Handbuch der Arbeitsbeziehungen: Deutschland, Österreich, Schweiz [Reprint 2019 ed.] 9783110848236, 9783110095333


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German Pages 535 [540] Year 1985

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Table of contents :
Vorwort
Inhalt
Teil 1. Strukturen der Arbeitsbeziehungen
I. Die Systemumwelt
Kulturelle und traditionale Faktoren der Arbeitsbeziehungen aufgrund der Sozialstruktur
Faktoren der Arbeitsbeziehungen aufgrund der Beschäftigung ausländischer Arbeitnehmer
Faktoren der Arbeitsbeziehungen aufgrund der Internationalisierung von Unternehmungen
II. Akteure im System der Arbeitsbeziehungen
Unternehmer und Arbeitgeber
Arbeitgeberverbände
Betriebliche Interessenvertretung durch Mitbestimmung des Betriebsrats
Gewerkschaften — Organisationsstruktur und Mitgliederinteressen
Staat
Schlichtung als autonomes Regelungsverfahren der Tarifvertragsparteien
Internationale Organisationen
III. Zuständigkeit der Akteure
Zuständigkeit der Akteure
IV. Interaktionsebenen und -inhalte
Mitbestimmung in Betrieb und Unternehmung
Überbetriebliche Ebenen im System der Arbeitsbeziehungen
Internationale Arbeitsbeziehungen
V. Wandel der Arbeitsbeziehungen
Wandel der Arbeitsbeziehungen — eine Trendanalyse
Wirtschaftliche und politische Faktoren
Technologische Faktoren
Forderungen der Gewerkschaften und der Arbeitgeber- Verbände
Teil 2. Arbeitsbeziehungen als Teil der Sozialstruktur
I. Arbeitsbeziehungen und Wirtschaftsordnungen
Arbeitsbeziehungen in kapitalistischen und sozialistischen Systemen
Sozialwissenschaftliche Theoriebildung im Bereich der Arbeitsbeziehungen
Arbeitsbeziehungen in Entwicklungsländern
Arbeitsbeziehungen in öffentlichen Unternehmungen
II. Grundentscheidungen über die Arbeitsbeziehungen
Berufs-, Betriebs- oder Industriegewerkschaften
Richtungs- oder Einheitsgewerkschaften
Arbeitgeber- und Unternehmensverbände
Teil 3. Zur Geschichte der Arbeitsbeziehungen
Großbritannien und USA
Frankreich und Italien
Arbeitsbeziehungen in Skandinavien
Arbeitsbeziehungen in der DDR
Zur Geschichte der Arbeitsbeziehungen Deutschland, Österreich, Schweiz
Autorenverzeichnis
Sachregister
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Handbuch der Arbeitsbeziehungen: Deutschland, Österreich, Schweiz [Reprint 2019 ed.]
 9783110848236, 9783110095333

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Handbuch der Arbeitsbeziehungen

Handbuch der Arbeitsbeziehungen Deutschland • Österreich • Schweiz

Herausgegeben von Günter Endruweit • Eduard Gaugier Wolfgang H. Staehle • Bernhard Wilpert Unter Mitarbeit von Gerhard Berger

w DE

G Walter de Gruyter • Berlin • New York 1985

Im Auftrag der International Industrial Relations Association Sektion in der Bundesrepublik Deutschland e.V.

CIP-Kurztitelaufnahme der Deutschen Bibliothek Handbuch der Arbeitsbeziehungen: Deutschland, Österreich, Schweiz / hrsg. von Günter Endruweit ... Unter Mitarb. von Gerhard Berger. [Im Auftr. d. Internat. Industrial Relations Assoc. Sekt, in d. Bundesrepublik Deutschland e.V.]. — Berlin ; New York : de Gruyter, 1985. ISBN 3-11-009533-5 NE. Endruweit, Günter [Hrsg.]

© Copyright 1985 by Walter de Gruyter & Co., Berlin 30. Alle Rechte, insbesondere das Recht der Vervielfältigung und Verbreitung sowie der Übersetzung, vorbehalten. Kein Teil des Werkes darf in irgendeiner Form (durch Photokopie, Mikrofilm oder ein anderes Verfahren) ohne schriftliche Genehmigung des Verlages reproduziert oder unter Verwendung elektronischer Systeme verarbeitet, vervielfältigt oder verbreitet werden. Printed in Germany. Einbandentwurf: Rudolf Hübler, Berlin. — Satz: Arthur Collignon GmbH, Berlin. — Druck: Kupijai & Prochnow, Berlin. — Bindearbeiten: Dieter Mikolai, Berlin.

Vorwort Die Gesellschaft stellt sich für den einzelnen Menschen am deutlichsten in den Beziehungen dar, die er im Laufe seines Lebens zu anderen Menschen aufnimmt: zu seinen Eltern, zu Spiel- und Schulkameraden, zu Freunden, Ehepartner, Nachbarn usw. Im deutschsprachigen Mitteleuropa, auf das sich dieses Handbuch bezieht, sind Arbeitsbeziehungen diejenigen Beziehungen, von denen die meisten Menschen betroffen sind. Das ist so in allen Industriegesellschaften; denn Industriegesellschaften sind Arbeitsgesellschaften — bis jetzt jedenfalls. Dies bedeutet, daß die soziale Stellung des einzelnen zu einem wichtigen, in der Regel dem entscheidenden Teil von seiner Stellung im Arbeitsprozeß abhängt. Die Arbeitsbeziehungen gehören damit zu den sozial wichtigsten Beziehungen in der Industriegesellschaft. Das gilt nicht nur qualitativ, sondern auch quantitativ: fast jeder Mensch steht direkt als Arbeitnehmer oder Arbeitgeber oder indirekt als von einem Arbeitgeber oder Arbeitnehmer abhängiger Familienangehöriger in Arbeitsbeziehungen. Wer sich dauerhaft aus Arbeitsbeziehungen heraushält, wird in der Industriegesellschaft fast ausnahmslos als Außenseiter behandelt, als einer, der abweichendes Verhalten zeigt; oft gilt er als Asozialer. Angesichts der kaum zu überschätzenden Bedeutung der Arbeitsbeziehungen ist es verwunderlich, daß das hier vorgelegte Handbuch das erste seiner Art im deutschsprachigen Raum ist. Hier werden zum ersten Male die gesetzlichen Regelungen, die tarifvertraglichen Vereinbarungen, die in wissenschaftlichen Untersuchungen festgestellten praktischen Handhabungen und die in programmatischen Erklärungen veröffentlichten Einschätzungen und Zukunftsabsichten der Beteiligten systematisch zusammengefaßt und dargestellt. Der Grund für den bisherigen Mangel mag darin liegen, daß Arbeitsbeziehungen in Mitteleuropa noch Lehr- und Forschungsgegenstand verschiedener Fächer sind. Während in angelsächsischen Ländern, aber auch anderswo, industrial relations bzw. labour relations oft Gegenstand interdisziplinärer Betrachtung und manchmal Bezeichnung eines einheitlichen Studienganges sind, werden im deutsprachigen Raum die Beziehungen zwischen Arbeitgebern, Arbeitnehmern und Staat von Juristen, Wirtschaftswissenschaftlern, Soziologen, Psychologen, Historikern und Sozialethikern jeweils vornehmlich unter den Gesichtspunkten ihres eigenen Faches behandelt. Dann kann es auch nicht erstaunen, wenn die Einzelwissenschaften nicht immer die rechte Verbindung zur betrieblichen und überbetrieblichen Praxis gewinnen, in der die Probleme der Arbeitsbeziehungen eben nicht in einzelnen Aspekten, sondern in ihren komplexen Zusammenhängen bewältigt werden müssen. Deshalb hat die International Industrial Relations Association (IIRA), Sektion in der Bundesrepublik Deutschland, mit dieser Veröffentlichung einen ersten

VI

Vorwort

Versuch unternommen, die Arbeitsbeziehungen unter einem einheitlichen funktionalen Gesichtspunkt zu betrachten. Die deutsche Sektion der IIRA, einer in vielen Staaten bestehenden wissenschaftlichen Parallelorganisation zur internationalen Arbeitsorganisation (International Labour Organisation, ILO) der Vereinten Nationen in Genf, ist eine Vereinigung von Wissenschaftlern verschiedener Fachrichtungen, die sich seit ihrer Gründung vor 25 Jahren der fachübergreifenden Untersuchung der Arbeitsbeziehungen widmet. Nach einer so kurzen Geschichte der interdisziplinären Bewältigung eines so alten, sich aber ständig verändernden Gegenstandes wie der Arbeitsbeziehungen kann dieses Handbuch auch nur der kleinste Nenner sein, auf den sich die Beteiligten einigen konnten. Einige Unterschiede in den Ansätzen und Betrachtungsweisen der Verfasser erklären sich daraus. Sie können aber vielleicht auch die weitere Diskussion über eine angemessene Deutung der beobachtbaren alltäglichen Probleme in den Arbeitsbeziehungen beleben. Wir hoffen, daß wir mit diesem Handbuch Praktikern und Theoretikern gleichermaßen eine Anregung zu weiterer ganzheitlicher oder wenigstens vielfaltiger Betrachtung, Erforschung und Praktizierung der Arbeitsbeziehungen bieten können. Arbeitnehmer und Arbeitgeber in privaten und öffentlichen Betrieben, ihre Vertreter in Betriebs- und Personalräten, in Personalabteilungen, Gewerkschaften und Verbänden wollen wir damit genauso ansprechen wie die Träger politischer und administrativer Entscheidungen sowie die Wissenschaftler und Studierenden vieler Disziplinen in Hochschulen und Fachhochschulen. Bei der hohen gesamtgesellschaftlichen Bedeutung der Arbeitsbeziehungen ist letztlich nur ihre Diskussion unter gesamtgesellschaftlichen Fragestellungen angemessen. Wenn dieses Handbuch dazu beiträgt, ist unsere Absicht erfüllt. Stuttgart, im Januar 1985

Für die Herausgeber: Günter Endruweit

Inhalt Teil 1 Strukturen der Arbeitsbeziehungen I. Die Systemumwelt Kulturelle und traditionale Faktoren der Arbeitsbeziehungen aufgrund der Sozialstruktur (Friedrich Fürstenberg) 1. 2. 3. 4. 5.

Der relative Autonomiegrad der Arbeitsbeziehungen Der Einfluß der Arbeitsmarktstrukturen Sozialkulturelle Prägungen der Arbeitnehmerschaft Institutionalisierungsprozesse Arbeitsbeziehungen zwischen Konflikt und Kooperation

Faktoren der Arbeitsbeziehungen aufgrund der Beschäftigung ausländischer Arbeitnehmer (Wolfgang Weber) 1. Entwicklung und Struktur der Ausländerbeschäftigung 2. Arbeitsbeziehungen auf betrieblicher Ebene 3. Arbeitsbeziehungen auf Verbandsebene Faktoren der Arbeitsbeziehungen aufgrund der Internationalisierung von Unternehmungen (Bernhard Wilpert) 1. 2. 3. 4.

3 3 5 7 9 11

13 13 15 22

29

Das Phänomen der Multinationalen Unternehmungen (MNU) . . 29 Intra-organisationale Problemkreise 30 Interorganisationale Problemkreise 33 Regelungsbemühungen 35

II. Akteure im System der Arbeitsbeziehungen Unternehmer und Arbeitgeber (Wolfgang-Ulrich Prigge) 1. 2. 3. 4. 5. 6.

Probleme der Begriffsbestimmung Funktionen des Unternehmerbegriffs Unternehmer- und Arbeitgeberbegriff in den Arbeitsbeziehungen Wandel der Unternehmer- und Arbeitgeberrolle Unternehmerische Personalpolitik Unternehmerische Autonomie und Mitbestimmung der Arbeitnehmer in der Bundesrepublik Deutschland 7. Empirische Befunde

39 39 40 41 42 43 44 46

VIII

Inhalt

8. Unternehmerische Autonomie und Mitbestimmung der Arbeitnehmer in der Schweiz 9.. Unternehmerische Autonomie und Mitbestimmung der Arbeitnehmer in Österreich Arbeitgeberverbände (Franz Traxler)

47 47 51

1. Gesellschaftliche Rahmenbedingungen der Organisierung von Arbeitgebern 2. Verbandsfunktionen und Mitgliedschaft 3. Interessenvereinheitlichung und Organisationsstruktur

51 53 57

Betriebliche Interessenvertretung durch Mitbestimmung des Betriebsrats (Hermann Kotthoff)

65

1. Historische Wurzeln 2. Strukturmerkmale der Institution und Rolle des Betriebsrats . . . . 3. Die Praxis der betrieblichen Interessenvertretung durch Mitbestimmung 4. Interessenwahrnehmung der Betriebsräte gegenüber langfristigen betrieblichen Beschäftigungsstrategien 5. Das Verhältnis zwischen Betriebsrat und Belegschaft 6. Das Verhältnis zwischen Betriebsrat und Gewerkschaften 7. Die Bedeutung des Betriebsverfassungsgesetzes für die betriebliche Mitbestimmung 8. Soziale und ökonomische Voraussetzungen der kooperativen Praxis der betrieblichen Mitbestimmung 9. Betriebliche Mitbestimmung in Österreich 10. Betriebliche Interessenvertretung in der Schweiz Gewerkschaften — Organisationsstruktur und Mitgliederinteressen (Joachim Bergmann)

65 67 69 78 80 81 83 84 85 86 89

1. Organisationsstruktur der Gewerkschaften in der Bundesrepublik Deutschland 89 2. Organisationsstruktur der Gewerkschaften in Österreich 92 3. Organisationsstruktur der Gewerkschaften in der Schweiz 93 4. Strukturprobleme in Industriegewerkschaften 94 5. Organisierung der Mitgliederinteressen 96 6. Entscheidungsprozesse in den Gewerkschaften 98 7. Organisationsgrad und Verhandlungsmacht 102 Staat (Klaus von Beyme)

109

1. Einleitung 109 2. Repressive Maßnahmen des Staates im Bereich der Arbeitsbeziehungen 110

Inhalt

IX

3. Regulative Politik des Staates zur Verrechtlichung der Arbeitsbeziehungen 111 4. Distributive und redistributive Maßnahmen des Staates 115 5. Schlußbemerkung 116 Schlichtung als autonomes Regelungsverfahren der Tarifvertragsparteien (Berndt Keller) 119 1. 2. 3. 4. 5.

Definition und Abgrenzung Entstehung Prinzipien und allgemeine Bestimmungsgrößen Der neutrale Schlichter Aktuelle Probleme

119 120 122 125 128

Internationale Organisationen (Wolfgang H. Staehle)

131

1. 2. 3. 4.

Zielsetzung und Abgrenzung 131 Europäische Gemeinschaften (EG) 132 Europarat 135 Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD) 136 5. Internationale Arbeitsorganisation (ILO) 138 6. Vereinte Nationen (UN) 141

III. Zuständigkeit der Akteure Zuständigkeit der Akteure (Johann-Paul Bauer) 1. 2. 3. 4. 5. 6.

Die Die Die Die Die Die

fünf Interaktionsebenen erste Interaktionsebene: der individuelle Arbeitsvertrag zweite Interaktionsebene: die Betriebsverfassung dritte Interaktionsebene: die Unternehmensleitung vierte Interaktionsebene: die Tarifautonomie fünfte Interaktionsebene: der Staat

145 145 146 151 155 159 164

IV. Interaktionsebenen und -inhalte Mitbestimmung in Betrieb und Unternehmung (Eduard Gaugier) 1. 2. 3. 4.

Interaktionsebenen für die Mitbestimmung Inhalte der Mitbestimmung Verfahrensregelung für die Mitbestimmung Mitbestimmung im deutschsprachigen Ausland

169 169 172 179 183

X

Inhalt

Überbetriebliche Ebenen im System der Arbeitsbeziehungen (Gerhard Kleinhenz) 187 1. Entwicklung überbetrieblicher Interaktionsebenen 187 2. Darstellung überbetrieblicher Ebenen der Interaktion im System der Arbeitsbeziehungen 189 3. Problemanalyse für die Ausgestaltung der überbetrieblichen Ebene der Arbeitsbeziehungen 196 Internationale Arbeitsbeziehungen (Wolfgang H. Staehle)

201

1. Die Internationalisierung der Unternehmungen als Ursache der Internationalisierung der Arbeitsbeziehungen 201 2. Die Internationalisierung der Gewerkschaftsbewegung 205 3. Aktionen und Interaktionen auf internationaler Ebene — Möglich208 keiten und Grenzen

V. Wandel der Arbeitsbeziehungen Wandel der Arbeitsbeziehungen — eine Trendanalyse (Otto Neuloh) . . . 213 1. Arbeitsbeziehungen — eine soziale Innovation 2. Wandel von Arbeitgeber-/Arbeitnehmerbeziehungen als Problem von störungsfreien Ordnungsprinzipien 3. Der Bewußtseinswandel der sozialen Bewegung als Trendfaktor von Arbeitsbeziehungen 4. Wertwandel der Arbeitgeber in der Bereitschaft zu Arbeitsbeziehungen 5. Institutionalisierung von Arbeitsbeziehungen und soziale Autonomie 6. Zukunftsperspektiven der Arbeitsbeziehungen im sozialen Strukturwandel Wirtschaftliche und politische Faktoren (Manfred Groser) 1. Wirtschaftliche Faktoren 2. Politische Faktoren 3. Auswirkungen auf das System der Arbeitsbeziehungen Technologische Faktoren (H. W. Hetzler) 1. 2. 3. 4.

Probleme der Bestimmbarkeit technischer Änderungen Auswirkungen des technischen Wandels auf die Industriearbeit . . Technischer Wandel als Verhandlungsgegenstand Konsequenzen für das System der industriellen Arbeitsbeziehungen

214 216 219 221 224 226 231 231 238 239 245 245 247 249 251

Inhalt

XI

Forderungen der Gewerkschaften und der Arbeitgeberverbände (Günter Endruweit und Siegfried Tasseit) 255 1. 2. 3. 4.

Teil 2

Forderungen der deutschen Gewerkschaften Forderungen der deutschen Arbeitgeberverbände Situation in der Schweiz Situation in Österreich

255 259 264 267

Arbeitsbeziehungen als Teil der Sozialstruktur

I. Arbeitsbeziehungen und Wirtschaftsordnungen Arbeitsbeziehungen in kapitalistischen und sozialistischen (Wolfgang Rippe) 1. 2. 3. 4. 5.

Systemen

Abgrenzungen, Fragestellungen Theoretische Konzeptionen Umsetzung der theoretischen Konzeptionen in formale Regelungen Faktische Verhältnisse Arbeitsbeziehungen in kapitalistischen und sozialistischen Systemen: Unterschiede, Gemeinsamkeiten und Bewußtsein der Arbeitenden

281 281 282 286 293

297

Sozialwissenschaftliche Theoriebildung im Bereich der Arbeitsbeziehungen (Gerd Schienstock) 305 1. Forschungsinteresse und Untersuchungsgegenstand 2. Alternative Theorieansätze 3. Zusammenfassung und Ausblick

305 306 321

Arbeitsbeziehungen in Entwicklungsländern (Eberhard Dülfer)

327

1. Grundlagen 327 2. Besonderheiten des Kontextes von Arbeitsbeziehungen in Entwicklungsländern 332 3. Besonderheiten der Aktoren von Arbeitsbeziehungen in Entwicklungsländern 340 Arbeitsbeziehungen in öffentlichen Unternehmungen (Berndt Keller) . . . 349 1. 2. 3. 4. 5.

Einleitung Das Tarifverhandlungssystem Das System der Besoldungsbeziehungen Zum Problem von Arbeitskonflikten Zur Situation der Frauen im öffentlichen Dienst

349 350 356 361 365

XII

Inhalt

II. Grundentscheidungen über die Arbeitsbeziehungen Berufs-, Betriebs- oder Industriegewerkschaften ( Walther Müller-Jentsch) 1. 2. 3. 4.

Arbeitsmarkt und gewerkschaftliche Organisationsprinzipien . . . . Vom lokalen Berufsverband zur Industriegewerkschaft Werkvereine Industriegewerkschaften auf betrieblicher Grundlage

Richtungs- oder Einheitsgewerkschaften (Anton Rauscher)

369 369 370 378 379 383

1. Begriffliche Unterscheidung und die Entwicklung der Richtungsgewerkschaften 383 387 2. Das Ringen um die Einheitsgewerkschaft nach 1945 3. Vorzüge und Schwächen 389 Arbeitgeber- und Unternehmensverbände (Wolfgang-Ulrich Prigge) 1. 2. 3. 4.

Teil 3

Einleitung Verbandsorganisation in Deutschland Verbandsorganisation in Österreich Verbandsorganisation in der Schweiz

409

Einleitung 409 Großbritannien 409 USA 414 Unterschiede und Gemeinsamkeiten in der Entwicklung der Arbeitsbeziehungen in Großbritannien und den USA 418

Frankreich und Italien (Walther Müller-Jentsch) 1. Einleitung 2. Frankreich 3. Italien Arbeitsbeziehungen in Skandinavien (Reinhard Lund) 1. 2. 3. 4.

395 395 403 404

Zur Geschichte der Arbeitsbeziehungen

Großbritannien und USA (Wolfgang-Ulrich Prigge) 1. 2. 3. 4.

. . . 395

Hintergründe Die Aktoren Die Arbeitsplatzebene Wandel der Arbeitsbeziehungen

421 421 421 434 449 449 451 455 457

Inhalt

Arbeitsbeziehungen in der DDR (Dieter Voigt) 1. Determinanten der Arbeitsbeziehungen im real existierenden Sozialismus 2. Funktionen kommunistischer Arbeit: Produktion und Erziehung „sozialistischer Persönlichkeiten" 3. Verteilungsprinzipien, Arbeitsrecht, Regelung betrieblicher Konflikte, Fluktuation 4. Sozialistische Demokratie im VEB, Leitungsstruktur und die Rolle des FDGB 5. Mitwirkung der Werktätigen statt Mitbestimmung in den VEB . .

XIII

463 463 464 469 474 478

Zur Geschichte der Arbeitsbeziehungen: Deutschland, Österreich, Schweiz (Hansjörg Weitbrecht und Gerhard Berger) 483 1. Geschichte der Arbeitsbeziehungen als Institutionalisierung des industriellen Konflikts 483 2. Deutschland 1848/49-1914 483 3. Deutschland 1914-1933 490 4. Deutschland 1933-1945 496 5. Bundesrepublik Deutschland 498 6. Österreich 501 7. Schweiz 503 Autorenverzeichnis

511

Sachregister

513

Teil 1

Strukturen der Arbeitsbeziehungen

I. Die Systemumwelt Kulturelle und traditionale Faktoren der Arbeitsbeziehungen aufgrund der Sozialstruktur Friedrich Fürstenberg Grundsätzliche Voraussetzung für das Entstehen der Arbeitsbeziehungen war auch in den deutschsprachigen Ländern die im Zuge der Industrialisierung erfolgte Gestaltung des Arbeitsverhältnisses als privatrechtlicher Vertrag. Nachdem sich das Prinzip der Koalitionsfreiheit durchsetzen konnte, sind in Arbeitgeber- und Arbeitnehmerverbänden wichtige Interessenvertretungen entstanden, die die Arbeitsbeziehungen, aber darüber hinaus das gesamte Wirtschafts- und Gesellschaftsleben mitentscheidend prägen. Unter dem Einfluß sozialstruktureller, insbesondere auch sozialkultureller Faktoren haben aber gleichzeitig die Arbeitsbeziehungen immer stärker den Charakter rein wirtschaftlicher Marktbeziehungen verloren und sich zu einem komplexen Gefüge institutionalisierter Normen, traditionaler Verhaltensregeln und spontaner Aktionen entwickelt. Dieser komplexe Zusammenhang soll nun im einzelnen dargestellt werden.

1. Der relative Autonomiegrad der Arbeitsbeziehungen Ausgangspunkt der vorherrschenden Gestaltungsversuche industrieller Arbeitsbeziehungen ist die Anerkennung eines Spannungsfeldes zwischen drei als relativ eigenständig verstandenen Partnern: Arbeitgeber, Arbeitnehmerschaft und als Vertreter öffentlicher Interessen der Staat (s. Teil 1,11). Je nach dem Ausmaß verfügbarer Entscheidungsautonomie lassen sich drei Grundmodelle der Beziehungen zwischen diesen Entscheidungsträgern nachweisen, die einen sehr komplexen Wirkungszusammenhang konstituieren. Das Vertragsmodell geht davon aus, daß die Interessenvertreter der Arbeitgeber und Arbeitnehmer die Bedingungen ihres Zusammenwirkens wie Marktpartner aushandeln und auf Zeit verbindlich regeln. In der Tarifvertrags-Autonomie findet dieses Prinzip seine Realisierung, wozu auch die Verpflichtung gehört, für die Dauer des Vertragszustandes Konflikte friedlich beizulegen. Das Mitwirkungsmodell setzt noch intensivere Beziehungen zwischen den Interessenten und ihren Vertretern voraus. Hierbei handelt es sich um eine partnerschaftliche Gestaltung von Entscheidungs- bzw. Problemlösungsprozessen in der Weise, daß auf der Grundlage von Informations-, Mitberatungs- und Mitbestimmungsrechten in den verschiedenen Phasen gemeinsam sanktionierte Lösungen gefunden werden.

4

Teil 1: Strukturen der Arbeitsbeziehungen

Schließlich ist auf das Regelungsmodell hinzuweisen, das den ArbeitgeberArbeitnehmer-Beziehungen einen autoritativ gesetzten Rahmen in Form von erzwingbaren Rechtsnormen gibt. Charakteristisch sind für dieses Modell auch Kontrollorgane sowie ordnende Eingriffe in Konfliktfällen. Im deutschsprachigen Mitteleuropa können wir eine jeweils charakteristische Mischung der genannten Modelle feststellen. Sowohl in der Bundesrepublik Deutschland als auch in Österreich und der Schweiz gibt es ein hochentwickeltes Arbeitsrecht mit entsprechender Gerichtsbarkeit, das die Rahmenordnung für die Arbeitsbeziehungen bildet. Darüber hinausgehende Regelungen finden sich sowohl in der Bundesrepublik Deutschland als auch in Österreich insbesondere auf der Betriebs- und Un'ernehmensebene. Der hierbei zugrunde liegende Gedanke ist der einer Betriebs- bzw. Unternehmensverfassung, in der Rechte und Pflichten der Arbeitnehmer und des Arbeitgebers festgelegt werden. Gleichzeitig wird ein Handlungsspielraum für die Ausarbeitung und Durchführung kooperativer Problemlösungen geboten. Trotz vielfältiger Bemühungen insbesondere von Gewerkschaftsseite fehlt ein derartiges Regelungssystem in der Schweiz. Den Kern der Arbeitsbeziehungen in allen drei Ländern bilden jedoch vertragliche Grundlagen. Dies gilt uneingeschränkt für den Bereich der Tarif- bzw. Kollektivvertragsabschlüsse, es gilt aber auch für innerbetriebliche Vereinbarungen. Damit ist hinreichende Flexibilität gewährleistet, um die Arbeitsbedingungen kurz- und mittelfristig auf der Basis des Interessenausgleichs zu gestalten. Charakteristisch für die Arbeitsbeziehungen im deutschsprachigen Mitteleuropa ist allerdings das hohe Ausmaß an teilweise gesetzlich garantierten, teilweise vertraglich vereinbarten Mitwirkungsmöglichkeiten. Sie erstrecken sich auf alle Problemebenen, insbesondere jedoch auf den Betriebs- und Unternehmensbereich sowie auf gesamtgesellschaftliche Problemfelder. Einmal handelt es sich um die Gewährleistung von Informations-, Konsultations- und Problemlösungsaktivitäten, die insbesondere in der Bundesrepublik Deutschland, aber auch in Österreich zu komplexen Mitbestimmungssystemen geführt haben. Zum anderen handelt es sich um die Einbeziehung der Interessenvertretungen, insbesondere der Gewerkschaften, in meinungsbildende und problemlösende Aktivitäten im vorparlamentarischen Raum, die in Österreich zu einem langjährig praktizierten System der Sozialpartnerschaft, in der Schweiz zu einer ebenfalls sozialpartnerschaftlichen Kooperation, gestützt durch Expertenkommissionen und schriftliche Anhörungen (Vernehmlassungsverfahren), in der Bundesrepublik hingegen zu einer weniger verfestigten, jedoch durchaus intensiven Kooperation in vielfältigen Gremien und Ausschüssen geführt haben. Die einerseits starke rechtliche Normierung der Arbeitsbeziehungen bei andererseits hohem Mitwirkungs- bzw. Kooperationspotential der beteiligten Interessenvertreter und -verbände ist ein besonderes Merkmal der Arbeitsbeziehun-

I. Die Systemumwelt

5

gen im deutschsprachigen Bereich. Sie lassen sich teilweise aus der Geschichte der Arbeiterbewegung in diesen Ländern erklären, in der die Erreichung der Gleichberechtigung des arbeitenden Menschen ein vorrangiges Ziel war. Zum anderen handelt es sich um das Fortwirken und die Transformation genossenschaftlicher bzw. ständischer Selbstverwaltungskonzepte, die eine Organisation von Problemlösungsprozessen auf paritätischer Basis begünstigen.

2. Der Einfluß der Arbeitsmarktstrukturen Die Herausbildung von Arbeitsmärkten war, wie schon eingangs erwähnt, konstitutiv für die Herausbildung von Arbeitsbeziehungen. Die Einbeziehung der Erwerbsbevölkerung in das Arbeitsgeschehen verlief allerdings ungleichmäßig und phasenhaft. So sank zum Beispiel in der Bundesrepublik Deutschland der Anteil der Selbständigen unter allen Erwerbspersonen von 14,5% im Jahre 1950 auf 8,9% im Jahre 1979, wesentlich beeinflußt durch die Abwanderung von Personen aus dem Agrarsektor. In ähnlicher Weise grundlegend war die zunehmende Integration der weiblichen Bevölkerung bzw. ihr längerer Verbleib im Erwerbsleben. Ein dritter strukturbildender Faktor besteht in der sich verändernden normativen Eingrenzung des Erwerbslebens in der Weise, daß einerseits der Zeitpunkt des Berufseintritts durch verlängerte Bildungs- und Ausbildungszeiten hinausgeschoben, der Zeitpunkt des Ausscheidens hingegen durch sozial- und beschäftigungspolitische Maßnahmen immer mehr vorverlegt wird. Die Beteiligung der Bevölkerung am Arbeitsmarktgeschehen ist also direkt abhängig von den Beeinflussungsfaktoren, die die Spanne und Intensität des Erwerbslebens festlegen. Wir stellen hierbei für alle deutschsprachigen Länder Mitteleuropas ähnliche Trends fest: einmal die Tatsache, daß die überwältigende Mehrheit der Bevölkerung im Leben Erfahrungen mit dem Arbeitnehmerstatus macht, zum anderen die Tatsache, daß sehr bedeutsame und zeitlich sich ausdehnende Lebensabschnitte diesen Erfahrungen vor- und nachgelagert sind, wobei grundlegende Wechselwirkungen zwischen den verschiedenen Lebensbereichen auftreten. Als Konsequenz haben sich z. B. Gewerkschaftsprogramme und -aktivitäten in den letzten Jahrzehnten erheblich erweitert. Sie richten sich nicht allein auf die Gestaltung der unmittelbaren Arbeitsbedingungen, sondern immer umfassender auf die Gestaltung der Lebenslagen und des Lebensschicksals des arbeitenden Menschen sowie seiner Angehörigen. Damit werden die Arbeitsbeziehungen auch umfassender in den allgemeinen Kulturzusammenhang integriert. Die Beteiligung der Bevölkerung am Arbeitsmarktgeschehen ist auch von dem Ausmaß abhängig, in dem Arbeitsbedingungen, Arbeitsbeziehungen und das Arbeitsverhältnis überhaupt Gegenstand von Marktprozessen werden. Hierbei ist zwischen individueller und kollektiver Teilnahme am Arbeitsmarktgeschehen zu unterscheiden. Für den einzelnen Arbeitnehmer gibt es nur wenige Punkte im arbeitsbezogenen Lebenslauf, an denen er in eine unmittelbare Verhandlungssituation gerät. Meist ist sie mit der Aufnahme oder dem Wechsel

6

Teil 1: Strukturen der Arbeitsbeziehungen

einer Tätigkeit bzw. einer Arbeitsstätte verbunden. Aber auch kollektive Verhandlungen berühren die Arbeitswirklichkeit nur selektiv. Ein sehr erheblicher Teil der Prozesse, die die Arbeitswirklichkeit konstituieren, verläuft in Form innerorganisatorischer, administrativ gesteuerter Maßnahmen innerhalb von Experten- und Vorgesetztenhierarchien. So ist die Grenzlinie zwischen marktorientierten Arbeitsbeziehungen und organisationsorientierten Mitarbeiterbeziehungen keineswegs festgelegt. Für die deutschsprachigen Länder Mitteleuropas hat stets der Bereich der Mitarbeiterbeziehungen (unter Ausschluß des Marktes) eine große Bedeutung gehabt, insbesondere im Rahmen von betriebs- und sozialpolitischen Konzepten, vom Leitbild der Werksgemeinschaft bis hin zu modernen Systemen der Personalentwicklung. Man kann davon ausgehen, daß die Arbeitgeber-Arbeitnehmer-Beziehung in diesen Ländern nicht ausschließlich als eine Marktbeziehung gesehen wird, was sich auch in entsprechenden Handlungsorientierungen und -Strategien niederschlägt. Zum Beispiel ist das Konzept des Betriebes als soziales Gebilde in den deutschsprachigen Ländern fest verankert, woraus sich ein besonderes Interesse an entsprechenden Gestaltungs- und Ordnungsversuchen herleitet. In dem Maße, in dem der Betrieb nicht nur als Arbeitsstätte, sondern auch als ein Lebensraum gesehen wird, kann die Beeinflussung der Arbeitswirklichkeit nicht mehr als bloßes Ergebnis marktorientierter Optimierungsstrategien gesehen werden. Wie in jedem komplex strukturierten Wirtschaftsraum sind auch in Mitteleuropa die Arbeitsmärkte in vielfaltiger Weise segmentiert, wofür die verschiedenen Formen der Lohn- und Gehaltsunterschiede einerseits und die auf mannigfaltige Mobilitätsbarrieren schließenden Laufbahnen bzw. Karrieremuster wichtige Indikatoren sind. Diese Arbeitsmarktsegmentierung kann nur teilweise als Ergebnis rationaler Handlungsstrategien interpretiert werden, zum Beispiel im Falle einer bewußten Hierarchisierungsstrategie von Unternehmerseite oder einer staatlichen Regionalpolitik. In den Segmentierungsstrukturen und -prozessen spiegeln sich sozialstrukturelle und sozialkulturelle Gegebenheiten wider. Schon die Unterscheidung zwischen regionalen, industriellen, beruflichen und geschlechtsspezifischen Teilarbeitsmärkten verweist auf diese Zusammenhänge. Neben gleichlaufenden Entwicklungslinien in allen Industrieländern gibt es doch einige Besonderheiten. Für die Bundesrepublik Deutschland ist die überragende Bedeutung der Großund Mittelindustrie evident. 1980 waren 39,2% der abhängig Beschäftigten in Betrieben mit mehr als 1000 Mitarbeitern tätig, während nur 0,9% in Betrieben mit weniger als 20 Mitarbeitern beschäftigt waren. In der Schweiz und noch viel stärker in Österreich herrschen jedoch die Mittel- und Kleinbetriebe vor. Dies führt zu charakteristischen Ausprägungen der Arbeitsbeziehungen. In Österreich und auch in der Schweiz tritt das personale Element viel stärker hervor, was sich auch im Sprachgebrauch zeigt. Während in der Bundesrepublik Deutschland Arbeitnehmer „eingestellt" werden, werden sie in österreichische Betriebe „aufgenommen".

I. Die Systemumwelt

7

Ein anderer Faktor, der stark zu einer Personalisierung von Arbeitsbeziehungen beiträgt, ist die berufsspezifische Regelung von Arbeitsbeziehungen. In den deutschsprachigen Ländern ist die überwiegende Mehrzahl der Gewerkschaften auf Industriebasis organisiert, was auch dem wachsenden Anteil der angelernten Arbeitskräfte Rechnung trägt. Es besteht aber ein erheblicher Unterschied im Solidaritätsverhalten, je nachdem ob dieses Berufskollegen, Betriebskollegen oder Industriekollegen betrifft. Die Arbeitsmarktstrukturen haben auch wesentlichen Einfluß auf den Organisationsgrad der Marktparteien, insbesondere aber der unselbständig Beschäftigten. Wegen des hohen Streuungsgrades sind generelle Aussagen hierzu wenig aussagekräftig. Für die deutschsprachigen Länder gilt jedoch, daß der gewerkschaftliche Organisationsgrad um so höher ist, je mehr es sich um Tätigkeiten in der großbetrieblich organisierten Produktion oder um Arbeitnehmer des öffentlichen Sektors handelt. Mit wachsendem Angestellten- und Frauenanteil ist in der Regel eine geringere Organisationsdichte verbunden. Dies läßt darauf schließen, daß die Akzeptanz des Arbeitnehmerstatus als Berufsschicksal und andererseits auch die Statusorientierung des Berufswegs großen Einfluß haben. Der zuletzt genannte Faktor, auf den auch der Fortbestand einer Trennung von Arbeiter- und Angestelltenschaft zurückzuführen ist, verweist auf den Fortbestand traditionaler Bewußtseinsorientierungen. Im deutschsprachigen Mitteleuropa hat der Industrialisierungsprozeß nicht zu einer völligen Auflösung ständischer Gesellschaftsstrukturen geführt, sondern zum Fortbestand vielfaltiger Residualphänomene. Die Arbeitsmarktsituation als Bestimmungsgrad der Lebenslage konkurriert in verschiedenen Bevölkerungsschichten immer noch mit anderen Grundlagen des gesellschaftsbezogenen Selbstverständnisses, zum Beispiel der Bildung und dem Berufsprestige. Selbst innerhalb der Interessenvertretungen der Arbeitnehmer machen sich derartige Statusunterschiede bemerkbar. Zum Beispiel werden die Wahlen der Betriebsräte getrennt für Angestellte und Arbeiter durchgeführt und bei letzteren ist die Dominanz der Facharbeiter deutlich sichtbar.

3. Sozialkulturelle Prägungen der Arbeitnehmerschaft Wird von der jeweiligen Arbeitsmarktsituation die Herausbildung organisierbarer Interessen mehr oder weniger gefördert, so ist deren Struktur und Ausrichtung doch nur durch Bezugnahme auf gesellschaftlich vermittelte Bewußtseinsstrukturen zu erklären. Für die Arbeitnehmerschaft des deutschsprachigen Mitteleuropa ist eine duale Begründung von arbeitsbezogenen Grundinteressen charakteristisch: Wie in anderen Industrieländern auch, ist eine starke Betriebsbezogenheit festzustellen, die in dem Maße sich verfestigt, in dem die Dauer der Betriebszugehörigkeit zunimmt. Verstärkend wirken sowohl die immer mehr arbeitsplatz- bzw. betriebsbezogene Qualifikation (Anlernverfahren) als auch die Integrationseffekte sozialer Betriebspolitik, einhergehend mit den persönlichen Bindungen an eine vertraute Arbeitsumwelt. Sozialkulturell spezi-

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Teil 1: Strukturen der Arbeitsbeziehungen

fisch ist aber eine durchaus noch vorhandene, relativ starke Berufsorientierung. Sie kann darauf zurückgeführt werden, daß Erlernung und Ausübung eines Lebensberufes immer noch Leitbilder für weite Kreise der Arbeitnehmerschaft sind. In allen deutschsprachigen Ländern spielt eine berufsbezogene Qualifikation vor Eintritt in das Arbeitsleben eine große Rolle mit entsprechend grundlegendem Sozialisationseffekt. 1970 hatten 40,3% aller unselbständig Beschäftigten in der Bundesrepublik Deutschland eine dreijährige Berufsausbildung beendet, weitere 15% hatten eine Ausbildung an einer höheren Fachschule absolviert und 4,2% waren Hochschulabsolventen. Seither ist die Akademisierung der qualifizierten Arbeitnehmerschichten rasch angestiegen, gleichzeitig aber auch der Anteil der Ungelernten erheblich weiter gesunken. Das Vorhandensein einer breiten Arbeitnehmerschicht, die nicht nur ein relativ hohes Allgemeinbildungsniveau hat, sondern auch einschlägig für bestimmte Berufe qualifiziert ist, hat grundlegende Auswirkungen auf die Struktur der Arbeitsbeziehungen. Durch die Konkurrenz von Berufs- und Betriebsbewußtsein ist dem Arbeitnehmer die Herausbildung einer Identität möglich, die ihn nicht einseitig an ein bestimmtes Arbeitsverhältnis bindet. Andererseits wird berufs- bzw. betriebsbezogene soziale Mobilität auch nicht allein als Optimierung von Arbeitsmarktchancen aufgefaßt, sondern zusätzlich als Versuch, eine persönliche „Laufbahn" zu realisieren. Damit ist zugleich angedeutet, daß Berufsqualifikation spezifische Lebensperspektiven begründet, ein in die Zukunft gerichtetes Anspruchsniveau, das auch der Interessenwahrnehmung eine längerfristige Orientierung bietet. Typische Auswirkungen dieses Sachverhalts sind z. B. hinsichtlich des Stellenwertes zu beobachten, den die „Qualifikationsdiskussion" in den industriellen Arbeitsbeziehungen der deutschsprachigen Länder spielt. Hierbei handelt es sich immer um einen vielschichtigen Sachverhalt, der keineswegs allein die Lohndimension berührt, sondern ebenso auch Fragen des Arbeitsinhalts und der persönlichen Autonomie sowie der arbeitsbezogenen Zukunftsperspektiven. Insbesondere unter dem Einfluß des Protestantismus haben sich bestimmte Berufsleitbilder und -erwartungen herausgeprägt, die auch gegenwärtig noch fortwirken und gerade durch ihre mangelnde Übereinstimmung mit einer sich ständig versachlichenden, rationalisierten Arbeitswelt kritische Grundhaltungen herausfordern. Der Übergang von persönlich-rationalen Berufsvorstellungen zu sachlich-rationalen Orientierungen ist noch keineswegs abgeschlossen. Vielmehr hat die Erhöhung des Bildungsniveaus breiter Bevölkerungsschichten statusorientierte, ganzheitliche Berufsauffassungen eher gestärkt. Eine rein nach funktionalen, rational optimierbaren Gesichtspunkten gestaltete Arbeitswelt erscheint insbesondere vielen jungen Menschen als wenig attraktiv und sinnvoll. So werden objektiv vorhandene Partizipationschancen wenig genutzt, und häufig erfolgt der Rückzug in eine alternative Privatsphäre. Dies wiederum wirkt sich auch auf die Repräsentanz von Interessen in den Arbeitsbeziehungen in der Weise aus, daß entsprechendes sozialpolitisches Engagement nur bei

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kleinen Minderheiten zu finden ist, was sich z. B. in den häufig großen Schwierigkeiten bei der Kandidatenaufstellung für Betriebsratswahlen äußert. Insgesamt ist festzustellen, daß im deutschsprachigen Mitteleuropa die Strukturierung von Arbeitnehmerinteressen in sozialkulturell charakteristischer Weise statusorientiert ist. Dies kommt weniger in den allgemeinen Aktionsprogrammen zum Ausdruck als in der täglichen Praxis von Verhandlungen und Problemlösungen innerhalb der Betriebe.

4. Institutionalisierungsprozesse Die deutschsprachigen Länder Mitteleuropas verfügen über voll ausdifferenzierte Systeme industrieller Arbeitsbeziehungen, die Ergebnis einer langen sozialen, wirtschaftlichen und politischen Entwicklung sind (vgl. dazu Weitbrecht/ Berger, Teil 3). Sowohl in der Bundesrepublik Deutschland als auch in Österreich und in der Schweiz ist es zu einer charakteristischen Ausdifferenzierung von Funktionen gekommen. Insbesondere wird zwischen der Betriebsund Unternehmensebene einerseits, sowie der Industrie- und Regionalebene andererseits unterschieden, wenn Problemlösungen gesucht werden. Hierzu stehen voneinander institutionell getrennte, unterschiedliche Strukturen zur Verfügung: Seitens der Gewerkschaften die Betriebsräte und die Einzelgewerkschaften, seitens der Arbeitgeberseite die Betriebs- bzw. und Unternehmensleitung sowie die betreffenden Arbeitgeberverbände. Auf gesamtgesellschaftlicher Ebene begegnen sich die jeweiligen Dachverbände. Mit zunehmender Komplexität der anstehenden Probleme hat sich auch eine horizontale Funktionsdifferenzierung insoweit ergeben, als Spezialprobleme von entsprechend mit Experten besetzten Kommissionen und sonstigen Gremien behandelt werden. Für die Folgen einer Institutionalisierung der Interessenvertretungen war das Ausmaß der jeweiligen Zentralisierung oder Dezentralisierung von Funktionen ausschlaggebend. Ein besonders hohes Ausmaß an Zentralisierung weisen die österreichischen Arbeitsbeziehungen auf. Der Österreichische Gewerkschaftsbund, der hinsichtlich der Vertretung von Arbeitnehmerinteressen eine Monopolstellung einnimmt, hat die Finanz- und die Personalhoheit beim Dachverband konzentriert. Dieser erhält auch direkt die Mitgliederbeiträge, ebenso wie das Gewerkschaftsvermögen von ihm verwaltet wird. So ist auch die Gewerkschaftspolitik stark vereinheitlicht und im Rahmen der Sozialpartnerschaft auf höchster Ebene in paritätischen Gremien präsent. Einen ähnlichen Aufbau zeigen die Interessenverbände der österreichischen Arbeitgeberschaft, deren Spitze, die Bundeskammer der gewerblichen Wirtschaft, ebenfalls umfassende Machtbefugnisse vereint. In der Schweiz hingegen überwiegt der föderalistische Aufbau. Die Kompetenz zu Verhandlungen liegt bei den weitgehend autonomen Einzelgewerkschaften. Der einflußreichste Zentralverband, der Schweizerische Gewerkschaftsbund, in dem über 50% der schweizerischen Gewerkschaftsmitglieder organisiert sind,

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Teil 1: Strukturen der Arbeitsbeziehungen

hat im wesentlichen Koordinierungs- und Repräsentationsfunktionen im Hinblick auf gesamtwirtschaftliche und -gesellschaftliche Interessen. Dies trifft auch für die Verhältnisse in der Bundesrepublik Deutschland zu. Der Deutsche Gewerkschaftsbund vertritt die Interessen der in ihm vereinigten 17 Einzelgewerkschaften auf nationaler Ebene. Seine hauptamtlichen Funktionäre werden auf einem Gewerkschaftstag gewählt, für den die drei größten Einzelgewerkschaften, die IG-Metall, die ÖTV und IG-Chemie-Papier-Keramik die Mehrheit der Delegierten stellen. Charakteristisch für die Durchführung von Verfahren im Bereich der Arbeitsbeziehungen ist in allen drei Ländern das hohe Maß der Formalisierung und Regelhaftigkeit. Der Anteil der hauptamtlichen bzw. freigestellten Funktionäre der Vertragsparteien ist relativ hoch. Man kann also durchaus von einem professionellen Management der Arbeitsbeziehungen sprechen. Dies wird unterstrichen durch die vielfaltigen Schulungseinrichtungen, über die die Gewerkschaften in deutschsprachigen Ländern verfügen. Andererseits sind auch Relikte traditionalistischer Rituale festzustellen, z. B. im Zusammenhang mit der Durchführung und dem Abschluß von Tarifvertragsverhandlungen. Die Einigung erfolgt häufig in den frühen Morgenstunden nach nächtelangen Verhandlungen und stellt somit das Ergebnis eines symbolischen Kampfes dar. In ähnlicher Weise wird seitens der Gewerkschaften besonderer Wert auf kollektives Auftreten, auch in Verhandlungsgremien gelegt, nicht zuletzt, um Einigkeit und Solidarität zu demonstrieren. Die Solidarität, die unter den gegenwärtigen gesellschaftlichen Bedingungen ein Interessenverband erreichen kann, wird aber stets partiell und situationsspezifisch bleiben. Man kann sich mit aller Radikalität für Lohnerhöhungen oder für einen hinreichenden Rationalisierungsschutz einsetzen. Von diesen Detailforderungen bis zur Unterstützung einer Umgestaltung des gesamten Wirtschaftssystems ist aber ein weiter Weg. So stehen die Gewerkschaften vor der ständigen Aufgabe, ihre Programme und Strategien zu legitimieren. Das gleiche gilt auch für die Arbeitgeberverbände. Hierzu sind aufgrund einer langen Tradition in allen deutschsprachigen Ländern entsprechende Ideologien entwickelt worden. Im Falle der Arbeitgeber knüpfen sie an den funktionalen Leistungsbeitrag eines freien Unternehmertums bzw. Managements an. Im Falle der Gewerkschaften beziehen sie sich auf die Verbesserung der Lebenslagen der arbeitenden Bevölkerung und eine demokratische Wirtschaftsverfassung, die diese Interessen zum Ausdruck kommen läßt. Allerdings tritt hierbei das Problem der kurzfristigen und der langfristigen Zielsetzungen auf. Es gibt Mitgliedergruppen, die unmittelbare Erfolge sehen wollen. Andererseits ist die Erreichung umfassender Ziele über längere Zeiträume hinweg nur möglich im Zusammenhang mit der sukzessiven, planvollen Verwirklichung koordinierter Maßnahmen. Bei irrealistischer Zielsetzung schwindet der Mitgliederkonsensus. Bei mangelnder Hintergrundlegitimation zerfällt die Gewerkschaftsaktivität in opportunistische Einzelaktionen.

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Ein besonderes Charakteristikum des Institutionalisierungsprozesses der Arbeitsbeziehungen in Mitteleuropa ist einerseits die Bewältigung des sozialreformatorischen Erbes, das zu universalistischen Legitimationsversuchen drängt, andererseits die Bewältigung eines situationsspezifischen Erfolgszwangs, der eine pragmatische Grundhaltung nahelegt. In dieser Situation können sich nur institutionelle Regelungen bewähren, die den erforderlichen Spielraum für eine Bewältigung der Bestanderhaltungsproblematik der Organisationen ebenso wie die Chance für realistische Lösungen von Sachproblemen offenhalten.

5. Arbeitsbeziehungen zwischen Konflikt und Kooperation Die Arbeitsbeziehungen im deutschsprachigen Mitteleuropa werden durch die geringe Häufigkeit offener Konflikte gekennzeichnet. Sowohl in Österreich als auch in der Bundesrepublik Deutschland sind jährlich im langfristigen Durchschnitt nur wenige Streikminuten je unselbständig Erwerbstätigem angefallen. In der Schweiz sind derartige Arbeitsausfalle ganz minimal. Der Grund hierfür liegt darin, daß in allen drei Ländern ein gut funktionierendes Schlichtungswesen auf freiwilliger Basis besteht. Für innerbetriebliche Auseinandersetzungen gibt es in Österreich und in der Bundesrepublik Deutschland ein differenziertes Verhandlungssystem auf rechtlicher Grundlage. In der Schweiz haben zwar die Betriebs- oder Personalkommissionen bis heute keine gesetzliche Grundlage, sie bieten aber de facto ähnliche Möglichkeiten für die Behandlung von Beschwerden. Offene Arbeitskonflikte auf dieser Ebene sind praktisch nur als wilde Streiks möglich. Auf überbetrieblicher Ebene jedoch sind Streiks nur denkbar als Warnstreiks oder nach gescheiterten Tarifvertragsverhandlungen. Diese Streiks sind jedoch in der Bundesrepublik Deutschland mit Ausnahme der IG-Druck und Papier an eine vorherige gewerkschaftliche Urabstimmung gebunden, in der sich mindestens 75% der Wähler für die Kampfmaßnahme entscheiden müssen. Da Streiks in der Regel einen ganzen Industriezweig für eine ganze Region betreffen und entsprechend kostspielig sind, wird hierin nur die ultima ratio gesehen. Zwar gibt es keine gesetzliche Regelung des Streikrechts, aber in vielen Einzelurteilen der Rechtsprechung haben sich doch Verhaltensgrundsätze herausgebildet, die aufgrund möglicher Folgewirkungen insbesondere das Risiko bei wilden Streiks erheblich erhöhen. Eine wichtige Rolle bei der Austragung von Konflikten spielt die Arbeitsgerichtsbarkeit. Die relativ große Zahl der anhängigen und jedes Jahr zum Abschluß gelangten Verfahren darf aber nicht darüber hinwegtäuschen, daß nur ein sehr geringer Prozentsatz von Streitfallen wirklich vor die Gerichte gelangt und zwar im allgemeinen dann, wenn es sich um noch nicht geregelte Grundsatzfragen handelt. Charakteristisch ist also für die deutschsprachigen Länder ein sehr effizientes Konflikt-Management. Es beruht auf der Gewährleistung umfassender Informations-, Konsultations- und sogar Mitbestimmungsrechte und auf der Bereitschaft der Partner zu einer engen Kontaktnahme im Falle auftretender Pro-

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Teil 1 : Strukturen der Arbeitsbeziehungen

bleme. Bei Konfliktregelungen handelt es sich allerdings sehr häufig um Lösungen auf Zeit, d. h. um Absprachen, die unter veränderten Verhältnissen wieder verhandlungsfahig werden. Problematisch ist nicht so sehr dieser Mechanismus der Konfliktregelung, sondern die damit verbundene Bürokratisierung der Arbeitsbeziehungen. So treten insbesondere in Zeiten beschleunigten sozialen und wirtschaftlichen Wandels mit entsprechender Anpassungsproblematik Integrationsschwierigkeiten auf. Die Notwendigkeit der Tarifpartner, sich verpflichten zu können, wird insbesondere von Sondergruppen mit drängenden Problemen weniger hochgeschätzt als die Fähigkeit, unmittelbar mit Nachdruck zu handeln. Derartige Erfahrungen werden auch auf ideologischer Ebene reflektiert und über den Tagesanlaß hinaus in Zieldiskussionen eingebracht. Die Arbeitsbeziehungen in den deutschsprachigen Ländern Mitteleuropas werden allerdings durch eine bemerkenswerte Kontinuität gekennzeichnet. Ihr dynamisches Prinzip ist weder der reine Marktmachtkampf noch die staatliche Reglementierung, sondern die Erschließung umfassender Mitwirkungsmöglichkeiten bei der Gestaltung der Lebensbedingungen der Arbeitnehmerschaft.

Literatur Bergmann, Joachim et al. (1975): Gewerkschaften in der Bundesrepublik. Frankfurt/ M. — Köln. Fürstenberg, Friedrich (1977): Industrielle Arbeitsbeziehungen. Wien. Höpflinger, François (1976): Industriegewerkschaften in der Schweiz. Eine soziologische Untersuchung. Zürich. Klose, Alfred (1970): Ein Weg zur Sozialpartnerschaft. Das österreichische Modell. München. Lachs, Thomas (1976): Wirtschaftspartnerschaft in Österreich. Wien. Meißner, Werner und Lutz Unterseher (Hrsg.) (1972): Verteilungskampfund Stabilitätspolitik. Stuttgart. Schmidt, Eberhard (1971): Ordnungsfaktor oder Gegenmacht: Die politische Rolle der Gewerkschaften. Frankfurt/M. Siegenthaler, Jürg (1968): Die Politik der Gewerkschaften. Eine Untersuchung der öffentlichen Funktion schweizerischer Gewerkschaften nach dem Zweiten Weltkrieg. Bern. Traxler, Franz (1982): Evolution gewerkschaftlicher Interessenvertretung. Wien. Weitbrecht, Hansjörg (1969): Effektivität und Legitimität der Tarifautonomie. Berlin.

Faktoren der Arbeitsbeziehungen aufgrund der Beschäftigung ausländischer Arbeitnehmer Wolfgang Weber 1. Entwicklung und Struktur der Ausländerbeschäftigung1 Von 1960 bis zur Mitte der achtziger Jahre ist die Zahl der in der Bundesrepublik Deutschland lebenden Ausländer von 140 000 auf bis zu 4,7 Millionen gestiegen. Lediglich 1967,1975/1977 und 1983/84 wurde die bislang kontinuierliche Zunahme der Ausländerzahl unterbrochen. Der Ausländeranteil an der Wohnbevölkerung betrug bei Erreichen des bisherigen Höchststands 7,6%. Der Anteil der ausländischen Arbeitnehmer an den Erwerbstätigen in der Bundesrepublik Deutschland lag 1982 bei 8,5% (Stat. Jahrbuch f. d. Bundesrepublik Deutschland 1983, 97). Diese Entwicklung setzte 1961 nach dem Bau der Berliner Mauer ein, als in einer stark wachsenden Nachkriegswirtschaft das Problem Arbeitskräftemangel vor allem auf dem Weg der Anwerbung von sogenannten „Gastarbeitern" gelöst wurde. Das Konzept eines nur vorübergehenden Arbeitsaufenthalts von wenigen Jahren mit anschließender Rückkehr in das Heimatland erwies sich als langfristig nicht tragfähig. Die meisten ausländischen Arbeitnehmer hatten sich zwar ursprünglich auf einen vorübergehenden Aufenthalt in der Bundesrepublik Deutschland eingestellt. Mit zunehmender Aufenthaltsdauer wuchs die Neigung, die zunächst im Herkunftsland verbliebenen Familienmitglieder nachzuholen. Damit waren vielfach die Weichen für einen Daueraufenthalt gestellt. Von den 1982 in der Bundesrepublik Deutschland lebenden 4,7 Millionen Ausländern hielten sich 2,8 Millionen — über 60% — acht Jahre oder länger hier auf (Stat. Jahrbuch f. d. Bundesrepublik Deutschland 1983, 68). Mit zunehmender Aufenthaltsdauer sinkt die Rückkehrabsicht. So gaben 1981 in Baden-Württemberg 39% der ausländischen Haushaltsvorstände an, keine Rückkehr in ihr Heimatland mehr zu planen (Fleischer 1983, 33). Die tatsächliche Verbleibquote dürfte unter dem Einfluß der wachsenden Rückkehrschwierigkeiten für Familien mit in Deutschland aufgewachsenen Kindern noch höher liegen. Die Neigung eines großen Teils der Ausländer, auf Dauer in der Bundesrepublik Deutschland zu bleiben, ist verbunden mit einer ebenso deutlichen Neigung, die jeweilige Identität des Herkunftslandes zu bewahren. Nur ein kleiner Teil der dazu berechtigten Ausländer macht von der Möglichkeit Gebrauch, die deutsche Staatsangehörigkeit zu erwerben. 1

Arbeitsmigration findet sich in allen nord- und westeuropäischen Ländern (Gehmacher/Kubat/ Mehrländer 1978). Die genannten Zahlen vermitteln einen Eindruck von der Situation in der Bundesrepublik Deutschland, in Österreich und in der Schweiz. Die Darstellung der einzelnen Problembereiche konzentriert sich — insbesondere soweit auf empirische Befunde Bezug genommen wird, auf Situation in der Bundesrepublik Deutschland.

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Teil 1: Strukturen der Arbeitsbeziehungen

Die wichtigsten Herkunftsländer der Ausländer in der Bundesrepublik Deutschland sind nach dem Stand von 1982 die Türkei (1,581 Mio.), Jugoslawien (0,632 Mio.), Italien (0,602 Mio.), Griechenland (0,301 Mio.), Spanien (0,174 Mio.) und Portugal (0,106 Mio.). Aus diesen sechs Ländern kommen fast drei Viertel aller Ausländer in der Bundesrepublik Deutschland. Größere Zahlen entfallen außerdem auf die Herkunftsländer Österreich (0,175 Mio.) und Niederlande (0,109 Mio.) (Stat. Jahrbuch f. d. Bundesrepublik Deutschland 1983, 68), deren Bewohner aber kaum als Ausländer wahrgenommen werden. Eine in einigen Nuancen andere Situation ist in Österreich anzutreffen. Der Anteil der ausländischen Wohnbevölkerung ist mit etwa 4% nur gut halb so hoch wie in der Bundesrepublik Deutschland. Die Anzahl der ausländischen Arbeitnehmer betrug im März 1984 rund 132 000 oder 4,9% der 2,677 Mio. unselbständig Beschäftigten. Wichtigste Nationalitäten sind hier nach den Ergebnissen der Volkszählung von 1981 Jugoslawen (125 900), Türken (59 900) und Deutsche (40 900). Sie machen allein gut drei Viertel der in Österreich lebenden 291 400 Ausländer aus. Erst mit deutlichem Abstand folgen Italiener (6 700), Polen (5 900) und 78 weitere Länder. Die im Vergleich zur Bundesrepublik unterschiedliche Lage ist vor allem auf die Nicht-Einbindung in die EG und die Nähe Jugoslawiens zurückzuführen, die ein Pendeln zwischen den beiden Nachbarländern besonders attraktiv macht. Einen besonders hohen Ausländeranteil weist die Schweiz auf. Hier stellen die Italiener, die eine der Landessprachen sprechen, mit rund 296 000 oder fast 40% das weitaus größte Kontingent der ausländischen Erwerbstätigen, die seit 1960 durchweg einen Anteil von 20 bis über 25% aller Erwerbstätigen in der Schweiz stellen (Stat. Jahrbuch der Schweiz 1983, 113 ff.). In allen drei Ländern stellen die ausländischen Arbeitnehmer aus den Mittelmeerländern mit Anteilen zwischen zwei Dritteln und drei Vierteln den größten Anteil. Sie sind überwiegend im verarbeitenden Gewerbe, im Dienstleistungsbereich und in der Bauindustrie vor allem an solchen Arbeitsplätzen beschäftigt, die wegen geringerer Verdienstmöglichkeiten, unangenehmeren Arbeitsbedingungen und entsprechend niedrigem sozialen Status gemieden werden. Diese Tendenz wird freilich durch die insgesamt betrachtet geringere berufliche Qualifikation der ausländischen Arbeitnehmer gefördert. Der weitaus größte Teil der ausländischen Arbeitnehmer aus den Mittelmeerländern sind un- oder angelernte Arbeitskräfte (Gaugier/Weber et al. 1978, 74). Sie sind an stark routinisierten Arbeitsplätzen und besonders oft in Schichtarbeit beschäftigt. Bei einer Gegenüberstellung vergleichbarer Arbeitnehmergruppen zeigen sich keine Einkommensnachteile der Ausländer. Ausländische Hilfsarbeiter erzielen sogar — vor allem wegen der Inkaufnahme ungünstigerer Arbeitsbedingungen - Einkommensvorteile (Weber 1980, 48 f.; Lichtenberger 1984). Der kleinere Teil der ausländischen Arbeitnehmer stammt aus nord- und westeuropäischen Ländern oder aus dem außereuropäischen Raum. Mit Ausnahme der Asylbewerber liegt bei dieser Personengruppe eine andere Ausgangs-

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konstellation hinsichtlich Qualifikationsniveau, sozialem Hintergrund, Sprachkenntnissen und ausgeübter Berufstätigkeit vor. Sie wird im Vergleich zu entsprechenden Arbeitnehmern aus dem jeweiligen Inland als weniger verschieden wahrgenommen und deshalb aus der weiteren Betrachtung ausgeklammert. Im Gegensatz dazu steht die Lage bei den ausländischen Arbeitnehmern aus den Mittelmeerländern, die sich aufgrund ihres andersartigen sozio-kulturellen Hintergrunds deutlich von der einheimischen Bevölkerung — zum Teil auch im äußeren Erscheinungsbild — absetzen. Deshalb sind Auswirkungen der Ausländerbeschäftigung auf die Arbeitsbeziehungen innerhalb und außerhalb der Betriebe zu erwarten.

2. Arbeitsbeziehungen auf betrieblicher Ebene Die unmittelbarsten Arbeitsbeziehungen finden in der Arbeitsgruppe zwischen den Gruppenmitgliedern, zu denen auch der Vorgesetzte gehört, statt (2.1 und 2.2). Diese Beziehungen schlagen sich in den betrieblichen Mitbestimmungsgremien (2.3) und in den Arbeitgeber-Arbeitnehmer-Beziehungen nieder (2.4). 2.1 Arbeitnehmerbeziehungen Die Arbeitnehmerbeziehungen können durch Aussagen über Intensität, Richtung und Inhalt der Kommunikation sowie durch Aussagen über die wechselseitige Einschätzung gekennzeichnet werden. Pauschal können die Arbeitnehmeroder Kollegenbeziehungen durch Zufriedenheitseinschätzungen erfaßt werden. Bei der Interpretation von Zufriedenheitsäußerungen muß allerdings der oft beobachtete Tatbestand berücksichtigt werden, daß die Befragten eher zu Zufriedenheits- als zu Unzufriedenheitsäußerungen neigen. Bei einer empirischen Untersuchung, in die 2698 deutsche und ausländische Arbeitnehmer aus 166 meist vollständig erfaßten Arbeitsgruppen in 118 verschiedenen Betrieben erfaßt wurden, 2 ergab sich bei der Frage nach der globalen Arbeitszufriedenheit, daß 42% der Ausländer und 53% der Deutschen angaben, mit ihrer Arbeitssituation zufrieden zu sein. Ausländer sind insgesamt also weniger zufrieden als ihre deutschen Kollegen (Gaugler/Weber et al. 1985; Martin 1980 und Weber 1980, 58 ff.). Ein etwas differenzierteres Bild ergibt sich, wenn die Zufriedenheitsäußerungen zu einzelnen Dimensionen des Arbeitslebens von Ausländern und Deutschen gegenübergestellt werden. In diesem Fall zeigt sich, daß Ausländer zum Erhebungszeitpunkt als besonders problembeladen die Bereiche Lohnhöhe, körperliche Belastung und Arbeitsplatzsicherheit wahrnehmen. Zu diesen Komplexen wird von Ausländern in deutlich geringerem Ausmaß Zufriedenheit geäußert als zu anderen Bereichen. Außerdem liegt der Anteil der zufriedenen Arbeitnehmer deutlich unter den entsprechenden Anteilen bei den deutschen 2

Im folgenden wird bevorzugt auf empirische Befunde Bezug genommen, die aus einer Untersuchung, an der der Verfasser beteiligt war, stammen (Gaugler/Weber et al. 1978; sowie Gaugier/ Weber et al. 1985).

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Teil 1: Strukturen der Arbeitsbeziehungen

Arbeitnehmern. Dies bedeutet jedoch nicht, daß der Bereich der sozialen Beziehungen problemfrei wäre. Die einschlägigen Probleme wurden lediglich durch den Problemdruck in den genannten anderen Bereichen überlagert. Diese Vermutung wird durch eine differenzierte Analyse der Zufriedenheitsäußerung bestätigt. Ein großer Teil der Befragten äußert zwar Zufriedenheit, hat aber gleichzeitig hinsichtlich des beurteilten Sachverhalts Änderungswünsche. Deshalb wurden drei Gruppen unterschieden. Als zufrieden wurden nur diejenigen Befragten bezeichnet, die Zufriedenheit angaben und keine Änderungen der momentanen Situation wünschten. Unzufrieden sind jene Befragten, die Unzufriedenheit äußern und konsequenterweise die jetzige Situation geändert wissen möchten. Eine dritte Gruppe wird als „eingeschränkt zufrieden" bezeichnet. Dabei handelt es sich um Befragte, die eine Verbesserung der augenblicklichen Situation wünschen, gleichzeitig aber Zufriedenheit äußern. Die Lage ist in diesen Fällen zwar problembehaftet; die Probleme bewegen sich jedoch in einem Rahmen, der Zufriedenheitsäußerungen zuläßt. Bei dieser differenzierten Analyse ergibt sich, daß Ausländer mit den Kollegenbeziehungen deutlich unzufriedener sind als Deutsche. Über 90% der Ausländer wünschen eine Verbesserung der Kollegenbeziehung. Bei Deutschen beträgt dieser Anteil 55%. Tabelle 1 gibt einen Überblick über die Zufriedenheits- bzw. Unzufriedenheitsäußerungen zu den Kollegenbeziehungen. Tab. 1: Zufriedenheit mit den Kollegenbeziehungen Zufriedenheitsäußerungen in % Arbeitnehmergruppe

Männer

Frauen

zufrieden

eingeschränkt zufrieden

Deutsche

42

53

5

Ausländer

7

80

13

Deutsche

43

49

8

Ausländer

14

74

12

unzufrieden

Hinweise auf die latente Unzufriedenheit der Ausländer mit den Kollegenbeziehungen liefert die Analyse der Kommunikation innerhalb und außerhalb des Betriebes. Generell läßt sich feststellen, daß intraethnische Kontakte häufiger sind als interethnische Kontakte. D. h.: Die Angehörigen aller Nationalitäten haben untereinander mehr Kontakte als mit Angehörigen anderer Nationalitäten. Da die einheimische Bevölkerung in der Regel die Majorität der Arbeitskollegen einer Abteilung stellt, haben Inländer insgesamt mehr soziale Kontakte als Angehörige ausländischer Minderheiten. 40% der Ausländer haben Kontakte mit Deutschen. Aber nur 29% der Deutschen in den gleichen Abteilungen haben Kontakte mit Ausländern (Gaugier/

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Weber et al. 1985). Das bedeutet, daß sich die Kontakte der Ausländer auf eine kleinere Zahl von deutschen Arbeitskollegen beschränken. Die Zahl der Kontaktpersonen in einer Abteilung ist demnach für Ausländer aus zwei Gründen geringer als für Deutsche: Erstens haben Ausländer, solange sie in der Minderheit sind, weniger Kontaktpartner für intraethnische Kontakte. Und zweitens konzentrieren sich die über die Gruppe der eigenen Landsleute hinausgehenden Kontakte auf relativ wenige Personen. Dennoch ist festzuhalten, daß die gemeinsame Tätigkeit mit Ausländern für ein beträchtliches Maß an wechselseitigen Kontakten mit der einheimischen Bevölkerung führt. Daß der Umfang dieser Kontakte nicht größer ist, kann durch eine Reihe von Stereotypen erklärt werden. Etwa 60% der Deutschen und rund 70% der Ausländer gehen z. B. davon aus, daß die Angehörigen der jeweils fremden Nationalitäten Kontakte auf ihre Landsleute beschränken wollen. Über 70% der Ausländer meinen, Deutsche glaubten, alles besser zu können. Auf der anderen Seite ist bei deutschen Arbeitnehmern — allerdings nur bei einer Minderheit — soziale Ablehnung von Ausländern festzustellen, die im übrigen bei Arbeitnehmern mit Berufsausbildung und als sicher empfundenem Arbeitsplatz weniger ausgeprägt ist (Gaugler/Weber et al. 1985). Die wechselseitig negativen Einschätzungen der Angehörigen verschiedener Nationalitäten — auch der verschiedenen Ausländergruppen untereinander — spiegeln größtenteils Vorurteile wider, die durch Fakten und eigene Kenntnisse meist kaum fundiert sind. Deutsche und stärker noch Türken, Italiener, Spanier, Griechen, Jugoslawen usw. trauen sich die Beurteilung der Angehörigen anderer Volksgruppen in wesentlich geringerem Maße zu als die Beurteilung der eigenen Landsleute. Die Kontakthypothese wird auch für den Umgang mit Ausländern bestätigt. So zeigt sich, daß Deutsche, die schon mit Türken zusammengearbeitet haben, Türken wesentlich günstiger beurteilen als Deutsche ohne Arbeitskontakt mit Türken. 2.2 Arbeitnehmer-Vorgesetzten-Beziehungen Bei der Analyse der Arbeitnehmer-Vorgesetzten-Beziehungen sind im hier untersuchten Zusammenhang zwei Konstellationen von Bedeutung: (1) Inländische Vorgesetzte, die Landsleute der Arbeitnehmermajorität sind und ausländische Arbeitsgruppen-Mitglieder sowie (2) Ausländer als Vorgesetzte von einheimischen und ausländischen Arbeitnehmern. Der erste Fall ist wesentlich häufiger als der zweite. Auch hier ergibt sich auf den ersten Blick ein Bild wechselseitiger Zufriedenheit, bei differenzierter Analyse jedoch — wie bei den Kollegenbeziehungen — ein beträchtliches Maß an latenter Unzufriedenheit. Tabelle 2 gibt einen Überblick über die im Rahmen der Arbeitnehmerbefragung ermittelten Befunde zur Zufriedenheit deutscher und ausländischer Arbeitnehmer mit den Beziehungen zum Meister. Deutsche sind mit den Beziehungen zum Meister deutlich zufriedener als Ausländer, und Frauen sind zufriedener als Männer.

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Teil 1: Strukturen der Arbeitsbeziehungen

Tab. 2: Zufriedenheit mit den Beziehungen zum Meister Zufriedenheitsäußerungen in % Arbeitnehmergruppe

Männer

Frauen

zufrieden

eingeschränkt zufrieden

unzufrieden

Deutsche

43

32

9

Ausländer

17

62

16

Deutsche

61

26

6

Ausländer

26

55

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In diesem Zusammenhang verdient Aufmerksamkeit, daß fast die Hälfte der ausländischen Arbeitnehmer angibt, ihr Meister behandle sie ungerecht. Es ist aber nicht wahrscheinlich, daß die Gründe für die wahrgenommene Ungerechtigkeit in der jeweiligen Person des Meisters liegen. Auch hier ist für die Wahrnehmung von Ungerechtigkeiten vor allem die Interaktionssituation als wichtiger Einflußfaktor anzunehmen. Überdies dürfte der Meister als Repräsentant des Systems für andere Aspekte des Mißbehagens — z. B. für Unzufriedenheit mit dem Lohn — verantwortlich gemacht werden. Ausländer sind zwar nach wie vor relativ selten in Vorgesetztenpositionen tätig. Aber immerhin gut ein Fünftel von 1514 hierzu im Jahre 1976 in der Bundesrepublik Deutschland befragten Betriebe gab an, daß sie Ausländer als Vorgesetzte einsetzen, die fast durchweg Vorgesetzte von deutschen und ausländischen Arbeitnehmern sind. Der Ausnahmefall ausländischer Vorgesetzter ist vor allem dort anzutreffen, wo die deutsche Konkurrenz relativ gering ist und wo die strukturellen Bedingungen materieller und sozialer Art besonders günstig sind. Diese Bedingungen liegen z. B. in Großbetrieben mit hohem Ungelernten- und Ausländeranteil und Konzentration auf eine oder wenige Nationalitätengruppen vor. Wo Ausländer als Vorgesetzte tätig sind, werden sie in dieser Funktion offenbar akzeptiert (Gaugler/Weber et al. 1978). 2.3 Beziehungen zwischen Arbeitnehmern und betrieblichen Interessenvertretungen Mit betrieblicher Interessenvertretung der Arbeitnehmer ist in erster Linie der Betriebsrat, daneben auch der gewerkschaftliche Vertrauenskörper gemeint. Sowohl das Betriebsverfassungsgesetz in der Bundesrepublik Deutschland als auch das Arbeitsverfassungsgesetz in Österreich sehen keine besondere Interessenvertretung für Ausländer im Betrieb vor. Ausländer genießen jedoch das aktive, in der Bundesrepublik Deutschland auch das passive Wahlrecht für den Betriebsrat. Arbeitgeber und Betriebsrat haben darüber zu wachen, daß alle im Betrieb tätigen Personen — unabhängig von Nationalität, Religion usw. — gleich behandelt werden. Dieser Auftrag ist in einem System gewählter

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Interessenvertreter jedoch schwer zu verwirklichen. Die Chance, gewählt zu werden, ist insbesondere bei der Listenwahl dann groß, wenn sich Ziele, Programm und Verhalten der Interessenvertreter an den Mehrheiten orientieren. Die Vertretung von Minderheitsinteressen wirkt sich nur dann positiv auf die Wahlchancen aus, wenn diese Minderheitsinteressen von einer breiten Solidaritätswelle getragen sind. Da diese Bedingung trotz der Akzeptanz der ausländischen Arbeitnehmer nicht erfüllt ist, folgt zwangsläufig, daß sich die Arbeit der Betriebsräte überwiegend an den Interessen der jeweiligen inländischen Majorität orientiert. Die Ergebnisse der Repräsentativuntersuchung über die Situation der ausländischen Arbeitnehmer und ihrer Familienangehörigen in der Bundesrepublik Deutschland (Mehrländer et al. 1981, 190 ff.) sprechen für diese Vermutung. Nur rund 35% der ausländischen Arbeitnehmer sehen ihre Interessen durch den Betriebsrat ausreichend vertreten. Bemerkenswert ist, daß die Italiener ihre Interessenvertretung durch die jeweiligen Betriebsräte am positivsten beurteilen. Die erste große Arbeitnehmerwanderung kam in der Bundesrepublik Deutschland aus Italien. Die durchschnittlich längere Verweildauer hat möglicherweise zu einer mittlerweile größeren Interessenidentität von deutschen und italienischen Arbeitnehmern und damit zu der günstigeren Einschätzung der Interessenvertretung geführt. Für die These der Orientierung von gewählten Interessenvertretern an zahlenmäßig bedeutsamen Gruppen spricht der Befund, daß sich die zahlenmäßig in der Bundesrepublik stark vertretenen Gruppen (Türken, Jugoslawen, Italiener) besser vertreten fühlen als die zahlenmäßig geringer vertretenen Gruppen (Mehrländer et al. 1981, 198). Als Gründe für die nicht ausreichende Interessenvertretung werden besonders häufig genannt: Weil der Betriebsrat nur Interessen des Arbeitgebers vertritt, weil der Betriebsrat die Probleme der Ausländer nicht kennt, weil der Betriebsrat nur Interessen der Deutschen vertritt. Daß Ausländer nicht im Betriebsrat vertreten sind, ist — gemessen an der Zahl der Nennungen — der am wenigsten wichtige Grund (Mehrländer et al. 1981, 201). Tatsächlich dürfte die mangelnde Repräsentanz von Ausländern in den Betriebsräten jedoch ein wichtiger Grund für die oben berichteten Einstellungen sein. Nur ein Viertel der Betriebe in der Bundesrepublik Deutschland, die ausländische Arbeitnehmer beschäftigen, hat nach der Erhebung aus dem Jahr 1976 ausländische Betriebsratsmitglieder. Bemerkenswert ist, daß in 6 von 14 Betrieben mit einer Ausländerquote von über 70% kein ausländisches Betriebsratsmitglied vorhanden ist. Ausländische Betriebsratsmitglieder findet man am häufigsten in Betrieben mit einer großen Beschäftigtenzahl, mit hoher Ausländerquote und mit hohem Ungelerntenanteil. Ausländische Betriebsratsmitglieder werden vor allem dort gewählt, wo sie eine zahlenmäßig ausreichende Basis bei den Angehörigen der eigenen Nationalität finden (Gaugler/Weber et al. 1978, 150 ff.). Bei den Betriebsratswahlen 1978 machten die 5962 gewählten ausländischen Betriebsratsmitglieder 3% der Gesamtzahl der Betriebsratsmit-

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glieder aus. Der Anteil der Ausländer an den Arbeitnehmern ist rund dreimal so hoch (Economides 1983, 15). Offenbar werden Ausländer im Betriebsrat überwiegend als Interessenvertreter der Angehörigen der eigenen Nationalität gesehen. Diese Sichtweise vermindert natürlich die Chancen auf die Wahl ausländischer Betriebsratsmitglieder. Hinzu kommt der schlechte Informationsstand über das passive Wahlrecht der Ausländer: Nur 59% der von Mehrländer et al. (1981, 212) befragten ausländischen Arbeitnehmer wußten hierüber Bescheid, während immerhin 85% über das aktive Wahlrecht informiert waren (ebd. 205 ff.). Im gewerkschaftlichen Bereich haben die Ausländer stärker Fuß gefaßt als in den Betriebsräten. In fast der Hälfte von 714 hierzu befragten Industriebetrieben in der Bundesrepublik Deutschland wurde bereits 1976 über ausländische Vertrauensleute berichtet (Gaugler/Weber et al. 1978,160 ff.). Das ist angesichts des hohen gewerkschaftlichen Organisationsgrads der Ausländer nicht überraschend. In der Stichprobe von Mehrländer et al. (1981, 213 ff.) ergab sich ein gewerkschaftlicher Organisationsgrad von 51% für männliche, von 30% für weibliche und von 45% für alle ausländische Arbeitnehmer. Diese gewerkschaftlich organisierten Ausländer sehen ihre Interessen durch die Gewerkschaften besser vertreten als ihre nicht organisierten Kollegen, und sie beurteilen auch die Betriebsratsarbeit positiver (Mehrländer et al. 1981, 218 ff.). 2.4 Arbeitnehmer-Arbeitgeber-Beziehungen Aufgrund ihres sozio-kulturellen Hintergrunds haben große Teile der ausländischen Arbeitnehmer Anpassungsschwierigkeiten insbesondere in der industriellen Arbeitswelt. Ungewohnte Formen der Arbeitsorganisation, vor allem der konstante Arbeitsplatz, die Einbindung in einen nicht transparenten Arbeitszusammenhang, eine meist strenge Arbeitszeitregelung und das Arbeitstempo stellen neuartige Anforderungen. Die dadurch verursachte Unsicherheit wird bei mangelhaften Sprachkenntnissen noch verstärkt. Diese Situation wurde durch spezifische integrationsunterstützende Maßnahmen der Unternehmungen entschärft. Die folgende Tabelle gibt einen Überblick über die wichtigsten Maßnahmen. Im Vordergrund stehen die beiden Problemkomplexe Wohnraumbeschaffung und Überwindung der sprachlichen Kommunikationshindernisse. Über die Hälfte der Betriebe gab 1976 überdies an, besondere Anlernmaßnahmen für Ausländer ergriffen zu haben (Gaugler/Weber et al. 1978, 80 ff.). Derartige Maßnahmen waren offenbar geeignet, die durchaus problembeladene Situation in den Betrieben soweit erfolgreich zu bewältigen, daß ein größeres Konfliktpotential nicht offenkundig wurde. Die oben skizzierten Unzufriedenheitsäußerungen der ausländischen Arbeitnehmer kennzeichnen zwar die Situation; insgesamt betrachtet wird diese für die Ausländer nicht voll befriedigende Situation aber nicht den Unternehmensleitungen angelastet. Tabelle 4 gibt einen Über-

I. Die Systemumwelt

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Tab. 3: Häufigkeit der Integrationsmaßnahmen für ausländische Arbeitnehmer (Anteil der Betriebe in %) Werkswohnungen für ausländische Arbeitnehmer Anschläge am schwarzen Brett in der Landessprache Wohnheime für ausländische Arbeitnehmer Dolmetscher

33% 29% 22% 21% 20% 12% 5% 4% 3% 3% 2% 1% 1%

Berater, Betreuer für Ausländer Broschüren in der Landessprache Anpassung der Verpflegung an die heimatlichen Gepflogenheiten Werkszeitschriften in der Landessprache Vorträge in der jeweiligen Landessprache Sprachkurse Informationsveranstaltungen für deutsche Vorgesetzte Deutsche Paten für Ausländer Ausländische Paten für Ausländer Basis: 1546 Betriebe Quelle: Gaugler/Weber et al. 1978, 44 Tab. 4: Zufriedenheit mit der Unternehmensleitung

Arbeitnehmergruppen

Ausmaß der Zufriedenheit (Anteil in %; gerundet)

Anzahl der Befragten

sehr zufrieden

zufrieden

eher unzufrieden / sehr unzufrieden

deutsche Meister

15

73

11

131

andere deutsche Arbeitnehmer

14

64

23

1232

Ausländer

23

47

29

934

alle Arbeitnehmer

18

58

25

2297

blick über die Einschätzung der Unternehmensleitungen (ausführlichere Darstellung: Gaugler/Weber et al. 1985). Die Arbeitnehmer sind insgesamt mit den Unternehmensleitungen zufrieden. Zwischen Ausländern und Deutschen können keine gravierenden Unterschiede festgestellt werden, wenngleich die Zufriedenheitsäußerungen der ausländischen Arbeitnehmer etwas weniger ausgeprägt sind. Von Bedeutung ist aber nicht nur die Beziehung zwischen einzelnen Arbeitnehmern und Unternehmensleitung, sondern auch das Verhältnis der Arbeitnehmer insgesamt und ihren Interessenvertretungen einerseits und Unternehmensleitung andererseits. Größere Konflikte sind auch in diesem Bereich bisher ausge-

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Teil 1: Strukturen der Arbeitsbeziehungen

blieben. In Zeiten relativ kontinuierlichen Wachstums und weitgehend bestehender Vollbeschäftigung konnte das latente Konfliktpotential offenbar gut bewältigt werden. In der ungünstigen wirtschaftlichen Situation von Ende der siebziger bis Mitte der achtziger Jahre trat das Konfliktpotential z. B. in Form der Forderung, Ausländer in ihre Herkunftsländer zurückzuschicken, um Arbeitsplätze für Inländer zu gewinnen, deutlicher zutage. Das Interesse der Arbeitgeber an den ausländischen Arbeitskräften und die Haltung der Gewerkschaften trugen dazu bei, daß sich dieses Konfliktpotential in Grenzen hält.

3. Arbeitsbeziehungen auf Yerbandsebene Die Arbeitsbeziehungen auf Verbandsebene (Arbeitgeberverbände, Kammern, Gewerkschaften) werden im wesentlichen beeinflußt von der jeweiligen Problemkonstellation, insbesondere den ökonomisch relevanten Fakten, von den repräsentierten Mitgliederinteressen und von der jeweils eingeschlagenen Interessenpolitik. Die wirtschaftliche Situation nach dem 2. Weltkrieg ist gekennzeichnet durch eine lange Phase des Wiederaufbaus und damit eines starken und zunächst andauernden Wirtschaftswachstums. Dies verstärkte die aufgrund der Kriegsereignisse eingetretene Arbeitskräfteknappheit, die allerdings durch den Zustrom von Heimatvertriebenen und Flüchtlingen bis 1961 abgeschwächt wurde. 3.1 Die Haltung der Arbeitgeberverbände Die Haltung der Arbeitgeber und insbesondere der Bundesvereinigung der Deutschen Arbeitgeberverbände (BDA) wird in der Zeit ab Mitte der fünfziger Jahre von dem Problemdruck bestimmt, den die oben skizzierte wirtschaftliche Situation auslöste. Die Anwerbung von zusätzlichen Arbeitskräften stellte die kurzfristig einfachste, weil schnell zu realisierende Lösung des Problems der Ressourcenknappheit dar. Deshalb wurde die Anwerbung ausländischer Arbeitnehmer gewünscht und gefördert, wobei die langfristigen Folgeprobleme zunächst kaum vorhergesehen wurden. Bei der Anwerbung ausländischer Arbeitnehmer wurde lange Zeit von allen mit der Problematik Befaßten von einer zeitlich begrenzten „Gastarbeiter"-Tätigkeit ausgegangen. Die Bundesvereinigung der Deutschen Arbeitgeberverbände hat relativ früh mit einer systematischen Beratung des Problemfeldes Ausländerbeschäftigung begonnen. 1964 wurde in der BDA-Abteilung Arbeitsmarktfragen ein Ausschuß „Ausländische Arbeitskräfte" eingerichtet, der sich zunächst mit Problemen der Anwerbung und der Eingliederung von Ausländern befaßte. Die Ergebnisse der Beratungen wurden über Informationsveranstaltungen und über schriftliches Informationsmaterial an die Betriebe weitergegeben. Ab 1969 wurden die Probleme der beruflichen Bildung ausländischer Arbeitnehmer in einem besonderen Arbeitskreis mit dem Ziel der Koordination einschlägiger Initiativen erörtert (vgl. Kontos 1983, 7 7 - 7 9 ) .

I. Die Systemumwelt

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Die Bundesvereinigung der Deutschen Arbeitgeberverbände hat mit fortdauernder Ausländerbeschäftigung auf der Grundlage dieser Analyse- und Koordinationstätigkeit zu vielen Einzelfragen dieses Problemfeldes Stellung bezogen. Diese Stellungnahmen spiegeln die sich ändernde Problemlage und Problemsicht wider. Der Anwerbestop im Jahre 1973 wurde abgelehnt. Angesichts der Arbeitsmarktlage wird in den folgenden Jahren zum Beispiel auf Fragen der Begrenzung der Zahl ausländischer Arbeitnehmer eingegangen und die Förderung der Rückkehrbereitschaft sowie der Aufenthaltsbegrenzung von NichtEG-Angehörigen (R. Weber 1975, 313 f.), die Abwehr des Zuzugs erörtert (Siegers 1981, 1320) und die Frage eingeschränkt positiv beantwortet, ob die Wirtschaft weiterhin Ausländer benötigt (Ebert 1980, 106 f.). Die oben beschriebenen Eingliederungshilfen, die von Unternehmen angeboten werden, sind zum Teil auf Verbandsempfehlungen zurückzuführen. Die Problematik der zweiten Ausländergeneration wird seit 1980 verstärkt publizistisch (Schlaffke/ Zedier 1980) und durch konkrete Vorschläge bearbeitet. Diesem Problembereich hat sich nicht nur die BDA (R. Weber 1979) sondern auch der für Fragen der Berufsbildung zuständige Deutsche Industrie- und Handelstag relativ früh zugewandt. Angesichts der offenkundig werdenden Probleme der ausländischen Jugendlichen und der demographischen Entwicklung bis Anfang der 90er Jahre unterbreitete der DIHT 1979 eine Anzahl konkreter Vorschläge zur Bewältigung dieses Problemfeldes (DIHT 1979). 3.2 Die Haltung der Gewerkschaften Rückblickend stellte der Deutsche Gewerkschaftsbund 1971 fest: „Um vorhandene Engpässe auf dem Arbeitsmarkt zu überwinden, haben der DGB und die in ihm vereinigten Gewerkschaften 1955 die grundsätzliche Zustimmung zur Beschäftigung ausländischer Arbeitnehmer gegeben. Darin sahen sie einen notwendigen Beitrag zur Sicherung der Vollbeschäftigung in einer expandierenden Wirtschaft und zugleich einen praktischen Schritt sozialer und gewerkschaftlicher Solidarität" (DGB 1971, 1). Die Gewerkschaften in der Bundesrepublik Deutschland trugen die Grundsatzentscheidung für die Anwerbung und Beschäftigung ausländischer Arbeitnehmer mit, sahen allerdings durchaus die mit der Ausländerbeschäftigung verbundene Gefahren: Die Beschäftigung ausländischer Arbeitnehmer bedeutete zunächst die Entspannung des Arbeitsmarktes. Sie verschlechterte damit auf den ersten Blick die Position der Gewerkschaften auf dem Arbeitsmarkt, insbesondere bei Lohnverhandlungen, weil sie die Arbeitskräfteknappheit reduzierte. Dieser Nachteil wurde aus der Sicht der Gewerkschaften durch die Sicherung des Wirtschaftswachstums kompensiert: Höheres Wachstum bedeutet einen höheren zur Verteilung anstehenden Wertschöpfungszuwachs; und eine günstige wirtschaftliche Lage reduziert den Widerstand der Arbeitgeber bei Verteilungskämpfen. Durch die von den Gewerkschaften durchgesetzte Forderung nach tariflicher, arbeits- und sozialrechtlicher Gleichstellung der Ausländer wurde vermieden, daß ausländische Arbeitnehmer als „Lohndrücker" verwendet werden konnten.

24

Teil 1: Strukturen der Arbeitsbeziehungen

Auch die Gewerkschaften gingen lange Zeit von einer vorübergehenden Beschäftigung der ausländischen Arbeitnehmer in der Bundesrepublik Deutschland aus. Sie interpretierten deshalb die Ausländerproblematik auch ganz überwiegend als Betreuungsproblem. Nach der Entscheidung für die Anwerbung von ausländischen Arbeitnehmern engagierten sich die Gewerkschaften u. a. in der Frage der Unterbringung der Ausländer, später im Bereich der Betreuung in persönlichen, arbeits- und sozialrechtlichen Angelegenheiten. Seit Beginn der 60er Jahre wurde vom DGB, später von Einzelgewerkschaften Informationsmaterial in den Landessprachen herausgegeben. Die Interessenpolitik der Gewerkschaften kann als das Ergebnis pragmatischer Vermittlung zwischen System- und Mitgliederinteressen gekennzeichnet werden (Müller-Jentsch 1982, 17 ff.). Das bedeutet für die Ausländerfrage zweierlei: Das Interesse an einer günstigen gesamtwirtschaftlichen Entwicklung förderte die Bereitschaft zur Zustimmung zu der Anwerbung und Beschäftigung ausländischer Arbeitnehmer. Die Orientierung an den Interessen ihrer damaligen Mitglieder bedeutete — insbesondere angesichts der Annahme einer nur vorübergehenden Ausländerbeschäftigung — den Vorrang der Inländerinteressen. Heinze et al. (1981) setzen sich mit der Fähigkeit der Gewerkschaften auseinander, dem selbst gestellten Anspruch der gleichmäßigen Vertretung aller Arbeitnehmergruppen auseinander und vertreten die Auffassung, daß die unterdurchschnittliche Repräsentanz konfliktschwacher Arbeitskräftegruppen durch eine auf dem Arbeitsmarkt erzeugte und sich in die Gewerkschaftsorganisation fortsetzende Polarisierung und Heterogenisierung von Interessenlagen hervorgerufen wird" (ebd. 19). Zu diesen Gruppen gehören neben Frauen, Älteren, Behinderten und Jugendlichen auch Ausländer, während männliche, inländische, qualifizierte Arbeitnehmer in der Gewerkschaftsorganisation dominieren und die Interessen dieser Arbeitnehmergruppen Vorrang genießen. Als Beleg hierfür wird z. B. angeführt, daß „die Gewerkschaften unter dem Druck verringerter Arbeitskräftenachfrage einer Politik der Ausgliederung und Rückführung ausländischer Arbeitnehmer in die Herkunftsländer zum Schutze der Beschäftigungsmöglichkeiten für Inländer keinen nennenswerten Widerstand entgegensetzt". Gegen diese Kritik kann zumindest im Hinblick auf die ausländischen Arbeitnehmer eingewandt werden, daß die Gewerkschaftspolitik nicht allein von der eigenen Wert- und Normenbasis sondern auch von der jeweils wahrgenommenen Problemlage bestimmt wird. Die wahrscheinlich von Anfang an unrealistische Annahme einer nur vorübergehenden Ausländerbeschäftigung bestimmte bis Ende der 70er Jahre, in geringerem Maße auch noch jetzt das Denken nicht nur der deutschen sondern auch der ausländischen Arbeitnehmer. Deshalb schien die Interpretation der Ausländerproblematik als Betreuungsproblem nicht nur auf Arbeitgeber-, sondern auch auf Arbeitnehmerseite lange Zeit angemessen. Die Position der Gewerkschaften beginnt sich aber unter dem Eindruck der tatsächlichen Entwicklung zu verändern (Gewerkschaftliche Monatshefte

I. Die Systemumwelt

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1984). Der Österreichische Gewerkschaftsbund formulierte auf seinem 10. Bundeskongreß ausdrücklich, daß er „in den ausländischen Arbeitnehmern eine Gruppe (sieht), die — ebenso wie andere sozial schwache Gruppen in der Gesellschaft — im besonderen Maß des Schutzes und der Hilfe einer starken Gewerkschaftsbewegung b e d a r f (ÖGB 1983,11/27). Daran wird die Forderung geknüpft, die Ausländerbeschäftigungspolitik nicht an konjunkturellen Gegebenheiten zu orientieren, die Bemühungen um die Verbesserung der sozialen Situation langjährig in Österreich beschäftigter Ausländer und ihrer Angehörigen zu verstärken und diesen Personenkreis in die Schulungsmaßnahmen der Arbeitsförderung einzubeziehen. 3.3 Zusammenwirken Die Bundesrepublik Deutschland schloß 1955 die erste Anwerbevereinbarung mit Italien ab. Ihr folgten Vereinbarungen mit Spanien und Griechenland (1960), der Türkei (1961), mit Portugal (1964), Tunesien (1965), Marokko (1963/1966) und Jugoslawien (1968) (Mehrländer 1974, 11 ff.). Die Gründung der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft, die Freizügigkeit für Gemeinschaftsinländer vorsieht, führte zu einer Revision der Vereinbarung mit Italien. 1965 wurde ein Ausländergesetz erlassen, das mehrfach geändert und ergänzt wurde (Deutsches Ausländerrecht 1984). Diesen Grundsatzentscheidungen, insbesondere dem Abschluß der ersten Anwerbevereinbarung im Jahre 1955 gingen intensive Beratungen zwischen Bundesregierung, Bundesanstalt für Arbeit, Arbeitgeberverbänden und Gewerkschaften voraus. Dabei brachten die Arbeitgeber ihr Interesse an zusätzlichen Arbeitskräften ein. Die Gewerkschaften wirkten darauf hin, daß die ausländischen Arbeitnehmer nicht als „Lohndrücker" wirken konnten. Da diesem Anliegen durch die tarifliche, arbeits- und sozialrechtliche Gleichstellung mit den deutschen Arbeitnehmern entsprochen wurde, kann festgehalten werden, daß die Haltung von Arbeitgeberverbänden und Gewerkschaften sowie deren Zusammenwirken in der vom wirtschaftlichen Wachstum bestimmten Phase der Nachkriegszeit in der Frage der Ausländerbeschäftigung kaum von tiefgreifenden Konflikten getragen war. Deutlich unterschiedliche Positionen traten erst 1973 auf, als die Gewerkschaften einen Anwerbestop forderten und die Arbeitgeber sich deutlich gegen diese Maßnahme aussprachen (Kontos 1983, 170 f.). Diese Konfliktsituation wirkte jedoch nur kurze Zeit nach. Ein Indiz für die wenig konfliktgeladene Situation in der Frage der Ausländerbeschäftigung ist die synoptische Selbstdarstellung der Tarifvertragsparteien, in der dieser Problemkreis praktisch nicht angesprochen wird (Markmann/Kitsche 1978). Auch in Österreich kann davon ausgegangen werden, daß alle wesentlichen Entscheidungen von einem gemeinsamen Grundkonsens getragen wurden, Meinungsverschiedenheiten zumindest nur selten an die Öffentlichkeit gelangten (Gehmacher 1978, 156).

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Teil 1: Strukturen der Arbeitsbeziehungen

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I. Die Systemumwelt

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Faktoren der Arbeitsbeziehungen aufgrund der Internationalisierung von Unternehmungen Bernhard

Wilpert

1. Das Phänomen der Multinationalen Unternehmungen (MNU) Aus der Fülle der Bemühungen, MNUs zu definieren, soll hier die einfachste und umfassendste Definition zugrundegelegt werden: Unternehmungen, die „Direktinvestitionen (Eigentum und Management) in zwei oder mehreren Ländern" (Brooke 1983, 324) unterhalten. Für spezifische Betrachtungszwecke (wissenschaftliche oder politische) mögen andere, restriktivere Definitionsmerkmale durchaus sinnvoll sein, etwa unter Berücksichtigung einer Mindestzahl von Ländern, in denen ein MNU Direktinvestitionen unterhält; Eingrenzung auf Produktionsstätten in zwei oder mehreren Ländern; Eingrenzung auf Mehrheits- oder Mindestbesitz der Eigneranteile in ausländischen Filialunternehmen. Wie immer man sie definiert, MNUs stellen im Leben fast aller Länder außerhalb des Ostblocks einen wichtigen Faktor dar, der weit über wirtschaftliche Belange im engeren Sinne hinausgeht (Takamiya 1978). Selbst wenn man nicht bereit ist, so weit zu gehen, sie als das „wahrscheinlich wichtigste Merkmal der 2. Hälfte des 20. Jahrhunderts" anzusehen (Weinshall 1973, 2), so belegt allein die Beschäftigungswirkung der MNUs ihren sozialen und wirtschaftlichen Stellenwert. 1972 beschäftigten allein die 400 größten MNUs der Manufakturindustrie weltweit ca. 30 Millionen Menschen (Franko 1975). Sieht man von einer Größenbeschränkung ab und erfaßt neben der herstellenden Industrie auch den Dienstleistungssektor, so dürfte die Gesamtzahl weltweit in MNUs beschäftigter Arbeitnehmer eher bei 50 Millionen liegen (ILO 1981 a). Der Zuwachs grenzüberschreitender Wirtschaftstätigkeit ist innerhalb der Europäischen Gemeinschaften besonders ausgeprägt. So wurde anfangs der 70er Jahre eine Vervierfachung der jährlich erfaßten Fälle grenzüberschreitender Beteiligungen und Gründungen gemeinsamer Tochtergesellschaften im EG-Raum registriert (Piehl 1974). In dem klassischen Theorieversuch Dunlops (1958), das System der Arbeitsbeziehungen in seinen wesentlichsten Merkmalen und Interdependenzen zu fassen (s. Schienstock, Teil 2,1), blieb die Sondersituation, die mit dem Auftreten der MNUs entstand, weitgehend ausgeblendet. Für ihn sind drei Aktorengruppen innerhalb eines Landes maßgeblich: Arbeitgeber, Arbeitnehmer und staatliche Stellen. Grenzüberschreitende Wirtschaftstätigkeit i. S. der Entstehung von MNUs bedeutet, daß einer der drei Aktoren — Arbeitgeber — den bislang national gedachten Rahmen der Arbeitsbeziehungen sprengt und in einem oder mehreren anderen nationalen Systemen der Arbeitsbeziehungen auftritt

30

Teil 1: Strukturen der Arbeitsbeziehungen

(Günter 1972; Flanagan/Weber 1974; Börners 1976; Staehle 1982). Entsprechend unserer obigen Definition einer M N U stehen auch die Tochtergesellschaften unter dem einheitlichen Management der Gesamt-MNU. Mithin tritt sie faktisch als neuer, vierter Aktor in Erscheinung. Das klassische Dreieck der Aktoren im System der Arbeitsbeziehungen wird zum Quadrat. Das Aushandeln von Regeln der Aktoren untereinander wird zusätzlich dadurch verkompliziert, daß mögliche regelungsbedürftige Interessenskonflikte nicht nur zwischen den drei Aktoren der M N U im Herkunftsland und denen der jeweiligen Tochtergesellschaft im Empfängerland berücksichtigt werden müssen, sondern auch zwischen dem Management der Mutter- und dem der Tochtergesellschaft, zwischen Management der Muttergesellschaft und Arbeitnehmern (und ihren Vertretungen) der Tochter, zwischen Arbeitnehmern der Mutter- und denen der Tochtergesellschaft sowie zwischen Muttergesellschaft und Empfängerlandregierung, ja sogar zwischen Herkunfts- und Empfangerlandregierung. Die hiermit aufgeworfene theoretische Herausforderung besteht nun darin, wie hinsichtlich der Regelung von Arbeitsbeziehungen Ansätze einer Theorie der MNUs mit solchen einer Konfliktentstehungs- und -regelungstheorie in Verbindung gebracht werden könnten. Da eine einheitliche Theorie der M N U nicht besteht (Dunning 1979) und eine Konflikttheorie auf Ansätze verschiedenster Disziplinen angewiesen ist (Goldberg 1982), soll im folgenden eher pragmatisch versucht werden, mögliche Konfliktursachen aus intra- und inter-organisationaler Perspektive zu identifizieren.

2. Intra-organisationale Problemkreise 2.1 Zentralisierung-Dezentralisierung Takamiya (1978) weist darauf hin, daß MNUs unbeschadet ihrer großen Bedeutung zu den unbekanntesten, d. h. am wenigsten erforschten, Institutionen gehören. Er sieht den Grund darin, daß ihre organisationsinternen Führungs- und Entscheidungsprozesse im Gegensatz zu ihren ökonomischen und Beschäftigungswirkungen bislang selten Gegenstand systematischer Forschung geworden sind. Dies gilt insbesondere für Probleme der Arbeitsbeziehungen i. e. S. Warner u. Mitarbeiter (1974) haben in Anlehnung an Ash (1967), der für Vergleichszwecke Meßindizes für verschiedene „industrial relations"Aktivitäten in Unternehmen entwickelte, sieben Fallstudien durchgeführt, welche die vorläufigen Ergebnisse Ashs weitgehend stützten: es besteht eine Tendenz, „die Strategie zu zentralisieren und die Praxis zu dezentralisieren", was im Einzelfall freilich immer Abgrenzungsschwierigkeiten aufwirft. Die Autoren kommen jedoch selbst zum Schluß, daß sowohl Unzulänglichkeit der Maße als auch Begrenztheit der Erhebungsmasse allgemeinere Schlußfolgerungen nicht zulassen. Wir sind daher darauf verwiesen, Arbeiten mit anderer — meist betriebswirtschaftlich-unternehmenspolitischer — Fragestellung auf die Relevanz ihrer Befunde für Arbeitsbeziehungen auszuloten.

I. Die Systemumwelt

31

Die Spannungen zwischen Zentrum und Peripherie, Mutterunternehmen und Töchtern, die in jeder komplexen Großorganisation eine wichtige Rolle spielen dürften, erhalten in MNUs wegen der nationalen und kulturellen Heterogenität ihrer Umwelt ein ganz besonderes Gewicht. Brooke (1983) ist der Auffassung, daß es nicht zuletzt politische Faktoren sind (MNU-feindliches Klima in Aufnahmeländern, Druck in Richtung einer Gewichtsverlagerung von der Zentrale in die Peripherie), die ironischerweise eine Tendenz zu größerer Zentralisierung bewirken: Furcht vor möglichen Fehlern der Tochtergesellschaften in einem politisch heiklen Kontext führt zu einer Einschränkung lokaler Handlungsspielräume. Nach einer solchen pauschalen Tendenzaussage scheint es angebracht, analytisch schärfer zu differenzieren und Verfahrensaspekte von inhaltlichen Problemfeldern zu trennen und auf ihre Bedeutung für Arbeitsbeziehungen in MNUs zu untersuchen. 2.2 Verfahrensaspekte Der Formalisierungsgrad einer Organisation bezeichnet das Ausmaß, in dem „Verfahren, Regeln, Aufgaben, Weisungen usw. schriftlich formuliert sind" (Wunderer und Grunwald 1980, 345). Formalisierung ist mithin ein Instrument zur Regelung von Vorgehensweisen und Interaktionen innerhalb einer Organisation. Je mehr derartige Regelungswerke vom Sitz der Muttergesellschaft eines MNUs bestimmt werden, desto geringer dürften allfällige Einflußchancen auf ihre Gestaltung durch Tochtergesellschaften und die dort beschäftigten Arbeitnehmer ausfallen. Negandhi (1984) hat in zwei zu den größten empirischen Arbeiten gehörenden Untersuchungen (im einen Fall 124 U. S.-amerikanische, europäische und japanische; im zweiten: 120 U. S.-amerikanische, deutsche und japanische MNUs) diesen Zusammenhang nachgewiesen. Dabei scheint jedoch die Herkunft der Muttergesellschaft ausschlaggebend zu sein: 88% der amerikanischen, 32% der deutschen und 12% der japanischen MNUs nutzten formalisierte Verfahrensrichtlinien der Muttergesellschaften. Hinsichtlich der Entscheidungszentralisation (Verteilung der Zuständigkeit für Entscheidungen zwischen Zentrale und Peripherie) scheint sich Ashs (1967) These zu bestätigen: der „locus of control" strategischer Entscheidungen liegt generell bei der Muttergesellschaft, Routineentscheidungen werden an die Tochterunternehmungen delegiert (Negandhi 1984). Auch hier bestehen jedoch Unterschiede je nach Herkunftsland der Muttergesellschaft: amerikanische MNUs sind relativ hoch zentralisiert, schwedische und japanische am geringsten, deutsche und englische MNUs liegen im Mittelfeld. Der allgemeine Führungsstil einer Unternehmung i. S. des Grades der Beteiligung Untergebener an Entscheidungen des Vorgesetzten scheint darüber hinaus ebenfalls in einem systematischen Zusammenhang mit dem Grad der Internationalität eines Unternehmens zu stehen. Ein Vergleich rein deutscher Unternehmen mit deutschen MNUs und deutschen Tochtergesellschaften von MNUs mit Hauptsitz im Ausland ergab signifikante Unterschiede: am partizipativsten

32

Teil 1: Strukturen der Arbeitsbeziehungen

führten ausländische MNUs, gefolgt von deutschen M N U s und rein deutschen Unternehmen (Wilpert 1977). Da diese Daten ausschließlich bei Unternehmen in der Bundesrepublik gewonnen wurden, wird man mit einer Verallgemeinerung vorsichtig sein müssen. Allenfalls läßt sich die Hypothese formulieren, daß das Führungsklima einer M N U ebenso wie Formalisierungsgrad und Entscheidungszentralisation stark von nationalen Traditionen des Managements beeinflußt werden. Alle drei Verfahrensaspekte dürften jedoch direkt oder indirekt die Arbeitsbeziehungen in MNUs maßgeblich beeinflussen. 2.3 Inhaltliche Problemfelder Langfristige unternehmenspolitische Planung stellt sicher eine lebenswichtige Funktion jeden Unternehmens dar. Nagandhis Untersuchungen (1984) zeigen, daß nur 46% der amerikanischen, 33% der deutschen und 18% der japanischen Tochtergesellschaften im Ausland in derartige Planungsprozesse einbezogen sind. Unternehmenspolitische Planung bleibt somit als Prärogativ der Zentralen dem Zugriff lokaler Interessenvertretungen entzogen. Auch die Personalpolitik — wesentliches Instrument in der Implementation unternehmerischer Ziele — wird je nach Herkunftsland der Muttergesellschaft recht unterschiedlich gehandhabt. Während nach Negandhi (1984) die Mehrzahl der leitenden Geschäftsführerpositionen in amerikanischen MNUs durch Vertreter des Gastlandes besetzt wurden, war in 79% der japanischen M N U s kein Mitglied des Gastlandes in den Vorständen zu finden. Deutsche MNUs fanden sich wieder zwischen diesen beiden Extremen. In der Gehalts- und Lohnpolitik sowie in den Aus- und Fortbildungsmaßnahmen scheint eine größere Dezentralisierung und Anpassung an lokale Standards gegeben zu sein (Brooke 1983). Zwar ist Eigentum und Kontrolle von Tochtergesellschaften nicht notwendigerweise identisch, immerhin scheint jedoch ein enger Zusammenhang zwischen beiden zu bestehen, etwa wenn es um Fragen von Produktionsumstellung, Firmenzusammenlegung oder -auflösung geht. So nimmt nicht Wunder, daß die Eignerpolitik der MNUs vornehmlich darauf angelegt ist, Tochtergesellschaften möglichst zu 100% im eigenen oder doch im Mehrheitsbesitz zu halten (Stopford und Wells 1972). Von den 11.198 U.S.-amerikanischen Tochtergesellschaften im Ausland waren 69% im Voll- und weitere 10% im Mehrheitsbesitz der amerikanischen Muttergesellschaften; nur 10% hatten amerikanische Minoritätsanteile (Curhan et al. 1977). Es scheint, daß die Eignerpolitik japanischer MNUs etwas weniger aggressiv als die der amerikanischen und deutschen ist, denn sie bevorzugen häufiger gemeinsame Firmengründungen, aber auch die japanischen MNUs schließen tendenziell zu den westlichen Vergleichsunternehmen auf (Negandhi 1984). Ein subtileres Kontrollinstrument mit gravierenden Folgen für Tochtergesellschaften und ihre Arbeitnehmer als die Eignerpolitik dürfte die firmenspezifische Technologiepolitik darstellen. Das Ausmaß wirklichen, grenzüberschreitenden Technologie-Transfers aus den Muttergesellschaften in die

I. Die Systemumwelt

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ausländischen Niederlassungen entscheidet wesentlich über technologische Abhängigkeiten, Beschäftigungschancen, Qualifikationsstruktur und Arbeitsplatzsicherheit in den Tochtergesellschaften. Die pauschalierende, aber dennoch wohl zutreffende Aussage, daß der Löwenanteil der F + E-Ausgaben von MNUs vornehmlich im Herkunftsland der Muttergesellschaft getätigt werden (Behrmann und Fischer 1980), läßt darauf schließen, daß die Tochterunternehmen hier unter relativ hohen Restriktionen arbeiten müssen. Bei der Thematisierung des Problemfeldes Arbeitsbeziehungen i. e. S. zeigt sich, daß hier strategische bzw. grundlegende Entscheidungen weitgehend in Muttergesellschaften zentralisiert und relativ unbedeutsame Fragen auf die Niederlassungen im Ausland delegiert werden. So fanden sich unter den sechs am meisten zentralisierten Themen der Untersuchung von Warner et al. (1974) die Probleme Forschungen über Arbeitsbeziehungen, Verwaltung der Sozialleistungen, Auslegung der Tarifverträge, Verhandlungen mit Gewerkschaften. Zu den am wenigsten zentralisierten Themen dagegen gehörten Arbeitsplatzbewertung und Abstellung von Mißständen.

3. Interorganisationale Problemkreise 3.1 Zu einer Konflikttypologie Konflikte und Reibungspunkte ergeben sich für die Regelung von Arbeitsbeziehungen immer dort, wo innerorganisatorische Präferenzen, Führungs- und Organisationsprinzipien der MNUs aus Sicht der Muttergesellschaft mit inkompatiblen Umweltstrukturen und Interessen der Interaktionspartner im Sitz der Tochtergesellschaften in Berührung kommen. Da es umfassende, systematische Untersuchungen in MNUs über Konflikte im Zusammenhang mit ArbeitsbezieTab. 1: Konflikttypen in Arbeitsbeziehungen von M N U s

M Muttergesellschaft T u. HerkunftsTochterland gesellschaft und Herkunftsland

1 2

Management

Arbeitnehmer und ihre Vertretungen

Regierung1 des Herkunftslandes

Management

A

(D) 2

(G) 2

Arbeitnehmer und ihre Vertretungen

B

E

(H) 2

Regierung1 des Gastlandes

C

F

I

Für staatliche Stellen i. S. Dunlops Eingeklammerte Typen haben praktisch kaum Bedeutung

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Teil 1: Strukturen der Arbeitsbeziehungen

hungen im Vergleich zu rein nationalen Unternehmungen nicht gibt, ist man wiederum weitgehend auf Fallstudien und spektakuläre Auseinandersetzungen in Einzelfällen angewiesen (von Beyme 1984). Als einfaches Ordnungsschema theoretisch denkbarer Konflikte in und mit MNUs bietet sich eine Matrix an, welche die wesentlichen Interaktionspartner miteinander in Bezug bringt und den interorganisationalen Aspekt deutlich macht (Tabelle 1). Unter Zugrundelegung anderer Kategorisierungsgesichtspunkte identifizieren Negandhi und Baliga (1979): Wertkonflikte, Verhandlungskonflikte, Unternehmens-politische Konflikte und Arbeitsebenen-(operationale) Konflikte. Wie die Praxis zeigt, sind nicht alle Zellen der Matrix von gleicher Brisanz und Relevanz. Eher beispielhaft als umfassend sollen unterschiedliche Konfliktfalle einzelner Kategorien angeführt werden. 3.2 Konfliktfälle (A) M-Management versus T-Management Illustrationen hiervon wären unterschiedliche Führungs- und Kommunkationsstile, konfligierende Vorstellungen über Beförderungskriterien (Leistung versus Anciennität) und Rotationsgrundsätze sowie Förderung des Führungsnachwuchses. (B) M-Management versus T-Arbeitnehmer Die Liste denkbarer und in der Realität tatsächlich ausgetragener Konflikte ist hier besonders lang. Über Einstellungen zu Gewerkschaften bzw. Arbeitnehmervertretungen (Betriebsräte) und ihrem Selbstverständnis, Fragen der betrieblichen Ordnung, Arbeitszeit-, Überstunden- und Pausenregelungen, Lohnfindung und internationale Lohnangleichung bis hin zu existenziellen Fragen der Produktumstellung, Firmenschließung oder -Verlagerung, Rationalisierungsmaßnahmen, d. h. im Grunde kann der Gesamtkatalog der Themen von Auseinandersetzungen zwischen Arbeitgebern und Arbeitnehmern in rein nationalen Kontexten hier eine internationale Dimension bekommen. Jedes der genannten Beispiele ist in der Praxis bereits in der einen oder anderen Form akut geworden (von Beyme 1984). (C) M-Management versus T-Regierungen In den Beispielen von Firmenzusammenschlüssen, Schließungen, Produktionsverlagerungen oder Rationalisierungsmaßnahmen mit Beschäftigungswirkungen (Massenentlassungen) können je nach Rechtslage des Empfängerlandes durchaus auch T-Regierungen in einen direkten Konflikt mit MNUs geraten und zu Vermittlungs- und Regelungsbemühungen gedrängt sein. Hierher gehören ebenfalls allfallige Zugangs- oder Kartellbestimmungen im Empfangerland, gegebene Betriebsverfassungen, das Unternehmens- und Tarifrechtssystem. Die von der Systematik her denkbaren Konflikttypen (D), (G) und (H) scheinen für die Praxis von geringerer Bedeutung zu sein. Anders die übrigen Möglichkeiten von Interessenskonflikten.

I. Die Systemumwelt

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(E) M-Arbeitnehmer versus T-Arbeitnehmer Von Gewicht sind hier unterschiedliche Strategievorstellungen der Gewerkschaften von M- und T-Ländern ebenso wie etwa unterschiedliche Interessenslagen der Arbeitnehmer in M- und T-Gesellschaften bezüglich der Investitions- oder Technologiepolitik der Muttergesellschaft und den mit ihr gegebenen Bedingungen für Beschäftigungsmöglichkeiten, Qualifikationschancen und Arbeitsplatzsicherheit. Unterschiedliche Traditionen und rechtliche Rahmenbedingungen in M- und T-Ländern für die Ausrufung eines Streiks oder auch nur die unterschiedliche Streikgeneigtheit von M- und T-Arbeitnehmern einer MNU kann zu direkten Interessenskollisionen beider Arbeitnehmergruppen führen. (F) M-Arbeitnehmer versus T-Regierungen Das Beispiel einschränkender Zugangs-oder Kartellbestimmungen in einem TLand für ausländische Investitionen kann möglicherweise zu Investitionshemmnissen werden, die den Interessen der Belegschaften einer Muttergesellschaft zuwider laufen. (I) M- versus T-Regierungen Dieser Fall tritt überall dort auf, wo man sich zwischen Regierungen um den Abbau konfligierender Aspekte in den jeweiligen nationalen Systemen der Arbeitsbeziehungen bemüht. Er leitet über zu den Regelungsbemühungen.

4. Regelungsbemühungen 4.1 Umweltbeeinflussung durch MNUs Zwar relativ selten, aber dennoch belegbar, sind die Fälle, in denen MNUs sich aktiv darum bemühten, die für die Arbeitsbeziehungen eines Landes geltenden gesetzlichen Normen zu beeinflussen. Ein Beispiel ist die „Lex Michelin" in der kanadischen Provinz Nova Scotia, ein auf Drängen der französischen MNU geschaffenes Gesetz, das zur Bedingung für den Bau eines größeren Werkes gemacht wurde und die Etablierung von Gewerkschaften in Michelinbetrieben erschwert (Brooke 1983). Ein weiteres Beispiel ist der massive Druck, der über die Regierung der U. S. A. seitens einer größeren Anzahl von MNUs auf die innerdeutsche Auseinandersetzung um die Bestimmungen des Mitbestimmungsgesetzes von 1976 ausgeübt wurde. 4.2 Internationalisierung der Arbeitnehmersolidarität Formen der Durchsetzung von Arbeitnehmerforderungen an MNUs sind der internationale Solidaritätsstreik (Olle 1978) und Waren- oder Dienstleistungsboykott. Beide Strategien haben in Einzelfallen zu begrenzten Erfolgen geführt (von Beyme 1984). In einzelnen Ländern stößt der Solidaritätsstreik jedoch an rechtliche Begrenzungen, wie etwa in der Bundesrepublik, wo Solidaritätsstreiks rechtlich strittig sind. Der wachsende Zusammenschluß nationaler Gewerkschaftsorganisationen in internationalen Gewerkschaftsverbänden (s. Staehle, Teil 1, IV) bricht zwar

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Teil 1: Strukturen der Arbeitsbeziehungen

langsam die nationalen Schranken einer internationalen Kooperation nieder, die tatsächliche Verhandlungsmacht internationaler Arbeitnehmerorganisationen ist jedoch immer noch weit von der Verwirklichung der an sie geknüpften Hoffnungen entfernt. Dabei entbehrt es nicht einer gewissen Ironie der Geschichte, daß es nicht zuletzt das Entstehen der M N U s ist, dem die Internationalisierung der Gewerkschaftsarbeit ihre wesentlichen Anstöße verdankt. Die internationale Zusammenarbeit der Betriebsräte oder vergleichbarer Einrichtungen der Arbeitnehmervertretung in Mutter- und Tochtergesellschaften eines M N U s schreitet ebenfalls fort. Kollektive Aktionen solcher Kooperationsformen treffen jedoch auf Unterschiede in der Streikregulierung. Außerdem konfligieren sie möglicherweise mit lokalen Kollektverträgen (von Beyme 1984).

4.3 Zwischenstaatliche Regelungsbemühungen Der vielleicht zukunftsträchtigste Weg, der Herausforderung der M N U s an die nationalen Systeme der Arbeitsbeziehungen gerecht zu werden, besteht in den Versuchen vielfaltiger internationaler Institutionen, Verhaltensstandards und Regelungswerke für M N U s zu schaffen. Sie werden an anderer Stelle dieses Bandes ausführlich behandelt (s. Staehle, Teil 1, IV). Bemerkenswert ist in unserem Zusammenhang nur, daß hiermit ein fünfter Aktor den Plan betritt und sich in die Regelung von Arbeitsbeziehungen einschaltet: Zwischenstaatliche Behörden und Gremien.

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II. Akteure im System der Arbeitsbeziehungen Unternehmer und Arbeitgeber Wolfgang-Ulrich Prigge 1. Probleme der Begriffsbestimmung Die Bestimmung des Begriffs Unternehmer' bereitet Schwierigkeiten. Der Unternehmerbegriff faßte ursprünglich eine Klasse von Merkmalen bestimmter Motivationen und Handlungen zusammen, die konkreten Einzelpersonen zugeordnet werden konnten. Ein umfassender technischer, wirtschaftlicher und sozialer Wandel hat dazu geführt, daß sich einzelne Bestimmungsmerkmale des Unternehmerbegriffs geändert haben. Vor allem haben sich die ehemals konstituierenden Merkmale des Unternehmerbegriffs soweit ausdifferenziert, daß sie von unterschiedlichen Personen arbeitsteilig wahrgenommen werden. Damit ist es fraglich geworden, welche Bestimmungsmerkmale einem modifizierten Begriff des Unternehmers zugeordnet werden sollen bzw. ob überhaupt ein personaler Unternehmerbegriff beibehalten werden soll. Die ursprüngliche Definition des Unternehmers als einer Person, die das Eigentum an Produktionsmitteln mit der Risikoübernahme bei Vollhaftung und der aktiven Unternehmensleitung verband, kennzeichnet mittlerweile lediglich den besonderen Fall des ,Eigentümer-Unternehmers' von Klein- und Mittelbetrieben. Bereits Schumpeter trug mit seiner Begriffsbestimmung der Entwicklung zum als Kapitalgesellschaft organisierten Großunternehmen dadurch Rechnung, daß er den Unternehmerbegriff durch die tatsächliche Ausübung einer Unternehmerfunktion bestimmte. Er trennte zwischen einer ,Unternehmerrolle' und einer ,Kapitalistenrolle', die nicht mehr notwendig von derselben Person auszuüben waren. „Da Unternehmer ist, wer die Unternehmerfunktion tatsächlich ausübt, so kann es auch ein ,Direktor' sein, der durch Anstellungsvertrag in diese Position kommt" (1923, 485). Die Ausübung der Unternehmerfunktion bedeutete für Schumpeter, daß dort „wo es neues, nicht schon erfahrungsund routinegemäß zu Erledigendes durchzusetzen gibt Führerschaft' ausgeübt wird" (ebd., 483). Die Unternehmerfunktion als wirtschaftliche Führerschaft' wurde gekennzeichnet „einmal durch die objektive und subjektive Schwierigkeit, neue Wege zu gehen und sodann durch die Widerstände der sozialen Umwelt dagegen" (ebd., 483). Schumpeter hat bereits frühzeitig auf Tendenzen hingewiesen, welche die Ausübung der Unternehmerfunktion und damit die Identifizierung von Unterneh-

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Teil 1: Strukturen der Arbeitsbeziehungen

mern entscheidend beeinträchtigen. Diese liegen in der allmählichen Gewöhnung der sozialen Umwelt an permanente Innovationen im Wirtschaftsprozeß. Diese Gewöhnung fallt um so leichter, je mehr die Neuerungsfunktion selbst „zur erlernbaren und spezialisierten Facharbeit" (ebd., 486) wird und damit arbeitsteilig und kollegial organisiert werden kann. Die kapitalistische Unternehmung tendiert nach Schumpeter dazu, „den Fortschritt zu automatisieren" und „verdrängt zuletzt auch den Unternehmer." (1950, 218). Ein Zustand der Bedeutungslosigkeit von Unternehmerfunktionen ist bisher allerdings nicht erreicht. Somit wäre es auch voreilig, den Unternehmer aus dem Arsenal wissenschaftlicher Begriffe auszusondern. Zwar wird die Verwendung des Unternehmerbegriffs mit der Begründung abgelehnt, daß ein solcher personalisierender Begriff den Sachverhalt verdeckt, „daß die Unternehmensentscheidungen durch mehrere Unternehmensorgane wie Vorstand und Aufsichtsrat und auf Vorstandsebene im Rahmen der Gesamtverantwortung bei funktioneller Spezialisierung gefaßt werden" (Leminsky 1979, 118). Es besteht dann aber die Gefahr, daß Gesichtspunkte unbeachtet bleiben, auf die der Unternehmerbegriff hinzuweisen geeignet ist.

2. Funktionen des Unternehmerbegriffs Der Unternehmerbegriff dient dazu, die besondere Bedeutung der höchsten Entscheidungsträger auf Unternehmensebene zu betonen. Beabsichtigte eine traditionsreiche wissenschaftliche Betriebsführung ursprünglich, an die Stelle von Persönlichkeiten', die Organisation' und das ,System' zu setzen (Taylor 1913, 4) — also die Leitungstätigkeit vollständig zu professionalisieren und zu standardisieren — so wird heute erkannt, daß zwar mögliche Varianten zukünftiger Ereignisse als Grundlage für Alternativentscheidungen analysiert werden können, dem Unternehmer aber die Aufgabe nicht abgenommen werden kann, die letzte Entscheidung zu treffen. In neueren Rezeptionen der modernen Organisationstheorie wird davor gewarnt, im Rahmen einer kontingenztheoretischen Perspektive der „Leitvorstellung deterministisch wirkender Kontextfaktoren" zu folgen. Statt dessen wird auf die Entscheidungsspielräume individueller Handlungsträger hingewiesen (Schreyögg 1978, 297). Die Berechtigung einer personalisierenden Perspektive durch die Verwendung des Unternehmerbegriffs wird auch dadurch unterstrichen, daß höchste Entscheidungsträger auf notwendige personale Voraussetzungen hinweisen, welche zur Bewältigung der Unternehmerrolle vorliegen müssen. Hiernach brauchen Unternehmer eine „unabhängige, selbständige, eigenverantwortliche, schöpferische Initiative" (Schleyer 1974, 166), ja eine „divinatorische Gabe" (ebd., 164), um ihrer Aufgabe gerecht zu werden. Aufgabe des Unternehmerbegriffs ist es auch, ein unternehmerisches Interesse an einem autonomen Gestaltungsspielraum darzustellen und durchzusetzen. Vor dem Gegenbild des Funktionärs in der Zentralverwaltungswirtschaft' wird die Notwendigkeit unternehmerischer Handlungsautonomie betont, um die

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Erfolge einer Marktwirtschaft auf Dauer stellen zu können und darüber hinaus eine „freiheitliche Ordnung der Gesellschaft überhaupt" (Schleyer 1974, 161) zu gewährleisten. Unternehmerische Handlungsautonomie wird somit auch außerökonomisch im Hinblick auf allgemeinakzeptierte Wertvorstellungen legitimiert.

3. Unternehmer- und Arbeitgeberbegriff in den Arbeitsbeziehungen Für die Verwendung des Unternehmerbegriffs zur Betonung der unternehmerischen Entscheidungskompetenz spricht auch die Perspektive der industriellen Arbeitsbeziehungen. Diese beleuchtet die Entscheidungskompetenz des Unternehmers im Hinblick auf ihre Voraussetzungen und Auswirkungen im industriellen Konflikt. Es wird also gefragt, in welcher Weise unterschiedliche, teilweise sogar gegensätzliche Erwartungen, Interessenorientierungen und Handlungsformen durch verbindliche Normstrukturen institutionalisiert werden. Es ergibt sich die Notwendigkeit eines „interessenorientierten Unternehmerbegriffs'''' (Stitzel 1977, 16), um den Unternehmer als Akteur in den Arbeitsbeziehungen identifizieren und analysieren zu können. Die Institutionalisierung des industriellen Konflikts wird in der Bundesrepublik Deutschland vor allem durch Rechtsnormen geleistet. Demzufolge hat eine Begriffsbestimmung auch die rechtswissenschaftliche Terminologie zu rezipieren. Diese betont die Unterscheidung zwischen Unternehmen und Betrieb. Das Unternehmen gilt als Ort der wirtschaftlichen Ziel- und Zwecksetzung, der übergeordneten Organisation und Direktion, während im Betrieb der „gesetzte Unternehmenszweck produktionstechnisch und -organisatorisch verwirklicht wird" (Mitbestimmung im Unternehmen 1970, 60). Auf Unternehmensebene liegt eine Planungs- und Richtlinienkompetenz, in deren Rahmen auch über den Faktor Arbeit insgesamt disponiert wird. Die konkrete Weisung, die Verfügung über die einzelne Arbeitskraft aber erfolgt auf Betriebsebene, sie wird vom Arbeitgeber ausgeübt. Dieser ist mit höchster, innerhalb des Betriebes nicht ableitbarer Weisungsbefugnis gegenüber dem weisungsgebundenen Arbeitnehmer ausgestattet. Wird die Weisungsbefugnis eines Positionsinhabers demgegenüber von einer anderen betrieblichen Stelle abgeleitet, wie etwa beim Abteilungsleiter, entfällt hierfür die Verwendung des Arbeitgeberbegriffs (Schaub 1977, 57 f.). Eine solche Unterscheidung zwischen Unternehmer und Arbeitgeber ist insbesondere für Großunternehmen mit mehreren Produktionsstätten sinnvoll. In kleineren Unternehmen ist häufig die Funktion der Unternehmensleitung und die Ausübung des arbeitsrechtlichen Weisungsrechts durch den Arbeitgeber auf betrieblicher Ebene institutionell nicht zu trennen. „Unternehmer- und Arbeitgeberfunktion, Planung und konkrete Weisung sind nicht nur organisatorisch, sondern oft auch personell vereinigt" (Mitbestimmung im Unternehmen 1970, 60).

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In der neueren soziologischen Theorie hat die unternehmerische Autorität vor allem die Aufmerksamkeit des ,betriebsorientierten Ansatzes' gefunden. Dieser Ansatz postuliert ein unternehmerisches Interesse, Strategien zur Durchsetzung eines autonomen betrieblichen Handelns gegenüber der Umwelt zu verfolgen, „um unter veränderten sozio-ökonomischen und politisch-ökonomischen Konstellationen die historisch-spezifische Zweckrationalität der Organisation kapitalistischer Industriebetriebe zu stabilisieren" (Altmann/Bechtle 1971, 17). Mit diesem Ansatz wird der herrschaftssoziologische Aspekt im Rahmen eines wechselseitigen Bezugs von Organisation und Umwelt in einer Weise betont, die auch für die Analyse der Unternehmer- und Arbeitgeberrolle in den industriellen Arbeitsbeziehungen fruchtbar sein kann (vgl. Hartmann 1979, 152). Im folgenden sollen einige Angaben zum Verhältnis zwischen dem unternehmerischen Autonomiestreben und den Herrschaftsstrukturen in Betrieb und Unternehmen im Zeichen wechselnder Umweltbedingungen gemacht werden.

4. Wandel der Unternehmer- und Arbeitgeberrolle Die Unternehmer- und Arbeitgeberrolle hat verschiedene Wandlungen erfahren. Auf die weitgehende Ablösung der Unternehmerfunktion von der Kapitalbereitstellungsfunktion wurde bereits hingewiesen. Im Übergang vom Handarbeits-Kleinbetrieb zum Maschinenarbeits-Großbetrieb ergab sich weiterhin zunehmend die Notwendigkeit, Entscheidungskompetenz zu teilen und zu delegieren. Eine solche Hierarchisierung der betrieblichen Personalverfassung (vgl. Geck 1977, 51 ff.) geriet in Widerspruch zu überkommenen patriarchalischen Organisationsformen und hat in der sozialwissenschaftlichen Theorie sogar zur Annahme der Dominanz einer homogenen Technostruktur (Galbraith 1971) geführt. Solche funktionalen Differenzierungsprozesse auf der Grundlage allmählicher technisch-organisatorischer Wandlungen haben sich auch dann durchsetzen können, wenn damit Änderungen für die betriebliche Autoritätsstruktur und für die unternehmerische Autonomie verbunden waren. Demgegenüber haben die Unternehmer gezögert, Veränderungswünsche zu akzeptieren, durch die innerbetriebliche Autorität beansprucht wurde, um den Faktor Kapital durch den Faktor Arbeit als Herrschaftsgrundlage für Entscheidungskompetenz zu ergänzen oder gar zu ersetzen. Einzelne Unternehmer, die in einem „ersten Schritt vom absoluten zum konstitutionellen Fabrikregiment" (Freese 1909, III) eine Änderung ihrer Arbeitgeberrolle durch die Gründung von Betriebsoder Fabrikausschüssen vornehmen wollten, wurde von anderen Unternehmern das Argument entgegengehalten, „in großen Unternehmungen müssen letzten Endes ein Wille und ein Kopf entscheidend sein" (Freese 1924, 138). Als unberechtigte Eingriffe in die Entscheidungsautonomie des Unternehmers und des Arbeitgebers wurden zunächst auch tarifrechtliche (1919) und betriebsverfassungsrechtliche (1920) Gesetzesnormen angesehen, mit denen Dispositionsbefugnisse an inner- und außerbetriebliche Repräsentanten der Arbeitneh-

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mer vergeben wurden. Es wurde häufig versucht, befürchteten nachteiligen Auswirkungen solcher rechtlichen Normierungen durch eine ,Assimilierungsoder gar Paralysierungspolitik' des Betriebsrats zu begegnen (so Brigl-Matthiaß 1926, 76 ff.).

5. Unternehmerische Personalpolitik Die Unternehmer in der Bundesrepublik Deutschland bemühen sich vor allem, Methoden der Personalpolitik weiterzuentwickeln, um damit technischen, ökonomischen und sozialen Veränderungen zu entsprechen. Fortschreitende Mechanisierung, veränderte gesellschaftliche Anforderungen und wechselnde Konjunkturlagen erfordern Unternehmens- und betriebsspezifische Reaktionsformen. Durch die fortschreitende Mechanisierung werden die betrieblichen Arbeitsbeziehungen zunehmend technisch vermittelt. Hierdurch wird die betriebliche Führung objektiviert, und die Notwendigkeit arbeitsbedingter ,endoponer' Beziehungen zwischen Vorgesetzten und Untergebenen geht zurück. Es müssen allerdings Führungsstile konzipiert werden, mit denen nunmehr die häufigeren persönlichen ,exoponen' Beziehungen auf das Betriebsziel ausgerichtet werden (Landwehrmann 1970). Die Auswirkungen der Mechanisierung und Rationalisierung auf die Arbeitsbeziehungen werden ferner unter dem Imperativ einer,Humanisierung der Arbeit' beurteilt. Mit der Gestaltung von Arbeitsinhalten und Arbeitsvollzügen soll ,Entfremdung' vorgebeugt werden und damit auch ein Abbau nicht sachlich begründbarer Autoritätsbeziehungen erreicht werden. Unternehmer, die hierin „eine der bewegendsten Herausforderungen unserer Zeit sehen" (Weil 1975, 80) verweisen auf unternehmerische Pionierleistungen auf dem Gebiet der Arbeitsorganisation und warnen vor Schematisierungen durch gesetzliche und tarifrechtliche Bestimmungen, durch die die betriebsspezifischen Möglichkeiten und Grenzen von Veränderungen der Arbeitsinhalte und Kooperationsformen nicht adäquat berücksichtigt werden können. Änderungen der technischen und sozialen Umweltbedingungen versuchen die Unternehmensleitungen vor allem durch neue Führungsstile zu entsprechen. ,Führung im Mitarbeiterverhältnis', kooperative bzw. partizipatorische Führungsstile sollen ein ,autoritär-patriarchalisches Anweisungsverhalten' ablösen. Führungsgrundsätze, die unter Beachtung der Rentabilitätsnotwendigkeiten auf Unternehmensebene aufgestellt werden, sollen eine Entfaltung der Fähigkeiten des einzelnen Mitarbeiters ermöglichen und damit zu seiner Selbstverwirklichung beitragen (Albach 1976). Wechselnde Konjunkturlagen betreffen die personalpolitischen Entscheidungen vor allem im Hinblick auf Veränderungen in der Qualität und Quantität des Arbeitskräfteangebots. Hartmann hat gezeigt, wie unternehmerisches Handeln darauf abzielt, Strategien einzusetzen, mit denen eine weitgehende Autonomie von Veränderungen des externen Arbeitsmarkts erreicht werden soll. Allerdings wird die Unabhängigkeit der betrieblichen Beschäftigungspolitik durch einen

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verstärkten Rückzug vom externen Arbeitsmarkt damit bezahlt, daß eine wachsende Mitwirkung des Betriebsrats bei Entscheidungen der Personalplanung erforderlich wird. Dies führt zu einer Einschränkung der unternehmerischen Autonomie in diesem Bereich, so daß „eine Interpretation dieses Entscheidungsprozesses als Verhandlung" (Hartmann 1979, 167) naheliegt. Diese Entwicklung widerspricht allerdings den sonstigen Bemühungen der Unternehmer, Einschränkungen ihrer Autonomie insbesondere dann mit Hilfe von rechts- und wirtschaftswissenschaftlichen Argumentationsformen entgegenzutreten, wenn solche Einschränkungen durch Einflußnahme von Arbeitnehmervertretern bedingt sind. Für Unternehmer ist „die Erhaltung unternehmerischer Handlungsfähigkeit eine Grundvoraussetzung, die durch Mitbestimmung nicht in Frage gestellt werden d a r f (Reuter 1983, 24).

6. Unternehmerische Autonomie und Mitbestimmung der Arbeitnehmer in der Bundesrepublik Deutschland Die Einstellung der Unternehmer zur Mitbestimmung wird ausführlich in einem Rechtsgutachten dargelegt, das 1977 zur Begründung einer Verfassungsbeschwerde verschiedener Unternehmen und Arbeitgeberverbände gegen einzelne Bestimmungen des Mitbestimmungsgesetzes von 1976 erstellt wurde (Badura/ Rittner/Rüthers). Einige der hierin vorgebrachten Argumentationen wurden in späteren Stellungnahmen bekräftigt und mit empirischen Angaben illustriert (vgl. Heisler 1979). In diesen Ausführungen kommt zunächst eine weitgehende Anerkennung der sozialen Mitbestimmung nach dem Betriebsverfassungsgesetz zum Ausdruck. Sie gilt als ein „sozialstaatlich gebotenes Mittel, die Fremdbestimmtheit des Arbeitnehmers im Arbeitsverhältnis einzuschränken und zu kontrollieren" (Badura/Rittner/Rüthers 1977,109). Der Betriebsrat wird als unabhängiges Repräsentationsorgan der Arbeitnehmer insgesamt befürwortet. Es wird allerdings darauf hingewiesen, daß die Mitbestimmungsbefugnisse des Betriebsrats nicht nur die Arbeitgeberfunktion sondern insbesondere nach den Bestimmungen des Betriebsverfassungsgesetzes von 1972 auch die Unternehmerfunktion betreffen. Die gleichberechtigte Beteiligung des Betriebsrats an der Entscheidung über eine vorübergehende Verkürzung oder Verlängerung der betrieblichen Arbeitszeit, über eine Änderung von Lohnfindungsformen einschließlich der Bestimmung der Geldfaktoren sowie bei Betriebsänderungen über die Ausgestaltung eines Sozialplans greift dieser Argumentation zufolge direkt in die unternehmerische Planungs- und Leitungskompetenz ein. Es wird für verhängnisvoll gehalten, wenn „eine aus wirtschaftlichen Gründen notwendige Betriebsstillegung unterbleibt, da die damit verbundenen Belastungen durch den geforderten Sozialplan für die Unternehmen nicht mehr tragbar sind" (Heisler 1979, 137). Die Bestimmungen des Mitbestimmungsgesetzes von 1976 betreffen explizit die wirtschaftliche Mitbestimmung auf Unternehmensebene. Nach Ansicht der

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Unternehmer ist dem Aufsichtsrat mitbestimmter Unternehmen nunmehr eine funktionelle Parität' gegeben. Die Position des Aufsichtsratsvorsitzenden, dessen Besetzung die Seite der Anteilseigner bestimmen kann, ist zwar mit einem doppelten Stimmrecht ausgestattet, doch kann dieses im Interesse einer möglichst reibungslosen Kooperation im Aufsichtsrat nur im Ausnahmefall genutzt werden. Dem Mitbestimmungsgesetz liegt dieser Meinung zufolge ohnehin ein Konfrontationsmodell zugrunde, weil die Mitbestimmungsregelungen eine Blockbildung im Aufsichtsrat begünstigten und befürchten ließen, daß an Stelle sachbezogener Aussprache eine Polarisierung der Meinungsbildung und Interessendurchsetzung erfolge, die die Entscheidungsprozesse verzögere und die Entscheidungsinhalte zum Nachteil des Unternehmens verändere. Es wird in diesem Zusammenhang auf Erfahrungen im Bereich der Montanmitbestimmung hingewiesen, in dem die Vertreter der Arbeitnehmer zusammen mit dem neutralen Mann in der Investitionspolitik gegen die Seite der Anteilseigner Kapazitätsausweitungen durchgesetzt hätten, ohne das Risiko solcher Investitionen richtig einzuschätzen. Die Zustimmung zu notwendigen Rationalisierungsinvestitionen aber hätten die Arbeitnehmervertreter häufig davon abhängig gemacht, „daß im weitesten, oft exzessiven Umfang, die sozialen Erfordernisse berücksichtigt werden" (Heisler 1979, 146). In der Investitionspolitik wird aber ebenso wie in der Besetzung der Vorstandspositionen ein Hauptansatzpunkt für eine verstärkte Einflußnahme der Arbeitnehmerseite nach den neuen Mitbestimmungsformen gesehen. Zur Beurteilung gesetzlicher Mitbestimmungsbefugnisse der Arbeitnehmer wird darüber hinaus auf die möglichen Verschränkungen zwischen den verschiedenen Einflußebenen verwiesen. Danach besteht ein Sachzusammenhang unternehmensbezogener Mitbestimmungsrechte durch die gleichzeitige Wirkung der paritätischen Befugnisse auf Betriebs- und Unternehmensebene nach den Bestimmungen des Betriebsverfassungs- und Mitbestimmungsgesetzes. Dieser Zusammenhang kann durch personelle Verflechtungen verstärkt werden, etwa dadurch, daß der Betriebsratsvorsitzende gleichzeitig Arbeitnehmervertreter im Aufsichtsrat ist. Die besondere Aufmerksamkeit der Unternehmer gilt allerdings Formen einer Koordination betriebs- und unternehmensbezogener Mitbestimmungsbefugnisse durch die Gewerkschaften, da diese als Tarifpartner auf einer dritten Einflußebene über paritätische Einflußmöglichkeiten verfügen. Es wird darauf hingewiesen, daß Betriebsräte ihre betriebsverfassungsrechtlich fundierten Einflußmöglichkeiten für die tarifpolitischen Zielsetzungen der Gewerkschaften instrumentalisieren können (Heisler 1979, 136). Vor allem aber wird befürchtet, daß die institutionalisierten Konfliktregelungsformen der Mitbestimmung auf Unternehmensebene und der auf dem Gegengewichtsprinzip aufbauenden Tarifautonomie miteinander konkurrieren können. Der Einfluß des mitbestimmten Aufsichtsrats auf die Unternehmensvorstände in tarif- und koalitionspolitischen Angelegenheiten gefährdet dieser Meinung nach die Gegnerunabhängigkeit der Tarifparteien und führt zu einem Funktionsverlust der Tarifautonomie.

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Das Bundesverfassungsgericht hat die Frage, ob die Bestimmungen des Mitbestimmungsgesetzes von 1976 mit dem Grundgesetz vereinbar sind, bejaht. Es hat nicht feststellen können, daß die neuen gesetzlichen Bestimmungen etwa eine Funktionsunfähigkeit des Tarifvertragssystems zur Folge hätten. Wohl aber hat es eingeräumt, daß „Interessenkollisionen und Überschneidungen . . . den Funktionen des Tarifsystems oder auch der Mitbestimmung abträglich sein (können)", so etwa dadurch, „daß das Vorstandsmitglied eines Unternehmens in einer Tarifkommission Mitglieder des Aufsichtsrats seines Unternehmens zum Gegenüber hat, die über seine Wiederwahl mitzubestimmen haben." (Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts 1979 Nr. 26, 377).

7. Empirische Befunde Verallgemeinerungsfähige Aussagen zum Unternehmer- und Arbeitgeberhandeln in bezug auf die Mitbestimmung der Arbeitnehmer sind kaum möglich. Kotthoff stellt im Anschluß an seine Untersuchung über ,Betriebsräte und betriebliche Herrschaft' (1981) einen starken Einfluß der Variablen , Besitzverhältnisse' und , Betriebsgröße' auf die Art der betrieblichen Partizipationsmuster fest (s. Bergmann, Teil 1, II und Gaugier, Teil 1, IV). Besonders in kleinen und mittelgroßen Betrieben (bis 600 Arbeitnehmer), die unter starkem persönlichen Einfluß des Eigentümerunternehmers stehen, sind dieser Untersuchung zufolge „restriktive betriebliche Autoritätsmuster" vorzufinden. Die Chancen „symmetrischer Partizipation" wachsen in größeren Betrieben, wenn es gewerkschaftlichen Vertrauensleuten gelingt, die Arbeitnehmer auf entsprechende Wertvorstellungen zu verpflichten (Kotthoff 1981, 248). Aber auch Systematisierungen auf der Grundlage von Betriebsgrößen sind nur bedingt möglich. So stellt Rancke in einer ,Analyse von Organisation und Formen der betrieblichen Arbeitnehmermitbestimmung in der Praxis von Großunternehmen und Konzernen' (1982) fest, daß es für den realen Ablauf unternehmerischer Entscheidungsfindung in mitbestimmungsrelevanten Sachverhalten einen einheitlichen Typus ,des Großunternehmens' nicht gibt. Vielmehr passen sich die Entscheidungsstrukturen an unterschiedliche Organisationsstrukturen an und transzendieren häufig rechtlich vorgegebene Vertretungsformen, wie etwa bei der Institutionalisierung periodischer Gesprächskreise zwischen Arbeitgebern und Betriebsräten, einem „Mitbestimmungsmanagement", das sich als das „Koordinations- und Konfliktlösungsorgan auf betrieblicher und unternehmerischer Ebene schlechthin" (ebd., 599) zu bewähren scheint. Bevor tatsächliche Auswirkungen neuer Mitbestimmungsformen auf Unternehmensebene beurteilt werden können, muß zunächst das Ausmaß der Einflußnahme des Aufsichtsrats auf Vorstandsentscheidungen in mitbestimmten Unternehmen festgestellt werden. Steinmann/Gerum sehen in dem Zustimmungsvorbehalt des Aufsichtsrats zu bestimmten wegen ihrer Größe und präjudiziellen Wirkung bedeutsamen Vorstandsgeschäften die wesentliche mitbestimmungsrelevante Entscheidungskompetenz. Damit wird eine mögliche Prägung des Entschei-

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dungsverhaltens des Vorstands durch die Personalhoheit des Aufsichtsrats allerdings aus dem Untersuchungsfeld ausgegrenzt. Den Untersuchungsergebnissen zufolge existieren bei einem Drittel der mitbestimmten Aktiengesellschaften überhaupt keine schriftlichen Vereinbarungen über zustimmungspflichtige Geschäfte. Aber auch für die anderen Unternehmungen befinden die Autoren, „daß von einer formal abgesicherten Möglichkeit des mitbestimmten Aufsichtsrats, auf das unternehmenspolitische Entscheidungsfeld umfassend einzuwirken, kaum die Rede sein kann. Abgesehen von Beteiligungsgeschäften und Entscheidungen über Zweigniederlassungen bleibt die Entscheidungsautonomie des Vorstands fast unberührt" (1980, 6).

8. Unternehmerische Autonomie und Mitbestimmung der Arbeitnehmer in der Schweiz Die schweizerischen Unternehmer unterstützen die Beibehaltung der bisherigen Regelung der Arbeitsbeziehungen, in denen auf rechtsverbindliche Formen repräsentativer Mitbestimmung der Arbeitnehmer verzichtet wird. Zur Begründung ihrer Einstellung verweisen die Unternehmer einmal auf die gegenüber der Bundesrepublik Deutschland unterschiedliche gesellschaftsrechtliche Form der Unternehmensleitung. Eine Mitbestimmung auf Unternehmensebene in der Schweiz wäre sehr viel weitgehender, da der dortige Verwaltungsrat sowohl die Funktionen des Vorstands als auch die des Aufsichtsrats deutscher Kapitalgesellschaften wahrnimmt. Vor allem aber betonen die Unternehmer die Notwendigkeit, durch einen Verzicht auf wirtschaftliche Mitbestimmung dem Prinzip autonomer unternehmerischer Verantwortung weiterhin zu entsprechen. Die Unternehmer fördern auf Betriebsebene die Bildung von Arbeiter- und Betriebskommissionen, weil sich diese „als Institutionen partnerschaflicher Auseinandersetzung bewährt (haben)" (Allenspach 1972,106). Die Aufgabe dieser Kommissionen, die häufig auch als Ergebnis tarifvertraglicher Vereinbarungen gebildet werden, liegt in einer beratenden Tätigkeit im personellen und sozialen Bereich sowie in der Wahrnehmung von Informationsbefugnissen. Eine Mitwirkung in wirtschaftlichen Fragen ist die Ausnahme (Boldt 1976, 15). Allerdings betonen die schweizerischen Unternehmer, daß auch fakultative repräsentative Beteiligungsformen nicht geeignet seien, einem wachsenden Bedürfnis nach persönlichem, aktiven Mitgestalten zu entsprechen. Hierzu seien vielmehr moderne Führungsmethoden anzuwenden und weiterzuentwickeln, mit denen eine Delegation von Kompetenz und Verantwortung bei gleichzeitiger Integration in den Betrieb erreicht werden soll.

9. Unternehmerische Autonomie und Mitbestimmung der Arbeitnehmer in Österreich Im Unterschied zur Schweiz sind die Arbeitsbeziehungen in Österreich durch gesetzliche Befugnisse auf Betriebsebene und zentralisierte Kooperationsformen

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der Arbeitgeber- und Arbeitnehmerverbände (Sozialpartnerschaft) gekennzeichnet. Hierdurch ergeben sich weitergehende Eingriffe in die Dispositionsbefugnisse des Arbeitgebers und in die unternehmerische Entscheidungsautonomie. Auf der Grundlage des Arbeitsverfassungsgesetzes, das am 1. Juli 1974 in Kraft trat, haben die seit dem Betriebsrätegesetz von 1947 obligatorischen Betriebsräte erhebliche Mitwirkungsmöglichkeiten. So ist die Zustimmung des Betriebsrats notwendig bei dauerhaften Versetzungen von Arbeitnehmern, sofern damit eine Verschlechterung der Lohn- oder Arbeitsbedingungen verbunden ist, sowie bei Einstellungen und Kündigungen. Es handelt sich also um Zustimmungsbefugnisse, die aus der betrieblichen Sphäre in den unternehmerischen Bereich hineinragen, und eine entsprechende Einschränkung unternehmerischer Autonomie bedeuten. In Betrieben mit mehr als 200 Arbeitnehmern hat der Betriebsrat ein Einspruchsrecht gegen unternehmerische Entscheidungen, die Betriebsänderungen, Änderungen des Betriebszwecks, Änderungen der Rechtsform und Eigentumsverhältnisse sowie Rationalisierungsmaßnahmen bedingen. Im Falle einer Nichteinigung wird zunächst eine von den Interessenverbänden paritätisch besetzte Schlichtungsstelle tätig. Daraufhin kann der Betriebsrat in Betrieben mit mehr als 400 Arbeitnehmern noch eine staatliche Wirtschaftskommission anrufen. Allerdings konnte im Gesetzgebungsprozeß eine Regierungsvorlage, die die Möglichkeit einer staatlichen Zwangsschlichtung durch diese Kommission vorsah, noch dahingehend geändert werden, daß die Kommission lediglich in einem nicht rechtlich verbindlichen Gutachten über die Berechtigung des Einspruchs des Betriebsrats befindet, so daß „dem Betriebsinhaber letztlich doch die alleinige Entscheidung über die oben erwähnten einschneidenden Maßnahmen der Betriebsführung zukommt" (Stadler 1974, 151).

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II. Akteure im System der Arbeitsbeziehungen

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Arbeitgeberverbände Franz

Traxler

1. Gesellschaftliche Rahmenbedingungen der Organisierung von Arbeitgebern Im Vergleich zu den Gewerkschaften, deren Analyse das Thema einer mittlerweile nahezu unüberschaubaren Literatur bildet (s. Bergmann, Teil 1, II), haben Arbeitgeberverbände (AGV) im Rahmen der theoretischen ebenso wie der empirischen Forschung unverhältnismäßig geringe Beachtung gefunden. Für dieses Defizit lassen sich sowohl forschungspragmatische als auch -strategische Gründe anführen. Zum einen gestaltet sich für die Forschung der Zugang zu AGV im Regelfall schwieriger als zu Gewerkschaften. Während z. B. die Gewerkschaften über Mitgliederstand und Finanzen in ihren Jahresberichten zu informieren pflegen, tendieren Unternehmerverbände eher dazu, diese Daten unter Verschluß zu halten 1 . Zum anderen ist es auch der eigentümliche Status der Gewerkschaften, gleichzeitig als „Ordnungsfaktor" und „Gegenmacht" in der Gesellschaft zu wirken (z. B. Müller-Jentsch 1981; Schmidt 1971; Zoll 1976), durch den sie ihre besondere Attraktivität für die sozialwissenschaftliche Forschung beziehen. Hingegen gilt in bezug auf AGV sogar ihre Relevanz als interessenpolitische Kraft als nicht unbestritten: „Die Kapitalisten sind immer organisiert. In den meisten Fällen brauchen sie keinen formellen Verband, keine Statuten, keine Funktionäre etc. Ihre im Vergleich zu den Arbeitern geringe Zahl, der Umstand, daß sie eine besondere Klasse bilden, ihr ständiger gesellschaftlicher und geschäftlicher Verkehr untereinander machen das alles überflüssig" (Engels 1881/1969, 256). Diese Einschätzung findet auch in den marxistisch orientierten Ansätzen zur Theorie der Arbeitsbeziehungen ihren Niederschlag. So konzentriert etwa Hyman (1975) seine Analyse zur Unternehmerseite im System der Arbeitsbeziehungen nicht etwa auf „Employers" oder „Employers' Organizations" sondern auf „Capital and Industrial Relations". AGV werden im Rahmen dieses theoretischen Bezugsrahmens allenfalls als ephemere Faktoren im Prozeß der Durchsetzung von Kapitalinteressen betrachtet. Erklärungsbedürftig bleibt dann freilich, worauf unter diesen Bedingungen die Existenz von AGV gründet. Warum sollten Unternehmer ihre Ressourcen in ein objektiv belangloses Projekt investieren?2 Gerade in bezug auf Unternehmer wäre ein solches Organisationsverhalten unwahrscheinlich. Akzeptiert man die Annahme, daß das Handeln von Unternehmern durch einen tendenziell höheren Grad an ökonomischer Rationalität gekennzeichnet ist als von anderen Akteuren, so steht zu erwarten, daß sie 1

Hinweise zu diesen Erhebungsproblemen finden sich u. a. bei Simon (1976, 64), Smekal (1969,

2

Vgl. zu diesem Einwand im einzelnen Schmitter/Streeck (1981, 3 ff.).

10).

52

Teil 1: Strukturen der Arbeitsbeziehungen

auch den Nutzen ihrer Verbände an strengeren Maßstäben bemessen. Eine empirische Studie zur verbandlichen Organisation von Unternehmern in der chemischen Industrie Österreichs erbrachte einige Hinweise dafür, daß von Großkonzernen die Mitgliedschaft in Verbänden als ein Aktionsparameter der Unternehmensführung analog z. B. der Absatzpolitik gehandhabt wird (Traxler 1983 a, 84). In einem der in die Erhebung einbezogenen Konzerne wird über die Mitgliedschaft in Verbänden alle zwei Jahre aufs neue entschieden. Auf der Grundlage der Berichte der Bereichsleiter wird eine Art von KostenNutzenanalyse durchgeführt, deren Ergebnis die Richtschnur für die Mitgliedschaftspolitik bildet. In einem anderen Konzern orientiert sich die Mitgliedschaftspolitik am Prinzip der Kostenminimierung. Die Mitgliedschaft in relevanten Verbänden teilen sich die Tochterfirmen untereinander auf. Diese kalkulative Orientierung steht in Zusammenhang mit jenen Verhaltensimperativen, wie sie Unternehmen durch das Konkurrenzverhältnis als Erfolgsbedingung privater Akkumulation auferlegt sind. Zwar stehen auch die abhängig Beschäftigten in Konkurrenz zueinander; sie sind allerdings durch ihre Kooperation im Produktionsprozeß in einen Vergesellschaftungsmechanismus eingebunden, der der Desolidarisierung des Konkurrenzverhältnisses entgegenwirkt. Im Gegensatz zu den abhängig Beschäftigten verfügen Unternehmer über sachliche, in ihren Dispositionsspielräumen angelegte Alternativen zum kollektiven Interessenhandeln am Arbeitsmarkt. Unter diesen Alternativen der Interessendurchsetzung gegenüber den abhängig Beschäftigten fallt den betrieblichen Rationalisierungsmaßnahmen eine Schlüsselrolle zu. Sie stellen nicht nur ein Mittel zur Effizienzsteigerung des Arbeitsvermögens, sondern auch zur Autonomisierung von der Arbeitskraft durch Freisetzung bzw. durch den Ausbau der sozialen Kontrolle dar (Bravermann 1977). Insofern Rationalisierungsmaßnahmen den Unternehmern durch das Konkurrenzverhältnis aufgenötigt werden, wird dieses selbst zum Hebel einer naturwüchsig sich vollziehenden Durchsetzung von Kapitalinteressen. Gemeinsam ist all diesen Bestimmungen betrieblicher Handlungsstrategien, daß von ihnen einerseits assoziationshemmende Wirkungen ausgehen und daß sie andererseits auf gesellschaftsstrukturell bedingte Besonderheiten in der Formierung und Durchsetzung von Arbeitgeberinteressen verweisen. Zur Logik kollektiven Unternehmerhandelns lassen sich daraus zwei Schlüsse ziehen: Wenn trotz dieser Hemmnisse sich Arbeitgeber zusammenschließen, so ist dies zum einen Indiz dafür, daß ihre besondere gesellschaftliche Stellung kollektives Handeln a priori keineswegs erübrigt. Zum anderen bleibt festzuhalten, daß infolge der je spezifischen gesellschaftlichen Stellung von Lohnarbeit und Kapital die Option kollektiven Interessenhandelns für die beiden Arbeitsmarktparteien einen unterschiedlichen Stellenwert besitzt (Offe/Wiesenthal 1980; Traxler 1980). Dies impliziert im Hinblick auf die Konstitutions- und Funktionsbedingungen von AGV, daß sich für sie jene bestandsrelevanten Probleme der Rekrutierung von Mitgliedern, der Vereinheitlichung ihrer Interessen und der

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Sicherung ihrer Folgebereitschaft, die (Tarif)Verbände generell kennzeichnen, in einer der gesellschaftlichen Stellung ihrer Mitglieder entsprechend spezifischen Weise stellen. Unter diesem doppelten, organisations- und gesellschaftstheoretischen Blickwinkel sollen im folgenden die AGV betrachtet werden.

2. Verbandsfunktionen und Mitgliedschaft Der Zusammenhang zwischen Verbandsfunktionen und Mitgliedschaft liegt auf der Hand: Nur in dem Maß, in dem Verbände für ihre (potentiellen) Mitglieder relevante Leistungen erbringen, sind sie imstande, ihre Rekrutierungs- und Integrationsprobleme zu lösen. Sie erhalten für die AGV ihre spezifische Ausformung durch die systemisch über die Konkurrenzbewegung sich vollziehende Durchsetzung von Kapitalinteressen. Wenn Arbeitgeber über wirksame Alternativen der Interessendurchsetzung verfügen, so stellt sich die Frage, aus welchen Gründen und unter welchen Bedingungen sie auf die Option kollektiven Handelns zurückgreifen. Anders formuliert: Im Hinblick auf welche Funktionen sind AGV für Unternehmer nicht „überflüssig"? Betrachtet man die historische Entwicklung der AGV, so ist ihre ursprüngliche Funktion die von Antistreik- bzw. Antigewerkschaftsvereinen (s. a. Weitbrecht/ Berger, Teil 3). Dem Präfix „Anti" kommt in diesem Zusammenhang sowohl ein zeitlicher als auch ein sachlicher Bedeutungsgehalt zu. In zeitlicher Hinsicht vollzog sich die Konstitution der Arbeitgeberverbände etwa ab 1890. Wie eng die Entwicklung der Organisierung der Arbeitgeber an jene der abhängig Beschäftigten rückgebunden war und durch deren Tempo bestimmt wurde, zeigt der zyklenförmige Verlauf der Verbandsgründungen. Zu „Organisierungsschüben" auf Arbeitgeberseite kam es regelmäßig in wirtschaftlichen Aufschwungphasen, in deren Verlauf die Marktmacht der Gewerkschaften und damit auch die Häufigkeit von Streiks zunahmen (Rampelt 1979, 22 f.; Simon 1976, 25). Dieser grundsätzlich reaktive Charakter von Arbeitgeberverbänden ist Ausdruck der asymmetrischen Durchsetzungschancen auf dem Arbeitsmarkt (Offe/Hinrichs 1977). Insofern die Nachfrager nach Arbeitskräften über strukturell günstigere Ausgangsbedingungen als die Anbieter verfügen, besteht für sie auch keine Veranlassung, kollektive Strategien zu entwickeln, solange sie nicht mit Koalitionen der Arbeiter konfrontiert werden. Kollektives Handeln ist für Arbeitgeber insbesondere dann geboten, wenn sie auf firmenübergreifende Arbeiterkoalitionen treffen. Indem diese ein größeres Arbeitsmarktsegment kontrollieren, befinden sie sich gegenüber dem einzelnen Unternehmer in strategischem Vorteil. Dieser vermag den koordiniert gesetzten Schwerpunktaktionen von Gewerkschaften, die sich auf zentrale Streikfonds stützen können und unter Beachtung der konjunkturellen Lage in Angriff genommen werden, nur wenig entgegenzusetzen. Sachlich zielten daher die kollektiven Bemühungen der Arbeitgeber darauf ab, die Beziehungen zwischen Anbietern und Nachfragern auf dem Niveau

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Teil 1: Strukturen der Arbeitsbeziehungen

individueller Austauschbeziehungen zu halten. Durch das Führen schwarzer Listen und den Aufbau von Arbeitsvermittlungssystemen sollte die organisatorische Basis der Gewerkschaften erodiert, durch die Ausweitung von Arbeitskämpfen vermittels großflächiger Aussperrungen ihrer Konfliktfähigkeit die finanzielle Grundlage entzogen werden (Klenner 1951, 290 ff.). Verhandlungen mit den Gewerkschaften wurden als unzulässige Gleichstellung von Arbeitern und Unternehmern abgelehnt (Ullmann 1977, 171 ff.). Zu einer allmählichen Abkehr von dieser Repressionsstrategie führte nicht allein der Druck der Gewerkschaften, sondern auch Veränderungen in den Reproduktionsbedingungen des Kapitals. Es waren externe und interne Pazifizierungserfordernisse, die die Arbeitgeberseite zur Akzeptierung des Tarifvertragssystems veranlaßten und damit die „Institutionalisierung des Klassengegensatzes" (Geiger 1949) einleiteten. — Zum einen erhöhte sich im Zuge der Produktivkraftentwicklung die Kapitalintensität der Produktion, wodurch die Empfindlichkeit gegenüber Friktionen im Fertigungsprozeß zunimmt. Insofern die Sicherung des sozialen Friedens eine Grundvoraussetzung für die Aufrechterhaltung einer störungsfreien Produktion bildet, entspricht es diesen veränderten ökonomischen Erfordernissen, von der Repressions- auf die Verhandlungsstrategie umzuschwenken. Das Zielsystem der Arbeitgeberverbände erfahrt dadurch eine Modifizierung. Nach Maßgabe der Dringlichkeit dieser Pazifizierungserfordernisse sind die Abwehr von Lohnforderungen und von Eingriffen in Managementprärogative mit den damit verbundenen Konfliktkosten abzuwägen. — Zum anderen bildete der Abschluß von Tarifverträgen eine Umwegstrategie zur Regulierung der Preise. Dadurch wurden Tarifbeziehungen vor allem in den stark fragmentierten Branchen wie z. B. dem Druckgewerbe, in denen anders als in der Großindustrie direkte Absprachen nicht durchgesetzt werden konnten, initiiert (Erd/Müller-Jentsch 1976, 18 ff.; Gruner 1983, 335; Volkmann 1979, 433). Die Eindämmung der Preiskonkurrenz durch Tarifvereinbarungen wurde letztlich durch die wohlorganisierten Facharbeitergewerkschaften garantiert, die z. B. im Rahmen ihrer Arbeitsvermittlung über wirksame Sanktionsmittel verfügten. Ein Beispiel für die quasi-kartellarische Funktion der frühen Tarifverträge ist die 1913 zwischen dem Verband der Bauarbeitgeber für die Länder der böhmischen Krone und dem Verband der böhmischen Metallarbeiter für die Prager Installateure vereinbarte Klausel, der zufolge die Arbeiter bei Nichtmitgliedern des Arbeitgeberverbandes zu einem höheren Lohn arbeiten sollten als bei dessen Mitgliedern (Traxler 1982, 49). Wenn die Bildung von Arbeiterkoalitionen auch für die Arbeitgeber kollektive Arbeitsmarktstrategien grundsätzlich zweckmäßig werden läßt, so sind diese auf breitester Basis zu organisieren, sofern mit dem Tarifvertrag auch eine Regulierung der Konkurrenz der Unternehmer untereinander herbeigeführt

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werden soll. Inwieweit die Vereinheitlichung der Konkurrenzbedingungen gelingt, hängt davon ab, wieviele Konkurrenten der Geltung des Tarifvertrages unterliegen. 3 Auch aus einem zweiten Grund besteht auf Arbeitgeberseite ein Interesse an möglichst umfassenden Tarifabschlüssen. Da Gewerkschaften aus Gründen der Beschäftigungssicherung im Regelfall dazu gezwungen sind, auf die schwächeren Unternehmen Bedacht zu nehmen, erhalten sie umso weniger Gelegenheit, überdurchschnittliche Lohnerhöhungsspielräume in einzelnen Unternehmen bzw. Branchen abzuschöpfen, je umfassender der sachliche und territoriale Geltungsbereich des Tarifvertrages ist. Neben ihrer klassischen Tariffunktion haben AGV im Lauf ihrer Entwicklung weitere Vertretungsaufgaben übernommen. Dazu zählen die Einflußnahme auf die Formulierung der Arbeits- und Sozialgesetzgebung und die Mitwirkung an ihrer Vollziehung im Rahmen der Arbeits- und Sozialgerichtsbarkeit sowie in den Selbstverwaltungsorganen der Sozialversicherung. Einen weiteren Arbeitsschwerpunkt bilden Public-Relations-Aktivitäten (Simon 1976, 145 ff.). In diesen Tätigkeitsfeldern teilen die AGV den Adressatenkreis ihrer Interessenvertretung mit den Wirtschaftsverbänden, die sich im Zusammenhang mit ihren wirtschaftspolitischen Repräsentationsfunktionen an Staatsinstanzen und Öffentlichkeit wenden. Entsprechend den Probleminterdependenzen zwischen wirtschafts- und sozialpolitischen Fragen fungieren viele Unternehmerverbände sowohl als Arbeitgeber- als auch als Wirtschaftsverband. In der Bundesrepublik werden vor allem auf der Ebene der Landesfachverbände beide Funktionsbereiche gemeinsam wahrgenommen (Rampelt 1979, 6). Hingegen sind die übergeordneten Dachverbände der einzelnen Branchen z. T. funktional spezifiziert. Als branchenübergreifende Spitzenorganisation besteht für Arbeitgeberinteressen die Bundesvereinigung der Deutschen Arbeitgeberverbände (BDA); für Wirtschaftsverbände sind mehrere, bestimmte Wirtschaftszweige umfassende Spitzenorganisationen eingerichtet (Simon 1976, 57 f.). Ein ähnliches, wenngleich weniger differenziertes System der Arbeitsteilung zwischen den Unternehmerverbänden existiert in der Schweiz (Zentralverband 1983, 23 f.). In Österreich werden beide Funktionen durch die Kammern der gewerblichen Wirtschaft wahrgenommen, die damit nahezu alle relevanten interessenpolitischen Aktivitäten auf Unternehmerseite in sich vereinigen (Mitic/Klose 1966). Die übrigen Arbeitgeber- bzw. Wirtschaftsverbände erfüllen primär zur Tätigkeit der Kammern komplementäre Aufgaben. Die Konstitution von AGV ist nicht nur eine Frage der spezifischen Kooperationserfordernisse zur Durchsetzung von Arbeitgeberinteressen, sondern auch ein für Interessenverbände generell bestehendes Problem der KooperationsAereitschaft der Interessenten. Der kollektive Charakter der Ziele von Interessen3

Insofern ist es kein Zufall, daß auch in bezug auf die Verallgemeinerung der Geltung der Tarifverträge das Druckgewerbe eine Vorreiterfunktion übernahm. Bereits 1873 trat in Deutschland, 1896 in Österreich ein Reichstarifvertrag für diesen Wirtschaftszweig in Kraft (Deutsch 1908, 11; Ullmann 1977, 61 ff.).

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Teil 1: Strukturen der Arbeitsbeziehungen

verbänden bringt es mit sich, daß auch diejenigen am Nutzen der Zielerreichung partizipieren, die sich nicht an den dabei anfallenden Kosten beteiligen. Z. B. nehmen am Erfolg eines AGV in der Abwehr von Eingriffen in Dispositionsrechte des Management Organisierte wie Nichtorganisierte in gleicher Weise teil. Im Einklang mit den Kriterien ökonomischer Rationalität besteht daher für den einzelnen Interessenten die optimale Strategie darin, sich nicht zu organisieren (Olson 1968). Unter diesen Bedingungen fallt selektiven, d. h. zwischen Mitgliedern und Nichtmitgliedern differenzierenden Leistungen eine Schlüsselfunktion in bezug auf die Konstitution und den Bestand von AGV zu. Dabei können diesen Leistungen sowohl positive als auch negative Anreize zugrundeliegen. Der historisch älteste Beitrittsanreiz ist die Unterstützung der Mitglieder in Arbeitskämpfen durch den hierfür gebildeten Verbandsfonds. In Ergänzung dazu bieten die AGV der Gegenwart eine breite Palette von Serviceleistungen an, zu denen u. a. die Beratung in arbeits- und sozialrechtlichen Angelegenheiten sowie diverse Informationsdienste (z. B. zur wirtschaftspolitischen Entwicklung) zählen (Rampelt 1979, 32 f.; Schmölders 1965, 283). In geringerem Maß sind negative Anreize disponibel. Dies liegt daran, daß AGV in der Regel über keine autonomen Zwangsmittel verfügen. Denkbar wäre es z. B., daß große Mitgliederfirmen aufgrund ihrer wirtschaftlichen Beziehungen zu anderen nichtorganisierten Unternehmen auf diese Druck ausüben, um sie zum Beitritt zu bewegen. In diesem Fall handelt es sich allerdings nicht eigentlich um ein Sanktionsmittel des Verbandes sondern seiner Mitglieder. Eine Alternative besteht darin, Zwangsmittel aus der externen Verbandsumwelt zu beziehen. Am ehesten vermag der Staat Verbände mit solchen Organisationshilfen zu belehnen. Durch die staatliche Normierung der Zwangsmitgliedschaft — wie dies in Österreich für die Kammern der gewerblichen Wirtschaft geschah — können mit einem Schlag alle Rekrutierungsprobleme gelöst werden. Wie der oben erwähnte Tarifvertrag für die Prager Installateure zeigt, ist auch die Indienstnahme gewerkschaftlicher Organisationsmacht nicht prinzipiell ausgeschlossen. Seine Differenzierungsklausel zum Lohnniveau in Mitglieds- und Nichtmitgliedsfirmen ist für die Mitgliedsfirmen ebenso ein Mittel zur Eindämmung der Konkurrenz wie für den betreffenden AGV ein Instrument der Mitgliederrekrutierung. Geht man von den Schätzungen zum Organisationsgrad von AGV aus, so gestaltet sich für sie die Mitgliederrekrutierung weniger problematisch als für die Gewerkschaften. Obwohl sich die Arbeitgeber erst mit einiger zeitlicher Verzögerung nach den abhängig Beschäftigten zusammmenschlossen, konnten sie die Gewerkschaften noch vor dem Ersten Weltkrieg an organisierter Kampfkraft überflügeln. Im Deutschen Reich beschäftigten bereits 1907 die Mitglieder der AGV 34,6% der in Handel und Industrie tätigen Arbeiter, deren gewerkschaftlicher Organisationsgrad nur 22% betrug (Groh 1973, 103). In Österreich beschäftigten die dem Bereich der Hauptstelle industrieller Arbeitge-

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berorganisationen angeschlossenen Firmen 1912 ca. 800 000 Personen, während die Gewerkschaften rund 600000 Mitglieder umfaßten (Deutsch 1929, 439). Die in Tabelle 1 zusammengefaßten Schätzwerte lassen den Schluß zu, daß die deutschen AGV ihren Organisationsvorsprung bis in die Gegenwart halten konnten. 4 Tab. 1: Organisationsgrad von Gewerkschaften und Arbeitgeberverbänden der Bundesrepublik (ausgewählte Branchen und Verbände)

Gewerkschaft

Organisationsgrad (in %)

Organisationsgrad (in %) Arbeitgeberverband Firmen

Beschäftigte

IG Chemie-PapierKeramik (1976)

54,1

Arbeitsring der Arbeitgeberverbände der Deutschen chemischen Industrie (1980)*

100

100

IG Metall (1976)

52,9

Gesamtverband der metallindustriellen Arbeitgeberverbände (Gesamtmetall) (1975)

34

73

IG Druck u. Papier (1976)

42,7

Bundesverband Druck (BVD) (1976)

75

über 80

Gewerkschaften insgesamt (DGB u. DAG) (1975)

36,6

Bundesvereinigung der Deutschen Arbeitgeberverbände (BDA) (1973)

80

* Exklusive Kautschuk, KunststofTfverarbeitung, Mineralöl, Asbestzement Quellen: Projektgruppe Gewerkschaftsforschung (1979, 74,156); Simon (1976,113); Streeck (1981, 470); Zeitschrift für Organisation (5/1980, 288).

Wie die Differenz zwischen dem Organisationsgrad der Firmen und der durch sie beschäftigten Arbeitnehmer erkennen läßt, ist die Organisierungsbereitschaft in den — gemessen am Beschäftigtenstand — größeren Unternehmen stärker ausgeprägt.

3. InteressenVereinheitlichung und Organisationsstruktur Interessenvereinheitlichung ist eine Grundprämisse kollektiven Handelns. Nur wenn der Verband imstande ist, die Interessen seiner Mitglieder in gemeinsame Ziele zu transformieren, ist er nach außen hin aktionsfahig. Obwohl der Zielbildungsprozeß von AGV im Gegensatz zu Gewerkschaften nicht die Dialektik von Ordnungs- und Gegenmachtfunktionen in sich aufzunehmen hat, sind auch die Interessen der Arbeitgeber keineswegs homogen. Innerhalb der 4

Da in Österreich die Mehrzahl der Tarifverträge durch die Kammern abgeschlossen werden, beträgt der Organisationsgrad der Arbeitgeberseite in diesen Fällen 100%.

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Teil 1: Strukturen der Arbeitsbeziehungen

Unternehmerschaft bestehen vielfaltige Interessendifferenzierungen, die u. a. an Unterschieden in bezug auf Branche, Region, Betriebsgröße, Lohnkostenanteil usf. anknüpfen. Es sind vor allem zwei Randbedingungen interner Entscheidungsfindung, die den AGV die Interessenvereinheitlichung erschweren. Erstens verfügen Unternehmer durch das betriebliche Rechnungswesen über genauere Kenntnisse ihrer Einzelinteressen als abhängig Beschäftigte. Dies verringert die verbandsinternen Kompromißspielräume. Zweitens verfügen die Mitglieder nicht nur über sachliche, sondern auch über soziale Alternativen zur kollektiven Interessendurchsetzung: Anders als Gewerkschaften unterliegen die AGV dem Risiko, daß tarifpolitische Aktivitäten von der kollektiven Ebene auf die „private" Ebene des Interessenhandelns verlagert und dadurch die Grundlagen ihres Bestandes ausgehöhlt werden. Das klassische Beispiel für die Verlagerung der Arbeitsbeziehungen auf die Betriebs- und Firmenebene ist Großbritannien. So wurden z. B. 1980 in der chemischen Industrie nur für 19% der Arbeitnehmer die Arbeitsbedingungen firmenübergreifend geregelt. Innerhalb der Chemical Industries Association als dem maßgebenden AGV wird zwischen „conforming members" und „non-conforming members" unterschieden. Ein Mandat zum Abschluß von Tarifverträgen besitzt der Verband nur für „conforming members" (Grant o. J., 10 ff.). Auch wenn die Mitglieder von dieser tarifpolitischen Option keinen Gebrauch machen, erwächst ihnen allein aus deren prinzipieller Verfügbarkeit eine beträchtliche Vetomacht. Sowohl sachlich (aufgrund des hohen Informationsstandes der Firmen) als auch sozial (infolge deren Option „privater" Lohnpolitik) erhalten daher die Sonderinteressen einzelner Arbeitgeber(gruppen) ein besonderes Gewicht, das die Entstehung von Verbänden mit partikularistischer Zielsetzung begünstigt. Denn je enger die Domäne eines Verbandes, desto homogener wird die interessenpolitische Zusammensetzung seiner Mitglieder, wodurch wiederum der interne Entscheidungsprozeß von Vereinheitlichungsproblemen entlastet wird. Aus diesen Partikularisierungstendenzen ergibt sich insofern ein Dilemma, als aus den oben skizzierten Gründen für die Arbeitgeberseite eine möglichst universelle Tarifpolitik strategisch geboten ist. Ihren organisationsstrukturellen Niederschlag haben diese widersprüchlichen Imperative in der Ausbildung eines horizontal und vertikal stark differenzierten Verbandssystems gefunden. Die Arbeitgeberinteressen, auf deren unmittelbare Artikulation eine Vielzahl von partikularistischen Grundverbänden 5 zugeschnitten ist, werden schrittweise durch die Zugehörigkeit zu immer umfassenderen, eine Hierarchie bildenden (Dach)Verbänden zusammengefaßt. In der Bundesrepublik bestehen nach Schätzungen von Simon (1976, 111) über 800 AGV, von denen die Mehrzahl direkt oder indirekt der BDA zugehören. 1978 zählte die BDA 46 Fach(spitzen)verbände und 12 überfachliche Landes5

Als Grundverbände werden in diesem Zusammenhang Organisationen bezeichnet, die im Gegensatz zu Dachverbänden Firmen organisieren.

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verbände als Mitglied (Rampelt 1979, 5). Fach(spitzen)verbände (wie z. B. Gesamtmetall oder der BVD) repräsentieren die Arbeitgeberinteressen einer gesamten Branche. Innerhalb der BDA sind auf diese Weise sämtliche Sektoren der Privatwirtschaft einschließlich der Landwirtschaft vertreten. Das Hauptkontingent der Fach(spitzen)verbände stellt die Industrie. In der Regel sind die Mitglieder Dachverbände also Fachspitzenverbände. So gehören z. B. Gesamtmetall 14 regionale Arbeitgeberverbände an, von denen ihrerseits einige nicht Firmen, sondern örtliche Arbeitgeberverbände zu Mitgliedern haben. Im BVD sind 11 Landesverbände, deren Mitglieder Firmen sind, zusammengeschlossen (Projektgruppe Gewerkschaftsforschung 1979, 74, 156): Zusammen umfaßten 1978 die 46 Fachspitzen verbände der BDA 348 Mitgliedsverbände (Rampelt 1979, 5). Bei den Landesverbänden (wie z. B. der Vereinigung der Arbeitgeberverbände in Bayern) handelt es sich um branchenübergreifende Dachverbände, deren Mitgliedschaft sich einerseits aus Landesfachverbänden und andererseits aus örtlichen überfachlichen AGV zusammensetzt. Insgesamt gehörten 1978 den Landesverbänden der BDA 460 Mitgliederverbände an. Der Organisation der Arbeitgeberinteressen im Bereich der BDA liegt kein einheitliches Prinzip zugrunde, sondern es sind recht unterschiedliche Varianten von Verbandsmitgliedschaften und Aggregationsschritten instituiert, durch die die Interessenvereinheitlichung geleistet wird.

Abb. 1: Das Verbändesystem der Arbeitgeber in der Bundesrepublik

In der Tarifpolitik beschränkt sich die Rolle der BDA auf die branchenübergreifende Koordinierung der Aktivitäten der Mitgliederverbände. Dabei verfügt sie über keine Eingriffsrechte in die Tarifhoheit der Mitglieder, sondern kann nur über Empfehlungen auf sie einwirken (Simon 1976,113 f.). Als Tarifvertragspartner der Gewerkschaften fungieren vor allem die Landesfachverbände, deren Verhandlungsführung der branchenbezogenen Koordinierung ihrer

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Teil 1: Strukturen der Arbeitsbeziehungen

Dachverbände unterliegt. Der faktische Einfluß der Spitzenverbände in der Tarifpolitik ist daher größer als es die Verteilung der formalen Kontrahierungskompetenzen vermuten läßt. Wie die Untersuchung der Projektgruppe Gewerkschaftsforschung (1979, 262) zur Metall-, Chemie- und Druckindustrie zeigt, kennzeichnet die tarifpolitische Willensbildung der Arbeitgeberseite eine zu jener der Gewerkschaften parallele Zentralisierung. Dem Zentralverband schweizerischer Arbeitgeber-Organisationen waren 1982 insgesamt 35 Branchenarbeitgeberverbände und 35 Regional- bzw. Lokalverbände angeschlossen (Zentralverband 1983, 10). Die Branchenverbände repräsentieren Kapitalgruppen aus Industrie, Handwerk, Handel und dem Dienstleistungsbereich.

* Die Fachorganisation der Sektion Gewerbe werden als Innungen jene des Handels als Gremien bezeichnet.

Tarifverträge werden nicht durch den Zentralverband, sondern durch seine Mitglieder abgeschlossen. Die Aufgabe des Zentralverbandes besteht „in der gemeinsamen Erarbeitung der arbeitgeberpolitischen Haltung" (Zentralverband 1983, 10). Gleich der BDA besitzt er keine Direktionsrechte den Mitgliedern gegenüber. Auf einem einheitlichen, gesetzlich begründeten Organisationsprinzip beruht die Interessenvereinheitlichung im Rahmen der Kammern der gewerblichen Wirtschaft Österreichs. Als mitgliedernächste Einheiten sind auf der Ebene der Bundesländer Fachgruppen eingerichtet. Sie sind einerseits die fachlichen

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Untergliederungen der auf Bundesebene bestehenden Fachverbände und andererseits die regionalen Untergliederungen der Landeskammern. Die Fachverbände gehören ihrerseits der Bundeskammer an. 1980 existierten 824 Fachgruppen und 131 Fachverbände (Traxler 1983 b, 15). Innerhalb der Landeskammern und der Bundeskammer sind die Fachgruppen bzw. -verbände entsprechend ihrer branchenmäßigen Zugehörigkeit in Sektionen zusammengefaßt. Die Mitglieder der Fachgruppen, Fachverbände, Landeskammern und der Bundeskammer sind jene Firmen, die kraft Gesetzes ihrem Organisationsbereich zugehören. Insofern handelt es sich bei ihnen um Grundverbände. Ihre vertikale Integration wird nicht durch die Mitgliedschaft in der jeweils übergeordneten Einheit, sondern durch zwei alternative Mechanismen gesichert. Zum einen wird für den gesamten Kammerbereich die Personalhoheit durch die Bundeskammer wahrgenommen, zum anderen besteht ein verbindliches System des „Interessenausgleichs". Danach sind alle Angelegenheiten, die nicht ausschließlich die Interessen der Mitglieder einer Einheit betreffen, an jene übergeordnete Einheit zu delegieren, deren Zuständigkeitsbereich alle involvierten Interessen umfaßt. Die Autonomie der Landes- und Facheinheiten innerhalb des Kammersystems ist daher geringer als jene der der BDA bzw. dem Zentralverband angeschlossenen Verbände.

* Nur für den Kanton Zürich von Bedeutung Abb. 3: Das Verbändesystem der Arbeitgeber in der Schweiz

Tarifverträge werden nach Maßgabe ihres Geltungsbereichs von der jeweils zuständigen Kammereinheit einschließlich der Bundeskammer abgeschlossen, die zusätzlich in bezug auf die Tarifverhandlungen der nachgeordneten Einheiten Koordinierungsaufgaben erfüllt. Ebenso wie in der Bundesrepublik ist in der Schweiz und in Österreich das Verbandssystem der Arbeitgeber ungleich differenzierter als auf Gewerkschaftsseite6. Der Grund dafür ist nicht, daß in den differenzierungsrelevanten Organi6

Ähnliche Befunde zeigt eine Studie zu den Verhältnissen in den USA (Schmitter/Brand 1979, 29 ff.).

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sationsdimensionen (Branche, Region) die Kapitalinteressen disparater, sondern daß sie auch gegenüber dem eigenen Verband konflikt- und durchsetzungsfähiger sind als die Interessen der Arbeitskraft. Diese besondere Konfliktfähigkeit macht ein komplexes System der Interessenvereinheitlichung erforderlich. Innerhalb dieses strukturellen Rahmens ist die Konsensbildung als Vereinheitlichungsstrategie von umso größerer Bedeutung, als die AGV kaum über Kontrollressourcen zur Sicherung der Folgebereitschaft ihrer Mitglieder verfügen. Aus diesem Grund ergibt sich die Notwendigkeit, Loyalitätskonflikten a priori durch Willensübereinkunft vorzubeugen. Kampfabstimmungen werden tunlichst vermieden (Rampelt 1979, 59 f.). Sieht man von Verwarnungen u. ä. ab, so stehen als verbandsautonome, statutarische Sanktionsmittel vor allem der Ausschluß, seltener der Leistungsentzug zur Disposition (Rampelt 1979, 7). Da der Ausschluß für den Verband selbst nicht unproblematisch ist, wird von ihm nur in Ausnahmefallen Gebrauch gemacht7. Auch die Sanktionsmacht des Entzugs von Serviceleistungen ist infolge deren prinzipieller Substituierbarkeit durch firmeninterne oder externe Dienste begrenzt. Insbesondere Großunternehmen sind gegenüber solchen Maßnahmen weitgehend unempfindlich; umgekehrt sind die Verbände von deren Kooperation in personeller und finanzieller Hinsicht außerordentlich abhängig. Die verleiht ihnen in der internen Willensbildung ein besonderes Einflußgewicht (Külp 1965, 176; Schmölders 1965, 100)8, das z. T. auch durch die Differenzierung des Stimmrechts (z. B. nach Beschäftigten) formalisiert ist (Rampelt 1979, 8 f.). Ähnliche Integrationsprobleme wie gegenüber den Mitgliedern ergeben sich gegenüber den Funktionären. Während Gewerkschaften in dieser Hinsicht an Karriereinteressen anknüpfen können, sind solche Kalküle in AGV irrelevant. Auf Arbeitgeberseite besitzt die firmeninterne Tätigkeit allemal höhere Priorität als die Mitarbeit im Verband. Analog der Mitgliederrekrutierung kann sich auch die Loyalitätssicherung auf „geborgte" Zwangsmittel stützen. Der Druck von wirtschaftlich starken Mitgliederfirmen vermag Hilfestellung bei der internen Durchsetzung der tarifpolitischen Verbandsstrategie zu bieten9; die Verbindlichkeit der Tarifvereinbarungen wird sowohl in der Bundesrepublik als auch in Österreich und der Schweiz im Rahmen des Arbeitsrechts durch staatliche Hoheitsgewalt (Normsetzungsbefugnis, Allgemeinverbindlichkeitsklausel) garantiert. Vermittels der Normen des Tarifrechts erlangen AGV Verpflichtungsfähigkeit 10 . Sie ist im Vergleich zu den Gewerkschaften in zweifacher Weise begrenzt. In tarifpoli1

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In der Literatur finden sich zwei Beispiele für einen solchen Schritt: die Arbeitskämpfe in der Metallindustrie Baden-Württembergs 1963 und 1971 (Rampelt 1979, 59). Über keinen vergleichbaren strukturellen Machtvorteil verfügen Großunternehmen in Verbänden wie den Kammern der gewerblichen Wirtschaft, die auf Zwangsmitgliedschaft beruhen und in denen jede Mitgliedschaft mit einer Stimme im Wahlverfahren verbunden ist. Simon (1976, 116) nennt als Beispiel die Organisierung der Aussperrung in der baden-württembergischen Metallindustrie des Jahres 1963. Zu diesem Begriff siehe Weitbrecht (1969).

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tischer Hinsicht durch die Option „privater" Lohnpolitik; in allgemein interessenpolitischer Hinsicht dadurch, daß nur ein Parameter betrieblichen Interessenhandelns ihrer Kontrolle unterliegt. Dies ist vor allem für die Instituierung von wirtschafts- und sozialpolitischen Regulierungssystemen unter Beteiligung der Verbände von Kapital und Arbeit von Bedeutung. Denn entscheidende Parameter der Unternehmerseite bleiben so außerhalb der Reichweite der Kooperation und Kompromißbildung zwischen Staat und Verbänden. An dieser Asymmetrie verbandsförmiger Mitgliederkontrolle scheiterte letztlich die konzertierte Aktion (Lehmbruch 1979, 65). Andererseits zeigt das Beispiel der Paritätischen Kommission in Österreich, daß mit der Etablierung eines Preiskontrollsystems die Asymmetrie soweit verringert werden kann, daß sich für die Gewerkschaften hinreichender Anlaß für lohnpolitische Zurückhaltung bietet. Im Verlauf eines komplexen Prozesses der wechselseitigen Zuweisung von Kontrollressourcen ist es dem Staat und den beteiligten Verbänden gelungen, die Preise einem korporatistischen Steuerungsmechanismus zu unterwerfen (Marin 1982). Verpflichtungsfähigkeit im Hinblick auf das Preisverhalten der Unternehmer besitzt dabei nicht ihr Verband, sondern vielmehr das System der Kooperation von Staat und Verbänden.

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Teil 1 : Strukturen der Arbeitsbeziehungen

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Betriebliche Interessenvertretung durch Mitbestimmung des Betriebsrats Hermann

Kotthoff

1. Historische Wurzeln Die Wurzeln der betrieblichen Mitbestimmung in Deutschland liegen — anders als die der Unternehmensmitbestimmung — nicht in der Gewerkschaftsbewegung. In Deutschland gab es schon seit der Zeit der beginnenden Industrialisierung eine lebendige politische Diskussion in einflußreichen Kreisen des Bürgertums über die betriebliche Sozialpolitik und die Gestaltung der Fabrikordnung nach humanen und fürsorglichen Gesichtspunkten, die seit dem Vormärz eng verbunden war mit dem politischen Kampf um die Verfassungsfrage. Die in der Frankfurter Nationalversammlung von 1848 konzipierte „Fabrikordnung" sah obligatorische gewählte Fabrikausschüsse vor, deren Aufgaben die Vermittlung von Streitigkeiten zwischen Arbeitgebern und Arbeitnehmern, die Entwerfung und Aufrechterhaltung der speziellen Fabrikordnung und die Einrichtung und Verwaltung von Krankenunterstützungskassen sein sollte. Diese Vorstellungen leiteten sich her aus vorindustriellen Formen genossenschaftlicher Selbstorganisation, insbesondere aus den Knappschaften im Bergbau und den Bruderschaften im Handwerk (vgl. Teuteberg 1961, 94 ff.). Eine erste, allerdings historisch unbedeutende Realisierung fanden diese auf den Betrieb bezogenen Ordnungsgedanken in den fakultativen Arbeiterausschüssen, die 1891 gesetzlich eingerichtet wurden. Darin wird neben der Schlichtung, der Fabrikordnung und der Verwaltung der Wohlfahrtseinrichtungen das Aufgabenfeld der Arbeitnehmervertretung auf den Unfallschutz, die Lohngestaltung und auf Arbeitszeitfragen ausgedehnt, — eine Funktionszuweisung, in der das heutige Betriebsverfassungsgesetz schon deutlich vorgezeichnet ist. Der Staat verkündet hier erstmals den Grundsatz, daß die Sozialordnung des Betriebes nicht allein dem Willen des Unternehmers unterliegt, sondern eine öffentliche Angelegenheit ist. Sowohl von den Unternehmern als auch von den entstehenden sozialistischen Gewerkschaften, die sie als „scheinkonstitutives Feigenblatt" bewerteten, wurden die Arbeiterausschüsse entschieden abgelehnt. Erst nachdem die Gewerkschaften seit der Jahrhundertwende zu großen zentralistischen Massenorganisationen herangewachsen waren, ihre revolutionären Ziele mehr und mehr zugunsten einer auf die Lohnpolitik beschränkten Pragmatik aufgaben und sich um die Anerkennung durch den Staat bemühten, standen sie den Arbeiterausschüssen aufgeschlossener gegenüber. Das Hilfsdienstgesetz von 1916, das obligatorisch Arbeiterausschüsse für die gesamte Industrie einführte, brachte den Gewerkschaften die erstrebte staatliche Anerkennung und als Gegenleistung die Anerkennung der Arbeiterausschüsse durch die Gewerkschaften. Das Betriebsrätegesetz von 1920, das einen vorläufigen

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Teil 1: Strukturen der Arbeitsbeziehungen

Höhepunkt in der Entwicklung der betrieblichen Mitbestimmung darstellt, entstand aus der Abwehrkoalition von Staat, Unternehmerschaft und revisionistisch-kooperativen Gewerkschaften gegenüber der revolutionären Rätebewegung der Novemberrevolution. Um die Rätebewegung zurückzudrängen wird den Gewerkschaften durch Unterordnung der Betriebsräte unter den Tarifvertrag und durch das Streikverbot die Vormachtstellung im Betrieb gewährt und zugleich legal das Tor zu den Betrieben geöffnet. In der Praxis führte dies zu einer Stärkung der gewerkschaftlichen Organisationsmacht in den Betrieben (vgl. Brigl-Mathiaß 1926). In der Formulierung der Mitbestimmungsrechte des Betriebsrats steht das Gesetz in der nun schon alten Tradition der korporativistischen Mitbestimmungskonzeption, die einen Einfluß auf die Gestaltung des Arbeitsprozesses und auf wirtschaftliche Entscheidungen ausschließt und den Betriebsrat formal autonom gegenüber den Gewerkschaften konstruiert. Das Betriebsverfassungsgesetz von 1952 lehnt sich inhaltlich eng an das von 1920 an, verfolgt aber eine entgegengesetzte politische Zielrichtung: Im Zeichen der beginnenden Restauration nach dem 2. Weltkrieg will der Gesetzgeber — anders als 1920 — den gewerkschaftlichen Einfluß zurückdrängen. Das Gesetz stellt gegenüber der Praxis des Betriebsrätewesens in den ersten Nachkriegsjahren einen deutlichen Rückschritt dar. Dennoch wird es von den Gewerkschaften nur halbherzig bekämpft, weil die betriebliche Mitbestimmung nicht den Kern des gewerkschaftlichen Selbstverständnisses traf und keinen strategisch-offensiven Stellenwert in ihren Neuordnungskonzeptionen hatte (Erd 1978, 113). Das novellierte Betriebsverfassungsgesetz von 1972 bringt dagegen eine größere Anerkennung der Gewerkschaften im Betriebsrätewesen (verbessertes Zugangsrecht in den Betrieben, Einfluß auf Kandidatenaufstellung, Schulungsmöglichkeiten) und eine Ausweitung der Mitbestimmungsmöglichkeiten des Betriebsrats. Den maßgeblichen Anteil an der konzeptionellen Entwicklung, Einführung und Verfeinerung der betrieblichen Mitbestimmung hatte der deutsche Staat. Seit Beginn der Industrialisierung finden sich in der preußischen Ministerialbürokratie zahlreiche aufgeschlossene Sozialreformer und sie beratende sozialpolitisch engagierte Wissenschaftler (wie den Verein für Socialpolitik), die eine Integration der Arbeiterschaft in die bestehende, aber durch Sozialpolitik und Mitbestimmung reformierte Gesellschaftsordnung anstreben. Die herausragende Rolle des deutschen Staates bei der Regelung der industriellen Beziehungen steht in engem Zusammenhang damit, daß er mehr als der Staat in anderen Industrieländern den erst verspätet eingetretenen Industrialisierungsprozeß maßgeblich selbst beschleunigt, gesteuert und organisiert hat. Er konnte diese Regelungsmacht über die industriellen Beziehungen im Betrieb gewinnen, weil er damit eine Lücke der Gewerkschaftspolitik ausfüllte. Die deutschen Gewerkschaften sahen — und sehen — als Industriegewerkschaften ihre Aufgaben auf der überbetrieblichen Ebene in der Lohn-, Wirtschafts- und Sozialpolitik. Sie haben keine eigene betriebspolitische Konzeption entwickelt. Sie gehen in

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dieser Frage pragmatisch machtpolitisch vor, indem sie versuchen, die gesetzlich konstituierten autonomen Betriebsräte in ihre formale Organisation einzubinden und über sie ihre Organisationsinteressen in den Betrieben durchzusetzen (vgl. Dybowski-Johannson 1980. 18). Von den drei unterschiedlichen Interessenvertretungen: Der Emanzipation des Arbeiters zum Staatsbürger (repräsentiert durch die Arbeiterparteien), der Emanzipation zum Verkäufer seiner Ware Arbeitskraft (repräsentiert durch die Gewerkschaften, und der Emanzipation zum respektierten Mitglied im Herrschaftsverband seiner Produktionsstätte Betrieb, ist diese letzte Ebene, auf der die Bekämpfung willkürlicher Herrschaftsformen und die Berücksichtigung der Arbeitnehmerinteressen im täglichen Arbeitsvollzug thematisiert werden müßten, in Deutschland nicht von den Gewerkschaften „besetzt" worden. Dies war die Voraussetzung für die stark ausgeprägte Abkoppelung der betrieblichen von den sonstigen industrieellen Beziehungen durch den vom Staat initiierten „gewerblichen Konstitutionalismus" (Karl Korsch). Nach der Idee des Betriebsverfassungsgesetzes wird die Belegschaft in die Betriebsstruktur inkorporiert, d. h. gegenüber der allgemeinen Solidarität der Lohnarbeiterschaft ausgegliedert (vgl. Mückenberger 1975).

2. Strukturmerkmale der Institution und Rolle des Betriebsrats Das beständige Bemühen des Staates durch mehrere Epochen deutscher Geschichte hinsichtlich der Gestaltung der Betriebs-„Verfassung" läßt sich auf die Formel bringen: Befriedung der Sozialverhältnisse in den Produktionsstätten durch eine kooperative und integrative Teilhabe von Arbeitnehmervertretern, welche die gesamte Belegschaft — also auch den gewerkschaftlich nicht organisierten Teil — korporativ qua Werksgemeinschaft repräsentieren in solchen Angelegenheiten, die die unternehmerische Disposition über die Gestaltung des Arbeits- und Produktionsprozesses und über die wirtschaftliche Lenkung nicht tangieren. Einerseits durch die Anerkennung einer in bestimmten Bereichen mitbestimmenden Belegschaftsvertretung und andererseits durch die Eindämmung und Abkoppelung dieser betrieblichen Interessenvertretung von dem allgemeinen gesellschaftlichen Interessenkampf zwischen Kapital und Lohnarbeiterschaft sollte ein ungestörter Wirtschaftsprozeß gewährleistet werden. Aus dieser widersprüchlichen Konstruktion, nämlich den Betrieb als Ursprungsort der industriellen Konflikte aus der gesellschaftlichen Konfrontation dieser Konflikte auszusparen, indem er mit einem separaten Regelsystem der Konfliktregulierung und -eindämmung „imprägniert" wird, läßt sich das Experimentelle und Brüchige des Versuchs erkennen. Die Gründe dafür, daß dieses historische Experiment wider Erwarten — u. a. auch wider das Erwarten der politischen, gewerkschaftlichen und wirtschaftlichen Eliten anderer Industrieländer — in der Bundesrepublik offensichtlich gut gelungen ist und auch in der anhaltenden aktuellen Wirtschaftskrise weiter gelingt, werden wir unten analysieren müssen.

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Hier geht es zunächst um die Darstellung der rechtlichen und institutionellen Instrumente der betrieblichen Mitbestimmung. Durch das Betriebsverfassungsgesetz wird der Betriebsrat autonom gegenüber Management, Belegschaft und Gewerkschaft konstruiert. Der offene Kampf als Mittel der Durchsetzung wird ihm verwehrt (Friedenspflicht). Er soll durch vorausgehende Aussprachen mit dem Management unkontrollierte und eskalierende Auseinandersetzungen vermeiden helfen. Kontinuierliche Kommunikation (vertrauensvolle Zusammenarbeit) soll das Medium der Auseinandersetzung zwischen Betriebsrat und Management sein. Das Handeln des Betriebsrats ist in den Betriebszweck eingebunden, es darf die Rentabilität und Stabilität des Betriebes nicht stören. Über Betriebsgeheimnisse ist er zum Schweigen verpflichtet. Seine Beziehung zur Belegschaft ist nach einem strengen Repräsentationsmodell angelegt: Er ist gegenüber der Belegschaft nicht weisungsgebunden, die Belegschaft hat keinen rechtlich fixierten Einfluß auf seine Politik; die Betriebsratssitzungen sind nicht öffentlich. Er ist formal unabhängig von der Gewerkschaft, kann sie aber zur Unterstützung seiner Arbeit hinzuziehen. Gewerkschaftsvertreter haben das Zutrittsrecht zum Betrieb und auf Einladung zu Betriebsratssitzungen. Sie können Wahllisten für die Betriebsratswahl aufstellen. Der Betriebsrat ist dem Tarifvertrag unterstellt: Er darf über tariflich geregelte Gegenstände keine betrieblichen vereinbaren und er soll die Einhaltung der Tarifverträge im Betrieb kontrollieren. Die Konfliktgegenstände, bei denen der Betriebsrat tätig werden kann, werden genau spezifiziert. Das Gewicht seiner Einflußmöglichkeiten wird je nach Konfliktgegenstand abgestuft dosiert von der bloßen Informierung über die Anhörung/Beratung bis zur Mitbestimmung und zum Initiativrecht. Sowohl die Weite des Katalogs der Konfliktgegenstände als auch die Garantien der abgestuften Mitwirkungsrechte sind im europäischen Vergleich ungewöhnlich umfassend. Die Abstufung der Mitbestimmungsrechte erfolgt nach dem Prinzip: Je näher ein Gegenstand an die genuin unternehmerischen Entscheidungen reicht, um so schwächer sind die Mitbestimmungsrechte. Ausgeschlossen sind die wirtschaftlichen Entscheidungen (nur Informationsrecht) und die inhaltliche Bestimmung der Nutzung der Arbeitskraft, d. h. des Arbeitseinsatzes und der technisch-organisatorischen Gestaltung der Arbeitsprozesse. Seit 1972 hat er aber hier ein begrenztes Mitwirkungsrecht, wenn gesicherte arbeitswissenschaftliche Erkenntnisse nicht beachtet wurden. Die stärksten Mitbestimmungsrechte bestehen in den sozialen Angelegenheiten: Arbeitsordnung; betriebsübliche Arbeitszeit; Urlaubsplanung; Unfall- und Arbeitsschutz; Berufsausbildung; Verwaltung der Sozialeinrichtungen; Entlohnungsgrundsätze und -methoden. Ohne seine Zustimmung kann das Management in diesen Fragen keine Entscheidung fällen. Schwächer ist das Mitbestimmungsrecht bei den Personalentscheidungen wie Kündigung, Einstellung und Versetzung (Anhörungs- und Widerspruchsrecht). Eine bemerkenswerte Erweiterung der Einflußmöglichkeiten des Betriebsrats ist das 1972 eingeführte Recht, im Falle einer Betriebs-

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änderung (Betriebsstillegung, Einführung völlig neuer Fertigungsverfahren) einen Sozialplan verlangen zu können. Es entspricht der internen Logig der konflikt-dämpfenden und -kanalisierenden Mechanismen des Betriebsverfassungsgesetzes, daß bei Nichteinigung die Betriebsparteien in zahlreichen Angelegenheiten die Einigungsstelle (mit externen Schlichtern) und sonst das Arbeitsgericht anrufen können. Zusammenfassend ist festzustellen, daß sich die Mitbestimmung nur reaktiv auf die Konsequenzen unternehmerischer Entscheidungen in den Rahmenbedingungen der Arbeit erstreckt. Wenn man sich auf der Folie dieses gesetzlichen Programms der betrieblichen Mitbestimmung eine idealtypische Vorstellung von der Rolle des Betriebsrats zu machen versucht, dann dominiert das Bild vom Puffer zwischen Management, Belegschaft und Gewerkschaft auf Kosten der genuinen Interessenvertretungsfunktion des Betriebsrats als Angehöriger der Arbeitnehmerschaft (vgl. Fürstenberg 1958). Als eine von seinen Bezugsgruppen abgehobene Zwischeninstanz hängt diese Konstruktion des Betriebsrats sozial „in der Luft". Diese soziale Offenheit läßt in der Realität die unterschiedlichsten Rollenausprägungen — entsprechend den realen Macht- und Herrschaftsverhältnissen — vermuten. In der rechtlichen Konstruktion ist eine „Verführung" durch und Hinwendung zur mächtigsten Bezugsgruppe angelegt. Da das Management der mit Abstand wichtigste Interaktionspartner für den Betriebsrat ist, besteht unleugbar ein Sog zu dieser Seite.

3. Die Praxis der betrieblichen Interessenvertretung durch Mitbestimmung 3.1 Kooperative Konfliktbewältigung als dominanter Stil der industriellen Beziehungen in deutschen Betrieben Die Bundesrepublik gilt weiterhin als Musterfall für Friedlichkeit und Harmonie der industriellen Beziehungen. Das trifft insbesondere für die Beziehungen auf betrieblicher Ebene zu, wie die empirischen Studien nachhaltig bestätigen. Bereits die Untersuchungen aus den 50er und 60er Jahren weisen ein integratives und kooperatives, am Betriebsinteresse orientiertes Verhalten der Betriebsräte und einen reibungslosen Stil der Auseinandersetzung zwischen Betriebsrat und Management nach (Blume 1964; Voigt 1962). Andererseits steht der Betriebsrat unter dem Verdacht, Arbeitnehmerinteressen nicht wirksam und hartnäckig genug zu vertreten. Die frühen Untersuchungen belegen, daß die Betriebsräte die Möglichkeiten des Betriebsverfassungsgesetzes zur Durchsetzung von Arbeitnehmerinteressen nicht ausschöpften. In den vergangenen zehn Jahren wurden mehrere Untersuchungen über die Politik und Vertretungswirksamkeit der Betriebsräte in jeweils einem speziellen Interessenfeld durchgeführt, deren Ergebnisse weiter unten referiert werden. Zwei Studien aus den letzten Jahren thematisieren umfassender die Handlungsstrukturen und Beziehungsmuster der betrieblichen Mitbestimmung. Es sind

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die Untersuchungen von Weltz (1976) über den kooperativen Konfliktbewältigungsstil und die Untersuchung von Kotthoff (1981) über die Stellung der Betriebsräte in der betrieblichen Herrschaftsstruktur. Weltz analysiert die Interaktionsregeln zwischen Betriebsrat und Management in Großbetrieben unter der Formel des „kooperativen Stils der Konfliktbewältigung". Er vermittelt ein anschauliches Bild von den Beziehungsmustern, welche die immer wieder konstatierte Konfrontationsarmut der betrieblichen Beziehungen in der Bundesrepublik garantieren und verständlich machen. Eine wichtige Voraussetzung des kooperativen Stils ist, daß bei Management und Betriebsrat das Bewußtsein vorherrscht, in hohem Maße voneinander abhängig zu sein, da man langfristig und täglich miteinander leben muß, und daß daher Kooperationsbereitschaft und Rücksichtnahme die lohnendste Strategie ist, um eigene Interessen ins Spiel zu bringen. Auf beiden Seiten ist ein nüchternfunktionalistisches Systemdenken anzutreffen, das den anderen als unumgänglichen Gegenspieler in der Arbeit an dem „System Betrieb", von dem man gemeinsam abhängt, respektiert. Daß man sich auch nach einem Streit irgendwo wieder zusammenfinden muß, und das es sich nicht auszahlt, „sich übers Ohr zu hauen", gehört zu den gemeinsamen Grundannahmen, die auf der Interaktionsebene zu der Herausbildung eines Kodex charakteristischer Spielregeln geführt haben. Eine Regel ist der Verzicht auf maximalistische Positionen. Schon im Entstehungsprozeß werden Konflikte entschärft und „auf kleiner Flamme gefahren". Das Hauptinstrument dazu sind häufige informelle Kontakte zwischen Betriebsleitung und Betriebsratsvorsitzendem, in denen die beiderseitigen Positionen abgetastet, Zumutbarkeitsgrenzen ausgelotet, eigene Handlungszwänge angedeutet und Konfliktlösungswege vorstrukturiert werden, die anschließend in den Gremien offiziell nachvollzogen und besiegelt werden. Weltz nennt dies ein System „präventiver Sondierungen". Vertraulichkeit im kleinsten informellen Kreis („man muß offen über alles reden können") ist der Kern dieser Interaktionsform. Das betriebsverfassungsrechtliche Gebot der vertrauensvollen Zusammenarbeit ist übererfüllt. Diese Vertraulichkeit konzentriert die Interessenvertretung auf wenige Personen. Der Betriebsratsvorsitzende, der von der Betriebsleitung freigiebig informiert wird, gewinnt eine dominierende, vom Betriebsratsgremium kaum zu kontrollierende Macht. Persönliche Faktoren erhalten eine eminent hohe Bedeutung. Der persönliche Umgang, das gute und gegenseitige lange „Sich-Kennen" von Betriebsleiter und Betriebsratsvorsitzendem ist ein Angelpunkt dieses Stils der Konfliktbewältigung. Umgekehrt begünstigt dieser Stil eine lange Amtsdauer der führenden Leute im Betriebsrat: Der Wechsel der Betriebsratsspitze erfolgt nicht durch Abwahl, sondern durch geplanten Generationswechsel. Betriebsratswahlen bringen nur Veränderungen an den Rändern. Die Neuen, die meist mit einem forscheren Vertretungsengagement auftreten, werden schnell durch die Unterordnungsforderung der Spitze assimiliert oder abgestoßen.

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Eine zweite Regel ist die fast vollständige Abkapselung der betrieblichen Konfliktbewältigung gegenüber Außenstehenden. Konflikte werden ausschließlich und grundsätzlich im betrieblichen Rahmen ausgetragen. Sowohl die Gewerkschaft als auch der Arbeitgeberverband werden nicht hinzugezogen. Dadurch werden von außen einströmende Konflikte, wie z. B. gescheiterte Tarifverhandlungen, Streiksituationen, generell überbetriebliche und gesellschaftliche Konflikte als von der betrieblichen Konfliktaustragung isoliert definiert. Die Betriebsräte sehen in der Gewerkschaft keine Berufungsinstanz, an die man sich wendet, wenn man allein nicht mehr weiterkommt. Sie wird als Dienstleistungsinstitution gesehen, auf deren Angebote (z. B. Betriebsratsschulungen) man nach Bedarf zurückgreift. Von der Präsenz des Gewerkschaftsverbandes ist deshalb in den Betrieben wenig zu spüren. Auch die gewerkschaftlichen Vertrauensleute sind mehr ein verlängerter Arm des Betriebsrats als ein Instrument gewerkschaftlicher Präsenz (vgl. Weltz 1976, 87). Die Abkapselung gegenüber Außenstehenden findet ihren Ausdruck auch in der großen Scheu, die vom Betriebsverfassungsgesetz angebotenen Instrumente zur externen Schlichtung bei interner Nicht-Einigung zu nutzen. Die Einigungsstelle wird selbst dann nicht angerufen, wenn eine Seite sich hohe Gewinnchancen ausrechnen kann. Das Gleiche gilt für die Anrufung des Arbeitsgerichts. Schon die Drohung damit gilt als Verletzung der Spielregeln. Die Kategorien Gewinnen und Verlieren gehören nicht zum Repertoire des kooperativen Stils. Eine weitere Regel ist, daß die einzige Waffe in der Auseinandersetzung die sachlich begründete Argumentation zu sein hat. Zwar spielt auch Macht eine Rolle, aber es gilt als schlechter Stil, einen Machtvorteil auch dann zu nutzen, wenn die andere Seite „die besseren Argumente" hat. Die besseren Argumente hat die Seite, die ihre Ansprüche durch die Identifizierung mit dem letztlich als gemeinsam und übergeordnet verstandenem Betriebsinteresse legitimieren kann. Die Kunst des Betriebsrats besteht darin, Argumentationsketten aufzubauen, die die Verwirklichung seiner Ansprüche langfristig und unter der Berücksichtigung des Vorteils einer zufriedenen Belegschaft für den Betrieb als nützlicher erscheinen lassen. Die Erwerbung der Argumentationskompetenz ist somit die Rollenanforderung an den Betriebsrat, was weitreichende Konsequenzen für seine Arbeitsweise, seine persönliche Verhaltensprägung und sein Verhältnis zur Belegschaft hat. Der Betriebsleitung argumentativ gewachsen zu sein bedeutet tendenziell im Verhaltensstil wie sie zu sein. Der kooperative Stil verträgt sich schlecht mit einer legalistischen Haltung. Das Betriebsverfassungsgesetz hat für den Vertretungsalltag im kooperativen Stil nur periphere Bedeutung. Da man sehr wirksame eigene Spielregeln entwikkelt hat, die zudem den Zielen des Gesetzgebers haargenau entsprechen, kann man auf rechtlich gesteuertes Handeln weitgehend verzichten. So ist eine weitere Spielregel, daß die Berufung auf betriebsverfassungsrechtliche Normen als Druckmittel und das Feilschen um Paragrapheninterpretationen schlechter Stil

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ist. Die Programmatik des Gesetzes wird dagegen als allgemeiner Ordnungsrahmen bindend akzeptiert. Unter der Bezeichnung „Klappern gehört zum Handwerk" beschreibt F. Weltz die Inszenierung von (Schein-) Konfrontationen, die ein weiteres Merkmal des kooperativen Stils ist. Da für die Belegschaft ein Minimum an Konfrontation zu einer effektiven und glaubwürdigen Interessenvertretung gehört, betreiben Betriebsrat und Management in der Außendarstellung, z. B. auf Betriebsversammlungen, vor Wahlen und bei Veröffentlichungen von Verhandlungsergebnissen abgesprochene rhetorische Konfrontationsspiele, in denen der Betriebsrat als Gewinner herausgestellt wird. Korrumpierung sei, so Weltz, in manchen Fällen nicht ausgeschlossen. Ist der kooperative Stil eine wirksame Form der Arbeitnehmerinteressenvertretung? Weltz gibt darauf nur eine zögernde und ambivalente Antwort. Eine „totale" Konfliktverdrängung habe er in den sieben untersuchten Großbetrieben nicht festgestellt, obwohl sie unter ungünstigen Voraussetzungen vorstellbar sei. In klassischen industriellen Großbetrieben mit vorwiegend männlicher deutscher Belegschaft seien die Voraussetzungen für ein „echtes Funktionieren" wohl gegeben, zumindest im Interesse der Stammbelegschaft. Die langfristigen Bedrohungen der Arbeitnehmerinteressen wie Arbeitsintensivierung, Dequalifizierung, Schematisierung der Arbeit hätten die Betriebsräte allerdings nicht erkannt und zum Konfliktgegenstand gemacht. Die zentrale Leistung des kooperativen Stils sei die Gewährleistung der Autonomie des Betriebes gegenüber außerbetrieblichen Einflüssen. Die Abschottung der betrieblichen Konfliktregulierung gegenüber außerbetrieblichen Konflikten war, wie wir oben festgestellt haben, das zentrale Ziel, das der Staat mit der betrieblichen Mitbestimmung seit 100 Jahren verfolgt. 3.2 Die Varianz betrieblicher Mitbestimmungstypen Die Untersuchung von Weltz konzentriert sich auf den Interaktions-Sn'/ zwischen Betriebsrat und Management in Großbetrieben. In einer Untersuchung in 63 repräsentativ ausgewählten Betrieben aus sechs Wirtschaftszweigen habe ich die Frage nach der Stellung und Funktion des Betriebsrates in bzw. gegenüber dem betrieblichen Herrschaftssystem in den Mittelpunkt gestellt (vgl. Kotthoff 1981). Dabei sollte über die Spielregeln und VerhaltensStile im Umgang zwischen Betriebsrat und Management hinausgehend den Inhalten und den Wirkungen der Mitbestimmung auf die Ausgestaltung der konkreten betrieblichen Herrschaftsordnung nachgegangen werden. Die Untersuchung führte zu der Entdeckung von sechs verschiedenen Typen betrieblicher Mitbestimmung (Partizipationstypen). Der von F. Weltz beschriebene Verhaltensstil wird nur in 17% der Untersuchungsbetriebe praktiziert. (Bedingt durch die Struktur des Samples dürfte er hochgerechnet auf alle Betriebe in der BRD verbreiteter sein.) In weiteren 13% der Betriebe hat er aber in einigen wesentlichen Punkten große Ähnlichkeit mit dem „kooperativen

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Stil" der Konfliktbewältigung. Diese zusammengenommen 30% der Betriebe, die eine Übereinstimmung oder Ähnlichkeit mit dem „kooperativen Stil" besitzen, sind die einzigen, deren Herrschaftssystem für die Einbringung von Arbeitnehmerinteressen durch den Betriebsrat grundsätzlich offen ist, so daß zumindest partielle Vertretungserfolge erzielt werden können. Fast alle diese Betriebe sind größere (Untergrenze 600 — 800 Beschäftigte), in denen die Betriebsleitung nicht mit den Eigentümern identisch ist oder in der Ausübung der Leitungsgeschäfte in unmittelbarer starker Abhängigkeit von den Eigentümern steht. Es gilt aber nicht der Umkehrschluß, daß alle Betriebe dieser Größenordnung und mit dieser Leitungsstruktur diese Formen der Mitbestimmung praktizieren. In zwei Dritteln der Untersuchungsbetriebe werden gänzlich andere Formen der Mitbestimmung praktiziert, denen gemeinsam ist, daß sie für die Einbringung von Arbeitnehmerinteressen durch den Betriebsrat nicht offen sind, so daß von einer Konflikt-Bewältigung nicht gesprochen werden kann. Insgesamt wurde eine unerwartet große Variationsbreite der Mitbestimmungsstrukturen (in engstem Zusammenhang mit den Herrschaftsstrukturen) festgestellt. Darunter fehlt aber ein denkbarer Typus, nämlich der mit einem klassenkämpferisch orientierten Betriebsrat, der sein Denken und Handeln mehr an den grundlegenden gesellschaftlichen Konfliktlinien zwischen Kapital und Arbeit als an pragmatischen, auf den Fortbestand und der Stabilität des Betriebes bedachten Zielen ausrichtet. Sämtliche Betriebsräte, gerade auch diejenigen, die einzelne Mitbestimmungsregelungen kritisieren, identifizieren sich mit der kooperativen, integrativen und korporativen Programmatik des Betriebsverfassungsgesetzes. Viele kritisieren, daß ihre Betriebsleitung sich nicht damit identifiziert und verlangen, das Gesetz müsse mehr „Zähne" haben, damit die Betriebsleitung zur Akzeptierung der Programmatik und Ziele des Gesetzes gezwungen werden könne. Tatsächlich lehnen über 50% der Betriebsleitungen einen Eckpfeiler der Mitbestimmungsprogrammatik der Gesetzes ab, nämlich die Anerkennung des Betriebsrats als autonomen Vertreter der Arbeitnehmerinteressen. Ob in einem Betrieb eine vertretungswirksame Form der Mitbestimmung existiert oder nicht, hängt in erster Linie von der Leitungsstruktur und der „Philosophie" des Managements sowie vom Vorhandensein einer gewerkschaftlichen Infrastruktur im Betrieb ab. Nur wo ein Management mit einer nicht an traditional-patriarchalischen Ordnungsvorstellungen haftenden Haltung, und nur wo gewerkschaftsbewußte Vertrauensleute als gewerkschaftspolitisches „Gewissen" des Betriebsrats und notfalls als Gegengewicht zu ihm auftreten, hat eine vertretungswirksame Form der Mitbestimmung ein Chance. Die Höhe des gewerkschaftlichen Organisationsgrades der Belegschaft läßt als Einzelfaktor dagegen keine Rückschlüsse auf die Vertretungswirksamkeit der Mitbestimmung zu. Auch der vertretungswirksamste Typ der Mitbestimmung ist kooperativ und integrativ. Aber die Regeln, nach denen sie praktiziert wird, sind nicht diejenigen, mit denen sie erstmals durchgesetzt und eingeführt wurde. Am. Anfang

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einer interessenwirksamen Mitbestimmung stand immer offenes Machthandeln, genauer: eine Revolte der Belegschaft, die meist von gewerkschaftlichen Vertrauensleuten angeführt und kanalisiert wurde. Die Ursachen für eine erfolgreiche betriebliche Interessenvertretung in der Bundesrepublik liegen in der — meist lange zurückliegenden und nicht mehr bewußt erinnerten — Konfliktgeschichte der entsprechenden Betriebe, keinesfalls aber in der normativen Kraft des Betriebsverfassungsgesetzes. Dort wo kooperative und interessenwirksame Mitbestimmungsstrukturen entstanden sind, nimmt das Betriebsverfassungsgesetz allerdings die Funktion eines Grundgesetzes ein: Es gilt als gelungene und zu schützende Formel der gemeinsamen Grundwerte, die keine Seite preisgeben kann, ohne „das Erreichte" zu gefährden. Als konkrete Handlungsanweisung und als einklagbarer Anspruch dient es nur in wenigen Betrieben. Im folgenden werden einige wesentliche Merkmale der sechs Typen der betrieblichen Partizipation dargestellt (vgl. Kotthoff 1981, C): a) Der respektierte zwiespältige Betriebsrat als Ordnungsfaktor Dieser Typ zeigt die größte Verwandtschaft mit dem von Weltz dargestellten „kooperativen Stil der Konfliktbewältigung". Die Mitbestimmung ist gespalten in eine Oberflächen- und Tiefenstruktur. Auf der Oberfläche respektiert das Management den Betriebsrat als autonomen Interessenvertreter und beteiligt ihn großzügig an ihren Entscheidungen. In vertraulichen Gesprächen informiert es den Betriebsratsvorsitzenden über alle Vorhaben und verzichtet auf Formen offener Machtausübung. Gegenüber der Belegschaft wird der Betriebsrat als starker Interessenvertreter herausgestellt. In der Tiefenstruktur, wo es um Inhalt und Funktion der Mitbestimmung geht, verfährt das Management nach dem Alleinentscheidungsanspruch. Es versteht sich explizit als „modernes", sozial aufgeschlossenes Management, das von sich aus schon die Belange der Arbeitnehmer bei seinen Entscheidungen berücksichtigt, „weshalb uns kein Betriebsrat auf die Finger klopfen muß" (so ein Befragter). Der Betriebsrat nimmt in der Herrschaftsstrategie des Managements eine wichtige Funktion ein. Weil die Belegschaft potentiell zum Widerstandshandeln fähig ist, klammert es sich an einen Betriebsrat, der das Ordnungs- und Normbewußtsein in der Belegschaft stärken und als „Katalysator, der uns das Führen leichter macht", fungieren soll. Die präventiven Sondierungen dienen dazu, möglichen Widerstand bei der Durchsetzung der Managemententscheidungen zu umgehen. Auf der Oberfläche agiert der Betriebsrat nach dem Muster des versierten und routinierten Interessenvertreters. Faktisch stellt er diese Funktion hinter der Katalysatorfunktion zurück. Seine Vertretungsaktivitäten beschränken sich auf einzelfallbezogene Schlichtungen, wenn Konflikte nach vollzogenen Entscheidungen manifest geworden sind. Offensiv vertritt er nur gelegentlich Interessen, wenn ihn verhandlungsstarke Belegschaftsgruppen (Handwerker) unter starken Druck setzen. Eine eigene Vertretungsperspektive hat er nicht entwickelt. Seine Devise ist das „Management der Spannungsreduktion". Als selbst Spannung erzeugende Interessenpartei im Mitbestimmungs-

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spiel tritt er nicht auf. Die Gewerkschaft hat keinen Einfluß auf die Mitbestimmung. In fast allen Betrieben dieses Typs besteht im Betriebsrat eine oppositionelle Gruppe, die die Vertraulichkeit und Vertretungsschwäche der Betriebsratsspitze öffentlich anprangert und auf einen Machtwechsel im Betriebsrat hinarbeitet. Dieser Typ kommt in 17% der Untersuchungsbetriebe vor, und zwar nur in größeren (mit mindestens 1.000 Beschäftigten). Der gewerkschaftliche Organisationsgrad ist in allen Betrieben sehr hoch. b) Der respektierte standfeste Betriebsrat Der große Unterschied zum vorausgegangenen Typus besteht hier darin, daß Stil und Inhalt der Mitbestimmung nicht auseinanderfallen. Der Betriebsrat tritt mit einem eindeutigen Rollenverständnis als Interessenvertreter auf. Das Vertrauen in der Beziehung zum Management gerät nicht zur Vertraulichkeit. Im Mittelpunkt des Bewußtseins des Betriebsrates steht die Erfahrung und Erkenntnis, daß das Management nicht aus freien Stücken Zugeständnisse macht, sondern daß sie ihm hart abgerungen werden müssen. Seine Durchsetzungsgrundlage für dieses „Ringen" ist vor allem anderen die Berufung auf Recht. Das Betriebsverfassungsgesetz und die anderen Teile des Arbeitsrechts spielen im Alltag der Interessenvertretung eine große Bedeutung. Wo immer der Betriebsrat sich auf sicherem rechtlichen Boden fühlt, nimmt er eine standfeste Haltung gegenüber dem Management ein. Dabei greift er auch zum Mittel der Drohung mit der Einigungsstelle und dem Arbeitsgericht. Mit der Mobilisierung der Belegschaft oder der Drohung, das durchaus vertrauensvolle Verhältnis zum Management aufzukündigen, spielt er jedoch nicht. Zahlreiche offen ausgetragene Konflikte sind kennzeichnend für diesen Typ. Da Vertrauen für den Betriebsrat das Prinzip der Reziprozität mit beinhaltet, d. h. ein Geben und Nehmen, wird seine Konfliktbereitschaft nicht durch seine Kooperation erstickt. Den Rückhalt dafür gewinnt er nicht aus der Verankerung in kämpferischen Traditionen der Gewerkschaftsbewegung, sondern aus einem funktionalen Amtsverständnis seines ernstgenommenen Wahlamtes. Danach sind Unbestechlichkeit, Zivilcourage und persönliche Integrität die Tugenden derer, die mit der Übernahme eines öffentlichen Wahlamtes auch eine amtliche Gegnerschaft zur anderen Interessenpartei auf sich nehmen. Dieser Typ kommt in 11% der Betriebe vor, die alle zwischen 600 und 800 Beschäftigte haben und nicht von Eigentümer-Managern geleitet werden. Auffallend ist die relativ hohe Anzahl gewerkschaftlicher Vertrauensleute in diesen Betrieben. c) Der Betriebsrat als kooperative Gegenmacht Die Kooperation hat hier wiederum ein anderes Gesicht als bei den ersten beiden Typen. Der Betriebsrat übt eine so weitgehende Macht als konsequenter Interessenvertreter aus, daß kaum eine Entscheidung des Managements — mit Ausnahme der wirtschaftlichen im Aufsichtsrat — ohne ihn geregelt werden kann. Sein Einfluß geht sowohl nach der Reichweite der Gegenstände als auch

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nach dem Grad des Gewichts weit über den im Betriebsverfassungsgesetz gesteckten Rahmen hinaus. Von besonderer Bedeutung ist, daß er bei den arbeitsplatznahen Fragen der Produktion wie Stellenbesetzung, täglich zu regelnde Leistungsnormierung, Arbeitseinsatz und Umsetzungen als Interessenvertreter präsent ist. In den Konfliktbereichen des Gesundheitsschutzes, des Rationalisierungsschutzes, der Personalplanung, der betrieblichen Entlohnungspolitik und bei Kündigungen hat er Forderungen durchgesetzt, die die Betriebsräte der anderen Typen nicht einmal zu formulieren in der Lage waren. Der Hintergrund der großen Vertretungsstärke des Betriebsrats ist — neben einer hohen Argumentationskompetenz und einer großen Geschlossenheit im Betriebsrat — eine aus der Tradition der Arbeiterbewegung hervorgegangene und heute noch lebendige „Arbeitersubkultur" in der Belegschaft, deren Repräsentanten die gewerkschaftlichen Vertrauensleute und der Betriebsrat sind. Der Betriebsrat stimmt seine Vertretungspolitik mit den Vertrauensleuten, die quasi „stille" Betriebsratsmitglieder sind, ab. Die Vertrauensleute entscheiden über die Kandidatenaufstellung bei der Betriebsratswahl. Aber auch dieser am stärksten gewerkschaftlich geprägte Betriebsrat verteidigt selbstbewußt seine Autonomie gegenüber der Gewerkschaft. Obwohl die Beziehung zwischen Betriebsrat und Management konfrontatorische Züge hat, ist sie vertrauensvoll und kooperativ. Der Betriebsrat reizt, gestärkt durch die hinter ihm stehende Arbeitersubkultur in der Belegschaft, alle Mittel im Argumentationskampf aus, greift aber nicht zum Arbeitskampf als Machtmittel und ist daher für das Management der Garant für die Wahrung des Betriebsfriedens und für eine innovative betriebsbezogene Konfliktaustragung. Er nimmt in hohem Maße Einfluß auf die Normsetzungsprozesse, garantiert aber auch die Stabilität der von ihm mitgeschaffenen Ordnung. Dieser Typus ist nur in einem (großen) Untersuchungsbetrieb realisiert. In späteren industriesoziologischen Untersuchungen konnte ich feststellen, daß er noch in einigen montan-mitbestimmten Unternehmen in der Stahlindustrie sowie in einigen Werken der Automobilindustrie praktiziert wird. Er ist jedenfalls — auch außerhalb unserer Untersuchungsregion — sehr selten anzutreffen. Diese drei ersten Mitbestimmungstypen haben gemeinsam, daß der Betriebsrat in der Rolle des autonomen Arbeitnehmerinteressenvertreters gegenüber dem Management agiert. Die bei allen drei Typen festgestellte kooperative Beziehungsform setzt die Autonomie beider Gegenspieler voraus. Bei folgenden drei Typen trifft das nicht zu. d) Der Betriebsrat als Organ der Geschäftsleitung Dieser Typus der Mitbestimmung kommt nur in Betrieben mit einer patriarchalisch-traditionalen Herrschaftsform vor. Der „Chef — oft der Besitzer, sonst ein von diesem abhängiger Betriebsleiter — widmet der „menschlichen Seite der Arbeit" große Aufmerksamkeit, die sich in einer Sozialphilosophie vom Betrieb nach dem Bild der Familie ausdrückt. Er versteht sich als fürsorglicher Patriarch, der im wohlverstandenem Eigeninteresse für die Arbeitnehmer, von

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denen man Einsichtsfähigkeit nicht erwarten kann, sorgt. Für eine autonome Institution Betriebsrat ist hier kein Platz. Dennoch hat der Betriebsrat, genauer: der Betriebsratsvorsitzende, für die Geschäftsleitung eine sehr große Bedeutung. Er wird über ein System der Privilegienstaffelung als enger Vertrauter des Chefs gegenüber den übrigen Betriebsratsmitgliedern, der Belegschaft und auch den unteren Vorgesetzten mit geliehener Autorität ausgestattet und bekommt — im Prinzip unbegrenzte — betriebspolitisch wichtige Vasallenfunktionen im Dienst des Chefs übertragen: Kontroll-, Disziplinierungs-, Durchsetzungs-, Informierungs- und Verwaltungsfunktionen. Er wird keineswegs nur auf Randgebieten beschäftigt. Dafür erhält er auch Arbeitsmöglichkeiten, so daß der Betriebsrat auch hier als ein geschäftiges Organ erscheint. Die Mitwirkungsaktivitäten des Betriebsrats sind zahlreich und dicht. Es ist eine wirksame Mitwirkung mit verdrehten Vorzeichen. Hier wird auch nicht — wie beim „respektierten zwiespältigen Betriebsrat als Ordnungsfaktor" — ein Schein und Rest von Interessenvertretungsprozessen inszeniert. Der Betriebsrat ist zu einem integralen Bestandteil der patriarchalisch-traditionalen Herrschaft geworden. Das „Geheimnis" des Gelingens dieser Kollaboration ist, daß den Betriebsratsmitgliedern in dosierter Staffelung Identifikations- und Gratifikationsangebote gemacht werden und daß die Rekrutierung in das Privilegiensystem durch Berufung von oben erfolgt, die durch die Betriebsratswahl nur noch bestätigt werden kann. Dieser Typus wurde in 25% der Untersuchungsbetriebe jeder Größenordnung angetroffen. In der Hälfte der Betriebe ist die Belegschaft zu mehr als 50% gewerkschaftlich organisiert. e) Der isolierte Betriebsrat Die zu diesem Typ zählenden Betriebe haben fast alle zwischen 300 — 600 Beschäftigte. Die Betriebsleitungen — auch hier eng an den Eigentümer gebunden — sehen im Unterschied zu denen des Types d in der bewußten Gestaltung der betrieblichen Sozialordnung einen Luxus. Ihre Herrschaft ist nicht patriarchalisch-, sondern autoritär-traditional. Ihr Führungsverhalten zeichnet sich durch einen bei keinem anderen Typ vorfindbaren hohen Grad an Willkür, Repression und offener Aggression aus. Grobe Mißachtung tariflicher und arbeitsrechtlicher Bestimmungen ist an der Tagesordnung. Die personellen und sozialen Angelegenheiten werden dilletantisch behandelt. Dies mag damit zusammenhängen, daß der Anteil der Un- und Angelernten hier so hoch ist wie bei keinem anderen Typ. Der Betriebsrat ist nicht in ein Privilegiensystem eingebunden. Vielmehr ist er das prominenteste Opfer der Repression und des Mißtrauens. Ihm werden sowohl die Voraussetzungen für eine kooperative Interessenvertretung (vor allem Informationen) als auch die Möglichkeiten zur Herrschaftsteilhabe vorenthalten. Die Geschäftsleitung benutzt ihn auf Abruf und Kommando in einzelnen Fällen als unterstützendes und legitimierendes Element bei der Durchsetzung einschneidender Maßnahmen gegen Belegschaftsteile, um Widerstand

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zu brechen. Da die Geschäftsleitung den Betriebsrat sowohl von der Belegschaft (Kontakte zwischen Betriebsrat und Arbeitnehmern werden „bestraft"), von der Gewerkschaft (diese Betriebsräte suchen Hilfe bei der Gewerkschaft, finden sie aber nicht) als auch von der Leitung (er ist nicht der Vertraute der Betriebsleitung) isoliert und da er in der Isolation sich nicht als kompetentes, mit sinnvoller Arbeit beschäftigtes Organ etablieren kann, erfüllt er die ihm aufgezwungenen Funktionen widerwillig. Einige Betriebsräte haben beim Arbeitsgericht Hilfe gesucht, wurden aber auch dabei von der Geschäftsleitung ausmanövriert. Das Ohnmachtsbewußtsein („der Chef macht was er will") ist das hervorstechende Merkmal in ihrer Situationsdeutung. Die meisten von ihnen haben resigniert. In der Belegschaft ist das Bedüfnis nach einem wirksamen Vertretungsorgan vorhanden, aber kaum die Voraussetzung, es selbst hervorzubringen. f ) Der ignorierte Betriebsrat Er ist nur in privaten Kleinbetrieben mit 70 — 150 Beschäftigten zu Hause (Betriebe mit weniger als 70 Beschäftigten wurden nicht in die Untersuchung aufgenommen), die einen sehr hohen Facharbeiteranteil (über 50%) haben. Es sind Betriebe, in denen die Arbeitsprozesse, die Sozialordnung und das Arbeitnehmerbewußtsein stark durch qualiflkatorisch-handwerkliche Muster geprägt sind. Der Betriebsleiter hat einen ähnlichen beruflichen Hintergrund wie seine qualifiziertesten Arbeiter. Entscheidend für den Typ der Interessenvertretung ist, daß der Betriebsleiter die organisatorischen und sozialen Probleme angesichts der überschaubaren Verhältnisse wirksam ohne fremde Hilfe bewältigen kann. Er hat keinen Bedarf nach einem Vertretungsorgan und ignoriert deshalb den Betriebsrat. Es finden keine Gespräche zwischen Betriebsleiter und Betriebsrat statt. Der Betriebsrat selbst führt nur 1 — 2mal im Jahr eine Sitzung durch. Die Arbeitnehmer wenden sich höchst selten mit einem Anliegen an ihn und er selbst bietet sich dafür auch nicht an. So gibt es auch keine Konflikte mit oder um den Betriebsrat. Er ist eigentlich nicht existent. Die Arbeitnehmer vertreten individuelle Interessen persönlich gegenüber dem Chef oder über Patronageverhältnisse (z. B. Meister), was freilich nicht bedeutet, daß auftretende Konflikte befriedigend gelöst werden. Der Grad der Konfliktbewältigung und das Sozialklima hängen ganz und gar von der Persönlichkeit des Leiters ab. Ein nach konstitutionellen rechtlichen Regeln konstruiertes öffentliches Vertretungsorgan kann schwerlich in die Privatheit dieser Herrschaftsform eindringen. Dieser Typus gilt für 8% der Untersuchungbetriebe.

4. Interessenwahrnehmung der Betriebsräte gegenüber langfristigen betrieblichen Beschäftigungsstrategien In den letzten Jahren sind mehrere industriesoziologische Untersuchungen durchgeführt worden über die Interessenwahrnehmung und die Aktivitäten der Betriebsräte in einigen speziellen Feldern aktueller arbeits- und beschäftigungs-

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politischer Entwicklungen in der Bundesrepublik, die langfristige Bedrohungen für die Qualität der Arbeitsbedingungen darstellen. In ihrer Studie über die Mitbestimmung des Betriebsrats bei der betrieblichen Weiterbildung stellen Maase, Sengenberger und Weltz (1975) fest, daß von ganz wenigen Ausnahmen abgesehen die Betriebsräte die langfristigen negativen Konsequenzen der betrieblichen Weiterbildungsstrategien nicht erkannt haben und daher eine Interessenvertretung in diesem Problemfeld nicht stattfindet. Sie haben weder darauf hingewirkt, daß auch Arbeitnehmergruppen unterhalb der mittleren und unteren Managementebene Zugang zur Weiterbildung und Aufstieg haben, noch daß die von den Betrieben anvisierte Betriebsbindung gelockert wird, noch daß die Weiterbildung inhaltlich auch gesellschaftspolitisch emanzipatorische Themen einschließt. In ihrem Aktionsspektrum nimmt die Weiterbildung überhaupt keine oder nur eine sehr untergeordnete Randstellung ein. In einer Untersuchung über die Mitwirkung bei der Humanisierung der Arbeitsbedingungen weist Krahn (1979) nach, daß die Betriebsräte keinen Blick haben für eine systematisch-ganzheitliche Sicht der Gestaltung der Arbeitsbedingungen. Sie sind fixiert auf Einzelprobleme wie Lärm und Unfallschutz, aber zu einer Ursache-Wirkungs-Analyse von Gesundheitsgefährdungen nicht in der Lage. Langfristig auftretende Belastungsfolgen werden übersehen. Die Kostengesichtspunkte des Unternehmens beeindrucken sie mehr als der Arbeitsschutz der Beschäftigten. Weil sie den Weg des geringsten Widerstandes gehen, rangiert der Arbeitsschutz in ihrem Handlungsfeld weit hinten. In seiner Untersuchung über die Mitwirkung bei großen technischen und organisatorischen Rationalisierungen, in der er auch auf den erwähnten Stil der kooperativen Konfliktbewältigung gestoßen ist, kommt Weltz (1976) zu dem Ergebnis, daß die Betriebsräte in der Planungsphase, in der die entscheidenden Grundlagen und Ziele festgelegt werden, nicht eingeschaltet sind. In keinem der untersuchten Fälle haben die Betriebsräte grundsätzliche Einwendungen gegen die Rationalisierungsmaßnahmen geäußert. Sie richteten ihr Augenmerk darauf, daß keine Entlassungen stattfanden, bzw. daß Freisetzungen materiell entgolten wurden, daß Lohneinbußen befristet überbrückt wurden, und daß soziale Einrichtungen wie Waschräume, Umkleideräume und Toiletten entsprechend den Vorschriften eingerichtet wurden. Die langfristigen Auswirkungen der Innovationen auf die Qualifikationsstruktur und auf die Gestaltung der Dipositionsspielräume wurden von den Betriebsräten nicht erkannt. Sie richten sich nur auf das optisch Vordringliche. Die Untersuchungen von Mendius/Schultz-Wild (1976) und von Dombois (1976) über Massenentlassungen in der Autoindustrie stellen fest, daß diese kollektive Existenzbedrohung von den Betriebsräten im Rahmen der kooperativen Konfliktbewältigung friktionslos mitgetragen wurde. Auch in der Krise hatte die Sicherung der Rentabilität den Primat über die Interessensicherung der Beschäftigten. Wie herkömmlich wurde auch die Massenentlassung als

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„personalpolitische Anpassungsmaßnahme" durch Abfindungen monetarisiert und auf den einzelnen Betroffenen individualisiert. Die Betriebsräte beteiligen sich an der Selektion der Randbelegschaft und verstärkten dadurch die Fraktionierung in Stamm- und Randbelegschaft. Diese Studien belegen, daß die Betriebsräte auf die langfristige Planung und Gestaltung der Arbeitsbedingungen durch das Management keinen Einfluß nehmen und daß daraus entspringende Beschäftigungsrisiken in ihrem Handlungsfeld eine untergeordnete Rolle spielen. Im günstigsten Fall erreichen sie eine temporäre Besitzstandssicherung für die gefährdeten Arbeitnehmergruppen. Ohne eine vereinheitlichende betriebspolitische Gewerkschaftsstrategie wird dieser Mangel kaum zu beheben sein, weil die betriebsübergreifende Erkenntnis der unternehmerischen Strategien die Voraussetzung für eine die betriebliche Alltagsroutine übersteigende Interessenvertretung ist.

5. Das Verhältnis zwischen Betriebsrat und Belegschaft Die Feststellung einer Entfremdung zwischen Betriebsrat und Belegschaft ist einhelliger Bestandteil der Mitbestimmungsuntersuchungen seit den 50er Jahren (vgl. Popitz et al. 1957; Pirker et al. 1955; Fürstenberg 1958; Teschner 1964; Neuloh 1960; Dybowski-Johannson 1980). Fast ebenso einhellig wird als Ursache dafür die widersprüchliche Rollenanforderung an den Betriebsrat angesehen: Auf der einen Seite soll er als auf Zeit gewählter Delegierter der Belegschaft mit deren Arbeits- u. Lebenszusammenhang eng verhaftet bleiben; auf der anderen Seite muß er in der auf Sachargumentation beruhenden Mitbestimmung dem Management das Wasser reichen können und sich auf ihre Arbeitsund Entscheidungsform einlassen. Dieses der Mitbestimmung inhärente Dilemma führt zu einer Prävalenz seiner Beziehung zum Management. Die Abhängigkeit seines Erfolges von Sachwissen, Argumentationsfähigkeit und kontinuierlicher Amtsführung erfordert von ihm den Erwerb entsprechender professioneller Kompetenzen. Die Betriebsratsrolle tendiert dazu eine spezialisierte Berufstätigkeit zu werden, deren interne Arbeitsregeln, Voraussetzungen und Verbindlichkeiten den meisten Arbeitnehmern undurchsichtig sind. Professionalisierung und Spezialisierung sind ferner in dem Maße mit einer Bürokratisierung der Betriebsratsarbeit verbunden wie die betrieblichen Entscheidungs- und Verwaltungsprozesse selbst bürokratisiert sind. Die Betriebsratsarbeit findet anonym über den Köpfen der Arbeitnehmer statt, was zu Mißtrauen, Distanzierung und Korruptionsverdacht führt (Popitz et al. 1957, 143). Die Anonymität hat — neben dem über der Arbeitsplatzebene angesiedelten Aktionsbereich des Betriebsrats — eine weitere Ursache in dem strengen Repräsentationsprinzip, das die Betriebsratspolitik einer Beeinflussung durch die Belegschaft durch zahlreiche restriktive Bestimmungen (Nicht-Öffentlichkeit der Sitzungen, Schweigepflicht, keine Weisungsgebundenheit) entzieht. In den Betrieben, in denen diesem Dilemma nicht durch ergänzende und vermittelnde Kommunikationsstrukturen bewußt gegengesteuert wird (z. B. durch Einbeziehung ge-

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werkschaftlicher Vertrauensleute in die Vertretungsarbeit und durch das Organisationsprinzip von Abteilungsbetriebsräten), ist eine vertretungswirksame Arbeit des Betriebsrats gefährdet oder unmöglich. (Dies ist ein Hauptergebnis meiner Untersuchung, vgl. Kotthoff 1981, 255 ff.) Eine noch grundsätzlichere Ursache für den geringen Einfluß der Belegschaft auf ihre Interessenvertretung liegt in der immer wieder beobachteten sehr geringen Bereitschaft und Fähigkeit der Arbeitnehmer zur Beteiligung an der Diskussion ihrer „öffentlichen Angelegenheiten". Dies ist das Strukturproblem jedes demokratischen Willensbildungsprozesses. Beteiligung an kontinuierlichen Vertretungsprozessen setzt kontinuierliche Informiertheit und Interessiertheit voraus. Die eigene politsche Rolle müßte im Prinzip was Zeit, Aufwand und Engagement angeht, einen herausragenden Stellenwert in der Lebensführung einnehmen. Aufgrund ihrer Arbeits- und Lebenssituation sind die meisten Arbeiter dazu noch weniger in der Lage als andere Berufsgruppen. Ihre Inaktivität und Interesselosigkeit, die von den Betriebsräten moniert werden, wird freilich durch die Arbeitsweise der Betriebsräte und deren eigenes Verhalten eher vertieft als behoben. Mitbestimmung auf der Ebene der Betriebsleitung ist auch dort, wo sie vertretungswirksam ist, keine basisdemokratische, sondern eine Funktionärsmitbestimmung. Ein kleiner Funktionärskader (Betriebsrat und Vertrauensleute) bilden das alleinige Willensbildungs- und Handlungszentrum. Diese Struktur schließt, wie die günstigen Beispiele zeigen, die Wahrnehmung der Interessen der Arbeitnehmer, die Informierung der Belegschaft, das Reagieren auf ihre „Stimmung" und die vereinzelte Organisation von Widerstandsaktionen als „Hintergrundmusik" bei schwierigen Verhandlungen nicht aus. Nur die wenigsten Betriebsräte sind in der Lage, ihr Dilemma von Professionalisierung und Entfremdung zu begreifen und ihm gegenzusteuern. Die meisten kritisieren nur abschätzig die „passiven, dummen und interessenlosen Arbeitnehmer", wie Dybowski-Johannson in ihre Untersuchung über das Bewußtsein von Betriebsräten feststellt (Dybowski-Johannson 1980, 66 ff.).

6. Das Verhältnis zwischen Betriebsrat und Gewerkschaften Der Betriebsrat ist formal-organisatorisch unabhängig gegenüber der Gewerkschaft. Dennoch besteht zwischen beiden eine enge Symbiose, der auch das Betriebsverfassungsgesetz Rechnung trägt, indem es den Betriebsrat der gewerkschaftlichen Tarifpolitik unterordnet und seine Aufgaben auf Bereiche beschränkt, die die zentrale gewerkschaftliche Lohn- und Manteltarifpolitik nur schwer erfassen kann (vgl. Dybowski-Johannson 1980, 28). Darüber hinaus garantiert es der Gewerkschaft das Streikmonopol und verschiedene Einflußmöglichkeiten auf den Betriebsrat (bei den Wahlen, bei der Schulung, durch Bildung von Vertrauensleutekörpern). Faktisch besteht eine sehr weitgehende gegenseitige organisatorische Durchdringung von Betriebsräten und Ge-

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werkschaften. Die Betriebsräte beherrschen die Willensbildungsorgane der Gewerkschaft. Über 70% der Mitglieder der Tarifkommissionen und Verwaltungsstellenvorstände sind Betriebsratsmitglieder. Auf der anderen Seite konnten die Gewerkschaften über die Betriebsräte ihre organisatorische Präsenz in den Betrieben erheblich stärken. Aufgrund ihrer gesetzlich gesicherten Arbeits- und Bewegungsmöglichkeiten, ihrer Kontakte zu den Arbeitnehmern und ihres Einflusses auf Einstellungen und Entlassungen sind die Betriebsräte besser als andere gewerkschaftliche Funktionärsgruppen geeignet, Mitglieder zu werben, die Beitragskassierung sicher zu stellen und die gewerkschaftlichen Publikationen zu verteilen. Die Betriebsräte sind das Zentrum der betrieblichen Gewerkschaftsorganisation. Die Belegschaften identifizieren den Betriebsrat mit der Gewerkschaft (vgl. Bergmann 1979). Die Schlüsselstellung der Betriebsräte innerhalb der Gewerkschaften hängt damit zusammen, daß sie wesentliche Funktionen im Tarifgeschehen erfüllen: Sie kontrollieren die Einhaltung der tariflichen Vereinbarungen, informieren die Gewerkschaften über die wirtschaftliche Situation der Betriebe, über die Tariferwartungen und über die Kampfbereitschaft der Mitglieder. Insbesondere gleichen sie die strukturellen Defizite der zentralen Tarifpolitik dadurch aus, daß sie in großen und wirtschaftlich starken Betrieben durch Nachschläge zu den Lohntarifrunden die betrieblichen Möglichkeiten ausschöpfen und so durch den Tariflohn nicht befriedigte Lohninteressen abdecken. Dadurch werden sie zu Garanten des Funktionierens der zentralen gewerkschaftlichen Lohnpolitik (vgl. Bergmann et al. 1976, Bd. 1 u. 2). Das enorme Gewicht, das die Betriebsräte durch ihre Funktionen in und für die Gewerkschaften erhalten, gibt ihnen zugleich einen Autonomie- und Machtzuwachs gegenüber den Gewerkschaften, die die strukturelle Spannung zwischen betrieblicher und überbetrieblicher Interessenvertretung erhöht. In der betrieblichen Vertretungspolitik wachen die Betriebsräte mit Argusaugen über ihre gesetzlich fundierte Selbständigkeit gegenüber den Gewerkschaften. Die Abschottung ihrer kooperativen Innenbeziehungen zum Management gegenüber einer gewerkschaftlichen Beeinflussung wurde bereits hinreichend dokumentiert (vgl. auch Kotthoff 1979). In den Betrieben mit einem defizienten Mitbestimmungstyp, deren Betriebsräte zum Teil hilfesuchend einen größeren Einfluß der Gewerkschaft herbeisehnen, versagt sich die Gewerkschaft einer Behebung der Vertretungsdefizite, weil sie keine betriebliche Vertretungskonzeption besitzt. Spannungen treten vorwiegend auf zwischen Gewerkschaften und starken Betriebsräten, die in Konkurrenz zu den Gewerkschaften betriebsegoistisch-syndikalistische Vertretungswege auf Kosten der überbetrieblich-gewerkschaftlichen Solidarität praktizieren. Weil die Gewerkschaften (als weitsichtigere, zur Wahrnehmung von Beschäftigungsrisiken befähigtere Organisation) von der betrieblichen Interessenvertretung abgekoppelt ist, und weil die Betriebsräte im wesentlichen nur eine pragmatische Tagespolitik betreiben, finden die langfristig gravierenden, auf den ersten Blick nicht sichtbaren Beschäftigungsrisiken der Arbeitnehmer wie Arbeitsintensivierung, Dequalifi-

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zierung und Gesundheitsgefahrdung nur schwer oder verspätet Eingang in die Interessenvertretungspolitik.

7. Die Bedeutung des Betriebsverfassungsgesetzes für die betriebliche Mitbestimmung Verschiedene Autoren haben in jüngster Zeit darauf verwiesen, daß der hohe Grad der Verrechtlichung der betrieblichen Interessenvertretung in der Bundesrepublik eine Hauptursache für die allzu kooperative, betriebsbezogene und die zu Grunde liegenden Konflikte zwischen Lohnarbeit und Kapital verdrängende Praxis der Interessenvertretung sei (vgl. vor allem Erd 1978, Mückenberger 1975). Tatsächlich wird das Betriebsverfassungsgesetz in sehr starkem Maße von den Betriebsräten akzeptiert. Es ist für sie ein verbindlicher Bezugsrahmen, an dem sie ihr Denken und Handeln ausrichten. Als konkrete Handlungsanweisung wird es aber gerade von den meisten vertretungsstarken, in einer kooperativen Beziehung zum Management stehenden Betriebsräte nicht benutzt. (Der Typ b ist die einzige Ausnahme.) Vielmehr sind es die schwachen Betriebsräte aus Betrieben, in denen keine kooperative Mitbestimmung praktiziert wird, die gelegentlich versuchen, durch den Rückgriff auf konkrete Gesetzesbestimmungen das Management zum Entgegenkommen zu zwingen. Beiden Varianten ist gemeinsam, daß es nicht das Kleben am Recht ist, was die Abschottung gegenüber betriebsübergreifenden Konflikten verursacht. Es ist auch kaum vorstellbar, daß Recht, — zumal im Falle des Betriebsverfassungsgesetzes, das keine ernstzunehmenden Sanktionsdrohungen enthält — aus eigener Kraft etwas bewirkt, was gegen die Ziele seiner Adressaten gerichtet ist. Die Betriebsräte identifizieren sich mit der Programmatik und den Zielen des Betriebsverfassungsgesetzes, die sich auf die Generalnorm der vertrauensvollen Zusammenarbeit und der Friedenspflicht verdichten lassen, deshalb, weil sie mit ihren eigenen Vorstellungen von der betrieblichen Sozialordnung und mit ihrer Praxis der Mitbestimmung so weitgehend übereinstimmen (vgl. auch Rosenbaum 1982). Eine die soziale Wirklichkeit konkret normierende Kraft des Betriebsverfassungsgesetzes liegt in den Artikeln, die verfahrensmäßig die Einrichtung der Institution Betriebsrat und dessen materiale Arbeitsbedingungen regeln (Wahlvorschriften, Zusammensetzung, Freistellung, Schulungsmöglichkeiten etc.). Ferner darin, daß manche Betriebsräte hin und wieder instrumentellstrategisch, nicht aber legalistisch, zur Ergänzung von Machthandeln auf Mitbestimmungsnormen zurückgreifen. Das kooperative Verhalten dagegen wird nicht durch Verrechtlichung bewirkt wenngleich wohl begünstigt. Auch hinsichtlich der Trennung zwischen Betriebsrat und Gewerkschaften ist als Ursache maßgeblicher, daß sie in der Struktur der deutschen Gewerkschaften angelegt ist und von diesen auch politisch akzeptiert wird, als daß sie gesetzlich verordnet ist. Unter rechtssoziologischen Gesichtspunkten ist m. E. die Frage, warum in vielen (den meisten!) Betrieben das Betriebsverfassungsgesetz keine funktionsfa-

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hige Mitbestimmung bewirkt hat, interessanter als die Frage, ob es in großen Betrieben mit starkem Betriebsrat die kooperative Mitbestimmung bewirkt hat. Wenn der Gesetzgeber in vielen Fällen nicht einmal in der Lage ist, zu bewirken, daß überhaupt ein funktionierender Betriebsrat eingerichtet wird, dann wird er schwerlich in der Lage sein zu bewirken, daß ein bestehender starker Betriebsrat kooperativ ist. Die sozialen Hintergründe des kooperativen Verhaltens liegen jenseits vom Recht.

8. Soziale und ökonomische Voraussetzungen der kooperativen Praxis der betrieblichen Mitbestimmung Die kooperative Form der Mitbestimmung konnte sich durchsetzen, weil sie in der Phase der wirtschaftlichen Expansion und Stabilität in der Bundesrepublik wesentliche Interessen der Belegschaften befriedigte. Unter den Bedingungen steigender Reallöhne, seltener Tarifkämpfe, Arbeitskräftemangel und einer Monetarisierung der Gesundheits- und Rationalisierungsrisiken erfolgte von den Belegschaften kein Druck auf eine mehr konfliktorische Mitbestimmung. Zumindest für die stabilen Stammbelegschaften (Facharbeiter und qualifizierte Angelernte) hat die kooperative Mitbestimmung Erfolge erzielt. Große Bedeutung hat ferner die Struktur der überbetrieblichen Konfliktregulierung. Das deutsche Tarifsystem wirkt konfliktreduzierend (Friedenspflicht während der Geltungsdauer von Tarifverträgen, eskalations-hemmende Regeln für Verhandlungsabläufe). Da selten offene industrielle Konflikte entstanden, wurden auch die betrieblichen Interessenparteien selten von außen zur Konfrontation gezwungen. Konfliktreduzierend wirkt auch die Struktur der deutschen Gewerkschaften als Industriegewerkschaften. Da in jedem Betrieb nur eine Gewerkschaft vertreten ist (außer Angestellte), besteht eine klar definierte Zuordnung des Betriebsrats zur jeweiligen Gewerkschaft (vgl. Weltz 1976, 142). Und schließlich wirkte die kooperative Politik der Gewerkschaften gegenüber Staat und Unternehmerverbänden freilich kooperationsfördernd auch auf die betriebliche Mitbestimmung (vgl. Bergmann/Jacobi/Müller-Jentsch 1976, Bd. 1). Die typischen Erfolge der kooperativen betrieblichen Mitbestimmung für die Interessenwahrnehmung der Beschäftigten sind durch die lang andauernde wirtschaftliche Strukturkrise teilweise geschwunden. Daher wurde auch von vielen eine Auflösung und Zerbröckelung dieser Form der industriellen Beziehungen in den Betrieben erwartet. Dies ist jedoch nicht eingetreten. Die in der Prosperitätsphase eingespielten Muster der Mitbestimmung zeigen auch nach fast 10 Krisenjahren unter den veränderten Rahmenbedingungen eine erstaunliche Belastungsfähigkeit und Stabilität. Die Belastungsfähigkeit könnte allerdings ins Wanken geraten, wenn durch eine weitere Verschärfung der Krise nicht nur die Randbelegschaften, sondern auch die bisher noch weitgehend

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verschonten Stammbelegschaften, die das eigentliche Klientel der Betriebsräte bilden, negativ getroffen werden. Denn die kooperative Mitbestimmung setzt voraus, daß das Management Interesse an einer stabilen Belegschaft hat, und sie begünstigt nur den stabilen, „nachgefragten" Teil der Belegschaft. Sie fördert oder bekräftigt die Polarisierung der Arbeitnehmerschaft in einen besser gestellten, chancenreichen und einen schlechter gestellten, chancenlosen Teil.

9. Betriebliche Mitbestimmung in Österreich Die formale Struktur der betrieblichen Interessenvertretung in Österreich hat große Ähnlichkeiten mit der in der Bundesrepublik. Das Arbeitsverfassungsgesetz trennt den Betriebsrat formal von der Gewerkschaft, bindet ihn an das „Wohl des Betriebes", und verordnet ihm Kooperationsbereitschaft, Vermeidung von Störungen des Betriebsablaufs und Verschwiegenheitspflicht. Das Repräsentationsprinzip (der Betriebsrat ist nicht an Weisungen der Belegschaft gebunden) ist ebenso stark ausgeprägt wie in der Bundesrepublik. Auch seine Mitwirkungsrechte sind nach dem gleichen Schema angeordnet wie dort, im einzelnen jedoch enger und schwächer. Ein Vetorecht besitzt er nur in Fragen der Disziplinarordnung, bei Kontrollmaßnahmen, die die Menschenwürde berühren (z. B. Torkontrollen), bei der Einführung von Personalfragebögen und bei Entlohnungsgrundsätzen. Er kann Wohlfahrtseinrichtungen selbständig einrichten und verwalten. Zur Verbesserung der Arbeitsbedingungen und der betrieblichen Ausbildung hat er nur ein Vorschlagsrecht (vgl. Margulies et al. 1980). In der Praxis besteht in Österreich eine noch stärkere Symbiose von Betriebsräten und Gewerkschaften als in der Bundesrepublik. Die Betriebsräte sind die beherrschende Funktionärsgruppe in den Gewerkschaftsgremien. Andererseits scheinen die Gewerkschaften aber auch größeren Einfluß auf die Vertretungspolitik der Betriebsräte auszuüben. Eine Ursache dafür ist, daß die Gewerkschaften durch ihre unmittelbare Einbeziehung in die staatliche und regionale Wirtschafts- und Sozialpolitik und durch ihre Mitbestimmung in den verstaatlichten Unternehmen, die den größten Wirtschaftssektor darstellen (ein Drittel aller österreichischen Arbeitnehmer arbeiten in verstaatlichten Betrieben), einen größeren Einfluß auf die betrieblichen Arbeits- und Herrschaftsverhältnisse hat als dies in der Bundesrepublik der Fall ist. Angesichts der auf allen Ebenen wirksamen „Sozialpartnerschaft", durch die die Gewerkschaften in die Regelung prinzipiell sämtlicher wirtschafts-, arbeits- und sozialpolitischer Fragen eingebunden sind, verringert sich die Bandbreite der von den Betriebsräten zu regelnden Fragen. Noch stärker als in der Bundesrepublik konzentrieren sie sich auf die Verwaltung von Wohlfahrtseinrichtungen und auf Serviceleistungen (Besorgung von Krediten, günstigen Einkaufsquellen, Ferienreisen, Theaterkarten etc., vgl. Margulies et al. 1980, 83). Die Informationen über die Praxis der betrieblichen Mitbestimmung sind jedoch recht spärlich, da offensichtlich keine Untersuchungen darüber vorliegen. Hervorgehoben wird die Belegschaftsferne

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Teil 1: Strukturen der Arbeitsbeziehungen

der Betriebsräte, die dominierende Stellung der Betriebsratsvorsitzenden und der häufige Aufstieg von Betriebsratsmitgliedern in Managementpositionen der obersten Etagen (vgl. Margulies et al. 1980, 82).

10. Betriebliche Interessenvertretung in der Schweiz Die betriebliche Interessenvertretung (Betriebskommissionen) ist in der Schweiz im Vergleich zur Bundesrepublik und anderen europäischen Ländern außergewöhnlich schwach ausgebildet. In der Privatwirtschaft werden die Betriebskommissionen auf freiwilliger Basis in den Gesamtarbeitsverträgen ausgehandelt. Ihre vertraglichen Mitwirkungs- und Arbeitsmöglichkeiten sind nach Wirtschaftszweig, Kantonen und zuständigen Gewerkschaften sehr unterschiedlich (vgl. Hellmann/Oesterheld 1980). Völlige Freistellungen von der Arbeit scheint es gar nicht zu geben, dagegen in ca. 80% der Betriebe mit Betriebskommissionen zeitweilige Freistellungen der Kommissionspräsidenten. Kommissionssitzungen finden teilweise außerhalb der Arbeitszeit statt. In einem Fünftel der Betriebskommissionen ernennt das Management zusätzliche Mitglieder zu den von der Belegschaft gewählten. Die Mitwirkungsrechte sind im wesentlichen auf die Informierung über die wirtschaftliche Lage des Betriebes, auf die Besprechung von Fragen der Unfallverhütung und der beruflichen Bildung, auf die Mitwirkung bei der Verwaltung der Wohlfahrtseinrichtung, auf die Kontrolle der Einhaltung der Gesamtarbeitsverträge und auf die Anhörung bei Entlassungen beschränkt. Nach einer Erhebung von 1953 (!) existiert in ca. 60% der privatwirtschaftlichen Betriebe mit mehr als 50 Arbeitnehmern eine Betriebskommission. Über ihre Praxis ist mangels einschlägiger Untersuchungen wenig bekannt. In der Maschinenindustrie und in der Chemieindustrie ist ihre Wirksamkeit vergleichsweise am größten (vgl. Hellmann/Oesterheld 1980, 36).

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II. Akteure im System der Arbeitsbeziehungen

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Gewerkschaften — Organisationsstruktur und Mitgliederinteressen Joachim Bergmann 1. Organisationsstruktur der Gewerkschaften in der Bundesrepublik Deutschland Das Gewerkschaftswesen der Bundesrepublik Deutschland ist durch das Industriegewerkschaftsprinzip charakterisiert (s. a. Müller-Jentsch, Teil 2, II). Tab. 1: Mitgliederzahlen von DGB, DBB, DAG, CGB und gruppenspezifische Organisationsgrade, 1982 Mitglieder insgesamt

Anteil in %

94026

7 849003 812515 501 037 297234

83,0 8,6 5,3 3,1

2 352957

1652444

9459 789

100,0

23,0%

71,1%

40,0%

Arbeiter

Angestellte

DGB DBB DAG CGB

5319430 19195

827916 730 502

115763

1 701 657 62 818 501 037 87445

gesamt

5454388 49,3%

Organisationsgrad

Beamte

Quelle: gewerkschaftsreport 4/1983 DGB = Deutscher Gewerkschaftsbund; DBB = Deutscher Beamtenbund; DAG = Deutsche Angestellten-Gewerkschaft; CGB = Christlicher Gewerkschaftsbund

Dominiert wird es durch die im Deutschen Gewerkschaftsbund (DGB) zusammengeschlossenen 17 Gewerkschaften. Mit über 7,8 Millionen Mitgliedern (1982) und einem Organisationsgrad von 32,4% erfassen sie 83% aller in Gewerkschaften und vergleichbaren Verbänden organisierten Lohnabhängigen. Gemäß dem Grundsatz „ein Betrieb — eine Gewerkschaft" organisieren sie Arbeiter, Angestellte und Beamte eines Industrie- oder Dienstleistungsbereichs, unabhängig von parteipolitischen und konfessionellen Unterschieden. Durchbrochen wird das Industrieprinzip einzig im Bereich von Bildung und Wissenschaft, wo die GEW lediglich die Angestellten und Beamten organisiert, die ÖTV aber die Arbeiter. Konkurrenzorganisationen zu den Gewerkschaften des DGB sind die Deutsche Angestelltengewerkschaft (DAG) mit 500000 Mitgliedern und einem Organisiertenanteil von 5%, die sich als Vertretung der berufsständischen Interessen der Angestellten versteht, und der Christliche Gewerkschaftsbund (CGB) mit 280 000 Mitgliedern und einem Organisiertenanteil von 3% (s.a. Rauscher, Teil2, II). Verhandlungen zwischen DGB und DAG über Fusion oder Eingliederung in den DGB scheiterten Mitte der 70er

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Teil 1: Strukturen der Arbeitsbeziehungen

Jahre an der Unvereinbarkeit des Organisierungsprinzips; die Gewerkschaft der Polizei hingegen schloß sich 1978 dem DGB als 17. Gewerkschaft an. Demgegenüber trennen den CGB von den Gewerkschaften des DGB neben parteipolitischen und konfessionellen Motiven auch Organisationsprinzipien. Der CGB ist in gesonderte Verbände für Arbeiter, Angestellte und Beamte gegliedert, die wiederum in berufsgewerkschaftliche Verbände untergliedert sind. Tarifpolitisch kommt dem CGB nur eine Randstellung zu. Neben den genannten Gewerkschaften und in deutlicher Distanz zu ihnen steht der Deutsche Beamtenbund (DBB), die Standesorganisation der Berufsbeamten. Aufgrund seiner Mitgliederzahl von 800000 hat er fraglos erhebliches politisches Gewicht, konkurriert auch in vielen Behörden mit der ÖTV und DAG um Mitglieder. Die Ausrichtung auf die partikularen Interessen der Berufsbeamten und vor allem die dezidierte Ablehnung des Streiks als Kampfmittel weist daraufhin, daß der DBB in Selbstverständnis wie in der Praxis keine Gewerkschaft darstellt (s. Keller, Teil 2,1). Die Gewerkschaften des DGB sind selbständige Industriegewerkschaften. Der DGB ist Dachverband und fungiert als Koordinationsorgan zwischen den einzelnen Mitgliedsgewerkschaften und nimmt vor allem Repräsentationsaufgaben gegenüber Staat und Öffentlichkeit wahr. Jedoch sind seine Kompetenzen gering; politisch und finanziell ist er von seinen Mitgliedsgewerkschaften abhängig. Alle Versuche zur Stärkung des DGB sind bislang gescheitert, vor allem am Widerstand der mitgliederstärksten Gewerkschaften. Das System der industriellen Beziehungen der Bundesrepublik ist als duales System konstruiert. Es besteht eine klare institutionelle Trennung zwischen betrieblicher und überbetrieblicher Interessenvertretung. Zentrales Aktionsfeld der Industriegewerkschaften ist die überbetriebliche, sektorale Tarifpolitik (s. Kleinhenz, Teil 1, IV). In den von ihnen abgeschlossenen Kollektivverträgen werden die Löhne, Gehälter und Arbeitsbedingungen der Lohnabhängigen ihres Organisationsbereichs festgelegt, in der Regel für einzelne Branchen oder ganze Industriezweige. Die Ebene der betrieblichen Interessenvertretung (s. Kotthoff, Teil 1, II u. Gaugier, Teil 1, IV) ist durch Gesetz, das BetrVG, geregelt; sie ist besonderen, gegenüber den Gewerkschaften institutionell und rechtlich selbständigen Organen, den Betriebsräten, vorbehalten; sie werden von den Belegschaften der Betriebe, nicht nur von Gewerkschaftsmitgliedern gewählt. Zwar bedeutet die institutionelle Distanz der Gewerkschaften zu den Betrieben zweifellos eine Einschränkung ihres Handlungspotentials. Es darf jedoch nicht übersehen werden, daß durch die spezifische Ausgestaltung der betrieblichen Interessenvertretung Aktionsfeld und Struktur der Industriegewerkschaften stabilisiert werden (s. unten Abschnitt 5). Fraglos war das „duale System" der industriellen Beziehungen in der Bundesrepublik in den vergangenen Jahrzehnten, in Perioden der Vollbeschäftigung wie auch in der gegenwärtigen Phase der Massenarbeitslosigkeit, von einer beträchtlichen institutionellen Stabilität bei gleichzeitiger Flexibilität seiner Funktionsweise. Selbst die Wellen

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