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German Pages 612 [616] Year 1852
Cirimdriss
der
Krankheiten des Herzens, der Gefafse und des Blutes von
C. Forget, P r o f e s s o r d e r i n n e r e n Klinik und Pathologie un der Facilitât von S t r a f s b u r g , correflpcndirendem Mitgliede d e r A c a d é m i e nationale de M é d e c i n e , d e r konigl. b e l g i s c h e n medicinischen A c a d é m i e , der G e s e l l s c h a f t e n f ü r Mediciu und W i s s e n s c h a f t e n von P a r i s , S t r a s b u r g , Lyon, Bordeaux, Marseille, R o u e n , Dijon, B e s a n ç o n , P o i t i e r s , R o c h e fuit, Algier, L e i p z i g , des O b e r r h e i n s , des G r o f s h e r z o g t h u m s B a d e n u. s. w., Mitgliede de» S a n i t a t s r a t h e s fUr den Niederrhein ; Kittel* der E h r e n l e g i o n .
Giefsen, 1852. J. R i c k e r ' s c h e
Buchhandlung.
Vorrede. In
gewissen
Entwickelungsepochen
Wissenschaft tauchen Ideen auf,
der
deren sich
die Beobachter mit Vorliebe bemächtigen, um daraus ein specielles, analytisches y vielseitiges Studium zu machen und sie alsdann wieder, des weiteren Forschens müde, zu verlassen, meist ohne die so lebhaft bestrittenen Probleme gelöst zu haben. So
sahen wir seit fünfzehn Jahren eine
Menge gewichtiger Fragen nach einander angeregt und verlassen, unter anderen die, welche sich auf die Natur und Behandlung der bösartigen Fieber, des Rheumatismus, der Herzkrankheiten, der Lithiasis, der Verwachsungen, der Pest, des intermittirenden Fiebers,
der
Cholera, der Anschwellungen der Gebärmutter, des Cretinismus etc., bezogen.
Der Aether
und das Chloroform sind auf den ersten Ant *
V
blick so einfache Gegenstände, und doch wissen wir nach so vielen Debatten kaum, was wir von ihren Wohlthaten zu halten haben. Demungeachtet bleibt aus dieser flüchtigen und scheinbar fruchtlosen Gährüng für die Wissenschaft der Gewinn wenngleich nur unvollständiger, aber doch positiver Thatsachen, wodurch sie ihrem Ziele, wenn auch nur langsam, entgegenschreitet. Denn es erscheinen wieder neue Forscher, welche die zerstreuten Materialien aufgreifen, um sie in stiller Verborgenheit auszuarbeiten, und zuweilen glücklich genug sind, dem Gebäude der Wissenschaft einen neuen Stein hinzuzufügen. Die Vollbringung dieser theilweisen Fortschritte fällt den Männern anheim, welchen die Beobachtung einer grofsen Anzahl von Thatsachen einer und derselben Art vergönnt ist, aus deren Zusammenstellung bisweilen unerwartete Folgerangen entspringen. Denn aus der grofsen Anzahl beobachteter Falle allein entspringt das Recht, gewissen Ansichten Gesetzeskraft zu verleihen, welche, wenn sie nur auf isolirten Thatsachen beruhen würden,
V
als Zufälle, oder als voreilige
Schlufsfolgen
angesehen werden könnten. Wenige Gegenden sind so reich an organischen Krankheiten
des Herzens, als der
Kreis unserer Beobachtung.
Dies begreift sich
von vornherein, wenn man bedenkt, wie häufig im Elsafs die beiden Arten von Krankheit ten vorkommen, welche mit denen des Herzens in so engem
Zusammenhange
stehen : die
Krankheiten der Lungen, und der acute Gelenkrheumatismus, diese doppelte und verderbliche Wirkung
der feuchten Kälte und
grellen Wechsels der Temperatur.
des
Unter einer
Gesammtzahl von nahe an sechstausend Kranken, welche seit fiüifzehn Jahren in unserer Klinik behandelt wurden, haben wir ungefähr zweihundert Fälle
von idiopathischen Herz-
krankheiten beobachtet.
Mit diesem Material
sind wir, ohne vorgefafste Meinung und blos in Folge aufmerksamer Vergleichung, hinsichtlich der Herzkrankheiten und der Krankheiten des Kreislaufes überhaupt, zu gewissen Ansichten gelangt, welche theils neu sind, theils die bestehenden entkräften.
Principien bekräftigen oder
VI
Dieses Buch «oli sowohl das für die Praxis Wesentliche angeben, als auch die uns eigentümlichen Ansichten kennen lehren. Ich hätte die medizinische Literatur nicht mit einem neuen Bppde überfielt, wenn ich nicht überzeugt wäre, die Wissenschaft einigermaßen gefördert zu haben. Indessen würde ich die Veröffentlichung bis zu gröfserer Reife dieser Ansichten verschoben haben, wäre nicht von Seiten der Zöglinge unserer Hochschule das freiwillige Oollectivgesuch an mich ergangen, eine neue Ausgabe meiner klinischen Studien der Herzkrankheiten (Gazette m^dicale de Paris, 1844) zu besorgen. Das Schmeichelhafte dieser Anforderung machte es mir zur Pflicht, derselben so würdig als möglich zu entsprechen. Ich besehloss daher, den Inhalt jener Arbeit mit den Erfahrungen meiner seitherigen siebenjährigen Beobachtung und Forschung zu bereichern. Das Wesentliche der klinischen Studien beibehaltend, war ich jedoch zu einer neuen Einrichtung genöthigt, und gab daher dieser zweiten Auflage die Form eines vollständigen, metho« diachen Qrundrisges der Nerzkrmhheile«, woraus alles Ueberfltissige verbannt blieb, so das» er
• r a
sowohl für die studirende Jngend, für welche er vorzugsweise bestimmt ist, ab auch für Aerzte von Nutzen sein kann, welche nur ctéf Wiedererinnerung bedürfen. Ich war gezwungen, die Krankheiten der Gefáfse und des Blutes mit abzuhandeln, wenn ich eine vollständige Uebersicht der Affifcctionen des Kreislaufsapparates geben wollte; dabei bezweckte ich gewisse mir eigene Ansichten über einige derselben mitzutheilen. Die kurzen und wenig zahlreichen Beobachtungen, welche ich eingeschaltet habe, sollen nur als Specimina zum Beweise der von mir aufgestellten Principien dienen. Sie finden sich am Schlüsse jedet Artikels, theüfi um nicht den Lauf der einzelnen Abhandlungen zu unterbrechen, theilsum ihnen das Interesse der unmittelbar folgenden Thatsache zu bewahren. Ich habe häufig die Angabe der Quellen, woraus ich geschöpft, unterlassen, weil mir diese ohne Nutzen flir meine Leser schien, zu welchen ich nicht die Gelehrten zähle; aiich wollte ich mir den Vorwurf Uberflüssiger Erudition ersparen. '
vra
• Ich habe mehr auf Klarheit, als auf Eleganz des Styles gesehen, wie man aus der Einfachheit desselben erkennen wird; ich mufs sogar um «Nachsicht bitten für einige aus der Eile der Kedaction entspringende Fahrlässigkeiten. Hier folgen die Namen der Zuhörer, welche sich auf der mir überreichten Liste unterzeichnet haben. Viele achtbare Aerzte haben mir den Wunsch ausgesprochen, ihre Namen beifügen zu können; obgleich ich ilmen für diesen Wunsch aufrichtig danke, glaubte ich doch, meinem jungen Auditorium allein das Verdienst oder die Verantwortlichkeit seines offenbarten Wohlwollens überlassen zu müssen, dessen ich mich würdig zu machen gesucht habe, quantum valeant humeri (1). (1) Die Namen der 120 Zuhörer folgen hier in alphabetischer Ordnung. Mancher von ihnen wird, wenn er einst schon eigenen wissenschaftlichen Ruf erworben, sich mit Freuden noch unter den Schülern des geliebten Meisters genannt sehen. Vorliegende lieber Setzung darf jedoch nicht darauf rechnen, in die Hände des einen oder des anderen Ton ihnen zu gelangen. Ich glaubte d a h e r , das. im Orginale gegebene Verzeichnifs weglassen zu müssen, da dasselbe für die Leser dieser Uebersetzung ohne Interesse sein wird.
c. w.
Vorwort des Uebersetzers. • In der vorliegenden Uebersetzung bin ich soviel als möglich dem französischen Texte gefolgt, da bei der bündigen Schreibweise F o r g e t ' s an eine andere Bearbeitung nicht zu denken war, ohne Eingriffe in das Wesen und die Form des Originales zu machen, welche gerade beizubehalten ich mir die Aufgabe gesetzt hatte. Die einzige Aenderung in der Form, welche man vorfinden wird, ist eine durch die Verschiedenheit des Genius der beiden Sprachen gebotene. Die Franzosen nämlich bezeichnen Herzton und Herzgeräusch durch bniit du coeur normal et anormal; unter letzterem müssen notwendiger Weise auch die Abweichungen im Rhythmus der Herztöne aufgezählt werden, wenn man Umschreibungen oder Neologismen vermeiden will. Da aber dieselben noch keine eigentlichen Aftergeräusche sind, so mufste, um Inconsequenzen zu vermeiden, wieder zwischen bruits anormaux und bruits anormaux proprement dits unterschieden werden, ein Zwang, welchem uns der
X
gröfsere Reichthum der deutschen Sprache entheht. Ich konnte dem Gebrauche der letzteren getreu und ohne wesentlich an der Form des Orginales zu ändern, unter E. die abnormen Herztöne und unter F. die Aftergeräusche als locale Functionssymptome aufeinander folgen lassen. Sollte man fragen, was mich zur Uebersetzung dieses Werkes bewogen, so möge die Erklärung genügen, dafs ich, als einer der ältesten Schüler F o r get's, mit Freuden das Erscheinen seines Grundrisses der Herzkrankheiten begrüfste, da ich darin nicht nur Dasjenige wiederfinden sollte, was ich bereits in seinen klinischen Vorträgen gehört oder in seinen klinischen Studien später gelesen, sondern auch, nach der mir bekannten rastlosen Thätigkeit und practischen Tendenz meines Lehrers zu schliefsen, vieles Neue und in der Praxis Brauchbare darin zu erwarten hatte. Ich unternahm die Uebersetzung zu meiner eigenen Belehrung. Es war eine freudige Erinnerung, welche dabei in mir wieder auflebte; in seinem Buche fand ich wieder dieselbe Klarheit, dieselbe auf Thatsachen gestützte Festigkeit der Ueberzeugung, dieselbe Offenheit, die wohl jeder seiner Schüler in seinen Vorträgen bewundert hat. Aber auch des Neuen und Guten fand ich viel, und warum sollte ich anstehen, die Uebersetzung eines Werkes zu veröffentlichen, in welchem man das Alles wiederfindet ? So die anatomisch-physiologischen Betrachtungen, die Gesetze der Kreislaufshindernisse, die Symptomenlehre, die Arteriectasie, die spontane Gan-
XI
grän, die Dyspnoe, die Cyanose, die Cachexie im allgemein pathologischen, die ganze rationelle Haltung im allgemein therapeutischen Theile; in der speciellen Pathologie die Herzzerreifsung, die Verwachsungen im Herzbeutel, die scharfsinnige Differentialdiagnose der organischen Klappenfehler, die Anwendung der Gesetze der Kreislaufshindernisse bei Erweiterung und Hypertrophie, die Reconstruction des Aneurismas, die spontane Venenentzündung etc. etc. G i e f s e n , den 1. Juli 1852.
C. Wotf,
Dr. med.
I n h a l t .
Erstes Buch. Seite
Allgemeine Pathologie und Therapie der Herzkrankheiten Allgemeine Pathologie Nosographischer Plan Geschichte Anatomisch-physiologische Skizze Aetiologie Symptomatologie §. 1. Organische Symptome §. 2. Functionssymptome I. Locale Functionssymptome Inspection Palpation Mensuration Percussion Auscultation A. Schmerz B. Präcordialwölbung C. Matter Percussionston D. Herzimpuls E . Abnorme Herztöne P . Aftergeräusche G. Katzenschnurren H . Reibungsgeräusche . . . . . I. Metallisches Klingen K. Arterielle Geräusche L. Uteringeräusche II. Allgemeine Functionssymptome . . . .
.
1 3 4 6 7 21 28 — 29 — 30 31 — 32 35 3G 37 39 40 42 48 49 50 — 52 —
XIV Seit* 1. Arteriensystem
53
Arterieller Puls
.
.
.
.
.
.
—
Tabelle : Verhalten des Pulses in den hauptsächlichsten Herzk. 5 6 Arteriectasie
57
Spontane Gangrän
—
2. Venensystem
59
Venenpnls
60
Blutstockungen
62
1. Hämorrhagien
68
2. Phlegmasien
64
3 . Engbrüstigkeit (Asthma)
65
4 . Hypertrophie
69
5 . Albuminurie
70
6 . Wassersucht
—
7 . Cachexie von Herzkrankheiten
.
.
.
.
72
8 . Blausucbt
75
3. Nervensystem
76
Synoptische Symptomentabelle der Herzkrankheiten
.
Verlauf und Dauer
78 79
Ausgänge
80
Complicationen
.
. 8 1
Diagnose
—
Prognose
84
Allgemeine Therapie
87
1. Blutentleeriragen
92
2. Beruhigende Mittel
94
3. Abführende
98
» .
4. Harntreibende »
100
5 . Schweißtreibende Mittel
102
6 . Zertheilende
108
»
7. Tonische
»
105
8 . Adstringirende
»
106
9. Ableitende
»
, 1 0 7
1 0 . Hygienische
»
108
Classification der Herzkrankheiten Synoptische Tabelle der Herzkrankheiten
112 .
.
.
. 1 1 5
Zweites Büch. Specielle Pathologie und Therapie der Herzkrankheiten
.
117
XV Seite I. Classe. Angeborene Fehler 119 §. 1. Acardie 120 §. 2. Poiycardie 121 3. Abnorme Verbindungen zwischen rechtem und linkem Herzen — Blausucht. 122 §. 4. Abnorme GefäfsYerbiBdungen . . . .126 5. Ectopie — §. 6. Dexiocardie 127 II. Classe. Mechanische Verletzungen . . . .129 §. 1. Herzwunden — §. 2. Herzzerreifsangen 131 §. 3. Lageveränderung 139 II!. Classe. Entzündungen 141 Erstes Kapitel : Pericarditis 142 Zweites Kapitel : Endocarditis 159 Drittes Kapitel : Carditis 170 IY. Classe. Flüsse 173 Art. I. Hämorrhagicn — §. 1. Hämorrhagie des Pericardiums . . . — §. 2. Hämorrhagie des Endocardiums . . .174 §. 3. Hämorrhagie der Herzsubstanz . . .175 Art. II. Wassersuchten 175 §. 1. Herzbeutelwassersucht — §. 2. Seröser Flufs des Endocardiums . . .177 J. 3. Oedem des Herzens . . . . . — V. Classe. Organische Fehler des Herzens . . .178 Erstes Kapitel. Organische Fehler des Pericardiums . — Verwachsungen des Pericardiums. . . .179 Zweites Kapitel. Organische Fehler des Endocardiums. 191 Organische Klappenfehler 192 Geschichte — Aetiologie — Symptome . . . . . . . . 193 1. Organische Symptome — 2. Functionssymptome 199 Verlauf, Dauer 209 Ausgänge 210
XVI Seite
Complicationen .211 Diagnose 214 1. nach der Natur — 2. nach dem Sitze . . . . . 219 im rechten Herzen 220 im linken Herzen 225 in der Aortenmündung . . . . . 226 in der Mitralmündung 243 in beiden zugleich 248 3. der Affectionen, welche fïir Klappemfehler gehalten werden können . . . . 256 Prognose 266 Behandlung 267 Drittes Kapitel. Organische Fehler der Wandungen des Herzens 275 §. 1. Erweiterung — Aetiologie . 276 Symptome . 278 Verlauf, Dauer, Ausgang 282 Complicationen 283 Prognose — Behandlung . . . . . . — §. 2. Theilweise Erweiterung 289 §. 3. Verengerung der Herzhöhlen . . . . 292 §. 4. Hypertrophie — Geschichte — Aetiologie 293 Symptome 294 Verlauf, Dauer, Ausgänge 299 Complicationen 300 Diagnose — Prognose 302 Behandlung 303 §. 5. Aneurisma des Herzens 304 Tabelle 307 §. 6. Concentrische Hypertrophie . . . . 308 Definition — Aetiologie 309
xyii Seite
Symptome Verlauf, Daner, Ausgänge, Complicationoa . Diagnose Prognose Behandlang §. 7. Atrophie des Herzens §. 8. Erweichung des Herzens • . . §. 9. Verhärtung des Herzens 5- 10. Herzgeschwüre §. 11. Gangrän des Herzens 12. Analoge Neubildungen 5. 13. Fettsucht §. 14. Hcterologe Neubildungen . . . . VI. Clssse. Fremde Körper Erstes Kapitel : In dem Pericardium . . . . Zweites Kapitel : In der Herzsubstanz . . . . Drittes Kapitel : In den Herzhöhlen . . . . §. 1. Coagula Geschichte Aetiologie Symptome Verlauf. Dauer, Ausgänge Diagnose . . . . . . . . Prognose Behandlung 2. Vegetationen §. 3. Eiterkysten §. 4. Hydatiden §. 5. Gase V n . Gasse. Nenrosen des Herzens Erstes Kapitel : der sensiblen Sphäre . . . . Zweites Kapitel : der Bewegungssphäre . . . . §. 1. Hyperdynamie §. 2. Adynamie §. 3. Ataxodynamie
312 .315 316 318 — 324 325 327 — 329 330 331 336 337 — 338 339 — — 342 343 345 346 348 349 352 357 363 364 370 372 375 — 384 390
Drittes Bach. Krankheiten der Blutgefäfse F o r g e t , Herzkrankheiten.
395 ++
xvm Seit«
Erstes Kapitel ; Krankheiten der Arterien . . . 393 §. 1. Krankheiten der Arterien im Allgemeinen . — §. 2. Arterienentzündung 403 §. 3. Aneurisma der Aorta 420 Definition — Aetiologie 421 Symptome 422 § . 1. des Aneurisma's des Aortenbogens . . 424 §. 2. n » der A. thoracica . . 430 $. 3. n » n A. abdominalis . . 431 Verlanf, Dauer, Ausgänge . . . . . 434 Complicationen, Diagnose, Prognose . . . 435 Behandlung 436 Anhang : Neurosen 452 Zweites Kapitel. Krankheiten der Venen . . . 453 §. 1. Von den Krankheiten der Venen im Allgemeinen — §. 2. Venenentzündung 459 A. Traumatische Venenentzündung . . . . 460 Geschichte 461 Aetiologie 462 Symptome — Verlauf 468 Dauer, Ausgänge, Complicationen . . . 470 Diagnose .471 Prognose . . . . . . . . 472 Behandlung 474 B. Spontane Venenentzündung . . . . . 476 Geschichte 477 Aetiologie 480 Symptome . . . . . . . . 48? Verlauf 489 Dauer 490 Ausgänge, Complicationen 491 Diagnose — Prognose 492 Behandlung 494 § 3. Von einigen Krankheiten der Venen insbesondere 506 1. Krampfadern —
XIX Seite
2. 3. 4. 5. 6. 7.
Verengerung, Verschliefsung . . Hypertrophie, Atrophie . . . . Verhärtung, Erweichung . . . . Geschwüre Entartungen oder andere Producte . Fremde Körper
.
.
507 508 — — 509 510
Viertes Buch. Pathologische Veränderungen des Blutes . . . . 514 Geschichte 516 Anatomisch-physiologische Skizze . . . . 520 Aetiologie 526 Symptome 528 §. 1. Organische Symptome . . . . . — Art. I. Physikalische Veränderungen . . . . — Art. II. Chemische Veränderungen . . . .531 Art. III. Veränderung durch Aufnahme fremder Bestandteile . . . . . . . . 544 §. 2. Functionssymptome 551 Verlauf, Dauer, Ausgänge 552 Complicationen — Diagnose 555 Prognose 556 Behandlung 557 Synoptische Tabellen der Veränderungen des Blutes 564—566 Rückblicke 567
tt *
Druckfehler. S. S. S. S. S. S. S. S.
41. 4te Z. T. u. lies b. statt 6. 96. 15te Z. v. u. lies Gran statt Gramm. 177. 6te Z. v. u. lies Seröser F l u ß des Endocardiums. 322. 7te Z. v. u. lies XL statt XI. 455. 3te Z. v. o. lies physiologisch statt pathologisch. 509. 7te Z. v. o. lies knochig statt knochich. 520. 3te Z. v. u. lies physiologisch statt pathologisch. 572. 7te Z. v. u. lies der statt zwischen der.
Erstes Buch.
Allgemeine Pathologie und Therapie der Herzkrankheiten.
Forgit,
lHerzkrankheittn.
1
%
Allgemeine Pathologie.
So vielfältig sind die Bielpachtungen, welche sich mit den Herzkrankheiten verknüpfen, dafs wir dieselben zuerst in allgemeiner Uebersicht gruppiren müsser, um hierdurch das Verständnifs dieser Krankheiten im Einzelnen zri erleichtern und ihre Beschreibung zu vereinfachen. Wir werden im Laufo dieser Befrachtungen diejenige Reihenfolge beobachten, welche der Beschreibung jeder Krankheit zukommt, und damit der Leser im Voraus mit unserer A r t zu beschreiben vertraut werde, geben wir hier, in tabellarischer Form, unsero nosographischen Plafi.
1*
4 Benennong, Synonymik. Definition. Geschichte. Anatomisch • physiologisch» Skizze (oder medicinische Anatomie), Organische Functionelle Angeborene circumfusa applicata ingesta gesta percepta
Hygiänische
Ursachen.
Traumatische Krankheitliche (morbide)
Organische Locale r Allgemeine Functions-
Symptome (1). (Patholog. Anatomie.) Verlauf. Daner. Ausgänge
•I
Genesung. andere Krankheiten. Tod.
Complicatlonen. Diagnose. Prognose. Radicale Palliative > Behandlung. ProphylactischeJ (1) Zu den Symptomen zählen wir, was die classischen Schriftsteller mit dem Titel : Pathologische Veränderungen in der Leiche, Necrorganographie u. s. w. bezeichnet haben. Diese nach dem Tod gefundenen Veränderungen sind für nns Symptome : 1) weil die Autoren diese Veränderungen für Symptome nehmen, wenn sie äufserlich, sichtbar, fühlbar sind; 2) weil diese Alterationen als eine Folge früher bestandener Fehler, logischer Weise, in die Reihe der Nebensymptome oder Nebenkrankheiten gehören. Wir nennen dieses die organischen Symptome. Dagegen bezeichnen wir
5 Diese verschiedenen Rubriken sind nicht alle von gleicher Wichtigkeit, weshalb wir uns erlauben, diejenige! zu übergehen, welche uns entbehrlich scheinen. So we;den wir uns nicht mit den Benennungen, der Syncmynik und der Definition der Herzkrankheiten im Allgeneinen beschäftigen; denn wir fühlen uns nicht berufet, Neologismen zu adoptiren oder zu schaffen, da unser Hauptzweck ist, allen Lesern leicht verständlich zu sein. Wir wollen darum aber nicht lobensverthe Versuche der Art tadeln, wie sie besonders von unserm gelehrten Collegen P i o r r y gemacht wurdet. (1) mit dem Kamen : Funclionssymptome, was auch andere Schriftsteller als solcle ansehen. Wir lassen sie gleich auf die organischen Symptome folgen,, weil sie, unserer Ansicht nach, aus diesen directer oder indirecter, mittelbarer oder unmittelbarer entspringen. Wir begreifen auch unter den Functionssymptomeu wirkliche organische, materielle Symptome, wie die Auftreibung in der Herzgegend, die Infiltration, die Cyanose u. s. w., weil sie nicht idiopathische, sondern aus den Alterationen des Ilerzens hervorgehende Symptome sind. ( 1 ) P i o r r y handelt in seinen Herzkrankheiten, welche er Cardiopathien nennt, von : Dyscardiotopicn, Dyscardiomorphien, Cardiotraumatien, Cardiostcnosien, Cardiectasien, Hypercardiotrophien, Acardiotrophien, Cardicmphraxien, Hypercardiohämien, Hämocardiorrhagien, Cardiosclerosien, Cardiomalaxien, Hydropericardien, Cardielcosien, Cardiolithien, Cardioliposien, Cardiophymien, Cardiocarcinien, Cardiozootien, Neurocardiopathien, Cardionecrosien, u. s. w. Alle diese Ausdrücke sind rationell nnd für den, welcher der griechischen Sprache ganz mächtig ist, leicht verständlich; auch wünschen wir dieselben in die wissenschaftliche Sprache aufgenommen zu sehen, dies kann aber erst in der Zukunft geschehen und wir haben uns an unsere Zeitgenossen gewendet. Jedoch werde ich von einigen derselben, wo sie mir passend scheinen, Gebraiich machen, j a sogar deren hie und da neue schaffen.
6 Geschichte. Die Kenntnifc der Herzkrankheiten als Wissenschaft kann eine Eroberung der neueren Zeit betrachtet werden, denn sie hängt wesentlich von der genaueren Einsicht ab, welche über die ßtruetur und den Mechanismus dieses Organ es gewonnen ist, sowie von klinischen Untersuchungsmethoden, die den früheren Aerzten unbekannt sind. Diese Eroberung, wiewohl unvollständig, wenn man die Unklarheiten bedenkt, welche noch die Axiologie, die Diagnose und die Behandlung eines grofsen Theiles der Herzkrankheiten umgehen, verdanken wir hauptsächlich der Theorie dp« Kre^awfes und müssen als den eigentlichen Gründer der rationellen Pathologie, sowie der Physiologie des Blutkreislaufes, den gefeierten H a r v e y betrachten (1619), SjpecieHe Abhandlungen \iber diesen Gegenstand wurden seitdem besaiyleys von L o w e * (1669) und L a n e i ß i (172&) veröffentlicht; die beste und vollkommenste Monographie der Herzkrankheiten jedoch ist S £ n a c ' s Abhandlung (1749). M o r g a g n i saropielte in einigen Briefen seines herrlichen Werke« über Sitz und Ursachen der Krankheiten alles, was von pathologischen Veränderungen des Kreislaufscentrums begannt war, und ward so der Schöpfer der pathologischen An^toroie diese? Oorganes (1761). Eine neue Epoche aber beginnt mit C o r v i s a r t , dessen Essai sur les maladies du coeur die Grundlage Und der Ausgangspunkt der jetzigen Wissenschaft ist (1806); seitdem schrieben unter den Ausländern B u r n s (1809), T e s t a ( 1 8 1 0 ) , K r e y s i g (1814)
7 schâtehrë Abhandlungen; die wichtige Entdeckung dèr Aiscultation jedoch, welche für die Diagnose der Herzknnkheiten ein bis jetzt noch unbegrenztes Feld geöflne, verdanken wir der Pariser Schule (Laennec 1819). Dam erschienen, C o r v i s a r t ' s und L a e n n e c ' s Principën weiter entwickelnd, die Werke von Bouill a u d (1824), A n d r a l (1826), P i o r r y (1831)* welche seitdem von ihren Verfassern durch neue Schriftm bereichert wurden ; wir empfehlen daher den Stidirenden die letzte Ausgabe von Bonillaud's Abhandlung der Herzkrankheiten, die Zusätze Andral'S; mit welchen er die Abhandlungen über Auscultation von L a e n n e c bereichert, und den zweiten Band von P i o r r y ' s Abhandlung über practische Medicir, als classisch gewordene, alle früher erschienenen Tortheilhaft ersetzende Werke. Kèben diesen wissenschaftlichen Hauptwerken erschien noch eine grofse Zahl specieller Arbeiten von Beobachtern, deren Namen wir gelegentlich der betreffenden Materie kennen lernen werden. (1)
Anatomisch-physiologische Skizze dés Herzens. Bie Anatomie und Physiologie haben, nach ihren Bedürfnissen, die Structur und den Mechanismus des (1 Diese summarische Angabe der Hauptwerke über Herzkrankieiten ist der Natur unserer Schrift angemessen. Jedes von ihnen ausführlicher zu analysiren, würde uns zu weit geführt haben; eine factische Analyse wird man übrigens schon im Laufe unserer Beschreibungen finden können.
8 Herzens gründlich erforscht; für die Pathologie bleiben aber noch einige Eigentümlichkeiten zu bezeichnen, die für den Arzt, vermöge seines speciellen Zweckes, herauszuheben sind. Kenntnifs der Anatomie der Gegenden und der Formen ist so gut Bedürfnifs des Arztes, als des Chirurgen, und gerade die genaue Beachtung des Zusammenhanges, in welchem die verschiedenen, das Herz constituirenden Theile zu einander stehen, ist bis jetzt noch unvollständig. Wir hoffen unsern Antheil zur Herstellung einer medicinischen Anatomie dieses Organes beitragen zu können. Wir werden nur ganz summarisch, was allgemein über die Structur und die Function des Herzens bekannt ist, hier wiedergeben. Was die Mensurationen seiner verschiedenen constituirenden Theile betrifft, so geben wir einfach das, verschiedenen Autoren (1) entnommene, Mittelmaafs, in der Ueberzeugung, dafs die necroscopische Geschicklichkeit mehr lehrt, als exaete Messungen, welche so vielen Schwankungen unterworfen sind. Man weifs, dafs das Herz ein aus Muskeln und Häuten zusammengesetztes Organ ist, ein hohler Muskel mit vier Abtheilungen, wovon die zwei oberen oder die Vorhöfe das Blut von den zufuhrenden Gefafsen aufnehmen, und die zwei unteren oder die Herzkammern das empfangene Blut den ausführenden Gefäfsen übergeben. Stelle man sich das Herz vor als gebildet aus zwei verschiedenen Organen, welche (1) Uebcr exaete Messungen aller Theile des Herzens s. Traité de M. Bouillaud and Mémoires de la société médicale d'observation.
9 jedoch zusammen verwachsen sind, und, jedes derselben aus Vorhof und Kammer bestehend, ziemlich unrichtig mit dem Namen : rechtes und linkes Herz, besser aber als Herz mit venösem (schwarzem) und Herz mit arteriellem ( r o t h e m ) Blute bezeichnet werden. Vorhof und Kammer jeder Seite stehen durch mit Klappen versehene Mündungen in Verbindung, welche, nach den respectiven Klappen, im rechten Herzen : Tricuspidalmündung, im linken : Mitral- oder Bicuspidalmündung heifsen. Der kleine und grofse Kreislauf verbinden beide Herzen zu Einem. Der rechte Vorhof erhält durch die zwei Hohlvenen das venöse Blut des ganzen Organismus, und die rcchte Kammer sendet dieses Blut durch die Mündung der Pulmonalarterie in die Lungen. Der linke Vorhof erhält das arterielle Blut aus den Lungen durch die Lungenvenen, und die linke Kammer übersendet dem Gesammtorganismus dieses arterielle Blut durch die Mündung der Aorta. Die Muskelmasse der Kammern bildet den gröfsern Theil des Herzens. Die linke Kammer, von dickerer Wandung als die rechte, besteht aus drei Lagen von Muskelfasern, während die rechte deren nur zwei zeigt. Die Gruppirung dieser Fasern ist noch eine anatomische Streitfrage ; ausgemacht jedoch ist, dafs : 1) jede Faser von dem fibrösen Gürtel, welcher sich an der Basis der Kammern findet, ausgehend um die ganze .Kammerhöhle herumwindet und zu diesem fibrösen Gürtel ohne Unterbrechung zurückläuft, woselbst sie sich wieder festheftet; 2) dafs der Muskel-
10 apparat jeder Hälfte durch gesohicktes Präpflriren von dem der andern getrennt werden kann. Auch die Vorhöfe, -obgleich bedeutend dünner, als die Kammern, haben eine Muskelschichte. Aufserdem erhält das Herz : die sogenannten Herz- oder Kranzarterien, welche vorn und hinten aus der Aorta, unmittelbar oberhalb der halbmondförmigen Klappe entspringen; zwei gleichnamige Vendri, welche in den rechten Vorhof, unterhalb der eustachische« Klappe, münden, und Nerven aus dem Herjsplexus. Das ganze Herz ist nach aufsen von einer serösen Membran umhüllt, dem Pericardium, welches, indem es sich in eine andere fibröse Hülle umschlägt, einen Beutel ohne Oeffnung bildet, der aus zwei Blättern, einem Visceral- und einem Parietalblatte besteht. Die Herzhöhlen sind mit einer den serösen analogen Membran überkleidet, dem Endocardium, welches in den rechten Höhlen eine Fortsetzung der innerit Venenhaut, in den linken eine Fortsetzung der innern Arterienhaut zu sein scheint. Ist es wahr, dafs, wie man täglich wiederholt, die eine Herzhöhle rechts, die andere links liegt ? Für die Kammern ist dieses nur unvollständig Wallt. B o u i i l a u d , P i o r r y und Andere haben sehr wohl gesehen, dafs die rechte Herzkammer die linke zum Theil überdeckt, vor welcher sie mit ihrem dreieckigen Theüe, dessen Spitze nach der Mündung der Pulmonalarterie gerichtet ist, schlingenförmig (en echarpe) liegt. (1) (1) Um diese Anordnung zu bestätigen , nehme man einen Ke-
II An den Vorhöfen zeigt sich dieser Mangel an Parallelismus noch deutlicher, denn es ist leicht zu beweisen, dafs der linke Vorhof nach hinten geworfen und fast gänzlich von dem gemeinschaftlichen Bündel der Aorta und der Pulmonalarterie maskirt ist, während der rechte, bedeutend mehr nach vornen gelegen, nach links übergreift, so dafs der rechte Vorhof allein dem Brustbein entspricht. Es ist unnöthig, hierbei zu bemerken, wie häufig sich Lungenlamellen zwischen Herz und Brustwandung legen. Was die relative Lage der Herzmündungen betrifft, so könnte man noch nötigenfalls eine Rechtsund Linkslage der Tricuspidal- und Mitralmündung gelten lassen, obgleich die erstere, ebenso wie die Kammer, deren Basis sie einnimmt, die andere um ungefähr einen Genümeter (5 Linien) überlagert, wie man sich durch das in der obigen Anmerkung beschriebene Experiment überzeugen kann. Die äufsern Winkel endlich der Atrioventrikularmündungen stehen bedeutend nach rechts und links über; ganz anders aber verhält es sich mit den Arterienmündungen, denn diese liegen gelschnitt ans den Hershammem; man wird sogleich wahrnehmen, dals der Unke Ventrikel von dem rechten halbmondförmig eingeschlossen ist, der Art, dafs das vordere Horn des Halbmondes die Unke. Kammer zn überragen strebt. Führt man dann den rechten Zeigefinger in die linke Herzkammer bis zur Aortenmündnng, so wird man dnreh die Scheidewand, nach der Act, wie diese Finger übereinander liegen, wahrnehmen, data der rechte Ventrikel über des linken am einen bis zwei Centimeter (gleich 8 Limen) hinauslieft. Fährt man die Finger nach dem innern Winkel der Auiiculoventriknlarmändungen, so wird man Consta tiran, dals diese Winkel ebenfall» übereinander liegen.
12 genau übereinander, in Gestalt eines Andreaskreuzes (en sautoir). (1) Dieses sind beständige, handgreifliche, von jedermann wahrnehmbare anatomische Data. Woher kommt äs aber, dafs sie unbeachtet geblieben, und dafs alle Beobachter noch der Meinung sind, die Herzhöhlen lägen regelmäfsig nach rechts und links und die rechten und linken Mündungen seien vollkommen isolirt ? Nicht genug : die vier Herzmündungen kreuzen sich, überlagern sich, gruppiren sich der Art, dafs es fast unmöglich ist, sie zu isoliren; denn die Atrioventrikularmündungen sind von den ^arteriellen kaum nur durch die Dicke des fibrösen Bandes am Umfange der Basis der Kammern getrennt, so dafs beide übereinander liegende Arterienmündungen und ein grofser Theil der Atrioventrikularmündungen in einen Raum zusammenfallen, welcher weniger grofs ist, als ein Fünffrankenstück. Wir werden weiter unten sehen, (1) Man mache einen Längeschnitt, der die vordere Wand der Polmonalarterie bei ihrem Anstritt theilt, dann theile man die hintere Wand der Aorta, bei ihrem Anstritt, anf die nämliche Weise; man entfalte beide Gefäße mit ihrem Rücken gegeneinander, so wird man unmittelbar wahrnehmen, dafs die Klappenlinien beider Mündangen sich übereinander legen, nnd in spitzem Winkel, in Gestalt eines Andreaskreuzes so kreuzen, dafs ein Scalpel, in die Mitte der einen gestochen, anch die Mitte der andern durchdringen wird. Die Pnlmonalklappenlinie ist schräg von rechts nach links, von oben nach nnten, die der Aortenklappe schräg von links nach rechts nnd von oben nach nnten gerichtet; doch ist ihre Neignng geringer, als die der ersteren. Ich habe sogar manchmal zn beobachten geglanbt, dafs die Lage der Pulmonalklappen merklich die der Aortenklappen nach links überreiche.
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17 Im Normalzustande geschehen Systole und Diastole auf beiden Seiten des Herzens gleichzeitig. Systole und Diastole zusammen bilden den vollkommenen Herzschlag. Bei den Herzschlägen kommen die Zahl, der Rhythmus und die Kraft in Betracht. Die Zahl der Schläge oder der Pulsationen des Herzens ist beim Erwachsenen im Normalzustande siebenzig auf die Minute. Diese Zahl variirt in vielen Fällen. Die Schläge sind zahlreicher bei döm Kinde, dem Weibe, bei heftiger Bewegung und lebhaften Eindrücken; es gibt gewisse Idiosynkrasien, unter deren Einflüsse der Puls sehr langsam oder sehr schnell wird, u. s. w. Der Rhythmus des Herzens besteht in der Folgeweise und relativen Dauer von Systole und Diastole. Nach L a e n n e c mifst sich der Normalrhythmus nach vier Tempos; wir halten dafür, dafs ein vollendeter Herzschlag besser nach drei Tempos gemessen werde; das erste falle mit der Systole, oder besser mit dem ersten Herztone, das zweite mit der Diastole, oder dem zweiten Herztone zusammen, das dritte in den Zeitraum zwischen Diastole und folgende Systole.
einer einfachen Würdigung der Phänomene des Kreislaufes, welche feststellt, dafs der Herzstofs mit der Systole gleichzeitig ist. Sowie P e c h l i n , habe ich häufig Gelegenheit gehabt, daa Ilerz des frisch getülteten Haifisches zu beobachten. Die Ventrikel des isolirten Hersens contrahiren sich noch lange nnd zwar mit einer solchen L e b h a f t i g k e i t , dafs e s , auf einen Tisch g e l e g t , wie durch Federkraft getrieben, hoch in die Ilühe schnellt. ForRet,
Herzkrankheiten.
V
IS Diese drei Tempo scheinen ungefähr von gleicher Dauer zu sein. Die Kraß des Herzens mifst sich nach der Energie seiner Contractionen. Sie wird von den verschiedenen Autoren auf wunderlich verschiedene Weise angeschlagen; während die Einen sie auf Tausende von Pfunden schätzen, ist sie nach Anderen nur von wenigen Unzen. Man nimmt heutzutage an, dafs sie einigen Pfunden gleichkomme. Von der Contractionskraft des Herzens hängt der Stöfs (Choc) ab, welchen die Hand in der Präcordialgegend fühlt. Der Choc ist offenbar gleichzeitig mit der Systole oder der Ventrikularcontraction, wahrend welcher, vermöge eines noch schlecht festgestellten Mechanismus, die Herzspitze an das Brustbein schlägt; man schreibt dieses einem durch die Muskelcontraction bewirkten Aufrichten, dem Fortschieben in Folge der Vorhofserweiterung und Anderem mehr zu. Im Normalzustande fühlt man den Choc der Herzspitze zwischen der sechsten und siebenten Rippe nahe am Brustbein. Wenn jedoch diese Stelle schon, je nach dem Individuum, variirt, so geschieht dieses noch mehr in krankem Zustande, wo das Herz Lagenveränderungen nach verschiedenen Richtungen erleiden kann. Die Herzschläge erzeugen den arteriellen Puls, welcher isochronisch oder fast isochronisch mit der Systole ist. (1) (1) B i c h a t besteht anf vollkommenem Isochronismtis, während M a r c d ' E s p i n e behauptet, dieser sei nicht vollkommen. A n d r a l ' s
19 Unabhängig von den eben beschriebenen Phänomenen erzeugt das Herz noch gewisse, bei der Auscultation wahrnehmbare Töne, welche die Beobachter vielfältig beschäftigt haben. Der erste dieser zwei Töne, isochronisch mit dem ersten Tempo, oder der Systole, ist gewöhnlich dumpf; der andere, isochronisch mit dem zweiten Tempo, oder der Diastole, ist heller und kürzer als der erstere. Die Autoren haben sich verschiedenlich bemüht, diese Töne zu erklären. Die Aelteren schrieben den ersten oder dumpfen Ton dem Choc des Herzens gegen die hintere Fläche des Brustbeines, während der Systole, zu (einen zweiten kannten sie nicht); M a g e n d i e hat diese Erklärung des ersten Tones beibehalten, — er setzt sie auf Rechnung des Chocs der Herzspitze gegen die Brustwandung während der Systole, und erklärt den zweiten Ton aus dem Choc der vorderen Herzfläche gegen die Brustwandung währönd der Diastole. B a r t h und R o g e r haben in ihrem Traité d'auscultation (1850) S. 365 eine Tabelle der verschiedenen darauf bezüglichen Theoricen aufgestellt; es sind deren nicht weniger als 23 (1), in deren Einzelheiten wir nicht eingehen wollen, wobei wir aber erMeinung ist gemischt. Ihm zufolge ist der Puls in der Herznähe isockronisch, dyschronisch in den Arterien der Extremitäten, der Pediosa z. B. Ich glaube, dals zwischen Herz- und Radialpuls ein gani leichter Dyschronismus besteht. (1) Als da sind : die Theorieen von L a e n n e c , T u r n e r , C o r r i g a n , d ' E s p i n e , P i g e a u [2], H o p e [2]» R o u a n e t , P i o r r y , P i é d a g n e l , C a r l i s l e , M a g e n d i e , B u r d a c h , Bouiljaud, G e n d r i n , C r u v e i l h i e r , S k o d a , Beau, W i l l i a m s , der Comités von Dublin, London und Philadelphia.
2*
20 klären, dafs, unserer Ansicht nach, die Theorie R o ua n e t ' s den Vorzug verdient, der zufolge der erste Ton von dem Zusammenschlagen der Atrioventrikularklappen, während der Systole, der zweite Ton von dem Zusammenschlagen der Sigmoidalklappen während der Diastole herrührt. Hierin sind wir mit B o u i l l a u d und, ich glaube, den meisten Praktikern einverstanden, denn diese Theorie harmonirt am besten mit der klinischen Beobachtung, welche zeigt, dafs die alierirten Töne, die Herzgeräusche, fast immer der Alteration der Klappen geradezu entsprechen. Dieses vorausgesetzt, nehmen wir gerne an, dafs andere Verhältnisse, als das Zusammenschlagen der Klappen, zur Bildung der Herztöne beitragen können; wie z. B. Muskelcontractionen, Clioc der Blutsäule, Reiben des in den Kammern zusammengeprefsten Blutes, Choc gegen das Brustbein u. s. w. Die gröfste Intensität der Herztöne existirt auf der Höhe der Mündungen, die man einem drei bis vier Centimeter innerhalb und oberhalb der Brustwarze gelegenen Punkte entsprechen läfst; aber abgesehen davon, dafs dieses bei dem Weibe schwer zu bestimmen ist, wechselt dieser Punkt in der That auch im Normalzustande je nach dem Individuum, besonders aber unter krankhaften Verhältnissen, wo das Herz in seiner Lage und seinen Dimensionen verändert ist : das Ohr allein mufs ihn in jedem speciellen Falle bestimmen. Diese anatomisch-physiologische Skizze genügt für unsern Gegenstand. Nötigenfalls könnte man in B o u i l l a u d ' s Werke den Luxus der Details finden,
21 welche in einem Grundrisse der Herzkrankheiten nicht aufgenommen werden können.
Aetiologie. Unendlich zahlreich und mannigfach sind die Ursachen der Herzkrankheiten im Allgemeinen, will man allen denjenigen Verhältnissen Rechnung tragen, welche diese sowohl, als auch ähnliche pathologische Zustände in anderen Organen erzeugen können, dagegen gibt es deren nur wenige, welche ausschliefslich auf das Centrum der Circulation wirken. Organische und functionelle Ursachen. Hiermit bezeichne ich diejenigen Ursachen, welche aus der Structur und eigenthümlichen Function des Herzens entspringen; so hat dasselbe Anlage, krank zu werden, vermöge : 1) seiner Structur aus Muskeln, Häuten, Gefafsen und Nerven, die es den Affectionen eines jeden dieser Elemente aussetzt; 2) seiner beständigen Bewegung, denn es ist angenommen, dafs, je gröfser die Thätigkeit eines Organes ist, es um so leichter erkranke; 3) seiner beständigen Berührung mit dem Blute, dessen Alterationen es auf eine noch wenig gekannte Weise beeinträchtigen können; 4) seines anatomischen Zusammenhanges mit dem Athmungsorgane, wodurch Herz und Lungen gewissermafsen solidarisch werden ; 5) seines functionellen und sympathischen Verhaltens zu allen Organen des Körpers u. s. w.
22 Angeborene Ursachen der Herzkrankheiten bringt das Subject mit auf die Welt. Hierher gehören : zuerst die Erblichkeit der Krankheiten, oder Krankheitsanlagen der Eltern; sodann die physischen und moralischen Affectionen der Mutter, und endlich die Gebrechen des Embryo, öder die Bildungsfehler des Fötus, wie z. 6 . das Offenbleiben des Foramen ovale, die relative Enge der Gefafse und des Herzens u. s. w. Hygiämsche Ursachen. Hier drängt sich uns der Haufe der gelegentlich aller Krankheiten eines jeden Organes abgedroschenen Ursachen auf : da3 Alter, das Geschlecht, das Temperament, der Bau; und dann die circumfusa, applicata, ingesta, gesta, percepta; die Prädisposition der Jugend zu Entzündungen, des Alters zu organischen Krankheiten, des Weibes zu Neurosen, der Schwangern — nach Einigen — zur Hypertrophie. Sanguinisches Temperament disponirt zu Phlegmasien und organischen Veränderungen, der athletische Bau.zur Hypertrophie; kalte Luft zu Periund Endocarditis auf directem, oder dem Wege des Rheumatismus. Das Einschnüren der Glieder, des Bauches, der Brust wirkt hemmend auf den Kreislauf und wird so Ursache verschiedenartiger Leiden; Muskelanstrengungen wirken ebenfalls durch Störung des Kreislaufes, und Niemand verkennt die Rolle der moralischen Affecte zur Erzeugung functioneller und materieller Herzkrankheiten. Traumatische Ursachen. Stöfse, Stich-, Hieb-, Quetschwunden bedingen mehr oder weniger heftige
23 Verletzungen, welche aber meist der Chirurgie anheimfallen. Krankheitliche Ursachen sind diejenigen Affectionen anderer Organe sowohl, als des Herzens, welche neue Krankheiten erzengen können. Pericarditis kann, wie bekannt, zu Carditis und besonders zu Endocarditis, alle drei aber können zu organischen Fehlern fuhren. Neurosen des Herzens verändern zuletzt dessen Struct u r ; organische Fehler verketten sich wechselseitig, wie Klappenfehler mit Erweiterungen und weiterhin mit Hypertrophie und ihren Folgen. Zahlreich sind die dem Herzen ursprünglich fremden Krankheiten, welche sich hier geltend machen. Erinnern wir nur, wie das Fieber, ein dem Centrum der Circulation mitgetheilter Reiz, sich zu den meisten acuten Krankheiten gesellt; auch weifs man, welchen Einflufs der Gelenkrheumatismus hat auf Erzeugung von Phlegmasien und, in deren Folge, von organischen Krankheiten des Herzens; nicht anders verhält es sich mit Phlegmasien der Lunge und eben so bekannt ist es, mit welcher Leichtigkeit Lungenanschoppungen die Herzftmctionen beeinträchtigen. Alterationen des Blutes, Beimischung von Eiter, toxischen Elementen, atmosphärischer Luft u. s. w. bilden einen morbiden Causalcyclus, dessen Umfang und Natur uns noch unbekannt sind. Wenn auch der Einflufs der Syphilis noch bestritten wird, so ist es doch aufser allem Zweifel, dafs tuberkulöse, canceröse und andere Cachexien das Herz selbst befallen können u. s. w. Es besteht eine eigenthümliche Ursache von Herzkrankheiten , welche gewissermafsen das Summen-
24 resultat der vorhergenannten Ursachen ist, deren Elemente man in allen ätiologischen Cathegorien wiederfindet, nämlich das Kreislaufshindernifs. Stelle man sich den Apparat des Kreislaufes vor als ringförmige, ununterbrochene Röhre oder Canal, dargestellt in seinem Verhältnifs zum Herzen, von vorn nach rückwärts : durch das Arteriensystem, die Aortenmündung, die linke Kammer, die Mitralmündung, den linken Vorhof, die Lungenvenen, das Lungenparenchym, die Lungenarterie, die Lungenmündung, die Tricuspidalmündung, den rechten Vorhof, das Venensystem und, zum Schlüsse des vom Blute zu durchlaufenden Kreises, das Capillarsystem. Dieser Canal ist ausdehnbar, elastisch, durch die Muskelschichten der Herzmasse verstärkt, von einem mehr oder weniger energischen Strome, eine Vis a tergo vorstellend, durchlaufen. Erzeugt sich nun an irgend einem Punkte eines solchen Canales ein Hindemifs, so wird zweierlei geschehen : 1) dieser Canal wird sich rückwärts von diesem Hindemifs ausdehnen, dieses nennen wir das Gesetz der RetrodäataÜnn, oder um uns den Principien des Neologismus zu fugen, das Gesetz der Opistectasie; 2) dieser Canal zeigt Neigung, sich jenseits des Hinternisses zu verengern, dieses nennen wir das Gesetz der Antecoarctation, oder der Prostenosie. Ferner wird es geschehen, dafs die Stellen, wo ein Muskelapparat existirt, sich zur Hypertrophie neigen, vermöge ihres verdoppelten Kraftaufwandes und in Folge überschüssiger Ernährung, welche sie dem vor ihnen gelegenen Hindernisse verdanken; daraus ent-
25 springt ein neues Gesetz, das Gesetz fei Hypertrophie nach rückwärts, ich wage nicht zu sagen : das Gesetz der Opisthypertrophie. Diese dreifache Consequenz also : Hindernifs nach vorn, Erweiterung und Hypertrophie rückwärts, kann sich aus den meisten Krankheitsursachen entwickeln : aus einem mangelhaften Wechselverhältnifs der ursprünglichen Structur und Dimension des Herzens und des Geföfssystems ( C o r v i s a r t ) , oder aus der Ungleichheit der constituirenden Theile des Herzens selbst ( L a e n n e c ) ; durch repercutirende Kälte ; in Folge eines äufsern, den Kreislauf störenden Druckes ; aus Störungen durch Excitantien, Muskelanstrengungen, moralische Affecte; aus hemmenden Störungen, herbeigeführt durch Entzündung des Peri- und Endocardiums und deren Producte ; aus allen innern Fehlern des Herzens; aus Plethora und Anämie, und endlich aus Perturbationen selbst, welche von Neurosen herrühren. Dies begreift sich leicht für rein mechanische Ursachen, wie : äafserer Druck, organische Fehler des Herzens und der grofsen Gefafse u. s. w. ; es gibt deren aber eine Menge, welche durchaus nicht als mechanische Ursache angesehen werden können und zuletzt doch zu allen Folgen des Hindernisses fuhren, d. h. zur Erweiterung, zur Hypertrophie u. s. w. Alle diese Ursachen sieht man bei genauer Analyse wirkliche Hindernisse (1) werden : die physiologischen (1) Man wisse,
dafs wir unter Hindernissen Alles begreifen,
was den freien, regelmäfsigen Gang des Blutes stören k a n n ; inso-
26 Excitantia, die Muskelanstrengungen, ja selbst die moralischen Eindrücke — erregende, wie niederschlagende, Zorn oder Furcht, Liebe oder Hafs — bewirken einen vermehrten Blutandrang zu dem Herzen, das Ausstofsen des exuberirenden Fluidums durch die Aortamiindung ist erschwert, die Kammer dehnt sich aus, ihre Thätigkeit ist verdoppelt und somit die Möglichkeit der Erweiterung und der Hypertrophie, ohne wahrnehmbares Hindernifs, gesetzt. Entzündung, Plethora, Palpitationen wirken auf die nämliche Weise, indem sie das richtige Wechselverhältniis zwischen continens und contentum, zwischen Kraft und Widerstand vernichten; so realisirt sich alsdann das Gesetz der Retrodilatation, gerade wie in Füllen organischer Hindernisse, denn die normale Aortenmündung genügt nicht zum Abströmen des zufällig im Herzen angehäuften Blutes, und ist dies nicht gerade, als ob sie verengert sei ? Daher schreiben sich die Aneurismen in ihrem Causalnexus mit den Leidenschaften, die man als Beispiele von vitalen Läsionen aufstellt, welche das Gesetz der Hindernisse discreditiren sollen, in der That es aber bekräftigen. Diese einleuchtenden Principien stützen sich glücklicherweise auf andere Autoritäten, als auf die meinige, denn sie entsprangen der rationellen Pathologie des Herzens. S e n a c und C o r v i s a r t liehen ihnen feste Grundlagen, vergebens bestürmt von der Macht L a e n n e c ' s , dieses mystischen und leiden-
fern kann die Erweiterung eben so gut ein Hindernifs werden, als die Verengerung : ein scheinbares Paradoxon, dessen Wahrheit aber bei dem geringsten Nachdenken gefühlt wird.
27 sthafitlichen Geistes, der, erstaunlicher Weise, sich bemühte, die Hauptelemente seines Ruhmes zu vernichten, indem er den Werth des Organicismus und der pathologischen Anatomie angriff! Fast alle neueren Nosographen neigen sich zu einer mehr oder weniger unbedingten Annahme des Gesetzes der Hindernisse als Ursache der Erweiterung und der Hypertrophie. So stand P i o r r y nicht an, folgende Sätze aufzustellen : »Es gibt vielleicht keine Cardiectasie, »welche nicht mehr oder weniger mit irgend einer »Störung des Blutlaufes zusammenhängt, wo immer »sie sich in dem zu durchlaufenden Kreise finden » m a g . . . . Die einfache Hypertrophie existirt vielleicht »gar nicht. Nicht durch excessive Ernährung, sondern »indem sie ein Hindernifs schafft fiir die Circulation, »erzeugt die Entzündung Hypertrophie . . . u. s. w.« Aus diesem Gesetze, welches wir mit mehr Bestimmtheit und Festigkeit, als unsere Vorgänger, aufgestellt, sollen uns Consequenzcn erwachsen, praktisch für Diagnose und Behandlung, rationelle, gewissermafsen so nothwendige Consequenzen, dafs es zu verwundern ist, wie so mancher klare Geist, der die ganze Materie durchforscht hatte, nicht eher dazu gelangt ist. Täglich hört man wiederholen, dafs die Herzkrankheiten häufiger geworden sind, als sonst, und man beschuldigt die Uebermacht der Leidenschaften, angespornt durch liberale Institutionen, welche jeder Ambition die Bahn öffnen, durch die mehr intellectuelle Erziehung der heutigen Generationen u. s. w. Auf C o r v i s a r t ' s Buch schienen sich die Herzkrankheiten
28 zu vermehren, und man ermangelte nicht, diese Vermehrung den Stürmen der Revolution zuzuschreiben, welche über uns ergangen waren. Wieviel wahrscheinlicher aber liegt nicht der Grund dieses häufigen Vorkommens in den Fortschritten, welche wir in der Diagnose und Aetiologie dieser Krankheiten gemacht haben? Auch S é n a c war dieses nicht entgangen, wie aus seinen Worten erhellt : »Die Herzkrankheiten sind selten . . . wohl aber »ist es wahr, dafs sie es weniger wären, wenn man »sie besser kennen würde, denn viele derselben ent»gehen der aufmerksamsten Beobachtung. Statt der »grofsen Herzerweiterungen, welche Erstickungsannfalle, Palpitationen hervorrufen, sahen die Aerzte »sehr häufig nur Lungenbeschwerden, Vapeurs,oder »dickes Blut.« (Struct. du coeur livr. IV. chap. IV.)
Symptomatologie. §. l. Organische Symptome.
Das Herz kann, vermöge seiner Structur und Einrichtung, von allen Arten krankhafter Veränderungen betallen werden. Bei ihm, wie bei allen Organen, sind möglich : 1. Angeborene Fehler von mehr und weniger, u. s. w. 2. Verletzungen mechanischer, oder besser, traumatischer Natur : Wunden, Zerreifsungen, u. s. w. 3. Entzündungen : Carditis, Peri- und Endocarditis. 4. Blutflüsse (Hämorrhagien), seröse Ergiefsungen (Wassersuchten).
29 5. Sogenannte speciell organische Fehler : Erweiterung, Verengerung, Hypertrophie, Atrophie, u. s. w. 6. Fremde Körper : Blutcoagula, Vegetationen, Würmer, Gas u. s. w. (1) Dieses sind im Allgemeinen die dem Herzen eigent ü m l i c h e n , organischen, idiopathischen Symptome. Von den symptomatischen Aff'cctionen, welche sich, wie venöse Congestionen, Visceralstockungen, seröse Ergüsse u. s. w., aus functionellen und materiellen Herzkrankheiten entwickeln können, wird anderweitig die Rede sein. §. 2. Fnnctionssymptome. I.
Lócale
Fnnctionssymptome.
Bevor wir näher auf diese Symptome eingehen, müssen wir einige Worte über die Mittel vorausschicken, welche uns zu ihrer Erkennung gegeben sind. Zu dem Ende haben wir die : Inspection. Palpation. Mensuration ? Percussion. Auscultation. 1. Die Inspection zeigt uns zuweilen, auf den ersten Blick, die Existenz einer Herzkrankheit. Abgesehen (1) D a diese organischen Symptome grofsentheils specielle Krankheiten ausmachen, welche wir besonders beschreiben werden, so haben wir hier auf ihre weitere Entwickelung verzichtet.
30 vom Ausdrucke des Gesichtes und dem allgemeinen Habitus des Kranken, enthüllt uns die blofse Anschauung häufig die Kraft, die Ausdehnung, die Zahl, den Rhythmus der Herzschläge, die Wölbungen am Thorax, die Djspnoe, den Zustand des Pulses, u. s. w. 2. Die Palpation bekräftigt das Ergebnifs der Inspection, und vergewissert uns der meisten dieser Phänomene, welche die letztere uns nur vermuthen liefs : die Kraft, die Ausdehnung, die Zahl, den Rhythmus der Herzschläge; aufserdem aber kann sie allein uns gewisse Eigenthümlichkeiten erschliefsen, wie das Katzenschnurren (frémissement cataire), die Rauhigkeit des Reibens, die Weichheit oder Härte, das Schwingende und Wellenförmige des Pulses, u. s. w. Palmarpalpation heifsen wir "die Palpation mit der ganzen Handfläche, mit der hohlen Hand allein, oder mit dem Cubitalrande in den Rippenzwischenräumen, oder endlich mit der Linie der Mittelhandfingergelenke, welche der Empfindung zugänglicher scheint, als die übrige Handfläche. Wir bezeichnen mit Digüalpalpation das Zufiihlen mit Einer oder mehreren Fingerspitzen in den Rippenzwischenräumen, wodurch man, mittelst gröfseren oder geringeren Druckes, genauer und tiefer fiihlen, und Empfindlichkeit constatiren kann. Auch den Puls untersuchen wir mittelst der Digitalpalpation. Wird die Palpation mit der gehörigen Umsicht ausgeführt, so ist sie zur Bestimmung der Herzgrenzen, zur Schätzung gewisser, sehr delicater Schwingungen im Pericardium und in den Klappen von nicht geringerem Werthe als die Percussion und selbst die Auscultation.
31 3. W i r haben die Mtgnsuration in Frage gestellt, um damit anzudeuten, daifs dieses Mittel, theoretisch nützlich, noch keine strenge und genügende praktische Anwendung gefunden hatt. Wir hörten B o u i l l a u d von einem Instrumente sprechen, das bestimmt ist, den Curvengrad der Präcordiailwölbung und den Herzimpuls zu messen; doch hat dieser Apparat wahrscheinlich das Schicksal des vom Dr. H e r i s s o n zur Pulsmessung vorgeschlagenen Sphygmometers gehabt. D ub o i s (d'Amiens) hat den Metronom zur Schätzung der Zahl und der Regelimifsiigkeit der Pulsationen vorgeschlagen — eine rationelle I d e e , welche aber keine allgemeine Anwendung gefunden hat. 4. Die Percussion, welche L a n c i s i im J a h r 1717 angedeutet, A u e n b r u g g e r 1761 weiter entwickelt, und C o r v i s a r t mit so vielem Erfolge angewendet hat, erhielt seit zwanzig Jahrein zahlreiche Verbesserungen durch die Fertigkeit und die Beharrlichkeit des P r o fessors P i o r r y , so dafs (dieser Gelehrte und fleifsige Beobachter nicht aiiitelit.«¡e Über die Auscultation selbst z u stellen. Seine mittelbare Percussion, oder Plessimetrie, ist leichter,, weniger beschwerlich fiir den K r a n k e n und erspriiefslicher für die Diagnose. Wir sind jedoch nicht -von den aufserordentlichen Vortheilen überzeugt, welche er, dem Finger gegenüber, seinem Plessimeter zur Untersuchung des Thorax zuschreibt, wir finden sogjar, dafs sich der Finger besser an die Unebenheitein der Herzgegend anlegt; übrigens ist dieses Sache der Gewohnheit. W i r haben gelegentlich der medicinischen Anatomie des Herzens gesehen, zu welchem Grade von
32 Feinheit und Präcision P i o r r y bei der Menstxration des Herzens und seiner verschiedenen Theile mittelst der Percussion gekommen sein will. Wir haben gewissenhaft unsern Zweifel ausgesprochen über die Möglichkeit dieser Resultate sowohl, als auch der Erreichung einer solchen Fertigkeit von Seiten des ärztlichen Publikums. Zu läugnen aber ist es nicht, dafs uns die Percussion die wichtigsten Aufschlüsse gibt über Ausdehnung und Form der Dumpfheit des Präcordialtones, über Oberflächlichkeit oder Tiefe der unterliegenden Organe sogar, vermittelst der Resistenz, welche der klopfende Finger empfindet, über den Consistenzgrad derselben, doch wird schon hierzu ein selten gefundenes Beobachtungstalent erfordert. Hat auch die Percussion nicht gerade den Werth der Auscultation, so ist sie dennoch, wie man sieht, zur Genauigkeit und Vollkommenheit der Diagnose bei Herzkrankheiten unumgänglich nothwendig. (1) 5. Der Auscultation, sollte sie auch mit der Zeit durch andere Untersuchungsmethoden übertroffen werden, war es vorbehalten, ein schlagendes Licht über die Diagnose der Herzkrankheiten zu verbreiten. Wenn auch schon einige der Aelteren gewisse eigenthümliche Geräusche in der Herzgegend wahrgenommen, C o r v i s a r t nach Einigen früher, ja selbst
(1) Unstreitig wird P i o r r y unsern Sceptiuismus auf Rechnung unserer Ungeschicklichkeit setzen; wenn aber die nöthige Fertigkeit und Uebung Veteranen der Klinik gebricht, was soll alsdann aus den Aerzten im Allgemeinen werden?
33 H i p p o e r a t e s schon die Idee gehabt haben, die Vorgänge im Thorax zu behorchen, L a e n n e c allein gebührt dis unbestreitbare Verdienst, die Auscultation zu einer regelmäfsigen, anwendbaren Untersuchungsmethode erhoben und so den Anfang zu den glücklichsten Fortschritten gemacht zu haben. Hätte L a e n n e c dasBlasenbalggeräusch nicht entdeckt und interpretirt, so würden die P e r i - und Endocarditis, die organischen Herzfehler, gewisse Allerationen des Blutes u. s. w., ihrer, der Auscultation entsprungenen characteristischen, seitdem wieder von neueren Beobachtern aufgefundenen Zeichen entbehren; so aber sind wir heutzutage eher durch die Menge der unzählbaren Modificationen in Verlegenheit gesetzt, welche jeder neue Tag der Kreislaufsakustik zuführt. L a e n n e c nannte die von ihm erfundene Auscultation mittelst des Hörrohres, dessen er sich aus Gewohnheit und Dankbarkeit nie aufhörte zu bedienen, die mittelbare Auscultation (auscultation mcdiate). Der Verbesserungen ungeachtet, welche an diesem Instrumente gemacht wurden, besonders von P i o r r y , dessen Sthetoscop immer noch den Vorzug verdient, sini wir der Meinung, dafs die unmittelbare, das heifst: die durch das Ohr unmittelbar ausgeführte Auscultation, im Allgemeinen vorzuziehen ist, wäre es nur aus dem Grande, dafs die Töne um so schärfer wahrgenommen werden, je näher dem Ohre sie entstehen. Unsere eigene Erfahrung hat uns sogar die Falschheit der Behauptung gezeigt, dafs mittelst des Sthetosoopes F i r ^ e t , Herzkrankheiten.
3
34 umschriebene Geräusche besser zu localisiren sind, als mit dem nackten Ohre. Man weifs j a , dafs die Magerkeit des Thorax, die Unebenheiten des Brustbeines und die Vorsprünge der Rippen das Ansetzen des Sthetoscopes ziemlich schwierig, und nur durch Dazwischenlegen einiger Lagen Leinwand erfolgreich machen. Ich verspare darum das Sthetoscop fxir die Fälle, wo die Application des Ohres nicht möglich ist : am Halse, in den Achseln, in den Weichen, am Unterleibe u. s. w.; übrigens entscheidet auch hier die Gewohnheit, wie bei der Plessimetrie. Die Auscultation ist unumgänglich nöthig zur Diagnose der meisten Herzkrankheiten; sie läfst uns nicht nur die Kraft, die Ausdehnung und den Rhythmus der Schläge so gut und noch besser, als die vorgenannten Methoden erkennen, sie allein enthüllt uns die Geräusche des Reibens, des zarten oder rauhen Blasens, so veränderlich in Intentität, Schallhöhe, Sitz, Ausdehnung, welche bis jetzt nicht allein die Haupt-, sondern auch die allein charakteristischen Kennzeichen zahlreicher und verschiedenartiger Affectionen des Herzens sind. Da aber, wo wir auf gewisse Zeichen .stofsen, welche geeignet sind, die nur zu oft dunkeln und unsicheren Begriffe, welche für uns aus den Modificationen der Herztöne erwachsen, zu erläutern, wollen wir uns derselben als eines neuen Führers, als eines Zuwachses von Licht bedienen, nicht aber in der Absicht, die Wichtigkeit der abnormen Geräusche umzustofsen, welche immerhin, wenn auch nicht als so positive Zeichen, wie man gewollt hat,
35 doch wenigstens als Hülfssymptome in manchen Fällen unentbehrlich sind. (1) Gestützt auf diese genannten Untersuchungsmittel gehen wir zur Beschreibung der Localsymptome über. A«
Schmerz.
Der Schmerz, dieses fast allen Krankheiten gemeinschaftliche Element, ist bei acuten Herzaffectionen sehr gewöhnlich. Demungeachtet fehlt er noch oft genug, um bei heimtückischer, sogenannter latenter Krankheitsentwickelung, dieselbe, besonders bei Vernachlässigung der directen Untersuchungsmittel, unerkannt zu lassen. Er ist selten bei organischen Krankheiten, bei Neurosen, man müfste denn die Unbehaglichkeit, welche das Herzklopfen erzengt, das Angstgefühl, welches manche chronische Uebel begleitet, die Athmungsbeschwerden in Folge von gehindertem Herzkreislauf mit dem Namen Schmerz bezeichnen wollen. Besteht lebhafter stechender Schmerz in der Herzgegend, so suche man jedenfalls seinen Sitz genauer zu bestimmen, denn er kann eben sowohl anderswo als in dem Herzen selbst erzeugt sein, das, wie einige Physiologen wollen, der thierischen Sensibilität beraubt (1) C a i m m a n und C l a r k haben neuerdings vorgeschlagen, die Percussion mit Auseultation zu verbinden. Diese Methode, welche sie auscultiatorische Tercussion nennen, besteht darin, n ä h r e n d der Auseultitiom percutiien zu lassen, was nach ihrer Aussage zu viel genaneren Resultaten führt. Schwerlich dürfte diese Vcrfahrungsweise, die bei (1er Schwierigkeit der Ausführung oline sichtbaren Vortheil isit, in die Praxis übergehen.
3*
36 ist. (1) So können die Brustmuskeln, die Intercostalnerven, die Pleura u. s. w. der Sitz von Schmerzen sein, welche der Kranke und der Arzt leicht dem Herzen zuschreiben; so möchte auch die angina pectoris, diese ebenso schmerzhafte als mysteriöse Krankheit, eher von den Nerven des Brachialplexus, als von einer idiopathischen Krankheit des Herzens abhängen, wie einige Autoren annehmen. B.
P r U c o r d l a l W ö l b u n g : (Auftreibung in der Herzgegend, vovssure precordiale).
Die Präcordialwölbung ist ebenfalls ein häufiges, schon von S 6 n a c angeführtes Symptom. Man versteht darunter die, im Vergleich mit den übrigen Vorsprüngen der vorderen Thoraxfläche, gröfsere oder geringere Erhebung und Krümmung der dem Herzen entsprechenden Punkte des Thorax. Sie ist die Folge : 1) einer ererbten oder erworbenen Verbildung; 2) einer Rückgratsverkrümmung; 3) eines Lungenemphysems, oder auch eines ihrer Lage entsprechenden Ergusses in die Brusthöhle; 4) des verstärkten Herzimpulses; 5) einer Lagenveränderung des Herzens, welches durch eine hinter ihm sich entwickelnde Geschwulst nach vorn gedrängt
(1) Ich erlanbe mir hier an H a r v e y ' s Beobachtung : Exercilal. de general. anim. Lond. 1651, pag. 156—157, zu erinnern. Der 19ji}hrige Sohn des Viscount Montgomery war mit einem Abscesse der Brustwandung behaftet, in dessen Folge eine Spalte entstand, durch welche das Herz wahrgenommen werden konnte. Dasselbe war gegen die Berührung mit der Bonde unempfindlich. C. W.
37 wird; 6) eines Herzbeutelergusses; 7)einer Erweiterung mit Hypertrophie der linken Kammer. Diese Wölbung wird durch das Auge und die Hand wahrgenommen; eine genauere Messung derselben könnte man mittelst des in der Geburtshülfe gebräuchlichen Tastzirkels vornehmen. Zur genauen Bestimmung der Ursache müssen die Thoraxbildung aufmerksam untersucht und die verschiedenen Affectionen, welche die Hervortreibung zur Folge haben können, durch die geeignete Methode ermittelt werden. . Wir erkennen die Hypertrophie als Ursache derselben, dem Ergufs gegenüber, aus dem Choc des Herzens, die Hervortreibung in Folge von Hypertrophie der linken Kammer ist ausgedehnter, gleichförmiger und mehr nach links gelegen, als die, welche sich bei Hypertrophie der rechten Kammer zeigt. C. m a t t e r P e r c n s s l o n s t o n d e r H e r z g e g e n d . o E r wurde schon von C o r v i s a r t und L a e n n e c angegeben, und ergibt sich aus dem matten Tone bei der mittelbaren Percussion. Im Normalzustande entspricht der matte Ton der Stelle, wo das Herz nicht von den Lungen überdeckt ist. Seine Ausdehnung kann auf ungefähr fünf Centimeter im Quadrate angegeben werden; doch wechselt dieses je nach dem Subjecte. Die Ausdehnung des matten Tones wird vermehrt: 1) durch Ergüsse in den Herzbeutel; 2) durch gänzliche oder theilweise Volumvermehrung des Herzens, mit oder ohne Hypertrophie; 3) durch gewisse krank-
38 hafte Veränderungen in der Umgebung : Lungenverhärtung, Pleuraergufs, Aortenaneurismen u. s. w. Sic coincidirt häufig mit Präcordialwölbung, beide Symptome können aber auch getrennt vorkommen. Es ist schwer, das Herzvolumen mittelst der Percussion genau zu bestimmen, denn die Lunge bedeckt dieses Organ mehr oder weniger, und an seiner Basis entspringen grofse Gefafse : Umstände, welche die Ergebnisse des matten Tones in Bezug auf das Herz verfälschen^ Auch hüte man sich vor der Nachbarschaft einiger festen Organe, wie z. B. der Leber und Milz, ohne der Lungenknoten, Pleuraergüsse u. s. w. zu gedenken. Vortreffliche Regeln zur plessimetrischen Messung des Herzens findet man bei P i o r r y . Die Inspection, die Palpation, die Percussion und die Auscultation zusammen setzen uns in den Stand, aus dem von ihnen gelieferten Zeichencomplex das wirkliche Volumen des Herzens zu bestimmen. Ihr Beitrag ist jedoch nicht gleich grofs : die Inspection ist meistens ungenügend; in manchen Fällen gibt die Fingerpalpation sehr genaue Anzeichen; die Percussion liefert im Allgemeinen das genaueste Bild. In Betreff der Auscultation mufs man sich ja nicht, mit L a e n i i e c , durch die Ausdehnung der vom Ohr wahrgenommenen Töne zur Bestimmung des Herzvolümens verleiten lassen, denn oft hört man dieselben über den ganzen Thorax, häufiger noch vernimmt man in gröfserer oder geringerer Entfernung von dem Herzen, unter dem Schlüsselbeine, einen sehr deutlichen Schlag, ohne dafs man daraus schliefsen darf, dafs sich das Herz bis auf diese Punkte ausdehne.
39 D. Herzimpuls« Der Impuls des Herzens wird abnorm : 1. durch seine Stärke. Dieselbe kann abhängen : von der ursprünglichen Constitution, von vorübergehender Erregung, von Plethora, von Herzneurosen, von Phlegmasie der Herzsubstanz oder seiner Membranen , von Hypertrophie, oder von irgend einem organischen Fehler. Die Impulsstärke ist manchmal der Art, dafs der Herzstofs auf eine gewisse Entfernung gehört wird. Man hat die Gröfse dieser Entfernung bedeutend übertrieben. L a e n n e c will sie nicht gröfser als 2 Fufs gefunden haben. Der Impuls kann schwach sein durch Constitutionsverhältnisse, in Folge zufälliger Schwäche, bei drohender Ohnmacht, bei Blutleere, bei Erweiterung, Verdünnung oder Erweichung der Herzwandung u. s. w. 2. durch seine Verbreitung. In der ltegel auf den Kaum zwischen der sechsten und siebenten Rippe beschränkt, kann sich der Herzimpuls in verschiedener Weite nach links, rechts, oben und unten verbreiten. Der Impuls, welcher nicht sichtbar, oder durch Palmarpalpation wahrnehmbar ist, kann durch Digitalpalpation in den Rippenzwischenräumen, oder endlich durch die Auscultation wahrgenommen werden. 3. durch seinen Rhythmus : a. Der Herzimpuls ist selten oder frequent. Im Normalzustande wiederholt er sich siebenzig mal in der Minute; in einzelnen Fällen aber steigt seine Frequenz aufserordentlich ; mehr als 150 Schläge in der Minute sind schwer zu zählen ; sie können in einigen Fiebern, bei nervösem oder anderem Herz-
40 klopfen vorkommen; in andern Fällen nimmt sie ab bis zu 50, 40, 30 Schlägen und noch darunter, wie in der Ohnmacht, in einzelnen Asphyxien, kurz vor dem Tode, unter dem Einflüsse der Digitalis u. s. w., oder auch bei gewissen Snbjecten im Normalzustande. b. Der Herzimpuls ist regelmäfsig oder unregeU mäfsig. Die Unregelmäfsigkeit der Pulsation kann durch die verschiedenartigsten Ursachen hervorgerufen werden ; bei manchen Subjecten ist sie habituell, oder tritt ein bei vorübergehenden Gemüthsbewegungen, Neurosen, Phlegmasien und den verschiedenen organischen Herzfehlern. E< Abnorme Herztöne«
Die Herztöne können verändert sein in : a. Rhythmus und b. Schallhöhe oder Klang (Timbre). a. Die Variationen im Rhythmus der Herztöne können folgende Formen annehmen : ]. Abwesenheit beider Herztöne. Die Herztöne können nicht gänzlich fehlen, ohne dafs alsbald der Tod erfolge; verlängerte Abwesenheit derselben wurde sogar, in der neuesten Zeit, als das sicherste Zeichen des Todes angesehen. Auch begreift man darunter nur die äufserste Schwäche dieser Töne, oder ihre Perversion, ihre Verwirrung oder ihr Verdrängtsein durch Geräusche. 2. Abwesenheit des einen oder des andern Herztones; der eine ist durch den andern aufgehoben oder ersetzt. Wenn einer der Herztöne mangelt, so ist es gewöhn-
41 lieh der zweite, als der schwächere; fehlt der erste, so ist in der Regel der zweite an seine Stelle getreten. 3. Aussetzen, Unterbrechung der Herztöne. Die Herztöne sind durch gröfsere oder kleinere, meistens unregelmäfsige Zwischenräume getrennt. Dieses ist der Fall bei bedeutenden Schwächegraden, bei Greisen, unter dem Einflüsse der Digitalis, oder bei verschiedenen organischen Fehlern. 4. Vervielfältigung, Verdoppelung, Absetzen der Herztöne. Jeder Ton wird doppelt, in zwei Tempo's gehört, so dafs, statt wie im Normalzustande zwei, jetzt drei und vier Töne während des Herzschlages vernommen werden. B o u i l l a u d heifst Bruit de rappel das Aufeinanderfolgen von drei Tönen, indem sie dem Rhythmus der Trommel beim Rappelschlagen gleichen. Dieses Phänomen scheint mir mit Gewifsheit auf Klappenfehler zu deuten; man könnte es jedoch zur Noth von mangelhaftem Synchronismus beider Herzhälften, oder von unterbrochener Ventrikelcontraction herleiten. 5. Verwirrung der Herztöne; beide Töne vermischen sich dergestalt, dafs sie nicht von einander unterschieden werden können. Dieses ist in der Regel ein Complexproduct von Frequenz, Schwäche und Unregelmäfsigkeit des Herzschlages. 6. Modifikationen der Schütthöhe oder des Timbre der Herztöne. Der normale Klang kann modificirt sein, ohr.e dafs dabei seine Natur verändert würde; das heifst : die Herztöne können hell oder dumpf, nachklin-
42 gend oder erstickt, trocken, undeutlich, kurz abgestofsen oder lang gezogen sein. F.
JUter/f e r H u a c h e
(HerzgerKusche).
Unter Aftergeräuschen oder Herzgeräuschen verstehen wir neue, von den normalen Herztönen abweichende Geräusche, welche die letzteren entweder verdrängen, oder sich mit ihnen in verschiedener Weise combiniren. Als das wichtigste unter ihnen, um welches sich heutzutage die feinere Diagnose der Herzkrankheiten dreht, dessen Würdigung zu den gröfsten Schwierigkeiten der Symptomatologie gehört, nennen wir vor allen das von L a e n n e c entdeckte Blasebalggeräusch (bruit de souffle, ou de soufflet cardiaque). Die wesentlichen Elemente, die formellen Ursachen dieses Geräusches sind : 1) die Stärke des Herzimpulses ; 2) das Schwingvermögen der durch den Blutstrom erschütterten Theile. (1) Beide Elemente sind (1) Ich spreche vom ßchwingvermögen der Theile, ohne anzugeben, ob es seinen Sitz in solido oder in liquido hat. M o n n e r o t hat sich bemüht, zu beweisen, dafs die Geräusche immer hydraulische sind, das heiist von der Schwingung des Liquidums selbst herrühren; ungerne möchte ich jedoch die Solidargeräusche aufgeben, das heilst diejenigen, welche von der Schwingung der festen Theile, der Gefafswandungen und der Klappen selbst herrühren. Da übrigens die rauhen hydraulischen Geräusche beinahe immer von dem Grade der Alteration der festen Theile abhängen, so kommt es wenig darauf a n , ob man sich zu der einen oder der andern Theorie bekennt. Auch ist jedermann darüber einig, dafs die Rauhigkeit des Geräusches dem Indurationsgrade der Klappen im Allgemeinen proportioneil ist.
43 erforderlich und können getrennt kein Geräusch hervorbringen ; defshalb ist auch die Intensität dieses Geräusches von dem Gesammtverhalten beider bedingt. Das Blasebalggeräusch gleicht insofern dem Tone eines Saiteninstrumentes, einer Geige z. B., die keinen Ton von sich geben wird, wenn die Saite nicht genug gespannt ist, oder der Bogen nicht rasch genug streicht; darum konnte auch M o n n e r e t behaupten, dafs die formelle Ursache der Herzgeräusche auf der Schnelligkeit beruht, mit welcher das Blut die verschiedenen alterirten Canäle durchströmt. (Revue medico-chirurgicale, 1850.) Das Blasebalggeräusch kann durch sehr verschiedenartige Ursachen erzeugt sein; die hauptsächlichsten sind : Veränderungen im Bau der Ostien, die Verengerung und Insufficienz dieser Mündungen, die E r weiterung und Hypertrophie der Herzwandungen, fremde Körper (Vegetationen, Gerinnsel) in den Herzhöhlen, die Impulsstärke des Herzens, die Plethora und die Anämie. Berücksichtigt man die Texturfehler des Klappenapparates, die Verengerung und Insufficienz der Mündungen, die Gegenwart fremder K ö r p e r , kurz alle diese organischen, patliischcn Veränderungen, welche die Schwingfähigkeit und die Dimension des Blutcanales so modificiren, dafs daraus nothwendigerweise Collisionen für die Blutsäule entstehen müssen, so kann man sich ganz Iciclit Rechenschaft von der Entstehung des Blasebalggeräusches geben; meist aber auf reine Hypothesen beschränkt, will man dasselbe von dynamischen und Ilumoralfehlern herleiten.
44 Die Bildungsfehler der Klappen, welche in der Regel von Verengerung und Insufficienz begleitet sind, bleiben jedenfalls die positivste aller Ursachen des Blasebalggeräusches. Es könnte auch wohl der Fall sein, dafs man die von Klappenentartung herrührenden Geräusche auf Rechnung der Verengerung und Insufficienz setzte. Ich habe eine angeborne Verengerung der Aortenmündung ohne Texturveränderug beobachtet, wo das Blasebalggeräusch gänzlich gefehlt hat; dieses ist bei passiven Erweiterungen des rechten Herzens immer der Fall, wo evidenter Weise Insufficienz der Tricuspidalklappe existirt. Ebenso möchten wir das Erzeugen vom Blasebalggeräusche durch Erweiterung und Hypertrophie der Herzwandungen ohne Klappenveränderung bezweifeln; wenigstens haben wir beide, besonders die Erweiterung, häufig ohne Blasebalggeräusch gefunden. Wir werden darauf zurückkommen, wenn wir von diesen pathologischen Veränderungen zu sprechen haben. Wie dem auch sein möge, die Alterationen des Klappengewebes bleiben immer die constantesten und best charakterisirten Ursachen des Blasebalggeräusches. Es ist jedoch wesentlich zu bemerken, dafs dasselbe in allen Herzkrankheiten, selbst bei den schlimmsten Entartungen, fehlen kann, was entweder daher rühren mag, dafs diese Entartungen so disponirt sind, dafs sie die Herztöne nicht modificiren, oder daher — und dies ist am häufigsten der Fall —, dafs das Herz der nöthigen Impulsstärke beraubt ist, um Schwingungen , aus denen abnorme Geräusche entstehen könnten, hervorzubringen; ebenso wie, noch einmal
45 gesagt, die Saite eines Instrumentes stumm bleibt, wenn (1er Bogen sie nicht kräftig genug berührt. Das Blasebalggeräusch kann seinem Timbre oder seiner Intensität nach zart oder rauh sein. Die zarten Geräusche begleiten in der Regel die sogenannten dynamischen und Humoralaffectionen, die rauhen dagegen verknüpfen sich gewöhnlich mit heftigeren materiellen Uebeln und sind deshalb bedeutsamer, als die ersteren. Die rauhen Geräusche werden Raspel-, Söffe-, Feilengeräusch genannt, um auf das Geräusch anzuspielen, welches diese verschiedenen Werkzeuge hervorbringen; aber man könnte die Metaphern je nach dem Eindrucke der Herzgeräusche auf das Ohr und der daraus entstehenden Vorstellung noch vermehren. Man unterscheide den Klang derselben von der Stärke; die rauhen Geräusche können schwach, die zarten stark sein. Musikgeräusche heifsen gewisse Modulationen, die man mit dem Piepen des Huhnes, dem Kläffen des jungen Hundes, dem Pfeifen des Windes, dem Rufe des Kukuks, dem Summen der Insecten u. s. w. verglichen hat. Man hat behauptet, dafs dieselben ein höherer Grad des Blasebalggeräusches seien. In der That findet man sie gewöhnlich bei weitgediehenen Alterationen der Mündungen; es ist aber unrichtig zu behaupten, dafs ihnen immer ein rauhes Blasen vorausgegangen sei, sowie sie auch ohne sehr bedenkliche Klappen- oder andere Fehler vorkommen können- (1) (1) I c h bcsuche zur Zeit einen jungen Herzkranken, der, in
46 Die Geräusche des zarten und rauhen Blasens, die Musikgeräusche treten in der Regel an die Stelle der Herztöne; man kann sie daher bei beiden Tempo's, oder bei einem der beiden, oder sogar in dem Zwischenräume nach dem zweiten und vor dem ersten Herzschlage, wahrnehmen, und nennt sie demgemäfs systolische, diastolische, präsistolische Geräusche. Die Blasebalggeräusche sind kurz abgestoßen oder lang gezogen. Die kurz abgestofsenen bilden nur Ein Tempo, oder eine Tempofraction, und sind internättirend; die langgezogenen tiberdauern gewöhnlich das Tempo, sie können sogar beide Tempo's einnehmen und haben dann den Character des anhaltenden Blasebalggeräusches, welches in der Regel beim ersten Tempo geschwollen ist. Alle diese Geräusche können unter gewissen Verhältnissen verschwinden und wieder erscheinen; es ist schwer dieses zeitweise Auftreten derselben zu erklären, jedenfalls spielt aber dabei der Grad der Impulsstärke die Hauptrolle. Der gewöhnliche Sitz der Blasebalggeräusche ist die Gegend der Mündungen, manchmal jedoch dehnen sie sich weiter aus, theils nach der Aorta hin, manchmal sogar bis in die Gliederarterien, theils auch nach der Herzspitze zu. Bisweilen fehlen sie ganz an den Mündungen und werden nur an einem näher oder
Folge von leichtem Rheumatismus, kein anderes Symptom darbietet, als ein leichtes Marmeln beim ersten Tempo in der Gegend der Mündangen. Ich fand nie mehr als ein unbedeutendes, zartes Blasen, und es ist sehr wahrscheinlich, dafs liier die Klappenaffection eine ganz leichte ist.
47 entfernter gelegenen Punkte wahrgenommen. Die Geräusche, besonders die Blasebalggeräusche, treten am häufigsten an die Stelle der Herztöne. Richtiger wäre es zu sagen, dafs sie die Herztöne verdecken, denn da die krankhaften Veränderungen nur Eine Hälfte befallen und fast beständig die linke Herzhälfte, so müssen nothwendiger Weise die Töne der gesund gebliebenen fortbestehen. Nimmt man sie nicht wahr, so ist es wahrscheinlich, dafs sie von den Ilerzgeräuschen verdeckt sind. Dieses Verhalten ist um so bemerkenswerther, als die gesund gebliebenen Ostien gewöhnlich weiter nach vorn, folglich dem Ohre näher liegen, denn die Mündung der Lungenarterie liegt direct über der Aortenmündung, und die Tricuspidalmündung überragt die Mitralmündung etwas nach vorn; daraus erhellt, dafs die in der linken Kammer entstandenen Geräusche die Töne der rechten Herzhälfte durchdringen müssen. Alle Beobachter haben dargethan, dafs, wenn man sich mit dem Ohre von dem Herzen entfernt, besonders nach rechts ein Punkt kommt, wo die Herztöne noch aufser den Herzgeräuschen gehört werden. Daraus hat man geschlossen, dafs die normalen Herztöne von der Seite kommen, welche dem Ohre am nächsten liegt; dieser Schlufs ist aber, nach dem jetzt wohlbestimmten respectiven Lagenverhältnisse der rechten und linken Mündung, offenbar falsch, wenigstens, was die arteriellen Mündungen betrifft. Sogar müfsten O ö unter den arteriellen Geräuschen, welche sich längs dem Gefafse fortpflanzen, das der Lungenmündung nach links, das der Aortenmündung nach rechts ge-
48 hört werden. Man mufs daher anderswo, als in der respectiven Lage dieser Mündungen, die Ursache des obigen Phänomens suchen, und ich glaube, darüber folgende Erklärung geben zu können : die Herztöne und die Herzgeräusche entstehen in einem und demselben Punkte; dort verschmilzt der Herzton in das Herzgeräusch; das eine oder der andere aber kann mit verschiedener Propagationsföhigkeit versehen sein, man wird also den einen oder das andere in gröfserer Entfernung hören — gerade wie in einem Concerte man in der Nähe des Orchesters die combinirten Töne zusammen vernimmt, während nur die vibrirendsten derselben in eine gewisse Entfernung dringen. Nun sind aber die Blasebalggeräusche in der Regel dumpfer, schwerer als die Herztöne, die trockener und schärfer, als ihre Begleiter, zu einer Entfernung gelangen können, welche die Geräusche nicht erreichen. Diese Interpretation scheint mir rationell und geeignet, gewisse sonst unlösbare Schwierigkeiten, der Stellung der Herzmündungen gegenüber, zu beseitigen. G>. K a t z e n s c h n u r r e n (frémissement cataire).
Bevor wir zu anderen Geräuschen übergehen, müssen wir eines Phänomens erwähnen, welches sich an die ebenangefiihrten auf das Engste anschliefst, des schon von C o r v i s a r t bezeichneten, aber von L a e n n e c so genannten Katzenschnurrens, der Analogie der Empfindung wegen, welche die streichelnde Hand bei dem Schnurren oder sogenannten Spinnen
49 d e r K a t z e verspürt.
Obgleich Gefiihls- und nicht G e -
hörsempfindung, gehört
dem Katzenschnurren
seine
S t e l l e neben dem rauhen Blasebalggeräusche, als Reflex oder A u s d r u c k des letzteren, oder vielmehr der organischen Veränderung, welche beide hervorrufen. Hierbei mufs aber erwähnt werden, dafs das Katzenschnurren
von einem rauhen Reibungsgeräusche,
welches
seinen Sitz in dem Herzbeutel hat, nachgeahmt werden kann.
W i r sind nicht L a e n n e c ' s Meinung, welcher
glaubte, das Katzenschnurren rühre einzig von einem Contractionsmodus des Herzens her.
F ü r uns ist es
vielmehr das unzweideutigste Zeichen einer stärkeren oder geringeren Klappenalteration; es,
wahr jedoch ist
dafs die Impulsstärke des Herzens dasselbe
be-
trächtlich modificiren kann. D a s Katzenschnurren hat vielfache
Schattirungen
von Stärke und Ausdehnung, vom leichtesten bis zum stärksten Zittern,
von seiner Fühlbarkeit durch die
blofse Hand bis zu einer Feinheit, welche nur mit der gröfsten
Aufmerksamkeit
durch
den Rippenzwischenräumcn es
kann
sich
schränken,
auf die Gegend
oder
Aortenbogen,
ja
über die
Digitalpalpation
entdeckt
werden
der Mündungen
ganze
in
kann;
Herzgegend,
beden
selbst bis zu den Schlagadern der
Extremitäten erstrecken. H.
Heibungggrerüiisclie.
D e m obigen gegenüber erwähnen wir hier die R e i bungsgeräusche, welche, obwohl
ganz
verschiedenen
Ursprungs, in gewissen Fällen mit jenen verwechselt werden könnten; dahin gehören die Geräusche des Reibens, Forget,
Herzkrankheiten.
"
4
50 des Schnarrens, des Schabens, welche im Herzbeutel entstehen können, wenn die Glätte der übereinandergleitenden Oberflächen verderbt ist. Darum findet man sie am häufigsten bei verschiedenen Graden von Pericarditis. Auch das Reibungsgeräusch kann zart oder rauh sein. Schon L a e n n e c spricht im Vorbeigehen vom Schnarren, oder dem von C o l l i n später beschriebenen Ledergeräusche ; B o u i l l a u d aber hat diese Geräusche am genauesten untersucht. Wir beschränken uns hier auf ihre blofse Anführung und werden am geeigneten Orte darauf zurückkommen. Ï.
Metallische« K l i n g e n (Tintement métallique).
Weniger häufig und weniger wichtig, als die vorhergehenden Geräusche, ist das metallische Klingen, dessen Entstehungsweise noch nicht gehörig bestimmt ist. Einige Autoren glauben, dafs es von der Stärke der Herzcontractionen. herrühren könne, während andere behaupten, dafs es durch Schwingungen entstehe, welche das Herz benachbarten Höhlen, die ein Gemenge von Gas und Flüssigkeit enthalten, wie Magen und Pleura, mittheile. Es hat jedoch an und für sich keine Bedeutung. H.
Arterielle
Oerltaache.
Zur Vervollständigung unserer summarischen Auseinandersetzung der abnormen oder Aftergeräusche des Circulationsapparates fuhren wir hier noch die arteriellen Geräusche an, denn sie gehören zu den Herzkrankheiten, insofern sie nur eine Fortsetzung
51 derjenigen sind, welche sich in dem Propulsionsorgane selbst erzeugen ; häufig aber sind sie in den Gefáfsen selbst entstanden, in denen sie wahrgenommen werden. L a e n n e c , dessen Name in Fragen der Auscultation bei jeder Gelegenheit genannt werden mufs, hat das Blasen der Arterien, le souffle artériel, oder wie man es nannte, le chant des artères, entdeckt; er ist sogar soweit gegangen, die musikalischen Modulationen, wie Musikfragmente, zu notiren, was auch B o u i l l a u d seitdem gethan hat, doch bleibt er die Erklärung davon schuldig. Man hat in der neueren Zeit behauptet, dafs das am Ilalse beobachtete Geräusch nicht den Carotiden, sondern den Jugularvenen angehöre. Ich habe die dahin bezüglichen Experimente wiederholt, mich aber in der That nicht von dem venösen Blasen überzeugen können. Der Haupteinwurf, meiner Ansicht nach, ist der, dafs der Strom des venösen Blutes zu langsam, gewissermafsen zu matt ist, um die zum Erfolge dieser Geräusche nöthigen Bedingungen zu erfüllen. Man nimmt heute als Ursachen des arteriellen (oder venösen) Geräusches an : Krankheiten der Arterienwandungen , Compression der Arterien (oder Venen) ; Herzkrankheiten; Blutfehler ( Plethora, Anämie, Chlorose). Unter diesen verschiedenen Einflüssen können die Gefafsgeräusche mannigfache Modificationen erleiden, in Sitz, Ausdehnung, Stärke, Schallhöhe,Dauer und in ihrem Zusammenfallen mit den verschiedenen Tempo's des Herzschlages. Die zischelnden Geräusche werden von - B o u i l l a u d Bntit du diable genannt. Ihre verschiedenen Modulationen wurden mit einer 4 *
52 Menge von Geräuschen verglichen, die aber Jeder nach dem auf ihn gemachten Eindrucke selbst qualificiren kann ( Windgeräusch, Sturmgeräusch, Bienensummen, bruit de bise, de tempête, murmure d'abeille, u. s. w.) W i e das arterielle Geräusch entstehe, ist noch unbekannt, insofern die Arterienwandungen nicht runzelig sind, wie dies häufig sich im Aortenbogen findet. A n d r a l schreibt das Carotidenblasen der Verminderung der Blutkugeln z u , B e a u dem Vorherrschen der Serosität in dem Blute (Hydroämie); andere hingegen beschuldigen die Leere der Blutgefäfse ; soviel ist gewifs, dafs wir von dem Mechanismus dieser hydraulischen Geräusche nichts wissen, als dafs dazu 1. Impulsstärke und 2. Schwirigfähigkeit der Theile gehört. Ei. ITtertngerBuaclie» W i r schliefsen diese Aufzählung, indem wir noch die verschiedenen Geräusche nennen, welche in der Uteringegend während der Schwangerschaft wahrgenommen werden, nämlich : das blasende oder Placentargeräusch und die Herzgeräusche des Fötus, die man ziemlich entsprechend mit dem tik-tak einer Taschenuhr verglichen h a t II.
Allgemeine
Functions
symptôme.
Allgemeine Functionssymptome nennen wir diejenigen, welche aufserhalb des Herzens selbst beobachtet werden. Diese Symptome hängen von materiellen und besonders von functionellen pathologischen Zuständen im Centrum. des Kreislaufes ab.
53 Die materiellen Alterationen, abgesehen von den angeborenen Fehlern, beschränken sich in ihrem Einflüsse auf die Störungen, den Druck, welche excessives Volumen und Gewicht des Herzens auf benachbarte Organe ausüben können ; ziemlich selten aber ist sein Volumen so vergröfsert, dafs dadurch diese Organe in ihrem Baue oder in ihrer Function beeinträchtigt würden. Jedoch kann ein sehr voluminöses Herz mehr oder weniger die Function der Lungen durch D r u c k stören. Seltener aber wird dasselbe durch sein Gewicht das Zwerchfell herabdrücken und die grofsen Gefafse so zerren, dafs sie dadurch beschädigt würden. Findet etwas der A r t Statt, so beschränkt sich die W i r k u n g auf ein Gefühl von Schwere und Beklemmung in der Präcordialgegend, was sich ^uch ohne das Gewicht des Herzens erklären läfst. Viel zahlreicher und wichtiger dagegen sind die allgemeinen Symptome, welche von Functionsstörungen des Herzens abhängen. Natürlicher Weise machen sie sich vor Allem bei dem Arterien- und Venensystem geltend. 1.
Arteriensystem.
Die erste Wirkung der organischen und functionellen Herzfehler ist eine Modification des Arterienkreislaufes, der sich im Pulse kund gibt. Arterieller Pul». D e r Puls ist stark oder schwach j e nach dem P r o pulsion svermögen des Herzens. Obgleich im Allge-
54 meinen die Stärke des Pulses im Verhäitnifs zur Mus. kulatur des Herzens steht, so haben doch, seit L a e n n e c , die meisten Beobachter Fälle aufgezeichnet, wo ein schwacher Puls bei sehr voluminösem Herzen gefunden wurde. Es ist dieses häufiger der Fall, als man glauben möchte und wird hauptsächlich bei bedeutender Erweiterung angetroffen, selbst wenn Hypertrophie dabei vorhanden ist. Dagegen kann ein kleines, aber kräftiges Herz einen starken Puls hervorbringen. Ebenso verhält es sich mit dem harten und weichen Pulse; wie überhaupt der harte Puls zugleich stark, der weiche zugleich schwach ist. Dasselbe gilt ungefähr von dem vibrirenden (vibrant) und wellenförmigen (ondulant) Pulse, nur dafs bei starkem Pulse die Arterie nicht immer vibrirt, und Wel^ Ienförmigkeit und Schwäche des Pulses selten zusammen gefühlt werden. Der volle (large) und der kleine (étroit, petit) Puls sind von grofser Wichtigkeit bei der Diagnose, da Völle des Pulses die Beibehaltung oder gar die Erweiterung des Lumens der Mündungen und Arterien bedingt, der kleine Puls aber in der Regel auf eine Verminderung desselben hindeutet. Der volle Puls kann stark oder schwach, hart oder weich, vibrirend oder wellenförmig sein. Der kleine Puls kann ebenfalls stark oder schwach, hart oder weich, vibrirend, zusammengezogen (serré), fadenförmig (ßliforme), selten aber wellenförmig sein ; wurmförmig wird er in articülo mortis. Alle diese Eigenschaften haben ihren Werth.
55 Unter allen genannten Bedingungen kann der Puls : rasch (fréquent) oder langsam (rare), gleich oder ungleich in Stärke und Rhythmus, regelmässig oder unregelmäfsig sein. Weitere Ausführungen sind unnöthig, es sei blofs gesagt, dafs man die Unregelmäfsigkeit des Pulses im Allgemeinen fur ein sehr wichtiges Zeichen hält, während wir glauben, dafs dieses mit Unrecht geschieht. Dicrotisch heifst der Puls bei doppeltem Anschlage ; intermitärend, wenn er durch fehlende Anschläge unterbrochen ist ; stürmisch ist derselbe, wenn seine Schläge sich so folgen, dafs es schwierig wird, sie zu unterscheiden und zu zählen, u. s. w. Im Normalzustande ist der Puls mit dem Herzstofs, wie wir schon gesagt, bis auf einen fast unmerklichen Zeitabschnitt isochronisch. Im kranken Zustande kann der Isochronismus mehr oder weniger verschwinden, was uns von einiger Bedeutung scheint. Manchmal ist die Zahl der Radialschläge geringer als die der Herzschläge, man sagt alsdann : der Puls ist ausbleibend (défaillant), was offenbar daher kommt, dafs einzelne Herzschläge unkräftig sind, und so oder eines vorübergehenden Hindernisses wegen das Blut nicht zu den Extremitäten gelangt. Um diesen Allgemeinbetrachtungen über den Puls practischen Werth zu geben, haben wir folgende Tabelle von dem Verhalten desselben in den hauptsächlichsten Herzkrankheiten aufgestellt, mit Vorbehalt der Ausnahmen und Combinationen, welche zu oft vorkommen.
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81 Complicatiomen. Die Herzkrankheiten können sich imilt anderen Krankheiten des Herzens sowohl, als mit Kiramkheiiten änderer Organe compliciren. 1) Die Complicationen der verschiedemen H e r z krankheiten unter sich selbst sind sehr Üiäafig; so erzeugt die Pericarditis häufig Endocar Jitiis;: Klappenfehler erzeugen Erweiterung und'dann Hjpiertrophie ; die Entzündungen und Neurose-n eompliciirein sich mit organischen Fehlern und umgekehrt. 2) Die Complicationen der Herzkrankheiten mit Krankheiten anderer Organe können einjgettheilt werden in : A . Complicationen, welch« mit den H e r z k r a n k heilen selbst im Zusammenhang; stehen; diese Complicationen können vorausgegangen sein, wie acuter Gelenkrheumatismus, Entzündungen, Lungtcnstockunger., Arterienverengemngen e t c . , oder maehfolgen, wie Dyspnoe, Viscemlstockungen, H.ämiorrhagien, A m s a r c a etc. B. In unabhängige Complicationen ; ¡als solche ist jede intercurrirende, zufällige Krankheit z u betrachten.
Diagnose. Sie beschäftigt sich mit der Unte rsche'idning .der Herzkrankheiten von einander s.elbst, oder von1- andiern Krinkheiten, welche mit ihnen verwechselt werden körnen. 1) Die verschiedenem Herzkrankheiten ¡kommen leicht mit einander verwechselt werden, denn ihre; Diagnose F n - g i t t , Herzkrankheiten.
ß
ist eine der dunkel&teft, und schwierigsten in der Pathologie, wegen der Menge, Feinheit und Zweideutigkeit der hier einschlagenden Zeichen. Und doch ist ihre Erkennung um so \yichtiger? als sie gleich zu Anfang der Krankheit erkannt werben müssen, w/enn das Veralten und seifle Folgen vermieden werden sollen. Gerade bei ihrejp Austreten aber sind die verschiedenen Alterationen des Herzens ijn Allgemeinen am schwersten zu fassen qnd zu charakterisiren. Di^ Hauptschwerigkeit liegt in 4er richtigen W ü r digWig der lcw^l^p £ejphe/i : S c h w u n g f}er der Frequenz, des Rhythmus der Pulsationen, IJrkpijnjjfig dep Gej-äpscfes ur*d deren Nfttur, ob Hßibungaob blasende^ G^r^usch, I J e s t i ^ m ^ g ,dps Sitzes fieser G e r ^ s c h e und folglich der dapajis kepnüichen Alterationen etc.. Die allgemeinen Symptome haben eine weniger positive Bedeutung; einige von ihnen jedoch werfen ein grofses Licht auf die Diagnose, entweder an und für sich, oder indem siß die Bedeutung der localen Phänomene genauer bestimmen; 30 haben die verschiedenen Zustände des Pulses, der Venenpuls, zuweilen einen entschiedenen Werth, während Dyspnoe, Anasarca, Cyanose unbestimmte Zeichen sind, welche einer Menge, in Natur und Sitz verschiedener Krank r heiten angehören können. Hier wie überall, und vielleicht mehr als überall, wird man bedeutende organische Fehler mit leichten Functionssymptomen und umgekehrt, bestehen sehen;
83 darum sei man sehr vorsichtig hinsichtlich der Diagnose und spreche sich nur nach genauer Prüfung beider Reihen von Symptomen aus. In diesem Betrachte kann man sich eine gewisse heilige Scheu der meisten Aerzte vor dem Studium der Herzkrankheiten erklären, dessen Schwierigkeiten sie nicht zu überwinden glauben, so minutiös und dunkel scheint ihnen deren Diagnose. Wir Jioffen, ihnen dieses Studium zu erleichtern durch Vereinfachung der Theorie und Beschreibungen, sowie durch Aufstellung einiger neuen, leiclitzufassenden Zeichen. 2) Die anderen Krankheiten, welche mit Herzkrankheiten verwechselt werden können, sind im Allgen.einen leicht genug zu unterscheiden, wenn man nur einigermafsen in der Pathologie des Herzens bewardert ist, und doch werden hier täglich bedeutende Irrthümer begangen, entweder aus Unaufmerksamkeit, oder in F o l g e des Widerwillens vor diesen Studien, welcher vielen Aerzten diese Materie fremd bleiben lälst. Mag man Pericarditis mit EndocnnlitiSj selbst Neurosen mit Entzündungen oder organischen Fehlern des Herfens verwechseln, hier ist der Irrthum ohne Bedeutung; dafs man aber Chlorose mit Aneurisnia, Wassersucht aus Leber- und Nervenkrankheit mit Wassersucht aus Heizaffectionen verwechselt, ist ein unverzeihlicher Fehler, den jeder aufmerksame Arzt auch ohne grofse Geschicklichkeit vermeiden kann, es sei denn in Fällen, wo Complicationen die Schwierigkeiten bei der Aufstellung einer positiven Diagnose unübersteiglich machen.
6*
84 Prognose. Bei der im Allgemeinen ungünstigen Prognose der Herzkrankheiten kommt in Betracht : 1) die Wichtigkeit des O r g a n e s ; 2) die Natur der Krankheit; acute Krankheiten sind weniger bedenklich als organische Affectionen; 3) der Sitz der Krankheit, die des rechten Herzens sind weniger gefahrlich, als die des linken; 4) der Höhegrad der K r a n k h e i t ; 5) ihre gewissermafsen unvermeidlichen Ausgänge, da die organischen Fehler in der Regel tödtliche Nebenkrankheiten verursachen, und 7) fugen wir hinzu, die Leichtigkeit, mit welcher sie verkannt werden und ungestört ihre Fortschritte machen können. In den Herzkrankheiten noch weniger, als in allen a n d e r e n , mufs man an der Möglichkeit der Wiedergenesung des K r a n k e n verzweifeln. L a e n n e c , A n d r a l und A n d e r e erzählen Beispiele eines temporären Wiedererholens in Fällen, welche keine Hoffnung mehr liefsen; dies gilt von Wassersuchten aller Intensitätsgrade, von D y p n o e , Palpitation, Cyanose, sogar von der Agonie. In meinen etiides cUniqiies wird man Beispiele davon finden. Ein Mädchen ist mit Pleuresie, Pericarditis und Verwachsungen im Herzbeutel behaftet. Eines Morgens finden wir sie in folgendem Zustande : Prostration, Lividität, kalter'Schweifs, geschlossene A u g e n , Coma, Röcheln, Erschlaffung der Glieder, fadenförmiger P u l s ; wir bemerken in Parenthese Agonie und verordnen zu guter Letzt eine stimulirende Potion, — zu unserem Erstaunen schwindet allmälig die Agonie und die Kranke erholt
85 sich; des Abends ist sie in natürlichem Zustande, wie Tags zuvor. Zweimal innerhalb zehn Tagen ereignete sich das Nämliche, und beide Male erholte sich die Kranke, worauf sie endlich unterlag. In einem andern Falle glaubten wir eine an H y pertrophie in Folge von Klappenfehlern leidende F r a u dem E n d e ihrer Agonie so nahe, dafs wir ihr Gesicht mit dem Betttuche bedeckten, um ihren Nachbarinnen den Anblick der Leiche zu entziehen. Des andern Tages fanden wir sie wieder auferstanden. Im Verein mit zwei Collegcn fanden wir den General v. C . , welcher an einem sehr bedeutenden Anasarca litt, eines Abends im Zustande wahrer Agonie : Bewufstlosigkeit, entstelltes Gesicht, kalter Schweifs, Röcheln, drohende Asphyxie, fadenförmiger Puls u. s. w. Einstimmig der Ansicht, dafs er nur noch einige Augenblicke zu leben habe, machten wir versuchsweise einige Scarificationen auf die Unterschenkel und verliefsen den Kranken j indein wir der F a milie ankündigten, dafs derselbe in den letzten Zügen liege. Mein Erstaunen war grofs, als des andern Morgens der General nach mir schickte. Ich eilte hin und fand ihn vollkommen wieder erholt. Den Scarificationen war eine solche Masse von Serosität entflossen, dafs sie das Bett durchrann. Nach und nach waren die Besinnung und die Hautwärme wieder gekommen, der Puls hob sich, der Athem wurde frei, die geschwollenen Schenkel wurden dünner und der K r a n k e hatte keine Idee von seiner gestrigen Agonie. Demungeachtet starb er acht Tage später.
86 Wir wollten hiermit beweiset!, dafs man nié einen Ki'ankén, so langé ér afhmet, aufgeben mufs, und dafs, ivié P i o r ' r y so trtfftidh von der Asphyxie durch Bronchialschleim gesagt, auch die Agonie noch ihre Behandlung hat.
61
Allgemeine Therapie.
Die Thérapie der Herzkrankheiten besteht, wie bei den Krankheiten aller anderen Organe, in der Prophylaxis, dem eigentlichen Heilverfahren und der Palliativkur. Hinsichtlich der Prophylaxis verweisen wir auf denjenigen Theil der speciellcn Gesundheitslebre, welcher von den individuellen Anlagen handelt. Ein eigentliches Heilverfahren findet nur bei den acuten Krankheiten des Herzens, den Entzündungen und Neurosen, kider den seltensten j lind bei einigen chronischen Uebeln, ohne Entartung, seine directe Anwendung, aufserdem aber auch noch bei gewissen Folgen unheilbarer Affectionen desselben. Die organischen Fehler selbst können frcilich nicht geheilt werden, wohl aber die aus ihnen entspringenden Ncbenkrankheilen, wie : Herzklopfen, Engbrüstigkeit, Blutflüsse, Wassersuchten, Cyanosen, u. s. w.; man ersieht hieraus, dafs in dep meisten Fällen nur eine PaTRaimkut möglich ist, durch welche die Zufalle uhd Complicationerr entfernt werden, während die Grundkrankheit fortbesteht, oder diese letztere selbst in
88 gewissen Schranken gehalten, wenn auch nicht rückgängig gemacht werden kann. Kurz, die Therapie der Herzkrankheiten beschäftigt sich entweder mit der Grundkrankheit selbst, oder, und zwar in den meisten Fällen, mit ihren Complicationen. 1. Die Grundkrankheit selbst kann direct angegriffen werden, wenn sie Entzündung oder Neurose ist ; sogar ein beginnendes organisches üebel ist noch der Zertheilung fähig, was man solange als möglich annehmen mufs, im Interesse des Kranken und zur Ehre der Wissenschaft. 2. Ist die Grundkrankheit wirklich unheilbar, so wende man sich zu ihren Complicationen ; hier erreicht man häufig noch soviel, um die gewöhnliche Meinung, dafs die Herzkrankheiten aller Hülfsmittel der Wissenschaft spotte, Lügen strafen und beweisen zu können, dafs ihre genaue Diagnose mehr ist, als ein Gegenstand eitler Neugier. Die allgemeine Behandlung der Herzkrankheiten ist verschieden, je nach der Natur oder der Classe dieser Affectionen. Die angeborenen, Fehler und Gebrechen (vices congénitaux) schliefsen meistens die Lebensfähigkeit aus und entgehen fast immer der wissenschaftlichen Beobachtung. Die mecltarüschen und traumatischen Verletzungen gehören fast alle in das Gebiet der Chirurgie; diejenigen, welche der inneren Heilkunde anheim fallen, können in eine allgemeine therapeutische Betrachtung nicht
89 mit eingeschlossen werden, denn ihre Behandlung richtet sich nach Ursache und Wirkung. D i e Entzündungen sind von allen Herzkrankheiten diejenigen, welche unseren therapeutischen Hülfsmitteln am zugänglichsten sind. Hier natürlich ist die directe Antiphlogose vor Allem indicirt, deren man sich um so energischer bedienen mufs, als die Entzündungen des Herzens eine fatale Tendenz haben, in einen chronischen Zustand überzugehen und unheilbare Alterationen zu erzeugen. Ist die gelegene Zeit fiir die Antiphlogose vorüber, so finden wir in den beruhigenden und ableitenden Mitteln noch werthvolle Hilfsquellen. Die Blutflüsse und idiopathischen Wassersüchten des Herzens sind nieist secundare Krankheiten, die sich nur undeutlich kund geben und ein zusammengesetztes Heilverfahren erfordern, welches sich zuerst zu der Ursache der E r g ü s s e , dann zu diesen selbst wenden muís. W e n n es sich um Hämorriiagien und Wassersuchten in Herzkrankheiten handelt, so versteht man gewöhnlich darunter : Krankheitssymptome, die sich in unbestimmter Entfernung von dem ursprünglich erkrankten Organe zeigen können; von diesen werden wir später handeln. Die organischen Fehler des Herzens, an und für sich in den meisten Fällen unheilbar, bestimmen in der Regel eine einfache Palliativbehandlung, welche sich an die Folgeübel und nur selten an diese Aff'ectionen selbst zu richten hat. Am besten bekämpft man sie in ihrem
w. Jfeiüiö, d. h. indem man die sie erzeugenden aicuteri Krankheiten mit äller Mächt angreift. Einige sehr äfhtungs'Werthe Mäntter behaupteten (errate httmanum),• die Heilung bestätigter, organischer Affectionen (Aneurysmen) durch wiederholte Aderlässb ( L a e ö n e c , H o p e ) , durch auflösende Mittel nttd Jod insbesondere ( M a g e n d i e), durch Moxeil ( L a r r e y ) u. s. w., beobachtet ¿u haben. Jedenfalls sind diese glückliche** Chancen zu Selten, als dafs man darauf zählen dürfte. Einen gewissen Fatalismus bei dei Behandlung der Herzkrankheiten soll man dem neumodischen Orgäriiciamus verdanken, durch welchen die Therapie entmufhigt worden sei; diese ungerechte Anschuldigung beruht auf einem Irrthume, denn schon die älteren Aerztc waren sowenig Optimisten als wir. Ohne von C o r v i s a r t zu sprechen, welcher sein Werk mit dem niederschlagenden Spruche: »haeret lateri lethalis atundo* überschrieb, erinnern wir an S e n a c , der in der Mitte des vorigen Jahrhunderts sich also äufsert : »Je weiter wir in die Krankheiten des Herzens »eindringen, um so ärmer erscheint uns die Heilkunde ; »sie erheischen wenig Mittel; diejenigen, welche ver•nschwenderiscft damit umgehen, kennen weder die Ursachey »welche sie bekämpfen, noch die Waffen deren sie sich bendienen. Die Hülfsquellen der Kunst finden sich eher »itf den' Jiändeh der Krähken, als in deh Apotheken. »Was1 i.. B. kann niärf bei äerzerweiierüngen von »Arzneien hoffen ? Will : man einem Organe, welches1 »in einer' beständigen UeBeränstrengung isl!, sein na¿türßehes Volutfaetti wiedergeben ? Will man s6irtex
9f »Substanz wieder erweichen, wenn sie verknöchert ist? »Will man verengerte Durchgänge erweitern? Will »man die aller Zertheilung trotzenden Polype schmel»zen ? Die gläubige Unwissenheit allein kann Erfolge »hoffien, welche sie nie gesehen hat(Structure du coeur, liore IV, chap. IV.) W a s ist von fremden Korpern zu sagen, welche in das Herz dringen, oder sich darin erzeugen können, wie : Coagula, Vegetationen, Eiter, Gas, W ü r m e r , als dafs dies zu fürchtende Zufälle sind, welche man während des Lebens schwer erkennen, und noch schwerer beseitigen kann. Die Neurosen haben sehr verschiedentliche Indicationen, je nach ihrer Ursache und ihrem Auftreten, der Idiosynkrasie der Subjecte und dem gewöhnlich hartnäckigen Character dieser Atfectionen, u. s. w. V o r Allem unterscheide man zwischen wesentlichen ündsy mptomatischen. Neurosen, welche letztere auf einer materiellen Alteration der festen oder flüssigen Theilc beruhen. Sodann traue man diesem nervösen Character nicht zu sehr, welcher, nach unserer classischen Gewohnheit, in der Regel eine Kategorie von Mitteln, die antispasmodischen, zu erheischen scheint, deren Ruf häufig usurpirt ist. Blutentleerungen, directe Sedantieri, ableitende und tonische Mittel sind hier oft die besten Antispasmodica. Die Behandlung der Complicationen insbesondere fällt in das Gebiet der allgemeinen Regeln, welche die Therapie der Blutstockungen, der Entzündungen, der Wassersüchten u. s. w. leiten, insofern sie nicht
92 mit der Behandlung der primitiven Krankheit abgemacht ist. Man bemüht sich täglich die Behandlung der Wassersuchten, je nach ihren Ursachen, zu specificiren; unsere Erfahrung hat uns aber gelehrt, dafs ein seröser Ergufs, dessen Ursache selbst unheilbar ist, alle gegen Wassersuchten im Allgemeinen angewandten Mittel ohne Ausnahme indiciren kann, mag seine Ursache sein, welche sie wolle; d. h. dafs die Serosität durch dieselben Agentien entfernt werden kann, welche in den verschiedenartigsten Wassersuchten, ob sie von H e r z - , Nieren-, Leber-, oder anderer Krankheit herrühren, bald mit bald ohne Erfolg wirken. W i r müssen jetzt noch einige Betrachtungen über die in den Herzkrankheiten gewöhnlichsten Heilverfahren anstellen. Das Herz kann im kranken Zustande die Anwendung fast aller therapeutischen Agentien erfordern, insofern es von allen Krankheiten der anderen Organe befallen werden kann, und vermöge der zahlreichen secundären Affectionen, welche wieder aus diesen Krankheiten entspringen. Um uns aber nicht in diesen allgemeinen Betrachtungen zu verlieren, wählen wir unter den verschiedenen Heilverfahren und Mitteln diejenigen, welche unserer Aufgabe am meisten entsprechen.
1.
Blutentleerungen.
Die allgemeinen und örtlichen Blutentleerungen sind bei vielen Herzkrankheiten indicirt. 1. Vor Allem
93 in den Entzündungen des Peri- und Endocardiums, welche, wie wir nicht genug wiederholen können, mit aller Energie behandelt werden müssen, um unheilbare Nachkrankheiten zu verhüten; 2. bei organischen Alterationen, da, wo es sich darum handelt, den Kreislauf durch Verminderung der Blutmasse, welche Herzhöhlen und Venensystem überfüllt, zu erleichtern; з . wo vorübergehenden Congestionen begegnet werden mufs, wo Hämorrhagien, Consecutiventzündungen, Wassersuchten aus mechanischer Ursache, Cyanose, и. s. w., zu bekämpfen sind. "Vorbeugende Aderlässe sind von Wichtigkeit »besonders aber während der Anfälle; man darf »sich nicht durch einen kleinen Puls abschrecken »lassen, es sei denn gerade im Augenblicke der Ohn»macht.. . . ; bei Herzkrankheiten will man die A n ahäufung des Blutes in den Vorhöfen oder in den »Kammern verhüten : gerade aber durch den Aderlafs »verlangsamt man den Blutstrom, oder vermindert »die in das Herz sich ergielsendeBlutmasse.« ( S c n a c , strueture du coeur, livr. IV, chap. IV). Es freut uns, zeigen zu können, dafs diese mechanischen Theorien nicht von gestern sind. Man weifs, dafs das Verfahren V a l s a l va's und A l b e r t i n i ' s , besonders gegen Arterienaneurisma, auf bis zum äufsersten Schwächegrade führenden, wiederholten Blutentziehungen beruht. Diese Methode ist heutzutage fast allgemein aufgegeben, da man die Wirkung und die Nachtheile der Blutverluste besser kennen gelernt hat. Uebrigens wird sich schwerlich
n ein Kranker zur Anwendung derselben In ihrer ganzen Strenge und Detter entschliefsen. 3. Die Blutentziehungen können auch bei tyeurp^en indicirt sein, wenn diese mit Plethora, Congestionen, Entzündungen u. s. w. zusammenhängen, was häufiger der Fall ist, als man in der Regel glaubt. Bis auf die neueste Zeit hat man die Blutentleerungen in Herzkrankheiten und verschiedenen, dieselben simulirenden Affectionen zwangsmäfsig angewendet. Ihr unzeitiger Gebrauch kann jedoch die unglücklichsten Folgen haben. Hauptsächliche Contraindication hat man : 1) bei allgemeiner Schwäche des Kranken; 2) bei Mangel an Energie des Herzens, den man an dem matten Herzstofs, am kleinen und weichen Pulse erkennt; 3) bei deutlich durch bleiche, gelbliche Hautfarbe, allgemeine Schwäche, Athemlosigkeit ausgesprochener Cachexie, gleichgültig, ob der Puls dabei klein ist oder nicht; L a e n n e c und A n d r a l haben auf die Gefahr des Aderlasses in solchen Fällen aufmerksam gemacht; 4) bei gewissen organischen Zuständen des Herzens, wovon später die Rede sein wird, u. s. w. 2. B e r u h i g e n d e
Mittel,
Sedantia.
Die beruhigenden Mittel spielen in der Behandlung gewisser acuter, und der chronischen Krankheiten des Herzens im Allgemeinen, eine bedeutende Rolle. Ganz eigentümlich wirkend und vorzugsweise den Krankheiten dieses Organes entsprechend ist die Digitalis; sie wirkt hauptsächlich, indem sie die Fre-
95 quenz up.d die Stärke der Herzschläge mäfsigt und den Unregelmäfsigkeiten des Pulses begegnet; jedoch erzeugt sie selbst diese Unregelmäfsigkeiten, wenn sie gegen die Frequenz und die Stärke des Pulses angewendet wird. Man mag sich mit Recht erstaunen, dßfs solche unläugbare Eigenschaften bestritten worden sind : L a e n n e c , S a n d e r s , O r f i l a bezweifeln sie, während A n d r a l , B o u i l l a u d , P i o r r y und fast die Gesammtzahl der Aerzte dieselben anerkennen. W a h r ist es, dafs die Anwendbarkeit der Digitalis gewisse Bedingungen erfordert, wie Abwesenheit, oder geringe Intensität des inflammatorischen Elementes und Integrität der Verdauungswerkzeuge; dagegen leistet sie auch während der Abnahme der acuten Entzündungen des Peri- und Endocardiums, bei den heftigen Bewegungen, welche die meisten organischen Fehler und Neurosen des Herzens begleiten, die ausgezeichnetsten Dienste; denn sie erwirkt soviel, als thunlich, die Ruhe dieses Organes, diese Grundbedingung einer möglichen Zertheilung vieler seiner Krankheiten. Die Digitalis, so mächtig in ihrer hyposthenisirenden W i r k u n g auf den Kreislauf, mufs in den Fällen, wo das H e r z einen gewissen Grad von Energie besitzt, mit vieler Umsicht und Behutsamkeit angoyandt werden. Unüberlegte Anwendung derselben, wie es häufig geschieht, kann zu den gröfsten Unfällen fuhren, jncem die Kranken auf einen solchen Schwächegrad gebracht werden, dafs sie sich davon nicht mehr erholen , und manchmal unterliegen. Die gxöfste Verwandtschaft in ihren Wirkungen herrscht zwischen
96 der Digitalis und dem Aderlasse, beide haben gleiche Contraindication, mit Ausnahme einiger Fälle von Neurosen, Blutmangel und Cachexie mit excessiv6 Unter allen Umständen stehen, unter den genannten, die Eisenmittel oben an, wenn es eine Verbesserung der krankhaften Blutmiscbung gilt. Sodann kommen die bitteren Mittel, die China besonders, unterstützt durch eine restaurirende Kost, besonders den Genufs nahrhafter, aber nicht reizender Speisen» denn ohne diese möchten wohl alle die genannten Mittel erfolglos bleiben. Wir haben uns schon über die stimuürenden, sogenannten antispasmodrschen Mittel und ihre Unzuverlässigfceit ausgesprochen; sie können jedocir bei der Behandlung von grofsen Schwächegraden, von Cachexien und besonders von Neurosen in ihrer speciellen, modificirenden Wirkung Dienste leisten. So die aromatischen Infusen und Wässer, der Aether, Kampfer, Moschus, Baldrian, das Castoreum und die Assafötida bei idiopathischen oder sympathischen Nervenerscheinungen der Herzkrankheiten. 8. A d s t r i n g i r e n d e
Mittel,
Adstringentia.
Nur selten wird man dieser Mittel bedürfen» Wir theilen die Illusion derer nicht, welche an die Möglichkeit einer Modification dter Erweiterungen - Erweichungen und anderer passiven und asthenischen Afiectionen des Herzens mittelst der Adstringentien glauben. Sie können nur indicirt sein : bei gewissen. Nebenerscheinungen, wie; passiven, atonischen, blutigen oder serösen Ergüssen y hauptsächlich bei Epistaxis, Blutspeien, Bronchorrhoe, Oedem der Extremitäten? Ery-
107 themen oder geschwürigem Anasarca. Manchmal auch haben sie, wie z. B. die Salpetersäure, gegen eine allgemeine Infiltration günstig eingewirkt. Die gebräuchlichsten aus der Reihe dieser Mittel sind die Mineralsäuren, der Bleiessig, der Alaun, die ßatanhia u. s. w., welche innerlich oder äufserlich, je nach den Umständen, angewendet werden. 9. A e u f s e r e a b l e i t e n d e M i t t e l , D e r i v a n t i a , Revulsiva. Wir zählen diese Mittel zuletzt auf, weil sie in den Herzkrankheiten von einer universalen Anwendung sind. Das ableitende Heilverfahren ist eine Hülfsoder Ergänzungsmethode der anderen; es ist daher auf der Neige der Entzündungen, oder bei Tendenz derselben zur Chronicität, besonders aber bei Periund Endocarditis subacuta angezeigt. Man bedient sich aufserdem noch der Vcsicantien zur endermatischen Anwendung gewisser Medicamente. Die Hautableitungen dienen bei organischen Veränderungen entweder als eigentliche Revulsiva, oder als Exutorien, um die Fortschritte der organischen Krankheit zu mäfsigen oder zu hemmen. So bedienen sich einzelne Aerzte der Moxen, der Cauterien und Haarseile auf die Herzgegend; dieses ist ein gewaltsames, selten von Erfolg begleitetes Verfahren. Die Revulsiva werden gegen viele Nebenerscheinungen der organischen Herzkrankheiten angewendet,, hauptsächlich aber gegen Congestionen und ihre Folgen; daher in den Consecutiventzündungen, Blut-
108 Aussen und Wassersuchten. In den letzteren, besonders in der Herzbeutelwassersucht, bezweckt man dadurch die Entleerung einer gewissen Menge von Serosität; man bedenke jedoch, wie leicht bei solchen Kranken der Epidermis entblöfste Hautstellen in langwierige Geschwüre, ja selbst in Gangrän übergehen. Unter den allgemein gebräuchlichen Derivantien finden wir die Sinapismen, die Cantharidentinctur, die Gondret'schc Pommade, das Croton-Tigliumöl, die Brechweinsteinsalbe, das Blasenpflaster, die Moxa, das Cauterium potentiale, das Haarseil; in sehr seltenen Fällen nur gebraucht man das Glüheisen. Die Scarificationen, welchen man die Acupunctur vorziehen sollte, geben ebenfalls Gelegenheit zum Abflufs der Serosität, und setzen nicht so leicht dem Erysipelas, der Geschwürbildung und dem Brande aus; für Fälle von Ergiefsungen in Bauch- und Brustfell eignet sich die Paracentese. Die Revulsiva sind endlich noch angezeigt : bei Neurosen, wo man Schmerz ableiten, oder sich gewisser Mittel endermatisch bedienen will. 10.
Hygiäne.
Aufser den eigentlich pharmaceutischen haben wir noch eine grofse Classe von Hülfsmitteln, ohne welche die bestgeleitete Therapie fruchtlos bleiben könnte und würde; wir meinen die sogenannten hygiänischen Agentien. Um die Wichtigkeit der Gesundheitsregeln bei der Behandlung der Herzkrankheiten gehörig zu würdigen, bedenke man nur die
109 Einflüsse der Temperatur auf den Kreislauf, der Speisen auf die Blutbildung und die Ernährung, der Bewegungen und Leidenschaften auf die Herzthätigkeit, u. s. w. Deshalb ist es unerläfslich, die Vorschriften der Hygiäne mit der Anwendung von Arzneimitteln, je nach der Natur der Krankheit, welche zu bekämpfen ist, Hand in Hand gehen zu lassen. In Phlegmasien frommt strenge Diät, vollkommene Ruhe des Körpers und des Geistes. Ebenso verhält es sich bei organischen Krankheiten, wo, auch ohne vorhandene Entzündung, es sich darum handelt, Congestionen zu verhüten oder zu mäfsigen, sei es durch Verminderung der Blutmasse, oder durch Vermeidung dessen, was zur Beschleunigung des Kreislaufes beiträgt. Bekanntlich beruht V a l s a l v a ' s und A I b e r t i n i ' s Behandlung der Aneurismen ebensowohl auf gradueller Nahrungsentziehung, als auf Blutentleerungen; die Diät erhebt sich hier, wie man sieht, zu dem Range einer Radicalheilmethode. Bei den im Allgemeinen meist chronischen Affectionen kann die Entziehungscur nicht so strenge genommen werden, als in acuten Krankheiten, denn wenn es auch vortheilhaft ist, die Blutmasse so wenig als möglich zu vermehren, so ist auch auf der anderen Seite die Aufrechthaltung der Kräfte des Kranken zu berücksichtigen. Schwer aber ist es, zwischen diesen Klippen zu steuern. Die häufigen Nebenerscheinungen der Herzkrankheiten erschweren noch die Regeln der Hygiäne. Das Auftreten von Blutflüssen, Entzündungen und Wassersuchten aus mechanischen Ursachen ist zwar
140 ein neuer Beweggrund, die Diät noch strenger Torzuschreiben, und alle Excitantien noch gebieterischer zu verweigern, dagegen aber hat die Cachexie, dieses gefahrliche, in neuerer Zeit hauptsächlich gewürdigte Element, entgegengesetzte Indicationen. Hier mufs sich zur tonischen Behandlung mäfsig nährende Kost gesellen und leichte nicht ermüdende Bewegung soll die Circulation begünstigen, ohne sie aufzuregen. Ganz verschieden verhält es sich mit der Diätetik bei Herzneurosen. Hier ist Unterstützung und Aufrichtung der allgemeinen Kräfte an der Tagesordnung, ob die Neurose von Dyscrasie des Blutes herrühre, oder sich als essentielle, von einfacher Nervensusceptibilität herrührende, gestalte. Trifft aber Neurose mit plethorischem, entzündlichem oder organopathischem Elemente zusammen, so müssen die hygienischen Indicationen sich nach denen der genannten Erscheinungen richten, ohne dafs man jedoch dabei die Neurose aus dem Auge verlieren darf. Wenn es nun wahr ist, dafs moralische Eindrücke bei der Erzeugung und Verschlimmerung von Herzkrankheiten eine so grofse Rolle spielen, so folgt daraus, dafs sich der Arzt bei Behandlung derselben, in prophylactischer, palliativer, ja selbst curativei Hinsicht des moralischen Einflusses bediene, welcher ihm, vermöge seines Berufes, über den Kranken gegeben ist; leider aber findet man ein solches Verfahren mehr in den Büchern angegeben, als in der Praxis ausgeführt. Wir erinnern hier an das, was wir bei einer anderen Gelegenheit gesagt haben : »Die Sitten des
III »Individuums ändern sich nicht unter dem Einflüsse »eines Trankes . . . . ; in die verborgenen Falten der »Seele dringen, des Herzens Geheimnisse erspähen »und aufdecken, die Leidenschaften entlarven und benkämpfen, indem er sie ihrer Nahrung beraubt, ihren »Lauf ändert, heilsame Gegenwirkungen unter ihnen »hervorruft, zuweilen auch indem er sie innerhalb der »Grenzen der Moral und der Vernunft befriedigt, — das »ist die Aufgabe des philosophischen Arztes; dahin »jedoch reicht nimmer eine in der Materie yerlorene »Praxis. Warum fuhrt man aber beständig Erasistra»tus und Boerhave im Munde, und denkt nicht, wie »sie, zu thun?« (Memoire sur Thysterie.) Wir haben die allgemeinen Regeln aufgezählt, welche uns zur Behandlung der Herzkrankheiten vorgeschrieben scheinen. Wir haben genug davon gesagt, um dem Arzte begreiflich zu machen, dafs diese Behandlung nicht so einfach und banal ist, wie man so häufig annimmt; denn man sieht, wie eine rationelle Behandlung dieser Krankheiten an und fiir sich die oft sehr delicate Würdigung einer Menge von Rücksichten erheischt, und wie in den Fällen, wo man nur auf die Behandlung ihrer Wirkungen beschränkt ist, diese u n s , aufser ihren eigenthümlichen Räthseln, noch in ihren speciellen Ursachen, das heifst in ihrer Abhängigkeit von der oder jener Krankheit des Centralorganes, die gröfsten Schwierigkeiten bieten. Uebrigens werden diese Schattirungen deutlicher hervortreten, wenn wir uns mit den Einzelnheiten jeder Herzkrankheit insbesondere beschäftigen werden.
112
Classification der Herzkrankheiten. W i r schliefsen die allgemeine Krankheitslehre des Herzens mit der Betrachtung des Classificationssystein es, welchem wir zu folgen gedenken. Die Classification bildet gewissermafsen den natürlichen Uebergang, das logische Band zwischen der allgemeinen und der speciellen Pathologie eines Organes. Wir wollen nicht tiefer auf die Vortheile oder Nachtheile einer organischen, oder vitalen Classenbildung, auf die Notwendigkeit, die eigenthümliche Natur der Krankheiten zur Grundlage zu nehmen u. s. w., eingehen; wir folgen der durch die Entwickelung der Vorgänge sich ergebenden Ordnung. Wir werden unsere Eintheilung, so viel als thunlich, auf materielle, statische, wahrnehmbare, leichtfafsliche Charaktere gründen, und die sogenannten vitalen, dynamischen Alterationen, deren formelle Ursache und Mechanismus noch eine Streitfrage der verschiedenen Doctrinen sind, an das Ende verweisen. In der ersten Classe begreifen wir die angeborenen Fehler, welche eigentlich mehr der Physiologie, als der Medicin angehören, denn letztere hat fast nie mit ihnen zu thun; deswegen übergeht P i o r r y dieselben mit Stillschweigen. Auch wir beschränken uns auf eine oberflächliche Angabe derselben, um soviel als möglich die Tabelle aller Alterationen des Herzens vollständig zu machen. Die zweite Classe wird von den mechanischen Verletzungen gebildet; diese fallen fast alle in das Gebiet
113 der Chirurgie; wir betrachten daher nur diejenigen, welche speciell der Medicin anheimfallen. Die dritte Classc ist den Entzündungen gewidmet. Ich stelle dieselben an den Eingang des pathologischen Gebietes, weil, was man auch immer dagegen sagen mag, aus ihnen sich eine Menge weiterhin zu betrachtender Alterationen entwickelt. Es ist aber wesentlich, hier zwischen Entzündungo und ihrer Wirkungo zu unterscheiden, denn die letztere besteht f o r t , während in der Regel jene schon verschwunden ist, und die Mifsverständnisse in dieser Beziehung kommen, unserer Ansicht nach, meist daher, dafs man viele dieser Affectionen, welche keine Spur von Entzündung mehr zeigen, unter dem Namen : chronische Entzündungen mit inbegriffen hat. In der vierten Classe, welche, ich gestehe es, eine durchaus künstliche ist, begreifen wir die Hiimorrhagien und Hydropsien, die, obgleich meist nur Symptome, dennoch so abgeschlossen für sich dastehen, dafs sie allein abgehandelt zu werden verdienen, und dies um so m e h r , als sie nicht nur ihre eigenen Indicationen haben, sondern auch ihre Aetiologie häufig durchaus dunkel ist. Dies genügt uns, ihnen eine specielle Betrachtung zu widmen. Die fünfte Classe macht den gröfsten Theil der Pathologie des Herzens aus; sie umfafst die organischen Krankheiten desselben. In dem vulgären Sprachgebrauche bezeichnet man mit dem Namen : Herzkrankheit immer eine Erscheinung aus dieser Classe; wir werden uns besonders dabei aufhalten, da wir verschieFor h y d r o p e r i c a r d U c h e . Wassersüchten, H'j Endocardiums,hydrendocardische. Hydropsien. ^ dev I l e r z s u b s t a n z , h y d r o c a r d i s c h e . Faser* )
»
{S Ä . /
des
I
der Klappen
der Wiindimgi'ii
VI. Classe : Fremde Körper
VII. Classe Reurosen
Ä
^
der
I
Ä
Höhlen
der Empfindung
-
Knorpel- > E n t a r t u n g e n . Knochen- J Verengerung. Intiufficienz. Erweiterung. Partielles Anenrisma. Verengerung. Hypertrophie. Aneurisma. Concentrische H y p e r t r o p h i e . Atrophie. E r w e i c h u n g . oder analoge E n t a r tungen. Verhärtung. Geschwüre. Gangrän. Faser"I Knorpel- > Artungen. K rebs Knochen)
V. Classe : Organische Fehler
'
'
ENTIRLUNBEN
Verwachsungen. Faser1
Fettsucht, Fettentartung, Dégéné Verschiedene P r o d u c e . rescence graisseuse. T u b e r k e l - | oder lieterologc E n t Blutcoagula. Vegetationen. Eiterkystcn. WUrmer. Atmosphärische Luft.
J
i {
(
Herzklopfen. Ohnmacht. Unregelmäßigkeiten.
Zweites Buch.
Specielle Pathologie und Therapie der Herzkrankheiten.
I. Glasse. A n g e b o r e n e F e l l l e r ( Vices congénitaux, struosités , Tératologie cardiaque).
Mon-
Angeborene Fehler des Herzens heifsen diejenigen organischen Abnormitäten dieses Organes, welche der F ö t u s mit auf' die Welt bringt. Diese sogenannten Monstrositäten des Herzens, wie alle anderen, entstehen aus Ursachen, welche von der Mutter herrühren, oder aus solchen, welche dem P r o d u c t e der Befruchtung angehören. A l s U r s a c h e n , welche von der Mutter herrühren, nennt man : 1) den Einflufs der Einbildung : der Glaube an eine Reproduction bei dem Fötus von Mifsbildungen und verschiedenen Charakteren der F o r m und F a r b e solcher Gegenstände, wclche die Aufmerksamkeit der Schwängern besonders gefesselt hatten, ist natürlich verschwunden ; dagegen wird man leicht begreifen, dafs durch moralische Eindrücke entstandene, organische oder mechanische Störungen bei der Mutter gewisse Abnormitäten auf ihre F r u c h t übertragen können ; 2) die Unfälle oder Krankheiten, welche die Mutter treffen; diese können directer oder indirecter auf die Organisation des F ö t u s einwirken.
120 Von Seiten des Productes der Befruchtung beschuldigt man : 1) gewisse ursprüngliche, dem Keime eigenthümliche F e h l e r ; 2 ) intercurrirendc Krankheiten, welchen dasselbe sogut im Mutterleibe, als nach der Geburt ausgesetzt ist : Entzündungen, organische Fehler, traumatische Zufälle können die verschiedenen Elemente des Eies vor der Geburt befallen, was durch die neueren, besonders B i l l a r d ' s , Beobachtungen bestätigt ist. D a s Herz kann bei der Geburt Abnormitäten zeigen : in der Zahl — (Acardie, Polycardie), in dem Baue — (Verbindungen der rechten und linken Herzhöhlen untereinander), in der L a g e — (Ectopie, Dexiocardie) seiner verschieden constituirenden Theile.
§. 1.
Acardie.
Man gibt diesen Namen der gänzlichen oder partiellen Abwesenheit der das Herz bildenden Theile : 1) vollkommene Acardie ist sehr selten und kommt fast nur mit Acephalus v o r ; 2) theihveise Acardie, bestehend in der Abwesenheit einer oder mehrerer Herzhöhlen — ein Normalzustand niederer Thierbildung — , ist ebenfalls selten; sie kann sich auf Vorhöfe, Kammern, Klappen oder endlich das Pericardium erstrecken. Der letzte Fall ist jedoch nicht so häufig als angegeben wurde, denn die älteren Schriftsteller, welche seiner Erwähnung tliun, mögen wohl ausgebreitete Verwachsungen des Herzbeutels mit dem Herzen für fehlendes Pericarclium gehalten haben.
121 D i e gänzliche A c a r d i e und die A b w e s e n h e i t
ein-
z e l n e r Höhlen ist. begreiflicher W e i s e mit dem L e b e n unvereinbar. von
D i e Klappenabwesenheit ist eine Quelle
Insufficienz
verschiedener
und
kann
Intensität
zu
Erscheinungen
f ü h r e n , welche
wir
von
später
k e n n e n lernen werden. §. 2.
Polycardie.
D i e Beobachtungen von zwei (Doppelherz, Bicardie) oder
mehreren vollständigen Herzen ( P o l y c a r d i e ) in
einem und demselben F ö t u s werden für apocryphisch gehalten, ausgenommen in vollständigen Doppelkörpern, wie bei dem Siamesenpaare, Ritta-Christina, e t c . ; oder bei Mifsgeburten mit doppeltem K o p f und T h o r a x . Anders
verhält
es
sich
mit
den
mehrzähligen,
unvollkommenen Herzen, wie sie bei niederen Thieren als Normaltypus
vorkommen,
ein Z u s t a n d ,
welcher
sich bei dem Menschen durch normwidrige T r e n n u n g der beiden Herzhülften wiederholen
kann.
Beispiele
von lebenden, mit vollkommener oder auch nur unvollkommener P o l y c a r d i e behafteten, Individuen kennt man nicht. Eine dritte A r t
von P o l y c a r d i e ,
die
sogenannte
partielle, besteht in dem Vorkommen v o n mehr als zwei K a m m e r n oder mehr als zwei Vorhöfen in einem und demselben H e r z e n ,
was man bei Subjecten
funden haben w i l l , welche einige Zeit §. 3. Die
A b n o r m e VcrbiiKlunit zwischen und l i n k e m Herzen. im Fötalzustande
normale
ge-
gelebt hatten. rechtem
Verbindung
K a m m e r n durch das Foramen Botali kann nach
der der
122 Geburt fortbestehen, wenn sich diese Oeffiiung nicht verschliefst. Diese Verbindung der beiderseitigen Höhlen kann aber auch mittelst abnormer angeborener Perforationen von verschiedener Gröfse und Gestalt in der Vorhof- oder Kammerscheidewand oder in beiden zugleich stattfinden. (1) Blausucht, Cyanose (Cyanodermie, Maiadie bleue, Cyanopalhie).
Ob die Verbindung zwischen den Vorhöfen oder den Kammern, oder zwischen beiden zugleich statt finde, das Resultat bleibt ungefähr dasselbe. Ist der Durchgang leicht, so vermischen sich rothes und schwarzes Blut, was jedoch nicht immer Statt findet; wenn es aber geschieht, so mengt sich eher das rothe Blut zu dem schwarzen, als umgekehrt, vermöge der gröfseren Energie, mit welcher sich das linke Herz contrahirt.
(1) Man liest in unserem Rechenschaftsberichte der Arbeiten der Pariser Gesellschaft für Anatomie vom Jahre 1833 : »Wüfsten »wir nicht schon t dafs das Offenbleiben des Foramen Botali nicht »nothwendig Cyanose zur Folge hat, so könnten wir dieses jetzt »durch das Herz eines Sechzigers beweisen, welcher während des »Lebens keine Spur von Cyanose gezeigt hatte. Die Vorhüfe die»ses von Herrn R i v e s vorgezeigten Herzens stehen durch eine »weite Oefinung in Verbindung. In einem anderen, von Herrn »Rcgnier vorgezeigten Herzen bestand eine netzartige, weitmaschige »Durchbrechung der Vorhofscheidewand, während, was hauptsäch»lich interessant war, die Kammerscheidewand ebenfalls in der »Weite eines Federkieles durchbohrt war, so dafs das Blut sich »auf doppeltem Wege vermengen konnte, und doch trat erst ganz »gegen Ende Cyanose ein.« (Revue medicale, i834.)
123 Während langer Zeit glaubte man, dafs aus der Mischung der beiden Blutarten eine eigentümliche Alteration entstehe, welche sich durch die blaue Färbung der Haut charakterisire, und welche man aus diesem Grunde Blausucht, Cyanose etc. genannt hat. Neuere Untersuchungen aber haben bewiesen, dafs diese Färbung der Haut weder eine nothwendige, noch selbst die gewöhnliche Folge der Vermischung des venösen mit dem arteriellen Blute ist ( G i n t r a c , L o u i s , B o u i 11 a u d); manche Autoren läugnen sogar die Möglichkeit einer solchen Entstehung. Wirklich sollte das sich zu dem venösen mischende arterielle Blut jenem eher eine hellere Farbe und mehr Lebhaftigkeit verleihen und nicht Cyanose hervorrufen, die man dem Vermengen des rothen mit schwarzem Blute zuschrieb, — ein Vorgang, welchen man heutzutage in Zweifel stellt. Die Neueren, unter ihnen besonders B o u i l l a u d , haben eine eigenthümliche Wirkung dieser Vermengung hervorgehoben, — dio Häufigkeit der organischen Klappenfehler. Unter fünfzehn Fällen zählte man zwölf mit Verdickung, Verhärtung, Einschrumpfung oder sonstiger Mifsbildung der Klappen; davon trafen acht die Klappen des rechten Herzens, was im gewöhnlichen Zustande so selten vorkommt; von diesen acht Fällen wieder bestanden fünf in Fehlern des Pulmonalostiums. G i n t r a c dagegen zeichnete 53 Fälle von Cyanose auf, wovon 27 mit Klappenfehlern und zwar der rechten Hälfte, und unter diesen 26 mit Alterationen des Pulmonalostiums.
124 Die Erfahrung zeigt aber, dafs Klappenfehler fast immer Hypertrophie der hinter der befallenen Mündung gelegenen Höhlen nach sich ziehen und man weifs aufserdem, dafs diese, aus den genannten Hindernissen der Circulation entspringende, venöse Stase häufig Cyanose erzeugt. Nach allen diesen Betrachtungen kommt man mit B o u i l l a u d zu dem rationellen Schlüsse : 1) diese Veränderungen der rechten Klappen rühren von dem ungewöhnten Bespültwerden durch arterielles Blut her; 2) die Cyanose ist eher das Resultat der organischen Klappenfehler, als der Blutvermengung, denn es findet sich oft Cyanose bei organischen Klappenfehlern ohne abnorme Verbindung der Kammern oder Vorhöfe, und sie fehlt auf der anderen Seite häufig bei Subjecten, welche an solcher angeborener Verbindung beider Hälften leiden. So lange es aber nicht bewiesen ist, dafs die Cyanose in Fällen von Communication der rechten und linken Höhlen nur bei gleichzeitigen Klappenfehlern vorkommt — G i n t r a c zeigte, wie wir sahen, eine grofse Zahl von Cyanosen ohne Klappenfehler —, müssen wir annehmen, dafs in einzelnen Fällen solcher Verbindungen Blausucht ohne Alteration des Klappenapparates entstehen könne. Wir werden sogleich sehen, dafs dieses auf rationelle Weise zu erklären ist. Wir neigen uns zu B o u i l l a u d ' s Ansicht, dafs die Palpitationen, die Engbrüstigkeit, die Ohnmächten, die Kälte der H a u t , die serösen Congestionen und besonders die Herzgeräusche, die man gewöhnlich der Vermengung beider Blutarten zuschreibt, wie in
125 anderen Fällen organischer Herzkrankheiten, eher von Klappenfehlern herrühren. Jedenfalls ist es durch zahlreiche Beispiele, unter anderen das in obiger Note erwähnte eines Sechzigers, dax'gethan, dafs die genannten Verbindungen der Herzhöhlen sich nicht nur mit dem Leben, sondern sogar mit der Gesundheit vertragen können — ein Beweis mehr für die Theorie, welche die heftigen Erscheinungen bei solchen Abnormitäten von den dadurch entspringenden Klappenfehlern herleitet. Aber auch die Pulmonalobstruction, welche in diesen Fällen eintritt, kann ebenso, wie ein Klappenfehler, die venöse Stase mit ihren Folgen, die Cyanose mit eingerechnet, hervorrufen, und wir vermuthen nicht ohne Grund, dafs einige der von G i n t r a c angegebenen Cyanodermien ohne Klappenfehler in diese Reihe gehören. Weit entfernt jedoch die Theorie der Hindernisse durch Klappenfehler zu schwächen, würden Thatsachen der A r t dieselbe nur bestätigen, denn in Fällen von Lungenobstruction ist der Mechanismus der Erscheinungen ganz derselbe; es besteht immer ein Hindernifs im Kreisläufe und zwar ein Hindernifs nach vorn, in den Lungen statt am Ostium der rechten Kammer, wie in den von B o u i 11 a u d und Anderen bezeichneten Beobachtungen. Die Verbindung beider Herzhöhlen an und für sich, bringt keine besondere Indication, denn die Kunst kann nur die möglichen Nebenerscheinungen dieser Affection zu bekämpfen suchen. Da aber hier die nämlichen Mittel, wie bei organischen Herz-, besonders Klappenfehlern erforderlich sind, so verweisen
126 wir mit ihrer Auseinandersetzung auf das Kapitel der letzteren. §. 4. Abnorme Grefäfsverbimtungen.
Darunter verstehen wir die abnormen Verbindungen zwischen dem Herzen und den direct oder indirect mit demselben zusammenhängenden Gefiifsen. Sie sind äufserst mannigfach; wir beschränken uns indessen auf die Angabe der folgenden : 1) das Entspringen der Aorta aus der rechten, der Lungenarterie aus der linken Kammer, und deV einen oder der anderen aus beiden Kammern zugleich; 2) das Einmünden der Lungenvene in den rechten, der Hohlvene in den linken Vorhof; 3) das directe Einmünden der Vena' azygos und sogar der Vena hepatica in den rechten Vorhof. In verschiedenen dieser Fälle beobachtete man noch andere Anomalien des Herzens. Bei umgekehrter Stellung der Arterien und Venen vermischten sich gewöhnlich die beiden Blutarten; während des Lebens konnten solche Mifsbildungen nicht erkannt werden, und das Heilverfahren blieb immer nur auf die daraus entspringenden Krankheitserscheinungen beschränkt. Hieran schliefsen sich Fälle von angeborener relativer Enge der Gefafs- und besonders der Aortenmiindung. Wir werden bei den Hindernissen aus angeborenen Fehlern darauf zurückkommen. §. 5.
Abnorme Herzlage, Ectople.
Es handelt sich hier von der angeborenen abnormen Lage des Herzens aufserhalb der Brusthöhle.
127 Man bezeichnet drei Formen dieser Fehler : 1. Tkoraxectopie : wenn das Herz durch eine offene Spalte aufserhalb der Brusthöhle getreten ist, oder auch nur unter der Decke der Präcordialgegencl vorspringt; im ersten Falle schlägt das Herz unter dem Auge und den Fingern des Beobachters, und man hat einige dieser Fälle benutzt, um den Mechanismus des Herzens gewissermafsen zu belauschen; wir sind übrigens überzeugt, dafs das Herz in dieser Lage durch den Einflufs der Luft merklichen Störungen in seinen Bewegungen ausgesetzt sein mufs, was durch aus dergleichen Beobachtungen gefolgerte, den physiologischen Gesetzen, widersprechende Schlüsse bewiesen ist. 2. Abdominalectopie : wenn das Herz durch angeborene Oeffnung des Zwerchfelles gedrungen in der Bauchhöhle gelegen ist; es ist alsdann von den Bauchwandungen bedeckt, durch welche seine Schläge fühlt.
eine und nur man
3. Cervicalectopie : wenn das Herz oben aus der Brusthöhle herausgetreten ist; es liegt alsdann, wie ein Medaillon, vor dem Halse. Man wird leicht begreifen, dafs diese abnormen Lapen eines so wichtigen Organes sich nicht auf die Dauer mit dem Leben vertragen, selbst nicht unter dem Schutze der Oberhaut. §. 6. D e x i o c a r d i e (lUlerolaxie du coeur).
Dieser angeborene Fehler dos Herzens besteht d a r n , dafs die Spitze desselben nach rechts gekehrt
12S ist, rechte und linke Höhlen ihre respectiven Plätze vertauscht haben u. s. w. In ähnlicher Weise sincl dabei gewöhnlich die Lagen der Haupteingeweide umgetauscht. Die Aorta ist alsdann von links nach rechts gebogen, die Lungenflügel sind versetzt, so dafs der dreilappige auf der linken Seite gelegen ist ; die Leber nimmt das linke, die Milz das rechte Hypochondrium ein, u.s.w. M e r y , Stoll, B é c l a r d , P i o r r y , Bouill a u d , R o s t a n haben Beobachtungen dieser sonderbaren Anomalie. Isidore Geoffroy SaintH i l a i r e konnte fünfzig bis sechzig Fälle der Art sammeln. (1) Man könnte solche Verhältnisse durch aufmerksame Palpation, Percussion und Auscultation leicht ausfindig machen ; sie entgehen aber grofsentheils der Beobachtung, da sie nicht im Geringsten die Gesundheit beeinträchtigen ; bei krankhaftem Zustande eines dieser versetzten Brust- oder Unterleibsorgane möchte die Diagnose leicht auf den Irrweg gerathen. L a n c i s i versichert, dafs diese Lagenverwechselung des Herzens für Aneurisma gehalten wurde.
(1) Das anatomische Cabinet von Rochefort besitzt ein schönes Exemplar allgemeiner Organversetzung bei einem im Duelle gebliebenen Soldaten, dessen Cadaver änfserst geschickt prnparirt und erhalten ist.
129
IL Classe. mechanische Verletzungen und Alterationen des Herzens. (Lesions mecaniques du coeur.) In dieser Classe begreifen wir die traumatischen Affectionen des Herzens, oder die Herzwunden; dann die Herzzerreifsungen ohne äufsere Verletzung, vielmehr von innerer Ursache herrührend, und drittens die Lagenveränderungen, welche in Folge krampfhafter Vorgänge während des Lebens statt finden. §. 1.
H e r z w u n d e n (Plaies du coeur).
Die Herzwunden können, gleich allen anderen, von stechenden, schneidenden oder quetschenden Instrumenten herrühren. Die verwundenden Körper dringen nicht immer von aufsen ein; man hat auch Rippenbruchstücke in die Wandungen und Höhlen des Herzens eindringen gesehen. Diese Wunden können entweder blofs in die Höhle des Herzbeutels, oder bis zu einer gewissen Tiefe in die Herzsubstanz, oder endlich bis in die Herzhöhlen selbst dringen; diese letzteren sind natürlich die gefährlichsten ; sie sind in der Regel gemeint, wenn von penetrirenden Herzwunden die Rede ist. Nach der Ansicht der Aelteren waren alle Wunden der Herzsubstanz absolut tödlich. Dieser Glaube, welcher heutzutage noch von allen Nichtärzten getheilt wird, ist offenbar falsch, denn nicht allein die Wunden der Herzsubstanz, sondern sogar die penetrirenFni'i;i t, HcrzkrankheiK'ii.
9
130 den Herzwunden sind der Heilling fähig, wenn kein oder nur geringer Ergufs dabei statt findet, d. h., wenn der Blutaustritt durch die Enge oder die Windungen der Wunde, oder auch durch ein festhaftendes Coagulum verhindert ist. Daher erklärt sich auch das längere oder kürzere Uebèrlehen einer solchen Wunde, wenn der verletzende Körper zurückgeblieben, und an die Stelle des festhaftenden Blntpfropfés getretèn war. In der grofsen Mehrzahl der Falle aber sind die penetrirenderi Herzwunden auf dèr Stélle tödlich; da a b e r , wo der Tod nicht augenblicklich erfolgt, wird er durch die darauf folgenden inflammatorischen und andere Zustände herbeigeführt. Die Diagnose der Herzverletzungen ist Sache der Chinirgie; sie begreift eine Menge vòn Details, ih welche wir hier nicht eingehen können, deren hauptsächlichste sich aber gelegentlich der Herzzerréifsungen wiederfinden, und in jeder chirurgischen Abhandlung der Brustwunden aufgezählt sind. Nur die Hauptregeln der Behandlung werden wir hier kurz anführen : -1) die äufsere Wunde schliefsen ; eine innere Blutung kanrt sich am Ende selbst Schranken setzen, während eine Hämorrhagie nach aufsen nicht gestillt werden kann ; 2) absolute Unbeweglichkeit in horizontaler L a g e gebieten und so viel als möglich geistige Ruhe anempfehlen ; 3) seltener, als man vorgegeben* wird der Aderlafs sich nützlich zeigen ; Ohnmacht, wenn sie nicht tödlich ist, kann als ein günstiger Umstand angesehen werden ; 4) kühlende Mittel äufserlich und innerlich ; 5) Re-
m vulsive, lind Ligaturen der Gliedmafsen; dies zusammen ist, was man unter erster Hülfe bei diesen gefährlichen Fällen versteht; auf diese Weise ist fortzufahren, bis die Hämorrhagie steht und kein Rückfall mehr zu fürchten ist. Alsdann kommt die Behandlung der Anämie und ihrer Folgen, sowie der übrigen Consecutiverscheinungen, besonders aber der Entzündung. §. 2. H e r z z e r r e l f s u n g e n (Ruptures du coeur).
Diese schreckliche Erscheinung wurde von einer grofsen Zahl älterer und besonders neuerer Autoren beobachtet, unter anderen von M o r g a g n i , II a l l e r , J . F r a n k , B a y l e , O l i v i e r (d'Anger), D e z e i m e r i s , B o u i l l a u d und P i o r r y . Wir handeln hier von den sogenannten spontanen Zerreifsungen, oder besser, von den Herzzerreifsungen aus innerer Ursache, denn diejenigen, welche ausschliefslich und direct von äufseren Ursachen herrühren, gehören zu der Geschichte der Verletzungen, welche wir so eben verlassen haben. Nach M o r g a g n i und D e z e i m e r i s kann auch das gesunde Herz zerreifsen, meistens aber ist es ein vorausgegangerer krankhafter Zustand seiner Wandungen, wie entzündliche Erweichung, Erweiterung, Verdünnung, Verschwärung, Fettsucht, welcher diesen Vorgang wenigstens begünstigt, wenn auch nicht bedingt. E r wird in der Regel durch Ueberanstrengung, lebhafte Gemüthsbewegung u. s. w. veranlafst, obgleich er auch zuweilen bei vollkommener körperlicher und geistiger Ruhe eintritt. 9 •
132 Während die traumatischen Zerreifsungen hauptsächlich die rechten Höhlen, besonders die Kammern, welche der Einwirkung des verletzenden Körpers zunächst liegen, treffen, ist es vor allen die linke Kammer ( M o r g a g n i , B a y l e ) , dann die rechte und zuletzt der eine oder der andere Vorhof, welche der Zerreifsung aus innerer Ursache ausgesetzt sind. Die Zerreifsungen sind verschieden in Umfang, Gestalt, und sogar in der Zahl, da sich mehrere derselben zugleich erzeugen können. A n d r a l hat ihrer fünf zusammen gesehen. Da ihre äufsere Oeffnung zuweilen weiter ist, als ihre innere, so hat man sich eingebildet, dafs sie in diesen Fällen von aufsen nach innen stattgefunden habe; wahrscheinlicher ist ihre Bildung in Absätzen, entweder so, dafs eine Anfangs enge Spalte sich beim Weiterreifsen erweitert und vergröfsert, oder, wie ich annehmen möchte, indem die Zerreifsung, einem anderen Mechanismus folgend, schichtenweise, der Dicke der Wandungen nach, stattfindet. Ich glaube einen Fall dieser Art beobachtet zu haben, und werde weiter unten darauf zurück kommen. Häufig empfindet der Kranke im Augenblicke der Zerreifsung einen eigenthümlichen, mehr oder weniger lebhaften Schmerz, welcher aber zuweilen auch gänzlich fehlt. Der Tod erfolgt meistens augenblicklich, in anderen Fällen treten Angstgefühl, Ohnmächten mit kleinem, unregelmäfsigem Pulse, kalter Schweifs u. s. w. in immer steigendem Grade hinzu, bis endlich die Catastrophe erfolgt, oder diese Erscheinungen sind intermittirend; das letzte geschieht, wenn die Zerreifsung von nur unbedeutender Hämorrhagie beglei-
133 tet ist, oder diese sich mittelst eines Blutpfropfes sistirt; die Intermittcnz dauert alsdann bis zum Abstofs dieses Pfropfes, bis zur Vergröfserung der Oeflnung, oder der Bildung einer neuen; dasselbe geschieht bei schichtemveiser Zerreifsung, wo dann die letzte K r i s e im Augenblicke der vollendeten Ruptur und des erfolgenden Ergusses in den Herzbeutel eintritt. Man findet die Ursache des Todes in dem Drucke, welchen das ergossene Blut auf das H e r z ausübt, oder in der Heftigkeit der Hämorrhagie; würde man nicht eben so g u t auch die Verwirrung des Kreislaufes, die Ohnmacht beschuldigen können, welche aus der durch die Zerreifsung des Herzens selbst entspringenden Störung seiner Function folgen? D e r Tod ist jedoch, wie gesagt, nicht immer der unausbleibliche Ausgang dieser Afi'ection. Man hat Fälle von Heilung gesehen, welche alsdann ähnlichen Vorgängen, wie bei obengenannter Intermittcnz, zu danken ist, nämlich der fehlenden Hämorrhagie oder der Bildung eines verseilliofsoiulen, aber festhaltenden Coagulums. Die Diagnose ist häufig sehr dunkel : die Herzzerreifsung kann mit dem Bersten eines Aortenaneurisma, mit Ohnmacht, Asphyxie und sogar mit plötzlich tödender Apoplexie verwechselt werden. Der Schmerz und die Präcordialbeklemniung können auch von Cardialgie, von Angina pectoris herrühren. Ebenso kann Zerreifsung des Zwerchfelles, eine nicht minder schreckliche Erscheinung, die Herzzerreifsung simuliren. W a h r h a f t charakteristische Zeichen ergeben sich aus der Percussion und Auscultation; ist die Zer-
134 reifsung von Ergufs gefolgt, so wird der matte Präcordialton ausgedehnter sein, was jedoch schwierig zu constatiren ist, theils weil die Klugheit in diesem Falle die Percussion nicht zuläfst, theils weil die Zeit und die Möglichkeit dazu fehlen. Die Auscultation leistet bessere Dienste ; sie verkündet uns die schwachen, entfernten, unregclmäfsigen Herzschläge. In dem schon erwähnten Falle liefs mich die Oberflächlichkeit des ziemlich deutlichen Herzschlages auf die Bildung einer theilweisen Ilerzzerreifsung, oder der Zerreifsung einer Schichte der Herzwand schliefsen. Man spricht von Blasebalggeräusch und selbst von einem Zittern (frémissement), demjenigen analog, welches bei Ancurismcn vorkommt ; doch möchte ich bezweifeln, ob dies j e positiv bestätigt wurde ; übrigens hätten diese Zeichen keinen absoluten Werth. Soviel ist gewifs, dafs die Herzzerreifsungen häufig verkannt, oder nur vermuthet und erst bei der Leichenöffnung nachgewiesen werden. An eine Behandlung gröfserer Herzzerreifsungen kann natürlich nicht gedacht werden, oder sie ist vollkommen erfolglos. Bei solchen, welche dem Kranken noch einige Zeit zu leben gestatten, befolge man die gelegentlich der Herzwanden gegebenen Vorschriften : absolute Ruhe, seltener Aderlässe, kühlende Mittel, Adstringentien, äufserlich und innerlich, Ableitungen auf die Extremitäten, Ligatur derselben u. s. w. Wo Ohnmacht oder äufserste Schwäche stattfinden , könnte man zu einem leicht stimulirenden Verfahren berechtigt sein. Die Digitalis wäre, bei längerer Fortdauer des Lebens, vielleicht nicht ohne
135 Nutzen, sowie auch in späteren Perioden, je nach den Erscheinungen ( A n ä m i e , Phlegmasia u. s. w . ) , noch andere Indicationen eintreten könnten. Hierher gehören auch die Zerreifsungen der Sehnen ( C o r v i s a r t , B e r t i n , L a e n n c c ) und der Klappen, von welchen B o u i l l a u d mehrere Beispiele citirt. Ihre Aetiologie fallt mit der oben erwähnten zusammen; sie können mehr oder weniger deutlich ausgesprochene Störungen im Kreisläufe erzeugen, als deren formelle Ursache sie jedoch während des Lebens schwer zu erkennen sind. Ueberlebt sie der K r a n k e , so erfolgt Insufficienz mit ihren charakteristischen Zeichen, besonders dem das nunmehr unvollständige Schliefen der Klappen begleitenden Blasebalggeräusche ; hieraus entstehen nun die eigenthümlichen Erscheinungen des Kreislaufshinderriisses, von welchen wir bei der Betrachtung der organischen Klappenfehler sprechen werden. Beob. I l c r z z c r r c i l ' s u n g .
W i r geben diese Beobachtung, welche wir der Güte des Herrn Dr. B e r t h e r u n d , Professors am Militärhospitale, verdanken, in folgendem Auszuge : - H e r r L . , ungefähr 40 Jahre alt, ist seit mehreren Jahren mit Aneurisma cordis behaftet. A m 30. April 1850, Vormittags II Uhr, wird er, nach einem in denletzten Tagen vorausgegangenen Gefühle von Unbchaglichkeit mit Blässe des Gesichtes, während der A n s t r e n g u n g , seine Stiefel anzuziehen, von einem plötzlichen Schmerze und heftiger Beklemmung in der H e r z g e g e n d , kaltem Schweifse und Ohnmacht befallen.
136 Eine Viertelstunde darauf ist der Kranke wieder zu sich gekommen und kann sein Bett erreichen; aber er fiihlt ein heftiges Brennen in der Herzgegend, der Puls ist fast erloschen, die Extremitäten sind kalt (Reibungen, heifses Wasser, Sinapismen auf die Füfse, Infus, fl. camom.; gleich darauf Aderlafs am Arme; das Blut sickert nur mühsam; 20 Blutegel auf das Brustbein). Um 1 Uhr etwas Besserung. Mau constatirt weiter verbreiteten matten Präcordialton ?, etwas stärkere Herztöne. Im Laufe des Abends abwechselndes Besser- und Schlechterbefinden; die übrige Nacht ruhig. Am folgenden Morgen entschiedene Besserung, vollkommene Rückkehr des Kreislaufes; des Abends etwas Beklemmung und Fieber. Nacht schlecht. Am Morgen des dritten Tages werde ich von den Herren DD. A r o n s s o h n , Hausarzt, B e r t h e r a n d und R u e f f ersucht, den Kranken mit ihnen zu besuchen. Wir finden denselben in seinem Bette, bleich, fast pulslos, mit sehr schmerzhafter Beklemmung in der Herzgegend und kalten Extremitäten. In der Furcht, die Schmerzen zu vermehren, besonders aber die Hämorrhagie zu bethntigen, wagen wir nicht zu percutiren, bei der Auscultation finden wir unregelmtfsigen, häufigen, jedoch deutlichen und ganz oberjlächlithen Herzschlag. Aus der Gesammterscheinung erkennen wir eine Herzzerreifsung als sehr wahrscheinlich, ohne jedoch die localen Symptome des Ergusses zu bestä-
137 tigcn (vollkommene Ruhe, äufserlich und innerlich Stimulantien). Dieser Zustand wählt den Tag über fort; des Abends jedoch scheint die Beklemmung weniger heftig und der Puls gehoben; aber gegen Mitternacht plötzlich äufserste Dyspnoe mit Schluchzen, die Brust füllt sich an (sie) und der Tod erfolgt in wenigen Secunden. Leichenbefund ( 6 0 Stunden nach dem T o d e ) : Verknöcherung der llippcnknorpcl. Ein bedeutender Blutkuchen, welcher wie beim Aderlässe in seinem Serum schwimmt, dehnt den Herzbeutel aus. Der rechte Vorhof ist nach oben und hinten in einer Ausdehnung von ungefähr 9 Linien zerrissen. Allgemeine Erweiterung mit Hypertrophie des Herzens, dessen Wandungen zerrciblich und mit Fett überfüllt sind; Lungen- und Aortenostium sehr erweitert, Insufficienz; Lungen gesund. Betrachten wir die verschiedenen Erscheinungen dieses Falles in ihrem Zusammenhange, so finden wir : 1) dafs die plötzlich auftretenden Zufalle während 60 Stunden bald mehr bald weniger nachgelassen haben: 2) dafs der Tod dann in wenigen Secunden erfolgte, wobei es schien als ob sich die Brust anfüllte; 3) dafs man bei der Leichenöffnung eine 9 Linien grofse Zerreifsung des rechten Vorhofes fand. W ä r e diese Zerreifsung kleiner und in der rechten Kammer gewesen, so hätte man an die Bildung eines die Hämorrhagie aufhaltenden Coagulums denken können. Die anatomischen Verhältnisse lassen aber hier eine solche Annahme nicht zu. Man könnte auch annehmen, dafs
»38 die Zcrreifsung, Anfangs sehr klein, sich im Augenblicke des Todes vergröfsert hätte. Alsdann aber wäre das Blut fortgesickert und die Erscheinungen des Druckes und der Anämie wären steigend gewesen. Die wahrscheinlichste Hypothese ist aber, dafs sich die Zerreifsung in verschiedenen Absätzen der Dicke nach, oder schichtenweise gebildet hat, d. h. dafs die Fleischsäulen und inneren Fasern zuerst, folglich ohne Blutverlust, zerrissen sind, worauf wir aus dem deutlichen und oberflächlichen Herzschlage schliefsen, welchen wir zwei Tage nach dem ersten Anfall und zwölf Stunden vor dem Ende wahrgenommen haben; dafs sodann die verdünnte Wandung gänzlich zerrissen ist und zu augenblicklich tödender Hämorrhagie Veranlassung gegeben hat. Ein scheinbar unbedeutender Umstand unterstützt diese Idee, nämlich der in seinem Serum schwimmende Blutkuchen. Wäre die Hämorrhagie langsam gewesen, so würde der Blutkuchen klumpig und mit Serum vermengt gewesen sein, wie man dies bei dem Blute eines sickernden Aderlasses findet. Dies sind freilich nur Annahmen, es sind aber die wahrscheinlichsten, und alles läfst uns glauben, dafs das Herz eben so gut schichtenweise wie ein anderes Organ, wie das arterielle Aneurisma selbst, zerreifsen könne. Die Heftigkeit der ersten Erscheinung kann nicht dagegen eingewendet werden, da man weifs, wie störend die einfachen Sehnen- oder Klappenzerreifsungen des Herzens wirken.
139 §.
3.
IiAKeverünricriiiig
du
îles
H e r z e n s
(Déplacement
coevr).
Im Gegensatze zu den schon oben abgehandelten angeborenen abnormen Lagen dös Herzens, verstehen wir hier diejenigen Veränderungen der normalen Hcrzlage, welche während des Lebens in Folge gewisser Zufalle entstehen. Das Herz kann häufig, ohne Beeinträchtigung seinerphysiologischen Thätigkeit, aus seiner normalen Lage verdrängt sein. Die krankhaften Veränderungen der letzteren können nach allen Richtungen hin geschehen. 1. Von links nach rechts : wenn sich ein fremder Körper, gleichviel ob gasförmig, flüssig oder fest, in die linke Brusthöhle drängt und diese ausfüllt, wie bei starkem Pleuraergufs, bei Hydropneumothorax u. s. w. Wir haben häufig bei chronischer Pleuresie der linken Seite das Herz bis unter die rechte Mammelle gedrängt gefunden, ohne dafs daraus merkliche Störungen in seinen Functionen entstanden waren, wobei diese veränderte Herzlagc sich nur zufallig, bei der Untersuchung des Thorax, kund gab. Häufig jedoch mufs eine solche Anomalie bedeutende Störungen in dem Kreislaufe und dem Athmungsvorgange hervorrufen. 2. Von rechts auch links. Diese Erscheinung ist viel seltener, als die vorhergehende, erfolgt aber aus analogen Vorgängen. 3. Von unten nach üben : wenn das Centrum phrenicum durch Ausdehnung der Bauchhöhle, bei Ascites, Tympanitis, grofsen Geschwülsten u. s. w., nach oben
140 gedrängt wird; da hierbei die Lungen zugleich mit nach oben getrieben werden, so mag die von den Kranken empfundene Unbehaglichkeit hauptsächlich diesem Umstände zuzuschreiben sein. Wir haben in unserer Klinik eine mit enormer Ovarienkyste behaftete Kranke; bei grofser Entwickelung drängt diese Kyste die Brustorgane zurück und verursacht eine bedeutende Dyspnoe, mit tumultuarischen Herzbewegungen, kleinem, unregelmäfsigem Pulse, drohender Asphyxie und Ohnmacht. Alles dieses verschwindet unmittelbar nach der Punction. Mit Recht hat P i o r r y auf die Gefahr dieser Erscheinungen in Folge der Auftreibung des Unterleibes, wie bei bösartigen Fiebern z. B., und auf die N o t wendigkeit diese Auftreibung zu beseitigen, aufmerksam gemacht. 4. Von oben nach unten verschiebt sich das Herz viel seltener, als umgekehrt. Dieses kann geschehen : 1) durch Senkung des Zwerchfelles, wenn dasselbe, bei exccssiver Erschlaffung der Bauchwandungen, seiner natürlichen Stützen beraubt ist; 2) durch Entwickelung einer Geschwulst im oberen Theile der Brusthöhle, eines Aneurisma des Aortenbogens z. B., wodurch das Herz nach unten gedrückt wird. L a t n n e c hat Fälle der Art gesehen, ohne dafs eine bestimmte Ursache nachzuweisen war. 5. Von hinten nach vorn : durch Verkrümmung des Rückgrates, Aneurisma der Brustaorta, oder irgend eine Geschwulst in dem hinteren Mediastinum. 6. Von vorn nach hinten : durch Herzbeutelergufs, was ziemlich häufig geschieht, oder durch irgend eine
141 andere flüssige oder feste Auftreibung hinter dem Brustbeine. In allen diesen Fällen genügt häufig schon die Palpation, um die Lage des Herzens zu bestimmen ; wo diese nicht ausreicht, bedient man sich, zur Sicherstellung der Diagnose, der Percussion und zuletzt der Auscultation. Die Ursachen sind meistens leicht zu erkennen, es seien denn tiefer liegende Geschwülste vorhanden, deren Natur sich erst in ihren Wirkungen kund gibt. Die allgemeinen Symptome dabei sind verschieden, j e nach dem Störungsgrade, welchen das Herz oder die benachbarten Organe in ihren Functionen erleiden* Die Behandlung hängt natürlicher Weise von den Ursachen und Nebenerscheinungen ab; deshalb sind die Indicationen so mannigfach, dafs wir auf deren vollkommene Aufzählung verzichten müssen. Kann die Ursache nicht beseitigt werden, so bleibt man auf die Bekämpfung der Kreislaufsstörungen und deren Wirkung beschränkt, wozu man sich der in der allgemeinen Therapie der Herzkrankheiten angeführten Mittel bedient, die wir weiter unten specieller betrachten werden.
III. Classe. EntzUndiui gen. Die Entzündungen der verschiedenen das Herz constituirenden Gewebe müssen umsomehr erkannt werden, als sie, abgesehen von ihrer eigenen Wichtigkeit, der Ausgangspunct einer Menge mehr oder weniger
m bedeutender Alterationen sind, welche meist den Hülfsquellen der Kunst spotten und nur in ihrer Quelle, d. h. in der sie erzeugenden Entzündung, mit Erfolg bekämpft werden können. Die Kenntnifs der Herzentzündungen ist, ohne Widerrede, der heutigen Wissenschaft zu verdanken. C o r v i s a r t und selbst L a e n n e c , welche soviel für die Diagnose der Herzkrankheiten im Allgemeinen geleistet, kannten nicht die Unterscheidungsmerkmale der Entzündungen dieses Organes, und wir werden in der That finden, dafs diese erst von unseren Zeitgenossen erkannt wurden, unter denen B o u i l l a u d der Vorrang gebührt, ohne der Ehre, welche vielen anderen Beobachtern gebührt für die Menge von speciellen Kenntnissen, die wir ihnen verdanken, zu nahe treten zu wollen; Obgleich die charakteristischen Zeichen der Entzündung der verschiedenen Organelemente des Herzens noch der Aufklärung bedürfen > so glauben wir doch diese Krankheiten getrennt betrachten zu müssen, und beschäftigen uns demnach mit der Pericarditis, der Endocarditis und der von P i o r r y trefflich so genannten Myocarditis, oder der Entzündung der eigentlichen Herzsubstanz. Etstes Kapitel.
Entzündung des Herzbeutels, ( Pericardite
Pericarditis
).
Geschichte. Die Alten kannten diese Entzündung des Herzbeutels nur in einigen ihrer Folgen, wie : seröser,
143 eitriger Ergufs, Pseudomembranen, Verwachsungèn, Verknöcherungen u. s. w. Wenn es wahr ist, dafs R o n d e l e t sie schon im Jahre 1574 angedeutet hat, so geschah dies doch nur auf eine unbestimmte Weise. S é n a c , M o r g a g n i , C o r v i s a r t habfcn zwar die mèîsten ihrer anatomischen Charaktere angegeben ; ihre Diagnose blieb jedoch bis zur Entdeckung der Auscultation durch L a e n n e c in tiefes Dunkel gehüllt. Dieser berühmte Beobachter war sogar auf dem Puncte das pathognomonische Merkmal der Pericarditis zu entdecken; denn er spricht im Vorbeigehen von dem Lederknarren, dessen Wichtigkeit er noch nicht begriff (1), und dessen sich C o l l i n später bemächtigte; B o u i l l a u d aber ist es, welchör durch Verallgemeinerung (2) der Kenntnifs des Reibungsgeräusches, die Grundlage zur Diagnose der Pericarditis legte. Vor ihm hatte schon L o u i s auf zwei werthvolle Charaktere : die Wölbung und den matten Ton der Präcordialgcgend aufmerksam gemacht (3); und auch P i o r r y trug das Seinige zur Beleuchtung dieser, (1) L a e n n e c sagte, dnfs man die Pericarditis ahnen, aber nicht erkennen könne. (2) B o u i l l a u d macht keine Ansprüche auf die Entdeckung dieses Zeichens, dessen Kenntnifs er verallgemeinert hat. Er gibt z u , dafs andere Beobachter, wie S t o k e s und H o p e in England, es ebenfalls wahrgenommen hatten : »Ich erkläre nur«, sagt er, »dafs ich e s zu einer Zeit kennen lernte, wo ich von seiher gleich»zeitigen Beobachtung durch Andere noch nicht unterrichtet war.« (Diel, de med. el chir. prat. 1834.) (3) Es sei hier bemerkt, dafs C o r v i s a r t die Wölbung und L a e n n e c den matten Ton angegeben hatten; L o u i s aber hat ihre Wichtigkeit bei der Pericarditis hervorgehoben.
144 heutzutage einer der bestgekannten, Krankheit bei, indem er die Hülfsquellen der Percussion erschlofs. Aetiologie. Die Ursachen der Pericarditis können, wie in den meisten Entzündungen, mechanischer (traumatischer), oder hygiänischer (Kälte, Reize) Natur sein; hauptsächlich aber entspringt dieselbe aus anderen pathologischen Verhältnissen, wie, nach T e s t a , K r e y s i g , B o u i l l a u d u. A . , aus acutem Gelenkrheumatismus, aus Pleuritis, Pneumonie ( C o r v i s a r t ) , aus sogenannten organischen Herzkrankheiten u. s. w. Symptome. 1.
Organische
Symptome.
Die anatomisch - pathologischen Charaktere der Pericarditis sind die der Entzündung aller serösen Häute; wir können uns daher einer weiteren Entwicklung derselben überheben; also Rothe unter verschiedener Gestalt (baumförmig verzweigte, gefleckte, gürtelförmige u. s. w.), stärkere oder geringere, seröse trübe, flockige Ausschwitzung, Pseudomembranen von verschiedener Ausdehnung, Dicke und Festigkeit. Die Pseudomembranen haben hier ein eigentümliches Aussehen; bald erscheinen sie zottenförmig, wie auf der Ochsenzunge, bald areolenartig, wie die Honigwabe, oder der zweite Magen des Kalbes ( C o r v i s a r t ) , oder sie sehen aus, wie die Unebenheiten, welche an zwei platten Körpern haften, zwischen denen man Butter geprefst hat (Hope). Die Verschiedenheit dieser Formen wird den Herzbewegungen zugeschrieben,
145 welche sieh den Verwachsungen, nach der die Pseudomembranen beständig streben, widersetzen. Weiter hinaus können sich das Visceral - und Parietalblatt durch bandartige, oder oft auch durch mehr oder weniger innige und ausgedehnte Verwachsungen verkleben; dies geht manchmal bis zu gänzlicher Verwachsung des Herzens mit seiner Hülle, was die Alten hie und da als Abwesenheit des Pericardiums bezeichnet haben. Zuweilen entstehen Eitersecretionen oder Blutausschwitzungen. Die fibrösen, knorpeligen, ja sogar knochigen Flecken, und die Auswüchse, welche sich an der Oberfläche des Pericardiums bilden können, sind Producte und nicht Symptome der Entzündung. Wir erwähnen hier auch jener Milchhäutchen oder Milchflecken, welche man häufig auf dem Pericardium findet, deren entzündlicher Ursprung, von L a e n n e c schon angenommen, heutzutage geläugnet wird; dies ist aber eine Hypothese, während erwiesen ist, dafs diese Häutchen sich mit den anderen Producten der Entzündung zusammenfinden, deren Folgen augenscheinlich auch sie selbst sind. 2.
Functionssymptome.
Unter den localen Functionssymptomen begreifen wir zuerst den Schmerz, welcher in verschiedenen Graden und unter verschiedenen Charakteren auftritt; er kann fast unfiihlbar oder von fürchterlicher Heftigkeit sein, wie Cabanis von dem berühmten Mirabeau, welcher dieser Krankheit unterlag, erzählt. Meist jeF o r g e t , Herzkrankheiten.
JQ
146 doch beschränkt er sich auf ein unbestimmtes und schwer zu localisirendes Gefühl von Unbehaglichkeit und Beängstigung. Die anderen Localsymptome hängen von dem anatomisch-pathologischen Charakter der Krankheit ab; so zeugt der matte Präcordialton, welcher mehr oder weniger seine normalen Grenzen überschreitet, von der Quantität der im Pericardium befindlichen Producte. (1) Die Präcordiahcöllmng hängt ebenfalls von der Anfullung des Herzbeutels ab, und bildet sich nur dann, wenn der Ergufs stark genug ist, um das Brustbein und die Rippen zu heben. Das Reibvngsgeriiusch mit seinen mannigfachen Nüancen (Streifen, Lecken, Knarren, Raspeln) ist der Ausdruck der von verschiedenen Krankheitsproducten herrührenden Unebenheiten. Dieselben sind von verschiedener Consistenz und bekleiden die entglätteten Flächen des Pericardiums (pseudomembranöse Exsudate, zellgewebige, faserige, knorpelige, knochige Producte u. s. w.). Die frische oder acute Pericarditis erzeugt ein ziemlich zartes Reibungsgeräusch, welches B o u i l l a u d mit dem Aneinanderreiben von satinirtem Papiere vergleicht. Mir scheint es mehr Analogie mit dem (1) Wir begreifen nicht, aus welchen wichtigen Gründen man die Priicordialgegend in dieser oder jener Lage des Kranken percutiren will; denn es verhält sich anders mit dem Herzen als mit den Lungen, einem sonoren, von der Flüssigkeit getragenen Organe, während daB Pericardium, in welchem sich nur nichtsonore Masse befindet, in allen Lagen einen matten Ton gibt.
147 Geräusche zu haben, welches entsteht, wenn man beide Tuchrockärmel auf einander streicht, oder noch mehr mit dem Geräusche, welches eine leckende Katzenzunge hervorbringt. Das"Neuledergeräusch, welches L a e n n e c angedeutet, und später C o l l i n genauer bezeichnet h a t , ist sehr selten. Ich habe es nur einigemal beobachtet. E s hat seinen Namen von der Aehnlichkeit mit dem Geräusche, welches neue Stiefel, oder Sättel erzeugen. Sollte dieses Geräusch nicht gerade von dem Zerren der mehr oder weniger consistenten pseudomembranösen Bänder herrühren? D a s Raspelgeräusch kommt hauptsächlich bei solideren, knorpeligen, knochigen Producten vor (B o u i 11 a u d). Das Reibungsgeräusch wird hauptsächlich an der Stelle wahrgenommen, welche der Herzspitze entspricht, es ist meist mit der Systole isochron, kann sich aber bei beiden Tempo's zusammen oder einzeln erzeugen. E s entsteht ohne Zweifel durch das Zusammentreffen der Herzspitze mit dem Parietalblatt des Pericardiums, welches sie bei jedem Schlage gewissermafsen leckt. Dieses Geräusch kann unter gewissen Umständen fehlen, besonders da, wo der Ergufs stark genug ist, um das Parietalblatt des Herzbeutels von der Herzoberfläche entfernt zu halten. Sein eigentümlicher Klang, seine Oberflächlichkeit, sein Sitz in der Gegend der Herzspitze lassen es hinreichend von anderen Geräuschen unterscheiden. B o u i l l a u d zählt das Blasebalggeräusch unter die Zeichen der Pericarditis; ich halte es nicht für 10 *
148 ein wesentliches Symptom derselben, sondern für das Resultat einer Complication, z. B. der Endocarditis. Dieselben Umstände, welche das Reibungsgeräusch verursachen, rufen zuweilen auch ein anderes nicht acustisches, sondern tactiles Zeichen hervor, das vibratorische Zittern, welches man mit der zufiihlenden Handfläche, besser aber mittelst der Digitalpalpation wahrnehmen kann (frémissement vibratoire). Ist die Fläche des Pericardiums durch solide Krankheitsproducte rauh geworden, so tritt dieses Zittern deutlich hervor, und ahmt ziemlich gut das Katzenschnurren (frémissement cataire) nach; bei reichen Exsudaten wird es nicht wahrgenommen. (1) Die Unregelmäfsigkeit der Herzschläge oder die Palpitationen. kommen häufig bei dieser Krankheit vor. Die Herztöne sind tumultuös, häufig vndewäkh und tiefgelegen, je nach der Menge des Ergusses, welcher das Organ von dem Ohre des Beobachters entfernt und in seinen Bewegungen beengt. Die allgemeinen Functionssymptome ergeben sich : aus der Frequenz und der Unregelmäfsigkeit des Pulses, dessen Völle bedeutend wechselt, aus der Dyspnoe, welche gewöhnlich durch Kreislaufsstörun(1) G u b l e r , Vorsteher ron B o u i l l a u d ' s Klinik, bat soeben eine Arbeit veröffentlicht, aas welcher erhellt, daß man da, wo Pseudomembranen bestehen, durch den Druck mit dem Finger in die ßippenzwischenräume, bei großer Aufmerksamkeit, ein leichtes, dem Reibungsgeräusche entsprechendes Zittern wahrnehmen könne, welches sich manchmal bis gegen die Achselhöhle ausdehnt und bei der Auscultation wie das Reiben des Fingers auf Seidenstoff wahrgenommen wird.
149 g e n , seltener durch den Druck des übermäfsigen E r gusses entsteht; aus den Ohnmächten, welche jedoch seltener sind, als man angegeben hat, und von den Störungen der Herzbewegungen herrühren mögen; endlich aus der venösen Stase und ihren Folgen : Visceralcongestionen, Anasarca, Cyanose, u. s. w., welche ebenfalls von Hindernissen im Kreislaufe herstammen. Das constanteste und bezeichnendste aller dieser Symptome, das einzige oft, welches die Krankheit erkennen läfst, ist das Reibiingsgeräusch, welches man mit Wahrheit das pathognomonische Zeichen der Pericarditis nennen kann. Jedoch mufs es sorgfaltig von anderen Geräuschen unterschieden und darauf Rücksicht genommen werden, dafs es auch in gewissen Fällen fehlen kann, namentlich da, wo der Ergufs bedeutend ist. Varietäten. Man hat die Pericarditis, ihrem Charakter nach, als trockene, pseudomembranöse, als feuchte, seröse, und als blutige oder eiterige, je nach der Natur der Exsudate, bezeichnet. Wir übergehen weitere Details, da die zur Diagnose dieser Varietäten gehörigen Zeichen entweder meist fehlen, oder leicht gedacht werden können. Wir müssen aber hauptsächlich auf die latente Pericarditis aufmerksam machen, welche häufig genug vorkommt, wenn man alle die Fälle bedenkt, wo diese Krankheit der Diagnose entgeht, entweder weil keine äufseren hinreichenden Erscheinungen vorhanden sind,
150 oder weil sie mit anderen Affectionen verwechselt, oder endlich weil sie von anderen Krankheiten maskirt wird; dies würde in der That seltener vorkommen, wenn die, mit den Krankheiten des Herzens gehörig vertrauten, Aerzte sich die Mühe geben wollten, dieses Organ genau zu untersuchen, selbst wenn ihre Aufmerksamkeit nicht durch specielle Symptome darauf gelenkt wird; denn, abgesehen von anderen Localsymptomen, würden 6ie dann leicht das Reibungsgeräusch wahrnehmen, welches, wie schon gesagt, für sich allein zuweilen die Pericarditis charakterisirt. Verlauf. Die Pericarditis hat in der Regel einen acuten Verlauf; sie beginnt wie die meisten Entzündungen mit stärkerem oder schwächerem Froste, mit darauf folgendem Fieber und Schmerz von verschiedener Intensität, Kreislaufsstörungen und Präcordialbeklemmung, — Phänomene, welche von einigen Tagen bis zu mehreren Wochen dauern können. In anderen Fällen bildet sich die Pericarditis langsam aus und geht dem behandelnden Arzte unbewufst in chronischen Zustand über. Dauer. Diese Krankheit dauert von einigen Tagen bis zu mehreren Monaten, d. h. sie ist acut oder chronisch; man unterscheide hier jedoch zwischen der Entzündung und deren Wirkungen, und verwechsele die aus letzteren entspringenden Erscheinungen nicht
151 mit denen der Entzündung selbst. Es ist übrigens oft schwer, hier die Grenze genau zu erkennen. Ausgänge. Die Pericarditis geht aus in Genesung, in andere Krankheiten und in Tod. 1) Genesung. Sie erfolgt durch Zertheilung. Dieser Ausgang ist ziemlich häutig, wie man aus den Spuren schliefsen kann, welche man so oft bei Sectionen findet. Die Genesung ist unvollkommen, wenn sich Verwachsungen zwischen den Blättern des Pericardiums gebildet haben, denn diese Abnormitäten erzeugen häufig Unbehagen, gröfsere oder geringere Störungen, wie wir bei den organischen Fehlern sehen werden. 2) Andere Krankheiten. Hierher gehören die Verwachsungen , die fibrösen, knorpeligen, knochigen Entartungen, die Tuberkel- und Krebsproducte u. s. w., insofern dieselben aus Entzündung entspringen. 3) Tod, dieser leider zu häufige Ausgang der acuten, oder stärkeren chronischen Pericarditis. Hier unterscheide man aber zwischen Tod durch Entzündung, und diesem Ausgange durch Entzündungsfolgen; denn der Tod kann sowohl direct durch die Eingriffe der Kreislaufsstörungen und der Mitleidenschaften in das Lebensprincip, und durch die mechanischen Hindernisse, welche für die Herzbewegungen aus den exsudirten Materien entspringen, als indirect durch die organischen Folgekrankheiten einer nicht mehr bestehenden Entzündung herbeigeführt werden.
152 Complicationen. Die Pericarditis kann sich compliciren : 1) mit anderen Herzkrankheiten, zu welchen sie sich als Ursache, Wirkung oder als blofse Nebenerscheinung verhalten kann, wie z. B. mit Endocarditis und den verschiedenen organischen Alterationen; 2) mit Krankheiten aufserhalb des Herzens, mit welchen sie im Causalnexus stehen kann, wie z. B. mit Pleuritis, Pneumonie, acutem Gelenkrheumatismus, aus welchem sie oft hervorgeht, mit Visceralcongestionen, Hämorrhagien, Wassersuchten in Folge der von ihr erzeugten Kreislaufsstörungen, oder mit intercurrirenden Krankheiten überhaupt. Diagnose. Die Pericarditis kann mit anderen Affectionen des Herzens, oder mit diesem Organe fremden Krankheiten verwechselt werden. 1. Die Wölbung, die Dumpfheit des Tones in der Herzgegend, die Unregelmäfsigkeit der Herzschläge u. s. w. sind Symptome, welche viele Affectionen dieses Organes mit einander gemein haben. Es müssen daher andere, charakteristische Kennzeichen aufgesucht werden, und diese bietet uns die Auscultation; dahin gehört : 1) das von uns als pathognomonisch gegebene Reibungsgeräusch, dessen Klang, Oberflächlichkeit und Sitz, welcher der Herzspitze entspricht, in den meisten Fällen genügen, es vom Blasebalggeräusche z. B. zu unterscheiden. Man mufs jedoch zugestehen, dafs hier die Nuancen zuweilen zu gering
153 sind, um eine Verwechselung unmöglich zu machen; 2) die Entfernung der Herztöne, da, wo bei stärkerem Ergüsse das Reibungsgcräusch fehlt. In Ermangelung dieser beiden Merkmale ist man auf Erwägung aller Umstände angewiesen, um, m i t L a e n n e c , die Krankheit zu ahnen, in der Unmöglichkeit, dieselbe positiv zu charakterisiren und von anderen Alterationen mit ähnlichen Symptomen zu unterscheiden. 2. Die Pericarditis kann mit dem Herzen fremden Affectionen verwechselt werden, besonders wenn sich durch diese letzteren die beobachteten Symptome gehörig erklären lassen; oder aber die Zeichen der Pericarditis können durch andere Symptome maskirt werden. So ist es möglich, dafs Brustkrankheiten mit Seitenstechen, Dyspnoe und Fieber die Aufmerksamkeit des Arztes fesseln und von der Untersuchung des Herzens ablenken; dafs die verschiedenen rasseln* den Geräusche, welche in den Bronchien entstehen, ein zartes oder sehr schwaches Reibungsgeräusch verdecken, dafs ein rauhes Blasebalggeräusch in den Ostien eine mitbestehendc Pericarditis verkennen läfst. Die erfahrensten Practikcr begehen dergleichen Irrthümer. Also nur indem man sich die unterscheidenden Charaktere der verschiedenen Brustkrankheiten tief einprägt und indem man mit der gröfsten Aufmerksamkeit alle Organe wiederholt prüft, kann man vor ähnlicher Täuschung sich sichern zu können hoffen. Prognose. Die Prognose der Pericarditis ist bei der Wichtigkeit des befallenen Organcs immer bedenklich, was
154 man auch dagegen sagen mag; sie ändert sich aber : 1) je nach der Heftigkeit der Krankheit; 2) nach ihren Ausgängen; bedeutender und eiteriger Ergufs verschlimmert die Vorhersage, sowie auch die Verwachsungen von gröfserer Bedenklichkeit sind, als man gewöhnlich annimmt; 3) nach den häufigen Complicationen, und endlich 4) nach der Dauer und den Fortschritten der Krankheit, bevor sie erkannt wurde. Behandlung. Zur Aufstellung eines rationellen Heilverfahrens gegen die Pericarditis mufs, wie bei allen Entzündungen, im acuten Zustande hauptsächlich zwischen den verschiedenen zu bekämpfenden Krankheitselementen geschieden werden, dem Elemente Entzündung und dem Elemente Exsudat, welche in der Praxis fast immer zusammengeworfen werden, indem man annimmt, dafs solange Ergufs besteht auch die Entzündung fortdauere. 1. Die Entzündung erfordert die directe antiphlogistische Behandlung in ihrer ganzen Strenge, solange sie noch einen gewissen Grad von Intensität besitzt, den man aus dem Schmerze und aus der Fieberreaction ermifst. Hier finden demnach die allgemeinen und örtlichen Blutentleerungen, mit Rücksicht auf das Alter und die Kraft des Subjectes, die Heftigkeit und die Dauer der Krankheit, deren Complieationen u. s. w. ihre Anwendung. Die Nothwendigkeit, den Ergufs zu mäfsigen, der Eiterung, den Verwachsungen, anderen mifslichen Folgekrankheiten vorzubeugen, gebietet einen energischen Gebrauch dieser Mittel.
155 Es versteht sich von selbst, dafs die Blutentleerungen hier durch ein geeignetes allgemeines Verhalten, durch Verdünnung der Säfte, absolute Ruhe und strenge Diät unterstützt werden müssen. Ist die Entzündung genügend gedämpft, oder die rechte Zeit für Blutentziehungen vorüber, so gehe man unmittelbar zu den ableitenden Mitteln über. Blasenpflaster auf die Herzgegend, schon von C o r v i s a r t angepriesen, werden von allen Neueren, namentlich auch von B o u i l l a u d vorgeschrieben. Man nimmt dabei allgemein an, dafs öfteres Auflegen von frischen Pflastern dem längeren Unterhalten der ersten Eiterung vorzuziehen ist. Ein Hülfs- oder Ersatzmittel der Debilitantien haben wir in der Digitalis, welche innerlich in einem Infusum von 50 Ctg. ( = gi\ X) auf 100 Grm. Vehikel ( = 3 J Unzen), oder, nach B o u i l l a u d ' s Methode, endermatisch (50 Ctg. — 1 Grm. Digitalispulver auf die Blasenstelle) angewandt wird. Hierauf beschränken sich ungefähr die Indicationen der acuten Entzündung. 2. Die Behandlung des Exsudates fallt zum Theil mit der der Entzündung zusammen. Es wird dadurch sowohl in seiner Quelle, als auch an und für sich bekämpft; denn die Blutentleerungen bethätigen die Absorption, die Vesicantien zertheilen durch die Ausschwitzung, und die Digitalis befördert die Harnsecretion. Es gibt aber aufserdem noch eine Reihe von Mitteln, welche sich speciell auf die ergossene Flüssigkeit beziehen; zu diesen gehören :
156 a. Die Einreibungen von Quecksilbersalbe auf den Thorax in einer Dosis von mehreren Scrupeln und mehrmals des Tages wiederholt, bis sich leichte Stomatitis mercurialis zeigt, worauf man damit einhält. Zuweilen beobachtet man schon hier Besserung, und man könnte daher die Frage aufwerfen, ob die Quecksilbermittel nicht eben so gut ableitend, als die Absorption specifisch bethätigend wirken. b. Die Purgantien in ihrer Eigenschaft als ableitende und ausführende Mittel. Gewöhnlich läfst man Neutralsalze in Zwischenräumen von einigen Tagen und mit gehöriger Rücksicht auf die Verdauungsorgane verabreichen. Das Calomel scheint uns nur da den Vorzug zu verdienen, wo man durch dessen Aufsaugung eine der Purgirung fremde Wirkung, die Salivation, erreichen will. c. Die Diuretika; sie sind directer gegen den Ergufs gerichtet, denn sie sollen eine natürliche Secrction steigern, um die krankhafte zu vermindern. Wir haben gesehen, dafs die Digitalis sich hier einen besonderen Namen erworben hat. Man kann ebenfalls das salpetersaure und essigsaure Kali, die Meerzwiebel u. s. w. iri verschiedenen Formen und Dosen anwenden. Dieses sind, im Ganzen die in der acuten Pericarditis angezeigten Mittel, welche ebenfalls in chronischen Fällen dieser Krankheit, mutatis mutandis, ihre Indicationen haben. Wir können uns hier nicht auf die Mittel, welche die Complicationen der Pericarditis im Einzelnen erheischen, einlassen. Sind diese neuen Erscheinungen
157 entzündlicher A r t , so bleibt die Indication der Antiphlogose um so mehr fortbestehen; sind sie asthenischer Natur, so darf man ihretwegen die Entzündung nicht sich selbst überlassen, da von zwei entgegengesetzten Elementen das Gefährlichste zuerst bekämpft werden mufs. Die sogenannten organischen Alterationen haben, ob man sie als Ausgänge oder als Complicationen der Pericarditis betrachtet, ihre specielle, von der Behandlung dieser Phlegmasie zu unterscheidende Anzeige, die wir gehörigen Ortes kennen lernen werden. Hier folgen einige Beobachtungen, welche für die eben angeführten Principien sprechen. Ein Beispiel von Pericarditis, welche für Jeden, der nicht auscultirt hatte, verborgen geblieben wäre, gibt ein Mädchen, welches mit Symptomen einer Gastrointestinalaffection in unsere Klinik aufgenommen wurde. Diese Symptome verschwanden schnell, hinterliefsen aber leichte Dyspnoe, trockenen Husten und einigen Schmerz in der Präcordialgegend; der Puls ist regelmäfsig, wenig entwickelt, 80 Schläge. Bei aufmerksamer Auscultation vernehmen wir ein oberflächliches Reibungsgeräusch, ein deutliches Lecken, in der Gegend der Herzspitze, isochronisch mit der Systole; keine Hervortreibung, keine abnorme Ausdehnung des matten Tones. Die Pericarditis wird von jedem Anwesenden erkannt. Wir verordnen 15 Blutegel auf das Präcordium und Emollientia. Das Reibungsgeräusch ist den andern Tag noch eben so hörbar, verschwindet aber alsdann allmählig. (Observ. IX des Études cliniques.)
158 Hier hatte sich die Pericarditis trügerisch unter dem Schleiér gastrischer Affection erzeugt und wäre ohne Auscultation unerkannt geblieben. Die Pericarditis kann, wie jede andere Entzündung« bei chlorotischen, anämischen Individuen vorkommen, ohne Gegenanzeige der Antiphlogose ; denn vor Allem mufs das entzündliche Element beseitigt werden, vorbehaltlich einer späteren Behandlung der durch den Blutverlust erhöhten Anämie. Die zehnte Beobachtung unserer Études cliniques gibt einen schlagenden Beweis für die Richtigkeit dieser Ansicht. Ein junges, schwächliches, anämisches Mädchen kommt mit Symptomen von Bronchitis, die seit sechs Wochen dauern, in unsere Klinik : Husten, Schleimauswurf, Dyspnoe, Fieber, zerstreutes Schleimrasseln, starker, frequenter Herzschlag, oberflächliches, doppeltes, deutliches Reibungsgeräusch. Innerhalb zehn Tagen drei mäfsige Aderlässe, dreimaliges Ansetzen von Blutegeln, zwei Abfuhrungen, und ein Blasenpflaster auf die Herzgegend; Digitalispulver endermatisch. In vierzehn Tagen sind die Erscheinungen in Liingen und Herz verschwunden, an ihrer Stelle aber Blässe und Blasen in den Carotiden. Beides wird durch Eisenmittel und analeptische Diät entfernt. In solchen Fällen ist der Tact des Arztes auf eine harte Probe gestellt; hier mufs zwischen zwei Klippen gesteuert, die Wahl zwischen zwei feindlichen Indicationen getroffen, ein freier Entschlufs gefafst und dabei mit der Umsicht verfahren werden, welche zwei sich gegenüberstehende Elemente gebieten.
159 Zweites Kapitel.
Innere Herzentzündung, Endocarditis (Endocardite, Cardite, Cardite inlerne). Definition. Die innere Herzentzündung oder Endocarditis ist die Entzündung des Endocardiums, d. h. der Membran, welche die Herzhöhlen bekleidet, durch Falten die Klappen der Mündungen bildet und ihrer Structur und Function nach zu den serösen Häuten gehört; denn sie ist dünn, durchscheinend, glatt und bestimmt, das Gleiten der Blutsäule zu begünstigen. Geschichte. Schon im Altcrthume waren die krankhaften Veränderungen der inneren Oberfläche des Herzens bekannt, sie wurden besonders durch M o r g a g n i , H a l l e r , H ü n t e l ' und Andere näher untersucht; die Entzündung der inneren Herzmembran, vom ätiologischen und symptomatologisehen Standpuncte aus betrachtet, aber gehört erst der neueren Zeit an, wo man sie von der Entzündung des Herzens im Allgemeinen getrennt beschrieben hat. J o h n s o n soll sie schon in seiner Abhandlung über Rheumatismus im Jahre 1820 bezeichnet haben. B r o u s s a i s sagt in seinem Examen des doctrmes (1827) von ihr : »Entzündung entsteht »auf der inneren Herzhaut, cjies ist die gewöhnlichste »Form der Carditis. Sie befällt vorzugsweise die ar»teriellen Mündungen, wird leicht chronisch, und erz e u g t Hindernisse für den Kreislauf, Neubildungen,
160 »Verknöcherungen und in deren Folge Hypertrophie. vSie entsteht häufig aus Entzündungen des Bewegungs•napparates.u. Dies ist denn in Kurzem die Geschichte der Endocarditis; sie ist lange vor der von B o u i l l a u d bestimmten Epoche ihres Beginnes gegeben, welcher in seiner (1846) erschienenen Nosographie behauptet, dafs die Endocarditis erst seit zehn Jahren, also seit 1836 bekannt sei, während er in seiner Abhandlung über Rheumatismus vom Jahre 1840 gesagt hatte, dafs er den Znsammenhang des Rheumatismus mit Endocarditis erst im Jahre 1832 beobachtet habe. Zweifelsohne beruht dieser Widerspruch auf Verwechselung der Data; B o u i l l a u d aber hat jedenfalls das Verdienst, wenn er auch die Endocarditis selbst nicht entdeckt hat, deren Nosographie aufgestellt, zu ihrer weiter verbreiteten Kenntnifs in einer Reihe von Artikeln beigetragen und sie mit dem heutzutage allgemein angenommenen Namen treffend bezeichnet zu haben. Aetiologie. Die Endocarditis kann aus mechanischen oder traumatischen, aus hygiänischen (Kälte, heftige Gemüthsbewegungen) und endlich aus pathologischen Ursachen, wie acutem Gelenkrheumatismus, Pericarditis, Pleurit i s , Pneumonie und nach B o u i l l a u d aus bösartigen Fiebern, febrilen Exanthemen u. s. w. entstehen. Wie sie sich auch immer heranbilden möge, so wird man doch leicht einsehen, dafs die verschiedenen Alterationen des Blutes, mit welchen das Endocardium in unausgesetzter und thätiger Berührung ist, auf irgend
161 eine Weise zur Erzeugung dieser Entzündung beitragen können und müssen; — doch steht dieses noch in dem Felde der Hypothese. Symptome. 1.
Organische
Symptome.
Vom klinischen Standpunkt aus ist es wichtig, zwischen der Endocarditis welche die Klappen befällt C Endocarditis valvularis) und der Endocarditis der Wandungen (Endocarditis parietalis) zu unterscheiden. Die Entzündung der Klappen ist in der Tliat häufiger und von wichtigeren Erscheinungen begleitet,. als die Entzündung der Membran, welche die Herzwandungen überzieht, so dafs, wenn von Endocarditis die Rede ist, man fast immer darunter die Entzündung des Klappenapparates versteht; wir werden uns deshalb auch am speciellsten mit dieser beschäftigen. Die Valvularendocarditis hat häufiger ihren Sitz in der linken, als in der rechten Hälfte. Dort kommt sie eben so oft an der Mitral- oder Aortenmündung, als an beiden zugleich vor. Es wurde viel über den entzündlichen oder nicht entzündlichen Charakter der Rothe auf der inneren Herzfläche gestritten. Schon G a l e n hatte sie bemerkt, aber bis auf die neueste Zeit wurde sie allgemein der Blutdurchschwitzung zugeschrieben. Diese Rothe kann rationeller Weise als entzündlich gelten, wenn sie lebhaft, punetirt, netzartig (vasculär) und mit gröfserer oder geringerer Verdickung des Endocardiums verbunden ist, wenn die Herzhöhlen kein Blut F o r g e t , Herzkrankheiten.
H
162 enthalten, und die Autopsie vor eingetretener Verwesung gemacht wird. Uebrigens mufs, unserer Ansicht nach, diese Frage nicht blofs durch Leicheninspcction gelöst werden, sondern es ist diese Rothe als entzündliche zu betrachten, wenn während des Lebens Erscheinungen von Endocarditis vorhanden waren. Aller Zweifel ist gehoben, wenn zu den eben erwähnten anatomischen Charakteren sich Erweichungen« pseudomembranöse Ausschwitzungen, freie oder in Kysten eingeschlossene Eiterablagerungen, Erosionen, Verwachsungen, leichte Klappenverbildungen u. s. w. gesellen. Dieses sind die anatomischen Kennzeichen der acuten Endocarditis, oder des ersten Grades der Klappenveränderungen, welcher allein als Entzündung gelten darf. Die sogenannte chronische Endocarditis, welche sich durch fibröse, knorpelige, knochige Verdickungen, Vegetationen u. s. w. charakterisirt, ist keine Entzündung mehr. Diese Erscheinungen sind nur höchstens Entzündungsproducte, und bilden die Reihe der organischen Fehler, welche wir den zweiten Grad der Klappenalteration nennen und deren Geschichte bei der Abhandlung dieser Classe zur Sprache kommen wird. Um so weniger können wir die consecutiven, aus Klappenfehlern entstehenden Alterationen der Herzwandungen zur Endocarditis zählen; dahin gehören die Erweiterung, die Hypertrophie, die Verdünnung der Wandungen u. s. w., welche den letzten oder
163 dritten Grad der Klappenfehler bilden, und bei diesen besprochen werden sollen. 2.
Fnnctionssymptome.
D i e örtlichen Functionssymptome sind folgende : D e r S c h m e r z , welcher häufig fehlt, sich selten a n d e r s , als unbestimmt durch Unbehagen, Beklemm u n g in der Präcordialgegend kund g i b t , und leicht mit dem Schmerze, welcher den vorhergehenden oder begleitenden Krankheiten (Pneumonie, Pleuritis, Rheumatismus u. s. w.) angehört, verwechselt werden kann. D i e S t ä r k e , Frequenz und Unregelmäfsigkeit der Herzbewegungen sind Symptome, welche häufig undeutlich ausgesprochen sind und vielen anderen Affectionen angehören können. D a s als pathognomonisch angenommene Blasebalggeräusch endlich, welches mehr oder weniger deutlich sein k a n n , und von Anschwellung (enchifrenement) der Klappen herrührt; dieses Geräusch, beim Beginne der Krankheit gewöhnlich schwach und zart, kann aber auch von jeder anderen Ursache, als von Endocarditis herrühren, von Chlorose, Anämie, Krämpfen, veralteter, nicht entzündlicher Klappen Verdickung u. s. w. Man vermuthet sogar, dafs B o u i l l a u d durch die Verwechselung des von seinen Aderlässen coup sur coup herrührenden anämischen Blasebalggeräusches mit dem, welches aus Klappenentzündung entsteht, zu der Annahme verleitet worden s e i , die Endocarditis bilde sich fast immer aus Rheumatismus. B o u i l l a u d spricht auch von Wölbung und weiter verbreitetem matten Tone der Herzgegend als localen
11 *
164 Zeichen der Endocarditis; uns scheint jedoch, dafs dieselben, im Falle sie wirklich vorkommen, äufserst schwach ausgesprochen, und dann auch eher die Folgen einer Herzerweiterung durch Kreislaufshindernisse, als der Entzündung selbst sind; die acute Entzündung aber ändert den Durchmesser der Mündungen nicht genug, um ein bemerkenswerthes Hindernifs fiir den Kreislauf zu veranlassen. Zu den allgemeinen Fimctionssymptomen gehören die Frequenz (1) und die Unregelmäfsigkeit des Pulses, die Dyspnoe, die Fieberhitze, — Phänomene, welche oft in geringem Grade vorhanden sind, und eben so gut anderen Affectionen angehören können. Nur selten, und wenn bei vorangeschrittener Krankheit notorische Kreislaufshindernisse durch Klappenentartung bestehen, zeigen sich Oedem, Cyanose und andere Folgen der venösen Stase. (1) Autoren von Gewicht haben die Meinung ausgesprochen, das Entzündungsfieber und vielleicht das Fieber im Allgemeinen sei nur der Ausdruck eines gewissen Entzündungsgrades der inneren Gcfafshaut und des Endocardiums insbesondere; G r a n t , J . P . F r a n c k , F i n e l und B o u i l l a u d gehören zu denen, welche die Rothe der Gefäße bei Fiebern beobachtet haben. In der That dürfte diese Erklärnngsweise der Fieberreaction aus einem Reizzustande, wenn auch nicht gerade ans einer Entzündung des Endocardiums , der nebelhaften Lehre von den Sympathien und selbst Reflexen vorzuziehen sein. B o u i l l a u d fragt sich sogar, ob die erhöhte Flasticität des Blutes bei Entzündungszuständen nicht gerade einem plastischen Exsudat der entzündeten Gefäfshaut, das in den Kreislauf fortgerissen werde, zuzuschreiben sei. Wir können über diese wichtigen Fragen hier nicht streiten; sie gehören zor Geschichte des Fiebers und der Fieber; wir haben ihrer blofs insoweit als für unsere Aufgabe interessant ist zu erwähnen.
165 Man ersieht hieraus, dafs keines dieser localen und allgemeinen Funetionssymptome einen absoluten W e r t h hat. A u f diesen Mangel pathognomonischer Zeichen gestützt beschreibt P i o r r y die Entzündungen des Herzens und seiner H ä u t e i n s g e m e i n ; j e d o c h hat er sehr wohl beobachtet, dafs, wenn auch j e d e s dieser Phänomene für sich allein nicht ausreicht, sie alle zusammengenommen ein ziemlich sicheres Krankheitsbild liefern können; so wird m a n , nach i h m , »bei »einem Subjecte, welches gewöhnlich und kurz vorher »nicht an Herzkrankheiten gelitten, aus der P r ä c o r »dialbeklemmung, dem Fieberzustande, für welchen »kein a n d e r e s , als das Herzleiden spricht, aus dem »unregelmäfsigen und verstärkten H e r z s c h l a g e , aus »dem Blasebalggeräusche in der Ostiengegend, wenn »sich diese Symptome alle zusammen vorfinden, mit »ziemlicher Gewifsheit auf Endocarditis schliefsen »können.« (Med. prat., tom. I I , pcuj. 175.) W a h r ist jedenfalls die B e h a u p t u n g , dafs die Endocarditis dem unerfahrenen und unaufmerksamen A r z t e häufig entgeht. Dies wird nicht der F a l l sein, wenn man auch in solchen Fällen, wo die A u f m e r k s a m keit nicht direct auf ein Herzleiden gezogen wird, eine methodische Untersuchung dieses Organes nicht vera b s ä u m t , obwohl das B l a s e b a l g g e r ä u s c h , eines seiner besten Kennzeichen, fehlen, oder von Geräuschen aufserhalb des Herzens (Schleimrasseln u . s . w . ) und anderen Herzgeräuschen selbst ( R e i b u n g s g e r ä u s c h ) verdeckt werden kann.
166 Verlauf. Die Endocarditis kann'offen oder latent verlaufen, sie kann rasche Evolutionen machen, oder sich unbestimmt verlängern und unmerklich aus dem ersten oder Entzündungsgrade in den zweiten Grad, d. h. in organische Fehler übergehen; diese Uebergangsperiode ist äufserst schwer wahrzunehmen. Dauer. Die Endocarditis kann acut oder chronisch sein; beide folgen gern aufeinander. Man kann annehmen, dafs sie chronisch geworden ist, wenn sich die allgemeinen Symptome verbessern, während die localen in dem nämlichen Grade fortbestehen oder sich verschlimmern, besonders wenn das anfangs leichte, zarte Blasebalggeräusch intensiv und rauh wird; dann aber hat, wie gesagt, die Entzündung wahrscheinlich schon aufgehört, oder besteht nur noch in schwachem Grade, indefs die organischen Fehler ihre Entwickelung begonnen oder sich schon ausgebildet haben. Ausgänge. Die Endocarditis kann ausgehen in Genesung durch Zertheilung, in andere Krankheiten, oder in Tod. 1) Die Zertheilung findet, häufig statt, wenn die Krankheit zeitig erkannt, und mit der gehörigen Energie behandelt wird. 2) Uebergänge in andere Krankheiten finden sich hier, wie bei jeder lange dauernden Entzündung : Verdickung, fibröse, knorpelige, knochige Verhär-
167 tung, Mifsbildung, Verengerung, Insufficienz u. s. w., woraus alsdann die Folgen der Kreislaufshindernisse entspringen. 3) Der Tod kann bei beginnender Krankheit durch sympathische Reaction oder Kreislaufsstörungen eintreten; meist erfolgt er aber später, und wird dann durch Kreislaufshindernisse in Folge von organischen Fehlern herbeigeführt. C o m p 1 i c a t i o n e n. Die Endocarditis tritt häufig als Complication zu anderen Krankheiten hinzu : zu Rheumatismus, Pleuritis, Pneumonie, Pericarditis; oder sie wird durch andere, Folgekrankheiten complicirt: durch organische Fehler, Visceralcongestionen, Hämorrhagien, Wassersüchten, Erscheinungen, welche fast nicht mehr der entzündlichen Periode angehören; oder es treten andere beliebige Krankheiten intercurrirend hinzu. Diagnose. Es ist eine ziemlich schwere und delicate Aufgabe, die Endocarditis von anderen Herzaffectionen, welchc sie simuliren, und von Krankheiten anderer Organe, welche eine Verwechselung möglich machen, zu unterscheiden. Sie hat, wie wir gesehen haben, ihre meisten localen und allgemeinen Symptome mit anderen Krankheiten gemein. Selbst das Blasebalggeräusch kann mit dem zarten Reibungsgeräusche der Pericarditis, oder mit dem, welches anderen Krankheiten eigenthiimlicli ist, verwechselt werden (organische Klappenfehler, Chlorose, Anämie, Palpitationen u. s. w.).
169 Nur durch eine gehörige Würdigung der Schallhöhe, des Sitzes und der Ausdehnung des Blasebalggeräuches, im Verein mit dem sonstigen Verhalten der vorliegenden Krankheit, kann man zu einer mehr oder weniger genauen Diagnose gelangen. Wenn das Blasebalggeräusch fehlt, kann man nur ungefähre Vermuthung aufstellen. Die begleitenden oder intercurrirenden Krankheiten, besonders die der Lungen, können dergestalt die Aufmerksamkeit in Anspruch nehmen, dafs die Herzkrankheit unerkannt bleibt, oder sie können die Endocarditis maskiren, indem sie die derselben eigenthümlichen Symptome verdecken. Prognose. Die acute Endocarditis ist selten an und für sich gefährlich ; sie wird es meist durch ihre Neigung zum chronischen Zustand oder durch Hervorrufung unheilbarer Aftectionen, welche früher oder später fast unfehlbar den Tod herbei fuhren. Behandlung. So wie die antiphlogistische Behandlung bei Pericarditis die Verhütung eines Ergusses, als Folge dieser Entzündung, zum Zwecke hat, ebenso mufs be> Endocarditis den Klappenalterationen durch Antiphlogose vorgebeugt werden. Da nun aber die Folgen der Endocarditis viel gefährlicher sind, als die der Pericarditis, so mufs die Behandlung der ersteren wenigstens ebenso energisch sein, als die der letzteren. Vor Allem sind hier wieder die directen Antiphlogistica indicirt. Der Aderlafs wird bei der Endo-
169 carditis um so nöthiger, als man das Volumen und die Stärke der Blutsäule vermindern mufs, da das Blut einen directen und unvermeidlichen Reiz auf der entzündeten Oberfläche unterhält (1). Die allgemeinen Blutentleerungen müssen den Kräften des Kranken und der Intensität der lleaction angemessen sein; mit örtlichen (Blutegel, Schröpf köpfen) mufs, je nach der Dauer der localen Symptome, besonders des Schmerzes und des Blasebalggeräusches, fortgefahren werden. Die beruhigenden Mittel, besonders die Digitalis, sind hier noch mehr, als bei der Pericarditis angezeigt, da hier noch directer die Schnelligkeit des Blutstromes gemäfsigt werden mufs. Man bedient sich der Digitalis im Infusum, oder äufserlich, endermatisch, so wie es schon früher angegeben wurde. Sodann kommen die ableitenden Mittel, fliegende Blasenpflaster insbesondere, welche nach Umständen zu erneuern sind. Ist Tendenz zur Chronicität vorhanden, so kann man Brechweinsteinsalbe, oder Croton-Tigliumöl auf die Herzgegend einreiben lassen, bis Pusteln ausbrechen; ebenso kann es nützlich werden, ein Fontanell oder llaarseil in der Herzgegend zu unterhalten, um organische Entartungen, so viel als möglich, durch eine tiefer greifende permanente Ableitung zu verhüten.
(1) Blutentziehung ist für die Endocarditis, was die Diät für Gastrointestinalaffection, die Veränderung der Luft für Pneumonie, des Harnes für Cystitis und Urethritis u. s. w.
170 Quecksilbereinreibungen sind hier weniger wirksam nnd seltener angewendet, da man sich ihrer gewöhnlich nur gegen Ergüsse und mehr äufsere oder oberflächliche Entzündungen bedient. Purgantien können in späterer Periode als innere Ableitungen gegeben werden. Diuretische Mittel sind nur bei erfolgtem serösen Ergüsse angezeigt. Jedenfalls aber müssen die hygiänischen Vorschriften mit der arzneilichen Behandlung im Einklänge stehen. Drittes Kapitel. Herzentzündung, Carditis, Myocarditis (Cardite, Myocardite). Definition. Unter Herzentzündung verstehen wir die Entzündung des Muskelgewebes des Herzens. Geschichte. Es ist nicht lange, dafs man unter diesem Namen die Entzündung aller Herztheile ohne Unterschied des Gewebes begriff; so betrachtete sie C o r v i s a r t , und auch P i o r r y beschreibt sie in dieser concreten Weise, ohne jedoch die verschiedenen Charaktere zu vernachlässigen, welche die Myocarditis von der Periund Endocarditis unterscheiden lassen. Die eigentümlichen Erscheinungen der Herzmuskelentzündung sind genügend, wenigstens vom anatomischen Standpuncte aus, von den neueren Beob-
171 achtern beschrieben ( B o u i l l a u d , R e g n a u d , H o p e , L i t t r é ) ; jedoch von Symptomen, welche sie während des Lebens erkennen lassen, wissen wir weniger. W i r müssen Aufschlüsse darüber von der Zukunft erwarten. A e t i o 1 o g i e. Alle Krankheitsursachen der Peri- und Endocarditis können auch Myocarditis erzeugen, und dies um 6o leichter, als die letztere gewöhnlich sich aus den beiden ersten hervorbildet, so dafs die Entzündung der Muskelsubstanz des Herzens sehr selten für sich allein und ursprünglich vorkommt. S y m p t o m e. 1. Die anatomisch-pathologischen Charaktere oder die organischen Symptome der Myocarditis sind die der Entzündung im Allgemeinen : dunklere oder hellere Rothe, Geschwulst, Erweichung, Infiltration von Blut oder Eiter, Eiteransammlung, Geschwürbildung, woran in der Regel Peri- und Endocardium Theil nehmen. Dieses sind die Zeichen der aeuten Herzentzündung. Unrichtig ist die Annahme mehrerer Autoren, dafs Abscesse ein pathognomonisches Zeichen primitiver Herzentzündung seien ; denn sie können auch durch Metastase entstehen, d. h. das Product der Eiterinfection sein. Die Hypertrophie, die Verhärtung, die verschie-, denen Entartungen und abnormen Producte, welche man als Charaktere der chronischen Herzentzündung
172 angesehen hat, müssen vielmehr als Wirkungen, denn als Symptome derselben betrachtet werden. 2. Die localen and allgemeinen Functionssymptome können nicht sowohl der positiven Beobachtung entnommen, als durch Schlufsfolgen aufgestellt werden. Man betrachtet als solche : den localen Schmerz, die Unregelmäfsigkeit der Herz- und Pulsschläge, die Angst und Präcordialbeklemmung, die Ohnmächten u. s. w. Man sieht jedoch, dafs keines dieser Symptome charakteristisch ist. Wenn sie zusammen, ohne specielle Zeichen der Pericarditis (ausgedehnten matten Ton, Reibungsgeräusch) oder der Endocarditis (Blasebalggeräusch) vorkommen, sollte man da nicht auf Myocarditis schliefsen dürfen ? Dieses möchte jedoch nur sehr selten eintreffen, da eine isolirte Entzündung des Muskelgewebes nur sehr ausnahmsweise vorkommt, und da, wo sie die Entzündung der inneren oder äufseren Membran complicirt, ihre Isolirung durch klinische Beobachtung unmöglich ist. Verlauf,
Dauer,
Ausgänge.
Man kann dieselben nur theoretisch bestimmen. So könnte man annehmen, dafs Myocarditis nicht lange dauern kann, ohne den Tod herbeizufuhren, da zum Bestehen der Circulation Integrität der Herzmuskeln gehört. Jedoch scheint sie manchmal längere Zeit, ohne das Leben aufzuheben, bestehen zu können, da sie Ausgänge in Eiterung, Yerschwärung, Entartungen u. s. w. machen kann.
173 Diagnose. Die Diagnose der Herzentzündung ist gewissermafsen eine negative, d. h. sie resultirt blofs aus Kreislaufsstörungen, bei welchen die charakteristischen Zeichen der anderen Entzündungen, der Organfehler u. s. w. mangeln. Behandlung. Die Behandlung mufs die nämliche sein, welche wir bei den vorhergehenden Krankheiten angegeben haben : Blutentziehungen, Digitalis, Revulsiva u. s. w., mit der gehörigen, dem Krankheitsgrade und der drohenden Gefahr entsprechenden, Energie angewendet.
IV. Classe. Flüsse ( H ä m o r r h a g i e n ,
Wassersuchten).
Man hat gesehen, dafs wir diese Classe von Krankheiten nur für die beschränkte Zahl der sogenannten primitiven oder essentiellen Hämorrhagien und Wassersuchten gebildet haben. Es versteht sich natürlich von selbst, dafs nur von solchen die Rede sein kann, welche ihren Sitz im Herzen selbst haben; die anderen können nur als Symptome von Herzkrankheiten, nicht aber als solche selbst betrachtet werden.
Art. I. H ä m o r r h a g i e n . §. 1. Httinorrlingie des I"erlcardlum«
(Hemo-Pericarde).
Als Symptome localer oder allgemeiner Affection (Pericarditis, Scorbut) kommt die Blutausschwitzung
174 in das Pericardium ziemlich häufig vor; als primitive Erscheinung, als eigentliche Hämorrhagie aber ist sie äufserst selten, wenn sie überhaupt existirt. Man sieht sich jedoch genöthigt, sie als solche zu betrachten, wo man sie nicht anders erklären kann. Ihre Ursachen sind die der Hämorrhagien im A l l gemeinen ; ebenso verhält es sich mit den organischen Symptomen. Die localen Functionssymptome unterscheiden sich nicht von denen des Ergusses im Allgemeinen, da die Natur der ergossenen Flüssigkeit durch nichts positiv angedeutet wird. Die allgemeinen Symptome allein könnten einigen Aufschlufs geben, wenn sie denjenigen der anderen Hämorrhagien : Blässe, Schwäche, kalter Schweifs, Ohnmächten u. s. w., glichen, während man zu gleicher Zeit die schnellere oder langsamere Zunahme des Ergusses in das Pericardium nachweisen könnte. Man sieht, welches Dunkel noch diese Affection umgibt. Die Behandlung wird daher selten mit Bewufstseyn der Dinge geleitet werden können. Sie kann sich jedoch nicht von der Behandlung anderer Hämorrhagien unterscheiden. W i r verweisen auf das gelegentlich der Herzzerreifsungen angegebene Heilverfahren mit Rücksicht auf die geringere Gefahr der einfachen Blutausschwitzung. §. 2.
Httmorrliagie des EnAocardlnnu (Himendocarit).
Dieser Paragraph ist nur. zur Vervollständigung unseres nosographischen Schema's aufgezeichnet, denn
175 wir wissen nichts von Hämorrhagie des Endocardiums. Obwohl,
wie jede andere Membran,
der
schwitzung fähig, wie es die Ekchymosen
Blutausbeweisen,
welche man bei Purpura haemorrhagica, Scorbut, A r senikvergiftung u. s. w. antrifft, mufs doch die Hämorrhagie des Endocardiums aller Symptome und Indicationen entbehren, da das austretende B l u t unmittelbar wieder in den Strom des Kreislaufes mit
fort-
gerissen wird. §. 3.
Httmorrliagie der Herzsubstans cordis, Ileinocarde ).
(Apoplexia
Blutergufs in das Herzgewebe wurde von Beobachtern, veil hier,
besonders aber von K r e y s i g ,
Piorry,
vielen Cru-
den Verfassern des Compendium
de médecine pratique und Anderen wahrgenommen. Die Ursachen dieser Erscheinung sind meist höchst dunkel, wenn nicht vorhandene traumatische oder cachectische Störungen zu einer Erklärung berechtigen. Die organischen Symptome sind die des Blutaustrittes, charakteristische Functionssymptome fehlen gänzlich. Behandelt könnten nur die localen und allgemeinen Zustände
werden,
von
welchen
diese
Hämorrhagie
der Herzsubstanz ein im Leben unerkanntes, ursächliches oder symptomatisches Moment war.
Art. II. §. 1.
Wassersüchten.
Herzbeutel Wassersucht (Hydropericarde).
Ursachen.
V o n dieser Krankheit gilt, was wir von
der Hämorrhagie des Pericardiuins gesagt haben.
Sie
176 ist äufserst selten als primitive, essentielle, von jeder localen und allgemeinen Affection unabhängige Erscheinung, und meistens nur der Ausdruck mehr oder weniger offenbarer Entzündung, organischer Fehler, in deren Folge allgemeine Wassersucht entstehen kann, oder einer Humoralcachexie u. s. w. Symptome. Die organischen Symptome sind die der Wassersuchten im Allgemeinen. Als functionelle Symptome erkennen wir die des Ergusses, nämlich : Wölbung und weiter verbreitete Dumpfheit des Percussionstones in der Präcordialgegend, dumpfen, tiefen, unregelmäfsigen Herzschlag, Dyspnoe, Angst, Beklemmung im Präcordium u. s. w. Die Autoren sprechen von Fällen, wo der Kranke sein Herz schwimmen fühlt u. s. w. Der Verlauf, die Dauer, die Ausgänge der Herzbeutelwassersucht wechseln, je nach der Ursache, der Quantität des Ergusses und den durch sie erzeugten Functionsstörungen des Herzens und der anderen Organe u. s. w. Die Diagnose hat es mit der Bestimmung der Ursache dieses Ergusses und den Affectionen zu thun, welche denselben simuliren können. Man gelangt. zur Diagnose der primitiven Herzbeutelwassersucht, wenn man die Abwesenheit der pathologischen Ursachen, welche gewöhnlich diese Art von Wassersucht erzeugen, der Reihe nach constatiren kann. Bei genauer Untersuchung wird man finden, dafs diese Krankheit äufserst selten ist, denn die meisten während des Lebens dunkel gebliebenen Fälle, klären sich durch die Untersuchung der Organe nach dem Tode auf.
177 Viele andere Krankheiten können der Analogie der Symptome wegen für essentielle Wassersucht des Herzbeutels gehalten werden; sorgfaltige Percussion und Auscultation aber werden meistens im Stande sein, durch Localisirung der Krankheit im Herzbeutel, durch Kundgebung gewisser Unterscheidungsmerkmale, z. B. des Reibungsgeräusches für Pericarditis, des Blasebalggeräusches für Klappenfehler, der Stärke des Stofses für Hypertrophie u. s. w. diese Räthsel zu lösen. Die Behandlung der Herzbeutelwassersucht, abgesehen von jener ihrer Ursachen, ist ganz dieselbe, welche wir bei dem Ergüsse, als Element der Pericarditis, aufgestellt haben; nämlich : Aderlafs, je nach den Umständen, Abführmittel, Diuretica, Hautreize, Quecksilberpräparate u. s. w. In den Fällen, wo ein hartnäckiger Ergufs eine solche Ausdehnung einnimmt, dafs das Leben dadurch bedroht ist, hat man gewisse Operationen vorgeschlagen und ausgeführt; dahin gehören die Punction, die Trepanation des Sternums,—Operationen, wclche wenig anders als palliativ wirken können und mit solchen Gefahren verknüpft sind, dafs man sie als allgemeines Heilverfahren nicht annehmen, und höchstens nur in extremen Fällen zulassen kann. §. 2.
S e r ö s e r
F l n f i
(Uydrtndocarde).
Hier gilt was bei der Hämorrhagie dieser Membran gesagt -wurde. §. 3 .
O e d e m
d e s
H e r z e n «
(äydrocarde,
Oedema cordit).
Es handelt sich hier weniger um die Infiltration der Muskelsubstanz, als vielmehr um die des äufseren F o r g e t , Herzkrankheiten.
J2
178 Zellgewebes, welches manchmal mit Serum infiltrirt, weich, durchsichtig, gallertartig erscheint. Diese Krankheit hängt mit allgemeiner Wassersucht zusammen und kommt isolirt sehr selten vor. Sie hat keine positiven Zeichen, und wird nach den Begeln bei Wassersuchten überhaupt zu behandeln sein.
V. (¡lasse. Organische Felder des Herzens. Man versteht unter organischen Fehlern gewisse Alterationen in Form, Zusammenhang, Bau, Organisation, welche von verschiedener Bedeutung, chronisch, permanent sein, von verschiedenartigen Ursachen herrühren können, und in der Regel die Functionen der Organe mehr oder weniger beeinträchtigen. Erstes Kapitel.
Organische Fehler des Pericardiums. Wir haben gesehen, wie in Folge der Pericarditis verschiedene Gewebsveränderungen entstehen können, welche sodann unabhängig von dieser Entzündung fortbestehen; übrigens wird, wenigstens in einzelnen Fällen, dieser entzündliche Ursprung bestritten. Die Pseudomembranen, welche aus der Entzündung entspringen, können eine gröfsere Entwickelung und Festigkeit, einen gewissen Gcad von Organisation oder Geföfsbildung erreichen und dadurch gewissermafsen zu einer unabhängigen Existenz gelangen. In dem Pericardium können fibröse, knorpelige, knochige Entartungen, Neubildungen, Geschwüre u.s. w. vorkommen.
179 Auf der äufseren und inneren Fläche des Pericardiums, so wie auch in der Dicke der Pseudomembranen selbst können sich neue Gebilde, wie Tuberkeln, K r e b s u. s. w. erzeugen. Diese verschiedenen Fehler geben sich während des Lebens nur durch die Störungen zu erkennen, welche sie im Kreislaufe verursachen. W e n n das Herz einen gewissen Spielraum hat, so können die durch abnorme Producte ihrer Glätte beraubten Oberflächen des Pericardiums die bekannten Keibungsgeräusche veranlassen, welche gewöhnlich r a u h , nach B o u i l l a u d raspelartig sind und den Grad der Verhärtung und Unebenheit der kranken Fläche anzeigen. Mit diesen Geräuschen verbindet sich in der Regel ein fühlbares Aneinanderreiben, dem Katzenschnurren analog, welches durch Klappenverdickung erzeugt wird. Ein Product der Pericarditis, die Verwachsung durch Pseudomembranen zwischen Parietal- nnd Visceralblati des Herzbeutels, bedingt einen wahren organischen F e h l e r , und verdient nähere Betrachtung. Verwachsungen des Pericardiums. Viele unter den älteren Beobachtern, wie C o l u m b u s , T h . B a r t h o l i n , T u l p i u s und Andere, habein vollkommene Verwachsungen zwischen Herz und Pericardium angetroffen, und diese Erscheinung als Herz ohne Herzbeutel beschrieben. Spätere Schriftsteller, qnter anderen P e y e r , S t a l p a r t v a n d e r W i e ! , F r e i n d , L a n c i s i und H a l l e r haben diesen Irrthum
12 *
180 aufgeklärt, indem sie bei diesen angeblichen Monstrositäten die pathologischen Verhältnisse des Pericardiums nachwiesen. S e n a c entlehnt verschiedenen Autoren die Beschreibungen heftiger und tödlicher Erscheinungen in Folge solcher Verwachsungen. Auch L o w e r , V i e u s s e n s und L a n c i s i gaben Beispiele der Art. S ^ n a c bemerkt aber mit vieler Einsicht, dafs diese Verwachsungen von keinerlei Zufällen gefolgt seien, welche nicht auch anderen Ursachen zugeschrieben werden könnten. Von M o r g a g n i ' s herrlichen Briefen enthält der drei und zwanzigste eine Aufzählung der verschiedenen, von anderen Autoren wahrgenommenen Fälle von Verwachsung des Pericardiums, und die Beschreibung der eigentlichen Symptome, welche dabei beobachtet wurden : man findet dort in der That alle die verschiedenen Zeichen, obwohl zerstreut und ohne Zusammenhang angeführt, welche wir hier gründlich abhandeln werden; ebenso wird man die heutzutage verlangten Details genauer und überzeugender Beobachtungen vermissen, die man jedoch bei einem Schriftsteller nicht suchen darf, welchem die Arbeiten der neueren anatomischen Pathologie, und besonders L a c n n e c ' s kostbare Entdeckung unbekannt waren. Unter diesen Zeichen, welche Verwachsungen des Pericardiums verrathen, erwähnen wir der Palpitationen ( L a n c i s i , V i e u s s e n s ) , der Ohnmächten (Senac), des kleinen Pulses (Meckel). C o r v i s a r t stimmt mit diesen Beobachtern dahin überein, dafs er die Verwachsung für bedenklich und die Regelmäfsigkeit des Kreislaufes, folglich die Gesundheit des Subjectes
181 mehr oder weniger beeinträchtigend erklärt. Später gaben S a n d e r und H e i m als besonderes Zeichen dieser Krankheit, das wellenförmige, mit der Systole synchronische Einsinken des Epigastriums, und noch später, endlich, hielt man die Abwesenheit des zweiten Herzgeräusches für ein solches. Ersteres wurde von L a e n n e c und B o u i l l a u d bestritten; ich selbst habe es unzureichend gefunden. Das letztere scheint mir sich nicht zu bewähren, denn eines Theils habe ich es selbst fehlen gesehen, und andern Theils ist diese Annahme sehr unwahrscheinlich, indem, wie man leicht einsieht, wenn eines der Herzgeräusche durch die Verwachsung aufgehoben werden sollte, es das erste sein müfste, da die Bewegungen der Systole allein dabei beeinträchtigt sind, es sei denn im Falle von Druck auf das Herz. L a e n n e c war der erste, welcher über die schlimmen Folgen der Verwachsungen Zweifel erhob; B o u i l l a u d stimmt ihm bei und sagt in seiner Abhandlung über Herzkrankheiten : »Die Verwachsung e n , die Milchhäutchen oder Flecken des Pericar»diums, welche so häufig in Folge von Entzündung »dieser Membran erscheinen, bedingen keine noth»wendige Störung der Herzbewegung; es kommen »deren vor bei Personen, welche sich der blühendsten »Gesundheit erfreuen.« Dies ist unbestreitbar für beschränkte, lockere Verwachsungen, und besonders für die Milchhäutchen; anders verhält es sich aber mit ausgedehnteren und strafferen Verschmelzungen, wie nachgewiesen werden soll. B o u i l l a u d sagt ferner: »Ich kenne noch kein Zei-
182 »chen, welches vorzugsweise zur Erkennung dieser »Verwachsungen diente ; jedoch würde es mich nicht nwundern, wenn man in der Folge irgend ein Ge* rausch entdecken sollte, durch welches man auf die »Anwesenheit gewisser Arten von Verwachsungen »schliefsen könnte.« Gewifs kann man nicht mit gröfserer Zurückhaltung sprechen; als erfahrener Beobachter fühlte er wohl, dafs diese Hülle, »welche sich zu dem Herzen »wie die Gelenkkapsel zum Gelenke verhält« (Traité du rhumatisme), nicht ohne Nachtheil verwachsen, sich anchyhsiren kann. Welches Organ bedarf in der That so sehr seiner ganzen Freiheit, als das H e r z , dessen Thatigkeit die erste Triebfeder des Lebens ist ? Ich war von diesen Betrachtungen erfüllt, als sich mir der Fall darbot, welcher zur ersten Beobachtung meinem klinischen Studien Veranlassung gab. Ein Mädchen kommt im November 18.36, an acutem Gelenkrheumatismus mit Pleuritis und Pericarditis leidend, in unsere Klinik ; wir bemerken Dyspnoe, Angstgefühl, tumultuarische Herzbewegungen, dunkles Reibungsgeräusch, kleinen, frequenten Puls u. s. w., sodann Erstickungszufälle, Erkalten der Extremitäten und Tod am vierzigsten Tage der Krankheit. Bei der Leichenöffnung finden wir, dafs das Herz mit dem Pericardium so verwachsen ist, dafs dieses nur mittelst des Scalpels losgetrennt werden kann; die Pseudomembran, welche beide vereinigt, ist vorn straffer als hinten, wo die Verwachsung durch ein maschenartiges Gewebe stattgefunden hatte u. s. w. Wir stellten damals folgende Betrachtungen an : »Am
183 »bemerkenswerthesten hierbei sind dies Angstgefühl, »diese stürmischen Bewegungen, diese Verwirrung »der Herzgeräusche, neben dem frequenten, kleinen, »häufig unregelmäfsigen P u l s ; Erscheinungen, welche »selten in diesem Grade bei gewöhnlicher Pericarditis »gefunden werden möchten und welche sich nur »durch die Verwachsungen zwischen Herz und Herz»beutel erklären lassen; diese Störungen mufsten aus »den Hindernissen in der Bewegung des Herzens ents t e h e n , da dieses selbst keine merklichen Alterationen »zeigte.« Unsere Ansicht wurde jedoch erst durch die Beobachtung neuer Thatsachen befestigt. Bald darauf, im December 1836, hatten wir einen jungen Mann zu behandeln, welcher an veraltetem Rheumatismus, Verdickung der Aortenklappen und hypertrophischer Erweiterung des linken Ventrikels litt Wenige Tage nach seinem Eintritte zeigte sich Pericarditis mit frequentem, stürmischem, ausgedehntem Herzschlag, lebhaftem, unregelmäfsigem Pulse u. s. w. Obwohl dieser Zustand des Herzens fortdauerte, besserte sich das Allgemeinbefinden, so dafs der Kranke aufstehen konnte. Eines T a g e s , als er sich wieder zu Bett begeben will, wird er ohnmächtig und stiibt plötzlich, drei Monate nach seiner Aufnahme in das Hospital. Aus der Leichenöffnung ergab sich, auiser den oben erwähnten Herzfehlern, eine gänzliche Verwachsung dieses Organes mit seiner Hülle durch feste, pseudomembranöse Ausschwitzung. Der Complicationen ungeachtet, welche hier stattfanden, zweifeln wir nicht, dafs die Verwachsung des Peri-
184 cardiums, die sich durch den beständigen Herztumult kundgab, die Ursache der bedenklichen Erscheinungen und des Todes gewesen ist. (Zweite Beobachtung der klinischen Studien.) Durch solche Thatsachen aufgeklärt, ergab sich uns in folgendem Falle die positive Diagnose der Verwachsungen : Eine Frau von 55 Jahren, von zerrütteter Constitution, tritt in die Klinik im Januar 1840; sie leidet an chronischem Katarrh und Pericarditis, charakterisirt durch Ausdehnung des matten Tones am Präcordium, confusen Herzschlag, und schwer zu bestimmende Geräusche, welche etwas von Blasebalg- und Reibungsgeräusch hatten, durch kleinen unregelmäfsigen Puls, Dyspnoe u. s. w. Nachdem dieser Zustand einige Tage gedauert, fällen wir die Diagnose : Pericarditis mit Verwachsungen. Die Kranke bleibt leidend und stirbt nach zwei Monaten. Bei der Leichenöffnung bestätigen wir eine innige Verwachsung der Herzbeutelblätter durch dicke, grauliche, feste Pseudomembranen; das Herz selbst und seine Klappen sind unverändert. (Dritte Beobachtung der kl. St.) Hier ist alles klar und bestimmt : Nach einer Beobachtung von einigen Tagen ist uns durch unsere frühere Erfahrung die directe Diagnose einer Verwachsung gestattet. Wir sind dazu berechtigt durch den Tumult und die Unregelmäfsigkeit der Herzschläge, den kleinen, unregelmäfsigen Puls, die Dyspnoe, u. s. w. Nur theilweise Verwachsungen hindern die Herzbewegungen nicht merklich und entgehen der Diag-
185 nose, besonders wenn Reibungsgeräusch existirt, denn gerade da, wo dieses Geräusch fehlt, kann man aus dem Herztumult auf allgemeine Verwachsung schliefsen (vergleiche vierte Beob. der kl. St.) Veraltete, wenn auch ausgedehnte Verwachsungen, sind schwer während des Lebens nachzuweisen, der Organismus hat sich dann an das Hindernifs gewöhnt, das Herz konnte es bemeistern, wenn auch nicht aufheben. Demungeaclitet kann man sie noch an gewissen Zeichen vermuthen. Der Greis, welcher das Subject unserer fünften Beobachtung ist, zeigt bei Pneumonie des dritten Grades mäfsige, aber vericorrene Herzschläge, kleinen ungleichen Puls, grofse Beklemmung, leichte Infiltration und Cyanose, Symptome, welche in der Regel selbst bei der bedenklichsten Pneumonie nicht vorkommen. Auch fanden wir bei der Leichenöffnung »gänzliche Verwachsung durch festes, zelliges Gewebe, ohne krankhafte Veränderung des Herzens oder der Klappen.« Wenn eine veraltete Verwachsung mit deutlichen Klappenfehlern, welchc die Störungen des Kreislaufes zur Genüge erklären, zusammenfällt, so ist es fast unmöglich, die eigentlichen Symptome der Verwachsung von denen der Klappenfehler zu trennen. Hier kann nur die Autopsie genauen Aufschlufs geben. Aehnliches begegnete uns in der sechsten Beobachtung, wo wir folgende Symptome fanden : Tumult des Herzschlages, dunkles Blasebalggeräusch, Hervortreibung und matten Ton in der Präcordialgegend, kleinen unregelmäfsigen Puls, Oedem, Cyanose, Angstgefühl und Beklemmung in der Herzgegend u. s. w.; ein
156 Aneurisma war hier unverkennbar; auch fanden wir bei der Leichenöffnung Verknöcherungen der beiden Mündungen mit Erweiterung und Hypertrophie der vier Höhlen; ausserdem aber alte Verwachsungen fast über die ganze Oberfläche des Herzens, welche nothwendig zur Verschlimmerung der Zufälle beitrugen. Die siebente und achte Beobachtung unserer kl. St. sind gewählt, um diese Umstände hervorzuheben, welche die Diagnose verdunkeln können. Aus dem Vorhergehenden erhellen als charakteristische Symptome der Verwachsungen des Pericardiums mit dem Herzen : 1. der Tumult und die Verwirrung der Herzschläge, welche auf die gewöhnlichen Zeichen der Pericarditis folgen, oder andere Afiectionen begleiten, welche diese Kreislaufs wirren unerklärt lassen; 2. der kleine, ungleiche, unregelmäfsige Puls als Beweis der gestörten Contractionen des Herzens; 3. das Angstgefühl und die Beklemmung in der Herzgegend, die Dyspnoe, die Neigung zu Ohnmächten in Folge der erwähnten Ursachen; 4. die gewöhnlichen Consequenzen der Kreislaufshindemisse : Oedem, Qyanose u. s. w. Da jedoch die verschiedenen Afiectionen, welche den Mechanismus des Herzens stören und belästigen können, alle diese Symptome mit einander gemein haben, so wollen wir versuchen, die Verschiedenheiten, wo nicht die Fundamentalcharaktere zur Unterscheidung dieser Afiectionen von den Verwachsungen des Pericardiums aufzufinden : 1 ) Bei Pericarditis ohne Ergufs sind die gewöhnlich starken, eiligen Herzschläge deutlicher, regel-
187 «jälsiger und genauer von einander geschieden, als bei Verwachsung, ebenso sind sie beinahe immer von dem ganz charakteristischen oberflächlichen Reibungsgeräusch begleitet, welches sich nur bei freier Bewegung des Herzens in seiner Hülle erzeugen kann. Es ist aber gerade das Aitfhören dieses Reibungsgeränsches bei gesteigerter Kreislaufsstörung, welches die Bildung ausgedehnter Verwachsung verräth; darum müssen auch die umschriebenenVerwachsungen, welche das Reibungsgeräusch zulassen, der Diagnose entgehen. 2) Bei Pericarditis mit Ergufs, wenn dieser nur einigermafsen bedeutend ist, findet man schwache, tief gelegene Herzschläge, ganz verschieden von den nahe der Oberfläche hörbaren Störungen durch Verwachsungen, welche jedenfalls durch den Ergufs erschwert sind, der die Blätter des Pericardiums getrennt hält, und deren Einzelverheilung erleichtert. 3) Bei Klappenfehlern kommen deutlichere, weniger tumultuarischc Herzschläge vor, welche fast immer von einem rauheren oder zarteren Blasebalggeräusche, dem pathognomonischen Zeichen, begleitet sind, während gerade bei Verwachsung keine Geräusche vernommen werden. Wir haben jedoch gesehen, dafs bei gleichzeitigem Bestehen von Klappenfehlern und Verwachsungen die Diagnose der letzteren sehr dunkel wird. 4) Blutcoagula, welche sich während des Lebens im Hirzen bilden, erzeugen allerdings Tumult der Herzschläge, mit kleinem, unregelmäfsigem Pulse, Dyspnoe, Angstgefühl, Schwach werden; denn, wie bei Verwachsungen, ist hier die Function des Herzens,
188 wiewohl durch ein inneres Hindernifs erschwert. Die Verwachsung ist sogar eine prädisponirende Ursache dieser Coagula, welche sich häufig kurz vor dem Tode bilden. Dieselben erzeugen sich jedoch rasch und verursachen plötzlichen Tod, sodafs jedenfalls die Diagnose nicht lange zweifelhaft sein kann. Man wird wohl schwerlich die Kreislaufsstörungen, welche aus anderen, als idiopathischen Herzkrankheiten entspringen, mit Symptomen der Verwachsung verwechseln können. Die Natur der Erscheinungen bei acuter Verwachsung, welche immer aus einer noch bestehenden Pericarditis hervorgeht, wird am ersten durch diese letztere kund gegeben; bei veralteten Fällen und unzureichender Anamnese bedarf es des ganzen Scharfsinnes des Arztes, um die verschiedenen Symptome zu sondern. Die Verwachsungen können sich nicht nur mit dem Leben vertragen, was aus ihrer Veraltung erweisbar ist, sie können sich auch günstig modificiren, vielleicht sogar zertheilen; dafür sprechen die länglich bandartigen oder fadenförmigen zerrissenen Verwachsungen etc.; wir kennen diesen Heilvorgang jedoch nur aus Hypothesen oder aus Analogien mit den Vorgängen in anderen serösen Hüllen. So dürfen wir bei einmal eingetretener Verwachsung ein allmähliges Schwinden der entzündlichen Phänomene voraussetzen, wobei jedoch ein Gefühl von Unbehaglichkeit in der Herzgegend, sowie erschwerte Herzbewegung für einige Zeit zurückbleibt, bis auch diese Erscheinungen sich nach und nach verlieren oder wenigstens nicht mehr vom Kranken wahrgenommen
189 werden, aber wiederkehren, sobald irgend eine hygiänische oder krankhafte Veranlassung den Kreislauf in Wallung bringt; Herzklopfen und Engbrüstigkeit laufen dann leicht mit unter; wenn aber diese Vorgänge von gröfserer Dauer sind, so können auch Oedem und Cyanose auftreten, und die neue Affection durch ihre Gefährlichkeit in manchen Fällen tödlich machen. Dies gilt für die functionellen Symptome, betrachten wir nun die organischen. In der Regel bilden sich mehr oder weniger allgemein verbreitete Verwachsungen nicht mehr zurück. J e d o c h kann es geschehen, was hauptsächlich bei tlieihveisen Verschmelzungen zu beobachten ist, dafs das Herz in seiner Bewegung gegen diese Fesseln kämpft, sie durch Zerren verlängert oder, wenn sie schwach sind, sogar zerreifst und sich endlich freies Spiel verschafft. So fanden wir bei einem Phtliisiker die Herzspitze mit dem Centrum phrenicum durch ein dichtes, starkes, fibröses Band vereinigt, welches in Gestalt einer nachgiebigen Sehne bei einer Länge von zwei bis drei Centimetern alle Bewegungen der Herzspitze zulassen konnte. In solchen Fällen müssen ein gewisses Knarren und Reibungsgeräusche vorkommen, welche aber unglücklicher Weise keine bestimmte Bedeutung haben, und höchstens, wie B o u i l l a u d ' s Raspelgeräusche, Unebenheiten auf der Fläche des Pericardiums vermuthen lassen. Fleifsigen Besuchern der Sectionssäle wird die Häufigkeit der bei Leichenöffnungen gefundenen Verwachsungen auffallen im Vergleiche mit der geringen Zahl
190 der in den Kliniken beobachteten Fälle von Pericarditis. Denn dieser Ausgang ist gewöhnlicher, als angenommen wird, und verdient deshalb ein sorgfaltigeres Studium. Hinsichtlich der practischen Schlufsfolgen, welche sich aus dem Gesagten ergeben, ist es begreiflich, dafs man bei vorhandener Pericarditis, wenn der Augenblick des beginnenden Yerwachsens wahrgenommen werden kann, durch verdoppelte Energie der Behandlung die Adhäsiventzündung zu ersticken und durch alle möglichen Mittel die Bildung dieser bedenklichen Fesseln zu verhüten suchen mufs. Ebenso wird man einsehen, dafs alte Verwachsungen, welche im Laufe einer anderen Affection erkannt werden, im Gesammtbilde der Krankheit zu würdigen sind, da sie consequenter Weise eine Modification in der Behandlung der letzteren bedingen können. Man wird endlich auch begreifen, dafs, wenn solche Verwachsungen bei einem sonst gesunden Individuum constatirt sind, unsere hygiänischen Vorschriften darauf berechnet sein müssen, alle Gelegenheiten zu Kreislaufsstörungen zu vermeiden. Nach diesen Vorausschickungen folgern wir : 1. Die Pericarditis macht häufig ihre Ausgänge in allgemeine oder partielle Verwachsungen des Herzens mit semer Hülle. 2. Diese Verwachsungen sind mächtige Ursachen zu Störungen des Centralorganes der Circulation; diese Störungen sind um so bedeutender, je aasgedehnter und frischer die Verwachsungen sind.
m 3. Die charakteristischen Kennzeiclien der allgemeinen und frischen Verwachsung sind : der Tumult und die Verwirrung der Herzschläge, der häufige, kleine, ungleiche, unregelmäfsige Puls, die Dyspnoe, das Angstgefühl und die Beklemmung im Pericardium, die Neigung zu Ohnmächten, nebst dem Verschwanden des Reibungsgeräusches. 4. Keines dieser Zeichen ist pathognomonisch, keines zuverlässig und unveränderlich, ihr Werth ber u h t auf ihrer Combination und ihrem Zusammenhange mit anderen Krankheitsumständen. 5. Die Möglichkeit, Bildung und Bestehen von Verwachsungen des Herzens mit seiner Hülle während des Lebens zu erkennen, erlaubt uns praktische Schlufsfolgen von grofser Wichtigkeit, in Betreff der Mittel zu ihrer Verhütung oder zur Linderung ihrer Wirkungen. Zweites Kapitel.
Organische Fehler des Endocardiums. Wir haben die meisten dieser Fehler schon bei Betrachtung der Endocarditis angegeben. Wir haben zugleich gezeigt, wie verschieden die Affectionen der Falten des Endocardiums, welche die Klappen bilden, •von denen der Ueberkleidung der Höhlenwandung sind. Es ist hier, wo es sich nicht mehr um Entzündung handelt, von noch gröfserem Werthe zwischen beiden zu unterscheiden. Wir werden für den Augenblick die letzteren unbeachtet lassen und daher nur von den Alterationen desjenigen Theiles des Endocardiums handeln, welcher den Klappenapparat bildet.
192 Organische Klappenfehler.
Geschichte. Die Geschichte der Klappenfehler vom diagnostischen Standpuncte aus betrachtet, verdanken wir erst der neuesten Wissenschaft. Die älteren Anatomen beschreiben wohl eine Menge dieser Alterationen, aber nur als seltene Curiosa, deren Bedeutung und ätiologischer Werth ihnen gänzlich unbekannt war. M o r g a g n i ' s Untersuchungen werfen ein helles Licht auf die pathologische Anatomie des Herzens, S e n a c aber und besonders C o r v i s a r t zeigten, welche bedeutende Rolle diese Klappenfehler bei Erzeugung organischer Herzkrankheit spielten, vor allem aber derer, welche man damals mit dem Namen Aneurisma bezeichnete. Durch das Studium des Einflusses dieser Krankheiten auf den Kreislauf, der daraus folgenden Erweiterung, Hypertrophie und anderer Consequenzen der Kreislaufshindernisse wurde der Beobachtung ein fruchtbares Feld erschlossen; L a e n n e c aber wurde durch die Anwendung seiner Auscultation auf die Untersuchung von Herzkrankheiten der eigentliche Gründer der neueren Diagnose dieser Klappenfehler. Ruhmvoll bearbeiteten dieses Feld viele Beobachter des I n - und Auslandes, namentlich B o u i l l a u d , welcher heutzutage als der Chorage dieses Zweiges angesehen werden kann. Noch andere Namen werden am schicklichen Orte in der weiteren Entwickelung unseres Werkes genannt werden. Aetiologie. Der B r o u s s a i s ' s c h e n Schule und B o u i l l a u d hauptsächlich gebührt das Verdienst, die Wissenschaft
193 dadurch befördert zu haben, dafs sie den entzündlichen Ursprung vieler dieser organischen Fehler, wenn auch nicht entdeckt, doch bestätigt haben, obgleich dieser Ursprung demungeachtet noch für viele derselben bestritten ist; es war dies ein Grund mehr für uns, ihre Beschreibung von der der Entzündung zu trennen. Dahin gehören die Klappcnverknöcherungen, welche viele Practiker als ein Product des Alters ansehen und sie mit denjenigen Verknöcherungen zusammenstellen, welche das Alter in anderen, ursprünglich faserigen, knorpeligen Geweben hervorbringt, so z. B. in den Kehlkopfs-, Rippenbrustbeinknorpeln etc. Ohne uns hier mit dieser Streitfrage beschäftigen zu wollen, deren Lösung für uns überhaupt nicht von Wichtigkeit ist, müssen wir jedoch darauf aufmerksam machen, dafs wenn Klappenverknöcherungen bei ganz jungen Subjecten und offenbar in Folge von Herzentzündung vorkommen, dieses ein triftiger Beweggrund ist, auch dieselbe als Ursache bei den Verknöcherungen des höheren Alters anzunehmen, obgleich wir das Vorkommen der Rückbiltlungsverknöcherung nicht gänzlich verwerfen. Symptome. 1.
Organische
Symptome.
Die materiellen Veränderungen oder die organischen Symptome der Klappen bestehen vorerst in einfacher Verdickung, welche die Entzündung überdauern kann unc von Ablagerung plastischer Lymphe oder Blutplasma in den vorher injicirten Geweben herrührt; Forget,
Herzkrankheiten.
|3
194 sodann kommen, in progressiver Stufenfolge, die faserigen, knorpeligen, und knochigen Entartungen. Diese Fehler sind unvergleichlich die hiufigsten, jedoch begegnet man zuweilen noch anderen Alterationen, als z. B. faserigen und anderen Wucherungen (végétations) von L a e n n e c in warzige (verruqueuses) und kugelige (1) (globuleuses) getheilt, deren später Erwähnung geschehen wird. Die Klappenentartungen kommen unter mannigfacher Gestalt vor : meist bestehen sie in scheibenoder fleckenartiger Verhärtung (plaques au taches indurées), welche sowohl an dem Insertionspunkte, als an den Rändern und in der Mitte der Klappe vorkommen können. Diese Scheiben verändern die Gestalt, die Gröfse, das normale Spiel der Klappen nicht immer auf eine merkliche Weise; wenn sie sich aber weiter entwickeln, so zu sagen zusammenfliefsen, so können die Mündungen sehr verschiedenartige Formen annehmen : die mifsbildeten, zusammengerollten, unter sich oder mit den Gefäfswandungen verwachsenen Klappen verlieren ihre Beweglichkeit und schliefsen die Mündung nicht mehr genau, oder diese letzteren gestalten sich ring- oder spaltenartig, oder in Form fester, stets offener grader oder krummer Kanäle, u. s. w.
(1) Zu diesen organischen Klappenfehlern gehören noch andere Alterationen, von denen wir schon gesprochen und noch zu sprechen haben, und welche sich den organischen Fehlern in Ursprung, besonders aber Symptomen, Wirkungen und Behandlung nähern; dazu gehören die Zerreifsung der Sehnen, die Durchbohrung der Klappen, deren Verwachsung unter einander oder mit dem Gefalse etc.
195 Diese Kanalbildung ist besonders der Mitralmündung eigen, welche alsdann in Trichter- oder Cylinderform von J —f Zoll (1—2 Ctm.) Länge erscheint, während die obere nach dem Vorhof sehende Oeffnung der eines zugezogenen Beutels, oder genauer, dem Orificium ani vergleichbar ist. Diese Vorbildungen haben fast immer Verengerung und Insufficienz der Mündung zur Folge, scheinbar widersprechende Erscheinungen, welche man zu häufig in der Theorie trennt, die sich aber fast beständig zusammenfinden. Die Verengerimg definirt sich von selbst : Verminderung des Querdurchmessers der Mündung. Sie findet statt, sobald die Klappen sich verdicken und der Umfang der Mündung nicht zugleich im Verhältnifs erweitert ist. Die Insufficienz besteht in der unvollständigen Vcrschliefsung des Gefiifses in dem Augenblicke, wo das Zusammenschlagen der Klappen die vollständige Absperrung zum Zwecke hat. Dies kann geschehen, wenn die verbildeten Klappen nicht mehr genau auf einander passen, oder in ihrer Bewegung gehemmt sind; beides findet in den meisten Fällen organischer Klappenfehler statt, und erklärt obigen scheinbaren Widerspruch. Insufficienz und Verengerung treffen zusammen, wo die Mündung in Gestalt einer Spalte, eines Ringes, eines unbeweglichen Cylinders (1) entartet ist.
(1) D i e hauptsächlichsten Ursachen der Klappeninsufficienz Angeborene K i i r z c ,
Atrophie,
Zerreifsung,
Durchbohrung,
13 *
sind: Zer-
196 Die Insufficienz der Aortenklappen erkennt man dadurch, dafs man Wasser in die Aorte giefst, welches in vollständig schliefsenden Klappen nicht in die linke Kammer dringen darf. Von geringerer Wichtigkeit ist die Nachweisung der Insufficienz der anderen Mündungen ; bei der Pulmonalarterie kann man sich ebenfalls des Wassers bedienen, die Insufficienz der Tricuspidalklappen ergibt sich aus der evidenten Erweiterung des rechten Herzens. Insufficienz und Verengerung erkennt man zuweilen während des Lebens an gewissen Zeichen, welche wir anderswo betrachten werden. In vielen Fällen besteht Insufficienz ohne Verengerung, unter andern bei einfacher Erweiterung der Wandungen und Mündungen, bei Zerreifsen der Sehnen, Durchbohrung, Atrophie der Klappen u. s. w. Es ist ein interessantes und fast neues Studium, die relative Häufigkeit der Klappenfehler, je nach ihrem Sitz, kennen zu lernen, auch wird man seinen Nutzen nicht bezweifeln, wenn man die unermüdlichen und so häufig fruchtlosen Bemühungen aller neueren Beobachter bedenkt, die Fehler des rechten und linken Herzens, sowie der Aorten- und Mitralmündung von einander zu unterscheiden. Eine positive und äufserst wichtige Thatsache ist, dafs organische Klappenfehler im rechten Herzen nur höchst selten vorkommen. Störung, Einschrumpfang, Formveründerung und Verwachsung der Klappen mit den Arterienwandungen, angeborene oder infiUlige Erweiterung der Ostien, Verkürzung und Zerreißung der Klappensehnen.
197 Schoa B i c h a t hat auf diese, seitdem von vielen Beobachtern bestätigte, Seltenheit aufmerksam gemacht, was jedoch andere Schriftsteller nicht verhindert, Unterscheidungsmerkmale für die Klappenfehler beider Hälften auffinden zu -Hollen; diese Mühe ist überflüssig, Ja die der rechten Hälfte äufserst selten sind, obwohl auch deren von M o r g a g n i , C o r v i s a r t , L a e n n e c , L o u i s , B o u i l l a u d u. s. \v. beobachtet wurden. Wir haben schon gelegentlich der angeborenen abnormen Verbindung der linken und rechten Herzhöhlen darauf aufmerksam gemacht, dafs Klappenfehler des rechten Herzens fast nur da, wo sich Arterien- und Venenblut in Folge dieser Verbindung vermischen, vorkommen. Da der anatomische Zusammenhang beider Mündungen es fast unmöglich macht, die Klappenfehler der rechten und linken Hälfte zu unterscheiden, so ist das beinahe ausschliefsliche Vorkommen der Fehler im linken Herzen ein wahrhaft glücklicher Umstand zu nennen. Folgende statistische Resultate der relativen Häufigkeit der linken Klappenfehler sind interessant und bestätigen sich täglich. , Die meisten Aerzte halten dafür, dafs die Aortenmündung unter allen am häufigsten verändert sei; aus unseren Beobachtungen ergibt sich aber : 1) dafs für sich allein die Aortenmündung weniger häufig afficirt ist, als man allgemein annimmt; 2) d^fs Alterationen der Mitralmündung für sich allein ebenso häufig vorkommen, als die vorigen;
198 3) dafs gleichzeitiges Ergriffensein beider Mündungen wenigstens eben so oft vorkommt, als die isolirte Affection jeder von beiden. Daher wird man im gegebenen Falle gerade soviel Wahrscheinlichkeit haben auf einen isolirten Mitralfehler, oder auf Fehler beider Mündungen zugleich zu stofsen, als anf eine isolirte Affection der Aortenmündung. (1) Wir können nicht umhin, die Erweiterung und Hypertrophie des Herzens, obwohl sie für sich untersucht werden sollen, unter die organischen Symptome der Klappenfehler zu zählen, insofern sie die gewöhnliche Folge dieser Alterationen, oder vielmehr der durch diese Alterationen hervorgerufenen Kreislaufshindernisse sind, dem Gesetze der Dilatatio a tergo, oder der Opistectasie gemäfs, welche wir in der allgemeinen Aetiologie kennen gelernt haben. Wir müssen hier der Erweiterung und Hypertrophie umsomehr erwähnen, als sie bei der Diagnose der Klappenfehler eine bedeutende Rolle spielen werden.
(1) Unter 5>9 Fällen organischer Klappenfehler des linken Herzens haben wir bei der Leichenöffnung gefunden : Alteration der Aortenklappen allein 9 m a l ; der Mitralklappe allein 10mal; der Aorten- und Mitralklappen gleichzeitig 10 m a l ; im rechten Herzen haben wir nur einmal Fehler der Tricuspidalklappen, nie aber Fehler der Klappen der Lungenmündung wahrgenommen. Diese vor zehn Jahren in unseren klinischen Studien aufgestellten Verhältnisse werden durch unsere bisherigen Beobachtungen nicht aufgehoben, sogar haben wir seitdem nicht einen einzigen Klappenfehler des rechten Herzens nachweisen können.
199 2.
Functionssymptome. Locale
Symptome.
Ein gemeinschaftliches Resultat der organischen Klappenfehler ist die Aenderung der Consistenz der Klappen, die Insufficienz und die Verengerung der Mündung. Diese drei Erscheinungen gelten, jede für sich, als formelle und hinreichende Ursache der Herzgeräusche. Obwohl von vielen verschiedenartigen Affectionen getheilt, gilt das Blasebalggeräusch, wenn es einen gewissen Grad von Rauhheit hat, als pathognomonisches Zeichen der organischen Klappenfehler; es kann, je nach der Intensität seiner Rauhheit, den Störungsgrad der Klappen bestimmen lassen, und ist um so wichtiger, je rauher es ist. Wir wissen schon, dafs das Blasebalggeräusch aus Klappenfehlern zart und rauh (Raspel-, Feilen-, Sägegeräusch) oder Musikgeräusch u. s. w. ist. Ebenso ist es bekannt, dafs es systolisch, diastolisch und präsystolisch sein kann. Wir werden bald erfahren, dafs man das Zusammenfallen dieses Geräusches mit dem einen oder anderen Tempo als Kennzeichen für die Affection einer oder der anderen Mündung überschätzt hat; und es genüge zu bemerken, dafs das rauhe blasende Herzgeräusch das positive Merkmal irgend eines organischen Klappenfehlers ist, ohne welches es gewagt wäre, sich über das Bestehen eines solchen auszusprechen.
200 Als Folge des rauhen Blasebalggeräusehes und gewissermafsen als dazu gehörende Vervollständigung erscheint das Katzenschnurren (frémissement cataire), diese Schwingung in der Herzgegend, welche in der Regel mit vorangeschrittenen Uebeln, — Klappenverknöcherungen in Verbindung steht. Die anderen Zeichen gehören nicht ausschliefslich den Klappenfehlern a n ; sie sind vielmehr der Ausdruck irgend eines Hindernisses ; da nun aber Klappenfehler häufig dieses Hindernifs ausmachen, so erwähnen wir derselben darum auch und nennen : die Hervortreibung in der Herzgegend, die gröfsere oder geringere Ausdehnung des matten Tones, die Stärke des Herzschlages, die Störungen im Rhythmus, die Palpitationen. Allgemeine
Symptome.
Von ihnen gilt, was wir zuletzt von den örtlichen Zeichen gesagt haben, d. h. dafs sie der Ausdruck irgend eines Kreislaufshindernisses sind, wo es liegen oder von welcher Beschaffenheit es sein möge ; dahin gehört : die Beschaffenheit des Pulses, ob klein oder hart, der venöse Rückfhifs in den Drosseladern, die Dyspnoe, die Visceralcongestionen (Anschwellungen, Phlegmasien, Blutflüsse), die mehr oder weniger ausgedehnte Infiltration, die Cyanose u. s. w., Phänomene, von denen wir. in der allgemeinen Pathologie gehandelt haben, wo wir fanden, dafs sie einer Menge von verschiedenartigen Affectionen angehören können. Verhalten der organischen tu den
Functionssymplomen.
Die Vitalisten und an ihrer Spitze L a e n n e c haben sich viel mit Fällen beschäftigt, wo bei bedeutenden
201 Klappenfehlern die charakteristischen Zeichen dieser Afl'ectionen fehlen. Sie sagen, wenn das Blasebalggeräusch die mechanische Wirkung eines Klappenfehlers ist, so mnfs bei bestehender Ursache diese Wirkung sich immer erzeugen. Wir geben dies zu und antworten auf den Einwurf, welchen man mit Ausnahmen der Art machen will, dafs physikalische Verhältnisse schuld sind, wenn diese Wirkung nicht eintritt; diese Verhältnisse müssen in den natürlichen Bedingungen der Sachlage selbst gesucht werden. Also, abgesehen davon, dafs schlechte Beobachtung in sehr vielen Fällen diese Geräusche nicht erkennen läfst, gibt es noch Umstände, welche die Abwesenheit dieser charakteristischen Zeichen erklären; als ein solcher Umstand wird von allen Beobachtern das überlaute Lungengeräusch angegeben. Eine andere, nicht weniger auffallende und doch mit Stillschweigen übergangene Ursache ist der Grad der Impulskraft des Herzens. Ist diese zu stark, so können dadurch Lärm und Verwirrung und folglich entartete Herzgeräusche entstehen, welche ihren eigenthümlichen Charakter wieder erlangen, sobald die gehörige Ruhe eingetreten ist. Ist die Impulskraft zu schwach, so bestehen keine Geräusche, aus dem einfachen Grunde, dafs die Klappen oder, in der Hypothese der hydraulischen Geräusche, die Blutsäule zu schwingen aufhören, den Saiten des Instrumentes gleich, welche der Bogen zu schwach berührt. Dieses wird kurz vor dem Tode und in allen Fällen der Herzentkräftung wahrgenommen, wie wir bald durch ein Beispiel zeigen werden. Müssen nicht dabei zur Lösung des Problems auch das
202 Verhalten der Mündung, ihre eigenthümliche Form, der Grad ihrer Spannung in Betracht gezogen werden? Sollte es nicht scheinen, als ob die Musikgeräusche z. B., nur durch eine der Form des betreffenden Instrumentes analoge Verbildnng der Mündung erzeugt werden könnten? Die Vitalisten kehren den Beweis um und fragen, warum die bestehenden Geräusche den Klappenfehlern gegenüber verhältnifemäfsig zu grofs sind. L a e n n e c nimmt sogar an, dafs das rauhe Blasebalggeränsch, und das Katzenschnurren bei völliger Integrität der Klappen, ja des ganzen Herzens bestehen können. Dieser Satz wurde von seinen Comentatoren, als der Beobachtung widersprechend, bestritten; wir jedoch behaupten, dafs da, wo solches geschieht, die physikalischen Zustände des Organes daran schuld u n d ; denn die Geräusche können und müssen an Intensität verschieden sein : 1) j e nach der Contractionskraft des Herzens, wodurch eine gewöhnlich stumme Klappe in Schwingung gebracht werden kann; 2) durch die gesteigerte Spannung der Klappen selbst, welche bei geringerer Spannung nicht tönen. Erklären aber die Vitalisten nicht selbst das Blasebalggeräusch der PaJpitationen und der Chlorose aus der Contractilität der Gefäfse? Nehmen die Humoralpathologen nicht gewisse Blutverhältnisse als Ursachen des Blasebalggeräusches bei Plethora und Anämie an? Und and dies nicht in der That auch physikalische Verhältnisse? Endlich aber behaupten wir nicht, dafs Klappenalteration die einzige Ursache der Herzgeräusche sei, sondern nur, dafs sie ein sehr positives, vielleicht das
203 gewöhnlichste, und gcwifs das hauptsächlichste ätiologische Moment sind. Auf ähnliche Weise lassen sich vorübergehende, intermittirende Geräusche aus dem Ausbleiben der dazu nöthigen Bedingungen erklären, besonders aber aus der abwechselnden Stärke und Schwäche der Herzcontractionen. Ein Geräusch, welches heute fehlt, kann gestern dagewesen sein und morgen wiederkommen, wie dies häufig beobachtet wird. Um diese verschiedenen Sätze zu unterstützen, geben wir hier einige Thatsachen. Beob. t l e r z g e r ä n s c h e v e r d c c k t d u r c h L u n g e n g e r ä u s c h e . (Obserc.
XV
des Hudes
clin.)
Mann von 57 Jahren, schlechter Constitution, mit habituellem Katarrh und Herzklopfen behaftet, angeblich seit vierzehn Tagen krank. Wir bestätigen : Dyspnoe, Husten, rostfarbenen Auswurf, Schleimrasseln, Sibilanz, Ronchus, zerstreutes Knistern. Leichte Hervortreibung und ausgedehnter matter Ton in der Präcordialgegend. Mäfsiger Impuls, undeutliche von Lungenrasseln übertönte Herzgeräusche. Kleiner, regelmäfsiger Puls von 100 Schlägen; Oedem der unteren Gliedmafsen seit zwei Monaten, gelbliche Färbung der Haut und Bindehaut. Die Leber ragt um mehr als 2" (6 Centim.) über die falschen Rippen hervor. Nach abwechselnder Besserung und Verschlimmerung stirbt der Kranke 26 Tage nach seiner Aufnahme. Leichenbefund : Chronische Bronchitis, Pneumonia hypostatica, Vergröfserung der Leber; Herz : Ge-
204 wicht = 20 Unzen (600 Gr.); Höhe = 5 Zoll (14 Centim.); Breite = 4£ Zoll (12 Centim.); Dicke der linken Kammerwandung = 13 Linien (3 Centim.); Dicke der rechten Kammerwandung = 4 Linien (1 Centim.); Dicke der Scheidewand = 1 3 Linien (3 Centim.); Aortenklappen unter einander verwachsen, mifsbildet, verknöchert (Verengerung und Insufficienz). Hier würden wir offenbar unter gewöhnlichen Verhältnissen das rauhe Blasebalggeräusch vernommen haben, welches bei dem geringen Impuls vor dem Lärm der Lungengeräusche nicht gehört werden kann. In folgendem Falle erklärt sich die Abwesenheit der Geräusche durch die Schwäche des Herzimpulses. Beob. A b w e s e n h e i t d e r K l a p p e n g e r ä u s c h e a n s e n t k r ä f t u n g (Observ. XVI det El. clin.)
Herz-
Frau von 69 Jahren, hinfällig, krank seit 4 Jahren. Blässe, Cyanose des Gesichtes, Orthopnoe, Infiltration der unteren Gliedmafsen; Hervortreibung und matter Ton in dem Präcardium; schwache, dumpfe, verworrene, unregelmäfsige Herzschläge, ohne wahrnehmbares Blasebalggeräusch. Kleiner Puls von 100 Schlägen. Rasseln von Lungenödem. (Senfteig, Enema laxans; R. A.n. lactuc. Unc. I V , Laurocer. Dr. I., Tinct. digit g t t X ; Syrup. alb. Unc. I.) Am folgenden Tage ist das Herz etwas ruhiger; seine Schläge weniger schwach, regelmäfsiger; leichtes Blasebalggeräusch beim ersten Tempo (Lindenblüththee, Fleischbrühe). Indessen verschlimmert sich der Zustand; von neuem Orthopnoe, verworrener Herzschlag; das Blase-
205 balggeräusch wird nicht mehr wahrgenommen; Tod 7 Tage nach der Aufnahme. Leichenbefund. Allgemeine Erweiterung und Hypertrophie des Herzens; Aortenklappen verknöchert, mifsbildet (Verengerung und Insufficienz) u. s. w. Hier nimmt man den positiven Zusammenhang des Blasebalggeräusches mit der Herzcontraction wahr : zuerst schwache, unregelmäfsige Herzschläge ohne Blasebalggeräusch, welches am folgenden Tage bei eingetretenem regelmäfsigerem Kreislaufe erscheint, dann aber bei wieder zunehmender Schwäche der Kranken von neuem verschwindet. In der 17. Beobachtung (et. clin.) handelt es sich um eine aufsergewöhnlich bedeutende Hypertrophie, von Verengerung und Insufficienz der Aortenmündung herrührend; man ersieht daraus : am 1. Tage Blasebalggeräusch beim ersten Tempo. r> 3. r> v bei beiden Tempo's. n 5. n n beim zweiten Tempo. r> 9. v » bei beiden Tempo's. n 11. » r> beim ersten Tempo. r> 20. n n bei beiden Tempo's. Wie unregelmäfsig auch diese Geräusche sich zeigen, und obgleich man sich dieses Erscheinen nicht immer erklären kann, welchen vernünftigen Grund hat man darum, ihren Zusammenhang mit Klappenfehlern zu läugnen ? Demungeachtet sind unserer Ansicht nach diese organischen Fehler nicht die einzigen Ursachen der Herzgeräusche; zum Beweis Folgendes :
306 Beob. Blascbalggeransch ans spmsmodischer Ursache. Junges Mädchen, an Herzklopfen, Schwindel, Gefühl von Schwach werden leidend; starke laute Herztöne ; offenbares Blasen beim ersten Tempo, keine Hervortreibung, kein ausgedehnter matter Ton an dem Präeordium. Frische Gesichtsfarbe und Integrität der anderen Organe entfernen die Idee der Chlorose. Die Anfalle kommen besonders des Morgens, beim Besuche, und beruhigen sich im Laufe des Tages. Ein Aderlafs wird schlecht vertragen; dagegen haben die Digitalis, die Antispasmodica und Ableitungen einen besseren Erfolg und die Kranke verläfst unsere Klinik nach einigen Wochen; Palpitationen sowohl als Blasebalggeräusch waren verschwunden. Nicht selten findet man ähnliche Blasebalggeräusche bei clilorotischen, hysterischen und anderen Subjecten, wenn der Kreislauf stark bethätigt ist. Man nimmt rationellerweise an, dafs in diesen Fällen die Blutsäule, mit gröfserer Energie angetrieben, vibrirt oder die Klappen vibriren macht und so die Herztöne alterirt; jedoch ist hier das Geräusch nie so rauh als bei. vorangeschrittenen Klappenfehlern. Bemerkenswerth neben diesen unerklärten Erscheinungen ist noch das häufige Mifsverhältnifs zwischen der Entwicklung dieser Alterationen und dem Kranklieitsausgange. Niemand ist erstaunt, Kranke bei bedeutenden Affectionen fortleben, ja sogar zuweilen eine scheinbare Gesundheit wieder erlangen zu sehen. Eine solche Anomalie findet sich vielleicht noch häufiger bei Herzkrankheiten, als bei anderen. So
207 sieht man täglich Individuen mit localen und allgemeinen Symptomen von Herzkrankheiten, außergewöhnlicher Entwicklung des Herzens und mit vorangeschrittener Wassersucht, von nahem Tod bedroht, auf einmal von diesen bedenklichen Symptomen, wenn nicht befreit, doch wenigstens bedeutend erleichtert, und dies manchmal durch Mittel, welche sonst keine grofse Wirksamkeit haben. Niemand wird mit diesen Thatsachen die Lehre des Organicismus bekämpfen •wollen; denn hier sind die materiellen Lästonen zu augenscheinlich; sie halten gewissermafsen den Fällen die Wagschaale, wo scheinbar unbedeutende Affectionen einen tödlichen Ausgang nehmen. Mit diesen brüstet sich der Vitalismus und doch, wenn man näher zusieht, kann man sich auf dem Wege der Analyse eine rationelle und natürliche Rechenschaft für ein solches Ergebnifs geben; man trage nur einfach den Complicationen, den Wirkungen sowohl, als den Ursachen gehörige Rechnung und man wird häufig zu dem Resultate kommen, dafs nicht die ursprüngliche Läsion es war, welche den tödlichen Ausschlag gegeben; ein Beispiel gibt folgender Fall : Beot. U n b e d e u t e n d e A l t e r a t i o n d e r A o r t e n m ü n d n n g . A p o p l e x i a s e r o s a , T o d . (Obterv. XIX des Etud. clin.)
Mann von 55 Jahren, herabgekommener Constitution, seit achtzehn Tagen mit Dyspnoe, Herzklopfen und Infiltration der unteren Gliedmafsen behaftet. Wii bestätigen : Aeufserste Aufregung, Orthopnoe, Worte kurz abgestofsen, unterbrochen, unzusammenhängend ; Gesicht etwas gedunsen; Oedem allgemein,
208 stärker an den unteren Gliedmafsen; schwacher Impuls des Herzens ohne merkliche Abweichung von der Schallhöhe seiner jedoch sehr schwachen Töne; Puls gewöhnlich, leicht zusammendrückbar, Schlagen der Jugularvenen; zerstreutes Knistern von Oedem in beiden Lungen; (Aderlafs, Blasenpflaster auf dem linken Schenkel, Potio gummosa mit 15 Tropfen Tinctura digitalis. Tags darauf ist die Cyanose weniger deutlich, das Oedem scheint vermindert; leichtes Blasen beim ersten Tempo; Aufregung und Dyspnoe dauern fort (20 Blutegel auf die Herzgegend, Diuretica). An den folgenden Tagen besteht die Engbrüstigkeit fort, die Aufregung wird zum Delirium. Ein neuer Aderlafs, ein Blasenpflaster in den Nacken, zehn Blutegel ad anum, ein Enema laxans bleiben ohne Erfolg auf die Cerebralsymptome, und der Kranke stirbt 5 Tage nach seinem Eintritt. Leichenbefund. Kopfhöhle : Ungefähr zwei Unzen Serosität in den Höhlen der Arachnoidea, die Menningen inflltrirt, ohne bedeutende Ueberfüllung ihrer Gefafse. Hirnsubstanz weich, feucht, ödemartig (Apoplexia serosa). Brusthöhe : Seröser Ergufs von ungefähr Einem Liter in der Pleura; Lungenödem. Das Pericardium enthält ungefähr 100 Gramm heller Flüssigkeit; Herz etwas vergröfsert, perlmutterartige Flecken (ehemalige Pericarditis ?); Herzhöhlen mit schwarzem Blute und ambrafarbigem Gerinnsel überfüllt; linker "Ventrikel wenig erweitert, merklich hypertrophisch; Mitralklappe gesund. Einige Verknöcherungen an der Basis der
209 Aortenklappen, welche leicht verdickt, aber nicht mifsbi]Jet sind; ähnliche an dem Ursprünge der Aorta. Bauchhöhle : Starker Ergufs in das Bauchfell, Hypertrophie der Leber ; weifse Granulationen im. Dünndarme (psorenterie). Ein so ernster Symptomencomplex, der so plötzlich in Tod ausgeht, steht gewifs nicht im Verhältnifs zu den vorgefundenen Klappenfehlern ; aber ein daraus folgendes Element, der seröse Ergufs, hatte sich in aufserordentlicher Weise entwickelt, Lungen, Pleura und Pericardium befallen, wo er nothwendigerweise die Freiheit der Herzbewegung bedeutend stören mufste, sodann sich auf Hirnhäute und Hirnsubstanz selbst ausgedehnt, und so den Tod herbeigeführt. Wenn man nun die Frage aufwirft, weshalb manche Organismen so schwere Verletzungen ertragen können und weshalb wiederum leichte Veränderungen so bedauerliche Zufälle hervorrufen, so antworten wir : dies ist ein für jedermann undurchdringliches Geheimnifs. Es genügt, dafs in beiden Fällen die ursprüngliche Verletzung als Ursache der darauf folgenden Krankheitserscheinungen constatirt sei, und bleibe der Idiosynkrasie, diesem bequemen Argumente, anheimgestellt, das Uebrige zu erklären.
Verlauf,
Dauer.
Verlauf und Dauer der organischen Klappenfehler sind nothwendigerweise langsam und chronisch. Der erste Grad allein, der Grad der Endocarditis, kann sich schnell entscheiden ; sobald aber der zweite Grad, Forgct, Herzkriulkliciteu. 14
210 der der eigentlichen organischen Fehler, ausgebildet ist, schreitet die Krankheit langsam und stufenweise vor, wenn nicht unvorhergesehene Umstände eintreten; auf den zweiten Grad folgt dann der dritte, wobei die Herzhöhlen selbst durch Erweiterung mit oder ohne Hypertrophie, im Rücken des Hindernisses, manchmal auch mit poncentrischer Hypertrophie vor demselben betheiligt sind* Die allgemeinen Symptome verlaufen sehr verschieden, wie wir soeben gesehen haben : bald zeigen sie sich schnell nach entstandener Veränderung der Klappen, bald treten sie, der bedeutenden anatomischen Veränderungen ungeachtet, erst spät ein. Auch beobachten sie nicht die Reihenfolge, in welcher sie beschrieben 6ind; Infiltration kann erseheinen, ehe Visceralcongestion vorhanden war, Cyanose sich,vor der Infiltration erzeugen; ebenso kann die Krankheit ihre gröfste Höbe erreichen ohne bedeutende Dyspnoe u. s. w. Endlich kann Tod erfolgen bevor die organischen oder functionellen Symptome diesen Ausgang ahnen Helsen. Ausgänge. Wir haben gesehen, dafs an eine Heilung ausgebildeter organischer Fehler nicht wohl zu denken ist; anders verhält es sich mit den functionellen Symptomen, welche zuweilen, ihrer Bedenklichkeit ungeachtet, schnell und leicht verschwinden. Die organischen Fehler aber bestehen fort, die verschwundenen Erscheinungen kehren früher oder später wieder und der
211 Kranke ißt im Auge des Arztes verloren. Der Tod erfolgt entweder unter allmähligem Zunehmen des Symptomencomplexes, oder durch besonderes Hervortreten eines dieser Symptome (Orthopnoe» Infiltration, Asphyxie u. s. w.), oder unter neuen Erscheinungen, welche mit der Krankheit selbst zusammenhängen (Hämorrhagien, Ohnmächten), oder endlich auch durch eine intercurrirende Krankheit herbeigeführt (Meningitis, Pneumonia u. s. w.). Die Vorboten des Todes geben sich durch sehr verschiedenartige Phänomene kund. Oft stirbt der Kranke unter schrecklicher Angst, welche sich in den entsetzten Zügen, der Aufregung, dem Wehklagen, dem Hülferufe und anderen Zeichen ausspricht, deren ergreifendes Bild von B o u i l l a u d mit lebhaften aber treuen Farben gegeben wird. Häufig jedoch auch erfolgt der Tod ruhiger in langsamer Asphyxie, Coma, Ohnmächten u. s. w. Complicationen. Die organischen Veränderungen der Klappen können sich mit anderen zufälligen (Pericarditis), oder connexen Herzkrankheiten compliciren (Endocarditis als Ursache, Erweiterung und Hypertrophie als Folge u. s. w.). Wir können allgemeine Symptome, welche, wie Dyspnoe, Phlegmasien, Hämorrhagien, Infiltration, Cyanose, aus der Blutstasis entspringen, nicht als eigentliche Complicationen betrachten; einige dieser Folgen sind jedoch als wirkliche Complicationen anzusehen, unter anderen die Apoplexia serosa und die
14
212 Pneumonia u. s. w. Endlich können unabhängige, zufallige Complicationen auftreten; von Krankheiten der Art aber kann jedes Individuum, welches auch seine Gesundheitsverhältnisse sein mögen, befallen werden. Beob. K l a p p e n f e h l e r m i t S y m p t o m e n , w e l c h e an e i n e C o m p l i e a t i o n m i t F e h l e r n der A o r t a g l a u b e n l a s s e n , mehrfache Alteration.'
Man von 23 Jahren, ohne rheumatische Beschwerden; vor zwei Jahren Brustkrankheit; von neuem krank seit vierzehn Tagen; Aufnahme den 5. März 1838. Wir bestätigen : Beklemmung; bedeutende Hervortreibung und matten Ton in der Herzgegend; starken stürmischen Herzschlag; starkes rauhes Blasebalggeräusch beim zweiten Tempo; sehr fühlbares Katzenschnurren, welches sich bis zum Ende des Brustbeins und zur rechten Carotis primitiva erstreckt; kleiner, harter, vibrirender Puls (Aderlafs, 25 Blutegel auf die Herzgegend). — Bis zum 15. keine Veränderung; 2 mal Nasenbluten (Aderlafs, Digitalis, Nitrum, Blaseüpflaster auf das Brustbein). Beginnendes Oedem; mehrmaliges Nasenbluten; zunehmende Beengung; immer noch vibrirendes Blasen beim zweiten Tempo (Aderlässe, Ableitungen, Pillen aus essigsaurem Blei und Digitalispulver). 20. März : starkes Blutspeien (Aderlafs, Digitalis in Pulver bis zu 6 Gran). 5. April : seltener, unregelmäfsiger Puls; wenig Dyspnoe; Blasebalggeräusch weniger stark. Wir glauben den Kranken nun auf der Besserung, die
213 Aflection der Mündung und wahrscheinlich auch des Bogens der Aorta ausgenommen (rauhes Blasen bis in die Carotis). 5. Mai : Der Kranke geht aus und betrinkt sich. Am folgenden Tage : heftige Dyspnoe; Tumult der Herzschläge; Puls lebhaft, häufig; Haut brennend (Aderlais, Looch, Diät). Bald darauf finden wir Pneumonia links nach hinten (matter T o n , Knistern, Röhrenblasen, souffle tubaire). Der Aderlässe ungeachtet stirbt der Kranke 48 Stunden nach seinem Rückfall. Leichenbefund. Lungenentzündung zweiten Grades links; allgemeines Lungenödem. Alte Verwachsungen im Pericardium, in ihrem Zwischenräume : acute Pericarditis (lebhafte Rothe, gallertartige Ausschwitzung); Herz : allgemeine Erweiterung und Hypertrophie, linker Ventrikel über einen Zoll dick, Aortenklappen verdickt, verknorpelt, verknöchert, mißförmig, eingeschrumpft ( Verengerung und Insuffizienz); Aortenbogen und grofse Gefäfse ganz gesund. Im Ganzen : Alte Endo- und Pericarditis: sodann Verwachsungen in dem Pericardium, Verknöcherung der Aortenklappen; Erweiterung und Hypertrophie des Herzens; Rückfall durch Pneumonia und Pericarditis acuta. Lange Zeit liefs uns die heftige Vibration der Aorta an ein Aneurisma ihres Bogens glauben, aber das ganze Gefafs wurde gesund gefunden. In Fällen von Verknöcherungcn und Erweiterungen desselben hatten wir die fortgepflanzten Schwingungen sogir weniger stark gefunden. War endlich der Herztumult, den wir nicht lange vor döm Tode beobachtet
214 hatten, zum Theil von den alten Verwachsungen abhängig, welche das Reibungsgeräusch einschränken und die acute Pericarditis verdecken mufsten? Diagnose. Die feinere Diagnose der Klappenfehler hat es mit den interessantesten Fragen der Pathologie des Herzens zu thun; wir werden darum diesem Paragraphen eine besondere Aufmerksamkeit schenken. Die Diagnose der Klappenfehler mufs unserer Ansicht nach hauptsächlich von dem Studium folgender drei Gesichtspuncte ausgehen : 1) der Natur dieser Fehler; 2) ihres Sitzes; 3) derjenigen Affectionen, welche denselben nachahmen können. 1) Katar dieser Klappenfehler. Wir haben schon gesagt, dafe die Verhärtung der Klappen sich durch Blasebalggeräusch charakterisirt. Die verschiedenen Grade dieser Verhärtung aber ergeben sich ebenfalls aus folgenden Rauheitsgraden dieses Geräusches : Verhärtung durch Entzündung " » »
" » »
.
. sanftes Blasebalggeräusch.
Verfaserung 1 _ rauhes Blasebalggeräusch. VerknorpelungJ Verküöcheiung . sehr ^anhes Bbtse'oalggeräuöch, Eatzenschnurren.
Wir haben schon unseren Zweifel über die Bedeutung der musikalischen Geräusche als Zeichen des höchsten Grades von Verhärtung ausgesprochen; jedoch mufs ich bekennen, dafs da, wo die Leichenöffnung gestattet war, ich die Mündungen verknöchert fand. *
215 Die Auswüchse, Verwachsungen und verschiedenen Gestaltverändmmgen der Klappen haben keine besonderen Zeichen; sie bleiben immer unerkannt, d. h. mit den vorhergenannten Entartungen verwechselt; dieses begreift sich leicht, denn sie können sich nur durch Veränderungen in der Herzthätigkeit kund geben, und wir wissen, dafs diese letzteren von den verschiedenartigsten Affectionen getheilt werden. Sie haben, und können keine andere Wirkung haben, als die Consistenz der Klappen zu verändern und die Erscheinungen von Verengerung oder Insufficienz hervorzubringen ; wir haben aber ebenfalls gesehen, dafs diese drei Alterationen, als das gewöhnlich gemeinschaftliche Resultat aller organischen Klappenfehler, sich durch das Blasebalggeränsch kund geben, weshalb wir auf die unterscheidenden Merkmale derselben zurückkommen. Erhöhter Qmsistenzgrad der Klappen also ist durch das Blasebalggeränsch charakterisirt. Obwohl es bei dem jetzigen Stande der Wissenschaft änfserst paradox erscheinen könnte, so fragen wir dennoch, ob es sich auch mit der Verengerung und besonders mit der Insufficienz so verhält; aber bei näherer Betrachtung wird man finden, dafs einiger Zweifel darüber erlaubt ist. So habe ich einen Fall von angeborener Verengerung der Aortenmündung ohne organische Störung beobachtet, wobei sich nie Blasebalggeräusch erzeugt hatte. Ebenso wird in den schönsten Fällen von Verengerung sich nur dann Blasebalggeräusch erzeugen, wenn der Impuls stark genug ist, die ver-
216 schiedenen Theile des Herzens in Schwingung zu bringen; da aber Verengerung fast immer mit organischen Fehlern zusammenfällt, so kann ihr Antheil am Blasebalggeräusch nur schwer bestimmt werden. Endlich da das rauhe Blasebalggeräusch Klappenverhärtung anzeigt, erhellt nicht daraus, dafs, wo es entsteht, die Verhärtung und nicht die Verengerung daran schuld ist? Immerhin wenn einfache Verengerung blasendes Geräusch erzeugt, was ich gern zugebe, so wird dieses zart, nicht raspelnd, ohne Katzenschnurren, folglich ohne bestimmten Werth sein. Was die verschiedenen Tempo's betrifft, mit welchen das Blasebalggeräusch zusammenfallt, so werden wir darauf bei Besprechung der Insufficienz zurückkommen. Ein viel bezeichnenderes Symptom der Verengerung ist: die Erweiterung und dann die Hypertrophie der Herzhöhlen rückwärts des Hindernisses. Da jedoch die Erweiterung und die Insufficienz der Mündungen ebenfalls wirkliche Kreislaufshindernisse sind, so können auch Erweiterung und Hypertrophie des Herzens für die Verengerungen, der Insufficienz gegenüber, nicht als positive Zeichen gelten. Es geht hieraus hervor, dafs die Verengerung in der That kein ihr eigenes Merkmal hat; da sie aber fast immer mit Verhärtung der Klappen vorkommt, deren unmittelbare Folge sie ist, so hat man sich daran gewöhnt, beide mit einander zu vermischen und der ersteren zuzuschreiben, was fast immer der letzteren angehört. Aus den nämlichen Gründen, welche wir bei der Verengerung angeführt haben, scheint uns ein noch
217 stärkerer Zweifel hinsichtlich der Insuffizienz erlaubt. Wirklich ist die bei der Tricuspidalklappe so häufige, einfache Insufficienz gewöhnlich von keinem wahrnehmbaren Blasebalggeräusch begleitet (1). Jedenfalls aber ist dieses auch hier nur zart, und folglich ohne besonderen Werth. Wir kommen jetzt zu der Frage, welche diagnostische Bedeutung für Verengerung und Insufficienz das Zusammenfallen des Blasebalggeräusches mit dem einen oder dem anderen Tempo hat. Man hat geantwortet : Verengerung der Arterienmündungen besteht, wenn das Geräusch sich während der Systole erzeugt. Verengerung der Vorhof - Kammermündungen besteht, wenn das Geräusch sich während der Diastole erzeugt. Dies wäre ganz g u t ; man hat aber auch geantwortet : Insufficienz der Arterienmündungen besteht, wenn das Geräusch während der Diastole, (1) Unter den vier Beobachtungen von isolirter Erweiterung des rechten Herzens finden wir in unseren klinischen Studien zwei, wobei des Blasebalggeräuschcs folgendermafsen erwähnt i s t : Obsem. XXXII : »Der erste Ton ist erstickt, der zweite etwas r a u h . . . , die folgenden Tage . . . . scheinen die Herztöne von undeutlichem Blasen begleitet«. Observ. XXXIV : »Die Töne sind erstickt; jedoch glaubt man beim ersten Tempo leichtes Blasen zu unterscheiden«. E s sind dies, wie man zugestehen mufs, sehr unsichere Merkmale, welche vielleicht aus Gefälligkeit für die herrschenden Ideen mit angeführt wurden. Jedenfalls haben wir nie ein deutliches Blasebalggeräusch in ähnlichen Fällen gehört, seitdem wir auf diesen Punkt d e i Doctrin unser besonderes Augenmerk gerichtet halten.
218 Insufficienz der Vorhof-Kammermündnngen, wenn das Geräusch während der Systole gehört wird. Wie unterscheidet man nun zwischen Verengerung und Insufficienz, wenn beide sich durch die nämlichen Geräusche charakterisiren, und diese sich beim gleichen Tempo erzeugen ? Demnach kann Blasebalggeräusch beim ersten Tempo sowohl Verengerung der Aortenmtindung, als auch Insufftcienz der Mitralmündung bedeuten; für welche Affection soll man sich nun entscheiden ? Für die Insufficienz der Aortenmündung haben wir das Geräusch bei der Diastole, oder, das Geräusch des Rückflusses, welches sich bis zum Bogen der Aorta verbreitet; die» ist wahr, und da» einzige Positive, was wir in C o r r i g a n ' s Werke finden; aber diese Verbreitung bis zum Aortenbogen fehlt zu oft. Darum gilt auch hier, was wir bei der Verengerung gesagt haben, die Insufficienz hat keine eigenen Merkmale, sie kommt fast immer mit Klappenverhärttmg vor, und entlehnt dieser ihr Blasebalggeräusch. Ebenso würde beim Rücktritte des Blutes während der Diastole durch die nicht genau geschlossene Aortenmündung, das Blasebalggeräusch in diesem GefÖfs wahrscheinlich nicht gehört werden, wenn nicht zugleich Verhärtung der Aortenklappen bestünde; Gewohnheit macht auch hier, dafs man der einen beilegt, was der anderen angehört. Unsere Ansichten haben eine Stütze in denen P i o r r y ' s , welcher die Schwierigkeit, Verengerung von Insufficienz zu unterscheiden, anerkannt hat. «Man sieht, sagt er, wie schwer es sein mufs, Vcr-
219 engerung und Insufficienz vor einander zu erkennen, da in beiden Fällen sehr analoge sthctoseopische Charaktere vorhanden sind«. (1) Wir werden dieselben Fehler bei den Alterationen der verschiedenen Mündungen in dem folgenden Paragraphen wiederfinden. 2) Sitz der Klappenfehler. Wir haben bisher erfaliren : 1) dafs beinahe alle organischen Klappenfehler in Verhärtung, Verengerung und Insufficienz bestehen; 2) dafs diese drei Phänomene zu einem gleichen Resultate, dem Kreis-
(1) M o n n e r e t drückt sich darüber folgender Weise aus : • Obgleich die Aerzte alsbald gewahr wurden, dafs sie nicht so leicht zu der bestimmten Diagnose gelangen konnten, die man ihnen versprach, so schwiegen sio dennoch vorsichtiger Weiso, da sie befürchteten, man würde ihre Sinneswerkzeuge für zu unvollkommen erklären, und ihre mangelhafte Diagnose auf Rechnung ihrer Ungeübtheit schieben. Darum hauptsächlich blieb auch das mit so vieler Mühe und so grofsem Aufwände errichtete Gebäude der Insufficienz und der Verengerung bis auf den heutigen Tag von aller Kritik frei« 0- c.). Diese Betrachtung kommt aus der Tiefe des menschlichen Herzens, und könnte auch auf viele andere Principien der Wissenschaft angewendet werden : auf den Organicismus, auf die Entzündung, welche die Mode geächtet hat, und dio Niemand zu vertheidigen wagt, aus falscher Scham zuerst, und dann aus Furcht gnadenspendendo Notabilitätcn zu beleidigen, was M o n n e r e t vergessen hat, hinzuzufügen. Die Autokratie der Herzgeräusche hat ihre schwachen Seiten, wie wir soeben von P i o r r y gehört haben. Auch ich bin ihr vor sieben Jahren in meinen klinischen Studien entgegengetreten, und man wird weiter unten sehen, dafs unser Kampf noch fortdauert.
220 laufshindernissc führen; 3) dafs diese drei Phänomene durch die nämlichen Grundsymptome, namentlich das Blasebalggeräusch, charakterisirt sind; es handelt sich nun darum, zu forschen, ob es möglich ist, die Seite und die Mündung zu bestimmen, welche der Sitz dieser Alterationen sind. D i a g n o s e der K l a p p e n f e h l e r des r e c h t e n H e r z e n s .
Die Autoren sagen : die Geräusche des rechten Herzens werden nach rechts gegen die Spitze des Brustbeins hin, die Geräusche des linken Herzens nach links, ober- und innerhalb der Brustwarze gehört; demnach wäre nichts leichter, als diese Diagnose. Wir haben aber wiederholt gezeigt, wie diese rein theoretischen Angaben aller Begründung entbehren, sie könnten allenfalls noch für die Aufsenwinkel der Mündungen zwischen Vorhöfen und Kammern gelten, dagegen sind sie durchaus falsch in Bezug auf die Fehler der Arterienmündungen, welche gerade übereinander liegen. Ja sogar wäre es, da die Pulmonalarterie sich unter die Aortenkrümmung nach links streckt, die Aorta sich aber zur Bildung der Aortenkrümmung nach rechts wendet, der Wahrheit viel angemessener, zw sagen, dafs die Geräusche der sogenannten rechten Mündung nach links, und die der sogenannten linken Mündung nach rechts gehört werden müssen. Suchen wir daher anderswo, als in der Rechtslage der Geräusche, die Charaktere der Klappenfehler des rechten Herzens. Obwohl die einfachen isolirten Happenfehler des rechten Herzens zu selten vorkommen, als dafs wir
221 dieselben ausführlicher beschreiben könnten, so lehrt jedoch die Vernunft, was in diesem Falle geschehen mui's. Die Verengerung des Ostium jnilmonale allein mufs eine Erweiterung beider rechten Höhlen und ihre Folgen, besonders aber den systolischen Rückflufs in den Drosselvenen bewirken. Die Verengerung des Ostium tricuspidale würde die Alteration des Herzens auf die Erweiterung des rechten Vorhofes und ihre Folgen beschränken. M o n n e r e t und F 1 e u r y geben hier als ein besonderes Zeichen : den Rückflufs in den Drosselvenen während der Diastole der Kammern (Compendium de med. prat.). Man begreift auch wirklich, dafs, da das Blut nicht frei in die rechte Kammer dringen kann, dasselbe während der Systole des Vorhofes zum Theil in die Venen zurückgedrängt werden mufs. Dies ist rationell; aber die Verengerung der Tricuspidalmündung ist so selten, dafs man zweifeln darf, ob diese Autoren sie positiv unc wiederholt beobachtet haben. (1) (1) Wir haben nur Einen Fall der Art beobachtet, wobei aber aucl Aorten- und Mitralklappenfehler vorhanden waren, und die Synptome sich nicht von denen der Fehler des linken Herzens unterschieden : Hervortreibung, matter T o n , Katzenschnurren, starker Herzschlag, doppeltes rauhes Blasebalggeräusch, Venenriietflufs, Dyspnoe, chronische Bronchitis; bedeutendes Oedem. 3ie anatomischen Zeichen waren eigenthümlich and auffallend: H e n grofs, linke Kammer beträchtlich erweitert und hypertrophisch. Die Aortenklappen mit faserstoffigen, festen Auswüchsen bedeckt, wel uns aber • noch unbekannt. ;Daraus ergibt sich, dafs die Behandlung sich nur auf die Functionserscheinungen, welche während des Lebens statt 'haben, erstrecken kann. .$.10. .HerzgeschwUre. Eine ziertilich seltene 1 Krafikheit, welche in Anfressungen, sogenanntem spontanen, progressiven Substanzverlust des Herzgewebes besteht. Ihre Ursachen sind diejenigen der Geschwüre überhaupt : Entzündung, Eiterung etc.; obgleich man auf die Idee syphilitischer Vegetationen des1 Herzens gekommen war, so ist es doch niemand eingefallen, syphilitische, psorische oder sonstige specifische Ge-
328 schwüre desselben anzunehmen. E s bestehen indessen hier gewisse specielle Ursachen, nämlich: jene scheibenartigen Knochenablagerungen (plagues osseitses), jene atheromatösen oder andern Producte, welche das Gewebe des Herzens anfressen und nach sich eine A r t Geschwür zurücklassen. Das Uebel beginnt fast immer entweder auf der äufseren oder, gewöhnlicher noch, auf der inneren Herzfläche. Man will diese Geschwüre häufiger an dem rechten, als an dem linken Herzen beobachtet haben; dies gilt jedenfalls nur für diejenigen, welche in dem Pericardium beginnen, denn man weifs, dafs das rechte Endocardium nur sehr selten erkrankt; wenn dagegen von ihrer gröfseren Häufigkeit in dem Ventrikel als in dem Vorhofe, auf den Klappen als auf der Wandoberfläche des Herzens die Rede ist, so sind, wie es sich von selbst versteht, die inneren Herzgeschwüre damit gemeint. Sie dehnen sich mehr oder weniger in die Breite und Tiefe aus, sie kommen vereinzelt oder in gröfserer Zahl vor. Sie begünstigen zuweilen die Bildung des partiellen Aneurisma's (S. dieses Kapitel) und die Zerreifsung des Herzens ( L a e n n e c ) . Eigentümliche SjTnptome fiir diese Herzgeschwüre sind unbekannt; sie geben sich nur durch zweideutige Störungen zu erkennen, welche sie mit anderen Herzkrankheiten gemein haben. Verursachen sie eine Durchbohrung der) K l a p p e n s o zeigen sich die E r scheinungen der Insuificienz. Aus dem Gesagten geht hervor, dafs ihre Behandlung nur eine rein symptomatische sein kann.
329 §. 11. C t u p K i i de» H e r s e n s . Einige Autoren bezweifeln das Vorkommen dieser so schrecklichen Krankheit. Allerdings ist es schwer zu begreifen, wie die Wandungen des Herzens absterben können, bevor ein solcher pathologischer Procefs durch die daraus entspringenden Functionsstörungen den Tod verursacht habe (1). Wir glauben uns der Geschichte einer so problematischen Affection, welche jedenfalls aller Behandlung spotten würde, entheben zu können. Die bis jetzt genannten organischen Fehler befallen die Herzwandungen, ohne pathologische Neubildungen hervorzurufen; diejenigen aber, welche wir jetzt aniiihren werden, charakterisiren sich durch die Bildung neuer Gewebe, welche entweder ihre analogen in dem Organismus haben, oder als heterologe, d. h. von der Natur der normalen abweichende Gebilde auftreten. (Wir müssen hier auf die Unzweckmäfsigkeit des Wortes Entartung aufmerksam machen, welches jedoch in den Sprachgebrauch übergegangen ist. Denn es sind fast immer hinzutretende Elemente, Producte einer Secretion, welche sich erzeugen, nicht aber Umbildungen, Entartungen, bestehender Gebilde. Die normalen Gewebe können durch Atrophie, durch Zerstörung verschwinden, sie werden sich aber nur selten in andere umwandeln. Das Mikroskop hat die Theorie der Secretion abnormer Producte, der Lehre der (1) Der Compte rend, des travaux de Société anatomique fur 1850 erwähnt eines Falles von Gangrän des Herzens,
iB30 Umwandlung '-oder ^Entartung normaler 'Gebilde gegenrüber bestätigt).
-§.'12. 'Bildung von '.Paser-, Knorpel* «Kinochenfewebe. i Analoge Neubildungen (Dtgeneresctnett analogues). Wir haben schon gesehen, dafs das Gewebe der Herzwandurigen anderen Geweben, deren Analoga im • Organismus vorkommen,-Platz machen kann. So sehen wir Faser-, Knorpel-, Knochengewebe daselbst erscheinen; doch finden sie sich seltener in ; der Substanz -lies -Herzens, ais in seinen Klappen. Ihre'Ursachen ¡sind dieselben, welche wir schon bei den Neubildungen desPericardiums • trnd besonders des Endocardrams'kennen gelernt haben; d. h. diese iVeränderungen sind in der Regel die Fölgen der 'Entzündung. Die organischen Symptome sind schon hinreichend •durch den Namen dieser fNeubildungen bezeichnet, die sich in der'Regel auf der äufseren oder inneren i Oberfläche des: Herzens, ' sehr selten in > seinem Gewebe selbst: erzeugen. j'Die localen und Allgemeinen Functionssymptome sind •um so undeuilicher, je weniger-diese Veränderungen in den Mechanismus -der Girculation eingreifen; < jedenfalls aber 6ind sie sehr zweideutig. "> Ihre Behandlung ist notwendiger Weise eine symptomatische, d. h. 'den örtlichen und ^allgemeinen Störungen angemessen, welche sie hervorrufen können. Einer1'dieser analogen "Neubildungen aber müssen wir eine besondere 'Aufmerksamkeit schenkendes ist:
331 §,
13.
k P e i t s i i ' c h t d e a H e r f e n s (Dégénirescente j/raitstuse, 'Adipose, Polisarcie du coeur).
Ule
Diese Krankheit scheint uns einer gröfseren Aufmerksamkeit würdig, als ihr bisher die meisten Autoren geschenkt haben, in Betracht ihrer Häufigkeit, der bedeutenden Störungen, die sie im Kreisläufe hervorruft, unid der rationellen Behandlung, welche man ihr entgegensetzen kann. 'Es fragt sich hier vorläufig, ób bei eintretender Fettsucht eine wirkliche Entartung der Herzsubstanz stattfindet. Einige Autofen behaupten, die 'Muskelfaser verwandle sich in Fettsilbstanz ; awdere dagegen nehmen an, dafs das Fett die; Muskelfaser duróh Druck zur 'Atrophie bringt. Ich stimme der Theorie nach 'für letztere Ansicht, obgleich in der That das Fettgewebe das ursprüngliche Herzgewebe Verdrängt und an seiner Stelle erscheint, als ob eine wirkliche 'Fettentartung stattgefunden habe. Die 'Ursachen dieser Krankheit sind die der Fettsucht überhaupt; jedoch beobachtet man dieselbe nicht nur bèi Individuen, welche mit Fèttleibigkeit behaftet sind, sondern auch bei sòlèhen, welche nicht àn dèrsèlbén leiden. Dieorganischen Symptome' "bestehen in einér gröfseren oder geringeren Anhäufung von'Fettgfewèbe um das Herz, unter, dem Pericardiüfti, vorzüglich' in der '{regend, wo sich die Vorhöfe und Kammern ' trennen, tirid längs 'dem ' Laüfe der Kranzgéfafse. Bald zeigt sich'dàs'Hérzgewébe unversehrt unter dieser Fèttlage, bald ist ès wie'zusàmmèngédrtìckt, verdünnt, erweicht, entfafbt und wie mit halbflüssigem Fette infiltrirt. In
332 diesem Falle scheinen die Herzwandungen aus zwei verschiedenen Schichten zu bestehen : einer aufseren oder Fettschichte, und einer inneren, der mehr oder weniger krankhaften Muskelschichte. Die localen Funetionssymptome sind : Schwäche und Unregelmäfsigkeit der Herzschläge ; mehr oder weniger Druck und Angstgefühl in der Herzgegend, ohne wahrnehmbare Herzgeräusche. Die allgemeinen functionssymptome sind : Schwäche und Unregelmäfsigkeit des Pulses, bei jeder Anstrengung zunehmende Dyspnoe, Neigung zu Lipothymien ; sodann die ganze Reihe der Erscheinungen, welche Kreislaufshindernissen folgen. Obgleich nun diese Zeichen ziemlich unbestimmt sind, so erlangen sie dennoch eine gewisse Bedeutung, wenn sie bei allgemeiner Fettleibigkeit in Abwesenheit anderer charakteristischer Symptome von Klappenfehlern und Lungenaffection meftreten. Sie haben ihren Verlauf, ihre Dauer und ihre Ausgänge wie die chronischen Kreislaufshindernissc im Allgemeinen und sind dann von dem Gange der allgemeinen Fettbildung selbst abhängig. Die Diagnose findet ihre Schwierigkeiten in der Unterscheidung dieser Affection von allen denen, welche analoge Wirkungen hervorbringen. Man ist darum auch meistens auf Vermuthungen beschränkt; denn die Fettleibigkeit schliefst die anderen* Herzkrankheiten nicht aus, so wie die Fettsucht des Herzens ohne allgemeine Fettleibigkeit vorkommen kann, wobei es fast unmöglich ist, sie von anderen Affectionen zu unterscheiden. Demungeachtet erlangt die Diagnose,
333 wie gesagt, eine gewisse Wahrscheinlichkeit, wenn keine bestimmten Zeichen von Klappenfehlern vorhanden sind, und das Sabject fettleibig ist. Dieser Umstand erlaubte uns in einigen Fällen, die Fettsucht des Herzens zu erkennen, und die Ausgänge, Heilung oder Tod und Autopsie, bestätigten unsere Diagnose. Die Prognose ist hier vielleicht weniger ungünstig, als in den meisten anderen Herzkrankheiten, da dnrch erfolgreiche Behandlung der Obesität zugleich die Gefahren der Fettsucht des Herzens beschworen werden. Die Behandlung richtet sich gegen die Fettheit selbst und gegen die Zufälle, wclche aus der Störung des Kreislaufes entstehen. Der practische Arzt weifs, wie schwierig es ist, sich der Neigung zur Fettsucht und deren Fortschritten zu widersetzen. Indessen kann man doch in Ermangelung eines Specificums, durch Combinirung verschiedener Mittel, zu einem mehr oder weniger genügenden Resultate gelangen. Die Diät ist wohl das rationellste Mittel, die Fettverminderung zu bewirken, man weifs aber wie wenig Nahrungsmittel erforderlich sind, um die Fettleibigkeit bei solchen Subjecten zu unterhalten, bei welchen, wie man sagt, alles was sie essen, zu Fett wird. Jedoch sind magere Kost, wenig Mahlzeiten, grüne Gemüse, Fische, gebratenes, mageres Fleisch, säuerliche Früchte, Wasser mit etwas Wein, wenigstens geeignete Mittel, der Fettsucht Einhalt zu thun. Anstrengungen bis zur Ermüdung sind nicht weniger wirksam, jedoch nur beim Beginne der Krankheit; denn sobald der Rhythmus des Herzens verändert ist, kann
m die Anstrengung: die Zufölle verschlimmern,. ja häufig sogar wird datin jede gyipnastische Uebung unmöglich.. Die passiven Bewegungen» wie Reiten und Fahren,. begünstigen, eher die Wohlbeleibth^t,. als sie ihr: schaden* Man kennt, den verderblichen Gebrauch starker Säuren, in der Absicht mager ?u, werden, Dieses Mittel, wirkt in der Regel nur durch Hervorrufuiig gastrischer Zufälle» welche die übelsten Folgen hah^n können. Schwache, Säureu jedoch sind alp adstoingirende, nicht nährende Mittel, ipjjicirt. Die purgirenden Mittel gehören mit, zu den besten, um, wie man sagt, das Fett zu vertreiben. Wir haben mit Erfolg die: Quellen von Niederbronn und Homburg angewendet,; jedoch m ü ^ n , diese mineralischen Wasser mit Beharrlichkeit und Vorsicht getrunken, werden. Denn obgleich ein beständiger, dünner Stuhl nothwendig ist, so mufa auch die, Wirkung des Mittels überwacht werden, wenn man üble Coroplicationen vermeiden wilL Die sogenannten schmelzenden. Mittel, wie die Quecksilber- und Jodpräparate und die Alkalien sind direct. indicirt; die Alkalien und Seifen scheinen die rationellsten zu sein, insofern sie zur Schmelzung des Fettes durch Verseifung heitragejv können. Jedoch bringt diese a priori so entsprechende Theorie in ihrer Anwendung nicht immer di Verdauungsprocesses ? Wir lassen diese Frage unbeantwortet und begnügem uns mit der Thatsache. Jedenfalls aber erheischt der Gebrauch eines so energischen Mittels die gröfste Vorsicht Die Mercarialien können ebenfalls Abmagerung hervorbringen, besonders wenn ihre Wirkung bis; zu einem gewissen Grade von Stomatitis geht. Jedoch sind diese Mittel von zu heftiger Wirkung, um einen längeren Gebrauch zu gestatten, weshalb man in der Regel die Jodine vorzieht. Durch Combinirung der erwähnten Heilverfahren, zu welchen man noch die schweifstreibenden Mittel, die Exutorien u. s. w. hinzutreten lassen kann, haben wir manchen um so unverhoffteren Erfolg gehabt, als man die Kranken von unheilbaren organischen Fehlern befallen glaubte. Zum Schlüsse bemerken wir noch, dafs, wenn das hygienische Verhalten, so wie die abzehrenden Mittel rationell angezeigt sind,"die direct schwächenden, unter anderen der Aderlais, eine ebenso formelle Gegenanzeige haben; man weifs übrigens, dafs regelmäfsig wiederholte Aderlässe die Fettleibigkeit begünstigen. Aufserdem versetzen Aderlässe fette Individuen manch* mal in einen Zustand von Prostration, aus dem sie sich schwer erholen. Insofern hat die Fettsucht eine gewisse Analogie mit der Cachexie. Man verspare daher die Blutentleernngen für diejenigen Fälle, wo
336 die Notwendigkeit der Gefafsentleerung wirklich vorhanden ist. Die aus den Krei sl aufs störu nge n entspringenden Zufalle erfordern die schon oft besprochenen Mittel, die mit denen, welche die Fettsucht erheischt, in Einklang gebracht werden müssen. §. 14. Heterologe IVeübildüngen (Degeuereteeneet heterologues) [Tuberkel, Krebs o. s. w.]. W i e der Muskeltuberkel überhaupt, so erzeugt sich auch der Herztuberkel äufserst selten; er entsteht aus allgemeiner Tuberkelcachexie. A m häufigsten kommt er auf der änfseren Fläche des Herzens vor, unter dem Pericardium, manchmal als Folge der Pericarditis, wenn eine Anlage vorhanden war; selten sitzt er auf der inneren Oberfläche. Wenn er in der Herzsubstanz gefunden wird, so ist er in der Regel von der Oberfläche hineingedrungen. Man sieht leicht ein, wie undeutlich die Zeichen des Herztuberkels sein müssen. Er kann sich nur durch solche Phänomene, welche er mit den verschiedenen Herzkrankheiten gemein hat, kund geben; man könnte ihn höchstens in Fällen allgemeiner Cachexie muthm&fscn, wo er immer nur ein Epipbänomen des allgemeinen Leidens wäre. Daher kann auch von einer Specialbehandlung nicht die Rede sejn, man kann nur die Tuberkelcachexie einerseits, andererseits die Erscheinung im Kreislaufe bekämpfen. Der Krebs gehört ebenfalls zn diesen seltenen und unbekannten Erscheinungen, von welchen man nur banale Allgemeinheiten wiederholen kann. Alles, was
337 wir vom Tuberkel gesagt haben, gilt auch vom Krebse. Ebenso verhält es sich mit der Melanose, der gallertartigen Erweichung u. s. w., überhaupt mit allen anatomischen Verletzungen, welche keine besonderen Zeichen fiir sich haben, der Diagnose folglich immer entgehen und nur eine symptomatische, . palliative, meist illusorische Behandlung zulassen.
VI. Classe. Fremde Körper. Die fremden Körper können : 1) in der Höhle des Pericardiums, 2) in der Substanz, 3) in den Höhlen des Herzens vorkommen. Erstes Kapitel.
Fremde Körper in dem Pericardium. Wir haben dieselben bei Betrachtung der Pericarditis und ihrer Folgen bezeichnet; dahin gehören : die Serosität, der Eiter, das Blut, die Pseudomembranen und andere derartige Bildungen. D a diese fremden Körper die Producte, die organischen Symptome anderer Affectionen sind, welche wir schon kennen gelernt haben, so kommen wir hier nicht weiter darauf zurück. Belebte fremde Körper, Hydatiden, können sich im Pericardium bilden und zu Symptomen der Herzbeutelwassersucht (S. Hydropericarditis) Veranlassung geben. Man kann a priori schliefsen, dafs diese blaF o r g e t , Herzkrankheiten.
22
338 senartigen K ö r p e r gewisse lleibungs- und a n d e r e G e r ä u s c h e unter dein Einflüsse der H e r z s c h l ä g e erzeugen, jedoch wird ihr Dasein fast nie e r k a n n t ; auch erheischen sie keine andere Behandlung, als die des sprösen E r g u s s e s selbst.
Zweites Kapitel.
Fremde Körper in der Herzsubstanz. A u f s e r den organischen N e u b i l d u n g e n , welche in der Herzsubstanz die liolle eines f r e m d e n K ö r p e r s spielen k ö n n e n , gibt es n u r wenig a n d e r e , welche in diesem O r g a n e gefunden w e r d e n , eben erwähnte I l y datiden vielleicht a u s g e n o m m e n , die sich aber d u r c h kein besonderes Zeichen zu erkennen geben und keine directe und besondere Behandlung zulassen. A n d e r s aber verhält es sich mit fremden K ö r p e r n , welche von aufsen d u r c h Stich-, Hieb- oder Q u e t s c h wunden eingedrungen sind. Man hat Beispiele, dafs F r a g m e n t e von Messerklingen, Degenspitzen, Nadeln, Jagdblei, selbst K u g e l n in die H e r z s u b s t a n z g e d r u n g e n sind u n d dort sogar längere Zeit stecken blieben, ohne schlimme Zufälle zu veranlassen. W e n n solche K ö r p e r nicht entfernt werden können und S t ö r u n g e n im Kreislaufe v e r u r s a c h e n , so müssen diese nach den Auf aufgestellten Grundsätzen behandelt werden. diese wenigen W o r t e beschränken wir die B e t r a c h t u n g eines G e g e n s t a n d e s , welcher dem Gebiete der Chirurgie anheimfällt.
939
Drittes Kapitel.
Fremde Körper in den Herzhöhlen. Daliin gehören vor Allem die faserstojfitjen Concretionen, welche aus dem Blute hervorgehen. Es gibt deren zwei Arten : 1) das Blutcoagulum, welches sich rasch bildet und gewöhnlich von bedeutender Gröfse ist; 2) die sogenannten Vegetationen, welche langsam entstehen und in der Regel von geringem Umfange sind. Obwohl in Ursprung und Zusammensetzung gleich, geben diese Körper doch zu so verschiedenen Phänomenen Veranlassung, dafs wir, wie es auch gewöhnlich geschieht, beide Produc.te, welche wir anderswo mit dem Namen von acutem und chronischem Coagulum bezeichneten, getrennt beschreiben wollen. §. 1.
IHutcongiilti
i n t l e n H e r z l i U l i l e n (Polypes, caillols aigus).
Geschichte. Die Alten bezeichnen die Bildung von Blutcoagulum im Herzen während des Lebens mit dem Namen Herzpolyp, in der Ueberzeugung, dafs diese weichen, weifslichen Massen mit ihren fadenförmigen Verlängerungen wirkliche, den Meerpolypen ähnliche Thiere seien, welche in der That ein analoges Aussehen haben. Man lese bei M o r g a g n i (De sedib. et caus. morb. epist. XXIV, No. 22 et seq.) die Liste der etlichen zwanzig A u t o r e n , welche seit G a l e n diesen Gegenstand behandeln haben. Die erste specielle Dissertation scheint der Brief des S e b a s t . P i s s i n i u s von 22 *
340 Lucca zu sein : De polypo cordis (1654). Jedoch wurde dieser Frage erst seit der Abhandlung M a l p i g h i ' s : I)e polypo cordis, 1666, einige Wichtigkeit beigelegt. Diese Idee von Polypen pflanzte sich von Schriftsteller zu Schriftsteller fort bis gegen cie Mitte des vorigen Jahrhunderts, in welcher Epoche der ausgezeichnete J . L. P e t i t nachwies, dafs die angeblichen Polypen nichts anderes seien, als Blutcoagulum (Memoire de TAcademie de Sciences, i732). Soviel von der N a t u r ; — was nun ihre Symptomatologie, betrifft, so war diese schon von dem genannten P i s s i n i u s aufgestellt, welcher, nachdem er von den Functionssymptomen derselben gesprochen, hinzufügt : »Signa ista utilia fnntitra, dejicientibus aliis indicüs quibits affines morlri diangnosci solent« (loc. cit.); man ersieht hieraus, wie er recht gut einsah, dafs die Diagnose nur auf dem Wege der Ausschlicfsung möglich sei. R i o l an hat die diagnostischen Zeichen dieser Concretionen in folgendem Satze kurz abgefafst : »Qui premuntur spirandi »difficultate, cum pulsus interceptione, sine tussi, sine »ulla suspicione hydropis pulmonum aut vomicac, sus»pectam habere debent repentinam suffocationem cordis »a polypo« (AnthropograpL tib. III. cap. 12). Interessant ist es, schon von S e u a c die pathologische Anatomie der Herzcoagula und die Zeichen ihrer Bildung während des Lebens beinahe vollständig abgehandelt zu sehen : »Es gibt Verhältnisse, sagt er, »welche uns beweisen, dafs diese Concretionen dem »Tode vorausgegangen waren. Findet man solche sehr »hart, elastisch, zäh, häutig, gelblich; waren Erschei»nungen vorhanden, welche anzeigten, dafs der Kreis-
341 »lauf in diesem Organe gestört war, wenn zugleich »sein Gewebe keine Spur von einer anderen Krank»heit zeigt, so kann man mit Gewifsheit sagen, dafs »diese Polypen vor dem Tode vorhanden waren«. S c n a c bestreitet ebenfalls gewisse Illusionen, welche man bei einigen neueren Anatomen wiederfindet : man könnte ihr Gewebe für organisirtes Gewebe halten, die äufsere Form hat dergestalt verblendet, dafs man in diesem Gewebe Gefafse zu finden glaubte. M a n g et thcilte diesen Irrthum, welcher mit Recht von M o r g a g n i gerügt wurde. Man wurde dazu durch rothe Streifen verleitet, welche für Gefafse dieser Concretionen gehalten wurden, während sie nur Reihen von Blutkugcln waren. (Structure de coeur, liv. IV, chap. X.) Dieses Kapitel von den Polypen ist sehr beachtenswerth; die Symptome sind mit grofsem Scharfsinn behandelt, während sich zugleich eine rationelle Behandlungsweise darin vorfindet. Uebrigens ist es hauptsächlich B o u i l l a u d , welcher in der letzten Zeit wieder die Aufmerksamkeit der Practiker auf die Bildung der Herzcoagula, als Ursache des Todes, gelenkt hat. Er hat es versucht, die anatomischen Charaktere dieser Gerinnsel, welche sich während des Lebens bilden, denen der Leiche gegenüber näher zu bestimmen; er hat die Symptome beschrieben, welche die Bildung der C'oagula als Ursachen des Todes charaktcrisircn. Seitdem haben C r u v e i l h i e r , L e g r o u x , P a r c h a p p c und Andere diesen Gegenstand untersucht, ohne von unseren eigenen Beobachtungen zu sprechen, (¿tud. clin.)
842 Aetiologie. Die Ursachen, welche die Bildung der Blutcoagula im Herzen während des Lebens veranlassen können, sind: 1) Die Verlangsamung des Kreislaufes aus irgend einer Ursache, wie dies sehr gut von L a e n n e c , H o p e , P a r c h a p p e und Andern beobachtet wurde. Diese erste Bedingung halten w i r , wenn nicht für wesentlich, doch wenigstens für die wirksamste und gewöhnlichste von allen. In der That bilden sie sich am häutigsten, wenn der Kreislauf beträchtlich geschwächt ist, wie in der Agonie, der Ohnmacht, oder mechanisch unmöglich wird, wie bei Lungenstockungen. 2) Die Gerinnbarkeit des Blutes, worauf B o u i l l ' a U d besonders besteht, so wie auch, uns eieren EinHufs als Hülfsursache unbestreitbar scheint. Es geht daraus hervor, dafs der entzündliche Zustand die Bildung der Herzcoagula begünstigt. Man beobachtet dies auch wirklich, insbesondere bei Lungenentzündungen, wo zu gleicher Zeit auch der Blutstasc in Folge der Lungenüberfüllung Rechnung getragen werden mufs. 3) Die Entzündung des Endocardhtms, welche durch die Entglättung der Oberfläche die Bluttoolcciile aufhält, während die plastische Ausschwitzung in Folge der Elitzündung das Anhängen der einmal gebildeten Coagula begünstigt. C r u v e i l h i e r besonders hat diesen Mechanismus zur Kenntnifs gebracht, obgleich ihn schon S c n a c (1) beachtet hatte. •(1) »Das Blut mufs auf der unebenen Oberfläche der Gefafte zurückgehalten werden, wenn sie sich erweitern und irgend ein Fehler an ihren Wandungen ist«, (S € n a c * Slruclure du coeutt ib. 4. chitp. iO),
343 4) Die Runzeln, die Fornweründentng, die Verengerung der Klappert, welche aus ihren organischen Alterationen entspringen, wirken offenbar in dem nämlichen Sinne. 5) Die Verwuchsungen des Pericardiums, insofern sie der Contraction, folglich der gänzlichen Entleerung der Höhlen im W e g e stehen, müssen eben so, wie die Erweiterung, die Verdünnung der Herzwandungen u. s. w., zur Bildung solcher Coagula während des Lebens mit beitragen können. Man sieht, dafs zuletzt alle diese Ursachen auf mechanischen Hindernissen in der Vollbringung des normalen Krcislaufsactes beruhen.
S y m p t o m e. 1) Organische Symptome. Xucli den Charakteren, welche S e n a e , L a e n n e c , H o u i l l a u d und Andere aufgestellt haben, sind die Blutcoagula, welche längere oder kürzere Zeit vor dem Tode entstanden, gewöhnlich grofs, länglich, verästelt, gleichsam über die Höhlen und die Gefäi'se, in welche sie sich erstrecken, modelirt, so dafs man nach ihrem Aussehen auf die Herzgegend schliefsen k a n n , in welcher sie sich gebildet haben. Sie sind in der Kegel glatt, faserstoffig, weifslich, undurchsichtig, frei in den Höhlen liegend oder zwischen den Fleischsäulchen eingewurzelt, zuweilen unmittelbar und mehr oder weniger fest mit den Herzwandungen oder den Klappen verwachsen. Man hat in einzelnen Fällen Elemente von Gefäfsbildung in ihnen wahrnehmen wollen (S e n n ) ; wir haben jedoch
344 gesehen, dafs S e n a c schon auf diese Angabe als eine durch Blutstreifen hervorgebrachte Täuschung aufmerksam gemacht hat. Sie haben gewöhnlieh ihren Sitz in dem rechten Herzen, was ohne Zweifel von der Schwierigkeit des Lungenkreislaufes in den letzten Lebensmomenten, so wie von der relativen Sehwächc des rechten Ventrikels herrührt. Man findet sie jedoch auch nicht sehr selten in dem linken Herzen, besonders in Folge von Ohnmacht und Asphyxie. 2) Locale Functionssymptome. Dabin gehören die schwachen, undeutlichen, unregelmäfsigen Contractionen des Herzens ( L a e u n e c , B o u i l l a u d , L c g r o u x ) , wenigstens kurz vor dem Tode; denn wenn das Herz eine gewisse Energie besitzt, so können dessen Scliläge bei beginnender Bildung des Coagulums stark, und das Herzklopfen heftig sein (Senac). Wenn das Herz durch die Coagula stark erweitert ist, so erstreckt sich der matte Pcrcussionston im Präcordium auf eine gröfsere Ausdehnung ( P i o r r y ) . B o u i l l a u d bezeichnet das Blasebalggeräusch als Symptom der Coagulumbildung. Man begreift auch, dafs diese fremden Körper die Herztöne verändern müssen; wenn man aber dabei die Schwäche der Contractionen in den meisten Fällen bedenkt, so wird man ebensogut einsehen, dafs diese Geräusche am häufigsten fehlen müssen. Die allgemeinen Functionssymptome sind : der kleine, unregclmäfsige, intermittirende Puls, die Präcordialbeklemmung, das Angstgefühl, die Dyspnoe ( R i o l a n , S e n a c ) , zuweilen der Husten und in den letzten
345 Perioden die Lipothymien, die Kälte der Extremitäten, worauf bald der Tod. Verlauf
und
Dauer.
Der Verlauf dieser Krankheit ist in der llegel rasch, ihre Dauer kurz. Das einmal gebildete Coagulum wird immer gröfser und der Kreislauf bald darauf mechanisch unmöglich. Selten besteht das Leben einige Tage nach dem Beginne der Zufalle fort; schon deshalb haben die Coagula nicht Zeit sich zu organisiren. Ausgänge. Der fast nothwendige Ausgang ist der Tod. Man hat die Möglichkeit angenommen, dafs ein kleines Coagulum sich wieder auilösen oder durch die Ostien dringen und daher der Sache eine günstige Wendung nehmen könne; es ist dies aber eine sehr unwahrscheinliche Hypothese, welche jedes positiven Beweises entbehrt (1). Die acuten Coagula sind gröfser, streben beständig zuzunehmen und immer fester zu werden; sie verschliefsen zuletzt die Höhlen und Mündungen des Herzens, so wie die grofsen Gefäfse, daher n o t w e n diger Weise mehr oder weniger rascher Tod durch Stillstand des Kreislaufes. (1) Einer Beobachtung zu Folge soll ein angebliches Ilerzcoagulum bis zur Ilauptarterie eines Gliedes vorgedrungen sein und Gangrän dieses Gliedes verursacht haben. Diese Thatsaehe scheint uns weder entscheidend, noch gehörig bewiesen.
346 Diagnose. Mau unterscheide vor Allem zwischen dem Coagulum, welches sich während des Lebens und dem, welches sich nach dem Tod bildet. Das letztere ist in der Kegel schwarz, klumpig, gleich geronnener Milch, oder auch blafs, durchscheinend, gallertartig, wohl manchmal zwischen den Fleischsäulen eingenistet, aber nie verwachsen. B o u i l l a u d betrachtet die ambrafarbigen Coagula als Zeichen eines Entzündungszustandes, welcher Meinung ich jedoch nicht unbedingt beistimmen kann, da man sie ziemlich häufig nach nicht entzündlichen Krankheiten, wie bei Wassersüchtigen, Phthisikern, Subjecten, welche an Marasmus gestorben sind, findet. B o u i l l a u d gibt als Kennzeichen der während des Lebens gebildeten Coagula die nämlichen Charaktere, welche schon von den Alten, namentlich S e n a c , aufgestellt wurden; es sind : die Consistenz, die Undurchsichtigkeit, das gleichsam organische Gewebe, welches diese Gerinnsel dem Faserstoffe entlehnen, im Gegensatze zu dem weichen, durchsichtigen, gallertartigen, welches in der Leichc entsteht. Diese Kennzeichen haben allerdings einen grofsen Werth, sie scheinen uns aber auch aus folgendem Grunde von absoluter Bedeutung : Ich habe hin und wieder bei der A u topsie transparente Coagula gefunden, welche, zu meinem grofsen Erstaunen, am anderen T a g e undurchsichtig, faserstoffig aussahen; wefshalb ich dafür halte, dafs die Coagula, der Luft ausgesetzt, Aussehen und Derbheit wechseln können. In anderen Fällen
347 habe ich undurchsichtige, faserstoffige Coagula gefund e n , ohne dafs man deren Bildung während des Lebens zu vermuthen berechtigt war. Uebrigens ist es leicht begreiflich, dafs nicht viel Unterschied sein kann zwischen C o a g u l u m , das sich wenige Momente vor dem Tode, und solchem, das sich im Augenblicke bildet, wo das H e r z zu schlagen aufhört. W i e man sieht, gibt die Anatomie keine positiven Kennzeichen; ist es darum nicht rationell, sich an die klinischen Thatsachen zu wenden ? W e n n sich also in den letzten Momenten des Lebens Symptome von Coaimlumbildung hat dies o im Herzen zeigen, o ' o wohl nicht ebensoviel Werth als die Charaktere der Coagula selbst ? A u c h schienen die Alten diefs recht gut begriffen zu haben, indem sie der anatomischen Beschreibung der Herzpolypen die während des Lebens beobachteten Symptome voranschickten. Beide Elemente müssen sich wechselseitig unterstützen, wenn, wie es gerade hier der Fall i s t , die pathologische Anatomie und die klinische Beobachtung, jede getrennt, bestritten werden können. Ebenso aber wie die anatomischen Charaktere der während des Lebens oder nach dem Tode gebildeten Coagula keine vollkommen bestimmten Unterschiede geben, zeigen sich auch die während des Lebens beobachteten Symptome unzuverlässig. Diese Symptome sind, wie wir gesehen haben, ziemlich zweideutig und beschränken sich am Ende auf die Schwäche und die Wirren in den Contractioncn des Herzens; auch die Alten schon bemerkten von der ängstlichen Fräcordialbeklemmung, den Palpitationen, der Schwäche und
348 Unregelmäfsigkeit des Pulses, welche sie als bezeichnend aufführen, dafs diese Phänomene nur insofern Werth haben, als sie ohne Zeichen von Lungenaflcction ( R i o l a n ) oder von irgend einer anderen ähnliche Störungen verursachenden Krankheit ( P i s s i n i u s ) auftreten. Dcmnach ergibt sich die Diagnose gemeinschaftlich aus den während des Lebens und nach dem Tode beobachteten Erscheinungen. Wir halten es fiir überflüssig, hier auf die Unterscheidungsmerkmale zwischen dem acuten Coagulum und den chronischen faserstoffigen Concretioncn oder Vegetationen weiter einzugehen. Während die ersten von einem gewissen Umfange, weich, schnell entstanden sind und raschen Tod mit sich führen, sind die letzteren in der Regel klein, fest, angewachsen, sich langsam bildend und mehr oder weniger lang mit dem Leben verträglich. Von anderen ähnliche Erscheinungen hervorrufenden Affcctioucn unterscheiden sich die Coagula durch das plötzliche Auftreten der Zufalle, deren rasche Verschlimmerung und den schnell erfolgenden Tod, so wie durch die Abwesenheit der übrigen für jene charakteristischen Zeichen und endlich durch ihre Nachweisung nach dem Tode. Prognose. Die Prognose dieser Krankheit ist die ungünstigste, da sie von raschem und nothwendigem Tode gefolgt ist.
349 Behandlung. Eine Behandlung ist darum völlige Illusion. Indessen hat man vom Adcrlafs als einem Mittel, der Circulation aufzuhelfen, gesprochen; von reichlichem, verdünnendem Getränke, in der Absicht, die Coagula aufzulösen oder wenigstens das Blut dünnflüssiger zu machen; von schmelzenden Mitteln (Alkalien, Quecksilberpräparaten), um die Blutgerinnsel zu zertheilen, aber allen diesen Versuchen gebricht es an Macht und Zeit zum Erfolge. »Das einzige Mittel gegen »die Polype, sagt S e n a c , wäre ein sie auflösendes; »wir kennen aber keines der Art.« (Stntcture du coeiir, liv. IV, c/iap. X). Kaum darf man hoffen, mittelst einiger Palliativmittel, wie innere Stimulantia, llevulsiva auf die Haut u. s. w., das Leben für einige Augenblicke zu verlängern. Folgende Thatsache liefert uns, wenn auch keine vollständige Uebersicht der Phänomene, welche in der Mehrzahl der Fälle die Bildung des Coagulums im Herzen während des Lebens charakterisiren, doch ein Beispiel von der Schnelligkeit, mit welcher sie den Tod herbeiführen. Beob. I l c r z s y m p t o m c . B e s s e r u n g , Plötzlicher Tod. F a s e r s t o f f i g e s C o a g u l u m im r e c h t e n V e n t r i k e l .
Frau von 65 Jahren, seit vierzehn Tagen mit Dyspnoe und Infiltration der Beine behaftet. Aufserdem bestätigen wir : Peinliches Gefühl in der Herzgegend; keine merkliche Wölbung noch matten T o n ; Getümmel, Unregelmäfsigkeit der Ilerz-
350 schlage; geringes, undeutliches Blasebalggeräusch; wenig entwickelten, unregelmäfsigen Puls; zerstreutes Schleimrasseln in der Lunge (Car. aren. mit Nitrum in Tisane; Potio mit Tinct. digit.). In den folgenden Tagen Besserung; die Circulation hebt sich. Am Morgen des neunten Tages berichtet man u n s , dafs sie gegen fünf Uhr von plötzlicher Dyspnoe mit darauf folgender tödlicher Ohnmacht ergriffen wurde. Leichenbefund. Oedem und Emphysem der Lungen; Herz von geringem Umfange; der linke Ventrikel stark hypertrophirt; einige Verknöcherungspuncte an der Basis der Aorten- und Mitralklappen; der rechte Ventrikel merklich dicker; seine Höhle birgt ein faserstoffiges, undurchsichtiges, farbloses, dichtes, elastisches Coagülum mit Verlängerungen zwischen die Fleischsäulchen und in die grofsen Gefäfse. (Observ. XLIV des thuL clin.) Augenscheinlich haben hier nicht die Affectionen des Herzens und der Lungen den jähen Tod veranlafst, besonders da sich die Kranke auf dem Wege der Besserung befand. Die Umstände des Todes, verstärkt durch die anatomischen Charaktere des bei der Autopsie vorgefundenen Coagulums, lassen uns annehmen, dafs dies letztere sich unter dem Einflüsse irgend einer unbekannten Ursache während des Lebens gebildet und den unerwarteten Tod veranlafst hat. Die folgende Beobachtung ist vollständiger, da wir bei der Bildung des Coagulums gegenwärtig und im Stande waren, dasselbe zu erkennen; sie ist aufserdem noch bemerkenswerth durch die aufsergewöhnlichen
351 Umstände, welche diesem Ausgange vorangegangen waren und denselben gewissermafsen vorbereitet hatten. Beob.
Asphyxie
in
Folge
von
Struma
B i l d u n g von C o n g u l u m im H e r z e n ,
cancerosum.
Diagnose
vor
dem
Tode.
Frau von 56 Jahren, Taglöhnerin, von zerrütteter Constitution von Kindheit an, mit bedeutendem, hartem, knotigem Kröpfe behaftet, welcher sich seit einigen Monaten rasch entwickelt hat. Habituelle Dyspnoe, anfallsweise bis zu drohender Erstickung exaeerbirend. Diese Aniälle rühren offenbar von dem Kröpfe her. Operation unausführbar. Bei ihrem Eintritt in's Hospital, den 18. Mai 1830, hat die Kranke häufige Anfalle von Orthopnoe, Husten, erschwerten Auswurf, tönende Brust, verschiedenartiges zerstreutes Rasseln, Cephalalgie, Schwindel, Hinneigung zu Coma, abgestumpfte Intelligenz, langsam erfolgende Antworten (Aderlafs, Abführmittel). Am folgenden Tage : Gleicher Zustand (Aderlafs, Senfteig). Am dritten Tage : Orthopnoe, Röcheln, frequente, unregelmäfsige, weiche, wellenförmige Herz- und Pulsschläge, Prostration. Wir verkünden die Bildung von Coagulum im Herzen und ein nahes Ende (Potio stimulans); der Tod erfolgt einige Stunden nach unserem Besuche. Leichenbefund : bedeutende Entwicklung, Oedem und Emphysem der Lungen ; rechte Herzhöhlen leicht erweitert, ein faserstoffiges, weifsliches, undurchsichtiges, in die Fleischsäulchen eingewurzeltes Coagulum
352 enthaltend, welches sich in die Lungenarterie erstreckt und einige rothc Streifen zeigt, die man fiir einen Anfang von Gefäfsbildung halten könnte. Kropf von der Gröfse einer Faust, grofsen Theils aus rohem, markschwammigem Gewebe bestehend, welches sich um die rechte Carotis hernmschlingt und die Trachea unmittelbar unter dem Ringknorpel einen Zoll lang in die Quere zusammendrückt, so dafs der Luftweg fast die Hälfte von seinem Lumen verliert. Oberhalb von diesem Puñete ist die Glottis sehr erweitert, unterhalb hat die Trachea ihre normale Ausdehnung. Hier hat offenbar der Kropf durch Beeinträchtigung der Athmung die Veränderung in den Lungen hervorgerufen, die Lungenstockung aber die Blutstase und in deren Folge das Gerinnen des Blutes in dem rechten Herzen veranlafst. Die Kreislaufserscheinungen, welche wir in dem letzten Augenblicke beobachtet haben, berechtigten zur Diagnose der Gerinnselbildung in dem Herzen, und die feste faserstoffige Textur des Coagulums beweist, dafs dieses während des Lebehs gebildet wurde. §. 2.
Vegetationen.
D e f i n i t i o n. Die Vegetationen, welche in den Herzhöhlen angetroffen werden, sind fast immer chronische Coagula; das heifst, faserstoffige Concretionen, welche sich langsam gebildet haben, mit den Herzwandungen oder den Klappen verwachsen, nur einen geringen Umfang erreicht haben und fiir kürzere oder längere Zeit das Fortbestehen des Lebens gestatten.
353 Obgleich von C o r v i s a r t am besten bekannt gemacht, waren sie schon von R i v i è r e , S a n d i f o r t , M o r g a g n i lind Andern beobachtet worden. L a enn e c erkannte ihre faserstoffige Natur, und theilte sie in zwei verschiedene Gruppen (warzen- und kugelförmige Auswüchse.) A e t i o 1 o g i e. Die Ursachen dieser Vegetationen sind durchaus dieselben, welche wir bei dem acuten Coagulum kennen gelernt haben; jedoch scheinen hier besonders die Unebenheiten der inneren Oberfläche, namentlich die Entzündung des Endocardiums als formelle Ursache der innigen Verklebung, zur Bildung dieser Concretionen beizutragen. Man nimmt an, dafs einige dieser Vegetationen anderen Urprunges sind und aus schwammigen Auswüchsen der Herzsubstanz selbst entspringen. Wie bekannt glaubte C o r v i s a r t an syphilitische Wucherungen, ohne Zweifel durch die Aehnlichkeit dieser Producte mit Syphiloiden verfuhrt, — eine Annahme, welche heutzutage wenig Anhänger mehr zählt ; jedenfalls aber sind andere Auswüchse, als solche, welche von stagnirendem Faserstoff des Blutes herrühren, wenn sie überhaupt vorkommen, so selten, dafs man sie mit Stillschweigen übergehen kann. Symptome. 1) Organische Symptome. Die Vegetationen des Herzens bestehen gewöhnlich aus geronnenem FaserForget, Herzkrankhelten.
23
354 stoff; sie sind mehr oder weniger fest oder zerreiibHch, entfärbt, runzelig (warzenartig, verruqueuses nach L a e n n e c ) , und immer an der inneren Oberfläche festhaftend, am häufigsten auf den Klappen Bilzend, welche gewöhnlich selbst alterirt sind. Sie werden viel öfter in dem linken, als in dem rechten Herzen gefunden. Sie sind in der Regel von geringem Umfange und kommen vereinzelt oder mehrere zusammen vor. Ihr Gewebe ist bald fleischig, bald psendomembranartig, woraus man schliefsen kann, dafs sie einen anderen Ursprung haben, als den Faserstoff des Blutes, und dafs sie die Folge einer Gewebswucherung des Herzens selbst, oder pseudomembranartige Producte der Entzündung sind. Löst man sie von ihrem Ansatzpuncte ab, so findet man meist, dafs sie nur einfach angeklebt waren, und unter ihnen das Herzgewebe gesund geblieben oder nur leicht durch Entzündung etc. verändert ist; sitzen sie auf den Klappen fest, so können diese verschiedenartig erkrankt sein, wobei man jedoch leicht sieht, dafs die Vegetationen nicht aus dem Klappengewebe entspringen, sondern nur durch einen frischen oder vorhergegangenen Entzündungsprocefs darauf festsitzen. 2) Die localen Ftmctionssymptome der Vegetationen haben keinen eigenthümlichen Charakter und fallen mit denen der Klappenfehler überhaupt zusammen. Indessen, wenn bei einem Kranken die sonst normale Circulation von Zeit zu Zeit plötzliche, vorübergehende Störungen erlitte, wie Unregelmäfsigkeit, Intermittenz
355 des Herzschlages, Kleinheit des Pulses, Präcordialbeklemmung mit oder ohne Herzgeräusche, so könnte man vermuthen, dafs auf einer der Klappen des linken Herzens eine gestielte Vegetation sitze, welche zufalliger Weise in die Mündung selbst gerathen wäre. Jedenfalls aber würde dies eine sehr gewagte Vermuthung sein, da diese vorübergehenden Wirren bei den verschiedenartigsten Affectionen vorkommen können. Die aUgemeinen Functionssymptome sind keine anderen , als die, welche aus einem Kreislaufshindernifs überhaupt entspringen. Verlauf, Dauer,
Ausgänge.
Die Vegetationen haben gewöhnlich einen chronischen, steigenden Verlauf, obgleich man auch liier, wie bei den Herzaffectibnen Uberhaupt, Exacerbationen und momentane Besserung wahrnehmen kann. Der gewöhnliche Ausgang ist der Tod in Folge der zunehmenden Störungen des Mechanismus der Circulation. Complicationen. Die Complicationen bestehen in den Veränderungen selbst, welche diese faserstoffigen Concretionen veranlassen, unter andern die Endocarditis, und die verschiedenartigen Klappenfehler; oder in ihren Folgen, welche aus dem Kreislaufshindernisse entspringen. Diagnose. Die anatomischen Charaktere der Vegetationen sind, wie wir gesehen haben, nicht immer der Art, 23 *
356 um die faserstoffigen Concretionen von Wucherungen der Herzsubstanz selbst, wenn solche vorkommen, unterscheiden zu lassen, um so weniger wird es daher gelingen, die Natur derselben während des Lebens zu bestimmen. Eine Verwechselung der chronischen, kleinen, festsitzenden Coagula mit dem acuten grofsen, meist freien Gerinnsel ist nicht leicht möglich. Ebenso verschieden wie nach dem Tode sind ihre Symptome während des Lebens. Wir haben gesehen, dafs L a e n n e c die Vegetationen, ihrem Aussehen und ihrem Gewebe nach, in warzenähnliche und kugelige geschieden hat. Es handelt sich hier um die warzenähnlichen, denn die kugeligen verdienen noch eine besondere Betrachtung. Wir gestehen im Voraus, dafs es fast unmöglich ist, beide während des Lebens zu unterscheiden, es sei denn durch mittelst der Anamnese gewonnene Zeichen, von denen wir im folgenden Paragraphen sprechen werden, welche aber jedenfalls nur zu höchst unbestimmten Vermuthungen führen können. Krankheiten, welche fiir solche Vegetationen gehalten werden könnten, sind unter anderen besonders die Klappenfehler, von denen sie, unserer Ansicht nach, während des Lebens nicht positiv unterschieden werden können, und es könnte hier höchstens die Intermittenz der Anfalle in Betracht kommen, welche wir bei den Symptomen vermuthen liefsen. Prognose. Die Prognose der Vegetationen ist immer sehr un-
357 günstig, und fast immer steht alsbaldiger Tod in Aussicht. Jedoch könnte die Krankheit einige Zeit zum Stillstand kommen. Das Alter der Vegetationen ist selbst bei der Autopsie schwer zu bestimmen. Behandlung. Die Behandlung ist eine rein palliative, die Vegetationen selbst sind therapeutisch unerreichbar. Die Unmöglichkeit, acute Coagula zu schmelzen, tritt hier bei den chronischen Faserstoffgerinnseln noch mehr hervor; um sie aber überhaupt zu bekämpfen, müfsten sie während des Lebens -erkannt werden können. §. 3. Eltercoagula. Hugelgeivtichie, EUerkyiten (caillols purulenls, tegetalions globukuses, kystes
purulents).
Definition. L a e n n e c hat glatte, rundliche Vegetationen beschrieben, welche offenbar aus coagulirtem Blute bestehen, aber nicht fest und runzlich sind wie die vorhergehenden. In der Mitte dieser kugeligen Vegetationen findet man Materien verschiedener Art, welche meist mehr oder weniger flüssig, zuweilen roth, braun sind, aus zersetztem Blute bestehen, oder weifslich, speckig, rahmig, gleich flüssigem oder concretem Eiter. Dies sind die Eiterkysten oder Eitercoagula der meisten neueren Schriftsteller. Aetiologie. Wie bilden sich diese sonderbaren Producte ? Die Blut- und Faserstoffcoagula sind bei der beständigen
358 Bewegung des Herzens und dem ununterbrochenen Strom des Kreislaufes schon schwer zu begreifen. Wie aber dieses Eitercoagulum erklären, welches nicht einmal so ganz selten ist? denn fast in jedem grösseren Beobachtungskreis werden solche wahrgenommen, und man findet deren bei allen neueren Schriftstellern angeführt. Weiter unten folgt ein beachtenswerthes Beispiel aus unserer Klinik; ein ähnliches wurde vor kurzem von unserem Collegen, Herrn Prof. S c h ü t z e n b e r g er beobachtet. 1) Bilden sich diese Kysten um Eiter herum, der von der Herzwandung selbst abgesondert wird ? Man findet sie aber auch in Fällen, wo keine Endocarditis vorhanden war. 2) Haben sie sich um den Eiter, welcher in die Herzhöhle mitgeschleppt wurde, gleich metastatischen Abscessen gebildet? Es scheint uns dies sehr wahrscheinlich, wenigstens in gewissen Fällen, zu welchen die unten folgende Beobachtung gehört; aber diese Kysten werden auch da beobachtet, wo weder von Metastase noch Infection die Rede sein kann. 3) Hat sich dieser Eiter im Mittelpunkte der Concretion gebildet? Die pathologische Anatomie dieser Coagula im Allgemeinen scheint diese Hypothese zu unterstützen, da wir alle Grade des Vereiterungsprocesses bei ihnen wahrgenommen haben, von der reinen Faserstoffstructur an, mit dazwischen liegender Erweichung und Entfärbung des Centrums, bis zur Erscheinung von flüssigem oder concretem E i t e r . . . . . Vielleicht können alle drei Fälle je nach den XJm-
359 Ständen eintreten : es ist dies ein noch zu lösendes Räthsel. Symptome. 1) Die organischen Symptome dieser Gewächse wurden schon zum grofsen Theil bei der Definition derselben angeführt. Wir fiigen noch hinzu, dafs diese Kysten am häufigsten im rechten Herzen gefunden werden sollen, obgleich sie, wie aus der unten angeführten Beobachtung erhellt, auch in den linken Höhlen vorkommen können. Ich glaube den Grund dieses Vorkommens in der rechten oder linken Hälfte gefunden zu haben : Angenommen, diese Kysten seien in vielen Fällen das Resultat einer Infection, einer Eitermetastase, so wird, wenn der metastatischc Eiter aus dem grofsen Kreisläufe herkommt, sich derselbe im rechten Herzen ablagern, was am häufigsten geschieht; oder wenn dieser Eiter aus den Lungen kommt, so wird er sich in den linken Höhlen ansammeln, was bei dem Phthisiker, dessen Krankengeschichte folgt, eingetreten war. Diese Faserstoffbälge sind einfach oder vielfach, verwachsen oder nur in die Zwischenräume der Säulchen eingesenkt; ihre Gröfse ist verschieden von der eines Hanfkornes bis zu der einer Lambertsnufs. 2) Die localen Functionssymptome entstehen aus den Störungen der Herzcontraction, welche durch diese fremden Körper, gleich jeder anderen störenden Ursache, bewirkt werden. Die allgemeinen Functionssymptome können, wie bei den einfachen chronischen Concretionen, aus der ge-
360 hinderten Circulation hervorgehen; dazu kommen noch mögliche Symptome einer Herzentzündung, einer Eiterinfection, j e nach den Umständen, welche der Bildung der Kysten vorausgehen, oder ihr folgen. Verlauf, Dauer,
Ausgänge.
Verlauf und Dauer dieser sonderbaren Producte sind nur wenig gekannt. Indessen ist es wahrscheinlich, in Betracht der Umstände, unter welchen sie auftreten, dafs sie ihre Phasen ziemlich schnell durchlaufen, denn purulente Affectionen haben in der Regel einen ziemlich raschen Verlauf. Die Pyämie insbesondere, welche sich gewissermafsen in den Eiterkysten des Herzens auszusprechen scheint, kommt immer schnell zu ihrer Entscheidung. Der Ausgang scheint mir nothwendiger Weise ein tödlicher zu sein, da entweder dieser fremde Körper einfach als Kreislaufshindernifs auftritt, oder als Epiphänomen der resorptio oder infectio purulenta, welche als hauptsächliche und hinlängliche Ursache des Todes anzusehen ist. Complicationen. Complicationen entstehen aus den Ursachen und Wirkungen dieser Concretionen; nämlich : aus der Endocarditis, den Klappenfehlern, chronischen, eiternden Affectionen der verschiedenen Organe, der P y ämie ; aus den verschiedenen Zufallen, welche aus dem durch die Kyste gehinderten Kreislaufe, oder der Eiterinfection entspringen, deren Product und
361 vielleicht auch Ursache das Coagulum ist, indem es sich öffnet und den Eiter in den Strom der Circulation ergiefst. Diagnose. Der anatomische Unterschied dieser Kugelgewächse von dem acuten Coagulum und auch von den einfachen Vegetationen ist leicht; letzterer aber ist während des Lebens um so schwieriger, als die Zeichen der Vegetationen überhaupt von anderen Herzfehlern gctheilt werden. Wenn die Diagnose der Vegetationen möglich wäre, so könnte man vielleicht, in gewissen Fällen , dieselben vor einander erkennen, j e nachdem Phänomene von Eiterresorption vorhanden wären oder nicht. Die Sache ist an und für sich zu dunkel, als dafs sie weiterer Betrachtung fähig wäre. Prognose. Die Prognose gehört zu den schlimmsten; denn aufser der durch die Vegetationen bedingten Gefahr, erscheint auch noch die der Infection, welche der Bildung der Kysten vorausgehen, sie begleiten, oder ihr folgen kann. Behandlung. E s ist hier nichts Besonderes hinsichtlich der Behandlung zu bemerken , welche nur rein symptomatisch und palliativ sein kann, das heifst, gegen die vorausgehenden Alterationen, die begleitenden Symptome, und die consecutiven Zufälle dieser Kugelge-
803 wüchse, dieser Eitercoagula gerichtet, die aü und für sich keine Behandlung zulassen. Hier folgt die oben genannte interessante Beobachtung. Beob.
Tuberkclhöhlen;
Darmgeschwüre.
Eitercoagu-
l u m in d e m H e r z e n .
Mann von 70 J a h r e n , wird in einem der Agonie nahen Zustande hereingetragen; hustet seit längerer Zeit; Verschlimmerung seit einem Monate. Auf Entfernung hörbares Trachealrasseln; mühsamer Auswurf eiterartiger Sputa; zerstreutes gurgelndes Geräusch im Thorax; Schwäche und Getümmel der Herzschläge; kleiner, frequenter P u l s ; Infiltration und Purpurailecken der unteren Extremitäten (Wasser mit Wein, Potio cum Aqua fl. tiL, aurant., Tinct. cjnnam., Syrup. cort. aur.). Stirbt in der Nacht. Leichenbefund : Rechte Lunge voll Cavernen aller Gröfsen; linke Lunge weniger desorganisirt, aber verstopft, ödematös an den tubcrkelfreien Stellen. Herz von gewöhnlicher Gröfse, ziemlich schlaff. Im linken Ventrikel finden wir eine kleine Geschwulst von der Gröfse einer Traubenbeere, welche an der äufseren Wand festsitzt und aus einer A r t Faserstoffkyste besteht, deren Centrum rahmigen Eiter enthält, deren faserstoffige Wurzeln in die Zwischenräume der Fleischsäulehen eingesenkt sind. An der Kammerscheidewand sitzt eine andere Geschwulst von ähnlichem Aussehen, weifslich, ziemlich hart, ebenfalls mit dickem Eiter angefüllt. Zu beachten ist, dafs dieser Ventrikel kein flüssiges Blut enthält.
363 Die rechten Höhlen enthalten eine gewisse Quantität schwarzen, flüssigen Blutes und Coagulum. Keine Spuren von Abscessen in Leber und Milz; die linke Niere dagegen zeigt an ihrer vorderen Fläche eine zollgrofse, weifsgelbliche, längliche, von der rothgefarbten Umgebung scharf abstechende Stelle, welche in die Tiefe dringt und offenbar von in die Rindensubstanz infiltrirtem Eiter herrührt. Der Dünndarm ist in einer fast drei Fufs langen Ausdehnung oberhalb der Ileocöcalklappe mit kleinen Geschwüren tuberkulösen Ursprungs übersäet. (Observ. XL VI des £tud. clin.) Wären diese Eitercoagula allein vorhanden gewesen so könnte man sie für idiopathische Producte gehalten haben; aber in Betracht, dafs 1) beide Lungen mit eiternden Cavernen erfüllt sind; 2) der Dünndarm ebenfalls ulcerirt ist; 3) die linke Niere der Sitz einer metastatischen Eiterinfiltration ist, sind wir berechtigt, den im Herzen gefundenen Eiter als in Folge von Resorption dahin gelangt anzunehmen. Zu beachten ist, dafs sich dieser Eiter im linken Herzen vorfand, während er in der Regel im rechten Ventrikel getroffen wird; dies mag daher kommen, dafs die Resorption in der Regel durch die Venen geschieht, welche in das rechte Herz münden; während hier die Eiterquelle wahrscheinlich in den Lungen lag und der Eiter durch die Lungenvenen in die linken Höhlen gelangte. §. 4. Hydatlden des Herzen«. Der einzige belebte fremde Körper, welcher im Herzen gefunden wird, ist der Blasenwurm oder die
364Hydatide, von der schon früher gesprochen w u r d e ; denn jene langen Würmer, jene Schlangen, gehören eben so gut, wie die Polypen in den Herzhöhlen, zu den Mährchen der Alten und waren nichts anderes, als Concretionen des Blutfaserstoffs. Die Ursachen dieser seltenen Erscheinung sind gänzlich unbekannt. Die organischen Symptome bestehen in eben diesen Blasen, welche allein oder in Mehrzahl in den verschiedenen Höhlen vorkommen, klein oder grofs, frei oder angewachsen u. s. w. sein können. Die localen und allgemeinen Zeichen derselben haben, wie die aller bisher genannten fremden Körper und anderer organischen Fehler, keine bestimmten Charaktere und lassen die Diagnose vor dem Tode ungeVifs. Von specieller Behandlung kann demnach nicht die Rede sein. Man ist darauf beschränkt, die Zufalle zu bekämpfen, welche diese Hydatidcn als fremde Körper und Kreislaufshindernisse hervorrufen. §. 5. (iasfürmlg-e f r e m d e HVrper i n d e » Herz» lib'hlen. Sie haben entweder eine spontane Genese in dem Herzen selbst, oder kommen von aufsen hinein. Spontan erzeugte Gase sind fast immer Producte der Leiche, einer gewissen Zersetzung. Die Annahme ihrer Bildung während des Lebens bei septischen, putriden Giftkrankheiten, welche eine rasche und tiefgreifende Veränderung der Gewebe und Flüssigkeiten hervorbringen, ehe der Tod erfolgt, ist, unserer A n -
305 sieht nach, eine bloise Hypothese. Wenn die Zersetzung während des Lebens bis zur Gasbildung im Kreislaufe gehen kann, so mufs dies dem Tode so nahe geschehen, dafs hier kein Unterschied in der Zeit angenommen werden kann. Wir übergehen daher diese Frage, ohne weitere Betrachtungen anzustellen. Eindringen von Luft in die HerzhBhlen.
Das Eindringen atmosphärischer Luft in die Venen und von da in die rechten Herzhöhlen ist einer der schlimmsten Zufalle, welcher aber mehr dem Gebiete der Chirurgie angehört und deshalb von uns nur kurz behandelt werden soll. Geschichte. W e p f e r , R e d i , P o r t a l , B i c h a t , N y s t e n und andere Beobachter hatten durch ihre Experimente die tödliche Wirkung der in die Venen eindringenden atmosphärischen Luft nachgewiesen, als im Jahre 1821 M a g en d i e einen solchen Vorfall bei einer regelmäfsigen chirurgischen Operation wahrnahm, was seitdem .durch viele andere Operatoren bestätigt wurde. Ebenso gab diese Beobachtung zu einer interessanten und langen Discussion in der Academie de médecine Veranlassung (Bidletin de TAcademie de médecine, tom. II. Î837). A e t i o 1 o g i e. Wir übergehen die verschiedenen Hypothesen, welche die Alten erdacht haben, um den plötzlich
366 eintretenden Tod bei gewissen Operationen zu erklären. Eine der Ursachen dieser Katastrophe ist offenbar das Eindringen von atmosphärischer Luft in die Venen, Ein solches Geföfs, welches, nicht weit vom Herzen, durchschnitten wird, wo anatomische Verhältnisse sein Lumen offen halten, nimmt durch einen gewissen Act der Einsaugung atmosphärische Luft in sich auf, welche fast unmittelbar tödliche Zufälle hervorbringt. Auf welche Weise nun erfolgt hier der Tod? Die Einen behaupteten, dafs die in die rechten Herzhöhlen eingedrungene Luft plötzliche Ohnmacht hervorrufe, indem sie die Contractionen dieses Organes hemme oder wenigstens tief eingreifend störe; die Anderen glaubten, dafs die atmosphärische Luft bis zur Lunge gelange und Asphyxie hervorbringe; die dritten endlich nahmen an, dafs die atmosphärische Luft bis zum Hirn vordringe und dort den Tod verursache. Von diesen drei Meinungen halten wir nur die erste für rationell und erweislich, aus Gründen, deren Erläuterung uns hier zu weit führen würde; wir geben deren nur zwei an : zuerst die Schnelligkeit, mit welcher der Tod erfolgt, was nur durch augenblickliche Ohnmacht erklärlich ist; und zweitens die Schwierigkeit, mit welcher die Lnft bis zu den angegebenen Entfernungen dringen kann. Indem wir also den Tod als das Resultat der Einwirkung der atmosphärischen Luft auf das Herz selbst ansehen, finden wir uns veranlafst, diesen Vorfall hier summarisch zu skizziren.
867 Symptome. 1) Organische Symptome. Man hat die atmosphärische Luft nach Aufsaugung durch die Venen in dem rechten Herzen, welches durch sie ausgedehnt wird, und mehr oder weniger innig mit dem darin enthaltenen Blute gemengt gefunden. Man hat wohl auch Luft unter der Pleura, einige Blasen in den Hirngefäfsen gefunden; diese überhaupt bestreitbaren Umstände haben aber in unserer Meinung nicht die ihnen beigelegte Wichtigkeit. 2) Locale und allgemeine Functionssymptome. Im Augenblicke der Aufsaugung hört man ein eigenthümliches, zischendes Geräusch, welchem man unmittelbar durch Verschliefsung der geschnittenen Vene Einhalt thun, oder welches man durch Wiederöffnen derselben erneuern k a n n , was mittelst des Fingers durch Druck und Nachlassen leicht ausfuhrbar ist, wie wir es selbst beobachtet haben; in demselben Augenblicke vernimmt man ein gurgelndes Geräusch in der Herzgegend, als ob sich die Luft mit dem Blute im rechten Herzen vermenge, aber in demselben Augenblicke auch stöfst der Patient einen Schrei des Schreckens aus und fällt u m , meist um nie wieder aufzustehen : der Tod hat ihn schon ereilt! Einige krampfhafte Bewegungen, etwas Getümmel im Herzen, und alles ist vorüber. Verlauf,
Dauer,
Ausgänge.
Alle drei ergeben sich aus dem Vorigen. Jedoch scheint eine gewisse Menge von Luft nöthig zu sein,
368 um den Tod zu verursachen; denn man kann demselben durch schnelles Zusammendrücken der Venen im Augenblicke des Zischens zuvorkommen; ja sogar kann man zur Probe in gewissen Fällen dieses Zischen mehrmals hervorrufen, wie wir gesagt haben, ohne dafs dem Subjecte daraus bedeutender Schaden erwachse; jedenfalls aber scheint uns ein solches Unternehmen gewagt. Erfolgt der Tod nicht, so verschwinden die Störungen der Circulation, der Respiration und der Innervation alsbald wieder. Diagnose. Das Eindringen atmosphärischer Luft in die Venen unterscheidet sich ganz leicht von den übrigen Zufällen, welche plötzlichen Tod verursachen; es handelt sich erstlich in der Regel um eine Operation in der Nähe des Herzens, sodann vernimmt man jenes charakteristische Zischen , obgleich nicht immer mit der nämlichen Intensität; ferner den Angstschrei des Patienten ; endlich aber zeichnet es sich aus durch diesen blitzschnellen Tod, wie er weder bei Asphyxie und Schlagflufs, noch auch bei den Ohnmächten erfolgt. Prognose. Die Prognose ist dcmnach so schlimm, wie möglich. Behandlung. Bei der Schnelligkeit des Ereignisses gibt es fast keine Behandlung. Indessen hat man innerlich und äufserlich energische Stimulantia, Besprützen mit
369 kaltem W a s s e r , Einatlimen von reizenden Dämpfen, wie von Ammoniak und dergleichen anempfohlen; das ist auch alles, was rationell ist und was man Zeit hat anzuwenden. D e r Aderlafs, das Einblasen von Luft in die Trachea, scheint uns verlorene Mühe, denn es handelt sich nicht darum den L u n g e n , sondern der Herzthätigkeit aufzuhelfen. Man hat ebenfalls gerathen, das Subject in eine solche Lage zu bringen, dafs die Luft sich leichter einen W e g in die Lungenarterie bahnen könne, da ihr Contact mit dem Herzen die Gefahr bedingt. Ich war der erste, welcher diese Idee in den Transactions medieales, tom. X. p. 75, 1832, veröffentlichte. In Betracht des specifischen Gewichtes, welches der Luft gestattet, sich im Blute zu erheben, in Rücksicht der Lage der Lungenarterie, welche von rechts nach links, von unten nach oben und von vorn nach' hinten verlauft, schlug ich v o r , den Kranken horizontal auf die rechte Seite vnd etwas nach vorn über zu legen, damit die Luft aus dem Vorhof und von da in die Lungenarterie gelangen könne. Dieser rein theoretische Vorschlag war vergessen, als er fünf J a h r e später durch einen anderen Beobachter, als von ihm ausgehend gemacht w u r d e ; in der darauf folgenden Discussion in der Academie aber hat V e l p e a u die P r i orität zu meinen Gunsten nachgewiesen. Ich gestehe, dafs mein Rath sich nur auf Hypothesen stützt und jedenfalls nicht genügen wird, jedoch kann man ihn gemeinschaftlich mit anderen Vorschriften befolgen. M a g e n d i e hat die kühne Proposition gemacht, eine silberne Sonde durch die Drosselvenen bis in den K o r g e t , Herzkrankheiten.
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m rechten Vorhof zu fuhren, und die darin enthaltene Luft mit dem Munde auszusaugen. In so verzweifelten Fällen kann man alles versuchen. A m besten ist es immer, in der Nähe des Herzens mit Vorsicht zu operiren; die durchschnittene Vene augenblicklich zu comprimiren, wenn sich das Zischen hören läfst, und sie während der ganzen Operation verschlossen zu halten. Hierdurch wird dieser Vorfall seltener, wenn auch nicht gefahrloser.
VH Classe. Neurosen des Herzens. Gleich allen mit Nerven versehenen Organen ist das Herz den Neurosen ausgesetzt. Einige derselben findet man bei den Schriftstellern mit einer gewissen Sorgfalt behandelt, so die Palpitationen ( S é n a c , L a e n n e c etc.), die Ohnmacht etc.; aber mit einer methodischen Eintheilung und einer vollständigen Abhandlung dieser Krankheiten haben sich nur Wenige beschäftigt, zu ihnen gehört besonders B o u i l l a u d , welcher diese Lücke in der Nosographie des Herzens hervorhebt. Seine Fingerzeige benutzend, schlagen wir folgende Eintheilung vor : W i r unterscheiden von vornherein zwischen symptomatischen, secundaren Neurosen, welche von Veränderungen der verschiedenen festen und flüssigen Theile herrühren und als Symptome oder als Epiphänomene in vielen Krankheiten auftreten, besonders in denjenigen, welche wir bisher betrachtet haben; und zwischen idiopathischen Neurosen, welche als primitive, wesentliche,
871 dynamische bekannt, d. h. von aller vorausgehenden wahrnehmbaren Veränderung unabhängig sind. Diese letzteren allein konnten uns hier beschäftigen, da von den anderen schon an den geeigneten Orten die Rede war. W i r theilen die idiopathischen Neurosen des H e r zens in solche, welche die sensible und in solche, welche die Beioegungssphäre des Herzens betreffen. Die Neurosen der sensiblen Sphäre unterscheiden sich durch E r h ö h u n g (Hyperästhesie) und Verminder u n g (Anästhesie) der Sensibilität. Die Neurosen der Bewegungssphäre zeigen sich als erhöhte, verminderte und unregdmäfsige Contractili-i tät (Hyperdynamie, Adynamie, Ataxodynamie) (J). W i r geben zur besseren Uebersicht folgende Tabelle : AU symptomatische, geenndäre Erscheinungen anderer Krankheiten der festen Theile oder der Säfte. Neurosen des Herzens
der A b idiopathische, primitive Erscheinungen
sensiblen (Hyperästhesie. (Cardiälgie ?) Sphäre \ Anästhesie. (Paralysie ?)
Hyperdynamie (Herzklopfen). der Bewe- Adynamie (Ohnmacht). gungssphäre' Ataxodynamie (Unregelmässigkeiten).
(1) Diese Eintheilung der idiopathischen Bewegungsneurosen •wurde von B o u i l l a u d seiner allgemeinen Eintheilung der Neurosen des Herzens zu Grunde gelegt.
24 *
m Erstes Kapitel.
Neurosen der sensiblen Sphäre des Herzens. §. 1.
Hyperästhesie. .
Die Steigerung der animalen Sensibilität des H e r zens erhält den Namen Cardialgie (1). Der Kranke empfindet häufig mehr oder weniger lebhafte Schmerzen in der Herzgegend, wobei es schwierig ist, deren eigentlichen Sitz genau zu bestimmen. Allerdings entspringen die Schmerzen in sehr vielen Fällen aus einer Affection des Pericardiums, der P l e u r a , oder der Lungen, noch häufiger der Muskeln (Pleurodynie) oder der Nerven (Neuralgia intercostalis) dieser Gegend. Kann aber, abgesehen von den genannten materiellen Ursachen, das Herz selbst der Sitz solcher Schmerzen sein? B o u i l l a u d bezweifelt dies, weil das Herz nur Nerven aus der vegetativen Sphäre erhalte. Wenn man aber durch aufmerksame Analyse die ganze Umgebung des Herzens frei von jeder Affection gefunden hat, so mufs man zuletzt die empfundenen Präcordialschmerzen als im Herzen selbst sitzend betrachten. Und dann, können die vegetativen Nerven im pathologischen Zustande nicht auch schmerzhaft werden? Die genaue Bestimmung des anatomischen Sitzes dieser Schmerzen hat übrigens keinen grofsen Werth, wenn es nur gehörig erwiesen ist, dafs kein organischer Fehler des Herzens vorhanden ist.
(1) Wir gebrauchen hier das Wort Cardialgie in seiner eige»thümlichen Bedeutung, der hänfigen Anwendung desselben gegenüber, um den Magenschmerz in der Cardia zu bezeichnen.
373 Symptome. Die Cardialgia kann die Spitze, die Basis, die rechte oder linke Hälfte, oder die ganze Herzregion einnehmen; sie kann lebhaft, leicht stechend, dampf etc., anhaltend oder aussetzend, von kürzerer oder längerer Dauer, gleichmäfsig oder exacerbirend sein, bei Muskelanstrengungen, Gemüthsbewegungen, Witterungswechsel, Ausschweifungen vorkommen, etc. Daher ist ihr Verlauf und ihre Dauer sehr veränderlich ; ihr Ausgang ist gewöhnlich in Genesung. Die gröfste Schwierigkeit der Diagnose ist, sie von anderen, ähnliche Symptome hervorrufenden Krankheiten zu unterscheiden; dazu gehört die geeignete Vertrautheit mit der Pathologie des Herzens; aufserdem aber handelt es sich darum, bestimmt zu wissen, ob diese Affection wirklich essentiell oder an materielle Alterationen gebunden ist; die Lösung dieses Problemes ist schwer und leicht dem Irrthum unterworfen. Die Prognose ist in der Regel nicht ungünstig. Die Behandlung besteht in der Entfernung der ermittelbaren, constitutionellen, hygiänischen und anderen Ursachen, sodann in der directen Bekämpfung des Schmerzes mittelst der Sedantia; das Opium und seine Präparate in innerlicher und äufserlicher Anwendung bewähren dabei ihre ganze Wirksamkeit. Wir sprechen hier nicht von den Mitteln, welche den möglichen mit der Cardialgie gleichzeitigen Erscheinungen, als Herzklopfen, Lipothymie etc., entgegenzusetzen sind, da wir uns nur mit jener allein zu beschäftigen haben. Dies genüge bezüglich einer Affec-
374 tion, deren Vorkommen bestritten ist und deren Behandlung fast nur eine symptomatische sein kann. An die Cardialgie würde sich die Angina pectoris reihen, wenn man die letztere als vom Herzen ausgehend annehmen könnte. Viele Aerztc halten wirklich die Angina pectoris noch für eine Herzkrankheit, besonders seitdem män gewisse idiopathische Alterationen des Herzens, wie die Verknöcherung der Kranzarterien, als Substrat derselben bezeichnet hat. L a e n n e c besonders hat zn dieser Annahme beigetragen, obwohl er, wie auch B o u ill aud hervorhebt, je nach dem Sitae des empfundenen Schmerzes den Sitz der Angina in den Plexus cervicalis, brachialis, den Pneumogastricus etc. verlegt. B o u i l l a u d und P i o r r y leiten sie geradezu von Affectionen der animalischen Nervensphfire und nicht von den Herzfäden des Sympathicus ab. Unsere eigenen Beobachtungen heifsen uns beiden Autoren beipflichten und die Aflginä pectoris als eine dem Herzen wenigstens primitiv fremde Krankheit betrachten. §. 2. A n ä s t h e s i e d e s H e r z e n s (Lähmung der Sensibilität).
Das Herz ist im Normalzustande ohne animalische Sensibilität, es kann daher auch hier nur von der organischen, unbewufsten Sensibilität des Organes die Rede sein, der gemäfs das Herz seinem natürlichen Stimulus gehorcht; die Autoren haben Lähmungendes Herzens, gleich jenen der Lunge, angenommen und sie in der Trägheit und Schwäche der Pulsationeo,
375 den Ohnmächten etc., als Folgen der gänzlichen Anästhesie, ausgesprochen gefunden. Die Art von Narcotismus oder unvollständiger und vorübergehender Lähmung nach dem Gebrauche der Digitalis schien diese Meinung zu unterstützen; wir begnügen uns, da wir nicht gerne über Hypothesen und Speculationen raisonniren, die Möglichkeit des Vorkommens dieser Krankheit anzugeben, welche, wie jede sogenannte essentielle Paralysie, die verschiedenen Stimulantia anzeigt. Zweites Kapitel.
Neurosen der Bewegungssphäre
des Herzens.
§. 1. H y p e r d y n a m l e , essentielles Herzklopfen, Palpitationen.
Man bezeichnet mit Palpitationen eine gewöhnlich vorübergehende Störung des Herzens, welche in mehr oder weniger ausgesprochener Stärke, Frequenz und Unregelmäfsigkeit der Schläge dieses Organes besteht. A e t i o 1 o g i c. Die Ursachen der Palpitationen sind sehr mannigfach. Sie entstehen häufig aus gewissen Verhältnissen der Innervation, dem sogenannten nervösen Temperamente, welches angeboren oder erworben, durch eine gewisse Empfindlichkeit und eigenthümliche Reizbarkeit charakterisirt ist und sich bei der geringsten physischen oder moralischen Veranlassung geltend macht. Obwohl eine zarte Constitution, ein feiner Bau und eine gewöhnlich bleiche Gesichtsfarbe
376 als äufsere Zeichen dieses Temperamentes angesehen werden, so ist es doch nicht selten, diese Empfindlichkeit der Nerven auch bei Individuen aniufcreffen, welche ein kräftiges, plethorisches Aussehen halben. Schnelles Wachsen wird bei jungen Leuten mit Recht als prädisponirende Ursache zum Herzklopfen betrachtet, welches alsdann vielleicht von Mangel an Raum in der Brusthöhle herrührt, wodurch das Herz in seiner Thätigkeit beeinträchtigt wird. Hygiänische, physische, innere oder äufsere Reize, heftige Körperbewegungen sind Veranlassungen zum Herzklopfen. Expansive Leidenschaften, wie Freude, Zorn, Liebe, oder niederdrückende, wie Schrecken, Trauer, Heimweh, Hypochondrie sind häufige und mächtige Ursachen zu diesen heftigen Störungen des Herzschlages. Ebenso entstehen Palpitationen in Folge von G eistesanstrengungen, allzu anhaltendem Studium, Nachtwachen, gleich wie durch Uebermafs sinnlicher Vergnügungen. Beide nervenschwächenden Ursachen erzeugen in der Regel die sogenannte Studentenkrankheit (maladie des étudiants), welche sich durch Herzklopfen mit mehr oder weniger scharf ausgesprochener Nosomanie (Hypochondrie) auszeichnet. Diese Krankheit verschlimmert sich durch medicinische Studien, welche häufig bei den jungen Leuten eine phantastische Furcht vor den Affectionen hervorrufen, welche sie gerade studiren oder beobachten, und wovon sie einige vage, wirkliche oder eingebildete Symptome verspüren.
377 Die nervösen Palpitationen haben das Mifsliche, dafs sie durch die Aufmerksamkeit, welche man darauf richtet, unterhalten, verschlimmert, ja sogar hervorgebracht werden können. Es genügt häufig auf seinen Herzschlag zu horchen um Herzklopfen zu bekommen. Symptome. Das venöse Herzklopfen hat keine organischen Symptome, denn gerade darin besteht seine JEssentialität. Seine localen Functionssymptome sind, wie es sich aus der Definition ergibt, die Stärke, die Frequenz und häufig die Unregelmäfsigkeit der Herzschläge, welche meist von dem Kranken selbst, zuweilen auch nur von dem Arzte wahrgenommen werden. Sie können am gewöhnlichsten schon durch den Anblick des Wellenschlages in der Herzgegend oder den Rippenzwischenräumen erkannt werden ; wenn das Auge nicht genügt, verrathen sie sich der zufühlenden Hand. Die Herztöne werden dabei manchmal so stark, dafs man sie in gröfserer Entfernung, aus einem Zimmer in das andere, hören soll; jedoch behauptet L a e n n e c , dafs dieselben nur selten in gröfserer Entfernung, als zwei Fufs von der Herzgegend, wahrzunehmen sind. Unabhängig von den bald dumpferen, bald lauteren Herztönen vernimmt man bei der Auscultation zuweilen noch mehr oder weniger starkes Blasebalggeräusch, je nach der Heftigkeit der Palpitationen. Die allgemeinen Functionssymptome bestehen in dem analogen Verhalten des Pulses zu dem des Herzens,
378 in der gröfseren oder geringeren Unbehaglichkeit, dem ängstlichen Gefühle von Beklemmung in der Herzgegend, i n weilen auch in einem Schmerze (Cardialgie) von verschiedenartigem Charakter; in drohenden Lipo, thymien oder wirklichen Ohnmächten. Diese Palpitationen veranlassen häufig ein Gefühl von F u r c h t , welches sie unterhalten und vermehren kann. Sie können endlich Congestionen in verschiedenen Organen hervorrufen, welche die Lage des Kranken verschlimmern. Diese Krisen sind von verschiedener Dauer, kommen zu verschiedenen Epochen wieder, und verschwinden entweder von selbst oder unter dem Einflüsse bestimmter physischer oder moralischer Mittel.
Verlauf,
Dauer,
Ausgänge.
Der Verlauf der essentiellen Palpitationen ist demnach zuweilen anhaltend, meist aber intermittirend, regelmafsig oder unregelmäfsig, — Zwischenräume vollkommenen Wohlbefindens lassend, wodurch sie sich von den meisten symptomatischen Palpitationen unterscheiden. Die. Dauer der einzelnen Anfalle und der Gesammtkrankheit ist sehr verschieden. Die Heilung, obgleich häufig sehr schwierig zu bewerkstelligen, ist der gewöhnliche Ausgang der nervösen Palpitationen. Man nimmt allgemein an, dafs eine längere Dauer derselben materielle krankhafte Zustände des Herzens odor der Gefafse oder irgend eines der anderen Eingeweide herbeiführen könne.
379 Dabin gehören die Erweiterung und Hypertrophie des Herzens, die activen Congestionen der Parenchyme (Lungen, Hirn u. s. w.); aber diese Zufalle sind einestheils sehr selten und anderntheils ist man, wenn sie auftreten, was besonders für das Aneurisma des Herzens gilt, fast immer zu der Frage berechtigt, ob diese Palpitationen als Ursachen oder nicht vielmehr als Folge dieser materiellen pathischen Veränderungen, welche ursprünglich latent waren, anzusehen sind. Complicationen. Abgesehen von den materiellen Affectionen, welche dem Herzklopfen voraus gehen können, sind die Complicationen selten und wenig zahlreich. Unter ihnen haben wir als begleitend und nachfolgend die Cardialgie, die Ohnmächten, die Congestionen der Eingeweide, die Nosomanie und diejenigen organischen Fehler kennen gelernt, deren secundärer Charakter ziemlich problematisch ist. Indessen haben wir schon, besonders bei dem Studium der Erweiterung und der Hypertrophie, gesehen, dafs Kreislaufsstörungen, wenn auch nervöser oder dynamischer Natur, zu wirklichem Hindernisse werden, und folglich gewisse materielle Veränderungen des Herzens verursachen können. Diagnose. Die Diagnose der Palpitationen ist einer der wichtigsten und zugleich delikatesten Puñete der Pathologie des Herzeus. Von ihr schreiben sich die
380 meisten Irrthümer her, welche täglich bei Herzkrankheiten vorkommen. Es handelt sich hier vor Allein darum, zu ermitteln, ob die Palpitationen primitiv, essentiell, oder secundär — Symptome irgend eines materiellen pathologischen Zustandes sind, ob dieser nun in dem Herzen, in den Lungen, in den Nervencentren, in dem Blute oder sonst wo seinen Sitz habe. Sie finden sich im Symptomencomplex einer Menge verschiedenartiger Affectionen und nur durch scharfsinniges Sichten aller dieser Elemente kann man zu einer einigcrmafsen sicheren Diagnose gelangen. Wir können uns nicht auf eine genauere Analyse einlassen, welche sich überhaupt aus dem Zusammenhange unseres Werkes ergibt, und beschränken uns, um die Aerzte gegen so mannigfache, mögliche Irrthümer zu schützen, der zahlreichen Fälle zu erwähnen, wo positive organische Fehler des Herzens für einfaches Herzklopfen gehalten wurden, was vielleicht noch weniger häufig vorkommen mag, als der umgekehrte Irrthum, einfache Palpitationen für organische Herzfehler anzusehen. Wie oft wird nicht die Chlorose mit organischen Fehlern verwechselt ? und wieviel Aneurismen, auf der anderen Seite, werden nicht für anämische Palpitaiion behandelt, besonders wenn cachectische Anlage vorhanden ist? Ferner aber, wenn man nach scharfsinniger Nachforschung die Wesentlichkeit des Herzklopfens anzunehmen berechtigt ist, bleibt noch das primum movens dieser Kreislaufswirren zu entdecken, das häufig geheime Mobile, welches, als Gegenstand der Scham, von dem Kranken sorgfältig verschwiegen wird,
391 während Leidenschaften ihn beherrschen oder Laster ihn aufzehren. Hier handelt es sich nicht mehr um Nachschlagen in gesammelten Beobachtungen, um Berufen auf klinische Thatsachen, um Untersuchung des Organes mittelst Plessimeter und Sthetoscop, um Versuchen pharmaceutischer Agentien; nicht mehr um die Materie, sondern um den Geist und das Geniiith, nicht mehr um die Hülfsquellen der gewöhnlichen Medipin, sondern um die Eingebungen der Philosophie. Diese Bemerkungen sind so alt und so verbraucht, wie die alte Geschichte des jungen Antiochus, welchen Erasistratus erst durch die Entdeckung seiner Liebe zur Stratonica heilen konnte, und doch, wie wenige Aerzte denken in ähnlichem Falle daran, in den freien Wissenschaften und in den Eingebungen einer erhabenen Seele Hülfe zu suchen. Prognose. Die Prognose der nervösen Palpitationen ist, wie dem auch sei, im Allgemeinen nicht ungünstig; jedoch wechselt sie nach der Natur und der Heftigkeit der Ursachen, der Entwickelung der Symptome, der Dauer der Krankheit, deren Widerspenstigkeit gegen die Heilmittel u. s. w. Behandlung. Die Behandlung gründet sich nothwendiger Weise auf die Natur der Ursachen und auf die Symptome. Unter den Ursachen mufs zuerst denen, welche in der individuellen Constitution bedingt sind, begegnet
382 werden. Nervöse, schwächliche, anämische Personen bedürfen einer stärkenden Behandlung dnrch tonische und namentlich Eisenmitte]; plethorische Constitutionen im Gegentheil müssen durch Blutentziehungen, temperirende und schwächende Mittel überhaupt heruntergestimmt werden. Ebenso müssen die gewöhnlichen Beschäftigungen, die Anstrengungen, Gewohnheiten, Leidenschaften, kurz alle der Gesundheitslehre entnommenen ätiologischen Bedingungen bei der Behandlung berücksichtigt werden. Wenn man auf diese Weise die Palpitationen von ihren ursächlichen Momenten gewissermafsen befreit hat, kann man mit den gehörigen Mitteln zu ihrer speciellen Behandlung schreiten. Classisches Herkommen hat den Gebrauch gewisser Mittel, der angeblichen Antispasmodica, geheiligt; zu ihnen gehört die Valeriana, der Kampher, der Moschus, die Asa-foetida, das Zinkoxyd u. s. w. Diese, meist stimulirenden, Mittel passen wirklich für diejenigen Fälle, wo das Herzklopfen mit einem gewissen Schwächegrade verbunden ist; wir sind jedoch ans unserer eigenen Erfahrung überzeugt, dafs man im Allgemeinen bessere Erfolge von den directen Sedantien, wie von dem Opium und seinen Präparaten, ohne die anderen Narcotika zu nennen, erwarten kann. Vor allem aber ist hier als ein speciell beruhigendes Mittel die Digitalis «u •erwähnen, welcher Icein andores Mittel in dieser Wirkung gleichkommt. Sie dient also besonders in den Fällen von einfachem
m Herzklopfen, und man gebraucht sie, je nach den Umständen, in verschiedener Form und Gabe. Die oglücklichen und vielfachen Anwendungen von O Aetlier und Chloroform» welche man auf verschiedene Weise, besonders aber durch Einathm&n derselben, in der letzten Zeit gcmacht hat, können auf v o r t e i l hafte Weise bei dem Herzklopfen wiederholt werden. Ich habe mich dieser Mittel mehrfach bei idiopathischen und symptomatischen Palpitationen, einfachem oder mit Cardialgie und allgemeinen Krämpfen verbundenem Herzklopfen mit Erfolg bedient. In vielen Fällen ist es hinreichend, den Kranken Aether aus einem weithalsigen Gefäfse bis zur Erleichterung einathmen zu lassen. Das Chloroform ist zu energisch wirkend, um dessen Gebrauch dem Kranken selbst zu überlassen. Bei beängstigendem Gefühle von Beklemmung in der Herzgegend und bei Cardialgie kann aus beiden Agentien durch örtliche Anwendung Vortheil gezogen werden. Innere und äufsere Ilevulsiva können als Adjuvantia der angeführten Mittel benutzt werden. Eine wesentliche Regel bei der Behandlung der Palpitationen ist, den Kranken von vornherein über die Gefährlichkeit seines Zustandes zu beruhigen. Hänfig, besonders bei Hypochondern, hören die stärksten Palpitationen, 'wie durch einen Zauber, plötzlich auf, •sobald das 'Gemüfh des Kranken beruhigt ist; oft sahen wir Subjecte, welche in dem Zustande äufserster Aufregung und Furcht unseren Rath erholten, uns ruhig und heiter verlassen, wenn es gelang, ihnen die Idee von Anenrisma, welche sie immer
384 verfolgt, auszureden und sie von dem rein nervösen Charakter ihrer Krankheit zu überzeugen. §. 2.
Adynamle,
Lipotliymte,
Etanouitsemenl,
Ohnmacht
Pamoison,
(Syncope,
üéfaillanci).
D e f i n i t i o n. Mit diesen verschiedenen Ausdrücken bezeichnet man eine Affection, welche in einer solchen Verminderung der Kraft und der Frequenz der Herzschläge besteht, dafs dadurch für einen Augenblick Bewustsein und Bewegung verloren gehen und ein todähnlicher Zustand herbeigeführt wird. A e t i o 1 o g i e. Die Ursachen der Ohnmacht sind äufserst mannigfach; sie wird durch alles, was die Contraction des Herzens plötzlich aufheben und den Zuflufs des Blutes zu dem Gehirn mehr oder weniger vollständig verhindern kann, hervorgerufen. In der That ist das Aufhören des HirneinHusses die wesentliche Ursache der Ohnmacht. Physische und moralische Ursachen tragen ebenfalls das Ihrige dazu bei. Der geringste peinliche Eindruck kann sie bei zarten nervösen Personen veranlassen. Der Anblick eines ekelhaften, häfslichen, schreckerregenden Gegenstandes,, gewisse stinkende, ekelhafte, auch aromatische und fragranté Gerüche, das Vernehmen eines starken plötzlichen oder gewisser eigenthümlicher Geräusche, das Versuchen unangenehm schmeckender Substanzen, die Berührung gewisser Gegenstände, gewisser Thiere, des einfache
385 Kitzeln — kurz alle widerlichen Eindrücke auf die Sinne im Allgemeinen, oder im Individuo, können Ohnmacht erzeugen. Es bestehen in dieser Hinsicht gar sonderbare Idiosynkrasien, von denen in allen physiologischen und medicinischen Werken die Rede ist (1). Neben diesen physischen Eindrücken erscheinen die moralischen als nicht minder zahlreiche Ursachen. Jede lebendige Empfindung von Freude und Schmerz, alle erhebenden und niederschlagenden Gefühle können Ohnmacht veranlassen; und hierin sind die Idiosynkrasien nicht weniger mannigfach und sonderbar als in der vorigen Reihe. Krankhafte Ursachen sind eine andere positivere Quelle von Ohnmächten. Die häufigste ist der Schmerz, dieses Grundelement fast aller Krankheiten und nur zu häufig auch unserer angewandten Heilmittel; sodann kommt die Erschöpfung, welche rasch oder langsam, durch Entbehrung, Blutverlust, chronische Krankheiten etc. eintreten kann. Die Entzündungen, die schweren Fieber, die organischen Fehler nnd Neurosen der wichtigen Organe, die Vergiftungen aller Art zeigen sich als lange Reihen von Ursachen, in deren Einzelnheiten wir nicht eingehen können. Krankheiten des Herzens selbst gehören natürlich nicht hierher. (1) Die sanftesten und angenehmsten Gerüche, wie die der Rose, des Moschus, die Wohlgcrüche der Toilette, der Anblick ganz gewöhnlicher Gegenstände, der unschuldigsten Thiere, einer Katze, einer Maus, können Ohnmächten verursachen. Man erzählt, dafs der berühmte Astronom T y c h o - B r a h e während der Mondsfinsternisse die Besinnung verlor. F o r g e t , Herzkrankheiten.
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386 Symptome. Locale und allgemeine Fwictionssymptome. Der Ohnmacht geht in der Regel eine unbestimmte Unbehaglichkeit voraus, mit Angstgefühl und Beklemmung in der Herzgegend, Schwäche, Abgeschlagenheit, äufserster Blässe, kaltem Schweifse, Verdunkelung des Gesichtes , Summen und Klingen in den Ohrer, worauf bald mehr oder weniger vollständiger Verlust der Sinne und der Bewegung, todähnlicher Zustand eintritt, welchem die Natur oder die Kunst abhelfen mufs, wenn nicht wirklicher Tod erfolgen soll. Es gibt Personen, welche in diesem Zustande ein unbeschreibliches Wohlbehagen empfinden, so dafs sie bedauern, daraus erlöst zu sein. In der Ohnmacht verschwindet der Puls nicht gänzlich, wie man allgemein glaubt; wohl wird er so klein und langsam, dafs er zuweilen kaum wahrnehmbar ist, aber das Herz schlägt fort und seine Schläge sind den Ohren sehr vernehmlich; denn wenn es nur einige Minuten aufhören würde zu schlagen, so wäre das Leben ohne Wiederkehr erloschen. Eben so wenig hört der Athem gänzlich auf, aber er wird sehr langsam und schwach, fast unmerkbar, ohne dafs es jedoch schwer hält, ihn bei einiger Aufmerksamkeit zu bestätigen. Es gibt verschiedene Grade von Ohnmacht. So erscheint sie als ein rasch vorübergehendes Schwächegefühl mit Schwindel und flüchtiger Blässe, oder der Kranke verliert Besinnung und Bewegung unvollkommen, so dafs er wahrnimmt, was im ihn vorgeht, oder endlich zeigt sie sich in dem vtllkom-
387 menen Verluste der sensiblen, intellectuellen und motorischen Fähigkeiten. Die Ohnmacht löst sich und die Fähigkeiten leben in umgekehrter Reihefolge ihres Yerschwindens wieder auf. Der Kranke kommt zu sich, ist erstaunt, und sich in der Regel des Zustandes, aus welchem er erwacht, unbewufst; manchmal bedauert er das empfundene Wohlgefuhl; bald darauf erlangt er wieder seine völlige Besinnung und fühlt sich nur noch schwach. Verlauf, Dauer,
Ausgänge.
Der Verlauf der Ohnmacht ist in der Regel rasch und ihre Dauer natürlich kurz. Man spricht von Ohnmächten, welche mehrere Stunden dauern; es können dies aber nur unvollständige oder sueccssive Lipothymien sein , denn vollständige und länger dauernde Ohnmacht führt zum Tode. Der gewöhnliche Ausgang ist in Genesung; die unvollständigen Ohnmächten aber können in einem Zustande äufserster Abgespanntheit fortdauern, oder sich häufig wiederholen und primitiv, d. h. in Folge eines lange dauernden ersten Anfalles, oder consecutiv, d. h. in Folge gänzlicher Prostration, aus welcher der Kranke sich nicht mehr aufraffen kann, zum Tode führen; dies letztere geschieht zuweilen durch äusserste Schwächegrade. C o m p 1 i c a t i o 11 e 11. E s ist hier nicht die Reclt von den verschiedenen Aft'ectionen, welche der Ohnmacht vorangehen oder 25 •
388 folgen können, sondern von den Zufällen, welche sie begleiten; es gibt deren zwei hauptsächliche: Krämpfe und Convulsionen, welche der Ohnmacht den Anschein eines Nervenanfalles geben; sodann die Bildung von Coagulum im Herzen, wie wir oben gesehen haben, dessen Hauptursache gerade die Unterbrechung oder Verlangsamung der Herzbewegungen ist, und deren höchsten Grad die Ohnmacht selbst bildet. Diagnose. Die Ohnmacht kann mit vielen anderen Krankheitserscheinungen verwechselt werden: mit der Erstickung, welche sich durch ihre formellen Ursachen und die Verlängerung der Bewufstlosigkeit unterscheidet; den Convulsionen, welche sich durch den Schaum vor dem Munde, das Einklemmen des Daumens in die Handfläche etc. auszeichnen ; der Hysterie, deren Vorläufer und die krampfhafte Affection des Larynx, der Brust, des Unterleibs u. s. w. charakteristisch sind; die Ohnmacht kann jedoch hier als zufällige Erscheinung hinzutreten; ferner mit den Apoplexien, welche man gewöhnlich an der Hemiplegie, dem stertorösen Athem u. s. w. erkennt; der Trunkenheit, welche sich durch den Wein- oder Alkoholgeruch, die Entleerungen und Anamnese verräth. Man beachte die Schwäche und Langsamkeit des Pulses, den fast unwahrnehmbaren Athem, welche, im Verein mit der äufsersten Blässe, die essentiellen Charaktere der Ohnmacht sind. Prognose. Die Prognose der Ohnmacht an und für sich ist in der Regel nicht ungünstig. Selten wird sie durch
389 eigene Intensität den Tod verursachen. Dies geschieht nur in Fällen der äufsersten Schwäche, wo die Ohnmacht der Ausdruck der völligen Erschöpfung der Lebenskräfte ist. Behandlung. Allgemein bekannt sind die Hauptmittel bei Ohnmächten. Zuerst kommt die Entfernung der Ursachen; sodann eine horizontale L a g e , deren wohlthätiger Einflufs besonders von P i o r r y hervorgehoben wurde, indem dadurch der Zutritt des Blutes zum Gehirne erleichtert wird. Nothwendig ist die Entkleidung des Kranken, das Wegnehmen aller anschliefsenden Gegenstände (Weste, Gürtel, Corsette, Halsbinde, Strumpfbänder), welche die Circulatiön hemmen können. Nach diesen vorläufigen Yorsichtsmafsregeln umgebe man den Kranken mit kühler, frischer Luft; man bespritze sein Gesicht mit kaltem oder säuerlichem W a s s e r , dessen Berührung in der Regel genügt, die leichte oder mittlere Ohnmacht zu brechen. Dauert die Bewustlosigkeit fort, so lasse man Essig, kölnisches W a s s e r , A e t h e r , Essigsäure, ßiechsalz oder selbst Salmiakgeist einathmen; zu gleicher Zeit bewirke man äufsere Revulsionen durch Klopfen in die Handfläche, Kitzeln oder Reiben der H a u t ; dann gebrauche man S e n f t e i g e , heifses Wasser und hautröthende Mittel überhaupt. Selten wird man zum Brennen der Haut im Epigastrium schreiten müssen. In äufsersten Fällen wollte man die Electricität anwenden, aber diese möchte, wenn sie auch wirksam ist, fast immer zu spät kommen.
m Beginnt der Kranke wieder zu sich zu kommen, so fessele man seine Aufmerksamkeit durch Fragen; man lasse ihn einige Tropfen oder Löfel eines stimulirenden Getränkes nehmen (Wein, Alkohol, Aether, kölnisches Wasser mit Wasser verdünnt u. s. w.). Die Prophylaxis ist hier von grofser Wichtigkeit : man beseitige sorgfältig alles, was Ohnmacht bei Individuen veranlassen könnte, welche durch Blutverlust, Entbehrung, durch essentielle, adynamische Krankheiten, wie schwere Fieber, Scorbut u. s. w. dazu geneigt sind. Denn bei hohen Schwächegraden ist Ohnmacht doppelt zu furchten, weil dadurch unmittelbarer Tod oder Bildung von Coagulum in dem Herzen veranlafst werden kann. Bei jeder Operation, welche an zarten, furchtsamen Personen zu unternehmen ist, wäre es auch nur ein einfacher Aderlafs, nehme man seine Mafsregeln gegen die Ohnmacht, indem man den Kranken in eine horizontale Lage bringt und alles in Bereitschaft hält, dieselbe zu verhüten oder sogleich zu bekämpfen. Eine der gröfsten Wohlthaten des Aethers und des Chloroforms ist, die so peinlichen und zuweilen so beunruhigenden Ohnmächten zu verhüten. §. 3.
A t a x o d y n a m i e , A t a x i e (Unregelmäßigkeit, Langsamkeit, abnorme Frequenz der Herzschläge).
Es handelt sich hier um Anomalien des Kreislaufs in Abwesenheit aller wahrnehmbaren krankhaften Ursachen, Fälle von Fieber, organischen Herzfehlem u. s. w. ausgenommen.
391 Die Ursachen dieser sogenannten essentiellen Anomalien sind zuweilen das Alter, häufiger aber unbestimmbare Idiosynkrasien. Symptome. Im Normalzustande schlägt der Puls des Erwachsenen ungefähr 70mal in der Minute; man findet aber Personen, deren Puls ohne zufällige Ursache und gewöhnlich sehr frequent ist, von 80 bis sogar 100 Schlägen; während bei andern derselbe im gewöhnlichen Zustande auf 60, 50, sogar 30 Schläge heruntersinkt. Auch findet man einen in Kraft und besonders in Rhythmus gewöhnlich unregelmäfsigen Puls. Die häufigste dieser Anomalien scheint uns die letztere zu sein. Bei vielen sonst gesunden Personen zeigt der Puls gewöhnlich sehr entschiedene Unregelmäfsigkeiten in Kraft und Rhythmus, ohne dafs man bei der Auscultation eine Veränderung des Herzens wahrnimmt. Manche sogar werden sich dieser Unregelmäfsigkeiten bewufst : sie empfinden von Zeit zu Zeit ein lästiges Gefühl in der Herzgegend, sie beobachten ein augenblickliches Aufhören der Herzschläge, worauf mehrere rasche Pulsationen folgen; sie vergleichen dieses mit dem Aufrollen einer Spiralfeder. Dies letztere Phänomen ist bedenklicher, als die andern, da, der Abwesenheit positiver Symptome ungeachtet, es auf irgend ein zufälliges und vorübergehendes Hindernifs der Herzbewegungen oder des Kreislaufes schliefsen läfst. Bei andern Personen erscheinen diese Unregel-
392 mäfsigkeiten nur nach Excessen, lebhaften Aufregungen u. s. w. (1) Als habituelles, chronisches Phänomen ohne andere Störung der Gesundheit haben diese Anomalien nicht viel zu bedeuten; jedoch müssen sie bewacht werden, da sie der erste Ausdruck eines noch latenten organischen Fehlers sein können. Die Behandlung fallt in der Regel weg, da sich die Kranken wenig um ihren Zustand kümmern. Beklagen sie sich, so rathe man ihnen alles, was diese Anomalien vermehren kann, zu unterlassen. Die Langsamkeit des Pulses kann nur bei guter Gesundheit durch Stimulantia beschleunigt werden, was vielleicht nicht ohne Gefahr ist; der Frequenz der Herzschläge, wenn sie beunruhigend wird, setze man körperliche und geistige R u h e , blande Kost und Digitalis entgegen. Die Unregelmäfsigkeiten der Herzbewegungen, an und für sich bedenklicher als die vorhergehenden Affectionen, verlangen ebenfalls physische und moralische Ruhe, regelmäfsige, spärliche Diät, sowie die Anwendung der Digitalis, dieses unschätzbaren Heilmittels, welches, wie wir schon angegeben haben, die auffallende Eigenschaft besitzt, den regelmäfsigen
(1) Man begreift leicht, wie wichtig es für den Arzt ist, diese constitutionellen Anomalien zu kennen, um die Symptome der Circulation im Laufe einer acuten Krankheit gehörig zu würdigen. Ich habe vor Kurzem einen Kranken an Pneumonie behandelt, dessen Arterie 150mal in der Minute schlug; ich war von der gewöhnlichen Frequenz seines Pulses unterrichtet und defswegen nicht erschreckt. Der Kranke genas, und sein Puls blieb frequent.
393 P u l s unregelmäfsig zu machen und den unregelmäfsigen zu regeln. Sollten diese verschiedenen Anomalien im Verein mit Schwäche, A n ä m i e , einer übermäfsigen Empfindlichkeit angetroffen werden, so finden die analeptischen, krampfstillenden, tonischen und namentlich die Eisenmittel ihre Anzeige.
Drittes Buch. Krankheiten der Blutgefäfse.
Es ist nicht unsere A b s i c h t , eine vollständige, in alle Einzelnheiten eingehende Abhandlung dieser Krankheiten zu liefern; denn eine einzige derselben aus dem arteriellen oder venösen Gebiete könnte Stoff zu Bänden liefern; das Aneurysma z. B. oder die Phlebitis, beide so weitläufig von den Neueren abgehandelt. W i r beschränken uns auf einige Grundzüge und verweilen nebenbei lieber bei solchen Punkten, welche Gegenstände unseres besonderen Studiums waren, und welche wir durch einige neue Ansichten näher beleuchten zu können glauben. W i r befolgen dabei unsern einmal gefnfsten Plan, nur einen Grundrifs dieser Krankheiten zu liefern, den wir hauptsächlich für den Gebrauch unserer Zuhörer bestimmt haben. Wir werden die Krankheiten der Arterien und der Venen in zwei verschiedenen Kapiteln betrachten.
398 Erstes Kapitel.
Krankheiten der Arterien. §. 1. Von den Krankheiten der Arterlen Im Allgemeinen.
Geschichte. Die Alten, unter ihnen A r e t ä u s und G a l e n , sollen schon einige Ideen von den Krankheiten d e r Arterien, und namentlich von deren Entzündung gehabt haben; doch findet man vor dem Wiederaüfblühen der Künste und Wissenschaften keine weitere Bearbeitung derselben, und auch die späteren ausführlicheren Notizen sind immer noch ohne einige Bestimmtheit ausgesprochen. So haben S e n n e r t , B a i l l o u , B o e r h a a v e , v a n S w i e t e n , /de H a e n diesen Gegenstand angeregt; es sind aber besonders M o n r o , H a l l e r , C r e l l , welche die Pathologie der Arterien systematisch behandelt haben, indem sie die Entzündung als das Band bezeichneten, welches verschiedene ihrer Affectionen untereinander verknüpft. Morgagni, Meckel, Sandifort beleuchteten ihre pathologische Anatomie, welche von den Neueren, wie S a s s e , S c a r p a , H o d g s o n , B r c s c h e t , G e n drin, Bouillaud, Andral, Trousseau, Louis und Anderen vervollkommnet wurde. Die Möglichkeit einer Wechselbeziehung zwischen Arteritis und Fieber im Allgemeinen wurde von G r a n t , J . P . F r a n k , P i n e l und B o u i l l a u d angedeutet, während A l i b e r t , D e l p e c h , D u b r e u i l , V i c t o r F r a n ç o i s und An-
399 dere die Rolle der Arterien bei Gangränbildung näher bestimmten. AnatomUch«physiologische Skizze. Die Arterien sind Gefafse, welche bestimmt sind, das Blut aus dem Herzen in das Innere der Organe und Gewebe zu führen. Sie sind aus drei Häuten gebildet : einer inneren, serösen, glatten, feinen, fast durchsichtigen, leicht zerreifsbaren, welche das Dahingleiten des Blutes begünstigt ; aus einer mittleren, eigenthümlichen H a u t , welche dicker, gelblich, elastisch , aus halbzirkelformigen Fasern zusammengesetzt ist, die nifch den Einen dem fibrösen, nach den Andern dem Muskelgewebe angehören und nur bis auf einen gewissen Grad ausgedehnt werden können, ohne zu zerreifscn; endlich einer dritten, äufseren oder Zellgewebshaut, die sehr dehnbar ist und die arteriellen Kanäle gegen excessive Erweiterung und daraus folgende Zerreifsung der inneren Häute schützt. Diese drei Häute sind unter sich leicht durch Zellgewebe verbunden. Gangliennerven, arterielle, venöse (vasa vasorum) und Lymphgeiafse gehören zu dem Bau der Arterien. Das arterielle Blut folgt detn Impulse des Herzens, das es stofsweise vom Centrum nach der Peripherie schleudert; indessen mag auch die elastische Beschaffenheit und die eigene Energie der Arterien in Etwas zu dem Fortgange des Blutes aus weiteren in engere Kanäle beitragen.
400 Aetiologie. • Die Ursachen der Arterienkrankheiten sind : angeborene (angeborene Fehler, angeborene Verengerungen); traumatische (Wunden, Zerreifsungen) ; hygienische (atmosphärische Mifsverhältnisse, erhitzende Lebensweise, Muskelanstrengungen, Leidenschaften u. s. w.), oder krankhafte ( Entzündungen, Entartungen, Blutentmischungen, mechanische Hindernisse u. s. w.). Die Wirkungsweise dieser verschiedenen Ursachen soll erst bei jeder Krankheit insbesondere betrachtet werden. Symptome. 1) Die organischen oder anatomisch - pathologischen Symptome der Arterienkrankheiten bestehen: 1) in angeborenen Fehlern; 2) in mechanischen Fehlern ; 3) in Entzündungen; 4) in organischen Fehlern, als: Erweiterung, Verengerung, Verschliefsung, Hypertrophie, Atrophie, Verschwärung, Durchbohrung ; sodann in abnormen Producten, welche entweder analoge Gebilde ipi Organismus haben, z. B. faserige Entartungen, Knorpel und Knochen, oder als Neubildung auftreten, wie Atheroma, Tuberkel, Krebs u. s. w.; 5) in fremden Körpern, als Eiteransammlungcn, Blutcoagulum und andere Producte. Jeder dieser Fehler würde eine besondere Beschreibung verdienen, wenn es unsere Absicht wäre, eine vollständige Geschichte der Arterienkrankheiten zu schreiben. Uebrigens werden wir den meisten von ihnen wieder bei der besonderen Betrachtung der Arteritis und des Aneurisma's begegnen.
401 2) Die localen Functionssymptome sind : localer Schmerz, abnorme Schläge, Aufhören des Pulses u. s. w. Die allgemeinen Functionssymptome sind : Schmerz, Rothe, Geschwulst, Erkalten, Atrophie, Gangrän der von der obliterirten Arterie zu versorgenden Theile, Hämorrhagien, Fieber u. s. w. Zugleich ist hier die Entwickelung der Collateralarterien und der ergänzenden Gefafse zu erwähnen. An die Functionssymptome reihen sich die angeblichen Neurosen des Arteriensystems. Verlauf, Dauer,
Ausgänge.
Verlauf und Dauer richten sich nach der acuten oder chronischen Natur des Uebels. Die Ausgänge sind, wie überall, in Genesung, andere Krankheiten oder Tod. Diagnose. Die Krankheiten der Arterien können leicht unter einander verwechselt werden; so z. B. ist es schwer, die Charaktere der Entzündung, denen der übrigen Affectionen gegenüber, welche Verwandtschaft oder Aehnlichkeit mit ihr haben, genau zu bestimmen. Auch können die Krankheiten der Arterien mit denen anderer Gefafse, wie der Venen und Lymphgefafse, verwechselt werden, besonders wenn diese Gefafse tief liegen; endlich können sie für andere Affectionen gehalten werden, welchc mehr oder weniger Aehnlichkeit mit ihnen haben, dahin gehören die Entzündung, das Oedem, der Brand aus anderen Ursachen Forgct, Herzkrankheiten. 26
402 als Arterienkrankheit, die verschiedenen Geschwülste, welche dem Aneurisma ähneln; die Affectionen des Herzens, der Lungen, der Unterleibseingeweide, des Nervensystems, mit welchen gewisse Fehler der Brustund Bauchaorta verwechselt werden können u. s. w. Prognose. Die Prognose dieser Krankheiten ist verschieden nach ihrer Natur, ihrer Bedeutung, ihrem Sitze und ihren Complicationen. Sie ist in der Regel bedenklich, in Erwägung der Wichtigkeit des Arteriensystems, dessen Unversehrtheit so wesentlich zur Erhaltung der Organe gehört. Behandlung. Die Behandlung richtet sich theils nach der Natur dieser Krankheiten (wir enthalten tins, die hierher bezüglichen allgemeinen bekannten Grundsätze anzuführen), theils und hauptsächlich nach ihrem Sitze. Die Chirurgie macht auf die Behandlung der meisten Arterienkrankheiten der Gliedmafsen und äufseren Körpertheile überhaupt Anspruch. Auch ist ihr Verdienst in dieser Hinsicht der A r t , dafs fast nur die Affectionen des Aortenstammes den chirurgischen Mitteln unzugänglich sind und dem Gebiete der Medicin verbleiben. Von allen Krankheiten der Arterien beschreiben wir nur besonders die Entzündung und das Aneurisma, als Repräsentanten der meisten acuten und chronischen Erscheinungen dieser Gefäfse.
403 §. 2.
Arterlili.
D e f i n i t i o n . Die Arteritis ist die Entzündung der Arterien. -Man Iiat die Entzündung jeder ihrer drei Häute insbesondere beschreiben wollen; es ist jedoch wahrscheinlich, dafs sie selten einzeln entzündet sind, wie auch eine solche Unterscheidung überhaupt gewagt und practisch ziemlich nutzlos sein dürfte. G e s c h i c h t e . A r e t ä u s und G a l e n haben einige Symptome der Arteritis, wie den Schmerz, die gesteigerten Schläge, die Verschliefsung und das Fieber aufgezeichnet , es war aber erst den Neueren vorbehalten, diese Affection kennen zu lehren. M o n r o , H a l l e r , G r e l l machten auf ihren Einflufs bei dem Entstehen sogenannter organischer Fehler aufmerksam; G r a n t , J . F r a n k , P i n e l suchten ihre Rolle bei den Fiebern zu ermitteln, während J. H u n t e r , H o d g s o n , Breschet, Sasse, Gendrin, ßouillaud, And r a l , T r o u s s e a n , L o u i s , L e b e r t und Andere die Kenntnifs dieser Affection auf die Stufe ihrer heutigen Vollkommenheit gebracht haben. A e t i o 1 o g i e. In der Regel tiefgelegen und aus wenig belebten Geweben gebildet, möchte es scheinen, als ob das Schlagadersystem der Entzündung nur wenig ausgesetzt sei. Indessen ist es nicht so vollkommen gegen mechanische und traumatische Schädlichkeiten ge26*
404 schützt; eine Menge hygienischer Ursachen wirken auf es zurück : dahin gehören die Einflüsse der Luft, der Nahrungsmittel, der Bewegung und der LeidenSchäften; seine beständige Berührung mit dem Strome des Blutes lassen es den Einwirkungen der verschiedenen Wechsel in Zusammensetzung und Bewegung desselben ausgesetzt; endlich audh können die Arterien nicht umhin, an den Entzündungen und anderen reizenden Affectionen ihrer Umgebungen Theil zu nehmen. Im Ganzen genommen aber sind die Ursachen der Arteritis, abgesehen von den traumatischen, ziemlich dunkel, besonders diejenigen, welche man rationeller Weise von Veränderungen des Blutes, Fieberbewegungen u. s. w., herleiten zu können glaubt. Symptome. 1) Organische Symptome. Hier, wie bei allen anderen Entzündungen, ist Rothe der erste anatomische Charakter. Wir wollen uns nicht in die endlose Discussion Uber Entzündungs- und Leichenröthe einlassen, und beschränken uns zu sagen, dafs diejenige Rothe, welche von injicirten vasis vasorum herrührt, mit Verdickung und Zerreibbarkeit der Arterienhäute auftritt, und welche man nach vorausgegangenen Entzündungssymptomen findet, als Entzündungsröthe betrachtet werden mufs. Nach diesen Symptomen kommen die abnormen Producte offenbar entzündlichen Ursprungs, wie Pseudomembranen, Eiter, dessen Vorhandensein sicli jedoch nur bei Verschliefsung des GefUfses leicht begreifen läfst; doch kann er auch bei freiem Lumen der Arterie
405 in den Zwischenräumen der Membranen infiltirt oder in kleinen, manchmal nach innen oder gar nach aufsen hervorragenden Ansammlungen vorkommen. Gewöhnlich werden die entzündeten Arterien durch Blutcoagulum obliterirt. Wir begegnen liier der jetzt sch webenden Frage, ob dieses Coagulum der Entzündung vorausgegangen oder gefolgt ist. Schon B o e r h a j i v e , L a e n n c c und Andere waren der Ansicht, dafs die Coagula als primitiv, als Ursachen der Axteritis zu betrachten seien. Im Jahre 1828 wurde diese Meinung von Dr. A l i b e r t in einer These vertheidigt. In der neuesten Zeit tauchte dieselbe wieder in der Pariser Schule a u f , wo sie von einigen jüngeren Schriftstellern aufgestellt wird, so wie in der Wiener Schule, wo Prof. R o k i t a n s k i sie vertritt. Es ist möglich, dafs das Blutcoagulum in gewissen Fällen, als fremder Körper wirkend, Entzündung hervorrufen kann; wenn man aber bedenkt, dafs dieser fremde Körper um so unschuldiger ist, als er aus einem Elemente hervorgeht, mit welchem die Arterienwände in beständiger Berührung sind, und dafs gerade dieses Coagulum als formelles Obliterationsmittel bei der Vernarbung der Arterien auftritt, d. h. dafs es als Ileilungs- und nicht als Krankheitselement anzusehen ist, so möchten wohl gerechte Zweifel über seine reizenden Eigenschaften erlaubt sein. Und wie sollte sich denn ein solches Coagulum ohne Weiteres bilden können? Welcher Zustand des Blutes kann es veranlassen ? Warum bildet es sich nicht in den Fällen, wo die Plasticität des Blutes am höchsten ist, bei Rheumatismus, Pneumonie u. s. w.? Warum ge-
406 rade an dem oder jenem Punkte der Arterie eher, als an irgend einem andern ? dies sind Bedenken genug, um mit B u m s , K r e y s i g , J o n e s , H o d g s o n , B o u i l l a u d , C r u v e i l h i e r , D e z e i m e r i s und Anderen, welche die Gelafsentzündung als formelle Ursache der Stockung und der Coagulation c!es Blutes ausehen, einer entgegengesetzten Meinung zu seyn. Die Lehre von der Primitivität des Coagulums scheint mir in der letzten Zeit einfach der Lehre von der Entzündung zum Trotz wieder erneuert und vertheidigt zu werden, so wie es überhaupt zur Modesache geworden ist, das Gebiet dieser letztern soviel als möglich zu schmälern. Sobald ein Coagulum sich auf der Arterienwand festsetzt, so ist dies, was man auch dagegen sage, ein Beweis von Entzündung; ob diese nun primitiv oder consecutiv sei, hat alsdann nichts zu bedeuten. L e b e r t erwähnt noch eines anderen Symptonies der Entzündung," der Leichtigkeit nämlich, mit welcher sich die verschiedenen Arterienhäute von einander trennen lassen. Das Geschwür ist schon ein* minder ausdruckvolles Zeichen der Entzündung; nicht weil wir die Entzündung als Ursache läugnen, sondern weil das Artericngeschwür gewöhnlich aus einem ganz eigentümlichen Mechanismus hervorgeht. Die Knorpel- oder Knochenplättchen, welche sich zwischen den inneren Häuten bilden, stofsen sich nämlich manchmal mehr oder weniger vollständig ab und lassen einen leeren Raum zurück, den man als Geschwür bezeichnet hat. Dasselbe gilt von den kleinen atheromatösen Geschwülsten, welche sich öflnen und zu schwärenden Höhlchen
407 werden. E s ist dies aber ein nicht entzündlicher Substanzverlast und kein eigentliches Geschwür, obwohl seine Händer zuweilen Rothe, Geschwulst und Eiterung zeigen, wobei aber die Entzündung eine F o l g e und nicht die Ursache des Geschwüres ist. Abgesehen von der F r a g e über diesen Mechanismus, zerstören solche Geschwüre die innere und mittlere Gefafshaut, bahnen dem Blut einen W e g , welches alsdann die äufsere Haut ausdehnt und die Aneurismageschwulst bildet. Der Substanzverlust kann aber auch die drei Häute der Arterie treffen, und somit Durchbohrungen derselben veranlassen. Diese Durchbohrungen sollen von innen nach aufsen und umgekehrt vor sich gehen können; das letztere findet aber unvergleichlich seltener statt. Sowie durch Geschwüre eine Erweiterung des Gefafses veranlafst werden kann, entsteht diese letztere auch aus dem fehlenden Widerstandsvermögen der Arterienwandung in Folge von Entzündung oder irgend einer Alteration derselben, in deren Folge sie sich durch den Druck des Blutes ausdehnen läfst. Wir werden hierauf bei der Betrachtung des Aneurisma's zurückkommen. Die Verengerung und Obliteration der Arterien, obgleich entgegengesetzte Erscheinungen, können demungeachtet aus der Entzündung hervorgehen, entweder durch entzündliche Verwachsungen oder durch Verstopfung des Lumens mittelst eines Coagulums, um welches sich die Arterie zuletzt fest anschliefst , so dafs sie einen Faserstoffstrang bilden kann; oder auch endlich durch Verknorpelung und Verknöcherung als Producte einer Entzündung.
408 Die folgenden Alterationen gehören offenbar weniger der Entzündung an. Wenigstens wird ihnen ein solcher Ursprung abgesprochen und müssen sie jedenfalls als Ausnahmsproducte eines wesentlich chronischen Entzündungsvorganges angesehen werden, welchen sie meist überdauern, so dafs in diesem Zustande der Mechanismus ihrer Bildung sehr schwer zu erkennen ist. Auch sind die Beobachter über die Actiologic derselben verschiedener Meinung. Es handelt sich um die Verknorpelungen und Verknöcherungen, welche so häufig in den Artcrienwandungen gefunden werden. Die Alten, dann L a e n n e c , Baillic, Bichat, Richerand, Cruveilhier, J . C l o q u e t , B r i c h c t e a u und Andere unter den Neueren betrachten sie als ein Resultat der Involution, oder wenigstens als einen eigenthümlichen, entzündungsfreien Ernährungsfehler. Was die Involution betrifft, so ist dabei zu bemerken, dafs einestheils viele Individuen ein sehr hohes Alter erreichen, ohne von solchen Verknöcherungen befallen zu werden. H a r v e y soll sie sogar bei einem Greise von hundert und fünfzig Jahren nicht angetroffen haben; dafs andernthcils aber diese Verknöcherunsen bei Erwachsenen und selbst bei jüngeren Subjecten nicht sehr selten sind. Schon C r e l l im Jahre 1757, H a l l c r , M o n r o , M o r g a g n i hatten von dem Zusammenhange dieser Entartungen mit der Entzündung gesprochen. Diese Idee wurde von B r o u s s a i s , B o u i l l a u d , T r o u s s e a u , R a y e r und Anderen wieder aufgegriffen und durch die stärksten Beweise unterstützt. Sie haben
409 gezeigt, dafs diese Alterationen gleichzeitig mit änderen von unläugbarem entzündlichem Ursprünge entstehen ; sie haben die Kindschaft dieses Vorganges von der Rothe und plastischen entzündlichen Härte der Gebilde durch die stufenweise Umbildung derselben hindurch bis zur Knorpel- und Knochenbildung verfolgt. Das Mikroskop kam der klinischen Beobachtung ( L e b e r t ) zu Hülfe, so dafs heutzutage diese Meinung allgemein angenommen ist. Jedoch kann Verknöcherung durch einfache Umbildung der Gewebe auf gewöhnlichem Wege Statt finden, wie man es bei einigen Individuen sieht, deren Arterien ohne irgend ein Zeichen vorhergegangener Entzündung von diesem Krankheitsproccsse ergriffen werden. Die Knochenconcretioncn der Arterien geben nach der Analyse von B r a n d e s : Phosphorsauren Kalk . . . . 65 Theile. Thierische Materie 34 » Die gleiche Controverse gilt von den Steatomen und Atheromen, welche man so häufig in den Arterienhäuten antrifft. Hier scheint der entzündliche Ursprung noch wahrscheinlicher, denn diese kleinen atheromatösen Anhäufungen gleichen oft concretem Eiter oder erweichter Tuberkelmasse und sitzen auf rothem, lockerem Grunde, ähnlich dem eines entzündlichen Geschwüres. Diese Knorpel- und Knochenmassen stofsen sich zuweilen mehr oder weniger vollkommen ab; man hat sie beweglich, sogar frei in den Röhren der Arterien gefunden. Die atheromatösen Geschwülste öffnen und ent-
410 leereli sich in das Gefäfs. Was wird aus den so loisgestofsenen Producten? man weifs.es nicht (1); abier an ihrer Stelle findet man Vertiefungen, welche, wiie schon gesagt, zu Aneurysma, Durchbohrungen etc. fuhren können. 2) Locale Functionssymptome. Die Symptome dcer Arteritis sind : der Schmerz, sowohl spontaner, iuls durch Bewegung oder Druck hervorgebrachter. Wenn die entzündete Arterie oberflächlich liegt, so fühlt sie sich strickförmig, jedoch weniger ungleich an, als entzündete Venen und Lymphgefafse. Die Haut ist längs dem Gefafse rosenfarbig. Bei tiefer liegenden Arterien ist der Schmerz das einzig wahrnehmbare locale Symptom. Man hat von der Entzündung der Capillararterien gesprochen; ich glaube, dafs sie sehr schwer von der phlegmonösen Entzündung unterschieden werden kann. Die allgemeinen Functionssymptome sind : das Fieber, wenn die Entzündung von einigem Umfange ist; die harte oder ödematöse Geschwulst des Gliedes, zuweilen die Hämorrhagie durch Zerreifsung des Gefafses, häufiger das Einschlafen, das Erkalten der jenseits der obliterirten Stelle gelegenen Theile, endlich der Brand. Der Brand ist in der That eines der gewöhnlichsten Phänomene und das beachtenswertheste Resultat der Entzündung, oder genauer gesagt, der Obliteration der Hauptarterien eines Gliedes; denn gerade (1) Könnte das Losstofsen dieser fremden Körper nicht Obliteration und in deren Folge Gangrän verursachen?
411 durch diese Verstopfung, d. h. durch die Beraubung des belebenden und ernährenden Fluidums, erzeugt die Arteritis Gangrän in Folge von jeder Art von Verschliefsung des Gefäfses, ob durch Ligamente, durch Druck oder auf andere Weise. Einige Autoren glauben, dafs bei tief gelegenen Organen die Oblitération Erweichung und nicht Gangrän zur Folge habe, für welche letztere die Berührung mit der atmosphärischen Luft nothwendig sei. Auf diese Weise erklärt man gewisse nicht entzündliche Hirnerweichungen. Diese Erklärung oder wenigstens diese Zusammenstellung der Erweichung mit dem Brande scheint mir nicht gehörig gerechtfertigt, denn man findet Organe, welche gänzlich vor der Luft gesichert sind, wie z. B. die Leber, von wirklichem Brande ergriffen. Man weifs nicht, wem man die erste Beobachtung eines so beachtenswerthcn pathologischen Zustandes verdankt. Einzelne Thatsachen fanden sich hier und da bei den Autoren, ihre Aetiologie wurde von verschiedenen Aerzten traditionsgemäfs angenommen, bis im Jahre 1832 Dr. V i c t o r F r a n ç o i s in seiner These eine Monographie der spontanen Gangrän oder der Gangräne durch Oblitération der Arterien, namentlich durch Arteritis, veröffentlichte. D e l p e c h , D u b r e u i l , A l i b e r t , G i m e l l e , R a y e r bestätigen diese Lehre, welche auch nicht durch die Anhänger der Primitivität des Coagulums beeinträchtigt wird, da sie eben so gut, wie wir, die Oblitération als formelle Ursache des Brandes annehmen.
412 Verlauf,
Dauer.-
Der Verlauf der Arteritis ist rasch oder langsam, iHre Dauer acut oder chronisch, je nach dem aeuten oder chronischen Character der Entzündung. Jedoch mufs man hier die Entzündung von ihren Wirkungen trennen. Die Arteritis scheint mir acuter Natur zu sein, oder, wenn sie sich in die Länge zieht, Producte, Entartungen zu erzeugen, welche sie gewissermafsen in den Hintergrund treten lassen und überdauern, so dafs sie das gefahrliche und Hauptelement der Krankheit ausmachen. Die Arteritis dehnt sich gewöhnlich nach der Peripherie, selten nach dem Herzen zu aus. Sie verkündet sich in der Regel durch Schmerz, Rothe und teigiges Anfühlen der Haut, wo das Gefäfs oberflächlich ist; ist es tief gelegen, so wird der Verlauf undeutlicher und läfst sich zuweilen nur durch Einschlafen, Erkalten, Blässe, Lividität und endlich Brand der Glieder erkennen. Ist die Krankheit weniger gefährlich, so kann sich die Entzündung allmählich zertheilen. Bei Obliteration gröfserer Gefäfse entwickeln sich nach und nach die Collateralarterien, und der Kreislauf ist hergestellt, wenn nicht zuvor Brand eintritt. Manchmal bildet sich phlegmonöse Geschwulst, die sich entweder zertheilt oder vereitert. In anderen Fällen entstehen Aneurismen, Verschwärungen, Durchbohrungen u. s. w.
413 Ausgänge. Die Arteritis endet demnach in Zertheilung, häufiger in Verschliefsung in Folge von Coagulum, selten in E i t e r u n g , manchmal in Zerreifsung. Der Brand i s t , wie schon gesagt w u r d e , eine Folge der Obliteration. Das Glied oder vielmehr das Ende des Glied e s , dessen Hauptarterie verschlossen ist, wird dann schmerzhaft, kalt, livid; meist sind es die Beckenglieder, welche ergriffen werden, daher sieht man die Zehen entweder schwarz und mumienähnlich werden (trockener Brand), oder es erheben sich Blasen und die Theile sterben a b , wie bei anderem Brande. Kann der Kranke widerstehen, so steht der Brand, welcher sich allmählich von unten nach oben verbreitet h a t , plötzlich stille, eine entzündliche Demarcationslinic scheidet die abgestorbenen Theile von den lebenden, und Kunst oder Natur vollenden die Abstossung des Brandigen. In den ineisten Fällen aber O
Ö
werden beide Vorgänge durch den Tod des Kranken o D unterbrochen, welcher ebenfalls durch die Heftigkeit der Entzündung, durch Hämorrhagic u. s. w. herbeigeführt werden kann. Die Ausgänge der Arteritis in Verknorpelung, Verknöcherung, Atherombildung, Hypertrophie, Aneurisma u. s. w. bilden wieder besondere F ä l l e , deren Studium üblicher Weise von dem der Entzündung getrennt wird. D i a g n o s e . Die Arteritis kann verwechselt werden : 1) Mit Phlebitis. Die oberflächliche'Phlebitis unterscheidet sich aber durch einen mehr knotigen
414 Strang, durch lebhaftere Entzündung der benachbarten Theile des Gefäfses. Die tiefer liegende V e n e n entzündung verursacht beinahe immer Anasarca und fast nie Gangrän; dagegen folgt auf die eiternde Phlebitis gewöhnlich Eiterinfection, was bei Arteritis nicht der Fall ist. 2) Mit Entzündung der Lymphgefiifse (lymphangitis). Die oberflächliche Entzündung dieser Geföfse gibt sich durch die Feinheit und Unrcgelmäfsigkeit des Stranges längs • dem Verlauf des Gefäfses, durch Anschwellen der Ganglien, durch eine besondere, fleckenweise Rothe zu erkennen. Die tiefer liegende bietet nur dunkle Symptome, jedoch fuhrt sie nicht zur Gangrän, wie die Arteritis, während sie Eiterinfection veranlassen kann. Begreiflicher W e i s e mufs die anatomische V e r k e i lung dieser verschiedenen Gefäfse der Diagnose zu Hülfe kommen. Die Entzündungsgeschwulst, das Oedem, der Brand und andere Ursachen können ähnliche Zufalle, wie sie aus Arteritis entspringen, hervorrufen; die anderen Symptome aber, die Anamnese, der Verlauf und die Ausgänge dieser verschiedenen Affectionen werden dazu dienen, deren Natur zu bestimmen. P r o g n o s e . Die Prognose der Arteritis ist meistens ungünstig. Die leichte Entzündung einer unbedeutenden Arterie kann einen günstigen Ausgang nehmen; sobald sie aber ein gröfseres Gefafs befallt, sich fortwähror.d ausdehnt und zur Obliteration führt, dann wird der
415 F a l l gefährlicher. Chronisch geworden führt sie zu Entartungen, disponirt die Arterie zum Aneurisma, zu Zerreifsungen, woraus tödliche Zufalle entstehen können. B e h a n d l u n g . Beim Beginne oder in der Entzündungsperiode verlangt die Arteritis eine energische Behandlung. Allgemeine Blutentziehungen haben den doppelten Vortheil, die Reaction zu dämpfen und die Blutmasse, den natürlichen Stimulus der Arterien, zu vermindern; Blutegel und blutige Schröpfköpfe in grofser Zahl werden auf den Verlauf des Gefafses vertheilt; örtliche Emollientia umhüllen das Glied, welches in eine erhöhte Lage zu bringen ist; man schreitet zu Mercurialeinreibungen, kurz zu allen Mitteln, welche g e eignet sind, der Entzündung zu begegnen. Man hat zur Compression und Incision des Gefafses oberhalb der entzündeten Stelle gerathen, in der Absicht, die Verbreitung der Entzündung zu hemmen, — ein Verfahren , welches von den wenigsten Aerzten günstig aufgenommen wurde. Weiterhin richte man sich nach dem Verlaufe der Krankheit oder nach den hervorspringenden Erscheinungen. Das Oedem behandle man mit auflösenden, adstringirenden Mitteln, mit der Compression; die Abscesse und Hämorrhagien können ein chirurgisches Verfahren in Anspruch nehmen; das Erkalten, die Gefühllosigkeit, die Lividität erfordern die Anwendung warmer Kissen, tonischer und aromatischer Bähungen; die Gangrän endlich verlangt die Hülfe
416 der Chirurgie, wenn sie entweder sich demarkirt hat, oder lebengefährliche rasche Fortschritte macht, wefshalb die Abtragung des Gliedes nothwendig geworden ist. Wir lassen hier eine Beobachtung von spontaner Gangrän folgen, welche unter ganz besonderen Umständen aufgetreten ist und uns von Arteritis herzurühren schien : Beob. A r s e n i k V e r g i f t u n g . H e i l a n g . S p o n t a n e G a n g r ä n eines Beckengliedes; Amputation, Tod.
Ein Mann von 63 Jahren, von starker Constitution, eines Verbrechens beschuldigt und von den Gerichten verfolgt, versucht den Selbstmord, den 10. Juni 1848, indem er, nach seiner Aussage, ungefähr zwei Unzen Arsenik in einem halben Glase Branntwein angerührt, verschluckt. Eine Stunde darauf : Starkes Erbrechen, worauf Kolik und wiederholte Stühle. Seinen Tod zn beschleunigen will sich der Kranke in's Wasser stürzen, wird aber von den Mauthbeamten angehalten und ins Spital gebracht, wo er neun Stunden nach dem Einnehmen des Giftes, am 11. um 8 Uhr Morgens, ankommt. Der Körper ist stark, gedrungen, gut genährt; das Gesicht blafs, entstellt ; üufserste Schwäche, kalte Extremitäten, Nase und Ohren ; der Puls klein und frequent ; die Zunge feucht und kalt; lebhafter Schmerz in Unterleibe ; flüssige Stühle ; der Kranke verweigert die ihm angebotene Hülfe, welche ihm aufgezwungen wird. Man gibt ihm eine dicke Lösung von Ferrum peroxydatum fuscum, nebst einer Acthermixtur. Es tritt neues Erbrechen ein ; die Prostraticn scheint sich zu vermehren ; man fahrt mit denselben
41? Mitteln fort; Eintritt der Reaction gegen 10 Uhr (zwei Stunden nach der Aufnahme); Rückkehr der Wärme in den Gliedern; weniger Entstellung, mehr Farbe des Gesichtes. Am Mittag ist die Reaction so lebhaft, dafs wir das Eisen aussetzen und einen Aderlafs von 12 Unzen vorschreiben, so wie 20 Blutegel auf das Epigastrium; verdünnende Mittel. Gegen Abend : weniger heftige Reaction; kein Erbrechen; weniger heftige Kolik; verminderte Stühle, etwas gespannter Leib. In der Nacht leichtes Delirium. Am 12. : natürliches Gesicht; Puls auf 116, etwas v o l l ; natürlicher Stuhlgang. Die Vergiftungszufalle sind verschwunden, aber der Kranke klagt über heftige Schmerzen im linken Beine, ohne dafs man aufser einer leichten Temperaturverminderung etwas an demselben entdeckt (Limonade, Extr. op. gr. 1 , Linim. hyosc. laudanis.; Fleischbrühe). . Am 14. : vermehrter Schmerz; die linken Zehen sind kalt und deutlich livid gefärbt (dieselbe Behandlung, warme Kissen um das Glied). Am 15. : Fufs und Bein bis zum Knie mit bläulichen Flecken bedeckt und sehr schmerzhaft beim Drucke. Der Brand ist nicht zu verkennen; der Puls der Cruralarterie ist schwächer und leerer, als am andern Schenkel; er ist nicht mehr fühlbar in der Tibialis posterior. Herr Prof. R i g a u d , welchen wir zur Consultation ziehen, ist mit uns über das Bestehen einer Arteritis als Ursache dieser Grangrän einverstanden. Die Nothwendigkeit einer ernsteren OpeF o r g e t , Herzkrankheiten.
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418 ration voraussehend, übergeben wir den Kranken der Behandlung unseres Collegen. Ungeachtet der örtlichen Blutentziehungen, der Anwendung von Kampherspiritus mit Terpentin, der Abführmittel u. s. w. macht die Gangrän ihre Fortschritte, und scheint sich am Knie begrenzen zu wollen. Der Kranke verlangt nach der Amputation, zu welcher sich Herr R i g a u d am 2 0 . , 10 Tage nach dem Vergiftungsversuche, entschliefst. $ Nach Anwendung des Chloroforms wird die Operation am unteren Theile des Schenkels vollzogen, ohne dafs der Kranke es fiihlt. Die durchschnittenen Muskeln scheinen wenig Einziehbarkeit zu besitzen; Die Cruralarterie allein blutet, besitzt aber keine Propulsionskraft. Der rationellsten Behandlung zum Trotze unterliegt der Kranke am ersten J u l i , 20 Tage nach der Vergiftung und 10 Tage nach der Amputation. Beim Seciren des amputirten Gliedes fand man : 1) Absterben fast aller Weichtheile ; 2) stellenweise Rothe der Hauptarterien, welche von Blutcoagulum verstopft sind; 3) Unversehrtheit der Venen. Der nach dem Tode secirte Schenkelstumpf zeigt : 1) Beginnende Gangrän; 2) Verdickung, Rothe der Hauptarterien, in welchen weiches, loses Coagulum auf eine gewisse Strecke; 3) die Cruralvene nahe an 'hrem Durchschnitte enthält ein festes Coagulum: weiter nach oben eine eiterige, dünne Materie, welch« bis zur Hohlvene heraufsteigt. Man findet nirgends metastatische Abscesse.
419 Wir übergehen die F r a g e n , welche die Arsenikvergiftung betreffen, und bleiben bei dieser spontanen Gangrän, deren erstes Symptom, der Schmerz, sich schon 36 Stunden nach genommenem Gifte zeigte : dafs hier ein Zusammenhang von Ursachen auf Wirkung stattfand, ist gewifs; wie aber entstand diese Wirkung? Ist es durch spontanes, primitives Gerinnen des Blutes nach der Prostration des vorhergehenden Tages ? In wie vielen Fällen aber ist die Schwäche noch weiter gediehen, ohne das Gerinnen des Blutes zu veranlassen! Sollte dieses Gerinnen so schnell Schmer/ und Absterben hervorgebracht haben? Das Arsenik soll ja im Gegentheil eher das Blut verflüssigen, als coaguliren. Auf der anderen Seite tragen die beobachteten Symptome den Charakter der Arteritis. Hat nicht die anatomische Untersuchung der Theile die hauptsächlichen Charaktere der Entzündung nachgewiesen ? Darf man nicht annehmen, dafs der getrunkene Alkohol zum Theil an dieser Entzündung schuld war? Ist es nicht noch wahrscheinlicher, dafs die am folgenden Tage eingetretene heftige Heaction die Arteritis hervorgerufen habe ? In diesen Fragen liegen die Gründe, warum wir und unser Auditorium in obiger Thatsache einen Fall von Arteritis erkannt haben, ohne dafs wir im Stande waren, eine rationelle Verbindung zwischen Wirkung und Ursache, zwischen dem Brande und der Arsenikvergiftung nachzuweisen. (1) (1) Die vollständige Beobachtung des vorliegenden Falles mit
27 *
420 §. 3.
Anenrlima der
Aorta.
D ef i n i t i o n . Das Wort Aneurisma bedeutet bekanntlich Erweiterung. Wie alle anderen Arterien kann sich die Aorta durch gleichzeitige Ausdehnung ihrer drei Häute erweitern, — darin besteht das wahre Aneurisma; oder diese Erweiterung verursacht die" Zerreifsung der einen, meist der beiden inneren Häute, — dies ist das falsche Aneurisma. (1) F e r n e l , B a i l l o u , M o r gagni, Hunter, Monro, Guattani, Hodgson vertreten die Möglichkeit des wahren Aneurisma's ; S e n n e r t und besonders S c a r p a sind der Ansicht, dafs das Aneurisma immer falsch, d. h. mit Zerreifsung der inneren und mittleren Haut verbunden sei. Man nimmt heutzutage an, dafs das Aneurisma der Aorta insbesondere bis zu einem gewissen Grade ein wahres sein könne, was durch die so häufig bei Greisen gefundene Erweiterung des Aortenbogens bewiesen wird; sobald diese aber sich steigert, besonders bei nrsprünglicher Alteration der inneren Häute, zerreifsen diese fast immer, so dafs der Aneurismasack r.ur durch die äufsere Zellgewebshaut gebildet wird, die darauf bezüglichen interessanten Betrachtungen findet sich in einem Briefe des Verfassers an O r f i l a . C. W . (1) Das falsche Anenrisma setzt streng genommen die Zerieis* Sang der drei Membranen verans, während dasjenige, wobei nur eine oder beide innere Häute zerrissen sind, in der neuesten Zeit als Aneurisma mixtum bezeichnet wurde. Indem wir den Nanen falsches Aneurisma nur für ein solches gebrauchen, welches mit Zerreifsung der beiden inneren Membranen auftritt, fügen wir ans dem Sprachgebrauche.
421 einzige, deren Dehnbarkeit sie einer beträchtlichen E r weiterung fähig macht. Es ist daher wahrscheinlich, dafs die meisten Aneurismen als wahre beginnen und in Folge der gröfseren Ausdehnung zu falschen werden. A e t i o 1 o g i e. Die Aorta neigt zum Aneurisma in Folge ihrer Bestimmung, der gemäfs sie den ersten Stöfs des aus dem Herzen gestofsenen Blutes zu bestehen hat. Daher ist der Aortenbogen, gegen dessen Krümmung die Blutsäule beständig anstöfst, derjenige Punkt, welcher der Erweiterung am meisten ausgesetzt ist, obgleich die Natur durch die schiefe Einsenkung der Aorta in die linke Kammer diesen Stöfs sanfter zu machen gesucht hat. Auch findet man wirklich bei den meisten alten Personen einen gewissen Grad von Aneurisma des Aortenbogens. D a s Aneurisma als Krankheit aber findet sich nur in Folge gewisser pathologischer Zustände. Mau nimmt an, dafs der Stöfs des hypertrophirten Herzens hinreiche, Aneurisma ohne vorausgegangene Alteration der Häute zu veranlassen, dafs dasselbe in Folge mechanischer oder organischer Hindernisse an irgend einer Stelle im Verlaufe der Aorta oder ihrer Hauptäste im Rücken dieser Hindernisse entstehen könne; aber die Beobachtung z e i g t , dafs im letzteren Falle es hauptsächlich das Herz i s t , welches sich erweitert und hypertrophirt. Die gewöhnlichsten und formellen Ursachen des Aneurisma aortac bestehen vorzugsweise in einer krankhaften Veränderung ihrer Häute; entweder indem ein entzündlicher Zustand deren
422 Widerstandsvermögen verringert hat, oder, was härafiger geschieht, indem Knorpel und Knochenconcretiionen sich losstofsen, Eiter-, Atherom-, Tuberkelherde u. s. w. sich öffnen, wodurch Zerstörung, Ulceration der inneren Membranen entsteht, das Blut sich einen W e g bis zur äufseren Zellgewebshaut bahnt, und so der Aneurismasack gebildet wird. Wir verweilen nicht bei den hygienischen und physischen Ursachen des Aneurisma's, deren W ü r d i gung zur Geschichte derselben im Allgemeinen gehört. Wir beschränken uns, zu erwähnen, dafs diese U r sachen entweder durch verstärkten Blutimpuls wirken, wie bei reizender N a h r u n g , Muskelanstrengungen, lebhaften, dauernden GcmüthsafFecten, oder durch verminderten Widerstand der Gefafswandungen, wie durch Wunden, heftige Ausdehnung u. s. w. Symptome. 1) Die organischen Symptome des Aortenaneurysmas sind die der Aneurismen überhaupt. W i r haben gesehen , wie bei einer gewissen Ausdehnung oder bei gewissen pathologischen Veränderungen die inneren Häute zer'reifscn oder zerstört werden, so dafs das Blut bis unter die äufserc dehnbare Zellgewebshaut dringen kann; auf diese Weise entsteht die sackförmige Erweiterung (düatation saeeiforme von Breschet); in anderen Fällen erweitert sich die Arteric spindelförmig, cylinderförmig, durch Verlängerung (Varice anevrismale). L a e n n e c beschreibt eine e i g e n t ü m liche F o r m , welche von ihm Anevrisme dissequant genannt und durch das Eindringen des Blutes zwischen äufsere und mittlere Membran gebildet wird, wodurch
423 beide in einer gröfseren oder geringeren Ausdehnung von einander getrennt, gleichsam secirt werden. N i c h o l s und H o d g s o n haben ebenfalls diese Art von Aneurisma beobachtet. Sobald das Blut in den Aneurism'asack gedrungen i s t , setzt es dort seinen Faserstoff schichtenförmig, ähnlich den Splintschichten ab. Diese Faserstoffschichten sind um so weicher und gefärbter, j e mehr sie dem Centrum der Geschwulst nahe kommen, in welchem sich flüssiges Blut befindet, das mit dem circulirenden durch die Mündung des Sackes in Verbindung steht. Diese Mündung ist von verschiedener Weite und nimmt einen gröfseren oder kleineren Theil des Umfanges der Arterie, zuweilen sogar die ganze Peripherie des Gefäfses ein. Die Ränder der Mündung sind mehr oder weniger unregelmäfsig, platt; man sieht dort noch die Spuren der inneren Häute, welche sich bald darauf in der Wandung des Sackes verlieren, ohne dafs es möglich ist, genau zu bestimmen, wo sie aufhören, wefshalb man zu der Annahme eines wahren Ancurisma's verleitet werden kann. Die Wandungen des Sackes sind dünn oder dick, häufig mit Knorpel-, Knochen-, Atheromablagerungen incrustirt, manchmal gänzlich zerstört und von benachbarten Geweben ersetzt, mit welchen der Sack verwachsen ist. Die Nachbarorgane sind zuweilen zusammengedrückt, atrophirt, abgestorben, durchbohrt, zerstört, wovon sogar die Knochen nicht ausgenommen sind; es bestehen häufig Ergüsse in das Parenchym, in Höhlen mit oder ohne Verbindung nach aufsen.
434 Die hcalen und allgemeinen Functionssymptome wechseln j e nach dem Sitze des Aneurisma's; wir sind defshalb genöthigt die Aneurismen des Aortenbogens, der Brust- und Bauchaorta jedes für sich zu beschreiben. §. 1. Symptome des Aneurisma's des Aortenbogens. So lange die Aneurismageschwulst des Aortenbogens nicht bedeutend genug ist, um Gewebe und Function der Nachbarorgane zu beeinträchtigen, gibt sie sich in der Regel durch kein deutliches Zeichen zu erkennen; häufig klagt der Kranke nur über leichtes Gefühl von Schmcrz und Unbehagen an dem oberen Theile des Brustbeines, und wenn der Arzt seine Aufmerksamkeit auf diesen Punkt richtet, so kann er zuweilen folgende Symptome bestätigen : 1) weiter ausgedehnten matten Ton als im Normalzustande, jedoch ist die Würdigung dieses Phänomens äufserst schwierig und trügerisch. 2) Der erste Herzton wird hier eben so stark und zuweilen noch stärker, als in der Herzgegend selbst vernommen; aber auch dieses Zeichen kann trügen, da beide von jeder anderen Geschwulst herrühren können; indessen legt man allgemein ein ziemliches Gewicht auf diese einfachen Schläge aufserhalb des Herzens; 3) Schwirren durch Palpation und Auscultation wahrnehmbar. Dieses Zeichen ist von gröfserem Werthe als das vorige; allein es fehlt sehr häufig und kann durch einen Klappenfehler oder durch Verrunzelung der inneren Aortenfläche nachgeahmt werden, wie wir in den oben angeführten Beispielen gesehen haben. Man sieht, wie ungenügend die Symptome des beginnenden Aneurisma's des Aortenbogens sind.
425 Bei zunehmender Geschwulst klagt der Kranke zuweilen über mehr oder weniger heftigen örtlichen Schmerz, welcher von Druck, von Zerrung der Nerven , vielleicht von dem Anfressen des Brustbeines herrührt. Er kann Ameisenlaufen, Einschlafen, Schmerz bis zur Schulter, zum Halse, zum rechten Arme verspüren, was man durch Druck auf die Nerven des Brachialplexus und Zerren derselben oder auf die Gefäfse selbst erklärt. Dieses Zeichen scheint uns einigen Werth zu haben; am häufigsten aber wird man e s , sowie das vorige, von irgend einem rheumatischen oder neuralgischen Principe herleiten. Zuweilen kommt auch Aphonie, Athmungs- und Schlingbeschwerde, Herzklopfen v o r , was von Spannung des rücklaufenden Nerven, von Druck auf Lunge, Oesophagus und Herz herrührt. Der Puls kann mehr oder weniger klein, ungleich auf der einen und andern Seite werden, j e nachdem die Geschwulst das Kaliber der Aorta vermindert oder die Mündungen der Arterien der oberen Glicdmafsen mehr oder weniger verschiefst; endlich können Zufalle auftreten, welche von Kreislaufshindernissen herrühren : Anasarka, Cyanose u. s. w. E s scheint, als ob man bei so vielen Symptomen das Aneurisma des Aortenbogens nicht verkennen könne, und doch stimmen alle Autoren darin überein, dafs die Diagnose desselben mit zu den schwierigsten gehöre. Indessen kann man durch Zusammenstellung der verschiedenen Phänomene die Diagnose ziemlich wahrscheinlich machen, z. B . bei Schmerz und abnormen Geräuschen in der Aorten-
426 gegend und gleichzeitigem Drucke auf die Luft- umd Speiseröhre. Die Geschwulst macht nun weitere Fortschritte, sie zerstört, was sich ihr entgegenstellt, sogar diie Knochen, und bricht sich Bahn durch das Brustbeiin und die Rippen, welche sie anfrifst und zerstört. Erst dann verschwindet der letzte Zweifel, denn dem Auge und der Hand wird eine pulsirende Geschwulst wahrnehmbar, welche bei jedem Herzschlage sich ausdehnt, sich durch Compression zurückdrängen läfst, und um welche herum die Ränder der durchbohrten Stelle, durch die sie zu Tage gekommen ist, fühlbar sind. Solches ist das Gesammtbild der Symptome, wie es von den classischen Schriftstellern geschildert wird, welche einstimmig wiederholen, dafs vor dem Erscheinen der Geschwulst an der Oberfläche die Diagnose unsicher sei. Man mufs aber doch zugestehen, dafs, wenn auch bis dahin kein pathognomonisches Zeichen vorhanden ist, man doch aus dem Symptomencomplexe den stärksten Verdacht schöpfen kann, besonders wenn sich noch ein neues von mir bestätigtes Zeichen dazu gesellt, welches die Autoren nirgends erwähnen, wahrscheinlich weil es sehr selten ist, nämlich die Wölbimg und Hervortreibunff des Brustbeines an der dem Aneurisma entsprechenden Stelle. Die Wichtigkeit dieses Zeichens geht daraus hervor, dafs es unserer Ansicht nach den Uebergangsgrad von dem beginnenden zu dem durchbrechenden Aneurisma bezeichnet. Da dieses Aneurisma gewöhnlich den vorderen, convexen Rand des Aortenbogens einnimmt, so kommt
427 auch die Geschwulst gewöhnlich am rechten Rande des oberen Theiles des Brustbeines zum Vorschein, kann aber je nach ihrer Gröfse die rechten Rippen, das Sternum in seiner ganzen Breite und noch einen Theil der lmken Rippen in gröfserer oder geringerer Höhe zerstören. Wenn sich die Geschwulst auf dem coneaven Rande des Bogens entwickelt, was selten der Fall ist, so kann sie nach links und weiter unten als die vorige durchbrechen. Es ist aufserordentlich selten, dafs ein Aneurisma des Bogens die Knochen der hinteren Brustwand angreift; dies ist dem Aneurisma der Aorta thoracica vorbehalten. Manchmal dehnt sich dasselbe nach oben aus, verdrängt, exarticulirt oder zerstört das Schlüsselbein, kann oberhalb dem Brustbeine hervorragen und flir ein Aneurisma der Subclavia oder sogar der Carotis gehalten werden. Einmal zu Tage, entwickelt sich die Geschwulst in der Regel um so schneller, als sie des natürlichen Zwanges durch das Brustbein ledig ist. Sie erhebt sich, erweitert und verdünnt sich zuletzt so sehr, dafs sie nach aufsen aufbrechen kann, was wir im unten folgenden Beispiele sehen werden; meist aber erfolgt die Zerreifsung nach innen, wobei sich das Blut in die Pleura, das Lungenparenchym, die Luftröhre, den Oesophagus, manchmal sogar in das Pericardium ergiefsen kann, wie diefs von M o r g a g n i , S c a r p a , M a r j o l i n und Anderen beobachtet wurde. Man kennt einen F a l l , in welchem sich die Geschwulst in die Lungenarterie entleert hat. J e nach der Richtung der Zerreifsung entsteht innerer Ergufs, Blutspeien oder Blutbrechen. Die Zerreifsung erfolgt
428 durch zunehmende Verdünnung der Wände, wobei diese mit den benachbarten Organen verwachsen sein können oder nicht; manchmal auch bildet sich ein Schorf, der sich dann loslöfst und Hämorrhagie verursacht. Der Tod erfolgt in der Regel unmittelbar auf das Bersten des Aneurisma's; jedoch kann sich das Leben kürzere oder längere Zeit, hinhalten, wenn die Umstände nur einen allmählichen Ergufs zulassen. < Das Aneurisma des Aortenbogens kann vor seinem Durchbruche mit einer Herzkrankheit verwechselt werden, z. B. mit Verengerung der Mündungen mit oder ohne Erweiterung und Hypertrophie; es kann von einfacher Erweiterung oder Verrunzelung des Bogens, von einer Geschwulst des Mediastinums oder Pericardiums nachgeahmt werden, so wie man es, wie wir gesehen haben, für ein Aneurisma des Truncus anonymus, der Subclavia, der Carotis u. s. w. halten kann. Man bedarf defshalb einer geschickten und sorgfältigen Analyse der speciellen Charactere aller dieser Affectionen, um deren wahren Character zu bestimmen. Es ist aber noch gewöhnlicher, das Aneurisma im Keime mit Rheumatismus, Neuralgie, Asthma zu verwechseln, oder es gänzlich zu übersehen, wie dies bei Mangel an ernsteren Symptomen geschehen kann. Wir geben z. B. eine Beobachtung, wo das Aneurisma das Sternum durchbrochen hatte, ohne dafs es der Kranke wahrnahm. Zum Schlüsse unserer Betrachtung der Symptome dieser Affection theilen wir die Entwickelung derselben in folgende Perioden:
429 1. Periode : Latenter Zustand, unbestimmte oder mangelnde Symptome. 2. Periode : Deutlichere, aber ihrem Werthe nach zweifelhafte Symptome. 3. Periode: Wölbung und Hervortreibung des Sternums durch die Geschwulst. 4. Periode : Erscheinung der Geschwulst aufsen mit allen ihren Characteren.
nach
Die dritte dieser Perioden ist durch oben genanntes neues Zeichen characterisirt, dessen die classischen Autoren nicht erwähnen. Es ist jedoch wahrscheinlich, dafs es hin und wieder vorkommt, und dafs man ihm also wieder begegnen wird. Obgleich dieses Symptom noch nicht pathognomonisch ist, so läfst es doch eine gröfsere Wahrscheinlichkeit zu, als die vorhergehenden, und macht gewissermafsen den Uebergang der früheren Grade zu dem Durchbrechen der Geschwulst nach aufsen. Zu diesen Perioden mufs noch eine fiinfte gerechnet werden, die Periode des Ausganges : in Genesung, wenn sie überhaupt je beobachtet wurde; in Stillstand, was äufserst selten ist, und in T o d , in Folge der Zerreifsung des Sackes, oder anderer durch die Geschwulst veranlafster Zufälle (Asphyxie, Ohnmacht u. s. w.) Die Zerreifsung erfolgt zuweilen schon, bevor sich das Uebel bedeutend entwickelt, hat; sie ist sogar ziemlich häufig in solchen Fällen, wo man das Aneurisma noch nicht vermuthen konnte.
430 §. 2. Symptome de« i n e u r l i m a ' i der Aorta thoracica. Man nennt Aneurysma der Aorta thoracica dasjenige, welches sich jenseits der linken Subclavia entwickelt. Seine Symptome sind noch bei weitem undeutlicher, als die vorigen, darum bleibt es auch viel häufiger noch bis zu dem entscheidenden Augenblicke oder bis zu der Autopsie völlig verborgen. Ich habe dasselbe einigemal beobachtet, worunter zweimal in der Klinik des dnrch seine Beobachtungsgabe ausgezeichneten Dr. R a y e r , und nie zeigte sich ein anderes, als gerade das unbestimmteste aller Symptome, der Schmerz. In einem von C h o m e l berichteten Falle nahm man nur einige Schwäche des Athmungsgeräusches auf der linken Seite wahr, was sich bei der Autopsie durch eine Aneurismageschwulst erklärte, welche den linken A s t der Bronchiengabel zusammengedrückt hatte. Dieser gelehrte Professor glaubte, dafs man hier ein wenn auch ungenügendes, doch einigermafsen werthvolles Zeichen sehen könne. Die Geschwulst kann die Speiseröhre, den Ductus thoracicus, die Lungen zusammendrücken, das Herz nach vorn drängen u. s. w. und dadurch zn einigen eigentümlichen, obgleich nicht positiven Symptomen Veranlassung geben; eine geschickte Percussion könnte einigo Aufschlüsse geben, so wie man bei der Auscultation zuweilen Klopfen und Schwirren wahrnehmen könnte. Es gibt Kranke, welche ein Klopfen in der Rückengegend verspüren, besonders wenn sie mit dem Rücken aufliegen, was aber aucl
431 bei gesunden Personen vorkommen kann. Dies alles zusammen gibt, wie man sieht, noch keine genügenden Zeichen. Das Aneurisma der Brustaorta drückt auf die Weichtheile und zerstört die benachbarten Knochen, Wirbel und Rippen. Man sah es die Körper der Wirbel bis zum Kanale durchfressen und sich in denselben ergiefsen. Zerstört es die Rippen, so kann es nach aufsen hervorragen und sich durch seine Charaktere zu erkennen geben; meist aber erfolgt der Tod bevor es dahin gekommen ist. Bei einem Aneurisma derAorta thoracica fand L a e n n e c zuerst einen Fall von seinem ancvrisme disséquant. Wenn es nicht nach aufsen zum Vorschein kommt, bleibt dieses Aneurisma fast immer latent; es zeigen sich nur unbestimmte Symptome, hauptsächlich aber ein fixer, anhaltender, bohrender Schmerz, welcher seiner sonstigen Unbestimmtheit ungeachtet doch in manchen Fällen so bezeichnend wird, dafs man daraus die Möglichkeit eines Aneurisma's wenigstens vermuthen kann; aber ein solcher Schmerz kommt nicht immer vor, oder ist auch nur leicht und vorübergehend. Wie die übrigen endet dieses Aneurisma fast immer mit Zerreifsung und augenblicklich tödender Hämorrhagie nach innen : in die Pleura, die Lunge, die Speiseröhre, sogar in den Kanal der Wirbelsäule. Ich kenne kein Beispiel von Zerreifsung nach Aufsen. §. 3. Symptome des Aneurlima'« der Aorta v abdominalis.
Das Aneurisma der Aorta abdominalis ist der Diagnose weit zugänglicher als die vorigen, obgleich
432 es auch häufig mit anderen Affectionen* verwechselt wird, oder noch häufiger andere Krankheiten fiir ein solches gehalten werden. Der Kranke spürt gewöhnlich Klopfen an irgend einer Stelle des Unterleibes, meist im Epigastrium; in anderen Fällen klagt er über Schmerzen in der Rücken- und Lendengegend. Durch Druck auf die Hohlvene kann es Oedem der unteren Gliedmafsen erzeugen. Bei regelrechter Untersuchung des Unterleibes nimmt der Arzt alsdann meist in der Richtung der Aorta eine Geschwulst w a h r , deren Umfang, durch Palpation und Percussion genau bestimmt, offenbar den der Aorta übertrifft. Diese Geschwulst ist klopfend. und erweitert sich gleichzeitig mit dem der Systole entsprechenden Schlage. Bei der Auscultation läfst sie Blasebalggeräusch oder Schwirren vernehmen. Wenn die Geschwulst nur von einiger Bedeutung ist, so ist ein Irrthum nicht möglich, es sei denn, dafs man sie für irgend eine andere Geschwulst hielte, welche von dem Aortenstofs gehoben wird; die dem Aneurisma eigentümliche Ausdehnung nach allen Seiten läfst jedoch eine solche Verwechselung nicht leicht zu. Es gibt aber einen anderen I r r t h u m , in welchen gewöhnlich oberflächliche Beobachter verfallen, indem sie die Pulsationen, welche viele reizbare, hypochondrische, hysterische Personen im Epigastrium, auf der Hohe der Coeliaca und unterhalb spüren, einem Aneurisma zuschreiben; aber durch eine aufmerksane Messung mittelst Palpation, Percussion und Auscil-
433 tation wird dieser Irrtimm vermieden werden. Wir fanden uns mehrmals in dem Falle, ihn nicht nur in der Meinung des Kranken, sondern auch in der empfehlenswerter Aerzte zu bekämpfen. Allerdings ist dieses Klopfen zuweilen so stark und weit verbreitet, dais man dadurch getäuscht werden kann; man wird sich aber leicht überzeugen, dafs die Aorta nicht erweitert ist, und da diese Pulsationen meist intermittirend sind, so kann man durch erneutes Untersuchen bei ruhigem Zustande des Kranken den früheren Irrthum verbessern. (1) Auch das Aneurisma des Unterleibes kann die benachbarten Organe comprimiren, mit ihnen verwachsen, die Lendenwirbel und selbst die Beckeriknochen anfressen und sich zuletzt in das Bauchfell, die Eingeweide, sogar in die Blase ergiefsen, wie einige behaupten , was jedoch ziemlich schwer zu begreifen ist. Daraus ersieht man, dafs es auch in seinen Ausgängen sich nicht von den andern unterscheidet. Unter allen ist das Aneurisma des Aortenbogens das gewöhnlichste, woran ohne Zweifel die Nähe des Herzens und das häufigere Vorkommen von pathologischer Veränderung der Gewebe in dieser Gegend schuld sind. (1) Die Coeliaca kann ebenfalls von Anenrisma befallen werden. Ich habe einen solchen Fall vor ungefähr 20 Jahren in der anatomischen'Gesellschaft zu Paris gesehen. Die Geschwulst von der Gröfse eines kleinen Eies war wie auf die Aorta gepfropft, und ihre drei Artferien waren, soviel ich mich erinnere, unvollständig obliterirt. Eine solche Geschwulst mit Aneurisma der Aorta zu verwechseln, ist kein grober Fehler. F o r g e t , Herzkrunklieiten.
28
434 Die
folgenden Einzelnheiten gellen
meistens für
alle Aneurismen der Aorta. V e r l a u f ,
D a u e r .
Der Verlauf des Aortenaneurisma's ist gewöhnlich langsam steigend; seine Dauer folglich lang. Obgleich es schwer h ä l t , den Anfang desselben zu bestimmen, so kann man doch aus dem Verhalten der anderen Aneurismen annehmen, dafs das Aneurisma des Aortenbogens sich rascher vergröfsert, sobald es durchgebrochen ist. A u s g ä n g e . W i r wissen schon, dafs im äufserst seltenen Falle das Aneurisma der A o r t a heilen kann. Dies kann geschehen, wenn der Sack mit festem Faserstoffe gänzlich angefüllt ist, so dafs das Blut vorbeiströrat, ohne einzudringen; die Geschwulst kann alsdann durch Resorption abnehmen oder stillstehen. Der Stillstand ist in d e r T h a t der günstigste A u s g a n g , welchen man wünschen kann. Das Aneurisma der A o r t a fuhrt fast immer zum T o d e , der entweder in Folge von Zerreifsung, oder durch Functionsstörungen der Nachbarorgane, durch seröse Cachexie in Folge von Kreisiaufshindernissen herbeigeführt wird. Die Zerreifsung ist der gewöhnlichste A u s g a n g ; sie kann bei jedem Entwickelungsgrade der Geschwulst vorkommen; man sieht sie bei Aneurismen, welche noch nicht den Umfang eines Eies erreicht haben, während andere sich bis zur Gröfse eines Kopfes ausdehnen können.
435 Complicationen. Man darf weder die verschiedenen Affectionen, welche der Bildung des Aneurisma's vorausgehen können, noch die verschiedenen Zufalle, welche aus seiner Entwickelung entstehen, für Complicationen ansehen; es gibt aber gewisse Nebenerscheinungen, welche besonders genannt zu werden verdienen. So sieht man häufig genug, dem Gesetze der Retrodilatation gemäfs, Erweiterung und Hypertrophie der Herzhöhlen daraus entstehen. Diese Complication ist defshalb wichtig anzuführen, da sie durch den Zuwachs ihrer Symptome die Diagnose des Aneurisma's des Aortenbogens oder der Brustaorta noch dunkler macht. In einem Falle, wo das Aneurisma den Wirbelkörper durchbrochen hatte, trat Paraplegie durch Druck auf das Rückenmark ein. Konnte man hier nicht an der Natur des Leidens irre werden? Diagnose. Wir haben die Hauptregeln derselben bei jeder Art von Aneurisma aufgestellt, und wiederholen hier blos, dafs nur durch eine sehr aufmerksame Untersuchung und mit Hülfe vollständiger Sachkenntnifs die so häufigen Gelegenheiten zum Irrthume vermieden werden können. Prognose. Die Prognose kann hier nur sehr ungünstig sein. Denn auf die Aneurismen des Aortenstammes erstrecken sich leider die herrlichen Fortschritte der 28*
436 neuesten Chirurgie nicht, so dafs sie als die einzigen im Gebiete der medicinischen Pathologie übrig bleiben. Behandlung. Die verschiedenen Mittel, welche man gegen das Aneurisma der Aorta anwendet, haben zweifelsohne eine Radicalheilung dieses Leidens zum Zwecke, ihrer Wirkung nach können sie aber höchstens seine Fortschritte mäfsigen. Die beabsichtigte Radicalcur wird nur zur Palliativbehandlung. Zum Glücke handelt es sich hier nicht um verschiedene Mittel; bei beiden will man : 1) die Blutmasse verringern und ihren Lauf mäfsigen; 2) die Rückbildung des Aneurismasackes und die Gerinnung des darin enthaltenen Blutes herbeiführen; 3) den in der Geschwulst aufgeschichteten Faserstoff wieder auflösen; 4) den Krankheitszufällen begegnen. Diesen verschiedenen Anzeigen entsprechen verschiedene Reihen von Mitteln. 1) Die Hasse des Blutes vermindern, and dessen Lauf m&fslgen.
Das Verfahren von V a l s a l v a und A l b e r t i n i steht an der Spitze derer, welche diese erste Indication zu erfüllen haben. Es besteht in täglichen oder wenigstens oft wiederholten kleinen Aderlässen, und in der stufenweisen Entziehung der Nahrungsmittel, bis der Kranke auf einen solchen Grad von Anämie und Schwäche heruntergekommen ist, dafs er kaum mehr ein Glied rühren kann, worauf man die Aderlässe aussetzt und nach und nach etwas mehr Nahrung
437 reichen läfst, bis man zuletzt bei einer mittelmäfsigen Portion stehen bleibt. Die ganze Dauer dieser Heilmethode ist, je nach den Umständen, von einigen Wochen bis zu mehreren Monaten. H o p e behauptet ein Aneurisma der Aorta geheilt zu haben, indem er während 24 Tagen täglich 10 Unzen Blut entziehen liefs. H o p e ist eine Autorität, welche nicht zu verwerfen ist; jedenfalls, aber sind solche Erfolge nur äufserst seltene Ausnahmen. Heilung des Aneurisma's auf diesem Wege ist in der That schwer zu begreifen. Aufserdem aber haben die oft wiederholten Aderlässe eine Verminderung der Blutkugeln, des Faserstoffs, der plastischen Elemente des Blutes zur Folge, sie widersetzen sich folglich der Gerinnung des Blutes in dem Aneurismasacke, wodurch dieser verschlossen wird, — der einzigen Art von Heilung, welche man hoffen darf. C h o m e l ' s Frage, ob es nicht zweckmäfsig sei, die Blutentziehung bis zur Ohnmacht zu treiben, damit das Blut in dem Aneurismasacke ruhe und Zeit gewönne zu gerinnen, ist allerdings sehr sinnreich und auf die Beobachtung der Herzcoagula gestützt, entbehrt jedoch der factischen Begründung; es kann die Ohnmacht nicht vollständig genug sein, und nicht lange genug dauern, um eine solche Wirkung hervorzubringen ; so viel ist gewifs, dafs sie nicht hervorgebracht wird. Zwei Hauptbeweggründe verhinderten die Aufnahme der wiederholten Aderlässe als gewöhnliches Heilverfahren : 1) ihre positive Unzulänglichkeit in der grofsen Mehrzahl der Fälle; 2) das Widerstreben
438 des Kranken und seiner Umgebung; denn die Masse des Blutverlustes und die darauf" folgende Schwäche erschrecken mehr, als die Krankheit selbst. Hingegen ist der Aderlafs nach der gewöhnlichen Indication die kräftigste Hülfe für die Kranken, sowohl zur directen Bekämpfung der Krankheit, als auch zur Verhütung ihrer verschiedenen Zufalle. Oertliche Blntentziehungen finden seltener Anwendung; sie sind nur bei örtlichen Erscheinungen, wie Entzündungszufalle und Schmerzen in der Nähe des Aneurisma's, angezeigt. Ist man zur Anwendung von Blutegeln und Schröpfköpfen gezwungen, so lasse man sie ja nicht auf die Geschwulst selbst setzen, wenn deren Decken nur im Geringsten beeinträchtigt sind, denn die mögliche Entzündung und Verschwärnng der Stiche könnte, wenn auch nicht Zerreifsung, aber doch Widerstands Verminderung der Hüllen des Sackes und raschcn Fortschritt der Geschwulst verursachen. Strenge Diät ist unumgänglich, sowohl was die Quantität, als was die Qualität der Nahrungsmittel betrifft , da man vor Allem die Menge und Thätiglceit des Blutes verhindern mufs. Dasselbe gilt von der körperlichen und geistigen R u h e , ohne welche jede, auch die rationellste Behandlung, vergeblich wäre. Als mächtiges Adjuvans des Aderlasses, der Diät und der Buhe gibt sich die Digitalis, dieser Moderator ¿Üoxrjv des Kreislaufes. Sie bietet den Vortheil vor dem Aderlasse, dafs sie die Circulation für eine gewisse Zeit herabstimmt, ohne die materiellen Grundkräfte des Individuums zu beeinträchtigen; ihre P r ä p a r f l e und Gaben sind nach Umständen zu wählen.
439 W i r wollen hier nur bemerken, dafs wir das I n f u s u m von 10 G r . lierb. digit. auf 24 Stunden in den meisten Fällen f ü r die beste F o r m der A n w e n d u n g halten. Die A b f ü h r m i t t e l sind rationell angezeigt, insofern sie A b l e i t u n g d u r c h den Darracanal und V e r m i n d e r u n g d e r wässerigen ohne V e r ä n d e r u n g d e r plastischen Elemente in dem Blute bewirken. Die Diurética werden nicht sowohl g e g e n das A n e u risma selbst, als gegen gewisse F o l g e n desselben, besonders das Anasarca, angewendet, können aber a u c h unter analogen Verhältnissen wie die Abführmittel dienen. H a u t r e i z e werden selten als directe Mittel benutzt, indessen k a n n die ableitende W i r k u n g der trockenen S c h r ö p f k ö p f e , der Senfteige, g r o f s e r Blasenpflaster auf den E x t r e m i t ä t e n , gewissen inneren Congestionen heilsam e n t g e g e n treten. 2) Die Rückbildung des Anenrismasackes und die Gerinnung des darin enthaltenen Blutes herbeiführen. Die v o r h e r genannten Mittel begünstigen auch die R ü c k b i l d u n g des A n e u r i s m a s a c k e s , indem sie die Masse und die Thätigkeit des Blutes vermindern; es gibt a b e r andere directer auf diesen Zweck ger i c h t e t e Mittel. Dahin gehören die adstringirenden U m s c h l ä g e ( V e r d ü n n u n g von E s s i g , Mineralsäuren, Bleiessig, Auflösungen von A l a u n , Ratanhia u. s. w.), A n w e n d u n g von K ä l t e in F o r m von kalten Aufschlägen oder gestofsenem Eise in Blasen gefüllt, endlich directe C o m p r e s s i o n ; man will damit das Einschnüren des Sackes und die Gerinnung des darin enthaltenen Blu
440 tes bezwecken, aber leider sind dies ärmliche Mittel, w i c h e nur eine sehr beschränkte Wirkung haben können. Einige dieser Verfahren sind sogar nicht ungefährlich , das Auflegen von Eis z. B. ist äufserst schmerzhaft und kann entzündliche Reaction und sogar Brand der Decken zur Folge haben. Eben so schlecht wird gewöhnlich die Compression vertragen, und anstatt den Sack zu erhalten, beschleunigt sie zuweilen dessen Verdünnung und kann gleich dem Eise zu Gangrän fiihren. Demungeachtet kann sie auf eine vorsichtige Weise versucht werden und zuweilen von einigem Vortheile sein. Was hat man von den inneren Adstringentien zu halten? Die verdünnten Mineralsäuren, das essigsaure Blei in einer Gabe von 1—4 Gr., werden häufig angewendet in der Absicht, das Gerinnen des Blutes und die Zusammenziehung der Gewebe zu bewirken. Ihre Anzeige ist allerdings rationell, was vermögen ater einige adstringirende Molecüle, durch Absorption in die Masse des Blutes übergegangen? Sie gehören zu den Mitteln, deren Gebrauch das Herkommen und das Bedürfnifs, etwas zu versuchen, geheiligt lut. Doch kann man von den Adstringentien, innerlich angewendet, zuweilen etwas erwarten, wenn man nur ihre temperirende Wirkung im Auge hat. 3) Die Geschwulst zertheilen.
Bisher haben wir das Aneurisma dadurch bekämpft, dafs wir es seines Hauptnahrungsmittels, des Blutes, beraubten und seine Ausdehnung verhinderten; vir werden jetzt versuchen, es zu zertheilen, zu schmelzen
441 mit Hülfe der Alterantien oder caißösenden Mittel. Zu dem Ende gibt man innerlich die Alkalien (Brunnen von Vichv), die Jodmittel (Jodkalium), die Mereurialien (Calomel u. s. w.), und wendet äufserlich Vigo's Mercurialpflaster, Empl. cieutae, Mercurial- und Jodeinreibungen an u. s. w. Diese Methoden haben aber nicht mehr Glück, als die vorigen, einmal, weil sie durchaus nicht im Stande s i n d , die vorgesetzte W i r k u n g zu erreichen, und dann, weil sie nicht allein den coagulirten Faserstoff in dem Sack auflösen, sondern a u c h , ganz gegen in Absicht der K u r , die Plasticität des Blutes vermindern würden; endlich, weil die Alterantien in manchen Fällen üble Complicationen hervorrufen können, wie Verdauungsbeschwerden, Entzündung der Geschwulst u. s. w. W e n n man sie versuchen will, so müssen ihre Wirkungen jedenfalls gehörig überwacht werden. 4) Die Zufälle bekämpfen.
Dies ist wohl die annehmbarste, wenn auch nicht rationellste Anzeige; sie wenigstens kann immer und überall erfüllt werden : Erleichterung z u e r s t , dann wo möglich Heilung. Die Zufalle bekämpfen heifst : die Thätigkeit des Kreislaufes rnäfsigen, den Congestionen nach inneren O r g a n e n , den auftretenden Entzündungen, den venösen Stasen begegnen mittelst vorsichtigen Gebrauches der Aderlässe, der Digitalis, der temperirenden Mittel , der Diät und der Ruhe ; den Schmerz dämpfen durch die eben genannten Mittel, durch die directen
443 Sedantia, vorzüglich durch Opium und seine Präparate in äufserlicher und innerlicher Anwendung; das Anasarca durch Laxantia und Diuretica angreifen; in manchen Fällen der Cachexie, der zunehmenden Schwäche tonische und Eisenmittel, eine mäfsig analeptische Diät u. s. w. entgegensetzen. Dies sind die wirklichen positiven Anzeigen des Augenblickes. Indem man mit Vorsicht und Sachkenntnifs den Kranken durch diese Klippen leitet, wird man sein Dasein verlängern, seine Schmerzen lindem, und wir fügen noch hinzu, dafs gerade diese Palliativmittel es sind, welche, wo es möglich ist, gm sichersten zum Heile fuhren. Wohl gibt es noch eine andere Anzeige, welche über alle anderen erhaben ist, zum Unglücke aler fast nie erfüllt wird, da entweder ihre Opportunrät nicht erkannt wird, oder die Beachtung ihrer Wichtigkeit zu spät kommt; die Anzeige, welche darin besteht, die Bildung des AneurismeCs zu verhüten. D:es wäre möglich durch die Behandlung derjenigen patlologischen Zustände, welche in den meisten Fällen das Aneurisma hervorrufen. Diese Zustände aler bleiben zu häufig verborgen, und man erkennt erst das Uebel, wenn es nicht mehr Zeit ist, ihm abzuhelfen. Die folgenden Beobachtungen sind stufenweise Bjispiele der vier Entwickelungsgrade des Aneurismi's des Aortenbogens. Die letzte zeigt, dafs das Ueliel bis zum höchsten Grade seiner Entwickelung verborgen bleiben kann.
443 Beob.
A n e u r i s m a des A o r t e n b o g e n s , e r s t e n G r a d e s (nicht erkannt). T o d a u s a n d e r n U r s a c h e n .
F r a u von 70 Jahren, gebrechlich, mit chronischem Catarrh und Oedem der unteren Glieder behaftet. Dyspnoe, H u s t e n , schleimiger Auswurf, tönender Thorax, zerstreutes Hasseln, normaler Kreislauf; wird an Catarrh behandelt (erweichende, beruhigende, ableitende Mittel etc.). Nach fünfmonatlichem Aufenthalte im Hospitale : vermehrte Dyspnoe mit Fieber , leichtem Delirium, Tod innerhalb weniger als 24 Stunden nach dem Auftreten dieser neuen Erscheinungen. Bei der Leicheiiüflhung findet man aufser den Zeichen der Bronchitis, welche den Tod herbeigeführt hatte, noch folgende Eigenthiiinlichkeitcn, auf welche man nicht gefafst war : Beim Entfernen des Brustbeines gewahrt man einen T u m o r , welchcn man zuerst für das Herz hält, der sich aber alsbald als ein Aneurisma der Aorta herausstellt, das 15— 16 Centimeter in. allen Richtungen beträgt. Die Erweiterung beginnt zwei Centimetcr oberhalb der Aortenklappen; 6ie scheint fast den ganzen Umfang des Gefafses einzunehmen; sie ist mit Schichten von Faserstoff ausgefüllt. Nach hinten besteht ein Canal für den Blutdurchgang. Die Wandungen der Aorta sind mit Knorpel- und Knochenablagerungen übersäet; keine Spur von Zerreifsung oder Ergiefsung; das Herz ist etwas nach abwärts verdrängt, aber gesund. Hier erklären sich alle Symptome, welche während des Lebens wahrgenommen wurden, so gut aus der Gebrechlichkeit und dem chronischen Catarrh,
444 dafs man durchaus keine Verrauthung von dem Bestehen dieses Aneurisma's haben konnte, welches höchstens zur Vermehrung der Dyspnoe beitrug, aber durchaus nicht an dem tödlichen Ausgange schuld war. In folgendem Falle endete das Aneurisma des Bogens, vom zweiten Grade, d. h. weniger dunkel in seiner Existenz, als das vorhergehende, mit Zerreifsung und plötzlichem Tode. Beob.
A n e u r i s m a des A o r t e n b o g e n s , zweiten (unsichere Zeichen). Z e r r e i s s u n g . Tod.
Grades
Mann von 45 J a h r e n , gut constituirt, Gipser. Nach seiner Aussage fühlte er vor drei Monaten Abends nach geendeter Arbeit einen ziemlich lebhaften Schmerz, mit einer Empfindung von Zusammenschnüren in der oberen Brustgegend. Dieser Schmerz verbreitete sich von unterhalb des Brustbeins bis zur Schulter und zum linken Arme; er dauert seitdem fort und ist die Ursache seines Eintrittes in das Spital. Eine aufmerksame Untersuchung der verschiedenen Organe, besonders des Herzens und der Lunge, verräth nichts Eigenthümliches. Der Kranke steht auf, ifst, schläft, athmet frei, hat weder Herzklopfen noch Fieber, und beklagt sich nur über leichte Schmerzen in den Gliedern , welche man für neuralgischer oder rheumatischer Natur hält. (Nitrum mit Opium). 35 T a g e nach seinem Eintritte klagt der Kranke über Schlaflosigkeit in der vergangenen Nacht : der Schmerz am Schulterplatte ist lebhafter (blutige Schröpfköpfe, Einreibungen mit Opodeldok).
445 Die darauf folgenden Tage : Besserung. Am 38. Tage geht er, ohne sich krank zu fühlen, zu Bette, und stirbt in der Nacht, plötzlich, ohne zu klagen, unter Blutauswurf. Leichenbefund : Bei der Ocffnung des Thorax findet man ungefähr 1£ Pfund flüssigen und geronnenen Blutes in die linke Pleura ergossen. Das Herz ist gesund, aber unmittelbar darüber findet sich eine Geschwulst von der Gröfse eines Eies, welche durch ein Aneurisma des Aortenbogens gebildet ist. Die Erweiterung beginnt unmittelbar über den Aortenklappen; sie ist mit Fasserstofflagen ausgefüllt, gestattet nach hinten den Durchgang des Blutes. Am oberen Theile dieser Geschwulst, etwas nach hinten und innen, besteht eine Zerreifsung von der Gröfse eines Frankenstückes, zum Theil in die Pleurahöhle, zum Theil in den linken oberen Lungenlappen mündend, der mit schwarzem Blute überfüllt ist, welches die Bronchien durchdringt. Die Wandungen der Geschwulst, von dem Coagulum befreit, sind mit kleinen Knorpel- und Knochenconcretionen besetzt. Der Schmerz war hier das einzige Phänomen, welches das Bestehen eines Aneurisma's verrathen konnte; was konnte man aber aus einem so gewöhnlichen Symptome schliefsen ? Die Percussion ergab nichts, was die Aufmerksamkeit auf sich ziehen konnte. Vielleicht hätte man bei minutiöser Auscultation ein Klopfen, einen dumpfen Ton beim ersten Tempo, stärker noch als in der Herzgegend, vernehmen können ; aber um solche Zeichen wahrzunehmen, mufs schon der Verdacht eines Aneurisma's vorhanden
446 sein. Uebrigens sind mir verschiedene Fälle von Aneurisma des Aorta vorgekommen, welche sich nur allein durch Schmerz charakterisirten und welche von den feinsten Beobachtern verkannt wurden. Alle Autoren stimmen auch darin überein, dafs das einzige unzweideutige Zeichen die Erscheinung der Geschwulst nach aufsen ist. Beob. In der folgenden Krankengeschichte haben wir d i e W ö l bung des Brustbeins, bevor dieser Knochen durchb r o c h e n i s t , wahrgenommen; wir schlagen vor, nach diesem Zeichen einen d r i t t e n G r a d von Entwickelung des Aneurisma's des Aortenbogens anzunehmen.
Mann von 53 Jahren, starker Constitution, früher Soldat, Küfer, zu Rheumatismus geneigt. Erst seit zwei Monaten, nach seiner Angabe, leidet er, ohne sich einer Ursache zu erinnern, an Herzklopfen, Dyspnöe von wechselnder Heftigkeit, zuweilen Schwindel, etwas Ameisenkriechen in den Fingerspitzen und Oedem der Füfse. Aufser diesen Phänomenen bestätigen wir eine leichte Turgescenz der Halsvene und eine deutliche Hervortreibung des oberen Theiles des Brustbeines, welches gewölbt ist und von dem Herzschlage gehoben wird. Die Percussion gibt daselbst einen matten T o n , welcher nach unten in den des Herzens übergeht, auf dessen Höhe der erste Ton weniger stark gehört wird als auf der Geschwulst selbst, wo derselbe von keinem abnormen Geräusche bögleitet ist (Blasebalggeräuscb^ Sausen, Reibungsgeräusch u. s. w.); er ist dumpf lind stark, synchronisch mit der Systole, ohne andere Eigentümlichkeiten. Der Puls beider Gelenke ist
447 normal; der Thorax helltönend; das Athmungsgeräusch nicht verändert; das Schlingen ungehindert.... Welcher Natur ist dieser Tumor substernalis ? Einige der Umstehenden sind geneigt ihn für eine zellig-faserstoffige Geschwulst de3 Mediastinum zu halten. Uns selbst dünkt ein Aneurisma des Aortenbogens wahrscheinlicher. Man läfst dem Kranken zur A d e r , gibt innerlich Jodkalium und macht Einreibungen von Jodsalbe; da aber zuletzt der Verdacht des Aneurisma's überwiegt, verordnen wir Digitalis, Limonade mit Schwefelsäure, essigsaures Blei, Hautreize, Abführmittel u. s. w. Der Kranke bleibt in diesem Zustande, welcher sich abwechselnd bessert und verschlimmert. Die Symptome dauern fort; am peinlichsten sind die Anfälle von Dyspnoe und ein bald stärkerer bald leichterer, aber vorübergehender Schmerz unter dem Brustund Schlüsselbein. Der Kranke fühlt sich zuletzt wohl genug und verläfst das Hospital nach viermonatlichem Aufenthalte. Aber schon einige Wochen darauf kommt er zurück, über heftigere Dispnoe und anhaltenden Schmerz in der Gegend der Geschwulst klagend. Die früher bemerkten Symptome haben sich übrigens nicht verändert. Aderlafs , Digitalis, Hautreize verschaffen eine geringe Erleichterung; aber vierzehn Tage nach seinem Wiedereintritt stirbt der Kranke plötzlich. Leichenbefund : Bedeutende Geschwulst unter dem Brustbeine, durch eine Erweiterung der vorderen Seite des Aortenbogens gebildet. Der Aneurismasack, welcher einen Durchmesser von 15 bis 18 Centim. hat,
448 ist mit Fasserstoffschiehten angefüllt, welche nach dem Centrum hin an Consistenz abnehmen, woselbst man schwarzes und frisches Coagulum findet. • An dem concaven Rande des Bogens besteht eine Zerreifsung, welche in die linke Lunge mündet, die mit schwarzein Blute, wie bei Lungenschlag, infiltrirt ist. Das Herz ist gegen das Zwerchfell herabgedrängt; das Brustbein ist auf der Höhe der Geschwulst in einer Ausdehnung von 6—7 CentimeterDurchmesser bis zur Hälfte seiner Dicke durchfressen. Es ist gewölbt und würde zweifelsohne zuletzt durchbohrt worden sein. Hier war das Bestehen des Aneurisma's, wenn auch nicht erwiesen, doch sehr wahrscheinlich, obgleich die Geschntlst noch nicht nach auf sen zum Vorschein gekommen war. Wir hatten nämlich ein deutliches Zeichen, diese Hervortreibitng des Brustbeins, deren die Autoren nicht erwähnen ; denn fast immer t^ird dieser Knochen vom Aneurisma durchbohrt ohne hervorgetrieben zu werden. Demungeachtet darf man dieses neue Zeichen nicht aus den Augen verlieren, da es wahrscheinlich ist, dafs man ihm auch in anderen Fällen begegnet; es bestimmt gewissermafsen einen Uebergangszustand zwischen Integrität der Knochenwand und deren Durchbohrung. Beob. A n e u r i s m a des A o r t e n b o g e n s , v i e r t e n G r a d e s (Hervortreten nach aufsen). Tod d u r c h ZerreiTsung.
Mann von 50 Jahren, guter Constitution, Arbeiter an der Druckerpresse. Seit drei Jahren verspürt er lebhafte Schmerzen unter der rechten Seite des Brustbeines nach dem rechten Schulterblatte hin, so dafs
449 er während der letzten zwei Jahre nicht mehr arbeiten konnte. Später trat Dyspnoe ein, welche sich durch Muskelanstrengungen vermehrte; in der letzten Zeit Schmerz auf der rechten Seite des Kopfes, stechende Schmerzen im rechten Arme längs der Verbreitung des Plexus brachiaüs; Ameisenkriechen in den Fingern. Als ich von dem Kranken um Rath gefragt wurde, konnte ich mir nur mit Mühe Rechenschaft von der Natur dieser Phänomene geben. Da jedoch das Herz, die Lungen, und die Nervencentren gesund waren, so kam ich auf den Verdacht, dafs der Plexus brachiaüs und die Trachea durch eine Geschwulst, wahrscheinlich ein Aneurisma comprimirt werde, bis später fast unmittelbar unter dem Gelenke des Brust- und Schlüsselbeines auf der rechtcn Seite eine kleine weiche Geschwulst ohne Veränderung der Hautfarbe zum Vorscheine kam, welche sich zurückdrängen liefs, während der Systole sich erhob und ausdehnte, — das Aneurisma also nicht mehr zu verkennen war. Diese Geschwulst, vierzehn Tage nach ihrem Auftreten untersucht, hatte den rechten Rand des Brustbeines, die Knorpel der 3., 4. und 5. Rippe angefressen ; sie hat 9 — 10 Centimeter im Umfange; pulsirt stark und anschwellend, ohne Summen oder Blasebalggeräusch, während die Herztöne dort stärker als in der Herzgegend gehört werden. Sie ist äufserst schmerzhaft bei der Berührung. Auch an dem inneren Rande des rechten Schulterblattes spürt der Kranke einen lebhaften Schmerz und ein Gefühl von Klopfen, so wie flüchtiges Stechen längs der Verbreitungen des F o r g e t , Herzkrankheiten.
29
450 Plexus brachialis. Der Radialpuls ist auf heiden Seiten gleich; alle anderen Organe sind im Normalzustände. Wir nehmen den Kranken zur Belehrung unserea Auditoriums in die Klinik a u f , behandeln ihn mit Aderlässen, Digitalis, Opium, Adstringentien (Limonade mit Schwefelsäure, essigsaures Blei); mit örtlicher Anwendung von Kälte und Compression, welch füllt, u n d an ihren W a n d u n g e n finden sich Knorpelu n d Knochenpunkte. So lange dieses Aneurisina nur Schmerz, Dyspnoe, Herzklopfen veranlafst h a t t e , blieb es fast unerkannt. Das Erscheinen der äufseren Geschwulst hob jeden Zweifel u n d erklärte die früheren Symptome. Das A n e u r i s m a ist in seinem Verlaufe so t r ü g e risch , dafs es sich vom K r a n k e n unbemerkt bis zum höchsten G r a d e entwickeln kann. Beob. A n e u r i s m a d e s A o r t e n b o g e n s e r s t n a c h s e i n e m E r s c h e i n e n n a c h A u f s e n b e m e r k t . Tori d u r c h Z e r r e i s sung nach aufsen.
Ich wurde eines M o r g e n s , als ich mich zu dem Kranken H . V . de F . b e g a b , von dessen D i e n e r , welcher das ParC[uet des Salons rieb, mit der F r a g e ang e g a n g e n , was eine Beide, welche er seit einigen Tagert auf der Brust t r a g e , bedeute. Auf den ersten Blick erkannte ich ein A n e u r i s m a des Aortenbogens in d e r weichen pulsirenden Geschwulst ohne A e n derung der F a r b e , welche d u r c h die Knochenwand der Brust am oberen rechten Theile des Sternums hervorragte. U e b e r seinen Z u s t a n d g e f r a g t , erklärte e r , dafs ihn diese Geschwulst n u r wenig g e n i r e , und er dabpi seine anstrengende A r b e i t fortsetzen könne. 29 *
452 Er war sich seines Zustandes nicht im Geringsten bewirfst und nur wegen der Erscheinung dieser Geschwulst besorgt. Nachdem ich seinen Herrn von der Gefahr dieses Zustandes unterrichtet hatte, begab sich der Kranke auf meinen Rath nach der Charité, in die Abtheilung des Herrn Prof. C h o m e l . Ungeachtet der rationellsten Behandlung machte das Uebel unaufhörliche Fortschritte, die Haut verdünnte sich, wurde livid, und zerrifs unter einem Strome von Blut nach aufsen. A n h a n g . Am Schlüsse des Kapitels von den Arterienkrankheiten erwähnen wir noch der angeblichen Neurosen dieser Gefäfse, von welchen schon bei der Betrachtung des Abdominalaneurisma's die Rede war. L a e n n e c beschrieb unter dem Namen spasmes des artères eine Affection, welche sich durch heftige, theilweise Pulsation einer Arterie oder einer Arterienstrecke characterisirt. E r nimmt an, wie auch A n dere nach ihm, dafs die Arterien eine eigenthümliche Thätigkeit besitzen, vermöge welcher sie sich erweitern und zusammenziehen, ohne dabei, wenn auch nicht von dem Rhythmus, doch von der Energie der Herzschläge abhängig zu sein. In der That fühlt man bei nervösen, hypochondrischen, hysterischen, chlorotischen Individuen einzelne Arterien zeitweise stärker und voller schlagen, als die andern, z. B. die Carotiden, die Aorta abdominalis, während zu gleicher Zeit andere Phänomene, wie Schmerzen, Krämpfe, Herzklopfen u. s. w. erscheinen. In diesen Fällen
453 hört man auch die abnormen Geräusche der Arterlen, die verschiedenen
blasenden
Geräusche,
du Diable, die Musikgeräusche u. s. w., liche Phänomene,
Bruit
welche sich schwer erklären las-
sen; aber sie stehen obgleich manche
das
eigentliüm-
als offenbare Thatsachcn fest,
Beobachter
nicht
an
sie
glauben
(Piorry.) Man mufs dieses abnorme, nervöse Klopfen
der
Arterien von dem Klopfen unterscheiden, welches zuweilen die Entzündung begleitet und von einer krankhaften Empfindlichkeit der entzündeten Gewebe
her-
r ü h r t ; so wie von dem, welches von wirklich erweiterten Gefäfsen entzündeter Stellen erzeugt wird, und endlich noch von demjenigen, welches sich dem F i n g e r durch dazwischen liegendes verdichtetes G e w e b e verstärkt kund gibt. D e r Arterienkrampf ist ein Epiphänomen gewisser pathologischer Zustände, die ihre eigenthümliche Behandlung erfordern, durch welche auch diese Nebenerscheinung beseitigt wird, wie z. B. Arterienkrämpfe und Chlorose durch das nämliche Mittel,
das Eisen,
gehoben werden können. Zweites Kapitel.
Krankheiten der Venen. §. 1. Von den Krankheiten der V e n e n Im Allgemeinen« Geschichte. D i e A l t e n verwechselten allgemein die mit den
Venen,
oder
Arterien
wufsten wenigstens nicht
die
454 Krankheiten der einen und der anderen zu unterscheiden, bis H a r v e y ' s Entdeckung jedem dieser beiden Systeme eine eigentümliche Bedeutung verschaffte. Einige äufsere Affectionen der Venen, z. B. die Varices, waren schon im Alterthume bekannt; aber von Krankheiten der inneren Venen wufsten H i p p o c r a t e s , G a l e n und selbst A r e t ä u s noch nichts, was man auch sonst behauptet h a t ; man kommt sogar bis zu einer nicht sehr entfernten Epoche, bevor man genügende Kenntnisse der Pathologie dieser Gefäfse findet. L a n c i s i und L o w e r schon hatten den Einflufs der Venenstockung auf das Entstehen von Oedem angedeutet, M a g e n d i e aber erst in seinen Experimenten über Venenabsorption und R i b e s in seinen anatomischen Arbeiten brachten einiges Licht in die Theorie der Wassersuchten; auf diese Theorie stützte sich B o u i l l a u d , als er, die Beobachtungen seiner Vorgänger und die Ansichten M o r g a g n i ' s und B r e s c h e t ' s über den Zusammenhang der Venenobliteration mit der Wassersucht benutzend, diesen Vorgang als ein allgemeines Princip aufstellte, welchem seitdem alle Beobachter huldigen. Bei M o r g a g n i findet man werthvolle Angaben über"die pathologische Anatomie der Venen; die eigentliche Nosographie dieser Gefäfse verdanken wir J . H u n t e r , dem Gründer der Geschichte ihrer Entzündung. Seitdem wurde viel über diese Materie geschrieben ; wir nennen hier nur I I o d g s o n , B r e s c h e t , Ribes, Cru v e i l h i e r , Dance, V e l p e a u , Bouill a u d , R e y n a u d etc., deren Namen wir bei den
455 Krankheiten werden.
der
Venen im Besonderen wiederfinden
Anatomisch'pathologische Skizze. Die Venen sind G e f ä f s e , deren Bestimmung ist, das Blut aus dem Inneren der O r g a n e zu dem H e r z e n zu führen. Sie sind aus drei Häuten gebildet : einer inneren serösen, halbdurchsiehtigen, f e i n e n , ziemlich d e h n b a r e n ; einer mittleren dichteren, aus Längs- und Querfasern bestehend, welche dehnbarer, aber nicht so fest sind als die der A r t e r i e n ; einer äufseren oder Zellgewebehaut, welche sich mit V e r l ä n g e r u n g e n in die beiden Vorigen festsetzt und mit dem Nachbarzellgewebe verbindet. Die Venenwandungen erhalten Nerven aus den verschiedenen Plexus, Arterien, V e n e n (vasa vasorum) und Lymphgefafse. Die Venen sind weicher als die A r t e r i e n , daher fallen sie ein, wenn sie leer s i n d ; sie sind weniger dick und viel nachgiebiger, als diese, sind aufserdem mit Klappen versehen, welche in den meisten Venen durch Falten der inneren H a u t gebildet werden, und übersteigen in ihrer totalen W e i t e die der A r t e r i e n um das Doppelte ( H a i ler). D a s Blut bewegt sich in ihnen langsam, anhaltend und nicht stofsweise; es wird in seiner aufsteigenden B e wegung durch die Klappen unterstützt, welche seinem Rückflufs entgegen s t e h e n , und im Gegensatze zu dem arteriellen fliefst das Venenblut von der P e r i pherie nach dem Centruin, aus engeren in weitere Kanäle übergehend.
456 Aetiologie. Die Ursachen der Venenkrankheiten können sein : angeborene (Anomalien); traumatische (Wunden, Operationen, Entbindungen); hygienische (schlechte Luft, Excesse); krankhafte (Entzündungen, Entartungen, Vergiftungen, Ansteckungen, äufserer Druck etc.); Ursachen, deren Wirkungsweise so leicht zu würdigen ist, dafs diese keiner weiteren Entwickelung bedarf. Symptome. 1) Organische Symptome. So wie bei den Arterien, finden wir auch hier angeborene Fehler, mechanische Verletzungen, Entzündungen, organische Krankheiten (Erweiterung, Verengerung, Verschliefsung, Hypertrophie, Atrophie, Verschwärungen, Durchbohrung, analoge oder heterologe abnorme Producte, fremde Körper u. s. w.). Wir können hier nicht auf die Geschichte aller dieser Verletzungen eingehen, von welchen die meisten als blofse Curiosa auftreten oder in das Gebiet der Chirurgie fallen; wir werden aber später auf diejenigen zurückkommen, welche für unsern Gegenstand von einigem Interesse sind. 2) Die localen Functionssymptome beschränken sich auf den Schmerz und das Aufhören des Venenkreislaufes. Die allgemeinen Functionssymptome sind : der Schmerz, die Rothe der Nachbargewebe, das Oedem aus örtlicher venöser Stase, die Erweiterung der Collateraloder Ergänzungsvenen, in seltenen Fällen die Hämorrhagien und der Brand; häufiger das Fieber, und
457 vor allem jener gefährliche Symptomencomplex, welchen man mit dem Namen der Eiterinfection bezeichnet hat. Aehnliche Neurosen wie die Arterienkrämpfe finden sich hier nicht. Verlauf, Dauer,
Ausgänge.
Der Verlauf und die Dauer der Venenkrankheiten wechseln nothwendiger Weise, je nach der Natur derselben. Wie bei allen Krankheiten, sind auch hier die Ausgänge in Genesung, chronischen Zustand oder Uebergang in andere Krankheiten und Tod. Diagnose. Venenkrankheiten, welche sich durch äufsere Charactere kund geben, sind in der Regel so leicht von einander zu unterscheiden, dafs nicht wohl eine Verwechselung möglich ist, wie z. B. Varices mit Phlebitis ; ebensowenig kann man dieselben für Affectionen der Arterien und Lymphgefafse halten, wenn es sich um oberflächlich liegende Gefäfse handelt; bei tiefer gelegenen Affectionen aber wird der Irrthum leichter, wenigstens in gewissen Perioden und bei einzelnen Formen derselben : so ist heutzutage die formelle Ursache der Phlegmasia alba dolens und der Elephantiasis der Araber z. B. noch unentschieden, indem sie von den Einen den Venen, von den Andern den Lymphgefäfsen zugeschrieben werden. Kann man endlich die Krankheiten der Venen mit anderen verwechseln, wie mit Ent-
458 Zündungsgeschwulst, Typhoidfieber, Meningitis, deren einzelne Symptome sich auch in gewissen Perioden der Phlebitis wiederfinden? Kann man ein Oedem aus venöser Stase von anderen Ursachen ableiten? Allerdings sind solche Irrthümer möglich, sie werden aber durch ein aufmerksames Krankenexamen und besonders durch den Verlauf der Krankheit alsbald aufgeklärt werden. P r o g n o s e . Die Prognose ist aufserordentlich verschieden, je nach der Natur, der Intensität, dem Sitze, den Complicationen u. s. w. dieser Krankheiten. Am bedenklichsten ist die Entzündung, und auch hier besteht ein bedeutender Unterschied zwischen adhäsiver und suppurativer Phlebitis, Obliteration grofser und tief liegender Venen ist gefährlicher, als die der Venen des zweiten Ranges und an der Oberfläche, ungeachtet der wunderbaren Hülfsmittel, welche der Natur zur Herstellung des Kreislaufes geboten sind. Dafs sich aber die Prognose bei Complicationen der Venenkrankheiten mit Eiterinfection oder irgend einer Cachexie gar sehr verschlimmere, bedarf kaum der Erwähnung. B e h a n d l u n g . Die Behandlupg richtet sich 1) nach dem acuten oder chronischen Character der Krankheit. Im ersten Falle findet sich fast nur die Entzündung; ihre Therapie ist wesentlich von jener der chronischen Krankheiten verschieden, welche unter so mannigfachen Formen
459 auftreten; 2) nach der oberflächlichen oder tieferen Lage der erkrankten Gefäfse; die ersteren erheischen ein fast ausschliefslich chirurgisches Verfahren, während die anderen der inneren Heilkunde anheimfallen. In vielen Fällen ist die Behandlung der Nebenerscheinungen von gröfserer Wichtigkeit, als die der Hauptkrankheit. So fordert bei eiternder Phlebitis die Eiterinfection vorzugsweise die Aufmerksamkeit des Arztes, so ist bei Venenobliteration hauptsächlich die Wassersucht zu berücksichtigen. W i r können dieser summarischen Uebersicht keine weitere Ausdehnung' geben, ohne uns in Allgemeinheiten zu verlieren, oder der speciellen Krankheitsgeschichte vorzugreifen. W i e bei den Arterien, betrachten wir auch hier zuerst die Entzündung als Krankheit und Krankheitsquelle; die Venen sind aber nicht gleich den Arterien einem pathologischen Processe ausgesetzt, welcher wie das Aneurisma, eine ganze Reihe von Affectionen in sich schliefst, der A r t , dafs es fast allein alle organischen Fehler dieser Gefafse ausmacht; wir werden defshalb in einer besonderen Abtheilung der Reihe nach die verschiedenen Krankheiten des Venensystems beschreiben, deren Geschichte mehr oder weniger von der der Entzündung geschieden ist. f. 2. V e n e n e n t z ü n d u n g , P h l e b i t i s . Bis jetzt wurden alle Varietäten der Phlebitis unter diesem einzigen Titel behandelt. Die neuesten Fortschritte der Wissenschaft nöthigen uns, in zwei verschiedenen Abschnitten : A. die traumatische, B . die spontane Venenentzündung zu betrachten.
460 A. Traumatische Venenentxttndnng. Die Phlebitis gehört za denjenigen Affectionen, welche auf der Scheidelinie der Medicin und Chirurgie stehend, von beiden Fächern in Anspruch genommen werden. Unsere Scheidung zwischen der traumatischen oder durch äufsere Ursachen hervorgerufenen und der sogenannten spontanen oder aus inneren Ursachen entstandenen Venenentzündung bezweckt eine genauere Bestimmung des einem jeden der beiden Zweige der Wissenschaft angehörenden Theiles, demgemäfs die erstere mehr der Chirurgie, die letzte gänzlich der Medicin anheimfällt. Demnach könnten wir die Betrachtung der traumatischen Phlebitis als nicht in unser Gebiet gehörig übergehen; da aber ihre Geschichte zur Beleuchtung der spontanen Phlebitis erforderlich ist, und auf der anderen Seite jene von ihrer Eiterungsperiode an wieder der inneren Heilkunde zurückfällt, so wollen wir ihre Geschichte hier skizziren, indem wir nur kurz dasjenige berühren, was speciell der Chirurgie angehört. Der Ausdruck Phlebitis oder Venenentzündung bedarf keiner weiteren Definition. Wir sind noch nicht so weit gekommen, zu unterscheiden, in welcher der drei Häute, aus welchen diese Gefäfse bestehen, die Entzündung ihren Sitz hat, doch werden wir sehen, dafs gewisse Umstände uns wenigstens zur Annahme einer inneren und äußeren Entzündung berechtigen, je nachdem diese mehr die inneren oder die äufseren Theile der Venen befallen hat.
461 G e s c h i c h t e . Wir sind nicht der Meinung, dafs A r e t ä u s der erste w a r , welcher die Venenentzündung angedeutet hat; denn unter dem Namen Entzündung der Holdvene beschreibt er eine Krankheit mit Leibschmerzen, heftigem Fieber und Symptomen, welche an die typhösen grenzen: der T o d erfolgt in der Kegel nach zweimal sieben Tagen, so dafs dieselbe eher unserem entzündlichen Typhoïdfieber gleicht, als jeder anderen Krankheit. An einer anderen Stelle beschreibt er unter dem Namen Entzündung der Pfortader eine Krankheit, welche sich durch heftige Schmerzen auszeichnet, und welche die acute Leberentzündung zu sein scheint. (De caus. et sign, morb., üb. II, cap. V I I I et V I I ) . M o r g a g n i und Andere haben gewisse anatomischpathologische Charactere der Venenentzündung angegeben; J . H u n t e r aber hat das erste ziemlich vollständige Bild dieser Krankheit entworfen, welches noch jetzt als Muster dient. Seit ihm haben S a s s e , T r a v e r s , A b e r n e t h y , H o d g s o n zur allgemeinen Kenntnifs der Phlebitis beigetragen, welcher Name ihr von B r e s c h e t gegeben wurde, d e r H o d g s o n ' s Werkecommentirthat. R i b e s , V e l p e a u , B l a n d i n , Cruveilhier, Dance, Maréchal, Bouillaud, P i o r r y , und in der jüngsten Zeit S e d i l l o t unter Anderen haben ihre Geschichte vervollkommnet, so dais die Phlebitis heutzutage zu denjenigen Krankheiten gehört, welche am besten, wenigstens in ihren üufseren Erscheinungen, gekannt sind.
462 A e t i o 1 o g i e. Die gewöhnlichsten und offenbarsten Ursachen sind traumatische oder chirurgische Verletzungen : Stiche, Zerreifsungen, Aderlafs, Amputation u. s. w., besonders aber diejenigen, welche mit unreinen oder stumpfen Instrumenten gemacht werden. Hierher gehört natürlich auch der Act des Gebärens, und C r u v e i l h i e r vergleicht mit Recht die innere Gebär mutterfläche nach der Entbindung mit einer frischen Wunde. Sodann kommt eine Reihe von inneren Ursachen, welche, wie die Cachexien, mehr die sogenannte spontane Phlebitis erzeugen, bei deren Betrachtung wir auf dieselben zurückkommen werden. Gewisse epidemische Einflüsse begünstigen ihre Entwickelung, und in vielen Fällen endlich erscheint dieselbe ohne wahrnehmbare Ursachen. Erwachsene und Männer scheinen vorzugsweise dazu geneigt. S y m p t o m e . 1) Orffanische Symptome. Zuerst erscheint hier die Rothe der inneren H a u t , welche gleichmäfsig, nicht punktirt, nicht verästelt ist, sondern mehr der Aufsaugungs-, als der Injectionsröthe gleicht. Ihr Werth wurde darum vielfach bestritten, wogegen man hauptsächlich auf ihre begleitenden' Phänomene achtete; dahin gehören : die feine Injection des Zellgewebes, welches die äufsere und mittlere Membran scheidet ( L e b e r t ) , die Zerreiblichkeit, die Verschwärung, die Zotten und Granulationen der inneren Haut, und vor allem die pseudomembranigen , eiterigen Ausschwitzungen u. s. w. Die entzündete Vene verdickt sich,
463 wird derb und der arteriellen liöhre ühnlich; man sagt dann sie hat sich arterialisirt. Eines der ersten Phänomene der Phlebitis ist die Goagulumbildung und diß darauf folgende Versehliessung des Gefäfses. Dieses Phänomen wurde besonders von C r u v e i l h i e r untersucht. (1) Dieses Coagulum kann von verschiedener Festigkeit, frei oder angewachsen sein; es wird mit der Zeit fester und farblos; manchmal ist es in der Mitte durchbohrt, so dafs das Blut durchströmen kann; in anderen Fällen endlich fehlt es ganz (Lebert^). Es kann sich Eiter aufserhalb oder innerhalb des Coagulums finden. Diese letztere Erscheinung gab zu verschiedenen Erklärungen Veranlassung. Während die Einen sie einer eigenen Veränderung, der spontanen Schmelzung des Coagulums zuschreiben, betrachten sie die Anderen als eine Absonderung desselben. Beide Meinungen setzen eine nicht erwiesene Eigenschaft des Blutes, voraus, die der Eiterproduction. C r u v e i l h i e r glaubt, dafs die Vene den Eiter absondere, der alsdann durch Einsaugung in das Innere des Coagulums dringe; die Wandungen desselben sind aber nicht mit Eiter durchdrungen; man nimmt auch an, der abgesonderte Eiter umhülle sich mit Faserstoff, was ziemlich schwer zu begreifen ist; kurz, man thut am besten zu gestehen, dafs die Einschliefsung von Eiter in dem Coagulum noch ein Räthsel ist. (1) S i n a c hatte schoD, wie mir liei der Arteriiis gesehen haben, diese Erscheinung als eine Folge der Entzündung oder vielmehr der Verrunzelung der inneren Geiäfshaut angegeben.
464 Es wurde behauptet, der Eiter in den Venen sei immer durch Verwachsungen abgesperrt und könne nicht in den Kreislauf gelangen, um von da sich in die Organe zu verbreiten, mit einem Worte, dafs die Eiterinfection nicht von Verbreitung des Eiters, sondern von einer bestimmten Körperanlage herrühre ( T e i s s ie r). Die Meinung ist durch Thatsachen widerlegt, denenzufolge man bestimmt freien Eiter in den Venen gefunden hat ( S e d i i i o t ) . Statt des Coagulums oder Eiters kann der Venenkanal auch einfach durch pseudomembranige Ausschwitzung verschlossen sein. Aufserhalb der Vene können sich Abscesse bilden, welche abgeschlossen sind, oder mit dem Innern der Vene in Verbindung stehen. Der äufsere Eiter kommt häufig aus dem Gefafse selbst, dessen entzündete, erweichte, geschwürige Wandungen von ihm durchbrochen werden. Sehr selten dringt Eiter von aufsen in die Vene durch Zerstörung ihrer Häute. Man hat auch gefunden, dafs durch zufällige Durchbohrung Eiter aus einer entzündeten Vene in eine andere gedrungen war. In manchen Fällen beschränken sich die Entzündung und die Eiterung auf die äufsere Oberfläche de3 GefKfses und bilden so die Phlebitis externa, während der umgekehrte Fall häufiger ist, wo sich die Entzündung auf den Kanal selbst beschränkt und die Phlebitis interna ausmacht. 2) Locale und allgemeine Functionssymptome.
Die
entzündete oberflächliche Vene bildet einen festen, unebenen Strang, spontan oder durch Druck schmerzhaft, längs dessen Verlaufe die Haut häufig leicht roth
465 gefärbt und teigig ist. Der untere Theil des Gliedes ist in der Regel infiltrirt. Brand wie bei Arteritis ist eine äufserste Seltenheit, obgleich er schon beobachtet wurde ( R i b e s , F r a n ç o i s ) ; gewöhnlich bestehen dabei Unbehaglichkeit, Fieber und andere Reactions-Phänomene. Dies sind die Erscheinungen der ersten oder Entzündungsperiode, welche dauert so lange die Phlebitis adhäsiv bleibt, d. h. noch keinen Eiter gebildet hat, oder wenn bei bestehender Eiterung diese auf die äufsere Oberfläche beschränkt ist, oder auch wenn bei innerer Suppuration der Eiter abgeschlossen bleibt, so dafs er nicht dem Blutstrome folgen kann ; sobald sich aber der Eiter in das Blut verbreitet hat, sieht man neue Phänomene, eine wirkliche neue Krankheit erscheinen, welche Eiterinfection, Eäer résorption , Pyohämie oder Pyämie heifst. Alsdann erleidet das Blut Veränderungen, welche häufig eine Art von Auflösung zeigen ; es ist schwärzer, dünnflüssiger ; das Coagulum aufserhalb der Vene ist weicher, zerfliefsbarer. Mit dem Mikroscope will man Auflösung, der Blutkugeln gefunden haben ( L e b e r t ) . Zu gleicher Zeit entfaltet sieh eine Gruppe von Symptomen, welche sich durch gewöhnlich intermittirenden Frost, eine leicht gelbliche Hautfarbe, rasigen Mund, Prostration, Diarrhoe, kurz durch einen wirklichen Typhusapparat auszeichnet; dies ist die zweite oder Infectionsperiode. Bald darauf erscheinen örtliche Störungen in gewissen Organen, dem Anscheine nach zufallige Entzündungen. Diese neuen Phänomene rühren von Eiterherden her, die sich in der Lunge, der Leber, Folget,
Herzkrankheit«!),
3 0
466 dem Gehirn, den Gelenkeu u. s. w. bilden und metastatische Abscesse oder metastatische Ergüsse genannt werden; dies ist unsere dritte Periode oder Periode der Metastase. (1) Wir untersuchen nicht, ob sich der Eiter in Substanz, oder ob sich nur einzelne Elemente desselben, die Kugeln oder das Serum in den Organen ablagern. (2) Es wird heutzutage allgemein angenommen, dafs Eitermoleküle, welche in den Capillaren der Parenchyme stocken, nicht geradezu Abscesse bilden, sondern dafs sie daselbst einen Entzündungsprocefs veranlassen, dessen Charaktere man bei der Autopsie erkennt, und welcher schneir in Eiterung übergeht. Man findet in der That festen Eiter an abgeschlossenen Stellen, deren Umgebung gewöhnlich congestionirt ist; selten bilden sich Herde von flüssigem Eiter, ausgenommen in serösen und Synovialhöhlen. (3)
(1) S é d i l l o t hat bewiesen, dafs die Phlebitis nicht die einzige Ursache der Eiterinfection ist, zu deren Erzeugung das Eindringen von Eiterkugeln in den Kreislauf, auf welche Weise es sei, genüge. Allerdings bat die pathologische Anatomie Fälle gezeigt, wo der Eiter einer Wunde auf directem Wege durch Perforation oder Ulcération u. s. w, in die Vene gedrungen ist. Die Infection entsteht alsdann ohne. Dazwischentreten von Phlebitis. Aber so wenig, als B e r a r d , glaubt S é d i l l o t an eine Aufsaugung des Eiters, daher verwirft er das Wort E i t e r r e s o r p t i o n (résorption purulente). (2) Diese Fragen wurden gründlich untersucht in S é d i l l o t ' s Abhandlung Uber Eiterinfection (1849). (3) Dies sind die Eroberungen der neueren Wissenschaft. Interessant ist ihre Vergleichung mit dem was ein alter Autor, von antiken humoral-pathologi9chen Ideen durchdrungen, Q u e s n a y (1749), in. seinem Traité de la suppuration sagt : »Folgt der Tod schnell auf
467 Man hat nach ihren Ausgängen verschiedene Arten von Phlebitis aufgestellt; es sind, wie wir bereits wissen, A le adhäsive und suppuratioe Phlebitis; die letzte wurde wieder eingetheilt in freie und abgeschlossene, je nachdem der Eiter frei oder abgeschlossen ist. Wir werden sehen, warum w ir die Eintheilung in traumatische und spontane vorziehen, welche auf die Ursachen begründet ist. Man hat auch die Phlebitis nach ihrem Sitze unterschieden; z. B. die Pfortaderentziindung, eine seltene Krankheit, welche sich durch Symptome von Leberentzündung kundgibt, worauf Phänomene von Eiterinfection und Bildung metastatischer Abscesse, besonders in der Leber, folgen; Entzündungen der
Jas Verschwinden des Eiters in dem Geschwüre, so erzengen die sich auf die Organe ablagernden Materien in denselben weder Geschwüre noch Abscesse : sie infiltriren und zerstreuen sich nur in die Substanz und verursachen tüdtliche Entzündungen dieser Organe. Verlaufen die Zufalle aber weniger schnell, so geht die Entzündung in Eiterung über. Man fand zuweilen bei Solchen, welche acht, zehn Tage und noch länger nach den ersten Erscheinnngen von Aufsaugung gestorben sind, Entzündungen und Absccsse zugleich (im Mesenterium, in den Lungen, am häufigsten in der Leber, manchmal auch im Gehirne), daher scheint es, dnfs Abscesse, welche sich bei Eiterresorption bilden, selten einfache Ablagerungen der aufgesaugten Materien, sondern im Gegentheile fast immer Folgen einer durch diese Materien verursachten Entzündung sind». (De la suppuration, p. 344 et s.) Setzt man an die Stelle der Worte suppression de la suppuration das Wort Phlebitis, so sollte man glauben, das Ganze sei erst gestern geschrieben: multarenascenturetc. Man lese in S é d i l l o t ' s Abhandlung die interessante Geschichte der pyaemie und der phlébite. Man sieht daraus, dafs die Alten die Eiterinfection gekannt haben, und dafs das Dazwischentreten der Phlebitis mehr Verwirrung, als Licht gebracht hat.
30*
468 Sinus durae matris ( T o n n e i l e ) , mit Symptomen von Encephalitis und Erweichung, oder von blutigem oder serösem Schlage; Phlebitis uterina, welche D a n c e so trefflich beschrieben hat; sie bildet eine der gefährlichsten Varietäten der Metritis oder des Puerperallfiebers; Phlebitis der Knochen, von chirurgischem Satncdpunkte aus untersucht, die Ursache des Todes so vieler Amputirten u. s. w. Verlauf. In ihrem anatomischen Verlaufe schreitet (die Venenentzündung in der Regel von der Peripherie nach dem Herzen; seltener dehnt sie sich in umgekehrter Richtung aus ; am häufigsten beginnt sie im Inneren der Gefalse, von wo sie sich nach aufsen veirbreitet, oder auf die innere Fläche beschränkt bleibt; iäufserst selten ist ihr Verlauf von aufsen nach innen. In ihrer krankhaften Entwickelung kann diie Phlebitis drei Grade oder Perioden durchlaufen : 1. Periode (der Entzündung); 2. D (der Eiterinfection); 3. r> (der metastatischen Abscesse). In unseren Vorträgen haben wir vier Perioden angenommen, welche dadurch entstanden, dafs wir die erste Periode in entzündliche und Eiterungsperiiode getheilt hatten; diese Unterabtheilung ist pathologisch richtig; aber bei weiterer Ueberlegung erkanntten wir, dals sie nicht practisch ist und zwar ans follgenden Gründen : 1) wenn die Eiterung in der Tiefe worgeht, so gibt sie sich häufig erst durch Symptome der In-
469 fection kund; das Eiterungsstadium ist alsdann durch nichts charakterisirt; 2) bleibt die Eiterung beschränkt und abgeschlossen in der entzündeten Vene, so gestaltet sie sich einfach als Ausgang der Entzündung und führt nicht zu Erscheinungen, welche wichtig und markirt genug sind, um eine besondere Periode zu bilden. Die Krankheit schreitet im Allgemeinen auf folgende Weise voran : Ein oder mehrere Tage nach der Einwirkung einer Ursache, gesetzt den Fall eines Aderlasses, klagt der Kranke über mehr oder weniger lehhaften Schmerz in der Gegend der W u n d e ; diese vernarbt nicht, sie entzündet sich ; eben so die Vene in gröfserer oder geringerer Ausdehnung; man fühlt die entzündete Vene strickförmig hart, ungleich, schmerzhaft; zuweilen bildet sich Oedem des Gliedes, Zellgewebe und Haut entzünden sich in der Richtung des Gefiifses, dessen klaffender Oeffnung bald ein jauchcartiger Eiter entsickert, welcher den Beginn der Eiterung bestätigt. Alsdann erscheinen die typhösen Symptome der zweiten oder Infcctionsperiode, worauf bald die Zufalle auftreten, welche die Bildung Von Abscessen oder metastatischen Ergüssen verursacht. Einmal zu dieser dritten Periode gelangt, endet die Krankheit fast immer mit schnellem Tode. Dies ist die vollständige Entwickelung der Phlebitis; häufig aber und glücklicherweise durchläuft sie nicht alle diese Perioden; sehr häutig beschränkt sich die Krankheit auf die Bildung des Venenstranges, worauf die Wunde vernarbt und der Kranke genafs; in andern Fällen eitert die Wunde, aus der Vene selbst kann
470 man Eiter pressen , oder es bilden sich Abscesse auf der äufseren Fläche des verhärteten Gefafses; aber dieses ist an der oberen Grenze der Entzündung geschlossen, so dafs der Eiter nicht in den Kreislauf gelangt, und der Kranke zuletzt nach langem Schwanken genesen kann; endlich ist auch die bestätigte Infection nicht absolut unheilbar; man führt wiewohl selten Fälle an, wo Heilung erfolgte. D a u e r . Die Phlebitis kann alle diese Phasen rasch durchlaufen und mit dem Tode endigen. Man sah Kranke in weniger als drei Tagen hinweggerafft. Die mittlere Dauer scheint vierzehn Tage zu sein; ziemlich häufig verlängert sie sich zu drei und vier Wochen, seltener mehr. Diejenige F o r m , welche in Genesung endet, ist von sehr verschiedener Dauer; findet keine Eiterung statt, so bleibt die strangförmige Härte ziemlich lang fortbestehen; Abscesse ohne Infection eitern mehr oder weniger lang fort. A u s g ä n g e . Aus dem Vorhergehenden ergeben sich die Ausgänge der Phlebitis. Es sind : die Zertheilung (pklebite adhesive), die Infection ohne Abscefsbildung ( L e b e r t ) , und die metastatischen Abscesse. Diese beiden letzten Ausgänge führen fast innner zum Tode. C o m p l i c a t i o n e n . Wir können die Eiterinfection, die typhösen Erscheinungen, die metastatischen Abscesse und die
471 Phänomene der örtlichen Entzündung, welche aus diesen hervorgehen, nicht als Complicationen betrachten. Wirkliche Complicationen a b e r , welche unabhängig von der Phlebitis auftreten könnten, würden schwerlich die Gefährlichkeit, wclche dieser K r a n k heit schon eigen ist, vermehren. D i a g n o s e . Die Venenentzündung kann nicht leicht mit Entzündung der Lymphgefafse verwechselt werden, welche letztere sich durch feine, straffe, mehr knotige als ungleiche Schnüre characterisirt, die fast immer von Gangliengesehwulst begleitet sind. A b e r die Eiterung in den Lymphgeflifsen kann zu der Phlebitis ganz ähnlichen Erscheinungen fuhren. Indessen scheint die Infection durch Lymphgefafse sehr selten metastatische Abscesse zu erzeugen, da die Eiterkugeln in den Ganglien zurückgehalten werden. Phlebitis mit Arteritis zu verwechseln, ist unserer Ansicht nach sehr schwer; die letztere ist in der Hegel tief gelegen, erzeugt kein O e d e m , führt dagegen häufig zu Gangrän. Die entzündeten Nerven fühlen sich auch strangartig, aber glatt und schmerzhaft a n , geben aber zu keiner der bedenklichen E r scheinungen der Phlebitis Veranlassung. Man verwechselt dagegen ziemlich häufig die entzündliche Geschwulst, besonders d i e , welche an der Aderlafsstelle am Arm erscheint, mit der Venenentzündung; die Abwesenheit des Venenstranges und der Verlauf der Krankheit lassen diesen Fehler vermeiden, in
472 welchen gerade aus Furcht vor Phlebitis gefallen wird. Das Oedem aus Venenverstopfung kann leicht anderen Ursachen zugeschrieben werden. Im Anfange kann die Eiterinfection leicht der Frostanfälle halber für eine Intermittens gehalten werden, später fur Typhoidfieber (entérite folUculeuse) {1), welches letztere sich durch Meteorismus und sein eigentümliches, rosafarbiges, linsenförmiges Exanthem unterscheidetDie Entzündungen aus metastatischen Abscessen gleichen den einfachen Entzündungen; metastatische E r güsse in Gelenkhöhlen werden häufig fiir Gelenkrheumatismus gehalten u. s. w. Die Nebenerscheinungen so wie die Anamnese genügen gewöhnlich, um die Diagnose zu berichtigen. Nach S é d i l l o t unterscheidet sich die Eiterinfection von der fauligen dadurch, dafs bei ersterer metastastische Abscesse, bei letzterer innere brandige Aft'ectionen entstehen. Prognose. Die Prognose ist, wie aus allem, was bisher gesagt wurde, erhellt, ungünstig; doch besteht in diesem Betracht ein unendlicher Unterschied zwischen der eiternden und der adhäsiven Phlebitis, welche letztere (1) Man sehe : Traité de l'entérite folliculeuse. Paris 18U. Wie viele Widersacher diese schöne Monographie des Hrn. Prof. F o r g e t unter den Anhängern der Routine gefunden haben mag, so bleibt es dennoch aasgemacht, dal's sie in symptomatologischer und besonders pathologisch-anatomischer Hinsicht für den aufmerksamen Beobachter als classisches Werk dasteht und bei jeder ferneren Behandlung der Materie unentbehrlich geworden ist. C. W.
473 sehr selten ilas Leben bedroht. Indessen auch die traumatische Phlebitis, welche doch häufig zur E i t e r u n g k o m m t , wird weniger häufig tödlich, als man allgemein annimmt. W i r haben Thatsachen veröffentlicht, welche die Besorgnisse dieser A r t vermindern. So findet man in unseren clinischen Untersuchungen über die Phlebitis : 1) von neun Fällen bedeutender entzündlicher Zufälle, welche wir auf Phlebotomie beobachtet haben, bestanden drei in einfacher E n t zündungsgeschwulst ; 2) von sechs Fällen ausgesprochener Phlebitis eudigten drei in Zertheilung; also, auf neun Fälle der A r t , in Folge von Aderlafs, führten nur drei zum T o d e , nachdem sie alle Phasen der Phlebitis durchlaufen hatten. D a h e r kann man sagen, dafs bei sogenanntem unglücklichem Aderlasse zwei gegen eins zu wetten ist, dafs die daraus entstehenden Zufalle nicht tödlich sein werden (Recfierches cliniques sur la phleMte; Gaz. med. de Paris, 1847). W a s die Eiteiinfection betrifft, so wäre es uns lieb, S e d i l l o t ' s Optimismus theilen zu können, welcher behauptet, dafs sie in den meisten Fällen zur Heilung kommt. Ich fiir meinen Theil e r k l ä r e , nie die Heilung einer gut characterisirten Infection beobachtet zu haben (1). Jedenfalls kommt bei der P r o g nose viel auf Quantität und Qualität des in den Kreislauf übergegangenen Eiters an. (1) Jedes mit einer eiternden Wunde behaftete Individuum, bei dem sich unregelmäßiger Frost, beschwerter und hastiger Athem, bleifarbiger, gelblicher Anflug der Haut, grol'sc Abgeschlagenheit und plötzliche Abmagerung zeigt, ist in unseren A u g e n von Pyohämie befallen« ( S e ' d i l l o t ) ; derselben Ansicht bin auch ich.
474 Behandlung. Hier zeigt sich der praktische Nutzen der von uns aufgestellten drei Perioden. In der That ändert sich das Heilverfahren der Phlebitis wesentlich, je nachdem sie mit dem Character der einfachen Entzündung, der Eiterinfection oder der Eitermetastase auftritt. Wir verweilen nicht bei dem prophylactischen Verfahren, welches in chirurgischen und hygienischen Vorsichtsmafsregeln besteht, um das Erscheinen der Phlebitis zu verhüten. W i r bemerken nur, dafs ein reizender Verband und eine einigermafsen substantielle Nahrung mehr geeignet scheinen, diesen Zufall zu verhüten, als Diät und erweichende Umschläge. p Periode der Entzündung und der örtlichen Eiterung. Allgemeine Blutentziehung wäre indicirt, hätte man nicht zu fürchten, dafs sich bei dieser neuen Operation die phlebitische Diathese geltend mache. Selten wagt man hier eine Operation, welche so häufig Phlebitis verursacht, und gegen welche sich auch die neuere Chirurgie verwahrt. Darum zieht man, nach den Vorschriften von L i s f r a n c , die Anlegung von Blutegeln längs dem Verlaufe des Gefafses oberhalb der entzündeten Stelle vor. Man machc erweichende Umschläge und halte das Glied in ruhiger, abhängiger Lage. Darauf schreite man zu Mercurialeinreibungen. Opiumsalbcn können gegen den Schmerz dienen. Man hat Begiefsungen mit kaltem Wasser gerühmt u. s. w. Als Mittel, die Entzündung zu beschränken und den Uebergang des Eiters in das Blut abzusperren, hat man die Compression der Vene vorgeschlagen
475 ( H u n t e r , R e i l , A b c r n e t h y , V e l p e a u ) ; oder deren Durchschneidung vor der Entzündungsstelle (B r es c h e t ) : diese Mittel können eben so gut Phlebitis e r z e u g e n , als dieselbe beschränken. B o n n e t von Lyon räth, die W u n d e und den Verlauf der entzündeten Vene geradezu mit dem Glüheisen zu cauterisiren, um die Natur dieser eiternden Entzündung umzustimmen und die Bildung von Blutpfröpfen zu bethätigen. S e d i l l o t schlägt sogar die Amputation vor, als sicheres Mittel, die Quelle des Eiters abzuschneiden. 2) Periode der Infection. Welche Mittel aber jetzt anwenden, wo der typhöse Procefs sich entwickelt hat u n d die Pyohämie vollendet ist? Man hat zu wiederholten Blutentleerungen gerathen, um den beigemischten Eiter zu entfernen; damit verstopft man aber nicht seine Quelle. V a n S w i e t e n und neuerdings P i o r r y schrieben reichliches Getränk vor, um das verderbte Blut zu verschwemmen. Man hat gehofft, den Eiter durch Abführmittel, Brechmittel, schweifs- und harntreibende Mittel, Speichelflufs, Blasenpflaster zu entfernen. Man wollte das Blut durch Chloralkalien desinficiren. Man lobte empirischer Weise den Brcchweinstein in hoher G a b e , das weifse Antimonoxyd, das schwefelsaure Chinin, die Aconittinktur u. s. w. S e d i i i o t bemühte sich, die Behandlung der Pyohämie rationell zu machen und entschied sich für einen reizenden Verband, nahrhafte Diät, Cauterisation der W u n d e und der Vene mit dem Glüheisen, abführende und ableitende Mittel. 3) Periode der metnstntischen Abscesse. Obgleich dieselbe sehr häufig schnell auf die der Infection folgt,
476 se bat sie doch begreiflicher Weise ihre besonderen Indicationen, welche speciell auf der Abscefsbildung und den daraus hervorgehenden Symptomen beruhen. Diese mit unterlaufenden, entzündlichen Erscheinungen können allgemeine und örtliche Blutentziehungen, lindernde und andere Mittel nothwendig machen, welche ohne deren Erscheinung nicht zur Anwendung gekommen wären. Der Brechweinstein in hoher Gabe bei Pneumonie; Abführmittel bei Hepatitis; ableitende Mittel in fast allen Fällen, entsprechen den speciellen, durch die Eiterablagerungen bedingten Anzeigen. K u r z , man suche die Therapie dieser Zufalle mit der Grundbehandlung der Eiterinfection zu vereinbaren, wenn auch nicht in der Hoffnung eines häufigen Erfolges, aber doch in dem Bewufstsein, alles, was die Wissenschaft bietet, zu erfüllen. Ermuthigend sind immer die Erfolge von S a n s o n , V c l p e a u , B l a n d i n , L a u g i e r , V i d a l , N e l a t o n und S e d i l l o t .
B. Spontane, adhäsive, Innere Venenentzündung. Die spontane Phlebitis ist in ihren Ursachen, Symptomen, ihrem Verlaufe, ihren Ausgängen, ihrer Prognose und Behandlung so wesentlich von der traumatischen verschieden, dafs sie in Zukunft fiir sich allein beschrieben zu werden verdient. Wir nennen sie lieber spontane als adhäsive Phlebitis, weil sie nicht nur, wie man versichert, zuweilen zur Eiterung kommen soll, sondern auch weil ihre Aetiologie den hervorstechendsten ihrer Charaktere
477 bildet, denjenigen, welcher ihre Eigentümlichkeit bedingt, wie wir später sehen werden. Ich möchte sie eben so gerne innere Venenentzündung nennen, nicht wegen ihres Sitzes, der ziemlich häufig oberflächlich ist ; sondern wegen ihrer gänzlichen Geborgenheit vor der Berührung der Luft, worin uns ihre Individualität hauptsächlich mit begründet scheint; der Name spontane Phlebitis ist aber weniger zweideutig und setzt übrigens nicht weniger die Unversehrtheit der umgebenden Gewebe voraus , welche ich immer dabei hervorhebe, gerade um die spontane Phlebitis der traumatischen gegenüberzustellen. G e s c h i c h t e . Die spontane und traumatische Phlebitis wurden zur nämlichen Zeit kennen gelernt; denn J. H u n t e r schrieb über beide, jedoch ohne ihre Unterschiede gehörig zu würdigen. T r a v e r s , H o d g s o n , B r e s c h e t haben sie gleichfalls beobachtet. Rayer, Bouillaud, Andral, Cruveilhier, Piedagnel, T r o u s s e a u beschreiben sie ebenfalls. Die Memoiren der anatomischen Gesellschaft von Paris enthalten viele Fälle der Art. B o u c h u t , welchem ich diese historische Aufzählung entlehne, stellt ungefähr fünfzig Beobachtungen auf, worunter neun von ihm selbst gemacht wurden; aufser den zehn schon früher von mir veröffentlichten Fällen, habe ich seit ganz kurzer Zeit wieder verschiedene andere beobachtet. Somit wäre den die Individualität dieser Krankheit festgestellt, selbst ohne auf die sehr gewöhnliche
478 pblegmasia alba dolens puerperarum einzugehen, welche wahrscheinlich nichts anderes ist, als unsere spontane Phlebitis, welche in Folgen der Entbindung entsteht, wie wir es neuerdings bei einer an Phlegmasia alba gestorbenen Frau bestätigt haben, deren Venen von der Poplitea bis zur Hohlvene entzündet und verschlossen waren. Obgleich nun diese Krankheit als wissenschaftliche Thatsache dasteht, so verhält es sich doch anders mit ihrer theoretischen Deutung. Die Beobachter haben zweifelsohne die mehr oder weniger radicale Verschiedenheit zwischen spontaner und traumatischer Phlebitis gefühlt; aber bis auf die neueste Zeit hat sich keiner positiv darüber ausgesprochen; und da, wo diese Verschiedenheit ihnen auffallt, suchen sie dieselbe in einem Charakter, der unserer Ansicht nach auf einem wesentlichen Irrthume beruht. Schon L a e 11n e c , dieser Feind der Solidarpathologie , hatte ausgedacht, dafs die Coagula, welche in entzündeten A r terien vorkommen, Ursache und nicht Wirkung der (iefafsentzündung seien. H o k i t a n s k i in Wien und H o u c h u t in Paris sind jetzt der nämlichen Ansicht hinsichtlich der Phlebitis; der letztere trennt sogar diese Krankheit gänzlich von den Venenentzündungen, deren Namen er ihr verweigert, und individuaKsirt sie als : Bildung von Coagnlum in den Venen bei chronischen Krankheiten (Coagulation du sang ceineux dans les maladies chroniques; Gaz. med. de Paris, i8i5), wodurch die Idee der ursprünglichen Krankheit ganz entfernt wird.
479 Nun aber hatte ich mehrere Jahre vorher, in 1842, im Berichte über meine Klinik, folgende Bemerkungen eingeflochten : »Seit einigen Jahren konnten wir mehrere»mal gut characterisirte spontane Phlebitis bei unseren »Kranken beobachten. Wir hatten schon vorher einen »Fall der A r t bei einem unserer Phthisiker beschrieben. »Bei keiner dieser Beobachtungen, deren wir uns »jetzt erinnern , erschienen Symptome von Eiterung »oder Eiterresorption. Wir stellten uns die Frage, »ob nicht diese Gutartigkeit der spontanen und subc u t a n e n Phlebitis, ohne Hautverletzung, gerade da»von herrühre, dafs die entzündete Stelle absolut vor »der Luftberührung geschützt sei. Immerhin glauben »wir berechtigt zu sein, diese Affection, im Ver»gleich zu jener, wo die entzündete Vene blofs liegt, «als wenig gefahrlich anzusehen.« (Resumé de la clin, med. de la faculté de Straslurg, p. 56, 1842.) In diesen wenigen Zeilen sind die Grundcharaktere einer neuen Krankheitsindividualität enthalten ; nämlich : 1) die Seltenheit der Eiterung ; 2) die Leichtigkeit der Heilung; 3) die Abgeschlossenheit von der Luft als formelle Ursache dieser Gefahrlosigkeit. Sind diese Charaktere nicht hinreichend, um einen wesentlichen Unterschied zwischen traumatischer und spontaner Phlebitis zu bilden? Wir hatten die Identität der Natur dieser beiden Affectionen anerkannt, während viel später B o u c h u t in dem Glauben, ein neues Feld zu bearbeiten, sich auf die Verschiedenheit der Symptome, welche auch er beobachtet hatte, stützend, die gewaltsame Trennung beider Arten von Phlebitis vollzog. Das spontane Coagulimi, sagt e r , geht nie in
480 Eiterung über, verursacht nie metastatische Abscesse, hat nie die Zufälle der Resorption zur Folge ; dies trennt es von der traumatischen Phlebitis, und mufs jede Annäherung beider unmöglich machen. Obgleich über die klinischen Thatsachen einig, sind wir in pathogenetischer Beziehung verschiedener Meinung. Wir werden gleich unten die verschiedenen Belege bringen, welche wir schon in zwei verschiedenen Memoiren über die spontane Phlebitis dem Urtheile des Publikums vorgelegt haben; den einen in der Gaz. méd. de Paris 1847, den anderen in dem Bulletin de thérapeutique, 1850. Aetiologie. Es ist leicht zu begreifen, was w i r , ebenso wie alle anderen Beobachter, unter spontaner Venenentzündung verstehen : wir wollen damit nur eine Bezeichnung weiter im Gegensatze zu traumatischer Phlebitis geben ; denn jede Krankheit hat ihre Ursachen ; diese Ursache aber ist manchmal verborgen, oder erscheint als ein freiwilliger Act des Organismus. Es ist jedoch nicht erwiesen, dafs die spontane oder innere Phlebitis nicht auch zuweilen von mechanisch wirkenden Ursachen, wie* Druck, Stöfs u. s. w. herrühren könne; sie entsteht auch in Folge des Geburtsactes ; es erhellt aus den neuesten Arbeiten und aus einer Discussion , welche vor einigen Jahren j n der inedicinischen Acailemie stattfand, dafs die Phlegmasia alba dolens der Wöchnerinnen nichts anderes ist als unsere Phlebitis spontanea, so dafs B o u c h u t
481 seinem spontanen Coagulnm in den Venen auch den Namen gibt : pMeqma.fia alba dolens non puerpérale. Von diesem letzteren ist liier speciell die Rede; das andere geht die Geburtshülfe an. Iii wie weit die spontane Phlebitis durch äufsere, hygienische, epidemische und andere Einflüsse, welche auch auf die traumatische wirken , gefördert werden k a n n , ist noch nicht bekannt ; sicherer scheinen krankhafte Ursachen die Hauptrolle bei ihrer Entstehung zu spielen ; darum zeigt sie sich fast immer bei chronischen Krankheiten, C a c h e x i e n , wie im Verlaufe der Tuberkelaffection, des K r e b s e s , auf der Neige langdauernder Enteritis folliculosa u. s. w. Dies ist ihre eigentlnimliche Aetiologie, dadurch wird sie zu einer medicinischen Phlebitis und schon bestimmt von ihrer Verwandten, der chirurgichen Phlebitis, geschieden. Irthümlich aber oder übertrieben ist die Annahme, dafs spontane Venenentzündung nur bei Cachexien vorkommt ; erstlich ist es nicht nachgewiesen, dafs sie sich nicht im Laufe einer acuten Krankheit erzeugen k ö n n e , sodann können wir auch ein Beispiel von spontaner Phlebitis aufführen, wo es durchaus nicht möglich w a r , eine chronische, vorherbestehende Krankheit zu entdecken. W a s die formelle Ursaclic der spontanen Phlebitis betrifft so fragt es sich, ob es wahr sei, dafs sie eine Wirkung und nicht eine Ursache des venösen Coagnlums ist, und dafs die Ursache dieses Gerinnens in einem verhältuifsmäfsigen Ueberschufse des Blutfaserstoffes und nicht in der Phlebitis besteht. Diese Meinung der oben erwähnten Autoren, welche sich auch im Compendium de méForj'ot.
lUrzkmiklieitpn.
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482 decine verzeichnet findet, scheint uns auf unhaltbare Hypothesen gestützt. Wie denn in der That diese Gerinnung begreifen , da sie sich doch hauptsächlich in solchen Krankheitsfällen erzeugt, wo die Plasticität des Blutes vermindert sein soll : in Nervenfiebern und den verschiedenen Cachexien ? Warum sollte das Blut eher in den einen, als den anderen und allen Venen überhaupt gerinnen? Warum sollte sich dieses Coagulum nicht vorzugsweise in acuten Krankheiten, in Rheumatismus z. B. erzeugen, wo doch das Blut am reichsten an Faserstoff ist, und warum kommt sie da nie vor ? Wie die Oertlichkeit dieses Gerinnungsprocesses erklären, wenn die Ursache selbst nicht eine örtliche ist ? Aber, wird man dagegen fragen, welches ist denn die Ursache dieser Phlebitis ? Es ist dieselbe, welche so viele andere Entzündungen unbekannten Ursprungs hervorruft, die so häufig bei kränklichen Subjecten vorkommen, wie das Erysipelas, die Aphthen, die Enteritis, die sogenannte Pneumonía ultima etc. Warum diese störende Ausnahme in dem so wahren Gesetze, welches sagt, dafs das Coagulum eine Folge der Erkrankung des Gefafses ist? ( S é n a c , C r u v e i l h i e r ) . Ist Uberhaupt dieses Coagulum so reizend? Im Laufe der ferneren Entwickelung werden wir noch andere Argumente zu besprechen haben. Hat das Geschlecht einigen Einfiufs auf diese spontane Phlebitis? Ohne die Beobachtungen anderer nachzuschlagen, begnüge ich mich anzugeben, dafs von zehn Fällen, die ich gründlich beobachtet habe, sieben auf Weiber und drei auf Männer kommen. Unter
483 den Lebensaltern mag das der Erwachsenen am meisten ausgesetzt sein, denn die von uns behandelten Kranken waren alle von 20—40 Jahre alt, mit Ausnahme eines Mannes von 67 Jahren. S y m p t o m e . 1) Organische Symptome. Von allen Theilen des Körpers, in welchen spontane Phlebitis auftritt, sind die unteren Gliedmafsen am häufigsten davon befallen. Unter einundfünfzig von B o u c h u t aufgezählten Fällen hatten vierundvierzig ihren Sitz in den Beckengliedern ; die sieben anderen betrafen die oberen Gliedmafsen , die Lebervenen, die Lungenarterie und die Sinus der harten Hirnhaut. Die zehn von mir beschriebenen Fälle gehören den Untergliedern a n , jedoch erinnere ich mich einiger Fälle von schmerzhaftem Oedem der oberen Extremitäten bei Individuen, welche mit chronischen Krankheiten behaftet waren, welches ich unbestimmter Weise dem Decubitus zuschrieb, dessen organische Ursache ich aber leider zu erforschen verabsäumt hatte. Unter den anatomischen Characteren der spontanen Phlebitis finden sich alle diejenigen, welche die Autoren der adhäsiven, das heifst der gewöhnlichen Venenentzündung zuschreiben, welche nicht bis zur Eiterung kommt. Also : Anschwellung und knotige Härte des Gefäfses, Verdickung seiner Wandungen, Rothe oder nicht, je nach der Periode der Krankheit; Coagulum, das die Vene in verschiedener Länge mehr oder weniger vollständig ausfüllt, mit ihren Wandun. gen verwachsen ist oder nicht. Daraus, dafs das Coa31 *
484 gulum in der Vene häufig frei liegt, schlofs man auf Nichtentzündung derselben; aber die Autoren bekennen, dafs auch bei traumatischer Entzündung das Coagulum nicht immer verwachsen ist, und ferner wird die Vene meistens erst dann secirt, wenn die Entzündung schon seit einiger Zeit resolvirt ist, so dafs man sich nicht zu erstaunen h a t , weder Rothe noch Verwachsung zu finden. Folgende Bemerkung scheint mir geeignet, gewissen Mifsverständnissen hinsichtlich der anatomischen Charactere dieser Entzündimg zuvorzukommen, nämlich die, dafs das Blutcoagulum und die Entzündung nicht dieselben Grenzen haben. Eine sehr beschränkte Entzündung, von 2 Centimetern z. B., kann zu einem Coagulum Veranlassung geben, welches sich nach und nach verlängert, so dafs man die Charactere der Entzündung nur da findet, wo sich die Phlebitis entwickelt hatte und nicht auf der ganzen Ausdehnung des Coagulums. Aus diesem Mechanismus können wir uns auch gewisse Verbreitungen der Krankheit erklären : hat sich z. B. die Cruralvene auf der einen Seite durch Coagulum verstopft, so kann dieses, indem es bis zur Bifurcatioc der Hohlvene hinaufsteigt, die Iliaca der gesunden Seite in ihrem Lumen beeinträchtigen, "und ohne Entzündung derselben Oedem des entsprechenden Gliedes veranlassen. W i r glauben diesen Mechanismus der Fortpflanzung des Oedems gewissermafsen auf der That angetroffen zu haben; immerhin bleibt es aber ausgemacht, dafs die Entzündung die erste Ursache dieser Krankheit ist.
485 Uebrigens geht die spontane Phlebitis zuweilen in Eiterung über : $ l a n d i n versichert, eine solche Beobachtung gemacht zu haben, auch habe ich vor Kurzem die Vereiterung derselben mit darauffolgender Infection durch eine Beobachtung, welche, wie ich glaube, in der Klinik des Herrn Di*. N o n a t gemacht wurde, bestätigt gefunden. Es handelt sich zuletzt auch nicht blofs um einige Streitpunkte der Autopsie, um über die Natur des Uebels urtheilen zu dürfen; die während des Lebens beobachteten Symptome sind zuweilen von positiverem Werthe. Man hat bemerkt, dafs die Verschliefsung gewöhnlich an Venen kleineren Kalibers, wie die Pediosa und Plantaris aufhört, wodurch die Wiederherstellung der Circulation erleichtert wird. Dagegen verbreitet sich die Entzündung zuweilen nach dem Centrum hin, bis in die Beckenvenen, selbst bis in die untere Hohlvene, wie wir durch ein Beispiel zeigen werden. Am häufigsten aber ist der Stamm der Cruralvene afficirt, wiewohl wir auch zweimal Phlebitis der inneren Saphena allein angetroffen haben. 2) Functionssymptome. Unter den localen Functionssymptomen begegnen wir zuerst dem Schmerze. Alle von mir behandelten Kranken klagten schon einige Tage vor dem Ausbruche des Oedems über Schmerzen der unteren Glieder. Dieser Schmerz bringt den Arzt sogar in Verlegenheit, da er bei tief liegender Vene und bevor Oedem eingetreten ist, denselben nicht gut zu erklären weifs. R a i g e d e L o r m e , Verfasser des Artikels Phlébite (Dictionn. en 30 vol.), macht darauf aufmerksam, dafs der Schmerz das An-
486 fangssymptom in fast allen bis jetzt beobachteten Fällen gewesen sei. Ich berufe mich hier auf diesen Punct, weil er entschieden für die Primitivität der Entzündung spricht. Wenn das Coagulum vor der Entzündung vorhanden wäre, so würde wahrscheinlich das Oedem dem Schmerze vorausgehen, und dieser müfste oft fehlen, da das Coagulum ein ziemlich unschuldiger fremder Körper ist, der sich aus dem normalen Inhalte der Vene bildet; Natur und Kunst bedienen sich des Coagulums zur Heilung der Gefäfswunden; man sieht es nie nach Operationen, die seine Bildung zum Zwecke haben, Entzündung veranlassen. Warum sollte es nun so allgemein die Phlebitis verursachen? Auf den Schmerz folgt die Unterbrechung des Venenkreislaufes. Die Vene bildet, wo sie gefühlt werden kann, einen harten, ungleichen, beim Drucke schmerzhaften Strang; selten findet sich die Haut längs ihrem Verlaufe geröthet Ist die Vene nur von untergeordnetem Range, so wird der Kreislauf durch ihre Verschliefsung nicht bedeutend gestört und gehen die Symptome nicht weiter; ist sie aber von höherer Bedeutung, so erscheinen in Kurzem wieder andere Phänomene. Allgemeine Fimctionssymptome. L o w e r und Andere, bevor B o u i l l a n d dieser Thatsache einen classischen Werth verschaffte, hatten beobachtet, dafs die Verschliefsung der Venen zu Oedem derjenigen Theile Veranlassung gibt, in welchen sich diese Gefäfse verästeln; wirklich erfolgt auf Entzündung einer Hauptvene auch alsbald Infiltration ihres Gliedes. Eigentümlich ist
487 dabei, dafs sich nicht die Extremitäten der Glieder immer zuerst infiltriren; bald ist das Bein, bald der Schenkel vor dem Fufs geschwollen. Dies rührt wahrscheinlich von der oben berührten Unversehrtheit der Zweige her, welche unterhalb des verschlossenen Punctes liegen; häufig auch ist das Oedem hart, heifs, schmerzhaft, wie man sagt activ; daher sein Name Phlegmasia alba. Jedoch ist dies kein ständiger Character. «
Später fUhrt der wunderbare Mechanismus des Ergänzungskreislaufes meistens zur Erweiterung der Venen, welche bestimmt sind, die Gefäfsverbindung zwischen den oberhalb und unterhalb des verschlossenen Punctes gelegenen Theilen wieder herzustellen. Handelt es sich z. B. um eine Verschliefsung der Vena iliaca, so sieht man vorher wenig sichtbare sccundäre Venen anschwellen, und es erscheint ein gleichsam neu gebildetes Netz zwischen den Unterhautvenen des Schenkels z. B. und denen der Bauchdecken. Die oberflächlichen Brust-, Lenden- und Intracostalvencn scheinen denen des Schenkels und Unterleibes die Hand zu reichen u. s. w. Dr. R e y n a u d beschreibt aufs Schönste diesen Vorgang, welcher in der Tiefe wie an der Oberfläche statt findet, und noch besser, als das Oedem, die der Palpation unzugängliche Venenverstopfung pathognomonisch characterisirt. Ist die Phlebitis von gröfserer Ausdehnung und von einiger Heftigkeit, so kann sie Fieberbewegung hervorrufen. .
488 Dies ist das Gcsammtbild der Symptome fast aller Fälle von Venenentzündung; der Ausgang in Eiterung ist so selten, dafs man diese gefährliche Vorperiode der Infection, welche die mit traumatischer Phlebitis Behafteten jeden Augenblick bedroht, hier nicht zu fürchten hat. Die Gefahrlosigkeit bildet einen der besonderen Charactere dieser Art von Phlebitis. Soll man aber defswegen jede Zusammenstellung derselben mit der traumatischen Venenentzündung untersagen? Man könnte alsdann gerade so gut annehmen, dafs diese nicht besteht, wenn sie ohne Eiterung endet. Allerdings ist es eine und dieselbe Krankheit, den anatomischen Characteren nnd äufseren Symptomen nach, nur gebt sie in dem einen Falle häufig in Eiterung über, während im anderen sie sich auf einfache Verschliefsung beschränkt. Warum aber dieser Unterschied ? Für mich steht fest, dafs die spontane Phlebitis nicht defswegen durch Adhäsion endet und so wenig gefahrlich ist, weil sie eine Folge der Gerinnung wäre, denn ich sehe nicht ein, warum eine secundare Entzündung nicht gerade so gut eitern könnte, als eine primitive, sondern weil diese Phlebitis, ebenso primitiv als die andere, vor der Berührung der Luft geschützt ist Ich berufe mich hier auf : 1) die einfache Beobachtung der Thatsachen, welche die Gutartigkeit der inneren Phlebitis und die Gefährlichkeit der äufseren Phlebitis darthun; 2) die Erfahrung aller Zeiten, welche lehrt, dafs der Zutritt der
489 Luft (1) zu entzündeten Theilen, besonders wenn sie eitern, die schlimmsten Folgen hat; 3) die Thatsachen der neueren Chirurgie, welche den Vortheil der unmittelbaren Vereinigung und des seltenen Verbandes hervorheben; 4) und hauptsächlich die beachtenswerthen Resultate der sogenannten subcutanen Operationsmethode, welche hauptsächlich die Verhütung der Eiterung beabsichtigt. Wir haben also nicht nur die directe Beobachtung, sondern auch alle Analogien für uns. V e r l a u f . D e r Verlauf der spontanen Phlebitis ist zugleich mit den Symptomen gegeben; nämlich : Schmerz, Infiltration; sodann Zertheilung des Oedems, sobald der Kreislauf wieder hergestellt ist; dies ist die Reihenfolge der drei Perioden dieser Krankheit in ihrer Offenbarung nach aufsen. Die Entzündung der Vene selbst entwickelt sich wie die adhäsive Phlebitis : Rothe, Gerinnung des Blutes; theilweise Wiederaufsaugung des Coagulums, dauernde Verschliefsung der Vene oder Wiederherstellung ihres Kanales durch irgend einen Mechanismus. I n einzelnen Fällen aber scheint sich die Krankheit an der einen Stelle zu zertheilen, während sie an der anderen wieder zum Vorscheine kommt. Diese Rückfälle lassen sich auf verschiedene Weise erklären : (1) P i o r r y bezeichnet den Zutritt der Luft als formelle Ursache der Gefahr bei traumatischen Venenentzündungen (Médecine pratique, t. 2, p. 407).
490 Gesetzt die Infiltration des einen Beckengliedes kommt auch auf dem anderen zun) Vorschein, so ist es rationell anzunehmen, dafs das allmählige Weitergerinnen des Blutes oder die aufsteigende Verbreitung der Entzündung bis zur Bifurcation der unteren Hohlvene, wodurch auch diese verschlossen wird, die consecutive Infiltration des anderen Beckengliedes verursacht habe. In anderen Fällen aber scheint die Wiederkehr der Krankheit wirklich in Folge einer unglücklichcn Diathese statt zu finden, welche sich der Reihe nach in verschiedenen von einander unabhängigen Regionen kuhd gibt; so z. B. wenn die spontane Phlebitis von den unteren zu den oberen Gliedern überspringt. Man hat dergleichen unglückliche Fälle beobachtet, wo der Kranke, kaum auf dem Wege der Genesung begriffen, an einer anderen Stelle befallen, und so von Rückfall zu Rückfall zum Marasmus und Tode geführt wurde. Dauer. Die spontane Phlebitis durchläuft ihre Phasen gewöhnlich in einem Zeiträume von einigen Wochen. Kommen Rückfälle vor, so ist die Dauer eines jeden derselben gleich der des ersten Anfalls; die Dauer der ganzen Krankheit aber kann natürlich alsdann nicht mehr bestimmt werden. Man sollte nicht glauben, dafs dieselbe in einen chronischen Zustand übergehen kann, da die Natur stets beschäftigt ist, dem Oedeme durch neue Venennetze abzuhelfen. Indessen kann die Entzündung in der Vene fortbestehen, ob-
491 gleich anscheinend Heilung vorhanden ist, und es können sich nach und nach chronische Krankheitsproducte erzeugen; aber fast immer entscheidet sich die Krankheit vollständig. A u s g ä n g e . So, wie wir gesehen haben, endet die Krankheit fast immer in Zertheilung; in einzelnen seltenen Fällen jedoch kann sich Eiterung einstellen, worauf Infection und metastatische Abscesse folgen. Der Tod kann durch Eiterinfection oder durch Erschöpfung in Folge von Rückfällen eintreten; selten wird er durch Ausdehnung und Heftigkeit der Entzündung und der Infiltration herbeigeführt. Tritt spontane Phlebitis bei einem schon durch vorhergegangene chronische Krankheit heruntergekommenem Subjecte ein, so kann sie dessen Zustand so verschlimmern, dafs der Tod durch Erschöpfung der wenigen übrigen Lebenskräfte, nicht aber durch die Heftigkeit der spontanen Phlebitis selbst, erfolgt. Complicationcn. Die spontane Phlebitis hat fast nur ihre eigenen Producte zu Complicationcn, nämlich das Oedem und seine Folgen; im Gegentheil aber bildet sie selbst am haufigsten eine Complication chronischer und cachectischer Uebel. Diagnose. Wir haben gezeigt, dafs diese Phlebitis nicht mit spontanem oder primitivem Coagulum in der Vene,
492 wenn solches überhaupt vorkommt, verwechselt werden kann oder wenigstens verwechselt werden darf; dagegen ist es leicht, sie in der ersten oder der Periode des Schmerzes für Rheumatismus, Neuralgie, beginnende, tiefe Entzündungsgeschwulst u. s. w. zu halten. Wir haben bei der traumatischen Venenentzündung die Unterschiede von Arteritis und Lymphgefäfsentzündung kennen gelernt. In der Infiltrationsperiode aber ist es leicht, eine andere Ursache der Wassersucht, als die Verschliefsung der Venen, anzunehmen. Das Oedem der spontanen Phlebitis unterscheidet sich von anderen Arten der Wassersucht durch seine in der Regel örtliche Beschränkung. Wenn bei Infiltration eines Gliedes diese an der Wurzel des Gliedes plötzlich wie abgeschnitten ist, so ist starker Verdacht zu hegen, dafs sie von Verschliefsung der Hauptvene herrührt. Dieser Umstand hat uns mehrerer mal genügt, spontane Phlebitis zu diagnosiren, bevor wir uns von den Vorgängen unterrichtet hatten. Eben so ist der zuerst auftretende Schmerz eine sehr bezeichnende Erscheinung. Die spontane Zertheilung endlich, welche in ziemlich kurzer Zeit erfolgt, mufs den Arzt aufklären, im Falle er mittelst der Palpation das pathognomonische Zeichen der Krankheit, die harte, ungleiche, verschlossene Vene, nicht wahrzunehmen im Stande ist, und die gewöhnlichen Ursachen einer anderen Art von Wassersucht fehlen. P c o g n o s e. Wir haben uns mehrere Male im Verlaufe des Gesagten über die geringe Gefährlichkeit der spontanen
493 Phlebitis der traumatischen gegenüber ausgesprochen. Wir haben die sehr wahrscheinliche und sehr rationelle Ursache davon, den Schutz vor atmosphärischer Luft, umständlich erörtert. Wiewohl man die spontane Phlebitis als eine an und für sich unschädliche Complication chronischer Krankheiten betrachtet, so hat man sie dennoch zu den sogenannten Enderscheinungen {affections uliimes), wie Aphthen, Pneumonien u. s. w. gezählt und sie einen nahen Tod voraussagen lassen. Nach unserer Erfahrung aber erleidet diese schlimme Prognose zahlreiche Ausnahmen ; wir haben mehrere Kranke von der Phlebitis genesen sehen, ohne dafs ihre frühere Krankheit dadurch verschlimmert worden wäre, sondern ihren Verlauf ruhig fortsetzte. Eine F r a u , welche am Gebärmutterkrebse litt, kam wegen spontaner Phlebitis in das Hospital, genas von dieser und kehrte zu ihrer früheren Beschäftigung zurück. Ein alter hinfälliger, an Katarrh leidender Mann entging ihr ebenso. Dasselbe Glück hatte auch ein schwächliches anämisches Individuum, welches keine anderen Leiden hatte. Diese drei Fälle gehören zu den fünf in unserem zweiten Memoire verzeichneten (Btdletin de Thzrap., 1850). Man sieht daraus, dafs die vollkommene Heilung nicht so selten ist, als man zu glauben scheint; keinenfalls gilt diese von uns bestrittene Regel für diejenigen Fälle, wo die spontane Phlebitis die einzige Krankheitserscheinung ist, wie wir weiter unten in einem Beispiele sehen werden.
494 Behandlung. Zwei verschiedene Hauptelemente sind in der Regel bei Kranken, welche an spontaner Phlebitis leiden, zu berücksichtigen : 1) die chronische Affection derselben ; 2) die mitnnterlaufende Phlebitis selbst. Die chronische Affection hat ihre specielle Behandlung, von welcher wir nur so viel zu sagen haben , dafs man sie mit der Behandlung der Phlebitis in Einklang bringen mufs. Am häufigsten widersetzt sich der Schwächezustand des Kranken der energischen, nothwendigen, directen Antiphlogose; auf der anderen Seite gebietet die Gegenwart der Phlebitis das Aussetzen der stimulirenden Mittel, welche von der chronischen Affection gefordert werden können. Nach diesen Voraussetzungen ergibt sich die Behandlung der spontanen Phlebitis als eine antiphlogistische mit Rücksichten auf den Allgemeinzustand und den wirklichen Charakter der Phlebitis selbst. Bei den ersten Fällen der Art schwebte mir das schreckliche Bild all der Zufalle vor A u g e n , mit welchen ich meine Kranken bedroht glaubte. Des Unterschiedes zwischen spontaner und traumatischer Phlebitis unbewufst, setzte ich das Erscheinen von Eiterinfection und Metastasen voraus. An eine energische , diesen Gefahren entsprechende Behandlung war bei der Hinfälligkeit dieser Armen nicht zu denken. Ich betrachtete die erste Heilung, welche unter meinen Augen, der geringfügigen Mittel ungeachtet, von Statten ging, als einen gjücklichen Zufall, auf dessen Wiederholung ich weit entfernt war zu
495 zählen. Beim aweiten Erfolge ohne Aufwand yon Mitteln wurde ich beruhigter über die Folgen solcher Venenentzündungen ; der dritte machte mich zuversichtlich, denn ich sah ein, dafs es sich hier wohl um eine Phlebitis, aber anderer A r t handele , als die, welche der Schrecken der Chirurgie ist. Ich erkannte und veröffentlichte, was bis jetzt unbekannt schien : dafs es eine gutartige Phlebitis gäbe, zwei Worte, welche sich nie zusammengefunden; kurz, die spontane Phlebitis wurde als eine specielle Form aufgestellt, und, wie wir gesehen haben, aus dem Schutze der entzündeten Theile vor der atmosphärischen Luft erklärt. Es wäre aber jedenfalls unvorsichtig und gefährlich, die Krankheit sich selbst zu überlassen. Sie mufs, zu ihrer Verkürzung und zur Linderung der Zufalle , wie eine nicht tödliche Affection behandelt werden, damit dadurch dem Kranken Schmerz, Zeit und Opfer gespart werden. Sobald sich entzündliche Symptome zeigen und so lange sie bestehen, als : Schmerz, Hitze, Auftreibung der V e n e , Härte des Zellgewebes und der H a u t , Fieber u. s. w . , können pro ratione virium allgemeine Aderlässe indicirt sein und angewendet werden, ohne dafs man hier zu sehr die Wiederholung der Phlebitis zu furchten brauchte. Jedenfalls kann man a b e r , mit der nöthigen Vorsicht , zu örtlichen Blutentleerungen seine Zuflucht nehmen. Man lasse Blutegel auf den Verlauf des Gefafses, oberhalb des entzündeten Punktes setzen, wenn dies möglich ist; wo nicht, in die nächste Umgebung, so z. B. bei Verscliliefsung bis zu dem Becken in die Inguinalgegend. Man gebrauche dabei
496 örtliche, erweichende und beruhigende Mittel. Kataplasmen von Leinsamenmehl, Bähungen mit Althaea und Magsamendecocte, einfache oder narcotische Oeleinreibungen u. s. w. Bald darauf geht man zu Mercurialeinreibungen über, mehrmals des Tages längs der Vene oder über das infiltrirte Glied wiederholt. Man gebrauche frisch bereitetes Unguent. neapolit. mit oder ohne Opiumzusatz (von $ — 1 Scr. auf eine Unze der Salbe). Man verordne zu gleicher Zeit ein erweichendes, temperirendes Getränke mit Nitrum, leichte Kost und Ruhe. Das Glied mufs in eine abhängige Lage gebracht werden , so dafs der kranke Theil höher Hegt als der Körper. Dies gilt von dem entzündlichen Zustande. Wenn die Entzündung gehoben oder nur noch in sehr leichtem Grade vorhanden ist, und das Oedem fortbesteht, so gebrauche man die gegen Wassersüchten überhaupt angewendete Verfahren; die Diuretica (Nitrum, Scilla, Digitalis) innerlich, die Laxantia (Mittelsalze), die trocknen oder feuchten, allgemeinen oder localen Dampfbäder, die diuretischen Bähungen (Tinct. Scillae et digit. ää 1. Aqua. font. 2). Man kann äufserliche Adstringentien (den Essig, Bleiessig, Alaun u. s. w. in Auflösung) versuchen, wenn die Periode der Zertheilung eingetreten ist. Auch selbst tonische Mittel finden in Fällen allgemeiner und örtlicher Schwäche innerliche und äufserliche Anwendung. Ruhe und schiefe Lage des Gliedes zur Beschleunigung der Zertheilung des serösen Ergusses, methodische Compression des infiltrirten Gliedes mittelst
497 eines von der Extremität bis über die Grenzen der Infiltration reichenden Rollverbandes. Diese rationelle Behandlungsmethode reicht nicht nur in der Mehrzahl der Fälle aus, sondern der Gebrauch energischer Mittel ist auch häufig überflüssig, und Ruhe D i ä t , verdünnendes Getränke und einige zertheilende Topica genügen allein, um die Krankheit ihre Phasen glücklich durchlaufen, sie sozusagen von selbst verschwinden zu lassen. Denn die Entzündung scheint in sich selbst aufzuhören, obgleich das Coagulum fortbesteht, was nicht der Fall sein könnte, wenn dieses die Ursache der Entzündung wäre; das Oedem findet seine Lösung in der Wiederherstellung des Kreislaufes durch das ergänzende Venengeflechte, wobei die Natur allein thätig ist. Dies alles würde als gefahrliches Paradoxon angesehen worden sein, bevor unsere und B o u c h u t ' s Beobachtungen die Gefahrlosigkeit der spontanen und deren Verschiedenheit hierin von der traumatischen Phlebitis nachgewiesen hatten. Nicht als ob, in freilich sehr seltenen Fällen, die spontane Venenentzündung nicht auch in Eiterung übergehen, Infektion und Tod herbeiführen könnte. Im Gegentheil mufs die Möglichkeit eines solchen Ausganges dem Arzte eine gewisse Energie der Behandlung gebieten. Die folgenden Beobachtungen zeigen die spontane Phlebitis mit ihren Grundcharakteren und den hauptsächlichsten Momenten der Aetiologie, der Entwickelung und des Ausgangs. F o r g e t , Herzkrankheit«!!.
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498 Beob. Spontan« P k U b l t i « b e i P h t h i s i i .
Tod.
Ein Mädchen von 29 Jahren, Dienstmagd, schon frUher wegen Bronchitis tuberculosa in unserer Behandlung gewesen, tritt ein im Juli 1848. Wir bestätigen eine Tuberkelhöhle unter dem rechten Schlüsselbein (erweichende, besänftigende Mittel, u. s. w.). Die Kranke hält sich während vier Monaten. Am 9. November klagt sie zum erstenmal, über Schmerzen im rechten Schenkel, welche sie seit einigen Tagen spürt. Das ganze Glied ist iniiltrirt, nicht geröthet, aber fest anzufühlen, heifs und schmerzhaft beim Drucke, besonders in der Weichengegend, aber auch bis in die Kniehöhle. Die Unterhautvenen fangen an sich zu zeigen. Die gewöhnliche Fieberbewegung ist merklich erhöht. (Zehn Blutegel in die Weichen, Cataplasmen mit Laudanum nach den Blutegeln, Pot. cum Sirup, diac. 5j; Fleischbrühe.) Die folgenden Tage vermindert sich das Oedem ein wenig, bleibt aber bald stillstehen (Liniment von Oleum hyosc. und laudan.; sodann Mercurialeinreibungen auf den Schenkel). 1. December. Stomatitis mercurialis, wenig Nachlafs; der allgemeine Zustand verschlimmert sich nach nnd nach (Gargarisma aus Althäa- und * Mohndecoct mit Honig, das Glied wird in eine abhängige Lage gebracht, so dafs der Fufs höher liegt als die Hüfte). 7. December. Das Oedem dauert fort, aber man fühlt deutlich einen knotigen, schmerzhaften Strang in der Inguinalgegend (Emollientia, Sedantia). Das Oedem fallt nicht zurück, ist aber weniger schmerzhaft, der Marasmus macht Fortschritte, die
499 Kranke stirbt am 14. December, ungefähr fünf Wochen nach dem Auftreten der Phlebitis. Leichenbefund : Lungen voll Tuberkelhöhlen, Darmgeschwüre. Rechtes Beckenglied : Beträchtliches Oedem in seiner ganzen Länge, aber an der Weiche wie abgeschnitten. Die Iliaca primitiva, interna, externa, die Cruralis bis über die Poplitea hinaus bilden einen ungleichen Strang und enthalten ein festes, fast überall mit den Wandungen verwachsenes Coagulum. Dieses Coagulum ist gelblich" an der Peripherie und röthlich in seinem Innern. Die Cruralvene ist mit der Arterie und der gemeinsamen Scheide durch straffes, chronisch entzündetes Zellgewebe verbunden. Nirgends Spuren von Eiter. Unmöglich ist es, den Entzündungscharacter dieser pathologischen Zustände zu bestreiten, Ueberreste einer Phlebitis, welche vor fünf Wochen begonnen hatte und deren entzündlicher Cliaracter während des Lebens so entschieden war. Die Heftigkeit und die Ausdehnung des Uebels erklären das Fortbestehen des Oedems bis zum Tode, der in Folge der fortschreitenden Phthisis eintrat. Auf diese Weise ungefähr zeigen sich die gewöhnlichen Fälle; der folgende ist von gröfserem Interesse. Beob.
S p o n t a n e P h l e b i t i s bei verborgenem Gebärmutt e r k r e b s e . H e i l a n g der P h l e b i t i s .
Eine Frau von 39 Jahren, Mutter mehrerer Kinder, angeblich gut menstruirt, hatte sich sonst immer wohl gefühlt, als sie vor ungefähr sechs Wochen Lendenschmerzen spürte, welche sich nach dem Un32*
500 terleibe und besonders nach der linken Weiche hinzogen. Diese Schmerzen nahmen immer zu und verbreiteten sich über das ganze linke Glied, welches bald darauf von oben nach unten anschwoll (blutige Schröpfköpfe, zertheilende Einreibungen). Bei ihrem Eintritt in die Klinik, den 1. Juli 1849, erkennen wir eine spontane Phlebitis an der Begränzung des Oedems und dem gröfseren Schmerze längs der Schenkelvenen. Man fühlt in der Weichengegend einen dicken, harten, ungleichen Strang, welcher sich unter dem fallopischen Bande verliert. Ueber und hinter demselben fühlt man eine undeutliche Geschwulst, welche beim Drucke empfindlich ist und von der Anschwellung der Drüsen und des Zellgewebes dieser Gegend herrührt. Der linke Schenkel hat zehn Centimeter mehr im Umfange, als der rechte. Da sich die spontane Phlebitis gewöhnlich einer chronischen Affection anschliefst, so untersuchten wir die Kranke mit gröfserer Aufmerksamkeit und fanden beim Touchiren ein carcinomatöses Geschwür des Gebärmutterhalses, das empfindlich, grofs, bosselirt, vegetirend w a r , und bei der Berührung blutete. Der Körper der Gebärmutter scheint vergröfsert und die ihm mitgetheilte Bewegung erstreckt sich direct auf die Inguinalgeschwulst. W i r verordnen zu wiederholten Malen Ansetznng von Blutegeln in die linke Weiche, erweichende und krampfstillende Kataplasmen, laue Bäder , Klystiere und verdünnendes Getränke; darauf Mercurialeinreibungen auf den Schenkel, leichte Abführmittel.
501 Der Schmerz verschwindet, das Glied wird dünner, und die Zertheilung ist beinahe vollkommen, als die Kranke elf Tage nach ihrer Aufnahme, mit ihrem Zustande zufrieden, ihren Austritt verlangt. Es besteht noch etwas Oedem ohne Schmerzen, das Carcinom der Gebärmutter, sowie die Inguinalgeschwulst haben sich nicht verändert. Wir sahen diese Frau nicht wieder. Nichts verkündete hier die Existenz des Mutterkrebses; die Kranke selbst fühlte sich vor dem Auftreten der Phlebitis ganz gesund; erst diese letztere hat uns auf seine Spur gebracht. Der beginnende und anhaltende Schmerz, die Härte und Hitze des Gliedes, das sich von oben nach unten verbreitende Oedem bilden eine wirkliche phlegmasia alba dolens, non puerperalis. Durch eben diese Symptome characterisirt sich aber auch zu gleicher Zeit eine offenbar primitive Phlebitis. Man sieht, mit welcher Leichtigkeit die Zufalle verschwanden. Folgender Fall ist sehr bemerkenswerth hinsichtlich der Natur der früher bestehenden Krankheiten und des Uebergangcs der Phlebitis von einem Glied auf das andere, ohne Zweifel • indem sie continuirlich fortlaufend zuletzt die Bifurcation der unteren Hohlvene erreichte. Beob. S p o n t a n e P h l e b i t i s b e i d e r B e c k e n g l i e d e r in F o l g e von R h e u m a t i s m u s und Enteritis folliculosa. Tod. (Bericht des Herrn Assistenten M e y e r . )
Frau von 30 Jahren, guter Constitution, tritt ein
502 den 23. April 1846, seit acht Tagen mit verbreitetem, acutem Gelenkrheumatismus behaftet. Dieser verschwindet nach fünf Tagen unter dem Einflüsse von sechs Aderlässen und zweimaligem Anlegen von Blutegeln. Aber am sechsten Tage' erscheinen typhöse Symptome ; der vorausgegangenen Aderlässe und Adynamie ungeachtet behauptet der Puls eine gewisse Lebhaftigkeit und Härte (EmollientiaJ. Auf der Höhe der Krankheit wird der reehte Schenkel schmerzhaft und schtoält an; die Inguinalgegend ist sehr empfindlich gegen den Druck; demungeachtet bessert sich der typhöse Zustand. Es bildet sich ein Brandschorf auf dem Kreuzbeine, die typhösen Symptome verschwinden, aber die Schwäche dauert fort. Bald darauf derselbe Schmerz und dasselbe Anschwellen des Unken Schenkels (leichte Tonica). Andere Schorfe bilden sich auf den Trochantergegenden; das Liegen ist sehr qualvoll. Das Oedem der unteren Extremitäten verchwindet mit den Schmerzen, nachdem sich ein bedeutendes Venennetz entwickelt hat, durch welches die innere Saphena mit den Venen der Bauchdecken und diese mit den Zweigen der Mammaria externa, der Lenden- und Intercostalvenen in Verbindung kommen. Eine leichte Diarrhoe kommt hinzu und vermehrt die Entkräftung; die Brust wird ergriffen und die Kranke stirbt nach zweimonatlicher Krankheit. Leichenbefund: Breite Geschwüre auf dem Sacrum und den Trochanteren; die Haut in beträchtlicher Ausdehnung losgeschält; die Knochen liegen hier und da blofs.
503 Metastatische Abscesse in beiden Lungen, hypostatische Pneumonie. Allgemeine Rothe des ganzen Pickdarme«; Fungositätee der Schleimhaut des Rectpms. Auf beiden Seiten sind die Tibiaüs» Poplitea, Cr«ralis, Iljaca externa, interna und primitiva bis zu ihrer Mündung in dk HvMwne durch faserstoffige Materien verstopft, welche das gan^e Farbenspiel der CoaguU auf dem Wege der Resorption «eigen. Diese CoaguU sind fest mit den Wandungen verwachsen. Die ioneT ren Saphenen sind unverstopft bis zu ihren Mündungen in die Crural venen, und stehen mit den erweiterten Venen der Bauchdecken in Verbindung. Obgleich diese Beobachtung der Ausführlichkeit entbehrt, ist sie demungeachtet nicht weniger lehrreich. Ohne des typhösen Fiebers zu erwähnen, in welchem der Faserstoff des Blutes vermindert ist, welches auf einen acuten Rheumatismus folgt, worin der Faser-, stoffgehalt am höchsten steht, sieht man auf der Höhe der Adynamie, wo das Blut am meisten seines Faserstoffes beraubt ist, auf einmal doppelte Phlebitis entstehen. Nehmen wir an, dafs das Coagulum vor der Entzündung entstanden sei ? Der Schmerz stellte sich übrigens wenigstens eben so früh ein, als die Anschwellung; folglich ist die durch ihn angekündigte Phlebitis nicht eine Folge der Venönverstopfung. Findet man aber die Venen nicht mehr entzündet, so kommt dies daher, dafs die Autopsie lange nach der Zertheilung der Phlebitis statt findet. Unser Assistent erwähnt aber ganz bestimmt die Verwachsung des Coagulums, n«ch dem Zugeständnifs aller Beobachter der beste Beweia der Entetilldung.
504 Peob.
S p o n t a n e P h l e b i t i s beider B e c k e n g l i e d e r einem sonst gesunden Individuum. Heilung.
bei
Frau von 41 Jahren, guter Constitution, spürt seit fünf Tagen Ekel vor Speisen, mit Erbrechen, lebhaftem Durste, Verstopfung, Schmerzen im Unterleibe, verschwundener Gesichtsfarbe, frequentem, entwickeltem Pulse; Aufnahme in die Klinik den 13. Mai 1850 (Klystier von Milch mit Honig, Cataplasma auf den Unterleib). 14. Kein Erbrechen, zwei Stühle; Unterleib empfindlich in der rechten Ilialgegend, ohne gurgelndes Geräusch; keine Typholdsymptome (15 Blutegel loco dol., Catapl. Enema emoll. Diät). 15. Besserung (Bad, Catapl., Klystier). 16. Die Kranke scheint leidend, sie klagt über Schmerzen in den Beinen; Verstopfung, wenig Empfindlichkeit des Unterleibes. 17. Lebhafte Schmerzen in den Waden, welche bei der Berührung stärker werden, weder Anschwellung rioch Rothe (Bad; Ext. opii gr. 1). Die folgenden Tage : Fortbestehen der Schmerzen in den Beinen mit geringerer Heftigkeit (Schröpfköpfe auf die Waden, Catapl. laudan.). 23. Der Schmerz hat in der rechten Wade abgenommen, besteht in der linken fort und erstreckt sich nach dem Schenkel; das linke Bein ist angeschwollen, heifs vom Fufse bis oberhalb des Kniees (10 Blutegel in die Kniehöhle, Cataplasma laudan.). 24. Schmerz und Anschwellung verbreiten sich über den linken Schenkel; das Oedem verhindert die
505 Wahrnehmung des Venenstranges (10 Blutegel in die Inguinalgegend, Mercurialeinreibungen). 26. Verminderung der Geschwulst und des Schmerzes (Ung. merc., Catapl.). 27. Man spürt einen beim Drucke schmerzhaften Gefdfsstrang in der linken Weiche; die Zertheilung schreitet rasch verwärts. 30. Eczema mercuriale auf dem linken Schenkel; Oedem und Schmerz sind beinahe verschwunden; aber die Kranke spürt Schmerzen im rechten Schenkel; es besteht leichtes Oedem des Beines. Am 4. Juni : Das linke Bein fast im Normalzustande; der Schmerz im rechten Schenkel hat abgenommen; es war keine bedeutende Anschwellung vorhanden. Die folgenden Tage besteht nur noch etwas Oedem der Füfse gegen Abend (Einreibungen mit Chinatinct u r , Rollverband, Nahrungsmittel). Die Kranke verläfst uns geheilt, den 1. Juli, sechs Wochen nach ihrer Aufnahme. Hier also hatten wir eine Phlebitis der unteren Glieder, welche mit Symptomen von Enteritis folliculosa, ohne vorherbestehende chronische Krankheit auftrat. Der Schmerz war dem Oedem des linken Gliedes um mehrere Tage vorausgegangen; er war fast die einzige Erscheinung der Phlebitis auf der rechten Seite. Hatte der Schmerz in der Ilialgegend keinen Zusammenhang mit dieser Phlebitis, welche ihren Ausgangspunkt im Unterleibe haben mufste, da die beiden Glieder zugleich befallen wurden ? Indessen wollen wir hier nicht behaupten, dafs die Entzündung die
506 Bifurcation der Hohlvene erreicht habe; was für uns jedoch ziemlich wahrscheinlich ist. Im Ganzen aber war die Behandlung eben so einfach, der Ausgang eben so günstig, wie in der Mehrzahl der Fälle von spontaner Phlebitis. §. 3. Von einigen Krankheiten de» V e n e n l u .
betontere« 1) Krampfodern, Taricts (Phiebactaae).
Unter den organischen Fehlern der Venen ist die bleibende Erweiterung, oder der varicöse Zustand ein Analogon des Aneurisma's der Arterien. Beide Affectionen unterscheiden sich wesentlich von einander durch die Dehnbarkeit der Venenhäute, welche sich vor der Gewalt des Blutes ausdehnen können, ohne zu zerreifsen, daher bilden die erweiterten Venen längliche Stränge, nicht aber, gleich den Arterien, voluminöse Geschwülste, welche von der Zerreifsung der inneren Häute und von der isolirten, umschriebenen, sackförmigen Geschwulst der äufseren herrühren. Die Geschichte der Varices gehört speciell der Chirurgie an, denn sie entwickeln sich fast immer an der Oberfläche. Einige derselben schwanken zwischen dem Gebiete der inneren und äufseren Heilkunde; dahin gehören die Varices des Rectuma oder die Hämorrhoiden. Die Aerate haben denselben einen groben Einflufa auf den allgemeinen Gesundheit»»* stand beigelegt. Sie haben eine constitntionelle Affection daraus gemacht, unter dem Namen HämorrhoideConstitution; wir wollen aber hier nicht in diese dunklen
507 Streitfragen eingehen, besonders da wir, mit den meisten Autoren, die Hämorrhoiden zu den Krankheiten des Rectums zählen. In anderen Organen ebenfalls können die Venen eine abnorme Erweiterung erleiden, z. B. an der Blase; die angeblichen Blasenhämorrhoiden aber gehören entweder in das Gebiet der Chirurgie, oder in die Geschichte der Blasenkrankheiten überhaupt Was die angebliche HämorrhoidalafFection noch tiefer liegender Eingeweide angeht, so scheinen diese meist Gebilde der Phantasie zu sein, und wir können uns nicht länger dabei aufhalten. 2) Verengerung, Verschließong, Obliteratlon. Es sind dies Affectionen, welche sich an andere Uebel anschliefsen, wie z. B. Phlebitis, Varices etc. Die Verschliefsung der Venen entsteht nicht blos in Folge einer entzündlichen Verwachsung, eines Coagulums, einer Pseudomembran, sie kann auch durch Krebs-, Tuberkel-, Stcatom-, Faserstoff-, Knochenproducte, äufseren Druck etc. veranlafst werden. Wir haben bei der Phlebitis die wunderbaren Hülfsmittel der Natur kennen gelernt, wenn es sich darum handelt, den Zufällen abzuhelfen, welche aus der Verschliefsung eines Venenstammes entstehen. Der Ergänzungskreislauf bildet sich hier viel schneller als bei den Arterien, wefshalb die Verschliefsung der letzteren gefährlicher ist als die der Venen, deren Wirkung meist nur Infiltration ist, während der gehemmte Arterienkreislauf häufig zum Brande fuhrt.
508 3) Hypertrophie, Atrophie.
Beide Zustände findet man häufig als Wirkungen einer und derselben Ursache. So kann Phlebitis die Venenwandungen verdicken oder ihre Verdünnung und Zerreifsung durch Erweichung derselben veranlassen. Bei den Krampfadern sind die Venen verdickt oder verdünnt; zuweilen beides zugleich an verschiedenen Stellen ( B r i q u e t ) ; es entsteht dadurch eine neue Analogie der Varices mit dem Aneurisma, das ebenfalls mit oder ohne Hypertrophie gefunden wird. 4) Verhärtung, Erweichung.
Ebenfalls zwei einander entgegengesetzte Erscheinungen, welche unter dem Einflüsse derselben Ursache entstehen können. Ihre Entstehungsweise* ist der der vorigen Zustände ganz entsprechend und beide finden sich in der Regel zusammen. 5) Geschwüre.
Wir haben gesehen, dafs sich bei Phlebitis zuweilen kleine Geschwüre der inneren Haut bilden, welche man der Zerreifsung der letzteren zuschreibt, indem sie von kleinen Eiterherden aufgetrieben und durchbrochen wird. In anderen Fällen besteht das Venengeschwür in theilweiser oder gänzlicher Corrosion der Vene, welche entzündet oder durch irgend einen schädlichen Einflufs ergriffen ist; oder es entsteht auch durch Verschwärung der Nachbargebilde, welche sich bis auf die Vene erstreckt. Im letzten Falle
509 besonders entsteht das varicöse Geschwür, welches der Chirurgie angehört. 6) Entartungen oder andere Producte.
Wie alle anderen Gewebe ist auch das der Venen gewissen Entartungen oder dem Auftreten analoger und heterologer Producte ausgesetzt. Zu der ersten Kategorie gehören die ßbrösen und knochigen Entartungen, welche jedoch viel seltener sind, als bei den Arterien; M o r g a g n i, B a i l l ie, B e c l a r d , G i n t r a c und Andere haben sie beobachtet. Die Fettentartung ist noch seltener; H o n o r e soll eine sehr interessante Fettgeschwulst zwischen innerer und mittlerer Haut beobachtet haben. Man nennt Venensteine, plilebolithes, kleine knochenformige Concretionen, welche in verschiedenen Zuständen in den Venen angetroffen werden. Es wird allgemein angenommen, dafs kleine Knochenplättchen der Venenwände sich unvollkommen losstofsen und so zu gestielten, und im Kaliber der Vene spielenden Körpern werden; wenn sich ein solcher Körper durch die Zerreifsung seines Stieles völlig lostrennt, so ist der Venenstein fertig. Jedoch wechseln diese Producte selten ihre Stelle; man findet sie gewöhnlich in einer Ausbuchtung des Gefafses, wo sie die Circulation nicht stören. (1) 'Heterologe Producte, wie Krebs und Tuberkel, sind wenigstens als primitive sehr selten; sie gelangen (1) C o l o m b u s erzählt, dafs er eine Masse solcher knochenförmiger Klirperchen in der Pfortader des bekannten I g n a z v. L o y o l a , des Stifters des Jesuitenordens, gefanden habe.
610 fast immer secundär, nur durch Fortpflanzung bis zu den Venen. Man hat hier und da Tuberkel- und Krebsmaterie in den Venen gefunden; aber diese Producte waren auf mechanischem W e g e in die Vene gelangt; z. B. durch Zerreifsung des Gefafses inmitten von Tuberkel- oder Krebsmasse. 7) Fremd« Kfirper. W i r haben oben von Phlebolithen als fremden Körpern gesprochen, welche man in den Venen antreffen kann. Die Alten sprachen viel von W ü r m e r n , welche sich in diesen Gefäfsen erzeugen sollen; aber diese angeblichen Parasiten waren, wie die Polypen des Herzens, weiter nichts als Filamente von Faserstoff. Indessen soll D u v a l das Distoma hepaticum in der Pfortader gefunden haben. T r e u t i e r willPolystoma im Blute gesehen, und A n d r a l soll Hydatiden darin angetroffen haben. Dies sind seltene Curiosa ohne practischen W e r t h . Erinnern wir hier n u r , dafs in dem Aneurisma varicosum das arterielle Blut in die Vene übergeht, und dafs man ein Aneurisma sich in die obere Hohlvene offnen sah. W i r haben weiter oben gesehen, dafs Tuberkel- und Krebsmäterie in die Venenkanäle dringen kann. E s wäre interessant, hier die allgemeine Aetiologie dieser verschiedenen organischen Zustände zu untersuchen, und z. B. zu s e h e n , welche Rolle die Entzündung, besonders die chronische bei Erzeugung von Varices, Hypertrophie, Verhärtung und den verschiedenen Entartungen spielt etc.; aber diese Unter-
511 suchungen würden uns zu weit fuhren, und was von der Bildung analoger Veränderungen im Arteriensysteme gesagt wurde, ist vollkommen auf das Venensystem anwendbar. Die Behandlung dieser Uebel fällt entweder ganz w e g , oder sie gehört nicht zur Medicin, oder sie ist in der Geschichte der Fehler, aus welchen dieselben entspringen, mit inbegriffen; was uns zur Kürze dieser Betrachtung und zum Schweigen über die erforderlichen Heilmittel berechtigt.
Viertes Buch. Pathologische Veränderungen des Blutes.
F o r g e t , Herzkrankheiten.
33
Zur Vervollständigung einer Abhandlung über die Herz- und Gefafskrankheiten gehört, unserer Ansicht nach, nothwendiger Weise auch die Betrachtung der pathologischen Veränderungen des in den genannten Organen kreisenden Fluidums. Dieser Theil der Wissenschaft ist jedoch heutzutage von solchem Interesse geworden, dafs er Stoff zu ganzen Bänden gegeben hat, wie man aus den Monographien A n d r a l ' s und P i o r r y ' s (I) ersehen kann. In solche Einzelnheiten einzugehen, ist nicht unsere Absicht, wir sind darum gezwungen uns auf eine allgemeine Uebersicht zu beschränken, welche geeignet ist, einen Begriff von der Wichtigkeit und dem Nutzen dieses Studiums vom jetzigen pathologischen Standpunkte aus zu geben.
(I) Seinem Nomenclatursysteme getreu bezeichnet P i o r r y die Aend e r m g e n des Blutes mit dem Namen Anomémies. E r beschreibt die : Panhyperémie (Plethora), Panhypoémie (Anämie), llydrémie (Chlorose, Anämie), Achalylémie (Chlorose), Hypohydrcmie (Cholera), Hypoplasienlie (schwere Fieber, Scorbut), Anémalosie (Asphyxie), llémite (Blut-
33*
516 Vor allen Dingen mufs ich hier den Leser darauf aufmerksam machen, dafs ich diese Materie nur von practischer Seite untersuchen will. Sollte ich mir zuweilen einen Zweifel über die Untrüglichkeit der chemischen Analyse erlauben, so darf meine Opposition um so weniger verdächtigt werden, als ich die Humoraldoctrin noch für einen Theil des Organicismus ansehe, und die Reagentien, wie das Mikroscop, nur für Helfer und Fortsetzer des Scalpelles halte.
Geschichte. »Die Seele des Fleisches ist im Blute.« Diese mosaische Metapher ist ebenso ausdrucksvoll und kühn, als die B o r d e u ' s , welcher das Blut rollendes Fleisch (chaire coulante) nennt. Sie bezeichnet auf eine herrliche Weise die Doctrin des gesammten Alterthums von Moses bis auf unsere Tage über H i p p o c r a t e s , G a l e n , S y l v i n s , F e r n e l , S y d e n h a m , S t o l l und alle die grofsen Männer, die von Jahrhundert zu Jahrhundert der Humoraldoctrin gelebt und sie in ihrer Fortdauer geheiligt haben. Wenn einzelne dissidente Geister versucht haben, ihr mächtiges Gebäude zü untergraben, wenn T h e m i s o n , Vanhelmont, S t a h l , C u l l e n , P i n e l ur.d Andere Gegenaltäre gebaut, so hat doch keine ihrer Anstrengungen vermocht den Abgott zu stürzen, wohl aber seine Mängel entziindung), Uyperplaslémie (Plethora, Entzündung), Toxémies (Intoxicationen), Cholémie (Gclbsucht), Urémie (Tlarnficber), Galémie (Milchfieber), Pycmic (Eiterinfection), Phymoèmie (Tuberkclcnchexic), Syphilide (Syphilis), Agrémie (Gicht), Stplicémit (Typhus).
517 zu entblöfsen, zum grofsen Nutzen der Wahrheit uncl der "Wissenschaft, welche jedem Elemehte'Kechnung tragen und jede ausschliefsliche Doctrin verdammen. Indessen -war der Humorismus der Alten so rationell ujid so positiv, als er ihren Kenntnissen nach sein konnte. Wohl hatten sie direct oder durch Schlufsfolgen gewisse Aenderungen des Blutes oder anderer Säfte nachgewiesen, aber um diese zu messen hatten sie nur die Lehre ihrer Zeit, die Lehro von den vier Elementen, von kalt und warm, von feucht und trocken, von Galle, schwarzer Galle und Schleim. Während der Blüthe des latrochemismus, zur Zeit des Wiederauflebens der Künste und Wissenschaften, traten zu den genannten Elementen noch die Säuren, die Alkalien, die Fermente etc. Aber der Mifsbrauch dieser übersinnlichen Patliogenie stürzte den alten Humorismus, obgleich ihm ausgezeichnete Männer, wie S y d e n h a m und Stoli, zu Hülfe kamen, indem sie ihn unter den Schutz der Beobachtung stellten. Vor dem Ernste, mit welchem C art e s i u s und B a c o n das Studium der Naturwissenschaften betrieben, konnte der Humorismus des Alterthums nicht mehr bestehen und so richtete P i n e l , nach mehreren Anderen, die Träumereien seinor Vorgänger im Namen der Analyse, das Stichwort seiner Zeit, wie die Worte Praxis, Beobachtung, Experimentalmethode und andere, die Lieblinge der unsrigen sind, in deren Schutze alle Excentricitäten auf Aufnahme rechnen können. Vergebens waren die Aenderungen des Blutes durch M o r g a g n i ' s uiul J. H u n t e r's anatomische
518 Untersuchungen,durch L e g a l lois' Experimente,durch D e y e u x \ O r f i l a ' s und Anderer Analysen, durch die Beobachtungen von R i b e s , B r e s c h e t etc. materiell als Ursache oder Wirkung verschiedener Krankheiten dargethan; erst nach M a g e n d i e ' s pnd Del i l l e ' s Experimenten mit dem Upas, im Jahre 1821, und G a s p a r d ' s Versuchen mit Einspritzung eiteriger Materien in die Venen im Jahr 1822, wurde diesem Gegenstande eine ernstere Aufmerksamkeit geschenkt. Die Infectio purulenta, eine wichtige pathologische Thatsache, welche in den Werken des Alterthums, die niemand las, begraben lag, ward bald darauf durch V e l p e a u ' s , B l a n d i n ' s und C r u v e i l hier's Ideen, besonders aber durch D a n c e ' s Arbeiten zu Tage gefördert. Dieser hat der Phlebitis ihr Ansehen verschafft und nach S ö d i l l o t ' s Bemerkung kräftig zur allgemeinen Verbreitung der Humoraldoctrin beigetragen, indem er durch seine Venenentzündung als Ursache der Pyämie die Solidarpathologen für sie gewann. Der Anstofs war gegeben, die pathologischen Beobachtungen von R o c h o u x , T r o u s s e a u und D u p u y , B o u i l l a u d , L e u r e t , P i o r r y , Roche, gestützt auf die chemischen und physiologischen Arbeiten von T i e d e m a n n und G m e l i n , F o d e r a , D u t r o c h e t , C h e v r e u l , L e c a n u , D e n i s , Duraas und Anderen gaben der verjüngten Doctrin von nun an unerschütterliche Grundlagen, denn diese sind auf die materielle Darlegung von Thatsachen gebiut Auch wir haben uns durch Veröffentlichung eine: Reihe von Artikeln über die rationelle Humoralpatho-
519 logie (1), so wie des Artikels : Blut, welchen wir, mit A n d r a l , für das Dictionnaire de médecine et de chirurgie pratiques geschrieben, dieser grofsen geistigen Bewegung angeschlossen. Wir möchten dieses die Periode der Wiedergeburt des Humorismus nennen. Seitdem arbeitet eine thätige, neue Generation, das von ihren Vorgängern urbargemachte Feld zu befruchten. Mit dem Reagens und dem Mikroscope bewaffnet verfolgt sie ihre Forschungen mit einem Eifer, welcher eher des Zügels als des Spornes bedürfte. D o n n é , welcher schon der vorhergehenden Periode angehört, gebührt die Ehre, den Nutzen des Mikroscopes gezeigt zu haben, das unter M a n d l ' s , L e b e r t ' s und Anderer Händen so Wesentliches geleistet, M i a l h e und B o u c h a r d a t unterwarfen die Pathologie den Gesetzen der Chemie, G a v a r r . e t , C. B e r n a r d , B e c q u e r e l und Kod i e r u. s. w. öffneten dem Rationalismus der practischen Heilkunde neue Bahnen. Wir können unmöglich alle die jungen Männer hier nennen, welche die Klinik alltäglich zum Ruhme des verjüngten Humorismus ausbeuten. Unter den Erzeugnissen unserer Zeit erwähnen wir jedoch noch insbesondere die Hümatologie des Professors A n d r a l , eine Frucht seiner mit Professor G a v a r r e t gemeinschaftlichen Forschungen. Es liegt in diesem Buche nicht blos ein Fortschritt, sondern eine gänzliche Revolution, deren Charaktere und Tragweite wir näher bezeichnen werden.
(1) Journal hebdomadaire, 1834—1835.
«20 Am Schiasse dieser Gcscbichte müssen vir noch einer mächtigen Ursache des Triumphes derHurooralpathologie in Frankreich erwähnen; es ist die heftige ,und allgemeine Opposition, welche B r o u s s a i s ' Doctrin erregte. Obgleich seine Asche erkaltet ist, wird •;r auch heute noch mit der nämlichen Leidenschaft von den Schülern derer bekämpft, welche B r o u s s a i s einst hart angegangen hatte. Ein Glück für B r o u s s a i s ' Feinde war die Wiedergeburt der Humoraldoctrin, welche mit Einem Streiche den Solidismus, die IrritationbVhre, die Alleinherrschaft der Gastroenteritis und der Bii/entziehung in Trümmer schlug. Aber wie jede Reaciion das Ziel überschreitet, so sieht man auch hier fanatische Bestrebungen den Solidismus zu vernichten und die Entzündung aus der Zahl der Krankheiten zu streichen, blos weil ein Reformator sie mifsbrauchte. Verlieren wir daher nicht die Fehlerhaftigkeit jedes ausschliefscnden Systemes aus den Augen und denken wir mit L e i b n i t z , dafs jede Doctrin einen Theil der Wahrheit enthält. Dies alles gilt nur für die französische Schule, denn bei den anderen Nationen hat der Humorismus als allgemeine Doctrin stets den ersten Rang behauptet. S t a h l und F . H o f f m a n n in Deutschland, C u l l e n und B r o w n in England nnd selbst T o m a s i n i in Italien hatten in ihrem Vaterlande nie den Einflufs, welchen B r o u s s a i s auf die medicinische Welt Frankreichs ausübte.
Anatomisch-pathologische Skizze.
Wir können hier nur summarisch die physikalischen, chemischen und physiologischen Eigenschaften des
521 Blutes nach den Analysen der meisten Beobachter aniiibren, welche jedoch in ihren Resultaten nicht immer übereinstimmen. Zu medicinischen Beobachtungen wird in der Regel nur das venöse Blut benutzt, welches von roth-brauner Farbe, fadem Gerüche und schwach salzigem Geschmacke ist. Das Mittel seines specifischcn Gewichtes ist = 1,055 ; es reagirt alkalisch und zeigt positive Electricität. Die Autoren schätzen seine totale Quantität beim Erwachsenen theils nur auf acht oder zehn, theils auf hundert Pfund und noch mehr; B u r d a c h setzt sie auf zwanzig Pfund oder ungefähr den achten Theil des ganzen Körpergewichtes. Das der Vene entnommene Blut trennt sich in zwei Theile , das Serum und den Blutkuchcn. Das Serum enthält grofsentheils Wasser und Eiweifs, einen gelblichen Farbestoff, verschiedene Fettstoffe, und eine Anzahl von Salzen (Kohlen-, Phosphor-, Salz-, Schwefel-, Milchsäure, Natron, Magnesia, Kalk, Kali, Ammonium) und Extractivstoffc. Der Blutkuchen enthält infiltrirtes Serum, Faserstoff und Blutkugeln. Das Blut enthält ferner Sauerstoff, Stickstoff und Kohlensäure. Im arteriellen Blute findet sich mehr Sauerstoff, weniger Kohlensäure und Wasser, mehr Faserstoff, Blutkugeln, feste Materien, und gröfsere Gerinnbarkeit als im venösen Blute. Die Zahl der Bildungselemente des Blutes wird auf ungefähr fiinfundvierzig angegeben ; diese haben aber nicht alle dieselbe Bedeutung für die Pathologie. Das analytische Verfahren ist noch zu unvoll-
522 kommen, um die Aenderung, welche jeder Blutbestandtheil im krankhaften Zustande erleidet, messen zu können. Als die wichtigsten sind folgende derselben zu betrachten : Wasser 790 Eiweifs 68 127 Blutkugeln 3 Faserstoff 12 Feste Stoffe des Serums Auf 1000. Abgesehen von den Abweichungen in den Ergebnissen der verschiedenen Analysen, ist es wichtig, zu bemerken, dafs die Mengenverhältnisse der Blutelemente nach den verschiedenen physiologischen Zustände wechseln. So enthält das Blut der Frauen, Kinder und Greise mehr Wasser und weniger Kugeln, während das umgekehrte bei robusten Subjecten und animalischer Kost der Fall ist. In der Schwangerschaft wechseln sie je nach deren Perioden. Wir beschäftigen uns hier insbesondere nur mit Veränderungen bei krankhaftem Zustande; bevor wir jedoch in unsere Materie eingehen, müssen wir noch der Verdächtigungen und Anschuldigungen erwähnen, welche die Analysen hervorgerufen haben, deren Verfahren zuweilen unsicher und trügerisch ist, wie man aus der gegenseitigen Kritik und Inabredestellung der Experimentatoren schliefst. So haben B e c q u e r e l und E o d i e r die Schwierigkeiten und Trüglichkeiten dieser Analysen hervorgehoben, deren Ergebnisse durch den geringsten Umstand verändert werden können. Diese Ergebnisse wurden seit R a s p a i l auch
523 von andern Chemikern in ihren Grundlagen angegriffen, indem diese behaupteten, dafs Eiwcifs, Faserstoff und selbst die Kugelmasse nur Modificationen eines einzigen Prineips seien, das Protein auf verschiedenen Oxydationsstufen. Es scheint ausgemacht, dafs die W ä r m e den Fibringehalt vermehrt, heftige Bewegung ihn dagegen vermindert u. s. w. Wenn man z. B. die plumpe Weise, den Faserstoff zu isoliren — das Schlagen des Blutes — bedenkt und zugleich, dafs es sich hier um Tausendtheile handelt, so darf man wohl den Werth und die Deutung der erhaltenen Ergebnisse verdächtigen. Es ist noch nicht lange her, dafs ein Redner vor der Académie de médecine sagte : »Der »Zustand des Blutes ist nicht von der ihm beigelegten »Bedeutung; ich bin weit entfernt, die Vermehrung »des Faserstoffes im Blute, welchem vor allem die Bil»dung der Speckhaut zugeschrieben werden mufs, in »ihrer Coincidenz mit den Phlcgmasicn als ein wich» tiges Factum zu bestreiten. . . « »Demungeachtet bin ich überzeugt, dafs man dieses »Vorherrschen des Faserstoffes eine zu wichtige Rolle »spielen läfst. »Die Methoden der quantitativen Analyse, welche »den verschiedenen Arbeiten, deren grofsen Werth »ich weit entfernt bin zu bestreiten, zur Basis dienen, »lassen, was Genauigkeit der Resultate betrifft, viel »zu wünschen übrig. So hat man z. B. bei der Be»stimmung der Blutkugeln vollkommen aufser Acht »gelassen, dafs diese Blutkugeln eine grofse Quantität »von Organisationswasser enthalten, das beim Trockenen verloren geht, ohne dafs man diesem Umstände
524 »Rechnung trägt. . . Bei der Bestimmung der Faser»stoffmasse stellt man diese mit der Totalität des »Blutes, anstatt mit der Masse des Plasma, als ein»ziger Quelle des Faserstoffes zusammen . . . Mir »scheint daher das Ueberwiegen des Faserstoffes im »Blute nicht die Bedeutung zu haben, welche man »ihm giebt.« (Gaz. med. 8 Jttin 1850). Was so viel heifsen will als : dör Blutkuchen enthält Serum, das Serum Faserstoffelemente, die Blutkugeln Faserstoffelemente und Serum, so dafs die Scheidung dieser drei Elemente (Serum, Faserstoff, Kugeln) nie die absolute und relative Quantität einer jeder derselben gibt. In der Academie wurde diesen Ideen nicht wider, sprachen. Aber aufserhalb der Academie hörte man B e c q u e r e l und K o d i e r A n d r a l ' s und G a v a r r e t ' s , M o n n e r e t und F l e u r y B e c q u e r e l ' s und K o d i e r ' s Ansichten tadeln, während das medicinische Publicum sich ziemlich theilnahmlos zeigte. Mit den mikroscopischen Untersuchungen verhält es sich fast noch schlimmer, da man nicht zwei Mikrographen findet, welche mit einander ganz einig sind. Die Zelle z. B., dieser Eckstein der mikroscopischen Physiologie, ist ein wahrer Zankapfel; die schönste Entdeckung der Mikroscopcs war unstreitig die Krebszelle; wie kann sie aber ihre Bedeutung behalten , da sie auch in nicht cancerösen Gebilden gefunden wird, während sie in augenscheinlichem Krebse fehlt? Heutzutage steht das fibrös-plastische Gewebe oben an. Wenige Beobachter wollen L e b e r t ' s Tuberkelkugeln anerkennen, und sogar die Eiterkugeln werden von einem der ausgezeichnetsten
525 Mikrographen, von D o n n c verdächtigt, da sie nach ihm auch von Blutkugeln simulirt werden können. Ich will den Werth aller dieser Einwendungen nicht verbürgen, ich begnüge mich, sie anzufuliren, beeile mich jedoch hinzuzufügen, da£s dieser Ungewißheit ungeachtet die chemische und mikroscopische Analyse der einzige positive Fortschrittsweg in Physiologie und Pathologie ist. Die Analyse ist zweifelsohne eine Schatzgrabe, deren Schätze aber nur beharrliche Arbeit, Vorsicht und äufserste Strenge in den Schlüssen zu Tage fördern kann. Als zeugendes Element alles Organischen hat das Blut unter allen Säften des körperlichen Haushaltes die höchste Bedeutung. Es ist für die Thiere, was der Saft für die Pflanzen; es ist Product verschiedenartiger Principien, welche ihm Yerdauungs-, Athmungs-, äufsere und interstitielle Aufsaugung zuführen; es ist auch die Quelle aller Secretionen, der Ernährung aller Gewebe, und der nothwendige Sporn aller Lebenserscheinungen. Nach einem allgemeinen Gesetze der organischen Natur schöpfen die festen Theile ihre Elemente in den flüssigen, diese hingegen entspringen grofsentheils aus der Zersetzung der ersten. Das Blut aber ist das Bild dieses wechselseitigen Solidaritätsgesetzes und diese Annahme bildet ohne Zweifel die Basis des rationellen Humorismus ; denn wie sollten die festen Theile nicht je nach dem Zustande des Blutes modificirt werden können, da ihre Gewebe aus ihm entstehen und unterhalten werden? und wenn auf der anderen Seite die festen Theile zur Bildung des Blutes mit beitragen,
526 wie könnte dieses bei einer Veränderung jener nicht beeinträchtigt sein ? Der Humorisinus und Solidismus bleiben darum wechselsweise bestehen, wie Ursache und Wirkung; und B i c h a t wird ewig Recht behalten, wenn er sagt, dafs alle ausschliefsliche Theorie von Solidismus und Humorismus ein physiologischer Widerspruch ist.
Aetiologie. Krankheitsursache des Blutes kann alles sein, was diese Flüssigkeit direct oder indirect, primitiv oder secundär in ihrer Gcsammtmasse, in den wechselseitigen Mengeverhältnissen ihrer Elemente, in ihren physikalischen Eigenschaften und ihrer Elementarzusammensetzung verändern kann. Die Krankheitsursachen des Blutes sind daher zahllos, denn sie können in physikalischen, chemischen, organischen oder vitalen, hygienischen, physiologischen oder krankhaften Modificationen gefunden werden. Um sich von ihrer Menge zu überzeugen, genügt es folgender zu erwähnen : Das Blut kann in seiner Gesammtmasse oder in seinen einzelnen Bestandteilen, so wie in seinen Eigenschaften Veränderungen erleiden.durch : 1) Entziehung (Aderlafs, Hämorrhagien); 2) Verhaltung (menses, Hämorrhoiden); 3) die Verdauung, welche je nach ihrer Thätigkeit Plethora und Anämie, oder durch Aufnahme schädlicher Stoffe Vergiftungszustände hervorrufen kann; 4) die Athmung, welche Sauerstoff in gröfserem oder kleinerem Mafse liefert, und durch welche auf dircctestem Wege eine
527 Unzahl schädlicher Stoffe eingeführt werden, deren Träger die atmosphärische Luft ist (Stickluft, giftige Gase, Miasmen, Ausdünstungen, contagiöse, epidemische Principe u. s. w.); 5) den Kreislauf, dessen Trägheit, Thätigkeit, Unregelmäfsigkeit Aenderungen in der Blutcrasis herbeiführen können, wie aus den Erscheinungen des Fiebers und der Wassersucht aus Kreislaufshindernissen erhellt; 6) die Secretionen, welche jedenfalls die directesten Bethätiger der Blutumstimmung sind, sei es durch abnorm allgemein erhöhte Function (Schweifs, Harn), durch die Besonderheit des Secretums (Eiweifs, Zucker), oder durch Unthätigkeit (Gelbsucht, Harnfieber); 7) die Absorption in Haut, Lungen, Verdauung und Zwischenräumen, welche fremde Elemente und somit Krankheitsstoffe in das Blut fuhren kann; 8) die Nerventhätigkeit, deren Einflufs auf Kreislauf, Secretionen, Ernährung u. s. w. als Beweismittel ihrer Perturbationsfähigkeit auf das Blut dienen mag. Das Blut ist daher beständig ernsten Veränderungen ausgesetzt; aber die Natur hat unbekannte Hülfsquellen, diese Krankheitsursachen zu neutralisiren und zu bekämpfen; und dann liegt zwischen Wahrscheinlichkeit und Beweis, zwischen Beweis des Bestehens und Bestimmen der Natur einer Thatsache oft noch eine weite Kluft. Das aber ist es, was eine falsche oder oberflächliche Geistesrichtung nicht begreifen mag, die von der Möglichkeit unmittelbar auf die Wirklichkeit, und von der Wirklichkeit auf die Naturbestimmung Schlüsse zieht.
528 Symptome. §. 1. Organische Symptome. Die organischen Symptome sind einfach materielle Alterationen des Blutes, welche in wirklicher Veränderung der physikalischen und chemischen Beschaffenheit desselben bestehen. Wir betrachten hier : Art. 1) die physikalischen oder allgemeinen Veränderungen , v 2) die chemischen oder theilweisen Veränderungen, r> 3) die Veränderungen des Blutes durch Aufnahme .fremder Elemente.
Art. I. Physikalische Veränderungen des Blutes. Die Farbe des Blutes wechselt vielfach je nach den Umständen : Sie ist heller bei sthenischen, entzündlichen Affectionen, beim Beginne des Fiebers; mit einem Worte d a , wo bei freier Respiration die Blutkugeln vorherrschen. Das Blut ist dunkler bei Asphyxien, Scorbut, weiter vorgerücktem bösartigem Fieber, Carbunkel. Es ist blafs bei Anämie, Chlorose, wenn bei Verminderung der Blutkugeln die Wassertheile im Ueberschufse sind. Das Blut, oder wenigstens sein Serum, ist gelb, grünlich wenn es, wie bei Gelbsucht, Leberentzündung und den Rogenannten Gallenkrankheiten, durch den Farbstoff der Galle alterirt wird. Das opalfarbige weifsliche Blut, welches man in einigen Fällen beobachtet hat, darf nicht, wie man vermuthete, der Milch oder dem Chylus, sondern nur Fettstoffen und einem eigenthümlichen Zustande des Eiweifses, worin es undurchsichtig ist, zugeschrieben werden.
529 Der Geruch des Blutes unterliegt nur geringer und unbedeutender Veränderung, was man auch davon gesagt haben mag; die Alten sprachen von fauligem Gerüche des Blutes in den Krankheiten, welche sie der Fäulnifs desselben zuschrieben. Dies sind aber Täuschungen oder wenigstens äufserst seltene Fälle sogar bei den schwersten Fiebern und brandigen Krankheiten. Eben so möchte der sauere Geruch des Blutes während der Schwangerschaft und bei Rachitis zu bestreiten sein oder doch nur ausnahmsweise vorkommen. Der Geschmack des Blutes ist ebenfalls nur geringen Veränderungen unterworfen; auch ist diese Art der Untersuchung etwas selten. Das Blut soll bei der Cholera fade, bei Rachitis säuerlich schmecken, siifs hat man es bei Diabetes mellitus gefunden. Die Consistenz des Blutes hat zu jeder Zeit, besonders aber im Alterthume, eine grofse Rolle gespielt. Sie nimmt zu bei Ueberschufs von Faserstoff und Blutkugeln, bei Entzündungen, in der Cholera durch bedeutenden Abgang der wässerigen Bestandteile; sie nimmt hingegen ab, neigt sich zum Zerfliefsen bei Anämie, Scorbut, bei vorgeschrittenen schweren und Eruptionsfiebern, bei Sepsis, Virus, Rotz, Pyämie u. s. w. Kurz in allen Fällen, wo die wässerigen Bestandteile des Blutes im Ueberschufs oder wo F a serstoff und Blutkugeln verringert oder auf gewisse Weise verändert sind. Die specifische Schwere des Blutes hängt von dem Ueberschufs oder Mangel der festen Bestandtheile ab; sie nimmt zu bei Entzündungen und beginnendem Fieber, während sie in gewissen Cachexien, wo Was. Forget,
Herzkrankheiten.
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530 sertheile im Ueberschtifs, oder Eiweifs, Kugeln, Faserstoff und Salze in Abnahme sind, wie bei Anämie, Albuminurie, bösartigem Fieber, Scorbut u. s. w. sich vermindert. Die Gesammtmässe oder das Totalgewicht des Blutes ist, wie sich von selbst versteht, erhöht bei Plethora, vermindert bei Anämie. A n d r a l und G a v a r r e t läugnen jedoch die Plethora aus allgemein vermehrter Blatmasse und Schreiben sie nur dem Ueberschufs an Kugeln zu; wogegen B e c q U e r e l und K o d i e r die ältere Ansicht vertheidigeil. In gewissen Fällen scheint uns jedoch die Blutanschwellung so deutlich, die Erleichterung durch Blutentziehutig so unmittelbar, dafs man sich wohl nicht enthalten kann, eine Plethora aus Blutüberschafs anzunelimen< Bei Anämie und Chloro-Anämie soll ebenfalls nicht die Gesammtmasse des Blutes, sondern nur dos Kugelnverhältnifs vermindert sein. Dies ist wohl wahr, dagegen giebt es auch eine positive Anämie, und wäre es auch nur unmittelbar nach grofsem Blutverluste. Wir wollen hier nicht die physikalischen Veränderungen in Serum und Blutkuchen getrennt betrachten; denn einestheils beginnt hier schon die chemische Analyse, und anderntheils können sie natürlicher Weise aus der nachfolgenden Betrachtung des Wassers, des Eiweifses, der Salze als der serösen, sodann des Faserstoffes und der Kugeln als der gerinnbaren Bestandt e i l e des Blutes gefolgert werden. Neben dem Faserstoffe nennen wir noch die sogenannte Speckhaut oder Entzündungskruste, eine beachtenswerte Erscheinung,
531 welche von Faserstoff herrührt. Die physikalischen Veränderungen des Blutes setzen nothwendiger Weise die chemischen Veränderungen desselben voraus; die letzteren sind folglich wesentlicher als die ersteren, welche nur gewissermafsen eine äufsere Erscheinungsweise der letzteren sind.
Art. II. Chemische Veränderungen des Blutes. Wir verstehen unter chemischen Veränderungen die quantitativen Veränderungen der Elementarbestandtheile des Blutes. Ihr Studium beschäftigt heutzutage die Chemiker, Physiologen ind klinischen Beobachter; und aus ihm müssen wahrhafte Fortschritte der Pathologie entspringen, wobei es aber von Wichtigkeit ist, gewagte Thatsachen und deren Schlufsfolgen zu vermeiden. Wir werden diese quantitativen Veränderungen, welche man in den Hauptelementen des Blutes wahrgenommen haben will, der Reihe nach betrachten. 1) Wasser. Der wässerige Bestandteil des Blutes ist absolut oder relativ in der langsam vorschreitenden Anämie vermehrt, wobei die Kugeln, der Faserstoff und die anderen festen Elemente vermindert sind. Dieser Ueberschufs der wässerigen Theile des Blutes zeigt sich besonders in der Chlorose, wo bei wenigstens scheinbarer Normalmasse des Blutes die Kugeln desselben in Abnahme sind. Absolut oder relativ vermindert dagegen ist das Blutwasser in der Plethora, beim Beginne des Fiebers, wo die Kugeln im Ueberschusse sind; bei der Cholera, wo der Serumverlust augenscheinlich ist.
34*
532 2) Faserstoff. Zu allen Zeiten wurde den Abweichungen des Blutfaserstoffs eine besondere Aufmerksamkeit geschenkt; die Alten beobachteten schon die Festigkeit oder die Zerfliefsung des Blutes, die Gröfse und Derbheit des Blutkuchens in den verschiedenen Krankheiten; sie stellten die Entzündung in directe Beziehung zur Speckhaut. Wissenschaftliche, strenge Nachforschungen in Betreff des Faserstoffes verdanken wir jedoch erst der neuesten Zeit, wo A n d r a l ' s und G a v a r r e t ' s Arbeiten dieses Studium zu Folgerungen geführt haben, welche, obwohl^ sie nicht unerwartet kamen, da die Beobachtung aller Zeiten dadurch nur grofsentheils bestätigt wird, doch von einer solchen Tragweite sind, dafs dadurch die immer wiederkehrenden Fehden geschlossen werden dürften. Diese scharfsinnigen und gelehrten Beobachter wurden durch ihre Analysen in . den Stand gesetzt, die Vermehrung des Blutfaserstoffs als formellen Charakter der reinen, ursprüglichen Entzündung angeben zu können, wobei der Faserstoff von T 0 S 0 0 , seinem Normal Verhältnisse, bis auf T0 7 00 und sogar X J 0 steigen kann. Diese Vermehrung des Blutfaserstoffes erscheint gleichzeitig mit der Entzündung; sie geht ihr nicht voraus und fehlt in leichten, umschriebenen, fieberfreien Entzündungen, so dafs man diese Faserstoffvermehrung als eine Nebenerscheinung der Entzündung eines gewissen Grades, nicht aber als Ursache oder Wirkung dieser und noch viel weniger jeder Entzündung ansehen kann.
533 Andererseits haben A n d r a l und Gavarret gezeigt, dafs in der ganzen grofsen Klasse der essentiellen Fieber der Alten, d. h. den sechs Ordnungen der Fieber P i n e l ' s , welche heutzutage unserem Typhoidfieber anheimfallen, sowie in den Eruptivfiebern, als : Variola, Scharlach, Röthein u. s. w., der Faserstoff nicht im Normalzustande bleibt, manchmal Einoder Zweitausendtheile verliert, aber, nie zunimmt, es sei denn durch eine mitunterlaufende Entzündung, wie Pneumonie z. B. Also wäre als bestimmter Charakter der essentiellen und eruptiven Fieber das Fortbestehen des Faserstoffes im Normalzustande anzunehmen, d. h. die Nichtmitbetheiligung des Blutes bei der Krankheit. Dies sind in der That herrliche Ergebnisse; denn wenn sie sich bestätigen, hätten sie eines der Hauptprobleme der Wissenschaft gelöst, nämlich die W c sentliclikeit der Fieber der Localisationstheorie gegenüber, welche dieselben von der Entzündung ableitet; da zwischen essentiellen Fiebern und Entzündung jetzt durch Quantitätsverschiedenheit des Blutfaserstoffes unterschieden werden könnte. Bevor jedoch diese Principien zur allgemeinen notorischen Begründung gelangen konnten, regte sich bei mir einiger Zweifel über ihren practischen Werth; um diesen Zweifel zu heben, stellte ich an A n d r a l einige Fragen, deren Lösung mir von grofsem Interesse für die Praxis schien (1). (1) L e t t r e s s u r l e s r e c h e r c h e r relatives a u x a l t é r a t i o n s d u ( G a i c t t e m é d i c a l e , 2 0 . Mai
1811).
sang
534 In Bezug auf den Ueberschufs von Faserstoff bei der Entzündung fragte ich, ob der Blatternausschlag und die Enteritis folliculosa aufhören Entzündungen zu sein dadurch, dafs sie keinen Ueberflufs von Blutfaserstoff zeigen, und warum, wenn sie Entzündungen sind, sie diesen Ueberschufs nicht hervorbringen? A n d r a l erwiderte hierauf (1), dafs der Hautausschlag bei Variola, sowie der Intestinalausschlag bei Typhoidfieber, zu gut als Entzündungen charakterisirt seien, als dafs man dies läugnen könne, dafs aber ihre Aehnlichkeit mit anderen Entzündungen durch die Untersuchung des Blutes aufgehoben werde. Warum diese Entzündungen keinen Ueberschufs an Blutfaserstoff hervorbringen, ist allerdings überraschend, aber constant, und mufs als Thatsache hingenommen werden. Diese Antwort machte gewisse Adepten etwas vorsichtiger, welche frischweg den entzündlichen Charakter der Variola und Enteritis folliculosa leugneten, und für welche nicht mehr Rothe, Geschwulst, Hitze, Schmerz, Eiterung, Geschwürbildungen, sondern einzig und allein FaserstofRiberschufs die Entzündung charakterisirten. Ferner fragte ich A n d r a l : 1) Ist die FaserstofiVerminderung das constanteste Element der schweren Fieber (wie man zu verstehen gegeben hatte), ist sie constanter als die Follikelentzündung ? (1) Réponse de Mr. Andral à la lettre de Mr. F o r g e t (Gazette médicale, 12 Juin 1841).
535 2) Ist die FasorstofFverminderung primitiv, oder wenigstens zeigt sie »ich vor der Follikelentziiudung? 3) Bedingt die Fasorstoftverminderung ein entsprechendes, der Entzündungsbehandlung entgegengesetztos Verfahren und mufs hier ein kräftegebendes Verhalten den anderen Medicationen vorgezogen werden? Hierauf erwiderte A n d r a l : 1) Nicht die Verminderung, sondern das fortbebestehende Noimalverhalten des Blutfaserstoffs bildet den allgemeinen und «instanten Charakter der Pyrex i e n ( l ) ; die Follikelentziindimg fehlt auch nie und ohne Zweifel sind beide von derselben unbekannten Ursache abhängig» 2) Folglich ist die Faserstoffverminderung nicht Krankheitsursache und zeigt sich auch nur bei vorangeschrittener schwerer Krankheit, während beim Beginne der Pyrexien man im Allgemeinen Vermehrung der Blutkugeln findet. 3) Das fortbestehende Normalverhaltcn des Blutfoserstoffes giebt keine Anzeige, das Heilverfahren ZU wechseln; das Verinehrtsein der Blutkugeln beim Beginne indjcirt den Aderlafs, mit welchem man bei (1) Man ist hierüber so sehr im Irrthum, daljs ps in einer kürzlich dem Institute vorgelegten Arbeit belfst: »der Ueberschufs des Blutfastrstoffea in den Entzündungen ist heute eine Thatsache, welche Gesetzeskraft hat . . . , Ebenso verdanken wir Herrn A n d r a l , das umgekehrte Verhalten der Typhoidfieber gezeigt zu haben, die F a s e r « t o f f m i n d e r u n g . . . . die Resultate sind heutzutage so übereinstimmend, dafs wenig Thatsachen der pathologischen Physiologie eine ähnliche Autorität erhalten haben (Sitznng vom 17. März 1851).« So schreibt man Geschichte!
536 vorgerückter Krankheit vorsichtig sein mufs; übrigens ist es nicht die Chemie, sondern die Erfahrung, welche die Wahl der Mittel zu treffen hat, da diese in die Sinne fallenden Veränderungen nur Wirkungen einer uns verborgenen Grundursache sind. Man kann von Glück sagen, wenn die Beobachtung mit der Theorie harmonirt. Man sieht, wie weit diese weisen Schlufsfolgerungen von den hyperbolischen Consequenzen sind, welche man aus diesen Abweichungen des Faserstoffes gezogen hat. »Die Sectirer, sagt C a b a n i s , sind immer mehr »als die Lehrer geneigt, deren Systeme auf die Spitze »zu stellen. L e i b n i t z lachte oft mit seinen innigen »Freunden über die Monaden und die vorbestimmte »Harmonie. S t a h l machte sich ungestört über die »rücksichtslose Anwendung seines Systems lustig, »welche seine Schüler machten; er bewunderte sie, »mehr Stahlianer zu sein als er selbst.« (Revol. de la medec.) Man hat behauptet (1), A n d r a l habe mich so siegräch widerlegt! Erstlich widerlegt man Zweifel nicht, man beseitigt sie; man widerlegt Fragen nicht, man beantwortet sie mit Zuvorkommenheit, wie es A n d r a l gethan hat; und dann- wenn seine Antworten irgend etwas siegreich widerlegen, so sind es die Uebertreibungen dieser Sectirer, welche schon den Wiederaufbau der Wissenschaft auf Tausendtheile von Faserstoff vollbracht haben wollten, während sie doch unter Practikern, welche den werthvollen Entdeckungen An(1) Compendium de Mid. prat., art. Sang.
537 d r a l ' s und G a v a r r e t ' s gegenüber ruhig blieben, verlassen dastehen. Der dogmatische Werth dieser Entdeckungen wird nicht bestritten und man hält sie für nützlich als positive Beweise zur Stütze der Tradition; das medicinische Publikum hatte aber alsbald begriffen : 1) dafs diese Erfahrungen nur die gangbaren Principien bestätigten, 2) dafs zu jeder Zeit das Product des Faserstoffs, die Speckhaut, als Ausdruck der Entzündung angesehen war; 3) dafs die Erscheinung der Faserstoffverminderung nichts anderes bedeute, als die bei den schweren Fiebern wahrgenommene Zerfliefsung des Blutes, und endlich 4) dafs, da diese neuen Entdeckungen das hergebrachte Heilverfahren nicht im geringsten ändern, man vom klinischen Standpunkte aus nicht darüber in Affect zu kommen brauchte. So hat man auch gesehen, wie die durch lange Erfahrung nüchtern gewordenen Mitglieder der Academie, welche, wie A n d r a l selbst, die Beobachtung höher stellen, als die pathologische Chemie, den Scepticismus, den Forschungen über Faserstoff gegenüber, ruhig gewähren liefsen. Von dieser historischen Abschweifung zurückkommend finden wir als heutzutage allgemein angenommen: 1) Absolute Vermehrung des Faserstoffes in reinen Entzündungen von einer gewissen Intensität, welche Vermehrung die hémite P i o r r y ' s charactcrisirt, ein Ausdruck für das überfaserstoffige oder speckhautbildendeBlut; Ueberschufs des Faserstoffs in derPhthisis, welche doch als das Resultat einer Cachexie mit Blutverdünnung angesehen wird. Sollte nicht gerade die
538 so offenbare und so wenig berücksichtigte chronische Pulmonalphlegmasie hier den Faserstoffgehalt steigern? Relative Faserstoffvermehrung, den verminderten Blutkugeln gegenüber, bei Anämie, Chlorose und in Folge von Hämorrhagien. 2) Absolute Verminderung des Faserstoffs in gewissen Fällen von schweren, essentiellen und eruptiven Fiebern. Diese Thatsache, welche man verallgemeinern wollte, findet sich jedoch nur ausnahmsweise und kann folglich der Theorie, welche diese Fieber einer Blutanilösnng zuschreibt, nicht zur Stütze dienen. Man hat bis auf die neueste Zeit geglaubt, dçr Scorbut sei der Typus der FaserstoffVerminderung des Blutes. Die Nachforschungen A n d r a l ' s und G f t v a r r e t ' s , die Experimente M a g e n d i e ' s hatten dieser Meinung die Autorität des directen Beweises verschafft, als 1847 (Gazette médicale) B e c q u e r e l und R o d i e r nach der Analyse des Blutes von fünf Scorbutkranken zn folgenden Schlüssen kamen : a) Das Blut dieser fünf Kranken zeigt keines der Auflösungssymptome, welche von den Alten als con» stant betrachtet nnd unbestritten angenommen worden sind. Ebensowenig zeigte sich die Alkalinität vermehrt. b j Das Blut war ärmer an Kugeln und gelöstem Eiweife und reicher an wässerigen Theilen (was Becq u e r e l und R o d i e r der Diät und nicht der Krankheit zuschrieben). c) Der Faseratoff desselben zeigte sich im Normal-. verhäUnifs und darüber; seine Beschaffenheit wie im gesunden Zustande.
539 d) Die einzige positive Aenderung des Blutes war eine bedeutende Verminderung seines specifischen Gewichtes (1047 statt 1057). Diese unerwarteten Resultate erhielten A n d r a l's Beifall selbst in der Académie des sciences. Im Jahr 1848 bestätigten C h a t i n und B o u v i e r die Vermehrung des Faserstoffs bei einem Scorbutkranken ; sie machten damals besonders auf die Schwierigkeit aufmerksam, den Faserstoff des menschlichen Blutes zu isoliren. Wenn man nun von so festgestellten Ansichten, wie die sind, welche man von den Veränderungen des Faserstoffes im Scorbutblute hatte, zurückkommen mufs, so wird man wohl zugeben, dafs die Klugheit gebietet» bei den sogenannten beweisenden Analysen, welche mit noch viel spitzfindigeren Streitfragen in der Wissenschaft zu thun haben, noch um so viel mehr auf der Hut zu sein. (1)
(1) Vor ungefähr acht oder zehn Jahren hatte ich bei der ßection mehrerer Scorbutleichen aus dem Gefängnisse bemerkt und mein Auditorium darauf aufmerksam gemacht, dafs das Herz derselben Blutcoagula enthielt, und dafs das in den Venen eingeschlossene Blut nicht die erwartete Zerfliefsung zeigte. Ich wagte nicht gegen ein allgemein anerkannte Thatsache aufzutreten; da bewiesen aber B e c q u e r e l und R o d i e r durch ihre Untersuchungen, dafs meine damalige Beobachtung eine nichts weniger als ausnahmsweise Thatsache zum Gegenstand hatte. Ebenso unrichtig sind noch verschiedene andere Ansichten über Scorbut; so hat man neuerdings die Purpura haemorrhagica unter diesem Titel beschrieben, und doch sind beide Krankheiten in ihren Ursachen, Symptomen, Verlaaf und vielleicht auch in der Behandlung von einander verschieden; das Blut bei purpura hämorrhagica hat durchaus nicht die bei Scorbut yonmsge-
540 Vor fünfundzwanzig Jahren machte ß o c h o u x darauf aufmerksam, dafs bei durch forcirten Marsch übermüdeten Thieren das . Blut dünnflüssig wird, und hatte daraus geschlossen, dafs die Auflösung des Blutes die unmittelbare Folge anhaltender Fieberbewegung sei (1); und neuerdings (2) machte ein Beobachter der Académie des sciences Mittheilungen, welche bestätigten, dafs die Bewegung wirklich den Blutfaserstoff verringere. A n d r a l und G a v a r r e t sagen, der Faserstoff sei im Verhältnisse zu den Blutkugeln bei Plethora vermindert; während man bisher geglaubt hatte, dafs ein Ueberschufs von Faserstoff auch eine Plethoraform bilden kann. Obgleich die pathologische Chemie die früher dem Faserstoffe beigelegte erregende Eigenschaft den Blutkugeln zuschreibt, was sich aber nicht ganz mit der durch Faserstoffiiberschufs erzeugten, entzündlichen Aufregung vereinbart, so möchten wir doch nicht gerne diese Faserstoffplethora aufgeben, welche vom Gesichtspunkte ihrer Verwandtschaft mit der setzte Eigenschaft und es finden bei ihr Aderlafs, Diät, verdünnende Mittel häufig ihre gute Anwendung. Wir sahen die purpura haemorrhagica im höchsten Grade bei einem Phthisiker in der dritten Periode, also bei bedeutend entwickelter Cachexie, in sehr kurzer Zeit heilen, was jedoch, wie natürlich, den Kranken nicht viel weiter führte. (1) Diese Vergleichung ist nicht neu; schon B o r d e u sagt gelegentlich von Faulfieber: »Alle Eingeweide sind mit Blut unterlaufen, fleckig, schnell verwesend, wie das Fleisch eines gehetzten Thieres.« (Recherche* stir le pouls. T. I. p. 325.) (2) Dagegen hat ein anderer Beobachter nach ihm behauptet, das Blut gewinne durch Schlagen an Faserstoff.
541 entzündlichen Diathese aus, wie in ätiologischer und therapeutischer Hinsicht, so rationell erscheint, jene Plethora, welche aus animalischer Kost entspringen kann und so rasch den Blutentleerungen weicht. Eine relative Faserstoffverminderung besteht auch beim Beginne der Pyrexien. Zum Schlüsse unserer raschen Uebersicht der pathologischen Rolle des Faserstoffes geben wir noch eine rein practische Betrachtung : Wenn der Verlust des Blutfaserstoffs die formelle Ursache gewisser schwerer Fieber und des Seorbutes wäre, so müfsten diese Krankheiten nur durch animalische Kost und tonische Mittel behandelt werden. Nun zeigt aber die Erfahrung, nach wie vor den neuen Analysen, dafs eine vorsichtige Antiphlogose, was auch A n d r a 1 zugibt, noch die beste Behandlung der schweren Fieber ist, und dafs Scorbut, weit entfernt, eine animalische Nahrung zu erheischen, am häufigsten und besten durch eine frische, vegetabilische Kost kurirt wird. 3) Eiweifs. Man weifs nicht bestimmt, in welchen Fällen das Eiweifs des Blutes vermehrt ist, man vermuthet, es sei.diefs in den Phlegmasien. Eine directe Verminderung des Bluteiweifses entsteht bekanntlich aus Albuminurie (Bright'scher Krankheit). Wir haben gesehen, dafs B e c q u e r e l und R o d i e r dieselbe bei Cachexie aus Herzkrankheiten und bei Scorbut gefunden haben. Es ist sehr wahrscheinlich, dafs die Eiweifsverminderung im Blute bei andern Krankheiten, namentlich bei Cachexien im Allgemeinen, eine bedeutende Rolle spielt.
542 4) JBlutkugeln. In der neuesten Pathologie legte man fast ebensoviel Werth auf Veränderung der Blutkugeln, als auf die des Faserstoffes. 1. Sie sind absolut vermehrt in der Plethora (dies ist die einzige von A n d r a l anerkannte Plethoraform, während wir gefunden haben, dafs rationell eine Plethora aus Blutfülle und aus Faserstoffüberschufs anzunehmen ist), beim Ausbruche essentieller und eruptiver Fieber (man übersehe diese Analogie der Fieber und Plethora nicht) und bei den sogenannten activen Hämorrhagien. Hierbei bemerken wir, dafs die Hämorrliagien beim Beginne des schweren Fiebers, da sie mit Blutkugelnüberschufs in Zusammenhang stehen, als active zu betrachten sind, während diejenigen, welche gegen das Ende derselben wahrgenommen werden, von Veränderungen des Faserstoffes herrühren und passive genannt werden. Relativ vermehrt sind die Blutkugeln bei vermindertem Faserstoffe, z. B. in gewissen Fällen bösartiger Fieber. 2. Absolute Verminderung der Blutkugeln findet statt in der Anämie, der Chlorose, welche defshalb Aglobulia, besser aber nur Hypoglobulia gänannt wird, da die Blutkugeln doch nie ganz fehlen. Diese von der pathologischen Chemie gelieferte Thatsache ist mit der klinischen Erfahrung im Einklang und gewifs ihr grÖfstes Verdienst. In der That scheinen die Blutkugeln von dem in ihnen enthaltenen Eisen ihre Bedeutung zu entlehnen, daher letzteres auch allgemein als Remedium xcrr' £%o%rjv der Chlorose und primitiven Anämie angesehen wird. Ebenso haben wir Vermin-
543 derung der Blutkugeln beim Scorbut gefunden. Will man derselben die passiven Hämorrhagien zuschreiben, welche diese Krankheit characterisiren? Warum aber finden diese Hämorrhagien aus Aglobulia nicht in der Chlorose statt? Vermindert sind die Blutkugeln ferner bei Phthisis und gewissen Neurosen, welche dann möglicher Weise nur Symptome von Chlorose und Anämie sein könnten. Relative Verminderung der Blutkugeln findet sich da, wo Faserstoff und Wasser im Ueberschusse sind. Bemérken wir im Vorbeigehen, dafs man das Blasebalggeräusch, welches zu Seiten des Halses wahrgenommen wird, als ein fast pathognomonisches Zeichen der Aglobulia ansieht. 5) Feste Materien. Das Eisen ist in den Blutkugeln enthalten und wechselt mit diesen. Ueber die Abweichungen der im Blute enthaltenen Salze weifa man nichts Bestimmtes. Die Einen wollen sie in den bösartigen Fiebern, dem Scorbute u. s. w. vermehrt, die Andern vermindert gefunden haben. 6) Gase. Ueber die Veränderung des Stickstoffs im Blute ist uns nichts bekannt Der Sauerstoff mufs bei Asphyxie durch irrespirable Gasarten vermindert, die Kohlensäure bei Erstickung durch Kohlengas vermehrt sein u. s. w. 7) In Betreff der Imponderabilien sind wir noch weniger belehrt. Die Wärme des Blutes jedoch ist in Entzündungen und Fiebern vermehrt, vermindert bei Cholera, Scorbut und anderen Cachexien. Wir wissen aber nicht, ob dieser Temperaturwechsel dem Blute selbst beizumessen ist, oder ihm nur Vom übri-
544 gen Körper mitgetheilt wird. Man will, dafs die Electricität in den Phlegmasien vermehrt sei. Es ist mit Recht gesagt worden, dafs von allen diesen Abweichungen in der relativen Menge der Blutbestandtheile nur zwei einfach, d. h. unabhängig von anderen Blutfehlern auftreten können, nämlich die absolute Vermehrung des Faserstoffes und die absolute Verminderung des Eiweifses. Daher sieht man bei Aufzählung der von Blutveränderung hergeleiteten Krankheiten einzelne derselben unter verschiedenen Mischungsverhältnissen des Blutes wiederkehren. So kann Plethora von Ueberschufs an Blutkugeln, Eiweifs und von zu groiser Blutmenge herrühren; Chlorose Kugelverminderung oder-Vermehrung der wässerigen Theile in sich schliefsen; in Pyrexien, die mit Ueberschufs an Blutkugeln und Abnahme von Wasser beginnen, manchmal gegen Ende Faserstoff und vielleicht auch Salzgehalt verloren gehen. Es ist keine Krankheit mit gänzlichem Verschwinden eines oder mehrerer Blutbestandtheile bekannt, denn wahrscheinlich sind sie alle wesentliche Lebensbedingungen.
Art. III.
Veränderung des Blutes durch Aufnahme fremder Bestandtheile.
Zu dem Blute können theils solche Bestandtheile treten, welche im Normalzustande im Körper selbst gefunden werden, theils solche, welche in dem gesunden Körper nicht vorkommen; diese letzteren kön-
545 I. Blutveränderungen durch Anfaahme von normales Bestandteilen. 1) Galle. Von allen normalen Bestandteilen hat die Galle, eines der vielen Krankheitselemente des Alterthums, die gröfste pathologische Rolle gespielt. Auch heute noch wirci in Schulen, Academien und klassischen Werken im Widerspruche mit den Anfangsgründen der Wissenschaft und der oberflächlichsten Beobachtung von Gallenkrankheiten gesprochen. Jedermann weifs heutzutage, dafs Galle in Substanz im Blute nicht vorkommt; dafs man dort nur ihren Farbestoff findet ( O r f i l a , C h e v r e u l , L e c a n u ) . Jedermann giebt zu, dafs die Galle eine der reizendsten Substanzen ist, und dafs ihr Eindringen in das Blut zu schnell tödenden Erscheinungen führt. Jedermann endlich weifs, dafs die Gallenkrankheit xar' i£o%tp>, die Gelbsucht, weder mit Fieber, noch offenbarer Entzündung, noch besonderem Schmerz in irgend einem Organe auftritt. Wie kann man, dies alles erwägend, Gallenfieber, gallige Entzündungen annehmen u. s. w.? J a , statt Fieber hervorzurufen, drückt die Gallensuffusion den Puls herab, so dafs wir die Wirkungsweise der Galle mit der der Digitalis vergleichen. Wir glauben fast, dafs diese galligen Krankheiten nur als leidenschaftliche Protestation eines verjährten Humorismus, der organischen Doctrin gegenüber, aufgestellt werden, denn bei geringer Ueberlegung sollte man sich schämen, dergleichen rückgängige Grundsätze auszusprechen. Es giebt F o r m e t , Herzkrankheiten.
35
546 nur eine Krankheit aus Gallenaufsaugimg oder Gallensuffusion, den Icterus. Die Galle kann Entzündung und Fieber hervorrufen, wenn sie sich in Substanz ergiefst, aber nur als localer Reiz; nie aber crgiefst sie sich in Substanz in den Organismus, um dort Fieber und Entzündung hervorzurufen, wie es die Alten geglaubt und sogar Neuere angenommen haben. Selbst S t o l l wufste als erfahrener Practiker neben seiner Lehre von der Polycholie die Entzündung zu würdigen und sie zuerst direct zu bekämpfen, bevor er die Galle zu entleeren suchte. Man sieht, wie er häufig vor seiner eigenen Lehre warnt und deren Gefahren bekennt. S t o l l war es, welcher den Grundsatz aufstellte, den man dem Examen des doctrine'1 entnommen glauben möchte. Da wo Phlogose mit anderen Uebeln, welche sie auch sein mögen, zusammenfallt , mufs die Entzündung vorerst berücksichtigt werden. (Practische Medicin.) Ich habe diesen Satz gegenüber den galligen Krankheiten in meinen Vorlesungen und Schriften entwickelt, besonders aber in meinem Resumé der Strafsburger Klinik im Jahr 1845 (Gazette médicale de Strafsbourg), in einem Artikel über die Theorie der galligen Krankheiten (Gazette des Hôpitaux 1846); und in einem anderen über Gelbsucht und ihre Behandlung (Bulletin de thérapeutique, 1846). 2) Harn. Das Nämliche, was wir über die Galle gesagt haben, gilt auch von dem Harne, nur einzelne seiner Bestandteile dringen in's Blut und erzeugen das sogenannte Harnfieber. Man hat den Ueberschufs
547 YQH Harpstoff in dem Blute der mit Albuminurie Behafteten nachgewiesen. Es ist wahrscheinlich, daft das Blut abnormer Weise, in Diathesen, welche sich durch fortwährende Bildung gewisser Harnsäure und harnsaure Salze enthaltender Concremente charakterisiren, einzelne Elemente des Harnes enthält, z. B. bei Harngries-, Stein-, Gichtdiathese u. s. w., jedoch konnte die chemische Analyse diese Elemente bis jetzt nicht im Blute nachweisen. 3) Milch. Sie spielte bekanntlich eine bedeutend? Holle in der Puerperalpathologie der Alten; m^n hat aber heutzutage ernannt, dafs dieselbe im Blute nicht in Substanz vorkommt. Der in demselben kürzlich entdeckte Käsestoff ist nur ein Mi|fhbestandtl\eil und sein Vorkommen im Blute noch hypothetisch oder doch bestritten.' 4) Chylus, Er fipdet siph nur von der Sfelle an, wo der Ductus thoracicus in die linke Subclavia nitfndet, dem Blute beigemischt. Das angpbjiche chylöse Blut des Aderlasses ist nichts weiter, als durch besondere Verhältnisse weifslich gefärbtes Blut, was man Fettstoffen und Eiweifs in einem besonderen Zustande zugeschrieben hat. 5) Zucker. Die Chemiker haben den Zucker im Blute der Diabetiker nachgewiesen; die interessanten Arbeiten von C. B e r n a r d und M a g e n d i e aher scheinen zu beweisen, dafs der Zucker in dem Körper normal vorkommt, sich namentlich in der Lober bildet, von wo aus er durch Hohlvene und rechtes Herz zur Lunge gelangt, wo er verschwindet. Er wjrd also nur ausnahmsweise, bei Diabetes mellitus, in an35*
548 dem Theilen des Kreislaufes gefanden und mit dem Harn entleert. IL Ver&nderung des Blutes dnrch Aufrahme abnormer Bestandteile. 1) B e s t a n d t h e i l e ,
welche ans dem O r g a n i s m u s kommen.
selbst
1) Der Eiter ist vor allem vielleicht als der gefährlichste der abnormen Bestandtheile zu nennen, dessen Eindringen in das Blut die bei Abhandlung der Phlebitis beschriebene Eiterinfection oder Pyämie veranlafst. Dieselbe erzeugt sich häufig nach traumatischen Verletzungen und blutigen Operationen, die Venenentzündung ist ihre gewöhnlichste Ursache; jedoch scheint es heutzutage ausgemacht, dafs sie nicht die einzige ist, und dafs der Eiter auf irgend eine Weise in die Venen gelangt auch ohne phlebitische Erscheinung Eiterinfection hervorbringen kann. 2) Septische Materien. Man nimmt an, dafs in gewissen Fällen septische oder faulige Materien, welche sich im Organismus durch Zersetzung, Fäulnifs, Brand oder andere Vorgänge bilden können, aufgesaugt werden und den eigentümlichen Zersetzungszustand, die Sepsis (Septicémie) hervorrufen, welche sich nach aufsen im Allgemeinen durch typhôsè Symptome, innerlich durch Localisationen von bösartiger Natur, metatastische Abscesse und oft Gangrän kund gibt ; demungeachtet glauben wir diese Sepsis häufiger in äufseren Verhältnissen, als im Organismus selbst begründet.
549 3) Tuherhelmalerie. Wiewohl die Tuberkelcachexie notwendiger Weise eine Dyskrasie des Blutes voraussetzt, so weifs man doch nicht, worin diese Säfteentartung besteht. Da wo Tuberkelmaterie im Blute vorgefunden wurde, war dieselbe, wie schon gesagt» auf directe, mechanische Weise in die innerhalb der Tuberkelmasse klaffenden Gefäfse eingedrungen. 4) Krebsmaterie. Alles, was wir von der Tuberkelcachexie gesagt haben, gilt auch von der Krebscachexie. Krebsmaterie kann nur durch Verschwärung der Gefäfse, welche an dem Zerstörungsprocesse Theil nehmen, auf mechanische Weise in dieselben gelangen. 2) V o n auTgen k o m m e n d e B e s t a n d t e i l e .
Durch ihr Eindringen in das Blut erzeugen diese abnormen, äufseren Bestandtheile zum grofsen Theile die Krankheitsklasse der Vergiftungen; sie entspringen aus dem Thier-, Pflanzen- oder Mineralreiche. A. Abnorme Bestandtheile aus dem Thierreiche : 1) Virusarten oder Krankhcitsproducte von Eruptionsfiebern (Variola, Scharlach), Rotz, Syphilis, Hydrophobie herrührend. Die Viren bilden das eigentliche Element der Contagion, welche man so oft und unrichtiger Weise mit Infection verwechselt. Die angeblichen Viren der Typhusfamilie, der Pest, der Cholera, des gelben Fiebers sind noch grofse Streitfragen. 2) Gifte oder physiologische Producte, von Schlangen und anderen giftigen Thieren.
550 3) Miasmen, ebenfalls gewöhnlich physiologische, aber nicht primitiv schädliche Producte. Sie werden nur durch ihre Anhäufung, Stagnation und Fäulnifs verderblich, und erzeugen die eigentliche Infection, welche, wie man sieht, sich von der Contagion dadurch unterscheidet, dafs sie nicht von einem ursprünglich krankhaften Producte, einem Virus, entspringt. Durch Infection entständen demnach, Einigen zu Folge, die Epidemien der Typhoiden, Typhen, Pest, Cholera, meist mit Beihülfe des Genius epidemicus, welchen man ebenfalls wohl von Contagion und Infection zu unterscheiden hat. B. Abnorme Bestandteile aus dem Pflanzenreiche : 1) Ausdünstungen fauliger Pflanzenstoffe; sie bilden die formelle Ursachc der Wechselfieber und anderer sogenannter Sumpfkrankheiten. 2) Giße, wie Opium, Cicuta, Belladonna, welche nicht leicht anders als durch Aufnahme in den Kreislauf toxische Wirkung hervorbringen. Dahin gehören auch der Alkohol, die essentiellen Oele und andere dem Pflanzenreiche entsprungene schädliche Principien. Nota. Animalische und vegetabilische Stoffe im Fäulnifszustande sind die gemeinschaftliche Quelle der septischen Effluvien, welche Sepsis aus äufseren Ursachen erzeugen, die Bich jedoch nicht von Sepsis aus inneren U m c h e n verschieden verhält. C. Besiandtheäe aus dem Mineralreiche können sein : Heilmittel oder Gifte in gewisser Gabe; als Arsenik-, Kupfer-, Quecksilber«, BJeiprfiparate u. s. w. Diese
551 können örtlich reizend und zerstörend auf die Gewebe wirken, oder allgemein durch Aufnahme in den Kreislauf. Mit ihnen beschäftigt sich die Toxicologie. D. Gewisse Gasarten können auf verschiedene Weise absorbirt werden, so namentlich kohlensaures, Kohlenwasserstoff, Schwefelwasserstoff-Gas. Man bezeichnet sie sogar als die formellen Ursachen der meisten Fälle von Sepsis. Wir wissen, dafs auch atmosphärische Luft, auf irgend einem Wege in den Kreislauf gelangt, raschen Tod zur Folge hat. §. 2.
F'unctlonssymptome.
Die Functionssymptome bei Veränderungen des Blutes sind bei der Aufzählung der von materiellen Alterationen desselben abhängigen Krankheiten, welcher wir im vorigen Kapitel erwähnt, mit inbegriffen. Wir verzichten auf deren Beschreibung und dies umsomehr, als die meisten, obwohl mit positiver Veränderung des Blutes auftretend, doch nicht primitive Leiden desselben sind, mit welchen wir uns allein zu beschäftigen haben. Mag man immer von der organischen Doctrin halten was man will, wir sind überzeugt, dafs man nie die Möglichkeit und die Wirklichkeit der Veränderungen des Blutes läugnen kann; B r o u s s a i s selbst bekannte sie. Die Streitfrage zwischen Hümorismus und Solidismus liegt in der Feststellung der primitiven und secundären Blutveränderungen; und hierin, im Ursprünge der Krankheit, entsteht die Spaltung beider Doctrinen. Wir können nicht in diesen zweitausendjährigen Streit eingehen, ohne uns von unserem Plane zu entfernen,
552 die verschiedenen Arten der Veränderungen zu bezeichnen, deren das Blut fähig ist, dieselben insofern sie positive, absolute Erscheinungen sind zu betrachten, ohne dogmatisch ihre Natur als primitive oder secundare Krankheit bestimmen zu wollen. Es ist diefs die grofse Aufgabe der allgemeinen und selbst speciellen Pathologie, denn zur Aufstellung einer rationellen Behandlung im gegebenen Krankheitsfalle mufs dessen Natur, Ursprung, Entwickelung, mit einem Worte dessen ganze Entstehungsweise genau gewürdiget werden.
Verlauf, Dauer, Ausgänge. Die pathologischen Veränderungen des Blutes sind zu zahlreich und mannigfaltig, als dafs man deren Entwickelung in Phasen und Ausgängen mit einemmale übersehen könnte : Langsamer, rascher, acuter, chronischer Verlauf, Heilung, Uebergänge mancher Art und Tod, können bei ihnen wie bei anderen Krankheiten stattfinden.
Complicationen. »Jede Veränderung des Blutes als Krankheit hängt nothwendiger Weise mit Versehrung fester Theile zusammen.« Zur Auseinandersetzung dieses Axioms, welches manchem Leser anstöfsig sein und als gewagtes systematisches Paradoxon erscheinen möchte, diene Folgendes : Das Blut belebt alle Organe; diefs ist ausgemacht; äber nicht das Blut vollbringt die nöthigen Lebenacte, sondern die Organe. Es ist nicht das Blut, welches denkt,
553 verdaut, absondert, fortbewegt etc.; mit Einem Worte, das Blut ist die Quelle, die Organe sind die Instrumente des Lebens. Da nun aber Krankheit ohne Functionsstörung nicht besteht, so gibt es auch keine Krankheit ohne Veränderung der Organe, wenn diese auch nur dynamischer Natur wäre. Angenommen, die Organe könnten bei tiefergreifender Blutänderung ihre regelmäfsigen Functionen vollbringen, so würde dadurch keine Krankheit, das heifst keine Functionsverletzung gegeben. Also durch den Eindruck auf die Organe erzeugt das H u t Krankheit. Diese Idee gehört nicht uns a n , sie ist nichts weniger als neu; sie ist so alt wie die Vernunft in der Medicin. F e r n e l i u s der Humoralpathologe, hat sie in dem schönen Spruche gegeben : »Humoriun affectus, etiam si contra naturam sint, morbos non dieimus, quando quidem in partis substantia non inhaerescunt. Hi morbi interventu funetionibus incommodant. (Pathologia, libr. 1, cap. 3). Hieraus die rationelle Stufenfolge : Säfteänderung, Ergriffensein der festen Tehile und Functionsstörung, als Begriff der Krankheit. B r o u s s a i s giebt dieselbe Idee noch kürzer in den Worten : »Krankheitsursache kann in den Säften liegen, die Krankheit selbst nicht. (de Tirritation et de la folie, p. 45). Dieses Axiom zeigt, dafs B r o u s s a i s nach seiner Manier Humoralpathologe war. Man beachte wohl, dafs die zur Krankheitsbildung durch Säfteentmischung nothwendige Betheiligung der festen Theile das Problem der primitiven oder secundären Natur dieser Krankheit nicht löst und es fragt sich immer, welcher von beiden zuerst erkrankt
554 war. Von praktischer Seite hat diese Schwierigkeit weniger Werth, als man glauben möchte; denn, wie A n d r a 1 sehr gut bemerkt, sind die Humoralaffectionen, selbst wenn sie den Krankheiten der festen Theile vorausgehen , selbst nur Wirkungen und das klinische Problem beruht einzig nur darauf, alle demente der Krankheit gehörig zu erkennen. Also begleitet Versehrung der festen Theile, ob primitiv, ob secundär, die zur Krankheit gesteigerte Affection des Blutes ; so gesellt sich zur Plethora die Visceralcongestion, zur primitiven Anämie das Herzklopfen, die Dyspepsie, nervöse Zufalle; so haben die Pyrexien fast immer ihre Localisationen; so findet man im Scorbute wichtige Gewebsveränderungen; bei Albuminurie Nierenversehrungen; die Pyämie kann aus Eitersammlungen entstehen und deren wieder neue bilden. Alle animalischen, vegetabilischen und mineralischen Vergiftungsvorfalle geben sich in gefahrlichen Eingeweidestörungen u. s. w. kund. Und doch sind dies alles Beispiele von als primitive angenommenen Säfteveränderungen. Welches aber auch immer die zwischen beiden Phänomenen gesetzte Beziehung sei, wird man es beständig mit gleichzeitigen Krankheitserscheinungen der flüssigen und festen Theile zu thun haben und werden diese die Aufmerksamkeit des Praktikers, je nach ihrer Wichtigkeit, in Anspruch nehmen. Die Humoralfehler compliciren sich, wie schon gesehen wurde, beinahe immer untereinander. So findet man in der Chlorose gleichzeitig Verminderung der Blutkugeln und Vermehrung des Serums; während das Gegentheil bei Plethora und bei beginnender
555 Pyrexie statt hat; letztere jedoch verliert in späterer Periode zugleich Kugeln, Faserstoff und sogar Salze. Bei Albuminurie besteht Eiweiisverlust neben Vermehrung von Harnstoff.; bei Phlegmasien Vermehrung von Faserstoff und Eiweifs; in den grofsen Classen der Intoxicationen aus äufscren Ursachen dringt ein fremdes Element in das Blut, welches zu gleicher Zeit innere Veränderungen in Eiweifs, Faserstoff etc. erleidet ; die Humoral complicationen haben jedoch wenig reelle Wichtigkeit, da unter ihnen meist eine ist, welche die anderen beherrscht; so die Blutkugelnverminderung in der Chlorose, der Faserstoffiiberschufs bei Entzündungen , der Eiweifsverlust des Blutes in der Albuminurie u. s. w. Um so weniger aber werden diese Complicationen einen praktischen Werth haben, wenn man sie als secundare Erscheinungen von der Erkrankung irgend eines festen Organes ansieht.
Diagnose. Die wichtigsten Punkte der Diagnose sind : 1) Der Unterschied, welchen man zwischen den verschiedenen pathologischen Veränderungen des Blutes machen mufs; 2) die Bestimmung des primitiven oder secundaren Charakters derselben in Bezug auf die Organe; beides gleich dunkle und streitige Probleme. Wir haben gesehen, wieviel bei der Unterscheidung der verschiedenen Blütfehler das analytische Verfahren zu wünschen läfst; denn von mehr als vierzig heutzutage angenommenen Elementen des Blutes wissen wir kaum sieben oder acht in ihren Abweichungen zu be-
556 stimmen und auch diese Bestimmungen werden von ganz competenten Beobachtern bestritten. Wie verhält es sich z. B. mit derAnnahme oder Verwerfung von Galle, Harn, Milch in dem Blute? Wird nicht noch heutzutage der Uebergang von Eiter in's Blut bestritten und eben so die Entstehung dieses Eiters selbst bald der Phlebitis, bald anderen Ursachen zugeschrieben. Will man nun gar zwischen primitiven und nicht primitiven Veränderungen der Blutkrasis unterscheiden, so nimmt die Ungewifsheit zu, Leidenschaften werden rege, scholastische Vorurtheile und doctrinäre Interessen heben sich zum Kampfe. Montpellier steht wider Paris, und der Kampf der Alten und Neuen ist wieder erwacht. Non licet inter vos tantas componere lites. Wir bezeichnen nur die streitigen Gegenstände und enthalten uns der Entscheidung. Wir zählen auf Enthüllungen der Zukunft und die Fortschritte der positiven Wissenschaften. Indessen bieten wir einen Mittelweg für diejenigen Praktiker, welche nur das Wohl der Kranken im Auge haben : Allen Krankheitselementen Rechnung tragen in der traurigen Ueberzeugung, dafs wir Nichts mit Bestimmtheit wissen : ein Grundsatz, der uns alle ruhiger und bescheidener machen wird..
Prognose. Ueberblickt man die Masse der Humoralfehler, so wird man leicht begreifen, wie schwer eine allgemeine Bestimmung ihrer Wichtigkeit ist; diese hängt noth-
557 wendig von ihrer so vielgestaltigen N a t u r , ihrer Heftigkeit und der Hinlänglichkeit der uns zu Gebote stehenden Mittel ab. Glücklicherweise ist die Kenntnifs dieser Heilkräfte unabhängig von unserer Einsicht in verschiedene dieser Humoralverhältnisse. Denn wenn es deren gibt, welche wir gleich gut erkennen und rationell behandeln können, so gibt es dagegen wieder andere, welche wir obwohl eben so richtig erkennen, doch nicht bewältigen können; so zeigt uns aber auch die Erfahrung eine wirksame Behandlung gegen solche, deren Natur unbekannt ist; z. B. kennen wir die Natur der Chlorose, welche in Verminderung der Kugelmasse , der Trägerin des Eisens, besteht und welche wir rationell und mit Erfolg durch Eisenmittel behandeln. Wir kennen eben so gut, wo nicht besser, die Natur der Eiterinfection und dennoch sind wir meistens ohnmächtig sie zu beschwören. Andererseits wieder wissen wir nichts von der Natur des Scorbutes, der Syphilis, des Wechselfiebers, was man auch davon sage, denn die Natur der Viren und Effluvien ist uns verschlossen; aber dennoch heilen wir den Scorbut mit Pflanzensäften, die Syphilis mit Quecksilber und das Wechselfieber mit China. So schliefsen wir denn : die wenigst gefahrlichen Krankheiten sind die, welche wir am besten heilen.
Behandlung. Wir haben im Laufe der Betrachtung schon einige Punkte der Therapie berührt, auf welche wir nicht mehr zurückkommen.
m Das aphoristische : Naturam morborum ostendunt curatioms, insofern es nur einigermafsen wahy ist, wäre das beste Criterium für oder gegen die Alteration des Blutes. Der Unparteilichkeit, welche ich mir zum Gesetz gemacht habe, getreu, will ich nicht gegen den Humorismus ein Axiom gebrauchen, dessen Unrichtigkeit ich mehr als einmal dargethan habe. Jedenfalls müssen wir zugestehen, dafs wenn wir unsere Kenntnifs der pathologischen Veränderungen des Blutes zur Basis unseres Heilverfahrens nehmen wollten, wir häufigen Täuschungen begegnen würden. Abgesehen von den rationellen Incjicationen, welche uns die neueren Untersuchungen über Plethora und Entzündung, primitive Anämie und Chlorose liefern, Indicationen, welche übrigens schon dem grauen Alterthume angehören, insofern sie Sache der reinen Erfahrung sind, — wozu dient es am Krankenbette zu wissen, dafs bei Cholera z. B. die Wasserthpile offenbar vermindert sind; dafs bei Phthisis der Faserstoff im Ueberschufs, hei essentiellen nnd eruptiven Fiebern, bei Scorbut manchmal in Abnahme ist, dais bei Bright'scher Krankheit Eiweifs verloren geht? Wie hängen diese Humoralfehler mit der Behandlung zuzammcn, welche die Erfahrung als nützlich gegen sie zeigt? Was vermögen wir rationeller Weise gegen die Eiterverbreitung, die Tuberkel- und Krebscacbexio," die Blattern, Scharlach und Rotzviren, gegen absorbirte Gifte, Miasmen und Effluvien? Was würde geschehen, wenn wir, die chemische Analyse festhaltend, einfach und allein die Cholera mit blofsem Wasser, die Pyrexien und den Scorbut mit animalischer Kost,
559 die Albuminurie mit Eiweifs, die Pyämie und alle organischen, vegetabilischen, animalischen und mineralischen Vergiftungszustände mit Aderlässen, Chloralkalien und Gegengiften behandeln wollten ? Mehrere dieser Versuche wurden gemacht, und man weifs, wohin sie geführt haben. Allerdings haben einzelne dieser Versuche glückliche Resultate geliefert; wir erwähnen der Plethora und Anämie, verschiedener Arten von Asphyxie, des Harngrieses, der Gicht, des Diabetes mellitus, der Giftbisse und verschiedener mineralischer und anderer Vergiftungszustände, welche den Indicationen des Humorismus gemäfs behandelt werden. Aber wir wiederholen es noch einmal, nicht die moderne Chemie hat uns den Nutzen des Aderlasses in Plethora und Entzündung gezeigt, Eisen und substantielle Kost gegen Chlorose und Anämie angegeben, reine Luft den asphyctischen, Pflanzendiät den mit Gicht und Harngries Behafteten zu verschaffen gelehrt, den Schaden des Satzmehls bei Zuckerharnruhr nachgewiesen, die Giftwunden auszubrennen und Gegengifte zu reichen angeleitet u. s. w. Der gesunden Vernunft aller Jahrhunderte, nicht den Analysen des Blutes verdanken wir es, so wenig als die Anwendung des Mercurs und der China in Syphilis und Sumpffieber, der Stimulantien bei Narcotismus, der Purgantien und des Opiums bei Bleivergiftung u. s. w., und nicht mehr bedürfen wir der so vielfachen, so bestrittenen mikroscopischen Angaben zur Diagnose und Behandlung des Eiters, des Krebses, des Tuberkels u. s. w.
560 Es giebt jedoch Heilmittel, welche offenbar auf chemische Weise zu wirken scheinen, z. B. die Säuren, Alkalien, gewisse Salze u. s. w. Der chemische Standpunkt ist heutzutage der vorherrschende. Die medicinische Chemie hat unter dem Einflüsse der neueren Arbeiten von B e r z e l i u s , O r f i l a , L i e b i g , D u m a s , L e c a n u , D e n i s , B o u c h a r d a t , Mialhe u. s. w., sowie der Experimente von M a g e n d i e , A n d r a l und G a v a r r e t , C. B e r n a r d und Anderen einen raschen Aufschwung genommen. Wir müssen insbesondere M i a l h e ' s erwähnen, welcher sinnreiche Versuche macht, die Therapie auf Fragen chemischer Affinität zurückzufuhren. Und doch hätten die verunglückten Bestrebungen eines P a r a c e l s u s und S y l v i u s unter den Alten, so wie die von B a u m e s und F o u r c r o y unter den Neueren zu einer gewissen Vorsicht ermahnen sollen. C u l l e n , dieser philosophische Pharmacologe, hat die Machtlosigkeit einzelner durch Absorption in den Kreislauf übergegangener Molecüle gezeigt, die Blutmasse und die Organgewebe chemisch zu modificiren. Der Organismus scheint überhaupt nicht so willig sich diesen Combinationen zu fiigen, und man sieht täglich, wie schnell er sich fremder Elemente zu entledigen weifs. Auf der andern Seite haben Physiologen und Kliniker vitale Kräfte hervorgehoben, welche die Chemie als nicht bestehend zu zeigen bemüht ist, und haben die Nichtigkeit verführerischer, auf die chemische Wirkung einer Menge von Mitteln basirter Hoffnungen gezeigt; so war es z. B. allgemein angenommen, dafs die Alkalien, und besonders der Brunnen von Vichy, chemisch bei Li-
561 thyosis wirken; dagegen hat sicli nun gerade erst neuerdings D u r a n d F a r d e l , ein ausgezeichneter Arzt, vor der Académie de Méderine erhoben. Eine grofse Wahrheit ergibt sich aus dem Studium der Revolutionen dieser Theorien, wenn man sie den wahren Fortschritten der Heilkunst gegenüber beobachtet : Inmitten dieser unaufhörlichen Ueberraschungen bleibt die Praxis ziemlich dieselbe für den erfahrenen Beobachter; und nur die Erklärung der W i r kungsweise eines als zuverlässig erkannten Mittels ist verschieden. Sonst liefs man zur A d e r , um die Blutmasse zu vermindern, oder darin enthaltene morbide Substanzen zu entfernen; heutzutage läfst man zur A d e r , um die Blutkugeln und den Faserstoff zu vermindern. Sonst purgirte man zur Entfernung von Saburren, heut purgirt man, um das Blut seines Serums zu berauben, Ableitung zu erwirken, schädliche Principien auszuscheiden u. s. w. V o r Kurzem noch wirkten die Adstringentien zusammenziehend auf das Capillarsystem, jetzt coagulircn sie das Eiweifs. Ueberall wo sonst unsere vitalen Kräfte sich entfalteten, will man jetzt Affinitäten agiren lassen. Die Deutungen wechseln, aber das grofse therapeutische Verfahren bleibt bei allen Veränderungen der Systeme, welche vorgeblich die Praxis zu revolutioniren suchen und doch endlich genöthigt sind, vor ihr zu weichen, wie Ströme, die von Zeit zu Zeit die Umgegend überschwemmen und verheeren, sodann in ihr Bett zurückkehren und die Felder der Bebauung wiedergeben bis zu ihrem nächsten Austritte. F o r g e l , Herzkrankheiten.
36
562 , Wir können stolz sein auf die Fortschritte der Naturwissenschaften, wir können uns Glück wünschen, den guten Weg zu gehen; wir dürfen aber mit Schlüssen und Anwendungen nicht voreilig sein. Richten wir nichts im Interesse der Sienschheit sowohl, als iii dem der Wissenschaft, die durch unsere Fehlversuche wohl gar in unseren eigenen Augen herunter gesetzt werden könnte; denn die Täuschung gebiert den Zweifel, was jedoch nicht für alle Geister gelten dürfte, wenn man die Beharrlichkeit derer bedenkt, die in ihrer Gutmüthigkeit, was der heutige Tag Neues bringt, ergreifen und des Irrthums von gestern nicht mehr gedenken. Jene Philosophie soll nicht Recht behalten, welche will, dafs der Väter Thorheiten für die Kinder verloren seien. W e n n aber die Veränderungen des Blutes nicht gerade, die ganze Krankheit erklären, wenn sie zuweilen mit dem, was die Erfahrung giebt, im Widerspruche sind, so folgt daraus nicht, dafs man die Chemie aus dem Bereiche der Praxis verbannen müsse; man zeichne im Gegentheil ihre, Entdeckungen auf und benütze sie als pathologische Elemente ; man überblicke die Veränderungen der Säfte und der festen Theile, . die allgemeinen Phänomene und die Localsymptome,. die organischen und Functionsfehler, das heifst das Gesammtbild der complexen und, beweglichen Erscheinung, welche man Krankheit nennt. Nach B a c o n ' s Wahlspruch : »Halte man sich zuerst auf dem Wege der Alten, schaue, welcher dann der gradeste und beste ist, und verfolge ihn.«
56a Schliefen'wir nun' mit A n d r a T s Worten : »Wo die Analyse des Blutes nicht mit der klinischen Beobachtung übereinstimmt, stehe: ich nicht an zu erklären, dafs, von therapeutischem Standpunkte aus, man vor allen der kimischen: Beobachtung trauen mufs, vorausgesetzt, dafs sie mit Umsicht gemacht ist; defswegen sollen aber die auf anatomische und chemische Untersuchungen gegründeten Thatsaehen nichts von ihrem wissenschaftlichen Werthe verlieren (1)«. (1) Antwort an F o r g e t (Oasetie medicale, 1841).
36 *
564 Synoptische Tabellen der Veränderungen des Blutes. L Tabelle. Physikalisch* Veränderungen des Blutes. rotb . . . sclnrarz Farbe
.
bleich . . gelb-griia opalig-weifs laulig
. .
Qeruch .
Geschmack
Festigkeit
{
fade . • • sauer . . süfs . . .
(vermehrt . I vermindert vermehrt
Schwere vermindert Menge
/vermehrt . {vermindert
{Entzündung. Fieber beim Beginne. ^Asphyxien. I Scorbut. l Vorangeschrittene büsart. Fieb«r. (Carbutakelkrankheiten. f Anämie. (Chlorose. (Gelbsucht. < Leberentzündung. (.Sogenannte aallenkrankhelten. (Fettstoffe. * (Undurchsichtiges Eitreifs. ' /Faulige Krankhelten ? IBrandige Krankheiten? f PucrperalzuBtand ? I Rachitis? Cholera? RachiUs ? Diabetes (Qljrcosurle) ? /Entzündungen. \ Cholera. AnSmie — Chlorose. Scorbut.
{
Bösartige Fieber. Vergiftungen. /Entzündung. {Fieber beim Beginne. /"Anämie — Chlorose. I Albuminurie. \ Vorange.ichrittene Fieher IScorbut. Plethora. Anämie.
565 Synoptische Tabellen der Veränderungen des Blutes. II. Tabelle. Chemische Veränderungen des Blutes.
W«8«er
{
vermehrt
I Chronische Anämie.
vermindert
\ Chlorose. beim Beginne. I Cholera.
absolute Vermehrung
Faserstoff
EUreifs
Entzündung.
Speckhaut. Phthlsis. Verhäitnifs ,„ t Anämie. den Kugeln. Chlorose. ( HSmorrhagien. Vorangesch. bö«Artige Fieber. Eruptivfieber. Íabsolute . Vergiftungen, ßcorbut ? Verwinde- J v ruug Verh<nif* z u / PPlaest shior rea .nämorrhagieii. \ F i e b e r beim Beginne. den Kugeln im
i
{
•ermehrt
(
Entzündungen.
Albuminurie.
•ermindert ,
Cachexie aus H e r z k r a n k h e i t e n . Seorbut. {Plethora.
i l
absolute .
Vermehrung Blutkugeln
{
Beginnende e s s e n t i e l l e l »i.c, .b c ^P a s s i v e Ilämorrhagie. Beginnende Eruptiv- | * rPö ha tahrltsi igsH&morrhagie. Vermin d c- ' m ^ Ä ' o f f z u m | B(Aetlvo e. F i e b e r beim Beginne. rung lim Verh<nifo zam Chlorose.Chlorose, ¡Anämie, I Faserstoff ( a b s o l u t e . . . . J Seorbut. _ KuEeIn Feste Bestandteile . Gase
/ A b n a h m e an Sauerntoff . i Zunahme an Kohlensäure
/vermehrt . Impondera- / W ä r m e . ( v e r m i n d e r t . bilien 1 Electricität vermehrt
Asphyxie. Asphyxie. Entzündungen, Fieber. Cholera — Seorbut. Entzündungen?
566 J j i p f t t i c h e T a b e l l e n d e r V e r ä n d e r n ? g e n . d e s JU&tes. I I I . Tabelle. V e r ä n d e r u n g e n 4 e s B i u t e i