Haftungserleichterung für GmbH-Geschäftsführer nach dem Vorbild des Arbeitsrechts [1 ed.]
 9783428491469, 9783428091461

  • 0 0 0
  • Like this paper and download? You can publish your own PDF file online for free in a few minutes! Sign Up
File loading please wait...
Citation preview

BURKHARD FRISCH

Haftungserleichterung für GmbH-Geschäftsführer nach dem Vorbild des Arbeitsrechts

Schriften zum Wirtschaftsrecht Band 108

Haftungserleichterung für GmbH-Geschäftsführer nach dem Vorbild des Arbeitsrechts

Von Burkhard Frisch

Duncker & Humblot · Berlin

Die Deutsche Bibliothek- CIP-Einheitsaufnahme Frisch, Burkhard: Haftungserleichterung für GmbH-Geschäftsführer nach dem Vorbild des Arbeitsrechts I von Burkhard Frisch.- Berlin : Duncker und Humblot, 1998 (Schriften zum Wirtschaftsrecht; Bd. 108) Zugl.: Berlin, Freie Univ., Diss., 1996/97 ISBN 3-428-09146-9

D 188 Alle Rechte vorbehalten

© 1998 Duncker & Humblot GmbH, Berlin

Fotoprint: Berliner Buchdruckerei Union GmbH, Berlin Printed in Germany ISSN 0582-026X ISBN 3-428-09146-9 Gedruckt auf alterungsbeständigem (säurefreiem) Papier entsprechend ISO 97069

Vorwort Diese Arbeit lag dem Fachbereich Rechtswissenschaft der Freien Universität Berlin im Wintersemester 1996/97 als Dissertation vor. Sie entstand während meiner Tätigkeit als Wissenschaftlicher Mitarbeiter am Institut für Rechtswissenschaft an der Technischen Universität Berlin. Dankbar bin ich Herrn Prof. Dr. Hunscha, der die Dissertation begleitet und das Erstgutachten verfaßt hat. Herrn Prof. Dr. Schmitt danke ich für die zügige Zweitbegutachtung und Herrn Prof. Baumann, an dessen Lehrstuhl ich tätig war, für die Freiheit zu eigener wissenschaftlicher Arbeit, die er mir gewährt hat. Ich widme diese Arbeit meiner Mutter und dem Gedenken an meinen Vater, der ihre Fertigstellung nicht mehr miterlebt hat. Berlin, im Dezember 1997

Burkhard Frisch

Inhaltsverzeichnis Einleitung

15

A. Anlaß und Ziel der Untersuchung, Problemeinführung............................................. 15 B. Abgrenzung des Themas ........................................................................................... 16 C. Gang der Untersuchung ............................................................................................. 17

Erster Teil Die Haftungstatbestände

19

A. Haftung gegenüber der Gesellschaft und gegenüber den Gesellschaftern ................. 19 I. § 43 I, li GrnbHG ................................................................................................ 19 l. Charakterisierung ........................................................................................... 19 2. Verhältnis zu anderen Anspruchsgrundlagen ................................................. 20 3. Die Anspruchsvoraussetzungen ...................................................................... 21 a) Pflichtverletzung ....................................................................................... 21 (l) Haftung nur für eigene Pflichtverletzung ............................................ 2l (2) Der Grundsatz der Gesamtverantwortung, Auswirkungen einer Geschäftsverteilung und Delegation ................................................... 21 b) Der Inhalt der Geschäftsführerpflichten .................................................... 23 (I) Pflicht zur Unternehmensleitung ......................................................... 23 (a) Grundsatz und Justitiabilität des Unternehmerischen Ermessens .... 23 (b) Pflichtverletzung bei Risikogeschäften ......................................... 25 (c) Pflicht, für rechtmäßiges Verhalten der Gesellschaft im Außenverhältnis zu sorgen ........................................................................... 25 (2) Pflicht zur Ausftihrung von Weisungen .............................................. 27 (3) Loyalitätspflicht .................................................................................. 28 (4) Pflicht zu kollegialer Zusammenarbeit. ............................................... 28 c) Schaden ..................................................................................................... 28 d) Verschulden ............................................................................................... 29 4. Darlegungs- und Beweislast ........................................................................... 29 5. Gesamtschuldnerische Haftung ...................................................................... 31 6. Geltendmachung des Anspruchs, Wirkung einer Entlastung oder Generalbereinigung ..................................................................................................... 3 I a) Die Gesellschaft ist Anspruchsteller .......................................................... 31 b) Ein einzelner Gesellschafter als Anspruchsteller, actio pro socio ............. 32 li. Tatbestände im Rahmen der Kapitalaufbringung und -sicherung ....................... 33 I. § 43 III GmbHG ............................................................................................. 33 2. § 64 li GmbHG .............................................................................................. 34

8

Inhaltsverzeichnis 3. § 9a I und§ 57 IV GmbHG ............................................................................ 35 III. Haftung gegenüber den Gesellschaftern .............................................................. 35 1. Organschaftliehe Haftung ............................................................................... 35 2. Deliktische Haftung ........................................................................................ 36 a) § 823 I BGB wegen Eingriffs in "den Kern der Gesellschaftennitgliedschaft" ........................................................................................................ 36 b) § 823 II BGB, Verletzung eines Schutzgesetzes ....................................... 37

B. Die Außenhaftung des Geschäftsführers ................................................................... 37 I. Vertragliche Außenhaftung ................................................................................. 39 I. Rechtsscheinshaftung ..................................................................................... 39 2. Haftung aus Verschulden bei Vertragsschluß................................................. 39 a) Organhaftung infolge wirtschaftlichen Eigeninteresses ............................ 40 b) Haftung infolge Inanspruchnahme besonderen persönlichen Vertrauens ....... 42 II. Deliktische Außenhaftung ................................................................................... 43 1. Außenhaftung gern.§ 823 I BGB ................................................................... 43 a) Der Gegenstand der aktuellen Diskussion ................................................. 43 b) Der "Baustoff-Fall" ............. ...................................................................... 44 (I) Die Entscheidung des Bundesgerichtshofs, VI. Zivilsenat vom 5.12.1989 ............................................................................................ 44 (2) Reaktionen in der Literatur ................................................................ .45 c) Diedeliktische Verantwortlichkeit von Organen in der höchstrichterlichen Rechtsprechung neben dem Baustoff-Urteil ................................... 49 2. Außenhaftung gern. § 823 II BGB wegen Verletzung eines Schutzgesetzes ....... 50 a) Normen mit Schutzgesetzcharakter ........................................................... 50 b) Die Haftung wegen Konkursverschleppung, §§ 823 II BGB, 64 I GmbHG ....................................................................................... .............. 51 (I) Anspruchsvoraussetzungen ................................................................. 51 (2) Erweiterung des Haftungsumfangs gegenüber Neugläubigern ........... 52 3. Haftung gern.§ 826 BGB ............................................................................... 57 III. Wettbewerbsrechtliche und immaterialgüterrechtliehe Haftung ......................... 58 IV. Die steuerrechtliche Verantwortlichkeit .............................................................. 58 V. Handelndenhaftung, § ll II GmbHG .................................................................. 59 C. Resümee zum I. Teil ................................................................................................. 59

Zweiter Teil Die Entwicklung des Haftungsrisikos des Geschäftsführers und des Arbeitnehmers

61

A. Risiko einer existenzgefährdenden Haftung flir Geschäftsführer .............................. 61 I. Rechtliche Vergrößerung der Haftungsgefahr. .................................................... 63 II. Tatsächliche Vergrößerung der Haftungsgefahr .................................................. 63 I . Vermehrte Inanspruchnahme von Geschäftsleitern ........................................ 63 2. Gesellschaftskonkurs ...................................................................................... 64 3. Weitere Gründe für die Erhöhung des Wagnisses .......................................... 65

Inhaltsverzeichnis

9

B. Versicherungsschutz für die Haftungsrisiken des Geschäftsflihrers .......................... 65 I. Betriebshaftpflichtversicherung .......................................................................... 65 II. Vermögensschadenhaftpflichtversicherung ......................................................... 67 I. Deckung der Ansprüche der Gesellschaft ihrem Geschäftsflihrer gegenüber ....... 69 2. Deckung der Außenhaftung des Geschäftsflihrers.......................................... 72 3. Voraussetzungen für den Abschluß einer "D&O"-Police, Verbreitung der Vermögensschadenversicherung .............................................................. 73 C. Das Haftungsrisiko des Arbeitnehmers ..................................................................... 73 I. Haftungserleichterung für Arbeitnehmer............................................................. 74 I. Die Grundsätze zum innerbetrieblichen Schadensausgleich .......................... 74 2. Haftung des Arbeitgebers für Eigenschäden des Arbeitnehmers.................... 75 II. Die Entwicklung der Rechtsprechung zum innerbetrieblichen Schadensausgleich ................................................................................................................... 76 III. Bewertung der Entwicklungstendenz .................................................................. 82 Dritter Teil

Rechtsprechung und Literatur zur Anwendbarkeit der Arbeitnehmerhaftungsprivilegierung auf Geschäftsführer

83

A. Rechtsprechung zur Anwendbarkeit der Haftungserleichterung auf die Tätigkeit von Organmitgliedern ................................................................................................ 83 I. Urteile des Bundesgerichtshofs ........................................................................... 83 II. Keine Entscheidungen des Bundesarbeitsgerichts ............................................... 84 III. Parallelbetrachtung: die Rechtsprechung zur Haftungssituation des selbständigen Dienstnehmers und des leitenden Angestellten ......................................... 84 I. Haftungserleichterung flir arbeitnehmerähnliche selbständige Dienstnehmer? .......................................................................................................... 85 a) Die grundlegende Entscheidung des Bundesgerichtshofs ......................... 85 b) Zunehmend abweichende Ansicht in der Literatur .................................... 85 2. Die Anwendung der Grundsätze zur Arbeitnehmerhaftung auf die Tätigkeit der leitenden Angestellten ....................................................................... 86 a) Abweichende Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs und des Bundesarbeitsgerichts ...................................................................................... 86 b) Literatur zur Haftung der leitenden Angestellten ...................................... 87 B. Literatur zur Anwendbarkeit der Haftungserleichterung auf die Tätigkeit von Organmitgliedern ....................................................................................................... 88 I. Überwiegender Teil der Literatur gegen eine Anwendung der Regeln zur Arbeitnehmerhaftung .......................................................................................... 88 I. Die Ansicht Schneiders .................................................................................. 89 a) Die Argumentation .................................................................................... 89 b) Kritik ......................................................................................................... 90 2. Die Ansicht Heisses ........................................................................................ 91 a) Die Argumentation .................................................................................... 91 b) Kritik ......................................................................................................... 92 (I) Zentrales Argument nicht tragfähig .................................................... 92

10

Inhaltsverzeichnis (2) Parallelbetrachtung der Mankohaftung im Arbeitsverhältnis .............. 94 c) Zwischenergebnis ...................................................................................... 96 3. Die Ansicht Bastucks ..................................................................................... 96 4. Andere Autoren .............................................................................................. 98 II. Minderansicht flir die Anwendbarkeit der Haftungserleichterung ...................... 99 I. Die früheren Ansichten Schaubs und Schneiders ........................................... 99 2. Die Ansicht Wehrmeyers ............................................................................... 99 3. Die Ansicht Höhns ....................................................................................... 100 4. Andere Autoren ............................................................................................ 100

C. Regreß- bzw. Freistellungsansprüche, Innenausgleich bei der Haftung .................. 10 I I. Ansprüche des Geschäftsführers gegen die Gesellschaft ................................... 101 II. Neueste höchstrichterliche Rechtsprechung zur Haftungserleichterung beim Regreß gegen den "vorläufigen"Geschäftsftihrernach § I6113 THG ................. I 02 D. Resümee zum 3. Teil ............................................................................................... ) 04

Vierter Teil

Arbeitnehmerstatus des Geschäftsführers, Auswirkungen auf die Anwendbarkeit der Haftungserleichterung?

I 06

A. Die Ausgangsfrage .................................................................................................. I 06 B. Die Einordnung in der höchstrichterlichen Rechtsprechung ................................... 107 I. Die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs .................................................... 107 I. Anstellungsverhältnis des Geschäftsführers ist "freier" Dienstvertrag ......... I 07 2. Zunehmende entsprechende Anwendung von Arbeitnehmerschutzrecht.. ... 107 II. Die Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts ................................................ 109 C. Exkurs: Die Einordnung im Sozialversicherungsrecht.. .......................................... 1 I2 I. Der Anstellungsvertrag als sozialversicherungspflichtiges Beschäftigungsverhältnis ........................................................................................................... 112 II. Auswirkungen auf die arbeitsrechtliche Statusbestimmung? ............................ 113 D. Die Statusbeurteilung in der Literatur ..................................................................... 114 I. Mehrheitliche Übereinstimmung mit der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs .................................................................................................................... ll4 II. Positive Stellungnahmen zur Möglichkeit eines Arbeitsvertrages .................... 115 I. Der Ausgangspunkt der Argumentation ....................................................... l15 2. Keine Präjudizierung durch die gesetzlichen Bereichsausnahmen ............... 115 3. Vorrang der Organstellung und der organschaftliehen Funktionen? ............ 116 4. Subsumtion unter den Arbeitnehmerbegriff................................................. I I 8 a) Weisungsabhängigkeit als zentrales Merkmal der persönlichen Abhängigkeit.. .............................................................................................. 118 b) Eingliederung .......................................................................................... 120 c) Fehlendes Untemehmerrisiko .................................................................. l21 d) Zwischenergebnis .................................................................................... 122 III. Insbesondere: Dillers Einordnung nach dem wirtschaftlichen Arbeitnehmerbegriff................................................................................................................ 122

Inhaltsverzeichnis

11

I. Der wirtschaftliche Arbeitnehmerbegriff...................................................... 122 2. Übertragung auf Organmitglieder ................................................................ 124 E. Die Relativierung des Arbeitnehmerbegriffs ........................................................... 126 I. Der rechtstheoretische Ansatz ........................................................................... 126 II. Übertragung auf die anstellungsvertragliche Rechtsstellung des GmbHGeschäftsftihrers ................................................................................................ l28

Fünfter Teil Funktional-teleologische Betrachtung der Rechtssätze zur Arbeitnehmerhaftung

131

A. Modifikation des haftungsbegründenden Tatbestands ............................................ 132 I. Die Tatbestandsvoraussetzungen Pflichtverletzung und Rechtswidrigkeit ....... 132 II. Modifikationen der Verschuldensvoraussetzung ............................................... l33 I. Entsprechende Anwendung von Vorschriften, die bestimmte Schuldformen voraussetzen ....................................................................................................... 133 2. Modifikation des Sorgfaltsmaßstabs und subjektiver Verschuldensbegriff.. .. 135 3. Die Ansicht Richardis .................................................................................. 137 4. Der Ansatz Reinhardts .................................................................................. l38 5. Bedenken gegen eine Modifikation der Verschuldenserfordernisses ........... l39 111. Zwischenergebnis .............................................................................................. l40 B. Beschränkungen auf der Rechtsfolgenseite ............................................................. 141 I. Haftungserleichterung aufgrundder Treue- und Fürsorgepflicht ...................... l41 I. Allgemeine Problematik der Fürsorgetheorie............................................... 141 2. Renaissance der Treue- und Fürsorgepflicht? .............................................. 142 3. Folgerungen flir den persönlichen Anwendungsbereich? ............................. l44 II. Schadenszurechnung aufgrund der Theorie der Risikohaftung bei Tätigkeit im fremden Interesse ......................................................................................... 146 I. Grundlegung ................................................................................................. 146 2. Die Problematik des Risikogedankens ......................................................... 147 a) Konkretisierungsbedürftigkeit der Zurechnungskriterien ........................ l47 b) Geflihrdungshaftungstatbestände analogiefeindlich? .............................. 148 3. Die Begründung in der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts ............ 150 4. Analyse der einzelnen Elemente der Risikozurechnung ............................... 150 a) Tätigkeit im Interesse des Arbeitgebers .................................................. 151 (I) Allgemeine Problematik der Interesseformel .................................... 151 (2) Insbesondere: Anwendbarkeit der Interesseformel in gegenseitigen Verträgen ........................................................................................... 152 (a) Rechtfertigung mit "Gewinnchancen des Arbeitgebers" und dem "Abwälzungsargument"? .................................................... 152 (b) Äquivalenzbetrachtung auf der Grundlage des wirtschaftlichen Arbeitnehmerbegriffs .................................................................. !53 b) Das Zurechnungselement "Gefahrbeherrschung" .................................... l55 (I) Beherrschbarkeit als Präventionsmöglichkeit durch Organisationsund Weisungsmacht .......................................................................... l56

12

Inhaltsverzeichnis (a) Tatsächliche Verhinderungsmacht? ............................................ 156 (b) Gefahrbeherrschung als Zurechnungskriterium bei der Gefahrdungshaftung ........................................................................ 157 (2) Das Prinzip der abstrakten Beherrschbarkeit nach Koller ................. 159 (a) Grundlagen der Risikozurechnung nach Koller. ......................... 159 (b) Übertragung des Prinzips auf die Arbeitnehmerhaftung ............. 160 (c) Vergleich mit der ökonomischen Analyse des Zivilrechts .......... 160 (aa) Die Grundlagen der ökonomischen Analyse....................... 161 (bb) Die Figur des "cheapest cost avoider" ................................ 164 (3) Beherrschbarkeit als Möglichkeit der "Absorption", Belastung des "besseren Risikoträgers" ............... :............................................. 166 (a) Absorptionsvorsprung des Arbeitgebers ..................................... 166 (b) Kollers Deutung des Absorptionsprinzips bezüglich der Arbeitnehmerhaftung ...................................................................... 167 (c) Vergleich mit der ökonomischen Analyse .................................. 168 (aa) "Cheapest insurer" .............................................................. 168 (bb) "Superior risk bearer" ......................................................... 169 (cc) Zwischenergebnis ............................................................... 170 (d) Die bessere Möglichkeit der Risikostreuung als "deep-pocketapproach" und das Ziel der Verteilungsgerechtigkeit... ................. 170 c) Veranlassung der gefährlichen Tätigkeit, Zurechnung einer tätigkeitsspezifischen Gefahr ................................................................................. 172 5. Ergebnisse zur Theorie der Risikohaftung bei Tätigkeit im fremden Interesse ........................................................................................................ 174 a) Konkretisierung der Zurechnungskriterien .............................................. 174 b) Anwendbarkeit der Risikohaftungstheorie außerhalb von Arbeitsverträgen ....................................................................................................... 175 III. Ergebnisübertragung der Untersuchung zur Theorie der Risikohaftung bei Tätigkeit im Fremdinteresse auf GmbH -Geschäftsftihrer .................................. 177 1. Fremdnützigkeit der Tätigkeit ...................................................................... 177 a) Die Rechtsprechung zu § 17 I 2 BetrAVG .............................................. 177 b) Wirtschaftliche Teilhabemöglichkeiten der Geschäftsftihrer .................. 180 {l) Fremdgeschäftsftihrer mit Festgehalt ................................................ 180 (2) Fremdgeschäftsflihrer mit Tantiemeanspruch ................................... 181 (3) Auswirkung einer Gesellschaftsbeteiligung ...................................... 184 c) Unternehmerische Entscheidungsfreiheit ................................................ 187 (I) Fremdgeschäftsftihrer. ....................................................................... 187 (a) Gesellschaft mit gesetzlichem Normalstatut ............................... 187 (b) Abweichungen vom gesetzlichen Normalstatut .......................... 190 (c) Auswirkung zwingender Mitbestimmung? ................................. 192 (aa) MitbestG 1976, Montan-MitbestG ...................................... 192 (bb) BetrVG 1952 ....................................................................... 194 (cc) Zwischenergebnis ............................................................... 194 (2) Gesellschaftergeschäftsflihrer............................................................ 195 (a) Die Kompetenz des zumindest paritätisch beteiligten Geschäftsführers .............................................................................. 195

Inhaltsverzeichnis

13

(b) Der Einfluß des Minderheitsgesellschaftergeschäftsflihrers ....... 196 2. Beherrschbarkeitsvorsprung der Gesellschaft .............................................. 198 a) Abstrakte Beherrschbarkeit, das Unterworfensein unter eine fremde wirtschaftliche Herrschaftssphäre ............................................................ 198 b) Absorptionsvorsprung der Gesellschaft................................................... 201 (I) Vorrangige Kriterien der Verteilungsgerechtigkeit, insbesondere das Deep-pocket-Argument. .............................................................. 201 (2) Möglichkeit der Risikoabwälzung, insbesondere durch den Abschluß von Versicherungen ............................................................... 202 (3) Indizwirkung der Haftungskanalisierung auf den Geschäftsherrn ...... 203 3. Ergebnis zur Übertragbarkeit der Theorie der Risikohaftung bei Tätigkeit im Fremdinteresse auf Geschäftsführer ................................................. 204 C. Verfassungsrechtliche Herleitung ............................................................................ 206 I. Der Vorlagebeschluß des Großen Senats des Bundesarbeitsgerichts 1992 ....... 207 II. Der Beschluß des Großen Senats des Bundesarbeitsgerichts 1994 ................... 209 I. Argumentation unter Bezugnahme auf den Bürgschaftsbeschluß des Bundesverfassungsgerichts ................................................................................. 209 2. Der Bürgschaftsbeschluß des Bundesverfassungsgerichts ........................... 210 a) Die Ungleichgewichtslage ....................................................................... 211 b) Außergewöhnliche Belastung .................................................................. 212 c) Kritik am Bürgschaftsbeschluß ............................................................... 215 III. Übertragbarkeit des Bürgschaftsbeschlusses auf die Arbeitnehmerhaftung ...... 217 I. Strukturelle Unterlegenheit .......................................................................... 217 2. Außergewöhnliche Belastung ....................................................................... 219 3. Die Drittwirkungsproblematik ...................................................................... 219 IV. Zwischenergebnis: Die Rechtssätze zur Haftungserleichterung als Resultat der Schutzgebotsfunktion von Arbeitnehmergrundrechten ............................... 222 V. Übertragbarkeit der verfassungsrechtlichen Verankerung der Haftungserleichterung auf den GmbH-Geschäftsflihrer ...................................................... 224 I. Die Grundrechtsposition des Geschäftsführers............................................. 224 2. Auswirkungen des Haftungsrisikos aufdie Privatautonomie der Geschäftsflihrer ............................................................................................................ 225 a) Strukturelle Unterlegenheit ..................................................................... 226 b) Außergewöhnliche Belastung .................................................................. 227 c) Vereinbarkeil der Haftungserleichterung mit verfassungsrechtlich geschützten Positionen der Gesellschaft ..................................................... 227 D. Zwingender Charakter des§ 43 GmbHG versus Haftungserleichterung? ............... 228 I. Der Streitstand zum Charakter des§ 43 GmbHG .............................................. 229 II. Innere Systematik als Indiz gegen einen umfassend zwingenden Charakter..... 230 I. Die haftungsbefreiende Wirkung einer Weisung ......................................... 230 2. Möglichkeit des nachträglichen Verzichts.................................................... 231 3. Die vermittelnde Auffassung ........................................................................ 232 III. Die Funktionen der Geschäftsführerhaftung ..................................................... 234 1. Funktionen persönlicher Haftung nach Wiedemann .................................... 234 2. Das Prinzip der Einheit von Herrschaft und Haftung ................................... 236 IV. Ergebnis ............................................................................................................ 238

14

Inhaltsverzeichnis

E. Auswirkung der Haftungsprivilegierung auf die Beweislastverteilung ................... 240 I. Unterschiedliche Beweislastverteilung in Schadensersatzprozessen gegen Geschäftsführer und Arbeitnehmer ................................................................... 241 I. Die beweisrechtliche Situation des Geschäftsführers ................................... 24l 2. Die Beweissituation des haftungsprivilegierten Arbeitnehmers ................... 24l II. Die Begründung der Beweislastverteilung bei der Arbeitnehmerhaftung ......... 242 l . Die Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts ........................................... 242 2. Rückgriff auf allgemeine Erwägungen zur Beweislastverteilung bei Ansprüchen aus positiver Vertragsverletzung .............................................. 243 a) Verteilung nach Beweissphären .............................................................. 243 b) Differenzierung nach dem Inhalt der verletzten Pflicht... ........................ 244 III. Übertragbarkeit der Argumentation auf die Haftung des Geschäftsflihrers bei Eingreifen der Haftungsprivilegierung ........................................................ 246 I. Kein autonomer Herrschafts- und Verantwortungsbereich des reduziert haftenden Geschäftsführers .......................................................................... 246 2. Der Geschäftsführer als Schuldner einer "Erfolgsverbindlichkeit"? ............ 247 3. Beweislastverteilung und Präventionsfunktion der Organhaftung ............... 249 4. Ergebnis........................................................................................................ 250

Thesen und Ausblick

251

A. Zum beruflichen Haftungsrisiko des Geschäftsführers einer GmbH ....................... 251 B. Zur Problemlösung in Rechtsprechung und Literatur und zur Bedeutung der anstellungsvertraglichen Statusbestimmung ............................................................ 252 C. Zur funktional-teleologisch begründeten Übertragung der Haftungserleichterung auf GmbH-Geschäftsführer ............................................................................. 253

Literaturverzeichnis

257

Sachregister

275

Einleitung A. Anlaß und Ziel der Untersuchung, Problemeinführung Die Frage, ob Geschäftsführer einer GmbH in den Genuß einer Haftungserleichterung nach dem Vorbild der richterrechtlichen Grundsätze zur Arbeitnehmerhaftung kommen können, gilt als bislang nicht erschöpfend diskutiert. 1 Den Anlaß der vorliegenden Untersuchung, die sich einem Grenzbereich zwischen Arbeits- und Gesellschaftsrecht widmet, bildet die aktuelle Rechtsprechung des Großen Senats des BAG,2 durch die- angeregt durch den 8. Senat des BACPdas Recht der Arbeitnehmerhaftung abermals in Bewegung geraten ist. Zwar hat der II. Zivilsenat des BGW es schrofF abgelehnt, die arbeitsrechtlichen Grundsätze über eine Haftungserleichterung auf das Vertretungsorgan einer juristischen Person anzuwenden, das wegen Verletzung seiner originären Pflichten in Anspruch genommen wird, und die Literatur ist ihm im Ergebnis überwiegend gefolgt.6 Mit dem ,,Abschied von der Gefahrgeneigtheit'' als Eingangsvoraussetzung der Haftungsprivilegierung7 im Arbeitsrecht fällt aber ein zentrales Argument der Rechtsprechung des BGH künftig fort, das dieser bislang bei Diensten höherer Art generell gegen die Privilegierungswürdigkeit angeführt hat. 8 Während die aktuelle arbeitsgerichtliche Rechtsprechung die Entwicklung zur schrittweisen Verringerung der Haftungsrisiken für Arbeitnehmer fortführt, nimmt die Gefahr für Organmitglieder zu, aufgrundvon Fehlern bei der Unternehmensführung existenzbedrohenden Schadensersatzansprüchen ausgesetzt zu sein. Dieses Risiko ist auch nicht, wie gelegentlich behauptet wurde, lediglich theoretischer Natur. Geschäftsführer werden in zunehmendem Maße von der Gesellschaft, von einzelnen Gesellschaftern und von Gesellschaftsgläubigern Grunewald, ZHR 157 (1993), 451,460. BAG GS AP Nr. I 01 zu § 611 BGB Haftung des Arbeitnehmers= NZA 1993, 547; AP Nr. 103 zu § 611 BGB Haftung des Arbeitnehmers= NZA 1994, I 083. 3 BAG, AP Nr. 98 zu § 611 BGB Haftung des Arbeitnehmers = NZA 1990, 95. 4 BGH WM 1975,467,469. s So auch Konzen, NJW 1989,2977,2984. 6 Vgl. nur Scholz!Schneider, § 43, Rdnr. 182; abw. jetzt aber Höhn, Die Geschäftsleitung, S. 199. 7 Vgl. nur Hanau/Rolfs, NJW 1994, 1439. 8 BGH AP Nr. 51 zu§ 611 BGB Haftung des Arbeitnehmers= NJW 1970, 34, 35, mangels Routinecharakter seien derartige Tätigkeiten nicht als gefahrgeneigt einzustufen. Vgl. auch BGH AG 1985, 165, wo der Zusammenhang zwischen der Haftung eines Organmitglieds eines Sozialversicherungsträgers (Geschäftsfi.ihrer einer Innungskrankenkasse, zur Rechtsstellungvgl. §§ 31 I 2, 36 SGB IV) und der des leitenden Angestellten hergestellt ist. I

2

16

Einleitung

persönlich in Anspruch genommen. Durch Aufrechnung mit Schadensersatzansprüchen droht ihnen der Verlust von Gehalts- und Ruhegeldansprüchen, nach Eröffnung des Konkursverfahrens über das Gesellschaftsvermögen sehen sich Organmitglieder Ansprüchen des Konkursverwalters ausgesetzt. 9 Gleichzeitig wird in der Literatur 10 lebhaft diskutiert, ob dem Geschäftsführer einer GmbH - entgegen der ständigen Rechtsprechung in der Zivilgerichtsbarkeit11 - unter bestimmten Voraussetzungen aufgrund seiner innergesellschaftlichen Stellung der Status eines Arbeitnehmers zuzubilligen sei. Hintergrund dieser Überlegungen ist die Feststellung, daß seine Situation in tatsächlicher Hinsicht der eines leitenden Angestellten gleichen kann. 12 So besteht letztlich auch - bei Differenzen im Detail - weitgehende Einigkeit über das Erfordernis eines Sozialschutzes für Geschäftsführer, die nicht oder nicht nennenswert an der geleiteten Gesellschaft beteiligt sind. 13 Es läßt sich aber zeigen, daß unabhängig von der Möglichkeit, einen Teil der Geschäftsführer unter den Arbeitnehmerbegriff zu subsumieren, die Frage der Anwendbarkeit von Arbeitsrecht letztlich davon abhängt, ob nach Sinn und Zweck des einzelnen arbeitsrechtlichen Rechtssatzes die Anwendung geboten ist und ob gesellschaftsrechtliche Normen oder Grundsätze nicht zwingend entgegenstehen. Grundlage einer Übertragung der Rechtssätze zur Arbeitnehmerhaftung auf Geschäftsführer können danach nur die Wertungen und Rechtsprinzipien sein, auf denen die Haftungsprivilegierung basiert. Die dogmatischen Grundlagen eröffuen den Blick auf die Voraussetzungen dieses Rechtsinstituts. Sofern sie auch bei den Unternehmensleitern einer GmbH nachweisbar sind, bleibt zu klären, inwieweit die Charakteristik der Organhaftung einer Haftungsbeschränkung entgegensteht. Ziel der Arbeit ist es zu zeigen, daß die bislang von der Rechtsprechung und dem überwiegenden Teil der Literatur vertretene Auffassung zu überdenken ist, die arbeitsrechtlichen Grundsätze über eine Haftungserleichterung seien auf den Geschäftsführer einer GmbH, unabhängig von dessen innergesellschaftlicher Stellung, jedenfalls dann nicht anwendbar, wenn er wegen der Verletzung einer originären Organpflicht in Anspruch genommen wird.

B. Abgrenzung des Themas Die Arbeit beschränkt sich sachlich auf die Haftung der Geschäftsführer nicht konzernangehöriger Gesellschaften. Ist eine GmbH konzerngebunden, bestehen gegenüber den hier herausgearbeiteten Voraussetzungen einer Haftungserleichterung zugunsten ihres Geschäftsführeres keine Besonderheiten, sofern anstellende und bestellende Gesellschaft identisch sind. Ist die beherrschende Gesellschaft

9

Siehe nur Schneider, FS Werner, S. 795 f. m.w.N.

1o Vgl. zuletzt Diller, Gesellschafter, insb. den ÜberblickS. 47 ff.

II

Siehe nur BGHZ 49, 30, 31.

12 Siehe nur Henssler, RdA 1992, 289, 290. n Schneider, GmbHR 1993, 10, 13.

C. Gang der Untersuchung

17

Partner des Anstellungsvertrages, 14 während die Organfunktion bei der beherrschten Korporation ausgeübt wird, kommt bei einer Inanspruchnahme gern. § 43 II GmbHG ein Freistellungsanspruch des Geschäftsfuhrcrs gegenüber der ihn anstellenden, herrschenden Gesellschaft in Betracht. 15 Die Problematik der Außenhaftung des Arbeitnehmers gegenüber Drittgeschädigten, bei der der BGH bislang eine Haftungserleichterung ablehnt, 16 kann lediglich am Rande mitbehandelt werden. Sofern die Grundsätze zum innerbetrieblichen Schadensausgleich auf Geschäftführer übertragbar sind, kommt nach dem gegenwärtigen Stand der höchstrichterlichen Rechtsprechung 17 lediglich eine Beschränkung der Innenansprüche der Gesellschaft ihrem Geschäftsfiihrer gegenüber in Betracht. Diese Ansprüche verkörpern aber einen erheblichen Teil des Haftungsrisikos der Organpersonen, denn sie können auch von Gesellschaftsgläubigern gepfändet und diesen zur Einziehung überwiesen werden. Außerdem setzt der Konkursverwalter Ansprüche der Gesellschaft gegenüber dem Geschäftsfiihrer durch. Eine Verbindung von Innen- und Außenansprüchen, denen der Geschäftsfiihrer ausgesetzt sein kann, resultiert auch daraus, daß der Gesellschaft Regreßansprüche zustehen, wenn sie - ggf. neben dem Organmitglied- infolge Geschäftsfiihrerhandelns Dritten gegenüber schadensersatzpflichtig wird. Nimmt ein Außenstehender den Geschäftsführer direkt in Anspruch, kann ihm, wenn diese anwendbar sind, nach den Grundsätzen zum innerbetrieblichen Schadensausgleich ein Freistellungsanspruch gegenüber der ihn anstellenden Gesellschaft zustehen, der jedoch bei deren V ermögenslosigkeit wertlos ist. Bei besonderen Konstellationen könnte aber auch ein Rückgriffsanspruch des Geschäftsführers gegenüber einzelnen Gesellschaftern in Betracht zu ziehen sein. 18 Auf das Ausmaß eines solchen Regresses etwa aus den§§ 840 I, 426 I 1 BGB würden sich wiederum die Grundsätze zum innerbetrieblichen Schadensausgleich auswirken. Die Analyse der dogmatischen Grundlagen der Haftungserleichterung im Verhältnis der Parteien des Arbeitsvertrages liefert gleichzeitig den Ausgangspunkt für weiterführende Überlegungen einer Haftungsbeschränkung für Arbeitnehmer auch im Verhältnis zu Drittgeschädigten. 19

C. Gang der Untersuchung Um das Ausmaß des Haftungsrisikos, dem ein GmbH-Geschäftsfiihrer heute ausgesetzt ist, einschätzen zu können, ist es notwendig, sich zunächst über die denkZur Rechtsnatur: Schneider, GmbHR 1993, S. 12 ff. Vgl. Martens, FS Hilger/Stumpf, S. 437, 450; auch Gaul, GmbHR 1989,357, 361. 16 BGHZ 108, 305 = AP Nr. 99; zuletzt BGH AP Nr. 104 jeweils zu § 611 BGB Haftung des Arbeitnehmers. 17 Vgl. aber abw. OLG Celle, VersR 1993, 1026 f. 1s Angeregt bei der Haftung des Geschäftsführers aus §§ 823 II BGB, 64 GmbHG, vgl. Wilhelm, ZIP 1993, 1833, 1837; Hirte, ZIP Sonderdruck 111994, S. 6; vgl. auch das Modell der Gesellschafterhaftung bei Karollus, ZIP 1995, 269, 272 f. 19 Vgl. Krause, VersR 1995, 752 ff. und Schlachter, FS OLG Jena, S. 253 ff. 14

15

2 Frisch

18

Einleitung

baren Grundlagen der Schadensersatzanspüche Klarheit zu verschaffen. Bereits die Darstellung der Anspruchsgrundlagen, mit denen der Geschäftsfiihrer konfrontiert sein kann, verdeutlicht die Spannungslage, in der sich die Ausgestaltung der Organhaftung vollzieht. Betroffen sind die Interessen der Gesellschaft, von Gesellschaftern, insbesondere einer Gesellschafterrninderheit, die Belange der Gesellschaftsgläubiger und das Anliegen der Geschäftsfiihrer, das auf eine zumutbare, ihrer innergesellschaftlichen Stellung entsprechende Haftung gerichtet ist. Angesichts der soziologischen Nähe der Geschäftsführer zu leitenden Angestellten und der Diskussion in der Literatur um den Arbeitnehmerstatus eines Teils der Organpersonen ist die gegensätzliche Entwicklung der beruflichen Haftungsrisiken fiir Geschäftsführer und Arbeitnehmer zu beleuchten. Bedeutung kommt dabei den Fragen zu, inwieweit die den Geschäftsftihrer treffenden Gefahren versicherbar sind und insbesondere, wie die höchstrichterliche Rechtsprechung die Ränder typischer Arbeitnehmertätigkeit- originäre Aufgaben der leitenden Angestellten, der Mankohaftung zugrundeliegende Obhutspflichten und die Dienste eines arbeitnehmerähnlichen Selbständigen- haftungsrechtlich behandelt. Eine kritische Würdigung der Stellungnahmen in Rechtsprechung und Literatur zur Anwendbarkeit der arbeitsrechtlichen Grundsätze über eine Haftungsbeschränkung auf Mitglieder von Vertretungsorganen juristischer Personen zeigt, daß die oftmals zentral zugrundegelegten Argumente gegen eine derartige Gleichbehandlung nicht zu überzeugen vermögen. Da die Problemlösung auch nicht im Wege einer begrifflichen Klassifikation des Anstellungsvertrages des GeschäftsfUhrcrs als "freier" Dienst- oder Arbeitsvertrag erfolgen kann, bilden den Schwerpunkt der Arbeit Überlegungen zu den Wertungen und Rechtsprinzipien, die der Haftungsprivilegierung zugrundezulegen sind. Sie bilden die Basis ftir eine Übertragung auf die Tätigkeit von GeschäftsfUhrern in Abhängigkeit von deren innergesellschaftlicher Stellung und in Relation zum Charakter und zur Funktion der Organhaftung. Besondere Aufmerksamkeit gilt hierbei der Theorie der Risikohaftung bei Tätigkeit im Fremdinteresse20 und der verfassungsrechtlichen Herleitung, der der Große Senat21 zur Begründung der Haftungserleichterung nunmehr breiten Raum einräumt. Um die Risikohaftungslehre zur Herleitung der Grundsätze zum innerbetrieblichen Schadensausgleich nutzbar zu machen, sind deren Zurechnungskriterien, die umfangreicher Kritik in der Literatur ausgesetzt sind, zu rekonstruieren und zu konkretisieren. Aus funktional-teleologischen Erwägungen folgt, daß die Grundsätze zur Arbeitnehmerhaftung nicht auf den Arbeitsvertrag beschränkt und auch auf das Anstellungsverhältnis "abhängiger" Geschäftsftihrer übertragbar sind. Der Geltungsbereich der Haftungsprivilegierung ist aber nicht nur in personeller, sondern auch in gegenständlicher Hinsicht einzuschränken. Nicht erfaßt ist die Verletzung spezifisch gläubigerschützender Pflichten.

zoGrundlegend Canaris, RdA 1966, 41 ff. 2 ' BAG GS AP Nr. I 03 zu § 611 BGB Haftung des Arbeitnehmers, C III der Gründe.

Erster Teil

Die Haftungstatbestände A. Haftung gegenüber der Gesellschaft und gegenüber den Gesellschaftern I. § 43 I, II GmbHG 1. Charakterisierung

Geschäftsführer haben nach § 43 I GmbHG in Angelegenheiten der Gesellschaft mit der Sorgfalt eines ordentlichen Geschäftsmanns zu handeln. Absatz 2 der Vorschrift bestimmt, daß sie im Falle einer Obliegenheitsverletzung der Gesellschaft solidarisch haften. Diese für die Geschäftsführerhaftung zentrale Vorschrift1 legt die Pflichten, die Verantwortung und die Haftung gegenüber der Gesellschaft fest; ihr Zweck besteht gleichzeitig darin, den Geschäftsfiihrer dazu anzuhalten, seinen Pflichten nachzukommen, und sie dient dem Ausgleich des der Gesellschaft durch die Pflichtverletzung ihrer Organperson entstandenen Schadens. § 43 GmbHG stellt sich damit als Fall der Verhaltenshaftung in der Ausformung der Verschuldeoshaftung dar. 2 Er enthält den Grundtatbestand organschaftlieber Haftung, der durch weitere Normen betreffend die Pflichten und die Haftung des Geschäftsführers ergänzt wird.3 Die in Absatz 2 vorgesehene gesamtschuldnerische Haftung setzt eine eigene schuldhafte Pflichtverletzung eines jeden Geschäftsführers voraus. 4

§ 43 GmbHG llillt sich als organisationsrechtlicher Haftungstatbestand begreifen. Geschäftsführer tragen bei der GmbH neben den Gesellschaftern einen Teil der Funktionsverantwortung. Die Verletzung von Pflichten, die sich aus der Organsteilung des Geschäftsführers ergeben, wird sanktioniert.5 Es handelt sich bei dieser Norm also nicht lediglich um die Konkretisierung eines Sonderfalls der positiven Vertragsverletzung (pVV) des schuldrechtlichen Anstellungsvertrags, der regelmä-

Konzen, NJW 1989,2977,2983. Scholz/Schneider, § 43, Rdnr. 7; Ebenroth/Lange, GmbHR 1992, 69, 70. 3 Lutter/Hommelhoff, § 43, Rdnr. I; Scholz/Schneider, § 43, Rdnr. I, 12; Schaub, DStR 1992, 985 f. 4 Deutlich: Lutter/Hommelhoff, § 43, Rdnr. I. 5 Scho1z/Schneider, § 43 Rdnr. 12 m.w.N.; vgl. auch Hachenburg/Mertens, § 43, Rdnr. 10; so offenbar auch BGH WM 1992,691,692. t

2

2*

20

I. Teil: Die Haftungstatbestände

ßig parallel zur organisationsrechtlichen Bestellung besteht.6 Die Haftung nach § 43 GrnbHG trifft ohne Rücksicht auf das Bestehen eines wirksamen Anstellungsvertrages jeden, der das Geschäftsführeramt ausübt. 7

2. Verhältnis zu anderen Anspruchsgrundlagen Eng mit der Frage der dogmatischen Einordnung hängt die des Verhältnisses des § 43 II GmbHG zu Ansprüchen der Gesellschaft gegenüber dem Geschäftsführer aus p VV des Anstellungsvertrages8 zusanunen. Nicht abschließend geklärt ist, ob die Haftung wegen Verletzung von Pflichten aus dem Anstellungsvertrag durch § 43 GmbHG, der hier als Spezialregelung angesehen werden könnte, verdrängt ist. In diesem Sinne hat sich der BGH in seiner neueren Rechtsprechung entschieden.9 Anderer Ansicht nach stehen beide Anspruchsgrundlagen nebeneinander und ergänzen sich, wobei die vertragliche Haftung jedoch neben der organisationsrechtlichen oftmals keine eigenständige Bedeutung erlangt. Demzufolge können aber die organschaftliehen Pflichten im Anstellungsvertrag modifiziert werden. 10 Die Frage der Anspruchskonkurrenz könnte durch die Reichweite des § 43 GmbHG und damit durch die Auslegung des dortigen Tatbestandsmerkmals ,,Angelegenheiten der Gesellschaft" zu klären sein. Läßt sich der Anwendungsbereich organschaftlieber Haftung auf die Fälle begrenzen, in denen der Geschäftsführer originäre Geschäftsleitungspflichten verletzt, käme fiir die Verletzung der übrigen vertraglichen Pflichten eine Haftung nach den allgemeinen Regeln der p VV in Betracht. 11 Dies könnte sich auf den Maßstab der ihm obliegenden Pflichten auswirken, der sich hier aus § 276 BGB anstelle von § 43 GmbHG ergäbe und darauf, ob eine Haftungserleichterung greifen kann, da dann der organisationsrechtliche Charakter der Haftung einer solchen nicht mehr umfassend entgegenstünde. 12 6 Hachenburg/Mertens, § 43, Rdnr. 10; zur Trennungstheorie vgl. nur Heisse, Die Beschränkung, S. 5 m.w.N. Abweichend gehen Sudhoff, Gesellschaftsvertrag, S. 244 und Baums, Geschäftsleitervertrag, S. 211 ff., 213, der sich auch gegen die Trennungstheorie wendet, von einem vertraglichen Haftungstatbestand aus. Vgl. auch die Nachw. bei Heisse, Die Beschränkung, S. 6. 7 V gl. nur Hachenburg/Mertens, § 43, Rdnr. I 0, mit Hinweis darauf, daß dies im Ergebnis auch von der Gegenansicht, die von einer vertraglichen Haftungsgrundlage ausgeht, nicht bestritten wird. s Unberührt von der organschaftliehen Haftung bleibt der deliktische Anspruch aus § 826 BGB bei Mißbrauch der Organstellung zur Durchsetzung eigener Interessen; Lutter/Homrnelhoff, § 43, Rdnr. 3. 9 BGH WM 1989, 1337; 1992, 691; Lutter/Homrnelhoff, § 43, Rdnr. 3; Konzen, NJW 1989,2977,2984. 1o Scholz/Schneider, § 43, Rdnr. 13 m.w.N.; Hachenburg/Mertens, § 43, Rdnr. 10 und Lutter/Homrnelhoff, § 43, Rdnr. 3. II Heisse, Die Beschränkung, S. II ff. 12 Vgl. Heisse, Die Beschränkung, S. 13, 107 ff., 123 ff.

A. Haftung gegenüber der Gesellschaft und gegenüber den Gesellschaftern

21

Diese Problematik soll hier nicht vertieft werden, da einerseits fiir die Haftungsgefahren, die den Geschäftfiihrer in der Praxis treffen, die Anwendung der Haftungsnormen in der von der Rechtsprechung angenommenen Auslegung entscheidend ist- hier wird immer § 43 II GmbHG angewandt- und andererseits das Ziel dieser Arbeit darin besteht zu zeigen, daß eine arbeitsrechtliche Haftungsprivilegierung auch im Anwendungsbereich des § 43 GmbHG denkbar ist. Hinzu kommt, daß die Geschäftsfiihrerhaftung ihre größte Bedeutung dort entfaltet, wo dem Geschäftsfiihrer bei der Geschäftsleitungstätigkeit im Bereich der Unternehmensfiihrung - also bei der Aufgabe, Unternehmerische Entscheidungen zu treffen - Fehler angelastet werden. Anspruchsgrundlage fiir hieraus entstandene Schäden ist nach allen Ansichten § 43 II GmbHG. Auch eine von der überwiegenden Auffassung abweichende Charakterisierung dieser Norm als vertraglicher Haftungstatbestand wirkt sich nicht auf die Anwendbarkeit einer Haftungserleichterung aus. 13

3. Die Anspruchsvoraussetzungen Ein Schadensersatzanspruch der Gesellschaft ihrem Geschäftsfiihrer gegenüber setzt voraus, daß dieser eine Pflicht verletzt hat, die ihm persönlich gegenüber der GmbH obliegt. Diese Pflichtverletzung muß zu einem Schaden bei der Gesellschaft gefiihrt und der Geschäftsfiihrer muß schuldhaftgehandelt haben. 14 a) Pflichtverletzung

Haftung nur for eigene Pflichtverletzung

(1)

Geschäftsfiihrer haften nach § 43 GmbHG nur fiir die Verletzung eigener Pflichten, nur die einzelne Organperson ist Pflichtenadressat Verletzen andere Geschäftfiihrer oder nachgeordnete Angestellte der Gesellschaft ihre Pflichten, findet eine Zurechnung zulasten der Geschäftsfiihrer nicht statt. Denkbar bleibt aber der Vorwurf, die Aufgabe habe nicht delegiert werden dürfen oder die Organperson sei ihren Organisations- und Überwachungspflichten nicht hinreichend nachgekommen. 15

(2)

Der Grundsatz der Gesamtverantwortung, Auswirkungen einer Geschäftsverteilung und Delegation

Hat eine Gesellschaft mehrere Geschäftsfiihrer, kann sich eine Arbeitsteilung innerhalb des Gesamtorgans Geschäftsfiihrung auf die persönliche VerantwortVgl. Heisse, Die Beschränkung, S. 7, II f. Ebenroth/Lange, GmbHR 1992, 69, 70; Scholz/Schneider, § 43 Rdnr. 25. Ausführlich zur Frage, ob die Rechtswidrigkeit eigenständige Anspruchsvoraussetzung ist: Heisse, Die Beschränkung, S. 13 ff. 15 Scholz/Schneider, § 43, Rdnr. 30; Hachenburg/Mertens, § 43, Rdnr. 19. 13

14

22

I. Teil: Die Haftungstatbestände

lichkeit des einzelnen Mitgliedes auswirken. Nach dem Grundsatz der Gesamtverantwortung gilt jedoch, daß unabhängig von der Ausgestaltung der Vertretungs- und Geschäftsführungsbefugnis alle Geschäftsführer für die Gesetzmäßigkeit der Unternehmensleitung, die Achtung der Satzungsbestimmungen und der Grundregeln ordnungsgemäßer Unternehmensführung einzustehen haben. 16 In einem Kernbereich der Geschäftsführungszuständigkeit besteht keine Möglichkeit der Verantwortungsverlagerung. Bestimmte Maßnahmen, die für die Gesellschaft von besonderer Bedeutung sind, dürfen trotz eventuell bestehender Ressortaufteilung nur von allen Geschäftsführern zusammen vorgenommen werdenY Es handelt sich hierbei etwa um die Vorbereitung der Pläne für die Unternehmenspolitik, die Festlegung der Organisationsstruktur und um andere existentiell wichtige Entscheidungen. 18 Außerhalb dieses Bereichs, in dem die Entscheidung zwingend dem Gesamtgremium Geschäftsführung zugewiesen ist, kann eine Geschäftsverteilung, die auf einer schriftlich fixierten Geschäftsordnung beruht, sich auf den Inhalt der Geschäftsführerpflichten auswirken, sofern der Adressat der Aufgabenverteilung hierfür qualifiziert ist. 19 Eine wirksame Geschäftsverteilung hebt den Grundsatz der Gesamtverantwortung zwar nicht auf, verändert aber den Pflichteninhalt Die ressortzuständige Organperson trifft die volle Handlungsverantwortung nach § 43 GmbHG, während den übrigen Geschäftsführern lediglich die Überwachung des zuständigen Kollegen obliegt.20 Diese Kontrollpflicht beinhaltet die regelmäßige Informationsbeschaffung darüber, ob der Mitgeschäftsführer weiterhin die notwendige Qualifikation besitzt, die ihm zugewiesenen Aufgaben zu erledigen. 21 Möglich ist auch die Delegation einzelner Sachfunktionen auf nachgeordnete Mitarbeiter. Hierbei hat der Geschäftsführer für eine ordnungsgemäße Auswahl, Einweisung, Information und Überwachung der Angestellten einzustehen. Insofern gehen die Pflichten des zuständigen Geschäftsleiters hier über diejenigen bei einer ordnungsgemäßen Geschäftsverteilung hinaus. 22 16 Vgl. nur Schol:z/Schneider, § 43, Rdnr. 34; Schneider, FS 100 Jahre GmbH, S. 473, 478 f. insbesondere hinsichtlich öffentlich-rechtlicher Pflichten. 17 Dreher, ZGR 1992, 22, 60; Lutter/Hommelhoff, § 37, Rdnr. 31 m.w.N. 1s Schol:z/Schneider, § 43, Rdnr. 39 f. 19 Zu den Voraussetzungen einer wirksamen Geschäftsverteilung vgl. ausführlich Heisse, Die Beschränkung, S. 83 ff. zo Schol:z/Schneider, § 43, Rdnr. 37; Lutter/Hommelhoff, § 37, Rdnr. 32. 21 Schol:z/Schneider, § 43, Rdnr. 37; Hachenburg/Mertens, § 43, Rdnr. 33; lediglich fur eine Evidenzkontrolle, solange keine Verdachtsmomente vorliegen: KöKo/Mertens, § 93, Arun. 94; Heisse, Die Beschränkung, S. 88. Gegen eine Überspitzung der Überwachungspflichten, wie sie in der Rspr. teilweise anzutreffen sei, auch Schneider, FS I00 Jahre GmbH, S. 473,481 f. Möglicherweise hat die Entscheidung BGH ZIP 1994, 891 die Bedeutung einer Geschäftsverteilung kürzlich vermindert, indem ihr hier die Eignung abgesprochen wurde, von den Pflichten des § 64 GmbH zu befreien, vgl. Westermann/Mutter, DZWir 1995, 184, 190. 22 Schol:z/Schneider, § 43, Rdnr. 38; Schneider, FS 100 Jahre GmbH, S. 473, 485 ff. auch zu den Voraussetzungen ordnungsgemäßer Delegation im einzelnen.

A. Haftung gegenüber der Gesellschaft und gegenüber den Gesellschaftern

23

b) Der Inhalt der Geschäftsführerpflichten Die dem Geschäftsführer gegenüber der Gesellschaft obliegenden Pflichten können zunächst grob kategorisiert werden in diejenigen zur Unternehmensleitung, das Gebot, Weisungen zu befolgen und die Pflicht zur kollegialen Zusammenarbeit sowie die der Loyalität. 23 Da die Pflichten aus Gesetz, Satzung, Gesellschafterbeschlüssen, dem Anstellungsvertrag, aus der Treuepflicht und der konkret gestellten Geschäftsleitungsaufgabe folgen, ist eine umfassende Darstellung wegen der andersartigen Ausgestaltung in jeder einzelnen Gesellschaft nicht möglich. 24 Pflicht zur Unternehmensleitung

(1)

Bei einer Gesellschaft mit gesetzlichem Normalstatut besteht eine Kompetenzverteilung zwischen Gesellschafterversammlung und Geschäftsführer dergestalt, daß die Gesellschafter die Grundsätze der Unternehmenspolitik festlegen, während die Pflicht der Geschäftsführer die Verantwortung für den organisatorischen Rahmen der Gesellschaft und die Abwicklung des Tagesgeschäftes beinhaltet. Sie müssen daneben Sorge tragen für die Rechtmäßigkeit des Gesellschaftsverhaltens im Außenverhältnis und sind zuständig für die Umsetzung der von den Gesellschaftern vorgegebenen Unternehmenspolitik. Das Schwergewicht der in § 43 I GmbHG umschriebenen Pflichten liegt darin, das Unternehmen nach bewährten betriebswirtschaftliehen Grundsätzen und unter Beachtung der Rechtsvorschriften zu leiten25 • (a)

Grundsatz und Justitiabilität des Unternehmerischen Ermessens

Es entspricht allgemeiner Ansicht in der Literatur, dem Geschäftsführer bei der Ausfiillung des vom Gesellschaftszweck gesteckten Rahmens und beim Umsetzen der von den Gesellschaftern gemachten Vorgaben unternehmerisches Ermessen zuzugestehen. Bei Unternehmerischen Entscheidungen bestehe jedenfalls bezüglich der wirtschaftlichen Zweckmäßigkeit ein unternehmenscher Ermessensspielraum, der auch der gerichtlichen Überprüfung entzogen sein soll.26 Dieser Grundsatz beschreibt eine Handlungsfreiheit innerhalb bestimmter Grenzen, die sich insbesondere aus den Grundregeln ordnungsgemäßer Unternehmensfiihrung ergeben. Über die wirtschaftliche Zweckmäßigkeit, das "Ob" und "Wie" einer Maßnahme kann der Geschäftsführer entscheiden, solange nicht dieser Entscheidungsfreiraum beispielsweise durch die Satzung oder eine Weisung begrenzt ist. 27 So die Differenzierung bei Ebenroth/Lange, GmbHR 1992,69,71 ff. Vgl. Heisse, Die Beschränkung, S. 25 f. 2s Ebenroth/Lange, DStR 1992, 69, 71. Näher zur Kompetenzverteilung in der GmbH siehe unten 5. Teil, B 111 I c). 26 Vgl. nur Scholz/Schneider, § 43, Rdnr. 47 m.w.N. 27 Scholz/Schneider, § 43, Rdnr. 44 ff.; Lutter/Hommelhoff, § 43, Rdnr. 6; Ebenroth/Lange, DStR 1992, 69, 71; Schaub, DStR 1992, 985 f. 23

24

24

I. Teil: Die Haftungstatbestände

Problematisch ist aber die Konkretisierung dieses zumindest nicht vollständig justitiablen Bereichs. Hierzu ist vorgeschlagen worden, auf die Grundsätze der Ermessenskontrolle aus dem verwaltungsgerichtlichen Verfahren zurückzugreifen.28 Einer neuen, sehr umfangreichen Untersuchung29 zufolge läßt sich eine derartige Parallele zwar ziehen, diese kann aber letztlich zur Verbesserung der Justitiabilität Unternehmerischen Handeins wenig beitragen, da die verwaltungsrechtlichen Fallgruppen sich nicht sachgemäß auf die Entscheidungen, die Organe von Kapitalgesellschaften zu treffen haben, übertragen lassen. 30 Auch eine Orientierung am Vorbild der OS-amerikanischen business-judgement-rule, einer Art Grobraster flir die gerichtliche Überprüfung unternehmenscher Entscheidungen, die strukturell mit der Lehre vom Beurteilungsspielraum verwandt ist, 31 ist danach letztlich nicht erfolgversprechend. Sie kann auf das deutsche Gesellschaftsrecht nicht übertragen werden, da die in ihr enthaltene Beweislastregel mit § 93 II 2 AktG, der flir die GmbH analog herangezogen wird, kollidiert. Abgesehen davon erweist sie sich auch bei der Ableitung und Formulierung konkreter Pflichten des Geschäftsleiters als wenig hilfreich. 32 Es ist möglicherweise auch auf dieses Abgrenzungsproblem zurückzuführen, daß in der Literatur beklagt wird, die Rechtsprechung neige zunehmend dazu, unternehmerische Entscheidungen einer eingeschränkten oder sogar einer umfassenden Inhaltskontrolle zu unterwerfen.33 Zu beflirchten sei sogar, daß das Gericht sein Ermessen an die Stelle des die unternehmerische Entscheidung treffenden Geschäftsleiters setze und dadurch letztlich die Zweckmäßigkeit ex post kontrolliere. 34 2s So Heisse, Die Beschränkung, S. 30 ff. Eine im Ermessen stehende Maßnahme soll danach nur dann rechtswidrig sein, wenn sich eine Ermessensunter- oder -Überschreitung feststellen läßt und in dem seltenen Fall der Ermessensreduzierung auf Null. 29 Mutter, Unternehmerische Entscheidungen. 30 Mutter, Unternehmerische Entscheidungen, S. 230 ff. , auch zur Lehre vom Beurteilungsspielraum, insb. S. 245 und 251 ff. ; vgl. aber OLG Düsseldorf, ZIP 1995, 1183, 1190 f. =OB 1995, 1500. 3 1 Bungert, Die GmbH im US-amerikanischen Recht, S. 45. 32 So ausfUhrlieh Mutter, Unternehmerische Entscheidung, S. 206 ff., 217 f. und 219 ff. ; vgl. auch Bungert, Die GmbH im US-amerikanischen Recht, S. 45: durch die businessjudgement-rule verliert die Normierung von Sorgfaltspflichten viel an Biß, da eine Verletzung allein in groben Fällen festgestellt werden kann. Anders Lutter, ZIP 1995, 447. 33 ScholzJSchneider, § 43, Rdnr. 47 m.w.N. in Fn. 65 und Rdnr. 10. Vgl. BGH NJW 1987, 1077, 1078; siehe auch Ebenroth/Lange, GmbHR 1992, 69, 71 und Heisse, S. 30 jeweils m.w.N. Allgemeine Befürchtung bereits bei Kust, WM 1980,658. Zum Problem der Verrechtlichung von Innenbeziehungen bei Kapitalgesellschaften vgl. nur Dreher, ZHR 158 (1994), 614 und insb. Fn. 4, S. 615 . Der II. Senat des BGH wende die Figur der Ermessensreduzierung auf Null unausgesprochen auch auf Unternehmerische Entscheidungen des Vorstands an. Möglicherweise deutet sich hier eine Trendwende an, da der II. Senat nunmehr hinsichtlich der Konkursantragspflicht dem Geschäftsführer bei der Fortbestehensprognose im Rahmen des Begriffs der Überschuldung einen Ermessensspielraum ausdrücklich zubilligt. Zu diesem Problemkreis: B II 2 b); vgl. zunächst nur Westermann/Mutter, DZWir 1995, 184, 190. 34 Heisse, S. 30.

A. Haftung gegenüber der Gesellschaft und gegenüber den Gesellschaftern

25

Hierdurch würde der unternehmensehe Entscheidungsspielraum zumindest stark eingeschränkt; die Entwicklung lasse befiirchten, daß das Unternehmerrisiko in Fonn der Organhaftung auf die Geschäftsführer verlagert werde. 35 (b) Pflichtverletzung bei Risikogeschäften Die Unwägbarkeit des den Geschäftsführer treffenden Haftungsrisikos verdeutlicht sich insbesondere beim Problem der nachträglichen Beurteilung von riskanten Geschäften. Zwar kann nach allgemeiner Ansicht nicht jeder Abschluß eines gewagten Geschäfts, das sich nachträglich als nachteilig für die Gesellschaft erweist, als Pflichtverletzung einzustufen sein.36 Bei geschäftlichen Dispositionen muß immer mit der Möglichkeit des ungünstigen Ausgangs gerechnet werden, eine Absicherung gegenüber allen denkbaren Schadensmöglichkeiten ist undenkbar. Problematisch bleibt aber, wann Fehldispositionen vorliegen, die sich zwangsläufig aus dem Unternehmerwagnis ergeben, so daß mit derartigen Schäden der Unternehmensträger, nicht aber die Organperson zu belasten ist. 37 Abstrakte Festlegungen dafiir, wann ftir den Geschäftsführer die Grenze zur Pflichtverletzung überschritten ist, die praktikabel und vorhersehbar sind, haben bislang weder Rechtsprechung noch Literatur entwickeln können. 38 Die bislang angebotenen abwägenden, eher unbestimmten Kriterien, wie z.B. die Relation von Erfolgswahrscheinlichkeit und drohender Schadenshöhe,39 zeigen, daß sich der Geschäftsfiihrer beim Abschluß von mit Wagnissen verbundenen Geschäften im Zweifel auf ein Vabanquespiel einlassen muß. Eine Risikobegrenzung ist hier aber dadurch möglich, daß er vor dem Abschluß eines mit erheblichen Risiken belasteten Geschäfts einen hierauf gerichteten Weisungsbeschluß der Gesellschafterversammlung herbeiführt, der ihn entlastet, wenn der Geschäftsleiter seinerseits die Gesellschafter vorab umfassend infonniert ha.t. 40 (c)

Pflicht, für rechtmäßiges Verhalten der Gesellschaft im Außenverhältnis zu sorgen

Bestandteil der Pflicht zur sorgfaltigen Unternehmensleitung ist es, für das rechtmäßige Verhalten der Gesellschaft nach außen zu sorgen. Im Grundsatz gilt daher, daß die Gesellschaft bei ihrem Geschäftsführer nach§ 43 li GmbHG Regreß nehmen kann, wenn sie wegen seines Fehlverhaltens von Dritten in An-

ScholzJSchneider, § 43, Rdnr. 10; so bereits Mestmäcker, Verwaltung, S. 213. Rowedder/Koppensteiner, Rdnr. 14; Baumbach/Hueck/Zöllner, Rdnr. 15; Lutter/ Hommelhoff, Rdnr. I 0 und ScholzJSchneider, Rdnr. 80 f.jeweils zu§ 43. 37 Kust, WM 1980,758, 760; vgl. auch Scholz/Schneider, § 43, Rdnr. 10. 38 V gl. insb. Baumbach/Hueck/Zöllner, § 43, Rdnr. 15; vgl. auch Ebenroth/Lange, GmbHR 1992, 69, 72. 39 Baumbach/Hueck/Zöllner, § 43, Rdnr. 15. 40 Kessler, ZAP 1991, 1009, 1015. 35

36

26

I. Teil: Die Haftungstatbestände

spruch genommen wird. 41 Einigkeit in der Literatur besteht darüber, daß sich organschaftliehe Vertreter ihrerseits der juristischen Person gegenüber pflichtwidrig verhalten, wenn sie diese gegenüber Dritten deliktsrechtlich schadensersatzpflichtig werden lassen. Dies gilt ohne weiteres, soweit die Gesellschaft für pflichtwidriges Verhalten deliktisch über § 31 BGB einzustehen hat. Hier haftet sie für die Überschreitung einer Verhaltensnorm, deren Verletzung zu verhindem Pflicht des Geschäftsführers ist. Geboten ist eine den deliktsrechtlichen Verhaltensnormen entsprechende Leitung der Gesellschaft.42 Ob im Falle der Gefährdungshaftung der Gesellschaft ebenfalls eine interne Pflicht des Geschäftsführers verletzt sein kann, ist nicht abschließend geklärt. 43 Auch bei gleichzeitiger persönlicher Außenhaftung des Geschäftsführers44 bestimmt sich die interne, für den Regreß der Gesellschaft entscheidende Verantwortlichkeit des Geschäftsführers letztlich nach § 43 GmbHG; hier ist der interne Anspruch mit dem Gesamschuldausgleich nach §§ 840 I, 426 BGB dergestalt zu harmonisieren, daß die gesellschaftsinterne Verantwortlichkeit "ein anderes" i.S.d. § 426 I 1 BGB bestimmt. 45 Dies entspricht im Ergebnis einer analogen Anwendung des§ 840 II BGB.46 Auch der Gesamtschuldausgleich bei paralleler Außenhaftung von Geschäftsführer und Gesellschaft infolge einer Verletzung des vorvertragliehen Vertrauensverhältnisses durch die Organperson bestimmt sich letztlich nach § 43 GmbHG. 47 Nichts anderes gilt, wenn allein die Gesellschaftaufgrund der Verletzung einer Vertragspflicht haftet; anerkannt ist, daß nicht jedes vertragswidrige Verhalten der Gesellschaft eine Pflichtwidrigkeit des Geschäftsführers darstellt. 48

41 Scholz/Schneider, § 43, Rdnr. 51 ; Rowedder/Koppensteiner, § 43, Rdnr. 8; Hachenburg/Mertens, § 43, Rdnr. 24; siehe auch BGH WM 1975,467. 42 Habetha, DZWir 1995, 272, 274 m.w.N.; vgl. Westermann/Mutter, DZWir 1995, 184, 186; Kessler, GmbHR 1994, 429, 436. 43 Vgl. Habetha, DZWir 1995,272,274 einerseits: nurwenn gleichzeitig eine Unrechtshaftung vorliegt; andererseits Bastuck, Enthaftung, S. 116: schuldlose Außenhaftung kann Pflichtverletzung im Innenverhältnis bedeuten, wenn die Interessen der Gesellschaft das zur Haftung ftihrende Verhalten verbieten. Ohne die Differenzierung nehmen Mertens/Mertens, JZ 1990, 488 und Hachenburg/Mertens, § 43, Rdnr. 24 offenbar inuner eine Pflichtverletzung des Geschäftsführers an. 44 Ausftihrlich hierzu B II I. 45 Deutlich: Habetha, DZWir 1995, 272, 273; so auch Bastuck, Enthaftung, S. II 0, 116; vgl. Scholz/Schneider, § 43, Rdnr. 253. 46 Vgl. Grunewald, ZHR !57 (1993), 451, 462; Soergei/Hadding, § 31, Rdnr. 27. 47 Zur c.i.c.-Haftung: B I 2; Scholz/Schneider, § 43, Rdnr. 252. Zur Haftung des Vertretenen neben dem Vertreter siehe Martinek, Repräsentantenhaftung, S. 44 ff. Fraglich ist, ob sich die Haftung der Gesellschaft aus einer analogen Anwendung des § 31 BGB ergibt oder aus § 278 BGB, siehe Soergei/Leptin, § 31, Rdnr. 4. 48 Scholz/Schneider, § 43, Rdnr. 51, 53; Bastuck, Enthaftung, S. 113 ff.

A. Haftung gegenüber der Gesellschaft und gegenüber den Gesellschaftern

27

(2) Pflicht zur Ausführung von Weisungen Aufgrund § 37 I GmbHG sind Geschäftsführer verpflichtet, Weisungen der Gesellschafterversammlung zu befolgen. Die Folgepflicht bewirkt regelmäßig, daß in der Durchführung einer Weisung keine Pflichtverletzung liegt, selbst wenn sie negative Folgen für die Gesellschaft zeitigt. Führt die Organperson eine Maßnahmeaufgrund einer wirksamen, d.h. weder nichtigen noch anfechtbaren Weisung durch, so ist sie hierdurch von der Haftung für einen entstehenden Schaden entlastet, es sei denn, es unterläuft ihr ein Fehler bei der Ausflihrung.49 Zwischen Folgepflicht und Verantwortlichkeit besteht aber ein Spannungsverhältnis: befolgt der Geschäftsführer eine nicht verbindliche Weisung, trifft ihn nach allgemeinen Grundsätzen ein Haftungsrisiko, vgl. nur § 43 III GmbHG. Gleiches gilt, wenn er eine Weisung nicht befolgt, die seiner Ansicht nach nicht bindend ist, deren Verbindlichkeit im Nachhinein aber festgestellt wird. Hieraus resultiert ein Haftungsrisiko auch für solche Geschäftsführer, die nahezu nur als reines Exekutivorgan tätig werden. 50 Die Haftung infolge fehlerhafter Weisungen kommt in Betrachtaufgrund von "Weisungen" durch ein unzuständiges Organ, insbesondere beseitigt die Weisung des Mehrheitsgesellschafters die Haftung nicht, da andernfalls die Mitwirkungsrechte der Minderheit in unzulässiger Weise beeinträchtigt würdenY Gleiches gilt für einen Beschluß, der in Anlehnung an die Nichtigkeitsgründe für Beschlüsse der Hauptversammlung einer AG,§ 241 AktG, nichtig ist. 52 Bei bloßer Anfechtbarkeit ist die haftungsbefreiende Wirkung der Weisung davon abhängig, ob die Anfechtungsfrist bereits abgelaufen ist, danach besteht eine uneingeschränkte Folgepflicht und die Entlastungswirkung setzt ein. Noch anfechtbare Beschlüsse darf und muß der Geschäftsführer befolgen, wenn die Anfechtung nicht überwiegender Wahrscheinlichkeit entspricht; sonst muß er die Vorteile einer sofortigen Ausführung gegen die Möglichkeit einer erfolgreichen Anfechtung abwägen. 53 Plastisch ist die Formulierung, daß der Geschäftsführer, der aufgrund eines anfechtbaren Beschlusses der Gesellschafterversammlung handelt, zwischen der "Scylla des Mehrheitswillens" und der "Charybdis eventueller Haftung" handelt, weil der nachträglich für nichtig erklärte Beschluß keine haftungsbefreiende Wirkung entfaltet.54

49 Scholz/Schneider, § 43, Rdnr. 95.

Ausführlich: Konzen, NJW 1989, 2977, 2978 f. Ausführlich: Rowedder/Koppensteiner, § 43, Rdnr. 25 ff.; Ebenroth/Lange, GmbHR 1992, 69, 73. 52 Ausführlich: Konzen, NJW 1989, 2977, 2981 f . 53 Ebenroth/Lange, GmbHR 1992, 69, 73: solange er hierbei eine vertretbare Entscheidung trifft, kommt ein Schadensersatzanspruch ihm gegenüber nicht in Betracht. 54 Baumbach/Hueck/Zöllner, § 37, Rdnr. 22; Reese, DStR 1995, 532, 533. 5o

51

28

I. Teil: Die Haftungstatbestände

(3)

Loyalitätspflicht

Der Geschäftsflihrer hat nicht nur die Interessen der Gesellschaft aktiv zu fördern, er hat sich ihr gegenüber auch loyal zu verhalten, es trifft ihn eine Treuepflicht. 55 Sie besagt allgemein, daß er durch sein Verhalten den Erfolg seiner aktiven Förderpflicht nicht gefährden und das in ihn gesetzte Vertrauen nicht enttäuschen darf. Als Konkretisierungen dieser Pflicht lassen sich insbesondere ein Wettbewerbsverbot und die Untersagung, die Organstellung im eigenen Interesse auszunutzen, herauskristallisieren.56

(4)

Pflicht zu kollegialer Zusammenarbeit

Geschäftsflihrer müssen untereinander kollegial zusammenarbeiten. Dies folgt bei einer Gesellschaft mit gesetzlichem Normalstatut bereits aus dem Grundsatz der Gesamtgeschäftsftihrung; aber auch wenn die Satzung Einzelgeschäftsflihrung vorsieht, sind die Mitgeschäftsführer über die wesentlichen Vorgänge im jeweiligen Zuständigkeitsbereich zu unterrichten. Dies gilt insbesondere auch bei einer Ressortverteilung.57 Umfaßt von dieser Verpflichtung ist die Beratung der Gesellschafter und ggf. des Aufsichtsrats; den Gesellschaftern gegenüber trifft den Geschäftsführer eine umfassende Berichtspflicht über die wesentlichen Vorgänge im Unternehmen. 58 Geheimnisse und andere Vertraulichkeiten darf der Geschäftsführer Dritten nicht zugänglich machen. Dies kann bereits aus der allgemeinen Förderpflicht abgeleitet werden, so daß es einer gesetzlichen Normierung entsprechend § 93 I 2 AktG nicht bedarf. 59 c) Schaden Der Ersatzanspruch gegenüber dem Geschäftsführer setzt einen durch seine Pflichtverletzung kausal entstandenen Schaden der Gesellschaft voraus. Nach der Differenzhypothese ist jeder in Geld meßbare Nachteil zu ersetzen. Der Umfang des Anspruchs richtet sich nach§§ 249 ff. BGB, umfaßt ist also auch der entgangene Gewinn. 60 Einzelheiten bei der Schadensbestimmung sind urnstritten. 61

ScholzJSchneider, § 43, Rdnr. 121. Vgl. Schaub, DStR 1992, 985, 986 m.w.N.; Ebenroth/Lange, GmbHR 1992, 69, 74 f.; zum Wettbewerbsverbot ausführlich ScholzJSchneider, § 43, Rdnr. 125 ff., zum Verbot, die Organstellung im eigenen Interesse auszunutzen, Rdnr. 141 ff. 57 ScholzJSchneider, § 43, Rdnr. 111; Ebenroth/Lange, DStR 1992, 69, 74. 58 ScholzJSchneider, § 43, Rdnr. 113 f. 59 ScholzJSchneider, § 43, Rdnr. 115 ff.; vgl. auch § 85 GmbHG; siehe aber auch Lutter/Hommelhoff, § 43, Rdnr. 8: § 93 I 2 AktG analog. 6o Rowedder/Koppensteiner, § 43, Rdnr. 20; Meyer-Landrut!Miller/Niehus, § 43, Rdnr.l3. 55 56

A. Haftung gegenüber der Gesellschaft und gegenüber den Gesellschaftern

29

d) Verschulden Der Schadensersatzanspruch aus § 43 II GmbHG setzt voraus, daß der Geschäftsführer die ihm obliegenden Pflichten schuldhaft, also vorsätzlich oder fahrlässig, verletzt hat. Vorsätzliches Handeln ist anzunehmen bei einer wissentlichen und willentlichen Pflichtverletzung. Zwar beinhaltet§ 43 I GmbHG keinen eigenständigen Fahrlässigkeitsbegriff, Maßstab der Fahrlässigkeit ist hier aber nicht die verkehrserforderliche Sorgfalt des§ 276 I BGB, sondern die des ordentlichen Geschäftsmarms. Dieser strengere Maßstab des Verschuldeos beschreibt die Sorgfalt, die ein Geschäftsmarm in verantwortlich leitender Position bei selbständiger, treuhänderischer Wahrnehmung fremder Vermögensinteressen einzuhalten hat. 62 Damit ist ein objektiver Mindeststandard statuiert, unbeachtet bleiben persönliche Eigenschaften oder individuelle Fähigkeiten, die unterhalb des objektiven Mindestmaßstabs liegen. 63 Werm dieser Sorgfaltsmaßstab teilweise als abhängig dargestellt wird von Art, Größe und Zweck der geleiteten Unternehmung, 64 dürfen diese Größen nicht zu einer Relativierung des Verschuldeosbegriffs führen, sondern können nur als Abwägungsparameter innerhalb der Überprüfung der Ermessensentscheidung berücksichtigt werden bzw. zur Begrenzung der den Geschäftsführer objektiv treffenden Pflichten. 65 § 708 BGB ist nach allgemeiner Auffassung bei der GmbH auch nicht entsprechend anzuwenden. 66 4. Dar/egungs- und Beweislast

Von erheblicher praktischer Bedeutung ftir die Schadensersatzansprüche gegenüber dem Geschäftsftihrer ist die Verteilung der Darlegungs- und Beweislast Obwohl es im geltenden GmbHG an einer§§ 93 II 2 AktG, 34 II 2 GenG entsprechenden Regelung fehlt, entspricht eine Umkehr der Beweislast allgemeiner Ansicht. Eine solche sah auch der Regierungsentwurf 1971 in§ 75 II 2 vor. Unbestrittenermaßen muß sich der Gesellschafter in entsprechender Anwendung der 61 Problematisch ist, ob eine Einschränkung dergestalt geboten ist, daß lediglich eine gesellschaftszweckwidrige Vermögensverminderung bzw. nur ein pflichtwidrig herbeigeführter Mangel zu ersetzen ist, vgl. Scholz/Schneider, § 43, Rdnr. 158 ff. m. umfangr. Nachw. in Fn. 272 und Heisse, Die Beschränkung, S. 51 f. 62 Hachenburg/Mertens, § 43, Rdnr. 23, 56; Rohwedder/Koppensteiner, § 43, Rdnr. 5. Zur Doppelfunktion der Sorgfaltspflicht, die gleichzeitig als Auffangtatbestand alle Pflichtengegenstände beinhaltet, vgl. Ebenroth/Lange, GmbHR 1992, 69 f. 63 Scholz/Schneider, § 43 ; Rdnr. 165; Rohwedder/Koppensteiner, § 43, Rdnr. 6; Schaub, DStR 1992,985,987. 64 So Lutter/Hommelhoff, § 43, Rdnr. 17; Rohwedder/Koppensteiner und Schaub, DStR 1992, 985, 987; vgl. auch Hachenburg/Mertens, § 43, Rdnr. 23. 65 Überzeugend Heisse, Die Beschränkung, S. 40 f. 66 Vgl. nur Scholz/Schneider, § 43, Rdnr. 166. Abweichend aber Heisse, Die Beschränkung, S. 37 ff., der eine Anwendbarkeit außerhalb der originären Geschäftsführerpflichten bei einer personalistischen GmbH beflirwortet.

30

I. Teil: Die Haftungstatbestände

Regeln des Aktien- und des Genossenschaftsrechts hinsichtlich der Frage des Verschuldens entlasten. Die Gesellschaft ist demgegenüber beweisbelastet, was die Tatsachen anbelangt, aus denen sich ergibt, daß das Verhalten der Organperson zu einem Schaden geführt hat. 67 Nicht abschließend geklärt ist die Frage, ob die Gesellschaft auch die objektive Pflichtwidrigkeit beweisen muß, wie weit also die Beweislastumkehr reicht. Der BGH hat in einer Reihe von Entscheidungen geäußert, daß die Gesellschaft auch die Tatsachen vorzutragen und zu beweisen habe, aus denen sich ergibt, daß der Geschäftsführer einer ihm obliegenden Pflicht objektiv nicht nachgekonunen ist. 68 Diese Ausführungen lassen sich so deuten, daß die Rechtsprechung die Gesellschaft mit dem Beweis der objektiven Pflichtverletzung belastet.69 Demgegenüber geht man in der Literatur überwiegend davon aus, daß der in Anspruch genonunene Geschäftsführer nicht nur das Fehlen eines Verschuldens, sondern auch die Beachtung der objektiven Anforderungen an die Pflichtmäßigkeit seiner Amtsführung nachzuweisen habe. 70 Für eine umfassende Beweislastumkehr zulasten der Geschäftsleiter kann angeführt werden, daß andernfalls die praktische Bedeutung der Beweisregel stark eingeschränkt wäre und daß sie den allgemeinen Grundsätzen zur Beweistastverteilung nach Gefahrenkreisen und Beweisnähe entspräche.71 Zwar könnte sich aus dem Angreiferprinzip ein anderes ergeben, letztlich entscheidend aber dürfte sein, daß regelmäßig die Tatsachen, die für die Frage des Verschuldens relevant sind, auch die Frage der Pflichtwidrigkeit entscheiden.72 Dies folgt bereits daraus, daß § 43 I GmbHG einerseits die Pflichtenanforderungen enthält und andererseits den Verschuldensmaßstab umschreibt. 73 Insofern könne die Beweislast hinsichtlich der Pflichtverletzung außer in den Fällen, in denen ihm über§ 43 I GmbHG hinausgehende Pflichten auferlegt sind oder allgemeine Rechtfertigungsgründe in Rede stehen, nur beim Geschäftsführer liegen. 74

hn Ergebnis erzielt die Rechtsprechung teilweise die gleichen Ergebnisse, indem sie die Voraussetzungen an den Sachvortrag der Gesellschaft bezüglich der Pflichtverletzung herabsetzt, was Vorgänge im Verantwortungsbereich des

67 v. Gerkan, ZHR 154 (1990), 39, 42; Scholz/Schneider, § 43, Rdnr. 167; vgl. auch Lutter/Hornrnelhoff, § 43, Rdnr. 21. 68 Vgl. BGH GmbHR 1994, 459; Scholz/Schneider, § 43, Rdnr. 168 m.w.N. und Habetha, DZWir 1995, 272, 275. 69v. Gerkan,ZHR 154 (1990), 39,49 f.; vgl. auch Lutter/Hornrnelhoff, § 43, Rdnr. 21. 7o Vgl. nur v. Gerkan, ZHR 154 (1990), 50 m.w.N. in Fn. 42. 71 Baumbach/Hueck/Zöllner, Rdnr. 24; Hachenburg/Mertens, Rdnr. 66; Rowedder/Koppensteiner, Rdnr. 33 und Scho1z/Schneider, Rdnr. 168 jeweils zu § 43; Habetha, DZWir 1995,272, 275. 72 v. Gerkan, ZHR 154 (1994), 39,54 f. 73 Zur doppelten Bedeutung des § 43 I GmbHG vgl. insb. Ebenroth/Lange, GmbHR 1992,69[. 74 v. Gerkan, ZHR 154 (1994), 39, 54 f. ; a.A. Lieb/Eckardt, Der Geschäftsführer in der Grauzone, S. 115 f. ; Heisse, Die Beschränkung, S. 48 f.

A. Haftung gegenüber der Gesellschaft und gegenüber den Gesellschaftern

31

Geschäftsführers anbelangt. Ihr wird hier die Möglichkeit des Beweises des ersten Anscheins zugebilligt. 75

5. Gesamtschuldnerische Haftung § 43 II GmbHG sieht eine solidarische Haftung vor, wenn der Schaden der Gesellschaft Folge der Pflichtverletzung mehrerer Geschäftsführer ist. Diese Vorschrift begründet jedoch nicht die Gesamtschuld, sondern setzt sie voraus, so daß nur derjenige haftet, der eine eigene Pflicht verletzt hat. Hierbei trifft jeden Geschäftsführer hinsichtlich seines Verschulden die Beweislast76

6. Geltendmachung des Anspruchs, Wirkung einer Entlastung oder Generalbereinigung a) Die Gesellschaft ist Anspruchsteller Die Gesellschafter entscheiden durch Beschluß, ob der Anspruch gegen den Geschäftsführer geltend gemacht werden soll, § 46 Nr. 8 GmbHG. Fehlt ein derartiger Beschluß, ist die Klage als unbegründet abzuweisen. Richtet sich der Anspruch gegen einen Gesellschaftergeschäftsführer, ist dieser von der Abstinunung ausgeschlossen, § 47 IV GmbHG. Eines Beschlusses bedarf es jedoch nicht, wenn der Anspruch nach Konkurseröffnung durch den Konkursverwalter geltend gemacht wird und wenn Gesellschaftsgläubiger den der Gesellschaft zustehenden Anspruch aufgrund eines Titels gegen die Gesellschaft pfänden und sich überweisen lassen. 77 Die Gesellschaft kann in einem formfreien Erlaßvertrag auf Ersatzansprüche verzichten oder sich hierüber vergleichen. Eine § 93 IV 3 AktG entsprechende Vorschrift fehlt im Recht der GmbH. Ihre Grenze fmden derartige Vereinbarungen in§ 43 III 2 und§ 57 IV jeweils i.V.m. § 9b GmbHG. Derartige Wirkung entfaltet auch die seitens der Gesellschafterversammlung erteilte Entlastung. Über die Wirkung der Entlastung im Aktienrecht hinaus - dort wird lediglich die Amtsftihrung für die zurückliegende Periode gebilligt und der Organperson für die Zukunft das Vertrauen ausgesprochen - werden hier Ersatzansprüche der GmbH aufgrund solcher Umstände, die der Gesellschafterversammlung bei sorgfältiger Prüfung aller Vorlagen und Berichte erkennbar sind, ausgeschlossen. Bei der Generalbereinigung sind von der Erlaßwirkung sogar alle denkbaren Ersatzansprü-

75 Es geht insb. um Fälle eines buchungsmäßigen Fehlbestands, vgl. ScholzJSchneider, § 43, Rdnr. 168, 170 m.w.N.; ausführlich hierzu: v. Gerkan, ZHR 154 (1990), 39, 46 ff. 76 ScholzJSchneider, § 43, Rdnr. 174 f.; Heisse, Die Beschränkung, S. 53. 77 ScholzJSchneider, § 43, Rdnr. 209, ein eigenes Klagerecht der Gläubiger, wie in §§ 93 V AktG, 34 V GenG vorgesehen, existiert jedoch nicht; vgl. auch Kessler, ZAP 1991 , 1009, 1014.

32

I. Teil: Die Haftungstatbestände

ehe ohne Rücksicht auf ihre Erkennbarkeit erfaßt, unberührt bleiben nur diejenigen, auf die aufgrundGesetzesoder der Satzung nicht verzichtet werden kann. 78 b) Ein einzelner Gesellschafter als Anspruchsteller, actio pro socio Die Gesellschafterklage ist grundsätzlich auch bei der GmbH anerkannt, 79 ihr Zweck besteht darin, wirkungsvoll Minderheitenschutz zu garantieren.80 Es bestehen aber erhebliche Unsicherheiten hinsichtlich der Rechtsnatur und insbesondere hinsichtlich des Erfordernisses, zuvor eine Entschließung der Gesellschafterveramrnlung gern.§ 46 Nr. 8 GmbHG herbeizuführen. Nicht abschließend geklärt ist, ob die Gesellschafterklage in der GmbH der Durchsetzung eines eigenen Anspruchs des Gesellschafters kraft eigener Rechtszuständigkeit dient81 oder ob es sich hierbei um die Durchsetzling eines materiell der Gesellschaft zustehenden Anspruchs durch einen Gesellschafter im Wege der Prozeßstandschaft handelt. 82 Über die daneben bestehende Problematik, die bei der Geltendmachung eines Anspruchs einem Fremdgeschäftsführer gegenüber daraus folgt, daß die actio pro socio grundsätzlich nur bei Ansprüchen aus dem Gesellschaftsverhältnis aufgrund der bestehenden gegenseitigen Treuebindungen, also prinzipiell nur gegenüber Gesellschaftern in Betracht kommt, 83 hilft man sich mit dem Argument hinweg, daß für alle Geschäftsführer das gleiche Recht gelten sollte. 84 Für die Notwendigkeit eines Beschlusses gern. § 46 Nr. 8 GmbHG als Voraussetzung eines Schadensersatzanspruchs auch bei der Geltendmachung über den Weg der Gesellschafterklage spricht zunächst die dogmatische Konstruktion als Prozeßstandschaft. Macht ein Gesellschafter einen materiell der Gesellschaft zustehenden Anspruch geltend, unterliegt er denselben Schranken wie die GmbH und muß gegen einen ablehnenden Beschluß mit der Anfechtungsklage vorgehen. 85 Unabhängig von der dogmatischen Konstruktion kann für 78 Scholz/Schneider, §43, Rdnr.l87f.; Lutter/Hornrnelhoff, §46, Rdnr.14, 16; vgl. auch Rdnr. 15 zur Frage des Anspruchs eines Geschäftsflihrers auf Entlastung und der gerichtlichen Durchsetzung desselben; hierzu auch Ebenroth/Lange, GmbHR 1992,69,75 f. 79 Statt vieler Scholz/K. Schmidt, § 46, Rdnr. 161 m.w.N. 80 Scholz/Ernrnerich, § 13, Rdnr. 43a; Rowedder/Rowedder, § 13, Rdnr. 18; Gehrlein, ZIP 1993, 1525. 81 In diesem Sinne wird BGHZ 65, 15 "ITT" als Beleg für die Möglichkeit der Gesellschafterklage im Recht der GmbH angeführt, vgl. Scho1z/Ernrnerich, § 13, Rdnr. 43; Gehrlein, ZIP 1993, 1525; hierzu: K. Schmidt, GesR, § 21 IV 6c und Kowalski, ZIP 1995, 1315, 1318. 82 Scholz/K. Schmidt, § 46, Rdnr. 161; Rowedder/Koppensteiner, § 43, Rdnr. 42; Rowedder/Rowedder, § 13, Rdnr. 18; Hachenburg/Hüffer, § 46, Rdnr. I 09. 83 Scholz/Ernrnerich, § 13, Rdnr. 44; Zöllner ZGR 1988, 392, 408 f. 84 Grunewald, Die Gesellschafterklage, 89 f. m.w.N. ; siehe auch Gehrlein, ZIP 1993, 1525, 1526 m.w.N. in Fn. 30. 85 Scho1z/K. Schmidt, § 46, Rdnr. 161, zu Sonderfällen siehe Rdnr. 153; Lutter/ Hornrne1hoff, § 13, Rdnr. 4 ff. und § 46, Rdnr. 23.

A. Haftung gegenüber der Gesellschaft und gegenüber den Gesellschaftern

33

diese Auffassung aber auch sprechen, daß die Wertentscheidung des § 46 Nr. 8 GmbHG - Entscheidungsprärogative der Gesellschaft bei gesellschaftsinternen Schadensersatzstreitigkeiten- stets zu beachten sei. 86 Die höchstrichterliche Rechtsprechung hierzu ist nicht eindeutig. Frühere Urteile87 erweckten zumindest den Eindruck, daß ein derartiger Beschluß bei der Gesellschafterklage fiir verzichtbar gehalten wurde. 88 Nunmehr dürfte diese Ansicht aber revidiert sein und auch der BGH anerkennt offenbar den subsidiären Charakter der actio pro socio im Sinne einer Notzuständigkeit der Gesellschafter. Der II. Senat hat entschieden, auf das Beschlußerfordernis im konkreten Falllediglich deshalb verzichten zu können, da sich der Konflikt in einer Zweimanngesellschaft abspielte. 89 Prinzipiell ist damit jeder Gesellschafter an die innere Zuständigkeitsordnung, an das Organisationsrecht der GmbH gebunden. 90

II. Tatbestände im Rahmen der Kapitalautbringung und -sicherung

/ . § 43 III GmbHG § 43 III I GmbHG enthält zwei besondere, eine verschärfte91 Haftung vorsehende Tatbestände, die dem Schutz des Stammkapitals der Gesellschaft dienen.92 Verboten sind§ 30 GmbHG zuwiderlaufende Zahlungen an die Gesellschafter aus dem zur Erhaltung des Stammkapitals notwendigen Vermögen der Gesellschaft. Zahlungen in diesem Sinn sind nicht nur Geldleistungen, sondern Leistungen aller Art, also auch Sachleistungen.93 § 30 GmbHGerfaßt insbesondere Fälle verdeckter Gewinnausschüttungen und die Rückzahlung eigenkapitalersetzender Gesellschafterdarlehen.94 Ebenso führt der Erwerb eigener Gesellschaftsanteile der Gesellschaft, die nicht voll eingezahlt sind oder deren Erwerb aufKosten des Stammkapitals erfolgt, zur Ersatzpflicht des Geschäftsführers. 95 § 43 III GmbHG begründet unter diesen Voraussetzungen einen selbständigen, ebenso wie § 43 II verschuldensabhängigen, Schadensersatzanspruch. Der Schaden besteht dabei mindestens in Höhe der erbrachten Leistung, er ist aber nicht hierauf begrenzt, kann also betragsmäßig höher sein. Wenn nur ein Ge-

86

Zöllner, ZGR 1988, 392, 409 f. ; Kowalski, ZIP 1995, 1315, 1317.

s1 BGHZ 65, 15; BGH ZIP 1982, 1203; NJW 1990,2627.

ss Gehr1ein, ZIP 1993, 1525, 1529 m.w.N. in Fn. 63. 89 BGH ZIP 1991, 582, 583; Gehrlein, ZIP 1993, 1530. 90 Schol:zJK. Schmidt, § 46, Rdnr. 161; Rowedder/Rowedder, § 13, Rdnr. 18; Rowedder/Koppensteiner, § 43, Rdnr. 43; a.A. Gehrlein, ZIP 1993, 1525, 1530 f. 91 Verzicht, Vergleich und Erlaß durch die Gesellschaft sind hier nicht möglich, § 43 III 2 i.V.m. § 9b I GmbHG; auch ein Weisungsbeschluß schließt die Haftung nicht aus. 92 Baumbach/Hueck/Zöllner, § 43, Rdnr. 27; Schol:zJSchneider, § 43, Rdnr. 191. 93 Schaub, DStR 1992, 985, 987; vgl. auch Schol:zJSchneider, § 43, Rdnr. 192. 94 Schaub, DStR 1992, 985, 987; Lutter/Hommelhoff, § 30, Rdnr. 8. 95 Baumbach/Hueck/Zöllner, § 43, Rdnr. 29; Schol:zJSchneider, § 43, Rdnr. 196. 3 Frisch

34

I. Teil: Die Haftungstatbestände

senschaftsgläubiger bei Fälligkeit seiner Forderung nicht befriedigt werden kann, liegt die gemeinsame Voraussetzung der verschärften Haftung vor. 96 2. § 64 /I GmbHG

Flankierend zu der in§ 64 I GmbHG vorgesehenen Pflicht, bei Zahlungsunfähigkeit oder Überschuldung die Eröffnung des Insolvenzverfahrens zu beantragen, hat der Geschäftsführer nach § 64 II GmbHG der Gesellschaft die Zahlungen zu ersetzen, die von ihm nach Eintritt der Zahlungsunfähigkeit oder Feststellung der Überschuldung geleistet worden sind und die mit der Sorgfalt des ordentlichen Geschäftsmanns nicht zu vereinbaren sind. 97 Auch diese Vorschrift begründet neben § 43 GmbHG einen eigenständigen Schadensersatzanspruch der Gesellschaft gegenüber ihrer Organperson, er wird vom Konkursverwalter geltend gemacht. 98 Das Verbot von Zahlungen, die nicht notwendig sind, etwa den sofortigen Zusammenbruch der Gesellschaft zu verhindern oder um Sanierungsmaßnahmen nicht zu gefährden, ist Bestandteil der allgemeinen Verpflichtung des Geschäftsleiters, die Haftungsmasse zu erhalten. Aus diesem Grund und wegen der Auslegung des Begriffs der Zahlung in § 30 GmbHG sind dem Geschäftsführer nach Eintritt der Konkursgründe nicht nur Geld- sondern auch sonstige Leistungen verboten. 99 Auch bei§ 64 II GmbHG handelt es sich um eine zwingende Vorschrift, wie sich zum einen aus der entsprechenden Anwendung der §§ 43 III, 9b GmbHG und zum anderen daraus ergibt, daß es sich bei § 64 II GmbHG zwar dem Wortlaut nach um einen der Gesellschaft der Organperson gegenüber zustehenden Schadensersatzanspruch handelt, bei der Anspruchsdurchsetzung aber letztlich ein Gesamtgläubigerschaden auf dem Weg über das Gesellschaftsvermögen ausgeglichen wird. In diese Gläubigerposition kann die Gesellschaft nicht eingreifen. 100 Der Anspruch aus § 64 II GmbHG setzt Verschulden voraus, Fahrlässigkeit genügt, d.h. bereits ein fahrlässiges Nichterkennen der Überschuldung kann die

96 Scholz/Schneider, § 43, Rdnr. 197 f., 200; zur Beweislast vgl. Rdnr. 199 und v. Gerkan, ZHR 154 (1990), 39,44 f. 97 Scholz/K. Schmidt, § 64, Rdnr. 34. 98 Zur Einordnung des Anspruchs vgl. Lutter/Homrnelhoff, § 64, Rdnr. 7, der BGH spricht von einem "Ersatzanspuch eigener Art"; vgl. auch Medicus, GmbHR 1993, 533, 537 und Reese, DStR 1995, 532, 533. 99 Lutter/Homrnelhoff, § 64, Rdnr. 8; Scholz/K. Schmidt, § 64, Rdnr. 24; Hachenburg/Ulmer, § 64, Rdnr. 39 f.; Schaub, DStR 1992, I 021 ; vgl. auch HansOLG Harnburg, ZIP 1995,913,914 zur Einlösung eines Kundenschecks aufdebitorischem Gesellschaftskonto. 1oo Baumbach/Hueck/Zöllner, § 64, Rdnr. 21; Scholz/K.Schmidt, § 64, Rdnr. 43; Schaub, DStR 1992, I 021.

A. Haftung gegenüber der Gesellschaft und gegenüber den Gesellschaftern

35

Haftung des Geschäftsführers begründen. 101 Ob Masseschmälerungen nach Eintritt der Insolvenz mit der Sorgfalt eines ordentlichen Kaufmanns zu vereinbaren sind, hängt von den Konkurs- bzw. Sanierungserwartungen ab und kann daher nur unter Zugrundelegung der konkreten Umstände des jeweiligen Einzelfalls bewertet werden. 102

3. § 9a I und§ 57 IV GmbHG §§ 9a I und 57 IV GmbHG normieren die Gründungs- und die Kapitalerhöhungshaftung. § 9a I GmbHG greift ein, wenn die anläßlich der Gesellschaftsgründung vom Geschäftsführer zu machenden Angaben und Versicherungen sowie die mit der Anmeldung einzureichenden Unterlagen nicht richtig und vollständig sind. Praktische Bedeutung erlangt vor allem die nach § 8 II GmbHG abzugebende Versicherung, daß die im Gesellschaftsvertrag vorgesehenen Geld- und Sacheinlagen bewirkt sind und sich endgültig in der freien Verfiigung der Gesellschaft befmden.103 § 9a III GmbHG statuiert hinsichtlich der Verschuldeosvoraussetzung eine Beweislastumkehr zulasten des Geschäftsführers. Der Schadensersatzanspruch der Gesellschaft zielt darauf, durch den Geschäftsführer so gestellt zu werden, wie sich die Situation im Falle richtiger Zusicherungen ergäbe. 104 Nach§ 57 IV GmbHG bestehen gleichartige Ansprüche im Falle der Kapitalerhöhung, die mit der Gesellschaftsgründung wesensverwandt ist. 105 Auch die in diesen Vorschriften enthaltenen Pflichten des Geschäftsführers sind in den Rahmen der Pflichten zur Kapitalaufbringung und -erhaltung einzuordnen und deshalb grundsätzlich nicht im Wege des Verzichts oder Vergleichs dispositiv. 106

111. Haftung gegenüber den Gesellschaftern 1. Organschaftliehe Haftung Gegenüber den. Gesellschaftern kommt§ 43 GmbHG als Anspruchsgrundlage für einen Schadensersatzanspruch nicht in Betracht. Die organschaftliehe Pflicht zur ordnungsgemäßen Unternehmensleitung obliegt der Organperson lediglich der Gesellschaft gegenüber, nicht aber in bezug auf den einzelnen Ge-

IOI Lutter/Homrnelhoff, § 64, Rdnr. I 0 mit Rechtsprechungsnachweisen; Hachenburg/ Ulmer, § 64, Rdnr. 41; a.A. Baumbach/Hueck/Schulze-Osterloh, § 64, Rdnr. 18: bezüglich der Konkursgründe positive Kenntnis erforderlich. 1o2 Scholz!K. Schmidt, § 64, Rdnr. 27, 30. 103 Vgl. nur Schaub, DStR 1992, 1021 , 1022; Felix, DStZ 1987, 455, 459. 104 Schaub, DStR 1992, I 021, I 022; vgl. ausführlicher Lutter/Hommelhoff, § 9a, Rdnr. 7f. 1os Schaub, DStR 1992, I 021, I 022 f. Io6 Scholz/Winter, § 9a, Rdnr. 8. 3•

36

I. Teil: Die Haftungstatbestände

sellschafter; entsprechend ist § 43 GmbHG unbestrittenermaßen auch kein Schutzgesetz i.S.d. § 823 II BGB zugunsten der Mitglieder. 107 Organschaftliehe Pflichten des Geschäftsflihrers gegenüber den Gesellschaftern sind aber nicht ausgeschlossen; eine solche besteht vor allem darin, keine Zahlungen entgegen§ 30 GmbHG vorzunehmen. § 31 VI GmbHG statuiert ein besonderes, direktes Haftungsverhältnis zwischen Organperson und Gesellschafter. Wer Zahlungen entgegen§ 30 GmbHGerhalten hat, muß diese zurückzahlen; daflir haften zunächst die Gesellschafter quotal im Verhältnis der Höhe ihrer Geschäftsanteile. Schuldhaft handelnde Geschäftsführer müssen ihnen hierfiir Ersatz leisten. Für die Erhaltung des Stammkapitals existiert somit eine doppelte Geschäftsleiterhaftung: gern. § 43 III GmbHG gegenüber der Gesellschaft, gern. § 31 VI GmbHG gegenüber den Gesellschaftern. 108

2. Deliktische Haftung a) § 823 I BGB wegen Eingriffs in "den Kern der Gesellschaftermitgliedschaft" Vielfach geht man in der Literatur davon aus, daß die Mitgliedschaft jedenfalls in einer Kapitalgesellschaft ein sonstiges Recht i.S.d. § 823 I BGB ist. 109 In einer Entscheidung zum Vereinsrecht 110 hat der BGH eine deliktische Haftung des Vorstands nach § 823 I BGB gegenüber einem Vereinsmitglied bei schuldhaftem Eingriff in den Kern der Gesellschaftermitgliedschaft angenommen. 111 Bislang ist nicht abzusehen, welche Auswirkungen diese Entscheidung auf die Haftungssituation des GmbH-Geschäftsführers haben wird; Grunewald112 sieht in ihr eine Vergrößerung des Haftungsrisikos, das im Einklang stehe mit der diese Tendenz ebenso verkörpernden Entscheidung im Baustoff-Fall. 113 Nicht hinlänglich geklärt ist bislang, ob das Verbandsinnemecht einem deliktischen Schutz der Mitgliedschaft entgegensteht. 114 Auch die Einordnung der Mitgliedschaft als sonstiges Recht i.S.d. § 823 I BGB ist nicht unproblematisch, 107 Schol:zJSchneider, § 43, Rdnr. 211; Lutter!Hommelhoff, § 43, Rdnr. 25; Hachenburg/Mertens, § 43, Rdnr. 103 f. 1os Schol:zJH. P. Westermann, § 31, Rdnr. 38 ff.; Lutter/Hommelhoff, § 31, Rdnr. 29 f.; vgl. auch Schaub, DStR 1992, 1021, 1023. I09 Vgl. nur Grunewald, Die Gesellschafterklage, S. 99; K. Schmidt, JZ 1991 , 157, 158, Reuter, FS Lange, S. 707, 710 ff. jeweils m.w.N. Sehr krit. demgegenüber: Hadding, FS Kellermann, S. 91,99 ff., insb. 102-107. 110 BGHZ II 0, 323 (12.3.1990) "Schärenkreuzer". III Vgl. die kurze Sachverhaltsdarstellung bei Reuter, FS Lange, S. 707, 708. 112 Grunewald, ZHR 157 (1993), 451 f. 113 BGHZ 109, 297; siehe hierzu ausführlich Teilt, B II I b). 114 Baumbach!Hueck!Zöllner, § 43, Rdnr. 2; ausflihrlich: Reuter, FS Lange, S. 707, 721 ff., der die These der Möglichkeit deliktischer Verletzung der Mitgliedschaft im Verbandsinnenverhältnis als Irrweg bezeichnet, S. 724; vgl. auch Hadding, FS Kellermann, S. 91 , 103 ff.

B. Die Außenhaftung des Geschäftsführers

37

denn in der BGH-Entscheidung bleibt undeutlich, welche in der Mitgliedschaft enthaltenen einzelnen Rechtsbeziehungen subjektive Rechte vermitteln können, die auch absolut, d.h. gegenüber jedermann, wirken sollen. Außerdem besteht jedenfalls annähernde Einigkeit darüber, daß die Entwertung der Mitgliedschaft durch Geschäftsführungsmaßnahmen, die das Vermögen der Gesellschaft schmälern, nicht als Verletzung der Mitgliedschaft i.S.d. § 823 I BGB einzuordnen ist, da es sich insoweit lediglich um mittelbare Beeinträchtigungen handelt. Andernfalls droht ein nicht zulässiger deliktischer Schutz der mit der Mitgliedschaft zusammenhängenden Vermögensinteressen. 115 Ein auf§ 823 I BGB gestützter Anspruch kann danach nur durch solche Verhaltensweisen ausgelöst werden, die das Mitglied selbst betreffen, indem sie ihm die Wahrnehmung seiner in der Mitgliedschaft verkörperten Rechte wenigstens erschweren. 1 16 Hinzuweisen ist in diesem Zusammenhang auch auf die Problematik der Schadensermittlung in derartigen Konstellationen. 117 b) § 823 II BGB, Verletzung eines Schutzgesetzes Wie bereits oben festgestellt, kommt§ 43 GmbHG als Schutzgesetz zugunsten der Gesellschafter nicht in Betracht. Ein derartiger Charakter kann hingegen § 82 I Nr. 1 und Nr. 3 GmbHG beigemessen werden. Für falsche Angaben im Zusammenhang mit der Anmeldung der Gesellschaftsgründung oder einer späteren Kapitalerhöhung, die Ansprüche der Gesellschaft aus §§ 9a II, 57 IV GmbHG auslösen, haften die Geschäftsführer den Gesellschaftern gegenüber jedoch nur im Falle vorsätzlich falscher Angaben. 118 Ebenso kommt § 266 StGB als Schutzgesetz in Betracht. 119 Im Fall der sittenwidrigen Schädigung eines Gesellschafters ist zudem § 826 BGB in Betracht zu ziehen.

B. Die Außenhaftung des Geschäftsführers Das GmbHG re·gelt - anders als das im Aktienrecht der Fall ist, wo § 93 V AktG auch den Gläubigem unmittelbare Ansprüche gegenüber einem Vorstandsmitglied eröffnet - nicht die Geschäftsführerhaftung gegenüber Dritten. Die Außenverantwortlichkeit des Geschäftsführers ist nach allgemeinen bür115 Vgl. Reuter, FS Lange, S. 707, 717; Hadding, FS Kellermann, S. 91 , 101 unter Hinweis aufGrunewald, Die Gesellschafterklage, S. 99. 116 Grunewald, Die Gesellschafterklage, S. 99; vgl.auch ScholzJSchneider, § 43, Rdnr. 216; ausführlich auch Reuter, FS Lange, S. 707, 717; und vom Ansatz her abw.: K. Schmidt, JZ 1991, 157, 159, der die Grenzen des Zuweisungsgehalts der Mitgliedschaft beleuchtet. 111 Vgl. Thümmei!Sparberg, DB 1995, 1013, 1016; Felix, DStZ 1987,455,460: kein Schaden bei gleichzeitig bestehendem Schadensersatzanspruch der Gesellschaft ihrem Geschäftsführer gegenüber aus § 43 GmbHG. 11s Schaub, DStR 1992, 1021 , 1024. 119 Schaub, DStR 1992, I 021, I 024; einschränkend Fleck, GmbHR 1974, 224, 235.

38

I. Teil: Die Haftungstatbestände

gerlieh-rechtlichen Grundsätzen entwickelt worden. 120 Dabei sind in der aktuellen höchstrichterlichen Rechtsprechung gegenläufige Tendenzen erkennbar. 121 Einerseits ist eine Einschränkung der Außenhaftung festzustellen, da an der c.i.c.Haftung unter dem Gesichtspunkt des wirtschaftlichen Eigeninteresses jedenfalls nicht uneingeschränkt festgehalten wird, andererseits sehen sich Geschäftsführer einer erweiterten Haftung gegenüber Neugläubigem bei der Konkursverschleppung122 ausgesetzt, und eine Haftungsverschärfung ist auch infolge des "Baustoff-Urteils" 123 zu beftirchten. Die Außenhaftung des Geschäftsführers ist im Rahmen der Untersuchung einer Haftungserleichterung nach dem Vorbild des innerbetrieblichen Schadensausgleichs von Belang, obwohl die Haftung des Arbeitnehmers gegenüber einem Drittgeschädigten einer unmittelbaren Privilegierung nach der höchstrichterlichen Rechtsprechung nicht zugänglich ist. 124 Bei Inanspruchnahme des Arbeitnehmers durch einen Drittgeschädigten wird ihm ein Freistellungsanspruch gegenüber dem Arbeitgeber gewährt, bei einer Inanspruchnahme des Arbeitgebers durch den Dritten ist dessen Regreß gegenüber dem Arbeitnehmer eingeschränkt. 125 Entsprechend könnte die Rechtsstellung des Geschäftsführers im Falle seiner Außenverantwortlichkeit zu verbessern sein. Einer der Schwerpunkte der Geschäftsftihrerhaftung liegt in der deliktischen Verantwortung des Geschäftsftihrers Dritten gegenüber.J26 Bei einer gleichzeitigen Verantwortlichkeit der Gesellschaft nach § 31 BGB bestehen regelmäßig Rückgriffsmöglichkeiten auf den Geschäftsftihrer. 127 Der Regreß kann sich aus § 43 II GmbHG ergeben, denn durch Mißachtung der die Gesellschaft gegenüber Dritten treffenden Sorgfaltspflichten verletzt der Geschäftsftihrer uno actu seine Pflichten aus § 43 I GmbHG. 128 Außerdem kommt ein Gesamtschuldausgleich über§§ 426 I, 840 BGB in Betracht. Wenn keine Haftungserleichterungen gegenüber der Gesellschaft bestehen, droht dem Geschäftsftihrer im Innenverhältnis eine alleinige Haftung. 129

120 Vgl. nur Medicus, GmbHR 1993, 533. 121 Vgl. nur Impelmann, WiB 1994,801,805. 122 BGHZ 126, 181 = DZwir 1994, 464 = ZiP 1994, 1103; vgl. auch den Anfragebeschluß vom 1.3.1993, BGH ZIP 1993, 763 und den Vorlagebeschluß vom 20.9.1993, BGH NJW 1993, 2931. 123 BGHZ 109,297. 124 BGHZ 108, 305 = AP Nr. 99 und AP Nr. I 04 zu § 611 BGB Haftung des Arbeitnehmers, abw. OLG Celle, VersR 1993, 1026. 12s Siehe nur Blomeyer, in: Münchener Handbuch zum Arbeitsrecht, § 58, Rdnr. 2 ff. 126 Dreher, ZGR 1992, 22, 27 f. 121 Vgl. Westermann!Mutter, DZWir 1995, 184, 186. 12s Vgl. oben AI 3 b) (I) (c); Westermann/Mutter, DZWir 1995, 184, 186; Keßler, GmbHR 1994,429,436 m.w.N. 129 Westermann/Mutter, DZWir 1995, 184, 186; Altmeppen, ZiP 1995,881,888 zum umgekehrten Regreß des Geschäftsflihrers bei Bestehen einer Haftungseinschränkung. Vgl. auch Grunewald, ZHR 157 ( 1993 ), 451, 462.

8. Die Außenhaftung des Geschäftsführers

39

I. Vertragliche Außenhaftung 1. Rechtsscheinshaftung

Zunächst kommt eine vertragliche Außenhaftung des Geschäftsfiihrers aufgeund eines zurechenbar gesetzten Rechtsscheins in Betracht, die sich aus einer Verletzung der Vorschriften in§§ 4 II, 35 II GmbHGergeben kann. Der handelnde Gesellschafter haftet persönlich, wenn er gegen diese Pflichten zur Offenlegung der Verhältnisse über die Vertragsparteien oder die Vertretungsverhältnisse verstößt, so daß potentielle Gläubiger nicht vor der Haftungsbeschränkung gewarnt worden sind. Für den Gläubiger ist hier die Inanspruchnahme des Geschäftsführers gegenüber der Haftung der Gesellschaft nicht subsidiär, beide haften als Gesamtschuldner. 130 2. Haftung aus Verschulden bei Vertragsschluß

Zwar entspricht es einem allgemeinen Grundsatz, daß zunächst die Gesellschaft selbst für schuldhafte Pflichtverletzungen, die ihrem Geschäftsfiihrer im Rahmen eines vorvertragliehen Vertrauensverhältnisses anzulasten sind, einzustehen hat. Der späteren Vertragspartei wird ein Verschulden ihres Vertreters über § 31 bzw. über § 278 BGB zugerechnet. Die im Regelfall allein bestehende Gesellschaftshaftung erscheint auch vor dem Hintergrund sachgerecht, daß der VertragspartDer normalerweise dem Vertretenen das Vertrauen entgegenbringt und nicht dem Vertreter selbst. 131 Eine Eigenhaftung des Geschäftsführers als organschaftlieber Vertreter der Gesellschaft kommt ausnahmsweise in Betracht, wenn er persönlich Träger von Vertrauen ist und vorvertragliche Aufklärungspflichten schuldhart verletzt. Derartige Pflichten bestehen, wenn der andere Vertragsteil vorleistet und der beteiligte Geschäftsführer weiß oder wissen muß, daß die vertretene Gesellschaft ihre Verbindlichkeit nicht wird erfüllen können.132 Als maßgebliche, die ausnahmsweise eingreifende persönliche Haftung begründende Gesichtspunkte kommen die Inanspruchnahme besonderen persönlichen Vertrauens und das wirtschaftliche Eigeninteresse in Betracht. Praktische Bedeutung entfaltete diese Haftung zumeist bei Tatbeständen im Vorfeld einer Gesellschaftsinsolvenz. 133

130 lmpelmann, WiB 1994, 801 f.; Wellkamp, DB 1994, 869 und Reese, DStR 1995, 688 mit einem Beispiel aus der Rechtsprechung; K. Schmidt, GesR § 36 II 5a m.w.N. in Fn. 5; Scholz/Schneider, § 43, Rdnr. 222: Dritter geht davon aus, er schließe Vertrag mit einem Einzelkaufmann oder mit einer Personengesellschaft; vgl. auch Medicus, GmbHR 1993, 533, 534. 131 Vgl. nur Impelmann, WiB 1994, 801,802 m.w.N. m Rowedder/Koppensteiner, § 43, Rdnr. 62; näher: Lutter/Hommelhoff, § 43, Rdnr. 28. m Vgl. Westermann/Mutter, DZWir 1995, 184, 187.

I. Teil: Die Haftungstatbestände

40

a) Organhaftung infolge wirtschaftlichen Eigeninteresses Hinsichlieh dieser - in der Praxis vorrangig bedeutsamen - Begründung der c.i.c.-Vertreterhaftung des Geschäftsftihrers hat der II. Zivilsenat des BGH mit dem Anfragebeschluß vom 1.3.1993 134 eine Neuorientierung eingeleitet, die ihren Abschluß im Urteil vom 6.6.1994 135 gefunden hat. Nicht hinreichend deutlich ist aber bislang, ob von der Eigenhaftung wegen wirtschaftlichen Interesses insgesamt Abstand genommen werden oder ob sie lediglich für den Fall aufgegeben sein soll, daß sich das Eigeninteresse auf die Stellung von Sicherheiten gründet. 136 Der Meinungsstand in Rechtsprechung und Literatur zum Haftungsgrund des wirtschaftlichen Eigeninteresses ist in beiden Entscheidungen137 umfassend dargestellt. Das zentrale Argument des II. Senats, die persönliche Haftung nicht mehr aus c.i.c. wegen wirtschaftlichen Interesses des Geschäftsführers am Vertragsschluß herzuleiten, basiert darauf, daß heute unbestrittenermaßen die Gesellschaftsbeteiligung keine tragfähige Grundlage ftir eine Eigenhaftung ist. Sicherheiten für die Gesellschaft oder die Gewährung von Krediten an die Gesellschaft, so fährt der BGH fort, ersetzten aber in aller Regel Eigenkapital, diese Gesellschafterleistungen werden von den Regeln zum Kapitalersatz, §§ 32a, 32b, 30 f. GmbHG analog erfaßt. Diese Vorschriften erhöhen das Risiko des Gesellschaftergeschäftsftihrers zwar, es bleibt jedoch auf die zur Verfügung gestellten Leistungen beschränkt, 138 das Privatvermögen bleibt aber dem Gläubigerzugriff entzogen. Zusätzliche Gesellschafterleistungen würden in der Gesellschaftskrise damit der gezeichneten Einlage gleichgestellt. Wenn selbst diese keine persönliche Haftung vermitteln kann, so könne ihr Ersatz durch sonstige Mittel keine weiterreichenden Wirkungen haben. 139 Der für Gesellschafter

BGH ZIP 1993,763. BGHZ 126, 181 = DZWir 1994, 463. 136 Vgl. Flume, ZIP 1994,337 und Hirte, ZIP Sonderdruck 1/1994, S. 4; Lutter/Hommelhoff, § 43, Rdnr. 31 ff., 33, wollen dem Geschäftsführer sein Fehlverhalten auf dem Boden der bisherigen Rechtsprechung zurechnen, wenn sein wirtschaftliches Interesse über das gesellschaftsvermögensrechtliche hinausgeht und sein Privatinteresse mitumfaßt, wie in den anderen Fallgruppen des wirtschaftlichen Eigeninteresses, wenn der Geschäftsführer auf die Beseitigung von Schäden abzielt, flir die er andernfalls von der Gesellschaft in Anspruch genommen werden könnte oder falls er die Gegenleistung in die eigene Tasche lenken will. Demgegenüber geht Müsgen, DZWir 1994, 455, von einer grundlegenden Umgestaltung der Geschäftsführeraußenhaftung aus. 137 BGH ZIP 1993, 763, 764 ff. = DZWir 1994, 463, 464 f. Hierauf sei verwiesen. 138 Dies gelte auch für eine zugunsten der Gesellschaft bestellten Bürgschaft, die zwar eine persönliche Schuld begründet, aber auf die hierdurch gesicherte Verbindlichkeit begrenzt; andere Gesellschaftsgläubiger können aus ihr keine Rechte herleiten. Vgl. auch Ulmer, ZIP 1993, 769, 770, der Zweifel hieran bekundet. 139 BGH DZWir 1994, 463, 464 f.; vgl. Müsgen, DZWir 1994, 455 und Westermann/Mutter, DZWir 1995, 184, 188; zustimmend Lutter, DB 1994, 129, 133. 134 135

B. Die Außenhaftung des Geschäftsftihrers

41

geltende Grundsatz der Beschränkung der Haftung auf das für die GmbH eingesetzte Vermögen müsse für FremdGeschäftsfti.hrer erst recht gelten.140 Die Abkehr von der c.i.c.-Eigenhaftung des Geschäftsführersaufgrund wirtschaftlichen Eigeninteresses, jedenfalls unter dem Gesichtspunkt der Bestellung von Sicherheiten, durch den II. Senat ist in der Literatur bereits deshalb auf Zustimmung gestoßen, weil man hier dem Topos des wirtschaftlichen Eigeninteresses insgesamt immer reserviert gegenübergestanden hat. 141 Teilweise wird jedoch nicht für die völlige Aufgabe dieser Begründung, sondern lediglich für eine Reduzierung zumindest in Annäherung an das Kriterium des "procurator in rem suam", eines Vertreterhandeins gleichsam in eigener Sache, das der Leitentscheidung des Reichsgerichts 142 zugrundelag, plädiert. 143 Abweichend hat Karsten Schrnidt 144 zwar einer c.i.c.-Haftung aufgrund wirtschaftlichen Eigeninteresses generell widersprochen, da diese Formel auf Durchgriffserwägungen hinauslaufe, gleichzeitig aber umfassende vorvertragliche Warnpflichten des Geschäftsftihrers zum Schutz des Insolvenzvertrauens des Vertragspartners angenommen. Derartige Pflichten existierten jedenfalls von dem Zeitpunkt an, in dem der Konkursantrag gestellt werden muß, da dann auch kein Loyalitätskonflikt des Geschäftsführers zu seiner Gesellschaft mehr besteht. 145 Dieser einschränkende Neuansatz zur c.i.c.-Haftung hinsichtlich des bislang vorrangig praxisrelevanten Topos' des wirtschaftlichen Eigeninteresses weist dieser Fallgruppe in der Zukunft eine nur noch untergeordnete Rolle zu. Er führt jedoch im Ergebnis nicht zu einer Verringerung der Haftungsrisiken fiir Geschäftsführer. Für die den meisten Fällen zugrundeliegende Verletzung von Aufklärungs- bzw. Hinweispflichten bei drohendem Gesellschaftskonkurs hat lediglich ein Austausch der Anspruchsgrundlagen stattgefunden, indem die Haftung nunmehr über §§ 823 II BGB, 64 I GmbHG begründet wird. Eine hierauf gestützte

BGH DZWir 1994,465 unter Bezugnahme aufMedicus, GmbHR 1993,533,536. Siehe nur U1mer, ZIP 1993, 769, 770; Kühler, ZGR 1995,481, 489; Lutter/Hommelhoff, § 43, Rdnr. 31. 142 RGZ 120, 249, 252 f. 143 Canaris, JZ 1993, 649, 650; Flume, ZIP 1994, 337, 338 f. Der Ansatz Flumes, daß der Geschäftsflihrer als Vertreter in eigener Sache agiert, wenn die Gesellschaft in die Nähe der Insolvenz gerät und er sich persönlich gegenüber Gesellschaftsgläubigem verpflichtet hat, ist vom BGH im Urteil vom 6.6.1994 aufgegriffen. Dem Schutzbedürfnis der Gläubiger werde in dieser Situation aber mit dem deliktischen Anspruch, der hieraufzugeschnitten sei, Rechnung getragen, DZWir 1994, 464,465. 144 NJW 1993, 2934, 2935; so auch Schüppen, DB 1994, 197, 203. 145 Eingeräumt ist, daß bei einer Beschränkung des Anspruchs aus §§ 823 II BGB, 64 I GmbHG auf den Quotenschaden, für deren Beibehaltung K. Schmidt sich ausspricht, den Neugläubigem kein hinreichender Schutz gewährt wird. Vgl. zu diesem Ansatz Flume, ZIP 1994, 337, 340. Nach BGH DZWir 1994,464, 466 besteht flir einen derartigen, im Wege der Rechtsfortbildung geschaffenen Haftungsgrund aber weder ein Bedürfnis noch eine Legitimation, da vorrangig der de1iktische Anspruch eingreife. 140 141

I. Teil: Die Haftungstatbestände

42

Inanspruchnahme droht sogar jedem Geschäftsf\ihrer ohne Rücksicht auf wirtschaftliche Verflechtungen mit der geleiteten Gesellschaft. 146 b) Haftung infolge Inanspruchnahme besonderen persönlichen Vertrauens Eine persönliche Haftung aufgrund der Inanspruchnahme besonderen persönlichen Vertrauens kommt beim gewöhnlichen Geschäftsverlauf selten in Betracht. Diese Fallgruppe hat in der Rechtsprechung nie eine der Begründung über das wirtschaftliche Eigeninteresse vergleichbare Bedeutung erlangt. 147 Weitgehende Übereinstimmung besteht darüber, daß den GeschäftsfUhrer eine persönliche Haftung trifft, wenn er bei selbst gef\ihrten oder zumindest maßgeblich von ihm beeinflußten Vertragsverhandlungen für seine Person besonderes Vertrauen in Anspruch genommen und enttäuscht hat. 148 Dieses besondere Vertrauen läßt sich wie folgt umschreiben: Der Geschäftsf\ihrer muß über das normale Verhandlungsvertrauen hinausgegangen sein, das bei Anbahnung von Verträgen immer zumindest vorhanden sein sollte; er muß dem Vertragspartner eine zusätzliche, von ihm persönlich ausgehende Gewähr für den Bestand und die ErfUllung des in Aussicht genommenen Geschäfts geboten haben, die für den Willensentschluß des anderen Teils bedeutsam war. 149 Es liegt in diesem Sonderfall eine Art Doppelrolle vor, der Geschäftsführer agiert nicht nur als Organ einer GmbH, sondern handelt vor allem als Person selbst. 150

Im Einzelfall ist problematisch, wann diese Voraussetzungen erf\illt sind. Eine Eigenhaftung des Geschäftsführers kommt beispielsweise in Betracht aufgrundseines Hinweises auf "ganz besondere Sachkunde" oder "besondere persönliche Zuverlässigkeit", aber auch bei engen verwandtschaftlichen Beziehungen. Die Rechtsprechung ist hierzu aber nicht einheitlich, teilweise werden zusätzliche qualiftzierte Voraussetzungen verlangt. 151 An der c.i.c.-Haftung aufgrund der Inanspruchnahme besonderen persönlichen Vertrauens kann kritisiert werden, daß es sich hierbei um eine "Quasigarantie" handelt, die in die Nähe eines eigenständigen Bürgschafts- oder Garantievertrages gerät, der aber gerade mangels eines derartigen Willens des Organs nicht zustande kommt; mithin, daß durch dieses Haftungsinstitut die Vertragsautonornie beeinträchtigt wird. 152 Dem kann auch nur bedingt entgegengehalten

Vgl. Müsgen, DZWir 1994,455,457 und Kühler, ZGR 1995,481,493. Westerrnann/Mutter, DZWir 1995, 184, 186. 148 Vgl. nur Scholz/Schneider, § 43, Rdnr. 224 mit ausführlichen Hinweisen. 149 Vgl. nur Medicus, GmbHR 1993, 533, 566 m.w.N. 1so Lutter, OB 1994, 129, 133; Medicus, FS Steindorff, S. 725, 737 ff.; Rowedder, FS Semler, S. 311, 319 zweifelt an der Unterscheidbarkeit beider "Rollen". •s• Vgl. Lutter/Hommelhoff, § 43, Rdnr. 29 f., insb. Rdnr. 30; Scholz/Schneider, § 43, Rdnr. 224 mit Beispielen; siehe auch Impelmann, WiB 1994,801,803. 152 Medicus, FS Steindorff, S. 726, 738; ders., GmbHR 1993, 533, 537; G. Müller, ZIP 1993, 1531, 1534; vgl. auch Westerrnann/Mutter, DZWir 1995, 184, 187, die146 147

B. Die Außenhaftung des Geschäftsführers

43

werden, daß der Schadensersatzanspruch wegen der Verletzung eines vorvertragliehen Vertrauensverhältnisses im Gegensatz zu den vertraglichen Ersatzansprüchen nur auf das negative Interesse gerichtet ist. Nach allgemeiner Ansicht ist nämlich auch über c.i.c. das Erfüllungsinteresse zu ersetzen, wenn der Geschädigte ohne die Pflichtverletzung den Vertrag mit dem angestrebten Inhalt anderweit geschlossen hätte. 153 11. Deliktische Außenhaftung

1. Außenhaftung gern.§ 823! BGB a) Der Gegenstand der aktuellen Diskussion Die deliktische Außenhaftung des Geschäfts:fiihrers aus § 823 I BGB gehört seit dem "Baustoff-Fall" 154 zu den lebhaft umstrittenen Themen insbesondere in der gesellschaftsrechtlichen Literatur. 155 Hierbei handelt es sich auch um ein Problem von erheblicher praktischer Bedeutung. Zwar ist durch diesen Deliktsanspruch nicht das Vermögen als Ganzes geschützt, er tritt in seiner Bedeutung aber dennoch nicht hinter die Haftungsfälle aus § 823 II BGB infolge einer Schutzgesetzverletzung zurück, da eine tendenzielle Ausweitung des Kreises der von § 823 I BGB geschützen Rechtsgüter zu beobachten ist. Dies gilt auch im Hinblick auf die Vermischung von Vertragsverletzungen und deliktischen Rechtsgutverletzungen, wie sie insbesondere bei der Fallgestaltung des weiterfressenden Mangels zu beobachten ist. 156 Ein besonders großes Haftungspotential ergibt sich insbesondere durch die Gefahr von Körperverletzungen, die von Industrieprodukten verursacht sein können. 157 Die Bandbreite der Produkthaftung wird deutlich, wenn man sich die Fallgruppen der Konstruktions-, Fabrikations-, Instruktions-, der Produktbeobachtungs- und Entwicklungsfehler vor Augen hält. 158 Im Grundsatz unproblematisch ist die Fallgestaltung, daß der Geschäfts:fiihrer alle objektiven und subjektiven Tatbestandsmerkmale in seiner Person durch aktives Tun verwirklicht. Hier haftet er persönlich neben der Gesellschaft, die über § 31 BGB mithaftet, wenn er bei der Ausübung seiner Organtätigkeit als Täter, auch im Hinblick auf§ 766 BGB- einen derartigen Verpflichtungswillen fordern, der auch einem Schuldbeitritt zugrundeliegen kann. 153 Medicus, FS Steindorff, S. 726, 738; ders., GmbHR 1993,533, 537; vgl. Palandt/ Heinrichs, § 276 Rdnr. 99-10 I. 154 BGHZ 109, 297. 155 Vgl. zunächst die Zusammenstellung bei Wellkamp, DB 1994,869,871, Fn. 49. 156 Westermann/Mutter, DZwir 1994, 184, 188. 157 Westermann!Mutter, DZwir 1994, 184, 188; vgl. auch Lutter, DB 1994, 129, 131, der den "Lederspray-Fall", BGHSt 37, 106, abwandelt und Hirte, ZIP Sonderdruck 1/1994, S. 4 sowie Wellkamp, DB 1994, 869, 872, der zusätzlich auf die Risiken im Bereich der Umwelthaftung hinweist. 158 Dreher, ZGR 1992, 22, 27 f., der auch auf die Beweislastumkehr nach der höchstrichterlichen Rechtsprechung hinweist.

44

I. Teil: Die Haftungstatbestände

Gehilfe oder Anstifter eine unerlaubte Handlung begeht, die einen Dritten schädigt. Der Geschäftsführer gerät in diesem Fall durch sein eigenes unerlaubtes Verhalten in Haftung mit der weiteren Folge, daß die Gesellschaft bei ihm als letztlich Verantwortlichem Rückgriff nehmen kann, wenn sie selbst im Außenverhältnis in Anspruch genommen wird. 159 Die Diskussion um die Außenhaftung des Geschäftsführers beginnt dort, wo er nicht selbst gehandelt hat, sondern lediglich die aktive Verwirklichung eines Deliktstatbestands durch andere Mitarbeiter, für die die Gesellschaft über § 31 bzw. § 831 BGB einstehen muß, nicht verhindert hat. 160 Hier setzt die persönliche Inanspruchnahme des Geschäftsführers seine Garantenstellung für das verletzte Rechtsgut des Drittgeschädigten voraus; ob und wann eine solche anzunehmen ist, macht den Gegenstand des Diskurses aus. b) Der "Baustoff-Fall" (1)

Die Entscheidung des Bundesgerichtshofs, VI. Zivilsenat vom 5.1 2. 1989

In dieser Entscheidung 161 verurteilte der BGH den Geschäftsführer einer Bauunternehmungs-GmbH wegen fahrlässiger Eigentumsverletzung gern. § 823 I BGB zur Zahlung von Schadensersatz an einen Baustofflieferanten. Die Gesellschaft hatte dessen Vorbehaltseigentum- ohne Wissen des Geschäftsführersdurch Einbau in fremde Objekte unter Mißachtung des verlängerten Eigentumsvorbehalts verletzt, obwohl sie aufgrund der AGB ihres Auftraggebers einem Abtretungsverbot162 unterlag. 163 Unerheblich für die persönliche Haftung des Geschäftsführers sei, daß sein Verhalten nach§ 31 BGB auch der Gesellschaft zurechenbar war. Grundsätzlich hafte im Außenverhältnis zwar nur die Gesellschaft, lediglich dieser sei der Geschäftsführer nach § 43 II GmbhG verantwortlich. Mit der Organstellung könnten aber Pflichten einhergehen, die dem Geschäftsführer nicht nur gegenüber der Gesellschaft obliegen, sondern die ihn aus besonderen Gründen auch Dritten gegenüber treffen. Im deliktischen Bereich habe der Geschäftsführer eine Garantenstellung zum Schutz fremder Rechtsgüter i.S.d. § 823 I BGB inne, die ihre Träger der Einflußsphäre der GmbH anvertraut haben, wenn zur Abwehr der sich in dieser Weise aktualisierenden Gefahrenlage ·der Geschäftsführer gerade in seinem Aufgabenbereich gefordert ist. Der VI. Zi159 ScholzJSchneider, § 43, Rdnr. 228; Medicus, GmbHR 1993, 533, 539; Westermann/Mutter, DZWir 1995, 184, 188; Keßler, GmbHR 1994, 429, 431, vorausgesetzt, es wirkt keine Haftungserleichterung. 160 Vgl. Westermann/Mutter, DZWir 1995, 184, 188. 161 BGHZ 109, 297. 162 Zur Rechtslage nach Inkrafttreten des § 354a HGB: Henseler, BB 1995, 5, 6 und insb. S. 8; diese Vorschrift enthält eine Ausnahme vom Abtretungsverbot gern. § 399 2. Alt. BGB, sie gilt jedoch nur im Bereich beidseitiger Handelsgeschäfte. 163 Vgl. die Sachverhaltsdarstellung bei Habetha, DZWir 1995, 272, 282 und bei Keßler, GmbHR 1994,429,433.

B. Die Außenhaftung des Geschäftsführers

45

vilsenat folgert eine Eigentumsverletzung somit aus der Verletzung einer dem Geschäftfiihrer obliegenden Organisationspflicht Seine Aufgabe sei es gewesen, Kollisionen zwischen dem verlängerten Eigentumsvorbehalt und Abtretungsverboten durch dafiir geeignete organisatorische Maßnahmen zu verhindern. 164 (2)

Reaktionen in der Literatur

Diese Entscheidung hat ein überwiegend kritisches Echo hervorgerufen. 165 Problematisch sind die Begründung und Begrenzung eigener drittschützender Verkehrspflichten 166 des im Innenverhältnis zur ordnungsgemäßen Geschäftsfiihrung berufenen Organs. 167 Auf Zustimmung gestoßen ist der BGH bei Brüggemeier 168 und Schneider. 169 Brüggemeier nimmt eine umfassende Außenhaftung für Pflichtverletzungen bei der Verkehrssicherung im Rahmen des Zuständigkeitsbereichs der Organperson an, die sich aus der jeweiligen internen Organisations- und Leitungskompetenz ergebe. 170 Damit ist ein Gleichlauf von gegenüber der Gesellschaft und gegenüber Dritten bestehenden Pflichten behauptet, der als Reaktion auf "neuartige Organwalterdelikte", die sich durch die nichteigenhändige Verwirklichung auszeichneten, gerechtfertigt sei. Die weitreichende deliktische Außenhaftung stelle eine wünschenswerte Kompensation der beschränkten Haftung der juristischen Person dar. 171 Gegen diese Argumentation bestehen durchgreifende Bedenken. Eine nicht ausreichende Kapitalausstattung der juristischen Person kann- insbesondere bei Fremdorganschaft- nicht durch die persönliche Haftung einer Organperson ausgeglichen werden. Das widerspräche dem Prinzip der beschränkten Haftung, das Unternehmerrisiko würde zum Teil auf die Organe abgewälzt. 172 Für eine Begrenzung der deliktischen Außenhaftung kann die interne Verteilung der Leitungskompetenz nicht herangezogen werden, da ansonsten eine nicht sachgerechte Verteilung hingenommen werden müßte, was der Rechtsfigur des Organisations164 BGHZ 109, 297, 302 ff.; vgl. Altmeppen, ZIP 1995, 881, 885 und Habetha, DZWir 1995, 272, 282. 165 Zusammenfassend: Altmeppen, ZIP 1995, 881, 885 f. 166 Gemeint sind auch Verkehrssicherungspflichten, eine Differenzierung wird überwiegend als wenig ergibig eingestuft, Altmeppen, ZIP 1995, 881; Medicus, FS Lorenz, s. 155, 158. 167 K. Schmidt, ZIP 1994,837,840. 168 AcP 191 (1991), 33 ff. 169 Scholz/Schneider, § 43, Rdnr. 230. 11o Brüggemeier, AcP 191 (1991), 33,58 ff., 63 ff. 17 1 Brüggemeier, AcP 191 (1991), S. 34, 36, 65 f.; vgl. Altmeppen, ZIP 1995, 881, 887: dieser Ansatz stimme mit der Entstehungsgeschichte des§ 31 BGB überein. 172 Medicus, FS Lorenz, S. 155, 163 f.; Grunewald, ZHR 157 (1994), 451,458. Dieser Einschätzung steht auch der von Brüggemeier, AcP 191 (1991), S. 66, angeregte Freistellungsanspruch des Organmitglieds gegenüber der Gesellschaft nur bedingt entgegen, jedenfalls wird ihm das Insolvenzrisiko aufgebürdet.

46

I. Teil: Die Haftungstatbestände

verschuldens diametral entgegenliefe. 173 Da die Garantenpflicht im Rahmen der Zuständigkeit Brüggemeiers Konzept zufolge praktisch immer vorläge, bleibt zudem offen, wie die "neuartigen Organwalterdelikte" von den "traditionellen, eigenhändigen" Delikten zu unterscheiden sein sollen.174 Schneider führt die Garantenstellung des Organwalters auf seine Organisationsherrschaft zurück; er habe durch entsprechende Organisation und Überwachung unerlaubte Handlungen durch die Gesellschaft und ihre Mitarbeiter zu verhindern. Um das Haftungsrisiko des Geschäftsführers zu begrenzen, sei eine angemessene Konkretisierung dieser Pflichten notwendig, sie dürften nicht überspannt werden. 175 Keßler 176 greift diesen Ansatz auf und kristallisiert aus dem Baustoff-Urteil Konturen der deliktischen Eigenhaftung von Organpersonen heraus. Unter Einschränkungen, die sich aus dem Trennungsprinzip des § 13 II GmbHG ergäben, seien extern wirkende Handlungspflichten durch Vorgaben der gesellschaftsinternen Zuständigkeitsordnung begründbar. Derartige Pflichten bestünden aber nur zugunsten der in § 823 I BGB genannten Rechtsgüter und lediglich bei Gefahrenlagen, deren Abwehr gerade zum originären organisationsrechtlichen Aufgabenbereich des Geschäftsfiihrers gehört.177 Letztlich seien, um einer Verdoppelung der fiir das Innenverhältnis in§ 43 GmbHG normierten Sorgfaltspflichten entgegenzuwirken, die deliktsrechtlichen Zurechnungsnormen infolge des in § 13 II GmbHG verankerten Trennungsgebots teleologisch zu reduzieren. Eine Einstandspflicht des Geschäftsleiters komme danach nur bei der Verletzung "zentraler Koordinations-" oder "materialer Bewahrungspflichten" zum Schutz existentieller Rechtsgüter in Betracht. 178 Die zahlreichen kritischen Stellungnahmen zum Baustoff-Urteil enthalten drei dogmatische Aspekte. 179 Zunächst wird die Außenhaftung an der gesellschaftsrechtlichen Binnenstruktur der GmbH mit der internen Organisationsverantwortung des Geschäftsfiihrers gemessen. Danach seien die Folgen von Pflichtverletzungen des Geschäftsführers durch§ 43 GmbHG im Vermögen der Gesellschaft kanalisiert, so daß seine hier beschriebenen Pflichten keine Außenwirkung entfalten könnten, was sich auch auf die Anwendbarkeit allgemeiner Haftungsvorschriften auswirken müsse. 180 Besondere Wertungsge-

Medicus, FS Lorenz, S. 155, 163 f. Medicus, FS Lorenz, S. 155, 163 f. 175 Scholz/Schneider, § 43, Rdnr. 230. 176 GmbHR 1994,429. 177 Keßler, GmbHR 1994, 434 ff. Die Garantenstellung folge unter Parallelbetrachtung strafrechtlicher Wertungen aus rein tatsächlicher Einwirkungsmöglichkeit Sie bestehe unabhängig von einer organisations- oder gesellschaftsrechtlichen Rechtfertigung. Ähnlicher Ansatz bei Habetha, DZWir 1995, 272, 282. 178 Keßler, GmbHR 1994,436. Durch die Annahme materialer Bewahrungspflichten zugunsten der Rechtsgüter Leben, Körper und Gesundheit komme es zu Erweiterungen der deliktischen Verantwortlichkeit von Organpersonen. 179 Differenzierung von Keßler, GmbHR 1994, 429, 433. 18 Keßler, GmbHR 1994,429, 433, mit Hinweis aufMertens/Mertens, JZ 1990,488. 173 174

°

B. Die Außenhaftung des Geschäftsführers

47

sichtspunkte, die für die Begründung einer Verkehrspflicht auch Dritten gegenüber notwendig seien, könnten nicht nachgewiesen werden. 181 Einem weiteren Ansatz zufolge können extern wirkende Organisationspflichten nicht aus der mit der Geschäftsführung verbundenen Verantwortung der Organträger hergeleitet werden. Die Lehre von den Verkehrspflichten begründe keine Garantenstellung des Geschäftsführers für Rechtsgüter Dritter, da hiernach lediglich diejenigen als Schädiger in Betracht kommen sollen, denen bei einer Verursachung durch Unterlassen der Erfolgsahwendung besondere Sicherungspflichten obliegen. Die besondere Pflicht des Geschäftsführers, die in die Sphäre der Gesellschaft gelangten Rechtsgüter Dritter zu schützen, bestehe für diesen aber lediglich gegenüber der Gesellschaft; diese habe er vor Schadensersatzansprüchen zu bewahren. 182 Die als spezielle Anwendungsfälle der Verkehrspflicht einzuordnenden §§ 831 ff. BGB zeigten, daß sich die Sicherungspflicht auf die juristische Person beschränken kann und dies auch regelmäßig der Fall sei. 183 Hinzu tritt als dritter Aspekt die Befürchtung, die bereits gegen die Ansicht Brüggemeiers ins Feld geführt wurde, daß im Ergebnis den Organen das Insolvenzrisiko der GmbH gegenüber zumindest einem Teil der Vertragsgläubiger aufgebürdet wird. Hierdurch sei die Handlungsfähigkeit der Kapitalgesellschaft in ihrem Kern beeinträchtigt. 184 Es drohe, je weiter man den Geschäftsführer in die Verantwortung nimmt, die Gefahr eines gravierenden Einbruchs in das gesellschaftsrechliehe Haftungssystem. 185 Die Kritik am Baustoff-Urteil befürchtet demnach zentral, daß dem BGH jedenfalls eine sachgerechte Begrenzung der Außenhaftung des Geschäftsführers nicht gelungen ist, da letztlich bereits die Geschäftsführerstellung den Ansatz für das Bestehen drittschützender Pflichten bilde. Durch seine Formulierungen drohe diese als Ausnahmefall dargestellte Situation zur Regel zu werden mit der Folge einer uferlosen persönlichen Haftung von Geschäftsleitem. 186 · Entsprechend der jeweiligen Gewichtung der dogmatischen Argumente gegen eine deliktische Außenhaftung der Organmitglieder gelangt man in der Literatur zu verschiedenen Eingrenzungen. 187 Ein Teil fordert eine restriktive Beschränkung auf die Fälle unmittelbarer aktiver Täterschaft oder Teilnahme. Das Unterlassen von erfolgsabwendenden Maßnahmen kann danach lediglich die Innen181 Medicus, FS Lorenz, S. 155, 166 ff.; vgl. auch Krebs/Dylla-Krebs, DB 1990, 1271' 1272 f. 182 Keßler, GmbHR 1994, 429, 433, mit Hinweis auf Westermann, DNotZ 1991, 813, 817; so auch Dreher, ZGR 1992, 22, 33 f. 183 Medicus, FS Lorenz, S. 155, 158. 184 Keßler, GmbHR 1994, 429, 433; siehe auch Medicus, FS Lorenz, S. 155, 160 f. und Grunewald, ZHR 157 (1993), 451,458. 185 K. Schmidt, GesR, § 36 II 5d; vgl. auch Westermann/Mutter, DZWir 1995, 184, 189: "Preisgabe wichtiger dogmatischer Distinktionen". 186 Vgl. Medicus, FS Lorenz, S. 155, 159 f.; Lutter, ZHR 157 (1993) 464, 471 und Dreher, ZGR 1992, 22, 34. 187 Vgl. die Aufstellung bei Altmeppen, ZIP 1995,881,886 f.

48

I. Teil: Die Haftungstatbestände

haftung gegenüber der Gesellschaft begründen. 188 Einer ähnlichen Abgrenzung zufolge kommt eine Außenhaftung lediglich bei vorsätzlicher Begehung in Betracht, wobei dolus eventualis ausreichen soll. Voraussetzung der Verantwortlichkeit Dritten gegenüber sei aber in jedem Fall die positive Kenntnis von der Rechtsgutverletzung. 189 Die Abwesenheit einer persönlichen Haftung des Organs in den so ausgegrenzten Fällen ist danach geradezu ein Wesensmerkmal der juristischen Person. Die Grundkonzeption des Gesetzes zeige nämlich, daß eine Überleitung der Pflichten der Gesellschaft auf das Organ - mit Ausnahmen im Steuer- und Abgabenrecht- nicht vorgesehen sei; das Gesetz akzeptiere also die GmbH als Subjekt und autonome Haftungseinheit. 190 Zur sachgerechten Abgrenzung wird auch danach differenziert, ob eine Verkehrspflicht verletzt wird, die lediglich die der Gesellschaft dem Vertragspartner gegenüber obliegenden Pflichten ergänzt, wie insbesondere bei vertraglichen Pflichten, oder ob es sich um ohnehin der Allgemeinheit gegenüber bestehende Pflichten handelt. 191 Die Verschiedenartigkeit der Abgrenzungsversuche verdeutlicht eine Spannungslage zwischen Grundsätzen des Kapitalgesellschaftsrechts und solchen des allgemeinen Deliktsrechts. Auf der einen Seite sind die Pflichten der Organpersonen als solche gegenüber der Gesellschaft normiert, § 43 II GmbHG; dies korreliert mit dem Trennungsgebot des § 13 II GmbHG. Demgegenüber verkörpern die deliktischen Tatbestände Pflichten, die jedermann binden und so geeignet erscheinen, die organschaftliehen Anforderungen zu erweitem. 192 Die Aufgabe, die widerstreitenden Interessen der Gesellschaftsgläubiger an einer persönlichen Haftung der Organpersonen neben der Gesellschaft und die Haftungsrisiken der Geschäftsleiter einem sachgerechten Ausgleich zuzuführen, ist bislang nicht überzeugend gelöst. 193 Dies verdeutlicht auch eine vergleichende Rechtsprechungsanalyse.194

188 So Medicus, FS Lorenz, S. 155, 165 ff.; gegen diese Differenzierung Habetha, DZWir 1995, 272, 283, auch bei aktiver Teilnahme liege lediglich eine mittelbare Rechtsgutverletzung vor. 189 So Lutter, ZHR 157 ( 1993 ), 464, 480 f. 19o Deutlich Lutter, DB 1994, 129, 132. 191 Grunewald, ZHR 157 (1994) 451, 458; ähnlich die Konstruktion von Mertens/Mertens, JZ 1990, 488 f.: persönliche Haftung, wenn eine Verkehrspflicht der Gesellschaft als eigene übernommen wird. Kritisch hierzu Lutter, DB 1994, 129, 132, Übernahme ist Fiktion. Am Grunewaldschen Ansatz kritisiert er, daß danach ein schlechterer Schutz bei Vertragsverletzungen als bei rein deliktischen Schädigungen bestünde, ders., ZHR 157 (1993), 464,475 f. 192 Ausführlich: Keßler, GmbHR 1994, 429, 432. 193 So bereits Kiethe, DStR 1993, 1298, 1300. 194 Vgl. den Ansatz von Lutter, ZHR 157 (1993), 464, 479 f.

B. Die Außenhaftung des Geschäftsfiihrers

49

c) Die deliktische Verantwortlichkeit von Organen in der höchstrichterlichen Rechtsprechung neben dem Baustoff-Urteil Altmeppen 195 zeigt, daß auch in der Rechtsprechung des BGH die deliktische Eigenhaftung der Organpersonen einer Kapitalgesellschaft nicht einheitlich behandelt wird. Es sind Entscheidungen auffmdbar, in denen eine Haftung des verantwortlichen Organleiters neben der Gesellschaft bei der Verletzung von Verkehrspflichten offenbar als selbstverständlich vorausgesetzt ist. 196 Andere Urteile zeichnen sich demgegenüber durch eine deutliche Haftungskanalisierung der Außenverantwortlichkeit auf die Gesellschaft allein aus. Danach ist die Rechtsstellung des Geschäfts:fiihrers im Haftungsrecht durch seine Organstellung entscheidend geprägt. Auch eine unerlaubte Handlung, die er in Ausführung der ihm zustehenden Verrichtung einem Dritten zufiigt, treffe nur die Gesellschaft. Der Geschäfts:fiihrer hafte unmittelbar nur dann, wenn er persönlich die unerlaubte Handlung begeht. 197 Im "Sporthosenfall" 198 sah man keinen hinreichenden Grund, den Geschäftsfiihrer auch dann als Störer persönlich haftbar zu machen, wenn er an der Rechtsverletzung nicht teilgenommen hat und von ihr nichts wußte. 199 Teilweise wurde in einer dem Baustoff-Urteil nachfolgenden Entscheidung des BGH200 eine Abkehr von der Annahme einer weitreichenden persönlichen deliktischen Verantwortlichkeit von Organmitgliedern gesehen. 201 In diesem Urteil hat der II. Senat hervorgehoben, das Organ hafte nicht neben der juristischen Person nach§ 831 BGB; die Organstellung begründe grundsätzlich lediglich eine gesellschaftsinterne Organisationspflicht der Körperschaft gegenüber. Sie zu ver195 ZIP 1995, 881, 884 ff. Altmeppen selbst greift zur Lösung des Problems auf die Entstehungsgeschichte des § 31 BGB zurück. Historisch hat der Gesetzgeber in § 31 lediglich eine Mithaftung der juristischen Person angeordnet flir bestimmte Delikte ihrer Organpersonen. Tatbestandliehe Voraussetzung ist danach deren deliktische Eigenhaftung, Gesellschaft und Organ hafteten also zwingend kummulativ. Der entscheidende Gesichtspunkt liege darin, daß die den Unternehmer benachteiligenden Beweislastgrundsätze auf die persönliche Haftung des Organmitglieds nicht angewendet werden sollen, S. 887 ff. 196 Altmeppen, ZIP 1995, 881, 884 ff., nennt BGHZ 56, 73 und beispielsweise auch die "Lederspray-Entscheidung" des II. Strafsenats, BGHSt 37, 106, an der auffällig sei, daß hier die strafrechtliche Garantenstellung nicht zuletzt aus der zivilrechtliehen Verkehrssicherungspflicht der Angeklagten abgeleitet ist. 197 Z.B. BGH NJW 1974, 1371 f.; vgl. Altmeppen, ZIP 1995, 884. 198 BGH ZIP 1986, 183 = NJW 1987, 127; auf ihn hebt Lutter in seiner Kritik am "Baustoff-Fall" ab, ZHR 157 (1994), 464,479 f.; siehe hierzu auch Dreher, ZGR 1992, 22, 35 f. 199 BGH ZIP 1986, 183, 186 f.; vgl. Altmeppen, ZIP 1995, 885. 2oo Entscheidung vom 13 .4.1994, ZIP 1994, 867, 870. 2o1 Grunewald, JZ 1994, 961 und dies. GmbHR 1994, 665 f. K. Schmidt, ZIP 1994, 837, 840: "Auch die künftige Praxis zu dieser Bestimmung (gemeint ist § 823 I BGB) wird aber die behutsamere Haftungsrechtsprechung des II. Senats in Rechnung zu stellen haben, soll es nicht zu Friktionen innerhalb des Deliktsrechts kommen."

4 Frisch

50

I. Teil: Die Haftungstatbestände

Ietzen könne dementsprechend keine Haftung im Außenverhältnis nach sich ziehen.202 Bemerkenswert ist hieran, daß zum Baustoff-Urteil zwar nicht näher Stellung genommen, aber doch ausgeführt ist, daß der vorgenannte Grundsatz ausgehebelt zu werden drohe, wenn die Verletzung der Geschäftsführern obliegenden Aufsichtspflichten allgemein dazu führte, daß jeder Außenstehende, der durch die Verletzung dieser Pflichten mittelbar zu Schaden kommt, gegen das Organmitglied selbst Ersatzansprüche hätte. 203 Demgegenüber hat sich der XI. Senat204 offenbar von der Kritik am Baustoff-Urteil nicht beeindrucken lassen, sondern beharrt darauf, Organisationspflichten gegenüber der Gesellschaft über das allgemeine Deliktsrecht Außenwirkung zukommen zu lassen. 205

2. Außenhaftung gem. § 823 II BGB wegen Verletzung eines Schutzgesetzes a) Normen mit Schutzgesetzcharakter In den Mittelpunkt des Interesses gerückt ist die richtige Auslegung des § 64 I GmbHG, der seit langem unbestritten als Schutzgesetz anerkannt ist. Bevor diese Problematik beleuchtet wird, sind jedoch einige besonders wichtige andere Normen zu nennen, denen Schutzgesetzcharakter zukommen kann. 206 Unzweifelhaft der Fall ist das für§§ 263, 266, 266a StGB207. Problematisch ist demgegnüber die Einordnung der Buchführungspflicht des§ 41 GmbHG. Zwar hat der BGH dieser Norm die Qualität als Schutzgesetz abgesprochen, zugleich aber spricht einiges dafür, daß dies für qualifizierte Verletzungen der Buchführungspflicht, die gern. §§ 283 I Nr. 5-7, 283b StGB strafbewährt sind, anders beurteilt würde. 208 In derselben Entscheidung hat sich der BGH gegen einen allgemeinen Schutzgesetz2o2 BGH ZIP 1994, 867, 870; vgl. auch Altmeppen ZIP 1995, 881, 886. Zu dieser Entscheidung ausführlich: K. Schmidt, ZIP 1994, 837 ff. Ihre Bedeutung liegt vor allem darin, daß hier ein allgemeiner Schutzgesetzcharakter des § 130 OWiG abgelehnt ist, vgl. ZIP 1994, 867, 869 ff., insb. 870. 203 BGH ZIP 1994, 867, 870 unter Hinweis auf die kritischen Ausführungen von Mertens und Grunewald zum Baustoff-Urteil. 204 BGH ZIP 1994, II 02 f. 2os Westermann/Mutter, DZWir 1995, 184, 189. 206 Siehe auch die Zusammenstellung bei Schaub, DStR 1992, 1766, 1767 f. 2o1 Vgl. nur Siegmann!Vogel, ZIP 1994, 1821, 1826 und Westermann!Mutter, DZWir 1995, 184, 189. Gem. §§ 823 11 BGB, 266a StGB ergibt sich die persönliche Haftung für Sozialversicherungsbeiträge der Arbeitnehmer. § 266a StGB setzt zumindest bedingten Vorsatz voraus, so daß diese Anspruchsgrundlage hier vernachlässigt werden kann, es gilt das unten zur Haftung aus § 826 BGB Ausgeführte entsprechend. Näher zur Haftung für Sozialversicherungsbciträge, insb. zur Voraussetzung der vorsätzlichen Hinterziehung: Westermann/Mutter, DZwir 1995, 184, 185 und Reese, DStR 1995, 688, 690. Ausführlich auch Schaub, DStR 1992, 1766, 1767 f. 2os BGH ZIP 1994,867, 871; ausführlich Siegmann!Vogel, ZIP 1994, 1821, 1826 und bereits Stapelfeld, GmbHR 1991, 94, der den Schutzgesetzcharakter des § 41 GmbHG insgesamt bejaht, vgl. S. 99.

B. Die Außenhaftung des Geschäftsführers

51

charakter des § 130 OWiG insoweit ausgesprochen, als die Unterlassung von Aufsichtsmaßnahmen durch den Geschäftsführer zur Verletzung von Pflichten führt, die ihrerseits als Schutzgesetze eingeordnet werden. 209 b) Die Haftung wegen Konkursverschleppung, §§ 823 II BGB, 64 I GmbHG Von herausragender praktischer Bedeutung ist die in § 64 I GmbHG normierte Verletzung der Konkursantragspflicht durch den Geschäftsführer; der Schutzgesetzcharakter dieser Norm ist seit langem unbestritten.210 Verletzt der Geschäftsführer durch das Verschweigen der Konkursreife der von ihm geleiteten Gesellschaft seine vorvertragliche Auskunftspflicht, nahm man bislang eine Haftung aus c.i.c. insbesondere unter dem Gesichtspunkt des wirtschaftlichen Eigeninteresses an. Der II. Senat des BGH2 11 hielt diesen Wegjedoch für nicht mehr gangbar und greift nunmehr auf die deliktische Anspruchsgrundlage § 823 II BGB i.V.m. § 64 I GmbHG zurück, deren tatbestandliehe Voraussetzungen in dieser Konstellation regelmäßig erfüllt sind. 212

(1) Anspruchsvoraussetzungen Nach Eintritt des Konkursgrundes-derZahlungsunfähigkeit oder der Überschuldung - muß der Geschäftsführer zunächst prüfen, ob sich noch Sanierungsmöglichkeiten ergeben. Hierzu hat er entsprechende Initiativen bei den Gesellschaftsgläubigem und den Gesellschaftern zu ergreifen. Dafür stehen ihm maximal drei Wochen zur Verfügung, spätestens dann ist der Konkursantrag zu stellen.213 Verstößt der Geschäftsführer schuldhaft gegen diese Pflicht, ist den Altgläubigem der sog. Quotenschaden zu ersetzen. Dieser Anspruch steht zwar jedem Geschädigten persönlich zu, wird aber vom Konkursverwalter geltend gemacht, wenn der Konkurs eröffnet wird.214 Zu ersetzen ist denjenigen Gläubigem, die bereits vor Eintritt der Konkursreife Gesellschaftsgläubiger waren, der Differenzschaden zwischen der ursprünglich erzielbaren Konkursquote, die bei fristgemäßer Antragstellung erreicht worden wäre, und der tatsächlich erzielten. Diese Begrenzung des Schadensersatzanspruchs - er209 BGH ZIP 1994, 867, 869 ff. ; ausfuhrlieh hierzu K. Schmidt, ZIP 1994, 837, 841 f., der die Normstruktur des § 130 OWiG- bloße Sanktonsnorm oder echte Geund Verbotsnorm - in der Begründung des BGH ftir nicht hinreichend geklärt hält; ablehnend: Siegmann/Vogel, ZIP 1994, 1821 , 1828 f., die die Relevanz der Schutzgesetzeigenschaft für den Schutz der Altgläubiger im Konkurs und hinsichtlich der Beweislage in den Strohmanngeschäftsführerfällen herausstellen. 21o Vgl. nur Westermann/Mutter, DZWir 1995, 184, 189. 211 Vgl. oben BI 2 a. 212 Vgl. oben BI 2 a und Impelmann, WiB 1994, 801 , 804 sowie Müsgen, DZWir 1994,455. m Vgl. Lutter, DB 1994, 129, 133 f. 214 Lutter/Hommelhoff, § 64, Rdnr. 21 m.w.N.

4*

52

I. Teil: Die Haftungstatbestände

setzt wird nicht der gesamte Forderungsausfall - folgt aus Kausalitätserwägungen. Selbst bei rechtzeitiger Antragstellung hätten die Altgläubiger lediglich eine Konkursquote erhalten. Allein die weitere Schmälerung der künftigen Masse beruht auf der Konkursverzögerung. 215 Schwierigkeiten ergeben sich insbesondere wegen des zweistufigen Begriffs der Überschuldung. 216 Er setzt sich zusammen aus der rechnerischen Überschuldung, die vorliegt, wenn das Gesellschaftsvermögen die Schulden nicht mehr deckt, und dem negativen Ausgang der sog. Fortbestehensprognose.217 Zum Nachweis der Überschuldung reicht es aus, daß der Gläubiger das objektive Bestehen der rechnerischen Überschuldung nachweist, der Geschäftsführer muß dann darlegen und beweisen, daß eine positive Fortbestehensprognose bestand.218 Hinsichtlich der Fortführungsprognose gesteht der BGH dem Geschäftsführer aber einen Beurteilungsspielraum zu, der nur eingeschränkt justitiabei sein soll. 219 Generell gilt, daß die Pflichtverletzung objektiv bestimmt wird: Es kommt allein darauf an, ob der Konkursgrund vorlag oder nicht, unerheblich ist die positive Kenntnis des Geschäftsführers hiervon. 220 In subjektiver Hinsicht setzt die Geschäftsführerhaftung wegen Konkursverschleppung eine schuldhaftunterlassene Antragstellung voraus, wobei Fahrlässigkeit genügt. 221

(2)

Erweiterung des Haftungsumfangs gegenüber Neugläubigern

Neugläubiger sind diejenigen, die ihre Gläubigerstellung erst nach dem Eintritt der Konkursantragspflicht und vor verspäteter Verfahrenseröffnung begründet haben. 222 Die frühere Rechtsprechung billigte auch diesen Gläubigem lediglich den Ersatz des Quotenschadens zu und begründete dies mit dem eingeschränkten, auf Masseminderung bezogenen Schutzbereich des § 64 GmbHG. Als im Geschäftsverkehr nicht besonders geschützt sah man das Vertrauen in die Kreditwürdigung eines anderen an. Der Schutzzweck dieser Norm beschränke sich dar-

Müsgen, DZWir 1994,455,456. Ausführlich Schüppen, DB 1994, 197 ff. 217 Auch die Zahlungsunfähigkeit, das wahrscheinlich andauernde Unvermögen der GmbH, wegen Mangels an Zahlungsmitteln ihre fälligen Verbindlichkeiten zu begleichen, enthält ein prognostisches Element, vgl. nur Lutter/Hommelhoff, § 64, Rdnr. 2 f. 21s Scholz/K. Schmidt, § 64, Rdnr. 42; Hachenburg!Ulmer, § 64, Rdnr. 19. 21 9 BGH DZWir 1994, 463, 469; hierzu ausflihrlich: Westermann!Muter, DZWir 1994, 184, 190. 220 Lutter/Hommelhoff, § 64, Rdnr. 18; vgl. auch Scholz/K. Schmidt, § 64, Rdnr. 18. 221 Hachenburg/Uimer, § 64, Rdnr. 52, dies entfaltet insbesondere Bedeutung ftir den nicht ohne weiteres erkennbaren Konkursgrund der Überschuldung, indem der Geschäftsführer besonders in Krisenzeiten die voraussichtlichen Überlebenschancen der Gesellschaft regelmäßig prüfen und bei Zweifeln eine Überschuldungsbilanz erstellen muß. Vgl. auch Lutter/Hommelhoff, § 64, Rdnr. 17. 222 Vgl. nur Lutter, DB 1994, 129, 134. 21s

216

B. Die Außenhaftung des Geschäftsführers

53

auf, die zur Gläubigerbefriedigung erforderliche Vermögensmasse der Gesellschaft zu erhalten. 223 Diese Rechtsprechung hat der II. Senat gleichzeitig mit der Einschränkung der c.i.c.-Haftung aufgegeben. Gläubigerschutz verwirklicht er nunmehr mit einer extensiven Handhabung der deliktischen Haftung. Über §§ 823 II BGB, 64 GmbHG erhalten Neugläubiger nach der geänderten Rechtsprechung einen auf den Ersatz des negativen Interesses - also des gesamten Kontrahierungsschadens- gerichteten Anspruch. 224 Die Ausweitung der deliktischen Haftung wird in der Literatur äußerst kontrovers diskutiert.225 Sein als der Billigkeit entsprechend dargestelltes Ergebnis erreicht der II. Senat über eine Erweiterung des Schutzzwecks der Konkursantragspflicht Hierzu bestimmt er zunächst den objektiven Sinn der Norm, den er ganz allgemein darin erkennt, konkursreife Gesellschaften mit beschränkter Haftung vom Geschäftsverkehr fernzuhalten, damit durch das Auftreten solcher Gebilde nicht Gläubiger geschädigt oder gefährdet werden.226 Die Argumentation von Ulmer, 227 daß es sich bei § 64 GmbHG um ein Schutzgesetz für Gläubiger handelt, Neugläubiger also erst durch die Kreditgewährung in den Schutzbereich der Norm gelangten, so daß sie mit ihren Einzelschäden keine individuell abgrenzbare Gruppe von Betroffenen, sondern Teil des Rechtsverkehrs und damit der Allgemeinheit seien, verwirft der II. Senat. Es gehe nicht um den persönlichen Schutzbereich, sondern um den Umfang des zu ersetzenden Schadens. Der Individualschaden der Neugläubiger sei nach allgemeinen schadensersatzrechtlichen Grundsätzen zu ersetzen und auch vom objektiven Schutzzweck der Norm erfaßt. 228 Fraglich ist aber, ob diese Behauptung einen so weitreichenden Schutzgesetzcharakter des § 64 I GmbHG

223 Diese Ansicht entsprach auch der bislang überwiegenden Meinung, Müsgen, DZwir 1994,455,456, m.w.N. in Fn. II . Gegen diese Gleichbehandlung von Alt- und Neugläubigem wurde jedoch auch Kritik geübt. Sie sei nicht sachgerecht bei der Vomahme von Geschäftsabschlüssen nach Verbrauch der Haftungsmasse und widerspräche der Aufklärungspflicht hinsichtlich der Konkursreife der Gesellschaft, vgl. Impelmann, WiB 1994, 801, 805 m.w.N.; vgl. auch Müsgen, DZwir 1994,455,456, dort Fn. 13. 224 Abschließend geklärt durch das Urteil des I!. Senats vom 6.6.1994, BGHZ 126, 181 = DZWir 1994, 463 ff. Vgl. auch die Beschlüsse vom 1.3. und 20.9.1993, ZIP 1993, 763; NJW 1993, 2931. 22s Vgl. die Zusammenstellungen von Hirte, NJW 1995, 1202, 1203, Fn. 17 und Schüppen, DB 1994, 197, 201 , Fn. 53. Der wohl überwiegende Teil der Literatur lehnt den vom II. Senat beschrittenen Weg ab, Bork, ZGR 1995, 505, 506. 226 BGH DZWir 1994, 463, 467; vgl. Wilhelm, ZIP 1993, !833, 1834 ff., der die Argumentation des II. Senats stützt. Der II. Senat läßt deutlich erkennen, daß neben dogmatischen Gesichtspunkten vor allem praktische Erwägungen für die Rechtsprechungsänderung maßgeblich waren, Kühler, ZGR 1995, 481, 492. 221 ZIP 1993, 769, 771. 22s BGH DZWir 1994,463, 467.

54

I. Teil: Die Haftungstatbestände

zu begründen vermag. 229 Neugläubiger unterfallen dem persönlichen Schutzbereich lediglich aufgrunddes Dauercharakters der Konkursantragspflicht, die also noch besteht, nachdem der Neugläubiger im Verhältnis zur Gesellschaft individualisiert ist. 230 Bei der Bestimmung des sachlichen Schutzbereichs gerät die Begründung des II. Senats in Widerspruch hierzu, wenn ausgeführt wird, daß den Neugläubigem bei rechtzeitiger Antragstellung kein Schaden entstanden wäre und hierbei auf den nach§ 64 I GmbHG maßgeblichen Zeitpunkt abstellt wird. 231 Der BGH erörtert in einem weiteren Argumentationsschritt lediglich, ob die Ausgrenzung einzelner Interessen geboten sei. 232 Ausdrücklich verworfen wird hierbei die Ansicht, die, ausgehend von der Verankerung des Schutzzwecks der Vorschrift in§ 64 II GmbHG, die Gesellschaftsgläubiger lediglich vor dem Reflexschaden geschützt sehen will, der durch eine Schmälerung des als Konkursmasse dienenden Gesellschaftsvermögens einzutreten droht und die zwingend zu einer Gleichbehandlung der Neu- mit den Altgläubigem gelangt. 233 Eine derartige Begrenzung des Schutzzwecks entspricht nach Auffassung des II. Senats nicht der Bedeutung der Konkursantragspflichten. Das alte Sanktionssystem-Begrenzung aller Schadensersatzansprüche auf den Quotenschaden - habe sowohl unter Präventions- als auch unter Schutzgesichtspunkten versagt. 234 Neu- und Altgläubiger seien außerdem durch die Verzögerung der Konkursantragstellung unterschiedlich betroffen. Die Altgläubiger hätten auch bei rechtzeitiger Antragstellung im Konkursverfahren einen Schaden erlitten, dies ist bei den Neugläubigem, die vom Geschäft mit der konkursreifen Gesellschaft Abstand genommen hätten, nicht der 229 Ablebend Schüppen, OB 1994, 197,201 f., der die Interdependenz zwischen persönlichem und sachlichem Schutzbereich der Norm nicht hinreichend beachtet sieht. AusfUhrlieh hierzu: Bork, ZGR 1995,513 ff. 230 Dies ist heute zwar unbestritten, ursprünglich sah man von § 64 GmbHG aber nur die Altgläubiger geschützt, da nur dieser Personenkreis im Zeitpunkt der erforderlichen Antragstellung hinreichend konkretisiert sei, Schüppen, OB 1994, 197, 20 I f.; vgl. auch Müsgen, DZWir 1994, 455, 456. 231 Schüppen, OB 1994, 197, 20 I f., unter Bezugnahme auf die oben dargestellte Argumentation von Ulmer; vgl. aber Flume, ZIP 1994, 337, 340, der darauf abstellt, daß der Neugläubiger den Schaden nicht bereits durch den Vertragsschluß erleidet, sondern erst durch seine darauffolgende Leistung. Gegen diese Argumentation aber bereits treffend Ulmer, ZIP 1993, 769, 771; siehe auch Bork, ZGR 1995, 522. 232 Müsgen, DZWir 1994, 455, 456. 233 So G. Müller, GmbHR 1994, 209 ff., insb. 211; vgl. auch ders., ZIP 1993, 1531, 1536: § 64 I GmbHG schützt ebenso wie die Neuregelung des§ 130 a HGB nur die Gesellschaft; die auf Rechtsfortbildung beruhende Außenhaftung des Geschäftsftihrers dient ausschließlich der vereinfachten Schadensabwicklung. Vgl. auch Canaris, JZ 1993, 649, 650, der undifferenziert auf den Schutzzweck des § 64 abstellt, und K. Schmidt, NJW 1993, 2934, demzufolge beide Absätze der Vorschrift eine einheitliche Schutzrichtung haben sollen. 23 4 BGH DZWir 1994,463,468 m.w.N., die Quotenberechnung wird als praktisch undurchftihrbare juristische Spielerei dargestellt. Sie habe die Konkursantragsvorschriften als Haftungsgrundlagen praktisch weitgehend außer Kraft gesetzt. So auch Karollus, ZIP 1995,269, 270; Hirte, ZIP Sonderdruck, 1/1994, S. 2 und Bork, ZGR 1995, 517.

B. Die Außenhaftung des Geschäftsführers

55

Fall. 235 Mag dies auch kaum zu bestreiten sein, bleiben doch Zweifel, ob die Lösung des BGH der Gesetzessystematik des§ 64 GmbHG entspricht. 236 Der Erweiterung des Schutzbereichs des § 64 I GmbHG für Neugläubiger kann entgegengehalten werden, daß dem Deliktsrecht ein allgemeiner Schutz vor fahrlässigen Vermögensbeschädigungen fremd ist und daher als Ausnahmefall besonderer Begründung bedarf. 237 Dies knüpft an die gegenüber dem Anfragebeschluß von Canaris geäußerte Kritik an, der in Anlehnung an die Strafvorschrift des § 84 GmbHG - allerdings ausgehend von einem einheitlichen Zweck der §§ 64, 84 GmbHG, der darin bestehe, die gleiclunäßige Befriedigung aller Gläubiger sicherzustellen und die Verminderung der Haftungsmasse zu verhindern - davor warnte, daß der neugeschaffene Anspruch einer Betrugshaftung für eine lediglich fahrlässige Pflichtverletzung gleichkomme. 238 Diese Argumentation ist letztlich eine rechtspolitische, die darauf hinausläuft, ein legitimes Schutzbedürfnis für eine generelle Fahrlässigkeitshaftung zu verneinen. 239 Ein im Ergebnis uferloser deliktischer Schutz würde die Grundsatzentscheidung des BGB gegen die Ersatzfähigkeit von Vermögensschäden durchbrechen. 240 Hinzu kommt, daß die vom II. Senat vorgenommene Erweiterung des Schutzumfangs des § 64 I GmbHG auch Neugläubiger aus gesetzlichen Schuldverhältnissen zu umfassen scheint und somit eine "totale Konkursverschleppungshaftung" droht. 241 Auch besteht die Befürchtung, daß künftig das Konkursverfahren behindert und verzögert wird, da zu erwarten sei, daß es mit Debatten über den Zeitpunkt der Konkursreife beginnt, da dieser Zeitpunkt nunmehr entscheidende Bedeutung für die Höhe des Schadensersatzanspruchs erlangt. 242 Für die hier behandelte Fragestellung ist festzuhalten, daß der Rechtsprechungswechsel den Geschäftsführer einem kaum auflösbaren Konflikt aussetzt: 235 So der II. Senat in den Beschlüssen vom 1.3. und 20.9.1993, vgl. nur ZIP 1993, 763, 767 f.; ausfUhrlieh hierzu Wilhelm, ZIP 1993, 1833, 1834 f. 236 Müsgen, DZWir 1994, 455, 456 ff., der in § 64 GmbHG insgesamt ausweislich des Absatzes 2 das Konzept des Gesamtschadensausgleichs verfolgt sieht und dieses für weitgehend unvereinbar mit individuellen Schadensersatzansprüchen hält. Vgl. auch Rowedder, FS Semler, S. 311, 317 f., der am Schutzgesetzcharakter des § 64 GmbHG generell zweifelt. 237 Müsgen, DZWir 1994, 457. 238 Canaris, JZ 1993, 649, 650 f.; krit. dazu: Lutter, OB 1994, 129, 135, der darauf hinweist, daß im Rahmen des§ 84 auch die fahrlässige Verletzung der Konkursantragspflicht strafbar ist. Gegen die Argumentation von Canaris auch Flume, ZIP 1994, 337, 340: Haftungstatbestand ist die Schadenszufügung durch den Vertragsabschluß, nicht das Unterlassen einer Warnung. 239 Vgl. Müsgen, DZWir 1994; Canaris, JZ 1993,651 f. 240 Schüppen, DB 1994, 197, 203 m.w.N.; K. Schmidt, NJW 1993, 2934; a.A. Hirte, ZIP Sonderdruck 111994, S. 5, diese Wertung könne allenfalls für den Privatmann, nicht aber flir die Verletzung beruflicher Pflichten gelten. Außerdem sei diese angebliche Grundentscheidung des BGB überholt. 241 K. Schmidt, NJW 1993, 2934 f.; siehe auch Bork, ZGR 1995, 505, 518 f. 242 Bauder, BB 1993,2472,2473.

56

I. Teil: Die Haftungstatbestände

Stellt er den Konkursantrag zu früh, macht er sich gegenüber seiner Gesellschaft aus § 43 II GmbHG schadensersatzpflichtig, da er seine auf Verschwiegenheit gerichtete Treuepflicht verletzt; stellt er den Konkursantrag zu spät, tritt die volle Haftung gegenüber den Neugläubigem ein. 243 Das Ausmaß dieser Risiken könnte dazu geeignet sein, Mut und Initiative der Geschäftsleiter zu behindem.244 Die Fortbestehensprognose, die er zu erstellen hat, kann notwendigerweise nur mit W ahrscheinlichkeitswerten arbeiten. Den Geschäftsfiihrer trifft die Beweislast fiir die Richtigkeit eines positiven Ergebnisses. 245 Auch durch die Verschuldensvoraussetzung ist angesichts des objektiven, berufsbezogenen Sorgfaltsmaßstabs, § 64 I 3 GmbHG, eine nennenswerte Entlastung des Geschäftsfiihrers nicht zu erwarten.246 Der Nachweis der positiven Fortbestehensprognose dürfte bereits deshalb schwer zu fiihren sein, weil die Fortfiihrung den Konkurs nicht abgewendet hat, so daß eine anderslautende Einschätzung im nachhinein leicht unvertretbar erscheinen kann. 247 Neben den subjektiven Erfordernissen stellt der II. Senat248 zur Eindämmung unzumutbarer Risiken fiir Geschäftsfiihrer auf den Mitverschuldenseinwand gern. § 254 BGB gegenüber den Neugläubigem ab. Offen bleibt aber, worauf das Mitverschulden im einzelnen beruhen kann. 249 Zu befiirchten ist, daß künftigjede schuldhafte Verzögerung der Konkursantragstellung den fmanziellen Ruin des Geschäftsfiihrers zur Folge haben wird. 250 Da die Revision in dem Verfahren, das zum Grundsatzurteil vom 6.6.1994 gefiihrt hat, unter Beteiligung von fiinf Senaten des BGH sowie des 3. Senats des BAG stattfand, muß die Rechtsprechungsänderung als

243 Rowedder, FS Semler, 311, 315 f.; Lutter, DB 1994, 129, 134 f.; Kühler, ZGR 1995, 481, 495 f.; abw. Hirte, ZIP Sonderdruck 1/1994, S. 7 zur Gefahr der Haftung aus § 43 II GmbHG. Ein Ausweg bestehe darin, daß der Geschäftsftihrer sich von den Gesellschaftern einen Freistellungsanspruch einräumen läßt, wenn diese ihn drängen, den Konkursantrag hinauszuzögern. 244 Bauder, BB 1993, 2472, 2473. Ängstliche Geschäftsführer könnten vor einer Sanierung zurückgeschreckt werden; die Haftungsgefahren seien sogar geeignet, gute Manager von der Übernahme des Geschäftsftihreramtes abzuhalten, vgl. auch Canaris, JZ 1993, 649, 652 und Kühler, ZGR 1995, 497. 245 Hirte, ZIP Sonderdruck I/1994, S. 7 m.w.N.; vgl. aber auch Kühler, ZGR 1995, 499 "offengelassen" und zur Beweislastverteilung differenzierend Bork, ZGR 1995, 505,521. 24 6 Hirte, ZIP Sonderdruck 1/1994, S. 7; zweifelnd Westermann/Mutter, DZWir 1995, 184, 190; vgl. auch Flume, ZIP 1994,337, 340 f. m.w.N. 247 Grunewald, GmbHR 1994, 665; ihr folgend: Kühler, ZGR 1995,500. 248 BGHZ 126, 181, 196. 249 Zurückgewiesen ist die Ansicht Flumes, ZIP 1994, 337, 341 f., daß möglicherweise schon die Höhe des Stammkapitals hierflir ausreichen kann; notwendig dürfte daher eine Abwägung aller Umstände des Einzelfalls sein, vgl. Bork, ZGR 1995, 520. 250 Grunewald, GmbHR 1994, 665; vgl. auch Lutter, DB 1994, 129, 134, dertrotz in der Tendenz positiver Stellungnahme zur Rechtsprechungsänderung wegen des erwarteten Effekts, daß insolvente Gesellschaften schneller aus dem Verkehr gezogen werden und sich die Massesituation insgesamt verbessern werde, da mit früherer Einleitung des Konkursverfahrens zu rechnen sei, deutlich aufdas große Risiko ftir Geschäftsftihrer hinweist.

8. Die Außenhaftung des Geschäftsführers

57

Ausgangspunkt fiir weitere Überlegungen hingenommen werden. 251 Bemerkenswert ist, daß auch Autoren, die die Rechtsprechungsänderung zum Haftungsumfang gegenüber Neugläubigem befürworten, die Verantwortlichkeit des Fremd- oder Minderheitsgesellschaftergeschäftsführers nur dann fiir akzeptabel halten, wenn dieser Regreß beim maßgeblich beteiligten Gesellschafter nehmen kann. Das Risiko einer Fortsetzung der Unternehmenstätigkeit nach Erschöpfung des Haftungsfonds solle letztlich den Träger des wirtschaftlichen Interesses treffen. 252 Den Hintergrund dieser Forderung bildet die Annahme, daß Geschäftsführer bei drohender oder bereits eingetretener Insolvenz dahingehendem Druck insbesondere durch die beherrschenden Gesellschafter ausgesetzt sind, die Einleitung des Insolvenzverfahrens zu verzögern oder gar zu unterlassen. 253 3. Haftung gern. § 826 BGB Die delikrisehe Eigenhaftung des Geschäftsführers ist neben §§ 823 I und II BGB auch infolge einer vorsätzlichen sittenwidrigen Schädigung möglich. 254 Obwohl der Begriff der vorsätzlichen sittenwidrigen Schädigung besonders strenge tatbestandliehe Anforderungen aufzustellen scheint, wird diese Vorschrift von der Rechtsprechung weit über den Kreis extremer Fälle hinaus ausgedehnt. 255 Eine Eigenhaftung über§ 826 BGB wurde vor allem in den Fallgruppen der Verletzung von Aufklärungspflichten des Terminoptionsvermittlers und bei der unterlassenen Offenbarung der schlechten Vermögenslage der Gesellschaft angenommen. 256 Hinsichtlich letztgenannter Konstellation ist zu erwarten, daß hier künftig lediglich auf§§ 823 II BGB, 64 I GmbHGabgestellt wird, so daß praxisrelevant vorrangig die Vermittlung von Terminoptionen bleiben wird. Hier hat der BGH festgestellt, daß sittenwidrig bereits derjenige handelt, der seinen eigenen Wissens- und Erfahrungsvorsprung auf Kosten eines anderen, der in Geschäften der getätigten Art nicht ausreichend bewandert ist, gewerbsmäßig ausnutzt. 257 Der BGH258 hat den § 826 BGB aber 251 Westerrnann!Mutter, DZWir 1995, 184, 190; bestätigt auch durch BGH ZIP 1995, 211; siehe hierzu ausführlich Karollus, ZIP 1995, 269 ff., auch zur Aktivlegitimation der Gläubiger, die flir den Il. Senat unverrückbares Grundprinzip sei, S. 271. 252 Jedenfalls für den Fall, daß der Geschäftsführer mit Rückendeckung des beherrschenden Gesellschafters gehandelt hat. Wilhelm, ZIP 1993, 1833, 1837; Hirte, ZIP Sonderdruck l/1994, 6; Roth, EWir 1993, 1095, 1096; Kühler, ZGR 1995, 502; Bork, ZGR 1995, 526 ff. Hinzukommen müsse eine Ausweitung der Gesellschafterhaftung; zur Rechtslage in Österreich: öOGH ZIP 1987, 702 und ZIP 1993, 1871 . Die Rechtslage in Österreich hat die Rechtsprechungsänderung durch den BGH beinflußt, Hirte, ZIP Sonderdruck 1/1994, 6. Modell einer Außenhaftung der Gesellschafter im Fall der Konkursverschleppung zuletzt bei Karollus, ZIP 1995, 269, 272 f. 253 Kühler, ZGR 1995, 484 m.w.N. 254 Vgl. Lutter/Hornmelhoff, § 43, Rdnr. 36; Scholz/Schneider, § 43, Rdnr. 238 f. 255 Kiethe, DStR 1993, 1298, 130 I. 256 Reese, DStR 1995, 688, 691. 257 Kiehte, DStR 1993, 1298, 1301 m.w.N. 258 BGH NJW 1994, 197 f.; vgl. dazu Grunewald, GmbHR 1994, 665 . Es handelt sich um den Fall eines Alleingesellschaftergeschäftsführers.

58

I. Teil: Die Haftungstatbestände

kürzlich auch außerhalb dieser Fallgruppe angewandt, wobei der Vorwurf der Sittenwidrigkeit bereits damit begründet wird, daß jemand einen anderen dazu veranlaßt, wertvolle Vorleistungen zu erbringen, ohne eine hinreichende Sicherheit zu haben, die zur Bezahlung notwendigen Mittel beschaffen zu können. Der bedingte Schädigungsvorsatz folge aus einem besonders leichtfertigen und damit sittenwidrigen Verhalten, das nicht nur den Schluß aufgrobe Fahrlässigkeit ermögliche. Dieser Anspruchsgrundlage soll nicht weiter nachgegangen werden, da vorsätzliche Schädigungen nicht von den Grundsätzen zum innerbetrieblichen Schadensausgleich erfaßt sind, gleich wie weit die Anspruchsvoraussetzungen verwässert259 werden. 111. Wettbewerbsrechtliche und immaterial-güterrechtliehe Haftung Neben den bereits dargestellten Grundlagen einer Außenhaftung des Geschäftsfiihrers ist auf Ansprüche im wettbewerbs- und immaterialgüterrechtliehen Bereich hinzuweisen, die zwar in erster Linie das Unterlassen zum Inhalt haben, bei Verschulden aber auch die Verpflichtung zur Schadensersatzleistung begründen.260 Sie richten sich gegen den Störer. Als Störer kommt sowohl der Untemehmensträger, die Gesellschaft, als auch der Geschäftsfiihrer in Betracht. Einigkeit besteht, daß sich der Geschäftsfiihrer einer persönlichen Haftung aussetzt, wenn er als Störer durch seine eigene Handlung für die Rechtsverletzung ursächlich tätig geworden ist. Fraglich ist auch hier- parallel zur deliktischen Außenhaftung gern. § 823 I BGB die persönliche Verantwortung, wenn er an der rechtsverletzenden Handlung nicht teilgenommen hat und von ihr auch nichts wußte.261 Auch im Bereich der Störerhaftunghäufen sich in letzter Zeit die Fälle, in denen die Manager persönlich in Anspruch genommen werden. 262

IV. Die steuerrechtliche Verantwortlichkeit Geschäftsftihrer haften als gesetzliche Vertreter i.S.v. § 34 AO persönlich und unbeschränkt ftir Steuerschulden der Gesellschaft, § 69 AO, soweit Ansprüche aus dem Steuerschuldverhältnis nicht oder nicht rechtzeitig festgesetzt

259 Vgl. Roth, ZGR 1993, 170, 173, der von Verwässerung bis zur Unkenntlichkeit hinsichtlich der Begründung einer Haftung gern. § 826 BGB wegen Nichtaufklärung über eine schlechte Finanzlage spricht. 260 Zu den denkbaren Anspruchsgrundlagen vgl. U. Hübner, Managerhaftung, S. 106 ff. 261 Ausführlich: Haß, GmbHR 1994, 666, 667 ff.; Ottofl.illing, GmbHR 1991, 304, 307 f.; Schrader, DB 1994, 2221,2222 zu Unterlassungs- und Beseitigungsansprüchen. Vgl. auch: Scholz/Schneider, § 43, Rdnr. 241 f. 262 Reese, DStR I 995, 688, 69 I.

C. Resümee zum I. Teil

59

oder erfüllt werden. 263 Voraussetzung der Haftung ist eine vorsätzliche oder grobfahrlässige Verletzung264 der steuerrechtliehen Pflichten. 265 Das Verschulden eines steuerlichen Beraters wird nach einer neueren Entscheidung des BFH266 dem Geschäftsführer nicht mehr ohne weiteres zugerechnet.267 Außerdem besteht bei der steuerrechtliehen Haftung des Geschäftsführers die Besonderheit, daß Gesellschaft und Geschäftsführer in einem Verhältnis der unechten Gesamtschuld zueinanderstehen, § 219 A0. 268 V. Handelndenhaftung, § 11 II GmbHG Diese Vorschrift sieht die persönliche Haftung des Geschäftsführers der künftigen GmbH ftir Geschäfte vor, die er oder ein von ihm Bevollmächtigter für die Gesellschaft im Stadium zwischen Beurkundung des notariellen Gesellschaftsvertrags und der Handelsregistereintragung vornimmt. Mit der Eintragung der Gesellschaft erlischt die Handelndenhaftung. 269 Hieraus ergibt sich also eine Entlastung der Organperson. Das Haftungsrisiko aus § 11 II GmbHG ist für den Geschäftsleiter daher vorrangig von Belang, wenn die Gesellschaftsgründung abgebrochen wird. 270

C. Resümee zum 1. Teil Es sind "unendliche Variationen möglicher Pflichtverletzungen"271 festzustellen, die zur persönlichen Haftung des Geschäftsführers einer GmbH führen können. Den Schwerpunkt der Risiken bei der Verantwortlichkeit gegenüber der Gesellschaft bilden Ansprüche wegen untemehrnerischer Fehlentscheidungen und Regreßansprüche der Gesellschaft wegen Verletzung der Pflicht, für rechtmäßiges Verhalten der Gesellschaft im Außenverhältnis zu sorgen. Erhebliche Gefahren, außenstehenden Dritten schadensersatzpflichtig zu werden, be263 Ausführlich: Schaub, DStR 1992, 1728 ff. 264 Zur Vorwerfbarkeit der Pflichtverletzung ausführlich: A. Müller, GmbHR 1984, 45, 46 f. und Schaub, DStR 1992, S. 1730 f. Sie ist abhängig von der Art der Steuerverbindlichkeit Ein strenger Maßstab gilt, wenn nicht die GmbH, sondern ein Dritter Abgabenschuldner ist, da dann der Geschäftsführer fremde Gelder treuhänderisch verwaltet. Vgl. hierzu auch ScholzJSchneider, § 43, Rdnr. 255h. 265 Zu den steuerlichen Pflichten vgl. Scholz/Schneider, § 43, Rdnr. 255e. 266 BFHE 175, 509 = GmbHR 1995, 239. 267 Hervorgehoben von Westermann/Mutter, DZWir 1995, 184, 185. 268 Deutlich gemacht von A. Müller, GmbHR 1984,45,48. § 219 S. I AO sieht eine lediglich subsidiäre Haftung des Haftungsschuldners gegenüber dem Steuerschuldner vor, Ausnahmen von dieser Regel enthält S. 2 der Vorschrift. 269 ScholzJK. Schmidt, § II, Rdnr. 118 m.w.N. 21o Felix, DStZ 1987,455,458 f. Zu Regreßansprüchen des Handelnden siehe ausführlich ScholzJK. Schmidt, § 11, Rdnr. 114 ff. 211 K. Schmidt, GesR § 36 li 4a, S. 899.

60

I. Teil: Die Haftungstatbestände

gründet die Annahme von Garantenpflichten zugunsten der Gesellschaftsgläubiger durch die zumindest partielle Gleichstellung der gegenüber der Gesellschaft bestehender Organisationspflicht mit außenwirksamen Verkehrspflichten.272 Einem Geschäftsführer, der sich dem Anspruch eines Neugläubigers aus § 823 II BGB i.V.m. § 64 GmbHG ausgesetzt sieht, droht der fmanzielle Ruin.273 Dieneuere Rechtsprechung des BGH zeigt eine Tendenz, die beschränkte Haftung juristischer Personen durch eine Ausdehnung der persönlichen Außenhaftung der Geschäftsleiter zu korrigieren. 274 Insgesamt ist festzustellen, daß sich die Fälle häufen, in denen Fehlentscheidungen des Managements zivilrechtliche Schadensersatzforderungen nach sich ziehen. 275 Oftmals pfänden Gesellschaftsgläubiger die der Gesellschaft ihrem Geschäftsführer gegenüber bestehenden Anspüche und lassen sich diese zur Einziehung überweisen. 276 Die vermehrte Inanspruchnahme von Geschäftsführern ist bedenklich, da die sie treffenden Haftungsrisiken Verwandtschaft zum typischen Untemehmerrisiko277 aufweisen, das so auf sie verlagert zu werden droht. 278

m Vgl. nur Impelmann, WiB 1994,801, 805. Deutlich: Grunewald, GmbHR 1994,665. 274 Dreher, ZGR 1992, 22, 67. 275 Reese, DStR, 1995, 688. 276 Höhn, Die Geschäftsleitung, S. 197: Finanzbehörden und Sozialversicherungsträger gehen in verstärktem Maße hierzu über. Vgl. auch Schol:z/Schneider, § 43, Rdnr. 9. 277 Verstanden als das allgemeine wirtschaftliche Risiko, das aus eigenverantwortlicher und eigennütziger Erwerbstätigkeit folgt und das die Gefahr von Verlusten in Gestalt des Spekulations-, Investitions- und Kalkulationsrisiko umfaßt, vgl. Späte, AHB, Haftpflichtversicherung, § I, Rdnr. 220. Nach anderer Umschreibung handelt es sich um die Gesamtheit der Gefahren, denen ein Unternehmer bei der Vorbereitung, Durchführung und Nachbereitung der gewerblichen Tätigkeit unterliegt, so Nickel, VersR 1989, 873, 875. 278 Schol:z/Schneider, § 43, Rdnr. II, 6, der auf die vermehrte gerichtliche Überprüfung untemehmerischer Entscheidungen auf ihre Angemessenheil abstellt. 273

Zweiter Teil

Die Entwicklung des Haftungsrisikos des Geschäftsführers und des Arbeitnehmers A. Risiko einer existenzgefährdenden Haftung für Geschäftsführer Weitgehende Einigkeit besteht darüber, daß sich für die Geschäftsleiter einer Kapitalgesellschaft und insbesondere für GmbH-Geschäftsführer die Gefahr, für Fehler im Rahmen ihrer Tätigkeit persönlich in Anspruch genommen zu werden, signifikant vergrößert hat. 1 Während man bis vor wenigen Jahren noch das Haftungsrisiko für Organpersonen eher für eine rein theoretische Größe ohne manifeste praktische Bedeutung hielt, muß heute festgestellt werden, daß aufgrund der im ersten Teil beschriebenen vielfaltigen Haftungstatbestände sich ein erhebliches, eine ständige Existenzbedrohung2 darstellendes, Haftungsrisiko ergibt. Das fmanzielle Ausmaß des die Geschäftsleiter treffenden Wagnisses wird deutlich, wenn man sich die Höhe der Klageforderungen in einigen gerichtlichen Entscheidungen vor Augen führt, die in der Größenordnung von 100.000,-- DM und auch weit darüber liegen. 3 Die Verurteilung zur Zahlung von Schadensersatz in dieser Höhe ist geeignet, die wirtschaftliche Existenz auch von Hochbezahlten zuminI Vgl. Canaris, JZ 1993, 649, 652, die Rechtsprechung habe den Geschäftsführer mit einer Fülle von Haftungsrisiken umzingelt; siehe auch Wellkamp, WM 1993, 2155 und Thümmel!Sparberg, DB 1995, 1013. 2 Schneider/lhlas, DB 1994, 1123. 3 Vgl. zur Haftung aus§ 43 II GmbHG: BGH ZIP 1987, 29, Teilklage in Höhe von 250.000,-- DM, Gesamtschaden 1,5 Mio. DM; BGH GmbHR 1991, 101, Schadensersatzforderung in Höhe von 1,09 Mio. DM; BGH WM 1985, 1293 Forderung 295.000,-DM; OLG Koblenz, GmbHR 1991, 416, 108.000,-- DM; BGH DB 1985, 1173 (Geschäftsführer einer Innungskrankenkasse), Anspruch in Höhe von 454.000,-- DM, dem zum großen Teil stattgegeben wurde; OLG München, DStR 1991, 1291 (§43 II GmbHG analog): Gesamtforderung 250.000,-- DM. Zur Haftung aus § 43 III GmbHG: OLG Düsseldorf, DStR 1993, 175, Ersatzanspruch in Höhe von 203.000,-- DM. Im BaustoffFall, BGHZ 109, 297, belief sich sich die Schadensersatzforderung auf ca. 191.000,-DM; vgl. auch zu § 823 I BOB OLG Köln, NJW RR 1993, 865, Klageforderung 500.000,--DM; im Urteil BGH ZIP 1994, 867 zur Haftung aus § 823 II BGB i.V.m. § 41 GmbHG, § 130 OwiG auf 320.000,-- DM. In BGH ZIP 1994, 891 zur Haftung aus §§ 823 II BGB, 64 GmbHG: I ,5 Mio. DM, wobei hier die Konkursverschleppung einem Mitgeschäftsführer bei interner Aufgabenverteilung zur Last zu legen war und dem in Anspruch Genommenen lediglich ein Überwachungsverschulden vorgeworfen wird; zur selben Grundlage auch BGH DZWir 1994,463, Klageforderung 90.000,-- DM.

62

2. Teil: Die Entwicklung des Haftungsrisikos

dest zu geHihrden. Bei der Inanspruchnahme von Geschäftsleitern ist zudem anzunehmen, daß sich der Kläger oftmals auf einen Teilbetrag des möglicherweise deutlich höheren Gesamtschadens beschränkt, wobei der geforderte Teil der geschätzten Höhe des Privatvermögens entspricht, um Anwalts- und Gerichtskosten gering zu halten. 4 Die Höhe der Jahresgesamtbezüge von GeschäftsfUhrern in deutschen Unternehmen ist sehr unterschiedlich, wofür eine Reihe von Einflußgrößen verantwortlich ist. Von vorrangiger Bedeutung ist zunächst die U ntemehmensgröße; je größer die Gesellschaft, gemessen etwa am Umsatz, an der Beschäftigtenzahl oder an der Bilanzsumme ist, desto höher sind die Bezüge.s Von besonderer Bedeutung dürfte daher die Kienbaumstudie 1993 zur Vergütung in GmbH bis zu 10 Mio. DM Jahresumsatz6 sein, denn in der ganz überwiegenden Anzahl der Gesellschaften mbH wird ein Umsatz in dieser Größenordnung erwirtschaftet.7 Der durchschnittliche Jahresgesamtverdienst des Geschäftsführers wird hier mit 205.000,-- DM angegeben, wobei die Spanne aber von unter 50.000,-- bis über 800.000,-- DM reicht. Ein Drittel der Befragten verdiente weniger als 150.000,--, ein weiteres Drittel bis zu 210.000,-DM und ein Drittel mehr. 8 Neben der Unternehmensgröße9 zeigt auch die Ertragssituation meßbaren Einfluß auf die Gehaltshöhe, in gewinnträchtigen Unternehmen können die Bezüge um 30 bis 50% über denen in ertragsschwachen Gesellschaften liegen. 10 Umfaßt das Gremium "Geschäftsführung" mehrere Personen, hat auch die hierarchische Stellung einen nicht unerheblichen Einfluß auf die Vergütungssituation; die Bezüge des Vorsitzenden liegen um 40 bis 50% über denjenigen der übrigen Mitglieder. 11 Wesentlichen Einfluß auf die Gesamtvergütung hat auch eine Gesellschaftsbeteiligung der Organperson; der Gesellschaftergeschäftsfiihrer wird tendenziell höher entlohnt als ein Fremdgeschäftsfiihrer. Je größer die Gesellschaftsbeteiligung ist, desto größer wird auch die Differenz zum durchschnittlichen Gehalt eines ,,nur angestellten" Geschäftsfiihrers. 12 4Chubb, Managerhaftung, S. II. s Evers/GrätzlNäser, Die Gehaltsfestsetzung, S. 19 f.; vgl. auch Tänzer, GmbHR 1993, 728; ders., GmbHR 1989, 324. 6Dargestellt von Tänzer, GmbHR 1993,728. 7Vgl. die Angaben bei Hansen, GmbHR 1995,507,510. BTänzer, GmbHR 1993, 728. 9 Zur Bezahlung in größeren Gesellschaften vgl. die Mitteilung in BB 1993, Heft 26, S. IV zur Kienbaum-Studie. Der durchschnittliche Jahresverdienst liegt hier bei 339.000,-- DM, in den neuen Bundesländern beträgt er 44% hiervon. 1o Tänzer, GmbHR 1993, 729; vgl. auch Evers/GrätzlNäser, Die Gehaltsfestsetzung, S. 25 f.; und Tillmann, Der GmbH-Geschäftsflihrervertrag, S. 79, Rdnr. 204: In einer kleineren Gesellschaft mit 10-14 Mitarbeitern schwankten die Gehälter 1994 zwischen 112.000,-- und 245.000,-- DM. II Evers/GrätzlNäser, Die Gehaltsfestsetzung, S. 27 f. Bei einer kleinen GmbH wirkt sich diese Einflußgröße jedoch weniger stark aus, da hier die Alleingeschäftsflihrung dominiert, Tänzer, GmbHR 1993,728,729. 12 Die Höhereinstufung hat vornehmlich steuerliche Gründe, um die Ertragssteuern möglichst gering zu halten, ist es sinnvoll, die als Betriebsaufwand abzugsfähige Vergütung so hoch zu bemessen, wie es der Finanzbehörde gegenüber gerade noch vertret-

A. Risiko einer existenzgefährdenden Haftung für Geschäftsführer

63

Das Haftungsrisiko für Geschäftsführer hat sich in letzter Zeit sowohl rechtlich als auch tatsächlich erhöht.

I. Rechtliche Vergrößerung der Haftungsgefahr Die Rechtswissenschaft insgesamt neigt dazu, die gesellschaftsrechtlichen Pflichten der Geschäftsführer zunehmend zu verschärfen und ihnen neue Pflichten im Intersesse der Gesellschaft oder der Gläubiger aufzuerlegen. 13 Exemplarisch zu nennen sind die Entscheidungen des BGH zum Baustoff-Fall und zur Haftung wegen Konkursverschleppung gegenüber Neugläubigem. 14 Diese als bedenklich zu bewertende Entwicklung- das Unternehmensrisiko droht in Form der Organhaftung auf die Geschäftsführer verlagert zu werden- gefahrdet möglicherweise sogar das Rechtsinstitut der beschränkten Haftung und die Entscheidungs- und Handlungsfahigkeit von Gesellschaftsorganen. Nach der Konzeption der juristischen Person trägt allein die Gesellschaft das Untemehmensrisiko; Geschäftsführer sind Fremdverwalter, nicht selbst Untemehmer. 15

II. Tatsächliche Vergrößerung der Haftungsgefahr 1. Vermehrte Inanspruchnahme von Geschäftsleitern Festzustellen ist, daß das Leitungspersonal von Kapitalgesellschaften heute auch vermehrt tatsächlich auf Schadensersatz in Anspruch genommen wird, während dies bis in die jüngere Vergangenheit hinein nur in geringerem Ausmaß zu beobachten gewesen sei. 16 Organmitglieder müssen befürchten, in zunehmendem Maße nach allen denkbaren Anspruchsgrundlagen zur Haftung herangezogen zu werden, so daß nicht von einem lediglich theoretisch bestehenden Risiko gesprochen werden kann. 17 Zwar gibt es offenbar keine statistischen Erhebungen über die Anzahl und den Umfang von Schadensersatzansprüchen, die gegenüber Untemehmensleitem geltend gemacht werden. Die tendenziell zunehmenden gerichtlichen Entscheidungen 18 zu diesem Themenkreis lassen sichjedoch als Indiz bar erscheint. Im Durchschnitt erhalten Gesellschaftergeschäftsführer um etwa 20% hö· here Bezüge, vgl. Evers/GrätziNäser, Die Gehaltsfestsetzung, S. 21 ff.; Tänzer, GmbHR 1989, 324, 326 f. Zur Gehaltssituation der Fremdgeschäftsführer vgl. auch Groß, Das Anstellungsverhältnis, S. 418 ff. 13 Scholz/Schneider, § 43, Rdnr. II. 14 Vgl. zu beiden EntscheidungendieAusführungen im I. Teil, B II I b) und B II 2 b). 15 Scholz/Schneider, § 43, Rdnr. II und Rdnr. 6; Lutter, ZHR 157 (1993), 464, 473; Grunewald, ZHR 157 (1993), 451 ,458. 16 Klinkhammer, VP 1993, 62; Reese, DStR 1995, 688, 694; Dreher, ZGR 1992,22,26. 17 Trappe, VP 1994, 37; a. A. wohl: Hucke, AG 1994,397, 402. IB Schmidt-Salzer, BB 1992, 1866, 1869; Thümmei/Sparberg, DB 1995, 1013. Vgl. die oben zitierten Entscheidungen zur Höhe des Haftungsrisikos und BGH GmbHR 92, 166; OLG Hamm, GmbHR 1992, 375; OLG Düsseldorf, DStR 1993, 175.

2. Teil: Die Entwicklung des Haftungsrisikos

64

fiir eine Zunahme der Streitigkeiten - auch derer, die im Interesse aller Beteiligten außergerichtlich und ohne daß die Öffentlichkeit Kenntnis erlangt, 19 beigelegt werden - werten. Bei der Einschätzung des tatsächlichen Haftungsrisikos ist- insbesondere was die Haftung des Geschäftsfiihrers im Innenverhältnis gegenüber seiner Gesellschaft anbelangt- davon auszugehen, daß ein Gericht nur in den seltensten Fällen zur Klärung der Verantwortlichkeit eingeschaltet wird. Einer gerichtlichen Auseinandersetzung stehen das Gebot der Diskretion und der Schutz der Reputation entgegen; hinzu kommt das Bedüfnis nach einer schnellen und sachnahen sowie kostengünstigen Entscheidung20 • 2. Gesellschaftskonkurs

Besondere Bedeutung kommt in diesem Zusammenhang der zunehmenden ZahJ21 von Gesellschaftskonkursen zu. Da der Geschäftsfiihrer sich in dieser Situation nicht nur Ansprüchen der Gesellschaftsgläubiger, sondern auch solcher des Konkursverwalters ausgesetzt sieht, der die Ansprüche der Gesellschaft ihm gegenüber geltend macht, ist auch in dieser Konstellation die Frage der Anwendbarkeit einer Haftungsprivilegierung von unmittelbarer Bedeutung. Aber auch hinsichtlich der Außenhaftung des Geschäftsfiihrers ist es denkbar, daß der Gesellschaftsgläubiger zunächst seinen Anspruch gegen die Gesellschaft durchgesetzt hat und der Geschäftsflihrer sich einem Regreßanspruch des Konkursverwalters ausgesetzt sieht. In der Konkurssituation wird die gesamte Geschäftsleitungstätigkeit im nachhinein auf Pflichtverletzungen untersucht, wobei ein strenger Maßstab angelegt wird. Oftmals zeigt sich erst hier ein Mißverhältnis von Vergütung und Risiko der Geschäftsfiihrertätigkeit. Hinzu kommt, daß im Falle der Trennung zwischen Organ und Gesellschaft die Schadensersatzforderungen als Druckmittel verwendet werden können bzw. diese Ansprüche gegen Gehalts- und Ruhegeldforderungen der Organperson aufgerechnet werden, wodurch sicherlich mancher Manager seine Altersversorgung eingebüßt haben dürfte. 22 Häufig fallen die Aufhebung des Anstellungsvertrages, Abfindungsverhandlungen über Gehalts- und Pensionsansprüche sowie die Aufrechnnung seitens der anstellenden Gesellschaft mit Ansprüchen auf Ersatz von Vermögensschäden zusammen. 23

Schneider/lhlas, OB 1994, 1123, 1126; Thümmel/Sparberg, OB 1995, 1013, 1017. Schneider/lhlas, OB 1994, 1123, 1126; Thümmel/Sparberg, DB 1995, 1013, 1017. In den USA werden 90% aller Fälle von Managerhaftung vergleichsweise geregelt, in Deutschland dürfte die Regel des außergerichtlichen Vergleichs noch weiter ausgeprägt sein, Chubb, Managerhaftung, S. II. 21 Vgl. die Insolvenzstatistik des Statistischen Bundesamts, ZIP 1995, 875 und Kühler, ZGR 1995, 481,484. 22 Schneider, GmbHR 1993, I 0, 19; Heisse, Die Beschränkung, S. V, I. 23 Chubb, Managerhaftung, S. III. 19

20

B. Versicherungsschutz für die Haftungsrisiken des Geschäftsflihrers

65

3. Weitere Gründe für die Erhöhung des Wagnisses

Eine Vergrößerung des Haftungsrisikos wird auch darauf zuliickgeführt, daß mit zunehmender Unternehmensgröße die Anzahl haftungsbefreiender Gesellschafterweisungen geringer werde. Die Unternehmensführung berge heute durch schnelle Marktveränderungen und komplizierte rechtliche oder technische Probleme vermehrt das Risiko einer Fehlentscheidung. Dies dürfte auch darauf zuIiickzuführen sein, daß die angespannte gesamtwirtschaftliche Entwicklung zu einer Verkleinerung der Mitarbeiterstäbe in den betrieblichen Leitungsebenen, verbunden mit einer wachsenden Arbeitsbelastung für die dort Verbliebenen, geführt hat. Das Haftungspotential hat sich vergrößert als Folge der Produzentenhaftung und der Haftpflicht für Umweltschäden, 24 die das Organmitglied- auch soweit man keine diesbezüglichen drittschützenden Verkehrspflichten unterstellt -durch denkbare Gesellschaftsregresse bedrohen. 25

B. Versicherungsschutz für die Haftungsrisiken des Geschäftsführers Das für den Geschäftsführer festzustellende erhebliche Risiko persönlicher Haftung legt die Frage nach der Versicherbarkeit nahe. 26 Die Versicherung des Berufsrisikos ist für einige Freiberufler, wie etwa Ärzte, Steuerberater, Wirtschaftspliifer, Architekten und Rechtsanwälte, selbstverständlich, bei Organmitgliedern hingegen ist sie problematisch.27 Um beurteilen zu können, inwieweit das persönliche Haftungsrisiko der GmbH-Geschäftsführer versichert bzw. versicherbar ist, muß zunächst zwischen Personen- und Sachschäden auf der einen Seite und Vermögensschäden auf der anderen Seite und in einem weiteren Schritt nach den potentiellen Anspruchstellern differenziert werden.

I. Betriebshaftpflichtversicherung Ein Teil des Haftungsrisikos kann zunächst von einer Betriebshaftpflichtversicherung gedeckt sein. Sie zählt zu den wichtigsten und gebräuchlichsten betrieblichen Versicherungen und umfaßt nicht nur die gesetzliche Haftpflicht des Unternehmens, sondern insbesondere auch die gesetzliche Haftpflicht der gesetzlichen Vertreter28 für Schäden, die diese in Ausführung ihrer dienstlichen

24

Vgl. Heisse, Die Beschränkung, S. 122.

2s Vgl. oben I. Teil, AI 3 b) (I) (c) und B II I b).

26 ScholzJSchneider, § 43, Rdnr. 269; Schneider, FS Wemer, S. 795, 797 f., vgl. auch Höhn, Die Geschäftsleitung, S. 190 f. 27 ScholzJSchneider, § 43, Rdnr. 273. 28 Zur Mitversicherung der gesetzlichen Vertreter: Späte, AHB, Betriebshaftpflichtversicherung, Rdnr. 9 und Lemor in: Handwörterbuch der Versicherung, S. 275. Vgl. auch Denck, Schutz, S. 216.

5 Frisch

66

2. Teil: Die Entwicklung des Haftungsrisikos

Verrichtung verursachen, vgl. § 151 I VVG. Gegenstand der Versicherung sind Ersatzansprüche Dritter für Personen- und Sachschäden, nicht jedoch solche, die sich aus reinen Vermögensschäden ergeben. 29 Nicht gedeckt sind also Einbußen, die sich nicht aus der Verletzung einer Person oder der Beschädigung einer Sache herleiten. 30 Bei vereinfachender Betrachtung deckt die Betriebshaftpflichtversicherung auf der Grundlage der Allgemeinen Bedingungen für die Haftpflichtversicherung (AHB) die aus den Eigenschaften, Rechtsverhältnissen und Tätigkeiten des Betriebes resultierenden Personen- und Sachschäden, für deren Ersatz der Versicherungsnehmer von einem Dritten aufgrund privatrechtlicher gesetzlicher Grundlagen in Anspruch genommen wird. Mitversichert ist dabei das konventionelle ProduktrisikoY Eine Betriebshaftpflichtversicherung kann den Geschäftsführer danach in erster Linie gegen Ansprüche aus seiner persönlichen deliktischen Verantwortung Dritten gegenüber, wie sie sich im Baustoff-Urteil des BGH32 manifestiert, schützen. Sie verhindert aber- bei Deckung des Schadens - auch einen Regreß der von einem Drittgeschädigten in Anspruch genommenen Gesellschaft bei ihrem Geschäftsführer dafür, daß durch sein Verhalten die Gesellschaft schadensersatzpflichtig geworden ist. Der Gesamtschuldnerregreß nach §§ 840, 426 BGB kommt dann mangels eines Gesellschaftsschadens nicht in Betracht, weil die GmbH von ihrer Verbindlichkeit befreit wird, § 422 I BGB. Ersatzansprüche, die sich aus § 426 BGB und § 43 GmbHG ergeben könnten, stehen nach § 67 I VVG grundsätzlich dem Versicherer zu; zulasten des Mitversicherten findet die Legalzession jedoch nicht statt, so daß im Ergebnis weder Versicherer noch Gesellschaft beim Geschäftsführer Regreß nehmen können.33 Die Betriebshaftpflichtversicherung entfaltet aber keinen umfassenden Schutz. Eine Schwäche kann zunächst darin gesehen werden, daß ein gesetzlicher Zwang zu ihrem Abschluß nicht besteht, also nicht alle Gesellschaften hierüber verfügen müssen. 34 Zwar geht man davon aus, daß heute die überwiegende Mehrzahl der Unternehmen über eine derartige Versicherung verfügt, 35 der fehlende gesetzliche Zwang dürfte sich aber gerade bei kleineren Unternehmen auswirken, die fmanzschwächer und insbesondere für den Dienstleistungsbereich charakteristisch sind, der als besonders außenhaftungsintensiv und konkursanfällig gilt. 36 29 Zur partiellen, aber praktisch kaum relevanten Deckung von reinen Vermögensschäden in der Betriebshaftpflichtversicherung vgl. Kinkhammer, VP 1988, 173, 174. 3° Schneider/lhlas, OB 1994, 1123, 1124; ausführlich Späte, § I AHB, Rdnr. 81. 3 1 Klinkhammer, VP 1993, 77; Schneider/lhlas, OB 1994, 1123, 1124. 32 BGHZ I 09, 297. 33 Habetha, DZWir 1995, 272, 280 f. 34 Denck, Schutz, S. 221 ff., 247. 35 Otto, Gutachten E zum 56. DJT, S. 27; Klinkhammer, VP 1988, 173, 174. 36 Denck, Schutz, S. 221 ff., 247, der auch auf die Problematik der "notleidenden Versicherung" hinweist, ein Problem, das in der Baubranche praktische Auswirkungen befürchten lasse. Siehe auch Krause, VersR 1995, 752, 757.

B. Versicherungsschutz ftir die Haftungsrisiken des Geschäftsführers

67

Der Rahmen des Versicherungsschutzes ist bei der Betriebshaftpflichtversicherung nicht einheitlich, er richtet sich in jedem Einzelfall nach der Ausgestaltung des konkreten Vertrags. Lücken im Versicherungsschutz können sich daher aus den Risikoausschlüssen gern. § 4 Abs. I Nr. 6 a und 6 b AHB ergeben, den sog. Obhuts- und Tätigkeitsklauseln. Bedeutsam ist insbesondere Nr. 6 b, danach sind Schäden von der Deckung ausgeschlossen, die an fremden Sachen durch eine gewerbliche oder berufliche Tätigkeit des Versicherungsnehmers an oder mit diesen Sachen, z.B infolge Bearbeitung oder Beförderung, entstanden sind. In diesem Fall bleiben Ansprüche ohne Deckung, die in der Produktion typischerweise das Haftungsrisiko begründen. 37 Derartige Gefahren und auch der von der konventionellen Betriebshaftpflicht nicht gedeckte Teil des Produktrisikos - insbesondere Mangelfolgeschäden wegen Fehlens einer zugesicherten Eigenschaft und Vermögensschäden, die sich bei der Lieferung mangelhafter halbfertiger oder Rohprodukte daraus ergeben, daß der Abnehmer von vornherein mangelhafte Sachen herstellt und für diese lediglich einen Mindererlös erzielt - können durch eine erweiterte Produkthaftpflichtversicherung nicht vollständig aufgefangen werden. 38 Als im Schadensfall problematisch kann sich in jedem Fall eine zu gering bemessene Deckungssumme erweisen. Während die Haftung der Höhe nach grundsätzlich unbeschränkt ist, werden in der Industriehaftpflichtversicherung keine unbegrenzten Deckungssummen angeboten. 39 II. Vermögensschadenhaftpflichtversicherung Einen Schwerpunkt des persönlichen Haftungsrisikos des Geschäftsführers bildet die Verantwortlichkeit für reine Vermögensschäden. Solche Schäden können sich bei der Gesellschaft infolge einer Pflichtverletzung der Organperson mit der Folge eines Anspruchs aus§ 43 II GmbHG ebenso ergeben wie bei Drittgeschädigten, insbesondere wenn der Geschäftsleiter seine vorvertragliehen Aufklärungspflichten verletzt, so daß ein Anspruch wegen Konkursverschleppung besteht. Auch sonstige Ansprüche aus § 823 II BGB wegen Verletzung eines Schutzgesetzes können auf den Ersatz reiner Vermögensschäden gerichtet sein. Das Risiko des Untemehmensleiters, auf Ersatz für einen reinen Vermögensschaden in Anspruch genommen zu werden, der weder Personen- noch Sachschaden noch durch einen solchen vermittelt ist,40 kann von einer VermöDenck, Schutz, S. 227 ff., 229; vgl. auch Buchner, RdA 1972, 153, 159. Krause, VersR 1995, 756. Es handelt sich um ein Modell, das von der Versicherungswirtschaft in Zusammenarbeit mit der Industrie entwickelt worden ist; Lemor, in: Handwörterbuch der Versicherung, S. 276; ausführlich Späte, AHB, ProdHM, S. 711 ff. 39 Klinkhammer, VP 1993, 62, 78; ders., VP 1988, 173, 174; Thümmel/Sparberg, DB 1995, 1013, 1019. Diese Konstellation liegt BAG AP Nr. 98 zu § 611 BGB, Haftung des Arbeitnehmers zugrunde, vgl. Bydlinski, SAE 1994, 93. 40 Schneider/Ihlas, DB 1994, 1123, 1124; Klinkhammer, VP 1993, 77, 80. 37 38

5*

68

2. Teil: Die Entwicklung des Haftungsrisikos

gensschadenhaftpflichtversicherung gedeckt sein. Ein derartiger Schutz ist fiir die Angehörigen freier Berufe üblich. Nach § 4 Nr. 7 AVB sind in der allgemeinen Vermögensschadenhaftpflichtversicherung jedoch Ansprüche aus der Tätigkeit des Versicherungsnehmers als Leiter privater Unternehmungen ausgeschlossen. Eine Vermögensschadenhaftpflichtversicherung, die die Berufshaftpflicht dieses Personenkreises deckt, wurde traditionell in der Bundesrepublik Deutschland nicht angeboten. 41 Zur Begründung der Bedenken deutscher Versicherer gegen eine Versicherung der persönlichen Haftpflicht von Unternehmensleitern wird angefiihrt, man wolle nicht Haftung durch Versicherung schaffen, ein latent vorhandenes Risiko solle nicht herbeigeredet werden. Auch fehle es an einem praktischen Bedürfnis fiir eine derartige Versicherung; die Haftpflichtrisiken werden als eher theoretischer Natur angesehen. Außerdem- dieses könnte der zentrale und auch vom Bundesaufsichtsamt fiir das Versicherungswesen geteilte42 Einwand sein - liege die Haftung zu nahe am nicht versicherbaren Unternehmerrisiko, das abzudeckenjedenfalls die erforderlichen Kapazitäten fehlten.43 In anderen westeuropäischen Staaten und insbesondere in den USA ist demgegenüber eine Vermögensschadenhaftpflichtversicherung fiir Unternehmensleiter üblich und weitverbreitet unter der Bezeichnung "Directors and Officers Liability Insurance" ("D&O"), 44 in den Vereinigten Staaten hält man ihren Abschluß zum Schutz des Topmanagements im Rahmen der Fürsorgepflicht des Unternehmens für selbstverständlich.45 US-amerikanische Anbieterund Lloyd's Syndikate sowie Versicherer in der Schweiz bieten nunmehr auch in Deutschland derartige Versicherungen an. 46 Gegenstand der "D&O" ist neben der Übernahme der Kosten fiir gerichtliche und außergerichtliche Anspruchsabwehr die Deckung eines Vermögensschadens aufgrund gesetzlicher Haftpflichtbestimmungen, wobei hier teilweise eine Beschränkung auf privatrechtliche Ansprüche vorgenommen wird.47 Insbesondere 41 Klinkhammer, VP 1988, 173, 174; Scholz/Schneider, § 43 Rdnr. 271; Schneider, FS Werner, 795, 797. 42 Das BA V hatte eine derartige Deckung bislang nicht zu gelassen, das Genehmigungerfordernis ist aber im Zuge der Rechtsangleichung innerhalb der EU seit dem 1.7.1994 weggefallen, Thümmei/Sparberg, DB 1995, 1013; vgl. BAV, AG 1994, R94: Das normale Berufsrisiko von Managern und Unternehmensleitern ist von einer derartigen Versicherung nicht gedeckt; die Haftpflicht wegen wirtschaftlichen Fehlverhaltens, das eigentliche Unternehmerische Risiko, ist weiterhin nicht versicherbar. Dies folge aus versicherungspolitischen und aufsichtsrechtlichen Gründen, VerBAV 1981, I 04. 43 Vgl. Trappe, VP 1994, 37 f., der die Bedenken jedoch verwirft; auch: Klinkharnmer, VP 1988, 173, 176. 44 Scholz/Schneider, § 43, Rdnr. 269; Schneider/Ihlas, DB 1994, 1123, 1125; bereits Küpper, VP 1986, S. 196 ff. und Klinkhammer, VP 1988, 173, 174. 45 Thümmel, Sparberg, DB 1995, 1013, 1016. 46 Schneider/Ihlas, DB 1994, 1123, 1125; Thümmei/Sparberg, DB 1995, 1013 sprechen von zaghaften Versuchen. 47 Schneider/lhlas, DB 1994, 1123, 1126.

B. Versicherungsschutz für die Haftungsrisiken des Geschäftsführers

69

durch die Deckung hinsichtlich der begründeten Schadensersatzforderung gegenüber dem Unternehmensleiter unterscheidet sich diese Versicherung von ebenfalls angebotenen V ermögensschadenrechtsschutzversicherungen, die die gerichtliche Wahrnehmung rechtlicher Interessen des Geschäftsführers bei der Abwehr gegen ihn gerichteter Ansprüche auf Ersatz von Vermögensschäden, die er durch Verletzung von Rechtspflichten angeblich angerichtet hat, urnfaßt.48 Versicherungsnehmer und Beitragszahler bei der "D&O" ist regelmäßig die anstellende Gesellschaft, versicherte Personen sind die in leitender Position Tätigen, insbesondere Vorstands- und Aufsichtsratsmitglieder und Geschäftsfiihrer, üblicherweise in ihrer Gesamtheit. Ausnahmsweise kann auch das einzelne Mitglied der Geschäftsleitung versichert werden, das dann selbst als Versicherungsnehmer und Beitragsschuldner gilt. 49 Im Regelfall liegt somit eine Versicherung fiir fremde Rechnung i.S.d. §§ 74 ff. VVG vor.

1. Deckung der Ansprüche der Gesellschaft ihrem Geschäftsführer gegenüber Als von der "D&O" mitversichert werden die praktisch besonders bedeutsamen Ansprüche "seiner" Gesellschaft gegenüber dem Geschäftsfiihrer, die sich insbesondere aus § 43 II GmbHG ergeben, bezeichnet. Diese Deckung im Innenverhältnis soll nicht nur ftir den Ausnahmefall gelten, daß der Geschäftsfiihrer Versicherungsnehmer ist sondern auch im oben beschriebenen Regelfall, in dem die be- und anstellende Gesellschaft die Versicherung abschließt. 50 Dies ist aber sehr problematisch. Derartige pauschale Behauptungen dürften wohl vorrangig dadurch zu erklären sein, daß US-Policen einfach übersetzt worden sind, ohne sie an die Konzeption der Schadensersatzansprüche im deutschen Gesellschaftsrecht anzupassen. 51 In der Konstellation der Versicherung ftir fremde Rechnung ist die Gesellschaft hier Versicherungsnehmerin und Dritte i.S.d. § 149 VVG in einer Person. 52 Zwar setzt§ 149 VVG grundsätzlich voraus, daß der Versicherungsnehmer eine Leistung an einen Dritten zu bewirken hat; im Rahmen der Haftpflichtversicherung fiir fremde Rechnung, zugunsten anderer also, nimmt manjedoch an, daß der Dritte mit dem Versicherungsnehmer identisch sein kann. § 149 VVG verlangt sinngemäß einen Drittanspruch, die Interessenlage ist jedoch nicht anders, wenn der Versicherungsnehmer selbst einen Anspruch gegen einen (Mit-)Versicherten richtet. 53 Problematisch an dieser Stelle erscheint es jedoch, ob im Wege dieser Klinkhammer, VP 1993, 62, 80. Klinkhammer, VP 1993,62, 80; Schneider/Ih1as, DB 1994, 1123, 1126. 5o Küpper, VP 1986, 196, 198; Klinkhammer, VP 1993, 62, 80; Reese, DStR 1995, 688,693. st Vgl. Thümmel/Sparberg, OB 1995, 1013, 1017. 52 Schneider/lh1as, DB 1994, 1123, 1126. 53 Bruck/Möller/Johannsen, Allgemeine Haftpflichtversicherung,§§ 148-158a VVG, Anm. H22; Späte AHB, § I, Rdnr. 225 m.w.N. auch zur Gegenansicht 48 49

70

2. Teil: Die Entwicklung des Haftungsrisikos

Haftpflichtversicherung ein "echter" Eigenschaden des Versicherungsnehmers ersatzfähig ist. 54 Er unterscheidet sich vom sog. ,.unechten" Eigenschaden, den man nach dem Charakter der Haftpflichtversicherung für ersatzfähig hält, dadurch, daß er nicht auf einer Inanspruchnahme des Versicherungsnehmers durch einen Dritten beruht. 55 Beruht der Schaden nicht auf einer Inanspruchnahme des Versicherungsnehmers durch Dritte, hat er sich insbesondere selbst geschädigt, kann der Ersatz dieses Schadens jedenfalls nicht über eine Haftpflichtversicherung erfolgen. 56 Wenn man dieser Differenzierung folgt, wofür die subsidiäre lnbezugnahrne des VVG durch die Allgemeinen Bedingungen flir die "D&0"57 spricht, sind im Innenverhältnis lediglich Ansprüche der Gesellschaft gegen ihren Geschäftsführer gedeckt, die sich als Rückgriff flir die Inanspruchnahme der Gesellschaft durch einen Dritten, ausgelöst durch Pflichtverletzungen des Geschäftsführers, darstellen. Schädigt der Geschäftsflihrer demgegenüber nur die Gesellschaft, ohne daß daraus Ansprüche von deren Geschäftspartnern oder Gesellschaftern erwachsen, liegt ein nicht versicherter "echter" Eigenschaden vor. Die Deckung von Ansprüchen im Innenverhältnis ist darüber hinaus wegen der Mißbrauchsgefahr problematisch. Bei der Inanspruchnahme des Versicherers besteht die Möglichkeit des kollusiven Zusarnrnenwirkens der Gesellschaft als Versicherungsnehmerio und dem Geschäftsführer als Versiehteitern zulasten der Versicherung. 58 Beide Gesichtspunkte führen zu Beschränkungen der Versicherung im Innenverhältnis. 59 Als untypisch gilt dabei, daß in den Versicherungsbedingungen ein vollständiger Ausschluß ausdrücklich enthalten ist. 60 Üblicherweise wird demgegenüber eine modifizierte Deckung im Innenverhältnis vereinbart. Danach besteht im Innenverhältnis Versicherungsschutz nur für Schadensersatzansprüche der Versicherungsnehmerin, die ohne Beteiligung, Weisung oder Veranlassung der Versicherungsnehmerin von ihren Gesellschaftern geltend gemacht werden. 61 Diese Einschränkung entspricht der Übernahme US-amerikanischer Versicherungspolicen. Interessant ist, daß dieser Risikoausschluß dort eingeführt wurde, nachdem Versicherer vor Gericht mit ihrer Argumentation, daß eine Mitversicherung von Ansprüchen der Gesellschaft dem Wesen der Haftpflichtversicherung als einer Drittschadensversicherung zuwiderlaufe und der Intention der "D&O"-

Vgl. hierzu auch: Schneider/lhlas, DB 1994, 1123, 1126 und 1127. Späte, AHB, § 1, Rdnr. 219, 225; offenbar ohne diese Differenzierung: Bruckl Möller/Johannsen, Allgemeine Haftpflichtversicherung,§§ 148-158a VVG, Anm. H22. 56 Späte, AHB, §I, Rdnr. 225. 57§ 10 der Allgemeinen Bedingungen der AIG Europe. 58 Schneider/Ihlas, DB 1994, 1123, 1126 f. m.w.N. 59 Schneider/Ihlas, DB 1994, S. 1127: Regelung dient dazu, Gefahr der Kollusion und der Geltendmachung von Eigenschäden zu verhindern. 60 So aber in § 4 Nr. 6c der Allgemeinen Bedingungen der AIG Europe. 61 § 5 Abs. 3a AVB OLA 93. 54

55

B. Versicherungsschutz für die Haftungsrisiken des Geschäftsführers

71

Versicherung nicht entspreche, unterlegen waren. 62 Vom Versicherungsschutz umfaßt sind danach die "shareholder derivative suits",63 die im deutschen Recht in dieser Form nicht vorkommen. Zwar sind Directors und Officers aus ihrer Organstellung heraus auch im amerikanischen Recht haftbar für Verletzungen der Sorgfalts- und Loyalitätspflichten, und grundsätzlich steht der Anspruch auch dort der Gesellschaft zu. 64 Die entscheidende Besonderheit liegt aber darin, daß jeder Gesellschafter den Anspruch aus von der Gesellschaft abgeleitetem Recht selbst geltend machen kann, wenn dies der Board of Directors auf eine entsprechende Aufforderung (Demand)65 des Shareholders hin nicht tut. 66 Dieses Rechtsdurchsetzungsinstrument ähnelt der Gesellschafterklage im deutschen Recht. 67 Gedeckt sind danach zunächst nur Ansprüche der Gesellschaft, die im Wege der actio pro socio durch Gesellschafter im eigenen Namen auf Leistung an die Gesellschaft geltend gemacht werden. 68 Auch Forderungen, in denen es um eigene Ansprüche der Gesellschafter geht, die aber auf Leistung an die Gesellschaft gerichtet sind, können vom Versicherungsschutz bei der beschriebenen Modifikation der Deckung im Innenverhältnis erfaßt sein.69 Die Gesellschafterklage ist im deutschen GmbH-Recht, unabhängig von der Ausgestaltung, im einzelnen jedoch lediglich als subsidiäre Klagemöglichkeit aufzufassen, was sich für Schadensersatzansprüche gegen Geschäftsführer insbesondere aus der Zuständigkeitsvorschrift des § 46 Nr. 8 GmbHG

Thümmel/Sparberg, DB 1995, 1013, 1017. Ausführlich: Merkt, US-amerikanisches Gesellschaftsrecht, Rdnr. 824 ff. ; Bungert, Die GmbH, S. 49 ff. 64 In der Grundstruktur der OS-amerikanischen Corporation liegen die wesentlichen Kontrollaufgaben wie Bestellung und Abberufung des Board of Directors und die Entscheidung in grundlegenden oder außergewöhnlichen Angelegenheiten bei den Gesellschaftern, den Shareholders. Das eigentliche Management, das Festlegen der Geschäftsund Unternehmenspolitik und die Bestellung der leitenden Angestellten (Executive Officers) obliegt dem Board of Directors. Die Officers besorgen unter Aufsicht des Board of Directors vor allem das Tagesgeschäft Dasboard ist ein unabhängiges Gesellschaftsorgan, das an Weisungen der Gesellschafter nicht gebunden ist. Die Officers werden zumeist als Vertreterdes Board tätig und sind weniger selbständig, sie haben im Rahmen der ihnen übertragenen Aufgaben Vertretungsmacht Merkt, US-amerikanisches Gesellschaftsrecht, Rdnr. 483, 488 f. Zur Haftung der Directors und Officers siehe Rdnr. 526 ff. 65 Zum Demand-Erfordemis Merkt, US-amerikanisches Gesellschaftsrecht, Rdnr. 849 ff. 66 Thümmel/Sparberg, DB 1995, 1013, 1014; zu den Klagevoraussetzungen im einzelnen: Merkt, US-amerikanisches Gesellschaftsrecht, Rndr. 835 ff. 67 Bungert, Die GmbH, S. 50; vgl. auch Schneider/Ihlas, DB 1994, 1123, 1127. 68 Zur Möglichkeit der Gesellschafterklage bei der GmbH: Scholz/K. Schmidt, § 46, Rdnr.l61; K.Schmidt, GesR, §21 IV 6 m.w.N.; Grunewald, Die Gesellschafterklage, S. 66 ff. Vgl. auch Gehrlein ZIP 1993, 1525. Einschränkend Zöllner, ZGR 1988, 392, 408 ff., der keine Grundlage für Gesellschafterklagen gegen Fremdgeschäftsfllhrer sieht. Vgl. auch oben I. Teil, AI 6 b). 69 Vgl. BGHZ 65,15 "ITT'; Thümmel/Sparberg, DB 1995, 1013,1016. Zur Frage, ob es sich hierbei um eine actio pro socio handelt, Gehrlein, ZIP 1993, 1525 und 1529. 62

63

72

2. Teil: Die Entwicklung des Haftungsrisikos

ergibt. 70 Im praktischen Ergebnis fUhrt eine derartige Begrenzung vor dem Hintergrund des deutschen Kapitalgesellschaftsrechts, wo der Gesellschafterklage anders als im US-amerikanischen Raum71 lediglich eine untergeordnete Bedeutung zukommt, nahezu zu einem generellen Ausschluß der Deckung fiir bei dem Unternehmen selbst entstandene Schäden.72 Problematisch wäre bei der Versicherung des Schadensersatzanpruchs der Gesellschaft gegenüber ihrem Geschäftsflihrer auch, daß es nicht Sinn einer Haftpflichtversicherung sein kann, das unternehmerische Risiko zu tragen. Auslöser der Innenhaftung ist aber typischerweise ein Managementfehler, also ein typisches Unternehmerrisiko.73 Entsprechend wird der Versicherungsschutz im Innenverhältnis durch weitere Ausschlüsse eingeschränkt. Hierzu zählt insbesondere derjenige flir Ansprüche wegen kaufmännischer Fehlentscheidungen.74

2. Deckung der Außenhaftung des Geschäftsfohrers Hier handelt es sich um eine flir § 149 VVG typische Dreiecksbeziehung zwischen Versicherungsnehmer, Versicherer und geschädigtem Dritten, wenn etwa ein Gesellschaftsgläubiger den Geschäftsflihrer persönlich in Anspruch nimmt. Die oben angeschnittene Eigenschadenproblematik ergibt sich lediglich, wenn ein an der V ersicherungsnehmerin beteiligter Gesellschafter eigene Ansprüche gegenüber dem Geschäftsflihrer geltend macht. Bei Entwertung seiner Beteiligung als Reflex der Gesellschaftsschädigung dürfte ein echter Eigenschaden vorliegen.75 Zu beachten ist an dieser Stelle auch, daß die "D&O" als Vermögensschadenversicherung Personen- und Sachschäden nicht deckt, die aber einen beachtlichen Teil des Außenhaftungsrisikos der Unternehmensleiter ausmachen.76

7° K. Schmidt, GesR, § 21 IV 6 m.w.N.; ausführlich: Gehrlein, ZIP 1993, 1525, 1530 unter Bezugnahme aufBGH ZIP 1991, 582, i.E. aber abw., S. 1530f. Zum Verhältnis der Gesellschafterklage zur Anfechtungsklage hinsichtlich des die Geltendmachung des Schadensersatzanspruchs ablehnenden Beschlusses Rowedder/Koppensteiner, § 43, Rdnr. 42 f. 7t Schneider/lhlas, DB 1994, 1123, Fn. 12 zufolge werden dort 47% der Ansprüche gegen Directors und Officers auf Ersatz eines Vermögensschadens im Wege der derivative suit geltend gemacht. 72Thümmei/Sparberg, DB 1995, 1013, 1014, 1018. 73 Thümmel/Sparberg, DB 1995, 1018; abw. Schneider/lhlas, DB 1994, 1023, 1028: eine Unternehmerische Fehlentscheidung allein führt mangels Erfolgshaftung nicht zum Schadensersatzanspruch, hinzukommen müsse ein konkreter schuldhafter Ptlichtverstoß. 74 Hierzu: Klinkhammer, VP 1993, 62, 80; Trappe, VP 1994, 37, 38; Schneider/lhlas, DB 1994, 1123, 1128. Siehe auch die Zusammenstellung von Küpper, VP 1986, 196, 198 zu§ 4 A VBU 86. 75 Vgl. auch Schneider/lhlas, DB 1994, 1123, 1126. 76 Thümme1/Sparberg, DB 1995, 1013, 1019.

C. Das Haftungsrisiko des Arbeitnehmers

73

3. Voraussetzungenfür den Abschluß einer "D&O"-Police, Verbreitung der Vermögensschadenversicherung Die Zeichnungspolitik der Versicherer, die eine "D&O-Versicherung" anbieten, wird als recht restriktiv beschrieben. Sie stütze sich insbesondere hinsichtlich der Solvenz der potentiellen Versicherungsnehmer auf strenge Annahmerichtlinien, kleinere Unternehmen und solche in bestimmten Branchen, wie EDV, Banken, Baugewerbe, könnten keinen Versicherungsschutz erlangen. 77 Zusammenfassend ist festgestellt worden, daß eine derartige Versicherung nur für große und mittlere Unternehmen gedacht ist, die die besonders kritischen ersten Jahre nach der Gründung überstanden haben. 78 Eine derartige zurückhaltende Zeichnungspolitik ftihrt bei der Beurteilung der Auswirkungen von Versicherungsmöglichkeiten auf die Haftungssituation von Geschäftsführern dazu, daß die besonders haftungs- und konkursanfälligen Unternehmen von der Versicherungsmöglichkeit ausgenommen sind, "D&O"-Versicherungen also die Haftungsrisiken der Mehrzahl der Geschäftsführer, die in kleinen Gesellschaften tätig sind, nicht berühren. Einer weiteren Verbreitung bisher stehen auch relativ hohe Prämien ebenso entgegen wie hohe Sebstbehalte, die in mindestens fünfstelliger Summe vereinbart werden. Als weiteres Manko könnten sich auch hier zu niedrig vereinbarte Dekkungssummen erweisen. Sie liegen in der Regel zwischen 1 und 10 Mio. DM; nur in Ausnahmefällen besteht Deckung bis zu 40 Mio. DM, so daß Spitzenrisiken möglicherweise in zum Teil erheblicher Höhe ungedeckt sind. 79

C. Das Haftungsrisiko des Arbeitnehmers Gegenüber der Entwicklung des Geschäftsführerrisikos hat sich -jedenfalls in rechtlicher Hinsicht - das Haftungsrisiko, dem der Arbeitnehmer infolge seiner vertraglich geschuldeten Leistung ausgesetzt ist, im Laufe der Zeit verringert, obwohl eine einheitliche Entwicklungslinie in der Rechtsprechung des BAG80 nicht erkennbar ist.81 n Klinkhammer, VP 1993, 62, 80; er spricht von Solvabilität, diese beschreibt aber eine von der Zusammensetzung des Versicherungsbestandes abhängige Relation zwischen Prämien und Schäden einerseits und Eigenmitteln andererseits bei Schaden- und Unfallversicherem, siehe Gablers Wirtschaftslexikon, S. 2990; vgl. auch dens., VP 1988, 173, 176. 78 Küpper, VP 1986, 196, 20 I, der Annahmerichtlinien der von ihm beschriebenen Versicherung aufS. 198 wiedergibt. Von den Kriterien über 32 Mio. Umsatzerlöse, über 15 Mio. DM Bilanzsumme und über 250 Arbeitnehmer muß ein Versicherungsnehmer mindestens zwei erfüllen. Außerdem muß das Unternehmen mindestens fünf Jahre in der Branche tätig sein und eine befriedigende Ertrags- und Vermögenslage aufweisen. 79 Dahnz, Top-Manager, S. 92. 80 Dazu sogleich unter II. 81 Lipperheide, BB 1993, 720, 721 .

74

2. Teil: Die Entwicklung des Haftungsrisikos

I. Haftungserleichterung für Arbeitnehmer Allgemeiner Überzeugung entspricht es, daß die Haftung des Arbeitnehmers bei Tätigkeiten, die durch den Betrieb veranlaßt sind, nicht unbeschränkt sein kann. Obwohl also bei schuldharter Schädigung des Arbeitgebers diesem ein Schadensersatzanspruch aus p VV des Arbeitsvertrages wegen Verletzung einer unselbständigen Neben- oder Schutzpflicht und deliktische Ansprüche aus § 823 I, II BGB zustehen können, die nach der grundsätzlichen Aussage der §§ 276, 249 BGB zur vollumfangliehen Haftung führen müßten, besteht Einigkeit darüber, daß eine Haftungserleichterung rechts- und sozialpolitisch erforderlich ist. Dies gilt in eingeschränktem Maße auch für den deliktischen Anspruch eines außerhalb des Arbeitsverhältnisses stehenden Drittgeschädigten. 1. Die Grundsätze zum innerbetrieblichen Schadensausgleich Ständiger Rechtsprechung und der ganz überwiegenden Auffassung in der Literatur entspricht eine Konzeption des innerbetrieblichen Schadensausgleichs, bei der der Arbeitnehmer dem von ihm geschädigten Arbeitgeber zum Schadensersatz nur abgestuft nach Verschuldeosgraden verpflichtet ist, wobei die Skala von vollständiger Haftungsbefreiung bis zur alleinigen Haftung reicht. 82 Hat der Arbeitnehmer einem außerhalb des Arbeitsverhältnisses stehenden Dritten einen Schaden zugefügt, ist er diesem gegenüber zwar zum Ersatz verpflichtet, kann aber von seinem Arbeitgeber eine Freistellung von diesem Anspruch oder Erstattung des geleisteten Ersatzes in dem Umfang verlangen, als wenn er anstelle des Dritten seinen Arbeitsvertragspartner geschädigt hätte. 83 Die Haftungsbeschränkung wirkt sich hier also lediglich im Innenverhältnis zwischen Arbeitnehmer und Arbeitgeber aus; eine Begrenzung des Außenanspruchs gegenüber dem Drittgeschädigten wird insbesondere in der Rechtsprechung des BGH84 abgelehnt. Teile der Literatur wollen jedoch auch den Außenanspruch- insbesondere wenn der Drittgeschädigte in einer wirtschaftlichen Verbindung mit dem Arbeitgeber steht- den Grundsätzen zur Haftungserleichterung unterwerfen, um dem Arbeitnehmer das Insolvenzrisiko des Arbeitgebers abzunehmen.85 Nach Auffassung des 6. Senats des BGH86 ist aber im

82 Vgl. nur BAG GS NZA 1994, 1083, 1084 = AP Nr. 103 zu§ 611 BOB Haftung des Arbeitnehmers. 83 Blomeyer, in: Münchener Handbuch zum Arbeitsrecht, § 58, Rdnr. 2 bis 5; Schaub, Arbeitsrechts-Handbuch, § 52 VII, S. 313 f. und Zöllner/Loritz, Arbeitsrecht, S. 229 f. 84 Vgl. nur BGHZ 108, 305 = AP Nr. 99 und BGH AP Nr. 104 zu§ 611 BOB Haftung des Arbeitnehmers, bestätigt durch BGH VersR 1995, 427, 428, und Krause, VersR 1995,752,756. ss Zu den dogmatischen Möglichkeiten, dieses Ziel zu erreichen: Krause, VersR 1995, 756 ff.; vgl. auch. Blomeyer, in: Münchener Handbuch zum Arbeitsrecht, §58, Rdnr. 2 mit zahlr. weit. Nachw. ; Schlachter, FS OLG Jena, S. 253, 263 f. m.w.N.; im Ergebnis auch OLG Celle, VersR 1993, I 026 f. 86 AP Nr. 104 zu§ 611 BOB Haftung des Arbeitnehmers, BI. 4 R; siehe auch BGHZ 108, 305 unter 2a der Gründe, hier eine umfangreiche Darstellung der Diskussion.

C. Das Haftungsrisiko des Arbeitnehmers

75

Hinblick auf das gesetzliche Haftungssystem des BGB, das eine vollumfängliche Schadensersatzhaftung unabhängig davon vorsieht, ob der Schädiger als Arbeitnehmer oder in unabhängiger Funktion gehandelt hat, hier kein Rawn für eine richterrechtliche Rechtsfortbildung. 87 In seiner Rechtsprechung zur Arbeitnehmeraußenhaftung geht der BGH davon aus, daß die Haftungsbegrenzung nicht auf übergreifenden, sondern auf spezifisch arbeitsvertragliehen Erwägungen beruhe, die einemaußenstehendenDritten nicht entgegengehalten werden könnten.88 Die Kritik hieran setzt zentral an diesem überholten dogmatischen Ansatz an, der die Grundlage der Haftungsprivilegierung in der Fürsorgepflicht erkennt.89 2. Haftung des Arbeitgebers jUr Eigenschäden des Arbeitnehmers

Die Rechtsprechung erkennt auch unter bestimmten Voraussetzungen einen Ersatzanspruch des Arbeitnehmers ftir Schäden an, die dieser an seinen eigenen Sachen oder seinem sonstigen Vermögen bei betrieblichen Tätigkeiten erleidet. Der Arbeitgeber haftet danach hierfür auch, wenn ihm eine Schutzpflichtverletzung nicht vorzuwerfen ist; das BAG stützt diesen Anspruch auf eine analoge Anwendung des§ 670 BGB.90 Diese Herleitung ist aber insbesondere hinsichtlich der Frage, ob auch Schäden unter den Aufwendungsbegriff des § 670 BGB subsumierbar sind, umstritten. 91 Ein Aufwendungsersatzanspruch wird vom jetzt zuständigen 8. Senat des BAG nur dann anerkannt, wenn der Schaden im Betätigungsbereich des Arbeitgebers entstanden ist, der Arbeitnehmer ftir den Schaden keine besondere Vergü87 Kritisch hierzu Baumann, BB 1994, 1300, 1305 f.; a.A. OLG Celle, für den Fall des Arbeitgeberkonkurses, wenn die verschiedenen Vertragsverhältnisse ihrem Wirtschaflichen Sinn nach eine Einheit bilden, so daß Drittgeschädigter und Arbeitgeber nicht isoliert nebeneinander stehen. Dann dürfe das Haftungsrisiko nicht auf das schwächste Glied der Kette, den Arbeitnehmer, abgewälzt werden. Ausführlich zu dieser Entscheidung, die dem Revisionsurteil BGH AP Nr. 104 zu§ 611 BGB Haftung des Arbeitnehmers zugrundeliegt, Baumann, a.a.O., 1300 ff. 88 BGHZ 108, 305 unter 2 a) cc) der Gründe. 89 Schlachter, FS OLG Jena, S. 253, 254 und 264 ff. zeigt, daß mit dem Wegfall der Gefahrgeneigtheit und dem hiermit korrelierenden aktuellen Begründungsansatz des Großen Senats des BAG - dazu sogleich - sich die Möglichkeit ergeben könnte, die Außenhaftung direkt in den Anwendungsbereich der Haftungserleichterung einzubeziehen. Ausführlich zu den Möglichkeiten, eine Begrenzung der Außenhaftung zu erreichen Krause, VersR 1995, 756 ff. 90 Grundlegend: BAG GS AP Nr. 2 zu § 611 BGB Gefährdungshaftung des Arbeitgebers; vgl. auch BAG AP Nr. 9 zu § 611 Gefährdungshaftung = NZA 1990, 27. 9 1 Vgl. nur Blomeyer, in: Münchener Handbuch zum Arbeitsrecht, § 94, Rdnr. 54 m.w.N.; ders., FS Kissel, S. 77, 80 ff. Fraglich ist bereits, ob das Arbeitsverhältnis als Geschäftsbesorgung i.S.d. § 675 BGB aufzufassen ist; außerdem ist es nicht unproblematisch, eine Norm des Auftragsrechts auf den entgeltlichen Arbeitsvertrag zu übertragen, Koch, Der Eigenschaden, S. 58 ff.; ausfUhrlieh hierzu: Reichhold, NZA 1994, 488, 489 ff., der aber an § 670 BGB als Anspruchsgrundlage festhalten möchte.

76

2. Teil: Die Entwicklung des Haftungsrisikos

tungerhält und er auch nicht zu seinem Lebensbereich gehört. 92 Dabei werden Schadensrisiken, die im Zusammenhang mit der vom Arbeitgeber veranlaßten Arbeitsleistung entstanden sind und die dieser selbst tragen müßte, wäre er selbst tätig geworden oder hätte er dem Arbeitnehmer eigene Gegenstände überlassen, dem Betätigigungsbereich des Arbeitgebers zugerechnet. 93 Als mit dem Entgelt abgegolten gilt demgegenüber ein arbeitsadäquater Schaden. Auf das Verschulden des Arbeitnehmers wird § 254 BGB analog angewandt, wobei die zum innerbetrieblichen Schadensausgleich entwickelten Grundsätze entsprechend herangezogen werden. 94 II. Die Entwicklung der Rechtsprechung zum innerbetrieblichen Schadensausgleich

Als bahnbrechender Ausgangspunkt fiir die juristische Entwicklungsgeschichte der Haftungserleichterung wird üblicherweise das Urteil des ArbG Plauen aus dem Jahre 193695 herausgestellt; ein früherer Anhaltspunkt läßt sich aber bereits im Allgemeinen Preußischen Landrecht lokalisieren, das eine einschränkende Regelung des Vertretenmüssens von Pflichtverstößen fiir gemeine Handwerker vorsah.96 Ausgehend von der Feststellung, daß § 276 BGB im Arbeitsverhältnis einzuschränken sei, da ansonsten der Arbeitnehmer jede Fahrlässigkeit zu vertreten habe, gelangte das Arbeitsgericht Plauen zu dem Ergebnis vollständiger Haftungsbefreiung, wenn dem Arbeitnehmer lediglich leichte Fahrlässigkeit zur Last gelegt werden kann. Es liege in der Natur seiner Tätigkeit, daß jedes auch nur vorübergehende Außerachtlassen der verkehrserforderlichen Sorgfalt zu einem außerordentlich hohen Schaden :fiihren kann, den zu decken der Arbeitnehmer mit seinem Lohn nicht in der Lage ist; außerdem bringe die menschliche Unzulänglichkeit gelegentliche Unachtsamkeit zwingend mit sich. 97 Das RAG hat diese Entscheidung aufgenommen und neben dem Haftungsausschluß bei einem geringen Maß an Fahrlässigkeit und einer Schadensteilung in den übrigen Fällen nicht groben Verschuldeos dem Arbeitnehmer auch einen Freistellungsanspruch gegenüber dem Arbeitgeber bei Schädigungen Dritter zugebilligt.98

92 BAG AP Nr. 7; BAG AP Nr. 9 zu § 611 Gefährdungshaftung des Arbeitgebers= NZA 1990,27,28. 93 Blomeyer, in: Münchener Handbuch zum Arbeitsrecht, § 94, Rdnr. 53. 94 BAG NZA 1990, 27, 28, so bereits auch der 3. Senat, BAG AP Nr. 6 zu § 611 BGB Gefährdungshaftung des Arbeitgebers. Zur Auswirkung des Abschieds von der Gefahrgeneigtheit vgl. Frieges, NZA 1995, 403, 404 f. 95 ArbG Plauen, ARS 29, 62. 96 Blomeyer, in: Münchener Handbuch zum Arbeitsrecht,§ 57, Rdnr. 20. 97 Siehe hierzu Reuter/Slapnicar, ArbuR 1992, 33,34 und Richardi, JZ 1986, 797. 98 RAG ARS 30, 9; 37, 269; 34, 375; 41, 55; 41,259 mit wechselnden Begründungen, wie z.B. stillschweigender Haftungsausschluß, Einwand unzulässiger Rechtsausübung, Treueverhältnis.

C. Das Haftungsrisiko des Arbeitnehmers

77

Nach dem Zweiten Weltkrieg haben der BGH und Landesarbeitsgerichte diese Judikatur fortgesetzt. 99 Die Rechtsprechung des BAG beginnt mit dem Beschluß des Großen Senats 1957, 100 der die vorangegangenen Urteile des RAG, des BGH und der Landesarbeitsgerichte fortführte und die Gefahrgeneigtheit der Tätigkeit als Eingangsvoraussetzung der Haftungserleichterung in enger Anlehnung an die Begründung des Arbeitsgerichts Plauen etablierte. 101 Als gefahrgeneigt wurde eine Tätigkeit- bei zunächst abstrakt-typisierender Betrachtung 102 -bezeichnet, deren Eigenart es mit großer Wahrscheinlichkeit mit sich bringt, daß auch dem sorgfältigen Arbeitnehmer gelegentlich Fehler unterlaufen, die zwarjedesmal vermeidbar wären, mit denen aber angesichts der menschlichen Unzulänglichkeit- als typisches Abirren der Dienstleistung - erfahrungsgemäß zu rechnen ist. Die Höhe der den Arbeitnehmer treffenden Haftung sollte sich nach einem Katalog von Umständen richten, wobei hervorgehoben der Grad des Verschuldeos genannt war. In der Folgezeit hat das BAG den vom Großen Senat vorgegebenen Ansatz weiter verfeinert und die sog. Haftungstrias entwickelt, die einen Haftungsausschluß bei leichtester Fahrlässigkeit (geringem Verschulden), quotale Schadensteilung bei normaler odermittlerer Fahrlässigkeitund volle Ersatzpflicht des Arbeitnehmers bei grober Fahrlässigkeit und Vorsatz vorsah. 103 Zur Begründung der Haftungserleichterung stellte das Gericht in dieser Phase vorrangig auf die gegenseitige Treue- und Fürsorgepflicht ab, gleichzeitig fand aber auch das Betriebsrisiko Berücksichtigung, zu dem Schäden gehörten, die sich aus der besonderen Gefahr und Eigenart der dem Arbeitnehmer übertragenen Tätigkeit ergäben. 104 1970 hat dann unter Federflihrung des 1. Senats des BAG ein Wechsel in der Herleitung stattgefunden, seitdem stellt die arbeitsgerichtliche Rechtsprechung auf eine entsprechende Anwendung des § 254 BGB ab, bei der das dem Arbeitgeber verschuldeosunabhängig zuzurechnende Betriebsrisiko und das Verschulden des Arbeitnehmers gegeneinander abgewogen werden. 105

99 BGHZ 16, III = AP Nr. I zu § 611 BGB Haftung des Arbeitnehmers; Nachw. zur Rspr. der Landesarbeitsgerichte bei Blomeyer, in: Münchener Handbuch zum Arbeitsrecht,§ 57, Fn. 84. 100 BAG GS NJW 1958,235,237 = BAGE 5, I, 7 = AP Nr. 4 zu§§ 898, 899 RVO. IOI Slapnicar/Reuter, AuR 1992, 33, 35; die Gefahrgeneigtheit als Voraussetzung der Haftungserleichterung ist der Sache nach bereits in RAG ARS 41, 55 angesprochen. 1o2 Blomeyer, JuS 1993, 903, 904. 103 BAGE 7, 290 = AP Nr. 8 zu§ 611 BGB Haftung des Arbeitnehmers. 104 Siehe nur BAGE 5, I, 8 und Blomeyer, in: Münchener Handbuch zum Arbeitsrecht,§ 57, Rdnr. 21. 105 Deutlich wird der Wechsel in der Begründung in BAG AP Nr. 61 zu§ 611 BGB Haftung des Arbeitnehmers; siehe auch die Anm. von Rieger hierzu; teilweise wird der Begründungswechsel auch schon in BAG AP Nr. 55 gesehen, vgl. Blomeyer, in: Münchener Handbuch zum Arbeitsrecht,§ 57, Rdnr. 30; Arens BB 1988, 1596, 1597; siehe auch Walker, NZA 1988, 753, 754, der auch AP Nr. 58 anführt. Ausführlich zum Begründungswechsel: Zöllner, Anm. zu EzA Nr. 14 zu§ 611 BGB Gefahrgeneigte Arbeit.

78

2. Teil: Die Entwicklung des Haftungsrisikos

Der seit 1983 zuständige 7. Senat des BAG 106 hat unter dieser Begründung und anknüpfend an die Ausfiihrungen des Großen Senats aus dem Jahre 1957, nach denen eine Haftungseinschränkung bei "nicht schwerer Schuld" 107 angenommen worden war, die Haftung des Arbeitnehmers fiir leichte und mittlere Fahrlässigkeit ausgeschlossen und war so zu einer Haftungszweiteilung gelangt. Zur Rechtfertigung hat er ausgefiihrt, daß angesichts der mit der Entwicklung der Technik verbundenen Vergrößerung der Haftungsrisiken es nicht mehr sachgerecht sei, bei normaler Fahrlässigkeit auf die Einzelfallumstände abzustellen. Unterhalb der Grenze der groben Fahrlässigkeit seien auftretende Schäden generell dem Betriebsrisiko des Arbeitgebers zuzurechnen. Ob an der Gefahrgeneigtheit als Voraussetzung der Enthaftung festzuhalten sei, ist bereits in dieser Entscheidung ausdrücklich offengelassen worden. Trotz dieser Rechtsprechungsänderung hat der 7. Senat von einem Vorlagebeschluß an den Großen Senat abgesehen. 108 Dieser wurde erst 1985 durch den seit Mitte 1984 zuständigen 3. Senat des BAG,l 09 der von der Gefahrgeneigtheit der Tätigkeit als Voraussetzung der Haftungsprivilegierung absehen wollte, angerufen. Nach Auffassung des 3. Senats war es nicht gelungen, in den praktischen Zweifelsfragen zur Abgrenzung des Begriffs der Gefahrgeneigtheit Klarheit zu schaffen. Hierbei seien Widersprüche und Schwankungen festzustellen, außerdem kenne die Rechtsordnung eine solche Differenzierung ansonsten nicht. Hintergrund der aufgetretenen Unsicherheiten bei der Charakterisierung einer Tätigkeit als gefahrgeneigt war der bereits früher vollzogene Wechsell 10 bei der Bestimmung der Gefahrgeneigtheit, die nunmehr anband einer situativ-konkreten Betrachtung unter Zugrundelegung aller Einzelfallumstände erfolgte. 111 Hinsichtlich der vom 7. Senat entschiedenen Haftungszweiteilung hat der 3. Senat von einer eigenen Stellungnahme abgesehen und sich auf eine Wiedergabe der Reaktionen in der Literatur hierauf beschränkt. Zu einer Entscheidung des Großen Senats ist es aber nicht gekommen, da sich das Ausgangsverfahren vorher erledigt hatte. 11 2 106 BAG AP Nr. 82 zu§ 611 BGB Haftung des Arbeitnehmers= E 42, 130; bestätigt durch BAG AP Nr. 84 = E 44, 170. 107 BAGE 5, I, 7 ff. 1os Kritisch hierzu: Richardi, JZ 1986,796, 800 und Zöllner, Anm. zu EzA Nr. 14 zu § 611 BGB Gefahrgeneigte Arbeit. 109 Vorlagebeschluß vom 12.2.1985 AP Nr. 86 zu § 611 BGB Haftung des Arbeitnehmers 11o BAG AP Nr. 22 zu § 611 BGB Haftung des Arbeitnehmers. 111 Anstelle der generell-abstrakten Einordnung vgl. Schlachter, FS OLG Jena, S. 253, 256 und Lipperheide, BB 1993, 720, 721, jeweils mit Rechtsprechungsnachweisen; Blomeyer JuS 1993,903,904 sowie Richardi, JZ 1986,796,800. Nach verbreiteter Ansicht in der Literatur war damit das Merkmal der Gefahrgeneigtheit in der Sache aufgegeben, so: Brox, Anm. zu AP Nr. 92, 93 zu § 611 BGB Haftung des Arbeitnehmers bzw. der Begrifffunktionslos geworden, so: Slapnicar/Reuter, AuR 1992, 33, 35. 112 Nachdem das beklagte Land die Klageforderung anerkannt hatte, haben die Parteien den Streit übereinstimmend für erledigt erklärt. Der bereits anberaumte Termin vor

C. Das Haftungsrisiko des Arbeitnehmers

79

Seit März 1986 ist die Zuständigkeit fiir das Schadensersatzrecht auf den 8. Senat gewechselt. Dieser ist mit vier Entscheidungen am 24.11.1987 zur dreistufigen Haftungsverteilung und zur Berücksichtigung aller Einzelfallumstände zurückgekehrt.113 Ausschlaggebend fiir die Wiedereinfiihrung der Schadensteilung bei mittlerer Fahrlässigkeit war fiir den 8. Senat, daß die Voraussetzungen fiir eine Begrenzung der Haftung auf Vorsatz und grobe Fahrlässigkeit im Wege richterlicher Rechtsfortbildung mangels einer allgemeinen Rechtsüberzeugung nicht nachgewiesen werden konnten. Ausdrücklich unentschieden blieb, ob an der Gefahrgeneigtheit als Eingangsvoraussetzung festzuhalten sei, wie auch die Frage einer summenmäßigen Begrenzung, die bereits Gegenstand des Fragenkatalogs im Vorlagebeschluß des 3. Senats aus dem Jahre 1985 war.114 Ein anderes Urteil vom seihen Tag 115 lehnt zwar eine Verpflichtung des Arbeitgebers zur Kaskoversicherung seines Kraftfahrzeugs ab, nimmt jedoch eine diesbezügliche Obliegenheit mit der Folge an, daß bei quotaler Schadensteilung infolge mittleren Verschuldens des Arbeitnehmers der von ihm zu tragende Schadensanteil lediglich in Höhe der mittleren fiktiven Selbstbeteiligung bei einer solchen Versicherung besteht. 116 Durch zwei weitere Entscheidungen des 8. Senats im Jahre 1989 ist das Recht der Arbeitnehmerhaftung weiter in Bewegung geblieben. In einer 117 von beiden ist klargestellt, daß auch im Falle grober Fahrlässigkeit eine Haftungserleichterung nicht ausgeschlossen ist. Zwar habe hier der Schädiger "in aller Regel voll zu haften"; die den Art. 1 I, 2 I, 20 I und 28 I GG zugrundeliegenden Wertvorstellungen fuhrten jedoch auch bei grobem Verschulden zwingend zu einer Abwägung gegenüber dem vom Arbeitgeber zu tragenden Betriebsrisiko. Dieses Risiko - hier verstanden als verschuldensunabhängiges Abwägungskriterium im Rahmen der entsprechenden Anwendung des § 254 BGB und nicht in der diesem Begriff sonst zukommenden Bedeutung als Lohnzahlungsrisiko des Arbeitgebers bei zufalliger Unmöglichkeit der Arbeitsleistung 118 - spiele aber solange eine untergeordnete Rolle, wie der zu ersetzende Schaden eine Größenordnung nicht übersteigt, die den Arbeitnehmer in seiner Existenz nicht gefahrdet. 119 Danach ist dem GS des BAG wurde aufgehoben, BAG AP Nr. 86a und 86b zu§ 611 Haftung des Arbeitnehmers (Pressemitteilungen 14 und 23/1987), vgl. auch die Pressemitteilung des BAG in NZA 1987,660. 113 Vgl. Walker, NZA 1988, 753, 756 und Arens, BB 1988, 1596. 114 BAG AP Nr. 93 zu § 611 BGB Haftung des Arbeitnehmers; siehe insb. Leitsatz 2 und III, VI der Gründe. 115 BAG AP Nr. 92 zu § 611 BGB Haftung des Arbeitnehmers. 116 BAG AP Nr. 92 zu § 611 BGB Haftung des Arbeitnehmers, III 2 b dd der Gründe; hierzu Schwerdner, OB 1988, 1799, 1801 und Arens, BB 1988, 1596, 1598 f., die kritisieren, daß die Voraussetzungen, unter denen eine Obliegenheit des Arbeitgebers zum Abschluß der Versicherung vorliegen soll, zu vage bleiben. 117 BAG AP Nr. 97 zu § 611 BGB Haftung des Arbeitnehmes = NZA 1990, 468. 11s Klarstellung bereits in AP Nr. 93 zu § 611 BGB Haftung des Arbeitnehmers unter B III 4 der Gründe. 119 Siehe II 2 b der Gründe.

2. Teil: Die Entwicklung des Haftungsrisikos

80

also auch im Fall einer grob fahrlässiger Handlung die Relation zwischen Verschulden und Haftungsrisiko zu beachten. 120 Mit der anderen Entscheidung, dem Vorlagebeschluß an den Großen Senat vom 12.10.1989 121 , leitete der 8.Senat den ,,Abschied von der Gefahrgeneigtheit'' als konstitutive Voraussetzung der Haftungsprivilegierung ein. Die Umstände, die die Gefahrgeneigtheit der Tätigkeit begründen, sollten lediglich bei der Bewertung des Verschuldens berücksichtigt werden. 122 Insofern kann von von einer nur noch relativen Bedeutung der Gefahrgeneigtheit gesprochen werden. 123 Als Eingangsvoraussetzung für die Haftungserleichterung habe sich dieses Merkmal nicht bewährt, es sei zu unscharfund zu eng. Nicht einleuchtend sei, warum bei nicht gefahrgeneigter Tätigkeit das Betriebsrisiko des Arbeitgebers nicht zur Abwägung herangezogen werden sollte. Eine vollständige Haftung widerspreche in diesem Fall den durch Art. 1 I, 2 I, 20 I und 28 I GG geprägten Wertvorstellungen. Die mit dem technischen Fortschritt einhergehende Erhöhung des Wertes der sachlichen Betriebsmittel fiihre zu vergrößerten Haftungsrisiken des Arbeitnehmers, die einer ungeminderten Haftung entgegenstünden. 124 Diesen Erwägungen hat sich der Große Senat des BAG im Beschluß vom 12.6.1992 125 angeschlossen. Zur Begründung ist hier auch auf das Verhältnismäßigkeitsprinzip abgestellt, das infolge der Höhe des den Arbeitnehmer treffenden Haftungsrisikos verletzt sei. 126 Zum Betriebsrisiko hat der Große Senat -offenbar in Anlehnung an die Rechtsprechung des 7. Senats- ausgeführt, daß hierdurch bedingte Schäden "nicht auf den Arbeitnehmer abgewälzt werden können, weil der Arbeitgeber den Arbeitnehmer mit der Verrichtung einer im Interesse des Betriebs zu leistenden Arbeit beauftragt hat". 127 Außerdem ergebe sich der Zurechnungsgrund im Rahmen des § 254 BGB aus der tatsächlichen Organisations- und Personalhoheit und der rechtlichen Gestaltung der persönlichen Abhängigkeit und Weisungsgebundenheit des Arbeitnehmers. 128 Ergänzend ist auf die verfassungsrechtlichen Gewährleistungen aus Art 12 I und 2 I GG abgestellt, in die durch eine unbeschränkte Haftung unverhältnismäßig eingegegriffen werde.129 Der Große Senat konnte aber nicht im Sinne des vorlegenden 8. Senats abschließend entscheiden, hieran hinderte ihn die abweichende Rechtsprechung Schaub, Arbeitsrechts-Handbuch, § 52 VII 3 c, S. 310. BAG AP Nr. 98 zu § 611 8GB Haftung des Arbeitnehmers= NZA 1990, 95. 122 Siehe Leitsatz I und II 2 der Gründe. 123 Richardi, NZA 1994, 241, 242. 124 II 3 der Gründe. 125 BAG GS AP Nr. 101 zu§ 611 8GB, Haftung des Arbeitnehmers = NZA 1993, 547; dazu: Blomeyer, JuS 1993, 903; Richardi, NZA 1994,241,243. 126 BAG GS AP Nr. 101 zu§ 611 BGB, Haftung des Arbeitnehmers, I I der Gründe. 127 7. Senat, AP Nr. 82 und 84 sowie I. Senat AP Nr. 61 jeweils zu § 611 8GB Haftung des Arbeitnehmers; scharf ablehnend: Richardi, NZA 1994,241,243. 12s BAG GS, II 2 der Gründe. 129 Siehe III 1-4 der Gründe, ablehnend: Blomeyer, JuS 1993, 903, 905. Ausführlich zur verfassungsrechtlichen Herleitung der Haftungserleichterung: 5. Teil C. 120 121

C. Das Haftungsrisiko des Arbeitnehmers

81

des BGH. 130 Daher war die Frage dem Gemeinsamen Senat der Obersten Gerichtshöfe des Bundes vorzulegen. 131 Auf Anfrage des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe beim zuständigen 6. Zivilsenat des BGH hat sich dieser im Ergebnis der Ansicht des Großen Senats des BAG angeschlossen, 132 wobei jedoch eine Divergenz in der Begründung dergestalt besteht, daß der 6. Zivilsenat den verfassungsrechtlichen Ausfiihrungen "nicht in allem folgt". Die dort genannten Grundrechte bedürften nicht der besonderen Hervorhebung bei der Abwägung im Rahmen des § 254 BGB, diese könne sogar zu dem Mißverständnis führen, daß auch eine Haftungsprivilegierung ohne Rücksicht auf das Verschulden des Arbeitnehmers denkbar wäre, wodurch die Haftungskonzeption der§§ 249, 276 BGB unstatthaft aufgehoben würde. Aufgrund dieses Beschlusses des 6. Zivilsenats und der Mitteilung des Vorsitzenden des Großen Senats des BAG vom 7.12.1993, daß gegen eine Einstellung des vor dem Gemeinsamen Senat der obersten Gerichtshöfe geführten Verfahrens keine Bedenken bestehen, hat der Vorsitzende des letztgenannten Senatsam 16.12.1993 das dortige Verfahren eingestellt. 133 Der "Abschied von der Gefahrgeneigtheit" wurde endgültig besiegelt durch den Beschluß des Großen Senat des BAG vom 27.9.1994. 134 Hier nimmt die verfassungsrechtliche Argumentation breiteren Raum ein und bezieht sich auf den Bürgschaftsbeschluß 135 des BVerfG. 136 Hinsichtlich der Abwägungskriterien auf der Rechtsfolgenseite für den Fall der Schadensteilung bei mittlerem Verschulden des Arbeitnehmers hält der Große Senat an der Rechtsprechung des 8. Senats fest. 137 Das Ausmaß seiner Beteiligung an den Schadensfolgen bestimmt sich danach aus einer Abwägung nach Billigkeits- und Zumutbarkeitsgesichtspunkten. Hervorgehoben sind, ohne eine abschließende Gewichung vorzunehmen, der Grad des V erschuldens, die Gefahrgeneigtheit der Arbeit, die Höhe des Schadens und ein vom Arbeitgeber kalkulierbares oder durch Versicherung deckbares Risiko sowie die Stellung des Arbeitnehmers im Betrieb und die Höhe des Arbeitsentgelts. 138

IV der Gründe; siehe hierzu Hanau/Rolfs, NJW 1994, 1439, 1440. Zum Verfahrensrecht Blomeyer, JuS 1993, 903, 904. 132 BGH NZA 1994, 270, 271 = NJW 1994, 856. m GmS OGB NJW 1994, 856, siehe auch die Anm. der Schriftltg. in NZA 1994, 271. 134 BAG GS AP Nr. 103 zu§ 611 8GB, Haftung des Arbeitnehmers= NZA 1994, 1083; vgl. auch die Entscheidung des 8. Senats vom 16.2.1995 im Ausgangsverfahren, 88 1995, 465. 13S BVerfGE 89,214. 136 C III der Gründe, vgl. die Anm. von Schlachter zu AP Nr. I 03, S. 5, 6. 137 IV der Gründe. 138 Hierzu Otto, Anm. zu BAG GS ArbuR 1995, 72, 75 f. , der bedauert, daß sich infolge der Unbestimmtheit der Abwägungskriterien keine festen Konturen der Arbeitnehmerhaftung ergäben. 130 131

6 Frisch

82

2. Teil: Die Entwicklung des Haftungsrisikos

111. Bewertung der Entwicklungstendenz

Bei zusammmenfassender Betrachtung der Entwicklung der höchstrichterlichen Rechtsprechung zur Arbeitnehmerhaftung können vier Entwicklungsabschnitte139 unterschieden werden: die von der Entscheidung des Großen Senats aus dem Jahre 1957 geprägte Epoche bis 1983, die von der Zuständigkeit des 7. Senats bestimmte Zeit der Haftungszweiteilung von 1983 bis 1987, die durch die Rückkehr zu den davor geltenden Grundsätzen gekennzeichnete Phase von 1987 bis 1989 und die darauf folgende, sich durch den Abschied von der Gefahrgeneigtheit auszeichnende, neueste Entwicklung. In der ersten Epoche, die sich charakterisieren läßt als diejenige der Etablierung der Haftungserleichterung zugunsten des Arbeitnehmers, ist die Tendenz zur kontinuierlichen, schrittweisen Verringerung der Haftungsgefahren auszumachen. Zunächst läßt sich dies durch die Erweiterung der Grundsätze von der zunächst entschiedenen Nichthaftung bei leichtestem Verschulden auf die lediglich anteilige Haftung bei normaler Fahrlässigkeit und letztlich auch - wie bereits in der Entscheidung des Großen Senats 1957 angelegt- bei grober Fahrlässigkeit belegen. Auch die sich in dieser Zeit verändernde Art und Weise, in der eine Arbeit als gefahrgeneigt eingeordnet wurde, stützt diese Eischätzung: Durch den Übergang zur konkret-situativen Betrachtung wurden immer mehr Tätigkeiten einer Haftungsprivilegierung zugänglich gemacht. Die Rückkehr zu den Grundsätzen der ersten Entwicklungsphase durch den 8. Senatnach der sehr arbeitnehmerfreundlichen Rechtsprechung des 7. Senats ist in der Literatur zwar als Rückwärtsgang bezeichnet worden140 und bedeutete zweifelsohne eine Verschärfung der Haftungsmaßstäbe. Nicht unberücksichtigt sollte in diesem Zusammenhang aber bleiben, daß die Urteile vom 24.11.1987 die Haftungssituation der Arbeitnehmer nicht einheitlich verschlechterten, wie die Entscheidung zur Obliegenheit des Arbeitgebers zum Abschluß einer Kaskoversicherung141 zeigt. Der letzte Entwicklungsabschnitt ab 1989 trägt wieder deutlich die Tendenz, die den Arbeitnehmer treffenden Haftungsrisiken zu verringern. Dies zeigt zunächst die Klarstellung, daß auch im Falle grober Fahrlässigkeit eine Haftungsminderung nicht ausgeschlossen ist, vor allem aber wird die weitere Haftungsmilderung durch den Verzicht auf die Gefahrgeneigtheit als Eingangsvoraussetzung greifbar. Diese Erweiterung des Anwendungsbereichs der Haftungsprivilegierung auf alle betrieblich bedingten Tätigkeiten bedeutet den Wegfall des bis dahin bestehenden zweiten "Alles-oder-nichts-Prinzips" neben demjenigen des Grundsatzes der Totalreparation und damit auch einen Gewinn an Rechtssicherheit 142 139 Vgl. Lipperheide, BB 1993,720,721-723. 140 Hanau/Preis, Anm. zu BAG JZ 1988, 1067, 1071 = AP Nr. 93 zu§ 611 BGB Haftung des Arbeitnehmers. 141 AP Nr. 93 zu§ 611 BGB Haftung des Arbeitnehmers. 142 Pfeiffer, AR-B1attei, Haftung des Arbeitnehmers Rz. 96 ff. ; Schnorbus, MDR 1994, 961' 966.

Dritter Teil

Rechtsprechung und Literatur zur Anwendbarkeit der Arbeitnehmerhaftungsprivilegierung auf Geschäftsführer A. Rechtsprechung zur Anwendbarkeit der Haftungserleichterung auf die Tätigkeit von Organmitgliedern I. Urteile des Bundesgerichtshofs Soweit ersichtlich, hat sich der BGH in nur einem Urteil explizit mit der Anwendung der Arbeitnehmerhaftungsregeln auf die Tätigkeit von Organen befaßt. In dieser Entscheidung zur Haftung eines Vorstandsmitglieds einer eingetragenen Genossenschaft gern. § 34 II GenG ist ohne nähere Begrundung lediglich festgestellt, daß "von einer Anwendung der arbeitsrechtlichen Grundsätze keine Rede sein kann".1 Eine Bestätigung dieser Entscheidung fmdet sich in einem weiteren Urteil des II. Zivilsenats, das einem ehrenamtlich tätigen Vereinsmitglied einen Freistellungsanspruch nach dem Vorbild des innerbetrieblichen Schadensausgleichs gegenüber dem Verein hinsichtlich des gegen ihn gerichteten Schadensersatzanspruchs eines Jugendlichen zubilligt. Der BGH hat hier die ehrenamtliche Tätigkeit, die die verletzte Aufsichtspflicht umfaßte, als gefahrgeneigt und damit der HaftungserleichterUng zugänglich erachtet, obwohl kein Arbeitsverhältnis zwischen dem Verein und seinem ersatzpflichtigen Mitglied vorlag. 2 Bezüglich der erstgenannten Entscheidung ist hier zu deren bzw. zur Begrundung des abweichenden Ergebnisses ausgeführt, daß bei einem Vorstandsmitglied oder einem Geschäftsftihrer eine Haftungsbeschränkung der Sache nach weder geboten noch gerechtfertigt sei, der Sinn der Bestellung und Anstellung eines Organs bestehe gerade darin, die Schwierigkeiten und Risiken der Leitung der juristischen Person jemandem zu übertragen, der diese beherrscht. 3 t BGH WM 1975,467, 469; vgl. auch die Nachw. bei Scholz/Schneider, Rdnr.l82; Rowedder/Koppensteiner, Rdnr. 6 und Meyer-Landrut/Miller/Niehus, Rdnr. I 0 jeweils zu§ 43. 2 BGHZ 89, 153, 159 = NJW 1984, 789 = WM 1984, 492 = JZ 1984, 619 mit krit. Anm. Löwisch/Amold, die die Tätigkeit eines Vereinsmitglieds aufgrund des größeren Ermessensspielraums derjenigen eines Arbeitnehmers nicht gleichsetzen wollen, S. 622. 3 BGHZ 89, 153, 159 mit Hinweis auf Canaris, RdA 1966, 41,48.

6*

84

3. Teil: Rechtsprechung und Literatur

Schneider sieht die Anwendung der Haftungserleichterungsregeln auf Organmitglieder durch zwei weitere Entscheidungen des VI. Senats des BGH aus dem Jahre 1969 abgelehnt. 4 Die beiden von ihm angefiihrten Urteile betreffenjedoch nicht Organe juristischer Personen, sondern leitende Angestellte, deren Organbestellung aus den veröffentlichten Sachverhalten nicht ersichtlich ist. Zum einen ist Gegenstand die Haftung eines als Justitiar angestellten Rechtsanwalts, wobei ungeklärt geblieben ist, welcher Natur der Anstellungsvertrag war; 5 die andere Entscheidung erörtert innerhalb eines Amtshaftungsanspruchs gegen einen Notar die auch in Betracht kommende Haftung des Leiters einer Kreditabteilung und Prokuristen einer Bank (Abteilungsdirektor). 6

II. Keine Entscheidungen des Bundesarbeitsgerichts Urteile des BAG, die sich mit der Frage der Anwendbarkeit der Arbeitnehmerhaftungsregelungen auf die Tätigkeit von Organen auseinandersetzen, sind nicht ersichtlich.

m. Parallelbetrachtung: die Rechtsprechung zur Haftungssituation des selbständigen Dienstnehmers und des leitenden Angestellten

Die ablehnende Haltung des BGH zur Anwendbarkeit der arbeitsrechtlichen Haftungserleichterung zugunsten von Organmitgliedern muß im Zusammenhang gesehen werden mit der Judikatur hinsichtlich der Haftungsprivilegierung fiir arbeitnehmerähnliche selbständige Dienstnehmer und der bisherigen haftungsrechtlichen Behandlung der leitenden Angestellten, da sich die Problernkreise berühren. Nach ständiger Rechtsprechung des BGH sind Mitglieder der Vertretungsorgane juristischer Personen nicht als Arbeitnehmer, sondern als Partner eines freien Dienstvertrages einzuordnen.7 Die Arbeitsaufgabe dieses Personenkreises gleicht aber weitgehend derjenigen der leitenden Angestellten. Betrachtete man die Organpersonen als Arbeitnehmer, wären sie die leitenden Angestellten par excellence. 8

4 Schneider, FS Wemer, S. 794, 806, in Fn. 33 und 34 sind BAG VersR 1969, 475 und BAG AP Nr. 51 zu § 611 BGB Haftung des Arbeitnehmers genannt. Es handelt sich aber tatsächlich um Entscheidungen des VI. Zivilsenats des BGH. s BGH AP Nr. 51 zu § 611 BGB Haftung des Arbeitnehmers = NJW 1970, 34. 6 BGH VersR 1969, 474, 477; vgl. zu beiden Entscheidungen auch die Ausflihrungen von Gamillscheg/Hanau, Die Haftung, S. 19 ff. 7 Zur Statusbestimmung ausflihrlich: 4. Teil, Bund D; siehe statt vieler Scholz/Schneider, § 35, Rdnr. 159 f. m.w.N. in Fn. 245 und 247. 8 Hromadka, Das Recht der leitenden Angestellten, S. 327; Schaub, ArbeitsrechtsHandbuch, § 14 I 2, S. 62: Sie sind, soziologisch gesehen, die oberste Stufe der leitenden Angestellten, sofern sie nicht aufgrund maßgeblicher Kapitalbeteiligung das Unter-

A. Rechtsprechung hinsichtlich der Organmitglieder

85

1. Haftungserleichterung für arbeitnehmerähnliche selbständige Dienstnehmer?

a) Die grundlegende Entscheidung des Bundesgerichtshofs Das Dienstverhältnis eines Selbständigen betreffend, hat der VI. Zivilsenat des BGH in einer frühen Entscheidung9 die Anwendbarkeit der Haftungserleichterung mit der Begründung des Fehlens von arbeitsvertragliehen Treueund Fürsorgepflichten, die aus der auf Dauer angelegten Verbundenheit der Vertragspartner des Arbeitsverhältnisses folgten, abgelehnt. 10 Die mangelnde Betriebsverbundenheit ftihre zu einer gegenüber Arbeitnehmern geringeren Weisungsunterworfenheit, die den notwendigen Ausgleich zur Belastung mit dem Betriebsrisiko darstelle. Das Urteil betrifft die Haftung eines Studenten, der es im Rahmen einer Gelegenheitstätigkeit übernommen hatte, einen Pkw zu überfUhren, wobei er leicht fahrlässig einen Unfall verursachte. b) Zunehmend abweichende Ansicht in der Literatur Mit der Abkehr von der dogmatischen Herleitung der Grundsätze zur Arbeitnehmerhaftung lediglich aus dem Treue- und Fürsorgegedanken 11 ist in der Literatur auch die Beschränkung ihres Anwendungsbereichs auf das Arbeitsverhältnis im klassischen Sinne nicht unbestritten geblieben. 12 Eine Ausweitung der Grundsätze auf die Vertragsbeziehungen von arbeitnehmer-ähnlichen Selbständigen dürfte inzwischen der überwiegenden Meinung des Schrifttums entsprechen. 13 Insbesondere infolge der Begründung ftir die Haftungserleichterung, die der Große Senat des BAG nunmehr anfUhrt- neben der gerechten Verteilung von tätigkeitsbedingten Risiken ist auch auf grundrechts-

nehmen entscheidend beeinflussen und damit den Unternehmern zuzurechnen sind. Vgl. auch Trinkhaus, DB 1968, 1756 ff. 9 BGH AP Nr. 28 zu § 611 BGB Haftung des Arbeitnehmers mit zustimmender Anm. von Hueck = NJW 1963, 1100 mit Anm. lsele, der die Ansicht des BGH hinsichtlich eines Selbständigen teilt, diese Einordnung des autoüberführenden Studenten aber bezweifelt. IO Hierauf ist auch in BGH AP Nr. 51 zu § 611 BGB Haftung des Arbeitnehmers hingewiesen. II Zur Entwicklung in der Rspr. des BAG siehe oben 2. Teil, C; zu den Möglichkeiten der dogmatischen Herleitung ausführlich Teil 5; vgl. zunächst nur Staudinger/Richardi, § 611, Rdnr. 487 ff. 12 Vgl. Staudinger/Richardi, § 611, Rdnr. 499; Canaris, RdA 1966, 41 ff.; Larenz, JuS 1965,373 ff. ; Isele, NJW 1964, 1441, 1449. 13 Vgl. Blomeyer, in: Münchener Handbuch zum Arbeitsrecht, §57, Rdnr. 67 m.w.N. in Fn. 282; Brox/Walker, DB 1985, 1469, 1477; Gamillscheg!Hanau, Die Hiftung, S. 21 f.; siehe auch Erman/Hanau, § 611, Rdnr. 346 und Koller, Risikozurechnug, S. 415 ff., 418; a.A. aber LAG Berlin, AfP 1990,336, 338.

86

3. Teil: Rechtsprechung und Literatur

geschützte Positionen abgestellt14 - , läßt sich die These der nicht über das Arbeitsverhältnis hinaus übertragbaren Besonderheiten der Haftungserleichterung in Frage stellen.15 Die Übertragbarkeit der Grundsätze zur Arbeitnehmerhaftung auf Rechtsverhältnisse arbeitnehmerähnlicher Personen wurde bereits frühzeitig wegen vergleichbarer sozialer Schutzbedürftigkeit16 bzw. einer dem Arbeitnehmer ähnlichen unterlegenen Position angenommen. 17 Für eine Gleichbehandlung dieses Personenkreises spreche, daß er aufgrund seiner wirtschaftlichen Unselbständigkeit die Gefahrenlage nicht beherrschen könne; allgemeine Prinzipien der Risikozurechnung und der Haftungskanalisation auf den Geschäftsherrn rechtfertigten eine Belastung des Dienstherrn. 18 Ohne an dieser Stelle näher auf die verschiedenen Möglichkeiten der dogmatischen Herleitung der Haftungsprivilegierung einzugehen, kann hier doch bereits festgestellt werden, daß angesichts des Wandels in der Begründung der Grundsätze zum innerbetrieblichen Schadensausgleich die Anwendung dieser Regeln aufGeschäftsfiihrer nicht mehr schlüssig mit der in der BGH-Rechtsprechung zur Haftung selbständiger Dienstnehmer, unabhängig von der Ausgestaltung des Vertrages, genannten Begründung abgelehnt werden kann. 2. Die Anwendung der Grundsätze zur Arbeitnehmerhaftung auf die Tätigkeit der leitenden Angestellten

a) Abweichende Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs und des Bundesarbeitsgerichts Zur Haftung des leitenden Angestellten hat der VI. Senat des BGH 19 ausgefiihrt, daß generell bei Diensten höherer Art mangels Routinecharakter der Tätigkeit diese nicht als gefahrgeneigt und damit nicht als privilegierungswürdig einzustufen sei. Weiterhin hat der VI. Senat argumentiert, die Anstel14 BAG GS AP Nr. 101 und 103 (27.9.1994) zur § 611 BGB, Haftung des Arbeitnehmers. 15 Schlachter, FS OLG Jena, S. 253, 254 m.w.N. in Fn. 11 und insb. S. 264 ff. zur Außenhaftung des Arbeitnehmers. 16 Neumann-Duesberg, JZ 1964,434, 439; Becker-Schaffner, NJW 1969, 1235, 123 7. 17 Zeuner, RdA 1975, 84, 87, der ähnlich begründet, wie die in der nächsten Fn. genannten Autoren. 18 Canaris, RdA 1966, 41 ff.; Hübner, Schadenszurechnung, S. 137-139; Larenz, JuS 1965, 373 ff. Richardi gewinnt dieses Ergebnis aus einer Interpretation des Verschuldensprinzips, nach der die culpa levissima bei Tätigkeit im fremden Interesse zum Vertretenmüssen nicht ausreicht, Staudinger/Richardi, § 611, Rdnr. 496 f., 500; vgl. auch 5. Teil, A II 3. t9 BGH AP Nr. 51 zu § 611 BGB Haftung des Arbeitnehmers = NJW 1970, 34, 35; vgl. auch die Entscheidung des IX. Senats vom 14.2.1985, AG 1985, 165, wo der Zusammenhang zwischen der Haftung des Geschäftsflihrers einer Innungskrankenkasse, vgl. §§ 31 I 2, 36 SGB IV, und der eines leitenden Angestellten hergestellt ist.

A. Rechtsprechung hinsichtlich der Organmitglieder

87

lung eines Justitiars diene gerade dazu, Risiken auszuschließen. Da ihm gegenüber vom W eisungsrecht, das das Korrelat der Fürsorgepflicht darstelle, kein Gebrauch gemacht werde und daher auch eine die Haftungserleichterung tragende Fürsorgepflicht nicht bestehe, seien die Grundsätze zur Arbeitnehmerhaftung nicht heranzuziehen. 20 Während der BGH leitenden Angestellten die Haftungserleichterung verwehrt hat, tendiert die arbeitsrechtliche Rechtsprechung zu einer haftungsrechtlichen Gleichstellung dieses Personenkreises mit den übrigen Arbeitnehmern.21 Nach einer Entscheidung des 3. Senats des BAG22 kommt auch ein leitender Angestellter in den Genuß einer Haftungsminderung, jedenfalls wenn der Schaden bei einer Tätigkeit entsteht, die nicht im Kernbereich seiner Aufgaben angesiedelt, also nicht charakteristisch für einen leitenden Angestellten ist. 23 Angesichts der BGH-Rechtsprechung hat der 3. Senat ausgeführt, eine generelle Vorenthaltung der haftungsrechtlichen Privilegien, gleichgültig welche Tätigkeit verrichtet werde, bedeute eine weitgehende und nicht gerechtfertigte Schlechterstellung. b) Literatur zur Haftung der leitenden Angestellten Das arbeitsrechtliche Schrifttum befürwortet durchgängig die Anwendung der Haftungsprivilegierung, und zwar auch für die typischen spezifischen Tätigkeiten der leitenden Angestellten. 24 Infolge der Rechtsprechungsänderung zum Erfordernis der Gefahrgeneigtheil ist auch davon auszugehen, daß künftig in der Rechtsprechung einzelne Arbeitnehmergruppen nicht mehr besonderen Haftungsregeln unterworfen werden. 25 Bereits vorher wurde angenommen, daß auch die fachspezifischen Tätigkeitsbereiche hochqualifizierter Arbeitnehmer im Einzelfall, beispielsweise infolge von Zeitdruck, als gefahrgeneigt eingestuft werden könnten. 26 Der leitende Angestellte werde letztlich genau wie andere Arbeitnehmer von einem tätigkeitsspezifischen Risiko bedroht, das bei ver2o II b bb der Gründe; vgl. auch die Entscheidung BGH VersR 1969, 474, 477 und Gamillscheg/Hanau, Die Haftung, S. 19, die darauf hinweisen, daß dem Urteil ein flir die Frage der Arbeitnehmerhaftungserleichterung untypischer Sachverhalt zugrundeliegt und daß diese Urteilspassage sich lediglich auf die Tätigkeit eines Justitiars beziehe, was aber aus den Urteilsgründen jedenfalls nicht deutlich hervorgeht. 2 1 Martens, Das Arbeitsrecht, S. 113; Blomeyer, in: Münchener Handbuch zum Arbeitsrecht,§ 57, Rdnr. 67. 22 BAG AP Nr. 80 zu § 611 BGB Haftung des Arbeitnehmers. 23 BAG AP Nr. 80 zu § 611 BGB Haftung des Arbeitnehmers, 4 b der Gründe. Heisse, Die Beschränkung, S. 63, befürwortet die Differenzierung nach Tätigkeitskreisen. 24 Vgl. die ausführliche Darstellung bei Martens, Das Arbeitsrecht, S. 112 ff. mit Hinweis auch auf die vereinzelt gebliebenen, die Rechtsprechung des BGH billigenden Stellungnahmen, S. 114. 25 Schaub, WiB 1994,227,229. 26 Baumgärtel, VersR 1970, 127; Bieler, BB 1977, 1000; Martens Das Arbeitsrecht, s. 121.

88

3. Teil: Rechtsprechung und Literatur

antwortungsvollen Tätigkeiten mit den hier anfallenden weitreichenden Entscheidungen sogar zu besonders großen Schäden führen könne, 27 so daß eine unterschiedliche Behandlung dem Gleichheitssatz widerspreche. 28 Herausgestellt wurde, daß die Belastung des leitenden Angestellten mit den Folgen einer unternehmerischen Fehlentscheidung sich als systemwidrige Verlagerung des Unternehmerrisikos darstellen könne.29 Das Justitiarurteil des BGH30 betreffend, haben mehrere Autoren nachgewiesen, daß auch leitende Angestellte der Weisungsgewalt des Arbeitgebers infolge Einbindung in die vertikale Zuständigkeitsordnung ausgesetzt sind und durch die Fürsorgepflicht geschützt sein sollten.31 Die Anwendbarkeit der Grundsätze zur Arbeitnehmerhaftung auf Geschäftsführer einer GmbH kann danach jedenfalls nicht mehr pauschal unter Bezugnahme auf die Rechtsprechung des BGH zur Haftung der leitenden Angestellten abgelehnt werden. 32

B. Literatur zur Anwendbarkeit der Haftungserleichterung auf die Tätigkeit von Organmitgliedern I. Überwiegender Teil der Literatur gegen eine Anwendung der Regeln zur Arbeitnehmerhaftung In der Literatur finden sich bislang nur wenige ausführliche Stellungnahmen zur Haftungserleichterung für die Mitglieder der Vertretungsorgane juristischer Personen. Ganz überwiegend lehnt man die Anwendung der Grundsätze zur Arbeitnehmerhaftung ab, jedenfalls soweit es sich um Schäden handelt, die aus spezifischen Organtätigkeiten erwachsen. Grob verkürzt lassen sich zunächst drei Argumente anführen, die für die ablehnende Haltung vorgebracht werden: Die Stellung eines Organs sei mit der eines Arbeitnehmers nicht hinreichend vergleichbar; der Anwendung der Regeln zur Arbeitnehmerhaftung stehe der zwingende Charakter der einschlägigen gesellschaftsrechtlichen Normen entgegen, und die Haftungsprivilegierung sei auch nicht erforderlich, um befriedigende Ergebnisse zu erzielen. Eine genauere Untersuchung der Argumentation der einzelnen Autoren zeigt aber, daß die ablehnenden Schlußfolgerungen angreifbar sind,

27ßoergen,MDR 1971,178,181 . 2s Bieter, BB 1977, 1000; so jetzt auch Schaub, WiB 1994,227,229. 29 Schaub, Arbeitsrechts-Handbuch, 5. Auflage, S. 244. Siehe zu diesem Gesichtspunkt auch Martens, Das Arbeitsrecht, S. 117, der diesbezüglich bereits am Vorliegen der Pflichtverletzung zweifelt. 30 BGH AP Nr. 51 zu § 611 BGB Haftung des Arbeitnehmers. 31 Obwohl die Weisungsgebundenheit eine andere Intensität aufweist, z.B. Martens, Das Arbeitsrecht der leitenden Angestellten, S. 119. 32 So aber der IX. Senat des BGH AG 1985, 165, zur Haftung des Geschäftsftihrers einer Innungskrankenkasse.

B. Literatur hinsichtlich der Organmitglieder

89

wobei der Frage, ob § 43 GmbHG umfassend zwingendes Recht darstellt, an anderer Stelle nachgegangen werden soll. 33 I. Die Ansicht Schneiders

a) Die Argumentation Ausruhrlieh mit der Frage einer Haftungserleichterung fiir Geschäftsfiihrer hat sich zunächst Schneider34 beschäftigt. Er begründet seine ablehnende Haltung gegenüber einer Anwendung der Arbeitnehmerhaftungsregeln mit gewichtigen Unterschieden zwischen dem Status eines Arbeitnehmers und der Stellung und den Pflichten eines Organmitglieds. Organe seien Fremdverwalter, die als Treuhänder das Vermögen der Gesellschafter und die Haftungsmasse der Gläubiger verwalteten. Hierzu seien sie angehalten durch die organisationsrechtlichen Pflichten, die also nicht nur dem Interesse der Gesellschaft, sondern mittelbar auch dem Schutz des Vermögens der Gesellschafter und der Haftungsmasse der Gläubiger dienten. 35 In einem weiteren Schritt der Argumentation unterscheidet Schneider im Hinblick auf die mögliche haftungsbefreiende Wirkung einer Weisung zwischen primär gläubigerschützenden, zwingenden, nicht der Disposition der Gesellschaft zugänglichen Pflichten und solchen, bei denen der auch bezweckte Gläubigerschutz lediglich Reflex sei. Bei den letztgenannten Pflichten komme eine rechtsgeschäftliche Haftungsmilderung in Betracht, etwa bei der Pflicht zur ordnungsgemäßen Unternehmensleitung. Demgegenüber seien Dispositionen über die Haftung im Rahmen der Kapitalaufbringung und -erhaltung, der Risikotrennung und der Liquiditätssicherung nicht möglich. 36 Daraus aber, daß eine Weisung nicht zwingend zur Enthaftung des Organs fiihrt, folge, daß eine allgemeine Treuepflicht zur Haftungsmilderung nicht anzuerkennen sei und deshalb die Grundsätze zur Arbeitnehmerhaftung auch bei der Verletzung von Pflichten, bei denen die Möglichkeit zur rechtsgeschäftliehen Haftungsmilderung bestehe, nicht eingreifen könnten. Eine Weisung stehe der Haftung dann nicht entgegen, wenn sie mit dem Wesen der Gesellschaft unvereinbar sei oder wenn durch ihre Ausfiihrung im öffentlichen Interesse liegende Vorschriften oder die guten Sitten verletzt würden. 37 Die Anwendbarkeit der Haftungserleichterung folge auch nicht aus dem Prinzip der Risikohaftung

Siehe unten 5. Teil, D. FS Wemer, S. 795, 804 ff. 35 Schneider, FS Wemer, S. 795, 807 f. ; vgl. auch Scholz/Schneider, § 43, Rdnr. 180183; ihm folgend: Gisse), Arbeitnehmerschutz, S. 138; i.E. auch Groß, Das Anstellungsverhältnis, S. 364 und 367. 36 FS Wemer, S. 795, 808 ff. 37 FS Wemer, S. 795, 811 f. 33

34

90

3. Teil: Rechtsprechung und Literatur

bei Tätigkeit im fremden Interesse. 38 Auf diesen Gesichtspunkt geht Schneider aber nicht näher ein. Im Rahmen der Pflicht zur ordnungsgemäßen Unternehmensleitung sollte sich seiner Ansicht nach eine beachtliche Beschränkung der Haftungsrisiken bereits daraus ergeben, daß die Gerichte den Grundsatz des Unternehmerischen Ermessens achteten und auf eine Zweckmäßigkeitskontrolle bei der Prüfung der haftungsbegründenden Pflichtverletzung verzichteten.39 Für anwendbar sind die Grundsätze zum innerbetrieblichen Schadensausgleich lediglich bei der Verletzung von Pflichten erklärt, die nicht im unmittelbaren Zusammenhang mit der Untemehmensleitung, dem typischen Verantwortungshereich des Organrnitglieds, stehen, wie der Obhutspflicht etwa bei einem Unfall mit einem Firmenauto.40 Dies entspricht der inzwischen überwiegenden Ansicht in der Literatur. 41 b) Kritik Schneider sieht die Grundsätze zur Arbeitnehmerhaftung, offenbar der oben erörterten Rechtsprechung des BGH folgend, zumindest primär in der Treueund Fürsorgepflicht begründet, die er, bezogen auf das Organrnitglied, als nicht weitreichend genug einschätzt, die Haftungsprivilegierung zu rechtfertigen. Die genannten Fälle, in denen die Weisung eine haftungsbefreiende Wirkung nicht entfaltet, sind aber derartig eng, daß hierdurch die generelle Nichtanwendbarkeit der Grundsätze zur Arbeitnehmerhaftung - abgesehen von den unspezifischen Pflichten- nicht erklärt werden kann. Im Bereich der Haftung für fahrlässige Unternehmerische Fehlentscheidungen würden die haftungsbefreienden Wirkungen einer Weisung oftmals der Anwendung der Arbeitnehmerhaftungsprivilegierung entsprechen.42 Das Prinzip der Risikoverteilung bei Tätigkeit im Fremdinteresse zur Begründung der Haftungserleichterung ist zwar genannt, offen bleibt aber, warum es nicht durchgreifen soll. Damit folgt Schneider letztlich einem monokausalen An-

Js FS Werner, S. 795, 812. FS Werner, S. 795, 811. 40 FS Werner, S. 795, 812 f., auch Scholz/Schneider, § 43, Rdnr. 183. 41 Pullen, DB 1984, 989, 991; Gisse1, Arbeitnehmerschutz, S. 139; Heisse, Die Beschränkung, S. 61 f.; Bastuck, Enthaftung, S. 85; Groß, Das Anstellungsverhältnis, S. 364; Lieb/Eckardt, Der Geschäftsführer, S. 82. A. A. Baumbach!Hueck/Zöllner, § 43, Rdnr. 9 und Brachert, Organmitgliedschaft, S. 221, Geschäftsleitung und sonstige Tätigkeiten seien nicht hinreichend trennbar, so daß im Interesse des Gläubigerschutzes und der Rechtssicherheit der Geschäftsführer auch bei der Verletzung von Obhutspflichten der strikten Haftung zu unterwerfen sei. 42 Vgl. Kessler, ZAP 1991, 1009, 1015. 39

B. Literatur hinsichtlich der Organmitglieder

91

satz zur dogmatischen Herleitung und Begründung der Haftungsprivilegierung, derdem aktuellen Stand in Rechtsprechung und Lehre nicht mehr entspricht. 43 Ob die von Schneider geforderte Risikobegrenzung im Wege einer Beachtung des Grundsatzes des Unternehmerischen Ermessens von der Rechtsprechung durchgängig mitgetragen wird, muß bezweifelt werden. Diese Erwägung kann außerdem das Haftungsrisiko, das sich aus Rückgriffsansprüchen der Gesellschaft gegen ihren Geschäftsführer infolge einer deliktsrechtlichen Inanspruchnahme der Gesellschaft durch Dritte ergibt, nicht mildem. Bei deliktischer Außenhaftung der Gesellschaft wird stets ein Verstoß des Geschäftsführers gegen § 43 I GmbHG angenommen, sofern nicht die Außenhaftung auf einer verschuldensunabhängigen Grundlage beruht. Eine derart vorgenommene Risikobegrenzung kann die Anwendung der arbeitsrechtlichen Haftungsprivilegierung auch deshalb nicht ersetzen, da es - wenn auch bei höheren Anforderungen an die Annahme einer Pflichtverletzung - beim ,,Alles-oder-nichts-Prinzip" der vollständigen Haftung oder Nichthaftung bliebe, die Möglichkeit der Schadensteilung also nicht eröffnet würde. Grundsätzlich kann die Annahme eines Ermessensspielraums, der einem haftungsrechtlichen Freiraum entspricht, die Regeln der Haftungserleichterung nicht substituieren, denn auch beim ermessenswidrigen Verhalten stellt sich die Frage nach dem angemessenen Haftungsmaßstab, die durch die eigenverantwortliche Wahrnehmung von Entscheidungsbefugnissen nicht präjudiziert ist.44 Bei der Kritik an der Schneidersehen Ansicht sollte nicht unberücksichtigt bleiben, daß er die sehr arbeitnehmerfreundliche Rechtsprechung des 3. Senats des BAG aus dem Jahre 1983, die die vollständige Haftungsfreistellung unterhalb der Grenze der grobfahrlässigen Pflichtverletzung vorsah, zugrundelegen mußte. 45

2. Die Ansicht Heisses a) Die Argumentation Heisse spricht sich zunächst gegen eine direkte Anwendung der Regeln zur Arbeitnehmerhaftung auf die Tätigkeit eines Organs aufgrund der fehlenden Arbeitnehmereigenschaft der Geschäftsfiihrer aus, wobei er die traditionelle Auffassung in der Literatur und die Rechtsprechung der Zivilgerichtsbarkeit zum Status der Organpersonen zugrunde legt. 46 Die persönliche Voraussetzung fiir eine analoge Anwendung sieht er hingegen bei einer dem Arbeitnehmer vergleichbaren sozialen Schutzbedürftigkeit des Fremdgeschäftsfiihrers und des 43 Zur Entwicklung in der arbeitsgerichtliehen Rechtsprechung siehe oben 2. Teil, C II, ausführlich zu den dogmatischen Herleitungsversuchen siehe unten 5. Teil. 4 4 Martens, Das Recht der leitenden Angestellten, S. 115. 45 Schneider, FS Wemer, S. 795, 805 f. 46 Heisse, Die Beschränkung, S. 56 m. zahlr. Nachw. in Fn. 4. Dort wird der Anstellungsvertrag des Geschäftsftihrers als "freier" Dienstvertrag behandelt, vgl. ausftihrlich: 4. Teil, B und D I.

92

3. Teil: Rechtsprechung und Literatur

Gesellschaftergeschäftsführers ohne entscheidenden Einfluß auf die Gesellschaft als gegeben anY Bei der Untersuchung der sachlichen Analogievoraussetzungen legt Heisse sowohl die Begründung der Arbeitnehmerhaftungsregeln aus der Treue- und Fürsorgepflicht als auch die aus dem Betriebsrisiko als verschuldeusunabhängigem Zurechnungsfaktor folgende Herleitung zugrunde. 48 Gegen die Analogie spricht seiner Ansicht nach die Stellung des Organs, die mit der eines Arbeitnehmers nicht vergleichbar sei; außerdem stehe der zwingende Charakter der Organhaftung entgegen. 49 Arbeitnehmer und Geschäftsführer seien nicht komparabel, da der Arbeitnehmer eine bestimmte Aufgabe erfüllen solle und ihn das dabei entstehende Haftungsrisiko nur als unbeabsichtigte Nebenfolge treffe. Demgegenüber werde der Geschäftsfiihrer dem Haftungsrisiko nicht ungewollt ausgesetzt; ihm werde die Sorge fiir das GmbH-Vermögen bewußt übertragen, weil er die schwierige Tätigkeit der Untemehmensfiihrung besser beherrschen solle. Dies stehe hinsichtlich der innerbetrieblichen Risikoverteilung einer Vergleichbarkeit mit dem Arbeitnehmer entgegen. Heisse greift hiermit die Argumentation des BGH in der zweiten obengenannten Entscheidung auf. 50 Auch eine die Haftungsprivilegierung tragende Fürsorgepflicht könne nicht entstehen, da der Geschäftsfiihrer gerade die Vermögenssorge übernommen habe. 51 Heisse hält eine Haftungsprivilegierung mit Schneider im Ergebnis übereinstimmend fiir Tätigkeiten außerhalb originärer Geschäftsfiihrerpflichten fiir möglich; werden derartige Pflichten verletzt, beruhe der Schadensersatzanspruch nicht auf§ 43 II GmbHG sondern auf einer pVV des Anstellungsvertrages. 52 b) Kritik (1)

Zentrales Argument nicht tragfähig

Reisses zentrales Argument, das auch der BGH-Rechtsprechung zugrundeliegt, den Arbeitnehmer treffe im Gegensatz zum Geschäftsfiihrer, dem die Vermögenssorge fiir die Gesellschaft bewußt übertragen wird, das Haftungsrisiko lediglich als ungewollter Reflex, kann der Anwendung einer Haftungser.leichterung nicht mehr entgegengehalten werden. Es beruht letztlich auf der Gefahrgeneigtheit als Eingangsvoraussetzung der Haftungsprivilegierung, an der nicht mehr festgehalten wird. Dies wird insbesondere durch einen Ver-

Heisse, Die Beschränkung, S. 57. Heisse, Die Beschränkung, S. 57 f. 49 Heisse, Die Beschränkung, S. 59. 50 Heisse, Die Beschränkung, S. 59 f. mit Hinweis aufBGHZ 89, 153, 159 und unter Bezugnahme aufCanaris, RdA 1966,41,48. 51 Heisse, Die Beschränkung, S. 60. 52 Heisse, Die Beschränkung, S. 61 f. 47 48

B. Literatur hinsichtlich der Organmitglieder

93

gleich mit den Ausfiihrungen Monjaus, auf die Heisse verweist,S3 deutlich. Monjau zufolge ist die Aufgabe eines leitenden Angestellten - die Argumentation ist auf den Geschäftsfiihrer übertragbar - nicht mit der gefahrgeneigten Tätigkeit eines Arbeitnehmers zu vergleichen, die in der ordnungsgemäßen Vomahme gleichbleibender Verrichtungen bestehe und bei der der Schaden durch eine von der Normsituation abweichende Handlungsweise entstehe. Der leitende Angestellte habe demgegenüber die Aufgabe, weitreichende Entscheidungen zu treffen. Bei dieser originären Tätigkeit infolge von Fehlentscheidungen entstehende Schäden stellen sich daher als Schlechterfüllung der primär geschuldeten Leistung dar, also nicht als Fehler, die lediglich "bei Gelegenheit" der geschuldeten Leistung entstehen. Deshalb sei eine Haftungserleichterung wegen schadensgeneigter Tätigkeit ausgeschlossen. 54 Die Erstreckung der Haftungserleichterung auf jegliche "betrieblich veranlaßte" Tätigkeit zeigt, ungeachtet der unglücklichen Formulierung, die der Große Senat hierfiir vorgibt, 55 daß das aus der betrieblichen Tätigkeit fließende Risiko umfassend verlagert werden soll. Dem entspricht es, die Schlechtleistung im Arbeitsverhältnis insgesamt den Regeln der Haftungserleichterung zugänglich zu machen. Sowohl die Verletzung des Erfiillungsinteresses des Arbeitgebers durch mangelhafte oder unvollständige Arbeitsleistung als auch die Verletzung übererftillungsmäßiger Interessen und die Nichterfiillung sonstiger, mit der geschuldeten Tätigkeit verbundener Nebenpflichten führen danach nicht zu einer unbeschränkten Haftung. 56 Unabhängig hiervon berücksichtigt Reisses Ansatz nicht, daß auch die Aufgabe eines Arbeitnehmers in der Vermögenssorge fiir seinen Arbeitgeber bestehen kann, ohne daß hierdurch die Anwendbarkeit der Regeln zur Arbeitnehmerhaftung ausgeschlossen sein sollte. Dies dürfte bei leitenden Angestellten regelmäßig der Fall sein; Teil ihrer gesteigerten Treue- und Nebenpflichten als Ausprägung ihrer mit dem weitreichenden Entscheidungsspielraum korrespondierenden Führungsverantwortlichkeit ist es, die Vermögensinteressen des Unternehmens umfassend und optimal zu wahren.57

Heisse, Die Beschränkung, S. 59, Rdnr. 9. Monjau, DB 1969, 84, 86. Monjau unterstellt aber statt dessen einen konkludent vereinbarten Haftungsausschluß, S. 87. 55 Überzeugend: Schlachter, FS OLG Jena, S. 253, 257; vgl. BAG GS NZA 1993, 547, B III 5. 56 Schlachter, FS OLG Jena, S. 260; so bereits Otto, Gutachten E zum 56. DJT, S. 51 f. Zur Deutung der betrieblichen Veranlassung siehe auch Blomeyer, JuS 1993, 903, 906: Ausgeschlossen sind lediglich Tätigkeiten, die nur "bei Gelegenheit" der Arbeitsleistung zu einem Schaden fUhren. Gegen eine Differenzierung in "eigentliche" und "uneigentliche" Tätigkeiten bereits Boergen, MDR 1971, 178, 181. 57 Martens, Das Recht der leitenden Angestellten, S. 99 f.; siehe auch Brox/Walker, DB 1985, 1469, 1477: auch jeder Arbeitnehmer wird dazu eingesetzt, die berufsspezifischen Gefahren zu bewältigen. 53

54

94

3. Teil: Rechtsprechung und Literatur

Auch die Überlegungen von Canaris, die sowohl der BGH als auch Heisse tragen die Argumentation letztlich nicht. Zunächst ist festzuhalten, daß Canaris ebenfalls von der Voraussetzung der Gefahrgeneigtheit ausgeht, die er für notwendig erachtet, um lediglich besondere, tätigkeitsspezifische Risiken zu verlagern, nicht jedoch das allgemeine Lebensrisiko. ~9 Eine Risikoverlagerung soll nach Canaris dann nicht in Betracht kommen, wenn sie dem immanenten Sinn des Vertrages zuwiderläuft, der gerade darin bestehen kann, daß einer der beiden Partner das Risiko aufgrund besserer Beherrschbarkeit zu tragen hat, wie bei Verträgen mit "echten Selbständigen", wie z.B. Rechtsanwälten oder Ärzten. Hervorgehoben ist aber gleichzeitig, daß dies bei der Anstellung eines Spezialisten im Betrieb aufgrund der Eingliederung in den Risikobereich des Arbeitgebers anders zu beurteilen sei.60 anführen~ 8 ,

Da sich die Stellung des Organs jedenfalls für den Fremdgeschäftsführer und den Gesellschaftergeschäftsführer ohne maßgeblichen Einfluß nicht als "echte Selbständigkeit" darstellt, 61 müßte Canaris zufolge auf das Kriterium der Absicherbarkeit des Risikos zurückgegriffen werden62

(2)

Parallelbetrachtung der Mankohaftung im Arbeitsverhältnis

Die Argumentation Heisses, wegen der bewußten Übertragung der Geschäftsführungsaufgabe könne keine spezifische Fürsorgepflicht als Grundlage für eine Haftungserleichterung entstehen, da der Geschäftsführer mit der Annahme des Amtes gerade die Vermögenssorge übernehme, legt einen Vergleich mit der haftungsrechtlichen Beurteilung des Mankos im Arbeitsverhältnis nahe. Die Mankohaftung hat sich Laufe der Zeit zu einem eigenständigen Institut innerhalb der allgemeinen Arbeitnehmerhaftung entwickelt. Von Mankohaftung im Arbeitsverhältnis spricht man in den Fällen, in denen der Arbeitgeber den Arbeitnehmer für Schäden verantwortlich macht, die aus der negativen Differenz zwischen dem Soll- und Istzustand eines dem Arbeitnehmer anvertrauten Bestandes an Gegenständen entstanden sind.63 Es handelt sich also um Tatbestände, bei denen dem Arbeitnehmer bewußt die Sorge für Vermögensgegenstände übertragen worden ist. 64 Die Haftung fürFehlbestände kann sich zunächst aus einer Mankoabrede erge.ben. Eine derartige Vereinbarung ist aufgrund des Grundsatzes der VertragsBGHZ 89, 153, 159; Heisse, Die Beschränkung, S. 59, Fn. 10. Canaris, RdA 1966, 41, 46. 60 RdA 1966,41,48. 61 Deutlich: Fleck, FS Hilger/Stumpf, S. 197, 205. 62 Canaris, RdA 1966, 41, 46. Ausführlich zur Theorie der Risikohaftung bei Tätigkeit im Fremdinteresse: 5. Teil, B II. 63 Statt vieler: Pauly, JR 1995, 228 m.w.N. 64 Schaub, Arbeitsrechts-Handbuch, § 52 X 1, S. 315; Zusammenstellung der Fallgruppen zur Mankohaftung bei Reinecke, ZfA 1976, 215, 216 f.; Blomeyer, in: Münchener Handbuch zum Arbeitsrecht, § 57, Rdnr. 72 und Pauly, JR 1995, 228 m.w.N. ~s

~9

B. Literatur hinsichtlich der Organmitglieder

95

freiheitgrundsätzlich möglich, sie wirdjedoch am Maßstab der Sittenwidrigkeit gern. § 138 S. 2 BGB gemessen, wobei die Nichtigkeitsfolge insbesondere dann eintritt, wenn zwischen dem Mankorisiko und dem Mankogeld, das als Ausgleich gewährt werden muß, ein auffälliges Mißverhältnis besteht. Eine derartige Ungleichgewichtigkeit wird als unzulässige Abwälzung des Unternehmerwagnisses aufgefaßt. 65 Ist die Mankoabrede nichtig, bzw. existiert eine solche von vornherein nicht, folgt die Haftung des Arbeitnehmers fiir den Fehlbestand neben den denkbaren deliktischen Grundlagen aus einer p VV des Arbeitsvertrages oder- dem BAG zufolge im Falle von Arbeitnehmern mit einer gewissen Selbständigkeit, die eine besondere Vertrauensstellung innehaben- auch aus den Normen des Auftrags- und zum Teil auch des Verwahrungsrechts, §§ 675, 667, 688 ff. BGB.66 Die Anwendbarkeit der Regeln zum innerbetrieblichen Schadensausgleich auf die Mankohaftung ist umstritten. Die Rechtsprechung hat diese Haftungserleichterung bislang nicht herangezogen,67 da die Gefahrneigung der Tätigkeit verneint wurde68 , bzw. weil ein zur selbständigen Wahrnehmung der Vermögenssorge bestellter Arbeitnehmer zur gesteigerten Sorgfalt verpflichtet sei und eine Haftungsbeschränkung die Arbeitgeberinteressen gefahrde.69 Gleichwohl ist sie zu Ergebnissen gelangt, die einer Anwendung dieser Grundsätze zumindest sehr nahe kommen.70 Letzteres resultiert aus der sehr weitgehenden Annahme eines Mitverschuldens des Arbeitgebers, das in allen Mankohaftungsfallen von Amts wegen geprüft wird und insbesondere bei Organisationsmängeln oder fehlender Überwachung angenommen wurde. 71 Hinter dieser Rechtsprechung verbirgt sich letztlich der Gedanke des Betriebsrisikos.72 Darüber hinaus hat das BAG in einem obiter dieturn festgestellt, daß eine Gefahrgeneigtheit der Tätigkeit und damit eine Haftungserleichterung in besonderen Situationen denkbar sei. 73 6s Blomeyer in: Münchener Handbuch zum Arbeitsrecht, §57, Rdnr. 75; siehe BAG AP Nr. 54, 57, 87 zu§ 611 BGB Haftung des Arbeitnehmers. 66 Vgl. zuletzt BAG AP Nr. 87 zu § 611 BGB Haftung des Arbeitnehmers; Schaub, § 52 X 4, S. 316 m. weit. Nachw. zur Rspr. in Fn. 152; vgl. auch Blomeyer, in: Münchener Handbuch zum Arbeitsrecht, §57, Rdnr. 72, der die Heranziehung der genannten außerarbeitsvertragliehen Grundlagen wegen der Auswirkung auf die Beweislastverteilung (Anwendung des § 282 BGB) ablehnt, hierzu näher Baumgärtel, Handbuch des Beweislast, § 611, Rdnr. 28 ff. 67 Siehe BAG AP Nr. 32, 64, 67, 76, 77 und LAG Bremen, AP Nr. 3 zu§ 611 BGB Haftung des Arbeitnehmers, siehe bereits die Differenzierung in RAG ARS 41, 55, 58. 68 BAG AP Nr. 77 zu§ 611 BGB Haftung des Arbeitnehmers. 69 Bulla, DB 1952, 58, 59; Reinecke, ZfA 1976, 215, 220 m.w.N. 1o Reinecke, ZfA 1976, 215, 220; Erman/Hanau, § 611, Rdnr. 348; Pauly, JR 1995, 227, 229. 71 Detaillert: Barton, Mankohaftung, S. 54-58; vgl. BAG AP Nr. 52, 54, 57 und 64 zu § 611 BGB Haftung des Arbeitnehmers; siehe auch Schaub, § 52 X 4b, S. 317. n So bereits Bleistein, DB 71,2213, 2214; Pau1y, JR 1995, 227,229. 73 BAG AP Nr. 56 zu § 611 BGB Haftung des Arbeitnehmers, genannt ist der Fall des Bankkassierers, der sehr umfangreiche Kassengeschäfte mit zahllosen kleinen Einzeiheträgen zu tätigen hat.

96

3. Teil: Rechtsprechung und Literatur

Bereits vor dem Wegfall der Gefahrgeneigtheit als Eingangsvoraussetzung der Haftungserleichterung war die Rechtsprechung des BAG der Kritik ausgesetzt, daß sie keine einheitliche Bewertung der gesamten Arbeitnehmerhaftung gewährleiste, was hinsichtlich der auf anderem Wege erreichten vergleichbaren Ergebnisse und der in allen Fällen der Arbeitnehmerhaftung gleichen Interessenlage der Beteiligten wünschenswert sei. 74 Nunmehr erscheint es auch deshalb sachgerecht, die Mankohaftung jenseits einer wirksamen Mankoabrede den Grundsätzen zum innerbetrieblichen Schadensausgleich zu unterstellen, da durch die Voraussetzung der betrieblichen Veranlassung klargestellt ist, daß sämtliche Tätigkeiten, die im Interesse des Betriebs verrichtet werden, der Haftungserleichterung unterfallen. 75 Das Argument gesteigerter Sorgfaltspflichten hinsichtlich anvertrauter Güter spricht nicht zwingend gegen eine Haftungsprivilegierung, da dieser Aspekt bei der Festlegung der verkehrserforderlichen Sorgfalt berücksichtigt werden kann. 76 c) Zwischenergebnis Die Argumentation Reisses kann - vorbehaltlich des von ihm unterstellten zwingenden Charakters des§ 43 GmbHG- der Anwendung einer Haftungserleichterung nach dem Vorbild der Rechtssätze zur Arbeitnehmerhaftung nicht entgegenstehen. Festgehalten sein soll, daß auch seinen Ausführungen die sehr arbeitnehmerfreundliche Haftungskonzeption des 3. Senats des BAG zugrundeliegt17 und er von einer weitreichenden Beachtung des Grundsatzes der eingeschränkten gerichtlichen Überprüfbarkeit unternehmenscher Ermessensentscheidungen ausgeht. 78 3. Die Ansicht Bastucks

Ausgehend von der Voraussetzung der Gefahrgeneigtheit sieht Bastuck Elemente der Haftungserleichterung bereits ohne die Anwendung der Grund74 Blomeyer, in: Münchener Handbuch zum Arbeitsrecht, §57, Rdnr. 85 und im Ergebnis Reinecke, der die genannten Fallgruppen der Mankohaftung ausnahmslos als gefahrgeneigte Tätigkeiten einordnet. 75 Es kann auf die Ausführungen zur Haftungserleichterung bei der Verletzung des Erfüllungsinteresses verwiesen werden; auch: Pauly, JR 1995, 228, 231 f. Zweifelnd hinsichtlich der auf eine Geschäftsbesorgung gerichteten Arbeitsverträge äußert sich Schaub, WiB 1994, 227, 229, der jedoch auch einräumt, daß dem Arbeitnehmer hier ein Teil des Betriebsrisikos überbürdet werde, was nur bei einem angemessenen Ausgleich möglich sei. Bereits die Überlagerung des Arbeitsverhältnisses bei "selbständigeren" Arbeitnehmern mit Normen des Auftrags- bzw. Verwahrungsrechts ist aber Bedenken ausgesetzt, Blomeyer, in: Münchener Handbuch des Arbeitsrechts, §57, Rdnr. 56. 76 Vgl. Pauly, JR 1995, 228, 231 f. ; so bereits Reinecke, ZfA 1976, 215, 221 f. 77 Heisse, Die Beschränkung, S. 55 f. 1s Siehe oben I. Teil, A I 3 b) (I) (a), Heisse greift auf die Grundsätze zur Ermessensüberprüfung aus dem verwaltungsgerichtlichen Verfahren zurück.

B. Literatur hinsichtlich der Organmitglieder

97

sätze zur Arbeitnehmerhaftung verwirklicht. Er setzt hierzu bei der Bestimmung der Organmitgliedern obliegenden Sorgfaltspflichten an, in der er Elemente der Gefahrgeneigtheit in Gestalt des nicht zu überprüfenden Unternehmerischen Ermessens erkennt.79 Auch er plädiert dafiir, die Schwelle der Pflichtverletznng bei Unternehmerischen Entscheidungen hoch anzusetzen. 80 Für die verbleibenden Fälle steht auch nach Bastuck die Stellung der Organmitglieder einer Haftungserleichterung nach dem Vorbild des innerbetrieblichen Schadensausgleichs entgegen. Seiner Ansicht nach beruhen die der Arbeitnehmerhaftung zugrundeliegenden Risikotheorien auf der Prämisse, daß der Schaden nur zwischen zwei Parteien, Arbeitnehmer und Arbeitgeber, zu verteilen ist. Aus diesem Grund sei dieses Modell nicht auf das Verhältnis zwischen Organmitglied und Gesellschaft übertragbar, da die Organstellung auch auf Interessen außerhalb der Gesellschaft gerichtet sei: die der Gläubiger, der Arbeitnehmer und der Öffentlichkeit. Anders als bei der Arbeitnehmerhaftung seien diese Interessen hier nicht nur als Reflex betroffen, sondern grundsätzlich durch die gerade zu diesem Zweck bestehende Organhaftung gesetzlich geschützt.81 Konsequent lehnt Bastuck die Differenzierung in primär gläubigerschützende, zwingende und andere, der vertraglichen Haftungserleichterung zugängliche, disponible Pflichten ab; das Organmitglied sei den Unternehmensinteressen als Treuhänder und Fremdverwalter bei jeglicher Tätigkeit auch im Interesse Dritter verpflichtet. 82 Zu Bastucks Ansatz hinsichtlich der Risikobegrenzung ohne eine Anwendung der Regeln zur Arbeitnehmerhaftung ist zunächst auf die obigen Ausfiihrungen83 zu verweisen. An seiner Argumentation zur nicht vergleichbaren Stellung von Organmitglied und Arbeitnehmer ist zu kritisieren, daß hier das Problem der innergesellschaftlichen Risikoverteilung mit der Frage der nach außen gerichteten Gläubigerschutzfunktion der Organhaftung vermengt ist. 84 Bastuck unterstellt offenbar einen umfassend zwingenden Charakter der Organhaftungsnormen.

79

Bastuck, Enthaftung, S. 82.

82

Bastuck, Enthaftung, S. 85.

80 Bastuck, Enthaftung, S. 83, 84; ähnlich Heyll, Die Anwendung, S. 237 f. 81 Bastuck, Enthaftung, S. 84. 83 B I I b). 84 So auch Heisse, S. 60, Fn. II. 7 Frisch

98

3. Teil: Rechtsprechung und Literatur

4. Andere Autoren

Auch in mehreren weiteren Stellungnahmen wird eine Haftungserleichterung zentral mit dem unterstellten umfassend zwingenden Charakter der Organhaftung abgelehnt. 85 Fleck hingegen sieht alle Grundlagen der Arbeitnehmerhaftung- er spricht die Fürsorgepflicht, das soziale Schutzprinzip und die Risikoverteilung bei fremdbestimmter Arbeitsleistung an- letztlich daraus hergeleitet, daß der Arbeitgeber in seiner Verantwortung dem Arbeitnehmer die risikobehaftete Tätigkeit aufbürde. Dieser Gesichtspunkt aber lasse sich bei Organmitgliedern, die selbst Arbeiten nach ihren Weisungen verrichten ließen, genausowenig erkennen wie bei leitenden Angestellten. 86 Seiner Ansicht liegt offenbar die Theorie des Geschäftsführers als "konkreter Prinzipal" zugrunde, nach der die Organperson aufgrund ihrer Stellung als gesetzlicher Vertreter innerbetrieblich als Vorgesetzter der Arbeitnehmer mit typischen Arbeitgeberfunktionen angesehen wird. 87 Hiermit wird aber lediglich die Stellung des Geschäftsführers gegenüber den Arbeitnehmern der Gesellschaft bewertet, nicht jedoch sein Verhältnis zur Gesellschaft, das sich durch eine weitgehende Weisungsgebundenheit und wirtschaftliche bzw. soziale Abhängigkeit auszeichnen kann. 88 Heyll89 argumentiert hinsichtlich der Haftung bei einer Verletzung der Pflicht zur Unternehmensleitung mit einer Parallele zur Justitiarentscheidung des BGH90 ; die Überlegungen zur fehlenden Gefahrgeneigtheil seien auf die Tätigkeit eines Geschäftsführers übertragbar. Er räumt aber gleichzeitig ein, daß diese Argumentation mit dem Wegfall der Gefahrgeneigtheil als Eingangsvoraussetzung der Haftungsprivilegierung nicht mehr tragfähig ist. 91 Auch die Argumentation Schnorr von Carolsfelds92, das Handeln des Organs sei das Handeln der juristischen Person selbst, die juristische Person vermöge aber nicht sich selbst Nachsicht mit ersatzmindernder Wirkung zu gewähren, kann nicht überzeugen. Gegenstand des innerbetrieblichen Haftungsausgleichs ist nicht die Frage, ob die Gesellschaft ihre Haftung gegenüber Dritten zu reduzieren vermag, sondern ob letztlich die Gesellschaft oder das Organmitglied einen aus dessen fehlerhafter Tätigkeit entstandenen Schaden zu tragen hat. 93

8S Brachert, Organmitgliedschaft, S. 219; G. Hueck, ZfA 1985, 25, 33; Baums, Geschäftsleitervertrag, S. 212; Heyll, Die Anwendung, S. 239 f. 86 Fleck, FS Hilger/Stumpf, S. 197, 215 f. 87 Groß, Das Anstellungsverhältnis, S. 14 m.w.N. in Fn. 47 und ausflihrlich, kritisch S. 74 ff.; siehe hierzu auch Eckhard, ZfA 1987,467, 470, der die Prinzipallehre mit dem Argument stützt, die Organfunktion könne die Rechtsstellung wesentlich beeinflussen. 88 Vgl. Wehrmeyer, Die arbeitsrechtliche Einordnung, S. 192. 89 Die Anwendung, S. 232 ff. 90 AP Nr. 51 zu § 611 8GB Haftung des Arbeitnehmers. 9 1 Heyll, Die Anwendung, S. 239. 92 ZfgG 1978, 66 f. 93 So auch Bastuck, Enthaftung, S. 82.

B. Literatur hinsichtlich der Organmitglieder

99

II. Minderansicht für die Anwendbarkeit der Haftungserleichterung

In der Literatur fmden sich Stimmen für die Anwendbarkeit der Regeln zur Arbeitnehmerhaftung auf die Tätigkeit von Organen. Bei einigen Autoren bleibt jedoch unklar, ob sich ihre Ausführungen nur auf leitende Angestellte im herkömmlichen Sinne - also auf Arbeitnehmer - beziehen oder ob hierunter auch Organmitglieder zu verstehen sein sollen. 94 1. Diefrüheren Ansichten Schaubs und Schneiders

Lediglich in der 5. Auflage des Arbeitsrechtshandbuchs von Schaub95 wurden die Organmitglieder deutlich neben den als Arbeitnehmer einzuordnenden leitenden Angestellten in den Anwendungsbereich der Haftungserleichterungsregeln einbezogen. Als "leitende Angestellte im haftungsrechtlichen Sinne" waren hier alle Personen bezeichnet, die an der wirtschaftlichen und betrieblichen Leitung teilhaben, denen ein eigener Ennessensspielraum eröffnet ist und deren Arbeit vom besonderen Vertrauen des Arbeitgebers getragen sein muß, da sie für Bestand und Entwicklung des Betriebs oder Unternehmens von Belang ist. Die Anwendung der Haftungsprivilegierung begründete Schaub damit, daß das Risiko des Mißerfolgs bei wirtschaftlichen Entscheidungen dem Unternehmerrisikozuzuordnen und folglich vom Arbeitgeber zu tragen sei.96 Sowohl in der 6.97 wie auch in der 7. Auflage98 des Arbeitsrechtshandbuchs bleibt die Frage der Haftungserleichterung für Organe aber offen, ein haftungsrechtlicher Begriffdes leitenden Angestellten fmdet sich nicht mehr. In der 6. Auflage des "Scholz" hat Schneider abweichend von seiner oben geschilderten99 aktuellen Auffassung vertreten, die Grundsätze zur Arbeitnehmerhaftung seien auf den "völlig abhängigen Geschäftsführer" anzuwenden.100 2. Die Ansicht Wehrmeyers

Eine Einbeziehung derjenigen Organpersonen in den Anwendungsbereich des Richterrechts zur Arbeitnehmerhaftung, die in seiner Untersuchung aufgrund typologischer Betrachtung als Arbeitnehmer eingeordnet sind, fmdet sich 94 Insb. bleibt dies undeutlich bei Boergen, MDR I 971 , I 78 und Gamillscheg!Hanau, Die Haftung, S. 20; vgl. auch Baumgärtel, VersR 1970, 127; Bieler, BB 1977, 1000 und Buchner, Anm. zu BAG AP Nr. 66 zu§ 611 BOB Haftung des Arbeitnehmers. Zur Argumentation dieser Autoren siehe oben zur Haftungssituation des leitenden Angestellen. 95 Schaub, Arbeitsrechts-Handbuch, 5. Auflage, § 52 VI 4, S. 244. 96 Schaub, Arbeitsrechts-Handbuch, 5. Auflage,§ 52 VI 4, S. 244. 97 Schaub, Arbeitsrechts-Handbuch, 6. Auflage, § 52 VI 4, S. 266. 98 § 52 VI 4 S. 312. 9981 I. 1oo ScholzJSchneider, 6. Auflage, § 43, Rdnr. 180. Zu einem ähnlichen Ergebnis gelangt nunmehr Reese, DStR 1995, 532, 534 f. 7•

100

3. Teil: Rechtsprechung und Literatur

in der Arbeit von Wehrrneyer. 101 Die Unternehmerischen Entscheidungen des Geschäftsfiihrers seien wegen des immanenten Risikos des Mißerfolgs gefahrgeneigt, und die Anwendung der Haftungsprivilegierung werde nicht durch die Prinzipalstellung des Organmitglieds ausgeschlossen. Die Einwirkungsmöglichkeiten der Gesellschaft auf ihren Geschäftsfiihrer blieben von dessen haftungsrechtlicher Behandlung unberührt und das notwendige Vertrauensverhältnis nehme keinen Schaden, da dem Organ auch weiterhin ein Höchstmaß an Sorgfalt abverlangt werde. Fehler, die trotzdem aufgrund von leichter Fahrlässigkeit beim Umsetzen unternehmerischer Entscheidungen verursacht werden, gehörten zum Unternehmerrisiko. Nicht untersucht wird von Wehrrneyer die Frage, ob der Haftungsprivilegierung die zwingende Natur der gesellschaftsrechtlichen Haftungsgrundlagen entgegenstehen könnte. 3. Die Ansicht Höhns

"Ohne Bedenken" will nunmehr auch Höhn 102 die allgemeine Haftungserleichterung fur Arbeitnehmer auf Geschäftsflihrer anwenden. Den Weg hierfiir habe der Rechtsprechungswandel zum Erfordernis der Gefahrgeneigtheit geebnet, es sei eine Gleichbehandlung mit Angestellten geboten, da man andernfalls von Geschäftsfuhrern Übermenschliches verlange: der Grund fiir die Haftungserleichterung liege gerade in der menschlichen Unzulänglichkeit. Die Präventionsfunktion des § 43 GmbHG könne nicht entgegenstehen, denn nicht die Angst vor Haftung, sondern der Wunsch, die Position als Geschäftsfiihrer, die zumeist die Lebensgrundlage darstelle, nicht zu verlieren, halte zur gewünschten Sorgfalt an. 4. Andere Autoren

Ein der Anwendung der Haftungserleichterung entsprechendes Ergebnis wurde auch durch die Annahme einer den Grundsätzen des innerbetrieblichen Schadensausgleichs entsprechenden konkludenten Vereinbarung zu erreichen versucht. 103 Diese sei unmittelbare Folge des vom Unternehmer zu tragenden Wirtschaftsrisikos, die Belastung von Organmitgliedern mit dem Unternehmerrisiko komme nicht in Betracht. 104 Der Weg, eine Haftungserleichterung über eine stillschweigende Vereinbarung zu erreichen, ist jedoch nicht mehr vertretbar. Derartig weitreichende Folgen können nicht über die Auslegung der gegenseitigen Erklärungen erzielt Wehrmeyer, Die arbeitsrechtliche Einordnung, S. 191 f. Die Geschäftsleitung, S. 199. 103 Monjau, DB 1969, 84, 86 f. ; so auch Kraus, Status und Kündigungsschutz, S. 237 f. für arbeitnehmerähnliche Vorstandsmitglieder einer Aktiengesellschaft. 104 Monjau, DB 1969, 84, 86 f. 101

102

C. Regreß- bzw. Freistellungsansprüche, Innenausgleich bei der Haftung

101

werden, einen solchen Erklärungswillen zu unterstellen, läuft auf eine Fiktion hinaus. 105 Auch die Reaktion Kusts 106 auf die Entscheidung des BGH, in der letzterer explizit die Anwendung der Regeln zur Arbeitnehmerhaftung auf Organmitglieder abgelehnt hat, 107 kann letztlich nicht überzeugen. Kust hat vorgeschlagen, Organrnitglieder dann in das Haftungsprivileg einzubeziehen, wenn die zum Schaden führende Tätigkeit außerhalb ihres "normalen Pflichtenkreises" liege, was auch dann anzunehmen sei, wenn sie zwar zum Kernbereich der unternehmefischen Aufgaben gehöre, aber in einer besonderen Situation, zum Beispiel unter großem Zeitdruck oder bei nicht gegebener Möglichkeit zur umfassenden Information, zu erledigen sei. Unter Risikoaspekten seien derartige Entscheidungen mit den typischen gefahrgeneigten Tätigkeiten zu vergleichen und entsprechend zu behandeln. Bemerkenswert an den Ausflihrungen von Kust ist, daß er sich auf Vorstandsmitglieder einer Aktiengesellschaft bezieht und die richterrechtliche Haftungserleichterung anwenden möchte, obwohl er von der Unzulässigkeit eines vertraglich vereinbarten Haftungsauschlusses bzw. einer -minderung infolge der zwingenden Natur des § 93 AktG ausgeht. Sein Ansatz macht aber die Bestimmung des Sorgfaltsmaßstabs von der Einordnung einer Tätigkeit als gefahrgeneigt abhängig, wodurch im Ergebnis der Maßstab des "gewissenhaften Geschäftsleiters" aufgeweicht zu werden droht. 108 Auch entspricht dieser Lösungsweg nicht der nunmehr lediglich relativen Bedeutung des Merkmals der Gefahrgeneigtheit als eines Abwägungskriteriums für die Schadensverteilung.

C. Regreß- bzw. Freistellungsansprüche, Innenausgleich bei der Haftung I. Ansprüche des Geschäftsführers gegen die Gesellschaft Fragmentarische Ansätze einer Haftungserleichterung für den Geschäftsführer im Sinne einer Haftungskonzentration auf die Gesellschaft lassen sich im Schrifttum zur endgültigen Haftungsverteilung zwischen Geschäftsführer und Gesellschaft nachweisen, wenn gesamtschuldnerische Haftung beider Dritten gegenüber vorliegt. 109

105 Brox/Walker, DB 1985, 1469; Schaub, Arbeitsrechts-Handbuch, §52 VI 4b, S. 312: Diese Ansicht zur Herleitung der Arbeitnehmerhaftungserleichterung hat keine Bedeutung erlangt. 106 WM 1980,758,762. 101 WM 1975,467. 1os Bastuck, Enthaftung, S. 83, niemand könne unter Zeitdruck oder ohne hinreichende Informationsmöglichkeit immer richtig entscheiden. 109 Zusammenfassend Bastuck, Enthaftung, S. I 08 ff.

102

3. Teil: Rechtsprechung und Literatur

Für den Fall gesamtschuldnerischer Außenhaftung infolge einer persönlichen deliktischen Verantwortlichkeit des Geschäftsführers hat Brüggemeier110 einen Freistellungsanspruch des Organwalters gegenüber der Gesellschaft nach dem Vorbild des innerbetrieblichen Schadensausgleichs zur Kompensation für die seiner Ansicht nach sehr weitreichende persönliche Außenhaftung angeregt. Hinsichtlich der Außenhaftung des Geschäftsführers nach den Grundsätzen der c.i.c. will Schneider 111 letzteren gegenüber der Gesellschaft im Ansatz freistellen, da hier im Endeffekt derjenige haften müsse, der Vertragspartner ist oder werden sollte. Andernfalls drohe eine nicht zu rechtfertigende Risikoverlagerung zulasten des Geschäftsführers, der im Interesse der Gesellschaft handle. Zwar sei das Verhalten des Geschäftsführers am Maßstab des § 43 GmbHG zu messen, letztlich bestimme sich nach dieser Norm die interne Haftungsverteilung.112 Nicht jede Verletzung einer vertraglichen Pflicht der Gesellschaft Dritten gegenüber stelle aber gleichzeitig eine Verletzung der dem Geschäftsführer seiner Gesellschaft gegenüber obliegenden Pflichten dar. 113 Im Bereich der Rechtsscheinhaftung des Geschäftsführers soll im Ergebnis immer die Gesellschaft vollständig belastet werden, da hier die Organperson es lediglich unterlassen habe, den Vertragpartner zweifelsfrei über die Person des Vertretenen aufzuklären, ansonsten aber im Rahmen ihrer Geschäftsführungsbefugnis handelte. Als Anspruchsgrundlagen für den Regreß des Geschäftsführers sind Auftrags- und Bereicherungsrecht ohne nähere Erläuterung genannt. 114

II. Neueste höchstrichterliche Rechtsprechung zur Haftungserleichterung beim Regreß gegen den "vorläufigen" Geschäftsführer nach§ 16 II 3 THG Jüngst hat der 2. Senat des BGH 115 erwogen, auf den Regreßanspruch der Treuhandanstalt gegen einen vor-vorläufigen Geschäftsführer einer GmbH i.A. gern.§ 16 II 3 THG die vom BAG zur Beschränkung der Arbeitnehmerhaftung entwickelten Grundsätze anzuwenden. Hintergrund des Rückgriffsanspruchs ist die Umwandlung der volkseigenen Betriebe und Kombinate in Kapitalgesellschaften, die auf der Grundlage der §§ 11 ff. THG in der Nacht vom 30.6. auf den 1.7.1990 ipso iure eingetreten ist. Nach§ 16 I 2 THG waren die Aufgaben der Geschäftsleitung bis zur Bestellung vorläufiger Geschäftsführer durch die bis dahin amtierenden Betriebsdirektoren 11o AcP 191 (1991), 33, 66. Scholz/Schneider, § 43, Rdnr. 252. 112 Dieser Gedanke gelte auch für die Haftung des Geschäftsführers aus § 69 AO, Scholz/Schneider, § 43, Rdnr. 251. 113 Scholz/Schneider, § 43, Rndr. 51, 53; vgl. auch Baumbach/Hueck/Zöllner, § 43, Rdnr. 14 und Hachenburg/Mertens, § 43, Rdnr. 24. Zusammenfassend auch ft.lr die deliktische Außenhaftung: Bastuck, Enthaftung, S. 116 f. 114 Scholz/Schneider, § 43, Rdnr. 250,249. ns BGH WM 1995, 799, 801 f. = ZIP 1995, 591 = DB 1995, 1326. III

C. Regreß- bzw. Freistellungsansprüche, Innenausgleich bei der Haftung

103

als vor-vorläufige Geschäftsfiihrer wahrzunehmen. Im Verlauf des Juli 1990 sollten durch die Teuhandanstalt vorläufige Geschäftsfiihrer bestellt werden, § 161 1 THG.I 16 Die endgültige Bestellung der Gesellschaftsorgane erfolgte im Laufe der Gründung. Die vorläufigen 117 Geschäftsleiter hatten die Rechtsstellung und die Pflichten, die sich aus AktG und GmbHG ergeben. 118 Zugunsten der vorläufigen Mitglieder des Vorstands und der vorläufigen Geschäftsfiihrer der nach dem THG umgewandelten Gesellschaften sah § 16 II 2 THG vor, daß die Treuhandanstalt anstelle der Leitungsorgane fiir Schäden, die infolge von Pflichtverletzungen dieses Personenkreises entstehen, haftet. Diese Haftungsüberleitung sollte dem Zweck dienen, die Entscheidungsfreudigkeit der vorläufigen Geschäftsleiter zu erhalten und zu stärken. Sie drohte erstickt zu werden durch die Furcht, fiir die Verletzung von Pflichten, die die mit der neuen Situation unerfahrenen Geschäftsleiter nicht übersehen konnten, haften zu müssen.119 Ein weiterer Normzweck wird darin gesehen, etwaigen Gläubigern ein solventes Haftungssubjekt zu sichern. 120 Umstritten ist insbesondere, fiir welche Anspruchsgrundlagen bzw. fiir welche Verschuldeosgrade die Haftungsüberleitung eingreifen soll. Der II. Senat des BGH 121 geht von einer umfassenden Überleitung aus, auch erfaßt sein sollen deliktische Ansprüche gegenüber vorläufigen Geschäftsleitern unabhängig vom Grad des Verschuldens. 122 Diese weite Auslegung stützt der Senat mit Ausfiihrungen zu Regreßansprüchen der Treuhandanstalt, die nicht hinnehmbare Ergebnisse verhinderten. Die Grundlage fiir derartige, in§ 16 II 3 THG vorausgesetzte Rückgriffsmöglichkeiten erkennt er in einem allgemeinen Rechtsgrundsatz. Um den Zweck des§ 16 II 2 THG, die Entscheidungsfreudigkeit des vorläufigen Leitungspersonals zu stärken, nicht zu untergraben, hat das Schrifttum vorgeschlagen, Regreßansprüche auf Fälle vorsätzlichen oder grob fahrlässigen Verhaltens zu beschränken. 123 Diesen Vorschlag greift der II. Senat auf und erklärt es ergänzend fiir denkbar, auf die Grundsätze zur Arbeitnehmerhaftung zurückzugreifen. 124

116 Spoerr, Treuhandanstalt, S. 227 f.; Schube!, ZIP 1995, I057. 117 Gemeint sind im folgenden die "vor-vorläufigen" und die "vorläufigen" Geschäftsführer. 11s Horn, Zivil- und Wirtschaftsrecht, § 18, Rdnr. 124, S. 841 f. 119 Horn, Zivil- und Wirtschaftsrecht, § 18, Rdnr. 125, S. 842; Schube!, ZIP 1995, 1057, 1059.

12o BGH WM 1995, 799, 801 unter Hinweis auf Spoerr, Treuhandanstalt, S. 231; krit. hierzu: Schube!, ZIP 1995, S. I061. Zum zweifelhaften Zeck des § 16 II 2 ausführlich Spoerr, Treuhandanstalt, S. 230 f. 121 BGH WM 1995, 799, 800. Deutlich enger: Spoerr, Treuhandanstalt, S. 232, erfaßt seien lediglich verschuldensunabhängige Haftungsgrundlagen. 122 Ablehnend mit eingehender Begründung Schube!, ZIP 1995, 1057, 1058 ff. 123 Horn, Das Zivil- und Wirtschaftsrecht, § 18, Rdnr. 125, S. 824; Busche, in: Rechtshandbuch Vermögen und Investition, § 16 THG, Rdnr. 6. 124 BGH WM 1995,799, 801 f.

104

3. Teil: Rechtsprechung und Literatur

Letzteres erscheint bemerkenswert, weil für einen Rückgriff auf die Grundsätze zur Arbeitnehmerhaftung, deren Anwendung auf die Tätigkeit von Organmitgliedern bislang strikt abgelehnt wurde, kein Bedürfnis bestand. Zunächst ist der Regreßanspuch der Treuhandanstalt nicht Gegenstand des Urteils, in dem lediglich über die Haftung der Treuhandanstalt ftir Pflichtverletzungen des vor-vorläufigen Geschäftsführers zu entscheiden war. 125 Außerdem liegt dem Urteil offenbar eine vorsätzliche Schädigung zugrunde, 126 ftir die nach der im Schrifttum zu § 16 II 3 THG vertretenen Ansicht ein Regreß ebenso unproblematisch in Betracht kommt wie nach den Grundsätzen der Arbeitnehmerhaftung. Als Abkehr von der bisherigen Rechtsprechung zur fehlenden Anwendbarkeit der Grundsätze zur Arbeitnehmerhaftung auf die Tätigkeit von Organmitgliedern dürfte dieses Urteil gleichwohl nicht zu werten sein, da es von der besonderen Situation der vorläufigen Geschäftsleiter geprägt ist, die in diese Position buchstäblich über Nacht geraten sind und von denen man mangels Erfahrung nicht erwarten konnte, daß sie den Sorgfaltsmaßstab des § 43 GmbHG zu erfüllen in der Lage wären. Außerdem kann die Urteilspassage möglicherweise damit erklärt werden, daß der Volkskammergesetzgeber bei der Formulierung von§ 16 II 2, 3 THG davon ausging, mögliche Regreßansprüche ließen sich nach arbeitsrechtlichen Grundsätzen abwickeln, denn die Regelung scheint § 331 ZGB der DDR nachempfunden. Nach Satz 1 dieser Vorschrift hatten Betriebe den Schaden zu ersetzen, den einer ihrer Mitarbeiter bei der Erfüllung betrieblicher Aufgaben verursachte, eine unmittelbare Ersatzpflicht des Mitarbeiters gegenüber dem Drittgeschädigten bestand nicht. Er haftete dem Betrieb nach den Grundsätzen der "materiellen Verantwortlichkeit" gern. §§ 260 ff. AGB der DDR, § 331 S. 3 ZGB. Diese Regelung galt auch ftir Generaldirektoren und Direktoren volkseigener Kombinate und Betriebe. 127

D. Resümee zum 3. Teil Die Analyse der höchstrichterlichen Rechtsprechung zeigt, daß mit der dort gegebenen Begründung die Anwendbarkeit einer Haftungserleichterung für GmbH-Geschäftsführer nach dem Vorbild des innerbetrieblichen Schadensausgleichs nicht mehr abgelehnt werden kann. 128 Auch die Argumentation des Vgl. Schube!, ZIP 1995, 1057, 1062. Vgl. BGH WM 1995, 799, 800, 801, sittenwidrige Schädigigung und Untreue zum Nachteil der Klägerin. 127 Vgl. Schube!, ZIP 1995, 1057, 1058, 1062. 12s So jetzt auch LG Bonn, NJW RR 1995, 1435, 1436, hinsichtlich eines Schadensersatzanspruchs gegen das nicht ehrenamtlich tätige Vorstandsmitglied eines Vereinsvorstands. Die Haftungsregeln des Arbeitsrechts seien anzuwenden, obgleich der Beklagte nicht Arbeitnehmer im eigentlichen Sinn, sondern Organ ist; BGH WM 1975, 469 sei infolge des Wegfalls der Gefahrgeneigtheil als Privilegierungsvoraussetzung überholt. Hier bestand die Besonderheit, daß der Beklagte bereits vor seiner Bestellung die gleichen Tätigkeiten für den Verein als echter Arbeitnehmer erbracht hatte. 12s 126

D. Resümee zum 3. Teil

105

BGH zur fehlenden Übertragbarkeit dieser Regeln auf die Tätigkeit von arbeitnehmerähnlichen selbständigen Dienstnehmern und leitenden Angestellten ist nicht geeignet, dieses Ergebnis zu tragen. Soweit sich die Literatur eingehender mit dem Thema befaßt und zu einem ablehnenden Ergebnis gelangt, können die Darlegungen - vorbehaltlich des Arguments, § 43 GmbHG habe umfassend zwingenden Charakter - ebenfalls nicht überzeugen. Zu einem nicht unerheblichen Teil sind die Begründungen in der Gefahrgeneigtheit der Tätigkeit als konstitutive Voraussetzung fiir das Eingreifen einer Haftungserleichterung verwurzelt. Die Stellungnahmen zugunsten der Anwendung der Grundsätze zur Arbeitnehmerhaftung überzeugen im wesentlichen nicht, da die dogmatischen Grundlagen der Haftungserleichterung lediglich oberflächlich untersucht werden und da teilweise eine schlüssige Differenzierung nach dem sehr heterogenen Erscheinungsbild der Geschäftsfiihrer fehlt.

Vierter Teil

Arbeitnehmerstatus des Geschäftsführers, Auswirkungen auf die Anwendbarkeit der Haftungserleichterung? A. Die Ausgangsfrage Bei der Frage der Anwendbarkeit von Arbeitsrecht auf den GmbH-Geschäftsfiihrer wird vorab üblicherweise erörtert, ob sich das Anstellungsverhältnis als Arbeitsvertrag darstellen und welche Auswirkungen diese Statusbestimmung haben kann. 1 Der Streit um die Arbeitnehmereigenschaft des Geschäftsfiihrers rückt in den Vordergrund, da die Diskussion der Anwendbarkeit arbeitsrechtlicher Schutznormen zunächst an die Feststellung dieses Status anknüpft,2 im Arbeitnehmerbegriffspiegeln sich Begriffund Geltung des Arbeitsrechts wider. 3 Die Einordnung des Anstellungsvertrages in die Kategorien ,,Arbeits-" oder "freier" Dienstvertrag wird als notwendig erachtet, da vom Vertragstypus abhängt, ob eine arbeitsrechtliche Norm direkt greift oder lediglich analog anzuwenden sein kann. Teilweise unterstellt man, die Einordnung eines Anstellungsvertrages als Arbeitsvertrag entfalte zumindest eine Indizwirkung für die Geltung arbeitsrechtlicher Grundsätze. Zwar werde diese Frage nicht endgültig durch die Statusbestimmung beantwortet, nach ihr richte sich aber das Verhältnis von Regel und Ausnahme der Geltung von Arbeitsrecht. Aus dem überwiegend zwingenden Charakter des Arbeitrechts folge zudem, daß seine Nichtanwendung auf Geschäftsführer, die als Arbeitnehmer zu qualiftzieren seien, wesentlich schwieriger begründbar sei als vom entgegengesetzten Standpunkt die entsprechende Anwendung von Arbeitnehmerschutzrecht 4

I Zur Notwendigkeit der Beantwortung dieser Vorfrage siehe Henssler, RdA 1992, 289, 290; Nebendahl, NZA 1992,289, 290 und Gisse), Arbeitnehmerschutz, S. 7. 2 Vgl. nur Eckardt, Die Beendigung, S. 201. 3 So die Formulierung von Richardi, FS zum 125jährigen Bestehen der juristischen Gesellschaft zu Berlin, S. 607, 615. 4 G. Hueck, ZfA 1985, 25, 27; ders., FS Hilger/Stumpf, S. 365, 380; Eckardt, ZfA 1987, 467, 473 ; vgl. auch Heyll, Die Anwendung, S. 5 f.

B. Die Einordnung in der höchstrichterlichen Rechtsprechung

107

B. Die Einordnung in der höchstrichterlichen Rechtsprechung I. Die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs 1. Anstellungsverhältnis des Geschäftsfohrers ist "freier" Dienstvertrag

Nach ständiger Rechtsprechung des BGH ist das Anstellungsverhältnis eines gegen Entgelt tätigen Organmitglieds nicht als Arbeitsvertrag, sondern als "freier" Dienstvertrag, der eine Geschäftsbesorgung zum Gegenstand hat, §§ 611 ff., 675 BGB, einzuordnen.5 Der Arbeitnehmerstatus wird bei dieser Personengruppe generell verneint, weil Organmitglieder wegen ihrer funktionalen Arbeitgeberaufgaben und der damit verbundenen Weisungsbefugnis gegenüber allen anderen Beschäftigten einschließlich der leitenden Angestellten nicht im gleichen Maße wie diese sozial abhängig seien.6 Der BGH beruft sich hierbei auf "das typische Bild nach Gesetz und Rechtswirklichkeit", nach dem der Geschäftsführer seine Anstellungs- und Arbeitsbedingungen stärker mitbestinunen könne als sonstige Angestellte oder Beamte. Er genieße rechtlich, sozial und vielfach aufgrund der Höhe seiner Bezüge auch wirtschaftlich eine weitgehende Unabhängigkeit. 7 Dies gelte für Vorstandsmitglieder einer Aktiengesellschaft ebenso wie für GmbH-Geschäftsführer. Auf Unterschiede in der Rechtsstellung geht der BGH bei der Statusbestimmung nicht ein. 8 2. Zunehmende entsprechende Anwendung von Arbeitnehmerschutzrecht

Die Rechtsprechung des für dienstvertragliche Streitigkeiten zwischen Organpersonen und ihren Gesellschaften zuständigen II. Zivilsenats des BGH zeichnet sich durch die entsprechende Anwendung arbeitsrechtlicher Rechtssätze insbesondere auf Geschäftsführer aus. Hierbei ist eine zunehmende Tendenz zu konstatieren.9 Inzwischen gelten auf diesem Weg weite Teile des Arbeitsrechts auch für die Geschäftsführer einer GmbH. Teils erfolgt die entsprechende Anwendung ohne Rücksicht auf die Stellung, teils nur für abhängige Geschäftsführer. Der li. Senat hat sich von der Idee leiten lassen, der in sozialer Hinsicht oftmals mit derjenigen leitender Angestellter vergleichbaren Situation von Geschäftsführern gerecht zu werden. 10 Entsprechend angewandt werden Vorschriften, die dem Ziel der Sicherung der persönlichen und wirtschaftlichen Existenz im Rahmen einer s BGHZ 10, 187, 191; 12, I , 8; 49, 30, 31 ; 79, 38, 41 ; BGH GmbHR 1988, 138; DB 1990,676. 6 V gl. Gisset, Arbeitnehmerschutz, S. I 0; BGHZ 49, 30, 31: Der Geschäftsführer als Vertretungsorgan der Gesellschaft nimmt Arbeitgeberaufgaben war. 7 BGH WM 1978, 1106 das Vorstandsmitglied einer AG betreffend. s Kritisch zur fehlenden Differenzierung zwischen Vorstandsmitgliedern und Geschäftsführern insb. Groß, Das Anstellungsverhältnis, S. 52 f. und I 08 ff. 9 Gisset, Arbeitnehmerschutz, S. 14; Henssler, RdA 1992, 289, 290; Bauer/Diller, BB 1995, 1134, 1135; Diller, Gesellschafter, S. 46. 10 Vgl. BGHZ 91, I, 3; BGH WM 1981,567.

108

4. Teil: Zum Arbeitnehmerstatus des Geschäftsführers

typischerweise langfristigen und ausschließlichen Bindung der Vertragspartner dienen oder die durch besondere Vertrauenserwartungen begriindet sind.11 Geschäftsfiihrer werden dort, wo ihre organschaftliehe Vertretungsrnacht, ihre Geschäftsfiihrungsbefugnis oder die Funktion eines Arbeitgebers im Vordergrund stehen, als Unternehmer behandelt, wohingegen die Anwendung von Arbeitsrecht in Erwägung gezogen wird, wenn vorrangig die Sicherung der persönlichen und wirtschaftlichen Existenz als Ergebnis von Dienstleistungen und ein darauf bezogenes Schutzbedürfuis in Frage stehen. 12 Entsprechend auf den Geschäftsführer angewandt werden danach § 622 I BGB, 13 §§ 629,630 BGB, §§ 850 ff. ZPO, § 17 III GKG, die Grundsätze über den fehlerhaften Arbeitsvertrag, die Betriebsrisikolehre (unter der Einschränkung, daß die Betriebsstörung nicht dem Verantwortungsbereich des Geschäftsfiihrers zuzurechnen ist) und die Regeln des § 7 III 2, IV BUrlG zum Urlaubsabgeltungsanspruch. Auch Ansprüche aus betrieblicher Übung 14 werden dem Geschäftsführer gewährtY Die anhaltende Tendenz in der Rechtsprechung, das Anstellungsverhältnis der Organpersonen für arbeitsrechtliche Grundsätze weiter zu öffnen, wird in einer neueren Entscheidung des BGH, nach der sich Ansprüche des Geschäftsfiihrers aus dem Grundsatz der Gleichbehandlung m"it leitenden Angestellten ergeben können, deutlich. 16 Diese Entscheidung könnte eine Abkehr von der nur zögernden, vorsichtigen Anwendung von Arbeitsrecht17 auf Organmitglieder darstellen und Auswirkung auf das gesamte Rechtsgebiet haben.18

Scholz/Schneider, § 35, Rdnr. 161. Fleck, FS Hilger/Stumpf, S. 197, 211. u Zur Rechtslage nach Irrkrafttreten des KündFG siehe ausfUhrlieh Bauer, BB 1994, 855, 856; Reiserer, DB 1994, 1822, 1823 f. und Hümmerich, NJW 1995,1177, 1178 ff. 14 Hierzu krit.: Nebendahl, NZA 1992, 289, 291 ff. m.w.N. ts Siehe die Zusammenstellungen bei Gisse!, Arbeitnehmerschutz, S. 14 ff.; Henssler, RdA 1992, 289, 295 f.; Fleck, WM 1985, 677 ff. jeweils mit Rechtsprechungsnachweisen. Zur problematischen Anwendung der §§ 74 ff. HGB: Bauer/Diller, BB 1995, 1134. In methodischer Hinsicht hat sich Groß, Das Anstellungsverhältnis, S. 132 ff. kritisch mit der Rechtsprechung auseinandergesetzt t6 BGH LM § 35 GmbHG, Nr. 23 = ZIP 1990,559 = DB 1990, 1436. 17 Münchener Kommentar/Söllner, § 611 BGB, Rdnr. 164. ts Henssler, RdA 1992, 289, 299. Dauner-Lieb/Krebs, ZfA 1994, S. 82 sind dieser Einschätzung entgegengetreten. Ihrer Ansicht nach hat Henssler der vorgenannten Entscheidung möglicherweise deshalb eine zu hohe Bedeutung beigemessen, weil nicht unterstellt werden könne, daß der BGH die arbeitsrechtliche Diskussion überschaut habe. Dagegen spricht aber, daß sich die BGH-Entscheidung auf Groß, Das Anstellungsverhältnis, S. 334 f. und 353 bezieht, vgl. BI. 2 in LM Nr. 23. Bereits aus diesen zitierten Stellen wird deutlich, daß Groß die Anwendung des Gleichbehandlungsgrundsatzes in direkter Anwendung auf die von ihm mit Arbeitnehmerstatus belegten Geschäftsflihrer vertritt, die Gesamtproblematik der arbeitsrechtlichen Einordnung müsste sich dem BGH somit aufgedrängt haben. II

12

B. Die Einordnung in der höchstrichterlichen Rechtsprechung

109

Früher entsprach es einhelliger Ansicht in Literatur und Rechtsprechung, daß derartige Gleichbehandlungsansprüche nicht in Betracht kämen, da den Anstellungsverträgen der Organmitglieder der kollektive Bezug fehle. Sie seien nach individuellen Gesichtspunkten ausgehandelt, den besonderen Anforderungen an die jeweilige Unternehmensleitung sowie Qualifikation und Vertrauenswürdigkeit angepaßt, wobei das Leistungsprinzip nicht nivelliert werde. Diese Grundposition wird im genannten Urteil offenbar aufgegeben. Gleiches gilt für die Annahme, das Machtgefälle zwischen den Partnern des Anstellungsvertrages, ein weiterer tragender Grund des arbeitsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatzes, 19 sei in der Regel bei der Organanstellung nicht im gleichen Maße ausgeprägt wie im Arbeitsverhältnis. 20 Nunmehr nimmt der BGH an, daß Geschäftsführer, die nicht oder nicht nennenswert an der Gesellschaft beteiligt sind, Ansprüche aus dem arbeitsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatz auch aus dem Vergleich mit leitenden Angestellten herleiten können, wenn die Anstellungskörperschaft bei der Gestaltung der Dienstverträge keine grundlegenden Unterschiede zwischen den Geschäftsführern und den leitenden Angestellten macht, da dann vergleichbare Fälle vorlägen. 21 Hierdurch nivelliert der 2. Senat den qualitativen Unterschied zwischen den Anstellungsverhältnissen dieser beiden Personengruppen, indem er den Gleichstellungsanspruch damit begründet, daß sich die Geschäftsführer im wesentlichen als leitende Angestellte, die lediglich mit besonderen, zusätzlichen Aufgaben betraut seien, darstellten. Dadurch aber, daß hinreichende Voraussetzung des arbeitsrechtlichen Gleichbehandlungsanpruchs nicht schon die vage soziologische Ähnlichkeit zwischen Geschäftsführern und leitenden Angestellten, sondern nur eine - zumindest partielle - materielle Gleichstellung beider Gruppen durch die Vertragsgestaltung sein kann, erhellt, daß sich die Rechtsprechung für den Typus des Fremd- bzw. unwesentlich beteiligten Geschäftsführers ,einer Annäherung an den Arbeitnehmerstatus weiter öffnetY

II. Die Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts Die Jurisdiktion des BAG zur Einordnung des Anstellungsvertrages von Organmitgliedern weicht von der Rechtsprechung des II. Senats des BGH ab. Ein Arbeitnehmerstatus wird jedenfalls dann flir möglich gehalten, wenn der Allstellungsvertrag nicht zur organschaftlieh vertretenen Gesellschaft, sondern mit einem Dritten besteht. Dies ist insbesondere bei der GmbH & Co KG denkbar. Vertragspartner sind dann der Geschäftsführer der GmbH und die KG. Ob im Verhältnis zur KG ein Arbeitsvertrag vorliegt, bestimmt das BAG anband des Henssler, RdA 1992,299 m.w.N. in Fn. 140. Vgl. Fleck, FS Hilger/Stumpf, S. 197, 212; G. Hueck, ZfA 1985, 25, 34; Gisse!, Arbeitnehmerschutz, S. 34; Lieb/Eckardt, Der GmbH-Geschäftsfüher, S. 94. 21 BGH LM § 35 GmbHG, Nr. 23 mit Hinweis auf Groß, Das Anstellungsverhältnis, S. 334 f., 353. Siehe hierzu Fleck, WM 1994, 1957, 1960. 22 Henssler, RdA 1992, 289, 300. 19

2o

110

4. Teil: Zum Arbeitnehmerstatus des Geschäftsfiihrers

allgemeinen Kriteriums der persönlichen Abhängigkeit, wobei es auf den Maßstab der vom BSG entwickelten Grundsätze zur Feststellung der Sozialversicherungspflicht für Geschäftsführer zurückgreift. 23 Persönliche Abhängigkeit liege bei einer Eingliederung in den Betrieb dergestalt vor, daß der Geschäftsführer einem Direktionsrecht unterworfen ist, das Zeit, Ort, Art und Dauer der Arbeitsleistung umfaßt. DieWeisungsgebundenheit sei aber nur eines von mehreren Unterscheidungsmerkmalen. Sie könne stark eingeschränkt sein, da der Geschäftsfiihrer Dienste höherer Art leistet. Gleichwohl gehe seine Leistung möglicherweise der Ordnung des Betriebes mit der Folge auf, daß vorbehaltlich der weiteren vom Bundessozialgericht aufgestellten Voraussetzungen ein Arbeitsvertrag anzunehmen sein könne. 24 Als entscheidend ist herausgestellt, ob die dem Geschäftsfiihrer auferlegten Beschränkungen über das beim Fremdgeschäftsfiihrer "übliche Maß" hinausgehen. 25 Wegen der zuständigkeitsausschließenden Vorschriften in § 5 I 3 ArbGG und§ 14 I Nr. 1 KSchG setzen sich Arbeitsgerichte nur verhältnismäßig selten mit der Einordnung des Anstellungsvertrages eines Geschäftsführers auseinander. Im Fall des Anstellungsvertrages mit der KG folgert das BAG seine Zuständigkeit aus einer restriktiven Interpretation des§ 5 I 3 ArbGG; diese Norm betreffe lediglich die unmittelbar zwischen Organmitglied und vertretener Gesellschaft bestehenden Anstellungsverträge. 26 Die Statusentscheidungen des BAG beziehen sich daher auf "atypische" FallgestaltungenY Das BAG hat die Reichweite der §§ 14 I Nr. 1 KSchG und 5 I 3 ArbGG auch insofern eingeschränkt, als es unterstellt hat, das Arbeitsverhältnis eines Arbeitnehmers einer GmbH könne nach dessen Bestellung zum Geschäftsfiihrer als ruhendes Arbeitsverhältnis neben dem Dienstverhältnis fortbestehen und bei Abberufung und Kündigung des Geschäftsfiihreranstellungsvertrages wieder aufleben. Zwar solle dies dann nicht gelten, wenn bei der Bestellung zum 23 BAG ZIP 1992, 1496, 1497 und BAG ZIP 1983, 607, 611. In der letztgenannten Entscheidung war dem Geschäftsführer "lediglich formal die Stellung eines Organvertreters übertragen worden". Zur Einordnung durch die sozialgerichtliche Rechtsprechung siehe unten. 24 BAG ZIP 1983,607,611 und ZIP 1992, 1496, 1497. _ 2s BAG ZIP 1992, 1496, 1498; hierzu Bauer, BB 1994, 855, 858. Für den Fall, daß sich die Organstellung und die Funktion für die KG nicht voneinander trennen lassen gegen einen Arbeitnehrnerstatus: BGH WM 1990, 350, 351 f.; generell gegen einen arbeitsrechtlichen Sonderstatus des GmbH-Geschäftsführers bei der GrnbH&Co KG der ganz überwiegende Teil der Literatur, vgl. die Nachw. bei Heyll, Die Anwendung, S. 304, Fn. 19. 26 BAG AP Nr. 1 zu § 5 ArbGG; BAG ZIP 1983, 607, 608. Zu weiteren Fallgestalrungen vgl. Lieb/Eckardt, Der GmbH-Geschäftsführer, S. 50 f. Die restriktive Interpretation des § 5 I 3 ArbGG wird kritisiert von Lieb/Eckardt, Der GmbH-Geschäftsführer, S. 53 f. und Eckardt, Die Beendigung, S. 213 f.,jeweils rn.w.N. 27 Groß, Das Anstellungsverhältnis, S. 9; vgl. auch Gisse!, Arbeitnehrnerschutz, S. 31 f. zur Möglichkeit der Vereinbarung der arbeitsgerichtliehen Zuständigkeit gern. § 2 IV ArbGG, §§ 38 ff. ZPO.

B. Die Einordnung in der höchstrichterlichen Rechtsprechung

111

Geschäftsführer der Arbeitsvertrag ausdrücklich oder stillschweigend aufgehoben wurde. Eine konkludente Beendigung sei aber lediglich dann anzunehmen, wenn dem Arbeitnehmer/Geschäftsführer für den Verlust des Bestandsschutzes ein "Risikoausgleich" in Gestalt einer deutlichen Verbesserung der Vertragskondiktionen gewährt wurde. 28 Diese Rechtsprechung ist auf Kritik gestoßen; sie stehe dem zu vermutenden Willen der Gesellschaft diametral entgegen und sei daher mit dem Grundsatz der Vertragsfreiheit nicht vereinbar. 29 Henssler zufolge handelt es sich bei der Annahme des parallel bestehenden, ruhenden Arbeitsverhältnisses um eine unzulängliche Hilfskonstruktion, um arbeitsrechtliche Schutzbestimmungen auf Geschäftsführer anzuwenden, ohne die These von der Inkompatilibität von Organstellung und Arbeitnehmerstatus aufgeben zu müssen, was im Ergebnis aber dennoch geschehen sei.30 Unklar ist zur Zeit, ob das BAG seine Rechtsprechung ändern wird. Dies könnte aus einer neueren Entscheidung31 zu folgern sein, in der zu klären war, ob ein Arbeitsverhältnis, das zur Erprobung zwecks späterer Anstellung als Geschäftsführer abgeschlossen war, nach Abberufung und Kündigung des anschließenden Dienstvertrages wieder aufleben kann. Für das Probearbeitsverhältnis ist die Frage verneint; darüber hinaus enthält das Urteil Passagen, die auf ein Abrücken von der bisherigen Rechtsprechung und darauf hindeuten, daß das BAG künftig im Normalfall - vorbehaltlich einer anderslautenden Parteivereinbarung - von einer automatischen Vertragsumwandlung ausgeht, bei der der Arbeitsvertrag aufgehoben wird. 32 Eine jüngere Entscheidung33 könnte jedoch so gedeutet werden, daß die Entscheidung zum Fortbestehen des Probearbeitsverhältnisses keinen Wendepunkt markieren sollte.34 Ob sich das Anstellungsverhältnis zwischen Geschäftsführer und GmbH im Normalfall als Arbeitsvertrag darstellen kann, hat das BAG bislang nicht ausdrücklich entschieden. Es lassen sich jedoch Ausführungen nachweisen, die den Anschein erwecken, man wolle der formalen, den Arbeitnehmerstatus generell ablehnenden Betrachtungsweise des BGH nicht folgen. 35

2s BAG NZA 1987, 845; BAGE 49, 81; 55, 137. Zusammenfassend Hümmerich, NJW 1995, 1177, 1181 und Bauer, BB 1994,855,857. 29 Henss1er, RdA 1992, 289, 299; ausführlich: Heyll, Die Anwendung, S. 290 ff. 30 Henssler, RdA 1992,289,299. 31 BAG BB 1994, 287 = GmbHR 1994, 243. 32 BAG BB 1994,287,288 = GmbHR 1994, 243; Bauer, BB 1994, 855, 857 f. 33 BAG DB 1994, 1828 f. = NJW 1995, 675 = NZA 1994, 905. 34 Hümmerich, NJW 1995, 1177, 1182; Reiserer, DB 1994, 1822, 1825. 35 Diller, Gesellschafter, S. 47, der aufBAGE 39, 16, 25 und AP Nr. 2 zu§ 5 ArbGG 1979 sowie auf AP Nr. 2 zu § I AngKG und BAG DB 1991 , 659 und 2595 hinweist.

112

4. Teil: Zum Arbeitnehmerstatus des Geschäftsflihrers

C. Exkurs: Die Einordnung im Sozialversicherungsrecht I. Der Anstellungsvertrag als sozialversicherungspflichtiges Beschäftigungsverhältnis Im Sozialversicherungsrecht ist die Möglichkeit, den Geschäftsfiihrer als abhängig Beschäftigten wie einen Arbeitnehmer zu behandeln, allgemein anerkannt. 36 Voraussetzung der Sozialversicherungspflicht ist das Bestehen eines Beschäftigungsverhältnisses, das vorliegt, wenn die Tätigkeit in persönlicher Abhängigkeit erbracht wird. Anknüpfungspunkt sind die allgemeinen Vorschriften über die Versicherungspflicht, §§ 1 SGB VI, 5 SGB V, 168 AFG, 539 I Nr. 1 RVO. Der Rechtsbegriff der Beschäftigung ist defmiert in § 7 SGB IV als "die nicht selbständige Tätigkeit, insbesondere in einem Arbeitsverhältnis". Eine abhängige Beschäftigung wird angenommen bei Eingliederung in den Betrieb des Arbeitgebers und Weisungsgebundenheit, wobei letztere sich bei Diensten höherer Art zur funktionsgerechten Teilhabe am Arbeitsprozeß verfeinem kann. Vollständig entfallen darf das Weisungsrecht jedoch in einem Beschäftigungsverhältnis nicht. Ist es nicht vorhanden, besteht also die Möglichkeit zu freier Gestaltung der Tätigkeit hinsichtlich Arbeitskraft, -zeit und -ort oder ist von einem SicheinfUgen in eine selbstgegebene Ordnung zu sprechen, liegt eine selbständige Beschäftigung vor, die zusätzlich durch ein Unternehmerrisiko gekennzeichnet zu sein pflegtY Die begrifflichen Voraussetzungen des Beschäftigungsverhältnisses entsprechen im wesentlichen denen des Arbeitsvertrages. 38 Für den GmbH-Geschäftsfiihrer wird angenommen, daß die Organmitgliedschaft als solche einem sozialversicherungspflichtigen Beschäftigungsverhältnis nicht entgegenstehe, dies ergebe sich aus dem Prinzip der Trennung zwischen Organbestellung und Anstellungsverhältnis. Für die Frage der persönlichen Abhängigkeit sei lediglich die Ausgestaltung des Dienstverhältnisses entscheidend. Auch die Ausübung von Arbeitgeberfunktionen stehe nicht entgegen, denn sie schließe nicht aus, daß der Geschäftsfiihrer seinerseits bei einem Dritten persönlich abhängig beschäftigt ist. 39 Danach ist der Fremdgeschäftsfiihrer regelmäßig als persönlich abhängig anzusehen, der maßgeblich beteiligte "beherrschende" Gesellschaftergeschäftsfiihrer dagegen als unabhängig, wobei letzteres ab einer Beteiligung von exakt 50% angenommen wird. Er kann jedenfalls mit Hilfe seiner Gesellschafterrechte die Abhängigkeit vermeiden, indem er Weisungen an sich selbst verhindert. Gleiches gelte fiir den Fall einer Sperrminorität, aufgrund derer in wesent-

36 Vgl. die detaillierte Zusammenfassung zur Sozialversicherungspflicht von Plagemann, WiB 1994, 223; auch: Bauder, BB 1994, 945, 946 37 BSG NZA 1991 , 869, 870; BSG GmbHR 1991, 461 ; BSG NZA 1993, 430, 431; P1agemann, WiB 1994,223,224. 38 Darauf stellen insb. Brachert, Organmitgliedschaft, S. 98 und Groß, Das Anstel1ungsverhältnis, S. 397 ab. 39 BSG GmbHR 1991, 463, 464; NZA 1993, 430, 431 .

C. Exkurs: Die Einordnung im Sozialversicherungsrecht

113

liehen Geschäftsführungsangelegenheiten der Geschäftsführer ihm nicht genehme Weisungen verhindern kann. 40 Im Einzelfall problematisch ist die Einordnung eines Minderheitsgesellschaftergeschäftsführers. Hier ist es der Rechtsprechung noch nicht gelungen, konkrete Kriterien dafür herauszuarbeiten, wann aufgrund rein faktischer Gegebenheiten eine Weisungsgebundenheit nicht anzunehmen ist. 41 Indiz für die fehlende Abhängigkeit in den Fällen, in denen der Geschäftsführer nur Minderheitsbeteiligter ist, könne die Befreiung vom Selbstkontrahierungsverbot des § 181 BGB sein; eine abweichende Beurteilung des Anstellungsverhältnisses wird außerdem in der Familien-GmbH für notwendig erachtet. 42 II. Auswirkungen auf die arbeitsrechtliche Statusbestimmung?

Ganz überwiegender Ansicht enspricht es, daß sich aus der sozialversicherungsrechtlichen Einordnung keine zwingenden Rückschlüsse auf die Beurteilung des arbeitsrechtlichen Status von Organpersonen ziehen lassen. Folge der weitgehenden Kongruenz der begrifflichen Voraussetzungen könne allenfalls eine Indizwirkung der Sozialversicherungspflicht in Grenzfällen sein. 43 Beide Rechtsmaterien bezwecken zwar den Schutz des Beschäftigten, regeln aber unterschiedliche Bereiche: Während Arbeitsrecht vorrangig dazu dient, den Interessengegensatz zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer zu befrieden, löst das Sozialversicherungsrecht keine derartigen Konflikte. Es will die für eine abhängige Beschäftigung typische Schutzlosigkeit ausgleichen, die sich bei Ausbleiben des Arbeitsentgelts aufgrundder "Wechselfälle des Lebens" ergeben kann. Nicht unberücksichtigt bleiben darf auch, daß das Sozialversicherungsrecht als öffentlichrechtliche Materie das Verhältnis zwischen Arbeitgebern und Arbeitnehmern auf der einen und den Sozialversicherungsträgem auf der anderen Seite regelt. 44

8SG D8 1992, 1835, 1836; ZIP 1993, 54, 56. Groß, Das Anstellungsverhältnis, S. 189; Heyll, Die Anwendung, S. 19. 42 Vgl. Plagemann, Wi8 1994,223,224 ff. mit zusammenfassender "Entscheidungshilfe"; Zusammenstellung der 8SG-Rspr. auch bei Straub, D8 1992, 1087, 1089. 43 Gisse!, Arbeitnehmerschutz, S. 42; siehe auch G. Hueck, ZfA 1985, 25, 27 aber auch ders., FS Hilger/Stumpf, S. 365, 372: Heranziehung der sozialversicherungsrechtlichen Abgrenzung wenig ergiebig; Heyll, Die Anwendung, S. 13; a.A. Trinkhaus, Organmitglieder, S. 18; Miller, 88 1977, 723, 725 und Groß, Das Anstellungsverhältnis, S. 391, die Statusbeurteilung müsse in beiden Rechtsgebieten zwangsläufig zu übereinstimmenden Ergebnissen kommen, andernfalls sei die Einheitlichkeit der Rechtsordnung gefährdet. Ähnlich 8rachert, Organmitgliedschaft, S. 99: Unterschiedliche Ergebnisse nicht durch Sachnotwendigkeiten gerechtfertigt, sondern lediglich Folge der Aufspaltung der Rechtsprechung auf verschiedene Gerichtshöfe. 4 4 Wehrmeyer, Arbeitsrechtliche Einordnung, S. 205; Heyll, Die Anwendung, S. 12 rn.w.N. 40 41

8 Frisch

4. Teil: Zum Arbeitnehmerstatus des Geschäftsflihrers

114

D. Die Statusbeurteilung in der Literatur I. Mehrheitliche Übereinstimmung mit der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs Die Frage, ob das Anstellungsverhältnis eines Organmitglieds und speziell des Geschäftsführers einer GmbH als Arbeitsvertrag einzuordnen sein kann, ist gegenwärtig Gegenstand einer lebhaften Diskussion. Ein Teil des Schrifttums stützt im Ergebnis die Ansicht des II. Senats des BGH; ob hierbei - insbesondere hinsichtlich der GmbH-Geschäftsführer- noch von einer herrschenden Meinung gesprochen werden kann, ist zweifelhaft.45 Die für die ausschließliche Möglichkeit eines "freien" Dienstvertrages gegebenen Begründungen lassen sich·dahingehend zusammenfassen, daß Organe die oberste Weisungsbefugnis in der Gesellschaft ausübten, selbst weisungsunabhängig seien und in einer kollektiven, häufig auch individuellen Interessenkollision zur Arbeitnehmerschaft stünden. 46 Arbeitnehmerstatus und Organbestellung seien unvereinbar;47 die Argumentation entspricht im wesentlichen den Prämissen der zivilgerichtliehen Rechtsprechung. 48 Zur Abgrenzung von den leitenden Angestellten wird ergänzend angeführt, Organmitglieder übten im Gegensatz zu diesen originäre Arbeitgeberfunktionen aus, während letztere bei leitenden Angestellten lediglich rechtsgeschäftlich abgeleitet seien.49 Die abweichende lnteressenlage, die einer Einordnung des Allstellungsvertrages als Arbeitsvertrag entgegenstehe, manifestiere sich im "Fehlen eines kollektiven Bezugs zu den übrigen Arbeitnehmern". Solange Arbeitsrecht von einem Interessengegensatz zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer ausgehe, könne die Organperson nicht in den Kreis der Arbeitnehmer eingeordnet werden, da er diesen aufgrund der Bestellung als Vertretungs- und Handlungsorgan der Gesellschaft übergeordnet gegenüberstehe. Das Bestellungsverhältnis überlagere insofern die Anstellung des Organs und stehe der Klassifizierung als Arbeitsvertrag entgegen. 50 II. Positive Stellungnahmen zur Möglichkeit eines Arbeitsvertrages

Die Auffassung der zivilgerichtliehen Rechtsprechung wird zunehmend bestritten. Aufgrund differenzierter Bewertungen des Innenverhältnisses des Ge45 So Diller, Gesellschafter, S. 47; vgl. aber auch Bauer/Diller, BB 1995, 1134: "In der Literatur wird Arbeitnehmereigenschaft von Organmitgliedern überwiegend bejaht, zumindest ... ". 46 Vgl. Schaub, Arbeitsrechts-Handbuch, § 14 I 2, S. 62 m. w.N. 47 Richardi, Richardi, in: Münchener Handbuch zum Arbeitsrecht, § 23, Rdnr. I02 ff., 105.

48 Heyll, Die Anwendung, S. 22. 49 G. Hueck, ZfA 1987, 25, 31; ders., FS Hilger/Stumpf, S. 365, 377 f. 50 Gisse!, Arbeitnehmerschutz, S. 9 ff., 12; vgl. auch Fleck, FS Hilger/Stumpf,

s. 197,208.

D. Die Statusbeurteilung in der Literatur

115

schäftsfiihrers zur GmbH betont ein Teil der Literatur, Organmitglieder gehörten zu den Arbeitnehmern, wenn sie sich in abhängiger Position gegenüber der Anstellungskorporation befänden.51 I. Der Ausgangspunkt der Argumentation

Als Ansatz dient den Befiirwortern einer möglichen Arbeitnehmereigenschaft regelmäßig der kaum bestrittene soziologische Befund, daß sich die persönliche Lage eines Fremdgeschäftsfiihrers nur unwesentlich von der eines leitenden Angestellten, dem unstrittig der Arbeitnehmerstatus zugebilligt wird, unterscheidet. 52 Aufgrund der tatsächlichen Situation eines abhängigen, also nicht oder nicht wesentlich am Gesellschaftskapital beteiligten, Geschäftsfiihrers, dem auch in der Satzung kein beherrschender Einfluß gesichert ist, gelangt insbesondere Schneider zu einer von der Rechtsprechung abweichenden Statusbeurteilung. Entscheidend sei die Bindung der Arbeitskraft, ohne zugleich (wesentlich) am Unternehmensergebnis beteiligt zu sein. Nicht ausschlaggebend sei hierbei das Vorliegen von Weisungsabhängigkeit, sondern die Vergleichbarkeit mit einem leitenden Angestellten hinsichtlich der Frage der Existenzsicherung, also letztlich wirtschaftlicher Abhängigkeit. Der Zweck des Arbeitsrechts könne nicht auf den Schutz vor unzumutbaren Weisungen reduziert werden. 53 Schaub zufolge kann das Organmitglied aufgrund der soziologischen Gegebenheiten, die von der herkömmlichen Ansicht nicht hinreichend beachtet würden, im Innenverhältnis zur Gesellschaft funktional Arbeitnehmer sein.54 Die rechtstatsächliche Unterstellung, die insbesondere der BGH seiner Statusbeurteilung zugrundelege, sei geprägt von einem "elitären", am Vorstandsmitglied einer AG orientierten Idealtypus des Geschäftsfiihrers, der durch die Entwicklung im Wirtschaftsleben überholt sei. 55 2. Keine Präjudizierung durch die gesetzlichen Bereichsausnahmen

Organmitglieder sind aus dem persönlichen Geltungsbereich verschiedener arbeitsrechtlicher Gesetze ausgenommen, §§ 5 I 3 ArbGG, 2 II Nr. 1 AZO, 5 II Nr. 1 BetrVG, 14 I Nr. 1 und 7 V Nr. 1 KSchG, 3 I S. 2 MitbestG, 1 lila 3./4. VerrnBiG.56 Ganz überwiegender Auffassung entspricht es heute, daß diese gesetzlichen Regelungen hinsichtlich der Möglichkeit, Organmitgliedern Arbeit-

51 Siehe die Zusammenfassung bei Heyll, Die Anwendung, S. 30 ff. Ausf"lihrlich auch die Darstellung der Argumentation bei Diller, Gesellschafter, S. 48 ff. 52 So bereits Trinkhaus, DB 1968, 1756; siehe auch G. Hueck, ZfA 1985, 25, 27. 53 Scholz/Schneider, § 35, Rdnr. 161 b; auf die wirtschaftliche Abhängigkeit als entscheidenden Gesichtspunkt stellt auch Miller, ZiP 1981, 578, 580 ab. Miller nimmt aber auch eine arbeitrechtlich relevante Weisungsabhängigkeit infolge des§ 37 GmbHG an. 54 Schaub, Arbeitsrechts-Handbuch,§ 14 I 2, S. 62. 55 Miller, ZiP 1981,578, 579; Brachert, Organmitgliedschaft, S. 20 ff. 56 Ausführlich hierzu: Diller, Gesellschafter, S. 54 und 65 ff.; Brachert, Organmitgliedschaft, S. 58 ff.; Groß, Das Anstellungsverhältnis, S. 55 ff.

s•

116

4. Teil: Zum Arbeitnehmerstatus des Geschäftsführers

nehmerstatus zuzubilligen, "neutral" sind. 57 Angesichts der erschöpfenden Ausführungen in der Literatur sei hier nur angedeutet, daß die gesetzlichen Bereichsausnahmen sowohl im Wege des Umkehrschlusses für einen generellen Arbeitnehmerstatus als auch in der Auslegung als Klarstellung gegen einen solchen instrumentalisiert worden sind. Das Anstellungsverhältnis von Organpersonen könne bei persönlicher Abhängigkeit als Arbeitsvertrag aufgefaßt werden, andernfalls hätte es keiner ausdrücklichen Ausnahmevorschriften bedurft;58 andererseits hat man die Bereichsausnahmen rein deklaratorisch verstanden, sie stellten lediglich klar, was ohnehin als Grundsatz gelte, nämlich daß Orgarunitglieder aufgrundihrer Prinzipalstellung keine Arbeitnehmer seien. 59 3. Vorrang der Organstellung und der organschaftliehen Funktionen?

Die Annahme eines umfassenden Primats der organschaftliehen Bestellung und der gesellschaftsrechtlichen Funktionen, der dazu geeignet sei, den ansonsten exklusiven Regelungsanspruch des Arbeitsrechts zu durchbrechen,60 ist im Schrifttum umfassender Kritik ausgesetzt. Die Ausübung von Arbeitgeber- bzw. Unternehmerfunktionen könne der KlassifiZierung des Anstellungsverhältnisses als Arbeitsvertrag nicht zwingend entgegenstehen. Daß der Geschäftsführer der übrigen Belegschaft weisungsbefugt gegenübertritt, berühre sein hiervon getrennt zu betrachtendes Verhältnis zur ihn anstellenden juristischen Person nicht. Die Ausübung von Arbeitgeberfunktionen sei mit dem Arbeitnehmerstatus durchaus kompatibel, wie das Beispiel der leitenden Angestellten zeige. Ihnen können ebenfalls unternehmefische Entscheidungskompetenzen übertragen werden, ohne daß dies ihrem Arbeitnehmerstatus entgegenstünde. Gegenteiliges ergebe sich auch nicht aufgrundder unbeschränkbaren, aus der Organstellung folgenden Vertretungsmacht des Geschäftsführers gern. §§ 35, 37 II GmbHG. Eine arbeitsrechtlich relevante Weisungsbefugnis des für den Vertragsschluß letztlich verantwortlichen Organs 57 Henssler, RdA 1992,289, 293 m.w.N. Für§ 5 I 3 ArbGG so wohl auch BAG AP Nr. 6 zu§ 5 ArbGG 1979. 58 Für einen Umkehrschluß spreche sowohl die Gesetzestechnik der negativen Fiktion als auch die gebräuchliche Gesetzesformulierung "Arbeitnehmer im Sinne dieses Gesetzes sind (nicht) ... ", Miller, BB 1977, 723, 725, vorsichtiger aber ders., ZIP 1981, 578, 580; Trinkhaus, DB 1968, 1756 und ders., Organmitglieder, S. 6; Schaub, Arbeitsrechts-Handbuch, § 14 I 2, S. 63, insb. 6. Auflage, S. 52. Siehe auch Brachert, Organmitgliedschaft, S. 86. 59 Dersch, RdA 1951,212, 216; Pakebusch, BB 1968,230, 232; G. Hueck, FS Hilger/ Stumpf, S. 365, 369 f.; siehe auch die Nachw. bei Groß, Das Anstellungsverhältnis, S. 55 f. Siehe auch Heyll, Die Anwendung, S. 36, die Regelungen entfalteten bei deklaratorischem Charakter die Funktion, analoge Anwendung von Arbeitsrecht in diesen Bereichen auszuschließen. 60 Martens, FS Hilger/Stumpf, S. 437, 441; G. Hueck, FS Hilger/Stumpf, S. 365, 377; ders., ZfA 1985, 25, 29; Fleck, FS Hilger/Stumpf, S. 197, 208; Gisse!, Arbeitnehmerschutz, S. 12; Hohlfeld, GmbHR 1987,255.

D. Die Statusbeurteilung in der Literatur

117

Gesellschafterversanunlung sei dadurch nicht ausgeschlossen. Auch ein Prokurist kann unproblematisch Arbeitnehmer sein. 61 Die Charakterisierung der Leitungsmacht als originär überzeuge nicht, denn anders als die Organe von Personengesellschaften erhalten diejenigen der Kapitalgesellschaften ihre Leitungsmacht nicht automatisch aufgrund der Gesellschafterstellung, sondern erst im Wege eines besonderen Rechtsgeschäfts mit den Gesellschaftern.62 Ein genereller, umfassender Vorrang der Organbestellung und damit der gesellschaftsrechtlichen Besonderheiten kollidiere mit dem arbeitsrechtlichen Rechtsforrnzwang. Selbst wenn ein gewisser Vorrang des Organverhältnisses anzuerkennen sei, müsse er sich auf den Bereich beschränken, in dem ein Gleichlauf zwischen Bestellung und Anstellung unverzichtbar ist. 63 Das Anstellungsverhältnis sei auf die Bestellung bezogen, auf sie ausgerichtet. Es könne daher keine Rechte begründen, durch die die gesetzlichen Aufgaben des Vertretungsorgans beeinträchtigt würden. 64 Die Grenzen des Vorrangs ergäben sich aber aus den Vorschriften, die gleichzeitig als seine gesetzliche Verankerung angenonunen werden können, den§§ 84, 87 AktG. Er müsse auf den Zweck begrenzt bleiben, die freie Entscheidung der Gesellschafter über eineNeubestellung nicht durch die mit einem fortbestehenden alten Anstellungsverhältnis verbundenen fmanziellen Belastungen faktisch auszuhöhlen. Das Vorrangprinzip wirke bei der Koordinierung von Be- und Anstellungskompetenz und bei der Ausgestaltung der Zuständigkeiten und Pflichten des Organs. Weder die Satzungsautonomie noch die aktiemechtlichen Wertungen stünden aber der Annahme einer arbeitsrechtlich relevanten persönlichen Abhängigkeit des Organmitglieds gegenüber der Anstellungskörperschaft zwingend entgegen.65 4. Subsumtion unter den Arbeitnehmerbegriff Aufgrund vorstehender Überlegungen wird die Frage, ob der Geschäftsführer seine Tätigkeit auch im Rahmen eines Arbeitsvertrages erbringen kann, zunehmend danach untersucht, ob in seiner Person die Kriterien vorliegen, die insbe-

61 So bereits Meyer-Landruth/Miller/Niehus, §§ 35-38, Rdnr. 98; Henssler, RdA 1992, 289, 292; Brachert, Organmitgliedschaft, S. 126 f. Zum gesamten Komplex: Diller, Gesellschafter, S. 86 ff. 62 Diller, Gesellschafter, S. 92. 63 Henssler, RdA 1992, 289, 292; abw.: Groß, Das Anstellungsverhältnis, S. I 03 f. : "Ein Primat der Organstellung gegenüber dem Anstellungsverhältnis ist dogmatisch nicht begründbar." Die Gegenposition hierzu vertritt Martens, FS Hilger/Stumpf, S. 437, 442 f., der einen gesellschaftsrechtlich vermittelten Freiraum zur autonomen Regelung der Geschäftsführung als freies Dienstverhältnis unterstellt. 64 Gisse), Arbeitnehmerschutz, S. 65 ; so auch Eckardt, ZfA 1987, 467, 470. 65 Henssler, RdA 1992, 289, 292 f. ; Eckardt, ZfA 1987, 467, 470; siehe auch Brachert, Organmitgliedschaft, S. 122 f. So bereits auch Nikisch, Arbeitsrecht I, S. 99, der aber die persönliche Abhängigkeit verneint.

118

4. Teil: Zum Arbeitnehmerstatus des Geschäftsflihrers

sondere in der Rechtsprechung des BAG den Arbeitnehmerstatus begründen.66 Rechtsprechung und große Teile der Lehre gehen davon aus, daß der Arbeitnehmer charakteristischerweise im Dienste eines anderen zur Leistung fremdbestimmter Arbeit in persönlicher Abhängigkeit verpflichtet ist. 67 Die Voraussetzungen der persönlichen Abhängigkeit werden vielfach unter Zuhilfenahme der typologischen Methode bestimmt.68 Während der Rechtsbegriff durch bestimmte Eigenschaften, die stets vorhanden sein müssen, defmiert ist, kennt der Typus nur eine Vielzahl von charakteristischen Merkmalen, die im Einzelfall in sehr unterschiedlicher Intensität vorliegen können, aber nicht unbedingt vorliegen müssen: Es wird nicht defmiert, sondern beschrieben. In der Rechtsprechung des BAG wird dieser Vorgang als "Gesamtwürdigung aller Umstände" bezeichnet.69 Zu den vorrangig wichtigen materiellen Abgrenzungsmerkmalen zählen die Weisungsgebundenheit in fachlicher sowie in zeitlicher und örtlicher Hinsicht, die Eingliederung in die fremde Betriebsorganisation und die Verteilung des Unternehmerrisikos. 70 a) Weisungsabhängigkeit als zentrales Merkmal der persönlichen Abhängigkeit Die Weisungsabhängigkeit kann zwar nicht mit der persönlichen Abhängigkeit gleichgesetzt werden, stellt aber ein besonders wichtiges, maßgebliches Kriterium der Abhängigkeit dar. Ausgangspunkt der Überlegungen, eine arbeitsrechtlich relevante Weisungsabhängigkeit des Geschäftsführers anzunehmen, ist § 37 GmbHG, aus dem sich eine weitreichende Bindung der Geschäftsführung an Beschlüsse der Gesellschafterversammlung ergibt. Das daraus folgende Weisungsrecht urnfaßt auch konkrete Anweisungen mit beliebigem Inhalt für einzelne Geschäfte. Der Geschäftsführer kann zum reinen Exekutivorgan werden.71 Da das Weisungsrecht der Gesellschafterversammlung seinem Umfang nach dem Direktionsrecht eines Arbeitgebers entspreche, wird zum Teil angenommen, es erzeuge ohne weiteres eine arbeitsrechtlich relevante Weisungsgebundenheit. 72

66 Vgl. Groß, Das Anstellungsverhältnis, S. 92 ff., 224 ff.; Henssler, RdA 1992, 289, 293 und bereits Trinkhaus, DB 1968, 1756, 1759. 67 Vgl. Schaub, Arbeitsrechts-Handbuch,§ 8 II 3, S. 38 f.; Hilger, RdA 1989, 1, 2. 68 Vgl. nur Hilger, RdA 1989, 1, 2 m.w.N.; krit. : Diller, Gesellschafter, S. 108 ff. 69 Hilger, RdA 1989, 1, 2; Richardi, FS zum 125jährigen Bestehen der juristischen Gesellschaft, S. 607, 615; vgl. auch Zöllner/Loritz, S. 47 und Brachert, Organmitgliedschaft, S. 53 ff. AusfUhrlieh zur typologischen Erfassung des Arbeitnehmers: Wehrmeyer, Die arbeitsrechtliche Einordnung, S. 117 ff.; siehe auch Rosenfelder, Der arbeitsrechtliche Status, S. 111 ff. 7o Richardi, in: Münchener Handbuch zum Arbeitsrecht, § 23 Rdnr. 12. Zur Anwendung der typologischen Methode auf den Geschäftsflihrer siehe Wehrmeyer, Arbeitsrechtliche Einordnung, S. 201 ff. und Brachert, Organmitgliedschaft, S. 139 ff. 7 1 Vgl. Heyll, Die Anwendung, S. 52.

D. Die Statusbeurteilung in der Literatur

119

Dieser Betrachtung ist vor allem G. Hueck entgegengetreten. Er unterscheidet unternehmensbezogene und arbeitsbezogene Weisungen, wobei nur letztere zur arbeitsrechtlichen Weisungsabhängigkeit führen könnten. Aus der korporationsrechtlichen Kompetenzverteilung folgten regelmäßig nur unternehmensbezogene Weisungen, die dem Handeln des Geschäftsftihrers vorausgehende unternehmerische Entscheidungen beeinflußten, nicht jedoch das Ob, Wann und Wie der Arbeitsleistung beträfen.73 Dieser Unterscheidung sind Rechtsprechung und Schrifttum weitgehend gefolgt.74 Groß und Brachert haben demgegenüber nachzuweisen versucht, daß aus der Befugnis, unternehmensbezogene Weisungen zu erteilen, zwingend diejenige zu arbeitsbezogenen Anordnungen folge, bzw. eine Trennung gar nicht durchführbar sei und es prinzipiell keine arbeitsrechtlich irrelevanten Weisungen gäbe. 75 Bei konsequenter Anwendung des Trennungsprinzips kann sich hingegen eine arbeitsrechtlich relevante W eisungsunterworfenheit nur aus der konkreten Ausgestaltung bzw. Handhabung des Anstellungsverhältnisses ergeben, wenn sich das Dienstverhältnis als ein Abhängigkeitsverhältnis darstellt. Problematisch ist jedoch die Feststellung derartiger, allein das Anstellungsverhältnis betreffender Bindungen, da die Trennung zwischen der Abhängigkeit von arganschaftliehen Weisungen und Anordnungen, die das Anstellungsverhältnis betreffen, eine lediglich juristische ist. Faktisch dürften Einschränkungen der unternehmerischen Entscheidungsfreiheit oftmals mit engeren persönlichen Bindungen des Organmitglieds verbunden sein. Dann kann der Gesellschaft aufgrund des Anstellungsvertrages tatsächlich die Dispositionsbefugnis über die Arbeitskraft des Organs eingeräumt sein. 76

72 Miller, BB 1977, 723, 725; ders., ZIP 1981, 578, 581; siehe auch MeyerLandruth/Miller/Niehus, §§ 35-38, Rdnr. 98; so auch Wehrmeyer, Arbeitsrechtliche Einordnung, S. 158 ff. 73 G. Hueck, FS Hilger/Stumpf, S. 365, 377 f. und ZfA 1985,25,29 f.; so auch Eckardt, ZfA 1987,467, 472. 74 Henssler, RdA 1992,289, 294 m.w.N.; vgl. auch Heyll, Die Anwendung, S. 57,§ 37 GmbHG betreffe lediglich die innergesellschaftliche Kompetenzverteilung, nicht jedoch das Direktionsrecht einer (juristischen) Person gegenüber einer anderen (natürlichen). 75 Groß, Das Anstellungsverhältnis, S. 225 ff., leitet die fachliche Weisungsgebundenheit daraus ab, daß das Weisungsrecht der Gesellschafterversammlung regelmäßig durch eine Klausel im Anstellungsvertrag auf diese Ebene übertragen werde; Brachert, Organmitgliedschaft, S. 142 ff. geht von einer "Doppelnatur" aus. Letztlich folge - so beide Autoren - aus der fachlichen auch verhaltensbezogene Abhängigkeit; Groß, S. 231 ff., Brachert, S. 150 f. ; krit. hierzu Heyll, Die Anwendung, S. 52 ff. 76 Henssler, RdA 1992, 289,293 f.

120

4. Teil: Zum Arbeitnehmerstatus des Geschäftsführers

b) Eingliederung Als weiteres Kriterium zur Statusbestimmung wird vorrangig die Eingliederung in einen fremden Organisationsbereich genannt. Zugrunde liegt die Erwägung, daß das Sich-Einfügen-Müssen in eine fremdbestimmte Arbeitsorganisation und das Angewiesensein hierauf typischerweise zu der besonderen, den Arbeitnehmer kennzeichnenden Schutzbedürftigkeit führt. 77 Da die Eingliederung voraussetzt, daß der Beschäftigte bei seiner Arbeitsleistung auf den technischen Apparat des Dienstberechtigten und auf die Zusammenarbeit mit anderen Dienstverpflichteten angewiesen ist, könnte sie hinsichtlich des Geschäftsführers angenommen werden. Auch wenn er nicht im selben Umfang wie ein "normaler" Arbeitnehmer in den Betriebsablauf eingebunden ist, erbringt er seine Dienstleistung doch im räumlichen und sachlichen Rahmen des Betriebes. 78 Die Meinungen hierzu divergieren in der Literatur ähnlich wie hinsichtlich der arbeitsrechtlichen Relevanz der Weisungsunterworfenheit. G. Hueck zufolge ist die Einbindung des Organmitglieds arbeitsrechtlich bedeutungslos, weil der Betrieb für dieses kein fremder Organisationsbereich sei. Das Merkmal der Fremdheit habe die Funktion, den Arbeitnehmer vom Arbeitgeber abzugrenzen, der in den eigenen Betrieb eingegliedert sei. Da Organmitglieder Arbeitgeberfunktionen wahrnehmen und hierbei die juristische Person in deren eigenem Betrieb vertreten, könne dieses Merkmal in ihrer Person nicht erfüllt sein. 79 Nach Molitor kommt eine Eingliederung nicht in Betracht, da allein die Eingliederung in den Betrieb, nicht aber die in das Unternehmen arbeitsrechtlich relevant sei. Das Organmitglied sei aber nicht in den oder in die Betriebe eingeordnet, sondern diesen in der Organisation des Unternehmens übergeordnet, also in arbeitsrechtlicher Sicht Arbeitgeber. 80 Letztlich dürfte das Kriterium der Eingliederung zur Bestimmung des arbeitsrechtlichen Status eines Geschäftsführers ungeeignet sein, da es sowohl bei leitenden Angestellten, die zweifelsfrei Arbeitnehmer sind, als auch bei Fremd- und sogar bei Mehrheitsgesellschaftergeschäftsführern gegeben ist, weil sich abhängige von der selbständigen Wahrnehmung von Leitungsfunktionen nach ihrem organisatorischen Erscheinungsbild aufBetriebsebene kaum unterscheidet. 81 n Zeuner, FS Kissel, S. 1305, 1307. Groß, Das Anstellungsverhältnis, S. 168 ff., 237 ff. ; vgl. Heyll, Die Anwendung, s. 60 f. 79 G. Hueck, FS Hilger/Stumpf, S. 365, 3 78 f.; ders., ZfA 1985, 25, 31. 80 Molitor, Die AG 1957, 193 ff. bezogen aufdas Vorstandsmitglied einer AG. 8 1 Groß, Das Anstellungsverhältnis, S. 285; so auch Heyll, Die Anwendung, S. 65. Die eigenständige Bedeutung dieses Merkmals ist allgemein anzuzweifeln. Zum einen ist die Abgrenzung zu dem auch benutzten Kriterium der "funktionsgerecht dienenden Teilhabe am Arbeitsprozeß" unklar, zum anderen bleibt die Frage offen, inwieweit sich der Inhalt mit dem Kriterium der Weisungsabhängigkeit deckt; vgl. hierzu Groß, S. 168 f., Brachert, Organmitgliedschaft, S. 153 ff. und allg. Richardi, in: Münchener Handbuch zum Arbeitsrecht, § 23, Rdnr. 16. 78

D. Die Statusbeurteilung in der Literatur

121

c) Fehlendes Unternehmerrisiko Als weiteres Typusmerkmal des Arbeitnehmers kann man das Fehlen eines Unternehmerrisikos ansehen. 82 Es könnte beim Fremdgeschäftsführer vorliegen, da allein die juristische Person das Risiko trägt, eingesetztes Kapital zu verlieren und auch die Gefahr der Verwertung der Arbeitsergebnisse nicht den Geschäftsführer trifft. 83 Fraglich ist aber bereits, ob sich nicht ein anderes daraus ergeben kann, daß der Geschäftsführer eine erfolgsabhängige Tantieme als Bestandteil der Vergütung erhält. 84 Darüber hinaus ist auch für dieses Kriterium bestritten, ob es überhaupt dazu geeignet ist, selbständige von unselbständiger Geschäftsleitertätigkeit abzugrenzen. Von einer Tauglichkeit gehen insbesondere Groß und W ehrmeyer aus, die einen Zusammenhang zwischen der Kapitalbeteiligung des Geschäftsführers und der Risikoverteilung annehmen und daher Gesellschaftergeschäftsführer ab einem bestimmten Grad der Beteiligung als selbständige Unternehmer ansehen. 85 Groß räumt zwar ein, daß auch den Gesellschafter-Geschäftsführer bei formaler Betrachtung kein Verlustrisiko trifft; diesem ist lediglich die GmbH als juristische Person ausgesetzt, lediglich in ihrem Vermögen realisieren sich Gewinne und Verluste aus geschäftlichen Aktivitäten. Er plädiert aber dafür, die formale durch eine wirtschaftliche Betrachtung zu ersetzen, die allein geeignet sei, den Begriff des Unternehmerischen Risikos als Bestandteil des arbeitsrechtlichen Arbeitnehmerbegriffs auszufüllen. Danach trägt jeder Gesellschafter-Geschäftsführer ein Kapitalrisiko, das durch seine Beteiligung am Stanunkapital vermittelt ist. Über die Verknüpfung der Vermögenssphären von Gesellschaft und Gesellschafter, die sich daraus ergibt, daß die Kapitalbeteiligung den Anteil des Geschäftsführers am Gesellschaftsvermögen repräsentiert, habe die geschäftsleitende Tätigkeit direkte Rückwirkungen auf das Vermögen des Gesellschaftergeschäftsführers. 86 · Dieser Betrachtung ist Heyll mit dem zentralen Argument entgegengetreten, eine Beteiligung am Gesellschaftskapital führe nicht zu derselben Risikobelastung, der der typische selbständig am Markt auftretende Anbieter einer Dienstleistung ausgesetzt ist, da dieser persönlich mit seinem gesamten Vermögen haftet, während der Gesellschafter-Geschäftsführer lediglich seine Einlage 82 Vgl. insb. Wehrrneyer, Die Arbeitsrechtliche Einordnung, S. 141 m.w.N.; Groß, Das Anstellungsverhältnis, S. 239 f. 83 So Wehrrneyer, Die arbeitsrechtliche Einordnung, S. 156 f.; Groß, Das Anstellungsverhältnis, S. 239 f. ; vgl. auch Brachert, Organmitgliedschaft, S. 156 f. , 160. 84 Gegen eine Auswirkung: Groß, Das Anstellungsverhältnis, S. 239 f.; Wehrrneyer, Die arbeitsrechtliche Einordnung, S. 156 f.; a.A. Diller, Gesellschafter, S. 144 ff.; Henssler, RdA 1989, 289, 291. 85 Wehrrneyer, Arbeitsrechtliche Einordnung, S. 205, der einen Gesellschaftergeschäftsführer dann nicht mehr als Arbeitnehmer ansieht, wenn er mehr als "formal" beteiligt ist. Brachert, S. 180 ff. sieht demgegenüber die Grenze bei einer Beteiligung von 50%. Zur Abgrenzung von Groß, Das Anstellungsverhältnis, S. 265 ff. 86 Groß, Das Anstellungsverhältnis, S. 282 ff.

122

4. Teil: Zum Arbeitnehmerstatus des Geschäftsflihrers

verlieren kann. Mit einem "wirtschaftlichen" Risikobegriff könne lediglich die allgemeine wirtschaftliche Selbständigkeit eines Geschäftsführers beschrieben werden, nicht jedoch das Verhältnis gegenüber der Gesellschaft als abhängig oder nicht klassifiziert werden. Im Innenverhältnis zur Gesellschaft trage auch derbeteiligte Geschäftsftihrer aufgrund der Eigenständigkeit der juristischen Person lediglich das Einkommensrisiko. Da somit das Unternehmerrisiko unabhängig von der Beteiligung am Gesellschaftsvermögen nur die Gesellschaft treffe, komme es als Abgrenzungsmerkmal für die Differenzierung zwischen abhängiger und selbständiger Unternehmensleitungstätigkeit nicht in Betracht. 87 d) Zwischenergebnis Die Untersuchung der Typusmerkmale liefert ein ambivalentes Bild vom arbeitsrechtlichen Status des Geschäftsftihrers. 88 Trotz immer differenzierterer Analysen lassen sich hinsichtlich der einzelnen, die persönliche Abhängigkeit begründenden Merkmale keine sicheren konsensfähigen Ergebnisse feststellen. Dies legt die Frage nahe, ob die Statusbestimmung beim GmbH-Geschäftsführer überhaupt notwendig und sinnvoll ist. 89 111. Insbesondere: Dillers Einordnung nach dem wirtschaftlichen Arbeitnehmerbegriff

Neuestens leitet Diller die Arbeitnehmereigenschaft eines Teils der GmbHGeschäftsführer nicht auf der Grundlage des klassischen Arbeitnehmerbegriffs, sondern anband der Untersuchung von Wank zum dualen Modell der Erwerbstätigkeit her, wobei er auf empirische Untersuchungen zur tatsächlichen Situation von Organmitgliedern zurückgreift. 1. Der wirtschaftliche Arbeitnehmerbegriff

Diller folgt damit einer Bestimmung des Arbeitnehmerbegriffs, die letztlich auf die wirtschaftlichen Strukturen90 des Beschäftigungsverhältnisses abstellt. Zurückgeführt werden kann der wirtschaftliche Arbeitnehmerbegriff insbesondere auf Wiedemann, 91 der das entscheidende Charakteristikum des Arbeitnehmers in der Unmöglichkeit eigener Teilnahme am Marktgeschehen erkennt, im Verlust freier wirtschaftlicher Dispositionsmöglichkeit über die eigene ArbeitsHeyll, Die Anwendung, S. 66 ff. So auch Martens, FS Hilger/Stumpf, S. 43 7, 441 . 89 Vg\. Wank, Arbeitnehmer, S. 40 ff., 42. 90 Vg\. nur Richardi, in: Münchener Handbuch zum Arbeitsrecht,§ 23, Rdnr. 29. 9t Siehe auch bereits Nikisch, Bd. I, S. 7. Wurzeln lassen sich bis weit in die Arbeitsrechtsgeschichte hinein verfolgen, so hatte auch das RAG zunächst beim Arbeitnehmerbegriff neben der persönlichen auf die wirtschaftliche Abhängigkeit abgestellt, ausführlich hierzu: Diller, Gesellschafter, S. 119 f. 87 88

D. Die Statusbeurteilung in der Literatur

123

kraft. 92 Hieraus folge die Schutzbedürftigkeit des Arbeitnehmers, denn mit der Übertragung der Dispositionsmöglichkeiten über die Arbeitskraft flössen dem Arbeitgeber auch die wirtschaftlichen Resultate zu, wodurch der Arbeitnehmer die Fähigkeit zur eigenen Daseinsvorsorge verliere. Der diesen Verlust kompensierende Schutz des Arbeitsrechts ist nach Wiedemann Gegenleistung für die Überlassung der Arbeitskraft zu fremder Disposition; diese Abnahme von Risiken stehe also neben dem Entgeltanspruch in einem Austauschverhältnis zur Arbeitsleistung. 93 Lieb hat den Gedanken Wiedemanns aufgegriffen94 und bestimmt die Arbeitnehmereigenschaft vom Gegenbegriff des freien untemehmerisch tätigen Dienstnehmers.95 Die vom BGB bereitgestellten Vertragstypen zur Nutzung der menschlichen Arbeitskraft, freier Dienstvertrag einerseits und Arbeitsvertrag andererseits, entsprechen seiner Ansicht nach den beiden Möglichkeiten, "Humankapital" zu nutzen: in unselbständiger Weise durch pauschalen Verkauf gegen Lohn und Risikoabnahme oder im Wege selbständiger, untemehmerischer Verwertung nach eigener Disposition zur Ausnutzung wirtschaftlicher Chancen unter Iokaufnahme entprechender Risiken, also durch marktorientierten Einsatz.96 Die vom klassischen Arbeitnehmerbegriff hervorgehobene Weisungsgebundenheit spiele demgegenüber lediglich in Grenzfällen eine untergeordnete Rolle. 97 Vielmehr entspreche dem Kriterium der (fehlenden) Möglichkeit zu untemehmerischer Disposition auch der Schutzzweck des Arbeitsrechts, die Unfähigkeit zur eigenständigen Daseinsvorsorge, die sich aus der Übertragung der Verwertungsmöglichkeit der eigenen Arbeitskraft ergebe, auszugleichen.98 Von einem dualen Modell der Erwerbstätigkeit geht auch Wank aus.99 Anders als Lieb bestimmt er die Arbeitnehmeigenschaft aber nicht vom Gegenbegriff des Selbständigen aus, sondern teleologisch, indem er einen Sinnzusammenhang zwischen der Tatbestandsseite, den Merkmalen des Arbeitnehmerbegriffs, und der Rechtsfolgenseite, Anwendung von Arbeitsrecht, herstellt. Den so ermittelten Arbeitnehmerbegriff stellt Wank dann dem des Selb92 Wiedemann, Das Arbeitsverhältnis, S. 14 ff. 93 Wiedemann, Das Arbeitsverhältnis, S. 18; krit. hierzu Wank, Arbeitnehmer,

S. 120, der gleichwohl einen zutreffenden Kern in der Theorie Wiedemanns erkennt. 94 Deutlich in RdA 1977, 210, 215 auch mit Hinweis auf Nikisch. 95 Lieb, ZVersWiss 1976,207, 213. 96 Lieb, RdA 1977, 210, 215 und RdA 1974, 257, 259; vgl. hierzu: Diller, Gesellschafter, S. 117 f. 97 Lieb, RdA 1974, 257,259. 98 Lieb, RdA 1974,257, 259 und ZVersWiss 1976, 207, 214 sowie RdA 1977, 210, 215. Auf die Kritik am Liebsehen Ansatz, er flihre flir kurzfristige Beschäftigungsverhältnisse zu einer Einschränkung des arbeitsrechtlichen Geltungsbereichs und es werde auf außervertragliche Umstände zurückgegriffen, um die Art der Nutzung menschlicher Arbeitskraft zu ermitteln, ist hier nicht näher einzugehen. Vgl. hierzu: Diller, Gesellschafter, S. 120 ff. 99 Wank, Arbeitnehmer, insb. S. 82 ff.; vgl. hierzu den Überblick von Richardi, in: Münchener Handbuch zum Arbeitsrecht, § 23, Rdnr. 34 f.

124

4. Teil: Zum Arbeitnehmerstatus des Geschäftsführers

ständigen gegenüber. Nach den verschiedenen Schutzrichtungen arbeitsrechtlicher Rechtssätze differenziert er in eine Gruppe von Normen, die dem Berufsschutz dienen, also den Arbeitnehmer vor Gefahren schützen, die im Zusammenhang mit seinem konkreten Arbeitsplatz stehen, und eine andere Gruppe, die die Existenz schützt, vor Risiken, die unabhängig vom konkreten Arbeitsplatz bestehen. Die erste Normengruppe schütze vor Gefahren, die sich aus der fremden Arbeitsorganisation ergeben, die zweite vor solchen des Marktes 100 • Hinsichtlich der Normen des Berufsschutzes setze der klassische, auf der Weisungsgebundenheit fußende Arbeitnehmerbegriff somit zutreffend an. Die Überwälzung der mit der Tätigkeit zusammenhängenden wirtschaftlichen Risiken sei hingegen mit fremder Organisationshoheit nicht erklärbar101 ; hier fmde sich die Erklärung in dem Modell der beiden verschiedenen Arten der Erwerbstätigkeit, das unsere Rechtsordnung bereitstelle. Auf der einen Seite stehe die mit einem umfassenden Schutz versehene abhängige Arbeit, auf der anderen die selbständige Berufsausübung, bei der der Beschäftigte selbst für Berufsund Existenzschutz sorgen muß.102 Grundlage einer selbständigen, unternehmerischen Nutzung der eigenen Arbeitskraft sind Wank zufolge die freiwillige Übernahme eines Unternehmerrisikos und ein ausgewogenes Verhältnis zwischen wirtschaftlichen Chancen und Risiken. Selbständigkeit könne nur vorliegen bei einer finanziellen Beteiligung am Arbeitsergebnis und unternehmeTischer Entscheidungsfreiheit. 103 Aus der Voraussetzung der Unternehmerischen Entscheidungsfreiheit folgert Wank, daß letztlich durch diese Abgrenzung vom Selbständigen auch die Normen des Berufsschutzes erklärbar seien, denn die diese rechtfertigende fremde Organisationshoheit bestehe im Falle unternehmenscher Entscheidungsfreiheit nicht. 104 Weitere in Rechtsprechung und Literatur herausgearbeitete Kriterien zur Bestimmung des Arbeitnehmerstatus legt Wank als Unterbegriffe zum Merkmal der freiwilligen Übernahme des Unternehmerrisikos aus. 105 2. Übertragung auf Organmitglieder

Bei der Übertragung des Wankschen Ansatzes auf Organmitglieder reduziert Diller diesen auf die Kriterien der Teilhabe am Arbeitsergebnis und der unternehmerischen Entscheidungsfreiheit. 106 Dabei sieht er wirtschaftlich relevante wo Wank, Arbeitnehmer, S. 59 ff. und 76 ff.; vgl. Diller, S. 124. Wank, Arbeitnehmer, S. 117 und S. 123. 1o2 Wank, Arbeitnehmer, S. 120, hierin liegt die Anknüpfung an den Wiedemann'schen Ansatz. 103 Wank, Arbeitnehmer, S. 122 ff., 128, 132. 104 Wank, Arbeitnehmer, S. 128; hierzu Diller, Gesellschafter, S. 126 f. 105 Wank, Arbeitnehmer, S. 132 f., 134 ff. 1o6 Außerdem fällt auf, daß Diller eine sehr weitgehende Übereinstimmung des Ansatzes von Wank mit dem von Wiedemann/Lieb suggeriert, vgl. insb. S. 125. Wank setzt sich aber sehr kritisch mit der These des Verkaufs der Verkaufs der Disposition über die eigene Arbeitskraft auseinander, vgl. S. 118 ff. 1o1

D. Die Statusbeurteilung in der Literatur

125

Chancen dieser Personengruppe bei der Verwertung ihrer Arbeitskraft nicht nur bei Gesellschaftsbeteiligungen, sondern bereits bei einer variablen Vergütung in Gestalt von Tantiemen als möglich an, sofern diese verbindlich zugesagt sind und sich in nicht unerheblicher Höhe bewegen; ein Anteil von 30% an den Gesamtbezügen ist als Grenzwert unterstellt. 107 Für Gewinnansprüche aus Gesellschaftsbeteiligungen gelte die gleiche Schwelle, wobei alle variablen Bezüge zusammenzurechnen seien. 108 Zur Ermittlung der neben den wirtschafliehen Chancen für den Status des freien Dienstnehmers notwendigen Kompetenzen in der Untemehmensleitung, die dem Geschäftsfiihrer die Einflußnahme auf den Ertrag seiner Arbeitsleistung ermöglichen müssen, 109 sei auf die tatsächliche innergesellschaftliche Kompetenzverteilung im Einzelfall abzuheben. 110 Um jedoch einen Kompromiß zwischen den Zielen der Einzelfallgerechtigkeit und der Vorhersehbarkeit der Ergebnisse zu erzielen, erarbeitet Diller Vermutungen fiir bestimmte Kompetenzstrukturen in Abhängigkeit von gesetzlichen Regelungen, Satzungsbestimmungen und Eigentümerstrukturen unter Auswertung empirischer Untersuchungen. 111 In methodischer Hinsicht ist Dillers Ansatz zunächst den auch für Wanks Überlegungen geltenden Bedenken ausgesetzt. Im Ansatz ist es überzeugend, den persönlichen Anwendungsbereich eines arbeitsrechtlichen Rechtssatzes nach dessen telos zu bestimmen; fraglich ist aber, ob den verschiedenen arbeitsrechtlichen Regelungsmaterien ein derartig einheitlicher Gesamtzweck unterstellt und so durch die "richtige" Arbeitnehmerdefinition die Anwendbarkeit des gesamten Arbeitsrechts festgelegt werden kann. 112 Nicht unproblematisch erscheint es insbesondere, die fremde Organisationshoheit, auf die Wank zunächst die Normen des Berufsschutzes zurückführt, vollständig im Kriterium der Unternehmerischen Entscheidungsfreiheit aufgehen zu lassen. Dies ist gerade für die Untersuchung des Anwendungsbereichs der Haftungserleichterung hervorzuheben, da Wank selbst die Haftungsrisiken des Arbeitnehmers einerseits als Organisationsrisiken einordnet, in seiner Herleitung der Regeln zur Haftungserleichterung dann aber andererseits zentral auf die wirtschaftliche Struktur des Arbeitsverhältnisses abstellt. 113 Hinzu kommt, daß Wank bei der Übertragung seiner Ergebnisse auf verschiedene Berufsgruppen Organmitglieder nicht behandelt, statt dessen aber ausdrücklich festgestellt hat, daß die teleologische Bestimmung des Anwendungsbereichs der einzelnen arbeitsrechtlichen Regeln von der Notwendigkeit entbindet, Organmitglieder insgesamt als Arbeitnehmer oder als Nichtarbeitnehmer einzuordnen. 114

Diller, Gesellschafter, S. 144 ff. und S. 244. Diller, Gesellschafter, S. 379. 109 Diller, Gesellschafter, insb. S. 150. 11o Diller, Gesellschafter, S. 155 f. und 157 f. 111 Diller, Gesellschafter, S. 158 f., flir die GmbH: S. 190 ff. 112 Richardi, in: Münchener Handbuch zum Arbeitsrecht, § 23, Rdnr. 65 ; vgl. auch Loritz, Mitarbeit, S. 243 und RdA 1992,310,317. 113 Vg\. Wank, Arbeitnehmer, S. 63 ff., insb. S. 65 und 67. 114 Wank, Arbeitnehmer, S. 42. 107

1os

126

4. Teil: Zum Arbeitnehmerstatus des Geschäftsführers

Hintergrund dürfte neben äußerst heterogenen Erscheinungsformen der Organmitgliedschaft sein, daß die rechtliche Behandlung derartiger Anstellungsverhältnisse in jedem Fall von gesellschaftsrechtlichen Bestimmungen mitbeeinflußt ist, die im Einzelfall mit arbeitsrechtlichen Erwägungen in Einklang zu bringen sind. Hier bleiben auch Dillers Ausführungen unter dem Stichwort "Normenkollision" insbesondere fiir den Fall der Haftung der Geschäftsleiter recht oberflächlich. 115 Die Bestimmung tatsächlicher innergesellschaftlicher Kompetenzstrukturen anband empirischer Untersuchungen fiihrt zu teilweise vagen und spekulativen Ergebnissen, teilweise werden keine Hypothesen aufgestellt. 116

E. Die Relativierung des Arbeitnehmerbegriffs I. Der rechtstheoretische Ansatz 117 Die Funktion des Arbeitnehmerbegriffs, der Zweck seiner Festlegung, besteht darin, den persönlichen Geltungsbereich des Arbeitsrechts zu bestimmen. Die Zuerkennung der Arbeitnehmereigenschaft ist somit nichts anderes als ein technisches Hilfsmittel, um abhängig Beschäftigte in die Arbeitnehmerschutzgesetzgebung einzubeziehen. 118 Herkömmlicherweise geht man von einem einheitlichen Arbeitnehmerbegriff aus. Hierfiir sprechen die Gebote der Rechtssicherheit und der Einheit der Rechtsordnung. 119 Festzuhalten ist aber, daß ein allgemein verbindlicher Arbeitnehmerbegriffnicht existiert; es fehlt an einer Legaldefmition, und ein allgemeiner Konsens in Rechtsprechung und Lehre hat sich nicht herausgebildet. Daher kann auch nicht unterstellt werden, alle arbeitsrechtlichen Gesetze und Rechtsgrundsätze nähmen auf denselben Arbeitnehmerbegriff Bezug. 120 Mit dem Arbeitnehmerbegriff in seiner Diller, Gesellschafter, S. 73 ff., zur unbeschränkten persönlichen HaftungS. 78 ff. Vgl. die Ausführungen zur Familiengesellschaft, wo zunächst die Vermutung für große Entscheidungsspielräume ausgesprochen ist, diese dann aber erheblich eingeschränkt und als von weiteren Konstellationen abhängig dargestellt wird, Diller, S. 206 ff. und 232 f. Vgl. auch zum Gesellschaftergeschäftsführer in der Kleinunternehmergesellschaft insb. S. 236. 117 Dieser dürfte zurückzuführen sein auf Plander, RdA 1973, 234 ff., vgl. Heuberger, Sachliche Abhängigkeit, S. 164. Er wurde weiterentwickelt und wird heute insb. vertreten von Richardi, FS zum 125jährigen Bestehen, S. 607 ff. und Staudinger!Richardi, Vorb. zu §§ 611 ff., Rdnr. 176 ff. sowie im Münchener Handbuch zum Arbeitsrecht, § 23, Rdnr. 36 ff. Aufgegriffen ist dieser Ansatz auch bei Loritz, Die Mitarbeit, S. 243 ff. und ders., RdA 1992, 310, 317 und von Wiedemann, Anm. zu BAG AP Nr. 2 zu § 161 HGB. 11s Hromadka, Leitende Angestellte, S. 326; Staudinger!Richardi, Vorb. zu§§ 611 ff., Rdnr. 146. 119 Wank, Arbeitnehmer und Selbständige, S. 41; Heuberger, Sachliche Abhängigkeit, S. 164; vgl. auch Loritz, Die Mitarbeit, S. 243 ff. Hintergrund könnte auch die Annahme eines einheitlichen Geltungsgrundes aller arbeitsrechtlicher Regelungen sein, vgl. Richardi, in: Münchener Handbuch zum Arbeitsrecht, § 23, Rdnr. 36. 12o Wank, Arbeitnehmer und Selbständige, S. 37. 11s

11 6

E. Die Relativierung des Arbeitnehmerbegriffs

127

herkömmlichen Form sind Problemfälle nicht zufriedenstellend zu lösen, er wird der fortschreitenden tatsächlichen und rechtlichen Entwicklung nicht gerecht. 121 Zu einer präzisen Abgrenzung des persönlichen Anwendungsbereichs einer Schutznorm ist es erforderlich, den Arbeitnehmerbegriff teleologisch zu bestimmen, d.h., es ist ein Sinnzusammenhang herzustellen zwischen der Tatbestandsseite, die sich aus den Merkmalen des Arbeitnehmerbegriffs ergibt, und der Rechtsfolge, der Anwendung des betreffenden arbeitsrechtlichen Rechtssatzes. Hierbei ist zu berücksichtigen, daß das Arbeitsrecht aus einer Vielzahl von Regelungen besteht, die sich nicht auf einen einzigen materiellen Geltungsgrund verengen lassen. Die Begründung mit dem Arbeitnehmerschutzgedanken allein genügt nicht, sondern es ist zu zeigen, welcher Schutz im einzelnen durch welche Regelung erreicht werden soll. Daher ist jeweils teleologisch zu begründen, ob und inwieweit die tatbestandliehen Voraussetzungen gegeben sind, an die die jeweilige Vorschrift ihre Rechtsfolge knüpft. Denkbar ist dabei, daß jede einzelne Norm ihren eigenen aus dem spezifischen Zweck folgenden Arbeitnehmerbegriff zugrunde legt. 122 Der Forderung nach der Einheit der Rechtsordnung kann dadurch Folge geleistet werden, daß von einem einheitlichen Arbeitnehmerbegriff insoweit auszugehen ist, als der Grundbegriff, der dem Begriffs- oder Vorstellungskern entspricht, in Frage steht. Modell hierfiir ist eine fremdbestimmte Tätigkeit, die nicht auf Einzelleistungen begrenzt ist und den Beschäftigten hauptberuflich in Anspruch nimmt. Im Bereich dieses Grundbegriffs, wo die Arbeitnehmereigenschaft unproblematisch anzunehmen ist, ist das gesamte Arbeitsrecht zwingend anzuwenden.123 Ein Rückgriff auf die Merkmale des unumstrittenen Grundbegriffs ist aber immer dann zur Abgrenzung wenig geeignet, wenn es um streitige Grenzfälle geht, also gerade, wenn es auf eine genaue Definition ankäme. 124 Hier läßt sich der persönliche Geltungsbereich eines arbeitsrechtlichen Rechtssatzes nicht durch eine Aneinanderreihung deskriptiver Merkmale bestimmen. 125 Soweit also die allgemein verwendeten Merkmale keine eindeutige Aussage hinsichtlich der Arbeitnehmereigenschaft zulassen, läßt sich das Problem nicht durch eine Präzisierung des Arbeitnehmerbegriffs lösen, sondern maßgeblich ist ausschließlich, ob der Normzweck des betreffenden Rechtssatzes auch das untersuchte Vertragsverhältnis erfaßt. 126 Die Reichweite des persönlichen AnwenWank, Arbeitnehmer und Selbständige, S. 37; vgl. auch Loritz, RdA 1992, 310, 317. Bereits Plander, RdA 1973, 234, 237; Richardi, FS zum 125jährigen Bestehen der juristischen Gesellschaft, S. 607, 615 und ders., in: Münchener Handbuch zum Arbeitsrecht,§ 23, Rdnr. 45 f.; Wank, Arbeitnehmer, S. 41. Krit. hierzu Hermann, RdA 1989, 313, 318, die dieses Vorgehen flir wissenschaftstheoretisch bedenklich hält und auf Praktikabilitätserwägungen hinweist. 123 Richardi, FS zum 125jährigen Bestehen, S. 607, 615; Wank, Arbeitnehmer und Selbständige, S. 39. 124 Wank, Arbeitnehmer und Selbständige, S. 39; Loritz, Die Mitarbeit, S. 249 f. 125 Richardi, in: Münchener Handbuch zum Arbeitsrecht, § 23, Rdnr. 45. 126 Richardi, FS zum 125jährigen Bestehen, S. 607, 615,620. 121

122

128

4. Teil: Zum Arbeitnehmerstatus des Geschäftsflihrers

dungsbereichs der Norm wird also im Wege einer funktionalen Betrachtung durch ihren Sinn und Zweck ermittelt. 127 Sind in Grenzfällen die Voraussetzungen des allgemeinen Arbeitnehmerbegriffs nicht vollständig nachweisbar, darf daraus nicht gefolgert werden, Arbeitsrecht könnte überhaupt nicht angewandt werden; umgekehrt bedeutet das Vorliegen der Kriterien nicht, daß der Gesamtkomplex Arbeitsrecht anzuwenden ist. Die Verschiedenheit der arbeitrechtlichen Normzwecke kann zu Abstufungen in der Anerkennung der Arbeitnehmereigenschaft führen, es kann sich auch ergeben, daß es für die Anwendung einer betreffenden Regelung überhaupt keine Rolle spielt, ob der Normunterworfene Arbeitnehmerstatus hat. 128 Einer "Zersplitterung" des Arbeitnehmerbegriffs kann insofern entgegengewirkt werden, als bei einer notwendigen Begriffsspaltung Normengruppen zu bilden sind, innerhalb derer bestimmte Beschäftigte als Arbeitnehmer bzw. als Nichtarbeitnehmer anzusehen sind. 129 II. Übertragung auf die anstellungsvertragliche Rechtsstellung des GmbH-Geschäftsführers Die teleologische Bestimmung des persönlichen Anwendungsbereichs arbeitsrechtlicher Rechtssätze bietet sich in besonderem Maße dazu an, die Frage zu klären, ob die richterrechtliche Haftungserleichterung auf das Anstellungsverhältnis des Geschäftsftihrers übertragbar ist. Letztlich mußten auch die Untersuchungen zum Arbeitnehmerstatus des Geschäftsführers anerkennen, daß mit der Klassifizierung des Anstellungsvertrages die Geltung der einzelnen Arbeitnehmerschutznormen nicht abschließend geklärt ist. 130 Die Ansicht, die das Vorliegen eines Arbeitsvertrages generell ablehnt, wendet aufgrund eines allgemein anerkannten, zumindest partiellen Schutzbedürfnisses bestimmte arbeitsrechtliche Regelungen im Wege der Analogie an; wer umgekehrt einen Arbeitnehmerstatus unterstellt, relativiert dieses Ergebnis im Wege einer "Feineinstellung" bzw. einer teleologischen Reduktion der einzelnen arbeitsrechtlichen Normen, bei der das Entgegenstehen zwingender oder vorrangiger gesellschaftsrechtlicher Normen untersucht wird. 131

Deutlich: Loritz, RdA 1992, 310, 317. Richardi, in: Münchener Handbuch zum Arbeitsrecht, § 23, Rdnr. 51. 129 Wank, Arbeitnehmer, S. 42. 130 Vgl. nur Groß, Das Anstellungsverhältnis, S. 337 f. unter Verweis auf die Ausführungen von Plander, RdA 1973, 234 und Brachert, Organmitgliedschaft, S. 50 ff., 54. Vgl. aber auch Richardi, FS zum 125jährigen Bestehen, S. 607, 623, der pauschal die Arbeinehmereigenschaft von Organmitgliedern wegen der Unternehmerischen Funktionen verneint; krit. hierzu Groß, Das Anstellungsverhältnis, S. 329 ff. 131 Groß, Das Anstellungsverhältnis, S. 336 ff., "einzelnormorientierte Feineinstellung" notwendig; Brachert, Organmitgliedschaft, S. 200 ff. "Geltung ungeschriebener Bereichsausnahmen"; Wehrmeyer, Arbeitsrechtliche Einordnung, S. 147 ff., 169 ff.: Frage nach der Existenz von "außerhalb des Merkmalskomplexes liegenden Merkmalen und deren Vereinbarkeit mit dem leitenden Wertgesichtspunkt". 121 12s

E. Die Relativierung des Arbeitnehmerbegriffs

129

Dies verdeutlicht, daß die in Teilen der Literatur geäußerte Prämisse, der Untersuchung einer Anwendung von Arbeitsrecht auf Organmitglieder müsse eine Statusbeurteilung vorweggehen, nicht haltbar sein dürfte. Vor dem Hintergrund der Notwendigkeit, in Grenzfallen den persönlichen Geltungsbereich eines arbeitsrechtlichen Rechtssatzes teleologisch zu bestimmen, macht es keinen Unterschied, ob die analoge Anwendung von Arbeitsrecht oder aber seine teleologischen Reduktion zu begründen ist. Symptomatisch ist die Feststellung, daß die Annahme des Arbeitnehmerstatus im Ergebnis zu einer weniger weitreichenden Anwendung von Arbeitsrecht führen kann, als der umgekehrte Weg, bei dem generell ein freier Dienstvertrag unterstellt ist, arbeitsrechtliche Vorschriften aber analog herangezogen werden.132 Damit dürfte auch der hinsichtlich der Anwendbarkeit von Arbeitsrecht zumindest unterstellte Indizcharakter einer Annahme des Arbeitnehmerstatus entkräftet sein. Die telelogische Bestimmung des Anwendungsbereichs der einzelnen arbeitsrechtlichen Normen und Rechtssätze entbindet im Ergebnis von der Notwendigkeit, ein Organmitglied insgesamt als Arbeitnehmer oder als freien Dienstnehmer einzuordnen. 133 Dieser methodisch vorzugswürdige Ansatz entspricht insofern der Feststellung G. Huecks, daß der Streit um die Möglichkeit, dem Organmitglied einen Arbeitnehmerstatus zuzubilligen, lediglich von untergeordneter Bedeutung ist. 134 Die teleologische Bestimmung des persönlichen Anwendungsbereichs eignet sich insbesondere dazu, die Reichweite der Haftungsprivilegierung zu klären, da es diesbezüglich an einer Kodifikation fehlt. Hinsichtlich der aufRichterrecht beruhenden arbeitsrechtlichen Grundsätze ist die starre Abgrenzung des Kreises der Normadressaten anhand des Arbeitnehmerbegriffs generell zweifelhaft. 135 Die Prüfung einer entsprechenden Anwendung der arbeitsrechtlichen Haftungsgrundsätze beinhaltet bei genauerer Betrachtung das Eingeständnis, daß es sich hierbei nicht um eine auf arbeitsrechtliche Vertragsverhältnisse im klassischen Sinn begrenzte Problematik handelt. Eine eigenständige Funktion kann der Arbeitnehmerbegriff insbesondere hier lediglich in der Form entfalten, daß er als Kürzel für das Zusammenspiel der maßgeblichen Zurechnungskriterien dient, um

132 Dies hat Heyll, Die Anwendung, S. 5, beim Vergleich der Arbeiten von Groß und Gissei festgestellt. m Wank, Arbeitnehmer und Selbständige, S. 42. So i.E. auch Henssler, RdA 1992, 289, 290: Erforderlich ist letztlich eine Einzelfallanwendbarkeitsprüfung für jede Arbeitsrechtsnorm bzw. jedes arbeitnehmerschützende Rechtsinstitut nach Zweckrichtung und Funktion. 134ZfA 1985,25,27; so auch Eckardt, Die Beendigung, S. 205 undZfA 1987,467,473. m Loritz, Mitarbeit, S. 258, der zur Begründung ausfUhrt, die Rechtsprechung habe diese Institute zumeist anhand solcher Fälle entwickelt, in denen die Arbeitnehmereigenschaft zweifelsfrei feststand. Die Grundsätze zur Arbeitnehmerhaftung können nicht so behandelt werden, als ob sie gesetzlich festgeschriebene Tatbestandsmerkmale enthielten, Fitz, Risikozurechnung, S. 165 f.

9 Frisch

130

4. Teil: Zum Arbeitnehmerstatus des Geschäftsführers

den richterlichen Entscheidungsprozeß zu vereinfachen, er kann aber Einzelfallprüfung in Grenzbereichen nicht ersetzen. 136 Es ist daher der Geltungsgrund der Haftungsprivilegierung genau zu erfassen und zu prüfen, ob dieser auch im Verhältnis des Geschäftsfiihrers zu der ihn be- und anstellenden GmbH gegeben sein kann. Klarheit über den Zweck des Rechtsintituts können die dogmatischen Begründungen liefern, auf denen es fußt. Hierbei ist zu klären, ob gesellschaftsrechtliche Haftungsgrundlagen einer Übertragung der Haftungserleichterung zwingend entgegenstehen.

136 Fitz, Risikozurechnung, S. 165 f. ; Heuberger, Sachliche Abhängigkeit, S. 141 m.w.N.

Fünfter Teil

Funktional-teleologische Betrachtung der Rechtssätze zur Arbeitnehmerhaftung Der persönliche Anwendungsbereich der Rechtssätze zur Haftungserleichterung ergibt sich nach dem Vorstehenden aus einer "normzweckgebundenen Tatbestandsidentität", 1 einer aus Sinn und Zweck der Grundsätze zur Arbeitnehmerhaftung hergeleiteten und auf deren dogmatische Grundlagen bezogenen Vergleichbarkeit von (bestimmten) GmbH-Geschäftsruhrem mit Arbeitnehmern, die in den Genuß der Haftungserleichterung kommen. Den Normzweck zu untersuchen, setzt voraus, Klarheit über die dogmatischen Grundlagen der Grundsätze zum innerbetrieblichen Schadensausgleich zu erlangen. Aus diesen materiell-rechtlichen Erwägungen folgt, welche Voraussetzungen fiir ein Eingreifen der Haftungserleichterung vorliegen müssen, und in welchem Umfang von der grundsätzlich vollen Schadensersatzhaftung, §§ 249, 276 BGB, abzuweichen ist. 2 Zunächst sind daher die Herleitungsmodelle zur Arbeitnehmerhaftungserleichterung herauszuarbeiten, um dann zu untersuchen, ob die sich hieraus ergebenden tatbestandliehen Voraussetzungen auch bei Geschäftsfiihrem vorliegen können. Die dogmatische Grundlage der Rechtssätze zur Arbeitnehmerhaftung ist nach wie vor im einzelnen umstritten, obgleich grundsätzlich Einigkeit dahingehend besteht, daß eine vollumfängliche Haftung des Arbeitnehmers fiir Schäden, die er bei seiner Arbeitsleistung unter Umständen nur leicht fahrlässig verursacht, unbillig wäre, 3 so daß von einer gewohnheitsrechtliehen Absicherung der in ständiger Rechtsprechung grundsätzlich praktizierten Haftungsprlvilegierung gesprochen werden kann. 4 Man unterscheidet zunächst zwischen den Ansätzen, die bereits die Voraussetzungen der Haftungstatbestände modifizieren und denjenigen Begründungen, die

Begriffvon Henssler, RdA 1992,289,294. Vgl. Brox/Walker, DB 1985, 1469 und Reinhardt, Die dogmatische Begründung, S.11. 3 Vgl. nur v. Hoyningen-Huene, BB 1989, 1889, 1892 m.w.N. 4 Gick, JuS 1980, 393, 398 m.w.N. in Fn. 94; v. Hoyningen-Huene, BB 1989, 1889, 1994. Gegen gewohnheitsrechtliehen Charakter aber noch Däubler, NJW 1986, 867, 868, aufgrund erheblicher inhaltlicher Meinungsunterschiede fehle es an der erforderlichen allgemeinen Rechtsüberzeugung. I

2

9*

132

5. Teil: Funktional-teleologische Betrachtung

eine Beschränkung der Rechtsfolgen der §§ 276, 249 BGB, des Grundsatzes der Totalreparation, herleiten. 5

A. Modifikation des haftungsbegründenden Tatbestands Um die Regeln zur eingeschränkten Arbeitnehmerhaftung zu begründen, könnte bei einem im Rahmen eines Arbeitsvertrages lediglich leicht fahrlässig verursachten Schaden bereits das Vorliegen einer Pflichtverletzung sowie die Rechtswidrigkeit und das Verschulden in Abrede gestellt werden.

I. Die Tatbestandsvoraussetzungen Pflichtverletzung und Rechtswidrigkeit Rother hat bei einem- isoliert betrachtet- zwar fahrlässigen, im Rahmen einer auf Dauer angelegten Tätigkeit letztlich aber nahezu unvermeidbaren Fehlverhalten das Vorliegen einer Pflichtverletzung verneint. Das typische, voraussehbare Versagen könne nicht als Schlechtleistung eingestuft werden. Er stellt nicht auf das einzelne Schadensereignis, sondern die gesamte Arbeitsleistung in den Vordergrund der Betrachtung. Der Arbeitgeber könne vom Arbeitnehmer nur eine Leistung inklusive der aufDauerkaum zu vermeidenden Fehler verlangen. 6 Gegen diesen Ansatz spricht, daß die Betonung des Dauercharakters der Dienstleistung bei der Beurteilung eines Hafungstatbestands dem zivilrechtliehen Haftungssystem fremd ist. Letzteres knüpft sowohl bei der vertraglichen wie auch bei der deliktischen Haftung an die einzelne, gesondert zu betrachtende Handlung an. 7 Hinzu kommt, daß Rothers Ansatz lediglich den Tatbestand der Vertragsverletzung ausschließen könnte, eine Übertragung auf die deliktische Haftung kommt nicht in Betracht, denn der Anspruch aus unerlaubter Handlung ist auch innerhalb einer Vertragsbeziehung isoliert zu betrachten. 8 Schnorr v. Carolsfeld hatte die Ansicht vertreten, die Haftungserleichterung lasse sich zwar nicht als Rechtfertigung, aber als echter relativer Rechtswidrigkeitsausschließungsgrund erklären, im Arbeitsrecht könne nicht jede tatbestandsmäßige, pflichtwidrige Handlung als rechtswidrig angesehen werden.9 s Siehe Blomeyer, in: Münchener Handbuch zum Arbeitsrecht, §57, Rdnr. 24 ff.; Gick, JuS 1980, 393, 396; Brox/Walker, DB 1985, 1469-1472. 6 Rother, Haftungsbeschränkung, S. 251 ff., insb. S. 268, 273; siehe hierzu ausführlich: Reinhardt, Die dogmatische Begründung, S. 67 ff. 7 Gick, JuS 1980, 393, 397; Brox/Walker, DB 1985, 1469. 8 Canaris, RdA 1966, 41, 44; ausführliche Kritik auch bei Reinhardt, Die dogmatische Begründung, S. 68, der gegen die von Rother vorsichtig gezogene Parallele zu § 243 I BGB einwendet, daß eine zum Schaden fUhrende Handlung die Toleranzgrenze überschreite. 9 Schnorr v. Carolsfeld, Arbeitsrecht, S. 304 f. : "Es geht eben nicht an, daß jemand letzten Endes um deswillen weit besser gestellt ist, weil er flir sich eine Arbeit durchführen läßt, die regelmäßig, auch von ihm selbst erledigt, nicht ohne Verlust getan wird."

A. Modifikation des haftungsbegründenden Tatbestands

133

Dieser Herleitungsversuch enthält jedoch keine Begründung, sondern lediglich eine rechtfertigungsbedürftige These. Außerdem ist der postulierte relative Rechtsmäßigkeitsmaßstab in der Rechtsordnung nirgends ausdrücklich enthalten und aus ihr auch nicht ableitbar, also systemfremd und contra legem. 10 Seinen Standpunkt hat Schnorr v. Carolsfeld aufgegeben; in einer späteren Stellungnahme heißt es, das Verhalten des Arbeitnehmers bleibe verboten, so daß z.B. Notwehr zulässig sei. Es handele sich lediglich um eine Freistellung von der aus dem Tatbestand folgenden Ersatzpflicht entsprechend den Strafausschließungsgxünden. 11 Das RAG hatte mit einem anderen Ansatz die These vertreten, die Haftungserleichterung folge aus einer ausdrücklichen oder stillschweigenden Abbedingung der die Haftung anordnenden Normen. 12 Auch diese Begründung fiir die Haftungserleichterung konnte sich nicht durchsetzen; zwar sind ausdrückliche Haftungsbeschränkungsklauseln gelegentlich in Tarifverträgen enthalten, eine entsprechende stillschweigende Vereinbarung zu unterstellen, ist aber regelmäßig reine Fiktion. 13 II. Modifikationen der Verschuldeosvoraussetzung 1. Entsprechende Anwendung von Vorschriften, die bestimmte Schuldformen voraussetzen

Zur Begründung der Haftungsbeschränkung wird, sofern Herleitungsversuebe am haftungsbegründenden Tatbestand ansetzen, vorrangig das bei allen Anspruchsgrundlagen notwendige Verschulden als Anknüpfungspunkt genutzt. Man kann hierzu am Verschuldeosbegriff des Bürgerlichen Rechts festhalten, die Haftung aber über eine entsprechende Anwendung von Normen, die insbesondere infolge der Unentgeltlichkeit von Leistungen bzw. wegen gesellschafts- oder familienrechtlicher Beziehungen bestimmte Verschuldeosgrade voraussetzen, beschränken. 14 Zum selben Ergebnis gelangt, wer eine Leitbild-

IO Achterberg, AcP 164, 14, 23; Canaris, RdA 1966, 41, 44: "bloße petitio principii"; Brox/Walker, DB 1985, 1469. Da der Rechtswidrigkeitsausschluß nur Fahrlässigkeitsdelikte erfassen sollte, war zudem eine unerwünschte Verrnengung der Rechtswidrigkeitsmit der Schuldebene zu beflirchten, Gaul, DB 1962, 166, 167. Auf diesem Wege kann außerdem eine Schadensteilung nicht begründet werden, Hersehe!, JZ 1958, 257, 258. II Schnorr v. Carolsfeld, RdA 1958, 201, 208, Fn. 50; siehe hierzu: Reinhardt, Die dogmatische Begründung, S. 65 f., Fn. 3 m.w.N. 12 RAG ARS 30, 3, 5 f.; vgl. auch RAG ARS 37, 269, 271. 13 Blomeyer, in: Münchener Handbuch zum Arbeitsrecht, §57, Rdnr. 26 m.w.N.; Brox/Walker, DB 1985, 1469. 14 Denecke, RdA 1952, 210; Clauß, NJW 1959, 1408. Es handelt sich um§§ 300 I, 521,599,680,690,708, 968, 1359, 1664,2131 BGB. Siehe hierzu ausführlich: Achterberg, AcP 164 (1964), 14, 23 f. Zuletzt für eine Paralle zu § 708 BGB: Adomeit, Gesellschaftsrechtliche Elemente, S. II f.

134

5. Teil: Funktional-teleologische Betrachtung

funktionsozialrechtlicher Vorschriften annimmt. So plädierte Denck15 fiir einen Ausschluß der Arbeitnehmerhaftung unterhalb der Grenze der groben Fahrlässigkeit, wobei er sich insbesondere an der Regreßregelung des § 640 RVO orientierte. Angesichts der sozialen Bezüge der Arbeitnehmerhaftung sei die dort angelegte Grenze zu übernehmen. Die abnehmende Tendenz in der Arbeitsunfallstatistik zeige, daß auch bei einer derartig weitgehenden Beschränkung der Verantwortlichkeit das Präventionsziel der Arbeitnehmerhaftung erreichbar sei. Eine Parallelbetrachtung der richterlichen Regelung des anspruchsausschließenden untechnischen Verschuldens des Arbeitnehmers bei der Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall stütze diese Wertung, da eine gemeinsame historische Wurzel des Verschuldensmaßstabs feststellbar sei. Bei § 616 BGB, der Ausnahmevorschrift zur allgemeineren Gefahrtragungsregel des§ 615 BGB, die die Folgen fiir Unglück und Zufall bei demjenigen belasse, wo sie sich niederschlagen, ist ein leichtes Verschulden des Arbeitnehmers gegen sich selbst unschädlich. Hierbei handele es sich um eine sehr weitreichende Risikoverlagerung, denn Verschulden der Krankheit sei gleichzusetzen mit einer konkreten Beherrschbarkeil der Gesundheitsgefahr. Dieser Regelung liege - ebenso wie den den Rechtssätzen zur Arbeitnehmerhaftung- die größere Fähigkeit des Arbeitgebers zur Risikoabsorption zugrunde. Der Absorptionsvorsprung, verstanden als Möglichkeit, den Schaden zu versichern, ihn über den Produktpreis zu pulverisieren oder schlechtestenfalls gewinnmindernd über die Steuer abzuwälzen, überwiege als objektives Kriterium in der Risikozurechnung ein leichtes Verschulden auf Seiten des Arbeitnehmers.16 Für die Übernahme der unfallversicherungsrechtlichen Risikoabgrenzung in den§§ 553, 723 RVO, 17 die sich funktionell als Ablösung der Unternehmerischen Haftpflicht darstelle, auf die Fälle der Arbeitnehmerhaftung hat sich Kothe 18 aufgrund einer Analyse der Entstehungsgeschichte des Unfallversicherungsrechts ausgesprochen. Er hat nachgewiesen, daß die das Gesetzgebungsverfahren tragenden Gedanken der Argumentation des RAG und des BAG zur Beschränkung der Arbeitnehmerhaftung weitgehend entsprachen. Hervorgehoben wurden die Eigenart des Arbeitsprozesses mit der Möglichkeit des typischen "Abirrens", die Ungeeignetheil des Verschuldensbegriffs, multifaktoriell begründete Schäden zuzurechnen, und das Einwirken des Arbeitgebers auf die Betriebsgefahr.

1s Denck, NZA 1986, 80, 82 f. 16 Denck, NZA 1986, 80, 81 f. 17 Und damit für eine Risikobelastung des Arbeitgebers auch mit grob fahrlässig verursachten Schäden, vgl. § 553 RVO. 18 Kothe, ArbuR 1983, 229, 235 ff., insb. S. 238; ders., Arbeitnehmerhaftung und

Arbeitgeberrisiko, S. 323 ff., insb. S. 326, tragende Gesichtspunkte seien in beiden Regelungssystemen die Gefahrbeherrschung und die wirtschaftliche lnteressenlage.

A. Modifikation des haftungsbegründenden Tatbestands

135

2. Modifikation des Sorgfaltsmaßstabs und subjektiver Verschuldensbegriff Von anderen Autoren wurde teils ein besonderer arbeitsrechtlicher Sorgfaltsmaßstab19 entwickelt, teils ging man von einem revidierten, die Unvermeidbarkeil typischer Abirrungen berücksichtigenden Fahrlässigkeitsbegriffaus.20 Bei der Bestimmung dessen, was im Rahmen des§ 276 I 2 BGB als erforderlich anzusehen sei, müsse das Element der Dauer des Arbeitsverhältnisses beachtet werden. Ein einmaliges Versehen bei ansonsten regelmäßig fehlerfreier Tätigkeit entspreche der verkehrserforderlichen Sorgfalt, sei also nicht fahrlässig.21 Eine normative Bestimmung der erforderlichen Sorgfalt müsse anerkennen, daß einzelne Fehlgriffe unvermeidbar seien, ansonsten fiihre der am Einzelgeschäft orientierte allgemeine Fahrlässigkeitsbegriff des BGB zu einer Garantiehaftung des Arbeitnehmers. 22 Die aus dem normativ bestimmten Sorgfältigkeitsmaßstab spiegelbildlich folgende Belastung des Arbeitgebers mit dem Risiko einzelner Fehlleistungen sei gerechtfertigt durch dessen Möglichkeit, die Gefahr tragen und Schäden letztlich über die Preisgestaltung abwälzen zu können. Der Äquivalenzgedanke- der Lohn sei nicht die Gegenleistung fiir eine vollwertige Arbeitsleistung, wie sich bereits aus einer Parallelbetrachtung der Regeln zur Lohnfortzahlung im Krankheitsfall zeige- sowie die Fürsorgepflicht des Arbeitgebers und ein Hinweis auf die Steuerungsfunktion der Schadenshaftung werden ebenso ergänzend zur Begründung herangezogen, wie ein Hinweis auf das allgemeine Persönlichkeitsrecht des Arbeitnehmers als Abwehrrecht gegen übermäßige Schadensersatzforderungen.23 Man versuchte auch, den möglicherweise in der frühen Rechtsprechung des BAG enthaltenen Widerspruch, einerseits die zum Schaden führende Handlung nach dem objektiven Fahrlässigkeitsbegriffzu bewerten, andererseits aber festzustellen, daß kleinere Fehlleistungen im Laufe eines Arbeitsverhältnisses zu erwarten und nahezu nicht ausschließbar sind,24 aufzulösen, indem man im Arbeitsrecht einen subjektiv-individuellen Verschuldensmaßstab etablieren wollte. 25 Bei der Arbeitnehmerhaftung sei vom objektiven Sorgfaltsmaßstab, mit dessen Hilfe 19 Scheuerte, RdA 1958, 247, insb. S. 253. 2o

Steindorff, JZ 1959, 1, 5.

21 Scheuerle, RdA 1958, 247, 252.

22 Steindorff, JZ 1959, 1, 4. Bemerkenswert erscheint die Begründung Scheuerles, RdA 1958,247, 250, die Modifikation des Fahrlässigkeitsbegriffs sei veranlaßt durch eine festzustellende Verschlechterung des Gesundheitszustands der arbeitenden Bevölkerung, die unter anderem zurückgeführt werden müsse auf eine Verschlechterung des Arbeitsklimas infolge der Möglichkeit, für Fehlleistungen in Anspruch genommen zu werden, die zwar in der Natur des Sache lägen, gleichwohl aber als vorwerfbar behandelt werden. 23 Vgl. Steindorff, JZ 1959, I, 5 f. und ArbuR 1966,65,66: Das Selbstbestimmungsrecht stehe einer Belastung des Arbeitnehmers mit Schäden entgegen, die sich aus Arbeiten ergeben, deren Schadensanflilligkeit Folge arbeitgeberseitiger Weisungen sei. 24 Siehe nur BAGE 5, 1, 7 = AP Nr. 4 zu §§ 898, 899 RVO; vgl. Reinhardt, Die dogmatische Begründung, S. 75 ff. 25 Döring, Arbeitnehmerhaftung, und Verschulden, S. 50; 68 ff.

136

5. Teil: Funktional-teleologische Betrachtung

Fahrlässigkeit im Zivilrecht festgestellt wird, 26 abzuweichen und statt dessen ein subjektiver Verschuldensbegriff einzuführen, der den individuellen Möglichkeiten des Schädigers Rechnung tragen könne, indem er auf die persönliche Vorwerfbarkeit abstellt. 27 Der im Zivilrecht gültige typisierende Maßstab sieht demgegenüber eine Beurteilung des konkreten Verhaltens unter objektiven Gesichtspunkten vor. Ein rechtswidriges Verhalten ist dann vorwerfbar, wenn der Handelnde in der Lage war, das von ihm Verlangte zu erkennen und sein Verhalten danach einzurichten. Letzteres wird objektiviert, indem die persönliche Vorwerfbarkeit auch dann angenommen wird, wenn die individuellen Fähigkeiten unterhalb der gruppentypischen liegen. Vorausgesetzt ist also ein objektiv pflichtwidriges und subjektiv vorwertbares Verhalten, wobei die Vorwerfbarkeit nivelliert wird durch den Maßstab der verkehrserforderlichen Sorgfalt. 28 Ein subjektiver Fahrlässigkeitsmaßstab kann jedoch nicht - wie in der Untersuchung von Döring29 - aus der Lehre vom Verhaltensunrecht, die § 276 I 2 BGB nicht als Umschreibung der Fahrlässigkeit, sondern als Defmition der Rechtswidrigkeit begreift,30 abgeleitet werden. Auch die Anhänger der Lehre vom Verhaltensunrecht bestimmen die Fahrlässigkeit objektiv.31 Aus der Ablehnung der Lehre vom Erfolgsunrecht kann nicht zwingend auf einen subjektiven Fahrlässigkeitsbegriff geschlossen werden, etwa weil die Begriffsbestimmung des § 276 I 2 BGB ausschließlich als Defmiton der Rechtswidrigkeit "verbraucht" wäre. 32 Auch die Behauptung, ein subjektiver Verschuldeosbegriff sei infolge des Zwecks der Arbeitnehmerhaftung erforderlich, der - anders als im allgemeinen Schadensersatzrecht - nicht im umfassenden Schadensausgleich, sondern in der Verhaltenssteuerung durch bessernde Einwirkung auf den Schädiger und Ab26 Siehe hierzu nur: Soergel/Wolf, § 276, Rdnr. 131, m.w.N. in Fn. 6, ein objektiver Sorgfaltsmaßstab im Zivilrecht ist sachgerecht, da hier neben der individuellen Verantwortlichkeit auch auf den Vertrauensschutz des Rechtsverkehrs, der auf die Einhaltung bestimmter Maßstäbe angewiesen ist, und auf die angemessene Verteilung eingetretener Schäden Rücksicht genommen werden muß. 27 Döring, Arbeitnehmerhaftung, S. 52 ff., 59 und 75; siehe auch Küchenhoff, ArbuR 1969, 193, 193, der den Schuldbegriff hier subjektiv-individuell fassen will, da das Arbeitsverhältnis personenbezogen, d.h. nicht lediglich auf Leistung und Gegenleistung, ausgerichtet sei. Entscheidend müsse darauf abgestellt werden, was dem Arbeinehmer zugemutet werden könne. Er hebt auf den "Verständnisgedanken" ab und beruft sich auch auf das Äquiva1enzprinzip, das auch für den Fall der Leistungsstörung gelte, S. 204. 28 Vgl. Moritz, OB 1985, Beilage Nr. 18, S. 9. 29 Arbeitnehmerhaftung, S. 59. 30 Der ganz überwiegenden Ansicht im Zivilrecht entspricht demgegenüber die Lehre vom Erfolgsunrecht, vgl. Münchener Kommentar/Hanau, § 276, Rdnr. 27 m.w.N. und Larenz, Schuldrecht I, § 20 IV; zur Lehre vom Handlungsunrecht Staudinger/Löwisch, § 276, Rdnr. 6 m.w.N. 31 Vgl. Staudinger/Löwisch, § 276, Rdnr. 16. 32 Gamillscheg/Hanau, Arbeitnehmerhaftung, S. 66 m.w.N. in Fn. 231 .

A. Modifikation des haftungsbegründenden Tatbestands

137

schreckung der anderen Arbeitnehmer vor nachlässiger Arbeitsweise bestehe,33 vermag nicht zu überzeugen. Dann müßte der subjektive Verschuldensmaßstab auch auf die Außenhaftung übertragen werden. 34 Hier steht aber das Wiederherstellungsinteresse des Dritten im Vordergrund. Dem könnte zwar durch die Haftung des Arbeitgebers Genüge getan werden, innerhalb der vertraglichen Haftung über§ 278 BGB müßte dann aber ein und dasselbe Verhalten des Arbeitnehmers gleichzeitig als schuldhaftund als schuldlos beurteilt werden. 35 Einen ähnlichen Lösungsweg hat zuletzt Moritz36 vorgeschlagen. Er will zwar am objektivierten Fahrlässigkeitsbegriff festhalten, gleichzeitig bei der Feststellung von Verschulden aber die Unumgänglichkeit von Fehlleistungen berücksichtigen, die er als Merkmal des "Verkehrskreises Arbeitnehmer" ansieht. Dadurch entfalle eine Zurechnung der arbeitstypischen Fehlerneigung zulasten der Arbeitnehmer. Gleichzeitig komme es aber zu einer Spaltung der Fahrlässigkeit, denn gegenüber Drittgeschädigten könne die Verschuldensvoraussetzung nicht in gleicherWeise modifiziert werden. 37 3. Die Ansicht Richardis

Richardi zufolge läßt sich die Haftungsbeschränkung aus der "richtigen Bestimmung des Verschuldensprinzips" herleiten. 38 Ausgangspunkt seiner Überlegungen ist, daß mit der Haftungsvoraussetzung des Verschuldens eine Zurechnungsgrenze mit dem Zweck festgelegt werden soll, die Handlungsfreiheit des einzelnen nicht übermäßig zu beschränken. Der objektive Fahrlässigkeitsmaßstab des§ 276 I 2 BGB aber berge die Gefahr, das Prinzip der Verschuldenshaftung im BGB aus den Angeln zu heben. 39 Er orientiere sich primär an der Nichterfiillung eines vertraglichen Leistungsversprechens, wenn man ihn aber auch auf den Schutz des Integritätsinteresses bezieht, bestehe die Gefahr, daß sich dieser Fahrlässigkeitsmaßstab als eine "lex barba33 Döring, Arbeitnehmerhaftung und Verschulden, S. 59. Kritisch zu einer derartigen Funktionsanalyse: Richardi, JZ 1986, 796, 803 f., der die Prävention als völlig untergeordnet gegenüber der Ausgleichsfunktion bezeichnet; vgl. hierzu auch Däubler, NJW 1986, 867, 870. Auch Kothe, Arbeitnehmerhaftung, S. 194 f., hält eine Präventivfunktion der Arbeitnehmerhaftung für nicht nachweisbar, sie sei geprägt von einer Straf- oder Sanktionsfunktion. 34 Döring, Arbeitnehmerhaftung und Verschulden, S. 62 ff. Offen bleibt hier aber, wie sich ohne Verschulden des Arbeitnehmers (subjektiver Maßstab) eine vertragliche Haftung des Arbeitgebers über § 278 soll ergeben können. Nicht behandelt ist hier auch das Problem des Arbeitgeberkonkurses. 35 Moritz, DB 1985, Beilage 18, S. 10. Es bliebe lediglich die deliktische Haftung gern. § 831 I BGB. 36Moritz, DB 1985, Beilage 18, S. 9. 37 Moritz, DB 1985, Beilage 18, S. 10. 38 Richardi, JZ 1986,796, 801 f. und in Staudinger, § 611, Rdnr. 496 ff. Ihm folgend Marhold, JuS 1991,921 f. 39 Richardi, JZ 1986, 796, 80 I.

138

5. Teil: Funktional-teleologische Betrachtung

rum" darstelle. 40 Ein derartiger, der Gefährdungshaftung nahekommender, objektiv bestimmter Sorgfaltsmaßstab könne nur dort gerechtfertigt sein, wo es dem potentiellen Haftungsschuldner zurnutbar sei, sich auf so weitreichende Haftung einzustellen, nämlich im Bereich der selbständigen Erwerbstätigkeit Hier könne der Schuldner durch seine Arbeitsorganisation das Risiko beherrschen und es auch begrenzen, so etwa durch entsprechende Vertragsgestaltung. 41 Da diese Voraussetzungen aber für den im fremden Interesse tätigen Arbeitnehmer nicht gegeben seien, könne ihm ein zurechenbares Verschulden erst dann angelastet werden, wenn nicht bloß eine culpa levissima vorliege. Dieser Begriff dient nach Richardi zur Abgrenzung von bloßer Verursachung und Verschulden unter Berücksichtigung der Besonderheiten des jeweiligen Rechtsverhältnisses, nicht aber dazu, eine weitere Fahrlässigkeitsstufe neben einfacher und grober Fahrlässigkeit einzuftihren. 42 Bei leichtester Fahrlässigkeit kommt diesem Ansatz zufolge also eine Zurechnung der Pflichtverletzung nicht in Betracht. Als entscheidenden Gesichtspunkt dafiir, die am Modell der selbständigen Erwerbstätigkeit entwickelte Objektivierung des Fahrlässigkeitsmaßstabs nicht auf Arbeitnehmer anzuwenden, stellt Richardi neben der fehlenden Möglichkeit der Risikobeherrschung und -begrenzung darauf ab, daß die Tätigkeit im fremden Interesse erfolge.43 Daher liege mit der Haftungsprivilegierung auch keine spezifisch arbeitsrechtliche Sonderregelung vor, sondern es handele sich um eine Konsequenz des vom BGB aufgenommenen Verschuldensprinzips. Die Haftungserleichterung gelte somitbeijeglicher Tätigkeit im fremden Interesse.44 4. Der Ansatz Reinhardts Auch nach der Untersuchung von Reinhardt45 bedingt die von anderen Rechtsverhältnissen abweichende Struktur des Arbeitsverhältnisses einen besonderen Verschuldensmaßstab, wenn den Grundlagen der zivilrechtliehen Verschuldenshaftung Genüge getan werden soll. Fahrlässigkeitshaftung basiert auf der Beherrschbarkeit des Geschehensablaufs, diese sei wegen der fehlenden Selbstbestimmung des Arbeitnehmers nicht in hinreichendem Maß vorhanden, um jede Pflichtverletzung ftir zurechenbar erklären zu können. Aufgrund der Einschränkung der Willens- und Handlungsfreiheit bei der Arbeitsleistung in einer fremdgesteuerten Organisation könne das Modell der Schadensersatzhaftung des BGB, das die Freiheit des Handeins von einander gleichgeordneten, sich selbständig 40 Staudinger/Richardi, § 611, Rdnr. 497; ausfUhrlieh bereits Brodmann, AcP 99 (1906), 327,356. 41 Staudinger/Richardi, § 611, Rdnr. 497 und Richardi, JZ 1986, 796, 80 I. 42 Staudinger/Richardi, § 611, Rdnr. 500 und Richardi, JZ 1986, 796, 802. 43 Daher dürfe er bei einem durch sein Verhalten verursachten Schaden nicht mit dem Unternehmerrisiko belastet werden, ihn treffe nicht die einer Gefährdungshaftung nahekommende Einstandspflicht, die sich aus dem objektiven Fahrlässigkeitsbegriffergibt. 44 In Staudinger, § 611, Rdnr. 499 und 501; ders., JZ 1986,796,801. 45 Reinhardt, Die dogmatische Begründung, siehe insb. S. 185.

A. Modifikation des haftungsbegründenden Tatbestands

139

und unabhängig gegenüberstehenden Rechtsgenossen voraussetze, nicht auf die Haftung des Arbeitnehmers übertragen werden. 46 Empirisch nachweisbar sei nämlich ein erhebliches Ausmaß von schadenstiftenden Ursachenfaktoren, die auf die ständige Einflußnahme des Arbeitgebers zurückgingen. Da aber der Beweis dieser vom Arbeitgeber gesetzten Schadensursachen im Einzelfall wegen der Komplexität der zum Schaden führenden Situation praktisch nicht möglich sei, müsse im Ergebnis, da generell die dem Einflußbereich des Arbeitgebers zuzurechnenden schadenstiftenden Ursachenfaktoren insgesamt mit mindestens 50% veranschlagt werden müßten, eine Haftung des Arbeitnehmers unterhalb der Grenze der groben Fahrlässigkeit entfallen. Erst bei grober Fahrlässigkeit sei die Zurechenbarkeit der Pflichtverletzung indiziert. 47 5. Bedenken gegen eine Modifikation der Verschuldenserfordernisses Die mit der Modifikation des Verschuldenserfordernisses arbeitenden Herleitungsversuche sind in vielfaltiger Weise kritisiert worden. Dieser Ansatz hat sich - jedenfalls hinsichtlich der konstruktiven Vorgehensweise - nicht durchgesetzen können. 48 Der analogen Anwendung von Vorschriften, die die Haftung auf Vorsatz und grobe Fahrlässigkeit beschränken, steht letztlich die Verschiedenartigkeit der dort geregelten Lebenssachverhalte und Interessenkonflikte im Vergleich zum Arbeitsverhältnis entgegen. 49 Insbesondere spricht gegen eine Analogie zu den sozialversicherungsrechtlichen Regelungen, daß die in der Unfallversicherung bestehenden, ergänzenden institutionellen Regelungen nicht gegeben sind; es fehlt an der Solidarhaftung, die infolge der Schadensregulierung durch die Berufsgenossenschaften, deren Mittel durch die Beiträge der Unternehmen aufgebracht werden, im Bereich der Unfallversicherung gewährleistet ist. 50 Den Versuchen, dem Problem über eine Subjektivierung des Verschuldensbegriffs beizukommen, könnte zunächst der Einwand der Einheit der Rechtsordnung entgegengehalten werden, sie sei systemfremd.51 Dieses Argument kann CaReinhardt, Die dogmatische Begründung, S. 127 ff. Reinhardt, Die dogmatische Begründung, S. 130 ff. Vgl. auch Slapnicar/Reuter, ArbuR 1986, 257, 264, die von einer interdepenten Verantwortungsgemengelage sprechen, die eine konkret-individuelle Schuldzuweisung unmöglich mache. Kritisch zu den Ausführungen Reinhardts: Eich, NZA 1984, 65, 68, der die These für nicht haltbar erklärt, da ein Selbständiger, der die Tätigkeit auszuführen hätte, in gleicher Weise in seiner Selbstbestimmung beschränkt sei und außerdem bei konsequenter Fortführung dieses Ansatzes auch die Haftung bei grober Fahrlässigkeit entfallen müßte. 48 Vgl. nur Wank, Arbeitnehmer, S. 65 m.w.N. 4 9 Ausführlich bereits Achterberg, AcP 164 (1964), 14,23 f.; siehe auch Brox/Walker, DB 1985, 1469 f. 50 Moritz, DB 1985, Beilage 18, S. 7; siehe auch die ablehnende Stellungnahme von Eich, NZA 1984,65,71. 51 Brox/Walker, DB 1985, 1469. 46

47

140

5. Teil: Funktional-teleologische Betrachtung

naris zufolge aber nicht ausschlaggebend sein. Nachweisbar sei, daß auch innerhalb des BGB nicht immer derselbe Fahrlässigkeitsbegriffverwendet werde. 52 Schwerer wiegt die Erkenntnis, daß die Mehrzahl der zum Schaden führenden Pflichtverstöße im Arbeitsverhältnis auch unter der Prämisse eines subjektiven Verschuldensbegriffs als fahrlässig einzuschätzen sein dürfte, da auch gegen die individuell mögliche Sorgfalt gehandelt wird, und nicht nur die verkehrsübliche Achtsamkeit verletzt ist. 53 Die vorgeschlagene Gesamtbetrachtung der Tätigkeit ist mit dem Verschuldensbegriff des geltenden Rechts, der sich an der schadenstiftenden Handlung orientiert, unvereinbar, eine derartig weitreichende, systemfremde Veränderung muß dem Gesetzgeber vorbehalten bleiben.54 Als nicht unproblematisch einzustufen ist außerdem, daß entweder bei der Innenhaftung des Arbeitnehmers gegenüber dem Arbeitgeber ein anderer Verschuldensbegriff zugrundegelegt werden muß als bei der Außenhaftung gegenüber Dritten, oder aber sich Probleme hinsichtlich einer gesicherten Befriedigung des Drittgeschädigten ergeben, da dieser - wenn Arbeitnehmerverschulden verneint wird allein auf einen Anspruch gegenüber dem Arbeitgeber aus § 831 I BGB angewiesen wäre. Über Modifikationen des Verschuldenserfordernisses kann zwar zwanglos der Fortfall der Haftung erklärt werden, diese Ansätze vermögen aber nicht problernlos die Rechtsfolge einer Haftungsverteilung zu begründen. 55 111. Zwischenergebnis

Letztlich dürfte der Feststellung von Canaris56 beizutreten sein, daß die Ansichten, die die Herleitung der Arbeitnehmerhaftungsregeln im Tatbestand der Haftungsnormen ansiedeln, das Problem "verschieben"; nicht ausreichend ist es, begrifflich die Voraussetzungen der Haftungstatbestände zu leugnen, sondern gefragt ist eine Erklärung dafür, daß trotz - nach sonst gültigen Maßstäben- bestehender Voraussetzungen im Ergebnis eine lediglich eingeschränkte Schadensersatzverpflichtung bestehen soll. Die beschriebenen Herleitungsversuche sind jedoch mit materiellrechtlichen Begründungen angereichert, die auch die zentralen Wertungsgesichtspunkte innerhalb der Theorien ausmachen, die die Haftungserleichterung als Begrenzung der

Vgl. Canaris, RdA 1966,41,44 m.w.N. Reinhardt, Die dogmatische Begründung, S. 179. 54 Canaris, RdA 1966,41, 44; Eich, NZA 1984,65,70. 55 Blomeyer, in: Münchener Handbuch zum Arbeitsrecht, §57, Rdnr. 27, 37; Isele, NJW 1964, 1444 f.; Canaris, RdA 1966, 41, 44. Vgl. hierzu auch insb. Marhold, JuS 1991, 921 f. der hinsichtlich der dogmatischen Erklärung deshalb trennen will zwischen dem Haftungsausschluß bei geringer Fahrlässigkeit und der Haftungserleichterung in den übrigen Fällen. 56 RdA 1966,41,44. 52

53

B. Beschränkungen auf der Rechtsfolgenseite

141

Rechtsfolgen der§§ 249, 276 BGB begreifen. 57 Da derartige inhaltliche Übereinstimmungen erkennbar sind, sollen die materiellen Gesichtspunkte im folgenden zusammenhängend, insbesondere im Rahmen der Theorie der Risikohaftung bei einer Tätigkeit im Fremdinteresse unter B II, beleuchtet werden.

B. Beschränkungen auf der Rechtsfolgenseite I. Haftungserleichterung aufgrund der Treue- und Fürsorgepflicht

1. Allgemeine Problematik der Fürsorgetheorie Die Begrenzung der Schadensersatzverpflichtung des Arbeitnehmers wurde zunächst vorrangig mit der Fürsorgepflicht des Arbeitgebers begründet. Die Haftungsbeschränkung ergebe sich aus dem das Arbeitsverhältnis beherrschenden Treue- und Fürsorgegedanken, mit dem es nicht vereinbar sei, daß der Arbeitgeber den Arbeitnehmer mit Ersatzforderungen belaste, die sich aus der besonderen Gefahr und Eigenart der ihm übertragenen Arbeit ergeben und die zum typischen vom Arbeitgeber zu tragenden Betriebsrisiko gehörten, auch wenn sie im Einzelfall vom Arbeitnehmer fahrlässig herbeigeführt werden. Die besonderen Treue- und Fürsorgepflichten folgten aus der Natur des Arbeitsverhältnisses als personenrechtlichem Gemeinschaftsverhältnis. 58 Diese Herleitung wird heute überwiegend als überholt angesehen.59 Sie leidet neben dem anachronistischen personenrechtlichen Einschlag darunter, daß der begriffliche Inhalt der Treue- und Fürsorgepflicht so ausgeufert ist, daß es stets willkürlich erscheint, aus ihr konkrete Rechtsfolgen abzuleiten.60 Eine derartige Begründung der Grundsätze zur Arbeitnehmerhaftung ist aber vor allem in systematischer Hinsicht zu kritisieren. Die Fürsorgepflicht als vertragliche Nebenpflicht des Arbeitgebers bedeutet, daß dieser Person und Vermögen des Arbeitnehmers vor Schädigungen schützen muß. Eine Pflichtverletzung berechtigt zum Schadensersatz, wenn sie vom Arbeitgeber verschuldet ist. Die Fürsorgepflicht ist aber zur Begründung einer gerade vom Verschulden des Arbeitgebers unabhängigen Schadenszurechnung nicht geeignet,61 aus ihr läßt sich kein verschuldens-

57 Vgl. hierzu auch die Auseinandersetzung von Reinhardt, Die dogmatische Begründung, S. 67 ff. mit Ansichten, die die Leistungspflicht des Arbeitnehmers beschränken. 58 BAGE 5, I, 8 = AP Nr. 4 zu§§ 898, 899 RVO; BAG AP Nr. I; BGH AP Nr. 28 jeweils zu § 611 BGB, Haftung des Arbeitnehmers. 59 Wank, Arbeitnehmer und Selbständige, S. 65 m.w.N. 60 Gamillscheg!Hanau, Arbeitnehmerhaftung, S. 65 f. Hinzu kommt, daß dieser Gedanke mit ideologischen Hypotheken befrachtet ist, die aus der Zeit des Nationalsozialismus stammen, vgl. Blomeyer, in: Münchener Handbuch zum Arbeitsrecht, § 92, Rdnr. 5 f.; J. Hübner, Schadenszurechnung, S. 116 f. 6t Brox/Walker, DB 1985, 1469, 1470; vgl. aber Neumann-Duesberg, JZ 1964,433, 437, der von einer das Arbeitsverhältnis beherrschenden und gestaltenden Treue- und

142

5. Teil: Funktional-teleologische Betrachtung

unabhängiger Zurechnungsgrund herleiten. 62 Zudem kann diesem Herleitungsversuch entgegengehalten werden, er verwechsle Ursache und Wirkung: Nicht die Fürsorgepflichtbegrenzt die Haftung des Arbeitnehmers, sondern die Haftungsbegrenzung wird zum Gegenstand der Fürsorgepflicht63 2. Renaissance der Treue- und Fürsorgepflicht?

In der aktuellen arbeitsrechtlichen Literatur stellen lediglich Zöllner/Loritz und Bydlinski auf den Fürsorgegedanken zur Begründung der Haftungsprivilegierung ab. 64 Zöllner/Loritz ziehen den Fürsorgegedanken aber nur heran, um Ausmaß und Voraussetzungen der Schadensüberwälzung zu konkretisieren, gehen mithin lediglich von einer Hilfsfunktion der Fürsorgepflicht aus.65 Bydlinski66 hingegen deutet den Beschluß des Großen Senats des BAG vom 12.6.199267 zum Wegfall der Gefahrgeneigtheit als Eingangsvoraussetzung der Haftungserleichterung dahingehend, daß trotz der vordergründigen Betonung allein des Risikogedankens durch den Wegfall der Gefahrgeneigtheil die Haftungsprivilegierung dennoch letztlich mit der Fürsorgepflicht begründet sei. Indem nunmehr alle Schäden erfaßt werden, die durch den Betrieb veranlaßt sind, sei irrelevant, ob und inwieweit diese Schäden einem spezifischen Betriebs- oder Organisationsrisiko des Arbeitgebers zuzurechnen sind. Genau dieses wäre aber beim der Gefährdungshaftung verwandten, eigenständigen Institut der Risikohaftung notwendig. Dort erfolgt eine Abwägung der Mitverantwortungsanteile analog § 254 BGB, und es sei lediglich das Risiko des Eintritts bei einer bestimmten Unternehmung abstrakt voraussehbarer Schäden relevant. Der Risikogedanke setze dieapriorimögliche Feststellung eines qualifizierten, etwa den Fällen der Gefährdungshaftung entsprechenden Grades der Schadensbegünstigung fiir den infrage stehenden Tätigkeitskomplex hinsichtlich des tatsächlich eingetretenen Schadens voraus. Diese Funktion habe die Voraussetzung der Gefahrgeneigtheil im wesentlichen erfiillt.68 Wenn nunmehr die Gefahrgeneigtheit nur noch die Funktion eines Abwägungskriteriums unter mehreren innehat, zeige dies, daß die Fürsorgemaxime spricht, die einen Schadensersatzanspruch von vornherein ganz oder teilweise hindere. 62 Canaris, RdA 1966,41,45. 63 Blomeyer, in: Münchener Handbuch zum Arbeitsrecht, §57, Rdnr. 29; vgl. auch: Gick, JuS 1980, 393, 398 und Staudinger/Richardi, § 611, Rdnr. 491. 64 Otto, ArbuR 1995, 72, 73; wendet sich zwar gegen die pauschale Ablehnung des Fürsorgegedankens, stellt die Schutzbedürftigkeit aber als Folge fehlender Äquivalenz zwischen Arbeitsentgelt und Risiko dar, vgl. auch ders., Gutachten E zum 56. DJT, S. 38 ff. Dieser Gesichtspunkt soll unten bei der Theorie der Risikohaftung erläutert werden. 65 Zöllner/Loritz, Arbeitsrecht, S. 228 f. Ähnlich bereits Genius, AcP 173 (1973), 481, 524 f., der neben dem allgemeinen privatrechtliehen Prinzip der Risikohaftung des Geschäftsherm einen zusätzlichen, spezifisch arbeitsrechtlichen Zurechnungsgrund vermutet. 66ßydlinski,Anm. zu BAG GS SAE 1994,93, 100 ff. 67ßAGGSAPNr.I01 zu§ 611 BGB Haftung des Arbeitnehmers= NZA 1993,547. 68 Bydlinski, Anm. zu BAG GS SAE 1994,93, 100.

B. Beschränkungen auf der Rechtsfolgenseite

143

Beschränkung der Arbeitnehmerhaftung in Wahrheit auf zwei normativen Grundlagen beruhe, nämlich der allgemeinen schadensrechtlichen Risikozurechnung und dem arbeitsrechtlichen Fürsorgeprinzip.69 Die Fürsorgepflicht sei Grundlage zur Abwehr von Existenzgefahrdungen und nachhaltigen Beeinträchtigungen der etablierten Lebensgestaltung, die sich aus der fehlenden Äquivalenz zwischen Arbeitseinkommen und drohenden Schäden ergeben können. 70 Bydlinski zufolge wird der Begriff des Risikos im Beschluß des BAG GS in zwei zu unterscheidenden Bedeutungen gebraucht: Hinsichtlich der Mitverantwortungsabwägung dem Grunde nach bezeichne er lediglich die adäquate Ursächlichkeit der betrieblichen Umstände und der organisatorischen Maßnahmen des Arbeitgebers für den eingetretenen Schaden. Bei den Kriterien "Gefahrgeneigtheit" und "vom Arbeitgeber einkalkulierbares Risiko" hingegen, die zur gerechten Schadensverteilung im Einzelfall herangezogen werden, liege der allgemeine Risikobegriff aus der Theorie der Risikohaftung bei Tätigkeit im Fremdinteresse zugrunde.71 Diese Interpretation der "betrieblichen Veranlassung" als bloß adäquat kausale Verursachung ist aber nicht zwingend. Marhold hat bereits auf die Klärungsbedürftigkeit dieser Frage und auf die Parallelproblematik bei der analogen Anwendung des § 670 BGB zur Begründung des Anspruchs des Arbeitnehmers auf den Ersatz von Eigenschäden sowie im Unfallversicherungsrecht hingewiesen. 72 Nach der aktuellen Rechtsprechung des 8. Senats des BAG zum Ersatz von Eigenschäden besteht ein Ersatzanspruch analog § 670 BGB, wenn der Schaden im Betätigungsbereich des Arbeitgebers entstanden ist, der Arbeitnehmer hierfür keine besondere Vergütung erhalten hat und der Schaden nicht seinem Lebensbereich zugerechnet werden kann.73 Dem "Betätigungsbereich des Arbeitgebers" sind danach alle Schäden zurechenbar, die im Zusammenhang mit der von ihm veranlaßten Arbeitsleistung entstanden sind und die er selbst tragen müßte, wenn er in Person die Tätigkeit ausgeführt oder dem Arbeitnehmer eigene Gegenstände zur Arbeitsleistung überlassen hätte. 74 Der Lebensbereich des Arbeitnehmers als negativer Zurechnungsgrund hat Anklänge an den Begriff des allgemeinen Lebensrisikos. Beide Formeln werden in den Fällen eingesetzt, in denen der Arbeitgeber das Schadensrisiko des Arbeitnehmers nicht tragen soll, obwohl er es veranlaßt hat. Der Begriff des Lebensbereichs des Arbeitnehmers dient also dazu, Schäden von der Ersatzpflicht des Arbeitgebers auszunehmen, die nicht dem spezifischen Tätigkeitsri-

69

Bydlinski, Anm. zu BAG GS SAE 1994, 102.

1o Bydlinski, Anm. zu BAG GS SAE 1994, 10 I f.

71 Bydlinski, Anm. zu BAG GS SAE 1994, 103; vgl. hierzu auch Schlachter, FS OLG Jena, S. 253,257,260 und bereits Canaris, RdA 1966,41,46, 49. 72 Marhold, JZ 1993,910,912. 73 BAG AP Nr. 7 = SAE 1989, 201 mit Anm. Koller und BAG AP Nr. 9 jeweils zu § 611 BGB Gefahrdungshaftung des Arbeitgebers. Vgl. oben 2. Teil, CI 2. 74 Blomeyer, in: Münchener Handbuch zum Arbeitsrecht, § 94, Rdnr. 53.

144

5. Teil: Funktional-teleologische Betrachtung

siko zugerechnet werden können. 75 Diese Aufgabe kann auch das Kriterium der "betrieblichen Veranlassung" erfüllen; es ist insofern auf die Ausführungen im Dritten TeiF6 zu verweisen. Die Erstreckung der Haftungserleichterung auf alle betrieblich veranlaßten Tätigkeiten kann demnach Bydlinskis Bedenken gegenüber der Herleitung aus dem Risikogedanken nicht tragen, der Rückgriff auf Treue- und Fürsorgepflichten ist nicht zwingend. Diese Einschätzung läßt sich auch durch einen Blick auf die Rechtslage bei der Unfallversicherung untermauern. Ein Arbeitsunfall i.S.d. § 548 RVO liegt nicht bei jeder adäquat durch die Arbeitsleistung verursachten Schädigung vor. Als Filter dient hier die haftungsbegründende Kausalität, bzw. der innere Zusammenhang zwischen versicherter Tätigkeit und eingetretenem Schaden. Bei der Feststellung der haftungsbegründenden Kausalität wird vorausgesetzt, daß die versicherte Tätigkeit als "rechtlich wesentliche Bedingung" des Unfalls anzusehen ist, was eine am Normzweck orientierte Wertung des schädigenden Ereignisses voraussetzt. Auch dies dient dazu, den betrieblichen Risikobereich, der für den Unfallversicherungsschutz konstitutierende Wirkung hat, vom allgemeinen Lebensrisiko des Arbeitnehmers zu unterscheiden. 77 Für die Zuordnung einer bestimmten Handlung zum unfallversicherungsrechtlich geschützten Bereich ist es dabei nicht ausreichend, daß ein zeitlicher und räumlicher Bezug zu einer grundsätzlich versicherten Tätigkeit besteht. Erforderlich ist, daß die Handlung mit der versicherten Tätigkeit in einem inneren Zusammenhang steht und dieser wesentlich dient. 78 3. Folgerungen for den persönlichen Anwendungsbereich?

Aus der Begründung der Arbeitnehmerhaftungsprivilegierung mit Hilfe der Treue- und Fürsorgepflicht hat der BGH in einem frühen UrteiF9 auf eine Begrenzung des Anwendungsbereichs dieser Rechtssätze auf Arbeitsverträge geschlossen, denn die besondere, die Haftungserleichterung rechtfertigende, arbeitsvertragliche Fürsorgepflicht folge aus der auf Dauer angelegten Verbundenheit der 75 Koller, SAE 1989, 205, 206 m.w.N.; vgl. auch Blomeyer, in: Münchener Handbuch zum Arbeitsrecht,§ 94, Rdnm. 57, 59. 76 Dritter Teil, BI 2 b); siehe Schlachter, FS OLG Jena, S. 253, 257, 260. 77 Plagemann/Piagemann, Gesetzliche Unfallversicherung, Rdnr. 86, 93; Gitter in: v. Maydeii/Ruland, Sozialrechtshandbuch, § 15, Rdnr. 67. 78 Vgl. BSG BB 1994, 1867; siehe auch: Gitter, Sozialrecht, § 12 II I, S. 121 m.w.N., der darauf hinweist, daß das BSG neuerdings anhand der Voraussetzung des inneren Zusammenhangs die nicht tätigkeitsspezifischen Schäden aussondert, während früher dieser Gesichtspunkt mit der haftungsbegründenden Kausalität vermengt wurde. Gleichwohl bezeichnet er es als Funktion der haftungsbegründenden Kausalität, den Unfallversicherungsschutz auf solche Unfälle zu begrenzen, die im wesenliehen durch das betriebliche Risiko ausgelöst werden. Es sollen Schäden ausgeschlossen werden, die sich nicht als Konkretisierung des versicherten Risikos darstellen, S. 123 f. 79 BGH NJW 1963, II 00 = AP Nr. 28 zu § 611 BGB Haftung des Arbeitnehmers.

B. Beschränkungen auf der Rechtsfolgenseite

145

Partner durch den Betrieb und sei dementsprechend hier stärker ausgeprägt als in anderen, "freien" Dienstverträgen. 80 Ob der VI. Zivilsenat des BGH heute noch an der Herleitung der Haftungserleichterung aus der Treue- und Fürsorgepflicht festhält, ist nicht klar ersichtlich. 81 Becker-Schaffner82 hat gegenüber der Abgrenzung des Anwendungsbereichs der Rechtssätze zur Haftungprivilegierung anband verschieden intensiv ausgeprägter Treuepflichten das personale Element eines jeden Dienstvertrages betont, das die Haftungserleichterung zugunsten jeden Dienstnehmers rechtfertige. Die Existenz entsprechender Treue- und Fürsorgepflichten zeige sich partiell in den §§ 617, 618 BGB, die für jeden Dienstvertrag gelten. Der personenbezogene Charakter folge beim Dienst- wie beim Arbeitsvertrag daraus, daß die Person des Schuldners selbst, mit einem Stück ihrer Persönlichkeitsentfaltung beteiligt, Inhalt des Rechtsverhältnisses sei, da die Leistung nicht von der Person des Schuldners getrennt werden könne. Daher sei der Dienstvertrag mit einem Selbständigen hinsichtlich der Haftungsregeln nicht den übrigensachbezogenen Schuldverhältnissen des BGB, wie Kauf, Miete und Pacht, gleichzusetzen. Neben dem auf dem personenrechliehen Charakter fußenden Gedanken hat Becker-Schaffner treffend auf die Ähnlichkeit von Dienst- und Arbeitsvertrag bei fließenden Übergängen zwischen beiden Vertragsformen hingewiesen, aufgrund derer eine pauschale Ungleichbehandlung hinsichtlich der Haftungsverhältnisse vor dem allgemeinen Gleichheitssatz nicht bestehen könne. 83 Daß auch das Dienstverhältnis des Geschäftsführers von gegenseitigen Treueund Fürsorgepflichten geprägt ist, entspricht allgemeiner Auffassung, 84 insbesondere die höchstrichterliche Rechtsprechung erkennt derartige Pflichten zugunsten von Organpersonen seit jeher an. 85 Grundlage hierfür sei das besondere Vertrauensverhältnis in Verbindung mit dem allgemeinen Grundsatz des § 242 BGB. 86 Vor allem in älteren Urteilen fallenjedoch abschwächende Formulierungen auf, die zwar

8o BGH NJW 1963, 1100, 1102 f. = AP Nr. 28 zu § 611 BGB Haftung des Arbeitnehmers mit zustimmender Anm. A. Hueck, der außerdem darauf abstellt, daß die Übertragung einer bestimmten kurzfristigen Tätigkeit nicht mit der ständigen Ausflihrung einer gefahrgeneigten Arbeit vergleichbar sei, da bei letzterer die Wahrscheinlichkeit eines Schadenseintritts mit der Dauer der Tätigkeit wachse und der Arbeitgeber sich hierauf einstellen könne. 81 So noch ausdrücklich in BGHZ 116, 200, 207. Im Beschluß zur Aufgabe der Gefahrgeneigtheit, NJW 1994, 856 (BGH GmS) ist die Fürsorgepflicht aber nicht mehr genannt, vgl. zustimmend Gamillscheg, ArbuR 1994, I 00. 82 Becker-Schaffner, NJW 1969, 1235, 1236 f. und VersR 1971, 195, 197 f. 83 Becker-Schaffner, VersR 1971, 195, I 98; vgl. auch Neumann-Duesberg, JZ I 964, 433, 438 ff. mit gleichem Ergebnis für arbeitnehmerähnliche Dienst- bzw. Werkvertragsschuldner; vgl. auch Gamillscheg/Hanau, Die Haftung, S. 21 f. 84 Vgl. Henssler, RdA 1992,289, 295; Höhn, Die Geschäftsleitung, S. 212. 85 Vgl. Fleck, FS Hilger/Stumpf, S. 197,207 m.w.N. 86 Fleck, FS Hilger/Stumpf, S. 197, 207 m.w.N. 10 Frisch

146

5. Teil: Funktional-teleologische Betrachtung

grundsätzliche Parallelen zum Arbeitsverhältnis klarstellen, die Gleichstellung hinsichtlich der Pflichtenintensität jedoch verneinen. 87 Wollte man weiterhin die Haftungsprivilegierung auf Treue- und Fürsorgepflichten stützen, wäre zu bedenken, daß die aufgezeigte Argumentation des BGH zum Ausschluß der Haftungserleichterung für "freie" Dienstnehmer nicht auf den GmbH-Geschäftsführer übertragbar ist, obwohl der II. Senat des BGH das Anstellungsverhältnis stets als "freien" Dienstvertrag einordnet. Der Anstellungsvertrag zwischen Körperschaft und Organmitglied ist üblicherweise langfristig angelegt. In Anlehnung an die Gedankenfiihrung Becker-Schaffuers könnte sich allerdings eine Differenzierung der Intensität der gegenseitigen Treue- und Fürsorgepflichten in Abhängigkeit von der innergesellschaftlichen Stellung des Geschäftsführers aufdrängen. Es liegt nahe, gegenüber Fremdoder lediglich gering beteiligten, arbeitnehmerähnlichen Geschäftsführern weitergehende Pflichten anzunehmen als zugunsten von erheblich Beteiligten. Diese Schutzpflichten könnten möglicherweise so weitreichend sein, daß sie auch die Haftungserleichterung umfassen. Jedenfalls eine vorrangige Begründung der Grundsätze zum innerbetrieblichen Schadensausgleich mit Treue- und Fürsorgepflichten ist aber abzulehnen, denn hierdurch werden - unabhängig von den systematischen Bedenken- normativ-wertende Kriterien eher verdeckt als offengelegt 88 In den Vordergrund der Diskussion sind daher zu Recht andere Begründungsansätze gerückt. II. Schadenszurechnung aufgrund der Theorie der Risikohaftung bei Tätigkeit im fremden Interesse 1. Grundlegung

Der Theorie der Risikohaftung bei Tätigkeit im fremden Interesse liegt die Feststellung zugrunde, daß das Schadensersatzrecht neben dem Verschuldensprinzip weitere Zurechnungsprinzipien kennt. 89 In Anlehnung an die verschuldensunabhängige Schadenszuweisung bei der Gefährdungshaftung, die man unter anderem darin begründet sieht, daß der Inhaber einer gefährlichen Sache die aus ihr fließenden Vorteile genießt, umgekehrt deshalb die spezifischen, von ihr ausgehenden Gefahren tragen soll und darin, daß er diese Gefahrenquelle eröffnet und am ehesten die Möglichkeit ihrer Beherrschung hat, ist das Prinzip der Risikozurechnung an den, der den Vorteil aus dem Risiko zieht und dessen Willen es zuzurechnen ist, entwickelt worden. Die verschuldensunabhängige Haftung für gefährliche Sachen und die Einstandspflicht bei risikobehafteter Tätigkeit werden als Unterfälle eines einheitlichen, allgemeinen

BGHZ 10, 187, 192; 12, I, 8 ff. J. Hübner, Schadenszurechnung, S. 119. 89 Deutlich: Larenz, JuS 1965, 373, 374. 87 88

B. Beschränkungen auf der Rechtsfolgenseite

147

zivilrechtliehen Prinzips angesehen. 90 Mit dieser Theorie lassen sich auch die Ansprüche des Beauftragten bzw. des Geschäftsführers ohne Auftrag und des Arbeitnehmers auf Ersatz der bei der Tätigkeit erlittenen Eigenschäden ebenso erklären wie der Freistellungsanspruch des Arbeitnehmers gegenüber dem Arbeitgeber bei Inanspruchnahme durch einen geschädigten Dritten.91 Der Rückgriff auf ein derartiges allgemeines Prinzip ermöglicht somit die Harmonisierung der arbeitsvertragliehen Haftungsverhältnisse. Insbesondere wird hierdurch für den Freistellungsanspruch und den Ersatz des Eigenschadens des Arbeitnehmers die zweifelhafte Begründung mit einer analogen Anwendung des § 670 BGB entbehrlich.92 Vereinheitlichend wird unterstellt, daß die Gesichtspunkte, die die Belastung des Auftraggebers bzw. des Geschäftsherrn mit dem Schadensersatzanspruch des Beauftragten bzw. des Geschäftsführers rechtfertigten, auch im Verhältnis zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer bezüglich des gewohnheitsrechtlich anerkannten innerbetrieblichen Schadensausgleichs erkennbar seien: 93 Derjenige, der einen anderen eine bestimmte Tätigkeit ausführen läßt und den Vorteil hieraus zieht, soll die mit einer derartigen Tätigkeit ftir den Ausführenden verbundene Gefahr tragen. Vorteil und Gefahr, Interessenverfolgung und Kosten, Initiative und Verantwortung werden als zusammengehörig begriffen. 94 Die Risikozurechnung basiert danach auf drei Elementen: Die Tätigkeit erfolgt im Interesse des Geschäftsherm, die aus ihr resultierende Gefahr kann von ihm am ehesten beherrscht werden, und sie geht auf seine Veranlassung zurück. 95 2. Die Problematik des Risikogedankens a) Konkretisierungsbedürftigkeit der Zurechnungskriterien Die Herleitung der Haftungserleichterung ftir Arbeitnehmer aus dem Gedanken der Risikozuweisung bei Tätigkeit im fremden Interesse sieht sich einer umfangreichen, mehrschichtigen Kritik ausgesetzt. Es dürfte nicht zu leugnen sein, daß der allgemeine Rechtsgedanke der Risikozurechnung bei fremdnützi90 Canaris, RdA 1966, 41, 43; Larenz, JuS 1965, 373, 374 f.; eher skeptisch hinsichtlich des RUckgriffs auf Gefährdungshaftungsnormen: Bydlinski, Risikohaftung, S. 29 f. Zur Herkunft dieses Gedankes siehe Mayer-Maly, NZA 1991, Beilage 3, S. 5, 14; Blomeyer, FS Kissel, S. 77, 84 und J. Hübner, Schadenszurechnung, S. 122 ff. 91 Canaris, RdA 1966, 41, 47 f.; Huber, Die Haftung, S. 49 ff. und 67 ff. zu den Grundsätzen der Arbeitnehmerhaftung. Umfassend und kritisch zu den Grundlagen der Gefährdungshaftung: Blaschczok, Gefährdungshaftung, S. 45 ff. 92 Siehe oben 2. Teil, C I; vgl. Blomeyer, in: MUnchener Handbuch zum Arbeitsrecht, § 94, Rdnr. 53 mit Hinweis auf die Rechtsprechung des 8. Senats des BAG, aus der sich ebenfalls eine Gleichbehandlung ergibt. 93 Canaris, RdA 1966,41 ff., insb. S. 43; siehe auch Blomeyer, FS Kissel, S. 77, 85. 94 Larenz, JuS 1965,373, 375; Genius, AcP 173 (1973), 481,520 f. 95 Canaris, RdA 1966, 41, 45. Siehe auch die Zusammenfassung bei Blomeyer, FS Kissel, S. 77, 84 f.

148

5. Teil: Funktional-teleologische Betrachtung

ger Tätigkeit die Gefahr der Konturenlosigkeit birgt, da die im Einzelfall notwendigen klaren Abgrenzungskriterien nicht offen zutage liegen. 96 Es ist vermutlich auf diese Unschärfe zurückzufiihren, daß die einzelnen Zurechnungskriterien in der Literatur sehr unterschiedlich gewichtet werden. Alle materiellen Argumente, mit denen die Haftungserleichterung des Arbeitnehmers in Anlehnung an den Risikogedanken gestützt werden, sind zudem angreifbar. 97 Daher ist es notwendig, die einzelnen Zurechnungskriterien im folgenden zu konkretisieren. Zuvor (unter b)) soll jedoch ein genereller Einwand gegen die Risikohaftungslehre beleuchtet sowie die Rechtsprechung des BAG (unter 3.) angesprochen werden. b) Gefährdungshaftungstatbestände analogiefeindlich? Der Theorie der Risikohaftung bei Tätigkeit im Fremdinteresse ist vorgeworfen worden, sie verstoße gegen den Numerus clausus der Tatbestände der Gefährdungshaftung. Das für die Gefährdungshaftung geltende Enumerationsprinzip stehe einer Analogiebildung entgegen. Gefährdungshaftungen einzufiihren, sei allein Sache des Gesetzgebers.98 Unbeachtlich sei, daß die Haftung fiir Sachgefahren "Gefährdungshaftung", die fiir ein Tätigwerden im fremden Interesse "rusikohaftung" genannt werde; der Sache nach ergebe sich kein Unterschied, wie die gleichlautenden Zurechnungskriterien zeigten. 99 Diese Kritik erweist sich als nicht tragfähig. Lehre und Rechtsprechung stimmen heute darin überein, daß auch Ausnahmevorschriften, wie die Normen, die Gefährdungshaftungstatbestände enthalten, innerhalb eines durch sie aufgestellten engeren Prinzips durchaus analogiefähig sein können. 100 Es existiert heute ein derartiges eigenständiges, dem Verschuldensprinzip gleichzuachtendes Rechtsprinzip der Gefährdungshaftung, bei dem trotz der spezialgesetzlichen Zersplitterung eine innere Einheit von Zurechnungsgründen und Gerechtigkeitskriterien angenonunen wird. Im Mittelpunkt stehen die bereits auf-

96 Blomeyer, FS Kissel, S. 77, 85 f. zufolge lassen sich aus dem allgemeinen Prinzip derartige Kriterien nicht ableiten; Fitz, Risikozurechnung, S. 75, wirft der Formel von Canaris vor, es sei ein Grad an Unbestimmtheit und Verallgemeinerung erreicht, der den Gedanken der Risikozurechnung als alleinige Haftungsgrundlage unbrauchbar mache. In diesem Sinne bereits Genius, AcP 173 (1973), 481 , 522. 97 Siehe die Zusammenstellungen von Brox/Walker, DB 1985, 1469 ff. und Dütz, NJW 1986, 1779, 1783 f. Vgl. auch Blomeyer, in: Münchener Handbuch zum Arbeitsrecht,§ 57, Rdnr. 30. 98 Brox/Walker, DB 1985, 1469, 1471 mit Hinweis auf RGZ 147, 353 und BGHZ 55, 229, 234: Eine entsprechende Anwendung bei der Verschuldenshaftung des Arbeitnehmers sei contra Iegern; so wohl auch Mayer-Maly Referat N zum 56. DJT, S. 22. 99 Koch, Der Eigenschaden, S. 38. Joo Will, Quellen erhöhter Gefahr, S. 104; Larenz/Canaris, § 84 I 1 b, S. 601: Enumerationsprinzip steht einer Analogie nicht schlechthin entgegen.

B. Beschränkungen auf der Rechtsfolgenseite

149

gezeigten Topoi der Gefahrveranlassung und-beherrschungsowie der Gedanke der Zusammengehörigkeit von Vorteil und Risiko.101 Der verfassungsrechtliche Einwand, die Einführung neuer Gefahrdungshaftungstatbestände sei dem Gesetzgeber vorbehalten, könne also nicht durch Richterrecht erfolgen, betrifft die Prinzipien der Gewaltenteilung und der Rechtssicherheit Ein Analogieverbot bedeutet jedoch, daß der Richter rechtsähnliche Fälle unterschiedlich behandeln und damit gegen das ebenfalls hochrangige Gleichbehandlungsgebot verstoßen muß. Das ist aber um so weniger einsichtig, als hinsichtlich der Gefahrdungshaftungsgrundlagen ein analogiefeindlicher Wille des Gesetzgebers nicht unterstellt werden kann, da ein einziger, planvoll vorgehender Normgeber angesichts der über einen langen Zeitraum entstandenen Gefahrdungshaftungen gar nicht vorhanden ist. 102 Außerdem kann dem Einwand eines Analogieverbots entgegengehalten werden, daß das Prinzip der Gefahrdungshaftung im Bereich der Arbeitsschäden bereits durch die Unfallversicherungsgesetzgebung etabliert ist. Sie kann funktional als Gefahrdungshaftung des Arbeitgebers fiir arbeitsbedingte Körperschäden angesehen werden, wie ihre Entstehungsgeschichte zeigt. 103 Im Gesetzgebungsverfahren ist deutlich formuliert worden, der Arbeitnehmer erhalte einen auf dem Grundsatz der Gefahrdungshaftung aufgebauten Entschädigungsanspruch gegen die in aller Regel in der Berufsgenossenschaft zusammengefaßten Arbeitgeber. 104 Die weitreichende Übereinstimmung der Begründungen für die Unfallversicherung und fur die Rechtssätze zur Arbeitnehmerhaftung zeigt, daß es widersprüchlich wäre, die Risikohaftungslehre wegen eines behaupteten Numerus clausus der Gefahrdungshaftungstatbestände nicht zu etablieren. 105 Hinzuweisen ist in diesem Zusammenhang auch auf die verdeckte Einführung von objektiven Haftungstatbeständen durch die Rechtsprechung. 106 Schließlich ist anzumerken, daß es heute nicht mehr Gegenstand der Diskussion ist, einen tot Larenz/Canaris, § 84 I 2a, S. 604 f. m.w.N.; krit. hierzu Köndgen, Haftpflichtfunktionen, S. 31 f. und Blaschzcok, Gefährdungshaftung, S. 45 ff., insb. S. 69. 1o2 Will, Quellen erhöhter Gefahr, S. 105 f., der auch auf die analogiefreundliche Praxis in Österreich verweist; hierzu siehe auch: Larenz/Canaris, § 84 I I b, Fn. 3. to3 Köhler, RdA 1970, 97, 98 f., der auch darlegt, daß die Beschränkung auf Körperschäden dem Prinzip der Gefahrdungshaftung fremd ist. Abiehenend aber Gamillscheg/Hanau, Arbeitnehmerhaftung, S. 49. 104 Kothe, Jura 1985, 304,309 mit Hinweis aufBT-Drucks. 120, S. 48. Vgl. auch Denck, Der Schutz, S. 116: Gesetzliche Unfallversicherung ist zumindest nach heutigem Verständnis eine versicherungstechnisch modifizierte Gefährdungshaftung des Arbeitgebers. Sachund Personenschäden werden bei der Gefahrdungshaftung regelmäßig gleichbehandelt, es sei denn für die Differenzierung besteht- wie bei der Arzneimittelhaftung- ein praktisches Bedürfnis. Vgl. auch bereits Müller-Erzbach, AcP 106 (191 0) 309, 449 ff. tos Zum Gleichlauf der Begründungen ausflihrlich: Kothe, AuR 1983, 229 ff., insb. S. 235 ff. und Jura 1985, 304, 308 f. und ders., Arbeitnehmerhaftung, S. 251 ff. 106 J. Hübner, Schadenszurechnung, S. 126; zur Haftung wegen Verletzung von Verkehrspflichten als "heimliche Gefahrdungshaftung", Blaschczok, Gefährdungshaftung, s. 93 ff.

150

5. Teil: Funktional-teleologische Betrachtung

neuen Anspruch zu schaffen; problematisch bleiben lediglich die systemgerechte Erklärung und Präzisierung der Risikohaftungslehre. 107 3. Die Begründung in der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts

Die höchstrichterliche arbeitsrechtliche Rechtsprechung leitet die Regeln zur Arbeitnehmerhaftung seit 1970 - deutlich wird dies insbesondere in BAG AP Nr. 61 zu§ 611 BGB, Haftung des Arbeitnehmers- ebenfalls aus Risikogesichtspunkten her. 108 Das BAG stellt auf die Anrechnung des Betriebsrisikos im Sinne eines verschuldeosunabhängigen Zurechnungsfaktors im Rahmen einer analogen Anwendung des § 254 BGB ab. Das Betriebsrisiko will es hier- entgegen der sonstigen Terminologie - verstanden wissen als Abwägungskriterium gegenüber demVerschulden des Arbeitnehmers, nicht als Lohnzahlungsrisiko des Arbeitgebers bei zufälliger Unmöglichkeit der Dienstleistung. 109 Es wird zentral damit argumentiert, daß der Arbeitgeber die Erfolge des betrieblichen Geschehens fiir sich in Anspruch nehme und deshalb auch fiir die damit verbundenen Risiken einstehen müsse. Er könne Schäden, die das Betriebsrisiko mit sich bringt, nicht ohne weiteres auf den Arbeitnehmer abwälzen, weil er ihn mit der Verrichtung einer im Interesse des Betriebes zu leistenden Arbeit beauftragt habe} 10 Aufgrund der tatsächlichen Organisations- und Personalhoheit und der rechtlichen Gestaltung der persönlichen Abhängigkeit und Weisungsgebundenheit des Arbeitnehmers sei es gerechtfertigt, den Arbeitgeber mit dem Organisationsrisiko als Element des allgemeinen Unternehmerrisikos zu belasten, denn aus diesen Gesichtspunkten folge zugleich eine Steuerung der Berufsausübung, der der Arbeitnehmer weder rechtlich noch tatsächlich ausweichen könne. 111 4. Analyse der einzelnen Elemente der Risikozurechnung

Die Gesichtspunkte, die zur Belastung des Arbeitgebers mit dem Risiko von Schäden, die seine Arbeitnehmer bei betrieblich veranlaßter Tätigkeit verursachen, angeführt werden, müssen im einzelnen präzisiert werden. Auf die Konkretisierung derartiger verschuldeosunabhängiger Zurechnungsgründe, die in direkter oder analoger Anwendung des § 254 BGB das Ausmaß der Schadens107 Fitz, Risikozurechnung,

S. 42; so bereits Canaris, RdA 1966, 41, 46. Vgl. oben 2. Teil, C II; das BAG ist insofern den Gedanken von Canaris und Gamillscheg/Hanau gefolgt, Lichtenberg, Berufliches Haftpflichtrisiko, S. 14 f. 1o9 So die Klarstellung in BAG NZA 1988, 579 = AP Nr. 93 zu § 611 BGB Haftung des Arbeitnehmers, B III 4 der Gründe. uo BAG GS NZA 1993, 547 = AP Nr. AP Nr. 101 zu§ 611 BGB Haftung des Arbeitnehmers, II 2 der Gründe. Siehe auch BAG GS AP Nr. I 03 zu § 611 BGB, Haftung des Arbeitnehmers= NZA 1994, 1083. 111 BAGGS NZA 1993, 547 = APNr. 101 zu§ 611 BGBHaftungdesArbeitnehmers, II 3 der Gründe. Auch BAG GS AP Nr. I 03 zu § 611 BGB, Haftung des Arbeitnehmers. 1os

B. Beschränkungen auf der Rechtsfolgenseite

151

ersatzpflicht des Arbeitnehmers begrenzen, konzentrieren sich auch die Bemühungen in der Literatur. 112 Im folgenden soll der Stand der Auseinandersetzung um die Kriterien der Tätigkeit im fremden Interesse einerseits (unter a)) und der Gefahrbeherrschung andererseits (unter b))- auch vor dem Hintergrund der ökonomischen Analyse des Ziviirechts-aufgearbeitet werden. a) Tätigkeit im Interesse des Arbeitgebers (1)

Allgemeine Problematik der Interesseformel

Die eingeschränkte Haftung wird zentral mit der These begründet, der Arbeitnehmer werde im Interesse des Arbeitgebers tätig, letzterer habe den Vorteil aus der Tätigkeit. 113 Fraglich ist aber, ob diese - auf die Haftung des Geschäftsherrn ftir Eigenschäden des Auftragnehmers bzw. Geschäftsführers ohne Auftrag passende- Wertung hinsichtlich des Arbeitsverhältnisses nicht gegen das Äquivalenzprinzip verstößt. 114 Es könnte sich als notwendig erweisen, entgeltliche Geschäfte anders zu behandeln als unentgeltliche, zurnal die Geschäftsfiihrung ohne Auftrag vom Altruismus und vom Treuhandgedanken geprägt sei, während diese beiden Gesichtspunkte in Austauschverträgen im allgemeinen nicht nachgewiesen werden könnten. 115 Auch unabhängig von der Anwendbarkeit auf Austauschverträge ist der Gedanke der Zusammengehörigkeit von Vorteil und Risiko als rechtfertigendes Grundprinzip der Gefährdungshaftung 116 nicht unbestritten geblieben. Einerseits wird er nach wie vor als fundamentales Gerechtigkeitskriterium dargestellt, 117 andererseits aber dahingehend kritisiert, daß hierbei zwischen individuellen und Interessen der Allgemeinheit nicht hinreichend differenziert sei 118 und daß die Interessenformel zu einer uferlosen Ausweitung der Gefährdungshaftung fiihren müsse, da jegliche Tätigkeit im eigenen Interesse ausgeübt werde. 119

Vgl. Kohte, Jura 1985, 304, 306. Deutlich: Canaris, RdA 1966, 41, 45; vgl. hierzu: Fitz, Risikozurechnung, S. 50 ff. mit zahlr. weit. Nachw. 114 Vgl. Koller, Die Risikozurechnung, S. 406. 11s Wank, Arbeitnehmer und Selbständige, S. 66; vgl. auch J. Hübner, Schadenszurechnung, S. 128, demzufolge diese vergleichsweise unbedeutenden Fälle als Basis für eine Verallgemeinerung zu schmal sind. 116 Zur Verwandtschaft der Theorie der Risikohaftung mit der Gefahrdungshaftung siehe oben unter I. 117 Larenz/Canaris, § 84 2a, S. 605; Bydlinski, Rechtsgrundsätze, S. 292 f. 11s Köndgen, Haftpflichtfunktionen, S. 29 f. 119 Blaschczok, Gefährdungshaftung, S. 60 ff. 112 113

152

(2)

5. Teil: Funktional-teleologische Betrachtung

Insbesondere: Anwendbarkeit der Interesseformel in gegenseitigen Verträgen

Einzelne Stellungnahmen in der Literatur sprechen sich generell dagegen aus, die Interesseformel auf gegenseitige Verträge anzuwenden. Hier könne sie keinen Grund der Schadenszurechnung bilden, da jede entgeltliche Tätigkeit im fremden Interesse liege; andernfalls würde hierfiir nichts bezahlt. 120 Wenn die Interessenlage anhand objektiver Kriterien ermittelt wird, müßten demgemäß alle Geschäftsfiihrungen aus dem Anwendungsbereich der Risikotheorie herausfallen, die im Hinblick auf eine Gegenleistungspflicht des Geschäftsherrn übernommen werden, nach Jhering also auf dem beiderseitigen Egoismus jedes synallagmatischen Schuldverhältnisses beruhen. 121 (a)

Rechtfertigung mit "Gewinnchancen des Arbeitgebers" und dem "Abwälzungsargument"?

Kaum zu bestreiten ist, daß der Arbeitnehmer am Erfolg des Unternehmens - wenn auch möglicherweise in beschränktem Maß 122 - durch die gezahlte Vergütung beteiligt ist, seine Tätigkeit also nicht ausschließlich im Interesse des Arbeitgebers liegt. 123 Der Interessenformel wird zudem entgegengehalten, Gewinnchancen des Arbeitgebers und das Schadensrisiko könnten einander nicht gegenübergestellt werden, da mit der Gewinnerwartung bereits das Verlustrisiko korreliere. Gerechtfertigt sei aus diesem . Blickwinkel lediglich die Pflicht zur Lohnzahlung nach der Betriebsrisikolehre bei unverschuldeten Leistungsstörungen.124 Um die Interessenthese zu stützen, wird im Anschluß an eine Überlegung Müller-Erzbachs 125 argumentiert, daß der Geschäftsherr, wenn er selbst tätig geworden wäre und den Schaden erlitten hätte, diesen auch selbst tragen müßte. Es sei nicht einzusehen, warum er dadurch besser gestellt werden solle, daß er einen anderen fiir sich tätig werden läßt. 126 Dieses "Abwälzungsargument" könnte aber 12o Koch, Der Eigenschaden, S. 42; vgl. auch: Fitz, Risikozurechnung, S. 90. 121 So Fitz, Risikozurechnung S. 89 f. 122 Vgl. hierzu aber Adomeit, Gesellschaftsrechtliche Elemente, S. 15 f. 123 Deutlich: Bydlinski, Risikohaftung, S. 60 f. Koch, Der Eigenschaden, S. 42; J. Hübner, Schadenszurechnung, S. 128: "Der Vorteil aus dem Bestand des Unternehmens ist nicht lediglich dem Arbeitgeber zuzurechnen, wie sich insb. in Zeiten der Arbeitslosigkeit zeigt." Er hält demzufolge das "Vorteil-Nachteil-Prinzip" zur Begründung einer Risikozurechnung für wenig aussagekräftig, da zu unscharf, S. 131, 144. 124 Brox, Anm. zu BAG AP Nr. 82 zu § 611 BGB Haftung des Arbeitnehmers; Brox/Walker, DB 1985, 1469, 1471. 125 Müller-Erzbach, AcP 106 (1910), 309, 353 ff., insb. S. 387 f. 126 So bereits Huber, Die Haftung, S. 55, 59, 72; hierauf stellt Genius, AcP 173 (1973) 481, 522 f. flir die Ersatzverpflichtung beim Auftrag und bei der GoA vorrangig ab; vgl. Gamillscheg/Hanau, Die Haftung, S. 46 ff.; vgl. auch Wank, Arbeitnehmer und Selbständige, S. 67; krit.: Fitz, Risikozurechnung, S. 76 f.

B. Beschränkungen auf der Rechtsfolgenseite

153

-so ist eingewandt worden- umkehrbar sein. Wenn die Leistung nicht von einem Arbeitnehmer, sondern von einem selbständigen Dienstnehmer erbracht wird, müsse dieser den Schaden selbst tragen. Durch die Arbeitsteilung würde also der Arbeitnehmer einseitig bevorzugt, wenn nicht er, sondern der Arbeitgeber einen schuldhaftverursachten Schaden tragen muß. 127 Insbesondere Richardi1 28 ist dem "Abwälzungsargument" entgegengetreten. Nicht das Betriebsrisiko bedinge den Schaden, er sei vielmehr durch schuldhaftes Arbeitnehmerfehlverhalten verursacht, so daß im Gegenteil der Mitarbeiter von Schadensfolgen entlastet werde. Denck129 hat demgegenüber versucht, das Interessenargument mit einer Parallelbetrachtung der Arbeitnehmerhaftung zur Außenhaftung des Arbeitgebers zu stützen. Die Kanalisierung der Haftung auf den Arbeitgeber im Außenverhältnis fmde ihre Fortsetzung in den Regeln der Arbeitnehmerhaftung. Nach dem Grundgedanken der §§ 166, 278 BGB müsse derjenige, der seinen rechtsgeschäftliehen oder tatsächlichen Wirkungskreis durch fremde Hilfe erweitert, verschuldensunabhängig auch die Nachteile in Kauf nehmen, die hieraus folgen. Es läßt sich zeigen, daß die Kanalisierung der Haftung auf den Arbeitgeber im Außenverhältnis in derselben Weise begründet wird wie die Entlastung des Arbeitnehmers im Innenverhälnis. Dies lege es nahe, beide Phänomene als Einheit zu betrachten, mit dem Ziel, den Betriebsinhaber endgültig mit betriebsspezifischen Risiken zu belasten. 130 (b) Äquivalenzbetrachtung auf der Grundlage des wirtschaftlichen Arbeitnehmerbegriffs Das Interessenkriterium der Risikotheorie gewinnt entscheidend an Überzeugungskraft, wenn es in Relation zum "wirtschaftlichen" Arbeitnehmerbegriff, der sich neben bzw. anstelle der Fremdbestimmtheit der Arbeit gerade auf deren Fremdnützigkeit konzentriert, 131 gesetzt wird.132 Der entscheidende Gesichtspunkt dieser Betrachtung liegt darin, daß zwar der Arbeitnehmer seine 127 Eich, NZA 1984, 65, 70; Brox/Walker, DB 1985, 1469, 1471. Kritisch hierzu: Denck, NZA 1986, 80, 84, der dem entgegenhält, daß der Marktzutritt als Wettbewerber lediglich einer kleinen Elite möglich und daher die Hypothese der Selbständigkeit nicht angebracht sei. 128 Staudinger/Richardi, § 611, Rdnr. 495 und Richardi, JZ 1986, 796, 799. 129 Denck, NZA 1986, 80, 84. 130 J. Hübner, Schadenszurechnung, S. 133 ff. Die Haftungskanalisation werde erreicht durch ausdehnende Anwendung des § 278 BGB, indem Schuldverhältnisse über c.i.c. und den Vertrag mit Schutzwirkung zugunsten Dritter konstruiert werden. Gleichzeitig werde der Anwendungsbereich des § 831 I 2 BGB eingeschränkt durch die weitreichende Annahme von Verkehrs- und Organisationspflichten. Derartige Wirkungen entfalte auch die Beweislastverteilung nach Gefahrenbereichen, S. 86 ff. Vg\. auch Denck, NZA 1986, 80, 84. 131 Siehe hierzu oben 4. Teil, D III I. 132 So insb. Heinze, NZA 1986, 545, 548 ff.; vg\. auch Schumacher, Die vom Verschulden unabhängige Haftung, insb. S. 102 f.

154

5. Teil: Funktional-teleologische Betrachtung

Arbeitskraft letztlich für sich selbst verwertet, um seinen Lebensunterhalt zu bestreiten, seine Arbeitsleistung ihre Bedeutung und ihre Funktion jedoch vor allem dadurch erlangt, daß sie auf einen weiterführenden, fremd- oder drittbestimmten Zweck ausgerichtet ist. Die sich hieraus ergebende Unmöglichkeit zu eigener Marktteilnahme, d.h. unternehmerischer Nutzung der eigenen Arbeitskraft, führe dazu, daß der Arbeitnehmer nicht in der Lage sei, Eigenvorsorge auch zum Schutz vor betrieblichen Haftungsfällen - zu treffen. Einen wichtigen Bestandteil des Bedürfnisses nach Fremdvorsorge befriedigten somit die Grundsätze zum innerbetrieblichen Schadensausgleich. 133 Diese seien dadurch gerechtfertigt, daß auf der anderen Seite der Arbeitgeber seine Dispositionsmöglichkeiten durch die Indienstnahme fremder Arbeitskraft erweitere. 134 Hintergrund dieser Deutung der Fremdnützigkeit der Arbeitsleistung ist die Annahme, daß das Arbeitsentgelt kein vollständiges Äquivalent dafür darstellt, daß der Arbeitnehmer auf die selbständige, Unternehmerische Nutzung seiner Arbeitskraft verzichtet. Die Verpflichtung des Arbeitgebers zu über die Lohnzahlung hinausgehenden Leistungen läßt sich danach als Teil der im Äquivalenzverhältnis des Arbeitsvertrages stehenden Pflichten des Arbeitgebers begreifen. Auch diese weiterreichenden Pflichten seien Gegenleistung für die vom Arbeitnehmer zur Verfügung gestellte Arbeitskraft, die der Arbeitgeber zur Mehrung seines Vermögens nach seinen Dispositionen einsetzen könne. 135 Neben der Übernahme von Schadensrisiken werde dies deutlich bei der Lohnfortzahlung im Krankheitsfall und an Feiertagen, bei der Betriebsrisikolehre sowie beim Kündigungsschutzrecht 136 Insbesondere Risiken, die mit der Verwirklichung der Zielsetzungen des Arbeitgebers im inneren Zusammenhang stehen, wie die Schadensfälle, die von den Grundsätzen des innerbetrieblichen Schadensersatzes erfaßt werden, sind danach vom"überproportional Begünstigten" 137 zu tragen. Der Arbeitnehmer steht insofern-trotzseines Handeins auch im eigenen Interesse- dem altruistisch handelnden Beauftragten näher als dem selbständigen Dienstnehmer, der sich vor den mit seiner Tätigkeit verbundenen Risiken selbst schützen muß, die Kosten hierfür aber über sein Entgelt bestreitet. 138 m Heinze, NZA 1986, 545, 548 ff.; Denck, AuR 1988, 325, 328, der zwar die Behauptung einer generellen Unfähigkeit zur Eigenvorsorge als Folge der Fremdnützigkeit flir zu pauschal hält, flir die Haftungserleichterung hieran aber festhält; vgl. auch Lieb, Arbeitsrecht, S. 4 f. und Wiedemann, Das Arbeitsverhältnis, S. 14 ff. 134 Heinze, NZA 1986,545,549, 551; so auch v. Hoyningen-Huene, BB 1989, 1889, 1894 f. 135 Wiedemann, Das Arbeitsverhältnis, S. 16; so insb. auch Koller, Risikozurechnung, S. 400 f. 136 Deutlich auch Koller, Die Risikozurechnung, S. 398 ff.; krit. hierzu: Wank, Arbeitnehmer und Selbständige, S. 118, der diesen Ansatz dennoch im Kern flir zutreffend hält, S.l20. 137 Ausdruck von Schumacher, Die vom Verschulden unabhängige Haftung, S. 102. 138 Schumacher, Die vom Verschulden unabhängige Haftung, S. 102 f.

B. Beschränkungen auf der Rechtsfolgenseite

155

Dieser Überlegung entsprechend erkennt Bydlinski im Arbeitsvertrag ein Rechtsverhältnis, in dem der Arbeitnehmer ein reines Tätigkeitsentgelt erhält, mit dem lediglich die bloße Arbeitsleistung, nicht aber darüber hinausgehende Vermögensopferwie Aufwendungen und Risikoschäden abgegolten werden. Dies sei charakteristisch für Verträge, bei denen sich die versprochene Leistung in einer näher umschriebenen menschlichen Tätigkeit erschöpft, ohne aber einen weitergehenden wirtschaftlichen Erfolg zu umfassen. 139 Typisch für derartige Verträge sei, daß der eine bestimmte Tätigkeit schuldende Partner beim entgeltlichen Vertrag hierfür ein festbestimmtes Entgelt erhält, während der gesamte Erfolg der Tätigkeit, sei er positiv oder negativ, materieller oder ideeller Natur, allein dem anderen Vertragspartner zugeordnet wird, dem der Nutzen des Arbeitsergebnisses zustehe. Derartige Verträge machten den Anwendungsbereich der Risikohaftung aus. 140 Mit dieser Deutung des Zurechnungskriteriums der Fremdnützigkeit gehe eine Emanzipation von allgemeinen Abhängigkeits- oder Schutzbedürfigkeitserwägungen einher, auf die soziale Schutzbedürftigkeit könne es nicht mehr entscheidend ankommen. 141 b) Das Zurechnungselement "Gefahrbeherrschung" Bereits aus der Formulierung von Canaris, der Arbeitgeber könne das Risiko am ehesten beherrschen, sei es durch entsprechende Organisation seines Betriebes, sei es durch den Abschluß einer Versicherung, 142 wird deutlich, daß das Kriterium der Beherrschbarkeit zwei Gedanken enthält, die gesondert zu untersuchen sind. Einerseits ist die Organisationsmacht des Arbeitgebers angesprochen, die er präventiv zur Schadensverhinderung einsetzen kann143 (hierzu (1) und (2)), andererseits wird angeknüpft an seine im Vergleich zu denjenigen des Arbeitnehmers besseren Möglichkeiten, einen eintretenden Schaden aufzufangen oder zu streuen144 (hierzu (3)).

139 Bydlinski, Risikohaftung, S. 83 ff., bei Verträgen mit reiner Tätigkeitsverpflichtung wird der gesamte wirtschaftliche Erfolg allein dem anderen Vertragsteil zugeordnet, ihm seien daher auch die voraussehbaren - damit aufwandsähnlichen - Schadensrisiken zuzuweisen; ders., Anm. SAE 1994,93,99. 140 Bydlinski, Risikohaftung, S. 84 f., 89. 141 Bydlinski, Risikohaftung, S. 60; vgl. demgegenüber Fitz, Risikozurechnung, S. 89 f. 142 Canaris, RdA 1966,41,45. 143 Deutlich BAG GS AP Nr. I 03 zu § 611 BGB Haftung des Arbeitnehmers, C II 2 der Gründe; siehe hierzu Krause, VersR 1995, 752, 758. 144 Vgl. Otto, Gutachten E zum 56. Deutschen Juristentag, S. 36 ff. und Mayer-Maly, Referat N zum 56. Deutschen Juristentag, S. 22 f.

156

5. Teil: Funktional-teleologische Betrachtung

(1)

Beherrschbarkeif als Präventionsmöglichkeit durch Organisations- und Weisungsmacht

(a)

Tatsächliche Verhinderungsmacht?

Fraglich ist, wie weit die Fähigkeit des Arbeitgebers reicht, durch organisatorische Maßnahmen die betriebsspezifischen Gefahren zu überwachen, zu ordnen und zu verringern. Spiegelbildlich muß man sich damit auseinandersetzen, ob und inwieweit der Arbeitnehmer infolge des Weisungsrechts der Gefahrenlage an seinem Arbeitsplatz ausgeliefert ist. 14s Zwar folgt aus dem Weisungsrecht und der Organisationsgewalt des Arbeitgebers die Möglichkeit, Gefahrenquellen zu beseitigen oder zumindest zu minimieren.146 Dies läßt sich Kohte 147 zufolge auch anhand von arbeitswissenschaftliehen Untersuchungen nachweisen, wonach die mit der betrieblichen Tätigkeit verbundene Gefahr vorrangig als dem Arbeitgeber zuzuweisende Organisationsgefahr zu begreifen sei. Betriebliche Schadensfälle seien signifikant beeinflußt durch die vom Arbeitgeber vorgegebene Arbeitsorganisation, in die der Arbeitnehmer eingefügt ist, der er sich nicht entziehen und die er nur in geringem Umfang beeinflussen könne. Weisungsrecht und Organisationsgewalt des Arbeitgebers begründen aber keine pauschale, umfassende Präventionsmöglichkeit. 148 Es wird nicht jeder einzelne Handgriff des Arbeitnehmers angeordnet, dem ein Handlungsspielrawn und damit ebenfalls die Möglichkeit der Gefahrvermeidung bleibt. 149 Der Arbeitgeber kann unstreitig lediglich insoweit keine Ansprüche geltend machen, als die Schlechtleistung auf seinenWeisungenoder seinem Organisationsverschulden beruht. 1so Ausschlaggebend kann danach allein das Unterworfensein unter eine fremde Organisationsgewalt sein. 1s1Das Zurechnungskriteriwn der Gefahrbeherrschung in der Ausprägung der Verhinderungsmacht besteht darin, daß der Gläubiger auf die Leistung des Schuldners ständig Einfluß nimmt oder nehmen kann. 1s2 Von t4s Vgl. BAG GS AP Nr. 103 zu§ 611 BGB Haftung des Arbeitnehmers, C II 2 der Gründe und bereits J. Hübner, Schadenszurechnung, S. I 30 m.w.N. t46 Koch, Der Eigenschaden, S. 43 f. 147 Kohte, Jura 1985, 304, 31 0; ders., Arbeitnehmerhaftung, S. 91 ff.; vgl. auch Reinhardt, Arbeitnehmerhaftung, S. 131 ff. und Otto, Gutachten E zum 56. DJT, S. 36. Koller, Risikozurechnung, S. 383 ff., 386 spielt demgegenüber die organisatorischen Möglichkeiten herunter. t4s Dütz, NJW I 986, 1779, 1783; Brox/Walker, DB I 985, 1469, 1471. 149 Koch, Der Eigenschaden, S. 43 f. tso Brox, Anm. zu BAG AP Nr. 82, § 611 BGB Haftung des Arbeitnehmers; MayerMaly, Referat N zum 56. Deutschen Juristentag, S. 22. tst So auch J. Hübner, Schadenszurechnung, S. 140 ff. Da der Umfang der Organisationsgewalt von der jeweiligen Gestaltung des Dienstverhältnisses abhänge, ergebe sich keine zwingende Begrenzung auf Arbeitsverträge. 1s2 Vgl. Reinhardt, Die dogmatische Begründung, S. 186; auch Zeuner, RdA 1975, 84, 87.

B. Beschränkungen auf der Rechtsfolgenseite

157

diesem Grundgedanken der Verantwortlichkeit für einen eigenen Herrschaftsbereich ist auch § 831 I BGB getragen. 153 Daß es für die Risikozurechnung nicht auf eine konkrete Gefahrbeherrschung im Sinne umfassender Verhinderungsmacht ankommt, sondern bereits die Organisationsherrschaft ausreicht, verdeutlicht auch ein Vergleich mit dem Rechtsprinzip der Gefahrdungshaftung. (b) Gefahrbeherrschung als Zurechnungskriterium bei der Gefährdungshaftung Wenn man die betrieblichen Haftungsgefahrenangesichts menschlicher Unvollkommenheit als nicht vollständig beherrschbar begreifen kann, liegt die gedankliche Anknüpfung an die Gefährdungshaftung nahe, denn unter dem Stichwort Betriebsgefahr werden dem Unternehmer Risiken ohne Rücksicht auf sein Verschulden zugerechnet. 154 Bei der Gefährdungshaftung ist die Existenz einer inneren Einheit von Zurechnungsgriinden und Gerechtigkeitskriterien zwar nicht unbestritten, wo sie aber angenommen wird, ist das Prinzip der Gefahrbeherrschung neben demjenigen der Zusammengehörigkeit von Vorteil und Risiko in den Mittelpunkt gestellt. 155 Für diese verschuldeosunabhängige Haftung ist aber die Gefahrbeherrschbarkeit als Zurechnungskriterium dann widerspriichlich, wenn sie im Sinne tatsächlicher Verhinderungsmacht verstanden wird, da die Gefährdungshaftung unter anderem dazu dient, Risiken zu verteilen, die gerade nicht kontrolliert und damit beherrscht werden können 156 • Es würde sich als mißlungene Abgrenzung zur Verschuldeoshaftung darstellen, hier auf reale Verhinderungsmöglichkeiten abzustellen, da Beherrschbarkeit in diesem konkreten Sinn gerade als klassisches Fahrlässigkeitsargument fungiert, indem es den Vorwurf der Sorgfaltspflichtverletzung begriindet. 157 Folglich versteht man die Gefahrbeherrschbarkeit heute im Bereich der Gefährdungshaftung nicht im Sinne tatsächlicher, konkreter Verhinderungsmöglichkeit, sondern als "abstrakte Beherrschung". 158 Abstrakte Beherrschung wird gleichgesetzt mit der Zurechnung zu einer eigenen Einfluß- und Wirkungssphäre, 159 die sich in der Herrschaftsmacht zeigt, 153 Reinhardt, Die dogmatische Begründung, S. 187, Verrichtungsgehilfe ist nur, wer weisungsgebunden ist. 154 Otto, Gutachten E zum 56. DJT, S. 37. 155 Laren:zJCanaris, § 84 I 2a, S. 605 m.w.N. in Fn. II. Blaschczok, Gefährdungshaftung, insb. S. 90, 131 f., hingegegen leugnet einen einheitlichen Grundgedanken. 156 Heß, Die Bestimmung, S. 173; Köndgen, Haftpflichtfunktionen, S. 32; vgl. auch Blaschczok, Gefährdungshaftung, S. 66. 157 Köndgen, Haftpflichtfunktionen, S. 32. 158 Deutlich: Laren:zJCanaris, § 84 I 2a, S. 605 m.w.N. in Fn. II. Blaschczok, Gefährdungshaftung, S. 66, formuliert anschaulich: "Diese Bezeichnung ändert nichts daran, daß der Verletzer das fragliche Risiko gerade nicht beherrscht." 159 Vgl. Koller, Risikozurechnung, S. 78; Köndgen, Haftpflichtfunktionen, S. 33, der hierin jedoch lediglich einen formalen Anknüpfungspunkt für die Passivlegitimion aber keinen materialen Zurechnungsgrund erkennt.

158

5. Teil: Funktional-teleologische Betrachtung

grundsätzliche Entscheidungen über die Existenz der Gefahrenquelle zu treffen, wie etwa hinsichtlich Beginn und Ende sowie zum Gegenstand der betrieblichen Tätigkeit. 160 Es handele sich um eine Beeinflussung des Gefährdungspotentials auch dadurch, daß der von der Gefährdungshaftung Betroffene generell über Art und Ausmaß der Sicherungsvorkehrungen bestimmt und somit weit über den Maßstab der verkehrserforderlichen Sorgfalt des § 276 BGB hinaus Gefahren minimieren kann. 161 Hiermit beschrieben ist also eine wirtschaftliche Herrschaftssphäre, gekennzeichnet durch die Möglichkeit der Gestaltung, die zur Verantwortlichkeit fiihrt. 162 Dieses Zurechnungsprinzip ist bereits von Rudolf Merkel deutlich formuliert worden: "Soweit die Möglichkeit einer Einwirkung in abstracto gegeben ist, soweit der Schaden innerhalb meiner Machtsphäre eintritt, innerhalb desjenigen Bereichs, in welchem ich durch meine Maßnahmen eingreifen, dessen Gestaltung ich beeinflussen kann, soweit trifft mich die Verantwortlichkeit." 163 Ebenso hat auch MüllerErzbach schon fiüh klargestellt, daß der Gedanke "Gefahrtragung geht mit Gefahrbeherrschung Hand in Hand" nicht im Sinne einer Gleichstellung von Gefahrbeherrschung mit tatsächlicher, umfassenderVerhinderungsmacht zu verstehen ist. 164 Macht im beschriebenen Sinne stellt danach ein Zurechnungskriterium dar, das über dasjenige des Verschuldens hinausgeht. Dem Prinzip der Zusammengehörigkeit von Macht und Verantwortung wird von seinen V erfechtem Allgemeingültigkeit beigemessen, es habe bewußt oder unbewußt stets ein selbständiges Prinzip des Schadensersatzrechts dargestellt. 16s Gamillscheg/Hanau haben dementsprechend den Sphärengedanken als Grundnorm des Schadensersatzrechts in den Mittelpunkt ihrer Überlegungen zur Haftungserleichterung für Arbeitnehmer gestellt. Dessen Allgemeingültigkeit werde bereits bei der Ausprägung des objektiven Fahrlässigkeitsbegriffs im Zivilrecht deutlich, indem der Sorgfaltsmaßstab anband der Verkehrserwartungen und nicht der konkreten Fähigkeiten des Schädigers bestimmt wird. Der Sphärengedanke trete neben den Zurechnungsgrund des Verschuldens, könne jenen sogar verdrängen. 166 Die Problematik liegt jedoch darin, brauchbare Kriterien für die randscharfe Abgrenzung der beiderseitigen Risikosphären zu errnitteln. 167 In den Blickpunkt rückt daher der Versuch Kollers, den Sphärengedanken zu präzisieren. Heß, Die Bestimmung, S. 176. Laren:dCanaris, § 84 I 2a, S. 605. 162 Vgl. Hübner, Karlsruher Forum 1983, Beilage VersR II, 1983, S. 126, 128 und Heß, Die Bestimmung, S. 176. 163 Zitiert nach U. Hübner, Gardien, S. 179 ff. 164 Müller-Erzbach, AcP 106 (1910) 309, 414, 415 ; hierzu: U. Hübner, Gardien, S. 179, Fn. I 09. 16S U. Hübner, Gardien, S. 179 ff. 166 Gamillscheg/Hanau, Die Haftung, S. 46 ff., insb. S. 48 f.; vgl. zustimmend J. Hübner, Schadenszurechnung, S. 128. 167 Vgl. nur Münchener Kommentar/Emmerich, Vor§ 275, Rdnr. 25 m.w.N. Scharf ablehnend auch Weyers, Unfallschäden, S. 435 f., die Behauptung, eine bestimmte Klasse von Schäden gehöre zu einer bestimmten Risikosphäre, sei ein Scheinargument



160 161

B. Beschränkungen auf der Rechtsfolgenseite

159

(2) Das Prinzip der abstrakten Beherrschbarkeil nach Koller (a)

Grundlagen der Risikozurechnung nach Koller

Koller hat ein System zur Verteilung von materiellen Aufwandserhöhungsund Zweckstörungsrisiken entwickelt, das auf den Prinzipien der abstrakten Beherrschbarkeit, der Absorption und der Veranlassung basiert. 168 Diese Prinzipien seien dem ursprünglichen Risikoverteilungssystem des BGB und seiner Nebengesetze immanent. 169 Im Vordergrund steht der Gedanke verschuldensunabhängiger, abstrakter Beherrschbarkeit. Die Zurechnung eines Risikos konkretisiert Koller, indem er den institutionalisierten Wettbewerbsgedanken heranzieht, dessen Aufgabe auch darin bestehe, zu einem möglichst effizienten Einsatz der knappen Güter anzuhalten. Nach dem Prinzip der abstrakten Beherrschbarkeil sollen letztlich bestimmte Risikofolgen von dem Vertragspartner getragen werden, der diese nach abstrakt-typischen Grundsätzen am zuverlässigsten planen und damit verbundene Störungen am besten abwehren kann. 170 Es handle sich hierbei um ein marktwirtschaftlich-selbststeuerndes System. Der Markt regele Art und Ausmaß der Präventionsmaßnahmen, da der Vertragspartner, dem unabhängig davon, ob er das Risiko konkret beherrscht, die Schadensfolgen zugerechnet werden, dann aufgrund einer Rentabilitätsanalyse darüber entscheide, welche Maßnahmen der Gefahrenabwehr wirtschaftlich sinnvoll sind. Koller unterstellt die Präventionswirkung einer Risikobelastung. 171 Die Bestimmung des Adressaten, dem das Risiko zugerechnet wird, soll vorrangig anband des räumlichorganisatorisch verstandenen Begriffs der Sphäre erfolgen.172

168

Koller, Die Risikozurechnung, insb. S. 77; vgl. Blaschczok, Gefährdungshaftung,

s. 136 ff.

Koller, Die Risikozurechnung, S. 78. Koller, Die Risikozurechnung, S. 78 f. 171 Koller, Die Risikozurechnung, S. 80, 82. 172 Koller, Die Risikozurechnung, S. 87; Koller stellt hier auch die Nähe dieses Lösungsansatzes zur überkommenen Sphärentheorie klar. Danach wurde über die Belastung mit dem Betriebsrisiko danach entschieden, wer die Folgen von Ereignissen, die eine Betriebsstörung verursacht, zu vertreten hat. Zu vertreten habe aber jeder Teil nicht nur sein Verschulden, sondern alles, was in den Kreis der von ihm zu vertretenen Gefahr fällt. Der Arbeitgeber wurde danach mit Risiken belastet, die er zwar nicht vermeiden aber von vomherein in Rechnung stellen könne, da mit ihnen zu rechnen sei. Vgl. die Entscheidungen des Reichsgerichts (RGZ I 06, 272) und des Reichsarbeitgerichts (ARS 3, 116, 121 f.) und zur Entwicklung der Sphärentheorie Boewer, in: Münchener Handbuch zum Arbeitsrecht, § 77, Rdnr. II. Die Sphärentheorie bezeichnet somit einen Aspekt der Gefahrbeherrschung; Lieb, Arbeitsrecht, S. 70 zufolge kann dieser Gedanke die gewünschten Ergebnisse aber allenfals teilweise rechtfertigen. 169

11o

160

5. Teil: Funktional-teleologische Betrachtung

(b) Übertragung des Prinzips auf die Arbeitnehmerhaftung Bei Übertragung dieses Systems auf die Arbeitnehmerhaftung sieht Koller zunächst einen Beherrschbarkeitsvorsprung des Arbeitnehmers. Zwar könne der Arbeitgeber in der Regel die Quote fahrlässig herbeigeführter Schäden durch entsprechende technische und organisatorische Maßnahmen beträchtlich senken. Verglichen mit der Möglichkeit des Arbeitnehmers, die Gefahr durch sorgfaltiges Verhalten, das sich lediglich am Standard des Verkehrserforderlichen orientiere, auszuschließen, trete die abstrakte Beherrschbarkeil durch den Arbeitgeber aber zurück. 173 Gleichwohl bedinge eine arbeitsrechtsspezifische Betrachtung des Prinzips der Beherrschbarkeit eine von anderen Austauschverträgen abweichende Sicht und rechtfertige die Belastung des Arbeitgebers. Die mit dem Prinzip der abstrakten Beherrschbarkeit beabsichtigte Optimierung der Schadensabwehr könne nur auf funktionierenden Wettbewerbsmärkten erreicht werden, wenn der aufgrund besserer konkreter Beherrschung zunächst Belastete die ihn treffende Einbuße über das geforderte Entgelt auf denjenigen abwälzen kann, der das Risiko abstrakt besser beherrscht und so auch letzteren zu Risikovermeidungsstrategien anhält. Aufgrund seiner Marktschwäche könne der Arbeitnehmer aber das Risiko fahrlässiger Schädigungen nicht auf den Arbeitgeber abwälzen und der Arbeitgeber hätte somit keinen Anreiz, schadensverhindernd aktiv zu werden. 174 Dem Arbeitnehmer fehle die Möglichkeit, einen adäquaten Risikozuschlag gegenüber dem Arbeitgeber durchzusetzen. 175 Das Prinzip der abstrakten Gefahrbeherrschung müsse also hier gegenüber der für andere Austauschverträge geltenden Konzeption modifiziert werden, da die mit seiner Hilfe intendierte Optimierung der Schadensabwehr voraussetze, daß der Belastete im selbststeuernden System die Wahl hat, ob er die Gefahren kontrolliert oder die potentiellen Schäden über die Gegenleistung absorbiert. 176 (c)

Vergleich mit der ökonomischen Analyse des Zivilrechts

Kollers Interpretation der abstrakten Gefahrbeherrschung folgt dem Ansatz der ökonomischen Analyse des Haftungsrechts. Seine Zitate zeigen, daß es sich bei dem Prinzip der abstrakten Beherrschbarkeit um das Analysekriterium des "cheapest cost avoider", angewandt auf das Vertragsrecht, handelt. 177 Dies wird auch bei einem Vergleich mit den Ausführungen Behrens' zur Haftungserleichterung für Arbeitnehmer aus der Perspektive der ökonomischen

Koller, Die Risikozurechnung, S. 386 f.; ihm folgend: Eich, NZA 1984,65,67. Koller, Die Risikozurechnung, S. 405 f. 11s Koller, Die Risikozurechnung, S. 387 f. und 405 f. 176 Koller, Die Risikozurechnung, S. 405. 177 Vgl. Adams, Ökonomische Analyse, S. 22 f.; Blaschczok, Gefahrdungshaftung, S. 183, an der Vorgehensweise Kollers ist zu kritisieren, daß er die Herkunft seiner Prinzipien aus der ökonomischen Analyse nicht hinreichend klargestellt und die dort entwickwelten Figuren nicht kritisch gewürdigt hat. 173

174

B. Beschränkungen auf der Rechtsfolgenseite

161

Analyse 178 deutlich. Danach beruht die Haftungsbefreiung des Arbeitnehmers für Schäden, denen nur eine geringe Schuld zugrundeliegt, darauf, daß diese Schäden typischerweise unvermeidbar seien. Es entspreche ökonomischer Vernunft, vom Arbeitnehmer eine sie abwendende Sorgfalt nicht zu verlangen; ein derartiger Verhaltensstandard müsse zu Produktivitätseinbußen führen, da die Kosten der Schadenvermeidung dann größer seien als diejenigen, die durch die Verwirklichung des Risikos entstehen. Derartige unvermeidbare Schäden seien der Vertragsparteimit den besseren Versicherungsmöglichkeiten zuzurechnen, also dem Arbeitgeber, der über Informationen hinsichtlich der Risikoneigung bestimmter Tätigkeiten verfüge und außerdem Transaktionskostenminimierung durch "Skalenerträge" erzielen könne. 179 Als vermeidbar stuft Behrens demgegenüber grob fahrlässig verursachte Schäden ein; hier könne mit relativ geringem Aufwand dem Schadenseintritt entgegengewirkt werden. Die Belastung des Arbeitnehmers mit solchen Schäden180 fungiere als Anreiz, diesen Aufwand auch tatsächlich zu betreiben. Im Bereich der mittleren Fahrlässigkeit mit der Folge der Schadensquotierung hielten sich Vermeidungsaufwand und Schadensrisiko in etwa die Waage. 181 Koller und Behrens 182 unterstellen die Möglichkeit, insbesondere das Zurechnungselement der Beherrschbarkeit aus der Theorie der Risikohaftung bei Tätigkeit im Fremdinteresse durch einen Rückgriff auf die Denkfiguren der ökonomischen Analyse des Haftungsrechts zu präzisieren. Es ist daher erforderlich, sich mit den Grundlagen dieses Gedankengebäudes zu befassen und die dort benutzten Analysekriterien kritisch zu würdigen. (aa) Die Grundlagen der ökonomischen Analyse Die ökonomische Analyse des Haftungsrechts 183 betont, abweichend von der herkömmlichen Beschreibung der Funktionen des Haftungsrechts 184, nicht den Behrens, ZfA 1989, 231 f. und 236. Behrens, ZfA 1989, 209, 232; als "Skalenerträge" sind Einsparungen bezeichnet, die dadurch eintreten, daß eine bestimmte Aktivität häufiger wiederholt bzw. ein Produkt in größerer Menge hergestellt wird, vgl. ders., Fn. 39. 180 Hier ist offensichtlich die Rechtsprechung des 8. Senats des BAG, nach der auch bei grober Fahrlässigkeit eine Haftungsreduktion in Betracht kommt, vgl. oben 2. Teil, C II, noch nicht berücksichtigt. 18 1 Behrens, ZfA 1989, 233 ; vgl. auch den Ansatz von Kötz, Deliktsrecht, Rdnr. 309 ff., 311; und von Brüggemeier, Deliktsrech I, S. I 06. Beide betrachten wird die Belastung des Geschäftsherrn mit Schäden Dritter, die Hilfspersonen fahrlässig verursachen. Es ist unterstellt, daß der Geschäftsherr dieses Risiko kostengünstiger versichern könne als die Hilfspersonen. Abgestellt wird auch auf die Weisungsbefugnis des Geschäftsherrn, die ihm die Möglichkeit der Risikobeeinflussung gebe. 182 Deutlich: Behrens, ZfA 1989, 209, 232. 183 Vgl. die Einflihrung von Behrens, ZfA 1989,209 f. 184 Zur herkömmlichen Sichtweise vgl. nur: Münchener Kommentar/Mertens, vor § 823, Rdnr. 41 ff. 178

179

II Frisch

162

5. Teil: Funktional-teleologische Betrachtung

Schadensausgleich, die Kompensation, sondern vorrangig die Steuerungsfunktion, also die Prävention. 185 Ziel des Haftungsrechts soll es sein, über eine Regelung der Voraussetzungen und des Umfangs von Schadensersatzansprüchen das Verhalten der Bürger so zu steuem, 186 daß Schäden vermieden werden bzw. dadurch ein Gewinn an gesamtwirtschaftlicher Wohlfahrt erreicht wird, daß die zur Schadenvermeidung notwendigen Kosten geringer sind als diejenigen, die durch Schäden entstehen. 187 Die Steuerungsfunktion des Haftungsrechts wird deutlich, wenn man sich vergegenwärtigt, daß der Ausgleichsgedanke zwar denjenigen Regeln zugrundeliegen kann, die Art und Umfang einer bereits feststehenden Schadensersatzverpflichtung regeln, das "Ob" der Haftung zu begründen, aber kaum geeignet erscheint. Wäre vorrangiges Ziel tatsächlich der Ausgleich, ließe dies eine Norm erwarten, nach der jeder Fremdschaden unabhängig davon, wie er entstanden ist, ersetzt werden muß. Eine derartige Norm existiert aber nicht; statt dessen wird nur beim Vorliegen besonderer Gründe- vorrangig unter der Voraussetzung des Verschuldens, in Betracht kommt aber beispielsweise auch eine sich verwirklichende Betriebsgefahr - ein Schadensausgleich gewährt. Zu bezweifeln ist, daß diese haftungsbegründenden Voraussetzungen mit dem Ausgleichsprinzip erklärbar sind. Es liegt näher, hinter ihnen das Ziel zu vermuten, das Verhalten der Bürger im Sinne gesamtwirtschaftlicher Wohlfahrt zu steuem.188 Da ein einmal eingetretener Schaden, volkswirtschaftlich betrachtet, nicht wiedergutgemacht werden kann, da letztlich irgend jemand mit den Kosten belastet werden muß, ist vom Schadensersatzrecht mehr als lediglich eine Schadensverlagerung zu erwarten. 189 Primärer Maßstab für die Qualität von Haftungsregeln ist innerhalb der ökonomischen Analyse des Haftungsrechts die Allokationsefftzienz. Sie ist, vereinfacht ausgedrückt, dann erreicht, wenn die volkswirtschaftlich knappen Ressourcen so eingesetzt werden, daß sie den größten erzielbaren gesellschaftlichen Nutzen stiften. Der Begriff "Effizienz" beschreibt hierbei das gesellschaftliche Ziel der Nutzenmaximierung, wobei die Nützlichkeit allein auf der Grundlage der Einzelnutzen der Mitglieder der Gesellschaft ermittelt wird. 190 Nach dem Kaldor185 Daß das Haftungsrecht jedenfalls auch Präventions- und Steuerungsaufgaben hat, ist heute weitgehend anerkannt, Hirte, ZIP Sonderdruck I/1994, S. 6, Fn. 58 m.w.N. 186 Umfassend zur Frage, inwieweit menschliches Verhalten überhaupt durch die Zuweisungwirtschaftlicher Vor- und Nachteile steuerbar ist, Weyers, Unfallschäden, S. 456 ff. 187 Kötz, FS Steindorff, S. 643 m.w.N.; ders., Deliktsrecht, Rdnr. 36 tT.; Schäfer/Ott, Die ökonomische Analyse, S. 85 ff. 188 Kötz, FS Steindorff, S. 643, 644 f.; siehe auch Blaschczok, Gefährdungshaftung, S. 342 f., der in der Überbetonung des Ausgleichs einen Verzicht auf jegliche Funktion der Haftung erblickt; krit. hierzu: Larenz/Canaris, S. 607, Fn. 26, Blaschczok verwechsle die Ausgleichsfunktion mit der Aufgabe einer jeden Schadensersatzhaftung, den Schaden möglichst rückgängig zu machen. 189 Deutlich: Schulz, VersR 1984, 608, 609. 190 Schäfer/Ott, JZ 1988, 213, 218; Blaschczok, Gefährdungshaftung, S. 141; Behrens, ZfA 1989,209,213.

B. Beschränkungen auf der Rechtsfolgenseite

163

Hicks-Kriterium ist eine Maßnahme dann effizient, wenn sie demjenigen, zu dessen Gunsten sie ergriffen wird, mehr Vorteile bringt, als sie denjenigen, der die Lasten der Maßnahme trägt, an Einbußen kostet. Ob der Benachteiligte hierfür einen Ausgleich erhält oder nicht, ist danach belanglos, entscheidend ist das gesamtwirtschaftlich Optimum. Auf das Haftungsrecht übertragen, verdient also von mehreren Haftungsregeln diejenige den Vorzug, nach der der durch sie Begünstigte mehr gewinnt, als der Benachteiligte verliert. 191 Ausgangspunkt der ökonomischen Analyse ist das Coase-Theorem. Es ist die Grundlage, anband derer die Auswirkungen alternativer rechtlicher Regelungen analysiert und Änderungsvorschläge begründet werden. 192 Seine zentrale Aussage lautet, daß die Haftungsregel fiir das Erreichen eines Kostenminimums (Allokationsefflzienz) bedeutungslos ist, da die Marktkräfte dieses Minimum in jedem Fall herbeifiihren. Der Markt sorge fiir ein optimales Verhältnis von Schadenskosten einerseits und Kosten fiir Schadensverhütungsmaßnahmen andererseits und dafür, daß alle Beteiligten ihre Aktivitäten im genau richtigen Umfang ausübten. Der durch die jeweilige Regel Benachteiligte habe Anlaß, sich mit dem Begünstigten auf ein fiir beide Seiten sinnvolles beiderseitiges Verhalten zu einigen. Diese gemeinsame Festlegung bringe dem vom Haftungsrecht Benachteiligten mehr Vorteile, als der zuvor vom Haftungsrecht Begünstigte durch seinen Verzieht einbüße, weil der zunächst Benachteiligte hierfiir mehr zahlen könne, als der ursprünglich Begünstigte zur Kompensation der ihm aus dem Verzicht entstehenden Nachteile brauche. 193 Die Verpflichtung zur Schadensersatzleistung durch das Gesetz, die Kompensation des Geschädigten, läßt sich damit als Preis verstehen, zu dessen Entrichtung das Recht den Schädiger zwingt, wenn eine freiwillige Einigung nicht zustande gekommen ist. 194 Dem Coase-Theorem ist idealisierend zugrundegelegt, daß alle Beteiligten schon vor dem Schadensereignis miteinander in Verhandlungen treten können, über perfekte Informationen verfugen und notwendige Transaktionen kostenfrei sind. Transaktionskosten entstehen aber in der Realität durch Informationsbeschaffung, bei der Koordination und bei der Übertragung sowie der Durchsetzung von Rechten. 195 Wenn das Haftungsrecht instrumentell zur Verwirklichung der Allokationseffizienz eingesetzt wird, ergeben sich aus den Prämissen der heuristischen Kunstwelt des Coase-Theorems Ableitungen wie die Forderung nach der Minimierung der Transaktionskosten. Den Akteuren sind danach ihre rechtlichen

191 Schäfer/Ott, Die ökonomische Analyse, S. 30 ff., dies., JZ 1988, 213, 217; Blaschczok, Gefahrdungshaftung, S. 141; Behrens, ZfA 1989, 209, 214: anhand von Effizienzkriterien bewertet die ökonomische Analyse auch Rechtsnormen. 192 Schäfer/Ott, Die ökonomische Analyse, S. 71. 193 Blaschczok, Gefährdungshaftung, S. 142 ff.; Schulz, VersR 1984, 608, 611. Vgl. auch: Behrens, ZfA 1989,209,215. 194 Behrens, ZfA 1989,209,217. 195 Schäfer/Ott, Die ökonomische Analyse, S. 71; ausflihrlich: Blaschczok, Gefährdungshaftung, S. 145 ff.; Behrens, ZfA 1989,209,215. 11•

164

5. Teil: Funktional-teleologische Betrachtung

Positionen, von denen aus sie sich mit der Gegenseite arrangieren sollen, nicht beliebig zuzuweisen, sondern so, daß die erforderlichen Transaktionen überhaupt, und zwar möglichst kostengünstig, stattfinden können. 196 Aus dem CoaseTheorem darf aber nicht gefolgert werden, daß man lediglich die Transaktionskosten zu optimieren brauchte und damit bereits Effizienz gesichert wäre. Sein Verdienst besteht darin, die Transaktionskostenfrage als Kardinalproblem herausgestellt zu haben. 197 Ein reiner Transaktionskostenminirnierungsansatz dergestalt, daß haftungsrechtlich derjenige den Schaden tragen sollte, dessen Schadensträgerschaft die niedrigeren Kosten für die Planung der von beiden Seiten zu ergreifenden erforderlichen Schadensverhütungsmaßnahmen und für die Durchführung der erforderlichen Transaktionen auslöst, würde die Beteiligten in der Praxis vor unüberwindbare Probleme stellen. Es müßte erst festgestellt werden, wer von den Beteiligten nach dieser Regel als primärer Schadensträger in Betracht kommt, was voraussetzt, daß die eigenen notwendigen Planungs- und Transaktionskosten mit denen der anderen Parteien verglichen werden. 198 (bb) Die Figur des "cheapest cost avoider" Zur Vereinfachung der komplexen Probleme der ökonomischen Analyse sind drei Denkfiguren199 entwickelt worden, die dazu dienen sollen, die Einzelprobleme einer wirtschaftlich richtigen Zuordnung der Schadenslast zu durchdringen. Behauptet wird, mit Hilfe dieser Figuren könne die ökonomische Analyse direkt in den Prozeß der Rechtsfindung einbezogen werden.200

196 Blaschczok, Gefährdungshaftung, S. 147; Behrens, ZfA 1989, 209, 215. Ableitungen allgemeiner Natur bei Schulz, VersR 1984, 608, 612. 197 Vgl. nur Blaschczok, Gefährdungshaftung, S. 156 m.w.N. in Fn. 51. Das CoaseTheorem ist zudem aus wirtschaftswissenschaftlicher Sicht Kritik ausgesetzt, ausfUhrlieh hierzu: Schäfer/Ott, Die ökonomische Analyse, S. 73 ff.; abw. offenbar Adams, Jura, 1984, 337, 340, der das Coase-Theorem auch als empirisch abgesichert darstellt. Vgl. auch Blaschczok, Gefährdungshaftung, S. 156 ff. : Es ist nicht allgemeingültig, da auch in der Vorausgesetzen Modellwelt die behaupteten Wirkungen nicht ohne weiteres eintreten. In einem bilateralen Monopol, das vorliegt, wenn beide Beteiligten denselben Faktor umwerben, besteht keine Richtigkeitsgewähr für die getroffene Vereinbarung, da ein Monopol zur Drohgebärde einlädt. Hinzu kommt die Vernachlässigung von Einkommenseffekten, die unterschiedliche Haftungsregeln zeitigen, Schäfer/Ott, Die ökonomische Analyse, S. 75; Blaschczok, Gefährdungshaftung, S. 158 ff. 198 Blaschczok, Gefährdungshaftung, S. 180 f. 199 Es handelt sich um die Figuren "cheapest-cost-avoider", "cheapest-insurer" und "superior-risk-bearer". 2oo Schäfer/Ott, Die ökonomische Analyse, S. 127, es handele sich um "quasidogmatische Argumentationsfiguren". Daß sich mit Hilfe dieser Denkfiguren Regeln entwikkeln lassen, die die richtigen Anreizwirkungen vermitteln, dabei die Transaktionskosten minimieren und unerwünschte Verteilungseffekte vermeiden, also optimale Allokationswirkung haben, wird jedoch bestritten, Blaschczok, Gefährdungshaftung, S. 183 ff.; vgl. auch Adams, Gefährdungshaftung, S. 20 ff.

B. Beschränkungen auf der Rechtsfolgenseite

165

Das von Koller propagierte Prinzip der abstrakten Beherrschbarkeit entspricht der auf Calabresi zurückgehenden Figur des "cheapest cost avoider"/01 die sich auf den Gedanken stützt, daß von den Beteiligten derjenige den Schaden tragen sollte, dem es am leichtesten fällt, unnötige Kosten zu vermeiden. 202 Hiermit argumentiert auch Behrens. 203 Wird dieser Ansatz als Suche nach dem "billigsten Schadenvermeider" gedeutet, kann sie mehreren Zwecken dienen: Sie ist Hilfsinstrument zur Bestimmung der sinnvollerweise zu ergreifenden Schadensabwehrmaßnahmen, Auslegungsregel für bereits vorliegende Haftungsnormen und maßgebliche Zurechnungsfigur für die Verteilung bisher noch nicht verteilter Risiken. Nicht berücksichtigt bleibt hierbei die gesamte Transaktionsproblematik. 204 Adams205 hat aber verdeutlicht, daß diese Figur bei der Feststellung der ökonomisch sinnvollen Schadensabwehrmaßnahmen nicht weiterführt, da letztere nur ermittelt werden können, indem man jede in Betracht kommende Maßnahme vor dem Hintergrund aller anderen in Betracht kommenden Maßnahmen würdigt, und zwar auch derjenigen, die nur der Gegenseite zur Verfugung stehen. Regelmäßig können beide Beteiligten durch kostenträchtige Maßnahmen die Schadenswahrscheinlichkeit beeinflussen. Die Unbestimmtheit der "cheapest cost avoider"-Formel beruht dann darauf, daß die geringstrnögliche Höhe der für die Schadenvermeidung notwendigen Kosten auch abhängig ist von den von der anderen Partei aufzuwendenden Kosten. 206 Blaschczok zufolge entfaltet jede Haftungsnorm bei sinnvoller Auslegung die erforderlichen Anreizwirkungen, das Konzept des "cheapest cost avoider" könne sich hierbei sogar störend auswirken, wenn er als "billigster Schadenvermeider" verstanden wird, da es die Ermittlung der sinnvollen und ihre Abgrenzung gegen die unsinnigen Schadensabwendungsmaßnahmen unter Umständen verhindere. Diese Abgrenzung aber sei Kardinalvoraussetzung für die sinnvolle Anwendung jeder Haftungsnonn.207

2o1 Adams, Gefährdungshaftung, S. 22, Fn. 69 mit Hinweis auf Koller, Die Risikozurechnung, S. 82. 2o2 Blaschczok, Gefährdungshaftung, S. 183 f.; vgl. auch Schäfer/Ort, Ökonomische Analyse des Zivilrechts, S. 130 f., 253 ff. 203 Behrens, ZfA 1989,209,232 f. 204 Blaschczok, Gefährdungshaftung, S. 184 m.w.N.; vgl. ders., ZHR 152 (1988), 626, 631 . Das gleiche gilt für die Verteilungsproblematik. 2os Adams, Gefährdungshaftung, S. 21 f., 30 f. m.w.N.; vgl. auch Blaschczok, Gefährdungshaftung, S. 185 ff. 206 Außerdem kritisiert Adams, Gefährdungshaftung, S. 20 ff., bereits den Ansatz Calabresis als asymmetrisch. Die entscheidende Verkürzung bestehe darin, daß ein von mehreren Größen abhängiges System mit der Minimierung lediglich einer Grröße gesteuert werden solle, denn die Kostenminimierung erfolge ohne gleichzeitige Betrachtung der sozialen Nutzen der Tätigkeit. Zur Vernachlässigung des sozialen Nutzens auch Weyers, Unfallschäden, S. 505 f. 2o1 Blaschczok, Gefährdungshaftung, S. 187 ff.

166

5. Teil: Funktional-teleologische Betrachtung

Beide Kritikpunkte zeigen, daß der "cheapest cost avoider" in der Auslegung als "billigster Schadenvermeider" nicht als Instrument zur Risikoverteilung herangezogen werden kann. Dies gilt insbesondere fiir die nicht oder nicht vollständig beherrschbaren Risiken. Bei nicht beherrschbaren Risiken kommen keine (wirtschaftlich sinnvollen) Abwehrmaßnahmen in Betracht. Entscheidend ist hierbei nicht, ob der Belastete "noch am ehesten" oder "wahrscheinlich" in der Lage ist, den Schaden abzuwenden. Ausschlaggebend kann lediglich die tatsächlich bestehende Möglichkeit hierzu sein. 208 Hinsichtlich der als nicht vollständig beherrschbar eingestuften Schäden, die durch Fehlleistungen im Arbeitsverhältnis entstehen, fuhrt dies zur Unsicherheit, ob die Figur des "cheapest cost avoider" oder die des "cheapest insurer" (hierzu sogleich unter (3) (c) (aa)) anzuwenden ist. 209 In Kollers Prinzip der abstrakten Beherrschbarkeil sind neben Gesichtspunkten der billigsten Schadenvermeidung auch Transaktionsaspekte enthalten. 210 Hieran ist aber eine unzulässige Vereinfachung zu kritisieren: Betrachtet man den "cheapest cost avoider" als "billigsten Transaktionskostenvermeider", muß der Beteiligte ermittelt werden, der die Transaktionsprobleme am besten bewältigen kann. Das muß nicht unbedingt derjenige sein, dem auch die einzige oder überlegene Möglichkeit der Schadensabwehr zur V erfiigung steht. Darüber hinaus ist es notwendig, daß sämtliche, im tatsächlichen gehäuft auftretenden Transaktionsprobleme erfaßt und ihre Kosten fiir die Beteiligten verglichen werden, was aber praktisch kaum möglich ist. 211 Vor einer abschließenden Bewertung soll der eingangs unter b) genannte zweite Aspekt der Beherrschbarkeit, die Fähigkeit zur Absorption, untersucht werden.

(3)

Beherrschbarkeif als Möglichkeit der "Absorption", Belastung des "besseren Risikoträgers"

(a)

Absorptionsvorsprung des Arbeitgebers

Das Zurechnungskriterium der Beherrschbarkeil beschreibt im Rahmen der Theorie der Risikohaftung bei Tätigkeit im Fremdinteresse auch die überlegene Möglichkeit, einen eingetretenen Schaden besser auffangen oder streuen zu können. 212 Der Begriff der Absorption beinhaltet die Fähigkeit, eine Einbuße Blaschczok, Gefahrdungshaftung, S. 192. Vgl. Blaschczok, Gefahrdungshaftung, S. 192. Die Unsicherheit manifestiert sich wohl auch in der unscharfen Definition der Unvermeidbarkeit bei Behrens, ZfA 1989, 209, 232, vgl. die Darstellung oben. 21o Vgl. Blaschczok, Gefahrdungshaftung, S. 192 f., insb. Fn. 156. 211 Blaschczok, Gefahrdungshaftung, S. 197 f., der an Kollers Konzept bemängelt, daß dieser nur die Innovations- und Überwachungsprobleme aufgreift. Zum Problem des Ansatzes der Transaktionskostenminimierung siehe bereits oben und Blaschczok, Gefahrdungshaftung, S. 180. 212 Vgl. Koller, Die Risikozurechnung, S. 89. Skeptisch hinsichtlich des diesem Prinzip innewohnenden Gerechtigkeitsgehalts: Mayer-Maly, Referat N zum 56. Deutschen Juristentag, S. 23; sehr krit. : Blaschczok, Gefahrdungshaftung, S. 199 ff., 210 ff. 208

209

B. Beschränkungen auf der Rechtsfolgenseite

167

über den Produktpreis zu pulverisieren oder schlechtestenfalls gewinnmindernd über die Steuer abzuwälzen. 213 Da sie beim Arbeitgeber besser ausgeprägt sei als beim Arbeitnehmer, ergäbe sich hieraus die Interessengerechtigkeit einer Belastung des ersteren. 214 Die Fähigkeit, Risiken abzuwälzen, folge aus einer Preiskalkulation mit Rücklagenbildung. Sie führe auf der Grundlage bewußter unternehmenscher Risikopolitik zu unterschiedlichen Strategien bezüglich des Versicherungsschutzes, wobei kostendeckende Versicherungsprämien bei einer Betriebshaftpflichtversicherung und bei entsprechenden betrieblichen Sachversicherungen viel besser zu kalkulieren und durchzusetzen seien als bei einer Vielzahl von Individualversicherungen der Arbeitnehmer. 215 (b)

Kollers Deutung des Absorptionsprinzips bezüglich der Arbeitnehmerhaftung

Koller begründet den Absorptionsvorsprung des Arbeitgebers im Vergleich mit anderen Austauschverträgen wie folgt: Ausgehend davon, daß es Sache der jeweiligen Partei sei, für voraussehbare Risiken Prämien auszuhandeln und die entsprechenden Rücklagen zu bilden, sieht er einen Absorptionsvorsprung grundsätzlich bei demjenigen Vertragspartner, der die Risiken exakter voraussehen kann. Das sei in der Regel bei Arbeitsverhältnissen der Arbeitnehmer, der seine persönlichen Fähigkeiten und Schwächen am besten kenne. Er sei aber normalerweise aufgrundder Höhe seines Entgelts nicht in der Lage, diesen Vorsprung durch ausreichende Rücklagenbildung zu nutzen. Außerdem könne der Arbeitnehmer- anders als ein selbständiger Unternehmer - die Risiken nicht durch einen vertraglichen Haftungsausschluß auf den Veranlasser abwälzen, da ihm hierzu die Marktmacht fehle. Auch übertariflich Bezahlten sei eine hinreichende Rücklagenbildung nicht möglich, da es vielfach an Versicherungsmöglichkeiten fehle. Arbeitnehmer vereinigten in ihrer Person lediglich eine geringe Zahl unter Umständen aber sehr hoher Risiken und könnten sich daher nicht mit der Deckung langfristig wahrscheinlicher Durchschnittsschäden begnügen. Die überproportionalen Risikozuschläge, die notwendig seien, um möglichst schnell ein für den Schadensfall ausreichendes Polster zu bilden, seien auch für Hochbezahlte als Entgeltbestandteil nicht durchsetzbar. Bei Beachtung der Marktschwäche sowie der individuellen Fähigkeiten und der Einkommenshöhe der Arbeitnehmer ergebe sich danach ein Absorptionsvorsprung des Arbeitgebers.216

Denck, NZA 86, 80, 82; Gamillscheg/Hanau, Arbeitnehmerhaftung, S. 58. Vgl. Otto, Gutachten E zum 56. Deutschen Juristentag, S. 37 f. 215 Otto, Gutachten E zum 56. Deutschen Juristentag, S. 38 f. m.w.N.; ausführlich zur fehlenden Möglichkeit der Versicherung durch den Arbeitnehmer: Denck, Schutz des Arbeitnehmers, S. 259, 292 ff. 21 6 Koller, Die Risikozurechnung, S. 402 ff.; krit.: Wank, Arbeitnehmer, S. 66 f. , vgl. aber auch S. 118 ff., der das Bild vom Arbeitnehmer, der unfähig zur eigenen Risikovorsorge sei, angesichts der sich in Tarifverträgen oder Arbeitnehmerschutzgesetzen eröffnenden Möglichkeiten für überholt hält. 213 21 4

168

(c)

5. Teil: Funktional-teleologische Betrachtung

Vergleich mit der ökonomischen Analyse

Kollers Absorptionsprinzip217 ähnelt der in der ökonomischen Analyse verwandten Figur des "cheapest insurer", der Frage nach dem "billigeren Versicherer".218 Gleichzeitig enthält es auch Elemente des "superior risk bearer". 219 Beide Ansätze sind getrennt kritisch zu betrachten. (aa) "Cheapest insurer" Gegen das Zurechnungskriterium der günstigeren Versicherbarkeit sprechen zunächst grundsätzliche Erwägungen220 • Es ist bereits im Ansatz zweifelhaft, ein Regelungssystem, das auf marktwirtschaftliehen Ameizen beruhen soll, an ein Versicherungssystem zu koppeln, gegen das marktwirtschaftlich schwere Bedenken erhoben werden. So hat man ein Versagen der Versicherungsaufsicht und der Wettbewerbspolitik im Versicherungswesen beklagt. 221 Auch herrsche auf dem Versicherungsmarkt keine ausreichende Prämientransparenz.222 Zudem bergen Versicherungen die Gefahr, den in der ökonomischen Analyse in den Vordergrund gestellten Zweck des Haftungsrechts, die Prävention, zu unterlaufen. Kann einer der Beteiligten den Schaden auf einen Versicherer abwälzen, besteht die Möglichkeit, daß er die mit Kosten verbundenen Vorbeugemaßnahmen einschränkt, da die durch sie verhinderten Schäden der Versicherung, die eingesparten Kosten aber ihm zugute kommen (Moral-Hazard-Problematik). Man muß befiirchten, daß dieser Tendenz durch entsprechende Prämiengestaltung, etwa durch Bonus-Malus-Systeme, nur unvollständig entgegengewirkt werden kann. 223 Der grundlegenden Kritik Blaschczoks zufolge kann ein Vergleich der Versicherungskosten innerhalb dieser Figur nicht stattfinden, da die Kosten vom Grad der Risikoaversion der Beteiligten abhängig seien. Der Grad der Risikoaversion gebe Auskunft darüber, wieviel die Beteiligten zu zahlen bereit sind, um der Eventualität zu begegnen, daß sich Schäden anders - also schneller und Siehe auch den oben dargestellten Ansatz von Behrens, ZfA 1989, 209, 232. Vgl. Adams, Gefahrdungshaftung, S. 23; ausführlich zu dieser Figur: Schäfer/Ott, Die ökonomische Analyse, S. 256 ff. 219 Blaschczok, Gefahrdungshaftung, S. 183; zu dieser Analysefigur: Schäfer/Ott, Die ökonomische Analyse, S. 262 ff. 220 Blaschczok, Gefahrdungshaftung, S. 199 f., insb. Fn. 177, spricht von der Gefahr eines gedanklichen Bruchs und vermutet auch bei Koller ein gewisses Unbehagen gegenüber dieser Figur, das sich in der Unsicherheit des Anwendungsbereichs, seiner unpräzisen Definition und der vagen Gewichtung gegenüber dem Prinzip der abstrakten Beherrschbarkeit ausdrücke. Vgl. auch: Adams, Gefährdungshaftung, S. 23 f. 221 Vgl. Adams, Gefährdungshaftung, S. 213 ff. und BB 1987, Beilage 20 zu Heft 31 , S. 19; Blaschczok, Gefahrdungshaftung, S. 199. 222 Blaschczok, Gefährdungshaftung, S. 199. 223 Adams, Gefährdungshaftung, S. 225 ff.; ders., BB 1987, Beilage 20 zu Heft 31 , S. 20; Blaschczok, Gefahrdungshaftung, S. 204 f. 217 218

B. Beschränkungen auf der Rechtsfolgenseite

169

schwerwiegender - einstellen, als dies statistisch zu erwarten ist. Diese zusätzlichen Beträge seien den Rücklagen ftir die statistisch zu erwartenden Schäden hinzuzurechnen, die ein risikoneutraler Akteur bildet, um auf längere Sicht genau die Durchschnittsschäden abdecken zu können. Der Grad der Risikoaversion sei aber nicht bestimmbar und auch nicht normativ vorgegeben. 224 Zur Bestimmung der von ihm geprägten Versicherungskosten komme auch der Vergleich der Versicherungsprämien- quasi als Notbehelf- nicht in Betracht. 225 Unsicher sei bereits, ob der Abschluß einer externen Versicherung überhaupt die beste Risikobewältigungsstrategie darstellt, letztere könne ebenso in der Selbstversicherung liegen, bei der der Versicherungszuschlag ftir Verwaltung und Gewinn des Versicherers eingespart wird. 226 Blaschczok zeigt weiter, daß ein reiner Prämienvergleich auch deshalb nicht sinnvoll ist, weil beispielsweise eine Haftpflichtversicherung des Täters mit der Sachversicherung des Opfers verglichen werden müßte. Wenn in der Haftpflichtversicherung höhere Prämien gefordert werden als in der Sachversicherung, könne dies gerade darauf beruhen, daß sich der Verletzer gegen die Folgen eigener Fahrlässigkeit versichert. Die teurere Haftpflichtversicherung zum Anlaß zu nehmen, das Opfer als den billigeren Versicherer mit dem Risiko zu belasten, liefe auf eine haftungsrechtliche Privilegierung des Verletzers hinaus, der sich nicht so verhalten möchte, wie es seinen haftpflichtrechtlichen Pflichten entspricht. Dieses Ergebnis sei insbesondere vor dem Hintergrund des Präventionsziels des Haftungsrechts nicht sinnvoll. 227 (bb) "Superior risk bearer" Neben der Figur des "cheapest insurer" enthält Kollers Absorptionsprinzip Elemente des "superior risk bearer". 228 Letzterem sollen die Schäden zugewiesen werden, die weder abwendbar noch versicherbar sind.229 Blaschczok230 zufolge kann es sich hierbei nur dann um eine selbständige Figur neben dem "cheapest insurer" handeln, wenn lediglich die Fälle erfaßt werden, in denen die Parteien das Risiko gar nicht erkannt haben. Sollte nämlich ausschlaggebend sein, welche Partei sich das Gesetz der großen Zahl zunutze machen kann,231 handelte es sich um eine Frage der günstigeren Eigenversicherung durch Rücklagenbildung, die bereits beim Kriterium des "billigeren Versicherers" maßgeblich ist. In den Fällen des nicht erkannten Risikos müsse der Aspekt der Planungsüberlegenheit entscheiden, nach dem die Folgen der unterlassenen Risikoerkennung dem Beteiligten zuzuweisen sind, der über die besseren Fähigkeiten verfiigt, Blaschczok, Gefährdungshaftung, S. 200 ff., insb. S. 204 f. So aber Koller, Die Risikozurechnung, S. 90. 226 Blaschczok, Gefährdungshaftung, S. 200. 227 Blaschczok, Gefährdungshaftung, S. 207. 228 Zu dieser Figur: Schäfer/Ott, Die ökonomische Analyse, S. 262 ff.; vgl. Koller, S. 93, vorletzter Absatz; Blaschczok, S. 183,210. 229 Schäfer/Ott, Die ökonomische Analyse, S. 262 f. 230 Blaschczok, Gefährdungshaftung, S. 210 ff., insb. S. 213 . 23 1 So Schäfer/Ott, Die ökonomische Analyse, S. 262. 224

225

170

5. Teil: Funktional-teleologische Betrachtung

die konkreten Einzelrisiken ausfmdig zu machen. Dies beschreibe aber wiederum einen Transaktionskostenaspekt, der bereits von der Figur des "cheapest cost avoider" angesprochen, aber nicht handhabbar gelöst sei. (cc) Zwischenergebnis Die Analysefiguren der ökonomischen Analyse des Haftungsrechts, mit denen Koller und Rehrens arbeiten, betreffen lediglich Teile der Gesamtwirkung von Haftungsregeln, sie können die Fülle der ökonomischen Einzelfragen nicht umfassend klären. Als Analysekriterien sind sie allein weder zur Bestimmung von sinnvollen Schadensabwendungsmaßnahmen geeignet noch wird durch sie die Transaktionskostenproblematik handhabbarer. 232 Das Zurechnungskriterium der Beherrschbarkeil kann hiermit weder hinsichtlich der Komponente der wirtschaftlichen Herrschaftssphäre noch in der Ausprägung als Belastung des besseren Risikoträgers mit hinreichender Sicherheit überzeugend präzisiert werden. Beide Ansätze zeigen aber sinnvolle Fragestellungen auf und stellen Aspekte dar, die in der übrigen Literatur insbesondere zur dogmatischen Begründung der Arbeitnehmerhaftung vernachlässigt werden. 233 Sie führen, worauf im folgenden eingegangen werden soll, zu einer größeren Transparenz der die Haftungserleichterung auch tragenden sozialpolitischen Wertungen. (d) Die bessere Möglichkeit der Risikostreuung als "deep-pocket approach" und das Ziel der Verteilungsgerechtigkeit Die im Zurechnungsgrund der Beherrschbarkeil enthaltene "Belastung des besseren Risikoträgers" kann auch verstanden werden als Argumentation mit der "deep-pocket-Maxime". Den Hintergrund der Risikoverteilung bilden hierbei nicht rein wirtschaftliche, sondern gesellschaftlich-soziale Zielvorstellungen.234 Das "deep-pocket-Argument" besagt im wesentlichen, ein Schaden sei dem aufzubürden, der ihn wegen der Größe seines Vermögens als am wenigsten belastend empfmden müßte. Je fmanzkräftiger derjenige ist, dem ein Schaden von bestimmter Höhe aufgebürdet wird, desto geringer werde die relative Bedeutung der Belastung und desto unwahrscheinlicher seien Sekundärschäden. Die Problematik dieser Argumentation besteht darin, ob die Voraussetzung des Vermögensgefälles in tatsächlicher Hinsicht ausreichend gegeben ist. Sie wird zudem zweifelhaft, wenn der Reiche regelmäßig mit typischen Schäden belastet wird und verliert angesichts der Abwicklung vieler Schäden über Kollektive an Überzeugungskraft, denn Versicherungen nivellieren Vermögensunterschiede zwischen den Beteiligten. 235 232 Adams, Gefährdungshaftung, S. 25 f.; Blaschczok, Gefährdungshaftung, S. 215, auch unerwünschte Einkommenseffekte seien nicht bewältigt. 233 Vgl. Adams, Gefährdungshaftung, S. 25 f. 234 Vgl. Weyers, Unfallschäden, S. 520. 235 Weyers, Unfallschäden, S. 526 ff.

B. Beschränkungen auf der Rechtsfolgenseite

171

Weyers Analyse der "deep-pocket-Maxime" zeigt, daß in ihr zwei wirtschaftliche Vorstellungen enthalten sein können: Größere Wirtschaftseinheiten können Schäden nach der Grenznutzentheorie leichter tragen als kleinere, und die Beeinträchtigung wiegt um so weniger schwer, je weitergehender sie auf verschiedene Wirtschaftseinheiten und auf längere Zeiträume verteilt werden kann. 236 Ob ein Unternehmen aber tatsächlich Einbußen an seine Abnehmer weitergeben kann, hänge nicht nur von der Wettbewerbsintensität innerhalb des speziellen Marktes ab, sondern auch von der Möglichkeit der Konsumenten, auf ähnliche Güter auszuweichen. Zu erwarten sei, daß sich durch die Belastung des Unternehmens vor allem dessen Gewinnmarge ändern werde, da bei scharfem Wettbewerb eine Erhöhung der Preise nicht in Frage komme. Auch bei einem Markt mit monopolistischer Tendenz komme die Weitergabe zusätzlicher Kosten an den Abnehmer kaum in Betracht, da die Preise ohnehin so hoch angesetzt seien, daß jede Erhöhung die Nachfrage rninderte.237 Die angesprochenen gesellschaftlich-sozialen Intentionen beschreiben die Aufgabe zivilrechtlicher Haftungsnormen, distributive Gerechtigkeit zu fordern. Daß Haftungsrecht generell neben anderen Zielen auch demjenigen gerechter Verteilung dient, dürfte heute weitgehend anerkannt sein.238 Dabei ist die Verteilungsfunktion auch nicht beschränkt auf die Gefährdungshaftung, die klassischerweise unter anderem als Instrument der iustitia distributiva angesehen wird. 239 Insbesondere sind Erwägungen der Verteilungsgerechtigkeit fiir die Rechtsprechung von Bedeutung, wenn ihre Aufgabe darin besteht, Gesetzeslücken auszufiillen. Obwohl die Verteilung von Risiken nach sozialen Gesichtspunkten erstrangig Aufgabe des Gesetzgebers ist, können der Rechtsprechung distributive Betrachtungen bei der Rechtsfortbildung nicht gänzlich verwehrt sein. 240 Die richterrechtliche Ausgestaltung der Grundsätze zur Arbeitnehmerhaftung erscheint diesbezüglich als Musterbeispiel. Seit Entstehung des BGB nimmt man in diesem Bereich eine ausfiillungsbedürftige Lücke an, der sich der Gesetzgeber nicht angenommen hat. 241 Entsprechend hebt das Schrifttum teilweise hervor, der "eigentliche Zurechnungsgrund" liege in der Unbilligkeit einer vollen Schadensersatzverantwortung des Arbeitnehmers. 242 Es existiert zwar keine umfassende "Theorie der verteilenden Gerechtigkeit", auffällig sind aber Parallelen zwischen einem Versuch, diese Funktion des Haftungsrechts zu urnreißen243 , und Argumenten, die vielfach zur Rechtfertigung der Rechtssätze zur Arbeitnehmerhaftung gebraucht werden. Weyers, Unfallschäden, S. 517 f. Weyers, Unfallschäden, S. 519. 238 Ausführlich: Blaschczok, Gefährdungshaftung, S. 336 ff.; vgl. auch: Kötz, FS Steindorff, S. 643, 658. 239 Vgl. nur Larenz/Canaris, § 84 I 2c, S. 606. 240 Kötz, FS Steindorff, S. 643, 660 f. , 662. 241 Vgl. nur Schlachter, FS OLG Jena, S. 253. 242 Brox/Walker, DB 1985, 1469, 1472; Denck NZA 1986, 80, 82; Däubler NJW 1986, 867, 870. 243 Blaschczok, Gefährdungshaftung, S. 344. 236

237

172

5. Teil: Funktional-teleologische Betrachtung

So wird ausgeführt, um der verteilenden Aufgabe des Haftungsrechts gerecht zu werden, habe man sich wertend mit den Griinden auseinanderzusetzen, die für eine Belastung der einen oder der anderen Seite sprechen. Notwendig sei ein vergleichendes Urteil über den relativenWert der schadensursächlichen Aktivität des Schädigers einerseits und derjenigen des Opfers sowie dessen zerstörter Integrität andererseits. Die Beurteilung habe sich also nicht nur an den Vermögenslagen und den vermögensmäßigen Auswirkungen der Schadenszurechnung, sondern auch an Handlungs- und Entfaltungsmöglichkeiten insgesamt zu orientieren.244 Die Belastung des vermögenderen der Beteiligten bzw. desjenigen, der über die Möglichkeit der Abwälzung und Streuung eines Schadens oder einer Versicherung verfügt, könne der Billigkeit entsprechen. 245 Auch das Ausgeliefertsein gegenüber einem Risiko sei bei einer sozialen Folgenbewertung beachtlich.246 Diese Gesichtspunkte der Verteilungsgerechtigkeit spiegeln eine Reihe von materiellen Argumenten wider, die zur Begrundung der Arbeitnehmerhaftungserleichterung angeführt werden. Zu nennen ist vorrangig das gebräuchliche Argument derbesseren Vorsorgemöglichkeit des Arbeitgebers, der sich teilweise gegen Schäden, die Arbeitnehmer verursachen, versichern, teilweise die wirtschaftlichen Folgen bei seinen Preisen kalkulieren könne. 247 Ebenfalls in den Kontext der verteilenden Gerechtigkeit paßt die Betonung der Drucksituation, in der sich der Arbeitnehmer befmde und der er sich nicht entziehen könne. In Verbindung mit der menschlichen Unzulänglichkeit ergebe sich hieraus die Unausweichlichkeit des Risikos, durch eine geringe, auf Dauer nicht ausschließbare Unachtsamkeit beträchtlichen Schaden im Vermögen des Arbeitgebers oder eines Dritten zu verursachen. 248 Der gebräuchliche Hinweis auf den drohenden wirtschaftlichen Ruin des Arbeitnehmers249 stellt schließlich eine reine soziale Folgenbewertung dar. c) Veranlassung der gefahrliehen Tätigkeit, Zurechnung einer tätigkeitsspezifischen Gefahr Neben den Kriterien des Interessenprinzips (oben unter a)) und der Beherrschbarkeit (zuvor unter b)) knüpft die Theorie der Risikohaftung bei Tätigkeit im Fremdinteresse an die Eröffnung einer besonderen Gefahrenquelle durch den Arbeitgeber an. 250 Das Risiko schädigender Akte des Arbeitnehmers 244 So Blaschczok, Gefährdungshaftung, S. 349, bei der "normativen Rekonstruktion" der Begründungssätze zur Gefährdungshaftung anhand des Gedankens der Verteilungsgerechtigkeit. 245 Vgl. Kötz, FS Steindorff, S. 643, 659; vgl. auch: Blaschczok, Gefährdungshaftung, S. 356 ff. 246 Blaschczok, Gefährdungshaftung, S. 354 ff. 247 Vgl. nur Brox/Walker DB 1985, 1471 f. m.w.N. und Gamillscheg/Hanau, Die Haftung, S. 51. 248 Vgl. nur J. Hübner, Schadenszurechnung, S. 130mitzahlr. weit. Nachw. in Fn. 154. 249 Vgl. nur Brox/Walker, DB 1985, 1469, 1471 m.w.N. 250 Gamillscheg/Hanau, Die Haftung, S. 50; vgl. auch J. Hübner, Die Schadenszurechnung, S. 139.

B. Beschränkungen auf der Rechtsfolgenseite

173

sei dem Arbeitgeber zuzurechnen, da er den Arbeitnehmer in den arbeitsteiligen Prozeß einschalte und den mit der Arbeitsleistung verbundenen spezifischen Gefahren aussetze. 251 Fraglich ist aber, ob der Arbeitnehmer die tätigkeitsspezifischen Gefahren nicht bereits generell mit seiner Berufsentscheidung auf sich zieht, so daß das Veranlassungsmoment seine Überzeugungskraft nur dann entfaltet, wenn eine konkrete Gefahrdung auf eine Arbeitgeberweisung zurückgeführt werden kann. Andernfalls könnte sich die Risikoausgesetztheit als Ergebnis der Selbstbestimmung des Arbeitnehmers darstellen. 252 Hintergrund auch dieser Überlegungen ist die Nähe der Theorie der Risikohaftung bei Tätigkeit im Fremdinteresse zu den Gerechtigkeitskriterien der Gefahrdungshaftung. Ein Zurechnungsgrund wird dort darin gesehen, daß der Gefahrdete dem Risiko nicht ausweichen könne. 253 Wo der Verkehr hingegen einer Gefahrenquelle zumutbarerweise ausweichen kann, bestehe kein Bedürfnis fiir eine Gefahrdungshaftung. Der Gesichtspunkt des Handeins auf eigene Gefahr, der Gefahrexponierung eigener Interessen, kann aber, bezogen auf den Abschluß eines Arbeitsvertrages, nicht vollständig überzeugen, denn hier ist bereits die Aufnahme der Tätigkeit von einer gewissen Zwangsläufigkeit. In jedem Fall muß sich der Arbeitnehmer - zumeist um seinen Lebensunterhalt zu bestreiten- Risiken aussetzen, die sich aus der Eingliederung in einen fremden Betrieb ergeben. 254 Im Ergebnis dürfte eine lediglich nachrangige Gewichtung der arbeitsteiligen Veranlassung gegenüber den anderen Zurechnungselementen aus der mangelnden Abgrenzbarkeil gegenüber dem Prinzip des Gleichlaufs von Interesse und Gefahr folgen. 255 Deutlich tritt die subsidiäre Bedeutung in der Risikozurechnungslehre Kollers hervor. Um das Veranlassungmoment in Austauschverträgen überhaupt nutzbar zu machen, zerlegt er das einheitliche Vertragsverhältnis in zwei Austauschprozesse, die als wechselseitige Veranlassung von Risiken parallel zu betrachten seien. Der jeweilige Gläubiger gilt danach als Veranlasser des Leistungsrisikos des Schuldners, das er bei eigener Bedürfnisbefriedigung selbst tragen müßte, das also von der Gegenseite in seinem Interesse übernommen 251 Koller, Die Risikozurechnung, S. 402. Nach Canaris, RdA 1966, 41, 45 schafft der Arbeitgeber das Risiko außerdem ganz allgemein durch den Betrieb seines Unternehmens. Eich, NZA 1984, 65, 67: Die Veranlassung ist dem Arbeitgeber als Eigentümer der Produktionsmittel zuzurechnen; vgl. auch J. Hübner, Schadenszurechnung, S. 140 m.w.N. 252 Dütz, NJW 1986, 1779, 1783. Vgl. auch Brox/Walker, DB 1985, 1469, 1471. 253 Siehe nur Blaschczok, Gefährdungshaftung, S. 58 ff. "Ausgeliefertheit des Publikums" m.w.N. in Fn. 228. 254 Vgl. Köndgen, Haftpflichtfunktionen, S. 27; insgesamt kritisch gegenüber der "Unausweichlichkeit" als Begründungselement für die Gefährdungshaftung: Blaschczok, Gefährdungshaftung, S. 58 ff. 255 Koller, Die Risikozurechnung, S. 95 f.; deutlich auch Eich, NZA 1984, 65, 67, das Prinzip der Veranlassung der Gefahr als Schadenszurechnungsmoment trete deshalb hinter das Element der Beherrschbarkeil zurück, weil Investitionen, durch die die Gefahr geschaffen wird, auch im Interesse des Arbeitnehmers lägen; sie seien Voraussetzung für neue Arbeitsplätze und die Sicherung der bestehenden.

174

5. Teil: Funktional-teleologische Betrachtung

werde. 256 Koller selbst hat eingeräumt, hierbei auf ein stark verkürztes Modell der Arbeitsteilung zu rekurrieren, heute sei nicht jeder Gläubiger potentiell in der Lage, seinen konkreten Bedarf selbst zu befriedigen. 257 Das Kriterium der V eranlassung verliert vor diesem Hintergrund an Gewicht, es geht in den anderen Elementen der Risikozurechnung auf. Gegenstand der Zurechnung ist bei der Theorie der Risikohaftung lediglich eine tätigkeitsspezifische Gefahr, die vom allgemeinen Lebensrisiko abzugrenzen ist. 258 Insofern ist die Einordnung der Gefahr als geschäftsspezifisch auch als immanente Grenze der Risikohaftung bezeichnet worden. 259 Diese Trennungslinie ist enger zu ziehen, als durch den allgemein im Schadensersatzrecht geltenden Adäquanzgrundsatz vorgegeben. Die Abgrenzung beruht letztlich aufWerturteilen, es gibt keine statistische Grenze; immer ist- was hier nicht vertieft zu werden braucht - die Einbeziehung aller charakteristischen Umstände des Einzelfalles notwendig. 260 5. Ergebnisse zur Theorie der Risikohaftung bei Tätigkeit im fremden Interesse a) Konkretisierung der Zurechnungskriterien Die Analyse der in der Theorie der Risikohaftung verwendeten Elemente zeigt, daß sich die Risikozurechnung auf zwei tragende Aspekte stützt: die Fremdnützigkeit der Tätigkeit des Entlasteten und den Beherrschungsvorsprung des Belasteten. Das Veranlassungsmoment tritt hinter die beiden anderen Kriterien zurück, erlangt keine eigenständige Bedeutung. Gegenstand der Zurechnung ist eine tätigkeitsspezifische Gefahr, die vom allgemeinen Lebensrisiko des Tätigwerdenden abzugrenzen ist.

256 Koller, Die Risikozurechnung, S. 95 f.; vgl. hierzu Fitz, Risikozurechnung, S. 53 ff., der die Einschränkung angesichts der Tendenz zur uferlosen Kausalhaftung begrüßt, die dogmatische Konstuktion aber als realitätsfern kritisiert. Vgl. in diesem Zusammenhang auch J. Hübner, Schadenszurechnung, S. 139, der vorschlägt, bei der Ge~ichtung des Veranlassungselements den Grad der Gefahrlichkeit der übertragenen Tätigkeit zu beachten. 257 Koller, Risikozurechnung, S. 97. Nach Fitz, Risikozurechnung, S. 54 f., besteht das Problem der Veranlassungshaftung vor allem darin, daß mit dem Kriterium der Ursächlichkeit die Verantwortlichkeitssphären vonSchädigerund Geschädigtem nicht getrennt werden können. 258 So bereits Canaris, RdA 1966, 41, 46, 48; Larenz, JuS 1965, 373, 376. 259 Fitz, Risikozurechnung, S. 82 ff., 83. 260 Fitz, Risikozurechnung, S. 84; ausführlich zu diesem Gesichtspunkt: Bydlinski, Die Risikohaftung, S. 63 ff., der die spezifische Gefahr als eine Art "Betriebsgefahr" wie bei der Gefahrdungshaftung umschreibt, S. 64. Vgl. auch die Ausführungen oben, unter B I 2 zur Begründung der Haftungserleichterung mit der Fürsorgepflicht des Arbeitgebers.

B. Beschränkungen auf der Rechtsfolgenseite

175

Zur Bestimmung der Fremdnützigkeit in gegenseitigen Verträgen bietet sich ein Rückgriff auf die Lehre vom wirtschaftlichen Arbeitnehmerbegriff an. Hierdurch erhellt, daß auch bei einer entgeltlichen Tätigkeit die Risikobelastung des anderen Teils dem Äquivalenzprinzip auch dann entsprechen kann, wenn man es formell versteht, also nicht darauf abstellt, ob dem Tätigwerdenden im Einzelfall ein zur Risikotragung angemessenes Entgelt gewährt wird. Ob eine Tätigkeit als fremdnützig einzustufen ist, ergibt sich danach aus dem Komplementärbegriff der selbständigen, untemehmerischen Nutzung der eigenen Arbeitskraft, die nach der Lehre vom wirtschaftlichen Arbeitnehmerbegriff der Anwendung (arbeitsrechtlicher) Schutzinstrumentarien entgegensteht. Eine so verstandene selbständige Tätigkeit, die insbesondere einer Haftungserleichterung nicht zugänglich ist, zeichnet sich durch die freiwillige Übernahme unternehmenscher Risiken aus, die in einem ausgewogenen Verhältnis zu entsprechenden Erwerbschancen stehen. Konstitutiv hierfiir sind die Beteiligung an den Arbeitsergebnissen und unternehmerische Entscheidungsfreiheit. Können diese Merkmale nicht nachgewiesen werden, liegt eine fremdnützige Tätigkeit im Sinne der Risikohaftungslehre vor. Das Zurechnungskriterium des Beherrschbarkeitsvorsprungs des Risikobelasteten besteht aus zwei Unterkriterien: dem der abstrakten Beherrschbarkeit im Sinne einer übergeordneten wirtschaftlichen Einfluß- oder Herrschaftssphäre und dem eines Absoptionsvorsprunges, der überlegenen Fähigkeit, einen eingetretenen Schaden tragen zu können. Zwischen den Unterkriterien der fehlenden Unternehmerischen Entscheidungsfreiheit, die die Fremdnützigkeit begründet, und der der übergeordneten, fremden Einflußsphäre sind Überschneidungen denkbar, es liegt jedoch keine vollständige Kongruenz vor. b) Anwendbarkeit der Risikohaftungstheorie außerhalb von Arbeitsverträgen Die Zurechnungskriterien Fremdnützigkeit der Tätigkeit und Beherrschbarkeitsvorsprung des anderen Teils beinhalten keine spezifisch arbeitsrechtlichen Erwägungen, sie sind auf andere - auch entgeltliche261 - Rechtsverhältnisse, die eine Tätigkeitsverpflichtung zum Gegenstand haben, übertragbar. 262 Aufgrund der Herleitung der Haftungserleichterung aus Risikogesichtspunkten entspricht die Ausdehnung des Anwendungsbereichs dieser Regeln auftypische arbeitnehmerähnliche, wie etwa Heimarbeiter, heute der überwiegenden Auffassung in der Literatur. 263 261 Die Theorie der Risikohaftung bei Tätigkeit im Fremdinteresse ist gerade in einer Parallele zum Anspruch auf Ersatz des Eigenschadens beim Auftrag und bei der Geschäftsflihrung ohne Auftrag entwickelt worden, vgl. oben, B II I. 262 So bereits Larenz, JuS 1965, 3 73, 3 75 f.; Canaris, RdA 1966, 41 , 48 f. 263 Vgl. nur Otto, ArbuR 1995,72, 74; Koller, Die Risikozurechnung, S. 418 wegen anerkannter Schutzbedürftigkeit gegen plötzliche Eingriffe in ihre Existenzgrund1age;

176

5. Teil: Funktional-teleologische Betrachtung

Die Bestimmung der Fremdnützigkeit in Anlehnung an den wirtschaftlichen Arbeitnehmerbegriff ermöglicht es, entgeltliche Vertragsverhältnisse in den Anwendungsbereich der Risikohaftungslehre zu integrieren, ohne die konkrete Höhe des Entgelts bewerten zu müssen. Demgegenüber ist vorgeschlagen worden,264 die Schadensverlagerung auf einen Dienst- oder Werkvertragsgläubiger sei unter dem Gesichtspunkt des Unternehmerischen Risikos nur dann angemessen, wenn gefährliche Tätigkeiten übertragen werden, ohne daß dieser Belastung durch eine angemessene Risikoprämie Rechnung getragen würde. Die Angemessenheit eines Entgelts zu bewerten, ist aber in der Marktwirtschaft außer in den Fällen eines auffälligen Mißverhältnisses - nicht möglich, es existiert kein "iustum pretium". 265 Die Haftungserleichterung ist - insbesondere in Anlehnung an die jüngste Rechtsprechung des Großen Senats des BAG266 - daneben aus einem Beherrschbarkeitsvorsprung des Risikobelasteten herzuleiten. 267 Den Anwendungsbereich der Theorie der Risikohaftung bei Tätigkeit im fremden Interesse stellen danach nicht nur Arbeitsverträge, sondern alle Rechtsverhältnisse dar, in denen dem anderen Teil Grundentscheidungen wirtschaftlicher Art vorbehalten sind, aus denen sich eine abstrakte Beherrschung des Risikobereiches ergibt. 268 Daneben enthält das Zurechnungskriterium der Beherrschbarkeit die Komponente der überlegenen Absorptionsfähigkeit des Risikobelasteten. Maßgeblich ist auch, daß er den Schaden eher ohne gravierende Folgen zu tragen vermag als sein Vertragspartner. Hierbei handelt es sich um den "Zurechnungsgrund" der Unbilligkeit der vollen Schadensersatzverantwortung des Tätigwerdenden, die sich aus allgemeinen Grundsätzen der Verteilungsgerechtigkeit ergeben kann. Bislang ist nicht geklärt, ob die Zurechnungskriterien der Fremdnützigkeit und des Beherrschungsvorsprungs kumulativ vorliegen müssen, um das Einabw. aber LAG Berlin, AfP 1990, 336, 338 den freien Mitarbeiter einer Rundfunkanstalt betreffend. 264 Neumann-Duesberg, JZ 1964, 433, 439 f.; ihm folgend: Larenz, JuS 1965, 373, 376. Zeuner, RdA 1975, 84, 87 zufolge ist entscheidend, daß der Dienstleistende seinem Vertragspartner beim Vertragsschluß in einer unterlegenen Ausgangsstellung gegenübertritt und der Vertrag ihm keinen Ausgleich für die Übernahme des Risikos gewährt, der ihn erkennbar von einem entsprechenden Arbeitsvertrag unterscheidet. 265 Koller, Risikozurechnung, S. 415 f.; vgl. auch Fitz, Risikozurechnung, S. 90. 266 BAG AP Nr. 103 zu§ 611 BGB, Haftung des Arbeitnehmers, C II 2 der Gründe; hieraufstellt Krause, VersR 1995,752,758 vorrangig ab. 267 Auf das Unterworfensein unter eine fremde Organisationsgewalt bzw. die ständige Einflußnahme(möglichkeit) des Dienstberechtigten stellen Reinhardt, Die dogmatische Begründung, S. 200 ff. und J. Hübner, Schadenszurechnung, S. 140 ff. flir die Übertragbarkeit der Haftungserleichterung ab. Vgl. auch Wank, Arbeitnehmer, S. 63 ff., der aus der Einordnung der Haftungsgefahren als Organisationsrisiko aber keine Konsequenz zieht. 268 Vgl. Canaris, RdA 1966, 41, 48: Eingliederung in den Risikobereich des Geschäftsherrn; krit. hierzu aber Bydlinski, Risikohaftung, S. 30 f.; vgl. auch Wank, Arbeitnehmer, S. 67: Haftungsprivilegierung kommt in Betracht, wenn der Tätigwerdende lediglich Teil einer Binnenorganisation ist. Vgl. auch Huber, Die Haftung, S. 91.

B. Beschränkungen auf der Rechtsfolgenseite

177

greifen der Grundsätze zur Haftungsprivilegierung zu rechtfertigen oder ob die volle Schadensersatzverantwortlichkeit bereits dann unangemessen ist, wenn lediglich ein Element nachgewiesen werden kann. Regelmäßig - das gilt insbesondere für typische Arbeitnehmer, anband derer die Regeln zur Haftungserleichterung entwickelt worden sind - liegen beide Gesichtspunkte gleichzeitig vor. Wenn dies nicht der Fall ist, erweist es sich als notwendig, aufgrundeiner Einzelfallbetrachtung abzuwägen, inwieweit auch bei nicht vollständiger Nachweisbarkeit eines der Zurechnungskriterien eine Haftungserleichterung der Billigkeit entspricht. 111. Ergebnisübertragung der Untersuchung zur Theorie der Risikohaftung bei Tätigkeit im Fremdinteresse auf GmbH-Geschäftsführer

Eine Haftungserleichterung fiir GmbH-Geschäftsfiihrer kommt nach der Theorie der Risikohaftung bei Tätigkeit im Fremdinteresse in Betracht, wenn die vorgenannten Voraussetzungen der Fremdnützigkeit einerseits (hierzu 1.) und des anderseitigen Beherrschbarkeitsvorsprungs andererseits (hierzu 2.) bei ihrer Tätigkeit nachweisbar sind. 1. Fremdnützigkeit der Tätigkeit

Erste Voraussetzung einer Haftungsprivilegierung nach der Risikotheorie ist, daß der Geschäftsfiihrer fremdnützig im Sinne der Lehre vom wirtschaftlichen Arbeitnehmerbegriff tätig ist. Demgegenüber spricht eigennützige, unternehmecisehe Nutzung der eigenen Arbeitskraft dafiir, daß die Belastung mit der vollen Schadensersatzverantwortlichkeit gerechtfertigt ist. Die Abgrenzung zwischen arbeitnehmerähnlichen, abhängigen und selbständigen, untemehmerisch tätigen Geschäftsruhrem ist im Anstellungsvertragsrecht der Geschäftsfiihrer geläufig. Sie erlangt insbesondere Relevanz in der Rechtsprechung zur Anwendbarkeit des Betriebsrentenrechts. a) Die Rechtsprechung zu § 17 I 2 BetrAVG In der Rechtsprechung des BGH zu § 17 I 2 BetrAVG wird danach differenziert, ob der Geschäftsfiihrer als (Mit-)Unternehmer zu klassifizieren ist; Folge einer derartigen Einordnung ist die Nichtanwendbarkeit des Gesetzes.269 Inwieweit Organmitglieder dem persönlichen Geltungsbereich des Betriebsrentenrechts unterfallen können, ist wegen der unklaren Formulierung des § 17 I 2 BetrAVG diskutiert worden. Nach Satz 1 dieser Vorschrift gehören zum Kreis der geschützten Versorgungsberechtigten zunächst die in den voranstehenden Geset269

Vgl. zunächst nur die zusammenfassende Darstellung bei Heyll, Die Anwendung,

s. 95 ff. 12 Frisch

178

5. Teil: Funktional-teleologische Betrachtung

zesvorschriften mehrfach genannten Arbeitnehmer, ihnen stellt Satz 2 Nichtarbeitnehmer gleich, denen Versorgungsleistungen "aus Anlaß ihrer Tätigkeit für ein Unternehmen zugesagt worden sind." Dem Wortlaut dieser- nach einhelliger Auffassung zu weit formulierten270 - Vorschrift zufolge würde auch das Ruhegehalt beispielsweise eines Alleingesellschafters einer GmbH, das dieser sich für seine Geschäftsführertätigkeit zugesprochen hat, durch das BetrAVG, insbesondere durch dessen insolvenzrechtliche Vorschriften, geschützt. 271 Ausgehend davon, daß das Betriebsrentengesetz seinem Ansatz nach Arbeitnehmerschutzrecht darstellt, was sich mit der Entstehungsgeschichte belegen läßt, sah sich die höchstrichterliche Rechtsprechung zu einer teleologischen Reduktion272 des § 17 I 2 BetrAVG gezwungen.273 Ansatzpunkt der Abgrenzung ist die Erwägung, daß ein Einzelkaufmann mit seiner Versorgung aus dem eigenen Unternehmen eindeutig nicht in den persönlichen Anwendungsbereich des Betriebsrentengesetzes fallen kann, 274 er ist eigenwirtschaftlich und nicht "für fremde Rechnung" tätig. Der Schutz des BetrAVG soll demgegenüber nur für Versorgungsansprüche gelten, die durch "Fremdtätigkeit" erdient sind. Entscheidend ist danach, ob das Unternehmenaufgrund vermögens-und einflußmäßiger Verbindung als eigenes des Versorgungsberechtigten anzusehen ist, so daß der Dienstleistende als (Mit-)Unternehmer bezeichnet werden kann. 275 Die Rechtsprechung argumentiert mit dem wirtschaftsrechtlichen Gedanken, Unternehmerische Freiheit korrespondiere mit dem Risiko, eingesetztes Kapital und die Früchte unternehmerischer Tätigkeit wieder zu verlieren, sie sei durch eine entsprechende Gewinnchance und persönliche Unabhängigkeit gekennzeichnet. 276 Mit der Abgrenzung danach, ob eine Tätigkeit für ein eigenes oder ein fremdes Unternehmen vorliegt, ist die höchstrichterliche Judikatur von dem bis dahin in den Vordergrund gestellten Abgrenzungskriterium der Vertragsparität abgewichen. Danach sollte derjenige, der wie ein Arbeitnehmer typischerweise keinen Einfluß auf die Gestaltung seiner Versorgungsbedingungen nehmen konnte und daher schutzbedürftig sei, von § 17 I 2 BetrAVG geschützt sein. 277 Der BGH hat hierzu ausgeführt, fehlende Vertragsparität sei im Einzelfall nicht mit hinreichender Sicherheit zu beurteilen, und dieser Ansatz habe auch im Gesetzeswortlaut keinen Niederschlag gefunden.278

Vgl. Heyll, Die Anwendung, S. 91 mit zahlr. weit. Nachw. Beispiel von Hommelhoffffimm, KTS 1981 , I, 2. 272 Hanau/Kemper, ZGR 1982, 123, 128. 273 BGHZ 77, 94, I 00 ff. = AP Nr. I zu§ 17 BetrA VG 274 BGHZ 77, 94, I 00 = AP Nr. I zu § 17 BetrA VG; siehe auch Hanau/Kemper, ZGR 1982, 123, 128; Hommelhoff/Timm, KTS 1981,9. 275 Vgl. Hanau/Kemper, ZGR 1982, 129. 276 Hommelhoff/Timm, KTS 1981 , 10 m.w.N. 277 Ausführlich hierzu: Hommelhoff/Timm, KTS 1981, S. 4 ff. m.w.N. 278 BGHZ 77, 94, 99 f.;zustimmend Hanau/Kemper, ZGR 1982, S. 129 f.;amGedanken der Vertragsparität festhalten wollen hingegen Moll, ZIP 1980,422,423 sowie Heyll, Die Anwendung, S. I 02 f.; vgl. auch bereits Wiedemann/Moll, RdA 1977, 13, 14. 270 271

B. Beschränkungen auf der Rechtsfolgenseite

179

Da die höchstrichterliche Rechtsprechung eine vermögensmäßige V erknüpfung des Geschäftsführers mit der Gesellschaft nur aus einer Gesellschaftsbeteiligung herleitet, werden Fremdgeschäftsführer in den persönlichen Geltungs-bereich des Betriebsrentengesetzes einbezogen.279 Auf der anderen Seite bleiben neben Alleingesellschaftergeschäftsführern auch Mehrheitsgesellschaftergeschäftsführer vom Schutz des BetrAVG ausgeschlossen, da bei ihnen die aufhoher Kapitalbeteiligung in Verbindung mit einer entsprechenden Leitungsmacht beruhende Unternehmerstellung die dienstvertragliche Einkleidung der Tätigkeit in den Hintergrund treten lasse. Minderheitsgesellschafter werden hingegen grundsätzlich unter § 17 I 2 BetrAVG subsumiert, sie erbrächten Dienstleistungen fur ein Unternehmen, das mehrheitlich von anderen betrieben werde.280 Diesen Grundsatz schränkt der BGH aber dahingehend ein, daß mehrere geschäftsfuhrende Minderheitsgesellschafter dann als Mitunternehmer anzusehen seien, wenn ihre jeweilige Beteiligung nicht ganz unbedeutend - das heißt größer als 10% - ist, und bei Zusammenrechnung der Anteile der Minderheitsgesellschaftergeschäftsfiihrer diese über eine Stimmenmehrheit verfugen. Die Ausnahme beruht auf der Annahme wirtschaftlich gleichgerichteter Interessen der Minderheitsgesellschaftergeschäftsfiihrer und darauf, daß in dieser Konstellation die Gesellschafterorganpersonen Entscheidungen im Unternehmen unter Ausschluß der nicht geschäftsfuhrenden Gesellschafter treffen können. 281 Obgleich die Rechtsprechung zu § 17 I 2 BetrAVG der Lehre vom wirtschaftlichen Arbeitnehmerbegriff verwandte Erwägungen aufweist, kann sie dennoch nicht auf die Frage der Fremdnützigkeit der Organtätigkeit im Sinne der Risikohaftungstheorie übertragen werden. Der BGH trennt - trotz des postulierten zweigleisigen Ansatzes der vermögens- und einflußmäßigen Verbindung mit der Gesellschaft - beide Gesichtspunkte nicht hinreichend voneinander und berücksichtigt die die Unternehmerische Tätigkeit kennzeichnende Einkommenschance nicht genügend. Letztlich stellt die Rechtsprechung bei einer Gesellschaftsbeteiligung zumindest ganz vorrangig auf die sich aus dem Anteil ergebende Beherrschungsmöglichkeit ab. 282 Auch bei der 10%-Grenze, unterhalb derer eine Mitunternehmerstellung des Geschäftsfuhrers nicht in Betracht kommen soll, wird kein Zusammenhang zum Kriterium der Einkommensmöglich-

279Vgl. nurHöfer/Abt,BetrAVG, § 17,Rdnr. 74und 57 ff. 280 BGHZ 77, 94, I 02; zustimmend insb. Hommelhoff/Timm, KTS 1981, 12: Wesentliche untemehmerische Entscheidungen werden von der Gesellschafterversammlung beschlossen. 281 BGHZ 77, 233, 241 f. ; vgl. hierzu Diller, Gesellschafter, S. 348. Sowohl die ,,Zusammenrechnungsrechtsprechung" als auch die vom BGH vorgezeichnete 50%-Grenze sind Kritik seitens der Literatur ausgesetzt, vgl. Moll, ZIP 1980, 422, 423 ff.; Hanau!Kemper, ZGR 1982, 133; auch Hommelhoff/Timm, KTS 1981, I, II ff. und 289, 303 ff.; siehe auch Beitzke, Anm. zu BGH AP Nr. I zu § 17 BetrAVG. 282 So wohl auch Beitzke, Anm. zu BGH AP Nr. I zu§ 17 BetrAVG, BI. 6R. Überzeugend die Kritik Dillers, Gesellschafter, S. 350, siehe aufS. 348, Fn. 147, insb. an der ,,Zusammenrechnungsrechtsprechung", es handle sich um eine typologische Merkmalskombination. 12•

180

5. Teil: Funktional-teleologische Betrachtung

keiten hergestellt, sondern eine Gesellschaftsbeteiligung gekennzeichnet, die typischerweise keinen relevanten innergesellschaftlichen Einfluß mehr vermittle. 283 Die untemehmerische, selbständige Nutzung der eigenen Arbeitskraft in Abgrenzung von fremdnütziger Tätigkeit ist demgegenüber sowohl durch unternehmerische Entscheidungsfreiheit, worauf unter c) eingegangen werden wird, als auch durch bestehende wirtschaftliche Chancen, die zunächst unter b) untersucht werden sollen, charakterisiert.284 b) Wirtschaftliche Teilhabemöglichkeiten der Geschäftsfiihrer Eigennützige oder untemehmerische, selbständige Nutzung der Arbeitskraft setzt in Anlehnung an die Lehre vom wirtschaftlichen Arbeitnehmerbegriff eine Beteiligung am Arbeitsergebnis voraus.285 Beachtung gefunden hatte dieses Kriterium aber auch im Rahmen der klassischen, typologischen Bestimmung der Arbeitnehmereigenschaft unter dem Topos "Fehlen eines untemehmerischen Risikos". 286 Charakteristisch fiir das risikofeindliche Präferenzverhalten des abhängig Beschäftigten ist der Abschluß eines Vertrages, der ein festes Gehalt sichert, das einen umfassenden Kontinuitätsschutz genießt, gleichzeitig aber einen Ausschluß von der Teilhabean-überproportionalen-Unternehmerischen Gewinnen bedeutet. 287

(1)

Fremdgeschäftsfohrer mit Festgehalt

Die Tätigkeit eines Fremdgeschäftsftihrers, der lediglich ein Festgehalt erhält, ist danach- unabhängig von der konkreten Höhe der Bezüge288 - fremdnützig im Sinne der Risikohaftungstheorie. 289 Ein Festgehalt ohne variable, ertragsabhängige Komponenten kann kein vollständiges Äquivalent fiir die Arbeitsleistung des Geschäftsftihrers und das damit verbundene nicht unerhebliche Haftungsrisiko bei der Untemehmensleitung sein. 290 Ein Fixgehalt kann, selbst wenn es einen

283 Vgl. Wiedemann/Moll, RdA 1997, 13, 24, auf deren Ausführungen die Rechtsprechung zurückzuführen ist. 284 Ausführlich: Wank, Arbeitnehmer, S. 122 ff., 128, 132; vgl. oben 4. Teil, D III 1. 285 Siehe oben. 286 Vgl. Groß, Das Anstellungsverhältnis, S. 221 und insb. S. 239 f.; Wehrmeyer, Arbeitsrechtliche Einordnung, S. 141 f. und 156 ff. jeweils m.w.N.; vgl. auch Wank, Arbeitnehmer, S. 129 ff. 287 Wank, Arbeitnehmer, S. 129; vgl. auch Henssler, RdA 1992,289,291 zum Status des Geschäftsführers. 288 Vgl. Rosenfelder, Der arbeitsrechtliche Status, S. 183: Ein schutzwürdige Vertrauen auf die Verwirklichung der fest einkalkulierten Erwerbsaussicht bildet sich auch bei Hochbesoldeten. 289 Deutlich: Diller, Gesellschafter, S. 137; dies ist offensichtlich zugrundegelegt auch bei Groß, Das Anstellungsverhältnis, S. 239 f. und bei Wehrmeyer, Arbeitsrechtliche Einordnung, S. 156 f. 29o Offenbar anders: Schneider, FS Semler, S. 347, 360.

B. Beschränkungen auf der Rechtsfolgenseite

181

gewissen Risikozuschlag enthalten sollte,291 keine eigennützige Tätigkeit begründen; es vermittelt keine "überproportionalen" Chancen, kann somit die Haftungsrisiken, die zumindest zum Teil eine große Nähe zum Unternehmerischen Risiko der Gesellschaft aufweisen, nicht aufwiegen. Dieser Einschätzung entspricht offenbar auch die Konzeption der Haftungsreduktion nach dem Österreichischen Dienstnehmerhaftungsgesetz, das jedoch auf die Tätigkeit von Organen nicht angewandt wird. 292 Danach bildet die Frage, "inwieweit bei der Bemessung des Entgelts ein mit der ausgeübten Tätigkeit verbundenes Wagnis berücksichtigt worden ist", nur einen von mehreren Abwägungsgesichtspunkten, sofern nicht überhaupt die Haftung des Arbeitnehmers wegen entschuldbarer Fehlleistung ausgeschlossen ist, § 2 III DHG. 293 Auch nach der Rechtsprechung des BAG294 schließt eine Risikoprämie die Haftungserleichterung nicht per se aus.295 Dazu wird ausgeführt, ob und gegebenenfalls in welchem Umfang der Arbeitnehmer an den Schadensfolgen zu beteiligen sei, hänge von einer Abwägung der Umstände des Einzelfalls ab, zu denen auch "die Höhe des Arbeitsentgelts, in dem möglicherweise eine Risikoprämie enthalten ist" zähle. 296 Dies kann so gedeutet werden, daß die Risikoprämie lediglich ein Abwägungskriterium auf der Rechtsfolgenseite im Fall der Schadensteilung bei mittlerer Fahrlässigkeit darstellt. 297

(2)

Fremdgeschäftsfiihrer mit Tantiemeanspruch

In der Literatur wird die Frage, ob neben der Gesellschaftsbeteiligung, der typischen Form, Unternehmerische Chancen wahrzunehmen, bereits die variable Vergütung mittels eines Tantiemeanspruchs selbständiger, unternehmerischer Nutzung der Arbeitskraft zugrundeliegen kann, der Tantiemeanspruch also relevante Unternehmerische Teilhabemöglichkeiten vermittelt, kontrovers diskutiert. Der überwiegende Teil der Geschäftsführer erhält heute eine Tantieme, die zumeist vom Ertrag des Unternehmens abhängig ist, neben einem F estgehalt.298 291 So Schneider, FS Semler, S. 347, 360, das Gehalt sei das einzige Entgelt für seine Tätigkeit und das damit verbundene Haftungsrisiko. 292 Tomandl, ArbR li, S. 166 f. m.w.N., die gesellschaftsrechtlichen Haftungsgrundlagen seien als Spezialregelungen anzusehen; krit. demgegenüber Floretta!SpielbüchlerStrasser, S. 160, man verkenne die unterschiedliche Zielsetzung der beiden Normengruppen. 293 Vgl. Fitz, Risikozurechnung, S. 53, Fn. 140. 294 Vgl. insb. BAG GS ArbuR 1995, 70, 72 = AP Nr. 103 zu§ 611 BGB, Haftung des Arbeitnehmers. 295 Dies dürfte der überwiegenden Ansicht in der Literatur entsprechen, vgl. Fitz, Risikozurechnung, S. 53; Koller, Risikozurechnung, S. 403; so bereits Canaris, RdA 1966,41,47. 296 BAG GS ArbuR 1995, 70, 72; vgl. die Anm. von Otto, ArbuR 1995, 75; vgl. auch BAG AP Nr. 92 zu § 611 BGB Haftung des Arbeitnehmers, III 2 a dd der Gründe (8. Senat). 297 Otto, ArbuR 1995, 75. 298 Diller, Gesellschafter, S. 144 f. m.w.N. zufolge beziehen zwischen 75 und 85% der Geschäftsführer variable Vergütungen. Vgl. auch Hucke, AG 1994, 397, 401. Zu Bemessungsgrößen und Ausschüttungsformen vgl. Diller, Gesellschafter, S. 148 ff.

182

5. Teil: Funktional-teleologische Betrachtung

Einer derartigen Qualität des Tantiemeanspruchs könnte entgegenzuhalten sein, daß selbst ein Geschäftsführer, der ausschließlich über Gewinntantiemen entlohnt würde, nicht auf eigene Rechnung arbeitete. Der entscheidende Unterschied liege darin, daß die Tantieme keine Kapitalverzinsung darstelle, sondern lediglich als Motivationsfaktor eingesetzt werde. 299 Anderer Einschätzung nach vermittelt eine Tantiemezahlung lediglich ein partielles Erfolgs- oder Arbeitsrisiko, verstanden als die Gefahr, bei Mißerfolg der Tätigkeit keine Vergütung zu erhalten, das in der üblichen Höhe - ausgegangen wird von einem durchschnittlichen Anteil am Bruttojahresgehalt von 20%- auch bei leistungsabhängig entlohnten typischen Arbeitnehmern anzutreffen sei und deshalb nicht zu einer Charakterisierung der Tätigkeit als unternehmefisch führen könne.300 Diese Argumentation greift aber zu kurz. Die Abwesenheit eines Kapitalrisikos kann für sich genommen nicht gegen die Verwirklichung relevanter wirtschaftlicher Chancen sprechen, denn kennzeichnend für die Selbständigkeit ist ein ausgewogenes Verhältnis zwischen Chancen und Risiken, so daß die Abwesenheit der Gefahr des Kapitalverlustes die Möglichkeit einer Gewinnbeteiligung über einen Tantiemeanspruch um so bedeutender erscheinen läßt. Der Vergleich mit typischen Arbeitnehmern, die variable Vergütungen beziehen, beispielsweise Akkordarbeitern, überzeugt nicht, da es diesen regelmäßig an unternehmenscher Entscheidungskompetenz fehlt, so daß bereits deshalb - unabhängig von der Höhe des variablen Anteils an der Vergütung - eine unternehmensehe Nutzung der Arbeitskraft nicht in Betracht kommt. 301 Beachtlich könnte hingegen sein, daß der Tantiemeanspruch möglicherweise deshalb keine "überproportionalen" Chancen vermittelt, da er nicht zu einer Beteiligung an den stillen Reserven führt, also keine Teilhabe auch am Substanzzuwachs des Unternehmens begründet. 302 Trotz dieses Unterschieds ist jedoch eine funktionale Ähnlichkeit zwischen dem Gewinnanspruch aus einer Gesellschaftsbeteiligung und einer Tantiemezusage, wenn sie verbindlich auch hinsichtlich eines bestimmten Berechnungsmodus' ist, nicht zu übersehen: Auch eine Tantiemezahlung stellt eine unmittelbare Teilhabe am Erfolg des geleiteten Unternehmens dar. 303 Zudem hat Wank überzeugend herausgearbeitet, daß eine unternehmensehe Verwertung der eigenen Arbeitskraft weder den Einsatz eigenen Betriebskapitals304 noch

299 Wehrmeyer, Arbeitsrechtliche Einordnung, S. 156; so wohl auch Hucke, AG 1994,397, 401, die die These aufstellt, variable Bezüge dienten in erster Linie nicht einer Erfolgsbeteiligung, sondern als Statusgratifikation der Sicherstellung des Zufriedenheitsniveaus. 300 Groß, Das Anstellungsverhältnis, S. 239 f.; vgl. auch Wehrmeyer, Die arbeitsrechtliche Einordnung, S. 152. 301 Vgl. Wank, Arbeitnehmer, S. 137; auch Diller, Gesellschafter, S. 146. 302 Dies hält Loritz, Mitarbeit, S. 339 flir entscheidend. 303 Dezidiert: Diller, Gesellschafter, S. 146 f.; vgl. auch Henssler, RdA 1992, 289, 291. 304 Wank, Arbeitnehmer, S. 160 f., dies folge aus dem WDR-Beschluß des BVerfG, nach dem beim Rundfunk die Rechtsfigur des freien Mitarbeiters existieren muß, für de-

B. Beschränkungen auf der Rechtsfolgenseite

183

das Auftreten am Markt im eigenen Namen voraussetzt, da Ergebnisbeteiligung und wirtschaftliche Entscheidungsfreiheit unabhängig hiervon denkbar sind.305 Hinzu kommt, daß auch eine Gesellschaftsbeteiligung nicht zwingend die Teilhabe an den stillen Reserven eröffnet; denkbar ist, daß eine Buchwertklausel dem entgegensteht. Andererseits kann sich auch der Gesellschafter vor dem Risiko des Kapitalverlusts durch eine Freistellungsvereinbarung mit den anderen Gesellschaftern zu schützen versuchen. 306 Die Verwandtschaft beider Teilhabeformen könnte auch damit zu belegen sein, daß man in der Praxis dazu neigt, Gesellschaftergeschäftsftihrern möglichst geringe Gewinnanteile, daftir aber hohe Tätigkeitsvergütungen mit großen variablen Anteilen zu zahlen. 307 Ein Tantiemeanspruch kann danach relevante wirtschaftliche Chancen im Sinne der Eigennützigkeit einer Tätigkeit begründen,308 wenn die Tantiemevereinbarung keine Obergrenze beinhaltet. 309 Letztlich kann dieser Einschätzung auch die Argumentation mit Manipulationsmöglichkeiten des Dienstgebers, die daraus folgten, daß er willkürlich die ( arbeits-)rechtliche Position des Beschäftigten zu seinen Gunsten verschlechtern könne, indem er anstelle eines Festgehalts ein Entgelt mit variablen Anteilen verspricht, 310 nicht entgegenstehen. Die Vergütungsform wirkt sich nur in Verbindung damit, daß erhebliche Entscheidungskompetenzen eingeräumt werden, auf die Klassifizierung der Tätigkeit aus. Als problematisch erweist es sich, einen Grenzwert ftir die Höhe der erfolgsabhängigen Bezüge bzw. ftir den Anteil des Tantiemeanspruchs an den Gesamteinkünften des Geschäftsführers zu bestimmen, von dem an von einer relevanten Teilhabe am Unternehmensergebnis gesprochen werden kann. Man könnte danach entscheiden, ob das Entgelt zur Hauptsache aus einem festen Gehalt besteht und nur durch variable Anteile ergänzt wird. 311 Dies könnte es ren Beschäftigung ausschließlich Arbeitseinsatz und Befähigung vorausgesetzt sind; vgl. auch bereits Lieb, RdA 1977,210,214. 30s Wank, Arbeitnehmer, S. 167. Auftreten am Markt im eigenen Namen ist beim Geschäftsflihrer wegen der "dazwischengeschalteten" juristischen Person GmbH ausgeschlossen, gleichwohl wird das Unternehmerische Tätigwerden des Einmanngesellschaftergeschäftsflihrers beispielsweise im Betriebsrenten- oder Sozialversicherungsrecht nicht bezweifelt. 306 Diller, Gesellschafter, S. 146. 3°7 Diller, Gesellschafter, S. 147, klargestellt ist der steuerrechtliche Hintergrund dieser Vorgehensweise. 308 So bereits Plander, RdA 1973, 234, 242. 309 Mögliche Unternehmergewinne sind nicht durch Obergrenzen limitiert, dieser Gesichtspunkt spiegelt sich in den "überproportionalen" Chancen wider. Diller, Gesellschafter, S. 242, zufolge bestehen derartige Obergrenzen regelmäßig nicht; anders aber das Modell ftir ein Tantiemesystem von Semler, FS Budde, S. 599, 610, das die Fixierung eines Höchstbetrags der Gesamtvergütung eines Vorstandsmitglieds vorsieht. Vgl. auch Brandmüller, Der GmbH-Geschäftsführer, S. 69, Rdnr. 144. 3 10 Ausdrücklich: Träger, Die Reichweite, S. 55 f. ; vgl. hierzu auch Wank, Arbeitnehmer, S. 137 und Martens, RdA 1979, 347, 351, Fn. 32. 3 11 Wank, Arbeitnehmer, S. 137, vgl. auch S. 262 f.; siehe auch Martens, RdA 1979, 347, 351.

184

5. Teil: Funktional-teleologische Betrachtung

nahelegen, erst einen hälftigen Anteil312 der variablen Vergütung am Gesamtentgelt als relevante Teilhabe an wirtschaftlichen Chancen zu begreifen. Überzeugend ist es, bei der Bewertung des Tantiemeanspruchs nicht auf die absolute oder relative Höhe des variablen Gehaltsanteils im letzten Abrechnungszeitraum abzustellen, denn dieser repräsentiert nicht zwingend die Chancen, die sich aus dem Tantiemeanspruch ergeben. Entscheidend muß sein, welche Ansprüche sich nach realistischer Einschätzung, beispielsweise unter Zugrundelegung der Produktivitätsdaten und branchenüblicher Durchschnittswerte für Gesellschaftsgewinne, ergeben können. Man könnte geneigt sein, unternehmensehe wirtschaftliche Möglichkeiten bereits dann anzunehmen, wenn die unter realistischen Voraussetzungen maximal erreichbare Tantieme mehr als 30% des regelmäßigen Gehalts ausmacht. Einzugestehen ist hierbei, daß eine derartige Grenzwertfestsetzung willkürlich ist, was aber im Interesse der Rechtssicherheit hinzunehmen sein könnte. 313

(3) Auswirkung einer Gesellschaftsbeteiligung Die Beteiligung an der geleiteten Gesellschaft stellt für Geschäftsfiihrer die typische Form der Wahrnehmung unternehmerischer Chancen dar. Der Gesellschaftsanteil vermittelt bei wirtschaftlicher Betrachtung314 einerseits ein Kapitalrisiko, die Gefahr des Verlustes eingesetzter Geld- oder Sachmittel, andererseits die wirtschaftliche Chance der Teilhabe am Gewinn und - bei Veräußerung des Anteils- an den stillen Reserven der geleiteten Gesellschaft. Problematisch ist, ob jeglicher Gesellschaftsanteil, unabhängig von seiner absoluten und relativen Größe, eine Ergebnisbeteiligung von hinreichendem Gewicht bedeutet, um die unternehmerische, selbständige Nutzung der eigenen Arbeitskraft zu begründen. Ähnlich wie bei der Beurteilung eines Tantiemeanspruchs, könnte man die aus dem Gesellschaftsanteil sich ergebende Gewinnchance ins Verhältnis setzen zum Festgehalt, das der Gesellschaftergeschäftsfiihrer fiir seine Tätigkeit erhält. So wird vertreten, eine Unternehmerische Ergebnisbeteiligung sei dann anzunehmen, wenn die Gewinnanteile - gegebenenfalls unter Zusammemechnung mit einem Tantiemeanspruch- mehr als 30% an den Gesamtbezügen ausmachen. Fallen gesellschaftsrechtliche Gewinnanteile und gewinnabhängige Gehaltsbestandteile demgegenüber in Relation zu dem Fixgehalt nicht ins Gewicht, seien unternehme-

312 Variable Anteile von 50% und mehr sind Diller, Gesellschafter, S. 241, Fn. 470, zufolge selten. Sie seien lediglich bei 2% der Fremdgeschäftsführer anzutreffen. Ygl. auch die Studie von Hucke, AG 1994, 397, 40 I. 313 So Diller, Gesellschafter, S. 241 f. Bei diesem Grenzwert sei eine echte Anreizwirkung der Teilhabe am Unternehmensgewinn gesichert. 314 Ygl. hierzu Groß, Das Anstellungsverhältnis, S. 202 f.; entgegengesetzter Ansicht: Heyll, Die Anwendung, S. 68.

B. Beschränkungen auf der Rechtsfolgenseite

185

rische Chancen relevanten Ausmaßes nicht anzunehmen. 315 Konsequenterweise dürfte aber auch hier nicht auf die in vergangenen Perioden tatsächlich ausgeschütteten Gewinne abgestellt werden; maßgeblich ist, ob der Gesellschaftsanteil eine ins Gewicht fallende Teilhabechance vermittelt. 316 Daher kann auch nicht ohne weiteres auf den Ansatz von Martens317 zurückgegriffen werden, der in seinen Überlegungen zum arbeitsrechtlichen Rechtsformzwang bei der Qualifizierung der Gesellschaftermitarbeit unterhalb der Organebene auf den Schwerpunkt der Einkommensquellen abstellt. Martens räumt ein, daß eine exakte Grenzziehung nicht möglich sei, das gewinnabhängige Einkommen müsse im Verhältnis zu dem aus dem Beschäftigungsverhältnis fließenden "erheblich" sein. Diese vage Abgrenzung kann, da die Belastung des Geschäftsfiihrers mit dem vollen Haftungsrisiko nur dann gerechtfertigt erscheint, wenn dieser Gefahr entsprechende Gewinnmöglichkeiten gegenüberstehen, auch nicht durch das hierzu entwickelte AltemativmodelP 18 präzisiert werden. Es arbeitet mit dem der Beteiligung korrespondierenden Verlustrisiko, während fiir die hier zu treffende Abgrenzung die aus der Beteiligung fließenden Einkommenschancen maßgeblich sind. Letztlich ist eine wirtschaftliche Bewertung des Gesellschaftsanteils, den ein Geschäftsführer hält, notwendig. Weil derartige Größen insbesondere im Hinblick auf die stillen Reserven kaum quantifizierbar sein dürften, könnten - um dem Ziel der Rechtssicherheit Genüge zu tun- pauschalisierende Abgrenzungsmodelle vorzugswürdig sein. Aus der hier untersuchten Bedeutung der Gesellschaftsbeteiligung als unternehmensehe Gewinnteilhabe folgt, daß nicht jegliche Gewinnbeteiligung, unabhängig von ihrem absoluten Ausmaß und von ihrer relativen Bedeutung im Verhältnis zu den für die Tätigkeit gewährten fixen Bezügen, relevante Teilhabemöglichkeiten eröffnet,319 die zur Qualifizierung einer Tätigkeit als "eigennützig" fuhren können. Daher verbietet sich an dieser Stelle ein Rückgriff auf die Regelung des§ 68 GmbHG-RefE 1969320, der die Anwendung der Schutzvorschrift des § 22 KO bei jeglicher Gesellschaftsbeteiligung des Geschäftsfiihrers ausschließen wollte. Eine "Zwergbeteiligung", wie sie beispielsweise dem langjährigen Fremdgeschäftsführer für treue Dienste eingeräumt wird, vermittelt nicht notwendig untemehmerische Chancen in hinreichendem Urnfang. 321 315 Diller, Gesellschafter, S. 370 f. Zur "Zusanunensetzungskontrolle" nach der neuesten Rspr. des BFH, der von verdeckter Gewinnausschüttung ausgeht, wenn das Verhältnis von 25:75 zwischen Tantieme und Festgehalt überschritten wird, vgl. Tillmann/Schmidt, GmbHR 1995, 796, 799 ff. Diese Rspr. könnte Auswirkungen auf die Beurteilung der Tantiemezahlungen an Gesellschaftergeschäftsführer zeitigen. 316 Vgl. die ähnliche Überlegung von Groß, Das Anstellungsverhältnis, S. 290. 317 Martens, RdA 1979,347, 351; krit. hierzu: Groß, Das Anstellungsverhältnis, S. 290. 318 Groß, Das Anstellungsverhältnis, S. 290 ff.; krit. hierzu: Eckardt, ZfA 1987,467,476. 319Vgl. auch Martens, RdA 1979,347,351. 320 Abgedruckt bei Timm, ZIP 1987, 69; so aber der Vorschlag von Eckardt, ZfA 1987, 467, 476 f. hinsichtlich der Arbeitnehmereigenschaft von Geschäftsftihrem. 321 Vgl. Timm, ZIP 1987, 69, 75 zum Problem der Kündigung im Konkurs der Gesellschaft.

186

5. Teil: Funktional-teleologische Betrachtung

In Erwägung zu ziehen sein könnte eine Übemalune der 10%-Grenze aus der BGH-Rechtsprechung zur Anwendbarkeit des BetrAVG322 bei "ganz unbedeutender Beteiligung". Letztere könnte zugleich eine nicht ins Gewicht fallende vermögensmäßige Verstrickung des Geschäftsflihrers mit der Gesellschaft und damit die Grundlage flir die Fremdnützigkeit seiner Tätigkeit begründen. Eine derartige Abgrenzung hätte den Vorzug großer Rechtssicherheit Problematisch ist aber, daß der BGH dieses Kriterium nicht zweifelsfrei der vermögensmäßigen Verbindung des Geschäftsflihrers mit der Gesellschaft zuordnet. Wie bereits ausgeflihrt, betont die Rechtsprechung zur Anwendbarkeit des Betriebsrentenrechts vornehmlich den Einfluß, den der Geschäftsflihrer auf die Gesellschaft ausüben kann. Der I 0%-Grenzwert geht auf Überlegungen von Wiedemann/MolP23 zurück, die zur Beschreibung der lediglich formalen Beteiligung, die eine Mitunternehmerschaft nicht begründen könne, als Orientierungspunkt eine Kapitalbeteiligung gewählt haben, die keinen innergesellschaftlichen Einfluß sichere. Eine geeignete Möglichkeit zur Abgrenzung der Gesellschaftsbeteiligungen, die genügend Gewicht besitzen, um die einer eigennützigen Tätigkeit typischerweise innewohnenden Teilhabemöglichkeiten zu eröffnen, könnte darin bestehen, fixe Grenzen des relativen Anteils des Geschäftsflihrers am Stammkapital der geleiteten Gesellschaft in Abhängigkeit von deren Größe festzulegen. Hierbei könnte man sich beispielsweise an die Differenzierungen des § 267 HGB anlehnen. Letztlich sollte auch hier die Konkretisierung der Rechtsprechung vorbehalten bleiben. Gewinnabhängige, aus der Gesellschaftsbeteiligung eines Ehegatten fließende Teilhabemöglichkeiten sollten dem Geschäftsflihrer zugerechnet werden. Zwar hat der BGH324 es bei der Auslegung des § 17 I 2 BetrAVG eine Zusammenrechnung abgelehnt, da es keinen Erfahrungssatz daflir gebe, daß Familienangehörige stets gleichgerichtete Interessen verfolgten. In der Rechtsprechung zur Anwendbarkeit des Betriebsrentenrechts auf Organmitglieder wird aber vornehmlich auf den Einfluß in der Gesellschafterversammlung abgestellt. Da die Ehe sich jedenfalls bei vereinbarter Gütergemeinschaft und beim gesetzlichen Ehestand der Zugewinngemeinschaft auch als auf Dauer angelegte Wirtschaftsgemeinschaft verstehen läßt, kommen die Gewinnanteile, die ein Ehegatte aus der Beteiligung zieht, auch dem anderen zugute, so daß eine Zu-

322 BGH WM l99I, 524,526. Vgl. auch die Ausflihrungen Wehrmeyers, Die arbeitsrechtliche Einordnung, S. 204 f., ab welcher Beteiligungsgröße der Gesellschaftergeschäftsflihrer ein Unternehmerrisiko zu tragen hat, sei nur flir den Einzelfall feststellbar; bei einer großen und umsatzstarken Gesellschaft könne dies bereits bei einer Beteiligung von lediglich einem Prozent anzunehmen sein, jedenfalls aber reiche eine I O%ige Beteiligung. Offen bleibt aber, woher dieser Grenzwert stammt. 323 Wiedemann/Moll, RdA 1977, I3, 24, Orientierung an: §§50 I GmbHG, I20 I, 142 II AktG. 324 BGHZ 77, 94, I06 = AP Nr. I zu§ I7 BetrAVG.

B. Beschränkungen auf der Rechtsfolgenseite

187

rechnung bei der Beurteilung der Unternehmerischen Teilhabemöglichkeiten gerechtfertigt erscheint.325 c) Unternehmerische Entscheidungsfreiheit Bei variablen, an das Gesellschaftsergebnis gekoppelten Bezügen aufgrund einer Gesellschaftsbeteiligung oder eines Tantiemeanspruchs in hinreichender Größenordnung, die es erlauben, die Nutzung der Arbeitskraft des Geschäftsführers unter dem Gesichtspunkt unternehmerischer Gewinnteilhabe als selbständig aufzufassen, bleibt für die Untersuchung des Merkmals der Fremdnützigkeit im Sinne der Risikohaftungslehre rnitentscheidend, inwieweit er in der Unternehmensleitung autonom agieren und durch eigenverantwortliche Dispositionen selbstbestimmten Einfluß auf die Höhe seiner variablen Bezüge ausüben kann. 326 Die hierfür ausschlaggebende innergesellschaftliche Kompetenzverteilung ist einerseits davon abhängig, ob der Geschäftsführer an der geleiteten Gesellschaft beteiligt ist und andererseits davon, ob und inwieweit vom gesetzlichen Normalstatut abgewichen wird. (1)

Fremdgeschäftsfohrer

(a)

Gesellschaft mit gesetzlichem Normalstatut

Zwar hat der GmbH-Geschäftsführer, wie alle vertretungsberechtigten Organe von Gesellschaften mit eigener Rechtspersönlichkeit, im Außenverhältnis unbeschränkbare, aus der organschaftliehen Stellung entspringende Vertretungsmacht,§ 37 II GmbHG. Ob er mit unternehmenscher Entscheidungsfreiheit ausgestattet ist, bestimmt sich jedoch nach der Geschäftsführungsbefugnis, also danach, ob ihm im Innenverhältnis zu der ihn be- und anstellenden Gesellschaft eine eigenständige, im weitesten Sinne weisungsfreie Leitungs- und Entscheidungskompetenz zukommt; ausschlaggebend ist die Aufgabenverteilung im Verhältnis zu anderen Gesellschaftsorganen. Die Position des Geschäftsführers läßt sich zunächst dadurch charakterisieren, daß das GmbH-Recht die Gesellschafterversammlung als Herrin der Gesellschaft,327 also oberstes Organ mit Letztentscheidungsrecht vorsieht. 328 Kennzeichnend für den Geschäftsfiihrer ist, daß er- anders als der AG-Vorstand - die Geschäfte nicht in eigener Verantwortung wahrnimmt, sondern umfänglicher Weisungsmacht untersteht; eine § 76 I AktG entsprechende Vorschrift ist dem GmbH-Recht fremd. Konsequenz für die Geschäftsführungsbefugnis ist ein dreigeteilter Zuständigkeitsbereich, der aus den bestehenden, fragmentarischen Regelungen des GmbHG hergeleitet wird. Für die Frage nach Ausflihrlich: Diller, Gesellschafter, S. 140 ff. Überzeugend insoweit Diller, Gesellschafter, S. 134 und 150. 327 Rowedder/Koppensteiner, § 37, Rdnr. 22. 328 Hachenburg/Hüffer, § 45 Rdnr. 15; Hommelhoff, ZGR 1978, 119, 121. 325

326

188

5. Teil: Funktional-teleologische Betrachtung

den autonomen Entscheidungskompetenzen des Geschäftsführers sind danach die Bereiche Unternehmenspolitik, außergewöhnliche Geschäfte und laufende Geschäftsflihrung zu unterscheiden. 329 Mittelbar dem Katalog des § 46 GmbHG zu entnehmen ist, daß den Gesellschaftern die alleinige Zuständigkeit zukommt, Entscheidungen zu treffen, die die Grundsätze der Unternehmenspolitik manifestieren. Dies ergibt sich den grundlegenden Feststellungen Hommelhoffs330 zufolge aus § 46 Nr. 1, 5, 7 und aus§ 38 GmbHG, die den Gesellschaftern umfassende Finanz- und Personalkompetenz verleihen und die Grundlage daflir bilden, die künftige Unternehmenspolitik zu steuern. Ebenfalls in diesem Zusammenhang zu nennen ist die Befugnis der Gesellschafter, die Vertretungsmacht des Geschäftsflihrers im Innenverhältnis zu begrenzen,§ 37 I GmbHG.331 Die Grundkonzeption des GmbHG läßt sich somit als Gesellschafterdemokratie beschreiben. Oberstes Willensorgan ist die Gesellschaftergesamtheit, sie hat das Letztentscheidungsrecht mit umfassender Sachentscheidungs- und Organisationskompetenz.332 Diese Herrschaftsverteilung setzt sich hinsichtlich der Autorität, außergewöhnliche Maßnahmen zu beschließen, fort. Für Entscheidungen, die gegenüber dem bisherigen Geschäftsbetrieb aus dem Rahmen fallen, sind die Geschäftsführer nicht zuständig; sie müssen gern. § 49 II GmbHG die Gesellschafterversammlung einberufen, was einer Vorlagepflicht entspricht. 333 In die originäre Zuständigkeit der Geschäftsführer fällt damit bei einer Gesellschaft nach dem gesetzlichen Normalstatut lediglich die laufende Geschäftsführung. Hiermit umschrieben ist der Bereich der tatsächlichen und rechtsgeschäftliehen Handlungen, die der gewöhnliche Betrieb des Unternehmens erfordert, und der organisatorischen Maßnahmen bei der üblichen Gesellschaftsverwaltung.334 Aber auch in diesem Bereich besteht keine autonome Entscheidungskompetenz der Geschäftsflihrer. Neben den sich hier auswirkenden untemehmenspolitischen Vorgaben besteht eine umfassende Weisungsbefugnis der Gesellschafterversammlung mit korrespondierender Folgepflicht der Geschäftsführer.335 Sie folgt zunächst aus § 37 I GmbHG; darüber hinaus kann dem gesetzlichen Konzept der Kompetenzverteilung in der GmbH entnommen werden, daß den Geschäftsführern neben Weisungen genereller Art auch solche hinsichtlich einzelner, konkreter Maßnahmen erteilt werden können, der Geschäftsführer kann zum bloßen Exekutivorgan gemacht werden. Nach überwie329 Hommelhoff, ZGR 1978, 124; vgl. auch Scholz/Schneider, § 37, Rdnr. 4 ff. 330 Hommelhoff, ZGR 1978, 124 ff. 331 Hommelhoff, ZGR 1978, 124; BGH DB 1991 , 904, 906; abw.: Baumbach!Hueck!Zöllner, § 37, Rdnr. 6. 332 Wie§ 45 GmbHG zeigt, auch die "Kompetenz-Kompetenz", Hachenburg/Hüffer, § 45, Rdnr. 15; Hommelhoff, ZGR 1978, 119, 121. 333 Siehe nur Hachenburg/Mertens, § 37, Rdnr. 4. 334 Scholz/Schneider, § 37, Rdnr. 14; Rowedder/Koppensteiner, § 37, Rdnr. 6: Geschäftsführung im engeren Sinn. 335 Vgl. nur Scholz/Schneider, § 37, Rdnr. 5 m.w.N.

B. Beschränkungen auf der Rechtsfolgenseite

189

gender Auffassung verbleibt ihm nicht einmal ein weisungsfreier Kernbereich autonomer Geschäftsftihrungsbefugnis. 336 Seine Kompetenzen dürfen lediglich nicht insoweit eingeschränkt werden, daß er seinen gesetzlichen Pflichten, die ihm im öffentlichen Interesse auferlegt sind, nicht mehr nachkommen kann, lediglich so weit reicht die uneingeschränkte, eigenverantwortliche Geschäftsftihrungskompetenz. 337 Bei einer dem gesetzlichen Normalstatut entsprechenden innergesellschaftlichen Kompetenzverteilung sind originäre, eigenverantwortlich gestaltende Befugnisse des Geschäftsftihrers nicht erkennbar. Unternehmerische Entscheidungsfreiheit, wie sie ftir einen selbständigen, unternehmerisch Tätigen typisch ist, kommt ihm nicht zu. 338 Die Weisungsbindung zeitigt Auswirkungen auf die Entscheidungskompetenzen des Geschäftsführers unabhängig davon, ob sich die Weisungen lediglich auf das Amtsverhältnis, die Organstellung, oder gleichzeitig auch auf das Anstellungsverhältnis beziehen. Deutlich wird, daß die strikte Trennung beider Ebenen hier auf einer rein formalen Argumentationsweise beruht.339 Die an dieser Stelle zu ermittelnde Selbständigkeit, verstanden als unternehmerische Entscheidungsfreiheit, wird durch Weisungen einer übergeordneten Instanz unabhängig von der begrifflichen Einordnung des Weisungsverhältnisses signifikant beschränkt oder gar ausgeschlossen. 340 Es kann letztlich nicht ausschlaggebend sein, in welchem Umfang der Geschäftsftihrer im konkreten Einzelfall Weisungen der Gesellschafter unterworfen ist. Zwar sind grundsätzlich ihm verbleibende Unternehmerische Entscheidungsspielräume desto unwahrscheinlicher, je mehr Weisungen er unterliegt. Einschränkungen der Dispositionsautonomie folgen aber nicht nur aus der konkret ausgeübten Weisungsbefugnis, sondern bereits aus einer "organisatorischen Eingliederung", die zunächst durch eine nachträgliche Kontrolle bzw. Prüfung und Überwachung durch einen anderen entstehen kann. 341 Einer solchen unterliegt der Fremdgeschäftsführer gern. § 46 Nr. 6 GmbHG durch die Gesellschafterversammlung, der - infolge der Unterordnung des Geschäftsftihrers unter die Gesellschafterversammlung als ranghöchstes Gesellschaftsorgan ein umfassendes Kontrollrecht zukommt. 342 Gegen die Relevanz der konkret zu 336 Hachenburg/Mertens, § 37, Rdnr. 9; a.A.: Baumbach/Hueck/Zöllner, § 37, Rdnr. 9; vgl. auch Hommelhoff, ZGR 1978, 119, 128 ff. Gegen die Annahme eines weisungsfreien Kernbereichs spricht entscheidend, daß dieser nicht mit der erforderlichen Präzision abgrenzbar ist, Hachenburg/Mertens, a.a.O. 337 Ansonsten können die Gesellschafter nach der gesetzlichen Konzeption der Herrschaft in der GmbH überall kontrollierend, anordnend, verbietend und ersetzend eingreifen, sofern ihnen dieses Recht nicht genommen ist; der Geschäftsflihrer kann durch Beschlüsse einer allumfassenden Weisungsbindung unterworfen werden, Scholz/Schneider, § 37, Rdnr. 28. 338 So auch Diller, Gesellschafter, S. 132. 339 Vgl. Henssler, RdA 1992,289,292. 340 Diller, Gesellschafter, S. 131. 341 Wank, Arbeitnehmer, S. 150, 157. 342 Vgl. Scholz/K. Schmidt, § 46, Rdnr. 111 ; Hachenburg/Hüffer, § 46, Rdnr. 77.

190

5. Teil: Funktional-teleologische Betrachtung

ermittelnden .,Weisungsdichte" spricht auch der seit langem akzeptierte Grundsatz, daß der Geschäftsführer keine Entscheidung treffen darf, von der anzunehmen ist, daß die Gesellschafter sie mißbilligen. 343 Auch hierin spiegelt sich die Stellung des Geschäftsführers wider, der als Verwalter fremden Vermögens dem Willen des obersten Gesellschaftsorgans unterworfen ist. Maßgebend sind nicht nur konkrete Weisungen, sondern darüber hinaus auch die allgemeinen Vorstellungen der Gesellschafter. Die jederzeitige Widerrufbarkeit der Bestellung, § 38 I GmbHG, dürfte dafür sorgen, daß der Geschäftsführer die Konzeptionen der Gesellschafter so weit verinnerlicht, daß es häufig konkreter Anweisungen gar nicht mehr bedarf. 344 Insofern erscheint es sachgerecht, wirtschaftliche Entscheidungsfreiheit des Geschäftsführers in einem Ausmaß, das eigellllütziger, selbständiger Tätigkeit typischerweise zugrundeliegt, nicht anzunehmen, solange nicht auf rechtlicher Ebene Abweichungen von der Grundkonzeption der Kompetenzverteilung nach gesetzlichem Normalstatut deutlich werden. Hierfür sind abweichende Regelungen im Gesellschaftsvertrag oder im Anstellungsvertrag notwendig. 345 Entsprechend sollten allein aus der Beteiligung des Ehegatten des Geschäftsführers keine Rückschlüsse auf seine illllergesellschaftlichen Kompetenzen gezogen werden. 346 (b) Abweichungen vom gesetzlichen Normalstatut Die Gesellschafter köllllen - anders als in der Aktiengesellschaft, vgl. § 23 V AktG- bei der GmbH die Stellung der Geschäftsführer und deren Verhältnis zur Gesellschafterversammlung modifizieren, es gilt der Grundsatz der Satzungsfreiheit347 Der Gesellschaftsvertrag kallll dem Geschäftsführer bestimmte Aufgaben zur autonomen Wahrnehmung übertragen348 oder seine Stellung insgesamt so ausbauen, daß sie sich der des AG-Vorstands angleicht. Letzterenfalls entscheiden die Geschäftsführer autonom auch über die Unternehmenspolitik und ungewöhnliche Maßnahmen, mit Ausnahme derjenigen, die unmittelbar und

Vgl. Scholz/Schneider, § 37, Rdnr. 9; Rowedder/Koppensteiner, § 37, Rdnr. 8. Vgl. Hommelhoff, ZGR 1978, 119, 125 f. 345 Das Abstellen auf die rechtliche Ausgestaltung der Kompetenzverteilung birgt den Vorteil der Rechtssicherheit Stehen einem Fremdgeschäftsflihrer tatsächlich umfassende Entscheidungskompetenzen zu, haben es die Gesellschafter in der Hand, dies durch Umsetzung im Gesellschafts- oder Anstellungsvertrag zu dokumentieren, vgl. in diesem Sinne: Wehrmeyer, Die Einordnung, S. 159; Heyll, Die Anwendbarkeit, S. 48, 110 f. jeweils zur Weisungsabhängigkeit im Sinne des allgemeinen Arbeitnehmerbegriffs. 346 Vgl. BGHZ 77, 94, 106 zur Anwendbarkeit des Betriebsrentenrechts; zustimmend: Höfer/Abt, § 17 BetrAVG, Rdnr. 77. 347 Scholz/Schneider, § 37, Rdnr. 20; Lutter/Hommelhoff, § 37, Rdnr. 25. 348 Rowedder/Koppensteiner, § 37, Rdnr. 26. 343

344

B. Beschränkungen auf der Rechtsfolgenseite

191

nachhaltig in die Mitgliedschaftsrechte der Gesellschafter eingreifen.349 Die Aufnalune derartiger Vereinbarungen lediglich in den Anstellungsvertrag ist problematisch.350 Teilweise geht man davon aus, daß für die Änderung der Organisationsverfassung der GmbH in eine zumindest aktienrechtsähnliche der Anstellungsvertrag keine hinreichende Grundlage bildet, solange nicht die Gesellschafter dieser Abweichung vom gesetzlichen Normalstatut mit Mehrheitsbeschluß i.S.v. §53 II GmbHG zugestimmt haben351 und dieser im Handelsregister eingetragen wurde. 352 Nicht abschließend geklärt ist auch, ob § 49 II GmbHG vollständig dispositiv ist. 353 Die nach § 46 GmbHG der Gesellschafterversammlung zugewiesenen Aufgaben können zum Teil auf die Geschäftsführer übertragen werden. 354 Wird dem Geschäftsführer eine dem AG-Vorstand angenäherte Stellung eingeräumt, ist unternelunerische Entscheidungsfreiheit anzunelunen. Die gleichwohl bestehende Kontrollbefugnis355 kann die dann eingeräumten Kompetenzen nicht aufwiegen. Werden umgekehrt die Befugnisse des Geschäftsführers im Anstellungsvertrag oder in der Satzung weiter eingeengt, beispielsweise durch Zustimmungsvorbehalte für bestimmte Geschäfte, die typisch für Anstellungsverträge von Fremdgeschäftsführern sind,356 sprechen derartige Gestaltungen - wie auch die Bestellung eines mit Weisungsrechten ausgestatteten Beirats357 - zusätzlich gegen unternelunerische Entscheidungsfreiheit des Geschäftsführers. 358 (c)

Auswirkung zwingender Mitbestimmung?

(aa) MitbestG 1976, Montan-MitbestG Nicht abschließend geklärt ist, wie sich die Existenz eines obligatorischen Aufsichtsrats auf den Grundsatz der Weisungsgebundenheit des Geschäftsführers auswirkt. Zwar verändert nach überwiegender Ansicht des GmbHLutter/Hommelhoff, § 37, Rdnr. 25 m.w.N.; Schol:zJSchneider, § 37, Rdnr. 20. Vgl. Schol:zJSchneider, § 37, Rdnr. 56. 351 Lutter/Hommelhoff, § 37, Rdnr. 20; Fleck, ZGR 1988, 104, 135 f. 352 Insoweit anders: Fleck, ZGR 1988, 104, 135 f. Insgesamt abw. offenbar: MeyerLandruth/Miller/Niehus, § 35-38, Rdnr. 84. Eine lediglich schuldrechtliche, nicht gesellschaftsrechtliche Wirkung ist angenommen bei Rowedder!Koppensteiner, § 37, Rdnr. 27; Eisenhardt, FS Pfeiffer, S. 839, 846. 353 Lutter/Hommelhoff, § 49, Rdnr. 2; Rowedder/Koppensteiner, § 49, Rdnr. 8. 354 Diller, Gesellschafter, S. 194 m.w.N. m Vgl. Schol:zJK. Schmidt, § 46, Rdnr. 18. 356 Rowedder/Koppensteiner, § 37, Rdnr. 19; Schol:zJSchneider, § 37, Rdnr. 56. Vgl. die Beispiele bei Groß, Das Anstellungsverhältnis, S. 226 f. 357 § 111 IV S. 1 AktG gilt nicht für den fakultativen Aufsichtsrat, § 52 II GmbHG; vgl. hierzu Schol:zJSchneider, § 37, Rdnr. 32. 358 V gl. Dill er, Gesellschafter, S. 195 f. 349

35o

192

5. Teil: Funktional-teleologische Betrachtung

rechtlichen Schrifttums359 das Eingreifen der zwingenden Mitbestimmung nach MitbestG 1976 und MontanmitbestG die Kompetenzverteilung in der GmbH jedenfalls nicht grundlegend, die Frage ist aber infolge der weitgehenden Offenheit des MitbestG umstritten. Abzulehnen ist zunächst die Ansicht, nach der sich durch die Einschaltung eines zwingend vorgeschriebenen Aufsichtsrats, der mit Vertretern der Kapitaleigner und Arbeitnehmer paritätisch besetzt ist, eine Annäherung an die Organisationsstruktur der Aktiengesellschaft ergibt, so daß Geschäftsführungsbefugnisse und Weisungsrecht der Gesellschafterversammlung entfielen. Zur Begründung derartiger Kompetenzverschiebungen wird ausgeführt, der Grundsatz des§ 119 II AktG, nach dem die Hauptversammlung von der Geschäftsführung ausgeschlossen ist, baue auf§ 111 IV AktGaufund gelte auch ohne ausdrückliche Verweisung in§ 25 I MitbestG 1976 ftir die GmbH. Diese Auslegung folge dem Zweck des MitbestG, nach dem der Unternehmensleitung bei allen mitbestimmten Großunternehmen ein bestimmtes Maß an eigenverantwortlicher Leitungsmacht zuzustehen habe, nur so sei eine "interessendualistische Unternehmenspolitik" sichergestellt. 360 Gegen diese Sicht spricht bereits die Fassung des Gesetzes, das MitbestG verweist auf§ 111, aber gerade nicht auf die §§ 76, 119 II AktG361 • Dies zeigt, daß eine der AG entsprechende Kompetenzverteilung nicht intendiert ist, 362 auch die durch § 30 MitbestG begründete Vermutung für die Beibehaltung der jeweiligen gesellschaftsspezifischen Kompetenzordnung ist hierfür Beleg.363 Aus mitbestimmungsrechtliehen Erwägungen könnte gleichwohl ein Mindestbereich eigenverantwortlicher Leitungskompetenz für den Geschäftsführer zu folgern sein. Eine normative Stärkung der Geschäftsfuhrerstellung dergestalt, daß ein weisungsfreier Bereich hinsichtlich der laufenden Tagesgeschäfte zu konstatieren sei, bei gleichzeitiger Beschränkung des Weisungsrechts der Gesellschafterversammlung auf grundsätzliche oder für die Geschäftsführung wesentliche Fragen, könnte aus einer vom MitbestG intendierten stärkeren Gewichtung der Arbeitnehmerinteressen im Unternehmen und aus der Personalkompetenz des paritätisch besetzten Aufsichtsrats, § 84 AktG, zu folgern sein. Beide Gesichtspunkte führten zur Erweiterung der Legitimationsbasis des vom Aufsichtsrat bestellten Vertretungsorgans, mit der die Stellung der Ge-

359 Vgl. nur Hachenburg/Mertens, Rdnr. II zu§ 37 und Rdnr. 5 ff. zu§ 35; Rowedder/Koppensteiner, Rdnr. 23 und Scholz/Schneider, Rdnr. 41 f. jeweils zu § 37 und demgegenüber Hanau/Uimer, MitbestG, § 30, Rdnr. 20 m.w.N. 360 Ausführlich hierzu mit entsprechenden Nachw.: Eckardt, Die Beendigung, S. 98 f., der diese Ansicht ablehnt, S. 99 ff. Vgl. auch Hachenburg/Mertens, § 37, Rdnr. II und Rowedder/Koppensteiner, § 37, Rdnr. 23. 361 Rowedder/Koppensteiner, § 37, Rdnr. 23. 362 Vgl. nur Rowedder/Koppensteiner, § 37, Rdnr. 23 . 363 Eckardt, Die Beendigung, S. I 00 mit Hinweis auf die amtliche Begründung zum MitbestGin Fn. 201. Vgl. auch Scholz/Schneider, § 37, Rdnr. 42.

8. Beschränkungen auf der Rechtsfolgenseite

193

schäftsflihrer als "bloße Marionetten" der Gesellschafterversammlung unvereinbar erscheine. 364 Wäre dieser Auffassung zu folgen, erhielte der Geschäftsflihrer in einer mitbestimmten Gesellschaft flir den Bereich der laufenden Tagesgeschäfte unternehmerische Entscheidungs- und Initiativkompetenz,365 so daß dann zu klären wäre, ob diese - partielle - autonome Kompetenz für die Annahme unternehmenscher Entscheidungsfreiheit i.S.d. Abgrenzung zwischen abhängiger und selbständiger Nutzung der Arbeitskraft ausreichend ist. Aus der Argumentation mit dem "Mitbestimmungstelos" folgt jedoch keineswegs zwingend eine generelle Einschränkung des Weisungsrechts der Gesellschafter. Diesem Zweck ließe sich auch durch geeignete Verfahrensregeln und durch die Entwicklung besonderer Verhaltensmaßstäbe Rechnung tragen. 366 Weisungen, die zwar Partikularinteressen der Gesellschafter entsprechen mögen, die aber wesentliche Arbeitnehmerbelange eindeutig beeinträchtigen, dürfen danach nicht ausgesprochen werden bzw. binden die Geschäftsführer nicht. 367 Zumindest gegen weiterreichende Kompetenzverschiebungen spricht eine Parallelbetrachtung der konzernrechtlichen Regelung in § 308 AktG. Das in dieser Norm tatbestandlieh vorausgesetzte Weisungsrecht gegenüber dem Vorstand der beherrschten und dem MitbestG unterliegenden Gesellschaft entspricht der Situation in der mitbestimmten GmbH. Im Rahmen dieser Vorschrift steht dem Vorstand der beherrschten Gesellschaft - ohne Rücksicht auf mitbestimmungsrechtliche Begebenheiten - keinerlei Freiraum flir autonome Entscheidungen zu; einen solchen ftir den Geschäftsflihrer der mitbestimmten GmbH anzunehmen, hieße, sich in einen Wertungswiderspruch zu § 308 AktG zu begeben. 368 Die Problematik, wie der umfangreiche Zustimmungsvorbehalt des mitbestimmten Aufsichtsrats, § 111 IV AktG, im einzelnen mit dem Weisungsrecht der Gesellschafterversammlung zu koordinieren ist,369 kann hier zurückstehen. Selbst wenn in den Fällen, in denen ein Zustimmungsvorbehalt besteht und der Zöllner, ZGR 1977, 319, 325 f.; Hanau/Ulmer, § 30 MitbestG, Rdnr. 20. Vgl. Hommelhoff, ZGR 1978, 130, 138. 366 Rowedder/Koppensteiner, § 37, Rdnr. 23, 28 und 32; Hachenburg/Mertens, § 37, Rdnr. II . 367 Rowedder/Koppensteiner, § 37, Rdnr. 28 m.w.N.; a.A. Hachenburg/Mertens, § 35, Rdm. I 0. 368 Baumann, ZHR 142 (1978), 557, 575 f.; ihm folgend Rowedder/Koppensteiner, § 37 Rdnr. 23. Gegen diese Argumentation: Reuter, AcP 179 (1979), 509, 539, nach dessen Ansicht die Voraussetzungen für eine Parallelbetrachtung nich vorliegen, da die herrschende Gesellschaft anders als die Gesellschafter einer GmbH wegen §§ 302 I, 304 AktG verschuldensunabhängig für das Unternehmensrisiko hafte, weshalb - anders als in der GmbH - nur hier der Grundsatz der Unvereinbarkeit von Mitbestimmung und persönlicher Haftung eingreifen könne. 369 Hierzu Baumann, ZHR 142 (1978), 557 ff.; Hachenburg/Raiser, §52, Rdnr. 287; vgl. auch Gisse), Arbeitnehmerschutz, S. 85 f. m.w.N. 364

365

13 Frisch

5. Teil: Funktional-teleologische Betrachtung

194

Aufsichtsrat die Zustimmung verweigert, die Gesellschafter die von ihnen beschlossene Geschäftsführungsmaßnahme nur noch bei einem erneuten Beschluß mit Dreiviertelmehrheit durchsetzen könnten, 370 ergäbe sich hierdurch lediglich eine kleine und indirekte Verstärkung der Position der Geschäftsführer, indem es bei zustimmungspflichtigen Geschäften ggf. einer qualifizierten Mehrheit in der Gesellschafterversammlung bedürfte, die Beschlüsse durchzusetzen. Da zudem das Übergewicht der Anteilseignerseite im Aufsichtsrat durch das Zweitstimmrecht des Vorsitzenden bei Pattsituationen das Zustimmungserfordernis relativiert, kann diese aus der Mitbestimmung möglicherweise folgende minimale Änderung der Position des Geschäftsführers hier vernachlässigt werden. 371 (bb) BetrVG 1952 Infolge der Mitbestimmung gern. § 77 BetrVG 1952 wird eine Stärkung der Geschäftsführerstellung nicht in Betracht gezogen. Die innergesellschaftliche Kompetenzstruktur verändert sich durch dieses Mitbestimmungsmodell kaum, da der Aufsichtsrat nicht zum gleichberechtigten Unternehmensleitungsorgan wird. Das Weisungsrecht der Gesellschafterversammlung bleibt, unabhängig von den bestehenden Rechten des Aufsichtsrats, unbeschränkt. 372 (cc) Zwischenergebnis Im Ergebnis verändert das Eingreifen zwingender Mitbestimmung die Kompetenzverteilung in der GmbH nicht so weitgehend, daß sich hieraus eine andere Beurteilung der Unternehmerischen Entscheidungsfreiheit des Fremdgeschäftsführers ergibt. 373 Gleiches gilt für den Fall der Bildung eines fakultativen Aufsichts- oder Beirats. 374

(2)

Gese/lschaftergeschäftsfohrer

Die Betrachtung der Kompetenzverteilung in einer dem gesetzlichen Normalstatut unterfallenden Gesellschaft zeigt, daß der Gesellschafterversammlung als ranghöchstem Organ der "Gesellschafterdemokratie" die hier relevanten unternehmerischen Initiativ- und Entscheidungskompetenzen zustehen. Der Geschäftsführer partizipiert daher in dem Umfang an diesen Zuständigkeiten, wie er als Gesellschafter über seinen Einfluß in der Gesellschafterversammlung die un370 Dagegen dezidiert Eckardt, Die Beendigung, S. 100 f. m.w.N. Der Grundsatz, daß Gesellschafterentscheidungen kontrollfest und mitbestimmungsfeindlich zu bleiben haben, dürfe nicht unterlaufen werden. 371 Siehe auch Gisse), Arbeitnehmerschutz, S. 85 f. m.w.N. m Vgl. nur Scholz/Schneider, § 37, Rdnr. 40. 373 So bereits Diller, Gesellschafter, S. 196 ff. 374 Vgl. hierzu Eisenhardt, FS Pfeiffer, S. 839, 846 ff.

B. Beschränkungen auf der Rechtsfolgenseite

195

ternehmerischen Ziele und die Prämissen fiir deren Umsetzung im Bereich der laufenden Tagesgeschäfte mitbestimmen kann. Sein Einfluß bemißt sich nach der gesetzlichen Vorgabe des§ 47 I, II GmbHG nach der Kapitalbeteiligung, die Gesellschafter entscheiden durch Beschlußfassung mit der Mehrheit der abgegebenen Stimmen, wobei sich die Anzahl der jedem Gesellschafter zustehenden Stimmen aus der Höhe seines Kapitalanteils bestimmt. Ein rechtlich gesicherter Einfluß des Gesellschaftergeschäftsfiihrers in der Gesellschafterversammlung folgt primär aus dem Gesellschaftsvertrag, aber auch weitere V ereinbarungen zwischen den Gesellschaftern bezüglich des Willensbildungsprozesses in der Gesellschafterversammlung, wie z.B. besondere Mehrheitserfordemisse, Stimmbindungsverträge und Mehrstimmrechte, können sich auswirken. 375 Die mit der Frage der unternehmefischen Entscheidungsfreiheit des Gesellschaftergeschäftsfiihrers verwandte Fragestellung, ab welcher Größe der Gesellschaftsbeteiligung bzw. bei welchen Beteiligungskonstellationen sich ein hinsichtlich der arbeitsrechtlichen Statusbestimmung relevanter Einfluß des Geschäftsfiihrers in der Gesellschafterversammlung ergibt, ist in der Literatur zum Teil in deutlicher Anlehnung an die BGH-Rechtsprechung zur Anwendbarkeitdes BetrAVG376 - umfassend erörtert worden. 377 (a)

Die Kompetenz des zumindest paritätisch beteiligten Geschäftsfiihrers

Allein- und Mehrheitsgesellschaftergeschäftsfiihrer verfUgen über autonome unternehmefische Kompetenzen. Dies gilt zunächst fraglos fiir beherrschende Gesellschafter, die über die qualifizierte Stimmenmehrheit i.S. v. § 53 II 1 GmbHG verfiigen; sie können jeglichen Beschluß in der Gesellschafterversammlung allein aufgrund ihres Stimmgewichts erzwingen. 378 Die Beherrschungsvermutung des Konzernrechts spricht aber deutlich dafiir, daß in aller Regel auch die einfache Mehrheit ausreicht, einer Gesellschaft den eigenen Willen aufzuzwingen, sie also entscheidend zu lenken. 379 Darüber hinaus eröffnet eine Beteiligung von exakt 50% dem Gesellschaftergeschäftsfiihrer die Fähigkeit, ihm nicht genehme Weisungen zu verhindern, so daß auch bei hälftiger Beteiligung von unternehmenscher Entscheidungsfreiheit auszugehen ist. 380 375 Vgl. Groß, Das Anstellungsverhältnis, S. 260; Heyll, Die Anwendung, S. 169 jeweils zu Frage der Weisungsabhängigkeit i.S.d. herkömmlichen Arbeitnehmerbegriffs. 376 Hierzu oben B III I a); vgl. auch Brachert, Organmitgliedschaft, insb. S. 181. 377 Vgl. Groß, Das Anstellungsverhältnis, zur Frage der Weisungsabhängigkeit, S. 259 ff., aus der er vorrangig den Arbeitnehmerstatus eines Geschäftsführers herzuleiten versucht; Heyll, Die Anwendung, S. 167 ff., der die Kompetenzfrage ebenfalls unter dem Gesichtspunkt der Weisungsabhängigkeit betrachtet, hieraus aber lediglich die Grundlage für eine entsprechende Anwendbarkeit arbeitsrechtlicher Regelungen herleitet. 378 Vgl. nur Groß, Das Anstellungsverhältnis, S. 261. 379 Hommelhoff/Timm, KTS 1981, 289, 305, bezogen auf Gesellschaft nach gesetzlichem Normalstatut 3so Siehe hierzu Heyll, Die Anwendung, S. 172.

!3•

196

5. Teil: Funktional-teleologische Betrachtung

Hinsichtlich der Gesellschaften, bei denen Personenidentität zwischen Gesellschaftern und Geschäftsführern bei paritätischen Beteiligungsverhältnissen besteht, haben Überlegungen zur Anwendbarkeit des Betriebsrentenrechts überzeugend verdeutlicht, daß in dieser Konstellation alle Gesellschaftergeschäftsführer unternehmerische Kompetenzen innehaben. Auch bei mehr als zwei Geschäftsführern, wenn also nicht nur ein Zwang zur Kompromißfmdung wie bei hälftig Beteiligten besteht, sondern darüber hinaus die Möglichkeit gegeben ist, bei jeder konkreten Entscheidung überstimmt zu werden, liegt hier eine ,,Absprache unter Gleichgeordneten" vor, der zu folgen ist. Die Möglichkeit, jeweils zur Mehrheit oder zur Minderheit zu gehören, führt nicht dazu, daß hier unternehmecisehe Entscheidungen "eines anderen" auszuführen sind.381 (b) Der Einfluß des Minderheitsgesellschaftergeschäftsführers Es ist nicht abschließend geklärt, wie der Einfluß eines Geschäftsführers mit Minderheitsbeteiligung in der Gesellschafterversammlung zu beurteilen ist. In der Literatur sind hierzu differenzierte Modelle entwickelt worden, um festzustellen, ob bestimmten Organpersonen der Arbeitnehmerstatus zuzubilligen ist. 382 Es ist als Verdienst dieser Überlegungen anzusehen, dargestellt zu haben, daß nicht allein aus der Größe des auf den Geschäftsführer anfallenden Anteils am Gesellschaftskapital auf die Bedeutung seines Einflusses in der Gesellschafterversammlung geschlossen werden kann. Bedeutung entfaltet in gleichem Maße die weitere Verteilung der Beteiligungen.383 Umstritten bleibt, ob der Einfluß des Geschäftsführers im Rahmen der normalen Beschlußfassung384 oder bereits derjenige auf satzungsändernde Beschlüsse385 als maßgeblich anzusehen ist und ob jeglicher potentielle Einfluß 386 oder nur der gleichberechtigte387 der Weisungsabhängigkeit entgegensteht.

Im hier zu klärenden Zusammenhang stellt sich eine "Beteiligungsarithmetik", zu der die in der Literatur entwickelten, differenzierteren Modelle führen, nicht als sachgerecht dar. Bei der Frage, ob sich für den Minderheitsgesellschaftergeschäftsführer Einflußmöglichkeiten ergeben, mit deren Hilfe er den variablen Teil seines Einkommes - die Höhe der Gewinnbeteiligung und ggf. des Tantiemeanspruchs 381 Siehe hierzu Honunelhoff/Tinun, KTS 1981,289,309 m.w.N., die hier anders als der BGH von einer widerlegbaren Vermutung ausgehen; vgl. auch Groß, Das Anstellungsverhältnis, S. 262 f. 382 Groß, Das Anstellungsverhältnis, insb. S. 259 ff. , bzw. um eine Basis für die analoge Anwendung von Arbeitsrecht zu definieren, Heyll, Die Anwendbarkeit, S. 167 ff. 383 Groß, Das Anstellungsverhältnis, S. 268 ff.; insoweit ihm folgend: Heyll, Die Anwendbarkeit, S. 175; vgl. hierzu auch Eckardt, ZfA 1987, 467, 475. 384 So Heyll, Die Anwendung, S. 178. 385 So Groß, Das Anstellungsverhältnis, S. 266 ff., 271 f. 386 So Groß, Das Anstellungsverhältnis, S. 268 ff. 387 So Heyll, Die Anwendbarkeit, S. 176 ff., gleichberechtigter Einfluß verstanden als Abwesenheit eines Machtgef