Grundzüge der Angewandten Mikroökonomie 9783486715927, 9783486713152

Systematisch den mikroökonomischen Alltag erschließen

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German Pages [461] Year 2012

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Grundzüge der Angewandten Mikroökonomie
 9783486715927, 9783486713152

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Grundzüge der Angewandten Mikroökonomie von

Prof. Dr. Johannes Natrop Hochschule Bonn-Rhein-Sieg

2., vollständig überarbeitete und erweiterte Auflage

Oldenbourg Verlag München

Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar. © 2012 Oldenbourg Wissenschaftsverlag GmbH Rosenheimer Straße 145, D-81671 München Telefon: (089) 45051-0 www.oldenbourg-verlag.de Das Werk einschließlich aller Abbildungen ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung außerhalb der Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist ohne Zustimmung des Verlages unzulässig und strafbar. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und die Einspeicherung und Bearbeitung in elektronischen Systemen. Lektorat: Dr. Stefan Giesen Herstellung: Constanze Müller Titelbild: thinkstockphotos.de Einbandgestaltung: hauser lacour Gesamtherstellung: Grafik & Druck GmbH, München Dieses Papier ist alterungsbeständig nach DIN/ISO 9706. ISBN 978-3-486-71315-2 eISBN 978-3-486-71592-7

Vorwort zur 2. Auflage Die zweite Auflage verfolgt stärker als zuvor das Anliegen, durch eine strukturierende Analyse die molekularen Bausteine wirtschaftlichen Denkens herauszuarbeiten und in ihrer Gesamtwirkung zu verdeutlichen. Das Buch fand bei den Studierenden immer wieder positive Resonanz. Dies zeigt, dass der gewählte analytische Ansatz durchaus auf Akzeptanz stößt, wenn Theorie und Praxis auf anschauliche Weise miteinander verzahnt werden. Die aktuelle Auflage zielt noch intensiver darauf ab, theoretische Exaktheit und praktische Anwendung in Einklang zu bringen. Hierzu wurden viele Passagen überarbeitet und durch weitere graphische Übersichten und Abbildungen verständlicher gestaltet. Zusätzliche Aufgaben mit Klausurbezug und ihre Lösungen sollen die Ausführungen veranschaulichen und eine systematische Klausurvorbereitung unterstützen. Aktuelle wirtschaftspolitische Themen wie z. B. die Wirtschafts-, Finanz- und Bankenkrise, die Klimaerwärmung, die Energiewende oder bildungspolitische Herausforderungen konnten in die Analyse aufgenommen werden. Die vorliegende Auflage unterstreicht deutlich, dass es sich bei der Mikroökonomie in erster Linie um eine Allokationstheorie handelt. Diese setzt sich mit der Frage auseinander, in welcher Weise und in welchem Umfang im ökonomischen Alltag der Einsatz von Gütern, Ressourcen, Wissen etc. zielorientiert erfolgt und welche Ergebnisse hieraus für die Wohlfahrt der Volkswirtschaften resultieren. Dabei wird im Grundsatz vom „homo oeconomicus“ – d. h. dem rational handelnden Menschen – ausgegangen. Auch wenn im Wirtschaftsalltag die Annahme rationalen Verhaltens aufgrund fehlender Informationen, Suchkosten sowie infolge emotional getroffener Entscheidungen häufig nicht gegeben ist, reicht es doch für viele Fragestellungen aus, Rationalität im Trend oder im Durchschnitt der vielen Entscheidungen der Wirtschaftsteilnehmer zu unterstellen. Neu aufgenommen wurde im einleitenden Kapitel I.5 ein Überblick zur Spieltheorie. Strategische ökonomische Entscheidungen lassen sich in der Praxis häufig mittels spieltheoretischer Ansätze erklären. Spieltheoretische Forschungsarbeiten sind in der jüngsten Vergangenheit mehrfach durch Wirtschaftsnobelpreise ausgezeichnet worden. Im Kapitel III.1 (Haushaltstheorie) wurden neben zahlreichen Überarbeitungen vor allem die Darstellungen zur Konzeption und zur empirischen Bedeutung der Nachfrageelastizitäten präzisiert. Eine detaillierte Erörterung der Elastizitätsbegriffe soll dazu beitragen, Fehlinterpretationen zu vermeiden. Verschiedene Zusammenfassungen und Übersichten runden die Ausführungen ab und schärfen den Blick für das Ganze. Größere Überarbeitungen finden sich auch im Unternehmenskapitel III.2: Hier wurden produktionstheoretische Alltagsbeispiele in die Analyse aufgenommen, die das Verständnis der formalen Ausführungen der Produktionstheorie erleichtern sollen.

VI

Vorwort 2. Auflage

Die Zahlen zum gesamtwirtschaftlichen Faktoreinsatz und zur Entwicklung wichtiger Faktorproduktivitäten (stilisierte Fakten) wurden aktualisiert. In diesem Zusammenhang wird auch auf die Energiewende in Deutschland (stärkere Nutzung der regenerativen Energien, höhere Energieeffizienz) und die sich hieraus ergebenden Implikationen eingegangen. Im Kapitel III.2.6 wurde der in der globalisierten Welt so bedeutsame Begriff der Lohnstückkosten in die Ableitung der Faktornachfragefunktion integriert und vor dem Hintergrund aktueller Zahlen für Deutschland erläutert. Ein weiterer Schwerpunkt der Überarbeitung betrifft die Darstellung der mikroökonomischen Angebotsfunktion und ihre Einbindung in die Produktions- und Kostentheorie. Die hier vorgenommenen Präzisierungen machen es möglich, Verschiebungen der Marktnachfrage und des Marktangebots besser zu begründen und ihre Auswirkungen auf Marktprozesse auf der Basis aktueller Beispiele differenzierter zu beurteilen. Im wettbewerbspolitischen Teil wurden die empirischen Untersuchungen und Berechnungen zu den Konzentrationsmaßen für ausgewählte Wirtschaftszweige des Verarbeitenden Gewerbes auf der Basis neuester Zahlen aktualisiert. Im einleitenden Kapitel und im Kapitel V wird deutlich, dass der Koordinierungsmechanismus der Sozialen Marktwirtschaft vor allem im Zuge der Wirtschafts- und Finanzkrise zu Fehllenkungen geführt hat. Diese Fehlallokationen sind zum einen auf verzerrte Preissignale, Machtkonzentrationen und unzureichende Regulierungen zurückzuführen. Andererseits ist dieses Marktversagen auch durch grundsätzliche marktwirtschaftliche Abstimmungsprobleme und Fehlanreize begründet. Im Kapitel V wurde der Beitrag des Staates zur Bewältigung von Marktversagen weiter präzisiert und aktualisiert. Dies betrifft insbesondere die Herausforderungen, denen sich staatliches Handeln in Folge der aktuellen Wirtschafts- und Finanzkrise gegenübersieht. Allokative Eingriffe des Staates sind aber auch zur Bewältigung globaler Treibhauseffekte und der verschwenderischen, exzessiven Nutzung erschöpfbarer Ressourcen erforderlich (Überfischung der Weltmeere, Verschmutzung der Umwelt). In diesem Zusammenhang wurden die aktuellen Entwicklungen im Zuge des Kyoto-Protokolls in die neue Auflage eingearbeitet. Es ehrt die Mikroökonomie als die „theoretische Basis“ des angewandten Managementwissens, dass sie zahlreiche Forschungsleistungen hervorbrachte, die mit Wirtschaftsnobelpreisen ausgezeichnet wurden. Die diesbezüglichen Forschungsarbeiten namhafter Ökonomen wurden an verschiedenen Stellen in die Ausführungen eingearbeitet. Die umfassende Überarbeitung und Erweiterung dieser Auflage erforderte einen Aufwand, der mit den Grundsätzen eines „homo oeconomicus“ nur schwer zu vereinbaren ist. Mit viel Idealismus und Engagement haben mich Frau Juliane Welp und Frau Diana Uzunoff bei der Neugestaltung der zahlreichen Abbildungen, Übersichten und Tabellen sowie der technischen Gestaltung des Textes tatkräftig unterstützt. Sie haben hilfreiche formale Hinweise gegeben und die Texte Korrektur gelesen. Frau Welp hat auch bei der Aktualisierung der Ausführungen zu den Umweltverschmutzungszertifikaten konzeptionell und inhaltlich mitgewirkt. Dafür und für die sehr angenehme konstruktive Zusammenarbeit möchte ich ihnen ganz herzlich

Vorwort 2. Auflage

VII

danken. Wichtige Vorarbeiten bei der Neugestaltung des Buches hat über einen längeren Zeitraum Frau Christine Stramka geleistet, der ich für ihre strukturierte und engagierte Arbeit ebenfalls besonders danke. Wertvolle Anregungen und Unterstützung bei der inhaltlichen Erstellung und praktischen Umsetzung habe ich immer wieder von meinen geschätzten Kollegen Herrn Prof. Dr. Reiner Clement und Herrn Dr. E.-Peter Kausemann erhalten. Dafür danke ich ihnen sehr. Mein Dank gilt auch den Studierenden des Fachbereichs, die in den letzten Jahren durch verschiedene Hinweise oder Fragen in den Lehrveranstaltungen der Hochschule Bonn-Rhein-Sieg dazu beigetragen haben, dass fehlerhafte und/oder unklare Darstellungen korrigiert und neue Darstellungsformen in das Buch aufgenommen werden konnten. Mein ganz besonderer Dank gilt schließlich meiner Frau, die es mit großer Toleranz, Geduld und Rücksichtnahme ermöglicht hat, dass ich mich immer wieder auf die Spuren des „homo oeconomicus“ und seine Herausforderungen in diesem Buch begeben konnte. Auch hat meine Frau dankenswerterweise in vielen Stunden das Buch Korrektur gelesen und so manchen redaktionellen Fehler aufgedeckt. Trotz intensiver Suche nach dem „letzten Fehler“ besteht nicht die Illusion, dass die Fehlerquote den Grenzwert „Null“ bereits erreicht hat. Anregungen und Kritik nehme ich gerne unter folgender E-Mailadresse entgegen: [email protected]. Bonn, im Januar 2012

Johannes Natrop

Vorwort zur 1. Auflage Trotz der Vielfalt und Komplexität wirtschaftlicher Fragestellungen wird bei ihrer genauen Betrachtung eine sich wiederholende analytische Struktur ersichtlich, deren Kenntnis den Zugang zur Mikroökonomie wesentlich erleichtern kann. Ziel dieses Buches ist es, diese mikroökonomische Struktur unter Verwendung zahlreicher Beispiele systematisch zu erschließen. Die ökonomischen Probleme lassen sich besser verstehen, wenn ihr grundsätzliches Schema herausgearbeitet wird, also gleichsam die „ökonomischen Atome freigelegt“ werden. Dies versetzt den ökonomischen Betrachter in die Lage, diese „Atome“ in Abhängigkeit von den sich schnell wandelnden Rahmenbedingungen wie veränderten Preisen, Präferenzen, Einkommen der Haushalte, Produktionsbedingungen der Unternehmen und Marktgegebenheiten situationsbezogen zu neuen konkreten „Molekülen des Wirtschaftsalltags“ zusammenzusetzen. Die in diesem Buch angewendete methodische Vorgehensweise hat große Vorteile: Da die Realisierung des ökonomischen Prinzips im Haushaltsbereich und im Unternehmensbereich nach der gleichen Systematik erfolgt, stimmen Ergebnisse und Vorgehen in vielen mikroökonomischen Fragen bis auf die unterschiedlichen Begriffe weitgehend überein. Hat der Leser also die Systematik erst einmal verstanden, dann sind die Ausführungen im Haushalts- bzw. im Unternehmensbereich erkenntnistheoretisch letztlich nur Wiederholungen altbekannter Aussagen im neuen Gewand. So ist die Analyse des Arbeitsangebots eines Haushalts in ihrer theoretischen Ausrichtung und instrumentalen Umsetzung weitgehend identisch mit der Ableitung der optimalen Güternachfrage eines Haushalts. Das Vorgehen bei der Bestimmung der kostenminimalen Faktorkombination (Minimalkostenkombination) der Unternehmung entspricht der Ableitung der optimalen Güterkombination (2. Gossensches Gesetz) der Privaten Haushalte. Ebenso bestehen im Denkansatz zwischen der Entwicklung der Produktionsmenge bei erhöhtem Faktoreinsatz (Gesetz des „abnehmenden Ertragszuwachses der Produktion“ in der Unternehmenstheorie) und dem abnehmenden Nutzenzuwachs bei vermehrter Güternachfrage (1.Gossensches Gesetz in der Haushaltstheorie) enge Parallelen. Wer sich auf die jeweiligen Ausführungen einlässt und den roten Faden verinnerlicht, wird das Instrumentarium zur Lösung vieler ökonomischer Alltagsfragen zu schätzen wissen. Zudem ist das Buch eine wertvolle Hilfe, das systematischabstrakte ökonomische Denkvermögen zu schärfen. Mit speziellem Faktenwissen lassen sich vielleicht einfache, immer wiederkehrende ökonomische Standardfragen lösen. Maßgeblich für den Erfolg des „Ökonomen der Zukunft“ ist aber die Fähigkeit, neue Probleme über allgemeingültige Verfahren und Methoden schnell zu erschließen und damit den Anforderungen einer sich schnell wandelnden globalen Wirtschaft gewachsen zu sein. Gerade hier kann die mikroökonomische Ausbildung wesentlich zur Bildung eines umfassenden Managementwissens beitragen.

Vorwort 1. Auflage

IX

Zwar wendet sich das Buch an den praktisch ausgerichteten Leser bzw. Studierenden, doch Praxisbezug ohne theoretische Untermauerung ist eine Illusion. Auch ist es nicht möglich, jede theoretische Aussage unmittelbar auf ihren Praxisbezug zu testen. Zum Teil wird die Praxisrelevanz einzelner Ausführungen erst am Ende der Darstellungen durch die Kombination der Einzelelemente deutlich. Das Zusammenfügen „atomarer“ ökonomischer Erkenntnisse zu „Molekülen des Alltags“ erlaubt zudem nicht immer konkrete quantitative ökonomische Aussagen. Häufig ist aber bereits viel gewonnen, wenn qualitative Bewertungen vorgenommen werden können. So lässt sich z. B. die Nachfrageentwicklung bestimmter Güter oder Gütergruppen im Wachstumsprozess kaum exakt quantifizieren; dennoch ist die mikroökonomisch abzuleitende Erkenntnis, dass bestimmte typische Güter oder Gütergruppen über- oder nur unterproportional vom Wachstum profitieren, als sehr aufschlussreich anzusehen. Auch wenn das Buch immer wieder durch viele Beispiele theoretische Grundlagen praktisch umzusetzen versucht, ist und bleibt es im Kern – wie auch das Metier „mikroökonomische Theorie“ zum Ausdruck bringt – eine primär theoretisch ausgerichtete Abhandlung. Als Darstellungsmittel stehen in diesem Buch verbale und zahlreiche graphische Ausführungen im Vordergrund. Sie wurden in verschiedenen Vorlesungen an der Hochschule Bonn-Rhein-Sieg auf Verständlichkeit hin überprüft. Mathematische Ableitungen werden ergänzend als prägnante Ausdrucksweise komplexer Sachverhalte soweit angeführt, wie es der Vertiefung und Durchdringung eines Themas förderlich erscheint. Das Buch wird von zahlreichen Vertiefungsfragen und Aufgaben durchzogen, die den Zugang zu den behandelten Themen verbessern und intensivieren sollen. Die Vertiefungsfragen stellen eine Zusammenfassung bzw. Konzentration der Ausführungen dar und lassen sich über die Texte der jeweiligen Kapitel direkt beantworten. Die Fragen und Fallbeispiele sowie der immer wieder vorgenommene Praxisbezug bei den theoretischen Ausführungen sollen dazu beitragen, das Wissen auf aktuelle Situationen zu übertragen und die komplexen Verbindungen der einzelnen Vorlesungselemente aufzuzeigen. Sie dienen auch der Überprüfung, inwieweit das formaltheoretische Rüstzeug verstanden und beherrscht wird, um es auf praktische Alltagsfragen anzuwenden. Die Antworten zu den Fragen finden sich im Anhang des Buches. Ansporn zur Fertigstellung dieses Buches erhielt ich u. a. auch aus der besonderen Situation heraus, in der sich das Fach Volkswirtschaftslehre in dem Studiengang Betriebswirtschaft befindet. Auch wenn allgemein die Kenntnis mikroökonomischer Zusammenhänge als ein zentraler Bestandteil des betriebswirtschaftlichen Managementwissens angesehen werden kann und zum generellen Grundverständnis betriebswirtschaftlicher Optimierungsprozesse beiträgt, muss sich die Mikroökonomie im hochschulpolitischen Alltag in den Curricula immer wieder mühsam behaupten. Dies zeigt sich auch deutlich bei der aktuellen Neugestaltung der Curricula im Zuge

X

Vorwort 1. Auflage

der Umstellung auf die Studienabschlüsse Bachelor und Master. Ich hoffe, dass dieses Buch es ein wenig ermöglicht, dem Fach Volkswirtschaftslehre (bzw. hier der Mikroökonomie) zu dem gebührenden Stellenwert zu verhelfen, den es aufgrund seines besonderen Beitrages für das ökonomische Denken und den betriebswirtschaftlichen Alltag verdient hat. Denn „schon viele innerlich hervorragend organisierte und ökonomisch durchrationalisierte Unternehmen wurden durch die Marktkräfte zum Ausscheiden gezwungen, weil die Unternehmensleitungen allzu sehr in betriebswirtschaftlicher Nabelschau verharrten und die Zeichen der gesamtwirtschaftlichen Entwicklungen nicht sahen oder, wenn sie sie sahen, nicht richtig zu deuten wussten“1. Für die umfassende Unterstützung bei der inhaltlichen Erstellung und praktischen Umsetzung dieses Buches möchte ich meinem geschätzten Kollegen Herrn Prof. Dr. Reiner Clement ausdrücklich danken. Er hat mir wichtige Anregungen und Hilfen gegeben. Mein Dank gilt auch den Studierenden des Fachbereichs, die durch zahlreiche Hinweise oder Fragen in den Lehrveranstaltungen der Hochschule BonnRhein-Sieg dazu beigetragen haben, dass fehlerhafte und/oder unklare Darstellungen korrigiert werden konnten. Das vorliegende Werk war technisch nur zu bewältigen, weil einige fleißige Hände daran mitwirkten: Besonderer Dank gebührt meinem studentischen Mitarbeiter, Herrn Andreas Göttlicher, der mich mit großem Elan und stets hilfsbereit tatkräftig unterstützt hat. Zur Aufdeckung der unvermeidlichen sprachlichen Unzulänglichkeiten und Tippfehler, die sich in ein Buch einschleichen, habe ich meine Frau Cornelia als „ehrenamtlich Mitwirkende“ gewinnen können. Hierfür sowie für die bemerkenswerte Geduld und Rücksichtnahme gilt ihr und meinen beiden Kindern mein großer Dank. Bonn, im Januar 2006

1

Johannes Natrop

Behrens, C.-U.; Kirspel, M.: Grundlagen der Volkswirtschaftslehre (im Folgenden zitiert: „Volkswirtschaftslehre“), 3. Auflage, München 2003.

Inhaltsverzeichnis Vorwort…………………………………........ …………………………………....V Verzeichnis der Übersichten ............................................................................. XIV Verzeichnis der Abbildungen ........................................................................... XVI Verzeichnis der Tabellen................................................................................... XIX Verzeichnis der Abkürzungen und Symbole..................................................... XX I

Einführung und Aufbau ...............................................................................1

II

Gegenstand der mikroökonomischen Theorie ............................................5

1 2 2.1 2.2 3 4 5

Aspekte des Wirtschaftens ............................................................................5 Das Prinzip der Sozialen Marktwirtschaft (Überblick) ..........................11 Rahmenbedingungen der Sozialen Marktwirtschaft .....................................11 Haushalte, Unternehmen, Staat und Märkte als zentrale Elemente einer Sozialen Marktwirtschaft ..............................................................................20 Abgrenzung der Mikro-und Makroökonomie ..........................................32 Methoden der mikroökonomischen Theorie .............................................36 Kurzüberblick: Spieltheoretische Ansätze................................................41

III

Nachfrage und Angebot auf Güter- und Arbeitsmärkten. .......... .51

1 1.1 1.1.1 1.1.2 1.1.3 1.2 1.2.1 1.2.2 1.2.3 1.2.4 1.3 1.3.1 1.3.2 1.3.3 1.4 1.5 1.6

Haushaltstheorie ..........................................................................................52 Das Instrumentarium der ordinalen Nutzenanalyse ......................................52 Ordinale Nutzenfunktion und ihre Implikationen .........................................55 Budgetbeschränkung des Haushalts ..............................................................67 Ableitung des Haushaltsoptimums ................................................................69 Bestimmungsfaktoren der Güternachfrage ....................................................77 Einkommensabhängige Nachfrage ................................................................78 Preisabhängige Nachfrage .............................................................................82 Kreuzpreisnachfrage (Preise anderer Güter) .................................................96 Soziale Einflussfaktoren des Nachfrageverhaltens .....................................101 Nachfrageelastizitäten .................................................................................105 Direkte Preiselastizität (EX,P(X)) ...................................................................107 Indirekte Preiselastizität (Kreuzpreiselastizität)(EX,P(Z)) .............................126 Einkommenselastizität (EX,Y) ......................................................................130 Marktnachfragefunktion und ihre Verschiebung.........................................137 Zeitliches Konsumgleichgewicht des Haushalts .........................................145 Erwerbsgleichgewicht des Haushalts (Arbeitsangebot) ..............................152

2 Unternehmenstheorie ................................................................................160 2.1 Produktionsfunktionen / Produktionsfaktoren.............................................163 2.1.1 Substitutionale Produktionsfunktionen / Ertragsgesetz ...............................166

XII

Inhaltsverzeichnis

2.1.2 2.2 2.3 2.4 2.5 2.5.1 2.5.2 2.5.3 2.5.4 2.5.5 2.6

Limitationale Produktionsfunktionen ..........................................................179 Klassisches Ertragsgesetz ............................................................................184 Totale Faktorvariation .................................................................................186 Minimalkostenkombination ........................................................................188 Kurz- bzw. langfristige Angebots-/Kostenfunktion (Dualität) ....................191 Kostenarten und Kostenverläufe .................................................................192 Kurz- und langfristige Angebotsfunktion....................................................203 Marktangebotsfunktion ...............................................................................215 Verschiebungen der Angebotsfunktion .......................................................217 Preiselastizität des Angebots, Kostenelastizität ..........................................221 Faktornachfragefunktion am Beispiel des Faktors Arbeit ...........................223

IV

Markt- und Preistheorie .................................................................235

1

Marktwirtschaftlicher Koordinierungsmechanismus und Wettbewerb ................................................................................................235 Funktionen des Wettbewerbs ......................................................................236 Aufgaben und Formen der Preisbildung .....................................................239 Systematik der Märkte, Marktformen .........................................................242

1.1 1.2 1.3 2 2.1 2.2

2.3 2.3.1 2.3.2

Bildung von Marktgleichgewichten .........................................................249 Marktgleichgewicht bei flexiblen Preisen ...................................................249 Marktgleichgewichte bei Verschiebungen der Angebots- oder Nachfragekurve ...........................................................................................260 Privatwirtschaftliche Einflussgrößen ..........................................................260 Auswirkungen von Steuern, Subventionen und Zöllen auf Marktgleichgewicht und Wohlfahrt einer Volkswirtschaft .........................265 Marktgleichgewicht bei inflexiblen Preisen ................................................273 Höchstpreise und Wohlfahrtseffekte ...........................................................273 Mindestpreise und Wohlfahrtseffekte .........................................................278

3 3.1 3.2 3.2.1

Marktverhalten und Marktergebnisse ....................................................283 Vollständiger Wettbewerb...........................................................................286 Monopole und öffentliche Unternehmen ....................................................290 Gewinnmaximierung im Angebotsmonopol ...............................................290

2.2.1 2.2.2

Inhaltsverzeichnis

XIII

3.2.2 3.2.3 3.3 3.4 3.4.1 3.4.2

Preisdifferenzierung im Angebotsmonopol.................................................295 Natürliche Monopole...................................................................................303 Monopolistischer Wettbewerb ....................................................................308 Oligopole und Unternehmenskonzentration ................................................313 Messung der Unternehmenskonzentration ..................................................313 Grundzüge der Preisbildung im Oligopol ...................................................317

V

Marktversagen und die Rolle des Staates .................................... 327

1 2 3 4

Überblick: Staatliche Allokations-, Distributions- und Stabilisierungspolitik ................................................................................327 Allmende-, Monopolgüter, öffentliche Güter.........................................333 Externe Effekte von Produktion und Konsum .......................................338 Risiko und Unsicherheit (Asymmetrische Informationen) ....................358

VI

Anhang.............................................................................................. 367

Teil A: Ergänzende Unterlagen...... ....................................................................368 A1 A2 A3 A4 A5

Ableitung der Güternachfragefunktion (Lagrange-Ansatz) ........................368 Darstellung der Wirkung einer Gütersubvention unter Verwendung des Instrumentariums der Nutzenanalyse ....................................................370 Konkav verlaufende Indifferenzkurven .......................................................373 Steigende Skalenerträge aufgrund der 2 zu 3-Regel ...................................373 Formale Herleitung des Coase-Theorems ...................................................374

Teil B: Lösungen zu den Aufgaben ....................................................................378

Literaturverzeichnis ................................................................................. 425 Stichwortverzeichnis ................................................................................. 431

Verzeichnis der Übersichten Übersicht I-1: Übersicht II-1: Übersicht II-2: Übersicht II-3: Übersicht II-4: Übersicht II-5: Übersicht II-6: Übersicht II-7: Übersicht II-8: Übersicht II-9: Übersicht II-10: Übersicht II-11: Übersicht II-12: Übersicht II-13: Übersicht II-14: Übersicht II-15: Übersicht III-1: Übersicht III-2: Übersicht III-3: Übersicht III-4: Übersicht III-5: Übersicht III-6: Übersicht III-7: Übersicht III-8: Übersicht III-9: Übersicht III-10: Übersicht III-11: Übersicht III-12: Übersicht III-13: Übersicht III-14: Übersicht III-15: Übersicht III-16:

Struktur der Mikroökonomie ......................................................3 Bedürfnisse, Bedarf und Nutzen .................................................6 Ziele, Nebenbedingungen, Entscheidungen eines Privaten Haushalts ...........................................................22 Ziele, Nebenbedingungen, Entscheidungen einer Unternehmung ..........................................................................26 Exemplarische Darstellung unternehmerischer ........................27 Entscheidungen Märkte und Preise .....................................................................31 Märkte für Güter und Faktoren .................................................31 Teilgebiete der Mikroökonomie ...............................................34 Volkswirtschaftliche Fragestellungen der Wirtschaftsteilnehmer ...............................................................35 Statische Marktanalyse .............................................................36 Komparativ statische und dynamische Analyse .......................37 Möglichkeiten der wissenschaftlichen Erkenntnisgewinnung ..39 Gefangenendilemma (Prisoners’ Dilemma) .............................43 Werbemaßnahmen zweier Anbieter .........................................46 (dominante Strategie für UN-B) Werbemaßnahmen zweier Anbieter .........................................47 (keine dominante Strategie, Nash-Gleichgewicht) Werbemaßnahmen zweier Anbieter..........................................48 (kein Nash-Gleichgewicht) Abgrenzung des Begriffs „Private Güter“ ................................51 Interne und externe Tauschrate eines Haushalts .......................54 Wertschätzung dreier Güterbündel der Güter X und Z .............55 Zweites Gossensches Gesetz in zwei Ausprägungen................74 Zweistufige Betrachtung beim Zweiten Gossenschen Gesetz ..75 Exemplarische Zusammenstellung möglicher Giffen-Güter ....94 Gründe für eine anomale preisabhängige Nachfrage ..............105 Nachfrageelastizitäten im Überblick ......................................107 Direkte Preiselastizitäten ausgewählter Güter ........................118 Analyse der Preiselastizitäten verschiedener Gütergruppen ...120 Veränderung der Umsätze (Erlöse) bei Preisvariationen ........121 Einkommenselastizitäten und Güterbegriffe...........................131 Bruttowertschöpfungsanteile der Sektoren (in %) in Deutschland .............................................................133 Wirtschaftspolitische Bedeutung von Elastizitäten ................133 Zusammenstellung der Elastizitätsbegriffe der Nachfrage für Gut X .................................................................................134 Einflussfaktoren der Verschiebung der MarktnachfrageKurve am Beispiel der PKW-Nachfrage ................................144

Verzeichnis der Übersichten

XV

Übersicht III-17: Übersicht III-18: Übersicht III-19: Übersicht III-20: Übersicht III-21: Übersicht III-22: Übersicht III-23: Übersicht III-24: Übersicht III-25:

Abgrenzung der Unternehmensgröße .....................................161 Begriffe zur Unternehmenstheorie im Überblick ...................163 Begriffliche Abgrenzungen der Produktionsfaktoren .............164 Produktionstheoretische Begriffe im Überblick .....................165 Substitutionsprozesse bei den Produktionsfaktoren................175 Kostenkomponenten ...............................................................194 Unterschiedliche Kostenverläufe und ihr dualer Bezug .........201 Dualität von Produktions- und Kostenfunktionen ..................202 Einflussgrößen der Marktangebotsfunktion einer Unternehmung ........................................................................220 Übersicht III-26: Einflussgrößen des Güterangebots (Beispiel Automobil).......221 Übersicht IV-1: Übersicht IV-2: Übersicht IV-3: Übersicht IV-4: Übersicht IV-5: Übersicht IV-6a: Übersicht IV-6b: Übersicht IV-7: Übersicht IV-8:

Marktelemente ........................................................................236 Funktionen des Wettbewerbs ..................................................237 Funktionen der Preisbildung ...................................................240 Arten der Preisbildung ............................................................241 Systematik der Märkte ............................................................243 Marktformen ...........................................................................245 Marktformen und Marktverhalten im Überblick ....................248 Komponenten des Marktes .....................................................249 Preis- und Mengeneffekte bei Angebots- bzw. Nachfrageverschiebungen .......................................................................264 Übersicht IV-9: Dynamik des Wettbewerbs .....................................................312 Übersicht IV-10: Marktformen im Vergleich .....................................................325 Übersicht V-1: Übersicht V-2: Übersicht V-3: Übersicht V-4: Übersicht V-5: Übersicht V-6: Übersicht V-7: Übersicht V-8: Übersicht V-9: Übersicht V-10: Übersicht V-11:

Aufgaben des Staates ..............................................................331 Drei zentrale Fragen des Wirtschaftens und der staatliche Einfluss ...................................................................................331 Staatliche Eingriffe in den Marktprozess................................332 Märkte, Marktformen und Markteingriffe ..............................332 Abgrenzung Privater und Öffentlicher Güter .........................335 Arten externer Effekte der Produktion und des Konsums ......342 Möglichkeiten der Internalisierung negativer externer Effekte ..344 Steuerarten und Steuerwirkung ...............................................347 Informationsdefizite und Marktversagen am Beispiel des Gebrauchtwagenmarktes ..................................................359 Versicherungsmarkt und Moral Hazard ..................................362 Maßnahmen zur Schaffung von Markttransparenz .................366

Verzeichnis der Abbildungen Abbildung III-1: Das Erste Gossensche Gesetz ...................................................57 Abbildung III-2: Indifferenzkurve substitutiver Güter .........................................58 Abbildung III-3: Schar von Indifferenzkurven substitutiver Güter......................59 Abbildung III-4: Eigenschaften von Indifferenzkurven .......................................60 Abbildung III-5: Indifferenzlinie komplementärer Güter ....................................61 Abbildung III-6: Grenzrate der Substitution bei diskreter Mengenänderung ......62 Abbildung III-7: Grenzrate der Substitution und Nutzenbetrachtung ..................64 Abbildung III-8: Indifferenzkurven des Güterbündels „Reisen/Kleidung“ .........67 Abbildung III-9: Budgetgeraden eines Haushalts bei Güterpreisänderung ..........68 Abbildung III-10: Haushaltsoptimum für zwei Güter X und Z..............................69 Abbildung III-11: Lineare Einkommens-Konsumkurve ........................................79 Abbildung III-12: Nichtlineare Einkommens-Konsumkurve.................................80 Abbildung III-13a: Einkommensabhängige Nachfrage bei relativ inferiorem Gut X . 81 Abbildung III-13b: Einkommensabhängige Nachfrage bei absolut inferiorem Gut X 81 Abbildung III-13c: Einkommensabhängige Nachfrage bei superiorem Gut X ....... 81 Abbildung III-13d: Einkommensunabhängige Nachfrage eines Gutes X .................... 81 Abbildung III-14: Ableitung einer Nachfragefunktion bei Preisänderungen .........83 Abbildung III-15: Prohibitivpreis, Sättigungsmenge bei linearer Nachfrage ........84 Abbildung III-16: Substitutions- und Einkommenseffekt nach Hicks ...................86 Abbildung III-17: Substitutions- und Einkommenseffekt nach Slutsky ................88 Abbildung III-18: Preisunabhängige direkte Nachfrage ........................................90 Abbildung III-19: Nachfragesprünge .....................................................................90 Abbildung III-20: Giffen-Gut bei Preiserhöhung...................................................91 Abbildung III-21: Giffen-Gut bei Preissenkung ....................................................93 Abbildung III-22: Substitutions- und Einkommenseffekt von Gut X im Überblick ..95 Abbildung III-23: Kreuzpreisnachfrage bei stark substitutiver Beziehung ............96 Abbildung III-24: Kreuzpreisnachfrage bei schwach substitutiver Beziehung ......97 Abbildung III-25: Kreuzpreisnachfrage komplementärer Güter ............................98 Abbildung III-26: Kreuzpreisnachfrage im Überblick ...........................................99 Abbildung III-27: Mitläufereffekt ........................................................................101 Abbildung III-28: Snobeffekt ...............................................................................102 Abbildung III-29: Veblen-Effekt .........................................................................103 Abbildung III-30: Darstellung der Punkt- und der Bogenelastizität ....................111 Abbildung III-31: Vollkommen preiselastische Nachfrage .................................112 Abbildung III-32: Vollkommen preisunelastische Nachfrage .............................112 Abbildung III-33: Preiselastizität einer linearen Nachfragefunktion ...................113 Abbildung III-34: Isoelastische, preisabhängige Nachfragekurve .......................114 Abbildung III-35: Positive Kreuzpreiselastizität..................................................128 Abbildung III-36: Negative Kreuzpreiselastizität ................................................128 Abbildung III-37: Kreuzpreiselastizität, preisunabhängige Nachfrage ................128 Abbildung III-38: Einkommensneutrale Güter ....................................................131 Abbildung III-39: Einkommensunabhängige Güter .............................................131

Verzeichnis der Abbildungen

XVII

Abbildung III-40: Absolut inferiore Güter ...........................................................131 Abbildung III-41: Aggregation der preisabhängigen Nachfragefunktionen dreier Haushalte zur Marktnachfrage .....................................140 Abbildung III-42a: Bewegungen auf der Marktnachfragefunktion .......................141 Abbildung III-42b: Rechtsverschiebung der Marktnachfragefunktion ..................141 Abbildung III-43: Bewegung auf der Marktnachfragekurve oder Verschiebungen .143 Abbildung III-44: Darstellung des zeitlichen Konsumgleichgewichts ................146 Abbildung III-45: Zeitliches Konsumgleichgewicht bei Zinsvariation................150 Abbildung III-46: Anomale zinsabhängige Ersparnisbildung..............................151 Abbildung III-47: Erwerbsgleichgewicht des Haushalts......................................153 Abbildung III-48: Erwerbsgleichgewicht des Haushalts bei verändertem Lohn .156 Abbildung III-49: Arbeitsangebotsfunktion in verschiedenen Lohnbereichen ....158 Abbildung III-50: Darstellung der Isoquanten einer Cobb-DouglasProduktionsfunktion ...............................................................168 Abbildung III-51: Sinkende Grenzrate der technischen Substitution...................169 Abbildung III-52: Fallstudie zum Einfachen Ertragsgesetz (Pizzeria).................170 Abbildung III-53: Darstellung des Ertragsgesetzes für verschiedene Faktoreinsätze .........................................................................171 Abbildung III-54: Isoquanten einer limitationalen Produktionsfunktion .............180 Abbildung III-55: Ertragsfunktion bei limitationaler Produktionsfunktion .........181 Abbildung III-56: Kombination zweier Prozessstrahlen in einem Unternehmen...........................................................................182 Abbildung III-57: Kombinationen effizienter bzw. ineffizienter Prozessstrahlen .......................................................................183 Abbildung III-58: Klassisches Ertragsgesetz .......................................................185 Abbildung III-59: Arten von Skalenerträgen .......................................................187 Abbildung III-60: Schar von Isokostenlinien .......................................................188 Abbildung III-61: Ableitung der Minimalkostenkombination .............................190 Abbildung III-62: Vom klassischen Ertragsgesetz zur kubischen Kostenfunktion .......................................................................196 Abbildung III-63: Kostenverläufe bei unterschiedlicher Skalenelastizität ..........197 Abbildung III-64: Linear-limitationale Produktions- und Kostenfunktionen ......199 Abbildung III-65: Kostenverläufe und Gewinnmaximum bei kubischer Kostenfunktion .......................................................................206 Abbildung III-66: Preisuntergrenzen ...................................................................210 Abbildung III-67: Herleitung der Marktangebotsfunktion bei unterschiedlichen Kostensituationen dreier Unternehmen ..................................218 Abbildung III-68: Ableitung der Faktornachfragekurve ......................................225 Abbildung III-69: Produktivitätsorientierte Lohnpolitik am Fallbeispiel der Mineralwasserproduktion .................................................227 Abbildung IV-1: Marktgleichgewicht auf dem Aktienmarkt .............................252 Abbildung IV-2: Entwicklung zum Marktgleichgewicht ...................................253 Abbildung IV-3: Stabile und instabile Märkte (Walras-,Marshall-Stabilität) ....255 Abbildung IV-4: Cobweb-Modell (Cobweb-Stabilität) .....................................257

XVIII

Abbildung IV-5: Abbildung IV-6: Abbildung IV-7: Abbildung IV-8: Abbildung IV-9: Abbildung IV-10: Abbildung IV-11: Abbildung IV-12: Abbildung IV-13: Abbildung IV-14: Abbildung IV-15: Abbildung IV-16: Abbildung IV-17: Abbildung IV-18: Abbildung IV-19: Abbildung IV-20: Abbildung IV-21: Abbildung IV-22: Abbildung IV-23: Abbildung IV-24: Abbildung IV-25: Abbildung IV-26: Abbildung IV-27: Abbildung IV-28: Abbildung IV-29: Abbildung IV-30: Abbildung IV-31: Abbildung V-1: Abbildung V-2: Abbildung V-3:

Verzeichnis der Abbildungen

Wohlfahrtsverluste infolge (staatlicher) Mengenbeschränkungen der Produktion ............................................................259 Verschiebung von Nachfragefunktionen ................................262 Nachfrageverschiebung bei unterschiedlichem Angebotsverlauf ......................................................................262 Gütermarkt bei Steigerung der Arbeitskosten.........................263 Erhöhung indirekter Steuern und Wohlfahrtseffekte ..............265 Wohlfahrtsverluste infolge staatlicher Subventionen .............268 Erhebung von Zöllen und Wohlfahrtseffekte .........................271 Höchstpreise ...........................................................................274 Höchstpreise und Angebotsverschiebung ...............................274 Höchstpreise durch Einschränkung der Nachfrage .................275 Wohlfahrtseffekte von Höchstpreisen ....................................276 Entstehung von Schwarzmärkten............................................277 Mindestpreise ..........................................................................278 Wohlfahrtseffekte von Mindestpreisen ...................................279 Angebots- und Nachfragesituation auf dem Agrarmarkt ........280 EU-Mindestpreis-System der Agrarpolitik .............................281 Verlauf der PAF bei unterschiedlichen Marktformen ............286 Marktpreisbildung bei vollständiger Konkurrenz ...................289 Gewinnmaximales Verhalten im Polypol und im Monopol ...293 Preisdifferenzierung im Angebotsmonopol ............................297 Kostensituation im natürlichen Monopol ...............................304 Doppelt geknickte Preis-Absatz-Funktion des monopolistischen Wettbewerbs in einer Gewinnsituation ...............308 Doppelt geknickte Preis-Absatz-Funktion des monopolistischenWettbewerbs (bei einem Gewinn = 0) ........311 Geknickte Preisabsatzfunktion im weiten Oligopol ...............320 Preisstarrheit im Oligopol .......................................................321 Preisabsatzfunktion im engen Oligopol .................................322 Fallbeispiel OPEC ..................................................................324 Haushalte 2009 nach Einkommensklassen und Verteilung der verfügbaren Einkommen (Angaben in %) ........................329 Internalisierung externer Effekte ............................................340 Preisentwicklung für CO2-Emissionsrechte (EUA) ................355

Verzeichnis der Tabellen Tabelle II-1: Teilzeitbeschäftigte in Deutschland 2009 ......................................23 Tabelle III-1a: Aggregation der individuellen preisabhängigen Nachfragefunktionen dreier Haushalte zur Marktnachfrage ........138 Tabelle III-1b: Preisabhängige individuelle Nachfragefunktionen von drei Haushalten für Gut X ...................................................................138 Tabelle III-1c: Aggregierte Marktnachfragefunktion NG für das Gut X .............139 Tabelle III-2: Daten der Isoquante einer substitutionalen Produktionsfunktion .... 167 Tabelle III-3: Die stilisierten Fakten für Deutschland (1970-2008) ...................178 Tabelle III-4: Daten der Isoquante einer limitationalen Produktionsfunktion ........180 Tabelle III-5a: Gewinnmaximierung auf Basis einer kubischen Kostenfunktion ....205 Tabelle III-5b: Grenzkosten-, totale und variable Durchschnittskostenfunktion .205 Tabelle III-6: Entwicklung von Lohnkosten je Stunde, realer Arbeitsproduktivität je Stunde und nominalen Lohnstückkosten ............234 Tabelle IV-1a: Nachfrage auf dem Aktienmarkt ..................................................251 Tabelle IV-1b: Angebot auf dem Aktienmarkt.....................................................251 Tabelle IV-2: Anbieterverhalten im Polypol und im Monopol ..........................292 Tabelle IV-3: Preisdifferenzierung im Angebotsmonopol .................................298 Tabelle IV-4: Konzentrationsmaße für den Bergbau und das Verarbeitende Gewerbe und Wirtschaftszweige in Deutschland 2006 u. 2008 ..316

Verzeichnis der Abkürzungen und Symbole

∆ d DK DVK E EG EE EEX EK,X,(EK) ESt ESVG

Produktionselastizität des Faktors v1(vA) Arbeitszeit Abbildung Assed Back Securities Angebotsmenge des Gutes X Produktionselastizität des Faktors v2(vK) Bundesausbildungsförderung Bruttoinlandsprodukt Betriebswirtschaftslehre nominaler Konsum Cobb-Douglas Produktionsfunktion Clean Development Mechanism Credit Default Swaps ceteris paribus (unter sonst gleichen Bedingungen) Konzentrationsrate der 50 größten UN z. B. bezüglich ihres Umsatzanteils Konzentrationsrate der 100 größten UN z. B. bezüglich ihres Umsatzanteiles diskrete Veränderung stetige Veränderung (Ableitung) totale Durchschnittskosten (totale Stückkosten) variable Durchschnittskosten (variable Stückkosten) Erlös Ertragsgesetz Einkommenseffekt European Energy Exchange Kostenelastizität (Angebotselastizität der Kosten des Gutes X) Einkommensteuer Europäisches System Volkswirtschaftlicher Gesamtrechnungen

ETS

Emission Trading System

EU EUA EVS EWG EX,P(X) EX,Y EZ,P(X)

Europäische Union European Union Allowance Einkommens- und Verbrauchsstichprobe Europäische Wirtschaftsgemeinschaft Preiselastizität der Nachfrage des Gutes X Einkommenselastizität der Nachfrage des Gutes X Kreuzpreiselastizität der Nachfrage des Gutes Z bei Preisänderungen des Gutes X Freizeit (Haushaltstheorie) Fixkosten (Unternehmenstheorie) Forschung und Entwicklung Funktion

a A Abb. ABS A(X) b BAFÖG BIP BWL C CD CDM CDS c. p. CR-50 CR-100

F F F&E Fkt.

Verzeichnis der Abkürzungen und Symbole

F(X) G Gl. HHK IFM I I i. d. R. JI K Kap. K(X) K’(X) KMU λ L LV max. ME MWSt NGK N(X) OPEC ÖPNV P(X) P*(X) PAF Pproh(X) PH PMin PS PUG P(Z) q1 q2 qA qK r RV S

Produktionsfunktion Gewinn Gleichung Herfindahl-Hirschmann-Koeffizient (kurz: Herfindahl-Index) Institut für Mittelstandsforschung, Bonn Indifferenzkurve (Haushaltstheorie) Isoquante (Unternehmenstheorie) in der Regel Joint Implementation Isokostengerade Kapitel Gesamtkosten der Produktion von X, Kostenfunktion des Gutes X Grenzkosten Gut X (1. Ableitung der Kostenfunktion) kleinere und mittlere Unternehmen Grenznutzen des Geldes (Haushaltstheorie) bzw. Anzahl der Faktorpakete (Produktionstheorie) Lagrangefunktion (erweiterte Nutzenfunktion) Linksverschiebung maximal; Maximum Mengeneinheiten Mehrwertsteuer normierter Gini-Koeffizient Nachfrage nach Gut X Organization of the Petroleum Exporting Countries Öffentlicher Personennahverkehr Preis des Gutes, Preis des Gutes X Gleichgewichtspreis Preisabsatzfunktion Prohibitivpreis des Gutes X Höchstpreis Mindestpreis Schwarzmarktpreis Preisuntergrenze Preis des Gutes Z Faktorpreis des ersten Produktionsfaktors Faktorpreis des zweiten Produktionsfaktors Faktorpreis d. Arbeitseinsatzes, Lohnsatz Faktorpreis Kapitaleinsatz, Kapitalnutzungskosten (Zins, Abschreibung) Zinssatz Rechtsverschiebung Sparen, Ersparnis (Haushaltstheorie); Subvention (Unternehmenstheorie)

XXI

XXII

SE SKE t U UN Übers. v1, v2 vA vK VWL w WGP WTO WZ X X* Xs Y Z

Verzeichnis der Abkürzungen und Symbole

Substitutionseffekt Skalenelastizität (Homogenitätsgrad; häufig: Symbol „r“) Steuersatz t je Mengeneinheit eines Gutes (Mengensteuer) Nutzen (utility) Unternehmen, Unternehmung Übersicht erster bzw. zweiter Produktionsfaktor Arbeitseinsatz (Input Arbeit) Sachkapital, Kapitalstock, Kapitaleinsatz (Input Kapital) Volkswirtschaftslehre Lohnsatz (wage) Wertgrenzprodukt Welthandelsorganisation (World Trade Organisation) Warenverzeichnis Gut X (Haushaltstheorie); Produktionsmenge (Unternehmenstheorie) Gleichgewichtsmenge Sättigungsmenge Einkommen (yield) Gut Z (Haushaltstheorie); Zollsatz je Mengeneinheit

I

Einführung und Aufbau

Dieses Buch hat das Ziel, die theoretischen Grundlagen ökonomischen Handelns systematisch zu erarbeiten und damit das ökonomische Rüstzeug für die vielen volks- und betriebswirtschaftlichen Fragen unseres Alltags zu vermitteln: Welchen Einfluss haben Veränderungen ökonomischer Rahmendaten (u. a. Güterpreise, Einkommen etc.) auf das Nachfrageverhalten der Verbraucher? Warum nimmt bei einigen Gütern mit steigenden Preisen die Nachfrage zu und nicht ab? Warum reagieren Frau Müller oder Herr Meier auf Preissteigerungen des Gutes X (z. B. Kleidung) mit einer sinkenden Nachfrage des Gutes Z (z. B. Reisen)? Warum sind einige Arbeitnehmer bei steigenden Löhnen bereit, mehr zu arbeiten, während andere hierauf mit einer höheren Freizeitnachfrage reagieren? Welche typischen Entscheidungen treffen Unternehmen? Wie gestalten Unternehmen den Einsatz von Produktionsfaktoren in Abhängigkeit von den Güter- und Faktorpreisen, und wie hängen Kostenentwicklungen in Unternehmen von den realen Produktionsbedingungen ab? Welche Bedeutung haben Güter- und Faktorpreise im marktwirtschaftlichen Koordinierungsmechanismus? Wie kommt es, dass auf einigen Märkten die Preisbildung keine Übereinstimmung von Güterangebot und Güternachfrage zur Folge hat und sich diese Divergenz im Zeitablauf sogar erhöht? Wie lässt sich der Strukturwandel in einem Sektor über die Bestimmungsgrößen der Nachfrage und des Angebots erklären? Welchen Einfluss haben verschiedene Marktformen wie Monopole, Oligopole oder Polypole auf die Marktpreisbildung, und wie sind diese Marktformen wettbewerbspolitisch zu beurteilen? Wie lassen sich bei den häufig zu beobachtenden oligopolistisch geprägten Angebotsstrukturen (z. B. in der Vergangenheit bei Mineralölgesellschaften) Preisstarrheiten erklären? Warum werden verschiedenen Konsumentengruppen identische Produkte zu unterschiedlichen Preisen angeboten? Warum erhalten z. B. Studierende Kinokarten preisgünstiger als andere Kinobesucher? Warum versagt bei der Bereitstellung öffentlicher Güter der marktwirtschaftliche Koordinierungsmechanismus und warum ist dieser auch bei einigen privaten Gütern verzerrt ausgestaltet (Marktversagen)? Welche zentralen Funktionen nimmt der Staat in einer Sozialen Marktwirtschaft wahr, und wie beeinflusst er die Marktergebnisse über Gebühren, Steuern, Subventionen, Zölle, Mindest- und Höchstpreise sowie andere Markteingriffe?

2

I Einführung und Aufbau

Diese Fragen machen deutlich, wie stark unser Alltag durch mikroökonomische Fragen unmittelbar geprägt wird. Kenntnisse mikroökonomischer Aspekte sind zugleich eine wichtige Voraussetzung für die Erklärung weiterführender makroökonomischer Fragen, wie z. B. das gesamtwirtschaftliche Konsum- und Investitionsverhalten von Verbrauchern und Unternehmen, die gesamtwirtschaftlichen Preisentwicklungen oder die Veränderungen des Arbeitsangebots oder der Arbeitsnachfrage. Die Mikroökonomie ist zudem Grundlage für das Verständnis betriebswirtschaftlicher Optimierungsprozesse: Zu nennen sind nur beispielhaft die Analyse des Konsumentenverhaltens und der Märkte im Marketing, das Kostencontrolling, die Wirkung von Steuern, Subventionen sowie Umweltabgaben auf die Entscheidungen von Wirtschaftseinheiten und die Integration marktwirtschaftlicher Koordinierungsinstrumenten in dezentrale Optimierungsprozesse von Unternehmen (z. B. Zertifikate). Inhaltlich stellt das Buch die grundlegenden Zusammenhänge zwischen Haushalts-, Unternehmens-, Preis- und Markttheorie für Güter- und Faktormärkte dar und erläutert die Bedeutung des Staates für eine funktionierende Soziale Marktwirtschaft. Jedem dieser mikroökonomischen Bausteine ist ein eigener Abschnitt gewidmet, wobei die theoretischen Aspekte verbal und formal in ihrer Struktur eingehend beleuchtet und anhand konkreter Beispiele erläutert werden (vgl. auch Übersicht I-1). Zu Anfang werden im Kapitel II die wichtigsten mikroökonomischen Begriffe und Methoden vorgestellt. Ausgehend vom Begriff des „Wirtschaftens“ und der Beschreibung der grundlegenden Zielsetzungen und Verhaltensweisen der beteiligten Wirtschaftsakteure („homo oeconomicus“) vermittelt das Buch einen ersten Überblick über die Ziele, die Bedingungen und die Funktionsweise der Sozialen Marktwirtschaft sowie ihre Abgrenzung von der Zentralverwaltungswirtschaft. Das Grundgerüst begrifflicher Erstausstattung wird schließlich durch die Erörterung einiger wissenschaftstheoretischer Begriffe und Wissenschaftsmethoden sowie die Abgrenzung der Mikro- von der Makroökonomie vervollständigt. Neu aufgenommen in das Buch wurde ein kurzes Kapitel I.5 zur Spieltheorie, das die Bedeutung strategischer Entscheidungen für ökonomische Fragen überblickartig aufzeigt. Gegenstand des Kapitels III.1 ist die Beschreibung der Zielsetzungen, Entscheidungen und Rahmenbedingungen Privater Haushalte. Ausgehend von ihren Bedürfnissen fragen Haushalte als Konsumenten Güter in Abhängigkeit von Einkommen und Preisen nach und bieten Arbeit an. Zudem stellen sie über ihre Ersparnisbildung anderen Marktteilnehmern Kapital zur Verfügung (in Form von finanziellen Mitteln oder durch Verzicht auf reale Güter). Gegenstand der Haushaltstheorie ist dabei vor allem die Frage, wie die Optimalitätsbedingungen für die verschiedenen Haushaltsentscheidungen aussehen und wie sich das optimale Haushaltsverhalten über Funktionen und Kenngrößen beschreiben lässt. Das Kapitel III.2 stellt Ziele, produktionstheoretische Rahmenbedingungen und Entscheidungen der Unternehmen dar: In Abhängigkeit von Kosten- und/oder Gewinnaspekten sowie unter Einbeziehung anderer Ziele bestimmen Unternehmen die optimale Produktionsmenge der Güter (Güterangebot) und die optimale Arbeitsbzw. Kapitalnachfrage (Investition). Weitere wichtige Elemente dieses Kapitels be-

I Einführung und Aufbau

3

treffen produktions- und kostentheoretische Begriffe, die Spiegelbildlichkeit (Dualität) von Produktions- und Kostensituationen, die theoretische und empirische Darstellung der Lohnstückkosten als zentrales Element der nationalen und internationalen Wettbewerbsfähigkeit von Unternehmen und die Quantifizierung der Ergebnisse des Güterangebots und der Güternachfrage in Angebots- und Nachfragefunktionen. Übersicht I-1: Struktur der Mikroökonomie Unternehmen (Kap. III.2)

Preise

Verhaltensweisen (Kap. IV) - Monopole - Oligopole - Polypole

Wettbewerbspolitik (Kap. IV)

Private Haushalte (Kap. III.1)

Märkte (Kap. II, IV)

Existenz, Stabilität von Marktgleichgewichten (Kap. IV)

Marktergebnisse

Angebot, Nachfrage privater Güter

Eingriffe in die Preisbildung (Subventionen, Steuern, Mindestu. Höchstpreise, externe Effekte) (Kap. IV, Kap. V)

Soziale Marktwirtschaft, Marktversagen (Kap. II, IV, V) Staat (Kap. V)

Korrektur der Einkommensverteilung (Kap. V.1)

Staatliche Bereitstellung von öffentlichen Gütern (Kap. V.2)

Die Koordination der Nachfrage- und Angebotsentscheidungen von Haushalten und Unternehmen erfolgt auf Märkten und wird im Kapitel IV erörtert. Die Koordinierung der marktwirtschaftlichen Anpassungssysteme erfolgt über Marktpreise für Güter, Faktoren und Rohstoffe und setzt einen funktionierenden Wettbewerb voraus. Einfluss auf die Marktergebnisse nehmen u. a. verschiedenartige Preisanpassungssysteme und unterschiedliche Marktformen. Auch staatliche Instrumente wie Subventionen, Steuern, Zölle oder Mindest- und Höchstpreise können das Marktergebnis in größerem Umfang beeinflussen. Während die Preisanpassungssysteme maßgeblich durch die Preiselastizitäten auf der Angebots- und Nachfrageseite und durch die Art der gehandelten Güter geprägt werden, hängt die Marktform vor allem von der Zahl der Marktteilnehmer und der qualitativen Vollkommenheit des Marktes ab (Transparenz, Präferenzen, Reaktionsgeschwindigkeit etc.). Die Marktform des homogenen Polypols ist als extreme Marktform durch viele Marktteilnehmer, einen vollkommenen Markt und einen für den einzelnen Anbieter fest vorgegebenen Angebotspreis gekennzeichnet. Sie lässt sich als idealtypisches Referenzmuster auffassen, dessen Modifikation praxisnähere Marktformen – wie die monopolistische Konkurrenz, Oligopole auf unvollkommenen Märkten oder Monopole – hervorbringt. In diesem Zusammenhang interessiert auch das Verhalten von sogenannten

4

I Einführung und Aufbau

natürlichen Monopolen, die vor allem in der Kommunikations-, Versorgungs- oder Entsorgungsindustrie aufgrund hoher leitungsgebundener Fixkosten besondere Marktmacht aufweisen und den Wettbewerb einschränken oder verhindern. Wie lassen sich unter diesen speziellen Rahmenbedingungen marktwirtschaftliche, wohlfahrtssteigernde Lösungen entwickeln? Schließlich werden verschiedene Verhaltensstrategien in oligopolistisch geprägten Marktstrukturen vorgestellt und die Unternehmenskonzentration für Unternehmen des Verarbeitenden Gewerbes in Deutschland anhand von Konzentrationsmaßen empirisch untersucht. Das letzte Kapitel V des Buches zeigt auf, dass Märkte nicht zwangsläufig zu Ergebnissen führen, die den jeweiligen gesellschaftlich-normativen Vorstellungen entsprechen. Auf den Märkten kann es aus verschiedenen Gründen zu nicht-optimalen Güter- und Faktorentscheidungen kommen: So kann der Wettbewerb der Marktteilnehmer unzureichend ausgebildet sein, bei der Produktion oder dem Konsum von Gütern können sogenannte externe Effekte auftreten (z. B. Umweltverschmutzung) und der kostenlose Zugang zu „freien oder gesellschaftlichen Gütern“ (z. B. Fische im Meer) kann eine exzessive Nutzung zur Folge haben. Auch können asymmetrische Informationen die Marktergebnisse verzerren (z. B. auf Gebrauchtwagenmärkten oder aktuell auf Geldmärkten, etc.). Bei öffentlichen Gütern (z. B. Landesverteidigung) lässt ein Trittbrettfahrerverhalten keine private Zahlungsbereitschaft entstehen und verhindert somit eine marktwirtschaftlich organisierte Bereitstellung dieser Güter. Diese ineffizienten Marktergebnisse werden auch als „Marktmängel“ oder gar als „Marktversagen“ bezeichnet. Durch staatliche Eingriffe in die Güter- und Faktorallokation sollen diese Mängel möglichst verhindert werden. Staatliche Eingriffe zur Beseitigung von Marktmängeln oder zu Bereitstellung öffentlicher Güter werden mit dem Begriff „allokative Staatstätigkeit“ (Allokationspolitik) umschrieben. Darüber hinaus greift der Staat aber auch aus verteilungspolitischen Gründen in die Marktgeschehnisse ein (z. B. über eine progressive Einkommensteuer), um die Verteilungswirkungen des marktwirtschaftlichen Systems zugunsten einer als „gerecht“ oder „gerechter“ empfundenen Verteilung zu korrigieren (distributive Staatstätigkeit). Marktwirtschaften sind nicht zwangsläufig stabil, und der Preismechanismus ist nicht immer ausreichend oder schnell genug in der Lage, bestehende Instabilitäten der wirtschaftlichen Entwicklung und damit verbundene Probleme (z. B. Arbeitslosigkeit, Inflation, wirtschaftliche Stagnation) zu beseitigen. Es stellt sich daher die Frage, ob und wie der Staat zur Stabilisierung der wirtschaftlichen Entwicklung beitragen kann. Soweit die Stabilisierung durch verbesserte marktwirtschaftliche Rahmenbedingungen erreicht werden kann, ließe sich diese Politikaufgabe der Allokationspolitik zuordnen. Eng verbunden hiermit verbleibt jener Teil der Stabilisierungspolitik, der insbesondere auf eine Stabilisierung der Nachfrage abzielt. Dieser ist zwar umstritten, wird aber zusammen mit der allokativ ausgerichteten Stabilisierungspolitik im Rahmen der makroökonomischen Theorie behandelt. Hier legt die mikroökonomische Gedankenwelt wichtige Grundlagen für das Verständnis makroökonomischer Zusammenhänge.

II

Gegenstand der mikroökonomischen Theorie

1

Aspekte des Wirtschaftens

Das grundlegende ökonomische Problem aller Gesellschaften resultiert aus der Diskrepanz zwischen den Bedürfnissen der Menschen und den zur Befriedigung dieser Bedürfnisse nur begrenzt zur Verfügung stehenden Mitteln, d. h. der Knappheit von Gütern bzw. Ressourcen. In den Wirtschaftswissenschaften wird grundsätzlich davon ausgegangen, dass die Bedürfnisse der Menschen unbegrenzt sind, wobei die Bedürfnisse auf verschiedenen Bedürfnisebenen2 auftreten können. Während die untere Ebene die physiologischen oder materiellen Bedürfnisse anspricht, betreffen die weiteren Ebenen die abstrakten oder immateriellen Bedürfnisse wie Sicherheit, Zugehörigkeit, Anerkennung etc. Ökonomisch relevant werden diese Bedürfnisse aber nur, wenn sie sich in einer konkreten Nachfrage nach Gütern (materielle oder immaterielle) niederschlagen (= Bedarf, vgl. Übersicht II-1). Soweit Bedürfnisse aufgrund fehlender Kaufkraft – d. h. unzureichendem Einkommen – nicht realisiert werden können, sind sie in der Regel auch nicht Gegenstand der ökonomischen Analyse. Handelt es sich bei dem Bedarf um eine durch den Staat geäußerte Nachfrage, wird von Kollektivbedarf gesprochen. Demgegenüber stellt die von Privaten Haushalten geäußerte Nachfrage einen Individualbedarf dar. Gleichwohl kann diese Unterscheidung letztlich nur die Art der Organisation und Bereitstellung beschreiben, da auch der Kollektivbedarf Individuen zugute kommt. Wird durch eine konkrete Nachfrage der Bedarf realisiert, so entsteht hieraus ein individueller, subjektiv empfundener Güternutzen bei den Nachfragern (Konsumenten). Die Quantifizierung dieses Nutzens und seine Vergleichbarkeit bei verschiedenen Konsumenten werfen allerdings Probleme auf, wie im weiteren Verlauf noch näher ausgeführt wird. Güter müssen durch den Einsatz der Produktionsfaktoren wie Arbeit, Sachkapital und Boden (Ressourcen) von produzierenden Einheiten, den Unternehmen (Produzenten), erstellt werden. Die Begrenztheit der Produktionsfaktoren bzw. der Gütermengen und die grundsätzliche Unbegrenztheit der Bedürfnisse macht es erforderlich, bei der Bereitstellung und dem Verbrauch (Konsum) der Güter zu wirtschaften. Hierbei kommt das ökonomische Prinzip zur Anwendung. Es besagt, dass entweder ein bestimmter Output bzw. ein bestimmtes Ziel (z. B. Nutzen eines Konsumenten, erzeugte Gütermengen eines Produzenten) mit minimalem Mitteleinsatz (z. B. Ausgaben eines Konsumenten bzw. Produktionskosten eines Unternehmens) zu realisieren ist (Minimal- oder auch Minimierungsprinzip)

2

Zur Beschreibung der Bedürfnispyramide des amerikanischen Psychologen Abraham Maslow vgl. z. B. Brösse, U.: Einführung in die Volkswirtschaftslehre, Mikroökonomie, 3. Auflage, München 1999, S. 25 ff. sowie die dort angeführte Literatur.

6

II Gegenstand der mikroökonomischen Theorie

oder mit gegebenem Mitteleinsatz (Ausgaben bzw. Produktionskosten) ein möglichst hoher Zielerreichungsgrad (Nutzen bzw. produzierte Gütermengen) anzustreben ist (Maximalprinzip).3 Übersicht II-1: Bedürfnisse, Bedarf und Nutzen Bedürfnisse

Materielle Bedürfnisse

Immaterielle Bedürfnisse

Bedarf / Nachfrage

Güternutzen

Die Realisierung des ökonomischen Prinzips setzt voraus, dass jedes Wirtschaftssubjekt ein Eigeninteresse verfolgt und sich dabei als rational handelnder Mensch, d. h. als „homo oeconomicus“ verhält. Die Individuen entscheiden sich unter Abwägung der ihnen frei verfügbaren ökonomischen Handlungsalternativen (Existenz von Konsumenten- und Produzentensouveränität) bei vorgegebenen Präferenzen für diejenige Güter- oder Faktorkombination, die dem ökonomischen Prinzip am besten Rechnung trägt. Dass Entscheidungsträger sich in jeder Situation als „homo oeconomicus“ verhalten, dürfte in der Realität aufgrund der Komplexität der Datensituation kaum realisierbar sein. Vielmehr wird unterstellt, dass sich die Wirtschaftsteilnehmer längerfristig und im Durchschnitt ihrer Entscheidungen am Leitbild des „homo oeconomicus“ ausrichten.4 Irrationale Entscheidungen zeigen sich u. a. in Impulskäufen, unüberlegten emotionalen Entscheidungen oder unsicheren Entscheidungen. Insbesondere die Finanz- und Wirtschaftskrisen der letzten Jahre machen deutlich, dass überzogene Erwartungen, unzureichende Informationen und kurzfristiges Denken den ökonomischen Alltag prägen, nicht aber rationale Entscheidungen.5 Um dem Problem der „begrenzten Rationalität“ bei zieloptimieren3 4

5

Unsinnig ist eine Formulierung des ökonomischen Prinzips dergestalt, beide Varianten der Minimal- und Maximalstrategie gleichzeitig verfolgen zu wollen. Zu einer pragmatischen Einschätzung der Bedeutung der Annahme des „homo oeconomicus“ in den Wirtschaftswissenschaften vgl. auch Endres, Alfred: Moderne Mikroökonomik – erklärt in einer einzigen Nacht, München, Wien, 2000, S. 9 ff. Eine übersichtliche Auseinandersetzung mit der Annahme des „homo oeconomicus“ im Zusammenhang mit Finanzentscheidungen findet sich in einer Studie der Deutschen Bank Research. Vgl. hierzu: Schneider, S.: Homo Oeconomicus oder doch eher Homer Simpson, Hrsg.: Deutsche Bank Research, 2010 (Im Folgenden zitiert als: DB-Research,

1 Aspekte des Wirtschaftens

7

dem Verhalten zu entsprechen, wurde bereits früh in den 55er Jahren des letzten Jahrhunderts vom US-amerikanischen Wirtschaftsforscher Herbert Alexander Simon6 der Ansatz des „bounded rationality“, d. h. der „begrenzten oder beschränkten Rationalität“ entwickelt. Dieser Ansatz unterstellt, dass Wirtschaftseinheiten aufgrund der bestehenden Unsicherheit und der unzureichenden Informationen letztlich nur eingegrenzt optimale Entscheidungen treffen können. In den letzten 20 Jahren wurden immer wieder verschiedene Nobelpreise für Wirtschaft an Ökonomen vergeben, die sich darum verdient gemacht haben, ökonomisches Handeln bei unzureichender Rationalität zu beleuchten. Zu nennen sind hier vor allem die Vertreter der Spieltheorie, der Verhaltensökonomik („behavioral economics“) und der Institutionenökonomik. Sie haben neuere mikroökonomische Ansätze hervorgebracht, die die klassische Mikroökonomie ergänzen oder an ihre Stelle treten. Die Vertreter der Spieltheorie7 versuchen, strategische Interaktionen von Marktteilnehmern systematisch auszuwerten und aufzuzeigen, welche Ergebnisse sich in typischen Situationen eines abgestimmten oder nicht abgestimmten Verhaltens von Akteuren bei sicherer oder unsicherer Information einstellen können. So sind 1994 der US-amerikanische Ökonom John Nash, der ungarisch-amerikanische Ökonom John Harsanyi und der deutsche Ökonom Reinhard Selten für ihre wegweisenden Erkenntnisse auf dem Gebiet der Spieltheorie mit dem Nobelpreis für Wirtschaft geehrt worden.8 Die Vertreter der Verhaltensökonomik zeigen in psychologisch fundierten ökonomischen Ansätzen und Experimenten auf, dass Entscheidungen über ökonomische Handlungsalternativen häufig aufgrund einfacher Heuristiken (Daumenregeln auf Basis subjektiver Erfahrungen und bewährter Verhaltensweisen) zustande kommen9 oder das Ergebnis von unvernünftigem Massenverhalten sind (z. B. Kaufentscheidungen an der Börse). So konnte in Experimenten aufgezeigt werden, dass Käufer

6 7 8

9

Homo oeconomicus). Zur Thematik vgl. auch: Kaiser, T.: Homo oeconomicus – oder Homer Simpson?, in: Welt am Sonntag, Nr. 42, 16.10.2011, S. 36-37. Simon, H.-A.: Theories of decision making in economics and behavioral science, in: American Economic Review, Bd. 49, 6/1959, Nr. 3, S. 253 - 283. Zur Spieltheorie vgl. die Ausführungen in Kapitel II.5. John Charles Harsanyi und Reinhard Selten (als der bisher einzige deutsche Wirtschaftsnobelpreisträger) haben dabei u. a. Situationen einer unvollständigen Informationslage oder einer unzureichenden Informationsverarbeitung dargestellt. Selten unterstellt dabei sein „Konzept der begrenzten Rationalität“. Vgl. hierzu u. a.: Hanke, T.: Spielend zum Nobelpreis, in: Handelsblatt vom 27.8.2004; vgl. auch: Müller, A.: Vom Außenseiter zum Nobelpreisträger, in: Handelsblatt vom 4.10.2010; vgl. auch Kapitel II.5. Im Jahre 2002 sind der Wirtschaftspsychologe Daniel Kahnemann und der Ökonom Vernon L. Smith mit dem Nobelpreis für Wirtschaft für ihre Forschungen auf dem Gebiet der Verhaltensökonomik geehrt worden.

8

II Gegenstand der mikroökonomischen Theorie

von Produkten bei ihren Kaufentscheidungen häufig nur eine begrenzte Anzahl von Angeboten prüfen. Dies kann von Marketingstrategen dazu genutzt werden, durch eine gezielte Auswahl von präsentierten Produkten die Vorteile des eigenen Produkts in den Vordergrund zu rücken und damit die Konkurrenz besserer, aber nicht näher präsentierter Alternativen auszuschalten. Auch wenn sich vorübergehend die Entscheidungen auf Basis begrenzter Informationen als fehlerhaft und damit suboptimal erweisen sollten, können die betroffenen Wirtschaftssubjekte dennoch daraus lernen und zukünftig bessere Entscheidungen treffen. Mit fehlenden oder unzureichenden Informationen lässt sich Marktversagen, d. h. das Zusammenbrechen eines Marktes begründen. So hat George Akerlof mit seiner berühmt gewordenen „Zitronentheorie“ (lemon-effect) aufgezeigt, dass asymmetrische Informationsdefizite zu systematischen Fehlentscheidungen führen können.10 Im Rahmen der Institutionenökonomik werden unter Institutionen strukturierte Regelungen und institutionalisierte Abstimmungsmechanismen verstanden, die bei gemeinschaftlichem Wirtschaften zu beachten sind. So haben sich Ronald Coase (Wirtschaftsnobelpreisträger 1991) und Oliver Williamson (Wirtschaftsnobelpreisträger 2009) bereits früh mit Fragen der Institutionenökonomik befasst.11 In ihrem „Transaktionskostenansatz“ zeigten sie auf, dass Unternehmen aufgrund der Informations- und Transaktionskosten ihre wirtschaftlichen Fragestellungen intern regeln und nicht an andere Industrie- oder Dienstleistungsunternehmen delegieren. Weitere Ursachen für eine im ersten Moment als „irrational“ angesehene Entscheidung können Gerechtigkeitsvorstellungen, Erwartungen oder andere immaterielle Aspekte sein. Dies soll im Folgenden an einem kurzen Fallbeispiel näher erläutert werden. Fallbeispiel Gerechtigkeit: Vermeintliche ökonomisch irrationale Entscheidungen aufgrund von Erwartungen oder Gerechtigkeitsdefiziten lassen sich anhand des folgenden einfachen Beispiels aufzeigen: Ein wohlwollender Mensch beabsichtigt, an zwei Gruppen von Personen eine bestimmte Anzahl von Ein-Euromünzen auf folgende Weise zu verschenken: Er überträgt der ersten Gruppe die Münzen und teilt dieser Gruppe mit, dass sie diejenigen Münzen behalten kann, die sie nicht an die zweite Gruppe weiterreicht, sofern die zweite Gruppe ihrerseits den Teilungsvorschlag akzeptiert. Grundsätzlich müsste die zweite Gruppe mit jeder Schenkung einverstanden sein, selbst dann, wenn sie geringfügig ausfällt. Denn mit jeder kleinsten Schenkung würde sich die Situation der zweiten Gruppe verbessern. Allerdings könnte die zweite Gruppe eine bestimmte Erwartungshaltung über die Höhe der Schenkung haben und die tatsächli10

11

Vgl. hierzu Kapitel V.4, Marktversagen bei asymmetrischen Informationen. George Akerlof hat im Jahr 2001 zusammen mit Joseph Stiglitz und Michel Spence den Nobelpreis für Wirtschaft erhalten. Beide Nobelpreisträger gelten daher als Mitbegründer der Institutionenökonomik.

1 Aspekte des Wirtschaftens

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che Schenkung an diesem Erwartungswert messen. Liegt der tatsächliche Wert der Schenkung unterhalb des erwarteten Wertes, so würde die zweite Gruppe die Schenkung ablehnen, da sie diese als ungerecht empfinden wird. Aus Sicht eines externen Beobachters, der nur die tatsächliche Schenkung sieht, wirkt dieses Verhalten unökonomisch, nicht aber auf der Ebene der Erwartungen. Hier zeigt sich, dass Erwartungswerte oder Gerechtigkeitsvorstellungen und nicht nur tatsächlich beobachtbare materielle Aspekte in das Entscheidungskalkül zu integrieren sind. Letztlich ist entscheidend, wie umfassend der Begriff „ökonomische Rationalität“ verstanden wird. Je mehr Erwartungen oder immaterielle Aspekte wie „Gerechtigkeit“, „emotionale Betroffenheit“ in der Entscheidungsfindung berücksichtigt werden, umso mehr dürfte das Verhalten als rational empfunden werden.

Auch wenn derartige irrationale Verhaltensweisen eine wichtige Rolle im ökonomischen Alltag spielen, sei im Folgenden überwiegend von der Annahme des „homooeconomicus“ ausgegangen. Damit wird unterstellt, dass zwar nicht jede einzelne Entscheidung, dafür aber der Durchschnitt der Entscheidungen vieler Wirtschaftseinheiten tendenziell dem ökonomischen Prinzip entsprechen. Unter Einbeziehung der Marginalanalyse erlaubt es diese Hypothese, auf einfache Weise optimale Handlungsentscheidungen von Wirtschaftseinheiten zu analysieren. Inzwischen wurden mit Christopher Sims und insbesondere Thomas Sargent zwei Persönlichkeiten mit dem Nobelpreis für Wirtschaft 2011 geehrt, die in den 70er Jahren des letzten Jahrhunderts den „homo oeconomicus“ ganz in den Mittelpunkt ihrer Betrachtungen gestellt haben. Sargent gilt als Mitbegründer der neuen klassischen Makroökonomie und als ein Verfechter der Theorie der „rationalen Erwartungen“. Diese Theorie geht davon aus, dass Wirtschaftsteilnehmer rational die Folgen geld- und wirtschaftspolitischer Maßnahmen analysieren und entsprechend reagieren (z. B. mit einer höheren Sparquote, wenn sie aufgrund eines Konjunkturprogramms höhere Steuerbelastungen in der Zukunft befürchten). Sims und Sargent konnten aufgrund ihrer statistischen Untersuchungen nachweisen, dass geld- und fiskalpolitische Maßnahmen insbesondere dann Wirkung zeigten, wenn die politischen Maßnahmen überraschend eingeleitet und von den Wirtschaftsteilnehmern nicht erwartet wurden. U. a. haben sie in ihren Studien zeigen können, dass geldpolitische Maßnahmen nachhaltige Veränderungen des Wirtschaftswachstums in den USA zur Folge hatten und nicht umgekehrt die Geldpolitik lediglich als Reflex auf die wirtschaftliche Entwicklung zu sehen war. Auf der Basis der bisherigen Ausführungen wird deutlich, dass Wirtschaften wie folgt definiert werden kann: Wirtschaften stellt eine planvolle menschliche Tätigkeit dar, mit dem Ziel, den Grad der Bedürfnisbefriedigung zu maximieren und mit knappen Gütern / Ressourcen effizient umzugehen.

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II Gegenstand der mikroökonomischen Theorie

Damit muss jede soziale Wirtschaftsordnung folgende Aufgaben lösen12: Was (welches Gut X) soll in welchen Gütermengen produziert werden? Wie, d. h. mit welcher Technologie und unter Einsatz welcher Inputs (Produktionsfaktoren) soll produziert werden? Für wen (Individuum A oder Individuum B etc.) soll produziert werden? Im folgenden Kapitel soll aufgezeigt werden, wie diese zentralen Fragen des Wirtschaftens in den typischen Wirtschaftsordnungen der Sozialen Marktwirtschaft und der Zentralverwaltungswirtschaft organisiert werden.

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Es handelt sich dabei um die gleichen Grundfragen des Wirtschaftens, denen sich auch Robinson Crusoe, der Schiffbrüchige in dem berühmten, gleichnamigen Abenteuerroman von Daniel Defoe alltäglich in der sogenannten „Robinson-Wirtschaft“ bzw. in der „Robinson-Freitag-Wirtschaft“ stellen muss. Nachdem der auf einer einsamen Insel gestrandete Robinson Crusoe zunächst für sich alleine wirtschaften muss, tritt er nach dem Zusammentreffen mit „Freitag“ in ein arbeitsteiliges Wirtschaften ein und muss dabei sowohl Aspekte des Konsums als auch der Produktion beachten.

2 Das Prinzip der Sozialen Marktwirtschaft

2

Das Prinzip der Sozialen Marktwirtschaft (Überblick)

2.1

Rahmenbedingungen der Sozialen Marktwirtschaft

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Eine soziale Gemeinschaft kann die oben angeführten wirtschaftlichen Handlungserfordernisse nicht ständig neu regeln, sondern die ökonomischen Abstimmungsprozesse müssen grundsätzlich durch eine Wirtschaftsordnung, d. h. durch ein System von prinzipiellen Regelungen definiert werden. In Anlehnung an Walter Eucken (1891 – 1950), der in den 30er Jahren die sogenannte Freiburger Schule bildete und als Gründer der Sozialen Marktwirtschaft gilt, lassen sich sogenannte „idealtypische“ bzw. „realtypische“ Wirtschaftsordnungen unterscheiden. Durch Hervorhebung aller wichtigen grundsätzlichen Eigenschaften und Verzicht auf spezielle Details leitet sich der Idealtypus einer Wirtschaftsordnung ab. Idealtypische Wirtschaftsordnungen werden auch als Wirtschaftssysteme13 bezeichnet. Die realtypische Wirtschaftsordnung ist dann die konkrete Ausprägung einer idealtypischen Wirtschaftsordnung und kann vom Idealtypus mehr oder weniger abweichen. Grundsätzlich lassen sich zwei idealtypische Wirtschaftsordnungen, d. h. Wirtschafssysteme unterscheiden, nämlich die Marktwirtschaft (bzw. die Soziale Marktwirtschaft) und die Zentralverwaltungswirtschaft. Diese beiden Wirtschaftssysteme sollen im Folgenden kurz überblickartig vorgestellt werden:14 Bei der Marktwirtschaft treffen die vielen Marktteilnehmer (Private Haushalte, Unternehmen, Staat, etc.), die auch als Wirtschaftseinheiten (Wirtschaftssubjekte) bezeichnet werden, ihre Entscheidungen dezentral auf Märkten. Die Koordinierung ihrer Entscheidungen erfolgt über Preise, soweit diese nicht über bürokratische Zuweisungen bzw. Eingriffe staatlich reglementiert sind (z. B. Subventionen, staatlich verordnete Höchst- und Mindestpreise oder sonstige, staatlich festgelegte Preise). Der „Markt“ ist allgemein definiert als ein (abstrakter oder real existierender) Ort, an dem Angebot und Nachfrage der Marktteilnehmer nach einem bestimmten Gut bzw. einem bestimmten Produktionsfaktor zusammentreffen. Als Private Haushalte werden jene Wirtschaftseinheiten bezeichnet, die zielorientiert (i. d. R. nutzenmaximierend) folgende Entscheidungen treffen:

13 14

Zu den Begriffen „Wirtschaftsordnung“ und „Wirtschaftssystem“ vgl. auch Grossekettler, H.; Hadamitzky, A.; Lorenz, C.: Volkswirtschaftslehre, Konstanz 2005, S. 102 ff. Zu einer Vertiefung der begrifflichen Abgrenzung vgl. auch Behrens, C.-U.; Kirspel, M.: Grundlagen der Volkswirtschaftslehre, a. a. O., S. 132 ff.

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II Gegenstand der mikroökonomischen Theorie

Aufteilung ihres tägliches Zeitbudget in ein Arbeitsangebot oder eine Freizeitnachfrage, um mit dem daraus entstehenden Arbeitseinkommen oder mit ihrem Kapitaleinkommen oder durch Abbau ihrer Ersparnisse oder auf Kredit knappe Güter unter Wahrung der Konsumentensouveränität nachzufragen und eine nutzenmaximierende Konsumstruktur der Güter zu realisieren oder in der laufenden Periode zu sparen, um sich zukünftig weitere Konsummöglichkeiten zu erschließen. Den Privaten Haushalten stehen die Produzenten der Güter gegenüber, die als selbständige Unternehmen zielorientiert (z. B. gewinnmaximierend) Güter produzieren, die von den anderen Marktteilnehmern (Private Haushalte, andere Unternehmen, Staat, Wirtschaftsteilnehmer aus dem Ausland) nachgefragt werden und zur Produktion dieser Güter Produktionsfaktoren (z. B. Boden, Arbeit, Kapital) etc. einsetzen (Nachfrage nach Arbeitskräfte und Sachkapital = Investitionsgüter). Die Angebots- und Nachfrageentscheidungen der Haushalte und Unternehmen treffen auf Güter- und Faktormärkten zusammen und werden über Marktpreise koordiniert (z. B. Preisbildung für Waren- und Dienstleistungen sowie für Produktionsfaktoren wie Arbeit, Boden, Kapital und Energie). Der marktwirtschaftliche Koordinierungsprozess über Preise lässt sich für den Faktor- oder Gütermarkt wie folgt beschreiben (vereinfachend werden im Folgenden nur Private Haushalte und Unternehmen betrachtet): Die Unternehmen versuchen vor dem Hintergrund einer zunächst vorgegebenen Produktionstechnologie, vorgegebener Faktorpreise und bestehender Nachfragewünsche der Verbraucher die Entscheidungen über das „Was“ und „Wie“ der Produktion so zu treffen, dass ihre Unternehmensziele (z. B. Gewinne) möglichst gut erreicht werden. Idealtypisch werden Unternehmen daher genau die Güter anbieten, die den höchsten Gewinn (hier als Ziel unterstellt) versprechen. Dies sind die Güter, die ─ gemessen an den zusätzlichen Kosten ─ den höchsten Preis erzielen. Dies sind aber gleichzeitig diejenigen Güter, die bei den Privaten Haushalten eine hohe Zahlungsbereitschaft als Indikator des entstandenen Nutzens zum Ausdruck bringen. Die Zahlungsbereitschaft der Haushalte und der Nutzen, der von den Gütern ausgeht, werden auch durch die Einkommens- und Vermögensverhältnisse der Haushalte geprägt. Liegt in einer Volkswirtschaft eine sehr ungleiche personelle Vermögens- und/oder Einkommensverteilung vor (zur Vermögens- und Einkommensverteilung in Deutschland vgl. das Kapitel V „Marktversagen und die Rolle des Staates“), so können einige wenige einkommens- oder vermögensstarke Nachfrager hohe Güterpreise finanzieren und damit die Güterstruktur maßgeblich in ihrem Sinne prägen. Das Prinzip der Sozialen Marktwirtschaft geht überwiegend von der Vorstellung aus, dass über die Maximierung des individuellen Nutzens auch der Nutzen al-

2 Das Prinzip der Sozialen Marktwirtschaft

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ler Individuen zunimmt. Allerdings kann ein marktwirtschaftliches System lediglich eine effiziente Allokation von Ressourcen bei der jeweils vorherrschenden Einkommens- und Vermögensverteilung sicherstellen. Ob jemand in den Genuss der knappen Ressourcen einer Volkswirtschaft gelangt, hängt neben der durch den Marktprozess beeinflussten Einkommensverteilung entscheidend von der anfänglichen Vermögensausstattung der Wirtschaftsteilnehmer ab. Aufgabe des Staates ist es u. a., über Umverteilungsmaßnahmen die von der Gesellschaft als akzeptabel angesehene Einkommens- bzw. Vermögensverteilung der Bevölkerung sicherzustellen (Distributionsaufgabe des Staates). Die bisherigen Ausführungen haben gezeigt, dass die Entscheidungen der Privaten Haushalte und der Unternehmen über den Lenkungsmechanismus der Marktpreise im Sinne des ökonomischen Prinzips koordiniert werden. In diesem Zusammenhang ist zu beachten, dass in einer Marktwirtschaft nicht nur das optimale Güterangebot zu bestimmen ist („Was“-Frage), sondern darüber hinaus auch zu klären ist, wie ein bestimmtes Gut produziert wird, d. h. welche Produktionsfaktoren zum Einsatz kommen („Wie“-Frage). Ausgehend von den bestehenden Faktorpreisen und den Faktorproduktivitäten, d. h. dem Verhältnis von produzierter Gütermenge und Faktoreinsatz, werden die Unternehmen die Produktion so gestalten, dass jede beliebig angestrebte Produktionsmenge mit den geringsten Kosten erzeugt wird. Dies bedeutet, dass für die Güterproduktion die Produktivitäten und die Preise der eingesetzten Faktoren aufeinander abzustimmen sind. Grundsätzlich werden diejenigen Faktoren eingesetzt, die gemessen an den Produktivitäten der Faktoren am preiswertesten sind. Ist z. B. der eingesetzte Faktor „Produktionskapital“15 je Stunde doppelt so teuer wie der Faktor Arbeit, so wird Produktionskapital nur dann im Produktionsprozess eingesetzt, wenn es auch doppelt so produktiv wie der Faktor Arbeit ist. Dies lässt sich am Beispiel eines Gartenbauunternehmens aufzeigen, das Bäume unter Einsatz von Arbeit und Produktionskapital (z. B. Schaufel, Schubkarre, Bagger etc.) pflanzen möchte. Hierzu kann das Unternehmen die Bäume arbeitsintensiv pflanzen, indem es hauptsächlich Arbeitskräfte mit Schaufeln einsetzt oder es kann kapitalintensiv vorgehen, indem z. B. ein Bagger mit Fahrer zum Einsatz kommt. Solange der Bagger in der Stunde doppelt so teuer ist wie eine Arbeitskraft, wird das Unternehmen den Bagger nur dann einsetzen, wenn die Produktivität des Baggers mindestens auch doppelt so hoch ist wie die Produktivität der Arbeitskraft. Durch den Vergleich von Produktivität und Preis der Produktionsfaktoren wird sichergestellt, dass das Unternehmen je Produktionseinheit die geringsten Kosten verursacht (Minimierungsprinzip) bzw. mit seinen verfügbaren Produktionsfaktoren eine maximale Produktionsmenge erzielt (Maximalprinzip). Dieses effiziente Wirtschaften 15

Hier und im Folgenden ist zwischen den Begriffen „Finanzkapital“ und „Produktionskapital“ zu unterscheiden. Unter Produktionskapital werden Produktionsmittel wie Maschinen und Ausrüstungen sowie Bauten verstanden, die im Produktionsprozess eingesetzt werden. Im Rahmen der Mikroökonomie ist der Begriff „Kapital“ überwiegend im Sinne von Produktionskapital und nicht Finanzkapital (langfristige, finanzielle Mittel wie z. B. Kredite, Wertpapieranlagen etc.) zu verstehen.

14

II Gegenstand der mikroökonomischen Theorie

stellt zugleich in der Volkswirtschaft sicher, dass knappe Produktionsfaktoren dort eingesetzt werden, wo sie am dringendsten benötigt werden und wo sie die höchste Produktivität erzielen. So wäre es Verschwendung, wenn z. B. der vergleichsweise teure Bagger zur Pflanzung von kleinen Bäumen eingesetzt wird, wenn der Einsatz von relativ günstigen Arbeitskräften den gleichen Pflanzerfolg bewirken würde. Das Beispiel zeigt, dass das Ziel der Gewinnmaximierung und der effizienten, kostengünstigen Produktion dazu führt, dass knappe Produktionsfaktoren (wie z. B. der Faktor „Ausrüstungskapital“ in Form eines Baggers) immer dann geschont werden, wenn es – gemessen an den Produktivitäten der Faktoren – preisgünstigere Faktoren (Arbeitskraft mit Schaufel) gibt. Wird das ökonomische Prinzip im Gartenbaubetrieb realisiert, käme beispielsweise der Bagger ausschließlich bei Produktionsvorgängen zum Einsatz, bei denen die Arbeitskräfte überfordert und damit in der Produktion ineffizient wären (z. B. das Entfernen großer Wurzeln eines großen, gefällten Baumes). Damit stellt das marktwirtschaftliche Koordinierungssystem im Rahmen der gegebenen Einkommens- und Vermögensverteilung Verbrauchseffizienz bei der Wahl der zu produzierenden Güter sicher (Güterpreis- und Grenznutzenrelation der Güter müssen im Einklang stehen, wie später mit dem sogenannten 2. Gossenschen Gesetz noch näher aufgezeigt wird). Darüber hinaus werden unter Wettbewerbsbedingungen diese Güter mit derjenigen Technologie produziert, die bei gegebenen Faktorpreisen die geringsten Kosten verursachen (Produktions- oder Outputeffizienz, die später unter der Überschrift „Minimalkostenkombination“ diskutiert wird). Insgesamt werden damit knappe volkswirtschaftliche Ressourcen (Produktionsfaktoren) zur Produktion derjenigen Güter eingesetzt, die in einer Volkswirtschaft bei gegebener Einkommens- und Vermögensverteilung den höchsten Nutzen stiften. Die Ausführungen machen deutlich, dass den Preisen im marktwirtschaftlichen Lenkungsmechanismus eine zentrale Signal- und Lenkungsfunktion16 bei der Koordinierung der Entscheidungen der Wirtschaftsteilnehmer zukommt. Der Koordinierungsprozess über die Preise stellt zusammen mit den zielorientierten Entscheidungen der Wirtschaftsteilnehmer sicher, dass die vorgegebenen knappen Ressourcen für die Produktion genau derjenigen Güter eingesetzt werden, die den Haushalten den größten Nutzen stiften. Auf diese Weise führt die individuelle Zielmaximierung der Unternehmen und der Haushalte unter Beachtung ihrer jeweiligen Rahmendaten (Beschränkungen) zugleich zu einer gesellschaftlichen Nutzenmaximierung (Realisierung des ökonomischen Prinzips). Voraussetzung hierfür ist aber, dass die Preise sich auf den Faktor- und Gütermärkten entsprechend der Knappheiten frei bilden können. Sie dürfen beispielsweise nicht durch staatlich verordnete Höchst- oder Mindestpreise17 oder durch Subventionen verzerrt sein. Derartige verzerrte Preise 16 17

Zur Funktion der Preise und zum Prinzip der Sozialen Marktwirtschaft vergleiche die näheren Ausführungen im Kapitel IV. Mindest- bzw. Höchstpreise werden später im Kapitel IV näher erörtert.

2 Das Prinzip der Sozialen Marktwirtschaft

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werden verschiedentlich aus sozialpolitischen Erwägungen angestrebt (Mindestlöhne, Mindestpreise für Agrarprodukte, Höchstmieten je Quadratmeter im Sozialen Wohnungsbau, Subventionen von wenig wettbewerbsfähigen Produktionsbereichen wie z. B. die Kohleförderung). Mit sozial „gestalteten Preisen“ sollen verteilungspolitische Ziele wie eine gesicherte Grundversorgung mit lebensnotwendigen Gütern oder „sozialverträgliche“ Löhne erreicht werden. Eine sozialpolitische „Gestaltung“ der Preise wird aber mit allokationspolitischen Nachteilen erkauft, da der Faktorund Gütereinsatz aufgrund verzerrter Preise nicht dem ökonomischen Prinzip entspricht. Ein zusätzliches Problem der effizienten Allokation, d. h. Verfügung über Güter und Faktoren ergibt sich auch dann, wenn nicht alle Kosten der Produktion oder der gesamte Nutzen der Güter in die Entscheidungen der Wirtschaftsteilnehmer einfließen. Eine unzureichende oder fehlende Einbeziehung aller Kosten oder Nutzen der Güter liegt z. B. bei sogenannten negativen externen Effekten (z. B. Umweltverschmutzung) oder positiven externen Effekten (z. B. positive Wirkungen von technischen Neuerungen) vor.18 Damit der marktwirtschaftliche Koordinierungsprozess optimal gestaltet wird und Unternehmen sich bei ihren Entscheidungen an den Knappheiten und Produktivitäten der Produktionsfaktoren sowie an den Wünschen der Verbraucher ausrichten, muss auf den Märkten zudem ein funktionierender Wettbewerb herrschen. Er stellt ein zentrales Element einer sozialen Marktwirtschaft dar, damit möglichst viele Marktteilnehmer von den Vorteilen des Wirtschaftens profitieren. Nur bei hinreichendem Wettbewerb ist garantiert, dass das Wirtschaften nicht allein der Machtausweitung und Bereicherung einzelner dominanter Wirtschaftsteilnehmer wie z. B. bestimmten Monopolisten dient, sondern allen Marktteilnehmern in Form effizienter Abstimmungsprozesse in einer sich ständig wandelnden Welt zugute kommt. Die Funktionsweise des Wettbewerbs und seine fundamentale Bedeutung für eine nach sozialen Aspekten ausgerichtete Marktwirtschaft wird in Kap. IV näher beleuchtet. Wie bereits zuvor angedeutet, beantwortet das marktwirtschaftliche Prinzip die Frage des „für wen soll produziert werden“ überwiegend nach dem Grundsatz der wirtschaftlichen Stärke und der Leistungsfähigkeit. Daher ist zur ausreichenden sozialen Absicherung derjenigen Wirtschaftsteilnehmer, die diesem Leistungsprinzip aus persönlichen oder sonstigen Gründen nicht gewachsen sind, ein „sozialer Ausgleich“ oder eine Umverteilung von Einkommen und Vermögen durch die Gesellschaft, d. h. durch den Staat erforderlich. Die soziale Dimension der Ausgestaltung der Ergebnisse der Marktwirtschaft durch funktionierenden Wettbewerb und staatliche Ausgleichsmechanismen wird als Soziale Marktwirtschaft bezeichnet. Je nach der wirtschaftlichen Stärke der Volkswirtschaft und den sozialen Vorstellungen der Gesellschaft wird über das Niveau des sozialen Ausgleichs in verschiedenen sozialen Systemen unterschiedlich entschieden. Auch in Deutschland wurde die

18

Vgl. hierzu sowie zu weiteren Verzerrungen der optimalen Allokation das Kapitel V.

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II Gegenstand der mikroökonomischen Theorie

Diskussion um den sozialen Ausgleich immer wieder geführt und schlug sich in vielfältiger Form in den Wahlprogrammen der verschiedenen politischen Parteien nieder. Vor allem in den letzten Jahren nahm im Zuge der zunehmenden Globalisierung, d. h. der weltweiten Vernetzung von Produktions- und Konsumentscheidungen, diese Auseinandersetzung deutlich zu, wie ein Blick auf die aufkommenden Schlagworte wie z. B. „Hartz-IV-Reformen“19 und „Agenda 2010“ verdeutlicht.20 Die Bedeutung des Staates für eine optimale Güterversorgung (Allokation) und für eine als angemessen betrachtete Verteilung und Umverteilung (Distribution) von Einkommen und Vermögen wird in Kapitel V diskutiert. Der Preisbildungs- und Koordinierungsprozess auf Märkten soll zu gesellschaftlich und wirtschaftlich effizienten Ergebnissen führen. Sie werden gleichsam von einer unsichtbaren Hand („invisible hand“) zielmaximierend vollzogen. Dies ist die zentrale Botschaft der Volkswirtschaftslehre und der Mikroökonomie. Ihre zukunftweisende Ausrichtung wurde bereits durch Adam Smith, einem wichtigen Vertreter der Klassischen Nationalökonomie, in seinem zentralen Werk „The Wealth of Nations“ 1776 begründet. Das Gegenstück zur dezentral organisierten Marktwirtschaft bildet die Zentralverwaltungswirtschaft. In der idealtypischen Ausprägung dieser Wirtschaftsordnung werden die zahlreichen Entscheidungen nicht von den einzelnen Wirtschaftsteilnehmern, sondern von einer zentralen Instanz getroffen und hierarchisch nach unten weitergegeben. Die Beantwortung der oben angeführten drei Fragen nach dem „was“, „wie“ und „für wen“ soll produziert werden stellt diese zentrale Instanz aber vor ein kaum zu lösendes Problem. Muss sie doch sowohl die Wünsche der Haushalte als auch die Möglichkeiten der Produktionstechnologie überschauen. Bei der Frage des „für wen, in welcher Menge“, d. h. bei der Frage nach dem Bedarf handelt es sich nicht um eine ökonomische, sondern um eine soziale Entscheidung. Das Bedarfsprinzip kann z. B. nach dem Gleichheitsprinzip „jedem das Gleiche“ ausgelegt werden. Doch was ist unter „gleichem Bedarf“ zu verstehen, wenn die Wirtschaftssubjekte unterschiedliche Güter in unterschiedlichen Mengen nachfragen und die hierdurch entstehenden unterschiedlichen Warenkörbe z. B. aufgrund fehlender oder verzerrter Preise nicht miteinander verglichen werden können?

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Mit den sogenannten Hartz-Gesetzen (benannt nach ihrem Initiator Peter Hartz), insbesondere den Hartz-IV-Gesetzen, versuchte die deutsche Bundesregierung in 2002 unter Bundeskanzler Gerhard Schröder den Arbeitsmarkt zu reformieren, ihn flexibler zu gestalten und Arbeitskräfte verstärkt in den Arbeitsprozess zu integrieren. Die Maßnahmen der Agenda 2010 sahen eine Neubelebung der deutschen Volkswirtschaft durch marktwirtschaftliche Reformen vor. Die Maßnahmen gingen über die Beschlüsse zum Arbeitsmarkt im Rahmen der Hartz-Gesetze hinaus und betrafen u. a. auch die Wachstums-, Bildungs- und Familienpolitik sowie Reformen der Sozialversicherungen (z. B. Reform der Rente im Hinblick auf die demographische Alterung durch einen sogenannten Nachhaltigkeitsfaktor).

2 Das Prinzip der Sozialen Marktwirtschaft

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Vor dem Hintergrund dieser und der anderen als unlösbar anzusehenden Probleme ist es nicht verwunderlich, dass sich viele Volkswirtschaften für die Wirtschaftsordnung der Sozialen Marktwirtschaft entschieden haben und ihren Wohlstand – trotz z.T. bestehender wirtschaftlicher Probleme, wie z. B. hoher Arbeitslosigkeit – deutlich ausweiten konnten. Auch viele frühere Zentralverwaltungswirtschaften haben inzwischen den marktwirtschaftlichen Weg eingeschlagen. Die Grundsatzentscheidung für die Soziale Marktwirtschaft in der Bundesrepublik Deutschland fiel 1948/49 mit der Währungsreform (1948) und der Beseitigung von Preisbindungen (1948) sowie dem Inkrafttreten der Staatsverfassung (1949). Der Begriff der Sozialen Marktwirtschaft geht auf Alfred Müller-Armack (1901–1978) zurück; er verstand hierunter „(...) eine ordnungspolitische Idee (...), deren Ziel es ist, auf der Basis der Wettbewerbswirtschaft die freie Initiative mit einem gerade durch die marktwirtschaftliche Leistung gesicherten sozialen Fortschritt zu verbinden“21. Diese sehr flexibel formulierte Definition soll zum Ausdruck bringen, dass der soziale Ausgleich nur dann mit einem sozialen Fortschritt einhergeht, wenn er einerseits die wirtschaftliche Kraft einer Volkswirtschaft nicht überlastet, andererseits aber auch den Spielraum für einen sozialen Ausgleich nutzt. Dabei kommt dem Wettbewerb eine zentrale soziale Ausgleichsfunktion zu, wie in Kapitel IV.1 noch näher spezifiziert wird. Politisch durchgesetzt wurde das Konzept der Sozialen Marktwirtschaft durch Ludwig Erhard (1897–1977), dem ersten Wirtschaftsminister der Bundesrepublik Deutschland.22 Die Soziale Marktwirtschaft stellt grundsätzlich eine effiziente Wirtschaftsordnung dar, die gegebene knappe Ressourcen über den Lenkungsmechanismus von Preisen und Wettbewerb derart für die Produktion von Gütern verwendet, dass mit ihnen für eine gegebene Einkommens- bzw. Vermögensverteilung der höchste denkbare Nutzen bei den nachfragenden Wirtschaftssubjekten realisiert werden kann. Zentrale Voraussetzung für den Erfolg dieser liberalen Wirtschaftsordnung ist jedoch eine funktionierende Wirtschaftsordnung, die freiheitliche, marktwirtschaftliche Elemente mit ordnenden, regulierenden Prinzipien vereint. Die Wirtschaftsordnung der Bundesrepublik Deutschland enthält daher u. a. die folgenden zentralen Elemente23, die sich aus dem Bedarf nach Rechtssicherheit, der Notwendigkeit freier Konsumenten- und Produzentenentscheidungen, dem Erfordernis freier und überschaubarer Preisbildungen und einer sozialen Absicherung in der Sozialen Marktwirtschaft ergeben; Elemente der Sozialen Marktwirtschaft sind daher im Einzelnen: 21

22

23

Vgl. z. B. Andersen, U.; Wichard, W. (Hrsg.): Art. Soziale Marktwirtschaft/Wirtschaftspolitik, in: Handwörterbuch des politischen Systems der Bundesrepublik Deutschland, 5. Auflage, Opladen 2003. Zu einer kurzen, übersichtlichen Zusammenstellung der Gründer der Sozialen Marktwirtschaft, den sogenannten Ordoliberalen, vgl. Grossekettler, H. u. a.: Volkswirtschaftslehre, a. a. O., S. 217 ff. Derjenige Teil der Wirtschaftsordnung, der durch rechtliche Regelungen spezifiziert wird, findet dabei auch in dem Begriff der „Wirtschaftsverfassung“ seinen Niederschlag.

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II Gegenstand der mikroökonomischen Theorie

ein funktionierendes Rechtssystem zur Sicherung individueller Freiheitsrechte (Eigentumsrechte, Gewerbe-, Produzenten- und Konsumentenfreiheit, etc.), eine funktionierende Wettbewerbsordnung zur größtmöglichen Gewährleistung unternehmerischen Wettbewerbs (Instrumente sind u. a. das in ein europäisches Wettbewerbsrecht eingebettete Gesetz gegen Wettbewerbs-Beschränkungen (GWB), überwacht durch das deutsche Bundeskartellamt in Bonn und die EUKommission in Brüssel), Konsumentensouveränität bei der Güternachfrage, dem Arbeitsangebot und der Ersparnisbildung, offene, nicht durch Handelsschranken begrenzte Märkte, eine innere Preisstabilität, die durch eine stabile Währung auch nach außen ergänzt wird sowie eine freie, unverzerrte Preisbildung24, ein mit der marktwirtschaftlichen Leistungsfähigkeit in Einklang stehendes soziales Sicherungssystem25 sowie staatliche Eingriffe26 zur Sicherstellung einer effizienten Güter- und Faktorallokation (Allokationspolitik), einer von der Gesellschaft als „gerecht“ empfundenen Einkommens-(/) bzw. Vermögensdistribution (Distributionspolitik) und einer von der Gesellschaft als angemessen angesehenen staatlichen Stabilisierungspolitik der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung. Mit der im Frühjahr 2007 begonnenen Wirtschafts- und Finanzkrise wurde die Soziale Marktwirtschaft im Hinblick auf ihre Funktionsweise einem harten Test unterzogen. Zentrale Ursache der Wirtschaftskrise war eine überzogene Ausrichtung 24

25

26

Preisliche Vergünstigungen von Produktionsfaktoren (Subventionen) können sich dabei grundsätzlich als ebenso schädlich für eine effiziente Güterversorgung erweisen (sofern sie nicht zum Ausgleich externer Effekte eingesetzt werden), wie die Beeinträchtigung der freien Preisbildung durch Mindest- bzw. Höchstpreise (siehe hierzu die späteren Ausführungen in Kapitel IV). Hier ist vor allem zwischen den gesetzlichen Sozialversicherungssystemen und der staatlichen Fürsorge zu unterscheiden. Während der gesetzlichen Sozialversicherung grundsätzlich der Gedanke des Äquivalenzprinzips zugrunde liegt, d. h. jeder Bürger sich grundsätzlich durch staatlich geregelte Sozialversicherungsbeiträge gegen zentrale soziale Belastungen abzusichern hat (gesetzliche Kranken-, Arbeitslosen-, Renten- und Pflegeversicherung), steht bei der Fürsorge das Bedürftigkeitsprinzip im Vordergrund. Es greift in sozialen Notlagen auch dann, wenn der Betroffene durch besondere Risiken oder Belastungen keine ausreichende soziale Absicherung durch gesetzliche oder private Maßnahmen ergreifen konnte und auch sonst keine andere Unterstützung möglich ist (sogenanntes Subsidiaritätsprinzip). Allerdings haben in den letzten Jahrzehnten auch in der gesetzlichen Sozialversicherung die bedarfsorientierten Leistungen an Bedeutung gewonnen. Von ihnen gehen stärkere Umverteilungswirkungen aus. Zur Präzisierung vgl. die Ausführungen zur Allokations-, Distributions- und Stabilisierungspolitik des Staates unter dem Gliederungspunkt „Marktversagen und die Rolle des Staates“ in Kapitel V.

2 Das Prinzip der Sozialen Marktwirtschaft

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der Aktivitäten von Finanz- und Wirtschaftsakteuren auf die Maximierung von Renditen, ohne dabei die drohenden Risiken hinreichend zu berücksichtigen. Da die Lenkung der Marktwirtschaft über Preise und Renditen zu massiven Problemen27 führte und damit quasi das Herzstück des marktwirtschaftlichen Abstimmungsmechanismus seine Funktion nicht oder nicht ausreichend erfüllte, sieht sich die Soziale Marktwirtschaft und ihr Koordinationsmechanismus erheblicher Kritik ausgesetzt.28 Die Kritiker sollten sich aber bewusst sein, dass die Funktionsweise der Sozialen Marktwirtschaft an strenge Rahmenbedingungen geknüpft ist. Hierzu gehören vertragliche Regelungen, die jeden Marktteilnehmer in die persönliche Pflicht nehmen (Sanktionsmechanismus), wenn er nicht zielgerichtete Entscheidungen zu Lasten anderer Wirtschaftsteilnehmer trifft. Wie in Kapitel V noch aufgezeigt wird, sind die Folgen unzureichender (asymmetrischer) Informationen durch eine angemessene Ausgestaltung der Informationssysteme (z. B. Funktionsweise von Ratingagenturen und staatlichen Kontrollgremien zur Beurteilung von Marktrisiken) zu vermeiden. Auch müssen im Banken- und Versicherungssektor ausreichende Risikopuffer in Form von Kapitalreserven (z. B. Eigenkapitalausstattungen) oder finanzieller Ausgleichssysteme zur Bewältigung vorübergehender Liquiditätsengpässe geschaffen werden. Die Systeme müssen so gestaltet werden, dass unverantwortliches Handeln nicht von der Hoffnung genährt wird, dass staatliche Ausgleichsmechanismen (bailout) marktwirtschaftliches Fehlverhalten alimentieren. Gerade am Beispiel dieser Wirtschafts- und Finanzkrise zeigt sich, wie verletzbar die Soziale Marktwirtschaft ist, wenn die marktwirtschaftlichen Rahmenbedingungen unzureichend ausgestaltet sind. Dabei ist zu beachten, dass Produkt- und Prozessinnovationen auch entsprechende Anpassungen der marktwirtschaftlichen Regulierungssysteme erfordern. Aufgrund der hohen Staatsverschuldung zahlreicher Länder des Euroraums, der USA und anderer Staaten hat sich die aus dem expansiven Kreditverhalten der Banken resultierende Hypothekenkrise inzwischen zu einer Staatsschuldenkrise fortentwickelt. Da die Banken im großen Umfang Staatspapiere halten, die infolge der Überschuldung der Staaten deutlich abgewertet wurden, droht aufgrund des Kursverlustes dieser Papiere inzwischen eine anhaltende Bankenkrise. Auch diese Krise wird als Krise der Sozialen Marktwirtschaft und ihres Koordinierungsmechanismus angesehen. Jedoch ist hierbei zu beachten, dass durch die Schaffung einer einheitlichen Währung und eines einheitlichen Leitzinses im Euro-Währungsraum die An27

28

Überzogene Managergehälter, die auf die Erreichung kurzfristig, nicht nachhaltig definierter Ziele ausgerichtet waren sowie überzogene Renditen, die die bestehenden Risiken systematisch unterschätzten (z. B. riskante Immobilienkredite oder Finanzbeteiligungen), haben die Funktionsfähigkeit der Marktwirtschaft auf eine harte Probe gestellt. Der ehemalige Präsident der US-amerikanischen Notenbank FED bringt dies bei einer Anhörung im US-amerikanischen Kongress wie folgt zum Ausdruck: „Diejenigen von uns, die geglaubt haben, dass das Eigeninteresse von Banken das Kapital ihrer Aktionäre schützen würde, sind – einschließlich mir selbst – in einem Stadium schockierten Unglaubens(…)“ (zitiert nach: DB-Research, Homo oeconomicus, a. a. O., S. 2).

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II Gegenstand der mikroökonomischen Theorie

passungsfähigkeit der Volkswirtschaften des Euroraumes erheblich beeinträchtigt wird. Hier zeigt sich, dass ein einheitlicher Währungsraum nur dann funktionsfähig ist, wenn die Mitgliedstaaten durch Strukturreformen und wirtschaftspolitische Anpassungen die Voraussetzungen für eine ausreichende Wettbewerbsfähigkeit schaffen. Auch sind im EU-Vertrag Neuordnungen der Finanzmarktregulierungen vorzunehmen und ein europäisches Verfahren für eine geordnete Insolvenz von Banken und Staaten zu berücksichtigen, um das Vertrauen in den marktwirtschaftlichen Koordinierungs- und Anpassungsmechanismus wieder herzustellen.29 Eine Soziale Marktwirtschaft kann nur dann funktionieren, wenn die zuvor dargestellten Rahmenbedingungen gegeben sind. Die Tatsache, dass struktur- und finanzschwache Länder des Euroraumes den Wechselkurs als Anpassungsinstrument nicht einsetzen können und der einheitliche Leitzins zudem auf die unterschiedliche wirtschaftliche Situation nicht ausreichend reagieren kann, darf nicht dem System der Marktwirtschaft angelastet werden. Vielmehr sind die finanz- und wirtschaftspolitischen Missstände sowohl einer exzessiven Finanzpolitik als auch unterbliebenen Strukturreformen in den betroffenen Ländern zuzuschreiben. Eine wirtschaftliche Besserung ist nur dann zu erwarten, wenn der mit der einheitlichen Währung angestrebten Vollendung der Europäischen Union auch praktische Schritte in Richtung einer politischen Union folgen.

2.2

Haushalte, Unternehmen, Staat und Märkte als zentrale Elemente einer Sozialen Marktwirtschaft

Im Folgenden sollen die Entscheidungen der Privaten Haushalte (Haushaltstheorie) und der Unternehmen (Unternehmenstheorie), die Bedeutung des Staates in einer Sozialen Marktwirtschaft sowie das Zusammentreffen ihrer Entscheidungen auf Märkten überblickartig beschrieben werden. Eine detaillierte Analyse der einzelnen Entscheidungen der Haushalte und der Unternehmen erfolgt dann in den Kapiteln III.1 und III.2. Hier sowie in den folgenden Kapiteln wird auch auf die überragende Bedeutung des Wettbewerbs für die Funktionsweise der Sozialen Marktwirtschaft und auf den Einfluss verschiedener Marktformen eingegangen, die ihrerseits wiederum das Marktverhalten der Anbieter und die Nachfrage maßgeblich prägen. Neben den Privaten Haushalten stellt der Staat30 in Gestalt der „Gebietskörperschaften“ und der „Sozialversicherungen“ eine für den Erfolg der Sozialen Marktwirtschaft zentrale Wirtschaftseinheit dar. Sein grundsätzliches Aufgabenspektrum soll in diesem einführenden Kapitel kurz skizziert und im Kapitel V („Marktversagen und die Rolle des Staates“) näher beschrieben werden. Allerdings können die Ausführungen 29

30

Zur aktuellen deutschen und weltweiten Wirtschafts- und Finanzsituation und zu den erforderlichen Maßnahmen vgl. u. a. Wirtschaftswissenschaftliche Forschungsinstitute, Gemeinschaftsdiagnose Herbst 2011. Die unter dem Begriff „Staat“ zusammengefassten Gebietskörperschaften und gesetzlichen Sozialversicherungsträger werden auch als „Öffentliche Haushalte“ bezeichnet.

2 Das Prinzip der Sozialen Marktwirtschaft

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nur einen Überblick vermitteln. Eine detaillierte Analyse der Staatstätigkeit ist der weiterführenden finanzwissenschaftlichen Literatur vorbehalten.31 Haushaltstheorie: Den Untersuchungsgegenstand der Haushaltstheorie bilden die Privaten Haushalte, die von den Öffentlichen Haushalten (Staat) zu unterscheiden sind. Im Jahre 2010 gab es rund 40,2 Mio. Private Haushalte32 in Deutschland mit einer durchschnittlichen Haushaltsgröße von 2,03 Personen je Haushalt. Rational handelnde Private Haushalte (Rationalitätsprinzip) haben bei der Maximierung ihrer Zielfunktion (z. B. Nutzenmaximierung) ihre jeweiligen Beschränkungen zu beachten (vgl. Übersicht II-2). Eine Beschränkung stellt die Budgetgerade des Haushalts dar, die beschreibt, wie sich in jeder Wirtschaftsperiode (z. B. einen Monat oder ein Jahr) das erwirtschaftete Nominaleinkommen Y auf die Konsumausgaben C und die Ersparnis S aufteilt. Die Konsumausgaben C werden für Güter X und Z getätigt, für die jeweils je Mengeneinheit die Güterpreise P(X) und P(Z) zu zahlen sind. Neben der Budgetbeschränkung muss der Haushalt seine Zeitbeschränkung beachten: Das gesamte Zeitkontingent von 24 Stunden/Tag ist auf Arbeit und Freizeit aufzuteilen. Vor diesem Hintergrund zeigt die Übersicht II-2 drei zentrale Entscheidungen auf, die ein Haushalt simultan zu treffen hat33. Um die folgenden Darstellungen zu vereinfachen, werden die Entscheidungen isoliert dargestellt, auch wenn sie in der Realität gleichzeitig und interdependent erfolgen: Für einen bestimmten nominalen Konsumbetrag ist zu entscheiden, wie sich dieser Ausgabenbetrag auf verschiedene Güter X und Z in der Mengen- und Wertstruktur aufteilt. (Entscheidung: Konsumstrukturproblem = Optimierung der Struktur der Güternachfrage in einer betrachteten Periode). Für ein bestimmtes Einkommen ist zu entscheiden, welcher Teil des Einkommens konsumiert oder gespart wird. Auch ist zu entscheiden, ob die Ersparnis negativ ausfallen, d. h. ein Kredit aufgenommen wird. Da die Ersparnis den Konsum der nächsten Perioden darstellt, handelt es sich um die zeitliche Verwendungsstruktur des Einkommens (Entscheidung: Optimierung der zeitlichen Struktur der Güternachfrage in verschiedenen Perioden). 31 32

33

Vgl. z. B. Zimmermann, H.; Henke, K.-D.: Finanzwissenschaft, 7. Auflage, München 1994. Vgl. Statistisches Bundesamt, Bevölkerung und Erwerbstätigkeit 2010, Entwicklung der Privathaushalte bis 2030, Ergebnisse der Haushaltsvorausberechnung, Wiesbaden 2011, Tabelle „Entwicklung der Privathaushalte“. Die Prognosen des Statistischen Bundesamtes kommen zu dem Ergebnis, dass die Zahl der Privathaushalte sich bis 2024 auf 41,2 Mio. erhöht und dann bis 2030 leicht abnimmt; die durchschnittliche Haushaltsgröße reduziert sich nach diesen Vorausberechnungen bis 2030 auf 1,88 Personen; während im Jahr 2010 etwa 40% in Einpersonenhaushalten leben, dürfte dieser Anteil bis 2030 voraussichtlich auf 43,4% ansteigen; vgl. zu den verschiedenen Zahlen ebenda. Die in Übersicht II-2 erfassten Angaben „1-HH“ bis „3-HH“ kennzeichnen die drei Entscheidungen der Haushalte mit einem kurzen Symbol.

22

II Gegenstand der mikroökonomischen Theorie

Bei den bisherigen Entscheidungen wurde ein bestimmtes Arbeitseinkommen zugrunde gelegt. Aber auch hierüber hat der Haushalt zu entscheiden, d. h. er muss festlegen, wie die ihm zur Verfügung stehende Zeit auf die beiden Verwendungsmöglichkeiten „Arbeit“ und „Freizeit“ grundsätzlich optimal aufzuteilen ist (Entscheidung: Strukturproblem der Zeitaufteilung auf Arbeit und Freizeit), woraus ein bestimmtes Arbeitsangebot resultiert . Übersicht II-2: Ziele, Nebenbedingungen, Entscheidungen eines Privaten Haushalts Zielsetzung, z. B. Nutzenmaximierung

Nutzenfunktion - optimale gütermäßige Konsumstruktur (Güternachfrage) in einer Periode (1-HH) - optimale Konsumaufteilung auf die Perioden (Konsum und Sparen) (2-HH)

Drei Entscheidungen eines Privaten Haushalts

- optimales Arbeitsangebot in einer Periode (3-HH)

Einkommen (Y)

=

Arbeitseinkommen + Kapitaleinkommen

Konsumausgaben (C)

+

C = P(X) y X + P(Z) y Z

Sparen (S) Nebenbedingung: Budgetgleichung

damit gilt als Budgetgleichung: Y =

P(X) y X + P(Z) y Z + S

mit : P(X), P(Z) = Preise der betrachteten Güter X bzw. Z Hinweis: Staatliche Eingriffe, z.B. Umverteilung von Einkommen, werden nicht berücksichtigt .

Das Entscheidungsproblem des Arbeitsangebots (Arbeitszeit versus Freizeit) reduziert sich für die weit überwiegende Mehrheit der Bevölkerung auf die Fragen, „wo“, „wie viel“ und eventuell „zu welchen Bedingungen“ Arbeitsleistungen angeboten werden sollen. Im Jahr 2009 erzielte in Deutschland 52,9% der Gesamtbevölkerung ihren „überwiegenden Lebensunterhalt“ durch Erwerbstätigkeit34. Die Er34

Vgl. Statistisches Bundesamt, Mikrozensus 2009, Bevölkerung und Erwerbstätigkeit, Fachserie 1, Reihe 4.1.1, Wiesbaden 2010, Tabelle 1.5 (im Folgenden zitiert als Statistisches Bundesamt, Mikrozensus 2009).

2 Das Prinzip der Sozialen Marktwirtschaft

23

werbsquote35 der Bevölkerung im erwerbsfähigen Alter von 15- bis unter 65 Jahre lag im Frühjahr 2009 in Deutschland bei 76,2%. Der Mikrozensus 2009 weist auch aus, dass von den erfassten 34,2 Mio. abhängig Beschäftigten36 viele einer Teilzeitbeschäftigung nachgingen und im Vergleich zu früheren Jahren (z.B. 1991) die Quote der Teilzeitbeschäftigten deutlich zugenommen hat (vgl. Tabelle II-1). Teilzeitbeschäftigung hat einen hohen Stellenwert im Erwerbsleben, und der Private Haushalt verfügt über Handlungsspielräume, die Arbeitszeit individuell zu gestalten. Dabei konzentriert sich die Teilzeitarbeit vor allem auf Frauen. Tabelle II-1: Teilzeitbeschäftigte1) in Deutschland 2009 Stundenzahl Teilzeitbeschäfje Woche tigte1) in Mio. 20 Std. u. weniger 6,0 31 Std. u. weniger 9,1 35 Std. u. weniger 11,1

Anteil2) Teilzeitbeschäftigung insgesamt in % 17,5 % 26,6 % 32,5 % (1991: 14%)

Anteil3) weiblicher Teilzeitbeschäftigter 80,4 % 81,7 % 74,8 %

1) Der Begriff „Teilzeitbeschäftigung“ ist vom Stundenumfang nicht klar definiert. Daher werden im Folgenden Zahlen mit unterschiedlichem Stundenumfang dargestellt. 2) Anteil der Teilzeitbeschäftigten mit bis zu …Stunden je Woche bezogen auf 34,2 Mio. Abhängig Beschäftigte. 3) Anteil weiblicher Teilzeitbeschäftigter an allen Teilzeitbeschäftigten (Frauen und Männer). Quelle: Vgl. Statistisches Bundesamt, Bevölkerung und Erwerbstätigkeit 2010, Entwicklung der Privathaushalte bis 2030, a. a. O., Tab. 2.9, S. 3 sowie eigene Berechnungen.

Das Arbeitsangebot verschafft dem Privaten Haushalt ein Faktoreinkommen, aus dem zunächst Steuern und Sozialversicherungsabgaben gezahlt werden37. Andererseits empfängt der Private Haushalt auch Transferzahlungen (z. B. Kindergeld, Wohngeld, Rente etc.), die das für Konsum und Ersparnis verbleibende Einkommen, das sogenannte verfügbare Einkommen, erhöhen. Die Vermögensdisposition eines Privaten Haushalts betrifft die Frage, welche Ersparnis gebildet werden soll, und wie diese und das vorhandene Vermögen optimal anzulegen sind. Hierzu sind verschiedene Anlagemöglichkeiten gegeneinander abzu35 36

37

Erwerbsquote = Erwerbspersonen/Bevölkerung im erwerbsfähigen Alter (15-65 Jahre); zu den Zahlen vgl. Statistisches Bundesamt, Mikrozensus 2009, Tab. 1.3, S. 3. In der Terminologie der Arbeitsmarktstatistik bilden die abhängig Beschäftigten zusammen mit den Selbstständigen die sogenannten Erwerbstätigen. Werden neben den Erwerbstätigen auch die Arbeitslosen (Erwerbslosen) in die Betrachtung einbezogen, so wird von „Erwerbspersonen“ gesprochen. Nach den Angaben der EVS 2008 betrug im Jahr 2008 die durchschnittliche Abgabenlast der Privaten Haushalte für Einkommen-, Kirchensteuer und den Solidaritätszuschlag sowie für die Pflichtbeiträge zur Sozialversicherung 21,4% des Haushaltsbruttoeinkommens (bei Paaren mit Kindern 23%); vgl. Statistisches Bundesamt: Wo bleibt mein Geld?, Ergebnisse der Einkommens- und Verbrauchsstichprobe 2008 (EVS 2008), Begleitmaterial zur Pressekonferenz am 8. Dezember 2010, Tabelle 6, S. 15.

24

II Gegenstand der mikroökonomischen Theorie

wägen, die sich nach Rendite, Laufzeit, Kurs- und Ausfallrisiko, Liquiditätsgrad und im Hinblick auf andere Merkmale unterscheiden. Die verschiedenen Entscheidungen eines Privaten Haushalts stellen ein interdependentes System dar. So kann der Wunsch nach größerem Konsum zum Mehrangebot an Arbeitsleistungen (z. B. Überstunden) oder zur Reduzierung des Sparens oder zum Entsparen und damit zur Verminderung von Vermögenswerten führen. Ferner ist zu berücksichtigen, dass ein Teil des Einkommens in Form von Steuern und Sozialabgaben an den Staat (Gebietskörperschaften, Sozialversicherungsträger) zu entrichten ist und der Finanzierung der Staatsausgaben dient, so dass es enge Verknüpfungen zwischen den Entscheidungen des Staates und den Entscheidungen der Haushalte gibt. Natürlich hängen das Einkommen und das Kaufverhalten der Privaten Haushalte auch von den Preisen der Faktoren Arbeit und Kapital sowie von den Güterpreisen ab, die ihrerseits wieder durch die Entscheidungen der Unternehmen geprägt werden. Somit existieren nicht nur innerhalb des Haushalts, sondern zwischen dem Haushalt und den weiteren Entscheidungsträgern „Private Unternehmen“ und „Staat“ interdependente Entscheidungsstrukturen, die das komplexe Gebilde ökonomischer Entscheidungen in einer Volkswirtschaft erahnen lassen. Allerdings ist es im Rahmen dieser einführenden Analyse nicht möglich, die verschiedenen Aspekte als geschlossene Haushalts- und Unternehmenstheorie zu entwickeln und alle oben genannten Entscheidungen systematisch aufeinander abzustimmen. Insoweit erfolgt die nachfolgende Betrachtung im Sinne einer sogenannten Partialanalyse, wobei auf die Frage der Vermögensdisposition der privaten Haushalte nicht weiter eingegangen wird. Unternehmenstheorie: Im Jahr 2009 gab es in Deutschland 4,2 Mio. Selbständige38, deren Unternehmen sich nach Größenklassen (kleine, mittlere und große Unternehmen), Branchen (Landwirtschaft mit 0,2 Mio. Selbstständigen, Produzierendes Gewerbe mit 0,8 Mio. Selbstständigen; Handel und Gastgewerbe, Verkehr mit 1,2 Mio. Selbstständigen; Sonstige Dienstleistungen mit 2,0 Mio. Selbstständigen) oder Rechtsformen (Einzelunternehmen, Personen-, Kapitalgesellschaften) unterscheiden. Unabhängig von diesen Kriterien steht jedes Unternehmen mit anderen Wirtschaftssubjekten vor allem an zwei Stellen in Verbindung: auf den Absatzmärkten als Anbieter seiner Erzeugnisse, soweit diese nicht im eigenen Produktionsprozess eingesetzt oder auf Lager genommen werden, und auf den Beschaffungsmärkten als Nachfrager nach Produktionsfaktoren (insbesondere Arbeit) und dauerhaften Produktionsmitteln („Investitionsgütern“).

38

Vgl. Statistisches Bundesamt, Mikrozensus, a. a. O., Tab. 2.1, S. 2. U. a. im Zuge der sogenannten Hartz IV-Reformen und der Einführung der sogenannten „Ich-AG“ hat sich die Zahl der Selbstständigen in Deutschland erhöht.

2 Das Prinzip der Sozialen Marktwirtschaft

25

Hinzu kommen z. B. Kreditbeziehungen mit Banken oder Transferbeziehungen zu Öffentlichen Haushalten (z. B. Zahlung von Steuern bzw. Bezug von Subventionen), die im Folgenden aber nicht betrachtet werden. Im Rahmen dieser vielfältigen Beziehungen haben Unternehmen vor dem Hintergrund ihrer Zielsetzung und unter Berücksichtigung der produktionstheoretischen Möglichkeiten (Produktionsfunktion) verschiedene Entscheidungen zu treffen. Dabei können die Zielsetzungen der verschiedenen Unternehmen variieren (z. B. Maximierung von Gewinnen, Erhöhung von Marktanteilen); gleichwohl dürfte längerfristig der Zielsetzung der Gewinnmaximierung eine übergeordnete Bedeutung zukommen. Die Gewinnmaximierung erfolgt unter Einhaltung der zahlreichen Beschränkungen, denen sich eine Unternehmung gegenübersieht. Im Folgenden soll nur die aus volkswirtschaftlicher Sicht herausragende produktionstheoretische Beschränkung betont werden. Sie bringt zum Ausdruck, dass sich eine Unternehmung in einer Volkswirtschaft einer begrenzten Menge an Produktionsfaktoren gegenübersieht. Die Produktionsfaktoren sind im Produktionsprozess optimal zu kombinieren, um gemäß dem ökonomischen Prinzip aus der begrenzten Ressourcenmenge eine möglichst hohe Produktionsmenge an Gütern (Output) einer Volkswirtschaft zu ermöglichen. Die formale Beziehung zwischen den produzierten Gütern und den Faktorinputs wird über die Produktionsfunktion beschrieben. Im Folgenden soll vereinfachend nur eine repräsentative Einproduktunternehmung betrachtet werden, die stellvertretend für die zahlreichen Güter das Gut X produziert. Damit kommt hier nicht die Produktionsfunktion einer Mehrproduktunternehmung zur Anwendung. Vor diesem vereinfachten Hintergrund lassen sich aus der Zielsetzung der Gewinnmaximierung folgende zentrale Entscheidungen der Unternehmung bei der Produktion des Gutes X ableiten (vgl. Übersicht II-3): Güterangebot: Je nach den Wettbewerbsbedingungen des Marktes (Marktform) führt eine bestimmte Zielfunktion (z. B. Gewinnmaximierung) zu einem bestimmten kurzfristigen bzw. langfristigen Angebot an Gütermengen. Die Begriffe kurz- bzw. langfristig stellen dabei auf die Frage ab, ob nur der Einsatz einzelner Produktionsfaktoren variiert werden kann und die Einsatzmenge der restlichen Faktoren fest vorgegeben ist (partielle Faktorvariation) oder ob der Einsatz aller Faktoren völlig flexibel und damit kostenminimierend geplant werden kann (totale Faktorvariation, Minimalkostenkombination), wobei ehemalige Fixkosten neu zur Disposition gestellt werden. Faktornachfrage: In jedem Produktionsprozess müssen Entscheidungen über das Verhältnis zwischen den eingesetzten Inputfaktoren (z. B. Arbeit, Kapital, Technischer Fortschritt), ihren Preisen (Faktorpreise) und dem Produktionsergebnis (Output) getroffen werden. Hieraus resultiert im Falle der totalen Faktorvariation die zielmaximierende (z. B. gewinnmaximierende) Nachfrage nach den Produktionsfaktoren (z. B. Arbeit und Kapital; die optimale Kapitalnachfrage betrifft die optimale Investitionsplanung, d. h. die Entscheidung über die optimale Anschaffung dauerhafter Produktionsmittel). Im Fall der partiellen Faktorvaria-

26

II Gegenstand der mikroökonomischen Theorie

tion ergibt sich ─ unter Beachtung der Beziehung zwischen dem Input des variablen Faktors und dem Output ─ der Einsatz des variablen Faktors unmittelbar aus der zielmaximierenden Produktionsmenge. Übersicht II-3: Ziele, Nebenbedingungen, Entscheidungen einer Unternehmung Gewinn = Erlös -

Kosten

Unternehmensstrategische Zielsetzung Drei Entscheidungen einer Unternehmung

• Güterangebot

• Kapitalnachfrage (Investitionsplanung)

• Arbeitsnachfrage

Produktion X = F (Arbeit, Kapital, etc.)

- Gewinnmaximale Produktionsmenge (Angebotsfunktion der Unternehmung) - Entscheidung über Einsatzverhältnisse der Produktionsfaktoren (Produktionstheorie) - langfristig alle Produktionsfaktoren variabel (totale Faktorvariation): Einhaltung der Minimalkostenkombination - kurzfristig (einzelne Produktionsfaktoren variabel, andere Faktoren sind fix = partielle Faktorvariation); Einsatzmenge des variablen Faktors folgt aus Produktionsfunktion und gewinnmaximaler Produktionsmenge Produktionstheoretische Nebenbedingung der repräsentativen Unternehmung (z.B. Cobb-Douglas-Produktionsfunktion)

Die nachfolgende Übersicht II-4 zeigt im Rahmen eines einfachen Unternehmensmodells die Ziele, die Entscheidungen und die produktionstheoretischen Rahmenbedingungen (Nebenbedingungen) einer für eine Volkswirtschaft repräsentativen Unternehmung im formalen Zusammenhang auf. Die Unternehmung produziert das Gut X und verkauft es zum Preis P(X). Vereinfachend sei angenommen, dass die Unternehmung in der Marktform des homogenen Polypols39 agiert und deshalb den Preis P(X) des Gutes X nicht als Aktionsparame39

Die Marktform des Polypols kommt in der Realität aufgrund der restriktiven Annahmen kaum vor. In der Mikroökonomie wird diese Marktform aber regelmäßig als Referenzszenario zugrunde gelegt, um zunächst unter einfachen Rahmenbedingungen (die u. a. die formale Betrachtungsweise erleichtern) zu aussagekräftigen Ergebnissen zu gelangen. Im Zuge der späteren Darstellungen werden diese restriktiven Annahmen aufgegeben und der Übergang zu anderen, häufig beobachtbaren Marktformen vollzogen. Zum Begriff der Marktform des homogenen Polypols und zu anderen Marktformen vgl. die Ausführungen in Kapitel IV.1.

2 Das Prinzip der Sozialen Marktwirtschaft

27

ter einsetzen kann. Aufgrund der Wettbewerbssituation40 ist die Unternehmung gezwungen, den durch den Gütermarkt gegebenen Marktpreis hinzunehmen (Produktpreis P(X) stellt somit ein Datum für die Unternehmung dar). Die Unternehmung kann folglich ausschließlich über eine Variation der Produktionsmenge X den Gewinn gestalten und diesen maximieren (Mengenanpasserverhalten). Übersicht II-4: Exemplarische Darstellung unternehmerischer Entscheidungen

Ziel: Maximierung des Gewinns G(X) = Erlös – Kosten = E(X) – K(X) Æ max mit Kosten K(X) = Kosten der Produktionsmenge X Kosten = bewerteter Faktorverzehr zur Produktion von X = vA • qA + vK • qK (z. B.: 2 • 8 + 3 • 5 = 31) (mit qA = 8; qK = 5 ) bei Produktionsmenge X= 10 folgt: K(X) = K (10) = 31 Entscheidungen: - Gewinnmaximale Produktionsmenge X (Güterangebot X) (1-UN) - Gewinnmaximaler Kapitaleinsatz (reale Kapitalnachfrage = Realinvestition) (2-UN) - Gewinnmaximaler Arbeitseinsatz (Arbeitsnachfrage) (3-UN) Nebenbedingung: X = F(vA, vK) (Produktionsfunktion mit Produktionsfaktoren) z. B. 10 = F (2, 3) Begriffe: durchschnittliche Arbeitsproduktivität (X/vA); durchschnittliche Kapitalproduktivität (X/vK);

Kapitalintensität (vK/vA)

Symbole: X = Output; vA = Faktormenge Arbeit; vK = Faktormenge Kapital; qA = Preis für Faktor Arbeit; qK = Preis für Faktor Kapital

Der Gewinn G(X) der Unternehmung ergibt sich aus der Differenz von Erlösen und Kosten der produzierten Gütermengen X. Die Produktionskosten des Gutes X ergeben sich aus dem bewerteten Faktorverzehr der zur Produktion des Gutes X eingesetzten Produktionsfaktoren. Die Produktionskosten errechnen sich somit aus der Multiplikation von Preisen und Mengen aller eingesetzten Faktoren. Der Faktorverzehr beschreibt dabei die für die Produktion des Gutes X eingesetzten Mengen der Produktionsfaktoren. Hier sollen vereinfachend nur die beiden Faktoren Arbeit (vA) 40

Ausreichender Wettbewerb auf den Gütermärkten ist eine zentrale Voraussetzung dafür, dass sich der marktwirtschaftliche Abstimmungsprozess zum Vorteil aller Marktteilnehmer entwickelt und sich über die statischen und dynamischen Wirkungen des Wettbewerbs wohlstandsmaximierende Ergebnisse einstellen (vgl. hierzu ebenfalls die entsprechenden Ausführungen in Kapitel IV).

28

II Gegenstand der mikroökonomischen Theorie

und Kapital (vK) betrachtet werden. Für die beiden Faktoren Arbeit und Kapital sind je eingesetzter Faktoreinheit die jeweiligen Faktorpreise (qA) und (qK) zu zahlen. Der Faktorpreis je Arbeitseinheit (qA) stellt den Stundenlohn dar, der Faktorpreis je eingesetzter Kapitaleinheit (qK) wird mit dem Begriff „Nutzungskosten je Kapitaleinheit“ (user costs) umschrieben und setzt sich aus den Komponenten „Zins“ und „Abschreibung“ zusammen (von weiteren Komponenten wie Steuersätzen sei aus Vereinfachungsgründen ebenso abgesehen wie von einer Betrachtung realer Nutzungskosten bei Preissteigerungen)41. Zum besseren Verständnis der Zusammenhänge von Produktionsbedingungen, Kostenentwicklungen und Gewinnzielsetzung wird in Übersicht II-4 ein einfaches Zahlenbeispiel mit folgenden Annahmen unterstellt: Es sollen 10 Gütereinheiten des Gutes X mit dem Einsatz von zwei Arbeits- und drei Kapitaleinheiten produziert werden. Bei einem Faktorpreis je Arbeitseinheit von qA= 8 Geldeinheiten (Lohnsatz) und einem Faktorpreis je Kapitaleinheit von qK = 5 Geldeinheiten (z. B. Leasingkosten), resultieren hieraus Faktorkosten von insgesamt (2 • 8 + 3 • 5 = 31) Geldeinheiten. Hervorzuheben ist hierbei vor allem, dass die Produktionskosten als bewerteter Faktorverzehr nicht nur mit den gezahlten Faktorpreisen variieren, sondern auch in ganz entscheidender Weise von der Produktivität der Produktionsfaktoren abhängen. Nimmt der je Faktoreinheit erzeugte Output des Gutes X zu, d. h. steigt die Faktorproduktivität des Faktors Arbeit oder des Kapitals (durchschnittliche Arbeits- bzw. Kapitalproduktivität), so nehmen die Produktionskosten ab. Die Produktionskosten sinken bei steigender Faktorproduktivität, da der je Mengeneinheit von X erforderliche Faktoreinsatz abnimmt. Daher besteht ein spiegelbildlicher Zusammenhang von Produktions- und Kostentheorie (sogenannte Dualität), d. h. mit steigender Produktivität nehmen die Kosten nur noch unterproportional zu. Eine gewinnmaximierende Unternehmung wird in der Marktform des Polypols (Mengenanpasserverhalten) auf Basis der jeweils entstehenden Kosten und der verfügbaren Faktoren die gewinnmaximale Produktionsmenge realisieren. Die aus der gewinnmaximalen Produktionsmenge resultierende optimale Kapitalnachfrage (Investitionsnachfrage nach Ausrüstungsgütern und Bauten) bzw. Arbeitsnachfrage stellen zwei zentrale Entscheidungen der Unternehmung dar (Entscheidungen 2-UN und 3-UN in Übersicht II-4), die auf den Kapital- und Arbeitsmarkt jeweils einwirken. Die Nachfrage auf dem Kapitalmarkt ist dabei als Nachfrage nach Finanzmitteln zur Anschaffung von Investitionsgütern (Gütermarkt) zu verstehen. Darüber hinaus hat eine gewinnmaximierende Unternehmung auch die optimale Produktionsmenge, d. h. die Entscheidung über das Güterangebot festzulegen (siehe Entscheidung 1-UN in Übersicht II-4). 41

Zum Begriff der Kapitalnutzungskosten vgl. Natrop, J.: Bestimmung von TranslogProduktions- /Translog-Kostenfunktionen für die Sektoren des Verarbeitendes Gewerbes der Bundesrepublik Deutschland, Thun, Frankfurt a. Main, 1986, S. 23 (im Folgenden zitiert als „Natrop, J.: Translog-Produktionsfunktionen“); vgl. auch Christensen, L.R.; Jorgenson, D.W.: The Measurement of U.S. Real Capital Input, 1929–1967, in: Review of Income and Wealth, Vol. 15 (1969), S. 293 -300.

2 Das Prinzip der Sozialen Marktwirtschaft

29

Staatstätigkeit: Bei den von Privaten Haushalten und Unternehmen nachgefragten bzw. angebotenen Gütern wurde bisher unterstellt, dass es sich um sogenannte private Güter handelt. Ihnen lassen sich individuelle Eigentumsrechte zuordnen und der Nutzen aus dem Konsum dieser Güter kommt allein den individuellen Haushalten oder Unternehmen zugute. Im Gegensatz zu den privaten Gütern sind öffentliche (kollektive) Güter (z. B. Verteidigung eines Landes) dadurch gekennzeichnet, dass ein individueller Nutzen auch durch einen kollektiven, d. h. nicht individuellen Erwerb des Gutes entstehen kann. Somit kann ein Individuum auch einen Nutzen aus der kollektiven Bereitstellung von Gütern erzielen und einzelne Bürger können vom Konsum dieses Gutes nicht ausgeschlossen werden. Dies hat zur Folge, dass der einzelne Nachfrager seine Zahlungsbereitschaft für öffentliche Güter nicht offenbart (Trittbrettfahrerverhalten) und ein Güterangebot nicht über den Markt erfolgt (Marktversagen). Probleme treten auch bei „freien Gütern“ (Allmendegütern oder gesellschaftlichen Gütern) auf, da diese von jeder Wirtschaftseinheit ohne Entgelt genutzt werden können. Hierdurch kommt oft eine übermäßige, suboptimale Nutzung von Ressourcen zustande (z. B. Überfischung der Meere). Zudem ist es bei privaten Gütern denkbar, dass von der Nutzung des Gutes oder der Produktion des Gutes ebenfalls externe Effekte auf andere Wirtschaftsteilnehmer ausgehen (sogenannte externe Effekte, z. B. im Zuge der Umweltverschmutzung bei der Produktion eines Gutes). Externe Effekte haben eine für die Gesellschaft ineffiziente Nutzung oder Produktion des Gutes und damit eine ineffiziente Bereitstellung der Güter über Märkte (Marktversagen) zur Folge. Externe Effekte und öffentliche Güter verhindern eine optimale Bereitstellung der privaten Güter durch den Markt und machen staatliche Eingriffe zur Sicherstellung einer effizienten Allokation erforderlich (nähere Ausführungen hierzu finden sich in Kap. V.2 und V.3). Darüber hinaus kann Marktversagen und damit ein allokativ begründetes staatliches Eingreifen in den Markt auch durch Informationsdefizite (vgl. Kap. V.4) und durch eine unzureichende Wettbewerbsordnung hervorgerufen werden (siehe hierzu die Ausführungen zu Wettbewerb und Märkten in Kap. IV). Im Rahmen der Wettbewerbspolitik zielt der Staat darauf ab, über die optimale Gestaltung marktwirtschaftlicher Rahmenbedingungen die Vorteile des Wettbewerbs zur Geltung zu bringen und marktbeherrschende Positionen einzelner Unternehmen zu vermeiden. Zusammenfassend werden diese korrektiven Maßnahmen und Eingriffe des Staates, die den optimalen Einsatz der Güter und Faktoren betreffen, als allokativ begründete Staatstätigkeit bezeichnet (Allokationspolitik des Staates). Darüber hinaus besteht in einer Sozialen Marktwirtschaft grundsätzliches Einvernehmen, dass aufgrund der von einer Gesellschaft als nicht optimal eingestuften Einkommens- und Vermögensverteilung staatliche Eingriffe erforderlich sind, die über progressive Einkommensteuern, Transfers und Vermögensteuern zu einer „gerechten“ Einkommens- und Vermögensverteilung hinwirken sollen (zur Vertei-

30

II Gegenstand der mikroökonomischen Theorie

lungs- oder Distributionspolitik vgl. Kap. V.1). Allerdings sind Umfang und Intensität der Maßnahmen häufig umstritten und variieren in demokratisch verankerten Staatssystemen je nach wirtschaftlicher Lage und politischer Orientierung der gesellschaftlichen Kräfte. Als weitere Staatsaufgabe wird die Stabilisierungspolitik des Staates angesehen, die zu einer gleichmäßigen wirtschaftlichen Entwicklung ohne Konjunktureinbrüche oder Boomphasen beitragen soll. Diese dritte staatliche Aufgabe ist aber häufig im Hinblick auf ihre theoretische Fundierung, die Art und den Umfang des staatlichen Eingriffs recht umstritten und gibt immer wieder Anlass für umfassende politische Diskussionen. Die Stabilisierungspolitik wird im Rahmen dieses Lehrbuchs nicht weiter behandelt und ist Gegenstand der Makroökonomie42. Damit nimmt der Staat als dritter typischer Entscheidungsträger einer Volkswirtschaft eine zentrale Funktion im System der Sozialen Marktwirtschaft ein, wobei Umfang und Intensität dieser Staatstätigkeit von den Bürgern jeweils abzuwägen sind. Märkte und Preise: Die von den Privaten Haushalten und Unternehmen getroffenen zielmaximierenden Entscheidungen (vgl. Übersicht II-5) führen in Abhängigkeit von Güter- oder Faktorpreisen zu Angebots- und Nachfragemengen auf Güter- und Faktormärkten. Die sich auf den Märkten herausbildenden Gleichgewichtspreise haben i. d. R. zur Folge, dass die Märkte geräumt werden, d. h. Angebot und Nachfrage jeweils übereinstimmen. Übersicht II-6 zeigt diese Angebots- und Nachfragemengen für die hier betrachteten Güter-, Arbeits- und Kapitalmärkte43 nochmals auf. Dabei ist die Kapitalnachfrage des dargestellten Kapitalmarktes als finanzielle Kapitalnachfrage zu verstehen, die auf Wertpapiermärkten in Form einer Emission von Unternehmensanleihen oder auf Kreditmärkten in Form einer Kreditnachfrage in Erscheinung tritt. Diese Kapitalnachfrage dient u. a. der Finanzierung von Realinvestitionen, d. h. der Anschaffung von Maschinen und anderen Ausrüstungsgütern oder der Errichtung von Gebäuden. Die Nachfrage nach Ausrüstungsgütern wirkt sich als Güternach-frage der Unternehmen auf dem Gütermarkt aus (Hinweis: Aus Vereinfachungs-gründen entfällt die Güternachfrage der Unternehmen in Übersicht II-6).

42

43

Zur Abgrenzung der Mikro- und Makroökonomie vgl. auch die nachfolgenden Ausführungen. Zu Fragen der Makroökonomie vgl. z. B. Clement, R.; Terlau, W.; Kiy, M.: Grundlagen der Angewandten Makroökonomie, 4. Auflage, München 2006 (im Folgenden zitiert: “Clement, R., u. a.: Angewandte Makroökonomie“). Der Kapitalmarkt lässt sich in monetärer (Finanzkapital) oder realer Hinsicht (Produktionskapital) verstehen. Immer dann, wenn produktionstheoretische Fragen einer Volkswirtschaft angesprochen werden, steht der reale Kapitalbegriff im Vordergrund der Betrachtungen.

2 Das Prinzip der Sozialen Marktwirtschaft

31

Übersicht II-5: Märkte und Preise Märkte und Preise • Gütermärkte (Waren, Dienstleistungen, Rechte) • Faktormärkte (Arbeit, Boden, Kapital, Technologie)

Haushalte

Unternehmen

Preise Angebot

• Nachfrage nach unterschiedlichen Konsumgütern X bzw. Z • Nachfrage nach Konsumgütern in unterschiedlichen Perioden t 1 bzw. t2 (Ersparnisbildung, Konsumgleichgewicht)

• Güterangebot X bzw. Z

Nachfrage Mengen

• Arbeitsangebot bzw. Freizeitnachfrage

• Nachfrage nach Kapital (Investitionsgüter) • Nachfrage nach Arbeit

Verhaltensannahmen • Rationalprinzip und Entscheidungsautonomie • Nutzenmaximierung der Privaten Haushalte • Gewinnmaximierung der Unternehmen

Übersicht II-6: Märkte für Güter und Faktoren Haushalte

Kapitalangebot (2-HH)

Unternehmen Kapitalmarkt

Kapitalnachfrage (2-UN)

Zins Sparen

Investition Arbeitsangebot (3-HH)

Arbeitsmarkt

Arbeitsnachfrage (3-UN)

Lohn

Haushalte Güternachfrage (1-HH)

Unternehmen

Gütermarkt

Güterangebot (1-UN)

Güterpreis

Die bisherigen Ausführungen haben bereits den Charakter mikroökonomischer Fragestellungen deutlich gemacht. Vor diesem Hintergrund soll nun der Begriff Mikroökonomie näher präzisiert, seine Abgrenzung zur Makroökonomie erläutert sowie Methoden und zentrale Begriffe der Wirtschaftswissenschaften vorgestellt werden.

32

3

II Gegenstand der mikroökonomischen Theorie

Abgrenzung der Mikro- und Makroökonomie

Die gängigen Definitionen der Mikroökonomie stellen häufig darauf ab, dass sie sich auf einer niedrigen Aggregationsstufe mit ökonomischen Fragen befassen. Bei ihrem Gegenstück, der Makroökonomie wird demgegenüber betont, dass sie den höchsten Aggregationsgrad, d. h. die Gesamtwirtschaft zum Gegenstand ihrer Analysen hat. Genauer betrachtet ist diese Art der Unterscheidung zwischen Mikro- und Makroökonomie jedoch nur ein grobes Unterscheidungskriterium. Denn auch die Mikroökonomie aggregiert individuelle Entscheidungen von Wirtschaftssubjekten (z. B. Aggregation individueller Nachfragefunktionen zu Marktnachfragefunktionen vieler Nachfrager) und betrachtet damit gesamtwirtschaftliche Fragestellungen; andererseits leitet die Makroökonomie ihre Analysen z.T. aus einzelwirtschaftlichen Betrachtungen ab. Demnach ist es nicht so sehr der Aggregationsgrad, der den Unterschied von Mikro- und Makroökonomie ausmacht, sondern es sind die spezifischen Fragestellungen beider ökonomischer Teildisziplinen. Zum Hauptgegenstand der Makroökonomie gehören insbesondere die Fragenkomplexe des sogenannten magischen Vierecks44, das sind stetiges und angemessenes Wirtschaftswachstum, hoher Beschäftigungsstand, Preisstabilität und außenwirtschaftliches Gleichgewicht45. Insbesondere befasst sich die Makroökonomie mit folgenden Untersuchungsgegenständen: Wie kommt es in einer Volkswirtschaft auf den einzelnen Teilmärkten (Güter-, Arbeits-, Kapital-, Devisenmarkt etc.) zu Ungleichgewichten in Form von Angebots- oder Nachfrageüberschüssen (z. B. Arbeitslosigkeit oder Fachkräftemangel, Knappheiten oder Überschüssen in der Güterversorgung, etc.)? Wie lassen sich diese Ungleichgewichte abbauen oder vermeiden und welchen Beitrag können hierzu Geld- und Fiskalpolitik leisten? Welche Bestimmungsgrößen beeinflussen in welcher Form die Komponenten (Aggregate) des Bruttoinlandsprodukts46 (Konsum, Investition, Außenhandel etc.) und wie hängen diese Aggregate voneinander ab? Welche Größen prägen die Entwicklung des „Produktionspotentials“47 einer Volkswirtschaft, und welche Größen nehmen auf das Produktionspotential und 44 45

46

47

Vgl. Clement, R. u. a.: Angewandte Makroökonomie, a. a. O., S. 123. Darunter wird eine ausgeglichene Leistungsbilanz oder ein Saldo des Außenbeitrags (Saldo des Waren- und Dienstleistungshandels mit dem Ausland) verstanden, der zu einer ausgeglichenen Leistungsbilanz beiträgt. Das Bruttoinlandsprodukt (BIP) beschreibt den Wert aller Waren und Dienstleistungen, die in einer bestimmten Periode im Inland hergestellt, aber nicht in derselben Periode für den Produktionsprozess wieder verbraucht wurden (Vorleistungen). Das Produktionspotenzial einer Volkswirtschaft gibt das in einer Periode bei voller Nutzung aller Produktionsfaktoren maximal produzierbare BIP an. Arbeitslosigkeit und un-

3 Abgrenzung der Mikro- und Makroökonomie

33

seine Auslastung Einfluss (u. a. wirtschaftliche Rahmendaten wie z. B. Wettbewerbsordnung, technologische Entwicklung, Arbeitsmarktsituation, Steuer- und Finanzpolitik des Staates, Geldpolitik der Zentralbank, Ausland etc.)? Wie übertragen sich in einer Volkswirtschaft geldpolitische Impulse (wie z. B. die Ausweitung der Geldmenge) auf realwirtschaftliche Größen wie Produktion, Beschäftigung etc. und in welcher Beziehung? Wie lassen sich Preissteigerungen von Gütern und Faktoren in einer Volkswirtschaft erklären, und welcher Einfluss geht von der Fiskal- und Geldpolitik auf die Entwicklung der Preise aus? Demgegenüber legt die Mikroökonomie ihr Hauptaugenmerk auf die Fragen, wie diese Güter optimal bereitgestellt (Produktionsseite) und nutzenmaximierend nachgefragt werden (Zusammensetzung der Produktion und der Nachfrage = Allokationstheorie). Die mikroökonomische Analyse ist damit entscheidungsorientiert aufgebaut, d. h. im Mittelpunkt stehen zielorientierte Angebots- und Nachfrageentscheidungen von Haushalten, Unternehmen sowie des Staates. Dabei wird ökonomisch rationales Verhalten unterstellt: z. B. Zielsetzung der Gewinnmaximierung bei Unternehmern, Nutzenmaximierung bei Haushalten. Wie später noch im Kapitel V „Marktversagen und die Rolle des Staates“ näher erläutert wird, kann es auf der mikroökonomischen Ebene aufgrund unzureichenden Wettbewerbs, fehlender Anreize, unzureichender Informationen oder verzerrter Preisbildungen zu Fehlentscheidungen der Marktteilnehmer kommen, die ein sogenanntes Marktversagen zur Folge haben und staatliche allokative Eingriffe erfordern. Insgesamt stellt die Mikroökonomie eine Strukturanalyse dar, die in vielen Aspekten enge Berührungspunkte mit betriebswirtschaftlichen Problemstellungen aufweist (z. B. wie reagieren Haushalte und Unternehmen auf Preisänderungen etc.?). Dennoch steht im Unterschied zur betrieblichen Darstellung nicht das Verhalten eines einzelnen Unternehmens oder Haushalts im Vordergrund, sondern es geht letztlich um die Darstellung marktwirtschaftlicher Zusammenhänge und um das ökonomische Verhalten in einer Volkswirtschaft. Die nachfolgenden Übersichten II-7, II-8 fassen die mikroökonomischen Fragestellungen für die betrachteten Wirtschaftssubjekte Haushalte, Unternehmen und Staat nochmals zusammen. Die Auswirkungen unterschiedlicher Marktformen sowie des Wettbewerbs auf die Marktergebnisse werden im Kapitel IV („Markt- und Preistheorie“) behandelt, und die Problematik des Marktversagens wird im bereits oben angeführten Kapitel V („Marktversagen und die Rolle des Staates“) vertieft.

terausgelastete Ausrüstungskapazitäten bzw. Bauten haben somit zur Folge, dass das BIP kleiner ausfällt als das Produktionspotenzial. Der Anteil des BIPs am Produktionspotenzial wird als Auslastungsgrad bezeichnet.

34

II Gegenstand der mikroökonomischen Theorie

Übersicht II-7: Teilgebiete der Mikroökonomie Vermögen

Sparen/ Kapitalangebot

Einkommen

Güternachfrage

Arbeitsangebot

Kapitalmarkt Gütermarkt Arbeitsmarkt

Haushaltstheorie Nutzenmaximierung

vorgegebenes Budget Marktversagen

Kapitalnachfrage

Güterangebot Arbeitsnachfrage

Unternehmenstheorie Markt- und Preistheorie (private Güter)

Gewinnmaximierung Produktionsfunktion Marktformen und Preisbildung (Wettbewerbstheorie)

Vertiefungsaufgabe II-1: 1. Worin besteht das grundsätzliche Problem des Wirtschaftens? 2. Unterscheiden Sie verschiedene Teilgebiete der Mikroökonomie! 3. Beschreiben Sie die wichtigsten wirtschaftlichen Entscheidungen Privater Haushalte bzw. Privater Unternehmen! 4. Was verstehen Sie unter einer Wirtschaftsordnung? Beschreiben Sie zwei konträre idealtypische Wirtschaftsordnungen! 5. Beschreiben Sie die zentralen Aufgaben der Staatstätigkeit! 6. In welcher Form kommen die Entscheidungen von Privaten Haushalten und Unternehmen auf Märkten zum Tragen?

- Welches Einkommen soll erzielt werden? - Wie soll das Einkommen auf den Verbrauch verschiedener Güter aufgeteilt werden? - Welcher Teil des Einkommens soll gespart werden? - Art und Umfang der bereitgestellten Güter - Gestaltung der wirtschaftlichen Rahmenbedingungen - Finanzierung der Ausgaben - Umfang und Art der Umverteilung - Wirtschaftpolitische Maßnahmen zur Stabilisierung der Wirtschaft

Einkommenserzielung, Verwendung von Einkommen

Bereitstellung öffentlicher Güter; Gestaltung privater Allokationsprozesse (Allokation); Einkommens-/Vermögensverteilung (Distribution); Wirtschaftliche Entwicklung (Stabilisierung)

Private Haushalte (Arbeitnehmer, Konsumenten)

Staat (Gebietskörperschaften, Sozialversicherung)

- Welche Güter/Gütermengen sollen produziert werden? - Für wen soll produziert werden? - Welche Produktionsfaktoren sollen eingesetzt werden? - Wie sollen die Preise gestaltet werden?

Produktion von privaten und z.T. von öffentlichen Gütern

Unternehmen (Produzenten, Investoren, Arbeitgeber)

Einige dominierende Fragestellungen

Funktion

Wirtschaftssubjekte

Maximierung der gesellschaftlichen Wohlfahrt

Nutzenmaximierung

Gewinnmaximierung, Kostenminimierung, Erreichung von Marktanteilen etc.

Ziele

Übersicht II-8: Volkswirtschaftliche Fragestellungen der Wirtschaftsteilnehmer

Akzeptanz durch Bürger/Wähler, öffentliches Budget

Budget, verfügbare Zeit, Vermögen

Beschränkungen (volkswirtschaftliche Sicht) Produktionsfaktoren, natürliche Ressourcen

3 Abgrenzung der Mikro- und Makroökonomie 35

36

4

II Gegenstand der mikroökonomischen Theorie

Methoden der mikroökonomischen Theorie

Ausgangspunkt der mikroökonomischen Theorie sind Ursache-Wirkungs-Zusammenhänge in Form von Konditionalaussagen, Abhängigkeitsbeziehungen oder „Wenn-Dann-Hypothesen“. Dazu ein Beispiel: „Wenn der Preis (P) eines Gutes X steigt, so wird durch die Unternehmen mehr von diesem Gut angeboten (A(X)) und umgekehrt.“ oder: „Wenn der Preis (P) eines Gutes X steigt, so wird durch die Privaten Haushalte weniger von diesem Gut nachgefragt (N(X)) und umgekehrt.“. Diese Aussagen lassen sich nicht nur verbal, sondern auch graphisch bzw. formalmathematisch (analytisch) darstellen. Bezugs- oder Referenzpunkt der mikroökonomischen Analyse ist dabei i. d. R. die Vorstellung eines (Markt-)Gleichgewichts, d. h. die Übereinstimmung von Angebots- und Nachfragemenge bei einem bestimmten (Gleichgewichts-)Preis. Nur auf diese Weise lassen sich z. B. Anpassungsprozesse von Angebot und Nachfrage auf Märkten analysieren. Als Modellformen der mikroökonomischen Analyse lassen sich unterscheiden: (1) Statische Analyse: Alle Variablen beziehen sich auf denselben Zeitpunkt; z. B. Gleichgewichtspreis Po und Gleichgewichtsmenge Xo (vgl. Übersicht II-9). Diese Betrachtung dürfte im Folgenden eher den Regelfall darstellen. Übersicht II-9: Statische Marktanalyse P(X)

Einheitlicher Zeitbezug A(X)

Formal: A(X) = f (P(X)), Verlauf positiv N(X) = f (P(X)), Verlauf negativ

P0 N(X) X0

X

(2) Komparativ-statische Analyse: Betrachtet werden Variablen zu unterschiedlichen Zeitpunkten; die zeitlichen Anpassungsprozesse der Variablen werden aber in ihren einzelnen Schritten nicht explizit dargestellt, sondern lediglich Anfangs- und Endzustand miteinander verglichen (z. B. Vergleich der Gleichgewichtspreise und -mengen in den Punkten A und B in der Übersicht II-10).

4 Methoden der mikroökonomischen Theorie

37

(3) dynamische Analyse: Im Vordergrund steht die Analyse von Anpassungsprozessen zwischen zwei Zeitpunkten; Preis und Menge werden hier als Funktionen der Zeit (t) betrachtet, d. h. die Entwicklung zum Gleichgewicht oder zwischen zwei Gleichgewichten (z. B. zwischen A und B) wird für A(X) und N(X) im Zeitablauf beschrieben (vgl. Übersicht II-10); dabei wird z. B. für die angebotene Menge (A(Xt)) und die nachgefragte Menge (N(Xt)) zum Zeitpunkt (t) folgende Preisabhängigkeit unterstellt: ¾ A(Xt) = f (P t + 1), mit: Pt+1 = erwarteter Preis der nächsten Periode t+1 ¾ N(Xt) = f (P t - 1), mit: Pt-1 = Preis der vergangenen Periode t-1 Eine dynamische Betrachtung der Marktpreisbildung kommt z. B. im Rahmen des sogenannten Schweinezyklusmodells zur Anwendung (auch als Cobweb-Modell bezeichnet, vgl. Kap. IV.2.1), bei dem die Marktteilnehmer auf der Basis von Preiserwartungen ihre Mengenentscheidungen treffen. Übersicht II-10: Komparativ statische und dynamische Marktanalyse

P(X) A(X) P1 P0

B A

N‘(X) N(X) X

X0 X1 komparativ statisch = zeitlicher Anpassungsprozess zwischen zwei Punkten A und B wird nicht beschrieben

dynamisch, mit (t) als Zeitindex = zeitlicher Anpassungsprozess zwischen zwei Punkten A und B wird als Funktion der Zeit beschrieben

formal:

formal:

A(X) = f (P) N(X) = f (P)

A(Xt) = f (Pt+1) N(Xt) = f (Pt -1)

Wird die Analyse für einen einzigen Markt (z. B. Markt für PKW; Arbeitsmarkt für qualifizierte Arbeitskräfte) ohne Rückkopplungen zu anderen Märkten vorgenommen, so liegt eine Partialanalyse vor. Werden mehrere Märkte und ihre Interaktionen betrachtet, so handelt es sich um eine Totalanalyse.

38

II Gegenstand der mikroökonomischen Theorie

Der Begriff Partialanalyse wird in der mikroökonomischen Theorie nicht immer einheitlich definiert; folgende Interpretationen kommen zur Anwendung: Es werden nicht alle relevanten Subjekte, Größen und Beziehungen in die Analyse einbezogen bzw. es werden nicht alle Märkte, sondern nur Ausschnitte von ihnen oder Teilmärkte betrachtet. Im Gegensatz hierzu versucht die Totalanalyse den Gesamtzusammenhang zu berücksichtigen, d. h. z. B. die Interdependenzen zwischen Arbeits-, Güter- und Kapitalmarkt in einem Modell darzustellen. Allerdings ist auch die Totalanalyse in einem globaleren Zusammenhang ihrerseits wiederum eine Partialanalyse, da auch bei ihr gewisse Einflussgrößen wie politische, soziale und rechtliche Bedingungen oft als vorgegeben angesehen werden. Kritisch wird gelegentlich eingewandt, dass derartige Modelle oder Theorien als Systeme zusammenhängender Hypothesen nur Teilaspekte der Realität enthalten und oft zu formal ausgerichtet sind. Diese Kritik verkennt jedoch den Sinn von Modellen. Ein Modell, das die ganze Wirklichkeit abbilden wollte, wäre nicht hilfreicher als eine Landkarte im Maßstab 1:1. Die formale Darstellung von Aussagen zwingt zudem zu klarer und präziser Ausdrucks- und Argumentationsweise. Modelle und Theorien müssen aufgrund der Komplexität der Wirklichkeit bestimmte, als nicht so „wesentlich“ angesehene Faktoren ausblenden, wobei die Beurteilung, was als „wesentlich“ zu betrachten ist, unterschiedlich ausfallen kann. In der Regel gibt es daher auch mehrere konkurrierende Modelle und Theorien. Modelle sind daher vereinfachte Abbildungen der Wirklichkeit. Ausgeblendete Faktoren werden in den „Datenkranz“ verwiesen, der nicht weiter betrachtet wird. Theorien können auf dem Wege der Deduktion gebildet werden (vgl. Übersicht II11). Ausgehend von einem Satz von Annahmen, werden bestimmte Aussagen logisch und widerspruchsfrei daraus deduziert (abgeleitet, gefolgert). Die Deduktion ist auch in der Mikroökonomie geläufig, insbesondere dann wenn es um die Ableitung von Aussagen mit Hilfe mathematischer Formulierungen geht. Beispielsweise bedient sich die mikroökonomische Analyse der Differentialrechnung, um im Rahmen der Angebotsplanung eines Unternehmens das Gewinnmaximum zu bestimmen. Die Betrachtung mikroökonomischer Zusammenhänge mit Hilfe der Differenzialrechnung wird oft als Marginalanalyse bezeichnet, die zu „Grenzbegriffen“ führt, wie z. B. Grenzerlöse, Grenzerträge, Grenzkosten und Grenzgewinn. Diese Form der Analyse setzt stetige und differenzierbare Funktionen voraus, was in der Realität der beliebigen Teilbarkeit von Gütern und Produktionsfaktoren entsprechen würde. Auch wenn die damit verbundenen „Grenzbegriffe“ empirisch häufig nur schwer fassbar sind (z. B. die Grenzkosten, die entstehen, wenn die Ausbringung eines Unternehmens um eine Einheit erhöht wird), so sind sie dennoch analytisch und für die Beurteilung einer Situation von grundlegender Bedeutung. Der „Praktiker“

4 Methoden der mikroökonomischen Theorie

39

wird versuchen, mit vereinfachten Konstrukten diesen Grenzbegriff als idealen Referenzwert möglichst nah abzubilden. Übersicht II-11: Möglichkeiten der wissenschaftlichen Erkenntnisgewinnung Untersuchungsgegenstand (Werturteile, Selektionsproblem)

Formulierung von Hypothesen

Verbesserung

Formulierung von Prämissen, Anwendungsbedingungen (Theorien- und Modellbildung)

Ableitung allgemeiner Aussagen (statistische Regelmäßigkeiten)

Deduktion Schlussfolgerungen

Induktion Beobachtungen, Experimente

Empirische Überprüfung falsifiziert

vorläufig bewährt

Zurückweisung der Theorie

Mit Hilfe der Induktion wird hingegen versucht, von besonderen Sätzen (z. B. Beobachtungen, Experimente) auf allgemeine Sätze oder Hypothesen zu schließen. Die empirisch gestützte Wissenschaft beobachtet in verschiedenen Fällen, dass eine bestimmte Abhängigkeit zwischen ökonomischen Größen vorliegt oder die Wirtschaftssubjekte sich ähnlich verhalten und schließt daraus auf die Existenz einer „Regelmäßigkeit“. Die Statistik ist in diesem Zusammenhang ein wichtiges Hilfsmittel, um solche „Regelmäßigkeiten“ in Form funktionaler Abhängigkeiten zu beschreiben. Theorien können keine Allgemeingültigkeit beanspruchen, sondern sie gelten von Fall zu Fall, sofern sichergestellt ist, dass die darin enthaltenen Annahmen zumindest annähernd der Realität entsprechen. Die Anwendbarkeit einer Theorie setzt also einen gewissen empirischen Gehalt voraus, der überprüfbar ist. Hält eine Theorie dieser Überprüfung nicht stand, so gilt sie als falsifiziert (widerlegt). Nach Auffassung des Philosophen Karl Popper (1902 – 1994) und des von ihm begründeten kritischen Rationalismus sollte daher nicht nach Fakten gesucht werden, die eine Theorie stützen, sondern Theorien sollten fortwährend gezielten Versuchen der Fal-

40

II Gegenstand der mikroökonomischen Theorie

sifizierung ausgesetzt werden. Theorien können demnach nie als verifiziert, sondern höchstens als (vorübergehend) nicht falsifiziert gelten.48 Eine Überprüfung von Theorien in den Wirtschaftswissenschaften kann – anders als z. B. in der Physik – nicht mit beliebig wiederholbaren Laborbedingungen arbeiten. Die mikroökonomische Analyse ist daher auf Gedankenexperimente angewiesen, in denen mit Hilfe der „ceteris-paribus-Methode“ (c. p.) diese Laborbedingungen nur simuliert werden können. Diese Klausel dient der gedanklichen Ausschaltung aller nicht genannten Einflüsse in einem Modell. Die nicht erfassten Einflussfaktoren bleiben unverändert (d. h. unter sonst gleichen Bedingungen). Wenn jedoch die in die Betrachtung einbezogenen Variablen (z. B. Preise) die konstant gehaltenen Variablen (z. B. Bedürfnisstruktur) verändern und diese ihrerseits wieder auf die erfassten Variablen (z. B. Preise) zurückwirken, kann dies zu Fehlschlüssen führen. Daher ist diese Klausel streng genommen nur erlaubt, wenn diese Rückwirkungen gar nicht vorhanden sind oder zumindest gering bleiben. So gilt z. B. die Aussage, dass das Angebot eines bestimmten Gutes durch ein Unternehmen bei sinkenden Preisen zurückgeht, nur unter den c. p.-Annahmen konstanter Produktionstechnologie, gegebener Kostensituation und unveränderter Konkurrenzverhältnisse auf dem jeweiligen Markt. Haben sich diese „Rahmenbedingungen“ verändert, kann diese Aussage nicht schlüssig abgeleitet werden. Es wäre z. B. durchaus möglich, dass geringere Kosten, intensiverer Wettbewerb und eine verbesserte Produktionstechnologie dazu führen, dass trotz sinkender Preise ein größeres Angebot eines Produktes durch ein Unternehmen erfolgt. Als Fallbeispiel sei auf die Entwicklung für Personalcomputer verwiesen.

Vertiefungsaufgabe II-2: 1. 2. 3. 4.

Was verstehen Sie unter statischer, komparativ-statischer und dynamischer Analyse? Was besagen Partial- und Totalanalyse? Unterscheiden Sie deduktive und induktive Theorienbildung. Beschreiben Sie die Vorgehensweise und Problematik der „ceteris-paribus- Methode“.

48

Vgl. hierzu sowie zu einer Übersicht über die Wissenschaftstheorie: Behrens, C.-U.; Kirspel, M.: Volkswirtschaftslehre, a. a. O., S. 13 ff.

5 Kurzüberblick: Spieltheoretische Ansätze

5

41

Kurzüberblick: Spieltheoretische Ansätze

Die Spieltheorie49 untersucht vorhergesagtes und tatsächliches Verhalten von Akteuren in geregelten Spielen und leitet optimale Strategien her. Viele Situationen im Alltag lassen sich spieltheoretisch erschließen. Immer dann, wenn das eigene optimale Verhalten von der Verhaltensweise der anderen Akteure abhängt, sind Strategien für eine optimale Lösung zu entwickeln. Dies betrifft z. B. im ökonomischen Bereich die Frage, wie zwei Anbieter (z. B. zwei Oligopolisten im Versorgungsbereich) ihre Preise-, Werbe- oder Investitionsentscheidungen gestalten. Strategische Entscheidungen können aber auch in der Privatsphäre zweier Personen erfolgen oder sie können die militärischen Entscheidungen zweier sich feindlich gegenüberstehender Staaten im Rüstungswettlauf betreffen. Das Ziel eines Akteurs ist die Bestimmung des besten Verhaltens unter Berücksichtigung des Verhaltens aller anderen Akteure. Dabei lassen sich zahlreiche Rahmenbedingungen unterscheiden. Spiele können auf der Basis rationaler oder begrenzt-rationaler Entscheidungen der Mitspieler stattfinden. Die Spieler können kooperatives oder konkurrierendes Verhalten aufweisen, und die Zahl der Spieler kann klein oder groß ausfallen. Auch lassen sich verschiedene Spielstrategien im Hinblick auf die Art der Festlegung (deterministisch oder zufällig), die Abfolge der Spielentscheidungen (parallel oder sequentiell) und die Wiederholungshäufigkeit der Entscheidungsfindung (einmalig oder mehrmals50) unterscheiden. Die Interessen der anderen Mitspieler können im Konflikt zu den eigenen Interessen stehen oder sie können sich gegenseitig ergänzen. Spiele sind kooperativ, wenn gemeinsame Strategien vertragsmäßig festlegt werden, oder sie sind nicht kooperativ, wenn z. B. zwei konkurrierende Oligopolisten sich in einem ruinösen Wettbewerb gegenseitig im Preis unterbieten. Werden die Entscheidungen dauerhaft aufgrund deterministischer Einflüsse festgelegt, so wird von reinen Strategien gesprochen, 49

50

John von Neumann und Oskar Morgenstern entwickelten in den 40er Jahren des letzten Jahrhunderts die Gedanken der Spieltheorie, indem sie ein mathematisches Modell konstruierten, das optimale Strategien für Akteure mit unterschiedlichen Zielen abzuleiten suchte. Ihre Ergebnisse finden sich in Ihrem Werk „Spieltheorie und ökonomisches Verhalten“. Zum Begriff der Spieltheorie vgl. Morgenstern, O. Spieltheorie, in: v. Beckerath et al., Handwörterbuch der Sozialwissenschaften, Bd. 9, Stuttgart et al., 1956, S. 707. Zu einem Überblick über die Spieltheorie und ihren Bezug zur Wettbewerbstheorie vgl. Pindyck, R.S.; Rubinfeld, D.L.: Mikroökonomie, 6. Auflage, München 2005, S. 619 ff. sowie Varian, H.R.: Grundzüge der Mikroökonomik, 8. Auflage, München 2011, S. 579 ff. Zur Spieltheorie in der BWL siehe: Jost, P.-J.: Spieltheorie in der BWL, Stuttgart 2001. Es sind z. B. Spiele denkbar, bei denen die Entscheidungen nicht parallel, sondern sequentiell erfolgen und sich Entscheidungen wiederholen können, wobei ein Spieler den Weg vorgibt und der andere Spieler folgt. Derartige Situationen finden sich z. B. bei Entscheidungen im Oligopol, wenn der eine Oligopolist als Marktführer auftritt und der andere Oligopolist ihm folgt.

42

II Gegenstand der mikroökonomischen Theorie

während es sich bei der Einbeziehung von Wahrscheinlichkeiten um sogenannte gemischte Strategien handelt. Werden Spiele wiederholt, so können Spieler Druck auf die anderen Spieler ausüben, indem sie ihnen signalisieren, dass das eigene Kooperationsverhalten vom Verhalten des anderen abhängig ist. Die Spieltheorie steht seit längerem im Blickpunkt der Ökonomie und versucht das strategische Verhalten von Marktteilnehmern zu erklären. Im Jahr 2005 ging der „Wirtschaftsnobelpreis“ an den US-Amerikaner Thomas C. Schelling und an den amerikanisch-israelischen Wissenschaftler Robert J. Aumann. Sie versuchten in ihren Arbeiten das Verständnis von Konflikt und Kooperation durch spieltheoretische Analysen aufzuzeigen.51 Im Jahr 1994 wurden bereits der deutsche Wirtschaftswissenschaftler Reinhard Selten und seine amerikanischen Kollegen John C. Harsanyi und John F. Nash für ihre Überlegungen zur Spieltheorie mit dem Nobelpreis für Wirtschaft geehrt. Darüber hinaus lassen sich bei weiteren Wirtschaftsnobelpreisen der letzten Jahre Bezüge zur Spieltheorie herstellen, so dass sie als eine hochdekorierte Wirtschaftsdisziplin angesehen werden kann. Im Folgenden soll überwiegend der einfachste Fall einer optimalen strategischen Entscheidung von zwei gleichzeitig handelnden Spielern bei deterministischer, d. h. nicht zufälliger Auswahl ohne Wiederholung der Entscheidung erläutert werden.52 Dabei werden mit dem Begriff der „dominanten Strategie“ und dem „NashGleichgewicht“ die geläufigsten Begriffe der Spieltheorie herausgearbeitet und an einem Beispiel aufgezeigt. Zudem bietet sich die Gelegenheit, auf die Bedeutung der Informationssituation in Spielen zu verweisen und den wichtigen Wohlfahrtsbegriff einer „paretooptimalen Situation“ zu erläutern. Dominante Strategie: Ist eine Strategie unabhängig von der Verhaltensweise des Mitspielers immer optimal, so wird von einer dominanten Strategie gesprochen. Eine dominante Strategie führt zu einer optimalen Entscheidung, die bei gegebenen Rahmendaten stabil ist und daher ein Gleichgewicht darstellt. Das Prinzip der dominanten Strategien kann an dem bekannten Beispiel des sogenannten Gefangenendilemmas (Prisoners’ Dilemma) erörtert werden: Zwei Straftäter werden einer Tat beschuldigt und getrennt als Gefangene verhört. Dabei fallen die Strafen je nach dem Verhalten der Gefangenen bei der Aufklärung der Straftat sehr unterschiedlich aus. Gestehen beide Gefangene, dann sind sie überführt, und sie erwartet jeweils eine mittlere Strafe von beispielsweise fünf Jahren Haft. Gesteht jeweils nur einer der beiden Gefangenen und 51

52

Zu einem Überblicksartikel zu den Forschungsarbeiten von T.C. Schelling und R. J. Aumann vgl. Kocher, M.; Sutter, M.: Spieltheoretische Analyse von Konflikt und Kooperation, in: Wirtschaftsdienst, 85. Jg., Heft 12, 2005, S. 802-808. Die Ausführungen orientieren sich u. a. an den Darstellungen von Varian, H.R.: Grundzüge der Mikroökonomik, a. a. O., S. 579 ff. sowie Pindyck, R.S.; Rubinfeld, D.L.: Mikroökonomie, a. a. O., S. 619 ff.

5 Kurzüberblick: Spieltheoretische Ansätze

43

wird der andere Gefangene hierdurch überführt, so kann der geständige Gefangene wegen der Anwendung der sogenannten Kronzeugenregelung mit weitgehender Straffreiheit rechnen. Demgegenüber muss der andere, nicht geständige Gefangene mit einer hohen Strafe von z. B. 10 Jahren Haft rechnen. Legen beide Gefangene kein Geständnis ab, lassen sich ihre vermeintlichen Straftaten nicht nachweisen, so dass sie lediglich aufgrund anderer Vergehen eine geringe Strafe von beispielsweise jeweils zwei Jahren Haft erhalten. Die folgende Übersicht II-12 stellt das Strafmaß der beiden Gefangenen für die verschiedenen Verhaltenskombinationen in Matrixform dar.53 Übersicht II-12: Gefangenendilemma (Prisoners’ Dilemma) Gefangener B gesteht

gesteht nicht

5;5

1;10

10;1

2;2

A gesteht gesteht nicht

Dabei erfasst die Kopfspalte der Matrix die beiden unterschiedlichen Verhaltensweisen des Gefangenen A. Die Kopfzeile der Matrix gibt die beiden verschiedenen Verhaltensweisen des Gefangenen B wieder. In den vier Feldern der Matrix finden sich jeweils Zahlenpaare, die die Haftjahre der Gefangenen entsprechend der jeweiligen Verhaltenskombination zum Ausdruck bringen. Die vordere Zahl der Zahlenkombination eines Feldes gibt jeweils die Strafe des Gefangenen A an, die dieser aufgrund seiner jeweils getroffenen Entscheidung unter der Bedingung erhält, dass der Gefangene B gesteht bzw. nicht gesteht. Die zweite Zahl des Zahlenpaares gibt die Strafe des Gefangenen B bei seiner jeweiligen Entscheidung unter der Bedingung an, dass der Gefangene A gesteht bzw. nicht gesteht. So zeigt beispielsweise das Zahlenpaar (10;1) im linken unteren Feld der Matrix der Übersicht II-12 an, dass der Gefangene A mit 10 Jahren Haft rechnen muss, wenn er nicht gesteht, dafür aber der Gefangene B geständig ist und dieser deshalb nur ein Jahr Haftstrafe erhält. Umgekehrt zeigt das Zahlenpaar (1;10) in dem rechten oberen Feld der Matrix an, dass der Gefangene B mit 10 Jahren Haft unter der Bedingung rechnen muss, dass er nicht gesteht, dafür aber der Gefangene A geständig ist und deshalb der Gefangene A mit nur einem Jahr Haft bestraft wird.

53

Vgl. Pindyck, R.S.; Rubinfeld, D.L.: u. a.: Mikroökonomie, a. a. O., S. 623.

44

II Gegenstand der mikroökonomischen Theorie

Aus der Matrix geht hervor, dass ein Geständnis beider Gefangenen aus der individuellen Sicht eines jeden Gefangen die optimale Entscheidung und damit eine dominante Strategie darstellt. (Technischer Hinweis: Das optimale Verhalten des Gefangenen A unter der Bedingung des Verhaltens von B lässt sich daraus ersehen, dass diejenige Spalte der Matrix betrachtet wird, die jeweils das angenommene Verhalten des Gefangenen B wiedergibt. Geht der Gefangene A also davon aus, dass B gesteht, so sind in der ersten Spalte der Matrix jeweils die ersten Zahlen der beiden Zahlenpaare (5;5) und (10;1) zu vergleichen, also die Zahlen (5) und (10). Da der Gefangene A bei einem Geständnis mit fünf Jahren Haft, bei einem Nichtgeständnis aber mit zehn Jahren Haft rechnen muss, wird A gestehen. Ähnlich verhält es sich für den Fall, dass der Gefangene A unter der Bedingung entscheidet, dass B nicht gesteht. Werden für den Gefangenen B die optimalen Entscheidungen unter der Bedingung des Verhaltens des Gefangenen A gesucht, so ist analog zeilenweise vorzugehen. Hierzu sind je Zeile jeweils die zweiten Zahlen der Zahlenkombinationen zu vergleichen. Die Handlungsalternative mit der günstigsten zweiten Zahl, d. h. hier der kleineren Haftstrafe für B kommt zur Ausführung.)

Dieser Entscheidungsmechanismus führt zu dem Ergebnis, dass die Strafgefangenen sich für die Kombination (gestehen; gestehen) entscheiden und somit jeder Gefangene mit fünf Jahren Haftstrafe rechnen muss. Aus Sicht jedes einzelnen Gefangenen ist „gestehen“ jeweils die bessere Strategie. Es handelt sich um eine dominante Strategie, da sie unabhängig davon erfolgt, wie der andere Gefangene sich im Verhör verhält. Eine Betrachtung der anderen denkbaren Strategiekombinationen zeigt aber das erstaunliche Ergebnis, dass ein Nichtgestehen beider Gefangener für diese vorteilhafter wäre und nur eine Haftstrafe von jeweils zwei Jahren zur Folge hätte. Wie kommt es zu diesem für die Gefangenen nachteiligen Ergebnis? Für jeden Strafgefangenen ist der Anreiz sehr hoch, zu gestehen, da dann die Aussicht auf Strafmilderung besteht. Zudem bewirken das Misstrauen der einzelnen Gefangenen gegenüber dem anderen Gefangenen und/oder die fehlende Informationen über das Gesamtverhalten der Beteiligten, dass die Gefangenen nicht gestehen und dann eine geringere Haftstrafe erhalten. Die Rahmenbedingungen werden somit durch den Staat so gestaltet (Kronzeugenregelung), dass ein Geständnis aus Sicht der Gefangenen vorteilhaft erscheint. Das für die Gefangenen suboptimale Ergebnis des Verhörs ist überraschend. Es stellt sich ein, obwohl sich jeder der Gefangenen bei seinen Entscheidungen aus der jeweiligen individuellen Sicht optimal verhält. Das aus Sicht der Gefangenen suboptimale Ergebnis bei optimalem Verhalten kann als ein Beispiel für das Prinzip der „begrenzten Rationalität“ bei zieloptimierendem Verhalten angesehen werden (vgl. Ausführungen in Kap. II.1). Im vorliegenden Fall verhindern die begrenzte Transparenz, die Unsicherheit und das gegenseitige Misstrauen der Gefangenen, dass die rational handelnden Gefangenen eine geringere Strafe erhalten.

5 Kurzüberblick: Spieltheoretische Ansätze

45

Dass das Ergebnis aus Sicht der Gefangenen nicht optimal ist, bietet die Gelegenheit, den Begriff des „Paretooptimums“ vorzustellen. Das Paretooptimum stellt ein wichtiges Kriterium für ein Wohlfahrtsoptimum dar und geht auf den italienischen Ingenieur, Ökonomen und Soziologen Vilfredo Federico Pareto (1848 – 1923) zurück (Begründer der Wohlfahrtsökonomik). Eine „paretooptimale Situation“ (auch paretodominante oder paretoeffiziente Situation) liegt immer dann vor, wenn sich kein Akteur verbessern kann, ohne dass sich ein anderer Akteur verschlechtert. Die Tatsache, dass das Strafmaß bei einem Geständnis beider Gefangener mit fünf Jahren Haft höher ausfällt als bei einem beidseitigen Nichtgeständnis mit nur zwei Jahren Haft, hat für die Täter einen Wohlfahrtsverlust zur Folge. Im vorliegenden Fall könnten beide Gefangene ihre Situation durch eine Aussageverweigerung verbessern. Das Strafmaß ist aus Sicht der Gefangenen nicht paretooptimal. Anders sieht dieses Ergebnis natürlich aus Sicht der Gesellschaft aus, die beide Täter mittels einer entsprechenden Ausgestaltung des Strafmaßes (Kronzeugenregelungen) überführen konnte. Strategie mit Nash-Gleichgewicht: Eine dominante Strategie, bei der eine Entscheidung eines Spielers für alle Entscheidungen des anderen Spielers optimal ist, liegt seltener vor. Dennoch kann es auch bei nicht dominanten Strategien zu einem Handlungsgleichgewicht in dem Sinne kommen, dass die Erwartungen über das Verhalten des Mitspielers in Erfüllung gehen und insoweit die eigenen Pläne nicht revidiert werden müssen. Ein sogenanntes Nash-Gleichgewicht (benannt nach dem Mathematiker, Ökonomen und Nobelpreisträger John Nash54) ist gegeben, wenn aufgrund der erwarteten optimalen Handlungen des anderen Spielers das eigene Verhalten optimiert werden kann und das erwartete Verhalten des anderen Spielers auch eintritt. Dominante Strategien stellen ein derartiges Nash-Gleichgewicht dar. Aber auch dann, wenn keine dominante Strategie existiert, können Nash-Gleichgewichte, d. h. Erwartungsgleichgewichte entstehen. Lediglich für den Fall, dass ein Spieler eine Entscheidung auf der Basis der erwarteten Entscheidung des anderen Spielers trifft und diese Erwartung nicht eintritt, liegt ein Dissens und damit kein Nash-Gleichgewicht vor. Im Folgenden soll anhand von drei Beispielen aus dem Wirtschaftsalltag aufgezeigt werden, wann Nash-Gleichgewichte bestehen oder nicht. Das erste Beispiel betrifft eine Situation von zwei Unternehmen (z. B. Oligopolisten), die vor der Frage stehen, ob sie zur Verbesserung des Gewinns eine Werbemaßnahme durchführen sollen. Die Zahlen der nachfolgenden Kreuztabelle der Übersicht II-13 zeigen die Gewinne auf, die bei unterschiedlichen Kombinationen von Entscheidungen der beiden Unternehmen (UN) entstehen. Je höher diese Zahlen 54

Der US-Amerikaner John Nash erhielt 1994 zusammen mit dem ungarisch-amerikanischen Wirtschaftswissenschaftler John Harsanyi und dem deutschen Wirtschaftswissenschaftler Reinhard Selten den Nobelpreis für Wirtschaft. Nash’s Leben wurde in dem preisgekrönten Film „A Beautiful Mind“ dargestellt.

46

II Gegenstand der mikroökonomischen Theorie

ausfallen, umso vorteilhafter sind sie für die jeweiligen Unternehmen. Dabei ist zu beachten: Führt eine Unternehmung eine Werbemaßnahme durch, so steigen sowohl der Umsatz dieser Unternehmung aufgrund eines höheren Bekanntheitsgrades als auch die Kosten infolge eines höheren Werbeaufwandes. Ein Unternehmen profitiert insbesondere dann von der Werbung, wenn die andere Unternehmung keine Werbung betreibt und die Produkte des eigenen Unternehmens auf diese Weise besondere Aufmerksamkeit erhalten. Übersicht II-13: Werbemaßnahmen zweier Anbieter (dominante Strategie für UN-B) UN

B

A Werbung ja Werbung nein

Werbung ja

Werbung nein

10;5

12;0

5;8

15;3

Die Übersicht II-13 zeigt, dass das Unternehmen A (UN-A) keine dominante Strategie aufweist, und dass die optimale Entscheidung von UN-A von der Entscheidung des Unternehmens B (UN-B) abhängt: Falls UN-B Werbung durchführt, ist es für UN-A vorteilhaft, ebenfalls zu werben. (Hinweis: für UN-A gelten jeweils die ersten Zahlen der beiden folgenden Zahlenpaare (10;5) und (5;8); daraus folgt, dass 10 Geldeinheiten Gewinn besser sind als nur 5 Geldeinheiten, so dass aus Sicht von UN-A Werbung vorteilhaft ist.) Wie sieht das optimale Verhalten der UN-A aus, wenn UN-B keine Werbung durchführt? In diesem Fall ist für UN-A der Verzicht auf Werbung die bessere Handlungsstrategie (Betrachtung der ersten Zahlen der folgende Zahlenpaare (15;3) und (12;0); 15 Geldeinheiten sind mehr als 12 Geldeinheiten). Insgesamt kommt UN-A somit zu keinem eindeutigen Ergebnis, da das eigene optimale Verhalten von der Reaktion des anderen Unternehmens B abhängt. Daher soll zunächst das Verhalten von UN-B näher untersucht werden. Ein Blick auf die Matrix der Übersicht II-13 zeigt, dass UN-B eine dominante Strategie aufweist. Unabhängig davon, ob UN-A Werbung betreibt oder nicht, ist die Durchführung einer Werbemaßnahme für UN-B immer vorteilhafter. Offensichtlich kann sich UN-B nur gegenüber dem UN-A behaupten, wenn es seinen Bekanntheitsgrad durch eine Werbemaßnahme verteidigt oder ausbaut. Werden von UN-A nun Erwartungen über das optimale Verhalten von UN-B in die Betrachtung einbezogen, so wird UN-A sich ebenfalls für die Durchführung der Werbemaßnahme entscheiden. Denn erkennt UN-A, dass UN-B die dominante Strategie der Durchführung der Werbung aufweist, und trifft es seine eigene Werbeentscheidung auf Basis der Annahme, dass auch UN-B Werbung treibt, so ist die

5 Kurzüberblick: Spieltheoretische Ansätze

47

Entscheidung „Werbung ja“ auch für UN-A vorteilhaft. Die Kombination (10;5) im linken oberen Feld wird somit von beiden Unternehmen als optimale Entscheidung realisiert. Es herrscht ein Nash-Gleichgewicht, da jede Unternehmung eine Entscheidung auf Basis des Verhaltens der jeweils anderen Unternehmung trifft und das unterstellte Verhalten dann auch eintritt. Außerdem liegt mit der Entscheidungskombination (Ja/Ja) und den daraus resultierenden Gewinnen eine paretooptimale Situation vor: Keines der beiden Unternehmen kann sich verbessern, ohne dass sich das andere Unternehmen verschlechtert. Es zeigt sich also, dass ein Nash-Gleichgewicht mit einer paretooptimalen Situation einhergehen kann, diese Übereinstimmung aber nicht immer gegeben sein muss. So liegt in dem zuvor beschriebenen Gefangenendilemma ein Nash-Gleichgewicht vor (dominante Strategien), aber das Gleichgewicht ist nicht paretooptimal. In der Situation der Übersicht II-13 ist somit ein Nash-Gleichgewicht gegeben, das gleichzeitig mit einer dominanten Strategie für eines der beiden Unternehmen einhergeht. Wie sieht es aber mit dem Nash-Gleichgewicht aus, wenn kein Unternehmen, d.h. kein Spieler im Sinne der Spieltheorie eine dominante Strategie aufweist? Hierzu wird für das Beispiel der Übersicht II-13 im linken unteren Feld die Gewinnsituation der Entscheidungssituation (Nein/Ja) von (5;8) auf (5;2) abgewandelt (vgl. Übersicht II-14); die Gewinnkombinationen der anderen Felder bleiben unverändert. Übersicht II-14: Werbemaßnahmen zweier Anbieter (keine dominante Strategie, Nash-Gleichgewicht) UN

B

A

Werbung ja

Werbung nein

Werbung ja

10;5

12;0

Werbung nein

5;2

15;3

Auch vor diesem Datenhintergrund kommt es zu einer stabilen Entscheidung. Allerdings gibt es jetzt zwei optimale Kombinationen, nämlich die Entscheidungskombination im linken oberen Feld (Ja/Ja) und die Entscheidungskombination im rechten unteren Feld (Nein/Nein). Die optimale Entscheidung eines Spielers unter der Erwartung der optimalen Entscheidung des anderen Spielers tritt auch tatsächlich ein, so dass die gewählte Entscheidungskombination optimal und nachhaltig ist. Das Beispiel zeigt, dass es sich bei dem Nash-Gleichgewicht um ein Erwartungsgleichgewicht handelt.

48

II Gegenstand der mikroökonomischen Theorie

Es ist aber nicht immer sichergestellt, dass bei anderen Datenkonstellationen ein derartiges Nash-Gleichgewicht zustande kommt. Es lassen sich Situationen anführen, in denen die optimale Entscheidung eines Spielers unter der Erwartung der Entscheidung des anderen Spielers von dem anderen Spieler jeweils nicht realisiert wird. Damit gehen die Erwartungen nicht in Erfüllung, und es kommt zu keinem Nash-Gleichgewicht im Sinne eines Erwartungsgleichgewichts. Falsche Erwartungen machen Revisionen der eigenen Entscheidungen erforderlich, die sich wiederum auf die optimale Entscheidung des anderen Spielers auswirken. Es käme zu keiner dauerhaften Kombination in der Vierfeldermatrix, d. h. zu keiner stabilen Lösung. Diese Situation ist in der nachfolgenden Matrix der Übersicht II-15 dargestellt. Übersicht II-15: Werbemaßnahmen zweier Anbieter (kein Nash-Gleichgewicht) UN

B

A Werbung ja Werbung nein

Werbung ja 1;1 2;1

Werbung nein 1;0 0;4

Die Übersicht II-15 macht deutlich, dass jede Entscheidung auf Basis der Erwartung der Entscheidung des anderen Spielers revidiert werden muss, weil die für den anderen Spieler unterstellte erwartete Entscheidung für den anderen Spieler nicht optimal ist und daher nicht eintritt. Geht z. B. UN-A davon aus, dass UN-B die Werbung durchführt, so müsste sich UN-A für „Werbung nein“ entscheiden (für UN-A ist die Kombination 2;1 besser als 1;1). Entscheidet sich UN-A aber für „Nein“, so würde sich UN-B nicht für „Ja“ entscheiden (wie von UN-A angenommen), sondern ebenfalls für „Nein“ (aus Sicht von UN-B ist die Kombination 0;4 besser als 2;1). Damit tritt die Bedingung nicht ein, die UN-A bei seiner Entscheidung für UN-B angenommen hat. Ähnlich verhält es sich für andere Kombinationen. Es liegt kein Erwartungsgleichgewicht und damit auch kein Handlungsgleichgewicht vor. Abschließend sollen zwei Beispiele für sich wiederholende (sequentielle) Spiele in einem nicht kooperativen Spiel gegeben werden. Sie machen jeweils deutlich, dass eine begrenzte Rationalität mit einer suboptimalen Entscheidung einhergeht bzw. sich im Laufe eines Spiels auch der Informationsstand ändern kann, d. h. aus dem Verhalten der anderen Spieler Informationen gewonnen werden können, die in die optimale Entscheidung einfließen.

5 Kurzüberblick: Spieltheoretische Ansätze

49

Beispiel 1 für ein sequentielles Spiel: „Eine Dollarnote wird auf ungewöhnliche Art und Weise versteigert. Der Meistbietende erhält die Dollarnote für den gebotenen Betrag. Aber auch der Bieter, der das zweithöchste Gebot hat, muss den gebotenen Betrag bezahlen – und erhält dafür gar nichts.“55

Bei Simulationen im empirischen Alltag konnte gezeigt werden, dass für 1$ ein Vielfaches geboten wurde. Eine nachteilige Situation für den Spieler entsteht bereits mit dem ersten Gebot, sofern ein zweiter Bieter sich findet. Ein niedriges Gebot ist in Anbetracht des Spielgewinns verlockend, auch wenn ein rational agierender Spieler sofort erkennen müsste, dass die Spielregeln den Gegenspieler dazu verleiten, die eigenen Gebote immer wieder zu überbieten. Denn der Überbietende würde bei einem Höchstgebot entweder den Gewinnzuwachs erhalten (für Gebote unter 1 $) oder den Verlust aus dem Bieterwettbewerb verringern, sofern der andere Spieler nicht mitzieht. Die Erstbieter haben also versäumt, die möglichen Reaktionen der Mitspieler und die sich hieraus ergebenden Folgen zu durchdenken. Lediglich die begrenzte Rationalität und die durch den vermeintlichen Gewinn aufkommende Emotionalität fordern ihren ökonomischen Tribut. Im Folgenden wird in einem kurzen Exkurs ein weiteres Spiel (Hutspiel) vorgestellt, bei dem im Zuge von Wiederholungen der Informationsstand der Spieler durch rationale Rückschlüsse verändert wird. Exkurs: Das Hutspiel (Herausforderung an die Logik) Das Hutspiel ist durch folgende Elemente gekennzeichnet: Zwei Spieler mit jeweils einem roten Hut befinden sich in einem Raum; jeder Spieler sieht nur die Hutfarbe des anderen Spielers, kennt aber nicht die eigene Hutfarbe. Ein Spielleiter verkündet bei Beginn des Spiels: „Mindestens ein Spieler trägt einen roten Hut“. Verschiedene Spielrunden werden jeweils durch ein Klingeln eingeleitet. Sobald die Spieler durch Schlussfolgerungen erkennen, welche Farbe ihr Hut aufweist, müssen sie den Raum verlassen; das Spiel endet, sobald alle Spieler den Raum verlassen haben. Der Ablauf des Hutspiels gestaltet sich wie folgt:

Erste Runde: Kein Spieler verlässt den Raum. Begründung: Jeder Spieler sieht, dass der Gegenspieler einen roten Hut trägt, weiß aber nicht, ob er auch selbst einen roten Hut trägt; deshalb bleibt jeder im Raum. Zweite Runde: Beide Spieler verlassen sofort nach dem Klingeln den Raum. Begründung: Jeder Spieler denkt vor dem Klingeln zur 2. Runde: „Hätte in der ersten Runde der andere Spieler keinen roten Hut getragen, hätte dies bedeutet, dass er selbst einen roten Hut tragen müsste (wegen der Ankündigung des Spielleiters); folglich hätte dann jeder in der ersten Runde den Raum verlassen; da nun aber in der 55

Pindyck, R., u. a.: Mikroökonomie, a. a. O., S. 622.

50

II Gegenstand der mikroökonomischen Theorie

ersten Runde keiner den Raum verlassen hat, bedeutet dies, dass jeweils der andere einen roten Hut getragen hat“. Mit dieser neuen Erkenntnis (die sich aus der Reaktion der anderen Spieler ergibt) gewinnt jeder Spieler neue Informationen, die eine Schlussfolgerung auf die Farbe des Hutes ermöglichen. In einer Verallgemeinerung des Beispiels kann aufgezeigt werden, dass bei 2, 4, …, n Spielern mit roten Hüten alle Spieler den Raum jeweils in der 2., 3. bzw. (n)-ten Runde direkt nach dem Klingeln verlassen.

III

Nachfrage und Angebot auf Güter- und Arbeitsmärkten

Gütermärkte bilden i. d. R. den Ausgangspunkt der mikroökonomischen Analyse, weil sich an ihnen wichtige Grundzusammenhänge von Angebot, Nachfrage und Preisbildung deutlich machen lassen. Auf den Gütermärkten werden Private Güter gehandelt, die sich nach folgenden Gesichtspunkten unterscheiden lassen (vgl. Übersicht III-1): Materielle Güter: - produzierbare Sachgüter: Produktionsgüter (Vorleistungen, dauerhafte Produktionsmittel), die von Unternehmen nachgefragt bzw. angeboten werden und Konsumgüter, die von Privaten Haushalten nachgefragt werden; - nicht produzierbare Sachgüter (Boden, Bodenschätze) Immaterielle Güter: - Dienstleistungen (produktions- und/oder konsumbezogen) - Rechte (z. B. Lizenzen, Patente), Nutzungen von Produktionsmitteln, Grundstücken und immateriellen Vermögensobjekten. Übersicht III-1: Abgrenzung des Begriffs „Private Güter“ Private Güter

Materielle Güter (Sachgüter)

produzierbar Produktionsgüter Konsumgüter

nicht-produzierbar

Immaterielle Güter (Sachgüter)

Dienstleistungen produktionsbezogen konsumbezogen

Rechte/Nutzungen

52

1

III Nachfrage und Angebot auf Güter- und Arbeitsmärkten

Haushaltstheorie

Tagtäglich treffen die rund 40,2 Mio. (Jahr 2010) Privaten Haushalte in der Bundesrepublik Deutschland unzählige Entscheidungen darüber, wofür sie ihr i. d. R. knappes Geld und ihre knappe Zeit verwenden. Sie treffen damit alltäglich die bereits in Übersicht II-2 beschriebenen drei zentralen Entscheidungen über die optimale Nachfrage nach verschiedenen Konsumgütern, über ihre optimale Ersparnis (zukünftigen Konsum) und über ihr Arbeitsangebot. Im Folgenden soll zunächst nur die Frage der optimalen Güterstruktur und den damit verbundenen Bestimmungsfaktoren der Güternachfrage im Vordergrund stehen. Hierzu sei angenommen, dass der Haushalt über ein bestimmtes Nominaleinkommen aus dem Arbeitseinsatz (Arbeitseinkommen) und der Verzinsung des Kapitals (Kapitaleinkommen) verfügt. Um die Komplexität der Fragestellung zu verringern, sei vereinfachend von einem gegebenen Einkommen ausgegangen, obwohl diese Einkommenshöhe durch die beiden anderen Entscheidungen des Haushalts über den Arbeitseinsatz und die Ersparnisbildung geprägt wird, die ihrerseits wiederum von der Entscheidung über die optimale Güterstruktur abhängen. Dabei ist die Güterstruktur (Konsumstruktur) bei gegebenen Güterpreisen und gegebenem Einkommen nutzenmaximierend auf verschiedene Gütermengen (Lebensmittel, Kleidung, Ausgaben für Miete, Freizeit, Bildung etc.) aufzuteilen. Damit die vom Privaten Haushalt nachgefragten Mengen der verschiedenen Güter besser überschaubar sind und sich sprachlich besser umschreiben lassen, werden verschiedene Güterkombinationen als „Güterbündel“ bezeichnet. Der Private Haushalt steht nun vor der Aufgabe, die Güterbündel der für ihn relevanten Güter nutzenmaximierend zu gestalten. Dabei wird eine dreigleisige Darstellung gewählt: die Zusammenhänge und Ergebnisse werden verbal erläutert, in ihren groben Grundzügen formal-analytisch beschrieben und graphisch dargestellt.

1.1

Das Instrumentarium der ordinalen Nutzenanalyse

Nachfolgend sollen drei zentrale Aspekte (Begriffsbereiche) der Haushaltstheorie vorgestellt werden, die bei der Entscheidung über die nutzenmaximierende Güterstruktur eines Haushalts zu beachten sind. Die Begriffe werden in den weiteren Ausführungen näher erläutert und prägen die folgende Gliederungsstruktur. Nutzenfunktion, Nutzenbegriffe: Der Private Haushalt wählt im Rahmen seiner Möglichkeiten jene Güter und Dienstleistungen aus, die ihm am wertvollsten erscheinen, d. h. den größten Nutzen

1 Haushaltstheorie

53

stiften (Zielsetzung der Nutzenmaximierung). Dies unterstellt zum einen zweckrationales Handeln im Sinne des ökonomischen Prinzips (der Konsument verhält sich als „homo oeconomicus“), d. h. der Haushalt versucht mit gegebenen finanziellen Mitteln seinen Nutzen zu maximieren. Zum anderen bedeutet es, dass der Haushalt eine Vorstellung über den Nutzen der verschiedenen Güter im Vergleich zueinander hat. Die Wertschätzung der Güter, d. h. die Präferenz für verschiedene Güter muss ihm bekannt sein. Es handelt sich hierbei um die interne Tauschrate der Güter zueinander, die im weiteren Verlauf der Darstellung auch als sogenannte Grenzrate der Substitution bezeichnet wird (zu näheren Einzelheiten s. Kapitel III.1.1.1). Ein Hauptteil der nachfolgenden Haushaltstheorie befasst sich daher mit der Nutzeneinordnung und dem Nutzenvergleich der Güter. Budgetgleichung: Wie viele Güter der Haushalt mit seinem gegebenen Budget bei vorgegebenen Güterpreisen erwerben kann (externe Tauschrate der Güter), wird durch die Budgetgleichung beschrieben. Sie gibt damit die potenziellen Kaufmöglichkeiten wieder (zu näheren Ausführungen hierzu vgl. Kapitel III.1.1.2). Welches Güterbündel dann letztlich realisiert wird, hängt von den Präferenzen des Haushalts ab. Haushaltsoptimum, interne und externe Tauschrate vergleichen: Schließlich muss der Haushalt entscheiden, welches nutzenmaximierende Güterbündel er aus der großen Fülle der potenziell realisierbaren Güterbündel auch tatsächlich auswählt. Bei seiner Entscheidung wird Konsumentensouveränität unterstellt, d. h. die Konsumenten können im Rahmen des gegebenen Budgets über ihre Kaufwünsche frei entscheiden und Vertragsfreiheit bei Kaufverträgen realisieren. Bei der Wahl der nutzenmaximierenden Güterkombination muss der Haushalt nicht nur seine interne Tauschrate der Güter betrachten, sondern auch die relative Wertschätzung der Güter bei anderen Wirtschaftsteilnehmern einbeziehen, die in den relativen Preisen der Güter zum Ausdruck kommt (externe Tauschrate der Güter; siehe auch Budgetgleichung). Sollten die anderen Wirtschaftsteilnehmer die relative Bedeutung (Präferenz) der Güter anders einstufen als der betrachtete Haushalt, so ist es für den Haushalt vorteilhaft, die vorhandenen Güter mit den Gütern der anderen Marktteilnehmer zu tauschen. Um diesen Gedankengang der Abstimmung von interner und externer Tauschrate besser deutlich zu machen, sei auf das folgende Beispiel der Übersicht III-2 verwiesen. In diesem Beispiel wird angenommen, dass der Haushalt u. a. über 10 Bücher (Gut X) verfügt und er zudem eine Reise (Gut Z) durchführen kann. Außerdem sei der Haushalt z. B. bereit, diese 10 Bücher gegen 1 Reise zu tauschen, d. h. eine Reise wäre dem Haushalt 10 Bücher wert (interne Tauschrate). Nun soll weiterhin gelten, dass auf dem Markt die betreffende Reise schon für 5 Bücher des betrachteten Buchtyps zu erlangen sei (externe Tauschrate über den Markt). In dieser Situation ist es für den Haushalt vorteilhaft, seine 10 Bücher auf dem Markt zu verkaufen und dafür 2 Reisen zu erwerben. Da die externe Tauschrate von

54

III Nachfrage und Angebot auf Güter- und Arbeitsmärkten

Büchern zu Reisen (5:1) beträgt und sie sich damit von seiner internen Tauschrate von (10:1) unterscheidet, kann der Haushalt durch einen Tausch über den Markt seinen Gesamtnutzen erhöhen. Dies ist offenbar solange der Fall, wie interne und externe Tauschraten voneinander abweichen. In diesem Beispiel liegt die nutzenmaximierende Güterkombination immer bei der Extremsituation, dass nur Gut X oder nur Gut Z nachgefragt wird. Dieses unrealistische Ergebnis ist durch die vereinfachende Annahme einer konstanten internen und externen Austauschrelation bedingt. Konstante Tauschraten sind aus folgenden Gründen nicht realistisch: 1. Wenn der Haushalt über den Markt zusätzliche Mengen eines Gutes kauft, wird sich aufgrund von Sättigungserscheinungen und sonstigen Einflüssen seine Wertschätzung ändern; in der Haushaltstheorie wird diesem Sättigungsverhalten durch das im folgenden Kapitel (1.1.1) noch näher zu beschreibende „1. Gossensche Gesetz“ entsprochen. 2. Dadurch, dass Güter am Markt gekauft und verkauft werden, können sich auch die externe Tauschrate und damit das relative Güterpreisverhältnis verändern. Übersicht III-2: Interne und externe Tauschrate eines Haushalts Betrachtungsebene des Haushalts intern = interne Wertschätzung (Tauschrate) der Güter X und Z durch den Haushalt extern = extern gegenüber anderen Wirtschaftsteilnehmern, z.B. externe Tauschbeziehung über Märkte Vergleich von interner + externer Tauschrate

Mengen; Austauschrelation (Präferenzen) Gut X Bücher

Gut Z (Reisen)

Gesamtnutzen der 10 Bücher, ausgedrückt in Mengen von Gut Z

Mengenbestand in der 10 1 Ausgangssituation Präferenzen des Haushalts = internes Tauschverhältnis = 10 1 1 „Grenzrate der Substitution“ (hier: 10:1) Tauschrate über Markt = 2 externes Tauschverhältnis= (Tausch: 5 1 10 Bücher gegen Preisrelation der Güter X und 2 Reisen über Z, d.h. P(X) : P(Z) (hier: 5:1) den Markt) Interne Tauschrate ist ungleich externer Tauschrate; damit kann der Haushalt durch externen Tausch seinen Nutzen verbessern; der Tausch ist solange vorteilhaft, wie interne und externe Tauschrate voneinander abweichen.

Zusammenfassung: Inhaltlich bedeutet die Bestimmung des Haushaltsoptimums die Beantwortung folgender Fragen: 1. Wie wichtig sind dem Privaten Haushalt die verschiedenen Güter im Vergleich zueinander, d. h. wie sieht die interne Tauschrate der Güter beim betrachteten Haushalt aus? Dieser Sachverhalt wird im Folgenden durch die Analyse der Nutzenfunktion des Haushalts beschrieben. Die Nutzenfunktion vermittelt dem Haushalt eine Vorstellung darüber, in welchem Mengenverhältnis er bereit ist,

1 Haushaltstheorie

55

verschiedene Güter gegeneinander nutzenneutral einzutauschen (ordinale Nutzenfunktion). 2. Darüber hinaus muss der Haushalt berücksichtigen, dass andere Wirtschaftsteilnehmer den Gütern andere Wertigkeiten oder Tauschraten zuordnen. Im Rahmen seines Budgets wird der Haushalt die Abweichungen in den internen und externen Tauschraten nutzen, um seine optimale (nutzenmaximierende) Güterstruktur zu realisieren.

1.1.1

Ordinale Nutzenfunktion und ihre Implikationen

Der Haushalt ist nur dann in der Lage, seinen Nutzen zu maximieren, wenn er diesen auch messen und beurteilen kann. Sehr vorteilhaft wäre es, wenn sich der Nutzen der Güter metrisch messen ließe und so z. B. die Nutzen verschiedener Güter einfach addiert werden könnten. In diesem Falle läge eine sogenannte kardinale oder metrische Erfassbarkeit des Nutzens vor. Demgegenüber wird bei einem ordinalen Nutzenkonzept der Nutzen verschiedener Güter nur im Vergleich zueinander im Sinne einer „größer-kleiner-Beziehung“ bzw. „besser-schlechter-Beziehung“ angeben. Innerhalb der Mikroökonomie ist inzwischen weitgehend unumstritten, dass die Voraussetzungen für eine solche kardinale Messbarkeit i. d. R. nicht bestehen und stattdessen auf das ordinale Nutzenkonzept zurückgegriffen werden muss. Im Folgenden sollen für das Fallbeispiel der beiden Güter „Reisen“ und „Kleidung“ drei unterschiedliche Güterbündel A, B, C betrachtet, ihr Nutzen für zwei Haushalte I und II ordinal erfasst und dann im weiteren Verlauf der Ausführungen auch graphisch dargestellt werden (siehe nachfolgende Übersicht III-3).

Übersicht III-3: Wertschätzung dreier Güterbündel der Güter X und Z Menge Gut X (Reisen)

Menge Gut Z (Kleidung)

1 Urlaubsreise Venedig Kleidermenge im Wert*) von 2000 € 1 Fotosafari nach Kenia Kleidermenge im Wert*) von 1000 € 1 Wochenendaufenthalt Kleidermenge im Wert*) von 4000 € in Bonn Präferenzen des Haushalts für die Güter X und Z bei: Güterbündel A Güterbündel B Güterbündel C

Haushalt I Haushalt II

verreist gerne fern, Kleidung unbedeutend verreist ungern, Kleidung sehr bedeutend

Präferenzfolge dreier Güterbündel des Gutes X und Z bei: Haushalt I Haushalt II

B>A>C C>A>B

*) Hinweis: die Wertangaben in € sollen die Kleidermenge wiedergeben

56

III Nachfrage und Angebot auf Güter- und Arbeitsmärkten

Haushalt I liebt Fernreisen und „macht sich nicht viel“ aus Kleidung. Er entscheidet daher vermutlich wie folgt: Güterbündel B ist besser als A und A ist wiederum besser als C, so dass somit für ihn gilt: B > A > C. Haushalt II hingegen ist bodenständig und bevorzugt kurze Erkundungsreisen in die Umgebung; er neigt aber zu modischer, teurer Kleidung. Er dürfte sich daher für folgende Reihenfolge der Güterbündel entscheiden: C > A > B. Beide Haushalte verhalten sich streng rational, denn die unterschiedlichen Rangordnungen der Güterkombinationen erklären sich aus ihren unterschiedlichen subjektiven Güterpräferenzen. Das Beispiel soll verdeutlichen, dass durchaus qualitative Bewertungen von Rangordnungen verschiedener Güterbündel für einen Haushalt möglich sind (ordinale Skala). Allerdings ist der absolute Nutzen, den die Haushalte jeweils aus dem Güterverzehr erzielen, nicht quantifizierbar (keine kardinale Messbarkeit des Nutzens). Daher könnten die beiden Haushalte auch nicht bezüglich der Höhe des realisierten Nutzens verglichen werden (kein interpersoneller Nutzenvergleich). Im Folgenden soll das Konzept der ordinalen Nutzeneinschätzung zugrunde gelegt werden. Dabei seien zur Vereinfachung nur zwei Güter betrachtet (Gut X und Gut Z genannt). An einzelnen Stellen der folgenden Ausführungen wird aus didaktischen Gründen auf einen kardinalen Nutzenbegriff zurückgegriffen; bei der Ableitung der nutzenmaximierenden Entscheidungen des Haushalts wird aber lediglich eine ordinale Messbarkeit des Nutzens unterstellt. Zur Darstellung der ordinalen Nutzenfunktion U = F(X, Z) werden folgende Annahmen getroffen: Der Haushalt kann alle Güterbündel (X,Z) hinsichtlich ihres Nutzens U (utility) im Vergleich zu anderen Güterbündeln einschätzen, wobei die Güter in den Güterbündeln teilbar, d. h. in kleinsten Mengeneinheiten variierbar sind; die Rangordnung der Güterbündel muss eindeutig sein; stiftet die Mengenkombination A zweier Güter X und Z einen höheren Nutzen als die Mengenkombination B und diese wiederum einen höheren Nutzen als die Kombination C, so muss auch A gegenüber C einen höheren Nutzen stiften (sogenannte Transitivität). Im Rahmen des von Hermann Gossen (1810 - 1855) formulierten 1. Gossenschen Gesetzes wird unterstellt, dass zwar der Gesamtnutzen mit steigendem Konsum eines Gutes zunimmt, der Grenznutzen U‘(X) (= Nutzen, den die zusätzlich verbrauchte Einheit eines Gutes stiftet) jedoch mit steigendem Verbrauch bzw. verfügbarer Menge ständig abnimmt (vgl. Abb. III-1). Die Gültigkeit des 1. Gossenschen Gesetzes ist dadurch bedingt, dass ein teilbares Bedürfnis (z. B. Durst) bei schrittweiser Befriedigung an Intensität verliert und schließlich eine Sättigung eintritt. Beispielsweise stiften zwar vier Gläser Bier – zumindest für einen Biertrinker – einen größeren Nutzen als drei Gläser

1 Haushaltstheorie

57

Bier, der Nutzenzuwachs (Grenznutzen) des Konsums vom dritten zum vierten Glas Bier ist jedoch geringer als der Nutzenzuwachs vom zweiten zum dritten Glas Bier (von einzelnen Ausnahmen einmal abgesehen). [Hinweis: Das 1. Gossensche Gesetz hat zentrale Bedeutung für die Haushaltstheorie und die Existenz optimaler Nutzensituationen und wird im Folgenden immer wieder angeführt!]

Abbildung III-1: Das Erste Gossensche Gesetz U(X) A

U‘(X)

XA

XA

X

X

Um die Güterbündel im Rahmen des ordinalen Konzepts besser einordnen zu können, seien zunächst jene Güterkombinationen bzw. Güterbündel betrachtet, die dem Haushalt einen konstanten Nutzen bringen. Wie die Anordnung der Güterbündel mit konstantem Nutzen aussieht, hängt von der Art der Güterbeziehung ab. Grundsätzlich werden hierbei substitutive, komplementäre und unabhängige Güter unterschieden, die sich jeweils wie folgt umschreiben lassen: substitutive Güter = Güter, die sich gegenseitig ersetzen können (z. B. Margarine und Butter, Kaffee und Tee, Auto und öffentliche Verkehrsmittel, Reisen und Kleidung etc.). Da der Begriff „Ersetzbarkeit der Güter“ im Hinblick auf die Fähigkeit der Güter definiert wird, dass diese bei Substitution einen konstanten Nutzen hervorbringen, können auch technisch völlig verschiedene Güter wie z. B. Reisen und Kleidung als substitutive Güter angesehen werden. Dies sollte im Folgenden bedacht werden, um eine enge Auslegung des Begriffs zu vermeiden und Missverständnissen sowie Verständnisproblemen vorzubeugen.

58

III Nachfrage und Angebot auf Güter- und Arbeitsmärkten

komplementäre Güter = Güter, die nur zusammen und gleichzeitig verwandt werden können (z. B. Kaffee/Kaffeefilter, Tasse/Untertasse, rechter/linker Schuh, Schuh/Schuhriemen, Wohnfläche/Einrichtungsgegenstände, CD/CD-Player, Auto/Benzin, Staubsauger/Staubsaugerbeutel); der Haushalt erzielt nur dann einen zusätzlichen Nutzen, wenn er beide Güter X und Z gemäß einem bestimmten Einsatzverhältnis verstärkt einsetzt. Die Erhöhung des Konsums nur eines Gutes X bei konstantem Konsum des anderen (komplementären) Gutes Z lässt den Nutzen unverändert, sofern das Gut Z (gemessen an der Einsatzrelation) nicht im Übermaß vorhanden ist. unabhängige Güter = Güter, die keine Beziehung zueinander aufweisen (z. B. Bücher und Salz) Werden substitutive Güter betrachtet, z. B. Güterbündel der Güter X und Z, so liegen die Güterbündel mit konstantem Nutzen auf einer sogenannten Indifferenzkurve, wie aus Abbildung III-2 beispielhaft in Punkt A und B ersichtlich. Abbildung III-2: Indifferenzkurve substitutiver Güter X A Bewegung von A nach B auf Indifferenzkurve zweier substitutiver Güter X und Z

B Z

Die Mengen der Güter X und Z werden bei einer Bewegung auf der Indifferenzkurve (z. B. bei einer Bewegung von Punkt A nach Punkt B) so gegeneinander ausgetauscht, dass der Nutzen aus dem Konsum der beiden Güter konstant bleibt. Die Indifferenzkurve ist nach außen gekrümmt (= konvexer Verlauf, vgl. auch Anhang A3) und nähert sich asymptotisch den Koordinatenachsen an, wie im Folgenden noch näher erläutert wird. Je nach der Stärke der substitutiven Beziehung der Güter wird die Indifferenzkurve schwächer oder stärker konvex gekrümmt verlaufen. Der gekrümmte Verlauf der Indifferenzkurve ergibt sich aus der Annahme, dass bei substitutiven Gütern der Grenznutzen des vermehrt eingesetzten Gutes (z. B. des vermehrt eingesetzten Gutes Z in Abb. III-2) abnimmt und der Grenznutzen des gleichzeitig vermindert eingesetzten Gutes (z. B. Gut X in Abb. III-2) zunimmt. Dies ist

1 Haushaltstheorie

59

eine Folge des 1. Gossenschen Gesetzes. Auf diese Zusammenhänge wird an späterer Stelle nochmals näher eingegangen. Bevor das Austauschverhältnis der Güter und der Verlauf der Indifferenzkurve näher erläutert wird, soll aufgezeigt werden, wie sich bei substitutiven Gütern der Nutzen entwickelt, wenn entweder nur ein Gut (vgl. Abb. III-3; Pfeil a) oder wenn beide Güter X und Z (vgl. Abb. III-3; Pfeil b) vermehrt eingesetzt werden. Abbildung III-3: Schar von Indifferenzkurven substitutiver Güter X

a b

mit I3 > I2 > I1

a

I1

I2

I3 Z

Wie bereits ausgeführt, beschreibt eine Indifferenzkurve alle Güterkombinationen von X und Z mit einem konstanten Nutzen; dabei ist die konkrete Höhe des Nutzens nicht spezifiziert, da der Nutzen nur ordinal, nicht aber kardinal messbar ist. Nimmt der Konsum nur eines Gutes oder beider Güter zu, so muss auch der Nutzen um ein bestimmtes, nicht näher definiertes Niveau ansteigen. Dies bedeutet, dass Güterbündel, die vom Nullpunkt aus gesehen jenseits einer bestimmten Indifferenzkurve (z. B. I1 in Abb. III-3) auf einer weiter außen liegenden Indifferenzkurve (z. B. I2) liegen, ein höheres Nutzenniveau repräsentieren. Zudem ist zu beachten, dass sich die Indifferenzkurven aufgrund der Annahme der sogenannten Transitivität56 der Nutzenfunktion nicht schneiden können (vgl. linke Seite der Abb. III-4). Die Abb. III-4 verdeutlicht, dass ein Schnittpunkt zweier Indifferenzkurven zu einem logischen Widerspruch führt und insoweit nicht realisierbar 56

Das Transitivitätsgesetz besagt: Hat eine Güterkombination auf der Indifferenzkurve I 3 einen höheren Nutzen als die Kombination auf der Indifferenzkurve I2 und hat diese wiederum einen höheren Nutzen als eine Kombination auf der Indifferenzkurve I1, so hat auch die Kombination auf der Indifferenzkurve I3 einen höheren Nutzen als die Kombination auf der Indifferenzkurve I 1.

60

III Nachfrage und Angebot auf Güter- und Arbeitsmärkten

ist. An den Schnittpunkten zweier Indifferenzkurven (Punkt A in der linken Darstellung der Abb. III-4) nimmt die Güterkombination ein bestimmtes Nutzenniveau an, das bei Bewegungen der Güterbündel auf den Indifferenzkurven erhalten bleibt. Im linken Bereich der Abb. III-4 implizieren Bewegungen von Punkt A zu Punkt B bzw. von Punkt A zu Punkt C jeweils einen konstanten Nutzen, da die Punkte A und B bzw. A und C jeweils auf derselben Indifferenzkurve liegen. Wenn aber A und B bzw. A und C jeweils einen gleich hohen Nutzen zum Ausdruck bringen, müssten nach dem Transitivitätsgesetz auch die Punkte B und C einen gleich hohen Nutzen aufweisen. Wenn aber B und C einen gleich hohen Nutzen aufweisen sollen, müssten sie auch auf derselben Indifferenzkurve liegen, was de facto nicht der Fall ist. Vielmehr liegt Punkt C im Vergleich zu Punkt B auf einer weiter außen liegenden Indifferenzkurve, so dass dem Güterbündel in Punkt C ein höherer Nutzen zugeordnet werden müsste als im Punkt B. Dieser Widerspruch lässt sich nur vermeiden, wenn die Indifferenzkurven sich nicht schneiden (widerspruchsfreie Präferenzordnung der Güterkombinationen).57 Abbildung III-4: Eigenschaften von Indifferenzkurven Gut X ( z.B. Reisen)

B

C

Indifferenzkurven dürfen sich nicht schneiden

( z.B. Reisen)

Indifferenzkurven verlaufen asymptotisch

A

Unökonomischer Bereich B – C‘ C‘

A Gut Z (z. B. Kleidung) A→B: A→C:

Gut X

Nutzen A = Nutzen B Nutzen A = Nutzen C

Hieraus folgt: Nutzen B = Nutzen C (Widerspruch zur Definition einer Indifferenzkurve, da B und C nicht auf derselben Indifferenzkurve liegen)

B

C

Gut Z (z. B. Kleidung)

Bewegung von B nach C‘ impliziert, dass zusätzliche Einheiten von Gut Z einen negativen Grenznutzen hervorrufen, so dass ab Punkt B nur eine gleichzeitige Ausweitung der Mengen von Gut X und Gut Z den Gesamtnutzen konstant halten können.

Aus der rechten Hälfte der Abb. III-4 geht hervor, dass die Indifferenzkurven sich asymptotisch den Güterachsen annähern. Indifferenzkurven können nicht nach innen geneigt sein, da sie dann unökonomische Güterkombinationen widerspiegeln. Nach innen geneigte Indifferenzkurven bringen zum Ausdruck, dass bei Bewegungen von Güterkombinationen auf dieser Indifferenzkurve (z. B. von Punkt B zu Punkt C‘ in Abb. III-4) von beiden Gütern mehr Mengeneinheiten realisiert werden müssen, 57

Zu den Eigenschaften der Indifferenzkurven vgl. auch Linde, R.: Einführung in die Mikroökonomie, 3. Auflage, Stuttgart, Berlin, Köln 1996, S. 14 ff.

1 Haushaltstheorie

61

damit der Gesamtnutzen aus dem Einsatz beider Güter konstant bleibt. Dies aber bedeutet, dass ein vermehrt eingesetztes Gut (hier Gut Z) einen negativen Grenznutzen aufweisen muss, der nur durch höhere Gütermengen des anderen Gutes (hier Gut X) kompensiert werden kann. Ein negativer Grenznutzen eines Gutes tritt ein, wenn die Nachfrage dieses Gutes sich im Sättigungsbereich bewegt, d. h. sich im nicht-ökonomischen Bereich befindet. Derartige ineffiziente Güterkombinationen widersprechen dem ökonomischen Prinzip und werden nicht weiter betrachtet. Liegen nicht substitutive, sondern komplementäre Güter vor, so stehen die Güter in einer festen Beziehung zueinander und können nur in einem bestimmten Einsatzverhältnis (z. B. ein linker und ein rechter Schuh) zum Einsatz kommen und Nutzen hervorrufen. Die Indifferenzlinien komplementärer Güter verlaufen nicht konvex (wie bei den substitutiven Gütern), sondern rechtwinklig zueinander (vgl. nachfolgende Abb. III-5 für die Güter X und Z, hier: Gut X = linker Schuh; Gut Z = rechter Schuh). Der rechtwinklige Verlauf bringt zum Ausdruck, dass der Nutzen eines Haushalts durch die vermehrte Nachfrage nach „linken Schuhen“ bei unveränderter Nachfrage nach „rechten Schuhen“ (erfahrungsgemäß) nicht ansteigt. Beide Güter sind komplementär zueinander, weshalb sie auch nur als Paar einen zusätzlichen Nutzen stiften. Abbildung III-5: Indifferenzlinie komplementärer Güter (z.B. linker Schuh) X

Indifferenzlinien I1, I2 komplementärer Güter X und Z

2 linke Schuhe

I2 mit I2 > I1

1 linker Schuh

I1 1 rechter Schuh

2 rechte Schuhe

Z (z.B. rechter Schuh)

Auch wenn komplementäre Güter häufig vorkommen, bilden sie nicht den Regelfall. Folglich wird in den weiteren Analysen meistens von substitutiven Gütern ausgegangen. Aus Vereinfachungsgründen beschränkt sich die Darstellung dabei auf den Zwei-Güterfall der Güter X und Z. Im Folgenden soll für den Fall substitutiver Güter der Begriff der „sinkenden Grenzrate der Substitution“ vorgestellt werden. Dieser Begriff liefert gleichzeitig

62

III Nachfrage und Angebot auf Güter- und Arbeitsmärkten

eine Erklärung für die Krümmung der Indifferenzkurven. Unter der Grenzrate der Substitution (dX/dZ) werden die Austauschmengen zweier Güter X und Z verstanden, die mit einem konstanten Gesamtnutzen (!) beider Güter einhergehen. Wie bereits zuvor erläutert, liegen Güterbündel mit einem konstanten Gesamtnutzen auf einer Indifferenzkurve (vgl. Abb. III-2). Da bei Bewegungen auf der Indifferenzkurve (z.B. von Punkt A zu Punkt B) die Einsatzmengen von X und Z sich entgegengesetzt zueinander entwickeln (X sinkt und Z steigt), ist die Grenzrate der Substitution negativ. Dieser Sachverhalt lässt sich sehr gut aus der nachfolgenden Abb. III-6 ersehen, in der auch die jeweiligen Austauschmengen zweier substitutiver Güter X und Z (hier: Äpfel und Birnen) bei einer Bewegung auf der Indifferenzkurve als diskrete Änderungsgrößen (Symbol „ “) eingetragen sind. Abb. III-6: Grenzrate der Substitution bei diskreter Mengenänderung X= A → B: Grenzrate der Substitution: ΔX / Δ Z = -2 -2/ +1 = -2

A

6

B → C: Grenzrate der Substitution: ΔX / Δ Z = -1 (sinkt) -1/ +1 = -1

-2 B

4

-1

C

3 4

+1

5

+1

6

Z=

Aus der Abb. III-6 ist z. B. für den Übergang von der Güterkombination A zur Güterkombination B ersichtlich, dass durch den zusätzlichen Einsatz einer Mengeneinheit von Gut Z (Konsum einer zusätzlichen Birne, d. h. Z = +1) der Haushalt auf zwei Gütereinheiten des Gutes X verzichten kann ( X = -2), ohne eine Nutzeneinbuße durch den Gütertausch zu erfahren. Die Grenzrate der Substitution ( X / Z) beträgt somit (-2/+1= -2). Aus der Abb. III-6 geht auch hervor, dass bei einem Übergang von Punkt B zu Punkt C die Grenzrate der Substitution lediglich nur noch ( X / Z = -1) beträgt, d. h. die Ersetzungskraft von Gut X durch Gut Z abgenommen hat. Somit liegt also eine sinkende Grenzrate der Substitution58 vor. Der 58

Der Begriff „sinkende Grenzrate“ ist irreführend: der negative Wert der Grenzrate der Substitution wird bei Erhöhung eines Gütereinsatzes immer kleiner, so dass der negative Wert der Grenzrate abnimmt und damit in mathematischer Hinsicht ansteigt; die sinkende Grenzrate ist daher im Sinne der Abnahme der Absolutbeträge der Austauschverhältnisse zu verstehen.

1 Haushaltstheorie

63

Nutzen kann bei der Bewegung auf der Indifferenzkurve (z. B. bei einer Bewegung von Punkt A nach Punkt B oder von B nach C in Abb. III-6) nur dann konstant gehalten werden, wenn mit steigendem Einsatz des Gutes Z (um z. B. jeweils eine Einheit) der Einsatz des Gutes X ständig abnimmt. Im Folgenden soll formal aufgezeigt werden, dass das in der Abb. III-6 dargestellte Austauschverhältnis der Güter X und Z (Grenzrate der Substitution) dem umgekehrten Verhältnis der Grenznutzen der Güter X und Z entspricht. Dieses Grenznutzenverhältnis ändert sich aufgrund der Gültigkeit des 1. Gossenschen Gesetzes bei Bewegungen auf der Indifferenzkurve, wie noch näher zu zeigen ist. In Abb. III-7 wird dieser Zusammenhang von Grenzrate der Substitution und Nutzenverhältnis der Güter näher ausgeführt. Im Zuge der Argumentationen auf Basis der Abb. III-7 wird schließlich zu einer stetigen Betrachtung59 der Mengen- und Nutzenentwicklung übergegangen, wie z. B. aus der dargestellten Tangente der Indifferenzkurve in Punkt A ersichtlich ist. Bei der Erläuterung der Abbildung III-7 sei vereinfachend den Punkten auf der Indifferenzkurve ein metrisch messbarer Grenznutzen zugeordnet. An der Stelle A der Indifferenzlinie sei beispielsweise angenommen, dass der Grenznutzen von Gut Z den Wert 2 annimmt (U’(Z) = 2) und der Grenznutzen von Gut X den Wert 1 annimmt (U’(X) = 1). In dieser Situation führt die Erhöhung des Konsums von Z um eine Gütereinheit (dZ = 1) zu einer Nutzenzunahme um 2 Nutzeneinheiten. Um diesen erhöhten Nutzen zu kompensieren (Bewegung auf der Indifferenzkurve = Linie konstanten Nutzens), kann der Haushalt auf 2 Gütereinheiten von X verzichten, da ja jede Gütereinheit von X einen Grenznutzen von 1 hervorbringt. Insoweit ist in diesem Beispiel das Austauschverhältnis dX / dZ negativ und nimmt den Wert –2 an. Indem dX/dZ in den Formeln zur Darstellung der Grenzrate der Substitution das Minuszeichen vorangestellt wird, ergibt sich mit - dX / dZ ein positiver Wert in Höhe von 2, der mit dem umgekehrten Verhältnis des Grenznutzens von X und Z (ebenfalls 2, da Grenznutzen von Z doppelt so hoch wie von X) übereinstimmt. Damit kann zusammenfassend festgestellt werden: Erhöht sich z. B. der Einsatz des Gutes (Z) schrittweise um eine Einheit, so nimmt der Grenznutzen dieses Gutes (Z) ständig ab. Dies hat zur Folge, dass durch den vermehrten Einsatz von Gut (Z) immer weniger Einheiten von Gut (X) freigesetzt werden können, wenn der Nutzen aus dem Konsum beider Güter konstant bleiben soll.

59

Im Fall der stetigen Mengenänderung wird auch von einer sogenannten „infinitesimal kleinen“ Mengenänderung gesprochen; diese infinitesimale Änderung wird durch das Symbol „d“ zum Ausdruck gebracht. Soll aufgezeigt werden, inwieweit eine bestimmte Größe, wie z. B. das Nutzenniveau U der Haushalte, durch kleinste Mengenänderung der Güter X und Z beeinflusst wird, so wird auf das mathematische Instrumentarium der partiellen Ableitungen zurückgegriffen.

64

III Nachfrage und Angebot auf Güter- und Arbeitsmärkten

Abbildung III-7: Grenzrate der Substitution und Nutzenbetrachtung

X

Bewegung auf der Indifferenzkurve bedeutet konstanten Nutzen U

A X, X sinkt, bewirkt Nutzen-ab-nahme Z = +1 Z steigt, bewirkt Nutzen-zu-nahme

B C D

Z = +1 Z Stellt U den Nutzen aus dem Konsum der Güter X und Z dar60 und bringen

als partielle Ableitung der Nutzenfunktion nach den Gütermengen X und Z den Grenznutzen der Güter X und Z zum Ausdruck, dann gilt in jedem Punkt auf der Indifferenzkurve:

Die in Gleichung (1.1.1-1) mit einem Minuszeichen versehene Grenzrate der Substitution von X und Z entspricht also dem umgekehrten Verhältnis der Grenznutzen von X und Z. Würde es sich bei den Gütern X und Z um perfekte Substitute handeln, d. h. ließen sich die Mengen stets in einem konstanten Verhältnis (z. B. 1:1 oder 2:1 etc.) gegeneinander austauschen, so hätte die Indifferenzlinie den Verlauf einer Geraden. In diesem Fall würde das 1. Gossensche Gesetz nicht gelten, d. h. es läge unabhängig 60

Hier wird also zum Zwecke der Erläuterung vorübergehend von einer kardinalen Nutzenbetrachtung ausgegangen.

1 Haushaltstheorie

65

von der realisierten Konsumgütermenge jeweils ein konstanter Grenznutzen der Güter vor. So ist es z. B. denkbar, dass für einen bestimmten Schreibvorgang eine vorgegebene Menge von roten (Gut X) und schwarzen Stiften (Gut Z) benötigt wird. Wären die Stifte in den Augen des Benutzers unabhängig vom Umfang der Nutzung stets gleichwertig, so wäre er bereit, sie in einem stets konstanten Verhältnis (z. B. im Verhältnis 1:1 oder auch 1:2) einzutauschen. Wichtig ist dabei, dass unabhängig vom Umfang der Nutzung das Austauschverhältnis konstant bleibt, da die Nutzung dieser Güter nicht mit einer Sättigung einhergeht (z. B. weil der Benutzer eine bestimmte Menge an Stiften benötigt). Für den mathematisch orientierten Leser soll nachfolgend die Gleichung (1.1.1 - 1) in komprimierter Form nochmals formal erläutert werden: Formal lässt sich die Beziehung zwischen der Grenzrate der Substitution und dem Verhältnis der Grenznutzen der Güter über die Ableitung des sogenannten totalen Differenzials (dU) einer Nutzenveränderung von U aufzeigen. Das totale Differenzial (dU) beschreibt, wie sich der Gesamtnutzen U bei kleinsten Veränderungen der nachgefragten Mengen von X und Z verändert; erfolgen die Veränderungen von X und Z in der Form, dass die realisierten Mengenkombinationen auf der Indifferenzkurve liegen, d. h. der Nutzen U konstant bleibt, so beträgt definitionsgemäß das totale Differenzial dU = 0:

Das mathematische Symbol „d“ bringt die marginale Veränderung von U zum Ausdruck und das Symbol beschreibt die partielle Ableitung des Nutzens nach den Gütermengen X und Z. Anhand der Abb. III-7 und der dort vergrößert dargestellten Bewegung von Punkt A nach Punkt B soll die Gleichung (1.1.1 - 1) nochmals formal und inhaltlich verdeutlicht werden: Bei diskreter Veränderung der Gütermengen und konstanter Nutzenentwicklung, d. h. bei einer Bewegung auf der Indifferenzkurve, z. B. von A nach B, gilt: Nutzenabnahme (- U) durch Verminderung von X um X mit: ( X< 0)

=

Nutzenzuwachs (+ U) durch Zunahme von Z um Z mit: ( Z > 0)

Da es sich um eine Bewegung auf der Indifferenzkurve handelt, bleibt der Nutzen konstant. Dies ist aber nur dann möglich, wenn sich Mengen- und Nutzenentwicklung von X und Z umgekehrt proportional zueinander verhalten.

66

III Nachfrage und Angebot auf Güter- und Arbeitsmärkten

Fortsetzung der formalen Ableitung der Grenzrate der Substitution: Bei stetiger Veränderung gelten analoge Zusammenhänge; jetzt werden aber nur noch infinitesimal kleine Änderungen von X und Z bzw. die von ihnen ausgehenden Nutzenveränderungen betrachtet. So gilt z. B. für den Punkt A auf der Indifferenzkurve (Steigung im Punkt A):

Nutzenabnahme (Grenznutzen • Mengenabnahme dX)

Nutzenzunahme (Grenznutzen • Mengenzunahme dZ)

Ergebnis: Nutzenabnahme und Nutzenzunahme entsprechen einander, so dass der Nutzen konstant bleibt und eine Bewegung auf der Indifferenzkurve erfolgt.

marginale Mengenabnahme dX bei einer marginalen Mengenzunahme + dZ (Grenzrate der Substitution -dX/dZ)

=

Grenznutzenverhältnis von Gut Z zu Gut X

Fallbeispiel Indifferenzkurven: Der Verlauf der Indifferenzkurven für das bereits zuvor dargestellte Beispiel des von den Haushalten I und II präferierten Güterbündels „Reisen und Kleidung“ ist aus nachfolgender Abbildung III-8 ersichtlich. Es wird deutlich, dass die Güterkombination B (viel Reisen, wenig Kleidung) aufgrund der hohen Reisepräferenz des Haushalts I bei diesem auf einer weit außen liegenden Indifferenzkurve positioniert ist, während das Güterbündel C (wenig Reisen, viel Kleidung) auf einer weit innen liegenden Indifferenzkurve liegt. Da Haushalt II bei den jeweiligen Güterbündeln eine zu Haushalt I genau entgegengesetzte Präferenzordnung aufweist, nehmen die Güterbündel dementsprechend auch umgekehrte Positionen auf den dargestellten Indifferenzkurven ein. Dass Haushalt I im Vergleich mit Haushalt II eine relativ hohe Präferenz für Reisen und eine niedrige Präferenz für Kleidung aufweist, ist auch aus dem flacheren Verlauf der Indifferenzkurven bei Haushalt I im Vergleich zu Haushalt II zu ersehen: Verzichtet der Haushalt I auf eine bestimmte Mengeneinheit an Kleidung, so kann diese Nutzeneinbuße bei Haushalt I durch eine relativ geringe zusätzliche Menge an Reisen kompensiert werden, während Haushalt II im Vergleich zu Haushalt I zur Nutzenkompensation eine größere zusätzliche Kleidungsmenge benötigt.

Die dargestellten, konvex verlaufenden Indifferenzkurven bestimmen das noch darzustellende Nutzenoptimum eines Haushalts in zentraler Weise. Zunächst soll aber die Budgetbeschränkung eines Haushalts näher betrachtet werden.

1 Haushaltstheorie

67

Abbildung III-8: Indifferenzkurven des Güterbündels „Reisen, Kleidung“

Haushalt I

Haushalt II

Gut X (Reisen)

Gut X (Reisen) I1 I2 I3

B

B

I 1 < I2 < I3 A

I 1 < I2 < I3 I3

C

A

I2 I1 Gut Z (Kleidung)

1.1.2

C

Gut Z (Kleidung)

Budgetbeschränkung des Haushalts

Bei der Suche nach dem optimalen, d. h. dem nutzenmaximierenden Güterbündel ist die Einkommenssituation des Haushalts zu beachten. Sind die Preise der Güter X und Z mit P(X) und P(Z)61 gegeben, und steht dem Haushalt ein Einkommen Y je Periode zur Verfügung, das er ausschließlich konsumieren möchte (Ausgaben in Höhe von Y, also Ersparnis = 0), so lautet die vom Haushalt zu beachtende Budgetbeschränkung: Gleichung (1.1.2-1) wird als Budgetgerade bezeichnet. Sie ermittelt sich für ein gegebenes Einkommen Y und bei gegebenen Güterpreisen P(X) bzw. P(Z) wie folgt: Fragt der Haushalt nur Gut X nach (d. h. Z = 0), so kann er sich eine Menge X = Y / P(X) kaufen. Je niedriger der Preis P(X) ausfällt (bei Z = 0), desto mehr Gütermengen von X kann sich der Haushalt mit dem vorgegebenem Einkommen Y leisten. Analoge Aussagen können für Gut Z abgeleitet werden. Aussehen und Verlauf der Budgetgeraden für ein fest vorgegebenes Einkommen Y und bei jeweils gegebenen Güterpreisen P(X) und P(Z) können aus Abb. III-9 ersehen werden. Die Steigung der Budgetgeraden lässt sich wie folgt beschreiben: Im Punkt B gilt (Z = 0): 61

Die Schreibweise P(X) bzw. P(Z) wird aus Vereinfachungsgründen anstelle der Schreibweise PX bzw. PZ verwandt; sie wird aus technischen Gründen auch dann gewählt, wenn der Preis exogen vorgegeben ist und nicht mit der Menge X bzw. Z variiert.

68

III Nachfrage und Angebot auf Güter- und Arbeitsmärkten

Analog gilt im Punkt A (X = 0): Damit gilt für die Steigung (dX/dZ) der Budgetgeraden62:

Die Steigung der Budgetgeraden, d. h. die Austauschrelation von Gut X und Gut Z, entspricht also dem umgekehrten Preisverhältnis dieser Güter. Die Budgetgerade hat eine negative Steigung, da bei gegebenen Güterpreisen P(X) bzw. P(Z) und steigenden Nachfragemengen eines Gutes (z. B. Gut X) sich nur dann ein konstanter Ausgabenbetrag ergibt, wenn von dem anderen Gut (z. B. Gut Z) geringere Mengen nachgefragt werden (deshalb wird die Austauschrelation von Gut X und Gut Z mit einem Minuszeichen versehen). Preissenkungen des Gutes X führen dazu, dass die Budgetgerade im Punkt A nach oben gedreht wird (siehe Abb. III-9). Preissenkungen von Gut Z bewirken analog, dass die ursprüngliche Budgetgerade im Punkt B nach außen gedreht wird (hier nicht dargestellt). Abbildung III-9: Budgetgeraden eines Haushalts bei Güterpreisänderung X

Drehung der Budgetgeraden im Punkt A (nach oben) bei Preissenkung P(X) des Gutes X

B X = Y / P(X)

mit: tan α = dX/dZ = - P(Z) / P(X) α

A Z

Z = Y / P(Z)

Hinweis: Verändern sich die Preise beider Güter gleichmäßig, d. h. sinken z. B. die Preise beider Güter prozentual in gleicher Höhe, so kommt es sowohl auf der Ordinate als auch auf der Abszisse zu gleichmäßigen Drehungen der Budgetgeraden nach außen, die letztlich eine Rechtsverschiebung der Budgetgerade im Umfang der gleich hohen Preissenkung bewirken. 62

Formal ist hierzu die Gleichung (2) nach (X) aufzulösen, so dass gilt: X = (Y- Z · P(Z))/P(X). Eine Ableitung dieser Funktion nach (Z) erbringt: dX/dZ = - P(Z)/P(X).

1 Haushaltstheorie

69

In Höhe der einheitlichen Preissenkung steigt das Realeinkommen an, so dass die Budgetgerade sich im Umfang der realen Kaufkraftsteigerung parallel nach außen verschiebt. Hieraus wird ersichtlich, dass die Budgetgerade die reale Kaufkraft des Haushalts zum Ausdruck bringt. Diese Kaufkraft kann sich sowohl durch Änderungen des Nominaleinkommens, als auch durch Preisvariationen der Güter verändern.

1.1.3

Ableitung des Haushaltsoptimums

Zur Ableitung der optimalen Güterkombination und damit der Güternachfrage des Haushalts bei gegebenem Einkommen müssen die dargestellten Instrumente der Haushaltstheorie, d. h. die Indifferenzkurve und die Budgetgerade zusammengeführt werden. Dies ist in nachfolgender Abb. III-10 aufgezeigt63. Abbildung III-10: Haushaltsoptimum für zwei Güter X und Z X

B

A

I1 < I2 < I3 I3 I2 C

I1 Z

Der Haushalt wird bei vorgegebenem Budget, d. h. vorgegebener Budgetgerade diejenige Güterkombination auswählen, bei der er das höchste Nutzenniveau, d. h. die höchste Indifferenzkurve erreicht. Dies ist genau dort, wo die Budgetgerade die Indifferenzkurve tangiert (und nicht schneidet; siehe Punkt A der Abb. III-10). Mit 63

Hinweis: Im Anhang A1 findet sich für eine konkrete kardinal (!) messbare Nutzenfunktion eine rechnerische und graphische Darstellung des Haushaltsoptimums unter Verwendung des Lagrange-Ansatzes. Um die mathematischen Ergebnisse einfach zu gestalten, wurde eine eher unrealistische Nutzenfunktion angenommen, deren Nachfragefunktionen nicht von den Preisen anderer Güter abhängig sind. Dieser Nachteil ließe sich leicht durch eine etwas „kompliziertere“ Nutzenfunktion korrigieren. Allerdings bleibt auch dann der unrealistische Aspekt bestehen, dass eine kardinale Messung der Nutzenfunktion unterstellt wurde. Dies lässt sich nur mit didaktischen Argumenten rechtfertigen. In der ökonomischen Praxis dürfte an die Stelle der Ermittlung der Nutzenfunktion die direkte Schätzung der Nachfragefunktionen über Multivariate Verfahren wie z. B. die Regressionsanalyse treten.

70

III Nachfrage und Angebot auf Güter- und Arbeitsmärkten

dem gegebenen Budget ließen sich auch die Güterbündel B und C finanzieren. Allerdings liegen diese Punkte auf einer weiter innen liegenden Indifferenzkurve, d. h. weisen einen im Vergleich zum Güterbündel A niedrigeren Nutzenwert auf. In den Punkten B und C wird jeweils eines der beiden Güter X bzw. Z sehr intensiv nachgefragt, so dass aufgrund des 1. Gossenschen Gesetzes die gleichmäßigere Nutzung beider Güter in Punkt A den höchsten Nutzen hervorbringt. Im Haushaltsoptimum (s. Punkt A der Abb. III-10) entspricht die Steigung der Budgetgeraden, d. h. das Preisverhältnis der Güter P(Z)/P(X) der Grenzrate der Substitution dX/dZ. Da die Grenzrate der Substitution dX/dZ nichts anderes ist als das Verhältnis der Grenznutzen der Güter Z und X (vergleiche vorherige Ausführungen), gilt somit im Haushaltsoptimum:

Im Optimalpunkt entspricht somit das Verhältnis der Grenznutzen der Güter (internes Austauschverhältnis der Güter beim Haushalt) dem Preisverhältnis der Güter (externes Austauschverhältnis der Güter auf einem Markt). Diese Regel wird auch als 2. Gossensches Gesetz bezeichnet. Diese Gleichung lässt sich umformen zu:

Dies bedeutet: Der Haushalt wird im Nutzenmaximum sein Geld so ausgeben, dass der Nutzen der letzten kleinsten Geldeinheit P(Z), die für Gut Z verwandt wird, den gleichen Nutzen stiftet, wie die letzte kleinste Geldeinheit P(X), die für Gut X ausgegeben wird. Entscheidend für ein Nutzenmaximum ist also nicht, dass der Grenznutzen der Güter, sondern der Grenznutzen der letzten, für den Kauf des Gutes X bzw. Z jeweils eingesetzten Geldeinheit ausgeglichen ist (oder anders formuliert: der mit den Preisen der Güter gewogene Grenznutzen der Güter ist im Optimum ausgeglichen). Der Ausgleich des Grenznutzens des Geldes bringt zum Ausdruck, dass für den Haushalt nicht das Gut, sondern das Geld knapp ist. Bei mehr als zwei Gütern muss entsprechend der Grenznutzen der zuletzt ausgegebenen Geldeinheit in allen Güterverwendungen übereinstimmen. Die Einhaltung des 2. Gossenschen Gesetzes stellt die zentrale Bedingung dafür dar, dass ein Haushalt sein Budget optimal auf verschiedene Gütereinheiten verteilt. Auch wenn dem Bürger beim täglichen Gütereinkauf die Beachtung dieser Bedingung nicht unmittelbar bewusst sein mag, wägt jeder Einkäufer dennoch stets ab, ob eine Geldeinheit in den verschiedenen Verwendungsrichtungen auch einen gleich hohen Nutzen hervorbringt. Unterschiedliche Nutzenrealisierungen würden eine Verletzung des Nutzenmaximums und damit „Verschwendung“ bedeuten.

1 Haushaltstheorie

71

Das Instrumentarium der Indifferenzkurve und der Budgetlinie lässt sich z. B. nutzen, um die Wirkung wirtschaftspolitischer Maßnahmen wie z. B. Steuersenkungen oder Subventionen im Alltag zu verdeutlichen. Beispielsweise zeigen die Darstellungen im Anhang A2, wie die Einführung einer Gütersubvention für ein Produkt X (z. B. eine Abwrackprämie für PKW, wie sie von der deutschen Bundesregierung im Zuge der Wirtschaftskrise im Jahre 2009 in Deutschland realisiert wurde) die Nachfrage- und die Nutzensituation eines Haushalts verändern würde. Die Finanzierung der Subvention erfordert eine Steuererhöhung, die das verfügbare Einkommen der Haushalte mindert und folglich das Nutzenniveau des Haushalts verringert. Durch die Subvention wird der Haushalt angehalten, eine Güterkombination zu wählen, die nicht seiner eigentlichen Wertschätzung entspricht. Wird nun eine Steuer zur Finanzierung der Subvention erhoben, muss der Haushalt durch Verringerung seines Budgets genau auf die Güter verzichten, die ihm wichtig sind. Per Saldo bewirkt also eine steuerfinanzierte Subvention eine Verschiebung der Güternachfrage in Richtung von weniger präferierten, dafür aber subventionierten Gütern. Die beschriebene Nutzenminderung gilt allerdings nur für den Fall, dass keine externen positiven Effekte vom subventionierten Gut ausgehen (s. Kap. V „Marktversagen und die Rolle des Staates“). Im Fall der angeführten Abwrackprämie könnte der Subvention z. B. zugute gehalten werden, dass von derart geförderten PKW positive externe Effekte auf die wirtschaftliche Belebung einer Volkswirtschaft ausgehen (Stabilisierungspolitik des Staates) und durch die Abwrackprämie vorhandene Ressourcen einer Volkswirtschaft besser ausgenutzt werden. Gleichwohl wäre auch bei diesem Argument zu prüfen, ob von anderen staatlichen Maßnahmen wie beispielsweise einer Verbesserung der öffentlichen Infrastruktur im Sozial-, Gesundheits-, und Bildungsbereich (d. h. höhere Staatsausgaben) nicht höhere positive externe Effekte ausgingen, wenn diese Maßnahmen durch unbürokratische Rahmenbedingungen zügig realisiert werden könnten. Auch wäre das Instrument allgemeiner Steuergutschriften denkbar, das für die Nachfrage von Gütern mit nachhaltigen positiven Effekten (z. B. Bildung, Gesundheit etc.) eingesetzt werden könnte, nicht aber die einseitige Förderung nur ganz bestimmter Produktbereiche.64 Die Bedingung des 2. Gossenschen Gesetzes lässt sich unter Verwendung entsprechender Begriffe in analoger Form auch in der Unternehmenstheorie beim optimalen Einsatz der Produktionsfaktoren wiederfinden (siehe Minimalkostenkombina-tion, Kap. III.2.4). Die Regel vom Ausgleich des Grenznutzens des Geldes in den einzelnen Verwendungsrichtungen (Haushaltstheorie) oder des Grenzertrages des Geldes beim Einsatz verschiedener Produktionsfaktoren oder Rohstoffe (Unternehmenstheorie) kommt in vielen Beispielen des ökonomischen Alltags immer wieder vor und hat damit fundamentale Bedeutung. 64

Zu einem Überblick und zur Kritik an der Abwrackprämie vgl. z. B.: Zeit-Online: Abwrackprämie wird verlängert (26.03.2009).

72

III Nachfrage und Angebot auf Güter- und Arbeitsmärkten

Zweites Gossensches Gesetz, Fallbeispiel Salat- und Obstbar: „Prof. Gesund“ will mit 5 € das Mittagessen bestreiten, wobei nur Salat und Obst an einer „Salat- bzw. Obstbar“ in beliebig teilbaren Portionen (in Gramm) zur Verfügung stehen. Ausgehend von den Preisen für 1 Gramm Salat bzw. 1 Gramm Obst wird „Prof. Gesund“ das Budget so auf die beiden Verwendungen aufteilen, dass der Nutzen des letzten Cents, den er für Salat ausgibt, genau so groß ist, wie der Nutzen des letzten Cents, den er für Obst ausgibt. Wäre der zusätzliche Nutzen der zuletzt für Obst bzw. Salat eingesetzten Geldeinheit nicht einheitlich, läge also z. B. der Grenznutzen der mit 1 Cent erworbenen zusätzlichen Salatblätter oberhalb des Grenznutzens der mit 1 Cent zusätzlich erworbenen Obststücke, könnte „Prof. Gesund“ den (Gesamt-)Nutzen des Essens durch eine Umdisposition, d. h. durch den Verzehr von etwas mehr Salat und etwas weniger Obst erhöhen (und „Prof. Gesund“ wäre nicht im ökonomischen Rohkostoptimum). Erst wenn der Grenznutzen der letzten Geldeinheit in beiden Verwendungsrichtungen ausgeglichen ist, kann durch eine Änderung des Güterbündels der Gesamtnutzen des mit 5 € zu bestreitenden Mittagessens nicht weiter erhöht werden.

Abschließend sei das Haushaltsoptimum nochmals im Gesamtzusammenhang mathematisch für ein gegebenes Einkommen und gegebene Güterpreise formal abgeleitet: I) Budgetgerade: (I - 1)

(I-2)

Steigung der Budgetgeraden dX/dZ (1. Ableitung): (I - 3) II) Nutzenfunktion: (II - 1) Für Bewegungen auf der Indifferenzkurve gilt (totales Differenzial): (II - 2) totale Nutzenänderung = aufsummierte Grenznutzen der Güter X und Z, die jeweils mit der Mengenänderung dX bzw. dZ gewichtet werden Bei Bewegungen auf der Indifferenzkurve bleibt das Nutzenniveau annahmegemäß konstant; damit gilt: dU = 0; damit kann obige Gleichung umgeformt werden zu: (II - 3) Bei Bewegungen auf der Indifferenzkurve entspricht die Nutzeneinbuße infolge einer verringerten Nachfrage nach dem Gut X dem Nutzengewinn infolge einer er-

1 Haushaltstheorie

73

höhten Nachfrage nach dem Gut Z. Die abgeleitete Gleichung (II – 3) lässt sich umformen zu: (II - 4) Auf der Indifferenzkurve verhalten sich somit Grenznutzen und Grenzrate der Substitution umgekehrt proportional zueinander. III) Ableitung des Optimalpunktes (Haushaltsoptimum): Im Optimalpunkt gilt, dass die Steigung der Indifferenzkurve der Steigung der Budgetgeraden entspricht; die Steigung der Budgetgeraden lautet nach Gl. (I – 3): (I - 3) Die Steigung der Indifferenzkurve lautet nach Gleichung (II – 4): (II - 4) damit gilt im Optimalpunkt: Gl. (II–4)

(III - 1)

Gl. (I – 3)

oder umgeformt: (II - 2) (II - 3) Damit muss im Optimum der mit den Güterpreisen gewogene Grenznutzen der beiden Güter, d. h. der Grenznutzen der zuletzt ausgegebenen Geldeinheit in beiden Verwendungen ausgeglichen sein. Die nachfolgende Übersicht III-4 zeigt die beiden Darstellungsformen des 2. Gossenschen Gesetzes nochmals auf. Während die erste Version (linke Darstellung der Übersicht III-4) auf den Grenznutzen des Geldes abstellt, formuliert die zweite Version (rechte Darstellung, Übersicht III-4) das Haushaltsoptimum über die Grenznutzen- und Preisrelation der Güter X und Z. Die zweite Version bringt zum Ausdruck,

74

III Nachfrage und Angebot auf Güter- und Arbeitsmärkten

dass im Haushaltsoptimum die interne und externe Tauschrate der beiden Güter X und Z einander entsprechen müssen. Übersicht III-4: Zweites Gossensches Gesetz in zwei Ausprägungen Version B

Version A U‘(X) P(X) Grenznutzen einer Geldeinheit in Verwendung X

=

U‘(Z)

U‘(X)

P(Z)

U‘(Z)

Grenznutzen einer Geldeinheit in Verwendung Z

Variiere den Geldeinsatz für die Mengen der Güter X und Z so lange, bis der Grenznutzen der zuletzt eingesetzten Geldeinheit (1 Cent) für alle Güter gleich hoch ist

Grenznutzenverhältnis der Güter X und Z

=

P(X) P(Z)

Preisverhältnis der Güter X und Z

Variiere den Einsatz der Mengen der Güter X und Z so lange, bis das Grenznutzenverhältnis der Güter dem Preisverhältnis der Güter entspricht.

Anhand der Übersicht III-5 soll die erste Version des 2. Gossenschen Gesetzes – d. h. der Ausgleich des Grenznutzens der zuletzt verausgabten kleinsten Geldeinheit – näher erläutert werden. Die Übersicht macht deutlich, dass eine Angleichung des Grenznutzens des Geldes auf zwei Ebenen zu geschehen hat. Zunächst ist zu fragen, wie viel Gütereinheiten von X bzw. Z bei gegebenen Güterpreisen jeweils mit einer kleinen Geldeinheit zu erwerben sind (1. Ebene = Gütermengen). Dann stellt sich die Frage, welcher Nutzen mit diesen erworbenen zusätzlichen Gütereinheiten jeweils erzielt werden kann (2. Ebene = Nutzenebene der Güter). Beide Ebenen zusammen bestimmen dann den Grenznutzen des Geldes. Im Rahmen dieses zweistufigen Prozesses fällt der Grenznutzen des Geldes umso höher aus, je preisgünstiger das jeweils zu erwerbende Gut ist (d. h. je niedriger die Güterpreise von Gut X bzw. Gut Z sind) und je höher der Nutzen ausfällt, der mit dem zusätzlich erworbenen Gut verbunden ist (Grenznutzen des Gutes). Der Ausgleich des Grenznutzens der zuletzt ausgegebenen Geldeinheit stellt sicher, dass das Geld als das zu bewirtschaftende Mittel nutzenmaximal für beide Güter eingesetzt wird. In dem vorliegenden Beispiel zeigt sich, dass der Grenznutzen des Geldes in der Verwendung des Gutes Z (mit einem Grenznutzen des Geldes von einer Nutzeneinheit, siehe oberste Ebene) zehnmal so hoch ausfällt, wie in der Verwendung des Gutes X (Grenznutzen des Geldes = 0,1 Nutzeneinheiten). Zwar ist in dem Beispiel ein gleichhoher Grenznutzen der Güter angenommen; da jedoch der Preis von Gut Z nur 1/10 des Preises von Gut X ausmacht, können mit einer Geldeinheit auch zehnmal

1 Haushaltstheorie

75

so viel Güter von Z erworben und damit zehnmal so viele Nutzeneinheiten wie bei entsprechender Verwendung des Geldes für Gut X erzielt werden. Insgesamt bleibt in dieser Ausgangsituation festzuhalten: Durch eine Umschichtung des Geldes aus der Verwendung von X zu Z kann der Gesamtnutzen ausgeweitet werden, da das Geld in der Verwendung Z einen höheren Nutzenbeitrag liefert als in der Verwendung X. Allerdings ist wegen des 1. Gossenschen Gesetzes eine Umdisposition der Mengen von Gut X zu Gut Z mit einem sinkenden Grenznutzen bei Gut Z und einem steigenden Grenznutzen bei Gut X verbunden. Daher würden sich nach fortgesetzter Umdisposition die Grenznutzen des Geldes in beiden Verwendungsrichtungen schließlich angleichen und somit ein Nutzenmaximum sicherstellen (in Übersicht III-5 nicht dargestellt). Übersicht III-5: Zweistufige Betrachtung beim Zweiten Gossenschen Gesetz Nutzenergebnis = Grenznutzen des Geldes in Verwendung für X bzw. Z

Gut X

Gut Z

Beide Güter X + Z

= 0,1 Nutzeneinheiten

=1 Nutzeneinheiten

= 1,1 Nutzeneinheiten

2. Ebene Grenznutzen der erworbenen Güter X, Z

Nutzen je zusätzlicher Gütereinheit =1

Nutzen je zusätzlicher Gütereinheit =1

X = 0,1 ME

Z = 1 ME

P(X) = 10 €

P(Z) = 1 €

1. Ebene Mengen, Preise der Güter X, Z

zu bewirtschaftende Mittel = 2 €

z. B.

1€

z. B.

Umdisposition von X zu Z kann Gesamtnutzen steigern; dabei aber zu bedenken, dass Grenznutzen von X steigt und Grenznutzen von Z fällt, wenn X weniger und Z mehr nachgefragt werden. (1.Gossensche Gesetz)

1€

2 € sind zu verausgaben

Vertiefungsaufgabe III-1: Zeigen Sie graphisch auf und begründen Sie, warum die Indifferenzkurven zweier Güter X und Z nicht nach innen gekrümmt sein können und sich vielmehr asymptotisch den Koordinatenachsen annähern, wenn das ökonomische Prinzip realisiert wird. Zeigen Sie zudem graphisch und verbal auf, warum die Indifferenzkurven bei Gültigkeit einer widerspruchsfreien Präferenzordnung der Güter sich nicht schneiden können.

76

III Nachfrage und Angebot auf Güter- und Arbeitsmärkten

Aufgabe III-1: Student S verdient zusätzlich 300 € im Monat, die er für Studienbücher (Gut X) und Bahnreisen in km (Gut Z) verwendet; ein Buch kostet im Durchschnitt P(X) = 50 €; für einen Kilometer Bahnreise sind bei Fahrten 2. Klasse 0,25 € zu zahlen, d. h. P(Z) = 0,25 €. Student S beabsichtigt, den zusätzlichen Verdienst vollkommen für Bücher oder Reisen auszugegeben. a)

Formulieren Sie für das zusätzliche Einkommen und die vom Studenten angestrebten Verwendungsmöglichkeiten die Budgetgerade mit den konkreten Zahlen. Erweitern Sie die nachfolgende Tabelle um weitere Zeilen, in denen Sie aufzeigen, welche Möglichkeiten der Nachfrage und der Ausgaben für Gut X und Gut Z sich ergeben, wenn der Student S keinen Kredit aufnimmt und auch keine Teile des Zusatzverdienstes zum Sparen verwendet.

Gekaufte Bücher

Ausgaben für

(Menge Gut X)

Bücher

0

Gefahrene Bahn-kilometer (Menge Gut Z)

Ausgaben für Bahnkilometer

Ausgaben für Güter X und Z insgesamt

1200

b) Stellen Sie die Budgetgerade graphisch dar. c) Bestimmen Sie die Austauschbeziehung der Güter X und Z auf der Budgetgeraden. Wodurch wird diese Austauschbeziehung bestimmt? Wie ändert sich die Lage der Budgetgerade, wenn c. p. Student S es vorzieht, in der 1. Klasse mit der Bahn zu fahren und er dann einen Preis von 0,3 € je Bahnkilometer zu zahlen hat? d) Erläutern Sie für das konkrete Beispiel, was unter der Grenzrate der Substitution auf der Nutzenebene zu verstehen ist. e) Welche zusätzlichen Informationen benötigen Sie, um das Haushaltsoptimum des Studenten S für die oben beschriebene Situation zu ermitteln? Welche Bedingung wäre im Haushaltsoptimum einzuhalten?

Aufgabe III-2: Welche der folgenden drei Aussagen zur mikroökonomischen Haushaltstheorie sind richtig? Begründen Sie jeweils detailliert, warum die Aussagen zutreffen bzw. nicht zutreffen. Falls die Aussage fehlerhaft ist, korrigieren Sie die Aussage so, dass sie zutrifft. Die Aussagen lauten: 1. „Weisen zwei substitutive Güter X und Z eine konstante Grenzrate der Substitution (GRS) von (-1) auf, und unterscheiden sich die Preise der beiden Güter X und Z, so liegt das Haushaltsoptimum bei positiven Mengen sowohl von Gut X als auch Gut Z.“ 2. „Die Steigung der Budgetgerade wird immer durch das Grenznutzenverhältnis der Güter X und Z bestimmt.“ 3. „Bei einer Bewegung auf der Indifferenzkurve verhält sich die Grenzrate der Substitution zweier Güter X u. Z proportional zum Grenznutzenverhältnis der Güter X und Z.“

1 Haushaltstheorie

77

Aufgabe III-3: Angenommen, zur Korrektur einer Klausur werden grundsätzlich zwei verschiedene Bleistifte eingesetzt, die sich nur in ihrer äußeren Farbe unterscheiden. Verwendung finden Bleistifte mit roter Farbe (Gut X) und blauer Farbe (Gut Z). Da der Bestand an Bleistiften verbraucht ist, sollen neue Bleistifte gekauft werden. Dazu steht ein Betrag von 5 € zur Verfügung (Budget = 5 €). Angenommen, für den Benutzer der roten und blauen Bleistifte betrage die Grenzrate der Substitution konstant (-1), und die Preise der Bleistifte unterscheiden sich entsprechend der folgenden drei Situationen: Situation 1: P(X) = 2,50 € ; P(Z) = 0,50 € ; Situation 2: P(X) = 1,25 € ; P(Z) = 0,50 € Situation 3: P(X) = 0,50 € ; P(Z) = 0,50 € a) Erläutern Sie, was Sie im Beispiel unter einer „konstanten Grenzrate einer Substitution von – 1“ einer Indifferenzkurve konkret verstehen und welche Konsequenzen sich hieraus für den Grenznutzen der Güter X und Z ergeben. b) Zeigen Sie für die Situationen 1 bis 3 jeweils unter Verwendung einer Budgetgeraden sowie einer Indifferenzkurve graphisch auf und erläutern Sie verbal, welche Bleistifte in welchen Mengen vom Benutzer gekauft werden, wenn der Verwender der Bleistifte sich als „homo oeconomicus“ verhält.

Aufgabe III-4: Gegeben sei die nachfolgende Nutzenfunktion für das Gut X und das Gut Z: 0,8

U=X

0,2

• Z mit: U = Nutzen Bestimmen Sie für ein gegebenes Einkommen Y= 3000 € und gegebenen Güterpreisen P(X) =150 € und P(Z) = 300 € die nutzenmaximierenden Gütermengen X* und Z*.

1.2

Bestimmungsfaktoren der Güternachfrage

Vor dem Hintergrund des dargestellten Instrumentariums der Nutzenanalyse des Haushalts soll nachfolgend aufgezeigt werden, von welchen Einflussfaktoren die mengenmäßige Güternachfrage z. B. des Gutes X der Privaten Haushalte im ZweiGüterfall abhängt.65 Bestimmungsgrößen für die optimale Nachfragestruktur sind der Preis P(X), der Preis aller anderen Güter (hier vereinfachend nur der Preis P(Z) des Gutes Z), das Einkommen Y, die Präferenz des Haushalts für die verschiedenen 65

Darüber hinaus hat der Haushalt auch die Möglichkeit, Teile seines Konsums nicht in der laufenden Periode, sondern in späteren Perioden zu verausgaben und somit in der laufenden Periode eine kapitalbildende Ersparnis aufzubauen. Unter Einbeziehung eines vorgegebenen Zinssatzes und unter Verwendung des Instrumentariums der Nutzenanalyse lässt sich die optimale Ersparnisbildung analog zur Fragestellung der optimalen Güterstruktur ableiten (s. Kap. 1.5). Schließlich wird ein nutzenmaximierender Haushalt in Abhängigkeit vom Lohnsatz auch sein optimales Arbeitsangebot bestimmen (s. Kap. 1.6). Alle drei Entscheidungen werden in der Realität voneinander abhängen und simultan vorgenommen; im Rahmen der folgenden Ausführungen kann aus Vereinfachungsgründen aber nur eine sukzessive, getrennte Darstellung der Entscheidungen erfolgen.

78

III Nachfrage und Angebot auf Güter- und Arbeitsmärkten

Güter sowie sonstige Einflussfaktoren wie z. B. Temperaturen, Klima, Sicherheitsund Qualitätsaspekte, Erwartungen über zukünftige Entwicklungen etc. Staatliche Eingriffe wie die Erhebung von Steuern und Abgaben bzw. die Zahlung von Transfereinkommen sollen aus Vereinfachungsgründen im Folgenden zunächst nicht betrachtet werden. Alle Einflussgrößen der Nachfrage eines Gutes X lassen sich in der „generellen Nachfragefunktion“ des Gutes X berücksichtigen, wie im Folgenden exemplarisch dargestellt. Generelle Nachfragefunktion X* X* = f (P(X), P(Z), Y, U, S) mit: P(X) = Preis des Gutes X; P(Z) = Preis eines anderen Gutes Z; Y (Yield) = Einkommen Y; U (Utility) = Präferenz = „Wertschätzung des Gutes X“; S = Sondereinflüsse wie z. B. Klima, Sicherheit und Qualität des Produkts, Erwartungen Spezielle einkommens- oder preisabhängige Nachfragefunktionen von X X = f (Y) X = f (P(X)) X = f (P(Z))

Nachfrage von X wird jeweils durch eine veränderliche Einflussgröße bestimmt; die restlichen Größen verändern sich nicht, so dass von ihnen ein konstanter Einfluss ausgeht

Durch Aufspaltung der generellen Nachfragefunktion [X* = f (P(X), P(Z), Y, U)] in ihre einzelnen Bestimmungsfaktoren ergeben sich spezielle Nachfragefunktionen66, wie z. B.: X = f(P(X)) oder: X = f(P(Z)) etc. Hierbei kommt die „ceterisparibus Bedingung” zur Anwendung, die besagt, dass der Einfluss einzelner Größen wie P(X) oder P(Z) auf die Nachfrage X isoliert betrachtet wird und das Niveau der übrigen Bestimmungsfaktoren unverändert bleibt.

1.2.1

Einkommensabhängige Nachfrage

Das Haushaltseinkommen Y (Arbeits-, Kapitaleinkommen) stellt neben dem Güterpreis eine zentrale Einflussgröße der Güternachfrage dar. Aus didaktischen Gründen sei zunächst der Einfluss des Einkommens auf die Nachfrage erläutert, bevor anschließend die Preiswirkungen näher diskutiert werden. Der Teil des Einkommens, den der Private Haushalt für konsumtive Zwecke verwendet und nicht spart, wird als Konsum bezeichnet. Welcher Einkommensteil konsumtiv verwendet wird und welcher in die Ersparnis fließt, ist eine von vielen Einflussfaktoren abhängige ökonomische Entscheidung. Aus Vereinfachungsgründen sei zunächst angenommen, dass der Haushalt sein gesamtes Einkommen nur für Konsumgüter ausgibt, d. h. nicht spart. Verändert sich das Einkommen eines Haushalts, so wird die Budgetge66

Die spezielle Nachfragefunktion eines einzelnen Haushalts wird auch als individuelle Nachfragefunktion bezeichnet

1 Haushaltstheorie

79

rade bei steigendem (sinkendem) Einkommen nach außen (innen) parallel verschoben (siehe Abb. III-11).

Abbildung III-11: Lineare Einkommens-Konsumkurve Z Y4 Y3

lineare EinkommensKonsumkurve Einkommenseffekt (proportionale Veränderung der Güternachfrage X und Z)

Y2 Y1

X

X1 X2 X3 X4 Y

Lineare Nachfragekurve eines Gutes X bei verändertem Einkommen Y hat konstante Ausgabenanteile für Gut X zur Folge; (X = einkommensneutrales Gut)

X = f (Y)

Y4 Y3 Y2 Y1 X1 X2 X3 X4

X

Dort, wo nach der Verschiebung der Budgetgeraden der Tangentialpunkt von Indifferenzkurve und Budgetgeraden liegt, findet sich das neue Haushaltsoptimum mit den nutzenmaximierenden Güterkombinationen von Gut X und Gut Z. Je nach Höhe der Einkommensänderung fällt die Verschiebung unterschiedlich hoch aus, so dass im Nutzenmaximum unterschiedliche Indifferenzkurven berührt werden. Die Verbindungslinie aller Haushaltsoptima wird als Einkommens-Expansionspfad oder auch Einkommens-Konsumkurve bezeichnet. Stellt die Verbindungslinie eine Gerade aus dem Ursprung dar, so nimmt die Nachfrage nach einem Gut mit steigendem Einkommen proportional zu; derartige Güter werden als einkommensneutrale Güter bezeichnet. Sie zeichnen sich dadurch aus, dass bei ihnen die Güter X und Z in einem festen Verhältnis zueinander nachgefragt werden, wenn die lineare Einkommens-Konsumkurve durch den Ursprung des Koordinatensystems verläuft. Das feste Einsatzverhältnis hat zur Folge, dass bei gegebenen Güterpreisen P(X) bzw. P(Z) und verändertem Einkommen Y die Güter einen konstanten Ausgabenanteil aufweisen, d. h. [X • P(X)/Y] bzw. [Z • P(Z)/Y] ist unabhängig von der Einkommenshöhe konstant. Einkommensneutrale Güter dürften in der Praxis eher die Ausnahme bil-

80

III Nachfrage und Angebot auf Güter- und Arbeitsmärkten

den67. Einkommensneutrale Güter können aber als eine Art „Referenzgut“ zum formalen Verständnis der anderen einkommensabhängigen Güter beitragen. In der Praxis häufig anzutreffen sind sogenannte relativ inferiore Güter (vgl. Abb. III-12), bei denen die Nachfrage bei steigendem Einkommen nur unterproportional ansteigt (bei Gütern des Grundbedarfs wie z. B. Grundnahrungsmitteln). Bei diesen Gütern wird auch der Begriff „normale Güter“ verwandt68. Abb. III-12: Nichtlineare Einkommens-Konsumkurve Einkommenseffekt bei Gut X (relativ inferiores Gut) infolge unterschiedlicher Einkommensniveaus Y1 bis Y3

Z

Y3

Nichtlineare EinkommensKonsumkurve

Y2 Y1

Y

X1

X2

X3

Y1

X Nachfrage eines relativ inferioren Gutes X (normales Gut)

Y2 Y3 X1 67

68

X2

X3

X

Dass bei einkommensneutralen Gütern konstante Ausgabenanteile der Güter vorliegen, lässt sich wie folgt zeigen: Gibt die Konstante c das Verhältnis von X zu Z an, so gilt: X = c • Z. Wird beispielsweise X in die Budgetgleichung eingesetzt, so ergibt sich: Y = Z • c • P(X) + Z • P(Z) = Z • [c • P(X) + P(Z)]; damit stellt unter den gegebenen Annahmen (fest vorgegebener Preis P(X) und P(Z)) die Relation Z/Y und damit auch der Ausgabenanteil [Z • P(Z)]/Y eine konstante Relation dar. Analoge Aussagen gelten für X/Y bzw. [X • P(X)]/Y. Die einkommensabhängige Nachfragekurve, die im unteren Teil der Abb. III-12 die Entwicklung der nachgefragten Menge X in Abhängigkeit vom Einkommen Y darstellt, wird auch als „Engelkurve“ bezeichnet; vgl. hierzu Varian, H.R.: Grundzüge der Mikroökonomik, a. a. O., S. 108 ff.

1 Haushaltstheorie

81

Weitere denkbare Zusammenhänge zwischen der Einkommens- und der Nachfrageentwicklung sind in den Abb. III-13a bis Abb. III-13d unter Einbeziehung des relativ inferioren Gutes69 dargestellt. Abb. III-13a: Einkommensabhängige Nachfrage bei relativ inferiorem Gut X

Y

Abb. III-13b: Einkommensabhängige Nachfrage bei absolut inferiorem Gut X

Y

Y2

Y2

Y1

Y1 X1

X2

X

X2

X1

X

(z.B. Ramschgüter)

(z.B. Grundnahrungsmittel) Abb. III-13c: Einkommensabhängige Nachfrage bei superiorem Gut X

Y

Abb. III-13d: Einkommensunabhängige Nachfrage eines Gutes X

Y

Y2 Y2

Y1

Y1 X1

X2

(z.B. Luxusgut)

X

X1 = X2

X

(z.B. Medikamente, Salz)

Sinkt die Nachfrage bei steigendem Einkommen nicht nur relativ, sondern auch absolut (z. B. bei geringwertigen Konsumgütern), so liegt ein absolut inferiores Gut vor. Dies bedeutet umgekehrt: vermindert sich das Einkommen, so erhöht sich die Nachfrage nach diesen Gütern. Einkommensschwache Haushalte werden dann andere Konsumgüter zugunsten dieser relativ billigen Güter substituieren. Nimmt bei steigendem Einkommen die Nachfrage überproportional zu, so handelt es sich um 69

In der Literatur werden „relativ inferiore Güter“ auch einfach als „inferiore Güter“ bezeichnet. Zur besseren Abgrenzung vom Begriff des „absolut inferioren Gutes“ erscheint der Zusatz „relativ“ allerdings hilfreich und wird in diesem Buch im Folgenden verwandt.

82

III Nachfrage und Angebot auf Güter- und Arbeitsmärkten

ein sogenanntes superiores Gut70 (vgl. Abb. 13c); es handelt sich um Luxusgüter wie z. B. Champagner, Kaviar etc. oder um Güter des gehobenen Bedarfs wie Reisen, Bildungs- und Kulturgüter etc. Es ist auch denkbar, dass ein bestimmtes Gut im Zeitablauf zunächst als superiores, dann als normales und ggfs. sogar als absolut inferiores Gut eingestuft wird (z. B. Schweinefleisch). Einkommenszuwächse führen häufig zu einer Veränderung des Konsumverhaltens der Haushalte in der Form, dass der Konsum minderwertiger (relativ inferiorer) Güter zugunsten des Konsums höherwertiger (superiorer) Güter eingeschränkt wird. Es finden Substitutionsprozesse zwischen Gütern unterschiedlicher Qualität statt. Die Nachfrage und damit die Konsumausgaben für relativ inferiore Güter nehmen daher mit steigendem Einkommen bzw. mit zunehmendem Konsum relativ ab (sinkende Ausgabenanteile bei relativ inferioren Gütern zugunsten steigender Ausgabenanteile bei superioren Gütern). Vertiefungsaufgabe III-2: Interpretieren Sie Nachfragefunktionen, bei denen die einkommensabhängige Mengenentwicklung unter-/überproportional und linear ansteigt! Wie sind fallende bzw. senkrecht (vertikal) verlaufende einkommensabhängige Nachfrageverläufe zu begründen?

1.2.2

Preisabhängige Nachfrage

Verändert sich der Preis P(X) eines Gutes X, so wird bei einer Preissenkung (Preissteigerung) die Budgetgerade nach außen (nach innen) gedreht (vgl. Abb. III-14). Die bei alternativen Preisen P(X) entstehenden Tangentialpunkte der Budgetgeraden mit den Indifferenzkurven geben dann die nutzenmaximierenden Mengen der Güter X und Z in Abhängigkeit von P(X) an. Dabei sind die Preise der anderen Güter (hier nur Gut Z), das Einkommen Y und die Präferenz U fest vorgegeben (c. p. - Betrachtung). Werden die Preis-Mengen-Kombinationen der Tangentialpunkte (Optimalpunkte) in einem Koordinatensystem dargestellt, wobei die Preise auf der Ordinate und die nutzenmaximierenden Mengen auf der Abszisse abgetragen werden, so ergibt sich die in der Abb. III-14 (unten) dargestellte preisabhängige Nachfragefunktion X = f(P(X). Aufgrund der Krümmung der Indifferenzkurven (sinkende Grenzrate der Substitution) verläuft die Nachfragefunktion ebenfalls gekrümmt. Im „statistischen Normalfall” formuliert die Nachfragefunktion einen inversen (negativen) Zusammenhang zwischen dem Preis eines Gutes und der nachgefragten Menge. Je höher der Preis eines Gutes ist, desto geringer ist die Nachfrage nach die-

70

Es sei darauf aufmerksam gemacht, dass es üblich ist – anders, als es in mathematischen Darstellungen sonst der Fall ist – die unabhängige Größe (hier das Einkommen Y) an der Ordinate und die abhängige Größe (hier: die Mengenentwicklung des Gutes X) an der Abszisse darzustellen. Daher ergibt sich der „gewöhnungsbedürftige“ Verlauf der Abb. 13c, der im ersten Moment eher den Eindruck eines relativ inferioren Gutes erweckt!

1 Haushaltstheorie

83

sem Gut und umgekehrt. Im Folgenden sei der Einfachheit halber eine lineare preisabhängige Nachfragefunktion unterstellt. Abb. III-14: Ableitung einer Nachfragefunktion bei Preisänderungen Z Nachfragefunktion für Gut X bei Preisvariationen P(X) Y/P(X)

Preis-Konsumkurve

Preissenkung von Gut X X1 P(X)

X

X3

X2 Y/P1(X)

Y/P2(X)

P1(X) P2(X)

X = f (P(X), P(Z), Y, U)

P3(X) X1

X2

X

X3

Die lineare preisabhängige Nachfragefunktion lässt sich allgemein darstellen als: X = f (P(X)) bzw. konkretisiert: Zu Übungszwecken und zur Erläuterung wichtiger Begriffe der preisabhängigen Nachfragefunktion soll auf das folgende Beispiel zurückgegriffen werden: Beispiel für eine preisabhängige lineare Nachfragefunktion Preis P(X) des Gutes X Menge des Gutes X

5,0 0,0

4,0 2,0

3,0 4,0

2,5 5,0

2,0 6,0

1,0 8,0

0,0 10,0

Graphisch entspricht der Preis-Mengenzusammenhang des oben angeführten Beispiels folgendem Verlauf der in Abb. III-15 dargestellten Nachfragefunktion (Hinweis: es hat sich eingebürgert, den Preis auf der Ordinate und die Menge auf der Abszisse abzutragen). Damit liegt formal folgende Nachfragefunktion vor: Im konkreten Beispiel ergibt sich:

84

III Nachfrage und Angebot auf Güter- und Arbeitsmärkten

Hinweis: Dieses Ergebnis für die preisabhängige Nachfragefunktion lässt sich wie folgt begründen: Steigt der Preis P(X) um eine Geldeinheit, so nimmt gemäß der oben angeführten Wertetabelle die Menge um 2 Mengeneinheiten ab, d.h. der Parameter b der preisabhängigen Nachfragefunktion nimmt den Wert (+2) an (Anmerkung: b beträgt +2 und nicht -2, da das negative Vorzeichen bereits in die Funktion eingearbeitet wurde). Bei einem Preis P(X) = 0 beträgt X = 10, so dass der Parameter a der preisabhängigen Nachfragefunktion ebenfalls den Wert 10 annimmt.

Die „normale“ Nachfragefunktion weist zwei charakteristische Punkte auf: Prohibitivpreis PProh(X) (= Schnittpunkt mit der Preisachse): Die Nachfrage ist Null, da der Preis für den Haushalt zu hoch ist und er zu diesem Preis keine Nachfrage des Gutes X tätigen möchte. Im vorliegenden Beispiel errechnet sich der Prohibitivpreis wie folgt: Sättigungsmenge (XS) (= Schnittpunkt mit der Nachfrageachse): Die Nachfrage, die sich bei einem Preis von Null ergibt, wird als Sättigungsmenge bezeichnet. (Beispiel: Auf einer Veranstaltung wird Freibier angeboten, so dass bei einigen Biertrinkern die Gefahr droht, dass sie das spendierte Bier bis zur Sättigungsmenge nachfragen; hier ist der Grenznutzen eines zusätzlichen Schluckes Bier = 0). Für die o.a. Nachfragefunktion folgt: Denkbar ist auch, dass eine Menge jenseits des Sättigungspunktes, d. h. bei einem negativen Preis nachgefragt wird (vgl. Abb. III-15). Abbildung III-15: Prohibitivpreis, Sättigungsmenge bei linearer Nachfrage P(X) 5

Prohibitivpreis: p proh(X) = (a/b)*

*) für die Nachfragefunktion X = a – b • P(X) ergibt sich X = 0, sofern P(X) = a/b

Sättigungsmenge (XS = a) für P(X) = 0 10

X

-2 lineare Nachfragefunktion: X = a - b • P(X) konkret: X = 10 - 2 • P(X)

Ein negativer Preis bedeutet, dass die Nachfrager noch einen Preis erstattet bekommen, wenn sie das Gut „kaufen“. Der aggressive Kampf um Marktanteile in der Te-

1 Haushaltstheorie

85

lekommunikationsbranche kann z. B. dazu führen, dass der Preis für ein mit einer Prepaid-Karte betriebenes Handy nach Abzug des „üblichen“ Entgelts für die Prepaid-Karte negativ ist, weil der Anbieter das Handy aus Marketingaspekten so stark subventioniert hat. Prohibitivpreis und Sättigungsmenge werden häufig in den Abbildungen der Nachfragefunktion nicht dargestellt, d. h. die Abbildung beschränkt sich auf den mittleren Teil der Nachfragefunktion. Zudem werden aus Vereinfachungsgründen oft lineare Nachfrageverläufe in den Abbildungen unterstellt, auch wenn in der Praxis wegen des bereits ausführlich diskutierten Aspekts der Sättigung eher nichtlineare Verläufe vorliegen dürften.71 Substitutions- und Einkommenseffekt: Der inverse Zusammenhang zwischen der Höhe des Preises und der Nachfrage eines Privaten Haushalts nach einem Gut X (normale Nachfragefunktion) lässt sich mit dem Substitutions- und dem Einkommenseffekt begründen. Beide Effekte sollen im Folgenden für den Fall einer relativen Preissenkung eines Gutes X definiert und voneinander unterschieden werden. Substitutions- und Einkommenseffekte treten immer gleichzeitig auf und lassen sich nicht isoliert beobachten; gleichwohl ist ihre Unterscheidung für viele Fragestellungen wichtig, wie sich noch zeigen wird: a) Substitutionseffekt (SE): Aufgrund der relativen Preissenkung von Gut X im Vergleich zu Gut Z lohnt es sich, das relativ teurer gewordene Gut Z durch das relativ billiger gewordene Produkt X zu ersetzen. b) Einkommenseffekt (EE): Bei gegebenem Nominaleinkommen führen Preisveränderungen von Gut X zu realen Einkommens-, d. h. Kaufkraftveränderungen, die eine Veränderung der Nachfrage sowohl von Gut X als auch von Gut Z zur Folge haben. Sinkt z. B. der Preis des Gutes X, so steigt das Realeinkommen an, so dass c. p. größere Mengen entweder von Gut X oder von Gut Z oder von beiden (Normalfall) gekauft werden können. Wie stark sich die Nachfrage nach dem Gut X bzw. Gut Z verändert, wenn sich das Realeinkommen ändert, hängt von der Art des Gutes ab. So dürfte z. B. bei relativ inferioren (superioren) Gütern die Nachfrage unterproportional (überproportional) zur realen Einkommensänderung ansteigen. Aus der nachfolgenden Abbildung III-16 sind der Substitutions- bzw. der Einkommenseffekt ersichtlich. (Anmerkung: Zu beachten ist, dass veränderte Realeinkommen hier durch Änderungen der Preise und nicht durch Änderungen der Nominaleinkommen zustande kommen. Wichtig: Unter dem Einkommenseffekt wird nicht die Veränderung des Realeinkommens, sondern seine Wirkung auf die Nachfrage verstanden!)

Die Unterscheidung der beiden Effekte erfolgt in der Literatur nicht einheitlich. Überwiegend hat sich die Definition nach J. R. Hicks durchgesetzt (vgl. Abb. III16), wonach sich die Höhe der Effekte an der vorher realisierten Indifferenzkurve 71

Dies gilt insbesondere dann, wenn es sich um Marktnachfragefunktionen handelt, die die Nachfrage aller Haushalte nach dem Gut X darstellen (vgl. hierzu Kap. III.1.4).

86

III Nachfrage und Angebot auf Güter- und Arbeitsmärkten

ausrichtet. Demgegenüber definiert E. Slutsky die Höhe beider Effekte über ein unverändertes Realeinkommen, so dass sich die Höhe der Effekte an der vorher realisierten Budgetgerade ausrichtet (vgl. Abb. III-17). Die unterschiedliche Vorgehensweise soll im Folgenden zunächst nach der Definition von Hicks und dann nach der Definition von Slutsky näher erläutert werden. Abbildung III-16: Substitutions- und Einkommenseffekt nach Hicks Gut Z Hicks-Ansatz zur Zerlegung des Preiseffekts in einen Substitutions- (SE) und einen Einkommenseffekt (EE): gleich hoher Nutzen in Punkt B und B‘

A

B

B‘‘ B‘

Preissenkung von Gut X SE

EE

Gut X

Preiseffekt (PE) = SE + EE SE = Substitutionseffekt infolge der Preissenkung von Gut X EE = Einkommenseffekt; Preissenkung erhöht reale Kaufkraft

Aus der Abb. III-16 sind der Substitutions- bzw. der Einkommenseffekt in der Abgrenzung nach Hicks ersichtlich. Ausgangspunkt der folgenden Betrachtungen bildet das nutzenmaximierende Güterbündel im Punkt B der Abb. III-16 (Tangentialpunkt von Indifferenzkurve und Budgetgerade). Durch die Preisänderung [hier: Preissenkung von P(X)] dreht sich die Budgetgerade im Punkt A nach außen. Es entsteht ein neuer Tangentialpunkt von Budgetgerade und Indifferenzkurve im Punkt B‘‘, der das neue nutzenmaximierende Güterbündel nach der Preissenkung wiedergibt. Die durch die Preissenkung ausgelösten Mengenänderungen des Güterbündels sind auf einen Substitutions- und einen Einkommenseffekt zurückzuführen. Inhaltlich kann der Substitutionseffekt fiktiv (!) bestimmt werden, indem der Einkommenseffekt aus der Gesamtänderung des Gutes X (Preiseffekt) herausgerechnet wird, so dass lediglich der Substitutionseffekt verbleibt. Dies erfolgt graphisch in Abb. III-16 in der Weise, dass fiktiv das Budgeteinkommen soweit gesenkt und die Budgetlinie soweit nach innen verschoben wird, bis die Budgetlinie wieder die ursprüngliche Indifferenzkurve vor der Preissenkung im Punkt B‘ tangiert. Die

1 Haushaltstheorie

87

Budgetlinie wird deshalb an die ursprüngliche Indifferenzkurve nach innen verschoben, weil nach der Definition des Substitutionseffekts von Hicks der Substitutionseffekt das Nutzenniveau unverändert lässt. Gleichwohl würde sich aufgrund der veränderten relativen Güterpreise der ursprünglichen Tangentialpunkt B zum neuen Tangentialpunkt B‘ wegbewegen. Aufgrund der Preissenkung von Gut X substituiert der Haushalt das relativ teurer gewordene Gut Z durch das billiger gewordene Gut X. Das optimale Güterbündel des Ausgangspunktes B wird vorübergehend durch das Güterbündel des Punktes B’ ersetzt (Wirkung von SE). Für die Gesamtwirkung der Preissenkung ist nun aber auch der Einkommenseffekt zu beachten. Der Einkommenseffekt ergibt sich aus der Nachfrageänderung infolge des realen Einkommenszuwachses. Wird er zusätzlich zum Substitutionseffekt berücksichtigt, so kommt es graphisch zu einer Parallelverschiebung der Budgetlinie nach außen (von Punkt B‘ zu Punkt B‘‘). Der Haushalt weitet seine Nachfrage nach beiden Gütern (oder ggfs. nur nach einzelnen Gütern) aus und realisiert das Güterbündel im neuen Optimalpunkt B’’. Inwieweit der Haushalt das höhere Realeinkommen für die Güter X oder Z (oder weitere Güter) einsetzt, hängt von der Art der Güter ab. So werden superiore Güter überproportional und relativ inferiore Güter unterproportional von der realen Einkommenssteigerung profitieren. Die veränderte Preisrelation und das gestiegene Realeinkommen haben somit im vorliegenden Beispiel zur Folge, dass der Haushalt den neuen Optimalpunkt B’’ anstelle des ursprünglichen Optimalpunktes B anstrebt. Analoge, umgekehrte Reaktionen würden bei Preiserhöhungen eines Gutes X eintreten. Fallbeispiel Ausbildungsunterstützung: Die beiden Effekte (SE u. EE) in der Definition nach Hicks können am folgenden Fallbeispiel erläutert werden: Betrachtet seien Studierende, die ihren Lebensunterhalt durch BAFÖG (Bundesausbildungsförderung) bestreiten und die einen Teil ihres Budgets für bundesweite Reisen mit öffentlichen Verkehrsmitteln verwenden (Gut X, z. B. Bahnfahrten). In dieser Situation nähme durch eine Preissenkung für Bahnfahrten (z. B. erhöhte Rabatte für Studierende bei bundesweiten Bahnreisen) das Realeinkommen der Studierenden zu. Würde nun der Staat die gewonnene Kaufkraft der betroffenen Studierenden durch eine gleichzeitig durchgeführte BAFÖG-Kürzung so abschöpfen, dass das realisierbare Nutzenniveau der Studierenden unverändert bliebe, so käme es dennoch aufgrund der geänderten relativen Preise zu einer Änderung des von den Studierenden nachgefragten Güterbündels: die Nachfrage nach dem relativ billiger gewordenen Gut X „Bahnfahrten“ würde zu Lasten eines anderen Gutes Z (z. B. Kauf von Lehrbüchern) oder weiterer anderer Güter steigen (Substitutionseffekt). Ein Einkommenseffekt würde nicht auftreten, da die aus der Preissenkung für Bahnfahrten hervorgehende umfassende Realeinkommenssteigerung durch die beschriebene BAFÖG-Senkung neutralisiert würde. Dabei wird Neutralisierung so verstanden, dass die Studierenden nach der BAFÖG-Kürzung weiterhin ihr ursprüngliches Nutzenniveau realisieren können (das Erreichen eines konstanten Nutzenniveaus dient der Unterscheidung des Substitutions- bzw. Einkommenseffekts nach Hicks). Durch diesen „Trick“ der Annahme einer gleichzeitigen BAFÖG-Senkung wird somit die durch die Preissenkung des Gutes X entstehende reale Einkommenserhöhung vermieden, so dass kein Einkommenseffekt zustande kommt (EE wird neutralisiert). Die verbliebenen Mengenänderungen bei Gut X und Z wären

88

III Nachfrage und Angebot auf Güter- und Arbeitsmärkten

dann ausschließlich dem Substitutionseffekt zuzuordnen. Würde der Staat nun anschließend die BAFÖG-Senkung wieder rückgängig machen (weil sie sich sozial- und bildungspolitisch nicht dauerhaft umsetzen lässt), so hätte dies einen entsprechenden Realeinkommensanstieg und damit eine Rechtsverschiebung der Budgetgerade zur Folge. Auf diese Weise würde der Einkommenseffekt ebenfalls ersichtlich. Die Rechtsverschiebung der Budgetgeraden lässt die Nachfrage nach Bahnfahrten (Gut X) und nach Büchern (Gut Z) ansteigen. Bezogen auf die Darstellung in Abb. III-16 würde sich durch die Preissenkung für Bahnfahrten (Gut X) der Tangentialpunkt insgesamt von B zu B‘‘ in zwei Schritten verschieben und den SE- und den EE-Effekt erkennen lassen. Die Höhe des EE-Effekts würde dabei nur durch die vorübergehende Neutralisierung des EE-Effekts ersichtlich. Das Beispiel macht auch deutlich, dass das vor der Preisänderung realisierte Nutzenniveau die Höhe des EE-Effekts bestimmt (konstanter Nutzen als Kriterium für die Abgrenzung von Substitutions- und Einkommenseffekt).

Ein etwas anderes Ergebnis für den Substitutions- bzw. Einkommenseffekt ergibt sich nach der Definition von Slutsky72 (vgl. Abb. III-17). Abb. III-17: Substitutions- und Einkommenseffekt nach Slutsky Gut Z Slutsky -Ansatz zur Zerlegung des Preiseffekts in einen Substitutions- (SE) und einen Einkommenseffekt (EE): gleich hohe Ausgaben in Punkt B und B‘

A

B‘‘

B B‘

Preissenkung von Gut X

SE

EE

Gut X

Preiseffekt (PE) = SE + EE SE = Substitutionseffekt infolge der Preissenkung von Gut X EE = Einkommenseffekt; Preissenkung erhöht reale Kaufkraft

Slutsky definiert den Substitutionseffekt (SE) dergestalt, dass nach Herausrechnung des Einkommenseffekts aus dem Gesamteffekt das Realeinkommen sich nicht verändert, d.h. dass das fiktive Güterbündel (X, Z) auf einer Budgetgeraden liegt, die zwar durch den ursprünglichen Punkt B verläuft, aber die veränderte Steigung infol72

Vgl. z. B. Varian, H.R.: Grundzüge der Mikroökonomik, a. a. O., S. 149 f., insbesondere Abb. 8.2, S. 153.

1 Haushaltstheorie

89

ge der relativen Preisänderung aufweist (Annahme: konstantes Realeinkommen). Der Substitutionseffekt (preisbedingte Änderung der Nachfrage des Gutes X und auch des Gutes Z) lässt sich fiktiv ermitteln, indem die Budgetgerade mit der neuen Steigung durch die Mengenkombination (X, Z) des Ausgangspunktes B (s. Abb. III17) gelegt wird. Die geänderte Steigung ist dabei wiederum durch die Preissenkung des Gutes X bedingt. Dort wo diese Budgetgerade eine Indifferenzkurve tangiert (Punkt B‘ in Abb. III-17), liegt das vorübergehend angestrebte Haushaltsoptimum, das bei unverändertem Realeinkommen ausschließlich aufgrund der veränderten relativen Preise der beiden Güter X und Z angestrebt wird. Aufgrund der relativen Güterpreisänderung hat der Haushalt das relativ teurer gewordene Gut Z durch das absolut billiger gewordene Gut X substituiert (SE). Das optimale Güterbündel des Ausgangspunktes B wird aber nur vorübergehend (fiktiv) durch das Güterbündel des Punktes B’ ersetzt, da ja gleichzeitig mit der Preissenkung des Gutes X auch eine Realeinkommenserhöhung verbunden ist. Diese führt zu einer Parallelverschiebung der Budgetgeraden nach außen, so dass nun der Tangentialpunkt im Punkt B‘‘ zustande kommt. Die Verschiebung des Güterbündels (X, Z) vom Punkt B‘ zum Punkt B‘‘ stellt den Einkommenseffekt dar (zur besseren Übersicht werden in Abb. III-17 der SE bzw. der EE nur für Gut X, nicht aber für Gut Z dargestellt). Normalerweise (s. auch Abb. III-16, Abb. III-17) wirken Substitutions- und Einkommenseffekt in die gleiche Richtung, so dass z. B. bei einer Preissenkung eines Gutes X die nachgefragte Menge von X sowohl wegen des Substitutions- als auch wegen des Einkommenseffekts zunimmt. Handelt es sich um ein komplementäres Gut, so wird wegen der fest vorgegebenen Nachfragestruktur der Substitutionseffekt nicht auftreten und nur ein Einkommenseffekt verbleiben. Preisunabhängige Nachfrage, Preis- und Nachfragesprünge: Neben dem normalen Verlauf der preisabhängigen Nachfragefunktion lassen sich „Spezialfälle“ eines Nachfrageverlaufs in der Realität beobachten. Es sind Situationen vorstellbar, in denen die Nachfrage nicht vom Güterpreis abhängt, d. h. es wird weder ein Substitutions-, noch ein Einkommenseffekt wirksam. Dies ist z. B. bei lebensnotwendigen Medikamenten der Fall73 (vgl. Abb. III-18). Handelt es sich bei den vom Haushalt nachgefragten Produkten um für ihn sehr bedeutsame Produkte oder um Markenprodukte, so ist es denkbar, dass bei vergleichsweise geringen Preissteigerungen im unteren Preisbereich zunächst keine Nachfragereaktionen eintreten (vgl. Abb. III-19). Erst oberhalb einer bestimmten preislichen „Schmerzgrenze”, hier bei Überschreitung von P1(X), verläuft die Nachfragefunktion normal, d. h. sinkt die Nachfrage mit steigendem Preis. Es ergibt sich somit ein Nachfragesprung. 73

Auch das Nachfrageverhalten bei Sonnenschutzbrillen kurz vor der Sonnenfinsternis kann sehr preisunelastisch ausfallen, wie z. B. die totale Sonnenfinsternis über Mitteleuropa am 11. August 1999 gezeigt hat.

90

III Nachfrage und Angebot auf Güter- und Arbeitsmärkten

Abbildung III-18: Preisunabhängige direkte Nachfrage P(X)

Abbildung III-19: Nachfragesprünge P(X)

„normaler Verlauf mit Knickstelle“ P1(X) X (z.B. lebensnotwendige Medikamente)

X1

X

Aufgabe III-5: Gegeben sei folgende Nachfragefunktion: X= 250 - 5 P(X) a) Wie groß ist die Sättigungsmenge? b) Wie hoch ist der Prohibitivpreis? c) Welche Menge wird bei einem Preis von P(X) = 35 nachgefragt? d) Wie lässt sich der „normale“ Verlauf der Nachfragefunktion begründen?

Aufgabe III-6: Angenommen, der Staat möchte die finanzielle Situation der Studierenden verbessern. Hierzu wird überlegt, ob das BAFÖG erhöht werden soll oder stattdessen den BAFÖG-Empfängern bei unverändertem BAFÖG zusätzlich eine Subvention für die Anschaffung von Lehrbüchern (Gut X) gewährt wird (Gutscheine für Lehrbücher). Stellen Sie die Situation im Koordinatensystem der Güter X und Z dar, wobei alle Güter bis auf die Lehrbücher das Gut Z darstellen und die Lehrbücher das Gut X. Zeigen Sie auf, dass die Förderung über BAFÖG den Studierenden einen höheren Nutzen bringt als eine gleich hohe Förderung über Büchergutscheine. Nennen Sie weitere Beispiele aus der aktuellen Wirtschafts- und Sozialpolitik, wo anstelle der allgemeinen Einkommenserhöhung spezielle staatliche Güterförderungen angestrebt werden. Beurteilen Sie diese Maßnahmen aus allokationspolitischer Sicht.

Anomale preisabhängige Nachfrage (Giffen-Paradoxon): Denkbar ist schließlich auch ein anomales Nachfrageverhalten dergestalt, dass die Nachfrage nach einem Gut mit steigendem Preis nicht abnimmt, sondern im Gegenteil sogar zunimmt. Hierfür lassen sich verschiedene Gründe anführen: Ein in der Vergangenheit beobachteter, aber auch heute noch anzutreffender Grund ist auf das Zusammenspiel von Einkommens- und Substitutionseffekt zurückzuführen und wird nach seinem Begründer (Robert Giffen, 1837–1910) als „Giffen-Gut“ oder „Giffen-Paradoxon“ bezeichnet. Empirische Untersuchungen aus der Zeit der Industrialisierung in Großbritannien haben gezeigt, dass Familien mit geringem Einkommen bei steigenden Preisen für Grundnahrungsmittel nicht weniger, sondern mehr von diesen Gütern konsumierten (z. B. Brot oder Kartoffeln, die bei Preissteigerungen

1 Haushaltstheorie

91

vermehrt nachgefragt wurden). Diese Güter waren Hauptbestandteil der Ernährung. Stieg ihr Preis, musste der Verbrauch relativ teurer Güter (z. B. Fleisch) eingeschränkt werden, um die Ernährungsgrundlage aufrecht zu erhalten. Zum Ausgleich des geringeren Verzehrs von teuren Gütern mussten dann noch mehr von den relativ billigen (aber absolut teurer gewordenen) Grundnahrungsmitteln nachgefragt werden („Giffen-Paradoxon”). Dies bedeutet, dass ein Giffen-Gut häufig dann vorliegt, wenn ein zentrales Bedürfnis (hier: „satt zu werden“) infolge der Preiserhöhung des Giffen-Gutes nur schwer befriedigt werden kann. Umgekehrt kann bei einer Preissenkung des Giffen-Gutes die Nachfrage nach höherwertigen Gütern erstmals realisiert werden, so dass das billiger gewordene Giffen-Gut dennoch weniger nachgefragt wird (wenn der Brotpreis sinkt, vermindert sich die Nachfrage nach Brot zugunsten der Nachfrage nach Fleisch; vgl. Abb. III-20). Abbildung III-20: Giffen-Gut bei Preiserhöhung Z (z. B. Fleisch)

superiores Gut Z

A

B‘ B Preiserhöhung von Gut X

SE = Substitutionseffekt infolge Preiserhöhung bei Gut X EE = Einkommenseffekt entgegengesetzt zum SE, da X = absolut inferiores Gut (bei sinkendem Realeinkommen steigt Nachfrage nach X); (Sondereffekt 1) ferner muss gelten: │EE│ > │SE│ (Sondereffekt 2)

B“ SE

X (z. B. Brot) absolut inferiores Gut X

EE Saldo „Anomaler preisabhängiger Nachfrageverlauf“

P(X) P2(X) P1(X)

B“

B‘‘ = Güterbündel nach der Preiserhöhung

B X1

B = Güterbündel in der Ausgangssituation

X2

X

Abbildung III-20 verdeutlicht, dass ein Giffen-Gut nur dann vorliegt, wenn: (1) Einkommens- und Substitutionseffekt entgegengesetzt zueinander verlaufen, da ein absolut inferiores Gut vorliegt (Sondereffekt 1) und (2) der Einkommens- den Substitutionseffekt überwiegt (Sondereffekt 2). Es müssen also beide Bedingungen erfüllt sein, weswegen Giffen-Güter nur in „Not-

92

III Nachfrage und Angebot auf Güter- und Arbeitsmärkten

situationen“ eines hohen Bedarfs bei knapper Haushaltskasse vorliegen dürften74. Im o.a. Beispiel der Preiserhöhung ist der Einkommenseffekt positiv, da es sich um ein besonders ausgeprägtes absolut inferiores Gut handelt; es wird bei Preiserhöhungen, d. h. realen Einkommenssenkungen im besonderen Maße verstärkt nachgefragt. Diese zusätzliche Nachfrage infolge des Einkommenseffektes ist so stark, dass sie den negativen Substitutionseffekt (Brot wird relativ teurer zu Fleisch) überwiegt. Ein weiteres Beispiel für ein Giffen-Gut konnte für die beiden substitutiven Güter „Langspielplatte (LP)“ und „compact disk (CD)“ in den 70er und 80er Jahren des letzten Jahrhunderts bei einem Haushalt mit niedrigem Einkommen, aber ausgeprägter Musikleidenschaft beobachtet werden.75 Dabei nahm das Gut „LP“ die Rolle eines absolut inferioren Gutes ein, das bei steigendem (Real-)Einkommen weniger nachgefragt wurde und umgekehrt. Im Unterschied zum o.a. Beispiel „Brot-Fleisch“ wird in diesem Beispiel von einer Verbilligung des absolut inferioren Gutes „LP“ ausgegangen (vgl. Abb. III-21). Der durch die Preissenkung ausgelöste Substitutionseffekt bewirkte zwar eine leicht erhöhte Nachfrage nach LPs zu Lasten der Nachfrage nach CDs (Bewegung auf der Indifferenzkurve von B - B‘ in Abb. III-21). Dem Substitutionseffekt stand aber ein starker Einkommenseffekt gegenüber, der zu einer deutlich verringerten LP-Nachfrage zugunsten einer verstärkten CD-Nachfrage führte: Denn das Haushaltsbudget, das bisher eine Vielzahl von LP-Käufen umfasste, wurde aufgrund der gesunkenen LP-Preise deutlich entlastet. Das eingesparte Geld floss überwiegend in den Kauf des superioren Gutes „CD“ (Bewegung von B‘ - B‘‘ = Einkommenseffekt). Ging die nachgefragte Menge nach LPs per Saldo zurück, weil der Einkommenseffekt den entgegengesetzt wirkenden Substitutionseffekt überwog, so handelte es sich bei der LP-Nachfrage um ein Giffen-Gut. Das zentrale Bedürfnis „Musikkonsum“ konnte nach der LP-Preissenkung durch den verstärkten Kauf von CDs zu Lasten einer geringeren LP-Nachfrage gestillt werden. Anmerkung: Absolut inferiore Güter und Giffen-Güter dürfen nicht verwechselt werden: Absolut inferiore Güter werden bei steigendem (sinkendem) Nominal- bzw. Realeinkommen weniger (mehr) nachgefragt, d. h. es werden nur Einkommenseffekte betrachtet; für GiffenGüter gilt demgegenüber, dass sie bei sinkendem (steigendem) Realeinkommen infolge steigender (sinkender) Preise mehr (weniger) nachgefragt werden (reale Einkommenseffekte 74

75

Da die Situation einer unzureichenden Finanzausstattung zur Finanzierung dringend benötigter Güter des Grundbedarfs oder des gehobenen Bedarfs in Zeiten von Armut häufig auftreten dürfte, könnten Giffen-Güter im Alltagsleben eine größere Bedeutung aufweisen als zunächst zu vermuten ist. Dies wird in der nachfolgenden Übersicht III-6 noch näher aufgezeigt. Eine ähnliche technische Entwicklung wie bei den Audiomedien vollzieht sich bei den Videomedien mit dem Übergang von der DVD zur Blu-ray Disc. Auch hier lassen sich für einzelne Videonutzer die Güter einerseits als relativ oder absolut inferior oder als superior einordnen.

1 Haushaltstheorie

93

kommen also über Preisänderungen zustande, so dass hier stets Substitutions- und Einkommenseffekte gemeinsam auftreten). Bei einem Giffen-Gut handelt es sich immer um ein absolut inferiores Gut, aber ein absolut inferiores Gut ist nicht zwangsläufig auch ein Giffen-Gut (dies gilt nur dann, wenn der zum Substitutionseffekt entgegengerichtete Einkommenseffekt so hoch ausfällt, dass er den Substitutionseffekt übertrifft). Abbildung III-21: Giffen-Gut bei Preissenkung Z

(z. B. CD) superiores Gut Z

A

SE = Substitutionseffekt infolge Preissenkung bei Gut X EE = Einkommenseffekt entgegengesetzt zum SE, da X = absolut inferiores Gut (bei steigendem Realeinkommen sinkt Nachfrage nach X); (Sondereffekt 1) ferner muss gelten: │EE│ > │SE│ (Sondereffekt 2)

B‘‘

B

Preissenkung von Gut X

B‘ SE

X (z. B. LP) EE Saldo P(X) P1(X) P2(X)

B

absolut inferiores Gut X

„Anomaler preisabhängiger Nachfrageverlauf“

B = Güterbündel in der Ausgangssituation B‘‘ = Güterbündel nach der Preissenkung

B“ X

X2

X1

In vielen Ländern dieser Welt herrscht große Armut und Menschen müssen hungern. Viele Menschen können Grundnahrungsmittel wie z. B. Reis, Brot etc. mit ihren gering verfügbaren Mitteln kaum finanzieren, so dass diese Güter leicht den Status eines Giffen-Gutes annehmen können. Diese Notsituation hat u. U. die fatale Konsequenz, dass steigende Grundnahrungsmittelpreise eine höhere Nachfrage nach diesen Gütern auslösen (anomale preisabhängige Nachfrage) und weitere Engpässe auf den Agrarmärkten eintreten können. Einige andere Beispiele sollen verdeutlichen (vgl. die nachfolgende Übersicht III-6), dass das Phänomen der Giffen-Güter sich aber nicht nur auf physische Armut und Hunger im direkten Sinn beziehen muss, sondern auch im übertragenen Sinne alltäglich auftreten kann. Dies gilt immer dann, wenn eine ausgesprochene „Leidenschaft“ nach einem Gut X („Hunger im übertragenen Sinne“) mit relativ knapper Haushaltskasse bestritten werden muss und in dieser Situation Preisveränderungen beim absolut inferioren Gut X eintreten. So ist z. B. folgende Situation denkbar: Ein einkommensschwacher Haushalt legt sehr großen Wert auf eine häufige und intensi-

94

III Nachfrage und Angebot auf Güter- und Arbeitsmärkten

ve PKW-Reinigung. Zwar bevorzugt dieser Haushalt die Nutzung der vollautomatischen Waschstraße (superiores Gut), doch aufgrund seiner sehr eingeschränkten Finanzlage muss er auf die relativ preiswerte Handwaschanlage zurückgreifen (die Handwaschstraße stellt insoweit ein absolut inferiores Gut für den Benutzer dar). Diese Situation kann dazu führen, dass Preiserhöhungen für die Nutzung der Handwaschanlage eine erhöhte Nachfrage nach diesem Produkt zur Folge haben (anomale preisabhängige Nachfragefunktion). Das Gut „handbetriebene Waschstraße“ würde somit für den betrachteten Haushalt zu einem Giffen-Gut76. Übersicht III-6: Exemplarische Zusammenstellung möglicher Giffen-Güter*) Musikleidenschaft; Liebhaber von Orchesteraufführungen: - Musikleidenschaft und Wunsch nach häufigem Besuch von Orchesteraufführungen (superiores Gut); Wunsch lässt sich aufgrund knapper Haushaltsmittel nicht realisieren; die knappe Haushaltskasse lässt stattdessen nur den Kauf der Orchesteraufnahmen als CD zu (absolut inferiores Gut Orchesteraufnahme auf CD). Schokoladen- oder Bierfans: - Schokoladenfans mit Wunsch nach edler und teurer Schokolade (Premium); die Haushaltskasse lässt aber nur Nachfrage nach billiger Discounter-Schokolade (absolut inferiores Gut) zu. - Studentischer „Biergenießer“ mit starker Präferenz für eine Premium-Biermarke; das knappe BAFÖG-Budget ermöglicht aber nur den Kauf einer „Billigmarke“ (absolut inferiores Gut). Chronischer Reinigungsbedarf beim PKW: - Nutzung der vollautomatischen Autowaschstraße einschließlich schöner CD-Musik (Georg Friedrich Händels „Wassermusik“ und „Riders on the Storm“ von „The Doors“); alternativ: Nutzung der Handwaschstraße mit Schweißperlen auf der Stirn und kalten Füßen (absolut inferiores Gut). Abhängigkeit von Verkehrsmitteln: - Bei schwer zugänglichem Wohnsitz (Wohnlage auf dem Land) und hohem Mobilitätsbedarf (z. B. wegen eines Arbeitsplatzes in der nächsten Stadt) geringe Präferenz für den öffentlichen Nahverkehr (absolut inferior), aber hohe Präferenz für einen eigenen PKW oder Beförderung mit dem Taxi (superior). *) Hierzu müssen die beiden folgenden Voraussetzungen vorliegen: 1. Es handelt sich um ein absolut inferiores Gut. 2. Es liegt eine „Notsituation“ im wörtlichen oder übertragenen Sinne vor.

Als weiteres Beispiel kann auf Studierende mit knappem Budget verwiesen werden, die ihren Warenkorb überwiegend aus preisgünstigen Konsumgütern und vereinzelt 76

Die später noch näher zu erläuternde Marktnachfrage (d. h. die Nachfrage aller Haushalte) würde aber nur dann eine anomale, preisabhängige Nachfrage darstellen, wenn diese Nachfrage vor allem von einkommensschwachen Haushalten mit einer ausgeprägten Präferenz für hohe Sauberkeit realisiert würde (beide Bedingungen dürften in der Realität eher nicht zutreffen).

1 Haushaltstheorie

95

aus teureren, anspruchsvollen Gütern zusammensetzen. Preissteigerungen bei einem relativ billigen Gut X (einfaches Produkt) könnten in dieser Situation dazu führen, dass Substitutions- und Einkommenseffekte zusammengenommen eine erhöhte Nachfrage dieses relativ billigen (aber teurer gewordenen) Gutes X zu Lasten des absolut teuren, superioren Konkurrenzprodukts Z bewirken (Gut X = Giffen-Gut). Die nachfolgende Abb. III-22 stellt denkbare Substitutions- und Einkommenseffekte bei Gütern mit verschiedenen Eigenschaften in den drei Situationen (a) bis (c) nochmals zusammen. Es wird ersichtlich, dass bei einer Preiserhöhung des Gutes X je nach Höhe des Substitutions- und Einkommenseffekts und je nach der Richtung des Einkommenseffekts die Nachfrage von Gut X stark oder schwach abnimmt (Fall a bzw. b) oder im Falles eines Giffen-Gutes sogar zunimmt (Fall c). Abb. III-22: Substitutions- u. Einkommenseffekt von Gut X im Überblick Δ Nachfrage des Gutes X bei Preisänderungen Δ P(X) in Situation (a-c)

Δ P(X)

SubstitutionsEffekt (SE) EinkommensEffekt (EE)

Fall a)

Fall b)

Fall c) schlechtes Substitut X

Gut X = relativ inferior oder superior

Gesamteffekt aus Substitutions- und Einkommenseffekt

„Notlage“

Gut X = absolut inferior

Gut X = stark absolut inferior

Saldo ΔX

ΔX

Saldo ΔX

= Preiseffekt (PE)

Nachfrage des Gutes X bei Δ P(X)

P(X)

P(X) normal, invers

P(X)

normal, invers

X Wirkung von SE, EE

gleichgerichtet

X entgegengerichtet |SE| > |EE|

GiffenGut anomal X entgegengerichtet

|SE| < |EE|

Aufgabe III-7: Beurteilen und begründen Sie, ob die nachfolgende Aussage richtig oder falsch ist: a) „Nimmt bei steigendem Nominaleinkommen Y die Nachfrage nach einem Gut X ab, so wird von einem Giffen-Gut gesprochen.“ Gehen Sie bei der Antwort auf den Begriff des Giffen-Gutes ein und zeigen Sie auf, wie es zustande kommt. b) „Giffen-Güter besitzen eine negative Einkommenselastizität und eine negative Preiselastizität der Nachfrage.“

96

III Nachfrage und Angebot auf Güter- und Arbeitsmärkten

Vertiefungsaufgabe III-3: Herr Schluckauf ist leidenschaftlicher Biertrinker. Seinen Bierbedarf deckt er aufgrund seiner schwachen Einkommenssituation bei einem bekannten Discountmarkt, wo er die Billigmarke „Prost“ erwirbt. Ginge es ihm finanziell besser, so würde er verstärkt die Premiummarke „Trink mich“ bevorzugen. Erörtern Sie, wie in dieser Situation die Nachfrage nach „Prost“ sich entwickeln könnte, wenn „Prost“ preisgünstiger angeboten würde!

1.2.3

Kreuzpreisnachfrage (Preise anderer Güter)

In der Regel ist die Nachfrage nach einem Gut nicht nur vom eigenen Preis, sondern auch von den Preisen der anderen Güter abhängig (im Folgenden soll hierfür der Begriff „Kreuzpreisnachfrage“ verwandt werden). Wie sich die Nachfrage nach Gut Z (z. B. Birnen) verändert, wenn der Preis von Gut X (z. B. Äpfel) variiert, hängt wiederum von der Höhe des Substitutionseffektes und des Einkommenseffektes bei Gut Z ab (vgl. Abb. III-23). Abb. III-23: Kreuzpreisnachfrage bei stark substitutiver Beziehung

Gut Z

Annahme: Preissenkung bei Gut X; Gesamtwirkung: Nachfrage von Gut Z sinkt (B Æ B‘‘), da SE bei Gut Z (B Æ B‘) > als EE bei Gut Z (B‘ Æ B‘‘) │SE│ > │EE│

A

Z1 Z2 EE

SE

B = Ausgangssituation

B

B‘‘ B‘

Preissenkung bei Gut X Gut X SE = Substitutionseffekt bei Gut Z infolge Preissenkung von Gut X EE = Einkommenseffekt bei Gut Z infolge Preissenkung von Gut X P(X) B

P1(X) P2(X)

B“

Z2 Z1

Kreuznachfragekurve bei stark substitutiver Beziehung (Wichtig: Achsen beziehen sich auf unterschiedliche Güter) Z

1 Haushaltstheorie

97

Einkommens- und Substitutionseffekt bei Gut Z verlaufen bei substitutiven Gütern entgegengesetzt. Stellen die Güter starke Substitute dar und/oder handelt es sich bei Gut Z nicht um ein superiores Gut, wird der Substitutionseffekt den Einkommenseffekt in der Regel übertreffen. Dies bewirkt, dass z. B. eine Preissenkung bei Gut X zu einer Nachfrageminderung bei Gut Z führt; damit liegt eine Situation vor, die in der Praxis überwiegen dürfte (Abb. III-23: Bewegung B → B‘‘). Weisen die Güter X und Z jedoch nur schwach substitutive Beziehungen auf oder stellt Gut Z ein superiores Gut dar, so kann der Einkommenseffekt den Substitutionseffekt übertreffen; eine Preissenkung bei Gut X wird dann nicht nur eine Nachfrageerhöhung bei Gut X, sondern auch bei Gut Z hervorrufen (siehe Abbildung III24: Bewegung B → B‘‘). Abb. III-24: Kreuzpreisnachfrage bei schwach substitutiver Beziehung

Preissenkung bei Gut X: Nachfrage von Gut Z steigt, da SE bei Gut Z schwächer ausfällt als EE bei Gut Z; │SE│ |EE|

|SE| < |EE|

Z

|SE| = 0, |EE| > 0

Handelt es sich bei Gut X und Gut Z aber um schlechte Substitute (mittlerer Bereich der Abb. III-26) oder um komplementäre Güter (rechter Bereich der Abb. III-26 mit SE = 0) und gleichzeitig um ein Gut Z mit hohem entgegengesetzten Einkommenseffekt, so ist es denkbar, dass der Einkommenseffekt den Substitutionseffekt übertrifft. Folglich würde jetzt die Nachfrage nach dem Gut Z ansteigen, wenn das Gut X billiger wird. Insgesamt ergäbe sich nun ein inverser Verlauf der Kreuzpreisnachfrage. Der Einfluss des Einkommenseffekts wiegt dabei umso stärker auf die Nachfrage von Gut Z, je ausgeprägter es sich bei Gut Z um ein superiores Gut handelt.

100

III Nachfrage und Angebot auf Güter- und Arbeitsmärkten

Bei unabhängigen Gütern verläuft die Kreuzpreisnachfrage senkrecht, da z. B. bei einer Preissenkung eines Gutes X (z. B. Salz) keine Mengenreaktion eines anderen Gutes Z (z. B. Autos) erfolgt. Die Güter stehen also weder in einem komplementären noch in einem substitutiven Verhältnis zueinander. Aufgabe III-8: Im folgenden Beispiel sei von einem ländlichen Vorort einer größeren Stadt ausgegangen, dessen Bewohner für Fahrten in die Stadt sowohl den Öffentlichen Personennahverkehr (Gut X = ÖPNV), als auch den PKW (Gut Z = zurückgelegte Kilometer mit dem PKW) nutzen. Für die Fahrten mit dem ÖPNV verwenden die Reisenden Mehrfahrtentickets (Monats- oder Jahrestickets werden nicht angeboten). Für die nachfolgenden beiden Situationen (a und b) sei jeweils die Kreuzpreisnachfrage der Güter X und Z bei Preissenkungen des Gutes X, d. h. bei Preissenkungen des ÖPNV betrachtet. Dabei gelten in den Situationen a und b die folgenden Annahmen: a) Es sei angenommen, dass der ÖPNV auf dem Lande gut ausgebaut ist. Daher stellen die Nutzung von ÖPNV und PKW gute Substitute dar. Jedes Verkehrsmittel besitzt seine Vorteile. Die Reisenden sind sehr preisbewusste Menschen, so dass Preisveränderungen der Güter X und Z die Nutzungsstruktur der beiden Verkehrsmittel stark verändern (hoher Substitutionseffekt). Auch wenn das PKW-Fahren etwas teurer ist, wird der PKW für Fahrten in die Stadt und zurück gelegentlich genutzt, da die Reisenden damit etwas schneller ans Ziel kommen. Gleichwohl sind die Reisenden keine „begeisterten“ Autofahrer, d. h. Autofahren ist für sie relativ inferior und der ÖPNV superior. Stellen Sie im P(Z)-Z-Diagramm und im P(X)-Z-Diagramm graphisch dar und erläutern Sie verbal, wie sich die Menge der PKW-Fahrten (Gut Z) tendenziell verändert, wenn der ÖPNV (Gut X) kostengünstiger wird, d. h. P(X) sinkt und die Güter X und Z gute Substitute darstellen. b) Es gelten grundsätzlich die gleichen Rahmendaten wie in Situation a) bis auf die folgenden geänderten Annahmen, die aus einem schlechten Ausbau des ÖPNV resultieren: Die Bewohner der Vorortgemeinde sind leidenschaftliche Autofahrer, d. h. die PKWNutzung (Gut Z) ist für sie superior und der ÖPNV (Gut X) absolut inferior. Dazu trägt auch ein schlechter Ausbau des ÖPNV auf dem Lande bei. Da die Anschaffung eines PKWs für die Bewohner zu teuer ist, nutzen sie Carsharing, d. h. sie teilen sich die Nutzung eines gemeinsam angeschafften PKWs. Dennoch sind auch hier die Nutzungskosten recht hoch (Ausleihgebühr, Benzinkosten etc.), so dass in Anbetracht der knappen Haushaltskasse der PKW nur in dringenden Fällen genutzt wird. Die hohe Präferenz für die Nutzung des PKWs und die schlechte Infrastruktur beim ÖPNV bewirken, dass bei Preisveränderungen der Substitutionseffekt niedrig ausfällt, d. h. die Nutzung des ÖPNV zu Lasten der PKW-Nutzung nur unwesentlich ansteigt. Aus finanziellen Gründen nutzen die Bewohner dennoch häufiger den ÖPNV, da sie sich zu viele Fahrten mit dem PKW nicht leisten können. Stellen Sie im P(Z)-Z-Diagramm als auch im P(X)-ZDiagramm graphisch dar und erläutern Sie verbal, wie sich die Menge der PKWFahrten (Gut Z) tendenziell verändert, wenn der ÖPNV (Gut X) kostengünstiger wird, d. h der Preis P(X) z. B. abnimmt und die Güter X und Z schlechte Substitute darstellen. Wie kann in dieser Situation der Preissenkung von Gut X die Nachfrage von Gut X reagieren? Ist es denkbar, dass Gut X zum Giffen-Gut wird?

1 Haushaltstheorie

1.2.4

101

Soziale Einflussfaktoren des Nachfrageverhaltens

Bisher wurde unterstellt, dass die individuellen Nachfrageentscheidungen der Haushalte voneinander unabhängig sind. In der Realität werden die Nachfrageentscheidungen jedoch oft vom Verhalten von „Bezugsgruppen” mitbestimmt. Dies hat Auswirkungen sowohl auf den Verlauf der einzelwirtschaftlichen Nachfragefunktion als auch auf den Verlauf der später noch abzuleitenden aggregierten Marktnachfragefunktion77 aller Haushalte. Die Bezugsgruppen des einzelnen Haushalts können dabei höchst unterschiedlich sein: sie können z. B. der gleichen, einer niedrigeren oder einer höheren Einkommensgruppe angehören; oder sie können sich innerhalb oder außerhalb des sozialen und beruflichen Umfeldes befinden. Folgende Formen des sozialabhängigen Nachfrageverhaltens lassen sich unterscheiden: Mitläufereffekt: Der Mitläufereffekt (siehe Abb. III-27) beschreibt die alltägliche Erscheinung, dass die Nachfrage nach einem Konsumgut auch deshalb gesteigert wird, weil andere Wirtschaftssubjekte dieses Gut ebenfalls verstärkt nachfragen. Abbildung III-27: Mitläufereffekt P(X)

N0: Ursprüngliche individuelle Nachfragefunktion (ohne Mitläufereffekt)

N*0: fiktive Rechtsverschiebung der ursprünglichen individuellen Nachfragefunktion, da bei sinkenden Preisen die gesamte Marktnachfrage und damit auch die individuelle Nachfrage zunimmt

P1(X)

tatsächlich sich beim jeweiligen Preis ergebende individuelle Nachfragefunktion

P2(X) N*0

N0

X1 Preiseffekt

X2 Mitläufereffekt

X*2

X

sinkt z. B. der Preis von P 1(X)auf P2(X), so steigt die Nachfrage von X1 auf X*2

Es besteht also eine positive Interdependenz zwischen den Nutzenpräferenzen der Haushalte. Die Nachfrager wollen „auf der Höhe sein“, um es einer bestimmten Be77

Vgl. zur aggregierten Nachfragefunktion Kapitel III.1.4.

102

III Nachfrage und Angebot auf Güter- und Arbeitsmärkten

zugsgruppe gleich zu tun, zu der sie gezählt werden wollen. Es kommt also zur Nachahmung des Nachfrageverhaltens einer Bezugsgruppe. Sinkt der Preis eines Konsumgutes von P1(X) auf P2(X), so würde sich die nachgefragte Menge nach diesem Gut von X1 auf X2 erhöhen, wenn die Haushalte ihre Nachfrageentscheidung isoliert träfen (Preiseffekt). Durch die Nachahmung des Kaufverhaltens kommt es jedoch zu einem Mitläufereffekt, der zu einer Zunahme der nachgefragten Menge auf X*2 führt. Die Zunahme der nachgefragten Menge lässt sich daher analytisch in einen Preiseffekt (X2 – X1) und einen Mitläufereffekt (X*2 - X2) zerlegen. Die neue Nachfragefunktion verläuft flacher als die ursprüngliche Funktion, d. h. die Nachfragekurve wird durch den Mitläufereffekt preiselastischer.78 Snobeffekt: Der Snobeffekt (vgl. Abb. III-28) entspricht dem Gegenteil vom Mitläufereffekt und kennzeichnet damit eine negative Interdependenz zwischen Nutzenpräferenzen von Haushalten.

Abbildung III-28: Snobeffekt tatsächlich sich ergebende individuelle Nachfrage mit Snobeffekt

P(X)

P1(X)

N0: Ursprüngliche individuelle Nachfragefunktion (ohne Snobeffekt)

N*0

P2(X) N0 X1

Preiseffekt > Snobeffekt

X*2

Saldo ΔX

X2

Snobeffekt

Preiseffekt

X

N*0: fiktive Linksverschiebung der Nachfragefunktion infolge Snobeffekt, da bei sinkenden Preisen die gesamte Marktnachfrage zunimmt und dies wiederum die individuelle Nachfrage vermindert

Weil eine relevante Bezugsgruppe ein Gut konsumiert, wird es von anderen Haushalten weniger oder gar nicht mehr nachgefragt, z. B. weil ein Gut seine „Exklusivität” verliert. Diese Verhaltensweise ist z. B. bei Luxusgütern oder „elitä78

Zu beachten ist, dass Preissenkungen der Auslöser der Nachfrageveränderungen sind, die dann durch den Mitläufereffekt verstärkt werden. Käme es z. B. ausschließlich aufgrund von Modeerscheinungen zu einem Mitläufereffekt, so entspräche dies einer reinen Verschiebung der Nachfragefunktion bei gegebenem Güterpreis (u. a.: Rechtsverschiebung = Produkt ist „in“; Linksverschiebung = Produkt ist „out“).

1 Haushaltstheorie

103

ren” Gütern anzutreffen. Trifft ein Haushalt seine Kaufentscheidung unabhängig von anderen Haushalten, gilt die ursprüngliche Nachfragefunktion. Wird der Preis von P1(X) auf P2(X) gesenkt, so würde die nachgefragte Menge von X1 auf X2 steigen (Preiseffekt). Da sich einige Haushalte (Snobs) durch den Massenkonsum in ihrem Verlangen nach exklusivem Kaufverhalten beeinträchtigt fühlen, schränken sie ihre Nachfrage nach dem betreffenden Gut ein oder ziehen sich völlig zurück. Dies hat zur Folge, dass die nachgefragte Menge statt X2 lediglich X*2 beträgt (Snobeffekt). Die neue Nachfragefunktion verläuft damit im relevanten Nachfragebereich preisunempfindlicher d. h. preisunelastischer als die ursprüngliche Nachfragefunktion. Eine Preissenkung führt in diesem Fall zu zwei entgegengesetzten Effekten: einem normalen positiven Preiseffekt (X1 steigt auf X2) und einem negativen Snobeffekt (X2 sinkt auf X*2), wobei der Preiseffekt (noch) den Snobeffekt übertrifft (wäre dies umgekehrt, so läge der sogenannte Veblen-Effekt vor (s.u.)). Veblen-Effekt (Prestigeeffekt): Der Veblen-Effekt ist eine nach Thorstein Veblen (1857–1929) benannte extreme Variante des Snobeffekts. Der Konsument möchte durch die Güternachfrage die Exklusivität des Gutes betonen und durch einen aufwändigen Konsum positiv auffallen. Die Nachfrage nach einem Konsumgut nimmt zu, weil es mehr anstatt weniger kostet. Der Konsument verspricht sich durch den Konsum teurer Güter einen Prestigeeffekt und möchte sich von anderen Haushalten abgrenzen (vgl. Abb. III-29). Abbildung III-29: Veblen-Effekt N*0 : fiktive Rechtsverschiebung der Nachfragefunktion, da bei steigenden Preisen die gesamte Marktnachfrage abnimmt und dies wiederum die individuelle Nachfrage so stark erhöht, dass sich ein anomaler Verlauf ergibt

P(X) N0: Ursprüngliche Nachfragefunktion N*0

tatsächlich sich ergebende individuelle Nachfragefunktion (anomaler Nachfrageverlauf = Veblen-Effekt)

No P2(X) P1(X)

X2

X1

X*2

Preiseffekt Saldo ΔX Veblen-Effekt

X

Preiseffekt < Veblen-Effekt

104

III Nachfrage und Angebot auf Güter- und Arbeitsmärkten

Infolge einer Preiserhöhung von P1(X) auf P2(X) sinkt normalerweise die Nachfrage des Haushalts von X1 auf X2 (Preiseffekt). Wird die Nachfrageentscheidung in Abhängigkeit von anderen Haushalten getroffen, gilt jedoch nicht mehr die ursprüngliche Nachfragefunktion. Aus Prestigegründen wird jetzt zum Preis P2(X) eine größere Menge X*2 nachgefragt. Es kommt zu einem anomalen Verlauf der Nachfragefunktion. Der Veblen-Effekt (X*2 – X2) ist dem normalen Preiseffekt der Nachfrage (X1 – X2) entgegengerichtet und übertrifft ihn (anders als beim Snobeffekt, wo der normale Effekt noch überwiegt79). Insgesamt lässt sich festhalten, dass sozialabhängiges Nachfrageverhalten durchaus in der Realität eine größere Rolle spielt, als vielfach angenommen wird. Die großen „Werbeetats“ von Unternehmen verweisen zumindest indirekt darauf, welche Bedeutung den „sozialen Faktoren“ im Nachfrageverhalten beigemessen wird. Zusammenfassung: Vier Gründe für eine anomale preisabhängige Nachfrage: Wie bereits in den Darstellungen in Kap. III.1.2.2 aufgezeigt, hat das Giffen-Gut (als ein sehr komplexes Gut) ein anomales preisabhängiges Nachfrageverhalten zur Folge. Wie im Kap. III.1.2.4 zudem gezeigt wurde, lässt sich mit dem sogenannten „Veblen-Effekt“ eine anomale preisabhängige Nachfrage auch über den einfachen Prestigegedanken begründen. Ein anomales Nachfrageverhalten kann schließlich auch auf Preissteigerungserwartungen zurückzuführen sein (z. B. können Preissteigerungen weitere Preissteigerungserwartungen auslösen). Der Nachfrager versucht diesen erwarteten Preissteigerungen durch eine zusätzliche Nachfrage zuvor zu kommen, z. B. bei spekulativen Gütern wie Aktien, Gold etc. (vgl. hierzu die Ausführungen in Kap. III.1.5). Ferner kann bei fehlenden Produktinformationen der Preis die Funktion eines Qualitätsindikators übernehmen, d. h. den höherpreisigen Gütern wird automatisch eine höhere Wertschätzung zugeordnet. Allerdings sind hier die Grenzen fließend zwischen einem Produkt, das bei klar definierter Produktabgrenzung lediglich eine höhere Wertschätzung erfährt und einem Produkt, dem eine andere Qualität zugeordnet wird, so dass es sich letztlich um ein anderes Produkt handelt. In Übersicht III-7 sind die vier Gründe für anomales preisabhängiges Verhalten nochmals zusammengestellt, wobei auch auf die zentralen Voraussetzungen und ein Beispiel eingegangen wird. Während Giffen-Güter absolut inferiore Güter voraussetzen, liegen dem Veblen-Effekt superiore Güter zugrunde, da der Prestigegedanke nur auf diese Weise realisierbar ist. Ein Auslöser für einen VeblenEffekt könnte z.B. die Erhöhung einer Hundesteuer für Vierbeiner auf einer exklusi79

Insoweit könnte der Prestigeeffekt oder Veblen-Effekt auch als „Super-Snobeffekt“ bezeichnet werden, um darauf aufmerksam zu machen, dass das anomale Verhalten beim Veblen-Effekt nur aus einer besonders intensiv wirkenden Komponente des sozialabhängigen Snobverhaltens resultiert. Mitläufereffekt, Snobeffekt und „Super-Snobeffekt“ sind daher in ihrer Konzeption eng verwandt, weisen aber im Hinblick auf ihre sozialen Einflusselemente lediglich unterschiedliche Wirkungsrichtungen oder Intensitäten der Wirkung auf.

1 Haushaltstheorie

105

ven Ferieninsel, z.B. Sylt bilden. Die erhöhte Hundesteuer könnte von einigen Hundebesitzern zum Anlass genommen werden, weitere Hunde anzuschaffen, um damit Prestige zu gewinnen. Übersicht III-7: Gründe für eine anomale preisabhängige Nachfrage Begriff

Eigenschaft des Gutes bei Einkommensänderung

• Giffen-Gut

Besonderheiten

Beispiele

absolut inferior

Wirtschaftliche Notlage (gemessen am Bedürfnis)

Öffentlicher Nahverkehr mit schlechter Anbindung

superior

Betonung materieller Werte (Statussymbol)

Erhöhung der Hundesteuer auf Sylt und erhöhte Hundezahl

• Spekulative Güter



Preiserwartung prägt Verhalten

Aktien, Gold, Rohstoffe, etc.

• Preis als Qualitätsindikator



Qualitätserwartung prägt Verhalten

Alle Güter, die bezüglich der Qualität nur schwer einzuordnen sind

• Veblen-Effekt (Prestigeffekt)

Vertiefungsaufgabe III-4: In der Realität lässt sich oft beobachten, dass die Nachfrage der Haushalte nach einem Gut X nicht unabhängig vom Nachfrageverhalten anderer Haushalte ist. Nennen Sie Beispiele für sozialabhängiges Nachfrageverhalten und zeigen Sie auf, wie hierdurch die preisabhängige Nachfragefunktion beeinflusst wird.

1.3

Nachfrageelastizitäten

In den vorangegangenen Ausführungen wurde deutlich, dass die Nachfrage nach einem Gut von verschiedenen Größen beeinflusst wird. Dabei können unterschiedliche Wirkungsrichtungen auftreten. Die Nachfrage nach einem Gut X kann z. B. steigen, wenn: der Preis dieses Gutes fällt (Normalfall), der Preis eines stark substitutiven Gutes Z steigt, bzw. der Preis eines komplementären Gutes Z fällt, das Einkommen steigt (Normalfall) bzw. das Einkommen sinkt (absolut inferiores Gut) Um die Intensität der Wirkung von relativen Preis- oder Einkommensänderungen auf die relativen Nachfrageänderungen beurteilen zu können, werden sogenannte Nachfrageelastizitäten gebildet. Generell formulieren Elastizitäten eine Ursache-

106

III Nachfrage und Angebot auf Güter- und Arbeitsmärkten

Wirkung-Beziehung, wobei die relative Wirkung zur auslösenden relativen Ursache in Beziehung gesetzt wird80:

Elastizitäten lassen sich nicht nur für die in diesem Kapitel betrachteten Nachfragereaktionen, sondern auch für die an späterer Stelle diskutierte Angebotsreaktion beschreiben, bei der z. B. relative Preisänderungen eines Gutes (Ursache) und relative Angebotsänderungen (Wirkung) in Beziehung gesetzt werden. Für viele praktische Anwendungsfälle des ökonomischen Alltags ist es wichtig, die Nachfragewirkungen von veränderten Einflussgrößen über Elastizitäten in Form einer Kennzahl zum Ausdruck zu bringen. Mithilfe von Preiselastizitäten lässt sich z. B. beurteilen, ob sich eine Wertgröße (z. B. Umsatz), die sich aus einer Mengenund einer Preisgröße zusammensetzt, bei Preiserhöhungen vermindert oder ob sie ansteigt. Für die Veränderung des Umsatzes ist es nämlich entscheidend, ob eine relative Preisänderung die entgegengesetzt ausgelöste relative Mengenänderung überoder unterschreitet oder sie sich genau einander entsprechen, so dass der Umsatz konstant bleibt. Die Elastizität ist ein standardisiertes, dimensionsloses Maß für die Stärke der relativen Reaktion einer abhängigen Größe (z. B. relative Nachfrageänderung nach einem Gut X) auf eine relative Änderung einer unabhängigen Größe (z. B. relative Preisänderung eines Gutes X). Die Elastizität beschreibt also nicht die absolute, sondern die relative Veränderung des Preises bzw. der Menge. In der Regel wird die Elastizität nach der Einflussgröße benannt. Geht die Mengenänderung des Gutes X von relativen Preisänderungen des Gutes X aus, so wird von einer direkten Preiselastizität der Nachfrage gesprochen (vgl. hierzu sowie zu weiteren Nachfrageelastizitäten die Übersicht III-8). Die relative Mengenänderung des Gutes X in Bezug auf die relative Preisänderung des Gutes Z kann durch den Begriff der Kreuzpreiselastizität des Gutes X bei Preisänderungen des Gutes Z erfasst werden. Schließlich lassen sich relative Nachfrageänderungen des Gutes X infolge relativer Einkommensänderungen über die Kenngröße „Einkommenselastizität der Nachfrage des Gutes X“ erfassen. Werden bei der Elastizitätsbestimmung größere Änderungen (sogenannte diskrete Änderungen) der untersuchten Variablen betrachtet, so liegt das Konzept einer „Bogen-“ oder „Streckenelastizität“ vor. Verändern sich die untersuchten Größen demgegenüber nur „infinitesimal“, d. h. mit kleinsten Abweichungen (1. Ableitung der Funktion an der betrachteten Stelle), so führt diese Elastizitätsbetrachtung zum Be80

Elastizitäten lassen sich nicht nur in der Ökonomie, sondern auch in vielen anderen Bereichen zur Beschreibung der Stärke von Ursache und Wirkung formulieren. So wird z. B. bei einem PKW von einem elastischen Fahrverhalten gesprochen, wenn das Fahrzeug zügig auf eine Veränderung des Gaspedals reagiert.

1 Haushaltstheorie

107

griff der sogenannten „Punktelastizität“. Bei linearen Nachfrage- bzw. Angebotsfunktionen stimmen die Ergebnisse beider Konzepte überein, während bei nichtlinearen Funktionen nur die Punktelastizität exakt ist. Bogenelastizitäten lassen sich hier lediglich für kleinere Änderungen der betrachteten Variablen im Sinne einer groben Approximation der exakten Punktelastizität verwenden. Übersicht III-8: Nachfrageelastizitäten im Überblick Nachfrageelastizitäten*

Preiselastizität

Einkommenselastizität

indirekte (Kreuzpreiselastizität)

direkte

* jeweils ermittelt über eine Bogen- oder Punktelastizität

1.3.1

Direkte Preiselastizität (EX,P(X))

Die direkte Preiselastizität der Nachfrage (EX,P(X)) gibt an, um wie viel Prozent sich die Nachfragemenge eines Gutes X ändert, wenn die dafür ursächliche Preisänderung P(X) dieses Gutes 1 Prozent beträgt. Die direkte Preiselastizität soll zunächst an einem Beispiel gemäß dem Konzept der Bogenelastizität ermittelt werden. Als Symbol für die Beschreibung einer diskreten Variablenänderung wird das Kürzel „ “ verwendet. Für die Bogenelastizität ergibt sich somit:

mit:

WX = Wachstumsrate der nachgefragten Menge von Gut X WP(X) = Preissteigerungsrate P(X) von Gut X

Wird dieser Ausdruck im Zähler und Nenner jeweils mit 100 erweitert, so weist der Zähler die prozentuale Mengenänderung und der Nenner die prozentuale Preisänderung auf, d. h. die prozentuale Wachstumsrate der Mengenänderung bzw. die prozentuale Wachstumsrate der Preisänderung. Dieser Sachverhalt soll an einem Beispiel aufgezeigt werden:

108

III Nachfrage und Angebot auf Güter- und Arbeitsmärkten

Beispiel zur Preiselastizität der Nachfrage als Bogenelastizität: Preis P(X) = 20 € Preisänderung P(X): 2 € nachgefragte Menge X: 2000 Stück Mengenänderung X: - 100 Stück

Eine Elastizität von z. B. - 0,5 sagt aus, dass eine relative Preiserhöhung (Preissenkung) von 1% eine relative Mengenabnahme (Mengenerhöhung) von - 0,5% bewirkt. Der Wert des Doppelbruches, mit dem die relativen Mengen- und Preisveränderungen in ein Verhältnis gesetzt werden, ist somit eine dimensionslose Zahl. Da die Preiselastizität häufig negativ ist (wie auch im vorliegenden Beispiel), wird sie i. d. R. als Absolutbetrag |EX,P(X)| definiert81, also hier: |EX,P(X)| = 0,5. Hinweis: Aussagelos wäre es, die Reaktion der Mengen auf Preisänderungen allein über die absolute Änderung der Mengen und Preise berechnen zu wollen; denn für die Beantwortung der Frage, ob die durch die Preiserhöhung ausgelöste Mengenänderung stark oder schwach ausgefallen ist, muss sowohl der Ausgangspreis als auch die Ausgangsmenge berücksichtigt werden. Außerdem blieben bei dieser unzulässigen Definition von „Preiselastizität“ die Dimensionen der betrachteten Mengen erhalten82; Güter mit unterschiedlichen Dimensionen (z. B. Erdgasnachfrage in m3, Heizölnachfrage in Liter, Mengennachfrage in Stück, etc.) ließen sich dann nicht mehr hinsichtlich ihrer Preisreaktionen miteinander vergleichen. Allgemein errechnet sich die Preiselastizität der Nachfrage über die Bogenelastizität als:

1.

81

82

2.

Die Verwendung von Absolutbeträgen ist dringend zu empfehlen, da der Anwender ansonsten wegen des häufig negativen Vorzeichens der Elastizität sprachliche Herausforderungen und Verständnisschwierigkeiten zu bewältigen hat (-0,5 ist größer als -1!). Bei einfacher Betrachtung der Relation von absoluter Mengenänderung zu absoluter Preisänderung ergäbe sich für das vorliegende Beispiel der folgende, aussagelose Wert:

1 Haushaltstheorie

109

Die Formel lässt die beiden Einflussgrößen der Elastizität erkennen83:

1.

die Größe (X)/ P(X) (Kehrwert der Steigung der Nachfragekurve84) und

2.

die jeweils betrachtete Stelle für P(X) bzw. X auf der Nachfragekurve;

Hieraus ist ersichtlich, dass selbst bei einer linearen Nachfragefunktion, also einer Nachfragefunktion mit einer konstanten Steigung, die Elastizität mit dem betrachteten Ausgangspreis bzw. der betrachteten Ausgangsmenge variiert (betrachteter Punkt auf der Nachfragekurve). Dies bedeutet, dass die Preiselastizität ohne Angabe des dazu gehörigen Ausgangspreises wenig über die Ursachen der Nachfragereaktion aussagt: Reagiert z. B. eine Nachfrage deshalb so elastisch, weil kleinste Preisänderungen große Mengenwirkungen besitzen (flacher Nachfrageverlauf) oder weil die absolute Mengenänderung auf eine zuvor kaum vorhandene Menge trifft und jede Mengenänderung dann in relativer Hinsicht enorm ansteigt? Die folgenden Ausführungen sind nach diesen beiden Einflussgrößen der Elastizität gegliedert. Zunächst wird aber der Begriff der Punktelastizität erörtert. Begriff der Punktelastizität: Bei der oben definierten Bogenelastizität EX,P(X) wurden diskrete (= endliche) Änderungen zweier Preise und zweier Mengen betrachtet (kenntlich gemacht durch das Symbol „∆“). Ist die Nachfragefunktion bzw. ihre Steigung in einem beliebigen Punkt bekannt, so lässt sich die Preiselastizität dieses Punktes auch über die Punktelastizität berechnen. Hierzu wird für „kleinste Preis- bzw. Mengenänderungen“, d. h. für sogenannte „infinitesimale Änderungen“, die durch das Symbol „d“ kenntlich gemacht werden, die nachfolgende, schon grundsätzlich bekannte Elastizitätsformel gebildet:

83

84

Es lässt sich auf einfache Weise zeigen, dass die Steigung einer in den Logarithmen dargestellten Nachfragekurve, d. h. eine Nachfragekurve mit logarithmierten Preisen und Mengen die Preiselastizität der Nachfrage zum Ausdruck bringt. Die Preiselastizität ist daher nur dann mit der Steigung einer Nachfragekurve identisch, wenn diese Nachfragekurve in logarithmischer Darstellung erfolgt; vgl. z. B. Varian, H.R.: Grundzüge der Mikroökonomik, a. a. O., S. 311. Wird bei der Darstellung der Nachfragekurve (X = f(P(X)) der Preis auf der Ordinate und die Menge auf der Abszisse abgebildet – wie dies allgemein üblich ist –, so stellt die Relation ( X / P(X)) den Kehrwert der Steigung der Nachfragekurve dar. Dies bedeutet: die Steigung der Nachfragekurve nimmt zu, d. h. sie verläuft steiler, wenn ( X / P(X)) abnimmt; bei einer linearen Nachfragefunktion liegt eine konstante Steigung vor; bei nichtlinearen Nachfragefunktionen, wie sie z. B. weiter unten behandelt werden, ändert sich die Steigung bei Bewegungen auf der Nachfragekurve.

110

III Nachfrage und Angebot auf Güter- und Arbeitsmärkten

Der Term85„dX/dP(X)“ stellt die Steigung86 der Nachfragefunktion im betrachteten Punkt dar und lässt sich über die Ableitung der linearen Nachfragefunktion [X = a – b • P(X)] nach dem Preis P(X) ermitteln;

Damit errechnet sich für einen beliebigen Punkt der Nachfragefunktion , der durch den konkreten Preis P(X)* und die sich konkret erge* bende Menge X gekennzeichnet ist, folgende Punktelastizität:

; Da bei einer linearen Nachfragefunktion die Steigung der Nachfragefunktion in jedem Punkt konstant ist, stimmen Bogen- und Punktelastizität bei linearen Nachfragefunktionen überein. Abb. III-30 zeigt auf, wie sich Punkt- und Bogenelastizität bei nichtlinearer Nachfragekurve zueinander verhalten: Während die Punktelastizität an einer betrachteten Stelle der Nachfragefunktion – z. B. an der Stelle A – nur vom Preis P1(X) bzw. der entsprechenden Menge X1 und der Steigung der Nachfragekurve in diesem Punkt abhängt, verwendet das Konzept der Bogenelastizität für die Berechnung der Elastizität im Punkt A eine durchschnittliche Steigung zwischen dem Punkt A und einem weiteren Punkt, z. B. dem Punkt B (vgl. nachfolgende Abb. III-30). Da bei gegebenem Punkt A der Punkt B im Prinzip beliebig gewählt werden kann, gibt es nach dem Konzept der Bogenelastizität für die dem Punkt A zuzuordnende Preiselastizität (!) auch beliebig viele Ergebnisse. Der über die Bogenelastizität ermittelte Wert nähert sich dabei umso mehr dem über die Punktelastizität ermittelten exakten Wert an, je kleiner P(X) ausfällt, d. h. je näher der Punkt B am Punkt A liegt. Daher kann die Bogenelastizität einer nichtlinearen Nachfragefunktion nur bei nicht zu großen Preisänderungen grobe Aussagen über die Preiselastizität treffen.

85 86

Die Größe „d X / d P(X)“ wird als Differenzialquotient bezeichnet. Da es bei der Darstellung einer preisabhängigen Nachfragefunktion üblich ist, die abhängige Variable (d. h. die Menge X) auf der Abszisse und die unabhängige Variable (d. h. den Preis P(X)) auf der Ordinate abzutragen, entspricht diese Steigung dem Kehrwert der Steigung, die sich bei der in mathematischen Ableitungen sonst gängigen umgekehrten Achsendarstellung ergibt.

1 Haushaltstheorie

111

Abbildung III-30: Darstellung der Punkt- und Bogenelastizität (Hinweis: Der ermittelte Wert für die Bogenelastizität stellt die Preiselastizität für den Punkt A dar!)

P(X)

nichtlineare Nachfragekurve Punktelastizität (Steigung der Nachfragekurve an der Stelle A wird durch Tangente beschrieben)

A P1(X) P(X) B P2(X) X1

X2

Bogenelastizität mit durchschnittlicher Steigung X/ P(X) Steigung der Tangente in Punkt A X

X

Die bisherigen Ausführungen haben gezeigt, dass die Preiselastizität sowohl von der Steigung bzw. dem Verlauf der Nachfragekurve, als auch vom betrachteten Punkt der Nachfragekurve abhängt. Beide Aspekte sollen im Folgenden vertieft werden und prägen den weiteren Aufbau der Betrachtungen. Aspekt 1: Preiselastizität und Verlauf der Nachfragefunktion: Die direkte Preiselastizität EX,P(X) einer normal (= invers) verlaufenden Nachfragefunktion ist negativ, weil Preissenkungen i. d. R. mit Nachfrageerhöhungen einhergehen und vice versa. Demgegenüber weist eine anomal verlaufende Nachfragekurve eine positive Preiselastizität auf; dieser anomale Verlauf kann darauf zurückzuführen sein, dass es sich bei dem betrachteten Gut um ein Giffen-Gut oder ein spekulatives Gut handelt oder der Veblen-Effekt wirksam wird. Darüber hinaus sind weitere spezielle Extremverläufe der Nachfragefunktionen denkbar, die entsprechend hohe Preiselastizitäten zur Folge haben: a) Bei einer völlig (oder vollkommen) elastischen Reaktion ist die Elastizität |EX,P(X)| = . Kleinste Preisänderungen haben in diesem extremen Fall unendlich

112

III Nachfrage und Angebot auf Güter- und Arbeitsmärkten

große Mengenänderungen zur Folge. Die Nachfragefunktion verläuft waagerecht (vgl. Abb. III-31). b) Der zweite Grenzfall liegt vor, wenn die direkte Preiselastizität EX,P(X) = 0 wird. In diesem Fall erfolgt selbst auf eine große Preisänderung keine Mengenänderung. Es liegt eine völlig (oder vollkommen) unelastische Reaktion vor. Die Nachfragefunktion verläuft senkrecht (vgl. Abb. III-32; Beispiel: Nachfrage nach Sonnenschutzbrillen kurz vor einer Sonnenfinsternis). Abb. III-31: Vollkommen preiselastische Nachfrage

Abb. III-32: Vollkommen preisunelastische Nachfrage P(X)

P(X)

|EX,P(X)| = 0

|EX,P(X)| =

(vollkommen unelastisch)

(vollkommen elastisch)

X

X

In der Realität verlaufen die Nachfragekurven zwischen den genannten Grenzfällen. Je flacher (steiler) eine Nachfragekurve verläuft, desto größer (kleiner) c. p. ist die Preiselastizität.87 Ausgehend von einem einheitlichen Ausgangspreis P(X) führt eine bestimmte Preiserhöhung dP(X) bei einer flacher verlaufenden Nachfragekurve zu einer größeren Mengenänderung als bei einer steileren Nachfragekurve. Aspekt 2: Einfluss des betrachteten Punktes der Nachfragefunktion auf die direkte Preiselastizität einer normalen linearen Nachfragefunktion: Bei Bewegungen vom Prohibitivpreis (Punkt A) bis zur Sättigungsmenge (Punkt D) auf der Nachfragekurve (vgl. Abb. III-33) nimmt der Ausgangspreis ab und die Menge zu. Dies bedeutet, dass der Hauptnenner der Preiselastizität bei konstanten Preisänderungen immer größer und der Hauptzähler immer kleiner wird; damit nimmt die Preiselastizität bei Bewegungen von A nach D ständig ab. Die Elastizität schwankt zwischen |EX,P(X)| = (vollkommen elastischer Nachfrage) im Punkt A und |EX,P(X)| = 0 (vollkommen unelastischer Nachfrage) im Punkt D.

87

Preiselastizität und Steigung der Nachfragekurve verhalten sich somit reziprok zueinander; der Parameter b einer linearen Nachfragefunktion X = a - b P(X) gibt den Kehrwert der Steigung der Nachfragekurve an (dabei wird der Preis auf der Ordinate und Menge auf der Abszisse dargestellt) ; daher steigt die Preiselastizität mit der Höhe des Parameters b.

1 Haushaltstheorie

113

Abbildung III-33: Preiselastizität einer linearen Nachfragefunktion P(X) Prohibitivpreis

| EX,P(X) | = A elastischer Bereich

| EX,P(X) | >1 Halber Prohibitivpreis

R M

R‘ M‘

| EX,P(X) | = 1 unelastischer Bereich

| EX,P(X) | < 1 EX,P(X) = 0 O

B

D

X

Auf der Hälfte der Strecke (Punkt M) zwischen dem Prohibitivpreis (Punkt A) und dem Nullpunkt (O) beträgt die Preiselastizität EX,P(X) = -1; dies kann z. B. für den Punkt M‘ wie folgt abgeleitet werden:

Anmerkung: - Strecke (M - M’) = Strecke (O - B) und - Strecke (O - M) = Strecke (M - A); (Punkt M teilt die Ordinate in 2 Hälften) - (das Minuszeichen wurde der Formel hinzugefügt) Wird die Elastizität nicht als Absolutbetrag ausgewiesen, so hängt das Vorzeichen von der Steigung der Nachfragekurve ab; bei inversem Verlauf der Nachfragefunktion ist die Elastizität negativ. Allgemein kann also bei einer linearen Nachfragefunktion die Preiselastizität an einem beliebigen Punkt auf der Nachfragefunktion (z. B. an der Stelle R‘) aus dem Verhältnis der Strecke (O - R) und der Strecke (R - A) ermittelt werden. Hieraus folgt, dass bei Kenntnis des Prohibitivpreises einer linearen Nachfragefunktion die Preiselastizität sehr einfach berechnet werden kann als:

114

III Nachfrage und Angebot auf Güter- und Arbeitsmärkten

Beispiel für die Berechnung der Preiselastizität über die Ordinatenabschnitte: Der Prohibitivpreis einer normal verlaufenden linearen Nachfragefunktion beträgt 2 €. Wie hoch ist die Preiselastizität der Nachfrage, wenn der Preis P(X) = 1,5 € beträgt? Antwort: EX,P(X) = - 1,5/(2 - 1,5) = - 3 Beispiel: Für eine willkürlich gewählte Nachfragefunktion (mit Prohibitivpreis = 2€) wie z. B. die Nachfragefunktion (X = 8 – 4 • P(X)) ergibt sich für P(X) = 1,5 eine Absatzmenge von X = 2; hieraus folgt für die als Punktelastizität berechnete Preiselastizität: EX,P(X) = - 4 • 1,5 / 2 = - 3 Nachfragefunktionen mit konstanter Elastizität, isoelastische Nachfrage: Unter der Vielzahl nichtlinearer Nachfragekurven sind auch solche denkbar, bei denen relative Preis- und relative Mengenänderungen in jedem Punkt auf der Nachfragekurve in einem konstanten Verhältnis zueinander stehen (vgl. Abb. III-34). In diesem Fall liegt eine konstante Preiselastizität EX,P(X) vor, und es wird von einer sogenannten „isoelastischen Nachfragekurve“ gesprochen; für den Spezialfall, dass sich relative Preis- und Mengenänderungen bei umgekehrtem Vorzeichen entsprechen, beträgt die Elastizität EX,P(X)= -1 bzw. |EX,P(X)| = 1. Abbildung III-34: Isoelastische, preisabhängige Nachfragekurve

P(X)

A X = a • P(X)

b

für b < 0

B X Der Begriff „isoelastisch“ wird in der wirtschaftswissenschaftlichen Literatur unterschiedlich angewandt; zum Teil wird erst dann von einer isoelastischen Nachfragekurve gesprochen, wenn die Preiselastizität -1 beträgt, obwohl der Begriff „isoelastisch“ jede beliebige konstante Preiselastizität umfasst. Im Folgenden wird daher für

1 Haushaltstheorie

115

EX,P(X)= -1 von einer „isoelastischen Nachfragefunktion mit einer Preiselastizität von EX,P(X) = -1“ gesprochen. Die Elastizität ist bei dieser Nachfragefunktion konstant, da die beiden Einflüsse der Elastizität, die Steigung der Nachfragekurve und der Punkt auf der Nachfragekurve, sich bei Bewegungen von Punkt A zu Punkt B auf der isoelastischen Nachfragekurve der Abb. III-34 genau ausgleichen. Einerseits nimmt bei diesen Bewegungen die Elastizität zu, da die Nachfragefunktion immer flacher verläuft. Andererseits bedeuten Bewegungen in Richtung des Punktes B eine Verringerung der Elastizität, da der Prohibitivpreis vom betrachteten Punkt auf der Nachfragekurve immer weiter entfernt liegt. (Hinweis: Der Prohibitivpreis ermittelt sich für einen beliebig gegebenen Punkt auf einer nichtlinearen Nachfragefunktion, indem in dem gegebenen Punkt auf der Nachfragekurve eine Tangente an die Nachfragekurve gelegt wird; der Schnittpunkt der Tangente mit der Ordinate gibt dann den zugrunde gelegten Prohibitivpreis an.)

Beispiel: Die folgende Nachfragefunktion (Potenzfunktion) weist eine konstante b Elastizität b auf,88 wobei bei normalem Verlauf gilt: X = a • P(X) (mit: b < 0). Der Parameter „b“ der in Abb. III-34 dargestellten Potenzfunktion gibt die konstante Preiselastizität an, wie folgende formale Ableitung aufzeigt:

Ökonomische Aussagekraft der isoelastischen Nachfragekurve mit EX,P(X) = - 1: Eine Elastizität EX,P(X) = -1 bedeutet, dass eine relative Preisänderung immer eine gleich hohe, entgegengesetzt wirkende relative Mengenänderungen des Gutes X zur Folge hat. Damit gleichen sich Preis- und Mengeneffekt jeweils aus, so dass der Haushalt trotz Preisänderungen des Gutes X immer einen konstanten Betrag, d. h. eine konstante Ausgabe (Ausgabe = Preis • Menge) für das Gut X ausgibt. Derartige Nachfragefunktionen sind in der Realität gar nicht so selten, wie es im ersten Augenblick den Anschein hat. So kann es aus Sicht eines Haushalts (ggf. mit knapper Haushaltskasse) durchaus sinnvoll sein, für bestimmte Ausgaben nur ein fest vorgegebenes Budget einzuplanen (z. B. einen bestimmten Ausgabenbetrag für bestimmte Hobbys vorzusehen). Ein anschauliches Beispiel für eine isoelastische Nachfragefunktion mit einer Elastizität von (-1) stellt Fondssparen dar, bei dem unabhängig vom Kurs des Anlageobjekts in einem bestimmten Zeitabschnitt ein fest vorgegebener Betrag gespart wird. Diese Vorgehensweise besitzt zudem den Vorteil einer antizyklischen Vermögensanlage (cost-average-Effekt).

88

In der empirischen Wirtschaftsforschung wird die isoelastische Nachfragefunktion über die Logarithmierung der Mengen und Preise linearisiert, so dass sie sich einfacher handhaben lässt; die linearisierte Funktion lautet: log X = log a + b • log P(X); der Steigungsparameter b entspricht somit der Preiselastizität.

116

III Nachfrage und Angebot auf Güter- und Arbeitsmärkten

Aufgabe III-9: a) Die Nachfragefunktion nach einem Produkt X lautet: X = 2800 – 2 • P(X) Wie groß ist die Preiselastizität der Nachfrage bei einem Ausgangspreis von 1200 € und einer Senkung auf 1000 € bzw. alternativ bei einem Ausgangspreis von 1000 € und einer Erhöhung auf 1200 €? Ermitteln Sie für die jeweiligen Ausgangspreise die jeweiligen Preiselastizitäten nach dem Konzept der Bogen- bzw. Punktelastizität. Was bedeutet diese Preiselastizität für die Nachfrageentwicklung des Produkts bei Preisvariationen? Unter welcher Voraussetzung stimmen die Ergebnisse für die Preiselastizität nach beiden Konzepten überein? Worin bestehen die Vor- und Nachteile beider Konzepte jeweils? b) Ein Marktforschungsinstitut ermittelt für die Nachfragefunktion eines Produkts folgenden linearen Zusammenhang: Steigt der Preis des Produkts X um jeweils 1 €, so vermindert sich die Menge X um jeweils 2 Mengeneinheiten. Bei einem Preis von 10 € beträgt die Preiselastizität der Nachfrage EX,P(X) = – 1. Wie lautet die Nachfragefunktion? c) Ermitteln Sie für die Situation a) die Preiselastizität über die Streckenabschnittsregel. d) Bei einer anderen Nachfragefunktion beträgt bei einem Preis P(X) = 12 die nachgefragte Menge 20 Einheiten. Bei einem Preis P(X) = 10 nimmt EX,P(X) den Wert (-1) an. Wie lautet die preisabhängige Nachfrage nach Gut X? e) Ist folgende Aussage korrekt? „Steigt eine voll auf den Nachfrager überwälzbare Mengensteuer bei einem Gut X an, und weist das Gut X eine isoelastische Nachfragefunktion mit einer Preiselastizität der Nachfrage bei Preisänderungen des Gutes X von EX,P(X) = – 1 auf, so haben Steuersatzerhöhungen beim Gut X sinkende Steuereinnahmen für dieses Gut zur Folge.“ (Hinweis: Im Rahmen der Antwort ist der Begriff „isoelastische Nachfragefunktion mit einer Preiselastizität der Nachfrage bei Preisänderungen des Gutes X von EX,P(X) = – 1“ kurz zu definieren.)

Empirische Bestimmung der Preiselastizität der Nachfrage nach dem Konzept der Punkt- bzw. Bogenelastizität: Zur Bestimmung der Punktelastizität muss die Nachfragefunktion empirisch ermittelt werden. Hierzu sind zahlreiche Daten zu erheben und auszuwerten. Dabei kann es das Ziel sein, lediglich die spezielle Nachfragefunktion zu bestimmen, bei der nur der Einfluss des Preises P(X) erfasst wird. Es besteht aber auch die Möglichkeit, eine generelle Nachfragefunktion zu schätzen, bei der neben dem Preis des Gutes X auch die wichtigsten anderen Einflussgrößen (Einkommen, Preise bzw. Preisindizes der anderen Güter, spezielle Einflüsse wie Temperaturen, Saisoneffekte etc.) in ihrer Wirkung auf die Menge erfasst werden. Sowohl bei der speziellen Nachfragefunktion als auch bei der generellen Nachfragefunktion wird der Einfluss des Preises auf die nachgefragte Menge über eine Regressionsfunktion (Zwei- bzw. Mehrfachregression) ermittelt. Der zentrale Vorteil der Regressionsmethode liegt in der exakten Identifizierung der Wirkung des Preises P(X) auf die Mengenänderung des Gutes X. Die Schätzung einer generellen Nachfragefunktion mittels der Regressionsanalyse ermöglicht es, die Preiselastizität der Nachfrage des Gutes X auch dann zu identifizieren, wenn neben dem Preis P(X) auch andere Größen wie die Preise P(Z) der anderen Güter oder das Einkommen Y sich gleichzeitig verändern. Voraussetzung für die Anwendung der Regressionsanalyse ist allerdings das Vorliegen einer ausrei-

1 Haushaltstheorie

117

chenden Anzahl an Beobachtungswerten89. Zudem lassen sich die verschiedenen Einflussgrößen nur isolieren, wenn diese nicht selbst miteinander korreliert sind (sogenannte Multikollinearität der Einflussvariablen). Die Kenntnis der preisabhängigen Nachfragefunktion erlaubt es dann, für jeden Punkt auf der Nachfragefunktion die Preiselastizität exakt zu ermitteln. Im Unterschied zum Konzept der Bogenelastizität lassen sich auf diese Weise auch Elastizitäten für nichtlineare Funktionen bestimmen. Die Regressionsanalyse zählt zu den sogenannten „Multivariaten Verfahren“90, die der Datenverdichtung umfassender Datensätze dienen. Die Bestimmung der Bogenelastizität ist insgesamt datentechnisch weniger aufwändig und lässt sich auf Testmärkten über die Preisänderung des Gutes X wie folgt ermitteln: Die aus der relativen Preisänderung resultierenden durchschnittlichen Mengenänderungen der verschiedenen Nachfrager erlauben gemäß der Definition der Preiselastizität eine empirische Berechnung der Preiselastizität der Nachfrage. Voraussetzung ist allerdings, dass die Mengenänderung von Gut X nur auf die unterstellte Preisänderung bei Gut X zurückzuführen ist und andere Größen wie z. B. die Preise der anderen Güter, das Einkommen oder Präferenzänderungen keinen Einfluss auf die Nachfrage ausüben. Zudem kann diese Methode nur auf lineare Nachfragefunktionen angewandt werden, da die bei der Bogenelastizität unterstellte Steigung der Nachfragefunktion ansonsten verzerrt wiedergegeben wird. Die auf diese Weise empirisch ermittelten Preiselastizitäten einiger Güter können aus nachfolgender Übersicht III-9 ersehen werden. Einfluss des Substitutions- und Einkommenseffekts auf die Preiselastizität: Die in Übersicht III-9 dargestellten Preiselastizitäten verschiedener Güter weichen sehr stark voneinander ab. Ihr unterschiedliches Niveau lässt sich z.T. über die Höhe des Substitutions- bzw. des Einkommenseffekts beschreiben: a) Substitutionseffekt: Je besser die betrachteten Güter durch andere Güter substituiert werden können, umso leichter lösen Preisänderungen entsprechende Mengenänderungen aus; daher variiert die Höhe der Preiselastizität mit der Höhe des Substitutionseffekts. Im Einzelnen gilt: Stark substitutive Güter wie z. B. verschiedene Margarine-, Butter-, Benzinmarken weisen eine hohe Preiselastizität auf. Umkehrt verhält es sich bei schwach substitutiven Gütern oder komplementären Gütern wie z. B. Kraftstoffarten (wie Benzin, Diesel, Gas, etc.); hier dürfte die Preiselastizität sehr niedrig ausfallen. 89 90

Eine Einführung in die Methode der Regressionsanalyse findet sich u. a. in: Pinnekamp, H.J; Siegmann, F.: Deskriptive Statistik, 5. Auflage, München, 2008, S. 149 ff. Zur Bedeutung der Multivariaten Verfahren in der empirischen Wirtschaftsforschung vgl. Backhaus, K.; Erichson, B.; Plinke, W.; Weiber, R.: Multivariate Analysemethoden, 11. Auflage, Berlin, Heidelberg, New York, 2006.

118

III Nachfrage und Angebot auf Güter- und Arbeitsmärkten

Übersicht III-9: Direkte Preiselastizitäten ausgewählter Güter

unelastisch

Käse

- 0,00

Autoreparatur

- 0,29

Kraftstoffnachfrage

- 0,41*)

Öffentlicher Personennahverkehr (ÖPNV) (Einzelticket) (Zeitfahrkarten)

elastisch

sehr elastisch

- 0,3 bis -0,60**) - 0,1 bis -0,35**)

Nahrungsmittel sowie Fleisch

- 1,3

Elektrizität, Gas, Brennstoffe

- 1,6

Brot, Backwaren

- 1,8

Möbel und Haushaltstextilien

- 2,0

Bildung und Unterhaltung

- 2,9

Quelle: Woll, Artur: Allgemeine Volkswirtschaftslehre, 13. Aufl., München 2000, S. 119, Übersicht 4.6 sowie die dort angeführte Literatur. *) aktuellere Schätzungen der Preiselastizität der Benzinnachfrage des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung kommen zum Ergebnis: EX,P(X) = - 0,3; vgl. Deutsches Institut für Wirtschaftsforschung, DIW-Wochenbericht Nr. 37, 72. Jahrgang 2005, S. 538. **) Noe, Walter: Nutzungsabhängige Finanzierung von Mobilität, Rhein-Main Verkehrsverbund 2007. Die Preiselastizität variiert je nach Fahrzweck, Nutzergruppe, Einkommen, Reisezeit, Qualität ÖPNV, Konkurrenzprodukte (Kreuzpreisnachfrage). Schumann führt weitere Preiselastizitäten an:

Milch, Butter (-0,6); öffentlicher Verkehr (- 0,9); Strom (-1,1); vgl. Schumann, Jochen u. a.: Grundzüge der mikroökonomischen Theorie, 7. Aufl., Berlin, Heidelberg, New York, 1999, S. 70.

Einfluss auf die Substitutionsmöglichkeiten nehmen u. a.: Die Dauer der Betrachtung: Bei langfristiger Betrachtung kann die Substitutionsmöglichkeit durch neue Technologien etc. verbessert werden; so ist z. B. der Benzinverbrauch von Fahrzeugen mit gleicher Leistungsstärke im Zeitablauf rückläufig. Daher gilt: je langfristiger die Betrachtung, desto höher die Preiselastizität. Die Haltbarkeit der Produkte: Je haltbarer die Produkte (z. B. langlebige Gebrauchsgegenstände wie z. B. Autos, Möbel, Fernseher, etc.), desto mehr kann die Ersatzbeschaffung dieser Güter von günstigen Preisangeboten abhängig gemacht werden. Vorübergehende Preissteigerungen können dazu führen, dass Ersatzbeschaffungen zumindest zeitweise durch Reparaturen substituiert werden.

1 Haushaltstheorie

119

Insoweit reagiert die Ersatznachfrage langlebiger Gebrauchsgüter eher sehr preiselastisch.91 Sofern es sich um einfache Produkte des täglichen Bedarfs mit hoher Lebensdauer handelt, können Produkte bei günstigen Preisen auch in größeren Mengen auf Vorrat eingekauft werden. Insgesamt führt die hohe Haltbarkeit daher zu einer hohen Preiselastizität, wie sie insbesondere bei langlebigen Gebrauchsgütern zu beobachten ist. b) Einkommenseffekt: Preisänderungen bedeuten reale Einkommensänderungen, die je nach der Höhe der Einkommenselastizität die Nachfrage unterschiedlich stark beeinflussen: Daher gilt: Superiore Güter wie z. B. Urlaubsreisen, Dienstleistungen (z. B. Bildung, Gesundheit) sowie Luxusgüter weisen aufgrund des hohen Einkommenseffekts eine hohe Preiselastizität auf (Preisänderungen lösen reale Einkommensänderungen aus, die die Nachfrage stark beeinflussen). Demgegenüber weisen relativ inferiore Güter (z. B. Güter des täglichen Bedarfs, d. h. Grundnahrungsmittel, die regelmäßig und in kleinen Mengen gekauft werden sowie billige Güter) einen geringen Einkommenseffekt und damit auch reale Eineine niedrige Preiselastizität der Nachfrage auf (Preissenkungen geringer Einkommenseffekt, d. h. geringe Nachfrageefkommensänderungen fekte, d. h. geringe Preiselastizität). Bei absolut inferioren Gütern, bei denen der Einkommenseffekt größer als der Substitutionseffekt ausfällt, ist auch eine positive Preiselastizität denkbar (Giffen-Güter). Einkommensunabhängige Güter92 weisen eine geringe Preiselastizität auf. Hierzu zählen Güter, die bereits ein hohes Maß an Marktsättigung erreicht haben (Sättigungsgüter wie z. B. Salz etc.), so dass Preisänderungen und hierdurch ausgelöste reale Einkommensänderungen die Nachfrage kaum noch beeinflussen. Einkommensunabhängig und damit eher preisunelastisch sind Genussmittel (z. B. Tabak, Alkohol) oder lebensnotwendige Güter wie Medikamente. Umgekehrt können neue Produkte (PCs, Telekommunikation) mit geringer Marktsättigung als superiore Güter aufgefasst werden; Preissenkungen führen über reale Einkommenseffekte (und Substitutionseffekte) zu einer starken Ausweitung der Nachfrage, so dass diese eine hohe Preiselastizität aufweisen (z. B. ist der Handy-Boom auch das Ergebnis eines starken Preiswettbewerbs).

91

92

Andererseits gilt für langlebige Gebrauchsgüter, die gerade neu angeschafft worden sind: je haltbarer die Produkte, desto länger dauert es, bis eine Ersatznachfrage erforderlich ist; insoweit handelt es sich hier für eine bestimmte Frist um ein Sättigungsgut, das unter dem Begriff „einkommensunabhängige Nachfrage“ behandelt wird und das eine niedrige Preiselastizität aufweist (siehe Sättigungsgüter). Zum Begriff des einkommensunabhängigen Gutes vgl. Kap. III-1.2.1 sowie III-1.3.3.

120

III Nachfrage und Angebot auf Güter- und Arbeitsmärkten

Eine Zusammenfassung der Preiselastizität verschiedener Gütergruppen findet sich in der nachfolgenden Übersicht III-10. Übersicht III-10: Analyse der Preiselastizitäten verschiedener Gütergruppen Als preisunelastisch gelten: Güter des täglichen Bedarfs, die regelmäßig und in kleinen Mengen gekauft werden (z. B. Grundnahrungsmittel) und relative billige Güter; Güter mit geringen Substitutionsmöglichkeiten (z. B. Autobatterien); Güter, die bereits ein hohes Maß an Marktsättigung erreicht haben; Preisänderungen haben hier kaum noch Einfluss auf die nachgefragte Menge (z. B. bei Salz, Genussmitteln oder bei lebensnotwendigen Gütern wie z. B. bei Medikamenten) Als relativ preiselastisch gelten Güter mit einem hohen Substitutionseffekt, die sich zugleich superior im Hinblick auf reale Einkommensänderungen infolge von Preisänderungen verhalten: langlebige Gebrauchsgüter (z. B. Autos, Möbel); relativ teure Güter (gemessen am jeweils verfügbaren Einkommen), z. B. „Luxusgüter“; Güter mit ausreichenden Substitutionsmöglichkeiten (z. B. Haushaltsgeräte, Benzinmarken); neue, bis dahin wenige verbreitete Güter (z. B. Tablet PCs, Smartphones), Dienstleistungen (z. B. Bildung, Gesundheit, sofern sie nicht staatlich bereitgestellt werden).

Ökonomische Bedeutung der Preiselastizität für die Ausgabenentwicklung der Haushalte bzw. Erlösentwicklung der Unternehmen: Die Preiselastizität der Nachfrage eines Gutes prägt die wertmäßige Entwicklung dieses Gutes bei Preisänderungen. Beispiele für diese Wertentwicklungen sind z. B. die Ausgaben- oder Erlösentwicklung eines Produkts bei Preisänderungen, die wertmäßige Import- oder Exportentwicklung von Import- und Exportgütern bei Wechselkursschwankungen oder die Steueraufkommensentwicklung bei Änderungen von sogenannten Mengensteuersätzen (z. B. Tabaksteuer, Mineralölsteuer etc. = Steuern, die den Mengenverbrauch als Steuerbemessungsgrundlage haben). In vielen Bereichen des ökonomischen Alltags gilt es zu entscheiden, ob bei Preisveränderungen eines Gutes die Wertentwicklung des Gutes ansteigt oder sinkt. Dies soll auf Basis der Übersicht III-11 im Folgenden für verschieden angenommene Preiselastizitäten näher erläutert werden. Dabei wird die Preiselastizität entlang der Bewegung der linearen Nachfragefunktion von der Sättigungsmenge in Richtung Prohibitivpreis schrittweise betrachtet und zwischen den folgenden Abschnitten (1) und (2) auf der Nachfragefunktion unterschieden: (1) Zwischen dem halben Prohibitivpreis und der Sättigungsmenge liegt gemäß Übersicht III-11 der preisunelastische Bereich der Nachfragefunktion. Hier gilt für die Preiselastizität EX,P(X): [-1 < EX,P(X) < 0] bzw. (bei Verwendung von Absolutbeträgen): [0 < |EX,P(X)| < 1].

1 Haushaltstheorie

121

Übersicht III-11: Veränderung der Umsätze (Erlöse) bei Preisvariationen Elastische Nachfrage

Unelastische Nachfrage

| EX,P(X) | > 1

| EX,P(X) | < 1

Preissteigerung

Umsatz sinkt

Umsatz steigt

Preissenkung

Umsatz steigt

Umsatz sinkt

Preiselastizität Veränderung der Preise

P(X)

P(X)

∆X / X

∞ ≥│EX,P(X) │> 1 halber Prohibitivpreis

Umsatz

Begründung ∆U / U = WU

Umsatz U

> ∆P(X) / P(X)

│WX│ > │WP│→ WU > 0

│EX,P(X) │= 1

∆X / X < ∆P(X) / P(X) │WX│< │WP│→ WU < 0

1 >│EX,P(X) │≥ 0 X [Für │EX,P(X)│= 1]

d P (X)

Umsatz konstant

│ = │W │WX│W │=X│W P│ WU = 0 P│→

Für steigende P(X) gilt die analoge, umgekehrte Argumentation für die Umsatzentwicklung X Grenzumsatz

EX,P(X) = [∆X/X] / [∆P(X)/P(X)] = │WX│/ │WP│ ¾ Umsatz U = P(X) • X ¾ WU = WP(X) + WX (ungefähr) (W = Wachstumsrate) ¾ Umsatzmaximum beim halben Prohibitivpreis

X

¾ Umsatzmaximum

Grenzumsatz = 0

Der preisunelastische Bereich bewirkt, dass relative Preisänderungen des Gutes X nur schwache relative Nachfrageänderungen des Gutes zur Folge haben. Die relativen Mengeneffekte sind hier kleiner als die relativen Preiseffekte. Beträgt z. B. die Preiselastizität = - 0,25, so nimmt bei einer 1%-igen Preissenkung die Menge nur um 0,25% zu. Im preisunelastischen Bereich der Nachfragefunktion lässt sich die Umsatzentwicklung (Umsatz = P(X) • X) von Gut X bei Preisänderungen P(X) wie folgt beschreiben: Eine Preiserhöhung führt zu höheren Umsätzen (Erlösen, Ausgaben), da die Preise prozentual stärker steigen als die nachgefragte Menge prozentual sinkt. Analog bewirken Preissenkungen entsprechende Umsatzeinbußen.

122

III Nachfrage und Angebot auf Güter- und Arbeitsmärkten

Aus unternehmerischer Sicht gilt daher: Je preisunelastischer sich die Nachfrage in der Ausgangssituation verhält, desto mehr führen Preiserhöhungen (z. B. bei jeweils +1%) zu einer Umsatzsteigerung und umgekehrt. (2) Wird bei Bewegungen auf der Nachfragekurve in Richtung des Prohibitivpreises der halbe Prohibitivpreis überschritten, so erfolgt ein Übergang in den preiselastischen Bereich der Nachfragefunktion (vgl. Übersicht III-11). Die relativen Mengeneffekte der Nachfrage sind hier größer als die relativen Preiseffekte. Für die Preiselastizität der Nachfrage gilt: [-∞ ≤ EX,P(X) < -1] bzw.: [∞ ≥ |EX,P(X)| > 1]. Beträgt z. B. EX,P(X) = - 4, dann hat jede 1%-ige Preisänderung eine entgegengesetzte 4%-ige Mengenänderung zur Folge. Bei einer hohen Preiselastizität lässt sich die Entwicklung des Umsatzes von Gut X bei Preisänderungen des Gutes X wie folgt beschreiben: Eine Preiserhöhung führt zu fallenden Umsätzen (Erlösen, Ausgaben), da im preiselastischen Bereich die Preise prozentual schwächer zunehmen als die nachgefragte Menge prozentual zurückgeht (preiselastische Nachfrage). Analog bewirken Preissenkungen bei preiselastischer Nachfrage entsprechende Umsatzerhöhungen. Aus unternehmerischer Sicht gilt daher für den preiselastischen Bereich der Nachfragefunktion: Je preiselastischer die Nachfrage bei Bewegungen vom halben Prohibitivpreis in Richtung Prohibitivpreis reagiert, desto stärkere Umsatzminderungen treten bei Preiserhöhungen (z. B. bei jeweils +1%) ein. Umsatzsteigerungen lassen sich hier also nur über Preissenkungen realisieren. Insgesamt folgt aus den Ausführungen zum preisunelastischen (1) und preiselastischen Bereich der Nachfragefunktion (2), dass (ausgehend vom Preis P(X) = 0) bei schrittweisen Preiserhöhungen der Umsatz (der Erlös oder die Ausgabe) bis zum halben Prohibitivpreis ansteigt und danach wieder fällt. Folglich nimmt der Umsatz beim halben Prohibitivpreis bzw. bei einer Preiselastizität von EX,P(X) = - 1 ein Maximum an, wie auch aus der Übersicht III-11 zu ersehen ist. Für EX,P(X) = -1 entsprechen sich der relative Preis- und Mengeneffekt, so dass sie sich in ihrer Wirkung auf den Umsatz genau aufheben. Kleinste Preisänderungen führen hier somit nicht zu Umsatzänderungen. Der Grenzumsatz beträgt null (Bedingung für ein Umsatzmaximum). Fallbeispiel zur Preiselastizität: Konditormeister K möchte seinen Umsatz erhöhen. Er erwägt daher, den Preis für seine speziell entwickelte Kleintorte „Plunder-Plus“ anzuheben. Seine Frau rät ihm, diese Entscheidung von der Preiselastizität der Nachfrage abhängig zu machen. Sie hat bereits früher mit-

1 Haushaltstheorie

123

tels einer Unternehmensberatung die Nachfragefunktion für ein ähnliches Tortenprodukt namens „Schlemmerplunder“ im Rahmen einer Regressionsanalyse schätzen lassen. Die erneut durchgeführte Regressionsanalyse für „Plunder-Plus“ ergab folgende lineare Nachfragefunktion (mit X = Anzahl der verkauften Torten/Tag und P(X) = Preis je Torte): I. Situation A [Ausgangssituation: X = 100 – 10 • P(X)] In der Ausgangssituation beträgt der Tortenpreis P1(X) = 4 € / Stück. Kann der Konditormeister den Umsatz durch eine Preiserhöhung ausweiten? 1) Berechnung der derzeitigen Absatzmenge: X = 100 – 10 • 4 = 60 Stck. 2) Berechnung der Preiselastizität über die Punktelastizität: EX,P(X) = -10 • 4/ 60 = - 4/6 3) Berechnung der Preiselastizität über die Bogenelastizität: bei einer Preiserhöhung von 4 € auf z. B. 5 € folgt: X = [50 Stck. - 60 Stck]. = -10 Stck; EX,P(X) = (-10/60) / (1/4) = - 4/6 4) Eine Preiserhöhung erhöht den Erlös, sofern die Preiselastizität EX,P(X) < 1; im vorliegenden Beispiel ist diese Bedingung erfüllt, d. h. der Erlös steigt an. 5) Überprüfung93 für eine Preisanhebung von 4 auf 5 € a) Erlös vor der Preiserhöhung: 60 • 4 = 240 € b) Erlös nach der Preiserhöhung: 50 • 5 = 250 € c) Erhöhung des Erlöses = + 10 € II. Situation B (flacher verlaufende Nachfragefunktion, da die Haushaltskasse der potenziellen Käufer durch eine wirtschaftlich schwache Phase arg strapaziert ist): ¾ X = 100 - 15 • P(X); Preis = 4 €/ Torte in der Ausgangssituation; ¾ EX,P(X) = - 15 • 4/ 40 = - 1,5 und somit EX,P(X) > 1 Ergebnis: Preiserhöhung senkt Erlös; Erlösentwicklung z. B. bei Preiserhöhung von 4€ auf 5 €: Abnahme des Erlöses von 4 • 40 = 160 € auf 5 • 25= 125 € III. Situation C (Annahmen wie in Situation A, aber wegen eines Anstiegs der Produktionskosten für „Plunder-Plus“ gilt nun ein höherer Ausgangspreis von 8€): ¾ X = 100 - 10 • P(X); Preis = 8 € in der Ausgangssituation; 93

Die Preiselastizität wird für den Ausgangspunkt berechnet; die Preiselastizität, die sich unter Verwendung der Bogenelastizität für den Punkt nach der Preisänderung (Endpunkt) ergibt, weicht hiervon ab. Ist die Preisänderung zu groß, so können beträchtliche Unterschiede in der Preiselastizität für beide Punkte entstehen. Die Bedingung für ein Umsatzmaximum stellt auf die Punktelastizität ab (die Optimalitätsbedingung für ein Umsatzmaximum lässt nur kleinste Preisänderungen zu); weicht bei Verwendung der Bogenelastizität die Preiselastizität für den Ausgangspreis wesentlich von der Elastizität für den Endpunkt ab, so kann die Elastizitätsregel für ein Umsatzmaximum ( EX,P(X) = 1 Umsatzmaximum) zu verzerrten Ergebnissen führen. Aus dem gleichen Grund kann aus der Preiselastizität im Ausgangspunkt nicht immer auf die Entwicklung des Umsatzes geschlossen werden. Ist z. B. der Absolutbetrag der Preiselastizität im Ausgangspunkt kleiner als 1 und im Endpunkt größer als 1 (im Beispiel z. B. bei einer Preiserhöhung von 4 € auf 7 €), so kann es passieren, dass der Umsatz infolge der Preiserhöhung abnimmt (denn: EX, P(X) ist zwar vor der Preisänderung, nicht aber danach kleiner als 1).

124

III Nachfrage und Angebot auf Güter- und Arbeitsmärkten

¾ EX,P(X) = - 10 • 8/ 20 = - 4 , d. h. EX,P(X) > 1; Ergebnis: Eine Preiserhöhung senkt den Erlös; die Erlösentwicklung beträgt z. B. bei Preiserhöhung von 8 auf 9 €: Abnahme des Erlöses von (8 • 20 = 160 €) auf (9 • 10 = 90 €). IV. Schlussfolgerungen Bei welchem Preis wird der Erlös maximal für: X = 100 – 10 • P(X)? Antwort: ¾ Erlös = X • P(X) = 100 • P(X) – 10 • P(X)2; ¾ Antwort: Erlösmaximum für Grenzerlös = 0 P(X) = 5; Erlös = 250 € Grenzerlös = 100 – 20 • P(X) = 0 Für P(X) = 5 gilt: EX,P(X) = -10 • 5/50 = 1 Ergebnis: Das Erlösmaximum liegt dort, wo E (X,P(X)) = 1, d. h. beim halben Prohibitivpreis (siehe Übersicht III-11); der Prohibitivpreis beträgt im Beispiel 10 €, also nimmt die Elastizität für P(X) = 5 € den Wert 1 an. Solange EX,P(X) > 1, führen Preissenkungen zu Erlössteigerungen (preisbedingte Erlösminderung < mengenbedingte Erlöserhöhung); erst wenn infolge von Preissenkungen EX,P(X) = 1 erreicht ist (Elastizität hängt vom Ausgangspreis bzw. Ausgangsmenge ab), liegt ein Erlösmaximum vor. Umgekehrt verhält es sich, wenn in der Ausgangssituation EX,P(X) < 1; jetzt führen Preiserhöhungen solange zu steigenden Erlösen, bis EX,P(X) = 1.

Aufgabe III-10: Zur Verringerung ihrer Defizite planen die Verkehrsbetriebe der Stadt Bonn eine deutliche Erhöhung der Tarife um 50%. Der Preis vor der Preiserhöhung beträgt im Durchschnitt 2 Geldeinheiten. Die Anzahl der Fahrgäste wird nach Angaben der Stadtwerke dadurch p.a. von 1 Mio. auf 800.000 Personen sinken: a) Ermitteln Sie die Preiselastizität der Nachfrage. b) Lohnt sich die Preiserhöhung unter dem Gesichtspunkt der Umsatzerhöhung?

Aufgabe III-11: Wandeln Sie folgende Aussagen des Studenten S über den Konsum von Zigaretten in Angaben zur direkten Preiselastizität um, und zeichnen Sie die entsprechenden Angaben in ein Preis-Mengen-Diagramm (Preis der Zigarette = 0,2 €; für die Aufgabenteile b, c, e, f: täglicher Konsum von 10 Zigaretten in der Ausgangssituation). a) Ich bin seit 5 Jahren Nichtraucher. b) Wenn Zigaretten auch nur einen Cent teurer werden, höre ich sofort auf zu rauchen. c) Ich rauche immer 10 Zigaretten am Tag. d) Ich gebe immer 20 € pro Woche für Zigaretten aus. e) Wenn die Zigaretten um 0,05 € teurer werden, rauche ich nur noch die Hälfte (Hinweis: hier sei ein linearer Nachfrageverlauf unterstellt); Zusatzfrage: Welchen Preis würde Student S maximal je Zigarette zahlen, d. h. wo liegt sein Prohibitivpreis? f) Was würde in diesem Fall eine Elastizität von + 2 besagen? Quelle in Anlehnung an: Feess, E., Tibitanzl: Kompaktstudium Wirtschaftswissenschaften, Band 1: Mikroökonomie; München 1993, S. 88.

1 Haushaltstheorie

125

Aufgabe III-12: Im März 2002 hat der Deutsche Kaffee-Verband folgende Daten bekannt gegeben, ohne dabei nähere Angaben zu den Ursachen des veränderten Kaffeeabsatzes zu machen: Kaffeeabsatz durchschnittlicher Kaffeepreis Jahr in Mio. kg je kg in € 2000

549

6,86

2001

550

6,54

Sie haben sich in der Vorlesung Mikroökonomie ausführlich mit dem Begriff der direkten Preiselastizität der Nachfrage und der empirischen Bestimmung der Preiselastizität befasst. Vor diesem Hintergrund kommen Sie spontan auf die Idee, aus diesen Daten auf Basis des Konzepts der Bogenelastizität die Preiselastizität der Nachfrage nach Kaffee zu ermitteln. Bevor Sie mit den Berechnungen beginnen, erinnern Sie sich allerdings an zwei verschiedene Annahmen, die der empirischen Ermittlung der Preiselastizität der Nachfrage über das Konzept der Bogenelastizität zugrunde liegen (eine Verletzung dieser Annahmen hat eine fehlerhaft ermittelte Preiselastizität der Nachfrage zur Folge). a) Erläutern Sie die beiden grundsätzlichen Annahmen, die der Bestimmung der Preiselastizität der Kaffeenachfrage über die Bogenelastizität zugrunde liegen. b) Inwieweit kann über das Konzept der Punktelastizität eine zuverlässige Schätzung der Preiselastizität der Nachfrage erfolgen, sofern die beiden Annahmen zur Verwendung der Bogenelastizität in der Praxis nicht erfüllt sind? c) Angenommen, die erforderlichen Annahmen liegen in der oben angeführten Datensituation vor. Welcher Wert für Preiselastizität der Kaffeenachfrage errechnet sich dann nach diesem Konzept der Bogenelastizität und wie ist dieser Wert zu interpretieren? d) Wie muss sich die Preiselastizität der Kaffeenachfrage verändern, damit der Kaffeeverband bei Preissenkungen eine Erhöhung des Kaffeeumsatzes erzielt? Begründen Sie Ihre Antwort!

Aufgabe III-13: Die Geschäftsleitung eines mittelständischen Unternehmens überlegt, ob sie die Preise für ihr Produkt aufgrund gestiegener Personalkosten von bisher 20 Geldeinheiten um 5% anheben kann, ohne den Umsatz von bisher 500 Geldeinheiten zu gefährden. Die direkte Preiselastizität der Nachfrage beträgt - 1,5. Beraten Sie als frischgebackener Absolvent der Hochschule die Unternehmensleitung. Ermitteln Sie dazu den Umsatz nach der Preiserhöhung. in Anlehnung an: Altmann, J.: Arbeitsbuch Volkswirtschaftslehre/Wirtschaftspolitik, Stuttgart 1993, S. 28.

Aufgabe III-14: Angenommen, eine preisabhängige Nachfragefunktion hätte folgenden allgemeinen Verlauf: X = a – b • P(X) mit: P(X) = Preis des Gutes X; a > 0; b > 0 Ermitteln Sie entweder unter Verwendung der allgemeinen Nachfragefunktion mit den Parametern a und b oder unter Verwendung der Preiselastizität der Nachfrage den umsatzmaximalen Preis! Erläutern Sie, um welchen Preis es sich bei dem umsatzmaximalen Preis inhaltlich handelt!

126

III Nachfrage und Angebot auf Güter- und Arbeitsmärkten

Aufgabe III-15: Geben Sie an, wie sich für die nachfolgenden vier Fälle die Preiselastizität der Nachfrage von Gut X in den Situationen EI bzw. EII im Vergleich zueinander jeweils verhält: 2. Fall

1. Fall

P(X)

P(X)

EII

EI I

EI

II

EII I

II

X

X 4. Fall

3. Fall

P(X)

P(X) II I

II

I EI

EI

EII

EII

X

X

1.3.2 Indirekte Preiselastizität / Kreuzpreiselastizität (EX,P(Z)) Bisher wurde bei der Erörterung der Elastizitäten nur ein Gut X betrachtet. Aufgrund der Interdependenz von Gütern und Märkten ist aber auch der Zusammenhang zwischen der nachgefragten Menge eines Gutes X und dem Preis P(Z) eines anderen Gutes Z von Interesse. Das Ausmaß der Nachfragereaktion lässt sich auch hier anhand einer Elastizität messen, d. h. an der relativen Nachfrageänderung eines Gutes X in Bezug auf die relative Preisänderung eines zweites Gutes Z, kurz: der Kreuzpreiselastizität oder der indirekten Preiselastizität der Nachfrage X (bei Preisänderungen des Gutes Z). Allgemein gilt für zwei Güter X und Z:

1 Haushaltstheorie

127

Bei der Kreuznachfrage wirken Substitutions- und Einkommenseffekt i. d. R. in entgegengesetzte Richtungen; so ist z. B. bei Preiserhöhungen eines Gutes Z der Substitutionseffekt bei Gut X positiv und der Einkommenseffekt negativ. Der negative Einkommenseffekt bei Gut X entsteht dadurch, dass sich bei Preiserhöhungen von Gut Z das Realeinkommen der Nachfrager vermindert und dies die Nachfrage von Gut X abschwächt. Ob die Nachfrage nach Gut X hierdurch absolut sinkt, hängt von der Stärke der entgegengesetzt wirkenden Substitutions- und Einkommenseffekte ab:94 Die Kreuzpreiselastizität ist somit immer dann positiv (d. h. mit fallendem Preis von Gut Z fällt c. p. die Nachfrage nach Gut X) (vgl. Abb. III-35), wenn der Substitutionseffekt (SE) den Einkommenseffekt (EE) überwiegt; dies ist bei einem Gut X der Fall, das stark substitutiv ist und zudem einen niedrigen Einkommenseffekt aufweist (z. B. weil Gut X relativ inferior ist). Die Kreuzpreiselastizität ist immer dann negativ, d. h. mit fallendem Preis von Gut Z steigt c. p. die Nachfrage nach Gut X (vgl. Abb. III-36), wenn der Einkommenseffekt den Substitutionseffekt überwiegt. Diese Bedingung ist bei einem schwach substitutiven Gut X (Substitutionseffekt klein) oder einem komplementären Gut X (Substitutionseffekt = 0, z. B. bei Autos und Benzin) bzw. bei einem superioren Gut X (hoher Einkommenseffekt) gegeben. Entsprechend umgekehrte Effekte ergeben sich bei einer Preissenkung von Gut Z für die Nachfrage nach Gut X. Da es sich bei vielen Gütern eher um substitutive Güter handeln dürfte, wird i. d. R. die Kreuzpreiselastizität der Nachfrage des Gutes X bei Preisänderungen des Gutes Z positiv ausfallen. Je positiver sich die Kreuzpreiselastizität des Gutes X gestaltet, desto stärker werden die Verbraucher bei einseitigen Preiserhöhungen von Gut Z auf das Gut X oder auf andere Konkurrenzprodukte von Gut Z ausweichen. Die Höhe der Kreuzpreiselastizität ist daher ein Indikator für die Höhe der Substitutionsfähigkeit zweier Güter. Bei einer hohen positiven Kreuzpreiselastizität ist der Spielraum für einseitige Preiserhöhungen der Hersteller gering. Insoweit liefert die Kreuzpreiselastizität auch Informationen über das Ausmaß der Konkurrenz zwischen verschiedenen Produkten. Robert Triffin hat diese Kreuzpreiselastizität der Nachfrage als Kennziffer herangezogen, um die Stärke der Konkurrenz zweier Produkte X und Z auf einem Markt zu messen. Je stärker die relative Nachfrage des Gutes X (z. B. PKW der Marke A) auf relative Preisänderungen eines anderen Gutes Z (PKW der Marke B) reagiert, desto mehr stehen zwei Produkte X und Z in einer Konkurrenzbeziehung zueinander. Allerdings ist zu bedenken, dass die gemessene Kreuzpreiselastizität der Nachfrage aufgrund der definitorischen „Eigenheiten“ des Elastizitätskonzepts nicht nur von 94

Nur für den Fall absolut inferiorer Güter wird der Einkommenseffekt einer Preiserhöhung (-senkung) positiv (negativ) ausfallen, so dass Substitutions- und Einkommenseffekt ein einheitliches Vorzeichen aufweisen.

128

III Nachfrage und Angebot auf Güter- und Arbeitsmärkten

der Steigung der preisabhängigen Nachfragefunktion, sondern auch von der Ausgangssituation auf der Nachfragefunktion (Preis-Mengenkombination) abhängt. Dies hat z. B. zur Folge, dass selbst bei nur kleineren preisinduzierten Mengenänderungen der Nachfrage (d. h. der Preis hat anscheinend einen geringen Einfluss auf Menge) sich eine hohe Elastizität errechnet, wenn die Nachfragemengen in der Ausgangssituation, d. h. vor der Preisänderung sehr gering sind (z. B. weil das Produkt erst gerade auf dem Markt eingeführt wurde). Insoweit darf das Ergebnis der Kreuzpreiselastizität wegen der relativen Betrachtung von Mengen und Preisen nicht missinterpretiert werden. Die über die Triffinsche Kreuzpreiselastizität gemessene Stärke der Konkurrenzbeziehung muss daher die jeweilige Ausgangssituation der Betrachtung (auf welchem Punkt der Nachfragefunktion wurde die Kreuzpreiselastizität der Nachfrage gemessen?) in die Bewertung einbeziehen. Abb. III-35: Positive Kreuzpreiselastizität

Abb. III-36: Negative Kreuzpreiselastizität P(Z P(Z)

P(Z) Positive Kreuzpreiselastizität z. B. bei gut substitutiven Gütern

│SE│>│EE│ Nachfrage (X) SE = Substitutionseffekt;

Negative Kreuzpreiselastizität z. B. bei komplementären Gütern (SE = 0) oder bei superioren Gütern mit hohem EE

Abb. III-37: Kreuzpreiselastizität, preisunabhängige Nachfrage P(Z) P(Z

Kreuzpreiselastizität der Nachfrage des Gutes X bei Preisänderungen des Gutes Z beträgt 0

│SE│ 1), so liegt ein superiores Gut vor. Für den umgekehrten Fall einer unterproportionalen Reaktion der Nachfrage auf Einkommensänderungen (0 < EX,Y < 1) ist die relative Mengenänderung kleiner als die relative Einkommensänderung; es liegt ein relativ inferiores Gut vor (auch als normales Gut bezeichnet). Wird trotz bestehender Einkommensänderungen das Gut X unverändert nachgefragt, beträgt die Einkommenselastizität EX,Y = 0 (einkommensunabhängige Güter); es handelt sich dann oft um Sättigungsgüter (vgl. Abb. III-39).

95

Die Einkommens-Konsumkurve neutraler Güter stellt eine Gerade aus dem Ursprung dar (siehe Ausführungen in Kapitel III.1.2.1). Ausgehend von der Budgetgleichung: Y= P(X) • X + P(Z) • Z ergibt sich für gegebene Preise P(X) = a und P(Z) = b: Y= a • X + b • Z; bei einkommensneutralen Gütern gilt ein festes Einsatzverhältnis von X und Z; wird z. B. angenommen, dass Z = c • X und wird dieses Einsatzverhältnis in der Budgetgleichung berücksichtigt, so gilt für Y: Y= a • X + b • c • X = X • (a + b • c); hieraus folgt Y = X • (a + b • c) und damit für die Einkommenselastizität: EX,Y = [ X/X] / [ Y/Y]= [ X/X] / [ X • (a + b • c) / X • (a + b • c)] = 1.

1 Haushaltstheorie

131

Wird bei steigendem Einkommen das Gut X weniger nachgefragt (absolut inferiore Güter, vgl. Abb. III-40), so liegt eine negative Einkommenselastizität [EX,Y < 0] vor. Abb. III-38: Einkommensneutrale Güter

Y

Abb. III-39: Einkommensunabhängige Güter

Abb. III-40: Absolut inferiore Güter

Y

Y EX,Y < 0 (absolut inferiore Güter)

EX,Y = 0

EX,Y = 1 (einkommensneutral)

(einkommensunabhängige Güter wie z. B. Sättigungsgüter)

X

X

X

Einkommenselastizitäten geben damit Hinweise zur einkommensabhängigen Nachfrageentwicklung bestimmter Produkte / Produktgruppen und damit auch zu den Absatzchancen. Grundsätzlich lassen sich die Güter nach ihrer Einkommenselastizität ordnen (vgl. Übersicht III-12). Übersicht III-12: Einkommenselastizitäten und Güterbegriffe Begriff

Einkommenselastizität

Beispiele

absolut inferior

E 0

senkrecht

EX,P(X) = 0

S o n d e r f ä l l e

Giffengut, Veblen, spekulative Güter vollkommen preisunelastisch vollkommen preiselastisch konstante Elastizität, isoelast. E< 0 beliebig konstante Ausgaben isoelastisch, EX,P(X) = -1

waagerecht

< EX,P(X) < -1 für *)

EX,P(X) = -

invers gekrümmt

EX,P(X) = konstant

invers gekrümmt

EX,P(X) = -1

Preis des Gutes (Z)

Indirekte Preiselastizität E X,P(Z)

stark substitutiv komplementär schwach substitutiv preisunabhängig

positiv invers invers senkrecht

Einkommen (Y)

EX,P(Z) > 0 EX,P(Z) < 0 EX,P(Z) < 0 EX,P(Z) = 0

Einkommenselastizität EX,Y absolut inferior einkommensunabhängig relativ inferior (normal) einkommensneutral superior

*) Pproh > P(X) > ½ Pproh

**) ½ Pproh > P(X) > 0

invers (-) senkrecht +, unterproport. pos./proport. pos./überpro.

EX,Y < 0 EX,Y = 0 0 < EX,Y < 1 EX,Y = 1 EX,Y > 1

mit: Pproh = Prohibitivpreis des Gutes X

1 Haushaltstheorie

135

Aufgabe III-19: Gegeben seien die nachfolgenden Aussagen (a bis g) zur preisabhängigen oder einkommensabhängigen Nachfrage nach Gut X. Geben Sie an und begründen Sie für die Situationen (a bis g), um welche Art der preisabhängigen Nachfrage nach Gut X es sich jeweils handelt und welcher Wert oder Wertebereich sich jeweils für die Preiselastizität der Nachfrage nach Gut X ergibt. Bestimmen Sie ferner und begründen Sie in den Situationen (e bis g), welcher Wert sich für die Einkommenselastizität errechnet und um welche Art von einkommensabhängiger Nachfrage des Gut X es sich hier handelt. Die Aussagen (a bis g) lauten: a) Steigt der Preis P(X) des Gutes X um 1%, so steigen die Ausgaben für Gut X um 0,5%. b) Steigt der Preis P(X) des Gutes X um 1%, so sinkt die Nachfrage von Gut X um 1,5%. c) Steigt der Preis P(X) des Gutes X um 1%, so steigen die Ausgaben für Gut X ebenfalls um 1%. d) Steigt der Preis P(X) des Gutes X schrittweise um 1%, so bleiben die Ausgaben für Gut X jeweils konstant. e) Steigt der Preis P(X) des Gutes X um 1%, so steigen die Ausgaben für Gut X um 1,5%; steigt das Einkommen Y um 1%, so sinkt die Nachfrage nach dem Gut X um 2%. f) Steigt der Preis P(X) des Gutes X um 1%, so steigt die nachgefragte Menge des Gutes X um 1,5%; steigt das Einkommen Y um 1%, so steigt die nachgefragte Menge des Gutes X um 2%. g) Steigt der Preis P(X) des Gutes X um 1%, so steigen die Ausgaben für Gut X um 1,5%; steigt das Einkommen Y um 1%, so steigt die nachgefragte Menge des Gutes X um 0,5%.

Aufgabe III-20: In der Mikroökonomie werden den Gütern je nach der Art ihrer Eigenschaften verschiedene Bezeichnungen zugeordnet. Eine Auswahl von Bezeichnungen ist in folgender Liste für Gut X bzw. für das Gut Z zusammengestellt. Die Begriffe sind nach Themengebieten geordnet.

Liste von Bezeichnungen: ¾ „superiores Gut X “ oder „relativ inferiores Gut X mit EXY= 0,5“ ¾ „absolut inferiores Gut X mit einer negativen Einkommenselastizität von (-3)“, ¾ „Gut X mit EXY = -0,5“ oder „Gut X mit EXY = -2“, ¾ „Gut X mit isoelastischer Nachfrage und einer Preiselastizität von (-1)“, ¾ „Gut X mit einer negativen Preiselastizität E, mit: (-1) < E < (0) “, ¾ „Gut X mit einer negativen Preiselastizität E, mit: (-∞) < E < (-1) “ ¾ „Gut X mit einer negativen Preiselastizität von (-1/3)“, ¾ „Gut X mit vollkommen preisunelastischer Nachfrage“, ¾ „Gut X mit vollkommen preiselastischer Nachfrage“, ¾ „Gut X mit einer positiven Kreuzpreiselastizität der Nachfrage bei Preisänderungen eines anderen Gutes Z von (+2)“, ¾ „Gut X mit einer positiven Kreuzpreiselastizität der Nachfrage bei Preisänderungen eines anderen Gutes Z von (+0,5)“, ¾ „Gut X mit Mitläufereffekt“ oder „Gut X mit Snobeffekt“ oder „Gut X mit VeblenEffekt“, oder „Giffen-Gut X“ oder „spekulatives Gut X mit einer positiven Einkommenselastizität der Nachfrage“, oder „Gut X ist komplementär zu Gut Z“

136

III Nachfrage und Angebot auf Güter- und Arbeitsmärkten

Fortsetzung Aufgabe III-20: Im Folgenden wird für verschiedene Situationen (a bis f) jeweils ein Gut X bzw. Z beschrieben. Geben Sie für jede dieser Situationen jeweils die gesuchte Bezeichnung des Gutes X oder Z an. Es sind nur diejenigen Bezeichnungen als Lösungen zugelassen, die in der oben angeführten Liste genannt wurden. Jeder Situation ist genau eine Bezeichnung zuzuordnen. Eine Begründung ist in den Situationen (a bis c) nicht erforderlich. In den Situationen (d bis f) geben Sie eine kurze Begründung an, aus der hervorgeht, warum Ihre Antwort den Sachverhalt trifft. Die Aussagen lauten: a) „Bei einer Preiserhöhung eines Gutes Z um 3% sinkt die Nachfrage nach dem Gut X um 1% .“ b) „Bei einer Einkommenserhöhung um 1% steigt c. p. der Ausgabenanteil des Gutes X an“ c) „Bei fallenden Preisen des Gutes X steigt die Nachfrage nach X bei Konsument A zwar an, der Nachfrageanstieg wird bei Konsument A aber dadurch abgeschwächt, dass auch alle anderen Konsumenten des Gutes X ihre Nachfrage ausweiten und Konsument A seine „Individualität“ in der Konsumnachfrage nicht realisieren kann.“ d) „Sinkt der Preis des Gutes X um 10%, so steigen die Ausgaben für Gut X um 10%.“ e) „Sinkt der Preis des Gutes X um 10%, so sinken die Ausgaben für Gut X um 5%.“ f) „Sinkt der Preis des Gutes X um 10%, so sinken die Ausgaben für Gut X um 11%; bei einer Einkommenssteigerung von 3% steigt die Nachfrage nach Gut X um 1 %.“

Aufgabe III-21: Das Einkommen von Herrn C von 4.000 € monatlich wird aufgrund seiner hervorragenden Leistungen um 5% erhöht. Daraufhin steigt die Nachfrage nach höherwertigen Konsumgütern durch Familie C im Monat von 8 auf 10 Mengeneinheiten an. Ermitteln Sie die Einkommenselastizität von Familie C in Bezug auf höherwertige Konsumgüter. Wie beurteilen Sie das Konsumverhalten von Familie C?

Aufgabe III-22: Die Erbtante von Herrn C ist plötzlich verstorben. Die Hinterlassenschaft legt Herr C festverzinslich an. Die Zinsen erhöhen das Jahreseinkommen von Familie C um 20.000 € auf 100.000 €. Familie C kauft daraufhin im Jahr von der Sektmarke „Billig und Gut“ statt 50 Flaschen nur noch 25 Flaschen und kauft stattdessen nicht nur 1 Flasche Champagner, sondern 6 Flaschen der Marke „Nobel“. Ermitteln Sie die Einkommenselastizität von Familie C in Bezug auf Sekt der Marke „Billig und Gut“ und Champagner der Marke „Nobel“. Interpretieren Sie das Kaufverhalten von Familie C!

1 Haushaltstheorie

137

Aufgabe III-23: Erläutern Sie jeweils für die nachfolgenden Darstellungen (a – d)den Sachverhalt und geben Sie an, durch welchen Elastizitätsbegriff (E) die jeweilige Situation beschrieben werden kann (Achsenbezeichnungen beachten!), und welchen Wert bzw. welchen Wertebereich (z. B. E = - , E = -1, E < 0; E = 0, 0 < E < +1, E = +1, E > +1, E = + ) die Elastizität (E) in der jeweiligen Situation annimmt. Begründen Sie in den Fällen a) und c), warum die Elastizität eintritt. (Hinweis: Elastizität mit Vorzeichen angeben, d. h. keinen Absolutbetrag verwenden!)

a) P(X)

b) zudem soll gelten: b X = P(X) mit b = -1

Y

Nachfrage X

c)

Nachfrage X

d)

P(Z)

P(X)

Nachfrage X

Angebot X

(Anmerkung: Y= Einkommen; P(X)= Preis des Gutes X; P(Z)= Preis des Gutes Z )

1.4

Marktnachfragefunktion und ihre Verschiebung

Die preisabhängige Marktnachfragefunktion eines Gutes X beschreibt die preisabhängige Nachfrage aller Privaten Haushalte einer Volkswirtschaft. Die Marktnachfragefunktion ermittelt sich, indem für einen vorgegebenen Preis des Gutes X die bei den einzelnen Haushalten auftretende Nachfrage addiert wird (horizontale Addition = Aggregation der Nachfragefunktionen aller Haushalte). Die Herleitung einer Marktnachfragefunktion sei am Beispiel dreier Privater Haushalte aufgezeigt, die jeweils eine preisabhängige Nachfragefunktion N1, N2 und N3 für die Güter X1, X2 und X3 aufweisen (vgl. Tab. III-1a).

138

III Nachfrage und Angebot auf Güter- und Arbeitsmärkten

Aufgrund der Daten der drei Haushalte lassen sich die folgenden drei Nachfragefunktionen der drei Haushalte auf einfache Weise ermitteln (vgl. Tab. III-1b). Aus der Tab. III-1b sind auch die unterschiedlichen Prohibitivpreise ersichtlich, die die jeweiligen Haushalte aufgrund ihrer unterschiedlichen preisabhängigen Nachfrage für Gut X zu zahlen bereit sind. Tabelle III-1a: Aggregation der individuellen preisabhängigen Nachfragefunktionen dreier Haushalte zur Marktnachfrage

Haushalt 1 P(X 1 ) X1 8,0 7,0 6,6 6,5 6,3 6,2 6,0 5,8 5,4 5,0 4,6 4,2 4,0 3,8 3,4 3,0 2,6 2,2 1,8 1,4 0

Haushalt 2 P(X2 ) X2 8,0 7,0 6,6 6,5 6,3 6,2 6,0 5,8 5,4 5,0 4,6 4,2 4,0 3,8 3,4 3,0 2,6 2,2 1,8 1,4 0

0 0,6 1,2 1,8 2,4 4,5

0 0,4 1,2 2,0 2,8 3,6 4,0 4,4 5,2 6,0 6,8 7,6 8,4 9,2 12

Haushalt 3 P(X 3 ) X3 8,0 7,0 6,6 6,5 6,3 6,2 6,0 5,8 5,4 5,0 4,6 4,2 4,0 3,8 3,4 3,0 2,6 2,2 1,8 1,4 0

0 1,0 1,4 1,5 1,7 1,8 2,0 2,2 2,6 3,0 3,4 3,8 4,0 4,2 4,6 5,0 5,4 5,8 6,2 6,6 8,0

Marktnachfrage P(XG) XG 8,0 7,0 6,6 6,5 6,3 6,2 6,0 5,8 5,4 5,0 4,6 4,2 4,0 3,8 3,4 3,0 2,6 2,2 1,8 1,4 0

0 1,0 1,4 1,5 1,7 1,8 2,0 2,6 3,8 5,0 6,2 7,4 8,0 8,6 9,8 11,0 12,8 14,6 16,4 18,2 24,5

Tabelle III-1b: Preisabhängige individuelle Nachfragefunktionen von drei Haushalten für Gut X Betrachteter NachfragePreisabhängiger Prohibitivpreis Haushalt funktion Nachfrageverlauf 3€ Haushalt 1 N1: X1 = 4,5 - 1,5 • P(X1) 6€ Haushalt 2 N2: X2 = 12,0 - 2,0 • P(X2) Haushalt 3

N3:

X3 = 8,0 - 1,0 • P(X3)

8€

1 Haushaltstheorie

139

Bei der Herleitung der Marktnachfragefunktion ist zu beachten, dass wegen unterschiedlicher Prohibitivpreise erst unterhalb bestimmter Preisniveaus die Nachfrage der einzelnen Haushalte in der Marktnachfrage wirksam wird. Wie sich die Marktnachfrage formal ergibt, ist aus der nachfolgenden Tabelle III-1c ersichtlich. Den höchsten Prohibitivpreis besitzt die Nachfragefunktion N3 des Haushalts 3 mit einem Prohibitivpreis von 8 €. Den zweithöchsten Prohibitivpreis weist die Nachfrage N2 des Haushalts 2 mit einem Prohibitivpreis von 6 € auf. Dann folgt schließlich die Nachfrage N1 des Haushalts 1 mit einem Prohibitivpreis von 3 €. Beginnend mit dem höchsten Prohibitivpreis von 8 € bis zum Prohibitivpreis von 6 € bestimmt ausschließlich Haushalt 3 die Marktnachfrage NG. Für Preise ab 6 € und tiefer bis zum Preis von 3 € ermitteln sich die Marktnachfrage NG über die Mengen von Haushalt 3 und Haushalt 2. Hierzu werden zu jedem gegebenen Preis die von den Haushalten 3 und 2 nachgefragten Mengen des Gutes X horizontal addiert (vgl. Abb. III-41). Formal ergibt sich die Marktnachfrage NG, indem jeweils die absoluten Glieder und die Steigungsparameter der beiden relevanten linearen Nachfragefunktionen N3 und N2 addiert werden (siehe Tab. III-1c). Für Preise unter 3 € ist schließlich noch die Nachfrage von Haushalt 1 zu berücksichtigen, so dass nun die Nachfragemengen N3, N2 und N1 aller drei Haushalte zu aggregieren sind. Formal sind nun jeweils die absoluten Glieder und die Steigungsparameter aller drei Nachfragefunktionen zu addieren (vgl. Tab. III-1c). Tabelle III-1c: Aggregierte Marktnachfragefunktion NG für das Gut X Teilbereich der aggregierten Marktnachfrage NG Oberster Teilabschnitt von NG

Horizontale Ingesamt nachgefragte Menge Aggregation XG ermittelt sich über die der individu- Addition der relevanten indiellen Nachfra- viduellen Nachfragefunktionen gefunktion der jeweiligen Haushalte N3:

Mittlerer Teilabschnitt von NG

N3 + N2:

Unterer Teilabschnitt von NG

N3 + N2 + N1:

XG = X3 = 8,0 - 1,0 • P(X) XG = X3+X2 = [8,0 - 1,0 • P(X)] + [12,0 - 2,0 • P(X)] = 20,0 - 3,0 • P(X) XG = X3 + X2 + X1 = [ 8,0 - 1,0 • P(X)] + [12,0 - 2,0 • P(X)] + [ 4,5 - 1,5 • P(X)] = 24,5 - 4,5 • P(X)]

Preisbereich P(X) (Angaben in €) 6 < P(X) ≤ 8

3 < P(X) ≤ 6

0 < P(X) ≤ 3

Wie sich auf Basis der Aggregation der drei individuellen Nachfragefunktionen die Marktnachfrage darstellt, ist aus Abb. III-41 ist ersichtlich (siehe die äußere Marktnachfragefunktion). Da die Nachfragefunktionen der einzelnen Haushalte unter-

140

III Nachfrage und Angebot auf Güter- und Arbeitsmärkten

schiedliche Prohibitivpreise aufweisen, besitzt die aggregierte Marktnachfragefunktion jeweils Knickstellen. Individuelle und aggregierte Marktnachfragefunktionen lassen sich allerdings nicht für alle Güter gleichermaßen konstruieren. Die stetig verlaufenden einzelwirtschaftlichen Nachfragefunktionen unterstellen, dass der Bedarf nach Gütern kontinuierlich zunimmt und die Nachfrage sich stetig verändert. Diese Annahmen sind bei langlebigen Konsumgütern (z. B. Fernsehgeräten, Computern) kaum gegeben. In diesen Fällen existieren daher in der Regel nur Marktnachfragefunktionen und keine einzelwirtschaftlichen Nachfragefunktionen. Zu beachten ist auch, dass – unabhängig vom Verlauf der individuellen Nachfragefunktionen – die Marktnachfragefunktion aufgrund der Aggregation von Nachfragefunktionen mit unterschiedlichen Prohibitivpreisen im Regelfall einen nichtlinearen Verlauf aufweist. Lineare Darstellungen der Marktnachfragefunktion lassen sich daher nur mit dem Aspekt der Vereinfachung rechtfertigen und gelten nur für Teilstücke im Sinne einer groben Approximation. Abbildung III-41: Aggregation der preisabhängigen Nachfragefunktionen dreier Haushalte zur Marktnachfrage

8

P(X) aggregierte Marktnachfrage NG

7 6 5 4

Die aggregierte Marktnachfrage NG für das Gut X ermittelt sich über eine horizontale Aggregation der drei preisabhängigen Nachfragefunktionen N1, N2 und N3 von drei Privaten Haushalten. Da die drei preisabhängigen Nachfragefunktionen unterschiedliche Prohibitivpreise aufweisen, zeigt die aggregierte Marktnachfrage immer dort, wo der Preis des Gutes X einen Prohibitivpreis unterschreitet, einen Knick auf.

3 2 1

N1

N3

N2

0

X

0 1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 12 13 14 15 16 17 18 19 20 21 22 23 24 25 26 -1

Verschiebungen (= Shifts) der Marktnachfragefunktion: Die preisabhängige Marktnachfragefunktion des Gutes X stellt den Einfluss von Preisveränderungen P(X) bei unveränderten Datenwerten sonstiger Einflussgrößen auf die aggregierte Nachfrage des Gutes X dar. Kommt es ausschließlich zu Preisänderungen P(X) des Gutes X, so führt dies zu einer Bewegung auf der Nachfragekurve (vgl. Abb. III-42a). Ändert sich bei unverändertem Preis P(X) die Marktnachfrage des Gutes X infolge von Datenänderungen der sonstigen Bestimmungsgrößen

1 Haushaltstheorie

141

des Nachfrageverhaltens (z. B. veränderte Preise anderer Güter Z, veränderte Einkommenssituation der Privaten Haushalte, veränderte Präferenzen der Haushalte für die verschiedenen Güter, veränderte sonstige Sondereinflüsse wie z. B. Altersstruktur der Bevölkerung, Klima, Wetterbedingungen etc.), so lösen diese Datenänderungen Verschiebungen der preisabhängigen Marktnachfragefunktion des Gutes X aus. In Abb. III-42b sind Datenänderungen angesprochen, die zu einer Rechtsverschiebung der preisabhängigen Marktnachfragefunktion führen. Zu jedem gegebenen Preis P(X) des Gutes X erhöht sich in Abb. III-42b aufgrund der Datenänderung die Menge des Gutes X, d. h. jedem gegebenen Preis P(X) auf der Ordinate wird jetzt eine höhere Menge des Gutes X auf der Abszisse zugeordnet. Damit kommt es formal zu einer Rechtsverschiebung der Marktnachfragekurve.97 Erhöht sich die Zahl der Marktteilnehmer, so verschiebt sich die Nachfragefunktion für Preise unterhalb des Prohibitivpreises soweit nach außen, wie beim jeweiligen Preis durch die zusätzlichen Nachfrager eine zusätzliche Nachfrage hervorgerufen wird. Abb. III-42 a: Bewegungen auf der Marktnachfragefunktion

Abb. III-42 b: Rechtsverschiebung der Markt A nachfragefunktion P(X)

P(X)

N1 N0 X Preisänderungen P(X) des Gutes X bei: - gegebenen Preisen anderer Güter - gegebenem Einkommen - Gegebenen Präferenzen der Güter - unveränderten sonstigen Einflussgrößen

97

X Rechtsverschiebung bei gegebenem Preis P(X) und folgenden Änderungen der Einflussgrößen der Nachfrage des Gutes X: - Einkommenserhöhung, falls (EXY > 0) - Einkommenssenkung, falls (EXY < 0) - Preissteigerung [-senkung] eines anderen Gutes Z, falls E X, P(Z) > 0 [E X, P(Z) < 0] - höhere Wertschätzung von Gut X - Anstieg der Anzahl der Haushalte, die Gut X nachfragen - Erwartung von Preissteigerungen P(X) in der Zukunft (Anmerkung: Linksverschiebung bei entgegengesetzter Änderung der Größen; je nach Situation ist die Verschiebung auch mit Knickstellen der Nachfragefunktion verbunden)

Eine Drehung z. B. im Punkt des Prohibitivpreises eines Gutes X bei veränderten Einflüssen anderer Größen würde bedeuten, dass die Einflussgrößen den Prohibitivpreis nicht ändern würden. Dies widerspricht aber der Annahme, dass es zu jedem gegebenen Preis zu einer Änderung der nachgefragten Menge kommt. Auch sei darauf hingewiesen, dass es sich um eine Drehung der Marktnachfrage im P(X)-X-Diagramm und nicht etwa – wie häufig missverständlich unterstellt – um eine Drehung oder Verschiebung der Budgetgerade im X-Z-Diagramm handelt(!).

142

III Nachfrage und Angebot auf Güter- und Arbeitsmärkten

Bei umgekehrten Datenänderungen treten entsprechend Linksverschiebungen der Marktnachfragefunktion ein. Die Verschiebungen der Marktnachfrage können von Knickstellen begleitet werden, wenn beispielsweise Datenänderungen die Marktnachfrage des Gutes X von Nachfragern mit unterschiedlichen Prohibitivpreisen des Gutes X verändern. Insgesamt bleibt festzuhalten, dass bei Datenänderungen einer Marktnachfragefunktion streng zwischen einer Bewegung auf der preisabhängigen Marktnachfragekurve und einer Verschiebung98 der preisabhängigen Marktnachfragekurve des Gutes X zu unterscheiden ist. In einer dynamischen Volkswirtschaft sind derartige Verschiebungen aufgrund der vielfältigen Dateneinflüsse häufig zu beobachten. Im Kapitel IV.2 wird unter Einbeziehung des Marktangebots für das Gut X beschrieben, welche Auswirkungen von diesen Verschiebungen auf den Gleichgewichtspreis und die Gleichgewichtsmenge des Gutes X ausgehen99. In Anbetracht der vielen Einflüsse auf die Marktnachfrage und auf das Marktangebot ist es nicht verwunderlich, dass die Gleichgewichtspreise und -mengen für ein Gut X (z. B. für Agrar-, Industrie- oder Dienstleistungsgüter) erheblichen Preis- und Mengenschwankungen unterliegen. Die nachfolgende Abb. III-43 fasst systematisch alle denkbaren Situationen zusammen, in denen es zu Verschiebungen der Marktnachfragekurve oder zu Bewegungen auf der Marktnachfragekurve des Gutes X oder des Gutes Z kommen kann. Die Abbildung macht zugleich deutlich, dass Verschiebungen der Marktnachfrage in einem bestimmten Diagramm (z. B. im P(X)-X-Diagramm bei Preisänderungen des Gutes Z) zugleich Bewegungen auf einer Nachfragekurve in einem anderen Diagramm (z. B. im P(X)-Z-Diagramm bei Preisänderungen des Gutes Z) bedeuten können. Dies sei im Folgenden nochmals im Gesamtüberblick erläutert: Ausgangspunkt bilden alle Einflüsse, die eine Änderung der Marktnachfrage des Gutes X bewirken können. Immer dann, wenn sich eine Größe ändert, die in den speziellen Diagrammen der Abb. III-43 nicht auf der Ordinate dargestellt ist, kommt es zu Verschiebungen der Marktnachfragekurve. Im Folgenden soll dies für die preisabhängige Marktnachfrage des Gutes X diskutiert werden (siehe Situation 1 in Abb. III-43): Steigt der Preis des Gutes X an, so kommt es zu Bewegungen auf der Marktnachfragekurve. Kommt es hingegen zu Preisänderungen der anderen Güter Z, zu Einkommensänderungen Y, zu einer veränderten Anzahl an Nachfragern oder zu Änderungen der sonstigen Einflüsse (z. B. Klimaveränderungen), so bewirken diese Än98

99

Grundsätzlich gilt: Immer dann, wenn sich in der graphischen Darstellung der preisabhängigen Nachfrage eine Variable ändert, die nicht an den Achsen der Darstellung erfasst ist, kommt es zu Verschiebungen der Nachfragefunktion. Ändert sich die Größe, die an der Ordinate einer betrachteten Nachfragefunktion abgetragen ist, so kommt es zu Bewegungen auf der jeweils dargestellten Nachfragekurve. Ändert sich hingegen eine Größe, die nicht an der Ordinate erfasst ist, so kommt es zu Verschiebungen der Nachfragefunktion. Unter einem Gleichgewichtspreis und einer Gleichgewichtsmenge wird der Preis verstanden, bei dem Angebot und Nachfrage einander entsprechen (vgl. die entsprechenden Ausführungen in Kap. IV).

1 Haushaltstheorie

143

derungen im P(X)-X-Diagramm eine Verschiebung der preisabhängigen Marktnachfragefunktion (siehe Situationen 2 bis 4 in Abb. III-43). Ob hierdurch eine Rechtsoder Linksverschiebung der Marktnachfragefunktion des Gutes X bewirkt wird, hängt von der jeweiligen Situation ab. Steigt z. B. der Preis eines Konkurrenzproduktes Z, kommt es im P(X)-X-Diagramm der Marktnachfragefunktion des Gutes X zu einer Rechtsverschiebung, wenn der Substitutionseffekt den entgegengesetzt wirkenden Einkommenseffekt übertrifft (siehe Situation 2 und 5 in Abb. III-43). Ist dies nicht der Fall, weil z. B. bei komplementären Gütern kein Substitutionseffekt auftritt, kommt es zu einer Linksverschiebung der Marktnachfragefunktion des Gutes X (siehe Situation 2 und 7 in Abb. III-43 für eine Preiserhöhung von Gut Z). Analoge Situationen gelten bei Einkommensänderungen: Einkommenserhöhungen haben eine Rechtsverschiebung der preisabhängigen Marktnachfragefunktion des Gutes X zur Folge (siehe Situation 3 und 6 in Abb. III-43). Eine Ausnahme entsteht bei Einkommensänderungen eines absolut inferioren Gutes: hier verschiebt sich die Marktnachfragefunktion des Gutes X bei Einkommenserhöhungen nach links (siehe Situation 3 und 8 in Abb. III-43). Abb. III-43: Bewegung auf der Marktnachfragekurve oder Verschiebungen P(X)

P(X)

1

X

∆XG = f

P(X)

2

P(X)

3

X

∆P(X),

X

∆P(Z),

∆Y,

P(Z)

X

∆U,

∆ Zahl HH

∆S

Y

5

6

X

X P(Z)

4

Y

7

X

8

X

Würden die Auswirkungen von Preisänderungen des Gutes Z nicht für die preisabhängige Marktnachfrage des Gutes X dargestellt (P(X)-X-Diagramm), sondern für

144

III Nachfrage und Angebot auf Güter- und Arbeitsmärkten

die Kreuzpreisnachfrage (P(Z)-X-Diagramm; vgl. die Situationen 5 und 7 der Abb. III-43), so käme es zu Bewegungen auf der Kreuzpreisnachfrage. Analoge Aussagen gelten für Einkommensänderungen bei Darstellung der Mengenänderungen des Gutes X für die einkommensabhängige Nachfrage (Y-X-Diagramm; vgl. die Situationen 6 und 8 der Abb. III-43). Schließlich verschiebt sich die Marktnachfragefunktion nach rechts (vgl. Situation 4 in Abb. III-43), wenn die Zahl der Haushalte steigt, die Präferenzen für das Gut X sich erhöhen oder sonstige Einflussgrößen die Nachfrage nach dem Gut X erhöhen. In allen umgekehrten Situationen entsteht analog eine Linksverschiebung der Marktnachfragefunktion. Bei allen Verschiebungen sei vereinfachend davon ausgegangen, dass es zu keinen Knickstellen in den Marktnachfragekurven kommt. Sprungstellen in den verschobenen Marktnachfragefunktionen sind deshalb zu erwarten, weil die verschiedenen Marktnachfrager unterschiedliche Prohibitivpreise bei der preisabhängigen Marktnachfrage des Gutes X aufweisen. In Übersicht III-16 sind abschließend einige Beispiele für Verschiebungen der Marktnachfragefunktion nach rechts oder links für das Gut X (PKW) dargestellt. Übersicht III-16: Einflussfaktoren der Verschiebung* der Marktnachfragekurve am Beispiel der PKW-Nachfrage 1. Durchschnittseinkommen: Mit steigendem Einkommen kaufen die Privaten Haushalte mehr PKW (RV).

2. Bevölkerungsanzahl:

Eine höhere Bevölkerungszahl führt zu mehr Autokäufen (RV).

3. Preise verwandter Güter: Höhere Benzinpreise können zumindest langfristig c. p. die Nachfrage nach Autos reduzieren (komplementär) bzw. günstige Tarife anderer Verkehrsmittel (substitutiv) können die PKW-Nachfrage zurückdrängen (jeweils LV). 4. Präferenzen:

Ein neues Auto wird zum Statussymbol (RV).

5. Spezielle Einflüsse:

Zunahme der Verkehrsstaus auf den Straßen oder Ausbau des öffentlichen Nahverkehrs senkt Nachfrage nach PKW (LV); Erwartung steigender Autopreise oder eine angekündigte Mehrwertsteuererhöhung erhöht Nachfrage (RV).

*Anmerkung: RV = Rechtsverschiebung der Nachfrage; LV = Linksverschiebung der Nachfrage

Vertiefungsaufgabe III-5: Wie lassen sich in Abb. III-43 die verschiedenen Bewegungen verstehen? Geben Sie jeweils ein Beispiel für die dargestellte Situation.

1 Haushaltstheorie

1.5

145

Zeitliches Konsumgleichgewicht des Haushalts

Bisher wurde die Frage untersucht, wie ein Haushalt ein für eine bestimmte Periode fest vorgegebenes Einkommen auf zwei Güter optimal aufteilt. Längerfristig ist zu fragen, wie der Haushalt das für mehrere Perioden erwartete Einkommen so auf den Konsum des Gutes X in den einzelnen Perioden aufteilt, dass der Nutzen über den gesamten Zeitraum maximal wird. Der Haushalt hat somit die Möglichkeit, in einzelnen Perioden mehr oder weniger als sein laufendes Einkommen Y für den Kauf des Gutes X auszugeben. Um die Analyse einfacher zu gestalten, wird angenommen, dass der Haushalt nur ein Gut X in den einzelnen Perioden nachfragt und dieses Gut in allen Perioden einen einheitlichen Preis P hat. Weiterhin wird vereinfachend von einer zweiperiodigen Betrachtung ausgegangen. Der Haushalt hat somit in den beiden Perioden zu entscheiden, inwieweit die Konsumausgaben der Periode von dem Einkommen abweichen sollen, wobei über den Gesamtzeitraum die Einnahmen den Ausgaben entsprechen müssen.100 Aus dieser Entscheidung ergibt sich, ob er in einer bestimmten Periode (t) eine positive Ersparnis (P(t) • X(t) < Y(t)), eine negative Ersparnis (P(t) • X(t) > Y(t)) (= Entsparen) oder keine Ersparnis (P(t) • X(t) = Y(t)) tätigen möchte. Die Ableitung des zeitlichen Konsumgleichgewichts des Haushalts soll im Folgenden in Analogie zu dem bisherigen Vorgehen der Nutzenanalyse über die Darstellung der Budgetgleichung des Haushalts, der Indifferenzkurven und der Optimalitätsbedingung schrittweise dargestellt werden. Budgetgleichung des Haushalts: Stellen X1 und X2 jeweils die Güternachfrage des Gutes (X) in den Perioden 1 bzw. 2 dar, für die in allen Perioden ein einheitlicher Preis (P) zu zahlen ist, und stellen Y1 und Y2 das jeweilige Einkommen der Perioden 1 bzw. 2 dar, so lautet die vom Haushalt einzuhaltende Budgetgleichung:

Budgetgleichung des Haushalts unter Beachtung eines Zinssatzes: Nun sei realistischerweise bei der Ableitung der Budgetmöglichkeiten des Haushalts unterstellt, dass der Haushalt beim Entsparen = Kreditaufnahme, d. h. für [Y(t) < X(t) • P(t)] Zinsen für den Kredit zu zahlen hat bzw. bei einer Ersparnisbildung, d. h. für [Y(t) > X(t) • P(t)] Zinsen auf die Ersparnis erhält; dabei sei vereinfachend ein einheitlicher Zins (r) für die Verzinsung der Ersparnisse bzw. 100

Wird eine Verzinsung berücksichtigt, so ist auf Barwerte der Einnahmen und Ausgaben abzustellen.

146

III Nachfrage und Angebot auf Güter- und Arbeitsmärkten

Verzinsung des aufgenommenen Kredits in beiden Perioden angenommen. Unter Beachtung des Zinses lautet die insgesamt einzuhaltende Budgetbedingung:

(Endwerte der Konsumausgaben = Endwerte der Einkommen) Die Gleichung (1.5 - 2a) lässt sich bei Division durch (1 + r) umformen zu:

(Barwerte der Konsumausgaben = Barwerte der Einkommen) Zur Ableitung der Steigung der Budgetgeraden (siehe Abb. III-44) sei von den Extremlösungen X1 = 0 bzw. X2 = 0 ausgegangen (Haushalt konsumiert nur in Periode 1 bzw. nur in Periode 2 und nimmt einen Kredit auf bzw. bildet eine Ersparnis): Abbildung III-44: Darstellung des zeitlichen Konsumgleichgewichts Nachfrage X 1 in Periode 1

Indifferenzkurve mit konstantem Nutzen bei Aufteilung des Einkommens zweier Perioden auf die Nachfrage nach Gut X in Periode 1 und in Periode 2

Y1 /P+(Y 2 /P)/(1+r) A (reales Periodeneinkommen: Y1 /P; Y2 /P)

Y1 /P S1 * /P > 0

Optimalpunkt

X1*

Budgetgerade

Y2 /P

Nachfrage X 2 in Periode 2

X2* S2 * /P < 0

(Y1 /P) • (1+r)+Y2 /P

1 Haushaltstheorie

147

Möchte der Haushalt die Realeinkommen Y1/P und Y2/P der beiden Perioden ausschließlich in der Periode 1 (d. h. X2 = 0) ausgeben, so wandelt sich die Budgetgleichung (1.5 - 2b) zur realen Güternachfrage X1 in Periode 1 um:

(Nachfrage nach X1 = Barwert der Realeinkommen) Anmerkung: Als Realeinkommen Y1/P bzw. Y2/P wird somit das mit dem Preis P deflationierte Nominaleinkommen der Perioden bezeichnet; das Realeinkommen gibt an, wie viele Güter der Haushalt von seinem Einkommen kaufen kann; es stellt also auf die Kaufkraft ab. Die Gleichung (1.5 - 3a) bedeutet, dass der Haushalt in Periode 1 maximal eine Menge X1 in Höhe des Realeinkommens der Periode 1 und des abgezinsten Realeinkommens der Periode 2 kaufen kann. Möchte der Haushalt das Realeinkommen der Periode 1 erst zusammen mit dem Realeinkommen der Periode 2 für den Kauf von X in Periode 2 verwenden, so kann er maximal folgende Menge X 2 kaufen (Umwandlung der Budgetgleichung (1.5- 2b) für X1= 0):

(Nachfrage X2 = Endwert der Realeinkommen beider Perioden) Damit ergibt sich für die Steigung (-dX1 / dX2) der Budgetgeraden aus der Relation von Gleichung (1.5 - 3a) und (1.5 - 3b):

Das Einkommen wächst aufgrund der Verzinsung von Periode 1 zu Periode 2 um den Zinsfaktor (1+r), so dass aufgrund der Budgetrestriktion der Konsum einer Gütereinheit X in Periode 2 um das (1+r)-fache höher liegt als in Periode 1. Anmerkung: Die Steigung dX1 / dX2 ist negativ; daher erhält der Ausdruck ein negatives Vorzeichen.

148

III Nachfrage und Angebot auf Güter- und Arbeitsmärkten

Indifferenzkurve des Haushalts: Die verschiedenen Indifferenzkurven des Haushalts stellen alle Kombinationen der Nachfrage nach X1 und X2 in den Perioden 1 und 2 dar, die dem Haushalt jeweils einen gleich hohen Nutzen stiften. Darüber hinaus sei angenommen, dass in den Perioden der Nutzen U mit zusätzlicher Nachfrage nach dem Gut X zwar insgesamt ansteigt, aber der Nutzenanstieg je zusätzlicher Gütereinheit abnimmt (positiver, aber sinkender Grenznutzen des Konsums in den Perioden). Damit hat die Indifferenzkurve in Analogie zu dem bisherigen Vorgehen das in Abbildung III-44 dargestellte Aussehen. Die Budgetgerade stellt die Konsummöglichkeiten in den beiden Perioden unter Berücksichtigung eines vorgegebenen Zinssatzes (r) dar; dabei wird von einem in beiden Perioden einheitlichen Preis des Gutes X ausgegangen; eine gleich hohe Veränderung des Preises in beiden Perioden, d. h. eine Realeinkommensänderung würde die Budgetgerade parallel verschieben (z. B. Preiserhöhung = Verschiebung nach innen). Lägen in den beiden Perioden unterschiedliche Preise vor, weil z. B. in Periode 2 mit Preissteigerungen gerechnet würde, so hätte dies eine Drehung101 der Budgetgerade im Punkt A nach innen zur Folge (analog zur Darstellung des Haushaltsoptimums der Nachfrage zweier Güter in einer Periode). Auf diese Weise lassen sich mit dem Instrumentarium auch veränderte Preiserwartungen im Zeitablauf darstellen (z. B. preisabhängige Nachfragefunktion des Gutes X bei Preissteigerungserwartungen in der nächsten Periode = spekulative Güternachfrage).

den Grenznutzen des Konsums des Gutes X in den Perioden 1 bzw. 2 dar, so gilt für die Steigung der Indifferenzkurve -dX1/dX2, d. h. für die Grenzrate der Substitution (Ableitung über das totale Differential analog zu Kapitel III.1.1.1):

Haushaltsoptimum: Im Haushaltsoptimum stimmen die Steigung der Budgetgeraden und die Steigung der Indifferenzkurve überein, so dass gilt:

101

Bei einer in beiden Perioden unterschiedlichen Preissteigerungserwartung wären die Preise (P) in den Formeln zur Berechnung des maximalen Budgets in Periode 1 (Ordinate) bzw. in Periode 2 (Abszisse) durch den Preis P 1 bzw. P2 zu ersetzen. Dies bedeutet z. B., dass bei ausschließlichen Preissteigerungserwartungen (Preissenkungserwartungen) in der Periode 2 die Budgetgerade sich im Drehpunkt A nach innen (außen) drehen würde.

1 Haushaltstheorie

149

Hieraus folgt:

Im Optimum entspricht somit das Verhältnis des Grenznutzens des Konsums des Gutes X in Periode 1 (X1*) und des Grenznutzens des Konsums des Gutes X in Periode 2 (X2 *) dem Zinsfaktor (1 + r) (vgl. Abb. III-44 und Gl. 1.5-5b). Der Haushalt wird also nur dann in der ersten Periode seinen Konsum ausweiten, wenn der Grenznutzen des Konsums in dieser Periode 1 um mehr als den Zinsfaktor (= Opportunitätskosten des Konsums in dieser Periode im Vergleich zur nächsten Periode) höher ist als der Grenznutzen des Konsums in Periode 2 (vgl. Gl. 1.5-5c). In Abb. III-44 sind die Realeinkommen Y1/P und Y2/P in den jeweiligen Perioden so angenommen worden, dass das Realeinkommen der Periode 1 (Y1/P) höher ausfällt als der optimale Konsum X1* und das Realeinkommen der Periode 2 (Y2/P) niedriger ausfällt als der optimale Konsum X2*. Damit spart der Haushalt in der Periode 1 in Höhe der Realersparnis S1*/P = Y1/P - X1* und entspart in Periode 2 in Höhe von S2*/P = Y2/P – X2*. Wie verändert sich nun das Optimum bei verändertem Zins, z. B. bei einer Steigerung des Zinses von r auf r‘? Ein steigender Zins bedeutet formal eine Drehung der Budgetgeraden im Punkt (Y1/P; Y2/P),102 so dass diese flacher verläuft (siehe nachfolgende Abb. III-45). Steigt der Zins und dreht sich die Budgetgerade, so ist die ursprüngliche Optimalbedingung verletzt. Der Grenznutzen des Konsums des Gutes 1 übertrifft den Grenznutzen des Konsums in Periode 2 nun um weniger als den Zinsfaktor. Die Optimalbedingung kann aber aufgrund der Annahmen des sinkenden Grenznutzens des Konsums in einer Periode dadurch erreicht werden, dass der Haushalt den Konsum X1* in Periode 1 auf X1** verringert und in Periode 2 auf X2** ausweitet. Steigende Zinsen führen daher in diesem Beispiel in Periode 1 zu einer Einschränkung des Konsums X1 und zu einer Ausweitung der Ersparnis von S1*/p auf S1**/P in der Periode 1; entsprechend nimmt das Entsparen in Periode 2 von S2*/p auf S2**/p zu.

102

Die Drehung erfolgt im Punkt (Y1/P; Y2/P), da hier in den jeweiligen Perioden der Konsum dem Einkommen entspricht, d. h. die Ersparnis S = 0 wäre. An diesem Punkt hat die Höhe des Zinses somit keinen Einfluss auf die Budgetgerade, d. h. dieser Punkt der Budgetgerade bleibt bei Zinsvariationen erhalten.

150

III Nachfrage und Angebot auf Güter- und Arbeitsmärkten

Abbildung III-45: Zeitliches Konsumgleichgewicht bei Zinsvariation X1 in Periode 1 Y1 /P + (Y 2/P)/(1+r) Erhöhung des Zinses von r auf r‘ bewirkt Drehung der Budgetgeraden im Punkt (Y 1 /P; Y 2 /P)

Y1 /P + (Y 2 /P)/(1+r‘) Y 1 /P

S1 * /P S1 ** /P

X1* X1 **

Y2 /P X2* * S2 /P < 0 Zins

r‘

S2

X2 **

X2 in Periode 2

(Y1 /P) • (1+r) + Y 2 /P ** /P
1) sind gegeben, wenn der Ertrag um mehr als das k-fache, d. h. überproportional wächst (z. B.: Inputverdoppelung führt zu einer Verdreifachung des Outputs); Gründe hierfür können z. B. sein: geringerer Materialaufwand bei großdimensionierten Maschinen (z. B. sogenannte „2 zu 3-Regel“; siehe hierzu die Ausführungen im Anhang), wonach der Materialaufwand für zylindrische Produktionskapazitäten in der zweiten, das Volumen in der dritten Potenz wächst130 (Hochöfen, Schiffe, Pipelines etc.); 129

130

Die Skalenelastizität beschreibt das Verhältnis von relativer Output- zu relativer Inputänderung. Produktionsfunktionen mit konstanter Skalenelastizität werden als homogene Produktionsfunktionen bezeichnet. Es lässt sich zeigen, dass über die Skalenelastizität (SKE) der Output wie folgt über die Anzahl der Faktorpakete beschrieben werden kann: (X = SKE). Damit gilt: ( X/X) / ( / ) = SKE; (vgl. zur Vorgehensweise die analoge Darstellung zur isoelastischen Nachfragefunktion (Potenzfunktion) in der Haushaltstheorie und die dort angeführte Ableitung der Preiselastizität der Nachfrage). Dabei wird allerdings unterstellt, dass das höhere Volumen nur zu einem flächenbedingten Mehraufwand an Material führt, die größere Fläche allerdings keine größere Dicke des Materials erfordert (Container wachsen nur flächenmäßig, nicht aber in der Wandstärke). Zu näheren Einzelheiten der 2-3-Regel siehe die entsprechenden Ausführungen unter A4 im Anhang, Teil A.

187

2 Unternehmenstheorie

eine bessere Teilbarkeit der Produktionsfaktoren in großbetrieblichen Produktionsprozessen; besteht diese Teilbarkeit nicht, so entstehen hohe Fixkosten je Produkteinheit; eine bessere Teilbarkeit kann also eine hohe Fixkostendegression bewirken; eine Unteilbarkeit von Produktionsfaktoren und Vorprodukten kann z. B. beim Bau von Großgeneratoren, Schiffen, Flugzeugen etc. auftreten; die Möglichkeit einer stärkeren Spezialisierung der Arbeitsprozesse; zu denken ist u. a. an die Verbesserung der innerbetrieblichen Arbeitsteilung und Organisation, z. B. durch die Umstrukturierung von Absatz, Beschaffung, Vertrieb etc.; Lerneffekte, z. B. 80%ige-Lernkurve in der Airbus-Produktion. Bei jeder Verdoppelung der Ausbringung sinkt der durchschnittliche Arbeitsinput um 20% auf 80% des vorangegangenen Arbeitsinputs je Stück. Sinkende Skalenerträge (SKE < 1) liegen vor, wenn der Output um weniger als das k-fache, d. h. unterproportional wächst. Gründe hierfür können z. B. sein: Koordinierungs- und Kontrollprobleme; der Verwaltungsaufwand kann infolge unüberschaubarer Dimensionen überproportional steigen; die zunehmende Betriebsgröße kann große, inflexible Bürokratien in Unternehmen zur Folge haben; Flexibilitätsprobleme, da die Anpassung an veränderte Produkte bei großvolumiger Produktion mit hohen Rüst- und Anpassungskosten einhergehen kann; großvolumige Produktion kann zur Entfremdung der Arbeitswelt und Motivationsproblemen bei Mitarbeitern führen. Abbildung III-59: Arten von Skalenerträgen Output X

steigende Skalenerträge (SKE > 1)

konstante Skalenerträge (SKE = 1)

sinkende Skalenerträge (SKE < 1)

Zahl der Faktorpakete

188

2.4

III Nachfrage und Angebot auf Güter- und Arbeitsmärkten

Minimalkostenkombination

Liegt eine substitutionale Produktionsfunktion vor und kann die Unternehmung noch über das Faktoreinsatzverhältnis entscheiden (totale Faktorvariation, z. B. bei Neugründung oder Erweiterung der Unternehmung), so stellt sich die Frage, in welchem Verhältnis die Produktionsfaktoren bei vorgegebenen Faktorpreisen eingesetzt werden, damit die Unternehmung mit minimalen Kosten produzieren kann (Minimalkostenkombination). Formal lässt sich dieses Problem über die Ableitung einer sogenannten Isokostenlinie und die Einbeziehung der Isoquante lösen. Die Isokostenlinie stellt – bei fest vorgegebenen Faktorpreisen q1, q2 der Faktoren v1, v2 – alle Kombinationen von Faktoreinsatzmengen dar, die einen konstanten Kostenbetrag K verursachen, so dass gilt: (mit q1, q2 = vorgegebene Faktorpreise der Faktoren v1 und v2) Da die Faktorpreise vorgegeben sind, stellt die Isokostenlinie – analog zur Budgetlinie in der Haushaltstheorie – eine Gerade dar. Je weiter außen die Kostengeraden K0, K1, K2 verlaufen, desto höher ist jeweils das Kostenniveau (siehe Abb. III-60).

Abbildung III-60: Schar von Isokostenlinien

v1 parallel verlaufende Isokostenlinien für verschiedene Kostenhöhen K0 < K1 < K2

v1 = K 1 /q 1 K0

K1

K2 v2

v 2 = K 1 /q 2 Die Isokostenlinie besitzt eine Steigung (dv1/dv2), die dem Verhältnis der Faktorpreise q2/q1 entspricht; dies bedeutet also: sollen die Faktoren v1 (z. B. Arbeit) und v2 (z. B. Kapital) gegeneinander ausgetauscht werden, dann bleiben die Kosten für den gesamten Faktoreinsatz nur dann konstant, wenn das Austauschverhältnis der Fakto-

2 Unternehmenstheorie

189

ren dem Kehrwert des Preisverhältnisses dieser Faktoren entspricht. Inhaltlich lässt sich diese Bedingung wie folgt erklären: Soll der Einsatz eines Faktors (z. B. v2) um eine Einheit erhöht werden, so steigen die Kosten zunächst um den Faktorpreis von v2, d. h. um q2 an. Damit die Kosten konstant bleiben, d. h. eine Bewegung auf der Isokostenlinie erfolgt, muss der Einsatz des anderen Faktors v1 vermindert werden. In welcher Menge der Einsatz des Faktors v1 zu reduzieren ist, hängt vom Faktorpreisverhältnis ab: Ist der Faktorpreis q1 genauso hoch wie der Faktorpreis q2, so muss die Faktormenge v1 um eine Einheit reduziert werden, um den Kostenanstieg einer zusätzlichen Einheit von Faktor v2 auszugleichen. Ist der Faktorpreis q1 aber nur halb so hoch wie der Faktorpreis von q2, so bleiben die Kosten nur dann konstant, wenn der Faktor v1 doppelt so stark abnimmt, wie der Faktor v2 erhöht wird. Aus diesem Beispiel wird deutlich: auf der Isokostenlinie entspricht die mit einem Minuszeichen versehene Austauschbeziehung von v1 zu v2 (d. h. die Steigung der Isokostenlinie) dem Kehrwert der Faktorpreisrelation, also q2/q1. Formal lässt sich diese Bedingung durch Auflösung der Kostengleichung nach dem Faktor v1 und Differenzierung nach v2 ableiten; sie lässt sich aber auch unmittelbar über die Schnittpunkte der Kostengeraden mit den Achsen des Koordinatensystems ermitteln: Ist der Einsatz von v2 = 0, so gilt: v1= K/q1; ist der Einsatz von v1 = 0 so gilt: v2= K/q2. Damit gilt für die Steigung der Kostengeraden:

Die (mit einem Minuszeichen versehene) Steigung der Isokostenlinie (dv1/dv2) wird somit durch das Verhältnis der Faktorpreise (q2/q1) bestimmt (Anmerkung: Kehrwert von Faktormengen und Faktorpreisen beachten). Wo liegt nun für eine beliebig vorgegebene Produktionsmenge die Minimalkostenkombination? Zur Beantwortung dieser Frage werden Isokostenlinie und Isoquante gemeinsam betrachtet (siehe Abb. III-61). Soll z. B. die Gütermenge X2 produziert werden, so liegt die Minimalkostenkombination dort, wo die Isokostenlinie die Isoquante tangiert. Dies ist im Punkt A der Fall; die kostenminimierenden Faktoreinsatzmengen betragen hier v1* und v2*. Weiter außen liegende Isokostenlinien, die die Isoquante X2 schneiden, würden zwar ebenfalls Faktoreinsatzmengen widerspiegeln, die die Produktionsmenge X2 ermöglichten. Sie wären allerdings mit höheren Kosten verbunden (je weiter außen die Isokostenlinie verläuft, desto höher sind die Kosten). Nur dort, wo die Isokostengerade die Isoquante berührt (tangiert), liegt eine Faktorkombination, die eine Produktion X2 zu minimalen Kosten ermöglicht.

190

III Nachfrage und Angebot auf Güter- und Arbeitsmärkten

Abb. III-61: Ableitung der Minimalkostenkombination v1 X2 X1

mit: X0 < X1 < X2

X0 Minimalkostenkombination v1*

A (Produktionsmenge X2 sei vorgegeben)

v2*

v2

Dies bedeutet formal: Die Minimalkostenkombination liegt für eine bestimmte Produktionsmenge X genau an dem Punkt auf der Isoquante, wo das Verhältnis der Grenzerträge der Faktoren (Steigung der Isoquante) dem Preisverhältnis der Faktoren (Steigung der Isokostenlinie) entspricht. Es muss also gelten: oder umgeformt: Dies bedeutet: kostenminimale Faktorkombinationen liegen dann vor, wenn eine zusätzliche Geldeinheit (Faktorpreis) derart für die beiden Faktoren verwandt wird, dass der Grenzertrag des zuletzt eingesetzten Euros (besser: des zuletzt eingesetzten Cents), in beiden Faktorverwendungen gleich hoch ist. Nicht der Grenzertrag der Faktoren, sondern der Grenzertrag des Geldes, das für den Einsatz der beiden Faktoren in der Produktion von Gut X jeweils ausgegeben wird, muss ausgeglichen sein. Aus den Bedingungen für die Minimalkostenkombination folgt, dass bei Preisänderungen der Faktoren sich auch das optimale Faktoreinsatzverhältnis verändert. Formal bedeutet dies die Drehung der Isokostenlinie. Wird z. B. der Faktor Arbeit bei unveränderter Technologie131 teurer, so ist das Grenzproduktivitätsverhältnis der Faktoren (Arbeit zu Kapital) nun plötzlich kleiner als das Preisverhältnis der Faktoren (d. h. die Optimalitätsbedingung ist verletzt). Damit die Minimalkostenkombina131

Eine unveränderte Technologie bedeutet einen unveränderten Verlauf der Isoquante, d. h. konstante Grenzproduktivitäten der Faktoren bei gegebenem Faktoreinsatz.

2 Unternehmenstheorie

191

tion wieder hergestellt wird, muss die Grenzproduktivität der Arbeit im Vergleich zur Grenzproduktivität des Kapitals ansteigen. Dies ist aber aufgrund der Annahmen der Grenzproduktivitätsentwicklung der Faktoren nur dann möglich, wenn vom Faktor Arbeit weniger und vom Faktor Kapital mehr eingesetzt wird. Eine Erhöhung der Entlohnung des Faktors Arbeit führt daher bei unveränderter Technologie zu einer Verminderung des Arbeitseinsatzes und einer Erhöhung des Kapitaleinsatzes. Soll also der Arbeitseinsatz nicht durch Kapital ersetzt werden, so dürfen die Löhne nur in dem Ausmaß steigen, wie durch technologischen Fortschritt auch die Grenzproduktivität der Arbeit im Vergleich zur Grenzproduktivität des Kapitals zunimmt (vgl. Kap. III.2.6, Arbeitsnachfrage). Vertiefungsaufgabe III-11: 1. Erläutern und interpretieren Sie den Begriff der „Minimalkostenkombination der Produktion“ (MKK)! 2. Erläutern Sie, wie die Bedingung der MKK Substitutionsprozesse zwischen den Produktionsfaktoren Arbeit und Kapital erklären kann! Gehen Sie bei dieser Darstellung c. p. davon aus, dass sich entweder der Faktor Arbeit verteuert oder sich die Produktivität des Kapitals durch technologischen Fortschritt erhöht!

Aufgabe III-27: Ein für die Bundesrepublik Deutschland repräsentatives Unternehmen will die Produktionskosten für die Jahresproduktion in Höhe von X =1000 Mengeneinheiten minimieren. Die Lohnkosten des Unternehmens je Arbeitskraft/Jahr bzw. die Kapitalkosten je eingesetzter Kapitaleinheit/Jahr betragen je 60.000 €/Jahr. Die Produktionsfunktion laute: (mit vA= eingesetzte Arbeitskräfte/Jahr; vK= eingesetztes Kapital/Jahr) a) Erläutern Sie unter Verwendung der Bedingung für eine Minimalkostenkombination, welche Faktorkombination zu minimalen Produktionskosten führt! (Hinweis: Die Begründung für die optimalen Faktoreinsatzmengen sollte über die Bedingung für die Minimalkostenkombination und nicht über die Berechnung der Kosten bei verschiedenen Faktoreinsatzmengen erfolgen!) b) Wie ändern sich die optimalen Faktoreinsatzmengen, wenn die Lohnkosten je Arbeitskraft auf 120.000 € ansteigen?

2.5

Kurzfristige bzw. langfristige Angebots-/ Kostenfunktion (Dualität)

Der Begriff der Angebotsfunktion beschreibt die zielmaximierenden (i. d. R. gewinnmaximalen) Produktionsmengen des Gutes X, die von der Unternehmung bei alternativen Güterpreisen angeboten werden. Je nach Marktform sind dabei die Güterpreise für die Unternehmung fest vorgegeben oder variabel. Wird im Folgenden zunächst von einem für die Unternehmung fest vorgegebenen Güterpreis ausgegangen, so impliziert dies, dass auf dem betrachteten Gütermarkt viele kleine Unternehmen existieren, deren individuelle Mengenentscheidungen jeweils keinen spürbaren Einfluss auf die Gesamtmenge und damit den Marktpreis haben. Zudem wird

192

III Nachfrage und Angebot auf Güter- und Arbeitsmärkten

von den - später noch näher zu erläuternden - Bedingungen eines vollkommenen Marktes ausgegangen, die für ein kleines Unternehmen keine Preisvariation zulassen (Marktform des homogenen Polypols). Diese Annahmen sind zwar häufig nicht sehr realistisch132, stellen aber eine theoretische Ausgangssituation dar, an der sich andere Marktergebnisse mit realistischeren Annahmen messen lassen. Sofern die dieser Marktform zugrunde liegenden Bedingungen eines vollkommenen Marktes oder einer hohen Zahl von Marktteilnehmern aufgehoben werden, können Unternehmen vollständig oder eingeschränkt aktive Preispolitik betreiben (Marktformen des Monopols, des Oligopols oder des monopolistischen Wettbewerbs, die in Kapitel IV näher erläutert werden). Bei der Angebotsplanung sind kurz- und langfristige Angebotsfunktionen zu unterscheiden, wobei der Begriff „kurz- oder langfristig“ nicht durch eine spezielle Zeitvorgabe definiert ist, sondern analytisch zu verstehen ist: Die kurzfristige Angebotsfunktion beschreibt das gewinnmaximale Güterangebot in Abhängigkeit vom Güterpreis, wenn bei der Produktion nur ein Produktionsfaktor variiert werden kann, während die restlichen Produktionsfaktoren fest vorgegeben sind (Angebotsplanung bei partieller Faktorvariation)133. Sobald auch die fest vorgegebenen Faktoren variiert und entsprechend der Minimalkostenkombination optimal an die Produktion oder die erwartete Produktion angepasst werden (totale Faktorvariation), wird von einer langfristigen Angebotsplanung gesprochen. Dabei hängt der Zeithorizont, innerhalb dessen die fixen Faktoren wieder variabel werden, insbesondere von der technischen oder ökonomischen Lebensdauer der Anlagegüter ab. So kann z. B. in einem Kraftwerk das eingesetzte Realkapital (Generatoren, Bauwerke etc.) über einen längeren Zeitraum technisch oder ökonomisch vorgegeben sein, während ein kleineres Unternehmen der Dienstleistungsbranche den Einsatz seiner Produktionsfaktoren kurzfristig flexibel gestalten kann (Anschaffung neuer PCs, vorübergehende Einstellung von Arbeitskräften etc.). Da bei gewinnmaximalem Verhalten die optimalen Angebotsmengen entscheidend durch die Kostensituation geprägt werden, sollen vor der Ableitung der Angebotsfunktion zunächst verschiedene Kostenbegriffe diskutiert werden.

2.5.1 Kostenarten und Kostenverläufe Kosten sind betriebswirtschaftlich allgemein definiert als bewerteter Verzehr von Produktionsfaktoren und Dienstleistungen (einschließlich der öffentlichen Abgaben und Steuern), 132

133

Durch die Digitalisierung der Wirtschaft hat der Realitätsgehalt der Annahmen aber zugenommen, da die verbesserten Kommunikationssysteme die Markttransparenz und die Reaktionsgeschwindigkeit erhöhen können (sofern der Benutzer überhaupt die Datenflut informationstechnisch bewältigen kann). Dementsprechend führt der variabel einsetzbare Faktor im Rahmen der noch darzustellenden Kostentheorie zu variablen Kosten, während der fix vorgegebene Faktor Fixkosten hervorruft.

2 Unternehmenstheorie

193

der zur Erstellung und zum Absatz betrieblicher Leistungen sowie zur Aufrechterhaltung der Betriebsbereitschaft (Kapazität) erforderlich ist. Als Bewertungsmaßstab kommen je nach eingesetzten Gütern und Faktoren u. a. Anschaffungs-, Wiederbeschaffungs-, Tages-, Durchschnitts- oder Verrechnungspreise in Betracht. Wie sich die Kosten bei einer Ausweitung der Produktionsmenge und konstanten Faktorpreisen verändern, wird durch die sogenannte Kostenfunktion K(X) beschrieben. Sie stellt das Spiegelbild der Produktionsfunktion dar, da die produktionstheoretischen Bedingungen sich in einem entsprechenden Faktorverzehr und damit - bei konstanten Faktorpreisen - in einer entsprechenden Kostenveränderung äußern. Liegen z. B. sinkende Grenzerträge des eingesetzten Faktors bei partieller Faktorvariation vor, so muss je zusätzlich produzierter Mengeneinheit ein überproportional hoher Faktoreinsatz aufgebracht werden; die Kosten je Produkteinheit steigen somit überproportional an. Diese Spiegelbildlichkeit von Produktionsund Kostentheorie bei gegebenen Faktorpreisen wird auch als Dualität bezeichnet. Analog zur Unterscheidung zwischen kurz- und langfristiger Angebotsfunktion wird auch zwischen kurz- und langfristiger Kostenfunktion unterschieden. Die Aufstellung und Überprüfung allgemeiner Kostenaussagen, die Ableitung von Kostenfunktionen und die Analyse der einzelnen Kosteneinflussgrößen ist Gegenstand der betriebswirtschaftlichen Kostentheorie. Auf eine ausführliche Darstellung kann daher an dieser Stelle verzichtet werden. Im Folgenden soll lediglich kurz ein Überblick über die unterschiedlichen Kostenbegriffe und Kostenfunktionen gegeben werden. Kostenbegriffe: Fixkosten, variable Kosten: Fixkosten stellen den Teil der Kosten dar, die unabhängig von der Produktionsmenge in konstanter Höhe anfallen (z. B. Mieten, Zinsen); demgegenüber variieren die variablen Kosten mit der Änderung des Outputs (z. B. betriebliche Rohstoffund Materialkosten, Arbeitskosten etc.). Die Fixkosten können nach absolut fixen und sprungfixen Kostenverläufen unterschieden werden: Absolut fixe Kostenverläufe liegen vor, wenn die Kosten bei Variation der Ausbringungsmenge stets gleich hoch bleiben. Sprungfixe Kosten sind gegeben, wenn die Kosten ab einer bestimmten Ausbringungsmenge sprunghaft ansteigen und dann konstant bleiben (z. B. Anmietung eines weiteren Gebäudes, weil das bisherige zu klein geworden ist). Der Übergang zwischen fixen und variablen Kosten ist allerdings fließend. Beispielsweise stellen Löhne zwar variable Kosten dar, innerhalb der tarif- oder arbeitsvertraglichen Fristen sind sie aber fix, da Kündigungsfristen einzuhalten sind und auch für die Kündigungszeit Lohn zu zahlen ist.

194

III Nachfrage und Angebot auf Güter- und Arbeitsmärkten

Totale Stückkosten, variable Stückkosten, Grenzkosten: Die totalen Stückkosten (Durchschnittskosten DK(X)) geben die auf eine Produkteinheit entfallenden Kosten an und lassen sich differenzieren in anteilige Fixkosten sowie variable Stückkosten (variable Durchschnittskosten DVK(X)). Die Grenzkosten K’(X) bezeichnen die Änderung der Gesamtkosten bei Erhöhung der Outputmenge um eine Einheit an der Stelle X. Grenzkosten stellen mathematisch die erste Ableitung der Gesamtkosten nach der Produktionsmenge, d. h. die Steigung der Gesamtkosten bei der betrachteten Produktionsmenge dar. Auch wenn sich die Quantifizierung der Grenzkosten im Alltag häufig als schwierig erweisen dürfte, kommt dem Begriff der Grenzkosten gedanklich eine zentrale Bedeutung bei der Optimierung der Produktionsmenge zu. Denn jede nach Gewinnmaximierung strebende Unternehmung wird neben den zusätzlichen Erlösen je Produkteinheit (Grenzerlöse) auch die zusätzlich entstehenden Kosten, d. h. die Grenzkosten in den Mittelpunkt der Optimierungsstrategie stellen. Die Gesamtkosten K(X) ergeben sich aus dem bewerteten Faktorverzehr aller eingesetzten Faktoren. Die nachfolgende Übersicht III-22 verdeutlicht, wie sich die Gesamtkosten durch den Einsatz der Produktionsfaktoren und der Vorleistungen ableiten lassen. Mikroökonomisch von Interesse ist schließlich die Frage, welche Kostengrößen durch unternehmerische Entscheidungen überhaupt direkt beeinflussbar sind: Übersicht III-22: Kostenkomponenten Produktionsfaktoren

Selbständige Arbeit

Unselbständige Arbeit

Sachmittel (Kapital)

Technologie (Patente, Lizenzen)

Unternehmerlohn

Arbeitskosten

Zinskosten bei Fremdfinanzierung

Abschreibungskosten (u. a. zur Finanzierung von F&E oder von Investitionen)

Externe Dienstleistungen und materielle Güter

extern Fremdkosten

Vorleistungskosten

Faktorkosten Gesamtkosten

Die beeinflussbaren Kostengrößen können durch betriebliche Entscheidungen gestaltet werden, z. B. durch Veränderungen des Produktionsprogramms, des Produktionsablaufs, der Quantität und Qualität der eingesetzten Produktionsfaktoren (Ar-

2 Unternehmenstheorie

195

beit, Kapital, technischer Fortschritt), der Betriebsgröße bis hin zur Standortverlagerung. Die nicht beeinflussbaren Kostengrößen stellen für die Unternehmung zumindest innerhalb eines bestimmten Zeithorizonts eine fest vorgegebene Größe dar; Beispiele sind u. a. Unternehmensteuern, Teile der Kapitalkosten (z. B. Zinsen für Fremdkapital), Importkosten (z. B. für Rohstoffe). Im Zentrum der unternehmerischen Entscheidungen stehen naturgemäß die beeinflussbaren Kostengrößen. Verlauf der Kostenfunktionen bei partieller oder totaler Faktorvariation: Die Verläufe der Kostenfunktionen und der hieraus abgeleiteten variablen und totalen Stückkosten sowie der Grenzkosten hängen insbesondere von der Art der Faktorvariation auf der Produktionsebene ab. Hier ist zwischen partieller und totaler Faktorvariation zu unterscheiden. Kostenfunktion bei partieller Faktorvariation (kurzfristige Kostenfunktionen): Nachfolgend sollen zunächst die Auswirkungen der partiellen Faktorvariation auf den Kostenverlauf untersucht werden, wobei das „Klassische Ertragsgesetz“ zugrunde gelegt wird. Die sich hieraus ergebenden kubischen Kostenfunktionen weisen U-förmig verlaufende variable Stückkosten und Grenzkosten auf. Wird demgegenüber das „Einfache Ertragsgesetz“ unterstellt, ergeben sich quadratische Kostenfunktionen mit U-förmig verlaufenden totalen Stückkosten, aber linear verlaufenden variablen Stückkosten und linearen Grenzkosten. Aus der ertragsgesetzlichen Produktionsfunktion (Klassisches Ertragsgesetz) ergibt sich spiegelbildlich zu ihr ein typischer S-förmiger (kubischer) Verlauf der Gesamtkostenfunktion (siehe Abb. III-62): Zunächst steigen die Kosten nur degressiv, ab dem Wendepunkt dann progressiv. Da die Grenzkostenfunktion die Steigung der Gesamtkostenfunktion darstellt (mathematisch: erste Ableitung der Kostenfunktion), ist dies gleichbedeutend mit zunächst sinkenden und dann steigenden Grenzkosten. Im Wendepunkt (A) der Gesamtkostenfunktion liegen daher die minimalen Grenzkosten. Der Punkt A der Ertragskurve korrespondiert mit dem Punkt A der Kostenkurve. Wird die Produktion ausgedehnt, so steigen die Grenzkosten zwar weiter an, sie sind zunächst aber noch niedriger als die Durchschnittskosten; erst im Punkt B entsprechen sich Grenz- und Durchschnittskosten; bei einer weiteren Produktionsausweitung übersteigen schließlich die Grenzkosten die Durchschnittskosten, so dass nun auch die Durchschnittskosten ansteigen. Damit weisen die Durchschnittskosten im Punkt B der Kostenfunktion ihr Minimum auf. Der typische, erst abnehmende, dann zunehmende Verlauf der Grenzkosten bei steigender Produktionsmenge folgt aus den Annahmen des klassischen Ertragsgesetzes (zunächst steigende, dann sinkende Grenzproduktivitäten der Faktoren bei partieller Faktorvariation).

196

III Nachfrage und Angebot auf Güter- und Arbeitsmärkten

Abb. III-62: Vom klassischen Ertragsgesetz zur kubischen Kostenfunktion K(X)

X Klassisches Ertragsgesetz 1)

Wendepunkt A

B

A

K(X) VK(X)

1) Verlauf

zeigt sich spiegelbildlich in Kostenfunktion

FK

Faktoreinsatz v i X Erläuterungen: K(X) = Gesamtkosten FK = Fixkosten VK(X) = Variable Kosten K‘(X) = Grenzkosten DK(X) = totale Stückkosten*) DVK(X) = variable Stückkosten**) BM = Betriebsminimum BO = Betriebsoptimum *) häufig auch als k(x) bezeichnet; **) häufig auch als kv(x) bezeichnet

K‘(X), DK(X), DVK(X)

K‘(X) DK(X)

DVK K‘(X)Min

BM BO

X

Unterliegt die Produktionsfunktion dem klassischen Ertragsgesetz, so verlaufen die totalen und variablen Stückkosten U-förmig; die anteiligen Fixkosten je Produktionseinheit nehmen jedoch durchgehend ab (Fixkostendegression). Das Minimum der totalen Durchschnittskosten wird auch als Betriebsoptimum bezeichnet, weil ein Unternehmen hier mit den geringsten Kosten je Einheit produziert. Das Minimum der variablen Stückkosten wird als Betriebsminimum bezeichnet (vgl. Abb. III-62). Hinweis 1: Für eine betrachtete Produktionsmenge X lassen sich die anteiligen Fixkosten und die totalen bzw. variablen Durchschnittskosten graphisch wie folgt über einen Fahrstrahl darstellen: bei den anteiligen Fixkosten wird der Fahrstrahl aus dem Ursprung der Kostenfunktion bis zur Höhe der vorgegebenen Fixkosten an der Produktionsstelle X geführt; bei den totalen (bzw. variablen) Durchschnittskosten wird der Fahrstrahl aus dem Ursprung (bzw. aus dem um die Fixkosten nach oben verschobenen Ursprung der Kostenfunktion) an den Punkt der totalen Kosten K(X) geführt. Der Tangens des Winkels des Fahrstrahls stellt für die verschiedenen Kostenkategorien jeweils die Höhe der anteiligen Fixkosten bzw. variablen oder totalen Durchschnittskosten dar (vgl. Abb. III-62; ein Fahrstrahl für die anteiligen Fixkosten konnte in dieser Abbildung aus Gründen der Übersichtlichkeit nicht mehr dargestellt werden). Die Abb. III-62 zeigt auch, dass im Punkt B der Fahrstrahl aus dem Ursprung die gleiche Steigung wie die Tangente aufweist, so dass hier Grenz- und totale Durchschnittskosten übereinstimmen.

197

2 Unternehmenstheorie

Hinweis 2: Liegt der Kostenfunktion nicht das klassische, sondern das einfache Ertragsgesetz auf der Produktionsebene zugrunde, so weist die Kostenfunktion K(X) im Unterschied zu Abb. III-62 nicht einen kubischen, sondern einen quadratischen Kostenverlauf auf. Die totalen Durchschnittskosten verlaufen dann zwar ebenfalls U-förmig, die variablen Stückkosten und die Grenzkosten unterliegen aber jeweils einem linearen Verlauf. Dabei nehmen die Grenzkosten immer ein doppelt so hohes Niveau wie die variablen Stückkosten an (ergibt sich aus dem quadratischen Term der Kostenfunktion). Die variablen und totalen Durchschnittskosten schneiden die Grenzkosten in ihrem Minimum (Betriebsoptimum, Betriebsminimum). Ein Beispiel für einen derartigen quadratischen Kostenverlauf findet sich in Aufgabe III-33-1 (siehe auch die Lösung einschließlich der graphischen Darstellung der Kostenverläufe im Anhang, S. 410).

Kostenfunktion bei totaler Faktorvariation (langfristige Kostenfunktionen): Insbesondere bei Neugründung einer Unternehmung kann über den Faktoreinsatz frei entschieden und dieser optimal auf die Minimalkostenkombination ausgerichtet werden. Auch lässt sich längerfristig, d. h. nach der Abnutzung des eingesetzten Produktionskapitals, der Faktoreinsatz kostenminimierend auf die angestrebte Produktionsmenge ausrichten. Es wird in diesem Zusammenhang auch von der Wahl der optimalen Betriebsgröße gesprochen. Werden fest vorgegebene Faktorpreise unterstellt, hängt der Verlauf der Kostenfunktion ausschließlich von der Höhe der Skalenerträge der zugrunde liegenden Produktionsfunktion ab (vgl. Abb. III-63). Abb. III-63: Kostenverläufe bei unterschiedlicher Skalenelastizität

Kosten K(X)

überproportionaler Kostenverlauf (sinkende Skalenerträge)

Linearer Kostenverlauf (konstante Skalenerträge) unterproportionaler Kostenverlauf (steigende Skalenerträge)

Ausbringungsmenge X

Dabei können grundsätzlich drei unterschiedliche Kostenverläufe vorliegen:

198

III Nachfrage und Angebot auf Güter- und Arbeitsmärkten

lineare Kostenverläufe, wenn die relative Änderung der Kosten sich proportional zur Ausbringungsmenge verhält (konstante Skalenerträge); überproportionale (progressive) Kostenverläufe, wenn die relative Änderung der Kosten größer ist als die relative Änderung der Ausbringungsmenge (sinkende Skalenerträge); unterproportionale (degressive) Kostenverläufe, wenn die relative Änderung der Kosten geringer ausfällt als die relative Änderung der Ausbringungsmenge (steigende Skalenerträge). Von ökonomischer Bedeutung sind vor allem steigende Skalenerträge („economies of scale“), da sie auf der Kostenseite einen degressiven Verlauf der langfristigen Durchschnittskosten implizieren. Realistischer als eine Skalenvariation ist die Ausweitung der einzelnen Produktionsfaktoren in unterschiedlichem Ausmaß. Sie ist mit einer Veränderung des Faktoreinsatzverhältnisses verbunden. Führt diese Ausweitung zu einer überproportionalen Outputerhöhung, so liegen „economies of size“ vor. Die Ausnutzung von „economies of scale und size“ wird auch als eine zentrale Ursache für Unternehmenskonzentrationen betrachtet. Sinkende Skalenerträge bei Produktionsausweitung können z.T. dadurch vermieden werden, dass die Produktion in kleineren Produktionseinheiten (Wahl einer kleineren Betriebsgröße) erfolgt. Lineare Kostenfunktionen: Häufig wird in der betriebswirtschaftlichen Praxis mit linearen Kostenfunktionen argumentiert. Diese lassen sich produktionstheoretisch über konstante Skalenerträge bei totaler Faktorvariation erklären. Ein weiterer wichtiger Fall linearer Kostenfunktionen ergibt sich für linear-limitationale Produktionsfaktoren bei Ausweitung des limitierenden Faktors und Existenz eines Überschussfaktors134 (vgl. Abb. III-64). Da mit erhöhtem Einsatz des limitierenden Faktors auch der Überschussfaktor abgebaut, d. h. vermehrt eingesetzt wird, liegt hier genauer betrachtet die Situation einer totalen Faktorvariation vor. Bei linearen Kostenfunktionen sind die Grenzkosten K‘(X) konstant und sie entsprechen zudem den variablen Stückkosten. Die totalen Stückkosten sinken hingegen mit wachsender Ausbringungsmenge. Das Betriebsoptimum bzw. das Minimum der Stückkosten wird bei linearen Kostenfunktionen an der Kapazitätsgrenze erreicht. Der degressive Verlauf der Stückkosten ist dabei umso ausgeprägter, je größer der Fixkostenanteil der Produktion bzw. je höher die Kapitalintensität der Produktion ist. Sinkende Stückkosten bei steigender Produktion sind ein Vorteil der Massenproduktion. In kapitalintensiven Bereichen mit großer Sachkapitalausstattung bildet die Kapazitätsauslastung daher einen wichtigen Faktor der betrieblichen Stückkosten, so dass bei einer rückläufigen Kapazitätsauslastung der Kostendruck auf das Unternehmen zunimmt. Lineare Kostenfunktionen haben zudem zur Folge, dass bei vor134

Diese Situation wird in der mikroökonomischen Literatur z.T. als partielle Faktorvariation behandelt. Vgl. auch Übersicht III-20.

199

2 Unternehmenstheorie

gegebenen Güterpreisen P(X) die gewinnmaximale Produktionsmenge immer an der Kapazitätsgrenze liegt, da aufgrund konstanter Grenzkosten je zusätzlich produzierter Mengeneinheit immer ein positiver Grenzgewinn erzielt wird. Abbildung III-64: Linear-limitationale Produktions- und Kostenfunktionen X Xmax

Limitationale Produktionsfunktion

K(X)

K(X) VK FK Xmax

Faktoreinsatz Erläuterungen: K(X) = Gesamtkosten FK = Fixkosten VK(X) = Variable Kosten K‘(X) = Grenzkosten DK(X) = totale Stückkosten*) DVK(X) = variable Stückkosten**) BM = Betriebsminimum BO = Betriebsoptimum

K‘(X), DK(X), DVK(X)

DK(X) K´(X) = DVK(X) Xmax = BO

*) häufig auch als k(x) bezeichnet; **) häufig auch als kv(x) bezeichnet

Empirische Studien zum kurz- und langfristigen Kostenverlauf: Empirische Studien kommen zu folgenden Ergebnissen der kurz- bzw. langfristigen Kosten- bzw. Durchschnittskostenentwicklung135: Kurzfristig gibt es bei mittlerer Auslastung der Kapazitäten einen breiten Produktionsbereich weitgehend linear verlaufender Kosten. Dies zeigt, dass im Normalauslastungsbereich die Wirkungen der partiellen Faktorvariation und damit die Realisierung des Ertragsgesetzes nicht so sehr in Erscheinung treten. Weicht die Produktion allerdings von dieser Normalauslastung im stärkeren Maße ab, so steigen die Kosten infolge der partiellen Faktorvariation deutlich an; auch ist bei kurzfristiger Anpassung der Produktion an höhere Auftragseingänge die Annahme konstanter Faktorpreise unrealistisch. Engpässe äußern sich daher auch in steigenden Materialkosten, höheren Personalkosten (z. B. 135

Vgl. Hardes, H.-D., Schmitz, F.: Grundzüge der Volkswirtschaftslehre, a. a. O., S. 104 ff sowie Franke, J.: Grundzüge der Mikroökonomik, a. a. O., S. 153 ff; zur theoretischen Darstellung des Verlaufs von kurz- und langfristigen Kostenfunktionen vgl. Schumann, J., u. a., a. a. O., S. 183 ff.

200

III Nachfrage und Angebot auf Güter- und Arbeitsmärkten

Überstundenzuschläge), ungünstigen Lieferantenpreisen etc., so dass auch wegen des Preisgerüsts der Kosten diese kurzfristig ansteigen. Insgesamt sind bei hohen Auslastungsgraden überproportionale Kostensteigerungen in der Nähe der Kapazitätsgrenze wahrscheinlich. Wird umgekehrt der normale Produktionsbereich nach unten unterschritten, so können wegen der Unteilbarkeit einiger Produktionsfaktoren hohe anteilige Fixkosten anfallen. Sie erhöhen die Stückkosten überproportional. Längerfristig wirken sich bei ansteigender Produktionsmenge die Fixkostendegression und steigende Skalenerträge zunächst kostensenkend aus, so dass die langfristigen totalen Durchschnittskosten unterhalb der kurzfristigen totalen Durchschnittskosten verlaufen. Sie nehmen bei Produktionsausweitung zudem ab, bis sie schließlich ein langfristiges Durchschnittskostenminimum erreichen. Diese Situation wird auch als optimale Betriebsgröße bezeichnet, die gleichzeitig mit minimalen Stückkosten einhergeht (Minimalkostenkombination). Mit zunehmender Produktionsmenge bewirken dann zu beobachtende konstante Skalenerträge einen größeren Bereich eher horizontal verlaufender Durchschnittskosten. Bei gegebenem Marktangebot eines Gutes hängt es dann von der Zahl der das Gut X produzierenden Betriebe ab, ob die betriebsbezogene Produktionsmenge der optimalen Betriebsgröße entspricht. Wird die Produktionsmenge über die optimale Betriebsgröße ausgeweitet, gehen die totalen Durchschnittskosten schließlich mit sinkenden Skalenerträgen oder aufgrund von Engpässen wie z. B. einer unzureichenden Verfügbarkeit qualitativ gut ausgebildeter Arbeitskräfte oder aufgrund auftretender Managementengpässe etc. in ansteigende Durchschnittskosten über. Allerdings sind Begründungen für diesen Kostenverlauf mit Vorsicht zu betrachten, da konstante Durchschnittskosten bei steigender Produktionsmenge auch durch einen gleichzeitig eintretenden technologischen Fortschritt bedingt sein können. Eine Trennung von Skaleneffekten und technologischem Fortschritt ist häufig wegen ihres gleichzeitigen Auftretens schwierig136. Die wichtigsten Unterschiede der oben beschriebenen Kostentypen bei partieller oder totaler Faktorvariation sind in der nachfolgenden Übersicht III-23 zusammengestellt. Eine umfassende Gegenüberstellung von Produktions- und Kostenfunktionen bei partieller oder totaler Faktorvariation findet sich zudem in Übersicht III-24. Dabei wird bei der partiellen Faktorvariation zwischen dem Einfachen und dem Klassischen Ertragsgesetz unterschieden. Die totale Faktorvariation unterscheidet zwischen den drei grundsätzlichen Skalenerträgen (konstant, steigend und sinkend). Kombinationen wie z. zunächst steigende und dann sinkende Skalenerträge mit einem hieraus resultierenden S-förmigen Kostenverlauf wurden in die Übersicht III24 nicht einbezogen. Bei den Darstellungen auf der Produktionsebene variiert bei 136

Schätzungen von Produktions- und Kostenfunktionen für das Verarbeitende Gewerbe der Bundesrepublik Deutschland der Jahre 1954 – 1974 lassen hohe Skalenerträge erkennen, wobei ihre Spezifizierung wegen rechentechnischer Probleme und ihrer Abgrenzung vom Technischen Fortschritt zu beträchtlichen Problemen führen kann; vgl. Natrop, J.: Translog-Produktionsfunktionen, a. a. O., S. 23 ff sowie S. 333.

201

2 Unternehmenstheorie

partieller Faktorvariation ein Produktionsfaktor (hier: v1); bei totaler Faktorvariation steigt die Anzahl (λ) der Faktorpakte. Es ist aus der Übersicht ersichtlich, dass Produktions- und Kostenebene spiegelbildliche Verläufe aufweisen. Übersicht III-23 : Unterschiedliche Kostenverläufe und ihr dualer Bezug Produktions- bzw. Kostenkategorie

linearer Kostenverlauf*

quadratischer Kostenverlauf**)

kubischer Kostenverlauf**)

Ertragsgesetz (EG)

-

Einfaches EG

Klassisches EG

totale Stückkosten DK(X)

nähern sich asymp- U-förmig; nähern totisch konstanten sich asympt. DVK; Schnittpunkt mit DVK an K‘(X) im BO

U-förmig; nähern sich asympt. DVK; Schnittpunkt mit K‘(X) im BO

variable Stückkosten DVK(X)

sind konstant

linear ansteigend, halbe Steigung der K‘(X)

U-förmig; Schnittpunkt mit K‘(X) im BM

Grenzkosten K‘(X)

sind konstant

linear ansteigend

U-förmig

*) Lineare Kostenverläufe treten bei totaler Faktorvariation und konstanten Skalenerträgen auf. Diese lassen sich auch bei limitationalen Produktionsfunktionen mit konstanten Skalenerträgen realisieren, indem beide Faktoren entsprechend dem limitationalen Faktorverhältnis vermehrt eingesetzt werden; es ist auch denkbar, dass bei limitationalen Produktionsfunktionen und partieller Veränderung des limitierenden Faktors ein Überschussfaktor abgebaut wird, so dass trotz einer formal partiellen Faktorvariation de facto eine totale Faktorvariation vorliegt. **) quadratische bzw. kubische Kostenverläufe lassen sich auch bei totaler Faktorvariation ableiten (quadratischer Kostenverlauf bei sinkenden Skalenerträgen, kubischer Kostenverlauf bei zunächst steigenden, dann sinkenden Skalenerträgen).

Aufgabe III-28: Ein mittelständisches Unternehmen hat Fixkosten in Höhe von 40 Geldeinheiten pro Monat. Die durchschnittlichen variablen Kosten sind aus der nachfolgenden Zusammenstellung ersichtlich. Leiten Sie aus diesen Angaben die fehlenden Werte (Ausnahme Grenzkosten) in der nachfolgenden Tabelle ab und ermitteln Sie vor diesem Hintergrund die mathematische Form der Kostenfunktion. Bestimmen Sie anschließend die Grenzkosten auf Basis dieser Kostenfunktion. Warum verringert sich der Unterschied zwischen den durchschnittlichen variablen und den durchschnittlichen Stückkosten mit zunehmender Ausbringungsmenge? Output

Gesamtkosten

Entwicklung verschiedener Kostengrößen Variable GrenzØ variable totale StückKosten kosten kosten Kosten

1

2

2

4

3

6

4

8

anteilige Fixkosten

Kostenfunktion

Kostenebene

Produktionsebene

X

v1 K(X)

X

X

v1

Klassisches Ertragsgesetz

K(X) = a + b • X² K(X) = a + b • X - c • X² + d • X³ kubische quadratische Kostenfunktion Kostenfunktion

K(X)

X

Einfaches Ertragsgesetz

Partielle Faktorvariation

Kostenfunktion als Quadratische Potenzfunktion mit Exponent < 1 Kostenfunktion

X

lineare Kostenfunktion

X

K(X)

X

Sinkende Skalenerträge

K(X) = a + b • X0,5 K(X) = a + b • x²

X

K(X)

X

Steigende Skalenerträge

K(X) = a + b • X

K(X)

X

Konstante Skalenerträge

Totale Faktorvariation

Übersicht 24: Dualität von Produktions- und Kostenfunktion

202 III Nachfrage und Angebot auf Güter- und Arbeitsmärkten

2 Unternehmenstheorie

2.5.2

203

Kurz- und langfristige Angebotsfunktion

In den folgenden Ausführungen wird ein „mittelständisches“ (kleines) Unternehmen betrachtet, das sich in der Marktform des homogenen Polypols137 befindet und eine kubische Kostenfunktion aufweist138. Da die betrachtete Unternehmung die Marktform des Polypols aufweist, kann die Unternehmung den vom Markt vorgegebenen Preis nicht verändern, d. h. sie muss den vom Markt vorgegebenen Preis als Datum hinnehmen (Preis = Datum). Der Gewinn wird ausschließlich über die optimale Produktionsmenge (Mengenanpasserverhalten) maximiert139. Da in der Marktform des Polypols sehr viele kleine Unternehmen auftreten, haben die Entscheidungen des Unternehmens über die Produktionsmenge keinen Einfluss auf den Gleichgewichtspreis des Marktes. Zudem wird angenommen, dass die Unternehmung zusätzliche Produktionsmengen auch jederzeit zum gegebenen Preis am Markt verkaufen kann. Um die jeweils gewinnmaximale Ausbringungsmenge zu ermitteln, müssen neben den Kosten auch die Erlöse [E(X) = P(X) • X] als Produkt von Preis und produzierter Menge betrachtet werden. Der Erlös E(X) für jede zusätzlich produzierte Outputmenge (= Grenzerlös) entspricht beim vollkommenen Polypol dem Marktpreis140 P(X), denn aufgrund der angenommenen intensiven Wettbewerbssituation stellt der Marktpreis für das betrachtete Unternehmen ein Datum dar. Aus den Tabellen III-5a, III-5b und der Abbildung III-65 ist ersichtlich, dass bei der im Folgenden unterstellten kubischen Kostenfunktion wegen der Degression der Fixkosten das Minimum der totalen Durchschnittskosten (BO) bei einer höheren Produktionsmenge erreicht wird als das Minimum der variablen Stückkosten (BM). Da mit zunehmender Produktionsmenge die anteiligen Fixkosten abnehmen, nähern 137 138 139

140

Zum Polypol vgl. auch das Kap. IV.1.3. Z. B. weil das Klassische Ertragsgesetz unterstellt wird oder weil bei totaler Faktorvariation zunächst steigende und dann sinkende Skalenerträge auftreten. Es sei nochmals betont, dass der Güterpreis P(X) zwar auf dem Markt schwankt, nicht aber durch die Unternehmung variiert werden kann. Einseitige Preiserhöhungen durch die Unternehmung hätten zur Folge, dass das Unternehmen die gesamte Nachfrage an die Konkurrenz verlieren würde. Einseitige Preissenkungen würden dem Unternehmen hingegen eine sehr hohe Nachfrage verschaffen, die aufgrund der relativ geringen Unternehmensgröße und der kurzfristig nicht veränderbaren Kapazitäten nicht befriedigt werden könnte. Letztlich würden dem Unternehmen durch eine Preissenkung wegen einer Überbeanspruchung der Kapazitäten nur Nachteile entstehen. Preispolitik ist in dieser Situation also nicht sinnvoll. Das Unternehmen wird sich ausschließlich mit seiner produzierten Menge an die jeweiligen Bedingungen anpassen (Mengenanpasser). Wird [E(X) = P(X) • X] nach der Menge X abgeleitet, so ergibt sich wegen des vorgegebenen Preises P(X) für den Grenzerlös E‘(X): E‘(X) = P(X), d. h. der Grenzerlös entspricht dem Produktpreis P(X) und ist konstant für jede Absatzmenge. Anders sähe es aus, wenn der Preis P(X) von der abgesetzten Menge X abhängig wäre, wie dies z. B. im Monopol der Fall ist (siehe Kap. IV.3.2). Dann würde sich über die Produktregel folgender Grenzerlös ergeben: E‘(X) = P(X) + P‘(X) • X. Mit zunehmender Absatzmenge sinkt P‘(X), d.h. der Preis P(X) nimmt ab und der Grenzerlös sinkt.

204

III Nachfrage und Angebot auf Güter- und Arbeitsmärkten

sich bei einer steigenden Ausbringungsmenge die variablen und totalen Durchschnittskosten einander asymptotisch an. Darüber hinaus ist zu beachten, dass die totalen und variablen Durchschnittskosten die Grenzkostenfunktion in ihrem Minimum schneiden. Dies lässt sich wie folgt begründen: Solange die Grenzkosten unterhalb der variablen oder totalen Durchschnittskosten verlaufen, fallen die zusätzlichen Grenzkosten je Produktionseinheit kleiner aus als die jeweiligen totalen oder variablen Durchschnittskosten. Damit müssen die Durchschnittskosten abnehmen. Sobald die Grenzkosten die totalen bzw. variablen Durchschnittskosten übersteigen, müssen diese jeweils zunehmen. Dies bedeutet aber gleichzeitig, dass die Durchschnittskosten ihren niedrigsten Wert im Schnittpunkt mit der Grenzkostenfunktion aufweisen141. Auf Basis dieser Kostenfunktion sollen nun für einen jeweils gegebenen Güterpreis P(X) die gewinnmaximale Produktionsmenge und die preisabhängige Angebotsfunktion bestimmt werden. Zuvor sind aber einige zentrale Kostenbegriffe am konkreten Beispiel der gewählten kubischen Kostenfunktion vorzustellen. Betriebsoptimum (BO): Die Produktionsmenge X mit den geringsten totalen Stückkosten DK(X) wird als Betriebsoptimum (BO) bezeichnet. Im vorliegenden Beispiel liegt das Minimum der (totalen) Stückkosten bei einer Produktionsmenge von 8,86 Mengeneinheiten (ME). Die Höhe der totalen Stückkosten im BO beträgt 9,032 € (vgl. Tab. III-5a und Abb. III-65). Da die Differenz zwischen dem fest vorgegebenen Verkaufspreis P(X) und den totalen Stückkosten den Stückgewinn (G(X)/X) darstellt, und die totalen Stückkosten im BO am niedrigsten sind, entsteht im BO der höchste Stückgewinn142. Bei einem vorgegebenen Preis von 20 € beträgt der Stückgewinn im Betriebsoptimum (20 - 9,032) € = 10,968 € je ME. Für eine bestimmte Produktionsmenge X (z. B. für X im BO in Abb. III-65) lässt sich der Stückgewinn als Strecke zwischen dem vorgegebenen Preis P(X) und den totalen Stückkosten DK(X) ablesen. 141

Dieser Sachverhalt lässt sich auch anschaulich am folgenden Beispiel verdeutlichen: Fließt Wasser in einen Behälter, und ist zunächst das zulaufende Wasser (entspricht dem Grenzbegriff) kälter als das im Behälter befindliche Wasser (entspricht dem Durchschnittsbegriff), wird die Wassertemperatur im Behälter fallen. Erst wenn das zulaufende Wasser wärmer ist als das im Wasserbehälter befindliche Wasser, steigt die Temperatur im Behälter an. Nun ist eine Situation denkbar, in der die Temperatur des zulaufenden Wassers zwar ansteigt, aber in der Anfangssituation zunächst kälter ist als das im Behälter befindliche Wasser. Für diese Situation wird durch das zulaufende Wasser die Temperatur im Behälter (Durchschnittswert) solange fallen, bis das wärmer werdende, zulaufende Wasser (Grenzwert) die Temperatur des Wassers im Behälter erreicht hat.

142

Der Stückgewinn G(X) ist für die Produktionsmenge X definiert als G(X)/X = E(X)/X – K(X)/X = P(X) •X / X – DK(X) = P(X) – DK(X). Mithin stellt die Differenz zwischen dem Preis P(X) und den totalen Stückkosten den Stückgewinn dar (Strecke P(X) und DK(X) für ein beliebiges X in Abb. III-65). Der Stückgewinn fällt am höchsten aus, wenn die Differenz zwischen P(X) und DK(X) am größten ist. Für einen fest vorgegebenen Preis ist somit der Stückgewinn dort am größten, wo die totalen Stückkosten am niedrigsten sind, d. h. im Betriebsoptimum (BO).

205

2 Unternehmenstheorie Tabelle III-5a: Gewinnmaximierung auf Basis einer kubischen Kostenfunktion X

FK

VK(X)

K(X)

ME



€ je ME

€ je ME

DVK(X) DK(X) (VK:X) (K:X) € je ME

0,00 1,00 2,00 2,88 4,90

€ je ME

K'(X) € je zusätzl. ME 9,781 6,389 4,199 1,988

charakte- E = P● X Gewinn (G) charakteristische (Erlös) =E-K ristische Kostenpunkte

P = 20 € 0 20 40 58 98 101 102 110 120 140 151 154 177 190 200 220 222 223 232 240

33,1 33,1 33,1 11,9 45,0 11,88 44,973 33,1 19,9 53,0 9,941 26,489 33,1 24,5 57,6 8,503 19,994 33,1 30,1 63,2 6,138 12,892 5,03 33,1 30,3 63,4 6,031 12,610 1,980 Grenz5,10 33,1 30,5 63,6 5,975 12,464 1,983 kosten5,50 33,1 31,3 64,4 5,688 11,705 2,087 minimum 6,00 33,1 32,4 65,5 5,400 10,916 2,434 7,00 33,1 35,5 68,6 5,066 9,794 3,848 7,54 33,1 37,9 71,0 5,019 9,406 5,019 Betriebs7,70 33,1 38,7 71,8 5,023 9,321 5,410 minimum 8,86 33,1 46,9 80,0 5,296 9,032 9,032 Betriebs9,50 33,1 53,5 86,6 5,632 9,116 11,588 optimum 10,00 33,1 59,9 93,0 5,986 9,295 13,857 11,00 33,1 76,3 109,4 6,933 9,942 19,116 11,10 33,1 78,2 111,3 7,045 10,027 19,695 11,15 33,1 79,2 112,3 7,103 10,071 19,988 11,60 33,1 88,8 121,9 7,655 10,508 22,733 12,00 33,1 98,4 131,5 8,201 10,959 25,336 Quelle: Eigene Berechnung mittels der kubischen Regressionsgleichung: 2 3

Ertragspunkte € -33,095 -24,973 -12,978 0,018 34,828 37,170 38,432 45,623 54,503 71,442 79,911 82,230 97,169 103,399 107,047 110,641 110,700

Breakeven Point

110,708 Gewinn110,103 108,494

maximum

K(X) = 33,095 + 14,1344 • X - 2,4169 • X3 + 0,1602 • X 2

K(X) = 33,095+14,1344*X-2,4169*X +0,1602*X (auf 4 Stellen gerundet) In Anlehnung an Hennies, M.O.E: Allgemeine Volkswirtschaftslehre für Betriebswirte, In Anlehnung an: Hennies, M.O.E.: Band 1, 5. Auflage, Berlin 1993, S. 91. Allgemeine Volkswirtschaftslehre für Betriebswirte, Band 1, 5. Auflage, Berlin 1993, S. 91.

Tabelle III-5b: Grenzkosten-, totale und variable Durchschnittskostenfunktion für das Beispiel der kubischen Kostenfunktion der Tabelle III-5a Grenzkosten K‘(X): 14,1344 – 4,8338 X+ 0,4806 X Minimum K‘(X) : -4,8338 + 0,9612 X = 0

2

für: X = 5,03

Variable Durchschnittskosten (DVK): 14,1344 – 2,4169 X + 0,1602 X Minimum DVK(X): 0,3204 X – 2,4169 = 0

2

für: X = 7,54 2

Totale Durchschnittskosten DK(X): 33,095/X + 14,1344 – 2,4169 X + 0,1602 X 2

Minimum DK : -33,095/X + 0,3204 X – 2,4169 = 0

für: X = 8,86

206

III Nachfrage und Angebot auf Güter- und Arbeitsmärkten

Abb. III-65: Kostenverläufe und Gewinnmaximum bei kubischer Kostenfunktion 25 Grenzkosten K'(X)

= Break-even Point Gewinnmaximum 20

P(X) = 20 totale Durchschnittskosten DK(X)

15

Betriebsoptimum (BO)

10

variable Durchschnittskosten DVK(X) 5

Betriebsminimum (BM)

0 1

3

5

7

9

11

X im BO

13

15

17

Produktionsmenge X

XGmax

200

Steigung des Fahrstrahls aus Höhe der Fixkosten gibt variable Stückkosten an der Stelle X (hier BM) wieder

K o s t e n K (X)

150

100

50

X = (8,86)

X=7,54 (Betriebsminimum)

X=(8,86 (Betriebsoptimum)

Steigung des Fahrstrahls aus Nullpunkt gibt totale Stückkosten an der Stelle X (hier B0) wieder

0

0

1

2

3

4

5

6

7

8

9

10

Produktionsmenge (X)

11

12

13

14

15

2 Unternehmenstheorie

207

Betriebsminimum (BM): Die Produktionsmenge mit den geringsten variablen Stückkosten DVK(X) wird als Betriebsminimum (BM) bezeichnet. Die variablen Stückkosten beziehen im Unterschied zu den totalen Stückkosten die anteiligen Fixkosten nicht mit ein. Die Differenz zwischen dem Erlös und den variablen Kosten stellt den Deckungsbeitrag dar. Solange der Preis P(X) oberhalb der variablen Stückkosten liegt [P(X) > DVK(X)], trägt die Produktion von X zur Abdeckung der Fixkosten bei (positiver Deckungsbeitrag). Für die vorliegende kubische Kostenfunktion werden beispielsweise bei einer Produktionsmenge von 7,54 Mengeneinheiten (BM) die geringsten variablen Stückkosten in Höhe von 5,019 € erreicht (vgl. Tab. III-5a und Abb. III-65). Liegt der betrachtete Güterpreis P(X) oberhalb der variablen Stückkosten DVK(X) – wie dies im Beispiel mit P(X) = 20 € gegeben ist – wird im Betriebsminimum die größte Differenz zwischen dem konstanten Marktpreis P(X) und den variablen Stückkosten realisiert. Im BM liegt also für einen gegebenen Güterpreis P(X) je ME der größte Deckungsbeitrag vor. Im Beispiel der Tabelle III-5a und III-5b sowie der Abbildung III-65 errechnet sich im Betriebsminimum bei einem unterstellten Absatzpreis P(X) = 20 € ein maximaler Deckungsbeitrag von (20-5,019) € = 14,981 € je ME. Break-even-Point: Die Gewinnschwelle („Break-even-Point“) gibt die Produktionsmenge an, ab der Erlöse und Gesamtkosten bzw. Güterpreis und totale Stückkosten übereinstimmen. Wird im vorliegenden Beispiel angenommen, dass das betrachtete Unternehmen für sein Produkt einen Preis P(X) = 20,- €/ME erzielt, so liegt die Gewinnschwelle bei knapp 3 Mengeneinheiten (vgl. Tab. III-5a, III-5b bzw. Abb. III-65). Läge der Preis niedriger143, so würde die Gewinnschwelle erst bei einer höheren Produktionsmenge erreicht. Maximal darf der Preis bis auf das Minimum der totalen Durchschnittskosten fallen (vgl. DK(X) im BO), damit sich überhaupt eine Gewinnschwelle ergibt. Wird angenommen, dass aufgrund des Wettbewerbs der Marktpreis P(X) schrittweise auf das Minimum der totalen Durchschnittskosten fällt, so bedeutet dies für das Unternehmen einen Gewinn G(X) = 0. Auch bei einem Gewinn von null wird produziert, da der sogenannte Unternehmerlohn (Kosten des Managers) in den Gesamtkosten enthalten ist. Die Situation eines Gewinns bzw. Stückgewinns von Null wird in einer sozialen Marktwirtschaft bei funktionierendem Wettbewerb systematisch angestrebt (vgl. die Ausführungen in Kap. IV.3.3).

143

Hinweis: In Tabelle III-5a und Abb. III-65 wurde beispielhaft von einem Preis von 20 € ausgegangen; längerfristig wird sich der Preis allerdings wegen der Konkurrenz der Unternehmen in Richtung Durchschnittskostenminimum (BO) bewegen, so dass dann Gewinnschwellen bei niedrigeren Preisen und höheren Produktionsmengen entstehen. Liegt ein Preis in Höhe des Durchschnittskostenminimums vor, so ist dies der niedrigste Preis, der mit einem Gewinn von null vereinbar ist (unterste Gewinnschwelle). Erfahrungsgemäß führt dieser Tatbestand zu Missverständnissen, da es zu jedem denkbaren Preis eine Gewinnschwelle gibt, sofern der Preis größer oder gleich den Durchschnittskosten im Betriebsoptimum ist.

208

III Nachfrage und Angebot auf Güter- und Arbeitsmärkten

Gewinnmaximum: Das Gewinnmaximum wird bei der Produktionsmenge X erreicht, bei der Grenzkosten K‘(X) und Produktpreis P(X) übereinstimmen, d. h. P(X) = K‘(X) (PreisGrenzkosten-Regel). Formal lässt sich diese Bedingung für das Gewinnmaximum wie folgt ableiten: Stellt [E(X) = P(X) • X] den Erlös bzw. Umsatz dar, ermittelt sich der von der Produktionsmenge X abhängige Gewinn G(X) als: -

-

Die Kosten seien durch die vorliegende kubische Kostenfunktion (vgl. Tab. III-5a und Tab. III-5b) beschrieben: Der Gewinn ist dann maximal, wenn der Grenzgewinn G‘(X) Null beträgt und zudem die 2. Ableitung des Gewinns negativ wird (G‘‘(X) < 0). Für den Grenzgewinn G‘(X) muss somit im Gewinnmaximum gelten: Da der Güterpreis P(X) aufgrund der angenommenen Marktform des Polypols eine Konstante darstellt, stimmt der Grenzerlös E‘(X) mit dem Preis P(X) = 20 € überein, so dass für das Gewinnmaximum gilt: -

-

Im Gewinnmaximum entsprechen sich somit Güterpreis P(X) und Grenzkosten K‘(X). Unter Verwendung der folgenden Grenzkostenfunktion (siehe Tab. III-5b) muss im Gewinnmaximum beim vorgegebenen Preis P(X) = 20,- € gelten: Hieraus folgt als gewinnmaximale Produktionsmenge (Lösung einer quadratischen Ergänzung): X = 11,15 ME (siehe auch Tab. 5a und 5b); für diese Produktionsmenge errechnet sich ein Gewinn G(X = 11,15) = 110,71 € (siehe Tab. III-5a, III5b), der bei keiner anderen Produktionsmenge höher ausfällt. Die Aussage der Preis-Grenzkosten-Regel lässt sich auch aus Abb. III-65 ersehen, wenn die Strecke zwischen dem Güterpreis P(X) und den Grenzkosten, d. h. der Grenzgewinn betrachtet wird. Solange der Preis oberhalb der Grenzkostenfunktion liegt, wird jede zusätzliche Produktionseinheit einen Grenzerlös, d. h. einen Güterpreis aufweisen, der die zusätzlichen Kosten der weiteren Produktionseinheit (Grenzkosten) übertrifft. Es fällt somit ein positiver Grenzgewinn an, der den Gesamtgewinn ansteigen lässt. Erst dann, wenn der Grenzgewinn null wird, erfährt der Gesamtgewinn keine positive Veränderung mehr und erreicht seinen maximalen Wert. Würde im Gewinnmaximum eine Mengeneinheit mehr von Gut X produziert, stiege der Erlös um den Preis P(X) an (Hinweis: der Preis P(X) ist im Polypol ein Datum, d. h. der Grenzerlös entspricht dem Güterpreis P(X)). Die Kosten erhöhten sich um die Grenzkosten, die nun aber höher als der Grenzumsatz, d. h. dem unveränderten Preis ausfielen. Die Differenz zwischen dem Preis und den Grenzkosten

2 Unternehmenstheorie

209

stellt den Grenzerlös dar, der dann negativ ausfiel (P(X) < K’(X)). Würde die Produktion also über die gewinnmaximale Menge ausgeweitet, entstünde ein negativer Grenzgewinn, der den Gesamtgewinn schmälerte. Es sei angemerkt, dass für Güterpreise P(X) oberhalb des Minimums der Durchschnittskosten die gewinnmaximale Produktionsmenge XGmax (höchster Gesamtgewinn) höher ausfällt als die Produktionsmenge mit dem höchsten Stückgewinn (BO) (vgl. Abb. III-65). Im Gewinnmaximum liegt zwar ein kleinerer Stückgewinn als im Betriebsoptimum BO vor; dafür fällt die Produktionsmenge im Gewinnmaximum aber höher aus als im Betriebsoptimum. Der im Vergleich zum Betriebsoptimum niedrige Stückgewinn kann somit über die höhere Produktionsmenge überkompensiert werden. (Beachte: Gesamtgewinn G(X) = Stückgewinn [G(X)/X] Produktionsmenge X). Formal lässt sich das Auseinanderfallen von maximalem Gesamtgewinn und maximalem Stückgewinn auch wie folgt begründen: Liegt für die gewinnmaximale Produktionsmenge der Güterpreis P(X) oberhalb der Durchschnitts. kosten, so gilt im Gewinnmaximum: Da die Grenzkosten K‘(X) mit steigendem X ansteigen, folgt hieraus, dass die gewinnmaximale Produktionsmenge XGmax oberhalb des BO liegen muss, d. h. oberhalb der Produktionsmenge mit dem größten Stückgewinn. Dass im Betriebsoptimum der höchste Stückgewinn vorliegt, lässt sich ausgehend von der Definition des Stückgewinns wie folgt aufzeigen: Der Stückgewinn stellt den Gewinn G(X) je Mengeneinheit X dar, also:

Der Stückgewinn wird maximal, wenn die Differenz zwischen dem fest vorgegebenen Güterpreis P(X) und den totalen Stückkosten maximal ist. Da im Polypol der Güterpreis ein Datum darstellt und fest vorgegeben ist, ist die Differenz maximal, wenn die Durchschnittskosten minimal, d. h. im Betriebsoptimum sind. Es wurde bereits gezeigt, dass das Betriebsoptimum dann vorliegt, wenn Grenzkosten und totale Durchschnittskosten einander entsprechen, d. h. wenn gilt: DK(BO) = K‘(BO). Preisabhängige kurzfristige Angebotsfunktion, Preisuntergrenzen: Zur Ableitung der preisabhängigen Angebotsfunktion werden in einem ersten Schritt zunächst alle Preis-Mengenkombinationen betrachtet, die die Gewinnmaximierungsbedingung „Preis = Grenzkosten“ (Preis-Grenzkosten-Regel) erfüllen; sodann stellt sich in einem zweiten Schritt die Frage, welche Preis-Mengenkombination dem Unternehmen einen ausreichenden Gewinn sichert oder den Verlust soweit begrenzt, dass dennoch eine Produktion sinnvoll erscheint. Hierzu müssen für die sich ergebenden gewinnmaximierenden Absatzmengen variable Stückkosten (Betriebsminimum) und totale Stückkosten (Betriebsoptimum) mit den jeweils vorgegebenen Marktpreisen verglichen werden (siehe Abb. III-66).

210

III Nachfrage und Angebot auf Güter- und Arbeitsmärkten

Abbildung III-66: Preisuntergrenzen Preis, Grenzkosten, totale Stückkosten, variable Stückkosten

A

P3 (X)

Grenzkosten

totale Stückkosten P2 (X) P1 (X)

B Gewinnschwelle für P2 (X) C

variable Stückkosten

unterste kritische „Marktpreisschwelle“

X1

X2

X3 = XGmax

Menge X

Die Einhaltung der Preis-Grenzkostenregel wird in Abbildung III-66 für die drei Güterpreise P1(X), P2(X) und P3(X) dargestellt. Für beliebig vorgegebene Preise P(X) stellen die Schnittpunkte der Preise mit den Grenzkosten die gewinnmaximalen Preis-Mengen-Kombinationen dar. Dies hat zur Konsequenz, dass alle gewinnmaximalen Preis-Mengen-Kombinationen auf der Grenzkostenkurve liegen und somit die Angebotskurve bilden. Als Angebotskurve wird eine Funktion verstanden, die aufzeigt, welche Gütermengen bei den jeweils vorherrschenden Güterpreisen angeboten werden. Beim Preis P3(X) (siehe Punkt A der Abb. III-66) wird die langfristige Preisuntergrenze eingehalten, da die beim Preis P3(X) realisierte gewinnmaximale Produktionsmenge mit totale Stückkosten verbunden ist, die unterhalb des Güterpreises liegen, also: Preis P3(X Gmax) > totale Stückkosten DK(XGmax )]. Anders verhält es sich bei einem Preis P2(X) (siehe Punkt B der Abb. III-66). Hier werden bei der gewinnmaximalen Produktionsmenge die totalen Stückkosten gerade noch abgedeckt, d. h. das Unternehmen macht weder Verlust noch Gewinn. Das Unternehmen erreicht daher bei P2(X) die unterste Gewinnschwelle oder den untersten break-even-point (wegen P2(X) = K‘(X) stellt die Gewinnschwelle auch gleichzeitig eine gewinnoptimale Produktionsmenge dar). Für P(X) > P2(X) rutscht das Unternehmen sukzessiv in die Gewinnzone. Bei der Preis-Mengenkombination des Punk-

2 Unternehmenstheorie

211

tes B wird die langfristige Preisuntergrenze144 mit dem niedrigsten Preis P(X) erreicht (unterste langfristige PUG liegt im Betriebsoptimum). Bei Marktpreisen zwischen P1(X) und P2(X) unterschreitet das Unternehmen zwar die langfristige Preisuntergrenze, kann aber kurzfristig die variablen Kosten erwirtschaften. Somit gilt für Preise zwischen P1(X) und P2(X): P(X) > DVK(X). Es werden nur die variablen Stückkosten, nicht jedoch alle anteiligen Fixkosten gedeckt. Dennoch lohnt sich eine Produktion, da der erzielte Preis oberhalb der variablen Stückkosten liegt und die Produktion einen Beitrag zur Deckung der Fixkosten leistet (positiver Deckungsbeitrag). Punkt C entspricht der untersten kurzfristigen Preisuntergrenze oder den variablen Stückkosten im Betriebsminimum. Unterhalb dieses Punktes würde das Unternehmen auf ein Angebot verzichten. Die Unternehmung wird im Preisbereich zwischen P1(X) und P2(X) aber nur solange das Gut X anbieten, wie keine neuen Ersatz- bzw. Erweiterungsinvestitionen erforderlich sind und somit die Fixkosten nicht entscheidungsrelevant sind. Die Frage, was unter „kurz-„ oder „langfristig“ zu verstehen ist, lässt sich nicht generell beantworten, sondern wird im Einzelfall durch die Nutzungsdauer des realen Kapitalstocks bestimmt. Solange der vorhandene Kapitalstock noch nicht abgenutzt ist und weiterhin zur Produktion eingesetzt werden kann, sind die Fixkosten nicht entscheidungsrelevant und eine kurzfristige Betrachtung ist angebracht (Beachtung der kurzfristigen PUG). Erst wenn durch Abnutzung des Produktionskapitals eine Neuanschaffung der Anlagegüter erforderlich ist, erfolgt ein Übergang von der kurzzur langfristigen Betrachtung (Beachtung der langfristigen PUG). Zusammenfassung: Eine gewinnmaximale Produktion liegt vor, wenn für alternativ vorgegebene Preise P(X) der Güterpreis jeweils den Grenzkosten entspricht (PreisGrenzkosten-Regel). Mit steigenden (sinkenden) Preisen steigt (sinkt) auch die produzierte Menge X und damit das Güterangebot X der gewinnmaximierenden Unternehmung. Da der Schnittpunkt von alternativ unterstellten Preisen und Grenzkosten alle denkbaren gewinnmaximalen preisabhängigen Produktionsmengen wiedergibt und stets auf der Grenzkostenkurve liegt, bedeutet dies gleichzeitig, dass die Grenzkostenfunktion die preisabhängige Angebotsfunktion darstellt. Die preisabhängige Angebotsfunktion beschreibt dabei, welche Produktionsmengen ein gewinnmaximierendes Unternehmen bei alternativ vorgegebenen Güterpreisen P(X) anstreben würde. Es wird aber langfristig nur dann produziert, wenn gleichzeitig der Güterpreis P(X) die totalen Stückkosten übertrifft oder diesen entspricht, d. h. es muss langfristig gelten: P(X) ≥ DK(XGmax).

144

Hinweis: Da davon ausgegangen wird, dass in den Kosten auch ein Entgelt für die Entlohnung des Managements enthalten ist (sogenannter Unternehmerlohn), wird auch bei einem Gewinn von Null langfristig produziert.

212

III Nachfrage und Angebot auf Güter- und Arbeitsmärkten

Wie oben ausgeführt muss kurzfristig der Preis P(X) größer als die variablen Stückkosten ausfallen [P(X) > DVK(XGmax)], d. h. in der Abb. III-66 darf der Marktpreis kurzfristig nicht auf das Niveau P1(X) sinken. Daher stellt in Abb. III-66 die Grenzkostenkurve oberhalb des Punktes C – d. h. oberhalb des Betriebsminimums – die Angebotskurve eines Unternehmens dar. Oberhalb von Punkt C lohnt es sich, bei einem exogen steigenden Marktpreis145 mehr zu produzieren und die progressiv zunehmenden Kosten in Kauf zu nehmen. Umgekehrt führen sinkende Preise (sofern sie noch oberhalb von Punkt C liegen) zur Verminderung der Produktion. An dieser Stelle sei darauf verwiesen, dass die Bedingung der kurzfristigen PUG immer dann eingehalten wird, wenn die variablen Stückkosten unterhalb der Grenzkosten verlaufen. Dies ist z. B. bei einer quadratischen Kostenfunktion, nicht aber bei einer kubischen Kostenfunktion der Fall. Somit würde bei einer quadratischen Kostenfunktion eine gewinnmaximale Produktionsmenge immer einen positiven Deckungsbeitrag erbringen146, d. h. eine Unterscheidung zwischen kurz- und langfristiger PUG wäre nicht erforderlich. Preisabhängige langfristige Angebotsfunktion: Bei der bisherigen Betrachtung stand die kurzfristige Grenzkostenkurve im Vordergrund, die sich z. B. aus einer partiellen Faktorvariation ergeben kann. Längerfristig ist davon auszugehen, dass sich gemäß der Anpassung des Unternehmens an eine optimale Produktionsstruktur (totale Faktorvariation und Nutzung von Skalenerträgen) oder aufgrund des technischen Fortschritts die Grenzkostenkurve verändert. Die vorherigen Ausführungen zur langfristigen Kostenfunktion haben deutlich gemacht, dass die Produktionsausweitung bei totaler Faktorvariation mit steigenden Skalenerträgen der Produktion einhergehen kann. Diese bewirken, dass die langfristige Grenzkostenkurve flacher als die kurzfristige Grenzkostenkurve verläuft. Erst ab einer gewissen Kapazitätsgrenze steigen dann die Kosten stark an (z. B. weil sinkende Skalenerträge der Produktion die langfristigen Kosten in die Höhe treiben oder sich Faktorengpässe ergeben), so dass in diesem Bereich Produktionserhöhungen nur noch bei stark steigenden Güterpreisen (s. Preis-GrenzkostenRegel) eintreten werden. Insgesamt könnte daher die langfristige Angebotskurve über weite Bereiche flacher verlaufen als die kurzfristige Angebotskurve. 145

146

Ein zeitweiliges Unterschreiten dieser untersten langfristigen Preisuntergrenze wäre vorübergehend nur unter folgenden Annahmen denkbar: Längerfristig erwartet die Unternehmung eine Verbesserung der Gewinnsituation. Sie möchte zwischenzeitlich auf dem Markt bleiben, um ihre Kundschaft nicht zu verlieren oder ihre Marktanteile auszuweiten. Denkbar ist auch, dass die Produktion aus technischen Gründen nicht unterbrochen werden darf (z. B. weil ein stillgelegtes Bergwerk nur mit besonders hohem Aufwand wieder aktiviert werden kann). Allerdings erfordert eine Fortsetzung der Produktion unterhalb der kurzfristigen Preisuntergrenze beträchtliche finanzielle Mittel, da jede Produktionseinheit einen negativen Deckungsbeitrag und damit zusätzliche Verluste verursacht. Da im Gewinnmaximum P(X) = K‘(X) gelten muss und bei einer quadratischen Kostenfunktion die Grenzkosten stets oberhalb der variablen Stückkosten liegen, ist damit auch automatisch die kurzfristige PUG eingehalten [P(X)>DVK(X)], vgl. hierzu Aufgabe III-33-1.

213

2 Unternehmenstheorie

Vertiefungsaufgabe III-12: 1. Was verstehen Sie unter fixen und variablen Kosten sowie unter Grenzkosten? 2. Wo liegt das Betriebsminimum bzw. das Betriebsoptimum? 3. Begründen Sie, warum bei nichtlinearen Kostenfunktionen die Grenzkostenfunktion durch das Minimum der variablen bzw. totalen Durchschnittskosten verläuft. 4. In welcher produktionstheoretischen Situation weisen die variablen Stückkosten einen U-förmigen Verlauf auf? 5. Wie hoch ist der Grenzerlös in der Marktform des Polypols? 6. Wie lautet die Bedingung der Gewinnmaximierung im Polypol?

Aufgabe III-29: a) Interpretieren Sie folgende Aussage: „Eine Produktion oberhalb der kurzfristigen und unterhalb der langfristigen Preisuntergrenze führt zu der bemerkenswerten Situation, dass Unternehmen ihre Tätigkeit fortsetzen, obgleich sie mit Verlusten arbeiten!“ b) „Die Produktionsmenge mit dem höchsten Stückgewinn kann von der Produktionsmenge mit dem höchsten Gesamtgewinn abweichen!“ Nehmen Sie Stellung zu dieser Aussage, und erläutern Sie die Situation graphisch. Wann gilt diese Aussage nicht? c) Wie wirkt sich eine Änderung der Fixkosten auf die gewinnmaximale Produktion unter Beachtung der Preisuntergrenzen aus? d) Stimmt die folgende Aussage: „Wird in der Marktform des Polypols ein Gewinnmaximum realisiert und liegt eine quadratische Kostenfunktion vor, so ist die kurzfristige Preisuntergrenze stets erfüllt, nicht aber die langfristige Preisuntergrenze“?

Aufgabe III-30: Ein Buchverlag produziert das neue Lehrbuch von Prof. C. mit einer Auflagenhöhe von 10.000 Exemplaren. Die Fixkosten der Auflage betragen 50.000 €. Dem Verlag entstehen ferner variable Kosten der Verpackung und Versendung, die in Höhe von 4 € je Taschenbuch kalkuliert werden. Als Verkaufspreis werden 16 € geplant, von dem 15% als Händlerspanne und 10 % als Autorenhonorar abzuziehen sind. Bei welcher Absatzmenge erreicht der Verlag die Gewinnschwelle? Quelle angelehnt an: Hardes, H. D., Schmitz, F: Grundzüge der Volkswirtschaftslehre, 7. Auflage, München 2000, S. 105.

Aufgabe III-31: Ein im Wettbewerb stehendes und sich als Mengenanpasser verhaltendes Unternehmen verkauft täglich 7 Stück seines Produktes und macht dabei einen Gewinn in Höhe von 30 Geldeinheiten. Die nachfolgende Tabelle zeigt die Kostensituation dieser Unternehmung. Die Grenzkosten werden durch die Funktion K’(X) = 4X beschrieben. Bestimmen Sie den Marktpreis sowie die bei den verschiedenen Outputmengen sich jeweils ergebenden Grenzkosten. Sollte die Unternehmung ihre Outputentscheidung revidieren, wenn sie ihren Gewinn maximieren möchte? Wie hoch ist der maximale Gewinn? Bei welcher Produktionsmenge erzielt die Unternehmung den höchsten Stückgewinn? Output Gesamtkosten Grenzkosten

0 40

1 42

2 48

3 58

4 72

5 90

6 112

7 138

8 168

9 202

10 240

214

III Nachfrage und Angebot auf Güter- und Arbeitsmärkten

Aufgabe III-32: Die nachfolgende Tabelle zeigt die Wettbewerbssituation von verschiedenen, voneinander unabhängigen Unternehmen, die ihre Marktpreise nicht beeinflussen können. Setzen Sie als verantwortlicher „Manager“ bei den Unternehmen 1 bis 4 die fehlenden Werte für ihre Entscheidungen ein, und beurteilen Sie für alle Unternehmen (1 bis 5) unter Einbeziehung der kurz- bzw. langfristigen Preisuntergrenze die Situation des jeweiligen Unternehmens. In allen Fällen weisen die Grenzkosten einen nichtlinear ansteigenden Verlauf auf, d. h. es liegen U-förmig verlaufende variable und totale Durchschnittskoten vor. (DK = durchschnittliche Gesamtkosten und DVK = durchschnittliche variable Kosten). Aufgabe angelehnt an: Stocker, F.: Mikroökonomie, a. a. O., S. 83. UN Preis Out- Erlös put 1 2 3 4 5

Gesamtkosten

8000 4

10

1500 4000

4000

2000

5500 6000 -

FixVariable kosten Kosten

6000 6000 -

4500 -

DK

5000 10000

-

2,4 Minimum -

DVK

Grenzkosten

2,5

4 2 2,2

1,25 0,75 11

10

Hinweis: Es handelt sich um fünf unabhängige Unternehmen, d. h. die Lösung für jedes der fünf Unternehmen ist jeweils getrennt zu bestimmen. Bei Unternehmen 5 lassen sich die Kostendaten nicht quantifizieren. Vielmehr ist hier ist nur zu erörtern, ob das Unternehmen gewinnmaximal produziert und die kurz- bzw. langfristige Preisuntergrenze einhält.

Aufgabe III-33-1: (Hinweis: die Aufgaben III-33-1 bis III-33-3 ähneln sich in der Struktur) Die quadratische Kostenfunktion K(X) einer Unternehmung für das Gut X lautet: a) Erläutern Sie kurz verbal und graphisch (Skizze), wie dieser Kostenverlauf produktionstheoretisch begründet werden kann! b) Wie lautet die gewinnmaximale Produktionsmenge (X) bei einem fest vorgegebenen und von der Unternehmung nicht veränderbaren Preis von P(X) = 50 €? Wie ändert sich die Situation, wenn der vorgegebene Preis 40 € betragen würde? Begründen Sie jeweils das Ergebnis unter Beachtung der kurz- bzw. langfristigen Preisuntergrenze!

Aufgabe III-33-2: a) Die nachfolgende Tabelle zeigt die Erlös- und Kostendaten eines Unternehmens auf, das sich als Mengenanpasser verhält und die Zielsetzung der Gewinnmaximierung verfolgt. Das Unternehmen weise einen U-förmigen Verlauf der Grenzkosten, der totalen Stückkosten (DK) und der variablen Stückkosten (DVK) auf. Berechnen Sie für das Unternehmen die fehlenden Werte in der Tabelle und zeigen Sie kurz Ihren Rechenweg auf! Erlös- und Kostendaten eines Unternehmens Preis P(X)

Output X

Erlös E(X)

Gesamtkosten K(X)

Fixkosten

Variable DK(X) Kosten

DVK(X) Grenzkosten

450 000 887 500 700 000 750 Für das Unternehmen gelte dabei die nachfolgende Kostenfunktion: K(X) =700 000 + 3•X2 mit: X = Produktionsmenge; DK= totale Stückkosten; DVK = variable Stückkosten

2 Unternehmenstheorie

215

b) Überprüfen Sie, ob die aus der Tabelle sich ergebende Produktionsmenge ein Gewinnmaximum bzw. Verlustminimum darstellt oder wie ggfs. die Produktionsmenge anzupassen ist, damit dieses vorliegt. Überprüfen Sie, ob bei der gewinnmaximalen bzw. verlustminimalen Produktionsmenge(!) die kurz- bzw. langfristige Preisuntergrenze jeweils eingehalten wird. Welche Konsequenzen ergeben sich aus dem Ergebnis Ihrer Prüfung für die Produktion? c) Beurteilen Sie, ob folgende Aussage zutrifft: „Maximiert ein Unternehmen in der Marktform des vollkommenen Polypols seinen Gewinn, so produziert es immer im Betriebsoptimum.“

Aufgabe III-33-3: Ein kleines Unternehmen A produziert das Gut X und verfolgt die Zielsetzung der Gewinnmaximierung. Aufgrund der Wettbewerbssituation kann das Unternehmen den Preis P(X) seines Produkts X nicht verändern und verhält sich als Mengenanpasser. Die Produktion unterliegt einer kubischen Kostenfunktion mit U-förmigen Kostenverläufen. a) Stellen Sie für den gegebenen Sachverhalt den typischen Verlauf der totalen und der variablen Durchschnittskosten sowie der Grenzkosten graphisch als Skizze beispielhaft dar. Die Skizze sollte an den markanten Stellen korrekt gezeichnet sein. b) Tragen Sie für den gegebenen Sachverhalt in der von Ihnen skizzierten Graphik einen von Ihnen gewählten Güterpreis P(X) so ein, dass nachfolgender Sachverhalt erfüllt ist: Die „gewinnmaximale Produktionsmenge“ der Unternehmung A stellt kein Gewinnmaximum, sondern ein Verlustminimum dar (Produktion mit dem geringsten Gesamtverlust), wobei die Produktion nur kurz- aber nicht langfristig fortgesetzt werden kann (Preisuntergrenzen), die verlustminimale Produktionsmenge weicht um einige Mengeneinheiten von der Produktionsmenge im Betriebsoptimum ab. Kennzeichnen Sie anschließend in ihrer graphischen Darstellung durch Markierungen und durch eine geschweifte Klammer sowie Beschriftungen die folgenden Größen: die verlustminimale Produktionsmenge; die Höhe des Stückverlusts je produzierter Mengeneinheit im Verlustminimum.

2.5.3

Marktangebotsfunktion

Durch horizontale Addition der von den einzelnen Unternehmen jeweils zu einem bestimmten Marktpreis angebotenen Mengen ergibt sich die Marktangebotsfunktion147 eines Gutes X (vgl. Abb. III-67). Grundsätzlich wird dabei zwischen kurz147

Anmerkung: Eine einfache Addition ist aber nur dann möglich, wenn die individuellen Angebotsfunktionen unabhängig voneinander sind; ob diese Bedingung erfüllt ist, hängt entscheidend von der zugrunde liegenden Marktform ab. Zum Begriff der Marktformen siehe spätere Ausführungen in Kap. IV. Bei der folgenden Darstellung sei aus Praktikabilitätsgründen vereinfachend nur die langfristige PUG in die Betrachtung einbezogen. Da

216

III Nachfrage und Angebot auf Güter- und Arbeitsmärkten

und langfristigen Angebotsfunktionen unterschieden. Aus Vereinfachungsgründen sei im Folgenden aber nur die langfristige Marktangebotsfunktion unter Beachtung der langfristigen PUG betrachtet. Die Marktangebotsfunktion verläuft mit Knickstellen von links unten nach rechts oben. Sie beginnt bei der Preisuntergrenze (kurzbzw. langfristige) des kostengünstigsten Unternehmens (hier: UN-1) und steigt immer dann sprunghaft an, wenn der Preis die Preisuntergrenze eines weiteren Unternehmens erreicht, so dass auch diese zusätzlichen Unternehmen das Gut X auf dem Markt anbieten (in Abb. III-67 die Unternehmen UN-2 und schließlich UN-3). Die Marktangebotsfunktion formuliert damit eine positive Beziehung zwischen dem Preis und der angebotenen Menge eines Gutes. „Je höher der Preis ist, desto größer ist das Marktangebot eines Gutes X und umgekehrt“148. Die auf Basis der Preis-Grenzkosten-Regel abgeleitete Angebotsfunktion legt Annahmen zugrunde, die in der Praxis unter mehreren Gesichtspunkten relativiert werden müssen. Zunächst sind die Annahmen des homogenen Polypols, das den Preis für ein Unternehmen als gegeben betrachtet, selten gegeben, so dass eher die Preisbildung der später noch darzustellenden monopolistischen Konkurrenz zum Tragen kommt. Auch stellen die Grenzkosten für eine optimale Preiskalkulation ein theoretisches Referenzszenario dar. So erfolgt in der Praxis mangels Kenntnis der Grenzkosten häufig eine Ausrichtung der optimalen Produktion an den Durchschnittskosten (die allerdings nur im Betriebsoptimum mit den Grenzkosten übereinstimmen). Vielfach wird auch das Prinzip der Zuschlagskalkulation angewandt, wonach bei der optimalen Produktionsmenge neben den Kosten auch ein „zufriedenstellender“ Gewinn zu erzielen ist. Kann die Produktion diesen Mindestgewinn nicht sicherstellen, unterbleibt die Produktion bzw. es werden Anstrengungen unternommen, um die Kosten zu senken. Die Mehrzahl der Unternehmen sind keine Ein-Produkt-Unternehmen, so dass eine Mischkalkulation aus den Kostenanteilen verschiedener Produkte vorgenommen werden kann. Mithilfe der beschriebenen Angebotsfunktion der Abbildung III-67 lässt sich z. B. auch erklären, warum bei steigenden Energie- und Rohstoffpreisen der Umfang der verfügbaren Energieressourcen und Rohstoffe häufig unterschätzt wird. So wird bei der Förderung von fossilen Energien schon seit längerem darauf verwiesen, dass die verfügbaren Ressourcen ihr Maximum (peak) überschritten haben. Stattdessen zeigt sich z. B. bei Rohöl oder Gas, dass mit steigenden Energiepreisen immer wieder neue Lagerstätten erschlossen werden, die bisher als unrentabel und unzugänglich

148

in Abb. III-67 lineare Grenzkosten dargestellt sind, wird dort eine quadratische und keine kubische Kostenfunktion unterstellt. Hierfür gibt es zwei Gründe: (a) Mit steigendem Preis wird jeder Anbieter seine Produktionsmenge ausweiten (Preis-Grenzkosten-Regel); (b) Je höher der Preis, desto größer ist die Anzahl der Unternehmen die einen Preis oberhalb der PUG erzielen, d. h. als Anbieter auf dem Markt auftreten. Sinkt hingegen der Marktpreis, werden einige Anbieter vom Markt ausscheiden, wodurch auch die insgesamt angebotene Menge sinken kann, wenn nicht andere Anbieter diese Lücke schließen.

2 Unternehmenstheorie

217

galten. So nimmt die Förderung von Energiequellen in großer Meerestiefe aufgrund der geänderten technischen Möglichkeiten zu149. Auch wird mit steigenden Rohölpreisen die aufwendige, häufig stark umweltbelastende Förderung von Rohöl über den Abbau von großen Ölsandbeständen vorangetrieben. In der Sprache der Abbildung III-67 nimmt mit steigenden Rohstoffpreisen die Zahl der Situationen zu, in denen der Verkaufspreis der gewonnenen Rohstoffe oberhalb der Preisuntergrenzen liegt, so dass die Förderung immer neuer Lagerstätten rentabel erscheint.

2.5.4 Verschiebungen der Angebotsfunktion Die Angebotsfunktion spiegelt die Preisabhängigkeit des Angebots wider. Verändert sich der Preis, so verändert sich die Angebotsmenge infolge einer Bewegung auf der Grenzkostenkurve. Der Preis ist jedoch nicht der einzige und oft auch gar nicht der wichtigste Bestimmungsgrund des Angebots. Vielmehr wirken auf die Produktionshöhe eine Vielzahl von Einflussgrößen ein, die bei der Ableitung der Grenzkostenkurve ein bestimmtes Niveau angenommen haben (z. B. können die Grenzkosten über eine partielle Faktorvariation eines Faktors v1 bei konstantem Einsatz eines weiteren Faktors v2 entstanden sein); verändert sich das Niveau der bei der Ableitung der Grenzkostenkurve angenommenen Werte der Einflussgrößen (z. B. Faktor v2 wird nun vermehrt eingesetzt), so kommt es zu einer Verschiebung der Grenzkosten und damit der Angebotsfunktion.

149

Schlagzeilen machte die Umweltkatastrophe, die sich im April 2010 im Golf von Mexiko ereignete. Bei dem Versuch des Ölkonzern BP, über die Bohrplattform "Deepwater Horizon“ Rohöl aus 4000 Meter Tiefe aus dem Meeresboden zu fördern, explodierte die Bohrplattform und hinterließ einen Umweltschaden in bisher nicht bekannter Größenordnung.

K‘(X)

P1

P2

P3

P(X)

x

K‘(X)

Unternehmen 2 (UN-2)

P(X)

Angebot UN-2

x

DK

P(X)

Unternehmen 3 (UN-3)

K‘(X)

x

DK

Angebot Angebot UN-1 bis UN-3 UN-3

X

grober Verlauf der aggregierten Marktangebotsfunktion

exakter Verlauf verschiedener Teilbereiche

Angebot UN-1 + UN-2

Marktangebotsfunktion für Gut X bei alternativen Preisen

DK

Angebot UN-1

Unternehmen 1 (UN-1)

P1

P2

P3

P(X)

Abb. III-67: Herleitung der Marktangebotsfunktion bei unterschiedlichen Kostensituationen dreier Unternehmen

218 III Nachfrage und Angebot auf Güter- und Arbeitsmärkten

2 Unternehmenstheorie

219

Übersicht III-25 systematisiert wesentliche Einflussgrößen, die das Angebot eines Gutes X einer Unternehmung bzw. aller Unternehmen (Marktangebot) prägen: 1. die Zielsetzung des Unternehmens (z. B. Umsatz- oder Gewinnmaximierung, Sicherstellung oder Ausweitung von Marktanteilen, etc.); 2. die Marktform, d. h. die Art des Anbieterverhalten, insbesondere die Art der Preisgestaltung (z. B. vollständige Konkurrenz oder Monopol); 3. die Art, wie der Faktoreinsatz und damit die Produktionsmöglichkeiten verändert werden; hierbei ist zu unterscheiden zwischen a) Veränderungen des qualitativen oder quantitativen150 Einsatzes der Faktoren; b) Technologieänderungen (Produktionsverfahren, Technischer Fortschritt); 4. die Änderungen der Faktorpreise (Lohn-, Zinssatz, Steuern/Subventionen, Lohnzusatzkosten etc.); 5. die Höhe der Preise anderer Güter (Z), die ebenfalls von der Unternehmung angeboten werden und die mit dem Preis des Produkts (X) konkurrieren (Verlagerung der Produktion von Gut X zu Gut Z, wenn Kapazitätsengpässe bestehen); 6. die Anzahl der Marktteilnehmer, die wiederum von der Kostenstruktur und der Preissituation abhängt (Einfluss der Preisuntergrenzen). Jede (Markt)-Angebotsfunktion gilt daher nur c. p. für eine ganz bestimmte Konstellation der Kostenlage, der Preisstruktur und anderer Determinanten des Angebots. Verändern sich diese Einflussgrößen, entsteht eine neue Angebotsfunktion, d. h. es kommt zur Verlagerung der ursprünglichen Funktion. So verschiebt sich die Angebotsfunktion z. B. nach rechts151, d. h. bei gegebenem Preis werden mehr Güter angeboten, wenn durch technologischen Fortschritt, durch verbesserte Organisation innerhalb des Unternehmens oder durch eine totale Faktorvariation (bei steigenden Skalenerträgen) die Produktivität steigt, die Preise der Produktionsfaktoren (z. B. Löhne, Zinsen, Pachten) oder sonstige Kosten (z. B. Steuern) sinken und damit auch die Grenzkosten der Produktion bei gegebener Produktionsmenge abnehmen oder die Zahl der Anbieter zunimmt. 150

151

Bei der partiellen Faktorvariation von v1 hängt die Produktivität des Faktors v1 vom Einsatz der anderen Faktoren ab; verändert sich der Einsatz der anderen Faktoren, so verändert sich die Produktivität des betrachteten Faktors v1 und damit auch die sich ergebende Kostenfunktion. Die Verschiebung kann aus Sicht des an der Ordinate dargestellten Preises betrachtet werden, dann handelt es sich im vorliegenden Fall um eine Rechtsverschiebung, da zu jedem gegebenen Preis die Menge ansteigt. Die Verschiebung kann aber auch aus Sicht der an der Abszisse dargestellten Menge betrachtet werden, dann handelt es sich hier um eine Verschiebung nach unten, d.h. bei jeder gegebenen Menge steigt die Produktivität und sinken damit die Grenzkosten. (Hinweis: Eine Verschiebung der Grenzkosten lässt sich aus Sicht der Menge leichter erklären als aus Sicht des Preises).

220

III Nachfrage und Angebot auf Güter- und Arbeitsmärkten

Übersicht III-25: Einflussgrößen der Marktangebotsfunktion einer Unternehmung

Optimalitätsbedingungen Abhängig von: (1) Zielsetzung, z. B. Gewinnmaximierung (2) Marktform, z. B. Gewinnmaximierung im Polypol (P(X) = Grenzkosten)

Produktionsebene X = F ( v1, v2, technischer Fortschritt)

(5) anderes Produkt Z

(3a) Faktoreinsatz partielle oder totale Faktorvariation

(3b) Technologie

(4) Faktorpreise, Steuern, Subventionen

Preisgerüst

K(X) =

Mengengerüst

q1 * v1 + q2 * v2

Kostenebene

(6) Zahl der Marktteilnehmer

Verlauf der Marktangebotsfunktion

Übersicht III-26 zeigt abschließend für das Beispiel der Automobilbranche verschiedene Situationen auf, die c. p. bei gegebenem PKW-Preis152 eine Rechts- bzw. Linksverschiebung des PKW-Angebots bewirken könnten.

152

Die Verschiebung der Angebotsfunktion würde allerdings bei unveränderter Nachfrage auch den Gleichgewichtspreis auf dem betrachteten Gütermarkt verändern, so dass eine Verschiebung der Marktangebotsfunktion letztlich auch eine Veränderung des Gütermarktpreises nach sich zöge.

221

2 Unternehmenstheorie Übersicht III-26: Einflussgrößen des Güterangebots (Beispiel Automobil)

Art des Einflusses 1. Technologie 2. Faktorpreise 3. Preise verwandter Güter 4. Wirtschaftspolitische Maßnahmen (z. B. Importquoten, Zölle, Umweltauflagen)

2.5.5

Erläuterung des Sachverhalts CAD, CAM senken Produktionskosten und erhöhen das Angebot. Eine Senkung der Löhne in der Automobilbranche senkt die Produktionskosten und erhöht das Angebot. Bei steigenden LKW-Preisen geht das PKW-Angebot zurück, sofern ein Unternehmen wegen beschränkter Kapazitäten sich auf die Produktion des teureren Produkts konzentriert. Die Beseitigung von Importquoten für ausländische Autohersteller und von Zöllen auf ausländische PKW erhöht das Autoangebot; die Rücknahmeverpflichtung von Altautos erhöht die Kosten und senkt bei gegebenem Preis das PKWAngebot; erhöhte Umweltauflagen (z. B. niedrigere Abgaswerte) können die Produktionskosten erhöhen und das Angebot senken.

Preiselastizität des Angebots, Kostenelastizität

Nicht nur auf der Nachfrageseite, sondern auch auf der Angebotsseite lassen sich Elastizitäten bilden153. Die Preiselastizität des Angebots EA(X),P(X) beschreibt die relative Änderung der Angebotsmenge bei einer relativen Preisveränderung eines Gutes X. Da steigende Preise i. d. R. eine Zunahme der angebotenen Menge zur Folge haben, ist die Preiselastizität des Angebots i. d. R. positiv. Für die Bogenelastizität ergibt sich somit:

Ein preisunelastisches Angebot liegt vor, wenn die Angebotselastizität EA < 1. Bei der Interpretation der Preiselastizität des Angebots der Menge X ist – in Analogie zur Preiselastizität der Nachfrage – zu beachten, dass die Elastizität sowohl durch den betrachteten Punkt auf der Angebotsfunktion als auch durch die Steigung der Angebotsfunktion bestimmt wird. Beträgt EA(X),P(X) = 0, d. h. liegt eine vollkommen unelastische Angebotsfunktion vor, so ist das Angebot unabhängig vom Preis starr. 153

Angebotselastizitäten lassen sich auf die gleiche Weise differenziert darstellen, wie Nachfrageelastizitäten (vgl. Kap. III.1.3). Im Folgenden wird überwiegend das Konzept der Bogenelastizität diskutiert.

222

III Nachfrage und Angebot auf Güter- und Arbeitsmärkten

Dieser starre Verlauf ist oft kurzfristig gegeben, wenn die Produktion sich an der Kapazitätsgrenze befindet und Anpassungen nicht möglich sind. Mittel- bis langfristig sind jedoch Änderungen des Angebots durch totale Faktorvariationen möglich. Kostenelastizitäten154 (EK,X) Die Kostenelastizität (EK,X) beschreibt die relative Kostenänderung bei einer relativen Änderung der Produktionsmenge. Handelt es sich um diskrete Änderungen der Kosten bei erhöhter Produktion, so ergibt sich die Kostenelastizität als Bogenelastizität:

Liegt eine stetig differenzierbare Kostenfunktion vor, so ergibt sich die Kostenelastizität als Punktelastizität:

Eine Kostenelastizität von EK,X > 1 (EK,X < 1) bedeutet, dass die Kosten bei einer Ausweitung der angebotenen Menge überproportional (unterproportional) steigen. Die Formel für die Kostenelastizität macht deutlich, dass immer dann größer als Eins ausfällt, wenn die Grenzkosten die Durchschnittskosten übertreffen. Bei quadratischen Kostenfunktionen (z. B. bei partieller Faktorvariation und einfachem Ertragsgesetz) sinken die Grenzerträge der Faktoren und steigen die Grenzkosten. Somit beträgt155 für Produktionsmengen, die größer ausfallen als die Produktionsmenge des Betriebsoptimums (hier sind die Grenzkosten größer als die Durchschnittskosten), der Wert der Kostenelastizität EK,X > 1. 154

155

Bei der bisher gewählten Terminologie einer Elastizität (Preiselastizität der Nachfrage, Preiselastizität des Angebots, Einkommenselastizität) steht die Größe, die die betrachtete Veränderung auslöst, im Nenner. Der Begriff „Kostenelastizität“ könnte daher suggerieren, dass hier der Einfluss der Kosten auf andere Größen betrachtet wird. Gemeint ist aber der Einfluss der relativen Änderung der Angebotsmenge X auf die relative Kostenänderung; insoweit würde der Begriff „Angebotselastizität der Kosten“ oder „Mengenelastizität der Kosten“ dem bisher zugrunde gelegten Elastizitätsschema besser entsprechen; allerdings hat sich im Sprachgebrauch aus Vereinfachungsgründen der Begriff Kostenelastizität herausgebildet. Bei einer quadratischen Kostenfunktion liegen für Produktionsmengen X > Betriebsoptimum (BO) die Grenzkosten oberhalb der Durchschnittskosten, so dass gemäß der Formel für die Kostenelastizität (EK,X) gilt: EK,X > 1. Für X < BO ist analog EK,X < 1, da die Grenzkosten unterhalb der Durchschnittskosten liegen.

2 Unternehmenstheorie

223

Liegt eine totale Faktorvariation vor, so entspricht die Kostenelastizität dem Kehrwert der Skalenelastizität (SKE), d. h. EK,X = (1 / SKE); damit gilt: EK,X = 1

für konstante Skalenerträge

EK,X < 1

für steigende Skalenerträge

EK,X > 1

für sinkende Skalenerträge

2.6

Faktornachfragefunktion am Beispiel des Faktors Arbeit

Bisher stand bei der Zielsetzung der Gewinnmaximierung die Ableitung der gewinnmaximalen Produktionsmenge und die Ableitung der Güterangebotsfunktion der Unternehmung im Vordergrund (Outputregel der Gewinnmaximierung, Maximalprinzip). Da die Produktionsmenge über die Produktionsfunktion mit den Faktorinputs verbunden ist, lässt sich das Gewinnmaximum auch über die Faktorinputs definieren (Inputregel der Gewinnmaximierung, Minimalprinzip). Dies ermöglicht es, die Optimalitätsbedingungen für die Faktornachfrage einer gewinnmaximierenden Unternehmung abzuleiten und Faktornachfragefunktionen (Arbeitsnachfrage-, Investitionsfunktionen) zu beschreiben. Dabei wird von fest vorgegebenen Faktorpreisen (Lohnsätzen, Nutzungskosten des Kapitals156) und konstanten Güterpreisen des Gutes X ausgegangen. Im Rahmen dieser Erörterung konzentrieren sich die Betrachtungen auf die Bestimmung der (gewinnmaximalen) Arbeitsnachfrage. Eine gewinnmaximierende Unternehmung wird einen Faktor solange verstärkt einsetzen, bis dieser Faktor einen zusätzlichen, in Geldeinheiten bewerteten Ertrag erzielt (das sogenannte Wertgrenzprodukt), der seinen zusätzlichen Kosten, dem Faktorpreis, entspricht. Das Wertgrenzprodukt des Faktors setzt sich somit aus einer Mengenkomponente und einer Preiskomponente zusammen. Die Mengenkomponente gibt an, welche zusätzliche Menge des Gutes X mit einer zusätzlichen Faktoreinheit produziert werden kann (realer Grenzertrag157 des Faktors oder reales Grenzprodukt des Faktors). Dabei wird in der Regel unterstellt, dass der reale Grenzertrag des Faktors mit zusätzlichem Faktorinput abnimmt (ertragsgesetzlicher 156

157

Nutzungskosten des Kapitals (user costs of capital) setzen sich aus Zinskosten und Abschreibungen zusammen; ferner sind eventuell anfallende indirekte Steuern (Kostensteuern) auf den Kapitaleinsatz zu berücksichtigen. Zum Konzept der Nutzungskosten des Kapitals vgl. Natrop, J., a. a. O., S. 229 ff. sowie die dort angeführte umfassende Literatur. Unter „Grenzertrag“ eines Faktors wird in der Mikroökonomie der zusätzliche mengenmäßige und nicht der zusätzliche wertmäßige Output verstanden. Das Wertgrenzprodukt stellt demgegenüber den wertmäßigen zusätzlichen Output dar, d.h. entspricht den Begriffen „Grenzumsatz“, oder „Grenzerlös“, der durch den zusätzlichen Faktoreinsatz erzielt wird.

224

III Nachfrage und Angebot auf Güter- und Arbeitsmärkten

Verlauf bei partieller Faktorvariation bzw. sinkende Skalenerträge bei totaler Faktorvariation). Die Preiskomponente ist der Güterpreis. Im Gewinnmaximum muss somit der mit dem Güterpreis bewertete reale Grenzertrag des Faktors, d. h. das Wertgrenzprodukt (WGP = realer Grenzertrag des Faktors • Güterpreis), den Grenzkosten des Faktoreinsatzes (vi), d. h. dem Faktorpreis (qi) entsprechen. Demnach gilt dann im Gewinnmaximum folgende Inputregel: Im Folgenden soll davon ausgegangen werden, dass es sich bei dem betrachteten Faktor (vi) um den Arbeitseinsatz handelt. So gibt die Gleichung (2.6-1a) die Bestimmungsgleichung für die Arbeitsnachfrage an. Der Faktorpreis qi stellt dann den Nominallohnsatz dar. Damit konkretisiert sich Gleichung (2.6-1a) zu: Solange der zusätzliche Faktoreinsatz einen höheren Ertrag erbringt, als er kostet, hat die Unternehmung den maximalen Gewinn noch nicht erreicht. Erst wenn infolge sinkender realer Grenzerträge der mit dem Güterpreis bewertete zusätzliche Erlös (Wertgrenzprodukt) dem Faktorpreis (hier: dem Nominallohnsatz) entspricht, wird das gewinnmaximierende Unternehmen keine zusätzlichen Einsatzmengen dieses Faktors mehr nachfragen. Umgekehrt wird die Unternehmung die Nachfrage nach einem Faktor immer dann verringern, wenn das Wertgrenzprodukt der zuletzt eingesetzten Faktoreinheit unterhalb des Faktorpreises liegt. Wird die Inputregel (2.6-1) durch den Güterpreis dividiert, so ergibt sich:

Der Ausdruck „Faktorpreis/Güterpreis“ wird als realer Faktorpreis bezeichnet (z. B. Reallohn); dieser reale Faktorpreis gibt die Entlohnung des Faktors in Gütereinheiten des erstellten Gutes an. Betragen z. B. der Lohnsatz 20 € / Arbeitsstunde und der Güterpreis für ein repräsentatives Gut 10 € / Mengeneinheit (ME), so ergibt sich ein Reallohn von:

Im Gewinnmaximum stimmen damit reale Faktorentlohnung und (realer) Grenzertrag eines Faktors (reale Grenzproduktivität) überein (vgl. Abb. III-68, obere Darstellung). Verändert sich das reale Entgelt eines Faktors, so verändert sich auch die Nachfrage nach dem Faktor. Somit stellt die reale Grenzertragskurve die Faktornachfragekurve in Abhängigkeit vom realen Faktorpreis dar (vgl. Abb. III-68, untere Darstellung). Die Faktornachfrage (v1) nimmt c. p. mit sinkendem realen Faktorpreis zu bzw. mit steigendem realen Faktorpreis ab (Bewegung auf der Faktornachfragekurve = Schnittpunkte von realem Faktorpreis und Grenzertragskurve bei alternati-

225

2 Unternehmenstheorie

ven realen Faktorpreisen). Für den Faktor Arbeit stellt dann die reale Grenzertragskurve die Arbeitsnachfragekurve in Abhängigkeit vom Reallohnsatz dar. Eine Variation der Güterpreise und eine hierdurch ausgelöste Veränderung der realen Faktorpreise verändert die Faktornachfrage. Steigt z. B. der Güterpreis an, dann sinkt der reale Faktorpreis, d.h. dieser verschiebt sich in Abb. III-68 nach unten. In der Folge steigt die optimale Faktornachfrage, d. h. es kommt zu einer Bewegung auf der Faktornachfragekurve (vgl. Abb. III-68). Analog würde eine Güterpreissenkung eine Erhöhung des realen Faktorpreises bedeuten. Folglich würde in Abb. III-68 die Faktornachfrage nach oben verschoben, so dass die optimale Faktornachfrage abnähme. Schließlich haben bei gegebenem realen Faktorpreis auch Veränderungen des realen Grenzertrages eines Faktors eine veränderte Faktornachfrage zur Folge: Erhöhte (bzw. verringerte) reale Faktorproduktivitäten bedeuten aus Sicht der Abszisse (Faktoreinsatz) eine Verschiebung der Faktornachfragekurve nach oben (bzw. nach unten). Daher kommt es im Schnittpunkt von verschobener Faktornachfragekurve und unverändertem realen Faktorpreis zu einer Erhöhung der optimalen Faktornachfrage, wenn die reale Faktorproduktivität ansteigt. Umgekehrt wird die Faktornachfrage gesenkt, wenn die reale Faktorproduktivität abnimmt.

Abbildung III-68: Ableitung der Faktornachfragekurve realer Grenzertrag, realer Faktorpreis

realer Grenzertrag des Faktors (reale Grenzproduktivität des Faktors) realer Faktorpreis (z. B. Reallohnsatz)

v1 (z. B. Arbeit)

realer Faktorpreis, z. B. Reallohnsatz

gewinnmaximierender Faktoreinsatz v1 bei alternativen realen Faktorpreisen Faktornachfragekurve (z.B. Arbeitsnachfragekurve) realer Faktorpreis, z. B. Reallohnsatz v1 (z.B. Arbeit)

226

III Nachfrage und Angebot auf Güter- und Arbeitsmärkten

Fallbeispiel: Mineralwasserproduktion und „produktivitätsorientierte Lohnpolitik“ Angenommen, zur Abfüllung eines edlen Mineralwassers wird eine moderne Abfüllanlage eingesetzt, deren Output (Zahl der abgefüllten Flaschen) sich durch zusätzliche Arbeitskräfte erhöhen lässt. So ist es denkbar, dass ein zusätzlicher Arbeitseinsatz eventuelle Störungen der Anlage und damit Produktionsausfälle verhindern kann oder dass aufgrund zusätzlicher Arbeitskräfte die Anlage mit einer etwas höheren Geschwindigkeit betrieben werden kann. Gleichwohl nimmt der Output der Anlage nur unterproportional zur Zahl der Arbeitskräfte zu, da die Kapazitäten der Anlage begrenzt sind und der Faktor Arbeit mit zunehmendem Arbeitseinsatz immer unproduktiver wird. Die Grenzproduktivität der Arbeitskräfte würde sich somit entsprechend dem einfachen Ertragsgesetz entwickeln und könnte den in Abbildung III-69 dargestellten Verlauf aufweisen. Die reale Grenzproduktivität beschreibt die Zahl der zusätzlich produzierten Wasserflaschen je zusätzlich eingesetzter Arbeitskraft. Ferner sei vereinfachend angenommen, dass die Mitarbeiter mit dem produzierten Gut, d. h. mit Wasserflaschen entlohnt würden. Beträgt der Nominallohn der Mitarbeiter 15 €/Std. und beträgt der Preis je Wasserflasche 1 €, so erhalten die Mitarbeiter somit 15 Wasserflaschen je Stunde als Reallohn. Aus Abbildung III-69 wird ersichtlich, dass in dem gewählten Beispiel bei einem Reallohn von 15 Wasserflaschen vier Arbeitskräfte eingesetzt werden. Der vierte Mitarbeiter erzielt einen Reallohn, der genau seiner Grenzproduktivität entspricht, d. h. 15 Wasserflaschen. Insofern erwirtschaftet dieser Arbeitnehmer einen zusätzlichen Deckungsbeitrag von Null. Solange die reale Grenzproduktivität der Mitarbeiter höher als ihr Reallohn von 15 Wasserflaschen ausfällt, ist die zusätzliche Beschäftigung von Arbeitskräften für das Abfüllunternehmen vorteilhaft (positiver zusätzlicher Deckungsbeitrag). Sobald aber das reale Grenzprodukt der Arbeit unterhalb des Reallohnes liegt, wie z. B. beim fünften Arbeitnehmer mit einem Grenzprodukt von 13 Wasserflaschen, entsteht durch den Einsatz des fünften Arbeitnehmers ein negativer Deckungsbeitrag, so dass der Einsatz nicht vorteilhaft ist. In Abb. III-69 (untere Abb.) ist eine Erhöhung der Grenzproduktivität des Faktors Arbeit um 20% dargestellt. Bei unverändertem Reallohn von 15 Wasserflaschen führt der Produktivitätsanstieg zu einer Ausweitung der Beschäftigung von zuvor vier auf nun sechs Mitarbeiter. Andererseits könnte die höhere Arbeitsproduktivität auch dazu genutzt werden, den Arbeitnehmern höhere Lohnsätze zu zahlen. Steigt der Reallohn genau in dem Umfang an, wie sich die Arbeitsproduktivität erhöht, also von 15 Wasserflaschen auf 18 Wasserflaschen, hat diese Lohnerhöhung keinen Einfluss auf die Beschäftigung. Es wäre für das Abfüllunternehmen weiterhin vorteilhaft, vier Arbeitnehmer zu beschäftigten. Dies bedeutet: Reallohnsteigerungen sind aus kostentheoretischer Sicht dann beschäftigungsneutral, wenn sie im Umfang der realen Produktivitätssteigerung erfolgen. Diese Übereinstimmung von realer Lohn- und Arbeitsproduktivitätsveränderung wird auch als produktivitätsorientierte Lohnpolitik bezeichnet. Steigt der reale Lohnsatz stärker an, als sich die reale Arbeitsproduktivität erhöht, so wird auch von steigenden realen Lohnstückkosten gesprochen. Sie hat eine Verringerung der Beschäftigung zur Folge (siehe hierzu die Ausführungen am Ende dieses Kapitels). Stiege der reale Stundenlohn z. B. um 33% von 15 auf 20 Wasserflaschen an, während die Grenzproduktivität der Anlage nur um 20% zunähme, so käme es zu einem Anstieg

227

2 Unternehmenstheorie

der realen Lohnstückkosten. Dies hätte eine Verminderung der Beschäftigtenzahl, z. B. von zuvor vier auf unter drei Arbeitnehmer zur Folge158 (vgl. Abb. III-69).

Abbildung III-69: Produktivitätsorientierte Lohnpolitik am Fallbeispiel der Mineralwasserproduktion Anzahl der zusätzlich produzierten Wasserflaschen je zusätzl. 18 Mitarbeiter

X‘(v1 )

Ausgang: Reallohn = 15 Wasserflaschen

15 13

v1 (Mitarbeiter) 3 Anzahl der zusätzlich produzierten Wasser- 20 flaschen je zusätzl. 18 Mitarbeiter

4

5

X‘(v1 )

Wachstumsrate Reallohn = Wachstumsrate reale Arbeitsproduktivität (= unveränderte reale Lohnstückkosten)

15 13

v1 (Mitarbeiter) 3

4

5

6

Aus der Inputregel folgt, dass eine gewinnmaximierende Unternehmung bei der Nachfrage nach Faktoren, z. B. der Einstellung einer zusätzlichen Arbeitskraft, u. a.

158

Die Arbeitsnachfragekurve könnte auch in Abhängigkeit von nominalen Faktorpreisen (z. B. Nominallöhnen als Ordinatenwerte) dargestellt werden. Dann würde sich – für alternativ vorgegebene nominale Faktorpreise – die Faktornachfragefunktion aus den Schnittpunkten der Kurve des Wertgrenzprodukts (= Grenzertrag des Faktors • Güterpreis) und dem nominalen Faktorpreis ergeben. Bei dieser Darstellung der Faktornachfragekurve führen sowohl Veränderungen der Güterpreise als auch der Grenzertragskurven des Faktors (z. B. infolge technologischen Fortschritts oder eines veränderten Einsatzes eines anderen Faktors) zu Verschiebungen der Faktornachfragekurve.

228

III Nachfrage und Angebot auf Güter- und Arbeitsmärkten

folgende Aspekte beachten muss (im Folgenden sei die Darstellung der Faktornachfrage in Abhängigkeit von realen Faktorpreisen gewählt): 1. Wie verändert sich zukünftig der Produktpreis oder inwieweit haben Unternehmen Spielraum für Preiserhöhungen? Je höher der Produktpreis, desto niedriger ist c. p. der Reallohn, desto mehr Arbeitskräfte werden bei gegebenem Nominallohn nachgefragt (Bewegung auf der Faktornachfragekurve). 2. Wie verändert sich der Grenzertrag des Faktors (z. B. der Arbeit) infolge technischen Fortschritts oder eines veränderten Einsatzes anderer Faktoren? Auch hier steigt c. p. die Faktornachfrage mit zunehmender Produktivität (Verschiebung der Faktornachfragekurve nach rechts aus Sicht des Faktorpreises bzw. nach oben aus Sicht der Faktormenge). 3. Wie gestalten sich zukünftig die Faktorpreise, z. B. die Nominallohnsätze? Je höher der Nominallohnsatz, desto weniger Arbeit wird c. p. nachgefragt (Bewegung auf der Faktornachfragekurve). Wird die Bedingung (2.6 - 2): „realer Grenzertrag des Faktors = Nominallohn/ Güterpreis des Gutes X“159 in Wachstumsraten überführt und berücksichtigt, dass bei Unterstellung einer Cobb-Douglas Produktionsfunktion die Veränderung des realen Grenzprodukts der Arbeit mit der Veränderung der realen (durchschnittlichen) Arbeitsproduktivität übereinstimmt160, so ergibt sich für die jeweiligen Wachstumsraten der Größen annähernd: Veränderungsrate der (2.6-3) realen Arbeitsproduktivität

=

Veränderungsrate Nominallohnsatz

-

Preissteigerungsrate des Gutes X

=

Veränderungsrate Reallohnsatz

=

Aus Kostensicht lassen Tariflohnänderungen die Beschäftigung somit dann unverändert, wenn der Reallohnanstieg dem Anstieg der Arbeitsproduktivität entspricht. 159

160

Zum Preisindex: Handelt es sich um eine Vielzahl von Gütern, so wird die Preisentwicklung dieser Güter durch einen Preisindex wiedergegeben; z. B. bei Konsumgütern durch den Preisindex des Konsums wie dem monatlich vom Statistischen Bundesamt für verschiedene Haushalte (unterschiedliche Warenkörbe) berechneten Preisindex der Lebenshaltung. Werden gesamtwirtschaftliche Größen wie das Bruttoinlandsprodukt (BIP) in die Betrachtung der Grenzproduktivität einbezogen, so wird der Preisindex des BIPs (BIPDeflator) als Preissteigerungsrate berücksichtigt. Zum Reallohn: Setzt sich eine Größe wie hier der reale Lohn als Quotient aus zwei anderen Größen, nämlich dem Nominallohn und dem Preisniveau zusammen, so ermittelt sich der exakte Wachstumsfaktor des Reallohnes als Wachstumsfaktor des Nominallohnes dividiert durch den Wachstumsfaktor der Preise. Hieraus kann dann durch Umformung die exakte Wachstumsrate des Reallohnes ermittelt werden. Bei einer Cobb Douglas Produktionsfunktion unterscheiden sich das Grenz- und das Durchschnittsprodukt eines Faktors (z. B. Arbeit) nur um die konstante Produktionselastizität (s. auch Aufgabe III-25a).

229

2 Unternehmenstheorie

Gleichung (2.6-3) lässt sich auch nach der Veränderungsrate des Nominallohns auflösen. Nun ergibt sich eine Gleichung, die den Tarifparteien bei ihren Verhandlungen als Richtschnur dient: Anstieg der Nominallöhne = Steigerung der realen Arbeitsproduktivität + Inflationsrate

Es ergibt sich, dass Nominallohnsteigerungen im Umfang des realen Produktivitätsanstiegs zuzüglich der Inflationsrate kostenneutral sind, das heißt die realen Lohnstückkosten nicht ansteigen und damit auch die Beschäftigung unverändert lassen.161 Gemäß (2.6-3) wird eine gewinnmaximierende Unternehmung bei steigenden Nominallöhnen nur dann die Arbeitsnachfrage konstant halten, wenn c. p. die Nominallohnsteigerung von einer gleich hohen nominalen Produktivitätssteigerung (= Erhöhung der realen Produktivität zuzüglich der Preissteigerungsrate) begleitet wird (z. B. jeweils 10%) oder die Nominallohnsteigerung vollständig durch Preissteigerungen des Gutes X (bzw. eines gestiegenen Preisindex) gewinnneutral kompensiert werden kann. Die Tarifpartner haben bei Lohnverhandlungen dementsprechend zu beachten, dass Lohnsteigerungen der Produktivitäts- und der Preisentwicklung so Rechnung zu tragen haben, dass die Bedingungen der Gleichung (2.6-3) erfüllt sind (produktivitätsorientierte Lohnpolitik). Im Folgenden soll die bisher erörterte optimale Faktornachfrage auch formal abgeleitet werden; dabei wird von zwei Faktoren v1 und v2 ausgegangen; eine Erweiterung auf mehr als zwei Faktoren wäre grundsätzlich möglich, soll aber zur Vereinfachung der Darstellung im Folgenden unterbleiben. Formale Ableitung der Faktornachfrage: Der Gewinn (G) ergibt sich als Differenz von Erlös (E) und den Kosten (K): -

-

Für den Erlös gilt: -

mit P(X) = vorgegebener Güterpreis

Dabei wurde für X die Produktionsfunktion ren v1 und v2 unterstellt. 161

mit den Produktionsfakto-

Die produktivitätsorientierte Lohnpolitik betrachtet lediglich die Kosteneffekte erhöhter Löhne (Kostenargument), lässt aber die aus gestiegenen Löhnen resultierenden Kaufkrafteffekte (Kaufkraftargument) unberücksichtigt. In dem Umfang, wie höhere Löhne zu mehr Kaufkraft und damit zu mehr Produktion führen, würde die Gleichung (2.6-3) den Lohnsteigerungsspielraum unterzeichnen.

230

III Nachfrage und Angebot auf Güter- und Arbeitsmärkten

Die Kosten (K(v1,v2)) der Produktion ergeben sich, indem die Faktormengen v1 und v2 mit den fest vorgegebenen Faktorpreisen q1 und q2 multipliziert und aufaddiert werden: Werden die Gleichungen (2.6 - 5) und (2.6 - 6) in die Gewinndefinition (2.6 - 4) eingesetzt, so ergibt sich für den Gewinn: Im Gewinnmaximum gilt:

.

Zur Bestimmung der gewinnmaximalen Faktoreinsatzmengen v1 und v2 ist daher die Gewinngleichung nach den Faktoren v1 und v2 partiell abzuleiten und gleich Null zu setzen; es gilt somit:

Hieraus folgt die oben bereits erörterte Bedingung für den gewinnmaximalen Faktorinput:

Im Gewinnmaximum entsprechen somit die mit dem Güterpreis gewogenen Grenzerträge der Faktoren den Faktorpreisen bzw. die Grenzerträge der Faktoren entsprechen den realen Faktorpreisen. Wird Gleichung (2.6 - 9a) durch Gleichung (2.6 - 9b) dividiert, so kürzt sich der Outputpreis heraus und es ergibt sich die bereits in Kapitel III.2.4 dargestellte Bedingung für die Minimalkostenkombination der Faktoren. Hiernach entspricht das Verhältnis der Grenzprodukte der Faktoren dem Faktorpreisverhältnis. Die Minimalkostenkombination muss für jede Produktionsmenge gelten, die mit minimalen Kosten produziert wird. Soll diese Produktionsmenge allerdings auch gewinnmaximal sein, so muss zusätzlich gelten, dass nicht nur die aus der Division von (2.6 - 9a) und (2.6 - 9b) sich ergebende Minimalkostenkombination erfüllt ist, sondern dass auch jede Gleichung für sich erfüllt ist. Dies ist eine zusätzliche Bedingung, die nur für die gewinnmaximale Produktionsmenge, nicht aber für jede beliebige, mit minimalen Kosten produzierte Gütermenge gilt.

2 Unternehmenstheorie

231

Im Gewinnmaximum müssen daher für jeden Faktor der reale Grenzertrag des Faktors und seine reale Entlohnung übereinstimmen. Diese Entlohnungsregel der Faktoren wird als Grenzproduktivitätstheorie der Faktorentlohnung bezeichnet. Erfolgt die nominale Entlohnung des Faktors nach dem Wertgrenzprodukt bzw. die reale Entlohnung nach dem realen Grenzertrag, so hätte z. B. c. p. eine nominale Lohnveränderung infolge technologischen Fortschritts keine Veränderung der Faktornachfrage zur Folge (Kurve des realen Grenzprodukts und Reallohnsatz verschieben sich gleichermaßen, so dass die optimale Faktornachfrage unverändert bleibt). So einfach diese Regel theoretisch auch klingen mag, so schwierig dürfte sich ihre Umsetzung in der Praxis erweisen, z. B. bei Tariflohnverhandlungen. So wird eine Bestimmung der realen Grenzproduktivität mit quantitativen Problemen verbunden sein und selbst ihre Approximation über die Durchschnittsproduktivitäten setzt eine fiktive Zuordnung des Outputs zu den einzelnen Faktoren voraus (z. B. über eine Regressionsanalyse). Dennoch dürfte diese Grenzproduktivitätsregel bei aller Problematik eine Leitlinie bilden, die je nach Verhandlungsgeschick der Tarifpartner mehr oder weniger umgesetzt wird. Abschließend soll aufgezeigt werden, wie die Begriffe reale Arbeitsproduktivität und Reallohn in den Begriff der realen Lohnstückkosten überführt werden können. Unter den realen Lohnstückkosten wird die mit dem Preisniveau deflationierte Lohnsumme verstanden, die auf eine Produktionseinheit entfällt. Handelt es sich um gesamtwirtschaftliche Betrachtungen, so wird zur Beschreibung der Produktionseinheiten einer Volkswirtschaft das reale Bruttoinlandsprodukt (BIP) verwandt. Diese realen Lohnstückkosten sollen zunächst formal als Absolutgrößen definiert und dann in eine Wachstumsbetrachtung überführt werden. Als Absolutgröße werden für eine Volkswirtschaft die realen Lohnstückkosten wie folgt unter Einbeziehung der gezahlten Lohnsumme und des gesamtwirtschaftlichen Preisniveaus und des realen Bruttoinlandsprodukts (BIP) definiert:

Die Gleichung (2.6 - 10) lässt sich um die Beschäftigten im Zähler und die Erwerbstätigen im Nenner wie folgt erweitern162:

Wird im Zähler der Gleichung (2.6 – 11) die reale Lohnsumme durch die Beschäftigung dividiert, so ergibt sich der reale Lohnsatz. Im Nenner führt die Erweiterung um die Erwerbstätigen zum Begriff der realen Produktivität. Damit ergibt sich für die realen Lohnstückkosten: 162

Die Erweiterung müsste eigentlich im Zähler und Nenner über eine einheitliche Größe erfolgen. Da die Lohnsumme sich aber auf die Beschäftigten und die Produktivität auf die Erwerbstätigen bezieht, unterscheiden sich die Größen im Zähler und Nenner inhaltlich.

232

III Nachfrage und Angebot auf Güter- und Arbeitsmärkten

Unter Beachtung der Regeln für die Überführung von Absolutgrößen in Wachstumsraten folgt aus (2.6 -12) annähernd: -

Wird in Gleichung 2.6-13 zusätzlich die Definition der Veränderungsrate der Reallöhne berücksichtigt (Veränderung Reallöhne = Veränderung Nominallöhne abzüglich der Preissteigerungsrate) so ergibt Gleichung (2.6-13a):

Verändern sich Reallöhne und reale Arbeitsproduktivität in gleicher Weise, so bleiben die realen Lohnstückkosten unverändert. Wie in den vorangegangenen Ausführungen und in den Gleichungen (2.6-3) und (2.6-9) gezeigt wurde, haben Reallohnveränderungen dann keine Beschäftigungsänderung zur Folge, wenn diese mit der Veränderung der realen Arbeitsproduktivität übereinstimmen.163 Real- oder Nominallohnänderungen, die die realen Lohnstückkosten unverändert lassen, haben eine konstante Beschäftigung zur Folge. Entsprechend führen auf Basis dieser Kostenbetrachtung steigende Lohnstückkosten zu sinkender Beschäftigung und fallende Lohnstückkosten zu steigender Beschäftigung. Aus den Ausführungen wurde ersichtlich, dass für die Beurteilung der Beschäftigtenentwicklung die realen Lohnstückkosten maßgeblich sind. Häufig werden in den statistischen Tabellen (z. B. des Statistischen Bundesamtes) allerdings nominale Lohnstückkosten ausgewiesen. Diese ergeben sich aus den realen Lohnstückkosten zuzüglich der Preissteigerungsrate. Während die realen Lohnstückkosten sowohl Reallöhne als auch reale Arbeitsproduktivitäten berücksichtigen, verwenden die nominalen Lohnstückkosten die Nominallöhne und die realen Arbeitsproduktivitäten.164

163

164

Dabei ist zu beachten, dass die Gleichungen (2.6-3) bzw. (2.6-9) unter Verwendung der Grenzproduktivität des Faktors Arbeit formuliert wurden. Die Lohnstückkosten verwenden demgegenüber die durchschnittliche Arbeitsproduktivität. Es lässt sich aber zeigen (vgl. Kap. III.2.1.1), dass bei Vorliegen einer Produktionsfunktion vom Cobb-DouglasTyp die Veränderungsrate der Grenzproduktivität mit der Veränderungsrate der Durchschnittsproduktivität übereinstimmt (Grenz- und Durchschnittsproduktivität eines Faktors unterscheiden sich nur um die konstante Produktionselastizität des Faktors, so dass die Wachstumsraten der beiden Produktivitätsbegriffe übereinstimmen). Immer dann, wenn eine Nominal- durch eine Realgröße dividiert wird, liegt ein nominales Konzept vor. Treffen zwei Nominalgrößen aufeinander, liegt ein Realkonzept vor.

2 Unternehmenstheorie

233

Nachfolgend soll die Entwicklung der nominalen und realen Lohnstückkosten für Deutschland in den letzten 10 Jahren aufgezeigt werden (vgl. Tab. III-6). Im Unterschied zu den bisherigen theoretischen Ausführungen beziehen sich die nachfolgenden Datenbetrachtungen des Statistischen Bundesamtes nicht auf die Beschäftigten bzw. Erwerbstätigen (Personenkonzept), sondern auf die Beschäftigten- bzw. Erwerbstätigenstunden (Stundenkonzept), so dass Arbeitsproduktivitäten auf Stundenund nicht auf Personenbasis zur Anwendung kommen. Die nominalen Lohnstückkosten je Arbeitsstunde ergeben sich dabei aus der Differenz der Entwicklung von nominalen Lohnkosten je Stunde (Arbeitnehmerentgelt) und der realen Arbeitsproduktivität je Erwerbstätigenstunde. Wird von den nominalen Lohnstückkosten die Preissteigerungsrate (sogenannter BIP-Deflator) abgezogen, ergibt sich die reale Entwicklung der Lohnstückkosten je Erwerbstätigenstunde. Die Tabelle III-6 lässt erkennen, dass bis auf das Jahr 2000 und die Krisenjahre 2008 und 2009 die realen Lohnstückkosten stets gefallen sind165 und hierdurch zur internationalen Wettbewerbsstärke Deutschlands beigetragen haben. Hier schlagen sich Arbeitsmarktreformen nieder, die durch die damalige Bundesregierung eingeleitet wurden (sogenannte Agenda 2010). Marktnachfragefunktion eines Faktors: Analog zur Aggregation der individuellen Güterangebotskurven (Marktangebotsfunktion) lassen sich auch über die Aggregation der individuellen Faktornachfragekurven der Unternehmen die Marktnachfragefunktionen der Faktoren Arbeit bzw. Kapital (Investitionsnachfrage) oder weiterer Faktoren ableiten. Aufgabe III-34: Eine Unternehmung mit der Zielsetzung der Gewinnmaximierung produziert die Produktionsmenge X mit den beiden Faktoren vA und vK gemäß der nachfolgenden substitutionalen Produktionsfunktion: mit: X = Produktionsmenge, A = Einsatzmenge des Faktors Arbeit, K = Einsatzmenge des Faktors Kapital. a) Wie viel Mengeneinheiten des Faktors Arbeit wird die Unternehmung nachfragen, wenn für das Gut X ein Preis von P(X) = 50 Geldeinheiten (GE) erzielt werden kann, der nominale Lohnsatz 25 GE beträgt und der Kapitaleinsatz mit K = 1 vorgegeben ist? Begründen Sie Ihre Antwort! b) Wie wird sich die Arbeitsnachfrage verändern, wenn c. p. sich jeweils der nominale Lohnsatz und die Grenzproduktivität des Faktors Arbeit um 10% erhöhen? Geben Sie jeweils eine kurze Begründung für Ihre Antwort!

165

Der Anstieg der realen Lohnstückkosten in den Jahren 2008 und 2009 ist auf die konjunkturbedingt stark gesunkenen Arbeitsproduktivitäten zurückzuführen. In diesen beiden Jahren sind auf Basis des Personenkonzepts die Lohnstückkosten je Erwerbstätigen stärker gestiegen und die Arbeitsproduktivitäten je Erwerbstätigen stärker gesunken als auf Basis des Stundenkonzepts. Durch Kurzarbeit und vorgezogene Urlaubsregelungen wurde die Beschäftigung auf Stundenbasis stärker zurückgefahren als auf Personenbasis.

234

III Nachfrage und Angebot auf Güter- und Arbeitsmärkten

Tab. III-6: Entwicklung von Lohnkosten je Stunde, realer Arbeitsproduktivität je Stunde und nominalen Lohnstückkosten (Veränderung gegenüber Vorjahr in %) Spalte 1

Jahr

2000 2001 2002 2003 2004 2005 2006 2007 2008 2009 2010

Lohnkosten je Stunde 1) Veränderung ggü. Vorjahr in % 3,3 2,5 2,0 2,0 0,2 0,6 1,2 0,8 2,2 3,4 -0,4

Spalte 2 reale Arbeitsproduktivität je Stunde 2) Veränderung ggü. Vorjahr in % 2,6 1,8 1,5 1,2 0,6 1,4 3,1 1,0 -0,2 -2,2 1,0

Spalte 3

Spalte 4 Spalte 5 Preisentnominale Lohnreale Lohnwicklung; stückkosten je stückkosten hier: BIPStunde 3) je Stunde 5) Deflator4) Veränderung Veränderung Veränderung ggü. Vorjahr ggü. Vorjahr ggü. Vorjahr in % in % in % 0,7 -0,7 1,4 0,7 1,2 -0,5 0,5 1,4 -0,9 0,8 1,2 -0,4 -0,4 1,0 -1,4 -0,8 0,6 -1,4 -1,9 0,4 -2,3 -0,2 1,8 -2,0 2,4 1,0 1,4 5,6 1,4 4,2 -1,4 0,6 -2,0

1) Arbeitnehmerentgelt je Arbeitnehmerstunde; 2) Preisbereinigtes Bruttoinlandsprodukt je Erwerbstätigenstunde; 3) Spalte 1 abzüglich Spalte 2; leichte Abweichungen von den exakten Ergebnissen durch vereinfachte Berechnungsformel und Rundungen; auf die exakte Berechnung über die Wachstumsfaktoren sei an dieser Stelle verzichtet (Hinweis: nom. Lohnstückkosten = Nominallohnsatz / reale Produktivität) 4) BIP-Deflator = Preisindex, mit dem das nominale Bruttoinlandsprodukt (BIP) deflationiert wird; da die Produktivitäten der Volkswirtschaft auf Basis des BIPS ermittelt werden, empfiehlt sich als Preisindex der BIPDeflator; 5) Spalte 3 abzüglich Spalte 4; leichte Abweichungen von den exakten Ergebnissen durch vereinfachte Berechnungsformel; auf die exakte Berechnung über die Wachstumsfaktoren sei an dieser Stelle verzichtet; (Hinweis: reale Lohnstückkosten = Nominallohnsatz / nom. Produktivität) Quelle: Statistisches Bundesamt, Volkswirtschaftliche Gesamtrechnungen 2010, Fachserie18, Reihe 1.5, Inlandsproduktrechnung, Lange Reihen ab 1970, Konten und Standardtabellen, Wiesbaden 2011 sowie eigene Berechnungen.

IV Markt- und Preistheorie 1 Marktwirtschaftlicher Koordinierungsmechanismus und Wettbewerb166 Wie bereits in der Einleitung erläutert und wie sich aus dem Begriff „Marktwirtschaft“ unmittelbar ersehen lässt, erfolgt in marktwirtschaftlich organisierten Volkswirtschaften die Koordination der zielorientierten Entscheidungen der Wirtschaftssubjekte über Märkte und den sich auf ihnen bildenden Preisen der Güter und Faktoren. Marktteilnehmer sind die Privaten Haushalte, die Unternehmen und der Staat. Dass das individuelle Vorteilsstreben von Haushalten und Unternehmen nicht im gesellschaftlichem Chaos mündet, sondern bei größtmöglicher Wahrung individueller Freiheitsrechte durch die unsichtbare Hand des Marktes (invisible hand) möglichst zu einer „Wohlfahrtserhöhung“ aller Beteiligten führt, ist seit Adam Smith (1723–1790) zentrale Aussage der Volkswirtschaftslehre (vgl. Übersicht IV-1). Letztlich geht es in einer Welt der „Knappheit“ vor allem darum, wie knappe Faktoren und Mittel (Produktionsfaktoren, verfügbare Zeit, Einkommen) bestimmten Verwendungszwecken (Arbeit, Freizeit, Konsum, Sparen) in möglichst effizienter Weise zugeordnet werden können (Allokation). Unter Allokation wird die Art und Weise verstanden, wie Ressourcen im Wirtschaftsprozess eingesetzt werden. Von einer optimalen Ressourcenallokation wird gesprochen, wenn das ökonomische Prinzip in Form des Maximal- oder des Minimalprinzips realisiert ist. Das ökonomische Prinzip stellt sicher, dass in einer Volkswirtschaft effizient gewirtschaftet und Verschwendung von knappen Ressourcen vermieden wird. Weitgehend ausgeblendet werden dabei allerdings die Auswirkungen der Marktergebnisse auf die Einkommens- und Vermögensverteilung (Distribution). Formal handelt es sich beim Allokationsproblem um die Maximierung oder Minimierung einer Zielfunktion (Nutzen, Gewinn) unter Beachtung von Beschränkungen. Derartige Beschränkungen bei der Lösung des Allokationsproblems können entweder realwirtschaftlichen (produktionstheoretischen) Ursprungs sein oder durch geldwirtschaftliche Vorgänge hervorgerufenen werden (monetäre, d. h. finanzwirtschaftliche Beschränkungen). Zu den realwirtschaftlichen Restriktionen können u. a. gehören: Zeitbeschränkungen für die Produktion; 166

Vgl. auch die entsprechenden Ausführungen in der Einleitung; das folgende Kapitel greift die dort angeführten Aspekte vertiefend auf; dabei wird vor allem auf die Funktionen des Wettbewerbs und der Preise eingegangen sowie die Bedeutung der Marktformen für den marktwirtschaftlichen Koordinierungsprozess herausgearbeitet.

236

IV Markt- und Preistheorie

Ressourcenbeschränkungen (Rohstoffe, Produktionsfaktoren); technische Beschränkungen („technisches Wissen“), d. h. Beachtung der Produktionsfunktion; qualitative Beschränkungen oder Mindeststandards („Regeln, Normen“). Zu den monetären Restriktionen können u. a. gehören: Liquidität von Unternehmen; Budgetbeschränkungen von Privaten oder Öffentlichen Haushalten. Übersicht IV-1 zeigt die bei dem beschriebenen marktwirtschaftlichen Allokationsprozess relevanten Marktelemente im Zusammenhang auf; sie werden in den nachfolgenden Abschnitten näher beschrieben: Übersicht IV-1: Marktelemente Unternehmenstheorie: • Technologie • Kosten • Gewinne

Markt- und Preistheorie

P(X)

Nachfrage

Angebot

Preisbildung • Konkurrenzpreise • staatlich beeinflusste Preise • durch Unternehmen beeinflusste Preise

1.1

Haushaltstheorie: • Bedürfnisse • Preise • Einkommen

Güter-/Faktormärkte • Formen • Strukturen • Bedingungen X

Funktionen des Wettbewerbs

Anbieter und Nachfrager auf den Märkten verfolgen zum Teil unterschiedliche Interessen. Ihre Entscheidungen zielen damit auch darauf ab, ihre eigene ökonomische Situation zu verbessern. Dabei stehen sie in einem wirtschaftlichen Wettbewerb zueinander. Ökonomisch gesehen ist Wettbewerb die Konsequenz aus dem Spannungsverhältnis zwischen den menschlichen Bedürfnissen und der Knappheit von Gütern bzw. Ressourcen. Knappheit erzwingt eine Entscheidung zwischen begrenzten Wahlmöglichkeiten und schafft Wettbewerb. Wirtschaftlicher Wettbewerb auf dem Gütermarkt findet vor allem zwischen den Anbietern statt, wobei verschiedene Formen des Wettbewerbs unterschieden werden können, u. a.: Preiswettbewerb (z. B. durch Gewährung von Rabatten und Sonderkonditionen)

237

1 Marktwirtschaftliche Koordinierung, Wettbewerb

Präferenzwettbewerb (z. B. durch Werbung, Service, persönliche Kontakte) Qualitätswettbewerb (z. B. Markennamen, “Made in Germany”) Der Wettbewerb erfüllt hier eine Reihe von Funktionen167 (vgl. Übersicht IV-2). Er soll u. a. Unternehmen anhalten zur flexiblen Anpassung an sich verändernde Marktdaten, Reallokation von Ressourcen, d. h. Umdisposition knapper Faktoren in effiziente Produktionsverfahren und Bereitstellung eines Angebots, das den Bedürfnissen der Verbraucher entspricht. Übersicht IV-2: Funktionen des Wettbewerbs Bedürfnisse der Verbraucher

Wettbewerb

Knappheit von Gütern

• Leistungsgerechte Einkommen (u. a. „Pioniergewinne“) • Instrument der Machtkontrolle (Rivalität)

Anpassungs- und Allokationsfunktion

Verteilungsfunktion

Fortschritts- und Entdeckungsfunktion

Damit hat der Wettbewerb die für die Wohlstandsmehrung einer Volkswirtschaft wichtige Anpassungs- und Allokationsfunktion. Weiterhin soll er die Unternehmen auch zur raschen Durchsetzung des technischen Fortschritts und zur Suche nach neuen, i. d. R. kostengünstigeren Produktionsverfahren motivieren, u. a. um einen Beitrag zur Beseitigung ökonomischer Knappheit zu leisten (Fortschritts- und Entdeckungsfunktion; Wettbewerb hat damit auch dynamische Funktionen, nicht nur statische Anpassungsfunktionen). Wettbewerb ist nicht nur Resultat von Knappheit, sondern soll gleichzeitig auch dazu beitragen, die Knappheit zu reduzieren. Ferner ist Wettbewerb ein Instrument der Machtkontrolle, das die Wahlfreiheit zwischen verschiedenen Alternativen und Handlungsspielräumen der Marktteilnehmer sichern soll. Das Entstehen nicht leistungsgerechter Einkommen soll verhindert und die Verteilung leistungsbezogener Einkommen gefördert werden (Verteilungsfunktion). Bezüglich des Entstehens von Gewinneinkommen bedeutet dies, dass nur derjenige Gewinne erzielen soll, der besonders knappe Güter produziert, knappe Pro167

Da diese Funktionen des Wettbewerbs überwiegend über den Preismechanismus ausgeübt werden, finden sich diese Überlegungen in ähnlicher Form auch bei der Darstellung der Funktionen der Preise im nachfolgenden Kapitel IV.1.2 wieder.

238

IV Markt- und Preistheorie

duktionsfaktoren einspart und/oder neue Güter oder Produktionsverfahren entwickelt. Anfänglich entstehende „Pioniergewinne“ sollen durch den anschließenden Wettbewerb wieder „wegkonkurriert“ werden, damit sich keine dauerhaften Machtpositionen entwickeln. Diejenigen, die dauerhaft keine „Leistungen“ erbringen, sollen durch den Wettbewerb hingegen zum Ausscheiden gezwungen werden. Die Funktionen des Wettbewerbs können besonders anschaulich anhand der Marktangebotsfunktion des Gutes X verdeutlich werden (vgl. die bereits diskutierte Abb. III-67). Solange auf einem Markt die Unternehmen Gewinne erzielen, d. h. die totalen Durchschnittskosten unterhalb des Marktpreises liegen, strömen neue Unternehmen auf den Markt. Dadurch erhöht sich das Marktangebot für das Gut X (Marktangebotsfunktion verschiebt sich nach rechts), was wiederum bei gegebener Nachfrage einen sinkenden Marktpreis zur Folge hat (vgl. Kap. IV.2). Der sinkende Marktpreis zwingt diejenigen Unternehmen zum Ausscheiden aus dem Markt, die mit zu hohen Kosten (Durchschnittskosten oberhalb des Marktpreises) produzieren. Das Marktangebot steigt so lange durch neue effiziente Marktanbieter, d. h. der Marktpreis wird so lange sinken, bis der Marktpreis auf das niedrigste Durchschnittskostenniveau (Betriebsoptimum) des günstigsten Anbieters (Grenzanbieter) gefallen ist und der Grenzanbieter keine Gewinne mehr erzielt. Alle Marktteilnehmer, die zu diesem niedrigen Preis nicht produzieren können, d. h. totale Durchschnittskosten oberhalb des Marktpreises aufweisen, müssen aus dem Markt ausscheiden (statische Funktion des Wettbewerbs). Hiermit verbunden sind „schmerzhafte“ Freisetzungen der Produktionsfaktoren (insbesondere des Faktors Arbeit). Diese Anpassungsprozesse sind aber längerfristig vorteilhaft, da sie dazu führen, dass knappe Faktoren nur von den Unternehmen eingesetzt werden, die die größte Effizienz aufweisen, d. h. knappe Faktoren nicht für ineffiziente Produktionsverfahren „verschwendet“ werden. Insoweit führt das Ausscheiden von ineffizienten Unternehmen zu einer Realisierung des ökonomischen Prinzips. Es stellt gleichzeitig sicher, dass die Nachfrager ihre Güter möglichst kostengünstig, d. h. zu den denkbar niedrigsten Preisen kaufen können. Funktioniert der marktwirtschaftliche Koordinierungsmechanismus und wirken die beschriebenen Fortschritts- und Entdeckungsfunktionen des Wettbewerbs (dynamischer Aspekt des Wettbewerbs) über entsprechende wirtschaftliche Rahmenbedingungen (u. a. staatliche Sicherstellung einer Wettbewerbsordnung), so werden neue Unternehmen auf den Markt strömen, die mit immer besseren Verfahren zu immer niedrigeren Kosten (Prozessinnovation) das Gut X oder neu entwickelte Güter (Produktinnovation) anbieten. Dies ermöglicht den freigesetzten Arbeitskräften neue Beschäftigungschancen, wenn entsprechende qualitative Voraussetzungen (Qualifikationen etc.) gegeben sind. Hier zeigt sich, wie wichtig die Vermittlung von Bildung in effizienten Aus- und Weiterbildungssystemen ist. Dabei darf nicht allein die möglichst schnelle Vermittlung „kurzatmigen Wissens“ im Vordergrund stehen, sondern es kommt auf die „Bildung“ analytischer Fähigkeiten an, die auch in einer sich schnell wandelnden globalen Welt Bestand haben.

1 Marktwirtschaftliche Koordinierung, Wettbewerb

1.2

239

Aufgaben und Formen der Preisbildung

Durch das Zusammentreffen von Angebot und Nachfrage kommt es auf den Güterund Faktormärkten zur Preisbildung (Güterpreise, Löhne oder Zinsen). Preisflexibilität ist für die Funktionsfähigkeit einer Marktwirtschaft von herausragender Bedeutung; dabei erfüllen die Preise folgende zentrale Funktionen: Koordinationsfunktion: Preise dienen der Abstimmung von Wünschen sowie Plänen der Nachfrager und der Anbieter; sie sollen damit zum Marktausgleich führen; Signal-/Informationsfunktion: Preisänderungen informieren über relative Verfügbarkeiten oder Knappheiten von Gütern bzw. Faktoren und zeigen den Wirtschaftssubjekten an, wie sie ihre Ziele bestmöglich realisieren können; Lenkungsfunktion: Preise lenken den Einsatz der Produktionsfaktoren zwischen einzelnen Märkten, d. h. zwischen Anbietern bzw. Nachfragern und führen zur effizienten Verwendung knapper Faktoren; Preise stellen sicher, dass Produkte mit minimalen Kosten produziert und die Faktoren in Güterverwendungen gelenkt werden, die den Bedürfnissen der Konsumenten am besten entsprechen. Anreizfunktion: Preise prägen Erlöse bzw. Gewinne und bestimmen maßgeblich, inwieweit der Einsatz von Faktoren und die Produktion von Gütern erfolgreich sind; Preise stellen einen Anreiz zur Entwicklung neuerer Technologien und Ideen dar; diese können von bereits bestehenden Unternehmen oder neuen Unternehmen eingebracht werden; über die Preise bzw. die Gewinne werden die besten Ideen belohnt, so dass sich diese durchsetzen können; Preise sind daher wichtig, damit Märkte nicht nur in rein statischer Weise Angebot und Nachfrage in Einklang bringen, sondern über dynamische Prozesse des „trial and error“ und der Nutzung der Kenntnisse und der Phantasie aller Marktteilnehmer dem Wirtschaftlichkeitsprinzip am besten entsprechen. Auslesefunktion: Unternehmen, deren Stückkosten höher als die Marktpreise sind, werden zumindest langfristig vom Markt ausscheiden. Auch Verbraucher, die keine höheren Preise zahlen können, „kommen nicht zum Zug“168. Preise besitzen damit auch einen Sanktions- oder Auslesemechanismus. Diese verschiedenen Funktionen können gemäß nachfolgender Übersicht IV-3 grob geordnet werden: die zentrale Funktion der Preise besteht in ihrer Koordinierungsfunktion; sie kann vorausschauend über die Signal-/Informationsfunktion der Preise erfolgen; sie kann aber auch der gegenwärtigen Disposition oder nachträglichen 168

Soweit Nachfrager ein bestimmtes Produkt aufgrund einer zu niedrigen Zahlungsbereitschaft infolge eines zu geringen Nutzens nicht erhalten, wird sichergestellt, dass knappe Ressourcen nicht „verschwendet“ werden. Soweit die niedrige Zahlungsbereitschaft aber durch unzureichende Einkommen bedingt ist, stellt dieses Ergebnis unter verteilungspolitischen Aspekten ein Problem dar.

240

IV Markt- und Preistheorie

Umdisposition von Entscheidungen im Hinblick auf den Einsatz von Faktoren für verschiedene Güterverwendungen dienen (Lenkungsfunktion). Marktpreise belohnen den erfolgreichen Marktteilnehmer durch Gewinne (Anreizfunktion zur Expansion) oder sanktionieren den ineffizienten oder nicht relevanten Marktteilnehmer durch das Ausscheiden vom Markt (Auslesefunktion). Übersicht IV-3: Funktionen der Preisbildung Koordinierungsfunktion

Signal-/Informationsfunktion relative Verfügbarkeiten, Knappheiten

Lenkungsfunktion Preise lenken den Einsatz von Faktoren und Gütern

Auslesefunktion Ausscheiden vom Markt

Anreizfunktion Gewinne, Expansion

Preise nehmen diese zentralen Funktionen nur dann richtig wahr, wenn sie sich unter Wettbewerbsbedingungen frei bilden können und sie für die Marktteilnehmer transparent sind. Darüber hinaus sollten in die Preiskalkulation auch alle mit der Produktion verbundenen relevanten Kosten einfließen; beispielsweise spiegeln sich in den Marktpreisen z.T. nicht die Kosten der Umweltbelastung wider (siehe Problematik der externen Effekte in Kapitel V); auch sind die zukünftigen Bedürfnisse und Verwendungsmöglichkeiten von Gütern und Faktoren z.T. noch nicht bekannt und damit in den Preisen nicht abgebildet. Dies kann zur Folge haben, dass aus zukünftiger Sicht gewisse Güter oder Ressourcen derzeit nicht effizient zum Einsatz kommen (z. B. knappe, nicht erneuerbare, natürliche Ressourcen werden ineffizient verbraucht, z. B. in großen Limousinen werden wertvolle Rohöle verbrannt). Aufgabe der Wirtschaftspolitik, insbesondere der Wettbewerbspolitik ist es, die Rahmenbedingungen für ausreichenden Wettbewerb sicherzustellen. Darüber hinaus können weitere spezielle Politikbereiche wie Umwelt-, Energie-, Gesundheitspolitik etc. durch direkte staatliche Maßnahmen oder unter Einsatz marktwirtschaftlicher Instrumente dazu beitragen, dass auch im Umwelt- oder Energiebereich marktwirtschaftliche Anpassungsprozesse zu effizienten, umweltschonenden Ergebnissen führen. Arten der Preisbildung (vgl. Übersicht IV-4): Preise, die sich auf den jeweiligen Märkten autonom durch Angebots- und Nachfrageentscheidungen der Wirtschaftssubjekte bilden, werden als Konkurrenzpreise bezeichnet.

241

1 Marktwirtschaftliche Koordinierung, Wettbewerb

Übersicht IV-4: Arten der Preisbildung Preisbildung

Konkurrenzpreise

Administrative Preise

Marktpreise bei vergleichsweise intensivem Wettbewerb privater Unternehmen

Staatliche Eingriffe in der Preisbildung

Staatlich festgelegte oder genehmigte Preise

Administrierte Preise

Marktpreise bei Beschränkungen des Wettbewerbs durch Angebotsmacht privater Unternehmen

Staatlich beeinflusste Preise, Steuern, Subventionen

Kennzeichnend ist dabei ein vergleichsweise intensiver Wettbewerb privater Unternehmen auf der Angebotsseite. Administrierte Preise bezeichnen hingegen die Preise, die bei Beschränkungen des Wettbewerbs durch private Unternehmen zustande kommen. Beispielsweise fixieren Oligopolisten oder Anbieter von „Hochpreisprodukten“ bzw. „Markenartikeln“ die Preise der von ihnen produzierten Güter im Rahmen einer „Kosten-plus-Aufschlags-Kalkulation“. Solche Preise sind oft nach unten starr und spielen u. a. eine Rolle bei der makroökonomischen Erklärung der „Marktmachtinflation“. Auch der Staat greift auf vielfache Art und Weise in den Preisbildungsprozess ein und reguliert damit das Marktgeschehen durch administrative Preise. Staatlich festgelegte oder genehmigte Preise umfassen z. B. Gebührenordnungen für Ärzte, Rechtsanwälte und Architekten, “Nullpreise oder subventionierte Preise” für öffentliche Bildungseinrichtungen, Tarife für öffentliche Verkehrsmittel, Abgaben für Grundbesitz, vorgegebene Preise oder genehmigungspflichtige Preise für Gas und Wasser (“Versorgungsbetriebe”). Auch im Kommunikationsbereich und bei der Stromversorgung unterliegen die Preise der Genehmigung durch Aufsichtsbehörden (z. B. Durchleitungspreise). Eine starke Beeinflussung von Marktpreisen durch den Staat vollzieht sich zudem über Steuern (z. B. Erhöhung der Produktpreise durch die Mehrwertsteuer) und Subventionen (z. B. künstliche Verbilligung der Produktpreise durch Zahlung von Zuschüssen).169

169

Zur Wirkung von Steuern und Subventionen auf die Marktergebnisse vgl. Kap. IV.2.2.2.

242

1.3

IV Markt- und Preistheorie

Systematik der Märkte, Marktformen

Märkte unterscheiden sich in vielfacher Hinsicht. Nachfolgend sollen dazu die wesentlichen Abgrenzungskriterien in systematischer Form vorgestellt werden. Zunächst sind bei der Abgrenzung jedes Marktes sachliche, räumliche und zeitliche Merkmale zu berücksichtigen (siehe Übersicht IV-5): sachlich, z. B.: Gütermärkte: z. B. Konsumgüter-, Investitionsgüter-, Dienstleistungsmärkte; Faktor- und Rohstoffmärkte: z. B. Arbeits-, Immobilienmärkte, Märkte für Rohstoffe wie Erze, Metalle, Rohöl etc. ; oder nach betriebswirtschaftlichen Funktionen: Beschaffungs-, Absatz-, Finanzmärkte; diese lassen sich wiederum unterteilen, z. B. der Absatzmarkt nach Eigenschaften der Käufer (Einkommen, Alter) oder nach Produkten (z. B. PKW) etc.; die Finanzmärkte nach Wertpapier-, Geld-, Kapital-, Devisenmärkte etc. räumlich: z. B. regionale, nationale, internationale Märkte; zeitlich: z. B. Arbeitsmarkt in der Bundesrepublik Deutschland im Herbst 2011. Im Rahmen praktischer Überlegungen ist es im Einzelfall schwierig, den relevanten Markt eines Gutes170 nach den drei genannten Gesichtspunkten abzugrenzen. Vor allem die Abgrenzung in sachlicher Hinsicht kann Schwierigkeiten bereiten, wenn dabei auch Austauschbeziehungen (= Substitutionsbeziehungen) zwischen Gütern berücksichtigt werden sollen. So gehören vermutlich Autos der gleichen Teilklasse, z. B. der unteren Mittelklasse zum gleichen relevanten Markt; fraglich ist aber, ob hierzu auch die PKW der oberen Mittelklasse oder der unteren Oberklasse zählen; auch stellt sich die Frage, was unter „Mittelklasse“ zu verstehen ist; eine formale Abgrenzung, z. B. Autos zwischen 90 und 150 PS oder 2 bis 2 1/2 Liter Hubraum etc. könnte Anhaltspunkte liefern, ist letztlich aber doch willkürlich. Nachdem versucht wurde, den relevanten Markt eines Gutes in sachlicher, räumlicher und zeitlicher Hinsicht zu identifizieren, gilt es anschließend, die noch näher zu beschreibenden Marktformen einer Volkswirtschaft herauszuarbeiten. Sie beeinflussen maßgeblich das Verhalten der Marktteilnehmer und ihr Mengen- bzw. Preisanpassungsverhalten. Gemäß der klassischen Marktformenlehre werden die verschiedenen Marktformen durch die qualitative und quantitative Beschaffenheit des Marktes geprägt. Lassen sich die verschiedenen Marktformen klar identifizieren, so können ihnen typische Verhaltensweisen der Marktteilnehmer zugeordnet werden (z. B. gibt der Monopolist den Preis vor, d. h. er ist „Preisfixierer“; ein kleines Unternehmen hat demgegenüber keinen Einfluss auf den Preis und ist „Mengenanpas170

Unter einem „relevanten Markt“ werden alle Güter verstanden, die aus Sicht der Nachfrager miteinander konkurrieren.

243

1 Marktwirtschaftliche Koordinierung, Wettbewerb

ser“). In der Realität ist eine klare Einordnung eines Marktes in das noch zu beschreibende Marktformenschema häufig jedoch schwierig, so dass die Verhaltensweisen selbst zur Spezifizierung der Marktform herangezogen werden. Übersicht IV-5: Systematik der Märkte zeitlich sachlich

Markt räumlich

quantitative Beschaffenheit

qualitative Beschaffenheit

Vollkommener Markt

Unvollkommener Markt

ohne Marktzutrittsbeschränkungen

Zahl der Marktteilnehmer auf der Angebots- und Nachfrageseite

mit Marktzutrittsbeschränkungen

Verhaltensweisen der Marktteilnehmer

Im Hinblick auf die qualitative Beschaffenheit der Märkte werden i. d. R. vollkommene und unvollkommene Märkte unterschieden. Ein vollkommener Markt ist gegeben, wenn folgende Bedingungen erfüllt sind: Homogenität der Güter: Die angebotenen Mengeneinheiten eines Gutes sind in den Augen der Nachfrager völlig gleichartig. Es bestehen seitens der Verbraucher keine Präferenzen für spezielle Anbieter in sachlicher, räumlicher oder zeitlicher Hinsicht. Die Güter sind unmittelbar verfügbar, d. h. es entstehen keine Transport- und Beschaffungskosten etc. Die Güter lassen sich zudem in beliebig viele Mengeneinheiten aufteilen (teilbare Güter); es besteht freier Zugang zu den Märkten (keine Konzessionen, Patente, Handelsbeschränkungen). Vollständige Markttransparenz und Information: Jeder Marktteilnehmer verfügt über vollständige Informationen bezüglich der Eigenschaften und Preise der gehandelten Güter. Das gilt auch für die zukünftig relevanten Daten eines Produkts.

244

IV Markt- und Preistheorie

Unendlich schnelle Reaktions- und Anpassungsgeschwindigkeit der Marktteilnehmer: Auf veränderte ökonomische Angebots- und Nachfragebedingungen reagieren die Marktteilnehmer ohne zeitliche Verzögerung. Unter diesen strengen Annahmen kann es nur einen einheitlichen Preis für ein homogenes Gut geben („Prinzip der Preisunterschiedslosigkeit“). In der Realität sind diese Bedingungen selten erfüllt171, da Marktteilnehmer nur einen begrenzten Überblick über die Güterpreise haben, räumliche, sachliche oder zeitliche Präferenzen bestehen, die Qualität des Gutes häufig nicht beurteilt werden kann, der Marktzugang z.T. beschränkt ist, etc. Ist auch nur eine der genannten Bedingungen des vollkommenen Marktes verletzt, so liegt ein unvollkommener Markt vor. Maßgeblich für die quantitative Abgrenzung des Marktes ist die Zahl der Marktteilnehmer auf der Angebots- und Nachfrageseite. Hier ist zwischen vielen (griechisch: polloi) bzw. wenigen (griechisch: oligoi) Marktteilnehmern oder nur einem (griechisch: monos) Marktteilnehmer zu unterscheiden. Die daraus resultierenden Marktstrukturen lassen sich in Form eines Marktformenschemas darstellen. Entsprechend den griechischen Worten „polein“ (= verkaufen) und „opsonein“ (= kaufen), beinhalten die in der nachfolgenden Übersicht IV-6a dargestellten Marktformen die Endsilbe „pol“, wenn der Verkäufer aufgrund seiner herausragenden Position den Markt dominiert bzw. die Endsilbe „opson“, wenn der Käufer den Markt maßgeblich prägt. Dominierend ist dabei jeweils die Marktseite, die die wenigsten Marktteilnehmer aufweist. So stellen z. B. das Oligopol eine durch wenige Verkäufer (Anbieter) und das Oligopson eine durch wenige Käufer (Nachfrager) charakterisierte Marktform dar. In einer praxisnahen Darstellung ist es zweckmäßig, auf der Angebots- und Nachfrageseite zusätzlich noch die Zwischenformen „wenige große und einige kleine“ Anbieter bzw. Nachfrager bzw. „ein großer und wenige 171

Internetmärkte kommen aber aufgrund der guten Informationsbeschaffung und des schnellen Vertriebs der gehandelten Produkte diesen Bedingungen manchmal schon recht nahe (allerdings besteht hier das Problem der Informationsüberflutung). Auch werden Wertpapiermärkte als Beispiele eines vollkommenen Marktes angeführt, obwohl gerade fehlende Zukunftsinformationen und spekulative Überlegungen den Wertpapiermarkt auf besondere Weise prägen. Tankstellen, die steuerbedingt „Tanktourismus“ an den Grenzen bedienen und in großer Anzahl auf engem Raum ihre Produkte anbieten (z. B. „Wasserbillig“ in Luxemburg), erwecken den Eindruck, dass ein starker Wettbewerb im Sinne homogener Märkte herrscht, wenngleich hier – bis auf „freie Tankstellen“ – die Oligopole der Mineralölfirmen und nicht Polypole dominierend sind (fast alle Bedingungen des homogenen Marktes scheinen für dieses Beispiel erfüllt zu sein).

245

1 Marktwirtschaftliche Koordinierung, Wettbewerb

kleine“ Anbieter oder Nachfrager aufzunehmen, wobei die Übergänge fließend sind und im Einzelfall konkretisiert werden müssten. Übersicht IV-6a: Marktformen Nachfrager sehr viele Anbieter sehr viele wenige große und wenige kleine ein großer und wenige kleine

einer

wenige große und wenige kleine

ein großer, wenige kleine

einer

Bilaterales Polypol (z. B. Gaststätten)

(Teil-)Oligopson (z. B. Molkerei- und Einkaufsgenossenschaften

Monopson (z. B. staatliches Branntweinmonopol)

(Teil-)Oligopol (z. B. Banken, Versicherungen, Telekommunikation, PKW, Chemie, Mineralöl, Tabak, Computer)

Bilaterales Oligopol (z. B. Spezialmaschinen)

Beschränktes Monopson (z. B. Rüstungsindustrie)

Monopol (z. B. Entsorger)

Beschränktes Monopol (z. B. Erfinder)

Bilaterales Monopol (z. B. Arbeitsmarkt)

Sofern für die genannten Marktformen ein vollkommener Markt vorliegt, werden diese Marktformen oft auch mit dem Adjektiv „homogen“ versehen (z. B. homogenes Oligopson, homogenes Oligopol). Liegt hingegen für die einzelnen Marktformen ein „unvollkommener“ Markt vor, wird von einem heterogenen Markt, z. B. von einem heterogenen Oligopson bzw. Oligopol gesprochen. Aus dem Zusammenspiel der qualitativen und quantitativen Beschaffenheit von Märkten, d. h. der Anzahl der Marktteilnehmer und der Vollkommenheit des Marktes folgen spezielle Verhaltensweisen der Marktteilnehmer. So kann ein Monopolist als alleiniger Anbieter beispielsweise den Preis festsetzen (Preisfixierer), während ein kleines Unternehmen den Marktpreis auf einem vollkommenen Markt i. d. R. nicht beeinflussen kann und sich daher nur mit seiner Angebotsmenge an die jeweiligen Marktbedingungen anpasst. (Mengenanpasser). Auch die Nachfrager auf den meisten Konsumgütermärkten, den Devisen-, Aktien-, den Kredit- und internationalen Rohstoffmärkten müssen den Preis als Datum akzeptieren. Da aus der Anzahl der Marktteilnehmer und der qualitativen Beschaffenheit des Marktes aber nicht zwangsläufig bestimmte Verhaltensweisen folgen, werden diese zur exakten Beschreibung der Marktformen häufig zusätzlich explizit angegeben. In der Realität entscheidet vor allem der Grad der (Un-)Vollkommenheit darüber, ob und inwieweit die Unternehmen Preissetzungsspielräume besitzen oder Einfluss auf das Marktgeschehen nehmen können. So kann ein Oligopolist aufgrund der Präferenzen seiner Kunden (= Marktunvollkommenheit) im beschränkten Umfang durchaus Preiserhöhungen vornehmen,

246

IV Markt- und Preistheorie

ohne befürchten zu müssen, seine Kunden zu verlieren (Beispiel: eine bestimmte Tankstelle kann aufgrund der gewährten Serviceleistungen einen Preissetzungsspielraum schaffen, ohne befürchten zu müssen, dass die Nachfrager bei Preiserhöhungen sofort zur Konkurrenz wechseln). Denkbar ist auch eine aktive Preispolitik, die im Extremfall einen ruinösen Preiswettbewerb zur Folge haben kann, wie er z. B. auf dem Lebensmittelmarkt anzutreffen ist. Umgekehrt sind häufiger auch abgestimmte Verhaltensweisen der Marktteilnehmer bei der Preisbildung zu beobachten. Alle Formen des vollkommenen Marktes sind Idealtypen, die in der Realität selten vorkommen (vgl. Übersicht IV-6a). Derartige Idealtypen haben weitgehend didaktischen Referenzcharakter, um unter strengen Modellannahmen die Grundprinzipien ökonomischen Handelns abzuleiten und die Zusammenhänge vereinfachend darzustellen. Von besonderer modelltheoretischer Bedeutung für die vereinfachende Ableitung marktwirtschaftlicher Prozesse ist hierbei die extreme Marktform des bilateralen Polypols, die auf vollkommenen Märkten auch als Marktform der vollständigen Konkurrenz oder des vollständigen Wettbewerbs bezeichnet wird (synonyme Begriffe sind „atomistische“, „polypolistische“ oder „vollkommene Konkurrenz“). Diese auch als homogenes Polypol bezeichnete Marktform findet sich in Ansätzen z. B. auf dem europäischen Agrarmarkt mit sachlich homogenen landwirtschaftlichen Rohprodukten wieder (obwohl auch hier Produktunterschiede zu beobachten sind: z. B. „konventioneller Anbau“, „biologischer Anbau“, „gentechnisch behandelte Produkte“, etc.); am ehesten noch entsprechen Devisenmärkte und Aktienbörsen den Bedingungen eines vollkommenen Marktes. Zudem lassen sich in letzter Zeit durch die Digitalisierung der Kommunikationssysteme einige Bedingungen des vollkommenen Marktes wie schnelle Reaktionsgeschwindigkeit und Markttransparenz leichter realisieren, so dass in einigen Fällen die über das Internet gehandelten Güter ansatzweise dieser Marktform entsprechen. Das Gegenstück zum homogenen Polypol stellt das Monopol oder das bilaterale Monopol dar, das durch seine besondere Marktmacht und die damit verbundenen Preisgestaltungsmöglichkeiten geprägt ist. Zwischen diesen beiden extremen Marktformen können gemäß Übersicht IV-6a viele Abstufungen abgeleitet werden, wobei auch die Marktunvollkommenheit zu beachten ist. Durch die Kombination der Kriterien „qualitative und quantitative Beschaffenheit“ und unter Berücksichtigung der Ausprägungen des (un-)vollkommenen Marktes ergibt sich eine Vielzahl172 ver172

Werden bei den Anbietern und Nachfragern im Hinblick auf die unterschiedliche Zahl der Marktteilnehmer jeweils vier verschiedene Ausprägungen unterschieden und wird weiterhin angenommen, dass hinsichtlich der qualitativen Beschaffenheit der Märkte entweder vollkommene oder unvollkommen Märkte vorliegen, so ergeben sich nach den Regeln der Kombinatorik (Kombination mit Wiederholung der Elemente und mit Berücksichtigung der Anordnung) bereits 42 • 2 = 32 unterschiedliche denkbare Konstellationen von Anbietern und Nachfragern (bei 6 Ausprägungen = 72 mögliche Marktformen).

1 Marktwirtschaftliche Koordinierung, Wettbewerb

247

schiedener Marktausprägungen. Für praktische Zwecke lässt sich die Zahl der Marktausprägungen aber deutlich reduzieren. Zur Analyse von Gütermärkten wird z. B. davon ausgegangen, dass die Anzahl der Nachfrager stets groß ist, so dass nur noch die Anzahl der Unternehmen auf der Angebotsseite berücksichtigt werden muss. Entsprechend reduzieren sich dann die Marktformen auf die Ausprägungen des homogenen bzw. heterogenen bilateralen Polypols, Oligopols und Monopols. Realtypisch dominieren mit großem Abstand heterogene Marktformen wie z. B. das heterogene Oligopol bzw. Polypol (auch als monopolistische Konkurrenz bezeichnet), bei denen wenige bzw. viele Unternehmen qualitativ unterschiedliche Güter anbieten, die zudem in einer mehr oder weniger engen Substitutionsbeziehung zueinander stehen. Diese Substitutionsbeziehungen erschweren die Abgrenzung des relevanten Marktes und seine systematische Einordnung in das Marktformenraster. Auch spielen auf diesen Märkten häufig persönliche Präferenzen eine wichtige Rolle. Daher wird es in der Praxis schwer fallen, anhand der quantitativen und qualitativen Beschaffenheit des Marktes das Preisverhalten bestimmen zu wollen. Wichtiger für das Preisverhalten sind häufig die unterschiedlichen Ziele und die zur Verfügung stehenden Aktionsparameter der Marktteilnehmer (z. B. Qualitätswettbewerb, Produktionsverfahren, Werbung, „pre- and after sale service“ etc.). Im Folgenden Abschnitt IV.2 soll die Bildung von Marktgleichgewichten sowie Gleichgewichtspreisen bei gegebenen oder sich ändernden Angebots- bzw. Nachfragefunktionen erläutert werden. Im anschließenden Abschnitt IV.3 werden dann anhand verschiedener Fallbeispiele typische Grundmuster unternehmerischen Preisbzw. Mengenverhaltens bei Gewinnmaximierung für einzelne Marktformen abgeleitet. Dabei stellen die extremen Marktformen der vollständigen Konkurrenz und des Monopols Eckpfeiler dar, an denen sich die anderen Marktformen mehr oder weniger ausrichten. Übersicht IV-6b stellt die Ergebnisse zu den verschiedenen Marktformen und ihre Bedeutung abschließend nochmals im Gesamtüberblick dar, wobei qualitative und quantitative Aspekte der Marktformen kombiniert werden. Kennzeichnende Elemente der verschiedenen Marktformen sind die Intensität des Wettbewerbs, die Qualität der Produkte, die Präferenzierung der Anbieter durch die Nachfrager, das Preisverhalten und die Bedeutung der Marktform in der Praxis. Während im Monopol kein direkter Wettbewerb existiert (wohl aber über die Vermeidung potenzieller Konkurrenz = „als-ob-Wettbewerb“), stellt das heterogene Polypol mit seiner weiten Verbreitung und seiner höheren Wettbewerbsintensität einen Gegenpol dar. Demgegenüber hat das homogene Polypol mit seinen idealtypischen Annahmen aufgrund seiner geringen praktischen Bedeutung lediglich Referenzcharakter für die anderen Marktformen. Anmerkung: Wie sich die Marktform auf die Wettbewerbsintensität auswirkt, wird unter Ökonomen sehr umstritten diskutiert. Während die ordoliberale Schule (Walter Eucken) in der vollständigen Konkurrenz die stärkste Wettbewerbsintensität zu sehen glaubt, betonen

248

IV Markt- und Preistheorie

u.a. die Vertreter der Wettbewerbsschule des funktionsfähigen Wettbewerbs (in Anlehnung an J.A. Schumpeter) die dynamischen Elemente des Wettbewerbs. So sieht der deutsche Ökonom Erhard Kantzenbach im weiten Oligopol aufgrund dynamischer Wettbewerbsfaktoren die größte Wettbewerbsintensität. Auch die Protagonisten des Konzepts der Wettbewerbsfreiheit (u.a. Erich Hoppmann) und die Vertreter der sogenannten „Chicago-Schule“ glauben, dass durch freien Marktzugang und durch freie Märkte eine Monopolisierung der Wirtschaft am besten verhindert und funktionsfähiger Wettbewerb realisiert werden kann. 173 In der nachfolgenden Übersicht IV-6b wird vereinfachend unterstellt, dass mit dem Übergang vom Monopol zur vollständigen Konkurrenz die Wettbewerbsintensität zunimmt, auch wenn die verschiedenen Wettbewerbsschulen hierzu sehr unterschiedliche Vorstellungen haben.

Übersicht IV-6b: Marktformen und Marktverhalten im Überblick Marktform

Homogenes Polypol, vollständige Konkurrenz, atomistische Konkurrenz

höher

Wettbewerb

Quantität

Viele Anbieter, viele Nachfrager

Preisverhalten

Preis = Datum, Mengenanpasser, Gewinnmax. P = K‘

Verlauf der PAF Beispiel Bedeutung

Monopol

höher

Homogenes Produkt, vollkommener Markt

Qualität

Oligopol, homogen, heterogen,

Heterogenes Polypol, monopolistische Konk.

niedrig Homogenes Produkt

Heterogenes Produkt, Prä- Homogene, heteroge Produktqualität ferenz, unvollk. Markt

Viele Anbieter, viele Nachfrager Preise in Preisspannen gestaltbar wie Monopol, sonst wie homogenes Polypol; Gmax; Mengenanpasser

p Siehe Kap. 3.3

Wenige Anbieter viele Nachfrager

Alleinanbieter, echte Monopole selten

Viele Modelle, homogen oder heterogen, weit oder eng, Abstimmung oder „Kampf“

Preisanpasser, Gewinnmax, E‘(X) < p Gmax: E‘(X) = K‘(X) P

K‘

X Börse?; Tanken in Wasserbillig (Lux.)? Theoretisches Konstrukt, Referenzcharakter; selten

X Handwerker, Werkstatt, Dienstleistungen

Lebensmittel, Versorger, Airbus, Boing

Im Alltag sehr häufig, sehr relevant

häufiger

Versorger, örtliches Kino, natürl. Monopol, Molkereien häufiger

Vertiefungsaufgabe IV-1: 1. Beschreiben Sie den Aufbau eines Marktformenschemas! 2. Was verstehen Sie unter einem homogenen Polypol bzw. unter einem heterogenen Oligopol? 3. Was verstehen Sie unter einem vollkommenen Markt? 4. Welche Funktionen erfüllen Preise in einer Marktwirtschaft? 5. Was besagt das Allokationsproblem? Wie wird es in der Marktwirtschaft bewältigt?

173

Zu einem Überblick über die verschiedenen Wettbewerbsschulen und Wettbewerbstheorien vgl. Kampmann, R., Walter, J., Mikroökonomie - Markt, Wirtschaftsordnung, Wettbewerb, München 2010, S. 179 ff, insbesondere S. 182.

249

2 Bildung von Marktgleichgewichten

2

Bildung von Marktgleichgewichten

2.1

Marktgleichgewicht bei flexiblen Preisen

Für den außenstehenden Beobachter von Wettbewerbsprozessen stellt sich zunächst die Frage, wie die vielen Millionen Einzelpläne, die die einzelnen Wirtschaftssubjekte jeweils autonom für sich treffen, miteinander koordiniert werden (vgl. Übersicht IV-7). Warum tritt bei dezentraler Planung also kein Chaos auf, sondern weshalb kommt es zum Ausgleich divergierender wirtschaftlicher Interessen von Konsumenten und Produzenten? Um diese Frage zu beantworten, bedarf es eines analytischen Bezugspunktes, der im Allgemeinen in Form eines Marktgleichgewichts gewählt wird. Ein Markt befindet sich im Gleichgewicht, wenn alle Wirtschaftssubjekte, die zu einem bestimmten Preis ein Gut oder einen Faktor nachfragen oder anbieten wollen, ihre Pläne auch realisieren können. Beim Gleichgewichtspreis entsprechen sich angebotene und nachgefragte Menge. In diesem Punkt besteht auch kein Grund für Verhaltensänderungen der Wirtschaftssubjekte. Übersicht IV-7: Komponenten des Marktes Nachfrage (Konsumenten): Nutzenmaximierung

Bedürfnisse, Preise anderer Güter, Einkommen

Angebot (Produzenten): Gewinnmaximierung

Markt in qualitativer und quantitativer Beschaffenheit

Technologie, Kosten, Gewinne, Wettbewerb

Preis Gut X Ausgleich und Veränderung der Nachfrage- und Angebotspläne

Grundlegende Voraussetzung für ein Marktgleichgewicht ist zunächst, dass sich Marktangebots- und Marktnachfragefunktionen überhaupt treffen (graphisch: sich schneiden), d. h. überhaupt ein Marktgleichgewicht existiert. Nachdem die Frage der Existenz eines Marktgleichgewichts untersucht worden ist, stellt sich anschließend die Frage nach der Stabilität dieses Gleichgewichts.

250

IV Markt- und Preistheorie

Allgemein lassen sich die auf einem Markt bestehenden Zusammenhänge algebraisch in einem System mit drei Gleichungen darstellen: -

Nachfragefunktion: Angebotsfunktion174:

-

Gleichgewichtsbedingung: Die Nachfragefunktion besagt, dass zum Preis von Null eine positive Menge nachgefragt wird (a > 0, d.h. positive Sättigungsmenge) und die Nachfragekurve einen inversen Verlauf zwischen Güterpreis und Gütermenge aufweist. Die Angebotskurve hingegen ist durch einen positiven Verlauf gekennzeichnet. Im homogenen Polypol entspricht die Angebotsfunktion dabei dem oberen Ast der Grenzkostenfunktion. Diese Annahmen stellen sicher, dass zum Preis von Null die nachgefragte Menge größer ist als die angebotene Menge, d. h. Knappheit besteht. Das Gleichungssystem wird gelöst, indem die beiden Verhaltensgleichungen für Nachfrage und Angebot in die Gleichgewichtsbedingung eingesetzt werden, so dass gilt: -

-

oder für den Gleichgewichtspreis P*(X):

P*(X) =

Aus diesem Gleichgewichtspreis P*(X) lässt sich anschließend über die Angebotsbzw. Nachfragefunktion die Gleichgewichtsmenge X* ermitteln. Aufgabe IV-1: Die Angebotsfunktion eines Marktes lautet: A(X) = -10 + 2 P(X). Die dazu entsprechende Nachfragefunktion ist gegeben durch N(X) = 80 – P(X). Bestimmen Sie den Gleichgewichtspreis P*(X) und die Gleichgewichtsmenge X*!

Werden die Marktnachfrage- und Marktangebotsfunktion eines Gutes in einem Preis-Mengen-Diagramm des Gutes X zusammengebracht, lassen sich Marktprozesse und Gleichgewichtspreise analysieren. Mikroökonomisch betrachtet ist das Zustandekommen eines Marktgleichgewichts nur dann als realistisch anzusehen, wenn auf dem Markt wettbewerbliche Bedingungen herrschen, also z. B. keine monopolistische Marktstruktur besteht. Aber selbst dann kann die Herausbildung von Gleichgewichtspreisen und Gleichgewichtsmengen unter bestimmten Verhaltensbedingungen und Verläufen der Marktnachfrage bzw. des Marktangebots zu 174

2

Liegt eine quadratische Kostenfunktion des Typs K = α + β • X + γ • X vor, so würde bei Gewinnmaximierung im Polypol aufgrund der Preis-Grenzkosten-Regel gelten: K‘(X) = β + 2 • γ • X = P(X); wird diese Gleichung nach X aufgelöst, so folgt hieraus für die preisabhängige Angebotsfunktion: X = [-β + P(X)]/2 • γ = -β/2 • γ + P(X))/2 γ; wird für -β/2•γ die Konstante -c gewählt und für 1/2• γ die Konstante d, so ergäbe sich die beschriebene Angebotsfunktion: X = -c + d • P(X).

251

2 Bildung von Marktgleichgewichten

Marktungleichgewichten führen, wie im weiteren Verlauf dieses Kapitels noch näher beschrieben wird. Ein anschauliches Beispiel für die Bildung eines Marktgleichgewichts ist der Aktienmarkt, der die Bedingungen eines vollkommenen Marktes noch am ehesten erfüllt. Orderaufträge der Verkäufer und Käufer werden von Computersystemen geordnet, und hieraus ein Gleichgewichtspreis errechnet, bei dem Angebot und Nachfrage übereinstimmen. Angebot und Nachfrage werden also ähnlich wie auf einer Auktion miteinander abgestimmt175. Hierzu ein Beispiel vom Aktienmarkt: Für die Aktie eines Unternehmens liegen von mehreren Personen Kaufaufträge mit einem „Kauflimit“, d. h. einem Höchstgebot vor. Der Käufer ist also bereit, die Aktie zu jedem Kurs unterhalb des Limits zu erwerben. Die Kaufaufträge werden von Computersystemen nach den individuellen Preisvorgaben in abnehmender Reihenfolge aufgelistet und die Mengen werden aufaddiert. Zu den jeweiligen Kursen lässt sich auf diese Weise die gesamte Marktnachfrage ermitteln. (vgl. Tab. IV-1a).

Tabelle IV-1a: Nachfrage auf dem Aktienmarkt Käufer Kurs (Obergrenze) Einzelmenge KA 80 20 KB 70 10 KC 60 30 KD 50 30 KE 40 10 KF 30 10 KG 20 20

Kumulierte Menge 20 30 60 90 100 110 130

Dem Computersystem liegen gleichzeitig verschiedene Verkaufsaufträge mit „Verkaufslimits“ vor (vgl. Tab. IV-1b). Tabelle IV-1b: Angebot auf dem Aktienmarkt Verkäufer Kurs (Untergrenze) Einzelmenge VA 20 10 VB 30 20 VC 40 50

175

Kumulierte Menge 10 30 80

VD

50

10

90

VE VF

60 80

30 10

120 130

Das Computersystem übernimmt damit die Aufgaben des Börsenmaklers, der früher als Auktionator die Gleichgewichtspreise und Gleichgewichtsmengen auf dem Aktienmarkt ermittelt hat.

252

IV Markt- und Preistheorie

Die Verkäufer sind also bereit, nur zu einem Kurs oberhalb des Limits ihre Aktien zu verkaufen. Das System listet ebenfalls die Aufträge nach den individuellen Preisvorgaben (Kursen), nun allerdings in aufsteigender Reihenfolge auf und addiert die Mengen. Dies ist das gesamte Marktangebot zum jeweiligen Kurs. Ein Marktgleichgewicht ergibt sich dann durch die Übereinstimmung der Kaufund Verkaufspläne und wird im vorliegenden Beispiel bei einem Kurs der Aktie von 50,- € und einer Gleichgewichtsmenge von 90 Stück erreicht (vgl. Abb. IV-1). Abbildung IV-1: Marktgleichgewicht auf dem Aktienmarkt

90

N

80

A

70

Kurs

60 50 40 30 20 10 0 0

10

20

30

40

50

60

70

80

90

100

Angebot, Nachfrage

110

120

130

140

150

160

Es stellt sich nun die Frage, wie auf den zahlreichen anderen Güter- und Faktormärkten Gleichgewichtsprozesse ablaufen, wenn es dort – im Unterschied zur Börse – kein automatisches Computersystem mit Maklerfunktion gibt, das Angebot und Nachfrage in Übereinstimmung bringt und damit das Marktgleichgewicht bestimmt. Dazu folgendes Beispiel (siehe Abb. IV-2), das zur Vereinfachung von linearen Nachfrage- und Angebotsfunktionen ausgeht. In dem Beispiel wäre ein Marktgleichgewicht bei einem Gleichgewichtspreis von P*(X) = 4 und einer Gleichgewichtsmenge von X* = 20 erreicht (siehe Punkt E). In diesem Punkt besteht kein Grund für Verhaltensänderungen der Marktteilnehmer und der Markt wäre geräumt. In der Darstellung wird ein Gleichgewichtszustand im statischen Sinne beschrieben und davon ausgegangen, dass sich dieses Gleichgewicht automatisch ergibt.

253

2 Bildung von Marktgleichgewichten

Abbildung IV-2: Entwicklung zum Marktgleichgewicht Preis P(X) Angebotsüberschuss 6

C Konsumentenrente

Angebot A(X) D

Preisdruck E

4 Produzentenrente 2

A

Preissteigerung

B Nachfrage N(X)

Nachfrageüberschuss 10

20

30

Menge X

Wie aber vollzieht sich der Prozess zum Gleichgewicht (dynamische Betrachtung)? Im Folgenden soll gezeigt werden, dass auf Märkten, auf denen Wettbewerb zwischen Anbietern und Nachfragern besteht, der Marktmechanismus als „unsichtbare Hand“ über entsprechende Preis- und Mengenanpassungen zumindest vorübergehend für ein Marktgleichgewicht sorgt. Dazu wird von folgendem Verhalten der Marktteilnehmer ausgegangen: Übersteigt bei einem gegebenen Preis z. B. von 2 € die Nachfrage (Punkt B = 30) das Angebot (A = 10), so liegt ein Verkäufermarkt vor. Das Preisangebot der Käufer liegt hier deutlich unter der Preisforderung der Anbieter. Das Ergebnis ist ein Nachfrageüberschuss bzw. eine Angebotslücke. Die Verkäufer sind in einer solchen Situation gegenüber den Käufern in einer stärkeren Position. Bei solchen Marktkonstellationen können viele Nachfrager ihre Kaufpläne nicht realisieren. Sie werden daher bereit sein, einen höheren Preis zu zahlen („Versteigerungseffekt“). Die Anbieter werden im Fall zusätzlicher Nachfrage ihren Preis in der Hoffnung erhöhen, ihr Angebot auch absetzen zu können. Dieser wechselseitige Prozess der Abstimmung von Angebots- und Nachfrageplänen setzt sich fort, bis Angebot und Nachfrage übereinstimmen (Tendenz zur Preissteigerung). Diejenigen Produzenten, die auch bei niedrigeren Preisen das Gut angeboten hätten, erzielen beim gleichgewichtigen Preis Vorteile in Form einer Produzentenrente. Diese ent-

254

IV Markt- und Preistheorie

spricht in Abbildung. IV-2 der Fläche oberhalb der Angebotsfunktion und unterhalb des Gleichgewichtspreises P*(X) = 4 €. Umgekehrt ist bei einem gegebenen Preis von 6 € die angebotene Menge eines Gutes mit 30 (Punkt D) größer als die nachgefragte Menge 10 (Punkt C) bzw. die Preisforderung der Anbieter übersteigt das Preisangebot der Käufer. Der Markt wird von den Nachfragern geprägt, da sie gegenüber den Verkäufern in einer stärkeren Position sind. Es liegt somit ein Käufermarkt vor. Der Abbau des Angebotsüberhangs bzw. das Schließen der Nachfraglücke (D > C) erfolgt über die Anbieterkonkurrenz und sinkende Preise. Viele Anbieter können die produzierte Menge nicht absetzen und werden sich daher im Preis unterbieten, um zusätzliche Nachfrage auf sich zu ziehen. Die sinkenden Preise werden die Kunden dazu bewegen, eine größere Menge nachzufragen. Auch dieser wechselseitige Prozess setzt sich fort, bis Angebot und Nachfrage übereinstimmen (Tendenz zur Preissenkung). Diejenigen Nachfrager, die auch bei höheren Preisen das Gut nachgefragt hätten, erzielten beim gleichgewichtigen Preis von 4 € Vorteile in Form einer Konsumentenrente. Diese entspricht in Abb. IV-2 der Fläche zwischen der Nachfragefunktion und dem Gleichgewichtspreis P*(X) = 4 €. Insgesamt kann also festgehalten werden, dass das beschriebene Modell aufgrund der konkurrierenden Kräfte der Anbieter bzw. Nachfrager die Bildung eines Gleichgewichtspreises unterstellt. Der Anpassung liegt in dynamischer Hinsicht die Annahme zugrunde, dass bei einem Überangebot (Käufermarkt) die Aktivität zur Erreichung des Gleichgewichts auf Seiten der Anbieter und bei einem Nachfrageüberschuss (Verkäufermarkt) auf Seiten der Nachfrager liegt. Doch diese Verhaltensannahme (die auch als Walras-Stabilität nach dem französischen Nationalökonomen Léon Walras (1834-1910) bezeichnet wird) muss nicht automatisch zu einem Gleichgewichtspreis führen, wenn anomale Nachfrageoder Angebotsfunktionen vorliegen176. Dazu werden die nachfolgenden vier Fälle anomal verlaufender Nachfrage- bzw. Angebotsfunktionen unterschieden (Abb. IV-3). Werden die Verhaltensannahmen von Walras zugrunde gelegt, so besteht in denjenigen Fällen eine Tendenz zum Gleichgewicht, in denen oberhalb des Gleichgewichtspreises ein Angebotsüberschuss und unterhalb des Gleichgewichtspreises ein Nachfrageüberschuss besteht. Dies sind die ersten beiden Fälle. Demgegenüber liegen in den Fällen 3 und 4 ein Nachfrageüberschuss oberhalb und ein Angebotsüberschuss unterhalb des Gleichgewichtspreises vor. In diesen Fällen besteht eine Instabilität des Marktes: Im Fall 3 würden z. B. die Nachfrager oberhalb des Schnittpunktes der Angebots- und Nachfragekurve wegen ihrer unbefriedigten Nachfrage höhere Preise bieten und damit das Ungleichgewicht bzw. den Nachfrageüberschuss noch weiter erhöhen. Unterhalb des Schnittpunktes be176

Zur Darstellung vgl. Helmstädter, Ernst: Wirtschaftstheorie I, 4. Auflage, München 1991, S. 35 ff.

255

2 Bildung von Marktgleichgewichten

steht ein Angebotsüberschuss, der die Anbieter zu Preissenkungen veranlasst. Auch hierdurch wird das Ungleichgewicht verstärkt. Analog verhält es sich im 4. Fall. Hieraus wird ersichtlich, dass eine bestimmte Verhaltensannahme nicht automatisch zum Gleichgewicht führt. Es lassen sich auch andere Verhaltensannahmen ableiten: So z. B. die Annahme, dass die Anpassungen nicht über Preisreaktionen, sondern über Mengenreaktionen der Anbieter erfolgen. Immer dann, wenn zu einer bestimmten Menge der Nachfragepreis höher (niedriger) ist als der Angebotspreis, erhöhen (vermindern) die Anbieter ihr Angebot. Diese Verhaltensannahme, bei der die Initiative bei Ungleichgewichten immer vom Anbieter ausgeht, wird nach dem englischen Nationalökonomen Alfred Marshall (1842 – 1924) als Marshall-Stabilität bezeichnet. Sie führt in den vorliegenden Beispielen anomal verlaufender Angebots- bzw. Nachfragefunktionen in den Fällen 3 und 4 zu stabilen und in den Fällen 1 und 2 zu instabilen Märkten. Während bei der Verhaltensweise gemäß der Walras-Stabilität also immer die waagerechten Abstände (Mengendifferenzen) die Auslöser für Preisanpassungen sind, sind bei der Annahme der Marshall-Stabilität die senkrechten Preisdifferenzen zwischen Angebots- und Nachfragekurve die Auslöser für Mengenreaktionen. Abbildung IV-3: Stabile und instabile Märkte (Walras- und Marshall-Stabilität)

P(X)

P(X) N

N

A

1. Fall

P(X)

X

A

A

2. Fall

P(X)

X

A

N

3. Fall

X

4. Fall

„WalrasStabilität“:

vorhanden

vorhanden

nicht vorhanden

nicht vorhanden

„MarshallStabilität“:

nicht vorhanden

nicht vorhanden

vorhanden

vorhanden

N

X

Insgesamt kann daher aus der statischen Betrachtung, nach der sich Angebot und Nachfrage schneiden, nicht automatisch auf die Bildung eines Marktgleichgewichts geschlossen werden. Letztlich hängt es von den Verhaltensannahmen bzw. der Korrektur der Verhaltensannahmen ab, ob sich Marktgleichgewichte und Gleichgewichtspreise herausbilden.

256

IV Markt- und Preistheorie

Spinnweb-Theorem (Cobweb-Modell mit Cobweb-Stabilität): Bisher wurde die Zeitdauer der Nachfrage- und Angebotsanpassungen im Marktmodell nicht konkretisiert, d. h. es lagen statische bzw. komparativ statische Betrachtungen vor (vgl. Kap. II.4). In der Realität ist jedoch eher mit verzögerten als unendlich schnellen Reaktionsweisen der Marktteilnehmer zu rechnen. Auch durch diese Annahme verzögerter Reaktionsweisen lassen sich instabile Situationen konstruieren. Die Annahmen dieses Modells lauten wie folgt: 1. Das betrachtete Produkt hat eine bestimmte Produktionszeit (Reifezeit) und lässt sich nach Fertigstellung nicht lagern. 2. Die Anbieter erwarten für die nächste Periode den in der laufenden Periode realisierten Preis und produzieren auf Basis dieser Preiserwartung gemäß ihrer Angebotsfunktion die entsprechende Menge. 3. Wenn der erwartete Preis kein Gleichgewichtspreis in dem Sinne ist, dass das Angebot zu diesem Preis auch nachgefragt wird, kommt es seitens der Anbieter unmittelbar zu Preisanpassungen, um den Markt zu räumen (z. B. weil Produkte nicht lagerfähig sind). Zum veränderten Preis werden dann alle Produkte abgesetzt. 4. Trotz auftretender Preisschwankungen behalten die Anbieter ihr Verhalten bei, d. h. machen keine zusätzlichen Erfahrungen. Formal gilt also für die Nachfrage N(Xt) in der Periode t, bei gegebenem Preis der Periode P(Xt): -

-

(Nachfrage in Periode (t) orientiert sich am aktuellen Preis der Periode (t)) Analog gilt für das Angebot A(Xt) in der Periode (t) bei gegebenem Preis der Vorperiode P(Xt-1): -

-

(Anbieter in Periode (t) orientieren sich am Preis der Vorperiode (t-1)) In jeder Periode (t) sollen angebotene und nachgefragte Menge übereinstimmen: Das mit den Gleichungen (2.1 - 1) bis (2.1 - 3) beschriebene dynamische Modell kann eine Entwicklung zum Gleichgewichtspreis bewirken oder sich auch davon entfernen. Das Ergebnis hängt ausschließlich von den Verläufen der Angebotsbzw. der Nachfragefunktion im Vergleich zueinander ab, d. h. von der Steigung der Angebotsfunktion im Vergleich zur Steigung der Nachfragefunktion. Immer dann, wenn die Angebotsfunktion steiler verläuft (d.h. einen preisunelastische-

257

2 Bildung von Marktgleichgewichten

ren177 Verlauf aufweist) als die Nachfragefunktion, ist der Markt bei dieser Verhaltensannahme stabil (vgl. linken Teilbereich der Abb. IV-4). Abbildung IV-4: Cobweb-Modell (Cobweb-Stabilität) P(X) P1 (X)

Fall A: Stabile Situation

P(X)

Fall B: Instabile Situation

A

Start

A P3 (X)

P3 (X)

Start

P1 (X)

P2 (X)

N

X2

X3

X1 X

Angebotsfunktion (A) verläuft steiler als die Nachfragefunktion (N)

N

P2 (X) X2

X1 X

Angebotsfunktion (A) verläuft flacher als die Nachfragefunktion (N)

Fall A = stabile Situation: Bei einem Preis z. B. von P1(X) entsteht zunächst ein Angebotsüberschuss, der unmittelbar zu Preissenkungen auf das Niveau P2(X) führt. Zu diesem Preis werden die angebotenen Mengen auch nachgefragt. Auf diesen Preis reagieren die Anbieter jedoch in der nächsten Periode mit einem verringerten Angebot X2, so dass eine Angebotslücke entsteht. Die geringere Menge X2 wird zu einem höheren Preis P3(X) nachgefragt, der wiederum eine Ausweitung der Angebotsmenge auf X3 in der nächsten Periode stimuliert. Diese Entwicklungen, die im Fallbeispiel A zu einer stabilen Situation führen, werden – aufgrund des graphischen Anpassungsprozesses – als Spinnweb-Theorem (Cobweb) bezeichnet. Das Modell konvergiert immer dann zum Gleichgewicht, wenn die Angebotsfunktion steiler178 verläuft als die Nachfragekurve, d. h. die Preisempfindlichkeit des Angebots geringer (unelastischer) ausfällt als die der Nachfrage. Da unterstellt wird, dass die Nachfrager unmittelbar reagieren, während die Anbieter für die Anpassung ihrer Produktion eine Zeitverzögerung von einer Periode benötigen, können bei diesem 177 178

Angemerkt sei, dass sich die Aussage auf den Verlauf und nicht auf die Preiselastizität bezieht, da diese je nach Ausgangspunkt stets zwischen 0 und -∞ liegen kann. Zu beachten ist bei dem Begriff „steil“, dass die graphische Darstellung den Preis auf der Ordinate und die Menge auf der Abszisse abträgt. Zu den Bedingungen eines Gleichgewichts und zur zeitlichen Entwicklung der Preis-Mengenkombinationen im Cobweb-Modell vgl. auch Stobbe, A.: Mikroökonomik, 2. Auflage, München 1991, S. 382 ff.

258

IV Markt- und Preistheorie

Verlauf von Angebots- und Nachfragekurve auftretende Erwartungsfehler der Produzenten durch preisinduzierte Nachfrageänderungen korrigiert werden. Denn in diesem Fall sind die Reaktionen der Nachfrager stärker ausgeprägt als die der Anbieter (Nachfrage reagiert im Vergleich zum Angebot preiselastischer), so dass eine Tendenz zum Gleichgewicht besteht. Fall B = instabile Situation: Verläuft die Angebotsfunktion flacher als die Nachfragefunktion (vgl. rechten Teil der Abb. IV-4), so divergieren erwartete und realisierte Preise immer stärker, so dass sich die realisierten Preis-Mengenkombinationen von Periode zu Periode immer weiter vom Gleichgewichtspunkt entfernen (Erwartungsfehler nehmen zu). Es kommt zu einer instabilen Situation. Dabei wird im Cobweb-Modell allerdings unterstellt, dass keine Lernprozesse bzw. Erwartungskorrekturen bei den Marktteilnehmern stattfinden. Längerfristig ist aber davon auszugehen, dass die Anbieter das zyklische Anpassungsmuster durchschauen und über veränderte Verhaltensweisen schneller zum Gleichgewicht gelangen179. Praktische Beispiele für das Cobweb-Modell finden sich daher überall dort, wo zwischen der Produktionsentscheidung und der tatsächlichen Verfügbarkeit des Angebots auf dem Markt eine Zeitverzögerung (time-lag) besteht und ein Ausgleich von Angebot und Nachfrage über Lagervariationen kaum möglich ist180. In der Literatur wird vor allem der sogenannte „Schweinezyklus“ diskutiert, doch sind derartige time-lags in der Produktion z. B. auch bei PKW, Flugzeugen, Mikrochips und vielen anderen Produkten anzutreffen. Mengenbeschränkungen auf den Märkten: Marktgleichgewichte sind grundsätzlich auch dann möglich, wenn Mengenbeschränkungen auf der Angebots- oder Nachfrageseite vorliegen (vgl. Abb. IV-5). In diesem Fall würde die Angebots- bzw. Nachfragefunktion allerdings senkrecht verlaufen. Mengenbeschränkungen auf der Angebotsseite sind vor allem das Ergebnis kurzfristig nicht erweiterbarer Kapazitäten (Arbeitskräftemangel, Maschinenlieferzeiten), räumlich bedingter Engpässe (z. B. begrenzte Kapazitäten des öffentlichen Nahverkehrs, begrenztes Kartenangebot für ein Konzert, begrenzte Plätze in einem Fußballstadion, begrenzte Studienplätze, begrenzte Parkplätze in der 179

180

Dass dieses Lernverhalten sehr schwer fallen kann, zeigen Erfahrungen an den Aktienbörsen. Auch wenn Anleger schlechte Erfahrungen mit überbewerteten Aktien gemacht haben, ist die Verlockung groß, dieser Problematik zu anderen Zeiten in anderen Branchen erneut zu unterliegen. Dies ist immer dann der Fall, wenn die Ware entweder aus ökonomischen Gründen nicht auf Lager genommen werden kann (z. B. elektronischer Mikrochip unterliegt einem starken technischen Wandel und ist in der nächsten Periode überholt; modische Produkte sind in der nächsten Periode „out of fashion“ und nicht mehr absetzbar). Auch technische Gründe können eine längere Lagerung nicht zulassen und einen sofortigen Verkauf erzwingen (Ware ist schon nach kurzer Lagerdauer nicht mehr genießbar).

259

2 Bildung von Marktgleichgewichten

Innenstadt) oder staatlich bedingter Produktionsbeschränkungen (Quoten, Mengenbeschränkungen z. B. für die Anzahl der Taxis in einer Stadt). Mengenbeschränkungen auf der Nachfrageseite resultieren vor allem aus einer gesättigten Nachfrage oder konstanten Verbrauchsgewohnheiten der Privaten Haushalte. Abbildung IV-5: Wohlfahrtsverluste infolge (staatlicher) Mengenbeschränkungen der Produktion P(X) A‘

P*1 (X) A 3

1

P*0 (X) 2

N

X1

X0

X

Mengenbeschränkungen aufgrund staatlicher Eingriffe haben eine Erhöhung des Gleichgewichtspreises zur Folge und bewirken eine Wohlfahrtseinbuße gegenüber der Situation ohne Mengenbeschränkung: Könnte z. B. aufgrund einer Mengenbeschränkung lediglich die Menge X1 statt X0 angeboten werden, dann entfielen die Konsumentenrente der Fläche 1 und die Produzentenrente der Fläche 2, so dass sich die Wohlfahrt der Volkswirtschaft durch die staatliche Mengenquotierung um die Fläche (1 + 2) verringern würde. Gleichzeitig würde der gegenüber P*0(X) höhere Gleichgewichtspreis P*1(X) eine weitere Senkung der Konsumentenrente zugunsten einer höheren Produzentenrente im Umfang der Fläche 3 zur Folge haben. Vertiefungsaufgabe IV-2: 1. Erläutern Sie für den Fall “normal” verlaufender Angebots- und Nachfragefunktionen eines Gütermarktes, weshalb in der Mikroökonomie davon ausgegangen wird, dass sich ein Nachfrageüberhang unter marktwirtschaftlichen Bedingungen von selbst abbaut und der Markt zu einem Gleichgewicht findet. Wann gilt dies z. B. nicht? 2. Was verstehen Sie unter einem Käufer- bzw. einem Verkäufermarkt? 3. Wodurch ergeben sich Produzenten- bzw. Konsumentenrenten? 4. Wie wirkt sich eine Mengenquotierung der Produktion auf die Wohlfahrt aus?

260

IV Markt- und Preistheorie

Aufgabe IV-2: a) Wie hoch ist im Marktgleichgewicht der Abbildung IV-1, Tabelle IV-1a, b die Summe aller Konsumentenrenten? Welche Personen kommen mit ihren Kaufplänen nicht zum Zuge? b) Wie hoch ist im Marktgleichgewicht der Abb. IV-1,Tab. IV-1a, b die Summe aller Produzentenrenten? Quelle: Wilke, F.: Grundlagen der Volkswirtschaftslehre, Köln 1998, S. 139

Aufgabe IV-3: Ein Konzertsaal hat ein Fassungsvermögen von 2.000 Plätzen. Es soll ein Opernkonzert aufgeführt werden. Bei einem Preis von 140,- € könnten 1.000 Karten verkauft werden. Der Prohibitivpreis beträgt 210,- €. Die Nachfragekurve ist linear. Der Veranstalter möchte alle Plätze besetzen und dabei den höchstmöglichen Preis erzielen. Es gibt nur einen Einheitspreis. a) Bestimmen Sie die Nachfragefunktion, und zeichnen Sie Angebots- und Nachfragefunktion in ein Preis-Mengen Diagramm. b) Wie hoch ist der Preis einer Konzertkarte bei „ausverkauftem Haus?“ c) Wie hoch ist die Preiselastizität der Nachfrage beim Gleichgewichtspreis? Wie würde sich eine Ausweitung des Fassungsvermögens des Konzertsaals auf den Umsatz auswirken? In Anlehnung an: Wilke, F.: Grundlagen der Volkswirtschaftslehre, a. a. O., S. 141

Aufgabe IV-4: Die Anbieter von Wein würden bei einem Preis von 2,- €/Flasche 1.000 Flaschen anbieten, bei einem Preis von 10,- € hingegen 5.000 Flaschen. Dies würde gleichzeitig dem maximalen Marktangebot entsprechen. Die Angebotsfunktion ist linear. Die Nachfrage nach Wein beträgt 4.000 Flaschen und ist völlig unelastisch. a) Zeichnen Sie Angebots- und Nachfragefunktion in ein Preis-Mengen-Diagramm. b) Welcher Preis kann im Marktgleichgewicht je Flasche Wein erzielt werden? Quelle: vgl. ebenda.

2.2

Marktgleichgewichte bei Verschiebungen der Angebots- oder Nachfragekurve

2.2.1

Privatwirtschaftliche Einflussgrößen

Wenn von Änderungen des Angebots oder der Nachfrage gesprochen wird, ist damit i. d. R. eine Verschiebung (shifts) der entsprechenden Angebots-/Nachfragekurven gemeint181 (Veränderungen des Angebots bzw. der Nachfrage bei gegebenem Preis des Gutes; z. B.: Erhöhung der Nachfrage = Rechtsverschiebung der 181

Dabei ist zu beachten, dass sich die nachfolgenden Aussagen auf die Verläufe der Funktionen und nicht auf die Elastizitäten selbst beziehen. Aus dem Verlauf der Angebots- und Nachfragefunktionen kann noch nicht auf die Preiselastizität geschlossen werden, da diese nicht nur von der Steigung der betrachteten Funktion, sondern auch von der jeweils betrachteten Ausgangsstelle abhängt.

2 Bildung von Marktgleichgewichten

261

Nachfragekurve; Senkung des Angebots = Linksverschiebung der Angebotskurve, etc.). Diese Verschiebungen sind zu unterscheiden von Bewegungen auf den Angebots- bzw. Nachfragekurven (Veränderungen von Angebot und Nachfrage aufgrund von Preisänderungen des Gutes). Die Ursachen der Nachfrageverschiebungen können im Gesamtüberblick aus den Abb. III-42a, III-42b, und III-43 in Kap. III.1.4 ersehen werden. Die Ursachen für die Angebotsverschiebungen lassen sich im Gesamtüberblick auch aus den Übersichten III-25 u. III-26 in Kap. III.2.5.4 ersehen. Im Folgenden werden für das Beispiel eines PKW-Marktes einige Ursachen für Verschiebungen der Nachfrage- bzw. Angebotsfunktionen nochmals in ihrer Wirkung auf den Gleichgewichtspreis und die Gleichgewichtsmenge vorgestellt. Die Verschiebung kann aus Sicht des an der Ordinate dargestellten Preises betrachtet werden, dann handelt es sich im vorliegenden Fall um eine Rechtsverschiebung, da zu jedem gegebenen Preis die Menge ansteigt. Die Verschiebung kann aber auch aus Sicht der an der Abszisse dargestellten Menge betrachtet werden, dann handelt es sich hier um eine Verschiebung nach unten, d.h. bei jeder gegebenen Menge steigt die Produktivität, was sinkende Grenzkosten zur Folge hat. (Hinweis: Eine Verschiebung der Grenzkosten lässt sich aus Sicht der Menge leichter erklären als aus Sicht des Preises)182. Rechtsverschiebung der Nachfrage bei Erhöhung der Einkommen: Steigen die Durchschnittseinkommen der Privaten Haushalte, erhöht sich i. d. R. bei gegebenem Güterpreis P(X) die Nachfrage nach dem Gut X, z. B. die Nachfrage nach PKW. Die Nachfragefunktion verschiebt sich nach rechts und führt c. p. bei gegebener Angebotsfunktion zu positiven Preis- und Mengeneffekten. Die nachfolgende Abb. IV-6 zeigt, wie bei unverändertem Angebot (vollkommen preisunelastisches Angebot) und einer normal verlaufenden Marktnachfragefunktion eine Rechtsverschiebung der Nachfragekurve (von N1 nach N2) ausschließlich einen Preisanstieg bewirkt. Durch die Unterscheidung von Verschiebungen der Kurven und Bewegungen auf einer Kurve erklärt sich somit der scheinbare Widerspruch, dass eine steigende Nachfrage zu einem steigenden Preis führt (Verschiebung der Nachfragekurve), obwohl bei Bewegungen auf der Nachfragekurve eine höhere Nachfrage nur bei sinkendem Preis möglich ist. Das Ausmaß der aus den Verschiebungen resultierenden Wirkungen auf die Gleichgewichtspreise und Gleichgewichtsmengen ist von den Steigungen der Angebots- und Nachfragefunktionen abhängig. 182

Es sei daran erinnert, dass eine Verschiebung von Funktionen aus Sicht des an der Ordinate dargestellten Preises betrachtet werden kann; dann handelt es sich um eine Linksbzw. Rechtsverschiebung, da zu jedem gegebenen Preis die Menge ab- oder zunimmt. Die Verschiebung kann aber auch aus Sicht der an der Abszisse dargestellten Menge betrachtet werden, dann handelt es sich um eine Verschiebung der Funktion nach oben bzw. nach unten; vgl. hierzu auch die Ausführungen in Kap. III.2.5.4.

262

IV Markt- und Preistheorie

Abbildung IV-6: Verschiebung von Nachfragefunktionen P(X)

A

P*2 (X)

P*1 (X)

N2 N1 X

X1 = X2

Je elastischer (= flacher) die Angebotsfunktion verläuft, desto stärker sind bei Nachfrageverschiebungen die Mengen- und desto schwächer die Preiseffekte. Dies geht aus Abb. IV-7 hervor, in der neben der vollkommen preisunelastischen Angebotsfunktion (rechter Teil der Abb. IV-7) auch eine normal verlaufende Angebotsfunktion erfasst ist (linker Teil der Abb. IV-7). Abb. IV-7: Nachfrageverschiebung bei unterschiedlichem Angebotsverlauf

P(X)

P(X)

N0

N1

N1

A

N0 A

Rechtsverschiebung der Nachfragefunktion bei elastischem Angebot

X = PKW

Rechtsverschiebung der Nachfragefunktion bei unelastischem Angebot

X = PKW

Ein flacherer Verlauf deutet darauf hin, dass bei den Produzenten noch Spielräume für die Produktionsausweitung bestehen (zusätzliche Mengen können mit niedrigen Grenzkosten erzeugt werden). Wären die Kapazitäten hingegen voll ausgelastet, z. B. von Automobilproduzenten, und könnten diese auch mittelfristig nicht erhöht werden, käme es allein zu Preissteigerungen. Die Angebotsfunktion verliefe

263

2 Bildung von Marktgleichgewichten

in diesem Fall vertikal. Auch höhere Preise führten in diesem Fall nicht zur Ausweitung der Produktion (vgl. den rechten Teil der Abb. IV-7). Linksverschiebung der Angebotsfunktion aufgrund steigender Arbeitskosten Bei unveränderter Arbeitsproduktivität führt eine Steigerung der Löhne z. B. in der Automobilindustrie zu einer Steigerung der Produktionskosten und zur Linksverschiebung der Angebotsfunktion von A0 nach A1 (vgl. Abb. IV-8). Abb. IV-8: Gütermarkt bei Steigerung der Arbeitskosten P(X)

P(X) N

N A1

A1

A0

A0

X = PKW Linksverschiebung der Angebotsfunktion bei elastischer Nachfrage

X = PKW Linksverschiebung der Angebotsfunktion bei vollkommen unelastischer Nachfrage

In der Abbildung IV-8 wurde vereinfachend unterstellt, dass die Lohnveränderung sich nur auf die Kosten und damit auf die Angebotsfunktion, nicht aber auf die Nachfragefunktion auswirkt. Zunächst soll diese Annahme aufrechterhalten werden, um die Auswirkungen von alleinigen Verschiebungen der Angebotsfunktion auf die Gleichgewichtsmenge und den Gleichgewichtspreis aufzuzeigen. Infolge der Linksverschiebung der Angebotskurve von A0 nach A1 kommt es zu positiven Preis-, jedoch zu negativen Mengeneffekten. Wie Preis- und Mengeneffekte sich hierbei zueinander verhalten, hängt vom Verlauf der Angebots- und Nachfragefunktion ab. Liegt bei normalem Angebotsverlauf eine völlig preisunelastistische Nachfragefunktion vor, so ergeben sich ausschließlich positive Preis-, jedoch keine Mengeneffekte (rechter Teil der Abb. IV-8). Je flacher c. p. die Nachfragefunktion verläuft, d. h. je preiselastischer der Nachfrageverlauf ausfällt, desto stärker wirken sich die Mengeneffekte im Vergleich zu den Preiseffekten aus. Bei einer gegebenen Neigung der Nachfragefunktion wirken sich Linksverschiebungen der Angebotsfunktion umso stärker auf die Entwicklung von Gleichgewichtspreis und Gleichgewichtsmengen aus, je flacher die Angebotsfunktion verläuft. Inwieweit es durch Verschiebungen der Angebotsfunktion zu einer Umsatzausweitung kommt, hängt von der Preiselastizität der Nachfrage im Schnittpunkt der Nachfragefunktion mit der Angebotsfunktion ab. Wird die Nachfragefunktion im preiselastischen Bereich geschnitten (siehe hierzu die umfangreichen Ausführungen in Kap. III.1.3), führen Linksverschiebungen der Angebotsfunktion zu Umsatzeinbußen, da

264

IV Markt- und Preistheorie

die durch die Linksverschiebung ausgelösten relativen Preiserhöhungen überproportionale Mengenrückgänge bewirken. Analoge, umgekehrte Aussagen lassen sich für Rechtsverschiebungen der Angebotsfunktion und hierdurch bewirkte Preissenkungen anführen. Umgekehrte Aussagen gelten zudem für Schnittpunkte im preisunelastischen Bereich der Nachfragefunktion. Zusammenfassend lassen sich die Preis- und Mengeneffekte von isolierten Verschiebungen der Nachfrage- oder der Angebotsfunktionen gemäß nachfolgender Übersicht IV-8 darstellen, wobei in dieser Übersicht davon ausgegangen wird, dass sich jeweils nur eine Funktion verschiebt. Realistischer ist aber, dass sich die Angebots- und Nachfragefunktion auch gleichzeitig verschieben. Je nach Höhe der Verschiebung verändert sich entweder nur der Gleichgewichtspreis oder nur die Gleichgewichtsmenge eindeutig, während die Veränderung der anderen Größe vom Ausmaß der Verschiebung abhängt. So führt z. B. eine Linksverschiebung der PKW-Nachfrage (z. B. aufgrund einer Einkommensminderung) bei einer gleichzeitigen Linksverschiebung der Angebotsfunktion für PKW (z. B. aufgrund eines Kostenanstiegs infolge von Produktivitätsabnahmen) eindeutig zu einer geringeren Gleichgewichtsmenge. Bei der Entwicklung des Gleichgewichtspreises kommt es darauf an, ob die Linksverschiebung der Nachfrage- oder der Angebotsfunktion stärker ausfällt. Sofern sich die Nachfragefunktion stärker als die Angebotskurve nach links verschiebt, sinkt der Gleichgewichtspreis, ansonsten steigt er. Übersicht IV-8: Preis- und Mengeneffekte bei Angebots- bzw. Nachfrageverschiebungen Verschiebung* )…

Preiseffekte

Mengen-

Erläuterung

effekte

… nur der Nachfragefunktion - nach rechts

+

+

- nach links

-

-

gleichgerichtete Preis- und Mengeneffekte

… nur der Angebotsfunktion - nach rechts

-

+

- nach links

+

-

entgegengesetzte Preis- und Mengeneffekte

Quelle: In Anlehnung an Hardes, H.-D., Schmitz, F.: a.a.O., S. 189. *) In dieser Übersicht werden nur Effekte angezeigt, die sich bei Verschiebung nur einer Funktion ergeben.

Allgemeiner formuliert führt eine gleichgerichtete Verschiebung von Angebotsund Nachfragefunktionen zu einem eindeutigen Ergebnis bei der Veränderung der Gleichgewichtsmenge X*, während die Entwicklung des Gleichgewichtspreises P*(X) ungewiss ist. Umgekehrt verhält es sich für entgegengesetzte Verschiebungen von Angebot- und Nachfragefunktionen, bei denen die Entwicklung des

265

2 Bildung von Marktgleichgewichten

Gleichgewichtspreises eindeutig ausfällt, die Entwicklung der Gleichgewichtsmenge aber ungewiss ist, d.h. je nach Ausmaß der Verschiebungen steigen oder fallen kann.

2.2.2 Auswirkungen von Steuern, Subventionen und Zöllen auf das Marktgleichgewicht und die Wohlfahrt einer Volkswirtschaft Erhebung indirekter Steuern Die Erhebung spezieller indirekter Verbrauchssteuern soll als Mengensteuer (z. B. Mineralöl-, Tabaksteuer) oder als Wertsteuer (z. B. Mehrwertsteuer) den Verbrauch von bestimmten Gütern beeinflussen (sogenannte Lenkungssteuer) und dem Staat ggfs. auch zu mehr Einnahmen verhelfen (Fiskalsteuer). Im Folgenden sei vereinfachend von einer Mengensteuer183 mit dem Steuersatz (t) ausgegangen, der je Mengeneinheit des Gut X erhoben wird. Bei den Produzenten (= Angebotsseite) wirkt die Erhebung von Verbrauchsteuern zunächst wie eine zusätzliche Kostenbelastung, so dass eine gegebene Menge nur zu höheren Preisen angeboten wird. Graphisch entspricht diese Situation einer Linksverschiebung der Angebotsfunktion (von A nach A’, bzw. aus Sicht der Mengenachse einer Verschiebung nach oben) mit positiven Preis- und negativen Mengeneffekten (vgl. Abb. IV-9). Abb. IV-9: Erhöhung indirekter Steuern und Wohlfahrtseffekte P(X)

A‘

t

Wohlfahrtseffekte: Käufer: verlieren A + B, Verkäufer: verlieren D + C, Staat: Einnahmen von A + D. Der Nettowohlfahrtsverlust ist gleich B + C.

Pb (X) A

P0 (X) Pn (X)

D

B C

t

A

N

X1

X0

X

Pb (X) = von Käufern gezahlte Bruttopreis (einschließl. Steuersatz) Pn (X) = Nettopreis nach Abzug des Steuersatzes 183

Während eine Mengensteuer über eine Linksverschiebung der Angebotsfunktion erfasst werden kann (die Produktionskosten steigen für jede Mengeneinheit um die Mengensteuer an), lässt sich eine Wertsteuer (z. B. Mehrwertsteuererhöhung) über eine Linksdrehung der Angebotsfunktion darstellen.

266

IV Markt- und Preistheorie

Betrug vor der Steuererhebung der Preis Po, so steigt er nun auf den Gleichgewichtspreis Pb (Bruttopreis einschl. Steuer) an. Von diesem Preis hat der Anbieter je Mengeneinheit die Steuer t an den Staat abzuführen, so dass (Pb – t) = Pn den Nettopreis des Anbieters ergibt. Der Preis Pb, den der Nachfrager zu tragen hat, liegt aber wegen des Mengenrückgangs nur um einen bestimmten Anteil des Steuersatzes über dem Ausgangspreis. Insoweit muss der Nachfrager auch nur einen Teil der Steuer tragen (Umfang der Steuerinzidenz = Steuerüberwälzung), selbst wenn der Staat den Konsumenten als Steueradressat (sogenannter Steuerdestinator) erreichen möchte. Den anderen Teil der Steuer, d. h. die Differenz zwischen dem ursprünglichen Preis vor der Steuererhebung (Steuererhöhung) und dem neuen Nettopreis, hat der Anbieter selbst zu tragen. Damit gelingt es dem Anbieter nur bedingt, die Steuer auf den Nachfrager zu überwälzen. Entscheidend für die Überwälzungsmöglichkeit auf die Verbraucher sind neben der „Marktmacht“, die an dieser Stelle ausgeklammert werden soll (Annahme der vollständigen Konkurrenz), die Steigungen der Nachfrage- bzw. der Angebotsfunktionen. Wird bei normal verlaufender Angebotsfunktion von einem sehr preisunelastischen Verlauf der Nachfrage ausgegangen (steiler Verlauf der Nachfragefunktion wie z. B. bei Grundnahrungsmitteln oder Benzin), dann kann der Nachfrager der Preiserhöhung infolge einer Steuererhebung nur geringfügig durch eine verminderte Nachfrage ausweichen. Er nimmt die Preiserhöhung, d. h. die Besteuerung weitgehend hin (= Steuer wird überwiegend vom Produzenten auf die Nachfrager überwälzt). In diesem Fall bewirken selbst deutliche Preissteigerungen nur einen vergleichsweise geringen Rückgang der nachgefragten Menge. Beispielsweise führen Erhöhungen der Mineralölsteuer kurzfristig nur zu einem geringen Rückgang der Benzinnachfrage. Dies gilt vor allem dann, wenn keine Möglichkeiten zur Substitution des nachgefragten Gutes „Benzin“ bestehen. Umweltpolitische Ziele wie die Einschränkung des Verkehrs durch die Erhöhung der Mineralölsteuer lassen sich dann nur schwer realisieren, da sie z.T. eine drastische Anhebung der Benzinpreise erfordern (Lenkungseffekt tritt nicht ein). Dies bedeutet aber gleichzeitig, dass bei preisunelastischem Verhalten die Steuer für den Staat fiskalpolitisch sehr ergiebig ist und sich Steuermehreinnahmen leicht erzielen lassen (allerdings mit entsprechenden negativen ökonomischen Wirkungen infolge des Kaufkraftentzugs). Genau umgekehrte Effekte treten bei einem preiselastischen Verlauf der Nachfrage- und normalen Verlauf der Angebotsfunktion ein: die Steuer übt nun hohe Lenkungseffekte auf die Nachfrager aus, so dass der Fiskaleffekt gering ausfällt. Zudem haben jetzt überwiegend die Anbieter die Steuerlast zu tragen, da sie sich wegen des elastischen Verlaufs der Nachfragefunktion nicht auf die Nachfrager überwälzen lässt. Die bisherige Analyse ließe sich auch für eine sehr preiselastisch (preisunelastisch) verlaufende Angebotsfunktion und eine nicht extrem verlaufende Nachfragefunktion erörtern. Je unelastischer das Angebot verläuft, desto stärker hat bei gegebenem Nachfrageverlauf der Anbieter die Steuer zu tragen und umgekehrt. Insgesamt

2 Bildung von Marktgleichgewichten

267

lässt sich daher festhalten: Je steiler die Nachfragefunktion im Vergleich zur Angebotsfunktion verläuft, desto leichter kann der Anbieter sie überwälzen und desto stärker hat der Nachfrager die Steuer zu tragen184. Aus der Abb. IV-9 lassen sich auch die Wohlfahrtseffekte einer Steuererhebung ermitteln. Durch die Steuererhebung und durch den Anstieg des Preises Po auf Pb sinkt die Konsumentenrente um die Fläche A. Gleichzeitig sinkt wegen des geringeren Nettopreises, den der Anbieter erzielen kann, die Produzentenrente um die Fläche D. Die Flächen A und D entsprechen damit genau jenem Betrag, der als Steuer an den Staat fließt; es gilt: [Steueraufkommen = Steuersatz (t) • Menge = (Pb - Pn) • X1]. Insoweit gewinnt der Staat das, was Nachfrager und Anbieter verlieren. Darüber hinaus gehen die Flächen B und C aber auch wegen der Bruttopreiserhöhung und der geringeren Gleichgewichtsmenge verloren, so dass durch die Steuererhöhung die Wohlfahrt einer Volkswirtschaft um genau diese Flächen B + C abnimmt (es wird diesbezüglich von einer Zusatzlast oder Überschussbelastung der Steuererhebung gesprochen, die eventuell auftretende Sekundäreffekte noch nicht einmal berücksichtigt). Subventionen: Eine Subvention (S) – z. B. eine staatliche Prämie je produzierter Mengeneinheit – kann als negative Steuer aufgefasst werden. Die Subvention senkt die Produktionskosten und verschiebt die Angebotsfunktion (von A1 nach A2). Der Gleichgewichtspreis sinkt gemäß Abb. IV-10 von P*1(X) auf P*2(X) und die Gleichgewichtsmenge erhöht sich von X*1 auf X*2, d. h. mit der Subvention wird also stets mehr von dem betreffenden Gut produziert und gekauft als ohne Subvention. Welche Auswirkung hat die Subvention nun auf die Wohlfahrt der Volkswirtschaft? Aus Abb. IV-10 ist ersichtlich, dass durch die Subventionszahlung die Konsumentenrente um die Flächen 2 und 5 ansteigt. Die Fläche 2 geht dabei den Produzenten als Produzentenrente verloren. Dafür gewinnen Sie allerdings die Fläche 4. Insgesamt steigt somit die Wohlfahrt der Konsumenten, gleichzeitig ist die 184

Die dargestellte Analyse beschreibt nur die direkte (primäre) Wirkung der Steuererhöhung auf die Entwicklung von Gleichgewichtsmenge und –preis des Gutes X (partielle Marktanalyse). Darüber hinaus ist allerdings zu berücksichtigen, dass der veränderte Preis für das Gut X die Nachfrage für das Gut Z bzw. anderer Güter verändert (siehe Ausführungen zur indirekten Nachfrage), was wiederum Einfluss auf den Preis des Gutes Z bzw. anderer Güter hat, wodurch sich die Nachfrage nach dem Gut X verschiebt. Hieraus wird ersichtlich, dass über die Wechselwirkung mit anderen Gütermärkten (Faktormärkten) weitere Mengen- und Preiseffekte auf dem Markt für das Gut X entstehen, die über die Primäreffekte der Steuerveränderung deutlich hinausgehen können (totale oder allgemeine Marktanalyse). Derartige Rückkopplungen der totalen Marktanalyse lassen sich in ihrer Vielfalt nicht umfassend beschreiben und sollen daher an dieser Stelle nur exemplarisch angedeutet werden. Sie machen aber deutlich, dass die Gesamtwirkungen einer Steuerveränderung deutlich von den Primärwirkungen abweichen können.

268

IV Markt- und Preistheorie

Wirkung auf die Produzenten je nach Größe der Flächen 2 bzw. 4 ungewiss (welche Fläche größer ausfällt, hängt von der Steigung der Angebots- bzw. Nachfragefunktion ab). Für die Beurteilung der Gesamtwohlfahrt der Volkswirtschaft ist der Subventionsbetrag zu betrachten, der in Höhe der Flächen 4, 5 und 6 von den Konsumenten und Produzenten über Steuern zu finanzieren ist (diese Flächen entsprechen dem Produkt aus der Prämie je Mengeneinheit und der Produktionsmenge X2). Wird von der zuvor dargestellten Steigerung der Konsumenten- und Produzentenrente dieser Finanzierungsbetrag abgezogen, so verbleibt ein negativer Nettoeffekt im Umfang der Fläche 6. Damit hat die Subvention in Höhe dieses Betrages eine negative Wirkung auf die Gesamtwohlfahrt der Volkswirtschaft. Abbildung IV-10: Wohlfahrtsverluste infolge staatlicher Subventionen

P(X) N

A1 A2

1 P*1 (X) P*2 (X)

6

2

5

3 4

X*1

X

X*2

Auswirkungen auf Produzenten, Konsumenten u. die gesellschaftliche Wohlfahrt: vor der Subvention:

Produzentenrente: Flächen 2 + 3 Konsumentenrente: Fläche 1 Gesellschaftliche Kosten: (Steuerzahler!)

Gesamtwohlfahrt:

Flächen 1 + 2 + 3

nach der Subvention:

Flächen 3 + 4 Flächen 1 + 2 + 5 Flächen 4 + 5 + 6 4: zugunsten PR 5: zugunsten KR 6: Soziale Kosten aufgrund Überproduktion (X2 – X1) Flächen 1 + 2 + 3 - 6

Fazit: Subventionen können zwar so ausgestaltet werden, dass sie zu Marktgleichgewichten führen und keine Angebots- bzw. Nachfrageüberschüsse verursachen. Sie sind aber praktisch – nicht nur theoretisch – immer mit Wohlfahrtsverlusten

2 Bildung von Marktgleichgewichten

269

verbunden185, sofern durch sie nicht externe Effekte zu internalisieren sind (vgl. Kap.V.3). Ihr originäres Ziel, das Einkommen der Produzenten zu sichern, wird sogar oft nur sehr unzureichend erfüllt und z.T. in das Gegenteil verkehrt. Ursächlich dafür ist, dass die Preise als Folge der Subvention nicht stabil bleiben, sondern wegen steigender Produktionsmengen fallen (siehe z.B. den Agrarmarkt). Importquoten und Zölle: Durch die Erhebung von Importquoten und Zöllen versuchen Länder ihre heimische Produktion vor ausländischer Konkurrenz zu schützen und den Inlandspreis oberhalb des Weltmarktpreisniveaus eines Produkts zu halten. Unter einem Zoll ist eine Steuer auf den Import eines Gutes zu verstehen. Zölle werden entweder je Mengeneinheit oder je Werteinheit (Wertzölle) erhoben, wobei im Folgenden der Einfachheit halber von einem Mengenzoll ausgegangen werden soll. Gegenwärtig haben Importquoten und nicht-tarifäre Handelshemmnisse die in der Vergangenheit sehr bedeutsamen Zölle etwas zurückgedrängt, wenn auch Zollfragen und ihr Abbau immer wieder die tagespolitische Agenda prägen (z. B. Zölle auf Stahlexporte in die USA etc.). Ziel der World Trade Organisation (WTO) ist die Liberalisierung des Welthandels und der Abbau von tarifären (Zölle, Abschöpfungen = Zölle auf Importe landwirtschaftlicher Produkte) und nicht-tarifären (z. B. Normen) Handelshemmnissen; die nur mühsam zu erzielenden Fortschritte bei den WTO-Verhandlungen zeigen, wie hartnäckig sich Industrie- und Entwicklungsländer dieses Instruments der Zölle bedienen, um ihre nationale Produktion vor dem Ausland zu schützen186.

185

186

Exemplarisch wurde im Anhang A2 über eine beispielhaft angenommene einfache Nutzenfunktion der wohlfahrtsmindernde Effekt einer Subvention mittels des Instrumentariums der Haushaltstheorie rechnerisch demonstriert. Um in den Genuss der Gütersubvention zu gelangen (z.B. zum Kauf eines PKWs, Beispiel Abwrackprämie), müssen die Haushalte insgesamt das Gut in einer höheren Menge kaufen, als sie es ohne Subvention wünschen. Nur so können sie über die erhaltene Subvention die finanzielle Belastung einer Steuer einigermaßen kompensieren, die zwecks Finanzierung der Subventionen erhoben wird. Letztlich läuft also die Subvention auf die unökonomische Situation hinaus, dass der Staat etwas über Steuern finanziert, was die Bürger nicht oder nicht in dem Umfang wünschen. Ein Beispiel für den Zollabbau zwecks Verbesserung der Zugänge der Entwicklungsländer zu den Märkten der Industrieländer stellt die beschlossene Reform der Zuckermarktordnung dar. Durch die vor rd. 40 Jahren mit der Gründung der EU (EWG) geschaffene Zuckermarktordnung wird der Zuckerpreis oberhalb des Weltmarktpreisniveaus gestützt; hierzu trägt ein System von Zöllen (Abschöpfungen) bei den Importen und von Subventionen bei den Exporten bei (vgl. hierzu auch Abb. IV-11). Der EUZuckerpreis liegt dabei deutlich über dem Weltmarktpreis für Zucker. Da die Zuckermarktordnung zum 1. Juli 2006 auslief, haben die EU-Landwirtschaftsminister auf ihrer Ratstagung im November 2005 auf Druck der WTO ihre Reform beschlossen. Sie sah deutliche Preissenkungen (gut 30 Prozent) des zuvor realisierten Ausgangspreises von über 600 € je Tonne Weißzucker vor. Diese Preissenkungen hatten zugleich eine starke

270

IV Markt- und Preistheorie

Im Folgenden soll die Wirkung von Zöllen und Importquoten auf die heimische Produktion, die Preisbildung und die Wohlfahrtswirkung untersucht werden. Dabei ist zu beachten, dass ein Teil des im Inland erhobenen Zolls nicht immer vom ausländischen Exportland auf die inländischen Nachfrager über Preiserhöhungen überwälzt werden kann, so dass die Differenz zwischen dem Weltmarktpreis und dem Preis nach Zollerhebung nicht die Zollhöhe je Mengeneinheit ausmacht. Vielmehr bringt diese Preisdifferenz nur den Teilbetrag des überwälzten Zolls zum Ausdruck, zu dem noch der vom ausländischen Exporteur zu tragende Zoll (Zolleinführung führt beim Exportland zu Preissenkungen)187 hinzu zu addieren ist. Nur wenn das Importland sehr klein ist und die importierten Mengen gering ausfallen, verändert sich der Exportpreis des Auslands nicht, da die veränderten Importmengen des Inlands und damit die veränderten Exportmengen des Auslands in Relation zur Produktion bzw. Nachfrage des Auslands kaum ins Gewicht fallen. Um die Darstellung nicht zu kompliziert zu machen, sei im Folgenden der Einfachheit halber unterstellt, dass das Importland im Vergleich zum Exportland sehr klein ist, d. h. dass die Differenz zwischen dem Weltmarktpreis und dem Inlandspreis nach Zollerhebung den Zoll widerspiegelt. Abbildung IV-11 zeigt, dass bei freiem Welthandel der Preis im Inland Pw beträgt (Pw = Weltmarktpreis). Dabei wird die insgesamt nachgefragte Menge XN in Höhe von XA durch inländische Produzenten bereitgestellt und die Differenz XN-XA macht die Importmengen aus. Bei Erhebung von Zöllen steigt das inländische Preisniveau um den Zoll an (Annahme der Vollüberwälzung), so dass die inländische Produktion auf XA’ zunimmt, die Nachfrage sich von XN auf XN’ reduziert und die Importmenge ebenfalls abnimmt. Würde der Zollsatz (Z) je Mengeneinheit in Höhe der Preisdifferenz (Po - Pw) erhoben, so ging die Importmenge sogar auf Null zurück. Aus der Abbildung IV-11 sind auch die Wohlfahrtswirkungen der Zollerhebung ersichtlich. Die inländische Produzentenrente steigt um die Fläche A, die inländische Konsumentenrente sinkt hingegen deutlich um die Flächen A + B + D + C, so dass beide Wirtschaftseinheiten die Fläche B + D + C per Saldo verlieren. Wird aber berücksichtigt, dass in Höhe der Fläche D Zolleinnahmen (Zollsatz Zollmenge) für den Staat anfallen, verbleibt als volkswirtschaftliche Wohlfahrtseinbuße die Fläche B + C. Sie macht deutlich, dass jede Zollerhebung mit einem Wohlfahrtsverlust erkauft wird.

187

Preisminderung für Zuckerrüben zur Folge. Die Landwirte wurden teilweise durch eine von der Produktionsmenge entkoppelte Prämie entschädigt. Diese Preissenkung im Exportland lässt sich wie folgt begründen: In Höhe der Exporte übertrifft im Exportland die Produktionsmenge die Nachfrage der Konsumenten des Exportlandes. Wird im Ausland ein Zoll erhoben, so gehen die Importnachfrage des Inlands und damit die Exportnachfrage des Auslands zurück. Dies bringt die ausländischen Anbieter unter Preisdruck, so dass der Preis im Ausland sinkt. Nur dann, wenn die Exporte einen verschwindend geringen Anteil an der ausländischen Produktion ausmachen (Importe sind absolut niedrig, da es sich um ein kleines Importland handelt), bleibt der Auslandspreis von der Zollerhebung unberührt.

271

2 Bildung von Marktgleichgewichten

Die Reduzierung der Importmengen könnte anstelle der Erhebung von Zöllen auch über Einfuhrkontingente (Mengenbeschränkungen der Importe) erreicht werden. Allerdings fallen dann keine Zolleinnahmen an, so dass der Wohlfahrtsverlust infolge von Kontingenten sich auf die Fläche B + C + D und damit um die Fläche D gegenüber der Zollvariante erhöht. Somit bedeuten freiwillige Mengenkontingente der Exporteure (z. B. der ausländischen Automobilindustrie) für das Inland einen höheren Wohlfahrtsverlust als die Erhebung von Zöllen. Abb. IV-11: Erhebung von Zöllen und Wohlfahrtseffekte P(X)

Wohlfahrtseffekte: Käufer: verlieren A+B+C+D Verkäufer: gewinnen A, Staat: Einnahmen von D, Nettowohlfahrtsverlust ist gleich B+C.

A

P0 (X) P*(X)

Z B

A

D

C

PW(X)

Import XA

X A‘

X N‘

N XN

X

P* = Bruttopreis (einschließlich des Zolls) PW = Weltmarktpreis (Inlandspreis vor Zollerhebung) P* - PW = Zollsatz Z (Annahme eines kleinen Landes)

Vertiefungsaufgabe IV-3: Zeigen Sie die Wohlfahrtseffekte von indirekten Steuern, Subventionen und Zöllen auf.

Aufgabe IV-5: Für den Markt von Gut X gelten folgende Angebots- und Nachfragefunktionen: Nachfragefunktion: ; Angebotsfunktion: a) Bestimmen Sie Gleichgewichtsmenge und Gleichgewichtspreis. b) Der Staat will die Gleichgewichtsmenge durch Erhebung einer Mengensteuer bei den Anbietern um 10% senken. Wie hoch muss er den Steuerbetrag pro Stück wählen? Wie hoch ist das Steueraufkommen in diesem Fall? c) Welchen Teil der Steuer tragen die Nachfrager, welchen die Anbieter? Quelle: Fees, E., Tibitanzl, F.: Kompaktstudium Wirtschaftswissenschaften. Band 1: Mikroökonomie, München 1993, S. 95.

272

IV Markt- und Preistheorie

Aufgabe IV-6: Eine normal verlaufende preisabhängige Marktnachfragefunktion und eine normal verlaufende preisabhängige Marktangebotsfunktion für das Gut X schneiden sich beim Gleichgewichtspreis P(X*). Es gelte die Marktform des homogenen Polypols, und die Unternehmen verfolgen die Zielsetzung der Gewinnmaximierung. Stellen Sie jeweils für die nachfolgenden Situationen a) bzw. b) graphisch dar und begründen Sie verbal, wie sich Nachfrage und Angebot sowie der Gleichgewichtspreis P(X*) und die Gleichgewichtsmenge (X*) des Gutes X verändern, wenn – bei sonst unveränderten Daten – folgende Änderungen der Rahmendaten für jede der beiden Situationen a) bzw. b) gleichzeitig eintreten: a) - das Einkommen steigt aufgrund von Lohnsteigerungen; - beim Gut X handelt es sich um ein absolut inferiores Gut; - die Lohnsteigerungen erhöhen die Produktionskosten des Gutes X. b) - ein zu Gut X komplementäres Gut Z wird teurer, d. h. P(Z) steigt an; - gleichzeitig nimmt in einer wirtschaftlichen Schwächephase die Arbeitsproduktivität bei der Produktion des Gutes X ab. Hinweis zur Aufgabe IV-6 (a), (b): Aus der Begründung sollte genau hervorgehen, warum es zu dem von Ihnen beschriebenen Ergebnis bei der Nachfrage, dem Angebot, der neuen Gleichgewichtsmenge und dem neuen Gleichgewichtspreis kommt, d. h. jede von Ihnen getroffene oder graphisch dargestellte Aussage sollte im Detail begründet werden.

Aufgabe IV-7: Geben Sie an und begründen Sie, wie sich die Nachfragefunktion bzw. die Angebotsfunktion auf dem klassischen*) Handymarkt bei folgenden Vorgängen c. p. verändert: nach gar nach Links- oder Rechtsverschiebung bzw. keine Verschiebung der links nicht rechts a) Handy-Nachfragefunktion infolge - einer steigenden Zahl der Handynutzer -

einer Senkung der Handy-Preise Einführung des Konkurrenzprodukts „Smartphone*)“ einer Senkung der Internetflatrate für Smartphones*) zunehmender Einkommen der Privaten Haushalte

b) Handy- Angebotsfunktion infolge - einer steigenden Anzahl von Handy-Anbietern - Steigerung der Arbeitskosten der Handyproduktion - einer Steigerung der Arbeitsproduktivität bei der Handy-Produktion *) Smartphones werden nicht als klassisches Handy, sondern als Konkurrenzprodukt angesehen

2 Bildung von Marktgleichgewichten

273

Aufgabe IV-8: Um den Benzinverbrauch aus Umweltschutzgründen zu verringern, empfiehlt der Steuerexperte der Partei „Grün-Rot“ eine Anhebung des Benzinpreises von 1,50 € auf 1,65 €. a) Um welchen Prozentsatz würde sich die Nachfrage der Privaten Haushalte nach Benzin verringern, wenn die direkte Preiselastizität der Benzinnachfrage -0,2 beträgt? b) Auf welchen Preis je Liter müsste das Benzin verteuert werden, wenn ein Rückgang der Benzinnachfrage um 10% erreicht werden soll, wie es von verschiedenen Umweltschutzverbänden gefordert wird?

2.3

Marktgleichgewicht bei inflexiblen Preisen

Viele Gütermärkte sind dadurch gekennzeichnet, dass Preise keineswegs unablässig schwanken, sondern relativ stabil sind. Ursächlich dafür können ein mangelnder Wettbewerb zwischen den Unternehmen, aber auch staatliche Eingriffe in die freie Preisbildung sein. Beweggründe für derartige Eingriffe sind: Umsetzung sozialer Ziele, u. a. Sicherung von Einkommen (z. B. in der Landwirtschaft), Entlastung einkommensschwacher Bevölkerungsschichten (z. B. Miete im Sozialen Wohnungsbau), Erhaltung von Arbeitsplätzen (z. B. Subventionen im Steinkohlebergbau zwecks Sicherstellung der Wettbewerbsfähigkeit mit niedrigeren Weltmarktpreisen); Schutz von Verbrauchern (z. B. durch Genehmigung von Versicherungstarifen), Einwirkung auf die Gesundheitsversorgung (z. B. Sicherung einer gleichwertigen medizinischen Versorgung durch Festlegung von Arzthonorartarifen) und Vermeidung von Umweltlasten (z. B. Gebote zum Einbau von Filteranlagen in Industrieanlagen, deren Kosten in den Produktpreis eingehen); Abwehr inflationärer Entwicklungen (z. B. durch Preis- und Lohnstopps).

2.3.1

Höchstpreise und Wohlfahrtseffekte

Höchstpreise sollen vor allem dazu dienen, die Nachfrager im Vergleich zur Situation freier Preisbildung besser zu stellen. Höchstpreise werden damit nur wirksam, wenn sie unter dem Gleichgewichtspreis bei freier Preisbildung liegen, so dass die dorthin drängenden Marktkräfte der Preisbildung “aufgehalten” werden. Der Preis für ein Gut darf daher ein bestimmtes Niveau nicht über-, wohl aber unterschreiten (vgl. Abb. IV-12). Beim jeweiligen Höchstpreis wird eine Menge angeboten, die kleiner ist als die nachgefragte Menge (A < B). Die Höchstpreispolitik führt damit regelmäßig zu einem Nachfrageüberschuss bzw. einer Angebotslücke. Bei freier Preisbildung würde diese Lücke durch Preiserhöhungen geschlossen. Staatliche Maßnahmen zur Durchsetzung von Höchstpreisen können grundsätzlich entweder an der Nachfrage- und/oder der Angebotsseite eines Marktes ansetzen, wie im Folgenden näher ausgeführt wird.

274

IV Markt- und Preistheorie

Abbildung IV-12 : Höchstpreise

P(X)

A

P*(X) A

B

PH = Höchstpreis N X

Zur Angebotsseite: Eine Möglichkeit zur Durchsetzung von Höchstpreisen besteht in der Verringerung der Angebotslücke durch Ausweitung des Angebots (graphisch: Verschiebung der Angebotsfunktion nach rechts zu Punkt B, siehe Abb. IV-13). Abb. IV-13: Höchstpreise und Angebotsverschiebung

P(X) A0

A1

P*(X) A

B

PH = Höchstpreis

N

X

Ein Beispiel für einen derartigen staatlichen Eingriff zur Sicherstellung eines Höchstpreises stellt der Soziale Wohnungsbau dar. Mieten für Sozialwohnungen liegen tendenziell unter dem Mietniveau des freien Wohnungsbaus. Die Festlegung von Höchstmieten gilt vor allem in vielen Ballungsgebieten angesichts der Übernachfrage nach bezahlbarem Wohnraum aus einkommens- und sozialpolitischen

275

2 Bildung von Marktgleichgewichten

Gründen als unverzichtbar. Für den Anbieter von Sozialwohnungen besteht der Anreiz darin, dass ihm u. a. zweckgebundene günstige Baukredite gewährt werden. Auch kann der Staat eigene Sozialwohnungen errichten. Vor allem die längerfristigen Effekte der Mietregulierung werden jedoch aus Sicht der Mieter negativ beurteilt. Es wird befürchtet, dass die gegenüber dem „Gleichgewichtspreis“ verringerten Mieteinnahmen der Eigentümer längerfristig dazu führen, dass Renovierungsmaßnahmen unterbleiben. Auch der Anreiz zum Neubau von Wohnungen wird verringert. Insgesamt wird daher längerfristig eine quantitative und qualitative Verschlechterung des Wohnungsangebots erwartet. Die Angebotskurve würde sich daher längerfristig wieder nach links verlagern. Eine Alternative zur Objektförderung, d. h. der Ausweitung des Angebots durch öffentliche Subventionen an den Wohnungsanbieter oder die Bereitstellung öffentlicher Wohnungen stellt die Förderung des sozialen Wohnungsbaus in Form direkter Unterstützungen der Haushalte (z. B. Wohngeld) oder die Förderung des privaten Eigenheimbaus vor allem für Familien mit Kindern dar. Zur Nachfrageseite: Zur Durchsetzung von Höchstpreisen ist auch der Abbau der Übernachfrage nach bestimmten Gütern denkbar (z. B. indem Privaten Haushalten oberhalb eines bestimmten Einkommens der Zugang zu den günstigen Sozialwohnungen nicht erlaubt wird oder mit einem speziellen Mietpreis, der sogenannten Fehlbelegungsabgabe, belastet wird, der die Nachfrage unattraktiv macht). Graphisch entspricht dies einer Linksverschiebung der Nachfragefunktion zu Punkt A (vgl. Abb. IV-14). Abb. IV-14: Höchstpreise durch Einschränkung der Nachfrage

P(X) A P*(X) PH = Höchstpreis A

B N1

N0 X

Wie sich die Einführung von Höchstpreisen auf die Wohlfahrt der Volkswirtschaft insgesamt auswirkt, lässt sich aus Abb. IV-15 ersehen: Vor dem Eingriff ergeben

276

IV Markt- und Preistheorie

sich die Konsumentenrenten über die Flächen 1 und 2, die Produzentenrenten über die Flächen 3, 4 und 5. Nach Einführung der Höchstpreise gewinnen die Konsumenten von den Produzenten die Flächen 3, verlieren aber die Fläche 2. Ob die Konsumenten von den Höchstpreisen profitieren, ist daher ungewiss. Die Produzenten verlieren neben der Fläche 3 auch die Fläche 4, so dass ihnen als eindeutiger Verlierer nur noch die Produzentenrente 5 verbleibt. Abbildung IV-15: Wohlfahrtseffekte von Höchstpreisen

P(X)

A

N

1 P*(X)

2 3

Wettbewerbliche Preisbildung

4

PH

5 Nachfrageüberschuss XA

XG

Konsumentenrente: Produzentenrente: Wohlfahrtsverluste Volkswirtschaft:

XN vor dem Eingriff 1+2 3+4+5

X nach dem Eingriff 1 + 3 (Umvert.) 5 2+4

Insgesamt verliert die Volkswirtschaft durch die Einführung der Höchstpreise deutlich an Wohlfahrt im Umfang der Flächen 2 und 4. Höchstpreise (z. B. für Lebensmittel) sind daher wohlfahrtspolitisch von Nachteil, auch wenn Sie aus sozialpolitischen Gründen zur Anwendung kommen. Erfahrungen mit Höchstpreisen – vor allem auch in Entwicklungsländern – zeigen zudem, dass sich die überschüssige Nachfrage zudem oft auf Schwarzmärkte verlagert (vgl. Abb. IV-16). Da zu Höchstpreisen das Angebot für Anbieter „nicht attraktiv“ ist und es stets Nachfrager gibt, die einen höheren Preis als PH zahlen würden, kommt es i. d. R. zu Schwarzmärkten, auf denen der Schwarzmarktpreis PS aufgrund potentieller Stra-

277

2 Bildung von Marktgleichgewichten

fen (Aufschlag auf die Grenzkosten) oberhalb des „Gleichgewichtspreises“ P*(X) liegt. Dies hat zudem zur Folge, dass das Angebot auf dem “regulären” Markt noch geringer wird und sich zunehmend auf dem Schwarzmarkt wiederfindet, so dass die Gesamtwohlfahrt weitere Einbußen erleidet. Abbildung IV-16: Entstehung von Schwarzmärkten P(X)

AS (Angebot Schwarzmarkt) A

PS P*(X)

Gleichgewichtspreis

PH

N

X PH = Höchstpreis; PS = Schwarzmarktpreis

Negative Erfahrungen mit Schwarzmärkten infolge von Preisstopps wurden nicht nur in der Nachkriegszeit in Deutschland, sondern in den letzten Jahrzehnten in vielen anderen Ländern (Argentinien, Brasilien, Italien) gemacht. Wie sich Preisstopps auf die Wirtschaft auswirken, zeigte sich auch in China. Den preistreibenden Effekten der weltweit angestiegenen Ölpreise versuchte die chinesische Regierung u. a. durch staatlich festgelegte Benzinpreise zu begegnen. Dies hatte jedoch zur Konsequenz, dass die Raffinerien die höheren Beschaffungskosten für das Rohöl nicht mehr an die Verbraucher weiterleiten konnten, so dass sich das Angebot an Öl deutlich verknappte (Verminderung der Verarbeitung von Rohöl, Verkauf von Rohöl auf ausländischen Märkten etc.). Durch die Einschränkung des Lenkungsmechanismus der Preise wurden Gleichgewichtspreise verhindert, so dass im vorliegenden Beispiel ein Angebotsdefizit an Rohöl entstand. Vertiefungsaufgabe IV-4: Welche staatlichen Maßnahmen zur Durchsetzung von Höchstpreisen lassen sich grundsätzlich unterscheiden? Benutzen Sie zur Darstellung eine geeignete Graphik.

278

IV Markt- und Preistheorie

Aufgabe IV- 9: Auf dem Wohnungsmarkt gelten folgende Nachfrage- und Angebotsfunktionen: XN = 16 - 2 • P(X); XA = 6. Der staatliche verordnete Höchstpreis je Wohnungseinheit liegt bei 7 Geldeinheiten. a) Ermitteln Sie graphisch und formal das Marktgleichgewicht. Wie wirkt in dieser Situation der staatliche Höchstpreis? Wie hoch sind in diesem Fall die Mieteinnahmen der privaten Anbieter von Wohnungsraum? b) Der Staat entschließt sich zur Vergabe von Subventionen in Höhe von insgesamt 18 Geldeinheiten an die privaten Mieter von Wohnraum. Ermitteln Sie die Höhe des daraus resultierenden Gleichgewichtspreises nach der Subventionierung. Wird dieser Gleichgewichtspreis realisiert? Aufgabe in Anlehnung an: Fees, E., Tibitanzl, F.: Kompaktstudium Wirtschaftswissenschaften. Band 1: Mikroökonomie, München 1993, S. 93.

2.3.2

Mindestpreise und Wohlfahrtseffekte

Mindestpreise dienen vor allem den Anbietern und werden z. B. dazu eingesetzt, ein bestimmtes Einkommen zu sichern (z. B. Mindestarbeitslöhne, Mindestpreise auf dem Agrarmarkt). Mindestpreise werden nur wirksam, wenn sie über dem Gleichgewichtspreis bei freier Preisbildung liegen. Der Preis für ein bestimmtes Gut darf daher ein bestimmtes Niveau über-, aber nicht unterschreiten (vgl. Abb. IV-17). Abbildung IV-17: Mindestpreise P(X)

A(X) A

B

PMin = Mindestpreis

P*(X)

N(X) P*(X) = Gleichgewichtspreis (ggfs. „graue Märkte“)

X

Beim jeweiligen Mindestpreis wird eine Menge angeboten, die größer ist als die nachgefragte Menge (B > A). Die Mindestpreispolitik führt daher regelmäßig zu einem Angebotsüberschuss bzw. einer Nachfragelücke. Bei freier Preisbildung würde diese Lücke durch Preissenkungen geschlossen. Sofern nicht geeignete Maßnahmen zur Angebotsverminderung oder Nachfrageausweitung ergriffen werden, können sich graue Märkte herausbilden. Dort werden die nicht absetzbaren Güter billiger angeboten. Staatliche Maßnahmen zur Durchsetzung von Mindestpreisen können entweder darauf abzielen, das Angebot zu verringern (Linksver-

279

2 Bildung von Marktgleichgewichten

schiebung der Angebotsfunktion) und/oder die Nachfrage auszuweiten (Rechtsverschiebung d. Nachfragefunktion). Wie die Einführung von Mindestpreisen sich auf die Wohlfahrt der Volkswirtschaft insgesamt auswirkt, lässt sich wie folgt ermitteln (vgl. Abb. IV-18): Abbildung IV-18: Wohlfahrtseffekte von Mindestpreisen P(X) A

N 1

Angebotsüberschuss

PMin 2

3

P*(X)

Wettbewerbliche Preisbildung

5 4

XN

X*

X

XA vor dem Eingriff

Konsumentenrente:

1+2+3

Produzentenrente:

4+5

Wohlfahrtsverluste Volkswirtschaft:

nach dem Eingriff 1 4+2 3+5

Vor dem Eingriff ergeben sich die Konsumentenrenten über die Flächen 1, 2 und 3 und die Produzentenrenten über die Flächen 4 und 5. Nach Einführung der Mindestpreise sinken die Konsumentenrenten um die Flächen 2 und 3, so dass nur die Fläche 1 verbleibt. Die Fläche 3 entfällt für die Volkswirtschaft durch die Mindestpreiseinführung, während die Fläche 2 von den Konsumenten an die Produzenten übergeht. Die Produzenten gewinnen somit die Fläche 2, verlieren aber gleichzeitig die Fläche 5, die damit auch für die Volkswirtschaft verloren geht. Insgesamt sinkt die Wohlfahrt des Staates um die Flächen 3 und 5. Umfangreiches empirisches Anschauungsmaterial für Mindestpreise liefert der EU-Agrarmarkt, der knapp 40% des EU Haushalts verschlingt. Über die Agrarmarktpolitik der Mindestpreise entstehen deutliche Wohlfahrtsverluste für die gesamte Volkswirtschaft188. Die Notwendigkeit für Mindestpreise in der Landwirt188

Mindestpreise auf dem Agrarmarkt werden über die Erhebung von Abschöpfungen wirksam. Diese belasten ebenso wie Zölle z.T. die inländische, z.T. aber auch die ausländische Produktion. Daher unterscheiden sich die Wohlfahrtswirkungen von Zöllen und Abschöpfungen insoweit von der Darstellung der grundsätzlichen Wohlfahrtswir-

280

IV Markt- und Preistheorie

schaft wird i. d. R. mit der besonderen Situation dieses Wirtschaftszweiges begründet (vgl. Abb. IV-19): relativ preisunelastische Nachfrage nach“Grundnahrungsmitteln”, preisunelastisches Angebot an landwirtschaftlichen Gütern, soweit die Ernte nach der Aussaat nicht mehr beeinflusst werden kann. Abb.: IV-19: Angebots- und Nachfragesituation auf dem Agrarmarkt P(X)

A2

A0 A1

P2 (X) P0 (X) P1 (X)

N X2 X0 X1

X

P0 (X) • X 0 = Einkommen (Preis • Menge) bei “mittlerer” Ernte P2 (X) • X 2 = Einkommen (Preis • Menge) bei schlechter Ernte P1 (X) • X 1 = Einkommen (Preis • Menge) bei guter Ernte P2 (X) • X 2 > P1 (X) • X 1 ! wegen EX,P1(X) < 1 und EX,P2(X) > 1 sowie EA(X),P(X) = 0 (Angebotsseite) Quelle: vgl. Hardes, H.-D., Schmitz, F.: a.a.O., S. 163 f.

Relativ geringe Ernteschwankungen (Verschiebungen der Angebotsfunktion A0 nach A1 bzw. A2 sind daher mit relativ großen Schwankungen von Preisen und Einkommen verbunden. Da die Nachfrage nach Agrarprodukten sehr unelastisch verläuft, führen Angebotsschwankungen zu starken Einkommensschwankungen (bei niedriger Preiselastizität der Nachfrage führen Preisänderungen zu kleinen Mengenänderungen; damit bei hohen Produktionsschwankungen die entsprechenden Mengen abgesetzt werden können, müssen die Preise stark schwanken). Ist die Preiselastizität der Nachfrage niedrig, so fallen die relativen Preisänderungen höher aus als die relativen Mengenänderungen; dies hat zur Konsequenz, dass eine gute Ernte zu geringeren Erlösen führt als eine schlechte Ernte. Es erklärt, warum ohne kompensierende Maßnahmen die Ernte teilweise vernichtet wird, um den Erlös zu verbessern (zur Wirkung von relativen Preisänderungen auf die Umsatzbzw. Erlösentwicklung vgl. auch die Ausführungen in Kap. III.1.3.1).

kung von Mindestpreisen, die den Auslandsaspekt nicht explizit mit einbeziehen. Die Wohlfahrtswirkung von Zöllen und Abschöpfungen wurde bereits zuvor dargestellt.

281

2 Bildung von Marktgleichgewichten

Langfristig kommen noch Faktoren hinzu, die auf der Angebots- und Nachfrageseite zu einer eher ungünstigen Preis- und Einkommensentwicklung beitragen: Auf der Nachfrageseite besteht häufig eine geringe Einkommenselastizität der Nachfrage nach Nahrungsmitteln, d. h. Ex,y < 1. Bei längerfristigen Einkommenssteigerungen ist der Zuwachs an Nachfrage nach diesen Gütern eher gering. Es kommt allenfalls zu Umschichtungen zugunsten der Nachfrage nach “höherwertigen” Nahrungsmitteln (z. B. Bioagrarprodukte). Auf der Angebotsseite bewirken veränderte Produktionsmethoden wie der Einsatz von Düngemitteln, neue Zucht- und Fütterungsmethoden bei der Tierhaltung oder der Einsatz moderner und größerer Maschinen Produktivitätssteigerungen. Sie führen graphisch zu einer Rechtsverschiebung der kurzfristig preisunelastischen Angebotsfunktion mit der Tendenz zum Rückgang der Agrarpreise. Die EU-Agrarpolitik trägt dieser Entwicklung und der besonderen Situation der Landwirtschaft Rechnung und verfolgt seit Anfang der 60er Jahre folgende Ziele: Stabilisierung der Marktpreise, Verstetigung und Erhöhung der Einkommen in der Landwirtschaft, Erhöhung des Selbstversorgungsgrades in der EU. Um diese Ziele zu erreichen, wurde ein komplexes System von Maßnahmen beschlossen (vgl. Abb. IV-20). Abb. IV-20: EU-Mindestpreis-System der Agrarpolitik P(X)

A(X)

N(X) Angebotsüberschuss

Abschöpfungen*), Zölle auf die Importe

Erstattung bei Exporten

Weltmarktpreis

Weltmarktpreis

X

*)

Abschöpfungen bei Agrareinfuhren in der EU gemäß der EU-Agrarmarktordnung , z.B. bei Zucker, Getreide, Milch

Dazu zählen vor allem Marktordnungen für viele landwirtschaftliche Produkte, die in der Regel Mindestpreisregelungen mit Abnahmegarantien koppeln. Produkte, die nicht auf dem “freien” Markt verkäuflich sind, können an staatliche Interventionsstellen zu Mindestpreisen verkauft werden. Da die Mindestpreise in der EU oft über dem Weltmarktpreis liegen, stellen Abnahmegarantien einen Anreiz

282

IV Markt- und Preistheorie

zur Mehrproduktion dar. Gegebenenfalls kostengünstigere Importe werden hingegen durch sog. Abschöpfungen auf das Niveau der EU-Mindestpreise gehoben, womit es sich de facto um Importzölle handelt. Da die private Nachfrage zu diesem Preis zu gering ist, muss der “Staat” diese fehlende Nachfrage durch Ankauf kompensieren (graphisch entspricht dies einer Rechtsverschiebung der Nachfragefunktion). In einigen Bereichen wird auch versucht, das Angebot zu verringern, indem z. B. Stilllegungs- und Abschlachtprämien gezahlt werden (graphisch bedeutet dies eine Linksverschiebung der Angebotsfunktion). Zusammenfassend lässt sich diese Politik wie folgt darstellen: Aufkauf bei fehlender Nachfrage durch Interventionsstellen (graphisch: Verschiebung der Nachfragefunktion X nach rechts). Verringerung des Angebots z. B. durch Stilllegungs- und Abschlachtprämien (graphisch: Verschiebung der Angebotsfunktion A(X) nach links). Verteuerung der Importe durch Abschöpfungen (Importzölle), sofern der Weltmarktpreis unter den EU-Mindestpreisen liegt. Erstattung der Differenz zwischen höheren EU-Mindestpreisen und geringeren Weltmarktpreisen an Exporteure, um das überschüssige Angebot auf dem Weltmarkt abzusetzen. Die Erfahrung zeigt, dass das Angebot die Nachfrage auf dem EU-Agrarmarkt in vielen Produktbereichen dennoch übersteigt. Was soll mit den aufgekauften Gütermengen geschehen? Zurückschleusen auf den EU-Markt ist nicht sinnvoll, da das Angebot bei den geltenden Mindestpreisen ohnehin zu hoch und die Nachfrage zu gering ist, Vernichtung (z. B. Obst, Wein, Gemüse)? Denaturierung (Milch wird zu Milchpulver und als Tiernahrung verfüttert)? Lagerung (“Butter-, Weizenberge, Milch-, Weinseen”)? Verkaufsaktionen zu “Schleuderpreisen”, wobei der Exporteur die Differenz zwischen dem erzielbaren Preis und dem EU-Mindestpreis von den Interventionsstellen erstattet bekommt? Das Ergebnis dieser Agrarpolitik war eine immense Kostenbelastung für den EUHaushalt. Im Hinblick auf die Zielsetzung, diese hohen Agrarausgaben zurückzuführen, und mit Blick auf die Erweiterung der EU um osteuropäische, landwirtschaftlich geprägte Länder standen und stehen Reformen der „Gemeinsamen Agrarpolitik“ naturgemäß immer wieder im Blickpunkt der EU-Haushaltspolitik, auch wenn sich die diesbezüglichen Fortschritte mühselig gestalten. Vertiefungsaufgabe IV-5: Beschreiben Sie graphisch die Wirkungsweise von Mindestpreisen und staatlichen Eingriffen zu ihrer Durchsetzung am Beispiel der EU-Agrarpolitik.

3 Marktverhalten und Marktergebnisse

3

283

Marktverhalten und Marktergebnisse

Das Marktverhalten der Unternehmen und die Marktergebnisse unterscheiden sich in den einzelnen Marktformen. Grundlegend für diesen Zusammenhang ist zunächst die Unterscheidung zwischen einem vollkommenen Wettbewerbsmarkt (vollständige Konkurrenz) und verschiedenen Formen des unvollständigen Wettbewerbs. Vollkommener Wettbewerbsmarkt (Vollständige Konkurrenz) Ein vollkommener Wettbewerbsmarkt liegt für die Marktform des homogenen Polypols vor, bei dem ein einzelnes Unternehmen zu klein ist, um Einfluss auf den Marktpreis nehmen zu können. Das bedeutet, dass jedes Unternehmen unabhängig von seiner Produktion seine gesamte Produktionsmenge zum gängigen Marktpreis verkaufen kann. Deshalb besteht für ein Unternehmen auf einem vollkommenen Wettbewerbsmarkt auch kein Grund, den Marktpreis zu unterschreiten. Ebenso wird es seine Preise nicht über den Marktpreis anheben, weil es dann nichts verkaufen könnte – die Konsumenten würden zur Konkurrenz wechseln. Unvollständiger Wettbewerb Unvollständiger Wettbewerb liegt vor, wenn einzelne Anbieter über einen gewissen Spielraum bei der Preisgestaltung ihrer Produkte verfügen. Die mit unvollständigem Wettbewerb einhergehenden Marktformen schließen ein breites Spektrum von Verhaltens- und Reaktionsweisen der Konkurrenz ein. Die Frage, wie unvollständig der Wettbewerb werden kann, ist durch den Extremfall des Monopols klar beantwortet. „Monopolist“ bedeutet wörtlich übersetzt „Alleinanbieter eines Gutes“. Ursachen für die Existenz von Monopolen sind vor allem: der Alleinbesitz an Naturvorräten oder Bodenschätzen, staatliche Regelungen wie Patentschutz (Patentmonopole, die i. d. R. aber zeitlich begrenzt sind), normative Erwägungen, z. B. um eine gleichmäßige Versorgung mit bestimmten Gütern sicherzustellen, natürliche Monopole / öffentliche Unternehmen (vgl. Kap. IV.3.2; IV.3.2.3) Im Fall des monopolistischen Wettbewerbs produziert zumeist eine relativ große Anzahl von Anbietern differenzierte Produkte. Die Unterschiedlichkeit der Produkte und die Präferenzen der Nachfrager sind die wesentlichen Ursachen dafür, dass die Unternehmen in gewissen Grenzen Einfluss auf die Preisbildung ausüben können. Der Begriff „Oligopol“ bedeutet „wenige Anbieter“, wobei die quantitative Grenze der agierenden Unternehmen nicht eindeutig zu bestimmen ist. Oligopole sind heutzutage in vielen Industriestaaten die dominante Marktform, die durch unvollständigen Wettbewerb gekennzeichnet ist.

284

IV Markt- und Preistheorie

Bei der Analyse des Marktverhaltens und der Marktergebnisse in den o.g. Marktformen werden unterschiedliche Verlaufsformen der preisabhängigen Absatzpotenziale oder der preisabhängigen Absatzvolumina eines Unternehmens unterstellt, die auch als Preis-Absatzfunktionen bezeichnet werden. Preis-Absatz-Funktion (PAF) Die Preis-Absatz-Funktion eines betrachteten Unternehmens beschreibt den Zusammenhang zwischen der Höhe des Angebotspreises (P(X)) und der erwarteten Absatzmenge eines Gutes (X) dieses Unternehmens: -

Die Preis-Absatz-Funktion hat formale und inhaltliche Ähnlichkeiten mit der preisabhängigen (Markt-)Nachfragefunktion N(X). Dennoch gibt es Unterschiede zwischen beiden Funktionen: Die (Markt-)Nachfragefunktion beschreibt die auf einem Markt von allen Privaten Haushalten nachgefragte Menge. Diese Menge ist identisch mit der von allen Unternehmen maximal erreichbaren Verkaufsmenge auf dem relevanten Markt, d. h. dem Marktpotenzial oder Marktvolumen. Die Preis-Absatz-Funktion beschreibt hingegen die von einem einzelnen Unternehmen realisierte Verkaufsmenge, d. h. das Absatzpotenzial oder das Absatzvolumen. Es stellt damit nur eine Teilmenge der gesamten Marktnachfrage dar, d. h. die auf ein individuelles Unternehmen entfallende Absatzmenge. Der Verlauf der PAF hängt ab von der Höhe der Gesamtnachfrage (Marktnachfragefunktion für ein Gut (X)) und dem Verhalten der Konkurrenten. Die o.g. Marktformen sind dabei durch unterschiedliche Grundtypen von PAFs gekennzeichnet: Verlauf der PAF bei vollständigem Wettbewerb: Das Unternehmen kann bei vollständigem Wettbewerb den herrschenden Marktpreis nicht gestalten. Bei Preiserhöhungen würde das Unternehmen die gesamte Nachfrage verlieren, bei Preissenkungen die gesamte Nachfrage auf sich ziehen. Der Preis ist damit ein Datum. Das Unternehmen betreibt folglich die Strategie der Mengenanpassung in dem Sinne, dass es zum gegebenen Preis entsprechend der Zielsetzung (z. B. der Gewinnmaximierung) sich mengenmäßig optimal anpasst. Bei dem herrschenden Preis für das Gut (X) erhält das Unternehmen einen kleinen Anteil der Gesamtnachfrage. Die individuelle Nachfragefunktion (PAF) der Unternehmung verläuft somit horizontal. Verlauf der PAF im Monopol: Im Monopol wird i. d. R. eine lineare und fallende PAF unterstellt, d. h. höhere Preise haben eine geringere Nachfrage zur Folge. Im Monopol sind Gesamtnachfrage und Absatzmenge identisch, da es nur einen einzigen Anbieter gibt. Dabei kann ein Monopolist als alleiniger Anbieter i. d. R. den Preis selbst setzen (Preisfixierer). Die Nachfrager können daher nur mit Kaufverzicht reagieren.

3 Marktverhalten und Marktergebnisse

285

Verlauf der PAF im monopolistischen Wettbewerb/ im Oligopol: Im Gegensatz zum Fall des vollständigen Wettbewerbs verläuft die PAF eines Unternehmens bei monopolistischem Wettbewerb mit einem normalen Bereich und knickt im oberen bzw. unteren Preisbereich (horizontal) ab. (vgl. spätere Erläuterungen in Kap. IV.3.3). Im Fall des Oligopols189 würden Preissenkungen (Preiserhöhungen) der Konkurrenz die eigene PAF merklich nach links (rechts) verschieben und je nach Reaktion eine linear oder geknickt verlaufende PAF hervorbringen. In welchem Ausmaß dies geschieht, hängt entscheidend davon ab, inwieweit sich der einzelne Anbieter aufgrund der Existenz von Präferenzen in gewissen Preisgrenzen seinen „persönlichen“ Kundenstamm aufbauen kann und inwieweit die Maßnahmen der Konkurrenz aufgrund der relativen Marktanteile vom betrachteten Unternehmen wahrgenommen werden. Die beschriebenen Formen der PAF lassen sich für die verschiedenen Marktformen wie folgt zusammenfassen (vgl. Abb. IV-21): So kann ein Monopolist als alleiniger Anbieter i. d. R. den Preis entsprechend seiner Zielsetzung und der vorgegebenen Marktnachfragefunktion (= PAF des Monopolisten) selbst bestimmen (Preisfixierer). Bei einem kleinen Unternehmen auf einem vollkommenen Markt (vollständige Konkurrenz) ist die verkaufte Menge im Vergleich zur gesamten Marktnachfrage so gering, dass das Unternehmen den Marktpreis nicht beeinflussen kann. Es muss deshalb den jeweils geltenden Marktpreis als eine gegebene Größe betrachten und sich an diesen Preis mit seiner individuellen Angebotsmenge anpassen. Der Polypolist ist damit zumindest bei Vorliegen eines vollkommenen Marktes ausschließlich ein Mengenanpasser. Sofern die Bedingungen eines vollkommenen Marktes aufgehoben werden, kann allerdings auch ein kleines Unternehmen in gewissen Grenzen aktive Preispolitik betreiben (monopolistischer Wettbewerb). Es verhält sich dann innerhalb des monopolistischen Bereichs wie ein Monopolist (z. B. Realisierung der Gewinn189

Grundsätzlich sind für den Fall eines Oligopols zwei unterschiedliche Verlaufsformen der Preis-Absatz-Funktion denkbar, wie im Kapitel IV.3.4.2 noch näher erläutert wird: Linearer Verlauf im homogenen Oligopol: Preiserhöhungen (-senkungen) eines betrachteten Unternehmens können einen Wechsel der Nachfrager zu (von) Konkurrenzunternehmen zur Folge haben, sofern die Konkurrenz das Produkt billiger (teurer) anbietet oder qualitative Aspekte für (gegen) die Konkurrenzunternehmen sprechen. Preiserhöhungen (-senkungen) der Konkurrenz würden hingegen die PAF des betrachteten Unternehmens tendenziell nach rechts (links) verschieben, d. h. den Marktanteil vergrößern (verringern). Wichtig ist daher in dieser Marktform, Reaktionen und Aktionen der Konkurrenz in die eigenen Planungen einzubeziehen (oligopolistische Reaktionsverbundenheit). „Doppelt geknickter Verlauf“ im heterogenen Oligopol: Diese Verlaufsform berücksichtigt, dass eine Unternehmung aufgrund bestehender Produktpräferenzen der Nachfrager einen Spielraum für eine aktive Preispolitik innerhalb gewisser Preisgrenzen besitzt. Je ausgeprägter diese Präferenzen, desto größer ist der Spielraum für die Unternehmen zur Preiserhöhung, ohne dass sofort eine Abwanderung der Nachfrager zur Konkurrenz einsetzt (zur genaueren Erörterung siehe Kapitel IV.3.4.2).

286

IV Markt- und Preistheorie

maximierungsbedingung), wobei die Absatzfunktion wegen potentieller Marktanteilsverluste bei Preisvariationen aber flacher verläuft als die PAF (= Marktnachfragefunktion) des Monopolisten. Für Oligopole ist die aktive Preispolitik und die Orientierung am Preissetzungsverhalten der Mitkonkurrenten sogar konstitutives Merkmal dieser Marktform. Insgesamt wird deutlich, dass bei den einzelnen Marktformen die Spielräume für unternehmerische Preisgestaltungen sehr unterschiedlich ausgeprägt sind. Abb. IV-21: Verlauf der PAF bei unterschiedlichen Marktformen Vollständiger Wettbewerb

Monopol

P(X)

P(X)

„Mengenanpasser“

„Preisfixierer“

X

X

Monopolistische Konkurrenz P(X)

monopolistischer Bereich, allerdings flacher als im Monopol

heterogenes Oligopol P(X) „doppelt geknickte PAF“

„geknickte PAF“ X

3.1

X

Vollständiger Wettbewerb

Aufgrund der strengen Modellvoraussetzungen eines vollkommenen Marktes existiert immer nur ein Preis für ein (homogenes) Gut; dieser Preis kann von den vielen kleinen Unternehmen nicht beeinflusst werden und stellt für die Unternehmen ein „Datum“ dar. Er kann sich z. B. als Gleichgewichtspreis von Angebot und Nachfrage auf einem Markt ergeben. Im Folgenden wird dieser Gleichgewichtspreis abgelei-

287

3 Marktverhalten und Marktergebnisse

tet, der für alle Polypolisten gelten soll190; dazu wird nicht die Kostenfunktion eines einzelnen Polypolisten, sondern die aggregierte Kostenfunktion aller Polypolisten betrachtet, die z. B. für das nachfolgende Beispiel lautet: Ein Gewinnmaximum [mit Gewinn (G) = Erlös (E) – Kosten (K)] liegt immer dann vor, wenn der Grenzgewinn G’(X), der sich als Differenz von Grenzerlös (E‘(X)) abzüglich der Grenzkosten (K‘(X)) ergibt, Null beträgt, d. h. es muss gelten: Hieraus folgt, dass im Gewinnmaximum E‘(X) = K’(X) gegeben ist, d. h. Grenzerlös und Grenzkosten einander entsprechen (solange der Grenzerlös höher als die Grenzkosten ausfällt, d. h. ein positiver Grenzgewinn entsteht, nimmt der Gesamtgewinn zu). Geben E(X) = P(X) • X den Erlös und E‘(X) = dE/dX den Grenzerlös191 an, so gilt wegen des fest vorgegebenen Preises (P(X)) für E’(X):

Die Optimalitätsbedingung für das Gewinnmaximum im homogenen Polypol lautet damit: Preis P(X) = Grenzkosten K’(X)

(Preis-Grenzkosten-Regel)

Ökonomisch bedeutet dies, dass die Produktionsausdehnung solange sinnvoll ist, wie der dadurch anfallende Erlöszuwachs (Grenzerlös), d. h. der Marktpreis größer ist als die zusätzlichen Kosten (Grenzkosten). Das Gewinnmaximum ist erreicht, wenn der Grenzgewinn gleich Null ist. Hier entsprechen sich Grenzerlös und Grenzkosten. Die einzelnen Unternehmen und damit die Unternehmen insgesamt werden 190

191

Dieser Aspekt führt häufig zu Missverständnissen und soll daher kurz näher erläutert werden: ein einzelnes Unternehmen der Marktform der vollständigen Konkurrenz kann den Preis nicht frei gestalten, sondern hat den durch den Markt vorgegebenen Preis als Datum zu akzeptieren. Anders sieht es für die Unternehmen insgesamt aus, die die Marktnachfrage auf sich vereinen. Für die Unternehmen insgesamt ist der Preis flexibel und stellt das Ergebnis von Marktangebot und Marktnachfrage dar. Das Marktangebot lässt sich bei der Zielsetzung „Gewinnmaximierung“ für eine gegebene Grenzkostenfunktion aller Polypolisten und für alternativ vorgegebene Preise über das Kriterium „Preis = Grenzkosten“ ableiten; der mit der Marktnachfrage vereinbare zulässige Preis wird hierbei durch die Marktnachfragefunktion bzw. durch ihren Kehrwert (P(X) = f(X)) beschrieben (während die Marktnachfragefunktion den Einfluss von p auf X beschreibt, gibt der Kehrwert an, welchen Preis die Nachfrager bei einer bestimmten Nachfragemenge X zu zahlen bereit sind). Der Grenzerlös im Monopol (Preisfixierer; Preis sinkt bei steigendem X) ist wegen des fallenden Güterpreises niedriger als der Grenzerlös im homogenen Polypol (Preis fest vorgegeben; kein Aktionsparameter); wegen E(X) = P(X) • X gilt im Monopol bei veränderlichem Preis wegen der Produktregel:

288

IV Markt- und Preistheorie

eine gewinnmaximale Menge (Mengenanpasser) zu dem sich auf dem Markt ergebenden Preis P(X) anbieten. Zahlenbeispiel: Auf einem Markt mit vollständiger Konkurrenz weisen die Unternehmen insgesamt folgende Kostenfunktion auf:

hieraus ergibt sich die Grenzkostenfunktion:

Gleichzeitig sehen sich alle Anbieter folgender (Markt-)Nachfragefunktion gegenüber: -

-

-

-

bzw. aufgelöst nach P(X) ergibt sich:

(Wichtige Anmerkung: Die Marktnachfragefunktion ist nach P(X) und nicht nach X aufzulösen, da der über X zu beschreibende Preis P(X) mit K‘(X) gleichzusetzen ist.)

Die gewinnmaximale Menge bei vollständiger Konkurrenz ergibt sich aus der PreisGrenzkosten-Regel. Dabei spiegeln die Grenzkosten die Marktangebotsfunktion der Anbieter wider. Da in der Marktform der vollständigen Konkurrenz der für die einzelnen Unternehmen maßgebliche Preis sich aus dem Schnittpunkt von Marktangebot und Marktnachfrage ergibt, muss sich ein Preis auf der Nachfragekurve als Gleichgewichtspreis ergeben. Somit wird der Preis durch die Preis-Absatzfunktion beschrieben. Insgesamt muss somit gelten:

(siehe Abb. IV-22) Preis im Polypol = 6 [(X* = 18) in Gl. (3.1 – 3b) einsetzen] Hinweis: Im Polypol ist für ein einzelnes Unternehmen der Preis für ein Gut ein Datum; es wird sich aber über den Markt derjenige Preis herausbilden, bei dem sich Angebots- (Grenzkosten-) und Nachfragefunktion schneiden. Dies ist bei P(X) = 6 € der Fall, bei dem von allen Anbietern 18 Mengeneinheiten abgesetzt werden. Im konkreten Fall stellt der Preis 6 € gleichzeitig das Betriebsoptimum dar, d. h. es wird im Minimum der totalen Stückkosten produziert (vgl. Abb. IV-22); ein Gewinn

289

3 Marktverhalten und Marktergebnisse

fällt nicht an.192 Die Grenzkosten der Produktion steigen mit zunehmender Ausbringungsmenge linear an. Abb. IV-22 : Marktpreisbildung bei vollständiger Konkurrenz P(X)

Marktnachfragefunktion: X = 30 – 2 • P(X) bzw. P(X) = 15 – 0,5 • X

Grenzkostenfunktion = preisabhängige Angebotsfunktion

K`(X) = 1/3 • X DK(X)

P(X) = 6 PAF jedes einzelnen Unternehmens

X = 18

X

Für den einzelnen Anbieter ist der Preis gegeben, d. h. er sieht sich einer PAF mit einer unendlichen Preiselastizität der Nachfrage (horizontaler Verlauf) gegenüber: Preissenkungen würden dazu führen, dass der Polypolist (kleines Unternehmen) die gesamte Nachfrage auf sich zieht; diese könnte er aufgrund seines geringen Marktanteils nicht befriedigen. Preiserhöhungen hingegen würden dazu führen, dass der Polypolist sofort aus dem Markt ausscheidet: aufgrund der unterstellten Vollkommenheit des Marktes (nur ein einheitlicher Preis für ein Gut) würde der Anbieter alle Nachfrager verlieren, sofern er vom vorgegebenen Preis abweichen würde. 192

Dass die optimale Produktionsmenge zu einem Gewinn von Null führt, ist zwar kein unmittelbarer Bestandteil der Optimalitätsbedingung und insoweit zufällig. Dennoch ist dieses Ergebnis Ausdruck des Wettbewerbs der Unternehmen um eine effiziente Produktion. Der Wettbewerb wird über die Realisierung des technischen Fortschritts und über die Steigerung der Produktivität darauf hinwirken, dass bei der gewinnmaximalen Produktionsmenge die Durchschnittskosten minimal sind und dem Güterpreis entsprechen. Der Wettbewerb findet somit seinen Ausdruck in der Kostenfunktion, die so gestaltet ist, dass bei der gewinnmaximalen Menge ein Gewinn von Null entsteht; vgl. hierzu auch die Ausführungen zu den Funktionen des Wettbewerbs, u. a. Kap. IV.1 sowie Kap. IV.3.

290

IV Markt- und Preistheorie

Fazit: Aktive Preispolitik ist im homogenen Polypol wenig erfolgversprechend; der Polypolist agiert lediglich als Mengenanpasser und nimmt den Marktpreis als Datum, d. h. als eine nicht beeinflussbare Größe hin. Der Polypolist sucht zum gegebenen Preis (hier: P(X) = 6 €) seine gewinnmaximale Menge (hier: X* = 18).

3.2

Monopole und öffentliche Unternehmen

3.2.1

Gewinnmaximierung im Angebotsmonopol

In einem Monopol übt ein einzelner Anbieter die umfassende Kontrolle über einen Wirtschaftszweig aus. Umstritten ist, ob es überhaupt „reine Monopolsituationen“ gibt, denn jeder Alleinanbieter eines Gutes steht in (zumindest latenter) Konkurrenz mit anderen Anbietern, da es bezüglich eines Gutes X i. d. R. ein Substitutionsgut oder gar mehrere Substitutionsgüter gibt, auf die die Nachfrager ausweichen könnten. Dies gilt z. B. auch für die Deutsche Bahn AG, die im Schienenbereich zwar weitgehend als Monopolunternehmen einzustufen ist, die aber stets mit den Anbietern anderer Transportmöglichkeiten - Luft, Wasser, Straße - konkurriert. In der Realität sehen sich die meisten Unternehmen, die Alleinanbieter für ein bestimmtes Gut sind, einem derartigen Wettbewerb mit anderen Produkten gegenüber, so dass reine Monopole eine seltene Marktform darstellen. Jedes Unternehmen konkurriert letztlich mit einer Vielzahl anderer Unternehmen um die Kaufkraft der Nachfrager. Monopole sind als extreme Ausprägung des unvollständigen Wettbewerbs in der Regel unerwünscht, da sie als Alleinanbieter eines Gutes „Preise“ diktieren können. Im Gegensatz zum vollständigen Wettbewerb sieht sich der Monopolist einer PAF mit endlicher Preiselastizität gegenüber. Da der Monopolist der einzige Anbieter ist, stimmt seine PAF mit der Marktnachfragefunktion überein. Der Monopolist kann auf dem relevanten Markt daher entweder als Preis- oder Mengenfixierer agieren: Preisfixierer: Festsetzung des Preises P(X) und die Nachfrager entscheiden, welche Menge X zu diesem Preis abgesetzt werden kann. Mengenfixierer: Festsetzung der Menge X und die Nachfrager entscheiden, welchen Preis P(X) sie für diese Menge zu zahlen bereit sind. Im Gegensatz zum Polypol muss daher im Monopol die wechselseitige Abhängigkeit zwischen Preis und Menge beachtet werden. Formal gilt: Monopolist: (Preis ist abhängig von der Absatzmenge), Polypolist:

(Preis = Datum)

Auch im Monopol gilt für das Gewinnmaximum die Regel: –

291

3 Marktverhalten und Marktergebnisse

dies heißt formal (unter Anwendung der Produktregel):

Im Folgenden soll die Ableitung der gewinnmaximalen Produktionsmenge des Monopolisten an einem Beispiel verdeutlich werden (vgl. Tab. IV-2 sowie Abb. IV-23). (3.2.1 - 1) Marktnachfragefunktion (PAF des Monopolisten): (3.2.1 - 2)

Kostenfunktion:

(3.2.1 - 3)

Erlösfunktion

-

(quadratische Erlösfunktion)

(3.2.1 - 4)

(Grenzerlös = 0)

Erlösmaximum für -

Exkurs: Erlösmaximum des Monopolisten; Verlauf der Grenzerlösfunktion Das Maximum der Erlöse (Umsätze) liegt bei einer linearen Nachfragefunktion bei der halben Sättigungsmenge (bzw. beim halben Prohibitivpreis, wie im Kapitel III.1.3 im Zusammenhang mit der Ableitung der Elastizität bereits beschrieben); dies sei im Folgenden nochmals verdeutlicht; es gilt nach der Produktregel:

Wird in die Marktnachfragefunktion (P(X) = a – b • x) für P(X) die Bedingung (2) eingesetzt und berücksichtigt, dass dP/dX = -b (Ableitung der Marktnachfragefunktion nach X), so geht für die erlösmaximale Absatzmenge (XEmax) die Nachfragefunktion

- -

über in: -

bzw.

da sich für eine lineare Nachfragefunktion die Sättigungsmenge XS ergibt als:

(vgl. Ausführungen in Kapitel III.1.2.2) und gemäß (3b) weiterhin gilt, dass folgt hieraus durch Gleichsetzen von (3b) bzw. (4):

bzw.

(5b)

292

IV Markt- und Preistheorie

Ergebnis: Die erlösmaximierende Produktionsmenge XEmax des Monopolisten liegt bei der halben Sättigungsmenge XS ; da im Erlösmaximum der Grenzerlös 0 beträgt und dies bei der halben Sättigungsmenge gegeben ist, schneidet die Grenzerlösfunktion (beginnt beim Prohibitivpreis auf der Ordinate) die Abszisse bei der halben Sättigungsmenge. Sie verläuft damit doppelt so steil wie die Nachfragefunktion (vgl. Abb. IV-23).

-

Das Gewinnmaximum ist definiert als: -

Somit:

-

-

-

Tabelle IV-2: Anbieterverhalten im Polypol und im Monopol X

0,0 1,0 2,0 3,0 4,0 5,0 6,0 7,0 8,0 9,0 10,0 11,0 11,3 12,0 13,0 14,0 15,0 16,0 17,0 18,0 19,0 20,0

P(X) FK

VK

15,0 14,5 14,0 13,5 13,0 12,5 12,0 11,5 11,0 10,5 10,0 9,5 9,4 9,0 8,5 8,0 7,5 7,0 6,5 6,0 5,5 5,0

0,0 0,2 0,7 1,5 2,7 4,2 6,0 8,2 10,7 13,5 16,7 20,2 21,1 24,0 28,2 32,7 37,5 42,7 48,2 54,0 60,2 66,7

54 54 54 54 54 54 54 54 54 54 54 54 54 54 54 54 54 54 54 54 54 54

DVK DK K'(X) K(X) Erlös Gewinn VK:X K:X vollständige Konkurrenz 0,0 54,0 0,0 -54,0 0,2 54,2 0,3 54,2 6,0 -48,2 0,3 27,3 0,7 54,7 12,0 -42,7 0,5 18,5 1,0 55,5 18,0 -37,5 0,7 14,2 1,3 56,7 24,0 -32,7 0,8 11,6 1,7 58,2 30,0 -28,2 1,0 10,0 2,0 60,0 36,0 -24,0 1,2 8,9 2,3 62,2 42,0 -20,2 1,3 8,1 2,7 64,7 48,0 -16,7 1,5 7,5 3,0 67,5 54,0 -13,5 1,7 7,1 3,3 70,7 60,0 -10,7 1,8 6,7 3,7 74,2 66,0 -8,2 1,9 6,7 3,8 75,1 67,5 -7,6 2,0 6,5 4,0 78,0 72,0 -6,0 2,2 6,3 4,3 82,2 78,0 -4,2 2,3 6,2 4,7 86,7 84,0 -2,7 2,5 6,1 5,0 91,5 90,0 -1,5 2,7 6,0 5,3 96,7 96,0 -0,7 2,8 6,0 5,7 102,2 102,0 -0,2 3,0 6,0 6,0 108,0 108,0 0,0 3,2 6,0 6,3 114,2 114,0 -0,2 3,3 6,0 6,7 120,7 120,0 -0,7

Grenz- Ge- Markterlös winn form Monopol 0,0 15,0 -54,0 14,5 14,0 -39,7 28,0 13,0 -26,7 40,5 12,0 -15,0 52,0 11,0 -4,7 62,5 10,0 4,3 72,0 9,0 12,0 80,5 8,0 18,3 88,0 7,0 23,3 94,5 6,0 27,0 100,0 5,0 29,3 104,5 4,0 30,3 105,5 3,8 30,4 Monopol 108,0 3,0 30,0 110,5 2,0 28,3 112,0 1,0 25,3 112,5 0,0 21,0 112,0 -1,0 15,3 110,5 -2,0 8,3 108,0 -3,0 0,0 Polypol 104,5 -4,0 -9,7 100,0 -5,0 -20,7 Erlös

Wird die gewinnmaximale Menge des Monopols in die PAF eingesetzt, so ergibt sich ein Monopolpreis PM(X) in Höhe von: Diese gewinnmaximale Preis - Mengenkombination der PAF wird als Cournotscher Punkt bezeichnet. Daraus folgt für die Höhe des Gewinns = Erlös - Kosten: -

-

-

293

3 Marktverhalten und Marktergebnisse

Abb. IV-23: Gewinnmaximales Verhalten im Polypol/Monopol

14

12 (Markt)-Nachfragefunktion = PAF des Monopolisten

Preis, Grenzerlös, Grenzkosten, Stückkosten

10

Cournot-Punkt

PM = 9,375

Grenzkosten 8

6

Durchschnittskosten PAF des Anbieters im homogenen Polypol

4

2

XM = 11,25

0 0

5

10

15

20

-2

Absatzmenge (X)

25

30

294

IV Markt- und Preistheorie

Die Ergebnisse können auch aus der bereits angesprochenen Tabelle IV-2 bzw. der Abb. IV-23 ersehen werden. Vergleich der Marktergebnisse von Monopol und vollständiger Konkurrenz Ein Vergleich der Marktergebnisse für die Situation des vollständigen Wettbewerbs und des Monopols (Extremfall des unvollständigen Wettbewerbs) zeigt, warum Monopole unerwünscht sind (vgl. Abb. IV-23): a) Der Monopolpreis ist höher als der Polypolpreis (9,375 > 6), d. h. der “Monopolist verkauft teurer”. b) Die Monopolmenge ist kleiner als die Polypolmenge (11,25 < 18), d. h. “im Monopol werden Verbraucher schlechter versorgt”. c) Der Monopolist erzielt einen “Extragewinn”. Ein formaler Effizienzvergleich ist allerdings problematisch, denn er kann nur unter der Annahme identischer Nachfrage- und Produktionsbedingungen geführt werden. Vor allem die Annahme identischer Produktionsbedingungen ist wirklichkeitsfremd, denn sie besagt, dass ein Monopolist eine bestimmte Gütermenge mit denselben Kosten produzieren würde wie viele kleine Polypolisten in ihrer Gesamtheit. Diese Annahme impliziert identische Kostenfunktionen und ist daher vorwiegend von modelltheoretischem Interesse193. Vertiefungsaufgabe IV-6: Erläutern Sie, wie sich die gewinnmaximalen Situationen des Monopolisten und der vollständigen Konkurrenz im Hinblick auf Preis und Menge voneinander unterscheiden! Welche Annahmen werden bei diesem Vergleich i. d. R. unterstellt und wie sind diese zu beurteilen? 193

Bei diesem Vergleich soll angenommen werden, dass die Marktangebotsfunktion des Monopolisten mit der Marktangebotsfunktion (horizontal aggregierte Grenzkosten) aller Polypolisten übereinstimmt. Dies ist insbesondere bei kubischen Kostenfunktionen eine rigorose Annahme, da hier die Grenzkosten eine quadratische Funktion aufweisen und mit höherer Produktionsmenge überproportional ansteigen. Insofern haben Monopolunternehmen im Vergleich mit den vielen Polypolisten, die jeweils nur eine kleine Menge produzieren, mit stark steigenden Grenzkosten zu produzieren. Dies hat zur Konsequenz, dass die Marktangebotsfunktion der Polypolisten wesentlich flacher verläuft als die des Monopolisten, was die wohlfahrtsmindernden Effekte des Monopols im Vergleich zum Polypol noch zusätzlich verstärkt. Allerdings kann diesem Argument entgegen gehalten werden, dass Monopolisten höhere Gewinne erzielen und diese zur Kostendämpfung durch Investitionen und technologischen Fortschritt nutzen könnten, so dass dies eine Entlastung bei den Grenzkosten bedeutet. Dem ist aber zu erwidern, dass bei den Polypolisten ein größerer Wettbewerbsdruck herrscht, der die Unternehmen – stärker als das Monopol – zur Effizienzsteigerung und damit zur Kostensenkung anhält. Insgesamt ist somit eine abschließende Beurteilung, in welchem Umfang das Polypol dem Monopol überlegen ist, nicht möglich. Es hängt insbesondere von der Art der Kostenfunktionen (lineare, quadratische, kubische etc.), der Stärke des Wettbewerbsdrucks im Polypol und den Preiselastizitäten der Nachfrage ab.

3 Marktverhalten und Marktergebnisse

3.2.2

295

Preisdifferenzierung im Angebotsmonopol

Bei den bisherigen Analysen im Monopol wurde unterstellt, dass der Monopolist bzw. die Monopolistin von allen Kunden dieselben Preise fordert. Häufig versuchen Unternehmen jedoch, ein Produkt an verschiedene Kunden (inhomogene Nachfrager) zu unterschiedlichen Preisen zu verkaufen. Lässt sich der Gesamtmarkt in Teilmärkte mit unterschiedlichen Nachfragefunktionen und Nachfrageelastizitäten aufteilen, so kann das Monopol durch eine Preisdifferenzierung (auch Preisdiskriminierung genannt) auf den verschiedenen Märkten und unterschiedliche Preissetzungen seinen Gesamtgewinn weiter erhöhen. Eine Preisdifferenzierung ist jedoch an die beiden folgenden Voraussetzungen geknüpft: Die verschiedenen Marktsegmente weisen eine unterschiedliche Preiselastizität der Nachfrage, d. h. unterschiedliche Nachfragefunktionen auf; derartige Unterschiede in den Nachfrageelastizitäten sind durch eine divergierende Zahlungsbereitschaft bzw. Zahlungsfähigkeit der Kunden bedingt. Dies bedeutet, dass der gewinnmaximierende Monopolist bei denjenigen Nachfragegruppen hohe Preise verlangt, die eine niedrige Preiselastizität der Nachfrage aufweisen (d. h. auf Preiserhöhungen relativ schwach reagieren) und umgekehrt. Zentrale Bedingung ist zudem, dass eine Marktsegmentierung möglich ist und sich unterschiedliche Preise in den verschiedenen Marktsegmenten durchsetzen lassen, z. B. aufgrund räumlicher, personeller oder sachlicher Trennungen; so werden beispielsweise Segmente nach unterschiedlichen Alters- oder Einkommensgruppen (sachliche Differenzierung) bzw. nach unterschiedlichen Regionalbereichen (räumliche Differenzierung) gebildet; konkrete Beispiele für zeitliche Preisdifferenzierungen stellen z.B. die nach täglichen Zeitphasen gestaffelten Gebühren im öffentlichen Personennahverkehr (z.B. Tickets, die morgens ab 9.00 Uhr billiger werden) dar; auch die „Happy Hour“ lockt mit Rabatten bei Getränken, Internetdiensten; zeitabhängige Preise finden sich auch bei Speisen im Gastronomiebereich, bei Kinobesuchen etc.. Die Preisdifferenzierung erhöht die Verkaufserlöse und damit die Gewinne, da die Unternehmen die Zahlungsbereitschaft der Konsumenten optimal ausnutzen und hierdurch ihre Produzentenrenten zu Lasten der Konsumentenrenten ausweiten können. Dies sei an dem folgenden Beispiel veranschaulicht: Eine Monopolistin bzw. ein Monopolist biete zwei verschiedenen Kundengruppen (z. B. verschiedene Altersgruppen im öffentlichen Personennah- oder Fernverkehr, in Kinos, Schwimmbädern, etc.) mit unterschiedlichen Nachfragefunktionen das Produkt X an.

296

IV Markt- und Preistheorie

Folgende Daten seien gegeben: Nachfrage X1 auf Teilmarkt 1: Nachfrage X2 auf Teilmarkt 2: Gesamtmarkt X für 100 > P ≥ 40: Gesamtmarkt X für 40 > P:

X1 X2 X X

= 20 – 0,5 · P(X1) = 20 – 0,2 · P(X2) = 20 – 0,2 · P(X) = 40 – 0,7 · P(X)

bzw. P(X1) = 40 – 2 · X1 bzw. P(X2) = 100 – 5 · X2 bzw. P(X) = 100 – 5 · X bzw. P(X) = 40/0,7–1/0,7· X

Weiterhin sei - unabhängig von der Produktion für den Teilmarkt 1 oder 2 - eine einheitliche lineare Kostenfunktion gegeben: K(X) = 2 + 20 ·X; die Grenzkosten K’(X) betragen somit 20 €. Ein Monopolist maximiert auf jedem Teilmarkt seinen Gewinn, wenn der Grenzerlös jeweils mit den Grenzkosten übereinstimmt194. Ist auf einem Teilmarkt z. B. der Grenzerlös höher (niedriger) als die Grenzkosten, so erzielt der Monopolist mit jeder zusätzlich verkauften Mengeneinheit einen Grenzgewinn (Grenzverlust), so dass er auf dem jeweiligen Teilmarkt den Preis zwecks Absatzausweitung (Absatzverringerung) solange verringern (erhöhen) wird, bis auf jedem Teilmarkt der Grenzgewinn Null beträgt, d. h. Grenzerlös und Grenzkosten übereinstimmen. Im vorliegenden Beispiel (vgl. Abb. IV-24, Tab. IV-3) schneidet bei einer Menge X1* = 5 die Grenzerlösfunktion E’(X1) die Grenzkostenfunktion K’(X), d. h. X1* = 5 stellt die gewinnmaximale Absatzmenge im Teilmarkt 1 dar. Der entsprechende gewinnmaximale Preis des Teilmarktes 1 lässt sich auf der Nachfragefunktion N(X 1) mit P*(X1) = 30 ablesen. Analog ergibt sich für Teilmarkt 2 eine gewinnmaximale Absatzmenge X2* = 8 und ein gewinnmaximaler Preis P*(X2) = 60. Die Monopolgewinne beider Teilmärkte zusammen betragen 368 € (Gesamterlös Gesamtkosten auf beiden Teilmärkten). Demgegenüber ergäbe sich ohne Preisdifferenzierung ein deutlich niedriger Monopolgewinn von lediglich 239,4 €, wenn auf beiden Teilmärkten die Menge X = 13 (X1 = 0,72; X2 = 12,29) zu einem einheitlichen Preis von P*(X) = 38,57 € verlangt würde (siehe aggregierte Marktnachfrage sowie Verlauf des Grenzerlöses für die aggregierte Marktnachfrage). Allerdings ist in dieser Situation (vgl. Tab. IV-3) ersichtlich195, dass auf dem Teilmarkt 2 der Grenzerlös nicht nur unterhalb der Grenzkosten von 20 € liegt, sondern mit -22,7 € sogar negativ ausfällt. Daher wäre es nicht sinnvoll, auch diesen Markt zum Preis von 38,57 € zu bedienen.

194 195

Die Ableitung wird im Folgenden noch genauer dargestellt. An dieser Stelle sollen zunächst die Ergebnisse erörtert werden. In Abbildung Abb. IV-24 ergibt sich für Teilmarkt 2 zu einem Preis von 38,57 € ein Schnittpunkt mit der Nachfragekurve N(X2) bei der Menge X2 = 12,29; wird von den Koordinatenpunkten (P = 38,57; X2 = 12,29) das Lot senkrecht gefällt, so ergibt sich bei dieser Menge ein negativer Grenzerlös von -22,9, d. h. die Grenzerlösfunktion verläuft hier bereits im negativen Bereich ( in Abb. IV-24 nicht mehr dargestellt).

0,0

10,0

20,0

30,0

40,0

50,0

60,0

70,0

80,0

90,0

100,0

E'(X1)

E'(X)

Cournotpunkt für N(X2)

N(X1 )

Cournotpunkt für N(X)

K'(X)

N(X)

0 1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 12 13 14 15 16 17 18 19 20 21 22 23 24 25

P*(X1) = 30

Cournotpunkt für N(X1 )

P*(X) = 38,6

P*(X2) = 60

E'(X2)

N(X2)

Abbildung IV-24: Preisdifferenzierung im Angebotsmonopol

3 Marktverhalten und Marktergebnisse 297

X

E(X1)

9,8

11,8

12,0

51

41

40

39

0,0

0,5

0,72

1,0

1,5

3,5

4,5

5,0

5,5

40,0

39,0

38,6

38,0

37,0

33,0

31,0

30,0

29,0

12,7

38,57 13,00

13,4

14,1

16,9

18,3

19,0

19,7

38

37

33

31

30

29 159,5

150,0

139,5

115,5

55,5

38,0

27,6

19,5

0,0

18,0

20,0

22,0

26,0

34,0

36,0

37,1

38,0

41,0

9,2

54

40,0

51,0

8,8

29,0

30,0

31,0

33,0

37,0

38,0

38,6

39,0

40,0

54,0

56,0

57,1

58,0

14,2

14,0

13,8

13,4

12,6

12,4

12,29

12,2

12,0

11,8

9,8

9,2

8,8

8,6

8,4

20 20

20

-18,0 -20,0 -22,0 -22,9

-24,0 -26,0 -34,0 -38,0 -40,0

483,8 480,0 475,8 473,9 471,2 466,2 442,2 427,8 420,0

-42,0

20

2,0

499,8

411,8

20

8,0

496,8

20

20

20

20

20

20

20

12,0

20

20

20

20

20

20

492,8

14,2

489,9

56

PProh (X1 ) = 40

8,6

57,1

16,0

487,2

8,4

58

18,0

8,2

483,8

59,0

480,0

8,0

60,0

8,2

20,0

475,8

7,8

22,0

E(X2 ) E‘(X2 ) K‘(X)

Teilmarkt 2

X2

61,0

59

P(X2 )

8,0

Prohibitivpreis

E‘(X1 )

60

Teilmarkt 1

X1

7,8

P(X1 )

61

Gesamtmarkt

P(X )

Tabelle IV-3: Preisdifferenzierung im Angebotsmonopol E(X)

509,2 521,7 557,7 567,3

570,0 571,3

284,0 340,0 368,0

382,0 396,0

495,3

256,0

501,4

480,0

242,0

270,0

483,8

238,0

262,0

499,8

198,0

489,9

173,6

496,8

487,2

170,0

186,0

483,8

166,0

492,8

480,0

162,0

178,0

475,8

158,0

Gesamtmarkt

K(X)

0,86

2,86

4,86

8,86

16,86

18,86

20,00

20,86

22,86

23,43

29,14

30,86

32,00

32,63

33,14

33,71

34,29

34,86

E‘(X)

G(X) mit

175,3

188,0

199,3

217,7

237,7

239,2

239,4

239,3

238,0

245,8

301,8

310,8

314,8

E = 630

316,318 K = 262

X = 13

für 317,8 317,2

G = 368

318

317,8

Preisdifferenzierung

G(X) ohne

298 IV Markt- und Preistheorie

299

3 Marktverhalten und Marktergebnisse

Würde stattdessen nur der Teilmarkt 2 als Absatzmarkt bei einem Preis von 60 € angestrebt, so läge der Gewinn mit 318 € deutlich höher, allerdings niedriger als bei einer Ausrichtung auf beide Teilmärkte entsprechend der oben dargestellten Preisdifferenzierung. Es zeigt sich also, dass der Monopolist durch Ausnutzen der unterschiedlichen Zahlungsbereitschaften der Konsumenten auf den beiden Teilmärkten seinen Gewinn deutlich steigern kann (im vorliegenden Beispiel um 15,7%). Diese Ergebnisse sollen nun nochmals analytisch für beide Teilmärkte (bei Preisdifferenzierung) und den Gesamtmarkt (ohne Preisdifferenzierung) hergeleitet werden:

-

Teilmarkt 1: und damit:

-

Gewinnmax: und somit:

(gewinnmax. Menge) (gewinnmax. Preis)

-

Teilmarkt 2: und damit:

-

Gewinnmax: und somit:

(gewinnmax. Menge) (gewinnmax. Preis)

-

Aus einer Aggregation der beiden Teilmärkte ergäbe sich nachfolgende aggregierte Marktnachfrage: Gesamtmarkt:

-

und damit: Gewinnmax:

-

-

und somit:

(gewinnmax. Menge)

-

(gewinnmax. Preis)

Die Relation der Preise P*(X2)/ P*(X1) auf den beiden Teilmärkten wird ausschließlich durch die Preiselastizitäten der Nachfrage auf beiden Teilmärkten bestimmt (d. h. die Preissensibilitäten der beiden Nachfragergruppen bestimmen die Preisrelation). Es lässt sich zeigen, dass unter Verwendung der im Folgenden noch näher zu

300

IV Markt- und Preistheorie

erläuternden Amoroso-Robinson-Formel für das gewinnmaximale Preisverhältnis beider Teilmärkte gelten muss:

Dies bedeutet, dass bei Preisdifferenzierung auf zwei Teilmärkten die gewinnmaximale Preisrelation auf den beiden Teilmärkten sich umgekehrt proportional zu den Nachfrageelastizitäten der Teilmärkte verhält. Da eine hohe Preiselastizität eine hohe Preissensibilität bzw. Nachfragereaktion auslöst, werden die Produkte auf dem Teilmarkt mit der hohen Preiselastizität preisgünstiger verkauft als die Produkte auf dem relativ preisunelastischen Teilmarkt. Auf diese Weise nutzt der Monopolist bei Preisdifferenzierung die unterschiedlichen Zahlungsbereitschaften der Verbraucher beider Teilmärkte optimal aus. Liegen mehr als 2 Teilmärkte vor, so gelten analoge Ergebnisse für die einzelnen Teilmärkte. Um dies zu zeigen, muss zunächst auf die sogenannte Amoroso-Robinson-Formel zurückgegriffen werden, die für das Verständnis der optimalen Preisrelation auf den Teilmärkten von fundamentaler Bedeutung ist. Amoroso–Robinson–Formel und Verhältnis der Cournotpreise bei Preisdifferenzierung auf 2 Teilmärkten: Die Amoroso-Robinson-Formel lässt sich wie folgt aus der mathematischen Ableitung der Erlösfunktion [E(X) = P(X) • X] nach der Absatzmenge X gemäß der sogenannten Produktregel (Preis P(X) und Menge X hängen voneinander ab) und anschließender Erweiterung von Teilen des Ergebnisses um P(X) ermitteln:

Diese Bedingung gilt analog für die Grenzerlöse der beiden Teilmärkte 1 bzw. 2; [Hinweis: Beträgt z. B. auf einem Nachfragemarkt die Preiselastizität der Nachfrage - ∞, d. h. liegt hier eine vollkommen preiselastische Nachfrage entsprechend der Marktform der vollständigen Konkurrenz vor, so stimmen Grenzerlös und Preis überein.] Da für die gewinnmaximale Produktion die Grenzerlöse mit den Grenzkosten übereinstimmen müssen, gilt ferner: E’(X1) = E’(X2) = K’(X) sowie unter Verwendung der Preiselastizität der Nachfrage (gemäß der Amoroso-Robinson-Formel):

301

3 Marktverhalten und Marktergebnisse

Da bei jeder Nachfragefunktion im Gewinnmaximum die Grenzerlöse E’(X1) und E’(X2) jeweils den Grenzkosten entsprechen, müssen auch die Grenzerlöse gleich hoch ausfallen. Unter Verwendung dieser Information ergibt sich dann:

Beispiel: Bei der gewinnmaximalen Absatzmenge X*1 = 5 des ersten Teilmarktes beträgt der gewinnmaximale Preis P*(X1) = 30 €; die Preiselastizität der Nachfrage für Teilmarkt 1 beträgt gemäß der Formel für die Preiselastizität somit im Gewinnmaximum unter Berücksichtigung von b1 = -0,5 (siehe Nachfragefkt.): = -0,5 • 30/5 = - 3. Für Teilmarkt 2 errechnet sich eine gewinnmaximale Menge X*2 = 8 und ein Cournotpreis von P*(X2) = 60; hieraus folgt unter Berücksichtigung von b2 = -0,2 (siehe Nachfragefunktion) eine Preiselastizität der Nachfrage von: = -0,2 • 60/8 = -1,5. Somit gilt für das Verhältnis der Cournotpreise auf beiden Teilmärken:

Der Preis auf Teilmarkt 2 wird bei Preisdifferenzierung im Gewinnmaximum somit doppelt so hoch ausfallen wie auf Teilmarkt 1, was durch das Ergebnis (s.o.) bestätigt wird. Hinweis: Das Ergebnis macht allerdings nur Sinn für Elastizitäten, die einen Absolutbetrag ΙEX,P(X)Ι > 1 aufweisen, da ansonsten der Teilmarkt einen negativen Grenzumsatz erzielt (bei einer Preiselastizität von -1 beträgt der Grenzumsatz 0, wie aus der zuvor abgeleiteten Formel

ersichtlich wird.

Bei nichtlinearen Kostenfunktionen wird die Lösung komplizierter, da die Grenzkosten dann von der Produktionsmenge abhängen, diese aber wiederum von den Grenzkosten bestimmt werden. Auf die graphische Lösung bei nichtlinearer Kostenfunktion wird im Folgenden eingegangen: Nimmt der Monopolist keine Preisdifferenzierung vor, so sind aus dem Schnittpunkt von Grenzerlös- und Grenzkostenkurve die Grenzkosten der gewinnmaximalen Produktionsmenge bekannt. Es wurde bereits gezeigt, dass bei Gewinnmaximierung im

302

IV Markt- und Preistheorie

Falle der Preisdifferenzierung diese Grenzkosten auch mit den Grenzerlösen E’(X1) und E’(X2) auf den beiden Teilmärkten übereinstimmen müssen; somit lassen sich ausgehend vom Schnittpunkt E’(X) = K’(X) über eine horizontale Linksbewegung an den Schnittpunkten dieser gedachten Horizontalen mit E’(X1) und E’(X2) die gewinnmaximalen Absatzmengen ablesen, aus denen dann die entsprechenden Absatzpreise (Cournotpunkte) ermittelt werden können. Fallbeispiel Rabatte196: Bei dauerhaften Konsumgütern, insbesondere bei Textilien, gibt der Einzelhandel Coupons über Zeitungen oder Zeitschriften aus, mit denen die Verbraucher ihre Produkte verbilligt kaufen können (Rabatte). Wieso gibt der Einzelhandel diesen Rabatt nicht über eine allgemeine Preissenkung an die Kunden weiter? Coupons stellen hier eine Preisermäßigung für die preisbewussten Kunden dar. Der Einzelhändler spricht somit vor allem Kunden mit einer hohen Preiselastizität der Nachfrage an, während die Kunden mit einer preisunelastischeren Nachfrage sich nicht die Mühe machen, die Coupons einzulösen und statt dessen lieber den normalen Preis zahlen. Untersuchungen für die USA bei speziellen Alltagsprodukten haben gezeigt, dass der Absolutbetrag der Preiselastizität der Nachfrage bei den Couponnutzern tatsächlich höher liegt als bei Nichtnutzern.

Ein weiteres Beispiel für Preisdifferenzierung sind unterschiedliche Tarife bei öffentlichen Verkehrsmitteln (z. B. Deutsche Bundesbahn) oder Flugreisen (Business class, economy class); die Preisunterschiede in den Tarifen sind weniger auf Kostenunterschiede infolge qualitativ unterschiedlicher Standards zurückzuführen als vielmehr auf divergierende Abweichungen in den Zahlungsbereitschaften der Konsumenten. Vertiefungsaufgabe IV-7: Erläutern Sie, was unter Preisdifferenzierung im Monopol zu verstehen ist! Worin liegt die Ursache dafür, dass eine Preisdifferenzierung zu einem höheren Gewinn führt? In welchem Verhältnis stehen die Preise auf den beiden Teilmärkten in den Cournotpunkten? Begründen Sie das Ergebnis verbal.

Aufgabe IV-10: Ein Monopolist für Fischspezialitäten muss entscheiden, wie er seine Produktionsmenge X zwischen zwei Teilmärkten X1 und X2 aufteilt. Die beiden Märkte sind geographisch getrennt (Insel Sylt und Festland). Nachfrage und Grenzerlös sind folgendermaßen vorgegeben: Teilmarkt Festland: Teilmarkt Sylt: Die Gesamtkosten des Monopolisten betragen: Wie hoch sind Preis, Produktionsmenge, Gewinn und Grenzerlöse, a) wenn aufgrund einer Verbraucherkampagne und der daraus resultierenden Empörung der Bevölkerung eine Diskriminierung aus Imagegründen nicht sinnvoll erscheint? b) wenn der Monopolist Preisdiskriminierung betreiben kann? 196

Vgl. Pindyck, R.S., Rubinfeld, D.L.: Mikroökonomie, a. a. O., S. 516 f.

3 Marktverhalten und Marktergebnisse

303

Aufgabe IV-11: Zeigen Sie für eine lineare Nachfragefunktion auf, dass bei einheitlichen Prohibitivpreisen auf zwei Teilmärkten eine Preisdifferenzierung keinen Sinn macht!

3.2.3

Natürliche Monopole

In der Realität existieren monopolähnliche Strukturen gegenwärtig vor allem im Bereich öffentlicher Unternehmen. Diese werden in der mikroökonomischen Literatur zum Teil mit dem Begriff „natürliches Monopol“ umschrieben197. Zutreffender wäre aber der Begriff kostenbedingtes öffentliches Staatsmonopol. Bei öffentlichen Monopolunternehmen handelt es sich überwiegend um die Bereitstellung von Gütern mit leitungsgebundenen Versorgungsnetzen (Elektrizität, Eisenbahn, Gas, Wasser, Kommunikationsdienste, öffentlicher Nahverkehr). Hauptargumente zur Rechtfertigung öffentlicher Unternehmen sind: Realisierung größenbedingter Kostenvorteile vor allem infolge hoher Fixkosten, Versorgungssicherheit (z. B. Sicherstellung der Versorgung „in der Fläche“ zu günstigen Preisen beim Brief- und Paketdienst, bei der Bahn etc.) und die Befürchtung, dass bei einem privaten Angebot nur gewinnträchtige Marktsegmente „bedient“ werden.198 Die Bereitstellung der von öffentlichen Unternehmen erstellten Güter setzt häufig umfangreiche Infrastrukturnetze voraus, die mit hohen Fixkosten, aber niedrigen variablen Kosten der Produktion verbunden sind. Die hohen Fixkosten haben zur Konsequenz, dass das Minimum der Durchschnittskosten rechts von der Marktnachfragefunktion, d. h. außerhalb des Absatzpotenzials liegen kann (vgl. Punkt C in Abb. IV-25). Ein Marktangebot in der Marktform der vollständigen Konkurrenz, d. h. unter der Bedingung Preis = Grenzkosten (Punkt B), ist in dieser Situation ökonomisch nicht realisierbar, da die Unternehmen Verluste erzielen würden (DK > Preis). Daher könnten sich auf diesem Markt nur wenige oder nur ein Anbieter bei Preisen oberhalb der Durchschnittskosten halten. So würde ein privater oder öffentlicher Monopolist die Produktionsmenge XM zum Preis PM anbieten (Cournotscher Punkt) und damit seinen Gewinn maximieren. 197 198

Vgl. Hardes, H.-D.; Schmitz, F., a. a. O., S. 220 f sowie Schumann, J., u. a., a. a. O., S. 290 f. Siehe z.B. die Diskussion um die Abschaffung des Briefmonopols in Deutschland: Im Zuge der erfolgten Privatisierung der Deutschen Bundespost und des Einstiegs von weiteren Unternehmen in den Postversanddienst wurde auch das Briefmonopol beseitigt. Das Briefmonopol sicherte der Deutschen Post die alleinige Versendung von Brief- und Katalogsendungen. Bei der Abschaffung des Briefmonopols musste sichergestellt werden, dass auch der Brieftransport in unrentablen Regionen zuverlässig und ausreichend erfolgt.

304

IV Markt- und Preistheorie

Zur Verbesserung der betriebswirtschaftlichen Zielsetzungen und zur Kostendeckung verfolgen die öffentlichen Anbieter oft zudem die Strategie der Preisdifferenzierung, bei der homogene Güter zu unterschiedlichen Preisen angeboten werden und die unterschiedliche Zahlungsbereitschaft der Nachfrager besser (aus-)genutzt werden kann. Dabei wenden öffentliche Unternehmen häufig folgende Formen der Preisdifferenzierung an: räumliche Preisdifferenzierung (z. B. verschiedene Tarife je nach Region), zeitliche Preisdifferenzierung (z. B. Tag- und Nachtstromtarife, zeitabhängige Telefongebühren, unterschiedlich teure Tages- oder Monatstickets des ÖPNV, die zu unterschiedlichen Tageszeiten gelten), personelle Preisdifferenzierung (z. B. divergierende Eintrittspreise bei öffentlichen Einrichtungen für unterschiedliche Einkommens-, Sozialgruppen), mengenmäßige Preisdifferenzierung (z. B. unterschiedliche Strompreise für Haushalte und Unternehmen bei unterschiedlichen Absatzmengen). Abbildung IV-25: Kostensituation im natürlichen Monopol

P(X)

Cournotscher Punkt

Grenzkosten Durchschnittskosten

PM A PDK

C B

Grenzerlös

Marktnachfragefunktion D X XM

XDK

Die bisherigen Ausführungen zum Monopol haben gezeigt, dass diese Marktform mit erheblichen Nachteilen bei der Versorgung der Nachfrager verbunden ist. So bietet das Monopol im Vergleich zum Polypol das Produkt in einer kleineren Menge und zu einem höheren Preis an (vgl. IV.3.2.1). Daher wurde in der Vergangenheit in

3 Marktverhalten und Marktergebnisse

305

dieser Situation häufig der Ruf nach dem Staat laut. Durch staatliche Vorgaben von Höchstpreisen oder die Übernahme der Produktion durch öffentliche Unternehmen sollte eine bessere Versorgung zu günstigen Preisen sichergestellt werden. Die Realisierung des Preises PDK durch ein öffentliches Unternehmen wäre gerade noch kostendeckend (Preis = Durchschnittskosten) und würde somit zur höchsten kostendeckenden Versorgung XDK führen (siehe Punkt A der Abb. IV-25). Jeder kostenorientierte Preis ist allerdings mit der Gefahr verbunden, dass der öffentliche Produzent die Zielsetzung der Kostenminimierung vernachlässigt und Anreize zu kostensenkenden Maßnahmen fehlen. Unter optimalen Versorgungsgesichtspunkten wurde gelegentlich von einigen Ökonomen auch die Forderung erhoben, die Produktionsmenge über die Produktionsmenge XDK noch weiter auszudehnen, bis der Preis den Grenzkosten entspricht (Punkt B; dieser Punkt würde bei vollständiger Konkurrenz realisiert, wenn nicht die hohen Fixkosten die totalen Durchschnittskosten über den Marktpreis anheben würden). Als Grund für diese Ausweitung der Produktion bis zum Punkt B wird angeführt, dass jede zusätzlich angebotene Menge einen Nutzen stiftet (repräsentiert durch den von den Nachfragern zu zahlenden Preis entlang der Nachfragekurve), der oberhalb der zusätzlichen Kosten (Grenzkosten) liegt. Daher wäre es nach Ansicht dieser Ökonomen ineffizient, die dem Punkt B zugeordnete Produktionsmenge zu unterschreiten. Allerdings käme es in diesem Fall zu einer Unterdeckung der Gesamtkosten, so dass nur über hohe öffentliche Subventionen, d. h. über allgemeine Steuergelder die hohe Produktion finanziert werden könnte199. Dies bedeutet letztlich, dass unbeteiligte Dritte, die das Gut nicht nachfragen, über allgemeine Steuermittel zur Finanzierung dieses Gutes beitragen müssten. Wenn sich wegen der speziellen Problematik hoher Fixkosten natürliche Monopole herausbilden, stellt sich dennoch die Frage, wie stark sich die „Preissetzungsmacht“ dieser Monopole gestaltet: Für den (Staats-)Monopolisten besteht in der Praxis die Gefahr, dass ein „Substitutionswettbewerb“ bei zu hohen Preisen entsteht und die Verbraucher auf alternative Güter umsteigen. Werden z. B. die Preise für den öffentlichen Nahverkehr zu stark erhöht, um gestiegene Kosten zu decken oder gar Gewinne zu erzielen, kann dies dazu führen, dass die Verbraucher vermehrt private PKW nutzen. Unter gewissen Bedingungen könnten die hohen Monopolgewinne aber auch trotz der beträchtlichen Fixkosten neue Unternehmen anlocken und dem Monopolisten Konkurrenz machen. Der Monopolist könnte sich dann vor Konkurrenten am besten durch eine Preissenkung bei seinen Produkten schützen, so dass infolge des hierdurch reduzierten Gewinns der Zustrom neuer Konkurrenten abgeschwächt oder 199

Häufig wurden in der Vergangenheit diese Subventionen auch durch ertragreiche Produktionszweige der öffentlichen Unternehmen „querfinanziert“ (z. B. wurde auf kommunaler Ebene der Gewinn aus der Stromversorgung z.T. zur Finanzierung des verlustträchtigen ÖPNV herangezogen).

306

IV Markt- und Preistheorie

verhindert wird. Im Extremfall könnte das Monopolunternehmen die Preise bis zu den Durchschnittskosten senken200. Damit würde eine Situation geschaffen, die trotz der Dominanz nur eines einzigen Anbieters der Situation der vollständigen Konkurrenz recht nahe käme (allerdings würde jetzt die Bedingung Preis = Durchschnittskosten und nicht Preis = Grenzkosten realisiert). Welche Bedingungen müssen nun vorliegen, damit die Konkurrenz trotz hoher Fixkosten auf den Markt drängt und das Monopolunternehmen „anzugreifen“ versucht? Ein derartiger Versuch käme für ein Konkurrenzunternehmen nur dann in Betracht, wenn die damit verbundenen hohen Investitionsausgaben im Fall des Scheiterns nicht verloren wären (z. B. indem einzelne, für den Marktzugang vorgenommene Aufwendungen über Veräußerungserlöse wieder in das Unternehmen zurückfließen würden). Handelt es sich bei den Aufwendungen aber um unwiederbringliche Kosten, die nicht über Einnahmen kompensiert werden könnten, so wird auch von versunkenen Kosten (sunk costs) gesprochen. Das Vorliegen versunkener Kosten verhindert somit das Entstehen von Konkurrenz und macht den Monopolmarkt zu einem unangreifbaren Markt. Ein Beispiel für einen angreifbaren Markt wäre z. B. ein (öffentliches) Flugunternehmen, das aufgrund der hohen Fixkosten in einem Land bisher eine monopolartige Situation eingenommen hat. Konkurrenzunternehmen könnten dieses Monopolunternehmen trotz der hohen Fixkosten angreifen. Denn im Fall des Scheiterns eines „Marktangriffes“ durch das neue Konkurrenzunternehmen könnten die Flugzeuge auf anderen Märkten des Konkurrenzunternehmens eingesetzt oder an andere Unternehmen verkauft werden, so dass sich die Kosten des gescheiterten Marktzugangs in Grenzen hielten. In dem bereits angeführten Beispiel der Versorgungsunternehmen (entsprechend der Abb. IV-25) dürften hingegen hohe versunkene Kosten vorliegen, sofern die Fixkosten für die Errichtung der Versorgungsleitungen von jedem Unternehmen allein zu tragen wären. Unabhängig hiervon wäre ein solches Vorgehen einer parallelen Errichtung von Leitungsnetzen aber auch ökonomisch nicht sinnvoll: denn die bereits bestehenden Leitungsnetze des dominierenden Monopolunternehmens können bereits häufig eine ausreichende Versorgung (Durchleitung) ermöglichen, werden aber aus Gründen der Gewinnmaximierung nicht anderen Unternehmen bereitgestellt. Daher bietet es sich an, über staatliche Maßnahmen der Deregulierung das im Besitz des Monopolunternehmens befindliche Versorgungsnetz auch anderen Unternehmen gegen Entgelt zur Verfügung zu stellen. Hierdurch würden sich die anteiligen Fixkosten für das Konkurrenzunternehmen verringern, so dass die Durchschnittskosten abnähmen, d. h. nach links verschoben würden. Auf diese Weise könnte Wettbewerb ermöglicht werden, d. h. die Bedingungen des natürlichen Monopols wären nicht mehr gegeben. 200

Der Unternehmerlohn sei in den Kosten bereits enthalten.

3 Marktverhalten und Marktergebnisse

307

In den letzten 1 ½ bis 2 Jahrzehnten ist dieser Weg der Deregulierung vor allem im Telekommunikationsbereich und Postbereich (jeweils 1995), aber auch im Versorgungsbereich beschritten worden, um die Nachteile der natürlichen Monopole zu vermeiden: Zum einen ist die staatliche Bereitstellung von Gütern zunehmend wegen der fehlenden Kosteneffizienz kritisiert worden; zum anderen wurde öffentlichen Unternehmen eine unzureichende qualitative Ausgestaltung des Leistungsangebots vorgeworfen. Das Ergebnis dieser Diskussion war in wichtigen Bereichen die Privatisierung staatlicher (Dienst)-Leistungen und die Einführung von Wettbewerb in zuvor geschützten Wirtschaftsbereichen, z. B. Telekommunikation, Post, Energieversorgung und Deutsche Bahn. Potentielle Konkurrenten erhielten die Möglichkeit, das Infrastrukturnetz der ehemaligen Monopolunternehmen im Zuge der Liberalisierung der Leitungsnetze gegen ein Entgelt zu nutzen (z. B. Nutzung des Festleitungsnetzes der Deutschen Telekom oder die Durchleitung von Strom oder Gas durch das Leitungsnetz der bisherigen Monopolanbieter gegen Entgelt). Diese Entwicklung erfordert eine staatliche Regulierung der Preisbildung der früheren Monopolbetriebe, um die Angemessenheit der Preise zu überprüfen und damit einen funktionierenden Wettbewerb zu ermöglichen (siehe z. B. die derzeitige Regulierungsbehörde der Bundesnetzagentur für Elektrizität, Gas, Telekommunikation, Post und Eisenbahnen bzw. das Bundeskartellamt201). Als Ergebnis dieser Liberalisierung ließ sich vor allem im Telekommunikationsbereich schon nach kurzer Zeit ein hoher Wettbewerb mit zum Teil drastisch fallenden Preisen beobachten, der zu einer deutlichen Verbesserung der Versorgung mit diesen Gütern geführt hat. Die Wettbewerbsunternehmen versuchen in dieser Situation, dem wachsenden Wettbewerbsdruck und den sinkenden Gewinnspannen durch weitere Kosteneinsparungen insbesondere durch Fusionen mit anderen Unternehmen zu begegnen. Andererseits zeigt das im Zuge der allgemeinen Energieverteuerung hohe Preisniveau bei Energieversorgern, dass der Wettbewerb hier noch nicht zum Zuge gekommen ist und nicht ausreichend zur Preisdämpfung der Versorgungspreise beiträgt.

201

So hat in der Vergangenheit das Bundeskartellamt die großen Ferngasgesellschaften aufgefordert, mit den Stadtwerken die Laufzeiten der Verträge zeitlich zu begrenzen, damit Preisschwankungen auch an die Endverbraucher weitergegeben werden können und der Wettbewerb der Anbieter zum Zuge kommt. Die Öffnung der langfristigen Gaslieferverträge soll durch eine Untersagungsverfügung des Bundeskartellamtes für alle Lieferverträge an diejenigen Stadtwerke durchgesetzt werden, die überwiegend nur von einem Energieversorger beliefert werden (konkret: Die Lieferverträge der Stadtwerke, die 80 Prozent und mehr ihres Gases von nur einem Lieferanten bekommen, sollen nicht länger als zwei Jahre laufen dürfen; bei Kunden, die 50 Prozent und mehr Gas von einer Adresse beziehen, soll die maximale Laufzeit vier Jahre betragen); vgl. hierzu www.faz.net vom 27.09.2005.

308

3.3

IV Markt- und Preistheorie

Monopolistischer Wettbewerb

Der Begriff „monopolistischer Wettbewerb“ vereint Monopol- und Konkurrenzelemente (“monopolistic competition”202). Er ist eine Form des unvollständigen Wettbewerbs und geht von unvollkommenen Märkten aus, auf dem vor allem nahe Substitute, d. h. weitgehend austauschbare Güter gehandelt werden, die sich jedoch in einzelnen Merkmalen unterscheiden. Grundsätzlich bestehen Produktpräferenzen der Nachfrager. Auch die Markttransparenz der Kunden ist in der Regel eingeschränkt. Oft stehen sich in dieser Marktform viele kleine bzw. auch gleichgroße Anbieter gegenüber. Beispiele sind Einzelhändler, Handwerker, Freiberufler, einige Dienstleistungsbereiche, Gaststätten oder Anbieter von PCs und Tankstellenbetreiber. Die PAF der Anbieter dieser Marktform hat den in Abb. IV-26 dargestellten doppelt geknickten Verlauf. Abb. IV-26: Doppelt geknickte Preis-Absatz-Funktion des monopolistischen Wettbewerbs in einer Gewinnsituation

P(X) P1 (X)

Grenzkosten

DK(X)

Cournotpunkt

P*(X)

Preisautonomer Spielraum

Stückgewinn B

P2 (X) E X1

X* Grenzerlös

X2

Preis-AbsatzFunktion X

Der doppelte Knick erklärt sich wie folgt: Aufgrund der Präferenzen der Nachfrager für ihren jeweiligen Anbieter und der eingeschränkten Preistransparenz kann ein Anbieter den Preis seines Produkts innerhalb einer gewissen Preisspanne variieren (in der Abb. IV-26 zwischen P1(X) und P2(X)), ohne dass er bei Preiserhöhungen 202

Das Konzept des monopolistischen Wettbewerbs wurde maßgeblich durch die englische Nationalökonomin Joan Robinson (1903 – 1983) und ihr erstes, im Jahre 1933 veröffentlichtes Hauptwerk “The Economics of Imperfect Competition” sowie durch den amerikanischen Nationalökonomen Edward H. Chamberlin (1899 – 1967) und sein 1933 veröffentlichtes Hauptwerk “Theory of Monopolistic Competition“ geprägt.

3 Marktverhalten und Marktergebnisse

309

viele Kunden an die Konkurrenz verliert oder bei Preissenkungen von dieser gewinnt. Jeder Anbieter eines Gutes X hat eine Art “Stammkundschaft”, die ihm z. B. wegen Qualität, Service, Kundendienst, Standort oder nur aus Gewohnheit “treu” bleibt203. Hier spielen also die unterschiedlichen Präferenzen der Nachfrager eine entscheidende Rolle. Gleichzeitig besteht bei den Nachfragern oft eine geringe und ungenügende Markttransparenz (z. B. aufgrund des empfundenen „Wirrwarrs“ der Telefongebühren). Wie groß die Preisspanne ausfällt, innerhalb derer ein Anbieter seinen gewinnmaximalen Preis autonom wie ein Monopolist gestalten kann, hängt von der Intensität der Präferenzen, d. h. der Stärke der Kundenbindung an den jeweiligen Anbieter und der Höhe der Markttransparenz ab. Je ausgeprägter die Präferenzen sind, desto größer ist der Spielraum für die Unternehmen zur Preiserhöhung, ohne dass sofort eine Abwanderung der Nachfrager zur Konkurrenz einsetzt. Werden diese Preisgrenzen überschritten (z. B. oberhalb von P2(X) oder unterhalb von P1(X)), reichen die Präferenzen nicht mehr aus, um die Kunden an ihren Anbieter zu binden und die PAF verläuft sehr elastisch wie im Fall der vollständigen Konkurrenz. Bei einer Preisüberschreitung von P1(X) würden viele Nachfrager (auch Stammkunden) zu anderen Anbietern ausweichen. Andererseits könnten bei einem Preis unterhalb von P2(X) aufgrund der relativ preiselastischen Nachfrage (ehemalige Kunden der Konkurrenz) viele zusätzliche Kunden gewonnen werden. Dies ist aber ökonomisch solange nicht sinnvoll, wie diese hohe zusätzliche Nachfrage aufgrund der relativ geringen Größe des Anbieters nicht befriedigt werden kann bzw. die zusätzliche Nachfrage nur mit deutlich gesunkenen Preisen gewonnen werden kann. Wichtig ist es daher für den Anbieter, den “mittleren Bereich” mit Hilfe seines akquisitorischen Potenzials (Erich Gutenberg) zu festigen und ggfs. sogar auszubauen. Dazu stehen eine Reihe von betrieblichen Marketinginstrumenten zur Verfügung, wie z. B. Werbung, Produktdifferenzierung, die geeignete Wahl der Vertriebswege bis hin zur Knüpfung persönlicher Kontakte zu den Kunden. Aufgrund der Präferenzen der Nachfrager hat jeder Anbieter somit innerhalb dieser Preisspanne die Stellung eines “Quasi-Monopolisten” und kann die Preise bzw. die Absatzmengen wie im Monopol gemäß der Regel „Grenzerlös = Grenzkosten“ gewinnoptimal gestalten. Die Anbieter können Preis- und/oder Mengenpolitik betreiben, haben aber oft wegen ihrer vergleichsweise geringen Größe keinen signifikanten Einfluss auf das Marktgeschehen. Die Aktivitäten der Anbieter werden daher zwar von den (potentiellen) Konkurrenten wahrgenommen, unmittelbare Reaktionen 203

So haben nach dem Wegfall des Monopols im Telekommunikationssektor neue Wettbewerber erst allmählich im größeren Maß Kunden vom ehemaligen Monopolisten „Deutsche Telekom“ oder von anderen neu entstandenen Mitwerbern abwerben können, weil der Wechsel mit Widerständen und Problemen verbunden war oder die Kunden aufgrund von Präferenzen den Wechsel nicht vollzogen. Ähnlich verhält es sich im Versorgungsbereich. Durch die vorgenommene Novellierung des Energiewirtschaftsgesetzes soll es bei Strom- und Gaskunden ab 2012 zu Verbesserungen im Anbieterwechsel kommen. Der Wechsel muss zukünftig innerhalb von drei Wochen vollzogen sein.

310

IV Markt- und Preistheorie

bleiben aber i. d. R. aus, da diese Aktivitäten die Absatzsituation der Konkurrenz aufgrund der geringen Größe der Unternehmen und der vorhandenen Präferenzen nicht wesentlich beeinträchtigen. Trotz der Existenz von Konkurrenten orientiert sich der Anbieter daher zumindest vorrangig – wenn nicht ausschließlich – am Verhalten der Nachfrager. Allerdings verläuft im monopolistischen Bereich bei jedem Anbieter die PAF im Vergleich zur Nachfragefunktion des Monopols flacher, da einzelne Kunden – wenn auch nur im geringeren Umfang – zwischen den Anbietern wechseln können (dies ist im Monopol nicht möglich, so dass in Abhängigkeit vom Preis nur die Gesamtzahl der Kunden und nicht der Marktanteil variiert). Wettbewerbselemente: Kennzeichnend für die monopolistische Konkurrenz ist die Möglichkeit des Marktzutritts für andere Unternehmen, sofern diese auf einem Markt Gewinne erzielen. Diese fallen immer dann an, wenn der gewinnmaximale Preis im Cournotpunkt oberhalb der totalen Durchschnittskosten liegt (vgl. P*(X) in Abb. IV-26). Der relativ hohe Marktpreis signalisiert bei gegebenen Kosten eine vergleichsweise günstige Gewinnsituation, die bei der gewinnmaximalen Absatzmenge X* graphisch der Fläche des Rechtecks ((P*(X) - DK(X)) • X*) entspricht204. Der hohe Gewinn und die Wettbewerbsstruktur des Marktes locken mittel- und längerfristig zusätzliche Anbieter zum Markteintritt an, so dass die „neuen“ Anbieter im Laufe der Zeit Marktanteile zu Lasten der „alten“ Anbieter auf sich ziehen.205 Infolgedessen verschiebt sich die PAF eines bereits auf dem Markt bestehenden Anbieters immer weiter nach links. Diese Verschiebung hält so lange an, wie noch ein Gewinn erzielt wird, d. h. der Preis über den Durchschnittskosten liegt. Ist der Gewinn abgebaut, tangiert schließlich die Durchschnittskostenkurve die PAF im Cournotpunkt206 (Abb. IV-27). Der Markteintritt neuer Anbieter würde auf diese Weise dafür sorgen, dass im Extremfall alle Gewinne „wegkonkurriert“ werden und die Unternehmen nur noch den in den Stückkosten kalkulierten „Unternehmerlohn“ erhalten. Zudem ist aber auch der wichtige Aspekt zu beachten, dass die Konkurrenz der Anbieter immer danach strebt, durch kostengünstigere Produktionsprozesse auf dem Markt Gewinne zu erzielen. Dies hat zur Folge, dass sich infolge des technologischen Fortschritts und der verbesserten Produktionsbedingungen die Grenzkostenfunktion immer weiter nach rechts (bzw. nach unten) verschiebt, was es ermöglicht,

204 205

206

Die Differenz (P*(X) - DK(X)) stellt den Stückgewinn bei einer Produktions- und Absatzmenge X* dar, vgl. hierzu die Ausführungen in Kapitel III.2.5.2. Die folgende Modelldarstellung geht auf den Ökonomen Edward Chamberlin zurück, weswegen das Modell auch als Chamberlin-Modell bezeichnet wird; seine Annahmen sind freier Marktzutritt für alle Anbieter und gleiche Kostenverläufe bei allen Anbietern. Es sei darauf aufmerksam gemacht, dass es unter diesen Umständen nicht möglich ist, im Betriebsoptimum zu produzieren, da das Minimum der Durchschnittskosten nicht zum Tangentialpunkt der Nachfragekurve werden kann!

311

3 Marktverhalten und Marktergebnisse

eine immer größere Gütermenge zu sinkenden Preisen anzubieten (Cournotpunkt verschiebt sich nach rechts). Abb. IV-27: Doppeltgeknickte Preis-Absatz-Funktion des monopolistischen Wettbewerbs (bei Gewinn = 0) P(X)

Grenzkosten

DK P1 (X) Cournotpunkt

Preisautonomer Spielraum

P* (X) E P2 (X)

Preis-AbsatzFunktion

Grenzerlös

X1

X*

X2

X

In der Wirtschaft vollzieht sich auf diese Weise ein ständiger Prozess des “schöpferischen Wandels” im Sinne des österreichischen Nationalökonomen Alois Schumpeter (1883 – 1950), der das Bild der dynamischen und innovativen Unternehmung umfassend beschrieben hat. Er weist darauf hin, dass nur innovative, erfolgreiche Unternehmen sich auf dem Markt behaupten können und dass wirtschaftliche Entwicklung und Innovation zu Strukturwandel führen. Die Schaffung neuer Güter und die Erschließung neuer Märkte setzen in der Regel voraus, dass zumindest ein oder nur wenige Anbieter auftreten, die dann auch die “Früchte ihrer Arbeit einfahren können”. Es muss genügend Unternehmen geben, die dazu bereit sind, Wettbewerbsvorstöße zu unternehmen. Dies müssen jedoch nicht in jedem Fall große Anbieter sein. Auch mittelständische Unternehmen haben vielfach nicht nur national, sondern auch international die Nase vorn („hidden champions“). Dies gilt insbesondere auf Nischen- und Spezialmärkten. Durch niedrige Markteintrittsbarrieren wird daher sichergestellt, dass nur die produktivsten Unternehmen „überleben“. Erzielt ein Unternehmen z. B. durch seine überlegene Technologie oder seine kostengünstigere Produktion dauerhaft hohe Gewinne, so werden andere Unternehmen (unter Beachtung eventuell bestehender Patente) versuchen, diese Bedingungen nachzuahmen oder noch bessere Verfahren zu entwickeln. So muss sich ein bestehendes Unternehmen zum Vorteil der Nachfrager stets durch innovative, kostengünstige Produkte oder Verfahren auf einem Markt behaupten (vgl. Übersicht. IV-9). Der Erzielung von Gewinnen und Verlusten kommt daher eine entscheidende Bedeutung in einer Marktwirtschaft zu. Sie kann als wichtiger marktwirtschaftli-

312

IV Markt- und Preistheorie

cher Sanktionsmechanismus angesehen werden. Gewinne stellen einen Anreiz zur Einführung von technischen Neuerungen dar. Das Unternehmen, welches zuerst kostensenkende Neuerungen einführt, erzielt einen „Pioniergewinn“. Dieser Gewinn wird in dem Maße abgebaut, wie „Nachahmer“ auf den Markt treten. Dadurch werden zumindest langfristig auch die weniger innovativen Unternehmen gezwungen, Neuerungen einzuführen, weil sonst der erzielbare Preis ihre Kosten nicht mehr deckt. Unternehmen, die hingegen dauerhaft unter ihrem „break-even-point“ produzieren, müssen vom Markt ausscheiden. Übersicht IV-9: Dynamik des Wettbewerbs Vorsprungsgewinne von Pionierunternehmen

Reaktion der Konkurrenten

keine, oder unwirksam

Imitation

Dauerhafte Wettbewerbsbeschränkung

Abbau temporärer Vorsprungsgewinne durch Wettbewerb

Innovation

Quelle: In Anlehnung an: Frank, W.: Volkswirtschaftslehre. Grundlagen, Berlin 1996, S. 83 .

Vergleich von vollständiger Konkurrenz und monopolistischer Konkurrenz: Wie aus Abb. IV-27 ersichtlich, produzieren die Unternehmen mit einer Produktionsmenge, die kleiner ist als die Produktionsmenge im Betriebsoptimum. Eine die Durchschnittskosten minimierende Produktionsmenge wird als „effiziente oder optimale Unternehmens- und Betriebsgröße“ bezeichnet, die aber bei monopolistischer Konkurrenz im Unterschied zur vollständigen Konkurrenz nicht erreicht wird. Insofern wird die monopolistische Konkurrenz auch mit dem Bestehen von Überkapazitäten in Verbindung gebracht; die bei monopolistischer Konkurrenz angebotene Menge fällt kleiner aus als die bei vollständiger Konkurrenz sich herausbildende Angebotsmenge. Ein weiterer Unterschied ergibt sich bei dem in beiden Modellen realisierten gewinnmaximalen Absatzpreis. Er liegt bei der monopolistischen Konkurrenz (Preis > [Grenzerlös = Grenzkosten]) höher als bei vollständiger Konkurrenz (Preis = Grenzkosten). Insoweit versorgt – ebenso wie das Monopol – die monopolistische Konkurrenz den Markt sowohl von der Produktionsmenge als auch vom Preis schlechter als die vollständige Konkurrenz. Allerdings ist zu bedenken, dass die Vielfalt der Anbieter in der monopolistischen Konkurrenz (heterogener

3 Marktverhalten und Marktergebnisse

313

Markt) auch gegenüber dem homogenen Markt der vollständigen Konkurrenz einen Versorgungsvorteil und damit einen Wohlfahrtsgewinn bedeuten kann. Vertiefungsaufgabe IV-8: In der Realität ist der monopolistische Wettbewerb eine häufig zu beobachtende Marktform. Beschreiben Sie das Anbieterverhalten eines kleinen Softwareunternehmens im Rahmen der “doppelt geknickten Preis-Absatz-Funktion”!

3.4

Oligopole und Unternehmenskonzentration

3.4.1

Messung der Unternehmenskonzentration

In der Praxis sind auf vielen Märkten (teil-)oligopolistische Strukturen anzutreffen. Unter einem Oligopol wird eine Marktform verstanden, bei der wenige Unternehmen den Markt dominieren. Mit dieser Entwicklung geht eine aus wettbewerbspolitischer Sicht bedenkliche Konzentration an Marktmacht von Unternehmen einher. Zur Messung der empirischen Anbieterkonzentration stehen unterschiedliche, meist sehr einfach konzipierte Maßzahlen zur Verfügung, die auf die Erfassung der absoluten oder der relativen Konzentration abstellen207. Eine der gebräuchlichsten Maßzahlen zur Erfassung der absoluten Konzentration von Unternehmen ist die sogenannte „Konzentrationsrate“208. Diese erfasst z. B. für die Größen „Wertschöpfung“, „Umsatz“, „Beschäftigung“ den Anteil der gesamten Wertschöpfung (oder des gesamten Umsatzes bzw. der gesamten Beschäftigung), der auf eine kleine Anzahl von Merkmalsträgern (hier: Unternehmen oder Unternehmensgruppen) entfällt. So ist es z. B. üblich, den Wertschöpfungsanteil (Umsatzbzw. Beschäftigtenanteil) der 50 oder 100 größten Unternehmen einer Branche zu ermitteln. Diese Analyse wird auch aggregierte Konzentration genannt und führt für die untersuchten 50 bzw. 100 größten Unternehmen zu speziellen Konzentrationsraten, die als „CR-50“ bzw. „CR-100“ bezeichnet werden (CR = competition ratio). Auf Basis der Daten des Statistischen Bundesamtes209 wurden für die Jahre 2006 und 2008 der Umsatzanteil (Beschäftigtenanteil) der 50 bzw. 100 größten deutschen Unternehmen des Bergbaus und des Verarbeitenden Gewerbes am gesamten Umsatz 207

208

209

Zu einer anschaulichen Übersicht über die Konzentrationsmaße und ihre statistische Erfassung vgl. Bleymüller J.; Gehlert, G.; Gülicher, H.: Statistik für Wirtschaftswissenschaftler, 15. Auflage, München 2008, S. 191ff. Die Konzentrationsrate trägt auch die folgenden synonymen Bezeichnungen: Konzentrationsgrad, Konzentrationskoeffizient, Konzentrationsverhältnis. Die Rate wird auch als „CR = competition ratio“ bezeichnet. Die Werte von CR schwanken zwischen 0% und 100%, wenn CR als Prozentangabe berechnet und formuliert wird. Vgl. Statistisches Bundesamt, Fachserie 4, Reihe 4.2.3., Konzentrationsstatistische Daten für das Verarbeitende Gewerbe, den Bergbau und die Gewinnung von Steinen und Erden sowie das Baugewerbe, Jahr 2007/2008, Wiesbaden 2010, S. 55 (im Folgenden zitiert: Statistisches Bundesamt, Konzentrationsstatistische Daten 2010). Die Daten für das Jahr 2006 ergeben sich aus der analogen Veröffentlichung 2008.

314

IV Markt- und Preistheorie

(an den gesamten Beschäftigten) aller Unternehmen ermittelt (vgl. Tab. IV-4, oberen Teil). Für das Konzentrationsmaß CR -50 betragen die Umsatzanteile 33,0% (2006) bzw. 30,4% (2008), und für das Konzentrationsmaß CR -100 lauten die Umsatzanteile 38,4 % (2006) bzw. 36,2 % (2008), d. h. die CR -Werte bewegen sich zwischen 30,4 und 38,4 % je nach Jahr und Aggregation. Die CR-Werte für die Beschäftigtenanteile schwanken zwischen 16,9 % und 21,5 %. Insgesamt zeigen die Kennzahlen, dass für die Unternehmen des Verarbeitenden Gewerbes in der Klassifikation der Wirtschaftszweige vor allem im Hinblick auf den Umsatz eine erhöhte absolute Konzentration vorliegt. Das Problem der Konzentrationsrate besteht darin, dass die Höhe der Konzentration davon abhängt, wie viel Unternehmen in die Konzentrationsrate aufgenommen werden, d.h. welcher Teil der insgesamt vorliegenden Informationen verarbeitet wird. Daher steht mit dem sogenannten Herfindahl-Hirschmann-Koffizienten210 (auch Herfindahl-Index genannt) ein weiteres absolutes Konzentrationsmaß zur Verfügung, das alle Informationen verarbeitet und daher keinen subjektiven Einflüssen bei der Auswahl der zu betrachtenden Merkmalsträger ausgesetzt ist. Darüber hinaus besitzt der Herfindahl-Index eine Reihe weiterer positiver Eigenschaften. Hierzu gehört vor allem, dass sein Wert sich nicht verändert, wenn zusätzlich Merkmalsträger mit unbedeutendem Merkmalsbetrag in die Betrachtung einzubeziehen sind.211 Der Herfindahl-Index ist wegen seiner sehr einfachen Berechnungsweise und guten Interpretierbarkeit ebenfalls sehr gebräuchlich (z. B. Konzentrationsmessung durch die Monopolkommission212 oder durch das Statistische Bundesamt). Bei n Merkmalsträgern und minimaler Konzentration nimmt er den Wert (1000/n) und bei maximaler Konzentration den Wert 1000 an (bei Normierung auf 1000). Absolute Konzentrationsmaße besitzen den Nachteil, dass die relative Konzentration der untersuchten Merkmalsträger, z. B. die relative Konzentration der betrachteten 50 oder 100 Unternehmen unberücksichtigt bleibt. Eine bestimmte Konzentrationsrate wie z. B. CR-100 = 38,4% (s. oben) kann dadurch zustande kommen, dass der auf die 100 größten Unternehmen entfallene Umsatz sich auf wenige der 100 Unternehmen konzentriert oder dass er sich eher gleichmäßig verteilt. Diesem Problem wird durch relative Konzentrationsmaße entsprochen wie z. B. dem normierten Gini-Koeffizienten, der auch als Lorenz-Münzer-Konzentrationsmaß bezeichnet 210

211

212

Der Herfindahl-Hirschmann-Koffizienten bezieht im Unterschied zur Konzentrationsrate alle Merkmalsträger in den Index ein und verwendet quadrierte Werte für die Anteile der Merkmalsbeträge. Zur Formel für den Herfindahl-Hirschmann-Koeffizienten vgl. Statistisches Bundesamt, Konzentrationsstatistische Daten 2010, S. 9. Diese Eigenschaft besitzt das im Folgenden vorgestellte relative Konzentrationsmaß nach Lorenz-Münzer (auch normierter Gini-Koeffizient genannt) leider nur nach einer entsprechenden Korrektur, die aber dazu führen kann, dass subjektive Aspekte in der praktischen Umsetzung wirksam werden. Vgl. die verschiedenen Hauptgutachten der Monopolkommission, die auch zahlreiche weitere Daten zur Unternehmenskonzentration enthalten.

3 Marktverhalten und Marktergebnisse

315

wird. Im Unterschied zu den absoluten Konzentrationsmaßen versuchen die relativen Konzentrationsmaße213 auch die prozentuale Verteilung des Merkmalsbetrages (Wertschöpfung, Umsatz, Beschäftigten) auf die Merkmalsträger (Unternehmen oder Unternehmensgruppen) zu erfassen. Eine hohe relative Konzentration (die allerdings absolut sehr klein sein kann) liegt vor, wenn ein Großteil des gesamten Merkmalsbetrags (z. B. Umsatz) auf einen kleinen Anteil der Unternehmen entfällt.214 Für das Verarbeitenden Gewerbes und den Bergbau wurden in der Abgrenzung der Wirtschaftszweige des Warenverzeichnisses 2008 (WZ 2008) der HerfindahlHirschmann-Koeffizient (HHK) und der normierte Gini-Koeffizient (NGK) für Unternehmen ausgewählter Wirtschaftszweige ermittelt (vgl. Tab. IV-4, u. Hälfte). Während der untere Wert des Gini-Koeffizienten „null“ beträgt (keine Konzentration), nähert sich der obere Wert asymptotisch dem Wert „eins“ an (maximale Konzentration). Für HHK errechnet sich je nach der Anzahl der einbezogenen Unternehmen eine jeweils andere Untergrenze, die in der Tab. IV-4 ausgewiesen ist. Die errechneten Koeffizienten lassen insbesondere für die Herstellung von Kraftwagen etc. (WZ-29) und Kokereien/Mineralölverarbeitung (WZ-19) hohe relative Konzentrationen von 0,93 bzw. 0,88 für NGK erkennen, die sich bei den Kokereien/Mineralölverarbeitungen auch in einer hohen absoluten Konzentrationszahl von HHK wiederfindet. Ansonsten weisen die relativen Konzentrationszahlen Werte zwischen 0,6 und 0,8 auf, die für die Ebene der hoch aggregierten Zweisteller des WZ eine deutliche Konzentration in den Unternehmen des Verarbeitenden Gewerbes anzeigen.

213

214

Vgl. hierzu Bleymüller u.a., a. a. O., S. 194 f. Die Werte für den Herfindahl-HirschmannKoeffizienten werden vom Statistischen Bundesamt auf 1000 normiert, vgl. Statistisches Bundesamt, Konzentrationsstatistische Daten 2010, S. 9. Zur Beurteilung der relativen Konzentration wird auch häufig die Lorenzkurve herangezogen, bei der auf der Abszisse die kumulierten Anteile der Merkmalsträger (z. B. Unternehmen) und auf der Ordinate die kumulierten Anteile am gesamten Merkmalsbetrag (z. B. Umsatzanteile) abgetragen werden. Vgl. z.B. Bleymüller u.a., a. a. O., S. 193 f. Ist der Merkmalsbetrag auf die Merkmalsträger gleichverteilt, verfügen also z. B. die 10% der umsatzschwächsten Merkmalsträger über 10% der Merkmalsbetrages, so liegt die Kombination von relativer Zahl der Merkmalsträger und relativem Merkmalsbetrag auf einer 45°-Linie; die Lorenzkurve stimmt dann mit der Hauptdiagonalen überein. Je höher der relative Konzentrationsgrad, desto mehr weicht die Lorenzkurve von dieser Hauptdiagonalen ab, und die Fläche zwischen der Hauptdiagonalen und der Lorenzkurve nimmt zu. Der bereits angeführte normierte Gini-Koeffizient versucht die relative Konzentration in einer Kennzahl zum Ausdruck zu bringen. Er ermittelt sich als Quotient der Fläche zwischen der Hauptdiagonalen und der Lorenzkurve einerseits und der Dreiecksfläche zwischen der Hauptdiagonalen und den Koordinaten andererseits und nimmt Werte zwischen 0 (vollkommene relative Gleichvert.) und (n-1/n)(maximale Konzentration) an. Der Gini-Koeffizient besitzt einige Nachteile. So verändert sich z. B. sein Wert, wenn zusätzliche Unternehmen mit unbedeutendem Merkmalsbetrag in die Betrachtung aufgenommen werden. Da die anderen vorgestellten Konzentrationsmaße auch ihre spezifischen Probleme aufweisen, sind die verschiedenen Maße mit Vorsicht zu interpretieren und in ihrer Gesamtheit zu bewerten.

316

IV Markt- und Preistheorie

Tab. IV-4: Konzentrationsmaße für den Bergbau und das Verarbeitende Gewerbe 1) sowie Wirtschaftszweige 1) in Deutschland 2006 und 2008 die j Unternehmen mit der höchsten Merkmalsausprägung j = 50 j = 100

Umsatz

Beschäftigte

a)

CR*j 2006 2008 33,0 30,4 38,4 36,2

CR*ja) 2006 2008 17,6 16,9 21,5 20,8

a) CR*j = Kumulierte Merkmalsanteile der j größten Unternehmenseinheiten, gemessen am gesamten Merkmalsbetrag aller Unternehmen; mit: [ 0 < CR*j < 100]

WZ 2008, Wirtschaftszweige (Auszug) e) 08 Gew. v. Steinen u.Erden, etc. 10 Herstellung v. Nahrungs-, Futterm. 11 Getränkeherstellung 12 Tabakverarbeitung 13 Herst. v. Textilien 14 Herst. v. Bekleidung 15 Herstellung von Lederwaren 16 Herstellung von Holz etc. 17 Herstellung von Papier etc. 18 Herst. von Druckerzeugnissen etc. 19 Kokerei, Mineralölverarb. 20 H.v.chemischen Erzeugnissen 21 Herst. v. pharmaz. Erzeugn. 22 Herst. v. Gummi u. Kunststoffwaren 23 Herstellung v. Glaswaren etc. 24 Metallerzeugung u.-bearbeitung 25 H. v. Metallerzeugnissen 26 H. v. DV-Geräten etc. 27 H. v. elektron. Ausrüstungen 28 Maschinenbau 29 H.v.Kraftwagen u. Kraftwagenteilen 30 Sonst.Fahrzeugbau 31 H. v. Möbeln

Anzahl 2008 354 4573 508 21 711 340 145 998 806 1495 47 1149 243 2686 1509 935 6419 1588 1862 5424 1053 217 973

b)

c)

NGK

2008 0,59 0,83 0,73 0,77 0,62 0,7 0,73 0,68 0,7 0,64 0,88 0,81 0,81 0,7 0,68 0,82 0,67 0,81 0,82 0,77 0,93 0,85 0,71

d)

HHK

2008 11,82 3,2 14,44 197,08 6,45 22,89 67,31 5,33 6,4 4,01 248,46 26,33 42,81 4,63 3,87 19,62 1,25 19 60,99 7,28 94,2 77 14,64

d)

HHK unten oben 3 0 2 48 1 3 7 1 1 1 21 1 4 0 1 1 0 1 1 0 1 5 1

1000 1000 1000 1000 1000 1000 1000 1000 1000 1000 1000 1000 1000 1000 1000 1000 1000 1000 1000 1000 1000 1000 1000

1) Die Abgrenzung der Wirtschaftszweige erfolgt nach der Klassifikation der Wirtschaftszweige, Ausg. 2003 (WZ 2003) für das Jahr 2006 bzw. Ausg. 2008 (WZ 2008) für 2008. Quelle: Statistisches Bundesamt, Konzentrationsstatistische Daten 2010 (2008), a. a. O., S. 55, Tab. 1.1, S. 56 ff. Tab. 1.2 sowie eigene Berechnungen.

b) Anzahl der Unternehmen in der Abgrenzung WZ 2008 c) NGK = normierter Ginikoeffizient [ 0 < NGK < (n-1)/n] für 2008; d) HHK = Herfindahl-Hirschman-Koeffizient (HHK) für n Unternehmen; mit: [ 1000/n < HHK < 1000]; Jahr 2008 e) nur Auszug, ferner: Konzentrationszahlen für W.-zweige 05, 06 nicht verfügbar

3 Marktverhalten und Marktergebnisse

317

Die Konzentration einer Wirtschaft kann grundsätzlich auf verschiedenen Ebenen gemessen werden. Sie kann in einzelnen Wirtschaftsbereichen (s. Tab. IV-4), bei Gütergruppen oder auf den relevanten Märkten eines Gutes erfolgen. Die Konzentrationsmessung auf einzelnen relevanten Märkten ist trotz der rechentechnisch einfachen Verfahren empirisch mit erheblichen Abgrenzungsschwierigkeiten verbunden. Problematisch ist vor allem, dass Wirtschaftsbereiche bzw. Güterklassen nicht notwendigerweise den relevanten Markt, d. h. den Bereich „wirksamer Konkurrenz“ definieren. Der relevante Gütermarkt umfasst alle jene Erzeugnisse und/oder Dienstleistungen, die vom Verbraucher hinsichtlich ihrer Eigenschaften und Preise sowie ihres vorgesehenen Verwendungszweckes als austauschbar oder substituierbar angesehen werden. Die Abgrenzung dieses Marktes ist im Einzelfall schwierig: Gibt es z. B. einen Markt für bestimmte Mittelklassewagen, d. h. z. B. für eine bestimmte Marke oder müssen alle Anbieter von Mittelklassewagen berücksichtigt werden. In diesem Fall wäre der relevante Markt zur Erfassung der Konzentration weiter gefasst. Darüber hinaus ist aber auch die regionale Abgrenzung des Marktes zu erfassen. Stehen z. B. die auf den europäischen Markt strömenden chinesischen Kompaktwagen in Konkurrenz zu den europäischen Modellen? Je nach Beantwortung dieser Abgrenzungskriterien kann die statistisch gemessene Konzentration – unabhängig von der rechentechnischen Problematik – sehr unterschiedlich ausfallen. Vertiefungsaufgabe IV-9: Wie lässt sich die Unternehmenskonzentration messen? Mit welchen Schwierigkeiten ist diese Messung in der Praxis verbunden?

3.4.2

Grundzüge der Preisbildung im Oligopol

Liegt die Marktform eines Oligopols vor, so treten wenige, i. d. R. „größere“ Anbieter miteinander auf einem vollkommenen Markt (homogener Markt und Markttransparenz) oder unvollkommenen Markt (heterogener Markt oder fehlende Markttransparenz) in Konkurrenz. In welcher Beziehung die Oligopolisten dabei zueinander stehen, hängt von der jeweiligen Marktsituation und der Vollkommenheit des Marktes ab. Das Spektrum der Verhaltensweisen der Oligopolisten reicht vom ruinösen Wettbewerb, bei dem ein Wettbewerber den anderen zu verdrängen sucht, bis hin zu informellen und formellen Absprachen, bei dem ein gleichförmiges Verhalten in Analogie zur monopolartigen Situation angestrebt wird. Dies deutet bereits an, dass das Oligopol als eine häufig vorkommende Marktform in seiner konkreten Ausgestaltung sehr unterschiedlich ausfallen kann. Bevor diese Marktform in ihren Grundzügen näher erörtert wird, sollen zur besseren Abgrenzung von anderen Marktformen die Charakteristika dieser anderen Marktformen nochmals kurz zusammengefasst werden: Der Anbieter in der vollständigen Konkurrenz (homogenes Polypol) kann nur die Menge variieren. Preispolitik ist nicht möglich; das Verhalten der Konkurrenz fließt in die Entscheidungen eines Polypolisten nicht ein.

318

IV Markt- und Preistheorie

Der Monopolist ist alleiniger Anbieter auf dem Markt und kann entweder den Preis oder die Menge bestimmen. Bei der Realisierung der gewinnmaximalen Produktionsmenge hat er allein das Nachfrageverhalten zu beachten, da es Konkurrenten ex definitione nicht gibt. Die Marktform der monopolistischen Konkurrenz eröffnet dem Anbieter innerhalb gewisser Grenzen einen autonomen Entscheidungsbereich über die Produktionsmenge oder den Absatzpreis. Wegen des geringen Marktanteils der Anbieter dieser Marktform erfolgen die Entscheidungen der Unternehmen der monopolistischen Konkurrenz aber unabhängig voneinander und beeinflussen sich nicht gegenseitig. In allen drei Marktformen haben Verhaltensweisen der Konkurrenten somit keine Auswirkungen auf das Verhalten des betrachteten Unternehmens. Anders verhält es sich im Oligopol: Hier hat jeder Marktteilnehmer durchaus einen Einfluss auf das Marktgeschehen. Dieser Einfluss lässt sich mit der relativen Größe und Bedeutung jedes Anbieters begründen. Damit rücken auch die Verhaltensweisen der Marktteilnehmer in den Vordergrund (Reaktionshypothesen). Bei welcher absoluten Anzahl (5, 7 oder 10) oder ab welchem relativen Marktanteil (15, 20 oder 25%) ein solches Gewicht gegeben ist, dass eigene Handlungen des Unternehmens zu Gegenreaktionen bei den Konkurrenten führen, kann a-priori nicht bestimmt werden. Dies hängt u. a. auch von der Einschätzung der Anbieter und dem Umfang ihrer Aktivitäten am Markt ab. Generell gilt, dass der Oligopolist – im Gegensatz zum kleinen Unternehmen oder zum Alleinanbieter – nicht nur die Reaktion der Nachfrager berücksichtigen muss, sondern auch die fühlbare Reaktion seiner Mitwettbewerber, d. h. ein Oligopolist kämpft sozusagen an zwei Fronten. Die Aussage: “Wir rechnen damit oder erwarten, dass sich die Konkurrenz so oder so verhält” drückt diesen Sachverhalt aus. Im Oligopol liegt damit eine Interdependenz des Verhaltens der Oligopolisten vor; es wird auch von „Reaktionsverbundenheit“ der Oligopolisten gesprochen. Das mikroökonomische Kernproblem der Verhaltensanalyse von Oligopolen besteht demnach in der Bildung sinnvoller Aktions- und Reaktionshypothesen über das Konkurrenzverhalten sowie in der Formulierung eigener Strategien, um die unternehmenspolitischen Zielsetzungen erreichen zu können. Die Intensität der wechselseitigen Abhängigkeit wird zum einen durch die qualitative Beschaffenheit des Oligopols geprägt: Auf homogenen Märkten (homogenes Oligopol) mit ähnlichen Produkten dürfte der Wettbewerb stärker ausgeprägt sein und andere Verhaltensreaktionen der Konkurrenten auslösen als auf heterogenen Märkten (heterogenes Oligopol). Im heterogenen Oligopol ist – wie noch näher ausgeführt wird - innerhalb gewisser Grenzen ein autonomes Verhalten der Anbieter ähnlich wie in der Marktform der monopolistischen Konkurrenz möglich.

3 Marktverhalten und Marktergebnisse

319

Zum anderen hängt die Reaktionsverbundenheit von der Anzahl der Oligopolisten ab. Handelt es sich um eine größere Anzahl von Oligopolisten, so wird von einem weiten Oligopol gesprochen. Es grenzt sich von der Marktform der monopolistischen Konkurrenz vor allem durch die Reaktionsverbundenheit der Unternehmen ab. Solange die für das Oligopol typische Aktions-Reaktions-Verbundenheit auf Rivalität beruht, liegt Wettbewerb vor (kompetitives Oligopol). Diese Reaktionsverbundenheit kann sich bei abnehmender Anbieterzahl (enges Oligopol) stark erhöhen. Andererseits kann aufgrund der überschaubaren kleinen Anzahl der Anbieter, insbesondere auf „reifen“ Oligopolmärkten, wo die Oligopolisten einander „kennen“, eine Gruppensolidarität eintreten, die an die Stelle des Wettbewerbs tritt. Dazu bedarf es keiner engen Kontakte oder gar formaler Absprachen. In der Regel reicht eine durch die laufende Erfahrung gesicherte Erkenntnis der bestehenden Aktions-ReaktionsVerbundenheit, um sich spontan zur Verfolgung gemeinsamer Interessen zu solidarisieren (Kollusionsoligopol). Dies soll später noch näher erläutert werden. Die Ausführungen machen deutlich, dass aufgrund der Fülle möglicher Aktions- und Reaktionshypothesen sowie unternehmensstrategischer Zielfunktionen eine große Zahl von Oligopolmodellen denkbar ist. In neuerer Zeit werden zudem oligopolistische Strategien auch im Rahmen spieltheoretischer Ansätze215 abzubilden versucht. Im Folgenden sollen aus den klassischen Oligopolmodellen zwei spezielle Varianten herausgegriffen werden, die für das Verständnis oligopolistischer Verhaltensweisen von zentraler Bedeutung sind. Dies ist zum einen die Theorie der einfach geknickten Nachfragefunktion, die für homogene Oligopolmärkte abgeleitet wurde. Zum anderen wird auf heterogenen Märkten die Reaktionsverbundenheit der Oligopolisten durch eine doppelt geknickte Nachfragefunktion beschrieben, die auf Erich Gutenberg, den Begründer der deutschen Betriebswirtschaftslehre in der Nachkriegszeit, zurückgeht. Beide Nachfragefunktionen sollen im Folgenden näher erläutert werden. Einfach geknickte Preis-Absatz-Funktion im homogenen Oligopol: Bei der Ableitung der PAF wird zunächst ein homogenes, weites Oligopol unterstellt. Es bietet ein Gut (z. B. PKW der Marke X) an, für das aufgrund der Homogenitätsannahme stark substitutive Güter am Markt existieren. Die in Abb. IV-28 dargestellte PAF 1 ist die PAF dieses Oligopolunternehmens beim Preisniveau P1(X), bei dem die Menge X1 abgesetzt werden kann. Im Mittelpunkt der nachfolgenden Überlegungen steht die Hypothese, dass das betrachtete Unternehmen bei Preisänderungen mit asymmetrischen Verhaltensweisen der Konkurrenten rechnen muss. Wie im Folgenden näher erläutert wird, sieht sich der Oligopolist einer (einfach) geknickten Preis-Absatz-Funktion gegenüber (vgl. Abb. IV-28): Erhöht der Oligopolist den Preis seines Gutes z. B. von P1(X) auf P3(X), rechnet er mit einem Rückgang der 215

Zu einem Überblick über die Spieltheorie vgl. Kapitel II.5.

320

IV Markt- und Preistheorie

Absatzmenge auf X3. Hierbei geht der betrachtete Oligopolist davon aus, dass bei der Preiserhöhung die anderen Anbieter nicht „mitziehen“, so dass sich seine Absatzmenge deutlich zugunsten der Konkurrenz verschlechtert. Der betrachtete Oligopolist würde nur dann von der Preiserhöhung profitieren, wenn auch die anderen Anbieter gleichzeitig ihre Preise erhöhten (graphisch: Verlängerung der PAF „A-E“ nach oben über die Knickstelle hinaus; hier nicht dargestellt). Preiserhöhungen stellen daher eine risikoreiche Strategie dar. Erfahrungen auf oligopolistisch strukturierten Märkten (z. B. Mineralöl) zeigen, dass es in der Regel erst bei generellen Verteuerungen (z. B. durch einen überproportionalen Anstieg der Arbeitskosten in der gesamten Branche oder durch massive Rohstoffverteuerungen, wie sie seit einiger Zeit zu beobachten sind) zu geschlossenen und gleichförmigen Anpassungen der Preise an die gestiegenen Stückkosten kommt. Senkt das betrachtete Oligopolunternehmen hingegen den Preis auf P2(X), dann könnte der Absatz auf X2 erhöht werden, wenn die Preise der Konkurrenzprodukte unverändert auf ihrem Ausgangsniveau blieben (dies entspricht graphisch einer Bewegung auf der PAF 1 von Punkt A nach Punkt C). Der betrachtete Oligopolist nimmt aber an, dass eigene Preissenkungen die Konkurrenten gleichfalls zu Preissenkungen veranlassen, damit diese ihre Marktanteile nicht verlieren. Somit erwartet das betrachtete Unternehmen, dass sich die PAF 1 zur PAF 2 verschiebt. Nicht die Menge X2, sondern lediglich die geringere Menge X'2 kann realisiert werden. Dieser Prozess würde sich bei weiteren Preissenkungen fortsetzen. Abb. IV-28: Geknickte Preisabsatzfunktion im weiten Oligopol P(X)

D P3 (X)

B A

P1 (X)

C

P2 (X)

PAF 1 PAF 2 E

X3

X1 X‘2 X2

X

Sofern auf oligopolistisch strukturierten Märkten konkurrierende Anbieter bei Preissenkungen eines Unternehmens „mitziehen“, kann sich im Extremfall auch ein ruinöser Preiskampf entwickeln, der den Gewinn für alle schmälert. Es ist daher aus Sicht eines Oligopolunternehmens durchaus rational, ganz auf Preissenkungen zu verzichten. Aufgrund der subjektiv erwarteten Knickstelle (oberer Bereich der PAF

321

3 Marktverhalten und Marktergebnisse

sehr preiselastisch, unterer Bereich sehr preisunelastisch) kommt es infolgedessen in der Knickstelle A zu einer Preisstarrheit (d. h. mangelnder Flexibilität der Preise nach „unten” und „oben“), wie sie auf manchen Oligopolmärkten zu beobachten ist. Die Tendenz zur Preisstarrheit dürfte umso stärker sein, je stärker der Knick von den Oligopolisten erwartet wird, d. h. je stärker ein Oligopolist bei Preissenkungen mit Reaktionen der Konkurrenten rechnen muss. So dürften z. B. im engen Oligopol aufgrund der hohen Marktanteile der einzelnen Anbieter die preispolitischen Maßnahmen der Konkurrenz schnell wahrgenommen werden und preispolitische Gegenreaktionen auslösen. Das Phänomen der Preisstarrheit im Oligopol wird nochmals anhand nachfolgender Abb. IV-29 erläutert, die die Grenzerlösfunktion enthält. Diese hat wegen der Knickstelle der PAF in Punkt A eine Sprungstelle bzw. eine Unbestimmtheitsstelle, die dazu führt, dass bei leichten Verschiebungen der Grenzkostenfunktion (= Veränderungen der Angebotsbedingung des Oligopolisten) sich weder die gewinnmaximale Menge X0 (Grenzerlös = Grenzkosten im Punkt B) noch der Preis P0(X) ändern. Abbildung IV-29: Preisstarrheit im Oligopol P(X)

Grenzerlös

A = Knickstelle der PAF = asymmetrische Reaktion A

P0 (X)

B Grenzkosten X0

PAF des Oligopolisten X

Doppelt geknickte Preis-Absatz-Funktion im heterogenen Oligopol: Wird nicht ein homogener, sondern ein heterogener Oligopolmarkt betrachtet, auf dem in der Regel die Markttransparenz nur unvollständig ausgebildet ist, so dürfte die Reaktionsverbundenheit der Oligopolisten in gewissen Preisbereichen eingeschränkt oder nicht vorhanden sein (reaktionsfreier Bereich). Der reaktionsfreie Bereich ist Ausdruck bestehender Präferenzen der Kunden für die Produkte des betrachteten Oligopolisten oder auch für Produkte der Konkurrenz. Dieser Bereich gilt aber nur innerhalb gewisser Preisgrenzen: Senkt ein Oligopolist seinen Preis geringfügig (z. B. von P1(X) nach P2(X) in Abb. IV-30), so wird er die Nachfrager der Konkurrenz (aufgrund ihrer Bindungen an die Konkurrenz) nur im geringen Umfang gewinnen können. Die Nachfrage des den Preis senkenden Oligopolisten reagiert also sehr preisunelastisch. Erst wenn die Preissenkungen größer ausfallen und gewisse

322

IV Markt- und Preistheorie

Preisschwellen unterschritten werden, kann die Bindung der Kunden an die Konkurrenz durchbrochen werden. Die Nachfrage könnte dann deutlich zunehmen (preiselastischer Nachfrageverlauf), wenn dies die Konkurrenz nicht ihrerseits durch preispolitische Reaktionen unterbinden würde. Reagiert aber die Konkurrenz, so würden die Preise allgemein sinken, ohne dass die einzelnen Oligopolisten eine größere Nachfrage auf sich ziehen könnten. Aufgrund der erwarteten Preisreaktionen der Konkurrenz geht der betrachtete Oligopolist daher davon aus, dass von ihm angestrebte Preissenkungen nur eine unwesentlich veränderte Nachfrage bei deutlich gesunkenem Marktpreis zur Folge hätten (siehe sehr unelastischen Nachfrageverlauf unterhalb des reaktionsfreien Bereichs der PAF in Abb. IV-30). Aufgrund der erwarteten Knickstelle der PAF unterbleiben folglich Preissenkungen, so dass im unteren Bereich der PAF auch Preisstarrheiten i. d. R. vorherrschen dürften. Abb. IV-30: Preisabsatzfunktion im engen Oligopol P(X)

P3 (X)

Preisautonomer Spielraum, reaktionsfreier Bereich

P1 (X) P2 (X)

Preisstarrheit wegen erwarteter Reaktion der Konkurrenz Preis-Absatz-Funktion X3 X1

X X2

Möchte demgegenüber ein Oligopolist seinen Preis geringfügig erhöhen (z. B. auf P3(X)), so wird er aufgrund der bei seinen Kunden bestehenden Präferenzen für seine Produkte zunächst nur wenig Nachfrager an die Konkurrenz verlieren. Der Oligopolist sieht sich also bei gemäßigten Preiserhöhungen wiederum einem preisunelastischen Bereich gegenüber. Erst bei weiteren Preiserhöhungen wechseln die Nachfrager zur Konkurrenz, so dass nun die Nachfrage einbricht und sehr preiselastisch verläuft. Die Preis-Absatz-Funktion weist somit in diesem Modell – wie auch in der Situation des monopolistischen Wettbewerbs – einen doppelten Knick auf (siehe Abb. IV-30), der aber im unteren Bereich aufgrund der Reaktion der Konkurrenz sehr unelastisch verlaufen kann. Der Verlauf der doppelt geknickten PAF, insbesondere die Länge des autonomen Preissetzungsspielraums, wird durch die Intensität der Präferenzen der Nachfrager und die Höhe der Markttransparenz auf Seiten der Anbieter geprägt (inwieweit erkennen die Oligopole die Strategie der Konkurrenten?). Angesichts der Unvollkommenheit dieses Marktes stehen die Unternehmen mit Preissetzungsmacht bzw. Preissetzungsspielräumen häufig vor dem Problem

3 Marktverhalten und Marktergebnisse

323

der Preisfindung. In der Praxis – z. B. im Handel – ist deshalb oft das mark-up bzw. cost-plus-pricing verbreitet. Dazu werden die durchschnittlichen variablen Stückkosten geschätzt und um einen entsprechenden Aufschlag ergänzt, der die Deckung der anteiligen Fixkosten und einen „angemessenen“ Gewinn erlauben soll. Kollusionsoligopol: Neben den bisher dargestellten konkurrierenden Strategien der Oligopolisten könnte auf homogenen oder heterogenen Märkten aber auch die Strategie eines gleichförmigen Verhaltens realisiert werden. Sie ist für die Oligopolisten im Vergleich zur konkurrierenden Strategie, die bis hin zum ruinösen Wettbewerb führen kann, wesentlich risikoärmer. Dies bedeutet, dass bei Preisänderungen die anderen Oligopolisten diese nachvollziehen, so dass die PAF keinen Knick aufweist. Insbesondere in der überschaubaren Situation des engen Oligopols könnten die Abstimmungskosten für ein derartiges gleichförmiges Verhalten sehr niedrig ausfallen. Es entstehen dann Anreize zu einem gleichförmigen Preisverhalten, das auch über informelle Preisabsprachen erfolgen kann. In diesem Fall liegt die Situation eines Quasi-Monopols vor, bei dem sich die Oligopolisten in ihrer Gesamtheit auf die gewinnmaximale Cournot-Lösung des Monopols verständigen. Allerdings setzt dies auch voraus, dass die vereinbarten Mengen insgesamt von den einzelnen Anbietern nicht überschritten werden, d. h. diese Gesamtmenge unter den Anbietern aufgeteilt wird und sie sich trotz der profitablen Preise an diese vorher festgelegte Quote halten. Derartige Mengenvereinbarungen schaffen ein Quotenkartell, wie es z. B. bei der OPEC der Fall ist (vgl. Abb. IV-31) sowie die dort dargestellten Strategien). In der Vergangenheit haben die Mitglieder oder Nichtmitglieder der OPEC wie z. B. Russland die hohen Preise immer wieder für höhere Fördermengen genutzt, so dass niedrigere Preise216 realisiert wurden (z. B. Umsatzmaximum im Punkt K2, Grenzerlös = 0). Die nach dem Wettbewerbsgesetz nicht zugelassenen Preisabsprachen werden in der Praxis des engen Oligopols häufig dadurch umgangen, dass es zu einer informellen Preisführerschaft eines Oligopolisten kommt. Die informelle Preisführerschaft wird i. d. R. vom marktbeherrschenden Oligopolisten, d. h. dem kostengünstigsten und/ oder einem großen Anbieter eingenommen. Er besitzt aufgrund seiner wettbewerbsstarken Position eine dominierende Stellung, und seinem Verhalten werden daher die anderen Anbieter – auch aus Furcht vor ruinösem Wettbewerb – folgen. So hat es z. B. in der Automobilindustrie immer wieder gleichförmiges Preiserhöhungsverhalten nach dem Muster dieser Preisführerschaft gegeben. Auch das Preisverhalten der Tankstellen folgt häufig diesem Prinzip. Die Wahrscheinlichkeit, dass die Preiserhöhung eines Preisführers unmittelbar und dauerhaft von den anderen Anbietern nachvollzogen wird, erscheint insbesondere dann für den Preisführer als sehr aussichtsreich, wenn Kostenänderungen die Anbieter eines Oligopols gleichzeitig und ungefähr im gleichen Ausmaß treffen. Aufgrund des Risikos von Preisstrategien sowie aufgrund der Labilität von Absprachen lässt sich auf realen Oligopolmärkten 216

In der Situation des homogenen Polypols (Referenz) würde der P unkt K3 realisiert.

324

IV Markt- und Preistheorie

häufig beobachten, dass an die Stelle des aktiven Preiswettbewerbs folgende, weniger transparente absatzpolitische Strategien in den Vordergrund treten: Produktdifferenzierung (Erschließung neuer Marktsegemente); Qualitäts- und Präferenzwettbewerb, z. B. Werbung/Kommunikation, Distribution (Vertriebsformen/-systeme), produktbezogene Dienstleistungen (Kundendienst, Finanzdienstleistungen). Vor allem der Produktwettbewerb bietet im Vergleich zum Preiswettbewerb den Vorteil einer nachhaltigen und längerfristigen Beeinflussung der Marktanteile: Die Reaktionszeiten der Konkurrenten sind im Produktwettbewerb i. d. R. länger als im Preiswettbewerb, da die Produktdifferenzierung sorgsam vorzubereiten und schwieriger nachzuvollziehen ist (z. B. Entwicklung eines neuen PKWs); Die Produktpolitik zielt damit primär auf die längerfristige Sicherung und Erhöhung der Marktanteile; produktpolitische Maßnahmen dienen der Schaffung von Nachfragepräferenzen, Erschließung von neuen Marktsegmenten und der Schaffung von zusätzlichen Spielräumen, um die gegenseitigen Abhängigkeiten auf Oligopolmärkten zu verringern. Abbildung IV-31: Fallbeispiel OPEC

P(X)

P1 (X) P2(X) P3 (X)

K1

K2

K3

Grenzerlös

Marktangebot (Grenzkosten) Marktnachfrage (PAF)

X1 X2 X3

X

Quelle: In Anlehnung an Hardes, H.-D., Schmitz, F.: a.a.O., S. 243 .

Zur abschließenden Beurteilung des Oligopols im Vergleich zu den anderen Marktformen siehe auch Übersicht IV-10. Vertiefungsaufgabe IV-10: a) Vielfach lässt sich beobachten, dass z. B. Mineralöl- und Automobilkonzerne die Preise für ihre Güter erhöhen und andere Anbieter dann „mit- oder nachziehen”. Beschreiben Sie wichtige Elemente der Preisbildung im Oligopol anhand der bekannten “doppelt geknickten Preis-Absatz-Funktion”. Worin besteht das Risiko einer autonomen aktiven Preispolitik? b) „Größere Anbieter auf Oligopolmärkten neigen eher zu Formen eines Produktwettbewerbs statt eines aktiven Preiswettbewerbs”. Wie kann diese These begründet werden?

*) siehe nächste Seite PAF entspricht der Marktnachfragefunktion; Verlauf der Nachfragefunktion bestimmt den Preis (Cournotpunkt) PAF eines Anbieters verläuft elastischer als PAF im Monopol; Ursache: Nachfrager wechseln bei Preisvariationen zur Konkurrenz einfach geknickte PAF; Preisstarrheit doppelt geknickte PAF; preisautonomer Spielraum; Preisstarrheit im unteren Bereich der PAF

¾ ein Anbieter, einmaliges Produkt

¾ viele kleine Anbieter/ Nachfrager; ¾ kein homogenes Produkt, d.h. es bestehen Präferenzen für Produkte oder Anbieter (unvollkommener Markt)

¾wenige Anbieter ¾vollkommener Markt

¾weniger Anbieter ¾ unvollkommener Markt

monopolistische Konkurrenz

homogenes Oligopol

heterogenes Oligopol

(Mengenanpasserverhalten, d.h. zu gegebenem Preis können kleine Anbieter jede Menge absetzen)

Monopol

Polypol auf vollkommenem Markt für jeden einzelnen Anbieter verläuft PAF horizontal

Verlauf der Nachfragefunktion eines Anbieters (Preisabsatzfunktion, PAF)

(vollständige Konkurrenz)

Kennzeichen

¾ viele kleine Anbieter/ Nachfrager ¾ homogene Güter, keine Präferenzen ¾ unendl. Reaktionsgeschwindigkeit ¾ keine Transportkosten, vollständige Information insgesamt: für die einzelnen Anbieter ist der Preis vorgegeben (Mengenanpasserverhalten)

Marktform

Übersicht IV-10: Marktformen im Vergleich

hängt vom Verhalten der Oligopolisten ab

hängt vom Verhalten der Oligopolisten ab

im unelastischen Bereich wie im Monopol

Grenzerlös = Grenzkosten (Preis: Cournotpunkt)

Grenzerlös = Grenzkosten; da Preis vorgegeben, gilt somit Preis = Grenzkosten (Grenzkostenregel)

Bedingung für Gewinnmaximum

hängt von der Strategie ab*)

hängt von der Strategie ab*)

Konkurrenz reagiert nicht, da Marktanteil klein; aber Nachfrager wechseln Anbieter

aktuell keine Konkurrenz, kein angreifbarer Markt;

keine, da Marktanteil jedes einzelnen Anbieters sehr klein, alle Anbieter insgesamt bestimmen Preis (Angebot = Nachfrage)

Reaktion der Konkurrenz

3 Marktverhalten und Marktergebnisse 325

326

IV Markt- und Preistheorie

*) denkbare Strategien wären: Strategie 1 (Extremsituation 1): alle Oligopolisten handeln in formeller oder informeller Absprache (Kollusionsoligopol) = Kartell (Beispiel: OPEC); Oligopolisten agieren insgesamt wie ein Monopolist; Problem: Kartell muss gewinnmaximale Menge auf einzelne Anbieter aufteilen (Quoten); Anbieter müssen sich über Quoten einig sein; siehe derzeitige Bemühungen um Aufteilung der Ölfördermengen in der OPEC;

Strategie 2 (Extremsituation 2): Oligopolisten versuchen im Preiskampf andere Oligopolisten vom Markt zu verdrängen und Monopolsituation zu erreichen (ruinöser Wettbewerb, Preiskampf; ansatzweise z. B. bei Discountmärkten in der Lebensmittelbranche zu beobachten); Sonstige Strategien: liegen zwischen Strategie 1 und 2; Oligopolisten treten als Konkurrenten auf; u. a. wegen ungewisser Reaktion der Konkurrenz eventuelle Preisänderungen nicht sinnvoll (sogenannte Preisstarrheiten auf homogenen Oligopolmärkten). Liegen inhomogene Güter vor, so ähnelt die Situation der monopolistischen Konkurrenz mit Ausnahme der Tatsache, dass nun auch das Verhalten der Konkurrenz in die eigene Strategie einzubeziehen ist; dann Vielzahl von Strategien möglich; sie werden z.T. im Rahmen der sogenannten Spieltheorie diskutiert.

V

Marktversagen und die Rolle des Staates

1

Überblick: Staatliche Allokations-, Distributions- und Stabilisierungspolitik

Die auf Märkten gehandelten Güter werden als private Güter bezeichnet. Ihnen lassen sich individuelle Eigentumsrechte zuordnen. Die privaten Güter weisen Preise auf, denen eine wichtige Lenkungs- und Selektionsfunktion beim optimalen Güterund Faktoreinsatz zukommt. Neben den privaten Gütern gibt es in einer Volkswirtschaft aber auch Güter, bei denen nur teilweise die noch näher zu beschreibenden Eigenschaften privater Güter gegeben sind und daher der optimale Gütereinsatz beeinträchtigt ist. Zu diesen Gütern zählen sogenannte Allmendegüter (auch freie oder gesellschaftliche Güter genannt, wie z. B. Fische im Meer) und sogenannte Monopolgüter (auch Clubgüter genannt, wie Kulturveranstaltungen etc.). Als weitere Gütergruppe lassen sich öffentliche (kollektive) Güter anführen, die keinen Preis aufweisen und durch den Staat unentgeltlich bereitgestellt werden. Beispiele für öffentliche Güter sind innere oder äußere Sicherheit (Landesverteidigung), ein öffentliches Feuerwerk oder ein Leuchtturm etc. Darüber hinaus gibt es private Güter, die zwar auf einem Markt gehandelt werden und einen Preis aufweisen, die aber auf der Angebotsseite nicht alle Kosten der Produktion oder auf der Nachfrageseite nicht den gesamten Nutzen aus dem Konsum erfassen. In diesem Fall wird bei der Produktion oder dem Konsum privater Güter von der Existenz externer Effekte gesprochen. Externe Effekte bewirken, dass die auf dem Markt sich bildenden Preise und damit auch die Angebots- bzw. Nachfragemengen verzerrt sind. Externe Effekte, Allmende-, Clubgüter und öffentliche Güter beeinträchtigen oder verhindern eine optimale Bereitstellung dieser Güter durch den Markt (sogenannte Marktmängel oder Marktversagen) und machen staatliche Eingriffe erforderlich. Darüber hinaus kann Marktversagen und damit staatliches Eingreifen in den Markt durch eine unzureichende Wettbewerbsordnung (Monopole, Kartelle etc., vgl. Kapitel IV.) hervorgerufen werden. Im Rahmen der Wettbewerbspolitik zielt der Staat darauf ab, über die optimale Gestaltung marktwirtschaftlicher Rahmenbedingungen die Vorteile des Wettbewerbs zur Geltung zu bringen und marktbeherrschende Positionen einzelner Unternehmen zu vermeiden. Marktversagen kann aber auch bei asymmetrischer, d.h. ungleicher Informationsverteilung auf der Anbieter- bzw. Nachfragerseite zustande kommen, wie die mit dem Nobelpreis für Wirtschaft des Jahres 2001 gekrönten Arbeiten von George

328

V Marktversagen und die Rolle des Staates

Akerlof, Michael Spence und Joseph Stiglitz gezeigt haben. Sehr bekannt ist z. B. der von Akerlof beschriebene Automarkt, auf dem PKWs mit unterschiedlichen Produktqualitäten, die aber nur den Verkäufern, nicht jedoch den Käufern bekannt sind, gehandelt werden. In diesem Fall der asymmetrischen Informationsverteilung kann der Automarkt längerfristig zusammenbrechen, obwohl der Güteraustausch für beide Marktteilnehmer durchaus vorteilhaft wäre. Ob in diesen Fällen staatliches Einschreiten (z. B. durch Behörden oder Verbraucherschutzorganisationen etc.) Abhilfe schaffen kann, hängt vom Einzelfall ab. Da der Staat durch seine Eingriffe auf eine optimale Bereitstellung (= Allokation) öffentlicher Güter bzw. privater Güter hinwirken möchte, wird diese Art der Staatstätigkeit auch als Allokationspolitik bezeichnet. In den folgenden Kapiteln 2 bis 4 werden die Allokationsprobleme und die Probleme des Marktversagens bei Allmendegütern, Monopolgütern und öffentlichen Gütern (Kap. V.2), „externen Effekten“ (Kap. V.3) und „asymmetrischen Informationen“ (Kap. V.4) näher erläutert. Zuvor soll aber noch ein Gesamtüberblick über die staatlichen Aktivitäten in einer Sozialen Marktwirtschaft gegeben werden. Wie bereits gezeigt, lassen sich staatliche Eingriffe in einer Marktwirtschaft allokativ begründen. Darüber hinaus hat der Staat aber auch Funktionen im Bereich der Verteilung (Distribution) und im Rahmen der wirtschaftlichen Stabilisierung der Volkswirtschaft (z. B. antizyklische Fiskalpolitik in Boom- bzw. Rezessionsphasen) wahrzunehmen. Im Rahmen der Einkommenspolitik versucht der Staat, die durch den Marktprozess bedingten Einkommensverteilungen zu korrigieren, die nicht mit den geltenden Distributionszielen (= personelle, regionale oder sektorale Verteilung von Einkommen und Vermögen in einer Volkswirtschaft) übereinstimmen. Die letzten Armuts- und Reichtumsberichte der Bundesregierung217 zeigen, dass Einkommen und Vermögen in Deutschland sehr ungleich verteilt sind. Derzeit verfügen die untersten 40% der Einkommensbezieher (der Nicht-Vermögenden) über weniger als 20% des Gesamteinkommens (weniger als 1,5% des gesamten Nettovermögens). Demgegenüber besitzen die obersten 10% der Einkommensbezieher (der Vermögenden) über knapp 20% des Gesamteinkommens (knapp 30% des gesamten Nettovermögens). In diesen Zahlen kommt eine starke Ungleichverteilung zum Ausdruck, die durch progressiv wirkende Steuern bereits abgeschwächt wurde. Auch die nachfolgende Abbildung V-1 des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung lässt eine starke Ungleichverteilung der Einkommen erkennen. Ohne staatliche Umverteilungsmaßnahmen in Form einer progressiven Einkommensteuer oder durch Eingriffe in die Preisbildung bei Faktoren und Gütern (z. B. Mindestlöhne, Höchstpreise im Wohnungssektor) wäre diese Einkommens- und Vermögensungleichverteilung noch extremer ausgefallen. 217

Vgl. die Materialbände zu den Armuts- und Reichtumsberichten der deutschen Bundesregierung; im Jahr 2008 hat die Bundesregierung ihren 3. Armuts- und Reichtumsbericht vorgelegt.

1 Überblick: Staatliche Allokations-, Distributions- und Stabilisierungspolitik

329

Abbildung V-1: Haushalte 2009 nach Einkommensklassen1) und Verteilung der verfügbaren Einkommen, der Erwerbseinkommen und der Einkommen aus Vermögen und selbstständiger Arbeit (Angaben in %)

Quelle: Brenke, K.; Einkommensverteilung schwächt privaten Verbrauch, in: DIW-Wochenbericht, Nr. 8/2011, Berechnung auf Basis des Sozioökonomischen Panels des DIWs Grundsätzlich sind die von der Einkommenspolitik ausgehenden negativen Rückwirkungen auf die Bereitstellung von Gütern (Allokation) oder auf die wirtschaftliche Entwicklung einer Volkswirtschaft (wirtschaftliche Stabilität) zu beachten. Eine zu starke Umverteilung beeinträchtigt die marktwirtschaftliche Leistungsbereitschaft und hemmt die Wachstumsdynamik. Andererseits ist eine zu große Ungleichverteilung aus sozialen Gründen abzulehnen; zudem gefährdet sie den sozialen Frieden und die politische Stabilität einer Volkswirtschaft, was sich wiederum negativ auf die wirtschaftliche und soziale Entwicklung auswirken kann. Daher ist das Ausmaß der Umverteilung in einer Sozialen Marktwirtschaft je nach der Leistungsfähigkeit der Volkswirtschaft und den Umverteilungsnotwendigkeiten sorgfältig auszuloten.

330

V Marktversagen und die Rolle des Staates

Die Tendenz zu einer zunehmenden Ungleichverteilung, wie sie auch in Deutschland ersichtlich ist, lässt sich u.a. wie folgt erklären: Im Zuge des technologischen Fortschritts und des Strukturwandels steigen die Qualifikationsanforderungen an die Beschäftigten und Selbständigen und erhöht sich die finanzielle Kluft zwischen den innovativ Erfolgreichen und den wirtschaftlich Schwächeren. Zudem profitieren im Zuge der „schöpferischen Zerstörung“ eines Strukturwandels zunächst die Pionierunternehmen überproportional (siehe die Entwicklung in Silicon Valley), während die vom Strukturwandel Benachteiligten erst mit Verzögerung am Wachstumsprozess partizipieren. Je schneller und intensiver sich daher der Strukturwandel vollzieht, desto ausgeprägter werden sich Verteilungsunterschiede im marktwirtschaftlichen Prozess herausbilden. Gelingt es allerdings, zu starke Ungleichverteilungen durch wirtschaftlich und sozial angemessene Umverteilungen einzugrenzen, wird längerfristig die gesamte Gesellschaft von den Innovationen und den durch sie ausgelösten Produktivitätsschüben profitieren. Marktwirtschaften sind nicht zwangsläufig stabil und der Preismechanismus ist nicht immer in der Lage, bestehende Instabilitäten der wirtschaftlichen Entwicklung und damit verbundene Probleme (z. B. Arbeitslosigkeit, Inflation, wirtschaftliche Stagnation) zu beseitigen, wie sich in der jüngsten Vergangenheit anhand der verschiedenen Wirtschafts- und Finanzkrisen unmissverständlich gezeigt hat. Es stellt sich daher die Frage, ob und wie der Staat zur Stabilisierung der wirtschaftlichen Entwicklung beitragen kann. Soweit die Stabilisierung durch verbesserte marktwirtschaftliche Rahmenbedingungen erreicht werden kann, lässt sich diese Politikaufgabe der Allokationspolitik zuordnen (Verbesserung der Angebotsbedingungen der Unternehmen). Damit verbleibt jener Teil der Stabilisierungspolitik, der insbesondere auf eine Stabilisierung der Nachfrage abstellt. Allerdings greift eine derartige Auffassung von Stabilisierungspolitik zu kurz, da sie eng mit der Allokations- und Distributionspolitik verflochten ist. Die Dreiteilung der staatlichen Aufgaben geht auf den britischen Ökonomen Richard A. Musgrave zurück und ist in der nachfolgenden Übersicht V-1 im Gesamtüberblick dargestellt. Auch die weiteren drei Übersichten V-2 bis V-4 zeigen die staatlichen Aktivitätsbereiche (insbesondere die staatliche Allokationspolitik) im Gesamtzusammenhang auf. Die Übersichten machen deutlich, durch welche staatlichen Eingriffe die drei zentralen allokativen Fragen des Wirtschaftens (Fragen des „was“, „wie“ und „für wen“) erreicht werden können, wie diese Ziele in Verbindung mit den beiden weiteren Zielen des Staates, dem Distributions- und dem Stabilisierungsziel verfolgt werden, und welchen Einfluss die staatlichen Maßnahmen auf den Marktprozess (Preisbildung, Marktformen) haben.

1 Überblick: Staatliche Allokations-, Distributions- und Stabilisierungspolitik

331

Übersicht V-1: Aufgaben des Staates

Allokationsprobleme - mangelnder Wettbewerb - externe Effekte - öffentliche Güter, Allmendegüter - asymmetrische Informationen

Distributionsprobleme

- ungleiche Einkommensverteilung (personell, sektoral, regional)

Staatliche Aktivität in einer Sozialen Marktwirtschaft

Stabilisierungsprobleme - Arbeitslosigkeit - Inflation, Deflation - Boom/Rezession

Übersicht V-2: Drei zentrale Fragen des Wirtschaftens und der staatliche Einfluss

1. Was? 2. Wie?

Allokation

• externe Effekte • öffentliche Güter, Allmendegüter • asymmetrische Informationen • unzureichender Wettbewerb • verzerrte Preise (Subventionen, Steuern, Mindest-/Höchstpreise) • sonstige Rahmendaten (Gesetze)

3. Für wen?

Distribution

Was, wie, für wen?

Stabilisierung

Eingriffe des Staates

332

V Marktversagen und die Rolle des Staates

Übersicht V-3: Staatliche Eingriffe in den Marktprozess Bedürfnisse

Bedarf privater Haushalte

Nutzenmaximierung

Güternachfrage

Ansatzpunkte für staatliche Eingriffe Spannungsverhältnis (Knappheit)

Ressourcen/ Produktionsfaktoren

Märkte/Preise als Koordinierungsmechanismus

• Preisbildung • Marktstruktur • Bereitstellung öffentlicher Güter • Einkommensverteilung (Distributionspolitik)

Produktionsprozess von Unternehmen

Güterangebot Kosten

Gewinnmaximierung

Übersicht V-4: Märkte, Marktformen und Markteingriffe

Unternehmen

Märkte

Private Haushalte

Preis

Verhaltensweisen: • Monopole • Oligopole • Polypole

Existenz, Stabilität von Marktgleichgewichten

Marktergebnisse

Angebot, Nachfrage privater Güter Eingriffe in die Marktstruktur

Eingriffe in die Preisbildung

Soziale Marktwirtschaft

Staatliche Bereitstellung von öffentlichen Gütern

Korrektur der Einkommensverteilung

Vertiefungsaufgabe V-1: 1. Erläutern Sie die drei klassischen Aufgaben der Staattätigkeit. (Abgrenzung nach Musgrave) 2. Erläutern Sie den Begriff „Marktversagen“. Welche Gründe können hierzu beitragen?

2 Allemende-, Monopolgüter, öffentliche Güter

2

333

Allmende-, Monopolgüter, öffentliche Güter

Private Güter weisen einen Preis auf, zu dem sie von den Nachfragern erworben werden können. Diejenigen Konsumenten oder Produzenten, die diesen Preis nicht zu zahlen bereit sind, werden von der Nutzung der privaten Güter ausgeschlossen (sogenanntes Ausschlussprinzip). Typisch für private Güter ist zudem, dass sie nur durch eine einzelne Wirtschaftseinheit genutzt und verbraucht werden können. Kauft eine Wirtschaftseinheit beispielsweise einen ganz bestimmten Apfel und konsumiert ihn, so entsteht nur bei diesem Konsumenten, nicht aber bei allen anderen Wirtschaftsteilnehmern ein Nutzen. Diese Eigenschaft, dass nur diejenigen Wirtschaftseinheiten einen Nutzen aus dem Gut erzielen, die dieses Gut „verbrauchen“ oder „gebrauchen“, wird als „Rivalität im Konsum“ bezeichnet. Private Güter rivalisieren im Konsum. Anhand dieser beiden Eigenschaften „Ausschlussprinzip ist anwendbar oder nicht“ und „Rivalität im Konsum ist vorhanden oder nicht“ lassen sich die bereits in Kapitel V.1 kurz vorgestellten und in Übersicht V-5 dargestellten vier Güterarten grundsätzlich unterscheiden. Es sind dies neben den privaten Gütern die Allmendegüter, die Monopolgüter und die öffentlichen Güter. Auf den ersten Blick entsteht der Eindruck, dass die Eigenschaften „Anwendbarkeit des Ausschlussprinzips“ und „Rivalität im Konsum“ immer gleichzeitig auftreten. Dass dies nicht immer der Fall sein muss, lässt sich beispielsweise an den sogenannten Allmendegütern aufzeigen. Hierunter werden Gemeinschaftsgüter wie z. B. gemeinschaftlich genutzte Weideflächen in einem Dorf verstanden, die sich im gemeinschaftlichen Besitz befinden und die den Allmendemitgliedern (z. B. Gemeindemitgliedern) das Recht der kostenlosen Nutzung einräumen. Dies bedeutet, dass jedes Mitglied der Allmende freien Zugang zum Allmendegut hat, so dass das Ausschlussprinzip nicht angewandt wird. Dennoch besteht Rivalität im Konsum, weil beispielsweise die von einer Dorfgemeinde gemeinsam genutzte Weidefläche von zugangsberechtigten Schafen schnell überweidet wird. Oft finden sich Allmenden im land- oder forstwirtschaftlichen Bereich, z. B. gemeinschaftlich genutztes Weideland, gemeinschaftlich bewirtschaftete Wälder oder gemeinschaftlich genutzte Gewässer218 etc. Aber auch andere Güter, bei denen zwar das Ausschlussprinzip nicht realisiert wird, wohl aber Rivalität im Konsum besteht, werden im übertragenen Sinne als Allmendegüter oder freie Güter bezeichnet. Der218

Schlagzeilen in den Medien machten in der letzten Zeit immer wieder Privatisierungen von Seen durch die sogenannte Bodenverwertungs- und -verwaltungs GmbH (BVVG) in den neuen Bundesländern. Öffentlich zugängliche Seen können als Allmendegut (Rivalität) oder öffentliches Gut (keine Rivalität) angesehen werden, je nachdem, ob ihre Nutzung zu einer Rivalität im Konsum führt; zur Privatisierung von öffentlichen Seen vgl. z. B. Brandenburger Morgenpost vom 17. Mai 2010; http://www.morgenpost.de/brandenburg/article1148658/Verkauf_von_Brandenburger_Seen_ist_vorerst_gestoppt.html.

334

V Marktversagen und die Rolle des Staates

artige Allmendegüter finden sich häufig im Alltag: Seien es die Fische in den Weltmeeren, die frei zugänglich und daher z.T. wegen Überfischung vom Aussterben bedroht sind (z. B. spezielle Thunfische oder Wale219, die inzwischen z.T. formell geschützt sind), sei es die saubere oder stille Natur, die durch Verschmutzung oder Lärm beeinträchtigt wird, seien es allgemein zugängliche Straßen, die wegen Übernutzung durch kilometerlange Staus verstopft sind oder sei es der gemeinsam genutzte Brunnen, der durch die übermäßige Benutzung verdreckt wird und allmählich versandet. Allen Beispielen ist gemeinsam, dass ein knappes Gut, zu dem ein freier Zugang besteht (keine Anwendung des Ausschlussprinzips), gemeinsam und übermäßig genutzt wird, so dass eine effiziente und nachhaltige Ressourcenallokation nicht zustande kommt. Die intensive Nutzung des frei zugänglichen Gutes hat gravierende Schäden zu Lasten der sozialen Gemeinschaft zur Folge. Es entsteht eine suboptimale, nicht effiziente Allokation dieser Ressourcen. Eine Lösung dieses Allokationsproblems kann dadurch erfolgen, dass individuelle Nutzungsrechte für das Gut vergeben werden. Indem z. B. die kollektive Weidefläche in Parzellen aufgeteilt wird und jedes Allmendemitglied das ausschließliche Nutzungsrecht an dieser Parzelle erhält (Privatisierung von ehemals kollektiv genutzten Gütern), kann das Ausschlussprinzip realisiert werden. Eine zukunftsorientierte, ressourcenschonende Nutzung des privatisierten Gutes wäre aufgrund dieser Privatisierung denkbar. Allerdings ist diese Parzellierung mit einem gewissen Aufwand verbunden. Auch besteht in Gemeinschaften mit schwach ausgeprägten Rechtssystemen oder Rechtsempfinden die Gefahr, dass sich einzelne Allmendemitglieder bei diesem Parzellierungsprozess durch unfaire Praktiken (Bestechung, Korruption etc.) bereichern. Eine andere – eher konträre – Lösung besteht in einer verstärkten Kommunikation unter den Allmendemitgliedern, um eine exzessive, nicht nachhaltige Nutzung der Allmendegüter zu verhindern. Hier hat die Politikwissenschaftlerin Elinor Ostrom neue Ansätze der Nutzung von Gemeinschaftsbesitz aufgezeigt, die mit dem Nobelpreis für Wirtschaft im Jahre 2009 honoriert wurden. Ostrom konnte nachweisen, dass nicht strenge Regelungen durch staatliche Institutionen oder eine Aufteilung und Privatisierung der Allmendegüter (siehe das Beispiel der Weide), sondern feste, zwischen den Allmendemitgliedern getroffene Regelungen zur Allokationseffizienz beitragen. Auch wenn die Rahmenbedingungen für ein erfolgreiches Wirtschaften in Allmendegütern sich von Fall zu Fall unterscheiden, hat Ostrom dennoch einige Grundregeln aufgestellt, die bei der gemeinsamen Bewirtschaftung zu beachten sind. 219

Bereits 1946 wurde das Internationale Übereinkommen zur Regelung des Walfangs vereinbart, das durch die Internationale Walfangkommission überwacht und geregelt wird. Auf der letzten Sitzung der Walfangkommission in Agadir (Juni 2010) konnte das Verbot des Walfangs durchgesetzt werden, auch wenn einige traditionelle Walfangländer dies für eine bestimmte Frist aussetzen wollten. Vgl. Spiegel-Online vom 23.06.2010: Kommission stoppt Walfänger.

2 Allemende-, Monopolgüter, öffentliche Güter

335

Übersicht V-5: Abgrenzung Privater und Öffentlicher Güter Rivalität im Konsum Ausschlussprinzip

Ja Private Güter

Ja

Nein

• Kleidung • Autos • gebührenpflichtige Straßen mit Stau • etc.

Allmendegüter („Freie Güter“, gesell. Ressourcen) (Problem: exzessive Nutzung) • Fische im Meer • Umweltverschmutzung, • Ruhe in der Natur • öffentliche Weidefläche • verstopfte öffentliche Straße

Nein Monopolgüter (Clubgüter) (Problem: Fixkosten hoch, Grenzkosten niedrig – s. IV.3) • Bildung, Kultur (unterausgelastete Kapazitäten, Zugang über Gebühren) • Kabelfernsehen/ Rundfunk • gebührenpflichtige Straßen ohne Stau Öffentliche Güter (Kollektivgüter) (Trittbrettfahrerproblem) • öffentliches Feuerwerk • Leuchtturm • nationale Verteidigung • öffentliche Straßen ohne Stau

Anmerkung: Sofern die Rivalität im Konsum von ausschließbaren Gütern erst bei Überschreitung bestimmter Kapazitätsgrenzen auftritt - z. B. bei ausverkauften Konzerten, überfüllten Hörsälen, voll besetzten Kinos etc. - wird auch von Mischgütern gesprochen. Diese Güter besitzen bis zur Kapazitätsgrenze die Eigenschaften öffentlicher Güter und übernehmen dann bei Überschreitung dieser Grenzen den Charakter privater Güter (Rivalität im Konsum). Quelle: In Anlehnung an Mankiw, G., N.; Taylor, M.P. : Grundzüge der Volkswirtschaftslehre, 4. Auflage, Stuttgart 2008, S. 253 ff. Diese Grundregeln lassen sich auf drei zentrale Aspekte komprimieren: 1. Die Beteiligten stellen ihre Regelungen selbst auf und formulieren klare Grenzen für Verstöße. Durch gemeinschaftliche Beschlüsse sind Anpassungen im Lichte der Erfahrungen und der jeweiligen Datensituation möglich. 2. Die Regelungen werden auf ihre Einhaltung überwacht. Verstöße werden mit Strafen zügig geahndet, wobei sich das Strafmaß an der Stärke des Verstoßes orientiert.

336

V Marktversagen und die Rolle des Staates

3. Die Gemeindemitglieder sind selbst für die Regeln verantwortlich. Die Behörden unterstützen die Selbstverantwortung der Allmende. Ostrom hat ihre Erfahrungen in verschiedenen Projekten und Beobachtungen in Nepal, auf den Philippinen, in Sri Lanka sowie in den Schweizer Alpenregionen machen können. Als Resümee stellt sie fest, dass die Situation dann oft gut ausgeht, wenn „die beteiligten Menschen viel Austausch untereinander pflegen und genügend Informationen in der Hand haben. Und sie müssen dazu bereit sein, aufzupassen und Übertritte zu sanktionieren“220. Elinor Ostrom erhielt ihren Nobelpreis für Wirtschaft zusammen mit dem Forscher Oliver Williamson, der als Mitbegründer der Institutionenökonomik gilt. Unter Institutionen werden dabei keine Verwaltungsstellen oder Behörden verstanden, sondern strukturierte Regelungen und institutionalisierte Abstimmungsmechanismen, durch die zentrale Fragen des Wirtschaftens in einer Gemeinschaft gestaltet werden. Beide Forscher haben sich mit Fehlallokationen in privaten oder öffentlichen Gesellschaften auseinandergesetzt und Lösungsansätze durch private Gestaltungsregeln aufgezeigt. Williamson konzentriert sich dabei auf die Frage, wann und warum Unternehmen Aufgaben intern klären und diese nicht nach außen verlagern. Unter Einbeziehung von Transaktionskosten kann er aufzeigen, dass Unternehmen zentrale Fragen des Wirtschaftens durch vertikale Integration und durch firmeninterne Regelungen lösen. Ein Outsourcen von Aufgaben nach außen und ein Agieren auf Märkten wird wegen der Transaktionskosten vermieden. Williamson greift damit die Arbeit von Ronald Coase221 auf, der den Transaktionskostenansatz als Begründung dafür sieht, dass Unternehmen ihre wirtschaftlichen Fragestellungen intern regeln und nicht an andere Unternehmen delegieren. Damit setzten sich Coase und Williamson bereits früh mit Fragen des Outsourcings222 auseinander. Neben den Allmendegütern lassen sich als dritte Kategorie von Gütern die sogenannten Monopolgüter oder Clubgüter identifizieren. Für diese Güter gilt zwar das Ausschlussprinzip, aber seine Anwendung ist wegen fehlender Rivalität im

220 221 222

Fischermann, T.: Ran an die Fische, in: Die Zeit, Nr. 43 vom 15.10 2009. Nobelpreisträger für Wirtschaft 1991; siehe auch die Ausführungen zu den externen Effekten in Kapitel V.3. Die in den letzten Jahren verstärkt zu beobachtenden Tendenzen des Outsourcings bzw. des Offshorings widersprechen diesen Erkenntnissen grundsätzlich nicht, da die Opportunitätskosten infolge der Verringerung der Kommunikations- und damit der Transaktionskosten anders eingeschätzt wurden. Allerdings werden die mit dem Outsourcing einhergehenden Transaktionskosten in Form von Inflexibilitäten und Qualitätsproblemen inzwischen wieder nüchterner gesehen, so dass die Vorteilhaftigkeit von Outsourcing und Offshoring sehr differenziert zu beurteilen ist. Zum Begriff des Offshoring vgl. u.a. Clement, R.; Natrop; J.: Offshoring, a. a. O., S. 519 f.

2 Allemende-, Monopolgüter, öffentliche Güter

337

Konsum nicht sinnvoll223 (z. B. öffentlicher Rundfunk, öffentliches Fernsehen, wenig genutzte öffentliche Straßen, gering besetzte Busse/Straßen-/U-Bahnen, leere Hörsäle oder öffentliche Museen). Kennzeichnend für diese Güter sind hohe Fixkosten, aber nur niedrige Grenzkosten (vgl. auch die Ausführungen zu den natürlichen Monopolen im Kapitel IV). Aus wohlfahrtstheoretischer Sicht ist die Anwendung des Ausschlussprinzips bei Monopolgütern nicht sinnvoll, da die zusätzliche Nutzung kaum Grenzkosten verursacht. Es stellt sich daher aus wohlfahrtstheoretischer Sicht die Frage, ob diese Güter bei unterausgelasteten Kapazitäten und sehr niedrigen Grenzkosten – ähnlich wie dies bei natürlichen Monopolen diskutiert wird – nicht weitgehend unentgeltlich bereitgestellt und durch Steuern oder Gebühren finanziert werden sollten. Eine wichtige letzte Kategorie von Gütern bilden die sogenannten öffentlichen bzw. kollektiven Güter. Diese werden überwiegend unentgeltlich vom Staat bereitgestellt. Ihnen lassen sich Eigentumsrechte oft nur kollektiv zurechnen (z. B. Bildung, Innere Sicherheit). Öffentliche Güter sind dadurch charakterisiert, dass bei ihnen weder Rivalität im Konsum besteht, noch das Ausschlussprinzip anwendbar ist. Wird z. B. ein Stadtviertel von Einbrüchen bedroht, so wirkt sich eine stärkere Polizeipräsenz in diesem Stadtviertel sowohl auf Bürger A als auch auf Bürger B positiv aus und kein Bürger ist von diesem Schutz ausgeschlossen. Die Nichtanwendbarkeit des Ausschlussprinzips und die fehlende Rivalität haben negative Folgen für die Zahlungsbereitschaft der Bürger: In der Regel hofft jeder potentielle Nutzer des öffentlichen Gutes, dass das Gut durch andere Nutzer finanziert und bereitgestellt wird. Kein Nutzer ist freiwillig zu einer Zahlung bereit, und niemand offenbart seine Zahlungsbereitschaft (Trittbrettfahrer-Verhalten, auch free-rider-Verhalten genannt). Würde der Staat das Gut nicht durch eine eigene Produktion (z. B. öffentlich Bedienstete) oder durch die Beschaffung bei privaten Unternehmen bereitstellen und es über Zwangsabgaben (Steuern oder Gebühren) finanzieren, käme trotz eines vorhandenen Nutzens bei den Konsumenten keine Güterbereitstellung zustande (Marktversagen). Vertiefungsaufgabe V-2: 1. 2. 3. 4.

Erläutern Sie die Begriffe „Ausschlussprinzip“ und „Rivalität im Konsum“. Was verstehen Sie unter „Öffentlichen Gütern“ und welches Problem tritt hierbei auf? Was verstehen Sie unter Allmendegütern? Nennen Sie Beispiele. Welches grundsätzliche Problem ist bei Allmendegütern zu beobachten? Beschreiben Sie die Problematik an einem von Ihnen gewählten Beispiel. 5. Zeigen Sie verschiedene Lösungsansätze auf, um das Problem der Allmendegüter zu bewältigen. Gehen Sie hierzu auch auf den Lösungsansatz von Elinor Ostrom ein, und nennen Sie Bedingungen, die erfüllt sein müssen. 6. Was verstehen Sie unter Monopolgütern und worin besteht ihr Allokationsproblem? 223

Hierbei handelt es sich häufig um Güter, die hohe Fixkosten, aber niedrige Grenzkosten aufweisen. Insoweit liegt die Problematik der zuvor in Kapitel IV.3.2 beschriebenen „Natürlichen Monopole“ vor.

338

3

V Marktversagen und die Rolle des Staates

Externe Effekte von Produktion und Konsum

Allgemein gesprochen liegen externe Effekte des Wirtschaftens immer dann vor, wenn eine vom Individuum A verursachte Maßnahme sich positiv oder negativ auf andere Individuen auswirkt und dieser Effekt beim Verursacher A nicht hinreichend im Verhalten berücksichtigt wird. Externe Effekte können sich positiv oder negativ auf andere Wirtschaftsteilnehmer auswirken. Sie können sowohl in der Produktion oder im Konsum von Gütern ihre Ursache haben. Entscheidend für den Begriff der externen Effekte ist damit nicht allein, dass Produktions- und Konsumentscheidungen wechselseitige Einflüsse auf die Wirtschaftssubjekte ausüben, denn dies ist i. d. R. immer der Fall (sog. Drittwirkungen). Kennzeichnend für den Begriff „externe Effekte“ ist vielmehr, dass zumindest Teile dieser Interaktionen sich nicht über den Markt vollziehen und damit im Verhalten des Verursachers unberücksichtigt bleiben. Im Folgenden soll zunächst der Begriff der negativen externen Effekte der Produktion an einem Beispiel konkret erläutert werden, bevor anschließend eine allgemeingültige Definition negativer externer Effekte der Produktion eines Gutes formuliert wird. Vor diesem Hintergrund lassen sich sodann im Analogschluss andere negative oder positive Effekte der Produktion und des Konsums definieren, die zugleich exemplarisch in einer Übersicht dargestellt werden. Die Darstellung des Begriffs „negative externe Effekte der Produktion“ soll anhand des folgenden Beispiels erörtert werden: Es sei von zwei Unternehmen ausgegangen, die ihren Produktionsstandort jeweils direkt an einem Fluss haben und dabei auf das Wasser des Flusses zurückgreifen. Unternehmen A produziert Papier (Gut X) am Oberlauf des Flusses und verschmutzt das Wasser, während die Unternehmung B am Unterlauf des Flusses Bier (Gut Z) braut. Von der Verschmutzung des Flusses durch Unternehmen A gehen negative Effekte auf die Produktion des Gutes Z (Bier) bei der Unternehmung B aus. Die Unternehmung B muss das durch die Unternehmung A verschmutzte Wasser reinigen, damit das Wasser für die Bierproduktion eingesetzt werden kann. Die Reinigungskosten des Wassers (z. B. durch ein von B betriebenes Klärwerk) erhöhen die Kosten der Bierproduktion. Da die Reinigungskosten ursächlich der Unternehmung A zuzuordnen sind, dort aber nicht in die Kostenkalkulation einfließen, werden die Reinigungskosten als externe Kosten der Produktion des Unternehmens A bezeichnet. Wenn die Unternehmung B und nicht die Unternehmung A das Flusswasser reinigt, führen die von Unternehmung A verursachten externen Effekte zu internen Kosten bei Unternehmung B. Externe Effekte der Produktion des Gutes X liegen somit vor, wenn bei der Produktion eines Gutes X durch eine Unternehmung A neben den Kosten, die direkt diesem Gut zugeordnet werden (= interne oder private Kosten wie z. B. Lohnkosten, Kapitalkosten) auch weitere Kosten entstehen, sogenannte externe oder soziale Kosten (z. B. Verschmutzung des Wassers), die nicht in die Kostenkalkulation des Verursachers der externen Kosten (hier: Unternehmung A) einfließen. Zur Beschrei-

3 Externe Effekte von Produktion und Konsum

339

bung der insgesamt entstehenden Kosten lässt sich damit folgende Definition treffen: Gesamte Kosten der Produktion =

„private oder interne Kosten“ + „soziale oder externe Kosten“

Beseitigen die von den externen Effekten betroffenen Wirtschaftseinheiten wie z. B. das Unternehmen B (Bierbrauerei) die durch andere Unternehmen (hier: Unternehmen A) verursachten externen Effekte, so werden die externen Kosten des Gutes X bei Unternehmen A zu internen Kosten des Gutes Z bei Unternehmen B. Die externen Kosten fließen somit nicht in die Gesamtkosten (Kostenkalkulation) des Gutes X der Unternehmung A ein und werden daher weder bei der Preiskalkulation des Gutes X noch der Marktpreisbildung dieses Gutes X erfasst. Demgegenüber wird der Preis des Gutes Z durch die externen Effekte erhöht, da die durch Unternehmung A verursachten externen Effekte verursacherfremd bei der Produktion des Gutes Z als interne Kosten beim Unternehmen B auftreten. Im Gesamtergebnis sind somit die Produktionskosten (genauer: die Grenzkosten) des Gutes X zu niedrig und die Grenzkosten des Gutes Z zu hoch ausgewiesen. Dieser Sachverhalt lässt sich anhand der Abbildung V-2 näher erläutern. In dieser Abbildung werden jeweils Nachfrage- und Angebotskurven für die Güter X und Z dargestellt, wobei die Angebotskurven einmal die externen Effekte der Produktion des Gutes X verursachergerecht berücksichtigen (Angebotskurve AA1 bei Gut X und AB1 bei Gut Z) und einmal nicht verursachergerecht erfassen (Angebotskurve AA0 bei Gut X und AB0 bei Gut Z). Wird die Annahme unterstellt, dass auf den Gütermärkten die Marktform des Polypols vorherrscht, stellen die Angebotsfunktionen die Grenzkosten der Produktion der Güter X bzw. Z dar. Die Nachfragekurven beschreiben die Zahlungsbereitschaft der Güternachfrager für die jeweiligen Güter X und Z und sind Ausdruck des Grenznutzens, der jeweils von den Gütern auf die Nachfrager ausgeht. Im Folgenden sei zunächst der Sachverhalt erörtert, dass die externen Effekte nicht dem Verursacher (hier Gut X) zugeordnet werden, sondern bei anderen Gütern (hier: Gut Z) die Produktionskosten erhöhen. Diese Situation wird durch die Angebotskurve AA0 in der linken Hälfte der Abb. V-2 und durch die Angebotskurve AB0 in der rechten Hälfte der Abb. V-2 ersichtlich. In den Schnittpunkten A0 bzw. B0 der beschriebenen Angebotskurven mit den Nachfragekurven der Güter X und Z ergeben sich Gleichgewichtsmengen und Gleichgewichtspreise, die durch die externen Effekte verzerrt sind. Dies lässt sich wie folgt erkennen: Werden für diese Gleichgewichtspunkte A0 bzw. B0 jeweils die Grenzkosten der Produktion des Gutes X bzw. des Gutes Z betrachtet, die sich bei verursachergerechter Erfassung der externen Effekte ergäben, so ist ersichtlich, dass die tatsächlichen Grenzkosten der Produktion des Gutes X senkrecht oberhalb des Punktes A0 auf der Angebotsfunktion AA1 im Punkt A‘0 abzulesen sind. Ebenso sind die tatsächlichen Grenzkosten der Produktion des Gutes Z senkrecht unterhalb des Punktes B0 im Punkt B‘0 auf der

340

V Marktversagen und die Rolle des Staates

Angebotsfunktion AB1 abzulesen. Dies hat zur Konsequenz, dass ohne verursachergerechte Zuordnung der externen Effekte die tatsächlichen Grenzkosten der jeweiligen Güter X und Z nicht mit ihrem jeweiligen Grenznutzen (jeweilige Nachfragefunktion NA im Punkt A0 bzw. NB im Punkt B0) übereinstimmen. So sind im linken Bereich der Abbildung V-2 im Punkt A‘0 die tatsächlichen Grenzkosten der Produktion des Gutes X (d.h. die Grenzkosten einschließlich der externen Effekte) um die Strecke (a) höher als der Grenznutzen des Gutes X (siehe Nachfrage im Punkt A0). Umgekehrt sind im rechten Bereich der Abbildung V-2 im Punkt B‘0 die tatsächlichen Grenzkosten der Produktion des Gutes Z (d.h. die Grenzkosten ohne die externen Effekte des Gutes X) um die Strecke (b) niedriger als der Grenznutzen des Gutes Z (siehe Nachfrage NB im Punkt B0). Abbildung V-2: Internalisierung externer Effekte Gut X: verursacht externe Effekte P(X)

NA

P(X) zu niedrig

P(Z)

AA1

A‘0 A1

Gut Z: betroffen von externen Effekten AB0

NB

AA0

B0

a

P(Z) überhöht

A0

b

AB1 B1

B‘0 X überhöhte Menge X

AA1

Grenzkosten einschließlich der externen Effekte (Internalisierung der externen Effekte)

AA0

Grenzkosten ohne Einbeziehung der externen Effekte (somit: Preis P(X) zu niedrig; Menge X zu groß)

a)

Grenzkosten K‘(X) > Grenznutzen U‘(X)

Z

zu geringe Menge Z

AB1

Grenzkosten von Gut Z, nachdem externe Effekte von Gut X bei Verursacher internalisiert wurden

AB0

Grenzkosten von Gut Z einschließlich externer Effekte von Gut X ( somit: Preis P(Z) zu hoch; Menge Z zu gering)

b)

Grenzkosten K‘(X) < Grenznutzen U‘(X)

Ergebnis ohne Internalisierung: Wohlfahrteinbußen, da Grenznutzen ≠ Grenzkosten

Die Abweichungen von Grenznutzen und Grenzkosten der Güter X bzw. Z haben eine Verschwendung von Ressourcen zur Folge. So ist im Gleichgewichtspunkt A0 für den Verbraucher des Gutes X (Papier) die zusätzliche Nutzung des Gutes X mit einem Nutzen verbunden, der niedriger ausfällt als die zusätzlichen Grenzkosten des Gutes X. Umgekehrt verhält es sich bei Produkt Z (Bier) im Punkt B0: Hier bewirkt die zusätzliche Nachfrage des Gutes Z (Bier) einen Grenznutzen, der oberhalb der tatsächlich entstandenen Grenzkosten liegt. Das Auseinanderfallen von Grenznutzen und Grenzkosten hat eine ineffiziente Ressourcenallokation, d.h. eine Verschwen-

3 Externe Effekte von Produktion und Konsum

341

dung von Ressourcen und damit Wohlfahrtseinbußen in der Volkswirtschaft zur Folge. Den Angebotskurven der Abb. V-2 liegt die Marktform des Polypols zugrunde. Im Polypol werden die gewinnmaximalen Produktionsmengen durch die Preis-Grenzkostenregel bestimmt. Hierdurch schlagen sich verzerrte Grenzkosten in verzerrten Gleichgewichtspreisen und Gleichgewichtsmengen nieder, sofern die externen Effekte nicht verursachergerecht erfasst werden (vgl. die Punkte A0 u. B0 in Abb. V-2). Das Gut X wird aufgrund der Nichteinbeziehung der externen Effekte zu billig angeboten, so dass die Nachfrage des Gutes X zu hoch ausfällt. Umgekehrt verhält es sich bei Gut Z: Hier schlagen sich nicht verursachergerecht erfasste Kosten in überhöhten Preisen nieder, die die Nachfrage übermäßig dämpfen. Dieses Problem der Fehlallokation der Ressourcen infolge der externen Effekte lässt sich nur dadurch beheben, dass jedem Gut die durch seine Produktion entstandenen Kosten verursachergerecht direkt zugeordnet werden und damit (nur) die „wahren“ Produktionskosten in die Preiskalkulation der Güter X und Z einfließen. Diese verursachergerechte Erfassung der Kosten wird als Internalisierung externer Effekte bezeichnet. Die Internalisierung der Kosten hat zur Folge, dass neben den privaten Kosten auch die sozialen Kosten bei der Preisbildung berücksichtigt werden. Bevor auf die Internalisierung externer Effekte näher eingegangen wird, sollen die verschiedenen Arten externer Effekte näher beschrieben werden (vgl. Übersicht V-6). Es lassen sich externe Effekte der Produktion und des Konsums unterscheiden, die jeweils als positive oder negative externe Effekte auf andere Wirtschaftseinheiten einwirken können. Zu den positiven externen Effekten der Produktion zählen z. B. Produkt- oder Prozessinnovationen von Gütern im Zuge des technischen Fortschritts. Die Vorteile von technologischen Neuerungen kommen nicht nur dem Entwickler in Form von Kostensenkungen oder Erlössteigerungen zugute, sondern erweisen sich längerfristig für alle Verbraucher und Konkurrenzunternehmen als vorteilhaft. Ein weiteres Beispiel für positive externe Effekte der Produktion können Unternehmensleistungen sein, die positiv auf andere Unternehmen ausstrahlen. Beispielhaft genannt seien die Leistungen eines Imkers in der Honigproduktion: Die Bienen des Imkers erzeugen nicht nur seinen Honig, sondern bestäuben gleichzeitig auch die Blüten in der Umgebung, z. B. bei einem benachbarten Gärtner. Werden die externen Effekte nicht dem Imker vergütet, so fließen diese nicht in die Wirtschaftlichkeitsbetrachtung des Imkers ein. Dieser positive externe Effekt der Honigproduktion kann aber auch zum Tätigkeitsschwerpunkt von Imkern werden. So fahren z. B. in den USA Großimker ihre Honigbienen mit Trucks quer durch die Lande, um Blüten zu bestäuben. Sie reisen mit ihren Bienen beispielsweise von der Mandelblüte in Kalifornien zur Orangenblüte nach Florida und anschließend zur Apfel-

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V Marktversagen und die Rolle des Staates

blüte nach Pennsylvania, um schließlich am Ende des Jahres die Bienenvölker zur Bestäubung der Heidelbeerblüte im US-Bundesstaat Maine einzusetzen224. Übersicht V-6: Arten externer Effekte der Produktion und des Konsums Externe Effekte

der Produktion negative

positive

• Umweltver schmutzung,

• technischer Fortschritt (Produktund Prozessinnovationen, die auch andere Unternehmen nutzen können)

• Lärmbelästigung (z. B. durch Flughafen etc.) • Geruchsbelästigung

• Imker, der neben Honigproduktion auch Bestäubung von Pflanzen bewirkt

des Konsums negative • Rauchen, • Straßenverkehr • sonst. Umweltbelästigung (Rasenmäher, idyllisches Grillen mit CO2- Qualm, leidenschaftliches, stochastisches Laubsammeln mit ohrenbetäubendem Laubsauger)

positive • Impfung gegen Infektionskrankheiten • Bildung • Kultur

• EHEC – Infektion

Auch vom Konsum können vielfältige negative oder positive externe Effekte ausgehen225. Als Beispiel für negative externe Effekte seien hier die negativen Auswirkungen des Rauchens auf andere Mitbürger genannt (passives Rauchen). Auch Umweltbelästigungen, die von Freizeitaktivitäten auf andere Bürger ausgehen (z. B. Grillen, Rasenmähen oder Laubbeseitigung mit ohrenbetäubenden Laubsaugern), stellen weitere Beispiele für negative externe Effekte des Konsums dar. Positive externe Effekte bewirken, dass neben dem internen Nutzen beim Verursacher, auch ein ex224

Vgl. ZDF, Abenteuer Wissen: Mysteriöses Bienensterben von Michael Gries und Bärbel Scheele (Sendung vom 07.05.2008). 225 Wirtschaftliche Aktivitäten können gleichzeitig positive und negative externe Effekte haben, wie z. B. die Arbeiten des Kleingärtners, dessen schön angelegter Garten den Blumenliebhaber erfreut, den von Heuschnupfen geplagten Zeitgenossen aber quält. Ein weiteres Beispiel wären Open-Air-Konzerte, die die Besucher erfreuen, die Anwohner jedoch oft belästigen.

3 Externe Effekte von Produktion und Konsum

343

terner oder sozialer Nutzen für die Gesellschaft entsteht. So lindert oder verhindert z. B. eine Impfung nicht nur eine Erkrankung des Geimpften, sondern verhindert oder mindert auch ansteckende Krankheiten bei anderen Bürgern. Auch Bildung und Kultur haben vielfältige positive externe Effekte für die soziale Gemeinschaft zur Folge. Da die private Nachfrage nach diesen Gütern sich nur am eigenen direkten Nutzen, nicht aber auch am extern bei anderen Wirtschaftseinheiten entstehenden Nutzen orientiert, fragen Wirtschaftseinheiten diese Güter mit positiven externen Effekten wie Bildung, Impfung etc. grundsätzlich in zu kleinen Mengen nach. Damit kommt es auch bei positiven externen Effekten – ähnlich wie bei negativen externen Effekten – zu einer Fehlallokation von Ressourcen. Ohne eine Internalisierung der externen Effekte stimmen der totale Grenznutzen und die totalen Grenzkosten der Güter nicht überein, so dass es zu Wohlfahrtsverlusten für die Gesellschaft kommt. Dies wird beim Beispiel des Imkers dadurch ersichtlich, dass selbst bei einer Absenkung der Honigpreise die Bienenzucht ggfs. fortgeführt werden sollte, damit der positive externe Effekt der Bestäubung von Blüten erhalten bleibt. Die für die Bestäubung der Pflanzen so wichtige Bienenzucht ließe sich selbst bei niedrigen Honigpreisen dadurch sicherstellen, dass die Obstbauern oder Gärtner dem Imker für die positiven externen Effekte eine Ausgleichszahlung gewähren (Internalisierung). Ebenso ist es im Beispiel der Impfungen empfehlenswert, die positiven externen Effekte durch subventionierte oder kostenlose Schutzimpfungen der Gesundheitsämter zu fördern, so dass die Nachfrage nach den gesellschaftlich vorteilhaften Schutzimpfungen sich erhöht. Durch die Internalisierung der externen Effekte soll sichergestellt werden, dass die Wirkungen der Produktion und des Konsums nur bei den Wirtschaftseinheiten zum Tragen kommen, die diese externen Kosten oder Nutzen verursacht haben. Gehen z. B. von der Produktion eines Gutes Umweltbelastungen aus, so muss durch die Internalisierung sichergestellt werden, dass diese Belastungen beim Verursacher in die Allokation seiner Güter einfließen und nicht bei anderen Betroffenen die Allokation von Gütern verzerren. Die folgende Übersicht V-7 zeigt am Beispiel der negativen externen Effekte der Produktion verschiedene Möglichkeiten auf, externe Effekte durch private Vereinbarungen oder staatliche Regelungen zu internalisieren. Grundsätzlich sind die Marktteilnehmer in der Lage, externe Effekte durch private Verhandlungen und Ausgleichszahlungen zu internalisieren. So können die Ursachen der externen Effekte durch Maßnahmen der Beteiligten beseitigt werden, oder es können Entschädigungszahlungen erfolgen, durch die externe Kosten dem Verursacher zugeordnet werden. Die Internalisierung hat zur Folge, dass die externen Effekte nur in die interne Preiskalkulation des Verursachers einfließen. Erfolgt die Internalisierung ohne Beteiligung staatlicher Stellen ausschließlich auf privater Basis, so wird von privaten Vereinbarungen zur Internalisierung externer Effekte gesprochen. Voraussetzung für eine private Lösung ist allerdings, dass die Ursachen und Wirkungen der externen Effekte sich quantifizieren lassen und die

344

V Marktversagen und die Rolle des Staates

Zahl der Beteiligten sich in Grenzen hält. Können private Ausgleichsleistungen nicht durchgesetzt werden, sind Lösungen unter staatlicher Regie denkbar. Ein Einschreiten des Staates ist insbesondere dann erforderlich, wenn Verursacher und/oder Betroffene der externen Effekte nicht identifizierbar sind und/oder die Auswirkungen der externen Effekte auf Dritte nicht quantifiziert werden können (z. B. weil die Zahl der beteiligten Wirtschaftseinheiten zu groß ist). Der Staat hat ggfs. in dieser Situation aufgrund seiner staatlichen Hoheitsrechte eine bessere Übersicht über Ursachen und Wirkungen. Er kann Maßnahmen zur Beseitigung der Schäden (bei negativen externen Effekten) oder eine Förderung von Maßnahmen (bei positiven externen Effekten) einleiten und die Maßnahmen über eine Abgabe oder eine Mengensteuer (z. B. bei der Umweltverschmutzung durch eine CO2-Abgabe auf Treibstoffe) finanzieren bzw. deren Entstehen unattraktiv machen. Der Staat kann auch bei den privat organisierten Entschädigungsleistungen als Vermittler auftreten (indem er die Informationen bündelt) oder er kann selbst an den Geschädigten oder den Verursacher eine Ausgleichszahlung leisten226 und sich dabei über Steuern finanzieren. Schließlich kann er durch staatliche Auflagen (Ge- und Verbote), Steuern bzw. Subventionen oder durch Zertifikate eine Internalisierung der externen Kosten vornehmen. Übersicht V-7: Möglichkeiten der Internalisierung negativer externer Effekte Annahmen: Unternehmung A produziert Gut X (z. B. Papier) und verursacht negative externe Kosten (z. B. weil Papierproduktion das Flusswasser verschmutzt); Unternehmung B produziert Gut Z (z. B. Bier) und wird durch negative externe Kosten des Verursachers A belastet (z. B. weil das durch Unternehmen A verschmutzte Wasser die Produktionskosten des Bieres bei Unternehmen B erhöht). Grundsätzliche Möglichkeiten der Internalisierung externer Kosten: I. 1.

2.

3.

226

Private Vereinbarungen zur Internalisierung externer Effekte Wirtschaftseinheit A beseitigt die negativen externen Effekte durch geeignete Maßnahmen (z. B. Unternehmung A baut ein Klärwerk und reinigt das Flusswasser oder lässt nur gereinigtes Wasser in den Fluss laufen); Wirtschaftseinheit A zahlt an Wirtschaftseinheit B eine Entschädigung für die entstandenen negativen externen Effekte (Entschädigungszahlung von A an B für Reinigung des verschmutzten Wassers); Betroffene Wirtschaftseinheit B zahlt an Umweltverschmutzer A, damit A die negativen externen Effekte abstellt (z. B. damit A kein verschmutztes Wasser in den Fluss einleitet); im Rahmen des sogenannten Coase-Theorems lässt sich aufzeigen, dass auch diese Unterlassungszahlung des Geschädigten B an den Schadensverursacher A eine effiziente Güterallokation zur Folge hat (s. Ausführungen zum Coase-Theorem);

Zur Entschädigungszahlung an den Verursacher siehe den nachfolgenden Exkurs zum sogenannten Coase-Theorem.

3 Externe Effekte von Produktion und Konsum

345

Fortsetzung Übersicht V-7 II. Staatliche Regelungen zur Internalisierung externer Effekte (falls zu viele Beteiligte und Ursachenzuordnung schwierig) 1.

Internalisierung durch staatliche Maßnahmen zur Beseitigung der negativen externen Effekte, wie z. B. den Bau eines kommunalen Klärwerks, um die Wasserverschmutzung des Flusses zu beseitigen; ggfs. wird die Maßnahme dadurch finanziert, dass beim Verursacher Abgaben und Steuern erhoben werden (s. z. B. die Erhebung von Ökosteuern in Deutschland);

2.

Vorschriften verhindern negative externe Effekte, z. B. durch Emissionsverordnung, Wassernutzungsverordnung etc.;

3.

Staat zahlt Entschädigung an B;

4.

Staat zahlt Unterlassungsentgelt an A (Coase-Theorem): Beispiel 1 für Coase-Theorem: Wasserpfennig in Baden-Württemberg (2004); Beispiel 2 Coase-Theorem: Fonds zur Erhaltung des Regenwaldes in Ecuador (2007/2011);

5.

Steuern (bzw. analog eine Subvention bei positiven externen Effekten) als Lenkungsinstrument (CO2- Abgabe, Öko-Steuer); es handelt sich um ein marktwirtschaftliches Lenkungsinstrument; die Steuer wird als Preis für externe Effekte vorgegeben, dessen Mengenwirkung ist hingegen offen;

6.

Zertifikate (s. Exkurs Verschmutzungszertifikate); es handelt sich um ein marktwirtschaftliches Lenkungsinstrument; Mengenkontingent der Zertifikate ist vorgegeben, Preise für Zertifikate bilden sich durch Angebot und Nachfrage auf Märkten; Höhe des Preises der Zertifikate ist offen.

Die staatlichen Instrumente Auflagen (Ge- und Verbote), Steuern bzw. Subventionen oder Zertifikate werden im Folgenden näher vorgestellt (s. a. Übersicht V-7): Staatliche Auflagen verpflichten die Verursacher von negativen externen Effekten, ausschließlich wirtschaftliche Aktivitäten ohne diese externen Effekte oder nur mit geminderten externen Effekten zu realisieren. Auch kann der Staat vorschreiben, die Emission an Schadstoffen auf eine bestimmte Gesamtmenge zu beschränken. Steuern227 bzw. Abgaben können erhoben werden, um die Produktion (oder den Konsum) zu belasten und damit die Produktion bzw. die Nachfrage von Gütern 227

Steuern zur Vermeidung negativer externer Effekte werden nach ihrem Verfechter Pigou (1877-1959) als „Pigou-Steuern“ bezeichnet, ein Begriff, der häufiger in der wirtschaftspolitischen Diskussion zur Anwendung kommt. Steuern stellen nicht zweckgebundene Abgaben dar; sie dienen nach dem sogenannten „Nonaffektationsprinzip“ zur Finanzierung aller Ausgaben. Durch diese nicht zweckgebundene Verwendung der Steuern soll sichergestellt werden, dass auch öffentliche Güter mit geringer Zahlungsbereitschaft finanziert und bereitgestellt werden können. Weiterhin sind die Begriffe „Beiträge“ und „Gebühren“ zu unterscheiden. Gebühren stellen ein zweckgebundenes Entgelt dar, das

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V Marktversagen und die Rolle des Staates

mit negativen externen Effekten zu verhindern. Wird die Steuer auf die erzeugte oder konsumierte Menge des Gutes erhoben (vgl. Übersicht V-8), so wird von einer Mengensteuer mit Lenkungscharakter gesprochen (die produzierte oder konsumierte Menge stellt die Bemessungsgrundlage dar, wie z. B. bei der Tabaksteuer, der Ökosteuer auf Mineralöl etc.). Die Steuer erhöht die Grenzkosten, verschiebt somit für jede gegebene Menge die Angebotsfunktion nach oben und erhöht damit den Gleichgewichtspreis, der sich auf den Gütermärkten nach Einführung oder Erhöhung der direkten Steuern bildet. Ob die Lenkungssteuer bei der Güterallokation stark oder schwach berücksichtigt wird (Mengeneffekt), hängt vom Verlauf der Nachfrage- und Angebotsfunktion und den hiermit verbundenen Preiselastizitäten ab. Hat eine mit allokativer Zielsetzung eingesetzte Lenkungssteuer keine Lenkungswirkungen (z. B. bei vollkommen preisunelastischer Nachfrage), so hat sie einen hohen Steuereinnahmeneffekt zur Folge (hoher Fiskaleffekt). Unter Bezug auf die Ausführungen in der Haushaltstheorie lässt sich zudem aufzeigen, dass für eine normal verlaufende Nachfragefunktion im Falle der Vollüberwälzung der Steuer228 (z. B. bei vollkommen preiselastisch verlaufender Angebotsfunktion) bei Bruttopreisen unterhalb des halben Prohibitivpreises die Preiselastizität der Nachfrage sehr niedrig ausfällt. Infolge dessen haben in dieser Situation Steuersatzerhöhungen eine geringe Mengen- und damit schwache Lenkungswirkung zur Folge, während der Fiskaleffekt einer Steuer stärker zum Tragen kommt. Umgekehrt trägt eine Lenkungssteuer mit hoher Nachfragewirkung, d.h. im preiselastischen Bereich der Nachfragefunktion dazu bei (gilt für Bruttopreise oberhalb des halben Prohibitivpreises), dass die allokationspolitischen Ziele wie die Vermeidung von negativen externen Effekten gut erreicht werden, während die Steuereinnahmen (der Fiskaleffekt) gering bleiben. Insoweit stehen Lenkungssteuer und Fiskalsteuer in einer umgekehrten Beziehung zueinander. Wird das Allokationsziel der Steuer gut erreicht, so geht dies zu Lasten der Steuereinnahmen und umgekehrt.

nur dann erhoben wird, wenn auch eine konkrete Leistung, d.h. eine speziell definierte Leistung erfolgt (z. B. Passverlängerung). Demgegenüber stellen Beiträge ein zweckgebundenes Entgelt dar, das durch potenzielle oder abstrakte Nutzungsvorteile, nicht aber durch eine spezielle Leistung begründet wird. So sind Anliegergebühren für eine Straße auch dann zu zahlen, wenn der Anlieger keinen konkreten Vorteil von der Straße hat, da er beispielsweise einen privaten Weg anstelle der öffentlichen Straße nutzt oder kein Auto besitzt. Die Tatsache, dass der Anlieger die Straße potenziell nutzen kann, begründet bereits seine Beitragspflicht. Auf Basis dieser Situation werden die Begriffe „Beiträge“ oder „Gebühren“ im Alltag gelegentlich fehlerhaft verwandt. So stellt der Begriff „ Kindergartenbeiträge“ eigentlich eine „Kindergartengebühr“ dar, da es sich um ein Entgelt für eine konkrete, d.h. spezielle Gegenleistung (Kindergartenbetreuung) handelt. Nur wenn ein Kind auch tatsächlich den Kindergarten besucht, ist ein Entgelt zu zahlen. 228 Die Höhe der Überwälzung hängt vom Verlauf der Angebots- und Nachfragefunktion ab. Bei vollkommen elastisch verlaufender Angebotsfunktion (horizontaler Verlauf) können Steuersatzerhöhungen voll überwälzt werden.

3 Externe Effekte von Produktion und Konsum

347

Subventionen werden an diejenigen Produzenten (Konsumenten) gezahlt, die die Produktionsmenge umweltbelastender Stoffe vermindern, umweltfreundlichere Produktionsmethoden fördern oder Emissionen reduzieren; letztlich zahlt der Staat einen Transfer an den Verursacher der externen Effekte, damit dieser – im Sinne des Coase-Theorems – das Entstehen externer Effekte vermeidet. Übersicht V-8: Steuerarten und Steuerwirkung

Steuer Art:

Direkte Steuer (Einkommensteuer, ESt); Bemessungsgrundlage:

Bemessungsgrundlage:

Ziel, Wirkung:

Einkommen des Steuerdestinators (persönliche Leistungsfähigkeit)

-Verteilung/Umverteilung (progressive ESt) - Fiskalsteuer (Einnahmenerzielung)

Indirekte Steuer (Kosten- oder Gütersteuer) Bemessungsgrundlage: Wert Menge (Wertsteuer) (Mengensteuer), z. B. TabakMehrwertsteuer steuer, Mineralölsteuer, etc. - Lenkungssteuer (optimale Allokation bei externen Effekten) - Fiskalsteuer (Einnahmenerzielung) Lenkungseffekt hoch , Fiskaleffekt niedrig bei hoher Preiselastizität der Nachfrage

Handelbare Zertifikate stellen eine weitere Möglichkeit der Internalisierung von negativen externen Effekten dar. Durch den Kauf von Zertifikaten auf Märkten erhält der Besitzer der Zertifikate das Recht, negative externe Effekte zu verursachen (z. B. im Zuge der Produktion von Gütern eine Verschmutzung der Luft durch CO2-Emissionen vorzunehmen). Indem für die Zertifikate ein Preis gezahlt werden muss, verteuert sich die Produktion oder der Konsum von Gütern, so dass die Produktionskosten der betroffenen Unternehmen oder die Ausgaben der betroffenen Haushalte ansteigen. Dies führt über die Preiserhöhung zu einer Reduktion der externen Effekte. Im Rahmen des sogenannten Kyoto-Protokolls wurde z. B. festgelegt, dass Unternehmen die Umwelt nur dann mit CO2 oder anderen klimaschädlichen Gasen belasten dürfen, wenn sie über sogenannte Umweltverschmutzungszertifikate verfügen (siehe den Exkurs zu den Umweltverschmutzungszertifikaten im Rahmen des Kyoto-Protokolls). Diese Zertifikate wurden in der EU in einer ersten Einführungsphase überwiegend kostenlos be-

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V Marktversagen und die Rolle des Staates

reitgestellt. Inzwischen sind diese aber in der zweiten Phase der Regelungen gegen Entgelt auf Märkten zu erwerben. Weicht die Anzahl der verfügbaren Zertifikate von der Anzahl der erforderlichen Zertifikate nach oben (Überdeckung) oder nach unten (Unterdeckung) ab, so können die zu hohen oder zu geringen Zertifikatemengen auf Märkten ver- oder gekauft werden. Möchte der Staat die externen Effekte reduzieren (z. B. die Emission von klimaschädlichen Gasen), so kann er dies leicht dadurch erreichen, dass er die Anzahl der bereitgestellten Zertifikate (z. B. Verschmutzungrechte) durch eine Verringerung der Kontingente reduziert. Stößt die Zertifikatenachfrage auf ein geringeres Angebot, so würde sich hierdurch der Zertifikatepreis erhöhen, d.h. der Verschmutzungspreis nähme zu; umgekehrt würde c.p. eine Ausweitung der Kontingente den Zertifikatepreis senken. Durch Angebot und Nachfrage auf dem Zertifikatemarkt bildet sich ein Zertifikatepreis heraus, der als Entgelt für die Nutzung der Zertifikate verstanden werden kann. Wird unterstellt, dass der Nutzen der Zertifikate den Vermeidungskosten der Umweltemission entspricht (genauer: der Grenznutzen der Zertifikate wird den Grenzkosten der Vermeidung der Emission entsprechen), so stellt der Zertifikatepreis einen Indikator für die Emissionskosten dar, die die Wirtschaftseinheiten für die negativen externen Effekte zahlen müssen. Beurteilung der verschiedenen Maßnahmen der Internalisierung: Grundlegendes Ziel der Internalisierung negativer externer Effekte wie z. B. bei Umweltverschmutzungen ist es, Anbieter und Nachfrager von Gütern mit Umweltbelastungen mit den tatsächlichen Kosten der Produktion und der Nachfrage dieser Güter zu belasten, so dass die Wirtschaftseinheiten diese externen Kosten in ihren ökonomischen Kalkulationen berücksichtigen (Internalisierung externer Effekte). Dabei stellen Verbote und staatliche Auflagen sehr restriktive Maßnahmen dar, die dem Betroffenen kaum Handlungsspielräume lassen und ggfs. eine Güterproduktion oder einen Güterkonsum verhindern, selbst wenn diese für bedeutsam erachtet werden (z. B. wenn die negativen externen Effekte bei der Produktion oder dem Konsum lebensnotwendiger Medikamente entstehen). Daher liegt es auf der Hand, das Entstehen externer Effekte nicht grundlegend bei allen Verursachern im gleichen Umfang zu verbieten (Rasenmähermethode), sondern das Verbot von der Bedeutung der Produkte oder den Kosten der Vermeidung abhängig zu machen. Der Vorteil der Instrumente „Steuern/Subventionen“ bzw. „Zertifikate“ gegenüber dem Instrument „Auflagen bzw. Verbote“ ist darin zu sehen, dass es bei diesem Instrument dem Produzenten oder Konsumenten selbst obliegt, ob er die externen Effekte ganz oder teilweise vermeidet oder statt dessen zum Ausgleich je nach Umfang der entstandenen externen Effekte einen Betrag in Höhe der Steuern oder der Kosten für den Erwerb von Verschmutzungsrechten zahlt. Hierdurch ist sichergestellt, dass genau diejenigen Personen die Vermeidung der externen Effekte anstreben, die hieraus die geringsten Belastungen oder Nutzeneinbußen erleiden. Die externen Effekte lassen sich vermeiden, indem entweder das Produkt nicht mehr produziert oder konsumiert wird, weil sein Nutzen gemessen an den negativen externen Effekten zu

3 Externe Effekte von Produktion und Konsum

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niedrig ist (Produkte, die für die Verbraucher von geringer Bedeutung sind). Oder es handelt sich um Emissionen, die sich durch einfache technische Eingriffe mit geringem Aufwand (z. B. Luftfilter etc.) vermeiden lassen. Es zeigt sich also auch hier, dass die Regelung über einen Preis (hier Steuer oder Zertifikatepreis) die speziellen Produktions- bzw. Nutzensituationen berücksichtigt und auf diese Weise zu einer effizienten Vermeidung externer Effekte gemäß dem ökonomischen Prinzip führt. Der Einsatz von Zertifikaten und Steuern stellt somit einen marktwirtschaftlichen Lösungsansatz dar, der über das Koordinierungsinstrument der Preise (hier: Steuersatz oder Zertifikatepreis) die Frage der optimalen Allokation der externen Effekte löst. Demgegenüber können Verbote und Auflagen als ein bürokratisches, undifferenziertes, zentralwirtschaftliches Lenkungsinstrument angesehen werden, deren Einsatz nur dann gezielt gesteuert werden kann, wenn ein zentraler Planer die Entstehung und die Wirkung der externen Effekte für alle Produktions- und Konsumsituationen durchschaut. Dies ist in einer schnelllebigen Welt aber kaum möglich und dürfte daher kaum realisierbar sein. Der Lenkungseffekt der Steuer oder des Zertifikatepreises lässt sich wie folgt im Detail begründen: Sollte z. B. die Produktion eines bestimmten Gutes für ein Unternehmen von großer Bedeutung sein, und treten hierbei negative externe Effekte auf, so wird der Verursacher die Steuerzahlung und den Erwerb von Verschmutzungsrechten einer Einschränkung der Produktion vorziehen. Auch wird hierbei automatisch geprüft, ob ggfs. durch die Einführung einer relativ kostengünstigen Modernisierung der Produktion die externen Effekte vermieden und so ggfs. höhere Kosten in Form der Steuerzahlung oder des Erwerbs von Zertifikaten verhindert werden können. Ein Preis in Höhe des Entgelts für die negativen externen Effekte hat Lenkungscharakter und bewirkt, dass nur dann Güter mit negativen externen Effekten produziert werden, wenn diese Güter – gemessen an den externen Effekten – einen hohen Nutzen haben und gleichzeitig hohe Vermeidungskosten der Verschmutzung aufweisen. Bei dem Lenkungsinstrument „Verbote bzw. Auflagen“ hat die Unternehmung hingegen nur die Wahl zwischen der Vermeidung der externen Effekte durch ggfs. aufwändige Technologien einerseits oder der Einstellung der Produktion andererseits. Dabei wird es kaum möglich sein, diese Verbote und Auflagen situationsbezogen und güterspezifisch zu gestalten. Zudem wird eine Unternehmung nur die vorgegebenen Verbote oder Auflagen einzuhalten versuchen, nicht aber darüber hinaus zusätzliche Anstrengungen unternehmen, wie das bei den Instrumenten „Steuern/Umweltzertifikaten“ zwecks Kostensenkung der Fall ist. Denn eine Wirtschaftseinheit, die externe Effekte verursacht, wird immer wieder prüfen, ob durch neuere Produktionsverfahren das Ausmaß der negativen externen Effekte nicht reduziert werden kann, so dass sich Steuerzahlungen oder Kosten für den Kauf von Zertifikaten vermeiden lassen. Umweltsteuern und Umweltzertifikate ähneln sich in ihrer Wirkung. Allerdings wird bei der Steuerlösung der Preis für die Verursachung bzw. Vermeidung der externen Effekte vorgegeben und der mengenmäßige Umfang der externen Effekte ist das un-

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gewisse Ergebnis (z. B. ungewisse Emissionsmenge). Sofern der tatsächliche Umfang der externen Effekte sich als zu hoch erweist, müsste die Steuerhöhe in weiteren Anpassungsschritten erhöht werden. Bei den Umweltverschmutzungszertifikaten verhält es sich demgegenüber umgekehrt: hier wird der Umfang der zugelassenen externen Effekte (z. B. Ausstoß von Abgasen) vorgegeben und der erforderliche Preis für die Verschmutzungsrechte dem Markt überlassen. Sofern sich der ergebende Zertifikatepreis im Hinblick auf andere Zielsetzungen als unangemessen erweist (z. B. im Hinblick auf die internationale Wettbewerbsfähigkeit der Produktion), wäre über eine Veränderung der Verschmutzungskontingente eine Nachjustierung des Zertifikatepreises möglich. Eine besondere private oder staatliche Lösung der Internalisierung der negativen externen Effekte stellt eine Unterlassungszahlung des Geschädigten oder des Staates an den Schadensverursacher dar. Gemäß dem Coase-Theorem229 ist eine effiziente Internalisierung externer Effekte zum einen dadurch möglich, dass der Verursacher eine Entschädigung an den Geschädigten zahlt oder dass der Geschädigte bzw. der Staat eine Unterlassungszahlung an den Verursacher der negativen externen Effekte vornimmt. Die Richtung der Entschädigungszahlung beeinflusst lediglich die Vermögenssituation und damit die Einkommens- und Vermögensdistribution, nicht aber die Effizienz der Allokation. Beide Arten der Ausgleichszahlung stellen eine effiziente Güterallokation sicher, da nach der Ausgleichszahlung die externen Kosten nicht mehr auftreten bzw. internalisiert werden. Zwar stellt eine Unterlassungszahlung des Betroffenen an den Verursacher eine Kostenbelastung des Betroffenen dar. Diese hat aber keine Auswirkungen auf die Grenzkosten und damit auf die optimale Güterallokation des Betroffenen, da die Unterlassungszahlung den Charakter von Fixkosten aufweist. Das Coase-Theorem soll im Folgenden zunächst allgemein und dann an einigen konkreten Beispielen näher erklärt werden. Es hat folgende Aussage zum Inhalt: Unter bestimmten Bedingungen ist eine Internalisierung der externen Effekte auf privater Verhandlungsbasis möglich. Ein wenig erstaunlich mag dabei erscheinen, dass die Art der Ausgestaltung der Schadensregelung (wer entschädigt wen, d.h. der Schadensverursacher den Geschädigten oder umgekehrt?) keinen Einfluss auf die Sicherstellung einer optimalen Faktor- bzw. Güterallokation hat. Allerdings bestimmt die Wahl der Entschädigungsrichtung die Lastenverteilung (Gewinnverteilung) der Beteiligten. Die Aussage des Coase-Theorems soll am folgenden klassischen Beispiel eines schädigenden Viehzüchters und eines geschädigten Getreidebauern verdeutlicht werden (Hinweis: zur formalen Darstellung der Wirkung des Coase-Theorems siehe die 229

Benannt nach Ronald Coase (Nobelpreisträger für Wirtschaft 1991), der 1960 in einem Artikel „The Problem of Social Cost“ aufzeigte, dass die Rechtsausgestaltung der Entschädigung keinen Einfluss auf die optimalen Produktionsmengen, d.h. die optimale Allokation hat.

3 Externe Effekte von Produktion und Konsum

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Ausführungen im Anhang; sie zeigen, dass beide Varianten der Ausgleichszahlungen eine gleich hohe Produktionsmenge der Güter X und Z zur Folge haben und es zu einer effizienten Güterallokation kommt). Es sei von einer Viehherde des Viehzüchters V (V = Verursacher) ausgegangen, die aufgrund der begrenzten Futterreserven bei höherem Viehbestand das Getreidefeld des benachbarten Getreidebauern G (G = Geschädigter) plündert; G hat also externe Kosten durch V in Abhängigkeit von der Zahl der Tiere (negative externe Effekte der Produktion). Hieraus entstehen zwei Wirkungen: Wirkung 1: Die externen Effekte haben eine Umverteilung (der Gewinne) vom Geschädigten zum Schadensverursacher zur Folge. Wirkung 2: Die externen Effekte verhindern eine optimale Faktor- bzw. Güterallokation, da der Verursacher (V) der externen Effekte zu kostengünstig und somit zu viel produziert, während der Geschädigte (G) zu kostenintensiv und damit zu wenig produziert. Die fehlerhafte Güterallokation resultiert daraus, dass sowohl V als auch G jeweils autonom eine Produktionsoptimierung betreiben, obwohl ihre Gewinnmaxima über externe Effekte verknüpft sind230. Zur Lösung dieses Problems bieten sich die folgenden beiden rechtlichen Regelungen (a) bzw. (b) an: Regelung a): Der Viehzüchter (V) kann rechtlich für den Schaden haftbar gemacht werden und zahlt pro Tier eine Entschädigungssumme an Getreidebauer (G). Hierdurch erfolgt eine Internalisierung der externen Effekte. Dies hat zur Folge, dass die negativen Wirkungen (1) und (2) vermieden werden. Regelung b): Der Viehzüchter kann für das Ausbrechen der Tiere nicht haftbar gemacht werden, z. B. weil alte Weiderechte eine überdimensionierte Viehmenge zulassen. Der Getreidebauer (G) kann nun dem Viehzüchter V eine bestimmte Entschädigung leisten, damit dieser seinen Tierbestand reduziert und so die Plünderung des Getreidefeldes verhindert wird. Hierdurch erfolgt eine Internalisierung im Sinne einer optimalen Faktor- bzw. Güterallokation, d.h. die negative Wirkung (2) der externen Effekte wird vermieden. Allerdings wird der Gewinn des G durch die Entschädigung gemindert, so dass das Auftreten der externen Effekte die Gewinnverteilung weiterhin zu Lasten des G und zugunsten des V verändert (d.h. Wirkung (1) tritt weiterhin ein). Anmerkung: Die Tatsache, dass es trotz Unterlassungszahlung des geschädigten Getreidebauern an den Viehzüchter zu einer optimalen Allokation kommt, lässt sich auch auf andere 230

Erhält der Viehzüchter keine Ausgleichszahlung, so maximiert er seinen Gewinn, ohne auf den Schaden beim Getreidebauern zu achten (Größe der Viehherde somit nicht optimal); erst durch Ausgleichszahlungen finden Interaktionen statt, die zu einer optimalen Produktionsgröße führen.

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Weise veranschaulichen: Das von der Viehherde verzehrte Getreide hat für den Getreidebauern einen höheren Nutzen als für den Viehzüchter, da der Getreidebauer mit dem Getreide wertvolles Brot erzeugen könnte. Das Getreide wird aufgrund der bestehenden externen Effekte somit in der Gesellschaft nicht optimal genutzt, da der Viehzüchter es kostenlos für die Fütterung seiner Tiere missbraucht und es damit nicht für die gesellschaftlich höherwertige Brotproduktion zur Verfügung steht (Hinweis: die Tatsache, dass derzeit Getreide im großen Stil für die Gewinnung alternativer Energien in Biogasanlagen verbraucht (missbraucht) wird, schmälert zwar die Aussagekraft dieses Beispiels, aber nicht die grundlegende Bedeutung des Coase-Theorems für viele andere Sachverhalte). Da das Getreide für den Getreidebauern einen höheren Nutzen erbringt als für den Viehzüchter, kann der Getreidebauer dem Viehzüchter eine Entschädigung zahlen, damit es zu einer optimalen Nutzung der Brotproduktion kommt. Durch die Entschädigung wird der Viehzüchter somit gleich oder besser gestellt; der Getreidebauer wird ebenfalls besser gestellt, da die Entschädigung niedriger sein kann als der Ertrag aus der Brotproduktion (Ursache: Getreide hat für Getreidebauern einen höheren Wert als für den Viehzüchter). Dies zeigt, dass durch die Beseitigung der externen Effekte der gesellschaftliche Nutzen ansteigt, da erst jetzt eine effiziente Allokation knapper Ressourcen (effiziente Getreideverwendung) erzielt wird. Davon unberührt bleibt die distributive Frage, d.h. die Verteilung der Gewinne aus der Viehzucht bzw. dem Getreideanbau auf die Beteiligten V und G. Das Coase-Theorem hat allein die allokative Effizienz zum Ziel, während das distributive Ergebnis nicht Gegenstand der Betrachtung ist.

Praktische Anwendung fand das Coase-Theorem u.a. in den 80er Jahren in BadenWürttemberg. Dort wurde zur Vermeidung der Wasserverschmutzung ein „Wasserpfennig“ eingeführt. Er wurde an die Bauern immer dann gezahlt, wenn diese den Boden umweltschonender düngten oder Pestizide möglichst sparsam einsetzten und so eine übermäßige Verunreinigung des Wassers durch Nitrate oder Pestizide verhinderten.231 Ein weiteres aktuelles Beispiel, das in letzter Zeit in den Medien Schlagzeilen gemacht hat232, stellt ein Projekt zum Schutz des Regenwaldes in Ecuador dar. Ecuador hatte zunächst beabsichtigt, weitere Teile des Regenwaldes im Yasuni-Nationalpark abzuholzen, um dort Erdöl zu fördern. Dann hatte das Land sich aber bereit erklärt, auf diese Rohölförderung zu verzichten, wenn die internationale Staatengemeinschaft die Hälfte der Einnahmenverluste aus der unterbleibenden Erdölförderung erstatten würde. Hierzu beabsichtigten Ecuador und das Umweltprogramm der Vereinten Nationen einen Treuhandfonds einzurichten; einige UN-Mitgliedsländer wie Spanien, Italien, Frankreich, Chile, Peru, und Belgien waren zur Unterstützung bereit und hätten als Gegenleistung CO2-Verschmutzungszertifikate erhalten. Das federführende deutsche Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (BMZ) war zur finanziellen Unterstützung allerdings nicht bereit; das Ministerium sieht das „Prinzip der Zahlung für Unterlassungshandlungen“ als prob231

Vgl. Bonus, H.: Eine Lanze für den Wasserpfennig. Wider die Vulgärform des Verursacherprinzips, Wirtschaftsdienst, H. 9,1986, S. 451 – 455. 232 Vgl. u.a. Blasberg, A.; Blasberg M.: Niebel und die Indianer, in: Die Zeit, Nr. 25 vom 16.6.2011, S. 17 ff.

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lematisch an233, u.a. auch deswegen, weil es für zukünftige ähnliche Projekte eine negative Präzedenzwirkung ausüben könnte. Das Projekt scheiterte folglich am Widerstand der deutschen Bundesregierung. Abschließend sei darauf verwiesen, dass die Funktionsweise des Coase-Theorems allgemein an bestimmte Voraussetzungen geknüpft ist. Zu einer effizienten Einigung der Betroffenen im Sinne des Coase-Theorems kommt es nur dann, wenn folgende Bedingungen erfüllt sind: ¾ Der externe Effekt sowie Verursacher und Geschädigte sind bekannt, und die Rechtslage ist geklärt. ¾ Es sind nur zwei Parteien betroffen (bei mehr als zwei Betroffenen nehmen die Verhandlungskosten derart zu, dass ein Ergebnis nicht zu erwarten wäre). ¾ Bei den Verhandlungen gibt es keine dominierende Machtposition (die Verhandlungsmacht kann bewirken, dass nicht alle externen Effekte internalisiert werden oder das Ausmaß der Internalisierung überzogen wird). ¾ Es bestehen keine Kosten der gegenseitigen Information, keine Kosten des Aushandelns, der Ausführung und der Kontrolle eines Vertrages über Schadensoder Kompensationszahlungen. Exkurs: Umweltverschmutzungszertifikate234 Umweltverschmutzungszertifikate haben in der allgemeinen politischen Diskussion in Europa lange Zeit eine untergeordnete Rolle in der Umweltpolitik gespielt. Dies änderte sich plötzlich im Zuge der Umsetzung der umweltpolitischen Ziele des Klimagipfels von Kyoto im Jahr 1997. Auf der damaligen Klimakonferenz haben sich die Industriestaaten bereit erklärt, ihre Emissionen deutlich zu verringern. Die EU verpflichtete sich, den Ausstoß von Treibhausgasen von 1990 bis 2012 um acht Prozent zu reduzieren. Im Zuge des „burden sharing“ wurde die Last der Emissionssenkung auf alle EU-Länder verteilt. Deutschland verpflichtete sich, bis 2012 den CO2-Ausstoß gegenüber 1990 um 21% zu reduzieren. Zur Umsetzung der Reduktionsziele wurde der EU-Emissionsrechtehandel (European Union Emission Trading System, kurz EU-ETS) in den EU-Ländern eingesetzt, der Anfang 2005 in Kraft trat. Dieser Handel sah folgende Vereinbarungen vor: Jedes Land erhielt auf Basis der Regelungen des Kyotoprotokolls eine bestimmte Menge an Emissionsrechten zugewiesen. Die Emissionsbegrenzungen galten für bestimmte Stromerzeugungsunternehmen und für einen Großteil der Industrieunternehmen. Nicht einbezogen waren Transportunternehmen. Für Luftverkehrsunternehmen sind erstmals ab dem Jahr 2012 Emissionsbegrenzungen und der Nachweis von Emissionsberechtigungen vorgesehen. Der Emissionshandel betrifft damit 233

Vgl. u.a. Blasberg, A.; Blasberg M.: Niebel und die Indianer, a. a. O., S. 20. Dort wird der BMZ-Minister Dirk Niebel mit den Worten zitiert: “Ich zahle doch nicht, damit ein anderes Land etwas unterlässt…“. Weiter heißt es dort: „Da öffnet man eine Tür, die man nie wieder zubekommt.“ 234 Die Ausführungen dieses Kapitels erfolgen in enger Anlehnung an die Darstellungen des Bundesministeriums für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit, www.bmu.de/klimaschutz/internationale_klimapolitik/kyoto_protokoll/doc/20226.php, im Folgenden zitiert als „Kyotoprotokoll“.

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V Marktversagen und die Rolle des Staates

nur Teile der gewerblichen Wirtschaft, nicht aber Emissionen von Privathaushalten, z. B. im Bereich Verkehr oder Wohnen. Die nationalen EU-Staaten verteilten die ihnen im Rahmen des Kyotoprotokolls zugewiesenen Emissionsrechte länderweise auf die Unternehmen nach einem bestimmten Modus. Dabei waren für den Zeitraum von 2005 bis 2007 (erste Handelsperiode) andere Regelungen vorgesehen als im Zeitraum von 2008 bis 2012 (zweite Handelsperiode), in der auch weitere EU-Länder dem ETS beitraten. In den beiden bisherigen Handelsperioden gab der Staat die Verschmutzungszertifikate überwiegend kostenlos an die emittierenden Betriebe aus, wobei der Umfang der verteilten Emissionsrechte sich an Emissionsdaten der Vorjahre orientierte. In der zweiten Handelsperiode ab 2008 wurden die länderspezifischen Emissionsrechte eingeschränkt. Zudem standen in dieser 2. Handelsperiode neben dem Emissionshandel der EU-Länder auch die beiden folgenden Mechanismen zusätzlich zur Verfügung, um Emissionsrechte zu erwerben: Dies waren zum einen Maßnahmen der "Joint Implementation" (JI) und zum anderen Maßnahmen im Rahmen des „Clean Development Mechanism“ (CDM). Unter "Joint Implementation" sind Maßnahmen zur Emissionsminderung zu verstehen, die von zwei Ländern mit verpflichtenden Reduktionszielen gemeinschaftlich verfolgt werden. Dasjenige Land, das zur Erreichung der Emissionsminderungen beiträgt, kann die realisierten Minderungen mit seinen Emissionen verrechnen. Joint Implementation tragen dazu bei, im Sinne des ökonomischen Prinzips die Reduktionsziele dort zu realisieren, wo sie die geringsten Kosten verursachen. Clean Development Mechanism entspricht den Maßnahmen der Joint Implementation, wobei nun jedoch eine Kooperation zwischen einem Verpflichtungsstaat des Kyotoprotokolls und einem Entwicklungsland ohne Verpflichtungsreduktion stattfindet. Der Vorteil dieser Kooperation besteht zusätzlich darin, dass nicht nur Nichtverpflichtungsländer eingebunden werden können, sondern dass diesem Land erst durch die Unterstützung des Partnerlandes eine Emissionsreduktion ermöglicht wird. Insgesamt erfolgt somit der Emissionsrechtehandel einerseits zwischen den sich verpflichtenden Ländern nebst Partnerländern, andererseits zwischen den Unternehmen der jeweiligen EU-Länder. Auf der Unternehmensebene gilt folgende Regelung: Benötigen die Unternehmen eines EU-Landes über die zugeteilten Emissionsrechte hinaus weitere Emissionsrechte, so müssen sie diese durch den Kauf der Zertifikate (European Union Allowance, kurz EUA) erwerben. Umgekehrt gilt: Stößt ein Unternehmen (z. B. Kraftwerk, Chemiefirma, Stahlwerk, Zement- oder Papierfabrik) weniger CO2-Treibhausgase aus, als es EUAZertifikate hat, kann es die überschüssigen Gutscheine an andere Unternehmen verkaufen oder auf das nächste Jahr übertragen. Für das laufende Jahr müssen bis Ende April des Folgejahres die tatsächlich emittierten CO2Mengen durch Verschmutzungsrechte legitimiert werden. Kommt es zu unberechtigten Emissionen, sind in der ersten Handelsperiode Strafzahlungen in Höhe von 40 €/t und in der zweiten Handelsperiode Strafzahlungen in Höhe von 100 €/t fällig. Zugleich ist der Erwerb von Verschmutzungszertifikaten für Emissionsüberschreitungen sicherzustellen. Durch den Zertifikatehandel und die im weiteren zeitlichen Ablauf vorgesehene Absenkung der zugeteilten Emissionskontingente werden die emittierenden Unternehmen angehalten, effizient mit den Emissionen umzugehen und diese nach Möglicheit zu reduzieren. Der Handel mit den Emissionsrechten in Form der EUA-Zertifikate findet u.a. an Börsen (z. B. Börsen in London, Leipzig und Wien) oder direkt zwischen den Unternehmen über elektronische Konten statt.Im März 2005 wurde an der European Energy Exchange AG (EEX) in Leipzig der Handel von EU-Emissionsrechten (EUA) erstmals vorgenommen. Die zugangsberechtigten

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Unternehmen konnten ab diesem Zeitpunkt neben Strom auch CO2-Emissionsrechte handeln. Der im März 2010 zuerst ermittelte Preis für eine Einheit EUA, d.h. für eine Tonne CO2 lag bei 10,40 €. Aus der nachfolgenden Abb. V-3 kann die Preisentwicklung für CO2-Emissionsrechte (EUA) von Mitte 2005 bis Ende 2011 an der Börse Leipzig ersehen werden.

Abb. V-3: Preisentwicklung für CO2-Emissionsrechte (EUA), (€/t CO2)

Quelle: http://www.eex.com/de/Marktdaten/Handelsdaten/Emissionsrechte/EU%20Emission%2 0Allowances%20|%20Spotmarkt/EU%20Emission%20Allowances%20Chart%20|%20S potmarkt/spot-eua-chart/2012-02-14/0/1/a Die Abb. V-3 zeigt, dass die Preise für EUA in der ersten Handelsperiode bis Ende 2007 trendmäßig deutlich gefallen sind und schließlich gegen Null tendierten. Die Ursachen für den Preisverfall lagen zum einen in der Überversorgung mit kostenlosen Emissionskontingenten. Zum anderen kam es gegen Ende der 1. Handelsperiode zu Preissenkungen, weil die erworbenen EUA ihre Emissionsberechtigung in der 2. Handelsperiode verloren. Mit Beginn der 2. Handelsperiode in 2008 bewegte sich der Preis für eine Einheit EUA in einer Spanne zwischen knapp 10 und gut 15 €. Seit Mitte 2011 ist allerdings wieder eine Preisabschwächung zu beobachten, u.a. weil die Emissionsberechtigung 2012 ausläuft. De facto hat damit vor allem in der 1. Handelsperiode das Überangebot an Emissionskontingenten einen wirksamen Allokationsprozess der CO2-Emissionen beeinträchtigt. Bei einer Evaluierung des Emissionshandels ist vor allem der Emissionsrechtehandel zwischen den Ländern kritisch zu sehen: Einzelne Länder wie z. B. Russland und die Ukraine, die ihre Emissionsrechte aufgrund wirtschaftlicher Probleme und Umstrukturierungen (Konversionsprozess) nicht benötigen, verkaufen die überschüssigen Emissionsmengen an andere Industrieländer, so dass die Bereitstellung dieser als "hot air" bezeichneten Emissionsmengen einen effizienten Klimaschutz beeinträchtigen. Ursache hierfür ist die Ausrichtung der Kontingente an historischen Emissionsmengen und an Länderquoten. Von 1990 bis zum Jahr 2010 hat Deutschland mit einem Rückgang der CO 2-Emissionen von 23% das im Kyotoprozess angestrebte Ziel von 21 % erreicht. Allerdings ist ein bestimmter Anteil der Einsparungen auf die deutsche Wiedervereinigung und die damit verbundene wirtschaftliche Umstrukturierung zurückzuführen. Bis zum Jahre 2020 strebt die Bundesregierung für Deutschland ein Reduktionsziel von 40% an, soweit die anderen EU-Länder ähnliche Zielmarken anstreben und sich dadurch eine EU-weite Verringerung um 30% ergibt. Weniger erfolgreich sieht die Emissionsentwicklung aller Industriestaaten mit Kyoto-

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V Marktversagen und die Rolle des Staates

Verpflichtungen aus: Die Emission dieser Länder ist zwischen 1990 und 2008 nur um 6,1% gesunken. Wird die Emissionsentwicklung nicht nur der Kyoto-Länder, sondern weltweit betrachtet, so ist von 1990 bis 2006 sogar ein deutlicher Anstieg um 24% zu verzeichnen. Hierzu haben auch die schnell wachsenden Schwellenländer, vor allem China und Indien beigetragen. Das Kyotoprotokoll läuft 2012 aus. Auf den bisherigen, jährlich stattgefundenen Weltklimakonferenzen einschließlich der Konferenz von Durban in 2011 konnte kein Konsens über eine konkrete Anschlussregelung für das Kyotoprotokoll erzielt werden. Ein erfolgreiches Anschlussabkommen erfordert, dass sich gegenüber der bisherigen Regelung mehr Staaten zu Minderungszielen bekennen, einschließlich der bedeutenden Emissionsländer USA, China und Indien. Die Klimakonferenz von Durban im Jahr 2012 sieht als einzigen Kompromiss die Aussicht auf eine Anschlussregelung und ein Klimaschutzmandat bis 2015 vor, das bis 2020 ein Klimaschutzabkommen anstrebt, das auch für Nicht-Kyoto-Staaten gelten soll. Diejenigen Staaten, die bisher im Kyoto-Protokoll Minderungsziele übernommen haben, machen lediglich einen kleineren Teil der globalen Emissionen aus, so dass ein Mitwirken weiterer Staaten dringend erforderlich ist. Dabei hätte die Anschlussregelung ab 2013 wie folgt aussehen können: Ab 2013 wird in der 3. Handelsperiode die kostenlose Vergabe von Verschmutzungsrechten sukzessive durch das Prinzip der Versteigerung von Emissionsrechten abgelöst. Zudem sollten Gratiszertifikate nicht mehr nach historischen Emissionswerten der Unternehmen, sondern nach Sollwerten vergleichbar effizienter Unternehmen ausgegeben werden. Leider konnte dieser anvisierte Plan bisher nicht realisiert werden. Das EU-ETS-Handelssystem ist ein Beispiel für den Handel mit Zertifikaten auf staatlicher Ebene. Zertifikate eignen sich aber auch auf unternehmensspezifischer Ebene zur Umsetzung unternehmenspolitischer Ziele. Ist z. B. für alle Teilbereiche eines Unternehmens eine gesamte Umweltbelastung (z. B. Belastung mit Umweltgasen wie Kohlendioxid etc.) vorgegeben, so kann über den unternehmensinternen Handel mit Verschmutzungsrechten zu internen Verrechnungspreisen die effiziente Aufteilung dieses Verschmutzungskontingents zwischen einzelnen Unternehmensbereichen realisiert werden. Hintergrundinformationen zum Kyoto-Protokoll: „Auf der 3. Vertragsstaatenkonferenz der Klimarahmenkonvention in Kyoto 1997 haben die Vertragsstaaten das sogenannte "Kyoto-Protokoll" verabschiedet. In dem Protokoll verpflichten sich die Industriestaaten verbindlich dazu, ihre Emissionen der sechs wichtigsten Treibhausgase – u.a. Kohlendioxid (CO2), Methan (CH4), Fluorchlorkohlenwasserstoffe (FCKW) - im Zeitraum 2008 bis 2012 um mindestens 5% unter das Niveau von 1990 zu senken. Dabei haben die einzelnen Länder unterschiedliche Verpflichtungen zur Emissionsminderung akzeptiert (z. B. Japan 6%, Russland +/-0%). Die EU mit ihren damals 15 Mitgliedstaaten (EU-15) hat ihre gemeinschaftliche Kyoto-Verpflichtung von 8% innerhalb der EU umverteilt, so dass z. B. Deutschland 21%, Großbritannien 12,5% und Frankreich +/-0% erbringen müssen“.235 Das 1997 vereinbarte Kyotoprotokoll legte erstmals völkerrechtlich verbindliche Ziele der Emissionsreduktion für Industrieländer innerhalb eines fest vorgegebenen Zeitrahmens bis 2012 fest. Konkrete Details wurden im Protokoll allerdings noch nicht fixiert. Diese wurden 235

Bundesministerium für Umwelt, Kyotoprotokoll, a. a. O.

3 Externe Effekte von Produktion und Konsum

357

erst auf den Folgekonferenzen der Jahre 1998 bis 2001 ausgearbeitet. Damit das Protokoll in Kraft treten konnte, mussten mindestens 55 Staaten, die zusammengerechnet mehr als 55 % der Kohlendioxid-Emissionen des Jahres 1990 verursachten, das Abkommen ratifizieren. Einen Rückschlag erlebte der Kyotoprozess 2001, als die neu gewählte US-Regierung das von der Vorgängerregierung mitverhandelte Kyoto-Protokoll nicht mittrug. Ebenso war Australien nicht zur Mitwirkung bereit. Durch den Beitritt Russlands wurde dieses 55%-Ziel dennoch Ende 2004 erfüllt, so dass die bestehende 55%-Regelung für die CO2-Reduktion realisiert und das Kyoto-Protokoll 2005 in Kraft treten konnte. In der 2. Handelsperiode „haben 189 Staaten das Kyoto-Protokoll ratifiziert, darunter alle EU-Mitgliedstaaten, Kanada, Neuseeland, Norwegen, Japan, sowie wichtige Entwicklungs- und Schwellenländer wie Brasilien, China, Mexiko, Indien, Südafrika und Südkorea“.236 Die Klimakonferenz von Durban im Jahr 2011 sieht als einzigen Kompromiss die Aussicht auf eine Anschlussregelung und ein Klimaschutzmandat bis zum Jahr 2015 vor. Auf Basis dieses Mandats soll bis 2020 ein Klimaschutzabkommen angestrebt werden, das auch für Nicht-Kyoto-Staaten gelten soll. Auf der Konferenz in Durban verweigerten viele große Emissionsländer wie die USA, China und Indien, sich auf Reduktionsziele zu verpflichten. Mit der Vertagung konkreter Ergebnisse auf die Zukunft wird der Zeitraum immer enger, um eine Erderwärmung unterhalb des wichtigen 2°C-Zieles zu erreichen. Wissenschaftliche Berechnungen in Zusammenarbeit mit dem Weltklimarat IPCC (Intergovermental Panel on Climate Change), der durch das United Nations Environment Programme (UNEP) gegründet wurde, zeigen, dass zur Realisierung des 2°C Erwärmungsziels (Obergrenze) die Emissionsreduktionen möglichst bald beginnen müssten. Sollte der Reduktionsprozess erst ab 2020 einsetzen, wären zur Einhaltung des 2°C Erwärmungsziels gewaltige Emissionseinsparungen von knapp 10% p.a. erforderlich. Derzeit ließe sich das 2°C Erwärmungsziels noch bei Einsparungen von knapp 5% realisieren. Messungen der Messstation „Mauna-Loa“ auf Hawaii zeigen, dass die CO2-Konzentration der Luft in den letzten 50 Jahren von etwa 320 parts per million (ppm) auf etwa 390 ppm derzeit angestiegen ist, d.h. um etwa 22%.

Vertiefungsaufgabe V-3: 1. Definieren Sie, was unter „externen Effekten“ zu verstehen ist. 2. Welche grundsätzliche Arten von externen Effekten lassen sich unterscheiden? Nennen Sie jeweils typische Beispiele. 3. Worin besteht das Problem der externen Effekte? Erläutern Sie das Problem am Beispiel der Umweltverschmutzung. 4. Was ist unter „Internalisierung externer Effekte“ zu verstehen? 5. Zeigen Sie die verschiedenen Möglichkeiten der Internalisierung auf. 6. Was besagt das Coase-Theorem? 7. Erläutern Sie das Instrument der „Umweltverschmutzungszertifikate“ und zeigen Sie seine grundsätzliche Funktionsweise auf. Worin besteht der Unterschied zu Lenkungssteuern? 8. Welche grundsätzlichen Regelungen sieht das Kyoto-Protokoll vor?

236

Vgl. Bundesministerium für Umwelt, Kyotoprotokoll, a. a. O.

358

4

V Marktversagen und die Rolle des Staates

Risiko und Unsicherheit (Asymmetrische Informationen)

Im Gegensatz zu traditionellen mikroökonomischen Modellen und vollkommenen Märkten sind Märkte in der Regel nicht laufend geräumt, d. h. Angebot und Nachfrage stimmen nicht ständig überein. Sichtbare Folge dieser qualitativen Beschaffenheit von Märkten sind dann z. B. Warteschlangen, Reservierungen, Mangelsituationen oder Lagerbildung. Die Preise sind in diesen Fällen offensichtlich nicht flexibel genug, um ein Gleichgewicht auf den betrachteten Märkten zu gewährleisten. Diese mangelnde Flexibilität ist u. a. auf Informationsdefizite seitens der Marktteilnehmer und daraus resultierender mangelnder Markttransparenz zurückzuführen. Informationsdefizite können sich grundsätzlich auf drei verschiedene Arten zeigen und zwar bezüglich des Nutzens eines Gutes: ein Konsument kann den wahren Nutzen eines Gutes nicht richtig einschätzen, er wird entweder über- oder unterschätzt; der Qualität eines Gutes: einige Marktteilnehmer schätzen die qualitativen Eigenschaften eines Gutes schlechter ein als andere. Es herrscht eine ungleiche Informationsverteilung (asymmetrische Information)237; des Verhaltens einzelner Tauschpartner: es besteht Unsicherheit über die Handlungen der Marktgegenseite, da sich diese nicht zuverlässig prognostizieren lassen. Informationsdefizite haben weitreichende Folgen für die Preisbildung auf Märkten. In der Realität kommt es zu Situationen, in denen eine Marktseite wichtige Eigenschaften eines Gutes besser einschätzen kann als die Marktgegenseite. In der mikroökonomischen Literatur wird in diesem Zusammenhang von versteckten Informationen gesprochen. Ein typisches Beispiel hierfür ist der Gebrauchtwagenmarkt (vgl. Übersicht V-9): Ein PKW ist ein sogenanntes Erfahrungsgut, das zentrale Eigenschaften erst im alltäglichen Gebrauch zeigt. Die eigentliche Qualität von Gebrauchtwagen wird daher oft erst nach dem Kauf sichtbar. Obwohl ein Auto zunächst intakt erscheint, treten später zum Teil schwerwiegende Mängel auf. Die daraus resultierenden Folgen lassen sich an dem in der Literatur bekannten „Zitronenbeispiel“ deutlich machen. Der US-Ökonom George Akerlof unterscheidet in diesem Zusammenhang zwischen „lemons“ (= Zitronen schlechten Gebrauchtwagen) und „plums“ (= Pflaumen Gebrauchtwagen guter Qualität).

237

Zur Bedeutung asymmetrischer Informationen und zur Bedeutung von Qualitätseffekten für die Gleichgewichtsbildung auf Märkten vgl. Clement, R.: Preis und Qualitätseffekte, in: Wirtschaftswissenschaftliches Studium, 34. Jg., H.4, 2005, S. 213 – 215.

4 Asymmetrische Informationen

359

Angenommen, auf einem Gebrauchtwagenmarkt treffen 100 Anbieter auf eine gleiche Anzahl von Nachfragern. Im Gegensatz zu den Nachfragern wissen die potentiellen Verkäufer um die eigentliche Qualität ihrer Autos. Es gibt 50 „lemons“ und 50 „plums“. Die Besitzer der „plums“ wollen mindestens 10.000 € erzielen, die Anbieter der „Lemons“ sind mit 5.000 € zufrieden. Die Nachfrager sind bereit, bis zu 12.000 € für „plums“ und bis zu 6.000 € für „lemons“ zu zahlen. Bei vollständiger Markttransparenz ergäben sich keine Probleme der Preisbildung. Die qualitativ hochwertigen PKW werden zwischen 10.000 und 12.000 € gehandelt, der Spielraum für die schlechteren Fahrzeuge liegt zwischen 5.000 und 6.000 €. Bei unvollständiger Markttransparenz können sich die Käufer allerdings nur am durchschnittlichen Warenangebot orientieren. Übersicht V-9: Informationsdefizite und Marktversagen am Beispiel des Gebrauchtwagenmarktes 100 Nachfrager mit Unkenntnis der Qualität der Produkte; Zahlungsbereitschaft: plums: 12.000 € lemons: 6.000 €

asymmetrische Information auf dem Gebrauchtwagenmarkt

Kalkül der Nachfrager: 50% - Risiko des Erwerbs einer „lemon“: 0,5 x 12.000 € + 0,5 x 6.000 € = 9.000 €

Folge: maximale Zahlungsbereitschaft für Gebrauchtwagen = 9.000 €

Angebot: Kenntnis der Qualität der Produkte; Mindestforderung: 50 plums: 50 lemons:

10.000 € 5.000 €

Folge: Anbieter guter Gebrauchtwagen könnten sich vom Markt zurückziehen


Erwartungsnutzen ohne Versicherung; risikofreudig: Brandrisiko stellt eine geringe Belastung dar: Nutzen der Versicherung < Erwartungsnutzen ohne Versicherung. Infolge des Abschlusses von Versicherungsverträgen kann sich allerdings die Wahrscheinlichkeit des Schadensfalles ändern, wenn die von der Versicherung ausgehende Absicherung des Schadens zu einer Verhaltensänderung der Versicherungsnehmer führt (Moral Hazard; unmoralisches Verhalten; moralischer Hasardeur). Diese Änderung der Schadenswahrscheinlichkeit kann vom Versicherer aufgrund asymmetrischer Informationen nicht prognostiziert und nur im Nachhinein festgestellt werden. Fallbeispiel: Fahrraddiebstahl-Versicherung: Die Nachfrager einer Fahrradversicherung zahlen eine Prämie dafür, dass die Versicherung im Diebstahlsfall den Wert des Fahrrades ersetzt. Diese vermeintliche „Absicherung“ kann sich auch im Verhalten des Versicherungsnehmers niederschlagen. Er wird weniger vorsichtig sein, sein Rad nicht mehr immer abschließen oder nur ein billiges Fahrradschloss kaufen, denn im Fall des Diebstahls erhält er sein Rad ersetzt. Da dieses Problem bei jedem Fahrradbesitzer auftreten kann, wird die Versicherung von vornherein höhere Versicherungsbeiträge kalkulieren. Dadurch werden diejenigen Nachfrager belastet, die sich ungeachtet ihrer Versicherung gegen mögliche Diebstähle schützen. Wenn die Versicherungsprämien zu stark steigen, lohnt sich gerade für diese Personen eine Versicherung nicht mehr. Bei ihrem sorgsamen Verhalten kann es billiger sein, auf einen Versicherungsschutz zu verzichten, als die teuren Beiträge zu zahlen. Insgesamt kann es damit zu einer Ansammlung von fahrlässigen Versicherungsnehmern kommen, was wiederum Prämienerhöhungen nach sich zieht. Sorgsame Nachfrager verlassen die Versicherung oder zeigen im Zeitablauf selbst unmoralisches Verhalten. In der Versicherung kumulieren sich schlechte Risiken. Im Extrem bleiben nur „unmoralisch handelnde“ Versicherungsnehmer übrig und der Versicherungsmarkt für Fahrräder bricht zusammen (vgl. Übersicht V-10). Insgesamt gibt es folglich auf Versicherungsmärkten die Tendenz, dass Personen mit den höchsten Risiken die meisten Versicherungen kaufen. Zur negativen Auslese kommt es, weil

362

V Marktversagen und die Rolle des Staates

diejenigen, die ein erhöhtes Risiko haben, aber nur die Durchschnittsprämie zahlen, ein „gutes Geschäft“ machen. Der Versicherer hat dann sozusagen die „Kunden“, die er eigentlich nicht möchte, weil sie mit relativ hoher Wahrscheinlichkeit Schadensfälle erleiden werden. Probleme des „Moral Hazard“ können auch bei Dienstleistern auftreten. Die Anbieter solcher Dienstleistungen könnten aufgrund eigener finanzieller Interessen ihren Kunden „auf Anfrage“ Leistungen anbieten, die zur übermäßigen Nachfrage führen.239 Es ist für den Käufer solcher Leistungen nur schwer zu beurteilen, ob die gegebenen Empfehlungen und Ratschläge zur Therapie oder zur Reparatur tatsächlich „gut gemeint“ sind.

Übersicht V-10: Versicherungsmarkt und Moral Hazard Risikoübernahme Versicherungsgeber

Beitrag

keine bzw. geringe Kontrollmöglichkeiten aufgrund asymmetrischer Informationen

Erhöhung der Prämien bei zu hohen Schadenssummen

Versicherungsnehmer

versteckte Handlungen („unmoralisches Verhalten“) einzelner Versicherungsnehmer

Beitragserhöhung

Reaktionen: „Sorgsame“ verlassen die Versicherung oder zeigen im Zeitablauf selbst unmoralisches Verhalten

Asymmetrische Informationen waren auch hauptverantwortlich für die Entstehung der Wirtschafts- und Finanzkrise in den Jahren ab 2007. Sie wurde durch spekulative Wertentwicklungen und eine Bankenkrise vor allem von US-Banken, aber auch einiger europäischer Banken ausgelöst und hatte den Konkurs der Investmentbank „Lehman-Brothers“ im September 2008 zur Folge. Die Krise entstand, weil die Banken über eine risikofreudige und aggressive Geschäftspolitik u.a. auf dem Immobilienmarkt ihre Rendite zu erhöhen suchten. Die Banken und die Investmentbranche verbrieften ihre Kreditforderungen, die diese u.a. gegenüber hoch 239

So kann es für einen Dienstleister durchaus verlockend sein, die in einem Unternehmen vorhandene kostspielige Infrastruktur dem Kunden in einer übermäßigen Nutzung anzubieten, um auf diese Weise die Auslastung teurer Geräte zu verbessern (z. B. in der Gesundheitsbranche). Dies ist insbesondere dann für den Dienstleister attraktiv, wenn der Preis von der Versichertengemeinschaft (Schadens-, Krankenversicherung) und nicht vom Kunden unmittelbar selbst zu finanzieren ist. Bei Wirtschaftsakteuren mit hohem Ethikbewusstsein oder bei Akteuren, deren guter Ruf große Bedeutung hat, besteht die Hoffnung, dass ein derartiges Verhalten vermieden werden kann.

4 Asymmetrische Informationen

363

verschuldeten Immobilienbesitzern hatten, z. B. in sog. Assed Back Securities (ABS). Die Finanzinstitute verkauften diese risikobehafteten Papiere weltweit an andere private und öffentliche Geldanleger, die diese zu neuen strukturierten Finanzprodukten (Zertifikaten, Derivaten o. ä.) kombinierten. Dabei waren die Zusammensetzung und die Qualität der Papiere für die Zeichner nicht mehr zu beurteilen, so dass die Käufer mit dem Erwerb der Zertifikate ein hohes Risiko eingingen. Nach dem Konkurs der Lehman Investmentbank verlor ein großer Teil des Wertpapiermarktes seine Funktionsfähigkeit und hinterließ tiefe Einschnitte in der Funktionsweise des Geld- und Kapitalmarktes, da das Vertrauen in diese Papiere und ihre Emittenten verloren ging.240 Fallbeispiel: Asymmetrische Informationen auf dem Geld- und Kreditmarkt Asymmetrische Informationssituationen sind im Bankenbereich dadurch gekennzeichnet, dass die Geschäftsbanken als Geld- oder Kreditgeber die Bonitätssituation ihrer Kreditnehmer und deren Risikoverhalten nur schwer einzustufen vermögen. Demgegenüber sind die Kreditnehmer eher in der Lage, das vertraglich vereinbarte Verhalten der Banken vorherzusehen. Derartige Informationsprobleme treten klassischerweise bei jeder Kreditvergabe einer Geschäftsbank an eine Nichtbank auf. Derzeit ist vor allem im Euro-Währungsgebiet das Misstrauen im Bankenbereich so ausgeprägt, dass im Interbankenhandel (d. h. zwischen den Geschäftsbanken selbst) asymmetrische Informationen den Geld- und Kapitalverkehr erheblich beeinträchtigen und den Interbankenmarkt und die Geldversorgung der Volkswirtschaften stark in Mitleidenschaft ziehen. So haben Ende 2011 die Geschäftsbanken die von ihnen kurzfristig nicht benötigte Liquidität zu einem Rekordwert von über 400 Mrd. Euro bei der Zentralbank und nicht bei anderen Geschäftsbanken als Übernacht-Einlagen241 hinterlegt. Dass diese Geldbestände bei der Zentralbank im Rahmen der Einlagenfazilität zum Einlagesatz weit schlechter verzinst werden als auf dem Interbankenmarkt und die Geschäftsbanken dennoch diese Anlageform für ihre Überschussreserven wählen, zeigt, welches Misstrauen im Interbankenhandel besteht. Im Zuge dieser Verunsicherung auf dem Geldmarkt hat die EZB Ende 2011 den Geschäftsbanken der Eurozone in einer beispiellosen Sondermaßnahme von Hauptrefinanzierungsgeschäften Liquidität in einer Rekordsumme von über 500 Mrd. Euro für einen außergewöhnlich langen Zeitraum von drei Jahren bereitgestellt. Die Geschäftsbanken haben diese EZB-Geldbeträge im Umfang von fast 500 Mrd. € in Anspruch genommen. Unsicherheit entsteht im Interbankenhandel vor allem daraus, dass die Geschäftsbanken nur schwer beurteilen können, in welchem Umfang die andere Geschäftsbank ausfallgefährdete Positionen von Schuldnern hält, unterkapitalisiert oder von anderen Sonderbelastungen betroffen ist und folglich als Geschäftsbank selbst ein erhöhtes Ausfallrisiko darstellt. Aus240

Der Markt für Zertifikate, also Wertpapiere (oder Derivate), die ihren Wert aus zugrunde liegenden Realgütern oder Aktien ableiten, brach in der Folge des Konkurses der Lehman-Bank völlig zusammen. 241 Mit den „Übernacht-Einlagen“ oder „Overnight-Geschäften“ wird Geld im Interbankenhandel zwischen den Geschäftspartnern von heute auf morgen über Nacht von einer Bank, die dieses Geld kurzfristig nicht benötigt, an eine andere Bank mit Geldbedarf verliehen.

364

V Marktversagen und die Rolle des Staates

fallrisiken drohen den Geschäftsbanken vor allem aufgrund ihrer umfassenden Forderungspositionen an Staatsanleihen. Diese Staatsanleihen versprachen den Gläubigern in der Vergangenheit als vermeintlich sichere Wertpapiere attraktive Zinserträge, nun aber belasten sie die Bankbilanzen im Zuge der zunehmenden Staatsverschuldung und den daraus resultierenden Kursverlusten. Die Kurse der Staatsanleihen vieler Euro-Länder haben stärkere Einbrüche zu verzeichnen, da die Bonität und das Rating der Staatsanleihen sich infolge der Überschuldung der Staaten (z. B. Griechenland, Italien, Spanien, Portugal, Irland, etc.) deutlich verschlechterten.242 Hohe Belastungen und Risiken im Geschäftsbankensystem drohen den Geschäftsbanken auch aus sogenannten Credit Default Swaps (CDS). Hierbei handelt es sich um Kreditausfallversicherungen, durch die Gläubiger ihre Forderungspositionen gegenüber Schuldnern absichern. CDS werden auch als Wertpapiere (Kreditderivate) gehandelt, deren Kurse je nach Ausfallrisiko der gesicherten Positionen (Referenzschuldner) erheblich schwanken (Hebelwirkung). Da die Banken auch mit diesen CDS selbst Wertpapierhandel betreiben und nicht bekannt ist, in welchem Umfang die Banken mit CDS ihre Positionen abgesichert haben, kann die Bonität der Banken kaum zuverlässig eingestuft werden. Demzufolge wird durch CDS das gegenseitige Misstrauen der Banken deutlich ausgeweitet. Zusätzlich bereitgestellte Informationen der Geschäftsbanken über Umfang und Art ihrer gesicherten oder unbesicherten Positionen könnten hier einen Beitrag dazu leisten, mehr Vertrauen zu schaffen. Wie am Ende dieses Kapitels nochmals grundsätzlich deutlich gemacht wird, müssten diese Informationen durch unabhängige staatliche Institutionen, das wären im Beispiel der Bankenkrise vertrauenswürdige private oder staatliche Ratingagenturen etc., gezielt überprüft werden. Im Zuge der Pleite der Investmentbank Lehman-Brothers haben die dominierenden US-Ratingagenturen erheblich an Vertrauen eingebüßt. Das Ziel, eine unabhängige, vertrauenswürdige europäische Ratingagentur zu gründen, kommt zurzeit nicht voran. Während der Interbankenmarkt derzeit durch die Finanzkrise stark belastet wird, kommt es auch in „normalen Zeiten“ zwischen den Geschäftsbanken und den Nichtbanken zu Unsicherheiten. Aufgrund der asymmetrischen Informationssituation können die kreditgewährenden Geschäftsbanken das Verhalten der Nichtbanken nicht richtig einschätzen. Befürchten die kreditgewährenden Banken erhöhte Ausfallrisiken der Kreditnehmer, so werden sie versuchen, diese Ausfallrisiken durch Zinsaufschläge an die Kreditnehmer weiter zu geben (sogenannte „Risikoabgeltungshypothese“). Dabei können die Geschäftsbanken jedoch nicht rechtzeitig erkennen, ob die kreditnehmenden Nichtbanken bei höheren Zinssätzen ihrerseits zu höheren Risiken neigen. Durch riskantere Investitionsprojekte könnten die Kreditnehmer nämlich versuchen, trotz des erhöhten Zinssatzes ihre hohen Gewinnziele zu realisieren. Dieses Verhalten der Kreditnehmer, auf Zinsaufschläge mit riskanteren Investionsstrategien zu antworten, wird als „Moral Hazard“ bezeichnet (Kreditnehmer zeigen das moralisch verwerfliche Verhalten von Hasardeuren). Bei positivem Verlauf des Kreditgeschäfts profitiert der Kreditnehmer von den ggfs. hohen Erträgen des riskanten Geschäfts, im 242

Darüber hinaus führt die (freiwillige) Vereinbarung eines Schuldenschnitts (sogenannter hair cut), der zur Abwendung einer sonst drohenden Staatsinsolvenz vorgenommen wird (siehe Griechenland 2011), zu hohen Einzelwertberichtigungen (EWB), d.h. Abschreibungen der Forderungspositionen der Gläubigerbanken.

4 Asymmetrische Informationen

365

negativen Fall ist primär die Bank durch den Teil- oder Totalausfall des Kredites betroffen (z. B. wenn die Haftungsrisiken beim Kreditnehmer begrenzt sind, dieser wegen Insolvenz zahlungsunfähig ist oder Realsicherheiten wie z. B. eine Grundschuld nur mit Verlust verwertet werden können). Während also im Negativfall der Kreditnehmer „nur“ die (bisherigen) Zinskosten des Darlehens zu tragen hat, wird die Bank mit dem Totalausfall des Darlehns belastet. Das „Moral Hazard-Verhalten“ beantwortet die Geschäftsbank mit einer Erhöhung der Risikoaufschläge, was die moralischen Hasardeure ihrerseits mit riskanteren Investitionsstrategien beantworten. Ausfallrisiko und Risikoaufschlag sind somit voreinander abhängig und „schaukeln“ sich in einem „Teufelskreis“ gegenseitig auf. In dieser Situation macht sich wiederum die asymmetrische Informationssituation der Geschäftsbanken negativ bemerkbar. Da die Banken nicht zwischen Kunden mit guter und schlechter Bonität unterscheiden können, bzw. sich die moralischen Hasardeure nicht (sofort) identifizieren lassen, erhöhen sie den Risikoaufschlag auch für weniger risikoorientierte Kreditnehmer. Dadurch kann eine Kreditklemme entstehen. Von Zinsaufschlägen sind Investoren mit geringeren Misserfolgsrisiken de facto aber stärker betroffen als Investoren mit größeren Risiken; deshalb lohnen sich die Kredite für die Kunden mit guter Bonität nicht mehr und es verbleiben daher nur Kunden mit hohem Kreditausfallrisiko als Kreditnachfrager. Damit führt der Teufelskreis von Risikoverhalten und Zinsanpassung letztlich dazu, dass die Bank nur noch sehr risikobehaftete Kreditnehmer behält (adverse selection = Negativauswahl der Kunden). Dieser Teufelskreis wird zudem dadurch beschleunigt, dass die Zinsaufschläge überproportional zum Ausfallrisiko ansteigen. Der Anteil risikofreudiger, ausfallgefährdeter Kunden nimmt immer mehr zu, bis schließlich die Negativauswahl der Kreditnehmer einen Zusammenbruch des Kreditmarkts zur Folge hat (Marktversagen). Es wird ersichtlich, dass die „Risikoabgeltungshypothese“ bei Vorliegen eines „Moral-hazard-Verhaltens“ versagt. Die Geschäftsbank kann dem beschriebenen „Teufelskreis“ nur dadurch entgehen, dass sie zu einer strengen Kreditkontingentierung übergeht (sogenannte „Risikonormierungshypothese“). Auf die Lenkungsfunktion des Zinssatzes als „Zuteilungskriterium“ der Kredite wird verzichtet. Stattdessen nehmen die Geschäftsbanken eine Mengenrationierung der Kredite bei vermeintlich sicheren Kreditnehmern vor.

In der Realität sind zur Bewältigung der Wirkungen der aufgezeigten Informationsdefizite, der mangelnden Markttransparenzen und der Unsicherheiten die folgenden Maßnahmen entwickelt worden (vgl. auch Übersicht V-11): ¾ Staatliche Auflagen: Informationsdefizite seitens der Konsumenten lassen sich durch staatliche Auflagen verringern; hierzu zählen z. B.: Informationsauflagen (z. B. im Rahmen der erweiterten Beratungspflicht für Finanzprodukte), Qualitäts- und Garantieauflagen. ¾ Regulierung des Marktangebots: Der Staat kann den Markteintritt regulieren. Auf besonders regulierten Märkten müssen die Anbieter strenge Zulassungsvorschriften erfüllen (z. B. medizinische Approbation des Arztes, Zertifizierung von Riester-Versicherungsanbietern). ¾ Informationsbereitstellung durch Institutionen: Verschiedene Einrichtungen fördern durch Bereitstellung von Informationen und Vergleiche von Produkten

366

V Marktversagen und die Rolle des Staates

die Markttransparenz (z. B. Verbraucherzentralen, Stiftung Warentest, Finanztest, vertrauenswürdige Ratingagenturen). ¾ Gezielte Informationssuche der Nachfrager (z. B. durch Fachzeitschriften), um sich einen besseren Marktüberblick zu verschaffen (screening); ¾ gezielte Informationsbereitstellung durch die Anbieterseite, um das Interesse für ¾ seriöse Geschäfte bei den Nachfragern zu wecken (signalling). Übersicht V-11: Maßnahmen zur Schaffung von Markttransparenz Maßnahmen zum Abbau von Unsicherheit und zur Schaffung von Markttransparenz

staatliche Eingriffe

Auflagen, Marktregulierung, z. B.: z. B.: - Garantien - Zulassungs- Informationen beschränkungen - Qualität

Informationsbereitstellung durch Institutionen

z. B.: - Verbraucherzentralen - Stiftung Warentest - Ratingagenturen

„private Aktivitäten“

gezielte Informationsbereitstellung durch - Nachfrager (screening) - Anbieter (signalling)

Vertiefungsaufgabe V-4: 1. Was verstehen Sie unter den Begriffen „asymmetrische Informationen“, „Negativauslese (adverse selection)“ und „Moral Hazard“? 2. Zeigen Sie am Beispiel des Gebrauchtwagenmarktes auf, wie es vor dem Hintergrund dieser Begriffe zu Marktversagen kommen kann. 3. Beschreiben Sie verschiedene staatliche, institutionelle und „private“ Vorkehrungen zur Verringerung von Unsicherheit und Informationsdefiziten. 4. Wie lässt sich mittels der Begriffe „asymmetrische Informationen“, „Negativauslese (adverse selection)“ und „Moral Hazard“ die Finanzkrise und die Bankenkrise erklären? 5. Erläutern Sie den Begriff „Risikoabgeltungshypothese“ und zeigen Sie auf, welche Probleme damit verbunden sind.

VI

Anhang

Teil A: Ergänzende Unterlagen A1: A2: A3: A4: A5:

Ableitung der Güternachfragefunktion über einen Lagrange-Ansatz Darstellung der Wirkung einer Gütersubvention unter Verwendung des Instrumentariums der Nutzenanalyse Konkav verlaufende Indifferenzkurven Steigende Skalenerträge aufgrund der 2 zu 3 - Regel Formale Herleitung des Coase-Theorems

368 370 373 373 374

Teil B: Aufgaben und Lösungen

378

Literaturverzeichnis

425

Stichwortverzeichnis

431

VI Anhang

368

Teil A: Ergänzende Unterlagen A1: Ableitung der Güternachfragefunktion über einen Lagrange-Ansatz Beispiel einer einfachen Nutzenfunktion U = 5 • X • Z 1) Nutzenfunktion: U = 5 • X • Z

2) Budgetgleichung:Y= P(X) • X + P(Z) • Z

3) Lagrange-Funktion: L = U (X, Z) + • (Y- P(X) • X - P(Z) • Z) 4) Bestimmung der nutzenmaximierenden Gütermengen: L → max. Hierzu partielle Ableitung nach den beiden Gütern X und Z sowie nach Optimum liegt dort, wo die partiellen Ableitungen Null werden: 4a) L‘(X) = U‘(X) -

• P(x) = 0

4b) L‘(Z) = U‘(Z) -

• P(Z) = 0

bilden;

4c) L‘( ) = Y- P(X) • X - P(Z) • Z = 0 (Y, P(X), P(Z) sind vorgegeben) Werden 4a) durch 4b) jeweils nach U‘(X) bzw. U‘(Z) aufgelöst und durcheinander dividiert, so ergibt sich: 5) (Verhältnis der Grenznutzen der Güter X und Z = Preisverhältnis dieser Güter); (2. Gossensches Gesetz) bzw. bei Auflösung nach : 6) gibt damit den Grenznutzen des Geldes [ U/ €] an; dieser muss im Optimum für beide Güter ausgeglichen sein; bei „n“ Gütern muss er für „n“ Güter ausgeglichen sein. Wie sieht nun die konkrete Güternachfrage bei Vorgabe der Nutzenfunktion (1) aus? Hierzu sind die Gleichungen 4a und 4b durch Berücksichtigung von Gl. 1 zu konkretisieren; es ergibt sich: 7a) L‘(X) = 5 • Z -

• P(X) = 0 (U‘(X) = 5 • Z)

7b) L‘(Z) = 5 • X -

• P(Z) = 0 (U‘(Z) = 5 • X)

Teil A: Ergänzende Unterlagen

369

Gleichung 4c) lautet weiterhin: 4c) L‘( ) = Y- P(X) • X- P(Z) • Z = 0 (Y, P(X) und P(Z) sind vorgegeben) Bei den Gleichungen 7a und 7b sowie 4c handelt es sich um drei Gleichungen mit drei Unbekannten; hieraus lassen sich nach dem Einsetzungsverfahren die nutzenmaximierenden Gütermengen Z* und X* bestimmen243; es ergibt sich als Lösung: 8a) Z* = Y/(2 • P(Z)) für P(Z) = 300 und Y = 3000 ergibt sich Z* = 5 8b) X* = Y/(2 • P(X)) für P(X) = 150 und Y = 3000 ergibt sich X* = 10 Aus 8a) und 8b) ist ersichtlich, dass die optimalen Gütermengen nur vom Einkommen und von den Preisen dieser Güter, nicht aber von den Preisen des (der) anderen Gutes (Güter) abhängen; dies ist eine sehr vereinfachende Annahme, die durch die einfache Nutzenfunktion (1) bedingt ist; bei einer realistischeren Nutzenfunktion, die auch dem 1. Gossenschen Gesetz Rechnung tragen würde (sinkende Grenznutzen), wäre die Güternachfrage eines Gutes auch von den Preisen der anderen Güter abhängig. Werden die optimalen Gütermengen in Gleichung 1 eingesetzt, so gilt für den Grenznutzen der Güter X und Z: U‘(X) = 5 • Z* = 25;

U‘(Z)= 5 • X* = 50 ,

d.h. das Grenznutzenverhältnis von X zu Z beträgt 1/2; ebenso ist das Preisverhältnis von P(X) zu P(Z) = 1/2, so dass das 2. Gossensche Gesetz erfüllt ist. Hinweis: der Grenznutzen des Geldes beträgt einheitlich für beide Güter X bzw. Z im Optimum: = 1/6; das ergibt sich, indem X* und Z* in die Gleichung 7a und 7b eingesetzt werden (Ausgleich des Grenznutzens des Geldes = 2. Gossensches Gesetz).

243

Zunächst ist Gleichung 7a nach aufzulösen und in Gleichung 7b einzusetzen; 7b nach x aufgelöst und eingesetzt in Gl. 4c) ergibt die optimale Gütermenge Z* = Y/(2 • P(Z)). Sodann ist Z* in Gleichung 4c einzusetzen und nach X aufzulösen; es ergibt sich die optimale Gütermenge X* = Y/(2 • P(X)).

VI Anhang

370

A2: Darstellung der Wirkung einer Gütersubvention unter Verwendung des Instrumentariums der Nutzenanalyse Ein Privater Haushalt weise folgende Nutzenfunktion der Form U = 5 • X • Z auf; für die Produkte X und Z habe er die Güterpreise P(X) = 150 € und P(Z) = 300 € zu zahlen; das Einkommen des Haushalts betrage 3000 €. In dieser Situation führe der Staat für das Gut Z eine Subvention von 50 € je Mengeneinheit ein, die durch eine Einkommenssteuer durch den Haushalt zu finanzieren sei. 1.Schritt: Ausgangssituation ohne Subvention Nutzenentwicklung eines Haushalts bei vorgegebenem Einkommen (Ausgaben) und vorgegebenen Güterpreisen der Güter X und Z kardinale Nutzenfunktion: P(X) = 150 P(Z) = 300

GE/ME GE/ME

U=5•X•Z mit: GE = Geldeinheiten; ME = Mengeneinheit

P(X) / P(Z) = 150 / 300 = 0,5 (Preisverhältnis der Güter X und Z) Y= 3000 Euro (Annahme: Ersparnis S = 0, d.h. Y = Ausgaben) Budgetgleichung: U

210,0 219,4 227,5 234,4 240,0 244,4 247,5 249,4 250,0 249,4 247,5 244,4 240,0 234,4 227,5

X

6,0 6,5 7,0 7,5 8,0 8,5 9,0 9,5 10,0 10,5 11,0 11,5 12,0 12,5 13,0

Z

7,0 6,8 6,5 6,3 6,0 5,8 5,5 5,3 5,0 4,8 4,5 4,3 4,0 3,8 3,5

U'(X) Grenznutzen X 35,00 33,75 32,50 31,25 30,00 28,75 27,50 26,25 25,00 23,75 22,50 21,25 20,00 18,75 17,50

3000 = 150 • X + 300 • Z U'(Z) Grenznutzen Z 30,00 32,50 35,00 37,50 40,00 42,50 45,00 47,50 50,00 52,50 55,00 57,50 60,00 62,50 65,00

U'(X)/U'(Z) Grenznutzenrelation 1,17 1,04 0,93 0,83 0,75 0,68 0,61 0,55 0,50 0,45 0,41 0,37 0,33 0,30 0,27

im Vergleich zu

U'(X)/U'(Z)

Ausgaben in GE

P(X)/P(Z) > > > > > > > > = < < < < <
> > > > > > > = < < <
2700,00 > 2700,00 > 2700,00 > 2700,00 > 2700,00 > 2700,00 = 2700,00 < 2700,00 < 2700,0 < 2700,0 < 2700,00 < 2700,00 < 2700,00 < 2700,00 Steuer = Subvention

← Nutzenmaximum!

Ergebnis: Es wird eine Steuer von 300 GE erhoben; tatsächlich werden aufgrund der durch die Steuer bedingten Anpassungsprozesse nur 270 GE für die Subvention benötigt; daher sind in weiteren Iterationsschritten Subvention und Steuer in Einklang zu bringen. Unabhängig hiervon zeigt sich bei einem Vergleich mit der Ausgangssituation (keine Subvention), dass infolge der Subventionierung der Nutzen des Haushalts abnimmt (von 250 auf rd. 243 Nutzeneinheiten).

Teil A: Ergänzende Unterlagen

373

A3: Konkav verlaufende Indifferenzkurven X1

Optimale Güterbündel Konkaver Verlauf der Indifferenzlinie Nicht optimales Güterbündel X2

Quelle: Vgl. Varian, H.R., Grundzüge der Mikroökonomie, a.a.O. S. 82. Anmerkung: Konkav verlaufende Indifferenzkurven haben zur Folge, dass nicht jeder Tangentialpunkt ein Nutzenmaximum darstellt oder Lösungen nicht eindeutig sind. Nur bei streng konvexen Indifferenzkurven (keine flach verlaufenden Teilbereiche) ist eine derartige optimale Lösung eindeutig definiert.

A4: Steigende Skalenerträge aufgrund der 2 zu 3 - Regel Steigende Skalenerträge können bei Outputmengen, die durch ihr Volumen dargestellt werden wie Container, Schiffe, Flugzeuge (z.B. A380), LKW etc. durch ein günstigeres Verhältnis zwischen Volumen und flächenbedingtem Materialverbrauch entstehen. So nimmt bei dem nachfolgend dargestellten Würfel mit steigender Kantenlänge das Volumen in der 3. Potenz, der Flächenverbrauch aber in der 2. Potenz zu, wenn die Dicke der Wände konstant bleibt.

Kantenlänge des Würfels in m 10 30 Vervielfachung:

3-fach

Materialaufwand Fläche in m2 (Input)

Volumen in m3 (Output)

600 5400

1000 27000

9-fach

27-fach

=3

2

=3

3

2 - 3 - Regel

VI Anhang

374

A5: Formale Herleitung des Coase-Theorems163 Beispiel: Die Viehherde des Viehzüchters (V) plündert bei höherem Viehbestand aufgrund der begrenzten Futterreserven das Getreidefeld des benachbarten Getreidebauern (G); G hat also externe Kosten in Abhängigkeit von der Zahl der Tiere des V. Es wird im Folgenden gezeigt, dass die optimale Produktionsmenge von V bzw. G unabhängig von der Art der Rechtsausgestaltung der Haftungsregelung ist, d.h. die optimale Produktionsmengen unterscheiden sich nicht danach, ob V den G entschädigt oder ob G an V eine Entschädigung zahlt, damit dieser sein Vieh unter Kontrolle behält. Auch wenn die als „ungerecht empfundene“ Lösung einer Unterlassungszahlung des geschädigten Getreidebauern G an den Schadensverursacher V aus distributiven Gründen abgelehnt werden könnte, erreicht sie dennoch allokativ ihr Ziel einer effizienten Ressourcenallokation (die Verschwendung der Verfütterung wertvollen Getreides an die Viehherde wird eingestellt). Irritierend ist dabei, dass durch die Unterlassungszahlung des G an den V dem G Kosten entstehen. Allerdings ist zu bedenken, dass diese Unterlassungskosten für G unabhängig von seiner Getreideernte entstehen, d.h. als Fixkosten und nicht als Grenzkosten angesehen werden können. Insoweit beeinflussen sie die gewinnmaximale Angebotsmenge des G nicht (für den unterstellten Fall des Polypols gilt im Gewinnmaximum: Güterpreis = Grenzkosten; nach Beseitigung der negativen externen Effekte sind die Grenzkosten nicht mehr durch die externen Effekte erhöht) Situation von G: Kosten: KG = b • Y2G + c • Y2v

mit: c • Y2v = externer Effekt von V bei G

Gewinn von G ohne Entschädigung durch V: GG = PG •YG - b • Y2G - c • Y2v Situation von V: Kosten:

Kv = a • Y2v

Gewinn von V ohne Ausgleichszahlung durch G: Gv = Pv • Yv - a • Y2v I) V entschädigt den G in Höhe des Betrags c•Y2v (Internalisierung): Kosten des V mit Entschädigungszahlung an G:

Kv = a • Y2v + c • Y2v

Gewinn des V mit Entschädigungszahlung an G: Gv = Pv • Yv - a • Y2v - c • Y2v Kosten des G:

KG = b • Y2G + c • Y2v

Gewinn des G mit Entschädigung (c • Y2v ) durch V: GG = PG • YG + c • Y2v - b • Y2G - c • Y2v = PG •YG - b • Y2G

Teil A: Ergänzende Unterlagen

375

Die optimale Produktionsmenge von V ermittelt sich als: (I - 1) Gv’(Yv) = Pv - 2a • Yv - 2c • Yv = Pv - 2 • Yv (a + c) = 0 (Bedingung für Gmax) Somit ergibt sich die von V angestrebte optimale Produktionsmenge Y*v: (I - 2) Y*v = Pv / [2 • (a + c)] Die optimale Produktionsmenge von G ermittelt sich als: (I - 3) GG’(YG) = PG - 2b • YG = 0 (Bedingung für Gmax) Somit ergibt sich die von G angestrebte optimale Produktionsmenge Y*G: (I - 4) Y*G = PG / 2b II) „Internalisierung“: G zahlt an V eine Entschädigung in Höhe des Betrages z Kosten des V: KV = a • Y2V Gewinn von V mit Ausgleichszahlung von G an V: Gv = PV • YV - a • Y2V + z • (Y*v -Yv) mit:Y*v = opt. Produktion von V (aus Sicht von V) ohne Ausgleichszahlung; z = Höhe der Ausgleichszahlung von G an V je reduzierter Vieheinheit Optimale Produktionsmenge Y**V des V mit Ausgleich ermittelt sich für V als: (II - 1) Gv’(Yv) = PV - 2a • Y**V - z = 0 (Bedingung für Gmax; part. Ableitung nach YV; Y*V = konstant) Somit ergibt sich für V die optimale Produktionsmenge Y**V: (II - 2) Y**V = ( PV – z) / 2 a (Hinweis: die Ausgleichszahlung reduziert Y**V) Frage: Wie viel Entschädigung (z) zahlt G dem V? Antwort: G zahlt so viel Entschädigung (z), dass über die hiervon ausgehende Verringerung der externen Effekte des V beim G der Gewinn des G maximiert wird. Optimale Produktionsmengen des G bei Ausgleichszahlungen an V: (II-3a) Kosten des G mit Entschädigung an V: KG= b •Y2G+c •Y2V + z • (Y*V -YV) (II-3b) Gewinn des G mit Entschädigung an V: GG= PG •YG-b •Y2G - c•Y2V - z•(Y*V -YV) Bedingungen für Gewinnmaximum des G (optimale Produktionsmenge Y**G des G; optimale Viehmenge Y***V des V aus Sicht des G): (II - 4) Gg’(Yg) = PG - 2b • Y**G = 0 (1. part. Ableitung der Gl. (II - 3b) nach Yg)

VI Anhang

376

(II - 5a) Gg’(Yv) = 2c • Y***V + z = 0 (1. partielle Ableitung der Gl. (II - 3b) nach Yv; wie viel Vieh möchte G ertragen?) oder: (II - 5b) Y***V = z / 2c mit: Y**G, Y***V = gewinnmaximale Produktionsmengen von Yg und Yv aus Sicht von G (Hinweis: Y**V stellt die opt. Produktionsmenge Yv aus Sicht von V dar)! Damit die aus Sicht von G optimale Produktionsmenge Y***V (siehe II-5b) mit der aus Sicht von V optimalen Produktionsmenge Y**V (siehe II-2) übereinstimmt, muss gelten:

Aus (II - 5c) folgt als optimale Entschädigung zopt wie folgt (zopt bewirkt Übereinstimmung von Y**V und Y***V):

Erhält V diese Entschädigung zopt, und wird

für z

in die Gl. (II - 2) eingesetzt, so konkretisiert sich die Produktion von V in Gleichung (II - 2) zu:

Teil A: Ergänzende Unterlagen

377

Die Lösungen für die optimale Produktionsmenge von V bei Entschädigung durch G Gleichung (II-6) stimmt mit der optimalen Produktionsmenge von V überein, wenn V eine Entschädigung an G zahlt Gleichung (I - 2). Die optimale Produktionsmenge Y**G des G ergibt sich bei einer Ausgleichszahlung des G an den V (siehe Gleichung (II - 4)) als: (7) Y**G = und stimmt mit der Lösung der Gleichung (I - 4) überein, bei der V den G entschädigt. Somit ergeben sich unabhängig von der Entschädigungslösung identische optimale Produktionsmengen für G und auch für V. Wegen der Übereinstimmung der Produktionsmengen von V und G bei beiden Entschädigungsregelungen ist das Theorem von Ronald Coase bewiesen!

VI Anhang

378

Teil B:

Aufgaben und Lösungen

Aufgaben zur Haushaltstheorie: Aufgabe III-1: Lesender Student auf Reisen (S. 76) a)

Budgetgleichung: 300 = 50 • X + 0,25 • Z

Menge

Ausgaben

gefahrene

Ausgaben

Bücher

Bücher

Bahn-km

Bahn

Gesamtausgaben

Gut X

Gut Z

0

0

1200

300

300

1

50

1000

250

300

2

100

800

200

300

3

150

600

150

300

4

200

400

100

300

5

250

200

50

300

6

300

0

0

300

b) Z = Y/(P(Z) = 300/0,25

gefahrene km (Gut Z)

1200

Budgetgerade für Zusatzverdienst = 1200 des Studenten

1000 800

X = Y/(P(X) = 300/50 =6

600 400 Budgetgerade des Studenten S für Ausgaben für Gut X und Gut Z

200 0

A

0

1

2

3

4

gekaufte Bücher (Gut X)

5

6

Teil B: Aufgaben und Lösungen

379

c)

Möchte Student S über ein zusätzliches Buch verfügen, so muss er auf 200 km Bahnfahrt verzichten. Die Austauschbeziehung wird ausschließlich durch das Preisverhältnis der Güter bestimmt. Da die Preise der Güter sich nicht verändern, ist das Austauschverhältnis konstant. Steigt der Preis für die Bahnfahrt von 0,25 € auf 0,3 €, so dreht sich die Budgetgerade (siehe Darstellung in Aufgabe b) im Drehpunkt A (X-Achse) auf der Z-Achse nach innen. Gibt Student S sein gesamtes Budget für Bahnreisen aus, so kann er maximal 1000 km fahren. d) Die Grenzrate der Substitution (GRS) für die Güter X und Z lautet:

Die GRS gibt in dem konkreten Beispiel an, auf wie viel Bahnkilometer (Gut Z) der Student S verzichten kann, wenn er sich ein zusätzliches Buch (Gut X) anschafft und trotzden den Nutzen aus den realisierten Gütermengen von X und Z konstant halten will. Da ein Mehr an Büchern mit einem Weniger an Bahnfahrt einhergeht, ist die Grenzrate der Substitution negativ. Die Grenzrate der Substitution von mehr X und weniger Z wird durch das Grenznutzenverhältnis von Büchern und Bahnkilometern bestimmt. Die Austauschbeziehung der Güter verhält sich umgekehrt proportional zum Grenznutzenverhältnis der Güter. Die Menge an Bahnkilometern, auf die Student S bei Kauf eines zusätzlichen Buches verzichten kann, ohne dass sich sein Nutzen verändert, nimmt aufgrund des 1. Gossenschen Gesetzes immer mehr ab, wenn er diesen Tauschvorgang (mehr Bücher und weniger Bahnreisen) sukzessive fortsetzt. Verantwortlich für diese sinkende Grenzrate der Substitution ist, dass bei jedem zusätzlichen Bücherkauf der Nutzen des zusätzlichen Buches sinkt, während der Nutzenentgang der nicht realisierten Bahnkilometer immer mehr ansteigt. e) Die Ableitung des Haushaltsoptimums erfordert die Kenntnis der Nutzenfunktion der Güter, hier der Güter (X= Bücher) und (Z= Bahnfahrt). Aus dieser Nutzenfunktion kann der Grenznutzen der Güter abgeleitet werden. Der Haushalt ist im Nutzenmaximum, wenn das Grenznutzenverhältnis der Güter mit dem Preisverhältnis der Güter übereinstimmt (2. Gossensches Gesetz). Ein Haushaltsoptimum liegt auch vor, wenn die zuletzt eingesetzte Geldeinheit für Bücher bzw. Bahnkilometer den gleichen Grenznutzen des Geldes hervorbringt. Die Gesamtmengen von X und Z können über zwei Gleichungen mit zwei Unbekannten X und Z bestimmt werden. Die beiden Gleichungen werden durch die Bedingung für das 2. Gossensche Gesetz unter konkreter Verwendung der vorherrschenden Grenznutzen der Güter (ergibt sich aus Nutzenfunktion) und der Budgetgleichung hergeleitet.

VI Anhang

380

Aufgabe III-2: Drei Aussagen zur Haushaltstheorie (S. 76) 1. Eine konstante Grenzrate der Substitution von (-1) bedeutet, dass ein Konsument die Güter immer im gleichen Verhältnis (1:1) zu tauschen bereit ist (konstanter Nutzen) und es damit keine Sättigung gibt (1. Gossensche Gesetz hat keine Gültigkeit). In dieser Situation existieren bei unterschiedlichen Güterpreisen nur Extremlösungen, d.h. es wird nur das jeweils billigere Gut nachgefragt und das andere Gut überhaupt nicht (also nicht positive Mengen von beiden Gütern).

2. Die Steigung der Budgetgerade wird ausschließlich durch das Preisverhältnis der Güter bestimmt. Dabei gilt: Grenzrate der Substitution der Güter X und Z auf der Budgetgerade entspricht dem umgekehrten Preisverhältnis der Güter, also: Die Steigung der Budgetgerade ist unabhängig von der Nutzeneinschätzung und damit unabhängig von der Grenzrate der Substitution der Indifferenzkurve. Die Steigung der Budgetgerade wird ausschließlich durch das Preisverhältnis der Güter bestimmt. Nur im Haushaltsoptimum treffen beide Begriffe aufeinander und es gilt die Regel des 2. Gossenschen Gesetztes.

3. Auf der Indifferenzkurve verhält sich die Grenzrate der Substitution zweier Güter X und Z umgekehrt proportional zum Grenznutzen der Güter X und Z. Die Antwort sollte auch eine Definition der Indifferenzkurve und der Grenzrate der Substitution umfassen.

Aufgabe III-3: Vollkommen perfekte Substitute (Bleistifte) (S. 77)

Gut X rote Bleistifte

zu a) Linear verlaufende Indifferenzlinien (vollkommen perfekte Substitute mit einer Grenzrate der Substitution (GRS) von -1); dies bedeutet: • Der Haushalt ist bereit, stets 1 Mengeneinheit von Gut X gegen 1 eine Mengeneinheit von Gut Z zu Indifferenzkurve tauschen (auch andere GRS wären denkbar, so dass der Wert auch (-2); (-3) etc. lauten könnte) • Auch wenn der Verbrauch an Gut Z steigt, ändert sich nicht das Austauschverhältnis von Gut Z zu Gut X (keine Gültigkeit des 1. Gossenschen Gesetztes, d.h. kein sinkender Grenznutzen = keine sinkende GRS)

Zu b) Situation 1: Extremlösung mit Z = 10, X = 0 Gut X rote Bleistifte

Indifferenzkurve Budgetlinie

Indifferenzkurve dx dz

2 = -1 Gut Z blaue Bleistifte

Gut X und Gut Z sind für den Haushalt vollkommen perfekte Substitute

10

Y= 5 € P(X) = 2,50 € P(Z) = 0,50 €

Gut Z blaue Bleistifte

Teil B: Aufgaben und Lösungen

381

Zu b) Situation 2: Extremlösung mit Z = 10, X = 0

Zu b) Situation 3: indifferent; alle möglichen Kombinationen, die zu insgesamt 10 Bleistiften (rot oder blau) führen Gut X rote Bleistifte

10 Indifferenzkurve Indifferenzkurve 4

Budgetlinie Budgetlinie 10

Gut Z blaue Bleistifte

Y =5€ P(X) = 1,25 € P(Z) = 0,50 €

10 Y =5€ P(X) = 0,5 € P(Z) = 0,5 €

Gut Z blaue Bleistifte

Aufgabe III - 4: Berechnung des Haushaltsoptimums mit Cobb-DouglasNutzenfunktion (S. 77) Die Bedingung für ein Nutzenmaximum lautet (2. Gossensches Gesetz):

Diese Bedingung erfordert daher die Ableitungen der Cobb-Douglas-Nutzenfunktion nach X und Z: Grenznutzen von X: Grenznutzen von Z:

Hieraus folgt für das Grenznutzenverhältnis:

Wegen des 2. Gossenschen Gesetzes gilt ferner:

Unter Berücksichtigung von 3) und 4) folgt somit für P(X) = 150 und P(Z) = 300 (siehe Aufgabenstellung):

VI Anhang

382

Die konkrete Lösung für X und Z ergibt sich unter Verwendung der Budgetgleichung für das Einkommen von Y = 3000 €. Die konkrete Budgetgleichung lautet: 7) Y= 3000 = 150 • X + 300 • Z Wird die Lösung der Gleichung 6) in die Gleichung 7) eingesetzt, ergibt sich: 8) 3000 = 150 • 8 • Z + 300 • Z = 1500 • Z und somit folgt für die nutzenmaximierenden Gütermengen: 9)

Z* = 2; X* = 16

Aufgabe III-5: Lineare preisabhängige Nachfragefunktion (S. 90) a) X= 250 - 5 P(X)

somit:

b) Pproh(X): 0 = X= 250 - 5 Pproh(X)

P(X) = 0 → X = 250 (Sättigungsmenge) → Pproh(X) = 250/5 = 50 (Prohibitivpreis)

c) für P(X) = 35 somit:

X= 250 - 5 • 35 = 75

d) Begründung des Verlaufs: Mit steigendem Preis von P(X) wird das Gut X teurer im Vergleich zu allen anderen Gütern; dies bewirkt eine Substitution dieses Gutes X durch andere Güter, sofern es sich um ein substitutives Gut handelt (Substitutionseffekt). Gleichzeitig nimmt mit steigendem Preis das Realeinkommen (Kaufkraft des Nominaleinkommens) ab, so dass – für den Fall normaler oder superiorer Güter – auch aufgrund der gesunkenen realen Kaufkraft die Nachfrage nach X abnimmt. Analoge Entwicklungen gelten bei sinkenden Preisen des Gutes X.

Teil B: Aufgaben und Lösungen

383

Aufgabe III-6: Bafög versus Gutscheine für Lehrbücher, Abwrackprämie (S. 90) BAFÖG-Erhöhung lässt Nominaleinkommen ansteigen Nutzenmaximierende Güterkombination C nach BAFÖG-Erhöhung ermöglicht höheres Nutzenniveau als Bücherschein und Optimum in B

andere Güter Z

C

A

Durch eine BAFÖG-Erhöhung bzw. durch eine Lehrbuchsubventionierung steigt das Realeinkommen in gleicher Weise an (damit gleiche Belastung für Staat)

B Einkommen nach Lehrbuchsubventionierung

X1

X2

Gut X (Lehrbücher)

Nominaleinkommen in Ausgangssituation

Ausgangspunkt ist das ursprüngliche Haushaltsoptimum im Punkt A der oben angeführten Darstellung. Durch die Lehrbuchsubventionierung dreht sich die Budgetgerade nach außen. Es kommt zum Haushaltsoptimum im Punkt B. Würde anstelle der finanziellen Förderung der Bücherbeschaffung eine gleich hohe Förderung in Form einer BAFÖG-Erhöhung erfolgen, so würde die Budgetgerade durch die BAFÖG-Erhöhung soweit nach außen verschoben, dass im Punkt B das gleiche Realeinkommen vorherrscht, wie bei einer Lehrbuchsubvention (Büchersubvention = BAFÖG-Erhöhung). Es käme als neues Haushaltsoptimum nun nicht Punkt B, sondern Punkt C zustande (Tangentialpunkt mit Indifferenzkurve). Auffallend ist, dass in Punkt C das Nutzenniveau höher ausfällt als in Punkt B. Dadurch, dass die BAFÖG-Erhöhung nicht an spezielle Güterverwendungen geknüpft ist (wie dies bei Büchergutscheinen der Fall ist), können die Studierenden ein höheres Nutzenniveau realisieren. Derartige Situationen finden sich häufig im wirtschafts- und sozialpolitischen Alltag. Das bekannteste Beispiel ist sicherlich die Abwrackprämie, die aus stabilisierungspolitischen Gründen im Zuge der Wirtschafts- und Finanzkrise der Jahre 2007 ff. im Jahr 2009 in Deutschland eingeführt wurde und unter bestimmten Bedingungen eine Förderung von 2500 € je Fahrzeug vorsah. Hierzu wurden 5 Mrd. € bereitgestellt. In den USA und anderen Ländern wurden ähnliche Förderprogramme durchgeführt. Auch wenn diese Maßnahmen dazu beitrugen, der Konjunktur schnell wirtschaftliche Impulse zu verleihen (trotz der Mitnahmeeffekte und der Negativauswirkungen auf spezielle Bereiche wie z.B. Werkstätten etc.), darf nicht übersehen werden, dass diese Förderung im Vergleich zu einer Erhöhung der realen Nettoeinkommen allokationspolitisch sehr problematisch erscheint (siehe Vergleich des Nutzenniveaus in Punkt B und C in der oben angeführten Darstellung). Dieser Einwand

VI Anhang

384

gilt auch aus verteilungs- und umweltpolitischen Gründen. Ähnliche sozialpolitische Fragen der güterspezifischen Förderung oder der allgemeinen finanziellen Förderung werden derzeit täglich in der Familien- und Sozialpolitik diskutiert (Unterstützung junger Familien durch Betreuungsgeld etc., Bindung der Sozialhilfe an spezielle Güterverwendungsstrukturen etc.).

Aufgabe III-7: Giffengüter und ihre Definition (S. 95) a) Eine ausführliche Beantwortung würde folgende Elemente umfassen: Bei einem Giffengut ist nicht die Einkommensänderung, sondern die Preisänderung die Ursache für eine anomale Nachfragereaktion; insoweit ist die oben aufgestellte Behauptung nicht zutreffend. Ein Giffengut liegt dann vor, wenn Preisänderungen die Nachfrageänderung auslösen und Preis- und Nachfrageänderungen das gleiche Vorzeichen aufweisen. Nimmt bei steigendem Einkommen die Nachfrage nach einem Gut ab, so liegt ein sogenanntes absolut inferiores Gut vor. Ein absolut inferiores Gut ist eine notwendige, aber keine hinreichende Bedingung für ein Giffengut. Nur dann, wenn der bei einem absolut inferioren Gut auftretende negative Einkommenseffekt den entgegengesetzt wirkenden Substitutionseffekt übertrifft, kann sich das absolut inferiore Gut bei Preisänderungen wie ein Giffengut verhalten. Unter dem Substitutionseffekt wird dabei die preisbedingte Substitution des relativ teurer gewordenen Gutes zugunsten des relativ billiger gewordenen Gutes verstanden. Unter dem Einkommenseffekt wird die veränderte Nachfrage des Gutes infolge der preisbedingten Realeinkommensänderung verstanden. (Hinweis: ein absolut inferiores Gut ist erforderlich, damit Substitutions- und der Einkommenseffekt entgegengesetzt verlaufen; eine Notlage ist erforderlich, damit der Einkommenseffekt auch den Substitutionseffekt übertreffen kann.) b) Giffengüter weisen bei Preisveränderungen eine anomale preisabhängige Nachfrage auf, d.h. werden z. B. bei steigenden Preisen verstärkt nachgefragt und umgekehrt. Damit liegt eine positive und nicht eine negative Preiselastizität der Nachfrage vor (insoweit ist die Aussage falsch). Giffengüter setzen immer ein absolut inferiores Gut voraus. Absolut inferiore Güter liegen vor, wenn z. B. bei steigendem Einkommen die Nachfrage nach dem Gut abnimmt, d.h. eine negative Einkommenselastizität vorliegt (insoweit ist die Aussage richtig).

Teil B: Aufgaben und Lösungen

385

Aufgabe III-8: ÖPNV und Carsharing (S. 100) a) Direkte preisabhängige Nachfrage

Kreuzpreisnachfrage

für gegebenes P(Z): Linksverschiebung der Nachfragefunktion, wenn P(X) ↓ → Z ↓

P(Z)

P(X)

Für gegebenes P(Z): Bewegung auf der Kreuzpreisnachfrage, wenn P(X) ↓

N2 N1 Z

2

3

4

PKW-km

Z

2

3

4

PKW-km

Gut X (ÖPNV) und Gut Z (PKW-Fahrten) stellen gute Substitute dar; Gut X ist superior und Gut Z ist relativ inferior; Wirkung der Preissenkung von P(X) auf Nachfrage nach Gut X und Gut Z (SE + EE): - SE: Nachfrage nach Gut X steigt (relativ billiger) und Nachfrage nach Gut Z sinkt (relativteurer); da beide Güter gute Substitute, wirkt sich SE jeweils stärker aus; - EE: Nachfrage nach Gut X steigt stark (superior); Nachfrage nach Gut Z steigt nur schwach (relativ inferior) Folglich Preiseffekt (SE+EE): Nachfrage nach Gut X steigt und Nachfrage nach Gut Z sinkt.

Effekt SE EE Preiseffekt gesamt

Formale Darstellung im Überblick; P(X) sinkt; P(Z) unverändert Gut X (ÖPNV) Gut Z (PKW-km)

↑↑ stark, gute Substitute ↑↑ stark, da superior ↑↑↑↑ Nachfrage steigt

↓↓ (starker SE senkt Nachfrage nach Gut Z (PKW) ↑ (relativ inferior = schwacher EE) ↓ Nachfrage nach Gut Z (PKW) sinkt, da: │SE│ > │EE│

VI Anhang

386 b) Direkte preisabhängige Nachfrage

P(Z)

für gegebenes P(Z): Rechtsverschiebung, wenn P(X) ↓ → Z ↑

N1

Kreuzpreisnachfrage

↓ P(X)

Bewegung auf der Nachfragefunktion

N2 Z

2

3

Z

2

4

3

4

Gut X (ÖPNV) und Gut Z (PKW-Fahrten, Carsharing) stellen schlechte Substitute dar; Gut X ist absolut inferior und Gut Z ist superior; Mobilität ist wegen knapper Haushaltskasse stark eingeschränkt. Ergebnis der Preissenkung von Gut X: SE: Nachfrage nach Gut X steigt schwach und Nachfrage nach Gut Z sinkt schwach; EE: Nachfrage nach Gut X sinkt (absolut inferior); Nachfrage nach Gut Z steigt stark (superior) Auswirkung auf Nachfrage nach Gut X (Giffen-Gut?): je nach der Höhe von SE und EE kann Nachfrage nach Gut X steigen, unverändert bleiben oder sinken (Gut X = Giffen-Gut, da P(X) gesunken), während die Nachfrage nach Gut Z steigt; Gut X als Giffen-Gut möglich, wenn │EE│ >│SE│. Formale Darstellung im Überblick Effekt SE

Gut X (ÖPNV) ↑ schwach

EE

↓schwach oder ↓↓ stark

↓ schwach ↑ ↑stark (superior)

Preiseffekt gesamt

▬ fast unverändert oder



↓Giffen-Gut, wenn │EE│> │SE│

Gut Z (PKW-km)

Nachfrage nach Gut Z (PKW) steigt, da: │SE│ < │EE│

Teil B: Aufgaben und Lösungen

387

Aufgabe III-9: Punkt- und Bogenelastizität (S. 116) a) Fall 1 (P = 1200) P(X)

X 400

1200 1000 P(X) = -200 EX, P(X) =

EX, P(X) =

EX, P(X) =

800 X = +400

∆X X ∆P(X) P(X) + 400 400 - 200 1200 -6

Fall 2 (P = 1000) P(X) 1000

X 800

1200 P(X) = +200

400 X= -400

EX, P(X) =

EX, P(X) =

∆X X ∆P(X) P(X)

- 400 800 200 1000

EX, P(X) = - 2,5

Fall 2 (P = 1000)

Fall 1(P = 1200) Für P(X) = 1200

Für P(X) = 1000

EX,P(X)= dX/dP(X) · P(X)/X

EX,P(X)= dX/dP(X) · P(X)/X = - 2 • 1000/800 = - 2,5

= - 2 • 1200/400 =-6

P(X) 1400 1200 1000 700

A

EX, P(X) = -6 B

EX, P(X) = -2,5 C

400 800 1400

EX, P(X) = - 1 X

Das Konzept der Bogenelastizität setzt die Annahme der Preisänderung von einem Preis zu einem anderen Preis voraus. Die Preisänderung kann für den hier angenommen Fall einer linearen Nachfragefunktion in beliebiger Höhe vorgenommen werden, da die Steigung einer linearen Nachfragefunktion konstant ausfällt. Bei der Interpretation des Ergebnisses ist zu beachten, dass die ermittelte Preiselastizität jeweils dem Ausgangspreis zugeordnet werden muss. Insofern macht es einen erheblichen Unterschied, ob die Preiselastizität für Preisänderungen von z. B. 1200 auf 1000 GE errechnet wird oder umgekehrt, d.h. von 1000 auf 1200 GE. Da die Preiselastizität sich mit dem Ausgangspreis ändert, d.h. von der betrachteten Stelle der linearen Nachfragefunktion abhängig ist, stimmen die Ergebnisse der Preiselastizität für den Ausgangspreis 1200 GE (Bewegung zu P(X) = 1000) und 1000 GE (Bewegung zu P(X) = 1200) nicht überein!! Sowohl für den Ausgangspreis P(X) = 1200 als auch für den Ausgangspreis P(X) = 1000 liegt der Wert für die Preiselastizität mit EX,P(X) = -6 bzw. EX,P(X) = -2,5 im preiselastischen Bereich, d.h. die relative Mengenänderung von Gut X fällt höher aus als die entgegengesetzte relative Preisänderung von Gut X. Die Konzepte der Bogen- bzw. Punktelastizität kommen im vorliegenden Fall linearer Nachfragefunktionen (konstante Steigung der preisabhängigen Nachfragefunktion) zu identischen Ergebnissen. Bei nichtlinearen Nachfragefunktionen wäre das Konzept der Bogenelastizität nicht zulässig, und beide Verfahren würden folglich im Ergebnis voneinander abweichen. Vor- und Nachteile beider Konzepte: 1) Zum Konzept der Bogenelastizität: Die Preiselastizität kann auch ohne Kenntnis einer preisabhängigen Nachfragefunktion bei isolierten, d.h. kontrollierten Preisänderungen eines Gutes auf Testmärkten ermittelt werden. Allerdings gilt die ermittelte Preiselastizität nur für lineare Nachfragebeziehungen. Außerdem dürfte es schwierig sein, einen Testmarkt so zu gestalten, dass nur die Preisgröße sich verändert, alle anderen Einflussgrößen der Nachfrage aber unverändert bleiben. Sofern neben dem Güterpreis auch andere Ein-

VI Anhang

388

flussgrößen auf die Nachfrage einwirken (z. B. Einkommen, Preis der anderen Güter etc.), kann die relative Mengenänderung der Nachfrage des Gutes X nicht allein der relativen Preisänderung des Gutes X zugeordnet werden. Die Preiselastizität lässt sich daher in dieser Situation nicht über das Konzept der Bogenelastizität ermitteln, sondern sie kann nur über die Schätzung einer Nachfragefunktion und die Verwendung einer Punktelastizität bestimmt werden. 2) Zum Konzept der Punktelastizität: Voraussetzung ist die Ermittlung einer preisabhängigen Nachfragefunktion mittels multivariater Verfahren wie z. B. über eine Regressionsanalyse. Im Rahmen einer Mehrfachregression kann auch der Einfluss der Preisvariablen bei gleichzeitiger Veränderung anderer Einflussgrößen isoliert werden. Gleichwohl ist die Bestimmung der Funktionsform mit einem gewissen Aufwand verbunden. Für nichtlineare Funktionen lassen sich aussagekräftige Preiselastizitäten nur über die Punktelastizität ermitteln. Zudem kann hierdurch die Wirkung verschiedener Einflussgrößen der Nachfrage identifiziert werden. Der Nachteil besteht in dem wesentlich höheren Schätzaufwand. b) 1. Lösungsweg

2. Lösungsweg

Allgemein gilt: X = a – b · P(X)

hier ist dX/dP(X) = -2 = -b für die Berechnung der Elastizität gilt: E X,P(X) = dX/dP(X) · P(X)/X

Generell gilt bei linearen Nachfragefunktionen: beim halben Prohibitivpreis beträgt die Preiselastizität = -1. Wenn also bei einem Preis von 10 € die Preiselastizität -1 beträgt, bedeutet dies, dass der Prohibitivpreis 20 € beträgt;

hieraus folgt bei der Auflösung der Gleichung nach X: X = 20

Damit gilt: X = a - 2 · 20 = 0 (wobei b = 2, wie es sich aus der Aufgabenstellung ergibt); hieraus folgt: a = 40 und damit:

da zudem gilt: X = a – 2 · P(X); folgt: a = 40

X = 40 – 2 · P(X)

-2 · 10/X = -1

mit P(X) = 10

Damit gilt: X = 40 - 2 · P(X)

c) Ausgangspreis P(X) = 1000 EX,P(X) =

Ausgangspreis P(X) = 1200

– P(X)

[Prohibitivpreis – P(X)]

EX,P(X) =

– P(X) [Prohibitivpreis – P(X)]

X = 2800 – 2 · P(X) 0 = 2800 – 2 · Pproh(X) 2 · Pproh(X) = 2800 Pproh(X) = 1400 – 1000 EX,P(X) = [1400 – 1000]

X = 2800 – 2 · P (X) 0 = 2800 – 2 · Pproh(X) 2 · Pproh (X) = 2800 Pproh(X) = 1400 – 1200 EX,P(X) = [1400 – 1200]

EX,P(X) = – 2,5

EX,P(X) = – 6

Teil B: Aufgaben und Lösungen

389

d) I: EX,P(X) = – 1 bei P(X) = 10; hieraus folgt Prohibitivpreis = 20 Ia) 0 = a –b · 20

Ib) a = b · 20

II: Bei P(X) = 12 gilt: X = 20 20 = a – b · 12 III: Ib) einsetzen in II

IV: Ergebnis III in Ib) einsetzen:

20 = b · 20 – b · 12

a = b · 20

20 = 8 b

a = 2,5 · 20

b = 2,5

a = 50 (Sättigungsmenge)

Damit gilt: X = 50 – 2,5 · P(X)

e) Eine Nachfragefunktion für ein Gut X weist eine isoelastische Nachfrage mit einer Preiselastizität von -1 auf, wenn relative Preisänderungen gleich hohe entgegengesetzte relative Mengenänderungen auslösen und hierdurch die Ausgaben, bzw. der Umsatz oder der Erlös für ein Gut X unverändert bleiben. Da Erhöhungen der Mengensteuern wie Preiserhöhungen des Gutes X wirken, haben sie auch keine Veränderung des Umsatzes zur Folge, so dass das Steueraufkommen unverändert bleibt. Die Aussage ist somit falsch. In dem Umfang, wie der Steuersatz prozentual ansteigt, kommt es zu gleich hohen prozentualen Mengenabnahmen, d.h. zu einer Senkung der Bemessungsgrundlage der Steuer, so dass das Steueraufkommen sich nicht ändert. Sinkende Steuereinnahmen würden nur bei einer Preiselastizität der Nachfrage │EX,P(X) │> 1 auftreten, was hier aber nicht gegeben ist.

Aufgabe III-10: Verkehrsbetriebe und Preiselastizität (S. 124) a) Ausgangsdaten: X = 1 Mio. ; dX = -0,2 Mio. ; P(X) = 2 GE; dP(X) = +1 GE

einfacher: relative Mengenveränderung 0,2 Mio./1 Mio. = - 20%; relative Preisänderung mit +50% vorgegeben;

Eine Erhöhung der Tarife um 50% führt lediglich zu einem Rückgang der Fahrgastzahlen von 20%; rel. Mengeneffekt < rel. Preiseffekt und EX,P(X) < 1, so dass die Nachfrage vergleichsweise preisunelastisch reagiert. b) Umsatz vor der Preiserhöhung: 1Mio • 2 GE = 2Mio GE

VI Anhang

390

Umsatz nach der Preiserhöhung: 0,8Mio • 3 GE = 2,4 Mio. GE; unter dem Gesichtspunkt der Umsatzerhöhung lohnt sich also die Erhöhung der Tarife um 50%, da bei EX,P(X) < 1 die relative Mengenverminderung kleiner ist als die relative Preiserhöhung.

Aufgabe III-11: Preiselastizität der Nachfrage von Rauchern (S. 124) a)

P(X)

b) P(X) E = 0; vollkommen preisunelastisch X=0

E = -

; vollkommen preiselastisch

X c)

P(X)

mit Eisoelastisch =-1 Preiselastizität E = -1

E=0 vollkommen preisunelastisch

= 10 10 e)

X d) P(X)

X

P(X)

X f) P(X)

0,2

E>0

10

X

X

E = (-5/10) / (+0,05/0,2) = - 2 Prohibitivpreis lässt sich über Streckenabschnittsregel wie folgt ermitteln: E = (0,2/(Prohibitivpreis - 0,2) = -2 Hieraus folgt: Prohibitivpreis = 0,3 €

anomaler Verlauf; wenn der Preis steigt, werden nicht weniger, sondern mehr Zigaretten geraucht;

Aufgabe III-12: Preiselastizität auf dem Kaffeemarkt (S. 125) a) Bestimmung der Preiselastizität als Bogenelastizität setzt voraus: eine lineare Nachfragefunktion (bei nicht linearen ist Bogenelastizität fehlerhaft) die Einhaltung der c.p. Bedingung, d.h. Mengenänderungen dürfen ausschließlich preisbedingt sein und nicht durch gleichzeitige Veränderungen anderer Einflussgrößen (z.B. Einkommen) hervorgerufen worden sein.

Teil B: Aufgaben und Lösungen

391

b) Die Verwendung der Punktelastizität setzt voraus, dass eine preisabhängige Nachfragefunktion mittels multivariater Verfahren (z. B. Regressionsanalyse) geschätzt wurde. Im Rahmen einer Mehrfachregression ist es möglich, neben dem Einfluss der Preisvariablen P(X) auch den Einfluss anderer Größen wie z. B. den Einfluss des Preises der anderen Güter P(Z) auf die Nachfragemenge X zu identifizieren, d.h. den Einfluss des Preises P(X) auf X von den anderen Einflüssen zu isolieren. Insoweit kann – anders als beim Konzept der Bogenelastizität– die Preiselastizität auch dann über die Punktelastizität bestimmt werden, wenn sich gleichzeitig mehrere Einflussgrößen der Nachfrage X verändern. Allerdings kann es in der ökonometrischen Praxis zu Problemen kommen, wenn z.B. die Einflussgrößen miteinander korreliert sind, wenn sich z. B. aufgrund von Zeittrends oder Marketingmaßnahmen die Preise aller Güter parallel bewegen (sogenannte Multikollinearität). Die Punktelastizität lässt sich zudem auch für nichtlineare Nachfragefunktionen bestimmen. (Vgl. auch Lösung der Aufgabe III-9a). c) Preiselastizität der Nachfrage = 0,182% / -4,66% = -0,039 Interpretation: sinkt der Kaffeepreis um 1%, so steigt die Kaffeenachfrage lediglich um 0,04%, d.h. Kaffeenachfrage ist fast vollkommen unelastisch. Hinweis: Allerdings sollte berücksichtigt werden, dass hierbei die c.p. Annahme aus oben angeführten Gründen vermutlich nicht erfüllt ist und daher die errechnete Preiselastizität verzerrt sein kann. d) Steigende Kaffeeumsätze für: d.h. die relative Mengenzunahme muss größer ausfallen als die relative Preissenkung.

Aufgabe III-13: Preiselastizität der Nachfrage (S. 125) X = 25; P(X) = 20; ∆P(X) = +1; EX,P(X) = -1,5 Umsatz in der Ausgangssituation = Preis • Menge = 20 • 25 = 500

Hieraus folgt für X nach der Preiserhöhung:

X = 25 - 1,875 = 23,125

Einfachere, schnellere Lösung: Preissenkung (in %) = +5%; aufgrund der Definition der Preiselastizität und der Vorgaben muss gelten: EX,P(X) = = -1,5 → ?% (= relative Mengenänderung in %) → ?% = -1,5 • 5 = -7,5%; damit sinkt X von 25 um 1,875 Mengeneinheiten auf X = 23,125 Mengeneinheiten; neuer Umsatz: 21 • 23,125 = 485, 625 GE Fazit: Der Umsatz würde von 500 Geldeinheiten auf etwa 485 Geldeinheiten zurückgehen. Das Unternehmen sollte daher auf eine Preiserhöhung verzichten. Dieses Ergebnis ist das Resultat der relativ hohen Preiselastizität der Nachfrage ( E > 1), die bewirkt, dass relative Mengeneffekte > relative Preiseffekte. Damit sinkt auch das Produkt aus Menge und Preis, d.h. der Umsatz. Sinnvoller wäre in einer solchen Situation hingegen eine Preissenkung.

VI Anhang

392

Aufgabe III-14: Ermittlung des umsatzmaximalen Güterpreises (S. 125) a) Lösung über die Nachfragefunktion [X = a – b • P(X)] Umsatz: U(X, P(X)) = P(X) • X = P(X) • ( a – b • P(X) ) = a • P(X) – b • P(X)2 Umsatzmax. für Grenzumsatz U’(P(X)) = 0 U’(P(X)) = a – 2 • b • P(X) = 0 → P(X) = a / 2b (mit a/b = Prohibitivpreis) Ergebnis: Beim halben Prohibitivpreis liegt ein Umsatzmaximum vor. b) Lösung über die Preiselastizität der Nachfrage Ein Umsatzmaximum liegt für eine Preiselastizität von -1 vor; hier ist die Höhe der relativen Mengenänderung genau umgekehrt zur relativen Preisänderung; ferner ist bekannt, dass bei einer linearen Nachfragefunktion eine Preiselastizität von -1 beim halben Prohibitivpreis gegeben ist (siehe Beweis in Kap. III.1.3.1); somit führt der halbe Prohibitivpreis zum Umsatzmaximum. Für Preise unterhalb des halben Prohibitivpreises ist der Absolutbetrag der Preiselastizität kleiner als 1, und relative Preissenkungen lösen nur unterproportional ansteigende relative Mengenerhöhungen aus; folglich sinkt der Umsatz. Umgekehrt gilt: Bei Preiserhöhungen oberhalb des halben Prohibitivpreises ist der Absolutbetrag der Preiselastizität größer als 1 und relative Preissteigerungen gehen mit überproportional sinkenden relativen Nachfragemengen einher. Der Umsatz sinkt folglich.

Aufgabe III-15: Die Tücken der Preiselastizität der Nachfrage (S. 126) Lösung über Streckenabschnittsregel: 1. Fall

2. Fall

P(X)

P(X)

EI X, P(X) = EII X, P(X)

EII

EI

Prohibitivpreis für I < II

EI X, P(X) > E X, P(X)II

Einheitlicher Prohibitivpreis

I

obwohl EII flacher verläuft

EI

II

EII I

II

X

X

Prohibitivpreis für I < II

4. Fall

3. Fall

P(X)

P(X) II

EI X, P(X) < EII X, P(X) I

Prohibitivpreis für I > II

II EI

EI X, P(X) > EII X, P(X) obwohl gleiche Steigung

I EI

EII X

EII X

Teil B: Aufgaben und Lösungen

393

Aufgabe III-16: Kreuzpreiselastizität der Benzinmarken Blau, Rot (S. 129)

Marke Rot

=

Gut X : Menge X in Ausgangssituation = 10.000 Liter

Marke Blau EX,P(Z)

= =

Gut Z : relative Preisänderung 7,3 (substitutive Güter)

P(Z)/P(Z) in % = +3%

einfachere Lösung:

hieraus folgt: Hieraus folgt: ?% für die relative Mengenänderung = 7,3

+21,9% von 10.000 = 2190 Liter

Der Absatz der Marke Rot steigt bei einseitiger Preiserhöhung der Marke Blau um 3% von 10.000 auf täglich 12.190 Liter. Je ausgeprägter die positive Kreuzpreiselastizität bei substitutiven Gütern ist, desto intensiver ist der Wettbewerb zwischen diesen beiden Gütern. Dieser Zusammenhang könnte allerdings außer Kraft gesetzt werden, wenn ein „wettbewerbswidriges Verhalten“ der Anbieter von Substitutions- und damit Konkurrenzprodukten vorliegt (z.B. in Form von Preisabsprachen). Außerdem hängt die Kreuzpreiselastizität ─ ebenso wie die Preiselastizität der Nachfrage ─ von der Ausgangssituation ab; liegt eine niedrige Ausgangsmenge für Gut X vor, z.B. Neueinführung eines Produkts X, so fällt die Kreuzpreiselastizität sehr hoch aus.

Aufgabe III-17: Preiselastizität und Kreuzpreiselastizität im ÖPNV (S. 129) a) Die Bedenken könnten in der verstärkten Realisierung von Substitutionsmöglichkeiten bei Preiserhöhungen liegen. In diesem Fall läge eine relativ preiselastische Nachfrage vor und der Umsatz würde zurückgehen. b) Direkte Preiselastizität der Nachfrage = 0; die Nachfragefunktion verläuft senkrecht. c)

Die nachgefragte Menge nach öffentlichen Verkehrsdienstleistungen würde damit bei einer Tariferhöhung von 20% um 32% zurückgehen.

VI Anhang

394 Einfacherer Lösungsansatz:

d) Um die unter c) ermittelte verminderte Nachfrage wieder auf die ursprüngliche Menge zu erhöhen, müsste im Gegenzug der Benzinpreis so erhöht werden, dass die Nachfrage nach öffentlichen Verkehrsleistungen um (32/(100-32)) • 100= 47,06 % zunimmt244. Hieraus ergibt sich bei einer Kreuzpreiselastizität von +0,4 die folgende erforderliche Erhöhung des Benzinpreises:

Entsprechend der unterstellten Kreuzpreiselastizität von 0,4 steigt die nachgefragte Menge nach öffentlichen Verkehrsdienstleistungen um 0,4%, wenn der Benzinpreis um 1% zunimmt. Soll ein Anstieg der Nachfrage nach Verkehrsleistungen von 47,06% erzielt werden, um den Rückgang von 32% wieder auszugleichen, müsste der Benzinpreis folglich um 117,65% ansteigen!! e) Die Entscheidungsträger sollten im Fall einer geplanten Umsatzerhöhung der öffentlichen Verkehrsbetriebe entweder den Preis für ÖPNV senken (Umsatz würde wegen hoher Preiselastizität zunehmen) oder sich politisch für eine deutliche Erhöhung des Benzinpreises einsetzen.

Aufgabe III-18: Kreuzpreiselastizität von PC und CD (S. 129) CD-ROM :

Gut X (Nachfrageänderung)

PC

:

Gut Z (Preisänderung)

EX,P(Z)

=

- 0,4 (komplementäre Güter, da negative Kreuzpreiselastizität)

=

- 0,4 • -0,1 • 4 Mio. = 0,16 Mio.

X

Die Nachfrage nach CD-ROMs steigt um 160.000 Stück bei einer Preissenkung des komplementären PC-Produktes. In diesem Fall liegt allerdings eine relativ geringe negative Kreuzpreiselastizität vor.

244

Hinweis: Zu beachten ist der Basiseffekt: Sinkt z.B. ein Wert um 50%, so muss er anschließend um 100% ansteigen, damit er wieder das vorherige Niveau erreicht! 50/(100-50) •100 = 100%.

Teil B: Aufgaben und Lösungen

395

Aufgabe III-19: Wachstumsraten und Elastizitäten in der Übersicht (S. 135) Im Folgenden sei vereinfachend*) von folgender Regel ausgegangen: WU = WP(X) + WX (Vernachlässigung des sogenannten Joint- Effekts = WP(X) • WX) mit:

WU = Wachstumsrate des Umsatzes bzw. der Ausgaben des Gutes X in % WP(X) = Preissteigerungsrate des Gutes X in % WX = Wachstumsrate der Nachfrage des Gutes X in %

Situa- WU WP(X) WX tion in % in % in %

EX,P(X) = WX / WP(X)

sonstige Angaben

Situation der Nachfrage des Gutes X

a

0,5

1

-0,5

-0,5

b

-0,5

1

-1,5

-1,5

c

1

1

0

0

Nachfrage im preisunelastischen Bereich -1 < EX,P(X) < 0 Nachfrage im preiselastischen Bereich -∞ < EX,P(X) < -1 vollkommen preisunelastisch

d

0

1

-1

-1

isoelastische Nachfrage mit EX,P(X) = -1 vor

e

1,5

1

0,5

0,5

EX,Y < 0

f

1,5

1

0,5

0,5

EX,Y > 1

g

1,5

1

0,5

0,5

0 < EX,Y < 1

anomale preisabhängige Nachfrage**), da WU > WP(X); Giffen-Gut, da absolut inferior anomale preisabhängige Nachfrage**), da WU > WP(X); Veblen-Effekt, da superiores Gut

anomale preisabhängige Nachfrage**), da WU > W(P(X)); spekulatives Gut,

relativ inferiores Gut schließt andere Spezialfälle aus

*) Da der Umsatz als Produkt von Preis und Menge definiert ist, gilt für die Wachstumsfaktoren: (1+WU/100) = (1+WP(X)/100) • (1+WX/100); hieraus folgt als exakte Regel für die Wachstumsrate des Umsatzes in %: WU =[ (1+ WP(X)/100) • (1+ WX/100) - 1] • 100 **) es liegt eine anomale preisabhängige Nachfrage vor, da bei steigenden Preisen die Ausgaben (Umsätze) stärker steigen als die Preise und damit die Menge X zunehmen muss.

Aufgabe III-20: Haushaltstheorie mit Blick für das Ganze (S. 135) a)

komplementäres Gut X (eine negative Kreuzpreiselastizität von -1/3 ist im Antwortkatalog nicht vorgesehen) b) superiores Gut X (wegen EX,Y > 1 nimmt Ausgabenanteil des Gutes X c.p. bei Einkommenserhöhungen zu) c) Gut X mit Snobeffekt (keine anomale preisabhängige Nachfrage, Wert für negative Preiselastizität nicht bekannt) d) Wenn der Umsatz ansteigt, muss der relative Preisrückgang kleiner ausfallen als der relative Mengenanstieg, d.h. die preisabhängige Nachfrage muss sehr preiselastisch verlaufen; annähernd gilt: Wachstumsrate des Umsatzes (+10%) = Preissenkung Gut X von (-10%) + Wachstumsrate der Menge des Gutes X; hieraus folgt eine Wachstumsrate bei Gut X von +20%). Damit errechnet sich folglich Lösung:

„Gut X mit einer negativen Preiselastizität E, mit: (-∞) < E < (-1)“

VI Anhang

396 e)

Wachstumsrate des Umsatzes (-5%) = Preissenkung Gut X von (-10%) + Wachstumsrate der Menge des Gutes X); hieraus folgt eine Wachstumsrate bei Gut X von +5%) Damit errechnet sich eine Preiselastizität der Nachfrage

f)

Lösung: „Gut X mit einer negativen Preiselastizität E, mit: (-1) < E < (0)“ Wachstumsrate des Umsatzes (-11%)= Preissenkung Gut X von (-10%) + Wachstumsrate der Menge des Gutes X); hieraus folgt eine Wachstumsrate bei Gut X von -1%) Damit errechnet sich eine Preiselastizität der Nachfrage Damit: anomale preisabhängige Nachfrage, da prozentualer Umsatzrückgang stärker ausfällt als prozentualer Preisrückgang; dies kann nur bei einem gleichzeitigen Mengenrückgang eintreten. Ursache für anomale preisabhängige Nachfrage kann im Rahmen der möglichen Antworten nur spekulatives Gut sein, das im Preis erhöht wird. Andere Gründe wie Giffengut bzw. Veblen-Effekt können nicht vorliegen, da hierzu ein absolut inferiores Gut (bei GiffenGut) bzw. ein superiores Gut (bei Veblen-Effekt) vorliegen müsste. Da die Einkommenselastizität +1/3 beträgt, liegt ein relativ inferiores Gut vor; allerdings kommt hier die Lösung „relativ inferiores Gut“ nicht in Betracht, da als Vorgabe nur relativ inferiore Güter mit einer Einkommenselastizität von 0,5 vorgesehen sind. (Hinweis: Aufgabenlösung zeigt auf, wie verschiedene Aspekte der Haushaltstheorie mosaikartig zusammengefügt werden müssen = ganzheitliches Denken).

Aufgabe III-21: Einkommenselastizität höherwertiger Konsumgüter (S. 136) Y = 4.000 € ;

Y = +200 € (+5%); X =

8 Stück;

X = 2 Stück

Die Nachfrage X nach höherwertigen Konsumgütern durch Familie C steigt überproportional bei Einkommenssteigerungen an. Dies bedeutet, dass es sich bei den nachgefragten Konsumgütern um superiore Güter handelt. Steigt das Einkommen um 1%, so nimmt die Nachfrage nach Gut X um 5% zu. Aufgabe III-22: Einkommenselastizität gering- & höherwertiger Konsumgüter (S. 136) Y = 80.000 €; Y = 20.000 €; Billig und Gut (Gut X) = 50 Flaschen; X = - 25 Flaschen; Nobel (Gut Z) = 1 Flasche; Z = +5 Flaschen

Die Nachfrage nach „geringwertigem“ Sekt (Gut X) durch Familie C. geht aufgrund der Einkommenssteigerung zurück. Es handelt sich damit aus Sicht von Familie C. um absolut infer-

Teil B: Aufgaben und Lösungen

397

iore Güter. Demgegenüber steigt einkommensbedingt die Nachfrage nach Champagner der Marke Nobel (Gut Z) überproportional zum Einkommensanstieg an, d.h. Nobel stellt ein superiores Gut dar.

Aufgabe III-23: Verschiedene Preiselastizitäten (S. 137) a) Isoelastische Nachfrage mit einer Preiselastizität der Nachfrage = - 1 (für alle P(X), X); Ursache: relative Preis- und Mengenänderungen verhalten sich umgekehrt proportional zueinander; Folge: Ausgaben bleiben für alle Preis-Mengenkombinationen konstant; Sachverhalt kann durch Potenzfunktion mit Exponent = -1 dargestellt werden, z.B. Fondsparen. b) absolut inferiores Gut; mit steigendem Einkommen sinkt die Nachfrage nach Gut X absolut; Einkommenselastizität der Nachfrage c) Mit steigendem Preis des Gutes Z nimmt die Nachfrage nach Gut X zu (positive Kreuzpreiselastizität des Gutes X bei Preisänderungen des Gutes Z); es handelt sich um substitutive Güter X und Z; bei Gut X fällt der Substitutionseffekt höher aus als der Einkommenseffekt. Begriffe: ¾ Substitutionseffekt = c.p. nimmt aufgrund der relativen Verteuerung von Gut Z gegenüber Gut X die Nachfrage nach Gut X zu; ¾ Einkommenseffekt = steigt der Preis von Gut Z, so nimmt das reale Einkommen ab; hierdurch verringert sich sowohl die Nachfrage nach Gut Z als auch nach Gut X; Ergebnis: Der Saldo aus Substitutions- und Einkommenseffekts ist immer dann positiv, wenn der Substitutionseffekt größer als der entgegengesetzt wirkende Einkommenseffekt ausfällt (Situation einer positiven Kreuzpreiselastizität tritt umso eher ein, je mehr Gut X und Z gute Substitute darstellen und je geringer die Einkommenselastizität von Gut X ausfällt, d.h. Gut X ist relativ inferior) . Dies hat zur Folge, dass mit steigendem Preis von Gut Z die Nachfrage nach Gut X zunimmt, d.h. die Kreuzpreiselastizität von Gut X bei Preisänderungen von Gut Z positiv ausfällt. (Hinweis zur Information, hier nicht vorliegend: Liegen komplementäre Güter X und Z vor, so entfällt der Substitutionseffekt und es verbleibt nur der Einkommenseffekt; dieser hat bei Preissteigerungen des Gutes Z eine negative Kreuzpreiselastizität für das Gut X zur Folge. Eine negative Kreuzpreiselastizität für Gut X kann bei Preissteigerungen des Gutes Z auch bei schwach substitutiven Gütern X und Z entstehen, wenn gleichzeitig Gut X eine hohe Einkommenselastizität aufweist (Gut X ist ein superiores Gut). d) Vollkommen preiselastisches Angebot des Gutes X; Preiselastizität des Angebots = + ∞; kleinste Preisänderungen lösen große Veränderungen des Angebots von Gut X aus.

398

VI Anhang

Aufgaben zur Unternehmenstheorie Aufgabe III-24: Produktionskosten unterschiedlicher Technologien bei Verteuerung des Faktors Arbeit (S. 174) Ergebnis: Je billiger der Faktor Arbeit ist, desto effizienter sind arbeitsintensivere Verfahren. Wenn sich der Faktor Arbeit gegenüber dem Faktor Kapital verteuert, werden kapitalintensivere Verfahren rentabler. Es erfolgt dann ein Wechsel der Produktionsverfahren bzw. Technologien, d.h. Arbeit wird durch Kapital substituiert. (Angaben in Klammern = Kosten nach Verdopplung des Arbeitslohns bei unveränderten Kosten des Kapitaleinsatzes; kostenminimale Technologie jeweils eingerahmt und grau unterlegt) Kosten* der Technologie 1 Technologie 2 Technologie 3 Output Lohn 100 Lohn 200 Lohn 100 Lohn 200 Lohn 100 Lohn 200 1 1400 1600 (2200) 1300 (2000) (2000) 2 2600 2800 (4400) 2500 (3600) (3600) 3 3800 4000 (6600) 3700 (5200) (5200) 4 5100 5400 (9200) (7000) 5000 (6800) 5 7100 7000 (13000) (9200) 6800 (9000) *) die Kapitalkosten je Kapitaleinheit betragen einheitlich 200 € Die Stückkosten je produzierter Mengeneinheit sind in nachfolgender Tabelle dargestellt. (Angaben in Klammern = Stückkosten nach Verdopplung des Arbeitslohns bei unveränderten Kosten des Kapitaleinsatzes; kostenminimale Technologie jeweils eingerahmt und grau unterlegt) Stückkosten* der Technologie 1 Technologie 2 Technologie 3 Output Lohn 100 Lohn 200 Lohn 100 Lohn 200 Lohn 100 Lohn 200 1 1400,00 1600,00 (2200,00) 1300,00 (2000,00) (2000,00) 2 1300,00 1400,00 (2200,00) 1250,00 (1800,00) (1800,00) 3 1266,66 1333,33 (2200,00) 1233,33 (1733,33 (1733,33) 4 1275,00 1350,00 (2300,00) (1750,00) 1250,00 (1700,00) 5 1420,00 1400,00 (2600,00) (1840,00) 1360,00 (1800,00) *) die Kapitalkosten je Kapitaleinheit betragen einheitlich 200 € In der Praxis müssen diese Überlegungen aber unter mehreren Gesichtspunkten differenziert beurteilt werden, u.a.: Zeitbedarf der Umstellung Kosten der Umstellung, u.a. Investitionsplanung organisatorische Veränderungen im Ablauf von Produktionsprozessen ggfs. neue Standortplanung (z.B. Verlagerung von arbeitsintensiven Fertigungen ins Ausland, sofern dort Arbeitskräfte billiger sind).

Teil B: Aufgaben und Lösungen

399

Aufgabe III-25: Cobb-Douglas Produktionsfunktion; Aggregation Kapital, Output (S. 179) (fundiertes Basiswissen der gesamtwirtschaftl. Produktionsfunktion)

a) Lösung für Faktor Arbeit; analoge Vorgehensweise für Faktor Kapital:

Grenzprodukt der Arbeit

= Konstante • Durchschittsprodukt der Arbeit

Die Konstanten a und b werden als Produktionselastizitäten der Faktoren vA bzw. vK bezeichnet und ermitteln sich als das Verhältnis von Grenzproduktivität zu Durchschnittsproduktivität eines Faktors, also beispielsweise für den Faktor Arbeit: Die Produktionselastizität a des Faktors Arbeit gibt an, wie sich die Grenzproduktivität des Faktors im Vergleich zur Durchschnittsproduktivität des Faktors verhält. Werden die Produktionsfaktoren Arbeit und Kapital mit ihrem Grenzprodukt real entlohnt (siehe Kapitel 2.6 zur Unternehmenstheorie), so entsprechen a bzw. b der Lohnquote bzw. der Gewinnquote. Dies sei für den Faktor Arbeit wie folgt aufgezeigt: Gemäß den Ausführungen in Kapitel III.2.6 gilt bei Gewinnmaximierung: ∂X/∂vA = Reallohnsatz= Lohnsatz/P(X) (Grenzprodukt des Faktors = realer Faktorpreis) Aufgrund der oben abgeleiteten Ergebnisse gilt ferner:

Damit folgt insgesamt:

Analoge Ergebnisse können für die Produktionselastizität b des Faktors Kapital dargestellt werden. Die Bezeichnung „Produktionselastizität“ eines Faktors lässt eine andere Interpretation der Parameter a und b erkennen: die Parameter geben an, in welchem Ausmaß bei einer partiellen Faktorvariation relative Inputerhöhungen zu einer relativen Outputerhöhung führen. Dies soll z.B. für den Faktor Arbeit durch eine Umformung der obigen Ergebnisse gezeigt werden:

400

VI Anhang

Somit gibt die Produktionselastizität des Faktors Arbeit (a) die relative Veränderung des Outputs bei einer relativen Veränderung des Arbeitseinsatzes an. Ein Wert a = 0,5 besagt, dass eine 1-%ige Veränderung des Faktoreinsatzes den Output um 0,5% erhöht (a < 1, d.h. unterproportionale Produktionselastizität wegen der Gültigkeit des Ertragsgesetzes; Grenzertrag des Faktors stets kleiner als der Durchschnittsertrag); analoge Überlegungen lassen sich auch für b anstellen (Produktionselastizität des Faktors Kapital). Zum Zusammenhang zwischen den Produktionselastizitäten und der Skalenelastizität vgl. Fehl, Ulrich; Oberender, Peter, Grundlagen der Mikroökonomie, 8.Auflage, München 2002, S. 182ff. b) Der Arbeitseinsatz wird über die Anzahl der Erwerbstätigen oder die Erwerbstätigenstunden (Arbeitszeit • Zahl der Erwerbstätigen) gemessen; hierbei werden einheitliche Qualifikationen unterstellt. Wird diese Annahme aufgegeben, muss der Index des Arbeitseinsatzes auf ähnliche Weise gebildet werden, wie der Outputindex oder der Index des Kapitaleinsatzes (s. nachfolgende Ausführungen) Das zu einem bestimmten Zeitpunkt in einer Volkswirtschaft eingesetzte reale Produktionskapital (Realkapital in Form von Maschinen, Gebäuden etc.) ermittelt sich, indem der nominale Wert des eingesetzten Kapitals mit einem geeigneten Preisindex deflationiert wird. Als Deflator dient dabei ein Preisindex für Kapitalgüter (Investitionsgüterpreisindex). Die Berechnung des Realkapitals einer Volkswirtschaft bzw. eines Wirtschaftsbereichs erfolgt u.a. durch das Statistische Bundesamt.

Das Kapital setzt sich aus verschiedenen Kapitalarten (Ausrüstungen, Bauten, Vorräten) zusammen und wird insgesamt als Anlagevermögen bezeichnet. Die deflationierte Kapitalwertgröße in € wird auch als Volumengröße bezeichnet, da ihre Veränderung im Zeitablauf nur mengen-, nicht aber preisbedingt ist; insoweit gibt die Veränderung dieser Volumengröße im Zeitablauf den Bestand an realem Kapital (Ausrüstungen in Form von Maschinen etc. oder Bauten) wieder, der im Produktionsprozess einer Volkswirtschaft eingesetzt wird. Da diese Wertgröße den realen Einsatz des Kapitals erfasst, ist sie im Zeitablauf um Abschreibungen bzw. Abgänge (Kapitalminderung erst bei Verschrottung) zu bereinigen. Wird die Abschreibungsmethode gewählt, so wird die ermittelte reale Kapitalgröße als Nettoanlagevermögen in Preisen eines Basisjahres bezeichnet. Erfolgt die Bereinigung über Abgänge, so wird der reale Kapitaleinsatz als Bruttoanlagevermögen in Preisen eines Basisjahres bezeichnet (diese Methode unterstellt, dass das Kapital nicht im Umfang der Abschreibungen, sondern im Umfang der Verschrottungen sein Leistungspotenzial verliert (sogenannte Abgänge); dies berücksichtigt z.B., dass ein bereits abgeschriebener LKW noch Leistungen abgeben kann, solange er nicht physisch verschrottet wurde); diese Aus-

Teil B: Aufgaben und Lösungen

401

führungen machen bereits deutlich, wie problematisch sich die Erfassung des real in einer Volkswirtschaft eingesetzten Kapitals gestaltet. Gleichwohl ist die Ermittlung für die Beurteilung der Leistungsfähigkeit einer Volkswirtschaft von grundlegender Bedeutung. Die Erfassung des Outputs einer Volkswirtschaft kann z.B. über das preisbereinigte Bruttoinlandsprodukt erfolgen; es wird ebenfalls in € gemessen und stellt im Zeitablauf eine Volumengröße für die mengenmäßige Produktion einer Volkswirtschaft dar. Das Bruttoinlandsprodukt erfasst die Summe aller in einer Periode erstellten Güter- und Dienstleistungen einer Volkswirtschaft abzüglich der Vorleistungen. Die Preisbereinigung erfolgt über einen sogenannten BIP-Deflator, der die unterschiedlichen Güterzusammensetzungen des BIPs beachtet. Kritisch bei dieser Outputmessung ist allerdings zu sehen, dass das BIP auch Abschreibungen enthält und somit die Outputleistung einer Volkswirtschaft überzeichnet. Ein besser geeigneter Outputindikator wäre daher das Volkseinkommen, das die Entlohnung der Produktionsfaktoren Arbeit und Kapital und damit die Summe der netto erstellten Güter und Dienstleistungen einer Volkswirtschaft zum Ausdruck bringt. ( Zu näheren Details und zu den begrifflichen Abgrenzungen vgl. Clement R., Terlau W., Kiy, M., a. a. O, Kapitel „Volkswirtschaftliche Gesamtrechnungen“ sowie Natrop, J., TranslogProduktionsfunktionen, a.a.O., S. 224 ff.) c) Durchschnittsprodukt (Durchschnittsproduktivität):

Hieraus lässt sich die mit dem Faktoreinsatz vA variierende Durchschnittsproduktivität des Faktors Arbeit für eine beliebig gewählte Einsatzmenge vA ermitteln. Beispielsweise ergibt sich für vA = 100: X / A = 4,47/10 = 0,447. Grenzprodukt (Grenzproduktivität)

Hieraus lässt sich für unterschiedliche Mengen von vA die mit dem Faktoreinsatz variierende Grenzproduktivität des Faktors Arbeit ermitteln. d) Cobb-Douglas Produktionsfunktion 0,5 2 hier: X = A0,5 • K0,5 A=( X/ K ) Output X Arbeit ( A) Kapital ( 10 5,00 20 10 4,00 25 10 3,33 30 10 2,86 35 10 2,50 40 10 2,22 45

K)

VI Anhang

402

Arbeitseinsatz (Anzahl Arbeitskräfte)

5

Isoquante fürX=10 bei unterschiedlichen Faktorkombinationen von Arbeit und Kapital

4,5

4

3,5

X =10 3

2,5

2 18

20

22

24

26

28

30 32 34 36 Kapitaleinsatz in €

38

40

42

44

46

48

50

Aufgabe III-26: Limitationale Produktionsprozesse (S. 184) Antwort zu Frage III-26 (1) und (2) siehe Ausführungen in Kapitel III.2.1.2 Antwort zu III-26 (3a) und (3b): 3a) T = Min ( 500/1; 1.900/4; 7.200/16; 200/0,5) T = Min (500, 475, 450, 400) Engpassfaktor: Arbeit; Zahl der Tische = 400 3b) Engpassfaktor: Schrauben;

Zahl der Tische = 450

Aufgabe III-27: Ermittlung der Minimalkostenkombination (S. 191) a) Ausgangspunkt der Betrachtungen:

; X = 1000;

= 60000;

= 60000

Die Bedingung für Minimalkostenkombination (MKK) lautet:

Diese Bedingung erfordert die Ableitungen der Cobb-Douglas-Produktionsfunktion: 1) Grenzprodukt der Arbeit:

2) Grenzprodukt des Kapitals:

Teil B: Aufgaben und Lösungen

403

hieraus folgt: (3)

Gemäß der MKK muss gelten: (4)

Wird Gl. 3 mit Gl. 4 gleichgesetzt und werden für qA und qK die konkreten Faktorpreise eingesetzt, ergibt sich: (5) und damit: (6)

(7)

Hinweis: Die kostenminimalen Mengen von vA und vK lassen sich dadurch ermitteln, dass die ermittelte Mengenrelation der MKK in die Produktionsfunktion eingesetzt und die kostenminimierenden Faktormengen für eine vorgegebene Produktionsmenge von X = 1000 errechnet werden (Formal handelt es sich bei der Bestimmung der kostenminimierenden Produktionsmengen somit um die Lösung von zwei Gleichungen mit zwei Unbekannten; die erste Gleichung ist die optimale Mengenrelation gemäß der MKK; die zweite Gleichung stellt die Produktionsfunktion mit der vorgegebenen Produktionsmenge dar). Produktionsfunktion: Bedingung für MKK (siehe Gl. 7): Wird die Bedingung für die MKK in die Produktionsfunktion eingesetzt, so ergibt sich unter Beachtung der Produktionsmenge X = 1000:

Das Ergebnis kann auch aus der nachfolgenden Tabelle ersehen werden. Eine kostenminimale Produktion liegt vor, wenn die Faktoren Arbeit und Kapital im Verhältnis 4:1 eingesetzt werden, d.h. 1319,5 Mengeneinheiten des Faktors Arbeit und 329,9 Mengeneinheiten des Faktors Kapital verwendet werden. Bei der kostenminimalen Mengenrelation stimmen das Verhältnis der Grenzproduktivitäten und der Faktorpreise jeweils überein, d.h. es gilt: X'(vA) / X'(vK) = qA / qK = 1,0 (siehe Werte der nachfolgenden Tabelle).

VI Anhang

404 Kostenentwicklung bei unterschiedlichen Faktoreinsatzverhältnissen und vorgegebenen Faktorpreisen (q A =60.000 €; qK=60.000 €) qA / qK = 1,0

X = vA0,8 • vK0,2 Kosten (K(X))* X

vA

vK

X'(vA ) / X'(vK)

vA / vK

in Mio. €

1.000

1119,5

636,7

2,2748

1,76

105,37

1.000 1.000

1159,5 1199,5

553,2 483,1

1,9086 1,6109

2,10 2,48

102,76 100,95

1.000 1.000 1.000 1.000 1.000

1239,5 1279,5 1319,5 1359,5 1399,5

423,7 373,1 329,9 292,7 260,7

1,3672 1,1664 1,0000 0,8613 0,7451

2,93 3,43 4,00 4,64 5,37

99,79 99,16 98,96 99,13 99,61

1.000 1.000 1.000 1.000 1.000

1439,5 1479,5 1519,5 1559,5 1599,5

232,9 208,7 187,6 169,1 152,8

0,6471 0,5643 0,4938 0,4336 0,3821

6,18 7,09 8,10 9,22 10,47

100,34 101,29 102,43 103,71 105,14

Kostenminimum!

*) mit K(X) = vA • 60 000 + vK • 60 000

b) Ausgangspunkt der Betrachtungen:

; X = 1000;

= 120 000;

= 60 000

Gegenüber der Situation a hat sich der Arbeitslohn verdoppelt: Nun lautet die Bedingung für die MKK:

Bei analogem Vorgehen wie im Aufgabenteil (a) ergibt sich nun:

Mit 1148,69 Arbeitskräften und 574,35 Mengeneinheiten Kapital wird die Produktionsmenge von 1000 Mengeneinheiten kostenminimal produziert. Dies geht auch aus der nachfolgenden Tabelle hervor. Nun gilt im Kostenminimum: X'(vA) / X'(vK) = qA / qK = 2,0.

Teil B: Aufgaben und Lösungen

405

Kostenentwicklung bei unterschiedlichen Faktoreinsatzverhältnissen und vorgegebenen Faktorpreisen (q A =120.000 €; qK=60.000 €) qA / qK = 2

X = vA0,8 • vK0,2 Kosten (K(X))* X

vA

vK

X'(vA ) / X'(vK)

vA / vK

in Mio. €

1.000

948,7

1234,5

5,205

0,77

187,91

1.000

988,7

1046,5

4,234

0,94

181,44

1.000 1.000 1.000 1.000 1.000

1028,7 1068,7 1108,7 1148,7 1188,7

893,0 766,6 661,8 574,4 500,9

3,472 2,869 2,388 2,000 1,685

1,15 1,39 1,68 2,00 2,37

177,02 174,24 172,75 172,30 172,70

1.000 1.000

1228,7 1268,7

438,8 386,0

1,428 1,217

2,80 3,29

173,77 175,40

1.000 1.000 1.000 1.000

1308,7 1348,7 1388,7 1428,7

340,9 302,2 268,9 240,0

1,042 0,896 0,775 0,672

3,84 4,46 5,16 5,95

177,50 179,98 182,78 185,84

Kostenminimum!

*) mit K(X) = vA • 120 000 + vK • 60 000

Aufgabe III-28: Beispiel einer Kostenfunktion (S. 201) Fixkosten = 40; durchschnittliche variable Kosten sind vorgegeben gemäß nachfolgender Tabelle. Es liegen linear ansteigende durchschnittliche variable Kosten vor. Damit liegt eine quadratische Kostenfunktion mit ebenfalls linear ansteigenden Grenzkosten und U-förmigen totalen Durchschnittskosten vor. Die variablen Kosten ermitteln sich, indem die variablen Durchschnittskosten mit der Produktionsmenge multipliziert werden. Unter Hinzurechnung der Fixkosten ergeben sich die Gesamtkosten. Die Kostenfunktion ermittelt sich auf Basis der Zahlenentwicklung als: K(X) = 40 + 2 • X2 (die Grenzkosten steigen linear an und zwar mit jeder Mengeneinheit um 4 • X; damit muss die zugrundeliegende Kostenfunktion das Element (2 • X2) umfassen). Output Gesamt- Variable Grenzdurchschn. durchschn. Geanteilige samtKosten kosten variable Kosten samtkosten Fixkosten kosten 0 0 40 1 42 2 4 42,00 40,00 2 2 48 8 8 24,00 20,00 4 3 58 18 12 19,33 13,33 6 4 72 32 16 18,00 10,00 8 4,472 80 40 17,89 8,94 17,89 8,94 5 90 50 20 10 18,00 8,00 6 112 72 24 12 18,67 6,67 7 138 98 28 14 19,71 5,71 8 168 128 32 16 21,00 5,00 Kostenfunktion: K(X) = 40 + 2 • X2 ; Grenzkosten K’(X) = 4 • X

406

VI Anhang

Die durchschnittlichen Gesamtkosten errechnen sich aus der Division von Gesamtkosten und Produktionsmenge. Der Abstand zwischen den durchschnittlichen variablen und durchschnittlichen totalen Gesamtkosten verringert sich mit zunehmender Ausbringungsmenge, weil die anteiligen Fixkosten abnehmen. Es ist zu erkennen, dass die durchschnittlichen Gesamtkosten sich als Summe von durchschnittlichen variablen Kosten und den anteiligen Fixkosten ergeben. Aufgabe III-29: Betriebsoptimum, Gewinnmaximum & Preisuntergrenzen (S. 213) a) Oberhalb der kurzfristigen und unterhalb der langfristigen Preisuntergrenze (PUG) deckt der Preis die variablen Stückkosten ab, so dass die Produktion zwar zu Verlusten führt, aber dennoch einen Beitrag zur Finanzierung der produktionsunabhängigen Fixkosten leistet (positiver Deckungsbeitrag). Solange die Produktionsanlage genutzt werden kann und nicht durch eine Neuanschaffung der Anlage neue Fixkosten entstehen, lohnt es sich, trotz der Verluste die Produktion fortzusetzen. Erst dann, wenn eine Neuinvestition zu tätigen ist und damit neue Fixkosten anfallen, muss der Preis die totalen Durchschnittskosten abdecken, damit die Produktion fortgesetzt wird (langfristige PUG). Die Lebensdauer des genutzten Produktionskapitals bestimmt mithin, ob eine kurz- oder langfristige PUG für die optimale Produktionsmenge heranzuziehen ist. b) Dieser Sachverhalt gilt u.a. im Fall des homogenen Polypols (Preis = Datum) für U-förmig verlaufende totale Durchschnittskosten, da hier das Betriebsoptimum (BO) nicht an der Kapazitätsgrenze liegt. Im BO ist der Stückgewinn am größten, denn es gilt: G(X) = E(X) – K(X) bzw. G(X)/X = E(X)/X – K(X)/X bzw. G(X)/X = P(X) – DK(X) Da im BO die totalen Durchschnittskosten am niedrigsten sind und der Preis ein Datum darstellt (Polypol), nimmt die Differenz zwischen dem Preis und den DK, d.h. der Stückgewinn ein Maximum an. Der Gesamtgewinn ist maximal für eine Produktionsmenge oberhalb des Betriebsoptimums (Preis = Grenzkosten); zwar ist im BO der Stückgewinn am größten, doch gleicht die oberhalb des BO liegende Produktionsmenge den im Gewinnmaximum vorherrschenden geringeren Stückgewinn mehr als aus. Dieser Sachverhalt lässt sich z.B. sehr deutlich aus Abb. III-65 in Kap. III-2.5.2 ersehen. Wie in der Bedingung schon anfangs beschrieben, gilt der Sachverhalt nicht für lineare Kostenfunktionen, da hier die totalen Durchschnittskosten sich asymptotisch den variablen Durchschnittskosten anpassen (Fixkostendegression) und somit das BO erst an der Kapazitätsgrenze erreicht wird. Hier werden also das Maximum des Stückgewinns und das Maximum des Gesamtgewinns an der Kapazitätsgrenze gleichzeitig erreicht. c) Im homogenen Polypol lautet die Bedingung für ein Gewinnmaximum: P(X) = Grenzkosten (Preis-Grenzkosten-Regel); Veränderungen der Fixkosten haben keine Auswirkungen auf die Grenzkosten, so dass hiervon auch kein Einfluss auf die gewinnma-

Teil B: Aufgaben und Lösungen

407

ximale Produktionsmenge ausgeht. Allerdings wirken sich veränderte Fixkosten auf die totalen Durchschnittskosten aus, so dass die Bedingung für die langfristige Preisuntergrenze [(PUG): P(X) > DK(X)] bei einer Erhöhung der Fixkosten nicht mehr erfüllt sein könnte. In diesem Fall würde die Produktion langfristig eingestellt. Umgekehrt könnte die Senkung der Fixkosten eine zuvor nicht wirtschaftliche Produktion wieder rentabel machen. Da die variablen Stückkosten durch die Fixkosten nicht verändert werden, bleibt die kurzfristige PUG hiervon unberührt. d) Aus der Graphik der Aufgabe III-33-1 ist ersichtlich, dass bei einer quadratischen Kostenfunktion und unveränderten Faktorpreisen die variablen Stückkosten immer halb so hoch ausfallen wie die Grenzkosten. Da aufgrund der Preis-Grenzkostenregel das Gewinnmaximum stets Grenzkosten hervorbringt, die dem Güterpreis entsprechen und die Grenzkosten (und damit auch der Güterpreis) stets oberhalb der variablen Stückkosten liegen, ist die kurzfristige PUG bei einer quadratischen Kostenfunktion immer erfüllt. Daher kann diese kurzfristige PUG nur für kubische Kostenfunktionen nicht eingehalten werden. Die langfristige PUG ist bei einer quadratischen Kostenfunktion dann nicht eingehalten, wenn der Preis die Grenzkosten unterhalb der Durchschnittskostenkurve schneidet (s. Graphik Aufg. III-33-1)

Aufgabe III-30: Ermittlung der Gewinnschwelle (S. 213) (1) Kostenfunktion: K(X) = 50.000 + 4 • X (2) Erlösfunktion (netto): E(X) = (16 – [(0,15 + 0,10) • 16)] • X oder E(X) = (16 • (1-0,25)) • X = 16 • 0,75 • X Die Berechnung der Gewinnschwelle ergibt sich durch E(X) = K(X) oder (1) = (2): [50.000 € + 4 • X] = [16 • 0,75 • X] oder [50.000 € + 4 • X] = [12 • X] und damit für X = 6250 ergibt sich die Gewinnschwelle.

Aufgabe III-31: Gewinnmaximierung im Polypol (S. 213) Ausgang: Verkauf von 7 Mengeneinheiten/Tag des Gutes X; der Preis P(X) stellt ein Datum (Mengenanpasserverhalten im homogenen Polypol) dar und ist zu ermitteln. Bei der Produktion von 7 Mengeneinheiten entsteht ein Gewinn von 30 Geldeinheiten. Die Grenzkosten K‘(X) betragen: K‘(X) = 4 • X; ferner sind die Gesamtkosten vorgegeben und der nachfolgenden Tabelle zu entnehmen; hieraus lassen sich die gesuchten Größen ermitteln: Output 0 Gesamtkosten 40 totale DK Grenzkosten Erlös Gewinn

1 42

2 48

3 58

4 72

4,472 80,0

42 4 24

24 8 48

19,33 12 72

18 16 96

17,89 18 18,67 17,89 20 24 107,33 120 144

- 40 -18

0

14

24

27,33

0 0

5 90

30

6 112

32

7 138

8 168

9 202

10 240

19,71 28 168

21 32 192

22,44 36 216

24 40 240

30

24

14

0

Gewinn = Erlös - Kosten (mit Kosten von 30 GE bei 7 ME); 30 = P(X) • 7 - 138; (auf Basis dieser Daten lässt sich der Preis ermitteln): P(X) = 24; für das Gewinnmaximum eines Mengenanpassers gilt die Preis-Grenzkostenregel, die bei einer Produktionsmenge von 6 realisiert wird (siehe Tabelle). Das Gewinnmaximum für X=6 beträgt: Gewinn (X = 6) = 24 • 6 - 112 = 32 Hier:

VI Anhang

408

Der Stückgewinn (G(X) /X) ist definiert als: G(X)/X = [E(X) –K(X)]/X = P(X) - DK(X). Der Stückgewinn ist maximal im Betriebsoptimum. Dies erklärt sich wie folgt: Stückgewinn = Preis – Stückkosten → max. Da der Preis ein Datum darstellt, liegt das Stückgewinnmaximum dort, wo die totalen Stückkosten minimal sind, d.h. im Betriebsoptimum. Hier weist die Differenz von Güterpreis (P(X)) und totalen Stückkosten (DK(X)) den größten Wert auf, d.h. der Stückgewinn ist maximal. Das Betriebsoptimum liegt dort, wo Grenzkosten und Durchschnittskosten einander entsprechen. Dies ist bei einer Produktionsmenge von X= 4,472 gegeben; damit liegt das Gewinnmaximum jenseits des Betriebsoptimums, d.h. jenseits des Stückgewinnmaximums (bitte zwischen beiden Begriffen unterscheiden!). Das BO ermittelt sich als: [K’(X) = 4 • X] = [DK(Xopt) = 40/X+2• X] → 2 • X2 = 40 oder Xopt = 4,4721

Aufgabe III-32: Gewinnmaximum und Preisuntergrenze (S. 214) Allgemeine Hinweise: Die Lösungen zu den fünf Unternehmen erfolgen unabhängig voneinander. Zu jeder Unternehmung wird der Lösungsweg dokumentiert. Die nachfolgende Tabelle enthält die Ergebnisse der Berechnungen. Die Vorgaben sind in der Tabelle jeweils grau unterlegt. Unternehmen 1 2 3 4 5

Preis

Output

Erlös

4 4 2,2 3 10

2000 4000 2500 2000 2000

8000 16000 5500 6000 -

Gesamtkosten 6500 14000 6000 6000 -

Fixkosten 1500 4000 2875 4500 -

Variable Kosten 5000 10000 3125 1500 -

DK

DVK

3,25 3,5 2,4 Minimum -

2,5 2,5 1,25 0,75 11

Grenzkosten 4 2 2,2 3,0 10

Unternehmen 1: Bestimmung Output (Produktionsmenge X): X kann bestimmt werden über die durchschnittlichen variablen Kosten DVK(X). Es gilt: DVK(X) = Variable Kosten / Output X; somit gilt für X: X = Variable Kosten / DVK(X) = 5000/2,5 = 2000 Stck. Bestimmung Preis P(X): Erlöse = P(X) • X und somit: P(X) = Erlös /X = 8000/2000 = 4 Im Gewinnmaximum gilt: P(X) = K‘(X). Hier erfüllt, da sowohl P(X) und K‘(X) = 4; ((damit stellt die Produktionsmenge X = 2000 eine gewinnmaximale Produktion X dar). DK(X = 2000) = K(X) / X = 6500/2000 = 3,25; damit gilt: [P(X) = 4] > [DK(X) = 3,25] (langfristige PUG ist für X = 2000 eingehalten, damit langfristige Produktion)

Unternehmen 2: DK(X) = K(X) / X = (10000+4000)/4000 = 3,5; DVK(X) = 10000/4000 = 2,5 Erlös = P(X) • X = (4 • 4000) = 16.000 > [K(X) = 14000]; damit entsteht ein Gewinn und langfristige PUG erfüllt; somit gilt auch [P(X) = 4] > [DK(X=4000) = 3,5] Gewinnmaximum? Der erzielbare Preis P(X) = 4 liegt über den Grenzkosten K‘(X) = 2. Damit stellt X = 4000 keine gewinnmaximale Produktion dar; die Produktion ist daher auszuweiten, bis die Grenzkosten K‘(X) auf 4 Geldeinheiten (= Preis P(X) = 4) angestiegen sind. Da im Gewinnmaximum P(X) und K‘(X) übereinstimmen und P(X) oberhalb von DK(X = 4000) liegt, ist auch die langfr. PUG eingehalten und es kann produziert werden.

Teil B: Aufgaben und Lösungen

409

Unternehmen 3: Der Output X kann über die durchschnittlichen Gesamtkosten errechnet werden: Output X = K(X) / DK(X) = 6000 / 2,4 = 2500 Stck. E(X) = P(X) • X; somit P(X) = E(X) /X = 5500 / 2500 = 2,2 Der Preis P(X) = 2,2 entspricht den Grenzkosten, d.h. das Unternehmen befindet sich im Gewinnmaximum (Verlustminimum); (wichtiger Hinweis: aus K‘(X) kann nicht auf P(X) geschlossen werden! Ein solcher Schluss würde unterstellen, dass X = 2500 gewinnmaximal/verlustminimal ist; ob eine gewinnmaximale bzw. verlustminimale Produktion vorliegt, ist aber zu überprüfen; folglich ist der Preis P(X) über P(X) = E(X) /X zu bestimmen; anschließend ist zu prüfen, ob Preis und Grenzkosten übereinstimmen, s.o.). Langfristige PUG für X = 2500 erfüllt? Hier gilt: [P(X) = 2,2] < [DK(X=2500) = 2,4]; damit langfristige PUG nicht erfüllt, sodass langfristig die Produktion einzustellen ist. Kurzfristige PUG für X = 2500 erfüllt? Hier gilt: [P(X) = 2,2] > [DVK(X=2500) = 1,25]; damit kurzfristige PUG erfüllt, sodass kurzfristige Produktion einen positiven Deckungsbeitrag liefert. Es wird mit X = 2500 so lange produziert, bis Kapitalbestand abgenutzt ist (bis zur Neuanschaffung des Produktionskapitals).

Unternehmen 4: Der Output kann über die durchschnittlichen variablen Kosten (6000 - 4500= 1500) bestimmt werden: DVK(X) = Variable Kosten / X; somit: X = Variable Kosten / DVK(X) = 1500/ 0,75 = 2000 Stck. E(X) = P(X) • X; somit P(X) = E(X) /X = 6000 / 2000 = 3 (wichtiger Hinweis (Fehlerquote über 10%): aus K‘(X) kann nicht auf P(X) geschlossen werden! Ein solcher Schluss würde unterstellen, dass X = 2000 gewinn maximal ist; der Preis P(X) ist daher über P(X) = E(X) /X zu bestimmen, und anschließend ist zu prüfen, ob Preis und Grenzkosten übereinstimmen). Da die totalen Durchschnittskosten ein Minimum aufweisen, stellt X = 2000 die Produktionsmenge im Betriebsoptimum dar, d.h. die totalen Stückkosten sind für X = 2000 minimal und entsprechen den Grenzkosten (DK(X) = K‘(X) im BO!); DK(X = 2000) = K(X)/X = 6000/2000 = 3; damit gilt: DK(X = 2000) = K‘(X = 2000) = 3. Gewinnmaximale oder verlustminimale Produktion? Da P(X) = K‘(X) = 3 hier erfüllt, stellt die Produktionsmenge X = 2000 ein gewinnmaximale/verlustminimale Produktion X dar. Da [P(X) = 3] ≥ [DK(X = 2000) = 3] ist langfristige PUG erfüllt. Bei einem Gewinn von Null wird langfristig produziert. Wichtiger Hinweis: Aufgrund des Wettbewerbs wird sich der Preis den totalen DK(X) annähern, sodass der Gewinn = 0 beträgt. Da in den Kosten der Unternehmerlohn enthalten ist, wird langfristig auch bei G(X) = 0 produziert. Unternehmen 5: Da der Preis P(X) = 10 den Grenzkosten K‘(X) = 10 entspricht und die durchschnittlichen variablen Kosten DVK(X) = 11 die Grenzkosten übersteigen, ist die Produktion einzustellen; (die weiteren Größen lassen sich aufgrund fehlender Daten nicht ermitteln). Anmerkung: Nur bei einer kubischen Kostenfunktion ist es denkbar, dass die variablen Stückkosten oberhalb der Grenzkosten liegen.

VI Anhang

410

Aufgabe III-33-1: Gewinnmaximum und Preisuntergrenze (S. 214) a) Das Einfache Ertragsgesetz führt bei partieller Faktorvariation (zweiter Faktor fix vorgegeben) zu einer unterproportionalen Erhöhung des Outputs und damit zu einer überproportionalen Kostenerhöhung (quadratische Kostenfunktion). Um den Output zu erhöhen, müssen pro Outputeinheit immer mehr Faktoren eingesetzt werden, so dass die Kosten überproportional zunehmen. Die Kostenfunktion könnte auch bei totaler Faktorvariation fast aller Faktoren und sinkenden Skalenerträgen zustande kommen. Auch hier müssen überproportional viele Faktormengen eingesetzt werden, um den Output zu erhöhen. Damit steigen die Kosten überproportional an. Die Fixkosten könnten durch den fest vorgegebenen Faktor entstehen. b) K(X) = 250 + 2,5 • X2 → K’(X) = 5 • X Teil 1 der Fragestellung: Preis = 50 € Gewinnmax:

P(X) = K’(X) 50 = 5 • X →

X = 10;

langfristige Preisuntergrenze erfüllt, da DK(10) = 250/10+2,5 • 10 = 50, so dass P(X) DK(X), d.h. der Stückgewinn = 0 bzw. der Gewinn = 0; damit ist für X = 10 auch die kurzfristige Preisuntergrenze erfüllt. Langfristig wird c.p. die Gütermenge X = 10 produziert. Das Ergebnis ist auch aus nachfolgender Graphik zu ersehen.

Quadratische Kostenfunktion 140

DK(X)

130

Grenz-, Durchschnittskosten, Güterpreis

120

DK

110 100

DVK

90

K‘(X) GK

80

K‘(X)

70 60 50 40 30

DVK(X)

20 10 0 0

2

4

6

8

10

12

Output X

14

16

18

20

22

Teil B: Aufgaben und Lösungen

411

Teil 2 der Fragestellung: Preis = 40 € Gewinnmax: P(X) = K’(X); somit: 40 = 5 • X → X = 8; Gewinnmax. für X = 8; da DK(X= 8) = 250/8+2,5 • 8 = 51,25 > P(X), wird langfristig Produktion eingestellt; allerdings kurzfristige Produktion möglich, da [DVK(X= 8) = 2,5 • 8 = 20] < [P(X) = 40] (Hinweis: Die langfristige PUG ist für die gewinnmaximale bzw. verlustminimale Produktionsmenge X = 8 zu überprüfen und nicht für das Betriebsoptimum.

Aufgabe III-33-2: Gewinnmaximum und Preisuntergrenze (S. 214) Ausgang: Die grau unterlegten Zahlen der nachfolgenden Tabelle sind vorgegeben; die restlichen Zahlen der Tabelle sind rechnerisch zu bestimmen. a) Preis Output Erlös GesamtFixVariable DK(X) DVK(X) GrenzP(X) X kosten K(X) kosten Kosten kosten 1800

250 450 000

887 500

700 000 187500

3550

750

1500

Für das Unternehmen gelte dabei die nachfolgende Kostenfunktion: K(X)=700 000 + 3 X2 mit: X = Produktionsmenge; DK= totale Stückkosten; DVK = variable Stückkosten Variable Kosten = K(X) – Fixkosten = 887500 – 700000 = 187500 Output X = Variable Kosten / DVK = 187500/750 = 250 DK(X) = 887500 / 250 = 3550 P(X) = Erlös/X = 450 000/250 = 1800 Grenzkosten K‘(X) = 6 X für X = 250: K‘(X=250) = 6 250 = 1500 b) Gewinnmaximum für P(X) = K‘(X), also für: 1800 = 6 X → XGmax = 300 Stck. Ergebnis: Produktionsmenge X = 250 ist nicht gewinnmaximal bzw. verlustminimal, da [P(X) =1800] > [K‘(X) = 1500]; daher Ausweitung der Produktion auf X = 300 Stck.; hier K‘(300) = 1800 = P(X) Prüfung PUG für XGmax=300 (Prüfung nicht X = 250 und auch nicht für BO!): DK(300) = (700 000 + 3 X2 )/X = 700000/X+ 3 X = 700000/300+ 3 300 = 3233,33 Prüfung langfristige PUG: [P(X) = 1800] < [DK(X = 300)= 3233,33]; Ergebnis: langfristige PUG nicht erfüllt, d.h. langfristig Einstellung der Produktion. Prüfung kurzfristige PUG: [P(X) = 1800] < [DVK(X = 300) = 3 300 = 900] Ergebnis: kurzfristige PUG für verlustminimale Produktionsmenge X = 300 erfüllt; Produktion leistet positiven Deckungsbeitrag; Fortsetzung der Produktion von X = 300, wie Produktionskapital noch nicht abgenutzt. c) Maximiert ein Unternehmen in der Marktform des vollkommenen Polypols seinen Gewinn, so produziert es nur dann im Betriebsoptimum, wenn der vorgegebene Preis P(X) den Grenzkosten im BO entspricht. Sobald der Preis oberhalb der minimalen Durchschnittskosten liegt, liegt das Gewinnmaximum oberhalb der Produktionsmenge X mit dem höchsten Stückgewinn (BO). Damit führt ein maximaler Stückgewinn nicht gleichzeitig zu einem maximalen Gesamtgewinn.

VI Anhang

412

Aufgabe III-33-3: Gewinnmaximum und Preisuntergrenze (S. 215) a) Die Verläufe der variablen und totalen Stückkosten und der Grenzkosten können aus nachfolgender Darstellung ersehen werden. Die Grenzkosten schneiden die variablen und totalen Stückkosten jeweils in ihrem Minimum; variable und totale Durchschnittskosten nähern sich asymptotisch an. 25,00

totale Stückkosten

22,50

Grenzkosten

20,00 17,50 15,00 12,50 10,00

variable Stückkosten

Stückverlust

7,50

P(X) = 6,25

5,00 2,50 0,00 1

3

5

7

verlustminimale Produktion, falls P(X) = 6,25

9 11 13 Produktionsmenge X

Produktion im BO

15

17

19

Produktionsmenge X

b) Bei einem angenommenen Preis von P(X) = 6,25 liegt die verlustminimale Produktionsmenge im Schnittpunkt von Preis und Grenzkostenkurve. Die verlustminimale Produktionsmenge X beträgt etwa 8 Mengeneinheiten. Bei dieser Produktionsmenge entsteht ein Stückverlust in Höhe der Differenz von Güterpreis und totalen Durchschnittskosten, denn es gilt: G(X) = E(X) – K(X) bzw. G(X)/X = E(X)/X – K(X)/X = P(X) – DK(X); Bei einem Preis P(X) von 6 GE und einem Stückverlust von etwa 9,1GE würde sich somit ein Stückverlust von (6 - 9,1) = -3,1 GE ergeben. Damit wird die Bedingung für die langfristige Preisuntergrenze nicht eingehalten, und die Produktion muss langfristig eingestellt werden. Kurzfristig erfolgt aber eine Produktion, da der Preis von P(X) = 6,25 oberhalb der variablen Stückkosten liegt und die Produktion einen positiven Deckungsbeitrag erbringt.

Teil B: Aufgaben und Lösungen

413

Aufgabe III-34: Faktornachfrage bei Cobb-Douglas-Produktionsfunktion (S. 233) a) Das Grenzprodukt des Faktors Arbeit für vK = 1 lautet:

Für die Arbeitsnachfrage muss im Gewinnmaximum gelten: Wertgrenzprodukt = Arbeitslohn; dies bedeutet für die konkrete Situation einen Nominallohns von 25 GE :

hieraus folgt durch Auflösung nach

:

Antwort: Die Unternehmung würde vA = 4 Arbeitseinheiten nachfragen, da bei dieser Nachfrage die Unternehmung ihr Gewinnmaximum realisiert. b) Im Gewinnmaximum gilt: Wertgrenzprodukt = nominaler Lohnsatz Steigen Grenzprodukt des Faktors Arbeit und Lohnsatz jeweils um 10% an, bleibt die Gleichgewichtsbedingung bei unveränderter Arbeitsnachfrage erhalten, so dass diese Lohnerhöhung die Arbeitsnachfrage nicht verändern würde.

Aufgabe IV- 1: Bestimmung des Marktgleichgewichts (S. 250) Durch Gleichsetzen von Angebots- und Nachfragemenge ergibt sich für den Gleichgewichtspreis P*(X): -10 + 2 P*(X) = 80 – 1 P*(X) ↔ 3 P*(X) = 90 und damit: P*(X) = 30 Wird der Gleichgewichtspreis von P*(X) = 30 in die Angebots- oder Nachfragefunktion eingesetzt, so ergibt sich eine Gleichgewichtsmenge von X* = 50.

Aufgabe IV- 2: Bestimmung des Marktgleichgewichts (S. 260) a) Die Käufer KE-KG kommen mit ihren Kaufplänen nicht zum Zuge. Die Summe aller Konsumentenrenten im Marktgleichgewicht (P(X) = 50 €) beträgt 1100 €. KA: (80 - 50) 20 = 600,- € KB: (70 - 50) 10 = 200,- € KC: (60 - 50) 30 = 300,- € insgesamt 1100,- €

VI Anhang

414 b) Die Summe der Produzentenrenten beträgt 1.200 €. = 300,- € VA: (50 - 20) 10 VB: (50 - 30) 20 = 400,- € VC: (50 - 40) 50 = 500,- € insgesamt 1200,- €

Aufgabe IV- 3: Bestimmung des Marktgleichgewichts (S. 260) a) Die folgenden Preis-Mengenkombinationen der Nachfragefunktion sind gegeben: P(X) 210 (Prohibitivpreis) 140

X 0 1000

Lineare Nachfragefunktion: X = a - b P (X) Ferner ist aus den Vorgaben bekannt: = 1000, so dass [∆ = 1000] = a - b [∆ P(X) = 70] ∆ P(X) = 70 → ∆ → b = 1000/70 = 14,29 Aus diesem Ergebnis und der Vorgabe für den Prohibitivpreis lässt sich die Nachfragefunktion konstruieren; es gilt:[ = 0] = a - 1000/70 • 210 (für Prohibitivpreis P(X) = 210) → a = 3000 (Sättigungsmenge XS, da bei P(X) = O→X= XS = a) Damit lautet die preisabhängige Nachfragefunktion: X(N) = 3000 – 1000/70 • P(X) Das Ergebnis unter Einbeziehung der Angebotsfunktion ist in nachfolgender Darstellung graphisch wiedergegeben: Darstellung zur Aufgabe IV-3: Preis 210

Angebot Angebot

140

70

Nachfrage

P*(X)

1000

2000

3000

Menge

b) Bei maximal 2.000 Konzertbesuchern errechnet sich der Gleichgewichtspreis wie folgt: 2000 = = = 3000 - 1000/70 • P*(X) → P*(X) = (3000-2000)/(1000/70) = 70

Teil B: Aufgaben und Lösungen

415

Bei einem vorgegebenen Angebot an 1000 Plätzen errechnet sich bei der ermittelten Nachfragefunktion ein Gleichgewichtspreis P*(X) = 70 €. c) Preiselastizität der Nachfrage im Gleichgewicht: Daten: X* = 2000; P*(X) = 70; = 3000 - 1000/70 • P(X)

Im Gleichgewicht liegt eine preisunelastische Nachfrage vor. Würde das Fassungsvermögen des Konzertsaals über die Menge von 2000 hinaus erweitert, so dass der Gleichgewichtspreis fällt, so würde aufgrund der unelastischen Nachfrage der Umsatz abnehmen, da die relative Mengenausweitung kleiner ausfällt als die relative Preissenkung.

Aufgabe IV- 4: Bestimmung des Marktgleichgewichts (S. 260) a) Die preisabhängige Angebotsfunktion = -c + d • P(X) lässt sich wie folgt ermitteln: (1) ∆ P(X) = 8 → ∆ = 4000 und damit: d = 4000/8; daraus folgt: (2) = -c + 4000/8 • P(X) = -c + 500 • P(X) Aus den Angaben ist bekannt, dass bei einem Preis P(X) = 10 eine Angebotsmenge = 5000 zustande käme, also: (3) 5000 = -c + 500 • 10 (4) hieraus folgt: -c = 5000 -5000 = 0, so dass gilt: (5) = 0 + 500 • P(X) (siehe auch nachfolgende graphische Darstellung) Darstellung zur Aufgabe IV-4: Preis

N achfrage

10 8 6

A ngebot

4 2

1 000

20 00

300 0

400 0

b) Im Marktgleichgewicht muss gelten: [ = 4000] = = 0 + 500 • P*(X)

=

5 000

M enge

= X* und somit folgt:

VI Anhang

416 Hieraus ergibt sich für den Gleichgewichtspreis P*(X):

P*(X) = 4000/500 = 8 €; bei einer Nachfrage von 4.000 Flaschen ergibt sich damit ein Gleichgewichtspreis von 8,- € je Flasche.

Aufgabe IV- 5: Marktgleichgewicht und Steuerwirkung (S. 271) = 35 - 0,5 = -65 + 2

→ →

= 70 - 2 = 32,5 + ½

a) Im Marktgleichgewicht muss gelten: = = P*(X); sowie: = = X* und damit: 35 - 0,5 • X* = - 65 + 2 • X* bzw. - 2,5 • X* = - 100 und damit: X* = 40 hieraus folgt für den Gleichgewichtspreis P*(X): P*(X) = 35 - 0,5 • 40 = 15 oder P*(X) = - 65 + 2 • 40 = 15 b) 10%ige Mengensenkung von X = 40 bedeutet Verringerung auf X= 36 Einheiten. Es muss der Preis bestimmt werden, bei dem 36 Einheiten nachgefragt werden: X* = 36; dabei gilt u.a.: = 35 - 0,5 • und somit: P*(X) = 35 - 0,5 • 36 = 17 c) Ermittlung des Steuersatzes je Mengeneinheit: Technisch erfolgt die Erhebung der Steuer über die Anbieter, so dass sich die Angebotsfunktion um den Mengensteuersatz nach links/oben verschiebt (Angebotsfunktion mit Bruttopreis): Die um die Steuer t nach links/oben verschobene Angebotsfunktion (siehe graphische Darstellung) muss durch die Preis-Mengen-Kombination P*(X) = 17; X*= 36 verlaufen. Dabei stellt P*(X) = 17 nun den Angebotspreis nach Steuererhebung bei einer Absatzmenge von X = 36 dar. Somit gilt: Angebotspreis nach Steuer = 17 = Angebotspreis vor Steuer + Steuersatz (t) oder: Angebotspreis nach Steuer = 17 = - 65 + 2 • X + t 17 = - 65 + 2 • 36 + t Steuerbetrag pro Stück = Steuersatz (t) = 10 Steueraufkommen (T) = Steuersatz (t) • X= 10 • 36 = 360 € Die Nachfrager müssen nach der Steuererhöhung einen Preis von 17 statt 15 zahlen; daraus folgt: (17 - 15) • 36 = 72; dies entspricht 20% des Steueraufkommens; Die Anbieter haben vor der Steuererhöhung 36 Einheiten zu einem Preis von 7 verkaufen können, da: = -65 + 2 = - 65 + 2 • 36 = 7 Die Steuerlast der Anbieter ergibt sich als: (15 - 7) • 36 = 288; dies entspricht 80% des Steueraufkommens. Die größte Last der Steuer wird in diesem Fall also von den Produzenten getragen. Dieses Ergebnis lässt sich auch graphisch veranschaulichen.

Teil B: Aufgaben und Lösungen

417

Darstellung zur Aufgabe IV-5: Preis P(X)

Angebotsfunktion mit Steuer Steuerlast der Nachfrager

17 15 7

Steuerlast der Anbieter

Angebotsfunktion ohne Steuer t Nachfragefunktion

36

40

Menge X

Aufgabe IV- 6: Verschiebungen von Angebot und Nachfrage (S. 272) a) Auswirkungen auf die Marktnachfrage: Steigt das Einkommen, so würde normalerweise die Nachfragefunktion des Gutes X nach rechts verschoben, da zu jedem gegebenen Preis des Gutes X die nachgefragte Menge ansteigen würde. Hier liegt aber ein absolut inferiores Gut X vor, d.h. bei steigendem Einkommen nimmt die Nachfrage nach dem Gut X ab. Damit kommt es bei gegebenem Preis P(X) zu einer Linksverschiebung der Nachfragefunktion. (Hinweis: Aus der Tatsache, dass die Nachfrage nach Gut X sinkt, kann noch nicht auf eine Linksverschiebung geschlossen werden. Eine sinkende Nachfrage könnte auch durch eine Linksbewegung auf der Nachfragefunktion eintreten; dies setzt aber voraus, dass der Preis P(X) ansteigt. Da hier aber c. p. von einen konstantem Güterpreis P(X) ausgegangen wird, kann es sich bei der Abnahme der Nachfrage von Gut X nur um eine Linksverschiebung der Nachfragefunktion handeln.) Auswirkungen auf das Marktangebot: Steigende Lohnkosten verteuern die Produktionskosten und bewirken steigende Grenzkosten (K‘(X)) für die Produktion des Gutes X. Da in der Marktform des homogenen Polypols die Grenzkostenfunktion des Gutes X die Marktangebotsfunktion des Gutes X bildet, kommt es bei jeder gegebenen Produktionsmenge (Betrachtung aus Sicht der Abszisse, d. h. der Produktionsmenge X) zu einer Erhöhung der Grenzkosten, d. h. die Angebotsfunktion verschiebt sich nach oben. (Aus Sicht der Ordinate, d. h. des Güterpreises P(X) könnte auch wie folgt argumentiert werden: bei steigenden Grenzkosten und gegebenem Güterpreis P(X) kann die Bedingung für die gewinnmaximale Produktion P(X) = K‘(X) (Preis-Grenzkostenregel) nur bei geringeren Produktionsmengen realisiert werden. Damit nimmt bei gegebenem Preis P(X) die Produktionsmenge ab, d. h. es kommt zu einer Linksverschiebung der Angebotsfunktion).

VI Anhang

418

Die Verschiebungen von Nachfrage- und Angebotsfunktion können aus der nachfolgenden Darstellung ersehen werden. Darstellung zur Aufgabe IV-6a: A1

P(X) P*1(X)

B

A0

A

P*0(X)

N1 X*1

X*0

N0 Menge X

Vor der Datenänderung sind dem Punkt A (dem Schnittpunkt der Nachfragefunktion NO und der Angebotsfunktion AO) die Gleichgewichtsmenge X*0 und der Gleichgewichtspreis P*0(X) zugeordnet. Aufgrund der Linksverschiebungen der Nachfrage- und der Angebotsfunktion (Bewegung von NO bzw. AO zu N1 bzw. A1) nimmt die Gleichgewichtsmenge ab (siehe X*1, die dem Schnittpunkt B zugeordnet ist). Die Entwicklung des Gleichgewichtspreises hängt von der Höhe der Verschiebungen der Nachfrage- und Angebotsfunktionen ab. Die Linksverschiebung der Nachfragefunktion führt c. p. zu einer Senkung des Gleichgewichtspreises (geringere Nachfrage verbilligt Gut X), die Linksverschiebung der Angebotsfunktion führt zu einer Erhöhung des Gleichgewichtspreises (erhöhte Produktionskosten verteuern das Gut X). Im vorliegenden Beispiel verschiebt sich die Angebotsfunktion stärker als die Nachfragefunktion, so dass der Gleichgewichtspreis von P*0(X) auf P*1(X) ansteigt; würde demgegenüber die Nachfragefunktion stärker als die Angebotsfunktion nach links verschoben, käme es zu einer Senkung des Gleichgewichtspreises. Auch ein konstanter Gleichgewichtspreis wäre bei gleich starker Linksverschiebung beider Funktionen denkbar. (Hinweis: Eine Antwort dergestalt, dass der Gleichgewichtspreis sich in einer ganz bestimmten Weise verändert, würde den Sachverhalt nicht ausreichend beschreiben; vielmehr kommt hier die klassische Antwort der Volkswirtschaftslehre zur Anwendung, die da lautet: „Es kommt darauf an“. Hier „kommt es darauf an“, wie sich die beiden Funktionen im Verhältnis zueinander nach links verschieben). b) Auswirkungen auf die Marktnachfrage: Wird das zu Gut X komplementäre Gut Z teurer, so verringert sich das Realeinkommen des Haushalts, so dass die Nachfrage nach Gut X und Gut Z abnimmt (Einkommenseffekt). Da komplementäre Güter in einem festen Verhältnis zueinander eingesetzt werden, führt die

Teil B: Aufgaben und Lösungen

419

Veränderung der relativen Preise nicht zu einem Substitutionseffekt. Es wirkt damit ausschließlich der Einkommenseffekt. Bei unverändertem Güterpreis P(X) nimmt zu jedem gegebenen Preis die Nachfrage nach Gut X ab, d. h. die Nachfragefunktion verschiebt sich nach links. (Alternative Begründung: Durch die Verteuerung von Gut Z kann sich der Haushalt weniger von Gut Z leisten (Realeinkommen sinkt mit der Folge, dass Gut Z weniger nachgefragt wird). Da komplementäre Güter in einem festen Verhältnis zueinander eingesetzt werden, führt die geringere Nachfrage nach Gut Z auch zu einer geringeren Nachfrage nach Gut X. Bei unverändertem Preis P(X) nimmt die Nachfrage nach X ab, d. h. es kommt zu einer Linksverschiebung der Nachfragefunktion des Gutes X). Auswirkungen auf das Marktangebot: Eine geringere Produktivität (z. B. weil sinkende Skalenerträge wirken oder weil ein limitationaler Produktionsfaktor unterausgelastet ist) führt bei gegebener Produktionsmenge(!) zu höheren Produktionskosten, d. h. steigenden Grenzkosten. Damit verschiebt sich die Grenzkostenfunktion aus der Sicht der Abszisse nach oben (aus der Sicht der Ordinate nach links). Zur ausführlichen Begründung siehe die Ausführungen unter IV-6a). Damit kommt es insgesamt zu Verschiebungen, wie sie graphisch bereits bei Aufgabe IV-6a dargestellt wurden. Auch die Veränderungen von Gleichgewichtspreis und Gleichgewichtsmenge entsprechen der Darstellung von Aufgabe IV-6a.

Aufgabe IV- 7: Verschiebungen auf dem Handymarkt (S. 272) Links- oder Rechtsverschiebung bzw. keine Verschiebung der …

a) Handy-Nachfragefunktion infolge einer steigenden Zahl der Handynutzer einer Senkung der Handy-Preise Einführung des Konkurrenzprodukts*) „Smartphone“ einer Senkung der Internetflatrate für Smartphones*) zunehmender Einkommen der Privaten Haushalte b) Handy-Angebotsfunktion infolge einer steigenden Anzahl von Handy-Anbietern einer Steigerung der Arbeitskosten der Handyproduktion einer Steigerung der Arbeitsproduktivität bei der Handy-Produktion

nach links

gar nach nicht rechts X X

X X (SE > EE)

X X X

*) Smartphones werden nicht als klassisches Handy, sondern als Konkurrenzprodukt angesehen

X

VI Anhang

420

Aufgabe IV- 8: Benzinverbrauch und Umweltschutz (S. 273) a) Benzin = Gut X; Preis P(X); P(X) steigt von 1,5 € auf 1,65€; →

P(X) = 0,15

oder einfacher: EX,P(x) = [rel. Mengenabnahme in %] / [10%-ige Preiserhöhung] = - 0,2 somit: relative Mengenabnahme = - 2% b) Ein Rückgang der Benzinnachfrage um 10% erfordert eine Preisanhebung von 1,50 € auf 2,25 €, d.h. eine Preisanhebung um das Fünffache des Preisvorschlags von „Grün-Rot“; dies errechnet sich wie folgt:

Aufgabe IV- 9: Höchstpreise auf dem Wohnungsmarkt (S. 278) a) - 2 P*(X) = 6 = X* - 2 P*(X) = - 10 P*(X) = 5 Geldeinheiten; Damit liegt der Gleichgewichtspreis unter dem Höchstpreis, d. h. der Höchstpreis hat keine Wirkung. (Siehe auch das Ergebnis in nachfolgender Graphik). Mieteinnahmen: P*(X) • X* = 5 • 6 = 30 Geldeinheiten;

Teil B: Aufgaben und Lösungen

421

Darstellung zur Aufgabe IV-9

Preis P(X) Höchstpreis

8 7 6 5 4 3 2 1

Angebot 2

4

Nachfrage 6

8

10

12

14

16

b) Lösungsansatz 1 (Gilt nur, weil Angebotsmenge unabhängig vom Preis ist!): Mietausgabe = 30 + 18 = 48 Geldeinheiten; dies würde einer durchschnittlichen Gleichgewichtsmiete von P(X) = 8 € entsprechen, da: X = 6; Gleichgewichtspreis P(X) = 48/6 = 8 €; aufgrund des Höchstpreises steigt die Miete aber lediglich auf 7 €. Lösungsansatz 2: (Subvention von 18 € entspricht bei 6 Wohneinheiten einer Subventionierung von 3 € je Wohneinheit) Nachfrage ohne Subvention: = 16 - 2 bzw. : = 8 - 0,5 Nachfrage ohne Subvention: = 8 – 0,5 +3 Subvention je Mieter von 3€ (18/6 =3€): = 8 – 0,5 +3 → = 11 – 0,5 bzw. : = 22 – 2 Im Gleichgewicht gilt = ; [ = 22– 2 =[ = 6] → P(X) = 8; wegen des Höchstpreises steigt die Miete nur auf 7 €, d. h. der Höchstpreis wirkt.

Aufgabe IV- 10: Preisdifferenzierung (S. 302) a) Ohne Preisdifferenzierung (siehe auch nachfolgende Tabelle): Gesamtnachfrage: X = X1 + X2 = 27,5 –1,5• P(X) Umformung nach P(X): P(X) = (27,5 – X) /1,5 Erlös E(X): E(X) = X • P(X) = (27,5 • X – X2) /1,5 E’(X) = (27,5 – 2 • X) / 1,5 = K’(X)=3 € ; daraus folgt:

X=11,5; P(X) = 10,66 €; E(X) = 122,67 €; K = 2+3• X = 36,51 €; G = 86,1667 €

422

VI Anhang

Alternativen zur Situation „keine Preisdifferenzierung“: A1) Nur Teilmarkt Sylt mit höchstem Prohibitivpreis: Teilmarkt 2 (Sylt): X2 = 12,5 – 0,5 • P(X2) Umformung nach P(X2): P(X2) = (12,5 – X2) /0,5 Erlös E(X2): E(X2) = X2 • P(X2) = (12,5 • X2 – X22) /0,5 E’(X2) = (12,5 – 2 • X2) / 0,5 = K’(X2)=3 €; daraus folgt: X2= 5,5; P(X2) = 14 €; E(X2) = 77 €; K(X2) = 2+3 • X2 = 2+3 • 5,5 = 18,5 €; G(X2) = 58,5 € A2) Nur Teilmarkt Festland: Teilmarkt 1 (Festland): X1 = 15 – P(X1) Umformung nach P(X1): P(X1) = (15 – X1) Erlös E(X1): E(X1) = X1 • P(X1) = (15 • X1 – X12) E’(X1) = (15 – 2 • X1) = K’(X1) = 3 € ; daraus folgt: X1= 6; P(X1) = 9 €; E(X1)= 54 €; K(X1) = 2+3X1 = 2+3 • 6 = 20 €; G(X1) = 34 € Ergebnis: Ohne Preisdifferenzierung würden zum einheitlichen Preis von P = 10,67 € beide Teilmärkte versorgt und der Gewinn würde 86,17 € betragen; es macht keinen Sinn, einen Teilmarkt nicht zu bedienen (Alternativstrategie bei einheitlicher Preisbildung). b) Mit Preisdifferenzierung: Nach einer Umformung der Nachfragefunktion ergibt sich Teilmarkt Festland: P(X1) = 15 – X1 E(X1) = P(X1) • X1 = 15 • X1– X12 E’(X1) = 15– 2 • X1 Teilmarkt Sylt: P(X2) = 25 – 2 • X2 E(X2) = P(X2) • X2 = 25 • X2– 2 • X22 E’(X2) = 25– 4 • X2 Gewinnmaximum: [E’(X1) = 15– 2 • X1] = [E’(X2) = 25– 4 • X2] = 3 daraus folgt bei Preisdiff.: X1= 6; X2 = 5,5 und X = 11,5 P(X1) = 9; P(X2) = 14; E(X1) = 54 €; E(X2) = 77€; K(X) = 2+3•(X1+X2) = 2+3•11,5= 36,5€; G(X1+X2) = 54 € + 77 € - 36,5 € = 94,5 € zur Erinnerung: P(X) = 10,7 (ohne Preisdiff.) damit gilt: [ P(X1) = 9] < [P(X) = 10,7] < [P(X2) = 14]; Das Ergebnis zeigt, dass durch eine Preisdifferenzierung der Gewinn ausgeweitet werden kann. Die nachfolgende Tabelle zeigt, dass ohne Preisdifferenzierung bei einem Preis von 10,67 € auf Teilmarkt 1 (Festland) eine Menge X 1 = 4,3 ME abgesetzt wird und daher über Preissenkungen die Nachfrage deutlich gestärkt werden kann (Absolutbetrag der Preiselastizität auf dem ersten Teilmarkt > 1, da halber Prohibitivpreis noch nicht erreicht); folglich liegt der Grenzerlös einer Mengenausweitung durch eine Preissenkung deutlich über den Grenzkosten, so dass es ratsam ist, auf diesem Teilmarkt über eine Preisdifferenzierung den Preis P(X1) auf 9 € zu senken und die Menge X1 auf 6 ME auszuweiten.

Teil B: Aufgaben und Lösungen

423

Andererseits ist auf Teilmarkt 2 bei einem Preis von 10,67 € der Grenzerlös E‘(X2) bereits negativ, so dass hier über eine Preiserhöhung (im Rahmen der Preisdifferenzierung) die Menge X2 = 7,2 solange zurückgefahren werden muss, bis der Grenzerlös E‘(X2) = 3 € erreicht wird; dies ist für einen Preis P(X2) = 14 € und einer Menge X2 = 5,5 gegeben. Erst wenn sowohl auf Teilmarkt 1 aufgrund einer preissenkungsbedingten Mengenausweitung als auch auf Teilmarkt 2 aufgrund einer preiserhöhungsbedingten Mengenreduktion der Grenzerlös jeweils 3€ beträgt und somit der Grenzerlös auf den Teilmärkten mit den Grenzkosten K‘(X) = 3 übereinstimmt, ist die Nachfrage auf beiden Teilmärkten gewinnmaximal „abgeschöpft“. Tabelle zur Aufgabe IV- 10: P X Gesamtmarkt 0,0

Prohibitivpreis = 15

25

P(X1)

X1 E(X1) Teilmarkt 1 Festland

E'(X1)

P(X2)

X2 E(X2) Teilmarkt 2 Sylt

0,0

25,0

0,0

E'(X2) K'(X)

0,0

25,0

3

K(X) E(X) Gesamtmarkt 2,0

0,0

E'(X)

G(X) ohne G(X) mit Preisdifferenzierung

18,33

-2

0,0

22,0

1,5

33,0

19,0

3

6,5

33,0

16,33

26,5

G=94,5

20,0 19,0

2,5 3,0

50,0 57,0

15,0 13,0

18,0

3,5

63,0

11,0

14,0

13,0

17,0 16,0 15,5 15,0 14,0

4,0 4,5 4,8 5,0 5,5

68,0 72,0 73,6 75,0 77,0

9,0 7,0 6,0 5,0 3,0

3 3 3 3 3 3 3 3

9,5 11,0 12,5 14,0 15,5 16,3 17,0 21,5

50,0 57,0 63,0 68,0 72,0 73,6 75,0 91,0

15,00 14,33 13,67 13,00 12,33 12,00 11,67 9,67

40,5 46 50,5 54 56,5 57,375 58 69,5

für X =13 K=36,5 E= 131

14,0

0,0 0,0 0,0 0,0 0,0 0,0 0,0 1,0

10,7

4,3

46,2

6,3

10,7

7,2

76,5

-3,7

3

36,5

122,7

3,01

86,16665

13,25

9,5

5,50

52,3

4,0

9,5

7,75

73,6

-6,0

3

41,8

125,9

0,67

84,125

9 8,5 8 7

14,0 14,8 15,5 17,0

9,0 8,5 8,0 7,0

6,0 6,5 7,0 8,0

54,0 55,3 56,0 56,0

3,0 2,0 1,0 -1,0

9,0 8,5 8,0 7,0

8,0 8,3 8,5 9,0

72,0 70,1 68,0 63,0

-7,0 -8,0 -9,0 -11,0

3 3 3 3

44,0 46,3 48,5 53,0

126,0 125,4 124,0 119,0

-0,33 -1,33 -2,33 -4,33

82 79,125 75,5 66

6

18,5

6,0

9,0

54,0

-3,0

6,0

9,5

57,0

-13,0

3

57,5

111,0

-6,33

53,5

5

20,0

5,0

10,0

50,0

-5,0

5,0

10,0

50,0

-15,0

3,0

62,0

100,0

-8,33

38

22

1,5

20 19 18,0 17 16 15,5 15 14

2,5 3,0 3,5 4,0 4,5 4,8 5,0 6,5

10,67

11,5

9,50

Aufgabe IV- 11: Preisdifferenzierung bei einheitlichem Prohibitivpreis (S. 303) Lösungshinweis: Im Gewinnmaximum gilt: E‘(X) = K‘(X). Wegen der Übereinstimmung der Prohibitivpreise werden einheitliche Grenzerlöse bei einheitlichen Preiselastizitäten erzielt (Bestimmung der Preiselastizität über die Ordinatenabschnitte) und damit stimmen die Cournotpreise überein (siehe Amoroso-Robinson-Formel)! 1. Bei Preisdifferenzierung gilt im Gewinnmaximum die Übereinstimmung der Grenzerlöse der beiden Teilmärkte mit den Grenzkosten. 2. Für einen Preis in Höhe des Grenzerlöswertes bzw. in Höhe der Grenzkosten, ergibt sich aufgrund nachfolgender Formel folgende einheitliche Preiselastizität auf beiden Teilmärkten: EX,P = -Preis in Höhe der Grenzkosten /[Prohibitivpreis - Preis in Höhe der Grenzkosten]

VI Anhang

424 P K‘(X) E’(X1)

für einen Preis P(X) = K‘(X) stimmen Preiselastizitäten bei einheitlichen Prohibitivpreisen überein

E’(X2) X

Stimmen also die Prohibitivpreise überein, müssen für einen Preis in Höhe der Grenzkosten auf beiden Teilmärkten einheitliche Elastizitäten gelten. 3. Unter Verwendung der Amoroso - Robinson-Formel gilt für die Relation der gewinnmaximalen Cournotpreise ferner

4. Stimmen die Preiselastizitäten auf beiden Teilmärkten überein, müssen gemäß o.a. Formel auch die Cournotpreise identisch sein, d.h. eine Preisdifferenzierung bringt keine Vorteile.

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Stichwortverzeichnis A Abgänge 400 Abschöpfungen 269, 282 Abschreibungen 223 Adverse Selection 360f Aggregation 32, 179, 233, 299 Agrarmarkt 278 ff Agrarpolitik 281 Akerlof, George 328, 358 Allemendegut 327, 333 f Allokationspolitik 4, 18, 29, 328, 330 Allokationsproblem 235 Amoroso-Robinson-Formel 300ff Analyse dynamische Markt- 36 komparativ statische Markt- 36 Partial- 24, 37f statische Markt- 37 Angebot Preiselastizität des - s 221ff Angebotsfunktion 107 Aggregation 137 ff (un-)elastische - 221 aggregierte Markt( s. Marktangebot) kurzfristige -192, 209 langfristige -192, 203, 212 Angebotsmonopol (s. Monopol) Angebotsüberschuss 254ff, 278 Arbeitsangebot 22f, 34, 152 ff Arbeitsnachfrage 34, 223 ff Arbeitsangebot 22 f aggregiertes - 157ff optimales -155ff Funktion des -s 157ff Arbeitsmarkt (siehe Markt) Arbeitsproduktivität 172ff Arbeitszeit 22 f Auflagen 345ff, 366 Auktion (Auktionator) 251 Aumann, Robert J. 42

Auslese 239 Ausschlussprinzip 333f

B Bedarf 5 Bedürfnisse 5 behavioral economics 7 Betriebsgröße 186 Betriebsminimum 196, 207ff Betriebsoptimum 196, 204 Bildung 333 Break-even-point 207, 312 Bruttoanlagevermögen 400 Bruttoinlandsprodukt 32, 173, 231 reales - 401 Budgetgleichung (-gerade; -linie) Erwerbsgleichgewicht 152 Bundeskartellamt 18

C Credit Default Swaps (CDS) 364 Chamberlin, Edward H. 308 Clark 132 Coase, Ronald 8, 350 Coase-Theorem 350ff, 374ff Cobb-Douglas (s. Produktionsfkt.) Cobweb-Modell 256ff cost-average effect 116 cost-plus-pricing 322 Cournotscher Punkt 292, 303

D Deduktion 38 Deflationierung (Deflator) - Bruttoinlandsprodukt 401 - Kapitaleinsatz 400f Distribution (s. Verteilung) math. Differenzial 38 Dualität 28, 193, 202

432

Stichwortverzeichnis

Durchschnittsertrag 169, 401ff Durchschnittsprodukt (s. -ertrag) Durchschnittskostenminimum (s. Betriebsoptimum)

E economies of scale 197 Effekte, externe (s. externe Effekte) Effizienz Output-, Produktions- 14 Verbrauchs- 14 Einkommen 21 f Nominal- 52 Realeinkommen- 69, 85,147ff, Einkommenseffekt 85ff, 150ff, 157 ff Einkommenselastizität (s. Elastizität) Einkommens-Konsumkurve 79f, 130 Einkommens- u. Verbrauchsstichprobe 23 Einkommensverteilung 12f, 328f Elastizität Bogen- (Strecken-) 107ff -begriffe 134 Einkommens- 107, 130ff, 384, 396ff empirische Bestimmung - 117f Kosten- 221ff Kreuzpreis- 126ff, 393ff Nachfrage- 106f Preis- der Nachfrage 107ff, 116f, 120ff, 126ff, 302 ff Preis- des Angebots 221ff Produktions- der (Faktoren) 174 Punktelastizität 110ff, 116, 123 Skalen- 186ff Strecken- (s. Bogen-) wirtschaftspol. Bedeutung - 133 Emission Trading System, (EU-ETS) 353

Energie 12, (s. Produktionsfaktor) Erhard, Ludwig 17 Erlösmaximum 124, 392f Erlös u. Preiselastizität 121 Ersparnis -bildung, anomal 151 zinsabhängige - 151 Ertragsfunktion 181

Ertragsgesetz Einfaches - 170, 184 Klassisches - 184, 195 Erwartungswert 360 Erwerbsgleichgewicht 152ff Erwerbstätige 23, 177 Eucken, Walter 11, 247 European Energy Exchange (EEX) 355 Expansionspfad 79 Externe Effekte 327ff - des Konsums 338ff - der Produktion 338ff

F Faktor (s. auch Ressourcen) - Arbeit 12 f,164 ff - Boden 164 - Energie 12, 164 ff, 176 fixer - 166 -intensität 173 - Kapital 13, 164 ff, 175 ff -kombination (ineffizient) 182 ff (s. auch Prozessstrahl) -markt (s. Markt) -(markt)nachfrage 25,223 -paket 164, 186 -preis 223f -substitution 175 -teilbarkeit 186 Faktorvariation partielle - 25, 165f, 169, 184, 217 totale - 25, 165f, 186ff Fiskalsteuer 265 Fixkosten (s. Kosten) Fixkostendegression 187, 196, 199 Fourastié 132 Free rider Verhalten (s. Trittbrettfahrer) Freizeit 21f -nachfrage 155ff,

G Gebietskörperschaften 20, 24 Gebrauchtwagenmarkt 358f

Stichwortverzeichnis

Gefangenendilemma 42 ff Gesetz des abnehmenden Ertragszuwachses 170 Gewinn -maximum im Monopol 290ff -maximum im Polypol 208 ff Giffengut 90ff, 94, 384f, 396 (Giffenparadoxon) Giffen, Robert 90 Gini-Koeffizient 314 f Gleichgewicht (s. Marktgleichgewicht) Gleichgewichtsmenge 250 ff, 413, 418 Gleichgewichtspreis 250 ff, 413, 418 Globalisierung 16 Gossen, Hermann 56 Gossensches Gesetz erstes - 56ff zweites - 70ff, 156 Grenzanbieter 238 Grenzerlös 287 ff, Grenzertrag 168ff, 224 ff - des Geldes beim Faktoreinsatz 70, 190 Grenzkosten 155, 303ff, 321ff, 325 Grenznutzen 56ff, 152ff - des Geldes 70ff Grenzprodukt 169ff, 226 ff, 399ff (Grenzproduktivität) 166 Grenzproduktivitätstheorie 230, 399ff Grenzrate d. Substitution 62ff Grenzrate d. techn. Subst. 168, 172 Gut, (Güter) absolut inferiores - 81, 92, 119 -bündel 52ff, 58ff, 67ff, Club- 336 einkommensneutrales - 79f, 130 einkommensunabhängiges - 81, 119 freies -333f Giffen- 90ff, 94, 384f, 396 homogenes - 243 Investitions- 12 komplementäres - 57 f, 99 ff, 127 ff Luxus- 82 (im-)materielle – 51

433

Gut normales -81 öffentliches -29, 333ff privates -51 relativ inferior - 80 ff, 119, 131 spekulatives - 96 f, 113, 137, 150 substitutives - 57 superiores -45, 82 ff, 92ff, 119 unabhängiges - 58 Güterangebot (s. Angebot) Gutenberg, Erich 309, 319

H Harsanyi, John C. 7, 42 Haushalte Öffentliche - 20f, Private - 11ff, Haushaltsoptimum 53ff - Güter 69 ff Haushaltstheorie 20ff, 52 Herfindahl-Hirschmann-Koeffizient 314 Hicks, John Richard 85 ff hidden champions 311 Höchstpreis 273 ff, 420f Hoppmann, Erich 248 homo oeconomicus 6 f, 53 Hypothese 36ff

I Indifferenzkurven (-linien) - komplementärer Güter 61 konkave - 373 konvexe - 58 - substitutiver Güter 57f Induktion 39 Inflation 4, 229, 241, 273, 330 -erwartungen 151 infinitesimale Änderung 63,110 Information 6 ff, 42 ff, 175, 336 asymmetrische – 327 f, 360 ff Produkt - 97 vollständige -243 Informationsdefizite 29 Informationsfunktion der Preise 239 f

434

Stichwortverzeichnis

Informationskosten 8 Informationstechnologie 177 Innovation 311, 330, 341 Input 163 Internalisierung - externer Effekte 341ff, 374f Investition 3, invisible hand (s. unsichtbare Hand) Institutionenökonomik 7f, 336 Isokostengerade (-linie) 188 Isoquante 167ff

K Kapital 25, 178 Real- 400 -angebot 153 -intensität 168, 173, 176ff -produktivität 176ff Kapazitätsgrenze 199, 212, 222 Kleinere und mittlere Unternehmen (KMU) 24 Knappheit 5 Kollektivgut (s. öffentliches Gut) Konkurrenz monopolistische - 247, 310, 312 (un-)vollständige - 283, 285 Konsum -gleichgewicht (zeitliches) 145ff Rivalität im - 333, 335ff Konsumentenrente 254 Konsumentensouveränität 12, 18, 53 Konvexität - Indifferenzkurve 58, 373 - Isoquante 168 Konzentration absolute - 314 relative - 314f Unternehmens- 313 Konzentrations -rate, -grad, -maß 313ff Koordination dezentrale - 3 marktwirtschaftliche - 12ff, 235

Kosten Alternativ- (s. Opportunitäts-) -arten 193 beeinflussbare -195 -deckung im Monopol 305 Dualität der -162, 193 Definition - 193 durchschnittliche totale - 194f durchschnittliche variable - 194f -elastizität 221f externe (s. ext. Effekte) fixe -193 Grenz- 194 -komponenten 194 kurzfristige -195 langfristige -197 Opportunitäts- 149, 154ff, 336 soziale -(s. externe Effekte) sprungfixe -193 Stück- (siehe Durchschnitts-) versunkene - (sunk costs) 306 totale - (siehe Durchschnitts-) variable - (siehe Durchschnitts-) -verlauf 195, 199ff Kostenfunktion kubische - 203, 207f, 215 kurzfristige - 195 langfristige - 197 limitationale - 197 lineare - 197 quadratische - 195 ff, 200f Kostenverlauf 195, 199 kubischer - 195 linearer - 197 quadratischer - 195ff, 200 Kreuzpreisnachfrage 98ff, Kreuzpreiselastizität (s. Elastizität) Kyoto (Protokoll) 347ff, 356 ff

L Lagrange-Funktion 69, 368f Lehman-Brothers 362 Lenkungsteuer 265

Stichwortverzeichnis

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Leontief – Produktionsfunktion 179 Lerneffekte 187 Lohnsatz nominal 159, 224 real 159, 224 Lorenzkurve 315

M Makroökonomie 32 Markt (Märkte) Absatz- 24 Arbeits- 28 , 30 f Beschaffungs- 24 Güter- 31 homogene - 317 -information 358 (in-)stabil - 255ff Kapital- 28,30 f Käufer - 254 Komponenten des - 249 Mengenbeschränkung d. - 259 offene -18 -räumung 252 relevanter - 242, 317 Systematik d. - 242ff -theorie 235ff -unsicherheit 358 -verhalten 283ff Verkäufer- 253f Versicherungs- 360ff (un-)vollkommen 192, 243ff Märkte u. Preise 30f Marktangebotsfunktion - für Arbeit 160 - für Güter 215ff, 220, 238, 249 f, 272, 288 - für Kapital 154 Marktelemente 236 Marktformen Idealtypische - 246 realtypische - 247 -schema 243ff Marktgleichgewicht 249ff, 253, 260 dynamisches - 37

komparativ-statisches - 37 statisches -36 Marktnachfrage(-funktion) 137, 317ff Marktteilnehmer Anzahl d. -245 Verhaltensweisen d. -245 Markttransparenz 358f, 365f Marktversagen 327ff Marktwirtschaft Soziale 11 Marktzugangsbeschränkung 244, 306 mark-up-pricing 323 Marshall (Alfred) 255 Mehrwertsteuer (s. indirekte Steuer) Maximalprinzip (s. ökon. Prinzip) Mengenanpasser(verhalten) 27f, 162, 245 Mengensteuer 265, 271, 389, 416 Mikroökonomie Abgrenzung d -32 Methode d. -36 Teilgebiete d. -34 Mindestlohn 278 Mindestpreis 278ff Minimalkosten -kombination 188ff, 230, 402ff Minimalprinzip (s. ökon. Prinzip) Mitläufereffekt 101f Monopol 245, 283, 290f Angebots- 290 beschränktes - 245 Beurteilung d. -s294 bilaterales - 245 -gewinn 290ff -güter 336 (s. a. Clubgüter) natürliches - 303ff, 335 Preisdifferenzierung im -295ff Monopolistische Konkurrenz (s. Konkurrenz) Monopolkommission 314 Monopson 245 Moral hazard 361ff Müller-Armack, Alfred 17 Musgrave, Richard A. 330

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N Nachfrage anomale - 90ff, 95f, 104, 111 einkommensabhängige -78 einkommensneutrale -78, 130 elastische -106ff generelle -78, 116 Nachfrage individuelle - 78 inverse - 82, isoelastisch 114f Kapital- 28 Kreuz- (siehe Kreuznachfrage) (nicht)lineare - 110 preisabhängige - 82 preisunabhängige - 89 preis(un)elastische - 119ff sozialer Einfluss d. -102ff spezielle -78 -sprung 89 -überschuss 253f, 273 Verschiebung der - 140 vollkommen (un)elastische - 112 Nachfragefunktion s. Marktnachfrage Nash, John F. 7, 45ff Nash-Gleichgewicht 47 f Nominaleinkommen 85 Nominallohn(-satz) (s. Lohnsatz) Nominalzins(-satz) (s. Zinssatz) Nutzen -funktion 53 kardinaler - 55 -maximum 11, 14, 35, 52f, 70ff ordinaler - 55

O Offshoring 177f Ökonomisches Prinzip 5, 14 75 Oligopol 245, 283, 313ff Angebots- 245 bilaterales - 245 enges - 319 heterogenes - 321 homogenes - 319

Oligopol Kollusions- 319, 323 kompetitives- 319 Nachfrageu. Spieltheorie 319 Reaktionsverbundenheit im -319 weites - 319, 320 Oligopson 245 OPEC 323ff Opportunitätskosten 155 Ostrom, Elinor 334 Output 163, 173

P Paradoxon Giffensches - (s. Giffengut) Paretooptimum 45 pareto -optimal,-dominant, -effizient 45, 47, Partialanalyse 37 Pigou-Steuer 345 Pionierunternehmen 330 Polypol bilaterales - 245 heterogenes - (s. Konkurrenz) homogenes - 192, 203, 246, 317 monopolistisches - (s. Konkurrenz) Popper, Karl 39 Präferenzen 53 ff, administrative - 241 administrierte - 241 -bildung 239f -bindung 17 -funktionen 239f -index (Lebenshaltung) 229 Preis-Absatz-Funktion 284ff einfach-geknickte - 284, 319 doppelt-geknickte - 284, 311ff Preisdifferenzierung monopolistische -421ff Preiselastizität der Nachfrage (s. Elastizität) Preisfixierer 242, 245, 284 Preisführerschaft 323

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Preis-Grenzkosten-Regel 208, 216 Preisindex - Bruttoinlandsprodukt 400f - Investitionsgüter 400 - Kapitaleinsatz 400f Preis-Konsum-Kurve 83 Preisstrategie 323 Preistheorie 235ff Preisuntergrenze 209ff, 406ff Prestigeeffekt (s. Veblen-Effekt) Prisoners’ Dilemma (s. Gefangenendilemma) Private Haushalte (s. Haushalte) Produktinnovation (s. Innovation) Produktionsfaktor (s. auch Faktor) derivativer -164 originärer - 164 Produktionselastizität 174, 232, 399ff (s. Elastizität) Produktionsfunktion Cobb-Douglas - 168, 173, 381, 399f Leontief - 179 limitationale - 165, 179ff, 402, 419 substitutionale - 165, 166 Produktionspotenzial 32 Produktionstheorie 161 Produzentenrente 253, 267f, 275ff produzierendes Gewerbe 178 Prohibitivpreis 84, 112, Prozessinnovation (s. Innovation) Prozessstrahl 178, 180f

Q Quote Gewinn- 399 Import- 269f Lohn- 310

R Ratingagenturen 19, 364ff Rationalismus (kritischer) 39 Rationalität begrenzte – 6 ff, 44 ff ökonomische - 9

Rational(-itäts-)prinzip 21, 161 Realeinkommen (s. Einkommen) Reallohnsatz (s. Lohn) Risikoabgeltungshypothese 364 Risikonormierungshypothese 365 Risikopräferenz 358ff Robinson, Joan 308 Rohstoffe 164

S Sättigungsgut 119 Sättigungsmenge 84, 298 Schelling, Thomas C. 42, Schumpeter, Joseph, A. 248, 311 Schweinezyklus 258 screening 366 Selbständige 12, 24 Sektor Primärer -133 Sekundärer - 133 Tertiärer - 133 Sektorenhypothese 132f Selten, Reinhard 7, 42 signalling 366 Skalenelastizität (s. Elastizität) Skalenerträge 164, 186ff, 197, 293 Slutsky, Eugenius 85ff Smith, Adam 7 Snobeffekt 102 Soziale Einflussfaktoren 101 Soziale Marktwirtschaft 15ff Soziale Sicherung 18 Sozialversicherung 20ff Sparen 12, 116, 145, 149ff spekulative Güter 105f Spence, Michael 328 Spieltheorie 7, 41, 211, 326 Spiele (nicht) kooperative - 41 parallele - 41 sequentielle - 41, 49 wiederholte - 41, Spinngewebe-Modell (s. Cobweb) Staat 327ff

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Staatstätigkeit 29 staatliche Eingriffe 331ff Stabilisierungspolitik 30, 331 Steuer 345 direkte Einkommen- 29, 133 indirekte -133, 265 ff Lenkungs- 346f Fiskal- 346f Steuerdestinator 266 Steuerüberwälzung (Steuerinzidenz) 266, 346 Stiglitz, Joseph 328 stilisierte Fakten 176, 179 Strategie dominante - 42, 44 f reine - 42 Strukturwandel 311 Stückgewinn Maximum 406ff Substitution Grenzrate der - 53, 62ff Grenzrate der technischen – 168f, 172f, 179 Faktor- 173, 175 Substitutionseffekt 85ff, 117 Subvention 267, 346, 370ff sunk costs (s. versunkene Kosten)

T Technischer Fortschritt 175 Teilzeit 23 Totalanalyse 37f Transitivität 56, 59 Transfers 29 Triffin, Robert 127 Trittbrettfahrer 337

U

V Veblen-Effekt 103f Verhaltensökonomik 7 Verschiebung - d Marktangebots 217, 260ff, 417 - d. Marktnachfrage 140, 260ff, 417 Verteilung (s. Einkommens-) Verteilungspolitik 29, 327ff Volumengröße - Bruttoinlandsprodukt 400 - Kapitaleinsatz 399ff

W Wasserpfennig 352 Währungsreform 17 Währungsstabilität 18 Walras-Stabilität 254f Welthandelsorganisation (WTO) 269 Wertgrenzprodukt 223ff, 230, 413 Wettbewerb Funktionen des -s 236ff monopolistischer - 285, 308 Produkt- 324 (un-)vollständiger - 283 Wettbewerbsordnung 18, 29, 33, 238 Wettbewerbspolitik 29, 240, 327 Williamson, Oliver 336 Wirtschaftseinheit (Wirtschaftssubjekt) 7, 9 ff, 20f, 29, 39, 102 Wirtschaftsordnung idealtypische - 11 realtypische - 11 Wirtschaftsteilnehmer Fragestellungen d. -35 Wissen 175 Wohlfahrt 259ff

Überschussnachfrage (s. Nachfrage) Umwelt 175 Z Umweltverschmutzungszertifikate 353f Zahlungsbereitschaft 12, 29, 295, 299ff unsichtbare (invisible) Hand 16, 235, 253 Zentralverwaltungswirtschaft 16 Unternehmen Zertifikate 344 ff öffentliche -290, 303ff handelbare - 347ff Unternehmenstheorie 24

Stichwortverzeichnis

Umweltverschmutzungs- 347ff, 353ff zinsabhängige Ersparnis (s. Ersparnis) Zinssatz 145ff Zölle 265, 269 Zuckermarktordnung 269

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