten erfolgt magnetisch. Die Speicherkapazität beträgt mehrere TB (Milliarde Bytes). Um einem Datenausfall vorzubeugen, werden häufig redundante Sicherungen (RAID / Redundant Array of independent Disks) als Verknüpfung mehrerer Laufwerke verwendet. Zunehmend werden mechanische Festplatten jedoch durch elektronische Festspeicher (SSD / Solid State Drive) ersetzt, die aus hintereinander geschalteten Speicherchips bestehen. Ein weiterer wichtiger externer Speicher ist die CD / DVD (Compact Disc). Dabei gibt es nur lesbare Discs (CD-ROM), einmal beschreibbare Discs (CDWORM) oder mehrfach beschreibbare Discs (CD / RW). Die Speicherung erfolgt optisch durch Vertiefungen (Pits) in konzentrischen Kreisen, die Abtastung bzw. Aufnahme entsprechend durch die Reflektion eines Lasers. Zunehmend werden wegen der höheren Speicherkapazität DVD’s (Digital Versatile Disc) verwendet, vor allem im Blu-ray-Format. Auch DVD’s sind einmal beschreibbar, wiederbeschreibbar oder auch in zwei Schichten nutzbar (DVD-RDL). DVD-RAM’s sind dabei wie Festplatten nutzbar. Blu-ray-Player bzw. -Recorder sind abwärtskompatibel zu CD und DVD. Der USB-Stick kann als Flashspeicher bei laufendem Betrieb angeschlossen werden und wird automatisch vom Computer erkannt. Er ist kompakt und sehr leistungsstark. Die Speicherung erfolgt elektronisch über viele Jahre (schätzungsweise 30), die Speicher sind wiederbeschreibbar. Streamer sind magnetische Bandspeicher für extrem große Speicherbedarfe. Dies wird regelmäßig für professionelle Back-ups genutzt.

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26.1.6 Software

Unter Software wird eine Folge von zusammenhängenden maschinenlesbaren Arbeitsanweisungen verstanden, die in Verbindung mit der Hardware eine Datenverarbeitung erlauben. Die Anweisungen an den Computer erfolgen durch Programmiersprachen. Prozedurale Sprachen (Cobol, Pascal, Fortran etc.) werden dabei zunehmend durch objektorientierte Sprachen (C++, Java etc.) abgelöst. Daneben gibt es funktionale und logische Programmiersprachen. Grundlage sind jeweils Sequenzen, Verzweigungen und Iterationen, die in elementaren Anweisungen verknüpft werden. Die Übersetzung aus dem Quelltext wird von Compiler oder Interpreter vorgenommen. Der Compiler übersetzt den Quelltext einmalig und generiert daraus einen Code, der jederzeit erneut aufgerufen werden kann, wenn die Anwendung gestartet wird. Dies ist effizienter. Der Interpreter übersetzt den Quelltext bei jedem Durchlauf erneut in einen Code und führt diesen aus. Dies ist effektiver. Die Übersetzung erfolgt in den Phasen lexikalische Analyse der Zeichenfolge, syntaktische Analyse zur grammatikalischen Überprüfung, semantische Analyse für die logischen Zusammenhänge, Generierung eines Zwischencodes, Optimierung des Codes in Richtung Effizienz bzw. Effektivität und Generierung eines Zielcodes. Die Software wird in Systemsoftware und Anwendungs-Software unterschieden. Erstere dient zum Betrieb des Computers (Betriebssystem, Treiber), letztere dient zur Nutzung des Computers in betriebswirtschaftlicher, technisch-wissenschaftlicher und branchenbezogener Hinsicht. Dabei kann es sich um Individual- oder Standard-Software handeln. Häufige Formen in der BWL sind Betriebswirtschaftliche Standard-Software (ERP von SAP, Oracle, Navision etc.), Branchen-Software oder Büro-Software. Zur Betriebssystem-Software zählen auch Datenbankmanagement-Systeme, Netzwerk-Software und Software-Entwicklungstools. Betriebssysteme stellen die Verbindung zwischen der Hardware und der Anwendungs-Software her. Das Betriebssystem (Operating System / OS) leitet die Startprozedur ein, koordiniert alle Eingabe- und Ausgabevorgänge, organisiert die Speicher- und Dateiverwaltung, kontrolliert den Datentransport und die korrekte Verarbeitung und startet auch die Anwendungsprogramme. Weitere Aufgaben sind die Zuteilung von Ressourcen (Speicher, Prozessor, Bus etc.), die Ablaufplanung, die Befehlsübersetzung, die Dienstprogrammbereitstellung (Sortieren, Mischen, Abrechnen etc.) und die Ansteuerung der Peripheriegeräte. Die bekanntesten Betriebssysteme sind Windows (Microsoft), MacOS (Apple) und Linux (Unix), mobil auch Android, iOS, BlackberryOS etc. Die Initialisierung findet durch das Booten des Betriebssystems statt. Dazu wird das BIOS / Basic Input-Output System aufgerufen, geladen und kontrolliert. Alle Komponenten des PC’s werden zunächst auf ihre Funktionsfähigkeit hin geprüft (Selbsttest) und die individuell festgelegten Einstellungen geladen. Ebenso

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G. Die Hilfswissenschaften der BWL

wird nach einem Speichermedium gesucht. Dann erfolgt der eigentliche Ladevorgang und die Benutzeroberfläche erscheint auf dem Bildschirm. Neben der Betriebssystem-Software gibt es die Anwendungs-Software (siehe Abb. G38). Die Anwendungs-Software liefert die „Nutzleistung“ des Systems. Dabei gibt es Individual-Software (als Make-Alternative), sie wird speziell für die Belange der jeweiligen betrieblichen Umgebung maßgeschneidert programmiert, sowie Standard-Software (als Buy-Alternative), sie legt ein Referenzmodell der betrieblichen Umgebung zugrunde. Weicht die tatsächliche Umgebung davon ab, muss das Programm entsprechend durch Anpassungsprogrammierung verändert werden (oder die Unternehmensumgebung an das Programm angepasst werden). Vorteile der Standard-Software sind vor allem folgende: • relativ kostengünstig in der Anschaffung, schnell verfügbar / nutzbar, eigene Ressourcen werden geschont, Funktionsfähigkeit kann vor Einsatz getestet werden, Erfahrungsaustausch mit anderen Anwendern ist möglich, Wartung und Weiterentwicklung sind gesichert. Nachteile sind hingegen: • unvermeidliche Anpassungsmaßnahmen (Customization) kosten Zeit und Geld, keine komplette Abdeckung aller Anforderungen möglich, keine Wettbewerbsvorteile in der Informationswirtschaft. Vorteile der Individual-Software sind vor allem folgende: • Know-how zur Entwicklung verbleibt in der eigenen Unternehmung, optimale Anpassung an Unternehmensumgebung ist möglich, Sicherheit, Datenschutz

Abbildung G38: Software-Arten (eig. Abb.)

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und Vertraulichkeit sind gewährleistet, keine Abhängigkeit von Software-Herstellern. Nachteile sind hingegen: • deutlich höhere Kosten für Entwicklung und Test, deutlich höherer Pflegeaufwand, höhere Fehleranfälligkeit durch erstmalige Verknüpfung. Typische Softwareformen sind • funktionsübergreifende Standardsoftware, z. B. für Textverarbeitung, Grafik, Tabellenkalkulation, Datenbank, • funktionsbezogene Standardsoftware, z. B. für Rechnungswesen, Logistik, CAD, PPS, • Branchen-Software, z. B. für Pharma, Automotive, Bau, Prozessfertigung, • Individual-Software, z. B. für Reklamationsbearbeitung, Maschinensteuerung, Absatzmanagement. Die Software kann proprietär, d. h. im Eigentum eines Urhebers, sein, dann sind Lizenzgebühren an ihn fällig, oder quelloffen, d. h. frei zugänglich, etwa als Freeware (kostenlos), Shareware (mit Anteilsbetrag) oder Open Source (entgeltliche Services wie Anpassung, Schulung etc.). Das System kann geschlossen, also ohne offengelegte Schnittstellen (embedded) oder offen ausgelegt sein, letzteres ist bei Kritische Masse-Systemen verbreitet. Meist werden dabei mehrere Entwicklungsstadien durchlaufen (die erste lauffähige Alpha-Version, die erste für externe Testzwecke bereitgestellte Beta-Version, die fertige Release-Candidate-Version, der endgültige Release). Statische Software verändert sich während der Release-Dauer nicht mehr, sondern erst mit dem nächsten Release. Evolutionäre Software wird kontinuierlich erneuert. Dabei sind die Portabilität, d. h. die Übertragbarkeit von einer Systemumgebung in eine andere, sowie die Kompatibilität, d. h. die Ersetzbarkeit einer alten Version durch eine neue (Aufwärtskompatibilität) von Bedeutung. Ein wichtiges Kriterium ist die Software-Ergonomie. Dabei geht es um die Benutzerschnittstelle von Anwendungen in Bezug auf Kriterien wie Aufgabenangemessenheit, Selbstbeschreibungsfähigkeit, Effizienz, Übertragbarkeit / Ä nderbarkeit, Zuverlässigkeit, Steuerbarkeit, Erwartungskonformität, Fehlertoleranz, Benutzerfreundlichkeit und Individualisierbarkeit. 26.1.7 Netze

Zur Datenübertragung zwischen Computern sind Netze erforderlich. Diese verbinden mindestens zwei Hardware-Elemente durch ein Transportmedium. Die Übertragung kann seriell (bitweise Übertragung nacheinander über einen

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Kanal) oder parallel (mehrere Bits parallel über mehrere Kanäle) erfolgen. Meist ist die Übertragung digital angelegt, asynchron bedeutet dabei zeitversetzt zwischen Sender und Empfänger, synchron bedeutet zeitgleich zwischen Sender und Empfänger über eine definierte Zeitspanne. Dabei kann nur in eine Richtung übertragen werden (Einwegbetrieb / Simplex), oder wechselweise in beide Richtungen (Wechselbetrieb / halbduplex) oder gleichzeitig in beiden Richtungen (Gegenbetrieb / vollduplex). Schließlich kann eine physische Verbindung zwischen zwei Datenstationen geschaltet werden (Standleitung) oder lediglich eine virtuelle (Paketvermittlung), die auf verschiedenen Leitungen mit Zwischenspeicherungen über Knotenpunkte läuft. Dabei werden genormte Pakete aus Daten-, Adress- und Steuerinformationen gebündelt. Die Netze können als Festnetze (leitungsgebunden wie ISDN, Voice over-IP) oder Funknetze (terrestrisch / satellitengebunden wie UMTS, LTE) ausgelegt sein. Dabei handelt es sich um WAN’s (Wide Area Networks). Alternativ sind auch lokale Netzwerke (LAN’s / Local Area Networks) nutzbar, z. B. für Betriebsgelände oder Bürogebäude. Auch diese können leitungsgebunden (verdrilltes, Koaxkabel, Glasfaser-Kabel) oder funkgebunden sein (Bluetooth, NFC). Dabei können mehrere Netztopologien, d. h. Kombinationen aus Knoten (Rechnern) und Kanten (Leitungen), unterschieden werden: • Bus (gemeinsame Leitung für alle angeschlossenen Rechner über CSMA / CD-Verfahren), Ring (jeweils bilaterale Verbindung der Rechner über Token Passing-Verfahren) oder Stern (zentraler Anschlussknoten mit allen Rechnern als Satelliten). Eine weitere Unterscheidung betrifft die Netzstruktur. Ein Intranet besteht aus einer Geschlossenen Benutzergruppe als LAN. Ein Extranet nutzt das Internet im Rahmen einer Geschlossenen Benutzergruppe, d. h. mit Zugangsbeschränkung. Das Internet ist ein für jeden Nutzer offenes Netz. Bei lokalen Netzwerken kommen mehrere Elemente zum Einsatz: • Repeater als Verstärker zur Erhöhung der Funkreichweite, Hubs als Anschlussvervielfältiger, Bridges zur Verbindung zwischen gleichartigen Netzen, Switches (Umschalter), Router (Verteiler) und Gateways zur Verbindung zwischen unterschiedlichen Netzen. Wichtige Entscheidungen für die Nutzung betreffen vor allem • die Netzwerkkonfiguration zur zentralen Überwachung aller Netzwerkkomponenten, Änderung der Konfiguration, Anpassung an betriebliche Erfordernisse, das Fehlermanagement zur Aufnahme, Diagnose und Beseitigung von Netzwerkfehlern bzw. Fehlerprotokollierung, das Leistungsmanagement zum Erkennen von Engpässen und Fehlerquellen bzw. Tuning-Möglichkeiten, die Abrechnung als Zuordnung und Berechnung von bereitgestellten Ressourcen sowie die Sicherheit gegen Stör­einflüsse und unberechtigten Zugang.

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26.2 Internet als Netz der Netze 26.2.1 Aufbau und Teilnehmer

Das Internet ist kein geplantes und gezielt implementiertes Netzwerk, sondern ein evolutionärer Verbund dezentraler Rechnernetze, die über ein gemeinsames, einheitliches Protokoll miteinander kommunizieren. Es gibt zwar nationale Network Information Centers (NIC’s), dort erfolgt aber keine zentrale Verwaltung, da das Internet selbstverwalterisch (anarchisch) organisiert ist, sondern nur eine Vereinheitlichung der Betriebsstandards. Die Nutzer können damit, solange sie dem Internet-Protokoll folgen, unterschiedlichste Hardware- und Software-Konstellationen nutzen. Vor allem ist das Internet auch aus kommerziellen (proprietären) Netzen heraus erreichbar. Alle Standards und Protokolle sind Hardware-unabhängig formuliert, können also sowohl auf Windows-Basis als auch auf Apple- oder Unix-/Linux-Basis etc. genutzt werden. Die Funktionsweise des Internet bedarf einer umfangreichen technischen Infrastruktur. Im Grunde handelt es sich dabei um den Verbund einer immensen Vielzahl selbstständiger Rechner, die Daten vorrätig halten (= Server), auf die andere Rechner (= Clients) zugreifen können. Der Server-Rechner stellt also im Internet einen Dienst bereit, der Client-Rechner nutzt diesen Dienst (Client Server-Prinzip). Damit diese Daten beim Client auch darstellbar werden, bedarf es einer besonderen Software, des Web-Browsers. Außerdem bedarf es eines einheitlichen Protokolls, das festlegt, wie diese Daten von einem Rechner zum anderen übertragen und dort verstanden werden. Das Transmission Control Protocol (TCP) teilt daher beim Versand die Datenpakete auf und numeriert sie einzeln durch, damit sie beim Empfänger wieder richtig zusammengesetzt werden können. Das Internet Protocol (IP) regelt dann den Weg der Datenpakete durch die einzelnen Netzwerke, indem jedes Paket mit einer Adresse (Header) versehen wird. Denn der Aufbau einer physikalischen, direkten Verbindung zwischen Sender und Empfänger ist dazu nicht erforderlich, die Nachricht wird vielmehr in einzelne, nicht inhaltsgebundene Datenpakete aufgeteilt, die über unterschiedliche Übertragungswege, die im Einzelnen durch Verteilrechner festgelegt werden, verschickt und anschließend wieder zusammengesetzt werden. Bei den Verteilrechnern kann es sich um Router oder Gateways handeln. Router stellen Verbindungen zwischen Netzwerken her, die dasselbe Übertragungsprotokoll benutzen. Gateways ermöglichen eine Verbindung über Protokollgrenzen hinweg. Außerdem bedarf es einer ein-eindeutigen Adressierbarkeit jedes einzelnen der weltweit vernetzten Anschlüsse. Dazu dient die IP-Adresse, die aus vier Zahlen zwischen 0 und 255, die hierarchisch geordnet und durch Punkte getrennt sind, besteht. Zur leichteren Erkennbarkeit wird diese Zahlenkombination

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in eine Buchstabenkombination (Domain Name) umgewandelt, die ebenfalls hie­ rarchisch strukturiert ist (rechts steht die Top Level Domain, z. B. Land wie .de für Deutschland, Einrichtung wie .gov für Regierungen, .edu für Bildungsträger, .mil für Militär). Für die Vergabe ist das jeweilige nationale NIC zuständig, in Deutschland das DENIC, Karlsruhe. Endanwender erhalten ihren Zugang zum Internet durch einen Provider, der die Verbindung zwischen dem Rechner des Endanwenders und dem ersten Knotenpunktrechner herstellt („letzte Meile“), der seinerseits wiederum mit dem Internet verbunden ist. Diese Provider arbeiten auf dauervertraglicher Basis oder fallweise (Call by Call). Außerdem gibt es proprietäre Online-Dienste, die Nutzern mehrere Services gebündelt zur Verfügung stellen, mit spezieller Zugangsberechtigung (z. B. T-Online, 1&1). Der technische Zugang zum Provider ist über eine virtuelle oder physische Standleitung möglich. Denkbar ist auch eine Softwarekopplung (z. B. über UUCP-Protokoll, Remote Login oder Dial up). Protokollerweiterungen erlauben zusätzliche Leistungen (z. B. Videoconferencing). Vor allem werden aber in Zukunft die mobile Datenübertragung und die breitbandige Übertragung bestimmend sein. Dem Aufbau des Internet liegt ein Schichten-Modell (OSI-Referenzmodell) zugrunde. Es besteht aufsteigend aus sieben Schichten: • Physical Layer (Übertragungsschicht) für den physikalischen Transport von Bitströmen und deren Synchronisation (z. B. via Kabel, LWL, Funk), z. B. Token Bus, SQL, DBMS. CSMA, • Data Link Layer (Sicherungsschicht) zur Datensicherung und Steuerung des Bitdatenstroms in Blöcken und Hinzufügung von Prüfnummern, sie übernimmt auch die Erkennung und Korrektur von Übertragungsfehlern (z. B. via Local Area Network / LAN wie ATM / Ethernet, Token Ring, FDDI, LLC, MAC, PPPoE), • Network Layer (Netzwerkschicht) für den Verbindungsauf- und -abbau (IP) sowie die Wegeauswahl der Daten (Routing), dies entspricht beim Telefonieren der Vermittlung mit Weiterleitung zwischen Teilnetzen, z. B. IP, IPX, ICMP, • Transport Layer (Transportschicht) für die nachvollziehbare Datenübertragung zwischen zwei Punkten mit Segmentierung von Datenpaketen und Stauvermeidung sowie Regelungen für den Fall des Diensteausfalls, dadurch kommt es zu einer Optimierung der Betriebsmittelnutzung (z. B. SSL, TCP, SCTP), • Session Layer (Sitzungsschicht) für die Dialogsteuerung, z. B. Sitzungsaufbau und -abbau, Dienstleistungen zur Abwicklung und Organisation der Datenübertragung sowie notwendige Synchronisation wie Vereinbarung über Sitzungsverlauf und Sicherungspunkte in der Übertragung (z. B. NFS, NetBIOS), • Presentation Layer (Präsentationsschicht) für die Absprache über Struktur, Code und Format der Nachricht, Protokolle mit Darstellungssyntax und er-

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forderliche Konvertierungen, Datenkompression und -verschlüsselung, z. B. ASN, SOAP, XML, • Application Layer (Verarbeitungsschicht) für die Absprache über die Bedeutung der Nachricht und den unmittelbaren Dienstezugang (z. B. DNS, Finger, Telnet, FTP, SMTP, NNTP, HTML / HTTP, Dateiübertragung, Elektronische Post / MIME-POP3-SMTP, Diskussionsforen / IRC, WML, WWW-Dienste). Das verbreitetste Modell ist das TCP / IP-Modell. Es organisiert die Weitervermittlung von Datenpaketen über Punkt-zu-Punkt-Verbindungen. Auf Layer 1 und 2 wird dabei der Netzzugang organisiert (dauerhafte Datenspeicher, Zusammenschluss von Subnetzen). Dazu dient TCP (Transmission Control Protocol). Auf Ebene 3 werden Netzwerk / Internet organisiert (Weitervermittlung, Routing etc.). Dazu dient IP (Internet Protocol). Auf Ebene 4 wird der Transport organisiert (Erzeugung der vom Client versandten Präsentation). Auf den Ebenen 5, 6 und 7 wird die Anwendung organisiert (Ausgabe von Informationen an den Endanwender und Interaktion). Alle Teilnehmer interagieren zwar untereinander, können aber auch in Geschlossenen Benutzergruppen (GBG’s) als Extranet oder Intranet zusammengeschlossen sein. Dabei handelt es sich um die Zusammenschaltung einer definierten Anzahl von Rechnern in einem Netz, beim Extranet unter Nutzung des Internet, jedoch mit Zugangskontrolle, beim Intranet über ein unternehmenseigenes Netzwerk auf Internetprotokoll-Basis. Die Nutzungsbedingungen im Internet sind vor allem durch folgende Kennzeichen charakterisiert: • Interaktivität. Dies umschreibt die Fähigkeit zur wechselseitigen Kommunikation zwischen Sender und Empfänger und damit die grundsätzliche Dialog- bzw. Rückkopplungsfähigkeit. Möglich sind sowohl persönliche Dialoge zwischen zwei oder mehreren Nutzern über das Medium als auch Interaktionen mit dem Medium selbst. Dadurch ergibt sich die Möglichkeit des aktiven und individuellen Gestaltens des Kommunikationsprozesses durch den Nutzer bzw. Empfänger unabhängig von vorgegebenen Ablaufmustern. • Multifunktionalität. Dies kennzeichnet die Fähigkeit, je nach Situation unterschiedliche Kommunikationsformen über das Medium abzuwickeln. Die Möglichkeiten reichen optional von den verschiedenen Arten der Individualkommunikation (bilateral / multilateral, synchron / asynchron, linear / nicht-linear) bis zur Massenkommunikation mit einem gleichen Informationsangebot für alle. • Aktualität. Informationen lassen sich über prinzipiell unbegrenzte Distanzen und unabhängig von der zeitlichen Präsenz eines Kommunikationspartners übermitteln und abfragen. Informationen sind damit jederzeit an beliebigen Orten verfügbar.

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• Digitalisierung. Es erfolgt der Zugriff auf eine Fülle von Daten und Programmen, die auf Rechnersystemen abgelegt sind, wodurch ein riesiges Informa­ tionspotenzial entsteht. Dies wird erst durch die Darstellung der Daten in digitaler Form machbar. • Individualität. Modularisierte Nachrichten und Informationen können, auch personalisiert, aus vorgefertigten Modulen variabel und flexibel zusammengestellt bzw. abgerufen werden und schaffen damit eine punktgenaue Ansprachemöglichkeit. • Ubiquität. Durch die grundsätzlich unbegrenzte Sende- und Empfangsmöglichkeit ist prinzipiell ein Zugriff von Jedermann für Jedermann darstellbar. Dies bedeutet zwar eine technisch komplexe, zugleich aber für Nutzer einfache Kommunikationsform. 26.2.2 Strukturen und Prozesse

Im Internet werden die Rechner durch Datenleitungen verbunden, welche den Transfer der übermittelten Daten herstellen. Diese Datenleitungen werden durch Net Providers zur Verfügung gestellt und von diesen selbst betrieben oder anderen zur Nutzung gegen Gebühr zur Verfügung gestellt. Diese Leitungen müssen eine hohe Kapazität (Bandbreite) aufweisen, d. h. viele Daten mit hoher Geschwindigkeit transportieren können. Service Providers stellen den (fix- oder nutzungsabhängig-)entgeltlichen Kontakt zwischen Endnutzern und dem Internet her. Dies bewerkstelligen sie durch Anmietung der „letzten Meile“ bei einem Net Provider. Zugleich ist diese „letzte Meile“ wegen der Leitungsstruktur der Kapazitätsengpass für Datenmenge und Übertragungsgeschwindigkeit. Die übertragenen Daten stellen Inhalte dar, die von Content Providers zur Verfügung gestellt werden. Dabei handelt es sich um Informations- und / oder Unterhaltungsinhalte, die erst den Anlass zur Nutzung des Internets darstellen. Dieser Content wird den Service Providers gegen Entgelt zur Verfügung gestellt. Eine Unternehmung kann durchaus Content Provider und / oder Service Provider und / oder Net Provider zugleich sein. Um einen möglichst hohen Durchsatz in den Datenleitungen zu erreichen, werden verschiedene Übertragungsverfahren eingesetzt. Das DSL-Verfahren (Digital Subscriber Line) gehört zur Basisausstattung der Nutzer. In der Version A-DSL (Asynchronous-DSL) ist eine höhere Geschwindigkeit im Download-Bereich zu erreichen, also bei der Client-Anforderung von Daten vom Server, wohingegen der Upload-Bereich, also die Client-Abgabe von Daten an den Server, langsamer erfolgt. Eine schnellere Version ist als V-DSL aktiv. Weitere Verfahren arbeiten mit Glasfaserkabeln oder den Breitbandkabeln des Fernsehnetzes. Weiterhin gibt

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es die drahtlose Übertragung (z. B. Bluetooth) und die mobile Übertragung (z. B. UMTS/3 G, LTE/4 G), jeweils nach verschiedenen Standards. Grundlage jedes funktionsfähigen Rechnerverbunds ist die Verständigungsfähigkeit der Rechner untereinander, die durch Protokolle sichergestellt wird: • Das Basisprotokoll des Internets ist das HTTP (Hypertext Transfer Protocol). Dieses Protokoll regelt den Versand / Empfang von Nachrichten über Hyperlinks im WWW. • Das FTP-Protokoll (File Transfer Protocol) ist für die Übertragung von Dateien zwischen entfernten Rechnern zuständig. • Das SMTP-Protokoll (Simple Mail Transport Protocol) wird als Standard im Bereich der e-Mails angewendet. • Das POP-Protokoll (Post Office Protocol) dient dem festgelegten Abruf eingegangener e-Mails aus dem Postfach. • Das MIME-Protokoll (Multipurpose Internet Mail Extensions) dient ebenfalls der Übertragung von e-Mails, dabei besonders der Übertragung beliebiger Dateiformate in deren Anhang. • Das TCP / IP ermöglicht die Kommunikation zwischen den Rechnersystemen verschiedener Hersteller, das Internet Protocol (IP) gibt die Zieladresse einer Nachricht an, das Transmission Control Protocol (TCP) übernimmt den Aufbau der Verbindung. • Das PPP-Protokoll (Point to Point Protocol) stellt die Verbindung von Computern zum Austausch von Datenpaketen über Telekommunikationsleitung sicher. Damit diese Kommunikation einwandfrei erfolgen kann, ist aber nicht nur die Protokollierung des Transfers, sondern auch die Zuweisung eindeutiger Adressen zu jedem Sender und Empfänger im Transfer Voraussetzung. Diese Adressierung wird durch URL’s (Uniform Resource Locator) erreicht. Jede Adresse ist global einmalig und hierarchisch strukturiert. Die Reihenfolge lautet: • zugrunde gelegtes Protokoll (z. B. http://), verwendeter Internetdienst (z. B. www), Namen des Servers bzw. Name des Kommunikationspartners und Top Level Domain (Land / Organisation), Unterseiten. Jeder Teilnehmer kann mehrere URL’s betreiben, die auch aufeinander verweisen. Die URL kann nach einem Querstrich (Slash) um Zusätze wie den genauen Verzeichnispfad o. a. Angaben erweitert werden. Netzintern wird statt mit alphanumerischen Bezeichnungen mit nur numerischen Adressen gearbeitet. Jede Adresse besteht dabei aus vier 8-Bit-Zahlen, die durch Punkte voneinander abgetrennt sind und Netzwerk und Host repräsentieren.

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26.2.3 Sprachen und Sicherheit

Zur Verständigung im Internet bedarf es nicht nur einheitlicher Protokolle und eindeutiger Adressen, sondern auch Vereinbarungen über die zur Verwendung zur Verfügung stehenden Sprachen. Dazu kann man Seitenbeschreibungs- und Skriptsprachen unterscheiden, sowie gesonderte Plug-ins und Dateiformate. Seitenbeschreibungssprache (Markup Languages) sind für die formale Darstellung der Inhalte von Daten zuständig. SGML (Standard Generalized Markup Language) legt ein Layout für jeden Dokumententyp fest, in das Textinhalte eingefügt werden können. HTML (Hypertext Markup Language) ermöglicht eine Auszeichnung von Dokumenten über (hinterlegte) Tags, die gemeinsam mit den Textinhalten manuell oder über Autorensoftware eingegeben werden. XML (Extensible Markup Language) überwindet einige Nachteile von HTML (vor allem die mangelnde Interaktivität) und erlaubt auch die Verteilung dynamischer Daten. Das PDF-Format (Portable Data Formate) erlaubt den Transfer von Dokumenten, ohne dass deren Layout und Inhalt verändert werden (können). Skriptsprachen stellen Ergänzungen zu den genannten Basissprachen dar. JavaScript ermöglicht die Einbindung interaktiver Elemente in eine Webseite aus dem HTML-Quellcode heraus. Dies erlaubt vor allem eine abwechslungsreichere Gestaltung. ActiveX macht die Eigenschaften von Windows für Webseiten nutzbar. Dabei ist auch eine interaktive Gestaltung (über Controls) möglich. Java ist eine Plattform-unabhängige Programmiersprache, mit der z. B. Applets erstellt werden. Der Code ist nicht im HTML-Dokument eingebunden. Die Funktionalitäten von HTML bedürfen vor allem im Bereich der grafischen, akustischen und multimedialen Darstellung erheblicher Erweiterungen. Diese erfolgen in Form von Plug-ins (z. B. Acrobat für Grafik, Real Audio für Akustik, Quicktime für Multimedia). In diesem Zusammenhang haben sich verschiedene, gängige Dateiformate im Internet herausgebildet (z. B. gif für Grafik, mp3 für Akustik, avi für Multimedia). Diese sind zwischenzeitlich zu De facto-Standards geworden. Die Anforderung der Sicherheit im Internet bezieht sich auf mehrere Bereiche. So geht es um die Gewährleistung der Funktionsfähigkeit der Server, der Störungsfreiheit der Übertragungswege, den Schutz von Datenbeständen vor unberechtigter Veränderung, unbefugter Einsicht und Diebstahl, die Verhinderung falscher Identitäten im Netz, die Verhinderung der unberechtigten Leistungsinanspruchnahme und die Sicherheit der Geschäftsabwicklung im e-Business. Daraus folgen die Anforderungen der • Authentizität, d. h. der Identität des Absenders und des Nachweises der Echtheit der Daten, • Integrität, d. h. des Nachweises der Unverändertheit von Daten während der Übertragung,

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• Nichtabstreitbarkeit, d. h. des belegten Abgangs und Zugangs von Daten, • Vertraulichkeit, d. h. des Ausschlusses der Kenntnisnahme von Daten durch unerwünschte Dritte, • Datenschützbarkeit, d. h., Daten werden nicht ohne oder gegen den Willen des Betroffenen verwendet. Diese Anforderungen werden durch Hacking unterlaufen. Dies erfolgt u. a. durch Aufschalten auf Datenfernübertragungsverbindungen und Abhören der Inhalte, durch Lahmlegung von Rechnern etwa aus Überlastsituationen, durch Vorspiegelung einer falschen Identität (Spoofing), durch Eingriff in die Übertragungswege und Umsteuerung der Dateien (Derouting), durch Installation von Abhörprogrammen auf Rechnern zum Knacken von Passwords und Benutzernamen (Keylogger) oder durch Verbreitung von Viren, die Datenbestände zerstören. Die Datensicherheit ist massiv durch Viren bedroht. Diese haben eine Schadfunktion und vermehren sich selbsttätig. Sie treten getarnt auf und werden teilweise erst mit Zeitverzögerung aktiv. Polymorphe Viren können sich verändern, Stealthviren verschleiern ihr Tätigwerden, Retroviren deaktivieren Schutzprogramme. Computerwürmer werden nur über Vervielfältigung aktiv. Trojaner sind autonom lauffähig und verbergen sich in Dienstprogrammen, um Passwörter auszuspionieren. Backdoor-Programme erlauben die Fernsteuerung von Computern (BOT). Worms legen den Rechner durch Vervielfältigung von Dateien lahm. Daher sind unbedingt Antivirenprogramme zu installieren, dabei werden die Dateien daraufhin untersucht, ob sie sich durch eine Virenkennung verändert haben. Einen weiteren Schutz bieten Passwörter. Diese werden allerdings durch Programme zu knacken (hacken) versucht. Relativen Schutz bieten lange Passwörter, gemischt groß und klein geschrieben, mit Ziffern, Sonderzeichen o. Ä., nicht ins Wörterbuch eingetragen und nicht durch Logik zu erraten. Zur Erhöhung der Sicherheit werden verbreitet Kryptografieverfahren eingesetzt, die Daten nach mathematischen Prinzipien verschlüsseln. Bei symmetrischer Verschlüsselung erfolgen Codierung und Decodierung mit dem gleichen Schlüssel, der dazu offline, also außerhalb des Internets, übersandt werden muss. Asymmetrische Verschlüsselungsverfahren arbeiten mit zwei getrennten Schlüsseln, einem öffentlich zugänglichen und einem privaten Schlüssel. Am verbreitetsten ist hier das PGP-Verfahren (Pretty Good Privacy) mit digitaler Signatur zur Sicherstellung der Authentizität. Als weitere Sicherheitseinrichtung sind Firewalls weit verbreitet (siehe Abb. G39). Diese bestehen aus einem Rechner, der zwischen unternehmensinternem Rechnernetz (Intranet) und externem Rechnernetz (Internet) zwischengeschaltet ist. Alle Datentransfers aus der Unternehmung heraus (outbound) und in die Unternehmung hinein (inbound) laufen ausschließlich über diesen Rechner, der alle Vorgänge zahlreichen Sicherheitsfilterungen unterzieht. Außerdem wer-

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den zulässige Dienste definiert und alle Zugriffe protokolliert. So können die Sicherheit in der Unternehmung zumindest weitgehend gewährleistet und Fehlerquellen leichter entdeckt werden.

Quelle: omg.de/tl_files/OMG/images/mikrotik/firewall-vk.jpg

Abbildung G39: Prinzip Firewall (eig. Abb.)

26.3 Dienste im Internet 26.3.1 WWW-Medium

Die Website gilt als Plattform zur direkten Ansprache der Nutzer durch Ausweis produkt- und / oder unternehmensspezifischer Informationen in Form von Texten, Grafiken, Videos etc. Die Gestaltung der Website hängt von der Zielgruppe und der intendierten Botschaft ab. Neben der Grafik kommt es besonders auf die Funktionalitäten an, so z. B. die Einbindung einer e-Mail-Möglichkeit. Die Einstiegsseite, die zugleich einen Überblick über das Website-Angebot gibt, nennt man Homepage. Sie ist häufig entscheidend für den Verbleib in der Site oder das Weiterwandern zu anderen Sites. Die Website gliedert sich zumeist in verschiedene Teilbereiche, die auf der Homepage angezeigt werden. Wichtig ist dabei eine Führung der Nutzer durch die Website (Navigation), damit diese sich nicht im Angebot verlieren. Dazu dient etwa eine Navigationsleiste mit Steuerbefehlen. Auch ist eine vorgegebene Verkettung der Seiten zweckmäßig, um didaktische Aspekte bei der Nutzung zu berücksichtigen. Die Bekanntmachung der eigenen URL erfolgt in klassischen Medien, in Werbemitteln der Unternehmung und in der Geschäftsausstattung (Stationary).

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Eine der wichtigsten Entscheidungen betrifft dabei die Wahl des richtigen Domain-Namens. Dieser muss nicht notwendigerweise mit der Firma übereinstimmen, aber einprägsam, positiv assoziierend und eindeutig schreibbar sein. Bei der Registrierung sollte man evtl. variierende Schreibweisen mit reservieren lassen und dann eine Umleitung zur gewünschten URL einrichten. Dies gilt auch für verschiedene „Enddomains“ (.de, .com). Damit der Name gefunden werden kann, ist der Eintrag bei Suchmaschinen erforderlich. Dies erfolgt entweder manuell bei jedem einzelnen Suchmaschinenanbieter oder, rationeller, durch Eintrag in eine Registrierungs-Software. Diese meldet die Domain dann bei den verschiedenen Suchmaschinen an. Oder man beauftragt einen Registrierungsdienst mit der Eintragung in die einschlägigen Suchmaschinen. Dies bietet den Vorteil, dass man den Eintrag im Ranking der Treffer beeinflussen kann. Ansonsten besteht die Gefahr, dass gleich lautende Mehrfacheinträge den Spam-Filter von Suchmaschinen aktivieren und die URL’s nicht mehr ausgewiesen werden. Wichtig ist dabei die Wahl der Suchwörter, hier müssen nicht unbedingt die im Text der Website benutzten Begriffe verwendet werden, wenn andere, verwandte aussagefähiger scheinen. Basis für die Gestaltung eines WWW-Auftritts ist ein geeignetes Nutzermodell, also ein Profil der gewünschten Besucher der Präsenz. Die Besucher sind allgemein anonym, allerdings gibt es über Cookies („elektronische Post it-Zettel“) o. Ä. die Möglichkeit der sukzessiven Profilierung jedes einzelnen Nutzers. Dazu werden Informationen über den jeweiligen Besuch auf der Festplatte des Nutzer-PC’s abgelegt und bei einem erneuten Zugriff auf dieselbe Präsenz durch den Browser wieder aktiviert. Auf diese Weise werden Informationen kumuliert, die einen immer besseren Eindruck des Nutzerprofils erlauben. Ab einer gewissen Kritischen Masse sind auf dieser Basis individualisierte Informationsangebote generierbar, die den manifestierten Interessen aus dem Nutzerprofil entsprechen. Bei der Internet-Präsenz handelt es sich um einen typischen Pull-Kanal, d. h., es sind nur Teilnehmer erreichbar, die sich schon irgendwo im Netz befinden. Daher muss ein Anbieter konstitutiv zunächst die Aufmerksamkeit der Teilnehmer wecken und auf seine eigene Präsenz lenken. Dafür gibt es mehrere Möglichkeiten. Erstens kann über Offline-Kanäle auf die Präsenz hingewiesen werden, etwa durch Anzeigen, TV-Spots, Prospekte, Geschäftspapiere etc. Zweitens kann in anderen Präsenzen auf die eigene Präsenz hingewiesen werden, meist geschieht dies im Tausch bilateral oder multilateral über Affiliate-Netzwerke. Damit erreicht man die Nutzer dieser Sites, und zwar umso mehr, je stärker diese Sites frequentiert werden. Daraus bezieht sich die Stärke der Portale als häufigst genutzte Eingangsseiten in das Internet. Denn diese schaffen durch hohen Traffic vielfache Kontakte. Und drittens muss man für eine ordentliche Vertretung in den Suchmaschinen sorgen, dies durch entsprechend indexierte Stichwörter.

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Dennoch wird eine Internet-Präsenz nur aufgesucht werden, wenn Besucher sich einen konkreten Nutzen davon versprechen. Im Kern geht es um zwei Nut­ zen­angebote: Wissen oder Unterhaltung. Entsprechend müssen im Kern die Informationen der Anbieter zugeschnitten sein. Zwar ist der einmalige Besuch einer Internet-Präsenz schon gut, aber wirklich nutzbringend ist erst der wiederholte Besuch durch ein und denselben Nutzer. Dafür kann man im Browser Adressen, zu denen man wiederkehren will, als Lesezeichen (Bookmarks) kennzeichnen. Allerdings bedarf es einer Motivation zur Wiederkehr. Diese wird vor allem durch Content aus Information und / oder Unterhaltung erreicht, auf den ein mehrfacher Zugriff lohnend erscheint. Denkbar ist auch die Verteilung von Mitteilungen an identifizierte Nutzer per e-Mail (Newsletter), das undifferenzierte Versenden von Nachrichten (Spamming) ist hingegen, zumindest gegenüber Privatpersonen, verboten und verstößt auch gegen die selbst gesetzten Verhaltensregeln im Internet (Netiquette). Dabei ist die pure Faszination an der modernen Technik als zielloses, zufälliges Surfen längst von der zielgerichteten Suche nach bestimmten Inhalte abgelöst worden. Insofern steht die Hoffnung auf Zufallskontakte mit der eigenen Präsenz auf immer schwächeren Beinen. Vielmehr ist eine bewusste Kanalisierung des Zugriffs erforderlich. 26.3.2 Non-WWW-Medien

Das Internet stellt verschiedene Dienste zur Verfügung, deren Nutzung relativ einfach ist, da für jeden dieser Dienste entsprechende Programme am Computer aufgerufen werden können. Das Internet ist seit August 1991 öffentlich verfügbar. Der bekannteste Dienst ist sicherlich das World Wide Web (WWW). Daneben gibt es aber noch eine ganze Reihe weiterer Internet-Dienste. Der am weitesten verbreitete Dienst ist sicherlich die Electronic Mail (e-Mail). Sie wird genutzt, um Nachrichten und Informationen zeitversetzt zwischen zwei oder mehreren Kommunikationspartnern zu übermitteln. Wie beim Versenden herkömmlicher Briefe ist durch den Absender eine Nachricht zu verfassen, diese ist mit der Anschrift des Empfängers (e-Mail-Adresse) zu versehen und abzuschicken. Sie gelangt zum „Postamt“ (Mail-Server) des Absenders, das die elektronische Post zum Mail-Server des Empfängers versendet. Dort wird sie zwischengelagert, bis der Empfänger seine e-Mail-Software startet und damit praktisch in seinen Briefkasten schaut. Neben dem Versenden von Nachrichten an Einzelpersonen oder Gruppen ist es auch möglich, Texte, digitale Daten für Grafiken, Bilder, Sound-Dateien etc. und elektronische Newsletters per e-Mail zu verschicken. Der Kopfteil der e-Mail enthält den Adressaten, Kopie-Empfänger und Betreff. Diese Angaben dienen dem Transport. Der Textteil der e-Mail enthält die

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eigentliche Nachricht. e-Mails sind extrem schnell. Die Nachrichten landen innerhalb weniger Sekunden beim Empfänger, unabhängig von dessen physischem Standort. Mit gleicher Geschwindigkeit ist es möglich, eine Antwort zu erhalten. e-Mails sind kostengünstig, Gebühren fallen nicht an. Versand und Zustellung können rund um die Uhr (24/7) erfolgen. Zur Übertragung werden verschiedene Protokolle wie SMTP (Simple Mail Transfer Protocol), POP3 (Post Office Protocol), IMAP (Internet Message Access Protocol) und MIME (Multipurpose Internet Mail Extensions) verwendet. Allerdings muss man berücksichtigen, das e-Mails regelmäßig nicht datengeschützt sind. Theoretisch kann ein Systemverwalter (Postmaster) die e-Mail an jedem Knoten, den sie während des Versands passiert, lesen. Daher sollten vertrauliche Daten verschlüsselt werden. Die genaue Zahl der e-Mail-Adressen ist nicht bekannt, da die Provider den Namen für Server-Adressen über Wildcards für einzelne Buchstaben / Ziffern vergeben, die es erlauben, aus sämtlichen Zahlen- und Ziffernkombinationen Adressen zu generieren. So dürften an jeder Domain zwei bis drei e-Mail-Adressen hängen, wobei jedoch nicht bekannt ist, welche der den Nutzern zugewiesenen Adressen wirklich genutzt werden und welche tatsächlich stillliegen. Diskussionsforen (Newsgroups) sind automatische Verzeichnissysteme für Diskussionsbeiträge. In diesen Gruppen kann man mit Personen kommunizieren, die sich gerade mit bestimmten Themen welcher Art auch immer beschäftigen, um dadurch an Informationen zu gelangen bzw. Informationen mit Gleichgesinnten auszutauschen. Häufig unterhalten diese Listen auch ein Archiv, in dem man ältere Diskussionsbeiträge nachverfolgen kann. Die Kommunikation erfolgt über das Usenet via NNTP (Network News Protocol) und asynchron, also zeitversetzt. Bei offenen Listen ist es jedermann möglich, an der Diskussion teilzunehmen. Um als Teilnehmer aufgenommen zu werden, schickt man eine e-Mail an die Listserver-Adresse und bezieht sich auf eine bestimmte Diskussionsgruppe. Damit ist man dort angemeldet. Um einen Beitrag zur Diskussionsgruppe zu leisten, sendet man eine e-Mail mit seinem Beitrag an die Listenadresse. Alle in einer Diskussionsliste angemeldeten Teilnehmer erhalten dann diese e-Mail durch Weiterleitung über diese Listenadressen. Bei moderierten Listen werden die Diskussionsbeiträge zuerst an einen Moderator geschickt, der sie im Hinblick auf bestimmte Grundsätze der Diskussionsliste und auf ihre inhaltliche Eignung zum relevanten Thema hin prüft. Fachlich ungeeignete oder uninteressante e-Mails werden nicht weitergeleitet. Dadurch ist eine höhere Qualität der veröffentlichten Beiträge zu vermuten, zugleich besteht aber auch die Gefahr einer, wenn auch nur unbewussten, Zensur. Bei nicht-öffentlichen Listen werden Teilnehmer nicht ohne Weiteres in die Diskussionsgruppe aufgenommen. Vielmehr ist an den Listenverwalter ein Aufnahmeschreiben zu richten. Dieser bestimmt dann über die Aufnahme, wodurch

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die Anzahl der Diskussionsmitglieder kleiner und das mutmaßliche Niveau deren Beiträge womöglich höher gehalten werden kann. Das File Transfer Protocol (FTP) ist ein betriebssystemübergreifendes Protokoll zur Übertragung von Text- und Binärdaten zwischen verschiedenen Rechnern, die an das Internet angeschlossen sind (Peer to Peer-System). Durch die Nutzung dieses Protokolls ist es möglich, Dateien und Programme über das Internet auf den eigenen Computer herunter zu laden oder auf fremden Computern abzuspielen. Jeder Rechner kann dabei zugleich als Client und Server fungieren. FTP steht damit in Konkurrenz zum WWW, das ebenso zur Verbreitung von Informationen geeignet, diesem aber hinsichtlich seiner multimedialen Fähigkeiten überlegen ist. Dateien oder Software werden über FTP-Server, die ein immenses Archiv verwalten, herunter geladen. Teilweise ist vorher die Eingabe eines Password erforderlich. Dann muss der Nutzer nur noch die gewünschte Datei / Software anklicken und das Verzeichnis angeben, in das er diese zu kopieren wünscht. Um die gewünschten Dateien / Software zu finden, dient Archie als Suchdienst. Dieser Server verfügt über ein Archiv aller FTP-Server und deren jeweiliger Inhalte, so dass man über Archie Auskunft darüber erhalten kann, wo sich eine gewünschte Quelle befindet. Gopher unterstützt den Nutzer dabei, auf die verschiedenen Ressourcen des Internets zuzugreifen. Die Suche nach diesen Informationen beginnt dabei an einem Einstiegspunkt im Suchraum (Gopherspace), von dort aus geht es über Links zu weiteren Gopher-Servers, die potenzielle Informationen bereithalten. Dieser Dienst wird allerdings durch das WWW verdrängt. Terminalemulationen (Telnet) erlauben im Rahmen von Virtuellen Privaten Netzwerken (VPN) dem Anwender die Anmeldung an und die Nutzung von entfernten Rechnern (Hosts), deren Programme gestartet und genutzt werden können. Der eigene Rechner arbeitet dabei als Terminal am entfernten Rechner, ohne dass dieser dort als dessen Server installiert wäre. Der Bildschirminhalt des entfernten Rechners wird vielmehr auf den eigenen Rechner geschickt, dort verarbeitet und dargestellt. Zur Nutzung ist eine entsprechende Software sowohl am eigenen als auch am entfernten Rechner erforderlich. Teilweise wird für den Zugriff ein Passwort verlangt. Telnet eröffnet große Möglichkeiten für Teleworking, allerdings ist die Nutzung rein befehlsorientiert und damit wenig benutzerfreundlich. Insofern kommt es auch hier zu einer Verdrängung durch das WWW. 26.3.3 Web 2.0-Medien

Das WWW in Form der Web 2.0-Anwendungen beinhaltet den Trend von der Massenkommunikation zur individualisierten Kommunikation (Personalisierung), von der Push- zur Pull-Kommunikation (eigener Content / UGC) und

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von der Einweg- zur Dialogkommunikation (interaktiv). Der User stellt zugleich Content für andere zur Verfügung und nutzt Content dieser anderen. Dies erfolgt durch • Networking zur Selbstpräsentation der Nutzer, deren Vernetzung untereinander in Gruppen und von Inhalten und Nutzern über Internet-Plattformen (z.B Facebook, Google+, Path, Stayfriends, Xing, LinkedIn), auch als Online-Communities, • Blogging über die Bereitstellung von Authoring Tools zur Erstellung von Weblogs, zum Hosting von Blogs und zu deren Kategorisierung, auch als RSSFeeds und Microblogs, • Filesharing durch die Bereitstellung von Online-Speicherplatz zur Systematisierung von Inhalten sowie zur Suche und Darstellung von Informationen, auch als Wikis, • Tagging zur zentralen Archivierung und ubiquitären Verfügbarmachung von Bookmarks und deren Verschlagwortung (z. B. MisterWong), auch zur Aggregation User-generierter Bewertungen (z. B. Preisvergleich) (siehe Abb. G40).

Abbildung G40: Web 2.0-Medien (eig. Abb.)

Alle Anwendungen basieren auf folgenden Prinzipien. Das Internet dient als Plattform, es geht um die Nutzbarmachung kollektiver Intelligenz, es herrschen nutzergenerierte Inhalte vor, leichtgewichtige Programmmiermodule (z. B. Apps) sind gegeben, die Anwendungen sind endgeräteneutral und es besteht eine ausgebaute Nutzerführung. 26.3.3.1 Networking

Bei Sozialen Netzwerken handelt es sich um Nutzergemeinschaften von Webdiensten, die entweder nur auf bestimmte Personenkreise begrenzt bleiben oder jedermann einbeziehen. Jedes Mitglied kann sich dazu eine persönliche Seite

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einrichten (Profil), um sich anderen Mitgliedern mit diversen Sichtbarkeitseinstellungen zu präsentieren. Ein leichter Empfang und Versand von Nachrichten ist über Kontaktlisten / Adressbücher nach bestimmten persönlichen Merkmalen möglich. Dabei werden der Versand interner Nachrichten und die Bildung von Interessengemeinschaften angestrebt. Gleichgesinnte können gemeinsame Aktivitäten in Blogs planen. Soziale Netzwerke finanzieren sich neben Mitgliedsbeiträgen primär durch Werbung / Sponsoring. Unternehmen können dort Fanseiten unterhalten, um Markenbotschaften zu verbreiten und durch Verlinkung den Traffic auf ihrer Site zu erhöhen. Dies ist vor allem lohnend, weil sehr aussagefähige Nutzerprofile vorliegen und die Nutzer eng vermascht intensiv kommunizieren. Gerade diese kommerzielle Nutzung von Mitgliederdaten gerät jedoch, vor allem unter datenschutzrechtlichen Gesichtspunkten, immer stärker in die Kritik. Eine Erfolgsmessung ist schwierig, aber durch „Zuhören“ anhand der Erfassung von Schlüsselwörtern wie Fachtermini, Marke / Firma oder Trendthemen möglich. Wichtig ist dabei eine Sentiment-Analyse (Tonalität), diese ist wiederum schwierig bei Ironie, Redewendungen, Abkürzungen, Slang, verbreiteten Rechtschreibfehlern, doppelten Negationen, Mehrdeutigkeiten etc. Besonders wichtig ist dabei eine Meinungsführeridentifizierung. Messwerte sind bei Facebook durch Minilytics möglich, z. B. nach „Gefällt mir“ (Fans bzw. Freunde von Fans in absoluten und relativen Werten), Reichweite (Anzahl der Personen, die mit der Seite verknüpft sind bzw. diese abonnieren), Personen, die darüber posten etc. Innerhalb der professionellen Sphäre haben sich Karrierenetzwerke wie XING, LinkedIn etabliert. Hier geht es um berufliche Kontakte und das Kennenlernen „interessanter“ Personen, um die Kontaktpflege zu Kollegen, Geschäftspartnern, potenziellen Kunden etc., also durchaus geschäftsrelevante Inhalte. Online-Communities sind organisierte Gruppen, die im Internet miteinander kommunizieren und interagieren. Als Basis dient eine Soziale Plattform, der Austausch erfolgt im Einzelnen über e-Mails, Foren, Chatsysteme, Instant Messaging, Blackboards oder Tauschbörsen. Voraussetzung dazu sind die Regis­ trierung und Einrichtung eines Nutzerkontos. Meist werden dazu Pseudonyme verwendet, teils sind auch Gastzugänge möglich. Kommerzielle (proprietäre) Communities übernehmen den Aufbau und die Administration der Struktur, teilweise auch die Moderation. Offene Systeme erlauben die Kommunikation aus und in verschiedene Netzwerke. Die Inhalte sind themenorientiert (z. B. Spiele, Reisen, Sport), oft werden auch Knowledgemanagement (Wiki), Voting / Rating einbezogen. Verbreitet sind auch Entwickler-Communities (e-/Open Source). 26.3.3.2 Blogging

Weblogs (Blogs) sind häufig aktualisierte Webseiten, auf denen Inhalte jeglicher Art in chronologisch absteigender Reihenfolge angezeigt werden. Alle Inhalte sind meist durch Links mit anderen Webseiten verbunden und können

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unmittelbar durch den Nutzer kommentiert werden. Weblogs können thematisch organisiert sein und dabei Kategorien zugeordnet werden. Autor ist entweder eine einzelne Person oder eine Gruppe. Der Begriff Weblog ist zusammengesetzt aus World Wide Web und Logbook. Eine eigene Software zum Erstellen von Posts (Blogware) sorgt dafür, dass jedermann ohne Webspace oder Programmierkenntnisse eine Interpräsenz in Form eines elektronischen Tagebuchs als Autor (Blogger) erstellen kann. Die Publikation ist kostenlos, inhaltlich nicht begrenzt, jedoch nach Rubriken strukturiert, frei zugänglich, dialogisch angelegt und im globalen Maßstab möglich. Innerhalb der Blogosphäre ist eine starke Vernetzung untereinander gegeben, die Kommunikation ist direkt und persönlich. Elemente eines Weblogs sind der Beitrag selbst (Blogpost), Kommentare dazu, dauerhafte, unveränderliche Links (Permalinks), ein Trackback, d. h. Rückverweis an die Ursprungsadresse darüber, wie der Content weitergenutzt wurde, eine Blogroll, d. h. eine Linksammlung mit angebotenen Verweisen zu Kategorien, Tags, d. h. häufig verwendete Schlagwörter sowie der Verwaltungsbereich und die RSS-Newsfeed-Funktion. Tag Clouds stellen die vorkommenden Begriffe automatisch grafisch so dar, dass die häufigeren Begriffe in größerer Schrift erscheinen. So kann rasch und einfach die Relevanz von Blogs erkannt werden. Man unterscheidet Textblogs, Photoblogs, Audioblogs, Videoblogs, aber auch Linkblogs, Wahlblogs, Sportblogs, Watchblogs etc. Neben privaten gibt es auch Corporate-Blogs. Alle Weblogs erfordern einen Impressums-Hinweis, außerdem sind die Urheber- und Nutzungsrechte zu beachten. Ein wesentliches Problem ist das „Am-Leben-erhalten“ der Weblogs. Denn diese profitieren von aktuellen Einträgen und Kommentaren. Wenn zu wenig Aktivität auf Weblogs erfolgt, werden sie rasch uninteressant. Außerdem erfordert die Auswertung der Weblogs viel Zeitaufwand, daher ist eine Auslagerung an Dritte dafür ratsam. Sofern eine Moderation des Weblogs vorgenommen wird, ist auch dieser als arbeitsaufwändig zu betrachten. Davon abgesehen sind Weblogs kostengünstig, ortsunabhängig nutzbar, einfach bedienbar und interaktiv, sie sind schnell, unzensiert und vielfältig in ihren Inhalten sowie plattformunabhängig einsetzbar. Allerdings ist auch viel Datenmüll vorhanden, es gibt reichlich Urheberrechtsverletzungen und verzerrte bzw. verfälschte Inhalte. Beim Microblogging handelt es sich um eine Form eines öffentlich einsehbaren Tagebuchs. Der Abruf ist stationär oder mobil im Internet möglich. Das Besondere ist, dass die Textnachrichten meist max. 140 Zeichen lang sein dürfen, darüber hinaus sind auch Bildnachrichten einbindbar (z. B. Twitter, Jaiku). Es handelt sich um ein Echtzeitmedium, das Schreiben von Texten wird dabei twittern genannt. Tweets sind dann die Nachrichten. Benutzer können Nachrichten auch abonnieren, das referenzierte Wiederholen solcher Nachrichten wird Retweet genannt. Die Abonnenten sind Followers. Die Autoren sind Twitterer. Sie können entscheiden, welchem Follower-Kreis sie ihre Nachrichten zur Verfügung stellen. Die

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Suchfunktion kann durch Hashtags (#) im Text unterstützt werden. Dadurch kann die Popularität von Beiträgen verfolgt werden. Hashtags dienen auch zur Kommentierung von Texten durch Querverweis. Die Darstellung erfolgt chronologisch abwärts geordnet in einem Log als Tagebuch ähnlich Weblogs. Twitter sammelt personenbezogene Daten durch die Registrierung jedes Teilnehmers ein. Durch Verkauf dieser Daten werden Einnahmen generiert. Dadurch können Unternehmen gezielt Kontakt zu Nutzer-Communities aufbauen und pflegen. Messwerte sind bei Twitter Twazzup die Anzahl der Followers bzw. der Followers von Followers (Diskussionsteilnehmer), @-Mentions (Erwähnungen), Favorisierungen (Befürworter), Häufigkeit von Hashtags (#) etc. 26.3.3.3 Filesharing

Auf Mediasharing-Plattformen kann jeder Nutzer Videos / Fotos / Audios / Charts hochladen und andere Videos / Fotos / Audios / Charts kommentieren (z. B. Flickr, Youtube, Myvideo, Google Foto, Pinterest). Die Mediadateien können auch heruntergeladen und in andere Websites integriert oder per e-Mail versendet werden. Damit ist der Einbau in Unternehmenspräsentationen, Produktinforma­ tionen etc. machbar. Es ist auch möglich, Mediadateien bestimmter anderer Nutzer zu abonnieren. Für Präsentationszwecke sind vor allem Videos hilfreich. Diese wiederum werden vor allem als Tutorials etwa in Form von Gebrauchsanleitungen oder Schnellkursen offeriert. Über ein Partner-Programm werden Urheber für die Downloads ihrer Dateien provisioniert. Werbespots werden häufig der Anzeige von Videos vorgeschaltet, sie sind nur mit Werbeblockern ausschaltbar. Digitale Fotos eignen sich u. a. für Fotoblogs oder als Vorlagen für Printing on Demand. Sie können mit Bildverwaltungs-Software erfasst, geordnet und aufgerufen werden. Häufig ist auch Bildbearbeitungs-Software eingebettet. Verbreitet sind weiterhin virtuelle Pinnwände für favorisierte Fotos, die öffentlich einsehbar sind. Chart-Präsentationen dienen vor allem der Nutzung für berufliche Zwecke. Audios hingegen dienen überwiegend unterhaltenden Zwecken. Ein Wiki ist allgemein ein Hypertext-System von Webseiten, dessen Inhalte von Nutzern nicht nur gelesen, sondern auch online neu eingegeben oder verändert werden können. Dem liegt die „Weisheit der Vielen“ als Schwarmintelligenz zugrunde. Meist erfolgt eine themenorientierte Ausformung auf allgemeine oder spezielle Interessen ausgerichtet. Die Software für Wikis, ein vereinfachtes Con­ tent Management System (CMS), die Wiki-Engine, ist frei verfügbar, so dass jeder Website-Betreiber sein eigenes Wiki einrichten kann. Wikis werden auch unternehmensintern betrieben, etwa im Innovationsmanagement. Sie erlauben das gemeinschaftliche Arbeiten an Texten und nutzen die kollaborative Intelligenz in Unternehmung, Abteilungen oder bei Projekten. Sie lassen sich auf Arbeitsplatzrechnern, in lokalen Netzwerken oder Extranets installieren. Von zentraler Bedeu-

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tung ist dabei das Versionsmanagement. Erforderlich ist eine Kritische Masse an Nutzern und Beiträgen. Offene Wikis sind im Regelfall werbefrei und finanzieren sich durch Spenden. Geschlossene Wikis sind ein zunehmend wichtiges Mittel der internen Kommunikation. In Unterscheidung zu Blogs sind die Einträge thematisch organisiert, nicht zeitlich. 26.3.3.4 Tagging

Auf als persönliche Favoriten gespeicherte Webseiten kann man normalerweise nur vom eigenen PC aus zugreifen. Jedoch können diese Favoriten mit Tags (Internet-Lesezeichen) versehen und von anderen Nutzern übernommen bzw. mit anderen Nutzern über Server im Extranet oder Intranet ausgetauscht werden, so dass sich Nutzer gegenseitig auf interessante Webseiten hinweisen können. Dazu werden solche Links im Social Bookmarking als „öffentlich“ markiert. Beispiele sind digg, reddit, stumbleupon etc. Diese gemeinschaftlichen Indexierungen werden von Suchmaschinen registriert und verbessern damit das Ranking der verwiesenen Seiten (Backlinks). Darin liegt zugleich eine Missbrauchsmöglichkeit, so dass Bewertungen von Lesezeichen eingeführt worden sind. Die Gliederung kann nach Schlagwörtern, Kategorien oder Nutzern vorgenommen werden. Außerdem gibt es Favoriten-Rankings. Die Listen können mittels RSS-Feed verfolgt werden. Bookmarks sind damit ein probates Mittel zur Steigerung der Popularität der eigenen Website. In Bewertungsportalen werden von Nutzern online Produkte, Dienste, Unternehmen und Organisationen bewertet. Weitere Objekte der Bewertung sind Lehrer, Hochschullehrer (mein.Prof), Arbeitgeber (z. B. Kununu), Ärzte (Jameda), Rechtsanwälte etc. Weiterhin gibt es branchenspezifische Portale, wie Holidaycheck, HRS, Trivago etc. Üblich ist die Zusammenführung von Kartendiensten und Bewertungsinhalten (z. B. Qype). Online-Bewertungen gewinnen ständig an Bedeutung, von einer Vielzahl von Nutzern werden sie vor Kaufentscheidungen zurate gezogen. Aber auch Anbieter nutzen sie als Basis für Angebotsverbesserungen. Empfehlungsportale veröffentlichen nur positive Bewertungen, Feedbackportale leiten Bewertungen ohne Veröffentlichung an Betroffene zur Auswertung weiter. Bei Schmähkritiken und unwahrer Kritik von Mitbewerbern besteht ein Anspruch auf Löschung des Eintrags. Häufig finden sich Gateways zu Preisvergleichsportalen (z. B. billiger, ciao, idealo). Diese greifen häufig selektiv auf Informationen von Metasuchmaschinen zurück, um einem Produkt die Preise verschiedener Anbieter zuzuordnen. Darüber hinaus gibt es Informationen zu Lieferfähigkeit, Testberichten, Ökologie, Sicherheit etc. Häufig sind die Angaben allerdings veraltet oder nicht vergleichbar. Auch besteht eine Abhängigkeit von den gelisteten Anbietern.

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26.4 Suchmaschineneinsatz 26.4.1 Typen

Damit eine Website gefunden werden kann, ist ihr Eintrag in Suchmaschinen unerlässlich. Diese werden intensiv genutzt, um sich im unübersichtlichen Geflecht des Internet diejenigen Informationen heraus zu fischen, die man gerade benötigt. Nutzer geben dazu den oder die Suchbegriff(e) in eine Datenbank ein, die daraufhin alle Eintragungen durchsucht und die Adressen ausweist, in denen der / die Suchbegriff(e) vorkommt oder die damit in Verbindung stehen. Es können drei Typen von Suchmaschinen unterschieden werden (siehe Abb. G41): • Volltextsuchmaschinen durchwühlen automatisch 24 Stunden am Tag 7 Tage die Woche alle erreichbaren Websites und speichern deren Überschriften und Teile der dort jeweils abgelegten Texte Wort für Wort und legen diese auf e­ inem Server ab. Bei einem Suchauftrag durchforstet die Suchmaschine diesen Server-Vorrat und weist die entsprechenden Treffer aus. Dies erfordert eine möglichst exakte Definition des Suchfeldes, weil ansonsten unübersichtlich viele Treffer zustande kommen. Daher ist es zweckmäßig, bei der Suche eingrenzende Formulierungen (durch Boole’sche Algebra, z. B. AND-Operatoren) vorzunehmen. Besonders geeignet sind Volltextsuchmaschinen für die Detailsuche nach speziellen Informationen, sofern die Eingrenzungen und Spezifizierungen zweckmäßig gewählt werden. Beispiele sind google, altavista, msn, ask etc. • Web-Kataloge werden von Redakteuren zusammengestellt, die Webseiten indexieren, also den Inhalten Stichwörter zuordnen, die sie in einen Katalog einstellen. Dieser Katalog ist hierarchisch aufgebaut. Bei einem Suchauftrag wird dieser Web-Katalog von Stichwörtern durchsucht. Entsprechend kann die Suche sehr effizient gestaltet werden. Es gibt kaum irrelevante Treffer, dafür sind aber auch längst nicht alle Schlagwörter erfasst, so dass nicht alle relevan-

Abbildung G41: Typen von Suchmaschinen (eig. Abb.)

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ten Websites wirklich ausgewertet werden können. Dennoch ist dies die beste Wahl, um sich an ein Sachgebiet heranzutasten. Gängige Web-Kataloge sind web, dino, yahoo etc. • Meta-Suchmaschinen führen keinen eigenen Datenbestand, sondern durchsuchen parallel mehrere Volltextsuchmaschinen, Web-Kataloge und andere Spezialdatenbanken. Dadurch kann auf einen riesigen Informationsbestand zugegriffen werden, allerdings hängt die Nutzbarkeit der Angaben von der zweckmäßigen Eingrenzung des Suchbegriffs ab. Um einen ersten Überblick über ein Sachgebiet zu erhalten, sind diese Dienste aber sehr gut geeignet. Gebräuchliche Meta-Suchmaschinen sind Metaspinner, Apollo, Metager etc. Beim Indexieren des Webseitentextes durch Suchmaschinen wird zunächst der Titel einer Seite durch die Suchmaschine erfasst und ausgewertet. Dieser bildet das wichtigste Kriterium bei der Bestimmung der Relevanz eines Suchergebnisses für die Anfrage des Nutzers und entscheidet darüber, ob man mit seiner Adresse oben oder unten in einer Suchliste ausgewiesen wird. Auch die folgenden Abschnitte des Textes werden durch die Suchmaschine erfasst. Dabei wird die Inhaltsangabe, die bei der Ausgabe der Adressenliste mitgeliefert wird, automatisch erstellt. Somit ist die Formulierung des ersten Absatzes einer Seite wichtig, dabei muss diese Formulierung nicht unbedingt auf dem Bildschirm sichtbar sein. Durch Meta-Tags, die eine Seite inhaltlich beschreiben, aber durch den Browser nicht sichtbar gemacht werden, können Schlüsselwörter als relevanter als vielleicht tatsächlich im Text gegeben, ausgewiesen werden. Verzeichnisse erlauben den Eintrag von Website-Inhabern in entsprechenden Kategorien. Dazu gibt es meist ein Anmeldeformular, das neben den Inhalten auch eine Charakterisierung der Seite ermöglicht. Dazu sollten Anmelder eine kurze Beschreibung des Seiteninhalts hinterlegen, die zusammen mit der Adresse nach Anfrage in einer Ergebnisliste des Verzeichnisnutzers ausgegeben wird. Um möglichst weit oben auf der Ergebnisliste platziert zu sein, ist es hilfreich, wenn der Titel einer Website das vom User vorgegebene Suchwort enthält. Eine Platzierung weit oben auf der Ergebnisliste (1. Seite) macht die tatsächliche Nutzung wahrscheinlicher, da Nutzer die Liste für gewöhnlich von oben beginnend anwählen und ihre Suche einstellen, wenn sie die ihnen geeignet erscheinende Information gefunden haben. Je weiter unten ein Eintrag daher auf der Liste platziert ist, desto wahrscheinlicher ist es, dass er nicht mehr aufgerufen wird, weil das zugrunde liegende Informationsproblem bereits gelöst ist. Die Anmeldung wird durch die Mitarbeiter des Verzeichnisanbieters geprüft und dann in das Verzeichnis aufgenommen. Hybride Suchmaschinen bieten zusätzliche Verzeichnisse mit den Seiten aus dem Hauptindex an. So wird vermieden, dass Inhalte deshalb nicht gefunden werden, weil sie dem falschen Index zugewiesen worden sind. In hybriden Suchmaschinen kann man daher zwischen Verzeichnissen wechseln und dort jeweils erneut suchen.

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Der Eintrag in die diversen Verzeichnisse ist zeitaufwändig. So bieten Dienstleister die Übernahme des Eintrags in die gängigen Suchmaschinen an. Möglich ist auch die automatische Anmeldung durch entsprechende Registrierungs-Software, dabei ist allerdings kein Feintuning des Eintrags möglich, so dass erhebliche Chancen vergeben werden. Dafür können Zeit und Geld eingespart werden. Website-Optimierer verbessern die Platzierung durch Website-Analyse über Sichtbarkeit der Inhalte, Logfile, technische Analyse, durch Optimierung der Website, durch Anmeldung zur Indexierung und Beobachtung der Ranking-Regeln bei Veränderung. Suchmaschinen erfassen mittels Suchrobotern (Crawlers) alle bei der Suchmaschine verfügbaren URL’s und folgen dort den Links bis zu einer bestimmten Tiefe, meist bis zur dritten Click-Ebene, um zu weiteren Seiten zu gelangen. Alle gesammelten Seiten werden analysiert und indexiert. Horizontale Suchmaschinen suchen alle Websites, z. B. eines Landes oder einer Sprache, ab. Vertikale Suchmaschinen suchen nur in einem Themenbereich. Bei Google werden Quellen nach ca. 200 verschiedenen Kriterien, die im Einzelnen geheim sind, durchsucht. Die vom Crawler gefundenen Seiten werden regelmäßig an einen zentralen Indexer übertragen und dort zu einem durchsuchbaren Index verarbeitet. Aus diesem Index werden Nutzeranfragen entsprechend den Ranking-Kriterien der Suchmaschine mit einer geordneten Liste von URL’s und deren Beschreibungen beantwortet. Die Indexierungstiefe gibt an, wie weit die Linkverfolgung ausgehend von den Websites der oberen Hierarchieebene geht. Die Indexierungshäufigkeit gibt die Aktualität der Inhalte der Website an. Ein relevantes Problem stellen dabei die Daten des Deep Web dar. Darunter versteht man nicht frei zugängliche Inhalte (password-geschütztes Private Web), Inhalte, die von Suchmaschinen nicht indexiert werden können (z. B. weil sie grafisch verschlüsselt sind) und dynamisch-erstellte Inhalte (PHP o. Ä.), die sich zeitabhängig seit der letzten Indexierung verändert haben. Man schätzt, dass diese Inhalte ca. 80 % der gesamten Web-Inhalte ausmachen. Teilweise kann das Deep Web durch Fachdatenbanken erschlossen werden. Letztlich aber bleibt dieser wichtigste Teil des Web verborgen. Dies gilt auch für das Dark Net, einen verschlüsselten Bereich des Internets, das allerdings häufig für kriminelle Praktiken missbraucht wird. Angestrebt wird für eine Webpräsenz eine möglichst gute Platzierung in den Suchergebnislisten. Die Kriterien zur Bewertung der Relevanz von Ergebnissen sind jedoch von Suchmaschine zu Suchmaschine verschieden. Diese Kriterien bleiben geheim, um Index-Spamming zu erschweren, das versucht, durch manipulierte Angaben Topplatzierungen zu erreichen. Für die Qualität der Ergebnisse sind die Menge der ausgelieferten Suchergebnisseiten bzw. die Nutzungsreichweite der Suche ausschlaggebend. Die Zahl der Suchergebnisseiten gibt die Kapazität der Suchmaschine an, die Nutzungsreichweite die Anzahl der Nutzer innerhalb eines bestimmten Zeitraums.

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26.4.2 Nutzung

Suchmaschinen schaffen ein Mindestmaß an Transparenz im Internet / WWW. Der Einsatz ermöglicht Unternehmen zwei Nutzungsformen, die Suchmaschinen-Optimierung (SEO) und die Suchmaschinen-Werbung (SEA) Suchmaschinen-Optimierung (SEO) befasst sich mit der technischen Optimierung der Auffindbarkeit und Zuordnenbarkeit von Webseiten. Diese Optimierung kann onsite erfolgen, d. h. durch Maßnahmen auf der Site selbst zur Verbesserung der Position von Suchergebnissen bei Anfragen (z. B. höhere Stichwortdichte), oder offsite, d. h. durch Verlinkung / Referenzierung von Webseiten auf / von dritten Sites, um dadurch zu mehr Relevanz zu gelangen (z. B. Google Pagerank 0 – 10). Ein suchmaschinen-freundliches Webdesign erhöht die Wahrscheinlichkeit guter Platzierungen. Dazu gehören folgende Elemente: • die Fokussierung auf die Top-Web-Crawler Google, Alta Vista, Lycos, Web. de, Yahoo etc., Verlinkungen innerhalb der Site, da nur die zur Homepage verlinkten Seiten gefunden werden können, der Title Tag als in der Browser-Leiste angezeigter Titel der Website, dieser sollte bereits die wichtigsten Begriffe der Site enthalten, für alle Hauptseiten sollten spezifische Title Tags verwendet werden, der Einbau der Suchbegriffe in den Text, eine hohe Linkpopularität durch viele Querverweise und eine lange Laufzeit der Domain (Alter), eine flache Hierarchie der Site-Struktur, da die Links nur bis zu einer bestimmten Tiefe verfolgt werden (siehe Abb. G42). Abträglich sind hingegen • eine hohe Downtime des Servers als Zeit, während der ein Server technisch nicht erreichbar ist, kopierter Content auf mehreren Seiten, Links von Low

Quelle: d152j5tfobgaot.cloudfront.net/wp-content/uploads/2015/ 02/your story_SEO_InsideArticle.jpg

Abbildung G42: Auswahl SEO-Parameter

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Quality-Seiten ausgehend, identische Metatags auf vielen Unterseiten und die Teilnahme an Linkfarmen. Das Deep Web entsteht infolge des Aussperrens von Crawlers durch WebsiteBetreiber, durch nicht-aussagefähige Metatags, Passwort-Schutz für die Seiten, dynamische Programmierungen (Datenbanken), Echtzeit-Seiteninhalte, fehlende Verlinkung von und zu anderen Seiten, zahlungspflichtigen Zugang, Campuslizenzen etc. Diese wichtigen Inhalte bleiben damit „verborgen“. Beim Keyword Advertising (Suchmaschinen-Werbung / SEA) erfolgt der Kauf von Werbeplatzierungen, die bei Eingabe definierter Suchbegriffe außerhalb der Suchergebnisse (organische Ergebnisse) im bezahlten Bereich der Suchmaschine (gekaufte Ergebnisse) erscheinen. Die Bezahlung erfolgt durch Pay per Click, d. h., jeder Werbungtreibende bietet einen bestimmten Geldbetrag für eine Platzierung in den bezahlten Rankings und definiert eine Budgetgrenze für einen Zeitraum. Die relative Höhe des Gebots entscheidet über den Rangplatz, die Adresse wird solange ausgewiesen, bis durch Clicks auf den Link das Budget aufgebraucht ist. Der Werbungtreibende kann dann entscheiden, sein Budget zu erhöhen oder auf eine weitere Platzierung verzichten. Meist werden zwei bis fünf zugehörige Suchwörter definiert. Die Bedeutung ist sehr hoch, da die meisten Nutzer Suchmaschinen zur Übersicht im Internet einsetzen, insb. vor Kaufentscheiden. Zumeist werden dabei nur die Links auf der ersten Seite ausgeführt. Allerdings gibt es hier auch Click-Betrug durch Konkurrenten. Hinweise darauf sind eine hohe Zahl von Seitenaufrufen aus dem Ausland, Seiten, die über wechselnde IP-Adressen aufgerufen und dabei nicht identifiziert werden können, vermehrte Seitenzugriffe, bei denen die Besucher der Site diese nach Aufruf unmittelbar wieder verlassen sowie Clicks, die zu unüblichen Uhrzeiten ausgeführt werden. Weitere Indikatoren sind ausgesprochen niedrige Konversionsraten. d. h. Umwandlung des Clicks in eine gewünschte Aktivität, Besuche von Seiten, die nicht mit eigenen Werbemitteln versehen sind, häufige Stornos von getätigten Käufen sowie insgesamt technische Rahmenbedingungen, die auffällig vom Üblichen abweichen. 26.5 Informationsrecherche Als Grundsätze zur Informationsrecherche gelten folgende: • Die Heranziehung und Ausnutzung aller verfügbaren sekundären Quellen erfordert, dass diese laufend gesichtet (Screening) und ausgewertet (Monitoring) werden, um im Bedarfsfall auf diese Daten zugreifen zu können. • Im Interesse der Steigerung der Arbeitseffizienz empfiehlt sich die betriebliche Aufgabenspezialisierung in einer entsprechenden funktionalen Abteilung. Dabei können durchaus Beobachtungsfelder vorgegeben werden. Wichtig ist, dass alle Informationen zentral erfasst werden und geeignet verfügbar sind.

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• Verbreitete Schwachstellen sind Doppelinformationen, zu allgemein gehaltene Daten oder fehlerhafte Unterlagen, Überinformation oder Fehlinformation, fehlende Auswertung und Aufbereitung. Dies ist durch entsprechende Arbeitsanweisungen vermeidbar. Davon ist vor allem die Interpretierbarkeit von Daten unter verschiedenen Aspekten betroffen. • Eine umfassende Kenntnis der in Betracht kommenden Quellen und der Möglichkeiten ihrer Ausnutzung ist Voraussetzung für jede erfolgreiche Recherche. Die rationelle Auffindung und Ausnutzung der Quellen erfordert ihrerseits wiederum eine Transparenz über die Verfügbarkeitsorte (Bibliotheken, Archive etc.). • Tatsacheninformationen dürfen nicht vorbehaltlos als wahr interpretiert werden. Jede sekundäre Quelle sollte daher sorgfältig auf ihre tatsächliche Brauchbarkeit hin geprüft werden. Scheint diese nicht gegeben, wird eine verifizierende Primärerhebung erforderlich. Als Datenquellen für Sekundärinformationen kommen interne und externe in Betracht. Interne Datenquellen betreffen etwa • Dateien aus Rechnungswesen, Produktionsstatistik, allgemeine und speziell Kunden-Statistiken über Auftragseingang und Versand, Geschäftsart, Abnehmergruppen, Export, regionale Marktbedeutung, Qualitäten, Abmessungen, Reklamationen etc., Außendienstberichte, Messe- und Ausstellungsberichte, frühere eigene Primärerhebungen, Buchhaltungs- und Vertriebskostenrechnungsdaten, Forschungs- und Entwicklungsnachrichten etc. Ein Problem besteht hier vor allem in einer für die Auswertung geeigneten Aufbereitung der vorhandenen Daten, die meist nicht gegeben ist. Wichtige praktische Hilfsmittel auf dem Weg zur Vereinheitlichung von Informationen sind Nomenklaturen. Dies sind Nummernverzeichnisse für die Einteilung von Auskunftseinheiten. Sie beziehen sich auf Produktion, Außenhandel, Branchen etc. und sind meist international standardisiert. Die Kennzeichnung erfolgt durch mehrstellige Kennziffern, z. B. nach Kapitel, Tarif, Ware. Externe Datenquellen betreffen: • Amtliche Statistiken (Statistisches Bundesamt, Statistische Landesämter in den Landeshauptstädten, Statistische Gemeindeämter bei den Kreisverwaltungen), • Veröffentlichungen von sonstigen amtlichen und halbamtlichen Stellen wie Ministerien, kommunalen Verwaltungsstellen, Kfz-Bundesamt, Notenbank, Industrie- und Handelskammern, Handwerkskammern, Körperschaften etc., • Veröffentlichungen von Wirtschaftsfachverbänden, -organisationen etc. und von wirtschaftswissenschaftlichen Instituten, Universitäten wie Ifo-Institut, HWWA, Institut für Weltwirtschaft, Prognos, DIW, RWI etc., • Veröffentlichungen von Kreditinstituten und deren Sonderdienste sowie aus der Medienwirtschaft, vor allem zur Mediaforschung,

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• Veröffentlichungen firmenspezifischer Art wie Geschäftsberichte, Firmenzeitungen, Kataloge, Werbemittel etc., • Informationsmaterial von Adressverlagen, Informationsmaklern, Beratungsunternehmen, Internationalen Organisationen wie UNO, ILO, FAO, OECD, WTO, EU, Weltbank etc., Forschungsinstituten, Messeveranstaltern, Spezialverlagen etc. Im Unterschied zu den vorher aufgeführten Quellen bieten diese ihre Dienste auf rein kommerzieller Basis an. Problematisch bleibt allerdings die schwierige Abgrenzung der Erhebungsbereiche und -einheiten, die mangelnde Vergleichbarkeit von Daten vor allem auf internationaler Ebene, deren zweifelhafte Repräsentanz im Einzelfall und die meist sehr hohe Aggregationsebene. Hinzu kommt die fehlende Aktualität infolge langer Erhebungszyklen und verzögerter Veröffentlichung. Vor allem im Rahmen der Konkurrenzinformation ergeben sich vielfältige Quellen, so z. B.: • Informationen durch gemeinsame Kunden und Lieferanten, Messen, Ausstellungen, Kongresse, ehemalige Mitarbeiter, • Kauf von Konkurrenzprodukten, Einholung verdeckter Anfragen, Recherche in Patentämtern und -datenbanken, Handelsregistern, • Veröffentlichungen der Konkurrenten wie Geschäftsberichte, Kataloge / Prospekte, Preislisten, Stellenausschreibungen, Internetseiten, Mitarbeiter- und Kundenzeitschriften, Pressemitteilungen, Massenmedien, Fachpresse, • Inhalte von Foren und Beschwerdeseiten im Internet, Fallstudien von Hochschulen, Außendienstreports. Eine hohe Bedeutung kommt dabei Datenbanken zu. Dies sind IT-organisierte Datenbestände, zu unterscheiden sind: • Volltextdatenbanken, die den kompletten Inhalt erfasster Publikationen speichern, • Bibliographische Datenbanken, die neben Literaturhinweisen auch kurze Inhaltsangaben (Summary, Abstract) enthalten, • Referenzdatenbanken, die nur Quellenhinweise zu Suchwörtern enthalten, z. B. Titel der Publikation, bibliographische Angaben, Schlagworte (Directories), • Faktendatenbanken, die Zusammenfassungen überbetrieblicher Datensammlungen speichern (z. B. Statistiken, Modelle), • Numerische Datenbanken, die vornehmlich statistische Daten enthalten, • Realtime-Datenbanken, die aktuelle Datenänderungen zeitgleich wiedergeben, z. B. an der Börse. Interne Datenbanken werden zumeist im Rahmen des Database Management (Data Warehousing) genutzt, externe Datenbanken werden von kommerziellen

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und halbstaatlichen Anbietern online zur Verfügung gestellt. Externe (online) Datenbanken finden sich zu gesamtwirtschaftlichen Daten, Unternehmens- und Produktinformationen, Geschäftsverbindungen, Wirtschaftsrecht, Wirtschaftsnachrichten etc. Diese sind allerdings teilweise nicht-öffentlich und bedürfen ­einer Zugangsberechtigung. Wer das reichhaltige Angebot nutzen will, schließt einen Vertrag mit einem Datenbankbetreiber (Host, z. B. Genios, Data Star, BIS, Dialog, Lexis-Nexis, Questel, Forrester, W3B) ab und hat gegen Grundpauschale und / oder zeitabhängige Gebühr Zugang zu allen von diesem betriebenen Datenbanken. Für den Zugriff ist keine gesonderte Programmiersprache erforderlich. Allerdings weichen die Nutzeroberflächen der Datenbankprogramme erheblich voneinander ab. 26.6 Mobilkommunikation 26.6.1 Technische Basis

Das Mobiltelefon wird durch einen Mikrocontroller gesteuert. Ein Funkteil (Empfänger, Antenne) nimmt daher über eine SIM-Karte (Subscriber Identify Module) Kontakt zum Mobilfunknetz auf. Das Netz funktioniert in Europa nach dem UMTS-/LTE-Standard. Als Betriebssysteme kommen iOS (Apple), Android (Google), BlackberryOS (RIM) oder Windows Phone (Microsoft) in Betracht. Als Schnittstellen dienen Modem (A / D-Wandler), Bluetooth, W-LAN und NFC. Das Mobiltelefon verfügt über eine eigene Stromversorgung durch Akku. Am verbreitetsten sind Touch Screen-Bauarten. Die Freischaltung der SIM-Karte erfordert die Eingabe eines PIN-Codes (Personal Identification Number). Die Karten sind auch als Prepaid Cards üblich. Gebrandete Karten sind zum Betrieb an den Net-Provider gebunden (bei subventionierten mobilen Endgeräten). Als Akteure sind neben den Ausrüstungsherstellern und Systembetreibern noch Mehrwertdiensteanbieter und Dienstehändler aktiv. m-Business bezeichnet die Nutzung mobiler Technologien zur Verbesserung und Erweiterung von Geschäftsprozessen und zur Erschließung neuer Geschäftsfelder durch Einsatz mobiler Endgeräte. Besondere Kennzeichen sind die • Ortsunabhängigkeit, d. h. Nutzung unabhängig vom jeweiligen Aufenthaltsort des Anwenders, • Lokalisierbarkeit, d. h. exakte Standortbestimmung des Benutzers (GPS / Cell), • Personalisierbarkeit der Nutzer / Endgeräte über IMEI (International Mobile Station Equipment), • ständige Erreichbarkeit durch Mitführung der Endgeräte (Gewicht / Abmessung gering),

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• Verfügbarkeit der Leistung durch kurze Bootzeit, lange Betriebsdauer etc., • Einfachheit der Bedienung durch intuitive Nutzerführung, • Kostengünstigkeit im Vergleich zu anderen Computerklassen. Die Interaktion ist zwischen Gewerbetreibenden (B für Business), Privatpersonen (C für Consumer), Mitarbeitern in Unternehmen (E für Employee) und Computern (M für Machine) möglich. Diese Elemente können kombiniert werden (BtB, BtC, BtE, BtM, CtB, CtC, CtE, CtM, EtB, EtC, EtE, EtM, MtB, MtC, MtE, MtM). Endgeräte sind überwiegend Smartphones, aber auch Pager, Palm-Tops, Personal Digital Assistants (PDA) und portable Computer (Notebook, Subnotebook, Laptop, Tablet). Zur Funktionsfähigkeit bedarf es elaborierter technologischer Grundlagen. Für die Datenübertragung sind dazu derzeit im Gebrauch: • Universal Mobile Telecommunications System (UMTS/3G), mit sehr hohen Übertragungsraten für datenintensive Anwendungen (Variante: HSDPA), • Long Term Evolution (LTE/4G), aktuell ausgebauter Mobilfunkstandard, • Bluetooth für die Übertragung über Kurzstreckenfunk bis 10 m ohne Sichtkontakt zwischen Sende- und Empfangsgerät, • Nearfield Communication (NFC) als internationaler Übertragungsstandard zum kontaktlosen Austausch begrenzter Datenmengen per Funk über sehr kurze Strecken (bis 10 cm), • Wireless LAN als kabellose lokale Netzwerke, die im Umkreis von Hotspots funktionieren (bis 50 m). Über diese Netze können verschiedene, in aller Regel entgeltliche Dienste in Anspruch genommen werden. Vor allem handelt es sich um: • Short Message Service (SMS), geeignet für alphanumerische Mitteilungen begrenzter Länge (160 Zeichen), • Multimedia Messaging Service (MMS), wodurch auch die Übertragung von Stand- und Bewegtbildern, Musik und Charts möglich ist, • Wireless Application Protocol (WAP), webähnlich, sofern die Seiten in Wireless Markup Language (WML) programmiert sind, erlaubt Interaktivität und Echtzeittransaktionen, • (Compact-)C-HTML, das vollständig WWW-kompatibel ist. Diese Dienste bieten sich wiederum für verschiedene Nutzungen an, so im • Privatkundenbereich für Finanzdienstleistungen (Mobile Banking), Bezahlsysteme (Mobile Payment), Identifikation als Zugangsberechtigung (z. B. Fingerprint), Einkauf (Mobile Shopping), Unterhaltung (Mobile Entertainment, z. B. Spiele), Navigation (Tracking, z. B. Verkehrsinformation) etc.

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• Geschäftskundenbereich für Supply Chain Management (z. B. Datenbankabfrage, Auftragsstand, Lieferstatus), Sendungsverfolgung (Tracing), Telemetrie (Fernwarten) etc. Wichtige Leistungsangebote betreffen u. a. den Treuhanddienst für die Bezahlung / Zahlungsabsicherung (z. B. Paypal), die elektronische Rechnungsstellung und Zahlung, die Streitschlichtung, Benachrichtigung bei Transportübergabe etc. Mobiler Kommunikation gehört zweifelsohne die Zukunft. Die Netzdichte steigt, die Endgeräte werden komfortabler und bieten mehr Funktionalitäten. Hinzu treten fortschreitende technische Standards, schnelle Telekommunika­ tionsverbindungen (4G), größere Displays bei Endgeräten (Phablets), erhöhte Akkuleistung für längere Laufzeiten und immer schnellere Prozessoren. Probleme entstehen aus der Technik durch vielfach begrenzte Displaygröße, Netzabbrüche mangels ausreichender Abdeckung und je nach verwendetem Mobilbrowser uneinheitliche Darstellung. Vor allem bestehen massive Datenschutzprobleme. Diese sollen durch Anonymisieren, d. h. Trennung von Stamm- und Transaktionsdaten, und Pseudonymisieren, d. h. Zuordnung von einzelnen Teilnehmern, die aber nicht mit Klarnamen erscheinen, vermindert werden (BDSG, TDDSG). Dennoch ist derzeit die Erstellung von Nutzerprofilen erlaubt, sofern der Nutzer nicht ausdrücklich widerspricht (Negative Option). Dies ist rechtlich fragwürdig. 26.6.2 Anwendungen

Häufige Anwendungen der Mobilen Kommunikation sind folgende: • RSS-Feeds sind ein Push-Dienst im Internet im Unterschied zu e-Mails als Pull-Dienst, d. h. Nachrichten müssen nicht extra abgerufen werden. RSS steht für Really Simple Syndication und dient der einfachen, XML-strukturierten Veröffentlichung von Änderungen auf Websites. Anbieter sind RSSChannels, die Schlagzeilen und Links zu indexierten Seiten an Abonnenten verschicken, dies wird Feed genannt. Die Nachrichten sind dann im Feedreader einsehbar, teilweise auch als Volltext. Dadurch können verdeckt große Mengen an Quellen, z. B. auch Weblogs, gesichtet werden. Die Nachrichten lassen sich durch RSS-Parsers in eigene Websites integrieren (Syndication). Es werden nur Inhalte, vor allem Texte, aber auch Audio- und Videodateien, übertragen, jedoch keine Navigationselemente oder Funktionalitäten. Werbetragende Seiten mit RSS-Feeds erhalten somit im Abonnentenkreis eine große Verbreitung. • Apps steht für Applets, das sind kleine Programme, teils mit Werbung als Kaufpreisersatz, die vor allem auf Smartphones / Tablet-PC’s mit mobilrelevanten Inhalten angeboten werden, z. B. Timer, Analogzeituhr, Flugtermine, Rezep-

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G. Die Hilfswissenschaften der BWL

te. Speziell bei Apple handelt es sich dabei um eine End to End-Lösung, d. h. Hardware, Betriebssystem-Software und Anwendungs-Software sind perfekt aufeinander abgestimmt, so gibt es keine Schnittstellenprobleme wie Zeitverzögerung oder Absturz. Dafür muss eine gewisse „Zensur“ durch den System­ integrator hingenommen werden, indem Apps von diesem auf ihre Lauffähigkeit hin geprüft, ggf. verändert und dann erst freigegeben werden. Native Apps werden spezifisch für ein Betriebssystem geschrieben, dies setzt eine Entwicklungsumgebung voraus (Software Development Kit / SDK) und die Registrierung der App (z. B. AppStore). WebApps sind endgeräteunabhängig über Browser nutzbar und basieren auf modernen Web-Technologien (HTML5, CSS3, Javascript etc.). Hybride Apps kombinieren beide Ansätze. Apps können allein lauffähig sein (Stand Alone) oder weiterer Systeme bedürfen (Client). • Virtual Reality / Augmented Reality bzw. Mixed Realities entstehen aus 3-DWelten, in denen Nutzer sich Repräsentanten zulegen (Avatare), mit denen sie dort agieren können. Häufig handelt es sich um Mobile Games, dort wiederum häufig um Massive Multiplayer Online Games (MMOG). Eine verbreitete Anwendung ist Second Life, eine Parallelwelt mit eigener „Realität“. • Mash Ups verbinden bestehende Medieninhalte nahtlos. Dies setzt offene Programmierschnittstellen voraus wie JavaScript, Flash etc. Denkbar ist etwa die Einbindung von Landkarten oder Satellitenfotos mit individuellen Markierungen in eigene Websites, aber auch eingebettete Fotos oder Videos. Dadurch entstehen Mehrwert-Informationen. Diese können server- oder clientseitig aggregiert und aufbereitet sein, dauerhaft oder anlassbezogen, global oder individuell gesteuert. Sie werden vor allem im Long Tail Business genutzt, d. h. für digitale Nischenprodukte, bei denen Kapitalbindung aufgrund der Digitalisierung praktisch keine Rolle spielt und daher Programmvielfalt möglich wird. • Im Rahmen von Location Based Services (LBS) werden Funktionen und Informationen auf Basis des geografischen Standorts eines Nutzers oder Objekts dem Nutzer selbst (Position aware Services) oder einer anderen Person / Organisation bereitgestellt (Location Tracking Services). Bei Pull-Diensten fordert der Nutzer aktiv Daten zu seinem aktuellen oder zukünftigen Standort ab, bei Push-Diensten erhält er diese automatisch zugesandt. Dabei werden mobile Endgerätetechnologie (Nutzerschnittstelle), mikrogeografische Informationssysteme (Datenquelle) und Internet als Transportweg kombiniert. Die Ortsangabe erfolgt deskriptiv als Name, anhand von Geokoordinaten oder nach Funkzellen. Die Positionsermittlung erfolgt satellitenbasiert (GPS-Netz), netzwerkbasiert (Cell-ID) oder Indoor (NFC). Bei GPS ist Sichtkontakt zu mindestens vier Satelliten erforderlich. Cell-ID basiert auf Funkzellen unterschiedlicher Größe. Anwendungen beziehen sich etwa auf die Navigation, lokale Soziale Netzwerke (z. B. Foursquare), Flottenmanagement (Tracing) oder ortsbezogene Abrechnung (Ticketing).

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• Beim Instant Messaging handelt es sich um Dienste, die eine direkte, synchrone und schriftliche Kommunikation zwischen Personen erlauben. Über verschiedene proprietäre Protokolle können Kurznachrichten sofort zwischen den Usern übermittelt werden. Je nach System ist auch eine Übertragung von Dateien sowie Audio- und Videostreams möglich. Voraussetzung ist, dass die Kommunikationspartner zeitgleich aktiv sind und eine direkte Kommunikation miteinander anstreben. Der Empfänger der Nachricht kann darauf direkt reagieren. Push-Dienste bringen Inhalte nach vorher vereinbarten Regeln vor, ohne dass der Nutzer diese vom Anbieter des Informationsdienstes abholen müsste, dazu gehören z. B. Börsen-Ticker, Datenbank-Inhalte oder BrowserUpdates. • Ein QR-(Quick Response-)Code besteht aus einer zweidimensionalen, quadra­ tischen Matrix mit schwarzen und weißen Kästchen. Diese enthalten digital codiert Informationen mit Texten, Kontaktdaten, Telefonnummern, Bestelldaten etc.. In drei von vier Ecken ist ein Quadrat vorhanden, an dem sich der Scanner orientiert. So ist gesichert, dass der QR-Code unabhängig von seiner Ausrichtung immer korrekt eingelesen werden kann. Der Code enthält eine Fehlerkompensation, die sicherstellt, dass die Informationen noch lesbar bleiben, selbst wenn 30 % der Grafik zerstört sind. Dies ermöglicht auch Designer-QR-Codes. QR-Codes können mit Freeware-Programmen leicht selbst erzeugt und mit kostenlosen Apps (wie Qrafter) auf mobilen Endgeräten erfasst werden. • NFC (Near Field Communication) ist ein auf RFID-Technik (Radio Frequency Identification) basierender internationaler Übertragungsstandard zum kontaktlosen Austausch von Daten über sehr kurze Entfernungen. Die Anwendung bezieht sich derzeit vor allem auf mobile Zahlungsvorgänge am PoS. Die Übertragung kann zwischen passiven oder aktiven Tags (Transmittern) erfolgen. Diese sind dazu in den mobilen Endgeräten (Phone, Pad, Watch etc.) und an Gates eingebaut. Im Vergleich zu Bluetooth ist NFC näher, schneller und energiesparender. Gefahren liegen im Verlust von Guthaben, in der ungewollten Datenauslesung und dem fehlenden Nachweis erfolgter Transaktionen.

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Literaturhinweise Abts, Dietmar / Mülder, Wilhelm: Grundkurs Wirtschaftsinformatik, 8. Auflage, Wiesbaden 2013 Alpar, Paul / Alt, Rainer / Grob, Heinz L./Weimann, Peter / Winter, Robert: Anwendungsorientierte Wirtschaftsinformatik, 7. Auflage, Wiesbaden 2014 Ferstl, Otto K./Sinz, Elmar J.: Grundlagen der Wirtschaftsinformatik, 7. Auflage, München / Wien 2012 Fischer, Joachim / Dangelmaier, Wilhelm / Nastansky, Ludwig / Suhl, Leena: Bausteine der Wirtschaftsinformatik, 5. Auflage, Berlin 2012 Hansen, Hans Robert / Mendling, Jan / Neumann, Gustaf: Wirtschaftsinformatik, 11. Auflage, Berlin / München / Boston 2015 Heinrich, Lutz J./Heinzl, Armin / Roithmayr, Friedrich: Wirtschaftsinformatik, 3. Auflage, München / Wien 2007 Kollmann, Tobias: E-Business, 5. Auflage, Wiesbaden 2013 Laudon, Kenneth C./Laudon, Jane P./Schoder, Detlef: Wirtschaftsinformatik, 3. Auflage, München 2015 Lehner, Franz / Wildner, Stephan / Scholz, Michael: Wirtschaftsinformatik, 2. Auflage, München / Wien 2008 Leimester, Jan Marco: Einführung in die Wirtschaftsinformatik, 12. Auflage, Wiesbaden 2015 Meier, Andreas / Stormer, Henrik: eBusiness &eCommerce, 3. Auflage, Berlin / Heidelberg 2012 Mertens, Peter / Bodendorf, Freimut / König, Wolfgang / Picot, Arnold / Schumann, Matthias / Hess, Thomas: Grundzüge der Wirtschaftsinformatik, 11. Auflage, Berlin 2012 Schwarzer, Bettina / Krcmar, Helmut: Wirtschaftsinformatik, 5. Auflage, Stuttgart 2014 Stahlknecht, Peter / Hasenkamp, Ulrich: Einführung in die Wirtschaftsinformatik, 11. Auflage, Berlin / Heidelberg / New York 2004 Thome, Rainer / Winkelmann, Axel: Grundzüge der Wirtschaftsinformatik, Berlin / Heidelberg 2015

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Übungsaufgaben 1. Was versteht man unter einem Proxy Server? 2. Recherchieren Sie, welche Vergütungsformen im Affiliate Marketing verbreitet sind? Wie ist das Geschäftsmodell des Affiliate Marketing dabei angelegt? 3. Nennen Sie bitte Risiken des Viralmarketings? In welchen Stufen wird dabei beim Viralmarketing vorgegangen? Welche Merkmale sind kennzeichnend für Viralmarketing? Recherchieren Sie dazu bitte. 4. Nennen und erläutern Sie bitte typische Online-Erfolgskennzahlen und ihre Ermittlung. 5. Recherchieren Sie mögliche Kriterien zur Realisierung einer Suchmaschinenoptimierung. Mit welchen Täuschungen ist dabei zu rechnen? 6. Recherchieren Sie den Inhalt der Begriffe Page, Page Impression und Page View. 7. Welche Aufgaben kommen Suchmaschinen im WWW zu und wie können die Suchergebnisse durch Optimierung beeinflusst bzw. durch Werbung ergänzt werden? 8. Was versteht man im Kontext des WWW unter Hypertext und was unter Hyperlink? 9. Was versteht man unter TCP / IP und welche Aufgaben übernimmt dieser Standard im Internet? 10. Charakterisieren Sie bitte die wesentlichen Eckpunkte der Funktionsweise des WWW. 11. Nach welchen Kriterien können Online-Geschäftsmodelle rubriziert werden? 12. Worum handelt es sich bei einem „Interpreter“? 13. Worum handelt es sich bei einer „IP-Nummer“? 14. Wie ist ein Management-Informations-System aufgebaut? 15. Welche Netztopologien können unterschieden werden?

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27. Internationale Betriebswirtschaft In diesem Kapitel werden folgende Inhalte behandelt und geklärt: • die Eckpunkte der Internationalisierung, • die Markteintrittsform des grenzüberschreitenden Handels, • die Markteintrittsform der Dauervertragsbasis, • die Markteintrittsform durch Direktinvestition. 27.1 Eckpunkte der Internationalisierung 27.1.1 Marktwahl und Marktrisiken

Deutschland ist ein Land mit herausragender Außenhandelsabhängigkeit. Immerhin wird rund ein Viertel des Bruttoinlandsprodukts (GDP) exportiert, und das mit steigender Tendenz. Das bedeutet zugleich, dass mehr als jeder vierte deutsche Arbeitsplatz vom Außenhandel abhängt. Internationales Management betrifft insb. die Festlegung der Markteintritts­ entscheidung (Going International) und die gegenseitige Abstimmung der nationalen Managementaktivitäten (Being International) (siehe Abb. H1). Wann eine Unternehmung tatsächlich als international zu bezeichnen ist, ist strittig. Dafür können quantitative oder qualitative Kriterien angelegt werden. Hinsichtlich der Marktwahl bei internationalen Aktivitäten besteht eine erhöhte Komplexität mit hohem Informationsbedarf und Risikoschub. Dabei kommt es vor allem darauf an, inwieweit Märkte in ihrem Leistungsprofil dem Anforderungsprofil der Unternehmung entsprechen, und umgekehrt. Da Anforderungen vielfältig sind, kann auch die Beurteilung anhand vielfältiger Kriterien durchgeführt werden. Daher gibt es zahlreiche Institutionen, die sich um eine Reduzierung dieser Problematik bemühen und beratend zur Seite stehen. Zu denken ist etwa an: • Industrie- und Handelskammern (IHK’en), Außenhandelskammern (AHK’en), Internationale Handelskammer (ICC), Bundesstelle für Außenhandelsinformationen (BfAI), Statistisches Bundesamt, Auswärtiger Dienst, Länderverei-

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Abbildung H1: Parameter der Internationalisierung (eig. Abb.)

ne, Botschaften / Konsulate, Kredit- und Marktforschungsinstitute, Bundesamt für gewerbliche Wirtschaft, Ausstellungs- und Messeausschuss der Deutschen Wirtschaft (AUMA), wirtschaftswissenschaftliche Institute und einschlägige Verbände. Die Marktrisiken im internationalen Geschäft beziehen sich dabei vor allem auf folgende: • Ein Dispositions- und Politikrisiko entsteht, wenn die Geschäftsaktivitäten einer Unternehmung im Ausland durch Maßnahmen der Regierung, durch so­ ziale und politische Unruhen oder Kriege beeinträchtigt werden. • Ein Transfer- und Geschäftsrisiko betrifft die Beeinträchtigung der grenzüberschreitenden Unternehmensaktivitäten durch Zahlungsunfähigkeit. Dabei ist ein Land nicht mehr in der Lage oder bereit, seinen Zahlungsverpflichtungen nachzukommen. Zu denken ist auch an Wechselkursrisiken sowie Handelshemmnisse bei Einfuhrbeschränkungen und Zöllen. • Ein Enteignungs- und Rückführungsrisiko betrifft den teilweisen oder vollständigen Zugriff der Regierung auf Rechte und Vermögen der ausländischen Unternehmung mit voller bzw. teilweiser oder auch ohne Entschädigung durch Enteignung i. e. S., Nationalisierung oder Konfiszierung. Weitere Risiken sind das Sicherheitsrisiko als Gefahr für Gesundheit, Freiheit und Leben der Mitarbeitenden und ihrer Angehörigen vor Ort, das kommerzielle Risiko mit ausländischen Vertragspartnern, Elementarrisiken aus Naturereignissen sowie das fiskalische Risiko, das aus landesspezifischer Finanzpolitik folgt.

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Da diese Risiken von Land zu Land erheblich abweichen, bietet sich der Versuch einer vergleichenden Bewertung an. Am häufigsten wird dazu der BRS (quantitativ-subjektiv, mehrdimensional) eingesetzt (Business Risk Service / BERI), der das Politikrisiko (PRI / Political Risk Index), das Geschäftsrisiko (ORI / Operational Risk Index) und das Rückzahlungsrisiko (R-Factor / Remit­ tance and Repatriation Factor Index) jeweils als Kennzahlen erfasst und in einem gemeinsamen Kennwert zusammenfasst (PORI / Profit Opportunity Recommendation Index, max. 100 Punkte). Als Basis dienen Expertenbefragungen anhand der Delphi-Methode. Die Empfehlungen lauten abgestuft: • Verzicht auf Aktivitäten in diesem Auslandsmarkt (bis Index 40), • hohes Risiko, schlechtes Geschäftsklima, daher Aktivitäten nur durch Außenhandel (Index 41 – 55), • mäßiges Risiko, erschwerte Bedingungen, insofern nur durch Vertragsbindung (Index 56 – 70), • gutes Investitionsklima, aber irritierende Faktoren (Index 71 – 85) bzw. stabiles Land, hervorragendes Geschäftsklima (über Index 86) durch Direktinvestition. Die internationale Geschäftstätigkeit wird durch grenzüberschreitende Wirtschaftskooperationen gefördert (z. B. EU, NAFTA, Mercosur, ASEAN, Ecowas). Außerdem stützen internationale Organisationen wie WTO / World Trade Organisation, UNO / United Nations Organisation, OECD / Organisation for Economical Cooperation and Development, IMF / International Monetary Fund etc. den internationalen Leistungsaustausch. Allerdings sind nach wie vor weit verbreitet Marktzutrittsschranken anzutreffen. Dabei handelt es sich um tarifäre Handelshemmnisse durch staatliche Zölle und Abgaben, sowie um vielfältige nicht-tarifäre Handelshemmnisse („Schikanen“), die auf die Reglementierung und im Einzelfall auch Behinderung des grenzüberschreitenden Leistungsaustauschs abzielen (Protektionismus). 27.1.2 Zeit- und Raumdimension der Markterschließung

Bei der zeitlichen Abfolge im Zuge der Internationalisierung unterscheidet man zwischen der Sprinkler- und der Wasserfall-Technik (siehe Abb. H2). Sprinkler-Technik liegt vor, wenn eine Unternehmung in kurzer Zeit möglichst viele Länder für ihre Geschäftstätigkeit erschließen will, indem sie simultan in mehreren Märkten vorgeht. Vorteile liegen etwa in der raschen Penetration mehrerer Ländermärkte, der Etablierung eines Industriestandards, im Risikoausgleich der Absatzgebiete, in der Nutzung von Größeneffekten und einem möglichen Imagevorsprung als Pionier. Wasserfall-Technik bedeutet demgegenüber, dass neue ausländische Märkte erst langsam und nach ausgiebiger Informationssuche erschlossen werden, und

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Abbildung H2: Zeitabfolge zur Markterschließung (eig. Abb.)

zwar im Zeitablauf sukzessiv Land für Land. Vorteile liegen etwa in der Vermeidung der Verzettelung von Aktivitäten, in der Fokussierung auf jeweils einen Landesmarkt, in Erfahrungseffekten im Zeitablauf und im zeitlichen Kalkulationsausgleich von Eintrittskosten. Die Nachteile sind jeweils spiegelbildlich zu den Vorteilen der anderen Technik zu sehen. Einen gangbaren Kompromiss stellen die abwechselnde Kombination von Wasserfall- und Sprinkler-Technik als Brückenkopf-Technik (ein Land im „Wasserfall“ dient als Sprungbrett für räumlich benachbarte Länder im „Sprinkler“) oder die Lead Country-Technik dar, wonach für eine größere regionale Einheit

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bzw. für den Weltmarkt insgesamt ein Land und damit eine Niederlassung bzw. das Stammhaus selbst die Position des Koordinators und Primus inter pares übernimmt. Alle anderen Länder adaptieren dann diese Aktivitäten. Bei der räumlichen Ausdehnung der Internationalisierung ist der EPRG-Ansatz (Perlmutter) der verbreitetste. Er unterscheidet in folgende Aktivitäten (siehe Abb. H3): • Ethnozentralität bedeutet, dass die Auslandsaktivitäten aus der Perspektive des Heimatmarkts gesteuert und umgesetzt werden, indem die stammlandorientierte Marktbearbeitung auf die Auslandsmärkte übertragen wird. • Polyzentralität bedeutet, dass die einzelnen Ländermärkte individuell mit auf ihre jeweiligen Besonderheiten zugeschnittenen Konzepten bearbeitet werden. Meist werden Entscheidungen national vor Ort getroffen. • Regiozentralität bedeutet, dass Auslandsmärkte zu homogenen Ländergruppen, z. B. nach ähnlicher Kultur, Sprache, Ökonomie, zusammengefasst und innerhalb der jeweiligen Gruppe einheitlich bearbeitet werden. Entscheidungen innerhalb einer Ländergruppe werden zentral getroffen (z. B. Triade-Ansatz). • Geozentralität bedeutet, dass die Menge aller Länder als einheitlicher Markt betrachtet wird, bestehende Ländergrenzen und -unterschiede bei der Bearbeitung also bewusst negiert werden. Typisch ist eine globale Orientierung.

Abbildung H3: Tableau des EPRG-Ansatzes (eig. Abb.)

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H. Die Speziellen Betriebswirtschaften

27.1.3 Einflussfaktor Landeskultur

Die Landeskultur wird als entscheidender Erfolgsfaktor in der Internationalisierung angesehen. Daher beschäftigt sich die Kulturforschung mit der Erfassung solcher Indikatoren für kulturelle Unterschiede bzw. Gemeinsamkeiten. Führend, wenngleich nicht mehr aktuell, darin ist die Hofstede-IBM-Studie. Sie unterscheidet fünf Kulturdimensionen: • Unter Machtdistanz versteht man das Maß an Akzeptanz, bis zu dem schwächere Mitglieder von Organisationen und Institutionen die ungleiche Verteilung von Macht hinnehmen bzw. sogar erwarten. Hohe Machtdistanz bedeutet große Ungleichverteilung. • Individualismus beschreibt Gesellschaften, in denen die Bindungen zwischen den Individuen locker sind, indem man z. B. erwartet, dass sich jeder selbst um sich und seine unmittelbare Familie kümmert. Der Kollektivismus als Gegenstück beschreibt Gesellschaften, in denen der Mensch von Geburt an in starke, geschlossene Wir-Gruppen integriert ist, die ihn sein Leben lang schützen und dafür weitreichende Loyalität verlangen. • Maskulinität und Feminität stehen dafür, ob Dominanz / Bestimmtheit oder Bescheidenheit / Fürsorglichkeit das menschliche Verhalten kennzeichnen. Maskuline Gesellschaften sind insgesamt konkurrenzbetonter als feminine, der Unterschied zwischen männlichen und weiblichen Wertvorstellungen ist anders als in feministischen Gesellschaften sehr groß. • Unsicherheitsvermeidung ist definiert als der Grad, in dem sich die Mitglieder der Gesellschaft durch ungewisse oder unbekannte Situationen bedroht fühlen und strukturierte Zustände anstreben. Eine hohe Unsicherheitsvermeidung bedeutet demnach Risikoscheu. • In Bezug auf die Zeitvorstellung dominieren bei langfristiger Orientierung Wertvorstellungen wie Ausdauer, Ordnung der Beziehungen nach dem Status oder Sparsamkeit. Bei kurzfristiger Orientierung stehen Werte wie persönliche Standhaftigkeit, Festigkeit, Wahrung des „Gesichts“ oder Respekt vor Tradi­ tion im Vordergrund. Darauf aufbauend ist die Globe-Studie angelegt, die folgende Dimensionen unterscheidet: • Power Distance: Ausmaß, zu dem die Mitglieder einer Gesellschaft erwarten und akzeptieren, dass die Macht ungleich verteilt ist, • Uncertainty Avoidance: Ausmaß, in dem die Mitglieder einer Organisation bzw. Gesellschaft versuchen, durch Rückgriff auf soziale Normen oder Rituale Unsicherheit zu vermeiden, • In-Group-Collectivsm: Ausmaß, in dem Individuen ihren Stolz, ihre Loyalität und ihren Zusammenhalt in ihrer Organisation bzw. Familie ausdrücken,

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• Institutional Collectivism: Ausmaß, in dem durch organisationale und institutionelle Praktiken gemeinschaftliches Handeln gefördert und belohnt wird, • Gender Egalitarism: Ausmaß, in dem in einer Organisation oder Gesellschaft ein Unterschied zwischen den Geschlechtern gelebt wird, • Assertiveness: Ausmaß, zu dem Mitglieder einer Organisation oder Gesellschaft bereit sind, mit anderen Konfrontationen einzugehen, • Future Orientation: Ausmaß, zu dem Mitglieder einer Organisation oder Gesellschaft sich mit der Zukunft auseinander setzen, • Human Orientation: Ausmaß, zu dem Mitglieder einer Organisation oder Gesellschaft ermutigt werden, andere Mitglieder freundlich und fair zu behandeln, • Performance Orientation: Ausmaß, zu dem Mitglieder einer Organisation oder Gesellschaft für Leistungsverbesserungen gefördert und belohnt werden sollen. Ein anderer Fokus zur Charakterisierung von Kulturen stammt von Hall / Hall u. A., nämlich Kontextualität, Zeitauffassung, Raumdistanz und Informationsgeschwindigkeit: • Für die Kontextualität ist demnach besonders die Kommunikation von Bedeutung. Dabei gibt es Kulturen, für die der Stil der Kommunikation deren Inhalt interpretiert (z. B. fernöstlich), und solche, bei denen der Inhalt expliziert wird (z. B. abendländisch). • Die westliche Hemisphäre ist durch eine lineare Zeitauffassung gekennzeichnet, d. h. durch strenge Aneinanderreihung von Tagen, Wochen, Monaten und Jahren. Die Zeit ist Ordnungssystem des täglichen Lebens. In arabischen Ländern z. B. herrscht hingegen eine zyklische Zeitauffassung vor, d. h., die Zeit, die heute ungenutzt vergeht, kommt morgen wieder. Wartezeiten und Zeiteinbußen sind daher leichter verkraftbar. Weiterhin kann eine Unterscheidung nach der Zeitperspektive vorgenommen werden, etwa als Verankerung im Gestern, im Heute oder im Morgen. Daraus folgen verschiedene Planungshorizonte. Die Zeiteinteilung kann schließlich monochron oder polychron erfolgen. Ersteres bedeutet, dass eine Handlung der anderen folgt, Aktivitäten werden nacheinander priorisiert, letzteres bedeutet, dass mehrere Aktivitäten zugleich erledigt werden. Termine sind daher eher chaotisch und unverbindlich. • Bezüglich der Raumdistanz können High Contact- und Low Contact-Länder unterschieden werden. Bei ersteren ist die Raumdistanz enger, es kommt zu häufigerem Körperkontakt und sinnlicherem Empfinden, bei letzteren steht anstelle der Personen- die Aufgabenorientierung im Vordergrund. Daraus ergibt sich bei ersteren ein gezielter, kanalisierter, eher langsamer Informationsfluss, bei letzteren ein diffuser, eher zufälliger, spontaner Informationsfluss. So bestehen interkulturell erhebliche Unterschiede über die Bedeutung der

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Platzierung von Gegenständen im Raum wie auch über die räumlichen Verhältnisse von Individuen untereinander (soziale Distanz). • Die Informationsgeschwindigkeit hängt vom Vertrautheitsgrad der Personen untereinander ab. Hohe Vertrautheit bedeutet rasche, unkomplizierte, informelle Informationsausbreitung. Individualistische Kulturen hemmen hingegen die Verbreitungsgeschwindigkeit. Als bedeutsam werden weiterhin religiöse Vorstellungen sowie kognitive Prozesse angesehen. Andere relevante Studien stammen in diesem Kontext von Trompenaars, Schwartz etc. Unabhängig davon gibt es Produkte / Services, die kulturungebunden überall gleichartig angeboten werden können (Culture Free Products wie Sportartikel, Softdrinks, Consumer Electronics, Computer, Software, Schwermaschinen, Werkzeugmaschinen, Luftfahrgesellschaften etc.) und solche, die in jedem Fall kulturspezifisch angeboten werden müssen (Culture Bound Products wie Verlagsprodukte, Spirituosen, Softdrinks, Kosmetika, Nahrungs-/Genussmittel, Papierwaren, Kleidung, Haushaltsreiniger, Toiletteartikel etc.). Hinsichtlich der wirtschaftlichen Bedingungen werden anschaulich Ländergruppen wie BRIC (Brasilien, Russland, Indien, China) oder MIST (Mexiko, Indonesien, Südafrika, Türkei) unterschieden. 27.1.4 Marktführung

Entsprechend kann jedes Land hinsichtlich dieser oder anderer Dimensionen charakterisiert und in Vergleich zu allen anderen erhobenen Ländern gesetzt werden. Dabei ergeben sich, unabhängig von ihrer geografischen Lage, Gruppen von Ländern, die einander ähnlicher sind, diese ermöglichen potenziell eine weitgehend gleichartige Marktführung (Generalisierung), und solche, die einander unähnlich sind, diese erfordern hingegen eine getrennte Marktführung (Fokussierung): • Der Generalisierung (Globalisierung / Levitt) liegt die These zugrunde, dass erstens die Vermarktungsbedingungen auf den wichtigsten Märkten konvergent sind, d. h., einer allgemeinen Tendenz zur Annäherung und Vereinheitlichung unterliegen. Deshalb ist es für international tätige Unternehmen zweitens möglich, ihr Angebot zu standardisieren, überall gleiche Vermarktungskonzepte anzuwenden und Leistungsstandards zu gewährleisten. Dadurch wird es möglich, Kosteneinsparungen zu realisieren, sofern drittens zentralisiert gesteuert wird. Von daher sind global agierende Unternehmen vorgeblich erfolgreicher. • Dem steht die Meinung der Fokussierung (Lokalisierung / Naisbitt) entgegen, die besagt, dass die Vermarktungsbedingungen sich einander nicht nur nicht

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annähern, sondern sich sogar evolutionär voneinander absetzen. Deshalb muss im Gegenteil eine Fokussierung des Angebots auf den jeweiligen Landesmarkt angestrebt werden, um den Individualisierungsbedarfen zu entsprechen (Multi Options Society). Im Grundsatz dreht sich die Diskussion darum, dass die Befürworter eines globalen, generalisierten Konzepts die potenziellen Vorteile der Kosteneinsparung höher gewichten als die möglichen Nachteile aus wenig anfechtbaren Effektivitätseinbußen, während es bei den Gegnern genau umgekehrt ist. Letztlich hängt eine Wertung wohl immer an den Umständen des Einzelfalls und wird im Wesentlichen als davon abhängig gesehen, ob es in einzelnen Ländern ähnliche / gleiche oder stark abweichende Kulturen gibt. Fraglich ist allerdings, wie Kultur als theoretisches Konstrukt operationalisiert werden kann. Dies ist nur über Indikatoren möglich, die stellvertretend für Kultur stehen, im Unterschied dazu aber beobachtbar sind. Die o. g. Generalisierung beruht vor allem auf drei Thesen: • Erstens der Konvergenzthese, die besagt, dass die entwickelten Industrienationen vornehmlich der westlichen Welt im Nachkriegsaufschwung eine gleichartige Entwicklung genommen haben. Demnach ist es zu konvergenten gesellschaftlichen Strukturen gekommen, d. h., die Markt- und Nachfrage­ determinanten weichen von Land zu Land nur mehr geringfügig voneinander ab. • Zweitens der Standardisierungsthese, die besagt, dass unifizierte Produkte in hohen Losgrößen produziert zu erheblichen Kostendegressionseffekten führen und über damit mögliche niedrige Preise zu einer erhöhten Konkurrenzfähigkeit verhelfen. Die dabei erforderlichen Auflagen sind aber nur ländergrenzenübergreifend absetzbar. Dies wiederum wird möglich, weil aufgrund von Konvergenz gleiche Produkte in verschiedenen Ländern gleichermaßen vermarktbar sind. • Drittens der Zentralisationsthese, die besagt, dass Entscheidungen über die Vermarktung dieser Produkte nurmehr zentral getroffen werden können, da eine straffe Koordination erforderlich ist. Eben diese zentralen Entscheidungen machen eine Generalisierung erforderlich. Dies hat Auswirkungen auf die gesamte Unternehmung, ist aber erforderlich, um die damit latent verbundenen Vorteile überhaupt angemessen nutzen zu können. Die Fokussierung bestreitet die Richtigkeit dieser Thesen und behauptet im Gegenteil eine zunehmende Fraktionierung der Märkte. Das heißt, nicht nur nicht zwischen Ländern, sondern sogar innerhalb eines Landes lassen sich keine übergreifenden Gemeinsamkeiten in nennenswertem Ausmaß mehr finden. Vielmehr ist eine zunehmende Fragmentierung, auch nationaler, Märkte gegeben, die ein immer feinteiligeres Eingehen auf die Marktbedürfnisse im Rahmen der Unternehmensführung erfordert.

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Häufig wird als Ausweg aus diesem Entscheidungsdilemma das Postulat des „Think global, act local“ verbreitet. Tatsächlich handelt es sich dabei aber meist um einen faulen Kompromiss, der weder die Vorteile der Generalisierung noch die der Fokussierung auszuschöpfen vermag und stattdessen womöglich beider Nachteile kombiniert.

27.2 Markteintrittsformen 27.2.1 Grenzüberschreitender Handel 27.2.1.1 Exportgeschäft

Im Auslandsgeschäft sind vielfältige Risiken gegeben. Zu denken ist an Risiken gesamtwirtschaftlicher, politischer, logistischer, marktlicher, natürlicher, sozialer, technologischer, persönlicher und einzelwirtschaftlicher Art. Das Risikoausmaß kann in drei Schritte abgestuft werden, am geringsten beim grenzüberschreitenden Handel, mittelhoch beim Absatz auf Vertragsbasis und am höchsten bei Direktinvestition. Der grenzüberschreitende Handel als erste Stufe gehorcht noch dem Transportprimat und erstreckt sich über verschiedene Ausprägungen als direkter Export, indirekter Export, Veredelung, Transit / Durchfuhr oder Kompensationsgeschäft (siehe Abb. H4). Export ist allgemein derjenige Teil des Außenhandels, der alle betrieblichen Tätigkeiten bei der Unterhaltung von wirtschaftlichen Beziehungen zum Ausland auf der Grundlage grenzüberschreitenden Waren- und Diensteverkehrs sowie von Rechtsübertragungen umfasst. Import ist der grenzüberschreitende Bezug von wirtschaftlichen Leistungen aus dem Ausland und verhält sich weitgehend spiegelbildlich zum Export (wird daher nicht getrennt behandelt). Direkter Export liegt vor, wenn eine Sach- oder Dienstleistung ohne einen zwischengeschalteten inländischen Außenhandelsbetrieb an einen im Ausland ansässigen Handelsbetrieb, einen Absatzhelfer oder gewerblichen oder privaten Endabnehmer abgesetzt wird. Der direkte Export erfolgt vor allem bei Investi­ tionsgütern, da hier der unmittelbare persönliche / organisatorische Kontakt notwendig ist. Nicht selten sprechen aber auch Kostenersparnisgründe dafür. Voraussetzung ist jeweils eine profunde Kenntnis des Auslandsmarkts hinsichtlich aller relevanten Dimensionen wie Verkehr, Wirtschaft, Bevölkerung, Mentalität, Sprache, Kaufkraft etc. Außerdem entsteht ein erhöhtes Kreditrisiko. Zudem muss selbst akquiriert werden, dies erfordert die Einrichtung entsprechender Stellen (Exportabteilung, Auslieferungslager, Kundendienst etc.). Der Kaufvertrag wird vom Exporteur und vom Importeur ausgehandelt und unterschrieben. Sämtliche Leistungen aus dem Kaufvertrag sind von beiden Ver-

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Abbildung H4: Formen des grenzüberschreitenden Handels (eig. Abb.)

tragsparteien selbst vorzunehmen oder durch Dritte zu veranlassen. Sämtliche Ansprüche aus Kaufvertragsstörungen richten sich nur gegen den jeweiligen Vertragspartner. Die Abwicklung der Zollformalitäten und der außenwirtschaftsrechtlichen Erfordernisse werden vom Exporteur vorgenommen. Im indirekten Export verkauft eine inländische Unternehmung eine Sach- oder Dienstleistung an einen ausländischen Mittler mit dem Ziel, dass dieser die Leistung an eine ausländische Unternehmung weiterverkauft. Die Kontaktanbahnung zu Kunden oder die Auftragsakquisition und Lieferung erfolgen dabei über zwischengeschaltete, rechtlich und wirtschaftlich selbstständige Dritte (Händler), d. h., inländische Handelsunternehmen (Exporthäuser) werden zur Abwicklung des Exportgeschäfts eingeschaltet. Diese haben meist eine spezifische Länderorientierung mit genauen Kenntnissen der jeweiligen Region, guten Kontakten zu dort ansässigen Abnehmern und Vertrautheit mit den landes-/regionsspezifischen Vermarktungsmodalitäten. Die gesamte Marktbearbeitung sowie die Anbahnung und Realisierung der Einzelabschlüsse wird diesem Zwischenhändler überlassen. Kosten und Risiken liegen also im Weiteren beim Distributeur, der dafür einen Kalkulationsaufschlag erhebt. Dabei kann es sich um Exporthandelshaus, -gemeinschaft oder Generalvertreter / Niederlassung handeln. Dies ist besonders bei mittelständischen Unternehmen und geringen bzw. wechselnden Umsatzvolumina günstig. So kann eine etwaige Spezialisierung von Absatzmittlern auf bestimmte Märkte genutzt werden. Denkbar ist dabei eine Exklusivbindung zwischen Hersteller und Absatzmittler oder auch nur eine fallweise Zusammenarbeit.

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Vertragsstörungen werden von der ausländischen Unternehmung bei deren Vertragspartner reklamiert. Die Abwicklung der Zollformalitäten und der außenwirtschaftsrechtlichen Erfordernisse wird ausschließlich vom eigentlichen Exporteur vorgenommen. 27.2.1.2 Sonderformen des Exportgeschäfts

Im Export haben sich zudem vielfältige horizontale Kooperationen herausgebildet. Eine Exportgemeinschaft besteht aus mehreren Exporteuren, welche die anstehenden Aufgaben unter sich aufteilen. Das Exportkartell betrifft vertragliche Vereinbarungen zur Wettbewerbsbeschränkung im Ausland. Diese werden vom GWB nicht erfasst, sofern sie nur Auslandswirkung haben, wohl aber vom Europäischen Wettbewerbsrecht. Bei einem Verkaufssyndikat treten die Beteiligten nur die Verkaufsfunktion ihrer Betriebe an das Kartell ab. Der Exportring ist eine Kooperation zwischen mehreren Herstellern und dem Exporteigenhandel. Dabei werden inländische Handelsunternehmen (Exporthäuser) zur Abwicklung des Exportgeschäfts mit einem Land / einer Region eingeschaltet. Sie haben genaue Kenntnisse des jeweiligen Landes / der Region, gute Kontakte zu dort ansässigen Abnehmern und sind mit den lokalen Vermarktungsverhältnissen vertraut. Häufiger vorkommende Sonderformen des Exportgeschäfts betreffen folgende. Beim Exportstreckengeschäft gelangen die Waren vom ersten Verkäufer direkt zum letzten Abnehmer. Das heißt, die Ware geht nicht erst an das Lager des Exporteigenhändlers oder des Importeurs, sondern vom Lieferanten unmittelbar an den Endabnehmer, der Geld- und Informationsstrom verläuft jedoch weiterhin mehrstufig. Beim Abladegeschäft verkauft der Exporteur die Ware ab Kai / ab Lager. Das Offertengeschäft ist ein Handelsgeschäft, bei dem der Exporteur zur Geschäftsanbahnung ein Angebot erstellt. Das Ordergeschäft ist ein Handelsgeschäft, bei dem die Anfrage dazu vom Importeur ausgeht. Transithandel bedeutet, dass Inländer Waren von Ausländern erwerben und sie wieder an Ausländer veräußern, ohne dass die Waren physisch ins Inland verbracht werden (und umgekehrt). Wird beim Transport von einem Land in ein drittes das Land des Transithändlers berührt, besteht die Möglichkeit der Einlagerung in einer zollfreien Zone (z. B. Freihafen), um Einfuhrzoll zu vermeiden. Die an die erfolgte Einfuhr anschließende Transaktion der Wiederausfuhr wird auch als Re-Export bezeichnet. Beim passiven Transithandel (Transitausfuhr) verkauft ein ausländischer Transithändler Waren aus Drittländern an inländische Abnehmer oder Inlandsprodukte an Abnehmer in Drittländern. Aus der jeweiligen Ländersicht liegt aktiver

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Transithandel hingegen vor, wenn ein inländischer Transithändler im Ausland befindliche Waren an ausländische Dritte weiterverkauft. Wenn der Transithändler in einem Freihafen oder Zolllager eine Bearbeitung vornimmt, handelt es sich um gebrochenen Transithandel (Lagergeschäft). Tauchen die Waren nicht physisch im Land des Transithändlers auf, handelt es sich um echten Transithandel (Streckengeschäft). Ein solcher Transithandel ist üblich bei Stapelgütern (Rohstoffe), Massengütern und im Rahmen von Gegengeschäften, die oft aus politischen Gründen erforderlich werden. Die Durchfuhr betrifft die (physische) Beförderung von Waren aus dem Ausland durch das Inland hindurch wieder in ein Drittland, ohne dass diese in den freien Verkehr des Inlands gelangen, dort also marktwirksam werden (unechter Transithandel). Bei der passiven Durchfuhr hat der Ablader (Verfrachter) seinen Sitz im Ausland, bei der aktiven Durchfuhr hat er ihn im Inland. Die Ware wird versiegelt, um eine unberechtigte Zu- oder Abladung im Inland zu verhindern. In Durchfuhrland entsteht kein Eigentum an der Ware. 27.2.1.3 Veredelung

Neben den „reinen“ Formen des Exports und Imports gibt es verschiedene Mischformen, von denen vor allem das Veredelungsgeschäft betrachtet werden soll. Unter Veredelung versteht man die Bearbeitung, Verarbeitung oder Ausbesserung von Waren im Ausland und deren Rücksendung an das Herkunftsland innerhalb bestimmter Fristen. Wird eine Ware in ein Land importiert, um dort in einem oder mehreren Produktionsschritten bearbeitet oder zu einem anderen, höherwertigeren Produkt verarbeitet oder repariert und ausgebessert / wiederhergestellt zu werden, handelt es sich also um eine Veredelung. Im Rahmen des einzelnen Geschäfts vollzieht sich ein Austausch von Gütern und Diensten zwischen Besteller und Veredeler, der jedoch keinen Verkauf bedeutet. Das Geschäftsobjekt der Veredelung ist eine Werkleistung. Die Werkstoffe des Leistungsprozesses werden gemeinhin vom Besteller beschafft und bereitgestellt. Sie bleiben für den Veredeler fremdes Eigentum und werden von ihm nur verwahrt. Das Produkt des Veredelungsprozesses steht dem Besteller zu. Daher ist eine Rücklieferung erforderlich. Die Leistungen des Veredelers werden durch den Besteller vergütet. Die Basis dafür stellt ein Werklieferungsvertrag dar. Der Veredeler wird in dem Maße Miteigentümer, wie die von ihm bereitgestellten Leistungen quantitativ überwiegen und juristisch von der Neben- zur Hauptsache werden. Von ihm werden entsprechende Leistungskapazitäten bereitgestellt, qualitative Eignung der angelieferten Ware vorausgesetzt.

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Veredelung dient vor allem dem Ausgleich von Bedarfsspitzen. Die Absatzfähigkeit von Waren des Bestellerlands (Made in .../Country of Origin-Effekt) bleibt erhalten, ohne dessen Standortnachteile hinnehmen zu müssen. Zudem sind höher veredelte Produkte wettbewerbsfähiger und erlösen womöglich einen zu den Veredelungskosten überproportionalen Preis. Bei der Veredelung sind zwei Unterscheidungen von Bedeutung. Eine Fremdveredelung / Lohnveredelung (Contract Manufacturing, s. u.) liegt vor, wenn ein Produktionsbetrieb auf kommerzieller Basis, also gegen Entgelt, in der speziellen Funktion eines Veredelers für andere Produktions- und Handelsbetriebe auf eigenen Anlagen und eigene Rechnung tätig wird. Sie besteht im Wesentlichen aus erbrachten Dienstleistungen und der Be- und Verarbeitung absatzfähiger Erzeugnisse. Betriebsveredelung / Eigenveredelung bedeutet hingegen, dass ein Anbieter selbst auf eigenen Anlagen auf eigene Rechnung die Veredelung absatzfähiger Erzeugnisse im Ausland vornimmt. Von passivem Veredelungsverkehr spricht man, wenn inländische Halbfertigerzeugnisse zur Veredelung ins Ausland verbracht und anschließend re-importiert werden, um dort zu verbleiben, be- bzw. weiterverarbeitet oder endgültig exportiert zu werden. Von aktivem Veredelungsverkehr ist die Rede, wenn ausländische Waren zur Veredelung ins Inland verbracht und anschließend zur endgültigen Wiederausfuhr re-exportiert werden. Bei der Freigutveredelung dürfen nur fungible Waren, die nach Menge und Beschaffenheit dem Zollgut entsprechen, veredelt werden. Dabei gilt das Äquivalenzprinzip (Ersatz eines spezifischen Produkts durch ein gleichartiges anderes). Wird mit der Ware durch Export anders als in der Bewilligungsverfügung des Zolls vereinbart verfahren, entsteht dennoch eine Zollschuld. Beim Re-Import wird nur ein Differenzzoll von der Zollschuld zwischen veredelter und unveredelter Ware erhoben. Allerdings sind die erhöhten Transportkosten gegen zu rechnen. Die Zollgutveredelung betrifft hingegen Waren, die in der Naturalform ver­ edelt werden, in der sie als Zollgut registriert sind. Diese Waren dürfen nicht, auch nicht durch völlig gleichartige andere Waren, ersetzt werden. Es gilt das Identitätsprinzip, das durch Siegel, Proben etc. sichergestellt wird. Als Zollgebiet wird das von der Zollgrenze umschlossene Hoheitsgebiet (EU) bezeichnet, in dem das nationale Zollrecht gilt. In das Zollgebiet eingeführte Waren verbleiben so lange als Zollgut in einem Zolllager, bis sie nach Verzollung und Freigabe als Freigut deklariert sind. Zollgut unterliegt der zollamtlichen Überwachung, Freigut unterliegt keinen zollrechtlichen Bindungen. Bei der Einfuhr von Waren werden diese automatisch Zollgut. Sie befinden sich noch nicht im freien Verkehr, sondern unter zollamtlicher Überwachung. Durch Freigabe

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werden sie zum Freigut. Die Zwischenlagerung (max. fünf Jahre) erfolgt in öffentlichen oder privaten Zolllägern, die überwacht werden. Ausnahmen bilden Zollfreizonen (z. B. in Häfen / Flughäfen). Dort geschieht oft die Veredelung, etwa zur Ausnutzung von Lohnunterschieden, was im Übrigen auch bei Reparatur, Wartung, Reinigung, Konfektionierung und Montage vorteilhaft ist. Die dort veredelten Waren sind meist nicht für die Einfuhr in das Land bestimmt, auf dessen Territorium die Zollfreizone liegt, sondern für den Absatz in anderen Ländern. Für diese Zonen besteht keine Zollverfassung, Waren brauchen dort nicht angemeldet, abgefertigt und zollgelagert zu werden, und es entsteht keine Zollschuld. Dennoch ist dieser Veredelungsverkehr genehmigungspflichtig. 27.2.1.4 Kompensationsgeschäft

Unter Kompensationsgeschäften (Gegengeschäfte) versteht man Abwicklungen, bei denen die Zahlung einer Warenlieferung nur teilweise oder gar nicht in Geldform erfolgt. Dabei sind sowohl die Inzahlungnahme von Gebrauchtware und deren Anrechnung auf den Kaufpreis als auch ein direkter oder indirekter Naturaltausch von Neuwaren denkbar. Dabei werden nach Arten, Qualitäten, Mengen und Lieferpunkten genau ausspezifizierte gegenseitige Warenlieferungen vereinbart. Ein Verkauf ist also davon abhängig, dass umgekehrt vom Abnehmer Güter oder Dienste gekauft oder für weitere Abnehmer vermittelt werden. Jede Partei fungiert gleichzeitig als Abnehmer und Lieferant, wobei diese auch als Koalitionen ausgebildet sein können. Oft werden auch Absatzhelfer (Middlemen) eingeschaltet. Eine Sonderform ist die Inzahlungnahme. Dabei wird ein Teil der Gegenleistung durch Zahlungsmittel geleistet und ein weiterer durch Hingabe einer gebrauchten Ware. Der Anteil von Kompensationsgeschäften am Welthandel beträgt ca. 10 %. Gründe dafür liegen in weit verbreiteten, ernsthaften Störungen des konven­ tionellen Handels aus politischen, strukturellen oder konjunkturellen Gründen. Meist werden solche Geschäfte mit devisenarmen Ländern assoziiert, vor allem Entwicklungsländern, welche die Versorgung mit teilweise lebensnotwendigen Gütern durch Abgabe adäquater eigener Güter gewährleisten, oder hoch verschuldeten Ländern, die strengen Auflagen des IMF unterliegen, um ihre Schulden zu tilgen. Sich verschlechternde Terms of Trade drücken ein Missverhältnis der Preise für die Hauptexportwaren gegenüber den Importwaren aus. Hinzu kommen Preisschwankungen auf den Rohstoffmärkten. Dadurch können fehlendes Exportmarketing-Know-how verlagert und ansonsten unergiebige Märkte erschlossen werden. Auch müssen die Preise nicht offengelegt werden, so dass Handelshemmnisse umgangen und Kartellpreise unterlaufen werden können. Weitere Vorteile sind die Einsparung von Devisen (ausländischen

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Zahlungsmitteln), die Kopplung von Beschaffung und eigenem Absatz, die Entlastung des Vertriebs, die Überbrückung von Liquiditätsengpässen etc. Kompensationsgeschäften können nach vielfältigen Kriterien rubriziert werden (siehe Abb. H5): • nach der Tauschquote. Wird nur ein Teil der Gegenleistung in Waren erbracht und der Rest in Devisen, handelt es sich um eine Teilkompensation, entweder als Restschuld des Importeurs bei Unterlieferung mit Gegenware oder als Restforderung des Importeurs bei Überlieferung mit Gegenware. Bei Vollkompensation entspricht das Zweitgeschäft in vollem Umfang dem Hauptgeschäft; • nach der Anzahl der Beteiligten. Bei zwei Beteiligten spricht man häufig, wenngleich nicht durchgängig von Barter (Tauschgeschäft), bei mehr als zwei Beteiligten hingegen vom Clearing-Geschäft; • nach der Verwertung. Wird die getauschte Ware in vollem Umfang selbst eingearbeitet, handelt es sich um Eigenkompensation. Wird die Tauschware hingegen durch Dritte eingesetzt, handelt es sich um Fremdkompensation; • nach der Abfolge der Transaktionen. Diese können gleichzeitig (im Regelfall) oder zeitlich versetzt nacheinander (beim Deferred Barter oder Vorwegverkauf) erfolgen; • nach der Verbundenheit der in die Transaktionen einbezogenen Waren. Dabei kann es sich um verbundene Leistungen (Buyback- oder BOT-Geschäft) oder (regelmäßig) unverbundene Leistungen handeln;

Abbildung H5: Formen von Kompensationsgeschäften (eig. Abb.)

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• nach der Anzahl der Verträge können nur ein (gekoppelte Transaktionen) oder zwei und mehr getrennte Verträge (nach außen hin ungekoppelte Transaktionen) zugrunde liegen. Dabei gibt es Regelungen über einen einzigen Vertrag, über mehr als einen Vertrag und im Clearing-Verfahren. 27.2.2 Aktivität auf Dauervertragsbasis

In einer zweiten Stufe kommt es für gewöhnlich zum Eingehen einer vertraglichen Bindung mit einem ausländischen Anbieter. Es herrscht der Transferprimat vor. Als Ausprägungen kommen dafür in erster Linie die Lizenzierung, die Kooperation und die Strategische Allianz in Betracht (siehe Abb. H6).

Abbildung H6: Aktivitäten auf Dauervertragsbasis (eig. Abb.)

27.2.2.1 Lizenzierung und Franchising

Eine Lizenz ist allgemein die Erlaubnis zur vertraglich abgesicherten entgeltlichen Nutzung einer durch Patente geschützten Erfindung (Produkt, Verfahren, Zeichen) oder ungeschützten Wissens des intellektuellen Eigentümers oder von beidem, durch einen Lizenznehmer gegen Entgelt, meist verbunden mit der Zusicherung weiterer Dienstleistungen kaufmännischer oder technischer Art. Dies erfolgt durch vollständige oder teilweise, d. h. sachlich, räumlich oder zeitlich beschränkte Übertragung von Gewerblichen Schutzrechten durch den Urheber an andere Personen oder Organisationen.

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Und zwar als einfache oder ausschließliche Lizenz. Erstere ist nicht ausschließlich, d. h., der Lizenzgeber kann mehreren Lizenzgebern sachlich, räumlich und / oder zeitlich parallel die gleichen Rechte einräumen. Gegenstand eines Lizenzvertrags ist immer die Befugnis, das Recht eines anderen zu nutzen. Dabei kann es sich um eine Lizenz unmittelbar vom Rechteinhaber handeln oder um die Unterlizenz eines nur mittelbaren Lizenznehmers (z. B. Master-Franchise). Das Entgelt erfolgt als Pauschalgebühr (Lump Sum) oder umsatz-/absatzabhängige Zahlungen (Royalties) sowie als Mischformen aus einmaliger Lizenzerteilungsgebühr (Down Payment) und laufenden Nutzungsgebühren (Fees) mit oder ohne garantierten Mindestbetrag. Die Nutzung kann dabei jeweils als Zwangslizenz erfolgen (z. B. bei Monopolsituationen) oder als freiwillige Lizenz. Es gibt verschiedene Formen von Lizenzen. Bei Know-how-Lizenzen werden nicht geschützte, aber geheime, technische und kaufmännische Kenntnisse und Fertigkeiten transferiert. Diese Lizenz ist die weitreichendste und betrifft die Benutzung von technischem und / oder betriebswirtschaftlichem Wissen, die dem Know-how-Nehmer FuE, Beschaffung, Produktion und / oder Absatz erleichtern bzw. ermöglichen. Etwas enger gefasst handelt es sich um eine Patentlizenz über durch Gewerbliche Schutzrechte geschütztes Know-how. Produktionslizenzen betreffen die Genehmigung zur Herstellung und zum Vertrieb eines bisher vom Licensor produzierten Erzeugnisses. Dies bedeutet, dass ein Hersteller materieller Güter einem ausländischen Produzenten auf vertraglicher Grundlage und gegen Vergütung (Lizenzgebühr) die Ergebnisse seiner Produktentwicklung und Produktionsvorbereitung zur Verfügung stellt und ihm das Recht einräumt, danach gleiche Produkte herzustellen und / oder zu verbrauchen. Vertriebslizenzen betreffen eine vollständige oder teilweise Übertragung von Gewerblichen Schutzrechten durch den Urheber an andere Personen oder Organisationen, die Produkte in Lizenz vertreiben. Je stärker der Lizenzgeber Einfluss nehmen kann, desto geringer ist dabei sein Risiko. Daher wird ihm an einer inhaltlichen Begrenzung der Lizenzvergabe gelegen sein. Markenlizenzen betreffen die (Mitbe-)Nutzung einer bestehenden Marke in einem anderen Marktfeld. Die Systemlizenz wird als Franchise bezeichnet. Ziele der Lizenzpolitik sind vor allem die Erschließung neuer Märkte bei begrenzten Ressourcen, die Senkung der Transportkosten bei großer Distanz, die Realisierung niedriger Produktionskosten, die Sicherung kundennaher Services, die Überwindung von Kapazitätsengpässen, die Nutzung von FuE-Know-how, die Erschließung von Marktnischen, die Überwindung von Schutzzöllen, Einfuhrsperren etc., die Erfüllung von Local Content-Auflagen, die Unterbindung von

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Konkurrenzerfindungen, die Umgehung von Marktanteilsbegrenzungen, die Senkung des Investitionsrisikos, die Erzielung zusätzlicher Einnahmen, die schnelle Amortisation getätigter Investitionen und die Gewinnverlagerung. Dazu sind freilich vorsichtige und zweckmäßige vertragliche Vereinbarungen erforderlich. Beim Kontraktmanagement übernimmt es ein Distributeur im Ausland, im Auftrag des Partners dort Waren auf fester vertraglicher Basis dauerhaft oder zeitlich begrenzt zu vertreiben, evtl. auch zu assemblieren, montieren oder anderweitig unwesentlich zu be- oder verarbeiten. Nach der Zeitdauer kann es sich um einen projektbezogenen Vertrag oder um eine auf Dauer angelegte Regelung handeln. Die Zusammenarbeit erfolgt normalerweise exklusiv für ein Land. Der Umfang der Tätigkeiten erfordert die mehr oder minder strenge Supervision des Auftraggebers. Bei der weitergehenden Vertragsfertigung (Contract Manufacturing) lässt eine inländische Unternehmung ihre Produkte oder wesentliche Teile davon von einer ausländischen Unternehmung auf fester vertraglicher Basis nach seinen Spezifikationen fertigen (Lohnfertigung). Dabei kann es sich um Vor- oder Endproduktion handeln sowie um Veredelung (s. o.). Im Rahmen eines einzelnen Geschäfts vollzieht sich somit zwischen den beteiligten Geschäftspartnern ein auf die gemeinschaftliche Herstellung von Gebrauchswerten gerichteter Austausch materieller Güter in Gestalt von Erzeugnissen mit Rohstoff- bzw. Materialcharakter und von daraus hergestellten Erzeugnissen. Innerhalb und mittels Lohnfertigungsgeschäft findet jedoch grundsätzlich kein Verkauf bzw. Kauf der genannten Güter statt. Das Geschäftsobjekt ist vielmehr eine auf das (positive) Verändern der Gebrauchseigenschaften materieller Güter gerichtete, industrielle, evtl. auch handwerkliche Dienstleistung (Werkvertrag). Der Verkäufer dieser Leistung wird als Fertiger, der Käufer als Besteller bezeichnet. Die Ausgangsstoffe des Leistungsprozesses werden meist vom Besteller oder durch einen von ihm beauftragten Dritten beschafft und dem Fertiger durch einen lieferähnlichen Vorgang zur Verfügung gestellt. Diese Werkstoffe bleiben jedoch fremdes Eigentum, und der Fertiger fungiert nur als Lagerhalter. Das Ergebnis des Fertigungsprozesses steht dem Besteller zu. Es besteht also eine Rücklieferungspflicht gegen Leistungsvergütung. Franchisegeber und Franchisenehmer bilden beim Master-Franchising eine vertikale Vertriebsorganisation. Der Franchisenehmer ist de jure selbstständiger Unternehmer, er setzt eigenes Kapital ein und trägt in vollem Umfang das unternehmerische Risiko. Er stellt Arbeitskraft zur Verfügung, selbst oder durch Mitarbeitende. Er hat ein bedingtes Nutzungsrecht an geschützten Wettbewerbsvorteilen des Franchisegebers wie Image, Marke, Produkte, Sortiment, Know-how etc. Der Franchisegeber unterstützt den Franchisenehmer umfassend beim Betriebs­ aufbau, im Marketing und in der Betriebsführung, incl. Schulung und Training. Beide treten in der Öffentlichkeit einheitlich auf. Der Handlungsspielraum des Franchisenehmers wird durch das Marketingkonzept des Franchisegebers mehr

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oder minder eng begrenzt. Die Franchisenehmer arbeiten nach vorgegebenen Handlungsschemata (Weisungspflicht). Sie werden auf die konsequente Anwendung des Konzepts hin kontrolliert. Wichtige Merkmale des Franchisors sind, dass er über Marktgeltung und Erfahrungswissen verfügt, die für Nutzer interessant und originär erprobt sind sowie laufend weiterentwickelt werden. Aus dem Vertrag sollen beide Partner wirtschaftliche Vorteile ziehen. Die Vergütung für die Nutzung der Wettbewerbsvorteile und seine Unterstützung besteht aus einer einmaligen Eintrittsgebühr und laufenden, am Geschäftserfolg orientierten Gebühren. Kennzeichen sind die Einräumung Gewerblicher Nutzungsrechte an geschützten oder schützbaren Ergebnissen wie Markenzeichen und Dienstleistungen, die dauerhafte Zusammenarbeit und rechtliche Selbstständigkeit der Partner, die Weisungs- und Kontrollmöglichkeiten des Franchisors, im Gegenzug der eingeräumte Gebietsschutz des Franchisees und der gegenseitigen Leistungsaustausch. Das Master-Franchising als Form des internationalen Franchising regelt die Rahmenbedingungen für ausländische Systemnehmer im Franchise. Dabei erhält der Franchisenehmer das Recht eingeräumt, seinerseits in einer Region Unterfranchisen zu vergeben. Vollfranchisen erstrecken sich über den gesamten Betriebsbereich, Abteilungsfranchisen nur auf einzelne Bereiche des Fremdunternehmens. Unterscheidungsmerkmale sind die Internationalisierungsintensität (Zahl der Länder, kulturelle / geografische Distanz), der Umfang (Zahl der Franchisenehmer, Betriebsgrößen), der Gegenstand (Hauptziel, Branche, Produktklasse), der Marktauftritt (Einheitlichkeit), die Finanzen (einmalige und laufende Zahlungen) und die Rechte / Pflichten. Direktes Franchising bedeutet im Rahmen des Master-Franchise die unvermittelte Vergabe von Franchisen an rechtlich vom Franchisegeber unabhängige Unternehmen im Ausland, die als Franchisenehmer auftreten. Indirektes Franchising erfolgt im Rahmen des Master-Franchise durch eine im Land des Franchisenehmers ansässige Tochtergesellschaft des eigentlichen Franchisegebers bzw. ein kapitalbeteiligtes oder anderweitig beherrschtes, dort ansässiges Fremdunternehmen, das im eigenen Namen Franchisebeziehungen mit Partnern eingeht und unterhält. Die Waren werden entweder vom Franchisor selbst oder durch von ihm kontrollierte Dritte bereitgestellt. Zwar kann der Franchisee auf diese Weise das größere Know-how des Franchisors nutzen und sich mit geringem Kapitaleinsatz selbstständig machen und an einem marktgerechten System partizipieren, doch muss er dafür in Kauf nehmen, dass sein Handlungs- und Entscheidungsspielraum erheblich eingeschränkt wird und er sich dem Willen des Franchisors weitgehend unterzuordnen hat. Damit besteht die Selbstständigkeit dann de facto wiederum nicht mehr. Der Franchisor kann ebenfalls mit geringem Kapitaleinsatz eine gewünschte Marktdurchdringung erreichen und sein Risiko auf diese Weise senken.

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27.2.2.2 Managementvertrag und Kooperation

Beim Managementvertrag (Management Contracting) führt der Systemgeber international eine Unternehmung auf Rechnung und im Namen des Systemnehmers (z. B. Mövenpick, Kempinski in der Hotellerie). Dabei stellt eine Unternehmung aus einem fremden Wirtschaftsgebiet als Contracting Firm also Management-Know-how, wenn gewünscht begleitet durch die erforderliche personelle Ausstattung, zur Verfügung, während die Partnerseite (Managed Firm) aus dem Gastland und / oder einem fremden Wirtschaftsgebiet die Direktinvestition tätigt. Im Zusammenhang mit der Errichtung großer Anlagen oder zum Aufbau / z ur Führung eines Betriebs werden dem ausländischen Vertragspartner meist Führungskräfte zur Verfügung gestellt. Dies sichert dem Contractor zugleich den Einfluss auf die Geschäftsführung der Managed Firm. Die Abrechnung erfolgt zumeist auf Basis einer fest vereinbarten Pachtzahlung. Dabei handelt es sich um eine auf freiwilliger Basis beruhende vertraglich geregelte Zusammenarbeit rechtlich selbstständig bleibender und wirtschaftlich eingeschränkter Betriebe zum Zweck der Verbesserung ihrer Leistungsfähigkeit als Kooperation. Ein Unterfall dieser Form mit grenzüberschreitender Zusammenarbeit ist die internationale Kooperation. Als Ziele der Kooperation werden zumeist die Folgenden genannt: • Effizienz durch gemeinsame Nutzung von Ressourcen und Know-how, Erhöhung des Marktpotenzials, Risikoteilung bzw. -minderung, erleichterter Marktzutritt, insb. bei Existenz von Markteintrittsbarrieren, Know-how-Steigerung, gezielte Gestaltung des Konkurrenzumfelds im jeweiligen Land, Akquisitionsvorbereitung durch Analyse und Bewertung des potenziellen Akquisitionsobjekts in einer Kooperation. Nach der Fristigkeit wird in projektbezogene und dauerhaft angelegte Kooperationen unterschieden, nach dem Inhalt in operative und strategische. Nach den Partner kann es sich um eine Inländerkooperation (mit Gebietsansässigen) oder eine Ausländerkooperation (mit Drittlandansässigen) handeln. 27.2.2.3 Strategische Allianz

Bei der Strategischen Allianz handelt sich um die begrenzte, meist horizontale (seltener auch vertikale oder diagonale) Zusammenarbeit zwischen mindestens zwei oder mehr rechtlich und wirtschaftlich selbstständigen Unternehmen, die aktuelle oder zumindest potenzielle Wettbewerber sind, im Hinblick auf eine oder mehrere Wertaktivitäten, die auf ihre Kernerfolgspotenziale hin ausgelegt sind und in gegenseitigem Austausch von Leistungen bzw. gegenseitigem Zugang zu Kernkompetenzen bestehen, wobei alle beteiligten Unternehmen einen wesentlichen Teil ihres Beitrags zur Allianz in nicht-monetären Leistungen erbringen. Sie ist dauerhaft (strategisch) und evolutionär angelegt, kann also Vorstufe

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für einen Zusammenschluss sein. Die räumliche Erstreckung kann sich auf alle oder ausgewählte Märkte beziehen oder nur neue Märkte betreffen. Ohne klar festgelegtes Ziel der Zusammenarbeit ist eine Allianz von vornherein zum Scheitern verurteilt, es fehlt die Grundlage für abgestimmtes, gemeinsames Handeln. Sind diese Interessen nicht kompatibel, besteht die Gefahr, dass Interessengegensätze die Verbindung sprengen. Die relative Bedeutung der Beiträge der einzelnen Partner bestimmt ihren Einfluss in der Allianz. Charakteristisches Merkmal einer Strategischen Allianz ist die geschäftsfeldbezogene Einschränkung der Selbstständigkeit, wobei zwei oder mehr Unternehmen auf einen Teil ihrer Entscheidungsautonomie verzichten, um ihre Ziele gemeinsam besser verfolgen zu können. Hinsichtlich der Form unterscheidet man: • vertragsfreie Allianzen, z. B. zum zwanglosen Austausch von Know-how bezogen auf FuE, Beschaffung, Produktion, Logistik, Marketing, Vertrieb, • vertraglich begründete Allianzen, z. B. als langfristige Lieferverträge, Lizenzabkommen, im FuE-Bereich, Nach ihrer hauptsächlichen Zielsetzung unterscheidet man: • Markterschließungsallianzen zum schnellen und wirkungsvollen Eindringen in neue Auslandsmärkte, • Volumenallianzen zur Wahrnehmung von Economies of large Scale und Kostensenkungen im Overhead-Bereich, • Burden Sharing-Allianzen zur Verteilung von Kosten und Risiken bei Großprojekten, damit werden die Markteintrittsschranken gesenkt, • Kompetenzallianzen zur Bewältigung komplexer Aufgaben durch Wissenspoolung (Economies of Scope). 27.2.3 Direktes Auslandsengagement

Eine letzte Stufe wird bei Tätigung von Direktinvestitionen erreicht. Hierbei herrscht der Transformationsprimat vor. Dafür sind verschiedene Optionen möglich, so die Beteiligung, die Übernahme, die Neugründung, die Projektgemeinschaft sowie Mischformen. Als Direktinvestition bezeichnet man die Leistung oder das direkte Kapitalengagement Gebietsansässiger in fremden Wirtschaftsgebieten mit der Absicht, einen unmittelbaren Einfluss auf die Geschäftstätigkeit der empfangenden Unternehmung zu gewinnen, eine neue Unternehmung zu gründen oder eine Unternehmung, an welcher der Investor maßgeblich beteiligt ist, zusätzliche Mittel zuzuführen. Sie umfasst die Errichtung (Gründung) von Unternehmen, Betriebs-

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stätten oder Zweigniederlassungen (Greenfield), den Erwerb von Unternehmensbeteiligungen (über 25 %), die dauerhafte Kreditvergabe an ausländische Unternehmen oder die Ausstattung von ausländischen Unternehmen mit Anlagen oder Kapital (Brownfield). Es gibt verschiedene Formen: • Beteiligung ist der Übergang eines mehr oder minder großen Anteils des Kapitals eines Unternehmens auf ein anderes als Minorität, Parität oder Majorität, • Übernahme bedeutet die vollständige Akquisition eines ausländischen Unternehmens durch Eingliederung oder Verschmelzung, • Neugründung ist die Entstehung einer neuen Betriebsstätte aus internem Wachstum durch Alleingründung in eigener Regie oder Joint Venture durch Gemeinschaftsgründung mit Partnern. Als wesentliche Motive für eine Direktinvestition werden häufig folgende genannt: • Erschließung neuer und Sicherung bestehender Märkte, Nutzung der Größe und Dynamik des Auslandsmarkts, Nutzung niedriger Arbeitskosten, Vorteil des Standorts als Exportbasis (Marktpflege), Überwindung von Importbarrieren, Erzielung höherer Renditen, bessere Beschaffungsmöglichkeiten, weniger administrative Hindernisse, höhere Flexibilität des Arbeitsmarkts, Zugang zu öffentlichen Aufträgen im Ausland, höhere Produktivität, Inanspruchnahme staatlicher Investitionsförderung, bessere Arbeitskräftequalifikation, bessere Infrastruktur. 27.2.3.1 Akquisition

Die Akquisition kann als Beteiligung oder Übernahme erfolgen. Zunächst zur Beteiligung (Acquisition) (siehe Abb. H7): • Nach dem Umfang der Beteiligung handelt es sich um eine Teilakquisition (nur einzelne Betriebsteile betreffend) oder um eine Gesamtakquisition (alle Betriebsteile betreffend). • Nach der Marktstufe kann es sich um eine horizontale Akquisition auf gleicher Marktstufe, eine vertikale auf vor- oder nachgelagerter Marktstufe oder eine laterale Auslegung in anderem Wirtschaftsbereich handeln. • Nach dem Übernahmeverhalten handelt es sich um eine feindliche Übernahme (Unfriendly Takeover) ohne Zustimmung der akquirierten Unternehmung (nur bei bestimmten Rechtsformen) oder um eine freundliche Übernahme mit deren Zustimmung. • Nach der Ausrichtung handelt es sich um eine nur kurzfristige Orientierung (Raider / Hedgefonds) oder eine langfristige (Private Equity) in Schaffung und Ausbau von Erfolgspositionen.

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Abbildung H7: Formen der internationalen Beteiligung (eig. Abb.)

• Nach der Intensität handelt es sich entweder um eine Erhaltungsbeteiligung mit Autonomie und selbstständiger Identität der akquirierten Unternehmung, eine symbiotische Beteiligung mit weitgehender Selbstständigkeit oder eine Absorptionsbeteiligung mit völliger Anpassung an den akquirierenden Betrieb. • Nach der Form kann in aktive und passive Beteiligung unterschieden werden. Aktiv meint, dass sich eine Unternehmung an einer anderen beteiligt, um ihre internationale Marktposition zu verbessern. Passiv meint, dass eine Unternehmung die Beteiligung einer anderen sucht, um sich auf diese Weise besseren Zugang zu den internationalen Märkten zu verschaffen. Gerade für Unternehmen, welche die kritische Größe nicht erreichen, besteht darin oft die letzte Chance zum Überleben. Dem weiteren Gewinn an Finanzmitteln steht damit ein mehr oder minder großer Verlust an Selbstständigkeit gegenüber. • Nach dem Ausmaß kann eine Minoritäts- (25 – < 50 %), Paritäts- (50 %) oder Majoritätsbeteiligung (> 50 – 95/99 %) vorliegen. Die wichtigsten Ziele der Beteiligung sind folgende: • Schnellerer Markteintritt, Vergrößerung der Marktmacht gegenüber Lieferanten, Wettbewerbern und Abnehmern, Streuung des Risikos mittels Diversifikation, Umgehung von Markteintrittsbarrieren, Erwerb von einheimischem Markt-Know-how, Erzielung von Synergien in verschiedenen Bereichen der Wertschöpfungskette, Ausschaltung von Konkurrenten, Erhöhung des Unternehmenswerts, Nutzung von Abschreibungs- und Investitionsgelegenheiten. Bei der Übernahme (Merger) wird eine übernommene Unternehmung voll und ganz in die übernehmende integriert. Damit sind dann eindeutige Verhältnisse gegeben. Allerdings involviert dies auch den größten Finanzmittelaufwand. Außer­ dem können wettbewerbsrechtliche Gründe gegen die Übernahme sprechen. Die

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Fusionskontrolle (GWB) etwa kennt größenabhängige Anmelde- und Anzeigekriterien sowie Interventionsmöglichkeiten bei Entstehung oder Verstärkung marktbeherrschender Stellungen ohne eine diese überwiegende Verbesserung der Wettbewerbsverhältnisse oder ohne das dominante Interesse der Allgemeinheit daran. 27.2.3.2 Neugründung

Die Direktinvestition führt hierbei zu einer neuen Betriebsstätte. Nach deren Eigentumsverhältnissen können zwei Formen unterschieden werden, Alleingründung oder Joint Venture (siehe Abb. H8).

Abbildung H8: Formen der internationalen Neugründung (eig. Abb.)

Bei der Alleingründung entschließt sich eine Unternehmung, aus bestehendem Potenzial heraus im Ausland zu internationalisieren (z. B. durch Repräsentanz, ständige Vertretung). Dies bedingt neben einer Reihe von Vorteilen, zwei gravierende Nachteile. Zum einen handelt es sich um eine ausgesprochene Langsamstrategie, d. h., die Zuwachsrate über internes Wachstum wird wahrscheinlich immer unter der durch externes Wachstum liegen. Dies liegt darin begründet, dass durch letzteres schlagartig Umsatzvolumen zuwächst, während dies bei ersterem erst sukzessiv im Zeitablauf gelingt. Zum anderen sind die Wettbewerbsvorteile bereits am Markt etablierter Anbieter regelmäßig so stark, dass es selbst potenten Neueinsteigern selten gelingt, allein eine adäquate Marktposition zu erreichen. Insofern ist die Risikorate bei internem Wachstum ungleich höher als bei externem. Dies gilt erst recht auf ausländischen Märkten, die weniger transparent und zugänglich sind. Im Falle einer solchen Eigengründung wird eine neue Kapital- oder Personengesellschaft geschaffen. Als wichtigste Ziele sind dafür die Folgenden zu nennen: • Wahrung der Unabhängigkeit, Durchsetzung der eigenen Unternehmenspolitik, Umsetzung einer einheitlichen Corporate Identity, schnelle Entscheidungs-

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findung und Marktbearbeitung, Know-how-Schutz, Vergrößerung der eigenen Internationalisierungsintensität. Eine der konstitutiven Entscheidungen für Alleingründungen betrifft die internationale (Makro- und Mikro-)Standortwahl. Für die Bewertung werden objektive und subjektive Faktoren unterschieden. Zu den objektiven Faktoren gehören die: • Infrastruktur, d. h. Zentrifugalwirkung, Topographie (räumliche Lage), Verkehrsanbindung (räumliche Anordnung), • Objektbewertung, d. h. allgemein Betriebsstätte, speziell Betriebsraum/-fläche, Umfeld (Lage), • Kosten, d. h. Gebäude / Unterhalt, Beschaffung / Logistik, Personal-/-nebenkosten, • Rahmenbedingungen, d. h. gesetzliche Bestimmungen, Immissionen (Lärm / Geruch), • sonstiges wie Personalqualifikation etc. Zu den subjektiven Faktoren gehören: • Demographie, d. h. Bevölkerungsstand/-verteilung, Publikumskennzeichen, Erwerbs- und Sozialstrukturen, • Marktpotenzial, d. h. Einkommensverhältnisse, Einkommensverwendung (Kaufkraft), Einzugsgebiet (Pendler / Frequenz), • Lebensgewohnheiten, d. h. Lebensstandard, Konsumgewohnheiten (Intervall / Betrag), Mentalität (Erlebnis- vs. Versorgungsorientierung), • Konkurrenzumfeld, d. h. Betriebsbestand und -formen, Konkurrenzbeziehungen und Anbieterpräferenzen. Eine andere Unterteilung basiert auf quantitativen Faktoren wie • Transportkosten, Grundstücks-/Erschließungskosten, Gebäudeerrichtungskos­ ten, Personalkosten, Materialbeschaffungskosten, Finanzierungskosten, regio­ nale Fördermaßnahmen, Grund-/Gewerbesteuer, Gewinnsteuern, Energie-/ Entsorgungskosten, oder qualitativen Faktoren wie • Grundstückslage, -form, -beschaffenheit, Bebauungsvorschriften, Expansions­ möglichkeiten, Verkehrslage, Personalverfügbarkeit (Menge / Qualifikation), Absatzpotenzial (Ortsgröße), Finanz- und Kreditwesen, allgemeine Infrastruktur, Umweltgegebenheiten (Klima, Belastung). Bei einem Joint Venture gründen zwei oder mehr Partner eine gemeinschaftlich geführte Unternehmung, in die das Kapital, Know-how und ggf. auch bereits existierende Unternehmensteile eingebracht werden. Es handelt sich damit um

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eine spezielle Ausgestaltung der kooperativen Zusammenarbeit, die durch kapitalmäßige und vertragliche Bindung der Partner bestimmt ist, ohne dass ein Partner seine Unabhängigkeit verliert. Alle Partner sind vertraglich gebunden, kapitalmäßig beteiligt und tragen anteiliges Risiko. Merkmale sind die geteilte Verantwortung, die Beibehaltung der individuellen Unternehmensidentitäten, ein kontinuierlicher Ressourcentransfer und die Unteilbarkeit der Ergebnisse. Man kann verschiedene Formen unterscheiden. Das Joint Venture kann national oder, hier interessierend, international angelegt sein. Es kann organisch horizontal, also auf der gleichen Wertschöpfungsstufe einer Branche, vertikal, also auf vor- oder nachgelagerten Wertschöpfungsstufen einer Branche, oder aber anorganisch auf gleichen oder verschiedenen Wertschöpfungsstufen verwandter oder verschiedener Branchen angesiedelt sein. Ein internationales Joint Venture kann bilateral (Dual Joint Venture mit zwei Partnerländern) oder multilaterial (mehr als zwei Partnerländer) angelegt sein. Denkbar sind dabei folgende Kombinationen: • die Partner kommen aus dem gleichen Stammland und gründen für das Zielland, • die Partner kommen aus verschiedenen Stammländern und gründen für das Zielland, • die Partner kommen aus Stamm- und Zielland und gründen für das Zielland. Das Joint Venture kann kurzfristig (Contractual Joint Ventures) oder, typischerweise, mittel- bis langfristig ausgelegt sein. Es kann eine Imparität der Beteiligung mit Minderheit eines Partners und entsprechend Mehrheit des anderen, oder, typischerweise, eine Parität der Partner vorsehen. Die Eigentums- und Kontrollrechte entsprechen dabei meist der Verteilung der Kapitalanteile. Ein (internationales) Joint Venture bezeichnet somit die Führung eines neu zu gründenden Gemeinschaftsunternehmens durch die Anteilseigner als zwei oder mehr wirtschaftlich voneinander unabhängigen Unternehmen im In- und Ausland, die gemeinsam die führungsmäßige Verantwortung und das finanzielle Risiko aus einem Vorhaben tragen. Joint Ventures implizieren oft eine 50:50-Beteiligung (Equity Joint Venture) zwischen den Partnern. Dabei treten allerdings leicht Interessenkonflikte auf, und es drohen Prestige- und Machtkämpfe, die zu ungebührlichen Kompromissen zwingen (daher werden meist Entscheidungsbereiche bei Stimmengleichheit einem Partner zugeordnet). Oftmals bilden dabei das Gastland selbst und ein Investorenunternehmen die Partner (Local Content). Dies liegt im Wunsch des Gastlandes begründet, am wirtschaftlichen Erfolg und dessen Management angemessen beteiligt zu sein. Viele Entwicklungsländer machen z. B. zwischenzeitlich Direktinvestitionen von mehr oder minder hohen Local Content-Anteilen abhängig. Oder sie finden als Formen mehrheitlicher bzw. minderheitlicher Be-

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teiligung eines Partners statt, meist als 51 : 49-Beteiligung (Majority / Minority Joint Venture), wobei häufig eine Unternehmung vorrangig Kapital und die andere Know-how einbringt. Das Engagement kann mehr oder minder eng sein. Oft handelt es sich dabei auch um erzwungene Joint Ventures, wenn dies die einzige Möglichkeit ist, im Ausland Fuß zu fassen, da die Gesetze des Gastlandes die Beteiligung eines einheimischen Partners zwingend vorschreiben (wie China).

Literaturhinweise Altmann, Jörn: Außenwirtschaft für Unternehmen, 3. Auflage, Stuttgart / Jena 2012 Dülfer, Eberhard / Jöstingmeier, Bernd: Internationales Management in unterschiedlichen Kulturbereichen, 7. Auflage, München 2008 Häberle, Siegfried Georg: Einführung in die Exportfinanzierung, 3. Auflage, München /  Wien 2009 Holtbrügge, Dirk / Welge, Martin K.: Internationales Management, 5. Auflage, Stuttgart 2010 Huber, Andreas: Internationales Management, München 2007 Jahrmann, F.-Ulrich: Außenhandel, 13. Auflage, Ludwigshafen 2010 Kutschker, Michael / Schmid, Stefan: Internationales Management, 7. Auflage, München /  Wien 2010 Macharzina, K. / Oesterle, Michael-Jörg (Hrsg.): Handbuch Internationales Management, 2. Auflage, Wiesbaden 2014 Meckl, Reinhard: Internationales Management, 3. Auflage, München 2014 Oesterle, Michael-Jörg / Schmid, Stefan: Internationales Management, Stuttgart 2009 Perlitz, Manfred / Schrank, Randolf: Internationales Management, 6. Auflage, Stuttgart / Jena 2013 Proff, Heike: Internationales Management, München 2004 Scherm, Ewald / Süß, Stefan: Internationales Management, München 2001 Siedenbiedel, Georg: Internationales Management, Stuttgart 2007 Welge, Martin K. / Holtbrügge, Dirk: Internationales Management, 6. Auflage, Stuttgart 2015 Wiesner, Knut: Internationales Management, München 2004

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Übungsaufgaben 1. Wann ist eine Unternehmung international? 2. Stellen Sie bitte dar, wie die PESTLE-Analyse im Einzelnen vorgeht. 3. Stellen Sie bitte das BERI-Messkonzept für Auslandsmarktrisiken dar. 4. Nach welcher Einteilung kann die Führung internationaler Märkte nach Perl­ mutter strukturiert werden? 5. Stellen Sie bitte das Kulturmodell nach Hofstede in seinen wesentlichen Inhalten dar. 6. Stellen Sie bitte das Kulturmodell nach Hall / Hall in seinen wesentlichen Inhalten dar. 7. Wie unterscheiden sich die Marktführung nach der Generalisierung und die Marktführung nach der Fokussierung? 8. Wie kann die zeitliche Abfolge der internationalen Markteintritte konzipiert sein? 9. Stellen Sie bitte die wesentlichen Inhalte von Kompensationsgeschäften dar. 10. Was versteht man unter Devisen und wie kann damit gehandelt werden? Recherchieren Sie bitte Informationen dazu. 11. In welche Formen kann man den Markteintritt durch Außenhandel im Wesentlichen strukturieren? 12. In welche Formen kann man den Markteintritt auf Vertragsbasis im Wesentlichen strukturieren? 13. In welche Formen kann man den Markteintritt durch Direktinvestition im Wesentlichen strukturieren? 14. Im internationalen Geschäft ist die Produktpiraterie ein verbreitetes Übel. Recherchieren Sie bitte, wie dieser entgegengewirkt werden kann? 15. Wodurch zeichnet sich ein internationales Projekt aus? Recherchieren Sie bitte Informationen dazu.

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28. Betriebswirtschaft der Dienstleistungen In diesem Kapitel werden folgende Inhalte behandelt und geklärt: • die Bedeutung und der Begriff der Dienstleistung, • die Kennzeichen der Dienstleistung durch Zweistufigkeit der Produktion, Immaterialität des Ergebnisses und Kundenintegration im Prozess, • die institutionellen Besonderheiten von Dienstleistungen, • die Gestaltungen des Leistungsangebots, des Leistungsentgelts, der Leistungsverfügbarkeit und der Leistungsinformation, • das Zufriedenheitsmanagement. 28.1 Bedeutung und Begriff Innerhalb der drei gesamtwirtschaftlichen Sektoren ist der tertiäre Sektor der Dienstleistungen der mit Abstand größte. Je nach Messung liegt er in Deutschland bei knapp unter 70 % in Bezug auf das Bruttoinlandsprodukt bzw. knapp über 70 % in Bezug auf die Beschäftigtenzahl. Der Anteil des tertiären Sektors gilt allgemein als Indikator für den Entwicklungsstand einer Wirtschaft („reife Gesellschaften“). In vergleichbaren Ländern liegt der Anteil des tertiären Sektors durchaus noch höher. Es ist strittig, ob dies ein Nachteil für Deutschland ist, etwa in Bezug auf den Arbeitsmarkt, oder ein Vorteil, weil die Industrie (sekundärer Sektor) als stabilisierendes Element wirkt. Außerdem gelten außerhalb der EU abweichende Messgrundlagen für die Sektorenzuordnung und in den anderen Sektoren verbergen sich Dienstleistungsanteile, die wegen der institutionellen Zuordnung nicht als solche ausgewiesen werden (z. B. Kundendienste). 28.1.1 Deskriptive Definitionsansätze

Der Begriff Dienstleistung ist ausgesprochen schwierig abzugrenzen (die Begriffe „Service“ und „Dienstleistung“ werden als Wechselvokabeln eingesetzt). Genauer betrachtet, gibt es derzeit keine schlüssige Definition, wohl aber unterschiedliche Ansätze zur Begriffsbestimmung (siehe Abb. H9). Zunächst sind die deskriptiven Ansätze zu nennen: • Am einfachsten geht der Ansatz vor, der Dienstleistungen negativ als all jene Produktionen definiert, die nicht agrarisch oder industriell erstellt werden. Abgesehen davon, dass Definitionen sinnvollerweise keine Negation erlauben, stimmt diese Begriffsbestimmung auch nicht. Denn Dienstleistungen sind zu großen Teilen kein gleich berechtigter (tertiärer) Sektor neben Agrarwirtschaft und Industrie, sondern vielmehr Teil dieser Sektoren, also agrar- oder indust-

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rieproduktverbundene Leistungen. Insofern besteht der tertiäre Sektor aus agrarischen, konsumtiven und investiven Dienstleistungen. Diese Mischformen sind aber durch eine Negativabgrenzung nicht zu erfassen, so dass dieser Ansatz sich als nicht leistungsfähig herausstellt. • Ein anderer Ansatz geht von einer (enumerativen) Auflistung aller Wirtschaftsbereiche aus, in denen Dienstleistungen stattfinden. Beispiele finden sich beim General Agreement on Trade in Services (GATS) der WTO, beim Statistischen Bundesamt zur Erfassung der gesamtwirtschaftlichen Wertschöpfung und beim Markengesetz zur Schützbarkeit von Angebotsnamen. Da allerdings kontinuierlich neue Formen von Diensten am Markt auftauchen (man denke nur an die vor wenigen Jahren noch unvorstellbaren digitalen Services) und gleichzeitig bestehende Formen von dort verdrängt werden, bleibt eine solche Aufzählung instabil und ist damit ungeeignet. • Ein weiterer Ansatz ist die tätigkeitsorientierte Definition. Danach sind Dienstleistungen Verrichtungen gegen Entgelt. Dies schließt allerdings unentgeltliche Dienste, etwa kostenlose Sozialdienste wie Kinder- / Alten- / Frauen- / Krankenbetreuung oder Haushaltsarbeit, ungerechtfertigterweise als Dienstleistungen aus. Dieser Ansatz ist vor allem unter dem Gesichtspunkt des „Make or Buy“ diskutiert worden. Danach sind Dienstleistungen (mangels einer befriedigenden anderen Definition) Verrichtungen, die für andere Wirtschaftseinheiten vorgenommen und von diesen als Tätigkeiten gegen Entgelt in Anspruch genommen werden. Das Grundmotiv der Inanspruchnahme besteht demnach im zumindest weitgehenden „Buy“ anstelle des „Make“. Insofern wären Dienstleistungen nicht als Gegensatz zu Sachleistungen,

Abbildung H9: Alternative Dienstleistungsdefinitionen (eig. Abb.)

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sondern als Gegensatz zu Eigenleistungen zu verstehen. Das bedeutet aber, auch die beauftragte (Fremd-)Erstellung einer Sachleistung, nicht hingegen die fremd initiierte Sachleistung, wäre demnach Dienstleistung. Das führt zu gewöhnungsbedürftigen Konsequenzen. Denn danach wäre etwa die Produktion eines Pkw-Modells nach den Ausstattungswünschen des Käufers eine Dienstleistung, der Kauf eines vorproduzierten Pkw-Modells gleichen Typs vom Werkshof jedoch eine Sachleistung. Eine solche spitzfindige Definition widerspricht dem allgemeinen Sprachgebrauch. Weiterhin ist problematisch, dass Dienstleistungen auch ohne, zumindest offensichtliche Tätigkeiten gegeben sind, so z. B. bei Sicherheitsdiensten. Diese wären dann mangels Aktivität nicht honorierbar. Umgekehrt ist aber auch nicht jede Verrichtung honorierbar, nämlich dann nicht, wenn in der Geschäftsbeziehung ein Erfolg geschuldet wird (z. B. bei der Gewerbe- oder Privat-Makelung). Insofern ist auch dieser definitorische Ansatz nicht belastbar. 28.1.2 Analytische Definitionsansätze

Die Diskussionen zur Definition von Dienstleistungen konzentrieren sich somit auf drei Ansätze von analytischen Merkmalen: • Einen Ansatz stellt die prozessorientierte Definition dar. Danach entstehen Dienstleistungen aus der raum-zeitsynchronen Interaktion zwischen Dienstleister (Anbieter) und Kunde (Nachfrager). Dazu bedarf es also neben den internen Faktoren, die im Verfügungsbereich des Anbieters stehen, z. B. Personal, Sachanlagen, eines externen Faktors, der nicht im Verfügungsbereich des Anbieters steht, mit dessen Hilfe erbrachte Arbeit erst zu einer honorierungsfähigen Leistung wird. Danach findet die Produktion von Dienstleistungen in zwei Stufen statt. Zunächst als interne Vorkombination der betriebswirtschaftlichen Produktionsfaktoren zur Vorbereitung der eigentlichen Leistung und danach als Endkombination unter Einschluss des externen Faktors (also des Kunden). Dies schließt allerdings alle Dienste aus, die auch ohne raum-zeitliche Synchronität zwischen internen und externen Faktoren entstehen (z. B. Online-Dienste oder IT-Software), sowie alle, bei denen es zur Honorierung nicht auf den Prozess, sondern vielmehr auf das Ergebnis ankommt. So liegt der Wert eines Haarschnitts weniger im kunstvollen Vorgang des Schneidens selbst begründet als vielmehr im Ergebnis einer erstklassigen Frisur. Außerdem vollzieht sich jegliche Produktion, also auch die von Sachleistungen, in Prozessen. Die Besonderheit bei Dienstleistungen ist nur, dass diese Prozesse am oder unter Mitwirkung des Kunden bzw. eines Objekts in dessen Besitz vollzogen werden, während Prozesse zur Sachleistungsproduktion stets ohne externen Faktor, sondern nur durch bloße interne Faktorkombination, erfolgen. So ist es zwar unstrittig, dass Dienstleistungen Prozesse darstellen, aber das allein reicht nicht zu einer sinnvollen Definition aus.

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• Weiterhin gibt es die ergebnisorientierte Definition. Danach sind als Dienstleistungen nicht schon die Prozesse selbst, unerheblich, ob gegen Entgelt oder nicht, sondern erst die vermarkteten Ergebnisse dieser Prozesse anzusehen. Dies schließt jedoch unzutreffenderweise nicht vermarktete Ergebnisse (z. B. im öffentlichen Sektor) ebenso aus wie reine Prozessleistungen, die ergebnisunabhängig sind (etwa kollektive Dienste mit Kontrahierungszwang). So werden öffentlich-rechtliche Rundfunkleistungen unabhängig davon mit Gebühren belegt, ob das Senderangebot tatsächlich genutzt wird oder nicht. Hinzu kommt, dass ein und dieselbe Dienstleistung (z. B. Restaura­tion) sowohl unter Ergebnisaspekten (Endzustand erreichen) als auch unter Prozessaspekten (Vorgang erleben) betrachtet werden kann. Daher stellt sich die Frage, ob nicht schon die Prozesse selbst, unabhängig vom Ergebnis, Dienstleistungen darstellen. Dies gilt etwa für alle Dienstverträge, die keinen Erfolg schulden, sondern nur bestmögliche Bemühungen darum. So schuldet die Fahrschule keinesfalls die bestandene Führerscheinprüfung, also das Ergebnis der Dienstleistung, sondern nur die ordnungsgemäße Vorbereitung darauf. Das Ergebnis ist dann vom Erfolg des externen Faktors, von Zufall o. Ä. abhängig. Gleiches gilt für den Arzt oder den Physiotherapeuten. Obwohl diese Leistungen zweifelsfrei Dienstleistungen sind, fallen sie augenscheinlich nicht unter die ergebnisorientierte Definition. Wahrscheinlich ist dieses Manko aber nur auf eine unzweckmäßige Definition des Begriffs Ergebnis zurückzuführen, denn das Ergebnis kann durchaus auch negativ formuliert sein, z. B. als Verhinderung von Feuer­ ausbrüchen. Allerdings zielen auch Sachleistungsprozesse zweifelsfrei auf Ergebnisse ab, so dass daraus allein noch keine hinreichende Definition für Dienstleistungen abgeleitet werden kann. • Bei der potenzialorientierten Definition kommt es bei Dienstleistungen nicht auf das Leistungsergebnis an (z. B. den auf frischer Tat ertappten Einbrecher), sondern vielmehr auf das bereitgestellte Leistungspotenzial, das bei Bedarf abgerufen werden kann (z. B. den Sicherheitsdienst). Insofern sind Dienstleistungen bereits durch das bloße Vorhalten einer Leistungsbereitschaft gegeben. Dies trifft jedoch auf all jene Fälle nicht zu, in denen Werk- (oder Werklieferungs-)Verträge zugrunde liegen. So reicht es für einen Taxifahrer zur marktwirksamen Erbringung seiner Leistung Personenbeförderung keineswegs aus, fahrbereit, nüchtern und hilfsbereit am Taxistand zu parken, sondern es kommt zur Honorierung entscheidend auf das Ergebnis an, also die effiziente Verbringung an das gewünschte Fahrtziel. Auch der Makler hat nur dann Anspruch auf Courtage, wenn er eine Mietwohnung tatsächlich nachweist, nicht schon, wenn er nur einen kaufmännischen Geschäftsbetrieb vorhält. Insofern werden dadurch alle Dienstleistungen ausgeschlossen, die nur oder weit überwiegend erfolgsabhängig honoriert werden (z. B. Vermögensverwaltung). Schließlich ist zweifelhaft, ob die Bereitstellung des Potenzials wirklich unterscheidungsfähig ist, denn solche Potenziale werden auch bei Sachleistungen (in Form be-

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vorrateter Produkte, Maschinenkapazitäten etc.) bereitgestellt, ohne dass diese dadurch schon zu Dienstleistungen würden. Aus aktueller Sicht sind Dienstleistungen vor allem durch drei Merkmale gekennzeichnet. Erstens durch ihre Prozessorientierung, d. h. die zeit-synchrone Interaktion mit dem Kunden (Externer Faktor). Zweitens durch ihre Ergebnis­ orientierung, d. h. die geldwerte Leistung. Und drittens durch ihre Potenzialorientierung, d. h. die Leistungsbereitschaft. Alle drei Merkmale treffen aber isoliert auch auf Sachleistungen zu, in Kombination sind sie erst in der Lage, Dienstleistungen sinnvoll abzugrenzen. Daraus ergibt sich dann folgende Arbeitsdefinition: • Dienstleistungen sind marktfähige Verrichtungen und Leistungsbereitschaften am Externen Faktor. Sie resultieren kumulativ aus der Bereitstellung interner Leistungspotenziale, der Durchführung kundenintegrierender Leistungsprozesse und dem Angebot immaterieller Leistungsergebnisse. Diese Definition ist jedoch nicht erschöpfend, denn für Dienstleistungen sind darüber hinaus aber noch zahlreiche andere Merkmale kennzeichnend. Sie werden zweistufig erstellt, zuerst verkauft und dann produziert. Sie sind individuell ausgelegt und in ihrem Arbeitsanfall fremdbestimmt. Ihre Logistik, Kapazitätssteuerung und Standardisierung sind eingeschränkt. Und sie haben Vertrauensgutcharakter. Diese Besonderheiten sind die Begründung für ein eigenständiges Dienstleistungsmanagement und werden im Folgenden erläutert. Jedoch können einschlägige Kennzeichen von Dienstleistungen festgestellt werden (siehe Abb. H10).

Abbildung H10: Kennzeichen von Dienstleistungen (eig. Abb.)

28.2 Zweistufigkeit der Produktion Dienstleistungen werden produziert wie auch Sachleistungen, nämlich durch die Kombination der betriebswirtschaftlichen Produktionsfaktoren Betriebsmittel, Werkstoffe und dispositive bzw. exekutive Arbeit. Dienstleistungen werden jedoch zweistufig produziert, zunächst als Vorkombination der internen Produk-

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tionsfaktoren durch Bereitstellung von Leistungsfähigkeiten (Potenzial). Danach erst erfolgt die Endkombination mit dem Externen Faktor als Gleichzeitigkeit der Produktion (Prozess) und Konsumtion (Ergebnis) der Dienstleistung (siehe Abb. H11).

Abbildung H11: Zweistufigkeit der Dienstleistungen (eig. Abb.)

Aus dieser Besonderheit folgen erhebliche Konsequenzen. So ist keine Vorratsproduktion möglich, da es des Kunden zur Erstellung der Produktion bedarf. Der Arbeitsanfall ist damit fremdbestimmt, d. h. wann produziert wird, bestimmt der Kunde, nicht der Anbieter. Um die Lieferfähigkeit zu erhalten, ist eine stetige Leistungsbereitschaft erforderlich. Daraus wiederum folgt eine hohe Fixkostenbelastung, insb. auch ungedeckte Fixkosten (Leerkosten), die sofern sie pagatorischer Natur sind, die Existenz der Unternehmung gefährden. Zumal für gewöhnlich hohe Nachfrageschwankungen am Markt zu verzeichnen sind. Hinzu kommt eine oftmals geringe Angebotsflexibilität, verursacht durch Gesetze, Verordnungen, Tarifverträge etc. Lösungsmöglichkeiten ergeben sich aus drei Ansätzen (siehe Abb. H12): • Zeitanpassung der Leistungsbereitschaft. Dabei geht es um zweierlei. Erstens um die Anpassung von Angebot und Nachfrage. Dies erfolgt durch Zeitfenster, während derer der Anbieter Kapazität für einen Nachfrager bereithält (z. B. Anmeldung beim TÜV) oder durch Zeitfenster der Nachfrager, während der ein Anbieter tätig werden kann (z. B. Urlaubstermine). Dadurch kann eine

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Abbildung H12: Lösungsmöglichkeiten für Restriktionen zweistufiger Produktion (eig. Abb.)

bessere Abstimmung von Angebot und Nachfrage erreicht werden. Zweitens kann anbieterseitig versucht werden, die vorhandenen Kapazitäten effizienter zu nutzen, um Wartezeiten bei Übernachfrage zu vermeiden oder vorhandene Nachfrage mit geringeren Kapazitäten bearbeiten zu können. Dies wird durch kürzere Prozesszeiten erreicht sowie durch eine Homogenisierung des Inputs, der dann rationeller und qualitätstreuer in den gewünschten Output transformiert werden kann. Um Wartezeiten und Unzufriedenheiten entgegen zu wirken, bieten einige Anbieter Servicegarantien als Selbstbindung (z. B. Commerzbank, UPS). • Anrechtsbelege bei absehbaren Kapazitätsrestriktionen. Dies hat zwei Aspekte. Einerseits erhält der Anbieter durch die Reservierung von Kapazität einen Eindruck vom Ausmaß der Nachfrage nach seiner Dienstleistung und kann seine Potenziale und Prozesse gemäß dieser Erwartung einsteuern. So können, wo möglich, Kapazitäten abgebaut werden, wenn weniger Nachfrage absehbar ist, um Fixkosten einzusparen. Oder Kapazitäten ausgebaut werden, wenn mehr Nachfrage absehbar ist, um diese erlösbringend zu bedienen. Andererseits hat der einzelne Nachfrager durch Anrechtsbelege die Gewissheit, die Dienstleistung in Anspruch nehmen zu können, unabhängig davon, wie viele andere Nachfrager diese auch in Anspruch nehmen wollen und wie hoch die Restkapazität auch immer ist. Insofern gewinnen beide Seiten Sicherheit. Hinsichtlich der Art der Anrechtsbelege können Namens- und Orderpapiere sowie Inhaberpapiere unterschieden werden, bei ersteren ist berechtigt, wessen Name angegeben ist, bei letzteren ist berechtigt, wer Besitzer ist. • Yield Management. Bei häufig vorzufindenden, starren Kapazitäten ist eine solche Anpassung anbieterseitig allerdings nicht möglich. Daher hat der Anbieter ein Interesse daran, weder Unter- noch Überauslastung zu riskieren. Als Steuerungselement bietet sich dabei der Preis an. Yield Management betrifft daher eine auslastungsgradgesteuerte Preisdifferenzierung als Sonderform der zeitlichen Preisdifferenzierung (siehe Abb. H13). Der Preis schwankt also mit der Kapazitätsbelegung. Dabei sind zwei Ansätze möglich. Erstens kann bei

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niedriger Kapazitätsbelegung mit einem hohen Preis gestartet und dieser dann sukzessive gesenkt werden, um Leerkapazitäten zu vermeiden. Hierbei liegt die Priorität auf dem Ertrag, das Problem ist, dass unverkaufte Restkapazitäten verbleiben können (z. B. Linienfluggesellschaften). Zweitens kann mit einem niedrigem Preis gestartet werden, um zunächst eine Grundauslastung zu sichern und dieser dann sukzessiv erhöht werden, um die höhere Preisbereitschaft bei dann knapperen Kapazitäten abzuschöpfen (z. B. Billig-Airlines). Hier liegt die Priorität damit auf Auslastung, allerdings wird womöglich Erlösspielraum vergeben.

Quelle: wirtschaftslexikon.gabler.de / rMedia/45106_small.png

Abbildung H13: Prinzip Yield Management-System

Bei den Lösungsansätzen ergibt sich das Problem der No Shows und der Go Shows. Unter No Shows versteht man Nachfrager, die ein Leistungspotenzial für sich reserviert haben, ohne es tatsächlich abzurufen. Für den Anbieter bedeutet dies ungedeckte Fixkosten. Es hängt von der Vertragssituation und seiner Geschäftspolitik ab, inwieweit er dafür Ersatz erhält (z. B. Ausfallhonorar). Ein wichtiger Aspekt ist dabei, ob es verdrängte anderweitige Erlöse gibt oder nicht. Unter Go Shows versteht man Nachfrager, die keine Reservierung für sich haben vornehmen lassen, jetzt aber erwarten, Leistungspotenzial bereitgestellt zu erhalten. Auch hierbei hängt es vom Beschäftigungsgrad ab, wie zu reagieren ist. Besteht Unterauslastung, können zusätzliche Deckungsbeiträge hereingeholt

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werden. Besteht Überauslastung, kann geprüft werden, inwieweit ein kurzfristiger Kapazitätsausbau möglich ist oder Kapazitätsbelegungen umorganisiert werden können (z. B. Terminverlegung). Dabei ist eine Kapazitätsanpassung zu prüfen. Restriktionen finden sich hier vielfältig in internen und Externem Faktor(en). Dennoch ist sowohl eine quantitative wie eine qualitative Anpassung möglich: • Quantitativ ist eine kapazitative Anpassung bei maschinellen und personalen Kapazitäten darstellbar. Diese erfolgt durch Stilllegung / Entlastung bzw. Aufstockung vorhandener Kapazitäten. Dabei sind allerdings die Konsequenzen bei Wiedereintritt des Normalbeschäftigungsgrads zu prüfen. Eine intensitätsmäßige Anpassung erfolgt durch wechselndes Arbeitstempo. Dabei kann es allerdings zu einer erhöhten Fehlerrate kommen, die Opportunitätskosten bedingt. Eine zeitliche Anpassung erfolgt über Kurzarbeit bzw. Überstunden. Hier entstehen remanente bzw. überproportionale Stückkosten. • Qualitativ wird eine mutative Anpassung durch Prozessveränderung vorgenommen. Dabei können situative Faktoren wie Raum, Zeit, Arbeitsmittel etc. geändert werden. An diesen Beispielen wird deutlich, dass Dienstleistungen zuerst verkauft werden und dann erst produziert. Im Unterschied zu Sachleistungen, die immer zuerst produziert und dann erst verkauft werden. Das bedeutet aber, dass Nachfrager bei Dienstleistungen „die Katze im Sack“ kaufen, also ein Geldopfer für etwas erbringen, von dem sie zu diesem Zeitpunkt noch nicht wissen, was genau es ist. Daraus folgt ein gravierendes Vertrauensproblem. Mehr noch als Sachleistungen sind Dienstleistungen Vertrauensgüter (Credence Goods). 28.3 Immaterialität der Leistung Aus dem weit überwiegenden Vertrauensgutcharakter von Dienstleistungen folgt deren Intangibilität (Nicht-Anfassbarkeit). Vor dem Kauf können sie nicht beurteilt werden, auch beim Kauf nicht und häufig nicht einmal danach. Daher gilt es, nachfragerseitiges Vertrauen aufzubauen und zu erhalten. Dieses ist eng verbunden mit der anbieterseitigen Reputation. Beide sind das notwendige Äquivalent zur Risikotragung aus der Immaterialität der Leistung. Daraus folgen die grundsätzliche Nichtlagerfähigkeit von Dienstleistungen und ihre grundsätzliche Nichttransportfähigkeit. Die daraus folgenden Restriktionen gilt es zu lösen. Nichtlagerfähigkeit bedeutet, dass Dienstleistungen nicht im Voraus produziert und dann bis zum Verkauf zwischengelagert werden können, denn der Verkauf findet ja vor der Produktion statt. Daher sind die Kapazitäten der zu erwartenden Nachfrage anzupassen oder es ist zu versuchen, die Nachfrage den bereitgestellten Kapazitäten anzupassen. Bei zu knapp bemessenen

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Kapazitäten entstehen dann allerdings Wartezeiten für Kunden, die als Unzufriedenheitsstifter wirken. Und bei zu großzügig bemessenen Kapazitäten entstehen Pausenzeiten der personalen und maschinellen internen Produktionsfaktoren mit der Folge von Ineffizienz. Eine flexible Anpassung der Kapazitäten wird durch soziale Restriktionen in Bezug auf den personalen Faktor und technische Re­ striktionen in Bezug auf den maschinellen Faktor eng begrenzt. Insofern bleibt häufig nur eine stete Leistungsvorhaltung in der Hoffnung auf Verständnis bei Kunden und Verteilarbeiten in Produktion und Administration (siehe Abb. H14).

Abbildung H14: Lösungsmöglichkeiten für Restriktionen der Immaterialität (eig. Abb.)

Besonders diskutiert wird in diesem Zusammenhang die zeitliche Harmonisierung. Dazu können verschiedene Prozesszeiten unterschieden werden: • die Transferzeit zum Leistungsort, die Vorbereitungszeit der Leistung (Rüstzeit), die eigentliche Ausführungszeit (Nutzzeit), die Nachbereitungszeit (Rüstzeit) und die Transaktionszeiten zwischen Teilprozessen. Dabei entstehen Wartezeiten, diese können vor oder während des Prozesses anfallen. Von Wartezeiten weiß man, dass sie häufig Unzufriedenheitsstifter sind. Daher wird versucht, sie zu verkürzen. Dies kann auf objektiver Faktenebene (linearer Ansatz) erfolgen oder auf Wahrnehmungsebene (prozeduraler Ansatz). Bei letzterem wirken subjektiv verkürzend: • aktiv verbrachte Zeit, sie wird von Kunden nicht als Wartezeit, sondern als Nutzzeit erlebt, • Gewissheit über die Restwartezeit, sie wirkt entstressend, • Wartezeiten während des Prozesses werden als kürzer erlebt als Wartezeiten vor dem Prozess, • interpersonelle Fairness (erlebte Gleichbehandlung) wirkt dissonanzreduzierend, • je werthaltiger eine Leistung ist, desto eher werden Wartezeiten hingenommen.

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Gestaltungen betreffen hier die Warteschlangenpolitik (Anzahl der Schalter / Desks, Anzahl der Warteschlangen / Queues) und die Prozesseinteilung (wie Reihenfolge / FiFo, Sonderprozesse). Aus der Intangibilität folgt auch die grundsätzliche Nichttransportfähigkeit von Dienstleistungen. Anbieter und Nachfrager müssen also zeitgleich und raumgleich (Uno actu) zusammenkommen, damit eine Wertschöpfung möglich ist. Für eine räumliche Harmonisierung bestehen im Grundsatz drei Möglichkeiten. Erstens kann der Externe Faktor sich an den Ort der internen Produktionsfaktoren begeben. Die Leistungserstellung erfolgt dann im Residenzprinzip (z. B. Besuch in der Arztpraxis). Zweitens können sich die internen Produktionsfaktoren an den Ort des Externen Faktors begeben. Die Leistungserstellung erfolgt dann im Domizilprinzp (z. B. Hausbesuch des Arztes). Und drittens können sich interne Produktionsfaktoren und Externer Faktor an einem gemeinsamen dritten Ort einfinden, um dort die Leistungserstellung zu vollziehen (Treffprinzip). Wenn die internen Faktoren nicht transportabel sind, muss die Dienstleistung an deren Ort stattfinden (z. B. Kfz-Werkstatt). Wenn der Externe Faktor nicht transportabel ist, muss die Dienstleistung an dessen Ort stattfinden (z. B. Rasenpflege durch Gärtner). Wenn beide Faktoren nicht transportabel sind, kann eine Dienstleistung nicht stattfinden, es sei denn, es gelingt, sie zu veredeln. Eine Veredelung von Dienstleistungen bedeutet also den Versuch zur Überwindung der Nichtlagerfähigkeit und der Nichttransportfähigkeit. Dies gelingt durch Speicherung der Leistung auf Medien sowie durch Übertragung der Leistung in Netzen. Eine Speicherung erlaubt die Überbrückung der zeitlichen Diskrepanz zwischen dem Zeitpunkt der Leistungserbringung und dem Zeitpunkt der Leistungskonsumtion. Dies erfolgt etwa durch Datenträger, die mediale Dienstleistungen zeitunabhängig verfügbar machen (z. B. Fußballspiel, Rockkonzert, Theaterstück). Eine Übertragung erlaubt die Überbrückung der räumlichen Diskrepanz zwischen dem Ort der Leistungserbringung und dem Ort der Leistungskonsumtion. Dies erfolgt etwa durch Live-Übertragung, Streaming, Mediasharing. Ob es sich im Falle von Datenträgern (CD / DVD, USB-Stick, SD-Karte etc.) dann noch um eine Dienstleistung handelt, ist strittig. Einerseits ist keine Intangibilität mehr gegeben, sondern eine Sachleistung, andererseits ist nicht der Datenträger die Leistung, sondern dessen Inhalt, der nach wie vor intangibel ist. In jedem Fall sind Dienstleistungen auch einer Logistik zugänglich, wie ansonsten nur Sachleistungen. Es gibt die Möglichkeit der Zwischenlagerung der internen Produktionsfaktoren (Pausenzeiten) und des Externen Faktors (Wartezeiten) und die Möglichkeit der Verbringung der internen Produktionsfaktoren und des Externen Faktors. Entsprechend sind auch logistische Kundendienste möglich und wichtig sowie logistische Absatzhelfer.

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28.4 Kundenintegration Das Uno actu-Prinzip besagt, dass Endproduktion und Konsumtion zeit- und raumsynchron durch Interaktion von Externem und internen Faktoren in einem Prozess stattfinden. Der Kunde als Externer Faktor ist damit inhärenter Bestandteil der Produktion. Man spricht von Prosumership (Kofferwort aus Producer und Consumer) (siehe Abb. H15). Reine Dienstleistungen sind ohne Kunden nicht möglich (veredelte hingegen schon). Da jeder Kunde anders ist als der vorherige oder nachfolgende, ist auch jede Dienstleistung anders als jede vergangene oder kommende. Dienstleistungen sind immer so individuell wie der Kunde, dem sie gelten. Das bedeutet betriebswirtschaftlich jedoch, dass die Losgröße = 1 ist. Für jede Produktion entstehen Rüstkosten, die nur für diesen einen Leistungsfall genutzt werden können und für andere Leistungsfälle wieder erneut getragen werden müssen. Dies bedeutet, dass keine Stückkostendegression erreichbar ist. Und dies wiederum bedeutet, dass die Effizienz der Dienstleistungsproduktion akut gefährdet ist.

Abbildung H15: Typen der Kundenintegration (eig. Abb.)

Die Rüstkosten entstehen für Zeiten der Konzeptplanung (z. B. Typberatung bei der Kosmetikerin), der Mittelbereitstellung (z. B. Werkzeug je Kfz-Typ in der Werkstatt), der Mitteljustierung (z. B. Einstellung des Röntgengeräts beim Arzt), der Wiederherstellung der Betriebsbereitschaft (z. B. Saubermachen beim Frisör) etc. Erst wenn es gelingt, die Rüstkosten für mehrere gleichartige Leistungsfälle zu nutzen, könnte eine Rationalisierung erreicht werden. Dies setzt jedoch eine Standardisierung der Wertschöpfungsbedingungen voraus. Dafür gibt es mehrere Ansatzpunkte (siehe Abb. H16): • Eine Potenzialstandardisierung zielt darauf ab, vermeidbare Leistungsschwankungen zu reduzieren. Eine Standardisierung der Betriebsmittel kann etwa

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Abbildung H16: Ansätze zur effizienten Kundenintegration (eig. Abb.)

durch gleichartige Wartung, gleiche Ersatzteile, gleiche Bedienung etc. einen höheren Leistungsgrad bewirken, d. h. einen höheren Anteil der wertschöpfenden Nutzleistung an der Gesamtleistung. Bei Standardisierung der Werkstoffe kann etwa durch gleiche Anwendung, gleiche Handhabung, gleiche Wirkung etc. eine Rationalisierung erreicht werden. Eine Standardisierung der Mitarbeiter bezieht sich auf deren Qualifikation und Motivation. Die Qualifikation ergibt sich durch Berufs- bzw. Studienabschlüsse, die ein bestimmtes Leistungspotenzial verbriefen. Die Motivation ist einer Standardisierung nur schwer zugänglich, übliche Maßnahmen sind Incentives, Veranstaltungen, Prämien. • Eine Prozessstandardisierung zielt darauf ab, die Leistungsausführung zu normieren. Dabei spielt das Qualitätsmanagement eine zentrale Rolle, genauer die Qualitätszertifizierung. Diese soll sicherstellen, dass Prozesse in gleichartiger Weise auf hohem Niveau ablaufen. Dazu werden diese Prozesse dokumentiert (QM-Handbuch) und auf Übereinstimmung (Konformität) mit den Qualitätssicherungsanforderungen der Normenreihe hin überprüft. Externe (Kunden, Zertifizierer) prüfen dann stichprobenartig, ob die realen Prozesse mit den vorgegebenen übereinstimmen. Ist dies der Fall, bestätigen sie dies auf Zeit durch ein Zertifikat (meist nach DIN ISO 9001). Eine andere Stellgröße ist eine straffe Auslegung der Organisation. Gemeinhin wird zwar postuliert, dass Mitarbeitenden unternehmerische Freiräume zu gewähren sind. Angesichts der Tatsache, dass bei Dienstleistungen oft gering qualifizierte, ungelernte oder temporäre Mitarbeitende betroffen sind, entspricht es jedoch der Erfahrung, dass nur durch direktive Organisation die strikte Einhaltung anspruchsvoller Vorgaben möglich scheint, zumal dieser Personenkreis dies meist nicht als Entmündigung, sondern als konstruktive Handlungs-Guideline empfindet (z. B. Schnellgastronomie, Hotellerie, Gastronomie). • Eine Ergebnisstandardisierung zielt darauf ab, zumindest stabile Leistungsergebnisse zu erreichen. Dies ist verbreitet durch Service Level Agreements (SLA’s) gegeben. Dabei verpflichtet ein Abnehmer einen Lieferanten zur Ein-

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haltung vorab definierter Leistungsstandards. Dies setzt voraus, dass geeignete Parameter identifiziert und justiert werden. Was dabei wünschenswert ist, definiert sich allein aus der Sicht der Abnehmer. SLA’s sind bei Nichteinhaltung mit Sanktionen versehen, und zwar meist verschuldensunabhängig. Damit hat der Abnehmer die erhärtete Gewissheit, dass sein Leistungsbegehren erfüllt wird. Der Dienstleister hat seine Potenziale und Prozesse dann so auszurichten, dass dem entsprochen werden kann. • Eine Standardisierung des Externen Faktors ist schwierig, da Dienstleistungen immer so individuell sind wie der jeweilige Kunde. Wenn es jedoch gelänge, Kunden mit gleichartigen Bedarfen zeitlich und räumlich so anzulegen, dass sie konzentriert auftreten, könnten diese mit gleichartiger Produktion bedient werden, wodurch sich der gewünschte Rationalisierungseffekt ergäbe. Nun kann ein Unternehmen nur begrenzt über Kunden disponieren. Machbar ist jedoch eine solche Konzentration über Marktsegmentierung. Dabei kommuniziert ein Anbieter gegenüber potenziellen Kunden, welche Leistung er erbringen kann. Kunden mit abweichenden Leistungserwartungen ordnen sich dann den jeweiligen Anbietern zu, die signalisiert haben, die gewünschte Leistung zu erbringen. Der Markt teilt sich damit in vergleichsweise homogene Nachfragesegmente auf, die eine standardisierte Bearbeitung erlauben. Zugleich ist dabei eine hohe Kundenzufriedenheit erreichbar, weil das Leistungserlebnis der Erwartung entspricht. Kunden mit anderen Leistungserwartungen, die dementsprechend unzufrieden wären, tauchen beim Anbieter erst gar nicht auf, weil sie aus seiner Kommunikation wissen, dass er die präferierte Leistung nicht bereitzustellen in der Lage ist. Zur Rationalisierung werden häufig zwei Konzepte genutzt: • Die Automatisierung von Dienstleistungen erfolgt durch Substitution von Arbeit durch Kapital, d. h. Leistungen, die vordem von Menschen erbracht wurden, werden nunmehr von Maschinen erbracht (z. B. Geldautomat bei der Bank). Die Durchsetzung dieses Ansatzes erfolgt zumeist durch Bestrafung von personaler Dienstleistung bzw. Belohnung maschineller (z. B. Überweisungsgebühren für händische Belege oder beleglose Ausführung). Verbreitet bestehen jedoch Berührungsängste der Kunden gegenüber Apparaten oder sie präferieren einfach den persönlichen gegenüber dem mechanischen Kontakt. Insofern gibt es eine Gegenbewegung zur Personalisierung von Dienstleistungen (z. B. Handwäsche von Autos). • Die Externalisierung von Dienstleistungen erfolgt durch Verlagerung von Aktivitäten vom Anbieter auf den Nachfrager, d. h. Leistungen, die vordem von Anbieter erbracht wurden, werden nunmehr vom Nachfrager erbracht (z. B. SB-Tankstelle). Die daraus resultierenden Kostenvorteile werden in Form niedrigerer Preise / unterlassener Preiserhöhungen an den Markt weitergegeben oder als zusätzlicher Gewinn einbehalten. Eine Externalisierung ist naturgemäß umso schwieriger, je komplexer die Dienstleistung ist.

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• Verbreitet ist auch eine Kombination aus Externalisierung und Automatisierung, d. h. Leistungen werden vom Anbieter auf den Nachfrager verlagert und dort von Maschinen erbracht (z. B. Fahrscheinautomat im ÖPNV). Dadurch wird jedoch die Kontaktbasis im Beziehungsmanagement geschwächt, denn Anbieter wissen immer weniger über ihre Kunden und deren Bedarfe und die Austauschbarkeit der Leistungen steigt. Ob dies angesichts der Marktentwicklung eine schlaue Entwicklung ist, mag dahingestellt bleiben. 28.5 Dienstleistungsspezialitäten 28.5.1 Kundendienste

Bei den Spezialitäten sind vor allem Kundendienste, öffentliche Dienstleistungen, Handelsleistungen (getrennt) und Freiberufler-Services zu nennen (siehe Abb. H17). Bei Kundendiensten handelt es sich um sach- oder dienstleistungs

Abbildung H17: Dienstleistungsspezialitäten (eig. Abb.)

begleitende, sekundäre Dienstleistungen. Dabei können verschiedene Arten unterschieden werden (siehe Abb. H18): • Nach der Verpflichtung ergeben sich obligatorische Kundendienste, sie sind gesetzlich vorgeschrieben und eignen sich damit nicht zur Profilierung, präferenzielle Kundendienste, sie sind zwar gesetzlich nicht vorgeschrieben, aber branchenüblich und eignen sich damit ebenfalls nicht zur Profilierung, sowie fakultative Kundendienste, sie gehen über das gesetzlich vorgeschriebene und branchenübliche Maß hinaus, sind also zur Profilierung imstande. • Nach dem Inhalt ergeben sich kaufmännische Kundendienste, sie betreffen wirtschaftliche Aspekte wie Kostenvoranschlag, Wirtschaftlichkeitsanalyse etc., und technische Kundendienste, sie betreffen Verfahrensaspekte wie Logistik, Reparatur, Anlieferung etc.

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• Nach dem Zeitpunkt der Erbringung ergeben sich Kundendienste in der Vorkaufphase wie Beratung, Probenutzung etc. und solche in der Nachkaufphase, z. B. Kulanz, Wartung, Refurbishing etc. • Nach den Adressaten handelt es sich um private Endabnehmer oder gewerbliche Zwischen- und Endabnehmer. • Nach dem Absender handelt es sich um institutionelle, also herstellereigene Kundendienste oder um funktionelle, also herstellerfremde Kundendienste. Letztere werden an Service Provider outgesourced. • Nach dem Individualisierungsgrad handelt es sich um standardisierte Kundendienste, z. B. Garantie, oder um maßgeschneiderte Kundendienste, z. B. Wirtschaftlichkeitsstudie. • Nach dem Leistungserbringer ergeben sich personelle Kundendienste, z. B. Geschenkpapiereinschlag, und maschinelle Kundendienste, z. B. EC-Karteneinlesung. • Nach der Bezugseinheit, an der Kundendienste erbracht werden, handelt es sich um Personen, z. B. Ruhezonen im Handel, oder Sachen, z. B. Parkplatzangebot. • Nach der Nähe der Kundendienste zur Primärleistung können diese hochaffin, mittelaffin oder gering affin sein. • Nach der Berechnung können Kundendienste einzeln berechnet, pauschaliert abgerechnet oder mit Selbstbeteiligung versehen sein oder auch bereits im Preis eingerechnet. Aus diesen Stellgrößen kann jeder Anbieter sein eigenes Kundendienstprofil erstellen. Wichtig ist dabei, das No Frills-Postulat zu beachten, d. h. Kundendienste nur gegen Entgelt anzubieten, weil es ansonsten zu erheblichen Mitnahmeef-

Abbildung H18: Arten von Kundendiensten (eig. Abb.)

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fekten kommt und einmal gewährte Leistungen kaum mehr zurückgeschraubt werden können. Entweder ein Kundendienst wird als werthaltig erlebt, dann besteht dafür auch eine Preisbereitschaft oder er wird als nicht werthaltig erlebt, dann geht von ihm auch kein akquisitorischer oder kundenbindender Effekt aus. 28.5.2 Öffentliche Dienste

Der öffentliche Sektor erbringt vorwiegend Dienstleistungen. Diese werden von versorgungswirtschaftlichen Betrieben geleistet, die öffentliche Verwaltungen oder Vereinigungen sind. Öffentliche Verwaltungen (Behörden) decken Allgemeinbedürfnisse und werden steuerfinanziert (öffentlicher Haushalt). Sie befriedigen Kollektivbedürfnisse, die der Grundversorgung dienen. Öffentliche Vereinigungen wie Genossenschaften, Versicherungsanstalten, Wohlfahrtsverbände etc. sind abgabenfinanziert (Beiträge / Gebühren) und liefern dafür konkrete Gegenleistungen als nicht kostendeckende Kollektivdienste. Kollektivdienste unterliegen einem Kontrahierungszwang, d. h. jeder Berechtigte hat Anspruch auf die Leistung, kein Verpflichteter kann sich von der Leistung entbinden (Nicht-Ausschluss / Nicht-Ausschließbarkeit). Sie sind durch Nicht-Rivalität gekennzeichnet, d. h. die Nutzung für einen Nachfrager schließt die Nutzung durch einen anderen nicht aus. Ferner handelt es sich um Öffentliche Non Business-Betriebe (Landesbanken, IHK’en etc.), die entgeltfinanziert arbeiten und Kollektivdienste zu subventionierten Preisen bzw. Individualdienste zu markt- oder marktähnlichen Preisen abgeben. Öffentliche Unternehmen können rein öffentlich angelegt sein (z. B. Post, Bahn) oder gemischt öffentlich (z. B. RWE, Telekom, Lufthansa, VW). Sie bieten Individualdienste zu Marktpreisen an. Daraus entsteht jedoch ein nennenswerter Konflikt für die Unternehmensführung. 28.5.3 Freiberufler-Services

Freiberufler (Professional Services) übernehmen persönliche Dienstleistungen nach qualifizierter Ausbildung, in leitender Tätigkeit, mit eigenständiger Organisation und von gesellschaftlicher Relevanz. Die Kriterien sind zwar schwammig, grenzen diese Dienstleistungen aber gegenüber gewerblicher Tätigkeit (Sachleistung) ab. Die Rubrizierung dieser Berufe erfolgt auf drei Stufen: • Katalogberufe unterliegen strikten Standeskonventionen und sind in Kammern organisiert. Dazu gehören Heilberufe, rechts-/steuer-/wirtschaftsberatende Berufe, technisch-/naturwissenschaftlich beratende Berufe, Sprach-/Informations­ vermittlungs-/Kulturberufe.

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• Durch Berufsvorschriften organisierte Berufe sind katalogähnliche Berufe. Sie sind nicht in Kammern organisiert, unterliegen aber dennoch Reglementierungen. • Auf Basis freiwillliger Richtlinien organisierte Berufe sind wissenschaftlicher, künstlerischer, schriftstellerischer, unterrichtender oder erzieherischer Art. Abzugrenzen sind Freiberufler von Scheinselbstständigen. Diese werden an fünf Kriterien festgemacht: • nur ein Auftraggeber, keine sozialversicherungspflichtigen Mitarbeitenden, Aufgaben analog zu Mitarbeitenden des Auftraggebers, Fehlen unternehmertypischer Merkmale, gleiche Tätigkeit wie zuvor als Arbeitnehmer. Es besteht die widerlegbare Vermutung zur Scheinselbstständigkeit, wenn drei dieser fünf Kriterien zutreffend sind. 28.6 Gestaltung des Leistungsangebots Im Dienstleistungsmanagement stehen im Grundsatz sieben Instrumente zur Verfügung. Dabei handelt es sich um die Gestaltung des Leistungsangebots, des Leistungsentgelts, der Leistungsverfügbarkeit, der Leistungsinformation, der Leistungspräsentation, des Leistungspersonals und der Leistungsprozesse. Einige davon werden im Folgenden näher erläutert. 28.6.1 Leistungsprogramm

Das Dienstleistungsangebot besteht aus dem einzelnen Dienstleistungsprodukt und dem Dienstleistungsprogramm. Das Dienstleistungsprogramm kann in der Breiten- und in der Tiefendimension sowie in seiner Struktur gestaltet werden (siehe Abb. H19). Die Breite bezeichnet die Anzahl verschiedenartiger Dienstleis-

Abbildung H19: Gestaltung des Leistungsprogramms (eig. Abb.)

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tungen, die Tiefe die Anzahl verschiedener Ausprägungen einer Dienstleistung. In der Breitendimension gibt es zwei Möglichkeiten: • Die Ausweitung (Programmdiversifizierung) bedeutet die Erhöhung der Programmbreite. Dies kann durch Aufnahme artverwandter oder artverschiedener Angebote erfolgen. Die Aufnahme artverwandter Angebote kann horizontal oder vertikal ausgerichtet sein. Horizontal bedeutet auf der gleichen Wertschöpfungsstufe verharrend, vertikal bedeutet, auf eine andere Marktstufe verlegt. Die horizontal homogene Programmausweitung kann wiederum arttreu (z. B. Bäckerei verkauft Bild-Zeitung), wissenstreu (z. B. Pizzaria bietet Bringservice an) oder problemtreu erfolgen (z. B. Unternehmensberatung übernimmt Werbeumsetzung). Die vertikal homogene Programmausweitung kann vorwärtsgerichtet, also auf eine nachfolgende Marktstufe gerichtet (z. B. Fuhrparkbetrieb bietet Werkstattservice für Private an) oder rückwärtsgerichtet, also auf eine vorausgehende Marktstufe gerichtet erfolgen (z. B. Autovermieter übernimmt Flottenmanagement für Betriebe). Bei der heterogenen Programmausweitung kann nach dem Ausmaß der Verschiedenartigkeit abgestuft werden (z. B. Allfinanzangebot, Lufthansa-Hotels, REWE / Tourismus). • Die gegenteilige Bewegung erfolgt in der Einengung (Programmunifizierung). Dies zielt auf Spezialisierungsvorteile ab (z. B. Rückführung einer Universalbank auf eine Investment-Bank und eine Retail-Bank, Aufgabe des Trennbankensystems). In der Tiefendimension gibt es ebenfalls zwei Möglichkeiten: • Die Verlängerung (Programmdifferenzierung) bedeutet die Erhöhung der Programmtiefe. Dies kann im Einzelnen gemäß den Merkmalen der Dienstleistung nach vier Kriterien erfolgen. Erstens durch Potenzialdifferenzierung (z. B. Haarschnitt durch Auszubildende), durch Prozessdifferenzierung (z. B. Expresskasse im Verbrauchermarkt), durch Ergebnisdifferenzierung (z. B. mit oder ohne Kundendienste) und durch Differenzierung des Externen Faktors (z. B. Steuerberatung für Private oder Selbstständige). • Die gegenteilige Bewegung erfolgt bei der Verkürzung (Programmstandardisierung). Hier werden differenzierte Ausprägungen aufgegeben (z. B. Tarifabstufungen bei Mobilfunk). Bei der Programmbereinigung erfolgt eine kombinierte Ausweitung und Ein­ engung bzw. Verlängerung und Verkürzung. Durch Kombination der Ausprägungen ergibt sich ein Spezialprogramm (eng / f lach), ein Fachprogramm (eng / tief), ein Sammelprogramm (breit / f lach) oder ein Universalprogramm (breit / tief). Das Dienstleistungsprogramm kann außerdem nach seiner Struktur gestaltet werden. Dabei ergeben sich folgende Einteilungen: • Nach der Bedeutung gibt es das Grundangebot und das Randangebot, das zusätzlich zur Geschäftsbasis hinzukommt.

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• Nach der Anziehung gibt es das Kernangebot und das Akquisitionsangebot als Anreiz für Neugeschäft und Traffic. • Nach der Zeitdauer gibt es das Standardangebot und das Ergänzungsangebot, das nur temporär, z. B. saisonal, vorgehalten wird. • Nach der Verfügbarkeit gibt es das Abrufangebot und das Bestellangebot, das nur nach Anmeldung verfügbar ist. • Nach der Herkunft gibt es das Eigenangebot und das Fremdangebot, das als Absatzhelfer vertreten wird. 28.6.2 Leistungsetablierung

Das einzelne Dienstleistungsprodukt wird zumeist im Zeitablauf analysiert. Dabei können die Etablierung, die Entwicklung und die Eliminierung unterschieden werden. Die Einführung einer neuen Dienstleistung erfordert wiede­ rum mehrere Schritte. Bei der Leistungskonzipierung (Service Engineering) muss zunächst die Idee für eine marktneue Dienstleistung vorhanden sein. Diese kann sich auf Prozess oder Ergebnis beziehen. Dafür stehen unternehmensinterne Ideenquellen zur Verfügung oder unternehmensexterne wie Veröffentlichungen, Datenbanken, Konkurrenzforschung etc. Dabei kann es sich um die Auswertung sekundäre Quellen, die anderweitig bereits erhoben worden sind, und primärer Quellen, die originär neu erhoben werden, handeln. Zur Forcierung der Ideenfindung werden Kreativitätstechniken eingesetzt. Dabei handelt es sich um intuitiv-laterale Techniken wie Brainstorming, Brainwriting etc., um logisch-diskursive Techniken wie Morphologischer Kasten, Funktionalanalyse etc. oder um systematisch-kombinatorische Techniken wie Eigenschaftsliste, Bionik, Synektik etc. Wichtig ist dabei, Kunden zentral im Blick zu behalten. Deren Wünsche müssen allerdings in anbieterseitig nutzbare Informationen „übersetzt“ werden. Diese Aufgabe übernimmt das Quality Function Deployment (QFD), vor allem durch das Tool House of Quality (HoQ). Dabei geht es um die Kundenanforderungen, die Wettbewerbsstandards, die Wechselwirkungen zwischen Anforderungen und die daraus ableitbaren, gewichteten technischen Merkmale. Zum Ende dieser Aktivitäten erfolgt immer eine Sichtung der Ideen (Screening / Longlist), eine Bewertung dieser Ideen (Scoring / Shortlist), die Prioritättensetzung (Ranking) und die Prio­r itätenverfolgung. Die Realisierung erfolgt in der Leistungsgestaltung (Service Design). Dabei geht es um die Merkmale der Automatisierung, der Externalisierung und der Individualisierung von Leistungen. Die sich daraus ergebende Gestaltung muss hinsichtlich ihrer technischen Machbarkeit (Feasibility) und ihrer Wirtschaftlichkeit (Business Case) konkretisiert werden. Auf dieser Basis entstehen dann ein Angebotsprototyp, die erste neue Dienstleistungsdurchführung und die Absicherung deren Serienfähigkeit.

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In der Phase der Leistungsimplementierung ist es unbedingt sinnvoll, die neue Dienstleistung zunächst einem Markttest zu unterziehen. Dieser kann als Befragungs- oder Beobachtungsexperiment angelegt sein. Denkbar sind ein Volltest über alle Angebotsspezifika oder ein Partialtest nur für einzelne Spezifika. Dafür können ein regionaler Testmarkt oder Testmarktersatzverfahren genutzt werden. Der Test kann sich auf Konzept, Prototyp oder Endversion beziehen. Nach Auswertung der Testergebnisse kann ein Go-Entscheid (Einführung), eine On-Entscheid (Überarbeitung und erneuter Test oder Launch ohne Test) oder ein No go-Entscheid (Stop) stehen. Vor der Einführung ist unbedingt die Schützbarkeit des Angebots zu prüfen. Diese ergibt sich infolge der Intangibilität meist nur über die Marke. Der Schutz besteht qua Anmeldung beim Deutschen Patent- und Marken-Amt (DPMA) oder beim Europäischen Markenamt (HABM) in einer oder mehreren Schutzklassen. Nach erfolgreichem Marktbestand kommt auch ein Schutz qua Verkehrsgeltung aus überragender Bekanntheit am Markt in Betracht. 28.6.3 Leistungsentwicklung und -eliminierung

Im Verlauf einer erfolgreichen Marktpräsenz sind eine Pflege der Dienstleistung und ggf. deren Variation erforderlich. Die Pflege hat eine Streckung des Lebenszyklusverlaufs zum Ziel. Dies erfolgt über kleine Aufwertungen (Facelifts), die eher symbolischen Charakter haben und Aktualisierungen (Releases), welche die Wettbewerbsfähigkeit erhalten sollen. In größeren Abständen ist auch eine Ablösung der Dienstleistung durch ein Nachfolgeangebot (Relaunch) erforderlich. Dadurch soll der Lebenszyklusverlauf auf ein höheres Niveau getrieben werden. Dies erfolgt im Einzelnen durch ein Up Grading, d. h. mehr Leistung zum gleichen oder einem höheren Preis (z. B. Triple Play der Telekom), oder durch ein Down Grading, d. h. die gleiche oder weniger Leistung zu einem niedrigerem Preis (z. B. Mobilfunktarife). Wenn diese Aktivitäten keinen nachhaltigen Erfolg zeitigen, ist an eine Eliminierung der Dienstleistung aus dem Programm zu denken. Gründe dafür können intern verursacht (autonom, z. B. Roaming-Gebühr) oder extern verursacht (immanent, z. B. Tafelgeschäft der Banken) sein. Die Eliminierung kann sich sowohl auf die Erstellung als auch den Absatz der Dienstleistung beziehen. Denkbar ist aber auch nur eine Eliminierung aus dem Erstellungsprogramm oder nur aus dem Absatzprogramm. Nach dem Zeitpunkt der Eliminierung kann diese stichtagsbezogen sein oder gleitend sowie dem Markt angekündigt oder abrupt. Dabei sind Verbundeffekte zu berücksichtigen (Economies of Scope), die aus gemeinsamen Prozessen, gemeinsamer Nachfrage oder gemeinsamer Beschaffung folgen. Dann kann es

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sinnvoll sein, ein zur Eliminierung geplantes Angebot weiter zu führen, wenn damit negative Effekte vermieden werden können. 28.7 Gestaltung des Leistungsentgelts Die Entgeltbestimmung kann in vier Bereiche unterteilt werden, die kombinierbar sind (siehe Abb. H20): • statisch mit vordefiniertem Preis, • dynamisch mit interaktionsbezogener Preisfindung, • linear mit gleichem Preis je Leistungseinheit, • nicht-linear mit abweichendem Preis je Leistungseinheit. Die statisch-lineare Preisgestaltung kann an fünf Kriterien orientiert werden. Die kostenorientierte Preisgestaltung dient vor allem zur Ermittlung der Preisuntergrenze. Dabei können vier Berechnungen zugrunde liegen: • Die progressive Vollkostenbasis erfolgt vor allem durch eine Divisions- und Zuschlagskalkulation. • Die retrograde Teilkostenbasis erfolgt durch einstufige oder mehrstufige Deckungsbeitragsrechnung. • Die retrograde Vollkostenbasis erfolgt durch die Zielkostenrechnung (Target Pricing). • Die progressive Teilkostenbasis erfolgt durch die Break Even-Analyse (Gewinnschwelle).

Abbildung H20: Tableau zur Bestimmung des Leistungsentgelts (eig. Abb.)

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Die markt- und wettbewerbsorientierte Preisgestaltung hat eine Annäherung an die Preisobergrenze zum Ziel. Dazu dienen zwei Ansätze: • Die Bestimmung anhand von Einkommenselastizitäten (Veränderung der Nachfrage aufgrund einer Einkommensveränderung) und direkten wie indirekten Preiselastizitäten (Veränderung der Nachfrage nach einer Dienstleistung aufgrund deren Preisänderung bzw. aufgrund der Preisänderung einer anderen Dienstleistung). Die Nachfrage kann über- oder unterproportional zur Preisveränderung reagieren. • Die Preisführerschaft kann dominant (ein Unternehmen), barometrisch (mehrere Unternehmen abwechselnd) oder kolludierend (mehrere Unternehmen abgestimmt) ausgelegt sein. Preisfolger richten sich am Preisführer aus. Die kunden- und nutzenorientierte Preisgestaltung nähert sich der Preisobergrenze durch folgende Ansätze: • Berücksichtigung von Preisinteresse und Kaufvereinfachung bei Nachfragern. • Hybrides Verbraucherverhalten als Anhaltspunkt für alternative Kaufprogramme. • Preis-Leistungs-Quotient als Relation von Preisopfer zu Leistungsnutzen. • Atypische Nachfrage- und Gutseffekte in Spezialfällen. • Regionale / lokale Kaufkraftverteilung als Anhaltspunkt. Eine weitere Basis stellt die Preisdifferenzierung dar. Ihr Ziel ist der Einbehalt einer Nachfragerrente, d. h. der Differenz zwischen der individuellen Preisbereitschaft und dem tatsächlichen (niedrigeren) Marktpreis. Voraussetzung dafür ist eine Marktsegmentierung. Voraussetzungen dafür sind wiederum Abweichungen in der Nachfragereaktion, zwei oder mehr Teilmärkte, die Trennbarkeit dieser Teilmärkte, die Wirtschaftlichkeit der Trennung und die Zugänglichkeit der Nachfrager dort für Instrumentaleinsatz. Als Kriterien zur Segmentierung dienen • demografische Daten (bevölkerungsbezogen), • psychografische Daten (intrapersonell), • soziografische Daten (interpersonell), • typologische Daten (als Kombination aus Demografie, Psychografie und Soziografie), • aktiografische Daten (kaufverhaltensbezogen), • neuroökonomische Daten (anhand von Gehirnstrukturen). Die Differenzierung erfolgt im Regelfall horizontal (deglomerativ) durch künstliche Aufspaltung eines natürlichen Gesamtmarkts in Teilmärkte, aber auch vertikal (agglomerativ) durch abweichende Preise auf so gegebenen Teilmärkten. Alternativ dazu ist eine unifizierte Preissetzung möglich, d. h. ein gleicher Preis auf natürlich abweichenden Märkten (z. B. Einheitspreisläden).

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Schließlich ist innerhalb des Dienstleistungsprogramms ein preispolitischer Ausgleich nutzbar. Dafür gelten zwei Prinzipien: • Das Tragfähigkeitsprinzip ist zeitpunktbezogen und unterscheidet dabei zwischen Ausgleichsnehmern, deren Marktpreis unter ihrem Zielpreis liegt, und Ausgleichsgebern, deren Marktpreis über ihrem Zielpreis liegt (z. B. Angebotsbündel im Handel). • Das Ausgleichsprinzip ist zeitraumbezogen und unterscheidet zwischen einem simultanen, zeitraumgleichen und einem sukzessiven, zeitraumverschiedenen Ausgleich (z. B. Mineralölpreis an Tankstellen im Tagesablauf). Die statisch-nicht-lineare Preisgestaltung kann in zwei Formen erfolgen. Rabatte sind Preisnachlässe in Abhängigkeit einer Bezugsgröße. Als Kriterien für Nachfrager kommen dabei folgende in Betracht: • Funktionsübernahme (z. B. bei Externalisierung im C&C-Handel), • Mengenabnahme (z. B. Abonnement im Fitness-Center), • Zeitbezug (z. B. Saisons im Tourismus). Nach der Art der Rabatte unterscheidet man Geldrabatte (Preisnachlass / Dreingabe) und Naturalrabatte (Draufgabe / mehr Leistung zum selben Preis). Nach der Auslegung der Rabatte sind folgende Formen möglich: • Nach dem Charakter unterscheidet man den Festrabatt (unveränderlich) oder Relativrabatte (veränderlich). • Nach dem Ausmaß unterscheidet man den Einheitsrabatt (unabhängig von der Bezugsgröße) oder Staffelrabatte (abhängig von der Bezugsgröße). • Nach dem Verlauf der Rabattstaffel kann diese linear, progressiv oder degressiv zur Bezugsgröße ausgelegt sein. • Nach der Berechnung kann der Rabatt durchgerechnet oder angestoßen (inkremental) ausgelegt sein. Ebenso wie es Preisnachlässe gibt, sind Preiszuschläge (Negativrabatte) möglich. Diese sind unbedingt zu bevorzugen, zumal Rabatte unmittelbar den Gewinn mindern. Formen von Zuschlägen sind der • Funktionszuschlag (z. B. All in-Service), • Mengenzuschlag (z. B. Mindestabnahmemenge), • Zeitzuschlag (z. B. Notfallservice). Eine weitere Form ergibt sich durch Preisbündel. Dafür ist eine Reihe von Formen denkbar: • starre Bündel oder flexible Bündel (z. B. Cafeteria-Essen mit wählbarer Voroder Nachspeise), • Leistungen, die nur im Bündel erhältlich sind oder auch außerhalb des Bündels,

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• mehrere gleiche Leistungen (Multi Units, z. B. zehn Saunabesuche) oder mehrere verschiedene Leistungen im Bündel (z. B. Haarschnitt, Färben, Legen), • einander ergänzende Leistungen (komplementär, z. B. Hotel plus Ausflugsprogramm) oder einander ersetzende Leistungen (substitutiv), • Leistungen des gleichen Anbieters oder Leistungen von verschiedenen Anbietern, • Bündel nur aus Dienstleistungen oder Bündel aus Sach- und Dienstleistungen (z. B. Kfz-Neuwagengarantie), • dauerhafte Bündel oder temporäre Bündel (z. B. McDonald’s Value Meals), • im Vorhinein bekannte Bündelleistungen oder unbekannte Bündelleistungen (z. B. Ton-/Bildträger-Pakete, Reisekoffer-Versteigerung), • Bündelpreis ist niedriger als addierte Einzelpreise, gleich den addierten Einzelpreisen, höher als addierte Einzelpreise. Ziel der Preisbündelung ist die Verminderung der Preistransparenz. Dafür müssen Bündel nur anders geschnürt werden als beim Mitbewerb und eine Preisstrukturanalyse ist nicht mehr möglich. Die dynamisch-nicht-lineare Preisgestaltung erfolgt durch Preisbaukästen. Darunter versteht man Preise, die durch einen mehr oder minder hohen fixen Anteil bestimmt sind und einen dazu gegenläufigen variablen Anteil. Grenzfälle der Preisbaukästen sind zu 100 % fixe Preise bzw. zu 100 % variable Preise. Dazwischen gleiten der fixe bzw. variable Preisanteil. Der fixe Anteil kann nur die Leistungsbereitschaft abdecken oder bereits eine pauschale Leistungsmenge enthalten. Der variable Anteil kann nach reiner Leistungsabnahme abgerechnet werden oder eine Mindestabnahme enthalten. Ziel von Preisbaukästen ist die Verminderung der Preistransparenz. Diese kommt dadurch zustande, dass im Vorhinein nicht bekannt ist, welcher Preis für eine Leistung zu zahlen ist, sondern dieser hängt von der Leistungsinanspruchnahme ab. Selbst wenn mehrere Anbieter denselben Preisbaukasten offerieren, kann dennoch eine Verdeckung erreicht werden, indem zusätzlich weitere Preisbaukästen offeriert werden. Dabei ist eine Selbstzuordnung der Nachfrager zum von ihnen als am günstigsten eingeschätzten Preisbaukasten möglich (Self Selection) oder eine Fremdzuordnung durch den Anbieter anhand nicht-diskriminierender Kriterien also nicht Geschlecht, Alter, sexuelle Orientierung, Behinderung, Religionszugehörigkeit etc. Dabei kann während einer festen Vertragslaufzeit eine Wechselmöglichkeit ausgeschlossen oder vorgesehen sein. Für den Fall der Wechselmöglichkeit kann diese mit Wechselkosten oder ohne Wechselkosten als Kulanz erfolgen. Die dynamisch-lineare Preisgestaltung erfolgt durch Preisverhandlungen. Dabei treten Verkäufer und Käufer in meist persönliche Interaktion um Preis und

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Konditionen. Außerdem wird die Form der freien oder formalisierten Preisbietung genutzt, häufig mit IT-Unterstützung. 28.8 Gestaltung der Leistungsverfügbarkeit Für die Verfügbarkeit von Dienstleistungen sind fünf Kriterien ausschlaggebend (siehe Abb. H21): • Die Marktzugangsbreite bestimmt, mit wie vielen Akteuren der nächsten Marktstufe anbieterseitig interagiert werden soll. Abstufungen betreffen ubiquitär und intensiv als offene Distributionsformen sowie selektiv und exklusiv als geschlossene Formen. • Die Marktzugangsmethode bestimmt, ob die Dienstleistung zentral an einem Ort (z. B. Privatbank) oder dezentral an mehreren Orten verfügbar sein soll (z. B. Filialbank). • Die Marktzugangsform bestimmt, ob der Übergang eigengestaltet erfolgt (etwa im Residenz-, Domizil-, Treffprinzip) oder fremdgestaltet durch Absatzmittler (Händler). • Die Marktzugangstiefe bestimmt, ob ein Anbieter direkt oder indirekt mit Endabnehmern interagieren will. Direkt bedeutet, dass Leistungsversprechen und Leistungserstellung aus einer Hand erfolgen, und zwar über internen persönlichen Kontakt (Mitarbeitende), externen persönlichen Kontakt (Absatzhelfer) oder medialen Kontakt (Distanzprinzip). Indirekt bedeutet, dass Leistungsversprechen und -erstellung arbeitsteilig erfolgen, einen Teil übernimmt der Ersteller, den anderen der Händler. • Die Marktzugangsstruktur bestimmt, ob nur ein Absatzkanal (Monodistribu­ tion) adressiert wird oder zwei- (Dualdistribution) oder mehr (Polydistribu­ tion). Bei letzteren stellt sich die Entscheidung, ob alle Absatzkanäle parallel gleich distribuiert werden oder ob innerhalb der Absatzkanäle differenziert wird (gesplittete Distribution). Ein solcher Split kann nach Leistungen, nach Absatzgebieten oder nach Kundengruppen erfolgen.

Abbildung H21: Elemente zur Gestaltung der Leistungsverfügbarkeit (eig. Abb.)

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Aus der Kombination dieser Ausprägungen ergibt sich das jeweilige Absatzkanaldesign. Als Distributoren im Absatzkanal kommen drei Gruppen in Betracht. Bei Absatzhelfern mit Dauervertrag handelt es sich um Handelsvertreter, Kommissionäre oder Repräsentanten: • Handelsvertreter sind in fremdem Namen und auf fremde Rechnung tätig. Sie können verschiedene Ausprägungen haben. Nach der Ermächtigung zum Abschluss gibt es Vermittlungsvertreter und Abschlussvertreter (für die vertretene Unternehmung nach außen bindend tätig). Nach der Anzahl der Vertretungen gibt es Einfirmenvertreter und Mehrfirmenvertreter (typisch). Nach der Vertretungsbefugnis gibt es Alleinvertreter und Bezirksvertreter (Anspruch auf Provision auch ohne Tätigwerden). Nach der Hierarchie gibt es Generalvertreter (bedienen sich ihrerseits Handelsvertretern) und Untervertreter. Durch Kombination dieser Ausprägungen ergibt sich das jeweilige Absatzhelfer­ design. Beispiele sind Postagenturen, Lotto-Toto-Annahmestellen, Versicherungsagenten, Markentankstellen, Reisebüros etc. • Kommissionäre sind in eigenem Namen und auf fremde Rechnung tätig. Sie werden selbst Vertragspartner. Beispiele sind die Tchibo-Kaffee-Bäckereien. • Repräsentanten sind Makler und nebenberufliche Agenten. Makler werden im Interesse beider Seiten, Anbieter und Nachfrager, aktiv. Sie werden durch Courtage im Erfolgsfall bezahlt, hälftig von beiden Seiten oder im Bestellerprinzip. Nebenberufliche Agenten machen Hausbesuche, veranstalten Home Parties etc. Bei Absatzmittlern mit Dauerverträgen handelt es sich um Kontraktmarketingformen, vornehmlich um folgende: • Franchise-System. Dabei handelt es sich um ein vertikal kooperatives System mit rechtlich selbstständigen Absatzmittlern (Franchisees), die in einem Dauerschuldverhältnis zum Systemkopf (Franchisor) stehen. Das System hat einen einheitlichen Marktauftritt, ist gebührenpflichtig (einmalig oder laufend), wird von den Partnern arbeitsteilig angelegt und sieht ein Weisungs- und Kontrollrecht beim Franchisor vor. Dadurch können Konflikte im Absatzkanal behoben werden, da Interessenidentität herbeigeführt wird. Die Aktivitäten beziehen sich auf ­Produktion, Verkauf, Know-how-Überlassung und aktive Unterstützung. Franchise-Systeme finden sich fast ausschließlich für Dienstleistungen (z. B. TUI / First, McDonald’s, Kamps-Bäckereien, Fressnapf, Apollo-Optik, Sunpoint). • Vertragshändler-System. Dabei handelt es sich um eine gleiche Ausgestaltung wie beim Franchising, allerdings ist das System nicht gebührenpflichtig, weder für den Eintritt noch für das laufende Geschäft. Meist ist das System mit Konkurrenzausschluss in Bezug (Gebietsschutz) und Absatz (Marktverantwortungsgebiet) verbunden. Eine verbreitete Anwendung findet sich im Automobil-Markenhandel.

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• Depotsystem im Eigenhandel. Dabei handelt es sich um ein geschlossenes Absatzsystem (selektiv / exklusiv), meist bei gehobenen, beratungsintensiven Dienstleistungen. • Flächenpartnerschaften. Dabei handelt es sich um Untervermietungskonzepte bei Großbetriebsformen des Einzelhandels, also Shop in the Shop (Teil einer Abteilung), Store in the Store (Abteilung), Rack Jobber (nur Regal), Konzes­ sion (Pachtsystem). Bei Absatzmittlern mit Einzelverträgen handelt es sich um Transaktionsbeziehungen zwischen Ersteller und Einzelhändlern oder Großhändlern (z. B. Strom, Gas, Reisen). Von hoher Bedeutung für die Verfügbarkeit ist die Standortwahl. Ihr liegen Standortbewertungsverfahren zugrunde, etwa nach Checklisten, Raumgebiets-, Potenzial-, Distanzenmodellen etc. Der Standort stellt oft den Engpass des Betriebserfolgs dar, daher ist eine Zugangsverbesserung über Standortmultiplika­ tion oder Leistungszeitverlängerung zu prüfen. 28.9 Gestaltung der Leistungsinformation Die Dienstleistungsinformation gestaltet sich als vielstufiger Kommunikationsprozess zwischen Sender und Empfänger, der allerdings auch vielfachen Störmöglichkeiten unterliegt. Die Kommunikation bewegt sich dabei auf einer Meta-Ebene, mehr oder minder weit entfernt von der Realebene. Daher ist nicht die Realität die Realität am Markt, sondern die Wahrnehmung der Zielpersonen über diese Realität. Wichtig ist dabei, dass sich der Informationsgehalt immer von der Adressatenseite her definiert. Es kommt also nicht darauf an, was der Absender an Informationen verbreiten will, sondern was für Adressaten von Relevanz ist. Für die Informationsbereitstellung ist eine Reihe von Eckpunkten zu berücksichtigen: • Übergeordnet sind das Kommunikationsziel (ökonomisch, vorökonomisch) und das dafür zur Verfügung stehende Budget zu fixieren. Qualitative Ziele sind dabei quantitativen vorgelagert, letztlich erreicht werden sollen aber die quantitativen Ziele. • Ferner geht es um die Profilierung (Copy Platform) über Angebotsanspruch (Claim) und Anspruchsbegründung (Reason why). Der Claim drückt die wahrgenommene Alleinstellung aus, der Reason why den kommunizierten Kaufgrund. • Weiterhin sind die Kommunikationsobjekte zu bestimmen (Einzelangebot, Angebotsgruppe, Leit-Angebot, Dienstleistungsprogramm, Unternehmen etc.). Im Regelfall reicht das Budget nicht zur Unterstützung aller Objekte, so dass ein Kompromiss zu finden ist.

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• Beim Kommunikationszeitraum geht es um die Zeitspanne der werblichen Ausdeckung und die zeitliche Verteilung von Werbemaßnahmen (zumeist antizyklisch postuliert). • Beim Kommunikationsgebiet geht es um die Abdeckung und die räumliche Verdichtung von Maßnahmen. Hier ist insb. bei internationalem Einsatz eine vernünftige Ausrichtung zu finden (etwa in Abhängigkeit von der Landeskultur). Danach kann der Einsatz der Werbemittel vorgenommen werden. Dabei werden Klassische Medien (Anzeigen, Spots, Plakate) und Nicht-klassische Medien (alle anderen) unterschieden. Anzeigen finden in Zeitschriften, Zeitungen und sonstigen Printmedien statt, Spots finden im Fernsehen, Hörfunk und Lichtspielhaus statt und Plakate finden als stationäre, mobile und sonstige Außenwerbung statt. Der Einsatz ist Gegenstand der Mediaplanung anhand von Medialeistungswerten. Der Einsatz ist Gegenstand der Mediadurchführung anhand detaillierter Pläne für Kosten, Termine, Produktion, Vorauszahlung etc. Nicht-klassische Medien sind nicht positiv abzugrenzen, sondern nur als alle Medien, die nicht klassisch sind. Diese wiederum sind durch Mittlerprovision (15 % AE) und Tarifpreistreue ausgewiesen. Zu den Nicht-klassischen Medien gehören: • Öffentlichkeitsarbeit (PR) in traditionellen und modernen Formen (Sponsoring, Placement, Networking). Ziel ist hier nicht der Absatz, sondern die Schaffung öffentlichen Vertrauens. • Dialogwerbung über Direct Response-Medien wie DR-TV, DR-R, Telefon / Telefax, Direct Mailing, Haushaltsverteilung / Postwurfsendung etc. Ziel ist hier die Herbeiführung einer Duplexkommunikation mit höherer Effektivität. Allerdings gibt es dabei zahlreiche Restriktionen (vor allem rechtlich). • Schauwerbung in eigen- und fremdinszenierten Veranstaltungen (Event, Brandpark etc. bzw. Ausstellung, POS). Ziel ist hierbei die Vermittlung außergewöhnlicher Anreize, die handlungsinduzierend wirken können. • Verkaufsliteratur in Prospekten, Bedienungsanleitungen, Handbüchern, Leaf­ lets etc. Die Einteilung wiederholt sich bei der Online-Werbung. Auch hier gibt es klassische Formen als Displaywerbung (Banner) sowie nicht-klassische Formen als e-Mail-Werbung / Newsletter (Web 1.0) oder Soziale Medien (2.0). Bei letzteren geht es sich nicht mehr nur um die Verlinkung von Internet-Seiten, sondern um die Verlinkung von Internet-Nutzern, die den Content, den sie nutzen, gegenseitig bereitstellen. Im Einzelnen handelt es sich um Blogging, Social Networking, Tagging, Mediasharing, Wikis etc.

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28.10 Zufriedenheitsmanagement Dienstleistungen sind wegen ihrer Spezifika besonders anfällig für Unzufriedenheiten in der Nachkaufphase. Diese wiederum sind verantwortlich für Kundenabwanderungen, die angesichts stagnierender Märkte nicht ohne Weiteres ausgeglichen werden können. Zwar gibt es womöglich eine (freiwillige) Kundenverbundenheit infolge von Präferenzen oder Gewohnheit. Doch diese kann durch Unzufriedenheit rasch unterlaufen werden. Daher ist die Möglichkeit einer (erzwungenen) Kundengebundenheit zu prüfen. Gründe dafür können rechtlicher (Vertragslaufzeit), ökonomischer (Umstellungskosten), technischer (Inkompatibilität) oder institutioneller Art sein (Unternehmensverbindung). Das Eingehen einer solchen Abhängigkeit hängt kundenseitig vom dafür angebotenen Anreiz ab. Ist dieser hoch genug, macht eine Abhängigkeit durchaus Sinn. Dann ist der Zufriedenheitsgrad weniger zentral. Ansonsten ist er das schwächste Bindeglied in der Kette von der Kundennähe (Proximity) über Kundenzufriedenheit, Kundenbindung zum Kundenwert (Customer Equity). Für die Erklärung der Kundenzufriedenheit gibt es mehrere theoretische Ansätze, vorherrschend ist das Confirmation-Disconfirmation-Paradigma. Danach kann Zufriedenheit wie folgt erklärt werden. Jeder Käufer nimmt einen Vergleich seiner Erwartung vor dem Kauf mit seinem Erlebnis nach dem Kauf vor. Entspricht das Erlebnis seiner Erwartung, wird dies Zufriedenheit genannt. Ist das Erlebnis schlechter als die Erwartung, entsteht Unzufriedenheit. Ist das Erlebnis hingegen besser als die Erwartung, entsteht Begeisterung. Ziel ist die Erreichung von Zufriedenheit. Dies führt zu einer Stay-Entscheidung, d. h. Anbieter- und Markentreue, denn jeder Wechsel impliziert ein Risiko. Unzufriedenheit hingegen führt zu einer Exit-Entscheidung, d. h. Anbieter- und Markenwechsel, denn in einem Käufermarkt braucht man sich eine unzureichende Leistungsqualität nicht bieten zu lassen. Allerdings gibt es in beiden Fällen Ausnahmen. So kann es trotz Zufriedenheit zu einer Exit-Entscheidung kommen, etwa aus der Suche nach Abwechslung (Variety Seeking Behavior) und trotz Unzufriedenheit zu einer Stay-Entscheidung, etwa aus Mangel an Ausweichmöglichkeiten (Sole Sourcing). Begeisterung hingegen kann kein sinnvolles Ziel sein, da „Anspruchsinflation“ entsteht. Unzufriedenheiten ergeben sich aus vier Gründen (Gaps) die hochkumulieren: • Lücke 1 ist die Informationslücke zwischen dem, was ein Anbieter meint, dass für Kunden wichtig ist und dem, was tatsächlich für Kunden wichtig ist. Eine Schließung ist durch Kundennähe möglich. • Lücke 2 ist die Normierungslücke zwischen den Kundenerwartungen und der tatsächlichen Umsetzung daraus resultierender Qualitätsstandards. Eine Schließung ist durch angemessene Servicestandards möglich.

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• Lücke 3 ist die Umsetzungslücke zwischen den Spezifikationen aus der Qualitätssicherung und der überwiegend erfolgenden realen Leistungsausführung. Eine Schließung ist durch QM-Maßnahmen möglich. • Lücke 4 ist die Kommunikationslücke zwischen der tatsächlichen Leistungsausführung und der an Kunden gerichteten Auslobung der Leistung. Eine Schließung ist durch konservative Kommunikation möglich. Dabei ist genauer zwischen Qualität und Zufriedenheit zu unterscheiden: • Qualität ist die Gesamtheit der einer Leistung zurechenbaren Merkmale und Eigenschaften. Sie ist ein monadisches (eindimensionales) Konstrukt. Qualität ist technisch-funktional objektiv messbar anhand von Kriterien zur Normerfüllung. Qualität ist aber auch subjektiv vermutbar, ohne dass bereits Kontakt zum Anbieter gegeben ist. • Zufriedenheit ist ein komparatives (zweidimensionales) Konstrukt. Sie kommt durch Erwartung, gebildet aus früheren Erfahrungen, Hörensagen, für vergleichbar gehaltenen Leistungen, als fair angesehenen Leistungen etc. und Erlebnis, gebildet aus der Erfüllung berechtigter oder vermeintlicher Erwartungen zustande. Sie setzt damit den tatsächlichen Kontakt zum Anbieter voraus. Allerdings handelt es sich bei Zufriedenheit um eine interindividuell abweichende Größe, sie ist damit nicht objektiviert messbar, sondern nur auf indirekte Weise über Indikatoren. Fraglich ist allerdings, welche Indikatoren für welches Konstrukt aussagefähig sind. Im Einzelnen werden drei Messgruppen unterschieden (siehe Abb. H22): • Objektive Zufriedenheitsindikatoren machen an Größen wie Umsatz / Marktanteil, Eroberungs-/Loyalitätsraten, Beschwerde-/Reklamationsrate, Ergebnissen aus der Qualitätskontrolle etc. fest. Diese quantitativen Größen sagen jedoch mitnichten etwas über die Zufriedenheit von Kunden aus, sondern können aus ganz anderen Gründen entstehen wie z. B. Mangel an Alternativen, Kundengebundenheit, geringes Involvement etc.

Abbildung H22: Optionen zur Messung der Kundenzufriedenheit (eig. Abb.)

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• Subjektive Qualitätsvermutungen machen an qualitativen Größen fest. Dazu gehören die Expertenbeobachtung (Peers), das Mystery Shopping, neutrale Dienstleistungstests oder die Preisbereitschaft. Diese Größen kommen ohne Transaktion aus, sind jedoch im Detail sehr fragwürdig (wer ist Experte, situative Einflüsse, zweifelhafte Bewertungsmaßstäbe, Imageeinflüsse etc.). • Subjektive Zufriedenheitsmessungen beruhen auf explorativen, merkmalsorientierten, ereignisorientierten oder problemorientierten Ansätzen: –– Explorative Ansätze nutzen Globalbeurteilung, Fokusgruppen-Ergebnisse oder Storytelling. Hier treten vor allem Auskunftsverzerrungen ein. –– Merkmalsorientierte Ansätze nutzen Differenz-/Zweikomponenten-Einzeitpunkt- und Divergenzmessungen / Einkomponenten-Zweizeitpunkt,  Vig­ nettes (Schlüsselinformationen), Kritische Merkmale, Net Promotor Score / NPS oder TRI*M. Theoretisch ist vor allem die Divergenzmessung geeignet, pragmatisch die Auswahl an Kompaktmethoden. –– Ereignisorientierte Ansätze sind die sequenzielle Ereignismessung, die kritische Ereignismessung (CIT) und die Kündigungsprävention. Diese beruhen auf der Analyse von Encounter Points, also konkreten Kontaktpunkten zwischen Anbieter und Nachfrager. –– Problemorientierte Ansätze sind die Problementdeckungsmethode (PDM) und die Frequenz-Relevanz-Analyse für Probleme (FRAP). Sie heben nur auf negativ besetzte Ereignisse ab, weil die positiven ja problemlos sind. In diesem Zusammenhang sind vor allem Beschwerden als Artikulationen von Unzufriedenheit relevant. Diese erfolgen seitens Kunden, anderen Personen oder organisatorischen Anspruchsgruppen (Stakeholders) gegenüber dem Anbieter, Angehörigen seines sozialen Umfelds oder Drittinstitutionen, um auf subjektiv als schädigend empfundene angebots-, unternehmens- oder gesellschaftsbezogene Sachverhalte eines Anbieters aufmerksam zu machen, dies mit dem Ziel, eine Änderung kritisierter Sachverhalten oder die Verhandlung bzw. Wiedergutmachung für erlittene Beeinträchtigungen zu erreichen. Sie unterscheiden sich damit von Reklamationen, die juristisch durchsetzbar sind. Beschwerden erfordern ein bewusstes Management. Dazu gehört: • die Maximierung der Beschwerdeartikulation (keine Unvoiced Complainers), • die umfassende Behandlung von Beschwerden, • die kundenfreundliche Organisation des Beschwerdemanagements (möglichst dezentral / Complaint Ownership), • die pauschale Kulanz statt Einzelfalllösung oder kategorischer Ablehnung, • die Auswertung der Ergebnisse zur Vermeidung sich wiederholender Fehler.

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Literaturhinweise Bieberstein, Ingo: Dienstleistungs-Marketing, 4. Auflage, Ludwigshafen 2006 Bieger, Thomas: Dienstleistungs-Management, 4. Auflage, Stuttgart 2007 Biermann, Thomas: Dienstleistungsmanagement, Ludwigshafen 2003 Bruhn, Manfred: Qualitätsmanagement für Nonprofit-Organisationen, Wiesbaden 2013 –– Qualitätsmanagement für Dienstleistungen, 9. Auflage, Berlin u. a. 2013 Bruhn, Manfred / Hadwig, Karsten: Produkt- und Servicemanagement, München 2006 Bruhn, Manfred / Homburg, Christian (Hrsg.): Handbuch Kundenbindungsmanagement, 8. Auflage, Wiesbaden 2013 Bruhn, Manfred / Meffert, Heribert: Handbuch Dienstleistungsmarketing, Wiesbaden 2012 –– (Hrsg.): Handbuch Dienstleistungsmanagement, 2. Auflage, Wiesbaden 2001 Bruhn, Manfred / Stauss, Bernd (Hrsg.): Dienstleistungsqualität, 3. Auflage, Wiesbaden 2000 Corsten, Hans / Gössinger, Ralf: Dienstleistungsmanagement, 6. Auflage, München / Wien 2015 Fließ, Sabine: Dienstleistungsmanagement, Wiesbaden 2008 Haller, Sabine: Dienstleistungsmanagement, 6. Auflage, Wiesbaden 2015 Meffert, Heribert / Bruhn, Manfred: Dienstleistungsmarketing, 8. Auflage, Wiesbaden 2015 Scheuch, Fritz: Dienstleistungsmarketing, 2. Auflage, München 2002 Stauss, Bernd / Seidel, Wolfgang: Beschwerdemanagement, 4. Auflage, München 2007 Theden, Philipp / Colsman, Hubertus: Qualitätstechniken, 4. Auflage, München / Wien 2005

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Übungsaufgaben 1. Dienstleistungen sind gegenüber Sachleistungen durch einige Besonderheiten gekennzeichnet. Eine dieser Besonderheiten bezieht sich auf die Zwei­ stufigkeit der Dienstleistungsproduktion. Erläutern Sie bitte Inhalt und Konsequenzen der Zweistufigkeit der Produktion von Dienstleistungen. Welche Lösungen sind für daraus resultierende Erschwernisse möglich und üblich? 2. Unzufriedenheit drückt sich fallweise in Beschwerden aus. Worum handelt es sich dabei und wie sind diese zu behandeln? 3. Dienstleistungen sind gegenüber Sachleistungen durch einige Besonderheiten gekennzeichnet. Eine dieser Besonderheiten bezieht sich auf die Immaterialität von Dienstleistungsergebnissen. Erläutern Sie bitte Inhalt und Konsequenzen der Immaterialität von Dienstleistungen. Welche Lösungen sind für daraus resultierende Erschwernisse möglich und üblich? 4. Dienstleistungen sind gegenüber Sachleistungen durch einige Besonderheiten gekennzeichnet. Eine dieser Besonderheiten bezieht sich auf die erforderliche Kundenintegration im Dienstleistungsprozess. Erläutern Sie bitte Inhalt und Konsequenzen der Kundenintegration von Dienstleistungen. Welche Lösungen sind für daraus resultierende Erschwernisse möglich und üblich? 5. Zu den unverkennbaren Trends im Dienstleistungsmanagement gehören die Automatisierung und die Externalisierung von Dienstleistungen. Was versteht man unter Automatisierung und was unter Externalisierung von Dienstleistungen? 6. Allgemein unterscheidet man primäre und sekundäre Dienstleistungen. Charakterisieren Sie bitte Kundendienste als sekundäre Dienstleistungen. 7. Dienstleistungen finden nicht nur im privatwirtschaftlichen Sektor statt, sondern gerade auch im öffentlichen Sektor. Wie stellt sich die Struktur von Dienstleistungen in Organisationen des öffentlichen Sektors dar? 8. Ein verbreitetes Problem stellt die Kapazitätsanpassung bei Dienstleistungen dar. Welche Lösungsmöglichkeiten ergeben sich dafür aus Managementsicht? 9. Charakterisieren Sie bitte Freie Berufe als wichtige Branche der Dienstleistung. 10. Welche Verfahren zur Zufriedenheitsmessung können unterschieden werden? 11. Für eine ernsthafte Beschäftigung mit einem Wissensgebiet ist es erforderlich, eine arbeitsfähige Definition des Untersuchungsgegenstands zugrunde zu legen. Bei Dienstleistungen gibt es eine ganze Reihe solcher Definitionsvorschläge. Erläutern Sie bitte die gängigen Definitionsansätze für Dienstleistungen und diskutieren Sie diese kritisch.

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12. Welche Möglichkeiten zur Veredelung von Dienstleistungen sind gegeben? 13. Wie sind das Franchise-System und das Vertragshändler-System bei Dienstleistungen ausgeprägt? 14. Was versteht man unter Kundenverbundenheit und was unter Kundengebundenheit? 15. Welche Zufriedenheitslücken können nach Parasuraman et.al. unterschieden und wie können diese geschlossen werden?

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29. Betriebswirtschaft des Handels In diesem Kapitel werden folgende Inhalte behandelt und geklärt: • die elementare Bedeutung des Handels, • die Handelsfunktionen, • die Betriebsformen des Einzelhandels, • die Betriebsformen des Großhandels, • die Dynamik der Handelsbetriebsformen, • die Vertikalen Kooperationen im Absatzkanal, • die Aktionsparameter des Handels, • die Aussagen des Warenwirtschaftssystems, • die Elemente des e-Trade. 29.1 Elementare Bedeutung des Handels für die BWL Der Handel kann unter institutionalen und funktionalen Aspekten betrachtet werden. Institutional bildet er den Ursprung der Betriebswirtschaftslehre im deutschsprachigen Raum. Im 19. Jahrhundert wurde die betriebliche Situation noch von der Technik dominiert, sie stellte den Engpass dar, den es zu beherrschen galt. Wirtschaftliche Aspekte spielten bei meist klein- und mittelständisch strukturierten Betrieben daher eine untergeordnete Rolle. Mit dem Wachstum der Betriebe wurde jedoch bald deutlich, dass Aspekte der Finanz- und Organisationswirtschaft eine immer größere Bedeutung gewannen, denen Techniker nicht gerecht werden konnten. Darauf reagierte man im angelsächsischen Raum durch eine Weiterbildung für Techniker im betriebswirtschaftlichen Aufbaustudium (MBA). Erst im Verlauf der Zeit wurde klar, dass ökonomische Aufgaben als gleichrangig zu ingenieursmäßigen zu sehen waren und es etablierten sich Wirtschaftsstudiengänge an Business Schools. Im deutschsprachigen Raum war die Entwicklung eine andere. Hier wurde der zunehmenden Bedeutung wirtschaftlicher Aufgaben durch die Gründung von Handelshochschulen Rechnung getragen (um die vorletzte Jahrhundertwende), u. a. in Köln, Leipzig, Wien, St.Gallen etc. Dies war auch logisch, wurden im Handel doch ökonomische Transaktionen am ehesten sichtbar. Erst später wurde erkannt, dass es solche geld- und informationswirtschaftlichen Transaktionen durchaus auch in Industrieunternehmen gab. Daraus entstanden die Industriebetriebslehre (Betriebswissenschaften / Schmalenbach) und später die allgemeine Betriebswirtschaftslehre (Gutenberg). Insofern stellt der Handel den Nukleus dessen dar, was man heute unter BWL versteht.

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Im Mittelpunkt der Untersuchung stand dabei der Betrieb als Ort der Faktorkombination für fremden Bedarf, im Gegensatz zum Haushalt, der für den eigenen Bedarf tätig wird. Die Betriebe wurden in drei Bereiche (Sektoren) unterteilt, Gewinnungsbetriebe (primärer Sektor), Be- und Verarbeitungsbetriebe (sekundärer Sektor) und Dienstleistungsbetriebe (tertiärer Sektor), zu dem auch der Handel gehört. Der tertiäre Sektor hatte zunächst nur eine geringe wirtschaftliche Bedeutung. Im Zuge der Entwicklung der Gesellschaften weitete dieser sich jedoch rasch aus und ist nunmehr der mit Abstand größte Sektor (ca. 70 % des BIP und der Beschäftigten). Dies ist geradezu typisch für entwickelte Volkswirtschaften. Der Handel kann institutional in den Großhandel als Handel unter Kaufleuten (B-t-B) und den Einzelhandel als Handel mit Konsumenten (B-t-C) unterschieden werden. Bei ersterem sind gewerbliche Endabnehmer, Wiederverkäufer, Institutionen, Großabnehmer etc. die Kunden, bei letzterem private Endabnehmer. 29.2 Handelsfunktionen Lange galt der Handel als nicht produktiv, weil Dienstleistungen generisch intangibel sind. Und nur produktive Betriebe standen im Blickfeld der Wirtschaft. Im Zuge der Gründung von Handelshochschulen bestand ein verständliches Interesse der Forscher dort darin, nachzuweisen, dass ihre Domäne sehr wohl produktiv und damit Gegenstand lohnender Untersuchung war. Dies führte zur Bildung von Handelsfunktionskatalogen, die beinahe unzählig viele Positionen aufführten. Verdichtet man diese, so können im Wesentlichen vier Funk­ tionsgruppen unterschieden werden (siehe Abb. H23): • Die Raumüberbrückung des Handels betrifft den Ausgleich zwischen dem Ort der Herstellung einer Leistung und dem Ort deren Ge- bzw. Verbrauchs. Ohne Handel kann die Diskrepanz zwischen beiden nicht geschlossen werden. Die Hersteller müssten ihre Waren an den Ort des Ge-/Verbrauchs verbringen (Direktvertrieb), was in vielen Fällen nicht möglich bzw. nicht rentabel ist, oder die Nachfrager müssten sich die Waren am Ort der Herstellung beschaffen, was häufig ebenso unrealistisch scheint. • Die Zeitüberbrückung des Handels betrifft den Ausgleich zwischen dem Zeitpunkt der Herstellung einer Leistung und dem Zeitpunkt deren Ge- bzw. Verbrauchs. Ohne Handel kann die Diskrepanz zwischen beiden nicht geschlossen werden. Die Hersteller müssten ihre Produktion am jederzeitigen Ge-/Verbrauch ausrichten, was wegen der Bereitschaftskosten keine rentable Produktion zulässt. Und die Nachfrager müssten den Zeitpunkt erwischen, zu dem Ware verfügbar ist, was ebenso nicht sinnvoll ist. • Die Kundenakquisition des Handels betrifft die Anwerbung, Entwicklung und Haltung von Kunden für, im Regelfall, Herstellerprodukte. Ohne Han-

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Abbildung H23: Übersicht gängiger Handelsfunktionen (eig. Abb.)

del müssten die Hersteller diese Aufgaben selbst übernehmen, was im vielen Fällen unrealistisch bzw. unwirtschaftlich ist. Insofern schafft der Handel den Absatz für Hersteller. Er unternimmt dies durch verschiedene Teilfunktionen: –– Die Absatzfinanzierung betrifft die Kreditgewährung an Kunden. Dadurch wird deren Kaufbereitschaft für Herstellerprodukte gesteigert. Das Risiko der Kreditrückzahlung übernimmt dabei der Handel. –– Die Nachfragegenerierung betrifft die Anwerbung von Kunden für Herstellerprodukte. Dadurch kann ein Hersteller relevante Marktanteile erreichen und seinen Bestand sichern. –– Die Angebots- und Nachfragerermittlung bzw. -lenkung betrifft die Sichtung der Lieferprogramme in der Beschaffung und die Strukturierung der Lieferungen gemäß den bekannten Präferenzen der Handelskunden. –– Die Markterschließung für Neuprodukte der Hersteller verschafft diesen erst Zugang zum Markt. Dies ist angesichts der sehr hohen Floppraten in vielen Sortimentsbereichen ein durchaus riskantes Unterfangen, das der Handel sich daher durch Prämien ausgleichen lässt.

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–– Die Preisanpassung an den Markt sorgt für ein marktgängiges Preisniveau der Herstellerprodukte. Dadurch kann vermieden werden, dass Produkte aus dem Markt herausgepreist oder Renditen vergeben werden. –– Die Warenveredelung erfolgt im Handel durch vor- und nachkaufbegleitende Kundendienste. Diese verbessern die Marktgängigkeit von Herstellerprodukten und verbessern dadurch deren Wettbewerbsposition. –– Die Beratung in vielen Teilen des Handels führt zu einer Risikoreduktion bei potenziellen Nachfragern, da diese ggf. der Expertise ihres Handelsexperten vertrauen und seiner Kaufempfehlung folgen. –– Der Handel unterhält tatsächlich auch den Folge- oder Endkundenkontakt und nimmt den konkreten Absatzvollzug (Waren-Geld-Tausch) vor. Insofern findet dort die Materialisierung aller Akquisitionsbemühungen statt. –– Der Handel übernimmt die Pflege seiner Kunden, damit diese geschäftsstättentreu und möglicherweise auch markentreu wiederkaufen. Dies erfolgt z. B. durch Kundenkontaktprogramme über Dialogmarketing-Aktivitäten wie Newsletter, Kataloge etc. –– Der Handel sorgt für Einkaufsbequemlichkeit und -schnelligkeit. Er macht somit eine Warenversorgung erlebnisreich und rationell möglich. Dies ist für Wirtschaft und Gesellschaft von grundlegender Bedeutung. • Der Sortimentsausgleich des Handels betrifft die Gestaltung seines Warenangebots in einer Weise, dass sie den Bedarfen seiner Abnehmer gerecht wird. Er unternimmt dies durch verschiedene Teilfunktionen: –– Die Bündelung von Bestellmengen erfolgt durch Sammlung der Einzelbedarfe und mengenmäßig große Beschaffung bei Lieferanten. Dadurch können Einkaufskosteneinsparungen erzielt werden, die in niedrigeren Preisen an Abnehmer weitergegeben werden können. –– Die Aufsplittung großer Lose erlaubt einen Ausgleich für Abnehmer, damit diese sich nicht unnötig bevorraten und Kapital binden müssen, sondern Mengen erhalten, die ihrem tatsächlichen Bedarf entsprechen. –– Die Warenumgruppierung nach Güteklassen bedeutet eine Vorsortierung durch den Handel, indem dieser verschiedene Qualitäten deutlich macht und Abnehmern eine differenzierte Bedarfsbefriedigung erlaubt. –– Der preispolitische Ausgleich innerhalb des Sortiments führt dazu, dass langsam drehende Artikel als Ausgleichsnehmer subventioniert und in ihrem Absatz forciert werden können und schnell drehende Artikel diese Subventionierung wirtschaftlich realistisch machen. –– Die Sortimentsbildung nach erkannten Bedarfen der Abnehmer erlaubt diesen letztlich einen rationellen Einkauf, z. B. im One Stop Shopping. Das heißt, unabhängig von der Güterorientierung werden Kundenbedarfe befriedigt.

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Diese Funktionen werden durch drei „Ströme“ im Absatzkanal realisiert. Diese beziehen sich auf die Dimensionen • Ort (lokale Überbrückung, s. o.), • Zeit (temporale Überbrückung, s. o.), • Quantität, d. h. Mengenbewegungen zwischen Herstellern und Händlern bzw. Händlern und Konsumenten, • Qualität, d. h. Veredelungen zwischen Herstellern und Händlern bzw. Händlern und Konsumenten. Daraus ergeben sich folgende Transaktionen (siehe Abb. H24): • Realgüterströme, d. h. –– Warenbewegung von Ort zu Ort, –– Warenbevorratung über die Zeit hinweg, –– Sammeln / Aufteilen / Umpacken / Kommissionieren etc. der Waren, –– Aussortieren / Manipulieren / Markieren / Sortimentieren / A nreichern etc. der Waren, • Nominalgüterströme, d. h. –– Zahlungsbewegung von Ort zu Ort, –– Finanzierung / K reditierung über die Zeit hinweg, –– Sammeln / Aufteilen etc. der Gelder, –– Umwandeln / Sichern etc. der Gelder, • Informationsströme, d. h. –– Übermittlung von Ort zu Ort, –– Speicherung über die Zeit hinweg, –– Sammeln / Aufteilen etc. von Daten, –– Verdichten / Kommentieren / Interpretieren / Ergänzen etc. von Daten. Der Handel ist aufgrund seiner konstitutiven Merkmale auf dem Wiederverkäufermarkt tätig. Dieser ist durch eine Mischung aus materieller und immaterieller Leistung gekennzeichnet. Dabei ist der Mensch als Dienstleister zentral. Der Handel stellt dabei die Drehscheibe zwischen Lieferanten (Herstellern) und Abnehmern (Kunden) dar, die beiderseitig von Vorteil ist. Er übernimmt dabei essenzielle Funktionen und ist damit zweifelsfrei produktiv. Der Handel ist aber auch vom ihm durch Hersteller zur Verfügung gestellten Warenangebot weitgehend abhängig. Dies führt zu verbreiteten Konfliktsituationen zwischen Hersteller- und Handelsstufe. Zudem entsteht auf der Handelsstufe, analog zur Herstellerstufe, ein hoher, steigender Konzentrationsgrad, vor allem im Einzel-

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Abbildung H24: Ströme im Absatzkanal (eig. Abb.)

handel. Zugleich ist der Markt komplex strukturiert, etwa in Bezug auf Konzepte, Größen, Sortimente etc. Weithin gilt eine Orientierung am Preis als wesentlichem Konkurrenzparameter, was durchaus verhängnisvoll wirken kann. Auf der Handelsstufe entsteht ein Geschäftsstättenwettbewerb (Intrabrand Competition), zusätzlich zum Anbieterwettbewerb auf der Herstellerstufe. Die Umschlagsgeschwindigkeit und die Handelsspanne sind dabei die wesentlichen Erfolgsparameter des Handels. 29.3 Betriebsformen des Einzelhandels Die Handelslandschaft ist ausgesprochen heterogen ausgeprägt. Ein wissenschaftliches Anliegen ist deren Strukturierung, um zu belastbaren Aussagen zu gelangen. Dazu wird die Realität der Märkte analysiert und nach Kriterien gesucht, die in der Lage sind, diese Realität einzuteilen. Dabei ist beim Handel vor allem an folgende Kriterien zu denken: • Sortimentsbreite als Anzahl verschiedenartiger, additiver Artikel im Handelssortiment, • Sortimentstiefe als Ausprägungen gleichartiger, alternativer Artikel im Sortiment, • Sortimentsniveau als Qualitätslevel, auf dem diese Artikel angesiedelt sind, • Sortimentsinhalt nach Kaufbedeutung, Selbstverkäuflichkeit, Entscheidung, Kauffristigkeit o. Ä.,

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• Preisgestaltung als aggressiv, konventionell, exklusiv, • Standortwahl nach Geschäftslage, • Betriebsgröße nach Umsatz, Fläche, Mitarbeiterzahl o. Ä., • Beeinflussungs-Mix mit Kommunikation, Konditionen, Services, • Akquisitionsform im Hol- oder Bringprinzip bzw. entnahme-/übergabeorientiert, • Abgabeprinzip nach Erhältlichkeit (undifferenziert, privilegiert etc.), • Verkaufspunkt als immobil oder mobil (dabei fallweise, wiederkehrend, regelmäßig wechselnd), • Integrationsform als Einzelbetrieb, Filialbetrieb oder Gemeinschaftsstandort, • Anbindung als selbstständig oder abhängig (wirtschaftlich und / oder rechtlich), • Treuorientierung des Sortiments nach Material, Wissen, Problemlösung, • Güterart nach Food, Nonfood, Nearfood. Dennoch verbleibt immer noch eine unüberschaubare Vielzahl von realen Handelsbetrieben. Eine Übersicht entsteht, wenn man Betriebe ähnlicher Kriterien zusammenfasst und mit einem gemeinsamen Namen versieht, der Betriebsform des Einzelhandels. Dies ist sinnvoll, sobald eine Betriebsform eine gewisse Marktbedeutung hat und wird in regelmäßigen Abständen überprüft. Heraus kommt eine Morphologie der Handelsbetriebsformen. Diese lässt sich in vier Gruppen einteilen (siehe Abb. H25): • originäre stationäre Einzelhandelsbetriebsformen, also Betriebe mit Ladengeschäft, • originäre, nicht-stationäre Einzelhandelsbetriebsformen, als Betriebe ohne Ladengeschäft,

Abbildung H25: Tableau der Einzelhandelsbetriebsformen (eig. Abb.)

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• derivative stationäre Einzelhandelsbetriebsformen als räumliche Konzentra­ tion originärer Betriebe, • derivative, nicht-stationäre Einzelhandelsbetriebsformen als organisatorische Konzentration originärer Betriebe. 29.3.1 Originäre stationäre Betriebsformen

Bei den originären stationären Einzelhandelsbetriebsformen lassen sich wiederum drei Unterformen unterscheiden siehe Abb. H26): • traditionelle Betriebsformen, • moderne Betriebsformen, • preisaggressive Betriebsformen.

Abbildung H26: Übersicht der originär-stationären Einzelhandelsbetriebsformen (eig. Abb.)

Diese werden im Folgenden kurz der Reihenfolge nach charakterisiert. Zu den traditionellen Betriebsformen gehören folgende: • Fachgeschäft: enges, tiefes Sortiment, gediegenes Sortimentsniveau, konventionelle Preisbildung, zentrale Lage, klein- bis mittelständische Betriebsgröße, geringer Einsatz des Beeinflussungs-Mix (Ausnahme: Services), Akquisition durch Ladengeschäft mit Fremdbedienung, stationärer Einzelstandort, Unab-

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hängigkeit (evtl. horizontale Integration), z. B. Spielwarenfachhandel, Sportartikelfachhandel. • Spezialgeschäft: engeres, tieferes Sortiment als beim Fachgeschäft, mindestens gediegenes, oft luxuriöses Sortimentsniveau, exklusive Preisbildung, zentrale Lage, kleinständische Betriebsgröße, geringer Einsatz des Beeinflussungs-Mix (Ausnahme: Services), Akquisition durch Ladengeschäft mit Fremdbedienung, stationärer Einzelstandort, Unabhängigkeit, z. B. Boutique, Juwelier, Porzellangeschäft, Handschuhgeschäft. • Warenhaus: sehr breites, flaches Sortiment, anspruchsloses Sortimentsniveau (mit Trading up), überwiegend Modeartikel, flexible Preisbildung, durchsetzt von aggressiven Preisen, zentrale Lage, Großbetriebsform, intensiver Einsatz des Beeinflussungs-Mix (insb. Werbung), Akquisition durch Ladengeschäft mit Selbst- und Fremdwahl, dezentrale Standortspaltung mit stationären Verkaufspunkten, starke horizontale Integration in Konzern, z. B. Kaufhof, Karstadt. • Kaufhaus: schmaleres Sortiment als beim Warenhaus bei zugleich höherer Tiefe, anspruchsloses Sortimentsniveau (mit Trading up), konventionelle Preisbildung, durchsetzt von aggressiven Preisen, zentrale oder Cityrand-Lage, auch in Vorortzentren, Großbetriebsform, aber kleiner als Warenhaus, intensiver Einsatz des Beeinflussungs-Mix, aber weniger als Warenhaus, Akquisition durch Ladengeschäft mit dominanter Fremdbedienung, dezentrale Standortspaltung mit stationären Verkaufspunkten, horizontale Integration in Konzern, jedoch geringer als Warenhaus, z. B. C&A, P&C. • Gemischtwarenladen: enges, sehr flaches Sortiment, anspruchsloses Sortimentsniveau, meist täglicher Bedarf, starre, konventionelle Preisbildung, City­ rand- oder Vorortlage, kleinständische Betriebsform, geringer systematischer Einsatz des Beeinflussungs-Mix, Akquisition durch Ladengeschäft mit Fremdbedienung, stationärer Einzelstandort, Unabhängigkeit, evtl. horizontale Inte­ gration (Kooperation), z. B. „Tante Emma“-Laden, „Onkel Ali“-Laden. Zu den modernen Betriebsformen gehören folgende: • SB-Warenhaus: extrem breites, ausreichend tiefes Sortiment, meist Lebensmittel, anspruchsloses Sortimentsniveau, aggressive, flexible Preisbildung, Stadtrandlage oder „grüne Wiese“, Großbetriebsform (> 5.000 qm / Food-Nonfood), mittlerer Einsatz des Beeinflussungs-Mix (außer Werbung), Akquisition durch Ladengeschäft mit dominanter Selbstbedienung, stationärer Einzelstandort durch Agglomeration, häufig arrondierende Konzessionsbetriebe, horizontale Integration in Konzern, z. B. Marktkauf, Real, Globus, Kaufland. • Verbrauchermarkt: sehr breites, ausreichend tiefes Sortiment, meist Lebensmittel, anspruchsloses Sortimentsniveau, aggressive, flexible Preisbildung, Stadtrandlage oder „grüne Wiese“, Großbetriebsform (1.000 bis < 5.000 qm / Food-Nonfood), geringer Einsatz des Beeinflussungs-Mix (außer Werbung),

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Akquisition durch Ladengeschäft in dominanter Selbstbedienung, stationärer Einzelstandort durch Agglomeration, horizontale Integration in Konzern, z. B. Comet, E-Center, Extra, Familia, Toom. • Supermarkt: breites, flaches Sortiment, meist Lebensmittel, anspruchsloses Sortimentsniveau, aggressive, flexible Preisbildung, Cityrand- oder Vorortlage, Großbetriebsform (400 – < 1.000 qm / Food-Nonfood), geringer Einsatz des Beeinflussungs-Mix (außer Werbung), Akquisition durch Ladengeschäft in dominanter Selbstbedienung, dezentrale Standortspaltung mit stationären Verkaufspunkten, horizontale Integration in Konzern (Filialisierung), z. B. Minimal, E-Neukauf, Spar. • SB-Geschäft: schmales, flaches Sortiment, anspruchsloses Sortimentsniveau, konventionelle, flexible Preisbildung, Cityrand- oder Vorortlage, mittelständische Betriebsform (< 400 qm / Food), geringer Einsatz des Beeinflussungs-Mix (außer Werbung), Akquisition durch Ladengeschäft in dominanter Selbstbedienung, dezentrale Standortspaltung mit stationären Verkaufspunkten, horizontale Integration in Konzern (Filialisierung), z. B. Kaiser’s, Rewe, Edeka. Zu den preisaggressiven Betriebsformen gehören folgende: • Fachmarkt: sehr breites, sehr tiefes Sortiment, gediegenes Sortimentsniveau, flexible Preisbildung, tendenziell aggressiv, Citylage, mittelständische Betriebsform, je Standort jedoch groß, hoher Einsatz des Beeinflussungs-Mix (vor allem Werbung), Akquisition durch Ladengeschäft mit Fremdbedienung, dezentrale Standortspaltung mit stationären Verkaufspunkten, horizontale Integration in Konzern, z. B. Bauhaus, OBI. • Fachdiscounter: enges, tiefes Sortiment, branchenbeschränkt, anspruchsloses Sortimentsniveau (allerdings Trading up), aggressive, starre Preisbildung, zentrale Lage, Großbetriebsform, hoher Einsatz des Beeinflussungs-Mix (vor allem Werbung), Akquisition durch Ladengeschäft mit Fremdbedienung, dezentrale Standortspaltung mit stationären Verkaufspunkten, horizontale Integration in Konzern, z. B. Saturn, Media-Markt. • LEH-Discounter: enges, flaches Sortiment, überwiegend Lebensmittel, anspruchsloses Sortimentsniveau, oft Gattungsware (Soft-/Hard-Discounter), aggressive, starre Preisbildung, Stadtrandlage, mittelständische Betriebsform, geringer Einsatz des Beeinflussungs-Mix (außer Werbung), Akquisition durch Ladengeschäft mit Selbstbedienung, dezentrale Standortspaltung mit stationären Verkaufspunkten, starke horizontale Integration im Konzern (Filialisierung), z. B. Aldi, Lidl, Norma, Penny, Netto.

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29.3.2 Originäre nicht-stationäre Betriebsformen

Bei den originären nicht-stationären Einzelhandelsbetriebsformen handelt es sich um folgende (siehe Abb. H27): • Universalversandhandel: sehr breites, relativ flaches Sortiment, gestaffelt nach Jahreszeiten, Sonderanlässen, Thematiken etc., anspruchsloses Sortimentsniveau (Trading up über Spezialitäten), starre, konventionelle Preisbildung, teils aggressiv, Großbetriebsform, intensiver Einsatz des Beeinflussungs-Mix (vor allem Werbung), Akquisition durch Distanzprinzip (Katalog) und Bestellung, außerdem Telefon, Vertreter, Sammelbesteller, Website etc., horizontale Integration in Konzern, z. B. Quelle, Otto. • Fachversandhandel: enges, ausreichend tiefes Sortiment, meist branchenbeschränkt oder verwandte Produktgruppen (z. B. Schmuck, Mode), gediegenes Sortimentsniveau, starre, konventionelle Preisbildung, teils aggressiv, mittelständische Betriebsform, intensiver Einsatz des Beeinflussungs-Mix, Akquisition durch Distanzprinzip (Katalog) und Bestellung, außerdem Telefon, Vertreter, Sammelbesteller, Website etc., horizontale Integration in Konzern, z. B. Baur, Oppermann, Witt. • Mobiler Handel: als Markthandel, z. B. Wochenmarkt mit Produkten des täglichen Bedarfs, vor allem Frischwaren, als Straßenhandel, z. B. Verkaufswagen / Frischedienst, vor allem in unterversorgten Gebieten, als Hökerhandel, z. B. Trödel-/Andenkenhänger, meist improvisiert, als Hausierhandel, z. B. Haustürverkauf, nicht herstellerverbunden oder als Wanderhandel, z. B. Teppichverkauf, oft nur temporär mit Auflösung nach Abwicklung.

Abbildung H27: Originäre nicht-stationäre Einzelhandelsbetriebsformen (eig. Abb.)

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29.3.3 Derivative Betriebsformen

Bei derivativen Betriebsformen werden stationäre und nicht-stationäre Formen unterschieden (siehe Abb. H28: Derivative Einzelhandelsbetriebsformen). Bei den derivativen stationären Einzelhandelsbetriebsformen handelt es sich um solche mit räumlicher (physischer) Konzentration der Geschäfte als • Shopping Center, i. d. R. durch Planung entstanden, von Entwickler (Errichtung) und Betreiber (Besitz) unterstützt, mit größerer Zahl rechtlich selbstständiger Gewerbetreibender, Mieter-Mix entscheidend (Frequenzbringer, Imageträger, Gastronomie, Ladenhandwerk), Betreiber sorgt für Sauberkeit, Ordnung, Veranstaltungen, Kollektivwerbung etc., sehr breites, ausreichend tiefes Sortiment mehrerer Anbieter, gespreiztes Sortimentsniveau, gespreizte Preisbildung, Großbetriebsform mehrerer selbstständiger Einzelhändler, meist hoher Einsatz des Beeinflussungs-Mix, Akquisition durch Ladengeschäfte in Selbst- oder Fremdwahl, stationärer Einheitsstandort durch Agglomeration, Unabhängigkeit und Einmaligkeit. Typen sind Power Center, Off Price Center, Theme Center, Urban Entertainment Center, Factory Outlet Center, z. B. Rheinpark Center / Neuss, Centro / Oberhausen etc. • Mall, überdachte Form des Shopping Centers, vorwiegend an zentralen Standorten, z. B. Kö-Galerie / Düsseldorf, Schadow-Arkaden / Düsseldorf, Hanse-Viertel / Hamburg, Levanthe-Haus / Hamburg, Höfe Fünf / München, Mädler-Passage / Leipzig etc.

Abbildung H28: Derivative Einzelhandelsbetriebsformen (eig. Abb.)

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Bei den derivativen nicht-stationären Einzelhandelsbetriebsformen handelt es sich um solche mit organisatorischer (formaler) Konzentration der Geschäfte als • Freiwillige Kette durch Zusammenschluss von Einzelhandelsbetrieben auf Ini­ tiative und unter Beteiligung des Großhandels, vorwärtsgerichtet. Primäres Ziel ist die Nutzung von Kooperationsvorteilen wie Kostendegression, Erfahrungsaustausch, z. B. Spar. • Einkaufsverband als Gründung / Bevorzugung eines Großhandelsbetriebs durch zusammengeschlossene Einzelhändler (Verbundgruppe), rückwärtsgerichtet. Primäres Ziel ist die Nutzung von Kooperationsvorteilen, z. B. Interfunk, Euronics. Verrechnungskontore sind bei beiden Formen üblich und führen zur Sammelrechnung und Zentralregulierung (Delkredere). Häufig ist dabei die Form von Genossenschaften (tradiert) vorzufinden. Hinzu kommen spezielle Einzelhandelsbetriebsformen wie • Nebenverkauf, Automatenverkauf, Katalogschauraum, Impuls-Outlet, Drogeriemarkt, Bahnhofs-/Flughafenhandel, Touristenhandel, Landwirtschaftliche Direktvermarktung, Second Hand-Geschäft, Partievermarktung / Restpostengeschäft, Einheitspreisladen, Mehrsortimentsgeschäft. Außerdem gibt es das Ladenhandwerk als Kombination aus Handel und Handwerk (Handwerkshandel), das entweder zulassungspflichtig (HWK-Meister­ zwang), zulassungsfrei (HWK-Mitgliedschaft) oder handwerksähnlich ausgebildet ist, z. B. Bäcker, Metzger, Schuster, Sanitärinstallateure. 29.4 Betriebsformen des Großhandels Funktional befasst sich der Großhandel mit der wirtschaftlichen Tätigkeit der Beschaffung und des Absatzes von Waren an Produzenten, Weiterverarbeiter, Wiederverkäufer, Großabnehmer u. Ä. mit Umschlag in relativ großen Mengen. Institutional umfasst der Großhandel Betriebe, die den funktionalen Großhandel durchführen. Der Großhandel kann nach verschiedenen Kriterien rubriziert werden (siehe Abb. H29): • Nach dem Warenübergang liegt im Regelfall eine Warenzustellung mit Fremdkommissionierung und Zahlungsziel vor, im C&C-Großhandel liegt jedoch eine Warenabholung mit Selbstkommissionierung und Barzahlung vor. • Nach der Logistikleistung liegt im Regelfall ein Lager-Großhandel vor, außerdem kann ein Strecken-Großhandel ohne eigenes Lager gegeben sein, der Warenfluss erfolgt dann vom Hersteller direkt an den gewerblichen Abnehmer, der Geld- und Informationsfluss hingegen vom Hersteller an den Großhändler

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bzw. vom Großhändler an den gewerblichen Abnehmer. Außerdem gibt es den Versand-Großhandel ohne eigenes Lager (Drop Shipment) oder ohne eigenes stationäres Geschäft (Mail Order). • Nach dem Serviceumfang kann es sich um einen Großhandel handeln, der den Regalservice im Einzelhandel für seine Waren übernimmt (Rack Jobber), dazu gehören Sortimentierung, Platzierung, Preisauszeichnung, Werbemittelanbringung etc. • Nach der Sortimentsplanung kann der Großhandel seine Sortimentsbreite (breit / eng) und Sortimentstiefe (flach / tief) gestalten. • Nach der Marktausrichtung kann der Großhandel beschaffungsorientiert arbeiten (kollektierend) und / oder absatzorientiert (distribuierend). • Nach den Warenarten kann es sich um naturnahe oder konsumnahe Waren handeln, bei letzteren wiederum um Ge- oder Verbrauchsgüter. • Nach dem Aktionsgebiet kann es sich um den Binnen-Großhandel (nur im Inland) oder den Außen-Großhandel (grenzüberschreitend) handeln. Sonderformen des Großhandels sind der Produktionsverbindungshandel, der produkt-, länder- oder verwenderorientiert ausgerichtet ist und mit Industriegütern handelt. Herstellerorientiert erfolgt dieser durch Werksverkaufs-/-handelsgesellschaften unter dem Dach von Industrieunternehmen. Weiterhin gibt es den Handwerks-Großhandel für den Kleinbedarf des Handwerks. Die Funktionen des Großhandels bestehen im Wesentlichen aus Logistik, also Raumüberbrückung und Zeitüberbrückung. Dahinter treten die Funktionen der Akquisition gewerblicher Kunden und des Sortimentsausgleichs zurück.

Abbildung H29: Kriterien zur Einteilung von Großhandelsbetriebsformen (eig. Abb.)

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Zwar leistet der Großhandel die Akquisition von Aufträgen für den Hersteller. Ferner gibt er zusätzlichen Werbedruck für Herstellerprodukte. Dadurch entsteht eine raschere Markterschließung. Zudem ist dieser Weg auch für Kleinmengen geeignet. Allerdings entsteht eine direkte Konkurrenz der Herstellerprodukte im Großhandelssortiment. Außerdem entstehen (vertikale) Konflikte im Absatzkanal zu Hersteller und Einzelhandel. Eine Abhängigkeit von großen Einzelhändlern ist gegeben. Die Spannen von Hersteller und Einzelhandel werden durch Margenabtretung geschmälert. Insofern kommt es im Absatzkanal zu einer Abwägung zwischen der Funktionserfüllung durch Großhändler einerseits und diesem Gewinnentgang durch dessen Einschaltung andererseits. Per Saldo ist die wirtschaftliche Bedeutung des Großhandels stark rückläufig. Der Großhandel versucht dem durch zusätzliche Aktivitäten entgegen zu wirken, so durch • Unterstützung bei der Betriebsorganisation von Einzelhändlern, Hilfe bei der Absatzförderung, Beratung bei Sortimentszuschnitt, Mengen, Bestellzeitpunk­ ten etc., durch vorteilhafte Finanzierungskonditionen, durch Personalentwicklungsmaßnahmen (Training / Schulung), durch Unterstützung bei Werbung / Aktionen / Events, durch Logistikhilfen und auch die Entwicklung von Eigenmarken. Letztlich dürfte dies jedoch wenig erfolgversprechend sein. 29.5 Dynamik der Handelsbetriebsformen Die Handelsbetriebsformen sind nicht statisch zu sehen, sondern unterliegen einem Entwicklungsprozess im Zeitablauf. Dafür gibt es mehrere theoretische Erklärungen (Dialektik, Crisis Change, Marktlücke, General-Specific-General, Gegenmacht, Evolution, Anpassung, Transaktionskosten etc.). Vorherrschend ist jedoch der Wheel of Retailing (Lebenszyklus). Danach besteht ein Wettbewerb zwischen den Betriebsformen des Handels. Moderne, leistungsfähigere setzen sich dabei gegen traditierte, überkommene Formen durch und ersetzen diese. Dies führt an den Märkten zu einer Polarisierung zwischen Betrieben in der Leistungsführerschaftsposition einerseits und solchen in der Preisführerschaftsposition andererseits, die nebeneinander erfolgreich sind (analog zur Porter-U-Kurve). Betriebe dazwischen (Stuck in the Middle) sind hingegen nicht erfolgreich, weil sie weder leistungsfähig genug sind, um in der Leistungsführerschaftsposition mithalten zu können (Differenzierung), noch kostengünstig genug, um in der Preisführerschaftsposition mithalten zu können (Preis-Menge). Sie werden daher vom Markt verdrängt.

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Um dies zu vermeiden, ergeben sich für die Betriebe zwei alternative Strate­ gien zur Profilierung (siehe Abb. H30): • Trading up meint die Verbesserung der betriebsindividuellen Leistungsstandards. Diese ergeben sich durch hohe Sortimentstiefe, höherwertige Artikel, effektvolle Angebotspräsentation, intensive Kundenberatung / Fremdbedienung und Einkaufserlebnis (Freude am Einkauf). • Trading down meint die Preisbetonung durch Senkung der Betriebskosten und Spannen. Diese ergeben sich durch kostengünstige Standorte, Beteiligung in Kooperationen, geringe Sortimentstiefe, hohe Umschlaggeschwindigkeit, Servicekürzung, problemlose Artikel, schnelle und einfache Versorgung (Cleverness beim Einkauf). Beide Positionen sind parallel am Markt erfolgreich, weil es die selben Personen sind, die dort einkaufen. Nur unterscheiden sie, was sie jeweils dort einkaufen. Dem liegt ein hybrides Verbraucherverhalten zugrunde. Danach wird das Kaufprogramm angesichts weithin limitierter Budgets in Produkte des Grundnutzenbedarfs und in solche des Zusatznutzenbedarfs eingeteilt. Für erstere wird der Versorgungshandel (Preis-Menge) als Einkaufsquelle bevorzugt, für letztere der Erlebnishandel (Differenzierung). Insofern kann das subjektive Konsumniveau gesteigert werden, indem die im Versorgungshandel durch Cleverness ersparten Beträge nicht wirklich gespart, sondern mit Freude im Versorgungshandel ausgegeben werden. Damit können die dort für Marken erforderlichen höheren Kaufpreise geleistet werden.

Abbildung H30: Alternative Profilierungsstrategien des Handels (eig. Abb.)

29.6 Vertikale Kooperationen im Absatzkanal Die vertikale Kooperation zwischen Hersteller und Handel (Regulated Distribution) kann nach Inhalt, Art, Richtung, Fokus und Stufigkeit differenziert sein. Häufige Formen mit steigender Intensität sind folgende, beginnend bei einer Abstimmung mit der Handelsstufe (siehe Abb. H31):

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Abbildung H31: Übersicht der Kooperationsformen zwischen Hersteller- und Handelsstufe (eig. Abb.)

• Durch eine Rahmenvereinbarung erfolgt eine Absichtserklärung zur Planvereinbarung, meist in Form von Jahresgesprächen zwischen Handel und Hersteller. Inhalt ist die gegenseitige Information, ohne dass daraus bereits eine Bindungswirkung entsteht. Es versteht sich allerdings unter Profis, dass gegenseitige Ankündigungen von Aktivitäten (z. B. Mengen, Konditionen, Neuprodukte, Listungen) auch eingehalten werden, ansonsten verliert eine Seite ihre Glaubwürdigkeit. • Beim Herstellergestützten Mittelstandskreis handelt es sich um eine Kartellausnahme für klein- und mittelständische Händler zur Steigerung ihrer Wett-

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bewerbsfähigkeit gegenüber Großbetriebsformen. Dazu dürfen diese Verabredungen treffen, die nach § 1 GWB grundsätzlich verboten sind. Hersteller können dabei zwar assistierend zur Seite stehen (Initiative), dürfen aber keinen Druck zur Durchsetzung ausüben. Denkbar ist aber, dass Hersteller Produkte exklusiv für Mitglieder des Mittelstandskreises anbieten und die Händler für diese dann gemeinsame Preise vereinbaren. Was klein- und mittelständisch ist, bemisst sich dabei an der Relation zu den Großbetriebsformen, so dass angesichts des hohen Konzentrationsgrad selbst Betriebsformen geschützt werden, die dieses Schutzes nicht unbedingt bedürfen. Eine engere Form sind Raumvermietungsgeschäfte des Handels. Diese sind in vier Formen üblich: • Das Shop in the Shop-System betrifft die Untervermietung von Geschäftsfläche an Hersteller („Kojen“) parallel zur eigenen Abteilung im Einzelhandel, z. B. Esprit, Rosenthal. Dabei kommt es zu einer Aufwertung (Trading up) des Handelsbetriebs durch die Anreicherung mit attraktiven Marken. Zugleich profitieren die Hersteller von den 1a-Lagen der Handelsbetriebe, die für sie anderweitig rentabel kaum finanzierbar wären. Die Systeme sind abgestuft nach getrennter Platzierung und Logistik, eigener Werbemittelausstattung und Möblierung, eigenem Beratungspersonal und eigener Kasse. • Das Store in the Store-System betrifft die Untervermietung von Geschäftsfläche an Dritte anstelle einer eigenen Abteilung im Einzelhandel, z. B. Spar / Karstadt, Saturn / Kaufhof. Dabei wird eine eigene Abteilung des Handels substituiert. Es handelt sich zumeist um für den traditionellen Einzelhandel nur schwer organisierbare Sortimentsinhalte wie Lebensmittel, die aufwändig im Handling sind, oder Unterhaltungselektronik, die beratungsintensive Langsamdreher darstellen. Der Handel profitiert vom Insourcing bei Konzen­ tration auf seine Kernkompetenz, Dritte profitieren von den 1a-Lagen der Handelsbetriebe. • Das Hersteller-Rack Jobbing betrifft die Vermietung von Regalen im Handel an Hersteller zur Sortimentsabrundung, z. B. Tchibo, Wenco. Weit verbreitet wird von Kunden ein One Stop Shopping vorausgesetzt, d. h. die Verfügbarkeit verschiedener Teilsortimente am POS. Dabei gibt es viele Sortimente mit speziellen Anforderungen, z. B. an Möbel, Diebstahlschutz, Handling. Der Handel profitiert vom Angebot dieser durchaus nicht selbstverständlichen Warengruppen, die Hersteller profitieren vom Traffic, der ihnen und ihren Produkten eine Kundenfrequenz schafft, die sie allein nicht darstellen könnten. • Die Konzession betrifft die Pacht von Flächen außerhalb des Ladengeschäfts oder in Geschäftsagglomerationen (Einkaufszentren), z. B. Bäckerei, Schlüsseldienst, Wäschereinigung, Lotto-Toto-Annahme, Blumenladen, Apotheke. Diese Konzessionäre befinden sich außerhalb der eigenen Geschäftsfläche (vor der Kasse) und dienen der Realisierung des One Stop Shopping. Gelegent-

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lich steht deren Angebot auch in Konkurrenz zum übrigen Handelssortiment. Die Konzessionäre zahlen hohe Mieten, können aber die Erträgnisse ihrer Geschäftstätigkeit einbehalten. Sie profitieren vom Traffic des Handelsbetriebs, den sie selbst so nicht darstellen könnten, der Handelsbetrieb profitiert von der willkommenen Sortimentsabrundung. Eine weitere Form sind Warenvermittlungsgeschäfte des Handels. Dabei fungiert der Handel nicht als Absatzmittler (eigener Name / eigene Rechnung), sondern als Absatzhelfer (Agent). Dabei sind zwei Formen üblich: • Die Agentur betrifft das Handelsvertretergeschäft (fremder Name / f remde Rechnung). Der Handel refinanziert sein Geschäft dann nicht mehr durch die einbehaltene Handelsspanne, sondern durch eine Provision auf den Umsatz von der vertretenen Unternehmung, z. B. Lufthansa-Agentur. Der Handel ist auf diese Weise von vielen Risiken entlastet. Zugleich ist er nur begrenzt unternehmerisch tätig, da wesentliche Parameter durch die vertretene Unternehmung vorgegeben werden. Dies betrifft insb. den Preis. Normalerweise liegt die Preishoheit beim Handel, hier liegt sie beim Hersteller, da er als Eigentümer der Ware auch deren Preis bestimmen kann. Es handelt sich somit um eine legale Umgehung des Verbots der Preisbindung der zweiten Hand (GWB). Allerdings obliegt dem Hersteller die Organisation seines externen Direktvertriebs. • Die Konsignation betrifft das Kommissionärsgeschäft (eigener Name / f remde Rechnung). Auch hier lebt der Handel von der Provision auf den Umsatz der vertretenen Unternehmung. Allerdings unterhält er ein eigenes Warenlager und ist Adressat für Reklamationen. Für das Warenlager besteht ein Rückgabeanspruch für nicht verkaufte Ware, insofern erwächst daraus kein Risiko. Für die Reklamation erfolgt eine interne Abtretung des Anspruchs an den Hersteller. Wiederum bleibt der Hersteller Eigentümer bis zum Verkauf der Ware, kann damit also auch deren Preis bestimmen. Gleiches gilt für weitere Verkaufsstandards. Allerdings ist eine komplette Vorfinanzierung des Warenbestands im Absatzkanal erforderlich, da das System erst revolvierend wirkt, nachdem die ersten Absätze erfolgt und Erlöse zurückgeflossen sind. Schließlich gibt es verschiedene Formen kooperativer Warenverkaufsgeschäfte des Handels. Dabei wirken stufenübergreifend (vertikal) Hersteller und Händler eng zusammen. Zu nennen sind vor allem drei: • Das Depotsystem (im Eigenhandel) stellt eine Vertriebsbindung mit geschlossener Distribution (selektiv / exklusiv) für ein vorgegebenes Herstellerprogramm dar, z. B. Depot-Parfümerien, Depot-Uhrenhändler. Damit verbunden sind Präsentationsstandards im Schaufenster / Innenraum, bevorzugte Beratung, Preislistentreue, Vollprogrammabnahme, Werbemitteleinsatz etc. • Die Franchisinglizenz betrifft ein vertikal-kooperativ organisiertes Absatzsystem rechtlich selbstständig bleibender Unternehmen mit einheitlichem

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Marktauftritt der Franchisenehmer (Franchisees) und arbeitsteiligem Leistungsprogramm bei Weisung und Kontrolle des Franchisegebers (Franchisor). Beispiele sind OBI, Kamps, Sunpoint, Fressnapf, Avis, TUI, BurgerKing, Apollo etc. Das Leistungsprogramm des Franchisegebers besteht im Einzelnen aus Beschaffungs-, Absatz- und Organisationskonzept, Nutzung von Gewerblichen Schutzrechten (Markenzeichen / Image), Aus- und Weiterbildung der Franchisenehmer, Verpflichtung zur aktiven / laufenden Unterstützung (Wettbewerbsfähigkeit), Überlassung von System-Know-how, Hilfe bei Betriebsaufbau, Werbung / V KF, Sortimentsplanung und Betríebsberatung, Organisationshilfen, Erfahrungsaustausch, Nachweis von Bezugsquellen zu festgesetzten Konditionen, Gebietsschutz etc. Das Leistungsprogramm des Franchisenehmers besteht im Einzelnen aus Arbeit, Kapitaleinsatz, Information, Geschäftsführung nach vorgegebenen Richtlinien, Verwendung von Markenzeichen, vollem Einsatz für das System, Wahrung aller Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse, Datenübertragung (Kon­ trolle / Revi­sion), ausschließlicher Bestellung bei vorgegebenen Bezugsquellen, Weisungsrecht des Franchisegebers, Sortimentsbildung nach vorgegebenen Standards, Nutzung der Geschäftshilfen. • Das Vertragshändlersystem ähnelt der Franchisinglizenz, ist aber nicht gebührenpflichtig. Es besteht aus einem Dauerschuldverhältnis (Sukzessivliefervertrag) zwischen Hersteller und Händler. Der Händler ist dabei sehr eng in die Absatzorganisation des Herstellers eingebunden. Es gelten Konkurrenz­ ausschluss oder Weiterverkaufsverbot sowie Gebietsschutz (geschlossene Distribution). Vertragshändler sind de jure in eigenem Namen und auf eigene Rechnung aktiv, de facto sind sie aber Regiebetriebe des Herstellers (z. B. Automarkenhändler). 29.7 Aktionsparameter des Handels 29.7.1 Sortiment und Artikel

Als Aktionsparameter stehen dem Handel Sortiment und Artikel, Preis und Konditionen sowie Werbung und Aktionen zur Verfügung (siehe Abb. H32). In Bezug auf Sortiment und Artikel ist die Markenpolitik zentral. Dabei ist an Handelsmarken (Private Labels) zu denken. Diese können echt sein, d. h. der Handel konzipiert, produziert und vertreibt die Marken, oder aber zumeist unecht, d. h. der Handel konzipiert die Marken gemeinsam mit Herstellern, die diese produzieren und er verkauft sie. Nach der Hierarchie unterscheidet man dabei: • Einzelangebotsmarken (Artikel) wie Albrecht Kaffee, Tandil etc.,

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• Warengruppenmarken (Category) wie BioBio Naturkost etc., • Teilsortimentsmarken wie Balea, Medion etc., • Sortimentsmarken wie Tip, gut und günstig etc. Dabei können im Zeitablauf mehrere Generationen unterschieden werden: • Handelsmarken 1.0 hatten noch einen generischen (gattungstypischen) Anspruch (ca. 1975). • Handelsmarken 2.0 wiesen eine Generation Rückstand gegenüber Herstellerprodukten auf (ca. 1985). • Handelsmarken 3.0 befanden sich auf der Höhe von Zweitmarken der Hersteller (ca. 1995). • Handelsmarken 4.0 sind nunmehr innovativ, segmentiert und auf der Höhe der Erstmarken der Hersteller positioniert (ca. 2005).

Abbildung H32: Aktionsparameter des Handels (eig. Abb.)

Gattungswaren (No Names) der ersten Generation waren durch einfache Packung, geringe Bewerbung, mittleren Qualitätslevel und vor allem niedrigen Preis gekennzeichnet. Es handelt sich um problemlose Produkte in gesättigten

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Märkten. Gattungswaren entstanden infolge der zweite Ölkrise Mitte der 1970er Jahre. Sie waren eine Reaktion auf Rezession und stagnierende Einkommen weiter Bevölkerungsteile. Verbraucher lernten damals, dort zu sparen, wo es „nicht wehtut“ (Low Involvement), damit man sich das leisten kann, was einem wichtig ist (High Involvement). Initiator waren die Produits Libres von Carrefour / FR, erkennbar an einer weißen Packung mit blauer Schwalbe (Logo) und den Gattungsnamen des Produkts (daher auch Generics genannt). Zunehmend versucht der Handel aber auch, seine Geschäftsstätte zur Marke zu stilisieren (Storebrand). Dahinter steckt der Gedanke, dass beim Einkauf zunächst die Geschäftsstättenwahl getroffen werden soll und innerhalb des dort jeweils verfügbaren Händlersortiments dann erst die Herstellermarkenwahl (Intrabrand Competition). Wohingegen dies ansonsten zumeist umgekehrt ist, zuerst entscheidet man sich für eine Herstellermarke und dann dafür, wo man sie zu beschaffen gedenkt. Dazu bedarf es allerdings stichhaltiger Argumente. Diese können etwa in Zeitersparnis durch längere Ladenöffnungszeiten, komfortable Bring-/Abholdienste, Beratung etc. liegen oder in der Vermittlung von Einkaufsemotion etwa durch kaufbegleitende Kundendienste, Angebotsindividualisierung, Kundenprivilegierung etc. Dabei ist in „Nur-Händler“ und „Auch-Händler“ zu unterscheiden: • Zu ersteren gehören Handelsketten wie Douglas, Media-Markt, Saturn etc. • Zu letzteren gehören Filialisten als Hersteller und Händler (Verticals) wie H&M, Zara, The Gap, Body Shop, Esprit, Mexx, Gerry Weber, IKEA etc. In Bezug auf den Sortimentszuschnitt sind verschiedene Sortimentsdimensionen zu unterscheiden: • Nach der Hierarchie gibt es das Gesamtsortiment (z. B. nur Food-Artikel), Warenbereiche (z. B. Nahrungs- und Genussmittel), Warengattungen (z. B. Süßwaren), Warenarten (z. B. Schokoladen), Sorten (z. B. Tafelschokoladen) und Artikel (nach Geschmacksrichtung, Größe etc.). • Nach der Sortimentsgestaltung gibt es neben Sortimentsbreite und -tiefe die Sortimentsmächtigkeit als Anzahl verschiedener Artikel einer Warenart und den Sortimentsverbund als partizipative oder substitutive Verbindung der Artikel zueinander. Das Sortiment kann sowohl in der Breite wie in der Tiefe erweitert, verkürzt oder bereinigt werden. • Nach der Struktur unterscheidet man das Grundsortiment als Basis oder das Randsortiment als Ergänzung, das Kernsortiment oder das Akquisitionssortiment als Traffic Builder, das Standardsortiment oder das Saisonsortiment (unterjährig verfügbar), das Lagersortiment oder das Bestellsortiment (nicht vorrätig) sowie das Eigensortiment oder das Fremdsortiment als Absatzhelfer.

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Als Sortimentsbestandteile bieten sich verschiedene Aspekte an: • Herkunftsbezogen (Input) kommt es zur Materialorientierung (z. B. Alles aus Keramik), zur Verfahrensorientierung (z. B. nur Wirkwaren), zur Hersteller­ orientierung (z. B. Angebotssysteme) oder zur Regionalorientierung (z. B. skandinavische Möbel). • Hinkunftsbezogen (Output) kommt es zur Bedarfsorientierung (z. B. diätetische Nahrungsmittel), zur Bedarfsträgerorientierung (z. B. Atelierartikel), zur Bedarfsanlassorientierung (z. B. Babywaren) oder zur Interesseorientierung (z. B. Campingartikel). • Betriebsbezogen (Struktur) kommt es zur Funktionserfüllung (z. B. Convenience-Produkte), zum Traditionsbezug (z. B. Schmuckhandwerk), zur Selbstverkäuflichkeit (z. B. Problemlosigkeit) oder zum Preisniveau (z. B. Luxusartikel). Von hoher Bedeutung ist der interne Platz der Waren am POS. Dazu dienen Kriterien der Ladenorganisation, Bereichsanordnung und Abteilungsbildung. In Bezug auf die Ladenorganisation unterscheidet man: • Warenflächen für Präsentation und Lagerung, Kundenflächen für die Kundenbegehung, Thekenflächen für Fremdbedienung, Verkaufsflächen nur für die Präsentation, Vorratsflächen nur für die Lagerung und Sozialflächen für das Personal. In Bezug auf die Bereichsanordnung unterscheidet man: • kundenstromorientierte Bereiche nach Laufwegen, einkaufsplanorientierte Bereiche (z. B. nach Tagesablauf / Mental Map), logistikorientierte Bereiche nach Warenmanipulation, kostenorientierte Bereiche nach Produktivität und erlebnisorientierte Bereiche nach Umfeldinszenierung. In Bezug auf die Abteilungsbildung unterscheidet man solche • nach Personal (z. B. Fachberater), nach Betriebsmitteln (z. B. Kühltruhen), nach gleicher Warenart (Category), nach zusammengehörigem Bedarf (Verbundeffekte) und nach Abrechnung (z. B. Food / Nonfood). Bei den internen Standorten ergeben sich Vorzugsplatzierungen, so z. B. • horizontal rechts versetzt im Warenträger, vertikal in Sicht- oder Griffhöhe, nicht im Streck- oder Bückbereich, in der Bremszone hinter dem Eingang, in der Kassenzone am Zentral-Check out, in Laufrichtung entlang der rechten Regalseite, in der Kopfzone der Regale (frontal), in der Zweitplazierung (aktio­ nal oder dauerhaft, In Category oder Out of Category) oder am Kopfende des Ladens (Magnetabteilung).

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29.7.2 Preis und Konditionen

Bei Preis und Konditionen sind im Handel Sonderpreisaktionen dominant (Pulsierende Preissetzung). Dabei wird ein Normalpreisniveau kurzfristig unterbrochen von Aktionspreisen. Während der Aktionsphase sollen neue Kunden für die Geschäftsstätte gewonnen werden, von denen man sich erhofft, dass sie auch in der Nachaktionsphase geschäftsstättentreu wiederkaufen („Klebeeffekt“). Allerdings kommt es zu erheblichen Mitnahmeeffekten (Vorratskäufe) zu niedrigen Spannen, so dass zu Normalpreisen nur begrenzter Bedarf besteht. Das bedeutet aber, dass man viel Menge zu schlechten Spannen macht und wenig Menge zu guten. Dies rechnet sich nur, wenn der Absatzzuwachs während der Aktionsphase extrem hoch ist. Zwischenzeitlich haben viele Betriebsformen auf Dauerniedrigpreise (EDLP) umgestellt, d. h., das Diskontprinzip gilt durchgängig. Dies ist als Folge des gescheiterten Markteintritts von Wal-Mart in Deutschland geblieben, zu dessen weltweiten Erfolgsprinzipien EDLP gehört. Andere Betriebsformen setzen auf preispolitischen Ausgleich (Mischkalkulation). Dieser ist nach dem Tragfähigkeitsprinzip oder dem Ausgleichsprinzip möglich: • Nach dem Tragfähigkeitsprinzip gibt es Ausgleichsgeber, d. h. Artikel, deren Marktpreis über den Einstandskosten liegt. Sie erwirtschaften einen unterdurchschnittlichen Gewinn (1. Grad), den Plangewinn (2. Grad) oder zusätzlichen Gewinn (3. Grad). Sowie Ausgleichsnehmer, d. h. Artikel, deren Marktpreis unter den Einstandskosten liegt. Sie erwirtschaften keinen Gewinn (1. Grad), Verlust bis zum Einkaufspreis (2. Grad) oder noch darunter (3. Grad). • Nach dem Ausgleichsprinzip gibt es den Simultanausgleich innerhalb eines Einkaufsvorgangs im Zuge des One Stop Shopping oder den Sukzessivausgleich im Zeitablauf über mehrere Einkaufsvorgänge hinweg. Eine hohe Bedeutung kommt im Handel der Absatzfinanzierung zu. Diese hängt von Kosten, Risiken, Finanzmittelverfügbarkeit, Sicherheitengestellung, Vorteilhaftigkeit etc. ab. Dabei können drei Basisformen unterschieden werden: • Bei der Alleinfinanzierung übernimmt der Handel selbst die Finanzierung. Denkbar ist die Einrichtung eines laufenden Kundenkontos mit Überziehungslimit (A-Geschäft), die An- oder Teilzahlung mit Restfinanzierung (B-Geschäft) oder das Wechselakzept (C-Geschäft). Bei Gewährung eines Zahlungsziels entsteht ein Lieferantenkredit (Sukzessivgeschäft), evtl. unter Einräumung einer Valuta (späteres Rechnungsdatum) (Ggs.: Bestellerkredit). Für den Fall des Zahlungsausfalls muss der Händler dafür dann selbst einstehen. • Bei der Refinanzierung erfolgt eine Abwicklung gegen Sicherheiten. Diese können in der Person des Abnehmers liegen, z. B. als Bürgschaft, Bankbürgschaft (Aval), Zahlungsgarantie der Bank, Schuldbeitritt etc. Oder im Eigen-

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tum des Abnehmers, z. B. als Lombardkredit (Verpfändung), Sicherungsübereignung, Forderungsabtretung (Zession) etc. Für den Fall, dass der Kredit vom Geldschuldner nicht bedient werden kann, besteht ggf. die Möglichkeit des Zugriffs auf besicherte Vermögensgegenstände. • Bei der Drittfinanzierung wird eine dritte Partei eingeschaltet. Factoring bedeutet dabei den Verkauf von Forderungen an einen Factor, der diese daraufhin zum Barwert nach Abzug von Bearbeitungskosten und Risikoprämie bevorschusst, meist mit begleitenden Dienstleistungen (Debitorenhandling). Dadurch hat der Händler zwar weniger, aber dafür sicheres Geld (und festes Geld ist einer alten Händlerregel zufolge doppeltes Geld). Beim Leasing verkauft der Händler Gebrauchsgüter statt an seine Abnehmer an einen Leasinggeber, der diese bezahlt und seinerseits die Güter an Leasingnehmer vermietet. Dieser profitiert von der Differenz aus Kaufpreis und kumulierten Leasing­ raten. Bei der Projektfinanzierung ist die Finanzierung nicht von der Bonität des Kreditnehmers, sondern von der Ertragskraft des betrachteten Projekts abhängig. Ein großes Problem stellen Erlösschmälerungen dar, da sie unmittelbar Gewinneinbuße bedeuten. Als Erlösschmälerung wird die negative Differenz zwischen dem Listen-/Bruttopreis und dem Effektiv-/Nettopreis verstanden. Zu den planbaren Erlösschmälerungen, die bereits in der Kalkulation berücksichtigt werden können, zählen: • Zugaben (Drein-/Draufgaben), Skonti, Rabatte (Funktion / Menge / Zeit), Boni (ex post), Provisionen für Delkredere / Inkasso etc. Hinzu kommen nicht planbare und daher in der Kalkulation nicht im Voraus berücksichtigbare Erlösschmälerungen wie: • Preisgleitklausel-Einbußen, nicht umsetzbare Preiserhöhungen (Preisfallklausel), Gebühren für Kurssicherungen im Auslandsgeschäft, Gewährleistungen / Garantien, Vertragsstrafen (auch verschuldensunabhängige Pönale), Debitorenausfall aus nicht bezahlten Kundenrechnungen, Redistributionskosten für Inzahlungnahme von Alt-/Gebrauchtware, Transport-/Um-Verpackungen, Flaschentara etc. 29.7.3 Werbung und Aktionen

Innerhalb der Werbung und Aktionen stehen dem Handel sämtliche Klassischen Medien zur Verfügung, also Anzeigen (Zeitungen, Zeitschriften, sonstigen Printmedien, auch durch Verzeichniseinträge, Beilagen, Beihefter), aber auch Spots (als lokale Fenster der TV-Sender, Programmsponsoring, Hörfunkwerbung, vor allem Sonderwerbeformen wie Patronat, anmoderierter Spot etc.) und Kinowerbung (auch als Standdias) sowie stationäre und mobile Plakate. Im

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Rahmen der Nicht-klassischen Medien kommen Schauwerbung, Dialogwerbung, Öffentlichkeitsarbeit und Verkaufsliteratur in Betracht. Im Rahmen der Online-Werbung gibt es ebenfalls klassische und nicht-klassische Werbemittel: • Zu den klassischen Werbemitteln gehört Display-Werbung (Banner). Diese kann nach vielfältigen Formen eingeteilt werden, vor allem nach der Ebene (gleich, über, unter der Inhaltsebene), nach dem Format (rechteckig, quadratisch, L-förmig) und nach der Funktionalität (statisch, weiterleitend, interaktiv). • Zu den nicht-klassischen Werbemitteln im Web 1.0 gehören e-Mail-Werbung und Newsletters. Für erstere stellen sich vor allem die Aufgaben der Adressgenerierung, Aufmachung, Verkettung etc., für letztere die des Permission Marketing (Double opt-in). • Zu den nicht-klassischen Werbemitteln im Web 2.0 gehört Werbung in den Kanälen Blogging (Selbstpräsentation z. B. für Influencer), Tagging (öffentliche Bookmarks), Social Networking (mit privater oder beruflicher Ausrichtung), Mediasharing (für Bewegt- und Standbild, Ton, Chart etc.), Wikis (Nutzung der Schwarmintelligenz), Bewertungsportale etc. Von hohem Stellenwert im stationären Handel ist die POS-Werbung (Point of Sale). Hier ergeben sich Möglichkeiten in der • Außenwerbung an der Ladenfront (Logo, Eingang, Tür), in der Schaufensterdekoration und im Verkaufsinnenraum („Möbel), • Innenwerbung als POS-Werbemittel wie Deckenhänger, Regalwipper, Regalnasen etc., Displays auf dem Boden oder auf der Theke und am Einkaufswagen, • multisensualen Ansprache durch Olfaktorik als Raumbeduftung (z. B. bei Backwaren, Obst), durch Akustik als Hintergrundmusik oder Ladenfunk, durch Degustation über Propagandisten (Food), durch Haptik mittels Muster­ exemplaren / Ausstellungsstücken und durch Visualität (Visual Merchandising). Die Verkaufsförderung ist ein zentrales Anliegen des Handels und dient der Stimulierung einer punktuell erhöhten Transaktionsbereitschaft bei Endabnehmern und Absatzpartnern. Sie verfolgt damit eindeutig ökonomische Zielsetzungen. Dabei geht es um • die Erzeugung von Aufmerksamkeit und Kontakt als notwendige Bedingung, • den Ausbau von Interesse und Motivation als hinreichende Bedingung, • die Auslösung und Umsetzung des Kaufakts als finale Handlung. Verkaufsförderung umfasst Artikel, Produktbündel, Teilsortiment oder Programm, vor allem auch Produkt- oder Geschäftsstättenereignisse und bezieht sich häufig auf Leitprodukte (Image Leader). Die Organisation erfolgt durch den Vertrieb, durch die Werbeabteilung, häufig auch durch Marketing-Services oder

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externe Agenturen. Dabei entsteht, wie beinahe immer, eine Make or Buy-Entscheidung. Als Rahmendaten sind Budget (auch in Bezug auf die Zuteilung relativ zu anderen Werbekategorien) und Timing zu bestimmen (relativ zur Werbung parallel, auf Lücke gesetzt, vorlaufend, nachlaufend etc.). Die Gebietsabdeckung kann intranational (lokal, regional, national) oder auch international sein. Als Zielgruppen kommen drei in Betracht: • Private Endabnehmer, segmentiert nach Soziodemographie, Aktiographie, Psychologie, Soziologie, Typologie, Neuroökonomik, • Einkaufsentscheider bei gewerblichen Endabnehmern bzw. Wiederverkäufern, • eigene Vertriebsmannschaft im Innen- und Außendienst, als Key Account, Absatzhelfer etc. 29.8 Warenwirtschaftssystem In modernen Betriebsformen des Handels sind Warenwirtschaftssysteme vorzufinden. Sie werden im Regelfall computergestützt geführt (Geschlossenes WWS). Ein solches GWWS besteht aus vier Modulen: • Das Eingangsmodul umfasst das Warenmodell mit artikelgenauer Eingangserfassung, Rechnungskontrolle, Preiskalkulation (Mark up), Ausgleich der offenen Bestellmenge, Etikettierung / Preisauszeichnung, Offene Rechnungs-Liste / Zahlungs-Liste. • Das Bestell-/Lagermodul umfasst das Dispositionsmodell mit Lagerbestandsführung/-fortschreibung, Lagerstandortführung, Inventurzählliste, Inventurübernahme, Stammdatenpflege. • Das Ausgangsmodul umfasst das Abrechnungsmodell mit Umsatzstatistiken, artikelgenauer Check out-Erfassung, Kassenabrechnung, ggf. Lieferschein-/ Rechnungserstellung. • Das Datenausgabemodul umfasst das Informations-/Planungsmodell mit Bestellvorschlägen, Bestellabwicklung/-überwachung, Limitplanung/-überwachung, Bestell-/Bestandsführung mit Rückstandsverzeichnis, Artikel-/Warengruppenanalysen, kurzfristige Erfolgsrechnung, Kennzahlen, Analysen von Sonderaktionen, Sortimentssteuerung, Personaleinsatzplanung, Kalkulationskontrolle. Die Erfassung bezieht sich im Einzelnen auf die Art der Lieferung, den Lieferanten, die Menge / Sortierung der Lieferung, den Liefertermin, die Übereinstimmung von Bestellung und Lieferung etc. Zur Erfassung dienen Strichcodes (GTIN, NVE etc.) wie sie auf Transportverpackungen, Orderunterlagen, Produkten, Talons etc. zu finden sind und eingescannt werden. Weiterhin werden dazu RFID-Chips eingesetzt. Diese bestehen aus Tag und Antenne im Transponder und können technisch unterschiedlich ausgelegt sein (aktiv / passiv, wiederbe-

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schreibbar, verschlüsselt etc.). Ihr Einsatz ist wenig störungsanfällig, aber noch relativ teuer. Ein andere Form sind QR-Codes, die nach dem Fotografieren den Zugang zu einer Web-Anwendung (App) öffnen, wo Erfassungen und Auswertungen stattfinden. Schließlich ist Nearfield Communication (NFC) zu nennen, ein internationaler Übertragungsstandard zum kontaktlosen Austausch von Daten durch induktive Kopplung über sehr kurze Strecken. Dieser ist über mobile Telekommunikationsgeräte nutzbar. Die Steuerung der Daten erfolgt im Handelscontrolling. Dabei werden zwei zentrale Kennzahlen angesetzt, die Direkte Produkt-Profitabilität (DPP) und die Direkte Produkt-Rentabilität (DPR). Die DPP ergibt sich wie folgt (siehe Abb. H33). Umgerechnet auf eine standardisierte Regalflächenbeanspruchungseinheit (z. B. qcm) ergibt sich daraus die relative DPP. Die DPR steuert die Sortimentszusammensetzung und Regalpräsenz, weil sie die Kapitalbindung im Umlaufvermögen berücksichtigt. Daraus ergeben sich folgende Platzierungskonsequenzen (siehe Abb. H34): • sowohl unterdurchschnittliche Umschlaghäufigkeit als auch Direkte Umsatzrendite (= Verlierer / Penner) bedeutet engere Platzierung, Preiserhöhung, Werbung senken, Artikel auslisten, Rack Jobbing, • sowohl überdurchschnittliche Umschlaghäufigkeit als auch Direkte Umsatzrendite (= Gewinner / Renner) bedeutet Werbung intensivieren, aggressiv platzieren (Zweit-/Mehrfachplatzierung), intensive Regalpflege, maximale Kontaktfrequenz, • überdurchschnittliche Umschlaghäufigkeit und unterdurchschnittliche Direkte Umsatzrendite (= Unterforderte) bedeutet Preiserhöhung prüfen, Werbung verringern, Handlungskosten senken, Einrechnung von Verbundeffekten, • unterdurchschnittliche Umschlaghäufigkeit und überdurchschnittliche Direkte Umsatzrendite (= Schläfer) bedeutet Aktionen, Sonderplatzierungen, Verkaufshilfen, Preissenkung. Optisch wird die Optimierung der Warenplatzierung durch den Regalspiegel ausgewiesen. Er ergibt sich aus der Bestimmung der Rahmenbedingungen (Abmessungen), der Datenerhebung und -eingabe, der Vorgabe von Eckwerten wie Pflichtartikel, Facing etc., der Erstellung des eigentlichen Planogramms, der analogen Einräumung der Regale und der nachfolgenden Erfolgskontrolle. Ziele sind die Vermeidung von Bestandslücken (Out of Stocks), die Vermeidung von Kapitalbindung durch Überbestände und ein planbarer Regalabverkauf. Technisch basieren die Rechenprogramme auf linearer Programmierung. Die Rahmenbedingungen definieren dabei einen mehrdimensionalen Raum, in dem eine Gewinnfunktion extremiert wird. Allerdings handelt es sich dabei um eine Insellösung insofern, als nur die Warenbewegungen auf der Handelsstufe optimiert werden. Dies bringt aber

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Abbildung H33: Ermittlung Direkte Produkt-Profitabilität (eig. Abb.)

wahrscheinlicherweise Unwirtschaftlichkeiten auf den vor- und nachgelagerten Stufen mit sich. Daher wird eine stufenübergreifende Optimierung (Win-Win) angestrebt. Dazu dient die Efficient Consumer Response (ECR). Sie besteht aus einem lieferantenseitigen Modul (ER) und drei abnehmerseitigen Modulen (ESA, EP, EPI) (siehe Abb. H35). ER steht für Efficient Replenishment und hat die Zeit- und Kostenoptimierung durch automatisches Bestellwesen und J-i-T-Logistik zum Inhalt. Die Supply Chain soll eine verringerte Bestandsführung erlauben und einen geringeren

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Abbildung H34: Platzierungskonsequenzen (eig. Abb.)

Abbildung H35: Elemente des Efficient Consumer Response (eig. Abb.)

Warenverlust durch Beschädigung. Dabei wird von einer abnehmerseitigen Bestellung (Buyer-managed Inventory / BMI) über ein kooperatives Bestellwesen (Co-managed Inventory / CMI mit Genehmigung des Abnehmers) auf ein lieferantenseitiges System (Vendor-managed Inventory / V MI) umgestellt, bei dem eine Automatisierung der Versorgung stattfindet.

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Innerhalb der Logistik wird dies durch verschiedene Techniken unterstützt: • In der ersten Generation gab es noch Direkttransporte vom Hersteller an jeden Händler, ohne Zwischenlagerung der Ware und ohne Vorkommissionierung. Dies verursachte erhebliche Unwirtschaftlichkeiten (Leerfahrten, Handling, Transportkosten). • In der zweiten Generation gab es Zentralläger zwischen Hersteller und Handel, in denen Waren zwischengelagert und umkomminissioniert wurden. Auch dies war unwirtschaftlich (Kapitalbindung, Handling, Lagerfixkosten). • In der dritten Generation gab es Warenverteilzentren, in denen Waren ohne Zwischenlagerung umkommissioniert wurden. Dadurch konnten erhebliche Vorteile realisiert werden (Kapitalbindung, Fixkostenauslastung). • In der vierten Generation gibt es Warenverteilzentren ohne Zwischenlagerung, aber mit Vorkommissionierung. Dazu dienen Techniken wie Efficient Unit Loads (EUL) zur Transportkostenoptimierung durch Vereinheitlichung der Transportbehältnisse, Cross Docking (CD) durch Zuordnung der Transporteinheiten zu gleichen Destinationen und Roll Cage Sequencing (RCS) durch Verkettung der Ladeeinheiten zu gemeinsamen Transportlosen. Abnehmerseitig sorgt das Category Management für Rationalisierung. Eine Category ist eine heterogene Warengruppe für ein einheitliches Bedarfsbündel: • ESA steht dabei für Efficient Store Assortments und betrifft eine Sortimentszusammenstellung für verbesserte Regalproduktivität, höhere Umschlaggeschwindigkeit und Bestands-/Regaloptimierung. • EP steht für Efficient Promotions und betrifft Verkaufsförderungsaktionen zur Minimierung der Handlingkosten bei Administration, Lager, Transport, Personal und besseres Know-how zur schnellen Reaktion auf Nachfragerverhalten. • EPI steht für Efficient Product Introductions und betrifft die Risikoreduktion für Flopps durch realitätsnahe Testmöglichkeiten und schnellere Marktreak­ tion. Damit dies funktionieren kann, bedarf es elaborierter informationstechnischer Voraussetzungen. Diese sind gegeben durch: • Global Trade Item Number (GTIN-Code, früher EAN oder ILN2) mit 13 Stellen (verkürzt auch 8 Stellen) zur Identifizierung von Herstellerland, Hersteller, Produkt und Prüfziffer. • Nummer der Versandeinheit (NVE) zur Transportverfolgung (Tracking) mit 18 Stellen zur Identifizierung des Packstücks, der EAN / ILN2, Packstück- und Adressdaten und Prüfziffer. • EAN 128 zur Chargenidentifizierung (Tracing) neben NVE und GTIN, wichtig etwa bei Produktrückrufen im Handel.

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• EDIFACT als Datenfernübertragungsprotokoll und kaufmännischen „Dialekt“ von Electronic Data Interchange (EDI). Noch einen Schritt weiter geht CPFR (Collaborative Planning Forecasting Re­ plenishment). Während die bisherigen Techniken nur ein Nachsteuern, allenfalls eine Realtime-Verarbeitung erlauben, strebt CPFR eine Feedforward-Schleife zur Planung und Prognose an. Dazu schließen Handel und Hersteller vertrauenswoll eine Kooperationsvereinbarung über sensible Daten und vereinbaren einen gemeinsamen Geschäftsplan. Daraus leiten sich Verkaufsprognosen ab, die entsprechend verarbeitet und in der Organisation umgesetzt werden. Außerdem werden Ausnahmen identifiziert und getrennt bearbeitet. Auf Basis dieser Daten erfolgt dann ein automatisches Bestell- und Lieferwesen über EDIFACT. 29.9 e-Trade Zunehmend werden Handelstransaktionen im Internet herbeigeführt und abgeschlossen, dort wiederum überwiegend auf virtuellen Marktplätzen. Diese lassen sich nach vielfachen Kriterien einteilen (siehe Abb. H36): • Nach den Handelsbeteiligten kann es sich um Gewerbetreibende (Business / B), Privatpersonen (Consumer / C) oder Verwaltungen (Administration / A) handeln, entsprechend ergeben sich B-t-B-, B-t-C-, B-t-A-, C-t-C-, C-t-A-, A-t-A-, C-t-B-, A-t-C-, A-t-B-Beziehungen als Kombination (siehe Abb. H37). • Nach der Interaktion der Beteiligten kann diese intern direkt sein (Intranet), extern direkt (Extranet) oder indirekt (über Intermediäre wie Agenten, Co-Shopper, Makler, Malls, Auktionen etc.). • Nach der Ausprägung handelt es sich häufig um einen e-Shop (1 : 1-Interak­ tion). Dieser kann in Eigenregie programmiert, als Standardprodukt gekauft, zur Nutzung geleast oder aus Open Source-Beständen selbst programmiert

Abbildung H36: Kriterien zur Einteilung virtueller Marktplätze (eig. Abb.)

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Abbildung H37: Transaktionsbereiche im e-Commerce (eig. Abb.)

sein. Denkbar ist auch eine Untermiete (Konzession) auf einer Handelsplattform. • Nach der Veranstaltungsart handelt es sich um eine virtuelle Messe oder eine Mustermesse, einen unorganisierten Markt oder eine organisierte Börse (n : n-Interaktion). • Nach dem Gutsinhalt handelt es sich im Wesentlichen um B-t-B-Marktplätze für Hilfsstoffe, C-Produkte, Commodities, indirekte Produkte, Betriebsstoffe, digitale Inhalte wie Textnachrichten, Musikdateien, Videostreams, digitale Services wie Suchaufträge, Zahlungsautorisierung, Fullfilment etc. • Nach der Anlage kann der Marktplatz horizontal ausgerichtet sein, also mit einer gleichen zu handelnden Produktart, vertikal, also für eine gleiche zu handelnde Branche, lateral, also für verschiedene Produktarten und Branchen, oder fokussiert, also für eine gleiche Produktart und Branche. • Nach der Initiative kann diese von einem / mehreren Anbieter(n) ausgehen (anbieterinitiiert), von einem / mehreren Nachfrager(n), was der Regelfall ist (nachfragerinitiiert), oder von Maklern als akquisitorischen Absatzhelfern (maklerinitiiert) bzw. Mittlern als leistungsergänzenden Absatzhelfern (mittlerinitiiert).

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• Nach dem Zugang kann der Marktplatz offen sein (für jedermann anonym zugänglich), mit registriertem Zugang (für jedermann zugänglich nach Log in), geschlossen (nur nach Akzeptierung durch den Initiator) oder nur auf Einladung (mit verschlüsseltem Zugang). • Nach der Zeiterstreckung kann der Marktplatz einmalig organisiert werden, fallweise wiederkehrend, regelmäßig wiederkehrend oder kontinuierlich. • Nach der Preisfindung kann diese statisch oder dynamisch in Nachfrager- oder Anbieterkonkurrenz erfolgen. Bei ersterer erfolgt eine gegenseitige Preisüberbietung der Nachfrager mit Zuschlag für den Höchstbietenden, offen in Form einer Versteigerung (English Auction) oder verdeckt in Form einer Einschreibung (Geheime Auktion). Bei letzterer erfolgt eine gegenseitige Preisunterbietung der Anbieter mit Zuschlag für den Niedrigstfordernden, offen in Form einer Lizitation (Inverse Auction) oder verdeckt in Form einer Ausschreibung (Tender). • Nach den Einkünften des Veranstalters handelt es sich um solche aus Werbeeinschaltungen (Banner o. Ä.), Weiterleitungen auf andere Websites und deren Transaktionen (Affiliations) auf Basis hoher Besucherfrequenz, Abonnements von Inhalten oder Diensten (Subcriptions), Verkäufen angebotener Leistungen oder Veranstalter-/Abschluss-Provisionen. Hinsichtlich der Geschäftsmodelle des e-Trade werden im B-t-C-Bereich vier Optionen unterschieden (Wirtz): • Das Content-Modell umfasst Angebote im Bereich Information, Unterhaltung, Infotainment und Bildung. Content gilt allgemein als der entscheidende Erfolgsfaktor im Internet. • Das Commerce-Modell umfasst Angebote im Bereich Bannerschaltung, Auktion, Makelung, Couponing und Affiliations (meist als drei Parteiensystem mit Merchant, Affiliate und Broker). • Das Context-Modell umfasst Angebote im Bereich Suchmaschinen, Metasuchmaschinen und Web-Kataloge. Diese sind zur Orientierung im Internet unerlässlich. • Das Connection-Modell umfasst Angebote im Bereich Betriebssysteme und Internet-Zugänge (Browser). Hinsichtlich der e-Trade-Geschäftsmodelle im B-t-B-Bereich gibt es ebenfalls vier Optionen (Wirtz): • Das Sales-Modell umfasst die Gestaltung und Abwicklung von direkten B-t-B-Geschäftstransaktionen zwischen Anbieter und Nachfrager. • Das Sourcing-Modell umfasst die Anbahnung und Abwicklung von direkten B-t-B-Geschäftstransaktionen zwischen Nachfrager und Anbieter. • Das Support-Modell umfasst die Generierung und den Unterhalt von Geschäftskontakten durch wertschöpfende Kollaboration zwischen Gewerbetreibenden.

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• Das Servicer-Modell umfasst die Unterstützung von B-t-B-Geschäftstransaktionen durch transaktionsbegleitende Dienste wie Informationen, Marktplätze, Bezahlsysteme etc. Ein Geschäftsmodell gibt allgemein an, wie ein Anbieter gedenkt, Erlöse zu erzielen, die ausreichen, seine Kosten aus Wertschöpfung und Zulieferung zu decken und einen Gewinn zu belassen. Erlöse stammen im Wesentlichen aus dem Verkauf von Waren und Diensten (direkt) und / oder indirekt aus Werbeplatzierungs-, Weiterleitungs- oder Transaktionsprovisionen sowie Einnahmen aus Abonnement und Datenveredelung und -verkauf. Zunehmend erfolgt eine Integration des e-Trade in den traditionellen Handel. Dadurch entstehen hybride Distributionssysteme aus Offline- und Online-Kanälen (All-Kanal-Händler). Eine steigende Rolle spielen dabei Soziale Medien (Web 2.0). Während das Web 1.0 Webseiten miteinander verlinkt hat, verlinkt Web 2.0 Nutzer miteinander. Das Web 1.0 war durch seine Top down-Anlage mit Inhaltsvorgabe durch Anbieter für Interessenten gekennzeichnet. Auf anderen Kanälen wurde bereits eine horizontale Kommunikation angestrebt, freilich asynchron, so durch Stand alone-e-Mails oder Newsletter (nach Double opt-in) oder Foren / Blackboards im Usenet. Diese Interaktion wurde im Web 2.0 auf das WWW übertragen. Es ist durch bidirektionale Kommunikation mit User Generated Content gekennzeichnet. Diese Entwicklung wird durch m-Commerce erheblich unterstützt, also die Information und Kommunikation über mobile Endgeräte wie Smartphones, Tablets, Notebooks, Webbooks etc. Kennzeichen des m-Commerce sind die Mobilität der Nutzung, die jederzeitige Erreichbarkeit, die Lokalisierung des Nutzergeräts und die Identifizierung des Nutzers.

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Literaturhinweise Ahlert, Dieter / Kenning, Peter: Handelsmarketing, Berlin / Heidelberg / New York 2007 Barth, Klaus / Hartmann, Michaela / Schröder, Hendrik: Betriebswirtschaftslehre des Handels, 6. Auflage, Wiesbaden 2007 Haller, Sabine: Handelsmarketing, 3. Auflage, Herne 2009 Kollmann, Tobias: Online-Marketing, 2. Auflage, Stuttgart 2013 Krause, Günter / Krause, Bärbel / Bauschmann, Erwin: Prüfung der Handelsfachwirte, 18. Auf­ lage, Herne 2015 Lammenett, Erwin: Praxiswissen Online-Marketing, 3. Auflage, Wiesbaden 2012 Lerchenmüller, Michael: Handelsbetriebslehre, 5. Auflage, Ludwigshafen 2013 Lerchenmüller, Michael / Vochezer, Renate / Vogler, Thomas: Lexikon der Betriebsformen, Frankfurt a. M. 2011 Müller-Hagedorn, Lothar / Toporowski, Waldemar / Zielke, Stephan: Der Handel, 2. Auflage, Stuttgart 2012 Rudolph, Thomas: Modernes Handelsmanagement, 3. Auflage, Stuttgart 2013 Schröder, Hendrik: Handelsmarketing, 2. Auflage, Wiesbaden 2012 Specht, Günter / Fritz, Wolfgang: Distributionsmanagement, 4. Auflage, Stuttgart u. a. 2005 Thieme, Jan: Versandhandelsmanagement, 2. Auflage, Wiesbaden 2006 Wirtz, Bernd: Electronic Business, 4. Auflage, Wiesbaden 2013 Zentes, Joachim / Swoboda, Bernhard / Foscht, Thomas: Handelsmanagement, 3. Auflage, München 2012

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Übungsaufgaben 1. Versetzen Sie sich bitte in die Situation eines Großhändlers für Lebensmittel, der sich von der Ausschaltung im Absatzkanal (Disintermediation) bedroht sieht. Welche Maßnahmen ergreifen Sie, um Ihren Kundenstamm an Einzelhändlern zu sichern? 2. Warum ist der stationäre Einzelhandel weithin als Engpass in der Distribu­ tion anzusehen? 3. Was versteht man unter einem Trade Mart? 4. Aus welchen Elementen besteht ein ECR-System? 5. Erläutern Sie bitte die wesentlichen Funktionen des Handels. 6. Was versteht man allgemein unter Großhandel? Was versteht man speziell unter Produktionsverbindungshandel? Recherchieren Sie dazu bitte. 7. Was versteht man im Handel unter Trading up und was unter Trading down? 8. Worin liegen Knappheitsfaktoren im gesamtwirtschaftlichen Regalplatz des Einzelhandels? 9. Was versteht man unter Sprungwerbung im Absatzkanal? Recherchieren Sie dazu bitte. 10. Was versteht man unter einer Handelsmarke? 11. Was versteht man unter dem Kürzel EDLP? 12. Erläutern Sie bitte die wesentliche Funktion der Kundenakquisition des Handels. 13. Erläutern Sie bitte die wesentliche Funktion des Mengenausgleichs des Handels. 14. Erläutern Sie bitte die Position des Stuck in the Middle nach Porter für den Handelsmarkt. 15. Wie schätzen Sie die Entwicklung des Großhandels für die Zukunft ein und warum ist dies so?

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30. Ökologische Betriebswirtschaft In diesem Kapitel werden folgende Inhalte behandelt und geklärt: • die Darstellung und Bedeutung der Nachhaltigkeit, • der Maßnahmenrahmen dafür, • das hoheitliche Umweltmanagement, • das unternehmerische Umweltmanagement. 30.1 Darstellung und Bedeutung 30.1.1 Postulat der Nachhaltigkeit

Die Bedeutung der Ökologie für die Ökonomie ist unbestritten. Hier sind ebenso unbestritten bereits vielfältige Fortschritte erzielt worden. Dennoch ist die Entwicklung insgesamt problematisch. Überwiegend wird nachsorgend statt vorsorgend angesetzt, d. h., es geht um Schadensbegrenzung statt um proaktive Vermeidung von Schäden. An die Stelle vielfach reduzierter Schadstoffemissionen sind so zwischenzeitlich neue Belastungen getreten, die nicht minder gefährlich sind. Außerdem werden zahlreiche Schadstoffe in der politischen Diskussion auch ausgeblendet. Häufig werden Umweltbelastungen von Land zu Land wie ein „Schwarzer Peter“ weitergereicht, etwa von Hochtechnologie- an Entwicklungsoder Schwellenländer. Der politische Wille zur nachhaltigen Wirtschaft ist häufig nicht „nachhaltig“ genug, wenn es ökonomisch eng wird, werden faule Kompromisse zugunsten der Wirtschaft („Arbeitsplatzargument“) geschlossen oder Abstriche an „hehren“ Zielen vorgenommen. Reduzierungserfolge werden zunehmend so überkompensiert durch eskalierende Effekte aus dem generischen Wirtschaftswachstum, das meist mit einer verstärkten Beanspruchung der Umwelt einhergeht. Die Geschichte der modernen Wirtschaft und ihres explosionsartigen Wachstums ist im Wesentlichen eine Geschichte der Ausbeutung natürlicher Ressourcen, die über Jahrmillionen in der Erde gereift sind und nur durch moderne Technik, wie sie erst zu Zeiten ab der ersten industriellen Revolution verfügbar wurde, zu nutzen waren. Dieser Abbau wirkte wie ein Wachstumsturbo auf die Wirtschaft. Auch heute noch ist die Wirtschaft von den natürlichen Ressourcen, z. B. Mineralöl oder Seltene Erden, aber auch Sand, existenziell abhängig. Das Problem ist nur, dass der Bedarf an diesen Ressourcen viel schneller steigt als die Ressourcen verfügbar sind. Nicht-regenerative Rohstoffe sind heute häufig nur noch unter immensem Gewinnungsaufwand ausbeutbar. In vielen Bereichen kann der Bedarf nur noch durch Rückführung verbrauchter Rohstoffe in den Rohstoffkreislauf gedeckt werden. Es ist in breiten Kreisen der Bevölkerung, vor allem aber auch des Managements, immer noch nicht angekommen, dass diese

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nicht-regenerativen Rohstoffe nicht quasi auf Knopfdruck in einer Fabrik entstehen und zumindest derzeit auch nicht hinreichend synthetisiert werden können, sondern unwiederbringlich untergehen. Das bringt unbequeme Wahrheiten mit sich, wie z. B. die Notwendigkeit einer diesen Bedingungen entsprechenden Preisbildung für Rohstoffe, die Notwendigkeit auf Verzicht unnötigen Ressourcenverbrauchs, der ausschließlich der Bequemlichkeit oder dem Spaß dient, oder die tatsächliche Zurechnung der Folgekosten von Emissionen auf die Verursacher (Internalisierung der externalen Kosten). Aber dies ist unvermeidlich, solange es nur eine Erde gibt, auf der wir nur gemeinsam leben können. Dieser Bewusstseinswandel kommt nur langsam voran. Freilich ist die Ökowelle „in“, werden Umweltpreise als Vorbild vergeben, sind Umweltverträglichkeitsprüfungen für die Zulassung von Betrieben und Produkten häufig obligatorisch. Immer wieder erzielen Unternehmen mit ökologischen Produkten auch Markterfolge. Aber Fakt ist auch, dass solche Produkte nur nachgefragt werden, wenn sie keine funktionalen oder leistungsbezogenen Nachteile gegenüber „unökologischen“ Produkten aufweisen. Es wird also verbreitet erwartet, dass es ökologische Produktverträglichkeit on top gibt, nicht unter in Kaufnahme von anderweitigen Minderungen. Auch die Preisbereitschaft für diese ökologisch verträglichen Produkte bleibt begrenzt, wie man bei landwirtschaftlichen Erzeugnissen leicht nachvollziehen kann. So aber ist nachhaltiges Wirtschaften wohl nicht zu realisieren. Es ist zu konstatieren, dass ohne Nachhaltigkeit die Lebensdauer der Zivilisation, wie wir sie kennen, unaufhaltsam abläuft. Daher müssen die aktuellen Generationen bereit sein, individuelle Nachteile in Kauf zu nehmen, um ihnen nachfolgenden Generationen Umweltumstände zu ermöglichen, die als lebensfähig zu bezeichnen sind. Praktisch zum „Nulltarif“ ist Nachhaltigkeit jedenfalls nicht zu haben. Der Weg führt daher weg von einer Sozialen Marktwirtschaft hin zur ökologisch-sozialen Marktwirtschaft. Das bedeutet, dass die marktwirtschaftlichen Prozesse und Ergebnisse nicht nur einer Korrektur unter sozialen Aspekten, insb. in Bezug auf die Umverteilung, bedürfen, sondern auch einer Korrektur unter ökologischen Aspekten, insb. in Bezug auf die Umweltkonformität. Dies drückt sich auch im Postulat der CSR-orientierten Unternehmensführung aus, also in Bezug auf die gesellschaftliche und ökologische Verantwortung. Vor allem bedeutet dies, dass man sich vom Wachstumsparadigma verabschieden muss. Wirtschaft muss auch ohne unterlegtes Wachstum „funktionieren“. Wenn schon, ist bei allen Aktivitäten ein qualitatives Wachstum anzustreben, unter Berücksichtigung der Konsequenz begrenzter Ressourcen, mithin unter Verringerung der Umweltbelastung je Produkteinheit. Wohlstand darf sich dabei nicht über Mehrproduktion definieren, sondern allein über eine möglichst günstige Relation von Ressourceneinsatz zu Leistungsoutput. Damit rückt die Öko-Effizienz in den Mittelpunkt. Problematisch ist jedoch deren Messung: • Ein Anker ist der Ressourcen-Input pro Nutzungseinheit, gerechnet über lange Zeiträume.

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• Ein anderer Anker ist die Ressourcen-Produktivität, d. h. der Ouotient aus realisierten Leistungseinheiten und Gesamtverbrauch an Einsatzstoffen. • Ein weiterer Ansatz ist die Relation von entstehenden direkten Schäden und indirekten Folgeschäden während des Produktlebens zum Output. Diese Entwicklungen werden unter Sustainable Development zusammengefasst. Diese sieht das Umweltmanagement als Schlüsseldeterminante für eine nachhaltige Unternehmensentwicklung (Brundtland-Bericht). Schwierig ist die Definition und Messung einer solchen qualitativen Evolution, zumal dies werturteilsbeladen bleibt. Insofern ist dieser Ansatz mehr als berechtigt, bleibt aber dennoch ein abstraktes Leitkonzept. Dabei ist vor allem die Globalisierungsfähigkeit dieses Konzepts schwierig, denn Entwicklungsländer verstehen unter qualitativem Wachstum gänzlich Anderes als Schwellenländer oder Hochtechnologieländer. Ein Konkurrenzkonflikt zwischen Ökonomie und Ökologie existiert zudem nur auf kurze Sicht. Langfristig ist Ökologie geradezu eine Voraussetzung für Ökonomie. Tatsächlich gibt es erhebliche Felder der Interessenidentität oder zumindest -harmonie. Beispiele sind Wettbewerbsvorteile durch Umweltschutz, Imageverbesserungen, Kosteneinsparungen bei Einsatzfaktoren etc. Insofern gibt es große Schnittmengen und es ist schwer einsichtig, wieso diese nicht entschlossener genutzt werden. Tatsache ist, dass die Umwelt in Form von Luft, Wasser, Land, Natur, Flora, Fauna etc. zunehmend von einem freien zu einem knappen Gut mutiert. Sie ist daher als gesamt- und einzelwirtschaftlicher Produktionsfaktor zu berücksichtigen. Sie ist ein Entnahmemedium für erneuerbare, vor allem aber nicht-erneuerbare Rohstoffe, ein Aufnahmemedium für Emissionen und Abfälle und dabei vor allem die Existenzgrundlage für jegliche Form von Leben auf der Erde. Die Umwelt ist dabei genial flexibel: • Sie verträgt Entnahmeraten, die temporär deutlich über ihrer Regenerations­ rate liegen, sofern dies nicht langfristig zu einer Unterdeckung führt. • Sie neutralisiert Eintragungen in Boden, Wasser und Luft durch ihre Absorp­ tionsfähigkeit, sofern ein Schwellenwert dabei nicht überschritten wird (danach kommt es allerdings zu irreversiblen Störungen). • Negative Rückkopplung betrifft die Selbststeuerung durch Aufbau von Regelkreisen statt ungehemmter Selbstverstärkung oder Selbstvernichtung. • Die Unabhängigkeit von Wachstum besagt, dass die Funktion des Systems auch ohne Wachstum voll erhalten bleibt, denn permanentes Wachstum ist pure Illusion. • Die Unabhängigkeit vom Produkt bedeutet, dass Systeme funktions- und nicht produktorientiert sein müssen, denn Produkte kommen und gehen, Funktionen aber bleiben erhalten. • Es kommt weithin zur zielgerichteten Nutzung vorhandener, auch störender Kräfte statt ihrer Bekämpfung mit teuerem Mitteleinsatz.

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• Eine Mehrfachnutzung bedeutet, dass Produkte, Funktionen und Strukturen in Verbundlösungen eingesetzt werden und sich gegenseitig stabilisieren müssen. • Entscheidend ist die Nutzung von Kreislaufprozessen zur Abfall- und Wärmeverwertung, dies vermeidet Knappheit und Überschüsse, denn die Natur kennt keinen Abfall. • Die gegenseitige Nutzung von Verschiedenartigkeiten mit Kopplung und Austausch vermeidet den Aufbau anfälliger Monostrukturen. • Das biologische Design zielt auf die Vereinbarkeit von Produkten, Verfahren und Organisationen mit dem Menschen ab. Die Umwelt stellt sich ausgesprochen heterogen dar, tatsächlich ist sie in den entwickelten Regionen der Erde oder eines Landes jedoch dem Erschöpfungszustand bereits bedrohlich nahe. Es herrscht keine Ausgewogenheit vor und der Markt versagt in seiner Ausgleichsfunktion. Es kommt zu einer Fehlallokation von Ressourcen, mehr noch aber zu erheblichen sozialen Kosten für die Gesellschaft in Form verminderter Lebensqualität. Dabei entstehen Verteilungskonflikte mit den anderen Produktionsfaktoren, d. h. Arbeit und Kapital müssen diese Kosten aus ihren Erträgen ausgleichen. Dabei ist vor allem der Faktor Kapital gefordert, da er bisher auch am meisten von der Umwelt profitiert hat. Durch Umlage in den Kosten werden die Arbeitnehmer, Leistungsempfänger und deren Angehörige daran zudem mehr oder minder beteiligt. 30.1.2 Erfolgsprinzipien der Ökologie

Ökologie ist allgemein die Wissenschaft vom Haushalt der Organismen mit ihren Lebensbedürfnissen und ihrem Verhältnis zu den übrigen Organismen, mit denen sie zusammenleben. Dazu gehören der Mensch als Einzelwesen, einbezogen in die Gesellschaft und ihre Verflechtungen, auch im Hinblick auf die Umwelt, und die Beziehungen der Unternehmen und der Umwelt. Eine umweltorientierte Unternehmenspolitik ist ein Beitrag zur Sicherung der Zukunft von Umwelt und Unternehmen. Umweltschutz ist Teil der Unternehmenspolitik und eine Aufgabe der Unternehmensführung. Sie betrifft alle Unternehmensbereiche und hat zum Ziel, durch intelligente Lösungen Umweltbelastungen niedrig zu halten oder möglichst völlig zu vermeiden. Sie bezieht dazu die Mitarbeitenden aktiv ein und verlangt nach innen und außen ein hohes Maß an Glaubwürdigkeit. Dabei gibt es verschiedene Unternehmensumwelten, auf die zu reagieren ist. Als primär relevante Umwelt sind die Tauschpartner der Unternehmung / Organisation auf ihren jeweiligen Absatz- und Beschaffungsmärkten anzusehen. Da­ rüber hinaus betrifft Umwelt auch Personen / Institutionen, die, ohne Austauschpartner der Unternehmung / Organisation zu sein, durch Normen und Aktionen Einfluss auf sie ausüben und von ihr beeinflusst werden, wie z. B. staatliche,

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kulturelle oder politische Stellen. Dann gibt es die natürliche Umwelt als biologischen Lebensraum der Menschen in Form von Rohstoffen und „freien“ Gütern wie Luft, Wasser, Landschaft etc. sowie deren im Rahmen von Produktion und Konsumtion entstehenden Abfallstoffen. Zwar gilt traditionell das aus der Summe einzelwirtschaftlicher Aktivitäten resultierende Bruttoinlandsprodukt als Indikator für den Lebensstandard einer Volkswirtschaft, oder allgemeiner ausgedrückt, ihren Wohlstand. Daneben rückt aber das Kriterium der Wohlfahrt, also der Lebensqualität, zunehmend in den Blickpunkt. Dieses ist jedoch nicht ohne Weiteres quantitativ feststellbar, allenfalls anhand allgemeingültiger Indikatoren wie • körperliche Gesundheit / Pflege, Persönlichkeitsentfaltung durch Erziehung / Ausbildung, Beschäftigungsstand und Sozialleistungen im Arbeitsleben, Freizeitanteil, Verfügbarkeit von Sach- und Dienstleistungen, Infrastruktur der Wirtschaft, Rechtsstaatlichkeit, individuelle Sicherheit, Chancengleichheit, aktive Teilnahme an der Gesellschaft etc. Lebensqualität ist empirisch weithin unabhängig vom Einkommen, allerdings ist ein gewisses Einkommen für eine Untergrenze der Lebensqualität erforderlich (Wohlstandsminimum), darüber hinaus entsteht ein Gewöhnungseffekt an steigendes Einkommen, man nimmt keine nennenswerte Steigerung der Lebensqualität mehr wahr. Ursache dafür sind der sinkende Grenznutzen zusätzlich verfügbarer Güter und der steigende Einsatz an Anstrengungen (Grenzaufwand), der dazu erforderlich ist. Die Lebensqualität setzt sich im Einzelnen zusammen aus den objektiven Faktoren • materielle Lebensbedingungen wie Einkommen, Vermögen, Wohnen etc. und • immaterielle Lebensbedingungen wie Bildung, Gesundheit, Familie etc. sowie den subjektiven Faktoren • Zufriedenheit als individuelles Wohlbefinden (Lebensqualitätserlebnis entspricht -erwartung) und • Glück als emotional gesteigertem Wohlbefinden (dieses Konstrukt ist allerdings weithin unklar). Umwelt bezieht sich aber nicht nur auf die natürliche Umwelt, etwa in Bezug auf Emissionen in die Natur und Immissionen auf Menschen, sondern auch auf die technologische Umwelt, deren Stand der Technik (State of the Art) für den Umweltschutz genutzt werden soll, sowie die gesellschaftliche Umwelt in Bezug auf das allgemeine Umweltbewusstsein in der Bevölkerung und die rechtliche Umwelt, also die spezifische Umweltschutzgesetzgebung.

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30.2 Maßnahmenrahmen Die volle Einhaltung und strikte Anwendung der Umweltschutzrichtlinien wird durch turnusmäßige Systemprüfungen, Leistungsbewertungen und Rechtskonformitätsabgleiche abgesichert, die typischerweise sowohl als Eigen-Review in Regie der Unternehmung selbst wie auch als Fremd-Review durch neutrale Auditoren durchgeführt werden. Den dabei anfallenden Kosten stehen, neben positiven externalen Effekten, erhebliche individuelle Nutzen gegenüber wie Risikoverminderung, Stärkung der Verhandlungsposition im Markt etc. So ist ein Nachhaltigkeitsfokus auch abgesehen von unverzichtbaren sozialen und ethischen Aspekten rein betriebswirtschaftlich vorteilhaft. Volkswirtschaftlich entstehen vor allem die Vorteile der effizienten Nutzung endlicher Ressourcen sowie der Verringerung von Belastungen verschiedener Art wie Verschmutzungen, Abfälle etc. Zur Durchsetzung einer nachhaltigen Unternehmensführung sind drei Prinzipien erforderlich (siehe Abb. H38): • Das Verantwortungsprinzip steht für die intragenerative, d. h. innerhalb einer Generation betrachtete und die intergenerative, d. h. zwischen den Generationen betrachtete Gerechtigkeit. Das bedeutet, dass diejenigen, denen dies zumutbar ist, auf eigene Vorteile zugunsten der Wahrung der Rechte Anderer und Nachfolgender verzichten. • Das Kooperationsprinzip besagt, dass stark arbeitsteilig agierende Unternehmen und Organisationen eine enge Interaktion eingehen sollen, um umweltgerechte und ökonomisch sinnvolle Lösungen über die komplette Wertschöpfungskette hinweg zu entwickeln. • Das Kreislaufprinzip strebt an, bereits verbrauchte Ressourcen zu regenerieren, etwa Altprodukte, Produktionsrückstände, Verpackungen etc. Dadurch kann der Ressourcenverbrauch trotz Wirtschaftswachstums gesichert oder zumindest Zeit bis zur Erreichung besserer Erkenntnisse gewonnen werden.

Abbildung H38: Ökologische Prinzipien der Unternehmensführung (eig. Abb.)

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Speziell das Kreislaufprinzip drückt sich als wiederholte oder ausgedehnte Verwertung und Verwendung aus (siehe Abb. H39): • Verwertung ist jedes Verfahren, als dessen Hauptergebnis Abfälle innerhalb einer Anlage oder in der weiteren Wirtschaft einem sinnvollen Zweck zugeführt werden, indem sie andere Materialen ersetzen. • Verwendung ist jedes Verfahren, durch das Abfälle zu Erzeugnissen, Materialien oder Stoffen entweder für den ursprünglichen oder einen anderen Zweck aufbereitet werden.

Quelle: upload.wikimedia.org / w ikipedia / commons / t humb/0/0b / P roduktionsketten. png/440px-Produktionsketten.png

Abbildung H39: Kreislaufwirtschaft vs. Linearwirtschaft

Es gibt folgende Optionen in der Kreislaufwirtschaft nach der Vermeidung / Verminderung von Abfällen (siehe Abb. H40): • Priorität genießt die Wiederverwendung von unveränderten Materialien bei unverändertem Einsatzzweck, z. B. Mehrwegflaschen zur Wiederbefüllung. • Es folgt die Wiederverwertung bei verändertem Material und unverändertem Einsatzzweck, z. B. Recycling der zweiten oder höheren Generation. • Es folgt weiterhin die Weiterverwendung bei unverändertem Material für ­einen vom Ersteinsatzzweck verschiedenen Einsatzzweck, z. B. als Zweitnutzenverpackung. • Schließlich folgt die Weiterverwertung bei verändertem Material für einen vom Ersteinsatzzweck verschiedenen Einsatzzweck, z. B. Straßenpoller aus Abfall. Erst danach folgt die geregelte Abfallentsorgung. Die Kodifizierung dieser Optionen erfolgt im Kreislaufwirtschaftsgesetz als Teil der EU-Abfallrahmenrichtlinie zur Abfallbewirtschaftung. Es kennt die Pri-

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Abbildung H40: Rückstandsbewirtschaftung (eig. Abb.)

orität der Abfallvermeidung vor der Abfallverwertung/-verwendung vor der Abfallbeseitigung. Diejenige Maßnahme soll dabei Vorrang haben, die dem Schutz von Mensch und Umwelt bei der Erzeugung und Bewirtschaftung von Abfällen unter Berücksichtigung des Vorsorge- und Nachhaltigkeitsprinzips am besten dient. Zu berücksichtigen sind dabei insb. die zu erwartenden Emissionen, das Maß der Schonung der natürlichen Ressourcen, die einzusetzende oder zu gewinnende Energie sowie die Anreicherung von Schadstoffen in den Erzeugnissen, den Abfällen und den daraus wiederum gewonnenen neuen Erzeugnissen. Dabei sind im Einzelnen die technischen Möglichkeiten, die wirtschaftliche Zumutbarkeit und die sozialen Folgen zu beachten. Zur Abfallbewirtschaftung gehören neben der Verwertung / Verwendung die Bereitstellung, Überlassung, Sammlung, Beförderung oder Beseitigung von Abfällen incl. der Überwachung der jeweiligen Verfahren. Alle Verfahren, die nicht Verwertung oder Verwendung sind, stellen Beseitigung dar. Die Abfälle werden dann auf Deponien oberhalb und unterhalb der Erdoberfläche gelagert. Erzeuger von Abfällen ist jede natürliche oder juristische Person, welche die tatsächliche Sachherrschaft über Abfälle hat. Zur Verursachungsgerechtigkeit gehört, dass Erzeuger und Besitzer zur Verwertung / Verwendung verpflichtet sind. Abfälle sind dabei alle Stoffe oder Gegenstände, deren sich ihr Besitzer entledigen will oder entledigen muss. Eine solche Entledigung ist anzunehmen, wenn der Besitzer Stoffe oder Gegenstände einer Verwertung oder Beseitigung zuführt oder die tatsächliche Sachherrschaft über sie unter Wegfall jeder weiteren Zweckbestimmung aufgibt. Abfälle fallen bei der Energieumwandlung, Herstellung, Behandlung oder Nutzung von Stoffen und / oder Erzeugnissen oder bei Dienstleistungen an, ohne dass der Zweck der jeweiligen Handlung darauf gerichtet

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ist, oder deren ursprüngliche Zweckbestimmung entfällt oder aufgegeben wird, wobei kein neuer Verwendungszweck unmittelbar an deren Stelle tritt. Ziel sind Erzeugnisse, die üblicherweise für einen bestimmten Zweck verwendet werden, einen Markt aufweisen oder Nachfrage generieren, die Anforderungen (Rechtsvorschriften / Normen) an ihre Zweckbestimmung erfüllen und ohne schädliche Auswirkungen auf Mensch und Umwelt bleiben. Das Recycling umfasst Produktionsabfälle, Produkte und Altstoffe. Produk­ tionsabfallrecycling betrifft Rückstände, die bei der Produktion entstehen. Dabei kann es sich um Abfall, Abwasser oder Abluft handeln. In jedem Fall sind diese unerwünscht. Produktrecycling betrifft • die Wiederverwendung von Produkten am Ende ihrer Nutzungsdauer, wobei diese zumeist nicht die tatsächliche Haltbarkeitsdauer bedeutet (Obsoleszenz) und • die Instandsetzung (Revamping) mittels Demontage, Reinigung, Prüfung, Bauteileaufarbeitung bzw. -ersatz und Wiedermontage. Beim Upcycling wird eine Wertsteigerung des Produkts erreicht, durch Downcycling ein Werterhalt des Produkts. Dies setzt eine Konstruktion für gute Demontagefähigkeit (Design to Disassembly) voraus. Produkte werden allerdings durch vorzeitigen Verschleiß (Planned Obsolescence) bewusst veraltet, um Marktkapazität für nachfolgende Produkte zu schaffen. Dies erfolgt durch objektive Veralterung (z. B. technischer Fortschritt) oder subjektive Veralterung (z. B. modischer Fortschritt) und belastet die Ressourcen durch zusätzlichen Abfall. Produktrückstände (Altstoffe) sind teilweise systematisch zu entsorgen (Elektronikschrott, Altautos, Batterien etc.). Allerdings ergeben sich dabei technisch-funktionale Grenzen für ein Recycling (Kaskadenprinzip). Eine wesentliche Rolle spielt auch die Verpackungstechnik. Hier hat die Verpackungsverordnung gesetzliche Grundlagen geschaffen. Die im Gesetz vorgesehene Freistellung von der Rücknahme- und Pfandpflicht auf bestimmte Verpackungsarten für den Fall eines privatwirtschaftlichen Aufbaus von Rückführungssystemen (Sammlung, Sortierung, Verwertung) dieser Verpackungen in eigener Regie führte seinerzeit zur Gründung des Dualen Systems Deutschland (DSD) als Trägerorganisation. Dual bedeutet, es geht nur um die private Entsorgung und Verwertung von Verpackungsabfällen, daneben wird der restliche Hausmüll weiterhin als kommunale Entsorgungsaufgabe erledigt. Die Kosten dieses Systems werden an die privaten Endabnehmer im Kaufpreis übergewälzt. Recyclingfähige Produkte sind am grünen Punkt erkennbar. Für diese ist der Handel von einer Rücknahmepflicht entbunden. Das DSD vergibt seine Aufgaben durch Ausschreibung an Sublieferanten.

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30.3 Hoheitliches Umweltmanagement 30.3.1 Marktbesonderheiten

In Bezug auf das Wirtschaften unterscheidet man allgemein knappe und freie Güter. Letztere haben keinen Preis und bleiben ohne Eigentumsrechte, man nennt sie daher auch Kollektivgüter. Aufgrund freier Verfügbarkeit herrscht bei ihnen keine Knappheitssituation vor, allerdings ist auch keine Ausschließung seitens des Anbieters möglich. Dies bewirkt eine weithin mangelnde Zahlungsbereitschaft. Freie Güter haben negative Externalitäten durch Überinanspruchnahme (als Analogie wird die Allmende / kollektiv nutzbare Dorfweide genutzt). Da die Akteure jedoch nicht von der Nutzung ausgeschlossen werden können, führt dies zu verbreitetem Trittbrettfahrerverhalten (Free Rider-Problem). Freie Güter haben eine unklare Zuordnung der Kosten. So hat das freie Gut Straßennutzung für Transportzwecke neben den internen Kosten, die dem Anbieter angelastet werden, wie Anschaffung, Reparatur, Treibstoff, Versicherung, Steuern / Abgaben etc. unausweichlich auch externe Kosten wie Luftverschmutzung, Lärmbelästigung, Klimawandel, Staukosten, Unfall(-folge-)kosten etc., die den Anbieter nicht direkt belasten. Märkte funktionieren jedoch nur solange einwandfrei, wie die Eigentumsrechte auf ihnen eindeutig definiert sind. Fehlen diese oder sind sie unklar geregelt, versagt der Allokationsmechanismus der Preise. Der Grund liegt darin, dass negative externe Effekte nicht hinreichend im Preis widergespiegelt werden. So verleiten Beeinträchtigungen Dritter, für die niemand zahlen muss und niemand einen Ausgleich erhält, dazu, gesellschaftlich unerwünschtes Verhalten zu zeigen. Die Preise von Gütern, die negative externe Effekte verursachen, sind dann zu niedrig. Dieser Effekt gilt auch für die Umwelt. Umweltgüter stehen scheinbar unbegrenzt zur Verfügung, wer die Umwelt ausbeutet (z. B. Naturressourcen), muss nicht immer dafür geradestehen, sondern kann die Lasten auf Dritte verlagern (z. B. Anwohner). Unternehmen treffen so aus einzelwirtschaftlich sinnvoll erscheinenden Erwägungen gesamtwirtschaftlich nachteilige Entscheide. Umweltgüter werden „übernutzt“, bis sie erschöpft sind und dann niemandem mehr zur Verfügung stehen. Individuell verursachte Schäden werden der Allgemeinheit als Kosten weitergereicht. Daher ist es ein primäres Ziel, die externalen Kosten zu internalisieren. Dies entspricht dem Verursacherprinzip. Problematisch ist da­ ran praktisch, dass die Verursacher solcher Schäden nicht immer ausfindig oder haftbar zu machen sind. Häufig wird „der schwarze Peter“ weitergereicht oder der Anteil der Verursachung ist bei mehreren Beteiligten strittig. Das Kooperationsprinzip setzt daher auf eine Selbstbindung der Beteiligten, diese sollen sich also freiwillig in ihrem autonomen Verhaltensspielraum beschränken. Fraglich ist allerdings die Bereitschaft dazu, denn erfahrungsgemäß setzt sich die „Grenzmoral“ durch, also die Moral des Akteurs mit den niedrigsten Standards. Das Vorsorgeprinzip besagt hingegen, dass die Vermeidung von Schäden besser ist

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als die Reparatur bereits entstandener Schäden. Doch schätzen Akteure meist Gegenwartsnutzen höher ein als Zukunftsnutzen, dies widerspricht aber der Nachhaltigkeit, gegenwärtige Ressourcen werden ausgebeutet und stehen zukünftigen Generationen damit nicht mehr zur Verfügung. Das Gemeinlastprinzip sieht daher eine Sozialisierung der Kosten vor, wenn Verursacher nicht feststellbar sind. Hierbei helfen staatliche Sanktionen. Aber dabei entsteht ein Umsetzungsproblem durch aufwändige Überwachung. Außerdem entsteht das Bild eines „strafenden Staates“ in der Öffentlichkeit, was zu Akzeptanzproblemen führt. Auch besteht kein Anreiz, über die Einhaltung der Mindestanforderungen hinaus Anstrengungen zu unternehmen. Und staatliche Eingriffe setzen überhaupt erst ein, nachdem Fehlentwicklungen bereits vonstatten gegangen sind. Bei knappen Gütern führt jedwede Produktion zwangsläufig zu einer Umweltbelastung durch Okkupation und Emission. Insofern kann es nur um eine Austarierung dieser Belastungen gehen. Dafür stehen vier Ankerpunkte zur Auswahl: • Durch Vermeidung sollen belastende Auswirkungen beseitigt werden. Dies gelingt etwa durch Verbot bestimmter Schadstoffe, durch Partiallösungen (wie Verpackungsvermeidung) und freiwillige Selbstbeschränkung von Verursachern. • Durch Verminderung sollen belastende Auswirkungen reduziert werden. Dies gelingt etwa durch Sparen mit geringerem Verbrauch, Substitution stark belastender durch schwächer belastende Stoffe und Emissionsdeckelung auch in Bezug auf Abfälle. • Durch Verwertung sollen die Outputs der Wertschöpfung wieder zu deren Inputs werden. Dies betrifft das Recycling am Ende der Lebensdauer von Produkten. • Durch Beseitigung sollen unvermeidbare Restemissionen entsorgt werden. Dies geschieht durch Deponierung als Endlagerung oder Verbrennung als thermische Entsorgung. Das Verursacherprinzip besagt bereits, dass derjenige die Kosten der Vermeidung oder Beseitigung von Umweltbelastungen zu tragen hat, der für ihre Entstehung verantwortlich ist. Nur wenn ein Verursacher mit vernünftigem Aufwand nicht zu ermitteln ist, ist eine Übernahme der Kosten durch die öffentlichen Haushalte akzeptabel. Das Know-how der Verursacher soll durch gemeinschaftliches Handeln zur Durchsetzung von umweltpolitischen Zielen genutzt werden. Als Leitprinzip gilt dabei eine vorbeugende Abwehr umweltrelevanter Gefahren statt des „Reparierens“ bereits eingetretener Schäden.

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30.3.2 Instrumentarium

Zur Umsetzung umweltpolitischer Forderungen steht dabei eine Reihe von Instrumenten zur Verfügung: • Die direkte Verhaltenssteuerung der Akteure setzt auf gesetzliche Auflagen und behördliche Gestattungen, auf Planfeststellungen, auf amtliche Anordnungen, auf öffentlich-rechtliche Verträge, Umweltverträglichkeitsprüfungen und Umweltschutzpläne. • Die indirekte Verhaltenssteuerung der Akteure setzt auf Umweltabgaben, Kompensationen und staatliche Eigenvornahmen. Diese Instrumente haben jedoch auch relevante Nachteile. Teilweise sind sie wirtschaftlich ineffizient, d. h. mit weniger Eingriffen wären vergleichbare Ergebnisse auch erzielbar. Sie behindern den technischen Fortschritt und hemmen den strukturellen Wandel, statt diesen für Umweltbelange zu nutzen. Sie stellen Eingriffe in die marktwirtschaftliche Ordnung dar, die wettbewerbsverzerrend wirken. Und sie erfordern ein administratives Kontroll- und Vollzugssystem, das schwerfällig ist. Daher wird verstärkt über marktwirtschaftliche Instrumente nachgedacht wie: • Kompensationsregelungen, Zertifikate, staatliche Förderung, Investitionshilfen, freiwillige Selbstbindungen, Umweltberatungen etc. Zu deren Finanzierung dienen Abgaben. Diese sind finanzrechtlich zweckgebunden und werden ressortspezifisch verwaltet und wiedereingesetzt (z. B. Abwasserabgabe). Steuern hingegen fließen in den allgemeinen Staatshaushalt (z. B. Energiesteuer). Fraglich ist die Bemessungsgrundlage, denkbar sind hierbei: • Emissionsmenge, Produktanzahl, Wertschöpfungsinput, Emissionsvermeidungs­ kosten, Produktionsverfahren etc. Die Internalisierung externaler Kosten kann durch zwei Ansätze realisiert werden: • Die Differenz zwischen dem sozialen und dem privaten Wohlfahrtsoptimum, die auf externe Effekte zurückzuführen ist, wird durch eine Steuer (Pigou-Steuer) abgeschöpft. Die Kosten umweltschädlicher Produktionsprozesse und Produkte steigen, die Wettbewerbsfähigkeit ihrer Anbieter sinkt. Erst durch einzelwirtschaftliche Verminderung der externen Kosten kann diese wieder verbessert werden, weil die Steuerlast damit sinkt. So kann jedoch keine Pareto-optimale Ressourcenallokation erreicht werden. Die zu entrichtende Steuer geht in die Kosten des Verursachers ein und vermindert seinen Gewinn, so dass er kein Interesse daran hat, die Gesellschaft über Gebühr zu entlasten. Problematisch sind dabei außerdem die monetäre Bewertung der externen Effekte und die Höhe des Steuersatzes.

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• Der Ansatz der Eigentumsrechte (Coase) geht von einer optimalen Allokation durch Verhandlungen der beteiligten Parteien unter Minimierung von Staatseingriffen aus. So wäre eine bestmögliche Verteilung der knappen natürlichen Ressourcen auf die beschränkten Produktionsanlagen zur Erzeugung einer Gütervielfalt mit der höchsten Nutzenstiftung für alle Mitglieder einer Volkswirtschaft möglich. Diese Aufteilung ist unabhängig von der Aufteilung der Eigentumsrechte. Die Knappheit dieser Rechte bestimmt dann deren Tauschpreis und kann vom Staat gelenkt werden. Ein Beispiel dafür sind Verschmutzungszertifikate, die frei übertragbar und börsenbepreist sind. Neue Emissionsquellen werden nur noch genehmigt, sofern sich die Gesamtemission dadurch nicht erhöht. Damit ist das Volumen der Zertifikate limitiert. Verursacher von Belastungen können diese untereinander „kaufen“ und „verkaufen“. Unternehmen mit niedrigeren Emissionen können überstehende Zertifikate also zu Geld machen, Unternehmen mit hohen Emissionen müssen dafür Geld aufwenden, so dass es für sie attraktiv ist, in Emissionsreduktion zu investieren. Dies führt fortwährend zu Reduktionsanstrengungen. Ferner werden neue Belastungen nur noch genehmigt, wenn dafür natürliche Quellen geschützt werden (z. B. Kompensation von versiegelter Bodenfläche durch Naturschutzflächen), und von Zeit zu Zeit kann der Staat Zertifikate einziehen, um das Niveau zu steigern. Letztlich handelt es sich bei diesen Formen aber um solche der staatlichen Umweltbewirtschaftung. Marktkonformer wären Selbstverpflichtungen der Akteure. Diese können über Branchenabkommen, Kooperationslösungen oder Verhandlungsformen erreicht werden. Zunehmend muss dabei überstaatlich angesetzt werden. So gibt es in der europäischen Umweltpolitik Verordnungen, die unmittelbar in jedem Mitgliedsstaat gelten und daher keinen Handlungsspielraum zulassen, sowie Richtlinien, die Zielvorgaben darstellen, die erst in nationales Recht umgesetzt werden müssen. Beispiele sind die Umweltverträglichkeitsprüfung, der freie Zugang zu Umweltinformationen, die Einführung von Umweltzeichen, die Verpackungsrichtlinie etc. Die Priorisierung der Nachhaltigkeit beruht dabei im Einzelnen auf vier negativen Entwicklungen: • Zu den ökologischen Fakten gehören u. a. Klimawandel, Zerstörung von Ökosystemen und Artenvielfalt, Übernutzung natürlicher Lebensgrundlagen, zunehmender Verbrauch von nicht erneuerbaren Ressourcen oder gesundheitsgefährdende Veränderung der Umwelt. • Zu den ökonomischen Fakten gehören u. a. instabile Währungs- und Finanzsysteme, zunehmende Staatsverschuldung wichtiger Nationen, außenwirtschaftliche Ungleichgewichte, Unterentwicklung breiter Weltregionen oder unzureichende Ausstattung mit öffentlichen Gütern. • Zu den sozio-kulturellen Fakten gehören u. a. Armut, soziale Ungerechtigkeit, teilweise rapides Bevölkerungswachstum in Schwellenländern, Bevölkerungs-

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rückgang in entwickelten Volkswirtschaften, Gefahr gewalttätiger Konfliktlösungen oder Belastungen für Gesundheit und Lebensqualität. • Zu den politischen Fakten gehören u. a. religiöser Fanatismus, politischer Ex­ tremismus, Egoismus (Grenzmoral), zunehmende Ohnmacht gegenüber Komplexität, Konzeptlosigkeit, Macht von Interessengruppen oder Entsolidarisierung. Maßnahmen zur Förderung der Nachhaltigkeit bauen auf Effizienz durch Weiterentwicklung des technischen Fortschritts, Suffizienz durch Neuentwicklung von Technologien und Dienstleistungen sowie Konsistenz durch Förderung der Umweltfreundlichkeit von Technologien. Die Dokumentation des Status quo erfolgt durch Rankings (aufgrund von Punktwertverfahren / metrisch) und Ratings (aufgrund von Klassenbildung / ordinal). Nachfrageseitig sind angesichts der genannten Herausforderungen vielfältige Konsumreaktionen möglich durch • „genügsamen“ Konsum (weniger Quantität, z. B. Maßhalten), durch Konsumverzicht, z. B. Vegetarier, Veganer, durch sozial fairen Konsum (qualitativ), z. B. Einhaltung von Arbeitnehmerrechten, keine Kinderarbeit, keine Diskriminierung, gesetzliche Mindestentlohnung, sowie nachhaltigen Konsum (verantwortungsvoll), z. B. keine industrialisierte Landwirtschaft, Nutzung alternativer Energien. Das tatsächliche Konsumverhalten weicht jedoch davon erheblich ab. Die Gründe sind vielfältig und liegen • im Bildungsgrad durch mangelndes Wissen über Zusammenhänge und Abhängigkeiten, in der Einkommensschichtung als mangelnde Kaufkraft, in situativen Faktoren wie tatsächliche Verfügbarkeit ökologieverträglicher Produkte, in fehlender Transparenz, Gewohnheit / Bequemlichkeit, Ohnmacht („man kann ja doch nichts verändern“), in „Schwäche“ (z. B. Mode, Lifestyle), in nicht-beeinflussbaren Strukturen (Großküchen, Restaurants etc.), in negativen Assoziationen als „Öko-Freak“, in Funktionsnachteilen etc. Abhilfe ist hier sowohl durch Push- als auch Pull-Maßnahmen erforderlich, also Gesetze, Verordnungen, Verbote etc. einerseits und Anreize wie Vergünstigung, Eigenmotivation, Ansehen etc. andererseits. Eine zentrale Rolle kommt dabei dem Staat als Treiber zu. Hoheitliche Umweltpolitik bedient sich im Einzelnen nicht-fiskalischer Ansätze, öffentlicher Ausgaben und Einnahmen (siehe Abb. H41). Nicht-fiskalische Instrumente sind etwa folgende: • Umweltauflagen wie Emissionsauflagen, Auflagen für Produktionsprozesse, Produktauflagen etc., • umweltplanerische Instrumente wie gesamtplanerische bzw. fachplanerische Instrumente (z. B. Raumordnung, Umweltverträglichkeitsprüfung etc.),

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• umweltbedeutsame Änderungen der rechtlichen Rahmenbedingungen wie Umweltlizenzen, Privatisierung von umweltbedeutsamen Gütern, Schaffung exklusiver Verfügungsrechte an öffentlichen Umweltgütern, verbesserte Umweltkontrolle und -überwachung, Verschärfung der Umwelthaftung, sonstige umweltverbessernde Maßnahmen (z. B. Risikosteigerung für Umweltsünder), Einführung einer obligatorischen Umwelthaftpflichtversicherung etc., • umweltpolitische Kooperationslösungen wie Branchenabkommen, Verbandslösungen etc., • zwangsfreie umweltpolitische Instrumente wie Steigerung des freiwillig umweltbewussten Handelns, Verhandlungslösungen, Benutzervorteile etc., • umweltplanerische Instrumente etc. Umweltpolitik mit öffentlichen Ausgaben erfolgt etwa über: • direkten öffentlichen Umweltschutz mit Gebühren- und Beitragsfinanzierung, z. B. für Entwässerung, Abwasserbeseitigung, Abfallbeseitigung, Wasserversorgung etc., • direkten öffentlichen Umweltschutz mit Steuerfinanzierung, z. B. Lärmschutzmaßnahmen, Grüngürtel in Städten, nachträgliche Wassersanierung etc., • Finanzierung sonstiger umweltrelevanter Maßnahmen, z. B. Fernwärmeausbau, öffentlicher Personennahverkehr, umweltfreundlicher Verkehrswegebau, Betriebsverlagerung etc., • umweltbewusste staatliche Beschaffungspolitik unter Vorreiterrolle des öffentlichen Dienstes, • Induzierung von umweltverbessernden privatwirtschaftlichen Aktivitäten durch Subventionen, z. B. Zuschüsse, Zuwendungen, rückzahlbare Darlehen, Bürgschaften, Prämien, oder durch Steuervergünstigungen zur Förderung umweltfreundlicher Produktionsverfahren, Produkte und Einsatzstoffe, sowie umweltrelevante Kompensationszahlungen, • umweltbedeutsame Forschungs- und Entwicklungsförderung,

Abbildung H41: Lenkung ökologischer Prinzipien (eig. Abb.)

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• Finanzierung des institutionellen Umweltschutzes durch Umweltadministra­ tion und Förderung umweltrelevanter Personen und Organisationen, z. B. als Umweltberatung, Umweltverbände. Umweltpolitik mit öffentlichen Einnahmen kann betrieben werden durch: • Vergabe von Umweltlizenzen, • Umweltabgaben als Umweltsteuern, z. B. Umweltfinanzierungsteuer, Umweltschutzsteuer, als Umweltgebühren und -beiträge, z. B. öffentliche Umwelteinrichtungen, kooperativer Umweltschutz, als reine Emissionsabgaben, z. B. Internalisierungsabgabe, Umweltqualitätsabgabe, als kombinierte abgabendominierte oder auflagendominierte Systeme, als Abgaben auf Produkte und / oder Rohstoffe. 30.4 Unternehmerisches Umweltmanagement In der betrieblichen Umweltpolitik geht es um die umweltbezogenen Gesamtziele und Handlungsgrundsätze einer Unternehmung incl. der Einhaltung aller einschlägigen Umweltvorschriften. Dazu bedarf es einer Erklärung der Organisation über ihre Absichten und Grundsätze in Bezug auf ihre Umweltleistung. Diese bildet einen Handlungsrahmen und dient als Grundlage für die Festlegung der umweltspezifischen Zielsetzungen. Die Handlungsgrundsätze schlagen sich in Umweltleitlinien nieder. Inhalte sind etwa die Anerkennung der umweltpolitischen Verantwortung der Unternehmung, die verantwortungsbewusste Nutzung von Ressourcen, die aktive Problemlösungssuche nach umweltkompatiblen Produkten, Produktions- und Entsorgungsverfahren, das Streben nach integrierten Umweltschutzkonzepten, der kooperative Informationsaustausch mit gesellschaftlich relevanten Gruppen und die mindestens gleichrangige Gewichtung ökologischer, sozialer und wirtschaftlicher Ziele. Zum Grundverständnis gehört dabei, dass Unternehmen der Gesellschaft zu dienen haben. Die Unternehmensführung muss für zukünftige Generationen eine lebenswerte Umwelt sichern und das Wissen und die Mittel, die ihr anvertraut sind, zum Besten der Gesellschaft nutzen (Davoser Manifest). Im Regelfall ist diese Philosophie in einer Unternehmensverfassung kodifiziert. Die Unternehmensverfassung ist im Rahmen gesetzlicher Vorgaben frei gestaltbar und manifestiert sich in Satzungen, Unternehmensleitlinien, Geschäftsordnungen etc. Sie betrifft langfristige Strukturregelungen und regelt die Zwecksetzung und das Selbstverständnis der Unternehmung. Sie legt Kompetenzen fest und weist sie Organen zu, beschreibt die Grundrechte und -pflichten der Unternehmensmitglieder, bestimmt die ethische Plattform der Unternehmung, formuliert Entscheidungsregeln etc.

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Die Unternehmensverfassung stellt damit die Grundordnung der Unternehmung auf Basis der geltenden Rechtsordnung dar. Dabei stehen freilich die Interessen der Eigentümer im Vordergrund. Die Betriebsverfassung regelt hingegen die Grundrechte und -pflichten der Manager und Arbeitnehmer, speziell soziale und personelle Belange von Betrieben ab fünf ständig Beschäftigten. Hinzu kommen freiwillige Bestimmungen, die in Deutschland in einem Verhaltenskodex kodifiziert sind (Corporate Governance) sowie unternehmensindividuelle, da­ rüber hinaus gehende freiwillige Regelungen. Corporate Social Responsibility (CSR) stellt die dreifache Verantwortung von Unternehmen in den Mittelpunkt (Triple Bottom Line), nämlich die ökonomische, die ökologische und die soziale (siehe Abb. H42). Die ökonomischen Größen sind traditionell ohnehin Inhalt der Strategie. Hinzu kommt die ökologische Verantwortung, die durch Ökobilanzen analog der Lebenszykluskostenrechnung und Volkswirtschaftliche Gesamtrechnungen erfasst wird. Dazu gehören im Einzelnen Größen wie Rohstoffe, Energieflüsse, Materialströme, Luft-/Wasseremis­sio­ nen, Flächennutzung, Agrarnutzungsintensität, Abwasser, Abfall, Waldflächen etc. Ziel ist es dabei, die Nachhaltigkeit der Unternehmensführung sicher zu stellen. Das heißt, CSR gibt Leitlinien für erwünschtes Verhalten und Grenzen für unerwünschtes Verhalten von Unternehmen und Organisationen vor. Nachhaltigkeit ist dabei ein zentraler Bestandteil der Unternehmensethik, die Glaubwürdigkeit für Unternehmen durch verantwortliches, proaktives und kommunikatives Handeln herstellen will. Nur so kann eine Unternehmung ein „wert-

Quelle: zen-ensdorf.de / was-ist / nachhaltigkeit-2_gr.jpg

Abbildung H42: Nachhaltige Unternehmensentwicklung (CSR)

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volles“ Mitglied der jeweils standortbezogenen Gesellschaft werden (Corporate Citizenship). Dabei treten freilich Konflikte zu rein betriebswirtschaftlichen Interessen auf, die im Zeitalter des Shareholder Value von Managern bei der Umsetzung durchaus Rückgrat zu ihrer Verteidigung erfordern können. Nach dem Shareholder Value-Konzept (Rappaport) hat die Unternehmensleitung tatsächlich die Pflicht, alle Entscheidungen unter der Maxime zu treffen, dass dadurch die Einkommens- und Vermögensverhältnisse der Eigenkapitalgeber verbessert werden. Es wird behauptet, dass dies zugleich auch allen anderen Beteiligten am Wirtschaftsgeschehen maximalen Nutzen stiftet. Dieses Konzept ist jedoch zurecht starker Kritik unterworfen. Fehlentwicklungen wie existenzielle Unternehmens- und Wirtschaftskrisen angesichts des Postulats des Shareholder Value unterlegen dies. Eine wesentliche Erklärung ergibt sich durch die mangelnde Internalisierung externer Kosten. Daher wird verstärkt ein dazu alternatives Konzept vertreten, das des Stakeholder Value (Freeman). Danach steht die Unternehmensleitung in der Pflicht, bei ihren Entscheidungen nicht nur die Interessen der Shareholders zu vertreten, sondern zugleich dafür Sorge zu tragen, dass alle relevanten Interessengruppen in gleicher Weise vom Unternehmenshandeln und seinen Erfolgen profitieren. Als Stakeholders sind ganz unterschiedliche Beteiligte zu nennen, so • Mitarbeitende, gewerbliche Abnehmer, Kooperationspartner, Fremdkapitalgeber, staatliche Stellen, Lieferanten, Absatzmittler, Medien, Verbände, Endverbraucher etc. Gemein ist diesen Gruppen, dass sie individuell abweichende Ziele verfolgen und über eine Machtbasis verfügen, diese auch gegenüber der Unternehmung durchzusetzen, und zwar im Zweifel opportunistisch (also zulasten Anderer). Daher ist es vernünftig, ein Gleichgewicht der Interessen und Sanktionsmöglichkeiten anzustreben und in einer dynamischen Umwelt immer wieder neu auszutarieren. Der Primat der Ökonomie ist demnach zunehmend um umweltbezogene und gesellschaftliche Belange zu ergänzen. Diese stellen das Prinzip der Nachhaltigkeit in den Mittelpunkt und sind zugleich als Restriktion für einzelwirtschaftliches Handeln anzusehen. Da daraus einzelwirtschaftliche Nachteile für konform handelnde Akteure entstehen, ist zugleich sicherzustellen, dass keine kontraproduktiven Anreize entstehen. Daher ist es wohl unvermeidlich, eine Systemumstellung weg von einer marktwirtschaftlichen Ordnung unter Berücksichtigung nachhaltiger Aspekte hin zu einer Nachhaltigkeitsökonomie unter der Randbedingung der Gewinnerzielung zu kommen. Nur so scheint die Überlebensfähigkeit der Gesellschaft in ihrer derzeitigen Aufstellung darstellbar (siehe Abb. H43). Konkret sind dabei drei zentrale Themenbereiche tangiert: • Die Generationengerechtigkeit bezieht sich auf Anforderungen zur Ressourcenschonung, zum Klimaschutz, zur Nutzung erneuerbarer Energien, zur kon-

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servativen Flächeninanspruchnahme (keine Versiegelung), zur biologischen Artenvielfalt, zum Abbau der Staatsverschuldung, zur verantwortungsvollen Zukunftsvorsorge, zur Forcierung von Innovationen und vor allem zum Zugang zu Bildung für alle. • Die Lebensqualität bezieht sich auf Errungenschaften wie hohe Wirtschaftsleistung und selbstverständliche Mobilität. Konträr wirken hier intensive Landbewirtschaftung (Düngung), geminderte Luftqualität (Smog) und vermeidbar hohe Sterblichkeitsrate (Mortalität). Außerdem ist eine konsequente Sanktionierung ökologischer Straftaten erforderlich. • Die Anforderung des sozialen Zusammenhalts bezieht sich auf quantifizierbare Größen wie Erwerbstätigenquote, Kinderbetreuungsrate, Ausländerintegration und Gleichbehandlung (Diversität). Diese werden als Grundvoraussetzungen für ein funktionierendes Gemeinwesen angesehen.

Quelle: nachhaltigesmanagement.de / i mages / CSR_Check_Grafik.jpg

Abbildung H43: CSR-Check

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Unternehmen können in Bezug auf ihre Umwelthaltung mehr oder minder progressiv sein. Aktive Unternehmen werden den genannten Anforderungen bereits vielfach gerecht, so durch • die Reduktion ihres Energie- und Rohstoffverbrauchs in der Produktion, • die Erfassung und Verrechnung der betrieblichen Umweltschutzkosten, • umweltfreundlich gestaltete Produkte, • interne Wertstoff-Kreislauf-Prozesse, • umweltgerechte Verpackungs- und Packungsgestaltung, • durchgängige Organisation des Umweltschutzes im Betrieb, • Abbildung dieser Aktivitäten in einem ökologischen Informationssystem, • Übernahme von Folgekosten der Entsorgung, • Sponsoring von Umweltschutzmaßnahmen. Insofern stellt Umweltfreundlichkeit einen entscheidenden Erfolgsfaktor für jede Unternehmung dar, ganz abgesehen davon, dass es als unternehmerische Pflicht zu verstehen ist. Umweltschutz kostet zwar Geld, er verdient aber weitaus mehr zurück, etwa durch Rohstoff- und Energieeinsparungen, Wiedergewinnungsmaßnahmen, Kosteneinsparungen bei Ver- und Entsorgung, zusätzliche Absatzerfolge etc. Wichtig sind dabei der Engpassfaktor Zeit, denn die Zeit rast hier noch schneller als ansonsten, die Verhaltensqualität, damit die Maßnahmen Wirkungen zeitigen und die Einstellung der Mitarbeitenden durch Reorganisation und Haltung. Ökologie ist insofern als Unternehmensführungsmaxime zu verstehen, die funktions-, gebiets-, produkt- und kundenübergreifend gilt. Da die einzelne Unternehmung damit überfordert ist, gelingt ein Erfolg nur durch politische Einflussnahme. Hinzu kommen verbesserte technologische Möglichkeiten, so dass Verbesserungen hier nicht nur nötig, sondern auch möglich sind. Mit einer Situationsanalyse sind die ökologischen Schlüsselprobleme in den Strategischen Geschäftsfeldern zu identifizieren. Ökologisches Gedankengut muss als (normative) Denkhaltung und Wertvorstellung in den Köpfen der Führungskräfte und Mitarbeitenden verankert werden und führt über entsprechende Unternehmensgrundsätze zu einer Transformation der Unternehmenskultur. Es muss alle Funktionsbereiche der Unternehmung als Querschnittsaufgabe durchdringen, sich aber auch institutionell niederschlagen. Dies betrifft vor allem Risiko-, Haftungs-, Dokumentations-, Informations- und Sicherungssysteme, hat aber auch Auswirkungen auf alle anderen Systeme der Unternehmung.

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H. Die Speziellen Betriebswirtschaften

Literaturhinweise Balderjahn, Ingo: Nachhaltiges Management und Konsumentenverhalten, Konstanz 2013 Baumast, Annett / Pape, Jens (Hrsg.): Betriebliches Nachhaltigkeitsmanagement, Stuttgart 2013 Binder, Ursula: Nachhaltige Unternehmensführung, Freiburg 2013 Bretzke, Wolf-Rüdiger: Nachhaltige Logistik, 3. Auflage, Berlin / Heidelberg 2014 Dyckhoff, Harald / Souren, Rainer: Nachhaltige Unternehmensführung, Berlin / Heidelberg 2007 Engelfried, Justus: Nachhaltiges Umweltmanagement, 2. Auflage, München / Wien 2011 Grunwald, Armin / Kopfmüller, Jürgen: Nachhaltigkeit, 2. Auflage, Frankfurt a. M. 2012 Günther, Edeltraud / Ruter, Rudolf X. (Hrsg.): Grundsätze nachhaltiger Unternehmensführung, 2. Auflage, Berlin 2015 Hauff, Michael von / Kleine, Alexandro: Nachhaltige Entwicklung, München / Wien 2014 Hentze, Joachim / Thies, Björn: Unternehmensethik und Nachhaltigkeitsmanagement, Bern 2012 Keck, Wolfgang: Nachhaltige Beschaffung, Herne 2015 Müller-Christ, Georg: Nachhaltiges Management. 2. Auflage, Stuttgart 2014 Pufé, Iris: Nachhaltigkeit, 2. Auflage, Konstanz 2014 Thomaschewski, Dieter / Völker, Rainer (Hrsg.): Nachhaltige Unternehmensentwicklung, Stuttgart 2016

30. Ökologische Betriebswirtschaft

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Übungsaufgaben 1. Stellen Sie bitte die Zusammenhänge der Kreislaufwirtschaft dar. 2. Welche Aussagen trifft eine Ökobilanz? Recherchieren Sie bitte geeignete Informationen. 3. Welche Aufgaben hat das ökologische Rechnungswesen? 4. Welche Prinzipien sollen im Rahmen der ökologischen Verantwortung von Unternehmen Berücksichtigung finden? 5. Was versteht man unter einem Umwelt-Audit? Recherchieren Sie bitte geeignete Informationen. 6. Stellen Sie bitte Maßnahmen der Umweltpolitik dar. 7. Welche Inhalte hat eine Umweltverträglichkeitsprüfung? Recherchieren Sie bitte geeignete Informationen. 8. Nach welchen Prinzipien können Abfälle sortiert werden? 9. Welche Inhalte weist das Umweltzeichen aus? 10. Fassen Sie bitte kurz die wesentlichen Probleme im produktionsbezogenen Umweltschutz zusammen. 11. Was versteht man unter Redistribution und wie kann diese vollzogen werden? Recherchieren Sie bitte geeignete Informationen. 12. Welche Diskussionen entspinnen sich vor allem in neuerer Zeit um die Organisation der Redistribution in Deutschland? 13. Was versteht man unter Nachhaltigkeitsökonomie? 14. Welche vier gesamtwirtschaftlichen Prinzipien werden der Umweltpolitik zugrunde gelegt? 15. Welche Bestandteile gehören zu einem Öko-Audit? Recherchieren Sie bitte geeignete Informationen.

III. Teil

Übungsaufgaben und Lösungshinweise 1. Übungsaufgaben zur Systematik der Betriebswirtschaft 1. Welche Formen von Gütern werden in der BWL gemeinhin unterschieden? Knappe Güter, auch Wirtschaftsgüter, sind Gegenstand der BWL und können wie folgt unterschieden werden: • Inputgüter sind Wirtschaftsgüter, die in ökonomische Produktionsprozesse eingehen, z. B. Rohstoffe, Maschinen, Gebäude. Outputgüter sind das Ergebnis dieser Produktionsprozesse, die vermarktet werden und Erlöse generieren, die zur Finanzierung der Inputgüter erforderlich sind. • Produktionsgüter sind Inputgüter für Produktionsprozesse und im Zuge einer Wertschöpfungskette zugleich Outputgüter für nachgelagerte Produktionsstufen. Konsumgüter befriedigen unmittelbar Nachfragerbedürfnisse als Endprodukte, richten sich also an Endabnehmer. • Verbrauchsgüter gehen als Repetierfaktoren mit ihrem Einsatz unter. Gebrauchsgüter sind als Potenzialfaktoren längerfristig nutzbar. Im wirtschaftlichen Sinne sind Gebrauchsgüter Betriebsmittel und Werkstoffe. Bei Betriebsmitteln handelt es sich wiederum um Anlagen, maschinelle Ausstattungen, Gebäude etc., Werkstoffe sind Roh-, Hilfs- und Betriebsstoffe. • Halbfabrikate sind Zwischenprodukte, die mit weiteren Teilen, Komponenten, Modulen etc. zu Fertigprodukten zusammengefügt werden. Fertigfabrikate sind das Ergebnis dieses Zusammenbaus. Ein und dasselbe Produkt kann dabei zugleich sowohl Halbfabrikat (OEM) als auch Fertigfabrikat sein. • Materielle Güter sind physisch fassbar, immaterielle Güter sind nicht physisch fassbar, dabei handelt es sich um Dienstleistungen und Rechte. • Nominalgüter stellen Geld und geldwerte Rechte dar, Realgüter stellen Sachen dar. Sachen werden in einer Marktwirtschaft in Geldwerten ausgedrückt. 2. Durch welche Merkmale ist ein Betrieb gekennzeichnet? Der Betrieb ist allgemein eine organisierte, technisch-wirtschaftliche Einheit, in der mittels Kombination von Produktionsfaktoren (Arbeit, Betriebsmittel, Werkstoffe) durch den dispositiven Faktor Sachgüter produziert oder Dienstleistungen erstellt werden. Der Betrieb ist damit die Stätte der Leistungserstellung,

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Übungsaufgaben und Lösungshinweise

in ihm finden Betriebsleitung, Beschaffung, Lagerung, Produktion, Transport, Absatz, Finanzierung, Zahlungsverkehr und Investition statt. Er ist durch die Prinzipien der Wirtschaftlichkeit (Effizienz) und des finanziellen Gleichgewichts (termin- und betragsgerechte Zahlungen) gekennzeichnet. Diese Merkmale sind systemindifferent. Man unterscheidet Urproduktionsbetriebe, verarbeitende Betriebe und Dienstleistungsbetriebe. Zu den konstitutiven Entscheidungen des Betriebs gehören die Betriebsziele, der Geschäftszweig, der Standort, die Rechtsform, die Ausstattung mit Produktionsfaktoren, das Leistungsprogramm, die Organisation und das Rechnungswesen. Der Betrieb kann die Branche wechseln, die Rechtsform wandeln, die Faktorausstattung verändern, das Leistungsprogramm variieren, reorganisieren, das Rechnungswesen umstrukturieren, Verbindungen eingehen oder sich auch aufspalten. Die Beendigung des Betriebs erfolgt durch Liquidation, Vergleich oder Insolvenz. 3. Welche Arten betriebswirtschaftlicher Modelle können unterschieden werden? Ein Modell ist allgemein die Spezifikation einer Menge von Variablen und deren Beziehungen zur Repräsentation eines realen Systems, es beschränkt sich auf die wichtigsten Elemente mit hinreichend genauer Wiedergabe der Realität und Implementierbarkeit. Die Modellbildung geschieht in folgenden Schritten: • Spezifikation, d. h. Bestimmung der Variablen, ihrer Beziehungen untereinander und der Funktionsform, • Parametrisierung mit Datengewinnung durch Schätzverfahren, • Validierung durch Vergleich mit Erwartungen bzw. der Theorie, • Abstraktion der Kernprobleme von der komplexen Realität sowie Beschaffung der zur Problemerkenntnis erforderlichen Daten, • vereinfachte Abbildung der realen Welt durch Formulierung passender mathematischer Bezüge, • optimale Lösung dieses vereinfachten Problems durch geeignet erscheinende Algorithmen, • laufende Überprüfung und Wartung des Modells sowie dessen Aussagefähigkeit, • mögliche Abfragen („Was wäre, wenn ...“) durch Sensitivitätsanalysen. Dabei können folgende Modelle unterschieden werden: • Nach dem Zweck, dem sie dienen, gibt es taxonomische (darstellende / erfassende) Modelle, explanatorische (erklärende / konstruierende) Modelle, prognostische (vorausschauende / gestaltende) Modelle und dezisive (entscheidungsabstützende) Modelle. • Nach der Lösungstechnik, die sie anwenden, gibt es algorithmisch analytische Modelle und pragmatisch heuristische Modelle.

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• Nach dem Aggregationsgrad, also der Vollständigkeit der erfassten Variablen, gibt es Totalmodelle aller Variablen und Partialmodelle einzelner Variablen. • Nach der Zulassung von Ungewissheiten gibt es deterministische Modelle sicherer Daten, objektiv-stochastische Modelle mit Eintrittswahrscheinlichkeiten, subjektiv-stochastische Modelle mit Schätzwerten und indeterministische Modelle. • Nach der Art der Modellvalidierung gibt es objektive Modelle anhand absoluter Kriterien und subjektive Modelle anhand individueller Kriterien. • Nach dem vorausgesetzten Abstraktionsgrad gibt es globalanalytische Modelle, sie betreffen das Verhalten von Personengruppen, Haushalten, Unternehmen etc. und detailanalytische Modelle, sie betreffen das Verhalten einzelner Personen, eines Haushalts oder einer Unternehmung. • Nach der Art der Funktionsbeziehung zwischen Variablen gibt es lineare Modelle und nicht-lineare Modelle. • Nach der Zeitdimension, die berücksichtigt ist, gibt es statische (zeitpunktbezogene) Modelle, d. h., alle Variablen sind auf dieselbe Periode bezogen, komparativ-statische (zeitpunktvergleichsbezogene) Modelle, d. h., es findet der Vergleich verschiedener Perioden miteinander statt und dynamische (zeitraumbezogene) Modelle, d. h., Variable sind auf unterschiedliche Perioden bezogen. • Nach der Aussage gibt es deskriptive Modelle zur Repräsentation eines Realsystems und normative Modelle zur Bewertung von Handlungsalternativen. • Innerhalb der normativen Modelle unterscheidet man theoretische Modelle, sie setzen sich aus einer Menge von Annahmen über ein reales Phänomen zusammen, im Mittelpunkt steht die Untersuchung der logischen Implikationen dieser Annahmen, Maßstab sind interne Validität (logische Konsistenz) und externe Validität sowie Entscheidungsmodelle, sie beruhen auf empirisch geschätzten Wirkungsfunktionen zur Bewertung vorgegebener Politiken (Gleichungssystem) oder der Bestimmung von Politiken mit Restriktionen (analytische und numerische Optimierung). • Nach der Form der Darstellung gibt es verbale Modelle (z. B. Konsumentenverhalten), grafische Modelle (z. B. Pfaddiagramm, Flussdiagramm, Netzwerk), mathematische Modelle (z. B. Differenzialgleichung) und quantitative Modelle (mathematische Modelle mit fixierten Parameterwerten). • Nach dem Zusammenhang gibt es S-R-Modelle (Reiz-Reaktion) mit direktem Wirkmechanismus und S-O-R-Modelle (Reiz-Organismus-Reaktion) mit zwischengeschalteten (intervenierenden) Variablen.

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Übungsaufgaben und Lösungshinweise

4. Welche Forschungsrichtungen können innerhalb der Betriebswirtschaftslehre im Wesentlichen unterschieden werden? Innerhalb der Betriebswirtschaftslehre können folgende wesentlichen Forschungsrichtungen unterschieden werden: • Der faktortheoretische Ansatz stammt von Erich Gutenberg. Er sieht die Gewinnmaximierung als oberste Maxime und strebt auf quantitativ-methodischer Basis eine optimale Kombination der Produktionsfaktoren Betriebsmittel, Werkstoffe und exekutive Arbeit (Elementarfaktoren) sowie dispositive Arbeit (Leitung, Planung, Organisation) an, die dabei zugleich einer kostenminimalen Kombination entspricht. Im Vordergrund steht hier die methodengestützte Optimierung von Input und Output des Betriebs. • Der entscheidungsorientierte Ansatz stammt von Edmund Heinen. Er strebt an, Erkenntnisse für optimale Entscheidungen, vor allem in Bezug auf Pro­duktion, Finanzierung, Investition, zu liefern. Dabei wirken immer Zielkonflikte und Unsicherheiten (Informationsdefizite) ein, die durch quantitative, meist unternehmensrechnungsbasierte Modelle (Operations Research) optimiert werden können. • Der systemtheoretische Ansatz von Hans Ulrich strebt die Gestaltung von „zukünftigen betrieblichen Wirklichkeiten“ an und bedient sich dabei der Steuerungs- und Regelungslehre der Kybernetik. Dazu werden simultan ökonomische, verhaltenswissenschaftliche und technologische Aspekte einbezogen. Diese Aspekte werden wiederum hierarchisch in solche normativer, strategischer und operativer Art eingeteilt. • Der verhaltensorientierte Ansatz bezieht psychologische und soziologische Erkenntnisse ein, um der häufigen Irrationalität menschlichen Handelns gerecht zu werden. Von Kritikern wird die Kompetenz der BWL zum Einbezug dieser Wissenschaften bezweifelt (Dilettantismus-Vorwurf). Dieser Ansatz ist jedoch vor allem in Marketing, Personal, Führung und Organisation dominant und zwischenzeitlich auch unstrittig. Weitere Bereiche wie Finanzierung (Be­ havioral Finance) oder Controlling (Behavioral Controlling) folgen daher. • Der umweltorientierte Ansatz stellt die Nachhaltigkeit wirtschaftlichen Handelns in den Vordergrund. Dabei geht es um die Einbeziehung ökologischer Anforderungen in die traditionelle BWL oder weiter gefasst um den Primat der Ökologie bei ökonomischen Fragestellungen. Diese Sichtweise ist von zentraler Bedeutung für die Zukunftsfähigkeit von Unternehmen, aber auch der Gesellschaft, geht jedoch leider häufig über Lippenbekenntnisse nicht hinaus. • Der institutionenökonomische Ansatz (Coase/Williamson) geht der vordergründig naiven Frage nach, warum es überhaupt Unternehmen gibt. Im Mittelpunkt stehen dabei Informationsasymmetrien zwischen den Marktpartnern, die Verträge mit wirtschaftlicher Relevanz abschließen. Der Partner mit der besse-

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ren Informationsbasis neigt dazu, dies zulasten des anderen auszunutzen (Opportunistisches Verhalten). Zur Aufklärung dieser Situation dienen drei Ansätze. Der Property Rights-Ansatz betrachtet den Tausch von Verfügungsrechten in solchen Verträgen und die daraus folgenden Handlungskonsequenzen. Der Transaktionskosten-Ansatz betrachtet den Aufwand, der mit einem Übertrag von Verfügungsrechten verbunden sind (Such-, Verhandlungs-, Prüf-, Abwicklungs-, Reklamationsprozesse). Und der Principal Agent-Ansatz betrachtet die Beziehungen zwischen Auftraggeber (Principal) und Auftragnehmer (Agent). Dabei geht es vor allem um eine Anreizkompatibilität der Verträge. 5. Was versteht man unter dem Begriff „Fertigungstiefe“? Fertigungstiefe ist ein rechnerischer Quotient aus Eigenfertigungsleistung und Gesamtfertigungsleistung. Eine Fertigungstiefe von 0 % bedeutet, dass die Unternehmung keine eigene Leistung erbringt, wie das im Handel gegeben ist. Die Zukaufleistung beträgt dann 100 %. Eine Fertigungstiefe von 100 % bedeutet, dass die Unternehmung ohne jegliche Zukaufleistung (= 0 %) auskommt. In Industrieunternehmen liegen die Fertigungstiefen zwischen 20 – 40 %, wobei ein Trend zu immer geringerer Fertigungstiefe feststellbar ist. Die Entscheidung über Eigenoder Fremdleistungsanteile erfolgt im Rahmen der Make or Buy-Entscheidung. 6. Stellen Sie bitte die Einordnung der BWL in die Wissenschaften dar. Die Wirtschaftswissenschaften gehören zu den Realwissenschaften (Ggs.: Idealwissenschaften) und dort wiederum zu den Geisteswissenschaften, andere Bereiche sind Naturwissenschaften, Ingenieurswissenschaften etc. Sie unterteilen sich in Sozialwissenschaften sowie Rechts- und Kunstwissenschaften, erstere unterteilen sich wiederum in die Volkswirtschaftslehre (VWL) und die Betriebswirtschaftslehre (BWL). Andere Sozialwissenschaften sind etwa Psychologie, Soziologie, Politologie etc. Die Volkswirtschaftslehre beschäftigt sich mit gesamtwirtschaftlichen Zusammenhängen, die Betriebswirtschaftslehre mit einzelwirtschaftlichen Phänomenen. 7. Wie unterteilt sich die BWL in Einzeldisziplinen? Die Betriebswirtschaftslehre kann in die allgemeine BWL und spezielle BWL’en unterteilt werden. Die ABWL (Allgemeine Betriebswirtschaftslehre) befasst sich mit funktions- und institutionalübergreifenden Aufgabenstellungen, die S-BWL’en (Spezielle Betriebswirtschaftslehren) betrachten jeweils nur einen funktionalen oder institutionellen Ausschnitt des Gesamt. Institutionelle BWL’en befassen sich z. B. speziell mit der Industrie, dem Handel, Banken / Versicherungen, öffentlichen Unternehmen, Verkehrsbetrieben, Agrarbetrieben, Tourismus, Kultur / Medien, Gesundheitswesen etc. Dem liegt die Überzeugung zugrunde, dass diese Bereiche

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vom Allgemeingültigen abweichende oder diese ergänzende Besonderheiten aufweisen. Funktionale BWL’en befassen sich speziell mit bestimmten Teilaufgaben im Betrieb, so der Geldwirtschaft in Rechnungswesen, Controlling, Kostenrechnung, Finanzierung, Investition etc., der Güterwirtschaft in Produktion, Logistik, Beschaffung etc., der Informationswirtschaft in Informatik, Controlling, Bilanzierung etc. und der Humankapitalwirtschaft in Personal, Organisation, Führung etc. 8. Stellen Sie die zentralen Prinzipien des Wirtschaftens dar. Betriebliche Leistungen entstehen allgemein durch einen Transformationsprozess aus gegebenen Inputfaktoren in einen gewünschten Output. Dabei soll der Marktwert der derart erstellten Leistung den Wert der zugekauften Inputfaktoren und des selbst geleisteten Inputs in möglichst hohem Maße übersteigen. Implizites Ziel jedes Wirtschaftens ist somit die Gewinnoptimierung. Der Gewinn ergibt sich als Differenz zwischen dem mit Geld bewerteten Verzehr an Inputfaktoren zur Leistungserstellung und dem Erlös aus der Leistungsverwertung. Die Wertschöpfung ergibt sich allgemein aus der Differenz zwischen dem Wert zugekaufter Leistungen und dem Wert der daraus produzierten verkauften Leistung. Sie dient zur Abdeckung der eigenerstellten Leistungen und zur Erwirtschaftung eines Residualgewinns. Zur Erreichung dieses Gewinns werden alternative ökonomische Prinzipien genutzt. Das Maximumprinzip besagt, mit gegebenem Mitteleinsatz einen möglichst hohen Erfolg zu erzielen. Das Minimumprinzip besagt, einen angestrebten Erfolg mit möglichst geringem Mitteleinsatz zu erzielen. Voraussetzungen dafür sind die Gewährleistung einer hohen Produktivität, d. h. ein möglichst gutes Verhältnis von Output zu Input, einer hohen Wirtschaftlichkeit, d. h. ein möglichst gutes Verhältnis von Ertrag zu Aufwand, und einer hohen Rentabilität, d. h. ein möglichst großer Ertrag aus dem Ressourceneinsatz. Um diese Ziele zu verwirklichen, bedarf es hoher Effizienz als Maß für die Wirtschaftlichkeit dieser Aktivitäten sowie hoher Effektivität als Maß für die Wirksamkeit dieser Aktivitäten. Diesen Maximen unterliegen nur jene Einheiten nicht, deren Ziel nicht auf Gewinnerzielung ausgerichtet ist (z. B. Non Profit-Organisationen). 9. Welche Elemente umfasst der Systemansatz der St.Galler-Schule? Nach Ulrich basiert der Systemansatz auf Regelkreisen, die wiederum aus folgenden Elementen bestehen: • die Führungsgröße bildet den Veränderungswert, also den Wert, auf den Einfluss genommen werden soll, z. B. der Umsatz,

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• die Regelstrecke stellt die Zielgröße dar, also den Sollwert, z. B. das Umsatzziel, • die Störgröße ergibt sich aus negativen Außenfaktoren, die von der Unternehmung selbst nicht beeinflusst werden können, z. B. Wettbewerb, Konjunktur, höhere Gewalt, • die Regelgröße stellt die Istgröße dar, also den Ausgangswert, z. B. den Ausgangsumsatz, • der Regler ist der Beeinflussungsfaktor, mit dem angesetzt wird, z. B. die Preishöhe, • die Stellgröße ist das beeinflussende Maßnahmenbündel, z. B. eine Rabattaktion. Dieser Ansatz ist stark mechanistisch orientiert und lehnt sich an die Naturwissenschaften an. 10. Was versteht man unter dem Shareholder Value-Ansatz in der Betriebswirtschaftslehre? Nach dem Shareholder Value-Ansatz hat die Unternehmensleitung die Aufgabe, Entscheidungen so zu treffen, dass dadurch die Einkommens- und Vermögensposition der Anteilseigner (Shareholders) maximiert wird. Unter Shareholder Value versteht man die Maximierung des Marktwerts des Eigenkapitals der Unternehmung, weil die Unternehmung den Zielen der Eigenkapitalgeber folgt, bei denen die unternehmerische Entscheidungsgewalt liegt und die den Erfolg / Misserfolg der Aktivitäten auch zu tragen haben. Dies setzt voraus, dass es Parameter für die Messung des Unternehmenswerts gibt. Diese werden dann im Rahmen einer wertorientierten Unternehmensführung verfolgt. Als Kritik wird zumeist geäußert, dass dadurch die Ansprüche anderer relevanter Gruppen an die Unternehmung vernachlässigt werden. Zur Verteidigung wird entgegnet, dass auch alle anderen Anspruchsgruppen am besten versorgt sind, wenn die Anteilseigner maximal profitieren. 11. Was versteht man unter dem Stakeholder-Ansatz in der Betriebswirtschaftslehre? Stakeholders sind Interessengruppen, die vom Unternehmenshandeln direkt (als Transaktionspartner) oder indirekt (als Kommunikationspartner) betroffen sind oder sein können. Danach hat die Unternehmensführung die Aufgabe, den Beitrag der Unternehmung zum Allgemeinwohl der Gesellschaft zu maximieren. Dazu sind die einzelnen Stakeholders zu identifizieren, deren Interessen sind zu bestimmen und die Machtmittel, die sie zu deren Durchsetzung einbringen können, abzuschätzen. Danach muss eine dynamische Balance zwischen allen

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Übungsaufgaben und Lösungshinweise

Ansprüchen angestrebt werden, bei der allen Stakeholders gerade in dem Ausmaß entsprochen wird, dass sie ihre Interessen erfüllt sehen und vom Einsatz ihrer Machtmittel keinen Gebrauch machen. Mögliche Stakeholders sind u. a. • Eigenkapitalgeber (Shareholders), • Fremdkapitalgeber (Finanzinstitute), • Arbeitnehmer (Gewerkschaften / Betriebsrat), • Management (Leitende Angestellte), • Kunden (direkt / indirekt), • Lieferanten (direkt / indirekt), • Staat (Steuern, Infrastruktur). Dabei treten neben ökonomische Ziele gleichberechtigt soziale Ziele der Gesellschaft und ökologische Ziele der Umwelt. Dies führt zur Idee der Corporate Social Responsibility (CSR) in der Unternehmensführung. 12. Welche systematischen Sichtweisen der BWL können im Einzelnen unterschieden werden? Die institutionale Sichtweise der BWL unterteilt sich in eine Allgemeine BWL und verschiedene Spezielle BWL’en wie Handwerk, Banken, Tourismus, Versicherungen, Verkehr, Industrie, Handel, Landwirtschaft etc. Die Allgemeine BWL befasst sich dementsprechend mit wirtschaftszweigübergreifenden Themen und konstitutiven Entscheidungen von Betrieben. Die funktionale Sichtweise der BWL gliedert sich in betriebliche Aufgabenbereiche wie Produktion, Absatz, Beschaffung, Investition, Finanzierung, Rechnungswesen etc. Daraus folgen umfangreiche funktionsspezifische Erkenntnisse. Die genetische Sichtweise der BWL legt den Lebenszyklus einer Unternehmung zugrunde. Dabei werden gemeinhin die Phasen der Gründungsvorbereitung, des Aufbaus, des Ausbaus, der Stagnation, der Krise und schließlich der Liquidation oder des Wiederaufstiegs unterschieden. In jeder Phase fallen typische wirtschaftliche Aktivitäten an. 13. Was versteht man unter einem Haushalt, was unter einem Betrieb und was unter einer Unternehmung? Haushalte sind Wirtschaftseinheiten, die für die eigene Bedarfsdeckung produzieren. Sie sind konsumorientiert mit Bezug auf Gebrauchs- und Verbrauchsgüter. Es gibt private und öffentliche Haushalte (Staat). Darüber hinaus sind hy­ bride Formen anzutreffen (Verein, Verband, Anstalt).

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Betriebe produzieren Güter und Dienste zum Zweck der Fremdbedarfsdeckung. Sie bewerkstelligen dies durch Kombination der Produktionsfaktoren Betriebsmittel, Werkstoffe sowie exekutive und dispositive Arbeit. Sie folgen dabei dem Prinzip der Wirtschaftlichkeit, erfordern ein Finanzgleichgewicht (Liquidität) und haben Gewinnerzielungsabsicht. Es gibt private und öffentliche Betriebe. Nach der Güterart können diese im primären, sekundären oder tertiären gesamtwirtschaftlichen Sektor tätig sein. Häufig ist dabei eine inner- bzw. zwischenbetriebliche Arbeitsteilung anzutreffen. Die Unternehmung ist der formale, rechtliche und finanzielle Mantel eines privaten Betriebs. Sie stellt eine Entscheidungs- und Vermögenseinheit dar und agiert als produktives soziales System. Sie muss dabei unterschiedlichen Anspruchsgruppen gerecht werden. Als Oberziele gelten gemeinhin die Existenzsicherung, die Gewinnerzielung, der optimale Ressourceneinsatz und ein belastbarer Wachstumspfad. Unternehmen werden häufig nach ihrer Größe eingeteilt (Groß-, Mittel-, Klein-, Kleinstunternehmen). Eine besondere Bedeutung hat dabei in Deutschland der Mittelstand (KMU’s/„German Mittelstand“). Die Geschäftstätigkeit kann national oder international angelegt sein. Vor allem kann es sich um inhabergeführte Unternehmen bei Einheit von Entscheidung und Risikotragung oder managergeführte Unternehmen mit Auseinanderfallen von Entscheidung und Risikotragung handeln. 14. Was versteht man unter dem ökonomischen Prinzip und durch welche Maximen wird es verwirklicht? Das ökonomische Prinzip gibt an, wie mit gegebenem Mitteleinsatz (Input) ein maximaler Erfolg (Output) erreicht werden kann (Maximumprinzip) bzw. ein gegebener Erfolg mit einem Minimum an Mitteleinsatz (Minimumprinzip) bzw. ein bestmögliches Verhältnis zwischen Mitteleinsatz und Erfolg erreicht werden kann. Das ökonomische Prinzip drückt sich in drei Maximen aus: • Bei der Produktivität geht es um die mengenbezogene, realwirtschaftliche Relation zwischen Output und Input. Die Produktivität kann in Bezug auf die Produktionsfaktoren Arbeit, Betriebsmittel und Werkstoffe getrennt ausgewiesen werden. • Bei der Wirtschaftlichkeit geht es um die wertbezogene, finanzwirtschaftliche Relation zwischen Ertrag und Aufwand. Der Ertrag spiegelt die Erlöse, der Aufwand die Kosten betrieblicher Aktivitäten. Die Wirtschaftlichkeit weist die Effizienz dieser Aktivitäten aus. • Bei der Rentabilität geht es um die Relation des Ertrags einer Aktivität zu ihrem Ressourceneinsatz. Die Rentabilität kann in Bezug auf Eigenkapital, Gesamtkapital oder Umsatz getrennt ausgewiesen werden. Die Rentabilität weist die Effektivität von Aktivitäten aus.

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Übungsaufgaben und Lösungshinweise

15. I n welchen Beziehungen können Ziele zueinander stehen? Eine Unternehmung verfolgt im Regelfall mehrere Ziele nebeneinander. Diese Ziele sind harmonisch, konflingent oder neutral zueinander: • Bei harmonischen Zielen dient die Erreichung eines Ziels zugleich der Annäherung an ein anderes. Die Ziele verhalten sich komplementär oder identisch. • Bei konflingenten Zielen bedeutet die Erreichung eines Ziels zugleich die Entfernung von einem anderen. Die Ziele verhalten sich konkurrierend oder einander ausschließend. • Bei neutralen Zielen sind die Ziele unabhängig voneinander, die Erreichung eines Ziels hat keinerlei Einfluss auf die Nichterreichung eines anderen. Die Ziele verhalten sich indifferent.

2. Übungsaufgaben zu den Konstitutiven Faktoren der Unternehmung

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2. Übungsaufgaben zu den Konstitutiven Faktoren der Unternehmung 1. Charakterisieren Sie bitte die wesentlichen Merkmale einer Einzelunternehmung. Die Gründung der Einzelunternehmung erfolgt durch den Unternehmer selbst (Eintrag ins Handelsregister). Als Firma kann eine Personen-, Sach-, Fantasieoder gemischte Firma mit zwingendem Zusatz „eingetragener Kaufmann / Kauffrau“, „e.Kfm./e.Kfr.“ geführt werden. Das Eigenkapital wird von einer Person aufgebracht, es gibt dafür keine Mindesthöhe. Es bestehen Einzelgeschäftsführungsbefugnis sowie Einzelvertretungsbefugnis des Einzelunternehmers. Der Unternehmer erhält allein alle Gewinne, muss aber auch allein alle Verluste tragen. Es bestehen keine Gründungsvorschriften und keine Entnahmebegrenzungen für Kapital. Der Alleineigentümer haftet unbeschränkt mit seinem Geschäftsund Privatvermögen. Ein Austritt des Eigentümers bedeutet zugleich die Liquidation der Unternehmung. Die Rechnungslegungsvorschriften sind von Größenkriterien abhängig. Dabei handelt es sich um die Bilanzsumme (> 65 Mio. €), den Nettoumsatz (> 130 Mio. €) und die Arbeitnehmerzahl (> 500). Treffen zwei dieser Kriterien zu, besteht Publizitätspflicht. Die Eigenfinanzierung ist durch das Vermögen des Eigentümers beschränkt. Die Selbstfinanzierung ist durch die Höhe der im Geschäftsbetrieb erzielten Überschüsse bestimmt. Die Fremdfinanzierung ergibt sich durch die Disposition über Gläubiger. 2. Charakterisieren Sie bitte die wesentlichen Merkmale einer Offenen Handelsgesellschaft. Zur Gründung einer Offenen Handelsgesellschaft (oHG) sind mindestens zwei Gesellschafter erforderlich. Der Beginn der Gesellschaft wird im Innenverhältnis durch den Gesellschaftsvertrag festgelegt, im Außenverhältnis, sobald Geschäfte im Namen der oHG getätigt werden bzw. mit ihrem Eintrag ins Handelsregister. Als Firma kann eine Personen-, Sach-, Fantasie- oder gemischte Firma mit zwingendem Rechtsformenzusatz „offene Handelsgesellschaft“, „oHG / OHG“ geführt werden. Das Eigenkapital wird durch die Gesellschafter aufgebracht, dabei ist keine Mindesthöhe der Einlage vorgeschrieben. Art und Höhe der Einlagen richten sich nach dem Gesellschaftsvertrag, falls nicht anders vereinbart, erfolgen Beiträge in gleicher Höhe. Alle Gesellschafter haften unmittelbar, auch für Verbindlichkeiten der anderen Gesellschafter, unbeschränkt mit ihrem Geschäfts- und Privatvermögen sowie gesamtschuldnerisch für alle Geschäftsschulden der Gesellschaft. Es besteht Einzelgeschäftsführungsbefugnis für alle gewöhnlichen Geschäfte bzw. Gesamtgeschäftsführungsbefugnis bei außergewöhnlichen Geschäften. Bei Widerspruch eines Geschäftsführenden Gesellschafters muss ein Geschäftsabschluss unterbleiben. Die Einzelvertretungsbefugnis jedes Gesellschafters ist nach

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Gesetz vorgesehen, durch Vertrag ist auch eine Gesamtvertretung oder Einzelvertretung nur bestimmter Gesellschafter allein oder mit einem Prokuristen möglich. Die Vertretungsmacht gegenüber Dritten ist unbeschränkt und unbeschränkbar, umfasst also alle Rechtsgeschäfte. Die Verteilung des Gewinns ergibt sich nach Vereinbarung im Gesellschaftsvertrag, nach Gesetz sind es 4 % Kapitalverzinsung und der Rest nach Köpfen, bei Verlust jedoch nur nach Köpfen. Die Offene Handelsgesellschaft hat mindestens zwei Eigentümer. Die Gründung ist anmeldepflichtig im Handelsregister (§ 106 HGB). Alle Gesellschafter sind zur Geschäftsführung berechtigt und auch verpflichtet (§ 114 HGB), der Gesellschaftsvertrag kann jedoch eine andere Regelung (Beschränkung / Aufhebung) vorsehen. Nicht-geschäftsführende OHG-Gesellschafter haben dann ein Kontrollrecht (§ 118 HGB). Der Eintritt neuer Gesellschafter ebenso wie der Austritt bestehender ist wegen des intensiven Vertrauensverhältnisses zueinander schwierig. Jedoch ist ein Ausschluss aus dem Gesellschafterkreis möglich (§ 140 HGB). Die Rechnungslegungsvorschriften sind von Größenkriterien abhängig. Dabei handelt es sich um die Bilanzsumme (> 65 Mio. €), den Nettoumsatz (> 130 Mio. €) und die Arbeitnehmerzahl (> 500). Treffen zwei dieser Kriterien zu, besteht Publizitätspflicht. Die Kreditwürdigkeit ist durch zwei oder mehr vollhaftende Gesellschafter vergleichsweise hoch. 3. Charakterisieren Sie bitte die wesentlichen Merkmale einer Kommanditgesellschaft. Zur Gründung einer Kommanditgesellschaft (KG) sind mindestens zwei Gesellschafter erforderlich, davon mindestens ein Komplementär (Vollhafter) und mindestens ein Kommanditist (Teilhafter). Die Gesellschaft beginnt im Innenverhältnis nach Gesellschaftsvertrag, im Außenverhältnis, sobald Geschäfte im Namen der KG getätigt werden bzw. mit ihrem Eintrag ins Handelsregister. Als Firma sind eine Personen-, Sach-, Fantasie- oder gemischte Firma mit zwingendem Rechtsformenzusatz „Kommanditgesellschaft“, „KG“ möglich. Die Aufbringung des Eigenkapitals erfolgt durch die Gesellschafter, wobei keine Mindesthöhe der Einlage vorgeschrieben ist. Art und Höhe der Einlage richten sich nach dem Gesellschaftsvertrag. Alle Komplementäre haften voll, d. h. unmittelbar, auch für die Verbindlichkeiten der anderen Gesellschafter, unbeschränkt mit ihrem Geschäfts- und Privatvermögen sowie gesamtschuldnerisch für alle Geschäftsschulden der Gesellschaft. Alle Kommanditisten haften beschränkt nur mit ihrer Kapitaleinlage (§ 171 HGB). Die Geschäftsführungsbefugnis liegt bei den Komplementären gemeinschaftlich (analog zur oHG), die Kommanditisten sind von der Geschäftsführung ausgeschlossen. Die Vertretungsbefugnis liegt bei den Komplementären gemeinschaftlich (analog zur oHG). Die Verteilung von Gewinnen folgt aus der Vereinbarung im Gesellschaftsvertrag, nach Gesetz sind 4 % Kapitalverzinsung und der Rest in angemessenem Verhältnis vorgesehen, bei Verlust nur nach Köpfen.

2. Übungsaufgaben zu den Konstitutiven Faktoren der Unternehmung

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Die Anmeldung der Gesellschaft erfolgt im Handelsregister (§ 161 HGB). Der Kommanditist ist am Gewinn und Verlust bis zur Höhe seiner Kommanditeinlage beteiligt. Er hat Anspruch auf seinen Gewinnanteil, wenn sein Kapitalanteil nicht durch frühere Verluste aufgezehrt ist (§ 169 HGB). Nach seinem Ausscheiden aus der Gesellschaft haftet er noch für weitere fünf Jahre in Höhe seiner Einlage für die Verbindlichkeiten der KG (§ 159 HGB). Eine Ausnahme besteht, wenn ein Dritter seine Einlage im Wege der Sonderrechtsnachfolge übernimmt und diese im Handelsregister eingetragen ist. Solange die KG noch nicht eingetragen ist, haftet der Kommanditist unbeschränkt, sofern diese mit seiner Zustimmung die Geschäfte aufnimmt (§ 176 HGB). Der Ein- bzw. Austritt bei Kommanditisten ist einfach, vor allem wenn an die Stelle eines ausscheidenden ein neu hinzukommender Gesellschafter tritt. Ein eintretender Kommanditist haftet auch für die Verbindlichkeiten der KG, die vor seinem Eintritt entstanden sind. Der Eintritt und Austritt von Komplementären in die bzw. aus der Gesellschaft ist hingegen schwierig. Die Rechnungslegungsvorschriften sind von Größenkriterien abhängig. Dabei handelt es sich um die Bilanzsumme (> 65 Mio. €), den Nettoumsatz (> 130 Mio. €) und die Arbeitnehmerzahl (> 500). Treffen zwei dieser Kriterien zu, besteht Publizitätspflicht. Sofern die Zahl der Kommanditisten unübersichtlich wird, kann ein Beirat als zusätzliches Gesellschaftsorgan vorgesehen werden. Die Kreditwürdigkeit ist vergleichsweise hoch, vor allem wenn viele Komplementäre zusätzlich zu den Kommanditisten haften. 4. Charakterisieren Sie bitte die wesentlichen Merkmale einer Gesellschaft mit beschränkter Haftung. Zur Gründung einer Gesellschaft mit beschränkter Haftung ist mindestens ein Gründer (Ein-Mann-GmbH) erforderlich. Die Gesellschaft beginnt mit ihrem Eintrag ins Handelsregister. Als Firma ist eine Personen-, Sach-, Fantasieoder gemischte Firma mit zwingendem Rechtsformenzusatz „Gesellschaft mit beschränkter Haftung“, „GmbH“ möglich. Die Kapitalaufbringung erfolgt durch die Gesellschafter. Das Stammkapital beträgt mindestens 25.000 €, die Stammeinlage mindestens 1 €. Eine Sonderform stellt die Haftungsbeschränkte Unternehmergesellschaft (Mini-GmbH) dar. Sie wird mit 1 € Stammkapital gegründet. Die Gewinne werden dann solange einbehalten (thesauriert), bis 25.000 € erreicht sind. Alle Gesellschafter haften nur mit ihrer Geschäftseinlage. Bei über 2.000 Arbeitnehmern ist zusätzlich ein Arbeitsdirektor einzusetzen. Ein Aufsichtsrat ist bei Unternehmen bis 500 Arbeitnehmer nicht notwendig, zwischen 501 – 2.000 Arbeitnehmer besteht er aus mindestens drei Mitgliedern, und zwar 2/3 Gesellschaftervertreter und 1/3 Arbeitnehmervertreter. Bei über 2.000 Arbeitnehmern besteht eine Hälfte des Aufsichtsrats aus Gesellschaftsvertretern, die andere aus Arbeitnehmervertretern. Der Aufsichtsrat hat dann mindestens zwölf Mitglieder. Der Aufsichtsratsvorsitzende hat Doppelstimmrecht bei Patt-Situationen. Der Aufsichtsrat ist zur Bestellung, Überwachung und Abberufung der Geschäfts-

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Übungsaufgaben und Lösungshinweise

führung befugt. Die Geschäftsführung erfolgt durch die Gesellschafter (als Geschäftsführende / r Gesellschafter) oder angestellte Manager. Dabei kann Einzelgeschäftsführungsbefugnis vorgesehen sein. Die Vertretung der Gesellschaft im Außenverhältnis erfolgt durch die Geschäftsführer. Die Ergebnisverteilung ist durch Gesellschaftsvertrag geregelt. Die Gesellschaft beginnt mit der Eintragung in das Handelsregister (§ 7 ­ mbhG). Die Inhalte der Anmeldung sind vorgegeben (§ 8 GmbhG). Die Einlage G kann in Geld- oder Sachform erfolgen, bei Sachgründung ist eine Gründungsprüfung erforderlich (§ 5 GmbHG). Die Gesellschafterversammlung übernimmt die Kontrolle der Geschäftsführung. Jeder Gesellschafter übernimmt eine Stammeinlage von mindestens 100 €. Das Stammkapital muss erhalten bleiben. Es muss zu mindestens 50 % tatsächlich eingezahlt sein. Evtl. besteht bei der GmbH eine unbeschränkte oder beschränkte Nachschusspflicht (Abandonrecht). Der Einund Austritt von Gesellschaftern ist klar geregelt, wenngleich wegen der Formvorschriften aufwändig. Anteile können nur per notariellem Vertrag übertragen werden. Die Rechnungslegungsvorschriften sind von Größenkriterien abhängig. Dabei handelt es sich um die Bilanzsumme (< 3,438 Mio. €), den Nettoumsatz (< 6,875 Mio. €) und die Arbeitnehmerzahl (< 50). Treffen zwei dieser Kriterien zu, handelt es sich um eine kleine Kapitalgesellschaft. Bei einer Bilanzsumme < 13,75 Mio. €, einem Nettoumsatz < 27,5 Mio. € und einer Beschäftigtenzahl 65 Mio. €), den Nettoumsatz (> 130 Mio. €) und die Arbeitnehmerzahl (> 500). Treffen zwei dieser Kriterien zu, besteht Publizitätspflicht. Die Finanzierungsmöglichkeiten sind bei Eigenfinanzierung durch das Vermögen der Gesellschaft beschränkt, bei Selbstfinanzierung durch die Höhe der erzielten Überschüsse und bei Fremdfinanzierung durch die Disposition über Gläubiger. Bei der typischen Stillen Gesellschaft ist der Stille Gesellschafter am Gewinn bzw. ggf. Verlust der Unternehmung beteiligt, nicht jedoch am Vermögen. Seine Haftung ist auf seinen Anteil am Verlust, maximal jedoch auf seine Einlage beschränkt. Er hat im Falle der Insolvenz Gläubigerstatus (§ 236 HGB). Bei der atypischen Stillen Gesellschaft werden dem Stillen Gesellschafter umfangreiche Vermögens- und Kontrollrechte eingeräumt, so dass er als Mitunternehmer zu

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Übungsaufgaben und Lösungshinweise

gelten hat. Er ist am Vermögen, den stillen Reserven und dem Geschäftswert beteiligt. Die Unternehmung wird wie eine Personengesellschaft besteuert. Diese Form ist häufig bei Existenzgründungen zu finden (Business Angels). 7. Charakterisieren Sie bitte die wesentlichen Merkmale einer Gesellschaft mit beschränkter Haftung und Co Kommanditgesellschaft. Die Gesellschaft mit beschränkter Haftung und Co Kommanditgesellschaft (GmbH&CoKG) hat mindestens einen Teilhafter als Kommanditisten und mindestens einen Vollhafter als GmbH-Komplementär. Anstelle des Vollhafters bei der KG, der mit seinem gesamten Vermögen haftet, tritt somit eine GmbH, die aber kraft Rechtsform nur beschränkt mit ihrem Geschäftsvermögen haftet. Die Publizitätspflicht besteht nach § 264 a HGB. Als zusätzliche Gesellschaftsorgane können eine Gesellschafterversammlung und ein Aufsichtsrat vorgesehen werden. Ein Beirat kann gesondert die Interessen der Kommanditisten vertreten. Die Kreditwürdigkeit ist durch die beschränkte Haftung der Gesellschaft weniger gut und als Selbstfinanzierung im Wesentlichen abhängig von den Überschüssen, als Fremdfinanzierung von der Ertragslage bzw. dem Sicherheitspotenzial. 8. Charakterisieren Sie bitte die wesentlichen Merkmale einer Aktiengesellschaft. Die Aktiengesellschaft (AG) hat mindestens einen Gesellschafter als Aktionär (§ 2 AktG). Die Gründung bedarf einer Satzung / eines Gesellschaftsvertrags, die / der notariell zu beurkunden ist. Die Geschäftsführung liegt beim Vorstand, die Kontrolle des Vorstands beim Aufsichtsrat. Das Mindesteigenkapital beträgt 50.000 € (§ 7 AktG). Der Mindestnennbetrag der Aktien beträgt 1 €, möglich sind aber auch Stückaktien, die statt auf einen Geldbetrag auf einen Anteilsprozentsatz lauten. Mindestens 25 % des Grundkapitals müssen eingezahlt sein. Die Aktionäre haften nur mit ihrer Geschäftseinlage. Es besteht keine Nachschusspflicht. Sofern die Aktien börsennotiert sind, ist ein Verkauf / Kauf der Anteilsscheine zum Tageskurs jederzeit problemlos möglich. Die Rechnungslegungsvorschriften sind von Größenkriterien abhängig. Dabei handelt es sich um die Bilanzsumme ( 10 Mio. € Eigenkapital). Diese überbetriebliche Mitbestimmung kann unterlaufen werden, indem Unternehmen jeweils geteilt werden, bevor sie die Größenkriterien, festgemacht an Bilanzsumme, Mitarbeiterzahl und/oder Umsatz, erreichen. Das Mitbestimmungsgesetz der Arbeitnehmer gilt als paritätische Mitbestimmung auch für privatrechtliche Unternehmen mit mehr als 2.000 Arbeitnehmern und für bestimmte KG’s. Der Aufsichtsrat ist hier zu gleichen Teilen von Arbeitgebern und Arbeitnehmern zu besetzen, aber der Aufsichtsratsvorsitzende, der immer von der Kapitalseite gestellt wird, hat ein doppeltes Stimmrecht, das im Zweifel, also bei Stimmengleichheit von Arbeitgeber- und Arbeitnehmerbank, den Ausschlag gibt. Im Aufsichtsrat sind Arbeitnehmervertreter, Gewerkschaftsvertreter, Leitende Angestellte und nicht-leitende Angestellte vertreten. Die Höchstzahl der Mitglieder beträgt 20, davon sieben Belegschaftsvertreter und drei Gewerkschaftsvertreter bei Unternehmen > 20.000 Arbeitnehmern. Für Unternehmen der eisen- und stahlerzeugenden Industrie gilt die erweiterte Montan-Mitbestimmung. Bei europaweit agierenden Unternehmen greift ein Europäischer Betriebsrat. Bei Kapitalgesellschaften sind in diesen Branchen eine paritätische Besetzung des Aufsichtsrats und eine zusätzliche neutrale Person als Aufsichtsratsvorsitzender vorgeschrieben. Für das Ressort Personal und Soziales ist ein Arbeitsdirektor auf Vorstandsebene einzusetzen, der nicht gegen die Stimmen der Arbeitnehmervertreter bestellt bzw. abberufen werden kann. Der Betriebsrat kann mit der Arbeitgeberseite aufgrund von Öffnungsklauseln Betriebsvereinbarungen abschließen, die von Vereinbarungen des Arbeitsver-

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Übungsaufgaben und Lösungshinweise

trags und (Flächen-)Tarifbestimmungen „nach unten“ abweichen, aber immer für alle Arbeitnehmer eines Betriebs gelten müssen. Normalerweise gelten die Bestimmungen, die zwischen dem Tarifvertragsparteien, also Arbeitgeberverband für alle Unternehmen einer Branche und Region sowie Gewerkschaft für alle Arbeitnehmer dieser Branche und Region (Einheitsgewerkschaft) in einem Tarifgebiet („Fläche“) abgeschlossen werden, ohne Ausnahme. Es kann nur „nach oben“, also zugunsten der Arbeitnehmer übertariflich davon abgewichen werden. Allerdings sind diese Bedingungen von Betrieben je nach ihrer wirtschaftlichen Kraft unterschiedlich gut tragbar und können schwächere Betriebe und damit deren Arbeitsplätze in ihrer Existenz gefährden. Dies soll durch Öffnungsklauseln verhindert werden, d.h., auf betrieblicher Ebene können mit Zustimmung des Betriebsrats auch nach unten abweichende Regelungen getroffen werden. Diese Vereinbarungen sind nur mit Zustimmung der Gewerkschaft gültig. Wo diese Flexibilität nicht möglich ist, treten Unternehmen vermehrt aus dem Arbeitgeberverband aus (negative Koalitionsfreiheit) und treffen mit Betriebsräten individuelle Vereinbarungen, die oft genug von Gewerkschaften missbilligt werden.

3. Übungsaufgaben zum Gesamtwirtschaftlichen Rahmen der BWL

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3. Ü  bungsaufgaben zum Gesamtwirtschaftlichen Rahmen der BWL 1. Welche Leitlinien kennzeichnen das Prinzip der Sozialen Marktwirtschaft? Die Soziale Marktwirtschaft ist vor allem durch folgende Leitlinien gekennzeichnet. Es herrscht marktwirtschaftlicher Wettbewerb unter Beachtung staatlich festgesetzter Wettbewerbsregeln, vor allem im GWB. Die Anbieter verfolgen das erwerbswirtschaftliche Prinzip. Es gilt Privateigentum an den Produktionsmitteln, wobei Einschränkungen durch weit verbreitete Mitbestimmung und sehr stark restringierte Enteignung gegeben sind. Die Sozialbindung des Eigentums bedeutet, dass Eigentum dem Wohle der Allgemeinheit dienen soll. Der Staat unterstützt diese Aktivitäten mit dem Ziel der Stabilitäts-, Vollbeschäftigungs-, Wachstums- und Gleichgewichtspolitik. Dadurch soll ein Ausgleich zwischen sozialstaatlicher Absicherung und individueller Verantwortung erreicht werden. Es gilt die Tarifautonomie der Sozialpartner. Bei Entscheidungen ist immer zwischen den berechtigten Interessen des Einzelnen und den Anliegen der Gesellschaft abzuwägen. 2. Welches sind die Eckpfeiler der Sozialen Marktwirtschaft? Die Eckpfeiler der Sozialen Marktwirtschaft sind folgende: • Freiheit des Wettbewerbs, d. h. keine staatlichen Interventionen in die Preisbildung und offene Märkte, auch für ausländische Anbieter (Wettbewerb als gesamtwirtschaftlicher Steuerungsmechanismus), • Privateigentum an Produktionsfaktoren, verbunden mit einer strikten Haftung für die Folgen der Verwendung dieses Eigentums (Problem bei managementgeführten Unternehmen), • Soziale Mindestsicherung und staatliche Umverteilungspolitik, um die Tendenz des Marktprozesses zur Einkommens- und Vermögenskonzentration auszugleichen, • erwerbswirtschaftliches Prinzip, d. h. Intention jedes wirtschaftlichen Handelns ist die Gewinnerzielung bzw. Nutzenmaximierung für die beteiligten Akteure, • Autonomie, d. h., die Akteure sind innerhalb der gesetzlichen Grenzen frei in der Wahl ihrer Handlungsoptionen. 3. Welches grundlegende Prinzip verfolgt die Soziale Marktwirtschaft? Im Kern handelt es sich um eine Marktwirtschaft, deren immanente Effizienz bewusst durch Regulierungen vermindert wird, um dadurch soziale Härten abzufedern. Dies erfolgt durch eine staatliche Umverteilung von den Besserverdie-

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Übungsaufgaben und Lösungshinweise

nenden auf die sozial Bedürftigen durch Steuern und Abgaben bzw. Subventionen und Zuwendungen, die jedoch ihrerseits nicht aufwandslos zu bewerkstelligen ist und damit Einkommen verzehrt, das somit zur Umverteilung fehlt. Kennzeichen der (reinen) Marktwirtschaft sind u. a. die Gewerbefreiheit, die Niederlassungsfreiheit, die Vertragsfreiheit, die Koalitionsfreiheit, dezentrale Pläne etc. Die soziale Marktwirtschaft strebt einen Ausgleich der Interessen an. Wichtige Elemente sind daher u. a. Gewerkschaften, Arbeitgeberverbände, Selbstverwaltungseinrichtungen wie Kammern etc. 4. Welche Instrumente dienen zur Erhaltung eines funktionsfähigem Wettbewerbs? Ein funktionsfähiger Wettbewerb als Leitbild der deutschen Wettbewerbspolitik muss angesichts marktwirtschafts-immanenter Konzentrationstendenzen durch das Kartellgesetz (GWB) geschützt werden. Wesentliche Inhalte des Kartellgesetzes sind: • generelles Kartellverbot, allerdings mit zahlreichen Bereichsausnahmen (anmeldepflichtige / genehmigungspflichtige Kartelle), • Missbrauchsaufsicht über marktbeherrschende Unternehmen, damit diese sich so am Markt verhalten wie es der Fall wäre, wenn sie nicht marktbeherrschend wären (problematische „Als ob“-Fiktion), • Fusionskontrolle bei marktbeherrschenden Unternehmen, in der Konsequenz jedoch nicht bis zur schlüssigen Entflechtung. 5. Welches Ziel verfolgt die Wettbewerbspolitik und durch welche dynamische Phasenabfolge wird dies gefördert? Ziel der Wettbewerbspolitik ist die aktive Förderung des Wettbewerbs als Prozess schöpferischer Zerstörung (nach Schumpeter). Wirtschaftlicher Fortschritt wird danach erreicht, indem initiative Anbieter mit Neuerungen vorpreschen (Challenge-Phase) und dadurch eine vorübergehende Monopolstellung einnehmen. Diese erlaubt es ihnen, ihre Investitionen über die Neuerungen am Markt zurück zu verdienen und außerdem eine Risikoprämie einzustreichen. Dadurch werden nachahmende Anbieter (Response-Phase) angereizt, mit eigenen Neuerungen nachzuziehen oder ihrerseits sogar vorzupreschen. Auf diese Weise steigt das gesamtwirtschaftliche Leistungsniveau, jedoch nicht unbedingt der gesellschaftliche Wohlstand, auf eine immer höhere Ebene. Letztlich kommt es auf eine Optimierung der Fristen aus Vorstoß und Verfolgung an. Ist diese Frist zu lang, entstehen unbotmäßige Monopolstellungen, ist sie zu kurz, fehlt es an Anreizen zum Eingehen des Risikos durch Innovation. Die Abfolge wird durch Gewerbliche Schutzrechte und ihre Ausschließlichkeitsrechte dargestellt. Wichtig ist daher, dass diese nicht durch Piraterie unterlaufen werden.

3. Übungsaufgaben zum Gesamtwirtschaftlichen Rahmen der BWL

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6. Welche Vorkehrungen in der Sozialen Marktwirtschaft tragen dazu bei, den Sozialen Frieden zu sichern? Der Soziale Friede setzt eine materielle Grundversorgung aller Bürger, deren angemessene Teilhabe am gesellschaftlichen Leben und eine als gerecht empfundene Verteilung des Wohlstands voraus. Zur Gewährleistung bedient sich der Staat der Instrumente der Sozialpolitik wie z. B. Kündigungsschutz, Verbot von Kinderarbeit, Mutterschutz, Arbeitszeitordnung, betriebliche Mitbestimmungsrechte. Angesichts internationalen Wettbewerbsdrucks resultieren daraus jedoch nationalstaatlich nennenswerte Konkurrenznachteile mit der Folge einer Standortproblematik. Bedeutsam für den sozialen Frieden ist die Autonomie der Tarifparteien, die frei von staatlichen Eingriffen und im Rahmen der Gesetze miteinander arbeitsmarktrelevante Vereinbarungen treffen können, und zwar überbetrieblich oder eingeschränkt auch betrieblich. Allerdings erfolgt ein Systemeingriff durch Mindestlöhne / derzeit 8,84 €/Std. Hinzu kommen gesetzliche Pflichtversicherungen, die im Falle der Arbeitslosigkeit, der Krankheit, des Ruhestands, des Unfalls oder der Pflege eingreifen. Allerdings werden deren Pflichtleistungen zunehmend, etwa durch Migration, ausgehöhlt. 7. Was versteht man unter „gerechter Einkommens- und Vermögensverteilung“? Was als „gerechte Einkommens- und Vermögensverteilung“ anzusehen ist, bleibt durchaus strittig, denn möglicherweise ist der höhere Kontostand Vermögender nicht Zufall oder Ergebnis manipulativer Energien, sondern Resultat höherer Leistungsbereitschaft und -fähigkeit. Dann aber muss diesem Personenkreis die Chance gegeben werden, egoistisch von ihrer Motivation und Qualifikation zu profitieren, denn nur dann partizipiert auch die Gemeinschaft daran. Ansonsten besteht die Gefahr, dass dieser Personenkreis die Leistung verweigert, in die Schattenwirtschaft oder ins Ausland abwandert, so dass deren Wertschöpfung im Bruttoinlandsprodukt fehlt. Bei den Verteilungsempfängern handelt es sich im Wesentlichen um Mitarbeitende durch Lohn-/Gehalts-/Zusatzleistungszahlungen, Fremdkapitalgeber als Kreditinstitute / Fonds durch Zins- und Tilgungsleistungen sowie Eigenkapitalgeber als Anteilseigner durch Zinsen und Wertsteigerungen. Der Zusatz „gerecht“ muss aber operationalisiert werden und kann sich vor allem auf die Leistungsgerechtigkeit oder die Bedarfsgerechtigkeit beziehen. 8. Was versteht man unter „Preisniveaustabilität“? In Boomzeiten ist allgemein eine inflationäre und in Rezessionszeiten eine deflationäre Preisentwicklung zu verzeichnen, beide wirken ihrerseits wiederum prozyklisch. Lohnsteigerungen, die von den Tarifparteien vereinbart werden oder aus Lohnnebenkostenbestandteilen herrühren, führen immer wieder zur Weiterwälzung im Güterpreis, so dass die reale Kaufkraft weitgehend unverändert

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Übungsaufgaben und Lösungshinweise

bleibt („Geldillusion“). In vielen Bereichen sind jedoch tatsächlich deflatorische Tendenzen zu beobachten (z. B. Unterhaltungselektronik, Telekommunikation, Computer), denen wirtschaftspolitisch weitaus schwieriger zu begegnen ist, da man Konsum / Investition ordnungspolitisch zwar begrenzen, nicht aber erzwingen kann. Die gefühlte Inflationsrate weicht zudem von der tatsächlichen nach oben ab, weil Produkte mit hoher Preissteigerungsrate (z. B. Miete, Gebühren, Energie) häufig eine höhere Transaktionsfrequenz aufweisen als solche mit niedrigerer und daher in der Wahrnehmung in den Vordergrund treten. Auf europäischer Ebene wird eine leichte Inflationsrate für erstrebenswert erachtet, um das Wachstum anzukurbeln und die Staatsschulden zu entwerten. Ob dies funktional ist, darf durchaus bezweifelt werden. 9. Wie ist gesamtwirtschaftliches Wachstum als Ziel zu bewerten? Ob ein quantitatives Wachstum zugleich von einem Anstieg des qualitativen Wohlstands begleitet werden kann, wird immer fraglicher. Zumal auch konkrete Wachstumsgrenzen erkennbar sind, vor allem in der Verfügbarkeit nicht-regenerativer Energiequellen. Tatsächlich führt Wachstum eher zu einer Vergrößerung der Lücke zwischen arm und reich. Dies gilt erst recht im internationalen Querschnittvergleich (Nord-Süd-Gefälle). Die Konsequenz ist eine massive Migrationsbewegung, vor der sich die Zuwanderungsländer durch Abschottung zu schützen bemühen. Die Folgen sind unabsehbar. 10. Wie ist das wirtschaftspolitische Ziel des außenwirtschaftlichen Gleichgewichts zu bewerten? Zu den zentralen Zielen der Wirtschaftspolitik gehört die Erreichung des außenwirtschaftlichen Gleichgewichts. Deutschland ist als eines der exportintensivsten Länder weit von diesem Ziel entfernt. Letztlich bedeutet ein erheblicher Exportüberschuss den Abbau ausländischer Arbeitsplätze, denn für das, was im Inland erzeugt und anschließend exportiert wird, braucht man im dies importierenden Ausland keine Produktionsfaktoren. Zugleich folgt daraus eine erhebliche Abhängigkeit von der weltwirtschaftlichen Konjunktur und der Wechselkursentwicklung außerhalb der EU. 11. W  ie stellt sich das gesamtwirtschaftliche Ziel der Vollbeschäftigung dar? Vom Ziel der Vollbeschäftigung hat sich die Wirtschaftsrealität weit entfernt. Abgesehen von der unvermeidlichen Sockelarbeitslosigkeit der Arbeitsunwilligen und der vorübergehenden Fluktuationsarbeitslosigkeit zwischen zwei Beschäftigungsverhältnissen ist ein hohes Maß an Langzeitarbeitslosigkeit, vor allem bei Geringqualifizierten, entstanden, das kaum mehr abbaubar scheint. Tatsächlich ist in der deutschen Volkswirtschaft aber nach wie vor mehr als genug Arbeit vor-

3. Übungsaufgaben zum Gesamtwirtschaftlichen Rahmen der BWL

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handen, wie das Ausmaß der Schwarzarbeit beweist, nur nicht zum durch die Tarifparteien sanktionierten Preis (Lohnniveau), so dass wohl eine grundsätzliche Entscheidung zu treffen ist zwischen gewollter Arbeitslosigkeit immer größerer Teile der Bevölkerung und gleichzeitig steigenden Einkommen des Restes oder Abstrichen an weiteren Einkommensverbesserungen bei Erwerbstätigen und gleichzeitig sinkenden Arbeitslosenzahlen. Allerdings enthalten die offiziellen Arbeitslosenzahlen zahlreiche Fälle nicht, so Personen in Maßnahmen für berufliche Eingliederung / Weiterbildung / Sprachkurse, Arbeitsbeschaffungsmaßnahmen, 1 €-Jobs, Bürgerarbeit, Vorruhestand / Altersteilzeit/58-er Regelung, Kurzarbeit etc. 12. Welche Aufgaben kommen der Strukturpolitik zu? Die Strukturpolitik nimmt auf die Allokation der gesamtwirtschaftliche Produktionsfaktoren Boden, Arbeit und Kapital Einfluss, indem sie durch hoheitliche Eingriffe, vor allem Steuererleichterungen und Subventionen bzw. Auflagen und Abgaben, auf die gesamtwirtschaftliche Struktur einwirkt. Damit aber wird die effiziente Steuerung über den Markt durch ineffiziente zentralverwalterische Elemente verdrängt. Dies ist bedauerlich, da der Markt die Intelligenz aller dort aktiven Teilnehmer repräsentiert und niemand, so schlau er oder seine Gruppe auch immer einzeln sein mögen, schlauer ist als alle (und damit schlauer als der Markt), sofern Missbrauch verhindert werden kann. Insofern ist der Staat aufgefordert, deutliche „Leitplanken“ i. S. e. Gleichwertigkeit der Lebensbedingungen im Raum vorzugeben, nicht aber selbst zu agieren. 13. Was versteht man unter Marktversagen und wodurch entsteht dieses? Marktversagen bedeutet, dass Angebot und Nachfrage zu keiner effizienten Ressourcenallokation führen. Gründe dafür sind etwa folgende. Natürliche Monopole sind solche, die auf marktimmanente Faktoren zurückzuführen sind, wie z. B. Standortlimitationen. (Negative) Externalitäten entstehen, wenn Dritte anderweitig nicht kompensierte Folgen ökonomischen Handels anderer zu tragen haben, wie z. B. Umweltkosten. Öffentliche Güter zeichnen sich dadurch aus, dass niemand von der Nutzung eines Gutes ausgeschlossen werden kann und eine vorhandene Nutzung andere Nutzungsmöglichkeiten nicht ausschließt. Gesellschaftliche Ressourcen werden bis zur individuellen Sättigungsmenge genutzt, da sie keinen Preis haben (Allmende). Informationsasymmetrien führen zu suboptimalen Entscheidungen der Marktakteure. 14. Was versteht man unter Bruttoinlandsprodukt? Unter Bruttoinlandsprodukt versteht man den Gesamtwert der innerhalb von Landesgrenzen erbrachten Wertschöpfung als Maß für die ökonomische Leistung

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Übungsaufgaben und Lösungshinweise

einer Volkswirtschaft. Die reale Veränderung des Bruttoinlandsprodukts entspricht dem Wirtschaftswachstum. Das Bruttoinländerprodukt misst demgegenüber die Gütermenge, die mit inländischen Produktionsfaktoren erzeugt wurde, auch wenn dies im Ausland erfolgte. 15. W  elche Arten von Arbeitslosigkeit können unterschieden werden? Bei der Arbeitslosigkeit können im Einzelnen vier Arten unterschieden werden. Die friktionelle Arbeitslosigkeit ist eine kurzfristige, zwischen zwei Arbeitsverhältnissen. Die saisonale Arbeitslosigkeit ist von unterjährigen Veränderungen abhängig. Die konjunkturelle Arbeitslosigkeit ist auf einen Rückgang der gesamtwirtschaftlichen Güterproduktion zurückzuführen. Und die strukturelle Arbeitslosigkeit entsteht durch Ungleichgewichte zwischen angebotenen und nachgefragten Arbeitsleistungen.

4. Übungsaufgaben zum Privatrechtlichen Rahmen der BWL

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4. Übungsaufgaben zum Privatrechtlichen Rahmen der BWL 1. Was versteht man unter einer Firma und welche Firmengrundsätze gelten im Wesentlichen? Die Firma eines Kaufmanns (Handelsfirma) ist der Name, unter dem dieser seine Geschäfte betreibt und die Unterschrift abgibt. Ein Kaufmann kann unter seiner Firma klagen und verklagt werden. In diesem Zusammenhang gelten folgende Firmengrundsätze: • Firmenöffentlichkeit bedeutet, dass jeder Kaufmann verpflichtet ist, seine Firma und seinen Geschäftssitz zur Eintragung in das Handelsregister anzumelden. • Firmenklarheit bedeutet, dass die Firma zur Kennzeichnung des Kaufmanns geeignet sein muss. • Firmenausschließlichkeit bedeutet, dass die Firma sich eindeutig von allen anderen am gleichen Ort bestehenden Firmen unterscheiden muss. • Firmenwahrheit bedeutet, dass keine Angaben enthalten sein dürfen, die geeignet sind, über wesentliche geschäftliche Verhältnisse irrezuführen. • Firmenbeständigkeit bedeutet, dass bei Übernahme eines Geschäfts die bisherige Firma, auch wenn sie den Namen des bisherigen Geschäftsinhabers enthält, mit oder ohne Beifügung eines das Nachfolgeverhältnis anzeigenden Zusatzes fortgeführt werden darf, wenn dafür von diesem die Erlaubnis besteht. Auch wenn ein Gesellschafter neu aufgenommen wird oder ein bestehender ausscheidet, kann die bisherige Firma beibehalten werden. Die Firma kann nicht ohne das Handelsgeschäft, für das sie geführt wird, veräußert werden (anders als bei Domains). 2. Welche Aufgaben kommen dem Handelsregister zu? Das Handelsregister ist ein lokales Register, in dem alle Kaufleute, die am Ort ihren Geschäftssitz haben, erfasst werden. Es wird vom zuständigen Amtsgericht am Ort elektronisch geführt. Alle Unterlagen sind elektronisch beim Registergericht einzureichen, dazu ist eine Beglaubigung durch einen Notar erforderlich. Die Einsichtnahme in das Handelsregister und die dort eingereichten Dokumente ist für Jedermann zu Informationszwecken möglich. Eingetragen werden u. a. • die Firma und der Name des Eigentümers bzw. die Namen der Gesellschafter sowie die Rechtsform, der Geschäftssitz, der Gegenstand der Unternehmung, die Höhe des gezeichneten Kapitals, die Mitglieder der Geschäftsführung bzw. des Vorstands, die Erteilung und Löschung von Prokura, die Eröffnung eines Insolvenzverfahrens und die Liquidation.

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Übungsaufgaben und Lösungshinweise

Das Handelsregister besteht aus den Abteilungen HRA für Einzelunternehmen und Personengesellschaften sowie HRB für Kapitalgesellschaften. Die Eintragung wirkt rechtsbekundend (deklatorisch), sofern Tatsachen eingetragen werden, die vorher schon rechtsgültig waren, sie wirkt konstitutiv (rechtserzeugend), sofern die Rechtswirkung erst durch die Eintragung entsteht. 3. Was versteht man unter Prokura und welche Arten von Prokuren gibt es? Die Prokura ermächtigt zur Vornahme aller Arten gerichtlicher und außergerichtlicher Geschäfte und Rechtshandlungen, die der Betrieb eines Handelsgewerbes für gewöhnlich mit sich bringt. Ausgenommen sind die Unterschrift unter Bilanzen und Steuererklärungen, die Auflösung, Veränderung oder Veräußerung der Unternehmung, die Beantragung des Insolvenzverfahrens, die Aufnahme neuer Gesellschafter und die Erteilung von Unterprokuren. Bei Einzelprokura ist eine Person allein berechtigt, die Vollmacht in vollem Umfang auszuüben. Bei Gesamtprokura sind nur zwei oder mehr Personen berechtigt, die Vollmacht gemeinsam auszuüben. Bei Filialprokura beschränkt sich die Vollmacht auf den Geschäftsbereich einer Filiale bzw. Niederlassung. Die Prokuraerteilung muss ausdrücklich vom Geschäftsinhaber persönlich, wenngleich ansonsten formfrei, vorgenommen und in das Handelsregister eingetragen werden (deklaratorisch). Sie erlischt bei Widerruf, Auflösung des Dienstvertrags und Auflösung oder Verkauf des Geschäfts, nicht hingegen bei Tod des Geschäftsinhabers. Sie bleibt bis zur Streichung im Handelsregister nach außen hin gültig. Prokuristen unterzeichnen mit ppa. (per Prokura). 4. Was versteht man unter einer Handlungsvollmacht und welche Arten von Handlungsvollmachten gibt es? Eine Handlungsvollmacht ist jede von einem Kaufmann im Rahmen seines Geschäftsbetriebs erteilte Vollmacht, die nicht eine Prokura ist. Man unterscheidet die Generalhandlungsvollmacht, die zu allen Rechtshandlungen ermächtigt, die im Rahmen des betreffenden Handelsgewerbes üblich sind. Die Arthandlungsvollmacht erstreckt sich nur auf bestimmte, regelmäßig anfallende Geschäftsvorfälle, Handlungen außerhalb dieser Norm sind jedoch nicht ermächtigt. Die Spezialhandlungsvollmacht ermächtigt nur zur Vornahme einzelner Rechtsgeschäfte, sobald diese abgewickelt sind, erlischt sie wieder. Die Erteilung der Vollmacht ist an keine Form gebunden, sie kann auch konkludent erfolgen. Handlungsbevollmächtigte unterzeichnen mit i. A. (im Auftrag) oder weitergeleitet mit i. V. (in Vertretung).

4. Übungsaufgaben zum Privatrechtlichen Rahmen der BWL

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5. Welche Arten von Kaufleuten unterscheidet das HGB? Das HGB unterscheidet folgende Formen von Kaufleuten: • Istkaufmann ist, wer ein Handelsgewerbe gem. § 1 HGB betreibt. • Formkaufmann ist, wer als Personengesellschaft, Kapitalgesellschaft oder Genossenschaft mit einem kaufmännisch eingerichteten Geschäftsbetrieb agiert. • Kannkaufmann ist, wer zwar ein Handelsgewerbe betreibt, aber keinen kaufmännisch eingerichteten Geschäftsbetrieb unterhält, dafür jedoch im Handelsregister eingetragen ist. • Fiktivkaufmann ist, wer zwar noch im Handelsregister eingetragen, aber schon nicht mehr mit einem Handelsgewerbe aktiv ist. • Scheinkaufmann ist, wer wie ein Kaufmann auftritt, ohne ein solcher zu sein. Er hat sich wie ein Istkaufmann behandeln zu lassen. 6. Recherchieren Sie bitte, welche Merkmale einem Handelsvertreter zukommen. Der Handelsvertreter ist ein selbstständiger Gewerbetreibender, der ständig damit betraut ist, für einen anderen Unternehmer Geschäfte zu vermitteln oder in dessen Namen abzuschließen. Der Handelsvertreter kann seine Tätigkeit im Rahmen seines Vertrags frei gestalten und seine Arbeitszeit selbst bestimmen. Zu den Pflichten des Handelsvertreters gehört es, sich um die Vermittlung und den Abschluss von Geschäften zu bemühen und dabei das Interesse der vertretenen Unternehmung zu wahren. Dem Handelsvertreter kann ein bestimmter Bezirk oder Abnehmerkreis zugewiesen werden. Der Unternehmer hat dem Handelsvertreter eine Provision für alle Geschäfte zu zahlen, die während seines Vertragsverhältnisses abgeschlossen worden und auf sein Tätigwerden zurück zu führen sind. Ein solcher Provisionsanspruch kann auch nach Beendigung des Vertragsverhältnisses bestehen. In jedem Fall besteht dann Anspruch auf Zahlung eines angemessenen Ausgleichs, wenn der Unternehmer aus der Geschäftsbeziehung mit Kunden, die der Handelsvertreter angeworben hat, einen erheblichen wirtschaftlichen Vorteil zieht oder die Ausgleichszahlung dem Prinzip der Billigkeit entspricht (§§ 84 ff. HGB). 7. Welche Inhalte umfasst das Gebrauchsmusterrecht? Das Gebrauchsmusterrecht schützt Erfindungen, die neu sind, auf einem erfinderischen Schritt beruhen und gewerblich anwendbar sind. Der Gegenstand eines Gebrauchsmusters gilt als neu, wenn er nicht zum Stand der Technik gehört. Der Stand der Technik wiederum umfasst alle Kenntnisse, die vor dem für den Zeitrang der Anmeldung maßgeblichen Tag durch schriftliche Beschreibung oder durch eine im Geltungsbereich des Gesetzes erfolgte Benutzung der Öffent-

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Übungsaufgaben und Lösungshinweise

lichkeit zugänglich gemacht worden sind. Entspricht die Anmeldung den formalen Anforderungen, verfügt das Patentamt die Eintragung in das Register für Gebrauchsmuster. Eine Prüfung des Gegenstands der Anmeldung auf Neuheit, erfinderischen Schritt und gewerbliche Anwendbarkeit findet nicht statt. Danach ist allein der Inhaber befugt, den Gegenstand des Gebrauchsmusters zu benutzen. Jedem Dritten ist es hingegen verboten, ohne seine Zustimmung ein Erzeugnis, das Gegenstand des Gebrauchsmusters ist, herzustellen, anzubieten, in Verkehr zu bringen oder zu gebrauchen oder zu den genannten Zwecken entweder einzuführen oder zu besitzen. Das Gebrauchsmuster läuft max. zehn Jahre, sofern die entsprechenden Gebühren für die Aufrechterhaltung gezahlt worden sind. 8. Recherchieren Sie bitte, welche Gründe für einen Wechsel der Rechtsform ursächlich sein können und wie dieser vollzogen werden kann. Für einen Wechsel der Rechtsform einer Unternehmung können interne oder externe Gründe ursächlich sein. Als interne Gründe sind vor allem folgende zu nennen: • Ein bisheriger Teilhaber scheidet aus dem Gesellschafterkreis aus. Für ihn gibt es keinen Nachfolger. Dadurch verschieben sich die Eigentumsanteile und machen eine Neuordnung erforderlich. • Ein neuer Teilhaber steigt in den Gesellschafterkreis ein. Für ihn gab es keinen Vorgänger. Dabei sind die Interessen des hinzukommenden Teilhabers in Bezug auf Führung, Haftung etc. zu berücksichtigen. • Der / die Eigentümer hat / haben den Wunsch nach einer Beschränkung des Haftungsrisikos. Dann bietet sich ein Wechsel von einer Personen- in eine Kapitalgesellschaft an. • Es besteht die Absicht zur Erweiterung der Kapitalbasis durch Aufnahme neuer Gesellschafter. Dies erfordert womöglich, jedoch nicht notwendig, eine Kapitalmarktnotierung (AG). Als externe Gründe sind etwa folgende zu nennen: • Es bestehen Rechtsänderungen im Gesellschaftsrecht, z. B. in Bezug auf die Haftung. Diese bewegen den / die Inhaber dazu, die Rechtsform zu wechseln. • Es bestehen Rechtsänderungen im Arbeitsrecht, z. B. in Bezug auf die Mitbestimmung. Dies trifft bei Überschreiten „kritischer“ Grenzwerte (Umsatz, Bilanzsumme, Mitarbeiterzahl) zu. • Es bestehen Rechtsänderungen in der Unternehmensbesteuerung. Dann geht es um eine legale Minimierung der Steuerlast. • Es bestehen Änderungen in Bezug auf mögliche Rechtsformen, z. B. durch neue „europäische“ Rechtsformen, die eine bessere Verwirklichung der Unternehmensziele erlauben.

4. Übungsaufgaben zum Privatrechtlichen Rahmen der BWL

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Der Rechtsformenwechsel selbst kann auf zwei Wegen vollzogen werden: • Bei der formellen Liquidation der bisherigen Unternehmung gehen deren Vermögensgegenstände und Schulden im Wege der Einzelübertragung auf die neue Unternehmung über. Probleme entstehen durch Bewertungsunklarheiten und Auflösung stiller Reserven. • Bei der Umwandlung folgt die neue Unternehmung der alten im Wege der Gesamtrechtsnachfolge nach. Es kann daher darauf verzichtet werden, die einzelnen Vermögens- und Schuldenpositionen zu ermitteln und zu übertragen. 9. Was versteht man unter einem Rechtsgeschäft? Ein Rechtsgeschäft besteht meist aus zwei oder mehreren Willenserklärungen, die übereinstimmen. Sie begründen einen Vertrag. Überwiegend reichen mündliche Willenserklärungen aus, eine Schriftform des Vertrags ist aber ratsam. Zur Erhärtung dienen die öffentliche Beglaubigung der Unterschrift oder die materielle Beurkundung des Inhalts. Rechtsgeschäfte können auch einseitig ausgelegt sein (z. B. Kündigung, Bürgschaft, Mahnung, Testament). Nichtige Rechtsgeschäfte entstehen durch Beteiligung Geschäftsunfähiger, beschränkt Geschäftsfähiger, durch Scheingeschäfte, bei Formmängeln, bei Verstoß gegen die guten Sitten oder gesetzliche Verbote. Anfechtbare Rechtsgeschäfte entstehen bei Inhaltsirrtum, Übermittlungsfehlern, arglistiger Täuschung, Drohung etc. Schwebend unwirksame Rechtsgeschäfte bedürfen der Genehmigung durch Dritte und sind solange unwirksam wie z. B. bei Vertretung ohne Vollmacht, Verfügung eines Nichtberechtigten, Vertrag mit Minderjährigen. 10. W  as versteht man unter Rechtsfähigkeit? Voraussetzung für das Eingehen von Rechten und die Erfüllung von Pflichten ist die Rechtsfähigkeit einer Person. Natürliche Personen sind Menschen und Personenvereinigungen (z. B. Personengesellschaften), juristische Personen sind Vermögensmassen (z. B. Kapitalgesellschaften). Die Rechtsfähigkeit natürlicher Personen beginnt mit der Vollendung ihrer Geburt und endet mit dem Eintritt ihres Todes, die Rechtsfähigkeit juristischer Personen beginnt mit Vollzug der Gründung und endet mit Abschluss der Auflösung. 11. W  as versteht man unter Geschäftsfähigkeit? Die Geschäftsfähigkeit von Personen erlaubt die Abgabe bzw. Entgegennahme rechtsgeschäftlicher Willenserklärungen. Unbeschränkt geschäftsfähig sind Personen, die das 18. Lebensjahr vollendet haben, beschränkt geschäftsfähig sind Personen zwischen dem 7. und dem 18. Lebensjahr, geschäftsunfähig sind Per-

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Übungsaufgaben und Lösungshinweise

sonen bis zum 7. Lebensjahr und dauernd Geisteskranke. Die Willenserklärung eines Geschäftsunfähigen ist nicht gültig, die Willenserklärung eines beschränkt Geschäftsfähigen bedarf i. d. R. der Zustimmung dessen gesetzlichen Vertreters, die Willenserklärung eines unbeschränkt Geschäftsfähigen ist hingegen regelmäßig voll rechtswirksam. 12. Was versteht man unter einer Willenserklärung? Grundlage für jegliche Rechtsgeschäfte ist die Willenserklärung. Diese kann mündlich, schriftlich oder durch schlüssiges Handeln (konkludent) ausgedrückt werden. Einseitige Rechtsgeschäfte entstehen durch Willenserklärung nur einer Person, diese können empfangsbedürftig oder nicht empfangsbedürftig sein. Mehrseitige Rechtsgeschäfte entstehen durch Willenserklärungen von zwei oder mehr Personen. Dabei können das Verpflichtungsgeschäft, d. h. die Pflicht zu einer Rechtsänderung durch Antrag (Seite) und Annahme (Gegenseite), und das Verfügungsgeschäft, d. h. die Rechtsübertragung durch Erfüllung (Gegenseite) und Abnahme (Seite), unterschieden werden. 13. Wie ist die juristische Gültigkeit von Rechtsgeschäften einzuschätzen? Rechtsgeschäfte können formfrei abgeschlossen werden oder aber einem Formzwang unterliegen, z. B. schriftlich, wie beim Testament, elektronisch, öffentlich beglaubigt (nur in Bezug auf die Unterschrift, nicht hingegen den Inhalt) oder notariell beurkundet (in Bezug auf den Inhalt und die Unterschrift, z. B. beim Gründstückskauf). Wird ein gesetzlich vorgeschriebener Formzwang nicht beachtet, ist das Rechtsgeschäft nichtig. Weitere Gründe für die Nichtigkeit eines Rechtsgeschäfts sind u. a.: • Willenserklärungen von Geschäftsunfähigen, • Willenserklärungen im Zustand vorübergehender Störung der geistigen Fähigkeiten (z. B. Trunkenheit), • Willenserklärungen, die nur zum Schein abgegeben werden (z. B. zur Gesetzesumgehung), • Rechtsgeschäfte, die gegen ein gesetzliches Verbot verstoßen, • Rechtsgeschäfte, die gegen die guten Sitten verstoßen. Außerdem können Rechtsgeschäfte im Zweifel angefochten werden. Anfechtungsgründe sind u. a.: • Irrtum in der Erklärung (aus Versehen), • Irrtum in der Übermittlung (fehlerhafte Übertragung), • Irrtum über wesentliche Eigenschaften der Person oder Sache (z. B. Prospekthaftung). Nicht anfechtbar ist hingegen ein Irrtum im Motiv.

4. Übungsaufgaben zum Privatrechtlichen Rahmen der BWL

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14. Welche Gewerblichen Schutzrechte gibt es? Das Patent ist der Rechtsschutz für die gewerbliche Verwertung von Ideen, die auf einer erfinderischen Überhöhung beruhen, gewerblich nutzbar sind und vor allem neu. Die Schutzdauer beträgt 20 Jahre, die Verwertung dieses Rechts kann selbst, durch Veräußerung, Vererbung oder Nutzungsüberlassung (Lizenz) erfolgen. Das Gebrauchsmuster ist der Rechtsschutz für Ideen, die eine erfinderische Überhöhung nicht erreichen, dennoch aber neu und gewerblich nutzbar sind. Die Schutzdauer beträgt hierbei zehn Jahre. Das Geschmacksmuster schützt schöpferische Gestaltungen, die neu und eigentümlich sind. Die Schutzdauer beträgt 25 Jahre. Der Markenschutz betrifft die Kennzeichnung von Sach- und Dienstleistungen, die diese zur Nachfrageseite hin profilieren und zum Mitbewerb hin differenzieren. Die Schutzdauer beträgt zunächst zehn Jahre, kann aber ggf. beliebig verlängert werden. Gütezeichen dienen demgegenüber nur dem Ausweis einer bestimmten Warenqualität und gelten für mehrere Anbieter gemeinsam (z. B. Umweltsiegel, Country of Origin). Geistiges Eigentum unterliegt der Entwertung durch Kopisten (Piraterie). Daher ist der Gewerbliche Rechtsschutz hier de jure stark ausgeprägt, wenngleich de facto schwierig durchsetzbar. Für Erfindungen, die Arbeitnehmer im Zuge der Erfüllung ihrer dienstlichen Verpflichtungen machen (Arbeitnehmererfindungen), gelten besondere Regelungen, ebenso bei Erfindungen im Gen- und IT-Bereich. 15. W  elche Inhalte umfasst das Markenrecht? Im Markenrecht sind alle Marken und sonstigen geschäftlichen Bezeichnungen und geografische Herkunftsangaben geschützt. Als Marken können alle Zeichen wie Wörter, Personennamen, Abbildungen, Buchstaben, Zahlen, Hörzeichen, dreidimensionale Gestaltungen (Design, Packung) und sonstige Aufmachungen incl. Farben und Farbkombinationen geschützt werden, wenn sie geeignet sind, Waren und Unternehmen zu unterscheiden. Geschäftliche Kennzeichen sind Unternehmensbezeichnungen und Werktitel. Unternehmenskennzeichen sind Zeichen, die im geschäftlichen Verkehr als Name, als Firma oder als besondere Bezeichnung eines Geschäftsbetriebs oder einer Unternehmung benutzt werden. Der Schutz setzt die Eintragung in das Markenregister oder die Benutzung eines Zeichens im Geschäftsverkehr voraus, soweit das Zeichen innerhalb beteiligter Verkehrskreise als Marke Verkehrsgeltung erworben hat. Der Markenschutz läuft zehn Jahre und kann um jeweils zehn Jahre verlängert werden. Sofern eine Marke innerhalb von fünf Jahren nicht benutzt worden ist, kann sie auf Antrag gelöscht werden.

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Übungsaufgaben und Lösungshinweise

5. Übungsaufgaben zur Beschaffung 1. Welche Aufteilung der Kaufobjekte ergibt sich bei einer Einteilung der Beschaffungsobjekte nach Kaufrisko und Gewinneinfluss? Nach der Einteilung von Beschaffungsobjekten in Kaufrisiko und Gewinneinfluss können folgende Produkte unterschieden werden: • Strategische Produkte weisen ein hohes Beschaffungsrisiko und einen hohen Gewinneinfluss auf. Daher bedarf es nachfragerseitig einer präzisen Bedarfsprognose und sicherer, langfristiger Lieferantenbeziehungen. Evtl. ist auch eine Entscheidung über Eigenfertigung oder Zukauf (Make or Buy) erforderlich. • Engpassprodukte weisen ein hohes Beschaffungsrisiko, aber einen niedrigen Gewinneinfluss auf. Hier geht es dem Abnehmer in erster Linie um die Mengensicherung des beschafften Produkts, flankiert von Ausweichplänen für den Notfall von Lieferausfällen. • Schlüsselprodukte weisen einen hohen Gewinneinfluss, aber ein niedriges Beschaffungsrisiko auf. Hier gilt es, die Einkaufsmacht des Abnehmers für günstige Konditionen auszugleichen und zu den gezielt selektierten Lieferanten zu gehören. • Normalprodukte weisen ein niedriges Beschaffungsrisiko und einen niedrigen Gewinneinfluss auf. Insofern wird nachfragerseitig eine Standardisierung der Produkte und eine Optimierung der Auftragsmengen angestrebt. 2. Stellen Sie bitte Inhalt und Aussage der ABC-Analyse für Lieferanten dar. In Bezug auf den Lieferantenstatus werden zumeist drei Klassen (ABC-Analyse) unterschieden: • A-Lieferanten sind solche, für die aus Kundensicht anderweitig keine wirklich akzeptablen Alternativen am Markt zu finden sind. Insofern nimmt der Lieferant hier eine starke Position ein. Ziel jedes Lieferanten sollte es daher sein, bei seinen Kunden ein A-Lieferant zu werden und zu bleiben. • B-Lieferanten sind solche, für die aus Kundensicht immerhin Alternativen am Markt bereits vorhanden sind oder herangezogen werden können, auf die jedoch zumindest nicht unmittelbar ausgewichen werden kann. Hier besteht also eine Positionsbalance. • C-Lieferanten sind solche, die aus Kundensicht in ihrer Leistung austauschbar zu vielfältigen anderen sind. Daher befinden sich Lieferanten hier in einer schwachen Position. Insofern werden Preise und Konditionen zu vordergründigen Absatzargumenten.

5. Übungsaufgaben zur Beschaffung

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3. Welche Teilrisiken in der Beschaffung können im Einzelnen unterschieden werden? Im Einzelnen können folgende Teilrisiken in der Beschaffung unterschieden werden: • Das Qualitätsrisiko beinhaltet die Ungewissheit, ob das angebotene Produkt den Erwartungen und Anforderungen im Hinblick auf seine objektive (meist technische) Problemlösungsfähigkeit entspricht. Hier muss Risikoreduktion wirken, indem aussagefähige Funktionsnachweise verlangt werden, welche die Zweckeignung der Problemlösung belegen. • Das Herstellerrisiko beinhaltet die Unsicherheit des Abnehmers hinsichtlich der fachlichen Qualifikation und Zuverlässigkeit des Lieferanten. Hier muss Risikoreduktion wirken, indem vertrauenswürdige Informationen über den Hersteller eingeholt werden, z. B. seine Branchenstellung, seine Betriebserfahrung, seine Anerkennung im Markt. • Das Preisrisiko beinhaltet die Unsicherheit des Abnehmers darüber, einen unangemessen hohen Preis für das ihm angebotene Produkt zu zahlen. Hier muss Risikoreduktion wirken, indem Preissicherungen vorgesehen werden. • Das Informationsrisiko beinhaltet die Unsicherheit des Abnehmers, nicht über das erforderliche Maß an Daten und Fakten zur Bewertung angebotener Lösungen zu verfügen. Hier muss Risikoreduktion wirken, indem Asymmetrien offenlegende Kriterien vorgesehen werden. • Das Sozialrisiko beinhaltet die Unsicherheit des Abnehmers darüber, wie der Kaufentscheid in seinem sozialen (privaten oder beruflichen) Umfeld aufgenommen wird. Hier muss Risikoreduktion wirken, indem Referenzen eingeholt bzw. angefordert werden, die als Vergleichsmaßstab für die Tauglichkeit der eigenen Entscheidung dienen. 4. Unterscheiden Sie bitte Sourcing-Techniken nach der Zahl der je Produktgruppe eingeschalteten Lieferanten. Nach der Zahl der je Produktgruppe eingeschalteten Lieferanten gibt es folgende Techniken: • Mit Single Sourcing ist gemeint, dass der Abnehmer sich in jeder Produktgruppe auf genau einen Lieferanten festlegt. • Mit Dual Sourcing ist gemeint, dass der Abnehmer sich in einer Produktgruppe alternierend zweier Lieferanten bedient, meist im Mengenverhältnis ca. 2 : 1. Motiviert ist diese Sourcing-Strategie durch ein Sicherheitsdenken (Fallback Position).

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Übungsaufgaben und Lösungshinweise

• Mit Multiple Sourcing ist gemeint, dass der Kaufinteressent sich in jeder Produktgruppe mehrere Lieferanten hält, die er einem Angebotsvergleich unterzieht, um beim jeweils günstigsten von ihnen zu bestellen. • Mit Sole Sourcing ist gemeint, dass der Kaufinteressent sich in jeder Produktgruppe nur einem Lieferanten gegenübersieht. Dadurch entsteht in den seltenen Fällen absoluter Monopole eine Angebotsmacht. Wird diese überzogen, können vom Kunden Alternativen bewusst entwickelt werden. 5. Unterscheiden Sie bitte Sourcing-Techniken nach der räumlichen Verteilung der Lieferanten. Nach der räumlichen Verteilung der Lieferanten ergeben sich folgende Sourcing-Techniken: • Beim Global Sourcing erfolgt eine räumlich unbegrenzte, internationale Lieferantensuche. • Beim Local Sourcing erfolgt eine auf den Betriebsstandort bezogene Lieferantensuche. Das heißt, jeder auch internationale Standort des Abnehmers bestimmt seine Lieferanten unter der Auswahl der im jeweiligen lokalen Umfeld ansässigen Lieferanten. • Beim Domestic Sourcing werden nur inländische Lieferanten berücksichtigt. Dies ist häufig bei Local Content-Vereinbarungen der Fall, die etwa aus Protektionismusgründen vorgegeben werden. 6. Welche Optionen ergeben sich im Strategischen Sourcing? Unter Strategischem Sourcing versteht man die langfristige, erfolgsbedeutsame Organisation der zugekauften Leistungen in der Unternehmung. Dafür ergeben sich vier Optionen: • Das Insourcing betrifft die Erbringung von Fremdleistungen am Ort der eige­ nen Wertschöpfung. Ein Outsourcing ist zumeist mit der physischen Verlagerung der Produktion verbunden. Häufig ist jedoch die Produktion an den Standort der Unternehmung gebunden. Soll dann ein Outsourcing realisiert werden, bedeutet dies, dass die Zulieferer ihre Wertschöpfung an diesem Ort installieren. • Das Industrieparkkonzept betrifft die Motivierung von Zulieferern durch nachfragemächtige Abnehmer, ihre Produktion oder zumindest Assemblierung in die unmittelbare räumliche Nähe ihres Unternehmensstandorts zu verlagern. Nur dadurch kann angesichts widriger Umfeldbedingungen noch eine taktgenaue Einbindung der Vorleistungen gewährleistet werden. Dazu wird um den Standort der Unternehmung herum ein Industriepark ausgewiesen, welcher der Ansiedlung der Zulieferer vorbehalten ist.

5. Übungsaufgaben zur Beschaffung

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• Das Lizenz-Modell bedeutet, dass die Wertschöpfung der Unternehmung durch Mitarbeitende bzw. Werkstoffe der Zulieferer an Ort und Stelle erbracht wird. Auf diese Weise können Einsparungen in der Unternehmung realisiert werden, eigene Leistungen werden durch zugekaufte substituiert, vor allem aber Fixkosten durch variable Kosten. Die Betriebsmittel werden weiterhin vom Abnehmer gestellt. • Das Betreibermodell bedeutet, dass Zulieferer mit eigenen Produktionsfaktoren am Ort der Unternehmung die Wertschöpfung vollziehen. Dies erfordert nunmehr Investitions- anstelle von Lieferentscheidungen. Es entsteht eine beiderseitig hohe Abhängigkeit, positiv als Win-Win-Situation ausgedrückt. Die Vereinbarung gilt zumeist über eine Produktgeneration hinweg (Lifetime Contract). Wiederum können fixe durch variable Kosten substituiert werden. 7. Welche Kriterien machen die Lieferfähigkeit aus? Zu den Kriterien der Lieferfähigkeit gehören die Folgenden: • kurze Lieferzeit als vergangene Zeitspanne zwischen Auftragserteilung und Verfügbarkeit. Denn Zeitvorteile sind angesichts des Zeitwettbewerbs Wettbewerbsvorteile und daher von immenser Bedeutung, • hohe Lieferzuverlässigkeit als Lieferung exakt der gewünschten Waren. Nur der Nachweis einer 100 %igen Bestellgenauigkeit wird von Abnehmern noch akzeptiert, • hohe Lieferflexibilität als Berücksichtigung von Änderungen bis zur Lieferausführung. Dies stellt erhebliche Anforderungen an die betriebliche Flexibilität des Lieferanten, • hohe Lieferbereitschaft als unmittelbare Verfügbarkeit gewünschter Waren. Dies steht anbieterseitig im Konflikt zur Kapitalbindung beim Erhalt der Lieferfähigkeit, • einwandfreie Lieferbeschaffenheit als Einhaltung vereinbarter Qualitätsanforderungen. Hier sind Reklamationen inakzeptabel und führen meist zu Retouren und Geschäftsabbruch bzw. Erlösschmälerungen. 8. Stellen Sie bitte das Bestellpunktverfahren und das Bestellrhythmusverfahren aussagefähig dar. Das Bestellpunktverfahren ist eine Bestelldoktrin, bei der zu einem jeweils veränderlichen Liefertermin disponiert wird. Der Bestellpunkt ist diejenige Menge, bei der eine Beschaffung ausgelöst wird. Wird dabei jeweils bis zum Grundbestand aufgefüllt, ergeben sich folgende Techniken:

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Übungsaufgaben und Lösungshinweise

• Bei der s,q-Technik wird eine konstante Bestellmenge disponiert, die jeweils bei Mindestbestandsunterschreitung ausgelöst wird (Bestellpunkt-Bestellmengen-Verfahren). • Bei der s,S-Technik wird eine veränderliche Bestellmenge disponiert, die jeweils bei Mindestbestandsunterschreitung ausgelöst wird (Bestellpunkt-Grundbestands-Verfahren). • Bei der t,s,q-Technik wird eine konstante Bestellmenge disponiert, die bei intervallbezogener Prüfung des Mindestbestands ausgelöst wird (Bestellpunkt-Bestellmengen-Zeitintervall-Verfahren). • Und bei der t,s,S-Technik wird eine veränderliche Bestellmenge disponiert, die bei intervallbezogener Prüfung des Mindestbestands ausgelöst wird (Bestellpunkt-Grundbestands-Zeitintervall-Verfahren). Das Bestellrhythmusverfahren ist eine Bestelldoktrin, bei der zu einem festen Liefertermin disponiert wird. Der Bestellrhythmus ist derjenige Intervall, der zwischen den Bestellprüfungen bzw. -auslösungen liegt. Wird wiederum jeweils bis zum Grundbestand aufgefüllt, ergeben sich folgende Techniken: • Bei der t,q-Technik wird zu einem festen Zeitpunkt eine konstante Bestellmenge bei Unterschreitung des Mindestbestands disponiert (Bestellrhythmus-Bestellmengen-Verfahren). • Bei der t,S-Technik wird zu einem festen Zeitpunkt eine veränderliche Bestellmenge bei Unterschreitung des Mindestbestands disponiert (Bestellrhythmus-Grundbestands-Verfahren). 9. Wie lauten die Kennzeichen des Gattungskaufs? Ein Gattungskauf stellt die Verpflichtung zu einer Leistung dar, die nicht durch individuelle, sondern durch allgemein übliche Merkmale gekennzeichnet ist (§ 243 BGB), die also in mehreren gleichen Ausfertigungen hergestellt und daher wieder beschafft werden kann. Die Ware ist zwischen den Vertragspartnern nur ihren Gattungsmerkmalen wie Farbe, Material, Gewicht, Typ, Sorte, Preis, Qualität etc. nach bestimmt und kann daher durch gleichartige andere vertreten werden. Die Auswahl des einzelnen Stücks aus dieser Gattung wird damit dem Verkäufer überlassen. Eine Gattung bilden sämtliche Gegenstände, die sich durch gemeinsame Merkmale von anderen Gegenständen unterscheiden. Ist nichts näher vereinbart, so ist Ware mittlerer Art und Güte zu liefern (Ggs.: Stückkauf). 10. W  as versteht man unter einem Fixgeschäft? Ein Fixgeschäft besteht aus einem Vertrag, dessen Erfüllung als vereinbarte Leistung zu einem kalendarisch exakt bestimmten Termin oder innerhalb einer exakt bestimmten Frist so wichtig ist, dass von der Frist- oder Termineinhaltung

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der Erfolg des Rechtsgeschäfts abhängt. Der Käufer kann daher beim Handelskauf bei Nichteinhaltung der Erfüllungszeit ohne Nachfristsetzung vom Vertrag zurücktreten oder Schadensersatz wegen Nichterfüllung verlangen, wenn der Verkäufer in Verzug ist. Die Erbringung der Leistung nach diesem Zeitpunkt / nach dieser Frist ist für den Gläubiger somit wertlos (§ 361 BGB). Die Gültigkeit des Vertrags hängt von der Einhaltung des Termins bzw. der Frist ab. Die Fixklausel muss jedoch eindeutig formuliert sein. 11. W  ie unterscheiden sich der Kauf auf Probe, der Kauf nach Probe und der Kauf zur Probe? Bei einem Kauf auf Probe räumt der Lieferant dem Abnehmer ein Rückgaberecht bei Nichtgefallen innerhalb einer vereinbarten oder angemessenen Frist ein, falls die Sache nicht den Erwartungen des Käufers entspricht. Der Käufer erhält die Ware vom Verkäufer also für eine bestimmte Zeit „auf Besicht“, damit er sie prüfen und ausprobieren kann. Der Käufer behält sich dabei vor, nach Besichtigung und Prüfung der Ware zu entscheiden, ob er kauft oder stattdessen zurückgibt. Durch den Kauf auf Probe ist ein Kaufvertrag nur bedingt zustande gekommen. Lässt der Käufer die Probefrist ohne ausdrückliche Ablehnung der Ware verstreichen, so gilt sein Stillschweigen als Zustimmung und damit als Annahme des Angebots, das ihn zur Gegenleistung verpflichtet. Beim Kauf nach Probe werden beschriebene Eigenschaften der Ware durch eine Probe oder ein Muster ersetzt. Hierbei ist ein endgültiger Kauf gegeben, der aufgrund früher bezogener Waren oder nach einer vom Verkäufer erhaltenen oder dem Verkäufer übergebenen Probe erfolgt. Die zu liefernde Ware muss der Probe entsprechen, unwesentliche Abweichungen müssen jedoch geduldet werden. Die Eigenschaften der Probe oder des Musters gelten als zugesichert und sind für die ganze gekaufte Menge verbindlich (§ 494 BGB). Die Ware ist nur abzunehmen, falls sie die Eigenschaften des Musters besitzt. Das gleiche gilt bei entsprechender Bezugnahme auf frühere Lieferungen („wie gehabt“). Fehlt der Ware eine zugesicherte Eigenschaft, so kann der Käufer Schadensersatz wegen Nichterfüllung verlangen. Daher ist es bei Streitigkeiten wichtig, die Proben bzw. Muster sorgfältig aufzubewahren. Der Kauf zur Probe ist ein endgültiger Kauf für eine Probemenge, bei dem der Käufer dem Verkäufer zu erkennen gibt, später (tatsächlich oder vorgeblich) weitere Bestellungen aufzugeben, wenn die gelieferte Ware seinen Erwartungen entspricht. Eine rechtliche Verpflichtung zu diesen späteren Abschlüssen wird dadurch jedoch nicht begründet. Daher wird diese Vereinbarung von Käufern oft missbraucht, um günstigere Konditionen zu erlangen, weil sich der Verkäufer nicht die Chance auf weitere Abschlüsse verscherzen will, die dann jedoch nicht eintreten.

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Übungsaufgaben und Lösungshinweise

12. Was versteht man unter einem Kauf in Bausch und Bogen? Ein Kauf in Bausch und Bogen ist ein Kauf, bei dem Waren en bloc zu einem Pauschalpreis verkauft werden, ohne dass Beschaffenheitszusicherungen für die einzelnen Teile des Blocks gegeben werden (auch Ramschkauf genannt). Folglich kann später auch nicht wegen Mängel einzelner Teile reklamiert werden. 13. Wie stellt sich eine Lieferantenhierarchie dar? An der Spitze der Lieferantenhierarchie stehen Systemlieferanten, die in Gesamtsystemen zu denken und handeln fähig sind und unmittelbaren Kontakt zum gewerblichen Endabnehmer (OEM) haben. Diese liefern komplexe Leistungseinheiten an, die sie jedoch nicht komplett selbst herstellen, sondern ihrerseits von Komponentenlieferanten, die zur Systemintegration fähig sind, in Teileinheiten beziehen und fertig montieren. Dabei besteht die Beziehung nur noch zwischen Komponentenlieferant und Systemabnehmer, nicht aber mehr zum eigentlichen Abnehmer. Die Aufgabe der zweckmäßigen, d. h. kostengünstigen und leistungsfähigen Zusammenstellung von Komponenten verlagert der gewerbliche Abnehmer so in den Bezugskanal. Komponentenlieferanten wiederum beziehen ihre Teile bei Teilelieferanten mit geringerem Entwicklungspotenzial, die sich am Ende der Lieferantenhierarchie enormem Konditionendruck ausgesetzt sehen und daher häufig nur noch an kostengünstigen Auslandsstandorten produzieren können. Ziel jedes Beteiligten sollte es sein, in der Hierarchie der Lieferanten möglichst weit oben angesiedelt zu sein. Denn desto werthaltiger wird die dem gewerblichen Abnehmer gebotene Leistung. Um allerdings eine solche Position einzunehmen, bedarf es vorab der Übernahme erheblicher Risiken. Diese bestehen im Aufwand zur Zusammenstellung eines leistungsfähigen Systems aus Komponenten und Teilen, in der Notwendigkeit zur globalen Ausrichtung analog zum gewerblichen Abnehmer und in der daraus entstehenden Abhängigkeit von diesem. Gewerbliche Abnehmer bemühen sich, diese Risiken kalkulierbar zu machen, indem sie lebenslange Verträge (Lifetime Contract) abschließen, die besagen, dass ein Systemlieferant, solange eine bestimmte Produktgeneration produziert wird, alleiniger Lieferant für bestimmte darin verbaute Systeme ist. Dies ist auch deshalb sinnvoll, weil diese zumeist nach genauen Spezifikationen des gewerblichen Abnehmers von Systemlieferanten weitgehend auf eigene Kosten und Risiken entwickelt worden sind, ein adäquates Know-how dafür also anderweitig kaum verfügbar ist. So kommt es zur Zusammenarbeit mit Systemlieferanten (First Tiers), die ihrerseits Teilleistungen von Komponentenlieferanten (Second Tiers) zusammenstellen, die ihrerseits wiederum Artikel von Teilelieferanten (Third Tiers) beziehen. Der Abnehmer steht unmittelbar nur in Kontakt mit den First Tiers, trägt jedoch durch Zertifizierungen dafür Sorge, dass auch Second Tiers und Third

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Tiers seinen Anforderungen genügen. Jeder Lieferant steht daher vor der Entscheidung, sich mit der Bereitstellung auch bislang sachfremder Leistungen zu befassen und sich damit als kompetenter Systemlieferant zu qualifizieren oder ins zweite oder dritte Glied zurückzutreten. 14. Welche Signalwirkung kommt dem Meldebestand zu? Der Meldebestand ist derjenige Lagerbestand, bei dem durch die Einkaufsabteilung zur Lagerergänzung nachbestellt werden muss. Er ergibt sich aus dem Produkt aus Tagesabgang vom Lager und Beschaffungsfrist plus dem Mindestbestand, der ständig am Lager vorrätig sein muss. Der Meldebestand muss so hoch liegen, dass bis zum Eingang der nächsten Lieferung der Sicherheitsbestand nicht unterschritten wird. Zugleich ist damit ein gewisses Maß an Unwirtschaftlichkeit durch Kapitalbindung im Lager gegeben. Das Bestellpunktverfahren disponiert immer dann neue Ware, wenn der Meldebestand erreicht ist. 15. W  elche Signalwirkung kommt dem Sicherheitsbestand zu? Der Sicherheitsbestand ist derjenige Bestand von Vorräten am Lager, der nicht unterschritten werden darf, außer wenn unvorhergesehene Ursachen bestehen. Der Sicherheitsbestand (Mindestbestand, eisener Bestand) bindet Kapital unproduktiv, so dass er so niedrig wie möglich gehalten werden sollte. Andererseits bedingt ein zu niedriger Sicherheitsbestand Opportunitätskosten aus entgangenem Gewinn nicht lieferbarer Produkte. Er ist abhängig von Dauer und Zuverlässigkeit der Wiederbeschaffungszeit, Variabilität der Nachfrage, Zuverlässigkeit der Nachfrageprognose, Maßeinheit / Höhe des Servicegrads und Länge des Bestellzyklusses. Dabei ist abzuwägen zwischen dem vermiedenen Schaden einer solchen Vorratslücke und den vermiedenen Kapitalbindungskosten bei Lagerung ohne Sicherheitsbestand.

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Übungsaufgaben und Lösungshinweise

6. Übungsaufgaben zur Produktion 1. Erläutern Sie bitte das produktionstechnische Ertragsgesetz. Das Ertragsgesetz, oder Gesetz vom abnehmenden Ertragszuwachs (Produk­ tionsfunktion A), geht davon aus, dass eine unmittelbare Beziehung zwischen dem Ertrag und den zu dessen Erzielung erforderlichen Einsatzmengen besteht. Dabei sind die verschiedenen Faktoreinsatzmengen in gewissen Grenzen unter­ einander austauschbar (substitutional). Dabei ist die wirtschaftlich günstigste Kombination herauszufinden. Dies wiederum ist nur möglich, wenn die Einsatzmengen eines Faktors variiert und gleichzeitig alle anderen konstant gehalten werden können (partielle Faktorkombination). Dies setzt voraus, dass der variable Faktor beliebig teilbar ist, nur eine Produktart erzeugt wird, die Produktionstechnik konstant bleibt und die Produktionsdauer vorgegeben ist. Der Grenzertrag ist der zusätzliche Ertrag, der aus dem Einsatz einer weiteren Einheit des variablen Faktors resultiert. Erhöht man die Einsatzmenge eines variablen Faktors bei Konstanz der anderen Faktoren, so nimmt der Gesamtertrag zunächst progressiv zu (Ertrag, Grenzertrag und Durchschnittsertrag sind positiv und steigen), erhöht man die Einsatzmenge weiter, so steigt ab einem gewissen Punkt der Gesamtertrag nur noch degressiv (Ertrag und Durchschnittsertrag sind positiv und steigen, der Grenzertrag sinkt, ist aber noch positiv), bis er sein Maximum erreicht hat (der Ertrag steigt nicht mehr weiter, Grenzertrag und Durchschnittsertrag fallen, sind aber noch positiv) und schließlich sogar fällt (Ertrag, Grenzertrag und Durchschnittsertrag fallen, der Grenzertrag ist negativ). Insofern ergibt sich ein s-förmiger Verlauf. Dies gilt allerdings nur unter realitätsfernen Voraussetzungen wie aggregierte Betrachtung, nur ein herzustellendes Produkt, feste Produk­ tionsdauer, homogene Produktionsfaktoren, Teilbarkeit der Faktoren, einheitliche Produktionsfaktoren und periphere Substitution. 2. Stellen Sie bitte das Prinzip der Gutenberg-Produktionsfunktion dar. Die Gutenberg-Produktionsfunktion ist eine limitationale Produktionsfunk­ tion, bei der bei gegebener Intensität konstante Produktionskoeffizienten gelten, veränderte Produktionskoeffizienten bedingen also einen Intensitätswechsel. Es erfolgt eine aggregatsbezogene Analyse, so dass der Faktorverbrauch an einem einzelnen Aggregat des Betriebs erklärt wird. Technische Daten beeinflussen den Faktorverbrauch an diesem Aggregat. Potenzial- und Repetierfaktoren werden explizit unterschieden. Die Produktionsfunktion ist linear-homogen, der Faktorverbrauch ergibt sich durch die technische Verbrauchsfunktion als Analyse des Faktorverbrauchs pro Leistungseinheit, die ökonomische Verbrauchsfunktion als Analyse der Zusammenhänge zwischen technischer und ökonomischer Leistung sowie den Faktorverbrauch der Periode.

6. Übungsaufgaben zur Produktion

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Auf die Verbrauchsmengen der Faktoren kann im Einzelnen durch intensitätsmäßige Anpassung (Ausbringung je Zeiteinheit), durch zeitliche Anpassung oder durch quantitative Anpassung Einfluss genommen werden. 3. Erläutern Sie bitte das Just in Time-Prinzip. Das Just in Time-Prinzip ist ein logistikorientiertes, dezentrales Organisations- und Steuerungskonzept der Produktion im Sinne einer Grundeinstellung bzw. Produktionsphilosophie, das die Materialver- und -entsorgung für eine Produktion auf Abruf bedingt. Es führt zu einer kurzfristigen Anpassung der Kapazitäts- und Materialbedarfsplanung an die aktuelle Fertigungs- und Auftragssituation, also die richtigen Teile am richtigen Ort in der richtigen Menge zur richtigen Zeit und in der richtigen Qualität. Voraussetzungen für die Funktionsfähigkeit sind u. a. die Harmonisierung der Kapazitäten durch ablauforientierte Fertigung (Heijunka), die Bildung Teilautonomer Arbeitsgruppen, eine priorisierte Qualitätssicherung (Jidoka, Poka yoke, Qualitätszirkel etc.), die Verkürzung der Rüst- und Einrichtezeiten, die Reduzierung der Durchlaufzeiten, kleine Lose in Fertigung und Montage sowie die Material- und Informationsflusssteuerung auf Werkstattebene (Kanban). Auf eine Push-Strategie wird daher zugunsten einer Pull-Strategie im Bereich von Vorleistungen verzichtet. Um die mit diesen Veränderungen verbundene Verunsicherung abzubauen, ist ein hoher Schulungsbedarf für neue operative Techniken erforderlich. Zugleich erfolgt eine stärkere Einbindung mit kooperativen Lieferanten und Unterlieferanten. Der Produktionsprozess wird mit sehr niedriger Rentabilitätsschwelle gefahren. Dies ist nur möglich durch ein flexibles System computergestützter Planung und Organisation mit polyvalent einsetzbaren Mitarbeitenden. 4. Erläutern Sie bitte das Kanban-Prinzip. Das Kanban-Prinzip ist ein Produktionsplanungs- und -steuerungssystem mit standardisierten Informationsträgern zur Implementierung des Holprinzips. Basis sind Karten als Informationsträger zur Reduzierung von Zwischenlägern mit verbrauchsorientierter Lieferung. Nachdem eine Losgröße von einer Stelle bearbeitet und abgeliefert wurde, meldet sich ein Mitarbeitender mit einem leeren Standardbehälter und einem Verbrauchs-Kanban (Formularkarte) beim Zwischenlager. Aus diesem Zwischenlager wird ein Standardbehälter mit einem neuen Los an Teilen entnommen. Der mitgebrachte Verbrauchs-Kanban wird diesem neuen Material zugeordnet. Der ebenfalls mitgebrachte leere Standardbehälter und der dem neuen Material ursprünglich beiliegende Fertigungs-Kanban werden anstelle des entnommenen Materials im Zwischenlager hinterlassen. Dieser dient als Auftrag und weist die vorgelagerte, erzeugende Stelle an, das angeforderte Material

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Übungsaufgaben und Lösungshinweise

bereitzustellen und in entsprechender Menge in einem standardisierten Behälter abzulegen. Dieses neue Material wird zusammen mit dem Fertigungs-Kanban in das Zwischenlager gebracht, wo es von der nachgelagerten Stufe mit dem Verbrauchs-Kanban wieder entnommen wird. Damit schließt sich der Kreislauf. Der ganze Betrieb wird so zu einem System vermaschter, selbststeuernder Regelkreise für die gesamte interne Wertschöpfungskette, auch über die eigene Unternehmung hinaus zu Zulieferern (Fertigungssignal) und Abnehmern (Verbrauchssignal). Die Kanban-Formularkarte dient als Informationsträger in diesem Regelkreis, sie kursiert immer nur innerhalb eines Teilsystems, also nur zwischen zuliefernder Stelle und Zwischenlager (Fertigungs-Kanban) oder nur zwischen verbrauchender Stelle und Zwischenlager (Verbrauchs-Kanban). Die Kanban-Karte enthält Name / Identnummer des Teils, Skizze des Teils, Behälterart und Anzahl der Teile pro Behälter, Herkunft der Teile (herstellende Stelle), Empfänger der Teile (verbrauchende Stelle), Registriernummer und laufende Kanban-Nummer, Abholbereitstellungszeitpunkt sowie evtl. Zusatzinformationen. Dabei dürfen immer nur Gut-Teile übergeben werden. Die Einsteuerung neuer Aufträge erfolgt zunächst konventionell (Bring-Prinzip) und wird dann erst nach Einpendeln der Daten auf das Pull-Prinzip umgestellt. Die notwendige Kartenanzahl berechnet sich aus dem Verbrauch pro Planungsperiode, der Anzahl der Teile pro Behälter, der Herstellzeit sowie den Transportzeiten für Material und Kartenrücklauf. Außerdem wird ein Sicherheitsbestand vorgesehen. Extern begünstigen wenige Zulieferer in unmittelbarer Produktionsnähe das Kanban-System ebenso wie die Einbindung von IT-Stützung. Real gibt es Mindestbestandsgrenzen, um mehrere Einheiten nachzuliefern (wegen vermeidbarer Rüstkosten). 5. Welche Implikationen ergeben sich aus der Kapazität in der Produktion? Kapazität bedeutet allgemein die Fähigkeit eines Betriebsmittels, Leistungen einer bestimmten Menge und Güte in einem Zeitabschnitt zu erstellen. Die Maximalkapazität gibt die technisch höchstmögliche Ausbringungsmenge an, die ein Betriebsmittel erstellen kann, die Minimalkapazität die kleinstmögliche. Die Optimalkapazität kennzeichnet den höchsten Wirkungsgrad des Betriebsmittels. Die qualitative Kapazität bestimmt die Güte, Genauigkeit und Größe von Leistungen. Die Kapazitätsausnutzung gibt die Relation zwischen der tatsächlich in Anspruch genommenen Kapazität und der maximal möglichen an. Die Kapazitätsplanung bedeutet die lang- und mittelfristige Planung des Produktionsumfangs und der dafür benötigten Anlagen.

6. Übungsaufgaben zur Produktion

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6. Stellen Sie bitte dar, wie die Kosten bei Kuppelproduktion zweckmäßig verrechnet werden können. Recherchieren Sie dazu geeignete Informationen. Unter Kuppelproduktion versteht man eine technisch bedingte verbundene Produktion, bei der zwangsläufig mehrere Produktarten anfallen, die auch Haupt- und Nebenprodukte sein können (z. B. Brauerei, Gaserzeugung, Ölraffinerie). Die Relation zwischen ihnen kann fest oder in Grenzen variabel steuerbar sein. Die Restwertrechnung wird angewendet, wenn sich die an der Kuppelproduktion beteiligten Produktarten in eine Hauptproduktart und eine oder mehrere Nebenproduktarten einteilen lassen. Dabei wird auf Basis von Schlüsselgrößen zurückgegriffen (= Subtraktionsverfahren). Die Marktwertrechnung ist anwendbar, wenn eine Trennung in Haupt- und Nebenproduktarten nicht möglich ist. Dabei werden zunächst die direkt zurechenbaren Kosten jedes Kuppelprodukts von den Gesamtkosten abgezogen und dann nach Schlüsselung verteilt. Ansonsten wird die Verteilungsmethode (= Marktpreisverfahren) angewandt. Dabei erfolgt die Kostenverteilung auf Basis der Verkaufspreise der Kuppelprodukte. 7. Stellen Sie bitte die Inhalte der Lean Production dar. Lean Production strebt ganzheitliche Lösungen bei der Gestaltung von Produktionssystemen anhand prozessbezogener, nicht funktionsorientierter Gestaltungsmaßnahmen an, um durch objektbezogene Formen der Ablauf- und Aufbauorganisation zu einer Integration von Funktionen entlang des Stoff- und Informationsflusses als Wertkette zu gelangen. Dies bedingt eine Erhöhung der Effektivität durch Übergang zu geringerer Arbeitsteilung, flacheren Hierarchien und einfacheren Kommunikations- und Kooperationsstrukturen. Dies sichert die Transparenz von Abläufen und ermöglicht dezentrale, selbststeuernde Produktionseinheiten (Gruppenarbeit) und Produktionsmodularisierung (Fertigungsinseln). Ein weiterer Aspekt ist die Verringerung der Fertigungstiefe sowie die Beteiligung von Zulieferern an der Produktentwicklung und die Verringerung der Zahl der Zulieferer auf Systemlieferanten. Dazu ist die Durchsetzung logistischer Lösungen (Nullpuffer / Kanban / J-i-T) ebenso erforderlich wie eine durchgängige Kosten- und Qualitätssicherung (TQM). Dadurch kommt es zu einer Erhöhung der Wirtschaftlichkeit, zur Stärkung der Rolle der Mitarbeitenden in der Produktion, zur umfassenden Information aller Mitarbeitenden und zur Entwicklung ihrer Problemlösungsfähigkeit (z. B. in Gruppenarbeit). Dazu ist es notwendig, ihnen Handlungsspielräume und Teilautonomie zu gewähren. Dies führt zu Formen fraktaler Produktion mit Kennzeichen wie Belegschaft als Subunternehmer, einheitliche Organisationskultur, Selbstoptimierung und Selbstorganisation, durchgängige Zielorientierung und Eigendynamik. Weiterhin wird eine integrierte Produktentwicklung unter Einbeziehung der Kunden bzw. bei strikter Kundenorientierung in interdisziplinärer, bereichsübergreifender Arbeit angestrebt. Die Erstellung von verbindlichen Pflichtenheften und Simultaneous Engineering tragen zu einer Verkürzung der Entwicklungszeiten bei. Dadurch ergeben

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Übungsaufgaben und Lösungshinweise

sich kurze Transportwege/-zeiten, eine Tendenz zur Komplettbearbeitung, eine gleichmäßigere Kapazitätsauslastung und die Vermeidung von Warteschlangen, kurz ein höherer Wirkungsgrad. Dabei sollen Fehlleistungen und Blindleistungen so weit wie möglich entfallen und praktisch nur noch Nutzleistungen und Stützleistungen in der Produktion verbleiben. 8. Welche Merkmale weist die Leontief-Produktionsfunktion auf? Die Leontief-Produktionsfunktion ist linear-limitational angelegt. Es gibt immer mindestens einen Faktor, der einen Engpass bestimmt, so dass eine Produktionserhöhung niemals ohne eine entsprechende Erhöhung dieses Engpassfaktors möglich ist, er limitiert damit die Produktion. Ein bestimmter Output wird nur dann effizient produziert, wenn alle Faktoreinsatzmengen optimal genutzt werden. Eine Senkung des Faktoreinsatzes bewirkt bei effizienter Produktion hingegen automatisch eine Outputverringerung. 9. Wann liegt eine Limitationalität der Produktionsfaktoren vor? Limitationalität der Produktionsfaktoren liegt vor, wenn die Einsatzmengen der Produktionsfaktoren einer Produktionsfunktion in einem von der Produktionstechnik fest vorbestimmten Verhältnis zueinander stehen. Bei konstanten Produktionskoeffizienten besteht eine technische Kopplung der Einsatzmengen unabhängig von der Produktionsmenge, so dass für jeden Output immer die gleiche Produktivität gilt, d. h. eine Verdopplung aller Einsatzfaktoren bewirkt eine Verdopplung des Outputs et vice versa (Leontief-Produktionsfunktion). Es liegt ein lineares Verhältnis zwischen Faktoreinsatz und Ausbringung vor. Bei nicht-konstanten Produktionskoeffizienten erfolgt erst durch die Wahl der Intensität, mit der eine Ausbringung produziert wird, eine Festlegung des Einsatzverhältnisses der unterschiedlichen Produktionsfaktoren (Gutenberg-Produktionsfunktion). Das Faktoreinsatzverhältnis ergibt sich also erst nach Bestimmung des Outputs. Die Faktorverbräuche werden von den technischen Daten des Produktionsprozesses bestimmt. Die Faktoreinsatzmengen stehen in einer technisch eindeutigen Beziehung zur geplanten Produktionsmenge. 10. W  as versteht man unter Losgrößenplanung? In der Losgrößenplanung wird diejenige Losgröße bestimmt, bei der die Summe aus den Umrüstungs- und Lagerkosten bei gegebenem Produktionsoutput minimal ist. Die Umrüstungskosten sind unabhängig von der Losgröße und fallen bei jeder Umstellung der Produktionsanlage an. Die Lagerkosten hängen vom Wiederauflagerhythmus und der Auftragsgröße einzelner Produktarten sowie der Verkaufspolitik ab. Dabei darf die maximal verfügbare Einsatzzeit des Aggregats nicht überschritten werden.

6. Übungsaufgaben zur Produktion

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Das Losgrößenproblem tritt nur bei Sortenfertigung auf, d. h. wenn produktions- und absatzverwandte Produkte in großen Mengen als geschlossener Posten nacheinander auf demselben Aggregat produziert werden. Obgleich die einzelnen Sorten nur zu bestimmten Zeiten produziert werden, möchte die Unternehmung jederzeit alle Sorten liefern können. Insofern geht es um die Losgröße, die Lossequenz und die Sortenreihenfolge. Aufgabe der Lossequenzplanung ist die Aufstellung eines realistischen Maschinenbelegungsplans nach minimalen Stillstandszeiten. Es darf zu keiner doppelten Beanspruchung eines Aggregats kommen, jedoch muss ständige Lieferbereitschaft gewährleistet sein. Hängt der Arbeitsaufwand für das Umrüsten der Anlage von der Sortenreihefolge ab, so ist auch diese als minimale Durchlaufzeiten der Aufträge nach Größe und Reihenfolge der verschiedenen Fertigungsaufträge zu berücksichtigen. 11. N  ach welchen Prinzipien kann der Materialbedarf ermittelt werden? Nach der programmorientierten Materialbedarfsermittlung wird eine Stückliste als analytisches Verfahren oder eine Liste der Teileverwendungsnachweise als synthetisches Verfahren zugrunde gelegt. Die verbrauchsorientierte Materialbedarfsermittlung erfolgt nach statistischen Verfahren (Mittelwert, Regression, exponenzielle Glättung etc.). Beide sollen die Versorgung der Unternehmung mit mengengerechtem, artgerechtem und termingerechtem Material sicherstellen. Man unterscheidet Primärbedarf, Sekundärbedarf und Tertiärbedarf. Die Planung wird meist durch computergestützte Verfahren der deterministischen Bedarfsplanung vorgenommen (Material Requirements Planning / Manufacturing Resource Planning / MRP). 12. Was versteht man im Rahmen der Produktion unter Modularisierung? Modularisierung bedeutet, dass einzelne Elemente verschiedener Produkte, z. B. eines Automodells, standardisiert und damit untereinander austauschbar werden. Durch unterschiedliche Kombination der Elemente und Hinzufügung von Spezialeigenschaften bewirkenden Sonderelementen wird dadurch eine begrenzte Individualisierung mit kostensparender Varietät erreicht (Baukastensystem). Auf diese Weise wird versucht, die Vorteile der Standardisierung im Input und der Individualisierung im Output zu kombinieren. Voraussetzung ist die Harmonisierung der Schnittstellen zwischen den Modulen. 13. Wie kann die Minimalkostenkombination formal beschrieben werden? Die Minimalkostenkombination ist jene Kombination substitutiver Produk­ tionsfaktoren, in der sich die Grenzproduktivitäten wie die Faktorpreise verhal-

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Übungsaufgaben und Lösungshinweise

ten. Werden alle Minimalkostenkombinationen bei unterschiedlichen Kostenblöcken verbunden, so ergibt sich die Minimalkostenlinie als Tangenzialpunkte der Kostenisoquanten mit den jeweiligen Ertragsisoquanten. 14. Welche Aussagen lassen sich über Produktionsfaktoren treffen? Produktionsfaktoren sind zum Zwecke der Produktion eingesetzte materielle und immaterielle Güter, die aus technischen oder wirtschaftlichen Gründen für das Hervorbringen der Produkte notwendig sind. Originäre Produktionsfaktoren bestehen aus Arbeitsleistung, Betriebsmitteln und Werkstoffen. Die Arbeitsleistung wird zudem in dispositive (leitende) und exekutive Arbeit unterteilt. Exekutive Arbeit, Betriebsmittel und Werkstoffe bilden die Elementarfaktoren. Die dispositive Arbeit ist für Planung, Organisation und Kontrolle zuständig (Management). Durch die Kombination dieser Produktionsfaktoren entsteht jegliche Wirtschafts­ tätigkeit. Dabei können die Faktoren zu mehr oder minder großem Anteil in der Kombination vertreten sein (z. B. arbeitssparender technischer Fortschritt mit Substitution von Arbeit durch Betriebsmittel). Die Institution zur Faktorkombination ist der Betrieb, der Rechtsmantel des Betriebs ist die Unternehmung. Arbeit und Betriebsmittel sind Potenzialfaktoren, diese stellen Nutzenpoten­ ziale dar, die erst durch einen wiederholten Einsatz im Produktionsprozess verbraucht werden. Dazu zählen Maschinen und die menschliche Arbeitskraft. Potenzialfaktoren sind daher nicht beliebig teilbar, ihr Einsatz wird in der Produktionsfunktion durch Faktormengen und Einsatzzeit gemessen. Werkstoffe sind Repetierfaktoren und gehen mit ihrem Einsatz im Produktionsprozess unter. Sie werden in der Produktionsfunktion durch die Menge gemessen. 15. W  as versteht man unter einer Teilautonomen Arbeitsgruppe? In einer Teilautonomen Arbeitsgruppe findet ein kontinuierlicher Aufgabenwechsel auf Gruppenbasis statt, wodurch größere, zusammenhängende Arbeiten gemeinsam eigenverantwortlich ausgeführt werden. Dies ist Bestandteil des Empowerments, das fortschreitend in den Stufen • gegenseitiges Training, Instandhaltung und kleine Reparaturen, Qualitätsverantwortung, Arbeitsfeinplanung, kontinuierliche Verbesserung, Kontakt zu Zulieferern, Kundenkontakt, Einstellung neuer Team-Mitglieder, funktionsübergreifende Kooperation, Bestimmung des Team-Führers und Budgetverantwortung ablaufen kann. Empowerment zielt auf die Umgestaltung der Arbeitsanforderungen und die Entwicklung der Arbeitskräfte zu einer Flexibilisierung der Unternehmung und zu mehr Markterfolg ab und soll ein maximales, eigentümerähnliches Engagement der Mitarbeitenden erreichen. Dieses Mehr an Engagement führt auch zu einem Mehr an Erfolgsbeteiligung durch die Unternehmung.

7. Übungsaufgaben zur Logistik

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7. Übungsaufgaben zur Logistik 1. Welche Aufgaben übernimmt ein Frachtführer? Frachtführer sind Kaufleute, die gewerbsmäßig die Beförderung von Gütern zu Lande und auf Binnengewässern übernehmen. Durch ihre Spezialisierung auf bestimmte Transportwege und -mittel können sie häufig die schnellste, kostengünstigste und zweckmäßigste Ausführung der Transportaufträge anbieten. Zwischen dem Absender einer Sendung und dem Frachtführer wird ein Frachtvertrag (Werkvertrag) abgeschlossen. Der Frachtvertrag ist erfüllt, wenn Gut und Frachtbrief an den Empfänger übergeben werden. Sichtbare Mängel am Gut sind vom Empfänger sofort beim Frachtführer zu rügen und in der Tatbestandsaufnahme festzulegen. Versteckte Mängel können innerhalb einer Woche nach der Annahme noch geltend gemacht werden. Für Frachtführer gelten das Güterverkehrs-, Posterfassungs-, Binnenschiffahrts-, Luftverkehrsgesetz und die Eisenbahnverordnung. 2. Worum handelt es sich bei der Kommissionierung? Kommissionierung bedeutet die Zusammenstellung verschiedener Artikel nach einem vorgegebenen Auftrag. Dabei kann es sich um einen oder mehrere Aufträge handeln. Der Kommissionierer stellt den Auftrag manuell zusammen, alternativ gibt es automatische Kommissioniersysteme. Bei eindimensionaler Kommissionierung wird der Artikel bis zur Griffhöhe entnommen. Bei zweidimensionaler Kommissionierung bewegt sich ein hubfähiges Regalförderzeug zum Artikel. Die Kommissionierung erfolgt auftragsorientiert, seriell, auftragsorientiert parallel oder serienorientiert parallel. Die Kontrolle der entnommenen Artikel erfolgt manuell oder automatisch (z. B. beleglos durch optische Anzeige). Die Kommissionierungszeit setzt sich aus der Basiszeit, der Wegezeit, der Greifzeit, Totzeiten und Verteilzeiten zusammen. Eine auftragsorientierte Kommissionierung erfolgt auf Basis des einzelnen Kundenauftrags. Das hat zur Folge, dass eine Vielzahl unterschiedlicher Artikelstandorte wiederholt aufgesucht werden muss, um den gleichen Artikel für verschiedene Aufträge zu kommissionieren. Bei der serienorientierten Kommissionierung wird eine Vielzahl von Kundenaufträgen nach artgleichen Artikeln mengenmäßig zerlegt. Dadurch werden die notwendigen Artikel auf einmal entnommen und dann nach Aufträgen verteilt. In einem Warenverteilzentrum (bestandsloses Transit-Terminal) wird die von Lieferanten bereitgestellte Ware in Einzelkommissionen aufgelöst und lieferantenübergreifend abnehmerspezifisch gebündelt. Man unterscheidet verschiedene Kommissionierungsverfahren: • Beim Ringsammelverfahren werden alle Waren eines Auftrags von einem Kommissionierer-Team auf einem ringförmigen Weg gesammelt.

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Übungsaufgaben und Lösungshinweise

• Das Sternsammelverfahren ist eine Kommissionierung, bei der Teile von Aufträgen parallel oder nacheinander in einzelnen Lagerbereichen unabhängig kommissioniert werden. • Das Umlaufverfahren ist eine Kommissionierung, bei der Lagereinheiten zu einem Kommissionierplatz und nach der Warenentnahme wieder an den Lagerplatz gebracht werden. • Das Karussellverfahren ist eine Kommissionierung, die eine Verbindung mit der Umlaufkommissionierung derart darstellt, dass die Ware zusätzlich an einen Stellplatz gebracht wird, an dem sie sich an dem Kommissionierer vorbei bewegt und von diesem eingesammelt wird. • Das Durchlaufverfahren ist eine Kommissionierung, bei der die Lagereinheiten in Durchlaufregalen gelagert und automatisch oder manuell zusammengestellt werden. 3. Es können verschiedene Lagerordnungen unterschieden werden. Stellen Sie bitte dar, um welche es sich handelt? Die Lagerordnung bezeichnet das Prinzip der Einlagerung. Dabei unterscheidet man die feste Lagerplatzvergabe, die freie Lagerplatzvergabe innerhalb von Zonen und die vollständig freie Lagerplatzvergabe: • Beim Festplatzsystem hat jedes Lagergut seinen festen Stammplatz. Dieser ist unabhängig von Bestandsveränderungen reserviert und kann nicht für andere Güter genutzt werden. Die Größe des Lagerplatzes muss dabei dem maximal zu erwartendem Platzbedarf entsprechen. Dadurch entsteht ein hoher Flächen-/Raumbedarf. Eine Lagerfachkarte, mit mengenmäßigen Zu- und Abgängen und dem Datum versehen, befindet sich an jedem Lagerfach. Häufig wird auch der Meldebestand bzw. Mindestbestand dort angegeben. • Beim Freiplatzsystem (chaotische Lagerung) erhält ein Lagergut fallweise einen Lagerplatz, der gerade frei ist. Reicht der Platz nicht aus, werden weitere freie Lagerplätze belegt. Zur Wiederauffindbarkeit ist daher eine exakte computergestützte Erfassung erforderlich. Dadurch kann die Lagerkapazität besser ausgelastet werden. Dies birgt aber auch die Gefahr des „Verlustes“ von Waren, die nicht wiedergefunden werden können. Dies lässt sich nur durch ein leistungsfähiges Computersystem zur Lagerverwaltung verhindern. • Bei der Zonenlagerung erfolgt die Lagerung der Ladeeinheiten entsprechend der Umschlagshäufigkeit. Es handelt sich um eine freie Lagerplatzvergabe innerhalb fester Bereiche nach Zonen. Weiterhin sind statische und dynamische Lagersysteme zu unterscheiden: • Zu den statischen Lagersystemen gehören die Kompaktlagerung ohne Lagergestell als Bodenblocklager oder mit Lagergestell als Einfahr-/Durchfahrregal-

7. Übungsaufgaben zur Logistik

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lager sowie die Zeilenlagerung ohne Lagergestell als Bodenzeilenlager oder mit Lagergestell als Flachregal-, Mittelhochregal-, Hochregallager. • Zu den dynamischen Lagersystemen gehören die Kompaktlagerung mit Lagergestell als Blocklager (Satelliten, Hochregalblock, dynamisches Blocklager) oder Durchlaufregallager (angetrieben, schwerkraftbetrieben) sowie die Zeilenlagerung mit Lagergestell als Umlauf-/Umsetzregallager (vertikal, Paternoster, horizontal, Karussell) oder Verschiebe-/Einschubregallager bzw. auf Fördermitteln. Die Stückgutlagerung erfolgt durch • Sonderregale, Flachgutregale, Fachregale (feststehend wie Fachflachregale, Fachhochregale, Fachdurchlaufregale oder beweglich wie Fachverschieberegale, Fachumlaufregale horizontal oder vertikal) sowie Palettenregale (feststehend wie Palettenfachregale, Palettenhochregale, Palettendurchlaufregale, Palettendurchfahrregale oder beweglich wie Palettenverschieberegale, Palettenumlaufregale) oder Bodenlagerung (als Blocklagerung, Zeilenlagerung, jeweils gestapelt oder ungestapelt). Die Schüttgutlagerung erfolgt auf Halden und in Silos (Kessellagerung). Die Lagerung von Flüssigkeiten und Gasen erfolgt in Tanks und Druckbehältern. 4. Erläutern Sie bitte die logistikrelevanten Merkmale von Spediteuren. Der Spediteur ist ein selbständiger Kaufmann im logistischen Bereich, der gewerbsmäßig in eigenem Namen, aber für fremde Rechnung (des Versenders) die Planung, Organisation, Durchführung und Kontrolle der Beförderung von Gütern vom Absender zum Empfänger durch einen Frachtführer oder durch Verfrachter von Seeschiffen besorgt (§ 407 HGB). Er tritt damit als Transportvermittler auf und übernimmt meist alle zum Transport gehörenden Dienstleistungen wie Versicherung, Zwischenlagerung, Dokumentenbeschaffung, Verzollung etc. Die Vermittlung beinhaltet die kaufmännische Verwaltung und organisatorische Steuerung bzw. Kontrolle der Frachtführer. Oft übernimmt der Spediteur auch selbst die Funktion des Frachtführers, indem er die Ware mit eigenen Transportmitteln befördert, und evtl. auch die Funktion des Lagerhalters. Wird der Versand zu bestimmten Beförderungskosten durchgeführt, hat er nur die Rechte und Pflichten eines Frachtführers. Der Versandspediteur übernimmt Sendungen bei verschiedenen Versendern, stellt diese Sendungen nach Verkehrsrichtungen zusammen und sorgt für den Transport auf der Hauptstrecke als Sammelladung. Der Empfangsspediteur wird beauftragt, die Ladung in Empfang zu nehmen, sie zu entladen, nach Einzelsendungen zu sortieren und dem einzelnen Empfänger auszuliefern. Dabei sind auch Zwischenspediteure eingeschaltet. Spediteure im gewerblichen Güternah- und -fernverkehr werden behördlich zugelassen. Sie schließen Frachtverträge ab und erscheinen auf Frachtbriefen als Absender. Der Spediteur erhält als Vergütung Provision und Übernahme-/Auslagenersatz,

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hat ein gesetzliches Pfandrecht am Beförderungsgut, wenn der Versender seiner Zahlungspflicht nicht nachkommt, kann auch selbst als Frachtführer in die Ausführung des Vertrags eintreten und wählt in Abstimmung die bestgeeignete Beförderung. Der Spediteur haftet bei Verlust oder Beschädigung bei nachweisbarem Verschulden. Er hat seine Sorgfaltspflicht bei der Ausführung des Transportgeschäfts walten zu lassen (insb. bei der Auswahl eines geeigneten Frachtführers) und die Interessen als Treuhänder seiner Kunden zu wahren. Und er hat Weisungen gegenüber dem Versandauftrag des Auftraggebers zu befolgen und (Gewährleistungs-)Rechte gegenüber seinem Auftraggeber zu wahren. Das Speditionsbuch ist Teil der betrieblichen Buchführung einer Spedition, das Aufträge und ausgeführte Leistungen in einem entsprechenden Ordnungssystem enthält. Die Eintragungen erfolgen chronologisch und sind jeweils zur Kontrolle mit einer Ident-Nummer als Kennung versehen. Bei der Gebietsspedition werden regional zusammenliegenden Lieferanten Spediteure zugeordnet, welche die einzelnen Beschaffungsvorgänge konsolidieren und einen oder mehrere Abnehmer in Sammelladungen beliefern. Damit werden alle mit gleicher Versandrichtung zu befördernden Güter zusammengefasst. Das bringt einen Kostenvorteil, aber einen Zeitnachteil. Der Hauptspediteur übernimmt einen Auftrag vom Versender und trägt diesem gegenüber die Verantwortung bis zur Ablieferung des Gutes beim Empfänger. Der Zwischenspediteur wird im Auftrag des Hauptspediteurs selbständig tätig. Er besorgt die Beförderung auf Teilstrecken (Vor-/ Nachlauf), veranlasst den Umschlag von einem Beförderungsmittel auf ein anderes und erledigt Zollformalitäten. Speditierung ist auf Bahn, Kraftwagen, Binnenschiff und Flugzeug möglich. Sie kann sich auf den Inlandsmarkt, auf Grenzüberschreitung und Seehafen beziehen. Der Speditionsvertrag ist formfrei. Es gelten die Allgemeinen Deutschen Speditionsvereinbarungen (ADSp), die zwischen den Spitzenverbänden der verladenden Wirtschaft, Banken, Versicherungen und Speditionen ausgehandelt sind. Sie regeln u. a. die Gefährdungshaftung des Spediteurs, Schäden sind versicherbar. Oft sind Speditions-, Frachtführer- und Lagerhalteraufgaben mit einem Pauschalbetrag (Übernahmesatz) abgegolten. Sind die Aufgaben auf verschiedene Betriebe verteilt, erfolgt vom Spediteur eine Rückvergütung an Frachtführer und Lagerhalter, entsprechend der ihnen entstehenden Aufwandsentschädigung. 5. Was versteht man unter einem Materialfluss? Der Materialfluss umfasst alle physisch notwendigen Prozesse und deren Verkettung zur Beschaffung, zum Transport, zur Förderung, zur Be- und Verarbeitung sowie zur Lagerung, Verteilung und Rücknahme von Gütern und Materialien. Er ist abzugrenzen vom Informationsfluss und vom Zahlungsfluss.

7. Übungsaufgaben zur Logistik

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6. Was versteht man unter der Wiederbeschaffungszeit? Die Wiederbeschaffungszeit umfasst den Zeitraum zwischen dem Zeitpunkt der Abgabe einer Bestellanforderung und der Anlieferung für das benötigte Material. Sie setzt sich aus den Zeitanteilen für Vorbereitung der Bestellung und Lieferung incl. der Transportzeit zusammen. 7. Was versteht man unter der Durchlaufzeit? Die Durchlaufzeit umfasst die Spanne zwischen dem Zeitpunkt des Anstoßes eines logistischen Prozesses und dessen Abschluss. Sie setzt sich vor allem aus Produktions-, Liefer- und Wiederbeschaffungszeiten zusammen. 8. Was versteht man unter der Lieferzuverlässigkeit? Die Lieferzuverlässigkeit ist ein Maß für die Fähigkeit einer Unternehmung, Aufträge zeit- und mengengerecht zu erfüllen. Dabei geht es vor allem um die Übereinstimmung zwischen zugesagtem und tatsächlichem Liefertermin. 9. Was versteht man unter der Lieferqualität? Unter Lieferqualität versteht man den Anteil der ohne Beanstandungen durchgeführten Lieferungen an allen Lieferungen. Wesentlicher Einflussfaktor ist die logistische Prozesssicherheit. 10. W  as versteht man unter der Lieferflexibilität? Lieferflexibilität umfasst die Bereitschaft und Fähigkeit einer Unternehmung, kurzfristige Änderungen bzgl. Mengen und Terminen einer Lieferung vorzunehmen. Es geht also um die Anpassungsfähigkeit an Kundenwünsche. 11. W  elche zentralen Funktionen kommen dem Lager allgemein zu? Dem Lager kommen allgemein vier zentrale Funktionen zu: • Die Ausgleichsfunktion dient der Überwindung von zeitlichen und quantitativen Diskrepanzen zwischen dem Warenzufluss und dem Warenabfluss. • Die Sicherungsfunktion dient zur Abpufferung von Informationsdefiziten über Bereitstellungszeiten/-mengen und Bedarfszeiten/-mengen. • Die Spekulationsfunktion dient zur möglichen Vermeidung von Qualitätsnachteilen bzw. zur möglichen Nutzung von Preisvorteilen. • Die Veredelungsfunktion dient der Qualitätsverbesserung durch Zeitüberbrückung etwa durch Trocknung, Reifung, Gärung etc.

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Übungsaufgaben und Lösungshinweise

12. Welche Arten von Kanban-Systemen können unterschieden werden? Beim Kanban-System können im Wesentlichen fünf Formen unterschieden werden: • Ein-Karten-Kanban bedeutet die Verwendung einer einheitlichen Kanban-Karte für Produktion und Transport, ein Pufferlager wird entweder der verbrauchenden oder der erzeugenden Stelle zugeordnet. • Zwei-Karten-Kanban bedeutet, dass es getrennte Kanban-Karten für Produktion und Transport gibt. Pufferläger werden sowohl der verbrauchenden wie auch der erzeugenden Stelle zugeordnet. • Signal-Kanban bedeutet, dass die Verbrauchsstelle der Erzeugungsstelle ihren Sicherheitsbestand als Puffer anzeigt (Signalmarke), die produzierende Stelle liefert nach, sobald dieser Bestand unterschritten wird. • Elektronischer Kanban bedeutet, dass anstelle der optischen Steuerung des Sig­ nal-Kanbans eine elektronische Steuerung über PC erfolgt. • Lieferanten-Kanban bedeutet, dass stufenübergreifend auch der Lieferant in die Anwendung einbezogen wird (optisch oder elektronisch). 13. Aus welchen Zeitanteilen besteht die Kommissionierzeit im Einzelnen? Die Kommissionierzeit besteht im Einzelnen aus folgenden Zeitanteilen: • Rüstzeit zur Vorbereitung und Bereitstellung der Kommissionierbehältnisse und -unterlagen, • Suchzeit zur Bearbeitung der Unterlagen und Scannen der Belege, • Wegezeit bis zur Entnahmeposition der Ware, • Entnahmezeit zur Entnahme der Ware, Ablage in ein Kommissionierbehältnis und Quittierung der Annahme, • Packzeit, um das Behältnis intern oder extern versandfertig zu machen. 14. In der die EU-Außengrenzen überschreitenden Logistik sind Zolldokumente als Warenbegleitpapiere von Bedeutung. Um welche handelt es sich dabei? Unter Zolldokumenten sind vor allem die folgenden Dokumente zu fassen. Die Handelsrechnung (Commercial Invoice) ist eine ordnungsgemäß ausgestellte Rechnung des Lieferanten als Beweisurkunde für die Vertragserfüllung bei Auslandsgeschäften. Sie dient meist als Grundlage zur Ausstellung weiterer Dokumente und enthält Angaben über Kennzeichnung der Verpackung und der Ware, Fracht- und Versicherungskosten, Namen und Anschrift von Exporteur und Importeur, Ausstellungsdatum, genaue Beschreibung der Ware (Art, Menge, Gewicht etc.), Preis je Einheit nach Rabatten, Gesamtpreis, Lieferungsbedingungen,

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Zahlungsbedingungen und rechtsverbindliche Unterschrift / Stempel. Sie ist auch ein wichtiges Dokument im Zusammenhang mit den zoll- und devisenrechtlichen Bestimmungen des Einfuhrlandes. Manche Länder verlangen eine Beglaubigung der IHK oder eine rechtsverbindlich unterzeichnete Erklärung der Lieferfirma, dass der Rechnungsbetrag mit den ordnungsgemäß geführten Büchern übereinstimmt und in welchem Land die Ware hergestellt worden ist. Oft wird auch ein Ursprungszeugnis verlangt. Die Konsulatsfaktura (Consular Invoice) ist die im Exportland vom Konsulat des Importlands beglaubigte Beschreibung der zum Verkauf an den Importeur bestimmten Güter auf vorgegebenen Rechnungsformularen unter Angabe festgelegter, erforderlicher Daten und Vorlage der Importlizenz, der Handelsrechnung und des Konnossements. Die Konsulatsfaktura enthält die gleichen Angaben wie die Handelsrechnung, jedoch zusätzlich Angaben über das Ursprungsland und die Angemessenheit des Preises der Ware. Sie bildet die Grundlage für die Berechnung des Wertzolls. Das Konsulat des Bestimmungslands bestätigt auf einem besonderen Konsulatsvordruck, dass der berechnete Wert mit dem tatsächlichen Handelswert der Ware im Exportland übereinstimmt. Die Zollfaktura (Customs Invoice) ist eine vereinfachte Form der Konsulatsfaktura und gilt wie diese als Bemessungsgrundlage für den Wertzoll bei Einfuhren in bestimmte Länder, in denen eine staatliche Devisen- und Einfuhrkontrolle besteht. Die Zollfaktura ist ein Wert- und Ursprungszertifikat, das vor allem vor Manipulationen schützen soll. Der Bestätigungsvermerk kommt von der zuständigen IHK. Die Ausstellung erfolgt durch das Zollamt des Importlands und muss vom Exporteur unterzeichnet werden. Basis ist das Formular der Zollbehörde des Importlandes mit den maßgeblichen Daten der Handelsrechnung, Angaben über die Ware und das Ursprungsland (dies erübrigt dann das Ursprungszeugnis). Der Exporteur hat darin eine vorgedruckte Erklärung zur Angemessenheit (Handelsüblichkeit) des Preises und zum Ursprung der Waren abzugeben und bestätigt, dass der angegebene Warenwert dem tatsächlichen Verkehrswert in seinem Land entspricht. Die Pro Forma-Rechnung wird meist vor Geschäftsabschluss ausgestellt und ist identisch mit der späteren Handelsrechnung. Sie dient oftmals zur Beantragung von Importlizenzen und Devisenzuteilungen, zur Eröffnung von Importakkreditiven etc. 15. W  elche logistischen Entscheidungen sind in Bezug auf Transport und Lagerung zu treffen? Welche Überlegungen spielen dabei eine Rolle? In Bezug auf Transport und Lagerung sind vor allem vier Entscheidungen zu treffen, die Wahl des Transportmittels und des Transportmittelbetriebs sowie die Wahl des Lagerstandorts und des Lagerbetriebs: • Für die Wahl des Transportmittels stehen im Grundsatz Schiff (Binnen-/ See-), (Fracht-)Flugzeug, Zug und Lkw zur Verfügung. Jedes Transportmit-

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Übungsaufgaben und Lösungshinweise

tel weist spezifische Vor- und Nachteile in Bezug auf die zu transportierenden Einheiten aus. Insofern kann keine generelle Aussage getroffen werden, allerdings kann ein Trade off zwischen Kosten und Zeit festgestellt werden. Das heißt, Transportmittel, die besonders schnell Entfernungen überbrücken, sind zugleich bezogen auf die transportierte Gewichtseinheit sehr kostspielig, und Transportmittel, die je Gewichtseinheit kostengünstig sind, sind zugleich vergleichsweise langsam. Insofern ist in diesem Trade off ein bestmöglicher Kompromiss zu finden. • Für die Wahl des Transportmittelbetriebs stellt sich die gängige Make or Buy-Entscheidung, d. h. entweder der Betrieb mit eigenen Transportmitteln oder mit beauftragten fremden Transportmitteln. Auch hierbei ergeben sich individuelle Vor- und Nachteile, so dass keine generelle Aussage möglich ist. Allerdings besteht wie wohl überall ein Trend zum Outsourcing zwecks Sub­ stitution von fixen Kosten durch variable und zur Nutzung von Kernkompetenzen der Auftragnehmer als Wettbewerbsvorteil. • Für die Wahl des Lagerstandorts ergeben sich im Grundsatz zwei Möglichkeiten. Erstens ein zentrales Fertigwarenlager in unmittelbarer räumlicher Nähe zum Produktionsstandort oder zweitens mehrere dezentrale Läger in räumlicher Nähe zu großen Kundenstandorten. Ein Zentrallager ist im Regelfall kostengünstiger zu betreiben als mehrere dezentrale Läger. Allerdings sind die Transportzeiten vom Zentrallager zu Kunden länger als von im Raum verteilten Dezentrallägern zu diesem. Da Zeit ein zentraler Wettbewerbsfaktor ist, besteht ein Trend hin zu dezentralen Lägern in der Nähe von Kundenstandorten. • Für die Wahl des Lagerbetriebs stellt sich wiederum die Make or Buy-Entscheidung. Auch hier gibt es einen Trend zum Outsourcing für höhere Leistungsfähigkeit bzw. günstigeres Preis-Leistungs-Verhältnis. Zumal damit womöglich auch Kapazitätsschwankungen aufgefangen werden können.

8. Übungsaufgaben zur Qualität

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8. Übungsaufgaben zur Qualität 1. Welche sechs Einflussfaktoren auf die Qualität können in Anlehnung an Ishikawa unterschieden werden? Auf die Qualität wirken sechs Einflussfaktoren (6 M) ein, und zwar Mensch, Maschine, Material, Methode, Mitwelt und Management: • Die Mitarbeitenden sind der zentrale Erfolgsfaktor für Qualität. Voraussetzung ist die Schaffung eines Bewusstseins für die fundamentale Bedeutung der Qualität für den Unternehmenserfolg (wie durch das PIMS-Projekt empirisch bestätigt). Dies setzt eine Veränderungsbereitschaft der Mitarbeitenden voraus, ein hohes Maß an gewährter Eigenverantwortung, eine vorherrschende Vertrauenskultur, die Konfliktfähigkeit der Mitarbeitenden und ihre Teamfähigkeit, die Leistungsbereitschaft und -förderung sowie einen konstruktiven Umgang miteinander. Daraus resultieren eine hohe Arbeitszufriedenheit und daraus wiederum eine hohe Arbeitsmotivation, hohes Verantwortungsbewusstsein und individuelle Arbeitsproduktivität sowie eine niedrige Fehlerquote, kurze Durchlaufzeiten in der Produktion und eine hohe Produktqualität. • Die Produktionsanlagen (Maschinen) als Antriebs- und Arbeitsmaschinen müssen generell für den Verwendungszweck geeignet sein, die technischen und wirtschaftlichen Anforderungen erfüllen, Betriebssicherheit gewährleisten, sozial- und umweltverträglich sein. Die Maschinen bedürfen der stetigen Kontrolle durch Messung. • Die Arbeitsmaterialien (Materialien) bestehen im Wesentlichen aus Rohstoffen, Hilfsstoffen, Betriebsstoffen, Teilen und Halbzeugen. Sie bestimmen in ihren physikalischen, chemischen, technologisichen und ökologischen Eigenschaften die Qualität des Fertigerzeugnisses. Sie bedürfen der regelmäßigen Kontrolle in Bezug auf Verwendungszweck, Betriebsfestigkeit und -sicherheit, Produktionsfähigkeit und Umweltverträglichkeit. • Mit Methode ist eine systematische Vorgehensweise zur Erzielung von Qualität gemeint. Die Wahl der Methode ist entscheidend für die Qualität der Lösung. • Das Milieu besteht aus allen Einflussfaktoren auf die Qualität. Diese stellen Störgrößen dar und sind daher entweder zu eliminieren oder zumindest konstant zu halten. Allerdings ist dies angesichts der Dynamik des Umfelds nur schwer zu erreichen. • Die unternehmerische Steuerung (Management) und Koordinierung nimmt durch Führung indirekt auf die Qualität Einfluss. Dies erfolgt durch Steuerung der Ressourcen (Personal, Budget, Zeit etc.) und Vorgabe von (Qualitäts-) Zielen.

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Übungsaufgaben und Lösungshinweise

2. Welche Aufgaben übernimmt das Qualitätsmanagement-Handbuch? Das QM-Handbuch umfasst alle Elemente und Ziele der Qualitätspolitik, beschreibt die Prozesse und deren Zuständigkeiten / Verantwortungen und enthält dokumentierte Beschreibungen. Es ist für Kunden zugänglich. Es bildet das Führungs- und Dokumentationsinstrument des Qualitätsmanagements und ist dokumentarische Grundlage für Qualitätsaufzeichnungen, um potenzielle Fehler festzustellen, Fehlerursachen zu ermitteln, Fehler zu vermindern etc. Das QM-Handbuch ist permanent zu aktualisieren. Hinzu treten folgende Dokumente: • Verfahrensanweisungen, welche die Anwendung der Verfahren nach einer bestimmten Methodik / Verantwortlichkeit regeln und die Ablauforganisation betreffen. • Arbeits- und Prüfanweisungen, die exakte Beschreibungen für qualitätsrelevantes Handeln liefern und nicht für Externe zugänglich sind. • Qualitätsaufzeichnungen, die dem Nachweis der Erfüllung der Qualitätsanforderungen dienen. 3. Was versteht man unter einem Quality Audit? Der Quality Audit ist eine systematische und unabhängige Untersuchung, um festzustellen, ob die qualitätsbezogenen Tätigkeiten der Unternehmung und die damit zusammenhängenden Ergebnisse den geplanten Anforderungen entsprechen. Es geht also um die Wirksamkeit (Überprüfung) des Qualitätsmanagements. Denkbar sind ein System-Audit der Struktur- und Prozessorganisation, ein Verfahrens-Audit zur Einhaltung von Normen und ein Produkt-Audit zur Übereinstimmung mit Qualitätsvorgaben. Ein interner Audit erfolgt durch eige­ne Mitarbeitende von außerhalb der Abteilung (Revision), ein externer Audit durch Außenstehende, vor allem große Kunden und neutrale Prüforganisationen. Für letztere gibt die Normenreihe DIN EN ISO 9000 ff. ein übergreifendes Modell des Qualitätsmanagements vor. Bei erfolgreicher Absolvierung eines Audits wird ein Qualitätszertifikat verliehen. Dessen Gültigkeit muss in regelmäßigen Abständen durch Folge-Audits und anlassbezogen bei größen Änderungen verifiziert werden. Als Basis dienen Verfahrensanweisungen und Qualitätsdokumentationen. Die Verantwortung liegt bei der Unternehmensleitung. 4. Wodurch ist ein Qualitätsmangel gekennzeichnet? Ein Qualitätsmangel stellt eine Beeinträchtigung eines Rechts oder der Beschaffenheit einer Sache / eines Werks dar, die zu Ansprüchen des Gläubigers führt. Dabei kann es um die Behebung des Mangels (Mangelbeseitigung) oder auch Schadensersatz für Mangelnachteile gehen. Solange kann der Schuldner seine Leistung verweigern. Entstehen Schäden nicht nur an der mangelhaften

8. Übungsaufgaben zur Qualität

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Kaufsache, sondern auch an anderen Sachen / Werken, handelt es sich um Mangelfolgeschäden. 5. Welche wesentlichen Merkmale zeichnen Qualitätszirkel aus? Qualitätszirkel sind moderatorengeleitete Gesprächsrunden in kleinen Gruppen möglichst gleicher Hierarchieebene und Erfahrungsgrundlage, die sich regelmäßig und freiwillig während der Arbeitszeit oder danach treffen, um zu selbstgestellten Themen aus dem Arbeitsbereich Problemlösungen mit Hilfe geeigneter Methoden systematisch zu erarbeiten und einem Entscheidergremium vorzutragen, um sie möglichst auch selbst zu realisieren und sich danach aufzulösen oder andere Probleme anzugehen. Denn die Ausführenden der Arbeit wissen selbst am besten, wie ihre Arbeitsumgebung effektiver und sozialer zu gestalten ist. Dadurch sollen Interesse und Bewusstsein für die Mitverantwortung der Mitarbeitenden geweckt und diese veranlasst werden, nach Lösungen zu suchen, welche die Zusammenarbeit zwischen Tätigkeitsbereichen reibungsloser gestalten, Arbeitsprozesse transparenter machen, erworbenes Wissen übertragen, Arbeitsund Führungsstil verbessern, die Kreativität anregen und eigene Entwicklungsmöglichkeiten erkennen. Durch Gruppenarbeit werden die Motivation des Einzelnen, das allgemeine Betriebsklima, die Arbeitsbedingungen und -abläufe und die Leistungsergebnisse verbessert. Ein Qualitätszirkel besteht idealerweise aus fünf bis zwölf Personen, die sich max. zwei Stunden wöchentlich zusammenfinden. Zur Gruppe gehören je ein Koordinator für die Initiierung, Planung, Organisation, Umsetzung, Betreuung, Steuerung der Arbeit und ein Moderator für die Diskussionsleitung und Hilfestellungen. Die Gruppenmitglieder identifizieren Probleme selbst nach Dringlichkeit und wählen sie nach Lösungswahrscheinlichkeit aus, bearbeiten diese durch Analyse von Einflussgrößen, Zielsetzung, Timing, Kreativitätstechniken, Alternativenbewertung etc., präsentieren das Ergebnis und implementieren Lösungen dafür sowie überwachen deren Erfolg durch Dokumentation und Transfer. 6. Erläutern Sie bitte die Inhalte des Total Quality Managements. Die Inhalte des Total Quality Managements (TQM) erklären sich bereits aus dem Begriff selbst: • „Total“ bedeutet, dass die Einbeziehung aller an der Wertschöpfung beteiligten Interessengruppen (Mitarbeiter, Zulieferer, Abnehmer etc.) erforderlich ist, also eine partnerschaftliche, bereichs- und funktionsübergreifende Kommunikation, über alle Hierarchieebenen hinweg mittels Gruppenarbeit, Networking, Integration etc. • „Quality“ bedeutet, dass eine konsequente Orientierung aller betrieblichen Aktivitäten an den Qualitätsanforderungen erforderlich ist, also Qualität der

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Übungsaufgaben und Lösungshinweise

Unternehmung, der Prozesse, der Arbeit, der Produkte mit den Kundenwünschen als Maßstab bzw. konsequenter Abbau nicht kundenrelevanter Aktivitäten. Wichtige Mittel dazu sind der Einsatz statistischer Verfahren und die vorbeugende Fehlervermeidung. • „Management“ bedeutet, dass Qualität als übergeordnetes Führungsprinzip in der Unternehmung verstanden wird (Unternehmenskultur), versehen mit Vorbildcharakter (Top down) durch übergeordnete Qualitätsziele/-strategien. Wichtig sind dabei Team- und Lernfähigkeit, Beharrlichkeit, Mitarbeiterqualifizierung, Leistungsanerkennung und die allgemeine Berücksichtigung von Humanität und Leistung. TQM ist damit eine auf der Mitwirkung aller ihrer Mitglieder beruhende Führungsmethode einer Unternehmung, die Qualität in den Mittelpunkt stellt und durch Zufriedenheit der Kunden auf langfristigen Geschäftserfolg sowie auf Nutzen für interne und externe Mitglieder abzielt. 7. Charakterisieren Sie bitte den Kontinuierlichen Verbesserungsprozess (KVP). Bei KVP geht es um die permanente Qualitätsverbesserung, die vorbeugende Fehlervermeidung und die Erhöhung der Kundenzufriedenheit, weiterhin um Produktivitätssteigerung, Prozessorientierung, Minimierung von Durchlaufzeiten und Kostensenkung sowie um die Qualifizierung der Mitarbeitenden, die Erhöhung deren Leistungsbereitschaft und die Verbesserung von Arbeitsbedingungen und Arbeitszufriedenheit. Im japanischen Ursprung spricht man dabei von Kaizen („der Weg zum Guten“). Dabei wird vor allem versucht, das Wissens­ potenzial der einzelnen Mitarbeitenden für Verbesserungen zu nutzen, die aufgrund ihrer Nähe zum Geschehen („Werkstatt“) Probleme oft besser einschätzen können als Vorgesetzte in der Administration. Dabei ist nicht nur die Beseitigung von Schwachstellen das Ziel, sondern auch die Beseitigung von Verschwendung jeder Art. Quellen dafür sind etwa: • Überproduktion (Push-Prinzip), ohne dass ein (interner oder externer) Abnehmer dafür vorhanden ist, • Wartezeit (Produktionsunterbrechung), der keine Wertschöpfung gegenüber steht und die unnötig ist, • überflüssiger Transport und unnötige Bewegungen durch unzureichende Produktionslayoutplanung, • ungünstige Fertigung durch unzureichende Produktdesignplanung, • überhöhte Lagerhaltung mit Kapitalbindung im Umlaufvermögen und Opportunitätskosten, • fehlerhafte Teile, die aufwändig nachgebessert oder aussortiert werden müssen, aber auch Talentverschwendung durch unzureichende Personalentwicklung.

8. Übungsaufgaben zur Qualität

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8. Welche Bedeutung kommt Normen zu? Normen sind durch rechtlich fixierte Vereinbarung (Gesetzgeber) bzw. von einer normberechtigten, national oder international anerkannten Institution definierte Spezifikation (neutraler Standard) in Form einer technischen Beschreibung oder eines anderen Dokuments über die Beschaffenheit von Einzelwaren bzw. Einzelleistungen, das für jedermann zugänglich ist und unter Mitarbeit und im Einvernehmen oder mit allgemeiner Zustimmung aller interessierten Kreise erstellt wurde. Sie beruhen auf abgestimmten Ergebnissen aus Wissenschaft, Technik und Praxis und streben einen größtmöglichen Nutzen für die Allgemeinheit an. Die wichtigste internationale Normungsinstitution ist die ISO (International Organization for Standardization) mit 182 technischen Komitees und 633 Subkomitees für spezielle Gebiete. Ziel ist die Erleichterung des internationalen Waren- und Diensteaustauschs. Die Arbeitsergebnisse werden in Leitfäden veröffentlicht und teilweise für Europa (EN / Europäische Norm) und Deutschland (DIN / Deutsche Industrie Norm) übernommen. Am bekanntesten sind sicherlich die Normen 9000 ff. (Qualitätsmanagement). Das Normungsverfahren durchläuft in Deutschland folgende Stadien: • Normungsantrag, Veröffentlichung des Normvorhabens, Erarbeitung eines Normentwurfs durch Arbeitsausschüsse, Veröffentlichung als Normentwurf, ohne Einspruch innerhalb von vier Monaten Veröffentlichung als DIN-Norm, mit Einspruch erneute Beratung unter Beteiligung des / der Einsprechenden, bei Ablehnung des Einspruchs Veröffentlichung als (evtl. veränderte) DINNorm, ansonsten Schlichtungs- oder Schiedsverfahren zur Einigung. Im Einzelnen unterscheidet man verschiedene Arten von Normen, so: • Verständigungsnormen über Terminologie, Zeichen und Systeme, • Sortierungsnormen für die Einteilung von Größen und Qualitäten in Sorten / Klassen, • Typnormen für die Stufung bestimmter Produkte nach deren Art / Form / Größe, • Planungsnormen für Baugrundsätze bei Entwurf, Berechnung, Ausführung, Betrieb, • Konstruktionsnormen für die Gestaltung bestimmter Produktarten, • Abmessungsnormen für Ausmaße und Toleranzen, • Stoffnormen für technische, physikalische und chemische Eigenschaften von Produkten, • Gütenormen für qualitative Eigenschaften, • Verfahrensnormen für Herstellung und Behandlung von Erzeugnissen,

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Übungsaufgaben und Lösungshinweise

• Prüfnormen für Materialien / Produkte hinsichtlich Methoden und Bedingungen der Prüfung, • Liefernormen (Lieferungsbedingungen), • Sicherheitsnormen hinsichtlich einzuhaltender Schutzvorschriften. Normen beziehen sich auf Begriffe, Formen, Abmessungen, Farben, Werkstoffe, Güter, Erzeugnisse, Symbole etc. Sie können Fachnormen (brancheneinheitlich) und Werksnormen (betriebseinheitlich), institutionalisierte Normen und faktische Normen (Quasi-Standards) sein. 9. Was ist und wozu dient die Null Fehler-Produktion? Fehler bedeutet allgemein die Nichterfüllung (Nichtkonformität) einer festgelegten Forderung i. S. v. Qualitäts- und Zuverlässigkeitsmerkmalen (DIN EN ISO 8402/Fault). Er führt zur Fehlfunktion oder Funktionsunfähigkeit (Failure) eines Produkts. Davon zu unterscheiden ist ein Mangel, d. h. die Nichterfüllung einer beabsichtigten oder auch nur berechtigten, den Umständen angemessenen Erwartung für den Gebrauch einer Einheit (Defect). Ein Mangel beeinträchtigt also nicht die Verwendbarkeit der betrachteten Einheit, ein Fehler sehr wohl. Rechtlich ist eine Einheit fehlerhaft, wenn sie von der vereinbarten Beschaffenheit abweicht und dadurch ihr Wert oder ihre Tauglichkeit zum normalerweise vorgesehenen oder vertraglich vereinbarten Gebrauch aufgehoben oder mehr als unerheblich gemindert wird. Man unterscheidet offene Fehler, diese sind durch dem Stand der Technik entsprechende Verfahren und bei Anwendung der üblichen Sorgfalt bei einer Prüfung erkennbar und verdeckte Fehler, diese sind nicht ohne Weiteres erkennbar. Werden offene Fehler von Leistungsempfängern abgenommen, gelten sie vom Abnehmer als genehmigt, bei verdeckten Fehlern können hingegen Gewährleistungsrechte aktiviert werden. Das Zero Defects Concept (Null Fehler-Programm, der Begriff Null Mangel-Programm ist nicht gebräuchlich) bedeutet fehlerfreie Produktion ohne Ausschuss und Nacharbeit, denn nicht die Produktion von Qualität verursacht Kosten, sondern vielmehr die Behebung von Fehlern in der Produktion. Fehlervermeidung setzt daher bereits in der Entwicklungs- und Konstruktionsphase an. Ein Null Fehler-Programm ist jedoch nur erfolgreich, wenn es gelingt, die Verpflichtung des Managements zur Qualität klarzustellen. Die Durchführung von Qualitätsverbesserungsprogrammen bedingt, dass Qualitätsabweichungen erlebbar gemacht (Darstellungsform, z. B. durch Schautafeln am Arbeitsplatz mit geplanter und tatsächlicher Fehlerfreiheit) und Qualitätskosten definiert werden. Zudem gilt es, die Kontinuität des Programms zu verdeutlichen.

8. Übungsaufgaben zur Qualität

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10. Was versteht man unter den „5 S“ und was unter den „3 Mu“ in der japanischen Produktionsphilosophie? Die 5 S beziehen sich auf die Einhaltung folgender Maßgaben: • Seiri, d. h. Sortieren, Ordnung schaffen, Notwendiges von Überflüssigem trennen, alles Überflüssige entfernen, • Seiton, d. h. Systematisieren, Ordnung bewahren, jeder Gegenstand an seinem Platz, • Seiso, d. h. turnusmäßiges Säubern, • Seiketsu, d. h. Standardisierung, Pläne machen, Checklisten einhalten, dokumentieren, • Shitsuke, d. h. Selbstdisziplin, Einhaltung von Vorgaben. Die 3 Mu beziehen sich auf die Vermeidung von Verschwendung durch • Muda, d. h. nicht kundennutzenstiftende Tätigkeiten, • Muri, d. h. Überlastung von Produktionsfaktoren mit der Folge instabiler Produktionsbedingungen, • Mura, d. h. Behebung von Prozessunregelmäßigkeiten. 11. W  elche Hauptgruppen der Produkthaftung aus Fehlerfolgen können unterschieden werden? Als Hauptgruppen der Produkthaftung aus Fehlerfolgen können folgende unterschieden werden: • Konstruktionsfehler, die daraus folgen, dass Produkte entgegen dem Stand der Technik konzipiert wurden. Es handelt sich also um Fehler, die einer Vielzahl von Produkten gleichermaßen anhaften. • Fabrikationsfehler, die durch technische Unzulänglichkeiten oder organisatorische Mängel im Produktionsablauf entstehen. Sie haften nur einzelnen Produkten an. • Instruktionsfehler, die auf falschen Gebrauch durch fehlende, mangelhafte oder unverständliche Bedienungsanleitung zurück zu führen sind. • Produktbeobachtungsfehler, die nach Inverkehrbringen eines Produkts vom Hersteller zu verantworten sind, aber von ihm nicht nachhaltig behoben werden.

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Übungsaufgaben und Lösungshinweise

12. Welche typischen Fehlerkosten gibt es? Nennen Sie bitte geeignete Beispiele. Die Fehlerkosten teilen sich in interne und externe Fehlerkosten auf. Typische interne Fehlerkosten sind etwa Kosten für Ausschuss, Nacharbeit, Steuerungsaufwand, hohe Bestände, Kosten für Korrekturmaßnahmen, qualitätsbedingte Mengenabweichungen, außerplanmäßige Sortierprüfung, Maschinenausfallund -folgekosten, qualitätsbedingte Konstruktions- und Fertigungsänderungen etc. Typische externe Fehlerkosten sind etwa Kosten für Gewährleistung, entgangene Deckungsbeiträge, Garantie- und Kulanzkosten, Produkthaftung, Rückrufak­tion, Reklamationsbearbeitung, Verschrottung fehlerhafter Lagerbestände, Kosten aus Wandlung und Minderung, Versicherungskosten, Marktanteilsverluste etc. 13. Nennen und erläutern Sie bitte wesentliche Ziele des Qualitätsmanagements. Beispielhaft handelt es sich bei den Zielen des Qualitätsmanagements um folgende: • Steigerung der Kundenzufriedenheit, Steigerung der Kundenbindung, Imageverbesserung, Schaffung von Markteintrittsbarrieren für potenzielle Mitbewerber, Steigerung von Gewinn / Umsatz, Steigerung des Marktanteils, Erhöhung der Wiederkaufrate, Ausschöpfung von Cross Selling-Potenzialen, Schaffung hohen Qualitätsbewusstseins, Schaffung strikter Kundenorientierung, Motivation der Mitarbeitenden, Erhöhung der Mitarbeiterzufriedenheit, Erhöhung der Produktivität, Effizienzsteigerung im Prozessablauf, Senkung des Fehlleistungsaufwands, qualitätsorientierte Personalinvestition. 14. Welche betrieblichen Probleme können Sie sich im Rahmen des TQM realistisch vorstellen? Häufig vorkommende, betriebliche Probleme bei TQM resultieren vor allem daraus, dass qualitätsbezogene Inhalte nicht richtig verstanden und Prinzipien des TQM nicht zutreffend erkannt werden, weil eine entsprechende Grundorientierung fehlt. Oftmals fehlen auch die Voraussetzungen oder TQM wird als bloßes Projekt statt als kontinuierliche Verpflichtung verstanden, was dann nicht selten zu einem frühzeitigen Abbruch führt. 15. S tellen Sie bitte verschiedene Sichtweisen der Qualität dar. Qualität ist die Gesamtheit von Einzelforderungen an die Beschaffenheit einer Einheit. Beschaffenheit wiederum ist die Gesamtheit der Merkmale und Merkmalswerte einer Einheit. Einheiten sind schließlich Sach- oder Dienstleistungen. Dabei gibt es fünf Sichtweisen des Qualitätsbegriffs:

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• Die transzendente Sicht betrachtet Qualität als absolut und universell erkennbar, als Zeichen kompromisslos hoher Ansprüche und Leistungen, die nicht präzise zu definieren sind und nur durch Erfahrung empfunden werden (absolute, ästhetische Qualitätsdefinition). • Die produktbezogene Sicht betrachtet Qualität als präzise und messbar. Qualitätsunterschiede werden durch bestimmte, meist technische Eigenschaften oder Bestandteile eines Produkts auch quantitativ widergespiegelt (objektive, problembezogene Qualitätsdefinition). • Die anwenderbezogene Sicht betrachtet Qualität mit den Augen des Nutzers, individuelle Nachfrager haben dabei unterschiedliche Wünsche und Bedürfnisse, wobei diejenigen Güter, die diese Bedürfnisse am besten befriedigen, die jeweils höchste Qualität repräsentieren (subjektive Qualitätsdefinition / Fitness for Use). • Die prozessbezogene Sicht betrachtet Qualität als Einhaltung von Spezifikationen, jede Abweichung impliziert daher eine Verminderung. Hohe Qualität entsteht demnach durch gut ausgeführte Arbeit, deren Ergebnis Anforderungen sicher erfüllt (funktionale, produktionsbezogene Qualitätsdefinition). • Die Preis-Nutzen-bezogene Sicht betrachtet Qualität als durch Kosten und zugehörige Leistungen ausgedrückt (Preis-Leistungs-Relation). Ein Qualitätsprodukt erfüllt eine bestimmte Leistung zu einem akzeptablen Preis bzw. zu tragbaren Kosten (relative, wertbezogene Qualitätsdefinition). Ebenso einleuchtend wie knapp ist die Auffassung, dass Qualität die Eignung einer Leistung zur Erreichung eines bestimmungsgemäßen Nutzens ist. Sie ist das Maß, in dem eine Leistung Kundenanforderungen erfüllt, also Erwartungen von Abnehmern entspricht. Je mehr Leistung (Qualitätserlebnis) und Anforderungen (Qualitätserwartung) übereinstimmen, als desto höher wird die Qualität angesehen. Objektive Qualität ist also regelmäßig subjektiv im Urteil ihrer Kunden.

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Übungsaufgaben und Lösungshinweise

9. Übungsaufgaben zum Marketing 1. Wann ist vergleichende Werbung erlaubt? Vergleichende Werbung ist grundsätzlich immer erlaubt, wenn sie lauter ist, allerdings darf dabei keine Irreführung vorliegen. Der Vergleich darf nur zwischen Waren / Dienstleistungen für den gleichen Bedarf / die gleiche Zweckbestimmung erfolgen. Es muss sich um einen objektiven Vergleich zwischen einer oder mehreren wesentlichen, relevanten, nachprüfbaren und typischen Eigenschaften handeln, zu denen auch der Preis gehört. Unzulässig sind subjektive Einschätzungen. Durch den Vergleich darf keine Verwechslung zwischen dem Werbenden und dem verglichenen Mitbewerber oder dessen geschäftlichen Kennzeichnungen und sonstigen Unternehmenszeichen und den jeweiligen Angeboten zutage treten. Es darf keine Verunglimpfung oder Herabsetzung des Wettbewerbers und dessen Leistung stattfinden. Bei Waren mit Ursprungsbezeichnung muss innerhalb des gleichen Ursprungs verglichen werden. Untersagt ist die unlautere Ausnutzung eines fremden Kennzeichnungsrechts. Verboten ist weiterhin, das eigene Produkt als Nachahmung oder Imitation eines Markenartikels anzupreisen, gleiches gilt für nachgeahmte Dienstleistungen im Hinblick auf den geschützten Verkehrsnamen des Wettbewerbers. Bei Sonderangeboten ist der Zeitraum des Angebots anzugeben. Weiterhin erlaubt sind der Vergleich zur Abwehr eines rechtswidrigen Angriffs und einer ernsthaften Gefährdung der potenziellen Käufer, der Vergleich aufgrund einer konkreten Anfrage eines Kunden, zur Demonstration eines technischen oder wirtschaftlichen Vorsprungs, zur Aufklärung schutzwürdiger Bedürfnisse der Allgemeinheit und zur Korrektur falscher Vorstellungen über ein Angebot bei Kunden, das Konkurrenten ungerechtfertigt bevorteilt. 2. Sie sind als Assistent / in der Vertriebsleiterin in einem kleineren Textilunternehmen tätig. Dieses arbeitet seither in der Feldorganisation branchenüblich mit Handelsvertretern. Ihre Chefin beauftragt Sie zu prüfen, unter welchen Aspekten eine Umstellung des Vertriebs auf Reisende sinnvoll ist. Welche Aspekte prüfen Sie in diesem Zusammenhang für die Entscheidung? Quantitative Aspekte, die bei der Wahl zwischen Reisenden und Handelsvertretern zu beachten sind, sind folgende: • Mit steigendem Absatz liegen die Kosten angestellter Reisender, die Fixum und Prämie erhalten, unter denen selbstständiger Handelsvertreter, die auf Provisionsbasis arbeiten. Entsprechend ist bei kleinständischer Geschäftstätigkeit eher der Einsatz von Handelsvertretern empfehlenswert, mit zunehmendem Geschäftserfolg aber ab einem Break even-Punkt der Umstieg auf Reisende ratsam. Die Trennung von Handelsvertretern ist trotz des Ausgleichsanspruchs nicht schwierig, denn die Ausgleichszahlung wird meist vom Handelsvertreternachfolger übernommen, da ihm Provisionen zufließen, für die er nicht hat

9. Übungsaufgaben zum Marketing

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vorleisten müssen. Die Trennung von Reisenden ist nicht jederzeit möglich, da der Betriebsrat im Zweifel mitredet. Handelsvertreter übernehmen auch Zusatzaufgaben, zwar gegen Entgelt, aber ebenso wie ansonsten Reisende. Reisende sind durchaus nicht immer problemlos steuerbar, dazu bedarf es in der Praxis vielmehr ausgefeilter Motivations- und Kontrollmechanismen. Als qualitative Aspekte, unter denen die Vorteile des Reisendenstatus überwiegen, sind folgende zu nennen: • Es ist eine Detailsteuerung durch den Auftraggeber wegen strikter Weisungsgebundenheit als Angestellter möglich. • Es können Besuchsnormen und Reiserouten vorgegeben werden, deren Kon­ trolle im Berichtswesen jederzeit nachvollziehbar ist. • Ein Motivationsschub durch Zulagen oder ähnliche Anreize ist jederzeit möglich. • Die Spezialisierung auf das Angebot eines Anbieters führt zu hoher Identifikation und Überzeugungskraft für diesen. • Es besteht eine Interessenidentität mit dem eigenen Betrieb. • Ein Ausgleichsanspruch bei Beendigung des Beschäftigungsverhältnisses besteht nicht. • Gebietskorrekturen sind leicht und ohne Abfindung oder Änderungskündigung machbar. • Ein direkter Kontakt zwischen Kunde und Betrieb bleibt erhalten. Als qualitative Aspekte, unter denen die Vorteile des Handelsvertreterstatus überwiegen, sind folgende zu nennen: • Es entstehen nur oder weit überwiegend erfolgsabhängige, variable Kosten, die bei Umsatzrückgang die Rentabilität nicht belasten. • Intensivere Verkaufsbemühungen aus originärer Unternehmerinitiative führen mutmaßlich zu erhöhter Effektivität. • Vielseitige vorhandene Kundenkontakte schaffen in der Aufbauphase eine schnelle und kostengünstige Akquisition. • Die Reklamationsabwicklung ist wegen der Neutralität als Freiberufler unproblematischer. • Es besteht nur ein geringer organisatorischer Aufwand durch eigenverantwortliche Arbeitsplanung, -durchführung und -nachbereitung. • Bei eigener Handlagerhaltung ist eine hohe Lieferbereitschaft für Ad hoc-Abschlüsse gegeben.

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Übungsaufgaben und Lösungshinweise

3. Sie arbeiten als Produktmanager / in und werden von der Marketingleitung aufgefordert, das Werbebudget des von Ihnen betreuten Produkts für das kommende Geschäftsjahr aufzustellen. Welche Ansatzpunkte zur Bestimmung der absoluten Budgethöhe stellen sich Ihnen, für welche Bezugsbasis entscheiden Sie sich und warum? Es stellen sich folgende Ansatzpunkte zur Bestimmung der absoluten Budgethöhe: • Restwert, d. h. nach Verplanung aller verfügbaren Budgetmittel für einzusetzende Vertriebsmaßnahmen wird ein evtl. noch verbleibender Restbetrag für Werbeaktivitäten zur Verfügung gestellt. Darin kommt eine mindere Bedeutung der Werbung gegenüber anderen Marketinginvestitionen zum Ausdruck. Tatsächlich aber ist die Investition in Kundengewinnung und -bindung die wichtigste überhaupt. Dies kommt daher nicht in Betracht. • Fortschreibung, d. h. ein wie immer auch zustande gekommenes Werbebudget der Vorperiode wird weitergeführt, indem Einflussgrößen wie Mediatarifpreissteigerungen, projektiertes Marktwachstum etc. dabei berücksichtigt werden. Diese Methode ist jedoch nicht verursachungsgerecht und zementiert interne Budgetverhältnisse. Sie kommt daher ebenfalls nicht in Betracht. • Ergebnisanteil (Prozentsatz von zu erwartendem Umsatz und / oder Gewinn), d. h., das Werbebudget wird in Abhängigkeit von Betriebserfolgs-Bezugsgrößen gesehen. Daraus resultiert jedoch ein prozyklischer Verlauf der Werbung, wohingegen ein antizyklischer Verlauf unbedingt wünschenswert ist (also absatzbelebend in der Rezession und nachfragedämpfend im Boom). Dies kommt daher ebenso nicht in Betracht. • Ziel-Mittel-Maßstab, d. h., die Höhe des Werbebudgets wird aus den zu erreichenden Werbezielen abgeleitet. Dies scheitert jedoch daran, dass die zur Erreichung bestimmter Werbeziele notwendigen Budgetmittel nicht zuverlässig quantifiziert werden können, weil der Werbeerfolg nur unzureichend prognostizierbar ist. Das kommt daher ebenfalls nicht in Betracht. • Fixbetrag, d. h., es wird ein frei definierter Geldbetrag für das Werbebudget reserviert. Dies entbehrt jeder sachlichen, verursachungsgerechten Basis und ist damit ebenfalls untauglich. • Pauschbetrag je Leistungseinheit (abgesetztem Produkt), d. h. ausgehend vom prognostizierten Absatz wird je Leistungseinheit die Kostentragfähigkeit für Werbeaufwendungen bestimmt. Dies entspricht jedoch keinesfalls einer marktorientierten Sichtweise, im Übrigen liegt auch eine Kausalitätsumkehr vor. Denn das Werbebudget soll erst dazu dienen, Verkäufe zu erreichen, statt aus den zur Realisierung geplanten Verkäufen das Werbebudget abzuleiten. Dies kommt daher nicht in Betracht. • Überbetriebliche Bezüge, d. h. Veränderungen von oder Beziehungen zu gesamtwirtschaftlichen Größen wie Branchenwachstum, Inflationsrate, Brutto-

9. Übungsaufgaben zum Marketing

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inlandsproduktentwicklung, Einkommenszuwachs etc. Dabei ist man auf Vergangenheitswerte oder Zukunftsschätzungen angewiesen, selbst dann kann auf die unternehmensindividuelle Situation keinerlei Rücksicht genommen werden. Dadurch werden leichtfertig überdurchschnittliche Erfolgspositionen am Markt vergeben. Auch dies stellt daher keine sinnvolle Lösung dar. • Wettbewerbs-Werbeaufwendungen, d. h. Orientierung an den, durch Werbestatistik bekannten oder näherungsweise zu schätzenden Bruttowerbebudgets der Mitbewerber. Dazu ist der Kreis relevanter Wettbewerber abzugrenzen. Die Budgethöhe ergibt sich dann aus dem Bezug zu diesen Mitbewerbern als Overspending (höheres Werbebudget als diese) oder Underspending (niedrigeres Werbebudget als diese). Allerdings bleibt dabei die Marktanteilsverteilung außer acht. Daher ist dies allein noch keine sinnvolle Lösung. Die Entscheidung fällt zugunsten folgender Lösung: • Share of Advertising / Share of Market-Bestimmung, d. h., man berechnet den Anteil der eigenen Werbeaufwendungen im Relevanten Markt am (geschätzten) gesamten Werbeaufwand dort in der Vorperiode. Das ergibt den Share of Advertising. Diesen setzt man in Relation zum eigenen Marktanteil dort (Umsatzvolumen zu Marktvolumen / Share of Market). Daraus ergibt sich ein Quotient (SoA / SoM). Ist dieser Wert > 1, ist der Werbeanteil höher als der Marktanteil (Overspending), ist dieser Wert 100 % sein soll. Die prozentuierten Liquditätsquotienten beziehen sich auf liquide Mittel und kurzfristiges Fremdkapital (Liquidität 1. Grades), liquide Mittel plus Forderungen und kurzfristiges Fremdkapital (Liquidität 2. Grades) sowie Umlaufvermögen und kurzfristiges Fremdkapital (Liquidität 3. Grades). Allerdings sind gegen diese Sicht zahlreiche Einwände vorgebracht worden. Als besser geeignet werden Cash-flow, Angaben der Veränderungsbilanz und Kapitalflussrechnungen angesehen. Denkbar ist auch die Schätzung des Steuerbilanzgewinns, da dort die Bewertungsspielräume geringer sind als in der Handelsbilanz. Der steuerliche Bilanzgewinn wird aus den in der GuV-Rechnung ausgewiesenen Ertragssteuern und der Höhe der Ausschüttungen auf Basis der jeweils gültigen Körperschaft- und Gewerbeertragsteuersätze geschätzt. Da­raus ergibt sich ein bereinigter Jahresüberschuss.

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Übungsaufgaben und Lösungshinweise

5. Welche Inhalte umfasst die Bilanzpolitik? Die Bilanzpolitik dient der zweckadäquaten Gestaltung des Jahresabschlusses. Als Zwecke gelten die Kapitalerhaltung zur Vermeidung der Ausschüttung von inflationsbedingten Scheingewinnen, die Verstetigung der Gewinn- und Dividendenentwicklung durch Bildung bzw. Auflösung stiller Reserven, die Steuerlastminderung durch Steuerverschiebung auf zukünftige Jahre bzw. Steuerersparnis durch gleichmäßiges Verteilen des Gesamtgewinns bei progressivem Steuertarif und die Pflege der Kreditwürdigkeit durch Einhaltung tradierter Finanzierungsregeln. Diese Gestaltung muss immer im Rahmen der gesetzlich zulässigen Ansätze bleiben. Als Instrumente stehen mehrere zur Verfügung. Die Wahl des Bilanzstichtags hat mehr oder minder großen Einfluss auf die Bilanzstruktur. Dies gilt auch für die Wahl des Vorlagetermins angesichts aktueller Entwicklungen. Bilanzpolitisch motivierte Einzelmaßnahmen vor dem Abschlussstichtag können nach dem Bilanzstichtag wieder rückgängig gemacht werden oder auch weiterhin Bestand haben, aber auch gegenüber dem Bilanzstichtag vorgezogen oder hinausgezögert werden. Hinzu kommen noch die Nutzung der Bilanzierungs- und Bewertungswahlrechte (Passivierungswahlrechte vermindern den Gewinn, Aktivierungswahlrechte erhöhen ihn), die Nutzung gesetzlicher Ermessensspielräume und die Verwendung des Jahresüberschusses. 6. Stellen Sie bitte die Bedeutung und Merkmale des Geschäftswerts dar. Der Geschäftswert ist ein über den Substanzwert abzgl. der Schulden hinausgehender (immaterieller) Wert einer Unternehmung, der auf verschiedenen persönlichen oder sachlichen Faktoren beruht. Der selbstgeschaffene Geschäftswert darf in der Bilanz nicht auf der Aktivseite angesetzt werden, wohl aber der entgeltlich erworbene Geschäftswert. Der originäre Geschäftswert ist die Differenz zwischen dem Ertragswert einer Unternehmung und der Summe der Wiederbeschaffungskosten aller bilanzierungsfähigen Vermögensgegenstände abzgl. der Schulden. Der Ertragswert wiederum ist die Differenz der Barwerte aller zukünftigen Ein- und Auszahlungen. Der derivative Geschäftswert ist der Unterschiedsbetrag, um den der Kaufpreis für eine Unternehmung den Wert der einzelnen Vermögensgegenstände abzgl. der Schulden zum Zeitpunkt des Kaufs übersteigt. Beide setzen sich demnach aus den nicht bilanzierungsfähigen immateriellen Werten und einem Kapitalisierungswert zusammen, der darauf beruht, dass die Ertragsfähigkeit der Kombination aller eingesetzten Vermögensgegenstände deren Wiederbeschaffungskosten übersteigt. Für den derivativen Geschäftswert besteht ein Aktivierungswahlrecht (§ 255,4 HGB) als immaterielles Anlagevermögen. Es darf derjenige Wert angesetzt werden, um den die für die Übernahme der Unternehmung bewirkte Gegenleistung

12. Übungsaufgaben zur Bilanzierung

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den Wert der einzelnen Vermögensgegenstände der Unternehmung abzgl. der Schulden im Zeitpunkt der Übernahme übersteigt. Diese Position ist folgend mit mind. 25 % p. a. abzuschreiben oder planmäßig auf die Geschäftsjahre zu verteilen, in denen der Geschäftswert voraussichtlich genutzt wird. Nach Einkommensteuerrecht gelten 15 Jahre als betriebsgewöhnliche Nutzungsdauer. 7. Was versteht man unter einer Gewinnrücklage? Die Gewinnrücklage ist bei Kapitalgesellschaften auf der Passivseite der Bilanz als Position des Eigenkapitals auszuweisen. Dabei darf es sich nur um Beträge handeln, die im abgelaufenen oder einem früheren Geschäftsjahr von innen aus dem Ergebnis gebildet worden sind. Die gesetzliche Rücklage beträgt bei Aktiengesellschaften jährlich 5 % des um einen Verlustvortrag geminderten Jahresüberschusses, solange bis die gesetzliche Rücklage 10 % oder einen in der Satzung der Gesellschaft bestimmten höheren Teil des Grundkapitals erreicht hat. Die Rücklage für eigene Anteile darf aus vorhandenen Gewinnrücklagen gebildet werden, soweit diese frei verfügbar sind, und kann nur aufgelöst werden, soweit diese Anteile ausgegeben, veräußert oder eingezogen werden. Satzungsmäßige Rücklagen werden aufgrund des Gesellschaftervertrags (Statut) gebildet. Andere (freie) Gewinnrücklagen umfassen als Restgröße die nicht gesondert ausgewiesenen Gewinnrücklagen, jedoch max. 50 % des Jahresüberschusses. Gewinnrücklagen dienen der Selbstfinanzierung, wobei es neben diesen offenen auch stille Rücklagen gibt. 8. Erläutern Sie bitte die Inhalte eines Jahresabschlusses. Der handelsrechtliche Jahresabschluss besteht aus drei Teilen: Bilanz, Gewinnund Verlustrechnung (GuV) sowie Anhang. Bei Aktiengesellschaften, bestimmten Konzernen und Großunternehmen unterliegt der Jahresabschluss der Publizitätspflicht. Einzelkaufleute und Personengesellschaften (OHG / KG) brauchen keinen Anhang und keinen Lagebericht zu erstellen, ihr Jahresabschluss besteht nur aus Bilanz und Gewinn- und Verlust-Rechnung. Minderkaufleute, d. h. Personen, deren Gewerbebetrieb keine kaufmännische Einrichtung erfordert, brauchen keinen handelsrechtlichen Jahresabschluss vorzulegen und unterliegen auch nicht der handelsrechtlichen Buchführungspflicht. Der Jahresabschluss ist nach den Grundsätzen ordnungsmäßiger Buchführung aufzustellen, muss klar und übersichtlich sein. Für Kapitalgesellschaften ist darüber hinaus ein Anhang anzufertigen, der mit der Bilanz und der Gewinn- und Verlustrechnung eine Einheit bildet, und ein Lagebericht aufzustellen. Er hat ein Bild der tatsächlichen Vermögens-, Finanz- und Ertragslage der Kapitalgesellschaft zu vermitteln. Der Jahresabschluss ist von allen Kaufleuten (HGB) aufzustellen.

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Übungsaufgaben und Lösungshinweise

9. Welche Besonderheiten weist der Konzernabschluss auf? Der Konzernabschluss besteht aus Konzernbilanz, Konzern-Gewinn- und Verlustrechnung und Konzernanhang, die eine Einheit bilden. Er ist klar und übersichtlich aufzustellen und muss ein den Grundsätzen ordnungsmäßiger Buchführung entsprechendes Bild der Vermögens-, Finanz- und Ertragslage des Konzerns vermitteln. Ansonsten ist ein Konzernanhang erforderlich. Die Konsolidierung stellt sicher, dass der Konzern mit seinen selbstständigen Unternehmen so abgebildet wird, als handele es sich um eine einzige Unternehmung. Der Konzernabschluss ist durch einen Konzernabschlussprüfer (Wirtschaftsprüfer, vereidigter Buchprüfer) zu prüfen. Die Konzernbilanz ist die Zusammenfassung der Vermögensgegenstände, Schulden und Rechnungsabgrenzungsposten aller in den Konzernabschluss einbezogenen Unternehmen. Die Konzern-Gewinn- und Verlustrechnung ist die Zusammenfassung der Aufwendungen und Erträge aller in den Konzernabschluss einbezogenen Unternehmen. Der Konzernanhang besteht aus Erläuterungen zur Gewinn- und Verlustrechnung sowie aus Angaben zum Beteiligungsbesitz sowie aus Angaben zu den einzelnen Posten der Konzernbilanz bzw. -Gewinn- und Verlustrechnung, die aus der Ausübung von Wahlrechten resultieren. Der Konzernlagebericht ist die Darstellung der tatsächlichen Verhältnisse des Konzerns in Bezug auf Vorgänge von besonderer Bedeutung, die voraussichtliche Entwicklung des Konzerns sowie Forschungs- und Entwicklungs-Ergebnisse. 10. W  elche Inhalte finden sich für gewöhnlich im Lagebericht? Der Lagebericht einer Kapitalgesellschaft liefert Informationen zur Interpretation des Ergebnisses, Branchenvergleiche oder anderen subjektiven Stellungnahmen. Inhalt ist vor allem der Bericht über den Geschäftsverlauf und die Lage der Kapitalgesellschaft, so wie sie den tatsächlichen Verhältnissen entsprechen. Freiwillig sind ein Nachtragsbericht über Vorgänge von besonderer Bedeutung, die nach Abschluss des Geschäftsjahrs eingetreten sind, ein Prognosebericht über die voraussichtliche Entwicklung der Kapitalgesellschaft sowie ein Forschungsbericht über den Forschungs- und Entwicklungsbereich. 11. W  as besagt das Maßgeblichkeitsprinzip in Bezug auf die Bilanz? Die Handelsbilanz ist für die Steuerbilanz maßgeblich, d. h., für die Aufstellung der Steuerbilanz sind die handelsrechtlichen Vorschriften maßgeblich, sofern dem nicht abweichende steuerrechtliche Vorschriften entgegenstehen. Alle Gewerbetreibenden, die aufgrund gesetzlicher Vorschriften oder freiwillig Bücher führen und regelmäßig Abschlüsse erstellen, müssen den steuerlichen Gewinn nach den handelsrechtlichen Vorschriften ermitteln. Allerdings führen handelsrechtliche Aktivierungswahlrechte in der Steuerbilanz stets zu Aktivie-

12. Übungsaufgaben zur Bilanzierung

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rungsgeboten et vice versa. Das umgekehrte Maßgeblichkeitsprinzip besagt, dass ein aus steuerlichen Gründen gewählter niedrigerer Wertansatz nur zulässig ist, wenn dieser auch für die Handelsbilanz gewählt wird. Dadurch führt ein Steuerverzicht des Staates zugleich zu einem Ausschüttungsverzicht der Kapitaleigner. Das umgekehrte Maßgeblichkeitsprinzip gilt bei Anlage der Steuerbilanz als Einheitsbilanz. 12. Worum handelt es sich bei Rücklagen? Rücklagen sind zum Grund- oder Stammkapital zusätzlich angesammeltes Eigenkapital einer Kapitalgesellschaft oder Genossenschaft. Man unterscheidet offene (gesetzliche, satzungsmäßige oder freie) Rücklagen sowie stille Rücklagen, die nicht ohne Weiteres aus der Bilanz ersichtlich ist. Offene Rücklagen entstehen durch Kapitaleinzahlung und Gewinnthesaurierung und werden in der Bilanz als Passiva (Kapital-/Gewinnrücklagen) ausgewiesen. Stille Rücklagen entstehen durch Unterbewertung der Aktiva bzw. Überbewertung der Passiva und sind aus der Bilanz nicht ohne Weiteres ersichtlich. 13. Worum handelt es sich bei Rückstellungen? Rückstellungen sind zweckgebundenes Fremdkapital, das dem wirtschaftlichen Grund nach bekannt, der Höhe und Fälligkeit nach aber noch ungewiss ist. Eine Passivierungspflicht (§ 249 HGB) besteht für ungewisse Schulden und für drohende Verluste aus schwebenden Geschäften sowie für im Geschäftsjahr unterlassene Aufwendungen für Instandhaltung, die im folgenden Geschäftsjahr innerhalb von drei Monaten, oder für Abraumbeseitigung, die im folgenden Geschäftsjahr nachgeholt werden sowie für Gewährleistungen, die ohne rechtliche Verpflichtung erbracht werden (Kulanz). Passivierungswahlrechte (§ 249 HGB) bestehen für unterlassene Aufwendungen für Instandhaltung, wenn die Instandhaltung im folgenden Geschäftsjahr innerhalb von drei Monaten nachgeholt wird und für ihrer Eigenart nach exakt umschriebene, dem Geschäftsjahr oder einem früheren Geschäftsjahr zuzuordnende Aufwendungen, die am Abschlusstag wahrscheinlich oder sicher, ihrer genauen Höhe nach aber noch unbestimmt sind. Passivierungsverbote (§ 249 HGB) bestehen für alle anderen als die genannten Zwecke. Die Rückstellungen sind mit dem Betrag anzusetzen, der nach vernünftiger kaufmännischer Beurteilung notwendig ist. Eine Unterteilung erfolgt bei Kapitalgesellschaften nach Pensionsrückstellungen, Steuerrückstellungen und anderen Rückstellungen. Unternehmen, die ihren Mitarbeitenden eine Alters-, Hinterbliebenen- oder Invalidenversorgung versprechen, sind verpflichtet, für die jeweiligen Anwartschaften vom Jahr der Zusage an eine Rückstellung in der Bilanz zu bilden (Pensionsrückstellung). Eine Auflösung der Rückstellungen ist nur zulässig, sofern der Grund für ihre Bildung entfallen ist.

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Übungsaufgaben und Lösungshinweise

14. Was versteht man unter Schulden und wie werden diese buchhalterisch behandelt? Bei Verpflichtungen einer Unternehmung gegenüber Dritten handelt es sich, soweit sie gewiss sind, um Schulden, soweit sie ungewiss sind, um Rückstellungen. Schulden sind Fremdkapital der Unternehmung. Bei der Schuldenkonsolidierung im Konzernabschluss sind alle Bilanzpositionen mit Forderungscharakter gegenüber anderen einbezogenen Konzernunternehmen mit den ihnen gegenüberstehenden Positionen der Verbindlichkeiten aufzurechnen. Dies kann nur unterlassen werden, wenn diese Konsolidierung für die Beurteilung der Vermögens-, Finanz- und Ertragslage der Unternehmung von untergeordneter Bedeutung ist. Schulden werden auf der Passivseite der Bilanz ausgewiesen, für sie gilt ein Passivierungsgebot, -wahlrecht oder -verbot. Ein Passivierungsgebot gilt für alle Verbindlichkeiten, bestimmte Rückstellungen und passive Rechnungsabgrenzungsposten. Ein Passivierungswahlrecht besteht für Rückstellungen für unterlassene Instandhaltung, wenn diese zwischen viertem und zwölftem Monat des Folgegeschäftsjahrs nachgeholt werden und Aufwandsrückstellungen für Aufwendungen, die ihrer Art nach genau umschrieben sind, dem Geschäftsjahr zuzuordnen und in deren Eintritt nahezu sicher sind, z. B. Großreparaturen. Ein Passivierungsverbot besteht für sonstige Rückstellungen, Eventualverbindlichkeiten mit deren Eintritt nicht gerechnet wird, z. B. Bürgschaft und fiktive Verbindlichkeiten. Verbindlichkeiten sind mit ihrem Rückzahlungsbetrag anzusetzen. Ist dieser nicht sicher, gilt das Höchstwertprinzip. Rentenverpflichtungen sind mit dem Barwert anzusetzen (auf den heutigen Wert zukünftiger Verpflichtungen abgezinst). Rückstellungen sind nur in Höhe des nach vernünftiger kaufmännischer Beurteilung notwendigen Betrags anzusetzen. Man unterscheidet Schulden nach ihrer Fristigkeit (kurz-, mittel-, langfristig), nach ihrem Leistungsort (Bringschuld, Holschuld, Schickschuld) und ihrer Bestimmung als genau bestimmte Speziesschuld, als nur nach generischen Kriterien bestimmte Gattungsschuld oder als Wahlschuld mit Leistung nach Wahl des Schuldners. Das Schuldanerkenntnis dient als schriftliche Erklärung des Schuldners über das Bestehen eines Schuldverhältnisses. Dies kann formfrei oder durch Schuldschein erfolgen (vom Schuldner ausgestellte Urkunde). Der Schuldschein ist ein Beweis-, jedoch kein Wertpapier, d. h. aus ihm können noch keine Rechte abgeleitet werden. Durch ein Schuldversprechen wird hingegen eine selbstständige Schuldverpflichtung begründet. Übernimmt ein Dritter die Schuldbegleichung anstelle des bisherigen Schuldners, so ist dafür die Genehmigung des Gläubigers erforderlich (§§ 414 ff. BGB).

12. Übungsaufgaben zur Bilanzierung

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15. W  as hat man sich unter „Sonderposten mit Rücklagenanteil“ vorzustellen? Sonderposten mit Rücklagenanteil sind eine Mischform zwischen Eigen- und Fremdkapital, z. B. Passivposten, die für Zwecke der Steuern von Einkommen und Ertrag gebildet werden. Sie sind auf der Passivseite der Bilanz auszuweisen, z. B. Veräußerungsgewinne, Rücklagen für Ersatzbeschaffung, Preissteigerungsrücklagen. Für Kapitalgesellschaften gilt das umgekehrte Maßgeblichkeitsprinzip, d. h. Sonderposten mit Rücklagenanteil dürfen nur insoweit gebildet werden, als das Steuerrecht die Anerkennung des Wertansatzes bei der steuerlichen Gewinnermittlung von der Bildung von Sonderposten in der Handelsbilanz abhängig macht. Dies mindert den steuerpflichtigen Gewinn und die daraus resultierenden Steuerzahlungen jedoch nur vorübergehend, weil die Sonderposten innerhalb einer bestimmten Frist wieder gewinnerhöhend und damit steuerschädlich aufgelöst werden müssen (Steuerverschiebung).

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Übungsaufgaben und Lösungshinweise

13. Übungsaufgaben zur Kostenrechnung 1. Was versteht man unter Deckungsbeitrag und warum ist diese Größe von besonderer Bedeutung? Deckungsbeitrag ist allgemein die Differenz zwischen Preis (Umsatz) und variablen (Stück-)Kosten. Er dient zur Deckung der verbleibenden Fixkosten und zur möglichen Erzielung eines Gewinns. Der Deckungsbeitrag hat den Gewinn als Beurteilungsgröße für betriebswirtschaftliche Entscheidungen weitgehend abgelöst, weil die anderen Kostenbestandteile, die Fixkosten verschiedener Stufen, für eine operative Entscheidung bei häufiger Kapazitätsunter- oder -überauslastung irrelevant sind. Denn Fixkosten sind bereits gebunden (Sunk Costs) und können zumindest kurzfristig durch Entscheidungen nicht mehr beeinflusst werden. Insofern ist es konsequent, diese für die operative Entscheidung außer Betracht zu lassen. Allerdings ist es unbefriedigend, wenn gerade der weitaus größte Teil des Kostenblocks in der Unternehmung ohne Einfluss auf betriebswirtschaftliche Entscheidungen bleibt, so dass in neuerer Zeit wieder eine Rückkehr zur Vollkostenrechnung vorgenommen wird (etwa in Form der Prozesskostenrechnung). 2. Das Target Costing ist eine Gruppe moderner, verstärkt eingesetzter Verfahren zum Kostenmanagement und damit ein wichtiges Instrument zur Steuerung von Kosten und Leistungen. Stellen Sie bitte das Konzept und die Vorgehensweise des Target Costings aussagefähig dar. Beim Target Costing handelt es sich um ein retrogrades Verfahren mit Subtraktion des Gewinnaufschlags vom für durchsetzbar gehaltenen Marktpreis eines Erzeugnisses (im Unterschied zu progressiven Verfahren / Mark up und retrograden Verfahren mit Residualgewinn / DBR). Dabei können vier Ansatzpunkte gewählt werden: • Market into Company bedeutet, dass von der geschätzten Preis-Absatz-Funk­ tion (PAF) ausgehend der gewinnmaximale Preis abgeleitet wird. Problematisch ist es dabei, diese PAF zu schätzen. • Out of Competitor bedeutet, dass vom Konkurrenzpreis ausgegangen wird (Mehr- oder Minderleistungen werden durch Zu- oder Abschläge berücksichtigt / Preistreppe). • In and Out of Company bedeutet, dass der Zielpreis kombiniert aus geschätzter Preis-Absatz-Funktion (Markt) und Kostenstruktur (Unternehmen) ermittelt wird. • Out of Standard Costs bedeutet, dass der Zielpreis durch Addition der Normalkosten plus Gewinnaufschlag ermittelt wird. Dies ist sehr problematisch. • Out of Company bedeutet, dass der Zielpreis durch Addition der Istkosten plus Gewinnaufschlag ermittelt wird. Dies entspricht jedoch der traditionellen Kalkulation.

13. Übungsaufgaben zur Kostenrechnung

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Aus dem Zielpreis und der Gewinnmarge folgen die Zielkosten, d. h. die maximal vertretbaren Selbstkosten. Diese müssen auf Komponenten, Module und Teile des Produkts herunter gebrochen werden (Zielkostenspaltung). Dafür gibt es zwei Methoden: • Bei der Komponentenmethode wird die Kostenstruktur eines Vorgänger- oder Konkurrenzprodukts (Reverse Engineering) auf das infrage stehende Produkt übertragen. Dies versagt jedoch bei Neuprodukten und schreibt darüber hinaus Unwirtschaftlichkeiten der Vergangenheit fort. • Bei der Funktionsmethode werden die Kosten analog zu den jeweiligen Teilnutzen der Komponenten, Module und Teile umgelegt. Dazu ist es allerdings erforderlich, diese zu kennen. Dies erfordert eine Verbundanalyse (CJM), bei der die relative Bedeutung jedes Merkmals am Gesamtnutzen eines Produkts ermittelt wird. Dies erfolgt im Regelfall durch Paarvergleiche mit unterschiedlichen Merkmalskombinationen, die in eine Rangfolge zu bringen sind. Daraus ergibt sich deren Teilnutzen. Die Summe der Teilnutzen entspricht dem Gesamtnutzen des Produkts. Aus der Zielkostenspaltung folgen Kostenobergrenzen für jedes Modul oder Teil. Da der größte Teil der Kosten bereits in der Entwicklung determiniert wird und danach nur noch schwer reversibel ist, ist es sinnvoll, für die Entwicklung individuelle Kostenobergrenzen vorzugeben. Der relative Kostenanteil (Ordinate einer Matrix) aus der Vorkalkulation (Drifting Costs) darf demnach maximal dem relativen Nutzenanteil aus einer Verbundanalyse entsprechen (Abszisse einer Matrix). Die Analyse erfolgt grafisch durch das Zielkostendiagramm (45 °-Linie im Value Control Chart), rechnerisch durch den Zielkostenindex (Quotient aus relativem Nutzenanteil und relativem Kostenanteil, mindestens = 1). Dabei wird eine Vollkostenrechnungssicht zugrunde gelegt. Für Indices < 1 (Elemente oberhalb der 45 °-Linie im VCC) ist entweder eine Kostenreduktion erforderlich, z. B. durch Rationalisierung, Prozessgestaltung, Vereinfachung, oder aber eine Nutzensteigerung, z. B. durch Eigenschaftsanreicherung des Produkts bzw. eine Kombination aus beidem. Elemente mit Indices > 1 können aufwändiger gestaltet werden oder Elemente mit Indices < 1 innerhalb des Zielkostenkorridors kompensieren. Dennoch gibt es erhebliche Probleme. So bei der korrekten Ermittlung der Kundenpräferenzen, insb. für innovative Produkte, zumal diese auch sehr aufwändig ist. Die Kostenkalkulation ist aufgrund der Vollkostenbasis wenig operational. Daten für Kostenvergleiche sind häufig nicht vorhanden. Es ergeben sich Unschärfen durch die Streuzone der Kosten und gegenseitige Kompensationen. Vermieden wird hingegen vor allem die verbreitete Tendenz zum Overengineer­ ing.

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Übungsaufgaben und Lösungshinweise

3. Was ist der Break even-Punkt und welche Break even-Punkte können in Bezug auf Liquidität und Gewinn unterschieden werden? Der Break even-Punkt ergibt sich bei derjenigen Absatzmenge, die in ihren zugeordneten Erlösen zum ersten Mal ausreicht, die vollen Kosten zu decken. Absatzmengen kleiner als diese bedeuten Verlust, Absatzmengen größer als diese Gewinn. Im Break even-Punkt ist der Deckungsbeitrag gleich den Fixkosten. Die Break even-Menge ist abhängig von den variablen Kosten, von den fixen Kosten, vom Preis der angebotenen Ware und von der Kapazitätsgrenze des Betriebs. Variable Kosten sind alle Kosten, die mit dem Beschäftigungsgrad schwanken (proportional, über- oder unterproportional). Fixe Kosten sind alle Kosten, die beschäftigungsgradunabhängig immer gleich hoch sind. Der Preis bestimmt multipliziert mit der Absatzmenge die Erlöse. Eine Senkung der variablen Kosten, eine Senkung der fixen Kosten oder ein höherer Stückpreis bedeuten daher eine Verschiebung des Break even-Punkts in Richtung kleinerer Absatzmenge. Der Break even-Punkt kann nur innerhalb der Kapazitätsgrenze realisiert werden. Er ergibt sich aus: Fixe Kosten : Deckungsspanne bzw. Fixe Kosten : (Stückpreis – variable Stückkosten). Neben dem bisher unterstellten, vollkostendeckenden Break even-Punkt sind zwei weitere Break even-Punkte von Bedeutung. Erstens der liquiditätswirksame Break even-Punkt, dieser liegt bei derjenigen Absatzmenge, deren zugeordnete Erlöse zum ersten Mal ausreichen, alle ausgabenwirksamen (pagatorischen) Kosten zu decken. Dabei handelt es sich im Regelfall um alle variablen Kosten sowie Teile der fixen Kosten (z. B. nicht Abschreibungen oder kalkulatorische Kosten). Dies ist von großer Bedeutung für die Existenzsicherung jeder Unternehmung. Zweitens der gewinnwirksame Break even-Punkt, dieser liegt bei derjenigen Absatzmenge, die neben der Deckung aller Kosten auch die Erzielung des planmäßigen Gewinns ermöglicht. Dies ist eine wichtige Voraussetzung für die Planerfüllung in der Unternehmung. Durch eine Sensibilitätsanalyse kann gemessen werden, welche Schwankungen des Absatzes welche Konsequenzen in Bezug auf Liquidität, Vollkostendeckung und Plangewinn haben. Die Ermittlung des Break even-Punkts unterliegt einer Reihe restriktiver Prämissen, so dass der Ermittlung eher veranschaulichender Charakter zukommt. 4. Worum handelt es sich bei der Deckungsbeitragsrechnung mit relativen Einzelkosten? Die Deckungsbeitragsrechnung mit relativen Einzelkosten unterscheidet nicht in variable und fixe Kosten, sondern in (relative) Einzel- und Gemeinkosten. Einzelkosten einer niedrigeren Ebene werden zu Gemeinkosten der nächsthöheren. Möglichst sollen alle Kosten als Einzelkosten auf einer möglichst niedrigen Ebene erfasst werden. Kosten, für die dies nicht möglich oder nicht wirtschaftlich ist,

13. Übungsaufgaben zur Kostenrechnung

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können auf einer höheren Ebene als Gemeinkosten erfasst werden. Insofern sind alle Einzelkosten relative Einzelkosten, also abhängig von der Verrechnungs­ ebene. Und nur die wenigen Kosten, die nicht einzeln erfasst werden können oder sollen, bilden den möglichst geringen Rest der Gemeinkosten. Durch diese Bezugsgrößenhierarchie kann eine weitgehend verursachungsgerechte Zuordnung der Kosten erreicht werden. 5. Charakterisieren Sie bitte die Kostenartenrechnung in ihren wesentlichen Inhalten. In der Kostenartenrechnung werden die Kosten erfasst, in ihrer Höhe festgestellt und nach ihrer Zurechenbarkeit zu Kostenträgern gegliedert. Dabei gibt es Einzelkosten, die ausschließlich für einen Kostenträger anfallen und diesem daher direkt zugeordnet werden können, meist Materialkosten und Fertigungslöhne, sowie Gemeinkosten, die entweder für mehrere Kostenträger gemeinsam anfallen oder aus pragmatischen Gründen so erfasst werden. Sie werden in die Kostenstellenrechnung übernommen und dort zugeschlüsselt. Die Kosten werden dann den Kostenträgern im Verhältnis der von ihnen beanspruchten Kostenstellenleistung zugerechnet. Außerdem gibt es Sondereinzelkosten der Fertigung und des Vertriebs. Diese werden aus der Kostenarten- unmittelbar in die Kostenträgerrechnung übernommen. Die Kosten werden nach Möglichkeit mit Mengen und Preis pro Mengeneinheit (Wert) erfasst. Bei den Kostenarten kann es sich um Material-, Energie-, Lohn-/Gehalts-, Sozial-, Instandhaltungs-, Mietkosten etc. handeln. Kalkulatorische Kosten sind nicht ausgabewirksam. 6. Charakterisieren Sie bitte die Kostenstellenrechnung in ihren wesentlichen Inhalten. Die Kostenstellenrechnung verteilt die Gemeinkosten auf die betrieblichen Leistungsorte und berechnet die Gemeinkostenzuschlagssätze für die Kostenträgerrechnung. Kostenstelleneinzelkosten fallen ausschließlich für eine Kostenstelle an und können für diese erfasst werden. Kostenstellengemeinkosten fallen entweder für mehrere Kostenstellen gemeinsam an oder werden für mehrere gemeinsam erfasst. Sie werden über Zurechnungsschlüssel erfasst. Bei der innerbetrieblichen Leistungsverrechnung wird erfasst, dass einzelne Kostenstellen Leistungen für andere erbringen. Solche liefernden Kostenstellen (Vorkostenstellen) werden daher von Kosten entlastet, empfangende Kostenstellen (Endkostenstellen) werden mit Kosten belastet. Für die Endkostenstellen werden Material-, Fertigungs-, Verwaltungs- und Vertriebsgemeinkosten ausgewiesen. Werden die zugerechneten Gemeinkosten durch die in einer Kostenstelle erbrachten Leistungen dividiert, ergibt sich der Gemeinkostenzuschlagssatz. Er wird auf die Materialeinzelkosten, die Fertigungslöhne bzw. den Maschinenstundensatz und die Herstellkosten bezogen.

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Übungsaufgaben und Lösungshinweise

Der Betriebsabrechnungsbogen (BAB) ist eine tabellarische Übersicht über die Verteilung der Gemeinkosten auf die Kostenstellen. Die Spalten der Matrix enthalten die Kostenstellen, die Zeilen die Gemeinkosten. Die Spalten gliedern sich in Kostenschlüssel, Summe der Schlüsselwerte und die zugerechneten Kosten. Die Zeilen gliedern sich in Gemeinkostenzuschläge, externe und interne Gemeinkosten. Bei den Kostenstellen gibt es Haupt-/Endkostenstellen und Hilfs-/Vorkostenstellen. Gemeinkosten, die sich einer Kostenstelle dezidiert zurechnen lassen, sind Kostenstelleneinzelkosten. Gemeinkosten, die nur mehreren Kostenstellen gemeinsam zugerechnet werden können oder sollen, sind Kostenstellengemeinkosten. Kosten der innerbetrieblichen Leistungsverrechnung werden im Anbauverfahren, im Stufenleiterverfahren oder im Gleichungsverfahren umgelegt. 7. Charakterisieren Sie bitte die Kostenträgerstückrechnung in ihren wesentlichen Inhalten. Die Kostenstückträgerrechnung befasst sich mit der Vor-, Zwischen- und Endkalkulation. Die Basis stellt die Zuschlagskalkulation dar. Sie besteht aus der Addition von Materialeinzelkosten, Materialgemeinkostenzuschlag, Fertigungslöhnen, Fertigungsgemeinkostenzuschlag und Verwaltungs- und Vertriebsgemeinkostenzuschlägen. Weitere einfache Formen sind die Divisionskalkulation (Gesamtkosten : Gesamtmenge) und die Äquivalenzziffernkalkulation bei Sortenfertigung. Die Betriebsergebnisrechnung stellt Informationen über den Betriebserfolg einer Periode bereit, indem sie die Kosten und Erlöse gegenüberstellt. Sind Bestände an fertigen und unfertigen Erzeugnissen auf- oder abgebaut oder Anlagegüter selbst erstellt worden, stimmen allerdings die Produktions- und Absatzmengen nicht überein. Beim Gesamtkostenverfahren werden die Erlöse daher um den Wert der Bestandsveränderungen oder der selbst erstellten Anlagen korrigiert. Beim Umsatzkostenverfahren werden die Kosten um Vertriebs- und Verwaltungskosten korrigiert. Die Kostenträgerrechnung erfolgt als Vorkalkulation, Zwischenkalkulation oder Nachkalkulation. Als Kostenrechnungssysteme gibt es die Istkostenrechnung, die Normalkostenrechnung und die Plankostenrechnung. Diese sind jeweils als Vollkostenrechnung oder als Teilkostenrechnung möglich. 8. Welche variablen Kostenverläufe können unterschieden werden? Es können vier Verläufe der variablen Kosten unterschieden werden: • Proportionaler Verlauf bedeutet, dass sich die Kosten im Gleichschritt mit der Beschäftigungsveränderung verändern. Eine Verdopplung des Beschäfti-

13. Übungsaufgaben zur Kostenrechnung

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gungsgrads bedeutet also auch eine Verdopplung der Kosten, eine Halbierung des Beschäftigungsgrads eine Halbierung der Kosten. • Degressiver Verlauf bedeutet, dass sich die Kosten unterproportional zur Beschäftigungsgradveränderung verändern. Eine Verdopplung des Beschäftigungsgrads bedeutet also eine Steigerung der Kosten um weniger als das Doppelte, eine Halbierung des Beschäftigungsgrads bedeutet, dass die Kosten um weniger als die Hälfte sinken. • Progressiver Verlauf bedeutet, dass sich die Kosten überproportional zur Beschäftigungsgradveränderung verändern. Eine Verdopplung des Beschäftigungsgrads bedeutet also eine Steigerung der Kosten um mehr als das Doppelte, eine Halbierung des Beschäftigungsgrads bedeutet, dass die Kosten um mehr als die Hälfte sinken. • Regressiver Verlauf bedeutet, dass sich die Kosten gegenläufig zur Beschäftigungsgradveränderung verändern. Eine Erhöhung des Beschäftigungsgrads bedeutet also, dass die Kosten sinken, eine Verringerung des Beschäftigungsgrads, dass die Kosten steigen (z. B. Heizkosten in Vorlesungsräumen). 9. Woraus kann man ablesen, welcher Anteil der Gesamtkosten fix und welcher variabel ist? Um den Anteil der fixen und spiegelbildlich der variablen Kosten zu ermitteln, gilt es festzustellen, welche Kosten sich erhöhen, wenn eine Leistungseinheit mehr erbracht wird bzw. welche wegfallen, wenn eine Leistungseinheit weniger erbracht wird. Die dabei zuwachsenden bzw. entfallenden Kosten sind variabel. Die restlichen Kosten sind fix. 10. W  as versteht man unter Leerkosten? Unter Leerkosten versteht man ungedeckte Fixkosten, d. h. Kapazitätskosten, die durch die Auslastung (Nutzkosten) nicht gedeckt werden. Leerkosten sind besonders problematisch, wenn ihnen Geldabflüsse gegenüber stehen (pagatorische Kosten). Dann kommt es zu einem negativen Geldfluss, ohne dass dieser mangels Kapazitätsauslastung vollständig durch Geldzuflüsse ausgeglichen werden kann. Daraus kann die Situation der Illiquidität folgen, d. h., die Unternehmung ist nicht mehr in der Lage, ihre Zahlungsverpflichtungen betragsgenau und zeitgetreu zu erfüllen. Falls dies nicht nur vorübergehend der Fall ist, entsteht daraus ein unbedingter Insolvenzgrund. 11. W  elche Kostenrechnungssysteme können unterschieden werden? Man unterscheidet gemeinhin folgende Kostenrechnungssysteme: • Istkostenrechnung, sie rechnet mit tatsächlich angefallenen Kosten der Periode.

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Übungsaufgaben und Lösungshinweise

• Normalkostenrechnung, sie rechnet mit Durchschnittskostenwerten mehrerer Perioden. • Plankostenrechnung, sie rechnet mit zukünftig geplanten Kostenwerten. • Vollkostenrechnung, sie verrechnet alle Kosten auf die Kostenträger. • Teilkostenrechnung, sie verrechnet nur die entscheidungsrelevanten Kosten auf die Kostenträger. Formen sind die einstufige und die mehrstufige Deckungsbeitragsrechnung, die Deckungsbeitragsrechnung mit relativen Einzelkosten und die Grenzplankostenrechnung. 12. Welche Aufgaben übernimmt der Betriebsabrechnungsbogen (BAB)? Der BAB ist eine matrixförmige Zusammenstellung aller Kostenstellen (horizontal) und aller darauf bezogenen Kostenarten (vertikal). Dabei werden nur die Gemeinkosten berücksichtigt. Zunächst werden die primären Gemeinkosten den kostenverursachenden Haupt- und Hilfskostenstellen zugeordnet. Dann werden die sekundären Gemeinkosten aus innerbetrieblicher Verrechnung (Hilfskostenstellen) den anfordernden Kostenstellen (Hauptkostenstellen) zugeordnet. Die Summen der Hilfskostenstellen werden auf die Hauptkostenstellen umgelegt. Es entstehen die gesamten Gemeinkosten. Kosten, die nur für eine Kostenstelle anfallen, sind Kostenstelleneinzelkosten. Kosten, die für mehrere Kostenstellen gemeinsam anfallen, sind Kostenstellengemeinkosten. Für ihre Verteilung sind Schlüsselgrößen erforderlich. Dabei kann es sich um Wertschlüssel oder Mengenschlüssel handeln. Bei einseitiger Leistungsverflechtung werden dazu das Stufenleiter- oder das Anbauverfahren genutzt. Bei mehrseitiger Leistungsverflechtung werden das Iterations- oder Gleichungsverfahren genutzt. 13. Erläutern Sie bitte wesentliche Kritikpunkte an der Vollkostenrechnung. Als wesentliche Kritikpunkte an der Vollkostenrechnung sind folgende zu nennen. Es kommt zu einer willkürlichen Schlüsselung der Gemeinkosten. Die Fixkosten werden auf die Ausbringungsmenge proportional aufgeteilt. Für Kontrollzwecke ist die Kosteninformation ungeeignet. Daraus folgt, dass die Nettostückgewinne nicht aussagefähig sind. Eine Aufteilung in fixe und variable Kosten fehlt. Damit ist keine Eignung als Entscheidungsrechnung gegeben. 14. Erläutern Sie bitte wesentliche Kritikpunkte an der einstufigen Deckungsbeitragsrechnung. Als wesentliche Kritikpunkte an der einstufigen Deckungsbeitragsrechnung sind folgende zu nennen. Es wird unterstellt, dass die variablen Kosten proportional sind. Ebenso wird unterstellt, dass die Verkaufserlöse sich proportional verhalten. Die Kosten werden als nur von der Ausbringungsmenge abhängig an-

13. Übungsaufgaben zur Kostenrechnung

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gesehen. Die Trennung zwischen fixen und variablen Kosten ist häufig schwierig. Variable Kosten werden als einem Kostenträger direkt zurechenbar unterstellt. Vor allem wird der Fixkostenblock pauschaliert. Da dieser große Teile der Gesamtkosten ausmacht, ist keine Eignung als Entscheidungsrechnung gegeben. 15. S tellen Sie bitte das Prinzip der Äquivalenzziffernkalkulation dar. Für Kostenträger, die zwar produktionstechnisch verwandt, aber kostenmäßig unterschiedlich sind, werden mithilfe von Gewichtungsziffern die Kostenträger für die Kostenrechnung gleichwertig und damit vergleichbar gemacht. Die Äquivalenzziffernkalkulation ist eine Sonderform der Divisionskalkulation. Dabei dienen Rechnungseinheiten als interne gewichtete Multiplikatoren zum Ausdruck des Verhältnisses der Kostenverursachung bei Leistungseinheiten durch Material, Lohn etc. mit denen im Übrigen wie in der Divisionskalkulation verfahren wird. Die Kostensumme wird durch die Zahl aller damit erstellten Leistungseinheiten dividiert und der sich daraus ergebende Betrag mit dem Gewichtungsfaktor multipliziert. Auch hier kann eine zwei- oder mehrstufige Auslegung erfolgen, letztere ist auch aussagefähig bei wechselnden Kostenverhältnissen. Dies bietet sich für Betriebe mit Erzeugung artverwandter Produkte an (Sortenfertigung). Durch Gegenüberstellung der so ermittelten gewichteten Durchschnittsstückkosten mit dem jeweiligen Durchschnittsverkaufspreis ergibt sich die Gewinnmarge jeder Produktart pro Stück.

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Übungsaufgaben und Lösungshinweise

14. Übungsaufgaben zur Investition 1. Stellen Sie bitte das Prinzip der Annuitätenmethode dar. Bei dieser Methode der dynamischen Investitionsrechnung werden die durchschnittlichen jährlichen Einnahmen den durchschnittlichen jährlichen Ausgaben gegenüber gestellt. Dabei erfolgt jeweils eine Diskontierung auf den Investitionszeitpunkt. Durch Multiplikation mit dem Wiedergewinnungsfaktor ergeben sich zwei äquivalente, uniforme Reihen der durchschnittlichen Ausgaben und Einnahmen. Als Entscheidungskriterium dient die Differenz dieser beiden Reihen. Eine Gewinnmaximierung erfolgt anhand der Annuität des Barwerts aller auf den Anfangszeitpunkt abgezinsten Ein- und Auszahlungen. Bei Werten > 0 ist die Investition empfehlenswert, was zugleich bedeutet, dass die Summe der jährlichen Einnahmeannuitäten über jener der jährlichen Ausgabeannuitäten liegt. Die jährlichen Einzahlungsüberschüsse werden auf ihren Barwert abgezinst. Daneben ist der Kapitaldienst zu ermitteln, er errechnet sich durch Multiplikation des Kapitaleinsatzes (Investitionsausgabe abzgl. möglicher Liquidationserlös) mit dem Wiedergewinnungsfaktor. Bei gegebenem Kalkulationszinsfuß und mehreren Objekten ist dasjenige mit dem höchsten Barwert am vorteilhaftesten. Die Annuität ist dabei ein gleich bleibender Betrag, der neben Tilgung und Verzinsung in jeder Periode verfügbar ist. Eine Investition ist vorteilhaft, wenn die Annuität der Rückflüsse größer als der Kapitaldienst ist, dann liegt die Effektivverzinsung über dem angenommenen Kalkulationszinsfuß. Problematisch ist dabei, dass die zeitliche Verteilung und Zurechnung aller Ausgaben und Einnahmen bekannt sein und es sich um vollständige Alternativen handeln muss. 2. Stellen Sie bitte das Prinzip der Amortisationsvergleichsrechnung dar. Die Amortisationsvergleichsrechnung ist eine Form der statischen Investitionsrechnung, die über die Amortisationsperiode das mit einer Investition verbundene Risiko quantifiziert. Grundausrichtung ist die Risikominimierung. Demgemäß gilt als Zielkriterium die Rücklaufzeit des eingesetzten Kapitals (Payoff Period = Anschaffungswert dividiert durch Reingewinn und Abschreibungen). Die isolierte Betrachtung ermittelt, wann soviel Gewinn angefallen ist, dass der Anschaffungswert durch den Gewinn abgedeckt werden kann. Die vergleichende Betrachtung ermittelt, wann gegenüber einer anderen Alternative soviel Kostenersparnis erzielt wird, dass diese den Anschaffungswert abdeckt. Dabei werden allerdings gleiche Laufzeiten aller Alternativen unterstellt. Neben der Vernachlässigung von Zinswirkungen aufgrund unterschiedlichen zeitlichen Anfalls der zugrunde liegenden Zahlungen kann es zur Präferierung von Entscheidungsalternativen kommen, die erfolgswirtschaftlich inferior sind. Außerdem bleiben

14. Übungsaufgaben zur Investition

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Gewinnzurechnung und Liquidationserlös außer acht, und es wird keine Aussage zur Rentabilität getroffen. Je kürzer der effektive Zeitraum, in dem das investierte Kapital über die Erlöse wieder in die Unternehmung zurückfließt, im Vergleich zu der als gerade noch zulässig angesehenen Amortisationszeit ist, als desto vorteilhafter ist die Investition anzusehen. Damit kommt diese Methode dem Sicherheitsdenken der Praxis entgegen. Sie kann sowohl als Gewinnzuwachs- wie auch Kostenersparnisversion durchgeführt werden. 3. Stellen Sie bitte kurz die Kostenvergleichsrechnung dar. Die Kostenvergleichsrechnung präferiert diejenige Investitionsoption, welche die geringsten Kosten aufweist. Bei den Kosten handelt es sich um verschiedene Größen. Bei den Kapitalkosten ist von kalkulatorischen Abschreibungen und kalkulatorischen Zinsen auszugehen. Bei den Betriebskosten ist von den Kostenarten Personal, Material, Instandhaltung, Raum, Energie und Werkzeug auszugehen. Sofern die mengenmäßige Auslastung der zu vergleichenden Anlagen gleich hoch ist, kann ein Kostenvergleich pro Periode vorgenommen werden. Sind die mengenmäßigen Auslastungen verschieden, muss ein Kostenvergleich pro Leistungseinheit vorgenommen werden. Die Kostenvergleichsrechnung bietet eine übersichtliche Anwendbarkeit. Jedoch erfolgt der Kostenvergleich nur auf einer kurzfristigen Basis. Insofern hängt die Entscheidung von der Wahl der „richtigen“ Periode ab. Die Aufteilung in fixe und variable Kosten ist nicht immer trennscharf, beeinflusst aber das Ergebnis. Die Erlöse aus der Investition bleiben bei der Rechnung unberücksichtigt. Es wird vielmehr unterstellt, dass sie innerhalb der Objekte gleich hoch und im Zeitablauf unverändert sind. Dies erscheint jedoch fraglich. Ebenso bleibt die Investitionshöhe unberücksichtigt. Vielmehr wird unterstellt, dass sie bei allen Objekten gleich hoch ist. Abhilfe kann hier durch eine Differenzinvestition geschaffen werden. Dabei wird die Differenz zwischen der „billigeren“ und der „teueren“ Investition rechnerisch am Kapitalmarkt angelegt. Die daraus erzielten Erträge reduzieren die Kosten der „billigeren“ Anlage. 4. Stellen Sie bitte kurz die Gewinnvergleichsrechnung dar. Die Gewinnvergleichsrechnung berücksichtigt die Erlöse aus der Leistung der Anlage, indem sie die Kosten und den verbleibenden Gewinn als Basis für einen Investitionsvergleich nimmt. Dadurch können quantitative Abweichungen zwischen Objekten ebenso berücksichtigt werden wie qualitative. Außerdem ist auch die Beurteilung eines einzelnen Investitionsobjekts möglich, mit dem Ziel eines Gewinns > 0. Bei zwei und mehr Investitionsobjekten ist dasjenige das vorteilhafteste, das den höchsten Erlösüberschuss über die Kosten erzielt. Bei gleicher Auslastung von Objekten kann wiederum der Gewinn pro Periode als Kriterium

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Übungsaufgaben und Lösungshinweise

gewählt werden. Bei abweichenden Auslastungen der Objekte ist der Gewinn pro Leistungseinheit ausschlaggebend. Als Vorteil ist die leichte Handhabbarkeit des Verfahrens anzusehen. Nachteilig ist der Vergleich auf kurzfristiger Basis, die problematische Aufteilung in fixe und variable Kosten und die Nichtberücksichtigung des Kapitaleinsatzes. Hinzu tritt die schwierige Prognose der Erlöse in der Zukunft. 5. Stellen Sie bitte kurz die Rentabilitätsvergleichsrechnung dar. Die Rentabilitätsvergleichsrechnung berücksichtigt den Kapitaleinsatz einer Investition. Damit lassen sich auch verschiedenartige Investitionsobjekte miteinander vergleichen, vor allem kann beurteilt werden, ob eine Sachanlage oder eine Finanzanlage vorteilhafter ist. Rentabilität bedeutet allgemein, dass der Gewinn einer Investition zu deren eingesetztem Kapital in Relation gesetzt wird. Die Größe Kapitaleinsatz ist als durchschnittlicher Kapitaleinsatz in der Nutzungsperiode zu verstehen, bei nicht-abnutzbaren Anlagen (wie Grundstücke) also der Anschaffungswert, bei abnutzbaren der halbe Anschaffungswert. Evtl. Liquidationserlöse werden davon abgezogen, Erweiterungsinvestitionen hinzuaddiert. Beim Gewinn ist ebenso der durchschnittliche Gewinn anzusetzen, und zwar vor kalkulatorischen Zinsen. Bei der Beurteilung nur eines Investitionsobjekts muss die erzielte Rentabilität höher liegen als die mindestens für erforderlich erachtete Rentabilität. Bei Vergleich von zwei oder mehr Objekten ist dasjenige mit der höchsten Rentabilität das zu präferierende. Sind die Kapitaleinsätze dabei verschieden, ist die Differenz durch eine Differenzinvestition (am Kapitalmarkt) auszugleichen. Deren Erträge erhöhen den Gewinn der „billigeren“ Anlage. Durch die Einbeziehung des Kapitaleinsatzes kann eine aussagefähige Entscheidungsbasis gefunden werden. Vor allem ist auch bei zwei oder mehr Objekten ein Vergleich mit der mindestens gewünschten Rentabilität darstellbar, d. h. zwei oder mehr Objekte mit positiver Rentabilität können dennoch inferior sein, wenn sie die Mindestrendite nicht erzielen. Dann ist nach anderen Investi­tionsobjekten zu suchen oder eine alternative Anlage am Kapitalmarkt vorzunehmen. Ebenso lassen sich quantitativ und qualitativ unterschiedliche Anlageobjekte miteinander vergleichen. Problematisch bleiben die kurzfristige Rechenbasis, die problematische Aufteilung in fixe und variable Kosten sowie die schwierige Zurechenbarkeit von Erlösen. 6. Stellen Sie bitte kurz die dynamische Amortisationszeitmethode dar. Die dynamische Amortisationszeitmethode geht nicht, wie die statische Version, vom durchschnittlichen Rückfluss eines Jahres aus, sondern kumuliert die Rückflüsse während der Nutzungszeit auf. Die Amortisationszeit ist dort erreicht, wo die addierten Rückflüsse erstmals ausreichen, die Investitionssumme zu erreichen. Dabei sind Rückflüsse umso werthaltiger, je zeitnäher sie erfol-

14. Übungsaufgaben zur Investition

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gen. Insofern ist es erforderlich, alle Rückflüsse auf den Investitionszeitpunkt zu beziehen (diskontieren). Dies wird erreicht, indem jedes Jahr mit einem spezifischen Abzinsungsfaktor versehen wird, der umso höher liegt, je gegenwartsferner das jeweilige Jahr ist. Der Abzinsungsfaktor wird beeinflusst durch den zugrunde gelegten Zinssatz und die Nutzungsdauer. Zeitlich nähere Rückflüsse sind deshalb werthaltiger, weil sie für weitere Investitionen zur Verfügung stehen, in der Unternehmung thesauriert oder an die Anteilseigner ausgeschüttet werden können. 7. Stellen Sie bitte kurz die Kapitalwertmethode dar. Die Kapitalwertmethode zinst eine Zahlungsreihe mit einem vorgegebenen Zinsfuß ab und beurteilt damit die Vorteilhaftigkeit einer anstehenden Investition anhand des durch diese realisierten Zinsfußes, genauer anhand des Zinsvorteils einer Investition über einen als mindestens erforderlich angesehenen Zinssatz. Der Kapitalwert ergibt sich durch die Addition der Barwerte einer Zahlungsreihe. Diese Zahlungsreihe ergibt sich aus der Auszahlung im Investitionszeitpunkt und den Einzahlungen im Laufe der Nutzungsdauer des Investitionsobjekts. Sofern ein Restwert gegeben ist, erhöht dieser die Einzahlungen. Der Kalkulationszinsfuß diskontiert die zukünftigen Einzahlungen auf den Gegenwartswert. Sofern ein Investitionsobjekt einen positiven Kapitalwert aufweist, ist es insofern als vorteilhaft anzusehen, als es einen vorgegebenen Kalkulationszinsfuß übertrifft. Die Investition verdient also nicht nur ihr eingesetztes Kapital zurück, sondern führt darüber hinaus zu einem Einzahlungsüberschuss. Bei einem Kapitalwert von Null ist eine Investition gerade noch lohnenswert, indem das investierte Kapital exakt zurückgewonnen, aber kein Überschuss daraus erzielt wird. Legt man als Kalkulationszinsfuß den Zinssatz am Kapitalmarkt zugrunde, bedeutet dies, dass eine Anlage im Investitionsobjekt oder am Kapitalmarkt gleich verzinslich sind. Dann kommt es auf das als geringer eingeschätzte Risiko an, welche Alternative bevorzugt wird. Bei einem negativen Kapitalwert erreicht die Anlage nicht die vorgegebene Verzinsung. Sie ist womöglich dennoch ertragreich, nur eben nicht in dem Maße, wie für erforderlich angesehen. Insofern sollte eine Investi­tion unterbleiben oder eine Anlage alternativ dazu am Kapitalmarkt vorgenommen werden. Dies gilt bei der Beurteilung nur eines Investitionsobjekts. Beim Vergleich von zwei oder mehr Investitionsobjekten ist dasjenige zu bevorzugen, das den höheren Kapitalwert aufweist. Dabei kommt es nicht auf abweichende Anschaffungswerte oder unterschiedlich lange Nutzungsdauern an, weil unterstellt wird, dass rückfließende Zahlungsströme zum Kalkulationszinsfuß angelegt werden können. Insofern ist keine Differenzinvestition erforderlich. Darin und in der Berücksichtigung der Zahlungsreihen liegen große Vorteile der Kapitalwertmethode. Nachteilig sind die problematische Zurechenbarkeit der Zahlungsreihen zu Investitionsobjekten, die Schwierigkeit der belastbaren Datenprognose und die mangelnde Aussage über die exakte Rentabilität einer Investition. Es ist lediglich

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Übungsaufgaben und Lösungshinweise

bekannt, wie eine Anlage in Bezug auf eine geforderte Mindestverzinsung abschneidet, nicht aber wie hoch die Rentabilität tatsächlich ist. 8. Stellen Sie bitte kurz die Interne Zinsfuß-Methode dar. Die Interne-Zinsfuß-Methode strebt eine Aussage über die Rentabilität einer Investition an. Der Interne Zinsfuß ergibt sich dort, wo der Kapitalwert einer Investition gleich Null ist. Der Kapitalwert entspricht der Addition der Barwerte einer Zahlungsreihe. Dort wo der Kapitalwert gleich Null ist, wird die interne Verzinsung einer Investition angegeben. Bei einem Investitionsobjekt kann dieser Zinsfuß mit einem mindestens geforderten Zinsfuß verglichen werden, zumeist der Verzinsung am externen Kapitalmarkt incl. einer Risikoprämie. Bei zwei oder mehr Objekten ist dasjenige mit dem höheren Internen Zinsfuß das zu bevorzugende. Der Interne Zinsfuß kann sowohl rechnerisch als auch grafisch ermittelt werden. Rechnerisch wird wie folgt vorgegangen: • Zuerst wird mit einem zu niedrigen Versuchszinssatz gerechnet. Dann wird ein zu hoher Versuchszinssatz genommen. Die tatsächliche Rendite ergibt sich dann zwischen diesen Zinssätzen durch Interpolation. Je enger die Versuchszinssätze beieinander liegen, desto genauer ist das Ergebnis. Grafisch wird wie folgt vorgegangen: • Die Rendite bei einem zu niedrigen Zinssatz und die Rendite bei einem zu hohen Zinssatz werden in zwei Quadranten ihren jeweiligen Kapitalwerten zugeordnet. Beide Renditen werden dann durch eine Gerade verbunden, das Ergebnis liegt im Schnittpunkt mit dem Kapitalwert = 0-Lot. Eine Investition ist zu tätigen, sofern eine vorgegebene Mindestverzinsung überschritten wird. Bei zwei oder mehr Investitionen ist diejenige zu bevorzugen, die den höheren Internen Zinsfuß hat. Vorteilhaft ist die vollständige sowie zeitlich und betragsmäßig differenzierte Erfassung der Zahlungsströme mit Berücksichtigung von Zins und Zinseszins. Nachteilig sind die mangelnde bzw. ungewisse Zurechenbarkeit der Zahlungsreihen und die Notwendigkeit einer Differenzinvestition. Außerdem darf es nur zu Einzahlungsüberschüssen erst nach dem Auszahlungsüberschuss kommen. 9. Welche Merkmale sind bei Verfahren der statischen Investitionsrechnung gegeben? Bei Verfahren der statischen Investitionsrechnung werden zeitlichen Unterschiede beim Anfall der Umsatzerlöse und der Kosten nicht berücksichtigt, sondern vielmehr nur jährliche Durchschnittswerte in Ansatz gebracht, in der Regel die Kostenersparnis oder der Gewinnzuwachs nach dem Einführungsjahr, die als repräsentativ für die gesamte Nutzungsdauer gelten. Schwankungen in den

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einzelnen Nutzungsjahren bleiben demzufolge unberücksichtigt. Auch die Kapitalbindung wird als Durchschnittswert angesetzt. Die Verfahren sind sinnvoll nur bei kurzfristigen Vorhaben oder unsicheren Ausgangsdaten anzuwenden. Sie sind jedoch übersichtlich, unkompliziert handhabbar und nutzen einfache Rechenmethoden. Der Hauptmangel ist die Nichtberücksichtigung der zeitlichen Unterschiede im Anfall von Erlösen und Kosten. 10. W  elche Phasen in der Investitionsplanung können unterschieden werden? In der Planung der Investition können folgende Phasen unterschieden werden: • In der Anregungsphase geht es um die Beschreibung des Investitionsproblems. Anregungen stammen aus internen oder externen Quellen. • In der Suchphase geht es um die Festlegung der Bewertungskriterien einer Investition. Dazu können technische, wirtschaftliche oder formale Kriterien angelegt werden. • In der Entscheidungsphase geht es um die Vorauswahl möglicher Investitionsalternativen anhand der festgelegten Kriterien. • In der Realisationsphase geht es um die konkrete Durchführung der beabsichtigten Investition nach entsprechender Freigabe. • In der Kontrollphase geht es um einen Soll-Ist-Vergleich des Investitionsprojekts, also Planeinhaltungen oder –abweichungen. 11. Wodurch unterscheidet sich die Investitionsrechnung von der Kostenrechnung? Die Investitionsrechnung ist diskontinuierlich anlegt, wird also von Fall zu Fall erstellt. Sie wird für die gesamte (langfristige) Nutzungsdauer eines Investitionsobjekts durchgeführt und ist nicht auf eine (kurzfristige) Abrechnungsperiode begrenzt. Sie bezieht sich auf ein einzelnes Investitionsobjekt, nicht auf den Betrieb als Gesamtheit. Ihr Zweck ist die Bestimmung der absoluten oder relativen Vorteilhaftigkeit einer Investition bzw. des optimalen Ersatzzeitpunktes, nicht die kurzfristige Steuerung des Betriebs. Und sie bezieht sich auf Einzahlungen und Auszahlungen, also pagatorische Größen, wohingegen die Kostenrechnung sich auf Kosten und Leistungen, also Erfolgsgrößen, bezieht. 12. Welche Gruppen von Investitionsobjekten können unterschieden werden? Als Gruppen von Investitionsobjekten können im Wesentlichen drei unterschieden werden: • Sachinvestitionen etwa in Grundstücke, Gebäude, maschinelle Anlagen, Fuhrpark, Vorräte etc., sie bilden den Schwerpunkt der Investitionsrechnung,

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Übungsaufgaben und Lösungshinweise

• Finanzinvestitionen etwa in Wertpapiere, Beteiligungen, Forderungen etc., • Immaterielle Investitionen etwa in Patente, Werbung, Sozialleistungen, Forschung, Entwicklung etc., sie machen heute den größten Anteil des Vermögens von Unternehmen aus. 13. Welche speziellen Aspekte haben bei dynamischen Investitionsrechnungsverfahren Einfluss auf den Entscheid? Zu den speziellen Aspekten, die bei dynamischen Investitionsrechnungsverfahren Einfluss auf den Entscheid ausüben, gehören vor allem die (erwartete oder vorhandene) Inflationsrate, die Besteuerung von Kostenelementen durch Grundsteuer, Grunderwerbsteuer, Kfz-Steuer etc. und die Besteuerung von Gewinnelementen durch Einkommensteuer, Gewerbesteuer, Gewerbeertragsteuer etc. Ein weiterer Aspekt ist der Ersatzzeitpunkt zwischen der Weiternutzung einer bestehenden Anlage und der Investition in eine neue. Von hoher Bedeutung ist gerade bei langen Anlagezeiträumen auch der Risikoaspekt, dem durch Zu- oder Abschläge Rechnung zu tragen versucht wird. Wichtig ist auch, wie ein Investitionsentscheid sich bei Änderung von Einflussgrößen verändert. Dies wird im Rahmen einer Sensibilitätsanalyse simuliert. Gewünscht sind robuste Entscheide, bei denen Einflussgrößenveränderungen keine Veränderung des Entscheids hervorrufen. Schließlich sind auch weithin qualitative bzw. kombinierte Beurteilungskriterien gegeben. Diese können nur durch eine Nutzwertanalyse operationalisiert (rechenbar gemacht) werden. 14. Welche stark eingrenzenden Prämissen sind bei den Investitionsrechnungsverfahren und deren Ergebnissen zu berücksichtigen? Bei den Investitionsrechnungsverfahren und deren Ergebnissen sind zahlreiche eingrenzende Prämissen zu berücksichtigen. Dazu gehören vor allem folgende: • Einzahlungen und Auszahlungen lassen sich häufig nicht trennscharf auf einzelne Investitionsobjekte zurechnen. Insofern kommt es zu Verzerrungen in den Ergebnissen. • Vergangene Investitionsentscheide werden für den zukünftigen Entscheid vernachlässigt, obgleich sie starke praktische Auswirkungen auf diesen haben. • Technische und wirtschaftliche Unwägbarkeiten können nicht bzw. nur ungenügend für den Investitionsentscheid berücksichtigt werden. • Es wird die Zielsetzung der Gewinnmaximierung bzw. Kostenminimierung als gegeben unterstellt, obgleich real andere Zielsetzungen dominieren können.

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• Es wird ein vollkommener Kapitalmarkt unterstellt, also die Möglichkeit der unbegrenzten Mittelaufnahme und –anlage, die Gleichheit von Soll- und Habenzinssatz etc. 15. W  elche Aufgabe übernimmt die Sensitivitätsanalyse im Rahmen der Investitionspolitik? Die Sensitivitätsanalyse ermittelt, wie empfindlich ein bestimmtes Rechenergebnis auf Abweichungen in den Ausgangsdaten reagiert. Dadurch kann antizipiert werden, wie sich die Vorteilhaftigkeit einer Investition durch Veränderung der Ausgangsgrößen verändert. Dabei wird ein kritischer Wert als Intervall definiert, innerhalb dessen eine Veränderung der Ergebniswerte toleriert wird, sich an der Investitionsentscheidung also nichts ändert, außerhalb dessen aber eine Investition unterlassen bzw. eine andere Alternative vorgezogen wird. Es handelt sich also um eine Simulation von Ergebniswerten, die vor allem im Rahmen von Exit-Optionen empfehlenswert ist.

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Übungsaufgaben und Lösungshinweise

15. Übungsaufgaben zur Finanzierung 1. Was versteht man unter einem Genussschein? Der Genussschein ist eine Urkunde, die einen Anspruch auf einen Anteil am Reingewinn oder am Liquidationserlös einer Unternehmung verbrieft. Dadurch wird Haftungskapital beschafft, ohne dass dieses passiviert werden muss. Seine Ausgestaltung ist nicht gesetzlich geregelt. Genussscheine stellen ein Gläubigerrecht dar wie beim Kredit, es lassen sich aus ihnen aber keine Mitgliedschaftsrechte ableiten wie bei Vorzugsaktien. Genussscheine können als Entschädigung für Leistungen im Zusammenhang mit der Gründung, Sanierung oder Verschmelzung begeben werden sowie zur betrieblichen Erfolgsbeteiligung der Arbeitnehmer und als Finanzierungsinstrument. Eigenkapitalcharakter nimmt der Genussschein an, wenn er eine unbegrenzte Laufzeit hat und der Inhaber an Gewinn und Verlust sowie stillen Rücklagen der Unternehmung beteiligt ist. Fremdkapitalcharakter ist dann gegeben, wenn er nach einer bestimmten Laufzeit zurückgezahlt wird, da hier das Kriterium der dauerhaften Kapitalüberlassung fehlt. Den Aktionären von Aktiengesellschaften steht ein Bezugsrecht zu. 2. Welche Ausprägungen der Aktien können unterschieden werden? Die Aktie ist ein Wertpapier mit Rechten und Pflichten. Rechte sind: • Stimmrecht in der Hauptversammlung, • Recht auf Anteil am Gewinn (Dividende), • Recht auf Anteil am Liquidationserlös, • Recht auf Bezug neuer Aktien. Pflichten sind: • Pflicht zur Leistung einer Einlage, • Haftung bis zur Höhe des Aktiennennbetrags, • Nebenverpflichtungen lt. Satzung. Der Nennwert der Aktie beträgt mind. 1 €. Der Nennwert ist der Wert, der auf der Aktie aufgedruckt ist. Der Börsenkurs kann ein Vielfaches davon betragen. Eine Aktie darf nur über Nennwert ausgegeben werden (über pari). Der Differenzbetrag heißt Agio und ist in die Kapitalrücklage einzustellen. Die Aktie besteht althergebracht aus dem Mantel, der eigentlichen Wertpapierurkunde, und dem Bogen, der aus Coupons (Dividendenscheine) und Erneuerungsschein (Talon) besteht. Die Coupons sind zur Dividendenauszahlung und zur Ausübung des Bezugsrechts erforderlich. Mit dem Talon wird ein neuer Dividendenbogen angefordert.

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Aktien gibt es in verschiedenen Ausprägungen: • Nennwertaktien lauten auf einen Nennbetrag, Quoten-/Stückaktien lauten auf einen Anteil am Reinvermögen und haben keinen Nennbetrag. • Inhaberaktien gehören dem jeweiligen Inhaber, Namensaktien sind im Ak­tien­ buch auf den Aktionär eingetragen. Bei vinkulierten Namensaktien können diese nur mit Zustimmung der AG übertragen werden. • Stammaktien sind mit Stimmrechten ausgestattet und berechtigen zum Bezug neuer Aktien, Vorzugsaktien sind ohne Stimmrecht, bieten dafür eine höhere Dividende oder Liquidationserlösanteil. • Junge Aktien werden bei einer Kapitalerhöhung ausgegeben und sind in den Rechten den alten Aktien noch nicht gleichgestellt, alte Aktien werden sie nach Auszahlung der ersten Dividende. 3. Worum handelt es sich bei einem Akzeptkredit? Der Akzeptkredit ist ein Wechselkredit, er entsteht, wenn ein Kunde eines Kreditinstituts einen Wechsel auf das Kreditinstitut zieht und dieses den Wechsel akzeptiert. Bei Fälligkeit wird der Wechsel eingelöst und der Kreditbetrag i. d. R. vom Konto des Bezogenen eingezogen. Es handelt sich also um eine Kreditleihe, d. h., es wird kein Geld, sondern Bonität zur Verfügung gestellt. Der Bezogene gibt den Wechsel zahlungshalber an einen Lieferanten weiter, er legt ihn einem anderen Kreditinstitut zur Diskontierung vor oder das Kreditinstitut diskontiert ihn selbst. An Kosten entstehen die Akzeptprovision, Bearbeitungsgebühren und Diskontspesen bei Diskontierung. 4. Was versteht man unter Asset Backed Securities? Asset Backed Securities (ABS) stellen die Verbriefung von Forderungsan­ sprüchen dar, wobei Wertpapiere geschaffen werden, deren Besicherung über Finanzaktiva in Form von Forderungsansprüchen aus Lieferung und Leistung erfolgt. Dabei wird zur Refinanzierung der gesamte Kapitalmarkt angesprochen, nicht nur ein Factoring-Institut. Die Forderungen werden dafür in einen Pool gegeben. Durch den Risikoausgleich können rechnerisch ein hohes Maß an Sicherheit und damit günstige Zinsen erreicht werden. Durch Verkettung in mehreren Pools werden damit notleidende Forderungen zu werthaltigen. Dies geht solange gut, wie es keine wesentlichen Forderungsausfälle gibt. Liegen dieser aber vor, kippt das gesamte System.

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Übungsaufgaben und Lösungshinweise

5. Worum handelt es sich bei einer Bürgschaft? Eine Bürgschaft ist ein Vertrag zwischen dem Bürgen und dem Gläubiger eines Dritten, in dem sich der Bürge dem Gläubiger gegenüber verpflichtet, für die Erfüllung der Verbindlichkeiten des Dritten einzustehen. Es handelt sich um eine personale Sicherheit. Die Höhe der Bürgschaft ist von der zugrunde liegenden Schuldsumme abhängig. Die Bürgschaft bedarf der Schriftform, außer es handelt sich um einen Vollkaufmann im Rahmen seines Handelsgeschäfts. Bei der Ausfallbürgschaft muss der Bürge erst zahlen, wenn der Gläubiger die Zwangsvollstreckung in das Vermögen des Hauptschuldners ohne Erfolg versucht hat. Bei der selbstschuldnerischen Bürgschaft muss der Bürge auf Verlangen des Gläubigers sofort zahlen, wenn der Schuldner seine Verpflichtung nicht erfüllt. Diese Form ist unter Vollkaufleuten üblich, aber grundsätzlich abzulehnen. 6. Welche Formen der Innenfinanzierung können unterschieden werden? Die Innenfinanzierung kommt aus zurückbehaltenen Gewinnen, aus Abschreibungsgegenwerten oder aus Rückstellungsgegenwerten zustande (Finanzierung aus Umsatzerlösen). Außerdem kann es sich um Finanzierungen aus sonstigen Kapitalfreisetzungen handeln (Rationalisierung / Vermögensumschichtung): • Die Finanzierung aus zurückbehaltenen Gewinnen (Selbstfinanzierung) entsteht durch Gewinnthesaurierung durch Bildung von Rücklagen. Dadurch wird vor allem die Abhängigkeit von Kreditinstituten und deren Vorgaben (Covenants) vermindert. • Die Finanzierung aus Abschreibungsgegenwerten beruht auf Wertminderungen bei Wirtschaftsgütern. Diese entstehen durch „normalen“ Verschleiß, technischen Fortschritt, Bedarfsverschiebungen und Preisveränderungen. Die Abschreibungen können direkt, also unmittelbar auf den entsprechenden Anlagekonten, oder indirekt, also über ein Wertberichtigungskonto, gebucht werden. Sie können bilanziell, also auf Basis gesetzlicher Vorschriften, oder kalkulatorisch erfolgen. Die Bemessung ist linear (gleichmäßig), degressiv (betragsfallend) oder leistungsbezogen möglich. Abschreibungen erreichen einen Kapitalfreisetzungseffekt durch Verminderung des zu versteuernden Gewinns sowie einen Kapazitätserweiterungseffekt durch Reinvestition der freigesetzten Beträge (Lohmann-Ruchti-Effekt). • Die Finanzierung aus Rückstellungsgegenwerten resultiert aus Verbindlichkeiten, die zwar dem Grunde nach bekannt, nach Höhe und Fälligkeit aber unbekannt sind und deren Verursachung in der Gegenwart liegt wie z. B. aus schwebenden Geschäften, Instandhaltung, Abfallentsorgung, Gewährleistungen oder Pensionsanwartschaften. Da die Verbindlichkeiten erst in der Zukunft zu bedienen sind, in der Gegenwart aber in Rückstellungen eingebracht werden, entsteht in der Zwischenzeit daraus ein Finanzierungspotenzial. Dies gilt vor allem für langfristige Rückstellungen.

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• Eine Finanzierung aus Rationalisierung entsteht durch eine aus technischem Fortschritt resultierende Verringerung des Kapitaleinsatzes, z. B. durch Abbau von Lagerbeständen, mehr Effizienz in der Fertigung, Überwachung und Eintreibung offener Posten. • Eine Finanzierung aus Vermögensumschichtung entsteht durch Liquidisierung von Vermögensgegenständen, z. B. Verkauf nicht betriebsnotwendigen Vermögens, nicht notwendiger Vorräte, Nutzung von Factoring. 7. Welche Darlehensformen können unterschieden werden? Geben Sie dazu bitte einige Beispiele. Es können folgende Darlehensformen unterschieden werden: • Patriarisches Darlehen: Hier schuldet der Darlehensnehmer keinen (Geld-) Zins, sondern eine Gewinnbeteiligung. Sofern der Darlehensgeber auch am Verlust beteiligt wird, entsteht eine Stille Gesellschaft bzw. eine Gesellschaft bürgerlichen Rechts. • Wechseldarlehen: Der Lieferant einer Leistung erhält vom Abnehmer zur Gewährung eines Zahlungsziels und zur Sicherung des Kaufpreisanspruches einen Wechsel. Diesen kann der Gläubiger bei seiner Bank diskontieren lassen (abzgl. Provision, Kosten, Zinsen). • Wertpapierdarlehen: Dabei überträgt eine Bank Wertpapiere oder andere fungible Vermögensgegenstände an eine Unternehmung, verbunden mit der Pflicht zum Rückkauf. • Lombarddarlehen: Hierbei wird ein Kredit gegen Verpfändung beweglicher Sachen und Wertpapiere gewährt. • Avaldarlehen: Eine Bank gewährt einem Kunden ein Darlehen zeitgleich mit der Übernahme einer Bürgschaft oder Garantie gegenüber einem Gläubiger des Kunden. 8. Recherchieren Sie bitte den üblichen Ablauf zum Erwerb einer Unternehmung. Üblicherweise ist der Ablauf zum Erwerb einer Unternehmung wie folgt: • Term Sheet als Vorvereinbarung über die geplante Unternehmenstransaktion, sie begründet vorvertragliche Pflichten. • Letter of Intend, in dem die Vertragsparteien ihr Interesse an einer Transaktion bekunden und Stillschweigen vereinbaren. Der Verkäufer sichert Exklusivität der Verhandlungen mit dem Investor zu. • Due Diligence als Untersuchung der Unternehmung auf mögliche Risiken. Dazu werden die Prüfmethoden durch eine externe, unabhängige Person festgelegt (Wirtschaftsprüfer). Die Haftungsrisiken werden abgegrenzt und ggf. freigestellt.

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Übungsaufgaben und Lösungshinweise

• Vertragsabschluss als förmlicher Übergang des Eigentums. • Closing als Vollzug des Kaufvertrags (Behörden, Grundbuchamt, Besitzübernahme, Zahlungsabwicklung etc.). • Earn out als Anpassung des Kaufpreises an künftige Ereignisse, die für die Bildung des Kaufpreises erheblich sind. 9. Worum handelt es sich beim langfristigen Finanzierungsinstrument der Anleihe? Eine Anleihe wird als Teilschuldverschreibung in marktgängiger Stückelung ausgegeben. Anleihen sind festverzinslich (Rentenwert) und Gläubigerpapiere. Von einer Unternehmung ausgegebene Anleihen werden Industrieobligationen genannt. Die Ausgabe erfolgt meist unter pari (Disagio), die Rückzahlung hingegen regelmäßig pari, die Stücke bestehen aus Mantel und Couponbogen, die Verzinsung erfolgt mit jährlicher oder unterjähriger Gutschrift. Die Tilgung erfolgt durch Auslosung, Kündigung oder Rückkauf. Emissionsfähige Unternehmen können sich u. a. auch durch Emission von Anleihen als verbriefte Forderungstitel finanzieren. Bei festverzinslichen Anleihen (Straight Bonds) erfolgen während der gesamten Laufzeit feste, vorab vereinbarte Zinszahlungen. Der Betrag wird am Ende der Laufzeit getilgt. Der Anleger kann beliebige Anleihenstücke an der Börse erwerben und auch wieder verkaufen. Floating Rate Notes sind Schuldverschreibungen, deren Zins nicht während der gesamten Laufzeit fest ist, sondern in regelmäßigen Abständen in Abhängigkeit von einem Referenzzinssatz (z. B. FIBOR) angepasst wird. Ein Zero Bond ist eine Anleihe ohne laufende Zinszahlungen. Sie wird soweit unter Nennwert ausgegeben, dass die Differenz bis zur Tilgung dem Zinsbetrag entspricht. Dadurch wird die Liquidität zwar nicht laufend, wohl aber am Ende stark belastet. 10. I m Geschäftsverkehr ist die Auskunfteinholung über potenzielle oder aktuelle Partner häufig. Welche Inhalte sind dabei üblich? Eine geschäftliche Auskunft umfasst im Einzelnen die Einholung von Auskünften über Vermögensverhältnisse (Art und Umfang des Vermögens, Geschäftszugang, Umsatz und Entwicklung der Unternehmung), Zahlungsweise (Pünktlichkeit, Zielüberschreitungen, Zahlungsaufstockungen und -einstellungen), Persönlichkeit des Unternehmers (Ruf, Charakter, Vertrauenswürdigkeit, Tüchtigkeit), Rechtsverhältnisse (Güterstand, Unternehmensform, Rechtsordnung) und Kredithöhe (Unbedenklichkeitshöhe). Als Auskunftsstellen fungieren der Kunde (Selbstauskunft), Geschäftsfreunde des Kunden, Kreditinstitute (nach Genehmigung durch Kunden), öffentliche Register, halbamtliche Stellen (Handelskammer, Konsultat) und Auskunfteien. Bei unentgeltlicher Auskunft haftet der Auskunftsgeber für Vorsatz, bei entgeltlicher Auskunft für Vorsatz und Fahrlässigkeit. Schadensersatzpflicht für falsche Auskünfte besteht bei Vorsatz

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gegenüber dem Auskunftnehmer und Beurteiltem (unentgeltliche Auskunft) bzw. bei Vorsatz und Fahrlässigkeit (gegenüber dem Auskunftsnehmer) bzw. Vorsatz und grober Fahrlässigkeit (gegenüber dem Beurteilten). Auskunftsinhalte sind geheim zu halten, nur in der eigenen Unternehmung zu verwenden und nicht weiter zu geben. Allgemeine Sicherungsmaßnahmen sind eine hohe Anzahlung, der Abschluss einer Kreditversicherung, der Verkauf gegen Akzept, die selbstschuldnerische Bürgschaftsstellung, die Sicherungsübereignung, die Finanzierung über ein Kreditinstitut, der Eigentumsvorbehalt etc. 11. W  as versteht man unter einer Außenfinanzierung? Bei der Außenfinanzierung werden der Unternehmung Finanzmittel von außerhalb zugeführt. Die Beträge und Überlassungsfristen sind exakt festgelegt. Die Außenfinanzierung erfolgt durch die Ausgabe von Finanzierungstiteln und deren Erwerb durch die Kapitalgeber. Als Finanzierungsmittel wird die Gesamtheit der Rechte und Pflichten, die aus der Kapitalhingabe resultieren, bezeichnet. Aus dem Erwerb von Beteiligungstiteln resultiert die Rechtsposition des Eigenkapitalgebers (Außen-Eigenfinanzierung / Beteiligungsfinanzierung), aus dem Erwerb von Forderungstiteln die Rechtsposition des Fremdkapitalgebers (AußenFremdfinanzierung / Einlagenfinanzierung). Die Möglichkeiten der Außen-Eigenfinanzierung hängen von der Rechtsform der Unternehmung ab, vor allem, ob die Unternehmung emissionsfähig ist, d. h. zur Ausgabe von Wertpapieren berechtigt. Nicht emissionfähige Unternehmen sind Einzelunternehmen, offene Handelsgesellschaften, Kommanditgesellschaften, Gesellschaften mit beschränkter Haftung, GmbH&CoKG’s und Genossenschaften. Emissionfähige Unternehmen sind Aktiengesellschaften und KGaA’s. 12. Stellen Sie bitte die Charakteristika eines Avalkredits dar. Beim Avalkredit gewährt die Bank einer dritten Person eine Bürgschaft für gegenwärtige oder zukünftige Zahlungsverpflichtungen eines Kunden. Ein Avalkredit ist also die Abgabe eines bedingten Zahlungsversprechens gegenüber Dritten. Der Avalkreditgeber stellt dabei kein Bargeld, sondern seine eigene Kreditwürdigkeit zur Verfügung (Kreditleihe), entsprechende Beträge stellen für ihn Eventualverbindlichkeiten dar. Als Kosten entsteht die Avalprovision. Es handelt sich jedoch um keine direkte Kapitalbeschaffung, sondern nur um die Sicherung der Kapitalbeschaffung. Sicherheiten sind nicht erforderlich, die Laufzeit ist flexibel, während der Laufzeit jedoch unkündbar. Die Form ist meist die einer Bürgschaft, einer Garantie oder eines Kreditauftrags. Da kein Geld, sondern nur Kreditwürdigkeit geliehen wird, fallen keine Zinsen, sondern Provision an.

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Übungsaufgaben und Lösungshinweise

13. Erläutern Sie bitte den Begriff „Cash-flow“. Wie kann der Cash-flow im Einzelnen ermittelt werden? Der Cash-flow einer Abrechnungsperiode ist der sich aus dem betrieblichen Umsatzprozess ergebende Einzahlungsüberschuss, d. h. der Überschuss der einzahlungswirksamen Erträge über die auszahlungswirksamen Aufwendungen. Er besteht im Wesentlichen aus Gewinn, Abschreibungen, Rückstellungen und ist Maßgröße für den im operativen Bereich erwirtschafteten Zahlungsüberschuss. Es handelt sich somit um den Zugang liquider Mittel. Die Ermittlung des Cash-flows erfolgt meist retrograd aus dem Jahresüberschuss, indem auszahlungsunwirksame Aufwendungen hinzuaddiert und einzahlungsunwirksame Erträge subtrahiert werden, so dass die einzahlungswirksamen Erträge und die auszahlungswirksamenen Aufwendungen verbleiben. Dabei handelt es sich um den uneingeschränkt für Finanzierungszwecke zur Verfügung stehenden finanzwirtschaftlichen Überschuss einer Periode. Dies ist ein Indikator für die Innenfinanzierungsfähigkeit (Investitionen) und die Kredittilgungskraft einer Unternehmung. Er kann (seltener) direkt über die einzahlungswirksamen Erträge und die auszahlungswirksamen Aufwendungen ermittelt werden. Werden von diesem Betrag die zur Ausschüttung vorgesehenen Gewinne abgezogen, ergibt sich der Netto-Cash-flow. Indirekt kann der Cashflow auf durchaus unterschiedliche Art ermittelt werden. Dazu drei Beispiele: • Als Discounted Cashflow (Rappaport, McKinsey Comp.) ergibt sich der Unternehmenswert anhand von diskontierten, zukünftigen Zahlungsüberschüssen. Strategische Unternehmensführung bedeutet damit quantitatives Wertmanagement (nicht Visionen o. Ä.). Nachteilig ist dabei jedoch die Inkompatibilität mit den herkömmlichen Rechnungswesendaten, die nicht zahlungsstromorientiert ausgelegt sind, daher ist eine doppelte Rechnung erforderlich. Nachteilig ist weiterhin die Zukunftsungewissheit der Prognose. • Beim Cash-flow Return on Investment (Boston Consulting Group) wird ein interner Zinsfuß bestehender Geschäfte ermittelt. Dazu sind aktualisierte Anschaffungswerte durch Hochrechnung aus historischen Anschaffungswerten erforderlich, ebenso Cash-flow-Schätzungen für die Nutzungsdauer und den Endwert. Problematisch ist dabei, dass von gleich hohen Cash-flows über die gesamte Nutzungsdauer ausgegangen wird. Vorteilhaft ist hingegen die Kompatibilität zu Rechnungswesendaten, allerdings entsteht dennoch ein hoher Rechenaufwand. Auch gehen immaterielle Werte unter wie Markenwert, Standortvorteil, Managementqualität etc. • Ein Cash-flow-ähnliches Verfahren (Economic Value / Stern Stewart) anhand der Bestimmung durch den Jahresabschluss legt ein Residualeinkommen als Betriebsergebnis nach Steuern abzgl. Kapitalentgelt (Gesamtkapital multipliziert mit gewogenen Kapitalkosten / WACC) zugrunde. Das Gesamtkapital wird aus der Bilanz errechnet, was aber vorher Korrekturen erfordert. Der

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Aktionärsnutzen ist demnach nur der die Eigenkapitalkosten übersteigende Teil, nicht schon der die Fremdkapitalkosten übersteigende Teil. Vorteilhaft ist dabei die Anbindung an Rechnungswesendaten, allerdings fehlen weiterhin immaterielle Güter auf der Kapitalseite. 14. Stellen Sie bitte die wesentlichen Kennzeichen einer Grundschuld dar. Unter Grundschuld versteht man die Belastung eines Gebäudes / Grundstücks (Grundpfandrecht), indem der Begünstigte unter bestimmten Voraussetzungen eine bestimmte Geldsumme aus dem Grundstück fordern kann (§ 1191 BGB). Die Grundschuld ist im Unterschied zur Hypothek nicht vom Bestand einer Forderung abhängig, es besteht auch keine persönliche, sondern nur eine dingliche Haftung (in Form des Grundstücks). Man unterscheidet die Eigentümer- oder die Fremdgrundschuld sowie die Buch- oder die Briefgrundschuld: • Die Buchgrundschuld entsteht durch Einigung und Eintragung im Grundbuch. Die Übertragung erfolgt durch notariell beglaubigte Abtretungserklärung und Umschreibung im Grundbuch. • Die Briefgrundschuld entsteht zusätzlich durch Ausstellung einer Urkunde (Grundschuldbrief). Die Übertragung erfolgt durch Übergabe des Grundschuldbriefs mit Abtretungserklärung. • Bei der Fremdgrundschuld ist der Berechtigte nicht der Eigentümer des Grundstücks, sondern eine andere Person (meist der Kreditgeber). • Bei der Eigentümergrundschuld stehen die Rechte aus der Grundschuld dem Grundstückseigentümer selbst zu. Zur Löschung der Grundschuld ist eine Löschungsbewilligung beim Grundbuchamt vorzulegen. Außerdem ermöglichst die Grundschuld auch den Einzug von Teilbeträgen, so dass ihr in der Praxis gegenüber der Hypothek der Vorzug gegeben wird. 15. N  ennen und erläutern Sie bitte die wesentlichen Kennzeichen eines Darlehens. Das Darlehen ist ein formfreier Vertrag, in dem sich der Darlehensgeber zur Hingabe von Geld oder anderen vertretbaren Sachen, der Darlehensnehmer zur Rückgabe von Sachen jeglicher Art, Güte oder Menge verpflichtet (§§ 607 ff. BGB). Man unterscheidet Warendarlehen oder Gelddarlehen, entgeltliche Darlehen oder unentgeltliche Darlehen, persönlich gesicherte Darlehen, sachlich gesicherte Darlehen oder ungesicherte Darlehen. Der festverzinsliche Kredit ist zu einem vereinbarten Termin auszuzahlen bzw. zurückzahlen ist. Dabei kann anstelle einer Zinszahlung auch eine Gewinnbeteiligung vereinbart werden. Der Empfänger von vertretbaren Sachen verpflichtet sich, Sachen gleicher Art und Güte zurückzugewähren (§ 607 BGB).

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Übungsaufgaben und Lösungshinweise

Vertretbare Sachen können nach Zahl, Maß und Gewicht bestimmt werden. Dabei werden wegen langer Laufzeiten meist Sicherheiten zugrunde gelegt. Die Rückzahlung erfolgt als Fälligkeits-/Kündigungsdarlehen, d. h., die Darlehenssumme ist nach Ablauf der vereinbarten Laufzeit bzw. nach Kündigung des Vertrags in einer Summe fällig. Während der Laufzeit sind nur Zinsen zu entrichten, als Annuitätendarlehen, d. h., der Schuldner zahlt über die gesamte Laufzeit gleich hohe Beträge (Annuitäten), die sich aus sinkendem Zins- und steigendem Tilgungsanteil zusammensetzen, oder als Abzahlungsdarlehen, d. h., die Tilgung erfolgt in gleich hohen Raten. Da die Restschuld laufend geringer wird, sinken damit die zu entrichtenden Zahlungen im Zeitablauf. Die Tilgung kann in laufenden Beträgen oder bei Endfälligkeit in einer Summe erfolgen. Bei seltenen immobilen Sicherungen für Darlehen greifen die Grundpfandrechte. Beim Schuldscheindarlehen sind Kapitalsammelstellen wie Versicherungen, Pensionskassen, Bausparkassen, Sozialversicherungsträger etc. Kreditgeber. Wegen der umfassenden gesetzlichen Vorschriften sind dabei hohe Bonitätskriterien zu erfüllen und erstklassige Sicherheiten zu stellen. Der Kreditgeber kann das Schuldscheindarlehen leicht an Dritte abtreten.

16. Übungsaufgaben zum Personal

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16. Übungsaufgaben zum Personal 1. Welche Aufgaben fallen in der internen Personalbeschaffung an? Die interne Personalbeschaffung erfolgt durch innerbetriebliche Stellenausschreibung, Versetzung, Personalentwicklung oder Mehrarbeit. Der Betriebsrat kann seine Zustimmung dazu verweigern, wenn Mindestanforderungen bei einer Ausschreibung nicht eingehalten wurden, gegen das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz (AGG) oder gegen Auswahlrichtlinien verstoßen wurde oder die Ausschreibungsinhalte von den internen Bedarfen abweichen. Die Versetzung bezieht sich auf die Zuweisung eines anderen Arbeitsbereichs. Dabei müssen gleiche Bezüge gegeben sein. Ansonsten ist eine Änderungskündigung mit Anhörung des Betriebsrats erforderlich. Personalentwicklung betrifft die Ausbildung, die Fortbildung als Anpassungsoder Aufstiegsmaßnahmen oder die Umschulung. Dazu gehört auch die Personalförderung durch Coaching oder Mentoring. Mehrarbeit entsteht infolge Verlängerung der Arbeitszeit durch Überstunden, sofern dies arbeits- oder tarifvertraglich so vereinbart ist, oder durch Änderung der betriebsüblichen Arbeitszeit. 2. Welche Gründe für eine „ordentliche“ Kündigung können gegeben sein? Als Gründe für eine ordentliche Kündigung kommen folgende in Betracht: • Personenbedingte Gründe liegen vor, wenn die Fähigkeiten zur Erbringung der Arbeitsleistung fehlen oder verloren gehen, z. B. wegen häufiger Kurzerkrankungen, lang anhaltender Krankheit, krankheitsbedingter Leistungseinschränkung. Erforderlich sind dazu eine negative Gesundheitsprognose, erhebliche prognostizierte Fehlzeiten und eine wesentliche Beeinträchtigung berechtigter Interessen des Arbeitgebers. Weitere Gründe sind eine fehlende Eignung für die geschuldete Leistung, das Nichtbestehen einer für die Stelle vorgesehenen Prüfung, Suchtprobleme, fehlende Arbeitserlaubnis bei Ausländern, Arbeitsverhinderung wegen Haft etc. • Verhaltensbedingte Gründe liegen vor, wenn arbeitsvertragliche Pflichten verletzt werden, z. B. wegen Arbeitsverweigerung, wiederholt unentschuldigten Fehlens, eigenmächtiger Urlaubsnahme, Urlaubsüberschreitung, dauernder Unpünktlichkeit, Beleidigungen, dauernder Gering- oder Schlechtleistung oder Verletzung der betrieblichen Ordnung. Ggf. ist dazu eine vorherige Abmahnung erforderlich. Eine Abmahnung muss neben Beweismitteln und Datum die Aufforderung zur Unterlassung und die Ankündigung von Sanktionen enthalten sowie zeitnah zum Vorfall erfolgen. Eine einmalige Abmahnung reicht im Regelfall nicht aus, bei wiederholten oder mehreren Verstößen muss

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Übungsaufgaben und Lösungshinweise

jeweils getrennt neu abgemahnt werden. Keine Abmahnung ist erforderlich, wenn dem Arbeitgeber die Weiterbeschäftigung eines Mitarbeitenden nicht mehr zumutbar ist, z. B. bei Vertrauensverlust wie Unterschlagung, Tätlichkeit, Beleidigung, Verstoß gegen Treue- oder Verschwiegenheitspflichten. Dabei hat jedoch eine Interessensabwägung zum Arbeitnehmer stattzufinden, etwa über die Beschäftigungsdauer oder das Ausmaß des Verstoßes. Weitere Gründe sind die Annahme von Bestechungen, die Androhung von „Krankfeiern“, die Vortäuschung einer Krankheit, die Nichtvorlage der Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung, ehrverletzende Äußerungen über den Arbeitgeber, wiederholte Mankobeträge, unerlaubte Nebentätigkeiten, unbefugtes Verlassen des Arbeitsplatzes, Führerscheinentzug bei Kraftfahrern, Nichtbeachtung eines Rauchverbots etc. • Betriebsbedingte Gründe liegen vor, wenn dringende betriebliche Erfordernisse einer Weiterbeschäftigung entgegenstehen. Dabei kann es sich um inner- oder außerbetriebliche Ursachen handeln wie Rationalisierung, Produktionsumstellung, Rohstoffmangel, Umsatzrückgang, Betriebsstilllegung, Standortverlagerung, Unternehmenszusammenschluss etc. Bei Massenentlassungen, die abhängig vom Anteil der Gekündigten an allen Arbeitnehmern und der gesamten Anzahl der Arbeitnehmer im Betrieb sind, gilt ein besonderer Kündigungsschutz mit Information des Betriebsrats, Anzeige bei der Bundesagentur für Arbeit etc. Ziele sind hier ein gerechter Interessensausgleich und ein Sozialplan zur Milderung von Nachteilen. Es besteht ein Rechtsanspruch auf Abfindung in Höhe von 0,5 Monatsentgelten je Jahr der Betriebszugehörigkeit. Ordentliche Kündigungen können nach Gesetz unwirksam sein, wenn keine Sozialauswahl stattfindet. Diese bezieht im Einzelnen die Dauer der Betriebszugehörigkeit, Lebensalter, Unterhaltspflichten, Schwerbehinderung bei Aussprache einer Kündigung in die Überlegungen ein. Gleiches gilt, wenn eine anderweitige Weiterbeschäftigungsmöglichkeit im Betrieb möglich gewesen wäre. 3. Welche Aufgaben umfasst die Personalentwicklung? Die Personalentwicklung bezieht sich auf die Förderung der Schlüsselqualifikationen bei Mitarbeitenden, also der Fachkompetenz (= Faktenwissen), der Methodenkompetenz (= Problemlösungsfähigkeit), der Sozialkompetenz (= Interaktionsvermögen) und der Individualkompetenz (= Persönlichkeitsprofil). Diese Förderung erfolgt im Einzelnen durch Ausbildung (sekundärer Bereich), Fortbildung (tertiärer Bereich) und Umschulung (quartärer Bereich). Die Ausbildung erfolgt in der Schule und im Beruf, letzteres wiederum durch Berufsausbildung, Anlernausbildung, Volontariat (Praktikum) oder Traineeship. Die Berufsausbildung vollzieht sich in vorbildlicher Weise im Dualen Ausbildungssystem als praktische Ausbildung im Betrieb und überbetriebliche theoretische Ausbildung

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in berufsbildenden Schulen. Die Berufsausbildung ist nur in anerkannten Ausbildungsberufen möglich, für diese wiederum gelten Ausbildungsordnungen der IHK’en / HWK’en. Diese regeln u. a. Ausbildungsdauer, Rahmenstoffplan, Prüfungsanforderungen etc. Die Fortbildung dient der Erhaltung, Erweiterung und Anpassung erworbener Kenntnisse und Fertigkeiten. Sie soll einen beruflichen Aufstieg ermöglichen, zumindest aber den Arbeitsplatz sichern. Dazu muss der Qualifikationsbedarf (Stellen-Soll-Ist, Individualinteressen) ermittelt und daraus ein adäquater Maßnahmenplan abgeleitet werden. Die Fortbildung kann dabei intern oder extern umgesetzt werden. Die Umschulung soll den Übergang zwischen zwei Berufen ermöglichen. Diese kann betrieblich oder überbetrieblich angelegt sein und dabei dem Wunsch des Mitarbeitenden entspringen, betrieblichen Erfordernissen oder gesundheitlichen Bedingungen. Als Maßnahmen zur Personalentwicklung kommen im Einzelnen in Betracht: • persönliche Unterweisung, Lehrtexte/-briefe, Learning by Doing, dosierte Übertragung von Sonderaufgaben, geplanter Arbeitsplatzwechsel, Vorlesung, Lehrgespräch, programmierte Unterweisung, Fallstudienübung, Rollenspiel (Storytelling), Planspiel etc. Weitere Möglichkeiten sind das Coaching für bestehende Mitarbeitende bzw. das Mentoring für neue Mitarbeitende und die Laufbahnplanung als Karriereentwicklung. 4. Welche Anforderungen sind an die Mitarbeiterentlohnung zu stellen? Die Entlohnung der Mitarbeitenden hat dreierlei Anforderungen zu genügen, betrieblichen, individuellen und rechtlichen. Betriebsspezifisch sind vor allem Aspekte wie Berücksichtigung aller relevanten Ziele, angemessener Flexibilitätsgrad, hohe Wirtschaftlichkeit, weitgehende Leistungsorientierung, geeignete Führungs- und Steuerungsfähigkeit, sinnvolle Einkommensrelationen und eine gewisse Dauerhaftigkeit der Geltung zu nennen. Individuell sind vor allem Aspekte wie Sicherung einer Mindestentlohnung, attraktives Gehaltsgesamtniveau, gute Transparenz und Nachprüfbarkeit, strikte Gerechtigkeit und ein nachvollziehbares Kausalitätserlebnis zu nennen. Rechtliche Anforderungen betreffen vor allem Aspekte wie Einhaltung von gesetzlichen und tariflichen Normen in Betriebsvereinbarungen, Mitwirkungs- und Mitbestimmungsrechten sowie Berücksichtigung des Gleichberechtigungsgrundsatzes. Auch soll qualitätsgerechtes Verhalten unmittelbar belohnt werden.

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Übungsaufgaben und Lösungshinweise

5. Welche Inhalte hat das Individualarbeitsrecht? Das Individualarbeitsrecht besteht aus Arbeitsvertragsrecht und Arbeitsschutzrecht. Das Arbeitsvertragsrecht ergibt sich aus Gesetz (BGB, HGB, GewO) und Vertrag (Tarifrecht). Der Arbeitgeber hat danach die Rechte der Organisation der Arbeitsabläufe und der Erteilung von Weisungen an Arbeitnehmer. Er hat die Pflichten der Lohnzahlung, der Fürsorge, der Beschäftigung, der Gleichbehandlung, der Urlaubsgewährung und der Zeugniserteilung. Man unterscheidet bei Arbeitnehmern im Einzelnen in Arbeiter, die überwiegend körperlich-mechanisch wirken, Angestellte, die überwiegend geistig-abstrakt tätig sind, und Leitende Angestellte, die Arbeitgeberfunktion wahrnehmen. Sie haben vor allem die Pflichten zur Arbeit, zur Treue und zur Haftung. Selbstständige, Beamte, Auszubildende, Praktikanten und Wehrpflichtige sind i. d. S. keine Arbeitnehmer. Freie Mitarbeiter werden auf Basis von Dienstverträgen für den Prozess oder Werkverträgen für das Ergebnis beschäftigt. Der Arbeitsschutz ergibt sich aus gesetzlichen Vorschriften zu Arbeitssicherheit, Arbeitszeitsregelung, Kündigungsschutz, Entgeltfortzahlung, Berufsbildung, Heimarbeitmöglichkeit, Jugendarbeit, Schwerbehinderteneinsatz, Gleichbehandlung etc. 6. Welche Inhalte hat das Kollektivarbeitsrecht? Das Kollektivarbeitsrecht besteht aus dem Arbeitskampfrecht und dem Betriebsverfassungsrecht. Das Arbeitskampfrecht betrifft Streiks und Aussperrungen. Streiks müssen von einer Gewerkschaft geführt werden und sind nur nach entsprechender Urabstimmung zulässig. Während der Laufzeit eines ungekündigten Tarifvertrags herrscht jedoch Friedenspflicht. Warnstreiks sind als kurzfristige Arbeitsniederlegungen während der Tarifverhandlungen zulässig, hingegen sind politisch motivierte und wilde, nicht legitimierte Streiks unzulässig. Arbeitgeber können theoretisch mit einer (Abwehr-)Aussperrung auf Streiks reagieren, eine proaktive Angriffsaussperrung ist hingegen unzulässig. Das Betriebsverfassungsrecht regelt die Einflussmöglichkeiten von Arbeitnehmern bei der Betriebsführung. Der Betriebsrat vertritt dabei die Arbeitnehmer eines einzelnen Betriebs, der Gesamtbetriebsrat die einer Unternehmung, der Konzernbetriebsrat die eines Konzerns. Die Ansätze sind vielfältig: • Das Recht auf Mitwirkung betrifft die Mitsprache bei Entscheidungen, die Entscheidung selbst verbleibt jedoch beim Arbeitgeber. Das Informationsrecht betrifft die Unterrichtung des Betriebsrats. Weitere Rechte sind das Vorschlagsrecht, z. B. bei der Personalplanung, das Antragsrecht, das Beratungsrecht, z. B. bei der Bau-, Anlagen-, Ablauf-, Verfahrensplanung, und das Anhörungsrecht, z. B. vor Kündigungen.

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• Die Mitbestimmung betrifft die Teilhabe an der betrieblichen Willensbildung und an Entscheidungen. Sie bezieht sich auf soziale Angelegenheiten wie Betriebsordnung, Arbeitszeiten / A rbeitspausen, Entgeltmodalitäten, Urlaubspläne, Unfallschutz, Werkswohnungen etc., arbeitsplatzbezogene Angelegenheiten wie Arbeitsabläufe, Arbeitsplatzumgebungen etc, personelle Angelegenheiten wie die Auswahl, Versetzung, Umgruppierung, ordentliche Kündigung etc. und wirtschaftliche Angelegenheiten (dies ist bei > 100 ständig Beschäftigten als Wirtschaftsausschuss konstituiert). Bei auftretenden Meinungsverschiedenheiten strebt eine Einigungs- oder tarifliche Schlichtungsstelle einen gütlichen Ausgleich zwischen Betriebsrat und Arbeitgeber an. 7. Welche Aufgaben fallen in der externen Personalbeschaffung an? Die externe Personalbeschaffung erfolgt etwa durch eigene Mitarbeitende, Aushang am Werkstor, Ansprache anlässlich Betriebsbesichtigung oder Kontakt zu Bildungseinrichtungen sowie Werbemedien (Plakat, Handzettel, Kinospot etc.). Die Arbeitsvermittlung erfolgt durch die Bundesagentur für Arbeit bzw. die Zentrale Auslands- und Fachvermittlung (ZAV) bzw. dezentrale Personal-Service-Agenturen zur Arbeitnehmerüberlassung. Private Arbeitsvermittlungen werden regelmäßig vom Arbeitgeber beauftragt und arbeiten auf Erfolgsbasis. Print-Stellenanzeigen können offen, also mit Absender, oder chiffriert inseriert werden. Sie können Fließtextanzeigen oder gestaltete Anzeigen sein und dienen dann häufig auch als Imageträger. Sie können im Printbereich in Tages- oder Wochenzeitungen, Wochen- oder Monatszeitschriften, Fachtiteln, Anzeigenblättern etc. erscheinen. Als Inhalte bieten sich mindestens folgende an: • Wer sind wir, welche Stelle ist zu besetzen, wen suchen wir, was bieten wir, welche Unterlagen sind erforderlich? Online-Stellenanzeigen sind auf der unternehmenseigenen Homepage platziert („Karriere-Button“) oder in kommerziellen Jobbörsen, die wiederum nach Berufszweigen, Regionen, Bildungsabschlüssen etc. vielfach spezialisiert oder aber allgemein angelegt sein können. Eine nicht-kommerzielle Jobbörse wird von der Bundesagentur für Arbeit betrieben. Eine weitere Möglichkeit ist die Nutzung von beruflichen Sozialen Netzwerken. Personalberater bieten ihre Dienste für die Besetzung von Führungspositionen an. Sie übernehmen dabei begleitende Leistungen wie Erarbeitung eines Qualifikationsprofils, Sichtung zur Vorauswahl, Beratung bei arbeitsvertraglichen Regelungen etc. Die Arbeitnehmerüberlassung erfolgt durch erlaubnispflichtige Personal-Leasing-Unternehmen. Diese schließen einen Arbeitsvertrag mit dem Leiharbeit-

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Übungsaufgaben und Lösungshinweise

nehmer, übertragen das Direktionsrecht vor Ort aber auf die entleihende Unternehmung. Sie erhalten vom Entleiher die Entlohnung und führen davon vor Weiterleitung Steuern und Sozialabgaben für den Arbeitnehmer ab. Die entleihende Unternehmung hat die Fürsorgepflicht und gliedert den Leiharbeitnehmer in ihren Betrieb ein. Die Arbeitsbedingungen der Leiharbeitnehmer dürfen von denen regulär Beschäftigter nicht nach unten abweichen. Vor allem müssen die tarifvertraglichen Vereinbarungen eingehalten werden. Eine Abwerbung, also die Direktansprache personalsuchender Unternehmen bei potenziellen Arbeitnehmern, ist grundsätzlich zulässig. Unzulässig ist hingegen ein sittenwidriges Verhalten, d. h. die Abwerbung mit unlauteren Mitteln wie z. B. unwahren Behauptungen, systematischem Abzug. 8. Nennen Sie bitte übliche Verfahren zur Bewerberauswahl. Die Bewerberauswahl erfolgt durch persönliche oder unpersönliche Verfahren. Persönliche Verfahren zur Auswahl sind vor allem das Vorstellungsgespräch und das Assessment Center: • Das Vorstellungsgespräch vollzieht sich im Einzelgespräch oder im Gruppengespräch, durch die Fachabteilung oder durch die Personalabteilung, jeweils einzeln nacheinander oder parallel. Das Gespräch kann unstrukturiert (frei), teilstrukturiert anhand eines Leitfadens oder standardisiert anhand von Checklistkriterien erfolgen. Der übliche Ablauf sieht eine informelle Begrüßung, eine Orientierung über die persönliche Situation des Bewerbers, schulische und berufliche Entwicklungen, Informationen über die Unternehmung, Vertragseckpunkte und die informelle Verabschiedung vor. • Assessment Centers sind systematische Gruppenverfahren, vor allem zur Feststellung des berufsrelevanten Verhaltens. Instrumente sind dabei Postkorb / e-Mail-Übung zur Methodennutzung unter Zeitdruck, Gruppendiskussion, Rollenspiel, Gruppenprojektarbeit (jeweils zur Prüfung des Sozialverhaltens), Präsentation, Interview zur Prüfung des Individualverhaltens etc. Diese Übungen werden von Mitarbeitenden oder Beauftragten beobachtet und ausgewertet. Unpersönliche Verfahren zur Auswahl sind etwa folgende: • die Auswertung graphologischer Gutachten in Bezug auf Persönlichkeitsmerkmale, dies bedarf allerdings der Zustimmung des Bewerbers, • die ärztliche Eignungsuntersuchung in Bezug auf den (meist physischen) Tauglichkeitsgrad, etwa auch im Öffentlichen Dienst, • Eignungstests nur mit Zustimmung des Bewerbers, Persönlichkeitstests suchen dabei die psychologische Disposition des Bewerbers zu eruieren und Fähigkeitstests heben auf seine Belastbarkeit, Konzentration, spezielle Leistungsmerkmale, Begabungen oder Intelligenz ab.

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9. Welchen Rahmen und welche Inhalte hat typischerweise ein Arbeitsvertrag? Arbeitsverträge müssen den gesetzlichen Vorgaben, dem Tarifvertrag, der Betriebsvereinbarung und der obersten Rechtsprechung (BGH, BSG, BAG) entsprechen. Der Arbeitsvertrag kann grundsätzlich formlos sein, Schriftform ist aber üblich und auch dringend anzuraten. Formularverträge bedürfen dabei der Zustimmung des Betriebsrats. Die Arbeitsverträge können unbefristet als Dauerarbeitsvertrag oder aber befristet ausgelegt sein. Befristete Arbeitsverträge bedürfen eines sachlichen Grundes, dürfen nicht länger als zwei Jahre laufen und höchstens dreimal verlängert werden. Ansonsten entsteht ein Kettenarbeitsvertrag. Ausnahmen gelten nur für Existenzgründungsunternehmen. Pflichtinhalte eines Arbeitsvertrags sind folgende: • Vertragsparteien, also Arbeitgeber und Arbeitnehmer, • Vertragsbeginn, • genaue Tätigkeitsbezeichnung, • allgemeine Tätigkeitsbeschreibung, • Vergütung, mindestens gemäß Tarifecklohn, • freiwillige Sozialleistungen der Unternehmung, • Urlaub, mindestens nach Tarifvertrag, • Entgeltfortzahlung ohne Leistung, mindestens nach Tarifvertrag, • Wettbewerbsverbot, gültig nur mit Abfindung, • Probezeit, mit abgestufter Laufzeit, • Kündigungsfrist nach Gesetz. Der Arbeitsvertrag ist nichtig, wenn er gegen ein gesetzliches Verbot oder die guten Sitten verstößt, ein Willensmangel bei Abschluss vorliegt oder die vereinbarte Leistung unmöglich ist. 10. A  us welchen Anlässen ist eine Abmahnung von Mitarbeitenden möglich? Eine Abmahnung dient dazu, den Arbeitnehmer auf seine Verletzung arbeitsvertraglicher Verpflichtungen hinzuweisen, ihn aufzufordern, sein Fehlverhalten abzustellen und ihn für den Wiederholungsfall mit arbeitsrechtlichen Konsequenzen zu konfrontieren. Häufige Anlässe für Abmahnungen sind Störungen des Vertrauensverhältnisses im Betrieb wie z. B. Nichterfüllung zugesicherter Aufgabenerfüllung, Störungen im Leistungsbereich wie z. B. unzumutbar geringe Arbeitsleistung, Störungen der betrieblichen Ordnung wie z. B. Mobbing, Verletzungen arbeitsvertraglicher Nebenpflichten wie z. B. unangemessenes Auftreten vor Kunden oder Mängel im außerdienstlichen Verhalten wie z. B. üble Nachrede.

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Eine Abmahnung hat die konkrete und präzise Schilderung des beanstandeten Fehlverhaltens, dessen ausdrückliche Bewertung als Vertragsverletzung, die Aufzählung der dagegen stehenden Pflichten des Arbeitnehmers, die Aufforderung zu einer Rückkehr zu einem vertragsgemäßen Verhalten und die Androhung arbeitsrechtlicher Konsequenzen bei Zuwiderhandeln zu enthalten. Bei einem anderen Anlass der Pflichtverletzung ist erneut abzumahnen. Bei Wiederholung der Pflichtverletzung ist erneut abzumahnen, wenn seit dem letzten Anlass mehr als zwei Jahre vergangen sind. Ansonsten erlaubt ein erneuter Verstoß gegen den Inhalt der Abmahnung eine fristlose Kündigung. 11. W  elche Einflussgrößen wirken auf die Planung des Personaleinsatzes ein? Der Personaleinsatz wird qualitativ, quantitativ, räumlich und zeitlich geplant. Er bezieht sich auf die geistige und physische Arbeit. Die Arbeitsaufnahme erfolgt durch Einführung und Einarbeitung. Der Arbeitsplatz muss dabei ergonomischen Anforderungen genügen wie Umgebungseinflüsse, Sicherheit etc. Der Arbeitsinhalt bezieht sich auf den Grad der Arbeitsteilung als Mengen- oder Artteilung. Die Aufgabenerweiterung bezieht sich auf eine quantitative Ausweitung der Tätigkeit (Job Enlargement) oder einen Arbeitsplatzwechsel (Job Rotation). Die Aufgabenanreicherung bezieht sich auf den Anteil dispositiver Arbeit (Job Enrichment) oder den Autonomiegrad der Arbeit (teilautonome Arbeitsgruppe). Der Arbeitsort kann innerhalb der Unternehmung liegen, so bei Werkstatt-, Fließ- und Gruppenfertigung als fester oder wechselnder Arbeitsplatz, oder außerhalb der Unternehmung, z. B. als Heim- oder Telearbeitsplatz, als Expatriate bei Auslandsentsendung. Bei der Arbeitszeit sind sowohl eine Ausweitung (Ex­ traschicht) als auch eine Kürzung (Kurzarbeit) möglich. Die Schichtarbeit erfolgt nach Schichtplan in Wechselschicht. Bei Kurzarbeit gleicht die Bundesagentur für Arbeit den Lohnausfall teilweise durch Kurzarbeitergeld aus. Teilzeitarbeit kann starr oder flexibel angelegt sein und einen oder mehrere Arbeitnehmer bzw. die gesamte Belegschaft betreffen. Sie ist vor allem bei Minijobs mit pauschalisierter Sozialversicherung des Arbeitgebers anzutreffen. Die Gleitzeit besteht aus der Kernarbeitszeit, die nicht gleitet, also für alle anwesenheitspflichtig ist, und der Gleitzeit zu Arbeitszeitbeginn und –ende. Zeitguthaben können ggf. übertragen werden. Bei der Jahresarbeitszeit wird eine jährliche Arbeitszeitsumme variabel über das Jahr verteilbar geleistet. Bei der Kapazitätsorientierten variablen Arbeitszeit (KAPOVAZ) stehen die Arbeitnehmer in Grenzen auf Abruf zum Einsatz zur Verfügung. Bei der Vertrauensarbeitszeit wird auf eine Kontrolle der Anwesenheit verzichtet. Die Arbeitszeit besteht aus der Nutzzeit und Ruhepausen, die gesetzlich vorgeschrieben sind (30 Min. bei über sechs Stunden Arbeitszeit, mind. elf Stunden Ruhezeit zwischen zwei Arbeitsphasen).

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12. Welche Aufgabenfelder fallen in den Rahmen des Personalmanagements? Zum Bereich des Personalmanagements gehören im Allgemeinen folgende Aufgabenfelder: • qualitative und quantitative Personalbedarfsplanung: Welches Personal wird im Hinblick auf die Unternehmensführungsgrundsätze benötigt, um den prognostizierten Anforderungen gerecht zu werden? • Personalbeschaffung: Wo und wie können benötigte Mitarbeitende angesprochen und rekrutiert werden? • Personalauswahl und -einstellung: Nach welchen Kriterien und mit welchen Methoden soll eine Auswahl aus den Bewerbungen getroffen werden? • Personaleinsatz: Wie wird sichergestellt, dass geeignetes Personal im benötigten Umfang zeitlich und räumlich passend unter Berücksichtigung gesetzlicher, sozialer und individueller Rahmenbedingungen zur Verfügung steht und wie kann dieses richtig eingearbeitet werden? • Personalentlohnung: Nach welchen Prinzipien wird die Entlohnung festgelegt und welche Entgeltformen werden genutzt? • Personalbindung: Wie können unternehmensgeeignete Mitarbeitende gegen Abwanderungen zu anderen Arbeitgebern immunisiert werden? • Personalführung: Wie kann die Einbringung der vollen Leistungsfähigkeit des Personals in der Unternehmung gesichert werden und nach welchen Maßstäben wird dies beurteilt? • Personalentwicklung: Wie können Wissen, Können, Wollen und Dürfen der Mitarbeitenden so gefördert werden, dass sie der Unternehmung maximal nutzen und wie kann dies organisiert werden? • Personalfreisetzung: Nach welchen Kriterien und in welchen Verfahren wird der Personalabbau gesteuert und wie können dabei soziale Härten abgefedert werden? 13. Charakterisieren Sie bitte das Personal-Leasing. Unter Personal-Leasing (Arbeitnehmerüberlassung) versteht man die leihweise, zeitlich begrenzte Überlassung von Arbeitnehmern an Dritte gegen Entgelt. Die Tätigkeit als Personalverleiher bedarf einer Erlaubnis durch die Arbeitsverwaltung, die der Verleiher nachzuweisen hat. Der Vertrag zwischen Verleiher und Entleiher bedarf immer der Schriftform. Der Vertrag zwischen Verleiher und Leiharbeitnehmer ist grundsätzlich unbefristet, es sei denn, in der Person des Arbeitnehmers liegt ein sachlicher Grund dafür vor. Der Überlasser schließt einen Dienstvertrag mit dem Arbeitnehmer. Mit dem Entleiher schließt er einen Arbeitnehmerüberlassungsvertrag. Der Überlasser hat

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Übungsaufgaben und Lösungshinweise

das Direktionsrecht über den Arbeitnehmer. Er erstellt die Lohnabrechnung und zahlt dem Arbeitnehmer den Nettolohn. Ebenso führt er Steuern und Sozialversicherungsabgaben ab und betreut den Arbeitnehmer. Der Entleiher gibt dem Arbeitnehmer Anweisungen am Arbeitsplatz. Er kann den überlassenen Arbeitnehmer in den ersten vier Stunden nach Arbeitsbeginn ohne Berechnung ablehnen. Der Entleiher erstellt eine Kontrollmitteilung an die Krankenkasse, und er zahlt die vereinbarte Leihgebühr an den Verleiher. 14. Welche Aufgaben gehören zur Bearbeitung eingehender Personalbewerbungen? Bei eingehenden Bewerbungen fallen folgende Aufgaben an. Bewerbungen können unaufgefordert als Initiativbewerbung oder aufgefordert eingehen. Die Form kann dabei gedruckt oder online vorsehen, letztere wiederum durch e-Mail über Kurzprofil im Anschreiben mit Anhang, durch Ausfüllen strukturierter Web-Formulare (Templates) oder auf der Homepage der suchenden Unternehmung selbst. Nach Eingang der Unterlagen erfolgt deren grobe formale und inhaltliche Durchsicht. Offensichtlich ungeeignete Bewerbungen werden danach aussortiert und zurückgesandt. Geeignete Bewerbungen werden meist mit der Fachabteilung gemeinsam qualifiziert. Die Bewerber erhalten eine Eingangsbestätigung. Dann erfolgt eine Vorauswahl anhand vorab festgelegter Auswahlrichtlinien. Beachtenswert sind dabei vor allem das Anschreiben, das Bewerberfoto, der Lebenslauf, die Zeugnisse, etwaige Referenzen oder Arbeitsproben. Das Anschreiben kann nach Form und Inhalt beurteilt werden, Kriterien dazu sind etwa Vollständigkeit, Systematik, Zustand, Ausdruck / Satzbau, Rechtschreibung etc. Das Foto soll nach Art, Aktualität und Herstellung angemessen sein, Gleiches gilt für die Kleidung und Äußerlichkeiten des Bewerbers. Teilweise werden hier modern anonyme Bewerbungen pilotiert, um unbewussten Diskriminierungen vorzubeugen. Der Lebenslauf zeigt die Entwicklung des Bewerbers in Bezug auf persönliche Daten, Schul-/Hochschulausbildung, berufliche Ausbildung / Weiterbildung, berufliche Tätigkeiten und besondere Fähigkeiten und Fertigkeiten auf. Denkbar sind weiterhin Angaben zu außerberuflichen Aktivitäten und privaten Interessen. Viele Unternehmen setzen standardisierte Personalfragebögen ein. Dabei ist zu beachten, dass nur arbeitsrechtlich zulässige Fragen gestellt werden, unzulässig sind etwa Fragen nach Schwangerschaft, Vermögensverhältnissen oder gewerkschaftlicher / parteipolitischer / religiöser Zugehörigkeit, außer dies ist für den Beruf ausnahmsweise erforderlich. Unverlangt hat der Bewerber hingegen über absehbare Krankheiten, Schwerbehinderung oder Wettbewerbsverbot zu informieren. Bei Unterlassung ist der Arbeitsvertrag ungültig. Schul- und Arbeitszeugnisse sind wichtige Eckpunkte jeder Bewerbung. Arbeitszeugnisse sind jeweils als Zwischenzeugnis, einfaches oder qualifiziertes

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Zeugnis möglich. Die Inhalte müssen wahr sein und einen wohlwollenden Blickwinkel auf die Person einnehmen. In der Praxis gibt es zahlreiche Formulierungsfeinheiten, die für Nichteingeweihte nur schwer durchschaubar sind. Pflichtinhalte eines abschließenden Zeugnisses sind die Dauer der ausgeübten Tätigkeit, Termin und Grund des Ausscheidens aus der Unternehmung und die Beschreibung der Tätigkeitsinhalte. 15. W  elche Aufgaben übernehmen Personalberater im Allgemeinen? Zu den üblichen Aufgaben von Personalberatern gehören vor allem folgende. Im Rahmen der Vorbereitung geht es um die Kontaktaufnahme mit potenziellen Interessenten, dazu können auch Kontakte auf Recruiting-Messen geknüpft werden. Im Direct Search werden mögliche Bewerber angeschrieben. Die eingehenden Bewerbungsunterlagen werden gesichtet und sortiert. Im Rahmen der Durchführung übernehmen Personalberater die Gesprächseinladung, meist am Ort des Dienstleisters. Dazu wird die suchende Unternehmung vorgestellt (meist anonym) und die zu besetzende Stelle in ihren Aufgaben beschrieben. Das Gespräch dient dem Kennenlernen der Kandidaten in Bezug auf ihr persönliches und berufliches Profil. Daraus werden die jeweiligen Fähigkeiten und Fertigkeiten analysiert. Zugleich wird auf ein mögliches Vorstellungsgespräch bei der suchenden Unternehmung vorbereitet. In der Nachbereitungsphase wird das Bewerbungsgespräch analysiert. Daraus folgt eine Vorauswahl der Kandidaten für die zu besetzende Stelle. Teilweise nimmt der Personalberater auch am Vorstellungsgespräch bei der Unternehmung teil. Die Unternehmung wird zudem in der Gestaltung eines adäquaten Arbeitsvertrags unterstützt. Die Personalberatung ist weitgehend liberalisiert, auch in Bezug auf die Abwerbung von Mitarbeitenden. Allerdings ist es unlauter, Arbeitgeber durch Abwerbung gezielt zu schädigen oder Beschäftigte zum Vertragsbruch zu verleiten.

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Übungsaufgaben und Lösungshinweise

17. Übungsaufgaben zur Organisation 1. Welche Ansätze des Organisationsbegriffs können unterschieden werden? Im Allgemeinen werden der funktionale Organisationsbegriff die Tätigkeit des Organisierens betreffend, der institutionale Organisationsbegriff das System der Organisationsstruktur betreffend und der instrumentale Organisationsbegriff als bewusst geschaffene Regeln unterschieden. 2. Nach welchen Dimensionen kann eine Aufgabe charakterisiert werden? Eine Aufgabe wird im Rahmen der Organisation nach den Dimensionen Verrichtung (Tätigkeit), Objekt (Gegenstand), Rang (dispositiv / exekutiv), Phase (Planung / Umsetzung / Kontrolle) und Zweckbeziehung (direkt / indirekt) charakterisiert. 3. Nach welchen Kriterien können Aufgaben zusammengeführt werden? Eine Zusammenführung von Aufgaben erfolgt nach den Kriterien Aufgabenträger, Sachmittel, Zeit und Raum. 4. Was versteht man unter einem Organigramm? Ein Organigramm ist die grafische Darstellung der Über- und Unterordnungsverhältnisse in der Aufbauorganisation der Unternehmung sowie ihrer organisatorischen Strukturierung. 5. Welche Formen der organisationalen Spezialisierung können unterschieden werden? In Bezug auf die organisationale Spezialisierung können die Formen der Funktions- und Objektspezialisierung unterschieden werden. Innerhalb der Objektspezialisierung ist wiederum eine solche nach Produkten, Gebieten oder Abnehmern möglich. 6. Was versteht man unter Konfiguration in der Organisation und welche Ausprägungen gibt es dafür? Unter Konfiguration versteht man die Verbindung zwischen über- und untergeordneten Stellen in der Organisationsstruktur. Als Ausprägungen sind die Einlinien-, die Mehrlinien-, die Stablinien- und die Kreuzlinienorganisation möglich.

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7. Was versteht man unter einer Stabsstelle? Eine Stabsstelle ist eine einer Instanz direkt zugeordnete Leitungshilfsstelle, die außerhalb der Linienstruktur von Anweisung und Bericht liegt. Sie bleibt ohne formale Leitungsbefugnis, sondern unterstützt die Entscheidungsvorbereitung der zugeordneten Instanz. 8. Welche Formen der organisationalen Koordination können unterschieden werden? In Bezug auf die organisationale Koordination können die Formen der Projekt-, der Team-, der Gremien- und der Zentralbereichsorganisation unterschieden werden. 9. Was versteht man unter Organisationsentwicklung? Organisationsentwicklung ist ein Konzept zur Veränderung von Organisationen, das durch die drei Säulen der Mitarbeiterorientierung (Betroffene zu Beteiligten machen), des Gesamtsystembezugs (Prinzip der umfassenden Diagnose) und der Prozessorientierung (Hilfe zur Selbsthilfe) gekennzeichnet ist. Die Organisationsentwicklung geht in Richtung flacher Strukturen mit wenigen Hierarchiestufen und großzügiger Entscheidungsfreiheit. Die langen Wege tief gegliederter Organisationen mit ihren Verzerrungen und Verzögerungen werden damit aufgebrochen und in ergebnisverantwortliche, separierbare und steuerbare Einheiten zergliedert, die direkt an die Geschäftsführung berichten und in sich weitgehend gruppenorientiert arbeiten. Oft wird dazu der Vergleich zwischen ­einem Schlachtschiff (Zentralisation) und einem Verband wendiger Kreuzer (Divisionalisierung) herangezogen. Im Effekt arbeiten die Abteilungen dann wie kleine, selbstständige Unternehmen in der Unternehmung (Profit Centers). 10. N  ach welchen Prinzipien kann die Beschlussfassung in Gremien erfolgen? Die Beschlussfassung in Gremien kann nach folgenden Prinzipien erfolgen: • mit Zweitstimme im Vorsitz, auf einfacher (relativer bzw. absoluter) oder qualifizierter Mehrheitsbasis, im Vier-Augen-Prinzip oder nach Verantwortungsbereichen. 11. W  ie organisiert man Teamarbeit zweckmäßig? Im Rahmen der Teamarbeit hat eine Arbeitsgruppe mindestens drei, eher fünf bis neun Personen als Teilnehmer. Die optimale Teamgröße ist abhängig von der jeweiligen Aufgabe des Teams, der Teamerfahrung und den Teamfähigkeiten seiner Mitglieder und der Team-Struktur. Die Teamarbeit beruht auf intensiver

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Übungsaufgaben und Lösungshinweise

Zusammenarbeit von Menschen, die dazu in direkter Interaktion stehen. Diese kann konkret persönlich oder über Kommunikationsmedien erfolgen. Ein Team arbeitet typischerweise mittel- bis langfristig zusammen, da sich die Leistungsfähigkeit der Gruppe erst über die Zeit hinweg entwickelt. Das Team verfolgt eine komplexe Gesamtaufgabe, die aus mehreren Teilaufgaben besteht, die von den jeweiligen Teammitgliedern durch deren spezifische Kompetenzen besonders gut erledigt werden können. Im Team besteht eine gegenseitige Abhängigkeit der Mitglieder, um ein gemeinsames Ziel zu erreichen. Dieses übergeordnete Ziel wird von allen Teammitgliedern akzeptiert und gefördert. Um dies zu erreichen, ist eine Rollenverteilung mit gemeinsamen „Spielregeln“ und Normen zu vereinbaren. Teams lösen Konflikte intern, überwinden Hindernisse, die sich ihnen in den Weg stellen und erreichen kollektiv Erfolge. Dadurch kann es zu synergetischen Effekten (Gruppendynamik) kommen. Von der Projektgruppe unterscheidet sich ein Team dadurch, dass die Teammitglieder meist in zwei oder mehr Teams parallel arbeiten. 12. Durch welche Kennzeichen ist die Aufbauorganisation charakterisiert? Die Aufbauorganisation hat die Aufspaltung der Gesamtaufgabe einer Unternehmung in so viele Teilaufgaben zum Ziel, dass durch die anschließende Kombination dieser Teilaufgaben zu Stellen eine optimale Gliederung und Ordnung der Unternehmensstruktur entsteht. Dazu hat zunächst eine Aufgabenanalyse und -synthese stattzufinden, um eine Strukturierung und Integration der verschiedenen Elemente und Subsysteme des Gesamtsystems zu erreichen und zu einem Aufgabengefüge, Leistungssystem, Kommunikationssystem und Arbeitssystem zu gelangen. Sie beinhaltet die Gliederung einer Unternehmung in arbeitsfähige Untereinheiten sowie deren Koordination zur Regelung der Zusammenfassung und Zuordnung von Aufgaben. Dabei lassen sich drei Dimensionen unterscheiden: • Spezialisierung als Zuweisung von verteilungsfähigen Aufgaben an Aufgabenträger. Sie führt zu funktions- oder objektorientiertem Aufbau, letzterer je nach Objekt als Produkt-, Kunden- oder Gebietsorganisation. • Konfiguration als Beziehungszusammenhang zwischen Organisationseinheiten. Sie führt zu dauerhaften Formen der Aufbauorganisation, umfassend Einlinien- und Mehrlinienaufbau, Stablinien- und Kreuzlinienaufbau (Matrix / Tensor). • Koordination als Abstimmung der Aufgabenträger im Hinblick auf die Aufgabenerfüllung. Sie führt zu bedingt hierarchischen (Team) oder bedingt dauerhaften Formen (Projekt) sowie Mischtypen als Zentralabteilung und Gremium / Ausschuss.

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13. Was versteht man unter der Aufgabenanalyse und was unter der Aufgabensynthese? Die Aufgabenanalyse hat die systematische Durchdringung einer Gesamtaufgabe zur Ermittlung der Teilaufgaben zum Ziel, denen einzelne Personen durch die Bildung von Stellen oder Instanzen (Leitungsstellen) zugeordnet werden (Aufbauorganisation) bzw. unter Berücksichtigung räumlicher, zeitlicher und kommunikativer Aspekte zur Festlegung von Vorschriften für Reihenfolgen und Vorgänge führen (Ablauforganisation). An die Aufgabenanalyse schließt sich die Aufgabensynthese an. Dabei werden die im Rahmen der Aufgabenanalyse gewonnenen Teilaufgaben zur Aufbau- (Aufgabeninhalt) und Ablauforganisation (Aufgabenerfüllungssituation) in organisatorischen Einheiten zusammengefasst. Dabei kann nach Objekten oder Verrichtungen gegliedert werden. Daraus entstehen ein Aufgabengefüge als Grundstruktur der Unternehmung und Zusammenhänge der vorhandenen Stellen und Instanzen. 14. Wie stellt sich ein Mehrliniensystem der Aufbauorganisation dar? Beim Mehrliniensystem geht es um die Spezialisierung der Führungskräfte nach Funktionen. Aus der Verteilung der Führungsaufgabe auf mehrere Instanzen folgt, dass eine Stelle mehreren weisungsbefugten Instanzen untersteht. Die Weisungs- und Folgebeziehungen sind untereinander vielfältig vernetzt, d. h., jeder Mitarbeitende hat zwei oder mehr Vorgesetzte. Insofern kommt es zu ­einer besseren Übereinstimmung von Fachkompetenz durch Spezialisierung bei gleichzeitiger Entscheidungsfähigkeit durch direkte Wege. Praktisch besteht jedoch die Tendenz zur unechten Funktionalisierung über Zentralabteilungen. Durch die Organisation nach dem Prinzip des kürzesten Weges (Ggs.: Einliniensystem: Prinzip der einheitlichen Leitung) entsteht eine Vielzahl von Weisungsbefugnissen und damit auch die Gefahr von Kompetenzkonflikten. 15. W  ie ist ein Organigramm aufgebaut? Ein Organigramm ist ein grafisches Stellenschaubild, das die Ordnung von Stellen oder Abteilungen sowie das Beziehungsgefüge und damit die Aufbauorganisation zu einem bestimmten Zeitpunkt widerspiegelt. Daraus ergibt sich der normalerweise einzuhaltende Dienstweg. Stellen mit Leitungsbefugnis sind Instanzen. Diese werden von einer Person gebildet (= Singularinstanz) oder von mehreren (= Pluralinstanz), wobei Entscheidungen durch einen Sprecher o. Ä. (= Direktorialprinzip) oder nach Primus inter pares, Abstimmungsmehrheit oder Einstimmigkeit erfolgen (= Kollegialprinzip). Die Anforderungen und Leistungserwartungen an den jeweiligen Stelleninhaber sind in der Stellenbeschreibung festgehalten.

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Übungsaufgaben und Lösungshinweise

18. Übungsaufgaben zur Führung 1. Welche Aussagen trifft McClellands Vierfaktoren-Ansatz der Führung? McClelland geht davon aus, dass Bedürfnisse aus der kulturellen Umwelt erlernt werden und eine verhaltensbeeinflussende Konfiguration einnehmen. Die vier Motive sind: • Das Leistungsmotiv als Bedürfnis zum Setzen von Zielen bzw. aus Befriedigung durch Zielerreichung, in Begeisterung an der Arbeit selbst und an der Bedeutung von Effizienz und Effektivität. Typisch ist dafür das Streben nach innovativen Aufgaben, die ein kalkuliertes Risiko von Eigenverantwortung und schnellem Feedback bringen. • Das Machtstreben, das sich im Versuch äußert, eine Position der Überlegenheit gegenüber anderen Personen zu realisieren. Analog zur psychosexuellen Entwicklung wird dabei in vier Reifestadien unterschieden. Diese Phasen gelten auch für Unternehmen. • Das Bedürfnis nach Zugehörigkeit als Wunsch, Bestandteil einer Gruppe zu sein und dort Sicherheit zu finden. Personen mit hohem Bedarf daran präferieren konfliktfreie Situationen und Interaktionen mit geringem Wettbewerb. • Das Vermeidungsstreben, das darauf gerichtet ist, die Eintrittswahrscheinlichkeiten für Versagen, Ablehnung, Erfolg und Macht zu beeinflussen. Es folgt aus der Erfüllung eines Grundmotivs bzw. aus einer zum Grundmotiv entgegengesetzten Größe. Alle Faktoren unterliegen kurzfristigen Schwankungen, ändern sich im Zeitablauf und sind situationsabhängig dominiert. 2. Welche Aussagen trifft McGregors Menschenbild-Ansatz der Führung? McGregors Menschenbilder sind vereinfachte Muster menschlicher Verhaltensweisen, die sich Personen im Laufe der Zeit aufgrund ihrer Erfahrungen und Einstellungen zurechtlegen. Daher findet eine dualistische Diskussion auf Basis eingängiger, stark simplifizierender Beschreibung von Extremtypen statt. Die Annahme ist dabei, dass jede Führungsentscheidung auf einer Reihe von Hypothesen über die menschliche Natur und Verhaltensweise beruht, die nicht expliziert werden, jedoch das Verhalten desjenigen beeinflussen, der von diesen Annahmen ausgeht: • Menschenbild X entspricht folgenden Annahmen: Der normale Mensch hat eine angeborene Abneigung gegen Arbeit und wird sie deshalb vermeiden. Daher müssen Untergebene gezwungen, kontrolliert, direktiv eingeengt und sanktio­ niert werden, um zu „funktionieren“. Der normale Mensch wird gern geführt und weicht Verantwortung aus, er ist nicht ambitioniert und strebt nach Ruhe.

18. Übungsaufgaben zur Führung

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• Menschenbild Y entspricht entgegengesetzt folgenden Annahmen: Physische und geistige Anstrengungen sind völlig normal. Zielerreichung und -verpflichtung werden durch Selbstkontrolle und Eigeninitiative umgesetzt. Die Mitarbeitenden identifizieren sich mit den Organisationszielen. Das Kreativitätspotenzial der Menschen wird nur unvollkommen genutzt. • Sowohl Menschenbild X als auch Y führen allerdings zur Self Fulfilling Prophecy, d. h., Menschen, die eng geführt werden, entwickeln sich zur Unselbstständigkeit, was die Führungsnotwendigkeit für Vorgesetzte begründet. Menschen, die zur Selbstständigkeit angehalten werden, entwickeln sich ­eigengesteuert, was die Führungsnotwendigkeit für Vorgesetzte erübrigt. Oder umgekehrt, wenn ein Mitarbeitender keine Verantwortung übernehmen möchte, führt auch das Einräumen eines Autonomiespielraums nicht zwingend zum Gefallen an eigenverantwortlichem Handeln bei ihm. • Das Menschenbild Z ist als Kompromiss aus X und Y gedacht. Danach benötigen Mitarbeitende humane Arbeitsbedingungen, sowohl um die Produktivität als auch um die eigene Zufriedenheit und das Selbstbewusstsein zu steigern. Mitarbeitende partizipieren an Entscheidungsprozessen. Ziel sind Konsensentscheidungen. Die kommunikative und interpersonelle Kompetenz der Mitarbeitenden wird als wichtig anerkannt und gefördert. Die Unternehmung ist dem psychischen und physischen Wohlergehen der Mitarbeitenden aller Ebenen verpflichtet. Zwischen den Mitarbeitenden wird über die Hierarchieebenen hinweg ein Klima des Vertrauens gefördert. 3. Nennen und erläutern Sie bitte bekannte Management by-Konzepte. Management by...-Konzepte stellen Handlungsempfehlungen für die praktische Mitarbeiterführung dar. Sie sollen die Führung dadurch effizienter machen und zugleich für Mitarbeitende durchschaubar sein. Bekannte Management by...-Konzepte sind folgende: • Management by Exception (MbE) stellt eine Führung nach dem Ausnahmeprinzip dar. Solange kein Ausnahmefall bei den Tätigkeiten eintritt, bestimmen die Mitarbeitenden selbst ihr Handeln. Im Ausnahmefall haben sie jedoch die Weisung ihres Vorgesetzten einzuholen. Problematisch ist dabei einzuschätzen, was ein Ausnahmefall ist und was nicht. Legen Mitarbeitende dies zu eng aus, wird der Vorgesetzte mit Entscheidungen überhäuft, legen sie dies zu weit aus, entstehen Fehlentwicklungen. Ziel ist jedenfalls die Entlastung des Vorgesetzten von Routinearbeiten und die Ermächtigung der Mitarbeitenden zu eigenständigen Entscheiden innerhalb vorgegebener Handlungsgrenzen. • Management by Delegation (MbD) stellt eine weitgehende Übertragung der Entscheidung und Verantwortung auf die Mitarbeitenden dar. Dadurch können Vorgesetzte von Routinearbeiten entlastet werden und Mitarbeitende schaffen die Chance zur Selbstverwirklichung in ihrer Arbeit. Allerdings bedeutet

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Übungsaufgaben und Lösungshinweise

dies zu Ende gedacht, dass Entscheidungen von denjenigen Personen getroffen werden, die dafür gerade noch eben gut genug qualifiziert sind. Ob dies die Entscheidungsqualität verbessert, scheint fraglich. Eine bekannte Variante des MbD ist das Harzburger Modell. • Management by Objectives (MbO) stellt eine Führung durch Zielvereinbarung dar. Ziele werden nicht mehr einseitig vorgegeben, sondern gemeinsam zwischen Vorgesetztem und Mitarbeitenden vereinbart. Dazu stellen beide Parteien ihre Zielvorstellungen dar und passen diese über Feedback aneinander an. Über die resultierenden Ziele wird ein „Vertrag“ geschlossen, der von beiden Seiten einzuhalten ist, also in Bezug auf die Zielerreichung sowie in Bezug auf die Bereitstellung zugesagter Ressourcen (Manpower, Budget, Zeit etc.). Am Ende der Periode kann leicht das Istergebnis mit dem Sollziel verglichen werden. Bei Abweichungen ist eine Ursachenanalyse durchzuführen, aus der Konsequenzen zu ziehen sind. • Management by Results (MbR) bezeichnet ein Konzept, das den Mitarbeitenden klare Leistungsergebnisse vorgibt. Dazu werden in der Hierarchie abwärtsgerichtet zwischen Vorgesetzten und Mitarbeitenden konkret zu erzielende Ergebnisse kommuniziert. Diese werden schriftlich fixiert und müssen spezifisch, messbar, attraktiv, realistisch und terminiert sein. Durch einen Soll-Ist-Abgleich am Ende der Periode (oder auch zwischendurch) kann der Erfolg konkretisiert werden. Abweichungen führen dann zu Korrekturmaßnahmen. 4. Stellen Sie bitte die Struktur der Transaktionsanalyse dar. Die Transaktionsanalyse der Kommunikation unterscheidet zwischen zwei Sendern / Empfängern mit jeweils drei Ich-Zuständen: Eltern-Ich-Zustand (EL), Erwachsenen-Ich-Zustand (ER), Kindheits-Ich-Zustand (KI). Sie unterteilt sich in vier Bereiche: die Strukturanalyse, die eigentliche Transaktionsanalyse, die Spielanalyse und die Skriptanalyse. Es besteht die Möglichkeit, in Transaktionen aus den verschiedenen Ich-Zuständen heraus mit einer anderen Person in Beziehung zu treten. Diese wiederum kann aus den verschiedenen Ich-Zuständen heraus reagieren. Dabei unterscheidet man im Wesentlichen drei Transaktionstypen: • Bei Komplementärtransaktionen laufen Stimulus (Reiz) und Response (Reaktion) parallel zwischen den Ich-Zuständen ab. Diese Art der Interaktion ist problemlos, allerdings relativ selten gegeben. • Bei Überkreuztransaktionen verläuft der Stimulus auf einer anderen Ebene als die Reaktion, die Reaktion erfolgt also nicht aus dem vom Absender intendierten Ich-Zustand heraus, sondern aus einem anderen. Dies resultiert in gefährlichen Kommunikationsstörungen, wenn nicht sogar in Abbruch der Kommunikation.

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• Bei verdeckten Transaktionen bestehen parallele Austauschbeziehungen auf zwei Ebenen. Es sind also immer zwei Ich-Zustände zugleich betroffen. Transaktionen, die auf der verdeckten Beziehungsebene ablaufen, sind zentral für den Ausgang der Interaktion. Dazu gehören Spiele, deren Gewinn (Payoff) ist, dass der andere sich schlecht fühlt. Ein Ausweg besteht in der Vermeidung oder Unterbrechung solcher Spiele. Wichtig ist es daher, auf parallele Transaktionen zu achten bzw. verdeckte Transaktionen bewusst einzusetzen. Die Reaktionen hängen aber auch vom individuellen Lebenskonzept ab. Man unterscheidet: • Nicht O. K. – wer so denkt, steht unter dem bedrückenden Gefühl von Hilflosigkeit, Unfähigkeit, Unbeholfenheit, Versagertum, • O. K. – diese Menschen halten sich oder andere für klug, erfolgreich, korrekt, tüchtig, selbstsicher. 5. Was versteht man unter der VIE-Theorie? Die VIE-Theorie von Vroom besteht aus drei Faktoren: der Erwartung, d. h. der subjektiven Einschätzung für eine bestimmte Handlung und einem damit erreichbaren Ergebnis, der Instrumentalität, d. h. der Unterstellung eines Mitarbeitenden, dass ein bestimmtes Ergebnis seines Handelns zu einem konkreten, persönlichen Ziel führt, und der Valenz, d. h. dem Wert, den ein Mitarbeitender mit der Attraktivität des Ergebnisses seines Handelns verbindet, positiv bei Appetenz, negativ bei Aversion. Die Abkürzung VIE ergibt sich daher aus „Valenz“ als Stärke des individuellen Verlangens gegenüber einem Ziel, „Ins­ trumentalität“ als subjektive Einschätzung der Zielerreichung und „Erwartung“ als Erfolgswahrscheinlichkeit. Dabei setzt sich die Anstrengungsbereitschaft einer Person funktional aus der subjektiven Wertigkeit des Ziels (Valenzmodell) und aus dessen Wahrscheinlichkeit der Realisierung zusammen (Kraftmodell), d. h., die Anstrengung ist davon abhängig, mit welcher Wahrscheinlichkeit sie zu einem bestimmten Ergebnis führt (z. B. Gehaltserhöhung) und mit welcher Wahrscheinlichkeit das Ergebnis zur persönlichen Zielerreichung beiträgt (z. B. neues Auto kaufen). Ressourcen werden dahingehend geprüft, inwieweit sie fähig sind, den gewünschten Zielzustand zu erreichen. Das Individuum strebt dabei stets danach, diejenige Verhaltensalternative unter mehreren zu wählen, deren subjektiv erwarteter Nutzen am höchsten ist. Daher müssen Wege zur besseren Zielerreichung durch das Management aufgezeigt oder Aufwertungen des Ziels vorgenommen werden, weil dadurch der Arbeitseinsatz steigt. Als Kritik ist zu nennen, dass vor allem die Unterscheidung der zwei Ergebnisarten Schwierigkeiten bereitet.

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Übungsaufgaben und Lösungshinweise

6. Welche vier Grundtypen des Menschen unterscheidet Schein? Schein unterscheidet folgende Grundtypen des Menschen: • Der rational-ökonomische Mensch (Economic Man) wird hauptsächlich durch materielle Anreize gesteuert und strebt nach Maximierung seines individuellen Nutzens. Emotionen beeinflussen ihn nicht. • Der soziale Mensch (Social Man) leitet seine Identität aus seinen sozialen Beziehungen ab. Wenn er Anerkennung und Aufmerksamkeit erhält, ist er zu höherer Leistung bereit. • Der sich selbst verwirklichende Mensch (Self Actualizing Man) versucht, seine Talente zu entfalten. Dazu benötigt er keine äußeren Anreize und auch keine Kontrolle. Er strebt nach Unabhängigkeit und Partizipation. • Der komplexe Mensch (Complex Man) ist vielschichtig und wandlungsfähig. Er lässt sich nicht in ein Schema pressen, sondern will situativ, aufbauend auf seinen individuellen Merkmalen geführt werden. 7. Welche führungsrelevanten Aussagen trifft die Anreiz-Beitrags-Theorie? Die Anreiz-Beitrags-Theorie (March / Simon) ist eine Prozesstheorie, die davon ausgeht, dass jeder Mensch die Anreize, die ihm geboten werden, in Relation zu den Beiträgen (Anstrengungen) setzt, die er zu deren Erreichung einsetzen muss. Erscheinen die Anreize hoch in Relation zu den Beiträgen, geht eine starke Motivationswirkung von ihnen aus. Erscheinen die Anreize hingegen relativ niedrig, fehlt es ihnen an Motivationswirkung. Die Anreize können dabei monetärer, nicht-monetär-materieller oder immaterieller Art sein. Beiträge können in Arbeitsleistung, Verzicht auf Entscheidungsfreiheit, Übernahme von Risiko etc. liegen. Anreize wie Beiträge unterliegen einer subjektiv abweichenden Wertung. Für die Motivation kommt es demnach in der Führung darauf an, möglichst genau diejenigen Anreize zu setzen, die von einem Mitarbeitenden als attraktiv angesehen werden. Dann ist er bereit, seinerseits auch hohe Beiträge einzugehen. Allerdings ist von einer Anspruchsinflation der Beiträge auszugehen und von ­einem Wear out-Effekt der Anreize, d. h. die Anreiz-Beitrags-Relation verschlechtert sich im Zeitablauf. 8. Welche wesentlichen Erkenntnisse liefert das Hawthorne-Experiment? Wesentliche Erkenntnisse des Hawthorne-Experiments sind folgende: • Das Produktionsergebnis wird durch soziale Normen in der Arbeitsgruppe mehr bestimmt als durch physiologische Leistungsgrenzen. • Nicht-finanzielle Anreize und Sanktionen beeinflussen das Verhalten der Mitarbeitenden stärker als finanzielle.

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• Bei Arbeitnehmern stehen häufig die Gruppeninteressen vor dem Individual­ interesse. • Informelle Führung ist häufig bedeutsamer als formelle. • Der vertikalen Kommunikation in Organisationen kommt entscheidende Bedeutung zu. • Die Arbeitszufriedenheit ist zentrale Stellgröße der Führung. 9. Welche zentralen Hypothesen stellt Alfelder in Bezug auf die Arbeitsmotivation auf? Alfelder stellt in seiner ERG-Theorie (für Existenz-, Sozial- und Wachstumsbedürfnisse) vier Hypothesen wie folgt auf: • Die Frustrations-Hypothese besagt, dass ein nicht befriedigtes Bedürfnis zur Frustration führt und der Mensch deshalb nach dessen Befriedigung strebt. • Die Frustrations-Regressions-Hypothese besagt, dass ein niedriges, bereits befriedigtes Bedürfnis wieder aktiviert und damit wichtig werden kann (z. B. Soziales), wenn die Befriedigung eines höher angesiedelten Bedürfnisses zugleich blockiert ist (z. B. Wachstum). • Die Frustrations-Progressions-Hypothese besagt, dass sofern ein Bedürfnis nicht befriedigt wird (z. B. Soziales), sich dieses verstärkt und auch höher angesiedelte Bedürfnisse aktiviert werden (z. B. Wachstum). • Die Befriedigungs-Progressions-Hypothese besagt, dass durch die Befriedigung eines Bedürfnisses (z. B. Existenz) zugleich ein höheres aktiviert wird (z. B. Soziales). Die Bedürfnisse sind zwar (wie bei Maslow) hierarchisch angeordnet, jedoch bleiben Bedürfnisse der unteren Stufen nach wie vor dominant, wenn sie nicht befriedigt worden sind. 10. W  elche Aussagen trifft das Attributierungsmodell nach Mitchell? Das Attributierungsmodell nach Mitchell besagt vereinfachend, dass die Urteile von Mitarbeitenden über Ursachen ihres eigenen Verhaltens und über das Verhalten von Vorgesetzten wie auch Kollegen von Attributierungen abhängig sind. Mitarbeitende haben dabei in Bezug auf Vorgesetzte einen Führungsprototyp im Kopf. Eine Person wird danach umso eher als Chef / Chefin akzeptiert, je mehr sie diesem Prototyp in Verhalten und Erscheinung entspricht. Ebenso nehmen Vorgesetzte Attributierungen über ihre Mitarbeitenden vor und beurteilen sie auf dieser Basis nach guten und schlechten Leistungen. Solche Attributierungen sind zwar beidseitig holzschnittartig und verzerrend, reduzieren aber willkommen Komplexität und sind damit einstellungs- und handlungsbestimmend. Dies kann

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Übungsaufgaben und Lösungshinweise

erklären, warum ein und dieselbe Führungsperson von ihren Untergebenen abweichend beurteilt wird et vice versa. 11. W  elche Rolle spielt das Diversity Management in der Führung? Diversity Management akzeptiert nicht nur die Verschiedenartigkeit von Mitarbeitenden, sondern versucht daraus gezielt Vorteile für den Unternehmenserfolg zu ziehen. Insofern geht es dabei nicht um Antidiskriminierung, wie sie in zahlreichen Gesetzen ohnehin festgeschrieben ist (z. B. Allgemeines Gleichbehandlungs-Gesetz / AGG), sondern um die positive Nutzung der Vielfalt von Menschen. Um eine angemessene Wertschätzung zu erreichen, ist in der Führung zunächst ein Bewusstsein für die Bedeutung der Vielfalt zu schaffen. Dabei geht es um die Inklusion der Profile und Kompetenzen verschiedener Menschen unabhängig von deren Rasse oder ethnischer Herkunft, von Geschlecht oder sexueller Präferenz, von Religion und Weltanschauung, von körperlichen oder geistigen Behinderungen sowie des Alters. 12. Welche Content-Faktoren (Motivatoren) und welche Context-Faktoren (Hy­ gie­nefaktoren) unterscheidet Herzberg in seiner Zwei-Faktoren-Theorie? Herzberg unterscheidet in seiner Zwei-Faktoren-Theorie folgende Kontent-Faktoren (Motivatoren): • Arbeitstätigkeit selbst, Leistung, Anerkennung, Verantwortung, Beförderung / Aufstieg, Entfaltungsmöglichkeiten. Herzberg unterscheidet folgende Kontext-Faktoren (Hygienefaktoren): • Gehalt, soziale Beziehungen zu Vorgesetzten / Kollegen / Untergebenen, technische Führung, Unternehmenspolitik und -leitung, Arbeitsbedingungen, Arbeitsplatzsicherheit, Status, Privatleben. Die mangelnde Erfüllung der Hygienefaktoren führt zwar zur Unzufriedenheit, die gegebene Erfüllung dieser Faktoren führt jedoch nicht zur Zufriedenheit, sondern nur zu einem Zustand der Nichtunzufriedenheit. Hygienefaktoren führen somit zu keiner gesteigerten Leistung, da sie als selbstverständlich angesehen werden. Die mangelnde Erfüllung der Motivatoren führt zur Nichtzufriedenheit, die Leistung leidet. Erst die Erfüllung dieser Faktoren führt zu einer Leistungssteigerung. Motivatoren und Hygienefaktoren verhalten sich also asymmetrisch zueinander.

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13. Welche Möglichkeiten bieten sich einem Mitarbeitenden nach der Gleichheitstheorie von Adams an, um Zufriedenheit zu erreichen? Als Möglichkeiten zur Erreichung von Mitarbeiterzufriedenheit nennt Adams folgende: • Erhöhung oder Senkung des eigenen Inputs, Erhöhung oder Senkung des eigenen Outputs, Verzerrung der Relation zwischen Input und Output, selektiver Vergleich mit anderen Personen, Wahl einer „günstigeren“ Bezugsperson, Aufgabe der Tätigkeit. 14. Wie stellt sich das Bedürfnis-Modell von Maslow in Bezug auf die Führung dar? Das Modell von Maslow geht davon aus, dass alle Individuen danach streben, nicht nur eines, sondern eine ganze Reihe von Bedürfnissen zu befriedigen. Diese werden in eine Dringlichkeitsordnung gebracht, indem Bedürfnisse in fünf Kategorien eingeteilt werden. Die Befriedigung einer unteren Stufe ist dabei Voraussetzung für die Entwicklung der Bedürfnisse einer höheren Stufe. Die Bedürfnisse haben im Zustand des Unbefriedigtseins eine stärkere Antriebskraft. Daraus entsteht eine Bedürfnishierarchie, bei welcher der Mitarbeitende immer die höchste Stufe anstrebt. Die Hierarchie besteht aus vier Defizitbereichen und einem Wachstumsbereich. Ersteren bilden physiologische Bedürfnisse wie Essen, Trinken, Wohnung etc., Sicherheitsbedürfnisse wie Arbeitsplatz, Versicherung etc., Kontaktbedürfnisse wie Zuneigung, Interaktion etc. und Zugehörigkeitsbedürfnisse wie Anerkennung, Status, Wertschätzung etc. Der Wachstumsbereich wird aus dem Bedürfnis nach Selbstverwirklichung gebildet. Dieses Modell ist jedoch vielfacher Kritik ausgesetzt. 15. S tellen Sie bitte die wesentlichen Eckpunkte des Lawler-Modells der Motivation dar. Dem Modell von Lawler, als Weiterentwicklung des VIE-Ansatzes, liegen vier Annahmen zugrunde: • Wenn einem Mitarbeitenden verschiedene Ergebnisse offenstehen, zieht er bestimmte Ergebnisse anderen vor. • Mitarbeitende haben Erwartungen über die Wahrscheinlichkeit, mit der ihre Handlungen / Bemühungen zum erwünschten Verhalten bzw. zur erwünschten Leistung führen. • Mitarbeitende haben Vorstellungen über die Wahrscheinlichkeit, mit der ein bestimmtes Ergebnis auf ihr Verhalten folgen wird.

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• In jeder Situation sind die von einem Mitarbeitenden gewählten Handlungen von seinen aktuellen Erwartungen und Vorzugssituationen bestimmt. Innerhalb der Erwartungen gibt es Anstrengungserwartungen und Konsequenzerwartungen, beide sind allerdings von Führenden nur schwer beeinflussbar. Die Motivation von Mitarbeitenden ist hoch bei Erwartung erfolgreicher Leistung und positiver Ergebnisse ihres Anstrengungen.

19. Übungsaufgaben zum Controlling

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19. Übungsaufgaben zum Controlling 1. Welche Aussagefähigkeit hat das Externe Rechnungswesen für die Informa­ tionsversorgungsfunktion des Controllings? Zur Ausübung der Führungsfunktionen des Controlling benötigt dieses ein Management-Informations-System (MIS). Dieses umfasst die Ermittlung des Informationsbedarfs, die Informationsbeschaffung und -aufbereitung sowie die Informationsübermittlung (Berichterstattung). Der Informationsbedarf ergibt sich aus den zur Problemlösung objektiv notwendigen Informationen eines Entscheiders. Das Informationsbedürfnis entspricht den zur Problemlösung subjektiv für erforderlich gehaltenen Informationen eines Entscheiders. Als Informationsquelle dient dabei vor allem das Externe Rechnungswesen. Das externe Rechnungswesen stellt folgende Quellen für Informationen bereit: • Durch die Buchführung erfolgt eine quantitative, planmäßige, lückenlose, zeitlich und sachlich geordnete Aufzeichnung aller Geschäftsvorfälle der Unternehmung. Sie ist Grundlage für die anderen Bereiche des Externen Rechnungswesens. • Durch die Bilanz erfolgen ein zeitpunktbezogener Ausweis der Mittelverwendung (Vermögen) und der Mittelherkunft (Kapital). Das Vermögen wird außerdem nach seiner Fristigkeit in Anlage- und Umlaufvermögen gegliedert. Ebenso ist das Kapital in Eigen- und Fremdkapital gegliedert. • Durch die Gewinn- und Verlust-Rechnung erfolgt eine zeitraumbezogene Gegenüberstellung der Erträge und Aufwendungen zur Ermittlung des Perioden­ ergebnisses. • Durch die Kapitalflussrechnung entsteht eine zeitraumbezogene Gegenüberstellung der Ein- und Auszahlungen zur Information über die Liquiditäts- und Finanzsituation der Unternehmung. Der Zahlungsfluss (Cash-flow) kann aus laufender Tätigkeit resultieren oder aus Rückflüssen aus Sach- oder Finanzanlagen. • Weitere Informationsquellen sind die Eigenkapitalveränderungsrechnung, die Segmentberichterstattung, der Anhang und der Lagebericht. 2. Welche Arten und Formen von Controlling-Berichten können unterschieden werden? Unter Controlling-Berichten versteht man die Informationsaufbereitung und -übermittlung an die Unternehmensführung. Man spricht auch von internem Berichtswesen, in Abgrenzung zum externen Berichtswesen der Rechnungslegung oder Management Reporting. Dem Berichtswesen kommen Dokumenta-

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Übungsaufgaben und Lösungshinweise

tions-, Kontroll-, Steuerungs- und Entscheidungsvorbereitungsfunktionen zu. Zu unterscheiden sind • Standardberichte, die in regelmäßigen Abständen / z u festen Terminen turnusmäßig relevante Informationen darstellen. Sie werden routinemäßig als vollständige Berichte oder als geschichtete Berichte erstellt, wobei die Summeninformation der unteren Ebene die Einzelinformation der nächsthöheren Ebene ergibt. • Abweichungsberichte werden erst bei definierten Anlässen erstellt, z. B. wenn vordefinierte Toleranzwerte überschritten werden. Häufig wird dabei nach Ampelfarben (Dashboard) vorgegangen. • Bedarfsberichte werden fallweise ausgeführt, meist auf Anforderung des Managements hin. Sie sind dann aktuell, genau und vollständig. Bei der Berichterstattung ist auf die Aussagefähigkeit der Informationen zu achten sowie auf die Vermeidung einer Informationsüberforderung. Die Informationen sollen angemessen genau und sinnvoll verdichtet sowie entscheidungsorientiert rubriziert sein. Berichtszeitraum, -termin, -sender und -empfänger sind auszuweisen. Die Form ist die von Texten bzw. Tabellen oder als Kennzahlen. Die grafische Berichterstattung (Visualisierung) erfolgt durch zwei- oder dreidimensionale Grafiken sowie nach der Form als Segmentgrafik (Kartogramme), Balken-/Säulendiagramme, Flächendiagramme, Punktdiagramme, Liniendiagramm / Kurven, Kreisdiagramme, Polardiagramme etc. 3. Was versteht man unter Risikomanagement und welche Aktivitäten sind dafür sinnvoll? Unter Risikomanagement versteht man die systematische Erkennung, Analyse, Einzelbewertung, Steuerung und Kontrolle von Risiken. Als Optionen eines bewussten Risikomanagements stellen sich folgende: • Risikovermeidung bedeutet, dass die Unternehmung bestimmte Aktivitäten unterlässt, um die damit verbundenen Risiken gar nicht erst entstehen zu lassen, dies ist jedoch weitgehend realitätsfremd. • Risikoabwälzung bedeutet die Versicherung von Risiken gegen Prämie, sofern sich dafür ein Versicherer zu akzeptablen Tarifen findet. • Risikovermindung bedeutet, dass die Unternehmung Vorkehrungen trifft, Risiken zu begrenzen, etwa durch Teilung mit anderen (Kooperation, Optionsgeschäft etc.). • Risikoakzeptierung bedeutet, dass die Unternehmung sich der entstehenden Risiken bewusst und für deren evtl. Folgen voll und ganz einzustehen bereit

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ist, dies erfordert ein stetiges Monitoring, ist aber unternehmerisches Selbstverständnis. Die Steuerung der Risiken erfolgt in einem Risikomanagementsystem. Dieses beinhaltet die Grundsätze des Risikomanagements, die Risikoidentifikation, die Definition von Risikoklassen, die Kategorisierung von Risikomaßnahmen, die Beschreibung entsprechender Methoden, die Spezifizierung und Priorisierung von Risiken und die Auditierung des Systems. Weiterhin ist die Dokumentation und Kommunikation der Risiken auf die Stakeholders erforderlich. 4. Wirtschaften heißt angesichts knapper Ressourcen immer Entscheiden in jedem Einzelfall. Um dabei zu belastbaren Ergebnissen zu kommen, hat die BWL Entscheidungstechniken entwickelt. Nennen und erläutern Sie in diesem Zusammenhang übliche Entscheidungstechniken im betriebswirtschaftlichen Controlling? Entscheidungstechniken geben Anleitungen zur Identifizierung der überlegenen unter mehreren Lösungsoptionen. Allerdings kommt es dabei auf die Entscheidungsparameter an. Erfahrungsbasierte Techniken arbeiten mit Hilfe von Schnittvergleichen oder Checklists. Schnittvergleiche stellen eine Entscheidungsoption in Vergleich zu anderen Entscheidungsoptionen im eigenen oder anderen Unternehmen/-steilen (Querschnittsvergleich) oder in Vergleich zum Zeitablauf mit vergangenen Entscheidungen (Längsschnittvergleich) dar. Es kommt zu einer ordinalen Abstufung (Rating). Checklists arbeiten auf Basis von Anforderungskriterien, die im Wege der Ja-Nein-Zuordnung für jede Option bewertet werden. Die Option mit den meisten Ja-Zuordnungen ist dann als die überlegene (kompensatorische Auslegung) anzusehen. Es ist aber auch denkbar, Must-Kriterien zu definieren, deren Nichterfüllung zum Ausschluss aus der weiteren Bewertung führt. Analytische Verfahren liegen in Form des Paarvergleichs bzw. der Dominanzgrafik oder des Punktwertverfahrens bzw. der Nutzwertanalyse vor. Beim Paarvergleich wird die Leistungsfähigkeit von zwei Entscheidungsoptionen durch direkte Gegenüberstellung in Bezug auf definierte Leistungsmerkmale ermittelt. Bei mehr als zwei Entscheidungsoptionen können sukzessive Paarvergleiche durchgeführt werden, die jeweils unterlegene Option scheidet dann aus, bis die insgesamt leistungsfähigste Option übrigbleibt. Bei mehr als zwei Optionen kann eine grafische Lösung erreicht werden (Dominanzgrafik). Beim Punktbewertungsverfahren (Scoring) wird jede Entscheidungsoption hinsichtlich definierter Kriterien geratet (z. B. Notenschema). Die Option mit der höchsten Punktzahl ist dabei die leistungsfähigste. Tatsächlich sind jedoch zumeist qualitative Kriterien zur Beurteilung gegeben. Damit diese gerankt werden können, ist zunächst eine Operationalisierung erforderlich, indem jeder Teilnutzwert als quantitative Größe umgerechnet und im Weiteren dann wie beim Scoring vorgegangen wird. Dies geschieht in der Nutzwertanalyse.

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Übungsaufgaben und Lösungshinweise

Weiterhin ist eine investitionsbezogene Bewertung möglich. Bei der Investi­ tionsbewertung wird jede Entscheidungsoption mit den zu ihrer Realisierung erforderlichen Ressourcen dotiert. Diejenige Option ist die bevorzugte, die bezogen auf das jeweilige Investitionskriterium am besten abschneidet. Bei den Kriterien kann es sich, je nachdem, ob statische oder dynamische Verfahren zugrunde gelegt werden, um Gewinn, Kosten, Rentabilität bzw. Kapitalwert, interne Mindestverzinsung, Annuität der rückfließenden Mittel oder Amortisationszeit handeln. Häufig wird der Capital Asset Pricing Model-Wert (CAPM) zugrunde gelegt, wobei Renditeerwartung und Risikograd grafisch gegenüber gestellt werden. Beide sind gegenläufig (Trade off). Jede Entscheidungsoption wird in Bezug auf beide Werte bestimmt. Dem wird die individuelle Mindestverzinsung als Fahrstrahl gegenübergestellt. Zu präferieren sind Objekte, deren Renditeerwartung bei gegebenem Risikograd oberhalb der Mindestverzinsung liegt. Das priorisierte Objekt ergibt sich durch Parallelverschiebung des Fahrstrahls bzw. einer Winkelhalbierenden als Tangente an die Koordinatenposition. 5. Wie arbeiten Frühwarnsysteme? Frühwarnsysteme streben an, eine krisenhafte Entwicklung frühzeitig anzuzeigen, indem geeignete Kennzahleninformationen ausgewertet werden. Dazu werden potenziell krisenrelevante Kennzahlen gebildet und auf die Zukunft, den Prognosehorizont, hin hochgerechnet. Sodann findet für jeden Zeitpunkt ein kontinuierlicher Abgleich zwischen den so hochgerechneten Sollwerten und den tatsächlich sich ergebenden Istwerten statt. Solange die Soll-Ist-Abweichungen dabei innerhalb eines tolerablen Korridors bleiben, entstehen keine Warnanzeichen. Weichen jedoch die hochgerechneten Istwerte von den Sollwerten negativ signifikant ab, wird dies als Warnzeichen für eine Krise verstanden. Daraus ergibt sich dann die Indikation zu Gegenmaßnahmen. Allerdings entsteht insofern ein Zeitverzug, als die krisenhafte Abweichung dann bereits eingetreten, die negative Entwicklung also schon mehr oder minder weit fortgeschritten ist. Solche Kennzahlen ergeben sich etwa im Rahmen der Balanced Score-Card für die Bereiche Finanzen, Potenziale, Prozesse und Kunden. 6. Wie arbeiten Früherkennungssysteme? Früherkennungssysteme versuchen, Zeit für Gegenmaßnahmen zu gewinnen, indem vorlaufende Indikatoren für eine Krise identifiziert und diese kontinuierlich beobachtet werden. Welche Indikatoren dabei jeweils signifikant sind, kann aufgrund theoretischer Überlegungen oder Erfahrungen der Vergangenheit bestimmt werden. Die negative Entwicklung eines zeitlich vorlaufenden, belastbaren Indikators zeigt damit eine zeitlich verschobene, krisenhafte Entwicklung an. Darauf kann dann mit relativem Zeitvorsprung reagiert werden. Voraussetzung ist allerdings, dass solche vorlaufenden Indikatoren vorhanden sind und dass

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diese relevant, objektiv, zuverlässig und gültig für die aus ihnen abgelesene spätere Entwicklung sind. Nur dann kann der Indikatoreffekt genutzt werden. Ein solcher Indikator ist z. B. für das Baugewerbe das Niveau der Darlehenszinsen. Allgemeine Prognoseindices sind etwa der ifo-Geschäftsklima-Index (Institut für Wirtschaftsforschung), der ZEW-Index (Zentrum für Europäische Wirtschaftsforschung), das GfK-Konsumklima (Gesellschaft für Konsumforschung), der Einkaufs-Manager-Index (Bundesverband Materialwirtschaft, Einkauf und Logistik) oder der Earlybird (Commerzbank), alle jeweils monatlich ausgewiesen. 7. Wie arbeiten Frühaufklärungssysteme? Frühaufklärungssysteme arbeiten anhand „Schwacher Signale“ (Weak Signals). Ein Schwaches Signal ist dabei ein Element von sehr geringer Merkmals­ ausprägung, das jedoch in der Lage ist, frühzeitig gravierende Änderungen im Unternehmensumfeld anzuzeigen. Werden diese Schwachen Signale rechtzeitig identifiziert, kann mit größtmöglichem zeitlichen Vorlauf einer krisenhaften Entwicklung entgegengewirkt werden. Problematisch ist dabei allerdings, was als Schwaches Signal und was nur als bloßer Zufall zu interpretieren ist. Denn Zufälligkeiten erfüllen ebenso alle Merkmale von Schwachen Signalen, sind aber nicht aussagefähig, weil es ihnen an Signifikanz mangelt. Werden solche Zufälligkeiten als Anlass für unternehmerische Maßnahmen genommen, können diese sich daher posthum als unzutreffend herausstellen (Fehler 1. Art). Umgekehrt, werden Schwache Signale als bloße Zufälligkeiten fehlinterpretiert und dementsprechend keine Maßnahmen eingeleitet, kann einer Krise nicht mehr ausreichend vorgebeugt werden (Fehler 2. Art). 8. Welche Aufgaben der Planung fallen im Rahmen des Controllings an? Planung ist allgemein das systematische, zukunftsbezogene Durchdenken und Festlegen von Zielen, Maßnahmen, Mitteln und Wegen zur Zielerreichung. Oder allgemeiner, Planung ist gegenwärtiges Entscheiden über zukünftiges Tun und Unterlassen. Kontrolle ist dementsprechend die Gegenüberstellung der Zielgrößen und der erreichten Istgrößen, verbunden mit der Analyse von Abweichungen. Planung und Kontrolle bilden somit einen Regelkreis, Planung ohne Kontrolle ist sinnlos, Kontrolle ohne Planung untauglich. Planung kann nach verschiedenen Dimensionen unterschieden werden: • nach dem Bezugszeitraum in kurzfristige / operative Planung (< 1 Jahr), mittelfristige / taktische Planung (1 – 3/5 Jahre) und langfristige / strategische Planung (> 3/5 Jahre), • nach der Verbindlichkeit in starre / geschlossene Planung und flexible / anpassungsfähige Planung an Änderungen im Umfeld,

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Übungsaufgaben und Lösungshinweise

• nach der Koordination in simultane / zeitgleiche Planung oder sukzessive / zeitabfolgende Planung, dann mit Festlegung der einzelnen Teilpläne, wobei es zweckmäßig ist, mit dem Engpass zu beginnen (Ausgleichsgesetz der Planung), • nach der Detailliertheit der Planung gibt es die Grobplanung (Rahmendaten) und die Feinplanung (Detaildaten), • nach dem Umfang der Planung gibt es die Totalplanung alle Aktivitäten umfassend und die Partialplanung nur auf ausgewählte Aktivitäten bezogen, • nach der Veränderlichkeit der Planung gibt es die Eventualplanung mit Verzweigung aus dem bestehenden Plan und die Alternativplanung mit getrennten Plänen, • nach der Abfolge der Planerstellung gibt es die geschachtelte Planung, deren Fristigkeit in Perioden aufeinander aufbaut, die gestaffelte Planung, die sich periodisch gegenseitig überlappt und die gereihte Planung, die in Perioden ein­ ander nahtlos anschließt, • nach dem Rhythmus der Planrevision gibt es die rollierende Planung mit gleitender Anpassung, die revolvierende Planung die Zwischenrevision der Werte und die anschließende Planung ohne jegliche Anpassung Jede Planung hat dabei den Grundsätzen der Vollständigkeit, Genauigkeit, Eindeutigkeit, Kontinuität und Wirtschaftlichkeit zu folgen. Soll nur ein Ziel verfolgt werden, sind Entscheidungen vergleichsweise klar. Schwierig wird es hingegen, wenn mehrere Ziele zugleich verfolgt werden oder Zielgewichtungen erforderlich sind. Dann entstehen Zielkonflikte, d. h. zwei oder mehr Ziele sind nicht harmonisch oder independent, sondern konflingent. 9. Welche Aufgaben der Informationsversorgung fallen im Rahmen des Control­ lings an? Bei der Informationsversorgungsfunktion des Controllings geht es um die Beschaffung, Speicherung, Verarbeitung und Übermittlung aller führungsrelevanten Daten, Fakten, Merkmale und Ereignisse in der Unternehmung. Wesentliche Informationsquelle ist dabei das interne Rechnungswesen. Für die Informationsbereitstellung können verschiedene Generationen von Systemen unterschieden werden: • Management Reporting Systeme (MRS/1960er Jahre) boten nur allgemeine, hoch aggregierte Daten und Fakten. • Decision Support Systems (DSS/1970er Jahre) boten hingegen bereits entscheidungsrelevant aufbereitete Fachinformationen. • Executive Information Systems (EIS/1980er Jahre) übernahmen Melde- und Warnaufgaben und waren als fallweise Abruf- oder routinisierte Auskunftssysteme ausgelegt.

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• Executive Support Systems (ESS/1990er Jahre) zogen darüber hinaus eigenständige Schlussfolgerungen aus Daten als allgemeine Handlungsempfehlungen. • Management Information Systems (MIS/2000er Jahre) sprachen konkretisierte Handlungsempfehlungen aus und bestanden aus Datenbank, Modellbank und Methodenbank sowie der Dialogschnittstelle zum Nutzer. • Expert Systems (XPS/2010er Jahre) nutzen Erkenntnisse der künstlichen Intelligenz und versuchen, menschliches Entscheiden nachzubilden. Erfolgt die Bereitstellung der Informationen nicht auf Basis von Einzeldaten, sondern auf Basis von Datengesamtheiten, sind OLAP-Systeme (Online Analytical Processing) gegeben. Diese arbeiten mit umfassenden Daten (Data Warehouse) und erlauben eine Informationszerlegung in „Datenschnitte“ (Slicing) ebenso wie einen Wechsel der Auswertungsdimension im virtuellen Datenraum (meist als Würfel dargestellt, daher Dicing). Die Recherche erfolgt durch stetig zunehmende Zerlegung der Daten (Drill down) oder durch deren stetig zunehmende Aggregation (Roll up). Weiterhin sind eine bewusste Siebung der Daten nach Kriterien (Screening) oder deren spezifische Fokussierung (Scoping) möglich. Data Warehouses sind Teile des ERP-Systems (Enterprise Resource Planning) der Unternehmung, um eine nutzenoptimale Planung aller betrieblichen Ressourcen zu schaffen. Voraussetzung für die Anwendung ist jedoch, dass der Anwender bereits bestimmte Vorstellungen darüber hat, wonach er informatorisch sucht. Damit aber bleiben womöglich wichtige Informationen verborgen, weil ein unzutreffendes Problembewusstsein vorliegt. Dies wird durch Data Mining-Systeme vermieden, die selbsttätig einen vorhandenen Datenbestand mittels multivariater statistischer Verfahren wie Regressions-, Korrelations-, Entscheidungsbaum-, Cluster- oder Faktorenanalysen nach auffälligen Mustern durchsuchen, die sie Entscheidern zur Interpretation anbieten. Der Anwender kann diese dann näher untersuchen oder aber verwerfen. Voraussetzung ist allerdings eine IT-technisch einheitliche Struktur aller Datensätze. 10. N  ennen und erläutern Sie bitte die wesentlichen Vorteile des Benchmarkings in der Unternehmenspraxis. Benchmarking verschafft Glaubwürdigkeit und Akzeptanz für die Setzung selbst hoher Zielstandards, weil dem von anderen Unternehmen(steilen) bereits realisierte Leistungen zugrunde liegen, womit der praktische Beweis dafür erbracht ist, dass sie erreicht werden können. Daraus folgt ein hohes Maß an Motivation zu herausragenden Leistungen, deren Beurteilung auch objektivierbar ist. Die Übernahme bewährter, erfolgreicher Prozesse ist zudem meist schneller und risikoärmer als deren eigene Entwicklung. Außerdem werden zusätzliche Ideen über das

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Benchmarking-Thema hinaus während der Auseinandersetzung damit generiert und der Neigung zu Selbstzufriedenheit und Bürokratisierung vorgebeugt. 11. Kennzahlen spielen im Controlling eine zentrale Rolle. Viele von ihnen sind Schlüsselerfolgsindikatoren (KPI’s) im Rahmen der Erfolgsmessung (Performance Measurement). Dabei wiederum sind finanzielle Kennzahlen von hoher Bedeutung. Erläutern Sie solche Kennzahlen bitte aussagefähig. Kennzahlen dienen der Information, der Quantifizierung auch qualitativer Sachverhalte und der rechentechnischen Operationalisierung. Kennzahlen werden allgemein auch Metrics genannt, sie spielen im Performance Measurement eine wichtige Rolle. Zentrale Kennzahlen werden dort Key Performance Indicators (KPI’s) genannt. Kennzahlen verdichten Sachverhalte, analysieren diese und ermöglichen dadurch eine Vorgabe, Steuerung und Kontrolle von Aktivitäten. Sie können sich auf Zeitpunkte oder Zeiträume (Vergangenheit / nachlaufend, Gegenwart / mitlaufend, Zukunft / vorlaufend) sowie im Einzelnen auf Märkte, Kunden, Prozesse, Finanzen etc. beziehen. Eine besondere Bedeutung kommt dabei finanziellen, wertorientierten Kennzahlen zu, wie • den Weighted Average Cost of Capital (WACC) als gewichteter durchschnittlicher Eigen- und Fremdkapitalkostensatz, • dem Economic Value Added (EVA) als periodischer Übergewinn nach Abzug von Fremd- und Eigenkapitalkosten, dies bezeichnet den EBT, der über die gewichteten Kapitalkosten hinausgeht, • dem EBT (Earnings before Taxes) als Gewinn aus der Gewinn- und Verlustrechnung des Jahresabschlusses, dies beinhaltet auch Sondereinflüsse wie das Ergebnis von Finanzanlagen neben den Sachanlagen, • dem EBIT (Earnings before Interest and Taxes) als Addition der Fremdkapitalzinsen zum Gewinn, damit sind alle Produktionsfaktoren „entlohnt“, mit Ausnahme des Geldkapitals, • EBDIT (Earnings before Depreciation, Interest and Taxes) als Addition der Abschreibungen zum EBIT, dies entspricht näherungsweise dem Brutto-Cashflow, • dem EBITDA (Earnings before Interest, Taxes, Depreciation and Amortiza­ tion) als Addition des EBDIT mit Abschreibungen auf immaterielle Werte, • dem OP (Operation Profit) als Betriebsergebnis vor kalkulatorischen Kosten, also nur die pagatorischen Aufwendungen umfassend, • dem Cash Value Added (CVA) als Residualgewinngröße (Cashflow Return on Investment – WACC multipliziert mit dem in der Unternehmung investierten Kapital).

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Einzelne Kennzahlen können zu Kennzahlensystemen sinnvoll verkettet werden. Dann entsteht daraus ein Performance Measurement System (PMS). Dabei können Kennzahlensysteme mit einer Spitzenkennzahl oder mit mehreren gleichrangigen Kennzahlen unterschieden werden. Als Beispiel für ein Kennzahlensystem mit einer Spitzenkennzahl gilt das DuPont-System (DuPont war ein US-amerikanischer Chemiekonzern). Eine andere Hierarchie ergibt sich auf Basis des EVA. Dieser kann aufgeteilt werden in die Differenz aus Net Operating Profit after Taxes (NOPAT) und Gesamtkapitalkosten (WACC). Der NOPAT ergibt sich wiederum aus Umsatz abzgl. betrieblichen Steuern und betrieblichen Kosten. Die betrieblichen Kosten bestehen wiederum aus variablen und fixen Kostenbestandteilen, der Umsatz aus dem Produkt aus Preis und Absatzmenge. Die Gesamtkapitalkosten setzen sich aus Eigenkapital- und Fremdkapitalkosten zusammen. 12. In welchen Formen können Kennzahlen unterschieden werden? Kennzahlen sind aggregierte Daten, die mehr oder minder komplexe, dahinter stehende Sachverhalte kompriminiert quantitativ ausweisen. Bei ihrer Bildung ergeben sich als Formen Grundzahlen und Verhältniszahlen: • Grundzahlen sind absolute Zahlen, also Einzelzahlen, Summen, Differenzen, Mittelwerte etc. Sie erfüllen den Anspruch der Datenreduktion nur eingeschränkt und sind daher untypisch. • Verhältniszahlen sind typischer und unterteilen sich als relative Zahlen in drei Zusatzformen: –– Gliederungszahlen stellen den Anteil einer Teilmasse an der Gesamtmasse dar. Die Gesamtmasse wird dabei gleich 100 gesetzt und entsprechend gegliedert. Die Teilmassen sind echte Untermengen der jeweiligen Gesamtmenge, daher ist dies nur bei größeren Datenmengen sinnvoll. Die Ausrechnung erfolgt im traditionellen Dreisatz. –– Beziehungszahlen setzen unterschiedliche, allerdings zeitlich identische Zahlengruppen, zwischen denen sachliche Zusammenhänge bestehen, in Beziehung zueinander. Das Ergebnis ist ein Quotient, dessen Wert umso näher bei Null liegt, je enger die Beziehung zwischen den Mengen ist. Der Kehrwert wird Bezeichnungszahl genannt. –– Indexzahlen ermöglichen die Darstellung von Veränderungen im Zeitablauf (zeitverschieden). Dabei wird die Ausgangsperiode gleich Index 100 gesetzt. Alle Werte werden auf diesen gemeinsamen Zeitpunkt bezogen, weshalb dessen bedachte Wahl von großer Bedeutung ist, weil sich ansonsten ein verzerrtes Bild ergibt.

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Übungsaufgaben und Lösungshinweise

13. Wie ist ein Kennziffernsystem aufgebaut? In Kennziffernsystemen wird ein verketteter Kennzahlenvergleich durchgeführt. Ziel ist die Erhöhung der Aussagefähigkeit der Ergebnisse. Dazu werden die einzelnen Kennzahlen als geordnete Gesamtheit hierarchisch dargestellt, die zueinander als Rechensystem in Beziehung stehen, um besser über Sachverhalte zu informieren. Ein Kennziffernsystem ist jedoch nur in dem Maße erfolgreich, wie die Spitzenkennzahl „richtig“ ausgewählt wird. Als besonders geeignet haben sich in diesem Zusammenhang der Return on Investment (RoI / Gesamtkapitalrentabilität), die Eigenkapitalrentabilität sowie Gewinn und Liquidität erwiesen. Der RoI steht im Mittelpunkt des DuPont-Systems, die Eigenkapitalrendite bei den ZVEI- und RL-Systemen und Gewinn bzw. Liquidität beim Planungs- und Kontroll-System (PuK). Im DuPont-System wird die Gesamtkapitalrentabilität (Gewinn : Gesamtkapital) wie folgt aufgespalten: • die Umsatzrentabilität (Gewinn : Umsatz) einerseits und der Kapitalumschlag andererseits (Umsatz : Gesamtkapital) ergeben sich aus dem RoI, • der Gewinn ergibt sich wiederum als Differenz aus Markterlös und Werteverzehr (Umsatz – Kosten), • das Gesamtkapital ergibt sich als Summe aus Anlagevermögen und Umlaufvermögen (= investiertes Kapital), • die Kosten setzen sich ihrerseits aus variablen, beschäftigungsgradabhängigen und fixen, beschäftigungsgradunabhängigen Kosten zusammen, • der Umsatz ergibt sich als Produkt aus Stückpreis und Absatzmenge, • das Umlaufvermögen entsteht als Summe aus Vorräten, Forderungen, liquiden Mitteln etc., • das Anlagevermögen entsteht aus Sachanlagen, Finanzanlagen, immateriellem Vermögen etc. Die Aufspaltung der Kenngrößen setzt sich dann pyramidenförmig weiter fort. Kennziffernsysteme können aber auch individuell aufgebaut sein. Dazu werden geeignete Kennzahlen in Beziehungen zueinander gesetzt. Die betriebliche Realität wird dazu in einem Modell abstrahiert, daraus ergibt sich dann die Architektur des Systems. Dazu werden die jeweils geeigneten Kennzahlen ausgewählt und die Kennzahlenbeziehungen ermittelt. Die Strukturierung kann dabei in Anlehnung an die Aufbauorganisation gewählt werden. Durch Verknüpfung dieser Kennzahlen, die entsprechend belastbar ermittelt worden sind, ergeben sich dann Aussagen zur Unternehmenssteuerung. Für die Aussagefähigkeit ist vor allem eine Plausibilitätsüberprüfung sinnvoll. Probleme entstehen jedoch bei

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der Systemstrukturierung, der Auswahl der Kennzahlen und der Nutzung der Informationen. 14. Was ist und wozu dient die Balanced Score-Card? Die Problematik der hierarchischen Kennzahlensysteme liegt darin, dass sie die Realität oft unzulässig verkürzen. So wie ein Pilot sein Flugzeug nicht allein anhand nur eines Messwerts wie Geschwindigkeit oder Höhe steuern kann, sondern er dazu mehrere Messwerte im Verbund benötigt, so benötigt auch das Controlling diverse, ausgewogene Werte über kritische Erfolgsmessgrößen, also im Beispiel auch Informationen über Brennstoffverbrauch, Seitenwind, horizontale Neigung, vertikale Trimmung etc. Diese Erkenntnis wird im Konzept der Balanced Score-Card (BSC) verwirklicht (Kaplan / Norton). Hierbei handelt es sich um ein System qualitativer, quantitativer, subjektiver und objektiver, strategischer und operativer Kennzahlen, die eine integrierte, ausgewogene Darstellung verschiedener bedeutsamer Unternehmensperspektiven ermöglichen. Bei den Perspektiven handelt es sich idealtypisch um vier: • materielle Kennwerte für Finanzen und Kosten (Wie sollen wir bei unseren Eigentümern auftreten, um finanziellen Erfolg zu haben?), • externe Kennwerte über Kunden und Markt (Wie sollen wir gegenüber unseren Kunden auftreten, um unsere Vision zu verwirklichen?), • interne Kennwerte über Prozesse und Qualität (In welchen Geschäftsprozessen müssen wir die Besten sein, um unsere Eigentümer und Kunden zu befriedigen?), • immaterielle Kennwerte für Lernen und Mitarbeitende (Wie können wir unsere Veränderungs- und Wachstumspotenziale fördern, um unsere Vision zu verwirklichen?). Diese vier Perspektiven sind nicht unabhängig voneinander, sondern durch Ursache-Wirkungs-Beziehungen miteinander verbunden. Damit ist die BSC ein Managementsystem zur Unternehmenssteuerung, das die Strategieentwicklung mit ihrer Umsetzung verbindet. Als Oberziel der BSC gilt die Kapitalrendite (ROCE / Return on Capital employed). Sie arbeitet im Weiteren mit Kennzahlen zur Operationalisierung. Alle vier Perspektiven werden gleichgewichtig berücksichtigt und in Bezug auf ein Bündel von Schlüsselgrößen aus Vision, Mission, Kernkompetenz, Geschäftsmodell, Kultur sowie Zielen, Istsituation und Strategien reflektiert. Ausgangspunkte sind dabei die Erwartungen der Shareholder und der Kunden, die Anforderungen an Prozesse und laufendes Lernen, zwischen denen vielfältige Wechselwirkungen bestehen. Diese werden in einer Strategy Map abgebildet. Dazu ist zunächst eine Aufteilung jeder Perspektive erforderlich, und zwar nach • Teilzielen (z. B. Imageaufwertung, Kundenservice),

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Übungsaufgaben und Lösungshinweise

• Messgrößen (z. B. Marktanteil im Hochpreissegment, Wiederkaufrate in %), • Vorgabewerte (z. B. X % im laufenden Jahr, Y-Euro im ersten Quartal), • Maßnahmen (z. B. Designverbesserung, Vertriebsinnendienstausbau). Problematisch ist dabei vor allem die Auswahl der Messgrößen / K PI’s. Dabei konzentriert man sich zur Komplexitätsreduktion auf solche Kennwerte, welche die größte Hebelwirkung für den Unternehmenserfolg (= Werttreiber) zu haben versprechen. Sie sind Basis des Performance Measurements in der Unternehmung. Allerdings ist deren Ergebniswirksamkeit und Steuerungsrelevanz oft nur schwer zu beurteilen. So gibt es keine theoretische Begründung für die Auswahl der vier vorgesehenen Perspektiven. Zudem sind qualitative Zielgrößen nur unzureichend in Kennzahlen darstellbar. Zeiteffekte werden nicht berücksichtigt. Weit verbreitete Zielkonflikte erschweren die konsistente Ableitung eines Zielsystems. Die Ursache-Wirkungs-Zusammenhänge sind häufig spekulativer Natur. So werden evtl. Fehlanreize gesetzt. Die Kennzahlen führen womöglich zu einer Informationsüberlastung der Mitarbeitenden. Die visuelle Darstellung der Ergebnisse erfolgt in einem Management Cockpit. Dieses Dashboard-System lehnt sich dabei an die Armaturentafel eines Flugzeugs an, das Ampel-System arbeitet mit Abweichungen von grün (= Sollbereich) in gelb (= Beobachtungsbereich) und rot (= Eingriffsbereich). 15. Charakterisieren Sie bitte das Controlling und seine Teilbereiche aussagefähig? Das Controlling hat drei Dimensionen. Die funktionale Dimension betrifft die Aufgaben, die dem Controlling im Rahmen der Führungsunterstützung in der Unternehmung zukommen, die institutionale Dimension betrifft die aufbau- und ablauforganisatorische Einordnung des Controllings in die Unternehmung und die instrumentelle Dimension betrifft die methodischen und sachlichen Hilfsmittel, derer sich das Controlling bedient. Dabei geht es um die Zielsetzung, der Bestimmung von Entscheidungsoptionen, die Bewertung dieser Optionen, der Entscheidung für eine Option, deren Durchsetzung und die Kontrolle der Realisierung. Controlling betrifft im Einzelnen das Assessment der Effizienz der Unternehmensführung durch Überwachung (z. B. durch internes Rechnungswesen) sowie den Audit der Effektivität der Unternehmensführung durch Überprüfung der betrieblichen Aktivitäten (z. B. durch Strategieentwicklung). Flankierend kommen die Informationsversorgung zur Koordination der Unternehmenssituation (z. B. durch Kennzahlen, Berichtswesen) und die Planung (z. B. durch Prognose, Budgetierung) hinzu. Assessment und Revision machen gemeinsam die Kontrolle aus.

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Controlling geht damit weit über die Kontrolle hinaus, die landläufig darin gesehen wird, sondern umfasst die Steuerung der Unternehmung, greift jedoch kürzer als die Unternehmensführung, da ihm Zielsetzung, Leitung, Organisation und Implementierung als Managementaufgaben fehlen. Controlling stellt somit allgemein die Rationalität der Unternehmensführung sicher (Weber), ist also Korrektiv zur Unternehmensführung, nicht aber Unternehmensführung selbst. Es dient vielmehr der Transparenz durch konzeptionelle und methodische Beratung des Managements zur Verbesserung deren Entscheidungsfähigkeit. Daraus leiten sich Datenversorgungs-, Steuerungs- und Koordinationsaufgaben ab. Controlling koordiniert dazu die Teilziele und Teilpläne, organisiert sie unternehmensübergreifend und dokumentiert sie in einem transparenten Berichtswesen. Ihm kommt insofern eine Entscheidungsunterstützungsfunktion zu. Das operative Controlling hat die Sicherung der Wirtschaftlichkeit betrieblicher Prozesse zum Ziel. Primäre Zielgrößen sind dabei Gewinn und Liquidität. Es geht um die taktische und operative Planung sowie Budgetierung mit Hilfe von Jahresabschluss / Kosten- und Leistungsrechnung bzw. Finanzierungsrechnung. Der Zeitbezug ist kurzfristig, es geht darum, „die Dinge richtig zu tun“. Die Orientierung ist primär unternehmensintern, dabei werden eine stabile Umwelt und weitgehend sichere Informationen unterstellt. Das strategische Controlling hat die Anpassung der Unternehmung an die Unternehmensumwelt zur langfristigen Existenzsicherung zum Ziel. Zentral sind dementsprechend Erfolgspotenziale in der strategischen Planung. Einfluss darauf nehmen das Unternehmensumfeld und die Unternehmenszielsetzung. Der Zeithorizont ist mittel- bis langfristig angelegt, es geht darum, „die richtigen Dinge zu tun“. Die Orientierung ist primär unternehmensextern, das Umfeld wird dabei als komplex, dynamisch und diskontinuierlich angesehen. Dies bedingt eine hohe Unsicherheit der Informationen.

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Übungsaufgaben und Lösungshinweise

20. Übungsaufgaben zur Strategieentwicklung 1. Was versteht man unter Generischen Wettbewerbsstrategien nach Porter? Welche Voraussetzungen sind dafür gegeben? Die Porter U-Kurve behauptet einen strikten Zusammenhang zwischen dem Unternehmenserfolg einerseits, gemessen als Gesamtkapitalrentabilität (Return on Investment / ROI) und dem Mengenoutput einer Unternehmung andererseits (Größe), gemessen als relativer Marktanteil derart, dass der Unternehmenserfolg hoch ist, wenn der Mengenoutput entweder niedrig oder hoch ist, hingegen gering, wenn der Mengenoutput eine mittlere Höhe hat. Danach muss eine Unternehmung anstreben, entweder ein Nischenangebot auf hohem Qualitätsniveau anzubieten oder aber ein Volumenangebot auf niedrigem Preisniveau. Hingegen muss sie vermeiden, auf mittlerem Preis-Qualitäts-Niveau anzubieten. Das Nischenangebot verfolgt eine Präferenzposition (Differenzierung), das Volumenangebot eine Preis-Mengenposition (Kostenführerschaft). Die Ursache dieses Zusammenhangs ist vor allem in der Kostendegression zu suchen. Unternehmen mit geringem Mengenoutput bewegen sich auf einem hohen Stückkostenniveau, weil sich die Fixkosten aufgrund der kleinen Menge nur ungünstig je Stück umlegen. Sie sind daher veranlasst, ein akquisitorisches Potenzial aufzubauen, das die Durchsetzung eines höheren Preises am Markt ermöglicht. Sofern dies gelingt, ist ein gewinnbringendes Gesamtangebot möglich. Unternehmen mit hohem Mengenoutput bewegen sich hingegen auf niedrigem Stückkostenniveau, weil sie Fixkostendegressionseffekte nutzen können. Sie geben diese Kostenvorteile in niedrigeren Preisen weiter, was dennoch ein gewinnbringendes Gesamtangebot erlaubt. Voraussetzung ist jedoch eine hohe Auflage gleichartiger Produkte. Die Leistungsführerschaft zielt auf eine einzigartige Marktposition ab, wobei der Preis eine untergeordnete Rolle spielt. Die Stückkosten sind durch kleine Auflagen hoch, da aber hohe Preise am Markt durchgesetzt werden können, geht die Rechnung auf. Simultan hybride Strategien zielen hingegen auf eine Kombination beider Elemente ab, etwa durch Mass Customization. Denkbar sind aber nach verbreiteter Ansicht auch eine Leistungsführerschaft im Gesamtmarkt und eine Kostenführerschaft in einem Marktsegment. Unternehmen in der Mitte (Zwischen den Stühlen) verfügen hingegen weder über ein ausreichendes Maß an Kostendegression, um mit den niedrigen Preisen der Volumenanbieter mithalten zu können, noch über ein ausreichendes Maß an Qualität, um mit dem hohen Niveau der Nischenanbieter mithalten zu können. Sie werden daher vom Markt verdrängt.

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2. Häufig wird das Outpacing-Konzept diskutiert. Was versteht man darunter und welche Inhalte hat es im Einzelnen? Das Outpacing-Konzept (Gilbert / Strebel) ist ein komparativ-statisches Konzept, das den Unternehmenserfolg als Ergebnis einer hybriden (gebrochenen) Strategie erklärt. Danach sind zwei Größen für den Unternehmenserfolg ausschlaggebend: Erstens der wahrgenommene Produktwert und zweitens die effektiven Prozesskosten zu dessen Erstellung. Die Erreichung nur einer Dimension, also des Produktwerts oder der Prozesskosten, wird als nicht mehr ausreichend angesehen, vielmehr ist es das Ziel aller Unternehmen, am Markt sowohl einen hohen Produktwert zu realisieren als dies auch mit niedrigen Prozesskosten zu erreichen. Unternehmen sehen sich aber häufig tatsächlich einem limitierten Produktwert und hohen Prozesskosten gegenüber. Es stellt sich daher die Frage, wie das Ziel erreicht werden kann, nur durch die Verfolgung einer Präferenzstrategie allein ebenso wenig wie nur durch die Verfolgung einer Preis-Mengenstrategie. Vielmehr ist eine hybride Strategie erforderlich, die sowohl Präferenz- als auch Preis-Mengenelemente enthält. Beides kombiniert durchzuführen, ist allerdings unzweckmäßig, da dies zu einer Zwischen-den-Stühlen-Position führt. Daher kommt im Zeitablauf nur ein Umsteigen von der einen auf die andere Strategie in Betracht (sequenziell-hybrid). Fraglich ist allerdings, in welcher Reihenfolge dies zweckmäßig ist und vor allem, welcher Wechsel am schnellsten zum Ziel führt (Outpacing), denn die Zeit ist der wesentliche Wettbewerbsfaktor. Denkbar sind daher zwei Alternativen. Erstens zunächst die Verfolgung einer Präferenzstrategie, also die Steigerung des wahrgenommenen Produktwerts unter Hintanstellung der effektiven Prozesskosten und dann, nachdem eine angemessene Produktwertwahrnehmung erreicht ist, der Umstieg auf eine Preis-Mengenstrategie, also den Primat der Prozesskosten vor dem Produktwert. Oder zweitens, genau umgekehrt, zunächst die Verfolgung einer Preis-Mengenstrategie, also die Senkung der Prozesskosten unter Hintanstellung des wahrgenommenen Produktswerts, und dann, nachdem ein angemessenes Prozesskostenniveau erreicht ist, der Umstieg auf eine Präferenzstrategie. Die erste Alternative führt zur Leistungsführerschaft, sie wird als reaktives Outpacing bezeichnet, die zweite Alternative zur Kostenführerschaft, sie wird als präventives Outpacing bezeichnet. Empirisch hat sich letztere häufig als die schnellere Vorgehensweise erwiesen (z. B. fernöstliche vs. westliche Autohersteller, alternative Antriebstechnik vs. optimierte Benzin-Diesel-Technik). 3. Häufig ist von einer Hyper Competition die Rede. Was versteht man darunter und welche Inhalte hat diese im Einzelnen? Das Konzept der Hyper Competition (D’Aveni) behauptet vier wesentliche Basen für Wettbewerbsvorteile von Unternehmen, die im Zeitablauf sukzessiv

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aufeinander abfolgen. Es gibt somit vier Arenen, in denen Wettbewerbskämpfe ausgetragen werden, in jeder Arena scheiden weniger anpassungsfähige Anbieter vom Markt aus. Wer eine Arena als erster erfolgreich verlässt, kann mit Zeitvorsprung in die dahinter liegende nächste Arena starten (ähnlich einem Staffellauf) und damit seine Existenzchancen im Weiteren verbessern. In den einzelnen Arenen geht es um verschiedene Wettbewerbsparameter. Die erste Runde besteht aus der Konkurrenz um Kosten- oder Qualitätsvorteile. Unternehmen, die bei einer dieser beiden Parameter Nachteile aufweisen, haben keine Chance, sich am Markt durchzusetzen. Wer als erster diese Runde verlässt, gelangt in die zweite Runde, hier geht es um Wissen und Innovation. Unternehmen, die Wissens- oder Innovationsdefizite aufweisen, scheiden hier aus, die verbleibenden gehen in die dritte Runde, in der es um den Aufbau von Marktzutrittsschranken und Alleinstellungsmerkmalen geht. Die eigenen Märkte werden abgeschottet, um deren Pfründe nur noch selbst nutzen zu können. Die vierte Runde schließlich ist durch Finanzierungs- und Investitionswettbewerb gekennzeichnet. Hier geht es um die Verfügbarkeit von Eigen- und Fremdkapital und um strategische Angriffe (Mergers&Acquisitions). Insofern wird eine dynamische Sichtweise unterlegt, in der keine dauerhaften Konkurrenzvorteile mehr existieren und die Spielregeln des Wettbewerbs fortdauernd geändert werden. Der Status quo wird permanent erschüttert und die Konkurrenz systematisch durch Überraschungen gestört. Fraglich ist allerdings, ob die genannte Abfolge der Arenen zwangsläufig ist und damit auch die Eskalation des Wettbewerbs, oder ob nicht vielmehr Kollusionen entstehen, die dem allseitig ausgeprägten Sicherheitsstreben der Beteiligten entsprechen. 4. Häufig ist von der Blue Ocean-Strategie die Rede. Was versteht man darunter und welche Inhalte hat sie im Einzelnen? Die Blue Ocean-Strategie (Kim / Mauborgne) basiert auf der generellen Empfehlung, dass Unternehmen durch Veränderung ihres Branchenumfelds Durchbruchsinnovationen schaffen sollten, statt sich mit anderen Anbietern um die gleiche Kaufkraft zu kannibalisieren. Nur dadurch können noch nicht besetzte Märkte gebildet und Konkurrenz marginalisiert werden. Neue Nachfrage wird geschaffen, indem entschieden Differenzierungs- oder Kostenführerschaftsstrategien bzw. hybride Strategien genutzt werden. Diese neuen Märkte werden Blue Oceans genannt, die bestehenden hingegen Red Oceans. Damit Blue Oceans identifiziert werden können, ist zunächst die relative Leistungsfähigkeit einer Unternehmung innerhalb ihrer Branche zu bestimmen. Diese kann verbessert werden, indem man die vorhandene Kernkompetenz auf weitere Branchen ausrichtet, sich an der Schnittstelle zwischen Märkten positioniert, statt Insel- nutzenrelevante Systemlösungen für Kunden generiert, die Spielregeln der Branche infrage stellt oder Innovationen initiiert. Bei erfolgrei-

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cher Implementierung dieser Ansätze kann eine relative Alleinstellung erreicht werden (USP). Nicht benötigte Produkte und Märkte sind im Programm zu reduzieren oder zu eliminieren, dazu erforderliche Märkte spiegelbildlich zu kreieren oder zu pushen. Allerdings wird dieser Ansatz vielfach kritisiert. Vor allem ist die Abgrenzung zu bereits vorhandenen Wettbewerbskonzepten unklar. 5. Im strategischen Management ist der Marktanteil in vielfacher Weise eine signifikante Steuerungsgröße. Stellen Sie bitte einige Zusammenhänge her. Der Marktanteil ist eine zentrale Kennziffer für den Erfolg einer Unternehmung. Die Anwendung des Marktanteils als Kennzahl ist vielfältig. Dazu einige Beispiele: • Skaleneffekte (Economies of Scale): Die Stückkosten sinken mit steigender Ausbringungsmenge je Produkt, weil sich die ausbringungsmengen-unabhängigen Fixkosten immer günstiger je Stück umlegen. Selbst nach Erreichen von Schwellen sprungfixer Kosten sinken die Stückkosten rasch weiter. Die höchste Ausbringungsmenge hat c. p. die Unternehmung mit dem höchsten Marktanteil. Damit hat diese Unternehmung a priori auch die günstigste Kostenposi­ tion, ist also am wettbewerbsfähigsten bzw. am ehesten vor Marktverdrängung geschützt. • Erfahrungseffekt (Boston-Effekt): Mit jeder Verdopplung der im Zeitablauf kumulierten Produktionsmenge eines Produkts besteht ein Kostensenkungspotenzial von 20 – 30 Prozent, bezogen auf alle in der Wertschöpfung des Produkts enthaltenen, inflationsbereinigten Stückkosten. Dies bedeutet, dass mit steigendem Marktanteil die effektiven Stückkosten aufgrund von dynamischen Erfahrungskurveneffekten noch weitaus mehr sinken als nach statischer Sichtweise allein anzunehmen. Davon profitieren Unternehmen umso mehr, je höher ihr Marktanteil ist, am meisten profitiert der Marktführer, weshalb diese Position auch das Ziel vieler Akteure ist. • Vier-Felder-Portfolio (BCG): Die BCG-Matrix nimmt eine Klassifikation Strategischer Geschäftseinheiten mit anschließender Ableitung von strategischen Normempfehlungen für diese anhand zweier Dimensionen vor: durchschnittlicher Marktwachstumsgrad (Ordinatenposition) und relativer Marktanteil (Abszissenposition). Dabei wird die Abszisse i. d. R. bei einem relativen Marktanteil = 1 geteilt, links davon ergeben sich die Felder „Fragezeichen“ und „Arme Hunde“, rechts davon ergeben sich die Felder „Sterne“ und „Melkkühe“ (jeweils je nach Marktwachstum). Der relative Marktanteil wird als Dimension gewählt, weil er über die erzielten Skalen- und Erfahrungseffekte Auskunft gibt. • PIMS-Studie (Profit Impact of Market Strategies): Dies war eine bis Ende des letzten Jahrhunderts durchgeführte Data Mining-Studie auf Basis empirischer

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Daten von mehreren Tausend Strategischen Geschäftseinheiten verschiedener Größenklassen, Industrien und Länder mit dem Ziel, „Marktgesetze“, also übergreifend gültige Erfolgsfaktoren zu finden. Als einer der wichtigsten wurde der relative Marktanteil (Anteil einer Unternehmung relativ zu den drei größten der Branche) identifiziert. Denn mit steigendem relativen Marktanteil steigt der Return on Investment (Kapitalrentabilität) überlinear, d. h., Unternehmen mit mehr Marktanteil als andere sind überproportional rentabler als diese. • Wettbewerbsgesetzgebung: Das Gesetz gegen Wettbewerbsbeschränkungen (GWB) hat die Erhaltung funktionsfähiger Wettbewerbsbedingungen zum Inhalt. Dafür werden marktbeherrschende Stellungen und Unternehmenskonzentrationen (Fusionen) als hinderlich angesehen, so dass beide gesetzlichen Regularien unterworfen sind. Wann diese greifen (§§ 19, 35 ff.), wird vom bereits erreichten oder erreichbaren Marktanteil abhängig gemacht (Marktbeherrschungsvermutung bei mehr als 33,3 % Marktanteil eines bzw. über 50 % Marktanteil von bis zu drei sowie über 66,7 % Marktanteil von bis zu fünf Unternehmen am Relevanten Markt). Eine Anmeldepflichtigkeit ist bei mehr als 20 % erreichbarem Marktanteil nach einem potenziell vollzogenen Zusammenschluss gegeben. 6. Welche Marktaustrittsbarrieren können im Einzelnen unterschieden werden? Marktaustrittsbarrieren zwingen Unternehmen zu einem Verbleib am Markt gegen den eigenen Willen und sind mehrfach bedingt. Technisch-wirtschaftliche Restriktionen betreffen spezialisierte Geschäftsausstattungen, die nicht oder nur mit erheblichem Aufwand umrüstbar sind und daher eine Weiternutzung nahelegen. Bei Geschäftsaufgabe gibt es oft remanente Kosten, z. B. um die weitere Versorgung des Marktes sicherzustellen, die so hoch sind, dass eine Aufrechterhaltung des Geschäfts vorzuziehen bleibt. Konventionalstrafen werden fällig, wenn laufende Projekte nicht zu Ende gebracht werden, so etwa bei langlaufenden Liefer-, Bezugs- oder Betriebsvereinbarungen. Imageprobleme entstehen, wenn Betriebsteile abgestoßen oder Märkte mangels Erfolg aufgegeben werden. Leicht wird von dieser Einstellung auf fehlendes Fortune evtl. sogar für die ganze Unternehmung geschlossen. Gesellschaftlich-institutionelle Restriktionen drohen, z. B. müssen bezogene Subventionen oder Steuervergünstigungen bei Ausstieg aus der Branche voll oder teilweise zurückgezahlt werden. Sozialleistungen in Form von Abfindungen an Arbeitnehmer, durch Sozialpläne gegenüber den Gewerkschaften, Vergleich mit dem Management, für Pensionsrückstellungen etc. lassen es oft sinnvoller erscheinen zu versuchen, den Geschäftsbetrieb zu sanieren. Sozio-emotionale Restriktionen spielen als irrationale Gesichtspunkte (z. B. Tradition) gerade bei inhabergeführten Unternehmen eine große Rolle. Man will sich nicht von der angestammten Branche trennen, der man vielleicht schon seit Generationen verhaftet ist. Oft liegen auch Immobilität und fehlende Flexibilität im Management vor, die erst durch externe Berater in einer Krisen­

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situation wachgerüttelt werden. Es bestehen Verbundwirkungen im Programm. So werden unrentable Produkte (Ausgleichsnehmer) von anderen (Ausgleichsgeber) derart alimentiert, dass sich per Saldo ein besseres Ergebnis als bei Verzicht auf die Ausgleichsnehmer ergibt. Dann sind Marktaustrittsschranken betriebswirtschaftlich sogar sinnvoll. 7. Welche Markteintrittsbarrieren können im Einzelnen unterschieden werden? Markteintrittsbarrieren erschweren oder verunmöglichen den Eintritt einer Unternehmung in einen Markt und sind mehrfach bedingt. So erreichen die zur Marktpräsenz erforderlichen Investitionsvolumina oft eine Höhe, die es einem Anbieter unmöglich macht, am Markt zu agieren. Das Vorhandensein von Betriebsgrößenvorteilen lässt bei kleinen Absatzvolumina ein konkurrenzfähiges Angebot nicht zu. Es besteht die Erfordernis hoher Programmbreite. In dem Maße, wie Märkte besetzt sind und Käufer durch hohe Marketingaufwendungen an Geschäftsstätten gebunden werden, ist es kaum mehr möglich, Konkurrenzverdrängung gegen hohe Käuferloyalität zu erreichen. Mit zunehmender Spezialisierung werden rentablere Einzweck-Betriebsmittel installiert, die durch hohe Umstellungskosten die Flexibilität zur Angebotsumstellung nicht mehr beinhalten. Standortlimitationen gibt es in vielfältiger Weise gerade, da günstige Standorte nicht ohne Weiteres vermehrbar, manchmal sogar absolut monopolisiert sind. 8. Wie stellen sich die einzelnen Phasen in der Produktlebenszyklus-Analyse dar? Recherchieren Sie dazu bitte Informationen. In der Produktlebenszyklus-Analyse werden die Produkte (Dienste) der Unternehmung zeitlich eingeordnet und Normstrategien für das Management daraus abgeleitet. Dabei werden idealtypisch vier Phasen der Marktpräsenz unterschieden. Zusätzlich gibt es die Vorvermarktungsphase, während derer ein Angebot noch nicht marktpräsent ist, für Forschung, Entwicklung, Erprobung etc. Während der Einführungsphase sind die Wachstumsrate und das Marktpotenzial noch unklar. Die Anzahl der Mitbewerber ist klein und die Verteilung der Marktanteile kaum abschätzbar. Vor allem ist die Stabilität der Marktanteile gering. Die Markteintrittsmöglichkeiten sind gut, so dass die Kundentreue gering ausgeprägt bleibt. Der technologische Fortschritt spielt eine große Rolle. Während der Wachstumsphase wird das Marktpotenzial besser abschätzbar. Die Zahl der Mitbewerber wächst stark an. Die Marktanteile konzentrieren sich jedoch auf wenige Anbieter und stabilisieren sich daher. Die Kundentreue ist noch hoch, gleiches gilt für die Markteintrittsschranken. Der Technologiestatus hat einen hohen Einfluss. Während der Reifephase sinkt die Wachstumsrate, das Marktpotenzial wird weitgehend ausgeschöpft. Die Konkurrenzsituation konsolidiert, Grenzanbie-

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ter scheiden vom Markt aus. Die Konzentration und Stabilität der Marktanteile nimmt zu. Die Markteintrittsmöglichkeiten werden geringer, der Fokus liegt auf der Optimierung der Prozesstechnologie. Während der Sättigungsphase schließlich schrumpft der Markt. Das Marktpotenzial wird ausgeschöpft, es verbleiben wenige große Mitbewerber am Markt. Die Marktanteile sind stabil, ein Markteintritt findet nur noch selten statt (z. B. Billiganbieter). Die Technologie entspricht dem Stand der Technik. 9. Wie geht eine Strategische Bilanz zur Istanalyse vor? Bei der Strategischen Bilanz handelt es sich um eine Analysetechnik zur Ermittlung des Minimumsektors. Dazu werden die Problembereiche der Unternehmung identifiziert. Für diese wird durch subjektive Bewertung deren Chancen- bzw. Risikenträchtigkeit ermittelt (0 – 100 %). Der größte skalierte Abstand zwischen positiven und negativen Ausprägungen jedes Problembereichs zeigt den dominierenden Engpass an. Die Summe aller Skalenwerte zeigt die Überlebensfähigkeit der Unternehmung an (mind. Anzahl der Problembereiche x 100). 10. W  elche Konzepte zur Abgrenzung des Relevanten Markts gibt es? Für die Abgrenzung des Relevanten Markts gibt es im Einzelnen eindimensionale, zweidimensionale, dreidimensionale und mehrdimensionale Konzepte. Eindimensionale Konzepte sind folgende: • Das Konzept der technischen (physikalisch-chemischen) Ähnlichkeit unterstellt, dass Angebote, die zueinander objektive Gemeinsamkeiten aufweisen, zu einem gemeinsamen Relevanten Markt gehören. • Das Konzept der funktionalen Gleichheit geht davon aus, dass Angebote, die, unabhängig von ihrer objektiven Beschaffenheit, die gleiche Funktion erfüllen, einen gemeinsamen Relevanten Markt ausmachen. • Das Konzept der faktisch-tatsächlichen Austauschbarkeit geht davon aus, dass alle Angebote zu einem gemeinsamen Relevanten Markt gehören, die in einer konkreten Wahlsituation miteinander konkurrieren. • Das Konzept der Nutzungsähnlichkeit nimmt an, dass solche Angebote zu ­einem gemeinsamen Markt gehören, die den gleichen Nutzen für Nachfrager stiften. • Das Konzept der Adressierung gleicher Kundentypen unterstellt, dass Angebote, die sich an gleiche Zielgruppen richten, zum selben Relevanten Markt gehören. • Das Konzept der Anbieteraustauschbarkeit unterstellt, dass alle Angebote in Bezug zueinander stehen, die von einem Anbieter als zu seinem eigenen Angebot subjektiv konkurrierend angesehen werden.

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• Das Konzept der Nachfrageraustauschbarkeit unterstellt, dass alle Angebote in Bezug zueinander stehen, die von einem Nachfrager subjektiv als zueinander konkurrierend angesehen werden. Das zweidimensionale Konzept erfolgt in Form der Kreuzpreiselastizität der Nachfrage. Sie misst die Veränderung der Nachfrage nach einem Produkt (Wirkung) aufgrund der Preisänderung eines anderen Produkts (Ursache). Dabei kann die Verbindung substitutiv als positiver Quotient, z. B. Preiserhöhung führt zu Mengensteigerung, oder komplementär als negativer Quotient, z. B. Preiserhöhung führt zu Mengensenkung, sein, sofern keine Verbindung besteht (Quotient nahe Null) liegen getrennte Relevante Märkte vor (Isolated Selling). Das dreidimensionale Konzept stammt von Abell und geht davon aus, dass Angebote, welche die gleiche Funktion, die gleiche Technik und die gleiche Zielgruppe aufweisen zu einem gemeinsamen Relevanten Markt gehören. Ein multidimensionales Konzept ist das Konzept der totalen Konkurrenz. Es geht davon aus, dass alle zur Auswahl stehenden Angebote einen gemeinsamen Relevanten Markt bilden (v. Stackelberg). Alle Konzepte sind im Detail fragwürdig. Tatsächlich liegt derzeit kein überzeugender Vorschlag für die operationale Abgrenzung eines Relevanten Markts vor. Dies ist angesichts der immensen Bedeutung dieser Stellgröße zu bedauern. 11. Was versteht man unter einer Strategischen Gruppe und welche Handlungsoptionen bestehen für diese? Eine Strategische Gruppe wird von Mitbewerbern am Markt gebildet, die untereinander ähnlicher sind als zu den Mitgliedern einer anderen Strategischen Gruppe, man spricht von gruppeninterner Homogenität bei gleichzeitiger gruppenexterner Heterogenität. Grundüberlegung ist dabei, dass nicht nur die einzelnen Teilnehmer am Markt in Wettbewerb zueinander treten, sondern auch die Strategischen Gruppen am Markt (Gruppenwettbewerb). Strategische Gruppen weisen Eintritts- und Austrittsbarrieren auf, sie erschweren / verhindern einen Eintritt Außenstehender in eine Strategische Gruppe bzw. erschweren / verhindern den Austritt Zugehöriger aus einer Strategischen Gruppe. Im Ergebnis entstehen daraus vier Handlungsoptionen: • Die Anstrebung einer Dominanzposition innerhalb der bestehenden Strategischen Gruppe. Denn nur die Nr. 1 hat eine starke Marktposition, schon die Nr. 2 ist demgegenüber mehr oder minder austauschbar. • Die Anstrebung eines Wechsels aus einer Strategischen Gruppe in eine als günstiger angesehene andere Strategische Gruppe. Dabei sind allerdings sowohl Marktaustritts- als auch Markteintrittsbarrieren zu überwinden.

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Übungsaufgaben und Lösungshinweise

• Die Gründung einer neuen Strategischen Gruppe ist meist nur durch ein New Game, d. h. die neuartige Konfiguration eines Geschäftsmodells möglich. Dies ist allerdings ein ausgesprochen risikoreiches Unterfangen. • Der kollektive Schutz der eigenen Strategischen Gruppe gegen Verdrängung durch andere Strategische Gruppen (generisch). Dies setzt eine proaktive Abstimmung der Gruppenmitglieder (Kollusion) voraus. 12. Was versteht man unter einer Strategischen Geschäftseinheit? Die Strategische Geschäftseinheit ist die Organisationseinheit einer Unternehmung, die in einem Strategischen Geschäftsfeld bzw. einer Strategischen Gruppe aktiv wird. Es handelt sich immer um eine Produkt-Markt-Kombination, d. h. um die Kombination aus einem bestimmten Leistungsangebot, das einer bestimmten, potenziellen Abnehmerschaft angeboten wird. Die Strategische Geschäftseinheit hat nur Innenwirkung, ihre Einteilung muss nicht mit der Organisationsstruktur übereinstimmen (Sekundärorganisation). Geschäftsstrategien beziehen sich immer auf die Strategische Geschäftseinheit, es gibt also so viele Strategien in der Unternehmung wie Geschäftseinheiten, da Unternehmen für gewöhnlich verschiedene Märkte mit verschiedenen Produkten bearbeiten (Mehrgeschäftsfeld-Unternehmen). 13. Welche Optionen ergeben sich für die Marktfeldstrategie der Unternehmensführung? Das Marktfeld ergibt sich allgemein aus den Kombinationen von Angebotsinhalt und Marktbasis. Sowohl Angebotsinhalt als auch Marktbasis können jeweils als bestehend oder neu gewählt werden: • Die Kombination aus bestehendem Angebotsinhalt und bestehender Marktbasis ergibt die Marktdurchdringung. • Die Kombination aus bestehendem Angebotsinhalt und neuer Marktbasis ergibt die Marktausweitung. • Die Kombination aus neuem Angebotsinhalt und bestehender Marktbasis ergibt die Produktausweitung. • Die Kombination aus neuem Angebotsinhalt und neuer Marktbasis ergibt die Produkt-Markt-Entwicklung (früher Diversifizierung).

20. Übungsaufgaben zur Strategieentwicklung

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14. Was versteht man unter einem Strategischen Spielbrett? Viele Märkte befinden sich in einer „Endspielphase“ (Endgame), d. h., es sind nur noch wenige Anbieter verblieben, die über ein sehr hohes Maß an Professionalität verfügen. Unter solchen Konkurrenzbedingungen noch einen signifikanten Marktvorsprung zu erreichen, wird dann sehr schwierig. Häufig gibt es in solchen Märkten aber eingefahrene Spielregeln, die langjähriger Übung entsprechen und an die sich alle Anbieter mehr oder minder halten oder gebunden fühlen, die jedoch in keiner Weise extern vorgegeben sind. Man spricht dann von einem Old Game. Ein entscheidender Marktvorsprung kann evtl. dadurch erreicht werden, dass ein Anbieter diese Spielregeln bewusst in Frage stellt und für sich ändert. Man spricht dann von einem New Game. Dieses New Game kann auf den gesamten Markt angewendet werden oder nur auf eine Marktnische. Dadurch ist eine vorteilhafte Änderung der Wettbewerbsgrundlagen möglich. Allerdings birgt ein New Game immer auch erhebliche Gefahren, denn ebenso, wie ein Durchbruchserfolg erzielt werden kann, kann auch eine existenzielle Bedrohung daraus entstehen. Ein Beispiel für ein erfolgreiches New Game ist das Apple iPhone, welches das Verständnis von Smartphones revolutionierte. Gleiches gilt für iTunes in Bezug auf Medien-Downloads im Internet oder das iPad in Bezug auf mobile Computer-/Internetnutzung. 15. Welche Optionen bieten sich einer Unternehmung zur Verteidigung ihrer Marktposition? Die Verteidigung von Marktpositionen ist durch mehrere Maßnahmen möglich. So muss die Achillesferse der Geschäftstätigkeit abgesichert werden, da hier die höchste Verletzbarkeit durch Angreifer gegeben ist. Hinzu kommt aber auch eine Flankenpositionsverteidigung, um keine schleichende Schwächung der eigenen Marktposition zuzulassen. Denkbar ist ferner ein Präventivschlag, also ein vorbeugender Angriff („Angriff ist die beste Verteidigung“). Nach einem Angriff kann weiterhin eine Gegenoffensive erfolgen, um sich Angreifern gegenüber als wehrhaft darzustellen. In einigen Fällen ist allerdings ein geordneter Rückzug sinnvoll, wenn eine Position nicht effektiv verteidigt werden kann. Bei einer beweglichen Verteidigung versucht eine Unternehmung, möglichst wenig Angriffsfläche zu bieten und sich damit schwer „treffbar“ (Moving Target) zu werden. In fortgeschrittenem Stadium einer Auseinandersetzung ist zudem eine kontrollierte Neuaufstellung sinnvoll, um wieder an Schlagkraft zu gewinnen. Diese Optionen sind aus der strategischen Kriegsführung (v. Clausewitz) entlehnt, aber wirtschaftlicher Wettbewerb zeigt unstreitig in vielen Aspekten starke Parallelen zur militärischen Auseinandersetzung, so dass die Überlegung legitim scheint, Erkenntnisse aus der Kriegsführung auf das Management zu übertragen.

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Übungsaufgaben und Lösungshinweise

21. Übungsaufgaben zu Erfolgsfaktoren im Management 1. Was versteht man unter Business Process Reengineering (BPR) und wie geht dieses vor? Business Process Reengineering (Hammer / Champy) bezieht sich auf die Prozessgestaltung der geschäftlichen Wertschöpfung, die angesichts ihrer Zukunftsfähigkeit einer radikalen Veränderung unterzogen werden soll. Ausgangspunkt ist die hypothetische Frage, wenn diese Unternehmung heute mit dem jetzigen Wissensstand neu gegründet würde, wie würde sie dann aufgestellt sein? Dies entspricht dem „Tabula Rasa“-Prinzip, d. h., die bestehende Unternehmung wird gedanklich eingerissen und neu so aufgebaut, wie sie dem heutigen Stand der Technik (State of the Art) entspricht. Dann wird die Ausgangssituation möglichst schlagartig in die Wunschsituation überführt, also ohne ermüdende Abstimmungen und Kompromisse. BPR ist als Reaktion auf traditionelle Formen der Umgestaltung im Wege der kontinuierlichen Verbesserung entstanden (Kaizen), weil diese erstens sehr langwierig sind und zweitens versagen, wenn bereits die Ausgangsbasis suboptimal war. Dies führt zwar zu schmerzlichen Einschnitten in Besitzstände, ist aber gerade dann, wenn Unternehmen es versäumt haben, in ihrer Entwicklung stetig auf der Höhe der Zeit zu bleiben, oft die einzige Überlebenschance. Der Restrukturierung liegen drei Prinzipien zugrunde: • Das Prozess-Prinzip geht vom Primat der Ablauf- gegenüber der Aufbauorganisation aus. Dabei werden Kernkompetenzprozesse unterschieden, die langfristige Wettbewerbsvorteile sichern und Supportprozesse, die lediglich administrative Voraussetzungen dafür schaffen. • Das Triage-Prinzip unterscheidet diese Prozesse in solche Schlüsselprozesse, die hoch erfolgsbedeutsam sind, Routineprozesse, die wenig problemhaltig sind und Sonderprozesse, die eine fallweise Ausnahmebehandlung erfordern. • Das Prinzip der informationellen Vernetzung besagt, dass alle Entscheidungseinheiten engmaschig zum Datenaustausch verbunden sein müssen, wie das in ERP-Systemen heute üblich ist. BPR ist eine amerikanische Philosophie und unterliegt damit in auf Konsens gegründeten, z. B. abendländischen oder fernöstlichen Gesellschaften starken Vorbehalten. 2. Was ist und wozu dient Wissensmanagement? Unternehmensbezogenes Wissen bezeichnet die Gesamtheit der Kenntnisse und Fähigkeiten, die Mitarbeitende zur Lösung betrieblicher Probleme einsetzen können. Dies umfasst sowohl theoretische Erkenntnisse als auch praktische

21. Übungsaufgaben zu Erfolgsfaktoren im Management

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Erfahrungen. Wissen basiert auf Daten und Informationen und ist immer personengebunden. Wissensmanagement befasst sich daher mit der zielgerichteten Nutzung dieses Wissens zur Steigerung des Unternehmenswerts. Wissen entsteht im Einzelnen aus Informationen, die wiederum bedeutungsvolle Daten sind, die wiederum durch Verbindung von Zeichen zustande kommen. Durch Anwendungsbezug entsteht aus diesem Wissen Können, kommt das Wollen hinzu, entsteht daraus Handeln, ist dieses erfolgreich, entwickelt sich daraus Kompetenz, ist diese zudem einzigartig, handelt es sich um eine Kernkompetenz. Explizites Wissen liegt bereits in dokumentierter Form vor (Sekundärinformation), implizites Wissen (Tacid Knowledge) ist in den Wissensträgern inkorporiert (Primärinformation) und sollte möglichst dokumentierbar gemacht werden, um es besser nutzen zu können („Wenn Siemens wüsste, was Siemens weiß.“). Die Übertragung von Wissen erfolgt im Einzelnen über Sozialisation, vor allem interpersonelles Lernen am Modell (Vorbildlernen), durch Externalisierung wie in Modellen, Vorträgen, Aufsätzen, durch Internalisierung, d. h. versuchsweise Anwendung neuen Wissens (Trial & Error) und Kombination, z. B. durch Systematisierung vorhandener Wissensfragmente. Neben dem individuellen Wissen gibt es auch ein kollektives Wissen, das sich durch synergetische Ergänzung des individuellen Wissens über verschiedene Personen hinweg ergibt. Auch Organisationen können Wissen erwerben und speichern, dies kann intuitiv oder idealerweise organisiert / geplant erfolgen. Beim Single Loop Learning werden erkannte Probleme mit vorgegebenen Zielen verglichen, um daraus geeignete Aktionen abzuleiten. Beim Double Loop Learning werden diese Ziele zudem kritisch hinterfragt und evtl. in einen neuen Bezugsrahmen gestellt. Beim Deutero-Learning werden bisherige Lernprozesse analysiert und optimiert. Dabei gilt eine Wissenstaxonomie von Wissen, Verstehen, Anwenden, Analysieren, Kombinieren, Evaluieren. Zentrale Aktivitäten im Wissensmanagement betreffen (nach Probst / Raub / Romhardt) die Wissensziele, die Wissensidentifikation (Iststand), den Wissenserwerb, die Wissensentdeckung (Innovation), die Wissensteilung, die Wissensnutzung (Anwendung), die Wissensbewahrung (Dokumentation) und die Wissensbewertung. Aus dem angesammelten Wissen der Mitarbeitenden und der Organisation entsteht ein Wissenskapital, das einen zentralen immateriellen Vermögenswert darstellt. Als von besonderer Bedeutung wird dabei das Wissen über Kunden angesehen.

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Übungsaufgaben und Lösungshinweise

3. Was versteht man unter dem Geschäftsmodell einer Unternehmung? Das Geschäftsmodell weist aus, wie eine Unternehmung durch innovative Kombination der betrieblichen Parameter komparative Konkurrenzvorteile zu realisieren beabsichtigt. Dazu bedarf es der Konzipierung einer Strategie, der Entwicklung des planvollen Ressourceneinsatzes und der Koordination der Unternehmensaktivitäten. Weiterhin ist der güter-, geld- und informationswirtschaftliche Einsatz zu koordinieren, um die Erstellung gewünschter Sach- und Dienstleistungen zu erreichen. Daran schließt sich die Bestimmung des Zugangs zu Markt und Kunden an, indem das Angebot gegenüber Zielgruppen profiliert und zum Mitbewerb abgegrenzt sowie die Erlösrealisierung konkretisiert wird. 4. Welche Erkenntnisse lassen sich aus dem Peters-Waterman-Ansatz („Auf der Suche nach Spitzenleistungen“) ableiten? Peters-Waterman haben aus der empirischen Analyse von ihnen subjektiv als erfolgreich anzusehender Unternehmen im Kontrast zu als nicht erfolgreich anzusehenden acht Leitlinien für erfolgreiches Management abgeleitet. Bei diesen handelt es sich um folgende: • Primat des Handelns, d. h. bei aller Berechtigung von Analyse und Strategie muss der Punkt gefunden werden, an dem die Umsetzung der Planung beginnt. Ansonsten besteht die Gefahr, dass die Ausgangspunkte der Planung bereits wieder überholt sind, bevor mit der Umsetzung begonnen werden kann. • Nähe zum Kunden, d. h., je deutlicher Unternehmen die Bedarfe ihrer Kunden kennen, desto besser können sie diese zufriedenstellen, desto eher entsteht Kundenbindung und daraus wiederum eine Steigerung des Unternehmenswerts über immaterielle Vermögenswerte. • Freiraum für Unternehmertum, d. h., Mitarbeitende sollen in ihrer Initiative und Verantwortung für die Unternehmung gefördert und nicht gebremst werden. Ideal ist ein Verständnis als „Unternehmer im Unternehmen“ (Intrapreneur­ ship). • Produktivität durch Mitarbeitende, d. h., Motivation und Kompetenz der Mitarbeitenden sind die entscheidenden Parameter für den Unternehmenserfolg. Sie überragen als „Produktionsfaktoren“ alle anderen Einsatzgrößen. • Sichtbar gelebtes Wertesystem, d. h., die kulturbestimmenden Elemente der Unternehmung müssen durch das Top Management selbst beispielgebend ausgefüllt werden, ansonsten kann man nicht erwarten, dass die Mitarbeitenden deren Maßgaben ernst nehmen. • Bindung an das angestammte Geschäft, d. h. statt in allen Geschäftsfeldern mitmischen zu wollen, sollte die Unternehmung sich auf ihre Kernkompetenz besinnen und diese ausbauen. Aktivitäten außerhalb kosten nur „Lehrgeld“.

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• Straff-lockere Führung, d. h., die Unternehmensleitung muss einen Kompromiss finden zwischen enger Führung, um dysfunktionale Wirkungen zu vermeiden und lockerer Haltung, um die Eigeninitative der Mitarbeitenden nicht zu gefährden. Diese Maßgabe ist freilich schwer operationalisierbar. • Einfach-flexibler Organisationsaufbau, d. h., die Strukturorganisation soll eine flache Hierarchie aufweisen, um Anweisungs- und Berichtswege zu straffen, die Ablauforganisation soll sich Anforderungsveränderungen anpassen können. 5. Im Management-Jargon ist der Begriff „Wertschöpfung“ weit verbreitet. Wenn man konkret nachhakt, was darunter zu verstehen ist, entsteht jedoch verbreitet eine erhebliche Diffusität. Daher an dieser Stelle die Frage: Was ist Wertschöpfung und wie kann diese gesteigert werden? Unter Wertschöpfung versteht man allgemein die Differenz zwischen dem Markterlös einer Leistung und den Kosten der dazu zugekauften Vorleistungen. Die Wertschöpfung muss damit die Kosten der eigenerstellten Leistungen abdecken und möglichst noch einen (Residual-)Gewinn übriglassen. Eine Wertschöpfungskette (Porter) stellt chronologisch dar, über welche Stufen diese Wertschöpfung in der Unternehmung erzielt wird. Dazu werden alle Aktivitäten in primäre, selbst wertschöpfende sowie sekundäre, selbst nichtwertschöpfende, aber zur Wertschöpfung bei den primären Aktivitäten erforderliche Funktionen eingeteilt. Grundlage dafür ist die Zeitachse. Bei den primären Aktivitäten handelt es sich um die Eingangslogistik (Transport / Lagerung), die Produktion, die Leistungskonfiguration (Vertrieb), die Ausgangslogistik (Transport / Lagerung) und Nachkaufmaßnahmen (Kundendienst / Entsorgung). Bei den sekundären Aktivitäten handelt es sich um die Beschaffungspolitik (Betriebsmittel / Werkstoffe), die Personalpolitik (Mitarbeitende), die Technologieentwicklung (Innovation / IT) sowie die Unternehmensinfrastruktur (Führung). Die Wertschöpfungskette kann unter den Aspekten der Kosten oder der Leistung analysiert werden. 6. Welche Optionen zur Wertschöpfungskettengestaltung bestehen? Die Wertschöpfungskettengestaltung kann in zwei Dimensionen erfolgen: horizontal in Bezug auf den Ausschnitt, den eine Unternehmung innerhalb der Branchenwertschöpfung selbst abdecken möchte, sowie vertikal in Bezug auf die Aufteilung zwischen Eigen- und Zukauferstellung der Leistungen. Hinzu kommt der strukturelle Aufbau der Wertkette in primäre und sekundäre Aktivitäten. Die horizontale Wertkettengestaltung bezieht sich also auf die Positionierung der eigenen Unternehmung innerhalb der gesamtwirtschaftlichen Wertkette. Dabei kann, ausgehend vom Status quo, eine Verlängerung der Wertkette angestrebt werden, indem diese in Richtung der Quelle ausgeweitet wird bzw. in Richtung

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Übungsaufgaben und Lösungshinweise

der Senke, oder eine Verkürzung der Wertkette, wiederum aus Richtung der Quelle oder aus Richtung der Senke. Eine Verlängerung in Richtung der Quelle wird als Upstream-Integration bezeichnet, die Unternehmung gliedert sich Wertschöpfungen von seitherig vorgelagerten Stufen an. Eine Verlängerung in Richtung der Senke wird als Downstream-Integration bezeichnet, die Unternehmung gliedert sich Wertschöpfungen von seitherig nachgelagerten Stufen an. Eine Verkürzung der Wertkette kann aus Richtung der Quelle erfolgen, indem eine Unternehmung seither vorgelagerte Wertschöpfungen (Upstream-Separation) aufgibt, oder in Richtung der Senke, indem sie seither nachgelagerte Wertschöpfungen (Downstream-Separation) aufgibt. Der Anteil der Wertschöpfung einer Unternehmung an der Branchenwertschöpfung wird als (vertikale) Integration bezeichnet, sie ist hoch, wenn eine Unternehmung einen hohen Anteil der Branchenwertschöpfung abdeckt et vice versa. Ein Trend geht eher in Richtung geringer Integration. Die vertikale Wertkettengestaltung bezieht sich auf die Make or Buy-Verteilung der Geschäftsaktivitäten. Nicht alle Aktivitäten unter eigenem Absender müssen von einer Unternehmung auch notwendigerweise selbst durchgeführt werden. Im Gegenteil, es ist vielfach empfehlenswert, eigenerstellte Leistungen durch fremderstellte Leistungen zu ersetzen, weil dadurch die Wertschöpfung erhöht werden kann. Ausgehend vom Status quo können seither eigenerstellte Leistungen an Dritte vergeben werden, man spricht dann von Outsourcing. Oder seither fremderstellte Leistungen werden in die Unternehmung zurückgeholt, man spricht dann von Re-Outsourcing. Der Anteil der eigenerstellten an der vermarktbaren Gesamtleistung wird als Fertigungstiefe bezeichnet, sie ist hoch, wenn viel „Make“ und wenig „Buy“ gegeben ist et vice versa. Ein Trend geht in Richtung sinkender Fertigungstiefe, bis hin zu Virtuellen Unternehmen, die bei den primären Aktivitäten über keine eigene Wertschöpfung mehr verfügen, sondern vielmehr ein Netzwerk von „Zulieferern“ koordinieren. Zunehmend unterliegen auch sekundäre Aktivitäten einem Outsourcing, etwa bei Interims-Management, IT-Services, Auftrags-Forschung und Entwicklung etc. Man spricht dann von Business Process Outsourcing (BPO). 7. Welche Merkmale zeichnen Kernkompetenzen aus? Kernkompetenzen bilden in der langfristigen Entwicklung der Unternehmung den Bodensatz an Erfahrung im Umgang mit kontextuell und situational bewältigten normativen, strategischen und operativen Problemen, auf den bei der Entwicklung von Nutzen-, Verständigungs- und strategischen Erfolgspotenzialen und -positionen zurückgegriffen werden kann. Es handelt sich um Basisressourcen und -fähigkeiten der Unternehmung, die hinter den konkreten Wertschöpfungsaktivitäten liegen und in verschiedenen Wettbewerbssituationen eingesetzt werden können.

21. Übungsaufgaben zu Erfolgsfaktoren im Management

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Es muss sich dabei um geschäftsübergreifend nutzbare Fähigkeiten handeln, die den Zugang zu einem weiten Spektrum unterschiedlicher Märkte und Segmente eröffnen. Es muss sich um Fähigkeiten handeln, die von anderen Unternehmen / Wettbewerbern nur schwer zu imitieren sind und von der eigenen Unternehmung erst über einen längeren Zeitraum aufgebaut werden konnten. Und es muss sich um Fähigkeiten handeln, deren Verfügbarkeit sich auf von Kunden als sehr wichtig wahrgenommene Produkt- und Leistungsmerkmale bezieht. Kernkompetenzen stellen insofern die systematische Bündelung verschiedener Fähigkeiten und Technologien zu einem für den Kunden eindeutig erkennbaren Nutzen dar. Eine Kernkompetenz trägt in den Augen der Kunden wesentlich zur empfundenen Nutzenbeurteilung einer Leistung und damit zur Wertschöpfung bei. Eine Kernkompetenz basiert auf der konsequenten Weiterentwicklung einer Stärke eines Anbieters. 8. Nennen Sie bitte wesentliche Input-Kenngrößen der PIMS-Studie. Wesentliche Input-Kenngrößen innerhalb der PIMS-Studie sind u. a. folgende: • Kurz- und langfristiges Marktwachstum, Inflationsrate, Export-Import-Rate, Konzentrationsgrade auf Anbieter- und Nachfragerseite, Auftragsgröße, Produktpräferenz, gewerblicher Organisationsgrad, absoluter / relativer Marktanteil, relative Produktqualität, relatives Lohnniveau, Investitionsintensität, Wertschöpfung in Relation zum Umsatz, Umsatz pro Mitarbeiter, Kapazitätsauslastung, Marketingaufwand und Relation zum Umsatz, FuE-Aufwendungen in Relation zum Umsatz, Produktinnovationsrate, Betriebs- und Unternehmensgröße, Diversifikationsgrad, Veränderungen in den Variablenklassen Marktanteil, vertikale Integration, relativer Preis, Produktqualität und Kapazität. 9. Stellen Sie bitte die Grundannahmen der Analyse der Wertschöpfungskette (Value Chain Analysis) dar. Die Analyse der Wertschöpfungskette (Value Chain Analysis) geht im Einzelnen von sechs Grundannahmen aus: • Der Gesamtwert einer Marktleistung ist derjenige Betrag, den Kunden dafür zu zahlen bereit sind. Um Gewinn zu erwirtschaften, müssen die zur Leistungserstellung notwendigen Aktivitäten also geringer sein als der wahrgenommene Gesamtwert der Leistung. • Für die Erzielung einer befriedigenden Gewinnspanne ist eine differenzierte Betrachtung und Ausgestaltung der Wertschöpfungsaktivitäten erforderlich. Diese stellen damit nur Module des gesamthaften Wettbewerbsvorteils dar. • Um zu einem Bezugsrahmen zu gelangen, müssen die Teilaktivitäten entlang des Wertschöpfungsprozesses geordnet werden. Pauschale Fassungen reichen

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dazu nicht aus. Die Ordnung erfolgt in primäre Aktivitäten, die in unmittelbarem Zusammenhang mit der Marktversorgung stehen, und unterstützende Aktivitäten, die dazu dienen, die primären Aktivitäten aufrecht zu erhalten. • Ausgangspunkt der Analyse ist nicht die Unternehmung allein, sondern die Einbettung ihrer Wertschöpfungskette in die Branche. Insofern kommt es zu einer Verbindung mit vor- und nachgelagerten Aktivitäten (Wertschöpfungsketten-Verknüpfung). • Das Management muss seine Wertschöpfungskette im Vergleich zu denjenigen der Wettbewerber analysieren und ggf. im Hinblick auf die Branchenverhältnisse neu definieren. Dazu ist eine Auffächerung nach unterschiedlichen wirtschaftlichen Zusammenhängen, Differenzierungspotenzial und hohem / steigendem Kostenanteil notwendig. • Wettbewerbsvorteile lassen sich nur ermitteln, wenn nicht nur einzelne Teilaktivitäten strukturiert und dokumentiert werden, sondern wenn auch die Art und Weise ihrer Erledigung überprüft wird. Das heißt, das „Wie“ ist entscheidend (New Game). 10. S tellen Sie bitte die wesentlichen Kennzeichen virtueller Unternehmen dar. Wesentliche Kennzeichen virtueller Unternehmen sind folgende: • Entmaterialisierung, d. h., die Leistungen bestehen aus Stützleistungen, die dazu eingesetzten Produktionsmittel sind vorwiegend Wissensmanagement, • Delokalisierung, d. h., der Ort der Administration (sekundär) ist vom tatsächlichen Standort der Produktion (primär) unabhängig, • Enttemporalisierung, d. h., die Wertschöpfungsprozesse werden sequenziell durchgeführt, • Kompetenz- und Prozessorientierung, d. h., Kernkompetenzen und eine entsprechende Arbeitsteilung werden betont, • Ressourcenorientierung, d. h., die Bedeutung von Verfügungsrechten (Property Rights wie Gewerblichen Schutzrechten) ist zentral, • Individualisierung, d. h., es gibt einmalige, maßgeschneiderte Leistungserstellungen (Tailormade Productions), • Modularisierung, d. h., es gibt kleine, überschaubare Einheiten mit dezentralen Entscheidungskompetenzen.

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11. Welche Soft Factors spielen im 7-S-Modell von Peters und Waterman eine zentrale Rolle? Peters und Waterman stellen in ihrem 7 S-Modell auf die Hard Factors „Structure“, „Strategy“ und „Systems“ ab sowie auf die vier Soft Factors „Staff“, „­Style“, „Skills“ und „Shared Values“: • Staff: Mitarbeitende werden als Menschen und Mitglieder der Organisation gesehen, sie sind zentraler Erfolgsfaktor und mit Bedacht auszuwählen. • Style: Die Unternehmenskultur berücksichtigt sowohl management-definierte als auch historisch sich entwickelnde Elemente. • Skills: Dies sind charakteristische Fähigkeiten, welche die Unternehmung als Ganzes am besten beherrscht. • Shared Values: Das Unternehmensleitbild vermittelt Werte und Normen und muss von möglichst allen Mitarbeitenden gelebt werden. 12. Häufig ist von Komplexitätskosten die Rede. Was versteht man darunter und wie entstehen diese? Komplexitätskosten sind Größenprogressionen, also Kostenbestandteile, die mit wachsender Unternehmensgröße steigen. Sie laufen dem Kostendegressionseffekt entgegen und bewirken, dass es eine optimale Unternehmensgröße dort gibt, wo das Gesamtkostenminimum aus Komplexitätskostenprogression einerseits und Größeneffektdegression andererseits liegt. Komplexitätskosten haben jedoch Opportunitätskostencharakter, d. h. sie sind nicht aus dem internen Rechnungswesen ableitbar, weil sie nur entstehen, weil eine Unternehmung so groß ist wie sie ist, aber nicht entstehen würden, wäre sie nicht so groß. Dennoch gibt es zahlreiche Indizien, die massiv auf deren Vorhandensein schließen lassen. Sie verschwinden bei Teilkostenrechnung im Block der Fixkosten bzw. bei Vollkostenrechnung in den Zuschlagssätzen der Gemeinkosten und werden daher meist nicht verursachungsgerecht ausgewiesen. Als Verursachungen für Komplexitätskosten können im Wesentlichen vier Bereiche ausgemacht werden: • Marktkomplexitäten entstehen durch die Bearbeitung heterogener Produktund Gebietsmärkte, sie können durch Divisionalisierung der Unternehmensaktivitäten begrenzt werden. • Produktkomplexitäten entstehen durch ausufernde Differenzierung (Programmtiefe), hier schaffen Modularisierung / Plattformbildung / Gleichteile etc. Abhilfe. • Produktionskomplexitäten entstehen durch unübersichtliche Fertigungsverhältnisse (Standorte, Anlagen, Werkzeuge etc.), dabei ist eine Standardisierung der Fertigungsbedingungen (Transplants) erforderlich,

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Übungsaufgaben und Lösungshinweise

• Organisationskomplexitäten entstehen durch tiefe Hierarchien, daher sind flache Organisationsstrukturen (Lean Management) anzustreben. Alle Ansätze erfordern eine enge informationelle Vernetzung. Dennoch steht unzweifelhaft zu vermuten, dass zahlreiche Großunternehmen bereits jenseits ihrer optimalen Unternehmensgröße operieren und dennoch weiter, meist extern, wachsen. Als Vermutung werden dafür vor allem emotionale Gründe im Management genannt (Managerial Ego / P. F. Drucker). 13. Stellen Sie bitte die wesentlichen Unterschiede in den Wertschöpfungsketten des traditionellen Möbelhandels und von IKEA dar. Traditionell erfolgt die Fertigung von Möbeln in großen Sortimenten mit kleinen Losen und insofern hohen Stückkosten. IKEA hingegen führt ein begrenztes Sortiment in großen Losen gefertigter Möbel mit entsprechend niedrigen Stückkosten. Traditionell ist die Montage von Möbeln kostenintensive Handarbeit aufseiten des Anbieters. IKEA überlässt diese Montage den Kunden, insofern entstehen dafür keine Kosten und der Erwerber erlebt einen „Werkstolz“ nach vollbrachter Tat. Traditionell bedingt die Logistik von Möbeln ein großes Raumvolumen (im Wesentlichen Luft) bei Lagerung und Transport. IKEA stellt die Möbel in Elemente flach zerlegt und damit raumökonomisch am Handelsplatz zur Verfügung. Traditionell übernimmt der Anbieter den Transport der Möbel zum Kunden. IKEA lässt die Kunden die Möbel selbst nach Hause transportieren oder bietet dafür Spediteure gegen Extraentgelt an. Traditionell erfolgt die Präsentation von Möbeln auf großen Geschäftsflächen in zentraler Innenstadtlage zu dementsprechend hohen Mietpreisen. IKEA siedelt seine Einrichtungshäuser auf der grünen Wiese in der Nähe von Autobahnkreuzen an, folglich mit geringen Flächenkosten. Traditionell haben Möbel lange Lieferzeiten, da die Umschlaggeschwindigkeit niedrig ist und die Kapitalbindung im Lager gering gehalten werden soll. IKEA bietet eine jederzeitige Verfügbarkeit mit hoher Lagerhaltung, die Kosten bleiben durch hohe Umschlaggeschwindigkeit und Raumökonomie dennoch niedrig. 14. Welche Möglichkeiten zur Prioritätsregelung bei Geschäftsprozessen für Kostensenkung und Effizienzsteigerung können Sie sich realistisch vorstellen? Prioritätsregeln dienen zur Kostensenkung und Effizienzerhöhung bei Geschäftsprozessen. Dafür gibt es eine Reihe von Ansatzpunkten, deren wichtigste folgende sind: • First come, first served: Der Auftrag, der zuerst an einer Arbeitsstation ankommt, erhält die höchste Priorität.

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• Kürzeste Operationszeit: Der Auftrag mit der kürzesten Bearbeitungszeit auf einem Produktionsmittel erhält die höchste Priorität. • Längste Operationszeit: Der Auftrag mit der längsten Bearbeitungszeit auf einem Produktionsmittel erhält die höchste Priorität. • Kürzeste Gesamtbearbeitungszeit: Der Auftrag mit der kürzesten Gesamtbearbeitungszeit auf allen Produktionsmitteln erhält die höchste Priorität. • Längste Gesamtbearbeitungszeit: Der Auftrag mit der längsten Gesamtbearbeitungszeit auf allen Produktionsmitteln erhält die höchste Priorität. • Frühester Fertigstellungstermin: Der Auftrag mit dem frühesten Fertigungstellungstermin erhält die höchste Priorität. • Fertigungsrestzeit: Der Auftrag, der die kürzeste verbleibende Zeitspanne auf den anstehenden Produktionsmitteln aufweist, erhält die höchste Priorität. • Schlupfzeit: Der Auftrag mit der geringsten Differenz zwischen der verbleibenden Zeit bis zum Fertigstellungstermin und dem geplanten Liefertermin erhält die höchste Priorität. • Wertregel: Der Auftrag mit dem höchsten Projektwert (Kapitalbindung) erhält die höchste Priorität. • Zufallsregel: Der nächste Auftrag wird per Zufallszahl aus allen verbleibenden Aufträgen ausgewählt. 15. Was versteht man unter Wirkungsgrad und was unter Durchlaufzeit von Prozessen? Beim Wirkungsgrad als Maßstab der Effektivität werden vier Teilleistungen unterschieden: • die Nutzleistung ist geplant und werterhöhend, ihr Anteil an der gesamten Prozessleistung ist zu maximieren, • die Stützleistung ist geplant, aber nicht werterhöhend, sie ist unvermeidlich, aber zu minimieren, • die Blindleistung ist weder geplant noch werterhöhend, sie ist dringlichst zu vermindern (z. B. Transport und Liegezeiten), • die Fehlleistung ist nicht nur nicht geplant, sondern auch wertvernichtend, sie ist unbedingt zu vermeiden („Null Fehler“). Der Wirkungsgrad repräsentiert den Anteil der Nutzleistung an der Gesamtleistung eines Prozesses. Unter Zeitaspekten können folgende Zeitanteile unterschieden werden, die als Maßstab für die Effizienz dienen: • die Bearbeitungszeit ist das Pendant zur Nutzleistung, ihr Anteil an der gesamten Prozesszeit ist zu maximieren,

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Übungsaufgaben und Lösungshinweise

• die Rüstzeit ist das Pendant zur Stützleistung, ist also wie diese unvermeidlich, aber zu minimieren, • die Transportzeit ist Teil der Blindleistung und daher dringlichst zu vermeiden, • die Liegezeit ist ebenfalls Teil der Blindleistung und ebenfalls zu vermeiden. In der Lean Production ist der Anteil der Bearbeitungszeit an der Gesamtprozesszeit zu maximieren.

22. Übungsaufgaben zum Unternehmenswachstum

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22. Übungsaufgaben zum Unternehmenswachstum 1. Was versteht man unter einem Kartell, welche Ausprägungen haben Kartelle und wie sind sie organisiert? Bei einem Kartell handelt es sich um die Zusammenarbeit rechtlich selbstständig bleibender Unternehmen mit dem Ziel der Beschränkung des Wettbewerbs untereinander. Die wirtschaftliche Eigenständigkeit wird insofern eingeschränkt. Zur Wirksamkeit muss immer ein bedeutender Anteil der Teilnehmer im Relevanten Markt im Kartell repräsentiert sein, da ansonsten Außenseiter das Kartell unterlaufen. Aus Gründen des Misstrauens werden Kartellverträge schriftlich / fernschriftlich dokumentiert und damit zu einer steten Gefahr, dass die illegale Vereinbarung bekannt wird. In diesem Fall drohen drastische Strafen als Ordnungswidrigkeit und nicht minder erhebliche Schadensersatzforderungen der durch das Kartell benachteiligten Marktteilnehmer. Das Kartell tritt nach außen hin nicht in Erscheinung, die Rechtsform ist meist die einer GbR oder einer eigenen Kartell-GmbH, woraus dann ein Kartell höherer Ordnung entsteht. Die Kartellbildung ist grundsätzlich verboten (§ 1 GWB / Gesetz gegen Wettbewerbsbeschränkungen), jedoch bestehen zahlreiche Ausnahmen (z. B. für Landwirtschaft und Druckerzeugnisse). Weiterhin, • wenn die Nachfrager angemessen am Kartellgewinn beteiligt werden, • wenn dadurch der technische Fortschritt forciert oder die Warenerzeugung bzw. -verteilung verbessert wird, • wenn dadurch keine marktbeherrschende Stellung erreicht und zugleich nicht EU-Verordnungen widersprochen wird. 2. Nennen und erläutern Sie bitte immer verbotene Formen von Kartellen. Es gibt verschiedenartige Formen von Kartellen. Immer verboten sind folgende Kartellformen: • Preiskartelle, die mit dem Ziel der Vereinheitlichung des von den Kartellmitgliedern am Markt eingeforderten Listenpreises geschlossen werden, • Quotenkartelle, die in Bezug auf die von den Kartellmitgliedern sich gegenseitig zugestandenen Absatzmengen vereinbart werden, • Submissionskartelle, die mit der Absicht zur Dämpfung der gegenseitigen Preisunterbietung bei öffentlichen Ausschreibungen antreten, • Syndikate, bei denen die Kartellmitglieder darauf verzichten, jeweils eigenständig am Absatz- oder Beschaffungsmarkt zu agieren, sondern ihre Leistungen dem Syndikat gesamthaft andienen bzw. von diesem auf einheitlicher Basis beziehen,

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• Gewinnverteilungskartelle, bei denen die Kartellmitglieder ihre individuellen Gewinne an das Kartell abtreten und von dort ihren Anteil nach einer gemeinschaftlich vereinbarten Schlüsselung zurückerhalten (dadurch wird opportunistisches Verhalten eingedämmt und gleichartiges Verhalten gefördert), dies wird oft in Form einer Interessengemeinschaft (IG) institutionalisiert, • Markenschutzkartelle, die für indirekt-distribuierte und markierte Produkte / Dienste einheitliche Preise auf der Handelsstufe durchsetzen wollen, dies widerspricht darüber hinaus dem Verbot der Preisbindung der Zweiten Hand, • Gebietskartelle, die Kartellmitglieder schließen, um untereinander die Absatzgebiete abzustimmen / abzugrenzen, so dass lokale / regionale Monopole entstehen. 3. Nennen und erläutern Sie bitte erlaubnisfähige Formen von Kartellen. Es gibt Kartellformen, die ausnahmsweise erlaubt sein können. Nach ihrer Intensität abgestuft werden folgende unterschieden: • Normen- und Typenkartelle dienen der Vereinheitlichung von Größen, Farben, Abmessungen, Qualitäten etc. Sie haben jedoch praktisch kaum Bedeutung, obgleich ihre Berechtigung durchaus einleuchtet und ihre wettbewerbsbeschränkende Wirkung überschaubar bleibt. • Kalkulationsverfahrenskartelle dienen der einheitlichen Beschreibung von gewerblichen Leistungen bei Ausschreibungen, um zu einer vergleichbaren Preisaufgliederung zu gelangen. Sie spielen zwar praktisch keine große Rolle, sind jedoch insofern bedenklich, da die erhöhte Markttransparenz auf der Angebotsseite die Möglichkeit zur Verhaltensabstimmung oder zur schnellen Reaktion auf Wettbewerbsvorstöße schafft, so dass dadurch der Anreiz zu Preisunterbietungen entfällt. • Reine Exportkartelle dienen der Stärkung und Sicherung der Position inländischer Unternehmen auf Auslandsmärkten, wobei keine Auswirkungen auf den Inlandsmarkt gegeben sind. Auf den Auslandsmärkten unterliegen sie den Bestimmungen der jeweiligen Staaten, nicht mehr dem GWB. • Konditionenkartelle verpflichten die verbundenen Unternehmen zur Anwendung einheitlicher Allgemeiner Geschäfts-, Lieferungs- und Zahlungsbedingungen, sofern diese nicht den Preis betreffen und berechtigte Belange der Abnehmer dabei außer acht lassen. In vielen Märkten ist der Wettbewerb der Nettopreise (Out of Pocket Price) jedoch der einzig verbliebene. Sofern dieses Instrument gleichgeschaltet wird, kommt es zu einer suboptimalen Faktorallokation. • Rabattkartelle verpflichten die verbundenen Unternehmen zur Gewährung einheitlicher Funktions-, Mengen-, Zeit- und Sonderrabatte, sofern es sich dabei um „echte“ Leistungsentgelte handelt (in Abgrenzung von Nichtleistungs-

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konditionen) und Abnehmer dadurch nicht diskriminiert werden (§ 20 GWB). Rabattkartelle sind bedenklich, da sie geeignet sind, den Nebenleistungswettbewerb zu behindern, dem in weithin preisfriedlichen Märkten hohe Bedeutung zukommt. • Spezialisierungskartelle sollen eine höhere Produktivität wirtschaftlicher Vorgänge durch Arbeitsteilung in Bezug auf die Produktion von Sach- und Dienstleistungen oder die Funktionsausübung herbeiführen. Sie haben vergleichsweise hohe praktische Bedeutung, sind jedoch bedenklich, weil dadurch Programmüberschneidungen am Markt beseitigt und Wettbewerbsbeziehungen zwischen Anbietern verringert werden. • Kooperationskartelle dienen der Leistungssteigerung bei kleinen und mittleren Unternehmen, wobei deren Größe sich fatalerweise am Konzentrationsgrad der Branche orientiert. Sie können sich auf alle betrieblichen Funktionen beziehen, auch auf den Preis, wenn dies zur Leistungssteigerung wesentlich ist. Sie haben große praktische Bedeutung. Durch die Möglichkeit zur zwischenbetrieblichen Zusammenarbeit soll der Leistungsfähigkeit von KMU’s gegenüber Großunternehmen der Branche gesteigert werden. Problematisch ist jedoch, dass unter den Schutzkreis in hoch konzentrierten Branchen auch Unternehmen fallen, die semantisch nicht als klein- und mittelständisch zu bezeichnen sind. • Rationalisierungskartelle dienen der Effizienzsteigerung wirtschaftlicher Vorgänge und müssen der Bedarfsbefriedigung der Abnehmer nützen und in angemessenem Verhältnis zur dadurch verursachten Wettbewerbsbeschränkung stehen. Ihnen kommt praktisch nur sehr geringe Bedeutung zu. • Rationalisierungskartelle höherer Ordnung sind solche mit Preisabsprachen, gemeinsamer Beschaffung oder gemeinsamem Absatz (Vertriebssyndikat). Sie sind möglich, sofern der Zweck auf andere Weise nicht erreichbar ist und ein Interesse der Allgemeinheit an der Rationalisierung besteht, z. B. weil KMU’s gefördert werden, Arbeitsplätze erhalten bleiben, Bedarfe der öffentlichen Hände besser erfüllbar sind. Ihre Rechtfertigung ist fragwürdig. Die behauptete wettbewerbspolitische Unbedenklichkeit ist mit Hinweis darauf zu bestreiten, dass hier Kostenersparnisse durch kollektives Handeln und ex ante-Koordinierung angestrebt werden, die nach marktwirtschaftlichen Prinzipien durch individuelle Unternehmerinitiative und ex post-Koordination am Markt über freie Preisbildung und Wettbewerb besser realisierbar wären. • Exportkartelle mit Inlandswirkung zielen zwar auf Auslandsmärkte ab, bedingen dazu aber Absprachen im Inland und sind möglich, sofern dadurch keine zwischenstaatlichen Abkommen verletzt werden. Zugleich werden dabei jedoch Abwehrreaktionen in anderen Ländern provoziert, die dann einen Protektionismuswettlauf begründen, der dem bewährten Freihandelsgedanken widerspricht.

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Übungsaufgaben und Lösungshinweise

• Strukturkrisenkartelle sollen nachhaltigen, gravierenden Nachfrageänderungen und daraus folgenden Absatzrückgängen entgegenwirken, z. B. durch Kapazitätsabbau, Quoten- und Gebietsabsprachen, Stilllegungsvereinbarungen, Investitionsmoratorien etc. Sie haben geringe praktische Bedeutung, sind aber bedenklich, weil sie notwendige Strukturanpassungen verzögern und die Anpassungsflexibilität im Wettbewerbssystem mindern. • Importkartelle (zur Beschaffung) sind möglich, sofern sich inländische Nachfrager keinem oder nur unwesentlichem Wettbewerb ausländischer Anbieter gegenüber sehen. Sie haben praktisch keine Bedeutung, verhindern jedoch im Zweifel das Wirksamwerden von Importkonkurrenz und laufen auch dem Freihandelsgedanken zuwider. • Sonderkartelle liegen im Ermessen des Bundesministers für Wirtschaft und Energie, sofern ausnahmsweise die Beschränkung des Wettbewerbs aus überwiegenden gesamtwirtschaftlichen Gründen und wegen des Gemeinwohls notwendig ist, z. B. um unmittelbare Gefahr für den Bestand des überwiegenden Teils der Unternehmen eines Wirtschaftszweigs abzuwenden, falls gesetzliche / wirtschaftspolitische Maßnahmen nicht rechtzeitig greifen oder nur die Beschränkung des Wettbewerbs geeignet ist, eine Gefahr abzuwenden. 4. Welche Bestimmungen trifft das Wettbewerbsgesetz in Bezug auf Unternehmensfusionen? Das Entstehen marktbeherrschender Stellungen bei Übernahmen soll durch eine Zusammenschlusskontrolle im GWB (§ 35) verhindert werden. Zusammenschlüsse unterliegen danach einer Kontrolle bzw. Anmelde- und Anzeigepflicht. Sie sind jedoch nicht generell verboten. Ein Vollzug ist aber regelmäßig zu untersagen, wenn zu erwarten ist, dass eine marktbeherrschende Stellung begründet oder verstärkt wird. Die Anzeigepflicht besteht in der unverzüglichen Anzeige eines geplanten Zusammenschlusses. Das Kartellamt kann dann binnen einer vorgegebenen Frist widersprechen und den Vollzug untersagen. Schweigen bedeutet hingegen Zustimmung. Die Anmeldepflicht setzt für den Zusammenschluss die explizite Genehmigung des Kartellamts voraus. Solange diese nicht erteilt ist, ist ein Zusammenschluss nicht möglich. Wird die Genehmigung nicht erteilt, kann der Bundesminister für Wirtschaft und Energie als Ausnahme eine Erlaubnis aus übergeordneten gesamtwirtschaftlichen Interessen erteilen. Eine Entflechtung von verbundenen Unternehmen durch Rückgängigmachung bereits erfolgter Fusionen ist hingegen nach GWB nicht möglich. Dadurch soll marktwirtschaftskonform verhindert werden, dass der Staat das Wirtschaftsgeschehen diskretionär verzerrt. Es bestehen jedoch Bereichsausnahmen, z. B. für Kleinunternehmen (Bagatellklausel).

22. Übungsaufgaben zum Unternehmenswachstum

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Die Fusionskontrolle bezieht sich auf Unternehmenszusammenschlüsse, die bestimmte Eingreifkriterien überschreiten (mind. 500 Mio. € Umsatz weltweit bzw. mind. 25 Mio € deutschlandweit). Es besteht ein Vollzugsverbot nicht freigegebener Zusammenschlüsse. Ein Zusammenschluss, von dem zu erwarten ist, dass er in Deutschland eine marktbeherrschende Stellung begründet oder verstärkt, ist stets zu untersagen, es sei denn, die beteiligten Unternehmen weisen nach, dass durch ihn auch Verbesserungen der Wettbewerbsbedingungen eintreten und diese die Nachteile der Marktbeherrschung überwiegen (§ 36 GWB). Als Zusammenschluss gelten im Einzelnen • die Verschmelzung von Unternehmen, • die mittelbare oder unmittelbare Kontrolle von Unternehmen, • die Vermögensübertragung auf eine andere Unternehmung, • der Erwerb von Anteilen an einer anderen Unternehmung, • die Gründung eines Gemeinschaftsunternehmens, • der Abschluss von Unternehmensverträgen, • die personelle Verbindung von Unternehmen, • die Begründung eines beherrschenden Einflusses auf eine andere Unternehmung (§ 37 GWB). Auf EU-Ebene findet eine europäische Zusammenschlusskontrolle statt (bei über 25 % Marktanteil einer Unternehmung). 5. Was versteht man unter einer Verschmelzung (Fusion / Merger / Trust)? Die Verschmelzung bedeutet den Zusammenschluss von zwei oder mehr Unternehmen in einer Weise, dass eine gemeinsame rechtliche Einheit entsteht. Die übertragende Gesellschaft verliert dabei neben ihrer wirtschaftlichen auch ihre rechtliche Selbstständigkeit. Bei Kapitalgesellschaften ist dies im Wege der Gesamtrechtsnachfolge möglich, ansonsten nur durch vorherige Liquidation der aufzunehmenden Unternehmung. Durch die Verschmelzung entsteht demnach eine gemeinsame, rechtliche Einheit. Die Minderheitsanteilseigner der übertragenden Gesellschaft sind dabei angemessen abzufinden. Was als angemessen zu betrachten ist, bestimmen im Zweifel die Gerichte. Die Haftung für Verbindlichkeiten geht auf den Gesamtrechtsnachfolger über. Eine Verschmelzung kann durch Aufnahme oder durch Neugründung erfolgen: • Bei einer Verschmelzung durch Aufnahme geht die übernommene Unternehmung vollständig in die übernehmende auf, d. h. das gesamte Vermögen der Gesellschaft wird als Ganzes auf eine andere, bereits bestehende übertragen.

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Übungsaufgaben und Lösungshinweise

• Bei der Verschmelzung durch Neugründung wird eine neue bisher nicht existierende Unternehmung neu gegründet, auf welche die Vermögen jeder der sich vereinigenden Gesellschaften als Ganzes übergehen. Die alten Gesellschaften hören damit meist auf zu existieren. 6. In welchen Stufen erfolgt üblicherweise eine freundliche Übernahme? Recherchieren Sie hierzu geeignete Informationen. Die Stufen einer freundlichen Übernahme sind im Allgemeinen die Folgenden: • Auswahl der Zielunternehmung aus einer Shortlist von Kandidaten, • Ansprache der Unternehmensführung, evtl. über die M&A-Abteilung einer Investmentbank, • Abschluss einer Vertraulichkeitserklärung (Non Disclosure Agreement) hinsichtlich der Verhandlungsinhalte, • Abschluss einer Absichtserklärung (Letter of Intend) in Bezug auf eine beabsichtigte Übernahme, • detaillierte Bucheinsicht zur Verifizierung der tatsächlichen Vermögens- und Liquiditätslage (Due Diligence), • Strukturierung der Transaktion zum detaillierten Übergang von Rechten und Pflichten, • Unternehmensbewertung / Preisfindung nach kumulierten Bilanzwerten, Börsenkurs oder Marktwert des Eigenkapitals, • Vertragsabschluss mit finalisierten Vereinbarungen, • ggf. Anmeldung / Genehmigung bei der Wettbewerbsbehörde, • Eigentumsübergang und Abschluss des Verfahrens. 7. Kann eine Unternehmung sich gegen eine feindliche Übernahme wehren und ggf. wie? Eine feindliche Übernahme (Unfriendly / Hostile Takeover) erfolgt gegen den Willen der übernommenen Unternehmung. Praktisch sind hier der offene oder kursschonend verdeckte Aufkauf von Anteilen bzw. ein ausdrückliches Übernahmeangebot üblich. Im Grundsatz kann sich die übernommene Unternehmung in einem kapitalistischen System nicht gegen eine Übernahme wehren. Allerdings kann sie hinhaltenden Widerstand leisten oder die Durchführung einer Übernahme unattraktiv machen. Dazu gibt es vielfältige Mittel: • Vereinbarung über die Sperrminorität eines verlässlichen Partners, damit können dann zumindest wichtige Beschlüsse, auf die der Übernehmer abzielt, blockiert werden,

22. Übungsaufgaben zum Unternehmenswachstum

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• Erwerb eigener Anteile, dies ist bei AG’s bis zu 10 % der Anteile möglich, evtl. macht dies sogar zu überhöhten Preisen (Greenmail) Sinn, • Eingehen einer wechselseitigen Beteiligung (Überkreuz mit mindestens 25 % der Anteile), so dass das „Durchregieren“ des Übernehmers erschwert wird, • Andienung von Anteilen an einen selbstgesuchten, freundlichen Übernehmer (White Knight), wenn die Unabhängigkeit anders nicht zu retten ist, • Einführung von Stimmrechtsbeschränkungen oder Mehrstimmenanteilen (Poison Pill), die Mehrheiten gegen die übernommene Unternehmung verhindern, • Sonderrechte für Minderheitsaktionäre, die dem Übernehmer (Raider) das freie Agieren in der übernommenen Unternehmung erschweren, • Vollzug einer Kapitalerhöhung ohne Bezugsrecht, bei AG’s evtl. mit stimmrechtslosen Vorzugsaktien, so dass eine Anteilsmajorisierung erschwert wird, • Materialisierung von Wertsteigerungspotenzialen, auch durch eigene Übernahmen, so dass eine Übernahme unverhältnismäßig teuer wird, • Einführung eines Aktienbuchs mit vinkulierten Namensaktien, hier ist der Übergang zustimmungsbedürftig und die Anteile sind Namens- statt Inhaberpapiere, • gestaffelte Vertragslaufzeiten des Führungspersonals (Staggered Board), so dass die Führung vom Übernehmer nicht sofort oder nur gegen hohe Abfindungen übernommen werden kann (Golden Parachute), • Einleitung einer aggressiven Öffentlichkeitsarbeit gegen die Übernahme (Mobilisierung von Meinungsbildnern, Politik etc.), • gerichtliche Anfechtung der Übernahme zumindest als Verzögerungs- und Verteuerungsaktion (ggf. mit nächster Instanz), • Einleitung eines Gegenangriffs (PacMan) mit dem Ziel zumindest einer Mediation, • proaktive Behinderung einer absehbaren Umstrukturierung (Asset Lockup), etwa durch Arbeitsplatz-/Standortgarantien etc., • Veräußerung von für Übernehmer besonders attraktiven Unternehmensteilen mit stillen Reserven (Crown Jewels), so dass das Wertsteigerungspotenzial für den Übernehmer begrenzt bleibt, • Vereinbarung der Fälligkeit von Krediten bei Eigentümerwechsel (Change of Control) durch entsprechende Verpflichtungen gegenüber Kapitalgebern (Financial Covenants).

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Übungsaufgaben und Lösungshinweise

8. Was versteht man unter einem Konzern und welche Ausprägungen von Konzernen sind vorzufinden? Bei Konzernen handelt es sich um zwei oder mehrere abhängige Unternehmen unter einheitlicher Leitung. Ein Unterordnungskonzern liegt vor bzw. wird vermutet, wenn eine Konstruktion aus einer herrschenden Unternehmung, der Konzernobergesellschaft, und mindestens einer abhängigen Unternehmung, der Konzerntochter, vorliegt. Zwischen beiden wird als Basis entweder ein Unternehmensvertrag geschlossen, daraus entsteht dann ein Vertragskonzern (Trust), oder es liegt eine beherrschende Beteiligung vor, daraus entsteht ein faktischer Konzern. Diese Vermutung ist widerlegbar, wenn ein beherrschender Einfluss nicht zur einheitlichen Leitung genutzt wird. Bei Vertragskonzernen kann es sich um mehrere Formen handeln: • Ein Beherrschungsvertrag besagt, dass eine Unternehmung (Kapitalgesellschaft) einer anderen unterstellt ist (Weisungsrecht). Es entsteht unwiderlegbar ein Unterordnungskonzern, die wirtschaftliche Selbstständigkeit der unterstellten Unternehmung geht damit verloren (§ 291 AktG). • Ein Gewinnabführungsvertrag besagt, dass eine Unternehmung verpflichtet ist, einer anderen ihren gesamten Gewinn abzuführen bzw. der gesamte Verlust durch eine andere Unternehmung getragen wird (bei Teilgewinnabführung gilt Analoges) (§ 291 AktG). • Eine Gewinngemeinschaft besagt, dass Unternehmen ihre Gewinne zur Aufteilung nach einem vertraglich vereinbarten Schlüssel, meist verbunden mit einer (Mindest-)Dividende, an eine GbR oder einen e. V. abtreten, begleitet von der Rückverteilung der Gewinne an die Beteiligten (als Teilgewinngemeinschaft gilt Analoges) (§ 292 AktG). • Ein Betriebspacht- bzw. -überlassungsvertrag besagt, dass eine Unternehmung einer anderen den Betrieb zur Nutzung oder in anderer Weise zur Verfügung stellt. Daraus folgt häufig eine Doppelgesellschaft aus zwei rechtlich selbstständigen, nebeneinander existenten Gesellschaften, die auch erst durch Aufspaltung einer Unternehmung entstehen können, die Besitz- und die Betriebsgesellschaft, die durch einen Pacht- oder Überlassungsvertrag miteinander verbunden sind. Erstere ist in der Praxis meist eine Personen-, letztere eine Kapitalgesellschaft, wobei die Gesellschafter der Personen- mit den Anteilseignern der Kapitalgesellschaft personenidentisch sind. Dies bietet auch steuerliche Vorteile durch Gestaltung des Gewinnanfalls. Alternativ ist eine Aufteilung in eine Produktions- und eine Vertriebsgesellschaft anzutreffen. Hierbei sind dann interne, bewertungsadäquate Verrechnungspreise festzulegen, die ebenfalls, gerade bei grenzüberschreitenden Geschäften, steuerliche Vorteile bieten können. • Ein Eingliederungsvertrag stellt die engste Form des Zusammenschlusses rechtlich selbstständig bleibender Unternehmen dar. Voraussetzung ist die Ge-

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sellschaftsform der AG sowie als Einstieg eine Kapitalbeteiligung von mehr als 95 % (ggf. auch > 90 %) (§ 319 AktG). Dann können die bisherigen Minderheitsgesellschafter zwangsweise gegen eine angemessene Abfindung aus der einzugliedernden Gesellschaft ausgeschlossen werden (Squeeze out), ihre Aktien gehen dann an die Alleinaktionärin über (100 % der Anteile). Gleiches gilt auch für die Verbindlichkeiten der einzugliedernden Gesellschaft. Die Abfindung erfolgt in bar oder in eigenen Aktien. Was dabei als angemessen anzusehen ist, bestimmt im Zweifel ein Gericht. Die Hauptgesellschaft erhält jedenfalls das uneingeschränkte Weisungsrecht, dieses ist umfangreicher als in einem Vertragskonzern. Zugleich können Gewinnverwendung und Publizität ggf. flexibler gehandhabt werden. Ein praktisch seltener Gleichordnungskonzern liegt vor, wenn zwei oder mehr Unternehmen gleichberechtigt sind, aber eine einheitliche Leitung vorliegt, ohne dass ein herrschender Einfluss ausgeübt werden kann. Im Regelfall besteht eine gemeinsame Führung durch eine natürliche Person. Unternehmen können aber auch wechselseitig als Überkreuzverflechtung beteiligt sein. Beide Unternehmen sind dann jeweils sowohl herrschend als auch abhängig. Die Konzernbildung kann durch eine Holding als Dachgesellschaft oder nach dem Verschachtelungsprinzip erfolgen. Eine Holdingkonstruktion entsteht, wenn es zusätzlich zu den operativen Betreibergesellschaften ein leitendes Dachunternehmen gibt. Die Holding kann wiederum eine operative Holding sein, d. h., selbst unternehmerisch aktiv agieren, oder eine Finanzholding, die ein Portfolio auf Basis finanzieller Kenngrößen, z. B. durch Ampelsteuerungsprinzip (Dashboard), lenkt und die operativen Aktivitäten abgibt oder aber eine Management-Holding, welche die dispositiven Aufgaben der angeschlossenen, exekutiven Unternehmen bündelt. Der Konzern ist selbst nicht rechtsfähig, erfordert aber im Zuge der Einheitstheorie eine eigene Rechnungslegung, die ihren Ausdruck in einer konsolidierten Bilanz findet, bei der die konzerninternen Transaktionen gegeneinander aufgerechnet / saldiert werden. Als Fiktion wird davon ausgegangen, dass nur solche Transaktionen und Ergebnisse im externen Rechnungswesen abgebildet werden dürfen, die zwischen dem Konzern und externen Dritten anfallen, nicht hingegen solche, die konzernintern verbleiben. Für Minderheitsaktionäre gibt es Schutzrechte bzw. Anspruch auf Ausgleichszahlungen. Im Abhängigkeitsbericht werden die Beziehungen zwischen Obergesellschaft und verbundenen Gesellschaften zudem offengelegt.

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Übungsaufgaben und Lösungshinweise

9. Welche Formen des internen Unternehmenswachstums können unterschieden werden? Recherchieren Sie dazu bitte geeignete Informationen. Internes Unternehmenswachstum ist im Wesentlichen auf drei Wegen zu erreichen: • Organisches Wachstum entsteht durch die Reinvestition erwirtschafteter Überschüsse in den laufenden Geschäftsbetrieb (Gewinnthesaurierung). Dabei bestehen die geringsten Gefahren etwaiger Verwerfungen, die externes Wachstum hingegen häufig betreffen. Dafür ist diese Form des Wachstums in seiner Fortschrittsgeschwindigkeit dem externen Wachstum unterlegen. Da Zeit einen zunehmend wichtigen Wettbewerbsfaktor darstellt, ist dies als gravierender Nachteil anzusehen. Häufig wird der Weg der Ausschüttung der Gewinne an die Gesellschafter und die gleichzeitige Einsammlung dieser Beträge zur Reinvestition eingeschlagen („Schütt’ aus und hol’ zurück“), da einbehaltene Gewinne mit einem höheren Steuersatz bewehrt sind als ausgeschüttete. Insofern wird organisches Wachstum auch steuerpolitisch benachteiligt. • Bei einer unabhängigen Neugründung entschließt sich eine Unternehmung, eine zusätzliche organisatorische Einheit allein auf die Beine zu stellen. Dies kann im Rahmen der bereits bearbeiteten Geschäftsfelder durch Marktdurchdringung, Markterweiterung und Produktentwicklung erfolgen oder auch in einem neuen Geschäftsfeld. Vorteile dieses Ansatzes liegen in der Autonomie der Aktivitäten, vor allem der Steuerungs- und Kontrollmöglichkeiten, sowie der Wahrung von Betriebs- und Geschäftsgeheimnissen. Für die Neugründung sind konstitutive betriebswirtschaftliche Entscheidungen zu fällen wie die Wahl der Rechtsform, des Standorts, der Finanzierung etc. Zugleich ist damit ein relevantes Risiko des Scheiterns verbunden, so dass solche „Greenfield Investments“ gut bedacht sein wollen. • Bei einer Gemeinschaftsgründung (Joint Venture / J V) gründen zwei oder mehr Partnerunternehmen eine gemeinsam geführte neue Unternehmung, in die von ihnen Kapital, Know-how und ggf. auch bereits existierende Vermögensteile eingebracht werden. Die gründenden Unternehmen bleiben unverändert rechtlich selbstständig, sie leiten das JV im Zweifel gemeinschaftlich. Die Partner sind vertraglich gebunden, kapitalmäßig an diesem Drittunternehmen beteiligt und tragen anteiliges unternehmerisches Risiko. Joint Ventures können branchenbezogen horizontal, also stufengleich, vertikal, also stufenverschieden, oder diagonal, also artverschieden, erfolgen sowie substitutiv oder komplementär zur Basis ausgelegt sein. Das Joint Venture kann eine Imparität der Beteiligungsverhältnisse (Partneranteile 1 – 49 % bzw. 51 – 99 %) oder eine Parität (Partneranteile 50 : 50) vorsehen. Oftmals fordern im internationalen Geschäft Gastländer Zwangsbeteiligungen zur Sicherung ihrer Einflusssphäre. Das unvermeidliche Problem einer Patt-Situation kann dadurch umgangen werden, dass für jeden Partner Spezialbereiche festgelegt werden, in denen er bei Stimmengleichheit den Ausschlag gibt.

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10. W  as versteht man unter Diversifikation? Diversifikation beschreibt eine Unternehmensstrategie der Chancenmehrung bzw. Risikominderung durch Synergieeffekte bzw. Ausgleichseffekte. Dabei lassen sich mehrere Abstufungen unterscheiden: • Eine Diversifikation auf gleicher Marktstufe und in verwandter Branche erfolgt horizontal, und zwar materialtreu, wissenstreu oder problemtreu. • Eine Diversifikation auf anderer Marktstufe und in verwandter Branche erfolgt vertikal, und zwar in der Wertkette eingangsorientiert (upstream) oder ausgangsorientiert (downstream). • Eine Diversifikation auf gleicher Marktstufe und in ähnlicher Branche erfolgt medial, so dass ein Bezug zum Ausgangsmarkt/-produkt erkennbar ist. • Eine Diversifikation auf gleicher Marktstufe und in anderer Branche erfolgt diagonal, wobei zumindest noch ein Bezug zum Ausgangsmarkt/-produkt erkennbar ist. • Eine Diversifikation auf anderer Marktstufe und in ähnlicher Branche erfolgt lateral, so dass nur noch ein schwacher Bezug zum Ausgangsmarkt/-produkt gegeben ist. • Eine Diversifikation auf anderer Marktstufe und in anderer Branche erfolgt konglomeral, so dass ein Bezug zum Ausgangsmarkt/-produkt nicht mehr gegeben ist. Die Übergänge zwischen diesen Formen sind fließend. Die Idee der Diversifikation geht auf Ansoff zurück. Er beschäftigte sich in den 1960er Jahren damit, wie einzelne Unternehmen mit dem damals hohen generischen Marktwachstum Schritt halten können. Er identifizierte als Parameter bestehende oder neue Märkte und bestehende oder neue Produkte. Seine Empfehlung, wie eine etwaige Lücke zwischen der tatsächlichen Umsatzentwicklung und der Gesamtmarktentwicklung geschlossen werden kann, ging nach zunehmendem Risiko vor. Daher war zunächst die Marktdurchdringung angezeigt, also das intensivere Angebot bestehender Produkte auf bestehenden Märkten. Falls dies nicht ausreicht, ist die nächstrisikoreichere Form als Marktentwicklung einzuschlagen. Dies bedeutet das Angebot bestehender Produkte auf neuen Märkten. Falls dies auch nicht ausreicht, die Lücke zu schließen, ist Produktentwicklung erforderlich, also das Angebot neuer Produkte auf bestehenden Märkten. Wenn auch dies nicht ausreicht, ist die risikoreichste Form unvermeidlich, die Diversifikation, d. h. das Angebot neuer Produkte auf neuen Märkten. Daher war Diversifikation für viele Unternehmen die ultimative Wachstumsform. Allerdings haben sich die Diversifikationsbestrebungen vieler Unternehmen angesichts weithin stagnierender Märkte nunmehr als nicht mehr zweckmäßig erwiesen. Sie führten kontraproduktiv zu einer Sammlung von Risiken und einer Ausdünnung von Chancen. Folglich werden diversifizierte Unternehmen an den

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Übungsaufgaben und Lösungshinweise

Kapitalmärkten heute mit einem Kursabschlag (Diversifikations-Malus) gehandelt. Dies nutzen institutionelle Investoren (Fonds), um solche Unternehmen zu übernehmen und aufgespaltet weiter zu verkaufen (Asset Stripping) oder Druck auf die Geschäftsführung auszuüben, Sparten zu verselbstständigen, um vom daraus resultierenden Mehrwert zu profitieren. Letztlich zeigt sich, dass ein mittlerer Grad an Diversifikation („2. Bein“) durchaus der Unternehmensexistenz zuträglich ist. Daher erfolgt zunehmend eine Rekonzentration der Aktivitäten auf die Kernkompetenzen, also eine Ent-Diversifizierung, möglichst unter Vermeidung einer komplett konzentrischen Aufstellung. 11. W  elche Formen des externen Unternehmenswachstums können unterschieden werden? Externes Wachstum erfolgt durch Formen der Unternehmensverbindungen. Dabei erhöht sich das Ausmaß an Ressourcen, über die einzelwirtschaftlich disponiert werden kann. Nach der Richtung der Verbindung sind horizontale, also stufen- und sektor­ gleiche Auslegungen, vertikale, also sektorgleiche, aber stufenverschiedene Auslegungen, oder laterale, also stufen- und sektorverschiedene Auslegungen, möglich. Die Verbindung kann sich auf die primären, wertschöpfenden Aktivitäten beziehen oder auf sekundäre, unterstützende Aktivitäten (Overheads). Jede Unternehmensverbindung bedeutet auch das partielle oder totale Eingehen einer Abhängigkeit. Dies ist der Beitrag, den die beteiligten Unternehmen leisten müssen, um in den Genuss des Anreizes wirtschaftlicher Vorteile zu gelangen. Die Verbindung kann dabei aktiv oder passiv ausgelegt werden. Es sind folgende Grundformen zu unterscheiden: • Unter Kollusion versteht man die Koordination des Einsatzes von ökonomischen Aktionsparametern zwischen rechtlich selbstständigen Unternehmen. Möglich ist dies als bewusstes Parallelverhalten (ex post-Koordination), als abgestimmte Verhaltensweise (ex ante-Koordination), beides informell, oder als Kartell, dann formalisiert. Dabei bleibt die eigenständige, vertraglich kodifizierte Struktur der Beteiligten erhalten, ihre wirtschaftlichen Entscheidungen unterliegen jedoch selbstgesetzten Restriktionen von außen. Alle drei Formen sind wettbewerbspolitisch problematisch. • Unter Kooperation versteht man eine schuld- oder gesellschaftsrechtliche Verbindung von zwei oder mehr, rechtlich selbstständig bleibenden Unternehmen, indem diese ihre wirtschaftliche Selbstständigkeit einschränken und in Bezug auf den Kooperationszweck aufgeben. Denkbar sind temporäre Auslegungen (Gelegenheitsgesellschaften) als Werkgemeinschaft, Partizipation, Arbeitsgemeinschaft oder Konsortium sowie dauerhafte Auslegungen als (Strategische) Allianzen oder (Strategische) Netzwerke. Eine Eigentumsverflechtung findet

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dabei nicht statt. Der Übergang zu marktwirksamen Absprachen ist durchaus fließend. • Unter Konzentration (Acquisition) versteht man ein externes Unternehmenswachstum, bei dem die rechtliche Selbstständigkeit der Beteiligten erhalten bleibt und deren wirtschaftliche Selbstständigkeit eingeschränkt wird, wobei die Beteiligten jedoch untereinander mehr oder minder stark kapitalmäßig verflochten sind. Die Einflussnahme wird damit institutionalisiert. Denkbare Formen sind Mehrheits-, Paritäts- und Minderheitsbeteiligungen. Besteht dabei eine einheitliche Leitung der beteiligten Unternehmen, ist ein Vertragskonzern gegeben. Sofern Marktbeherrschung vorliegt, greift eine Missbrauchskontrolle im Gesetz gegen Wettbewerbsbeschränkungen (GWB). • Unter Fusion (Merger) versteht man die Eingliederung oder Verschmelzung von Unternehmen. Bei der Eingliederung bleibt die rechtliche Selbstständigkeit der übernommenen Unternehmung erhalten, ihre wirtschaftliche Selbstständigkeit geht jedoch verloren. Bei der Verschmelzung gehen sowohl die rechtliche als auch die wirtschaftliche Selbstständigkeit der übernommenen Unternehmung verloren. Dies kann durch vollständige Aufnahme einer Unternehmung durch die andere oder durch Neugründung einer dritten gemeinsamen Unternehmung erfolgen. Sofern dabei Marktanteilsgrenzen überschritten werden, greift die Fusionskontrolle im GWB. 12. Was versteht man unter einer Unternehmenskooperation, wie ist sie ausgestaltet und wie ist sie ökonomisch einzuschätzen? Unter Unternehmenskooperation versteht man die aktive, vertragliche Verbindung von zwei oder mehr Unternehmen bei Erhalt ihrer rechtlichen Selbstständigkeit, aber unter Aufgabe ihrer wirtschaftlichen Selbstständigkeit in Bezug auf den Kooperationszweck und damit insgesamt deren Einschränkung. Ziele der Kooperation können primär intern oder extern sein. Intern bedeutet, die Kooperation ist auf eine Verbesserung der Leistungspotenziale der Beteiligten gerichtet, extern bedeutet, sie ist auf eine Verbesserung der Marktstellung gerichtet. De facto gehen beide Ziele häufig miteinander einher. Kooperationen dienen allgemein der produktiveren Arbeitsteilung zwischen den beteiligten Unternehmen sowie der Überwindung von Kapazitäts- und / oder Kompetenzrestriktionen. Wesentliche Funktionsbasis sind dabei Vertrauen (passiv) und Reputation (aktiv). Kooperationen haben wegen ihrer Außenwirkung häufig auch wettbewerbsrechtliche Konsequenzen. Sie sind im Allgemeinen unbedenklich, wenn an ihnen nur kleine und mittelgroße Unternehmen (KMU’s) beteiligt sind, sie zur Verbesserung der Leistungsfähigkeit der Beteiligten beitragen und, sofern große Unternehmen beteiligt sind, dies im Interesse der KMU’s liegt sowie der Wettbewerb im Relevanten Markt nicht beeinträchtigt wird. Dies ermöglicht z. B. die Festlegung von Mittelstandsempfehlungen zwischen Unternehmen oder Wettbe-

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werbsregeln in der Branche. Die Begünstigung von KMU’s bei Kooperationen beruht auf dem Gedanken der gegengewichtigen Marktmacht (Countervailing Power / Galbraith), die jedoch im Ergebnis nur zu einer weiteren Vermachtung der Märkte führen dürfte, die dem Grunde nach im GWB irreversibel ist. 13. Wodurch ist eine Werkgemeinschaft im Wesentlichen charakterisiert? Werkgemeinschaften sind einfache Kooperationen, also ohne eigene Rechtsform und nur mit Innenwirkung. Sie lassen sich nach verschiedenen Kriterien einteilen: • nach der betroffenen betrieblichen Funktion in Kooperationen zur Beschaffung, Produktion, Vermarktung, Logistik, IT etc., • nach ihrer Art homogen, also in der gleichen Funktion und Branche, heterogen, also in anderer Funktion, aber der gleichen Branche, oder lateral, also in anderer Funktion und anderer Branche, • nach ihrer Richtung horizontal, also nur die gleiche Wirtschaftsstufe betreffend, oder vertikal, also auch eine vor- oder nachgelagerter Wirtschaftsstufe einschließend, • nach ihrer Raumerstreckung in lokal, regional, national oder international, • nach ihrer Leistung traditionell in der Realwirtschaft oder virtuell, also als Netzwerk, aufgestellt. 14. Wodurch ist eine Partizipation im Wesentlichen charakterisiert? Eine Partizipation (Kooperation höherer Ordnung) basiert auf einem gesellschaftsrechtlichen Vertrag, meist in Form einer GbR. Es handelt sich daher um eine Kooperation höherer Ordnung. Sie wird geschlossen, wenn eine einzelne Unternehmung eine erforderliche Aufgabenstellung (das Partizipationsgeschäft) allein nicht erbringen kann, etwa wegen fehlenden Programms, oder nicht erbringen will, etwa wegen unkalkulierbaren Risikos. Die Verbindung bzw. deren Mitglieder werden nach außen hin nicht sichtbar. Jeder Partizipient tritt in eigenem Namen, jedoch auf gemeinschaftliche Rechnung auf. Die Partizipienten rechnen also gemeinsam mit dem Auftraggeber ab, die Erlöse fließen zu vorher festgelegten Anteilen an die einzelnen Partizipienten. Danach löst sich die Kooperation planmäßig wieder auf. 15. W  odurch ist eine Arbeitsgemeinschaft im Wesentlichen charakterisiert? Die Arbeitsgemeinschaft (Arge) schließt in eigenem Namen und auf eigene Rechnung Geschäfte ab. Jedoch tritt sie nach außen hin als Gelegenheitsgesellschaft auf. Rechtsbeziehungen bestehen daher nur zwischen der Arbeitsgemein-

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schaft und dem Auftraggeber einerseits sowie zwischen der Arbeitsgemeinschaft und den daran beteiligten Unternehmen andererseits. Dabei ist jedoch keine eigene Handelsgesellschaft gegeben, sondern vielmehr ein schuldrechtlich verpflichtender Vertrag. Die ansonsten selbstständig bleibenden Arge-Partner arbeiten informell und projektbezogen zusammen. Die Mitglieder sind untereinander gleichberechtigt, sie streben ein gemeinsames Ziel durch koordiniertes Zusammenwirken (Fachwissen, Erfahrung etc.) an. Zu lösen sind dabei vor allem Fragen der Geschäftsführung der Arge, der Haftung der einzelnen Mitglieder für das gemeinschaftliche Projekt und der wechselseitigen Verrechnung von bereitgestellten Ressourcen. Vermögensteile, welche die einzelnen Mitglieder der Arge zur Verfügung stellen, stehen im jeweiligen Miteigentum aller Partner. Daraus kann ein Problem im Insolvenzfall eines Partners entstehen. Alle Arge-Partner haften dann im Außenverhältnis persönlich und unbeschränkt. Ein Gläubiger kann somit von jedem einzelnen Arge-Partner seine volle Forderung befriedigen lassen. Der in Anspruch genommene Partner muss sich dann im Innenverhältnis bei seinen anderen Partnern quotenmäßig satisfizieren. Juristische Personen haften maximal mit ihrem Geschäftsvermögen. Die Arge kann keine Rechte erwerben, keine Verbindlichkeiten eingehen und auch nicht verklagt werden. Sie erfordert nur eine Einnahme-Überschuss-Rechnung. Gewinne und Verluste werden anteilig (nach Vertrag) verteilt, sie werden von jedem Partner mit seinen sonstigen Einkünften verrechnet und versteuert. Arge’s sind umsatzsteuerpflichtig. Eine Arge endet mit Erreichen ihres Vertragszwecks. Sie dient der Aufgabenerweiterung und Risikolimitierung und ist vor allem bei Großprojekten, wie in der Baubranche, anzutreffen.

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Übungsaufgaben und Lösungshinweise

23. Übungsaufgaben zum Krisenbewussten Management 1. Was versteht man unter Überschuldung und wie kann diese genau geprüft werden? Eine Überschuldung ist gegeben, wenn das Vermögen der Unternehmung die bestehenden Verbindlichkeiten nicht mehr deckt (§ 19,2 InsO). Dies erfordert eine Gegenüberstellung von Vermögenswerten und Verbindlichkeiten in einer Überschuldungsbilanz. Überschuldung und Illiquidität sind dabei völlig verschiedene Tatbestände. Eine Unternehmung kann überschuldet, aber liquide sein, oder sie kann illiquide, aber nicht überschuldet sein. Daher ist eine Fortführungsprognose zur Spezifizierung erforderlich. Darin wird beurteilt, ob das vorhandene oder beabsichtigte Unternehmenskonzept geeignet ist, das finanzielle Gleichgewicht der Unternehmung im Prognosezeitraum zu sichern. Dies ist anzunehmen, wenn die Unternehmung in der Lage ist, oder durch Sanierungsmaßnahmen in die Lage versetzt wird, ihren finanziellen Verpflichtungen betragsgenau und zeitgetreu nachzukommen. Daraus bestimmt sich der Wertansatz für die Überschuldungsbilanz. Erscheint das finanzielle Gleichgewicht als im Prognosezeitraum gefährdet, sind die Vermögenswerte mit ihrem Liquidationswert anzusetzen. Erscheint es nicht gefährdet, werden die Vermögenswerte mit ihren (im Regelfall höheren) Fortführungswerten angesetzt. Der Prognosezeitraum erstreckt sich i. d. R. auf drei Jahre. Danach wird geprüft, ob die Vermögenswerte von den Verbindlichkeiten tatsächlich überwogen werden. Dabei sind handelsrechtliche Bestimmungen wie Anschaffungswert-, Vorsichts-, Realisationsprinzip etc. anzusetzen. Hinzu kommen nach Handelsrecht nicht aktivierbare, z. B. immaterielle Vermögenswerte sowie die aus der Abwicklung des derzeitigen Auftragsbestands folgenden Erlöse bzw. Gewinne / Verluste sowie Vorratsbestände und stille Reserven. Bei positiver Fortführungsprognose ist für die Bewertung der Vermögensgegenstände und Schuldenpositionen von einer erfolgreichen Unternehmenstätigkeit auszugehen. Ansonsten gehen Vermögensgegenstände und Schuldenpositionen von deren Liquidationswerten aus. Ist kein Erlös erzielbar, tauchen Vermögensgegenstände nicht in der Überschuldungsbilanz auf. Gleiches gilt für Vermögensgegenstände unter Eigentumsvorbehalt, aus Sicherungsübereignung, aus Treuhandverhältnissen, aus Leasingverträgen etc. Zur Überschuldensvermeidung ist eine Prüfung in drei Stufen einzuleiten. Das Vermögen wird dabei auf Basis der Fortführung der Unternehmung bewertet. Die erste Stufe ist die Aufstellung eines aktuellen Vermögensstatus mit allen Aktiva und Passiva der Unternehmung auf Grundlage der Handelsbilanz. Die Aktiva werden dabei mit ihrem Liquidations- bzw. Zerschlagungswert angesetzt. Aktiva, die nicht einzeln veräußerbar oder aber absonderungsberechtigt sind, dürfen dabei nicht eingeschlossen werden. Die Passiva werden jedoch ohne Eigenkapital

23. Übungsaufgaben zum Krisenbewussten Management

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und eigenkapitalähnliche Positionen (Rücklagen etc.) angesetzt, da diese keine Schulden darstellen, jedoch unter Einschluss der Positionen für Rückstellungen, Bürgschaften und Dauerschuldverbindlichkeiten der Zukunft. Nicht berücksichtigt werden Gesellschafterdarlehen, Fremddarlehen mit eigenkapitalersetzenden Sicherheiten und nachrangige Verbindlichkeiten. Wird bei dieser Prüfung eine Überschuldung festgestellt (Vermögen < Schulden), ist eine Fortführungsprognose für die Überlebenswahrscheinlichkeit der Unternehmung zu stellen. Diese hängt insb. von der Liquidität ab. Im positiven Fall folgt der dritte Schritt. Die Aktiva werden nunmehr mit ihrem Fortführungswert angesetzt. Ergibt ein neuerlicher Vergleich immer noch eine Überschuldung, ist diese jetzt auch mit allen rechtlichen Konsequenzen gegeben. Liegt keine Überschuldung nach dem Vermögensstatus vor und ist die Fortführungsprognose positiv, kann die Unternehmung hingegen unverändert fortgeführt werden. 2. Was versteht man unter sich abzeichnender Überschuldung und durch welche Maßnahmen kann dieser im Einzelnen entgegengewirkt werden? Eine sich abzeichnende Überschuldung liegt vor, wenn ein Schuldner nach Abschätzung der Wahrscheinlichkeit nicht in der Lage sein wird, seine unterjährig zukünftig anfallenden Zahlungsverpflichtungen zum Zeitpunkt deren Fälligkeit zu erfüllen. Vorbeugende Gestaltungen zur Vermeidung einer sich abzeichnenden Überschuldung sind umfangreich möglich. Eine Gestaltung sieht die Betriebsaufspaltung in je eine Besitzgesellschaft und eine Betriebsgesellschaft vor. Die Besitzgesellschaft vermietet die Aktiva der Unternehmung an die Betriebsgesellschaft und die Betriebsgesellschaft wiederum betreibt das eigentliche Geschäft ohne eigenes Vermögen. Daher verfügt letztere im Insolvenzfall nur über das Mindestkapital als Einlage. Denkbar ist auch eine Auftrennung der operativen Aktivitäten auf mehrere Tochtergesellschaften in Form juristischer Personen. Im Insolvenzfall geht dann nur die jeweils betroffene Tochtergesellschaft unter, der Rest bleibt unbeschadet erhalten. Weiterhin kann die Gesellschaft auch nur mit dem gesetzlich vorgeschriebenen Mindesteigenkapital ausgestattet werden. Die Finanzierung der Geschäftstätigkeit erfolgt dann im Weiteren durch Darlehen der Gesellschafter, diese sind außerhalb von Krisenzeiten nicht eigenkapitalersetzend und damit nicht haftend (allerdings besteht somit eher die Gefahr einer gegebenen Überschuldung). Solche Geschäfte können jedoch wegen vorsätzlicher oder unmittelbarer Gläubigerbenachteiligung, unentgeltlicher Leistungen, Umgehung eines gesetzlichen Verbots etc. angefochten werden. Schließlich ist auch eine Verringerung des Haftungskapitals aus Unterbilanz möglich, wenn also das Reinvermögen der Gesellschaft geringer ist als das im Handelsregister bei Gründung eingetragene Stammkapital / Grundkapital. Der Ausgleich erfolgt dann

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Übungsaufgaben und Lösungshinweise

durch einen Eigenkapitalausgleichsposten auf der Aktivseite. Jedoch herrscht solange ein Ausschüttungsverbot von Gewinnen an Gesellschafter, stattdessen sind diese Mittel zur Kapitalaufstockung einzusetzen, bis die Unterbilanz beseitigt ist, außerdem bestehen ein Kreditvergabeverbot und ein Verbot für die Rückzahlung von eigenkapitalersetzenden Gesellschafterdarlehen. Bei Verstoß können solche Geschäfte allerdings wegen Gesellschafterbegünstigung bzw. Gläubigerbenachteiligung angefochten werden. Auf einer außerordentlichen Gesellschafterversammlung kann zudem eine förmliche Kapitalherabsetzung beschlossen werden, um einen Bilanzverlust zu beseitigen. 3. Welche wesentlichen Inhalte gehören zu einem Sanierungsplan? Ein Sanierungsplan stellt dar, wie die Unternehmensleitung oder betroffene Stakeholder gedenken, einer Krisensituation entgehen zu können. Ein Sanierungsplan besteht üblicherweise aus folgenden Teilen: • Die Executive Summary ist eine kurze Zusammenfassung des nachfolgenden Inhalts und dient dem zeitverkürzten Überblick. • Die Rahmenbedingungen ergeben sich aus den sozio-ökonomischen, technologischen, ökonomischen und politisch-rechtlichen Restriktionen einer Veränderung. • Das restrukturierte Geschäftsmodell weist aus, wie ein Input durch gezielte Transformation zu einem Mehrwert-Output werden soll, indem die dabei entstehenden Kosten vom dabei entstehenden Wertzuwachs übertroffen werden. • Die voraussichtlichen Erfolgsfaktoren und die strategische Ausrichtung geben die Werttreiber an. • Für die Restrukturierung ergeben sich daraus operational zu verfolgende Ziele der Unternehmung. • Das Leistungsangebot (Produkt / Service, Marktlebenszyklus, Alleinstellung, Schutzrechte, Positionierung etc.) ist das eigentliche Objekt der Wertschöpfung und wird technisch-funktional beschrieben. • Der Kundennutzen stellt die komparativen Vorsprünge des Angebots im Vergleich zum Wettbewerb dar. • Eine externe Branchen- und Marktanalyse verdeutlicht die Chancen und Risiken (OT-Analyse) am Markt. • Eine interne Wettbewerbsanalyse verdeutlicht komparative Vor- und Nachteile des Angebots im Vergleich zu direkten Wettbewerbern (SW-Analyse). • Das Markteintritts- und Absatzkonzept gibt Aufschluss über den Zugang zu Abnehmern und die Umsatzerreichung.

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• Die Organisation der Geldwirtschaft stellt eine ausreichende Mittelherkunft sicher. • Die Organisation der Beschaffungsquellen ist aussagefähig im Hinblick auf Liquidität / Kapital und Produktionsfacilitäten, incl. Make or Buy. • Die Humanressourcen repräsentieren das Fähigkeitsprofil und die Wissensbasis der Belegschaft. • Abschließend kommt es zu einer Risikobewertung der Erfolgsaussichten einer Restrukturierung (Controlling). • Denkbar ist auch eine neuerliche Prüfung der konstitutiven Faktoren Rechtsform, Standort und Nachhaltigkeit. • Die Roadmap stellt die Planung und Kontrolle der Einhaltung von zeitlichen Zwischenzielen dar. 4. Stellen Sie das Sanierungsmanagement in seinen einzelnen Phasen dar. Die Sanierung dient der Behebung bzw. Vermeidung einer negativen Unternehmensentwicklung. Ihre Ziele sind der Erhalt und die Fortführung der Unternehmung. Dazu bedarf es zunächst der Wahrnehmung einer Krisensituation, etwa durch Liquiditätsprobleme. Danach ist eine Analyse der Ursachen der Krise erforderlich, um die Weichenstellung zur Sanierung vornehmen zu können. Vor allem sind Sofortmaßnahmen einzuleiten, um eine vorläufige Stabilisierung der Unternehmenssituation zu erreichen. Weiterhin sind die Sanierungsziele festzulegen. Daraus ergeben sich dann die Sanierungsmaßnahmen. Diese beziehen sich auch auf personelle Maßnahmen, vor allem die meist unvermeidliche Freisetzung von Mitarbeitenden. Angezeigt sind weiterhin organisatorische Maßnahmen wie die Veränderung von Prozessen, Standorten und Führungsprinzipien. Vor allem aber ist an finanzielle Maßnahmen zu denken wie die Verbesserung von Liquidität und Kapitalbasis. Der Sanierungsfortschritt ist anhand von Milestones kontinuierlich zu überwachen. Unter Sanierung sind allgemein finanzpolitische, organisatorische, produktionstechnische, absatzwirtschaftliche und personalorientierte Maßnahmen zu verstehen, die geeignet sind, eine notleidende Unternehmung durch Beseitigung vorhandener Probleme, vor allem von Zahlungsschwierigkeiten und Ertragslosigkeit, vor dem Zusammenbruch zu retten. Die Ursachen dafür können innerbetrieblicher oder außerbetrieblicher Natur sein. Voraussetzungen dafür sind die Sanierungsbedürftigkeit der Unternehmung aus Unterbilanz, deren Sanierungsfähigkeit aus Überschuldung und deren Sanierungswürdigkeit (Resilienz). Im engeren Sinne sind darunter finanzielle Maßnahmen zur Angleichung der nominellen, in der Bilanz ausgewiesenen Kapitalbasis an die tatsächliche Kapi-

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talausstattung der Unternehmung zu verstehen. Dafür gibt es mehrere Möglichkeiten: • Ohne Zuführung neuer Finanzmittel kann eine Herabsetzung des Nominalkapitals herbeigeführt werden. Dies erfolgt u. a. durch die Einziehung von Anteilen der Eigner oder die Kaduzierung (Zwangsausschließung) von Geschäftsanteilen. • Weiterhin können die Fremdkapitalgeber ihre Forderungen gegenüber der Unternehmung stunden, ihre Forderungen herabsetzen oder ihre Forderungen in Eigenkapital umwandeln. • Mit Zuführung neuer Finanzmittel können Zuzahlungen von Anteilseignern evtl. auf Basis einer Nachschusspflicht erfolgen. • Denkbar ist auch eine Herabsetzung des Nominalkapitals mit anschließender ordentlicher, bedingter oder genehmigter Kapitalerhöhung. • Ferner kann die Ausgabe von Schuldverschreibungen erfolgen, die Aufnahme neuer Kredite oder die Gründung einer Sanierungsauffanggesellschaft. Speziell bei der Rechtsform der AG ergeben sich folgende Möglichkeiten. Eine vereinfachte Kapitalherabsetzung erfolgt ohne Veränderung der flüssigen Mittel oder mit freiwilliger Zuführung flüssiger Mittel, eine ordentliche Kapitalherabsetzung erfolgt durch Rückzahlung von Grundkapital bzw. Rückkauf von Ak­ tien. Weiterhin kommen der Erwerb eigener Aktien bis 10 % des Grundkapitals in Betracht oder auch die unentgeltliche Rückgabe von Aktien. Neben dieser reinen Sanierung kommt eine Alternativ-Sanierung durch Minderung des Aktiennennbetrags und Zuzahlung in Betracht. Bei der Schrumpfung-Sanierung erfolgen die Rückzahlung von Grundkapital oder der Erwerb eigener Aktien. 5. Welche Stufen des Krisenmanagements können unterschieden werden? Innerhalb des Krisenmanagements können im Einzelnen vier Stufen unter­ schieden werden. Das proaktive Krisenmanagement greift nur, sofern eine Krisensituation faktisch noch nicht eingetreten ist. Dabei sind wiederum zwei Gruppen zu unterscheiden. Erstens die Situation, in der einer Krise wirksam vorgebeugt werden soll, d. h., es handelt sich allenfalls um eine potenzielle Krise. Als Mittel dazu bietet sich die Vorsorge an. Zweitens die Situation, in der eine Krise zwar noch nicht eingetreten ist, aber Krisenanzeichen bereits unverkennbar sind. Es handelt sich um eine latente Krise, die durch Sanierung behoben werden kann und muss. Reaktives Krisenmanagement greift hingegen, sofern bereits eine Krise eingetreten und nicht mehr autonom gestaltbar ist. Ist diese Krise zwar bereits akut, aber es gibt noch ausreichende Mittel, sie durch Ad-hoc-Maßnahmen in allen Bereichen der Unternehmung abzuwenden, handelt es sich um einen Turnaround.

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Sofern die Krise akut ist, aber keine Möglichkeiten zu ihrer autonomen Beherrschung mehr gesehen werden, liegt hingegen die Situation einer Insolvenz vor. 6. Wie läuft ein Regelinsolvenzverfahren ab? Das Regelinsolvenzverfahren wird auf schriftlichen Antrag hin über das Vermögen einer natürlichen oder juristischen Person eröffnet, wenn Zahlungsunfähigkeit besteht. Antragsberechtigt sind dazu alle Gläubiger, die glaubhaft machen können, dass sie unbefriedigte Forderungen gegen den Schuldner haben, sowie der Schuldner selbst. Der Schuldner hat dazu ein Gläubigerverzeichnis anzufertigen, das u. a. Bilanzsumme und Umsatzerlöse ausweist. Bei juristischen Personen (GmbH, AG, eG, KGaA, Gmbh&GmbHOHG, GmbH&CoKG) sind außerdem die Mitglieder des Vertretungsorgans, also Vorstand oder Geschäftsführung, sowie jeder Gesellschafter bei Überschuldung antragsverpflichtet. Darüber hinaus besteht ein Recht des Schuldners, schon bei drohender Zahlungsunfähigkeit, nicht hingegen bei einer nur vorübergehenden Zahlungsstockung, einen Eröffnungsantrag zu stellen. Der Schuldner hat dazu Auskünfte zu erteilen und ist anzuhören. Begleicht er die infrage stehende Forderung, wird das Verfahren eingestellt. Auslöser des Verfahrens sind im Einzelnen drei Sachverhalte: • Zahlungsunfähigkeit tritt ein, wenn der Schuldner nicht in der Lage ist, seine fälligen Zahlungsverpflichtungen in exakter Höhe zu erfüllen bzw. er seine Zahlungen ganz einstellt. • Eine drohende Zahlungsunfähigkeit liegt vor, wenn der Schuldner voraussichtlich auf kurze Sicht (meist wenige Monate) illiquide wird. • Eine Überschuldung liegt vor, wenn das Vermögen des Schuldners die bestehenden Verbindlichkeiten nicht mehr deckt, dies ist nur bei juristischen Personen relevant. Unterlässt die Schuldnergeschäftsführung bei Zahlungsunfähigkeit oder Überschuldung die rechtzeitige Anmeldung, macht sie sich der Insolvenzverschleppung schuldig, dies ist ein Straftatbestand. Das Insolvenzgericht hat alle für die Gläubiger nachteiligen Veränderungen der Vermögenslage des Schuldners ab Antragszeitpunkt zu verhindern. Dazu bestellt es einen Insolvenzverwalter, setzt einen Gläubigerausschuss als Vertretung der Gläubiger ein, belegt das Vermögen mit einem Verfügungsverbot durch den Schuldner, verhindert Zwangsvollstreckungen in dieses Vermögen, die einzelnen Gläubigern Vorteile gegenüber anderen bieten würden, und stellt bevorrechtigte Forderungen fest. Mit Bestellung des Insolvenzverwalters geht das Verwaltungs- und Verfügungsrecht über das Vermögen des Schuldners auf diesen über. Er soll das Vermö-

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Übungsaufgaben und Lösungshinweise

gen des Schuldners erhalten, die Fortführung seines Betriebs sichern oder dessen Stilllegung anweisen. Außerdem stellt er fest, ob das Vermögen des Schuldners die voraussichtlichen Kosten des Insolvenzverfahrens, also die Massekosten aus Gericht, Verwalter, Gutachter etc., deckt. Ist dies nicht der Fall, wird das Verfahren „mangels Masse“ abgewiesen. Der Schuldner hat dem Insolvenzverwalter im Zuge des Verfahrens Zugang zu seinen Geschäftsräumen und Einsicht in seine Geschäftsunterlagen zu gewähren sowie alle erforderlichen Auskünfte zu erteilen. Die Beschränkungen sind öffentlich bekanntzumachen. Nach Abschluss des Verfahrens wird der Schuldner in das Schuldnerverzeichnis des Amtsgerichts eingetragen. Mit dem Eröffnungsbeschluss werden alle Gläubiger aufgefordert, fristgerecht ihre Forderungen beim Insolvenzverwalter anzumelden. Dies betrifft vor allem auch Sicherungsrechte. Dem Schuldner gegenüber brauchen keine weiteren Leistungen mehr erbracht zu werden. Die Forderungen werden auf ihre Berechtigung hin geprüft. Zugleich erfasst der Insolvenzverwalter das gesamte Vermögen, das aktuell vorhanden ist bzw. im Verlauf des Verfahrens zuwächst. Von dieser Insolvenzmasse werden Gegenstände, die nicht der Zwangsvollstreckung unterliegen, wie eine betriebsgewöhnliche Geschäftsausstattung, ausgeschlossen. Die verbleibende Insolvenzmasse dient zur Befriedigung der persönlichen Gläubiger mit Vermögensansprüchen gegen den Schuldner. Wer aufgrund eines dinglichen oder persönlichen Rechts geltend machen kann, dass ein Gegenstand nicht zur Insolvenzmasse gehört, kann dessen Aussonderung beantragen. Dies gilt z. B. bei einem Eigentumsvorbehalt. Gläubiger, die an einem Gegenstand der Insolvenzmasse ein Pfandrecht haben, sind zu dessen Absonderung berechtigt. Dies gilt auch für andere Zurückbehaltungsrechte wie Sicherungsübereignung, Steuerschulden, Schulden bei Sozialversicherungsträgern o. Ä. Das restliche Vermögen bildet die endgültige Insolvenzmasse. Davon werden nunmehr die Kosten des Verfahrens abgezogen. Der Rest wird nach Anteilen ihrer ursprünglichen Forderungen an dem Forderungsgesamt an die Gläubiger ausgezahlt (= Massequote). Ein evtl. verbleibender Überschuss geht an den Schuldner. Unbefriedigte Forderungen können bis zu 30 Jahren nach Verfahrensaufhebung durch Vollstreckung weiterhin geltend gemacht werden. 7. Wie erfolgt ein Insolvenzplanverfahren? Das Insolvenzplanverfahren hat nicht die Abwicklung der Unternehmung zum Ziel, sondern nach Möglichkeit ihre Weiterführung. Basis ist ein Insolvenzplan, der vom vorläufigen Insolvenzverwalter, aber auch vom Schuldner, vorgelegt werden kann. Dieser Plan muss bereits vor Eröffnung eines Insolvenzverfahrens vorliegen. An der Planerstellung können auch Gremien wie Gläubigerausschuss, Betriebsrat, Sprecherausschuss (der Leitenden Angestellten) etc. beteiligt sein. Im darstellenden Teil dieses Plans wird aufgeführt, welche Ansprüche aller Be-

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teiligten bestehen. Im gestaltenden Teil des Plans wird dargelegt, durch welche Maßnahmen diesen Ansprüchen konkret bestmöglich entsprochen werden soll. Unter den Gläubigern sind dazu Gruppen mit gleichartigen wirtschaftlichen Interessen zu bilden, z. B. Kleingläubiger oder Arbeitnehmer, die im Folgenden gleichartig behandelt werden. Zunächst werden die (aussonderungs-/absonderungs-)bevorrechtigten Gläubiger bedient. Das Vermögen kann danach erschöpft sein, so dass nachrangige Gläubiger mit ihren Forderungen im Zweifel leer ausgehen. Der Schuldner gilt bei erfolgreicher Planabwicklung i. d. R. als von seinen restlichen Verbindlichkeiten befreit und kann seine Unternehmung danach fortführen. Eine Aussetzung des Verfahrens ist jederzeit möglich. Das Insolvenzgericht kann den Plan zurückweisen, wenn seine Vorgaben nicht beachtet werden, der vorgelegte Plan keine Aussicht auf Erfolg hat oder nicht mehrheitsfähig ist. Letzteres wird anlässlich eines Abstimmungstermins erörtert, wobei der Plan auch abgeändert werden kann. Jede Gruppe ist stimmberechtigt, es reicht eine einfache Mehrheit aus. Wird diese Mehrheit nicht erreicht, kann der Plan dennoch umgesetzt werden, wenn kein Gläubiger einer Gruppe dadurch voraussichtlich schlechter gestellt wird als ohne ihn und kein Gläubiger dadurch wirtschaftliche Werte erhält, die über seine Forderung hinausgehen. Dadurch soll verhindert werden, dass Einzelne den Erfolg des gesamten Verfahrens gefährden können. Außerdem muss der Schuldner dem Plan zustimmen. Dann bestätigt das Amtsgericht den Plan und hebt das Verfahren im Weiteren auf. Der Schuldner wird durch den Insolvenzplan ermächtigt, wieder über seine Vermögensmasse zu verfügen. Er ist vor Zwangsvollstreckungen einzelner Gläubiger, die ihre Forderungen nicht angemeldet haben und den weiteren Bestand seiner Unternehmung gefährden können, nach Ablauf eines Jahres geschützt. Die Planerfüllung wird durch den Insolvenzverwalter überwacht. Gläubigerausschuss und Gericht können jederzeitige Auskunft über den Verfahrensstand verlangen. Sie sind durch den Insolvenzverwalter zu informieren, wenn die Planerfüllung ausfällt. Bestimmte Rechtsgeschäfte können der Zustimmung des Insolvenzverwalters zu ihrer Wirksamkeit bedürfen. Die Überwachung wird nach Erfüllung aller Ansprüche bzw. nach Ablauf von drei Jahren aufgehoben. 8. Wie erfolgt ein Insolvenzverfahren in Eigenverwaltung? Das Insolvenzverfahren in Eigenverwaltung (Schutzschirmverfahren) ist dem US-amerikanischen Recht (Chapter 11) nachgebildet. Der Schuldner ist dabei berechtigt, unter Aufsicht eines Sachwalters über die Insolvenzmasse zu verfügen, sofern das Insolvenzgericht dies so anordnet. Dies setzt voraus, dass die Eigenverwaltung vom Schuldner so beantragt worden und zu erwarten ist, dass dadurch keine Nachteile für Gläubiger entstehen. Ein entsprechender Antrag ist nur vor Eröffnung eines Insolvenzverfahrens möglich. Dabei liegt ein Insolvenzplan zugrunde. Als Sachwalter kommt ein in Insolvenzangelegenheiten kundi-

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Übungsaufgaben und Lösungshinweise

ger Angehöriger wirtschafts- und rechtsberatender Berufe in Betracht. Zu seinen Aufgaben gehört es, die wirtschaftliche Lage der Unternehmung zu prüfen. Dies schließt auch Ausgaben in der privaten Lebensführung des Unternehmers ein. Die Eigenverwaltung wird aufgehoben, wenn die geplante Besserung aussichtslos geworden ist, der Gläubigerausschuss die Aufhebung beantragt, auf Antrag hin festgestellt wird, dass einzelne Gläubiger doch benachteiligt werden können oder der Schuldner zahlungsunfähig wird. Dann übernimmt ein Insolvenzverwalter die Geschäfte. Verbindlichkeiten können vom Schuldner nur noch eingegangen werden, wenn der Sachwalter dem zustimmt. Im Regelfall wird er auch bestimmen, dass eingehende und ausgehende Zahlungen nur noch über sein Konto laufen dürfen. Bei Geschäften von besonderer Bedeutung ist außerdem die Zustimmung des Gläubigerausschusses einzuholen. Die Geschäftsführung der Unternehmung und deren Aufsichtsorganen geht somit de facto auf den Sachwalter über. Er legt auch eine Vermögensübersicht bzw. einen Insolvenzplan an. Die Verfahrenseinleitung wird öffentlich bekanntgegeben. 9. Was versteht man unter Illiquidität und durch welche Maßnahmen kann dieser im Einzelnen entgegengewirkt werden? Illiquidität oder Zahlungsunfähigkeit tritt ein, wenn der Schuldner nicht in der Lage ist, seine fälligen Zahlungsverpflichtungen in exakter Höhe zu erfüllen und ihnen zum fälligen Zeitpunkt nachzukommen. Abzugrenzen davon ist die Zahlungsstockung als vorübergehende Liquiditätslücke, die entsteht, wenn kurzfristig die Einzahlungen von den Auszahlungen überdeckt werden. Dies kann durch Inanspruchnahme von Überziehungskrediten o. Ä. überbrückt werden. Die Zahlungsunfähigkeit kann durch mehrere Maßnahmen vermieden werden. Denkbar ist die Rückabwicklung von Verträgen, die Zahlungsverpflichtungen bewirken, wodurch diese Verträge unwirksam sind, z. B. bei Abweichungen zwischen Antrag und Annahme oder bei fehlender Vollmacht zum Abschluss. Weiterhin ist eine Anfechtung von Verträgen, z. B. wegen Irrtums in der Sache, Leistungsverzug oder Gewährleistungsfall, möglich, dann werden entsprechende Zahlungen vorerst nicht fällig. Es können auch außerordentliche Kündigungsrechte geltend gemacht werden, z. B. bei Beraterverträgen oder lang laufenden Mietverträgen, so dass Zahlungen entfallen. Dazu gehört allerdings nicht die bloße Stornierung gewöhnlicher Geschäftsabschlüsse, dies ist vielmehr eine Frage der Kulanz. Darüber hinaus ist die Bestreitung der Zahlungspflicht denkbar, z. B. weil gegenseitige Forderungen bestehen, so dass eine Aufrechnung erfolgt und nur der überschießende Betrag ausgeglichen werden muss. Auch die Stundung / Aussetzung der Fälligkeit von Forderungen nach entsprechender Verhandlung mit Gläubigern ist möglich. Dabei kommt es zu einer Aufschiebung des Zahlungstermins. Schließlich ist ein Moratorium denkbar, d. h. die Vereinbarung

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einer Ratenzahlung nach jeweiligem Kassenstand mit Gläubigern. Hier wird meist eine Absicherung über Treuhänder fällig. Weitere Maßnahmen betreffen die kurzfristige Erhöhung von Einzahlungen in die Unternehmung. Hier geht es u. a. um die Absatzforcierung von Produkten mit hohem Deckungsbeitrag / hoher Stückspanne über Aktionen. Alternativ sind auch Aktionsverkäufe mit Preisreduktion gegen Barzahlung möglich. Denkbar sind weiterhin eine Erhöhung des Skontosatzes bzw. eine Verkürzung der Skontostaffellaufzeiten, um Debitoren zu frühzeitigerer Zahlung zu motivieren. Ebenso ist die Umstellung von Rechnungs- auf Bankeinzugsverfahren bei vertraglichen Dauerschuldverhältnissen möglich. Wo dies nicht durchsetzbar ist, können der Rechnung vorausgefüllte Zahlungsformulare beigelegt werden, welche den Zahlungseingang beschleunigen dürften. Bei Kreditinstituten kann darauf hingewirkt werden, dass die Wertstellung von Zahlungseingängen auf dem Konto verkürzt wird. Bei Kunden kann darauf hingewirkt werden, dass Voraus- oder Anzahlungen geleistet werden. Bei Lieferanten ist auf Nachnahme oder Lastschriftverfahren umzustellen, so dass die Zahlungsfristen verkürzt werden. Erhaltene Schecks sollen unmittelbar nach Eingang zur Gutschrift eingereicht werden. Bei verzögerten Zahlungen von Kunden sollten zudem Verzugszinsen berechnet werden. Im Zweifel kann ein Antrag auf ein Liquiditätssicherungsdarlehen der KfW (Kreditanstalt für Wiederaufbau) gestellt werden. Darüber hinaus sind Maßnahmen für eine kurzfristige Senkung der Auszahlungen aus der Unternehmung einzuleiten. Dazu gehört die Vereinbarung eines höheren Überziehungslimits für das Kontokorrent beim Kreditinstitut. Weiterhin sind kürzere Lieferzeiten und schnellere Betriebsabläufe möglich, um weniger Kapitalbindung im Umlaufvermögen zu erreichen. Es ist auf die strikte Einhaltung von Lieferterminen und Qualitätszusagen zu achten, denn nur dann wird ein rechtzeitiger und vollständiger Zahlungseingang fällig. Mit Lieferanten ist nach Möglichkeit Ratenzahlung bzw. A-conto-Zahlung bei Beschaffungsaufträgen zu vereinbaren, Voraus- und Anzahlung sind zu vermeiden, Ratenzahlungen zu suchen. Evtl. kann die Steuerlast zum nächstfälligen Vorauszahlungstermin durch Sonderabschreibungen verringert werden. Ebenso sollten Privatentnahmen reduziert werden, weil diese das Geldvermögen kürzen. Mit Kreditinstituten ist über eine Umschuldung mit Fristentransformation der Kredite zu verhandeln. Sofern fixe Kosten pagatorischen Charakter haben, muss auch ein Kapazitätsabbau, soweit kurzfristig möglich, geprüft werden. 10. W  ann ist von Bankrott im Rahmen der Insolvenz die Rede? Von Bankrott ist die Rede, wenn von einem Schuldner Vermögen im Insolvenzfall beiseite geschafft oder unbrauchbar gemacht wird, meist zur Vereitelung einer Zwangsvollstreckung. Gleichfalls, wenn Spekulationsgeschäfte mit dem verbleibenden Vermögen ausgeführt werden, etwa in der Hoffnung, auf diese

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Übungsaufgaben und Lösungshinweise

Weise den notleidenden Betrieb noch retten zu können. Zu erkennen ist etwaig, dass übermäßige / unnötige Ausgaben für die private Lebensführung getätigt werden. Dies trifft auch zu, wenn auf Kredit gekaufte Waren verschleudert werden (Untereinstandspreisverkäufe), um dadurch Liquidität zu schaffen. Einschlägig ist zudem, wenn Rechte einzelner Dritter vorgetäuscht bzw. ungerechtfertigt anerkannt werden oder wenn die Buchführungspflicht unterlassen wird, Bücher nachträglich verändert, zerstört oder zurückgehalten werden. Schließlich ist auch einschlägig, wenn die Bilanzaufstellung unterlassen wird oder die Bilanz bzw. der Vermögensstand verschleiert werden. Bei juristischen Personen besteht die Antragspflicht binnen drei Wochen nach Erkennen der Zahlungsunfähigkeit / Ü berschuldung, ansonsten ist Strafbarkeit gegeben. Hinzu tritt bei Unterbleiben eine Schadensersatzpflicht gegenüber Gläubigern, ggf. auch für Gesellschafter und Mitarbeitende. 11. W  ann ist genau Zahlungsunfähigkeit gegeben? Zahlungsunfähigkeit ist gegeben, wenn ein Schuldner nicht in der Lage ist, seine fälligen Zahlungspflichten zu erfüllen (§ 17,2 InsO). Davon ist rechtsüblich auszugehen, wenn der Schuldner seine bestehende Liquiditätslücke nicht binnen drei Wochen dauerhaft auf weniger als zehn Prozent aller fälligen Verbindlichkeiten reduzieren kann. Die Sichtbarkeit dieser Situation nach außen ist meist erst durch eine Zahlungseinstellung gegeben, etwa für Löhne / Gehälter, Sozialversicherungsbeiträge etc., aber auch durch Hingabe ungedeckter Schecks oder Protest von Wechseln. Zur Prüfung der Zahlungsunfähigkeit ist ein Finanzstatus zu erstellen. Die frei verfügbaren Zahlungsmittel und die Verbindlichkeiten werden inventarisiert und nach dem Grad ihrer Liquidität und Fälligkeit geordnet. Hinzu kommen kurzfristige Finanzreserven. Daraus kann dann ein Finanzhorizont für die nächsten drei Monate erstellt werden. Dabei können bereits eingeleitete Maßnahmen zur Besserung der Situation berücksichtigt werden. 12. Wann ist genau eine drohende Zahlungsunfähigkeit gegeben? Eine drohende Zahlungsunfähigkeit ist gegeben, wenn der Schuldner voraussichtlich nicht in der Lage sein wird, seine bestehenden Zahlungsverpflichtungen im Zeitpunkt ihrer jeweiligen Fälligkeit zu erfüllen (§ 18,2 InsO). Dazu bedarf es einer Prognoserechnung, bei der die künftig fällig werdenden Zahlungspflichten den künftig verfügbaren liquiden Mitteln gegenüber gestellt werden. Dies erfordert die Aufstellung eines auf die Zukunft gerichteten Finanzplans, in dem Einzahlungen und Auszahlungen nach zeitlicher Verteilung erfasst sind. Eine Zahlungsunfähigkeit droht somit, wenn eine überwiegende Wahrscheinlichkeit dafür spricht, dass im Planungszeitraum ein nicht behebbares Liquiditätsdefizit droht. Der Planungszeitraum richtet sich nach der letztfälligen Verbindlichkeit, endet meist aber zum Ende des Folgejahres.

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13. Welche Formen der Insolvenz werden im Einzelnen unterschieden? Innerhalb der Insolvenz werden im Wesentlichen drei Formen von Verfahren unterschieden: das Regelinsolvenzverfahren, das Insolvenzplanverfahren und die Insolvenz in Eigenverwaltung. Das Regelinsolvenzverfahren startet mit der Anmeldung beim zuständigen Amtsgericht entweder durch den/die Schuldnergeschäftsführer mit einem Gläubigerverzeichnis oder jeden Gläubiger bei Glaubhaftmachung seiner Forderungen binnen drei Wochen nach Eintritt der (drohenden) Zahlungsunfähigkeit bzw. (sich abzeichnenden) Überschuldung. Bei nicht rechtzeitiger Beantragung durch die Schuldnergeschäftsführung kann der Straftatbestand der Insolvenzverschleppung verwirklicht sein. Bei juristischen Personen ist alternativ jedes Aufsichtsratsmitglied und jeder Gesellschafter antragsverpflichtet. Das Gericht hört den Schuldner an. Begleicht er alle Forderungen, wird das Verfahren eingestellt. Ansonsten stoppt das Gericht alle für Gläubiger nachteilige Dispositionen des Schuldners, bestellt einen fachkompetenten Insolvenzverwalter, setzt einen Gläubigerausschuss ein, verhindert Zwangsvollstreckungen in das Vermögen des Schuldners und lässt bevorrechtigte Vermögensbestandteile feststellen. Schafft der Schuldner Vermögensgegenstände beiseite, verwirklicht dies den Straftatbestand des Bankrotts. Der Gläubigerausschuss ist ein Selbstverwaltungsorgan zur Unterstützung und Überwachung des Insolvenzverwalters und wird von der Gläubigerversammlung aus deren Mitte gewählt. Der Insolvenzverwalter ist verwaltungs- und verfügungsberechtigt über das Vermögen des Schuldners. Er übernimmt rechtlich die Geschäftsführung und sichert das verbleibende Vermögen. Er führt die betroffene Unternehmung fort bzw. legt sie still. Außerdem fordert er alle Gläubiger auf, ihre Forderungen/Sicherungsrechte bei Gericht anzumelden. Das Insolvenzplanverfahren hat den Erhalt der Unternehmung zum Ziel. Es kann beim zuständigen Gericht eingeleitet werden, sofern noch kein Insolvenz­ verfahren eröffnet ist. Als Basis dient ein Insolvenzplan, der aus einem darstellenden Teil mit den Ansprüchen der Gläubiger und einem gestaltenden Teil mit Maßnahmen zur Fortführung der Unternehmung besteht. Abweichend vom Regelverfahren entscheiden die Gläubiger, aber auch Betriebsrat und Sprecher­ ausschuss, dabei mit. Das Gericht kann den Plan zurückweisen, wenn er offensichtlich aussichtslos oder nicht mehrheitsfähig unter den Gläubigern ist. Die Gläubiger werden dabei in gleichartige Gruppen eingeteilt (bevorrechtigte Gläubiger, Kleingläubiger, Arbeitnehmer etc.), die getrennt mit einfacher Mehrheit über die Akzeptierung des Plans abstimmen. Sofern kein Gläubiger nach Plan schlechter gestellt wird als ohne ihn und kein Gläubiger mehr erhält als seinen Forderungen entspricht, ist der Plan auch ohne Mehrheit umsetzbar. Dabei besteht ein Minderheitenschutz. Der Schuldner führt den Geschäftsbetrieb der Un-

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ternehmung selbst fort und kann über deren Insolvenzmasse verfügen, steht dabei allerdings unter Aufsicht von Insolvenzverwalter und Gericht. Als klassische Maßnahmen im Insolvenzplan gelten das Moratorium mit Schuldenstundung durch einvernehmliche Verhandlung mit den Gläubigern sowie der Schuldenschnitt („Haircut“) als Befreiung von den Restschulden bei nachrangigen Gläubigern. Bei Erfolg der Durchführung wird das Insolvenzverfahren aufgehoben oder es schließt sich eine Regelinsolvenz an. Bei Großunternehmen (über 9,6 Mio. € Umatz, über 4,8 Mio. € Bilanzsumme) kann eine Insolvenz in Eigenverwaltung eingeleitet werden (Schutzschirmverfahren). Dem liegt die Erfahrung zugrunde, dass eine erfahrene Geschäftsführung bei einer gewissen Lockerung der Arbeitsmodalitäten am ehesten in der Lage ist, den Unternehmensbestand und insb. die Arbeitsplätze zu erhalten. Eine solche Insolvenz in Eigenverwaltung ist nur unter Anmeldung bei Gericht durch die Unternehmung selbst möglich (Eigenantrag) und folgender gerichtlicher Genehmigung sowie noch nicht eröffnetem Insolvenzverfahren. Die Genehmigung kann bei Fehlverhalten zurückgezogen werden. Basis des Verfahrens ist ein Insolvenzplan. Dieser darf keine Nachteile für Gläubiger gegenüber einem Regel­ insolvenzverfahren entstehen lassen und bedarf der Zustimmung des Gläubiger­ ausschusses. Das Gericht setzt dazu einen Sachwalter zur Aufsicht ein. Dieser kommt aus wirtschaftsberatenden Berufen wie Steuerberater, Wirtschaftsprüfer, Rechtsanwalt etc., der de facto die Geschäftsführung übernimmt. Es handelt sich aber nicht um einen Insolvenzverwalter, da eine Insolvenz ausdrücklich abgewendet werden soll. Der Sachwalter verhängt meist eine Ausgabensperre bis auf Bagatellbeträge. 14. Wie vollzieht sich ein Vergleich in einer Krisensituation? Der Grundgedanke des Vergleichs ist die Sicherung des Fortbestands der Unternehmung in einer Krisensituation. Ausgangspunkt sind i. d. R. Zahlungsschwierigkeiten. Ein außergerichtlicher Vergleich ist freiwillig (Akkord) und unterliegt keinen weiteren gesetzlichen Regelungen. Er kann zügig und ohne große Außenwirkung vollzogen werden. Dabei ist ein Stundungsvergleich denkbar (Moratorium), bei dem die Gläubiger ihre Forderungen aussetzen, die Forderungshöhe bleibt aber bestehen, oder ein Erlassvergleich (Quotenvergleich), bei dem die Gläubiger auf einen Teil ihrer Forderungen verzichten, die Zahlungspflicht für die Restschuld aber bestehen bleibt. Bei einem Liquidationsvergleich überlässt der Schuldner seinen Gläubigern die Verwertung seines Vermögens (privat und / oder geschäftlich). Die den Liquidationserlös übersteigenden Schulden gelten als erlassen, die Unternehmung wird aufgelöst. Ein gerichtlicher Vergleich erfolgt im Rahmen der Insolvenz, gleiches gilt für einen Zwangsvergleich. Das Ergebnis ist ein schuldrechtlicher Vertrag, der das Rechtsverhältnis durch gegenseitiges Nachgeben klärt. Der Vergleich bedarf keiner juristischen Form.

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Er kann auch noch während der Durchführung eines gerichtlichen Verfahrens geschlossen werden. Dadurch entsteht eine Neuordnung der Rechtsbeziehungen zwischen den beteiligten Parteien. Ein Vergleich kann jedoch nachträglich nur sehr schwer abgeändert oder angefochten werden. 15. W  ie läuft eine Liquidation im Einzelnen ab? Liquidation bedeutet die Auflösung einer Unternehmung, meist auf freiwilliger Basis. Die Unternehmung wird damit zu einer Abwicklungsgesellschaft, deren Zweck es ist, die Vermögensteile zu verwerten. Der Liquidationserlös wird an die Eigenkapitalgeber entsprechend ihrer Anteile ausgezahlt. Evtl. werden vorher noch Gläubiger befriedigt. Zur Liquidationsdurchführung sind Alleinunternehmer, Gesellschafter, Geschäftsführer und Vorstandsmitglieder berechtigt. Der Ablauf erfolgt in mehreren Stufen. Zunächst erfolgt die Eintragung der Liquidation in das Handelsregister. Die Firma erhält zugleich den Zusatz „i. L.“ (in Liquidation). Ein Liquidator nimmt die Bewertung der Vermögensteile vor und erstellt auf dieser Basis eine Liquidations-Eröffnungsbilanz. Bei Industrieunternehmen wird ab sofort die Produktion beendet, bei Handelsunternehmen findet der Ausverkauf aller Warenvorräte statt. Die Vermögensteile werden zügig verkauft, die Forderungen eingezogen und die Verbindlichkeiten beglichen. Danach wird eine Liquidations-Schlussbilanz erstellt, ein überschießender Erlös wird an die Anteilseigner verteilt. Zum Abschluss wird die Gesellschaft im Handelsregister gelöscht, was tatsächlich durch rotes Unterstreichen erfolgt, damit der ursprüngliche Eintrag gut erkennbar bleibt. Bei Personengesellschaften haften die Vollhafter noch fünf Jahre nach Auflösung der Gesellschaft für etwaige Schulden.

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Übungsaufgaben und Lösungshinweise

24. Übungsaufgaben zur Existenzgründung 1. Wie vollzieht sich die Durchführung der Existenzgründung? Die Existenzgründung erfolgt durch Beginn der Geschäftstätigkeit, formaljuristisch durch die Gewerbeanmeldung bei Gewerbetreibenden bzw. die Anmeldung der freiberuflichen Tätigkeit beim zuständigen Finanzamt bei Freiberuflern. Hinzu kommen verpflichtende Mitgliedschaften bei der Industrie- und Handelskammer (IHK) bzw. bei der Handwerkskammer (HWK) bei zulassungspflichtigen und -freien Handwerken bzw. handwerksähnlichen Gewerben. Für zulassungspflichtige Handwerke besteht zudem Meisterzwang. Ebenso erfordern bestimmte kaufmännische Tätigkeiten eine Erlaubnis, z. B. als Versicherungsvertreter, Gastronom, Waffenhändler, Apotheker etc. Sämtliche Verwaltungsverfahren, die mit der Aufnahme einer selbstständigen Tätigkeit zusammenhängen, können elektronisch abgewickelt werden. Zudem gibt es einheitliche Ansprechpartner zur Beratung. Nachrichtliche Informationen gehen an die Finanzämter, die Berufsgenossenschaften, statistische Landesämter etc. 2. Welche Existenzgründungs-Förderungen seitens des Staates gibt es? Für Existenzgründungen stellen der Bund und die Länder Fördermittel zu Verfügung. Diese erfolgen zumeist in Form von Darlehen wie KfW-StartGeld, ERP-Gründungskapital, KfW-Unternehmerkredit etc. Die Darlehen bieten unterschiedliche Konditionen und verfügen z. B. über tilgungsfreie Anlaufzeiten, günstige Zinssätze, teilweise Freistellung von Sicherheitengestellung. Förderdarlehen werden über die Hausbank beantragt. Außerdem gibt es für die Bezieher von Arbeitslosengeld I Gründungszuschüsse, wenn sie binnen 15 Monaten ihre Arbeitslosigkeit durch berufliche Selbstständigkeit beenden. Bezieher von Arbeitslosengeld II können ein „Einstiegsgeld“ erhalten. Politisches Ziel beider Maßnahmen ist auch eine Entlastung der Arbeitslosenzahlen. 3. Welche wesentlichen Entscheidungen stellen sich im Rahmen einer Existenzgründung? Im Rahmen einer Existenzgründung stellen sich folgende wesentliche Entscheidungen: • Die Wahl der Rechtsform der Unternehmung. • Die Wahl des Standorts der Unternehmung. • Die Wahl der anzubietenden Produkte bzw. Dienstleistungen. • Die Wahl des Marktsegments und der Zielgruppe. • Die Wahl der internen Aufbau- und Ablauforganisation. • Die Wahl der Finanzierungsform.

24. Übungsaufgaben zur Existenzgründung

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4. Welche steuerlichen Konsequenzen folgen aus einer Existenzgründung? Der Existenzgründer muss binnen eines Monats nach Beginn seiner Tätigkeit beim Finanzamt schriftlich die Eröffnung eines Gewerbebetriebs sowie dessen Standort bekanntgeben. Für die Einkommen- und Umsatzsteuer ist das Wohnsitzfinanzamt zuständig. Von dort ergeht zugleich die Zuteilung einer Steuernummer. Die Einkommensteuer wird von jährlich erwirtschafteten Gewinn bemessen. Basis ist eine Einnahme-Überschuss-Rechnung, eine Pauschalierung oder der Ausweis im Rahmen der doppelten Buchführung. Die Steuerschuld wird als quartalsweise Vorauszahlung kassiert. Die Umsatzsteuer beträgt derzeit im Regelfall 19 % vom Nettoentgelt. Für bestimmte Produkte wie Lebensmittel, Bücher etc. gilt ein ermäßigter Steuersatz. Es gibt auch von der Umsatzsteuerpflicht befreite Lieferungen und Leistungen. Daneben gibt es zahlreiche weitere Steuerposi­ tionen, die zu berücksichtigen sind, vor allem die Lohnsteuer bei Mitarbeitern, die Kommunalsteuer, die Kfz-Steuer bei Firmenfahrzeugen, die Grundsteuer bei Immobilienbesitz etc. 5. Welche Buchführungskonsequenzen folgen aus einer Existenzgründung? Der Existenzgründer ist verpflichtet, Belege zu sammeln und Aufzeichnungen zu führen und diese mindestens sieben Jahre aufzubewahren. Die Buchführung erfolgt abhängig von Umsatzgröße, Einkunftsart und Rechtsform als • Einnahme-Überschuss-Rechnung. Hierbei werden Einnahmen und Ausgaben aufgezeichnet. Sofern ein Einnahmeüberschuss entsteht, gilt dieser als Betriebsgewinn. • Pauschallierung. Diese erfolgt wie die Einnahme-Überschuss-Rechnung, jedoch werden Anlagegüter und deren Abschreibungen nicht berücksichtigt. • Doppelte Buchführung (Doppik). Sie besteht mindestens aus Bilanz und Gewinn- und Verlustrechnung sowie ergänzenden Verzeichnissen wie Kassenbuch, Anlageverzeichnis, Lohnkonten, Inventar etc. 6. Stellen Sie bitte das Geschäftsmodell als Basis der Existenzgründung dar. Das Geschäftsmodell definiert Unternehmensaktivitäten, die Sach- und Dienstleistungen durch innovative Konfiguration von Wissensvorräten, Kernkompe­ tenzen und Wettbewerbsvorteilen entstehen lassen. Jede Existenzgründung ist frei in der Bestimmung ihres individuellen Geschäftsmodells, das aus der Konzeptbasis, der Wertschöpfungsarchitektur und dem Markt- und Kundenzugang besteht. Innerhalb der Konzeptbasis werden das Strategiemodul, das Ressourcenmodul und das Koordinationsmodul unterschieden: • Das Strategiemodul gibt an, wie, ausgehend von der gegenwärtigen Situation, die Zieldimension des Geschäftsmodells aussehen soll. Dazu bedarf es folgen-

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Übungsaufgaben und Lösungshinweise

der Festlegungen: Ziele, die eine Unternehmung verfolgt, Ist-Situation (Diagnose), derer sich die Unternehmung gegenübersieht und Strategie (Therapie) zur Überwindung der Diskrepanzen zwischen Ziel und Ist-Situation. • Das Ressourcenmodul gibt an, welche Einsatzfaktoren zur Umsetzung der Strategie vorliegen. Dazu stehen vier Variable zur Verfügung: erstens Vermögen, Geldmittel, aber auch Sachmittel oder Rechte, zweitens Personal, das in dispositiver (planender, entscheidender, organisierender, kontrollierender) und exekutiver Funktion eingebracht wird, drittens Wissen als wichtigste Ressource und vierter Produktionsfaktor sowie viertens Zeit als weithin entscheidender Vorsprungsfaktor. • Das Koordinationsmodul gibt an, wie die Arbeitsteilung innerhalb einer Unternehmung und mit externen Dritten erfolgen soll. Dazu sind vor allem drei Entscheidungen zu treffen: Make or Buy, d. h. Eigenerstellung oder Fremdbezug von Leistungen, Supply Chain Management (SCM) als stufenübergreifende Gestaltung der Liefer- und Leistungskette sowie der Standort als konstitutiver Faktor für die überwiegende Betriebstätigkeit. Innerhalb der Wertschöpfungsarchitektur werden das Gütermodul, das Geldmodul und das Informationsmodul unterschieden: • Das Gütermodul gibt an, wie Werkstoffe und Betriebsmittel im Einzelnen wertschöpfend genutzt werden. Werkstoffe stehen als Verbrauchsfaktoren zum Einsatz zur Verfügung. Betriebsmittel stehen als Potenzialfaktoren längerfristig zur Verfügung. • Das Geldmodul gibt an, wie die zur Verfügung stehenden Finanzmittel eingesetzt werden sollen. Dazu gibt es mehrere Quellen. Bei der Eigenfinanzierung werden Gelder eingesetzt, die der Unternehmung gehören. Bei der Fremdfinanzierung werden Gelder eingesetzt, die sich die Unternehmung von Dritten leiht. Bei der Innenfinanzierung werden Gelder eingesetzt, die aus der laufenden Geschäftstätigkeit resultieren. Und bei der Außenfinanzierung werden Gelder eingesetzt, die außerhalb der laufenden Geschäftstätigkeit generiert werden. • Das Informationsmodul gibt an, wie die informationelle Vernetzung aller Wertschöpfungsaktivitäten erreicht werden soll. Zentrale technische Elemente dazu sind erstens IT-Hardware und -Software, zweitens Medien und Kanäle sowie drittens Kommunikations- und Interaktionsnetze. Innerhalb des Markt- und Kundenzugangs können das Zielgruppenmodul, das Positionsmodul und das Erlösmodul eingesetzt werden: • Das Zielgruppenmodul gibt an, welche Personen / Organisationen mit ihrer Kaufkraft / ihrem Budget aktiviert werden sollen. Mögliche Einteilungen sind demografisch, also nach offensichtlichen Merkmalen, aktiografisch, also nach handlungsbezogenen Merkmalen, psychografisch, also nach intrapersonalen

24. Übungsaufgaben zur Existenzgründung

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Merkmalen, soziografisch, also nach interpersonalen Merkmalen, typologisch, durch Kombination intra- und interpersonaler Merkmale, neuroökonomisch nach Gehirnstrukturdominanzen, bei Gewerblichen Entscheidern individuell / kollektiv ebenso wie horizontal / vertikal strukturiert. • Das Positionsmodul gibt an, warum die Zielgruppe das eigene Angebot bewusst konkurrierenden anderen vorziehen soll. Dabei sind drei Elemente von Bedeutung. Erstens die Positionsentwicklung über verschiedene Stufen wie Abgrenzung des Relevanten Markts, der Strategischen Gruppe, der Absatzquelle etc., zweitens das Positioning Statement durch Formulierung von Angebotsanspruch (Claim) und Anspruchsbegründung (Reason Why) und drittens die Positionsoptionen als denkbare Vorsprungsbehauptungen. • Das Erlösmodul gibt an, auf welche Art und Weise nennenswerte, nachhaltige Einnahmen aus der Wertschöpfung generiert werden sollen. Möglichkeiten dazu sind die Abgabe von (upgegradeten) Leistungen gegen Berechnung eines Einzelpreises, die Abgabe von Leistungen gegen zeitbezogene Pauschalierung im Abo, die Schaltung von Werbung im Verfügungsbereich, die Weiterleitung von Interessenten an Dritte gegen Provision oder die Datensammlung und Weitergabe an Dritte gegen Bezahlung (Big Data). Diese Module sind in einem konsistenten Geschäftsmodell überlegen zu integrieren, wenn die Existenzgründung erfolgreich sein soll. 7. Durch welche Komponenten kann unternehmerisches Handeln allgemein umschrieben werden? Unternehmerisches Handeln wird gemeinhin durch vier Komponenten beschrieben: • Entdecken von Chancen, Durchsetzen von Innovationen, Erschließen von Ressourcen und Übernehmen von Risiken. 8. Recherchieren Sie bitte, was unter Bootstrapping zu verstehen ist? Unter Bootstrapping versteht man eine eigenständig finanzierte Existenzgründung, also ganz ohne Fremdkapital. Dies schafft ein Höchstmaß an Unabhängigkeit und Sicherheit, setzt jedoch entsprechende Vermögensverhältnisse bei der Gründung voraus. 9. Welche Rolle spielen Gründerwettbewerber? Nennen Sie dafür bitte Beispiele. Gründerwettbewerbe bieten Startups die Chance, sich vor Experten zu präsentieren und diese evtl. auch als Teilhaber für ihr Vorhaben zu gewinnen. Als Beispiele für Gründerwettbewerber gelten folgende: • KfW-Award Gründerchampions, BayStartUp (Land Bayern), Science4Life (Venture Group), EXIST-Gründerstipendium für Hochschulabsolventen

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Übungsaufgaben und Lösungshinweise

(BMfWE). Ein populäres Beispiel ist „Höhle des Löwen“ im Fernsehprogramm von Vox. 10. W  as versteht man unter Crowdfunding? Wie sehen dabei Finanzierungsmodelle aus? Recherchieren Sie bitte Informationen dazu. Crowdfunding betrifft die „Schwarmfinanzierung“ im Internet, d. h. statt eines / weniger großer Geld-/Kreditgeber gibt es sehr viele mit entsprechend kleinen Beträgen. Finanzierungsmodelle ergeben sich dabei wie folgt: • Reward-based Crowdfunding: Dankeschön des Destinatars, verbunden mit einem kleinen Geschenk. • Crowdinvesting: Beteiligung der Investoren an Gründungsunternehmen mit Bruchteilbeträgen. • Crowdlending: Kreditvergabe in geringer Höhe mit fester Laufzeit, festem Zinssatz und Tilgung. • Crowddonation: Spende in überschaubarer Höhe von Interessenten für den Existenzgründer. 11. Was versteht man unter Inkubatoren und was unter Accelerator-Programmen? Recherchieren Sie bitte Informationen dazu. Ein Inkubator unterstützt Startups vor allem mit Infrastrukturmaßnahmen, etwa für Räumlichkeiten, Geschäftsausstattung etc. Außerdem stehen dort Spezialisten zur Beratung zur Verfügung. Häufig sind Inkubatoren an Hochschulen / Instituten angesiedelt. Accelerator-Programme betreffen die Beteiligung an Startups durch öffentliche Institutionen (Public Private Partnership o. Ä.) oder Unternehmen wie HHL Leipzig, Pro7/Sat 1., Microsoft etc. 12. In welchen Schritten kann eine „kleine AG“ oder gAG (gemeinnützige AG) gegründet werden? Voraussetzung zur Gründung einer kleinen AG / gAG ist jeweils ein Grund­ kapital von mind. 50.000 €, davon ein Viertel in bar eingezahlt (der Rest kann aus Sachwerten bestehen). Zunächst entsteht eine GbR als informelle Einigung der Gründer zur Errichtung einer AG. Wird bereits ein Handelsgewerbe ausgeübt, entsteht daraus eine oHG. Dabei werden grundlegende Regelungen getroffen wie Satzung, Gesellschaftsanteile, Zusammensetzung der Gründer, Zusammensetzung eines Aufsichtsrats etc. Die Satzung bedarf dabei der notariellen Beglaubigung. Dabei erfolgen die Erstellung eines Gründungsberichts und eine Gründungsprüfung durch Aufsichtsrat, Notar oder Wirtschaftsprüfer / Steuerberater.

24. Übungsaufgaben zur Existenzgründung

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Daraus entsteht eine AG in Gründung (i.Gr.). Sie hat sich bereits wie eine AG behandeln zu lassen. Darauf folgt die Eintragung ins Handelsregister. Denkbar ist auch eine Ein-Mann-AG (mit einem Alleineigentümer). Diese weist zwar hohe Formkosten auf, ermöglicht aber grundsätzlich den Zugang zur Börse. 13. Wie vollzieht sich eine Gewerbeanmeldung? Sofern ein Gewerbe angemeldet werden muss (z. B. nicht für Freiberufler oder Landwirte), ist zu prüfen, ob dafür Formvoraussetzungen bestehen (z. B. Meisterzwang). Die Anmeldung erfolgt dann bei der zuständigen IHK / HWK oder dem Gewerbeamt auf Basis von Unterlagen (Personalausweis, Meldebescheinigung, Erlaubnisnachweis, Führungszeugnis etc.). Die Anmeldung erfolgt im Allgemeinen online. Anmeldebefugt/-verpflichtet ist der Inhaber (Personengesellschaft) oder die Geschäftsführung (Kapitalgesellschaft). 14. Welche Phasen der Gründungsfinanzierung können unterschieden werden? Innerhalb der Gründungsfinanzierung werden gemeinhin folgende Phasen unterschieden: • Seed Financing: Dies ist die Finanzierung für die Ausreifung und Umsetzung einer Geschäftsidee bis zu ersten verwertbaren Resultaten und einem Prototyp (Proof of Concept). • Start up Financing: Dies ist die Finanzierung einer Unternehmung während ihrer Gründungsphase, also ohne dass bereits Umsatzerlöse vorliegen. • Expansion Financing: Dies ist die Finanzierung der Unternehmung bis zu ihrer Gewinnschwelle, dies betrifft vor allem den Aufbau von Kapazitäten. • Bridge Financing: Dies ist die Finanzierung bis zu einem geplanten Börsengang (IPO), Ziel ist dabei vor allem die Verbesserung der Eigenkapitalquote. • Turnaround Financing: Dies ist eine Überbrückungsfinanzierung im Falle ­vorübergehender Turbulenzen. 15. W  as versteht man unter einem IPO und wie vollzieht sich dieser? IPO ist die Abkürzung für Initial Public Offering, also den erstmaligen Börsengang einer Unternehmung. Die einzelnen Phasen im Vollzug sind folgende: • Prüfung der Börsenreife auf Basis von Unternehmensdaten und -bewertungen, • Auswahl der Emissionsbank(en) aufgrund eines „Beauty Contest“ der Banken, • Darstellung der Unternehmung im Rahmen einer (Legal / Financial) Due Diligence, das Ergebnis ist ein Comfort Letter,

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Übungsaufgaben und Lösungshinweise

• Erstellung erster Finanzanalysen durch Externe anhand finanzieller Kennzahlen, • IPO-Kommunikation im Rahmen der Investors Relations, • Roadshow mit der Absicht der Eruierung von Emissionsvolumen und -preis (Bookbuilding), Festlegung des Emissionspreises, • Zeichnung und Zuteilung (bei Überzeichnung) der Wertpapiere, • Listing und Settlement mit dem Ergebnis einer Erstnotiz, • Kurspflege und Einleitung der Berichterstattung gemäß Börsensegment.

25. Übungsaufgaben zu den Grundlagen der Wirtschaftsstatistik

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25. Übungsaufgaben zu den Grundlagen der Wirtschaftsstatistik 1. Wie unterscheiden sich die deskriptive und die induktive Statistik? Die deskriptive (beschreibende) Statistik umfasst alle Verfahren, die sich mit der Aufbereitung und Auswertung von untersuchten Datenmengen befassen. Die induktive (analytische) Statistik erlaubt Aussagen über die Verallgemeinerung von Stichprobenergebnissen für die Grundgesamtheit als Wahrscheinlichkeitsschlüsse. Es gibt zwei Arten induktiver Schlüsse. Der direkte Schluss zielt von der Grundgesamtheit auf die Stichprobe durch Selektion über Auswahlverfahren, der indirekte Schluss von der Stichprobe auf die Grundgesamtheit durch Repräsentanz über Hochrechnung. Bei letzterem stellen sich zwei Probleme. Erstens die Schätzung der Parameter der Grundgesamtheit und zweitens die Hypothesenprüfung über vermutete Gegebenheiten in der Grundgesamtheit. 2. Was hat man sich unter einer Normalverteilung vorzustellen? Die Normalverteilung ist durch die Parameter Mittelwert (= Lage der Verteilung) und Standardabweichung (= Streuung der Werte) charakterisiert. Zieht man anstelle aller möglichen Stichproben nur eine, so kann über diese Werte berechnet werden, mit welcher Wahrscheinlichkeit der Stichprobenkennwert in einem bestimmten Intervall um den wahren Wert streut (= indirekter Ansatz). Bei der Normalverteilung werden also nicht mehr die Wahrscheinlichkeiten für einzelne Werte der Zufallsvariablen berechnet, sondern die Wahrscheinlichkeiten für die Differenzen zwischen dem Mittelwert der tatsächlichen Fallzahl und dem der theo­ retischen Normalverteilung. Die Fläche unter der Normalverteilung entspricht der Gesamtwahrscheinlichkeit = 1 (100 %). Verschiedene Normalverteilungen lassen sich durch Transformation der Variablenwerte auf eine einheitliche Funktion bringen, die Standard-Normalverteilung. Sie ist durch einen Mittelwert (μ) = 0 und eine Standardabweichung (σ) = 1 normiert, weiterhin durch Modus und 5 % bzw. 95 %-Quantile (= Gauß´sche Glockenkurve). Dies betrifft folgende Eigenschaften: • Das Maximum der Dichtefunktion liegt in deren Mittelwert. Arithmetisches Mittel, Modus und Median fallen zusammen. Die Wahrscheinlichkeitsdichte ist umso kleiner, je größer die Abweichung vom Mittelwert ist. Die Kurve verläuft symmetrisch zum Lot im arithmetischen Mittel. Der Flächeninhalt unter der Kurve ist stets = 1. Die Darstellung erfolgt meist in einem Koordinatensystem mit den Werten auf der Abszisse und deren Wahrscheinlichkeiten auf der Ordinate. Die Normalverteilung ist stetig, symmetrisch und eingipflig. Im Bereich der Standardabweichung • +/–1 σ liegen 68,27 %, +/–1,96 σ liegen 95 %, +/–2 σ liegen 95,45 %, +/–2,58 σ liegen 99 %, +/–3 σ liegen 99,73 %

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Übungsaufgaben und Lösungshinweise

der Fälle. Die Güte einer Stichprobe wird nicht von der Relation Stichprobe zur Grundgesamtheit bestimmt, sondern von ihrem absoluten Umfang. Sie nimmt nicht proportional zu ihrem Umfang zu, sondern nur mit der Quadratwurzel. Die kumulierte Normalverteilung wird zur Exponenzialfunktion (Sättigungsfunk­ tion). Alternativ sind auch die logistische Funktion oder die Gompertz-Funktion einsetzbar. 3. Was versteht man unter Reliabilität? Unter Reliabilität versteht man den Grad der formalen Genauigkeit, mit der ein bestimmtes Merkmal gemessen wird, unabhängig davon, ob dieses Merkmal auch tatsächlich gemessen werden soll. Ein Messinstrument ist unter der Voraussetzung konstanter Messbedingungen reliabel, wenn die Messwerte stabil, d. h. bei wiederholter Messung reproduzierbar sind. Zum Beispiel kann eine Entfernung durch Augenschein gemessen werden, was wenig reliabel ist, durch Abschreiten, was mäßig reliabel ist, oder durch Maßband, was sehr reliabel ist. Dabei bleibt außen vor, was eigentlich genau abgemessen wird. Letztlich bleibt aber immer ein Messfehler, der Standardfehler, als Abweichung, der von der Konstanz der Messung abhängig ist. Unter Intrareliabilität versteht man die Stabilität zu zwei Messzeitpunkten, unter Interreliabilität die Stabilität zwischen zwei „Messern“. 4. Wie wird die Reliabilität gemessen? Die Feststellung der Reliabilität erfolgt durch verschiedene Verfahren: • Bei der Parallel-Test-Reliabilität wird eine Vergleichsmessung bei gleicher Ausführung in einer identischen Stichprobe mit einem äquivalenten Messin­ strument zum gleichen Zeitpunkt vorgenommen. Hier erhebt man also an einer Stichprobe von Versuchspersonen zwei streng vergleichbare Messwerte und berechnet anschließend die Korrelation zwischen ihnen. • Bei der Test-Retest-Reliabilität wird zu verschiedenen Zeitpunkten in der gleichen Stichprobe gemessen, um die Korrelation der Wiederholungsmessung zu bestimmen. Hier erhebt man also die Daten an der gleichen Stichprobe mit dem gleichen Messinstrument zu zwei verschiedenen Zeitpunkten und ermittelt anschließend die Korrelation der Ergebnisreihen. • Bei der Interne-Konsistenz-Reliabilität wird in verschiedenen Anteilen der gleichen Stichprobe gemessen, um die Einheitlichkeit eines geteilten Instruments nachzuweisen. Hier wird vorausgesetzt, dass sich ein Messinstrument in zwei oder mehr gleichwertige Teile zerlegen lässt. Die Konsistenz wird dann entweder nach der Splithalf- oder der Konsistenzanalyse ermittelt.

25. Übungsaufgaben zu den Grundlagen der Wirtschaftsstatistik

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5. Was versteht man unter Validität? Unter Validität versteht man die Gültigkeit einer Messung bzw. eines Messinstruments in Bezug auf die charakteristischen Eigenschaften des Messobjekts. Sie gibt damit den Grad der materiellen Genauigkeit an, mit dem man dasjenige Merkmal misst, das gemessen werden soll oder angegeben wird, gemessen zu werden. Zum Beispiel ist eine Personenwaage ein sehr valides Instrument zur Ermittlung des Körpergewichts, zur Ermittlung der Körpergröße ist es hingegen nur mäßig valide, zur Bestimmung der Haarfarbe ist es nicht valide. Dabei bleibt außen vor, wie genau jeweils gemessen wird. Man unterscheidet weitergehend die externe und die interne Validität: • Externe Validität bezieht sich auf die Übertragbarkeit spezifischer Forschungsergebnisse auf andere Außenbedingungen (Ergebnisvalidität). Sie erlaubt eine Hochrechnung von Erhebungsergebnissen auf die sie repräsentierende Grundgesamtheit, andere Bevölkerungsgruppen, veränderte Situationen, andere Zeitpunkte etc. Dies ist etwa bei Feldexperimenten besser der Fall als bei Laborexperimenten. Man unterscheidet nach der Strenge der zu erfüllenden Kriterien mehrere Validitäten, so nach Inhalt (Expertenurteil / Augenschein), Konstrukt (theoretische Fundierung), Kriterium (Zeithorizont), Konvergenz / Diskriminanz, Kreuz (Aufsplittung), Extremgruppen. • Interne Validität bezieht sich auf die Ausschaltung von Störeinflüssen auf den Untersuchungsplan und die Erhebungssituation (Prozessvalidität). Es geht also um die Eindeutigkeit der Messung im Experiment. Sie wird erzielt, wenn durch den Untersuchungsplan und die Erhebungssituation alle unerwünschten Störeinflüsse ausgeschaltet werden, so dass die Veränderungen in der abhängigen Variablen allein auf die Manipulation der unabhängigen Variablen zurückgeführt werden können. Beide Größen, externe und interne Validität, stehen in einem Spannungsverhältnis zueinander. Bemühungen um eine möglichst hohe interne Validität führen dazu, dass die Forschungsbedingungen immer künstlicher, also realitätsferner, werden. Bemühungen um eine möglichst hohe externe Validität führen dazu, dass unerwünschte Störeinflüsse kaum mehr Kausalitätsaussagen zulassen. So hat z. B. der Studiotest eine hohe interne Validität, weil er im Labor unter kontrollierten Bedingungen stattfindet. Seine externe Validität ist aber gerade deswegen recht gering, da die artifizielle Bedingungslage von der realen im Feld mehr oder minder erheblich abweicht. Umgekehrt hat der Feldtest eine geringe interne Validität, weil er für alle möglichen unkontrollierbaren Einflussfaktoren anfällig ist. Zugleich ist seine externe Validität aber hoch, da es sich um reale Marktbedingungen handelt und nicht um eine bloße Laborsituation.

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Übungsaufgaben und Lösungshinweise

6. Was versteht man in der Statistik unter Objektivität und welche Arten statistischer Objektivität können unterschieden werden? Die Objektivität von Informationen bedeutet, dass diese frei von subjektiven Einflüssen und damit intersubjektiv nachprüfbar sind, also verschiedene Personen unabhängig voneinander zum mehr oder minder gleichen Messergebnis kommen. Sie ist Ausdruck dafür, ob Unterschiede in der Realität in den Forschungsergebnissen angemessen zum Ausdruck kommen. Anfälligkeiten dafür bestehen bei der Durchführung, Auswertung und Interpretation in der Forschung. Sofern Subjektivität offen ausgewiesen ist, z. B. in Form von Empfehlungen des Forschers an den Auftraggeber, ist dagegen auch nichts einzuwenden. Gefährlich aber sind Verzerrungen, die, ohne dass sie als subjektiv ausgewiesen werden, in die Ergebnisse eingehen. Man unterscheidet drei Objektivitätsarten: • Die Durchführungsobjektivität beurteilt den Grad der Unabhängigkeit der Beurteilungsergebnisse von zufälliger und systematischer Variation im Verhalten der Beurteiler, also das Fehlen von Beeinflussung der Beurteilten. Die Durchführungsobjektivität erhöht sich, je weniger soziale Interaktion zwischen Auskunftspersonen und Forscher entsteht. • Die Auswertungsobjektivität ist umso größer, je weniger fixierte Beziehungen (vorgegebene Regeln) zwischen bestimmten Informationen und Beurteilungsziffern bekannt sind. Die Auswertungsobjektivität erhöht sich, je weniger Freiräume der Forscher hinsichtlich der Auswertung der Messergebnisse hat. • Die Interpretationsobjektivität betrifft den Grad der Unabhängigkeit bei der Interpretation der Objekte von deren Beurteilern und ist als hoch gegeben, wenn alle Beurteiler zu den gleichen Schlussfolgerungen gelangen. Die Interpretationsobjektivität erhöht sich, je weniger Freiheitsgrade der Forscher bezüglich der Deutung der Messergebnisse hat. 7. Was versteht man unter statistischer Signifikanz und wie wird diese getestet? Die Signifikanz von Informationen bedeutet, dass Ergebnisse sich nicht nur aufgrund von Zufallsmechanismen einstellen, sondern auf überzufällige Zusammenhänge zurückzuführen sind. Dies ist wichtig für die Übertragbarkeit von Aussagen von einer untersuchten Stichprobe auf die Grundgesamtheit. Dies wird durch spezielle Tests überprüft. Dem liegt die Wissenschaftsrichtung des Kritischen Rationalismus zugrunde. Hypothesenprüfungen finden durch Signifikanztests statt. Solche Signifikanztests sollen eine Entscheidung darüber herbeiführen, ob Unterschiede zwischen dem postulierten wahren Wert (Hypothese) und dem Stichprobenergebnis (Empirie) nur zufällig gegeben oder aber statistisch als überzufällig anzusehen gesichert, also signifikant, sind. Dabei kann es sich um wertmäßig bestimmte Entscheidungsalternativen handeln (exakter Wert) oder um eine nicht wertmäßig

25. Übungsaufgaben zu den Grundlagen der Wirtschaftsstatistik

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bestimmte, zusammengesetzte Hypothese (größer / kleiner oder ungleich Werte). Je nach Skalenniveau der betrachteten Variablen, nach Verteilungstyp der zugrunde gelegten Daten und der Art der Hypothesenbildung werden unterschiedliche Testverfahren eingesetzt. Durch sie kann aber nur erreicht werden, dass unter einer Vielzahl möglicher Hypothesen der Anteil der richtigen erhöht wird. Im Signifikanztest wird daher ein Ablehnungsbereich berechnet, in den die Teststatistik mit einer zuvor gewählten Irrtumswahrscheinlichkeit fällt. Bei dieser Entscheidung können zwei Fehlerarten auftreten: • Die Nullhypothese kann verworfen werden, obwohl sie wahr ist. Es handelt sich dann um einen Fehler 1. Art (auch Alpha-Fehler), bei dem die Alternativhypothese zu unrecht angenommen wird. • Die Nullhypothese kann angenommen werden, obwohl sie unwahr ist. Es handelt sich dann um einen Fehler 2. Art (auch Beta-Fehler), bei dem die Alternativhypothese zu unrecht verworfen wird (dies kann auch passieren, wenn die Messlatte für die Annahme unzweckmäßig hoch gelegt wird). Zwei weitere Entscheidungen sind demgegenüber richtig: • Die Nullhypothese wird zurecht verworfen und die Alternativhypothese zurecht angenommen. Sowie die Nullhypothese wird zurecht angenommen und die Alternativhypothese zurecht abgelehnt. 8. Was versteht man unter einer t-Verteilung? Die t-Verteilung ist der Normalverteilung sehr ähnlich, nur dass sie von der Zahl der Freiheitsgrade abhängt, also dem Stichprobenumfang abzüglich der aus der Stichprobe geschätzten Parameter. Die Zufallsvariable folgt dann der t-Verteilung. Diese ist symmetrisch um den Nullpunkt, verläuft jedoch flacher als die Normalverteilungskurve. Ihre Anwendung konzentriert sich auf kleine Stichprobenumfänge, bei denen die Voraussetzungen für den zentralen Grenzwertsatz nicht erfüllt sind. Dies bedeutet, dass nicht mehr davon ausgegangen werden kann, dass der Stichprobenmittelwert näherungsweise normalverteilt ist. Mit wachsender Zahl von Freiheitsgraden strebt die t-Verteilung gegen die Normalverteilung. Dies ist etwa ab mehr als 30 Werten als Differenz aus Stichprobenumfang und Anzahl der daraus berechneten Parameter der Fall. 9. Was versteht man unter einem F-Test? Der F-Test ist ein Signifikanztest zum Vergleich der Varianzen zweier voneinander unabhängiger Stichproben auf Basis einer F-Verteilung der Parameter, d. h. der Anzahl der Freiheitsgrade der ersten und der zweiten Variablen. Die F-Verteilung verläuft asymmetrisch (linksschief) und eingipflig. Die Nullhypothese des F-Tests besagt, dass sämtliche festgestellten Variationen lediglich Zufalls-

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Übungsaufgaben und Lösungshinweise

schwankungen darstellen, d. h. die Mittelwerte der einzelnen Gruppen einander gleichen, die Beobachtungsdaten einer einzigen Population entstammen und deren Abweichungen somit lediglich dem Zufall zuzuschreiben sind. Der empirische Wert wird einem theoretischen Tabellenwert bei gegebenen Freiheitsgraden gegenüber gestellt. Liegt der berechnete F-Wert unterhalb des Schwellenwerts, der sich in einer Tabelle findet, wird die Nullhypothese nicht verworfen, die Abweichungen der Varianzen innerhalb einer Gruppe sind dann lediglich zufälliger Natur. Das Signifikanzniveau gibt dabei die Wahrscheinlichkeit an, mit welcher der ermittelte F-Wert auch für den Fall, dass die Nullhypothese richtig ist, den theoretischen F-Wert übersteigt. Mit steigender Fehlervarianz wird somit eine zielgerichtete Aussage über gegebene Rahmendaten immer schwieriger. 10. I n welchen Beziehungen können Variable innerhalb der Statistik stehen? Nach der Beziehung zwischen den Variablen sind Häufigkeiten, Abhängigkeiten und Zusammenhänge gegeben: • Bei Häufigkeit geht es um die Verteilung jeder Ausprägung eines Merkmals (relative Häufigkeit). Dazu werden Lage- und Streuungsparameter sowie Formund Konzentrationsparameter zur Charakterisierung genutzt. • Bei Abhängigkeit (Dependenz) wird die Variablenmenge in abhängige und unabhängige Variable aufgeteilt, d. h., einer oder mehreren Variablen werden andere gegenüber gestellt und deren Einflüsse darauf untersucht. Dabei wird allerdings lediglich rein formal ermittelt, nicht aber in Bezug auf Kausalität bewertet, die nach wie vor durch Logik zu prüfen ist. Es handelt sich um strukturprüfende Verfahren. • Bei Zusammenhang (Interdependenz) wird die Variablenmenge nicht weiter in abhängige und unabhängige unterteilt. Vielmehr werden Wechselwirkungen der Variablen untereinander untersucht. Es handelt sich um strukturentdeckende Verfahren. 11. W  as versteht man unter einer Skala? Unter einer Skala versteht man eine gesetzmäßige Klassifikationsvorschrift zur Differenzierung von Eigenschaften einer Menge von Untersuchungseinheiten. Sie ist ein Messinstrument, mit dessen Hilfe Objekten / Merkmalsausprägungen quantitative oder qualitative Werte / Zahlenfolgen zugeordnet werden. Der nach festgelegten, streng formalen Regeln durchgeführte Aufbau einer Skala heißt Skalierung. Die Messung der Sachverhalte kann unterschiedlich präzise erfolgen, dazu ist die Angabe des Skalenniveaus (auch Messniveau genannt) erforderlich. Die Aufgabe der Skalierung ist eine zweifache. Erstens soll sie anhand der Angaben einer Stichprobe von Auskunftseinheiten mit Hilfe eines geeigneten Verfahrens eine Skala entwickeln, die als geeichtes Messinstrument zur Messung

25. Übungsaufgaben zu den Grundlagen der Wirtschaftsstatistik

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des Merkmals auch bei Einheiten außerhalb der Stichprobe dienen kann. Zweitens soll sie verdeutlichen, welche Unterschiede in Bezug auf die Ausprägungen des gemessenen Merkmals zwischen den Auskunftseinheiten innerhalb der Stichprobe bestehen. Skalen müssen dabei zuverlässig, gültig, trennscharf und effizient sein. 12. Wie ist eine Nominalskala gestaltet? Die Nominalskala teilt ein Messkontinuum in einander wechselseitig ausschließende Merkmalsklassen auf und bezeichnet diese mit numerischen oder ­alphanumerischen Werten. Die Zuordnung erfolgt dabei nach Gleichheit / Verschiedenheit. Die Einschätzung beschränkt sich auf zwei gegensätzliche Pole ohne die Möglichkeit einer Zwischenabstufung. Werden dabei Zahlen zugeordnet, haben diese lediglich symbolischen, nicht jedoch numerischen Charakter. Die Nominalskala erlaubt also nur eine Einstufung in dem Sinne, dass eine vordefinierte Merkmalsausprägung vorhanden oder nicht vorhanden ist. Alle Objekte, die hinsichtlich des erhobenen Merkmals gleich sind, werden der gleichen Kategorie zugeordnet. Die Merkmalsklassen schließen einander aus. Eigentlich handelt es sich eher um eine Klassifikation als um eine Skala. Beispiele sind Kontonummer, Geschlecht, Postleitzahl, Autokennzeichen etc. 13. Wie ist eine Ordinalskala gestaltet? Die Ordinalskala teilt ein Messkontinuum in einander wechselseitig ausschließende Merkmalsklassen auf und bezeichnet diese mit Zahlenwerten. Höhere Zahlenwerte kennzeichnen dabei höhere Positionen auf dem Messkontinuum. Es kommt zu einer Bestimmung der Rangfolge. Für eine Reihe einander ausschließender Merkmale wird angegeben, an welcher Stelle in einer Reihenfolge die einzelnen Merkmale platziert sind. Ordinalskalen besitzen weder gleiche Intervalle, noch verfügen sie über einen absoluten Nullpunkt. Die Begriffe sind nur komparativer Natur. Die Abstände zwischen den einzelnen Positionen sind nicht fest definiert. Es ist demnach nicht möglich, nach Intensität von Unterschieden zwischen erhobenen Objekten zu unterscheiden. Beispiele sind Härteskala, Richterskala, Tabellenstand, Schulnote, Windstärke etc. 14. Wie ist eine Intervallskala gestaltet? Die Intervallskala teilt ein Messkontinuum in einander wechselseitig ausschließende Merkmalsklassen auf und bezeichnet diese mit Zahlenwerten. Höhere Zahlenwerte kennzeichnen höhere Positionen auf dem Messkontinuum. Die Abstände zwischen den Merkmalsklassen sind gleich groß, Zahlenwertdifferen-

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Übungsaufgaben und Lösungshinweise

zen können daher miteinander verglichen werden. Es ist demnach eine Gleichheit von Intervallen und Unterschieden bei einem willkürlich festgelegten Nullpunkt gegeben. Damit repräsentieren gleiche Intervalle zwischen den Zahlen auch gleiche Abstände im Hinblick auf die gemessene, empirische Eigenschaft. Allerdings sind keine Aussagen über absolute Merkmalsausprägungen möglich, da die Skala keinen natürlichen Nullpunkt aufweist. Jede positive lineare Transformation, d. h. Multiplikation / Division mit einer positiven Konstanten oder Addition / Subtraktion einer Konstanten, ist zulässig. Die Intervalle können miteinander addiert und subtrahiert werden, nicht jedoch miteinander multipliziert oder dividiert. Beispiele sind Temperatur (nicht Kelvin), Kalenderdatum, Intelligenzquotient etc. 15. W  ie ist eine Ratioskala gestaltet? Die Ratioskala (auch Verhältnisskala) teilt ein Messkontinuum in einander wechselseitig ausschließende Merkmalsklassen auf und bezeichnet diese mit Zahlenwerten. Höhere Zahlenwerte kennzeichnen höhere Positionen auf dem Messkontinuum. Die Abstände zwischen den Merkmalsklassen sind gleich groß, Zahlenwertdifferenzen können daher miteinander verglichen werden. Darüber hinaus ist ein absoluter Nullpunkt gegeben, weshalb sich auch Zahlenwertverhältnisse miteinander vergleichen lassen. Die Zahl Null hat hier eine empirische Bedeutung und darf nicht verschoben werden, denn sie besagt, dass das gemessene Merkmal dort nicht vorhanden ist. Alle vier Grundrechenarten sind anwendbar. Beispiele sind Länge, Zeit, Volumen, Preis, Einkommen, Währungseinheiten, Alter, Menge, Kundenzahl etc.

26. Übungsaufgaben zu den Grundlagen der Informationswirtschaft

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26. Ü  bungsaufgaben zu den Grundlagen der Informationswirtschaft 1. Was versteht man unter einem Proxy Server? Der Proxy Server ist ein Host oder Router, der die Rolle eines anderen Servers übernimmt und Abfragen beantwortet, die eigentlich direkt an einen anderen Rechner gerichtet sind. Dazu greift er auf Cache- oder Mirror-Informationen zurück. Dadurch ergeben sich kürzere Zugriffszeiten und weniger Traffic im Internet, nachteilig ist jedoch ein evtl. fehlender Update. Proxy Server werden auch als Gateway-Rechner oder in Firewall-Konzepten eingesetzt. Angebote, die besonders viele User anklicken, werden von diesen Rechnern zwischengespeichert, damit sie nicht über die volle Strecke zwischen dem Server eines Anbieters und dem Rechner eines Nutzers transportiert werden müssen. Ein Datenabruf beim Anbieter einer Site findet also nicht zwingend statt, daher ist die Kontaktmessung über Datenabrufe unzuverlässig. 2. Recherchieren Sie, welche Vergütungsformen im Affiliate Marketing verbreitet sind? Wie ist das Geschäftsmodell des Affiliate Marketing dabei angelegt? Affiliate Marketing ist eine Online-Vertriebskooperation. Es kennt (zumeist) drei Beteiligte: den Merchant, der seine Produkte / Dienste verkaufen will, die Affiliates, die themenorientierte Websites betreiben, auf denen sie Werbeflächen vermieten und (nicht zwingend, aber häufig) das Netzwerk, das beide zusammenbringt und die erfolgsabhängige Zahlung organisiert. Bei den Affiliates handelt es sich zumeist um Preisvergleichsseiten, Suchmaschinenanbieter, Gutschein-Websites (Rewarding-Systems), Deal-Seiten oder e-Mail-Betreiber. Alternativ kann Affiliation auch durch bilaterate Partnerprogramme realisiert werden. Affiliate Marketing kennt folgende Vergütungsformen: • Pay per Click out: Vergütung bei zweitem Klick auf einer Seite (wegen Klickbetrugs), • Pay per Link: Vergütung für die Dauer der Präsenz eines Links auf einer Seite, • Pay per Print out: Vergütung bei Ausdruck eines Coupons des Anbieters, • Pay per View: Vergütung bei Aufruf eines Werbebanners auf einer Seite, • Pay per Lead: Vergütung nach vermitteltem Kundenkontakt, • Pay per Sign up: Vergütung nach Anmeldung auf der Verkäuferseite, • Pay per Install: Vergütung bei erstmaliger Software-Installation, • Pay per Sale: Vergütung erst nach Kaufabschluss, • Pay per Click: Vergütung bei Anklicken eines Werbemittels.

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Übungsaufgaben und Lösungshinweise

Als Grundlage dienen dabei Tracking-Daten aus Cookies, URL’s, Datenbanken, Sessions oder Webbugs. Betrugsfälle betreffen etwa Cookie-Dropping ohne Transaktion, Brand Hijacking (Kopie der Merchant-Seite auf der eigenen Site) oder Toolbars (Browser-Erweiterung). 3. Nennen Sie bitte Risiken des Viralmarketings? In welchen Stufen wird dabei beim Viralmarketing vorgegangen? Welche Merkmale sind kennzeichnend für Viralmarketing? Recherchieren Sie dazu bitte. Als Risiken des Viralmarketings sind folgende zu nennen: • Verbreitung der Botschaften innerhalb des „falschen“ Personenkreises, fehlende / unklare Verbindung zum Urheber der Kampagne, unerwünschte Modifizierung der Nachricht während der Verbreitung, eine unerlässliche kritische Masse wird nicht erreicht, Kontrollverlust während des Multiplikationsprozesses, fehlende Glaubwürdigkeit der Kampagne. Viralmarketing geht für gewöhnlich in folgenden Stufen vor: • Festlegung des Kampagnenziels, insb. der Zielgruppe, Wahl geeigneter Medien für die Verbreitung, Ausgestaltung der Kampagne (mehrwertorientiert, innovativ o. Ä.), Test eines Piloten im Markt, aktive Verbreitung der optimierten Botschaft, Messung der Zielerreichung. Für Viralmarketing sind folgende Merkmale kennzeichnend: • das Internet dient als Kommunikationsbasis, die Verbreitung erfolgt durch Word of Mouth (Mund-zu-Mund-Propaganda) im sozialen Umfeld, der Content ist innovativ, kostenlos für Nutzer und meist werbefinanziert, er bietet einen Mehrwert und / oder dient Vermarktungszwecken, die Botschaft wendet sich insb. an Meinungsführer, die Verbreitung ist nur begrenzt kontrollierbar. 4. Nennen und erläutern Sie bitte typische Online-Erfolgskennzahlen und ihre Ermittlung. Bei typischen Online-Erfolgskennzahlen handelt es sich um folgende: • Page Impressions / Page Views: Anzahl der Aufrufe einer Internetseite in einem bestimmten Zeitraum, • AdImpressions: Anzahl der Aufrufe einer Internetseite, die Werbebanner führt, jede Seite wird dabei einzeln gezählt, • Clickthrough Rate: Relation der Anzahl aufgerufener Internetseiten zu den dort jeweils angeklickten Banners, • Visits: Anzahl der Besuche einer Website, wobei mindestens eine Seite aufgerufen wird,

26. Übungsaufgaben zu den Grundlagen der Informationswirtschaft

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• Unique Visitors: Anzahl der Besucher einer Website durch Cookies oder IP-Annäherung festgestellt, • New Visitors: Anzahl der Besucher, die eine Internetseite erstmals besuchen, • Usetime: durchschnittliche Verweilzeit zur Nutzung auf einer Website, • Bounce Rate: Anzahl der Besucher, die eine Website nur sehr kurzzeitig aufrufen und dann sofort wieder verlassen, • Conversion Rate: Relation der Anzahl der Besucher einer Website zum dort jeweils gewünschten Verhalten (z. B. Kauf, Informationsanforderung, Rückruf). 5. Recherchieren Sie mögliche Kriterien zur Realisierung einer Suchmaschinenoptimierung. Mit welchen Täuschungen ist dabei zu rechnen? Kriterien für die bestmögliche Platzierung der eigenen Seite in einer Suchmaschine sind u. a. folgende: • Wichtigkeit des Suchwortes in der Seite (Keyword Prominence), • Nähe der Such- und Textbegriffe zueinander (Keyword Proximity), • Häufigkeit des Suchwortes (Keyword Frequency), • Suchwort-Dichte im Text (Keyword Density), • Suchwort im Domain-, Verzeichnis- oder Dateinamen vorhanden, • Hervorhebung des Suchwortes durch Formatierung (Überschrift, Fettung, Kursivierung etc.), • Suchwort in Links vorhanden, die auf die Seite verweisen, • Nutzung von Synonyma zum Suchwort (Latent Semantic Indexing), • Link-Popularität einer Seite, • flache Sitestruktur (Klickebenen), • Anzahl der bereits gespeicherten Seiten einer Site (Search Engine Saturation), • Alter der letzten Aktualisierung der Site, • Backlink, d. h. umgekehrter Link von einer anderen Seite auf die eigene, • Breadcrumbs, d. h. Verfolgbarkeit der Linkstruktur über Seitenhierarchie. Dabei ist in der Praxis bedauerlicherweise mit folgenden Täuschungen zu rechnen: • Cloaking: bei Identifizierung von Suchmaschinen-Spiders werden für diese auf deren jeweilige Suchmerkmale optimierte Webseiten bereitgestellt, die ansonsten jedoch unsichtbar sind, • Duplicate Content: dabei wird ein gleicher Inhalt auf verschiedenen Web­sites präsentiert, falls dies erkannt wird, erfolgt allerdings eine Abwertung als Spamming,

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Übungsaufgaben und Lösungshinweise

• Linkfarming: dies sind Websites, die nur dem Zweck dienen, möglichst viele Backlinks zu produzieren und damit die Platzierung zu verbessern. Abwertungen erfolgen weiterhin bei Einstiegsseiten aus einer Displaywerbung (Landing Pages) und bei Vermittlung der Aufnahme von Webseiten gegen Entgelt (Paid Inclusion Service). 6. Recherchieren Sie den Inhalt der Begriffe Page, Page Impression und Page View. Page ist ein einzelnes HTML-Dokument, das Texte, Bilder und andere Elemente enthalten kann. Die Seite kann statisch sein, aber auch wechselnde Elemente nach Usergruppen, Zeiträumen oder Anklicken gestaffelt enthalten. Denkbar ist auch eine individuelle Seitenbestückung für bestimmte Nutzergruppen. Page Impression ist ein Effizienzmaß der Online-Werbung. Dabei wird die Anzahl der qualifizierten Zugriffe auf eine HTML-Seite, unabhängig von der Menge der darin eingebundenen Elemente ermittelt. Ein Zugriff ist qualifiziert, wenn der Abruf vollständig und technisch einwandfrei erfolgt ist. Seitenaufrufe nicht grafikfähiger Browser werden herausgefiltert. Bei Seiten mit integrierten Frames muss sichergestellt sein, dass die einzelnen Frames nicht als HTML-Seiten interpretiert, sondern entsprechend zusammengefasst werden. Page View bezeichnet die Anzahl der Sichtkontakte beliebiger Nutzer mit einer potenziell werbeführenden HTML-Seite. Dies liefert ein Maß für die Nutzung einzelner Seiten eines Angebots. Liegt dem Web-Angebot ein Layout zugrunde, das Werbeanteil und Inhalt (Content) einer Seite technisch trennt, so zählt jeder Sichtkontakt mit einer Content-Seite zusätzlich als Page View für den zugehörigen Werbeanteil. Als Content-Seiten gelten alle Seiten, bei denen es sich nicht um reine Werbe- oder Navigationsseiten handelt. Die Summe aller Page Views gibt Aufschluss über die Attraktivität eines Online-Angebots. Pro Nutzeraktion wird nur ein Page View gezählt. 7. Welche Aufgaben kommen Suchmaschinen im WWW zu und wie können die Suchergebnisse durch Optimierung beeinflusst bzw. durch Werbung ergänzt werden? Bei Suchmaschinen handelt es sich um Software-Hilfen, die im WWW nach dem Prinzip der „Gelben Seiten“ funktionieren oder per Freitextrecherche den Inhalt des WWW nach für vom Nutzer als interessant angegebenen Nachrichten durchsuchen. Meist sind sie lernfähig und passen ihre Auswahl an die erkannte Interessenlage der Adressaten an. Sie durchsuchen das WWW ständig nach neuen Dokumenten, die nach entsprechenden Suchaufträgen ausgewiesen werden, allerdings nicht wie in Webkatalogen redaktionell bearbeitet. Menübasierte Suchsysteme stellen Informationen in einer hierarchischen Baumstruktur dar.

26. Übungsaufgaben zu den Grundlagen der Informationswirtschaft

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Eine Information wird dann entlang des Pfades immer detaillierter aufbereitet. Abfragebasierte Suchsysteme strukturieren Informationen durch Einsortieren bestimmter Schlüsselwörter in eine Verweisdatenbank (Index). Der Zugriff erfolgt dann über Angabe dieses Suchbegriffs, wobei der Index verwandte Suchbegriffe mit ausweist. Die Suchmaschinen-Optimierung bezieht sich auf die technische Optimierung der Auffindbarkeit und Zuordnenbarkeit von Webseiten. Sie erfolgt durch On­ page-Optimierung, d. h. Maßnahmen zur Verbesserung der Position von Suchergebnissen bei Abfragen sowie Offpage-Optimierung, d. h. Verbreitung / Referenzierung von Webseiten, um zu besseren Platzierungen zu gelangen. Die Suchmaschinen-Werbung betrifft Werbeschaltungen in Verbindung mit Suchergebnissen durch Kauf von Platzierungen bei Eingabe definierter Suchbegriffe. Dies erfolgt außerhalb der originären Suchergebnisse (bei Google etwa oben und rechts davon). Dafür wird ein Klick-Gebot abgegeben, dieses entscheidet über die Platzierung innerhalb der Werbepositionen. Bei Erschöpfung der meist monatlichen Budgetgrenze erscheint die Werbung nicht mehr. 8. Was versteht man im Kontext des WWW unter Hypertext und was unter Hyperlink? Hypertext ermöglicht die Verlinkung digitaler Dokumente im WWW. Die Darstellung von verketteten Informationen erfolgt in einem einfachen Text, der dem Anwender diese Verkettung verbirgt. Dies entspricht dem Konzept nicht-sequenzieller Texte, welche die Möglichkeit bieten, aufgrund von Querverweisen zu miteinander in Zusammenhang stehenden Inhalten in anderen Dateien zu gelangen. Zum Anklicken unterstrichener Wörter in einem Textdokument wird dabei automatisch die Verbindung zu anderen Textdokumenten auch auf anderen Sites hergestellt, ebenso sind Rücksprünge möglich. Als Hyperlink werden hervorgehobene Stellen in einem WWW-Dokument bezeichnet, die per Mausklick angewählt werden können und unmittelbar zu anderen eigenen Dateien oder zu externen Seiten / Dokumenten durchverbinden. Dazu ist ein globales Netz von miteinander verbundenen Computern notwendig, die auf der Grundlage eines gemeinsamen Netzwerkprotokolls miteinander kommunizieren (TCP / IP). Hyperlinks sind optisch, meist farbig hervorgehoben. Über solchen Stellen ändert sich der Mauszeiger des Browsers in ein Handsymbol. 9. Was versteht man unter TCP / IP und welche Aufgaben übernimmt dieser Standard im Internet? TCP / IP ist ein Standard zum Datenaustausch zwischen Computern zur Verständigung bei der Datenfernübertragung, auf dem das Internet beruht. Dieser

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Übungsaufgaben und Lösungshinweise

legt fest, in welcher Form und nach welchen Regeln Daten verschickt werden. Die IP-Nummer (32 bit) identifiziert dabei jeden einzelnen Rechner und bildet die Grundlage für die Adressierung. Aufgaben sind im Einzelnen die Kontrolle des Datenflusses zwischen zwei Systemen, die Empfangsbestätigung für eingetroffene Datenpakete und ein End to End Sequencing. Er übernimmt die Funktion der Adressierung und stellt sicher, dass die Vermittlungsstellen (Router / Gateways) wissen, wohin sie die Datenpakete verschicken sollen. 10. Charakterisieren Sie bitte die wesentlichen Eckpunkte der Funktionsweise des WWW. Das World Wide Web besteht aus einer Ansammlung von über das Internet weltweit verbundenen HTTP-Servern, auf die mittels eines WWW-Clients (Brow­ser) zugegriffen werden kann. Zur Verfügung gestellt werden HTML-Dokumente, Bilder, Animationen / Videos und Audio-Dateien. Der Server kann auch Informationen vom Client anfordern und Transaktionen durchführen. Die H ­ TTP-Server können entweder direkt durch Eintragen einer entsprechenden Adresse (URL) im Browser aufgerufen werden oder durch Anklicken von Hyperlinks. Dadurch entsteht eine Netzstruktur, bei welcher der Nutzer komfortabel von einem Dokument zum nächsten springen kann. Informationsbasis sind HTML-Dokumente, die durch Hyperlinks untereinander verknüpft sind. Es handelt sich somit um eine benutzerfreundliche Bedienoberfläche zur Präsenta­tion unterschiedlicher Formate. Die Grundlage für eine multimediale Nutzung des Internets ist eine Sammlung von Standards, die den Austausch und die Darstellung von Dokumenten in ­einem gemeinsamen Format beschreiben, das unabhängig von der jeweiligen Hardware-Plattform und Betriebssystemart ist. 11. N  ach welchen Kriterien können Online-Geschäftsmodelle rubriziert werden? Online-Geschäftsmodelle lassen sich nach vielfachen Kriterien rubrizieren: • nach den Beteiligten in B-t-B-(Geschäftskunden) oder B-t-C-Konstruktionen (Privatkunden), • nach der Richtung vertikal (viele Produkte für eine Branche), horizontal (ein Produkt für viele Branchen), generalistisch (viele Produkte für viele Branchen) oder fokussiert (ein Produkt für eine Branche), • nach der Initiative vom Anbieter (Sell Side), vom Nachfrager (Buy Side), von Maklern (Broker) oder von Mittlern (Intermediate) ausgehend, • nach dem Zugang kann dieser öffentlich (anonym), registriert (identifiziert), geschlossen (mit Zulassung) oder passiv (nur auf Einladung) sein, • nach der Zeitdauer kann der Markt einmalig veranstaltet, fallweise veranlasst, zyklisch wiederholend oder dauerhaft stattfinden,

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• die Preisbildung kann dabei statisch als Festpreis oder dynamisch als Preisbietung erfolgen, • als Handelsobjekte kommen digitale Produkte, Waren, Dienste etc. in Betracht, • die Geschäftsmodelle (im B-t-C) beziehen sich (lt. Wirtz) auf Commerce (Handel), Content (Inhalte), Context (Suche) oder Connection (Verbindung), • die Interaktion der Partner erfolgt dabei intern direkt, extern direkt, indirekt einstufig (ein Absatzmittlerstufe) oder indirekt zwei- bzw. mehrstufig (zwei oder mehr Absatzmittlerstufen), • die Einkünfte des Veranstalters resultieren direkt aus Transaktionen oder indirekt aus Weiterleitung, Datenverkauf, Werbeschaltung etc., • die Stufen der Repräsentanz sind meist chronologisch folgende: Produktpräsentation, interaktive Website, Transaktionsfähigkeit, Einbindung externer Partner (Affiliation), virtuelles Netzwerk. 12. Worum handelt es sich bei einem „Interpreter“? Der Interpreter ist ein Programm, das den Quellcode von Programmen, die in einer Interpreter-Sprache geschrieben wurden, lädt und interpretiert, also Anweisung für Anweisung in Maschinencode übersetzt und sofort ausführt. Die Befehle werden erst während der Laufzeit eines Programms in Maschinencode übersetzt, bevor sie ausgeführt werden können (Ggs.: Compiler, sofort lauffähig, damit schneller). 13. Worum handelt es sich bei einer „IP-Nummer“? Die IP-Nummer ist die Adresse eines Internet-Teilnehmers nach TCP / IP-Übertragungsprotokoll. Sie setzt sich aus vier je dreistelligen Zahlen zwischen 0 und 255 (ASCII) zusammen und stellt eine weltweit einzigartige Kombination dar, unter der ein bestimmter Internet-Host in einem bestimmten Netzwerk erreichbar ist. Die beiden ersten Zahlen beschreiben das Netzwerk, in dem der Host steht, die letzten beiden Zahlen den Host selbst. 14. Wie ist ein Management-Informations-System aufgebaut? Ein Management-Informations-System (MIS) erhöht die Transparenz der Daten, indem Informationen aufgerufen, aufbereitet und gespeichert sowie interaktiv, schnell, präzise und aktuell online oder offline bereitgestellt werden. Das MIS übernimmt damit Dokumentations-, Planungs- und Kontrollfunktionen. Es besteht aus den Subsystemen der • Datenbank, d. h. den gesammelten, internen oder externen Ausgangsdaten, auf die zurückgegriffen werden kann,

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Übungsaufgaben und Lösungshinweise

• Methodenbank, d. h. Verfahren zur sinnvollen Auswertung anfallender Datenmengen wie Präsentationsgrafik, einfache Methoden der Algebra, Inte­ gral- und Differenzialrechnung, Kombinatorik etc., komplexe Methoden der Statistik wie deskriptive Verfahren, Schätz- und Testverfahren, multivariate Analyse als Korrelation, Regression, exponenzielle Glättung, Faktorenanalyse etc., sowie OR-Methoden wie lineare und nicht-lineare Programmierung, Warteschlangentheorie, Spieltheorie, Simulation, Netzplantechnik etc., • Modellbank, d. h. Strukturen zur Erreichung hoher Aussagefähigkeit von Daten wie Modelle zur Optimierung der Projektplanung, Prognose, Konkurrenzsituation etc., • Dialogbank, d. h. Schnittstellen zur Übertragung der Daten an Anwender. Wesentliche Elemente betreffen dabei die Möglichkeit zur Direktabfrage durch eine benutzerfreundliche Sprache, die Anzeige von Soll-Ist-Abweichungen, ein arbeitsfähiges Berichtssystem, Entscheidungshilfen durch Datenanalyse, Informationsauffindung, Kennzahlenbildung etc. Die Weiterentwicklung reicht von konventionellen Entscheidungsunterstützungssystemen (Decision Support Systems / DSS) bis zu wissensbasierten und lernfähigen Expertensystemen (Management Support Systems / MSS). Das MIS steht mit anderen Elementen eines Planungs- und Kontrollsystems in Beziehung. 15. W  elche Netztopologien können unterschieden werden? Man unterscheidet Busnetze, bei denen alle Rechner an ein gemeinsames Buskabel angeschlossen sind, das durch CSMA / CD (Carrier Sense Multiple Access with Collision Detection) verwaltet wird, Sternnetze, bei denen die einzelnen Rechner sternförmig mit einem Zentralrechner (Server) verbunden sind, Ringnetze, bei denen die Rechner über eine einzige, ringförmig verlaufende Leitung miteinander verbunden sind, meist erfolgt die Steuerung durch Token Passing, sowie Misch- und Sondernetzformen. Die Kopplung von Netzen untereinander erfolgt durch Repeaters, d. h. Verstärker und Weiterleiter der Signale auf längeren Netzwerkstrecken, Bridges, d. h. Übertrager zwischen unterschiedlichen Medien, Routers, d. h. Zustellern von Datenpaketen zwischen Adressaten und Empfängern in unterschiedlichen Netzen, sowie Gateways, d. h. Anpassern zwischen heterogenen Rechnernetzen.

27. Übungsaufgaben zur Internationalen Betriebswirtschaft

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27. Übungsaufgaben zur Internationalen Betriebswirtschaft 1. Wann ist eine Unternehmung international? Die Internationalität von Unternehmen ist durchaus strittig. Dazu bedarf es Parametern zur Bewertung. Dafür können verschiedene Indikatoren zugrunde gelegt werden: • Anzahl der Länder, in denen die Wertschöpfung einer Unternehmung erfolgt, Anzahl der ausländischen Betriebsstätten einer Unternehmung, • Umfang des im Ausland vorhandenen Vermögens der Unternehmung, im Ausland erzielte Erlöse / Gewinne, Steuerlast der Unternehmung im Ausland, • Zahl der aus dem Ausland kommenden Gesellschafter, Umfang der Beteiligungen einer Unternehmung im Ausland, • Zahl der im Ausland tätigen Mitarbeitenden an der Gesamtbelegschaft, Zahl ausländischer Top-Manager, Zahl der Expatriates (ins Ausland zeitweise entsandte inländische Mitarbeitende), • aus dem Ausland stammendes Auftragseingangsvolumen, Auslandsmarktanteile der Unternehmung, • im Ausland von der Unternehmung getätigte Investitionsvolumina (Direktinvestitionen), • unternehmenspolitische Ausrichtung auf eine internationale Geschäftstätigkeit, • Anpassung der Organisationsstruktur der Unternehmung an die Erfordernisse internationaler Geschäftsaktivitäten, • Denk- und Verhaltensweisen des Top-Managements, auslandsorientierte Unternehmenskultur, • Mitarbeiterentwicklung in der Unternehmung entlang den Anforderungen zur Internationalität. Tatsächlich ist es somit weithin unklar, welche Unternehmen (absolut) und ab wann (graduell) diese als international zu bezeichnen sind. Im Prinzip können quantitative Kriterien unterschieden werden, die von außen gesehen Internationalität definieren, und qualitative Kriterien, die sich aus der inneren Einstellung der Unternehmung heraus bestimmen. Qualitativ kann eine Unternehmung danach bereits „international“ sein, bevor sie quantitativ auch als solche angesehen wird.

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Übungsaufgaben und Lösungshinweise

2. Stellen Sie bitte dar, wie die PESTLE-Analyse im Einzelnen vorgeht. Die Marktwahl kann anhand vielfältiger Kriterien vorgenommen werden. Zur Absicherung wird meist die PESTLE-Analogie für Rahmenfaktoren zugrunde gelegt. PESTLE ist ein Akronym und steht für • politische (political), erwerbswirtschaftliche (economical), sozio-kulturelle (socio-cultural), technologische (technological), rechtliche (legal) und ökologisch-physische (ecological-physical) Faktoren. Diese sollten zurate gezogen werden, bevor ein Zielmarkt für eine Internationalisierung genauer ins Auge gefasst wird. Bei den Faktoren handelt es sich im Einzelnen um folgende Inhalte: • politische Faktoren wie z. B. Freiraum im Geschäftsleben, Gefahr der Verstaatlichung, Staatsform etc., • erwerbswirtschaftliche Faktoren wie z. B. Geldentwertungsrate, Wirtschaftsordnung, Währungskonvertibilität, Beschäftigungslage, Subventionierung, Steuer­politik, Transferierbarkeit von Erträgen, Handelsbeschränkungen, Konkurrenzintensität, Marktsättigung, Produktivität, Kapitalverfügbarkeit, Arbeitskosten/-nebenkosten, BIP/-Wachstumsrate, Auslandsverschuldung, Handelsbilanz, Energieverbrauch, Beschäftigte je Sektor etc., • sozio-kulturelle Faktoren wie z. B. Einkommensverteilung, Bedarfsstruktur, Kaufkraft, Alters-/Geschlechtsverteilung, Kaufverhalten, Zeitverständnis, Raumeinteilung, Mentalität, Gesundheit, Hygiene, Bildungsniveau, Ärztedichte, Einwohnerzahl, Urbanität etc., • technologische Faktoren wie z. B. Infrastruktur, Verkehrsnetz, Transportmöglichkeiten, Telekommunikation etc., • rechtliche Faktoren wie z. B. Rechtsordnung, Rechtssicherheit, Verordnungsdichte, Rechtsdurchsetzbarkeit etc., • ökologisch-physische Faktoren wie z. B. geografische Lage, Anbau-/Abbaumöglichkeiten, Topographie, Klima etc. Verkürzt kann aus der PESTLE-Analyse eine STEP-Analyse werden (für die Faktoren sozio-kulturell / socio-cultural, technologisch / technological, ökonomisch / economical, politisch-rechtlich / political-legal). 3. Stellen Sie bitte das BERI-Messkonzept für Auslandsmarktrisiken dar. Der BERI-Index (Business Environmental Risk Information) ist das wohl am häufigsten eingesetzte Länderrisikokonzept zur Erfassung des Politik-, Geschäfts- und Rückzahlungsrisikos in Indexform. Die Bewertung erfolgt hinsichtlich jedes Kriteriums je Land nach einem Punktesystem („sehr günstig“ bis „unerträglich“) durch Experteneinschätzung. Die Kriterien werden gewichtet in einer Summe zusammengefasst und gerangreiht. Dadurch sollen internatio-

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nale Bedingungslagen kalkulierbar werden. Der BERI-Index setzt sich aus drei Sub-Indices zusammen: • Der PRI (Political Risk Index) bewertet das politische Klima. Zum PR-Index gehören folgende Größen: –– Fraktionierung des politischen Spektrums, Fraktionierung durch Sprache, Religion etc., Unterdrückungsmaßnahmen zur Aufrechterhaltung der Macht, Mentalität / Fremdenfeindlichkeit / Nationalismus etc., weiterhin soziale Lage / Bevölkerungsdichte, Wohlstandsverteilung, Organisation und Stärke der radikalen Linken, Abhängigkeit und Bedrohung aus feindlicher Großmacht, Separatismus, zusätzliche Faktoren. Hierbei sind alle Kriterien gleich gewichtet, die Punkte addieren sich bei max. 10 Punkten je Kriterium auf max. 100 auf. • Der ORI (Operation Risk Index) beurteilt das Investitions- und Geschäftsklima anhand von 15 Kriterien. Zum OR-Index gehören folgende Größen: –– Politische Stabilität (12 %, Gewichtungsfaktor 3,0), Einstellung gegenüber ausländischen Investitionen und Gewinnen (6 %, 1,5), Verstaatlichung (6 %, 1,5), Geldentwertung (6 %, 1,5), Zahlungsbilanz (6 %, 1,5), Bürokratie (4 %, 1,0), Wirtschaftswachstum (10 %, 2,5), Währungskonvertibilität (10 %, 2,5), Durchsetzbarkeit von Verträgen (6 %, 1,5), Lohnkosten und Produktivität (8 %, 2,0), Verfügbarkeit von Experten und Dienstleistungen (2 %, 0,5), Nachrichtenwesen und Transport (4 %, 1,0), Örtliches Management und Partner (4 %, 1,0), Kurzfristige Kredite (8 %, 2,0), Langfristige Kredite und Eigenkapital (8 %, 2,0). Die Summe der Gewichte ist 25, bei max. 4 Punkten je Kriterium ergeben sich daraus max. 100 Punkte. • Der RFI (Remittance and Repatriation Factor Index) beschreibt die außenwirtschaftliche Zahlungsfähigkeit eines Landes. Zum RF-Index gehören folgende Größen: –– Behördliche Vorschriften (Gewichtungsfaktor 0,2), Deviseneinnahmen (0,3), Währungsreserven (0,3), Auslandsverschuldung (0,2). Je Kriterium können max. 100 Punkte dotiert werden, da die Gewichtungsfaktoren sich auf 1 addieren, ist die Summe der gewichteten Punktwerte max. 100. In der Summe ergibt sich der PORI (Profit Opportunity Recommendation Index) mit folgenden Bewertungen: • 160 – 300 Punkte: Land ist für Direktinvestitionen geeignet. • 140 – 159 Punkte: Land ist nur für Lizenzzahlungen geeignet. • 100 – 139 Punkte: Land ist nur für Außenhandel geeignet. • < 100 Punkte: Land ist nicht für geschäftliche Transaktionen geeignet.

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Übungsaufgaben und Lösungshinweise

4. Nach welcher Einteilung kann die Führung internationaler Märkte nach Perlmutter strukturiert werden? Hinsichtlich der Führung internationaler Märkte ergeben sich vier verschiedene Optionen: • Ethnozentral kennzeichnet eine Einstellung, bei der eine Fokussierung auf den Heimatmarkt erfolgt. Das Ursprungsland wird als geografischer Mittelpunkt der Unternehmenstätigkeit angesehen. Alle anderen Märkte werden gleichartig bearbeitet, indem das Inlandskonzept auf die Auslandsmärkte übertragen wird. • Polyzentral kennzeichnet eine Einstellung, bei der eine Fokussierung auf die Gastmärkte erfolgt. Die Unternehmung wählt ihre Ausrichtung in Abhängigkeit von den Gegebenheiten des jeweiligen Auslandsmarkts. Dies führt zu einer individuellen Anpassung an die spezifisch vorzufindenden Gegebenheiten. • Regiozentral kennzeichnet eine Einstellung, bei der eine Fokussierung auf geschlossene Wirtschaftsregionen erfolgt. Hier bestehen räumlich verteilt Aktivitätsstützpunkte, etwa analog zur Triade. Jedes dieser Zentren wird getrennt bearbeitet, innerhalb jedes Zentrums gleichartig, von Zentrum zu Zentrum jedoch verschiedenartig. • Geozentral kennzeichnet eine Einstellung, bei der eine Fokussierung auf den Weltmarkt erfolgt. Dabei wird der Geschäftstätigkeit ohne räumliche Fixierung global nachgegangen. Im Ergebnis besteht ein einheitliches Unternehmenskonzept weltweit. Die Konzeption löst sich dabei vom Denken in Ländergrenzen. 5. Stellen Sie bitte das Kulturmodell nach Hofstede in seinen wesentlichen Inhalten dar. Nach Hofstede und seiner, allerdings umstrittenen Studie (es wurden nur Mitarbeiter in IBM-Niederlassungen erfasst, Status sind überwiegend die 1970er Jahre) sind für das kulturelle Gefüge folgende Dimensionen bei internationaler Geschäftstätigkeit besonders relevant: • Machtdistanz vs. Machttoleranz. Darunter versteht man das Maß an Akzeptanz, bis zu dem schwächere Mitglieder in einer Gesellschaft die ungleiche Verteilung von Macht hinnehmen bzw. sogar erwarten. • Individualismus vs. Kollektivismus. Ersteres beschreibt Gesellschaften, in denen die Bindungen zwischen den Individuen locker sind, indem man z. B. erwartet, dass sich jeder selbst um sich und seine unmittelbaren Angehörigen kümmert. Letzteres beschreibt Gesellschaften, in denen der Mensch von Geburt an in starke, geschlossene Wir-Gruppen integriert ist, die ihn sein Leben lang schützen und dafür weit reichende Loyalität von ihm verlangen.

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• Maskulinität vs. Feminität. Diese Begriffe stehen dafür, ob Bestimmtheit / Durchsetzungskraft oder Bescheidenheit / Fürsorglichkeit im menschlichen Verhalten dominieren. Maskuline Gesellschaften sind insgesamt konkurrenzbetonter als feminine, der Unterschied zwischen männlichen und weiblichen Wertvorstellungen ist anders als in femininen Gesellschaften sehr groß. • Unsicherheitsvermeidung vs. Unsicherheitsakzeptanz. Dies ist definiert als der Grad, zu dem sich die Mitglieder einer Gesellschaft durch ungewisse oder unbekannte Situationen bedroht fühlen und strukturierte Zustände anstreben. Im Grunde geht es dabei um das Ausmaß der Risikoaversion. • Kurzfristige Zeitorientierung vs. Langfristige Zeitorientierung. Hierbei geht es darum, wie groß der zeitliche Horizont in einer Gesellschaft gespannt ist. Werte, die kurzfristig ausgerichtet sind, sind etwa Flexibilität oder Egoismus, Werte, die langfristig ausgerichtet sind, sind etwa Sparsamkeit oder Beharrlichkeit. Diese Dimension wurde nachgeschoben. Kritikpunkte an diesen Aussagen betreffen die Unterstellung konstanter Werthaltungen für die Anwendbarkeit auch in heutiger Zeit, den dominanten Einfluss der Kultur auf die Werte des Individuums (anstelle etwa genetischer Codierung), die Vernachlässigung oft erheblicher intrakultureller Unterschiede und die daraus folgende unzulässige Stereotypisierung der Menschen. 6. Stellen Sie bitte das Kulturmodell nach Hall / Hall in seinen wesentlichen Inhalten dar. Die Einteilung zur Unterscheidung von Kulturen nach Hall / Hall hebt auf folgende kulturdeterminierende Faktoren ab: • Kontextorientierung. Bezüglich der Menge an nicht-expliziter Information können High Context- und Low Context-Kulturen unterschieden werden. Dabei ist besonders die Kommunikation von Bedeutung. So gibt es Kulturen, bei denen der Kommunikationsinhalt expliziert wird und solche, für die der Stil der Kommunikation deren Inhalt interpretiert. Daraus ergibt sich bei ersteren ein gezielter, kanalisierter, eher langsamer Informationsfluss, bei letzteren ein diffuser, eher zufälliger, spontaner Informationsfluss. Meetings haben demnach eine durchaus abweichende Bedeutung, sie dienen entweder primär der sachlichen Klärung oder eher der atmosphärischen Einstimmung aufein­ ander. • Raumverständnis. Hierbei geht es um Privatsphäre und territoriale Gegenstände. In dieser Beziehung bestehen interkulturell erhebliche Unterschiede über die Bedeutung der Platzierung von Gegenständen im Raum wie auch über die räumlichen Verhältnisse von Individuen untereinander (soziale Distanzen). Die Räume, die von Kulturangehörigen unbewusst eingeteilt werden, sind Distanzzonen. Man unterscheidet, nach abnehmender Vertrautheit der Partner, in die

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intime, die persönliche und die öffentliche Distanzzone. Je nach Kulturraum sind diese Zonen unterschiedlich ausgeprägt. Im westlichen Europa sind die Entfernungen größer, in Osteuropa oder im Nahen Osten geringer. Wird eine angemessene Distanzzone unterschritten, wird dies vom Gegenüber als aufdringlich empfunden, wird eine angemessene Distanzzone überschritten, als feindselig. • Zeiteinteilung. Hier wird in monochron (linear-nacheinander) vs. polychron (parallel-nebeneinander) unterschieden. Personen in monochronen Kulturen bearbeiten nur eine Sache zur Zeit, konzentrieren sich auf eine Tätigkeit, nehmen Zeitabsprachen sehr ernst, benötigen viel Information zur Arbeit, fühlen sich ihrer Arbeit verbunden, halten sich exakt an Pläne, beachten Vertrauensregeln strikt, zeigen Respekt vor privatem Eigentum, bevorzugen Direktheit in der Beziehung und haben häufig nur kurzzeitige Kontakte. Personen in polychronen Kulturen tun viele Dinge gleichzeitig, sind anfällig für Arbeitsunterbrechungen, sehen Zeitabsprachen eher als unverbindlich, verfügen meist über viel Information, fühlen sich Menschen mehr verbunden als Sachen / Institutionen, ändern Pläne schnell und häufig, haben enge Beziehungen zu vertrauten Personen, leihen und verleihen häufig, sind nicht immer direkt in der Beziehung und tendieren zum Aufbau langfristiger Kontakte. • Informationsperspektive. Weiterhin kann eine Unterscheidung nach der Zeit in einer Kultur vorgenommen werden, etwa als Verankerung im Gestern (z. B. Lateinamerika), im heute (z. B. Europa) oder im Morgen (z. B. Nordamerika). Daraus folgen verschiedene Planungshorizonte. Bei langfristiger Orientierung dominieren Wertvorstellungen wie Ausdauer, Ordnung der Beziehungen nach dem Status oder Sparsamkeit. Bei kurzfristiger Orientierung stehen Werte wie persönliche Standhaftigkeit, charakterliche Festigkeit, Wahrung des „Gesichts“ oder Respekt vor Traditionen im Vordergrund. 7. Wie unterscheiden sich die Marktführung nach der Generalisierung und die Marktführung nach der Fokussierung? Bei der Marktführung geht es um die Generalisierung bei Ethno- und Geozentralität oder die Fokussierung bei Poly- oder Regiozentralität marktbezogener Unternehmensaktivitäten. Als Gründe für eine Generalisierung werden folgende genannt: • Die Reduzierung der Forschungs- und Entwicklungskosten auf eine Version, die raumübergreifend vermarktet werden kann, ist möglich. Es kann ein einheitliches Marken- / Firmenimage auf allen bearbeiteten Märkten durch gleiche Positionierung geschaffen werden. Es kommt zur Erleichterung effizienter Planung und Organisation durch eine einheitliche Zielsetzung, die nicht der Berücksichtigung divergierender Interessen bedarf. Ähnlichkeiten in den

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Zielgruppen und deren steigende Mobilität führen ohnehin zu einer Konvergenz der Vermarktungsbedingungen. Die Koordination und Kontrolle werden durch bessere Übersichtlichkeit und Reduktion der Anzahl der Strategien vereinfacht. Die Ausnutzung von Know-how-Transfer durch ähnliche Umsetzungen auf taktischer und operativer Ebene gelingt. Eine Zentralisation des Managements führt zu effizienterer Steuerung durch die damit betrauten Stellen. Es besteht eine Internationalisierung des Wettbewerbs, wobei nicht mehr Einzelmärkte, sondern Marktzusammenhänge entscheidungsrelevant werden. Media-Overlappings bzw. nicht zu verhindernde grenzüberschreitende Kommunikation infolge Satellitenfernsehens und -hörfunks, Internet bzw. ausländischer Printtitel können ausgenutzt werden. Als Gründe für eine Fokussierung werden hingegen folgende genannt: • Eine mangelnde Berücksichtigung länderspezifischer Besonderheiten, die Absatzerfolge negativ tangiert, ist nicht ausgeschlossen. Es bestehen erhebliche Unterschiede in der internationalen Medienlandschaft nach Struktur und Nutzung, z. B. in Bezug auf Print- und Elektronik-Medien-Dominanz. Abweichende Produktgebrauchsbedingungen sind nicht korrigierbar, wenn sie sich nur aus dem kulturellen und mentalen Zusammenhang heraus erklären. Es können unterschiedliche Phasen im Marktlebenszyklus gegeben sein, wobei verschiedene Personengruppen im Diffusionsprozess relevant sind. Eine zentrale Kontrolle und Koordination ist letztlich nicht praktikabel, da davon kontraproduktive Wirkungen und inakzeptable Entscheidungsverzögerungen ausgehen. Das Not invented here (NIH)Syndrom, das auf verständlichen Länderegoismen beruht, behindert die Übernahme fremder Lösungen. Es bestehen Imagedefizite der multinationalen Konglomerate in der Öffentlichkeit, die durch standardisierte Strategien eher noch bestärkt werden. Kosteneinsparungen fallen bei näherem Hinsehen geringer aus als vielfach unterstellt, so dass sie durch Effizienznachteile leicht überkompensiert werden. Eine unterschiedliche Preisstruktur (Nachfrage, Wettbewerb, Kosten, Reglementierung) erfordert eine abweichende Positionierung von Angeboten. Zielgruppendaten weichen erheblich voneinander ab, so dass auch die werbliche Ansprache individuell gehalten werden muss. Die Quintessenz daraus lautet: So wenig Generalisierung wie aus Effizienzgründen (Wirtschaftlichkeit) notwendig, aber so viel Fokussierung wie aus Effektivitätsgründen (Wirksamkeit) möglich. 8. Wie kann die zeitliche Abfolge der internationalen Markteintritte konzipiert sein? Häufig soll nicht nur ein Auslandsmarkt allein bearbeitet werden, sondern mehrere gemeinsam. Dann stellt sich die Frage nach der Zeitabfolge des internationalen Markteintritts dort. Dabei sind im Grundsatz vier Optionen möglich:

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Übungsaufgaben und Lösungshinweise

• Eine „Sprinkler-Strategie“ liegt vor, wenn eine Unternehmung in kurzer Zeit möglichst viele Länder erschließen will, indem sie simultan in mehreren Märkten vorgeht. Dies bietet sich an, sofern länderübergreifende Zielgruppen existieren, Güter mit kurzen Lebenszyklen gegeben sind und geringe Markteintrittsbarrieren bestehen. • Eine „Wasserfall-Strategie“ bedeutet demgegenüber, dass neue ausländische Märkte erst langsam und nach ausgiebiger Informationssuche erschlossen werden, und zwar im Zeitablauf sukzessiv Land für Land. Dies bietet sich an, wenn die Markteintrittskosten gestreckt werden sollen, wenn Länder mit unterschiedlichen administrativen und marktlichen Strukturen, abweichendem Abnehmerverhalten und -bedarf sowie abweichendem technologischen und innovativen Status gegeben sind. • Einen gangbaren Kompromiss stellt die Kombination von Wasserfall- und Sprinkler-Strategie (abwechselnd/„Brückenkopf“) dar. Dies bietet sich bei Klumpungseffekten wie der Existenz von ähnlichen Zielgruppen in einigen anvisierten Ländermärkten an, bei unterschiedlichen technologischen, politischen und sozialen Rahmenbedingungen sowie divergierenden Marktstrukturen in einigen ausgewählten Ländern und bei Existenz unterschiedlich hoher Markteintrittsbarrieren. • Die Grundidee des Lead Country-Konzepts ist, dass für eine größere regionale Einheit bzw. für den Weltmarkt insgesamt ein Land und damit eine Niederlassung bzw. das Stammhaus selbst die Position des Koordinators und Primus inter pares übernimmt. Alle anderen Länder adaptieren dann diese Aktivitäten. Damit wird ein Kompromiss aus hinlänglicher Einheitlichkeit (Unité de Doctrine) der Vermarktung einerseits und Berücksichtigung länderspezifischer Besonderheiten andererseits angestrebt. Lead Countries werden zumeist nach deren Inlandsmarktvolumen bestimmt. 9. Stellen Sie bitte die wesentlichen Inhalte von Kompensationsgeschäften dar. Bei einem Kompensationsgeschäft wird eine gelieferte Sach- oder Dienstleistung nicht ausschließlich mit Geld, sondern ganz oder teilweise mit einer anderen Sach- oder Dienstleistung bezahlt. Dies bietet sich im Außenhandel an, wenn der Abnehmer aus einem devisenschwachen Land stammt, die Währungskonvertierung beschränkt ist oder es sich um ein Weichwährungsland handelt. Jede Partei fungiert dabei zugleich als Abnehmer und Lieferant. Dabei sind verschiedenartige Ausprägungen möglich: • nach der Tauschquote als Vollkompensation oder Teilkompensation. Bei der Vollkompensation wird der volle Kaufpreis mit Waren im gleichen Wert bezahlt, bei der Teilkompensation erfolgt eine Teilzahlung in Geld. Dabei kann auch die Inzahlungnahme eines gebrauchten Guts erfolgen. Häufig ist damit

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eine versteckte Subventionierung des Vertriebs verbunden, indem eine im Vergleich zum Marktpreis höhere Bewertung des gebrauchten Guts vorgenommen wird; • nach der Anzahl der Beteiligten bilateral oder multilateral (Dreiecks-/Mehr­ ecks-Barter / Clearing-Geschäfte). Beim bilateralen Barter sind nur Verkäufer und Käufer involviert, beim multilateralen auch Dritte, welche die erhaltenen Waren untereinander weiterreichen, Clearing-Geschäfte erfolgen zwischen Staaten; • nach der Verwertung Eigenkompensation oder Fremdkompensation (mit Dritten, z. B. Offsetgeschäft). Bei der Eigenkompensation wird die Ware selbst abgenommen, bei der Fremdkompensation weist der Lieferant dem Abnehmer weitere Abnehmer für dessen Leistungen im Zuge eines Rahmenvertrags nach; • nach der Abfolge zeitgleich oder zeitversetzt (Deferred Barter, Buyback-Barter). Bei ersterem wird Zug um Zug getauscht, bei letzterem liegen zwischen beiden Geschäften mehr oder minder lange Zeiträume, beim Buyback werden mit einer gelieferten Anlage gefertigte Produkte dem Anlagenlieferanten solange kostenlos zur Verfügung gestellt, bis der Wert der Anlage erreicht ist; • nach der Verbundenheit kann diese vorhanden sein (Close end-Barter, BOT, Junctim-Barter, Vorwegverkauf) oder fehlen (was regelmäßig der Fall ist). Bei verbundenen Geschäften stehen Erst- und Folgegeschäfte in einem ursächlichen Zusammenhang; • nach der Anzahl der Verträge ein oder zwei bzw. mehr Verträge (Switch-Geschäft). Die Kompensation kann in einem Vertrag vereinbart werden oder in zwei rechtlich getrennten, was den Vorteil hat, dass diese beiden beleihbar sind, mehr als zwei Verträge kommen zustande, wenn Mehrparteiengeschäfte vorliegen; • nach der Anzahl der Rechnungen (keine, eine / Parallelgeschäft, zwei / Countertrade, mehrere). Bei der einfachen Kompensation entsteht keine Rechnung, bei einem Parallelgeschäft entstehen zwei Rechnungen, bei einem Mehrparteiengeschäft entsprechend mehr Rechnungen. 10. W  as versteht man unter Devisen und wie kann damit gehandelt werden? Recherchieren Sie bitte Informationen dazu. Devisen sind an ausländischen Plätzen zahlbare Zahlungsanweisungen (Zahlungsmittel / Buchgeld) in fremder Währung. Ausländische Banknoten und Münzen sind Sorten. Für Devisen erfolgt eine Einheitskursfestsetzung an der Börse. Die Nutzung von Kursdifferenzen erfolgt in Arbitrage-Geschäften. Inländerkonvertibilität liegt vor, wenn alle Inländer ihre Währung beliebig in Fremdwährung tauschen können, Ausländerkonvertibilität, wenn nur Ausländer die Landeswährung beliebig in Fremdwährung tauschen können. Für viele Länder eine durchaus

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Übungsaufgaben und Lösungshinweise

nicht selbstverständliche Voraussetzung dafür ist ein ausreichend großes Devisenangebot. Die dem internationalen Devisenhandel zugrunde liegenden Kurse werden in Abhängigkeit davon, ob es sich um Kaufgebote oder Verkaufsangebote für Währungen handelt, als Geldkurs oder Briefkurs notiert. Der Briefkurs ist stets höher als der Geldkurs, was durch die Transaktionskosten bedingt ist, das arithmetische Mittel beider ist der Mittelkurs. Der Terminkurs weicht wiederum davon ab, liegt er höher als der Kassakurs, handelt es sich um einen Report, liegt er niedriger, um einen Deport. Diese sind abhängig von den Zinsniveaus in den Ländern und der momentanen Angebots- und Nachfragesituation. Beide werden als Swap-Sätze bezeichnet. Die Terminkurse für verschiedene Fälligkeiten weichen voneinander ab, Deports und Reports steigen infolge zunehmender Unsicherheit mit der Zeit. Beim Devisenkassageschäft kauft der Abnehmer die zur Begleichung seiner Verbindlichkeiten benötigten Devisen nicht erst bei Fälligkeit zum dann gerade geltenden Kassakurs, sondern früher, meist bei Vertragsabschluss per Termin / z um Terminkurs an. Den Gegenwert für die gekauften Devisen muss er jedoch erst bei Fälligkeit des Termingeschäfts liefern. Er kann somit bis dahin über diesen Betrag verfügen. Analog kann der Lieferant meist bei Vertragsabschluss die erwarteten, später fälligen Devisenbeträge per Termin verkaufen. Da der Kurs mit Abschluss des Kontrakts festgelegt wird, steht bereits dann fest, wie hoch der Gegenwert einer Währung zum Zeitpunkt des späteren Zahlungstermins ist, unabhängig davon, wie die Kurse der Währungen schwanken. Damit ist eine sichere geschäftliche Kalkulationsbasis gegeben. Andererseits verhindert dies die Mitnahme von Kursgewinnen aus Paritätsverschiebungen (Windfall Profits). Beim Devisentermingeschäft vereinbart ein Bankkunde mit seiner Bank ein festes Umtauschverhältnis für Devisen zu einem späteren Zeitpunkt und sichert sich damit gegen Paritätsverschiebungen ab, indem ein festes Währungsumtauschverhältnis vorab festgelegt wird, unabhängig davon, wie der Tageskurs sich später gestaltet. Bei einer in absehbarer Zukunft fälligen Zahlung in Auslandswährung kann der Zahlungsverpflichtete zum Zweck der Kurssicherung den Ankauf der betreffenden Valuta in der erforderlichen Höhe veranlassen, um das Risiko der Wechselkursänderung im Zeitraum bis zum Zahlungsziel abzusichern. Devisentermingeschäfte bieten eine feste Kalkulationsbasis. Ebenso wie bei Waren sind auch bei Devisen Optionen als hochspekulative Kontrakte möglich. Der Käufer einer Kauf- bzw. Verkaufsoption vereinbart mit deren Verkäufer, dass ihm das Recht zusteht, während der Optionsfrist eine Devise zu einem festen Basiskurs zu erwerben. Dafür zahlt er einen Optionspreis. Es besteht keine Pflicht zur Erfüllung des Geschäfts, allerdings verfällt dann der Einschuss (meist 10 % des Kontraktwerts).

27. Übungsaufgaben zur Internationalen Betriebswirtschaft

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11. I n welche Formen kann man den Markteintritt durch Außenhandel im Wesentlichen strukturieren? Unter Außenhandel versteht man geschäftliche Beziehungen zum Ausland auf Basis eines grenzüberschreitenden Waren- und Diensteverkehrs sowie von Rechteübertragungen. Der Export kann in zwei Ausprägungen erfolgen: • als direkter Export ohne zwischengeschaltete inländische Absatzmittler zum ausländischen Partner, • als indirekter Export mit zwischengeschalteten inländischen Absatzmittlern zum ausländischen Partner. Sonderformen des Exports ergeben sich aus Exportkooperationen und -kartellen. Von einem Transitgeschäft spricht man, wenn rein räumlich zwischen dem Ursprungsland (Inland) und dem Zielland (Ausland) ein oder mehrere weitere Länder liegen. Aus Sicht der dazwischen liegenden Länder handelt es sich dann um ein Durchfuhrgeschäft. Das Veredelungsgeschäft stellt eine Mischform dar. Dabei wird eine Ware aus dem Inland ins Ausland transferiert, um sie dort zu einem höherwertigen Produkt zu be- oder verarbeiten und sie danach wieder in das Inland zu verbringen. Dabei handelt es sich um ein passives Geschäft. Umgekehrt ist von einem aktiven Geschäft die Rede, wenn die Veredelung im Inland stattfindet, die Ware also aus dem Ausland kommt und wieder dorthin zurückgeht. Aktive Veredelungsgeschäfte pumpen das Exportvolumen auf, man spricht im Falle Deutschlands daher auch von einer Basarökonomie. Das Kompensationsgeschäft sieht keinen Austausch von Ware gegen Geld vor, sondern einen solchen von Ware gegen Ware. Schätzungen gehen von 10 % des Welthandelsvolumens als Bartergeschäfte aus. Dies ist häufig der einzige Weg zum Außenhandel, wenn das Zielland über keine Devisen (Auslandswährung) verfügt, etwaig vorhandene Devisen nicht exportiert werden dürfen oder die Inlandswährung nicht frei konvertibel ist. 12. In welche Formen kann man den Markteintritt auf Vertragsbasis im Wesentlichen strukturieren? Für den Markteintritt auf Vertragsbasis gibt es mehrere Formen. Eine Lizenz bedeutet das Nutzungsrecht von Gewerblichen Schutzrechten, die dritten Unternehmen gehören. Die Nutzung kann vollständig (umfassend) oder teilweise (ausschnittsweise) genehmigt werden. Weiterhin kann die Nutzung einfach (nicht-exklusiv) oder ausschließlich (exklusiv) erfolgen. Der Transfer kann unmittelbar zwischen Lizenzgeber (Licensor) und Lizenznehmer (Licensee) vorgenommen werden oder mittelbar über zwischengeschaltete Mittler / Makler. Nach der Art kann es sich um folgende Lizenzen handeln:

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Übungsaufgaben und Lösungshinweise

• Eine Vertriebslizenz erlaubt dem Licensee den Verkauf angelieferter Produkte auf einem Auslandsmarkt. • Eine Produktionslizenz erlaubt dem Licensee die Produktion nach vorgegebenen Standards und den Verkauf dieser Produkte (Kontraktmanagement). • Eine Know-how-Lizenz erlaubt dem Licensee den Verkauf und die Produktion von Produkten mit gebührenpflichtiger Überlassung Licensor-eigener Schutzrechte vor allem für die Produktion. • Eine Systemlizenz erlaubt dem Licensee den Verkauf, die Produktion und die Nutzung fremder Schutzrechte bei gleichzeitiger Unterstützung durch den Licensor (Franchising). Dabei kann ein direktes oder indirektes (Master-)Franchising vorliegen. Beim Managementvertrag liegt ein Betreiber(Pacht-)Modell vor. Meist gibt es dazu eine Betriebsgesellschaft des ausländischen Partners und eine Besitzgesellschaft des inländischen Partners. Die Abrechnung erfolgt dabei im Regelfall variabel (Pay on Performance), häufig mit einem fixen Sockelbetrag. Eine Auslandskooperation umfasst die Zusammenarbeit rechtlich selbstständig bleibender, wirtschaftlich aber in Bezug auf den Kooperationszweck mehr oder minder abhängiger Partner. Die Richtung kann horizontal, also auf der gleichen Wertschöpfungsstufe, vertikal, also über vor- oder nachgelagerte Wertschöpfungsstufen reichend, oder unverbunden (abgestuft nach dem Grad der Unterschiedlichkeit diagonal, medial, lateral, konglomeral) erfolgen. Für Projekte (zeitlich begrenzt angelegt) bieten sich auch Gelegenheitsgesellschaften an. Dabei handelt es sich um Werkgemeinschaften oder Partizipationen ohne eigene Rechtspersönlichkeit bzw. Arbeitsgemeinschaften oder Konsortien mit eigener Rechtspersönlichkeit an, jeweils nur innen- oder auch außengerichtet. Kooperieren aktuelle oder potenzielle Wettbewerber im In- und Ausland ihre jeweiligen Kernkompetenzen betreffend, so ist eine Strategische Allianz gegeben. Man spricht auch von Coopetition (Kofferwort aus Cooperation und Competition). Dabei findet keine Neugründung statt. Die Zusammenarbeit ist auf ausgewählte Bereiche beschränkt, im übrigen sind die Alliierten nach wie vor Konkurrenten. 13. In welche Formen kann man den Markteintritt durch Direktinvestition im Wesentlichen strukturieren? Bei der Direktinvestition liegt das Transformationsprimat vor. Dabei beteiligt sich eine inländische Unternehmung an einer ausländischen mit Minorität (minderheitlich), mit Parität (gleichgestellt) oder mit Majorität (mehrheitlich), also durch Akquisition. Bei einer Eingliederung unter Erhalt der rechtlichen Selbstständigkeit beider Partner oder Verschmelzung unter Verlust der rechtli-

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chen Selbstständigkeit eines Partners liegt eine Übernahme der einen durch die andere Unternehmung vor (beides gemeinsam als M&A bezeichnet). Dabei kann es sich um Aktivitäten auf der gleichen oder einer anderen Marktstufe handeln. Das Übernahmeverhalten kann zugleich freundlich, d. h. mit Einverständnis der beteiligten Unternehmung, oder feindlich sein, d. h. autonom durch die sich beteiligende Unternehmung. Die Ausrichtung kann kurzfristig für institutionelle Anleger oder langfristig für unternehmerische Anleger sein. Denkbar sind eine aktive oder passive Beteiligung an einer bestehenden Unternehmung (Brownfield Investment). Häufig wird statt einer Beteiligung eine Neugründung für attraktiver gehalten (Greenfield Investment). Diese kann als Alleingründung im internen, organischen Wachstum oder als internationales Gemeinschaftsunternehmen (Joint Venture) erfolgen. Die Joint Venture-Partner können dabei von ihrer Struktur her homogen oder heterogen sein, es kann sich um zwei oder mehr Partner handeln. Zu bestimmen ist dabei die Verteilung der Eigentumsanteile. Die Partner behalten neben dem Joint Venture ihre bisherigen Aktivitäten bei. 14. Im internationalen Geschäft ist die Produktpiraterie ein verbreitetes Übel. Recherchieren Sie bitte, wie dieser entgegengewirkt werden kann? Möglichkeiten zur Eindämmung bzw. Verhinderung von Produktpiraterie sind vor allem folgende: • Information der Vertriebspartner über Fälscheraktivitäten und darauf bezogene Abwehrmaßnahmen der Unternehmung, • selektive Wahl neuer, zuverlässig erscheinender Absatzmittler, regelmäßige Kontrolle der Vertriebswege, auch bei zweistufiger Distribution, • Ausstattung der Produkte mit temporär oder dauerhaft fälschungssicheren Produktmerkmalen wie Etikettennummern, Microtags (RFID), Echtheitszertifikaten mit Wasserzeichen, Magnetetiketten o. Ä., dabei ist eine häufigere Anpassung an den Stand der Technik erforderlich, weil Fälscherorganisationen diese Ausstattungen rasch adaptieren, • Sicherheitsmerkmale im Druck wie Longlasting Economical Anticopy Device (LEAD / metallisch glänzender Sicherheitsfaden wie bei Banknoten), Printed and Embedded Anticopy Key (PEAK / d reidimensionales Hologramm, das je nach Betrachtungswinkel und Lichteinfall anders aussieht), Shimmery Twin Effect Erotection (STEE / Druckfarbe, die je nach Betrachtungswinkel in zwei Farben wechselt), Fine Intaglio Technology (FIT / hochauflösende Gravur, um feinste Linien abzubilden), • intelligente Verpackungen, die erkennen lassen, ob sie schon geöffnet worden sind,

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Übungsaufgaben und Lösungshinweise

• biotechnische Lösungen wie Marker, die auf Antikörper in Analysegeräten reagieren, Sicherheitstinten und oberflächenbeschichtete Spezialpapiere, mikros­ kopische Markierungen aus Farbpartikeln, • branchenübergreifender Informationstransfer zu allen Aspekten der Produktpiraterie, Foren dafür sind häufig Verbandsausschüsse und Fachvereine, diese bieten darüber hinaus Dienstleistungen wie Rechtsberatung, Öffentlichkeitsarbeit, Lobbying an, • Zusammenarbeit mit in- und ausländischen Fahndungsbehörden, Unterweisung in Produktsicherungs- und Fälschungsmerkmalen, Rückverfolgung der Bezugswege von sichergestellten Falsifikaten, • Einsatz eigener und / oder privater Ermittler, Anreize für Dritte zur Identifikation von Fälschungen, • Aufklärung über den volkswirtschaftlichen und verbraucherbezogenen Schaden, Hinweise auf Sicherheits- und Gesundheitsgefährdungen, Beteiligung an Informationsveranstaltungen und Ausstellungen, Kooperation mit betroffenen Herstellern innerhalb und außerhalb der Branche, aktive Zusammenarbeit mit den Medien, • Vereinheitlichung der gesetzlichen EU-Rahmenbedingungen, Optimierung der Gewerblichen Schutzrechte, • Verbesserung der Zollkontrollen an den EU-Außengrenzen, Mitgliedschaft und Mitarbeit in den entsprechenden Verbänden und Arbeitskreisen. 15. W  odurch zeichnet sich ein internationales Projekt aus? Recherchieren Sie bitte Informationen dazu. Ein internationales Projekt ist ein Vorhaben, das zeitlich befristet ist, sich durch Neuartigkeit und Einmaligkeit auszeichnet sowie eine beachtliche Größe und einen hohen Grad an Komplexität aufweist (Bea). Ein solches Projekt hat einen Anfangs- und einen Endpunkt, insofern sind Projekte zeitkritisch. Zwischen den Kosten eines Projektes (möglichst niedrig), der Zeit, die für das Projekt notwendig ist (möglichst kurz) und der zu erbringenden Qualität (möglichst hoch) herrschen erhebliche Interdependenzen. Eine Verkürzung der Zeit führt meist zu höheren Kosten und zu geringerer Qualität. Eine Verringerung der Kosten bedeutet zumeist eine geringere Qualität. Und eine Erhöhung der Qualität führt zu höheren Kosten und zu mehr Zeit. Aus der Einmaligkeit eines Projekts folgen häufig hohe Fehlerraten. Dies ist auch eine Folge der meist hohen Komplexität (nicht unbedingt Kompliziertheit). Das internationale Projekt erfordert mehr noch als ein nationales ein hohes Maß an Koordination. Beteiligte sind der Projektauftraggeber, der Projektleiter, der Projektcontroller und das Projektteam. Bei großen Projekten kommt ein

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Lenkungsausschuss hinzu. Der Auftraggeber kann extern oder intern sein. Der Projektleiter konkretisiert das Projekt. Er ist verantwortlich für die Erreichung der Projektziele. Der Projektcontroller steuert und assistiert bei der Projektausführung und das Projektteam erbringt die eigentliche Projektleistung.

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Übungsaufgaben und Lösungshinweise

28. Übungsaufgaben zur Betriebswirtschaft der Dienstleistungen 1. Dienstleistungen sind gegenüber Sachleistungen durch einige Besonderheiten gekennzeichnet. Eine dieser Besonderheiten bezieht sich auf die Zweistufigkeit der Dienstleistungsproduktion. Erläutern Sie bitte Inhalt und Konsequenzen der Zweistufigkeit der Produktion von Dienstleistungen. Welche Lösungen sind für daraus resultierende Erschwernisse möglich und üblich? Die Zweistufigkeit der Produktion kommt durch die Vorkombination der internen Produktionsfaktoren durch Bereitstellung von Leistungsfähigkeiten (Potenzial) und die erst darauf folgende Endkombination mit dem Externem Faktor als Gleichzeitigkeit von Produktion (Prozess) und Konsumtion (Ergebnis) von Dienstleistungen zustande. Interne Produktionsfaktoren sind dabei Betriebsmittel, Werkstoffe und Arbeit (dispositiv / exekutiv). Der Externe Faktor ist der Abnehmer als Person oder ein Objekt in seinem Besitz, an dem die Dienstleistung erbracht wird. Die Zweistufigkeit der Produktion hat erhebliche betriebswirtschaftliche Konsequenzen: • Es ist keine Vorratsproduktion von Dienstleistungen möglich, da es notwendigerweise des Kunden als Externem Faktor zur Produktion bedarf. • Der Arbeitsanfall ist fremdbestimmt, da nur produziert werden kann, wenn und soweit Kunden die Leistung tatsächlich nachfragen. • Es ist die Vorhaltung einer stetigen Leistungsbereitschaft erforderlich, da die Kundenpräsenz lediglich Erwartungsparameter ist. • Dadurch entsteht eine starke Fixkostenbelastung (ungedeckte Fixkosten / Leerkosten), die eine durchaus existenzielle Belastung darstellt. • Die Planbarkeit der Produktion ist auch durch unvorhersehbare Nachfrageschwankungen eingeschränkt. • Ein Anpassung des Angebots ist wegen geringer Flexibilität durch Gesetze, Verordnungen, Tarifverträge etc. nur begrenzt möglich. Lösungsmöglichkeiten bestehen in dreierlei Hinsicht. Erstens durch die Zeitanpassung der Leistungsbereitschaft. Diese ist durch zwei Maßnahmen darstellbar: • Beim Terminmanagement gibt der Anbieter ein Zeitfenster vor, währenddessen er zur Leistungserstellung bereitsteht. Dies erfordert nachfragerseitig dann eine Anmeldung. Oder der Nachfrager definiert ein Zeitfenster, währenddessen er eine Leistungserstellung wünscht. Dies erfordert entsprechend eine Leistungsbereitschaft auf Abruf. • Beim Effizienzmanagement wird angestrebt, die betriebswirtschaftlichen Nachteile der zweistufigen Produktion durch kürzere Prozesszeiten aufzu-

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fangen, dann ist bei gleicher Bereitschaftszeit ein höherer Durchsatz möglich. Oder durch einen weitgehend gleichartigen Nachfragerinput, dann ist eine rationellere Produktion möglich. Zweitens durch die Ausgabe von Anrechtsbelegen bei Kapazitätsrestriktionen. Hierbei fallen der Verkauf der Dienstleistung und die Erbringung dieser Dienstleistung zeitlich und womöglich auch räumlich auseinander. Diese Anrechtsbelege (Vouchers) stellen im Regelfall keine Verbriefung für eine Transaktion dar (Annahme eines Antrags), sondern nur eine Vormerkung für die Nachfrage i. S. e. Reservierung. Als Form kommen Namenspapiere (berechtigt daraus ist, wessen Name angegeben wird) oder Inhaberpapiere (berechtigt daraus ist, wer Besitzer ist) in Betracht. Die Übertragung ist durch Indossament (Order) oder einfache Übergabe möglich. Drittens durch Yield Management als auslastungsgradgesteuerte Preisdifferenzierung. Voraussetzung dafür ist die Planbarkeit der Dienstleistung. Ziel ist die Ertragsmaximierung bei gegebenen Kapazitätsrestriktionen. Dabei sind zwei Procederes denkbar: Zuerst werden die teuersten Angebote vergeben. Die Priorität liegt hier auf den Erlösen, allerdings ist die Auslastung fraglich. Oder zuerst werden die billigsten Angebote vergeben. Die Priorität liegt hier auf der Auslastung, allerdings sind die Erlöse fraglich. Probleme entstehen durch Nachfrager, die keine Reservierung haben, aber unerwartet doch die Dienstleistung in Anspruch nehmen wollen (Go Shows) sowie durch Nachfrager, die zwar eine Reservierung haben, aber nicht zu deren Abnahme erscheinen (No Shows). Hier wird meist ein Ausfallhonorar fällig. 2. Unzufriedenheit drückt sich fallweise in Beschwerden aus. Worum handelt es sich dabei und wie sind diese zu behandeln? Beschwerden sind Artikulationen von Unzufriedenheit und erfolgen seitens Kunden, anderen Personen oder organisatorischen Anspruchsgruppen (Stakeholders) gegenüber dem Anbieter, Angehörigen des eigenen sozialen Umfelds oder Drittinstitutionen, um auf subjektiv als schädigend empfundene angebots-, unternehmens- oder gesellschaftsbezogene Sachverhalte eines Anbieters aufmerksam zu machen. Dies erfolgt mit dem Ziel einer Änderung kritisierter Sachverhalte oder der Verhandlung bzw. Wiedergutmachung für erlittene Beeinträchtigungen. Sie unterscheiden sich damit von Reklamationen, die juristisch durchsetzbar sind. Beschwerden erfordern eine bewusste Behandlung. Dazu gehören die • Maximierung der Beschwerdeartikulation (möglichst keine Unvoiced Complai­ ners), • umfassende Behandlung von Beschwerden, • kundenfreundliche Organisation des Beschwerdemanagements (möglichst dezentral / Complaint Ownership),

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Übungsaufgaben und Lösungshinweise

• Anwendung pauschaler Kulanz statt Einzelfalllösungen oder kategorischer Ablehnung, • Auswertung der Ergebnisse zur Vermeidung sich wiederholender Fehler. 3. Dienstleistungen sind gegenüber Sachleistungen durch einige Besonderheiten gekennzeichnet. Eine dieser Besonderheiten bezieht sich auf die Immaterialität von Dienstleistungsergebnissen. Erläutern Sie bitte Inhalt und Konsequenzen der Immaterialität von Dienstleistungen. Welche Lösungen sind für daraus resultierende Erschwernisse möglich und üblich? Aus der Tatsache der Immaterialität von Dienstleistungen, auch Intangibilität oder Nicht-Anfassbarkeit, folgt ihr Charakter als Vertrauensgut (Credence Good). Das heißt, Dienstleistungen sind vor dem Kauf nicht beurteilbar, möglicherweise beim Kauf (Leistungserbringung), meist aber erst danach, möglicherweise auch dann nicht. Dies bedingt ein hohes Maß an Risikowahrnehmung bei Nachfragern. Daher ist es erforderlich, Vertrauen als Äquivalent aufzubauen. Dies erfolgt durch unterschiedliche Formen der Tangibilisierung der Dienstleistung. Dies kann im Umfeld der Dienstleistung geschehen etwa durch Standortlage, Außenarchitektur, Inneneinrichtung etc., durch die Mitarbeitenden des Dienstleisters, vor allem deren Kompetenz und Sympathie, durch Arbeitsmittel in Zusammenhang mit der Dienstleistung etwa Arbeitskleidung, Ausstattungen, Dekoration etc., und durch den Externen Faktor selbst, z. B. im Rahmen von Hörensagen (passiv) oder Marktsegmentierung (aktiv). Aus der Immaterialität der Dienstleistung folgen ihre grundsätzliche Nichtlagerfähigkeit und Nichttransportfähigkeit. Beide stellen erhebliche Erschwernisse in der betriebswirtschaftlichen Umsetzung dar, weshalb nach Auswegen gesucht wird. Eine verbreitete Möglichkeit angesichts der Nichtlagerfähigkeit ist die Nutzung gemeinsamer Zeitfenster von Anbieter und Nachfragern. Dies erfordert eine Aussteuerung der Kapazitäten. Werden diese am unteren Rand des erwarteten Nachfragekorridors eingerichtet, entstehen unerwünschte Wartezeiten beim Externen Faktor, die bei diesem zu Unzufriedenheiten führen, massiv verbunden mit der Gefahr des Anbieterwechsels. Werden diese am oberen Rand des erwarteten Nachfragekorridors eingerichtet, entstehen nicht genutzte Kapazitäten bei den internen Faktoren, die ungedeckte Fixkosten verursachen, die Kostenstruktur verschlechtern und die Liquiditätssituation belasten. Eine verbreitete Möglichkeit angesichts der Nichttransportfähigkeit von Dienstleistungen ist die Überwindung der Raumdistanz zwischen Anbieter und Nachfragern. Dies erfolgt durch die Verbringung des Externen Faktors an den Ort der internen Faktoren, die Leistungserstellung erfolgt dann im Residenzprinzip, durch die Verbringung der internen Faktoren an den Ort des Externen Faktors, die Leistungserstellung erfolgt im Domizilprinzip, oder durch die Verbringung sowohl der internen wie des Externen Faktors an einen gemeinsamen

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dritten Ort im Treffprinzip. Dies setzt eine entsprechende Mobilität der Faktoren voraus. Dennoch ergeben sich daraus erhebliche Erschwernisse für eine effiziente Dienstleistungserstellung. Daher wird eine Veredelung der Dienstleistungen angestrebt. Dazu muss deren Nichtlagerfähigkeit bzw. Nichttransportfähigkeit überwunden werden. Fraglich ist allerdings, ob es sich dann noch um Dienstleistungen handelt, da konstitutive Merkmale nicht mehr gegeben sind. Die Überwindung der Nichtlagerfähigkeit erfolgt durch die Speicherung der Dienstleistung auf Datenträger, z. B. CDROM, DVD, USB. Die Überwindung der Nichttransportfähigkeit erfolgt durch die Übertragung von Dienstleistungen über Datenleitungen, z. B. Internet, Telefon, Mobilfunk. Beides erfordert Überlegungen der Dienstleistungslogistik, d. h. zur Überwindung der Raumdisparität zwischen dem Ort des Anbieters und den Orten der Nachfrager, sowie zur Überwindung der Zeitdisparität zwischen dem Zeitpunkt des Leistungsangebots und dem Zeitpunkt der Leistungsnachfrage. Die dabei anfallenden Aufgaben werden häufig durch logistische Mehrwertdienstleister (Service Provider) übernommen, sofern Anbieter bzw. Nachfrager dafür nicht selbst Sorge tragen. 4. Dienstleistungen sind gegenüber Sachleistungen durch einige Besonderheiten gekennzeichnet. Eine dieser Besonderheiten bezieht sich auf die erforderliche Kundenintegration im Dienstleistungsprozess. Erläutern Sie bitte Inhalt und Konsequenzen der Kundenintegration von Dienstleistungen. Welche Lösungen sind für daraus resultierende Erschwernisse möglich und üblich? Ein konstitutives Merkmal aller Dienstleistungen ist ihre Kundenintegration, d. h. die Endproduktion der Dienstleistung und ihr Verkauf erfolgen zeit- und raumsynchron durch Einbringung von internen und Externem Faktor / en (Uno actu). Der Nachfrager wird damit zum Co-Produzenten der Leistung, also zum externen Produktionsfaktor (Prosumership). Dies ist grundsätzlich anders als bei Sachleistungen, bei denen die Produktion zeitlich und räumlich unabhängig von Nachfragern erfolgen kann und Disparitäten durch Transport und / oder Lagerung überwunden werden. Eine Ausnahme stellen kundenindividuell gefertigte Sachleistungen dar (Mass Customization), bei denen eine Produktion ohne Nachfrager ebenfalls nicht möglich ist, obgleich Nachfrager dort nicht als Produktionsfaktor tätig werden (Unterschied zur Dienstleistung). Aus der Kundenintegration folgt, dass im Grundsatz jede Dienstleistung so individuell ist wie der Kunde, für den sie erbracht wird. Es liegt also eine Los­ größe = 1 vor. Dies bedingt eine extrem ungünstige Relation zwischen Rüst­ zeiten/-kosten und Nutzzeiten/-kosten. Die Rüstung besteht aus der Konzeptplanung, der Mittelbereitstellung, der Mitteljustierung, dem Rückbau etc. der Produktionsumgebung. Der damit verbundene Aufwand legt sich jedoch nur auf eine Leistungserstellungseinheit um, es kommt zu keinen gewünschten Degres-

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Übungsaufgaben und Lösungshinweise

sionseffekten, wie sie typisch sind für Sachleistungsproduktionen in Massen-, Serien- oder Sortenfertigung. Diese mangelnde Standardisierbarkeit von Dienstleistungen stellt unter betriebswirtschaftlichen Aspekten eine erhebliche Erschwernis dar. Daher wird verbreitet versucht, eine Industrialisierung von Dienstleistungen über Standardisierung herbeizuführen. Dafür bieten sich verschiedene Ansätze an. Eine Möglichkeit ist die Standardisierung der Leistungspotenziale. Dafür kommen die Mitarbeitenden im dispositiven und exekutiven Bereich in Betracht, und zwar über einheitliche Qualifikationen (z. B. Ausbildung) oder homogene Motivation (Anreizsysteme). Dann die Betriebsmittel (Anlagen, Ausstattungen) in der Dienstleistungsproduktion, z. B. über Zulassungen oder TÜV-Prüfungen. Oder die Werkstoffe (Verbrauchsmaterialien), etwa über Güteklassen oder Sortierungen. Eine weitere Möglichkeit ist die Standardisierung der Leistungsprozesse. Diese erfolgt einerseits über ein bewusstes Qualitätsmanagement mit exakter Überprüfung der Arbeitsabläufe, Qualitätsmanagement-Dokumentation, Zertifizierung etc., andererseits über eine straffe Ablauforganisation mit überlegter Abwägung zwischen Gestaltungsspielraum der Mitarbeitenden und Kontrollen über die Einhaltung von Verhaltensnormen. Eine dritte Möglichkeit liegt in der Standardisierung der Leistungsergebnisse. Diese erfolgt häufig über Service Level Agreements (SLA’s), in denen bestimmte Erfüllungsstandards vorgegeben werden und Anbieter deren Einhaltung unter Sanktionierung gewährleisten. Ein Problem ist hier die Operationalisierung dieser Standards, da diese häufig qualitativer Natur sind oder kundenindividuell voneinander mehr oder minder stark abweichen. Weiterhin ist eine Standardisierung des Externen Faktors möglich. Gelingt es, die Kundenerwartungen an eine Dienstleistung zu homogenisieren, ist eine weitgehend gleichartige Bearbeitung der daraus entstehenden Marktsegmente möglich. Kundenerwartungen entstehen durch Hörensagen, Vergleich mit der Konkurrenz bzw. einem Ideal o. Ä., vor allem aber durch die Kommunikation des Anbieters. Daher ist ein zielgenaues Erwartungsmanagement entscheidend. Denkbar ist ebenso eine Standardisierung der raum-zeitlichen / situativen Faktoren. Diese hilft durch Verstetigung der Umfeldbedingungen, konstante Prozessbedingungen zu erreichen. 5. Zu den unverkennbaren Trends im Dienstleistungsmanagement gehören die Automatisierung und die Externalisierung von Dienstleistungen. Was versteht man unter Automatisierung und was unter Externalisierung von Dienstleistungen? Die Automatisierung von Dienstleistungen bedeutet die Substitution von Arbeit durch Kapital, d. h. Menschen als Dienstleister werden durch Automaten er-

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setzt (z. B. Autowaschstraße statt Handwäsche des Autos). Dies trifft häufig auf Widerstände am Markt, so dass die Durchsetzung durch Belohnung maschineller anstelle menschlicher Dienstleistung erfolgt (z. B. Preisermäßigung wie Hotline) oder durch Bestrafung der Inanspruchnahme menschlicher anstelle von maschineller Dienstleistung (z. B. Gebühren bei händischen Überweisungsträgern). Allerdings gibt es auch eine Gegenbewegung zur Personalisierung automatisierter Dienstleistungen, z. B. Bedientankstellen. Die Externalisierung von Dienstleistungen bedeutet die Verlagerung von Arbeit vom Anbieter auf die Nachfrager (z. B. Selbstbedienungsgeschäft). Dies ist umso schwieriger, je komplexer die vorliegende Dienstleistung ist, denn ansonsten bräuchte der Nachfrager den Dienstleister nicht mehr. Voraussetzungen für ein Gelingen sind ein erkennbarer Leistungsvorteil für Abnehmer (z. B. Zeitersparnis wie bei SB-Kassen), ein positives Erlebnis (z. B. Werkstolz bei DIY), kein ausreichendes alternatives Angebot (z. B. Tante Emma-Läden) oder eine Weitergabe des Kostenvorteils des Anbieters an die Nachfrager (z. B. Preisnachlass durch Funktionsrabatt). Tatsächlich wird dadurch jedoch die Kontaktbasis zwischen Anbieter und Nachfragern geschwächt, was angesichts der Bedeutung des Beziehungsmanagements bedenklich ist. Verbreitet ist auch eine Kombination aus Automatisierung und Externalisierung anzutreffen, d. h. eine Leistung, die vordem von Mitarbeitenden des Anbieters erbracht wurde, wird nunmehr von Automaten erbracht, deren Bedienung Nachfrager übernehmen (z. B. Kassenterminal der Bank, Ticketautomat im ÖPNV). 6. Allgemein unterscheidet man primäre und sekundäre Dienstleistungen. Charakterisieren Sie bitte Kundendienste als sekundäre Dienstleistungen. Dienstleistungen können in primäre und sekundäre unterschieden werden. Sekundäre Dienstleistungen sind nicht autonom marktfähig, sondern bedürfen dazu einer Basisleistung, sie sind also sachleistungsbegleitende oder ihrerseits dienstleistungsbegleitende Dienstleistungen. Diese werden auch Kundendienste genannt. Kundendienste können nach vielfältigen Kriterien unterschieden werden: • nach der Verpflichtung gibt es obligatorische Kundendienste, die rechtlich vorgeschrieben sind (z. B. Garantie), präferenzielle Kundendienste, die zwar nicht vorgeschrieben, aber marktüblich sind (z. B. Kulanz) und fakultative Kundendienste, die nicht marktbreit, sondern selektiv angeboten werden, • nach dem Inhalt können Kundendienste kaufmännischer Art sein oder aber technischer Art, • nach dem Zeitpunkt der Erbringung relativ zum Kauf kann es sich um Vorkauf-Kundendienste (z. B. Beratung), Kauf-Kundendienste (z. B. Bequemlichkeit) oder Nachkauf-Kundendienste (z. B. Installation) handeln,

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Übungsaufgaben und Lösungshinweise

• nach den Adressaten der Kundendienste können diese konsumtiv (B-t-C) oder produktiv (B-t-B) angelegt sein, als Privatkunden oder Geschäftskunden, • nach dem Absender der Kundendienste können diese industriell, also vom Anbieter der Primärleistung, oder institutionelle, also von einem Drittanbieter, erbracht werden, • nach der Individualisierung können Kundendienste speziell („tailormade“) oder aber standardisiert (z. B. FAQ) erfolgen, • nach der Leistungserbringung können Kundendienste durch Menschen (personell) oder Automaten (maschinell) erbracht werden, • nach der Bezugseinheit, an der die Kundendienste erbracht werden, können diese Personen-Kundendienste (z. B. Unterhaltung) oder Sach-Kundendienste (z. B. Transport) sein, • nach der Affinität zur Primärleistung kann diese bei Kundendiensten hoch, mittel oder niedrig ausgelegt sein, • nach der Berechnung der Kundendienste kann diese einzelfallbezogen, pauschaliert, mit Selbstbeteiligung oder im Preis eingerechnet erfolgen, • nach der Organisation des Kundendienstes kann dieser zentral oder dezentral angelegt sein. Gemäß der jeweiligen Präferenz eines Anbieters kann jede individuelle Kombination dieser Arten von Kundendiensten vorgenommen werden. Zu beachten ist, dass Kundendienste möglichst nur gegen Entgelt anzubieten sind oder auf deren Angebot verzichtet werden sollte. Ein Übermaß an unentgeltlichen Kundendiensten führt zu hohen Kosten, denen mittelfristig keine höhere Kundenzufriedenheit gegenüber steht (No Frills-Postulat). 7. Dienstleistungen finden nicht nur im privatwirtschaftlichen Sektor statt, sondern gerade auch im öffentlichen Sektor. Wie stellt sich die Struktur von Dienstleistungen in Organisationen des öffentlichen Sektors dar? Der öffentliche Sektor erbringt ausschließlich Dienstleistungen, die durch Bund, Länder und Gemeinden im Wege des öffentlichen Rechts getragen werden. Dabei lassen sich verschiedene Ausprägungen unterscheiden. Versorgungswirtschaftliche Organisationen sind öffentliche Verwaltungen, also Behörden, die erst neuerdings nicht mehr kameralistisch abrechnen (EÜR). Diese Dienstleistungen decken Kollektivbedürfnisse und sind über die öffentlichen Haushalte steuerfinanziert. Diese Leistungen dienen der Grundversorgung und werden daher nicht kostendeckend an Bürger abgegeben. Öffentliche Vereinigungen sind Genossenschaften, Stiftungen, Versicherungsanstalten, Krankenkassenverbände, Wohlfahrtsverbände etc. in öffentlicher Hand.

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Sie sind abgabenfinanziert, also aus Beiträgen und Gebühren, die im Unterschied zu Steuern an eine konkrete Gegenleistung gekoppelt sind. Auch sie decken Kollektivbedürfnisse und werden daher nicht kostendeckend abgegeben, sondern bedarfsdeckend kalkuliert. Öffentliche Non Business-Betriebe sind Landesbanken, Rundfunkanstalten, IHK’en, HWK’en etc. in öffentlicher Hand. Sie arbeiten entgeltfinanziert zu markt- oder marktähnlichen Preisen. Durch Mischkalkulation sind einige Leistungen quersubventioniert. Sie erbringen sowohl Kollektiv- als auch Individual­ leistungen. Kollektivleistungen sind durch die Kennzeichen des Nicht-Ausschlusses bzw. der Nicht-Ausschließbarkeit (Kontrahierungszwang) und der Nicht-Rivalität (Nutzbarkeit derselben Leistung durch mehrere Bürger) charakterisiert. Im Unterschied zu freien Gütern haben sie jedoch einen Preis. Öffentliche Unternehmen befinden sich allein in staatlicher Hand wie Deutsche Post, Deutsche Bahn oder der Staat ist dort mehrheitlich oder minderheitlich beteiligt wie RWE, Deutsche Telekom, Lufthansa. Ihre Dienstleistungen werden zu Marktpreisen angeboten, und es handelt sich dabei um Individualdienste. Problematisch ist hier meist der Spagat zwischen den Interessen der staatlichen und der privaten Anteilseigner bzw. der (Teil-)Monopol- und der, auch internationalen Wettbewerbssituation. 8. Ein verbreitetes Problem stellt die Kapazitätsanpassung bei Dienstleistungen dar. Welche Lösungsmöglichkeiten ergeben sich dafür aus Managementsicht? Die betriebliche Kapazitätsanpassung bei Dienstleistungen ist durch zahlreiche Restriktionen begrenzt. Eine Restriktion betrifft soziale Faktoren in Form der Kundenkontaktmitarbeiter, eine weitere den Externen Faktor, über den der Anbieter nicht disponieren kann, und eine weitere die internen Faktoren, die nur begrenzt lager- und transportfähig sind. Eine Anpassung ist dabei in zwei Dimensionen darstellbar: Erstens quantitativ und zweitens qualitativ. Eine quantitative Anpassung ist wiederum durch drei Maßnahmen möglich: • in kapazitativer Form durch Stilllegung oder Aufstockung der Kapazitäten, ein Problem ergibt sich dabei allerdings aus der mangelnden Abbaubarkeit von Fixkosten (Fixkostenremanenz), • in intensitätsmäßiger Form durch wechselnde Arbeitstempi, bei Verlangsamung entstehen jedoch Unwirtschaftlichkeiten, bei Beschleunigung Qualitätsund Belastungsprobleme, • in zeitlicher Form durch Kurzarbeit oder Überstunden, beides ist aus guten sozialen Gründen nicht ohne Weiteres möglich. Eine qualitative Anpassung ist mutativ durch Änderung der Prozesse möglich oder durch Beeinflussung der Umfeldbedingungen (Raum, Zeit etc.). Bei der Pro-

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Übungsaufgaben und Lösungshinweise

zessänderung sind dann die verschiedenen Prozesszeiten zu berücksichtigten, so die • Vorbereitungs- und Nachbereitungszeiten (Rüstzeit), • Ausführungszeit (Nutzzeit), • Transaktionszeit (Verteilzeit). Innerhalb der Transaktionszeit kommt es immer wieder zu Wartezeiten, die als Unzufriedenheitsstifter für Kunden fungieren. Eine Besserung ist sowohl durch objektive Verkürzung der Wartezeit (linear) als auch Verkürzung der subjektiv wahrgenommenen Wartezeit (prozedural) möglich. 9. Charakterisieren Sie bitte Freie Berufe als wichtige Branche der Dienstleistung. Dienstleistungen durch Freie Berufe werden auch als Professional Services bezeichnet. Sie werden zentral durch Menschen erbracht. Die Organisation der Freien Berufe ist in Deutschland historisch bedingt ständisch angelegt. Eine wesentliche Funktion nehmen darin Kammern wahr. An diese hat der Staat im Sinne der Subsidiarität hoheitliche Aufgaben delegiert und beaufsichtigt diese. Kammerorganisierte Berufe unterliegen strikten Standeskonventionen. Man spricht hier von Katalogberufen, die erfasst werden wie Heilberufe (Ärzte), Rechts-, Steuer- und Wirtschaftsberatende Berufe, technisch-naturwissenschaftlich beratende Berufe, Sprach-, Informationsvermittlungs- und Kulturberufe. Darüber hinaus gibt es durch strenge Berufsvorschriften organisierte Berufe als katalogähnliche Berufe wie Sachverständige, Gutachter etc. sowie auf Basis freiwilliger Richtlinien unverbindlich organisierte Berufe, deren Mitglieder wissenschaftlich, künstlerisch, schriftstellerisch, unterrichtend oder erzieherisch tätig sind. Diese Berufe sind nicht katalogisiert und damit auch nicht letztgültig abgrenzbar. Der besondere Status Freier Berufe wird mit allgemeinen Kennzeichen der dort Dienstleistung erbringenden Personen rechtfertigt. Zu nennen sind hier qualifizierte Ausbildung, leitende Tätigkeit, eigenständige Arbeitsorganisation und gesellschaftliche Relevanz der Tätigkeit. Im Unterschied zu gewerblichen Tätigkeiten fällt dafür keine gesonderte Besteuerung an, so dass es einen „Zug“ in Richtung Freier Berufe gibt. Dies hat verstärkt zu Scheinselbstständigkeiten geführt, auch zur Vermeidung von Sozialabgaben für Arbeitnehmer in Unternehmen. Die Vermutung einer Scheinselbstständigkeit führt dazu, dass die betreffende Person so behandelt wird als sei sie abhängig beschäftigt. Zur Abgrenzung werden fünf Kriterien herangezogen: Anzahl der Auftraggeber, Vorliegen sozialversicherungspflichtiger Mitarbeitender, selbstständige Gestaltung der Aufgaben, unternehmertypische

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Merkmale wie Firma, Geschäftsausstattung, Büroräume etc., gleiche Tätigkeit wie zuvor als Arbeitnehmer. Sind drei dieser fünf Kriterien nicht erfüllt, wird seitens der So­zialversicherungsträger von einer Scheinselbstständigkeit ausgegangen. 10. W  elche Verfahren zur Zufriedenheitsmessung können unterschieden werden? Im Einzelnen können drei Messgruppen für die Erfassung des Zufriedenheitsgrads unterschieden werden: • Objektive Zufriedenheitsindikatoren machen an Größen wie Umsatz / Marktanteil, Eroberungs-/Loyalitätsraten, Beschwerde-/Reklamationsrate, Ergebnissen aus der Qualitätskontrolle etc. fest. Diese Größen sagen jedoch mitnichten etwas über die Zufriedenheit von Kunden aus, sondern können aus ganz anderen Gründen entstehen wie z. B. Mangel an Alternativen, Kundengebundenheit, geringes Involvement etc. • Subjektive Qualitätsvermutungen als Grundlage für Zufriedenheit machen an qualitativen Größen fest. Dazu gehören Expertenbeobachtung (Peers), Mystery Shopping, neutrale Dienstleistungstests oder Preisbereitschaft. Diese Größen kommen ohne Transaktion aus, sind jedoch im Detail sehr fragwürdig (wer ist Experte, situative Einflüsse, zweifelhafte Bewertungsmaßstäbe, Imageeinflüsse etc.). • Subjektive Zufriedenheitsmessungen beruhen auf explorativen, merkmalsorientierten, ereignisorientierten oder problemorientierten Ansätzen. Explorative Ansätze nutzen Globalbeurteilung, Fokusgruppen-Ergebnisse oder Storytelling. Hier treten vor allem Auskunftsverzerrungen ein. Merkmalsorientierte Ansätze nutzen Differenz-/Zweikomponenten-Einzeitpunkt- und Divergenzmessungen / Einkomponenten-Zweizeitpunkt, Vignettes (Schlüsselinformationen), Kritische Merkmale. Theoretisch ist vor allem die Divergenzmessung geeignet, pragmatisch Kompaktmethoden wie Net Promotor Score / NPS oder TRI*M. Ereignisorientierte Ansätze sind sequenzielle Ereignismessung, kritische Ereignismessung (CIT) und Kündigungsprävention. Diese beruhen auf der Analyse von Encounter Points, also konkreten Kontaktpunkten zwischen Anbieter und Nachfrager. Problemorientierte Ansätze sind Problementdeckungsmethode (PDM) und Frequenz-Relevanz-Analyse für Probleme (FRAP). Sie heben nur auf negativ besetzte Ereignisse ab, weil die positiven ja problemlos sind.

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Übungsaufgaben und Lösungshinweise

11. F  ür eine ernsthafte Beschäftigung mit einem Wissensgebiet ist es erforderlich, eine arbeitsfähige Definition des Untersuchungsgegenstands zugrunde zu legen. Bei Dienstleistungen gibt es eine ganze Reihe solcher Definitionsvorschläge. Erläutern Sie bitte die gängigen Definitionsansätze für Dienstleistungen und diskutieren Sie diese kritisch. Hinsichtlich der Begriffsbestimmung von Dienstleistungen liegen mehrere Ansätze vor. Der älteste Ansatz ist der, Dienstleistung als alles, was nicht Sachleistung ist, aufzufassen. Dies kann jedoch nicht befriedigen. Ferner gibt es den Ansatz der Aufzählung von Dienstleistungen, um deren enormer Heterogenität gerecht zu werden. Auch dies ist unbefriedigend, wenn auch etwa im Markengesetz, bei der WTO, in der amtlichen Statistik o. Ä. vorzufinden. Ein moderner Ansatz (Service Dominant Logic / SDL) geht davon aus, dass Dienstleistungen Verrichtungen gegen Entgelt sind, also gedanklich nicht der Gegenpol zur Sachleistung, sondern zur Eigenleistung. Dies unterstellt, dass letztlich alle Marktleistungen Dienstleistungen sind, was allerdings die herkömmlichen Sprachregelungen aushebelt und daher nicht als zweckmäßig angesehen werden kann. Aus aktueller Sicht sind Dienstleistungen vor allem durch drei konstitutive Merkmale gekennzeichnet: • Erstens durch ihre Prozessorientierung, d. h. die zeit-synchrone Interaktion mit dem Kunden (Externer Faktor). • Zweitens durch ihre Ergebnisorientierung, d. h. die geldwerte Leistung. • Drittens durch ihre Potenzialorientierung, d. h. die Leistungsbereitschaft. Zwei dieser Merkmale treffen aber isoliert auch auf Sachleistungen zu, in Kombination sind sie jedoch in der Lage, Dienstleistungen aussagefähig abzugrenzen. Daraus ergibt sich dann folgende Arbeitsdefinition: • Dienstleistungen sind marktfähige Verrichtungen und Leistungsbereitschaften am Externen Faktor. Sie resultieren kumulativ aus der Bereitstellung interner Leistungspotenziale, der Durchführung kundenintegrierender Leistungsprozesse und dem Angebot immaterieller Leistungsergebnisse. Hinzu kommen weitere Merkmale: Dienstleistungen werden zweistufig erstellt, zuerst verkauft und dann erst produziert. Sie sind individuell ausgelegt und in ihrem Arbeitsanfall fremdbestimmt. Ihre Logistik, Kapazitätssteuerung und Standardisierung sind eingeschränkt. Und sie haben Vertrauensgutcharakter. Diese Besonderheiten sind die Begründung für ein eigenständiges Dienstleistungsmanagement.

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12. Welche Möglichkeiten zur Veredelung von Dienstleistungen sind gegeben? Für die Veredelung bieten sich zwei Möglichkeiten an, die Speicherung von Dienstleistungen über die Zeit hinweg und die Übertragung von Dienstleistungen über den Raum hinweg. Eine Speicherung der Leistung auf Datenträger (Offline) ist z. B. als DVD mit dem Live-Konzert eines Orchesters gegeben. Diese Form der Leistungsveredelung überwindet die Nichtlagerfähigkeit von Dienstleistungen, indem zusätzlich zur raum-zeit-gebundenen Leistung deren Nutzung als partielle Sachleistung zu beliebigen Zeiten und in beliebiger Häufigkeit stattfinden kann. Handelt es sich bei der DVD um eine Studio-Aufnahme, also ohne Einbeziehung eines Externen Faktors, ist womöglich von vornherein eine reine Sachleistung gegeben, denn das Produkt ist weder immateriell noch individuell. Eine Übertragung in Datenleitungen (Online) ist z. B. als Fernsehausstrahlung des Live-Konzerts des Orchesters gegeben. Diese Form der Veredelung überwindet die Nichttransportfähigkeit von Dienstleistungen, indem zusätzlich zur raum-zeit-gebundenen Leistung die Nutzung als partielle Sachleistung an beliebigen Orten, auch mehrfach parallel, stattfinden kann. Als Dienstleistung wäre erst wieder eine Übertragung im Rahmen von Pay-TV anzusehen. Die bloße Auswahl unter verschiedenen, standardisierten Leistungsangeboten wie im Free-TV reicht dazu jedoch nicht aus, denn diese ist auch bei Sachgütern gegeben. Durch diese Veredelung verlieren Dienstleistungen allerdings ihre Immaterialität als konstitutives Kennzeichen. Insofern ist strittig, ob es sich dabei noch um (reine) Dienstleistungen handelt oder vielmehr schon um spezielle Sachleistungen. 13. Wie sind das Franchise-System und das Vertragshändler-System bei Dienstleistungen ausgestaltet? Beim Franchise-System handelt es sich um ein vertikal kooperatives System mit rechtlich selbstständigen Absatzmittlern (Franchisees), die in einem Dauer­ schuldverhältnis zum Systemkopf (Franchisor) stehen. Das System hat einen einheitlichen Marktauftritt, ist gebührenpflichtig (einmalig oder laufend), wird von den Partnern arbeitsteilig angelegt und sieht ein Weisungs- und Kontrollrecht beim Franchisor vor. Die Aktivitäten beziehen sich auf Produktion, Verkauf, Know-how-Überlassung und aktive Unterstützung. Franchise-Systeme finden sich fast ausschließlich für Dienstleistungen (z. B. Systemgastronomie, Fitness / Wellness, Facheinzelhandel). Beim Vertragshändler-System handelt es sich um eine gleiche Ausgestaltung wie beim Franchising, allerdings ist das System nicht gebührenpflichtig, weder für den Eintritt noch für das laufende Geschäft. Häufig ist das System mit Konkurrenzausschluss in Bezug (Gebietsschutz) und Absatz (Marktverantwortungs-

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Übungsaufgaben und Lösungshinweise

gebiet) verbunden. Eine verbreitete Anwendung findet sich im Automobil-Markenhandel, der allerdings atypisch ausgelegt ist. 14. Was versteht man unter Kundenverbundenheit und was unter Kundengebundenheit? Eine (freiwillige) Kundenverbundenheit basiert im Allgemeinen auf Präferenzen oder Gewohnheit. Doch diese kann durch Unzufriedenheit rasch unterlaufen werden. Daher ist die Möglichkeit einer (erzwungenen) Kundengebundenheit zu prüfen. Mittel dafür können rechtlicher (Vertragslaufzeit), ökonomischer (Umstellungskosten), technischer (Inkompatibilität) oder institutioneller Art sein (Unternehmensverbindung). Das Eingehen einer solchen Abhängigkeit hängt kundenseitig vom dafür angebotenen Anreiz ab. Ist dieser hoch genug, macht eine Gebundenheit durchaus Sinn. Dann ist der Zufriedenheitsgrad weniger zentral. Ansonsten ist er das schwächste Bindeglied in der Kette von der Kundennähe (Proximity) über Kundenzufriedenheit, Kundenbindung zum Kundenwert (Customer Equity). 15. Welche Zufriedenheitslücken können nach Parasuraman et.al. unterschieden und wie können diese geschlossen werden? Unzufriedenheiten ergeben sich nach dem Modell von Parasuraman / Zeithaml / Berry aus vier Gründen (Gaps), die hoch kumulieren: • Lücke 1 ist die Informationslücke zwischen dem, was ein Anbieter meint, dass für Kunden wichtig ist und dem, was tatsächlich für Kunden wichtig ist. Eine Schließung ist durch ein höheres Maß an Kundennähe möglich. • Lücke 2 ist die Normierungslücke zwischen den Kundenerwartungen und der tatsächlichen Umsetzung daraus resultierender Qualitätsstandards. Eine Schließung ist durch Vorgabe angemessener Servicestandards möglich. • Lücke 3 ist die Umsetzungslücke zwischen den Spezifikationen aus der Qualitätssicherung und der überwiegend erfolgenden realen Leistungsausführung. Eine Schließung ist durch konsequente QM-Maßnahmen möglich. • Lücke 4 ist die Kommunikationslücke zwischen der tatsächlichen Leistungsausführung und der an Kunden gerichteten Auslobung über diese Leistung. Eine Schließung ist durch konservative Kommunikation darstellbar. • Lücke 5 ergibt sich als Summenlücke aus 1 – 4.

29. Übungsaufgaben zur Betriebswirtschaft des Handels

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29. Übungsaufgaben zur Betriebswirtschaft des Handels 1. Versetzen Sie sich bitte in die Situation eines Großhändlers für Lebensmittel, der sich von der Ausschaltung im Absatzkanal (Disintermediation) bedroht sieht. Welche Maßnahmen ergreifen Sie, um Ihren Kundenstamm an Einzelhändlern zu sichern? Taktische Ansatzpunkte für kundenbindende Maßnahmen des Großhandels bei Einzelhändlern sind folgende: • Unterstützung bei der Betriebsorganisation der belieferten Einzelhändler, • Hilfe bei der Absatzförderung durch Präsentation, Dekoration etc., • Beratungsservice für Sortimentsauswahl, Bestellmengen, Bestellzeitpunkte etc., • Finanzierung durch vorteilhafte Kreditierung von Lieferungen, • Personalmanagement über Beschaffung, Auswahl, Schulung etc. von Mitarbeitenden, • Beratung bei der Kommunikation in Werbung, Aktionen, Events etc., • Logistikhilfen bei Transport und Lagerung. Strategische Ansatzpunkte für kundenbindende Maßnahmen bei Einzelhändlern sind folgende: • Initiierung einer Freiwilligen Kette, d. h. einer dauervertraglichen Kooperation mit mehreren Einzelhändlern auf Initiative eines Großhändlers hin, um gemeinsam Kosten- und Erfahrungsvorteile nutzen zu können (z. B. Bestellung großer Lose mit Mengenrabatten). • Angebot einer Verbundgruppe, d. h. einer dauervertraglichen Kooperation zwischen mehreren Einzelhändlern durch Einbindung eines gemeinsamen Großhändlers, um Kosten- und Erfahrungsvorteile nutzen zu können. 2. Warum ist der stationäre Einzelhandel weithin als Engpass in der Distribution anzusehen? Es herrscht ein gesamtwirtschaftlicher Abwachs an Regalfläche vor, weil mehr Läden „sterben“ als neue eröffnet werden. Zugleich nimmt jedoch die Anzahl der angebotenen Produkte ständig zu, und zwar sowohl durch die Proliferation der Programme jedes Herstellers als auch durch den Marktauftritt von immer mehr Herstellern. Dadurch kommt es zum Verdrängungswettbewerb im Regal des Handels. Da die Verfügbarkeit am Ort des Verkaufs, also am Handelsplatz, jedoch Voraussetzung für das Entgelt der Herstellerleistung ist, und dieser Handelsplatz im Eigentum, und damit in der freien Verfügbarkeit des Handels liegt, entstehen nennenswerte Interessenkonflikte. Zugleich findet eine Professionalisierung des Handels statt. Erschwerend kommen die schon sprichwörtliche

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Übungsaufgaben und Lösungshinweise

„Händlermentalität“, der starke Konzentrationsprozess auf der Handelsstufe und die durch aggressive Preispolitik verursachte Margenerosion hinzu. 3. Was versteht man unter einem Trade Mart? Ein Trade Mart ist die räumlich zusammengefasste ständige Präsentation von Mustern für gewerbliche Adressaten einer Branche in Großhandels- und Handelsvertreter-Niederlassungen. Dabei finden normalerweise keine physischen Warenprozessleistungen statt. Dafür wird eine akquisitorische Infrastruktur durch angeschlossene Hilfsbetriebe geboten. Trade Marts werden von verschiedenen Herstellern beschickt und sind meist in für diesen Zweck speziell eingerichteten Gebäuden untergebracht. Sie sind regelmäßig branchengebunden. Als Träger fungieren für gewöhnlich Kollektive wie Fachverbände, Messegesellschaften, öffentliche Körperschaften etc. Sie organisieren Gebäudeunterhalt, Gemeinschaftswerbung, Abwicklung etc. Dafür zahlen die Residenten dort in ihrem Mietzins eine Umlage, die eine wesentliche Kostenersparnis gegenüber eigenständigen Leistungen bedeutet, zumal sie für den einzelnen vergleichbar objektiv kaum möglich scheinen. Diese Form ist verbreitet in der Modebranche. 4. Aus welchen Elementen besteht ein ECR-System? Ein ECR-System besteht im Einzelnen aus Logistik- und Marketingelementen. Zu den Logistikelementen (Efficient Replenishment / ERP) gehören: • Vendor (Co-)Managed Inventory als effizienter Warennachschub, • Cross Docking (CD) in Warenverteilzentren, • Efficient Unit Loads (EUL) zur Standardisierung der Transporteinheiten. Zu den Marketingelementen (Category Management / CM) gehören: • Efficient Product Introduction (EPI) als effiziente Produktneueinführung, • Efficient Store Assortment (ESA) als effiziente Sortimentsgestaltung im Handel, • Efficient Promotions (EP) als effiziente Absatzförderung. 5. Erläutern Sie bitte die wesentlichen Funktionen der Raum- und Zeitüberbrückung des Handels. Die Funktion der Raum- und Zeitüberbrückung findet durch Transport und Lagerung (Logistik) seitens des Handels statt. Der Handel überbrückt dabei die räumliche Spannung zwischen den Orten der Herstellung von Waren und den Orten ihrer Verwendung. Er überbrückt auch die temporäre Spannung zwischen den Zeiten der Herstellung von Waren und den Zeiten ihrer Verwendung. Ohne diese konstitutiven Funktionen wäre ein rationelles Wirtschaften nur schwer möglich.

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Erst fortgeschrittene Verfahren der virtuellen Distribution über Internet-Plattformen oder 3 D-Drucker schaffen hier Alternativen. 6. Was versteht man allgemein unter Großhandel? Was versteht man speziell unter Produktionsverbindungshandel? Der Großhandel übernimmt funktional die Beschaffung und den Absatz von Waren bei / von gewerblichen Akteuren. Institutional umfasst er die Betriebe, die den funktionalen Großhandel durchführen. Speziell unter Produktionsverbindungshandel versteht man den Großhandel zwischen industriellen Produzenten und Weiterverarbeitern. 7. Was versteht man im Handel unter Trading up und was unter Trading down? Unter Trading up versteht man die Verbesserung der betriebsindividuellen Leistungsstandards des Handelsbetriebs in Bezug auf die Qualität seines Leistungsangebots. Unter Trading down versteht man die Betonung des Preises / der Kosten und Spannen in Bezug auf die Handelstätigkeit. Jeder Handelsbetrieb muss sich letztlich zwischen diesen beiden Polen entscheiden. Beide sind parallel am Markt erfolgreich. Eine unentschiedene Mittenposition führt hingegen zur Verdrängung vom Markt. 8. Worin liegen Knappheitsfaktoren im gesamtwirtschaftlichen Regalplatz des Einzelhandels? Knappheitsfaktoren im gesamtwirtschaftlichen Regalplatz des Einzelhandels liegen vor allem in drei Entwickungen begründet: • Im Konsumentenbereich entstehen zunehmende Bedürfnisdifferenzierung und Einkaufsbequemlichkeit. • Im Herstellerbereich entstehen zunehmende Warenvielfalt, die Anstrebung hoher Distributionsdichte und eine wachsende Verkaufsflächenbeanspruchung am PoS. • Im Handelsbereich entstehen eine Erschöpfung des Regalplatzzuwachses, ein Zug zur Auftragskonzentration und zu Handelsmarkenpräsenz. Alle drei Faktoren bewirken, dass eine relative Regalplatzknappheit im System besteht, wodurch die Nachfragemacht der Handelsstufe gegenüber der Herstellerstufe wächst. 9. Was versteht man unter Sprungwerbung im Absatzkanal? Recherchieren Sie dazu bitte. Unter Sprungwerbung versteht man die absatzstufenübergreifende Werbung der Hersteller für ihre Produkte bei den Kunden ihrer Kunden. Dadurch soll ein Pull-Effekt von der Endkundenstufe (z. B. private Endabnehmer) auf die Zwi-

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schenkundenstufe (hier der Handel) ausgeübt werden. Dies soll den Handel angesichts der manifestierten Endkundennachfrage veranlassen, die Herstellerprodukte überhaupt oder verstärkt zu ordern. Zugleich schafft die Sprungwerbung aber auch einen Vorverkauf von Produkten, mit denen der Handel sein Geld verdient, im Absatzkanal. 10. W  as versteht man unter einer Handelsmarke? Die Handelsmarke ist eine Marke, als deren Absender die Handelsstufe fungiert. Bei echten Handelsmarken übernimmt diese Konzeption, Produktion und Vertrieb der Markenartikel, bei unechten Handelsmarken, die den Regelfall darstellen, übernehmen Hersteller die Konzeption und Produktion im Auftrag des Handels. Handelsmarken bewegen sich zwischenzeitlich durchaus auf dem Level qualifizierter Herstellermarken und sprechen preissensitive Zielgruppen an. Insofern kannibalisieren sie die Zweitmarken der Hersteller. 11. W  as versteht man unter dem Kürzel EDLP? EDLP (Every Day Low Price) ist eine Preissetzung auf dauerhaftem Niedrigpreisniveau. Im Unterschied zu Sonderangeboten, deren Niedrigpreisphase nur temporär ist, wird hier auf einen horizontalen oder vertikalen Preisausgleich verzichtet. Damit können Märkte verstopft und Sonderangebotshändler vom Markt verdrängt werden. Möglich wird dies durch äußerste Rationalisierung der Betriebsführung und vor allem die Durchsetzung von mengenbezogenen Preisnachlässen in der Beschaffung. Als Erfinder gilt der mit Abstand größte Handelskonzern Wal-Mart. 12. Erläutern Sie bitte die wesentliche Funktion der Kundenakquisition des Handels. Die Funktion der Kundenakquisition des Handels umfasst eine Reihe von Subfunktionen, vor allem folgende: • Absatzfinanzierung durch Erhöhung der Kaufkraft / des Budgets der Nachfrager, Nachfragegenerierung für neue Produkte der Hersteller, kontinuierliche Angebots- und Nachfrageermittlung bzw. -lenkung, Markterschließung für neue Anbieter, fallweise preisliche Förderung zur Absatzforcierung, Veredelung durch produktbegleitende Kundendienste, Beratung in der Vorkaufphase, Endkundenkontakt und eigentlicher Absatzvollzug, Kundenpflege in der Nachkaufphase, Schaffung von Einkaufsbequemlichkeit und -schnelligkeit.

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13. Erläutern Sie bitte die wesentliche Funktion des Mengenausgleichs des Handels. Die Funktion des Mengenausgleichs des Handels umfasst eine Reihe von Subfunktionen, vor allem folgende: • Aufsplittung großer, von Vorlieferanten bezogener Lose in bedarfsgerechte, kleine Einheiten, Warenumgruppierung im Sortiment unter Gesichtspunkten der Qualität (z. B. Güteklassen) und Quantität (Bündelung), Preisanpassung nach jeweiliger Marktgängigkeit der Waren, Sammlung von Angebot (auch von Neuprodukten) und Nachfrage (auch latenter Art) am Markt, Sortimentszusammenstellung nach jeweiligen Kundenbedarfen (One Stop Shopping). 14. Erläutern Sie bitte die Position des Stuck in the Middle nach Porter für den Handelsmarkt. Die Position des Stuck in the Middle (Porter) bietet kein Erfolgspotenzial, weil sie weder leistungsdominant genug ist, um mit Trading up-Händlern, noch kostendominant genug, um mit Trading down-Händlern mithalten zu können. Insofern kauft der qualitätsorientierte Teil der Nachfrager im Erlebnishandel und der preisorientierte im Versorgungshandel. Wobei es sich letztlich um dieselben Personen handelt, nur diese kaufen dort jeweils verschiedene Artikel. High Interest-Artikel werden nach Qualitätsdominanz im Erlebnishandel entschieden, Low Interest-Artikel nach Preisdominanz im Versorgungshandel. Wobei es nicht von den Artikeln selbst abhängt, welche wo erstanden werden, sondern vom Käufer (Hybrider Verbraucher). Durch intelligente Einsparung im Low Interest-Bereich kann somit zusätzliche Kaufkraft im subjektiv wichtigen High Interest-Bereich investiert werden. Ein Beispiel für die Stuck in the Middle-Position im Einzelhandel sind Warenhäuser. 15. W  ie schätzen Sie die Entwicklung des Großhandels für die Zukunft ein und warum ist dies so? Die Bedeutung des Großhandels ist stark rückläufig. Durch die Verlagerung vieler Funktionen auf die Hersteller-, die Wiederverkäufer- oder die Endabnehmerstufe kann die Handelsspanne des Großhandels, also die Differenz zwischen seinem Einstandspreis und dem Nettoverkaufspreis, durch Disintermediation sowohl vom Lieferanten als vom Abnehmer eingespart und für niedrigeren Preis oder zusätzlichen Gewinn instrumentalisiert werden. Der Großhandel versucht, sich durch das Angebot leistungsergänzender Aktivitäten dagegen zu stemmen. Jedoch dürfte der Großhandel auf Sicht nur bei ubiquitär distribuierten Produkten wegen seiner Logistikfunktion eine Berechtigung behalten wie Presseerzeugnisse, Tabakwaren, Getränke, Süßwaren, Arzneimittel.

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Übungsaufgaben und Lösungshinweise

30. Übungsaufgaben zur Ökologischen Betriebswirtschaft 1. Stellen Sie bitte die Zusammenhänge der Kreislaufwirtschaft dar. Die Kreislaufwirtschaft erstreckt sich von der Rohstoffgewinnung über die Produktion, den Konsum bis hin zur Deponierung zunehmend knapper werdender Ressourcen. Dies ist im Kreislaufwirtschaftsgesetz (KrwG), ergänzt durch das Abfallgesetz (AbfG) verankert, wonach Produkte, Produktionsrückstände und Verpackungen möglichst lange im Wirtschaftskreislauf gehalten werden sollen. Für die Unterscheidung im Rahmen der Entsorgung sind folgende Silben kennzeichnend: • „Wieder-“ als nochmalige Nutzung eines Guts zum selben Zweck, zu dem es auch ursprünglich genutzt wurde, • „Weiter-“ als Nutzung eines Guts zu einem anderen als dem ursprünglichen Zweck, • „-verwendung“ als Nutzung eines Guts in einer Form wie es aus dem vorhergehenden Prozess hervorgegangen ist, • „-verwertung“ als Nutzung eines Guts nach entsprechender Aufbereitung. Daraus ergeben sich entsprechend die folgenden vier Kombinationen: • Wiederverwendung als wiederholte Verwendung eines unveränderten Guts im schon für die Erstverwendung vorgesehenen Verwendungszweck (z. B. Pfandflaschen), • Weiterverwendung als nochmalige Nutzung eines Guts für eine vom Erstzweck verschiedene Verwendung, für die es eigentlich nicht hergestellt worden ist (Zweitnutzen), • Wiederverwertung als Wiedereinsatz eines Guts in bereits früher durchlaufenen Produktionsprozessen unter teilweiser oder völliger Formauflösung und -veränderung (z. B. Altglaseinschmelzung zu Neuglas, Recyclingpapier), • Weiterverwendung als Einsatz eines Guts in noch nicht durchlaufenen Produktionsprozessen unter Umwandlung zu neuen Werkstoffen bei Verlust der Materialidentität oder bei Gestaltänderung (z. B. Joghurtbecher werden zu Parkbänken). Als Abfall gelten solche Stoffe, die anfallen, ohne dass der Zweck der jeweiligen Handlung hierauf gerichtet ist oder deren ursprüngliche Zweckbestimmung entfällt oder aufgegeben wird, ohne dass ein neuer Verwendungszweck unmittelbar an deren Stelle tritt. Abfall ist also, was nicht oder nicht mehr Produkt ist. Dabei gilt die Pflichtenhierarchie der Vermeidung (Verbraucherverhalten, Produktlebensdauer etc.) vor der Verwertung (stofflich oder energetisch) vor der Beseitigung. Die dabei anfallenden Kosten sollen nicht externalisiert werden. In-

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sofern ist der Produktverantwortliche, also wer Erzeugnisse entwickelt, herstellt, be- und verarbeitet oder vertreibt, für das Funktionieren der Kreislaufwirtschaft zuständig (Verursacherprinzip). Er muss diese bei Entwicklung, Herstellung, Vertrieb und Verbrauch beachten. Marktregulierend greift die Verpackungsverordnung ein. Hinzu treten die Altautoverordnung, die Verordnungen für Elektronikschrott, Batterien, Altpapier und Baurestabfälle. Herstellern wird insoweit die Verantwortung nicht nur für die Packung, sondern für das ganze Produkt während des gesamten Lebenszyklus zugewiesen. Dies erfolgt über die Redistribution als Ausgestaltung aller Tätigkeiten der Überbrückung von Konsumrückständen vom Anfallort bis zum Ort der erstmaligen Verarbeitung (Weiter-) oder Bearbeitung (Wieder-). 2. Welche Aussagen trifft eine Ökobilanz? Recherchieren Sie bitte geeignete Informationen. Ökobilanz ist allgemein der Oberbegriff für die bilanzierende und beurteilende Betrachtung eines ökologisch relevanten Systems. Dies kann ein Produkt, ein Produktionsprozess oder eine Institution sein. Die Ökobilanz kann auch dem möglichst umfassenden Vergleich der Umweltauswirkungen zweier oder mehrerer unterschiedlicher Produkte, Systeme, Verfahren oder Verhaltensweisen dienen. Ziel der Ökobilanzierung ist das Aufzeigen von Schwachstellen, die Verbesserung der Umwelteigenschaften der Produkte, die Entscheidungsfindung in der Beschaffung und im Einkauf, die Förderung umweltfreundlicher Produkte und Verfahren, der Vergleich alternativer Verhaltensweisen und die Begründung von Handlungsempfehlungen. Die fünf Hauptbestandteile sind die Zieldefini­tion der Ökobilanz, die Abgrenzung des Ökosystems, die Sachbilanz (Stoff- und Energiebilanz), die Wirkungsbilanz (Abschätzung der Umweltwirkungen) und die Bilanzbewertung. 3. Welche Aufgaben hat das ökologische Rechnungswesen? Das ökologische Rechnungswesen verbindet die Daten aus der Stoff- und Energiebilanz mit volkswirtschaftlichen oder ökologischen Äquivalenzziffern, Knappheitsfaktoren etc. Dies ermöglicht die Aggregation stofflicher Einzeldaten zu ökologischen Kerninformationen. Je nach Art der verwendeten Faktoren werden umweltmedien- oder problembezogene Aggregationen oder Gesamtag­gre­ gationen gebildet. 4. Welche Prinzipien sollen im Rahmen der ökologischen Verantwortung von Unternehmen Berücksichtigung finden? Das Verantwortungsprinzip besagt im Rahmen der ökologischen Verantwortung von Unternehmen, dass eine intragenerative und eine intergenerative Ge-

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Übungsaufgaben und Lösungshinweise

rechtigkeit eingehalten werden muss. Dies bedeutet, dass diejenigen, denen dies zumutbar ist, auf eigene Vorteile zur Wahrung der Rechte Dritter und Nachfolgender verzichten. Das Kooperationsprinzip besagt, dass arbeitsteilig arbeitende Unternehmen in Bezug auf ökologisch und ökonomisch sinnvolle Entscheidungen enge Interaktionen eingehen, um über die Wertschöpfungskette hinweg zu vorteilhaften Entscheidungen zu kommen. Das Kreislaufprinzip besagt, dass bereits eingesetzte Ressourcen regeneriert werden sollen, um den Ressourcenverbrauch zu reduzieren und bei nicht regenerativen Ressourcen Zeit für technischen Fortschritt zu gewinnen. Dazu dienen die Wieder- und Weiterverwendung sowie die Wieder- und Weiterverwertung von Einsatzstoffen. 5. Was versteht man unter einem Umwelt-Audit? Recherchieren Sie bitte geeignete Informationen. Der Umwelt-Audit ist eine systematische, dokumentierte, periodische und objektivierte Bewertung über die Leistungsfähigkeit des betrieblichen Umweltschutzmanagements, der -organisation und der -verfahren sowie -ausrüstungen. Er kann intern von einem Umweltbeauftragten für Immissionsschutz, Abfall, Gewässerschutz und gentechnische Sicherheit oder extern durch einen qualifizierten Auditor vorgenommen werden. Die Dokumentation erfolgt in einem Umweltbericht mit zielgruppenorientierter Kommunikation über betriebliche Umweltbelange einer Unternehmung oder einzelne ihrer Standorte. Dabei geht es vor allem um die Informationserfassung der stofflichen Seite des Betriebsgeschehens und ihre ökologischen Wirkungen sowie deren rechtliche und gesellschaftliche Bewertungen. 6. Stellen Sie bitte Maßnahmen der Umweltpolitik dar. Hoheitliche Umweltpolitik bedient sich im Einzelnen nicht-fiskalischer Ansätze, öffentlicher Ausgaben und Einnahmen. Wichtige Instrumente sind in diesem Zusammenhang folgende: • nicht-fiskalische Instrumente sind etwa –– Umweltauflagen wie Emissionsauflagen, Auflagen für Produktionsprozesse, Produktauflagen, –– umweltplanerische Instrumente wie gesamtplanerische Instrumente, fachplanerische Instrumente, Umweltverträglichkeitsprüfungen, –– umweltbedeutsame Änderungen der rechtlichen Rahmenbedingungen wie Umweltlizenzen, Privatisierung von umweltbedeutsamen Gütern, Schaffung exklusiver Verfügungsrechte an öffentlichen Umweltgütern, verbes-

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serte Umweltkontrolle und -überwachung, Verschärfung der Umwelthaftung, sonstige umweltverbessernde Maßnahmen (z. B. Risikosteigerung für Umweltsünder), Einführung einer obligatorischen Umwelthaftpflichtversicherung, Nutzervorteile umweltfreundlicher Produkte und Verfahren, –– umweltpolitische Kooperationslösungen wie Branchenabkommen, Verbandslösungen, –– zwangfreie umweltpolitische Instrumente wie Steigerung des freiwilligen umweltbewussten Handelns, Verhandlungslösungen, –– Benutzervorteile, umweltplanerische Instrumente. • Umweltpolitik mit öffentlichen Ausgaben erfolgt etwa über: –– direkten öffentlichen Umweltschutz mit Gebühren- und Beitragsfinanzierung, z. B. für Entwässerung, Abwasserbeseitigung, Abfallbeseitigung, Wasserversorgung, –– direkten öffentlichen Umweltschutz mit Steuerfinanzierung, z. B. Lärmschutzmaßnahmen, Grüngürtel, nachträgliche Gewässersanierung, –– Finanzierung sonstiger umweltrelevanter Maßnahmen, z. B. Fernwärmeausbau, öffentlicher Personennahverkehr, umweltfreundlicher Verkehrswegebau, Betriebsverlagerung, –– umweltbewusste staatliche Beschaffungspolitik (mit Vorreiterrolle des Staates), –– Induzierung von umweltverbessernden privatwirtschaftlichen Aktivitäten durch Subventionen, z. B. Zuschüsse, Zuwendungen, rückzahlbare Darlehen, Bürgschaften, Prämien, oder durch Steuervergünstigungen zur Förderung umweltfreundlicher Produktionsverfahren, Produkte und Einsatzstoffe, sowie umweltrelevante Kompensationszahlungen, –– umweltbedeutsame Forschungs- und Entwicklungsförderung, –– Finanzierung des institutionellen Umweltschutzes durch Umweltadminis­ tration und Förderung umweltrelevanter Personen und Organisationen, z. B. als Umweltberatung, Umweltverbände, • Umweltpolitik mit öffentlichen Einnahmen kann etwa betrieben werden durch: –– Vergabe von Umweltlizenzen, –– Umweltabgaben als Umweltsteuern, z. B. Umweltfinanzierungsteuer, Umweltschutzsteuer, als Umweltgebühren und -beiträge, z. B. öffentliche Umwelteinrichtungen, kooperativer Umweltschutz, als reine Emissionsabgaben, z. B. Internalisierungsabgabe, Umweltqualitätsabgabe, als kombinierte abgabendominierte oder auflagendominierte Systeme, als Abgaben auf Produkte und / oder Rohstoffe.

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Übungsaufgaben und Lösungshinweise

7. Welche Inhalte hat eine Umweltverträglichkeitsprüfung? Recherchieren Sie bitte geeignete Informationen. Die Umweltverträglichkeitsprüfung umfasst die Ermittlung und Beschreibung der Auswirkungen eines betrieblichen Vorhabens auf Schutzgüter. Die im Rahmen eines öffentlichen Genehmigungsverfahrens durchgeführte Prüfung ist unselbstständiger Teil verwaltungsbehördlicher Verfahren, die zur Zulassung des jeweiligen Vorhabens erforderlich sind. Im Rahmen der Prüfung werden keine Entscheidungen getroffen, sie hat vielmehr entscheidungsvorbereitenden Charakter. Eine Prüfung kann auch unabhängig von Genehmigungsverfahren innerbetrieblich zur Vorbereitung von Investitionsentscheidungen oder im Rahmen von Planungsverfahren eingesetzt werden. 8. Nach welchen Prinzipien können Abfälle sortiert werden? Abfälle können nach folgenden Prinzipien sortiert werden: • getrennte Sammlung und getrennte Weiterleitung, • gemischte Sammlung, Trennung der Abfälle und getrennte Weiterleitung, • gemischte Sammlung und gemischte Weiterleitung. 9. Welche Inhalte weist das Umweltzeichen aus? Vom Rat der Europäischen Gemeinschaft wurde die Verordnung über ein gemeinschaftliches System zur Vergabe eines Umweltzeichens verabschiedet. Das europaweit geltende Umweltzeichen wird an Produkte vergeben, die während ihres gesamten Lebenszyklusses geringere Umweltwirkungen haben als vergleichbare andere Produkte. 10. Fassen Sie bitte kurz die wesentlichen Probleme im produktionsbezogenen Umweltschutz zusammen. Probleme im Umweltschutz entstehen bei der Produktion durch die Ausbeutung natürlicher Rohstoffvorkommen, Eingriffe in die natürlichen Regelkreise, Verschmutzung der Umweltmedien Luft, Wasser und Boden sowie allgemeine Belastungen wie Lärm, Strahlung etc. Daher ist die Schonung der natürlichen Ressourcen unerlässlich, außerdem die Reduktion des Schadstoffausstoßes sowie integrierte Umweltmaßnahmen. Die Umwelt ist als Potenzial- und Verbrauchsfaktor für die Produktion unerlässlich. Eine geregelte Entsorgung von Abfällen ist verpflichtend.

30. Übungsaufgaben zur Ökologischen Betriebswirtschaft

1307

11. W  as versteht man unter Redistribution und wie kann diese vollzogen werden? Recherchieren Sie bitte geeignete Informationen. Redistribution (Reverse Logistics) meint die Rückführung von Produkten oder Produktbestandteilen wie Packungen, Altgeräten, Pfandverpackungen, Sondermüll etc. vom Ort der Verwendung zum Hersteller oder die Zuführung zu einer geregelten Entsorgung. Die Re-Distribution kann im Hol- oder Bringsystem erfolgen, sie kann eigen- oder fremdgestaltet werden. Dabei können Re-Distributionsmittler zwischengeschaltet sein oder nicht. 12. Welche Diskussionen entspinnen sich vor allem in neuerer Zeit um die Organisation der Redistribution in Deutschland? Bei der Organisation der Redistribution in Deutschland entstehen vor allem folgende Zweifel: • Konsistenz der Mülltrennung, die zumindest offensichtlich nicht nachvollziehbar ist, • unzureichende Trennung der Müllsorten, die aufwändige Nachsortierung erforderlich macht (wegen Kosteneskalation in der öffentlichen Müllentsorgung), • mehrfache Müllerfassung bei insgesamt sinkendem Abfallaufkommen, • implizite Benachteiligung des Mehrwegsystems Flasche (Flaschenpfand), • Zusammenfassung des bereits getrennten Mülls mit automatischer Sortierung für die Verwertung, • hoher Anteil der Verbrennung am Müllaufkommen, da Recyclate qualitativ oft unzureichend sind, • „Mülltourismus“ zur Auslastung von Überkapazitäten in Müllverbrennungsanlagen (Prestigeobjekte der Kommunen). 13. Was versteht man unter Nachhaltigkeitsökonomie? Die Nachhaltigkeit erfordert die langfristige Bewahrung der Natur. Darauf wirken u. a. der Umgang mit natürlichen Ressourcen und Ökosystemen, die Produktion von Gütern und Diensten mit unterschiedlichen Technologien sowie Konsummuster und ökonomische Austauschbeziehungen ein. Die Nachhaltigkeitsökonomie untersucht daher sowohl, wie das wirtschaftliche Handeln des Menschen von der Natur abhängt als auch umgekehrt diese beeinflusst. Ziel ist die Erreichung einer belastbaren Beziehung zwischen Mensch und Natur in gerechter und ökonomisch effektiver Weise. Dazu sind sowohl einzel- als auch gesamtwirtschaftliche Größen zu steuern. Leider sind die Ansätze dazu rückwärtsgerichtet und kurzfristig orientiert. Dies ist nicht zu einer nachhaltigen Balance geeignet.

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Übungsaufgaben und Lösungshinweise

14. Welche vier gesamtwirtschaftlichen Prinzipien werden der Umweltpolitik zugrunde gelegt? Bei den vier gesamtwirtschaftlichen Prinzipien, die der Umweltpolitik zugrunde gelegt werden, handelt es sich um folgende: • Nach dem Verursacherprinzip soll derjenige die Kosten zur Vermeidung oder Beseitigung einer Umweltbelastung tragen, der für ihre Entstehung verantwortlich ist. • Nach dem Gemeinlastprinzip verbleibt als „Notlösung“ die Übernahme der Kosten durch die Allgemeinheit, wenn der Verursacher nicht zu ermitteln ist. • Nach dem Kooperationsprinzip sollen Verursacher und Gesellschaft einvernehmlich in die Zielerreichung der Umweltpolitik eingebunden werden. • Nach dem Vorsorgeprinzip hat die präventive Abwehr umweltrelevanter Gefahren die höchste Priorität. 15. W  elche Bestandteile gehören zu einem Öko-Audit? Recherchieren Sie bitte geeignete Informationen dazu. Zu einem Öko-Audit gehören gemeinhin folgende Bestandteile: • Darstellung der Unternehmung, Darstellung der Produkte und ihrer gesellschaftlichen Wertschöpfung, Darstellung der Stoff- und Energieaustauschbeziehungen, ökologische Beurteilung der Maßnahmen, Darstellung der Veränderungen gegenüber der Vorperiode, Darstellung des Umweltprogramms, Darstellung der Methode und der Grenzen der Erfassung.

Stichwortverzeichnis ABC-Analyse  191, 337 ABCD-Analyse  142, 337  Abfallwirtschaft 1014 Abfragesysteme 656 Abgestimmte Verhaltensweise  743 Ablauforganisation 581 Abmahnung 541 Abrufteilzeit 508 Absatzform 327 Absatzhelfer, logistische  212 Absatzkanal 316 Absatzkanalbreite 320 Absatzkanalgestaltung 319 Absatzkanalkooperation, vertikale  994 Absatzkanalstruktur 322 Absatzkanaltiefe 319 Absatzquellen 782 Abschreibungen 357 Abschreibung, kalkulatorische  412 Abschreibungsfinanzierung 496 Abstimmung mit der Handelsstufe  985 Äquivalenzziffernkalkulation 416 Aktien, Namens-  492 Aktien, Nennwert-  492 Aktien, Stamm-  492 Aktien, junge  492 Aktienbörse 55 Aktiengesellschaft 53 Aktienhandel, amtlicher  493 Aktienhandel, geregelter  493 Aktionen (im Handel)  994 Aktiva  375, 380 Aktivierung (Bilanz)  386 Akzeptkredit 481 Alleingründung (internationale)  929

Allgemeine Geschäfts-Bedingungen (AGB) 114 Amortisationsvergleichsrechnung 449 Amortisationszeitmethode 458 Anbieterauswahl 154 Anbieterrente 88 Andon 196 Anfechtung (von Rechtsgeschäften)  113 Anfragen (Arten)  150 Anfragenerstellung 149 Angebotsbewertung 152 Angebotseinholung 151 Angebotserstellung 151 Angebotsgestaltung 285 Angebotsprofilierung 297 Angewandte Forschung  717 Anhang 393 Anlagenmanagement 183 Anlagenprojekt 136 Anlagevermögen 380 Anleihe 478 Annahmeverzug 125 Annuität (Investition)  452 Annuitätenmethode 456 Apps 899 APS 194 Arbeit (als Produktionsfaktor)  35, 172 Arbeitsanalyse 580 Arbeitsbewertung 537 Arbeitserledigung 580 Arbeitnehmer 504 Arbeitsfeldveränderung 533 Arbeitsgemeinschaft 754 Arbeitskampfrecht 544 Arbeitsmarktpolitik 96

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Stichwortverzeichnis

Arbeitsortgestaltung 519 Arbeitsrecht 128 Arbeitsrecht, individuelles  547 Arbeitsrecht, kollektives  543 Arbeitsrechtsrahmen 543 Arbeitsspeicher 865 Arbeitssynthese 581 Arbeitszeitgestaltung 516 Arithmetisches Mittel  840 Asset Backed Scurities  484 Audit 257 Auditdurchführung 259 Aufbauorganisation 557 Aufgabenanalyse 553 Aufgabengestaltung 552 Aufgabensynthese 552 Aufhebungsvertrag 542 Aufsichtsrat (der AG)  54 Aufwand 350 Ausfuhrbürgschaft 490 Ausfuhrgarantie 491 Ausgabe 350 Ausgangslogistik 218 Ausgleichsprinzip (Preiskalkulation)  992 Auslandsentsendung 539 Außenfinanzierung 469 Außenhandelsfinanzierung, kurzfris­ tige 487 Außenhandelsfinanzierung, langfris­ tige 488 Außenwirtschaft 99 Auswahlverfahren (Marktforschung)  307 Auszahlung 349 Automatisierung von Dienstleistungen 951 Avalkredit  482, 488 Balanced Score-Card  650 Bankkredit 477 Barwert (Investition)  452 Bedarfsermittlung, programmgebun­ dene 205

Bedarfsermittlung, verbrauchsgebun­ dene 205 Befragung (Marktforschung)  308 Beherrschungsvertrag 759 Beiträge 362 Benchmarking 640 Benchmarking, externes  642 Benchmarking, funktionales  642 Benchmarking, generisches  643 Benchmarking, internes  642 Benchmarking, kompetitives  643 Benchmarking, sektorales  642 Beobachtung (Marktforschung)  309 Beschäftigungsabweichung (Plankostenrechnung) 429 Beschaffung 136 Beschaffungsmarkt 284 Beschaffungsobjekte 136 Beschaffungsphasen 140 Beschaffungsrisiken 145 Beschaffungswege, externe  506 Beschaffungswege, interne  506 Beschaffungswege (Personal)  506 Beschwerde 966 Besitz 110 Bestellerkredit 489 Bestellpunktverfahren 155 Bestellrhythmusverfahren 156 Bestellverfahren 155 Beteiligung, Majoritäts-  758 Beteiligung, Minoritäts-  758 Beteiligung, internationale  925 Beteiligungsfinanzierung 491 Betrieb (als Akteur der BWL)  20 Betriebe, Öffentliche  20 Betriebsmittel  25, 170 Betriebspacht-/-überlassungsvertrag 760 Betriebsvereinbarung 547 Betriebsverfassungsrecht 545 Betriebswirtschaft, Einordnung  4

Stichwortverzeichnis Betriebswirtschaft, Prinzipien  16 Betriebswirtschaft, Rahmen  68 Betriebswirtschaftslehre, entscheidungsorientierte 17 Betriebswirtschaftslehre, faktortheoretische 17 Betriebswirtschaftslehre, funktionelle  17 Betriebswirtschaftslehre, genetische  17 Betriebswirtschaftslehre, institutionelle  16 Betriebswirtschaftslehre, institutionenökonomische 18 Betriebswirtschaftslehre, marktorien tierte 19 Betriebswirtschaftslehre, ressourcenorientierte  18 Betriebswirtschaftslehre, systemtheoretische   18 Betriebswirtschaftslehre, umweltorien tierte 18 Betriebswirtschaftslehre, verhaltensorientierte   18 Bewerberauswahl 511 Bewerbungsbearbeitung 508 Bewerbungsunterlagen 509 Bewertungsvereinfachungsverfahren 383, 390 Bewertungswahlrechte (Bilanzpolitik) 396 Beziehungszahlen 852 Bilanzansatz 379 Bilanzaufbau 375 Bilanzbewertung 379 Bilanzfunktionen 373 Bilanzgliederung 380 Bilanzierung 383 Bilanzierungsfähigkeit 379 Bilanzierungswahlrechte 396 Bilanzpolitik 396 Bivariate Analysen  842 Blogging 886 Blue Oceans  700 Bookbuilding 492

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Branchenstruktur-Analyse 695 Break Even-Analyse  425 Bruttoinländerprodukt (BSP)  83 Bruttoinlandsprodukt (BIP)  71, 83 Buchführung, Grundsätze  344 Buchungssystematik 349 Budgetierung 635 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB)  105 Bürgerliches Recht  105 Bürgschaft 473 Business Process Reengineering  732 Businessplan 802 Buy out  763 Buying Center  163 BWL-Systematik  16 BWL-Wirtschaftsakteure  19 BWL-Wissenschaftsrahmen 

16

Cafeteria-System 525 Cash-flow-Verfahren 462 Category Management  999 Chancen-Risiken-Analyse 679 Client-Server-Prinzip 872 Clusteranalyse 849 Coaching 537 Computer, Ausgabegeräte  866 Computer, Eingabegeräte  866 Computer, Netze  870 Computeraufbau 864 Confirmation-Disconfirmation-Paradigma 964 Controlling 625 Controlling, Elemente  625 Coopetition 759 Corporate Citizenship  29 Corporate Governance  25, 27 Corporate Identity  300 Corporate Social Responsibility  32, 1022 Customer Equity  336 Customer Lifetime Value  338

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Stichwortverzeichnis

Data Warehousing  651

Dokumenteninkassi 368

Datenanalyse, induktive  827

Doppik 349

Datenauswertung (Statistik)  833, 853

DuPont-System 646

Datendarstellung (Statistik)  852

Durchfuhr 916

Datenquellen, externe  895 Datenquellen, interne  894

e-Commerce-Absatz 364

Datenquellen (Marktforschung)  307

e-Trade 1000

Datenverarbeitung 859

e-Trade-Geschäftsmodelle B-t-B  1002

Decisíon Support Systems  653

e-Trade-Geschäftsmodelle B-t-C  1002

Deckungsbeitragsrechnung  431, 435

EBDIT-Methode 462

Deduktion 5

Economies of Scale  692

Delphi-Methode 855

Effektivität 36

Diagramme (Statistik)  853

Efficient Consumer Response  999

Dienstleistungen  31, 934

Effizienz 36

Dienstleistungsdefinition, analytische 936

Eigenfertigung (vs. Fremdbezug)  423 Eigenfinanzierung 371

Dienstleistungsdefinition, deskriptive  935

Eigenkapital 384

Dienstleistungsimmaterialität 933

Eigenkapitalspiegel 395

Dienstleistungsmarkt 283

Eigentum 110

Dienstleistungsproduktion 943

Eigentumsvorbehalt  112, 478

Dienstleistungsspezialitäten 954

Eingangslogistik 202

Differenzierung 689

Eingetragene Genossenschaft (eG)  57

DIN EN ISO-Normenreihe  255, 261

Eingetragener Verein (e.V.)  57

Direkte Produkt-Profitabilität  996

Eingliederung 764

Direkte Produkt-Rentabilität  996

Eingliederungsvertrag 760

Direktinvestition 926

Einlinienorganisation 566

Direktvertrieb, halbstufiger  331

Einnahme 350

Direktvertrieb, nullstufiger  329

Einzahlung 349

Discounted Cssh-flow-Verfahren  463

Einzelhandel, Betriebsformen  984

Diskriminanzanalyse 847

Einzelhandelsbetriebsformen, derivative 980

Diskussionsforen 882 Dispersionsparameter 841 Distributionsgrad 320 Distributionslücken 322 Diversifikation, heterogen  768 Diversifikation, homogen  768 Divisionskalkulation 415 DMAIC-Arbeitszyklus 241 Dokumente (beim Kauf)  157 Dokumentenakkreditive 369

Einzelhandelsbetriebsformen, moderne 977 Einzelhandelsbetriebsformen, originäre nicht-stationäre 979 Einzelhandelsbetriebsformen, originär-stationäre 976 Einzelhandelsbetriebsformen, preisaggressive 978 Einzelhandelsbetriebsformen, traditionelle 977

Stichwortverzeichnis Einzelunternehmung 46 Eisenbahntransport 210 Electronic Mail  861 Endwert (Investition)  451 Entgelt, monetäres  521 Entgeltgruppenverfahren 528 Entgeltsystem 530 Entscheidungen (der Unternehmung)  37 Entscheidung unter Risiko  39 Entscheidung unter Sicherheit  39 Entscheidung unter Ungewissheit  41 Entscheidung unter Unsicherheit  40 Entscheidungsbaum 632 Entscheidungsdefekte 38 Entscheidungssituationen 38 Entsorgungslogistik 221 Entwicklung 719 EPRG-Ansatz 908 Equity Deal  459 Erfahrungskurveneffekt 693 Erfolgsbeteiligung 529 Erfolgsfaktorenforschung 704 Erfolgslohn 529 Erfüllungsgeschäft (Sachenrecht)  107 Erfüllungsort 107 Erhebung, Online-  312 Erhebungsformen (Marktforschung)  308 ERP 194 Ersatzinvestition  449, 458 Erstkauf 140 Ertrag 350 Ertragswertverfahren 460 Europäische Aktiengesellschaft (SE)  56 Europäische Wirtschaftliche Interessensvereinigung   51 Executive Information Systems  653 Executive Support Systems  653 Existenzgründung 790 Expert Systems  656 Export, direkter  914 Export, indirekter  914

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Exportförderung 488 Exportgemeinschaften 915 Exportkartell  749, 750 Externale Kosten  1013 Externalisierung von Dienstleistungen 954 Factoring 482 Faktorenanalyse 848 Falsifikation 7 Fehlerarten 266 Fehlerfolgen 266 Fehlerkosten 269 Fehler-Möglichkeits- und -Einfluss-Analyse 243 Fehlerverhütungskosten 268 Fertigungsarten 172 Fertigungssysteme  180, 190 Fertigungstiefe 25 File Transfer Protocol  883 Filesharing 887 Finanzanalyse 499 Finanzdisposition 472 Finanzierung 468 Finanzierung (im Handel)  992 Finanzierungsarten 472 Finanzierungsinstrumente 470 Finanzierungsquellen (Existenzgründung) 807 Finanzinvestitionen 459 Finanzkennzahlen 498 Finanzplanung 470 Finanzregel, horizontale  470 Finanzregel, vertikale  470 Firma 116 Firmenwertverfahren 461 Fixkostendeckungsrechnung 421 Fließfertigung 181 Förderhilfsmittel 217 Fokussierung 689 Fokussierung (internationale)  912

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Stichwortverzeichnis

Forderungen 382 Forderungsabtretung 486 Forfaitierung 490 Formalziel 34 Formparameter 842 Forschung und Entwicklung  187, 721 Frachtführer 213 Franchising-System 965 Freiberufler-Services 955 Freie Güter  1015 Freistellung (Personal)  543 Fremdfinanzierung 472 Fremdkapital 385 Frühaufklärungssystem 774 Früherkennungssystem 773 Frühwarnsystem 773 Führung 591 Führungsprinzipien 604 Führungsstil 591 Führungsstil, eigenschaftsorientiert  591 Führungsstil, situationsorientiert  600 Führungsstil, verhaltensorientiert  593 Führungsstil, zweidimensional  595 Funktionsorganisation 559 Fusion 766 Fusionskontrolle 767 Garantie 474 Gattungsware 989 Gebietskartell 754 Gebietsorganisation 562 Gebrauchsmusterschutz 131 Gebühren 362 Gefährdungshaftung 123 Gefahrenübergang 107 Gefangenen-Dilemma 42 Gegenleistungsgestaltung 289 Geldakkord  522, 526 Geldformen 85 Geldfunktionen 85

Geldmenge 86 Geldwährung 85 Geldwirtschaft (der Unternehmung)  344 Gelegenheitsgesellschaft 753 Gemba 196 Gemeinkosten 404 Gemeinlastprinzip (Ökologie)  98, 1016 Generalisierung (internationale)  916 Generalunternehmer 756 Genussschein 498 Geometrisches Mittel  837 Gerichtsstand 107 Gesamtkostenverfahren  391, 418 Gesamtwirtschaftlicher Rahmen (der BWL) 68 Geschäftsbericht (der AG)  54 Geschäftsbesorgung (Vertragsart)  109 Geschäftsfähigkeit 106 Geschäftsidee 791 Geschäftsmodell 794 Geschäftsprozesse  724, 729 Geschmacksmusterschutz 131 Gesellschaft bürgerlichen Rechts  47 Gesellschaft mit beschränkter Haftung  52 Gesetz gegen unlauteren Wettbewerb (UWG) 82 Gesetz gegen Wettbewerbsbeschränkungen (GWB) 81 Gewerbebetrieb 115 Gewerblicher Rechtsschutz  130 Gewinn- und Verlustrechnung (GuV)  390 Gewinnabführungsvertrag 760 Gewinneinbehalt 495 Gewinnschuldverschreibung 479 Gewinnvergleichsrechnung 445 Gewinnverteilungskartell 751 Gini-Koeffizient 843 Gleichgewichtspreis 88 Gleichordnungskonzern 761 Gleitarbeitszeit 516 Gliederungszahlen 852

Stichwortverzeichnis Globe-Studie 910 GmbH&CoKG 49 GoB 346 Gremienorganisation 586 Grenzkosten 403 Grenzplankostenrechnung 429 Grenzüberschreitender Handel  913 Größeneffekte, dynamische  692 Größeneffekte, statische  691 Großhandelsbetriebsformen 985 Grundbuch 375 Grundgesamtheit 819 Grundlagenforschung 718 Grundsätze ordnungsmäßiger Bilanzierung (GoBi) 347 Grundsätze ordnungsmäßiger Dokumentation  347 Grundsätze ordnungsmäßiger Inventur  347 Grundschuld 477 Grundzahlen 852 Güter, Input-  24 Güter, knappe  23 Güter, materielle  23 Güter, Produktions-  24 Güter, reale  23 Güterwirtschaft (der Unternehmung)  136 Hall/Hall-Studie 910 Handel 969 Handel, Aktionsparameter  978 Handelsbetriebsformen, Dynamik der 985 Handelsbräuche 163 Handelsfunktion, Kundenakquisition  972 Handelsfunktion Raumüberbrückung  970 Handelsfunktion, Sortimentsausgleich 972 Handelsfunktion Zeitüberbrückung  970 Handelsmakler 332 Handelsmarke 988 Handelsmarkt 284

Handelsrecht 114 Handelsregister 117 Handelsversteigerer 332 Handelsvertreter  331, 954 Handlungsvollmacht 118 Hard Customization  173 Hauptbuch 375 Hauptkostenstellen 413 Hauptversammlung (der AG)  54 Haushalt (als Akteur)  19, 69 Heijunka 196 Hilfskostenstellen 413 Hofstede-Studie 909 Holding  579, 764 House of Quality  247 Hyper Competition  698 Hypothek 479 Identitätspolitik 300 Importkartell 750 Incoterms 161 Indexzahlen 852 Indirektabsatz 335 Induktion 5 Industriegütermarkt 282 Informationsrecherche 894 Informationsversorgung (im Controlling) 651 Inklusionsschluss 829 Innenfinanzierung 469 Innovationsdimensionen 710 Innovationsmanagement 710 Insolvenz in Eigenverwaltung  786 Insolvenzmanagement 782 Insolvenzplanverfahren 784 Instant Messaging  900 Instanz 553 Internationalisierung 904 Interne Zinsfuß-Methode  454 Internet-Aufbau 872 Internet-Sicherheit 878

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Stichwortverzeichnis

Internet-Sprachen 877 Internet-Struktur 875 Internet-Teilnehmer 882 Intervallschätzung 827 Intervallskala 833 Inventar 355 Inventur 355 Investition 439 Investition, Einflussgrößen  441 Investitionsplanung (Existenzgründung) 807 Investitionsrechnung, dynamische  451 Investitionsrechnung, statische  442 Ishikawa-Diagramm 251 Istkostenrechnung 407 Ist-Situations-Analyse 677 Jahresabschluss 360 Jidoka 196 Job Enlargement  533 Job Enrichment  535 Job Rotation  536 Joint Venture  924 Kalkulationsverfahrenskartell 748 Kano-Modell 253 Kapazitätsmanagement 188 Kapitalbilanz 100 Kapitalerhöhung (der AG)  55 Kapitalerweiterungseffekt 496 Kapitalflussrechnung 385 Kapitalfreisetzungseffekt 485 Kapitalgesellschaften 51 Kapitalstruktur 499 Kapitalwertmethode 453 Kartell 747 Kartellformen, genehmigungsfähige  748 Kartellformen, nicht-genehmigungs­ fähige 750 Kaufheuristiken 152 Kaufmannseigenschaft 116

Kaufmannsrecht 115 Kaufvertrag 129 Kaufvertragsrecht 119 Kausalanalyse 850 Kennzahlen 645 Kennzahlensysteme 645 Kernkompetenz  674, 720 Key Performance Indicator  650 Kollusion 748 Kommanditgesellschaft 49 Kommanditgesellschaft auf Aktien  55 Kommissionär 332 Kommissionierung 216 Kommunikationspolitik 296 Kompensationsgeschäft 924 Komplexitäten  729, 730 Konditionenkartell 749 Konditionenpolitik 295 Konjunkturphasen 91 Konjunkturpolitik 90 Konkurrenzverhalten 694 Konkurrenzvorteil 688 Konsortium 755 Konstantsummenskala 832 Konstitutive Faktoren (der Unternehmung) 45 Konsumgütermarkt 282 Kontenplan 352 Kontingenztafel 842 Kontokorrentkredit 482 Kontraktmanagement 922 Kontrastgruppenanalyse 851 Kontrollpunktverfahren 155 Konvergenzthese (Levitt)  912 Konzentrationsparameter 840 Konzernbildung 759 Kooperationskartell 749 Kooperationsprinzip (Ökologie)  98 Koordinierung der Unternehmung  503 Korrelationsanalyse 843 Korrelationskoeffizient 844

Stichwortverzeichnis Kosten, kalkulatorische  411 Kosten, pagatorische  414 Kosten, sprungfixe  404 Kostenartenrechnung  406, 408 Kostenauflösung 405 Kostenführerschaft  689, 690 Kostengliederung 403 Kostenmanagement 430 Kostenrechnung 402 Kostenrechnungssysteme 406 Kostenstelleneinzelkosten 444 Kostenstellengemeinkosten 414 Kostenstellenrechnung  406, 412 Kostenträgerstückrechnung  406, 415 Kostenträgerzeitrechnung  406, 418 Kostentreiber (Prozesskostenrechnung) 432 Kostenübergang 108 Kostenvergleichsrechnung 444 Kreativitätstechniken 792 Kreditauftrag 476 Kreditfähigkeit 472 Kreditfinanzierung 471 Kreditfinanzierung, kurzfristige  480 Kreditfinanzierung, langfristige  477 Kreditsicherung 471 Kreditsubstitute 482 Kreditwürdigkeit 472 Kreislaufwirtschaftsprinzip 1012 Kreuztabellierung 842 Krisenbewusstes Management  772 Krisenmanagement, proaktives  772 Krisenmanagement, reaktives  772 Kündigung, außerordentliche  541 Kündigung, betriebsbedingte  541 Kündigung, ordentliche  540 Kündigung, personenbedingte  540 Kündigung, verhaltensbedingte  540 Kundenbeziehungsmanagement 277 Kundendienste 954 Kundengebundenheit 963

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Kundenintegration (bei Dienstleistungen) 945 Kundenverbundenheit 963 Kundenwertmanagement 336 Kuppelkalkulation 418 Kurs-Gewinn-Verhältnis 461 Lagebericht 394 Lagerbetrieb 207 Lagerhalter 213 Lagerplatzordnung 215 Lagerstandort 207 Lagerung 206 Landeskultur (internationale)  913 Lead Country-Technik  912 Leadership 620 Lean Production  195 Leasing, Finance  486 Leasing, Operate  485 Leistungsbilanz 100 Leistungsentgelt (bei Dienstleistungen) 955 Leistungsentwicklung (bei Dienstleistungen) 954 Leistungsetablierung (bei Dienstleistungen) 953 Leistungsführerschaft 692 Leistungsinformation (bei Dienstleistungen) 962 Leistungslohn 526 Leistungsprogramm (bei Dienstleistungen) 952 Leistungsstörungen (im Vertrag)  120, 125 Leistungsverfügbarkeit (bei Dienstleistungen) 959 Leitende Angestellte  503 Leitungsspanne 565 Leitungstiefe 565 Letter of Intend  154 Lieferantenkredit 489 Lieferbereitschaft 203 Lieferbeschaffenheit 204

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Stichwortverzeichnis

Lieferflexibilität 204 Lieferungsbedingungen 160 Lieferungsverzug 125 Lieferzeit 203 Lieferzuverlässigkeit 203 Limited Comp.  58 Liquidationswertverfahren 461 Liquidität  36, 469 Liquiditätsstruktur 499 Lizenzierung, Know-how  921 Lizenzierung, Produktion  921 Lizenzierung, Vertrieb  922 Location Based Services  899 Logistik 200 Logistikdienstleistungen 220 Lokalisationsparameter 836 Lombardkredit 481 Lorenzkurve 840 Losgröße, optimale  192 Lufttransport 210 Magnitude-Skala 833 Mahnverfahren 126 Management by-Ansätze  604 Management-Cockpit 652 Management Contracting  924 Management Information Systems  654 Management Reporting Systems  652 MAPI-Verfahren 450 Markenartikel 279 Markenschutz 131 Markenschutzkartell 751 Market into Company (Zielkostenrechnung) 433 Marketing 273 Marketing-Instrumental-Mix 302 Marketing-Instrumente 284 Marketinggenerationen 275 Marketinginhalte 275 Marketingkonzept 273 Marketingleitlinien 277

Markt, vollkommener  76 Marktanalyse 803 Marktarten 282 Marktaustrittsbarrieren 684 Marktausweitung 582 Marktbeherrschende Stellung  762 Markteintrittsbarrieren 684 Markterschließung, internationale  906 Marktfeld 679 Marktformen  75, 913 Marktforschung 304 Marktführung (internationale)  911 Marktinformationsbasis 304 Marktparzellierung 685 Marktplätze, virtuelle  333 Marktpreis 75 Marktrisiken 904 Marktsegmentierung 278 Marktseitenverhältnis 273 Marktveranstaltungen, freie  333 Marktveranstaltungen, organisierte  333 Marktwahl  684, 904 Marktwirtschaft 83 Mash ups  899 Mass Customization  173 Master-Franchising 923 Materialbedarfsplanung 191 Materialkosten 408 Matrixorganisation 570 Maximumprinzip 34 Median 836 Mehrlinienorganisation 567 Mengenabweichung (Plankostenrechnung) 429 Mentoring 537 Meta-Suchmaschine 980 Methodenwahlrechte (Bilanzpolitik)  396 Mezzanine-Kapital 498 Miete, kalkulatorische  411 Minderung 122 Minimumprinzip 34

Stichwortverzeichnis Missbrauchsaufsicht (marktbeherrschende Unternehmen)  762 Mission 674 Mitarbeiterförderung 535 Mitbestimmungsrecht (Betriebsrat)  546 Mittelwertverfahren 460 Mitwirkungsrechte (Betriebsrat)  544 Mobilkommunikation, Anwendungen  898 Mobilkommunikation, Technische Basis 896 Modus 836 Momente der Verteilung  836 Monopol 75 Motivationstheorien, Inhaltstheorien  618 Motivationstheorien, Prozesstheorien  629 MRP I  192 MRP II  194 Multi Channel Distribution  324 Multidimensionale Skalierung  850 Multiplikatorverfahren 461 Multivariate Analysen  846 Nacherfüllung 122 Nachfragerrente 78 Nachhaltigkeit  1006, 1018 Nachhaltigkeit (der Geschäftstätigkeit)  27 Nearfield Communication  900 Negoziierungskredit 487 Networking 875 Netzplantechnik 630 Netzwerkorganisation 580 Neugründung (internationale)  924 Neun-Felder-Portfolio 677 Nichtigkeit (von Rechtsgeschäften)  112 Nichtlagerfähigkeit von Dienstleistungen 943 Nichttransportfähigkeit von Dienstleistungen 944 Nominalskala 836 Non Profit-Organisationen  21 Normalkostenrechnung 407

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Normalverteilung 823 Normen-/Typenkartell 748 Nullsummenspiel 42 Nutzwertanalyse 633 Objektivität (Statistik)  820 Objektorganisation 560 Öffentliche Dienste  954 Ökologie 1006 Ökologie, Prinzipien der  1009 Ökologische Unternehmensführung  1011 Offene Handelsgesellschaft  48 Offenmarktpolitik 87 OLAP-Systeme 657 Oligopol 75 Operations Management  191 Operations Research  42 Ordinalskala 833 Ordnungspolitik 89 Organigramm 556 Organisation 551 Organisationale Beschaffung  163 Organisationale Menschenbilder  608 Organisationaler Wandel  583 Organisationsbegriff 551 Organisationsentwicklung 586 Organisationsformen, dual-hierarchische 579 Organisationsformen, fraktale  580 Organisationsformen, modulare  580 Organisationsformen, virtuelle  580 Organisationskonfiguration 565 Organisationsspezialisierung 558 Outpacing-Konzept 697 Parallelverhalten, faktisches  746 Pareto-Diagramm 250 Partizipation 754 Partnerschaftsgesellschaft 51 Pascale/Athos-Ansatz 704 Passiva  396, 386

1320

Stichwortverzeichnis

Passivierung (Bilanz)  386 Patent 130 Patronatserklärung 474 PDCA-Zyklus 229 Pensionsrückstellungen 497 Performance Measurement  650 Personalbedarf 506 Personalbedarfsplanung 506 Personalbeurteilung 516 Personaleinsatz 517 Personalentlohnung 522 Personalentwicklung  533, 535 Personalfreisetzung 538 Personalkosten 410 Personalservice 520 Personalsicherheiten 473 Personengesellschaften 47 Peters’ und Waterman-Ansatz (Erfolgsfaktoren) 704 Pfandrecht 476 PIMS-Studie 711 PIMS-Studie, Standardauswertungen  712 Pipeline-Effekte 318 Plankostenrechnung 407 Plankostenrechnung, flexible  427 Plankostenrechnung, starre  426 Planung 627 Planungsdimensionen 628 Planungstechniken 630 Poka yoke  250 Polypol 75 Portfolio-Analyse 677 Positionierung 280 POS-Werbung 994 Präferenzanalyse 852 Präferenzposition 688 Prämienlohn 522 Preis-Absatz-Funktion 78 Preis-Absatz-Funktion, einfach-geknickte 79

Preis-Absatz-Funktion, zweifach-geknickte 79 Preisabweichung (Plankostenrechnung) 427 Preisbildung, administrierte  295 Preisbildung, betriebszielorientierte  293 Preisbildung, kostenorientierte  293 Preisbildung, marktorientierte  290 Preisbildung, nutzenorientierte  291 Preisfunktionen 80 Preisgestaltung, dynamisch-nicht-lineare 958 Preisgestaltung, statisch-lineare  955 Preisgestaltung, statisch-nicht-lineare  957 Preiskartell 750 Preis-Mengen-Position 688 Preispolitik 290 Preisuntergrenzenbestimmung 422 Primärforschung 306 Primärorganisation 557 Privatrechtlicher Rahmen der BWL  105 Produktaussonderung 298 Produktausweitung 682 Produkteigenschaften 144 Produkteinführung 286 Produktfortführung 287 Produktgeschäft 137 Produkthaftung 123 Produktion  169, 171 Produktionsabfolge 182 Produktionsfaktoren (VWL)  70 Produktionsfluss 182 Produktionsfunktion, klassische  176 Produktionsfunktion, limitationale  169 Produktionsfunktion, neoklassiche  177 Produktionsinput 169 Produktionslayout  180, 191 Produktionsmanagement 183 Produktionsoutput 172 Produktionsprogramm  189, 422 Produktionssektoren 169

Stichwortverzeichnis Produktionstheorie 175 Produktionsverbundenheit 182 Produktionsverfahren (nach Kosten)  422 Produktionsverschlankung 195 Produktivität 35 Produkt-Markt-Durchdringung 681 Produkt-Markt-Entwicklung 682 Produktmodifikation 288 Produktorganisation 561 Produktpolitik 286 Produzentenhaftung 124 Prognoseverfahren, intuitive  855 Prognoseverfahren, quantitative  854 Programmdifferenzierung 952 Programmdiversifizierung 952 Programmpolitik 289 Projektfinanzierung  486, 489 Projektorganisation 571 Prokura 118 Promotoren-Konzept (im Einkauf)  165 Prozessablauf 724 Prozessbeherrschung 727 Prozessfähigkeit 727 Prozessgestaltung 722 Prozessinhalt 722 Prozesskostenrechnung 431 Prozessmanagement 721 Prozessmodell 727 Prozessoptimierung 726 Prozessstrukturierung 725 Prüfanweisung 257 Prüfkosten 268 Pümpin-Ansatz (Erfolgsfaktoren)  708 Punktschätzung 827 Qualität 227 Qualitätsabweichungen 260 Qualitätsauszeichnungen 265 Qualitätsdokumentation  237 Qualitätskosten 268 Qualitätslenkung 233

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Qualitätsmanagement 228 Qualitätsmessung 238 Qualitätsnorm 9000:2015  263 Qualitätsnorm 9004:2009  264 Qualitätsnormenreihe  255, 262 Qualitätsplan 256 Qualitätsplanung 230 Qualitätsprüfung 231 Qualitätsregelkarte 249 Qualitätsselbstbeurteilung 258 Qualitätssicherung 234 Qualitätssicherungshandbuch  256, 259 Qualitätssichtweisen 227 Qualitätssteuerung 236 Qualitätsvermutung, subjektive  965 Qualitätswerkzeuge 242 Qualitätszirkel 253 Quality Function Deployment  246 Quartil 838 Quartilsabstand 838 Quick Response Code  900 Quotenkartell 750 Rabattkartell 749 Rangfolgeverfahren 527 Rangreihenverfahren 528 Rating 473 Rationalisierungskartell 749 Ratioskala 834 Raumvermietungsgeschäfte des Handels 986 Reagierer-Konzept (im Einkauf)  166 Rechnungsabgrenzungsposten 386 Rechtsfähigkeit 106 Rechtsform 115 Rechtsformen (der Unternehmung)  45 Rechtsformenwechsel 59 Rechtsgeschäft 106 Recycling 1014 Regelinsolvenzverfahren 786 Regressionsanalyse 848

1322

Stichwortverzeichnis

Relevanter Markt, Abgrenzung  665 Reliabilität (Statistik)  824 Rembourskredit 487 Rentabilität  36, 469 Rentabilitätsvergleichsrechnung 446 Reporting-Systeme 652 Repräsentationsschluss 829 Restschuldbefreiung 789 Risikomanagement 637 RSS-Feed 898 Rückstellungen  359, 385 Rückstellungsfinanzierung 496 Rule of Ten  269 Sachinvestitionen 442 Sachmangel 131 Sachmangelrechte 122 Sachverhaltsabbildung (Bilanzpolitik)  398 Sachverhaltsgestaltung (Bilanzpolitik) 397 Sachziel 34 Sale and Lease back  497 Sanierungsmanagement 774 Sanierungsplan 775 Savings 693 Schätzung (Statistik)  824 Schichtarbeit 528 Schiffstransport 208 Schlüsselqualifikationen 31 Schuldbeitritt 473 Schuldscheindarlehen 479 Sekundärforschung 306 Selbstfinanzierung 494 Service Design  954 Service Engineering  953 Share Deal  462 Shareholder Value  30 Shareholder Value-Methode  462 Sicherungsübereignung  476 Signifikanz (Statistik)  821 Signifikanztest 828

Simplex-Methode 631 Simultaneous Engineering  197 Six Sigma-Philosophie  240 Skala 831 Skalenarten   832 Skalenniveau 833 Skalierungstechniken 834 Skalierungsverfahren 831 Social-Markt 283 Soft Customization  173 Software, Anwendungs-  869 Software, Betriebssystem-  868 Sortiment des Handels  992 Sortimentsdimensionen 990 Sourcing-Strategien (nach Lieferantengebiet) 147 Sourcing-Strategien (nach Lieferantenzahl) 146 Soziale Marktwirtschaft  74 Sozialpolitik 94 Spannweite 838 Spediteur 212 Speichermedien 867 Spezialisierungskartell 749 Sprinkler-Technik 906 Stablinienorganisation 569 Stärken-Schwächen-Analyse 679 Stakeholder Value  30, 281, 1024 Standardabweichung 839 Standardisierung von Dienstleistungen 946 Standardisierungsthese (Levitt)  912 Standort (der Unternehmung)  60 Standortwahl, herstellerbezogene  60 Standortwahl, wiederverkäuferbezogene 63 Statistische Masse  820 Statistische Merkmalsträger  820 Statistische Prozessregelung  248 Statistische Reihe  830 Statistische Versuchsplanung  238

Stichwortverzeichnis Stellenbeschreibung 555 Steuerarten  129, 364 Steuercharakter 363 Steuereinheit 865 Steuern, latente  360 Steuerobjekt 363 Steuerrecht 129 Steuersubjekt 363 Steuertarif 364 Steuerüberwälzung 364 Stichprobe 816 Stiftung 58 Stille Gesellschaft  50, 498 Straßentransport 210 Strategiebewertung 702 Strategieentwicklung 664 Strategiegrundlagen 664 Strategische Allianz  761, 925 Strategische Geschäfts-Einheit  579, 671 Strategische Gruppe, Optionen  667 Strategische Lücke  678 Strategische Positionierung  672, 805 Strategische Stellgrößen  678 Strategisches Geschäftsfeld  665 Strategisches Netzwerk  758 Strategisches Spielbrett  687 Strukturkrisenkartell 750 Strukturpolitik 93 Stufenwertzahlverfahren 528 Submissionskartell 751 Substanzwertverfahren 459 Suchmaschinennutzung 891 Suchmaschinen-Optimierung 892 Suchmaschinen-Werbung 892 Supervision 537 Supply Chain Management  223 Sustainable Development  1008 SWOT-Analyse 677 Syndikat 751 Systemgeschäft 138 Szenario-Technik 859

1323

Tagging 888 Taguchi-Methode 251 Target Costing  434 Tarifvertragsrecht 542 Teamorganisation 573 Technologiemanagement 185 Teilautonome Arbeitsgruppe  534 Teilerhebung 819 Teilkostenrechnung  407, 420 Tensororganisation 571 Test (Marktforschung)  310 Test (Statistik)  825, 829 T-Konto 353 Total Productive Maintenance  197 Total Quality Management  235 TOWS-Matrix 677 Trading down  984 Trading up  984 Tragfähigkeit (Preiskalkulation)  992 Training off the Job  536 Training on the Job  535 Transithandel 916 Transportmittelbetrieb 211 Transportmittelwahl 208 Turnaround-Management 776 Übergabeklauseln (beim Kauf)  159 Übergewinnverfahren 459 Überlassung (Vertragsart)  110 Übernahme, feindliche  766 Übernahme, freundliche  765 Übernahmeverhalten 764 Überprüfung 637 Überwachung 643 Umfeld-Analyse 675 Umkehrwechsel 487 Umladung 214 Umlaufvermögen 382 Umsatzkostenverfahren  392, 419 Umweltmanagement, hoheitliches  1015

1324

Stichwortverzeichnis

Umweltmanagement, unternehmerisches 1031 Umweltpolitik 98 Umweltpolitik, Instrumente der  1027 Univariate Häufigkeitsanalyse  835 UN-Kaufrecht 132 Unternehmensbesteuerung 362 Unternehmenskonzentration 759 Unternehmenskooperation 752 Unternehmenskultur  484, 584, 676 Unternehmensverantwortung 27 Unternehmensverfassung  25, 1022 Unternehmensverbände 760 Unternehmenswachstum 744 Unternehmergesellschaft (UG)  58 Unternehmerlohn, kalkulatorischer  411 Unternehmung (als Akteur der BWL)  21 Unterordnungskonzern 759 Validität (Statistik)  821 Value Control Chart  434 Varianz 839 Varianzanalyse 847 Veräußerung (Vertragsart)  110 Verbindlichkeiten 385 Verbraucherinsolvenz 787 Veredelung  916, 944 Verfahrensanweisung 256 Verifikation 7 Verjährung 127 Verkaufsförderung 994 Vermögen, betriebsnotwendiges  497 Vermögensbewertung 387 Vermögensstruktur 499 Vermögensverteilung 71 Verpackungsverordnung 1014 Verpflichtungserklärung 474 Verpflichtungsgeschäft (Schuldrecht)  107 Verschmelzung durch Aufnahme  768 Verschmelzung durch Übernahme  768 Versuchsdesign 239

Vertragsarten (im Geschäftsbetrieb)  109 Vertragsfertigung 922 Vertragshändlersystem 961 Vertragsrecht 107 Vertrauensarbeitszeit 518 Vertrieb 317 Vertrieb, direkter  319 Vertrieb, gesplitteter  323 Vertrieb, indirekter  319 Vertrieb, paralleler  323 Vertriebssystem 326 Verursacherprinzip (Ökologie)  100, 1015 Vier-Felder-Portfolio 679 Vision 683 VOFI 458 Volkseinkommen 71 Volkswirtschaftliche Gesamtrechnung  83 Volkswirtschaftslehre (Konzepte)  68 Vollerhebung 816 Vollkostenrechnung  407, 415 Volltextsuchmaschine 893 Vorräte 382 Vorsorgeprinzip (Ökologie)  98 Vorstand (der AG)  53 VRIO-Schema 721 Wachstumspolitik 96 Wagnisse, kalkulatorische  412 Wahrscheinlichkeit, objektive  826 Wahrscheinlichkeit (Statistik)  822 Wahrscheinlichkeit, subjektive  826 Wandelschuldverschreibung 480 Wandel, evolutionärer  588 Wandel, geplanter  587 Wandel, revolutionärer  588 Wandel, ungeplanter  586 Wandelung 122 Warenverkaufsgeschäfte des Handels, kooperative 987 Warenvermittlungsgeschäfte des Handels 987

Stichwortverzeichnis Warenwirtschaftssystem 995 Wasserfall-Technik 905 Web 2.0  884 Webkatalog 890 Wechseldiskontkredit 482 Werbekonzept 296 Werbung, klassische  298 Werbung, nicht-klassische  297 Werbung, Online-  300 Werkgemeinschaft 754 Werkstattfertigung 180 Werkstoffe  24, 170 Wertkettengestaltung 737 Wertorientierung 280 Wertschöpfung  25, 736 Wertschöpfungsbreite 736 Wertschöpfungskette 735 Wertschöpfungsstruktur 735 Wertschöpfungstiefe 739 Wettbewerb 80 Wettbewerbsrecht 128 Wiederholungskauf 141 Willensbildung, Bottom Up  582 Willensbildung, Management-Kerne  583 Willensbildung, Middle Management  583 Willensbildung, Top Down  581 Willensbildung, Top Down - Bottom Up 581 Willenserklärung 106 Wirtschaften 23 Wirtschaftlichkeit 35 Wirtschaftsordnungen 72 Wirtschaftspolitik 89 Wirtschaftspolitik, Magisches Viereck der 90 Wirtschaftssektoren 69 World Wide Web  879 Wirkungsgrad 728 Wirtschaftskammern 757 Wirtschaftsstatistik 815 Wissensmanagement 718

1325

XYZ-Analyse 143 Yield Management  941 Zahlungsabwicklungen 366 Zahlungsbilanz 99 Zahlungsmittel 365 Zahlungsverfahren, Ausland  368 Zahlungsverfahren, Inland  365 Zahlungsverzug 125 Zeitabfolge 696 Zeitakkord  522, 526 Zeitlohn  522, 524 Zeitlohn mit Zulagen  525 Zeitmanagement-Werkzeuge 810 Zentralbereichsorganisation 577 Zentraleinheit 860 Zentralisationsthese (Levitt)  913 Zertifizierung, Elemente der  256 Zertifizierung, Vorgehen der  258 Zessionskredit 488 Zielarten 34 Zielausmaß 33 Zielbeziehungen 32 Ziele (der Unternehmung)32 Zielgebiet 33 Zielgruppe 688 Zielhierarchie 33 Zielinhalt 33 Zielkostenrechnung 433 Zielsystem (der Unternehmung)  673 Zinsen, kalkulatorische  412 Zinsswap 491 Zufriedenheitsindikatoren, objektive  965 Zufriedenheitsmanagement 963 Zufriedenheitsmessungen, subjektive  965 Zuliefergeschäft 139 Zusatzaufträge (Annahme/Ablehnung) 422 Zuschlagskalkulation 416

Über den Autor Werner Pepels studierte nach Fachabitur und kaufmännischer Berufsausbildung Wirtschaft an der FH Niederrhein und Wirtschaftswissenschaften an der Universität Duisburg mit den Abschlüssen Dipl.-Betriebswirt und Dipl.-Kaufmann. Danach war er zwölf Jahre als Key Accounter in internationalen Werbeagenturen für renommierte Markenartikler tätig. Dabei stieg er vom Trainee über die Stationen Kontakter, Etat-Direktor und Prokurist zum Geschäftsführenden Gesellschafter (Partner) einer der seinerzeit größten rein deutschen Werbeagenturgruppen auf. 1989 wurde er zum Professor für Betriebswirtschaftslehre, insb. Marketing, im Fachbereich Wirtschaft der damaligen Fachhochschule Pforzheim berufen. Es folgte 1995 ein Ruf in gleicher Denomination an die neugegründete Westfälische Hochschule. Er ist Autor zahlreicher Lehr- und Fachbücher sowie -aufsätze, Herausgeber diverser Sammelwerke und Lexika sowie mehrerer Schriftenreihen. Mit über 180.000 verkauften Exemplaren seiner Werke gehört er zu den meistgelesenen Autoren seines Fachs im D. A.CH-Raum.