Grundlagen und Perspektiven der Liturgiewissenschaft 3534272145, 9783534272143

Glauben leben: Geschichte, Bedeutung und Wandel der Liturgie Ein zentrales Element des christlichen Glaubens ist der li

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German Pages 336 [338] Year 2019

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Table of contents :
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Titel
Impressum
Inhalt
Abkürzungen
Einleitung
1 Liturgie im gesellschaftlichen Umfeld
1.1 Christliche Liturgie in den multiplen Modernen
1.2 »Liturgie« – theologische Begriffsgeschichte
1.3 Die rituelle Dimension der Liturgie
1.4 Plurale Liturgie als Thema der Liturgiewissenschaft
2 Geschichte, Profil und Methoden des Faches Liturgiewissenschaft
2.1 Das Selbstverständnis der Liturgiewissenschaft
2.2 Etappen der Geschichte des Faches Liturgiewissenschaft
2.2.1 Liturgieerklärung in der Alten Kirche und im Mittelalter
2.2.1.1 Frühchristliche Beispiele für die Reflexion des christlichen Gottesdienstes
2.2.1.2 Formen mittelalterlicher Liturgieerklärung
2.2.2 Liturgische Quellensammlungen und Kommentare im Humanismus
2.2.3 Die Rubrizistik der frühen Neuzeit
2.2.4 Weichenstellung zur eigenständigen Disziplin »Liturgiewissenschaft«
2.2.4.1 Liturgiewissenschaft seit dem 18. Jahrhundert
2.2.4.2 Entstehung von Handbüchern im 19./20. Jahrhundert
2.2.5 Programmatik der Liturgiewissenschaft im frühen 20. Jahrhundert
2.2.5.1 Methodenvielfalt in der Liturgiegeschichtsforschung
2.2.5.2 Liturgiewissenschaft als theologische Disziplin
2.2.5.3 Förderung des liturgischen Lebens durch die Pastoralliturgik
2.2.6 Die Gewichtung des Faches durch das Zweite Vatikanische Konzil und die Nachkonzilszeit
2.2.7 Liturgiewissenschaft heute
2.2.7.1 Liturgie im kirchlichen und gesellschaftlichen Umfeld des frühen 21. Jahrhunderts
2.2.7.2 Herausforderungen für die Methodik des Faches
2.3 Wie interpretiert man Liturgie?
3 Geschichtliche Skizze zur Liturgie aus der Perspektive der römischen Tradition
3.1 Liturgiegeschichte als zentrale Aufgabe der Liturgiewissenschaft
3.2 Jüdische Liturgie und urchristlicher Gottesdienst
3.2.1 Jüdischer Gottesdienst im Umfeld Jesu
3.2.2 Die Anfänge des christlichen Gottesdienstes
3.2.3 Das differenzierte Verhältnis von jüdischem und christlichem Gottesdienst in der Spätantike
3.2.4 Frühchristliche Liturgie im Zeugnis ausgewählter Quellen
3.3 Die Entstehung des römischen Ritus
3.3.1 Von der griechischen zur lateinischen Liturgiesprache
3.3.2 Quellen altrömischer Liturgie
3.3.3 Die römische Bischofsmesse um das Jahr 700
3.3.4 Wesenszüge der römischen Liturgie
3.4 Liturgische Zentren der Spätantike
3.4.1 Die Jerusalemer Liturgie
3.4.2 Die Liturgien der Patriarchate des Ostens
3.4.3 Die nicht-römischen westlichen Liturgien
3.5 Die Adaption römischer Liturgie nördlich der Alpen
3.5.1 Dogmengeschichtliche Hintergründe: Die Abwehr des Arianismus
3.5.2 Der Wandel des Christusbildes und seine frömmigkeitsgeschichtlichen Folgen im Hinblick auf liturgisches Gebet und Festzyklen
3.5.3 Der Fortbestand der römischen Liturgie
3.5.4 Kontinuität und Wandel der »römischen« Liturgie
3.6 Grundzüge der Liturgie im Hoch- und Spätmittelalter am Beispiel der Liturgie der Stadt Köln
3.7 Die Liturgie in der Zeit der Reformation und der Katholischen Reform
3.7.1 Das Erbe des Mittelalters
3.7.2 Das vorreformatorische Jahrhundert
3.7.3 Ein Reformprojekt am Vorabend der Reformation: Der Libellus ad Leonem X (1513)
3.7.4 Die Liturgiereform der Reformatoren am Beispiel der Abendmahlsliturgie
3.7.5 Das Liturgieverständnis der Katholischen Reform
3.8 Liturgische Reformansätze der Aufklärungszeit
3.8.1 Zielsetzung und Reforminhalte der Liturgik der Aufklärungszeit
3.8.2 Das Beispiel der Synode von Pistoia: Geistesgeschichtliche Hintergründe und Reformprogramm
3.9 Liturgische Strömungen im 19. Jahrhundert
3.9.1 Die Kirchenmusik als »heilige Kunst«
3.9.2 Die Entwicklung der Kirchenmusik im 19. Jahrhundert
3.9.3 Die Cäcilienbewegung und zunehmende Zentralisierung der Liturgie
3.9.4 Von der Restauration zur Liturgischen Bewegung
3.10 Die Liturgische Bewegung und Erneuerung
3.10.1 Persönlichkeiten und Zentren der Liturgischen Bewegung
3.10.2 Prinzipien und Resultate der Liturgiereform des Zweiten Vatikanischen Konzils
3.10.3 Grenzen der Reform und Zukunftsperspektiven
Kurzinformation: Gemeinsame religiöse Feiern verschiedener Religionsgemeinschaften
4 Theologie der Liturgie
4.1 Liturgie als Versammlung vor Gott
4.1.1 Versammlung als anthropologisches Phänomen
4.1.2 Liturgie als von Gott gerufene Versammlung
Kurzinformation: Tagzeitenliturgie
4.1.3 Liturgiefeier in gegliederter Versammlung
4.1.4 Hören und Antworten als menschliche Grundaktionen in liturgischer Versammlung
4.1.5 Versammlung der Gemeinde – Versammlung der Kirche
4.1.6 Aktualisierung von Heilsgeschichte in der liturgischen Symbolhandlung
4.2 Theo-logie
4.2.1 Begegnung mit dem personalen Gott
4.2.2 Doxologische Gottesanrede
4.2.3 Der Gott der Geschichte
4.2.4 Gottesbilder der Liturgie
4.3 Christologie
4.3.1 Liturgisches Gebet »ad Christum« – »per Christum«
4.3.2 Liturgie als Feier des Pascha-Mysteriums
4.3.3 Gegenwart Christi in der Liturgie
4.4 Pneumatologie
4.4.1 Liturgie als geistgewirktes Geschehen
4.4.2 Doxologie, Epiklese, Anrufung
Kurzinformation: Feier der Taufe
4.4.3 Handauflegung und Salbung als darstellendes Handeln
4.4.4 Der Heilige Geist in poetischen Texten des Gottesdienstes
4.5 Die Zeitordnung der Liturgie
4.5.1 Zeitmodi der Liturgie
4.5.2 Die Dimension der Erinnerung
4.5.3 Die Dimension der Erwartung
4.6 Liturgie der Gemeinde und himmlische Liturgie
4.6.1 Himmlische Liturgie als Verherrlichung Gottes
4.6.2 Zusammenspiel von irdischer Liturgie und endzeitlich-himmlischer Liturgie
4.6.3 Liturgie und Eschatologie
Kurzinformation: Kirchenjahr
4.7 Der Mensch in der Liturgie
4.7.1 Heiligung des Menschen in der Liturgie
4.7.2 Transformation menschlicher Wirklichkeit
4.7.3 »Einer« in Christus – das inklusive Menschenbild
Kurzinformation: Lebenswendefeier
4.7.4 Leiblichkeit des Menschen und Liturgie
Kurzinformation: Riten anlässlich menschlicher Partnerschaft
4.8 Liturgie und christliche Lebenspraxis
4.8.1 Erinnerte Heilsgeschichte und diakonales Handeln
4.8.2 Liturgische Heilsantizipation und christliche Handlungsoptionen
4.8.3 Die wechselseitige Beziehung von Liturgie und sozialem Handeln
Kurzinformation: Trauerfeiern nach Großkatastrophen
5 Elemente und Ausdrucksformen des Gottesdienstes
5.1 Die Heilige Schrift in der Liturgie
5.1.1 Die Bedeutung biblischer Texte in der Liturgie
5.1.2 Biblische Bücher als Heilige Schrift
5.1.3 Die Verwendung biblischer Texte in der Liturgie
5.1.4 Die Rezeption biblischer Texte im Gottesdienst
5.1.5 Intertextualität biblischer Texte in der Liturgie
Kurzinformation: Wort-Gottes-Feier
5.2 Gebet in der Liturgie
5.2.1 Gebet in der Spannung von Lebenserfahrung und Glaubensüberlieferung
5.2.2 Voraussetzungen des liturgischen Gebets
5.2.3 Das Heute Gottes in der Synthese der Zeit: In-eins-Fallen von Vergangenheit und Zukunft im Jetzt
5.2.4 Theologische Grundstrukturen jüdisch-christlicher Gebetsweisen
5.2.5 Formen und Formeln des liturgischen Gebets
5.2.5.1 Die Oration (Kollektengebet)
5.2.5.2 Die Struktur des eucharistischen Hochgebets
Kurzinformation: Eucharistiefeier
5.2.5.3 Doxologien
5.2.5.4 Akklamationen
5.2.5.5 Litaneien
5.2.6 Zum Vollzug des Betens – Haltungen und Gebärden
5.3 Die Sprache der Liturgie
5.3.1 Die Sprache als Ausdrucksmittel der Liturgie
5.3.2 Die Geschichte der Sprache im Gottesdienst der katholischen Kirche
5.3.3 Die Diskussion um die Liturgiesprache von der Liturgiekonstitution (1963) bis zum Motu Proprio »Magnum Principium« (2017)
5.4 Gesang und Musik in der Liturgie
5.4.1 Der Gesang als Wesensbestandteil der Liturgie
5.4.2 Zur liturgietheologischen Einordnung der Fragestellung
5.4.3 Musik als Raum-Zeit-Kunst
5.4.4 Zur Bestimmung der Musik im Gottesdienst
5.4.5 Das »Repertoire« des liturgischen Gesangs und der Kirchenmusik
5.4.6 »Religiöser Volksgesang« und Liturgie
5.4.7 Zur theologischen Begründung des Singens im Gottesdienst
5.5 Zeichen und Zeichenhaftigkeit in der Liturgie
5.5.1 Zeichenhaftigkeit des Gottesdienstes
5.5.2 Kirchenraum: Liturgischer Feierraum und öffentlicher Raum
5.5.3 Liturgische Orte
5.5.3.1 Der Altar
5.5.3.2 Der Ambo
5.5.3.3 Der Taufort
5.5.4 Gefäße und Geräte
5.5.5 Gewänder und Textilien
Kurzinformation: Nutzung und Nachnutzung von Kirchenräumen
Anhang
1 Initiation
1.1 Feiern der Initiation
1.1.1 Die Feier der Eingliederung Erwachsener in die Kirche
1.1.2 Die Feier der Kindertaufe
1.2 Anrufung und Lobpreis Gottes über dem Wasser (Taufwasserweihe), 1. Formular
2 Eucharistie
2.1 Die Gesänge und Gebete des Ordo Missae
2.2 Der Wortgottesdienst der Messfeier, dargestellt am Beispiel des 9. Sonntags im Jahreskreis B
2.3 Das Eucharistische Hochgebet, dargestellt am Beispiel des Hochgebets II
3 Verteilung der Psalmen und Cantica im 4-Wochen-Zyklus der Liturgia Horarum 1971
4 Aufbau und Inhalt der Liturgiekonstitution ›Sacrosanctum Concilium‹
5 Die Amida in Seder Raw Amram
Quellen- und Literaturverzeichnis
Personenregister
Sachregister
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Grundlagen und Perspektiven der Liturgiewissenschaft
 3534272145, 9783534272143

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Grundlagen und Perspektiven der Liturgiewissenschaft

Albert Gerhards / Benedikt Kranemann

Grundlagen und Perspektiven der Liturgie­ wissenschaft

Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar. Das Werk ist in allen seinen Teilen urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung ist ohne Zustimmung des Verlags unzulässig. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und die Einspeicherung in und Verarbeitung durch elektronische Systeme. wbg Academic ist ein Imprint der wbg. © 2019 by wbg (Wissenschaftliche Buchgesellschaft), Darmstadt Die Herausgabe des Werkes wurde durch die Vereinsmitglieder der wbg ermöglicht. Satz: Olaf Mangold Text & Typo, Stuttgart Umschlaggestaltung: Peter Lohse, Heppenheim Umschlagabbildung: Leo Zogmayer, St. Andreas, Mitterkirchen, Österreich; Altartisch und Ambo, Olivenholz; Gotisches Taufbecken; Neugestaltung des Innenraums der gotischen Pfarrkirche, 2004. Gedruckt auf säurefreiem und alterungsbeständigem Papier Printed in Germany Besuchen Sie uns im Internet: www.wbg-wissenverbindet.de ISBN 978-3-534-27214-3 Elektronisch sind folgende Ausgaben erhältlich: eBook (PDF): ISBN 978-3-534-74598-2 eBook (epub): ISBN 978-3-534-74599-9

Inhalt5

Inhalt

Abkürzungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 11 Einleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 13 1

Liturgie im gesellschaftlichen Umfeld . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 15

1.1 Christliche Liturgie in den multiplen Modernen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 15 1.2 »Liturgie« – theologische Begriffsgeschichte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 18 1.3 Die rituelle Dimension der Liturgie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 21 1.4 Plurale Liturgie als Thema der Liturgiewissenschaft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 27 2

Geschichte, Profil und Methoden des Faches Liturgiewissenschaft . . . . . . . . . . 29

2.1 Das Selbstverständnis der Liturgiewissenschaft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 29 2.2 Etappen der Geschichte des Faches Liturgiewissenschaft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 30 2.2.1 Liturgieerklärung in der Alten Kirche und im Mittelalter . . . . . . . . . . . . . . 32 2.2.1.1 Frühchristliche Beispiele für die Reflexion des christlichen ­Gottesdienstes . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 32 2.2.1.2 Formen mittelalterlicher Liturgieerklärung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 34 2.2.2 Liturgische Quellensammlungen und Kommentare im ­Humanismus . . . 36 2.2.3 Die Rubrizistik der frühen Neuzeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 37 2.2.4 Weichenstellung zur eigenständigen Disziplin »­ Liturgiewissenschaft« . . . 38 2.2.4.1 Liturgiewissenschaft seit dem 18. Jahrhundert . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 38 2.2.4.2 Entstehung von Handbüchern im 19./20. Jahrhundert . . . . . . . . . . . . . . . . . 40 2.2.5 Programmatik der Liturgiewissenschaft im frühen 20. Jahrhundert . . . . . 41 2.2.5.1 Methodenvielfalt in der Liturgiegeschichtsforschung . . . . . . . . . . . . . . . . . . 41 2.2.5.2 Liturgiewissenschaft als theologische Disziplin . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 45 2.2.5.3 Förderung des liturgischen Lebens durch die Pastoralliturgik . . . . . . . . . . 47 2.2.6 Die Gewichtung des Faches durch das Zweite Vatikanische Konzil und die Nachkonzilszeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 48 2.2.7 Liturgiewissenschaft heute . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 49 2.2.7.1 Liturgie im kirchlichen und gesellschaftlichen Umfeld des frühen 21. Jahrhunderts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 49 2.2.7.2 Herausforderungen für die Methodik des Faches . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 53 2.3 Wie interpretiert man Liturgie? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 61

6Inhalt

3

Geschichtliche Skizze zur Liturgie aus der Perspektive der römischen ­Tradition . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 66

3.1 Liturgiegeschichte als zentrale Aufgabe der Liturgiewissenschaft . . . . . . . . . . . . . . 66 3.2 Jüdische Liturgie und urchristlicher Gottesdienst . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 69 3.2.1 Jüdischer Gottesdienst im Umfeld Jesu . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 69 3.2.2 Die Anfänge des christlichen Gottesdienstes . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 71 3.2.3 Das differenzierte Verhältnis von jüdischem und christlichem ­Gottesdienst in der Spätantike . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 73 3.2.4 Frühchristliche Liturgie im Zeugnis ausgewählter Quellen . . . . . . . . . . . . . 75 3.3 Die Entstehung des römischen Ritus . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 78 3.3.1 Von der griechischen zur lateinischen Liturgiesprache . . . . . . . . . . . . . . . . 78 3.3.2 Quellen altrömischer Liturgie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 79 3.3.3 Die römische Bischofsmesse um das Jahr 700 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 81 3.3.4 Wesenszüge der römischen Liturgie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 83 3.4 Liturgische Zentren der Spätantike . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 84 3.4.1 Die Jerusalemer Liturgie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 84 3.4.2 Die Liturgien der Patriarchate des Ostens . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 85 3.4.3 Die nicht-römischen westlichen Liturgien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 86 3.5 Die Adaption römischer Liturgie nördlich der Alpen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 86 3.5.1 Dogmengeschichtliche Hintergründe: Die Abwehr des Arianismus . . . . . 86 3.5.2 Der Wandel des Christusbildes und seine frömmigkeits­geschichtlichen Folgen im Hinblick auf liturgisches Gebet und ­Festzyklen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 87 3.5.3 Der Fortbestand der römischen Liturgie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 89 3.5.4 Kontinuität und Wandel der »römischen« Liturgie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 91 3.6 Grundzüge der Liturgie im Hoch- und Spätmittelalter am Beispiel der Liturgie der Stadt Köln . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 92 3.7 Die Liturgie in der Zeit der Reformation und der Katholischen Reform . . . . . . . . 95 3.7.1 Das Erbe des Mittelalters . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 95 3.7.2 Das vorreformatorische Jahrhundert . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 96 3.7.3 Ein Reformprojekt am Vorabend der Reformation: Der ­Libellus ad ­Leonem X (1513) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 97 3.7.4 Die Liturgiereform der Reformatoren am Beispiel der ­Abendmahlsliturgie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 98 3.7.5 Das Liturgieverständnis der Katholischen Reform . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 100 3.8 Liturgische Reformansätze der Aufklärungszeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 102 3.8.1 Zielsetzung und Reforminhalte der Liturgik der ­Aufklärungszeit . . . . . . . 102 3.8.2 Das Beispiel der Synode von Pistoia: Geistesgeschichtliche Hintergründe und Reformprogramm . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 104

Inhalt7

3.9 Liturgische Strömungen im 19. Jahrhundert . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 106 3.9.1 Die Kirchenmusik als »heilige Kunst« . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 107 3.9.2 Die Entwicklung der Kirchenmusik im 19. Jahrhundert . . . . . . . . . . . . . . . 108 3.9.3 Die Cäcilienbewegung und zunehmende Zentralisierung der Liturgie . . . 109 3.9.4 Von der Restauration zur Liturgischen Bewegung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 110 3.10 Die Liturgische Bewegung und Erneuerung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 110 3.10.1 Persönlichkeiten und Zentren der Liturgischen Bewegung . . . . . . . . . . . . 110 3.10.2 Prinzipien und Resultate der Liturgiereform des ­Zweiten  Vatikanischen Konzils . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 113 3.10.3 Grenzen der Reform und Zukunftsperspektiven . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 117 Kurzinformation: Gemeinsame religiöse Feiern verschiedener Religions­ gemeinschaften . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 120 4

Theologie der Liturgie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 125

4.1 Liturgie als Versammlung vor Gott . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 125 4.1.1 Versammlung als anthropologisches Phänomen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 125 4.1.2 Liturgie als von Gott gerufene Versammlung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 126 Kurzinformation: Tagzeitenliturgie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 128 4.1.3 Liturgiefeier in gegliederter Versammlung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 132 4.1.4 Hören und Antworten als menschliche Grundaktionen in ­liturgischer Versammlung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 133 4.1.5 Versammlung der Gemeinde – Versammlung der Kirche . . . . . . . . . . . . . . 134 4.1.6 Aktualisierung von Heilsgeschichte in der liturgischen ­Symbolhandlung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 136 4.2 Theo-logie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 136 4.2.1 Begegnung mit dem personalen Gott . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 137 4.2.2 Doxologische Gottesanrede . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 137 4.2.3 Der Gott der Geschichte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 138 4.2.4 Gottesbilder der Liturgie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 139 4.3 Christologie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 142 4.3.1 Liturgisches Gebet »ad Christum« – »per Christum« . . . . . . . . . . . . . . . . . . 142 4.3.2 Liturgie als Feier des Pascha-Mysteriums . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 144 4.3.3 Gegenwart Christi in der Liturgie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 147 4.4 Pneumatologie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 150 4.4.1 Liturgie als geistgewirktes Geschehen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 150 4.4.2 Doxologie, Epiklese, Anrufung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 151 Kurzinformation: Feier der Taufe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 154 4.4.3 Handauflegung und Salbung als darstellendes Handeln . . . . . . . . . . . . . . . 159 4.4.4 Der Heilige Geist in poetischen Texten des Gottesdienstes . . . . . . . . . . . . . 160

8Inhalt

4.5 Die Zeitordnung der Liturgie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 162 4.5.1 Zeitmodi der Liturgie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 162 4.5.2 Die Dimension der Erinnerung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 165 4.5.3 Die Dimension der Erwartung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 167 4.6 Liturgie der Gemeinde und himmlische Liturgie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 167 4.6.1 Himmlische Liturgie als Verherrlichung Gottes . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 167 4.6.2 Zusammenspiel von irdischer Liturgie und endzeitlich-himmlischer ­Liturgie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 168 4.6.3 Liturgie und Eschatologie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 169 Kurzinformation: Kirchenjahr . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 170 4.7 Der Mensch in der Liturgie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 173 4.7.1 Heiligung des Menschen in der Liturgie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 174 4.7.2 Transformation menschlicher Wirklichkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 175 4.7.3 »Einer« in Christus – das inklusive Menschenbild . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 177 Kurzinformation: Lebenswendefeier . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 178 4.7.4 Leiblichkeit des Menschen und Liturgie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 180 Kurzinformation: Riten anlässlich menschlicher Partnerschaft . . . . . . . . . . . . . . . 182 4.8 Liturgie und christliche Lebenspraxis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 191 4.8.1 Erinnerte Heilsgeschichte und diakonales Handeln . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 191 4.8.2 Liturgische Heilsantizipation und christliche Handlungsoptionen . . . . . . 192 4.8.3 Die wechselseitige Beziehung von Liturgie und sozialem Handeln . . . . . . 192 Kurzinformation: Trauerfeiern nach Großkatastrophen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 194 5

Elemente und Ausdrucksformen des Gottesdienstes . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 197

5.1 Die Heilige Schrift in der Liturgie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 197 5.1.1 Die Bedeutung biblischer Texte in der Liturgie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 197 5.1.2 Biblische Bücher als Heilige Schrift . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 199 5.1.3 Die Verwendung biblischer Texte in der Liturgie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 199 5.1.4 Die Rezeption biblischer Texte im Gottesdienst . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 203 5.1.5 Intertextualität biblischer Texte in der Liturgie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 205 Kurzinformation: Wort-Gottes-Feier . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 208 5.2 Gebet in der Liturgie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 211 5.2.1 Gebet in der Spannung von Lebenserfahrung und Glaubens­ überlieferung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 211 5.2.2 Voraussetzungen des liturgischen Gebets . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 213 5.2.3 Das Heute Gottes in der Synthese der Zeit: In-eins-Fallen von ­Vergangenheit und Zukunft im Jetzt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 214 5.2.4 Theologische Grundstrukturen jüdisch-christlicher Gebetsweisen . . . . . . 215 5.2.5 Formen und Formeln des liturgischen Gebets . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 217 5.2.5.1 Die Oration (Kollektengebet) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 217

Inhalt9

5.2.5.2 Die Struktur des eucharistischen Hochgebets . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 218 Kurzinformation: Eucharistiefeier . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 221 5.2.5.3 Doxologien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 226 5.2.5.4 Akklamationen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 227 5.2.5.5 Litaneien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 228 5.2.6 Zum Vollzug des Betens – Haltungen und Gebärden . . . . . . . . . . . . . . . . . . 229 5.3 Die Sprache der Liturgie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 231 5.3.1 Die Sprache als Ausdrucksmittel der Liturgie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 231 5.3.2 Die Geschichte der Sprache im Gottesdienst der ­katholischen Kirche . . . 234 5.3.3 Die Diskussion um die Liturgiesprache von der Liturgiekonstitution (1963) bis zum Motu Proprio »Magnum Principium« (2017) . . . . . . . . . . . 237 5.4 Gesang und Musik in der Liturgie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 243 5.4.1 Der Gesang als Wesensbestandteil der Liturgie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 243 5.4.2 Zur liturgietheologischen Einordnung der Fragestellung . . . . . . . . . . . . . . 244 5.4.3 Musik als Raum-Zeit-Kunst . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 245 5.4.4 Zur Bestimmung der Musik im Gottesdienst . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 246 5.4.5 Das »Repertoire« des liturgischen Gesangs und der Kirchenmusik . . . . . 247 5.4.6 »Religiöser Volksgesang« und Liturgie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 248 5.4.7 Zur theologischen Begründung des Singens im Gottesdienst . . . . . . . . . . . 249 5.5 Zeichen und Zeichenhaftigkeit in der Liturgie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 251 5.5.1 Zeichenhaftigkeit des Gottesdienstes . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 251 5.5.2 Kirchenraum: Liturgischer Feierraum und öffentlicher Raum . . . . . . . . . . 253 5.5.3 Liturgische Orte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 255 5.5.3.1 Der Altar . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 255 5.5.3.2 Der Ambo . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 257 5.5.3.3 Der Taufort . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 259 5.5.4 Gefäße und Geräte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 260 5.5.5 Gewänder und Textilien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 262 Kurzinformation: Nutzung und Nachnutzung von Kirchenräumen . . . . . . . . . . . 265 Anhang . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 269 1 Initiation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 270 1.1 Feiern der Initiation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 270 1.1.1 Die Feier der Eingliederung Erwachsener in die Kirche . . . . . . . . . . . . . . . . 270 1.1.2 Die Feier der Kindertaufe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 273 1.2 Anrufung und Lobpreis Gottes über dem Wasser (Taufwasserweihe), 1. Formular . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 274 2 Eucharistie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 276 2.1 Die Gesänge und Gebete des Ordo Missae . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 276

10Inhalt

2.2 2.3

Der Wortgottesdienst der Messfeier, dargestellt am Beispiel des 9. Sonntags im Jahreskreis B . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 277 Das Eucharistische Hochgebet, dargestellt am Beispiel des ­ Hochgebets II . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 278

3

Verteilung der Psalmen und Cantica im 4-Wochen-Zyklus der Liturgia ­Horarum 1971 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 281

4

Aufbau und Inhalt der Liturgiekonstitution ›Sacrosanctum Concilium‹ . . . . . . . . 284

5

Die Amida in Seder Raw Amram . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 286

Quellen- und Literaturverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 291 Personenregister . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 328 Sachregister . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 333

Abkürzungen11

Abkürzungen Die Abkürzungen für antike Autoren und ihre Werke richten sich nach dem Abkürzungsverzeichnis des »Lexikon für Theologie und Kirche«, dritte völlig neu bearbeitete Auflage. Die Abkürzungen von Zeitschriften folgen in der Regel Siegfried M. Schwertner, IATG³ – Internationales Abkürzungsverzeichnis für Theologie und Grenzgebiete. Zeitschriften, ­Serien, Lexika, Quellenwerke mit bibliographischen Angaben. 3., überarbeitete und erweiterte Auflage. Berlin – Boston 2014. Als weitere Abkürzungen werden verwendet: AEM Allgemeine Einführung in das Römische Meßbuch (enthalten in: Die Meßfeier – Dokumentensammlung [vgl. im Quellen- und Literaturverzeichnis Nr. 79]) AES Allgemeine Einführung in das Stundengebet [vgl. Nr. 80] DEL Dokumente zur Erneuerung der Liturgie [vgl. Nrn. 81–83] GL Gotteslob [vgl. Nr. 75] KKK Katechismus der katholischen Kirche. München [u. a.] 1993 LG Lumen Gentium NA Nostra Aetate PEM Pastorale Einführung in das Meßlektionar (enthalten in: Die Meßfeier – ­Dokumentensammlung [vgl. Nr. 79]) 7–89 PLR-GD Pastoralliturgische Reihe in Verbindung mit der Zeitschrift Gottesdienst PO Presbyterorum Ordinis SC Sacrosanctum Concilium [vgl. Nr. 100] UR Unitatis Redintegratio

 

13

Einleitung Gegenstand der Liturgiewissenschaft als theologischer Disziplin sind Geschichte, Theologie und Gegenwart des Gottesdienstes. Die vielfältigen Feiern unterschiedlicher christlicher Liturgien werden untersucht. Die Ausdrucksformen des Glaubens, die für die Liturgiewissenschaft Objekt wissenschaftlichen Interesses sind, umfassen das gesamte sprachliche und nichtsprachliche Spektrum liturgischer Zeichenhandlungen in Geschichte und Gegenwart, in unterschiedlichen Konfessionen und Kulturen. Dieser Fülle an Inhalten steht in dieser Einführung die notwendige Kürze der Darstellung gegenüber. So können nur einige grundlegende Themen angesprochen, hier und dort Akzente gesetzt, Hinweise und Anregungen für die eigene weitere Lektüre gegeben werden. Wenn dieses Buch auch vieles nur fragmentarisch abhandeln kann, so will es doch ein differenziertes Bild des christlichen Gottesdienstes bieten und Interesse an der Liturgiewissenschaft wecken. Am Anfang des Buches steht eine Skizze über Funktion und Deutung von Liturgie im gesellschaftlichen Umfeld. Ein zweites Kapitel führt in das Fach Liturgiewissenschaft ein. Dem schließt sich ein längeres, dennoch ausschnitthaft bleibendes Kapitel über die Geschichte der römischen Liturgie an. Auch hier zwingt die Kürze der Darstellung zur Konzentration auf Basisinformationen. Die Liturgiegeschichte ist ein ebenso zentrales Gebiet der Liturgiewissenschaft wie die Theologie der Liturgie, von der einige wesentliche Themen ausgearbeitet werden. Auf dieser Basis von Geschichte und Theologie lassen sich Elemente und Ausdrucksformen des Gottesdienstes darstellen: die Heilige Schrift in der Liturgie, das Gebet als zentrale liturgische Sprachhandlung, die Sprache des Gottesdienstes, Gesang und Musik sowie Zeichen und Zeichenhaftigkeit der Liturgie. Grundlegendes wird behandelt, vor dessen Hintergrund ein Handlungsgeschehen wie die Liturgie erst zu verstehen ist. Ein Anhang mit einigen wenigen Textbeispielen und Schemata, exkursartige Darstellungen zu einzelnen Formen des Gottesdienstes und zu Fragen gegenwärtiger Liturgie sowie ein umfangreiches Literaturverzeichnis helfen, das vorliegende Buch als Studienbuch zu benutzen. Dieses einführende Werk richtet sich an theologisch und kulturwissenschaftlich interessierte Leserinnen und Leser. Deshalb stehen weniger Fragen der Liturgiepastoral als theologische und historische Fragestellungen im Vordergrund. Zudem werden diejenigen, die sich mit Geschichte und Theologie der Liturgie vertraut gemacht haben, in die Lage versetzt, selbstständig Kriterien für die Pastoral zu entwickeln. Schließlich sei auf die konfessionelle Begrenzung des Buches aufmerksam gemacht. Die vorliegende Einführung ist aus der Perspektive katholischer Theologie geschrieben. Die Liturgie­w issenschaft arbeitet schon lange ökumenisch; deshalb kommen selbstverständlich auch Stimmen aus Wissenschaftstraditionen anderer Konfessionen zur Sprache. Die Verfasser wissen sich einer ökumenischen Liturgiewissenschaft verpflichtet, haben sich aber für diese knappe Publikation auf die Darstellung der eigenen Tradition beschränken müssen.

14

Einleitung 

Für diese vierte Auflage des ursprünglich unter dem Titel »Einführung in die Liturgiewissenschaft« erschienenen Bandes sind eine Reihe von Kurzdarstellungen zu einzelnen litur­gischen Feiern und aktuellen Fragen der Liturgiewissenschaft aufgenommen worden. Es wurden zudem einige Passagen im Buch ergänzt und durchgesehen. In größerem Maße wurde neuere Literatur nachgetragen. Für diese Überarbeitung war insbesondere das Ziel, die Einführung in die Liturgiewissenschaft mit Blick auf die neuen Herausforderungen und die vielfältigen Krisen in der katholischen Kirche, die auch die Feier des Gottesdienstes berühren, weiterzuentwickeln. Die Ergänzungen und Umarbeitungen wollen helfen, mit den Anfragen, die sich heute für die Liturgie auf ganz unterschiedlichen Feldern kirchlichen Lebens stellen, sachgerecht und kreativ umzugehen. Für Anregungen und redaktionelle Hilfe bei der Erarbeitung der verschiedenen Auflagen des Buches gilt den ehemaligen und jetzigen studentischen und wissenschaftlichen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern an den Lehrstühlen für Liturgiewissenschaft der KatholischTheologischen Fakultäten in Bonn und Erfurt, besonders Dr. Annika Bender, Dipl. theol. Birgit Hosselmann, Juliane Neitzke, M. Theol. Christopher Tschorn, Prof.  Dr. Stephan Wahle und Alfrun Wiese unser Dank. Albert Gerhards

Benedikt Kranemann

1.1  Christliche Liturgie in den multiplen Modernen15

1 Liturgie im gesellschaftlichen Umfeld

1.1

Christliche Liturgie in den multiplen Modernen

Hinter dem Wort »Liturgie« verbirgt sich eine Fülle von Feierformen, die auf ganz verschiedene Weise mit dem Leben der Kirche, der Gesellschaft und des Einzelnen verbunden sind und sehr unterschiedliche Deutungen erfahren. »Liturgie« ist ein Begriff, der zwar in der Abstraktion und Distanz Analyse und Erkenntnis erleichtert, zugleich aber immer um die Spezifika und Unterschiede konkreter Liturgiefeiern zu ergänzen ist. Unsere Einführung in die Liturgiewissenschaft geht entsprechend vor: Sie stellt jene Aussagen und Erkenntnisse zusammen, die im Hinblick auf das Phänomen »Liturgie« allgemein formuliert werden können, und wendet sie auf konkrete Liturgiefeiern an. Beispiele für die Vielfalt des liturgischen Lebens der Kirche lassen sich rasch zusammentragen. Im Mittelpunkt der katholischen Kirchengemeinde steht die sonntägliche Eucharistie als Feier der Auferstehung Christi – eine Liturgie mit klarem Anlass (wöchentliche Feier des Ostergeheimnisses als Mittelpunkt christlicher Existenz) zu einem fixen Termin (dem Sonntag) und in der Regel an einem bestimmten Ort (Gemeindekirche), mit einer, was die Teilnahmevoraussetzungen betrifft (Initiation), relativ deutlich umrissenen, auch konfessionell abgegrenzten Teilnehmergruppe und einer durch kirchliche Ordnungen definierten Verteilung der Ämter und Rollen. Diese Liturgie soll den Vorgaben und Texten (Lesungen, Orationen, Hochgebet etc.) liturgischer Bücher, des Lektionars, Evangeliars oder Messbuchs, folgen. Sie ist also kirchlich geordnete Liturgie, für die aber erhebliche Gestaltungsspielräume bestehen. Als Gründe für die kirchlich vorgegebene Ordnung werden die notwendige Strukturierung menschlicher Versammlung, das Bemühen um Orthodoxie in der Liturgie, die Ausdruck des Glaubens der Kirche ist, die Einbindung der Liturgie in die Kirche und die Sicherung des theologischen und kulturellen Niveaus der Liturgie genannt (Klöckener/122). Variationen zwischen den Liturgien verschiedener Ortskirchen stammen darüber hinaus entweder aus Inkulturation, also der Interaktion verschiedener Kulturen, oder aus selbst eingeräumten Gestaltungsfreiheiten. Der Liturgie wird die Aufgabe der Konstituierung von Kirche zugewiesen: Aus der Eucharistie heraus soll Kirche jeweils neu entstehen. Diese Liturgie besitzt also eine stark binnenkirchliche Bedeutung, wird aber auch in der Gesellschaft als Handeln einer gesellschaftlichen Gruppe wahrgenommen und toleriert. Aufgrund des massiven Priestermangels ist für eine wachsende Zahl von Christen am Sonntag die Feier der Eucharistie in der Gemeinde bzw. am Kirchort innerhalb der jeweiligen Großpfarrei nicht mehr möglich. Wenn in solchen Fällen eine Wort-Gottes-Feier begangen wird, zeigt dies, welche Bedeutung die sonntägliche gemeinschaftliche Liturgiefeier in einer kirchlich verantworteten Form für die Existenz der Kirche besitzt. Im Mittelpunkt

16

1  Liturgie im gesellschaftlichen Umfeld

dieser Feier stehen die Verkündigung des Wortes Gottes, Besinnung und Gebet. Die Feiern werden von Männern und Frauen aus der Gemeinde geleitet, die eine bischöfliche Beauftragung haben. Für diese Gottesdienste gibt es kirchenamtliche Vorlagen (s. unten 208–211). Blickt man allein auf die Fülle der Erscheinungsformen kirchlich verantworteter Liturgie, trifft man auf zahlreiche »Liturgien«. Dazu gehören so unterschiedliche Feiern wie die Messfeier mit Wortgottesdienst und Eucharistie; die Tagzeitenliturgie (Laudes, Vesper, Komplet, Lesehore und die kleinen Horen) mit alt- und neutestamentlichen Gesängen, Schriftlesung und Gebet; die Liturgie des Osterfestes mit komplexer Struktur aus Nachtwache (Vigil) mit Lichtfeier, Wortgottesdienst, Taufe und Eucharistie; eine einfache Benediktion (Segnung) mit Schriftlesung, Segensgebet, Fürbitte und Schlussgebet oder eine Begräbnisliturgie, die in Lesung, Gebet und Zeichenhandlung Abschied von und Hoffnung für den Verstorbenen zum Ausdruck bringt. Dieser Katalog ließe sich um viele weitere Feierformen aus Tradition und Gegenwart erweitern; dies erst recht, wenn man den Blick auf die Ökumene und die zahlreichen Weisen weitet, ökumenische Gottesdienste zu feiern. »Liturgie« bezeichnet heute also keineswegs nur die Messe, sondern alle Formen kirchlich verantworteter gottesdienstlicher Feiern mit unterschiedlicher theologischer Bedeutung und verschiedenem rituellem Habitus. Einen ganz anderen Typ von Liturgie bilden Gottesdienste, die anlässlich gesellschaftlicher Ereignisse begangen werden, etwa im Umfeld von Katastrophen (Disaster Ritual/109; Riskante Liturgien/144 ; Trauerfeiern/149; Deutschland trauert/108; Kranemann/126). Sie finden anlassbezogen statt und werden zumeist in Zusammenarbeit von Kirche und staatlichen Institutionen unter Zugrundelegung bestimmter ritueller Repertoires organisiert. Solche Feiern sind kein binnenkirchliches Geschehen, sondern tragen explizit öffentlichen Charakter. Letztlich gibt es keine klaren Teilnahmevoraussetzungen, wenngleich beispielsweise die Trauer um die Katastrophenopfer die Teilnehmenden eint. Die Funktion der Feier ist Hilfe zur Artikulation und Bewältigung von Trauer und Ausdruck gesellschaftlicher Solidarität. Die Feier wird von manchen konfessionell-religiös, von anderen eher zivilreligiös gedeutet. Die Rollenträger variieren und werden nicht allein nach kirchlich-theologischen Vorgaben bestimmt. In der Regel werden solche Feiern interkonfessionell, zunehmend unter Einbezug anderer Religionen, also multireligiös begangen. Auch die Feiergestalt variiert, obwohl bestimmte Elemente (Bibeltexte, Instrumentalmusik, Segensgesten u. Ä.) immer wieder verwendet werden. An welchen Orten solche Gottesdienste stattfinden, hängt von den Umständen ab; das können Kirchenräume, öffentliche Plätze, aber etwa auch Sportstadien sein. Diese Gottesdienste besitzen eine sehr große mediale Präsenz, sodass unterschiedliche Partizipationsformen durch unmittelbare Teilnahme oder via Medien möglich sind. Je nachdem, ob in diesen Ritualen ein explizites Gottesbekenntnis ausgesprochen und in der Feier Gott als Gegenüber des Menschen bekannt wird, kann man von Liturgie oder aber allgemeiner von einer religiösen Feier sprechen. Damit gelangt eine Ausdifferenzierung der kirchlichen Feierkultur ins Blickfeld, die in dem Moment wächst, in dem die Kirche über den engeren Kreis der Kirchenmitglieder hinaus mit neuen Ritualen in die Gesellschaft hineinwirkt. Diese Vielfalt von Feier- und letztlich auch Liturgieformen stellt

1.1  Christliche Liturgie in den multiplen Modernen17

sich insbesondere einer Kirche als Aufgabe, die sich als Teil einer pluralen Gesellschaft versteht. Sie ist Ausdruck einer gesellschaftlich offenen Kirche. Die Feier der Säuglingstaufe ist in westeuropäischen Gesellschaften unter Katholiken nach wie vor die häufigste Form der Initiation. Taufe bedeutet (in Einheit mit Firmung und Eucharistie), dass die Getauften an Tod und Auferstehung Christi teilhaben und in die Kirche eingegliedert werden. Die Liturgie erfährt kirchlich-sakramententheologisch eine klare Deutung. Als Initiationsliturgie, also im religiösen Sinne als Rite de Passage (van Gennep/151; Turner/150) oder Übergangsritus vom Zustand des Nichtgetauftseins in den Status des Getauftseins, kommt ihr innerkirchlich eine andere Bedeutung zu als etwa der Eucharistie, die diesen Status voraussetzt. In der Gegenwart werden dieser Liturgie aber von den Beteiligten weitere und als wesentlich empfundene Deutungen zugeschrieben, die für das Verständnis vielfältiger Wahrnehmungen von Liturgie wichtig sind. Gerade die Säuglingstaufe wird häufig als ein die Identität der Familie religiös bestätigendes und sakralisierendes Ritual gedeutet. Man versteht die Taufe als Privatangelegenheit, der Bezug zu Kirche und Gemeinde tritt zurück. Im Vordergrund steht (nach Ebertz/110) die Bestätigung, Deutung und Überhöhung eigener Lebenswirklichkeit. Zugleich verläuft die Taufe aber nach einem kirchlich approbierten liturgischen Buch und mit entsprechenden Rollenträgern. Die Eltern entscheiden sich bewusst für diese kirchliche Liturgie, interpretieren sie aber im Kontext der Familie. Der Traditionserhalt im Ritual geht einher mit dem Traditionsbruch in der Deutung. Ähnliches ließe sich für Trauung und Begräbnis zeigen. Am Beispiel ist ablesbar, dass sich mit jeder Liturgie ganz unterschiedliche Deutungszuweisungen verbinden können, deren Legitimität und Zueinander theologisch zu reflektieren ist. Der Begriff »Liturgie« umschließt also nicht nur eine Formen-, sondern auch eine Deutungsvielfalt, so dass ein und dieselbe Feier ganz unterschiedlich interpretiert wird (Hoffman/120; Winter/152). Solche Bedeutungszuweisungen über den theologischen Sinn hinaus begleiten die Liturgiegeschichte, erhalten aber im religiösen Pluralismus der Moderne größere Relevanz und Plausibilität. Die Vielfalt heutigen gottesdienstlichen Lebens (vgl. dazu auch Haunerland/117: 141–150) muss mit der Entwicklung von Religion und damit des Christentums in Westeuropa zusammengesehen werden. Für deren Beschreibung ist »Säkularisierung« das gängige Beschreibungsparadigma. Drei Aspekte kennzeichnen in Anlehnung an Studien des amerikanischen Soziologen Jose Casanova (Casanova/106) die Rolle der Religion in der Säkularisierung westeuropäischer Gesellschaften, die »in Sachen religiöser Entwicklung als die große, erklärungsbedürftige Ausnahme« (Gabriel/113: 16) betrachtet werden kann: 1. Trennung von weltlicher und religiöser Sphäre charakterisiert die Säkularisierung. Politik, Wirtschaft, Wissenschaft und auch Religion sind autonom geworden, die Gesellschaft hat sich differenziert. Damit verliert die Religion nicht etwa ihre Funktion, aber diese Funktion ändert sich. 2. Zudem bedeutet Säkularisierung in Westeuropa, dass Traditionen und Praktiken der Religionen erodieren. Im Bereich der Liturgie ist das offenkundig: Die Gottesdienstpraxis deutscher Katholiken hat sich in den letzten Jahrzehnten deutlich verändert. Nach einer

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1  Liturgie im gesellschaftlichen Umfeld

Statistik der Deutschen Bischofskonferenz ist die Zahl der Teilnehmenden am katholischen Sonntagsgottesdienst in Deutschland von 1962 bis 2017 von 44,7 % (Westdeutschland) auf 9.8 % gefallen. Es gibt regional erhebliche Unterschiede. Die Zahl der Säuglingstaufen ist relativ stabil. Rückläufige Zahlen liegen unter anderem für die Trauung vor. Die Zahl der durch die katholische Kirche durchgeführten Bestattungen ist in den letzten Jahrzehnten vergleichsweise leicht zurückgegangen. Demgegenüber stieg die Zahl der Taufen von Kindern im Schulalter und von Erwachsenen. Erosionen lassen sich auch hinsichtlich der Vertrautheit mit unterschiedlichen liturgischen Riten und Frömmigkeitspraktiken beobachten (vgl. »Zahlen und Fakten« auf der Homepage der Deutschen Bischofskonferenz www.dbk.de). 3. Schließlich wird als dritter Aspekt von Säkularisierung die Privatisierung von Religion genannt. Diese Tendenz ist, empirisch nachweisbar, in Europa ungebrochen, wenngleich die Verlagerung der Religion aus dem Bereich der Öffentlichkeit in die Sphäre des Privaten keine zwangsläufige Folge moderner Gesellschaftsentwicklung ist und sich auch neue Vergemeinschaftungsformen in geistlichen und sozialen Bewegungen, zum Teil auch an neuen Orten, beobachten lassen (Loffeld/132). Es sind durchaus gegensätzliche Entwicklungen zu beobachten. Verschiedene Tendenzen auch der Religionsentwicklung nimmt die Theorie der multiplen Modernen in den Blick. Sie führt Säkularisierungs-, aber auch Modernisierungstheorien zusammen und rechnet innerhalb der vielfältigen Modernen mit Spannungen und Konflikten sowie durchaus gegen­ sätzlichen Entwicklungen. Das wird auch auf Religion angewendet. Es kann sowohl einschließen, dass Religion an Bedeutung verliert, kann aber auch meinen, dass sie neu an Vitalität gewinnt. Zudem lässt sich so die Gleichzeitigkeit von religiösem Fundamentalismus als auch von Modernisierungsprozessen innerhalb von Religionsgemeinschaften erklären (Gabriel/112). Solche Rahmendaten für das Verhältnis von Religion und Öffentlichkeit betreffen auch die Liturgiefeier. Die Ausdifferenzierung von Formen und Deutungen der Liturgie steht im Zusammenhang mit der so veränderten Rolle der Religion; diese Veränderung nimmt auch darauf Einfluss, was Liturgie im Einzelnen bedeutet und wie sie wahrgenommen wird.

1.2

»Liturgie« – theologische Begriffsgeschichte

Letztlich spiegeln sich die genannten Diversifikationen schon historisch wider und machen die Pluralität der Liturgietradition auch innerhalb der katholischen Kirche sichtbar. Die Bezeichnungen für die Vielfalt gottesdienstlicher Feiern haben eine sehr komplexe Begriffsgeschichte durchlaufen, innerhalb derer der Begriff »Liturgie« erst spät gebräuchlich wurde. So begegnen Begriffe, die auf den Dienst im Gottesdienst abzielen, wie etwa ministerium, munus, officium, opus – vom lateinischen »opus Dei« leitet sich das deutsche Wort »Gottesdienst« ab –, wobei offen bleibt, ob der Dienst Gottes am Menschen oder der Dienst des Menschen für Gott oder beides angesprochen ist. Eindeutiger sieht es bei ebenfalls verbrei-

1.2  »Liturgie« – theologische Begriffsgeschichte19

teten Bezeichnungen wie mysterium oder sacramentum aus, in denen die Heilszuwendung Gottes (die soterische Dimension oder Katabasis, von griech. καταβαίνειν – hinabsteigen) anklingt, was das Handeln Gottes am Menschen betont, oder bei Begriffen wie cultus, devotio oder religio, welche die Verehrung Gottes oder den seitens des Menschen Gott geschuldeten Kult (latreutische Dimension oder Anabasis, von griech. ἀναβαίνειν – hinaufsteigen) in den Vordergrund stellen. Daneben stehen Bezeichnungen, die stärker auf das Äußere des Gottesdienstes hinweisen, wie caeremoniae und ritus. »Liturgie« leitet sich vom griechischen λειτουργία ab, einem Kompositum aus ἔργον (Werk) und λαός (Volk). Man bezeichnete damit zunächst Leistungen der Bürger für staatliche und soziale Zwecke, also Dienste für das Gemeinwesen und damit für das Volk insgesamt (Aufwendungen für die Armenspeisung, Finanzierung kultureller und sportlicher Einrichtungen). In kultischen Zusammenhängen taucht der Begriff erst im zweiten vorchristlichen Jahrhundert auf. In der griechischen Übersetzung des Alten Testaments, der Septuaginta, wird λειτουργία für den Dienst am Jerusalemer Tempel (für ‫ )עבדה‬verwendet. Im Neuen Testament steht die gesamte Wortgruppe für Unterschiedliches, ist auf den alttestamentlichen Priesterdienst bezogen (Lk 1,23; Hebr 9,21; 10,11), trägt aber auch noch die alte Bedeutung von Steuern (Röm 13,6), bedeutet karitativen Dienst (Röm 15,27; 2 Kor 9,12; Phil 2,30) und bildet in der Terminologie des Opferdienstes den Dienst des Apostels ab (Röm 15,16; Phil 2,17). Auf eine christliche gottesdienstliche Versammlung ist nur Apg 13,2 bezogen (»als sie zu Ehren des Herrn Gottesdienst feierten [λειτουργούντων] und fasteten«). Die letztgenannte Bedeutung, also der Bezug auf den Gottesdienst und die liturgischen Ämter, setzt sich in nachapostolischer Zeit durch (1 Clem 41,1 [SUC 1]; 44,2–6; Did 15,1 [FC 1]; ­Eusebius, hist eccl III, 13,34 [Sources chretiennes 31]; Const Apost II, 25,5.7; VIII, 4,5; 18,3; 47,15.28.36 [Sources chretiennes 320.336]). Schon im Euchologion 11,3, einer Sammlung von Gebeten, die unter dem Namen des Serapion von Thmuis († nach 362) überliefert ist, wird der Terminus nur noch für die Eucharistie verwendet. Diese Engführung setzt sich im Osten und Westen durch. Erst seit dem Humanismus wird das Wort »Liturgie« im Westen gebräuchlich. 1540 verwendet der Humanist Beatus Rhenanus (1485–1547) »Liturgia« in einer Ausgabe der Chrysostomus-Liturgie. Ein Jahr später gebraucht Georg Witzel (1501–1573) den griechischen Begriff im Deutschen und spricht von »Liturgy«. Er wird zunächst noch im engeren Sinn auf die Messe bezogen und steht seit dem 18. Jahrhundert umfassender für alle gottesdienstlichen Vollzüge. Heute ist der Begriff in verschiedenen christlichen Kirchen gebräuchlich (Lengeling/129 u. 131; Gerhards/442). Mit den Begriffen »Katabasis« und »Anabasis« wurden die beiden wesentlichen Seiten des Handlungsgeschehens Liturgie bereits genannt. Es gab Phasen der Liturgiegeschichte, in denen die Anabasis und damit die kultische Dimension des Gottesdienstes sehr stark in den Vordergrund gerückt wurden. Zwei ältere, für das Verständnis von Liturgie vor dem Zweiten Vatikanischen Konzil einflussreiche Definitionen von Liturgie machen das deutlich. Der Codex Iuris Canonici (CIC) von 1917 definiert in den Canones 1256 f., derjenige Kult werde »öffentlich« genannt, der im Namen der Kirche von rechtmäßig dazu beauftragten Personen und durch Akte vollzogen werde, welche die Kirche eingesetzt habe. Andernfalls werde er »privat« genannt. Es sei allein Sache des Apostolischen Stuhls, sowohl die heilige Liturgie zu

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1  Liturgie im gesellschaftlichen Umfeld

ordnen als auch liturgische Bücher zu approbieren. Der Begriff »cultus« (vom lateinischen »colere« – »pflegen«, »verehren«), der hier anstelle von »Liturgie« verwendet wird, hebt allein die Verehrung Gottes hervor. Kult gehört zum Habitus von Religion. Die Aktualisierung von Heilsgeschichte im Gottesdienst, das Handeln Gottes am Menschen und damit vor allem die Heiligung des Menschen (vgl. Kap. 4) als im Gottesdienst gegenwärtig geglaubtes Geschehen bleiben unausgesprochen oder treten zurück. Zudem ist öffentlicher Kult nur das, was die kirchliche Autorität hinsichtlich der handelnden Personen und der zu vollziehenden Handlungen festgelegt hat. Ludwig Eisenhofer (1871–1941) formuliert in seinem bedeutenden »Handbuch der katholischen Liturgik«, das 1941 in zweiter Auflage erschien: »Die katholische Liturgie ist der äußere, öffentliche Kult, der in seiner Grundlage von Christus gegeben, in den Einzelheiten seiner Ausführung von der Kirche geregelt ist« (Eisenhofer/43: I 6). Hier ist eine weitere Zuspitzung zu beobachten: Bis in die Einzelheiten der Ausführung hinein ist festgelegt, wie Liturgie zu verlaufen hat. Nur eine so vollzogene Liturgie gilt als gültig und als Gott angemessener Kult. In der Konsequenz solch klarer Umgrenzungen lag, dass man öffentlichen und privaten Kult, Liturgie, Paraliturgie und »fromme Übungen« (»pia exercitia«) voneinander abzugrenzen suchte. Die Vorstellung des Gott geschuldeten Kultes förderte außerdem die Vorstellung, dass vor allem das Messopfer allein vom Priester darzubringen und die Teilnahme der Gemeinde zwar sinnvoll, aber nicht zwingend notwendig sei: »Zum gültigen Vollzug desselben genügt der Priester allein, ohne daß die Anwesenheit der Gläubigen hierzu erfordert wäre.« Notwendig sei lediglich, »daß derjenige, welcher den Gottesdienst ausübt, in Wahrheit als rechtmäßiger Repräsentant einer Körperschaft, hier der Kirche, angesehen werden muß« (Eisenhofer/43: I 18). Die heutige Liturgietheologie setzt deutlich anders an. Sie hat sich im Gefolge der Liturgischen Bewegung entwickelt und drückt sich vor allem in der Liturgiekonstitution »Sacrosanctum Concilium« des Zweiten Vatikanischen Konzils aus, dem für die römisch-katholische Liturgie der Gegenwart maßgeblichen Dokument (vgl. Anhang  4). Der Begriff »Liturgie«, der Katabasis und Anabasis zusammenbindet, ist dafür ein Programmwort. Der dritte Absatz von SC 7 beschreibt das Geschehen der Liturgie folgendermaßen: »Durch sinnenfällige Zeichen wird in ihr die Heiligung des Menschen (sanctificatio hominis) bezeichnet und in je eigener Weise bewirkt und vom mystischen Leib Jesu Christi, d. h. dem Haupt und den Gliedern, der gesamte öffentliche Kult (cultus publicus) vollzogen.« Primär ist Liturgie  – so deutet es die Liturgiekonstitution  – das Handeln Gottes am Menschen, woraus gleichsam als Konsequenz die Verehrung Gottes, die kultische Dimension der Liturgie, erwächst. Die Verherrlichung Gottes ist Antwort auf die neue Wirklichkeit, die Gott dem Menschen eröffnet. Die Konstitution verbindet dies in SC 7 mit der Gegenwart Christi im Gottesdienst. Sie macht deutlich, wie sowohl Katabasis als auch Anabasis im Gottesdienst ein Geschehen durch und mit Christus sind. Liturgie ist damit in besonderer Weise ein Ort der Präsenz Christi. Als sinnstiftende Mitte der Liturgie nennt das Konzil das Pascha-Mysterium, insbesondere Leiden, Tod, Auferstehung und Erhöhung Christi (dazu Schrott/146). Will man sich dem Gefeierten sprachlich annähern, kann man das Grundgeschehen der Liturgie also als »Dialog zwischen Gott und Mensch« (Lengeling/130), als Kommunikations-

1.3  Die rituelle Dimension der Liturgie21

geschehen oder Begegnungsereignis beschreiben. Wichtig ist, dass es um ein Geschehen zwischen Gott und Mensch geht, dessen rituelle Grundvollzüge das Hören auf Gottes Wort und das Antworten auf dieses Wort sind. Man hat deshalb als Grundstrukturen der Liturgie die Lesung als Zeichen der Gegenwart Christi und das Gebet als Zeichen der hörenden und antwortenden Gemeinde genannt (Häußling/118: 902). So komplex Liturgie auch wirkt, im Kern lassen sich sehr grundlegende und einfache Vollzüge »elementarisieren«. Die Liturgiekonstitution unterstreicht, dass Liturgie ein Geschehen ist, welches die ganze Kirche betrifft und von der ganzen Kirche getragen wird. So heißt es im vierten Absatz von SC 7: »Infolgedessen ist jede liturgische Feier als Werk Christi, des Priesters, und seines Leibes, der die Kirche ist, in vorzüglichem Sinn heilige Handlung, deren Wirksamkeit kein anderes Tun der Kirche an Rang und Maß erreicht.« Nicht mehr allein die geweihten Priester, sondern alle Getauften tragen die Liturgie mit. Dem entspricht das für die heutige Liturgie wesentliche, in der Liturgiekonstitution wie ein Leitgedanke auftauchende Axiom der »tätigen Teilnahme«: Die Getauften sollen die Liturgie feiern und darin ihre Würde als Getaufte erfahren. Es handelt sich um eine Liturgie, die Sache der ganzen Kirche ist. Die Konstitution hebt zudem hervor, dass die Liturgie wesentlich ein Geschehen in Zeichen ist, die nicht nur hinweisenden, sondern vor allem bewirkenden, realisierenden Charakter tragen. SC 7 spricht von sinnenfälligen Zeichen. Sie korrespondieren mit der Sinnenhaftigkeit menschlicher Wahrnehmung. Die nachkonziliare Liturgiereform nahm sich besonders der Erneuerung der Zeichendimension von Liturgie an und gewichtete neben dem Verbalen das Nonverbale neu.

1.3

Die rituelle Dimension der Liturgie

Wenig beachtet blieb  – vor allem in der deutschsprachigen Diskussion der letzten Jahrzehnte – ein Aspekt, der in den Beschreibungen des Phänomens Liturgie schon anklingt: Liturgie ist Ritual (Mitchell/137; Post/141 u. 142). Für die Liturgiewissenschaft, gleichgültig, ob sie sich für Theologie, Geschichte oder Fragen der Pastoral interessiert, ist die Beachtung der Ritualität gottesdienstlicher Feiern unverzichtbar, soll nicht eine wesentliche Dimension dieser Feiern ausgeblendet werden (Odenthal/138; Ritual Studies/233; Meßner/136). Zugleich stoßen Rituale in der Gesellschaft auf ein neues Interesse, das auch liturgiewissenschaftlich zu reflektieren ist. Der Begriff »Ritual« wird heute so inflationär verwendet, dass einige Aspekte festgehalten werden müssen: Innerhalb der Liturgiewissenschaft bedeutet »Ritual« ein strukturiertes, in der Regel wiederholbares und stilisiertes Handeln, das von einer Gruppe sanktioniert ist. Rituale sind von einer Gemeinschaft verantwortetes Handeln in zentralen Lebenssituationen, insbesondere an Lebensübergängen (Übergangsrituale), in Krisen (Krisenrituale) und an kalendarisch fixierten Punkten (kalendarische Rituale). Im Einzelnen ermöglichen sie dem Individuum und der Gruppe den Vollzug eines Lebensübergangs, die Bewältigung einer Krise, die Fundierung und Erneuerung kollektiver Identität. Rituale verleihen darüber hinaus Erfahrungen symbolischen Ausdruck, die anders nicht adäquat artikuliert werden

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1  Liturgie im gesellschaftlichen Umfeld

können; mehr noch: »Rituale sind … der Handlungsmodus der Symbole« (Luckmann/133: 177). Sie sind ein primäres Medium religiöser Äußerung. In ihnen liegt, und das ist mit Blick auf die Wahrnehmung von Liturgie entscheidend, ein besonderer Akzent auf der nichtsprachlichen Handlungsdimension und damit auf Sinnlichkeit und Leiblichkeit. Ohne die Bedeutung verbaler Elemente in Ritualen mindern zu wollen, kommt es in ihnen doch wesentlich auf das expressive Handlungsgeschehen an. In der Taufe sind entscheidende Riten das Übergießen mit Wasser oder das Untertauchen ins Wasser, die Salbung mit Chrisam, das Anlegen des Taufkleides und die Übergabe der Taufkerze. Der Übergang in den neuen Status des Christseins wird zwar in den Texten ausgesagt, sinnlich wahrgenommen aber in der Taufhandlung. In der Begräbnisliturgie findet man beeindruckende biblische Texte und Gebete, doch der Abschied vom Toten und die Hoffnung für ihn wird emotional dicht in Handlungen ausgedrückt: dem Einsenken des Sarges in das Grab, dem Besprengen des Sarges mit Weihwasser (Aspersion) oder seiner Inzens mit Weihrauch, dem Hinabwerfen von Erde auf den Sarg und dem Kreuzzeichen über dem Grab. Die Sprache trägt vor allem dazu bei, dass das Ritual eine Deutung im Sinne der Glaubensgemeinschaft erhält. Das Übergießen mit Taufwasser ist also weder primär ein Reinigungs- noch ein Erfrischungsritus, sondern ein Geschehen im Rahmen christlich gedeuteter Heilsgeschichte, wie Taufwasserweihe und Taufformel aussagen. Die Beerdigung eines Toten ist nicht nur Begraben und Verabschieden, sondern Ausdruck von Glaubenshoffnung auf Auferstehung, was durch die Begleittexte identifizierbar wird. Bei Ritualen, wie sie in der Liturgie begegnen, handelt es sich folglich um komplexe Vollzüge mit sehr differenzierten Binnenstrukturen und Bedeutungen. Zu dieser Komplexität tragen verschiedene Charakteristika religiöser Rituale bei (Lang/128). In aller Regel sind sie als Handeln einer Gruppe angelegt und besitzen daher kollektiven Charakter. Sie sind stark durch Tradition und Vorschrift bestimmt. Die Traditionsbindung garantiert die Verbindung der Rituale mit der zentralen Überlieferung der jeweiligen religiösen Gruppe. Die katholische Theologie betrachtet heute als Mittelpunkt aller Liturgie das Pascha-Mysterium Jesu Christi; alle liturgischen Feiern sind mit Leiden, Tod, Auferstehung und Erhöhung Jesu Christi verbunden, das heißt in umfassenderem Sinn verbunden mit der Heilsgeschichte von der Schöpfung bis hin zur Vollendung, von der Altes und Neues Testament sprechen. In diesen Ritualen geht es also um symbolisches Handeln, das nicht allein funktional beschrieben werden kann, sondern einen »Mehrwert« enthält und an einer anderen Wirklichkeit partizipiert. Inhalt und Form dieser Feiern regelt die Kirche über ein weiteres oder engeres Netz von Vorschriften. Die liturgischen Rituale sind formalisiert; so kehren beispielsweise bestimmte Handlungs- und Sprachmuster immer wieder, Rollen wie Handlungsabläufe sind festgelegt. Dies ermöglicht die Wiederholbarkeit der Rituale – ein ganz wesentlicher Zug gerade der Liturgie, der aber Varianz und Gestaltung nicht ausschließt. Einige Grundbegriffe der Ritualforschung, die insbesondere für das Verständnis von ­Liturgie wichtig sind, sollen kurz erläutert werden (weiterführend: Ritual- und Ritualdynamik/145):

1.3  Die rituelle Dimension der Liturgie23

Performanz/Performance: Die Begriffe »Performanz« und »performativ« werden heute, etwa in den Kulturwissenschaften, in vielfältiger Weise verwendet (Performanz/587). Sie sind für die Liturgiewissenschaft von elementarer Bedeutung, weil sie Grundvollzüge auch des Gottesdienstes erfassen. Zunächst wird mit Performanz eine selbstwirksame Sprachhandlung bezeichnet. Indem sie ausgeführt wird, bewirkt sie etwas und setzt eine neue Wirklichkeit. Um Performativität zu verstehen, ist genau zu erfragen, welche Sprechakte hier von Bedeutung sind und wie sie mit nichtsprachlichen Handlungen und materiellen Medien zusammenwirken. Der Taufritus beispielsweise gliedert mit Wort und Handlung in Christus und die Gemeinschaft der Christgläubigen ein. Das Taufwort, das Übergießen mit Wasser oder das Untertauchen im Wasser und das Medium Wasser sind also in ihrem Zusammenspiel zu reflektieren. Der Begriff bezeichnet aber auch die dramatische Performance (Tambiah/148: 226), also das gesamte Handlungsgeschehen, wie es gerade für die Taufe skizziert worden ist. Die Teilnehmer an einem Ritual verwenden für Dramatisierung und Darstellung ganz unterschiedliche Medien; zugleich verbindet sich für die Mitwirkenden mit solcher Art von Performanz intensive Erfahrung. Eine solche Performance ist auf die jeweilige Situation bezogen, lebt aus der Handlung und ist in der Art und Weise, wie sie im Detail begangen wird, einmalig. Es geht um darstellendes Handeln im Hier und Jetzt. In einer solchen Performance spielen unter anderem Assoziation, Emotion und Intuition eine große Rolle. Rituale besitzen damit Qualitäten, die anderen Äußerungen von Religion nicht ohne weiteres zukommen. Sie bleiben mehrdeutig und entziehen sich im Letzten völliger Festlegung und Deutung. Ihr Überschuss an Zeichen macht sie für Assoziationen und Konnotationen offen, die eine Dynamik dieser Rituale und deren immer neue Rezeption ermöglichen. Rahmung (Frames/Framing): Rituale sind Ereignisse, die unter anderem menschliche Wahrnehmung verändern. Rahmen oder Rahmung von Ritualen ermöglichen eine Metakommunikation, innerhalb derer Handlungen und Botschaften verstanden und Erfahrungen eingeordnet werden können (Bell/103: 72–76). Frames strukturieren durch Regeln und Konventionen, deuten und fordern zur Akzeptanz auf, lassen für das Ritual zugleich auch Verstehens- oder Interpretationsspielräume. Es werden Akzente gesetzt und bestimmte Aspekte des Rituals hervorgehoben. Rituelle Handlungen erhalten so gemeinschaftlich zugeschriebene Bedeutungen. Solche rituellen Erfahrungen können bis zu einem gewissen Grad miteinander geteilt werden. Zudem wird das Ritual durch Frames von seiner Umgebung abgesetzt und als solches markiert. Es erhält Identität. Mit Blick auf die Liturgie kann man an den liturgischen Raum oder den Zeitansatz (Christmette, Osternacht) als Rahmung, aber ebenso an Formeln und Gesten zu Eröffnung und Schluss einer Liturgie, die dieser eine bestimmte inhaltliche Richtung geben, denken. Verkörperung: Rituale haben  – das wird schon von ihrem performativen Charakter her deutlich – elementar mit dem menschlichen Körper zu tun. Die Akteure des Rituals handeln mit dem Körper (Subjekt) und am Körper (Objekt). Es geht also wiederum nicht allein um sprachliche Kommunikation. Vielmehr wird das, was im Ritual geschieht, körperlich-leib-

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1  Liturgie im gesellschaftlichen Umfeld

lich vollzogen (Salbung in der Krankensalbung; Handauflegung zum Segen; Aschenkreuz am Aschermittwoch). Entsprechend wird es emotional erlebt. Der Mensch ist mit allen Sinnen am Ritual als leiblicher Ausdruckshandlung beteiligt. Die ganze Person mit allen Sinnen und den unterschiedlichen Möglichkeiten ästhetischer Wahrnehmung ist einbezogen. Zudem vollzieht nicht nur das Individuum, sondern vollziehen möglicherweise alle am  Ritual Beteiligten bestimmte Körperhaltungen wie -handlungen gemeinsam (Stehen, Schreiten, Knien, Handreichung als Friedensgruß, Kreuzzeichen). Dynamik: Rituale sind wiedererkennbar und in ihren Grundmustern wiederholbar. Sie folgen gewissen Regeln, wie schon bei Frames/Framing deutlich wurde. Dennoch entspricht der eine Ablauf eines konkreten Rituals nie exakt der Durchführung eines anderen Rituals, auch wenn es sich in beiden Fällen um denselben Ritualtyp handelt. Die rituelle Performance ist jeweils einzigartig. Die Rituale sind also nicht unveränderlich, sondern unterliegen mit Akteuren, Mentalitäten, kulturellen und gesellschaftlichen Kontexten usw. Veränderungen. Neben tradierten Ritualen entwickeln sich aufgrund veränderter Anforderungen neue, sodass das ganze Feld »Ritual« in Bewegung bleibt. Schließlich trägt auch die kritische Auseinandersetzung innerhalb einer Ritualgemeinschaft, die dann beispielsweise zu planvollen Veränderungen und neuer Gestaltgebung wie in einer Liturgiereform oder zu spontanen Normabweichungen führen kann, zur Dynamik von Ritualen bei. Tradition: Es widerspricht nicht der Dynamik, wenn man zugleich das Ritual als Traditionsgeschehen beschreibt. Rituale oder einzelne Riten werden weitergegeben. Das geschieht durch Praxis, kann mündlich oder schriftlich erfolgen. Gerade für Glaubensgemeinschaften, deren kulturelles Gedächtnis (vgl. unten 165 f.) eng mit Ritualen verbunden ist, spielen Tradition und Tradierung eine große Rolle. Dabei können sich im Laufe der Tradition Rituale beispielsweise hinsichtlich ihrer Bedeutung verändern. Aus einer aus praktischen Gründen notwendigen Händewaschung in der Eucharistie wird so im Laufe der Liturgiegeschichte ein Ritus, der die innere Reinigung von Schuld ausdrücken soll. Handlungskompetenz (Agency): Insbesondere für religiöse Rituale ist entscheidend, aber immer wieder auch umstritten, wer die Handlungskompetenz besitzt. Das gilt für die Durchführung des jeweiligen Rituals und ebenso für die Modellierung von Prozessen der Dynamik und Tradition. Spezialisten und anderen Akteuren (in der katholischen Kirche: Bischöfe, Priester und andere Gläubige), Glaubensgemeinschaft und Individuum, letztlich in der Perspektive der Gläubigen auch Gott kommt innerhalb des Rituals eigene Handlungsmacht zu. Wenn man nach der Agency im Kontext eines Rituals fragt, geht es u. a. darum, wer mit welcher Intention oder Legitimation handelt. Davon kann dann beispielsweise die Wirkung eines Rituals oder die berechtigte Veränderung und individuelle Gestaltung abhängen. An einer Reihe unterschiedlicher Funktionen solcher Rituale hat auch die Liturgie Anteil, wobei von Liturgie zu Liturgie differenziert werden muss. Zu nennen ist die Bewältigung von Lebensübergängen durch die Rites de passage mit ihrer Dreigliederung von Trennung, Umwandlung und Angliederung (van Gennep/151). Einer der Lebensübergänge ist die Ein-

1.3  Die rituelle Dimension der Liturgie25

gliederung in die Kirche und in das Christusgeschehen, die in der Taufe vollzogen wird; ganz andere Lebensübergänge sind die Hochzeit, die in der Trauung gefeiert wird, oder Sterben und Tod, für deren Bewältigung Sterbegebete, Viatikum und Begräbnis Hilfen bieten; sie erfüllen eine entlastende Funktion. Rituale können komplexe Wirklichkeiten verdichten, wie dies in der Liturgie etwa bei der Eucharistie oder beim Osterfest im Hinblick auf das Christusereignis zu beobachten ist. Zugleich werden in ihnen Überzeugungen inszeniert, beispielsweise in Prozessionen, in denen eine Glaubensüberzeugung für die kirchliche Gemeinschaft in der Öffentlichkeit zum Ausdruck gebracht wird. Diese rituelle Darstellung von Überzeugungen kann zugleich auf menschliches Handeln zurückwirken und dadurch Verhalten beeinflussen, sodass man Ritualen eine ethische Dimension zusprechen kann. Die durchgeformte Handlung unterstützt die Entfaltung dieser Funktionen und damit die Wirkung von Ritualen. Sie ermöglicht, dass man sich auf ein Ritual einlassen, sich da­ rauf verlassen kann. Denn das Ritual wird nicht jedes Mal neu kreiert, sondern erscheint als tradiert und unveränderbar; inwieweit dies für das einzelne Ritual wirklich zutrifft, ist jeweils zu prüfen. Generell haben Rituale die Tendenz, sich selbst als unveränderlich zu präsentieren. Der Blick auf Veränderungen und Umbrüche, die in der Liturgiegeschichte stattgefunden haben, und auf »erfundene«, also neue Rituale der Gegenwart mahnt hier allerdings zur Vorsicht. Insgesamt kann man Rituale als symbolhafte Handlungen mit eigener Rationalität bezeichnen, die nach eigener Grammatik funktionieren und als komplexe Vorgänge einer kritischen wissenschaftlich-theologischen Reflexion sowie pastoraler Sorgfalt bedürfen. Es gibt unterschiedliche Rituale, die mannigfaltigen Situationen und Bedürfnissen im Leben von Gruppen und Gemeinschaften oder des Einzelnen entsprechen. Diese Vielfalt der Rituale korrespondiert der Vielfalt unterschiedlicher liturgischer Feiern. Zugleich entspricht das wachsende Interesse am Rituellen in der Liturgie der Wiederentdeckung der Rituale in der Gesellschaft. Rituale spielen in der gesellschaftlichen Öffentlichkeit, aber auch im Leben des Einzelnen offensichtlich eine neue Rolle. Verhaltensunsicherheit, Empfindung von Leere, fehlende Ordnung von Lebensabläufen führen zur Neubelebung tradierter Rituale (zum Teil in neuen Kontexten und verändert in Inhalt und Form), bedingen aber auch die Schaffung ganz neuer Rituale. Deren besondere Kennzeichen sind Individualität und Kreativität – das Individuum schafft sich seine eigenen Rituale – und die Unabhängigkeit von Institutionen. Schon bei der Kennzeichnung solcher Rituale sind deutliche Unterschiede zum »traditionellen« Ritual zu erkennen, ebenso in den Funktionen, zu denen neben dem spirituellen Wachstum das Ordnen von Leben und Lebensräumen sowie Krisenbewältigung und Selbsterkenntnis zu rechnen sind (Lüddeckens/134). Solche Rituale sind flexibel gestaltbar und können sich mit unterschiedlichen religiösen Vorstellungen verbinden. Für die Liturgiewissenschaft sind solche Phänomene aus zweierlei Gründen interessant: Zum einen dokumentieren sie ein verstärktes Interesse an symbolischem Handeln, das lange Zeit durch Liturgie in ihrer ganzen Vielfalt befriedigt wurde. Insbesondere Andachten, Segnungen, Prozessionen und Wallfahrten waren wesentliche Ausdrucksformen katholischen

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1  Liturgie im gesellschaftlichen Umfeld

Glaubens. Der Verlust von Formenvielfalt ist problematisch, dies umso mehr, wenn in neuen Ritualen heute etwas gesucht wird, das ursprünglich durch kirchliche Rituale abgedeckt wurde. Zum anderen beeinflussen sich Phänomene von Ritualität wechselseitig. Das, was in den neuen Ritualen gesucht wird, wird zugleich als Anfrage an die tradierte Liturgie herangetragen und beeinflusst diese in Gestalt und Deutung. Umso notwendiger sind für die Beschäftigung mit der Liturgie die Analyse der wiedererstarkten Rituale und eine differenzierte Wahrnehmung. In der Praxis wird man seitens der Kirche von neuen, frei gestalteten Ritualen, ihrer Lebensnähe und Ästhetik sowie der damit verbundenen Begleitung von Menschen auch lernen können. Zur wissenschaftlichen Reflexion gehört zugleich die kritische Sicht auf Rituale jeglicher Provenienz. So darf die suggestive und manipulative Kraft von Ritualen im Dienste von Ideologien aller Art nicht übersehen werden. Auch religiöse und kirchliche Rituale können entsprechend wirken. Nach dem Menschenbild von Ritualen ist zu fragen. Im gesellschaftlichen Umfeld ist an das Proprium christlicher Rituale zu erinnern: Das christliche Ritual vergegenwärtigt, dass Menschen in die Heilsgeschichte Gottes eingebunden und zur Freiheit berufen sind, in dieser Geschichte mitzuleben. In den Feierformen wird dem Menschen diese von Gott geschenkte Freiheit verkündigt; er wird ermutigt, diese Freiheit anzunehmen und zum Grund der eigenen Existenz zu machen. Das christliche Ritual kommt ohne diesen Bezug auf Heilsgeschichte nicht aus, will es nicht seine Mitte verlieren (Bieritz/104). Zum Pluralismus leistet die Theologie auch einen Beitrag, indem sie auf das Proprium christlicher Liturgie verweist und dieses zur Anfrage an rituelle Formen und Inhalte macht, die christlichen Überzeugungen und den Gedanken einer im Christlichen wurzelnden Aufklärung widersprechen (Kranemann/127). Zugleich führen die neuen Rituale zur Ausdifferenzierung auch der kirchlichen Feierkultur und zur Erweiterung des Feierrepertoires. Diese neuen kirchlichen Feierformen versuchen auf Veränderungen in der Gesellschaft, gewandelte Glaubensvorstellungen, Wertsysteme oder Lebensformen zu reagieren. Man trifft auf Segnungsfeiern für Säuglinge, Segnungen von Kindern konfessionsloser Eltern, Lebenswendefeiern als Alternative zur Jugendweihe (Hauke/116; Handke/115), auf unterschiedliche Rituale der Trauer und des Totengedenkens (Handbuch Bestattung/143), auf Formen des Wortgottesdienstes oder auch christlicher Feste, die auf Großstadt oder säkulares Milieu hin adaptiert oder neu geschaffen wurden, und dergleichen mehr (Gott feiern/114). Segnungsfeiern für wiederverheiratete Geschiedene oder für gleichgeschlechtliche Paare belegen, wie in der liturgischen Praxis auf Veränderungen menschlicher Lebensformen und »Zeichen der Zeit« reagiert wird, und zwar vorgängig zu Veränderungen in der kirchlichen Lehre oder in liturgischen Ordnungen. Der religiöse Pluralismus wird von kirchlichen Feierformen her als Möglichkeit authentischer Gläubigkeit und als Kontext der Glaubensartikulation wahrgenommen (Christliche Rituale/107).

1.4  Plurale Liturgie als Thema der Liturgiewissenschaft27

1.4

Plurale Liturgie als Thema der Liturgiewissenschaft

Der Begriff »Liturgie« verweist auch in der Gegenwart auf ein hoch differenziertes Feld. Gerade der Blick auf die Charakteristika von Ritualen hilft, Spezifika der unterschiedlichen Liturgiefeiern zu erkennen, deren Berücksichtigung unter den religionssoziologischen ­Bedingungen der Gegenwart für die liturgiewissenschaftliche Analyse unverzichtbar ist. So gibt es vielfältige Liturgiefeiern, die sich nicht nur in ihren einzelnen Riten voneinander unterscheiden, sondern auch in ihrer Bedeutung und ihrem Gewicht für das Leben der Kirche wie des Einzelnen. Liturgie ist kein uniformes Gebilde, sondern in sich pluriform und dynamisch. Entsprechend werden der jeweiligen Liturgiefeier ganz unterschiedliche Deutungen zugeschrieben, die in einer pluralen, auch religiös offenen Gesellschaft und in einer Kirche mit pluralen Formen, christliche Existenz zu leben, an Vielfalt zunehmen. ­Diesen Deutungen korrespondieren unterschiedliche Möglichkeiten der Teilnahme – von aktiver Teilnahme durch Mitbeten und Mitsingen im Gottesdienst, aber auch durch Übernahme von Rollen (Leiter/-in von Wort-Gottes-Feiern oder anderen Gottesdiensten, Mess­ diener/-in, Lektor/-in, Kommunionhelfer/-in, Kantor/-in) bis hin zu Formen der Anwesenheit, die durch eine grundsätzliche Offenheit für den Gottesdienst gekennzeichnet sind, sich aber in keiner äußerlich erkennbaren Teilnahmeform ausdrücken. Zugleich werden sehr unterschiedliche Erwartungen an die Liturgie herangetragen, die im Extrem einerseits auf Kreativität, Gruppen- und Themenzentrierung, andererseits auf Traditionalismen und Bewahrung des Kulturgutes Liturgie beharren. Sowohl die unterschiedlichen Deutungen und die verschiedenen Teilnahmemöglichkeiten wie auch die Erwartungen an die Liturgie muss die Liturgiewissenschaft zur Kenntnis nehmen, reflektieren und theologisch abwägen. Auch ein teilweise unterschiedliches Verständnis von Religion (Hock/119: 10–21), hier des Christentums und seiner Lebensäußerungen, schlägt sich in der Wahrnehmung von Liturgie nieder. Wer stärker von einem funktionalen Religionsverständnis geprägt ist, wird auch die christliche Liturgie vor allem nach ihren Funktionen für das Individuum, die Kirche oder Gesellschaft beurteilen. Wer Religion eher substanzialistisch versteht, also auf Gott oder das Heilige als Grundgegebenheiten von Religion (Stolz/147: 13–22) und damit auf die inhaltliche Essenz von Religion schaut, wird vor allem erwarten, dass in der Liturgie die zentralen Glaubensaussagen artikuliert werden. In einer hinsichtlich der Religion sehr ausdifferenzierten Gesellschaft trifft die Liturgiewissenschaft auf ein nicht minder ausdifferenziertes Feld gottesdienstlicher Feiern und Riten. Die Wesensbestimmung von Liturgie fällt also wesentlich komplizierter aus, sobald man nicht im theologischen oder kirchlichen Binnenraum verbleibt, sondern diese Bestimmung im gesellschaftlichen und kulturellen Umfeld vornimmt. Da Liturgie selbst aber durch Gesellschaft und Kultur sowohl der Vergangenheit als auch der Gegenwart geprägt ist, kann die Liturgiewissenschaft bei der Reflexion über Liturgie von diesem Kontext nicht absehen (vgl. Kap. 2). Das gilt insbesondere für Gottesdienste der katholischen Kirche, die – etwa in der Pastoralkonstitution »Gaudium et spes« des Zweiten Vatikanischen Konzils – eine Öffnung zur Welt vollzogen und die Notwendigkeit des Dialogs zwischen Kirche und Welt

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1  Liturgie im gesellschaftlichen Umfeld

unterstrichen hat: »So geht denn diese Kirche, zugleich ›sichtbare Versammlung und geistliche Gemeinschaft‹ den Weg mit der ganzen Menschheit gemeinsam und erfährt das gleiche irdische Geschick mit der Welt und ist gewissermaßen der Sauerteig und die Seele der in Christus zu erneuernden und in die Familie Gottes umzugestaltenden menschlichen Gesellschaft« (GS 40). Dialog und Offenheit bedürfen demnach des Wissens um die eigene Mitte sowie der Bereitschaft, die eigene gottesdienstliche Praxis im gesellschaftlichen Umfeld zu befragen. Entsprechend muss die Liturgiewissenschaft Maßstäbe entwickeln, die bei der Beurteilung der Legitimität der unterschiedlichen Formen gottesdienstlichen Lebens und ihres Ortes in Kirche und Gesellschaft anzulegen sind. Diese Kriterien formuliert sie vor allem im Rückgriff auf Geschichte und Theologie der Liturgie.

2.1  Das Selbstverständnis der Liturgiewissenschaft 29

2 Geschichte, Profil und Methoden des Faches Liturgiewissenschaft

2.1

Das Selbstverständnis der Liturgiewissenschaft

Die Liturgiewissenschaft ist jene Disziplin innerhalb der Theologie, die sich mit dem Ausdruck des christlichen Glaubens in den unterschiedlichen Traditionen und Formen des Gottesdienstes beschäftigt. Es handelt sich um ein Fach mit eigenem Forschungsprofil und entsprechenden Lehraufgaben innerhalb der katholischen Theologie. In der evangelischen Theologie wird die liturgiewissenschaftliche Ausbildung von den Lehrstühlen für Praktische Theologie vertreten. Die orthodoxe Theologie kennt ebenfalls eine Liturgik, begreift aber liturgische Erfahrung viel stärker, als dies in der westlichen Theologie der Fall ist, als Norm und Quelle der Theologie (zur katholischen und evangelischen Theologie vgl. Liturgiewissenschaft/219; Liturgiewissenschaft im 21. Jahrhundert/220; Liturgie lernen/217; Meyer-Blanck/39; zur Orthodoxie vgl. Felmy/173). In diesen unterschiedlichen wissenschaftlichen Kulturen äußern sich bereits Traditionen und Ausprägungen der verschiedenen christlichen Kirchen. Die Liturgiewissenschaft erhält ihr Profil durch die Auseinandersetzung mit dem Gottesdienst als einem Handlungsgeschehen. Sie beschäftigt sich also nicht allein mit Sprachgeschehen, sondern ebenso mit Zeichen und Zeichenhandlungen bis hin zu Raum, Gewändern, Klang, Farbe usw. Sie untersucht ein komplexes Ritual, in dem Christen ihren Glauben in expressiver Weise ausüben. Dass von diesem Ritual her nach dem christlichen Glauben gefragt und dabei die sinnenhafte Dimension christlichen Glaubens einbezogen wird, unterscheidet den methodischen Zugang der Liturgiewissenschaft markant von dem anderer theologischer Disziplinen. Am Beispiel des zentralen Gebets der Eucharistiefeier, des eucharistischen Hochgebets (vgl. Anhang 2.3), wird dies deutlich. Will man ein solches Gebet und seine liturgietheologisch begründete Grundstruktur sachgerecht interpretieren, so ist nach seiner Genese, seiner heutigen Funktion im Zusammenhang der Eucharistiefeier und der Messfeier insgesamt, nach den begleitenden Zeichenhandlungen und der Pragmatik des Gebetstextes zu fragen. Die Frageperspektiven lassen sich bündeln: Wie ist der Text ent­ standen (Liturgiegeschichte)? Welche theologischen Aussagen lassen sich ihm entnehmen (Liturgietheologie)? Welche Kriteriologie ist bei der Gestaltgebung und der gefeierten Liturgie heute anzulegen (Praktische Liturgiewissenschaft)? Spricht er heute noch? Wie wird er verstanden? Von grundlegender Bedeutung ist der Blick auf die Liturgien anderer christlicher Konfessionen und damit der ökumenische Aspekt der Liturgiewissenschaft. Eine »ökumenische Liturgiewissenschaft« arbeitet vergleichend, ist an Unterschieden wie Gemeinsamkeiten, Parallelentwicklungen wie Abhängigkeiten zwischen den Liturgien der verschiedenen Kir-

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2  Geschichte, Profil und Methoden des Faches Liturgiewissenschaft

chen und ihren Theologien interessiert. Sie ermöglicht einen kritischen Blick auf die einzelne Liturgie durch Vergleich mit den Nachbarliturgien. Zudem liefert sie wichtige Erkenntnisse für die Ökumene insgesamt (Lurz/225; Kranemann/124). Nicht nur die Liturgie der katholischen Kirche, sondern auch der Gottesdienst anderer Kirchen und Religionen ist heute im Blick des Faches. Aufgrund der Geschichte des Christentums und seines Gottesdienstes fragt die Liturgiewissenschaft nach dem Verhältnis der christlichen zur jüdischen Liturgie. Dabei sind die Gestalt, aber vor allem auch die Theologie der verschiedenen Feiern im Blick (Dialog/295; Rouwhorst/248). In einer religiös pluralen Gesellschaft, in der multi- oder interreligiöse Feiern immer häufiger begangen werden, sind auch Liturgien, Gebete und Riten anderer Religionen Forschungsgegenstand (Leben und Feiern/363). In einer Standortbestimmung haben 1991 die deutschsprachigen Liturgiewissenschaftler ihr wissenschaftliches Selbstverständnis formuliert. Liturgiewissenschaft versteht sich demnach als eine Disziplin, die Anthropologie und Theologie des Gottesdienstes reflektiert. Wesentliche Aspekte sind dabei Tradition, Ökumene und Inkulturation. Neben den tradierten historischen, systematisch-theologischen und praktisch-theologischen Methoden werden auch Zugangsweisen der Humanwissenschaften genannt, die sich mit dem Menschen und seinen Ausdrucksformen beschäftigen (Gerhards  – Osterholt-Kootz/182). Sie müssen heute um kulturanthropologische Fragestellungen erweitert werden

2.2 Etappen der Geschichte des Faches Liturgiewissenschaft Deutungen des christlichen Gottesdienstes und kritische Reflexionen über seine Geschichte gibt es nicht erst seit der Neuzeit; bereits in der christlichen Antike begegnen theologische Diskussionen über einzelne Aspekte des Gottesdienstes und Auslegungen ganzer Feiern. Das Mittelalter hat sich vor allem der geistlichen Erschließung der Liturgie intensiv gewidmet. In der Neuzeit findet man um 1800 sehr differenzierte Bemühungen um die Pastoral der Liturgie. Die Einrichtung von Lehrstühlen, die sich auch oder ausschließlich mit der Liturgie beschäftigen, geht nicht erst auf das 20. Jahrhundert oder gar die Zeit nach dem Zweiten Vatikanischen Konzil zurück, sondern ist vereinzelt schon für das 18. Jahrhundert belegt. Sogar die Ausdifferenzierung der verschiedenen heute üblichen Arbeitsfelder des Faches – Theologie, Geschichte, Praxis der Liturgie – ist durch eine jahrhundertelange Geschichte vorgeprägt, wenngleich die entscheidende Ausformung erst im frühen 20. Jahrhundert stattfand und das Fach mit Blick auf Forschungsobjekte und -fragen sich immer weiterentwickelt. Die folgende kurze Einführung in die Geschichte des Faches und seiner Vorläufer macht auf eine Fülle von Zugangsweisen aufmerksam, mittels derer man den Gottesdienst in seinen Formen und Ausprägungen betrachtete. Diese Vielfalt hat unterschiedliche Ursachen: Hermeneutische und methodische Neuerungen in der Theologie beeinflussten auch die Reflexion über die Liturgie und ihre Arbeitsinstrumentarien. So ist beispielsweise die mittel­ alterliche allegorische Liturgieerklärung nicht ohne den Neuplatonismus verständlich, die

2.2  Etappen der Geschichte des Faches Liturgiewissenschaft31

Entwicklung einer an praktischen Fragen des Gottesdienstes interessierten Wissenschaft um 1800 steht unter dem Einfluss der Spätaufklärung, und die humanwissenschaftlichen Ansätze der Liturgiewissenschaft des 20. Jahrhunderts sind ohne die »anthropologische Wende« in der Theologie nicht denkbar. Veränderungen in den Nachbardisziplinen, besonders in den Geistes- und Kulturwissenschaften, betreffen auch die Liturgiewissenschaft. Damit sind Disziplinen wie Musik-, Theater-, Kunstwissenschaften angesprochen, aber ebenso die Religionswissenschaft, Disziplinen also, deren Forschungsbereiche sich mit dem der Liturgiewissenschaft überschneiden. Die Liturgiewissenschaft entwickelt im Diskurs mit den »Ritual Studies« Untersuchungsparadigmen, die zu einer anderen Wahrnehmung der Liturgie selbst führen; diese wird jetzt wieder stärker in ihrer Ritualität wahrgenommen (Post/241; Ritual Studies/233, vgl. Kap. 1.3). Die Liturgie als Feiergeschehen ist ein durch Anthropologie, Theologie, Kunst, Musik etc. geprägtes kulturelles Gebilde, das sich bei aller Traditionsbindung unentwegt wandelt. Man spricht von Ritualdynamik. Die sich verändernde Liturgie stellt die Liturgiewissenschaft vor jeweils neue Aufgaben. Ob die Liturgie als formalisiert und rubrikal geregelt oder als unter bestimmten Vorgaben zu gestalten verstanden wird, beeinflusst das Aufgabenspektrum der Liturgiewissenschaft; das gilt auch für Neuerungen und Umbrüche in der Theologie der Liturgie, der Mentalität und Frömmigkeit, der Rollenverteilung zwischen Klerikern und anderen Gläubigen, Veränderungen einzelner Elemente usw. Die Kenntnis unterschiedlicher Deutungsmodelle der Liturgie trägt zum besseren Verständnis der Etappen der Liturgiegeschichte und einzelner Phänomene bei. Die Liturgiewissenschaft blickt wissenschaftsgeschichtlich auf eine lange Vorgeschichte zurück. Spuren einer Auseinandersetzung mit Kult und Liturgie lassen sich bereits in der Bibel finden. Schon nach den Schilderungen des Alten und Neuen Testaments werden Gebet, Kult und Gottesdienst nicht nur vollzogen und gefeiert, sondern auch theologisch durchdacht und der Kritik unterworfen. Das Alte Testament formuliert umfangreiche Kult­ ordnungen unter anderem in Lev, Num und Dtn. Die prophetische Kultkritik in Am 5,21 ff., Jes 1,10 ff., Jer 6,20 etc. benennt Voraussetzungen und Konsequenzen eines Kultes, der vor Gott Bestand haben kann. Das Neue Testament nimmt unter anderem das Doppelgebot von Gottes- und Nächstenliebe zum Ausgangspunkt für eine Kritik des Kultes. Joh 4,20–24 nennt als Ziel des wahren Betens das Gebet im Geist und in der Wahrheit. In 1 Kor 11 ­k ritisiert Paulus die Abendmahlspraxis in der Gemeinde zu Korinth und beschreibt eine Ordnung des Herrenmahls, die dem Auftrag Christi gerecht wird. Der Hebräerbrief deutet den Gottesdienst als »Wortgottesdienst« im Sinne eines Anrede-Antwort-Geschehens (März/485: 98; Theobald/409). Der Gottesdienst wurde also durchaus reflektiert; er brauchte aber – zumindest in den frühchristlichen Gemeinden – an und für sich nicht legitimiert zu werden, weil er im gesellschaftlichen Umfeld nicht in Frage stand, ohne dass dies bedeutete, dass immer alle am Gottesdienst teilnahmen (MacMullen/375). Zudem waren die Beziehungen zwischen der zeitgenössischen Feier- und Alltagskultur und dem Gottesdienst so eng, dass die einzelnen gottesdienstlichen Vollzüge aus sich sprachen. Noch hatte kein tiefreichender kultureller Bedeutungswandel stattgefunden, der Liturgie unverständlich und Erklärungen notwendig

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2  Geschichte, Profil und Methoden des Faches Liturgiewissenschaft

gemacht hätte. Dazu kam es erst, als die vor allem im Mittelmeerraum ausgeprägte christliche Liturgie auch in anderen Kulturräumen Fuß fasste. Stand zunächst die Mystagogie als Erschließung gefeierter Liturgie im Vordergrund (Kap. 2.2.1.1), so seit dem Mittelalter die Allegorese, eine vor allem an geistlicher Auslegung interessierte Hermeneutik (Kap. 2.2.1.2). Erst mit dem Humanismus gewann ein breiteres Interesse an den geschichtlichen Quellen des Gottesdienstes an Boden (Kap. 2.2.2). Die spätmittelalterlich-neuzeitliche Rubrizistik legte die rechtliche Ordnung der liturgischen Riten dar, deren Befolgung rituelle Sicherheit verhieß (Kap. 2.2.3). Mit dem 18. Jahrhundert und der katholischen Aufklärung wurde die Beschäftigung mit der Liturgiepastoral gestärkt; das kritisch reflektierende Potenzial der »Liturgik« wuchs (Kap. 2.2.4.1). Das späte 19. und frühe 20. Jahrhundert brachte eine Reihe von richtungsweisenden Handbüchern hervor (Kap. 2.2.4.2). Die bis heute in den Grundsätzen anerkannte Aufgabenverteilung der Liturgiewissenschaft in Historik, Theologie und Praxisreflexion formulierte das frühe 20. Jahrhundert (Kap. 2.2.5). Nochmals eine eigene Prägung erfuhr die jetzt zum theologischen Hauptfach erhobene katholische Liturgie­ wissenschaft durch das Zweite Vatikanische Konzil (Kap. 2.2.6). In der zweiten Hälfte des  20. Jahrhunderts entwickelte sich das Fach hinsichtlich Methodik und Forschungs­ gegenstand in einem sich verändernden kirchlichen und gesellschaftlichen Umfeld weiter (Kap. 2.2.7).

2.2.1

Liturgieerklärung in der Alten Kirche und im Mittelalter

2.2.1.1 Frühchristliche Beispiele für die Reflexion des christlichen Gottesdienstes Ein Medium frühchristlicher Liturgieerklärung sind die Katechesen. Mystagogische Katechesen, die nach der Initiationsfeier aus Wassertaufe, Salbung durch den Bischof und Erst­ eucharistie gehalten wurden, sollten den Mysteriengehalt liturgischer Feiern erschließen und den Gläubigen zu einer tieferen Ausdeutung der Sakramente führen. Dazu bediente man sich der symbolischen Deutung und metaphorischen Erschließung. Zwischen Katechese und gefeierter Liturgie, zwischen theologischer Deutung und liturgischer Doxologie bestanden enge Zusammenhänge (Brons/288). Deshalb maß Cyrill von Jerusalem († 444) dem Sehen eine stärkere Überzeugungskraft bei als dem Hören. Erst nachdem die Neugetauften die Taufe gefeiert und erlebt hatten, führte sie der Prediger als Mystagoge in den Sinn dessen ein, was ihnen widerfahren war (Cyr. H., catech. I. 1 [FC 7]). Nach Ambrosius von Mailand (ca. 339–397) gießt sich das Licht der Mysterien in Nichtwissende besser ein, als wenn ihnen diese vor der Initiation erklärt worden wären (Ambr., myst. I. 1 [FC 3]). Die Pilgerin Egeria, die im 4. Jahrhundert unter anderem Jerusalem und Palästina bereiste, berichtet, kein Ungetaufter habe in Jerusalem die Katechese über die Taufliturgie nach Ostern hören dürfen, der Zugang zur Anastasis (Grabeskirche) sei verschlossen worden (Peregr. Aeth. 47,2 [FC 20]). Aus katechetischen wie theologischen Motiven wurden Katechesen postbaptismal gehalten. Ambrosius verstand die Taufe als Vervollständigung des Glaubens: Erst die Taufgnade

2.2  Etappen der Geschichte des Faches Liturgiewissenschaft33

befähige zum Verständnis der Mysterien (Ambr., sacr. I. 1; III. 15 [FC 3]). Mystagogische Predigten erklärten den geistlichen Gehalt einer Liturgie; sie trugen zudem selbst gottesdienstlichen Charakter. Es ging nicht darum, auf einer Metaebene Liturgie zu reflektieren. So erläutert Ambrosius in »De sacramentis« das Kerngeschehen der Eucharistie, die Teilhabe an Blut und Leib Christi, mit Textausschnitten aus dem Alten und Neuen Testament, die den Gläubigen zeigen sollen, wie viel das himmlische Wort, hier: das konsekratorische Gebet, bewirkt. Wo spätere Jahrhunderte nach der Genese des Hochgebets fragen oder theologisch-systematisch argumentieren, geht es Ambrosius um die geistliche Erschließung der Konsekration. Für ihre Deutung weist er auf das Wort Gottes hin, durch das die Schöpfung entstand (Ambr., sacr. IV. 15), auf die Neuschöpfung in Christus (ebd. 16), auf das alle Kreatur wandelnde Wort Christi (ebd. 17), auf das Wunder des Exodus, das Mose auf Gottes Geheiß hin wirkte (ebd. 18) usw. Diese Hermeneutik lebt aus Analogien. Was sich im Sakrament der Eucharistie ereignet, kann im Licht der Heilsgeschichte verstanden werden. Diese setzt sich in der Gegenwart fort und wird in der Liturgiefeier je neu inszeniert. Ähnlich legt Cyrill von Jerusalem mit Bezug auf Altes und Neues Testament dar, dass das eucharistische Brot Leib Christi ist (Cyr. H., catech. IV). Allerdings gab es in der Alten Kirche auch präbaptismale Katechesen, deren Ziel stärker die Hinführung zur christlichen Lebenspraxis war. Mit der Krise des Katechumenats, der Vorbereitungszeit auf die Taufe, durch eine übergroße Zahl von Taufbewerbern und den häufig üblichen Taufaufschub – man ließ sich als Taufbewerber registrieren, aber erst viel später taufen – tauchten zunehmend präbaptismale Katechesen auf; die Taufkatechesen des Johannes Chrysostomus (ca. 347–407) (Jo. Chrys., catech. [FC 6]) und des Theodor von Mopsuestia (350–428) (Thdr. Mops., hom. cat. [FC 17]) sind dafür Belege. Die Bedeutung präbaptismaler Katechesen erklärt Theodor damit, dass derjenige, der den Grund der Riten kenne, umso inniger am liturgischen Geschehen teilnehmen könne. Der Sinn der Sakramente muss erläutert werden, damit das, was sich in ihnen ereignet, angenommen werden kann (Thdr. Mops., hom. cat. 12,1). Neben den Katechesen, die im Umfeld der Initiation eine Rolle spielten, sind jene zahlreichen Homilien zu nennen, die die Sakramente und die Feste auslegten. Theologen wie Meliton von Sardes (2. H. des 2. Jh.), Petrus Chrysologus (405–450), Caesarius von Arles (470– 542) u. a. wollten den Gläubigen einen vertieften geistlichen Zugang zur Liturgie erschließen. Doch ist auch das Bemühen zu erkennen, Ursprünge von Riten zu erklären. So schreibt Origenes (um 185–253) hinsichtlich des Niederkniens beim Gebet und des Gebets nach Osten, dass dies zwar von allen vollzogen werde, aber der Grund dafür nicht allen bekannt sei (Orig., hom. in Num. 5,1 [GCS Origenes 7. 26,14–18]). Aber auch auf einer Metaebene begegnet man in der Alten Kirche bereits Reflexionen über die Liturgie. So werden unterschiedliche Bräuche der verschiedenen Ortskirchen bei Fasten, Kommunion, Taufe, Katechumenat etc. erörtert, begründet und gegeneinander abgesetzt. Solche Frühformen von Liturgik begegnen in den Briefen des Augustinus an Ianuarius, in denen er die gerade genannten Fragen berührt und nach Normen für das liturgische Leben der unterschiedlichen Kirchen fragt (Aug., epp. 54/55 [CSEL 34.2, 158–213]), in Diskussionen über den Termin des Weihnachtsfestes, die in einer Weihnachtspredigt des Johannes

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2  Geschichte, Profil und Methoden des Faches Liturgiewissenschaft

Chrysostomus aufscheinen (PG 49, 351–362), im Brief von Papst Innozenz I. (401–417) an Bischof Decentius von Gubbio (ep. 25, PL 20,554B–555A. 559B–561A) unter anderem wegen des Vollzugs der Konsekration (Firmung) und der Krankensalbung etc. Die unterschiedlichen Reflexionsformen erfahren eine Wirkungsgeschichte. In der Gegenwart geben sie vor allem Impulse zur spirituellen Interpretation und Vermittlung der Liturgie. Sie holen die für die Gläubigen existenzielle Bedeutung der Liturgie ans Licht, die entsprechend erschlossen werden muss. Sie sind darüber hinaus Anstoß zu einer Theologie als Mystagogie.

2.2.1.2 Formen mittelalterlicher Liturgieerklärung Die übliche Methode der mittelalterlichen Liturgiedeutung ist die allegorische Liturgie­ erklärung. Sie ist eng mit dem Namen Amalar von Metz (775–ca. 850; Liber officialis [StT 138–140]) verbunden, war im Westen aber schon vor ihm bekannt. Als weitere bedeutende Zeugen für dieses Verfahren der Liturgieerklärung sind Rupert von Deutz (1075/76– 1129; Liber de divinis officiis [CChr.CM 7; FC 33]), Sicard von Cremona (1150/55–1215; Mitrale [PL 213, 9– 436]) und Durandus von Mende (um 1230–1296; Rationale divinorum officiorum [CChr.MC 140. 140A. 140B; LQF 107]) zu nennen (Schaefer/403). Der Verbreitung dieser Methode gingen tiefgreifende Veränderungen der Liturgie gegenüber der Alten Kirche voraus. Liturgiegeschichtlich war die Gemeindeliturgie der Klerikerliturgie gewichen und zudem die Betonung des doxologischen Moments hinter eine Sicht von Liturgie zurückgetreten, die vor allem nach der gnadenhaften Wirkung von Liturgie fragte und mehr an einzelnen Formeln und Riten als am Gesamtritus interessiert war. Dennoch musste das vielfältige Ritual beispielsweise einer Messfeier den Gläubigen gedeutet werden. Das leistete die allegorische Liturgieerklärung, indem sie die Liturgie vor dem Hintergrund der Passion Christi auslegte. Die Allegorie ist in unterschiedlicher Weise auf Christus bezogen, wie einige Beispiele aus dem »Liber de divinis officiis« des Rupert von Deutz sehr deutlich zeigen. An den ausgewählten Stellen wird die Eucharistie ausgelegt. So ist der Canon missae (bei Rupert »secreta« genannt, heute als »Hochgebet« bezeichnet) eine Erinnerung an das Leiden Christi (»memoria dominicae passionis« [2,5]). Einzelne Abschnitte des Kanons werden auf Ereignisse der Passion bezogen: Vom »Te igitur« bis zum »Qui pridie«, Gebetsabschnitten im Kanon, wird der Zeit vom Einzug Jesu in Jerusalem bis zum Verrat durch Judas gedacht. Das fünffache Kreuzzeichen des Priesters über Brot und Wein weist hin auf die Wunden des Gekreuzigten (2,12). Dass der Priester die Worte »nobis quoque peccatoribus« leise spricht, deutet Rupert als Erinnerung an das Schuldbekenntnis des mitgekreuzigten Schächers und an die Antwort Christi (2,14). Drei anschließende Kreuzzeichen kommemorieren die Vollendung der Passion. Das Korporale, das ursprünglich zur Bedeckung des Altares und des Kelches dient, wird hochgehoben, weil der Tempelvorhang zerriss (2,15). Solche Erläuterungen können variieren. Vergleichbaren Deutungen wird die gesamte Liturgie unterzogen. Dabei lassen sich systematisierend vier verschiedene Arten der Deutung unterscheiden, die in unterschiedlicher Weise miteinander kombiniert werden können:

2.2  Etappen der Geschichte des Faches Liturgiewissenschaft35 Deutung

Definition

Beispiel

Rememorative ­Deutung

Erklärung der Liturgie als Gedächtnis des Lebens Jesu

Der Altar bedeutet das Kreuz, der Kelch das Grab, die Patene den Stein vor dem Grab, das Korporale das Leichentuch Christi usw. [Reichert/244: 103]

Typologische Deutung

Erfüllung des Alten ­Bundes in der Liturgie des Neuen Bundes

Segensgestus über Brot und Wein: Segen des ­Melchisedek über die Opfergaben Brot und Wein [ebd. 106]

Anagogische ­Deutung

Eschatologische Erklärung der Liturgie

Mischung von Wein und Wasser in der Gaben­ bereitung: die Vereinigung des Volkes mit Christus im Sakrament [ebd. 101]

Tropologische Deutung

Moralische Erklärung der Liturgie

Das Weiß der Hostie: die Reinheit und Lauterkeit ­dessen, der das Sakrament empfangen will [ebd. 99]

Dieser Deutungen – die Beispiele stammen aus der ältesten deutschen Gesamterklärung der Messe von ca. 1480 (Reichert/244) – bediente man sich je nach Autor und Region (Osten und Westen) in unterschiedlichem Umfang. Für die allegorische Liturgieerklärung steht nicht die heilsschaffende anamnetische Qualität von Liturgie im Vordergrund, sondern die Anregung, das Leben Jesu, näherhin die Passion, zu bedenken und Konsequenzen für das eigene Leben zu ziehen (Suntrup/407: XXIII–XXIX). Die Leistung der allegorischen Liturgieerklärung besteht darin, den verborgenen Sinn der Riten, die Bedeutungsträger sind, zu erklären. Sie wirkt heutigem Verständnis fremd, weshalb gefragt worden ist, ob es wirklich um eine Erklärung der Liturgie oder aber um eine Erklärung von Glaubensaussagen ging, die, angeregt durch den Ritus, in Erinnerung gerufen wurden. Neuere Studien interpretieren die Liturgieallegorese konsequent im historischen Kontext und heben hervor, solche Liturgieerklärung habe den anamnetischen Grundzug der Liturgie verstärkt, indem sie liturgische und biblische Handlung verknüpft habe. Die Erklärung wird als Mnemotechnik interpretiert, der Kommentar hält den Ritus in der Überlieferung lebendig (Lentes/365). Das gesamte Zeichengeschehen der Liturgie wird auf Christus bezogen und erfährt damit eine Sinnstiftung (Petersen/391). Als eine weitere Aufgabe wird u. a. auch die Erschließung von Zeichenhandlungen, die komplex und vieldeutig sind, und damit liturgische Unterweisung genannt. Diese Weise der Liturgieerklärung blieb im Mittelalter nicht unumstritten. Florus von Lyon († 860), der durch die Liturgie nicht nur Heilserkenntnis, sondern Heilswirklichkeit vermittelt sah, erreichte auf dem Regionalkonzil von Quierzy 838 die Verurteilung Amalars. Vereinzelt finden sich andere Formen der Liturgieerklärung. So trifft man auf erste Bemühungen, die Liturgie von ihren historischen Ursprüngen her zu verstehen. Dafür stehen Walahfrid Strabo (807–848) mit seiner Schrift »Libellus de exordiis et incrementis quarundam in observationibus ecclesiasticis rerum«, die auch als erste Liturgiegeschichte bezeichnet wird, und Radulph von Rivo (1340–1403), der sich unter anderem mit seinem Werk »De officiis ecclesiasticis« der altrömischen Liturgie verschrieben hatte. Es gab weitere Formen der Beschäftigung mit der Liturgie. Das verbreitete, anonym verfasste Liber Quare (CChr.CM 60) (Mitte des 9. bis 11. Jahrhundert) enthält wie in einem Katechismus Fragen und Antworten zu Themen der Liturgie. Es diente der Unterrichtung

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2  Geschichte, Profil und Methoden des Faches Liturgiewissenschaft

des Klerus. Festzeiten, Tagzeiten, liturgische Kleidung u. a. werden behandelt. Fragen zur Messe sind in späteren Fassung nachgetragen worden. Der Name rührt daher, dass die Fragen in der Regel mit »Quare« – »Warum« beginnen. Viele Theologen des Mittelalters haben sich zwar mit der Sakramententheologie und damit eigentlich einem liturgienahen Thema befasst, jedoch die Liturgie selbst nur am Rande berücksichtigt. Thomas von Aquin (1225–1274), der u. a. Texte für die Messfeier und Stundenliturgie an Fronleichnam geschrieben hat, ging in seinen theologischen Arbeiten, auch zu den Sakramenten, auf die Liturgie nur am Rande ein. Das gilt für viele andere bedeutende Theologen seiner Zeit ebenso. Es hat bis in die jüngere Theologiegeschichte zu einer problematischen Distanz von Sakramententheologie und Liturgie geführt.

2.2.2 Liturgische Quellensammlungen und Kommentare im ­Humanismus Humanismus und Gegenreformation bzw. Katholische Reform führten in der katholischen Kirche aus unterschiedlichen Motiven zur Herausgabe einer Vielzahl von Quelleneditionen und Kommentaren zur Liturgie. Ein neues Interesse an Geschichte, insbesondere an der Antike, ist zu beobachten. Daneben spielte das Bemühen eine Rolle, durch eine verbesserte Erklärung der Liturgie kontroverstheologisch an Überzeugungskraft zu gewinnen. Außerdem wollte man die Autorität der eigenen Liturgie durch Hinweis auf historische Zeugnisse unterstreichen. Die Möglichkeiten des Buchdrucks kamen auch der wissenschaftlichen Auseinandersetzung mit der Liturgiegeschichte zugute. Vom Humanismus her entwickelte sich in der Folgezeit eine Tradition philologischer Arbeit, die ihren Teil zur Ausbildung der Liturgiewissenschaft beigetragen hat, bis in die Gegenwart reicht und als Grundlagenforschung unverzichtbar ist. Große Editionen entstanden, für die Namen wie Melchior Hittorp (1525–1584), Jakob Pamelius (1536–1587) oder ­Antonio Ludovico Muratori (1672–1750) stehen. Einzelne theologische Schriften und Kommentare, etwa diejenigen von Georg Cassander (1513/1516–1566), suchten zwischen den entstehenden Konfessionen zu vermitteln. Verschiedene Liturgien wurden erläutert, so die Messliturgie durch Giovanni Bona (1609–1674). Überblicksartige Werke wie das von JeanEtienne Durant (1534–1589) über Kirchenbau, Vasa sacra, Messe und Stundenliturgie wurden publiziert. Hervorragendes leisteten Vertreter der französischen Benediktinerkongregation von Saint-Maur, die sich insbesondere der wissenschaftlichen Arbeit widmete, darunter Nicolas-Hugues Ménard (1585–1644), Jean Mabillon (1632–1707) und Edmond Martène (1654–1739). Ihre Editionen beispielsweise von Sakramentaren, römischen Ordines und Quellen der altgallischen Liturgie blieben lange Zeit die maßgeblichen Quellenausgaben. Ein umfangreiches Œuvre zur Liturgie, das Editionen, Abhandlungen und Programmschriften umfasst, stammt von Martin Gerbert (1720–1793), seit 1764 Fürstabt von St. Blasien. Auch die Liturgien anderer Kirchen traten ins Blickfeld. Um die Erforschung der ostkirchlichen Liturgien machten sich unter anderem Jakob Goar (1601–1653), Eusèbe Renaudot (1648–1720) und Joseph Aloysius Assemani (1710–1782) verdient. Cornelius Schulting (1540– 1604) stellte in kontroverstheologischer Absicht lutherische und calvinistische Liturgie zu-

2.2  Etappen der Geschichte des Faches Liturgiewissenschaft37

sammen. Besonders zu erwähnen ist Papst Benedikt XIV. (1740–1758), vom dem eine Reihe bedeutender Werke stammt, die, zum Teil im weiteren Sinne, die Liturgie betreffen; seinen Arbeiten lagen Quellenstudien und ein Interesse an der Liturgiegeschichte zugrunde. Benedikt XIV. förderte die Liturgiewissenschaft aber auch institutionell durch Gründung von Scholae Sacrorum Rituum. Er gab unter anderem ein Handbuch für das Studium der Liturgie in Auftrag.

2.2.3 Die Rubrizistik der frühen Neuzeit Mit dem Wandel des Liturgieverständnisses, das in der Liturgie vor allem ein durch die zuständige Autorität rechtlich geregeltes Handeln der Kirche sah, gewann die bereits im 14./15. Jahrhundert entstandene Rubrizistik an Bedeutung. Die Bezeichnung »Rubrizistik« weist schon auf den Ansatz dieser Erschließungsweise von Liturgie hin. Rubriken sind die in roter Farbe (lat. ruber) geschriebenen Anweisungen für den Vollzug der liturgischen Feiern. Die Rubrizistik erklärt die Liturgie nach ihrer rechtlichen Gestalt. Liturgische Bücher, Dekrete und Anweisungen römischer und anderer kirchlicher Instanzen u. Ä. wurden berücksichtigt. Seit dem 16. Jahrhundert gelangte die Rubrizistik zu wirklicher Bedeutung und behielt diese bis ins 20. Jahrhundert. Liturgie auf der Basis des liturgischen Rechtes zu erklären, ist auch in der Gegenwart noch Aufgabe der Liturgiewissenschaft, steht aber anders als in der klassischen Rubrizistik unter theologischen und pastoralen Vorzeichen (Rau/243). Als Autoren bedeutender Werke sind Bartolomeo Gavanti (1569–1638), Giuseppe Catalani (1698–1764), Giovanni Michele Cavalieri (Ende des 17. Jahrhunderts bis 1757), aus jüngerer Zeit Philipp Hartmann und Georg Kieffer zu nennen. Ein Beispiel aus der im 20. Jahrhundert verbreiteten Rubrizistik von Kieffer zeigt die Funktion dieses Zugangs zur Liturgie, aber auch die Fokussierung, die damit verbunden sein konnte. Minutiös wird die Mischung von Wein und Wasser bei der Gabenbereitung beschrieben: Der Priester nimmt »das vom Ministranten dargebotene Weinkännchen und schüttet auf der Seite des Purifikatoriums so viel Wein in den Kelch, den er zu diesem Zwecke etwas neigt, als man in einem oder höchstens drei Zügen bei der Kommunion trinken kann. Nachdem er dem Meßdiener das Kännchen zurückgegeben, macht er mit der rechten Hand ein Kreuz über das Wasserkännchen und spricht gleichzeitig: Deus, qui humanae substantiae etc. Dann nimmt er das Löffelchen, schöpft damit einige Tropfen aus dem Kännchen und läßt  sie bei den Worten: da nobis per huius aquae et vini mysterium in den Kelch fallen; die ­anhängenden Tropfen gibt er ins Kännchen zurück, trocknet mit Hilfe der linken Hand das  Löffelchen am Purifikatorium und legt es neben das Korporale oder das Kelchvelum« (Kieffer/201: 161). Theologie und Geschichte dieses Ritus sind für die Rubrizistik nicht von Interesse. Sie will durch korrekte Umsetzung der Anweisungen die »richtige« Liturgie sichern. Ihr eigentliches Ziel ist die erhebende Feier des Gottesdienstes zur Verherrlichung Gottes und zur Erbauung der Gläubigen (Kieffer/201: 11). Allerdings förderten solche Regelwerke die Verrechtlichung der Liturgie und die Skrupelhaftigkeit.

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2  Geschichte, Profil und Methoden des Faches Liturgiewissenschaft

2.2.4 Weichenstellung zur eigenständigen Disziplin ­»Liturgiewissenschaft« Im späten 18. und im 19. Jahrhundert erfuhr die wissenschaftliche Auseinandersetzung mit der Liturgie entscheidende Weichenstellungen. Unterschiedlichste Strömungen und Entwicklungen in Kirche, Gesellschaft und Wissenschaft waren daran beteiligt. Die katholische Aufklärung ist ebenso zu nennen wie Restauration und Ultramontanismus. Im Zuge einer stärkeren Ausdifferenzierung der theologischen Disziplinen, insbesondere der Entstehung der Pastoraltheologie, wurde die Liturgie als Studieninhalt neu gewichtet. Zugleich entwickelten Kirchenhistoriker vermehrt Forschungsprogramme zu Fragen des Gottesdienstes. Als im Laufe des 19. Jahrhunderts eigene Handbücher der »Liturgik« veröffentlicht wurden, war der Weg zu einer eigenständigen Disziplin »Liturgiewissenschaft« vorgezeichnet.

2.2.4.1 Liturgiewissenschaft seit dem 18. Jahrhundert Die katholische Aufklärung des späten 18. und frühen 19. Jahrhunderts prägte das spätere Fach »Liturgiewissenschaft« mit. Die Liturgie war zumindest für diejenigen, die sich als aufgeklärt verstanden, nicht mehr unumstritten. Sie wurde hinterfragt oder gar gänzlich in Frage gestellt. Dies war Anlass genug, sich mit Inhalt und Form der tradierten Liturgie auseinander zu setzen. Die kritische Beschäftigung mit der Liturgie und folglich mit der Tradition wurde kennzeichnend für die Liturgik der katholischen Aufklärung. Die Liturgie sollte zur Glückseligkeit des Menschen und zu seinem tugendhaften Leben vor Gott beitragen. Neben die Auseinandersetzung mit der Theologie und Geschichte des Gottesdienstes trat das Interesse an der Anthropologie der Liturgie. Man entwickelte Vorschläge zur Reform des Gottesdienstes. Damit gewann die Auseinandersetzung mit der Liturgie einen sehr praktisch-pastoralen Zug (Kohlschein/206). Im Hintergrund dieser Entwicklung steht nicht zuletzt unter anderem die theresianischjosephinische Studienreform. Die grundlegende Programmschrift Franz Stephan Rautenstrauchs (1734–1785) »Entwurf zur Einrichtung der theologischen Schulen«, zunächst 1774, dann überarbeitet mehrfach neu aufgelegt, sah neben der Katechetik die Liturgik als ein Aufgabenfeld der Pastoraltheologie. Das Theologiestudium wurde reformiert, die praktische Ausbildung der angehenden Priester gefördert. Man betonte die Handlungsrelevanz der Theologie; ein Theologe wie Franz Giftschütz (1748–1788) definierte die Pastoraltheologie als »Pastoralanweisung« und damit als Anwendungswissenschaft. Das Liturgieverständnis der katholischen Aufklärung prägten Theologen wie Beda Pracher (1750–1819), Benedikt Maria Werkmeister (1745–1823) und Vitus Anton Winter (1750– 1814). Eine einflussreiche Gestalt war der Konstanzer Generalvikar Ignaz Heinrich Freiherr von Wessenberg (1774–1869), der ein umfangreiches Reformwerk in Gang setzte, das die Erneuerung nicht nur einzelner liturgischer Bücher, sondern auch der Priesteraus- und -fortbildung im Blick hatte. Kennzeichnend ist für die Liturgik dieser Zeit, dass man sich nicht auf theoretische Auseinandersetzungen beschränkte, sondern auch Veränderungen der liturgischen Praxis vornahm. Gesang- und Gebetbücher sowie Ritualien in großer Zahl wurden überarbeitet oder

2.2  Etappen der Geschichte des Faches Liturgiewissenschaft39

neu konzipiert und in den Gemeinden vor allem Südwestdeutschlands eingesetzt. Neben die Erklärung und Vermittlung von Liturgie trat hier die Reform der Liturgie. Ziel war ein Gottesdienst, der die Gläubigen belehren und zugleich erbauen konnte und entsprechend zweckmäßig aufgebaut war. Die Gläubigen sollten an der Liturgie teilnehmen können. Maßstäbe wie die Vernunftgemäßheit, die man zugrunde legte, wurden unter anderem aus der Heiligen Schrift und der sehr idealistisch gesehenen frühchristlichen Liturgie abgeleitet. Von letzterem Rekurs erhoffte man sich klarere liturgische Strukturen, vor allem aber eine unverfälschte Liturgie. Auf eine entsprechende gottesdienstliche Praxis sollte die Ausbildung vorbereiten. Für die Weiterbildung standen verschiedene Zeitschriften mit Aufsätzen und Rezensionen zur Verfügung, die zum Teil von einzelnen Bistümern herausgegeben wurden. Aber auch Pastoralkonferenzen, an denen Pfarrer teilnehmen mussten, um sich mit Themen von Theologie und Seelsorge zu beschäftigen, veranstaltete man. Sie waren zwar offensichtlich autoritär, aber effizient organisiert (Liturgiewissenschaft/221). Die katholische Aufklärung ging mit dem Aufkommen der Romantik unter; sie scheiterte an gesellschaftlichen Umbrüchen und an innerkirchlichen Widerständen, nicht zuletzt aus Rom. Ohne explizit die Liturgiewissenschaft zu fördern, hat auch Dom Prosper Guéranger (1805–1875), der Wiederbegründer der Abtei Solesmes, die Auseinandersetzung mit der Liturgie mitgeformt. Als Ultramontanist verschrieb der Benediktiner, der zu den Vorläufern der Liturgischen Bewegung des 20. Jahrhunderts gezählt wird, sich der römischen Liturgie, die für ihn Ausdruck des apostolischen Anfangs war: »Erschließt also Eure Herzen, Kinder der katholischen Kirche, und kommt, um mit dem Gebete Eurer Mutter zu beten. Machet durch Euren Anschluß die Harmonie vollständig, die so angenehm dem Ohre Gottes klingt. Möge der Geist des Gebets an dieser seiner natürlichen Quelle neuen Geist schöpfen« (Guéranger/185: 1,7). Von Solesmes aus initiierte Guéranger in Frankreich eine Reform des Gottesdienstes, die bis 1875 zum Untergang aller dortigen Diözesanliturgien zugunsten der römischen Liturgie führte. In der Liturgie sollte Kirche erfahrbar werden. Guéranger legte deshalb auf Ursprünglichkeit, Universalität, Autorität etc. der Liturgie großen Wert. Die Beschäftigung mit der Liturgiegeschichte und insbesondere die Erneuerung des gregorianischen Chorals gehörten zum Programm von Solesmes. Einflussreich waren Guérangers Werke »Institutions liturgiques« (1840, 1841, 1851) und »L’annee liturgique« (1841–1861). Prägend war seine Art des Rückgriffs auf die Tradition. Guéranger verlangte eine Liturgie unter Mitwirkung der Gemeinde, weil nur so die Gläubigen aus den gefeierten Glaubensgeheimnissen leben könnten (Bricout–Drouin/287). Zeitgleich versuchte die Oxford-Bewegung (Nockles/382) im anglikanischen England seit 1833 durch den Rückgriff auf die apostolische Überlieferung die Kirche zu erneuern. Durch eine Vielzahl theologischer Studien, darunter die sog. Tracts, bemühte man sich um die Reform des liturgischen Lebens. Theologie, Ekklesiologie und Liturgie wurden wieder in ein enges Verhältnis gesetzt (Berger/165; Bradshaw/286).

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2  Geschichte, Profil und Methoden des Faches Liturgiewissenschaft

2.2.4.2 Entstehung von Handbüchern im 19./20. Jahrhundert Im deutschen Sprachgebiet erschienen im 19. Jahrhundert Handbücher zum Teil beträchtlichen Umfangs zu Fragen der Liturgie, die weit über ihre Erscheinungszeit hinaus Beachtung fanden. Sie entstanden in unterschiedlichen geistes- und kirchengeschichtlichen Kontexten und stehen unübersehbar für verschiedene theologische Richtungen. Diese Bücher sind Ausdruck des Bemühens um eine Theorie liturgiewissenschaftlichen Arbeitens und Anzeichen einer Verwissenschaftlichung der Beschäftigung mit Liturgie. Zu den wirkungsgeschichtlich bedeutendsten zählen die folgenden Werke (Kranemann/210: 352–356): • Die Handbücher von Franz Xaver Schmid (1800–1871) und von Anton Adalbert Hnogek (1799–1866) sind noch von der katholischen Aufklärung beeinflusst, setzen sich aber schon deutlich von ihr ab. Behandelt werden die Anthropologie des Gottesdienstes, Ausdruck und Anregung des religiösen Gefühls, die Ästhetik der Zeremonie; ihre Zweckmäßigkeit und Deutlichkeit werden als Werte gesehen. Aber auch ein Interesse an der objektiv heilsgeschichtlichen Sicht der Liturgie wird deutlich; die Liturgie offenbart die innere Religion und ist Spiegel einer religiösen Wahrheit (Schmid/253: 13–24). Schmid spricht bereits von der »Wissenschaft der Liturgie« (ebd. 30) und unterscheidet sie von einer reinen »Anwendungswissenschaft«. • Eine zweite Gruppe von Handbüchern entstand im Umfeld der Tübinger Schule. Die Liturgie wird heilsgeschichtlich interpretiert und offenbarungstheologisch gedeutet. Maßgeblich ist die Liturgik von Johann Baptist Lüft (1801–1870). Aus den liturgischen Einrichtungen, die auf Christus und die Apostel, aber auch auf die menschliche Natur zurückgehen, will Lüft allgemeine Prinzipien ableiten. Ihm geht es nicht primär um pastorale Unterweisung. Jakob Fluck (1810–1864) will die in der Liturgie erscheinende göttliche Weisheit darstellen. Sein Anliegen ist die systematische Behandlung der in der Liturgie gegenwärtigen göttlichen Wahrheit. Den sakramentalen Kultus, der die Erlösung vermittle, stellt er an den Anfang und lässt ihm den latreutischen, Gott verherrlichenden Kultus gleichsam als Frucht folgen. • Auch die Handbücher von Valentin Thalhofer (1825–1891) und Ludwig Eisenhofer (1871– 1941) stehen für eine eigene inhaltliche Ausrichtung. Thalhofer stellt neben Geschichte und Theologie auch anthropologisch-psychologische Gegebenheiten des Gottesdienstes dar. Eisenhofer, der das Handbuch Thalhofers überarbeitet hat, konzentriert sich fast ausschließlich auf Geschichte und Rubrizistik. Weniger thematisiert er die Theologie der Liturgie. Bemerkenswert ist die unterschiedliche Einschätzung beider Autoren im Hinblick auf das Verhältnis von Liturgik und Pastoraltheologie. Thalhofer rechnet die Liturgik zur Pastoraltheologie und hält sie nicht für ein selbstständiges theologisches Fach. Eisenhofer lehnt eine solche Zuordnung kategorisch ab und definiert die Liturgik als »die Wissenschaft von der Ecclesia orans et sanctificans« (Eisenhofer/43: 1, 55). Die Handbücher sind als historische Quellen heute noch von besonderer Bedeutung. Hilfreich sind sie unter anderem wegen der vielen liturgiegeschichtlichen Details, die sie verzeichnen. Insbesondere das Handbuch von Eisenhofer ist deswegen noch immer ein wichtiges Kompendium.

2.2  Etappen der Geschichte des Faches Liturgiewissenschaft41

Offensichtlich in Anlehnung an diese Handbücher sind im späteren 19. Jahrhundert zahlreiche kleinere Liturgiken erschienen. Sie dienten der liturgischen Bildung der Gläubigen, waren entweder direkt für diese geschrieben oder sollten Priestern als Vorlagen für die Katechese helfen. Es begegnet u. a. der Wille, Partizipation am Gottesdienst zu fördern, die Bedeutung von Zeichenhandlungen bis hin zu Körperhaltungen hervorzuheben und die Liturgie als Ausdruck des Wesens der Kirche zu erleben (Kranemann/212).

2.2.5 Programmatik der Liturgiewissenschaft im frühen 20. Jahrhundert Im frühen 20. Jahrhundert kristallisierten sich drei Bereiche liturgiewissenschaftlichen Arbeitens heraus, deren konkrete Zuordnung und inhaltliche Füllung zwar immer wieder diskutiert werden, deren Zusammenwirken aber zum unverzichtbaren Spezifikum des Faches Liturgiewissenschaft gehört. Liturgiegeschichtsforschung, Theologie der Liturgie (auch »Systematische Liturgiewissenschaft« genannt) und Liturgiepastoral sind zugleich unterschiedliche Zugangswege zum Gottesdienst und Arbeitsfelder der Liturgiewissenschaft (zu den einzelnen Personen, die in dieser Zeit die Liturgiewissenschaft weiterentwickelt haben, vgl. Gottesdienst/183). Zwischen ihnen gibt es Komplementaritäten. Die Methoden und Forschungsziele innerhalb der einzelnen Arbeitsfelder variieren zum Teil stark. Den vielfältigen Aspekten eines so komplexen Handlungsgeschehens wie der Liturgie kann nur ein entsprechend differenziertes Untersuchungsinstrumentarium gerecht werden.

2.2.5.1 Methodenvielfalt in der Liturgiegeschichtsforschung Für die Liturgiegeschichtsforschung wurden um die Wende zum 20. Jahrhundert umfangreiche Forschungsprogramme ausgearbeitet, die eine systematische Erschließung der historischen Quellen vorsahen (Kranemann/210: 356–372). In ihnen präsentierte sich die Liturgiewissenschaft als eine philologisch-kritisch arbeitende Wissenschaft. Drei unterschiedliche methodische Ansätze versuchten, diesem Wissenschaftsverständnis zu genügen. Die historisch-genetische Methode, die komparative Liturgiegeschichtsforschung und ein stärker geistesgeschichtlich interessierter Frageansatz gelten auch heute noch als richtunggebend, sind allerdings kritisch weiterzuführen und um neue Quellen und Methoden zu ergänzen. Die historisch-genetische Methode verbindet sich mit dem Namen von Josef Andreas Jungmann (1889–1975); sein bis heute maßgebliches Werk zur Geschichte der Eucharistiefeier »Missarum Sollemnia«, das den Untertitel »Eine genetische Erklärung der römischen Messe« trägt, ist von diesem Ansatz geprägt. Es geht der Frage nach: Wie haben sich die liturgischen Formen aus den Anfängen zu immer komplexeren Feiern hin entwickelt? Im Vorwort zur Erstauflage seines Buches beschreibt Jungmann seine Arbeitstechnik, eine Zusammenschau der Quellen in historischer Abfolge, die es ermöglicht, die Entwicklung der Messe nachzuzeichnen, und die schließlich zu einem Gesamtbild führt: »Besonders die mittelalterliche Entwicklung mußte neu aus den Quellen geschöpft werden. Denn sosehr im großen und ganzen eine gemeinsame Linie alle Erscheinungen verband, konnte doch ein genauerer Einblick in Ursprünge und Triebkräfte nur gewonnen werden

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durch möglichste territoriale Scheidung und zeitliche Aufreihung der überlieferten Texte, die im einzelnen ja immer wieder in starker Streuung ihrer Formen auseinandergingen. Was hier die Quellen boten, … mußte übersichtlich exzerpiert werden. So reihten sich bei verschiedenen Kapiteln immer wieder in Meterbreite die Parallelkolumnen aneinander, Dutzende und bis an die hundert schmaler Streifen, die dann, um die Feststellung von Gemeinsamkeiten und Grundformen zu ermöglichen, alsbald in allen Farben des Regenbogens schimmerten, bis sich wieder die Erkenntnis eines Stückes Entwicklung ergab« (Jungmann/340: I, VI f.). Die Analyse der Strukturen liturgischer Formulare unter Berücksichtigung ihrer Entwicklung war das eigentliche Anliegen. Am Frageraster, das Jungmann für die Geschichte des Kyrie eleison abarbeitet, wird dies deutlich: Warum wiederholt man die Kyrie-Rufe, warum geschieht dies neun Mal? Woher kommt dieses Flehen, warum geschieht es in griechischer Sprache? Wer ruft eigentlich? (Jungmann/340: I, 430) Aus den Quellen zeigt Jungmann auf, wie dieser Huldigungs- und Bittruf seit der Frühzeit seine Gegenwartsgestalt und -bedeutung erhalten hat. Dabei bezieht er die verschiedenen Liturgiefamilien ein, weist auf die entscheidenden Umbrüche zur Zeit Gregors d. Gr. hin, erläutert den Prozess der musikalischen Entwicklung des Kyrie usw. Ein Kapitel über das Agnus Dei beginnt mit gegensätzlichen Beobachtungen zur gegenwärtigen Praxis und mündet in die Frage: »Welches ist der ursprüngliche Sinn des Agnus Dei?« (Jungmann/340: II, 413). Jungmanns eigentliches Anliegen war nicht die Rekonstruktion von Geschichte, sondern die Offenlegung der Strukturen und des inneren Planes der Liturgie: »Wir wollen … mehr historisch-genetisch vorgehen, zusehen, wie liturgische Formen gewachsen sind und wachsen, von einfachen Anfängen zu immer reicherer Entfaltung« (Jungmann/198: 54). Letztlich verfolgte Jungmann ein im weitesten Sinne pastorales Interesse. Sein Anliegen war eine Erneuerung der Glaubenspraxis, wofür die Kenntnis der Geschichte und damit der Fundamente der Liturgie unverzichtbar war. Man kann von einem historischen Ansatz mit liturgiepraktischen Konsequenzen sprechen (Jungmann/199). Den liturgiegenetischen Ansatz Jungmanns griffen auch andere Autoren auf (u. a. Alois Stenzel und Bruno Kleinheyer); er prägt liturgiegeschichtliche Studien bis heute. Wenn auch manche Details und Einzelurteile seiner Studien zur Liturgiegeschichte mittlerweile zu revidieren sind, ist der überragende Beitrag Jungmanns zur Liturgiereform des 20. Jahrhunderts doch unübersehbar. Die historisch-genetische Methode stellte insofern eine Revolutionierung der Liturgiegeschichtsforschung dar, als sie die Varianten und Varietäten innerhalb der römischen Liturgietradition nachdrücklich vor Augen führte, dadurch einen reinen Geschichtspositivismus überstieg und die Liturgiehistorie – zunächst innerhalb der Liturgiewissenschaft, dann der Theologie, schließlich aller Geisteswissenschaften – diskursfähig hielt. Jungmann beschreibt die Liturgiegeschichte als ein prozesshaftes Geschehen, in dem Kontinuität und Wandel miteinander verbunden sind. Das eröffnete für Theologie und Kirche neue Handlungsoptionen, weil deutlich wurde, dass die jetzige Gestalt der Liturgie Ergebnis einer langen Geschichte, mithin veränderbar war und ist.

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Allerdings liegen mittlerweile auch die Grenzen dieser Methode offen zutage. Sie konzentriert sich zu sehr auf Text- und Ereignisgeschichte. Wahrgenommen werden die Veränderungen in den schriftlichen liturgischen Quellen; die dahinterstehenden Mentalitäten, gesellschaftlichen und kirchlichen Voraussetzungen, die Rezeption des gottesdienstlichen Geschehens, seine Performanz u. Ä. hingegen befragt diese Methode kaum oder gar nicht. Nachdrücklicher als Josef Andreas Jungmann hat Anton Baumstark (1872–1948) seinen wissenschaftlichen Ansatz als Methode formuliert: die vergleichende Liturgiegeschichtsforschung. Während sich Jungmann in der Regel auf eine Ritenfamilie konzentriert und – so ein Buchtitel – die »Gewordene Liturgie« erklären will, widmet sich Baumstark dem Prozess der Evolution von Liturgie in den unterschiedlichen Liturgiefamilien. Durch Strukturanalysen, philologische Untersuchungen und Vergleich der verschiedenen Ritenfamilien sollen die Entwicklungsstränge des Gottesdienstes offengelegt werden. Komparatistik und Zusammenschau, der Einbezug paganer Kulte und jüdischer Liturgie, die Berücksichtigung ethnisch-kultureller Kontexte prägen diesen Forschungsansatz. Baumstark und seine Schüler versuchten sogar Gesetzmäßigkeiten zu formulieren, die im Evolutionsprozess der Liturgie wirksam gewesen seien. »In ihrer eigenen Schichtung bietet die heutige Erdkruste die Denkmäler der gewaltigen Umwälzungen dar, deren Ergebnis sie ist, und liefert an ihnen der geologischen Wissenschaft das Urkundenmaterial, das ihr die Archivalien diplomatischer Geschichtsforschung ersetzt. Ähnlich weist auch die Liturgie in ihrer heutigen wie in derjenigen Gestalt, die ­irgend ein älteres Liturgiedenkmal bezeugt, selbst die Spuren ihres Werdeprozesses auf. Auch diese Spuren gilt es sorgfältigst zu verfolgen und mit den äußern Quellenzeugnissen vergleichend zu verbinden. Zu prüfen gilt es sodann vor allem, ob nicht und wieweit an dem so bereicherten Beobachtungsstoffe eine innere Gesetzmäßigkeit auch liturgischer Entwicklung sich nachweisen läßt, vermöge deren diese mehr oder weniger in eine Linie mit sprachlicher und biologischer Entwicklung träte« (Baumstark/163: 4). Baumstarks Werke sind historiographisch und philologisch bedeutend. Hervorzuheben sind neben »Liturgie comparee« (1939 [Baumstark/160]; 31953; engl. 1958 [Baumstark/159]) seine kleine Schrift »Vom geschichtlichen Werden der Liturgie« (1923 [Baumstark/163]), eine Monographie über das »Missale Romanum« (1929 [Baumstark/161]) und »Nocturna laus« (1957 [Baumstark/162]), eine Studie zur christlichen Vigilfeier. Diese Werke sind für die Liturgiegeschichtsforschung auch deshalb wichtig, weil sie intensiv das liturgische Leben der orientalischen Kirchen untersuchen. Nicht zuletzt haben sie das philologische Instrumentarium des Faches stark geprägt (Comparative Liturgy/294). Baumstarks Methodik hat zu einer regelrechten Schulbildung geführt, wie beispielsweise Studien zu Hochgebeten von Hieronymus Engberding und Fritz Hamm zeigen. Allerdings erfuhr Baumstarks Ansatz auch Kritik. Man wies auf die Gefahr hin, dass ein historischer Ansatz, der die Liturgiegeschichte als evolutionären Prozess zu sehr der Naturgeschichte gleichstelle, die besonderen Entwicklungsdeterminanten des kulturellen Systems der Liturgie übersehe (West/268). Historische Realität und gedankliche Konstruktion dürften gerade in der Geschichtsschreibung nicht verwechselt werden. Das gilt auch in Bezug auf

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die Anwendung der textkritischen Methode auf Textgattungen, die den Gesetzen liturgischer Überlieferung gehorchen (Budde/594: 50 f.). Aus heutiger liturgiewissenschaftlicher Sicht ist kein wissenschaftlicher Ansatz mehr akzeptabel, der wie bei Baumstark die Liturgiegeschichte der Kirchen der Reformation unberücksichtigt lässt. Baumstark hat sie gar nicht wahrnehmen können, weil sie innerhalb seines Modells einer kontinuierlich wachsenden Liturgie keinen Platz haben, sondern einen Umbruch darstellen (Lurz/374). Die philosophischen Prämissen des von Baumstark vertretenen Ansatzes sind demnach kritisch zu reflektieren. Das stellt aber seinen vergleichenden Ansatz keineswegs grundsätzlich in Frage. Im Hinblick auf die notwendige ökumenische Fundierung der Liturgiewissenschaft ist die Liturgie comparee methodisch und hermeneutisch unverzichtbar. Weiter führen Überlegungen, die Robert Taft (1932–2018) zur Methodologie der Liturgiewissenschaft und zur vergleichenden Liturgiewissenschaft vorgelegt hat. Er sieht Letztere vor allem mit der Aufgabe betraut, alle Entwicklungsmöglichkeiten der Liturgiegeschichte aufzudecken und unterstreicht dabei stark die ökumenische Bedeutung eines solchen Ansatzes, durch den man unter anderem die Kontroverstheologie der Vergangenheit überwinden könne (Taft/261: 248). Anton Ludwig Mayer (1891–1982) geht in seinen Arbeiten von der These aus, jegliche Veränderung und Entwicklung der Liturgie habe unter dem Einfluss geistesgeschichtlicher Kräfte stattgefunden. Liturgie wird deshalb im geistesgeschichtlichen Zusammenhang untersucht. Anders als bei der komparatistischen oder der an der Liturgiegenese orientierten Methodik fragt Mayer nach Formation und Deformation der Liturgie im kulturellen Umfeld. In seinem zuerst 1955 erschienenen Aufsatz »Die geistesgeschichtliche Situation der Liturgischen Erneuerung in der Gegenwart« (in: Mayer/227: 388–438) wird sein Ansatz sichtbar: »Läßt sich die Liturgische Erneuerung wie die Frömmigkeitshaltungen und Kultgesinnungen früherer Perioden des Abendlandes in einen großen geistesgeschichtlichen Komplex einfügen – als Symptom und Teilphänomen dieses Komplexes – und sich damit als ein überindividueller, motorischer oder kompensatorischer Kulturfaktor erweisen? Mit anderen Worten: Gibt es im Bereich der geistigen Kultur Erscheinungen, Entsprechungen und Parallelen, die uns zeigen und uns davon überzeugen können, daß die Liturgische Erneuerung gerade in dieser Zeit und in dieser kulturellen Umgebung aus ihrer lange währenden Vorgeschichte, aus ihrem esoterischen, monastischen und wissenschaftlichen Stadium in die Offenheit der Welt, in das Leben der Kirche und des einzelnen eintreten und dieses Leben mitbilden und miterfüllen konnte? Was geschah also in den Bezirken, die für uns eine geistige Kultur bestimmen, in der Kunst, in der Literatur, im wissenschaftlichen und weltanschaulichen Denken?« (Mayer/227: 389). Die Themen, mit denen Mayer sich in seinen Veröffentlichungen beschäftigte, verdeutlichen sein wissenschaftliches Programm: »Renaissance, Humanismus und Liturgie«, »Die geistesgeschichtliche Situation der liturgischen Erneuerung in der Gegenwart«, »Der Wandel des Kirchenbildes in der abendländischen Kulturgeschichte« (Eine Aufsatzsammlung bietet Mayer/227). Kunst und Literatur etwa werden zu Quellen, um den Wandel der Liturgie im Rahmen der abendländischen Kulturgeschichte erfassen und deuten zu können. Dieser Zu-

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gang zur Liturgiegeschichte vernetzt die Liturgiewissenschaft mit anderen Geisteswissenschaften, wurde aber leider nicht weitergeführt. Viele Ergebnisse und Positionen Mayers, insbesondere seine Beschreibung verschiedener historischer Epochen müssen aufgrund der nachfolgenden Forschung als überholt gelten (dazu Angenendt/156: 64 f., 171), doch bleibt der Anspruch auf ein geistes- (und kultur-)wissenschaftliches Profil der Liturgiewissenschaft bestehen. Kulturgeschichte und Volkskunde hat auch Peter Browe (1876–1949) in seine Forschungen zur Frömmigkeits- und Liturgiegeschichte einbezogen. Er leistete damit Beiträge gleichermaßen für die Theologie wie für kulturwissenschaftliche Forschung. Ihn interessierte beispielsweise nicht allein die Entwicklung der Dogmengeschichte zur Eucharistie, sondern insbesondere die Relevanz, die diese für das Leben von Menschen hatte. Er befasste sich u. a. für das Mittelalter mit der Kommunion von Laien, der Eucharistie als Zaubermittel, eucharistischen Prozessionen, der Verbreitung des Fronleichnamsfestes (Browe/289).

2.2.5.2 Liturgiewissenschaft als theologische Disziplin Maßgeblich beeinflusste 1921 Romano Guardini (1885–1968) mit seinem Aufsatz »Über die systematische Methode in der Liturgiewissenschaft« die weitere Entwicklung des Faches und vor allem der Liturgietheologie. Einflussreich war sein Buch »Vom Geist der Liturgie«, das 1918 in erster Auflage erschien (Guardini/445; Vom Geist der Liturgie/512). Guardini erhob den Anspruch, die Liturgiewissenschaft sei Theologie, und erweiterte damit das Spek­ trum des Faches, in dessen Mittelpunkt bis dahin die Geschichtsforschung gestanden hatte. Zudem beschrieb Guardini den Gegenstand dieser Theologie in einer innerhalb der Gesamttheologie ungewohnten Weise: Liturgiewissenschaft solle sich mit der Kirche beschäftigen, die in der Liturgie die Gnadengeheimnisse vollzieht. »Gegenstand der systematischen Liturgieforschung ist also die lebendige, opfernde, betende, die Gnadengeheimnisse vollziehende Kirche, in ihrer tatsächlichen Kultübung und ihren auf diese bezüglichen, verbindlichen Äußerungen« (Guardini/184: 104). Guardini geht es um die lebendige, opfernde und betende Kirche. Zu untersuchen sind die tatsächliche Kultausübung, also die Liturgie selbst, und die auf sie bezogenen Äußerungen der Kirche. Das Interesse soll aber letztlich, so Guardini, der sich darin äußernden übernatürlichen Wahrheit und Lebensordnung gelten, welche die Kirche vermittelt. »Es handelt sich um Theologie, d. h. um Lehre von der übernatürlichen Offenbarung und Lebensmitteilung. Ihr Inhalt ist theoretisch wie praktisch festgelegt durch die verbindlichen Lehräußerungen, die wesentlichen Vorschriften und die tatsächliche Handlungsweise der Kirche. So gilt die Arbeit der liturgischen Theologie zunächst der von der Kirche maßgebend vermittelten übernatürlichen Wahrheit und Lebensordnung. Während es sich aber in der kirchlichen Rechtslehre um das aktive Leben der Kirche handelt, richtet sich die Liturgiewissenschaft auf deren kontemplatives oder kultisches Leben, sowie auf die darin zum Ausdruck kommende übernatürliche Wahrheit und Gnadenwirklichkeit« (Guardini/184: 104).

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Guardini sah die Systematische Liturgiewissenschaft in deutlichem Kontrast zu Exegese und Dogmatik, sollte sie doch keine systematische Glaubenslehre, sondern den Lehrgehalt des Kultes formulieren. »Wohl will auch sie den Lehrgehalt des Kultlebens herausholen, aber nicht um ein System der Glaubens- oder Sittenlehre aufzustellen, sondern um die lebendige Wirklichkeit des kirchlichen Gottesdienstes von den verschiedensten Seiten her zu erfassen. Sie ist die methodische Erforschung der wirklichen Kirche in ihrem Gebetsleben« ­(Guardini/184: 108). Er unterschied eine besondere Liturgiewissenschaft, welche die Einzelteile wie das Ganze der Liturgie erforschen sollte, und eine allgemeine, die sich auf »die liturgische Tatsache an sich« konzentrieren (Guardini/184: 107), also nach dem Begriff des Liturgischen, nach dem Verhältnis der Liturgie zur individuellen Andacht und zur Volksandacht, zum religiösen Geistesleben usw. fragen sollte. Lex orandi und Lex credendi, Liturgie der Kirche und Glauben der Kirche, werden hier wieder in Beziehung gesetzt. Der in der zeitgenössischen Liturgischen Bewegung neu erstarkte Sinn für die Liturgie als Ort des Glaubens wirkte sich nun auch in der Theologie aus. Allerdings betrieb man die Systematische Liturgiewissenschaft gerade im deutschen Sprachgebiet lange Zeit nicht in der Weise, wie ihr wissenschaftliches Programm es verdient hätte. Ein herausragender, in vielen Werken anderer Theologen rezipierter liturgietheologischer Ansatz des 20. Jahrhunderts stammt von Odo Casel (1886–1948; vgl. Schilson/251, Häußling/194). Er führte die Mysterientheologie in die liturgie- und sakramententheologische Diskussion ein. Die Feier der Liturgie interpretierte er, vor allem vor dem Hintergrund ­pa­tristischer Studien, als lobpreisende Erinnerung und Vergegenwärtigung des PaschaMysteriums (Casel/168, 170 u. 171). Casel entwickelte ein Verständnis von Liturgie, demzufolge die Gläubigen im Gottesdienst Anteil an der einmaligen, aber jetzt gegenwärtigen Heilstat Christi erhalten. In der Liturgiefeier sind die Mitfeiernden in sakramentaler Weise Zeitgenossen der Mysterien (vgl. Kap. 4.3.3); sie wohnen dem Erlösungswerk Gottes in Christus bei. Zudem tritt die Liturgie wieder in den Mittelpunkt christlicher Existenz. Kern christlicher Identität ist das in der Liturgie gefeierte Heilshandeln Gottes. Casels Theologie beeinflusste stark die Vorbereitung der Liturgiekonstitution »Sacrosanctum Concilium« und die liturgiewissenschaftliche Beschäftigung mit der Liturgie im 20. Jahrhundert insgesamt. Casel arbeitete sowohl mit biblischen als auch mit patristischen Quellen. Problematisch ist, dass er das Judentum als provisorisch und defizitär, als eine bloße Episode und überwunden betrachtet hat. In diesem Sinne sprach er vom »Alten« Bund und sah das Christentum enger dem Hellenismus als dem Judentum verbunden. Er meinte im Judentum eine vor allem irdische Heilserwartung und eine Trennung von Gott und Mensch sowie Gott und Welt, die nicht überwindbar sei, zu erkennen. Hier sah er eine tiefe Differenz zum Glaubensgeschehen in Jesus Christus. Deshalb spielt in seiner Theologie auch das Alte Testament keine zentrale Rolle (Schilson/251: 265–271, Ebenbauer/596: 23–26). Es handelt sich um eine wirk-

2.2  Etappen der Geschichte des Faches Liturgiewissenschaft47

liche Schwachstelle einer Theologie, die ansonsten zu den entscheidenden sakramententheologischen Entwürfen des frühen 20. Jahrhunderts zählt.

2.2.5.3 Förderung des liturgischen Lebens durch die Pastoralliturgik Der Begriff »Pastoralliturgik« wurde in den zwanziger Jahren des 20. Jahrhunderts geprägt; Athanasius Wintersig (1900–1942) bezeichnet mit ihm einen Zweig der Liturgiewissenschaft, der sich mit der seelsorglichen Bedeutung der Liturgie befassen soll. »Neben den Fragen: ›Wie wurde sie?‹ und ›Was bedeutet sie jetzt?‹ erhebt sich bei der allseitigen Behandlung der Liturgie die Frage: ›Ist sie von praktischer Bedeutung für die Seelsorge, von welcher Bedeutung?‹ und ›Wie kann ich die in der kultischen Richtigkeit der Liturgie liegende Verpflichtung durch die Seelsorge erfüllen?‹« (Wintersig/271: 157). Als Voraussetzung der Pastoralliturgik betrachtet er Geschichtsforschung und Theologie der Liturgie; jedoch sollen alle drei Arbeitsfelder der Liturgiewissenschaft gleichberechtigt nebeneinander stehen. Aufgabe der Pastoralliturgik ist nach Wintersig die Lehre, Übung und Förderung des liturgischen Lebens der Gemeinde in seiner idealen Form (Wintersig/271; dazu Jeggle-Merz/196). Allerdings soll auch dabei die theologische Deutung im Vordergrund stehen, weil es nach Wintersig letztlich um die Liturgie feiernde Kirche geht, die zum Heil des Menschen wirkt. Gefragt wird nach der Liturgie und den Bezügen zum Gemeindeleben (Allgemeine Pastoralliturgik) sowie nach einzelnen Formen und Vollzügen (Besondere Pastoralliturgik). »Das Ziel des Weges ist eine systematische Darstellung des Bestandes und der Forderungen für ein wirklich der Liturgie als geltender Kultnorm entsprechendes religiöses ­Gemeindeleben und eine begründete Anleitung, diese Forderungen in den verschiedensten Verhältnissen dem Wesen der Liturgie und der Seelsorge gemäß zu erfüllen« ­(Wintersig/271: 159). Schon im Entwurf Wintersigs zu dieser Dimension des Faches zeigt sich der Anspruch auf Interdisziplinarität: Philosophie, Psychologie und Sozialwissenschaften sollen miteinbezogen sein. Bemerkenswert ist zudem, dass Wintersig neben exakter wissenschaftlicher Reflexion auch das Miterleben und Üben des Gottesdienstes als Methoden pastoralliturgischer Arbeit nennt: »Der Wert der Pastoralliturgik ergibt sich aus dem Wert der Liturgie. Christi Sendung ist die eines Priesterkönigs, der als solcher auch Prophet und Lehrer ist. In dieser seiner Eigenschaft als Priesterkönig liegen seine Ämter und Würden beschlossen. Die Liturgie als das hohepriesterliche Fortleben Christi in der Kirche, das heilige Mysterium, ist daher der wahre Mittelpunkt des religiösen Lebens der Gläubigengemeinde« (Wintersig/271: 166). Die Pastoralliturgik hat sich als äußerst ergiebiges Arbeitsfeld erwiesen; vor allem wegen der neuen Anforderungen an die Liturgiewissenschaft nach dem Zweiten Vatikanischen Konzil konnte sie sich in neuer Richtung weiterentwickeln. Liturgiewissenschaft, die in praktisch-

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2  Geschichte, Profil und Methoden des Faches Liturgiewissenschaft

theologischer Absicht arbeitet, versteht sich heute nicht mehr als Anleitung für die Praxis. Sie kann sich nicht alleine auf Hochformen des Gottesdienstes wie die Liturgien der Sakramente konzentrieren, sondern muss Feiern aus dem christlichen Glauben und christlichreligiöse Rituale im weiteren Sinne in den Blick nehmen. Unterschiedliche Felder christlichen Glaubens, auch jenseits der traditionellen Gemeinde, und ihre gottesdienstliche Praxis sind Untersuchungsgegenstand. Die Aufgabe ist die theologische Reflexion gottesdienstlicher Praxis in ihrer ganzen Vielfalt. Dabei sind insbesondere die Gegenwartsrelevanz der Artikulation des Gottesglaubens in Inhalt und Form sowie neue rituell-liturgische Vollzüge des Glaubens in der Gegenwart zu bedenken. Dies muss mit Blick auf ein gesellschaftliches Umfeld geschehen, in dem die Gottesfrage nicht mehr selbstverständlich ist. Für diese praktisch-theologische Arbeit ist die Liturgiewissenschaft auf die Zusammenarbeit mit anderen Fächern der Praktischen Theologie, ihre Untersuchungsparadigmen und Methoden, aber ebenso beispielsweise auf eine Systematische Theologie angewiesen, die sich mit heutigen Artikulationen der Frage nach Gott sowie deren Nichtexistenz beschäftigt. Liturgiewissenschaft dient in dieser Weise nicht der Affirmation bestehender kirchlicher Praxis, sondern insbesondere einer Kritik, die zu theologisch-praktischen Kriteriologien für Liturgien in der Spätmoderne beitragen kann.

2.2.6 Die Gewichtung des Faches durch das Zweite Vatikanische Konzil und die Nachkonzilszeit Das Zweite Vatikanische Konzil (1962–1965) erhob in der am 4. Dezember 1963 verabschiedeten Liturgiekonstitution die Liturgiewissenschaft zum Hauptfach innerhalb des Theologiestudiums (SC 16) und beschrieb für die theologische Lehre ein breites Feld, das den vielfältigen Dimensionen der Liturgie entspricht. So sollen neben Theologie und Geschichte auch Spiritualität, Pastoral und Rechtsfragen der Liturgie behandelt werden. Das korrespondiert der Neugewichtung der Liturgie als Quelle des Glaubens durch das Konzil: Liturgie sei »der Höhepunkt, dem das Tun der Kirche zustrebt, und zugleich die Quelle, aus der all ihre Kraft strömt« (SC  10). Deshalb ist die Liturgie nicht nur Gegenstand der Liturgiewissenschaft; vielmehr sollen alle Fächer der Theologie – explizit werden Dogmatik, Exegese, Spiritualität und Pastoraltheologie genannt – sich von den je eigenen Fragestellungen her so mit dem Christusgeschehen und der Heilsgeschichte beschäftigen, dass der Zusammenhang mit der Liturgie deutlich wird (SC 16). Andere konziliare und nachkonziliare Dokumente betonten entsprechend die Bedeutung der Liturgie für die gesamte Theologie sowie den Stellenwert der Liturgiewissenschaft, so unter anderem das Dekret des Konzils über die Priesterausbildung »Optatam totius« (OT  4,16), die Grundordnung für die Priesterausbildung »Ratio fundamentalis« von 1970 (hier DEL 2004–2018; Neuausgaben 1985: DEL 5732a–5732p, und 2016), die Apostolische Konstitution »Sapientia christiana« über das Studium an kirchlichen Universitäten und Fakultäten und ihre Ausführungsbestimmungen (hier DEL 3698–3705; 3710–3714), eine Instruktion über die liturgische Ausbildung der Priesteramtskandidaten (DEL 3722–3859), alle 1979 veröffentlicht, sowie die 2017 veröffentlichte Apostolische Konstitution »Veritatis

2.2  Etappen der Geschichte des Faches Liturgiewissenschaft49

Gaudium« über die kirchlichen Universitäten und Fakultäten (Veritatis Gaudium/102; dazu Kranemann/125). Insgesamt unterstreichen viele dieser kirchlichen Dokumente die Bedeutung der Doxologie, des Lobpreises und der Verherrlichung Gottes in den Feiern des Glaubens für die christliche Existenz. In der Doxologie artikuliert sich der Glaube der Kirche wie des einzelnen Menschen. Ihn zu reflektieren ist Aufgabe der Theologie (»Glaubenswissenschaft«); Aufgabe der Liturgiewissenschaft ist, ihn in den historischen und gegenwärtigen Formen des gottesdienstlichen Lebens zu bedenken. So verdeutlichen diese Dokumente zugleich, dass die Liturgiewissenschaft in allererster Linie eine theologische Disziplin ist. Ihr Gegenstand ist die betende Kirche (Romano Guardini). Schien die Relevanz von Glaube, Liturgie und Gebet über lange Zeit unstrittig zu sein, sind sie nun durch die Kirchen-, Glaubens- und Gotteskrise des 20. Jahrhunderts in besonderer Weise in Frage gestellt. Die Liturgiewissenschaft ist deshalb herausgefordert, den christlichen Glauben und das Glaubensleben in diesem Umfeld zu reflektieren. Sie greift die Anfragen zeitgenössischer Kultur an die Liturgie auf und stellt vor dem Hintergrund dessen, was die Liturgie feiert, kritische Rückfragen an diese Kultur. »Veritatis Gaudium« entwirft das Bild einer Theologie, die sich in der Öffentlichkeit vom Evangelium her mit Fragen der Gesellschaft auseinandersetzen soll. Papst Franziskus versteht Theologie als ein »kulturelles Laboratorium« (Veritatis Gaudium/102, Nr. 3), das Ort einer »performative[n] Interpretation der Wirklichkeit« (Veritatis Gaudium/102, Nr. 3) sein soll. Mit der Theologie insgesamt ist demnach auch die Liturgiewissenschaft über ihre Themen zum Dialog und zum Beitrag für »eine wahre Kultur der Begegnung« mit allen Christen und allen Menschen anderer Religionen und Weltanschauungen aufgerufen (Veritatis Gaudium/102, Nr. 4b). Sie darf sich nicht allein auf den binnenkirchlichen Raum konzentrieren, sondern muss sich mit Liturgien, kirchlichen und allgemein religiösen Ritualen in der pluralen Gesellschaft auseinandersetzen.

2.2.7

Liturgiewissenschaft heute

2.2.7.1 Liturgie im kirchlichen und gesellschaftlichen Umfeld des frühen 21. Jahrhunderts In der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts veränderten sich sowohl das gottesdienstliche Leben der Kirche hinsichtlich Theologie und Feierpraxis als auch das gesellschaftliche und kirchliche Umfeld der Liturgie grundlegend. Die Liturgiewissenschaft steht nun vor anderen Fragen als noch in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts und zur Konzilszeit. Grundzüge dieser Veränderungen sind unter anderem folgende: • Durch das Zweite Vatikanische Konzil wandelte sich das Verständnis der Liturgiefeier; an die Stelle eines vor allem am Kult orientierten Gottesdienstverständnisses trat ein theologisches Modell, das die Liturgie als Dialog- und Begegnungsgeschehen interpretiert. Im Mittelpunkt der Liturgietheologie steht nun das Zusammenwirken von Katabasis und Anabasis, von Heiligung des Menschen und Verherrlichung Gottes, wobei der Primat des Handelns Gottes durch Christus im Heiligen Geist betont wird. Die gottesdienstlichen Vollzüge, in denen sich dieses Geschehen performativ vollzieht, sind Wortverkündigung,

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2  Geschichte, Profil und Methoden des Faches Liturgiewissenschaft

Gesang und Gebet sowie Zeichenhandlungen. Der Mensch vor Gott gelangt in der Liturgie in ganz neuer Weise ins Blickfeld. Entsprechend wird jetzt die Teilnahme der Initiierten an der Liturgie gewichtet und das Rollengefüge der Liturgie neu definiert: Leitparadigma ist in der nachkonziliaren Reform die Erneuerung der Gemeindeliturgie. Da es neben der Gemeinde heute vielfältige andere Formen des Kircheseins gibt, sollte man den Akzent auf »Liturgie in Gemeinschaft« legen. Das zieht Konsequenzen für Versammlungsform und Rollengefüge, für die Liturgiesprache, die Gestaltung von Handlungsvollzügen usw. nach sich. Das Ineinander von Anthropologie und Theologie der Liturgie wird zur Aufgabe der Liturgiewissenschaft. Die vielfältige Beteiligung des Menschen am Gottesdienst, von Frauen und Männern, ist hinsichtlich der Theologie der Liturgie zu reflektieren. Dies hat Konsequenzen für eine Kriteriologie der Gestaltgebung des Gottesdienstes, beispielsweise für die Reflexion auf die Sprache, den Umgang mit Zeichenhandlungen, selbstverständlich die Rollenverteilung, aber auch etwa die Anlage liturgischer Räume. • Indem man die Teilnahme der Gläubigen an der Liturgie hervorhebt, verändert sich die Wahrnehmung des Gottesdienstes noch in anderer Weise. Die Illusion einer in sich statischen, unveränderlichen Liturgie, die auch historisch eine Fiktion ist, zerbricht. Das Konzil spricht sich implizit für eine Liturgiefeier aus, die sich mit dem Menschen wandelt. Das Verhältnis des Menschen zum Gebet, zu einzelnen Riten und zum Gottesdienst insgesamt, aber auch seine Frömmigkeit und sein Glaube verändern sich. Wie immer sich das in der Praxis auswirkt, grundsätzlich ist von einer Offenheit der Kirche für Veränderungen in der Liturgie auszugehen. SC 21 nennt neben dem Unveränderlichen in der Liturgie die »Teile, die dem Wandel unterworfen sind«. Liturgiereform wird damit ebenso zum Thema der Liturgiewissenschaft (Liturgiereformen/218) wie die Dynamik, die Ritualen allgemein zu eigen ist (vgl. oben 24). Die Disziplin hat die entsprechenden Prozesse historisch zu reflektieren und theologisch-kritisch auf Zukunft hin zu begleiten. Sie muss sich mit der Krise des Gottesdienstes beschäftigen und für die Fragen der Menschen und der Kultur der Gegenwart offen sein. Sie muss sich im Hinblick auf die Liturgie mit der Frage nach der zeitgenössischen Gotteserfahrung auseinandersetzen und so die Kirche sensibilisieren gegen ein allein systemimmanentes Denken. (Zur Liturgiewissenschaft als kritisch reflektierender theologischer Disziplin vgl. Häußling/189, 192 u. 191). • Einfluss auf die Entwicklung der Liturgiewissenschaft nahm auch der Aufbruch in der innerchristlichen Ökumene, machte sich doch das Zweite Vatikanische Konzil – vor allem in »Unitatis redintegratio«, dem Dekret über die Ökumene – das Bemühen um die Einheit der Christen zu einem zentralen Anliegen. Auch von der Liturgiekonstitution (vgl. unten 280 f.) gingen Impulse für die Ökumene aus (vgl. schon SC 1), indem sie die Liturgie für Reformen öffnete, sie in die Heilsgeschichte einordnete und mit dem dialogischen Verständnis von Liturgie das Heilshandeln Gottes in der Liturgie betonte. Zugleich nahm die Konstitution Einflüsse aus den Kirchen der Reformation auf, so z. B. für die Gewichtung der Wortverkündigung, desgleichen Einflüsse aus der Orthodoxie; hier wäre etwa die stärkere Betonung der Pneumatologie zu nennen (Berger/164; dazu auch

2.2  Etappen der Geschichte des Faches Liturgiewissenschaft51

Fischer/174 und Schulz/256). Dokumente, die nach dem Konzil von den christlichen ­Kirchen gemeinsam erarbeitet wurden, wie »Das Herrenmahl« (1978 [Herrenmahl/89]) oder »Taufe, Eucharistie und Amt«, die Lima-Erklärung (1982 [Taufe/262]), »Gemeinschaft der Kirchen und Petrusamt« (2010 [Die Gruppe von Farfa Sabina/88]), aber auch ein vom Textumfang her kleineres Dokument wie die Magdeburger Erklärung, mit der es am 29. April 2007 erstmals zu einer formellen Vereinbarung über die wechselseitige An­erkennung der Taufe in elf verschiedenen Kirchen in Deutschland kam (2007; vgl. den Text unter: https://www.ekd.de/pm86_2007_wechselseitige_taufanerkennung.htm [5.12.2018]), konnten vielfach Konvergenzen im Bekenntnis herausarbeiten (vgl. Kasper/466), die sich auch in der Liturgie auswirkten. Das Wissen um das Gemeinsame und das Interesse am Eigenen der anderen Kirchen im Westen (Liturgie und Konfession/216) wie im Osten ist für die Liturgiewissenschaft unverzichtbar. Im Zuge der Migrationen nach Europa und in die deutschsprachigen Länder kommt der Befassung mit den Liturgien orthodoxer und orientalischer Kirchen neben der theologischen auch gesellschaftliche und politische Relevanz zu. Die Liturgiewissenschaft wird sich damit noch stärker in Richtung einer ökumenischen Liturgiewissenschaft weiterentwickeln (Lurz/225; Kranemann/125; Kranemann/207; Liturgiewissenschaft/222; vgl. oben 29 f.). • Neben dem Verständnis von innerchristlicher Ökumene revidierte das Konzil das Verhältnis der katholischen Kirche zum Judentum und entwickelte eine neue Israeltheologie (Kranemann/213). Dies fand in der Konzilserklärung »Nostra aetate« seinen Ausdruck, die sich mit dem Verhältnis zu den nichtchristlichen Religionen befasst, und in vielen Folgedokumenten, in Veränderungen der Liturgie, insbesondere der entsprechenden Reform der Karfreitagsfürbitte. Betont wird der bleibende Bund Gottes mit Israel; Gemeinsamkeiten in Theologie und Spiritualität werden gesucht, Kenntnis und Achtung des Judentums gefördert. Diese Revision des Verhältnisses zum Judentum, die in ihrer Bedeutung vor dem Hintergrund einer jahrhundertelangen Unterdrückungsgeschichte und der Shoah zu sehen ist, betrifft das neue Israelbild der Liturgietheologie, den Umgang mit jenen biblischen Texten, die auch in der Synagoge gelesen werden, und erfordert unter anderem die Eindeutigkeit des Bekenntnisses zum einen Gott im trinitarischen Beten. Die Revision wirft zudem ein neues Licht auf die Liturgiegeschichte, vor allem auf die jüdischen Ursprünge christlicher Liturgie, auf Austauschbeziehungen und Abgrenzungen zwischen jüdischem und christlichem Gottesdienst (Rouwhorst/248). Ein weites Arbeitsfeld mit vielfältigen Fragestellungen tat sich auf und beeinflusste die Hermeneutik der Liturgiewissenschaft (Gerhards/179). Die Marginalisierung der jüdischen Liturgie durch die Liturgiewissenschaft der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts wird zunehmend überwunden; allerdings finden die Liturgien des zeitgenössischen Judentums in ihrer ganzen Vielfalt immer noch zu wenig Beachtung. • Stärker in den Blick der Liturgiewissenschaft wird der Islam treten. Es gibt kaum liturgiewissenschaftliche Studien zu religiösen Praktiken, Gebeten, Festen, Kalendern usw. in den verschiedenen islamischen Denominationen. Der Islam muss um seiner selbst willen wissenschaftlich wahrgenommen werden. Das Konzil, das die Muslime »mit Hochach-

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2  Geschichte, Profil und Methoden des Faches Liturgiewissenschaft

tung betrachtet« (NA 3), hat u. a. zum Bemühen um gegenseitiges Verstehen beider Religionen aufgerufen. Das betrifft auch das Gebet. Zugleich ist in Gemeinden, Schulen und bei unterschiedlichen gesellschaftlichen Anlässen aufgrund einer wachsenden muslimischen Bevölkerungsgruppe über Feiern in multireligiösen Kontexten nachzudenken, die weitere Religionen betreffen können. Praktiken der Gastfreundschaft, multi- oder interreligiöse Feiern oder die Integration von Gebeten und Handlungen in die Feier einer Religionsgemeinschaft sind theologisch und ästhetisch zu diskutieren. Es muss diskutiert werden, ob und wie unterschiedliche Religionen situativ in Gebet und Liturgie zusammenwirken können. • Das kirchliche und gesellschaftliche Umfeld, in dem heute in weiten Teilen Westeuropas Liturgie gefeiert wird, hat sich in den Jahrzehnten seit dem Konzil tiefgreifend verändert. Verallgemeinernd wird man für das deutsche Sprachgebiet zunächst die weitgehende Auflösung des zuvor sehr homogenen katholischen Milieus mit seiner engen Bindung an die Liturgie und einer sehr lebendigen Frömmigkeitspraxis nennen müssen. Die damit verbundene, zumindest über mehrere Generationen selbstverständliche Tradierung des Glaubens und der Liturgie geriet bereits seit den fünfziger Jahren des 20. Jahrhunderts in die Krise. Der Wegfall der Durchorganisation des religiösen Lebens (Altermatt/153: 43) tangierte auch die Liturgie, was sich langfristig in einem drastischen Rückgang der Teilnahmefrequenz am sonntäglichen Gottesdienst und – in unterschiedlichem Maße – an den anderen Sakramenten äußerte. Viele Gemeindeglieder haben sich der Liturgie der Kirche entfremdet. Die Gründe sind sowohl in einer veränderten Glaubenspraxis, die komplexe kulturelle und soziale Ursachen hat, wie in einer Liturgie zu sehen, deren Relevanz für Glauben und Leben für viele nicht mehr sichtbar wird. Die Voraussetzungen für eine »bewusste Teilnahme« sind oft nicht mehr gegeben. So wirkt sich die Säkularisierung nicht nur im gesellschaftlichen Umfeld, sondern auch in den Kirchen aus. Zugespitzt wird man von einer Gottes- und Glaubenskrise sprechen müssen, die vor der Liturgie nicht Halt macht. Wenn die Gottesfrage nur noch eine Option ist, die sich für manche Zeitgenossen nicht mehr stellt (Knop/123), muss das Konsequenzen für die Liturgie haben. • Zugleich ist zwischen Kirche und Gesellschaft und außerhalb der Kirchen eine neue Religionsproduktivität zu beobachten. Sie äußert sich in einer breiten Akzeptanz von Ritualen nicht nur durch okkulte und esoterische Zirkel, sondern in ganz unterschiedlichen Bereichen der Gesellschaft. Die kirchliche Liturgie ist betroffen, insofern sich zunehmend  – vor allem für die Eheschließung (Janetzky/121; Pock/140) und das Begräbnis (Lüddeckens/135), aber auch schon für die Namensgebung – nichtchristliche Lebenswenderituale etablieren. Sie werden zu einer Herausforderung für die kirchliche Liturgie. Eine heute schon zu beobachtende Konsequenz ist die Pluralisierung der kirchlichen Liturgie, die zunehmend nicht mehr auf die Hochformen der Sakramente begrenzt ist. Neue Gottesdienstformen entwickeln sich, die auf Lebenssituationen und Teilnehmergruppen bezogen und häufig den Sakramentalien vergleichbar sind. (Beispiele für verschiedene Segnungsgottesdienste und christliche Feiern mit Ungetauften finden sich in: Gott feiern/114; Brüske/105).

2.2  Etappen der Geschichte des Faches Liturgiewissenschaft53

• Zudem verändern sich die Erwartungen an Rituale, die nicht mehr einfach als vorgegeben akzeptiert, sondern im Kontext von Individualisierung als persönlicher Ausdruck derer, die an diesem Ritual beteiligt sind, verstanden werden (biographische Prägung). Dieses Ritualverständnis unterscheidet sich dort von der kirchlichen Liturgie, wo die Glaubensgemeinschaft der Glaubensüberlieferung verpflichtet ist und Liturgie im theologischen Sinne als Handeln Gottes, damit das in der Liturgie Gefeierte als Gabe an den Menschen betrachtet wird. Mit diesen knapp skizzierten Spannungen, die weit in den kirchlichen Binnenraum hineinreichen, tun sich für die Liturgiewissenschaft Fragen nach Objektivität und Subjektivität auf, nach der Dimension der Personalität im Gottesdienst, nach vorgegebener Gestaltung und Gestaltungsfreiheit usw. (Gerhards/441). Immer stärker treten neben den kirchlich verfassten Formen von Liturgie neue – kirchliche wie nichtkirchliche, religiöse wie säkulare – Rituale ins Blickfeld (Post/242; Friedrichs/111: 185–227).

2.2.7.2 Herausforderungen für die Methodik des Faches Die jüngere Methodendiskussion in Forschung und Lehre stellt die oben beschriebenen Aufgabenfelder der Liturgiewissenschaft nicht in Frage. Diskutiert werden vor allem die Gewichtung und die Zuordnung von historischer Forschung und Liturgietheologie einerseits und Liturgiepastoral andererseits. Kritisiert wird, dass im Zuge der Liturgiereform des 20. Jahrhunderts die Liturgiewissenschaft auf Kosten der Liturgietheologie und einer methodologisch ausdifferenzierten Liturgiegeschichtsforschung vielfach den Habitus einer Anwendungswissenschaft angenommen habe. Die Konzeption neuer Gottesdienstmodelle oder die Vermittlung liturgischer Handlungskompetenz sei dadurch vorrangige Aufgabe der Liturgiewissenschaft geworden. Gegenstand des Faches sei aber die theologisch verantwortete, wissenschaftliche Reflexion des Glaubens (Winkler – Meßner/269). Deshalb stellt man neben die historische und die systematisch-theologische Erforschung der Liturgie anstelle einer vorgeblich auf Praxiskonstruktion gerichteten Liturgiepastoral die »Kritische Liturgiewissenschaft«, die den tatsächlichen Gottesdienstvollzug an der Lex orandi zu messen und Kriteriologien für die Gottesdienstgestaltung zu entwerfen habe (Meßner/37: 26). Grundsätzlich ist festzuhalten, dass der Vielfalt des liturgischen Geschehens und der unterschiedlichen Liturgiefeiern in Geschichte und Gegenwart, in Ost und West eine einzige Untersuchungsperspektive nicht angemessen wäre. Liturgiewissenschaft ist deshalb immer auf multidisziplinäre Forschungsperspektiven sowie auf Inter- und Intradisziplinarität angewiesen (Post/241; zu gängigen methodischen Ansätzen vgl. Kranemann/209). Liturgiegeschichtsforschung Die Geschichte der Liturgie wird durch die Liturgiewissenschaft nicht mehr allein als verschriftlichte Liturgie (Handschrift oder gedrucktes Buch) untersucht, wiewohl in den liturgischen Handschriften und Büchern wesentliche Aspekte christlicher Liturgie festgehalten sind (Klöckener/203). Vielfältigere Zugänge zur Liturgiegeschichte werden gesucht. Die unterschiedlichen gesellschaftlichen und kirchlichen Faktoren bei der Entstehung dieser

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2  Geschichte, Profil und Methoden des Faches Liturgiewissenschaft

Quellen (Produktion) sind zu berücksichtigen, ihre nach Region, Zeit und Teilnehmergruppe sehr variierenden Rezeptionen zu beachten. Die Erkenntnis, dass Bild, Gesang, Raum, Gewand, liturgisches Gerät usw. mindestens ebenso entscheidend für das liturgische Handlungsgeschehen sind wie Texte, ist auch für die Liturgiehistorie grundlegend. Die Liturgie besteht aus komplexen Ritualen, die mit einem entsprechend differenzierten Instrumentarium zu untersuchen sind (van Tongeren/265). Liturgie besteht nicht allein aus der römischen Liturgie; auch kann sie nicht allein auf der Ebene der verschiedenen Liturgiefamilien beschrieben werden (vgl. dazu Kap. 3; neuere Überblickswerke: Oxford History/388; Bärsch/281; Geschichte der Liturgie/323). Im Fokus kann ebenso die gottesdienstliche Situation in der einzelnen Diözese, Stadt oder Kirche sein. Eine Idealliturgie kann beschrieben werden, also das, was die jeweilige Kirche in ihren liturgischen Büchern und Anweisungen zur Liturgie als Norm formuliert. Untersuchungsgegenstand ist aber ebenso die tatsächliche liturgische Praxis. Gefragt wird dann, wie die konkrete gottesdienstliche Praxis sich gestaltet hat. Die Liturgiehistorie beschäftigt sich zudem nicht allein mit dem Handeln des Klerus, sondern auch mit monastischen Gemeinschaften und mit den anderen Gläubigen, Frauen und Männern, die in durch die Jahrhunderte variierender Form an der Liturgie teilnehmen. Jeder der Teilnehmenden des Gottesdienstes mit ­seiner jeweiligen Teilnahmeform kann ins Blickfeld treten. Zugleich werden nicht nur liturgische Hochformen wie beispielsweise die Liturgie der Sakramente oder des Breviers bzw. der Tagzeitenliturgie berücksichtigt, sondern z. B. auch Andachten, Heiligenverehrung und Prozessionen, die in vielen Epochen der Liturgiegeschichte die für den Glauben der Menschen eigentlich prägenden Vollzüge des Gottesdienstes waren (Liturgy’s Imagined Past/s/370; Dynamik und Diversität/298). Liturgiewissenschaft lässt sich deshalb nicht mehr ausschließlich philologisch betreiben. Kultur- und sozialgeschichtliche Zugänge müssen beispielsweise ebenso einfließen wie kirchen- und religionsgeschichtliche Herangehensweisen, um den unterschiedlichen Dimensionen des Gottesdienstes gerecht zu werden. Für die liturgiegeschichtliche Beschäftigung mit der Messe ist nicht allein interessant, mit welchen Texten eines Messbuches eine Kirche oder der Klerus dieser Kirche betete; auch die Lebensumstände von Menschen unterschiedlichen Geschlechts in einer agrarischen, urbanen oder industriellen Kultur, ihre Weltsicht oder Weltanschauung, die jeweilige kirchliche Lehre über die Liturgie, der Stellenwert religiöser wie säkularer Rituale usw. prägen das gottesdienstliche Geschehen mit. Eine kontextuelle Liturgiegeschichtsforschung wird dieser Vieldimensionalität gerecht. Von den bereits beschriebenen Ansätzen der Liturgiegeschichtsforschung haben die Vergleichende Liturgiewissenschaft sowie die historisch-genetische Methode bis heute Bestand. Die inhaltliche Gestaltung dieser Methoden variiert allerdings gegenüber der Forschungsgeschichte und entwickelt sich in der Gegenwart. Für die Vergleichende Liturgiewissenschaft liegen aus jüngerer Zeit sehr unterschiedliche Konzepte vor. Gabriele Winkler und Reinhard Meßner beschreiben ein philologisches Untersuchungsprogramm, das nach Strukturen, Texten und historischen Entwicklungen der östlichen und westlichen Liturgie fragt (Winkler – Meßner/269). Aus der eigenen Begrifflichkeit heraus sollen die jeweiligen Riten erklärt werden. Mit dem Vergleich der Liturgien

2.2  Etappen der Geschichte des Faches Liturgiewissenschaft55

will man nicht nur Entwicklungsstränge der Liturgiegeschichte nachzeichnen, man gelangt auch zur Ritenkritik. Robert Taft tritt für eine Weitung des Untersuchungsfeldes ein, wenn er neben der Untersuchung kirchlich approbierter Texte und Riten die Erforschung der tatsächlichen Liturgiefeier und die Berücksichtigung des soziokulturellen Umfeldes anmahnt und damit eine rein philologische Perspektive erheblich überschreitet (Taft/261: 254). KarlHeinrich Bieritz (1936–2011) skizziert das Modell einer Vergleichenden Liturgiewissenschaft, die als Konfliktgeschichte zu betreiben sei und unter Einbezug theologischer wie gesellschaftlicher Motive den Um-, Ab- und Aufbrüchen in den unterschiedlichen Traditionen der Liturgiegeschichte nachzugehen habe (Bieritz/167: 454). Für die Eucharistiefeier vergleicht Winkler Texte und Ritenstrukturen etwa der Hochgebete, um zu Aussagen über theologische Prägungen, Abhängigkeiten und Entwicklungen zu gelangen. Mit Taft fragt man, wie Eucharistie in den verschiedenen Liturgiefamilien tatsächlich gefeiert wurde und welche Motive es dafür gab. Mit Bieritz geht man Veränderungen in den Eucharistiefeiern der einzelnen Kirchen nach, um gerade über das Verstehen der liturgietheologischen Brüche zu einem gegenseitigen Verständnis der verschiedenen Liturgien zu finden. Auch die Frage nach der Entwicklung eines Ritus, also die historisch-genetische Forschung, behält ihre Bedeutung, indem sie das Werden der gottesdienstlichen Vollzüge nachzuzeichnen sucht. Diese Methode schließt sich eng den liturgischen Formularen an und fragt nach den strukturellen und inhaltlichen Grundlinien. Allerdings wird sie ihrem Gegenstand dort nicht gerecht, wo sie sich ausschließlich mit philologischen Fragestellungen auf Texte konzentriert, aber die Rezeption und Performanz der Liturgie beiseitelässt. Auf diese Weise lässt sich zum Beispiel nicht erfassen, dass ein liturgischer Ritus möglicherweise über Jahrhunderte seine schriftlich fixierte Form nicht geändert hat, während ihm aufgrund gewandelter Voraussetzungen in Kirche, Theologie und Gesellschaft längst neue Bedeutungen zugemessen wurden. Historisch-genetische Forschung ist deshalb um Methoden zu erweitern, welche die tatsächliche Performanz der Liturgie beschreiben können (Lurz/373). Darüber hinaus sind kirchengeschichtliche Zugänge zu nennen; sie interpretieren die unterschiedlichen Liturgiefeiern im Rahmen des kirchlichen Lebens. Untersucht werden die Bedeutung der Liturgie für die verschiedenen kirchlichen Lebensfelder, Veränderungen der Liturgie durch Vorgaben von Konzilien und Synoden, Deutungen der Liturgie in Theologie und Frömmigkeit, die Funktion der Liturgie für den Glauben der Kirche usw. Daneben wendet die Liturgiegeschichtsforschung eine Vielzahl unterschiedlicher Methoden an, die sich im weiteren Sinne der Kultur- und Sozialgeschichte zuordnen lassen. Insbesondere religionsgeschichtlichen Fragestellungen wird nachgegangen, welche die Liturgie im Kontext der konkreten Religiosität untersuchen, das heißt religiöse Äußerungen einer Epoche selbst sprechen lassen und vor diesem Hintergrund Phänomene der Liturgie interpretieren. Arnold Angenendt hat wiederholt zeigen können, wie beispielsweise die archaisch-religiöse Vorstellung des Gebens und Nehmens (»do ut des«; der Mensch gibt Gott etwas und erhält von Gott dafür eine Gnadengabe) sich in den Bußtarifen des mittelalterlichen christlichen Bußwesens oder im Opfercharakter der Messe auswirkte, wie etwa die mittelalterliche Juridisierung von Ritualen eine Verrechtlichung der Liturgie vorantrieb, die

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2  Geschichte, Profil und Methoden des Faches Liturgiewissenschaft

Vorstellung vom Verhängnischarakter des Rechts die Idee eines selbstwirksamen Ritus sowie möglicherweise auch die zunehmende Festschreibung einer ursprünglich freieren Liturgie förderte. Über die Ergebnisse religionsgeschichtlicher Forschung wird das Gespräch mit der Theologie gesucht, indem man den Stiftungscharakter des Christentums und seiner Liturgie zur Geltung bringt und nach der bleibenden christlichen Identität fragt (Angenendt/154, 155, 156 u. 157). Eine mentalitätsgeschichtlich interessierte Liturgiegeschichtsforschung sucht nach zeittypischen Vorstellungen, nach verborgenen Einstellungen und Handlungsdispositionen, nach bewusstseinsbestimmenden Faktoren, also im Unterschied zu den großen Ereignissen und ihrem Einfluss auf die Liturgie nach der Mentalität einer Epoche. Insbesondere Alltagsgeschichte und Volkskultur werden thematisiert. Damit eröffnen sich andere Themen und Quellen. Neben den festa chori, allein liturgisch begangenen, finden die festa fori, öffentliche Feste, besondere Aufmerksamkeit. Gegenüber der Ereignisgeschichte werden länger anhaltende Überzeugungen und Prägungen (»longue duree«) herausgearbeitet – ein Faktor, mit dem gerade für Liturgie und Liturgiereformen zu rechnen ist (Gy/187). Einen anderen Schwerpunkt setzen kulturanthropologische Ansätze in der Liturgiewissenschaft. Hier steht, angeregt durch die sehr vielfältigen »Ritual Studies« (Ritual Studies/233; Ritualtheorien/246; Post/141 u. 142), die Untersuchung von Ritual und Symbol im Vordergrund. Unter der Bezeichnung »Ritual Studies« werden Forschungsprojekte unterschiedlicher Provenienz und mit unterschiedlicher Methodik gefasst, deren Gemeinsames die Beschäftigung mit dem Phänomen »Ritual« ist (zu Theorien und Beispielen aus geschichtswissenschaftlicher Perspektive: Stollberg-Rilinger/257). Entsprechend vielfältig sind die Einschätzungen, welche Qualität von Ritualen (»Hochrituale« oder Alltagsrituale) untersucht werden sollte, ob Rituale unveränderlich sind oder nicht, wie sich Ritual und Mythos, Ritual und Sakralität, Ritual und Macht zueinander verhalten und dergleichen mehr. Die Beziehung zwischen dem Vollzug des Ritus und der sozialen Struktur der ihn vollziehenden Gesellschaft, die verschiedenen Bedeutungen, die einem Ritus beigemessen werden, und das Verhältnis von Performanz und Text zählen zu den Themen eines solchen Zugangs (Stringer/258). Auch liturgische Rituale als Kulturphänomene werden auf ihre Funktionsweise hin und in ihrer Bedeutung hinsichtlich der Konstruktion von Wirklichkeit befragt. Die Ritual Studies eröffnen der Liturgiewissenschaft einen neuen Zugang und neue Einsichten zur Liturgie als Ritual; sie erweitern vor allem auch die Methodik des Faches. Eine geistesgeschichtliche Erforschung der Liturgiegeschichte, die an den entscheidenden geistigen Leitvorstellungen einer Epoche und ihren Auswirkungen auf die Liturgie interessiert ist, betrieb man seit den Arbeiten von Anton Ludwig Mayer nicht mehr. Viele Faktoren des geistesgeschichtlichen Umfeldes der Liturgie hat man nicht oder kaum untersucht, was sich für die Liturgiegeschichtsforschung als Handikap erweist. Liturgietheologie Die katholische Liturgiewissenschaft interpretiert Liturgie der Kirche heute, unbeschadet aller unterschiedlichen Deutemodelle, als ein von Gott her ermöglichtes, pneumatisches,

2.2  Etappen der Geschichte des Faches Liturgiewissenschaft57

also als geistliche Wirklichkeit zu verstehendes Geschehen zwischen Gott und den Menschen (Überblick geben u. a.: kath.: Liturgische Theologie/223; Knop/205; ev.: Arnold/421; Haspelmath-Finatti/188). Liturgie ist Feier des Pascha-Mysteriums Jesu Christi, also von Leiden, Tod und Auferstehung. Die Botschaft ist, dass das Leben im Tod siegt. Sie ist der Ort, an dem sich Kirche je neu konstituiert. Das wird in den gottesdienstlichen Feiern zeichenhaft erfahrbar (Gemeindepartizipation; Amt im Dienst an der Gemeindeversammlung; Einbindung der Gemeinden in die ecclesia catholica durch Fürbitte, Interzession, gemeinsame Ordnung des Gebets). Liturgie ist eng verwoben mit der zeugnishaften Weitergabe des Glaubens (Martyria) und dem gelebten Glauben für andere (Diakonia). Zusammen bestimmen diese drei Grundvollzüge die Identität von Gemeinde. Liturgie ist damit bedeutsam für Existenz und Leben der Christinnen und Christen, die aus ihr gestärkt werden und immer neu zu ihr hingeführt werden. Die Theologie der Liturgie beschäftigt sich deshalb nicht allein mit der Theologie der Feier sakramentlicher Liturgien und damit im engeren Sinne der inneren Verfasstheit der Liturgie. Da in der Liturgie Gottesbeziehung, Kirchesein und Identität des Christseins realisiert werden, formuliert die Liturgietheologie eigenständige Beiträge z. B. zur Anthropologie, Christologie, Ekklesiologie. Dass die Liturgie Feier des Glaubens und damit rituelle Realisierung der Beziehung zwischen Gott und Mensch ist, macht es für die Liturgiewissenschaft zwingend, Liturgie in explizit theologischer Perspektive zu reflektieren. Mehr noch: Die Liturgie selbst soll wieder zu einer Quelle der Theologie werden (Liturgie/215). Das Zweite Vatikanische Konzil wies einer neuen Qualifizierung des Gottesdienstes den Weg, als es diesen als Quelle und Höhepunkt kirchlichen Tuns bezeichnete (SC 10; LG 11). Man unterscheidet zwischen einer liturgischen Theologie und einer Theologie der Liturgie; beiden eignet ein ganz unterschiedliches Fragespektrum. Eine liturgische Theologie, wie sie von dem orthodoxen Theologen Alexander Schmemann (1921–1983) (Schmemann/252) entworfen wurde und unter anderem von Aidan Kavanagh (1929–2006) (Kavanagh/200), dem evangelischen Theologen Gordon W. Lathrop (Lathrop/214) und Reinhard Meßner (Meßner/231) vertreten wird, geht vom Glaubensgeschehen und den Glaubenserfahrungen aus, die in der Liturgie gemacht werden und aus denen der christliche Glaube lebt (Knop/205). Der Theologie kommt die Aufgabe zu, dieses pneumatische Geschehen zu reflektieren. Einem von Tiro Prosper von Aquitanien († um 455) stammenden Axiom zufolge, wonach die Regel des Betens die Regel des Glaubens bestimmt (»legem credendi lex statuat supplicandi« [DH 246]), geht es um das Verhältnis von Lex orandi und Lex credendi: Der liturgische Ritus begründet eine Glaubensnorm (Stuflesser/259: 23–26). Kavanagh bezeichnet die Liturgie als »primary theology« (theologia prima). In der Liturgiefeier handelt Gott im Heiligen Geist. Nach Kavanagh stammt die Liturgie wie die Heilige Schrift von Gott. Sie ist das Fundament aller Reflexion, der »secondary theology« (theologia secunda), und das Konstitutivum einer Theologie, die insbesondere nach den Handlungsvollzügen der Liturgie, nach Wort und Symbol fragt. Aus dem zentralen Glaubensvollzug, also letztlich aus der Doxologie, soll eine Theologie entwickelt werden, die nicht durch eine liturgiefremde Hermeneutik gleichsam gefiltert oder verfremdet wird. Der

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2  Geschichte, Profil und Methoden des Faches Liturgiewissenschaft

liturgischen Theologie wird paradigmatische Bedeutung für die gesamte Theologie beigemessen. Davon abzusetzen ist eine Theologie der Liturgie, die sich deutlich vom vorigen Ansatz unterscheidet (dazu Knop/205). Anhand von Vorgaben aus der Systematischen Theologie wird eine Theologie entwickelt, deren Kennzeichen der Rückgriff auf die Liturgie als Grundvollzug des Christseins ist. Es handelt sich um eine Theologie der Liturgie, nicht aus der Liturgie. Der Methodist Geoffrey Wainwright folgt beispielsweise im ersten Teil seiner »Doxology« dogmatischen Traktaten, wenn er nacheinander Gottesbild, Christus, Heiligen Geist und Kirche behandelt (Wainwright/267). Edward J. Kilmartin (1923–1994) legt eine trinitarische Theologie der christlichen Liturgie vor und orientiert sich dabei an der Systematischen Theologie. Entscheidend ist für ihn aber auch, dass gerade im Gottesdienst das Erlösungsgeschehen in Christus mitgeteilt wird (Kilmartin/202). Josef Wohlmuth hat eine mystagogische Christologie entwickelt, die Texte und Vollzüge der Liturgiefeier zu ihrer Grundlage nimmt, wählt aber als hermeneutischen Zugang eine aus der zeitgenössischen Philosophie stammende Ästhetik (Wohlmuth/272). Bei ihm kommt es zum Gespräch zwischen Systematik und Liturgie, wofür man die Liturgie und damit die ästhetische Gestalt des Glaubens zum Ausgangspunkt nimmt. Beachtliche Arbeiten zur Liturgietheologie hat Emil Joseph Lengeling (1916–1986) vorgelegt (ausgewählte Aufsätze in: »Liturgie  – Dialog zwischen Gott und Mensch« [Lengeling/130]). Sein Anliegen war die theologische Reflexion des nachvatikanischen Reformwerkes und insbesondere die theologische Durchdringung der gemeindlichen Liturgiefeier. Nicht zuletzt Studien von Liturgiewissenschaftlern wie Lengeling nahmen Einfluss auf die Liturgiereform des 20. Jahrhunderts. Eine liturgische Theologie reflektiert und argumentiert ganz aus der Liturgie heraus, während die Theologie der Liturgie Vorgaben folgt, die nicht der Liturgie entlehnt sind. Beide Ansätze besitzen Stärken. So bietet vor allem die liturgische Theologie einen originären Beitrag innerhalb der Theologie und radikalisiert die Feststellung, die Liturgie sei Quelle des Glaubens. Aufgrund der Bedeutung der Liturgie für die Kirche muss dieser Strang der Theologie deutlich zu Gehör gebracht werden. Er muss zugleich in anderen theologischen Disziplinen stärker wahrgenommen werden, um verschüttete Dimensionen theologischer Traditionen neu zur Geltung zu bringen und die Bedeutung gottesdienstlicher Doxologie für die Theologie insgesamt präsent zu halten. Allerdings dürfen die Grenzen beider Ansätze nicht übersehen werden. So stellt sich die Frage, ob und inwieweit nicht auch die Theologia prima Konstruktion einer Theologia secunda ist, folglich die liturgische Theologie unter nicht reflektierten Voraussetzungen steht. Der Nachteil der Theologie der Liturgie besteht darin, dass ihre Kriterien nicht unmittelbar aus der Liturgie stammen. Doch bietet sie mehr Raum zur kritischen Distanz gegenüber der Liturgie. Beide Formen der Theologie greifen aber den besonderen Charakter und die Geschehensdichte der Liturgie auf. Die Brennpunkte, zwischen denen sie sich bewegen, sind zum einen die Praxis der Liturgie, der gegenüber sie eine reflektierende Haltung einnehmen, und zum anderen die theologische Theorie, deren Grenzen sie mit Blick auf die Doxologie bewussthalten. Das reflektierende Erschließen der Feier und der Verweis auf das gegenüber aller

2.2  Etappen der Geschichte des Faches Liturgiewissenschaft59

Reflexion je größere Mysterium kennzeichnet eine solche Theologie als mystagogische Theologie (Schilson/250: 234). Aufgabenstellung jeder Liturgietheologie und letztlich der Liturgiewissenschaft insgesamt ist zudem die ökumenische Orientierung (Liturgiewissenschaft und Kirche/222). Sie ist theologisch begründet. Gemeint ist damit nicht allein Interdisziplinarität zwischen den Theologien verschiedener konfessioneller Provenienz. Im Mittelpunkt jeder christlichen Liturgie steht die Feier des Christusmysteriums. Diese Feier entfaltet sich in den unterschiedlichen historisch gewachsenen Ausdrucksformen der verschiedenen christlichen Kirchen. Nach Friedrich Lurz nimmt die ökumenische Liturgiewissenschaft die Perspektive des Verstehens ein, geprägt von der »Hermeneutik einer anderen Liturgie« (Lurz/225: 280). Das den Christen gemeinsame Glaubensfundament veranlasst dazu, die Liturgie der je anderen Kirche zu reflektieren und verstehen zu wollen. Es bietet zugleich den Maßstab, um die theologische Legitimität und Qualität der verschiedenen Liturgien zu beurteilen und Defizite zu verdeutlichen, aber auch um Vielfalt würdigen zu können. Wahrnehmung und Verständnis anderer Liturgien, Untersuchung von Genese, Struktur und Theologie sowie kritische Auseinandersetzung, die zugleich Selbstkritik im Hinblick auf die Ökumene impliziert, sind Aufgabenstellungen einer solchen ökumenischen Liturgiewissenschaft, die sich der Spannung von Vielfalt und Einheit verpflichtet weiß. Praktisch-theologische Liturgiewissenschaft Das Fach Liturgiewissenschaft ist heute vorwiegend in der Praktischen Theologie angesiedelt. Daraus ergibt sich eine besondere Aufgabenstellung: Liturgiewissenschaft reflektiert den christlichen Glauben in Hinblick auf den kirchlichen Grundvollzug Liturgie (Odenthal/237). Wie schon im Falle der Pastoralliturgik geht es dabei also nicht um Praxisgestaltung, sondern um die Entwicklung einer Kriteriologie, die der Praxisbegleitung dienen kann. Die anthropologisch gewendete Theologie, die sich mit dem Zweiten Vatikanischen Konzil zum prägenden theologischen Paradigma entwickelt hat, versucht, die Offenbarung Gottes vom Menschen her zu verstehen. Mit der Anthropologie hat innerhalb der Theologie die Beachtung der Humanwissenschaften zugenommen. Auch die Liturgiewissenschaft fragt stärker als zuvor nach dem Menschen, der in der Liturgiefeier vor Gott tritt. Liturgie wird als Kommunikation zwischen Gott und den Menschen sowie zwischen den versammelten Menschen verstanden, wobei humanwissenschaftliche Kommunikationsmodelle aus theologischen Gründen nur in einem analogen Sinne aussagekräftig sind. Der Mensch und seine Teilnahme an der Liturgie werden sogar als Paradigma der Liturgie­ reform bezeichnet (Häußling/190: 41–43). Damit hat zugleich ein intensiver Dialog mit verschiedenen Kultur- und Humanwissenschaften eingesetzt, so in der Vergangenheit mit der Soziologie, der Linguistik und der Psychologie. Die menschliche Erfahrung wird als Dimension des Gottesdienstes entdeckt und mithilfe unterschiedlicher wissenschaftlicher Erkenntnisse reflektiert. Gefragt wird nach den Bedingungen menschlichen Feierns, religiösen Sprechens, menschlicher Versammlung, nach der Theorie der Zeichen usw. Allgemeiner kann man sagen, dass im interdisziplinären Dialog Kriterien zur Untersuchung der Litur-

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2  Geschichte, Profil und Methoden des Faches Liturgiewissenschaft

giefähigkeit des Menschen sowie zu Möglichkeiten und Voraussetzungen einer Liturgie, die Gebetsordnung der Gegenwart sein soll, formuliert werden. Erkenntnisse für den Gottesdienst können gewonnen werden, die mit historischen oder theologischen Fragestellungen allein nicht zu erbringen wären. Diese Heuristik ist aber nur dann als im engeren Sinne liturgie­w issenschaftlich zu bezeichnen, wenn sie das liturgietheologische Grundgeschehen berücksichtigt, da nur so das Spezifikum der Liturgie, zuerst Geschehen von Gott her zu sein, zur Geltung gebracht werden kann. Die praktisch-theologische Liturgiewissenschaft konnte in der jüngeren Vergangenheit unter anderem die Relevanz von Symbolik und Zeichenhaftigkeit für die Liturgie neu aufweisen, Kriterien für die Gestaltung liturgischer Räume und ihren Erhalt in der multireligiösen bzw. religiös indifferenten Gesellschaft der Gegenwart erarbeiten und Modelle für die Inkulturation der Liturgie vorlegen. Hierbei flossen Erkenntnisse der Human- und Kulturwissenschaften ins Gespräch mit der Liturgietheologie ein. Die heutige Aufgabenstellung der praktisch-theologischen Liturgiewissenschaft besteht darin, den fortwährenden Inkulturationsprozess der Liturgie zu analysieren, vor dem Hintergrund von Liturgiegeschichte und -theologie zu reflektieren und seine Umsetzung in der Gegenwart wissenschaftlich zu begleiten. Die Aufgabe besteht demnach in der Reflexion der aktuellen gottesdienstlichen Vollzüge und in der Erarbeitung von Kriteriologien für die Gestaltgebung und Revision der Liturgie und liturgienaher Feiern und Rituale. Man untersucht Kommunikationsebenen, Handlungskompetenzen, die Ästhetik der Liturgie, das Verhältnis von Kultur und Liturgie und die Rolle der Liturgie im kirchlichen Leben. Seit der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts bediente man sich verstärkt sozial- und humanwissenschaftlicher Ansätze und Instrumentarien, um die theologische und die anthropologische Dimension des Handlungsfeldes Gottesdienst angemessen reflektieren zu können. Man nutzt auch die Empirik, um zu Aussagen über die feiernde Gemeinde, ihr Verhalten und ihre Erwartungen zu gelangen (Meffert/228; Rentsch/245). Um Sprachgestalten und Sprachprozesse in der Liturgie analysieren zu können, greift man auf Methoden der Linguistik zurück (Merz/229) und erschließt mit den Mitteln der Semiotik die nonverbale Kommunikation (Bieritz/31). Unter Einbezug psychoanalytischer Überlegungen untersucht man das Symbolgeschehen des Gottesdienstes und fragt nach Konvergenzen von Gottesdienst und menschlicher Lebenswirklichkeit (Odenthal/138 u. 139). Der Methodenpluralismus korrespondiert mit dem der Praktischen Theologie. Er hängt mit dem Anspruch zusammen, als wesentliche Dimension gottesdienstlicher Feiern menschliche Erfahrungen zu untersuchen. Das Ziel besteht darin, überlieferte, also vorgängige Erfahrungen (Tradition) und empirisch fassbare und beschreibbare Erfahrungen der Gegenwart (Situation) zum Zweck innovativer Gestaltung auf neue Erfahrungen hin zu reflektieren (Gärtner – Merz/176). Das Problem, vor dem die praktisch-theologische Liturgiewissenschaft bei ihrem Rückgriff auf nichttheologische Methoden und Ansätze steht, ist deren Verhältnis zur Theologie. Verschiedene Verhältnisbestimmungen sind möglich: Die nichttheologischen Wissenschaften werden der Theologie untergeordnet (»Ancilla«-Paradigma) oder als ganzes Theoriegebäude durch die Theologie rezipiert (»Fremdprophetie«-Paradigma). Alternativ versucht man mit dem Paradigma der »konvergierenden Optionen«, das auf Gleichberechtigung,

2.3  Wie interpretiert man Liturgie?61

Dialogfähigkeit und Annäherung zwischen Theologie und Humanwissenschaften zielt, durch Integration verschiedener Wissenschaften Interdisziplinarität zu ermöglichen. So könne die Liturgiewissenschaft als Teil der Praktischen Theologie der Liturgie als symbolischer Vermittlung von Offenbarung Gottes und menschlicher Erfahrung wissenschaftlich gerecht werden (Gerhards – Odenthal/181). Demgegenüber wurde eine vorgängige Klärung des theologischen Propriums der Liturgiewissenschaft eingefordert, die als solche für die Interdisziplinarität mit den Humanwissenschaften konstitutiv sei. Als Glaubenswissenschaft reflektiert das Fach die Liturgie als Glaubensvollzug, der sich auf die Selbstoffenbarung Gottes in Christus bezieht. Der damit verbundene Wahrheitsanspruch müsse auch in der Interdisziplinarität zum Tragen kommen (Stuflesser  – Winter/260). Das widerspricht dem Prinzip der konvergierenden Optionen aber nicht, da sich diese auf die Wahrnehmung und Beschreibung symbolischer Vermittlung beziehen (Odenthal/138).

2.3

Wie interpretiert man Liturgie?

Liturgiewissenschaft arbeitet hermeneutisch, will also Liturgie interpretieren und zu ihrem Verständnis beitragen. Sie beschäftigt sich mit Sprachhandlungen aus verbalen und non­ verbalen Elementen unterschiedlicher Herkunft und verschiedener historisch-kultureller Provenienz, die sich wechselseitig durchdringen. Sie untersucht mit Liturgiefeiern wie Taufe, Firmung, Eucharistie, Tagzeitenliturgie, Festen wie Weihnachten oder Ostern oder einer Benediktion komplexe Kommunikationssituationen: An ihnen partizipiert eine nach anthro­pologischen wie theologischen Kriterien gegliederte Gemeinschaft in sehr differenzierter Weise; sie werden als Geschehen zwischen der Versammlung der Gläubigen, der Gemeinde, der Kirche einerseits und Gott andererseits begangen und sind in sich nach Sinnund Funktionseinheiten strukturiert; über die jeweilige Feier hinaus sind sie in das Gesamt kirchlicher Liturgie eingebunden. Die Liturgie bedient sich sehr unterschiedlicher Kommunikationsmittel: des verbalen Textes, des Gesangs und der Musik, der Gestik, Mimik und Bewegung, des Raumes, der Farbe, des Geräts etc. Anders ausgedrückt: Sie greift auf Verbalität, Bildausdruck, Klanglichkeit und Körperlichkeit zurück (Volp/266: 1, 154 f.). Keines dieser Kommunikationsmittel steht für sich; jedes ist in eine größere liturgische Sinnstruktur eingebunden. Liturgie geht nie nur in Text auf. Sie greift auf die genannten vielfältigen Kommunikationsmittel zurück und bindet zugleich den Menschen mit allen Kommunikations- und Sinnesmöglichkeiten in dieses Geschehen ein. Auch die – beispielsweise in den liturgischen Büchern – verschriftlichte Form von Liturgie, die diese Ausdrucksmittel natürlich beachtet und beschreibt, erfasst nur bestimmte Aspekte von Liturgie. Eigentliches Untersuchungsobjekt ist letztlich die Performanz des gottesdienstlichen Geschehens (vgl. oben 23). Es geht um den Vollzug des Gottesdienstes und die mit ihm verbundenen Erfahrungen. Um die Liturgie in dieser Perspektive verstehen zu können, sind neben der Theologie je nach Fragestellung Frömmigkeit, Spiritualität und Mentalität, sozialer und kultureller Kontext etc. einzubeziehen.

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2  Geschichte, Profil und Methoden des Faches Liturgiewissenschaft

Die Liturgiewissenschaft fragt also nach der Semantik, Syntaktik und Pragmatik der verschiedenen Elemente der Sprachhandlung »Liturgie«. Sie untersucht die Bedeutung der liturgischen Elemente, ihre innere Struktur und ihre Einbindung in Teile oder ins Ganze einer Liturgiefeier sowie ihre Wirkung und ihren Gebrauch in der und durch die Liturgie. Eine liturgiewissenschaftlich sinnvolle Annäherung an Quellen des Gottesdienstes kann sehr unterschiedlichen Fragestellungen folgen. Diese bestimmen die jeweilige Methodik und das konkrete Vorgehen. Doch einige Schritte sind unverzichtbar, wenn man sich mit Liturgien der Gegenwart und der Geschichte beschäftigt. Anhand einiger Elemente aus der Taufliturgie werden sie im Folgenden erläutert. Eine Interpretation der genannten Elemente muss verschiedene Fragestellungen bearbeiten. In jedem Fall geht es bei einem Text gleich welcher Sorte zunächst um eine adäquate, philologischen Standards folgende Untersuchung der Quelle als solcher. Bei einem liturgischen Text, gleichgültig, ob es sich um Liturgien der Geschichte oder der Gegenwart handelt, stehen am Anfang die Übersetzung bzw. die Analyse der muttersprachlichen Sprachgestalt und die Bestimmung des literarischen Genus. Sprache ist in der Liturgie keine Äußerlichkeit, sondern eines der wesentlichen Kommunikationsmittel. Immer ist die sprachliche Form auch auf ihre Sinnbedeutung hin zu befragen. Die Übersetzung bzw. sorgfältige Untersuchung der Sprachgestalt macht auf diese sprachlichen Züge aufmerksam (vgl. Kap. 5.3). Bei einer Zeichenhandlung wird man sich entsprechend um eine genaue Beschreibung bemühen, um sie wirklich erfassen zu können. Zudem ist die Bedeutung der Quelle kritisch einzuschätzen: Wer steht hinter dieser Quelle? Wer ist, soweit dies bei liturgischen Texten überhaupt zu eruieren ist, ihr Verfasser? Welche Funktion hat sie? An wen wendet sie sich und von wem wird sie gebraucht? Gerade im Umgang mit Liturgica ist Quellenkritik notwendig. So ist die Quellensorte zu klären: Handelt es sich um ein liturgisches Buch im Sinne einer Zusammenstellung liturgischer Texte und notwendiger Handlungsabläufe wie beispielsweise in einem Taufrituale? Dient das Buch wie ein Liber ordinarius der Beschreibung liturgischer Handlungsabläufe? Will die Schrift, wie der Name »Kirchenordnung« schon andeutet, kirchliches Leben ordnen und eine Idealliturgie beschreiben? Nicht nur für historische Quellen wird nach deren Rezeption zu fragen sein. Gerade Liturgica tradieren (auch) Traditionsbestände, die möglicherweise für die liturgische Praxis ohne Bedeutung (gewesen) sind. Der kritische Umgang mit der Quelle schützt also möglicherweise vor Fehleinschätzungen der tatsächlichen liturgischen Praxis. Je nach Fragestellung interessiert die Geschichte von Text und Zeichenhandlung. Gerade liturgische Texte können, da sie in einen fortwährenden Traditionsprozess eingebunden sind, als »lebendige Literatur« bezeichnet werden. Für die Geschichte, vor allem die Genese von Text und Handlung, ist nach Entstehungsort und -zeit sowie nach der ursprünglichen Gebrauchssituation zu fragen. Die katholische Kindertaufliturgie der Gegenwart kennt mit der Stirnsignierung des Säuglings, mit Litanei und Fürbitte, dem Gebet um Befreiung (Exorzismus) und der Salbung mit Katechumenenöl Texte und rituelle Handlungen, deren Genese, Funktion und gegenwärtige Bedeutung man wissenschaftlich erst richtig erschließt, wenn man ihre Geschichte kennt. Ihr ursprünglicher Ort ist der Katechumenat der Erwachseneninitiation. Als sich aus deren Ritus die Säuglingstaufe entwickelte, blieben die genann-

2.3  Wie interpretiert man Liturgie?63

ten Elemente erhalten. Kennt man diesen Hintergrund, kann man diese Sprachhandlungen heute als katechumenal interpretieren. Damit gelangt eine für die christliche Initiation unverzichtbare Dimension ins Blickfeld. Zu fragen ist also nach möglichen Entwicklungen und Funktionsveränderungen der Texte und Handlungen, weil sie erklären können, warum ein Text oder ein Zeichen an dieser und jener Stelle verwendet wird, und weil eine solche diachrone Betrachtung das Verständnis erleichtert. Aber auch der kultur- und theologiegeschichtliche Hintergrund der Texte und Handlungen ist zu untersuchen. So trägt die Kenntnis theologiegeschichtlicher Diskussionen zum Verständnis christologischer oder pneumatologischer Aussagen in liturgischen Texten bei. Bei den genannten Taufriten ist das Wissen um die religions- und theologiegeschichtliche Bedeutung von Exorzismen hilfreich, um deren Funktion, Entwicklung und ihre Veränderung in der Moderne verstehen zu können. Grundsätzlich ist in der Liturgie damit zu rechnen, dass Elemente aus der Glaubenstradition in späterer Zeit unter anderen sozialen, kulturellen und geistlichen Voraussetzungen praktiziert, also in anderer Glaubenssituation neu rezipiert werden. Die Einbindung des Textes in die größere rituelle Einheit oder das Gesamtritual ist zu untersuchen. Es ist also nach den Faktoren zu fragen, die über die Verbalität hinaus die Performanz der Liturgie bestimmen. Wer spricht, wer hört den Text? Von welchen Gesten wird er begleitet? Welche Körperhaltungen (Sitzen, Knien, Stehen) werden eingenommen? An welchem Ort im Raum wird die Sprachhandlung vollzogen? Die genannten Vollzüge der Taufliturgie kennen mehrere Sprechende und Handelnde. Neben dem Priester oder Diakon sind Eltern und Paten und die übrigen Gemeindemitglieder beteiligt. Aufnahme in die Gemeinde und Eintritt in die Kirche wird im Handeln der Gemeindemitglieder vollzogen, die hier als Angehörige der »Gemeinschaft der Heiligen« partizipieren. Zum gesprochenen Text hinzu treten expressive Zeichenhandlungen. Sie sind für die Interpretation unverzichtbar, denn sie tragen zum Handlungsgeschehen der Liturgie bei. Die Liturgie realisiert, was sie zuspricht. Durch die Signation mit dem Kreuzzeichen wird die Zueignung des Täuflings an Christus vollzogen. Die Handausstreckung zum Gebet um Befreiung symbolisiert die Segens- und Schutzfunktion, die für den Täufling von Gott gegenüber dem Bösen erbeten wird. In der Ölsalbung wird die Stärkung mit der Kraft Christi, von der das Gebet spricht, in einer Zeichenhandlung erfahrbar. Dass dieser Abschnitt der Liturgie noch nicht am Tauf­ ort stattfindet, unterstreicht seinen katechumenalen Charakter. Ihm kommt im Gesamtritual die Funktion der Vorbereitung auf das eigentliche Taufgeschehen zu. Im größeren liturgischen Kontext lassen sich dann auch die Charakteristika der verschiedenen Salbungen innerhalb der Taufe erklären. Mitgeprägt wird Liturgie durch das gesellschaftliche und kirchliche Umfeld. Sozial- und Mentalitätsgeschichte, Religions- und Frömmigkeitsgeschichte, kulturelle, gesellschaftliche und pastorale Gegebenheiten haben Einfluss darauf, wie Liturgie gefeiert wird. In welchem kulturellen Umfeld hat beispielsweise die Säuglingstaufe ihren Platz? In einer durch Volkskirchlichkeit geprägten Gesellschaft ist die Taufe Unmündiger selbstverständlich; unterstützende kirchliche Milieus erleichtern die Eingliederung des Neugetauften. In einer säkula­ risierten oder stark durch Konfessionslosigkeit bestimmten Gesellschaft verliert die

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2  Geschichte, Profil und Methoden des Faches Liturgiewissenschaft

Säuglingstaufe möglicherweise zugunsten der Erwachsenentaufe an Normalität. In einer Gesellschaft, in der religiöse Traditionen präsent sind, können überkommene liturgische Formulare mit eigener Sprach- und Bilderwelt möglicherweise leichter mitvollzogen werden als dort, wo eine Vertrautheit mit solchen Traditionen nicht (mehr) gegeben ist. Sowohl für die Geschichte als auch für die Gegenwart sind für die Untersuchung von Liturgien solche Voraussetzungen mitzubedenken. Das gilt auch für die Bedingungen hinsichtlich Theologie und Frömmigkeit, unter denen die Liturgiefeier steht. Die Neuentdeckung der Erwachseneninitiation im späten 20. Jahrhundert, angestoßen unter anderem durch das Zweite Vatikanische Konzil, warf ein neues Licht auf den gesamten Bereich der Initiation. Sehr unterschiedliche Formen der einen Taufe (Säuglingstaufe, Eingliederung von Kindern im Schulalter, Erwachseneninitiation) werden nebeneinander praktiziert und beeinflussen sich auch wechselseitig in ihrer Praxis. Andererseits können durch Veränderungen von Theologie und Frömmigkeit Riten obsolet werden. Einzelne Elemente können – mit Konsequenzen für die Liturgiefeier – von den Feiernden als problematisch oder inakzeptabel empfunden werden, etwa der alte Taufexorzismus, das Gebet um Befreiung vom Bösen in der Kindertaufe. Um solche Faktoren, welche die Liturgie und ihre Mitfeier wesentlich prägen, erfassen zu können, ist also das Umfeld zu beschreiben, in dem diese Liturgie gefeiert wird und das die Kommunikationssituation wesentlich mitbestimmt. In einem weiteren Schritt ist nach der Bedeutung des Textes zu fragen. Die Struktur des Textes, Begrifflichkeit, Grammatik, Stilistik, Rhetorik usw. sind zu beachten. Bei einer biblischen Lesung (Perikope), einer Antiphon, einem Hymnus oder einer Oration wird man sehr unterschiedliche Strukturen beobachten können, die aber für den Sinn des jeweiligen Textes von Bedeutung sind. Am Beispiel des Gebetes um Befreiung vom Bösen aus der Taufliturgie sei das verdeutlicht. Einer der Auswahltexte lautet: »Z.: Herr, allmächtiger Gott, du hast deinen eingeborenen Sohn gesandt und durch ihn den Menschen, die in der Sünde gefangen waren, die Freiheit der Kinder Gottes geschenkt. Wir bitten dich für diese Kinder. In unserer Welt sind sie vielfältigen Versuchungen ausgesetzt und müssen gegen die Nachstellungen des Teufels kämpfen. Durch die Kraft des Leidens und der Auferstehung deines Sohnes befreie sie von der Erbschuld und der Verstrickung in das Böse. Stärke sie mit der Gnade Christi und behüte sie allezeit auf dem Weg ihres Lebens durch ihn, Christus, unsern Herrn. Alle: Amen« (Feier der Kindertaufe/57: Nr. 49A). Der Text weist eine klare Struktur auf. Er beginnt mit einer Prädikation, die an das Handeln Gottes in der Heilsgeschichte erinnert. Ihr folgt eine ausführliche Bitte, die durch Christus an Gott gerichtet wird. Das Gebet schließt mit einer formelhaften Akklamation der Gemeinde. Das Tempus der Prädikation ist das Perfekt – Vergangenheitsform, während in der Bitte als Tempora Präsens und Futur verwendet werden. Das Gebet spielt also verschiedene sprachliche Zeitebenen und auf diesem Wege zugleich Zeitebenen der Heilsgeschichte ein:

2.3  Wie interpretiert man Liturgie?65

Handeln Gottes in Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft. Weder die Abfolge der Struktur­ elemente – zuerst Lobpreis und Dank, dann Bitte – noch die Verwendung der Zeitformen ist belanglos. Über die verschiedenen Sprachmittel artikuliert sich ein Glaubensgeschehen. Der zweite Teil des Gebets wird deutlich mit der Einleitung »Wir bitten dich« markiert. Die drei Bitten sind sprachlich parallel formuliert und bilden inhaltlich eine Klimax. Verschiedene Sprachebenen sind zu erkennen, die das Glaubensgeschehen anzeigen: Das Gebet richtet der Zelebrant an Gott, aber die Gemeinde muss dem in der Schlussakklamation zustimmen; es handelt sich um ein Gebet der Gemeinde (»Wir«-Form). Die Formulierung »durch Christus« weist Christus als den Mittler des Gebets aus. Zugleich wird das Gebet für andere, hier die unmündigen Kinder, gesprochen. Handelndes Subjekt ist Gott, den man bittet, durch Christus den in der Sünde befangenen Menschen zur Freiheit zu führen. Das Gebet ist Ausdruck der Begleitung des Menschen durch die Kirche. Es gibt kaum Beschreibungen der Methodik und der Arbeitsweise der Liturgiewissenschaft. Lesenswert für die wissenschaftliche und aszetische Erschließung von Messformularen sind immer noch die Hinweise von Wintersig/270. Einen Überblick über neuere englischsprachige, italienische und deutsche wissenschaftliche Ansätze bietet neben eigenen, an Beispielen demonstrierten Überlegungen De Zan/172. Hinweise zu wichtigen Quellensorten und ihrer Einschätzung haben Meßner/37: 35–54 und Klöckener  – Häußling/204 zusammengestellt. Eine Übersicht heute verwendeter methodologischer Ansätze bietet Kranemann/211.

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3  Geschichtliche Skizze zur Liturgie aus der Perspektive der römischen Tradition

3 Geschichtliche Skizze zur Liturgie aus der Perspektive der römischen Tradition

3.1

Liturgiegeschichte als zentrale Aufgabe der Liturgiewissenschaft

Im vorangehenden Kapitel wurden die Anfänge der Liturgiewissenschaft in der Liturgiegeschichtsforschung dargelegt. Indirekt kamen dabei die Probleme zur Sprache, die beim Versuch eines liturgiehistorischen Abrisses entstehen. Diese gründen darin, dass es »die Liturgie« nicht gibt. Es gibt vielmehr eine Vielzahl von Feier-Formen und Institutionen innerhalb unterschiedlicher ekklesialer und lokalkirchlicher Traditionen. Der Versuch einer systematischen Betrachtungsweise stößt schnell an seine Grenzen. Historisch-kritische Betrachtung, welche die einzelnen Entstehungsschichten einer Liturgie rekonstruiert, kann – wenn man sie verabsolutiert – den Eindruck hervorrufen, es handele sich bei der gewachsenen römischen Liturgie um einen »Trümmerhaufen«. Im Falle des Canon Romanus, des Eucharistiegebets, hat man dies explizit behauptet  – zu Unrecht, wie man heute weiß (Schmitz/406). Eine solche Betrachtungsweise krankt stets an einer Reduktion der anzu­ legenden Parameter, die erst in ihrer gegenseitigen Ergänzung dem Gegenstand gerecht werden: Liturgie erschöpft sich nicht in der Gestalt der darin verwendeten Worte; sie lebt vielmehr im Kontext der Feier, die ihrerseits eingebettet ist in einen kulturellen Gesamtzusammenhang. Daher sind Zeugnisse der Kultur-, Mentalitäts- und Frömmigkeitsgeschichte (Lurz/373) wesentliche Quellen heutiger Liturgiegeschichtsschreibung. Wohl kaum eine Zeit war so sehr um Geschichte bemüht wie die gegenwärtige. Mit großem Aufwand feiert man alle nur erdenklichen runden Jubiläen. Die Quantität dabei geht oft auf Kosten der Qualität. Diese dem Historismus des 19. Jahrhunderts vergleichbare »postmoderne« Tendenz entspringt wohl der Tatsache, dass die derzeitigen naturwissenschaftlichen und technologischen Umwälzungen radikal in Frage stellen, was die Identität der historisch fassbaren Größen von Individuum und Gesellschaft ausmacht. Diese Art von Umgang mit der Vergangenheit hat freilich etwas Beliebiges an sich. Man schätzt das Alte, nur weil es alt ist, und macht sich kaum die Mühe, es in seinem eigentlichen Kontext verstehen zu wollen. Die gegenwärtige Hochschätzung des Alten erweist sich weitgehend als eine Reaktion auf die Geringschätzung alles Traditionellen in der Nachkriegszeit. In dieser Zeit distanzierte man sich bewusst von der Vergangenheit, und zwar auf allen Ebenen des Lebens. In Deutschland mag die Verdrängung der jüngsten Vergangenheit in der Zeit des Wiederaufbaus nach dem Krieg für diese Entwicklung mitverantwortlich gewesen sein; erst äußere Umstände bremsten im Laufe der 1970-er Jahre diese Tendenz.

3.1  Liturgiegeschichte als zentrale Aufgabe der Liturgiewissenschaft67

Zeitgeschichtlich fiel die Liturgiereform im Anschluss an das Zweite Vatikanische Konzil mit dieser »zweiten Aufklärung« zusammen. Mit 200-jähriger Verspätung übernahm die katholische Kirche erstmals einige Positionen der europäischen Aufklärung, dies ausgerechnet zu einem Zeitpunkt, als Aufklärung an sich ins Zwielicht geriet (Salmann/402: 100 f.). Papst Johannes XXIII. hatte mit seinem Leitwort »aggiornamento«, das man mit Offenheit der Kirche gegenüber der Welt im Sinne einer neuen Inkulturation übersetzen könnte, einen freilich oft missverstandenen, aber doch entscheidenden Impuls gegeben. Eines der Missverständnisse war die in dieser Zeit verbreitete Ansicht, die Kirche könne und solle sich, völlig unabhängig von ihrer Vergangenheit, neu orientieren. Geschichte wurde als ein Ballast angesehen, den es abzuschütteln galt. Die Beschäftigung mit der Geschichte wurde in dieser Zeit mitunter damit legitimiert, dass sie eine Art Negativfolie darstelle, vor der man die neue Kirche bzw. die neue Liturgie zu entwerfen habe. Dabei legte man nicht selten eine Verfallshypothese zugrunde, nach der auf das »goldene Zeitalter« der Patristik das »finstere Mittelalter« folgte, bis hin zur »starren Einheitsliturgie« in der Zeit zwischen Trient und Zweitem Vatikanischen Konzil (Dynamik/298). Diese liturgiehistorische Betrachtungsweise wird heute radikal in Frage gestellt (Angenendt/156; Gerhards/321: 23–25; Jeggle-Merz/337: 327– 330). Die Liturgiereform des Zweiten Vatikanischen Konzils ging gegenüber solch extremen Positionen von der Prämisse aus, dass die Liturgie »einen kraft göttlicher Einsetzung unveränderlichen Teil und Teile, die dem Wandel unterworfen sind« (SC 21), enthält. Fünf Jahrzehnte nach der Verabschiedung der Liturgiekonstitution wird man sicher ­einige Tendenzen der Liturgiereform als Tribut an den damals herrschenden Zeitgeist ­hinterfragen müssen (vgl. Monographien zum 25-, 40- und 50-jährigen Jubiläum der Kon­ stitution: 25-jähr.: Gottesdienst/324; 40-jähr.: 40 Jahre Liturgiekonstitution/336; Liturgie­ reform/368; Zukunft der Liturgie/418; Gottesdienst in Zeitgenossenschaft/325; 50-jähr.: Aggior­namento/273; Böntert/285; Erbe/301; Gerhards/320; Liturgiekonstitution/367). Man bewegt sich vielfach zwischen zwei Extremen: auf der einen Seite die rationalistische Ablehnung der geschichtlich gewordenen Gestalt der Liturgie, auf der anderen die mehr oder weniger emotional bestimmte, von konservativen Kreisen oft vehement betriebene nostalgische Beschwörung eines Liturgie-Ideals, das es in Wirklichkeit nie gegeben hat (Oden­ thal/384). Gegenüber diesen extremen Positionen muss die Liturgiewissenschaft eine Liturgiegeschichtsforschung betreiben, die der Geschichte in allen Differenzierungen und mit Blick auf die Kontexte gerecht wird (Liturgiereformen/218). Nur aufgrund von gewissenhaft aufgearbeiteter Historie und ihrer sachgerechten Deutung kann eine Antwort auf die Frage versucht werden, wo die Grenze zwischen dem Unaufgebbaren und dem Wandelbaren in der Liturgie verläuft. Geschichtlichkeit ist in Bezug auf den christlichen Gottesdienst keine sekundäre Kategorie. Vielmehr ist sie ein Wesenszug, der mit dem Wort »anamnesis« (lat. memoria  – Gedächtnis, Erinnerung) zu umschreiben ist. Dies ist zunächst ein religionsgeschichtlich konstantes Phänomen des Kultischen. Riten haben die Aufgabe, Markierungspunkte im Leben des Einzelnen und der Gemeinschaft zu setzen. Sie vergegenwärtigen zentrale Ereignisse mythologischer oder stammesgeschichtlicher Art, die konstitutiv für die Gemeinschaft sind. Im Unterschied zu anderen Religionen bezieht sich die Offenbarungsreligion der Bibel

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3  Geschichtliche Skizze zur Liturgie aus der Perspektive der römischen Tradition

aber nicht primär auf mythische, also vor- oder außerzeitliche Geschehnisse, sondern auf die konkrete, irreversible Geschichte Gottes mit den Menschen. Nach dem christlichen Verständnis ist diese Geschichte in der Person und dem Lebenswerk Jesu Christi zu ihrem unüberbietbaren und definitiven Kulminationspunkt gelangt. Die Begegnung mit dem gekreuzigten und auferstandenen Herrn bildet die Mitte jeder kultischen Vergegenwärtigung durch die Kirche. Die Art und Weise, wie die Liturgie diese Vergegenwärtigung bewirkt, ist bereits im alttestamentlichen Judentum, vor allem in der Festtradition des Pesach, vorgebildet (Leonhard/366). In der Feier der Liturgie wird nicht einfach ein Gedächtnis äußerer Art gehalten; vielmehr gehen die Feiernden in die Geschichte ein, sie werden »Zeitgenossen Gottes«. Im Unterschied zur mythologisch bestimmten Religion ist christliche Liturgie kein völliges Abstrahieren von der Gegenwart. Da Gott selbst in die Menschheitsgeschichte eingetreten ist, selbst Geschichte gemacht hat, ist er mit seinem Heilsangebot jederzeit gegenwärtig. Das eröffnet der Glaubensgemeinschaft ein Hoffnungspotenzial auf eine Zukunft mit Gott. Die Liturgie der Kirche hat die Aufgabe, Gegenwart, vergegenwärtigte Vergangenheit und erwartete Zukunft miteinander in Beziehung zu setzen. Geschichtlichkeit ist zweifellos eine Wesensdimension christlichen Gottesdienstes, was zu seiner kosmischen Einbindung nicht im Widerspruch steht (Gerhards/306). Die Kirche fand in der Geschichte ihrer Ausbreitung nirgends einen kulturfreien Raum vor, den sie völlig unabhängig hätte füllen können. Vielmehr war sie mit entwickelten Kulturen konfrontiert, die ihrerseits religiöse Systeme mit entsprechenden rituellen Vollzügen entfaltet hatten. Die erste Begegnung, diejenige mit der hellenistischen Kultur, fiel zeitlich mit der Absetzung vom jüdischen Wurzelboden zusammen. Hier fand nun der erste, schon in der Bibel nachvollziehbare Verschmelzungsprozess statt. Es sollte nicht der letzte sein. Auch in späterer Zeit, etwa bei der Mission des fränkisch-germanischen Raums, blieb die christliche Religion kein unverändertes Importgut. Sie verband sich vielmehr mit bodenständigen Formen von Kultur und Religion, was zu neuen Ausdrucksformen des Religiösen führte. Dieses Prinzip hat sich im Laufe der Kirchengeschichte freilich nicht immer durchgehalten. Häufig ging die Christianisierung in späterer Zeit mit einer Zerstörung der bodenständigen Kulturen einher. Erst im Lauf des 20. Jahrhunderts begann ein Umdenken. Die verschiedenen Stadien bzw. Weisen der Annäherung und Verschmelzung sollen im Folgenden begrifflich geklärt werden (Collet/293). Unter Adaption versteht man die Übernahme bodenständiger Elemente (z. B. Fruchtbarkeitsrituale), wobei sie umgedeutet und in das Syntagma der christlichen Liturgie integriert werden. Dazu gehören z. B. Flurprozessionen antik-paganer Provenienz oder Segnungen aus der Religiosität der Völker nördlich der Alpen. Akkomodation meint eine eher äußere Anpassung der christlichen Liturgie an das Verständnis der jeweiligen Bevölkerung, etwa die Angleichung liturgischer Gewänder an kulturelle Traditionen Afrikas oder Asiens. Inkulturation schließlich meint eine neue Weise der Verschmelzung, die als das eigentlich erstrebenswerte Ergebnis der Begegnung zweier gleichwertiger Partner zu verstehen ist. Dies bedeutet einen tieferen Eingriff in die Substanz von Texten, Riten und Symbolen bis hin zur Diskussion über die Anpassung der Materie der eucharistischen Gestalten an die kulturellen Gegebenheiten (Chupungco/291 u. 292). In jüngerer Zeit spricht man von Interkulturation

3.2  Jüdische Liturgie und urchristlicher Gottesdienst69

und meint damit einen dialogischen Austausch, bei dem es nicht zu einer Verschmelzung kommt, wohl aber zu einer gegenseitigen Befruchtung. Das Christentum westlicher Prägung gilt nur in Europa als wirklich inkulturiert. In Bezug auf die römisch-katholische Kirche eröffnete erst das Zweite Vatikanische Konzil die Möglichkeit, alle bodenständigen authentischen Ausdrucksformen (Symbole, Gesten, Tanz, Musik und Gesang) einzubeziehen. Man darf diesen Prozess aber nicht als einmal geschehen und als für alle Zeiten abgeschlossen betrachten. Vielmehr ist Inkulturation eine beständige Aufgabe der ganzen Kirche an allen Orten, da der Transfer des christlichen Erbes jeweils neu zu geschehen hat und da sich infolge der Globalisierung jede Kultur in einem sich ständig beschleunigenden Wandlungsprozess befindet (Meyer/380; Liturgy in a Postmodern World/369). Der Auftrag der Inkulturation liegt im Wesen des Christentums selbst begründet, das in der Welt, aber nicht von der Welt ist. Die damit verbundene Spannung wurde oft zur einen oder anderen Seite aufgelöst: Weltflucht und Angleichung, Gettoisierung und synkretistische Nivellierung stellen stete Versuchungen der Kirche dar. Der folgende Überblick will zeigen, auf welche Weise die Liturgie zu verschiedenen Zeiten ihre Identität im Wandel gesucht hat. Er kann sich nur mit dem römischen Ritus befassen, blendet also andere Liturgiefamilien vor allem des Ostens weitestgehend aus. Auch für den römischen Westen können im Folgenden nur einige wesentliche Stationen der Liturgiegeschichte skizziert werden. Einen Überblick ermöglichen einige neuere Monographien (Wegman/415; Metzger/379; Bärsch/281), verschiedene weiter ausholende Beiträge in Lexika und Handbüchern (Oxford History/388; Geschichte der Liturgie/323) sowie ein Kompendium, das die Liturgiegeschichte des Westens unter dem Aspekt von Liturgiereformen behandelt (Liturgiereformen/218).

3.2

Jüdische Liturgie und urchristlicher Gottesdienst

3.2.1 Jüdischer Gottesdienst im Umfeld Jesu Über den christlichen Gottesdienst kann man nicht sprechen ohne Bezugnahme auf den alttestamentlichen und jüdischen Gottesdienst (Jüdische Liturgie/338; Trepp/411; Wick/416; Identität durch Gebet/608; Dialog oder Monolog/295; Kontinuität und Unterbrechung/354; Theobald/409). Kontinuität und Diskontinuität prägen das Verhältnis Jesu und der frühen Kirche gegenüber dem jüdischen Gottesdienst. Zunächst ist kurz zu skizzieren, worin die Grundelemente des jüdischen Gottesdienstes bestanden. Der Gottesdienst zur Zeit Jesu kannte drei verschiedene Orte mit unterschiedlichen Kulthandlungen. An erster Stelle ist der Tempel mit dem durch die Priester vollzogenen Opferkult zu nennen. Es gab verschiedene Entwicklungslinien und Vorstufen, auf die hier nicht eingegangen werden kann. Mit der Wiedererrichtung des Tempels in nachexilischer Zeit hat sich die priesterschriftliche Auffassung durchsetzen können, nach welcher der Opferkult vor allem Sühneritual ist. Dieses Sühneritual gipfelt in der jährlichen Feier des großen Versöhnungstages (vgl. Lev 16).

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3  Geschichtliche Skizze zur Liturgie aus der Perspektive der römischen Tradition

Eine zweite Stätte jüdischen Gottesdienstes zur Zeit Jesu bildet die Synagoge. Erste Synagogen entstanden infolge der Zentralisierung des Kultes in Jerusalem. Die Synagogen dienen vor allem der gottesdienstlichen Zusammenkunft am Sabbat mit Verlesung des Gesetzes, Bekenntnis zu dem einen Gott und gemeinsamem Gebet. Von den Pharisäern wird die Synagoge dem Tempel und seinem Kult zugeordnet. Dies geschieht durch den strengen Ritualismus, wie er in Sabbatvorschriften und Reinheitsgeboten zum Ausdruck kommt. Jesus setzt sich mit dieser legalistischen Auffassung auseinander. Der dritte und wichtigste »Kultort« der jüdischen Religion ist die Familie, der private häusliche Bereich. Das persönliche und familiäre Gebet prägt das ganze Leben: den Tagesablauf (dreimaliges Beten am Morgen, am Mittag und am Abend) und das gemeinsame Mahl, welches durch das Gebet des Hausvaters einen rituellen Charakter erhält. Besonders rituell ausgeprägt sind Sabbat- und Paschamahl. Der häusliche Bereich steht nicht isoliert von den übrigen Orten des Kultes: Sabbatmahl und Paschamahl sind mit Synagoge bzw. Tempel verbunden. So spielt in der Chronologie der Passion Jesu der Zeitpunkt des Schlachtens der Paschalämmer im Tempel eine große Rolle (Joh 19,14). Jesus verhält sich gegenüber dem Gottesdienst seiner Zeit zunächst als ein gläubiges Mitglied des Volkes Israel. Deutlich konturieren die Kindheitsgeschichten seine Herkunft. An Jesus vollzieht sich genau das, was vom Gesetz her vorgeschrieben ist: die Beschneidung (Lk  2,21) und die Darstellung im Tempel (Lk 2,22–24). Auch im späteren Verhalten Jesu finden sich zunächst Elemente der Kontinuität. So berichtet das Johannes-Evangelium viermal davon, dass er zum Tempel hinaufzieht. Die Wallfahrt nach Jerusalem spielt, angefangen von der Kindheitsgeschichte bis zur Passion, eine entscheidende Rolle im Leben Jesu. Einen hohen Stellenwert nimmt für Jesus der Synagogen-Gottesdienst ein. Er nimmt nicht nur daran teil, er nimmt auch das Recht des jüdischen Mannes in Anspruch, aus der Schrift zu lesen und sie zu deuten (Mk 1,21; 1,39; 6,2; Mt 9,35; Lk 4,15; Joh 6,59). Allerdings ist hier bereits der Ansatz zur Kritik und zur Abwendung von den herkömmlichen jüdischen Kultgebräuchen und der traditionellen Schriftauslegung zu erkennen (Lk 4,28 f.). Auch im privaten Bereich scheint Jesus sich weitgehend auf der Linie der jüdischen Tradition zu befinden. Freilich ordnet er bestimmte Übungen, wie Almosengeben, Beten und Fasten, in die Gottesbeziehung ein. Wo diese Übungen der Selbstgerechtigkeit dienen, kritisiert er sie radikal (Mt 6,2 f.). Gerade vor dem Hintergrund dieser primären Kontinuität werden der Neuansatz und die Radikalität der Veränderung einiger Elemente deutlich. Die Radikalität des Neuen liegt letztlich im Anspruch Jesu begründet, dass sich in ihm die Verheißungen des Alten Bundes erfüllen, dass mit ihm die Gottesherrschaft angebrochen ist. Damit fallen bestimmte religionsgeschichtliche Rahmenbedingungen fort. An erster Stelle ist die radikale Trennung von Rein und Unrein in der jüdischen Religion zu nennen. Die Forderung »Ihr sollt heilig sein, denn ich bin heilig« (Lev 11,45) wurde nach jüdischem Verständnis durch Opfer und die Erfüllung bestimmter Vorschriften gewährleistet. Sie war an priesterliches Wirken gebunden und gipfelte im großen Versöhnungsfest. Jesus setzt diese Unterscheidung außer Kraft (Mk 7,1). Damit ist der für die Antike allgemein gültige Trennungsstrich zwischen dem Sa-

3.2  Jüdische Liturgie und urchristlicher Gottesdienst71

kralen und dem Profanen grundsätzlich aufgehoben. Dies kommt in den Wundererzählungen zum Ausdruck, wenn Jesus nicht nur Krankheiten heilt, sondern auch Sünden vergibt. Dementsprechend setzt er sich über die Kultgesetze, wie z. B. die Einhaltung des Sabbats, hinweg. Er ist »Herr auch über den Sabbat« (Mk 2,28). In besonderer Weise äußert sich die Haltung Jesu zum Gottesdienst in seinem Verhältnis zum Tempel. Das Wort von Zerstörung und Wiederaufbau des Tempels weist auf die Spiritualisierung der Tempelidee hin. Die von allen Evangelisten geschilderte Austreibung der Händler aus dem Tempel ist als Zeichenhandlung zu deuten: In der eschatologischen Erfüllungszeit soll der Tempel nur noch Stätte der Anbetung sein. Auf derselben Linie zu sehen ist das prophetische Wort von der Zerstörung des Tempels sowie die Schilderung vom Zerreißen des Vorhangs in der Todesstunde Jesu (Mk 15,38). Mit dem Selbstopfer Jesu sind alle stellvertretenden Opfer überholt, ist ein für alle Mal Sühne geleistet, die durch Glauben wirksam wird (Röm 3,25). Der »Kult« ist nun nicht mehr an einen bestimmten Ort gebunden, sondern ereignet sich stets dort, wo zwei oder drei in seinem Namen versammelt sind (vgl. Mt 18,20). Aus dem bisher Gesagten lassen sich einige Ansätze frühchristlichen Gottesdienstes erkennen. In erster Linie ist wohl das Vaterunser zu nennen (Mt 6,9–13), das, wenn es auch vom Inhalt her ein ganz und gar jüdisches Gebet ist, gleichwohl die Bitte um das kommende Reich zum vordringlichen Anliegen christlichen Betens macht (Müller/613). Dieser eschatologische Zug kann als Charakteristikum der frühen Kirche insgesamt angesehen werden. Er kommt vor allem in der frühchristlichen Mahlfeier zum Ausdruck, die in dieser Perspektive als die liturgische Neustiftung Jesu zu betrachten ist. Dennoch stellt die Eucharistiefeier der Kirche keine »Wiederholung« des Letzten Abendmahls dar, dessen exakten rituellen Verlauf wir nicht kennen. Für das theologische Verständnis der christlichen Eucharistie sind auch die anderen Mähler Jesu heranzuziehen: das Mahl mit Zöllnern und Sündern sowie die wunderbaren Speisungen. Letztere tragen mit dem Dankgebet und dem Ritus der Austeilung eindeutig liturgische Züge (Mk 6,39). Danach entlässt Jesus die Menge und erweist sich damit als Gastgeber. Jesus schenkt Gemeinschaft, wobei die begrenzte Dauer der irdischen Feier ein Hinweis auf die einst geschenkte unbegrenzte Mahlgemeinschaft im kommenden Reich ist.

3.2.2 Die Anfänge des christlichen Gottesdienstes Das Verhältnis von jüdischer und christlicher Liturgie lässt sich nicht auf eine einfache Formel bringen (Theobald/409). Generell ist davon auszugehen, dass jüdische wie christliche Liturgie in den überlieferten Gestalten Neukonstruktionen darstellen, die – teils voneinander unabhängig, teils in gegenseitiger Beeinflussung oder in negativer Abgrenzung  – aus älterem Material geschaffen wurden. Zur Diskussion stehen das Paradigma der Antithese, das Mutter-Tochter-Modell sowie das der »Zwillingsbrüder« (Gerhards/310; Dialog oder Monolog/295). Die neuere Forschung tendiert zum dritten Modell, dem »Jakob-Esau-Paradigma«, wobei auch dieses keineswegs unwidersprochen ist. Es hat aber den Vorzug, unter dem grundsätzlichen Gesichtspunkt des Gemeinsamen die Ambivalenzen einbeziehen zu

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3  Geschichtliche Skizze zur Liturgie aus der Perspektive der römischen Tradition

können. Das Verhältnis von jüdischer und christlicher Liturgie ist um vieles komplizierter als bisher angenommen. Zwar steht außer Frage, dass die meisten christlichen Traditionen jüdische Wurzeln haben. Doch ist oft ungewiss, welche jüdischen Traditionen im Einzelnen die christliche Liturgie beeinflussten und wann dies geschah. Ferner ist davon auszugehen, dass die liturgischen Formen des Christentums und des rabbinischen Judentums sich ­ungefähr zur gleichen Zeit herausgebildet haben, und dies nicht selten auf der Grundlage gemeinsamer biblischer und nachbiblischer (jüdischer) Wurzeln. Zudem waren die überkommenen Formen und Formeln einem ständigen Entwicklungsprozess unterworfen, dessen Verlauf wechselseitige Reaktion und Interaktion impliziert haben kann. »Es ist zum Beispiel klar, dass in der Art und Weise, wie bestimmte christliche Gruppierungen eine ursprünglich jüdische Tradition gestaltet haben, eine antijüdische Tendenz spürbar wird. Andererseits aber kann man nicht ausschließen, dass manchmal auch das Umgekehrte der Fall gewesen ist. Es ist nicht ausgeschlossen, dass bestimmte jüdische rituelle Formen in Reaktion auf oder gegen bestimmte Entwicklungen im Christentum entstanden sind« (Rouwhorst/399: 44). Der selbstverständliche Umgang mit dem alttestamentlich-jüdischen Erbe lässt die Diskontinuität des christlichen Gottesdienstes gegenüber dem jüdischen leicht übersehen. Zunächst einmal setzen die Christen das fort, was sie als Juden gelernt haben: das fortwährende Lesen und Wiederlesen der Schrift. Diese wird nun jedoch christologisch interpretiert. Man erspürt in den Schriften des Alten Testaments verborgene Hinweise, die parakletisch die Erfahrung mit Jesus von Nazareth deuten. Die gottesdienstliche Versammlung impliziert aber nicht ein Sichzurückziehen auf einen heiligen Bezirk; vielmehr ist im eschatologischen Verständnis der frühen Christen die ganze Welt geheiligt. Der Hebräerbrief reflektiert diese vollkommen neue Situation der Zeit nach Christus. Vor allem im heidenchristlichen Bereich wird neben dem anamnetischen und parakletischen Charakter der katechetische Effekt des Wortgottesdienstes betont (vgl. 1 Kor 14). Dies leuchtet ein, wenn man bedenkt, dass der den Juden geläufige Traditionszusammenhang fehlt. Aber gleich, ob es sich um Juden- oder Heidenchristen handelt: Gemeinsam ist allen Christen die anamnetische Feier der Auferstehung Jesu am Sonntag beim Herrenmahl. Diese setzt die Begegnung mit Christus im Wort voraus (vgl. die Emmaus-Erzählung Lk 24,13–35), vermittelt aber eine Erfahrung, die das Wort allein nicht geben kann – die Erfahrung einer sakramentalen Begegnung. Der regelmäßigen Teilnahme an den täglichen und sonntäglichen gottesdienstlichen Versammlungen geht die fundamentale »Erleuchtung« durch die Taufe voraus. (Erleuchtung, φωτισμός, ist die Bezeichnung der griechischen Kirche für dieses Sakrament.) Auch hier geschieht die sakramentale Handlung nicht ohne entsprechende vorherige Unterweisung; dies wird innerhalb der Apostelgeschichte in der Erzählung von der Taufe des Kämmerers deutlich (Apg 8,26–40). Die sakramentale Begegnung ist Höhe- und Wendepunkt zugleich. Ähnlich wie Christus in der Emmaus-Erzählung entschwindet, so entschwindet den Blicken des Neugetauften hier der Apostel. Das Neue Testament enthält eine Fülle von gottesdienstlichen Formeln. Es spricht wiederholt vom Singen der Psalmen, Hymnen und Oden (1 Kor 14,26; Eph 5,12; Kol 3,16). Man

3.2  Jüdische Liturgie und urchristlicher Gottesdienst73

kann dies als Hinweis auf die charismatisch geprägte Grundstimmung der frühen Christen werten. Was die Gebete betrifft, so sind sie in dieser Zeit noch nicht wörtlich festgelegt, sondern entsprechen wohl der jeweiligen Herkunft der Betenden. Erst nach und nach entwickeln sich spezifisch christliche Gebetsformen, die sich von denen des Judentums zu unterscheiden beginnen. Was den Adressaten des Gebets betrifft, so behielten die Christen sicher weiterhin die jüdische Gebetsrichtung bei; aber man betet nun im Namen Jesu und durch Christus. Freilich finden wir im Neuen Testament auch Hinweise auf Anrufungen Jesu, wobei die in der Geheimen Offenbarung bezeugte Anbetung des Lammes den neutestamentlichen Schlusspunkt einer Entwicklung markiert: Die zunächst ganz auf Gott gerichtete himmlische Liturgie wird zu einer Liturgie, die Gott und das Lamm feiert (Offb 4–5). Vor allem im Bereich des Hymnus entwickelt sich, wie die folgenden Jahrhunderte zeigen, eine besondere Christozentrik christlichen Betens.

3.2.3 Das differenzierte Verhältnis von jüdischem und christlichem ­Gottesdienst in der Spätantike Von einer »Erbfolge« (Gerhards/310) von der jüdischen zur christlichen Liturgie kann also nicht die Rede sein. Die Zerstörung des Jerusalemer Tempels muss für die jüdischen Gemeinden als eine ähnlich einschneidende Erfahrung angesehen werden wie der Tod Jesu für die Jüngergemeinde. In beiden Fällen entstanden Neukonstruktionen, die freilich alte Institutionen aufgriffen. Hier gibt es Elemente der jüdischen Liturgie vor dem Jahre 70, mit denen spätere jüdische wie christliche Traditionen in Kontinuität stehen. Das Verlesen Heiliger Schriften übernahm die Kirche von der Synagoge als Wesensbestandteil in ihre Gottesdienste. Die »graphai« sind zunächst – wie könnte es anders sein – die Schriften der hebräischen Bibel und der Septuaginta. Mit der Zeit kommen die apostolischen Briefe und die Evangelien hinzu. Niemals hat die Kirche auf die Schriften des Ersten Testaments verzichtet, wenngleich sie ihnen regional und temporär einen sehr unterschiedlichen Stellenwert zumaß. Die biblischen Bücher sind Textgrundlage nicht nur der Lesungen, sondern auch der Gesänge. Dabei gab es wohl durch die Geschichte hindurch eine Dialektik zwischen Biblizismus und freier Dichtung. Die schon im Neuen Testament anzutreffenden und in nachbiblischer Zeit stark zunehmenden Christuslieder, von denen auch ein Brief des Statthalters Plinius d.J. an Kaiser Trajan (ca. 112 n. Chr.) spricht, wurden immer wieder zurückgedrängt: in der Frühzeit in antignostischer Abwehr, in der Katholischen Reform aufgrund zentralistischer Bestrebungen. Alttestamentliche Texte, besonders die Psalmen, bilden nicht nur den Grundbestand der Stundenliturgie (die ja einmal das Gebet aller war im Sinne der jüdischen Gebetstradition!), sondern auch der wechselnden Gesänge bei der Messe, die rein zeitlich, insbesondere aber ästhetisch den akustischen Code der gesungenen Messe dominierten. Im Zuge der Liturgiereform nach dem Zweiten Vatikanischen Konzil hat man die ursprüngliche inhaltliche und strukturelle Nähe des christlichen Betens zum jüdischen erkannt und bei der Reform wiederherzustellen versucht. Dies gilt insbesondere für das Herzstück liturgischen Betens, das eucharistische Hochgebet und dessen Parallelen und Derivate

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3  Geschichtliche Skizze zur Liturgie aus der Perspektive der römischen Tradition

in praktisch allen sakramentlichen Feiern (Sakramente und Segnungen). Dabei besitzt die dreifache bzw. doppelte Struktur – Lobpreis/Dank und Bitte – weniger strukturelle als inhaltliche Relevanz. Dies veranschaulicht ein wichtiges Parallelgebet, die jüdische Birkat Ha-Mazon, das Dankgebet nach dem Mahl. Eine der zahlreichen Rezensionen lautet: Lob:  1.  »Gepriesen bist du, o Herr, unser Gott, König des Alls, der du die ganze Welt mit Güte, mit Gnade und Barmherzigkeit nährst. Gepriesen bist du, o Herr, der du alle ernährst. Dank:  2.  Wir danken dir, o Herr, unser Gott, daß du uns auserwählt hast, ein gutes und schönes Land zu besitzen, den Bund, die Thora, Leben und Nahrung. Für alle diese Dinge danken wir dir und preisen deinen Namen ewiglich. Gepriesen bist du, o Herr, für das Land und für die Nahrung. Bitte:  3.  Übe Barmherzigkeit, o Herr, unser Gott, an deinem Volk Israel und an deiner Stadt Jerusalem, an deinem Tempel und an deiner Wohnung, an Zion, deinem Ruheort, und an dem großen und hohen Heiligtum, über dem dein Name ausgerufen ist. Mögest du das Königreich Davids in unseren Tagen wiederaufrichten und Jerusalem bald erbauen. Gepriesen bist du, o Herr, der du Jerusalem wieder erbauen wirst« ­(Talley/408: 99). Im jüdischen (wie im christlichen) Beten geht es um Bundeserneuerung. Gottes Heilshandeln in der Geschichte wird preisend vergegenwärtigt (Gott ist es, der Nahrung schenkt), worauf die Bitte um Fortsetzung des göttlichen Engagements bis hin zur eschatologischen Vollendung (Tischgemeinschaft im Reich Gottes) folgt. In der Eucharistie nimmt ein besonderer Passus – Mahlbericht und Anamnese von Tod und Auferstehung Jesu – Bezug auf das Stiftungsereignis – ein literarischer Topos, der in alttestamentlichen und jüdischen Gebeten Vorläufer und Parallelen hat. Offen ist nach wie vor die Frage, ob und in welcher Weise die jüdische Festtradition des Pesach und die Feierform des Pesach- bzw. Sabbatmahls Einfluss auf die Gestalt der christlichen Eucharistiefeier nahmen. Möglicherweise gibt es auch Parallelen zur Toda, dem Bekenntnisopfermahl; doch hält sich die neuere Forschung in der Behauptung von Abhängigkeiten sehr zurück. Die andere zentrale Zeichenhandlung, die Taufe, hat neben der Johannestaufe (Mt 3,13–17 parr) ein, wenn auch eher vages, Pendant im Tauchbad der Proselyten, wie es im Judentum praktiziert wird. Auch hier ist auf die andere Sinngebung durch die christliche Theologie seit Paulus hinzuweisen. Letztlich finden wir nahezu alle Zeichenhandlungen der christlichen Liturgien in analoger Form im Judentum. Dies gilt für Salbungen und Handauflegung, für Besprengungen ebenso wie für die Symbolik des Lichtes, die – wiederum in christologischer Umdeutung – aus dem jüdischen Brauchtum in den christlichen Abendgottesdienst und von dort auch in die Osternachtfeier übernommen wurde. Die fundamentale Dimension christlichen Gottesdienstes aus jüdischer Wurzel ist die der Versammlung. Die Pfingsterzählung bringt dies klar zum Ausdruck. Zwar übernahm das Christentum die strenge Regelung einer Mindestzahl von zehn Männern (!) nicht, hielt

3.2  Jüdische Liturgie und urchristlicher Gottesdienst75

aber stets – zumindest in der Theorie – an der Notwendigkeit der Versammlung fest. Hingewiesen sei auf die semantische Nähe der Bezeichnungen »Synagoge« und »Ekklesia«: Beide leiten sich von griechischen Begriffen ab, die Wortfeldern für »sich versammeln« angehören. Eine weitere bedeutende Parallele besteht in der Makrostruktur des liturgischen Jahres, wie es sich teilweise in Übernahme, teilweise in bewusster Abgrenzung vom Judentum entwickelt hat. Neben der durchlaufenden Sieben-Tage-Zählung und der Folge von Sabbat und Sonntag sei vor allem auf die Pesach-Oster-Tradition hingewiesen (Auf der Maur/279). Christliche Osterfeier ist ohne Bezug auf das Exodusgeschehen nicht denkbar; dieses prägt die christliche Kar- und Osterliturgie in all ihren Entwicklungsstufen. Freilich gilt auch hier: Christliche Tradition führt  – wo sie lebendig ist  – zu neuen Verschmelzungen und Synthesen, die den Zusammenhang mit dem Judentum mitunter fast unkenntlich machen.

3.2.4 Frühchristliche Liturgie im Zeugnis ausgewählter Quellen Direkte liturgische Quellen der frühen Zeit sind selten; ein Bild dieser sehr komplexen Epoche der Liturgiegeschichte ist daher nur schwer zu gewinnen (vgl. Meßner/377; Gerhards/311). Doch verbirgt sich in den Schriften der Kirchenväter und auch in außerchristlichen Dokumenten eine Reihe von Hinweisen. Ein solches Dokument stellt z. B. der erwähnte Brief des Statthalters Plinius dar, den dieser im Jahr 112 an Kaiser Trajan richtete: »Sie [die gefangen genommenen Christen] versicherten mir, daß ihre Schuld oder Verfehlung allein darin bestand, daß sie regelmäßig [wörtlich: gewöhnlich] an einem bestimmten Tag vor dem Anbruch des Tages zusammenkamen. Sie sangen dann abwechselnd ein Lied zu Christus, ihrem Gott. … Danach gingen sie wieder auseinander; sie trafen sich wieder, um ein Mahl zu halten, ein normales unverdächtiges Mahl« (Jungmann/340: I, 23). Die kurze Notiz löste eine nie beendete Diskussion aus, welcher Art die beiden hier geschilderten Versammlungen sind: Handelt es sich um einen morgendlichen Wortgottesdienst und eine abendliche Eucharistiefeier oder um eine Eucharistiefeier am Morgen und eine Agape am Abend? (Löhr/372) Von Interesse ist das Zusammenkommen am Morgen und am Abend. Dies hängt einerseits sicher mit den soziokulturellen Rahmenbedingungen zusammen; doch andererseits enthält der Zeitansatz eine immanente Symbolik, die von den Christen entsprechend verwendet wurde. Dies ist auch erkennbar am »Phos hilaron«, einem Lichthymnus aus der Zeit der Märtyrerkirche, der bis heute allabendlich in den Kirchen des Ostens erklingt: »Freundliches Licht heiliger Herrlichkeit des unsterblichen Vaters, / des himmlischen, heiligen, seligen, Jesu Christe! / Da wir kommen zu der Sonne Untergang und sehen das abendliche Licht, preisen wir den Vater und den Sohn und Gottes Heiligen Geist. / Würdig bist Du, besungen zu werden zu allen Zeiten mit geziemenden Liedern, Gottes Sohn, Spender des Lebens; / deshalb verherrlicht dich die Welt.« (Plank/392: 164) Dem Lichthymnus liegt die Symbolik des Lichtes in zweifacher Hinsicht zugrunde: als das »natürliche« Licht der untergehenden Sonne und als das »künstliche« der bei Anbruch der Dunkelheit herein getragenen Lampe (Plank/392). Der hier zitierte Hymnus gehört zum täglichen Beten der Christen. Neben diesem täglichen Rhythmus hat sich schon von Anfang

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3  Geschichtliche Skizze zur Liturgie aus der Perspektive der römischen Tradition

an ein zweiter entscheidender Rhythmus herausgebildet, die wöchentliche Feier des Erlösungsmysteriums in der Eucharistie. Fester Bestandteil ist die Eucharistiefeier bereits in der ältesten erhaltenen Kirchenordnung, der Didache, der »Lehre der Zwölf Apostel«, datiert etwa auf das Jahr 100. Die Abfassungszeit entspricht also derjenigen der Spätschriften des Neuen Testaments. In der Didache als Kirchenordnung (Didache/296) finden sich viele Bestimmungen zur Liturgie, angefangen von der Taufe über das Wochenfasten, das tägliche Gebet, Bekenntnis und Versöhnung bis hin zur Eucharistie. Allerdings ist umstritten, ob die darin überlieferten eucharistischen Gebete sich auf eine Eucharistiefeier im engeren Sinn beziehen oder doch nur auf religiös geprägte Gemeinschaftsmähler judenchristlicher Kreise (Agape). Jedenfalls fehlt diesen Texten der Bezug auf die Einsetzung beim Letzten Abendmahl und auf die Passion, was möglicherweise als Hinweis auf die Pluralität frühchristlicher Liturgiebräuche zu deuten ist (Meßner/609; Ebenbauer/595; Rouwhorst/401). Die Struktur entspricht derjenigen jüdischer Mahlgebräuche: je ein Lobspruch über Brot und Wein mit einer abschließenden Bitte (Did 9) sowie ein dreiteiliges Dankgebet nach dem Mahl, ähnlich dem jüdischen Dankgebet (Did 10). Did 9: 1  Was aber die Eucharistie betrifft, sagt folgendermaßen Dank: 2  Zuerst beim Kelch: »Wir danken dir, unser Vater, für den heiligen Weinstock Davids, deines Knechtes, den du uns offenbar gemacht hast durch Jesus, deinen Knecht. Dir sei Herrlichkeit in Ewigkeit!« 3  Beim gebrochenen Brot: »Wir danken dir, unser Vater, für das Leben und die Erkenntnis, die du uns offenbar gemacht hast durch Jesus, deinen Knecht. Dir sei Herrlichkeit in Ewigkeit! 4  Wie dieses gebrochene Brot zerstreut war auf den Bergen und zusammengebracht eines geworden ist, so soll zusammengeführt werden deine Kirche von den Enden der Erde in dein Reich; denn dein ist die Herrlichkeit und die Macht durch Jesus Christus in Ewigkeit.« 5  Doch niemand soll essen und trinken von eurer Eucharistie außer denen, die auf den Namen des Herrn getauft sind. Denn auch darüber hat der Herr gesagt: »Gebt das Heilige nicht den Hunden!« (Didache/296: 121–123) Die Grundstrukturen der eucharistischen Feier stehen spätestens seit der Mitte des 2. Jahrhunderts fest. Um das Jahr 150 beschreibt Justin die Eucharistiefeier in seiner ersten Apologie (Kap. 65). Es wird berichtet, dass der Neugetaufte vom Bad in die Versammlung der Gläubigen hineingeführt wird. Nach dem gemeinsamen Gebet erfolgt ein Friedensgruß. Sodann werden dem Vorsteher Brot und Wein mit Wasser gebracht. »[Er] nimmt es und sendet Lob und Preis dem Allvater durch den Namen des Sohnes und des Heiligen Geistes empor und spricht eine lange Danksagung dafür, daß wir dieser

3.2  Jüdische Liturgie und urchristlicher Gottesdienst77

Gaben von ihm gewürdigt worden sind. Ist er mit den Gebeten und mit der Danksagung zu Ende, so gibt das ganze Volk seine Zustimmung mit dem Worte Amen. … Nach der Danksagung des Vorstehers und der Zustimmung des ganzen Volkes teilen die, welche bei uns Diakonen heißen, jedem der Anwesenden von dem verdankten Brot, Wein und Wasser mit und bringen davon auch den Abwesenden« (Justin/342: 80). Im folgenden Kapitel betont Justin die Besonderheit dieses Mahles. Gemäß den Abendmahlsberichten der Evangelien wird es auf die Stiftung Jesu zurückgeführt; auch die Einsetzungsworte werden erwähnt. Möglicherweise sind sie in dieser Zeit noch nicht in das Dankgebet der eigentlichen Feier eingefügt, wie verschiedene liturgische Zeugnisse (Didache, ostsyrische Apostelanaphora) nahe legen (Meßner  – Lang/611). Die Eucharistie wird verstanden als ein im Heiligen Geist vollzogenes, von eschatologischer Hoffnung auf die Wiederkunft des Herrn getragenes Tun. Daneben gibt es die von Paulus geprägte Christusanamnese, die zum beherrschenden Motiv wurde (Meßner/609). Die beginnende Herausbildung hierarchischerer Strukturen wird durch das charismatische Element noch kontrastiert, wie etwa die Erlaubnis der Feier der Eucharistie durch nicht ordinierte Propheten in der Didache zeigt (Did 10,7). Wichtig ist hier, wie bei Justin, die Abgrenzung von den Ungetauften. Innerhalb der Glaubensgemeinschaft besteht noch eine relativ große Freiheit; so konnte der Vorsteher der liturgischen Feier Gebetstexte improvisieren (Budde/290). Gegenüber vergleichbaren Dokumenten zeichnet sich die sog. »Apostolische Überlieferung« durch eine Fülle von Gebetstexten und eine detaillierte Schilderung der verschiedenen Gottesdienste und ihrer Inhalte aus (vgl. zum Forschungsstand: Meßner/376), wobei der Konsens einer halbwegs gesicherten Textrekonstruktion zerbrochen ist. Durch einen sensationellen äthiopischen Handschriftenfund Ende des 20. Jahrhunderts ist die Textdiskussion aber wieder in Gang gekommen. Die Einzigartigkeit dieses Dokuments besteht wohl vor allem darin, dass es am Übergang zwischen euchologischer Freiheit und textlicher Fixierung der liturgischen Gebete steht. In späterer Zeit, als das Christentum sich von den städtischen Zentren mehr und mehr auf das Land auszubreiten beginnt, wächst die Tendenz zur Fixierung liturgischer Texte und zur Orientierung an liturgischen Zentren. Singulär ist die Wirkungsgeschichte vor allem im Bereich der orientalischen Kirchen. Dies gilt z. B. für die Struktur der eucharistischen Hochgebete, die hier wesentlich größere Ähnlichkeiten mit dem in der »Traditio Apostolica« überlieferten Text aufweisen als der spätere Canon Romanus. Die »Traditio Apostolica« zeigt eine bereits stark entwickelte liturgische Binnenstruktur, die freilich noch die Offenheit und Spontaneität der Anfangszeit spüren lässt. Die Grundzyklen von Tag (Stundengebet), Woche (Eucharistiefeier) und Jahr (Osterfeier) sind bereits ausgebildet. Der hier noch relativ offene Rahmen wird in späterer Zeit gefüllt werden. Besondere Bedeutung erhält die christliche Initiation aufgrund der Tatsache, dass das Christentum sich gegenüber zahlreichen äußeren Einflüssen abgrenzen muss. Die Initiation steht am Ende einer ca. dreijährigen Vorbereitungszeit, dem Katechumenat, die durch eine Vielzahl von Unterweisungen sowie durch Gottesdienstversammlungen mit unterschiedlichen Riten (Prüfungen, Exorzismen mit Handauflegung) geprägt ist. Auf eine längere erste

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3  Geschichtliche Skizze zur Liturgie aus der Perspektive der römischen Tradition

Phase, zu der man erst nach einer Eignungsprüfung zugelassen wird, folgt eine zweite zur unmittelbaren Vorbereitung auf die Initiationsfeier mit einer Bewährungsprüfung, Exorzismen, einem Reinigungsbad und Tauffasten. Die Initiationsfeier (TA 21, anscheinend noch nicht an die Osternacht gebunden, jedoch bereits am Ende einer Vigil) umfasst drei rituelle Schwerpunkte: (1) Taufbad mit vorangehender und nachfolgender Salbung am Taufwasser, (2) Handauflegung und Stirnsalbung in der Kirche durch den Bischof, (3) anschließende Taufeucharistie (Traditio Apostolica/410: 185 f., vgl. auch die Schemata von Katechumenat und Initiationsfeier, ebd. 183 und 190). Nach der Taufe kann eine vertiefende Erklärung durch den Bischof stattfinden – möglicherweise ein Hinweis auf die später bezeugte mystagogische Phase.

3.3

Die Entstehung des römischen Ritus

3.3.1 Von der griechischen zur lateinischen Liturgiesprache Die Identität des römischen Ritus, der sich parallel zu zahlreichen anderen Riten des Ostens und Westens herausbildet, hängt eng damit zusammen, dass in Rom bis zur zweiten Hälfte des 4. Jahrhunderts die Sprache der Liturgie schrittweise vom Griechischen zum Lateinischen überging (vgl. Kap. 5.3). Die mit dem Wechsel der Liturgiesprache verbundene Inkulturation in ein neues Denken äußert sich, was die römische Liturgie betrifft, z. B. in der Struktur des Kanons. Wenn man die Anaphora der »Traditio Apostolica« neben den Canon Romanus legt, erkennt man gravierende Unterschiede. Die Anaphora der »Traditio Apostolica« trägt, neben ihrer prägnanten Kürze, das Merkmal inhaltlicher und formaler Geschlossenheit. Der Text ist gedanklich klar durchkonstruiert und folgt dem Redeschema, wie es bereits in alttestamentlichen Gebetsformularen überliefert ist: Lobpreis, Dank und Bitte. Der römische Kanon, uns allerdings erst in der Textgestalt des späten 6. Jahrhunderts zugänglich, trägt dagegen deutliche Züge redaktioneller Bearbeitung. Er entspricht einem anderen gebetspsychologischen Ansatz. Die einzelnen Teile des Kanon (d. h. der Gebete nach Präfation und Sanctus) sind symmetrisch um das Zentrum, die Verba Testamenti (Abendmahlsanamnese), gelagert, wobei diese durch relativischen Anschluss grammatikalisch von der vorhergehenden Annahmebitte abhängig sind. Entscheidend ist in dieser Perspektive die oft wiederholte Bitte um Annahme des Opfers. Trotz seiner Besonderheiten entspricht der Canon Romanus in seiner ursprünglichen Aussage der allgemeinkirchlichen Eucharistieüberlieferung (Meßner/378; Schmitz/406). Die Eigenart der Sprache römischer Liturgie kommt vor allem in der Gestalt der Kollekte, d. h. des römischen Vorstehergebets, zum Vorschein. In großer Prägnanz werden Glaubensaussagen zur Sprache gebracht. Die rhetorischen Floskeln entstammen teilweise der römischen Rechtsrhetorik, wenngleich biblische Bezüge häufiger vorkommen, als es zunächst den Anschein hat (vgl. Kap. 5.2 und 5.3).

3.3  Die Entstehung des römischen Ritus79

3.3.2 Quellen altrömischer Liturgie Im Zeitraum zwischen dem Ende des 4. und dem 7. Jahrhundert nahm die altrömische Liturgie Gestalt an (Klöckener/348). Die bedeutendsten Schöpfer liturgischer Formeln waren die Päpste Leo der Große (440–461) und Gelasius I. (492–496). Gregor der Große (590–604) war als Schöpfer und Reformer der Liturgie wohl weniger bedeutend, als sein Ruf glauben lässt (Heinz/334). Nach ihm ist der gregorianische Choral benannt, da er die Kirchenmusik geordnet hat, auch hier indes, ohne kompositorisch tätig gewesen zu sein. Die Gestalt der Liturgie vor Gregor dem Großen ist nur schwer fassbar. Es gibt keine offiziellen Ausgaben, wie wir sie heute kennen. Die älteste Weise der schriftlichen Fixierung von Gebetsformularen geschah in sog. libelli, d. h. Blattsammlungen, die im Archiv des Bischofs von Rom aufbewahrt wurden. Daraus wurde nach einem sehr unvollkommenen Monatsschema eine Sammlung zusammengestellt, die unter dem Namen »Sacramentarium Leonianum« bekannt geworden ist. Dieses Buch hat freilich mit Leo dem Großen unmittelbar nichts zu tun, sodass sich die Benennung nach dem Bibliotheksort Verona heute durchgesetzt hat: Sacramentarium Veronense. Der Kompilator stellte dieses Material nicht für Rom zusammen, verarbeitete aber fast ausschließlich römische Formulare; deswegen stellt diese Sammlung ein wertvolles Dokument stadtrömischer Liturgie dar. Eine Reihe von Formeln geht neben den bereits erwähnten Päpsten Leo und Gelasius auf Papst Vigilius (537– 555) zurück; die Sammlung ist demnach auf die Zeit danach zu datieren. Freilich handelt es sich beim Sacramentarium Veronense noch nicht um ein eigentliches Sakramentar. Als Sakramentar wird ein Buch bezeichnet, in dem – hauptsächlich für die Eucharistiefeier, aber auch für andere gottesdienstliche Handlungen – die je gleichbleibenden (»Kanon«) und die je nach der Tagesfeier wechselnden amtlichen Gebete des Liturgen aufgezeichnet sind. Es stellt das »Rollenbuch« für den Gottesdienstleiter dar, neben dem für die Vollgestalt der Messe noch weitere Bücher notwendig waren: Lektionar (für die Lesungen aus den biblischen Büchern außer den Evangelien), Evangeliar (für die Evangeliumslesungen) und Antiphonarium (für die Texte mit den wechselnden Gesängen, meist aus Psalmversen). Aus all diesen Büchern entstand mit der Durchsetzung der »Privatmesse« (d. h. der Messfeier ohne direkte Beteiligung einer Gemeinde) im Hochmittelalter das Plenarmissale, in dem alle für die Feier der Messe notwendigen Texte zusammengefasst waren. Ein Sakramentar im beschriebenen Sinne war das sog. Sacramentarium Gregorianum, dessen Urform nicht mehr erhalten ist, jedoch aus den späteren Abkömmlingen einigermaßen rekonstruiert werden kann. Es entstand möglicherweise unter Honorius I. (625–638) für die Papstliturgie. Erhalten geblieben ist es aufgrund der Tatsache, dass Karl der Große (742–814) sich durch Papst Hadrian I. († 795) eine Revision des Sacramentarium Gregorianum aus der Zeit Gregors II. (715–731) zusenden ließ, das sog. Aachener Urexemplar. Diesem fügte man aufgrund der geänderten Bedürfnisse der fränkischen Reichskirche Anhänge hinzu. Der in der Forschung umstrittenste Sakramentartyp ist das sog. Sacramentarium Gelasianum. Als Vorläufer gilt das Sacramentarium Gelasianum Vetus, erhalten in einer um 750

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3  Geschichtliche Skizze zur Liturgie aus der Perspektive der römischen Tradition

entstandenen Abschrift. Trotz seiner Benennung geht das Formular nicht auf Gelasius I. zurück, was daraus ersichtlich ist, dass es viele nichtrömische Elemente enthält. Nach ­neueren Forschungsergebnissen ist das Gelasianum ein Sakramentar für die presbyterale (d. h. Pfarr-)Liturgie, eingeführt Mitte des 7. Jahrhunderts an den römischen Titelkirchen (d. h. den Pfarrkirchen). Es steht ergänzend neben der gregorianischen Sakramentartra­ dition, die den Papstgottesdienst, also den Gottesdienst des römischen Bischofs, repräsentiert und deshalb nur ein geringes Maß an Messformularen enthält. Verbreitet wurden die späteren Fassungen des Gelasianums, sog. Mischtypen, die römisches und gallisches Liturgiegut miteinander verbinden. Sie wurden jedoch durch gregorianische Sakramentare abgelöst. Der Textbestand der Liturgie, wie er in den Sakramentarien und den anderen Büchern niedergelegt ist, bildet freilich nur einen Teil der Gesamtgestalt. Woher erfahren wir von den rituellen Vollzügen? Tatsächlich enthielten die ältesten römischen Liturgiebücher nur Texte, aber kaum Rubriken. Als die ursprünglich einfachen Zeremonien im Zuge der Entwicklung des Kirchenjahres und der sakramentalen Riten immer reicher ausgestaltet wurden, besonders aber, als man die römische Liturgie im Karolingerreich zu übernehmen begann, wurde die Kodifizierung der bis dahin nur mündlich tradierten Gepflogenheiten notwendig. Nun entstanden Sammlungen mit den rituellen Vollzügen (Ordines), die zum Teil Elemente aus Ländern nördlich der Alpen enthalten. Man muss also Sakramentarien und Ordines parallel lesen, um die literarisch fassbare Gestalt der Messfeier vor Augen zu haben. Tatsächlich blieb dieses Nebeneinander nur eine Zeit lang bestehen. Aus den beiden Grundtypen, den Textbüchern und den Rubrikenbüchern, bildeten sich mit der Zeit neue liturgische Bücher heraus, nun differenziert je nach Gottesdienstart. Das erste dieser Bücher war das um 950 in Mainz entstandene, aus den Ordines entwickelte Römisch-Deutsche Pontifikale (Pontificale romano-germanicum), das die Ottonen nach Rom brachten, wo es den Grundstock des späteren Pontificale Romanum bildete. Dieses enthielt die bischöflichen Zeremonien mit den dazugehörigen Texten. Daneben entstand das Caeremoniale Episcoporum, ein ausschließlich die rituellen Abläufe beschreibendes Buch. Für die priesterlichen liturgischen Vollzüge bildete sich das Rituale heraus, das die Beschreibungen von Sakramentenhandlungen mit den entsprechenden Gebeten enthält. Die Bücher für die Schriftlesungen waren zunächst für die jeweiligen Rollenträger konzipiert: das Epistolar oder Lektionar mit den biblischen Lesungen außer den Evangelien für den Lektor, das Evangeliar (bzw. Evangelistar) für den Diakon. Im Laufe des Hochmittelalters fasste man die Texte der Messliturgie aus Sakramentar, Ordines, Lesungsbüchern und Büchern mit den Gesangstexten zu einem einzigen Buch zusammen, dem Plenarmissale. Dasselbe gilt für das spätere Brevier, in dem die Tagzeiten mit den im Sakramentar, in den Lektionarien sowie im Antiphonale enthaltenen Texten zusammengestellt sind. Die Bücher für den Gesang (Antiphonarium, Cantatorium) überliefern zunächst nur die Texte; die Kantillationsweisen und Melodien wurden mündlich tradiert. Erst im 9. und 10. Jahrhundert kommen neumierte Handschriften auf, die allerdings nicht die exakten Melodieverläufe wiedergeben, sondern die Akzentuierung des oratorischen Vollzugs regeln.

3.3  Die Entstehung des römischen Ritus81

Als weitere sekundäre Bücher sind zu nennen: das Martyrologium mit den hagiographischen Texten, das Kalendarium mit den örtlich verschiedenen Festkalendern und das Benediktionale, das anders als das Rituale keine Sakramentenfeiern, sondern lediglich Segnungen (Benediktionen) enthält. Aus diesen Entwicklungsprozessen lässt sich ablesen, dass sich die Liturgie aus einer eher schlichten Grundform zu einem komplizierten Gebilde entwickelt hat. Dasselbe gilt für die anderen Komponenten, z. B. für die Gewänder und die zeremoniellen Abläufe. Die Änderung des Gesamtbildes ist bereits in der Regierungszeit Kaiser Konstantins zwischen 312 und 337 grundgelegt. Die Gesetzgebung Konstantins, die den kirchlichen Würdenträgern Privilegien einräumte, führte mit der Zeit zu einer Übernahme des kaiserlichen Hofzeremoniells in den Raum des christlichen Gottesdienstes. Die Liturgie wird zu einer Inszenierung der hierarchisch strukturierten Kirche. Man übernimmt – ähnlich wie die orthodoxe Kirche in Byzanz (Rouwhorst/400) – die imperialen Symbole und Rituale, wobei diese zum Abbild einer himmlischen Thronzeremonie uminterpretiert werden. Dementsprechend kamen Insignien und Würdenzeichen auf, welche die liturgische Gewandung und die Inszenierung vor allem der bischöflichen Gottesdienste bis heute prägen. Dabei maß man dem Bischof von Rom eine besondere Stellung zu, erkennbar etwa in der Beschreibung des römischen Stationsgottesdienstes: eine typisch römische, aus Prozessionen und vielfältigem liturgischem Gedenken zusammengesetzte Organisationsform, in die nicht nur die Mikrostruktur des einzelnen Kirchenraumes, sondern auch die Makrostruktur der Kirchenstadt einbezogen ist (Häußling/193).

3.3.3 Die römische Bischofsmesse um das Jahr 700 Von den erwähnten Ordines Romani enthält der in der Ausgabe von Michel Andrieu mit der Nummer 1 bezeichnete Ordo eine detaillierte Beschreibung der Papstmesse um das Jahr 700. Diese Beschreibung zeigt anschaulich das Erscheinungsbild der inzwischen voll ausgebildeten Liturgie (Andrieu/274; Meyer/3: 196–199, Schema: 198; Klauser/345). Am frühen Morgen reitet der Papst mit seinem Gefolge von der Residenz im Lateran zu der jeweiligen Kirche, der sog. Statio, die in der vorangehenden Feier als der Ort des nächsten päpstlichen Gottesdienstes benannt worden war. Diese Stationskirchen verzeichnete das Römische Messbuch bis zum jetzigen Missale als ein Relikt der stadtrömischen Herkunft dieser Liturgie. In dem festlichen Zug führt man die für die Liturgie notwendigen Bücher, Gefäße, Geräte und Tücher mit. In der Stationskirche sind bei Ankunft des Papstes die Teilnehmer der Feier bereits versammelt. In der Apsis, auf den Bänken rechts und links vom bischöflichen Thron, sitzen die Bischöfe und die Presbyter. Die Schola Cantorum hat in ihrem Chor vor der Apsis Aufstellung genommen. Vor den Chorschranken stehen die Kreuzträger mit den sieben Stationskreuzen, die den Gläubigen aus den verschiedenen Regionen der Stadt vorangetragen worden sind. Im Querschiff und im oberen Teil des Mittelschiffs besetzen die Mönche, die Nonnen, die Mitglieder des römischen Adels ihre besonderen Plätze. In den übrigen Teilen der Schiffe

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3  Geschichtliche Skizze zur Liturgie aus der Perspektive der römischen Tradition

befindet sich, nach Geschlechtern geordnet, das christliche Volk. Die Gläubigen haben ihre Opfergaben, Brot und Wein, mitgebracht, um sie dem Bischof und den Klerikern bei der Opferung zu überreichen. Ist der festliche Zug bei der Stationskirche angekommen, empfängt der betreffende Vorsteher des Gotteshauses den Papst, und dieser begibt sich, gestützt von einem Diakon, in die Sakristei im Eingangsbereich. Dem Papst werden nun in einem umständlichen byzantinischen Zeremoniell die Oberkleider abgenommen, und man legt ihm die mitgeführten liturgischen Pontifikalgewänder an: Albe mit Gürtel, Schultertuch, eine kürzere innere und eine weitere Oberdalmatik sowie die Kasel (Planeta). Zuletzt legt ihm ein Diakon das Pallium über die Kasel um den Hals und befestigt sie mit Gewandnadeln. Nach einer Reihe von vorbereitenden Riten folgt das Zeichen zum Beginn, durch das Anzünden der sieben Leuchter signalisiert, die von sieben Akolythen getragen werden. Nun stimmt die Schola die Antiphon zum Einzug an. Zur Zeremonie des Einzugs gehört ein interessantes Intermezzo: Zwei Akolythen bringen eine Kapsel, in der einige Stücke des in der zuletzt gefeierten Papstmesse konsekrierten Brotes aufbewahrt sind. Der Papst grüßt diese Fragmente (fermentum) mit einer Verneigung und entscheidet dann, wie viel davon er bei der Eucharistiefeier verwenden will. Diese Teile werden in den eucharistischen Kelch gesenkt; sie sollen den Zusammenhang der zeitlich getrennten Feiern dokumentieren. Um die Zusammengehörigkeit der unterschiedlich lokalisierten Gottesdienste in der Stadt zu bekunden, bringt man vor der Kommunion je ein Fragment des vom Papst konsekrierten Brotes in die einzelnen römischen Bezirkskirchen, wo die diensttuenden Presbyter es bei ihrer eigenen Eucharistiefeier in gleicher Weise verwenden. Nach dem Introituspsalm begibt sich der Papst an seinen Platz in der Apsis, wo er, nach Osten gewandt, den Gesang der Litanei des Kyrie eleison verfolgt. Die Zahl der Anrufungen ist zur damaligen Zeit noch nicht festgelegt. Sie enden dann, wenn der Papst ein Zeichen gibt. Darauf stimmt er das Gloria an. Der Wortgottesdienst besteht aus Epistel, Responsum und Evangelienverkündigung. Der dazu bestimmte Diakon küsst dem Papst die Füße und lässt sich den noch heute üblichen Segen geben. Dann zieht er in feierlicher Prozession zum Ambo, von dem aus er das Evangelium verkündet. Nach der Verehrung des Buches schließt der Wortgottesdienst. Predigt und Fürbittgebet fehlen in dieser Beschreibung; letzteres war bereits zwei Jahrhunderte zuvor aus der römischen Messe verschwunden. Das Credo hingegen gehörte noch nicht zur Liturgie; erst im 11. Jahrhundert wurde es eingeführt. Der eucharistische Teil der Messfeier beginnt mit dem Opfergang. Der Klerus sammelt bei den einzelnen Gruppen der Gläubigen die mitgebrachten Gaben ein. Die Gaben der Aristokratie nimmt bezeichnenderweise der Papst entgegen. Begleitet wird dieser Akt vom Gesang der Schola, abgeschlossen durch das Gabengebet des Papstes. Nun begeben sich die Kleriker in den Altarraum und nehmen ihre Plätze ein. Die Gemeinde ist bei der Papstliturgie zu dieser Zeit bereits vom aktiven Geschehen ausgeschlossen. Nur die Kleriker stimmen in den Gesang des Dreimal-Heilig ein. Auch wird das Hochgebet nicht mehr so laut gesprochen, dass es überall verstanden werden kann. Lediglich im Chorraum wird es zu hören gewesen sein.

3.3  Die Entstehung des römischen Ritus83

Im Vorfeld der Kommunion nimmt die Brotbrechung großen Raum ein, da man zu dieser Zeit noch gewöhnliches Brot verwendet. Die Kommunion geschieht in strenger hierarchischer Ordnung: erst der Papst, dann die Speisung des Klerus, schließlich die Speisung der Gemeinde. Diese empfängt die Kommunion möglicherweise auf ihren Plätzen, sodass eine eigentliche Kommunionprozession der Gläubigen nicht mehr stattfindet, ähnlich wie auch die Gabenprozession in erwähnter Weise reduziert worden ist.

3.3.4 Wesenszüge der römischen Liturgie Die Papstliturgie stellt die rituell am reichsten entfaltete Form stadtrömischer Liturgie dar. In den Pfarrkirchen wurde der Gottesdienst schlichter gefeiert. Die weitere Entwicklung des römischen Ritus zeigt aber, dass man bis hin zu möglichst genauen Kopien (z. B. in Fulda) gern an der Form des Papstgottesdienstes Maß nahm. Auch die presbyteralen Gottesdienste, von deren ursprünglicher Gestalt man so gut wie nichts weiß, haben Züge der hier beschriebenen Liturgie angenommen. Die Grundzüge der römisch-lateinischen Messe liegen bereits fest: 1. Betonung der hierarchischen Ordnung durch Insignien, rituelle Abläufe (Prozessionen) und Ehrenbezeigungen; 2. Profilierung der priesterlichen Amtsgebete (die drei Kollektengebete Tages-, Gaben und Schlussgebet sowie eucharistisches Hochgebet mit wechselnden Präfationen und Einschüben); 3. Prägnanter Sprachstil der Gebete sowie weitgehender Verzicht auf poetische Elemente; 4. Zurücktreten der Verkündigungsdimension (Reduktion der Lesungen, Ritualisierung des Lesungsvollzugs, Verzicht auf die Homilie); 5. schrittweiser Abbau der Rolle der Gläubigen (Schola Cantorum als Raum im Raum, Verzicht auf das Gläubigengebet, Verzicht auf die Gabenprozession der Gläubigen, Rückgang der Gläubigenkommunion und Verbot der Kelchkommunion für die Gläubigen). Im Lauf der späteren Geschichte bewertete man diese Grundzüge ambivalent. Auch heute bedient man sich zur festiven Ausgestaltung von Gottesdiensten weitgehend jener Formen, die aus dem päpstlichen römisch-byzantinischen Hofzeremoniell stammen. Die in der späteren Geschichte herausgebildeten volksfrommen Formen (z. B. Lieder, Litaneien, Prozessionen) wurden nicht oder kaum in die »offizielle« Liturgie integriert. Auf der anderen Seite bestechen an der römischen Liturgie die klare Strenge und der hohe geistige Anspruch. Das Gefüge aus Texten, Gesängen, Symbolen und Riten stellt ein »Gesamtkunstwerk« dar, das seinesgleichen sucht.

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3  Geschichtliche Skizze zur Liturgie aus der Perspektive der römischen Tradition

3.4 Liturgische Zentren der Spätantike 3.4.1 Die Jerusalemer Liturgie Der eigentliche Wurzelgrund christlicher Liturgie liegt nicht in Rom, sondern in Jerusalem (Rouwhorst/400). Jerusalem ist der Ursprung, wenn auch unter den fünf Patriarchaten Antiochien und später Konstantinopel/Byzanz ihm den Rang abgelaufen haben und Alexandrien und Rom ungleich einflussreicher waren. Kirchenpolitisch war Jerusalem zwar nur ein Ehrenpatriarchat; liturgie- und frömmigkeitsgeschichtlich aber hatte es den anderen Zentren eines voraus: die heiligen Stätten. Diese prägten nachhaltig die Liturgie in Ost und West, indem man Jerusalems Topographie und Ritenorganisation adaptierte. Entscheidender Motor der Austauschbeziehungen waren die Wallfahrten ins Heilige Land, die seit Konstantin sprunghaft zunahmen und durch zahlreiche Pilgerberichte literarisch belegt sind. Der für die Liturgiewissenschaft bedeutendste ist der Pilgerbericht einer spanischen Nonne namens Egeria. Er stellt im ersten Teil ein Itinerar dar, im zweiten eine ausführliche Schilderung der Liturgie vor allem der Heiligen Woche in Jerusalem in den Jahren 383/384 (Egeria/299). Der Wandel des Liturgieverständnisses zeigt sich vor allem an der Karliturgie, die von Jerusalem aus die Liturgie aller Liturgiebereiche des Ostens und Westens bestimmt hat. Diese verändert sich in der Zeit des großen Pilgerandrangs einschneidend. Aus der ursprünglich symbolisch-heilsgeschichtlichen Feier der Osternacht entwickelt sich ein »Drama der Erlösung« im Sinne eines historisierenden Nachvollzugs (Klöckener/347: 218)  – im Grunde eine Konsequenz der Entwicklung von der Märtyrer- zur Massenkirche. Die Organisation der Liturgie reagiert also auf die geänderten Zeitumstände. Liturgie, Katechese und Breitenreligiosität gehen eine Synthese ein, wobei die Dramaturgie der Evangelien und die Topographie der heiligen Stätten tonangebend sind. Die Konsolidierung des Pilgerwesens und die Herausbildung des Kirchenjahres finden tatsächlich zur selben Zeit statt. Egeria bezeugt dies in ihrem zweigeteilten Bericht. Verschränkungen weisen auf die Affinität von Wallfahrt und Kirchenjahr hin, so die Prozessionen beim Fest der Darstellung des Herrn, am Palmsonntag und während der ganzen Heiligen Woche. Das genuin christliche Wallfahrtsmotiv ist die Anamnese der Mysterien Christi. Die theologische Begründung leitet sich von der Inkarnation des Logos her. Die Zeitgleichheit der Entstehung der Heilig-Land-Wallfahrt und des Kirchenjahres, das nun mit den Christusfesten zu einer jährlich wiederholten »Pilgerfahrt zu den heiligen Stätten des Glaubens« wird, wäre demnach nicht bloß zufällig. Im Hintergrund dieser parallelen Entwicklungen standen nicht zuletzt kirchen- und staatspolitische Interessen, die zur Einberufung des ersten Ökumenischen Konzils in Nizäa (325) führten und schließlich auf dem Konzil in Konstantinopel (381) zur Ausformulierung des Großen Glaubensbekenntnisses beitrugen (Kinzig/344). Auch für die antike Wallfahrt gibt es Hinweise auf eine religiös motivierte Ordnung des Weges, welche die Pilgerreise als ein existenziell-religiöses Gesamtgeschehen erfahrbar macht. Hinweise bietet das Itinerar der Egeria, das wichtige liturgische Elemente enthält, so eine an vielen Stationen des Pilgerweges bezeugte »Andacht«, die aus Gebet, Lesung, Psalm

3.4  Liturgische Zentren der Spätantike85

und Gebet besteht (vgl. z. B. Egeria/299: 14,1). Dies ist die klassische Struktur des Wortgottesdienstes, wie Josef Andreas Jungmann sie (allerdings ohne Eröffnungsgebet) als liturgisches Formschema beschrieben hat: Lesung – Gesang – Gebet als Idealtyp der katabatisch (herabsteigend), diabatisch (verwandelnd) und anabatisch (aufsteigend) zu denkenden Dynamik des Wortgottesdienstes (Jungmann/341). Darüber hinaus spielt die Initiation im Zusammenhang mit den Wallfahrtsstätten eine bedeutende Rolle. Es scheint so, als ob die Pilgerreise eine Art Sonder-Katechumenat, eine komprimierte Mystagogie, darstellte. Jedenfalls verkürzte sich die Zeit der Vorbereitung und Vertiefung gegenüber dem normalen Cursus am Wallfahrtsort beträchtlich. Auch war man dort nicht an die festen Tauftage gebunden.

3.4.2 Die Liturgien der Patriarchate des Ostens Die entscheidenden Prägungen im Osten des römischen Imperiums gingen von zwei Zentren aus: Antiochien (später Konstantinopel/Byzanz) und Alexandrien (Rouwhorst/400). Antiochien ist zunächst von Jerusalem beeinflusst, dessen Eucharistiegebet (Jakobusanaphora) es übernimmt. Die Sprache ist griechisch, doch gibt es semitisches Hinterland. Das Semitische wird im ostsyrischen Einzugsgebiet bestimmend, wo sich im 5. Jahrhundert eine eigene, die sog. nestorianische Kirche bildet. Ihr zentrales eucharistisches Hochgebet, die Anaphora der Apostel Addai und Mari, ist dadurch gekennzeichnet, dass es keine Einsetzungsworte enthält (Meßner – Lang/611; Gerhards/308). Westsyrien wird bald von Byzanz beherrscht, doch gibt es reorientalisierende Kulturkräfte (Jakob Baradai). Konstantinopel (Byzanz) wird 451 auf dem Konzil von Chalkedon der Vorrang eingeräumt. Sein Einflussbereich weitet sich immer mehr aus. Ursprünglich stand Konstantinopel unter antiochenischem Einfluss. Im Mittelalter kommen im Bereich der Tagzeitenliturgie wiederum Jerusalemer Traditionen zum Zuge. Verwandt mit der byzantinischen Liturgie ist die Liturgie Armeniens, dessen christliche Ursprünge bis ins frühe 4. Jahrhundert zurückgehen. Armeniens Liturgie enthält aber auch alte Elemente syrischer Provenienz. Das armenische Lektionar von Jerusalem (5. Jh.) ist eine herausragende liturgiegeschichtliche Quelle insbesondere für die Ordnung der Schriftlesungen im Gottesdienst. Zu erwähnen ist aufgrund ihres Alters und ihrer relativen Selbstständigkeit auch die Liturgie Georgiens. Zur Zeit der Slavenmission und der Herausbildung neuer orthodoxer Kirchen in den Ländern Osteuropas steht die Gestalt der byzantinischen Liturgie hinsichtlich der Texte, Riten und Strukturen weitgehend fest. Weiterentwicklungen gibt es in späterer Zeit vor allem im Bereich des liturgischen Gesangs. Alexandrien bildet wiederum eine eigenständige Tradition. Ursprünglich ebenfalls griechisch­sprachig, wechselt die Sprache der Liturgie zum Koptischen über. Nach der Trennung von der Reichskirche (451) entsteht eine parallele melkitische (byzantinische) Hierarchie. Die alexandrinische Tradition weist in manchen Punkten auffällige Parallelen mit der römischen auf. Von dieser ägyptischen Tradition war auch die äthiopische Kirche abhängig; sie bildete aber eigenständige Traditionen aus, so unter Einbeziehung judaisierender Elemente.

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3.4.3 Die nicht-römischen westlichen Liturgien Aufgrund der beherrschenden Stellung Roms im Westen des Imperiums werden die alten, mitunter sehr eigenständigen westlichen Liturgiefamilien kaum wahrgenommen, zumal sie weitgehend der Vergangenheit angehören (vgl. Heinz/333; zum eucharistischen Beten: Prex Eucharistica/394; Klöckener/348). Eine genuin lateinische Tradition bestand in Afrika, deren bekanntester Exponent Augustinus (354–430) ist. Die Entwicklung des eucharistischen Betens in patristischer Zeit von Tertullian und Cyprian bis Fulgentius lässt sich jetzt deutlicher verfolgen (Klöckener/346). Fraglich sind nach wie vor die Zusammenhänge der afrikanischen Liturgie mit der des Ostens (Alexandrien) und des Westens (Rom/Mailand, Spanien und Gallien). Die altgallische Liturgie bildete zunächst eine eigenständige Tradition. Viele Elemente (z. B. im Bereich des Stundengebets) wurden aus dem Osten (Cassian) »importiert«. Einzelheiten aus der späten Patristik überliefern Caesarius von Arles (ca. 470–542) und Gregor von Tours (538–594). Die meisten erhaltenen liturgischen Quellen seit etwa dem 8. Jahrhundert (z. B. Missale Gothicum, Missale Gallicanum Vetus) enthalten bereits römisches Material. Durch die Reformen der Karolingerzeit ging die altgallische Eigenliturgie unter, wobei manches später in den neogallikanischen Liturgiebüchern des 17./18. Jahrhunderts wieder auflebte. Demgegenüber hat sich dank der Initiative des Kardinal Ximenes (um 1500) die altspanische (mozarabische) Liturgie bis heute erhalten, zumindest in einer Kapelle der Kathedrale von Toledo. Hier ist der orientalische Einfluss noch stärker als in der gallischen Liturgie zu spüren. Die Eloquenz der Gebetstexte unterscheidet sich deutlich von der Prägnanz entsprechender römischer Formulare. Als einzige der nichtrömischen westlichen Liturgien ist die der Kirche Mailands nach wie vor lebendig. Sie ist zwar mit der römischen nicht zuletzt durch spätere Angleichungen verwandt, hat jedoch genuine Traditionen, z. B. im Bereich des eucharistischen Hochgebets, bewahrt (Triacca/412). Auch hier ist die orientalische Prägung stärker als in Rom. Schließlich ist die keltische (britannische) Liturgie zu nennen, die jedoch nur in Spuren fassbar ist (Stowe-Missale). Liturgiesprache war zumindest in Teilen das Keltische. Viele der Abweichungen des angelsächsischen Ritus, aus dem manches in die anglikanische Liturgie übergegangen ist, erklären sich jedoch aus der Vielfalt diözesaner Bräuche, wie sie auch innerhalb des römischen Ritus bestand.

3.5

Die Adaption römischer Liturgie nördlich der Alpen

3.5.1 Dogmengeschichtliche Hintergründe: Die Abwehr des Arianismus Die römische Liturgie konnte sich offenbar lange Zeit weitgehend unabhängig von den Irritationen südlich und nördlich der Alpen, der Völkerwanderung und ihren Folgen, entwickeln. Auf Dauer blieb sie von äußeren Einflüssen jedoch nicht verschont. Um den tiefgreifenden Wandel in späterer Zeit zu verstehen, muss man bei den dogmengeschichtlichen Voraussetzungen der Eigenart nichtrömischer Liturgie und Spiritualität ansetzen.

3.5  Die Adaption römischer Liturgie nördlich der Alpen87

Die Ursachen der folgenschweren Entwicklung im Westen liegen im Osten der Kirche: in den Auseinandersetzungen um den Arianismus, der Anlass zur Dogmenentwicklung im 4. und 5. Jahrhundert war. Während dort aufgrund der terminologischen Festlegungen und der entsprechenden Bekämpfung gegnerischer Ansichten zumindest innerhalb des Imperiums die Einheit des Glaubens gewahrt werden konnte, übernahmen im Westen um die Mitte des 4. Jahrhunderts die Goten von Byzanz den arianischen Glauben. Dessen Kernpunkt bildete die Aussage, dass der Sohn dem Vater nur ähnlich sei, also von geringerer göttlicher Würde als der Vater. Der Geist wurde noch niedriger angesiedelt. Eine nicht unwesentliche Rolle in den arianischen Auseinandersetzungen spielte die Doxologie, der trinitarische Lobpreis am Ende der Gebete. Bis in das 4. Jahrhundert hinein war die sog. heilsökonomische Doxologie üblich: »Ehre sei dem Vater durch den Sohn im Heiligen Geist.« Wie Basilius (um 330–379) in seiner Schrift über den Heiligen Geist bemerkt, gab es schon seit alter Zeit die andere, die drei göttlichen Personen gleichordnende Doxologie, wie sie heute noch üblich ist: »Ehre sei dem Vater und dem Sohn und dem Heiligen Geist.« Beide Formeln konnten durchaus gleichzeitig verwendet werden, solange man sie als doxologische und nicht als dogmatisch-argumentative Redeformen auffasste. Doch stützten sich die Arianer auf die ökonomische Formel, um die Unterordnung von Sohn und Geist unter den Vater zu begründen. Demgegenüber beriefen sich die Orthodoxen auf die andere Formel, da sie, ontologisch verstanden, als Argument der Gleichwesentlichkeit aller drei göttlichen Personen gelten konnte. Mit der Zeit wurde die Formel zum Konfessionsmerkmal: Die Arianer verwendeten die alte heilsökonomische Formel weiter, während die Orthodoxen bzw. Katholiken die wiederentdeckte und wieder eingeführte gleichordnende Formel gebrauchten (Jungmann/339). Der im Gotenreich übernommene Arianismus hielt sich in Spanien bis gegen Ende des 6. Jahrhunderts. Religionspsychologisch gesehen sind die Abweichungen von der orthodoxen Lehre durchaus verständlich. Der Arianismus kann als der Versuch gedeutet werden, die Menschheit Christi gegenüber der allzu mächtigen göttlichen Komponente zu wahren. Man leugnet zwar nicht das Dogma der Menschwerdung, doch ist diese leichter zu denken, wenn der Logos (der Sohn) auf einer tieferen Stufe als der Vater steht. Auf der gegnerischen Seite bestand dagegen die Tendenz, Christus mit Gott schlichtweg gleichzusetzen. Doch mögen im Westen weniger theologische Spekulationen die Triebfeder zu solchen Entwicklungen gewesen sein als katechetische Vereinfachungen.

3.5.2 Der Wandel des Christusbildes und seine frömmigkeits­ geschichtlichen Folgen im Hinblick auf liturgisches Gebet und ­Festzyklen Die skizzierten christologischen und trinitätstheologischen Entwicklungen führen mit der Zeit zu einem tiefgreifenden Wandel des Christusbildes. Bis in das 4. Jahrhundert hinein war das Interesse nicht auf die Person, sondern auf die von der Person untrennbare Heilstätigkeit gerichtet. Das Christusbild entsprach dem Osterkerygma, d. h. der Verkündigung, dass Christus Sünde und Tod im Ostersieg überwand. Die auf Christus Getauften fühlten

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3  Geschichtliche Skizze zur Liturgie aus der Perspektive der römischen Tradition

sich dem neuen Leben einverleibt. Aufgrund der Solidarität Christi mit der Menschheit waren die Christen auf diese Weise ihrem Herrn untrennbar verbunden. Mit der Erhöhung der Menschheit Christi verband man die Erhöhung der gesamten Menschheit. Dieser österliche Zug ist dem Grundbestand der römischen Liturgieformulare eigen (Haunerland/329). Außerhalb des unmittelbaren Einflussbereiches der römischen Liturgie zeichnete sich jedoch ein Wandel ab. Da die Arianer die Unterordnung des Sohnes unter den Vater betonten, hob der antiarianische Gegenstoß Christus so weit empor, dass er mit der Menschheit nur noch wenig gemeinsam hatte. Ähnlich wie in den doxologischen Formeln der Ostkirche sah man auch hier Christus primär als Gott. In dieser Perspektive ist er nicht mehr der Weg, also die Vermittlung von Mensch zu Gott und von Gott zu Mensch, sondern er wird ganz zum Zielpunkt der Verehrung. Wie Josef Andreas Jungmann aufgezeigt hat, äußerte sich dies unter anderem im Adressatenwechsel des liturgischen Gebets. Dieser Adressatenwechsel hing mit der erwähnten Veränderung der Doxologie zusammen. War in der Frühzeit das liturgische Beten vornehmlich durch Christus an den Vater gerichtet, so setzte sich in den Gebieten der gegen den Arianismus gerichteten Bewegung die Anrede an Christus mehr und mehr durch. Ähnlich wie die gleichordnende Doxologie hatte auch dies Vorbilder in der frühen christlichen Tradition. Doch nun wurde Christus nicht aufgrund seiner Solidarität mit den Menschen angeredet, sondern aufgrund seiner Gleichwesentlichkeit mit dem Vater (Jungmann/464; dazu Gerhards/322). Frömmigkeitsgeschichtlich äußerte sich die Entwicklung darin, dass man Christus als den Furcht gebietenden Herrscher ansah. Dementsprechend vermehrten sich Gebete, welche die Sündhaftigkeit der Liturgen thematisieren (Apologien). Der Gedanke der zweifachen ontologischen Gleichheit (eines Wesens mit dem Vater – eines Wesens mit uns Menschen) ging mehr und mehr verloren. Die Verbindung zwischen Christus und den Gläubigen wurde nur noch als eine moralische gesehen (vgl. dazu Angenendt/275 u. 277). Seit dem Frühmittelalter ist der zentrale Bezugspunkt christlicher Identität nicht mehr wie in der Alten Kirche die durch die Initiation bewirkte existenzielle Gemeinschaft mit dem Gekreuzigten und Auferstandenen, sondern die Buße. Der Betonung der Göttlichkeit Jesu entsprach andererseits das gesteigerte Interesse am Geheimnis der Menschwerdung. Das auf dem Konzil von Ephesus 431 verkündete Dogma von der Gottesmutterschaft Mariens wollte in keiner Weise die Menschlichkeit Jesu schmälern. De facto hat es aber insofern dazu beigetragen, die Menschheit gegenüber der Gottheit unterzubetonen, als man nun die wunderbaren Umstände der Geburt hervorhob und feierte. Dabei ordnete man die Menschwerdung nicht mehr dem Pascha-Geschehen zu, sondern sah sie mehr und mehr isoliert. Liturgiehistorisch äußerte sich dies in der Herausbildung eines eigenen Weihnachtszyklus als Parallele zum Osterzyklus (Auf der Maur/4: 154–185). So wurde das Epiphaniefest zum zweiten Tauftermin und erhielt eine 40-tägige Bußzeit. Ein Relikt ist die Zählung der Sonntage nach Epiphanie (in der katholischen Kirche bis zur Liturgiereform des Zweiten Vatikanischen Konzils). Analog zum Weihnachtszyklus bildete sich ein eigener Pfingstzyklus heraus. Die drei ursprünglich christologisch geprägten Hauptfeste des Kirchenjahres erfuhren nun eine trinitarische Deutung.

3.5  Die Adaption römischer Liturgie nördlich der Alpen89

Durch die Nivellierung des Pascha-Mysteriums und die Betonung anderer Inhalte leistete man einer gesonderten Betrachtung der einzelnen Mysterien aus dem Leben Jesu Vorschub. Die einzelnen Geschehnisse wurden nicht mehr von der Mitte her gedeutet, sondern erhielten ein Eigengewicht. Dahinter stand durchaus das Bestreben, die Substanz der Menschheit Jesu zu wahren. Doch wurde diese nun isoliert betrachtet und verlor ihre Heilsbedeutung, die nur im Zusammenhang mit dem Dogma von der Menschwerdung Gottes zu sehen ist. Es blieb der Gedanke der Exemplarität, der sich in ähnlicher Weise in der Heiligenverehrung ausbreitete. Auch diese verlor ihre ursprüngliche, in den ersten Jahrhunderten der Märtyrerkirche noch gesehene Beziehung zum Pascha-Mysterium. Hier ersetzte eine moralische Tugendlehre die Thematik von Tod und Leben, der biblische ­Gedanke der Nachfolge (ἀκολουία/sequela) wurde abgelöst durch den der Nachahmung (μίμησις/imitatio). Dieser frömmigkeitsgeschichtliche Wandel kann nicht einfach als Degenerierung einer ursprünglichen Hochform gedeutet werden. Er ist vielmehr die ­ ­Konsequenz eines Inkulturationsprozesses. Dass dies im Zusammenhang mit den arianischen Auseinandersetzungen geschah, erklärt manche Deformation. Ein positiver Zug dieser Frömmigkeit insgesamt ist die größere Nähe zu Fragen der konkreten Lebensgestaltung. Das sakramentale Denken der römischen Liturgie blieb in vieler Hinsicht abstrakt. Die fränkisch-deutsche Mentalität versuchte, die Aussagen der Schrift und der Liturgie zu konkretisieren. Dadurch ging zwar vieles an theologisch-heilsgeschichtlicher Weite der Väterzeit verloren. Gleichzeitig entstand aber eine neue Synthese, die kraftvoll genug war, um das Erbe der römischen Liturgie zu integrieren und über den zeitweiligen Niedergang der Stadt Rom hinweg zu bewahren.

3.5.3 Der Fortbestand der römischen Liturgie Nach Gregor dem Großen trat in der Entwicklung der römischen Liturgie ein Stillstand ein. Nur noch wenige Elemente, vornehmlich aus dem Orient, wurden hinzugefügt. Es fehlte die gestalterische Kraft, den Zyklus des liturgischen Jahres in der Zeit nach Pfingsten zu schließen. Dasselbe gilt für die Sakramentenliturgie, die bis auf die Tauffeier wenig entfaltet war. Schon vorher hatten sich demgegenüber, vor allem in der keltischen Liturgie, zahlreiche andere, vielfach vom Orient inspirierte Riten entwickelt. In der Karolingerzeit fand eine bemerkenswerte Verschmelzung statt, die man bonifatianisch-karolingische Reform nennt, da sie eng mit der Missionstätigkeit des Bonifatius (672/5–754) verbunden ist (Odenthal/385: 164–169). Anlässlich seiner Krönung im Jahre 754 wollte König Pippin (714–768) die gregorianische Liturgie Roms in seinem Reich einführen. Bei der Ausdehnung des Reiches war es unter den damaligen Umständen jedoch unmöglich, alle Kirchen mit den entsprechenden Büchern zu versorgen. So nutzte man weiterhin die alten Bücher, nur gelegentlich durch römische Elemente ergänzt. Der politische Gedanke war, das Nebeneinander von altgallischen und römischen Bräuchen zu beseitigen und mit einer einheitlichen Liturgie die Einheit des Reiches zu stärken. Karl der Große, der die Politik seines Vaters durchsetzen wollte, erbat sich von Rom neue Bücher. Man übersandte ihm ein zwar prächtiges, aber inzwischen schon veraltetes und insofern unvollständiges Exemplar des Gregorianums (das bereits er-

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3  Geschichtliche Skizze zur Liturgie aus der Perspektive der römischen Tradition

wähnte »Aachener Urexemplar«), als es nur die päpstlichen Stationsgottesdienste enthielt. In Aachen hatte man den Missstand wohl bald erkannt. Außerdem wollte man die römische Liturgie durchaus den Bedürfnissen der eigenen Tradition anpassen, z. B. durch Hinzufügen von Segnungsriten und Festen. Man stellte nun aus den noch vorhandenen Mischsakramentaren Pippins die Formulare zusammen, die man in der römischen Vorlage nicht finden konnte. Sie wurden in einem Anhang beigefügt. Dieser bestand nun nicht mehr aus rein römischem Formelgut, sondern enthielt aufgrund der Mischtypen auch einiges an altgallischer Liturgie. In der Folgezeit verkümmerte das kirchliche und liturgische Leben in der »Ewigen Stadt«. So ist es letztlich dem politischen Kalkül der Karolinger zu verdanken, dass die stadtrömische Liturgie, zumindest in ihren wesentlichen Grundzügen, erhalten blieb. Doch behandelte man diese nicht wie eine Reliquie, sondern unterwarf sie, auch aufgrund ihrer politischen Bedeutung, einer kreativen Umwandlung. Der Beitrag fränkisch-deutscher Liturgie bestand weniger im Erhalten als im Weiterentwickeln der stadtrömischen Elemente. Zumindest in ihrer entfalteten Form sind die eindrucksvollsten Feiern der heutigen Liturgie – die Feiern der Karwoche, der Kirchweihe und der Ordinationen – nicht römischen, sondern fränkisch-deutschen Ursprungs. Die Integrationskraft entfaltete sich dadurch, dass man die römischen Elemente mit den bereits vollzogenen Synthesen von orientalischen und bodenständigen Elementen verband. Die formelhaft statische Liturgie Roms wurde dabei in vielfacher Hinsicht dramatisiert. So entstand z. B. die Palmprozession am Sonntag vor Ostern aus Jerusalemer Vorlagen (Felbecker/627; Gerhards/314; Odenthal/386). Diese wurden aber nicht einfach kopiert, sondern  – etwa durch die Schaffung neuer Hymnen  – ausgestaltet. War die römische Liturgie fast ausschließlich aus biblischen Elementen konzipiert, so gewann nun der freie Hymnus, der freilich oft auf Bibelstellen Bezug nimmt, mehr und mehr an Bedeutung. Die Genera können dabei sehr unterschiedlich sein. So wird aus orientalischen Vorbildern der Gesang der Improperien des Karfreitags konzipiert (Gerhards/307). Dramaturgische Elemente jener Zeit sind auch die gesteigerten Rufe des »Ecce lignum« bei der Kreuzverehrung und des »Lumen Christi« in der Osternacht. Diese Tendenz zur Dramatisierung aus Jerusalemer Vorbildern entspricht offenbar dem Bedürfnis nach Veranschaulichung, das der römischen Liturgie an sich fremd war. Durch die Übernahme der Struktur der römischen Liturgie war man allerdings zunächst in ein Korsett geschnürt, das kaum Entfaltungsspielräume bot. Doch befand man sich noch in einem Prozess lebendiger Liturgieentfaltung. So wurde die geschlossene, in ihrer Prägnanz beeindruckende Form der römischen Liturgie gesprengt. Dies geschah durch Erweiterungen, d. h. durch Texteinschübe, in das vorgegebene Raster (Tropierung). Durch den Wechsel von biblischen (Psalmen) und freien poetischen Elementen entstand oft eine spannungsreiche, dramatische Form. Eine andere Weise der Erweiterung der ursprünglichen römischen Liturgie ergab sich aus dem Hin­ zufügen weiterer Elemente. Vor allem ist hier die Sequenz zu nennen, die an die bestehenden Gesänge zwischen den Lesungen angehängt wird (Sequenz = Folge, der Anschluss an den Halleluja-Ruf). Am bekanntesten ist wohl die bis heute gebräuchliche Ostersequenz, die bereits ein fortgeschrittenes Stadium der Dramatisierung der Liturgie darstellt. Es han-

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delt sich um die Kombination eines hymnischen Lobpreises auf das Osterlamm mit dem Osterspiel, der Visitatio sepulchri, die Anlass zu weiterer szenischer Entfaltung gab (Gerhards/319).

3.5.4 Kontinuität und Wandel der »römischen« Liturgie Der beschriebene Paradigmenwechsel lässt sich theologisch folgendermaßen deuten: Von ihrer Herkunft her stellt Liturgie den Anspruch, die Verwirklichung des Dargestellten zu sein. Das Eigentliche liegt nicht hinter den Dingen, sondern kommt notwendigerweise in den Dingen zum Ausdruck. Nur wenn die Kirche feiert und insofern sie feiert, kann das Erlösungswerk hier und heute gegenwärtig werden. Dies ist der Grund, weshalb die Christen der Märtyrerzeit ihre sonntäglichen Versammlungen zur Eucharistiefeier so hoch einstuften. Die Theologen (im Westen vor allem Ambrosius [339–397]) fassten diese Eigenart in sog. mystagogischen Katechesen in Worte. Terminologisch mussten freilich die dargestellte Sache (sakramentale Gnade) und die Darstellung (Liturgie) auseinander gehalten werden. Faktisch führte dies zu einer Unterscheidung von »wesentlichen« und »unwesentlichen« Elementen der liturgischen Feier. Als wesentlich betrachtete man mehr und mehr den durch den Priester gültig vollzogenen liturgischen Akt. Die Versammlung, d. h. die physische Präsenz der übrigen Beteiligten, wurde nicht mehr für notwendig erachtet. Dies geht, in gallischen Klöstern schon seit sehr früher Zeit, mit der Praxis der Privatmesse als Normalform der Messfeier einher (Angenendt/277). Die feierliche Messe unter Versammlung des Volkes hatte dem qualitativ nichts hinzuzufügen. Das Plus lag im Quantitativen, d. h. im Zeremoniell, das für das Zustandekommen der Sache an sich nicht als notwendig galt. Das Zeremoniell geriet zur bloßen Darstellungsform, die sich mehr und mehr vom dargestellten Inhalt löste. Hierin ist ein Grund für die zunehmend sich durchsetzende allegorische Liturgieerklärung und das Auseinanderklaffen von Theologie und Liturgie zu sehen. Im weiteren Umfeld dieser Entwicklung des Frühmittelalters, die im Hochmittelalter zum Abschluss kam, ist der erwähnte dogmengeschichtliche Wandel zu sehen: die Abkehr vom heilsgeschichtlichen Denken zugunsten einer ontologisch-statischen Konzeption (Angenendt/278). Dem hier nur angedeuteten liturgischen Befund (Angenendt/276; Klöckener/349) entspricht ein architektonischer Wandel. Die ursprünglich auf den Hauptaltar bezogene Anlage der Basilika entwickelte sich im Verlauf des Mittelalters zu einer differenzierten Raumgestalt, die eine Fülle von Einzelaltären als Gedächtnisorte aufwies. Damit hatte sich eine Akzentverlagerung vollzogen: Der Altar wird nicht aufgrund der dort stattfindenden Messfeiern zum heiligen Ort, sondern er zieht als heiliger Ort die Ehrung durch die tägliche Messe auf sich. Mittelalterliche Quellen berichten des Weiteren von komplexen Organisationen, welche die Kloster- und Stiftskirchen einer Stadt im Laufe des Kirchenjahres zu Orten einer den gesamten Kosmos des christlichen Glaubens darstellenden Stadtliturgie machten. Damit ging eine doppelte Inversion einher: die Klerikalisierung der Klöster und die Monastisierung des Stadtklerus. Die Quellen berichten freilich auch davon, wie schwer es war, den

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3  Geschichtliche Skizze zur Liturgie aus der Perspektive der römischen Tradition

Anspruch der Kirchenstadt aufrechtzuerhalten. Dies führte seitens der Gläubigen zu sog. Paraliturgien, volkstümlichen »Ersatzformen«, in denen sich authentisches religiöses Gefühl ausdrückte. Insbesondere waren das die zahlreichen Prozessionen und Andachten mit vielfältigen muttersprachlichen Elementen, die indes mit dem Gemeinschaftsgeist der alten römischen Liturgie nicht mehr viel gemeinsam hatten. Es folgte die Zeit einer ganz auf das Individuum bezogenen Religiosität, die in diesem Licht auch die alten Formen der tradierten römischen Liturgie las.

3.6 Grundzüge der Liturgie im Hoch- und Spätmittelalter am Beispiel der Liturgie der Stadt Köln Die mittelalterliche Liturgie mit ihrer komplexen Geschichte und ihren vielfältigen Verästelungen lässt sich nicht auf knappem Raum beschreiben. Grundzüge der Liturgiegeschichte des Früh-, Hoch- und Spätmittelalters werden deshalb hier anhand eines Beispiels, der Liturgiegeschichte der Stadt bzw. des Erzbistums Köln, nachgezeichnet (dazu: Kölnische Liturgie/353). Die »Kölnische Liturgie« ist in vielem paradigmatisch für die mittelalterliche Liturgie insgesamt: Sie verkörperte eine respektable Eigentradition, die (anders als die Mailänder Liturgie) zwar innerhalb des römischen Ritus verblieb, sich aber weit über die Tridentinische Reform hinaus bis ins 19. Jahrhundert behauptete. Wie bereits dargestellt, erlangte die römische Liturgie eine hohe politische Bedeutung für die Reichspolitik. Das betraf nicht nur die Texte, Riten und Gesänge, sondern auch den Kirchenraum, dessen prominente Vertreter man nach römischen Vorbildern gestaltete. So bildete das Westwerk des alten Kölner Doms, der Petruschor, die Confessio von Alt-St. Peter in Rom ab. Anleihen an die großen Vorbilder in Rom und im Heiligen Land gab es aber auch schon unabhängig von der karolingischen Reichsreform. Zu fragen ist hier nach den Triebkräften für die Entwicklung dessen, was als »Kölnische Liturgie« bezeichnet wird. Hier ist zum einen das benediktinische Mönchtum zu nennen, mit dessen Hilfe die karolingische Reform durchgesetzt wurde. Aber auch Klerikergemeinschaften, die nach der Kanonikerregel lebten, sowie Frauenklöster sorgten für den Fortbestand einer regen Liturgie. Die Stadt wurde im Frühmittelalter zum liturgischen Großraum, die einzelnen Kirchen mit ihren Gemeinschaften bildeten eine Kirchenfamilie. Wiederum spielte die Orientierung an Rom, Motor bereits der karolingischen Reform, eine große Rolle, was sich in ottonischer Zeit fortsetzte. In Rom bildete sich die Kurie mit eigenem Zeremoniell heraus und wurde zum Vorbild für die Liturgie der Universalkirche, verbreitet später vor allem durch die Franziskaner. Im Kölner Dom entwickelte sich eine prachtvolle Kathedralliturgie, nicht zuletzt aufgrund besonderer Privilegien. Wie in Rom gab es eine Zeit lang drei Klassen von Kardinälen, in Köln waren es Kardinalpriester, Kardinaldiakone und Kardinalsubdiakone. Eine Besonderheit bildete die »römische Zelebrationsrichtung« über den Altar hinweg nach Osten in Richtung Kirchenschiff (versus populum), so im westlichen Petruschor des alten Kölner Doms, der die Situation im alten römischen Petersdom abbildete. Die »römische Zelebration« war den

3.6  Grundzüge der Liturgie im Hoch- und Spätmittelalter am Beispiel der Stadt Köln93

Kölnern so wichtig, dass man sie bis ins 16. Jahrhundert hinein auch im neuen Dom, am Hochaltar in der Ostapsis, für den Bischof beibehielt (Gerhards/305; Lang/362). Die Rom-Orientierung kommt besonders in der Stationsliturgie zum Ausdruck, so etwa in der Weihnachtsliturgie, bei der die Kölner Kirche St. Maria im Kapitol eine besondere Rolle spielte. Für die Stationsliturgie des päpstlichen Zeremoniells waren ursprünglich die Stationen Maria Maggiore in der Nacht, St. Anastasia in der Morgenfrühe und St. Peter am Tag vorgesehen. Im 12. Jahrhundert begann in Köln die Christnacht mit der Matutin im Dom. Noch während ihres Verlaufs bestieg der Erzbischof eine Sänfte und ließ sich nach Maria im Kapitol tragen. Mit ihrem Dreikonchenchor ist der Bau des 11. Jahrhunderts eine freie Kopie der Geburtskirche in Bethlehem. In St. Maria im Kapitol feierte der Erzbischof die nächtliche Weihnachtsmesse. Nach deren Abschluss ließ ihm die Äbtissin von St. Maria im Kapitol ein weißes Maultier zuführen. Der Erzbischof ritt auf dem weißen Maultier, begleitet von Klerus und Volk, zur Kirche St. Cäcilien, um dort die missa in aurora zu feiern. Dort erhielt er einen Schimmel, auf dem er zum Dom zur dritten Weihnachtsmesse ritt. Im Dom erwartete ihn der möglichst vollzählig versammelte Kölner Klerus. Am Ende wurde das Evangelium von Epiphanie verlesen, seit 1164 durch die Anwesenheit der Gebeine der »Drei Könige« besonders eindrücklich. Daraus erklärt sich die Bezeichnung »Königsamt« für die dritte Weihnachtsmesse neben »Engelamt« und »Hirtenamt« für die beiden ersten (Das Lob Gottes im Rheinland/371: 28 f.). Den Rheinländern war die Bedeutung der Prozession als ganzheitliches, sinnenfreudiges Geschehen immer vertraut. Die meisten großen Kirchengebäude sind Prozessionskirchen. Dabei spielt nicht nur die West-Ost-Achse eine Rolle. In der Basilika St. Maria im Kapitol sind die Seitenschiffe als Prozessionsgänge um die Dreikonchenanlage herumgeführt, was eindrucksvolle Prozessionen ermöglicht. Der Kölner Dom bietet eine Fülle von Prozessionswegen, wie sie in den alten Quellen bezeugt sind, wenn auch einige davon sich erst nach Fertigstellung des Langhauses hätten entfalten können. Die Prozessionen im Raum hängen eng mit den Gedenkorten, den Patrozinien, zusammen; die Prozession sucht diese Orte nicht nur auf, sondern bringt sie im Gesamtkomplex des Kirchengebäudes und der anderen Stadtkirchen in eine sinnenhaft-sinnvolle Beziehung. Die Prozessionen prägten das geistliche Leben der Stadt hauptsächlich in der Zeit vom Frühjahr bis zum Sommer. Die Bittprozessionen sind zu nennen  – die Litania maior am Markustag (25. April) und die Litaniae minores am Montag, Dienstag und Mittwoch der Bittwoche (vor Christi Himmelfahrt). Seit 1264 gab es die Fronleichnamsprozession, die in Köln freilich lange Zeit mit der Stadtkölnischen Gottestracht am zweiten Freitag nach Ostern konkurrierte; erst nach Aufklärung und Säkularisation, in der Zeit der Restauration, kam die Kölner Fronleichnamsprozession zur vollen Entfaltung. Eine solche Fülle theophorischer Prozessionen (d. h. unter Mitführung der konsekrierten Hostie) gab es in Köln, dass man sie durch autoritative Eingriffe glaubte eindämmen zu müssen (Schlierf/405; Trippen/413). Das Beispiel der Palmsonntagsfeier ist besonders aussagekräftig. Die gallikanische Festorganisation geht auf Jerusalemer Bräuche der Spätantike zurück, die den triumphalen

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3  Geschichtliche Skizze zur Liturgie aus der Perspektive der römischen Tradition

Einzug Jesu in Jerusalem mimetisch darstellen, und verbindet sich mit dem römischen passionszentrierten anamnetischen Gottesdienst zu jener bipolaren Feier, wie wir sie noch heute kennen. Statio ist St. Gereon. Für Köln ist als lokales Proprium die Predigt des Bischofs in der Kirche Maria Ablass belegt. Eine Besonderheit ist ferner das Mitführen des Petrusstabs, einer kostbaren Reliquie. Aus diesem Grund tritt eine Reihe von Antiphonen des Pe­ truspatroziniums des Doms zu den festtagsbezogenen Gesängen hinzu. Der in der Reliquie sich manifestierende apostolische Anspruch des Kathedralpatroziniums wird so über den Dom hinaus in die Stadt getragen. Odenthal resümiert: »Die Einfügung der Antiphonen zu Ehren des hl. Petrus zeigt, dass die Kölner Domkirche nun selbst durch ihren auf Rom deutenden Reliquienbesitz, den Stab des hl. Petrus, die Liturgie prägt und gestaltet« (Odenthal/386: 292). Besonders beliebt war in der Kölner Erzdiözese die Statio ad Crucem, die auch die Tridentinische Reform überdauerte, bis sie der Zentralisierungstendenz des 19. Jahrhunderts zum Opfer fiel. Ein Proprium kölnisch-rheinischer Liturgie ist der Reliquienkult. Er ist untrennbarer Bestandteil der hier nach wie vor ausgiebig geübten Wallfahrten. In St. Maria im Kapitol verehrte man seit 1304 eine crux miracolosa am zentralen Kreuzaltar, in deren Brustcorpus ein Reliquienkästchen gefunden worden ist. Kultbild und Andachtsbild fallen hier in eins. Auch der Lettner diente zum Zeigen der reichen Reliquienschätze (vgl. auch Legner/364: 134). Von den mittelalterlichen Consuetudines sind keineswegs nur die Gebäude als äußere Hüllen erhalten geblieben. Vielmehr lassen sich Relikte der Stationsliturgie bis in die Gegenwart hinein feststellen. So wird im Rheinland bis heute die »Römerfahrt« als eine neuzeitliche Adaption der Siebenkirchenwallfahrt gepflegt. In Köln spielen die »Gottestracht« sowie die hier erstmals abgehaltene Fronleichnamsprozession nach wie vor eine große Rolle. Im Zusammenhang mit dem Domjubiläum 1998 belebte man die Wallfahrt im Chorumgang des Domes wieder. Eine für die kölnische Liturgie charakteristische Gattung sind die Hymnen, etwa der Prozessionshymnus für den Ostertag »Salve festa dies« (vgl. Das Lob Gottes im Rheinland/371: 131 f.) und Sequenzen wie die von der Übertragung der Reliquien der Heiligen Drei Könige »Maiestati sacrosanctae« (ebd. 137 f.). Prozessionen und Hymnengesang gelten als Erbe aus der Zeit der gallikanischen Liturgie. Weitgehend untergegangen ist mit der Säkularisation das gemeinschaftliche Offizium, sofern es klösterliche Gemeinschaften nicht neu aufgegriffen haben. Wie reichhaltig sich das gemeinschaftliche Offizium im Hochmittelalter entfaltet hatte, ist anhand der Stiftskirche St. Aposteln aufgearbeitet. Auch hier orientiert sich die Liturgie am römischen Aufbau, wie Amalar von Metz (ca. 775 bis ca.  850) ihn kodifizierte, gestaltet sich im Detail aber nach örtlichen Gegebenheiten (Odenthal/383).

3.7  Die Liturgie in der Zeit der Reformation und der Katholischen Reform95

3.7

Die Liturgie in der Zeit der Reformation und der Katholischen Reform

3.7.1 Das Erbe des Mittelalters Amalar (775–850) hielt sich 813 bis 814 in Byzanz auf, wo er mit den Schriften des PseudoDionysius (frühes 6. Jh.) wohl die allegorische Messerklärung kennen lernte (Pseudo-Dionysius/291). Er sah darin eine Möglichkeit, die an sich fremde römische Liturgie im karolingischen Reich zu verbreiten. Waren die Theologen vorher darum bemüht, den Inhalt der Liturgie zu vermitteln, so entwickelte sich nun eine Weise der Messallegorese, die keinerlei Rücksicht auf die tatsächlichen Inhalte nimmt. Merkwürdigerweise haben sich die großen mittelalterlichen Theologen dem nicht widersetzt. Der Grund scheint in der Tatsache zu liegen, dass die Inhalte der Liturgie nicht Gegenstand theologischer Reflexion waren (Knop/205). Die Liturgie diente lediglich als Darstellungsebene des geglaubten Heils. Dieses ereignet sich im Grunde genommen unabhängig vom liturgischen Tun. Liturgie wird mehr und mehr zu einem geistigen Schauspiel, an dem die Gläubigen nur noch äußerlich teilnehmen und von dessen Früchten sie nurmehr geistig kosten. Auf diese Weise konnten das Drama des Messopfers und der Akt der Kommunion völlig unabhängig voneinander betrachtet werden. Auf der Strecke blieb dabei die Liturgie mit ihrem Anspruch, sowohl intellektuell als auch emotional auf den Menschen zu wirken und ihn als Person aktiv in das Geschehen einzubeziehen. Bestand bei der mystischen Schau des Pseudo-Dionysius noch der Anspruch, die gesamte Wirklichkeit des geglaubten Mysteriums erfassen zu können, so wird dieses Mysterium im Mittelalter aufgeteilt in eine für den Intellekt erfassbare kategoriale Größe und eine zur mystischen Versenkung gedachte Emotionalität. Die klassische Liturgie war für beide Formen ungeeignet. Blieb sie für die scholastische Theologie mehr oder weniger ganz aus dem Spiel, so stellte sie für die Mystik lediglich eine Art Rahmen dar, den man mit neuen Elementen füllte. Die neue Spiritualität setzte nicht mehr an der Lautgestalt etwa des (leise gesprochenen) Hochgebets an, sondern an der Schaugestalt der erhobenen Hostie. An dieser Stelle konnten sich neue Formen emotionaler Frömmigkeit entfalten; der theologische Gehalt der liturgischen Überlieferung lag indessen weitgehend brach. Starke Impulse gingen im Mittelalter von den Bettelorden aus. Mit Franz von Assisi (1181/2–1226) verbindet man die Krippenfrömmigkeit und die besondere Liebe zum Gekreuzigten. Diese Hinwendung zur irdischen Gestalt Jesu war letztlich durch die spiritualistische Tendenz häretischer Gruppen motiviert, der man eine massive Schöpfungstheologie entgegensetzte, wie sie sich z. B. im Sonnengesang des Franziskus äußert. Es ging darum, das Dogma von der Menschwerdung Gottes zu wahren. Doch war dies nicht mehr in der Weise jener symbolischen Zusammenschau der an sich gegensätzlichen Aussagen möglich, wie Antike und noch das frühe Mittelalter es vermocht hatten. Stattdessen versenkte man sich nun in eine emotionale Betrachtung der einzelnen Begebenheiten aus dem irdischen Leben Jesu. Um aber seine Gottheit zum Ausdruck zu bringen, erhob man Jesus und in der Folgezeit auch Maria in eine übermenschliche Sphäre.

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3  Geschichtliche Skizze zur Liturgie aus der Perspektive der römischen Tradition

Literarischer Ausdruck dieser sich in der Gotik verbreitenden Geisteshaltung ist eine individualistische Poesie. Es entstanden die lateinischen und teilweise schon muttersprachlichen Cantiones, erbauliche Lieder, die der emotionalen Betrachtung dienten und keine oder kaum theologische Relevanz besaßen. Nunmehr ist die Trennung von Theologie und Volksreligiosität vollzogen. Die Konsequenzen dieser Entwicklung sind unübersehbar. Sie sind zum einen liturgiegeschichtlich zu fokussieren: Volk und Klerus werden immer stärker voneinander getrennt. Dem Volk durfte nur der Ritus, nicht der Inhalt des Kanons erklärt werden. Dementsprechend entwickelten sich in dieser Zeit eine spezifische »Laien«spiritualität sowie eigene Formen von Gemeindegottesdiensten neben der offiziellen Liturgie, z. B. Predigtgottesdienste und Kommunionfeiern, Prozessionen, Andachten. Der liturgieeigene Anspruch wurde durch die Gestalt des Gottesdienstes nicht mehr abgedeckt. Vielmehr verlagerte er sich in andere Formen, vor allem in die Architektur der gotischen Kathedralen mit ihrer Bilderwelt. Die Kathedralen sind in ihrer Funktion aber ebenfalls nicht mehr eindeutig, sondern aufgeteilt in eine Fülle von Einzelräumen (z. B. Seitenkapellen, Chorumgänge, abgetrennte Altarbezirke). Die Symbolik des Gesamtbaus drückt zwar noch die Einheit aus, doch entspricht der darin gefeierte Gottesdienst diesem Anspruch kaum mehr.

3.7.2 Das vorreformatorische Jahrhundert Die Phasen zwischen den durch die kirchlichen Autoritäten gesteuerten Reformen werden oft als innovationsfeindlich dargestellt. Es wäre jedoch verfehlt, das vorreformatorische Jahrhundert nur unter dem Paradigma des Verfalls zu betrachten. Diese Zeit galt in liturgiehistorischer Hinsicht als dekadent, weil man als Parameter die Texte vor allem der priesterlichen Vollzüge zugrunde legte, deren Neuordnung am Vorabend der Reformation in der Tat dringlich war. Nach neuerer Erkenntnis war das vorreformatorische Jahrhundert auf seine Weise höchst produktiv und innovativ, jedoch weniger in Bezug auf das Hören als auf das Schauen. Dies zeigt etwa die unüberschaubare Zahl von Bildern, Figuren und Flügelaltären, die nicht etwa von den Reichen, sondern von eher armen Leuten gestiftet wurden (Angenendt/156). Zweifellos gibt es in dieser Zeit eine Tendenz zur Veräußerlichung. In der kirchlichen Kultur lässt sich dies an der Spätgotik ablesen, die immer mehr auf das Dekorative und Vordergründige abhob. Gegentendenzen, die in reichem Maße vorhanden sind, trugen ausschließlich individualistische Züge. Nicht das Bemühen um die Reform der kirchlichen Strukturen, sondern der Rückzug in die Innerlichkeit war für viele das Gebot der Stunde. Die Devotio moderna trug denn auch mitunter agnostische Züge, wie sie sich z. B. in der »Nachfolge Christi« des Thomas von Kempen finden lassen. Vor diesem Hintergrund könnte man annehmen, diese Zeit hätte keine reformerischen Kräfte hervorzubringen vermocht. Denn dazu bedurfte es ja der Einflussnahme, nicht zuletzt auch der entsprechenden Positionen, um einen Reformimpuls politisch durchzusetzen. Doch lässt sich zeigen, dass es in jener Zeit durchaus Versuche dieser Art gegeben hat, denen indes kein Erfolg beschieden war. Ein solcher Reformversuch zweier italienischer Benediktinermönche unmittelbar vor der Reformation soll im Folgenden exemplarisch vorgestellt werden (Gerhards/316).

3.7  Die Liturgie in der Zeit der Reformation und der Katholischen Reform97

3.7.3 Ein Reformprojekt am Vorabend der Reformation: Der ­Libellus ad Leonem X (1513) Die beiden Autoren des »Libellus ad Leonem X« von 1513, Paolo Giustiniani (1476–1528) und Vincenzo Quirini (1479–1514), gehörten dem Kamaldulenserorden an, einer nach Camaldoli benannten Reformgründung des Benediktinerordens, die koinobitisches (gemeinschaftliches) und eremitisches (Einsiedler-)Mönchtum miteinander zu verbinden suchte. Der Lebenskontext der beiden Autoren war die städtisch geprägte Renaissance-Kultur Italiens zwischen Venedig und Rom. Die umfangreiche Schrift richtet sich an den neu gewählten Medici-Papst Leo X. (1513–1521). Mit seinem Amtsantritt verbanden sich große Erwartungen, vor allem in Bezug auf das 1512 einberufene Laterankonzil, von dem man sich die lang ersehnte Kirchenreform erhoffte. Diese Hoffnungen erfüllten sich allerdings nicht, da das damalige Papsttum mehr oder weniger Spielball der europäischen Großmächte war. Ein wesentliches Anliegen des Reformvorhabens lag im Versuch, das Glaubenswissen der Christen zu fördern. In erster Linie solle dies, um die Qualität der Predigt zu verbessern, durch eine bessere theologische und vor allem biblische Bildung des Klerus geschehen. Die Kenntnis der Heiligen Schrift müsse auf breiter Ebene gefördert werden, weshalb der Papst seine Bibliotheken allen Gläubigen öffnen solle. Ein Problem der beginnenden Neuzeit war der ausschließliche Gebrauch der lateinischen Sprache in Wissenschaft und Kirche. Nun stellten die Autoren aber fest, dass selbst die Priester des Lateinischen nicht mehr mächtig seien. Deshalb regten sie an, die Heilige Schrift in die Muttersprachen zu übersetzen. Wenn die Liturgie in der Muttersprache gefeiert werde, dann – so glaubten die Autoren – fördere dies die Kenntnis der göttlichen Vorschriften und die Sittlichkeit unter den Menschen. Den beiden Benediktinern ging es dabei nicht allein um Belehrung und Erbauung, sondern auch um das zweckfreie Lob Gottes in der jeweiligen Muttersprache. Die anscheinend positiv wahrgenommene Erfahrung ritueller Vielfalt in der Jerusalemer Grabeskirche nahmen sie zum Vorbild möglicher Vielfalt innerhalb der weltweiten römischen Kirche. Der Modernitätsgedanke, der aus dem Libellus spricht, liegt im Entdecken der Bedeutung des Wortes hinter der phonetischen und syntaktischen Struktur der Sprache. Offensichtlich handelte es sich hier um eine Gegenströmung zur »Schaulust« des Mittelalters, die mitunter zur Veräußerlichung degeneriert war. Die damit verbundene partikuläre und individuelle Beliebigkeit, der Subjektivismus, wird als Gefahr angesehen. Das Gegenmittel ist aber nicht ein Objektivismus der sprachlichen Identität, sondern die zentralistische Steuerung von Bibelübersetzungen und die Vereinheitlichung des Ritus. Die Verfasser sehen im Wort der Verkündigung und des Gebets eine Möglichkeit der Unterweisung, wobei Muttersprachlichkeit eben mehr ist als reine Information. Dies kommt in der Emphase auf das Gotteslob zum Ausdruck, dem ja nach der Regel des Benedikt von Nursia (480–547) nichts vorzuziehen sei (Benediktus-Regel/284: 43; Kommentar: Puzicha/396). Eingeschränkt werden sollen die in jener Zeit verbreiteten Partikularriten, vor allem die der Orden. Dies ist zu Beginn des 16. Jahrhunderts infolge des neu aufgekommenen Buchdrucks eine reale Möglichkeit. Der zentralistische Zug, der nicht einmal vom Konzil von Trient in dieser Rigidität beansprucht

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3  Geschichtliche Skizze zur Liturgie aus der Perspektive der römischen Tradition

wurde – man schaffte die Ritenvielfalt nicht ab –, steht in auffallendem Gegensatz zu der Forderung, die Landessprachen zuzulassen. Doch ist dies kein Widerspruch. Es ging den beiden Kamaldulensern um die geistliche Nahrung aus den Quellen des Glaubens, in erster Linie aus der Bibel, dann aber auch aus der Liturgie, die ihrerseits biblisch zentriert ist. Giustiniani selbst ist in späterer Zeit als Übersetzer der Bibel ins Italienische in Erscheinung getreten. Der Libellus ist aus dem Impuls der Ordensreform hervorgegangen und lässt Elemente der Ordensspiritualität in das Reformprogramm für die gesamte Kirche einfließen. Reform heißt in diesem Sinne das Anstreben einer strengeren Observanz. Die Reformvorschläge dieser Schrift sind Kind ihrer Zeit und in vieler Hinsicht, etwa in Bezug auf das Verhältnis der römischen Kirche zu den anderen Kirchen und Religionen, äußerst bedenklich. Als universalkirchliches Konzept konnte sich der Libellus mit einem solch asketischen Anspruch kaum durchsetzen. Er blieb weitgehend folgenlos, stellt jedoch in der Kette von Reformversuchen zwischen Mittelalter und Zweitem Vatikanischen Konzil ein wichtiges Glied dar.

3.7.4 Die Liturgiereform der Reformatoren am Beispiel der ­Abendmahlsliturgie Das Spektrum der liturgischen Reformansätze der Reformationszeit ist äußerst vielfältig und lässt sich nicht auf einen Nenner bringen (Kranemann/359). Zu den auffälligsten Merkmalen der reformatorischen Liturgien gehört der Gebrauch der Volkssprache. Allerdings hat sich auch das Lateinische teilweise noch lange Zeit gehalten, meist in gemischtsprachigen Gottesdiensten (deutsch: Lesungen, Predigt, Gebet, Gemeindelied; lateinisch: Chorgesänge). Die differenzierte Landschaft der evangelischen liturgischen Ordnungen ergibt sich aus der Vorgehensweise der Reformation, die von der weltlichen Obrigkeit gegen den Willen der Bischöfe durchgeführt wurde. Die den weltlichen Territorien entsprechenden Kirchenordnungen hingen in ihrer Gestalt oft von Zufälligkeiten ab. Generell lassen sich die evangelischen Abendmahlsordnungen in zwei große Gruppen unterteilen (Pahl/389 u. 390; Lurz/374; Handbuch der Liturgik/34: 207–246; 247–267). Die eine ist dadurch charakterisiert, dass sie von der vorgefundenen Form der lateinischen Messe ausging, wie sie in der betreffenden Gegend ausgeformt war. Die zweite Gruppe, die nicht mehr »Messe« genannt wird, knüpfte an die in den südwestdeutschen Städten aufgekommenen sog. Prädikantengottesdienste an. Da die Messe vor der Reformation meistens ohne Predigt gehalten wurde, entwickelte sich ein eigener Predigtgottesdienst in der Muttersprache außerhalb der Messfeier. Zu seinen Elementen gehörte auch das wiedergewonnene Allgemeine Gebet (Fürbittgebet). Parallel zu  dieser außerliturgischen Form des Wortgottesdienstes entwickelte sich die ebenfalls schlichte, volkstümliche Form der Gemeindekommunion. Diese war eher katechetisch konzipiert und prägte ihrerseits eine Reihe von evangelischen Abendmahlsordnungen. Diese Tatsache gibt Aufschluss über die merkwürdige Parallelität der Liturgien von Ordinierten und Nichtordinierten am Vorabend der Reformation. Auch da, wo die Gestalt der römischen Messe den Abendmahlsordnungen als Grundform diente, übernahm man sie nicht unverändert. Auch hier galt der Grundsatz: Keine Messe ohne Predigt. Dies führte zum

3.7  Die Liturgie in der Zeit der Reformation und der Katholischen Reform99

Einfügen eines neuen Ordinariumstückes, der Abendmahlsvermahnung. Es handelt sich um eine im Wortlaut festgelegte Abendmahlshomilie und -paränese, ähnlich den Modell­ ansprachen der Weiheliturgien, die seit dem Pontifikale des Durandus aus dem 13. Jahrhundert üblich waren. In den Abendmahlsordnungen übernahm die Abendmahlsvermahnung zusammen mit dem Allgemeinen Gebet freilich weitgehend Funktionen des Kanons, des Eucharistiegebets. Ein zweiter Grundsatz der reformatorischen Liturgie war: Keine Messe ohne Kommunion der Gemeinde, und zwar unter beiderlei Gestalt. Die entscheidenden Eingriffe der Reformatoren betrafen in erster Linie den Kanon. Dieser betonte zusammen mit dem Offertorium aus reformatorischer Sicht das Opferhandeln der Kirche und damit das fromme Werk der Menschen und stellte die Priesterrolle zu stark heraus. Erhalten blieben aufgrund ihrer biblischen Legitimation oft allein die Einsetzungsworte, die nun als Verheißung aufgefasst wurden, deren Erfüllung Christus und nicht dem Priester als Konsekrator zuzusprechen sei. Auch die Präfation mit dem Sanctus blieb als Rühmung weitgehend erhalten. Nach der Auffassung der Zeit gehörte dieser Teil ja nicht zum Hochgebet, sondern stellte eine Vorrede dar. Insgesamt war man bestrebt, die Eucharistie stiftungsgemäß zu vollziehen. Nach anfänglichen Versuchen, den ganzen Kanon evangelisch umzuformen, führte dies schließlich fast überall zu seiner völligen Entfernung. Manche seiner Funktionen wurden auf andere Elemente wie die bereits erwähnte Vermahnung verlagert, auf das Allgemeine Gebet, das Vaterunser, auf Gemeindegesänge einschließlich Sanctus und Agnus Dei. Dies galt vor allem für den an die Messfeier anknüpfenden Typ. So entstand eine biblisch elementarisierte, für die Gemeinde fassliche evangelische Abendmahlsliturgie. Die oberdeutschen Ordnungen dagegen, die sich nicht an der Messfeier orien­ tierten, brachten wesentliche Elemente wie Danksagung und preisendes Bekenntnis auf andere Weise zur Geltung, z. B. im einleitenden Abendmahlsgebet, im besonders ausgeprägten Lobgebet zum Schluss oder im eingefügten Credo. Eine eindeutige Zuordnung der beiden Typen zur lutherischen bzw. reformierten Konfession ist nicht möglich, wenn auch der laikale Abendmahlstyp der reformierten näher steht; denn beide Formen haben sich ja aus Vorgaben der mittelalterlichen Kirche entwickelt. Ein gemeinsamer inhaltlicher Nenner liegt in der Vergebung der Sünden, die als Gabe im Abendmahl empfangen wird. So kommt es zu betonten Ausformungen von Vorbereitungsgottesdiensten und Akten gemeinsamer Buße im Kontext des Abendmahls, wie dem ausdrücklichen Sündenbekenntnis und der offenen Schuld. Das Abendmahl selbst wird so als Siegel der Vergebung für den Einzelnen verstanden. Da bei Luther Sündenvergebung und Rechtfertigung austauschbare Begriffe sind, kann man in der rechtfertigungstheologischen Zuspitzung das Proprium des evangelischen Abendmahlsverständnisses sehen, das auch in den Liturgien zum Ausdruck kommt. Andere Aspekte, z. B. jener der Communio, der Ostercharakter oder der eschatologische Aspekt, treten demgegenüber in den Hintergrund. Der Verzicht auf die Feierdimension zugunsten des Rechtfertigungsmotivs führt letztlich zu einer eher düsteren Färbung der evangelischen Abendmahlsliturgie. So wird die Abendmahlsvermahnung in Anknüpfung an die Ermahnung des Paulus zum würdigen Genuss des Herrenmahles (1 Kor 10,11) teilweise zu einer umfangreichen Bußpredigt ausgeweitet, die wohl abschreckende Wirkung gehabt haben dürfte. Deutlicher werden im Unterschied zu

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3  Geschichtliche Skizze zur Liturgie aus der Perspektive der römischen Tradition

vergleichbaren mittelalterlichen Gebeten freilich der Gemeinschaftsaspekt der Sünde und damit der Verpflichtungscharakter des Mahles. Bei der diachronen Betrachtung einer einzigen Abendmahlstradition, z. B. der anglikanischen, lassen sich gewisse Konstanten feststellen. So findet ein Wechsel zunächst der Sprache, dann der Struktur statt. Einen ähnlichen Befund zeigen bereits die Abendmahlsordnungen Martin Luthers: Die lateinische Formula Missae von 1523 ist noch stark dem Ordo Missae verpflichtet. Zwei Jahre später verfasste Luther die deutsche Messe, eine schlichte Gottesdienstform, die »um der einfältigen Laien willen« nötig erschien. Die Präfation ist hier durch eine Vaterunser-Paraphrase ersetzt, die auch die Funktion der Kanonbitten übernimmt. Die VaterunserParaphrase geht über in eine anamnetisch gefärbte Abendmahlsvermahnung. Einsetzungsworte und Kommunion sind miteinander verschränkt. Die Verba Testamenti werden im Evangelienton rezitiert und erhalten – nun ganz aus dem Gebetszusammenhang herausgelöst – Proklamationscharakter. Während der Austeilung wird, neben anderen Dankliedern, das deutsche Sanctus gesungen, das deutlich den Biblizismus Luthers zum Ausdruck bringt. Dankgebet und Segen schließen die Feier ab. Aus diesen Beobachtungen lassen sich einige Gesetzmäßigkeiten reformatorischer Liturgiereform herleiten. Eine davon bestand in der Vorherrschaft der Verkündigung; diese brachte die Muttersprachlichkeit und sprechende Formen mit sich. Ein zweiter Grundzug war der liturgische Ausdruck des reformatorischen Rechtfertigungsgedankens, wobei man jeglichen Anschein von Werkgerechtigkeit vermied, zu der man den katholischen Opfergedanken zählte. Alle »verdächtigen« Elemente der römischen Messe wurden demgemäß eliminiert. Insgesamt kann man zwei geradezu gegenläufige Bewegungen feststellen: Ging es einerseits darum, den Gottesdienst volksnäher zu gestalten – daher auch die Übernahme paraliturgischer Grundformen –, so führte andererseits die theologische Akzentuierung zu einer Entfremdung. Der Verzicht auf volksnahe Feierelemente brachte eine Strenge mit sich, die vielen als nicht akzeptabel erschien. Dies wurde nur teilweise durch volkstümliche Elemente wie das Kirchenlied gemildert.

3.7.5 Das Liturgieverständnis der Katholischen Reform Mit der Reformation und der daraus entstehenden Konfessionsbildung waren fruchtbare Ansätze einer Inkulturation der römischen Liturgie gestoppt (Haunerland/328; Gerhards/312). Die Ansätze bestanden im Einfügen volkssprachlicher Gesänge an bestimmten Stellen der Messfeier. So gab es an Hochfesten Zwischenstrophen (Tropen) zu den Sequenzen (z. B. das Lied »Christ ist erstanden« als Tropus der Ostersequenz »Victimae paschali laudes« sowie Lieder nach der Predigt und nach der Wandlung). An diese Bräuche anknüpfend versuchten Einzelpersönlichkeiten wie der Bautzener Domdechant Johann Leisentrit (1527–1586) und Georg Witzel in Mainz (1501–1573), weitergehende Vorstellungen hinsichtlich der Verwendung der Volkssprache in der katholischen Messliturgie zu realisieren. Dies wurde aber aufgrund der sich verschärfenden konfessionellen Abgrenzungstendenzen bald unmöglich.

3.7  Die Liturgie in der Zeit der Reformation und der Katholischen Reform101

Das Konzil von Trient (1545–1563) hielt an der durchgehend lateinischen Messe fest; doch konnten sich regionale Sonderbräuche aus vorreformatorischer Zeit behaupten (Haunerland/330). Im Barock stößt man auf eine bunte Vielfalt von Möglichkeiten mehr oder weniger volksnaher Liturgie (Bärsch/282). Da gibt es zum einen die volle Prachtentfaltung des barocken Pontifikal- oder Festgottesdienstes, ein Schauspiel mit opernhafter Inszenierung. Daneben aber entwickelten sich Formen volkstümlichen Gottesdienstes, z. B. die in dieser Zeit prachtvoll ausgestaltete Fronleichnamsprozession. Insgesamt bestand das Bedürfnis, Festfreude zu artikulieren. Dies geschah im eigentlichen eucharistischen Gottesdienst und in der Vesper durch Spezialisten, Chorsänger und Instrumentalisten. Problematisch wurde es da, wo solche fehlten. Ein mehr schlecht als recht gesungenes Choralamt konnte das Bedürfnis nach Feierausdruck nicht befriedigen. Vor allem in Diasporagebieten gerieten die Katholiken angesichts der evangelischen Konkurrenz in Zugzwang. Dort war man gewohnt, den gewünschten musikalischen Ausdruck durch Gemeindelieder zu erzielen. Nicht aus grundsätzlichen Erwägungen, sondern durch Einsicht in die pastoralen Erfordernisse wurden im Lauf des 17. Jahrhunderts die strengen Bestimmungen bezüglich der Muttersprachlichkeit im Gottesdienst gelockert. Einen Meilenstein stellte das Mainzer Cantual von 1605 dar, eines der verbreitetsten Gesangbücher der Zeit. Im Vorwort heißt es, viele Gläubige hätten jetzt größeres Interesse daran, im Gottesdienst zu singen, als bloß schweigend das Leiden Christi zu betrachten oder den Rosenkranz zu beten. So wird erlaubt, zumal in ärmlicheren Gemeinden, an verschiedenen Stellen den Chorgesang durch Gemeindelieder zu ersetzen. In der gegenreformatorischen Liturgiereform sind unterschiedliche Stoßrichtungen zu unterscheiden. Gegenüber der reformatorischen Leugnung des Opfercharakters der Messe wurden all jene Elemente gefördert, die diesen Charakter betonten. Dazu gehörte auch die Hervorhebung des besonderen Priestertums. So sollte den Gläubigen der Inhalt des Kanons verborgen bleiben. Dementsprechend war für sie auch keine wirkliche Beteiligung am Messgeschehen vorgesehen. Dieser zentralistischen und klerikalen Sicht der Liturgie standen andere Tendenzen gegenüber, geprägt vor allem von pastoralen Einsichten der gegenreformatorischen Mission. Diese versuchten, den volksnahen evangelischen Formen katholischerseits Entsprechendes gegenüberzustellen. Anknüpfungspunkte waren Sondertraditionen aus vorreformatorischer Zeit, die aufgrund der relativ toleranten Ausführungsdekrete Trients erhalten geblieben waren. Diese baute man in Richtung auf ein deutsches Hochamt aus, wie es gegen Ende der Barockzeit in einigen Gebieten möglich wurde. Freilich blieb es auch hier weitgehend beim Nebeneinander von Priester und Gemeinde. Während die Gemeinde das mehr oder weniger passende deutsche Lied sang, sprach der Priester den vorgeschriebenen lateinischen Messtext. Dieser Typ von Messfeier hielt sich auch in der Aufklärungszeit und verkörpert sich beispielsweise in Franz Schuberts »Deutscher Messe«. Nimmt man die anderen sog. paraliturgischen Gottesdienstformen hinzu, so kann man aufs Ganze gesehen jedoch sagen, dass es der Katholischen Reform gelungen ist, einen zeitgemäßen liturgischen Ausdruck zu finden, der das Verlangen des Volkes nach Beteiligung erfüllte und zugleich die dogmatische Integrität wahrte, wie sie von Trient gefordert war. Neben den er-

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3  Geschichtliche Skizze zur Liturgie aus der Perspektive der römischen Tradition

wähnten Möglichkeiten der aktiven Teilnahme der Gläubigen, die natürlich nicht überall gegeben waren, ist die optische Dimension des Gottesdienstes zu nennen. Nach den Wirren des 30-jährigen Krieges entstand ein großes Verlangen nach Repräsentation und Fülle. Die barocken Kirchenräume kamen diesem Verlangen entgegen. Sie boten dem Volk, was ansonsten nur den gehobenen Schichten vorbehalten war. So konnte sich im Schauen, das nun durch keine Chorschranken und Lettner mehr verstellt war, eine – wenn auch weitgehend passive – Teilnahme verwirklichen. Aktive Beteiligung ermöglichten die zahlreichen Andachten, Prozessionen und Wallfahrten.

3.8 Liturgische Reformansätze der Aufklärungszeit Eine wichtige Voraussetzung für die Reformansätze der Aufklärungszeit war das Entstehen der modernen Liturgiewissenschaft mit ihrer systematischen Erforschung und Herausgabe alter liturgischer Quellen. In der mitunter vernichtenden Kritik der Aufklärungsliturgik warf man nicht selten die extremen und die moderaten Ansätze jener Zeit in einen Topf. Tatsächlich muss man die herausragenden Vertreter vor dem Vorwurf in Schutz nehmen, sie hätten die Liturgie allein aus dem Menschlichen heraus entwickelt, dabei aber unterlassen, sie aus dem Göttlichen zu bilden. Dem Geist der Zeit entsprechend fehlte freilich bei manchem Liturgiker eine Theologie der Liturgie, welche die äußeren und inneren Elemente organisch miteinander zu verbinden vermocht hätte. Dieses Auseinanderklaffen der sichtbaren Seite und der dahinter verborgen geglaubten Wirklichkeit gründete letztlich noch im äußeren Gepränge der barocken Prachtentfaltung. Die Aufklärungszeit zog daraus die Konsequenzen, indem sie die Prachtentfaltung demontierte, indes ohne immer bis zur eigentlichen Dimension des Symbols vorzustoßen.

3.8.1 Zielsetzung und Reforminhalte der Liturgik der ­Aufklärungszeit Umfangreiche Reformen und Erneuerungen der Liturgie ereigneten sich zwischen 1750 und 1850 unter dem Einfluss der Aufklärung sowohl in der katholischen Kirche als auch in den Kirchen der Reformation. Zentren waren katholischerseits die Erzbistümer Breslau, Konstanz und Mainz (Kranemann/357). Einzelne Bischöfe und Generalvikare verantworteten und initiierten die Reformen, die fast ausschließlich vom Klerus betrieben wurden. Intensivierungen der Priesteraus- wie -fortbildung gehören zu diesem Reformprogramm hinzu. Eine umfangreiche Literatur gibt heute noch einen Eindruck von dessen Umfang und Intensität. Foren der Information und Diskussion über die Liturgie waren vor allem Zeitschriften wie das »Diöcesanblatt für den Clerus der Fürstbischöflich Breslauer Diöces« (1803–1820), das »Archiv für die Pastoralkonferenzen in den Landkapiteln des Bisthums Konstanz« (1804–1827) mit seiner Vorläuferin, der »Geistlichen Monatschrift mit besonderer Rücksicht auf das Bisthum Constanz« (1802/03) oder die in Linz herausgegebene »Theologisch-Praktische Monathschrift zunächst

3.8  Liturgische Reformansätze der Aufklärungszeit103

für Seelsorger« (1802–1811) (Einen Überblick geben Aufklärungskatholizismus/280; Kohlschein/206; Kranemann/361). Das Ziel der Reformen war erstens, eine im Sinne des Glaubens belehrende Liturgie zu schaffen, die den Menschen zur Wahrheit und Tugend führen sollte. Förderung der Liebe zu Gott und dem Nächsten, aber auch Bereicherung von Religionskenntnissen werden als Aufgaben einer Liturgie zugesprochen, die ganz im Geiste der Aufklärung den Menschen auf einen höheren Stand des Sittlichen führen soll. Dafür aber reicht eine äußerliche Mitfeier des Gottesdienstes nicht; vielmehr muss der Gläubige am inneren Wert der Liturgie teilhaben. Eine in dieser Weise konzipierte Liturgie bedarf zweitens der Sinnlichkeit oder, wie es zeitgenössisch heißt, der Erbauung. Die erbauliche Liturgie soll den Menschen mit Vernunft und Empfindung ansprechen und so die Wirksamkeit der Liturgie erhöhen. Ein dritter Begriff, der immer wieder auftaucht, ist »Zweckmäßigkeit«. Die Liturgie muss so beschaffen sein, dass sie ihren Zweck verwirklichen kann. Erkennbar werden soll die Stiftung durch Christus; Würde, Harmonie und Feierlichkeit werden gefordert. Man unterscheidet zwischen dem Unveränderlichen im Gottesdienst, das man auf Christus und die Apostel und auf kirchliche Vorschrift zurückführt, und dem Veränderlichen und Temporären. Die Liturgie verkündet, dass derjenige, der Christus, dem Erlöser, folgt – Christus wird auch als vorbildlicher Mensch und als Lehrer angesehen –, seine Glückseligkeit verwirklichen wird. Der Mensch vertraut auf Gott, denn bei Gott vollenden sich Tugendhaftigkeit und Glückseligkeit. Die Reform der Liturgie betrifft vor allem das Rituale (Keller/343) sowie Gesang- und Gebetbücher (Der große Sänger David/326), weniger Breviere (Koch/351; Gahn/304) und offensichtlich nicht das Messbuch insgesamt. Eine Neuerung war die starke Gewichtung der Gemeindevesper (Popp/393; Kohlschein/352). Die Liturgiker der Aufklärung förderten die regelmäßige Sonntagspredigt und wollten das liturgische Leben auf die Pfarrgemeinde konzentrieren. Wallfahrten und Prozessionen wurden zugunsten des Pfarrgottesdienstes stark beschnitten. Ähnliches gilt für Benediktionen, die unter dem Verdacht standen, Ausdruck des Aberglaubens zu sein. Die überarbeiteten oder auch neu konzipierten liturgischen Bücher folgen zum größeren Teil eng diözesanen Traditionen. Die lateinischen Texte wurden fast durchgängig ins Deutsche übertragen  – ein entscheidendes Merkmal dieser Reform. Besonderes Interesse galt auch den liturgischen Zeichen, denen man mehr Deutlichkeit verleihen wollte. Für verschiedene Seelsorgssituationen und für unterschiedliche Teilnehmer an der Liturgie bot man, besonders im Bereich der Ansprachen, Textvarianten an. Daran ist ein weiteres Ziel dieser Reform abzulesen: Um den Zweck der Liturgie zu erreichen, sollten die Gläubigen verständig an der Liturgie teilnehmen können. Muttersprachlichkeit und Variationsmöglichkeiten in den liturgischen Büchern arbeiteten dem zu. Als aber dies in ein Verhältnis von Religionslehrer (Priester) zu Schüler (Gläubige) umschlug, übertrug sich einer­seits das dem aufgeklärten Absolutismus in anderen gesellschaftlichen Bereichen vertraute Hierarchie- und Autoritätsverhältnis auf die Liturgie. Insofern es andererseits liturgische Bücher dem Kirchenvolk ermöglichten, die Liturgie zu verstehen und sich dem Gebet des Priesters anzuschließen, kann man eventuell von einer anfanghaften Emanzipation der Gläubigen sprechen.

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3  Geschichtliche Skizze zur Liturgie aus der Perspektive der römischen Tradition

Zur Liturgiegeschichte dieser Zeit gehört, dass sich Gläubige den Reformen widersetzten und Neuerungen bisweilen mit Druck durchgesetzt wurden. Die Liturgie der Aufklärung war nie unumstritten; auch in späterer Zeit erfuhr sie heftige Kritik. Erst im Laufe des 20. Jahrhunderts fand die Liturgiewissenschaft zu einem differenzierten Bild.

3.8.2 Das Beispiel der Synode von Pistoia: Geistesgeschichtliche Hintergründe und Reformprogramm Ein bemerkenswertes Beispiel für Liturgiereform im Geiste der Aufklärung stellt die Synode von Pistoia 1786 dar. Die geistesgeschichtlichen Hintergründe der Synode von Pistoia sind in den Auswirkungen des französischen Jansenismus im Italien des 18. Jahrhunderts zu suchen (Gerhards/318). In gewisser Weise war der Jansenismus die Spätfolge der unterdrückten Reformation in Frankreich. Dogmatisch handelt es sich um den Versuch einer Wiederaufnahme des Augustinismus, vor allem in den Fragen der Gnadenlehre und der Prädestination. In der praktisch-ethischen Konsequenz führt dies zu einem moralischen Rigorismus, gegenüber dem das dogmatisch-spekulative Interesse in Italien deutlich in den Hintergrund tritt. Der moralische Rigorismus war vorzüglich geeignet, eine allgemeine Kirchenreform durchzuführen, wie sie zu dieser Zeit überfällig erschien. In Österreich standen die Josephinischen Reformen (Hollerweger/335) Modell für den Reformversuch in der Toskana. Zu diesem gab Leopold II. (1747–1792) den Anstoß, Sohn Maria Theresias von Österreich (1717–1780), der etwa ein Vierteljahrhundert lang Souverän in Florenz war, bevor er 1790 den Kaiserthron in Wien bestieg. Der kirchliche Partner Leopolds für sein Reformprogramm war Bischof Cipione de’ Ricci (1741–1810), der während seines Studiums in Rom von jansenistischem Geist geprägt wurde. 1780 wurde Ricci zum Bischof von Pistoia und Prato ernannt. Von hier aus sollte ein umfassendes Kirchenreformprogramm für die ganze Toskana durchgeführt werden. Leopold von Toskana war bestrebt, das Verhältnis von Staat und Kirche im Sinne der Josephinischen Reformen neu zu ordnen. Dazu wollte man das konziliare Prinzip gegenüber dem kurialen Zentralismus stärken, insbesondere durch regelmäßiges Abhalten von Synoden auf verschiedenen Ebenen. Um die Reform in die Wege zu leiten, sandte Leopold mit Datum vom 26. Januar 1786 den Bischöfen der Toskana eine Rahmenordnung für die Kirchenreform zu, die sog. »Punti Ecclesiastici«. Sie behandelten fast alle Bereiche des Gottesdienstes: Messe, Stundengebet, Sakramentenspendung, Andachten, Prozessionen und sonstiges Brauchtum. So heißt es z. B., dass es notwendig sei, die öffentlichen Gebete zu verbessern, wenn sie der Lehre der Kirche widersprechende Aussagen enthalten. Eine der Hauptaufgaben der Synoden sei es, sich der Reform der Breviere und Missalien zuzuwenden, indem man falsche und irrige Aussagen beseitigt und dafür sorgt, dass innerhalb eines Jahres die ganze Heilige Schrift gelesen werde. Insbesondere wird eine Reform des gesamten Stipendien- und Ablasswesens angeregt. Ein besonderes Merkmal aufklärerischer Reform ist die Abschaffung der vielen Feiertage, deren Zahl inzwischen tatsächlich zum sozialen Problem geworden war. Weitere Reformimpulse betreffen die Reliquien- und Heiligenverehrung sowie detaillierte Anweisungen für den Kirchenschmuck. Die heiligen

3.8  Liturgische Reformansätze der Aufklärungszeit105

Handlungen haben allein den Zweck, das Volk zur wahren und aufgeklärten Andacht zu führen. Die »Punti Ecclesiastici« des Landesfürsten waren dem Bischof von Pistoia und Prato ein willkommener Anlass, Ernst zu machen mit der Reform des gesamten kirchlichen Lebens, die er seit langem anstrebte. So berief er eine Diözesansynode ein, die vom 18. bis 28. September 1786 in Pistoia stattfand. Das verabschiedete Dekret über das Gebet enthält zahlreiche Aussagen über die Liturgie. Folgende Aspekte stehen im Vordergrund: Wie in der Alten Kirche soll unter Beteiligung der Gläubigen an Ostern und Pfingsten wieder eine feierliche Taufliturgie abgehalten werden. Insgesamt versucht man, eine übertriebene eucharistische Frömmigkeit auf das Maß altchristlicher Eucharistieverehrung zurückzuschneiden. Fundamental ist die Aussage der Synode, dass die Gläubigen Mitopfernde bei der Messe sind: Die Liturgie ist eine gemeinsame Handlung von Priester und Volk. Daraus werden einige Folgerungen abgeleitet, die heute selbstverständlich erscheinen: Die Riten der Liturgie sollen vereinfacht werden; die Liturgie soll stets mit lauter Stimme und in der Muttersprache der Gläubigen vollzogen werden; außerdem sollen Bücher verfasst werden, die zum Mitlesen für die Gläubigen den Messordo in der Volkssprache enthalten. Eine weitere Konsequenz des Prinzips der Teilnahme der Gläubigen an der Liturgie ist die Spendung der Kommunion an die Feiernden in jeder Messe. Was die Ausgestaltung des liturgischen Raums anbetrifft, soll nur ein Altar in der Kirche sein, auf dem keinerlei Bilder und Reliquien stehen dürfen. Reliquien und Bilder werden nur als Zeichen der zukünftigen Auferstehung gedeutet. Freilich bleibt der Zusammenhang zum Inhalt rein äußerlich. Bilder sind für die Synode bloß Bücher-Ersatz für Analphabeten, die an bestimmte Heilsereignisse erinnern sollen. Dementsprechend lässt man nur belehrende und erbauliche Bildthemen zu. Die Synode greift die Forderungen der »Punti Ecclesiastici« bezüglich der Revision von Brevier und Missale auf. Die darin enthaltenen »Lügen« und andere Unzulänglichkeiten seien zu tilgen. Die Lesungen des Breviers seien so einzurichten, dass während eines Jahres die ganze Bibel gelesen wird. Die gesamte Reform des öffentlichen Gebets der Kirche dient dem Ziel, dem Volk die geeigneten Mittel an die Hand zu geben, um seine Stimme mit der ganzen Kirche zu vereinen. Insgesamt zeigt das Reformprogramm von Pistoia beachtliche Ansätze, die man als Vorläufer der liturgischen Erneuerung im 20. Jahrhundert ansehen könnte. Tatsächlich wurde eine Reform nach der barocken Überfülle als dringend notwendig betrachtet. Dies betraf z. B. die Überzahl an Heiligenfesten, Novenen, Oktaven, Wallfahrten, Prozessionen usw. Die Missbräuche im Zusammenhang mit Ablässen, Benefizien und Stipendien waren offenkundig. Es ging um eine Konzentration auf das Wesentliche: Der Sonntag sollte als zentraler christlicher Feiertag wiederhergestellt werden. Mittelpunkt der christlichen Gemeinschaft sollte die Pfarrei sein, womit man individualistischen Heilsvorstellungen entgegentrat. So legte die Synode Wert darauf, dass die Liturgie in einem Wechselbezug zum Leben stehen solle.

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3  Geschichtliche Skizze zur Liturgie aus der Perspektive der römischen Tradition

Das ehrgeizige Reformvorhaben scheiterte an inneren und äußeren Faktoren. Man könnte sich der Meinung vieler Historiker anschließen, dass das Reformprogramm von Pistoia Episode geblieben sei. Doch stimmen viele Forderungen der Synode von Pistoia mit denen der späteren Liturgischen Bewegung überein, z. B. was die Bedeutung der Gläubigenkommunion innerhalb der Messe, die Stellung der Volkssprache und die »tätige Teilnahme« beim Opfer anbetrifft. Neben zeitbedingten Forderungen artikulierten die Aufklärer alte Anliegen des Mittelalters und vor allem der Reformationszeit. Dass die Reformansätze von Pistoia scheiterten, hat biographische und geschichtliche Gründe. Es waren wohl die falschen Protagonisten, und es war die falsche Zeit, die für eine wirkliche liturgische Erneuerung nicht reif war. Dafür bedurfte es weiterer Voraussetzungen, von denen im Folgenden die Rede ist.

3.9 Liturgische Strömungen im 19. Jahrhundert Die Gleichzeitigkeit unterschiedlicher Geistesströmungen macht eine einheitliche Beurteilung der Zeit zu Beginn des 19. Jahrhunderts schwierig. Zu bedenken sind vor allem die Säkularisation und ihre Folgen (z. B. das Ende der Klosterliturgie, die Aufhebung der geistlichen Herrschaften und ihrer Musikkultur) sowie die Spätfolgen der Französischen Revolution und der napoleonischen Wirren. Geistesgeschichtlich machen sich schon Gegenströmungen bemerkbar. Wirksam bleiben jedoch einzelne Anliegen der Aufklärung: bessere Belehrung und Bildung für Klerus und Volk, autoritäre Regelungen für Kunstschaffen und Kunstübung sowie die Betonung der Verantwortlichkeit der Ortsbischöfe. Daneben machen sich Tendenzen der Romantik breit: der Hang zum Historismus und zur Restauration des idealisierten Mittelalters, das Aufgreifen nationalistischer Leitbilder und das Aufkommen ökumenischer Ideen mit dem Ziel nationaler Kircheneinheit. Schließlich bilden sich aber auch antiromantische Reformtendenzen heraus: zentralistische Orientierung der katholischen Kirche an Rom, die neuerliche Verfestigung konfessioneller Trennungen sowie eine radikale Abgrenzung der Kirche gegenüber der als kirchenund glaubensfeindlich empfundenen Welt. Die hier summarisch angeführten Tendenzen lassen die ungeheuren Spannungen dieses Jahrhunderts erahnen (Kranemann/358). Im Folgenden sollen besonders die zeitbedingten Auswirkungen auf die Kirchenmusik bedacht werden, da vor allem in diesem Bereich Neuerungen denkbar waren (Gerhards/313; Koch/640; Jaschinski/637). Die Texte und Riten standen im Gegensatz dazu nach den Reformversuchen der Aufklärung nicht zur Debatte. Sie waren durch die teilweise erst jetzt durchgeführte Tridentinische Reform »für alle Zeiten« festgelegt. Auch der Kirchenraum änderte sich kaum; zwar griff der Historismus auf die mittelalterliche Formensprache zurück und schuf teilweise beeindruckende Raumensembles, doch blieb das Raumprogramm im Wesentlichen das der Katholischen Reform.

3.9  Liturgische Strömungen im 19. Jahrhundert107

3.9.1 Die Kirchenmusik als »heilige Kunst« Die Kirchenmusik war im frühen 19. Jahrhundert einer zweifachen Gefahr ausgesetzt: zum einen der Gefahr der Verweltlichung, zum anderen der Gefahr geistlicher und künstlerischer Verarmung, sofern die Kirchenmusik gemäß radikal-aufklärerischen Richtlinien verändert worden war. Im Allgemeinen versuchte man diesen Gefahren mit formalen und stilistischen Reformen zu begegnen und forderte eine »heilige Tonkunst«. Damit ging die Idealisierung der alten Musik einher. Gegenüber dieser galt die zeitgenössische Musik als theatralisch verflacht, weltlich und lasziv. Hinter der Suche nach dem reinen kirchenmusikalischen Stil verbirgt sich ein Drama, dessen Folgen bis heute nachwirken: die völlige Trennung von weltlich und geistlich. Das moralisch-asketische religiöse Gefühl der Romantiker ließ eigentlich keine kirchenmusikalische Entfaltung in der Liturgie zu. Dies gilt in ähn­ licher Weise auf evangelischer wie auf katholischer Seite. Dafür entwickelte sich in den bürgerlichen Konzertsälen ein neuer Stil der geistlichen Konzerte, dessen Beginn mit der Wiederaufführung der Matthäus-Passion von Felix Mendelssohn-Bartholdy (1809–1847) anzusetzen ist. Werke wie das »Deutsche Requiem« von Johannes Brahms (1833–1897) sind eigens für den Konzertsaal geschrieben und nicht mehr liturgisch verwurzelt. Eine wirkliche Erneuerung der Kirchenmusik konnte  – jedenfalls aus damaliger Perspektive  – von dieser Seite nicht kommen. Sie setzte eine Rückbesinnung auf die Grundlagen des christlichen Glaubens voraus. Einer der wichtigsten Vordenker in dieser Richtung war Johann Michael Sailer (1751– 1832). Sailer prägte, vor allem durch seinen großen Schülerkreis, nachhaltig die gesamte Reform des 19. Jahrhunderts. Die von ihm ausgehenden Impulse beruhten auf einer liturgietheologischen Grundlegung, die einerseits der katholischen Aufklärung verpflichtet war, andererseits bereits die Grundlinien zur späteren Restauration enthielt. Nach seiner Auffassung muss alle wahre Religion eine doppelte sein: eine innere und eine äußere. Wahre Religion hat sich daher in Kunst bzw. Kult zu äußern. Umgekehrt muss auch alle wahre und heilige Kunst wie jede Liturgie Offenbarung Gottes und zugleich Offenbarung des Glaubens sein. Kunst und Liturgie sind also notwendige Konsequenzen der Religion als Offenbarung. Daneben hat Kunst die Aufgabe, belebend nach innen zu wirken. Offenbaren und Beleben sind für Sailer Grundfunktionen aller Liturgie und der wahren Religion überhaupt. Aus den allgemeinen Erkenntnissen zog Sailer Konsequenzen in Bezug auf die Gestaltung des Gottesdienstes, der für ihn Tun der ganzen Kirche ist. Deshalb ist auch der Volksgesang von liturgischer Relevanz. Dies bedeutete bei ihm freilich nicht, dass zu festlicheren Anlässen nicht der Chor den Gesangspart übernehmen könnte. Sosehr er für die Verwendung der Muttersprache in der Liturgie eintrat, setzte er diese doch nicht absolut. Diese Ausgewogenheit ist charakteristisch für Sailer. So zeigte er sich reserviert gegenüber den übertriebenen Forderungen der Aufklärer nach Einfachheit; diese dürfe nicht in Simplizität ausarten. In solchen Anschauungen Sailers zeigt sich eine integrative Auffassung von Liturgie, wie sie sich erst ca. 100 Jahre später im Zuge der Liturgischen Bewegung entfalten konnte. Dennoch blieben die Ausführungen Sailers nicht ohne – freilich ambivalenten – Erfolg.

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3  Geschichtliche Skizze zur Liturgie aus der Perspektive der römischen Tradition

3.9.2 Die Entwicklung der Kirchenmusik im 19. Jahrhundert Mit der Berufung Sailers in das Domkapitel von Regensburg 1821 entstand dort ein Zentrum liturgischer Erneuerung (Dittrich/297). Die Persönlichkeit, mit der sich die Verwirklichung Sailerscher Ideen verband, war der schlesische Arzt und begabte Musikliebhaber Carl Pros­ke (1794–1861). Sailer bestellte ihn 1830 zum unbezahlten Verantwortlichen für die Dommusik. Nach Sailers Tod reiste Proske zweimal nach Italien, um echte liturgische Musik dort zu sammeln, wo sie seiner Meinung nach noch unverstümmelt zu finden war. König Ludwig I. (1786–1868) und die Regierung in München unterstützten das von Proske angeregte Reformprogramm der Musik, das sich indes gegen den Widerstand des Domkapitels zu behaupten hatte. Es war die Zeit, in der der Regensburger Dom und andere Kathedralbauten des Mittelalters vollendet wurden. Man wünschte in dem neuen Gehäuse eine ähnlich reine Musik zu entfalten, wobei man auch diese fälschlicherweise mit der Gotik gleichsetzte. So war man der Ansicht, dass der einfache Choral  – höchstens mit Orgelbegleitung  – dem gotischen Dom am ehesten angemessen sei. Dass die Reformansätze der Kirchenmusik im 19. Jahrhundert liturgietheologisch motiviert waren, zeigte sich in der weiteren Entwicklung. Diese stand unter dem Einfluss des Sailerschülers und Liturgikers Franz Xaver Schmid (1800–1871), der 1832 eine zweibändige Liturgik publizierte; sie wurde vom Regensburger Kreis eifrig studiert und zur Begründung der Reformen herangezogen. Schmid unterscheidet darin Zeremonien im engeren Sinne, die der Zelebrant auf Befehl der Kirche zu vollziehen hat, und gottesdienstliche Handlungen der Gläubigen, die lediglich der Zustimmung der Kirche bedürfen. Vor allem in der zweiten Auflage 1840 wurden die Neuansätze weiter ausgeführt in Richtung zentralistischer und kleruszentrierter Vorstellungen sowie einer Juridisierung der Liturgie. Hiermit ist von liturgischer Seite das Fundament für die später autoritär durchgeführten Reformen des Cäcilienvereins gelegt. Im Ansatz propagierte Schmid durchaus gültige Erkenntnisse über das Wesen von Kirchenmusik und Liturgie, die der alten römischen Tradition entsprachen. Die Kirchenmusik besitzt demnach nicht nur dienende Funktion, sondern bildet einen integrierenden Teil der gesamten Liturgie. Insbesondere die Menschenstimme ist ein lebendiges Organ des christlichen Gottesdienstes. Damit ist ihr Einsatz vom Mysterium der Liturgie selbst gefordert und dient nicht bloß ihrer Verschönerung. In der gemeinsamen Abwehr antikirchlicher liberaler Angriffe von verschiedener Seite entwickelte sich um die Mitte des Jahrhunderts jedoch zunehmend ein kämpferisches katholisches Bewusstsein, das die Erneuerung der katholischen Kirche durch restaurative Tendenzen förderte. Hinsichtlich Liturgie und Kirchenmusik bezog man sich dabei auf die Reformen in Regensburg. Unübersehbar ist eine zunehmende Juridisierung des Liturgiebegriffs. Liturgie besteht demnach wesentlich aus Zeremonien, die durch Rubriken (verstanden als liturgische Gesetze) festgelegt und angeordnet sind. Diese Grundideen wurden durch Franz Xaver Witt (1834–1888), den Gründer und ersten Präsidenten des Allgemeinen Cäcilien-Verbandes (ACV), programmatisch und organisatorisch umgesetzt und für die Zukunft wirksam gemacht. Ähnlich wie Proske hatte auch Witt in erster Linie die Erneuerung der Liturgie im Auge. Es ging ihm darum, die Kirchenmusik wieder in den Gottes-

3.9  Liturgische Strömungen im 19. Jahrhundert109

dienst einzugliedern. Witt vollzog eine scharfe Trennung zwischen der äußeren Gestalt und dem inneren Wesen der Feier, dem Opfer Christi. Der priesterliche Dienst bildet die Brücke von diesem inneren Wesen zum äußeren Vollzug. So ist Liturgie ein priesterlicher Dienst. Das verstand Witt aber nicht im Sinne des Priestertums aller Getauften, sondern nur in Bezug auf das Weihepriestertum, das allein zur Feier befähigt sei. Konsequenterweise wollte Witt, wie alle Cäcilianer, nur Männer (möglichst Kleriker) und Knaben im Gottesdienst singen lassen. Die Gläubigen haben in dieser Konzeption keinerlei Einfluss auf das gottesdienstliche Geschehen. Sie sind Teilnehmer, während der Chor Mitwirkender ist. Der Chor vertritt nicht die Rolle des Volkes, da das Volk im Gottesdienst gar keine Rolle spielen kann. Dies führte zur Unterscheidung zwischen »liturgischen und nichtliturgischen Gottesdiensten«. Nur in »Messen«, die nicht den Richtlinien für den Gesang unterlagen, den sog. Pri­ vatmessen des Priesters, war Gemeindegesang in der Volkssprache zulässig.

3.9.3 Die Cäcilienbewegung und zunehmende Zentralisierung der Liturgie Bei Franz Xaver Witt macht sich der geistesgeschichtliche Wandel im katholischen Deutschland des 19. Jahrhunderts bemerkbar. Witt verschärfte zentralistische Tendenzen, indem er den Bischöfen das Recht zur Ordnung der Liturgie absprach. Demgemäß wurde der ACV zu einem Organ, das die Einhaltung der liturgischen und kirchenmusikalischen Vorschriften Roms überwachte. Dazu sollten die bis dahin unsystematisch zusammengestellten Bestimmungen in ein kirchenmusikalisches Gesetzeswerk integriert werden. Gemäß einem privaten, aber weit verbreiteten Handbuch – »Die Kirchenmusik nach dem Willen der Kirche« von Paul Krutschek – war der Volksgesang in der Liturgie nicht nur abzulehnen, sondern sollte gänzlich ausgerottet werden. Das eigentliche Gotteslob bestehe nicht in der musikalischen Gestalt, sondern im akribischen Befolgen der Gesetze. Bei genauerem Hinsehen handelte es sich hier um eine Aufkündigung all jener Inkulturationsprozesse, die sich seit der Übertragung oder Übernahme römischer Liturgie in andere Länder je ereignet hatten. So wird der gregorianische Choral als der liturgische Gesang im strengen Sinne angesehen. Es ging den Cäcilianern aber nicht um die Frage der Authentizität, um die sich klösterliche Studienzentren vor allem in Frankreich bemühten. Es ging lediglich um eine von Rom autorisierte Ausgabe des Chorals; nur sie konnte liturgischen Rang beanspruchen. Im Grunde räumte man dem Choral jedoch bloß formal die hohe Stellung ein. Künstlerisch sah man die polyphonen Kunstwerke  – nicht zuletzt die mitunter fragwürdigen Eigenschöpfungen der Cäcilianer – als höherwertig an. Dennoch wäre es falsch zu behaupten, die Cäcilienbewegung hätte sich nicht um liturgische Bildung bemüht. Im Gegenteil: Es ging dieser Bewegung darum, die tatsächlich weitgehend defizitäre Situation von Liturgie und Kirchenmusik zu verbessern. Organisatorisch geschah dies durch die Herausbildung von kirchenmusikalischen Zentren und die flächendeckende Einführung des ACV. Dieses Reformprojekt gelang. Überall wurden Kirchenchöre gegründet. Allgemein hob sich das kirchenmusikalische Niveau, selbst dasjenige des Volksgesangs.

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3  Geschichtliche Skizze zur Liturgie aus der Perspektive der römischen Tradition

3.9.4 Von der Restauration zur Liturgischen Bewegung Die Entwicklung der Kirchenmusik im 19. Jahrhundert ist ein gutes Beispiel dafür, wie sehr Reformen Kind ihrer Zeit sind. Roter Faden war die Erkenntnis, dass Kirchenmusik bzw. Kirchengesang integrierender Bestandteil feierlicher Liturgie ist, insofern sich diese eigentlich nur im gesungenen Vollzug recht entfaltet. Die Beurteilung der Kirchenmusik hing dabei jeweils von der Bestimmung ab, worin Liturgie bestehe. Den Frühcäcilianern ging es darum, die Kirchenmusik aus ihrer Verselbständigung und Verweltlichung wieder in den eigentlichen liturgischen Raum hineinzuholen. Da man unter Liturgie den Gottesdienst der ganzen Kirche verstand, also auch der Gläubigen, war der Gemeindegesang als gottesdienstlicher Gesang durchaus erwünscht, und der Chor nahm in festlichen Gottesdiensten lediglich eine Stellvertreterrolle ein. Am Ende der Entwicklung, nach Etablierung der Cäcilienbewegung, war die Kirchenmusik als Bestandteil der Liturgie restituiert. Die Juridisierung und exklusive Herausstellung des priesterlichen Dienstes der Liturgie führte aber konsequenterweise zu einer Klerikalisierung des Chors mit der fatalen Folge, dass entsprechend dem damaligen Verständnis den Frauen keine Mitwirkungsmöglichkeit mehr gegeben war. Diese Position wurde 1903 in die Kirchenmusikinstruktion Papst Pius’ X. (1903–1914) übernommen. Merkwürdigerweise steht gerade dieser Papst, der zunächst die Zentralisierung und Juridisierung von Liturgie und Kirchenmusik verkörperte, zugleich für den Wendepunkt: die grundlegende liturgische Erneuerung im 20. Jahrhundert.

3.10

Die Liturgische Bewegung und Erneuerung

3.10.1 Persönlichkeiten und Zentren der Liturgischen Bewegung Die Liturgische Bewegung gehört zu den komplexesten Phänomenen der Kirchengeschichte des 20. Jahrhunderts (Haunerland/331). Dies zeigt sich schon beim Versuch, ihren Beginn festzumachen. Unwillkürlich gerät man immer weiter in die Geschichte zurück, wenn man deren Wurzeln aufdecken will. Sie liegen teilweise im 16. Jahrhundert, also in der Zeit der Reformation und Katholischen Reform. Wichtige Impulse kamen auch aus der Aufklärungszeit. Die eigentlichen Vorläufer der Liturgischen Bewegung finden sich freilich im zweiten und im letzten Drittel des 19. Jahrhunderts. Wie dargelegt, führten gerade der Zentralismus und die Rom-Orientierung zu einer neuen Beschäftigung mit der alten Liturgie. In Frankreich und Deutschland kam es zu Übersetzungen des Messbuches. Merkwürdigerweise war also der Aufbruch im 20. Jahrhundert eine Frucht der restaurativen Tendenzen im 19. Jahrhundert. Wichtige Zentren dieser Restauration waren französische und belgische Benediktinerklöster, die sich aus ihrer Tradition heraus um die wahre Erneuerung der Kirchenmusik und damit der gesamten Liturgie bemühten. Ganz diesem Geiste verhaftet ist die Kirchenmusikinstruktion (Motu Proprio) mit dem Titel »Tra le sollecitudini« (Inter sollicitudines), herausgegeben von Papst Pius X. am 22. November 1903, kurz nach seinem Amtsantritt. Die Bedeutung dieser Schrift liegt darin, dass sie der Kirchenmusik einen liturgischen Stellenwert zuweist. Der Papst erkannte die spiritu-

3.10  Die Liturgische Bewegung und Erneuerung111

elle und damit gesamtreligiöse Bedeutung der Kirchenmusik als eines Wesensbestandteils der Liturgie. Um das kirchliche Leben zu erneuern, bedurfte es seiner Meinung nach zunächst einer Erneuerung des Gottesdienstes. »Da es nun Unser lebhaftester Wunsch ist, daß der wahrhaft christliche Geist in jeder Hinsicht aufblühe und bei allen Gläubigen erhalten bleibe, müssen Wir zuallererst für die Heiligkeit und Würde des Gotteshauses sorgen; denn dort versammeln sich ja die Gläubigen, um diesen Geist aus seiner ersten und unentbehrlichen Quelle zu schöpfen: aus der tätigen Teilnahme an den hochheiligen Mysterien und am öffentlichen feierlichen Gebet der Kirche« (Dokumente zur Kirchenmusik/84: 25; vgl. Kirchenmusik im 20. Jahrhundert/639). Diese Aussage ist von kaum zu überschätzender Bedeutung: Nach langer Zeit erkennt ein päpstliches Dokument wieder den Gottesdienst als Quelle des Glaubens an. Er ist nicht nur ein Zeremoniengefüge, mit dem sakramentale Feiern vorschriftsmäßig zu vollziehen sind, sondern Ort der unmittelbaren Begegnung der Gläubigen mit dem Herrn. Das Wort von der tätigen Teilnahme sollte beim Zweiten Vatikanischen Konzil zu einem der Schlüsselbegriffe liturgischer Erneuerung insgesamt werden. Diese Kirchenmusikinstruktion hob die bis dahin eher privaten Versuche, die Gläubigen an die Liturgie heranzuführen, in einen offiziellen Status. Noch war den meisten die Bedeutung dieser Aussage nicht bewusst. Den Durchbruch der Liturgischen Bewegung brachte erst das sog. Mechelner Ereignis vom 23. September 1909. Schlüsselfigur war ein junger Dogmatikprofessor aus der Abtei Mont Cesar, Dom Lambert Beauduin (1873–1960) (Fischer/302). Dieser sollte auf einem Katholikentag in Belgien sein Konzept von Liturgie und Seelsorge vortragen. Er musste feststellen, dass Liturgie dort nicht etwa unter dem Oberbegriff »Glaubenserziehung und -verwirklichung«, sondern unter dem Oberbegriff »Kunst« subsumiert wurde. Im Hintergrund stand der Gedanke, Liturgie sei nichts anderes als eine fromme Zeremonie. Trotz der schlechten Vorzeichen konnte Beauduin sein Anliegen auf dem Katholikentag durch die Stimme eines anderen verbreiten: durch den Historiker Gottfried Kurth, der eine nicht im vollen Wortlaut erhaltene Festrede hielt. Darin heißt es unter anderem: »Die Kirche lehrt uns auch die Sprache, in der man mit Gott reden muß. In der Liturgie findet sich die ganze Herrlichkeit des göttlichen Wortes. Liturgie ist der Gipfel alles menschlichen Dichtens und Denkens. Sie spricht vor Gott die Nöte und den unendlichen Jammer des Menschendaseins aus. Wenn es eine Erklärung für die Kirchenflucht so vieler Christen gibt, so ist es ganz bestimmt die Unzulänglichkeit der Gebete, die sich an die Stelle der schönen, alten, überkommenen Liturgie gesetzt haben. Am Tag, an dem das heilige Buch auf dem Altar aufgehört haben wird, für die Menge ein unverständliches Buch mit sieben Siegeln zu sein, am Tag, an dem alle wieder in ihm den Schlüssel zu dem finden, was der Priester am Altare Gott vorträgt, an jenem Tag wird ein großer Teil derer, welche die Gotteshäuser verlassen haben, zurückkehren« (Fischer/302: 207 f.; Winter/417, 249–254).

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3  Geschichtliche Skizze zur Liturgie aus der Perspektive der römischen Tradition

Das »Mechelner Ereignis« erwies sich als eine Art Schleuse, die einer fruchtbaren pastoralliturgischen Arbeit in Belgien und Deutschland den Weg öffnete. Es verwundert nicht, dass die Liturgische Bewegung zeitgleich mit anderen inner- und außerkirchlichen Aufbrüchen begann. Im Hintergrund stand die positive Einschätzung, den Menschen durch entsprechende Aufklärung und Belehrung zum Guten führen zu können – eine Einschätzung, die im Ersten Weltkrieg freilich einen herben Dämpfer erhielt. Mit dem »Mechelner Ereignis« ist zunächst einmal nur ein punktueller und eher formaler Gesichtspunkt dessen benannt, was die Liturgische Bewegung ausmacht. Sie ist so vielgestaltig und differenziert wie ihre Protagonisten. Mindestens drei Flügel lassen sich unterscheiden (Neunheuser/381): • die benediktinische Richtung (die belgischen Klöster Mont Cesar und Maredsous sowie in Deutschland die Klöster Beuron und Maria Laach), • die mit der Jugendbewegung parallel laufende liturgische Bewegung (Romano Guardini, Burg Rothenfels, Haus Altenberg), • die vor allem in Österreich initiierte, pfarrlich zentrierte volksliturgische Bewegung (Pius Parsch in Klosterneuburg; das Leipziger Oratorium). Romano Guardini unterschied vier Phasen der Liturgischen Bewegung (Schilson/404): • In einer ersten Phase ging es schon im 19. Jahrhundert um die Wiedergewinnung des aus patristischer und hochmittelalterlicher Zeit überlieferten, in den liturgischen Büchern noch erkennbaren Gutes. • In einer zweiten Phase ging es in einem akademischen und benediktinischen Umfeld um eine Art Restauration, um die Herausbildung einer idealen Liturgie, zu der das Volk keinen Zugang haben konnte. • So kam es zu einer dritten Phase, die von den Zentren des volksliturgischen Apostolats und von der Jugendbewegung getragen wurde. Es ging darum, die neuen Erkenntnisse in die Praxis der Gemeinden zu überführen. Hierbei spielte das Problem der Muttersprache eine zentrale Rolle, sodass man vielleicht von einer ersten Form der Inkulturation sprechen könnte. • Nach Meinung Guardinis sollte mit dem Zweiten Vatikanischen Konzil eine vierte Phase einsetzen, in der man sich der Frage zuwenden müsse: »Wie ist der echte liturgische Vorgang geartet  – im Unterschied zu anderen religiösen Vorgängen, dem individuellen und dem sich frei bildenden Gemeinschaftsvorgang der ›Volksandacht‹? Wie ist der tragende Grundakt gebaut? Welche Formen nimmt er an? Welche Fehlgänge bedrohen ihn? Wie verhalten sich die Anforderungen, die er stellt, zur Struktur und zum Lebensbewußtsein des heutigen Menschen? Was muß geschehen, damit dieser ihn in echter und redlicher Weise lernen könne?« (Guardini/327: 15). In diesem berühmten Beitrag am Anfang der Liturgiereform stellte Guardini wiederum die Frage nach der Liturgiefähigkeit des modernen Menschen, die er bereits zu Beginn der Liturgischen Bewegung aufgeworfen hatte (Gerhards/317; Gerhards/321: 15–17; Odenthal/387: 94–97). Zu den Voraussetzungen der Liturgiereform des Zweiten Vatikanischen Konzils gehören folgende Impulse aus der Liturgischen Bewegung (vgl. dazu auch Kap. 2 »Geschichte, Profil

3.10  Die Liturgische Bewegung und Erneuerung113

und Methoden des Faches Liturgiewissenschaft« und Kap. 4 »Theologie der Liturgie« in diesem Band): • die Entdeckung der spirituellen Reichtümer der Liturgie (Solesmes): Sie hängt zusammen mit dem Wiedererstarken des Benediktinertums, zunächst in frankophonen, später auch in deutschsprachigen Abteien. In Frankreich wirkten sich die (antigallikanische) RomOrientierung und die damit verbundene Entdeckung der alten Quellen römischer Liturgie inspirierend aus; • die Entdeckung der Rolle der Gläubigen (Pius X., Lambert Beauduin): Nicht mehr nur der gültige und erlaubte Vollzug stand im Mittelpunkt; vielmehr sollte die fruchtbare, qualifizierte Teilnahme der Gläubigen das geistliche Leben der Kirche fördern; • die Entdeckung der Mysteriengegenwart (Odo Casel): Gegen einseitige und damit unzureichende opfer- und sakramententheologische Konzepte konnte sich die Mysterientheologie des Maria Laacher Benediktiners Odo Casel erfolgreich durchsetzen. Damit waren die Voraussetzungen für eine Theologie der Liturgie geschaffen, die Liturgie als feiernde Vergegenwärtigung verstand; • die Entdeckung der Kirche als Mysterium (Romano Guardini): In Überwindung eines rein juridischen Kirchenverständnisses gelangte das Bild des »mystischen Leibes« der Kirche ins Blickfeld. Die Liturgie soll dieser unsichtbaren Wirklichkeit erfahrbaren Ausdruck verleihen, wie dies z. B. auf Burg Rothenfels eingeübt wurde; • die Entdeckung der Pfarrei als primärer Verwirklichungsort von Kirche (Athanasius Wintersig; Pius Parsch; Leipziger Oratorium): Hier ging es um Erneuerung der Kirche aus dem Geist der Liturgie. In vielen pfarrlichen Zentren mit oft bemerkenswerten Kirchenbauten wurden neue gemeinschaftliche Erfahrungen von Kirche vermittelt; • die Entdeckung der österlichen Mitte der gesamten Liturgie (Pius XII.): Die gesamte Liturgie mit all ihren Facetten findet ihre Sinnmitte im Pascha-Mysterium des gekreuzigten und auferstandenen Christus. Dieses in der jetzigen Liturgie transparent gemachte Prinzip wurde von Papst Pius XII. in Erinnerung gerufen.

3.10.2 Prinzipien und Resultate der Liturgiereform des ­Zweiten Vatikanischen Konzils Dies ist nicht der Ort, um das gesamte Programm der Liturgiereform zu erläutern (Liturgiereformen/218; Gerhards/440; Haunerland/331; Bärsch  – Haunerland/283). Das Augenmerk wird sich im Folgenden einer wichtigen Frage zuwenden: Welches Kirchenbild stand hinter den Reformen und wie äußert es sich in heutiger Liturgie? Die Liturgische Bewegung vollzog einen qualitativen Fortschritt von einer juridischen hin zu einer organischen Sicht der Kirche. Dies wurde kirchenamtlich durch die Enzykliken Mystici Corporis Christi (1943) und Mediator Dei (1947) von Pius XII. ratifiziert. Aufgrund dieser Verlautbarungen sowie der Karwochenreform der fünfziger Jahre durch denselben Papst erhielt die Liturgische Bewegung einen erneuten Stimulus, der unmittelbar in die Vorbereitung des Zweiten Vatikanischen Konzils führte.

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3  Geschichtliche Skizze zur Liturgie aus der Perspektive der römischen Tradition

Das für die nachkonziliare Liturgiereform grundlegende Konzilsdokument ist die Liturgiekonstitution »Sacrosanctum Concilium« (vgl. im Anhang 4 die kommentierende Literatur). Sie wurde von den Konzilsvätern am 4. Dezember 1963 mit 2147 Ja-Stimmen bei nur 4 Nein-Stimmen als erstes Dokument des Konzils verabschiedet. Vorangegangen war dem Konzil eine Vorbereitungsphase, in der die Weltkirche um Vorschläge und Wünsche für die Konzilsberatungen mit Blick auf eine Erneuerung der Kirche gebeten wurde. Die Fuldaer Bischofskonferenz schlug u. a. eine Revision von Kalender und Kirchenjahr vor, um die Mitte des Kirchenjahres, das Christusmysterium, wieder deutlicher hervortreten zu lassen. Die Perikopenordnung sollte revidiert, das Allgemeine Gebet erneuert, die Kelchkommunion zu bestimmten Anlässen auch für alle Gläubige möglich werden. Die Messfeier »versus populum« wurde angesprochen. Das Brevier sollte den Möglichkeiten der Seelsorge angepasst werden, die Riten der Erwachsenen- und Kindertaufe reformiert, gute Erfahrungen mit der Volkssprache bei einer Erneuerung der Liturgie berücksichtigt werden (Wagner/414: 50). Ähnliches findet sich in einem Votum des Berliner Kardinals Julius Döpfner (1913–1976) für die Christen in der DDR. Hier wurde auf die Situation der ostdeutschen Diaspora hingewiesen: Das geistliche Leben der Gläubigen verlange tätige Teilnahme an der Liturgie. In der unmittelbaren Vorbereitung vor und während des Konzils durchlief die Konstitution einen komplizierten und zum Teil spannungsreichen Diskussionsprozess. Die Liturgiekonstitution ist folgendermaßen aufgebaut (vgl. auch die Übersicht im Anhang 4): Einem Vorwort (Art. 1–4) folgt ein erstes und grundlegendes Kapitel mit »Allgemeinen Grundsätzen zur Erneuerung und Förderung der heiligen Liturgie« (Art. 5–46); es umfasst ein Drittel der Konstitution. Die weiteren Kapitel handeln von der Eucharistie, den übrigen Sakramenten und den Sakramentalien, vom Stundengebet, vom liturgischen Jahr, von der Kirchenmusik, von der sakralen Kunst, vom liturgischen Gerät und Gewand. Ein Anhang mit einer Erklärung des Konzils zur Kalenderreform beschließt das Dokument. Die Konstitution enthält wichtige neue theologische Akzentsetzungen (Gerhards/177). Ausgangspunkt ist die Vorstellung, dass die Liturgie Quelle des Glaubens und des christlichen Lebens sein soll. Dem entspricht das dialogische Verständnis der Liturgie mit ihrem katabatischen, diabatischen und anabatischen Charakter (vgl. SC 5; 7) und die Zentrierung aller Liturgie im Pascha-Mysterium Christi (vgl. SC 5 u. ö.). Die Liturgiekonstitution trägt mit dem Konzept der »tätigen Teilnahme« eine neue Intensität und neue Formen der Feier der Gläubigen in die Liturgie ein. Liturgie wird als Feier der ganzen Kirche und aller Gläubigen profiliert. Das Dokument gewichtet die Rolle der Heiligen Schrift in der Liturgie neu (vgl. SC 24), räumt der Muttersprache größeren Raum in der Liturgie ein (vgl. SC 36), fordert aber auch eine Erneuerung der liturgischen Zeichen. Große Bedeutung misst die Konstitution der liturgischen Bildung und liturgiewissenschaftlichen Ausbildung zu. Akkulturation und Inkulturation, damit auch explizite Austauschprozesse zwischen Liturgie und Kultur, werden ermöglicht. Schließlich werden in SC 25 eine zügige Revision der liturgischen Bücher und damit die praktische Umsetzung der Liturgiekonstitution befohlen. Dies hat man nach dem Konzil rasch in Angriff genommen, wie einige wichtige Bücher zeigen: 1969 erschien der Ordo baptismi parvulorum, 1970 das Missale Romanum, 1971/72 die vierbändige

3.10  Die Liturgische Bewegung und Erneuerung115

Liturgia horarum. Für das deutsche Sprachgebiet folgten ebenso zügig u. a. 1971 die Feier der Kindertaufe, 1975 das Messbuch, dem schon eine Studienausgabe vorausgegangen war, 1978 das dreibändige Stundenbuch (Klöckener/48). Einige der theologischen Akzente der Konstitution sollen eingehender erläutert werden. Vom Prinzip der »tätigen Teilnahme« der Gläubigen an der Liturgie (participatio actuosa) war bereits die Rede. Die Liturgiekonstitution erweitert es um eine neue Dimension, die sie mit dem Wandel von einem »christomonistischen« zu einem »pneumatologischen« Kirchenbild begründet, wie ihn das Zweite Vatikanische Konzil herausgearbeitet hatte. Das pneu­ matologische Bild legt die Betonung auf die pfingstliche Gemeinschaft der Glaubenden mit ihren vielfältigen Charismen. Demgegenüber betont das christomonistische Bild das Institutionelle, die Hierarchie und die kirchlichen Strukturen; es sieht die Kirche primär als Fortsetzung der Inkarnation Christi. In der abendländisch-westlichen Kirche hat sich das christomonistische Verständnis auf Kosten des pneumatologischen durchgesetzt. Dies hatte unter anderem die Konsequenz, dass der Gottesdienst immer mehr zu einer Amtshandlung des Klerus wurde. Die religiöse Ausdrucksmöglichkeit des Volkes war in den Bereich am Rand oder ganz außerhalb der Liturgie verbannt. Das Zweite Vatikanische Konzil vollzog in der Kirchenkonstitution und den darauf aufbauenden Dokumenten einen grundlegenden Wandel der Perspektive, vorbereitet, aber noch nicht ausgeprägt in der Liturgiekonstitution. Wenn das Konzil seit der Konstitution über die Kirche »Lumen Gentium« von Kirche spricht, dann setzt es nicht mehr bei der Hierarchie an, sondern bei der Gesamtheit des Volkes Gottes (LG, Kap II). Somit ist das Subjekt der Aktionen der Kirche nicht mehr exklusiv die Hierarchie. Dies gilt in besonderer Weise für die Liturgie der Kirche. Wenn eine Gemeinde Gottesdienst feiert, dann ist Subjekt dieses Gottesdienstes nicht die abstrakte Gesamtkirche, sondern die vor Ort versammelte Gemeinschaft, in der sich Kirche als weltweite Communio ausdrückt. Diese eucharistische Ekklesiologie wurde in LG 26 explizit übernommen. In Bezug auf das Prinzip der »tätigen Teilnahme« bedeutet dies: Es geht nicht mehr um Teilnahme an einem fremden Geschehen, sondern um die je eigene Teilnahme an einer Wirklichkeit, zu der man selber gehört, deren Teil man ist. Die Versammlung ist und bleibt nach katholischem Verständnis freilich hierarchisch gegliedert, doch ist der Klerus nun nicht mehr eine dem Volk gegenübergestellte Größe, sondern Teil des Volkes und Rollenträger wie andere auch. Eine weitere folgenschwere Konsequenz der Überbetonung des inkarnatorischen Prinzips lässt sich für die Zeit vor dem Zweiten Vatikanischen Konzil an der Struktur der liturgischen Feiern ablesen. Liturgie war hier, verknappt ausgedrückt, gleichsam eine Veranstaltung, in der Gnaden zugeteilt werden. Nach altkirchlichem Verständnis ist diese Wirklichkeit aber primär eine von Gott im Heiligen Geist geschenkte und kann daher nur im Zusammenhang von Lobpreis, Dank und Bitte erfahren werden. Lobpreis und Dank aber verschwanden ganz oder teilweise aus dem Beten der abendländischen Liturgie, insbesondere aus der Feier der Sakramente. Selbst für das eucharistische Hochgebet gilt: Die in der Präfation ausgedrückte Danksagung wurde lange Zeit nur als eine Vorrede zum Eigentlichen verstanden. Im Kontext der Bitte wurden die Einsetzungsworte als indikative Formeln (entsprechend als »Wandlungsworte« bezeichnet) noch einmal isoliert. Diesem sakramenta-

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3  Geschichtliche Skizze zur Liturgie aus der Perspektive der römischen Tradition

listischen Denken entsprach der Wegfall der Verkündigungsdimension: Die Kirche versammelte sich nicht mehr, um Gottes Heilstaten zu verkündigen und zu preisen, da sie glaubte, im Besitz dieses Heils zu sein. Mit dem Verlust der Versammlungsdimension war zugleich auch verbunden, dass man den Bezug zur Gegenwart verlor. Die naturhafte Vorgegebenheit von Mensch und Welt wurde nicht ernst genommen und konnte deshalb auch nicht auf Gott hin transparent gemacht werden. Die Liturgiereform nach dem Zweiten Vatikanischen Konzil versuchte, diese Entwicklungen behutsam zu korrigieren: Dem Versammlungscharakter wird nun in allen liturgischen Feiern ein hoher Stellenwert eingeräumt, die Wortverkündigung auf der ganzen Linie aufgewertet. Im eucharistischen Hochgebet und an anderen Stellen kommen der Gegenwartsbezug und das Schöpfungsmotiv in stärkerem Maße zum Tragen. Insgesamt bietet die Liturgie Freiräume, in denen Gegenwartserfahrungen der vor Ort versammelten Gruppe oder Gemeinde auf verschiedene Weise zum Ausdruck gebracht werden können. Die Neuerungen in der Liturgietheologie lassen sich exemplarisch an den Auswirkungen auf den liturgischen Feierraum ablesen (Gerhards/315 u. 658): • Konzentration auf einen einzigen, freistehenden Altar unter Verzicht auf Seiten- oder Nebenaltäre (möglich geworden durch die Einführung der Konzelebration): Dies entspricht dem Anliegen einer »christozentrischen Kirchenkunst« der Liturgischen Bewegung, wonach die Gemeinde sich um den Christus symbolisierenden einen Altar versammelt; • Trennung von Altar und Aufbewahrungsort der Eucharistie (Tabernakel), der nun in einer eigenen Kapelle aufgestellt werden kann: Feier der Eucharistie und eucharistische Frömmigkeit außerhalb der Messe werden stärker unterschieden, zumal die Gläubigen die Kommunion aus den in der jeweiligen Messe konsekrierten Spezies empfangen sollen; • Einführung eines festen Ortes der Wortverkündigung (Ambo) im Altarbereich, wodurch die Kanzel im Kirchenschiff obsolet wird: Die Aufwertung der Wortverkündigung sollte durch die Wiedereinführung des Ambos einen sichtbaren Ausdruck finden. Die außerliturgisch verwendete Kanzel schien dazu in den meisten Fällen nicht geeignet. Mitunter werden auch Orte für die Aufbewahrung des Evangeliars (bzw. des Lektionars oder der Bibel) geschaffen; • Einführung eines festen Priestersitzes für die Gottesdienstleitung: In dieser Maßgabe findet die Gestalt der Eucharistiefeier als strukturierte Versammlung sichtbaren Ausdruck; • Änderung des Kommunionritus (Kommunionprozession), wodurch die Kommunionbänke funktionslos werden, deren ursprüngliche Funktion als Abschrankung des Chorbereichs ebenfalls nicht mehr notwendig erscheint: Altar- und Gemeinderaum sollen unterschieden, aber nicht getrennt sein. Der Kommunionempfang in Prozessionsform sollte den Gemeinschaftsaspekt hervorheben, was oft aber nicht so empfunden wird; • Funktionsänderung des Taufsteins aufgrund der Bestimmung, das Wasser in jeder Feier außerhalb der Osterzeit zu weihen. Damit verbunden ist die Verlagerung des Taufortes vom Eingangsbereich ins Angesicht der Gemeinde: Da die Taufe als Feier wieder ins Blickfeld getreten ist, erhält der Taufort einen neuen Stellenwert, insbesondere dort, wo

3.10  Die Liturgische Bewegung und Erneuerung117

Erwachsenentaufen gefeiert werden. Wünschenswert sind in diesem Zusammenhang auch Aufbewahrungsorte für die heiligen Öle; • Änderung der Bußpraxis, Einführung von Beichtzimmern und Reduzierung der Beichtstühle: Mit der Einführung der Bußgottesdienste ging der Rückgang der Einzelbeichte einher. Ein angemessener Ersatz für den erst seit dem Barock üblichen Beichtstuhl wäre das einladendere Beichtzimmer. Die angemessene symbolische Präsentation des Sakraments der Versöhnung ist eine weithin ungelöste Aufgabe.

3.10.3 Grenzen der Reform und Zukunftsperspektiven Seit den 1950er Jahren setzte keimhaft eine Erosion tradierter Frömmigkeit ein. Als die Liturgiereform begann, waren die Entwicklungen hin zu einer Pluralisierung und Individualisierung, zur Aufweichung von Glaubenstraditionen und zum Rückgang der gottesdienstlichen Praxis bereits zu beobachten. In Westdeutschland traf die Reform – zeitgleich mit der Studentenrevolte der sechziger Jahre – auf eine Gesellschaft im Umbruch. Die Infragestellung von Autoritäten färbte auch auf den kirchlichen Binnenraum ab. Skepsis und Abneigung gegenüber tradierten und als autoritär empfundenen Ritualen werden die Distanz auch zu kirchlichen, gerade liturgischen Ritualen gefördert haben. Die Überbetonung des Verbalen, die Ablehnung von Feierlichkeit und ein sehr freier Umgang mit »amtlich« vorgegebenen liturgischen Texten hat man zu den Trends des liturgischen Lebens der frühen siebziger Jahre gezählt (Fischer/303: 122–124). In der DDR traf die Liturgiereform auf ein autoritäres politisches Regime, das den Religionsgemeinschaften eine freie Entfaltung erschwerte und das kirchliche Leben stark reglementierte und einschränkte. Einzelne Elemente der nachkonziliaren Liturgie (z. B. Vollzahl der Lesungen im Wortgottesdienst der Messe, Gabenprozession in der Eucharistie) scheinen in den jetzigen östlichen deutschen Bundesländern besser umgesetzt worden zu sein. Will man die nachkonziliare Liturgiegeschichte systematisieren, so fallen bei allen regionalen Unterschieden mehrere Etappen auf (Kranemann/360 u. 356). Die erste Etappe, die in die Zeit unmittelbar nach dem Konzil fällt, ist durch Experimente mit der neuen Liturgie geprägt. Neue Lieder und Texte entstehen, auch Hochgebete und Orationen, die neben den vorgesehenen liturgischen Büchern verwendet werden; die Neugestaltung liturgischer Räume wird angegangen, die liturgische Bildung intensiviert. Bemerkenswert ist der rasche Mentalitätswechsel: Die Liturgie, die kurz zuvor noch stark durch Rubriken reglementiert war, wurde zum Ort der Kreativität und Gestaltung. Die Rolle der Gläubigen im Gottesdienst, auch der Frauen, veränderte sich. Mit Blick auf das gewandelte Rollenverständnis kann man fragen, ob sich über die Liturgie das Rollenverständnis von Katholikinnen und Katholiken nicht insgesamt verändert hat. Aus theologischer Perspektive hätte sich dann aus der Liturgie ein neues Selbstverständnis der Getauften entwickelt. Zur nachkonziliaren Liturgiegeschichte gehört auch die Entstehung von Gruppen, welche die Gottesdienstreform, zugleich auch das Zweite Vatikanische Konzil insgesamt ablehnten. Sie traten (und treten) vor allem dafür ein, dass die sog. »Tridentinische Messe« auch weiterhin gefeiert werden sollte.

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3  Geschichtliche Skizze zur Liturgie aus der Perspektive der römischen Tradition

Eine zweite Reformetappe verbindet sich mit der Einführung der neuen liturgischen Bücher (Klöckener/48). Der Reformprozess erhielt dadurch, dass er gleichsam verschriftlicht wurde, eine neue Verbindlichkeit und einen wesentlich stärkeren Einfluss in der Weltkirche. In Deutschland fallen in diese Zeit die Würzburger Synode der westdeutschen Bistümer, die 1975 einen »Beschluß Gottesdienst« vorlegte (Beschluß Gottesdienst/86), und die Pastoralsynode der katholischen Kirche in der DDR (Konzil und Diaspora/355). Die ostdeutsche Synode hat keinen eigenen Beschluss zur Liturgie formuliert, thematisiert aber in verschiedenen Dokumenten diesen Bereich. Regionale Unterschiede in der Rezeption der Liturgiereform sind zu erkennen, zugleich aber deutliche Gemeinsamkeiten, die man als Tendenz zur Ausdifferenzierung des religiösen und liturgischen Lebens beschreiben kann: Es gibt verschiedene Weisen der Teilnahme an der Liturgie. Die Verbindlichkeit des Gottesdienstes und der gottesdienstlichen Ordnungen wird von den Gläubigen unterschiedlich eingeschätzt. Die Weitergabe des Glaubens befindet sich im Umbruch. Eine dritte Etappe verbindet sich mit der Überarbeitung und Revision der nachkonziliaren deutschsprachigen liturgischen Bücher. Erfahrungen der nachkonziliaren Reform sollen in diese revidierten Bücher einfließen. Sie sind ein Zeichen dafür, dass der innerkirchliche Prozess der Revisionen und Reformen nicht beendet ist. Die 1992 in zweiter Auflage erschienene »Feier der Trauung« lässt exemplarisch deutlich werden, dass man Liturgie in Deutschland am Ende des 20. Jahrhunderts immer seltener in einem volkskirchlichen Umfeld feiert. Das Buch enthält nun auch Texte für die Trauung mit einem nichtgetauften Partner, der an Gott glaubt, bzw. mit einem nichtgläubigen Partner und geht auf den Nichtgetauften bzw. Nichtgläubigen in der Liturgie entsprechend ein (Feier der Trauung/58: 30 f.; 79–111). Allerdings haben sich gegen Ende des vergangenen Jahrhunderts innerkirchliche Spannungen um die Liturgie verschärft. Einerseits sind römisch-zentralistische Tendenzen auf Kosten der Ortskirchen und neue Engführungen kirchlicher Ordnungen zu beobachten, andererseits führen unbewältigte Probleme der Liturgiepastoral dazu, dass die Akzeptanz gottesdienstlicher Ordnungen weiter aufgelöst wird und man alternative Gottesdiensttexte und -ordnungen verwendet. Wie der Reformweg sinnvoll auch mit neuen Formen des Gottesdienstes beschritten werden könnte, zeigen Beispiele aus dem Bereich der Tagzeitenliturgie. Im Erzbistum München-Freising sind entsprechende Bücher für die Gemeindeliturgie entwickelt worden; sie kombinieren die traditionelle Gebetsordnung und neue Feierformen sowie Texte (Morgenlob – Abendlob/69; Ringseisen/397). Zu Spannungen hat 2007 das Apostolische Schreiben »Summorum Pontificum« geführt (Summorum Pontificum/101). Nun dürfen die Messe nach dem Missale Romanum von 1962 und die übrigen Sakramente nach dem älteren Rituale bzw. dem alten Pontifikale gefeiert und das Breviarium Romanum von 1962 wieder verwendet werden. »Außerordentliche« vorkonziliare Form steht neben »ordentlicher« Form, der nachkonziliaren Liturgie; beide gehören zu einem Ritus. Folgedokumente regeln Details. Theologisch ergeben sich zahlreiche Fragen (Ein Ritus – zwei Formen/398): Wie verhalten sich beide »Formen« zueinander? Können sie bei den vorhandenen theologischen Unterschieden als Ausdruck eines Ritus verstanden werden? Es wird kritisiert, dass die neu geschaffene Situation nicht mit Theologie und Anweisungen der Liturgiekonstitution in Einklang steht (Klöckener/350).

3.10  Die Liturgische Bewegung und Erneuerung119

Eine vierte Etappe setzt mit der Wiederentdeckung des missionarischen Selbstverständnisses der Kirche ein. Die Möglichkeiten von Religion im öffentlichen Raum werden stärker wahrgenommen, dies auch für kirchliche Liturgie und offenere Feierformen. Auch in diesen Feierformen soll die Kirche als Angebot des Glaubens allen offen stehen. Man sucht nach Gottesdienstformen, die sich auch für religiös indifferente Gruppen eignen, zugleich aber das Pascha-Mysterium als Mitte christlichen Gottesdienstes nicht verleugnen (Gott feiern/114). Mit solchen neuen Formen religiösen Rituals verbinden sich ekklesiologische Optionen: Versteht sich die Kirche als kleine, zurückgezogene Schar oder will sie Kirche inmitten der Gesellschaft und in Dialog mit ihr sein? Gleichzeitig verschärft sich angesichts der knapp werdenden Finanzmittel die Problematik des Erhalts bestehender Kirchenräume. Fragen der Erweiterung des Nutzungsspek­ trums, der Umnutzung oder gar des Abrisses beschäftigen seit der Jahrtausendwende immer mehr deutsche Diözesen und Landeskirchen. Wird es gelingen, eine wirkungsvolle Präsenz des Christlichen im öffentlichen Raum zu erhalten? Werden die mit den Kirchengebäuden verbundenen Chancen einer stärkeren dialogischen Einlassung der Christen auf eine plurale Gesellschaft erkannt und genutzt (Wandel/674)? Keiner würde behaupten, mit der Liturgiereform des Zweiten Vatikanischen Konzils sei ein Idealzustand erreicht. Im Gegenteil: Die Probleme mit der Liturgie scheinen eher gewachsen zu sein. Neben den genannten gesellschaftlichen Rahmenbedingungen hängt dies innerkirchlich wohl auch damit zusammen, dass ein integratives Kirchenbild, das Charisma und Amt in harmonische Beziehung zueinander setzt, noch nicht gefunden ist. Viele Schwierigkeiten bei der Neuordnung der pastoralen Räume lassen sich auf dieses Spannungsverhältnis zurückführen. Die wieder aufgelebte Diskussion über die Neuordnung der Kirchenräume und die Zelebration »versus populum« ist dafür ein Indiz (Communio-Räume/649; Richter/670; Gerhards/601). Durch die neuen pastoralen Räume, die viele ehemals selbstständige Gemeinden in einer Großpfarrei zusammenführen, entstehen neue Anforderungen an die Liturgie. Diese Seelsorgeräume sind in aller Regel nicht unter Berücksichtigung des Gottesdienstes konzipiert worden. Doch bedeutet der vom Konzil eingeschlagene Weg einen so epochalen Wandel, dass er im Verlauf von ein oder zwei Generationen kaum vollzogen werden kann. In der zweiten Dekade des 21. Jahrhunderts führt die fundamentale Erschütterung der römisch-katholischen Kirche aufgrund der nicht abreißenden Kette von Skandalen wegen des multiplen Missbrauchs durch kirchliche Amtsträger jedoch zu Anfragen, die auch die Prämissen des Zweiten Vatikanischen Konzils und seiner Reform berühren. Beruhen diese doch unhinterfragt auf Strukturen, die der römischen Kirche seit der Konstantinischen Wende zu ihrer Vormachtstellung verholfen haben. Die Liturgie mit ihrem Symbolsystem spielte, wie der Durchgang durch die Geschichte zeigte, dabei eine nicht unerhebliche Rolle. Sie bildet die Machtstrukturen der Kirche ab und festigt sie zugleich durch sakrale Überhöhung. Insbesondere die priestergeleitete Eucharistiefeier als Hochform (und oft einzig verbliebene Form) der Liturgie dient gern als Darstellungsebene klerikaler Inszenierung und als Instrument der Disziplinierung. Zwar sind heutzutage klassische zentralistische Bastionen geschliffen wie das Festhalten an der einheitlichen Liturgiesprache, das in der frühen

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3  Geschichtliche Skizze zur Liturgie aus der Perspektive der römischen Tradition

Neuzeit die zunächst Erfolg versprechenden Missionsbemühungen der Jesuiten in Asien und Lateinamerika hat scheitern lassen. Die Erfahrungen seit der Liturgiereform haben aber gezeigt, dass viele der durch die Veränderungen erhofften Erfolge ausgeblieben sind. Gerade junge Christinnen und Christen favorisieren wieder Formen der Breitenreligiosität, von der sich Liturgische Bewegung und Liturgiereform weitgehend distanziert hatten. Sie suchen sich ihre Gestalten religiösen Ausdrucks unabhängig von Institutionen und klassischen Autoritäten, ein ähnliches Phänomen wie schon einmal bei der »Devotio moderna« im vorreformatorischen Jahrhundert. Die Distanzierung von der offiziellen kirchlichen Liturgie zeigt sich heute z. B. in den evangelikalen Erscheinungsformen der Mega-Churches oder in dem Revival der Anbetungsfrömmigkeit. Ob und wie die institutionelle Kirche darauf eingehen soll, ist eine kontrovers diskutierte Frage (Gerhards/180). Die innere Zerreißprobe und die äußeren Anfechtungen lassen die kirchliche Gegenwart mehr denn je als Schwellensituation erfahren. Der kritische Blick auf die eigene Geschichte kann zu heilsamer Verunsicherung führen und zu einer geschärften Wahrnehmung der Zeichen der Zeit beitragen, und so dazu verhelfen, das Mandatum zu erfüllen. Auf die Liturgie bezogen steht die Frage Romano Guardinis aus dem Jahr 1964 weiterhin im Raum, »in welcher Weise die heiligen Geheimnisse zu feiern seien, damit dieser heutige Mensch mit seiner Wahrheit in ihnen stehen könne.« (Gerhards/317: 43).

Kurzinformation: Gemeinsame religiöse Feiern verschiedener Religionsgemeinschaften In einer offenen und pluralen Gesellschaft gibt es immer wieder Anlässe, zu denen nach ei­ nem gemeinsamen Gebet oder einer gemeinsamen religiösen Feier unter Beteiligung unter­ schiedlicher Religionsgemeinschaften gefragt wird. Regelmäßig besteht Interesse an solchen Feiern zum Beginn oder Ende eines Schuljahres oder zur Schulentlassung. Bei öffentlichen Festen in einer Stadt oder einem Stadtviertel spielen möglicherweise solche Feiern eine Rolle. Für Friedensgebete versammeln sich Menschen aus unterschiedlichen Religionen, um ge­ meinsam Gott um den Frieden zu bitten. Wenn die Gesellschaft angesichts einer großen Ka­ tastrophen mit vielen Toten zusammensteht, stellt sich ebenso die Frage, wie sich hier das Zusammenspiel der Religionen gestalten kann: im Nebeneinander oder im Miteinander? Es  geht um eine sehr elementare Frage menschlicher Gemeinschaft: Ist dort, wo im Alltag Menschen zusammenleben, eine gemeinsame religiöse Feier möglich oder nicht? Das Zweite Vatikanische Konzil hat das Verhältnis der katholischen Kirche zu den anderen Religionen neu bestimmt und dadurch für entsprechende Feiern Voraussetzungen geschaf­ fen sowie Möglichkeiten eröffnet, die es zuvor so nicht gab. In LG 16 stellt das Konzil fest, dass auch diejenigen, die die Verkündigung des Evangeliums noch nicht angenommen haben (Nichtchristen), vom Heilswillen Gottes umschlossen sind. Das wird auf Juden und Muslime bezogen sowie auf Menschen, die den unbekannten Gott suchen. »Das Volk Gottes erscheint – in seinen unterschiedlichen Intensitätsstufen und Ausprägungen  – als die menschliche Gesellschaft schlechthin, insofern diese sich – explizit oder implizit – vom lebendigen Gott her versteht.«

Kurzinformation: Gemeinsame religiöse Feiern verschiedener Religionsgemeinschaften 121 (Hünermann 2004, 400) In NA  1f wird nicht nur die heutige gesellschaftliche Situation der ­Sache nach bereits skizziert – wir leben in einer Zeit, in der sich »das Menschengeschlecht von Tag zu Tag enger zusammenschließt« (NA 1) –, sondern zugleich als Aufgabe formuliert, das Verhältnis der Kirche zu den Religionen neu zu bestimmen. Gott wird als das Ziel des Men­ schengeschlechts bezeichnet. Und so findet sich »bei den verschiedenen Völkern eine ge­ wisse Wahrnehmung jener verborgenen Macht, die dem Lauf der Welt und den Ereignissen des menschlichen Lebens gegenwärtig ist« (NA 2). Auch wenn dies heute sehr zurückhaltend klingen mag: Die Kirche sieht in diesen Religionen Wahres und Heiliges, fördert deshalb den Dialog mit ihnen und erkennt die Werte dieser Religionen an. Damit hat das Konzil den Weg von einem exklusiven Verständnis von Religion, das anderen Religionen das Heil abspricht, weitgehend zu einer inklusiven Religionstheorie, die genau eben dieses Heil in anderen Reli­ gionen schon wahrnimmt, vollzogen. Die Kirche wird dabei im Zentrum gesehen, auf das die anderen Religionen bezogen werden. Sowohl Wachstum dieser Religionen und damit Heils­ dynamik als auch Dialog zwischen ihnen werden vom Konzil befürwortet (Nitsche 2006, 153f). Erst dadurch sind für die katholische Kirche liturgische Feiern zusammen mit anderen Reli­ gionen überhaupt möglich geworden. Für katholische Kirche und Theologie ist außerdem die Voraussetzung entscheidend, dass Juden, Christen und Muslime zu demselben Gott beten. Damit sind die Unterschiede im Gottesbild nicht negiert, aber es gibt eine grundlegende Schnittmenge im Glauben. Darüber hinaus wird man heute neben dem Unterscheidenden stärker nach Übereinstimmungen und Komplementaritäten zwischen den Religionen suchen sowie nach den Möglichkeiten gemeinsamen Engagements in der Gesellschaft fragen. In der Praxis, die die Liturgiewissenschaft reflektiert und kritisch kommentierend begleitet, begegnen verschiedene Modelle gemeinsamer religiöser Feiern, die in unterschiedlicher Weise theologisch diskutiert werden: Liturgische Feier in Anwesenheit von Gästen Zu manchen christlichen Gottesdiensten, beispielsweise zum Schuljahresbeginn, sind Mit­ glieder anderer Religionen, etwa Muslime, eingeladen. Es gibt Vergleichbares auch in umge­ kehrter Konstellation, so zu jüdischen oder islamischen Festtagen. Die einladende Religions­ gemeinschaft wie auch die Gäste gehen davon aus, dass der Gottesdienst so gefeiert wird, wie das auch sonst üblich ist. Die Gäste werden begrüßt, können vielleicht auch selbst kurz das Wort ergreifen, sind aber nicht als Liturgen beteiligt. Ihre Anwesenheit hat keinen oder keinen wesentlichen Einfluss auf den weiteren Ablauf des Gottesdienstes. Das schließt nicht aus, dass beispielsweise eine Predigt oder die Fürbitten so gestaltet werden, dass sie für die Nichtchris­ ten verständlich sind oder dass auch für die Gäste gebetet wird. Die Teilnahme von Gästen aus anderen Religionen ist eine große Chance, weil man sich so gegenseitig seinen Glauben be­ kennen, den Glauben der anderen kennenlernen und Wertschätzung für die religiös-rituelle Praxis der Mitmenschen ausdrücken kann, ohne das Eigene verleugnen zu müssen. Dieses Modell bewährt sich besonders dann, wenn sich die verschiedenen Religionen gegenseitig diese Gastfreundschaft gewähren.

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3  Geschichtliche Skizze zur Liturgie aus der Perspektive der römischen Tradition

Interreligiöse Feier Eine solche Feier wird von Angehörigen unterschiedlicher Religionsgemeinschaften zusam­ men vorbereitet. Die Unterschiede zwischen den Religionen und in den Ausprägungen der Glaubenspraxis werden bewusst zurückgestellt. Stattdessen wird eine Liturgie oder ein Gebet konzipiert, das konsensfähig ist und in allem gemeinschaftlich vollzogen werden kann. Das Problem, das von verschiedenen Religionsgemeinschaften und Konfessionen immer wie­ der benannt wird, ist die Zurückstellung des je eigenen Profils, die auch als »Verleugnung« kritisiert wird. So haben die katholischen deutschen Bischöfe formuliert: »Eine so genannte interreligiöse Feier, in der sich alle gemeinsam mit von allen getragenen Worten und Zeichen an Gott wenden, ist daher abzulehnen, weil hier die Gefahr besteht, den anderen zu vereinnahmen und vorhandene Gegensätze zu verschleiern.« Die Bischöfe fordern, die Bezeichnungen ›Got­ tesdienst‹ und ›Liturgie‹ zu vermeiden und besser von ›religiöser Begegnung‹ oder auch ›Ge­ betstreffen der Religionen‹ zu sprechen. »Dies ist der Pluralität der Glaubensvorstellungen angemessener und weckt keine irreführenden Vorstellungen.« (Leitlinien 2008, 33) Es gibt allerdings Momente im Leben einer Gesellschaft, in denen solche Feiern vorstellbar sind. Dabei ist insbesondere an Trauerfeiern nach Terroranschlägen oder anderen Katastro­ phen zu denken, die Menschen unterschiedlicher Religionen betreffen. Gerade in solchen Si­ tuationen menschlich großer Emotionalität kann eine solche interreligiöse Feier sinnvoll sein. Nicht nur anthropologische Momente  – die Erfahrung extremer Not, die Menschen dazu bringt, sich gemeinsam auf eine transzendente Größe zu beziehen –, sondern auch biblische Grundlagen des Gebets – das Gebet als Ausdruck der Hoffnung auf die rettende Kraft Gottes – können sie in dieser Situation legitimieren. Multireligiöse Feier Eine solche Feier wird zwar auch gemeinsam von Vertretern der verschiedenen Religionsge­ meinschaften vorbereitet, sie lassen aber die verschiedenen Traditionen zur Sprache kommen und integrieren einzelne Elemente aus unterschiedlichen Religionen. So können Schriftlesun­ gen aus den verschiedenen heiligen Schriften verlesen, entsprechend Gebete rezitiert, Riten praktiziert, die in den Religionsgemeinschaften übliche Gewandung getragen werden. Die Akteure in der Feier stammen aus den unterschiedlichen Religionen. Ein entscheidender Un­ terschied zur interreligiösen Feier ist, dass sie nicht miteinander, sondern nacheinander agie­ ren. Das Profil der einzelnen Religionsgemeinschaft bleibt sichtbar. Diese Feiern werden mit großer Sensibilität für die Empfindungen der beteiligten Religionen gestaltet, in Wort und Ritus wird darauf Rücksicht genommen. Ein sehr bekanntes Beispiel sind die Friedensgebete von Assisi, die 1986 unter Papst Johannes Paul II. begonnen wurden. Beim ersten Gebetstreffen betete jede Religion an unterschiedli­ chen Orten. Dann traf man sich vor der Franziskus-Basilika, wo eine Person je anwesender Religionsgemeinschaft ein Gebet für den Frieden sprach. Später hat man diese letztgenann­ ten Gebete aber aufgegeben und sie durch Ansprachen bei der Versammlung oder stilles Gebet ersetzt (Ebenbauer 2012, 195f).

Kurzinformation: Gemeinsame religiöse Feiern verschiedener Religionsgemeinschaften 123 Religiöse Brauchtumsfeier Sodann können als eigene Feierform religiöse Brauchtumsfeiern wie St. Martin, Nikolaus u. Ä. genannt werden. Es handelt sich um Brauchtum, das Angehörige verschiedener Religionen ansprechen kann. Man kann auf diesem Wege eine andere Religionsgemeinschaft kennenler­ nen, kann aber auch an einem Brauch partizipieren, der gesellschaftliche Bedeutung besitzt. »Je nach Gewichtung der religiösen Inhalte ist es möglich, aktiver teilzunehmen als beim Modell der liturgischen Gastfreundschaft.« (Gemeinsame religiöse Feiern 2015, 12) Die theologische Diskussion um diese Feiern muss wegen und mit der Pluralisierung der Ge­ sellschaft weitergeführt werden. Solche Veränderungen betreffen auch die Kirchen. Das Ziel müssen Formen des Gottesdienstes sein, die die Religionen in die Lage versetzen, im Gottes­ dienst die je eigene Weise des Betens und Feierns im Miteinander zu artikulieren. Der Gefahr der Vereinnahmung durch den jeweils anderen muss natürlich entgegengetreten werden. Aber im Vordergrund kann nicht primär die Abgrenzung, die Angst vor Vereinnahmung und vor Profilverlust stehen, sondern muss vielmehr die Frage stehen, ob Menschen aus ver­ schiedenen Religionen befähigt werden, die jeweils anderen in ihrer gottesdienstlichen Pra­ xis zu hören, sich dadurch bereichern und dies alles in gegenseitigem Respekt und mit Wert­ schätzung geschehen zu lassen. Peter Ebenbauer hat gefragt, ob es nicht darum gehen müsse, »die eigene Gebetsweise den anderen in respektvoller Zuneigung auszusetzen und uns selbst der Gebetsweise der anderen in liebevoller Hörbereitschaft auszusetzen?« (Eben­ bauer 2012, 202) Für die theologische Reflexion verlangt das insbesondere nach einer Litur­ giewissenschaft, die religiösen Pluralismus in seinen Möglichkeiten als Chance begreift und auf diese Situation hin eine Theologie religiösen Feierns und entsprechender Liturgie ent­ wickelt. Literatur Kirchliche Leitlinien und Materialien Gemeinsame religiöse Feiern mit Menschen verschiedener Religionen, hg. v. der Referentin für den interreligiösen Dialog im Bistum Hildesheim – der Beauftragten für den interreligiösen Dialog im Bistum Osnabrück. Osnabrück – Hildesheim 2015. Leitlinien für das Gebet bei Treffen von Christen, Juden und Muslimen. Eine Handreichung der deutschen Bischöfe. 24. Juni 2008. 2., überarbeitete und aktualisierte Auflage, hg. v. Sekreta­ riat der Deutschen Bischofskonferenz. Bonn 2008 (Arbeitshilfen 170). Religiöse Feiern im multireligiösen Kontext der Schule. Eine Handreichung für die Fachkonfe­ renzen Evangelische und Katholische Religionslehre und Schulleitungen aller Schularten, hg.  v. Bischöflichen Ordinariat Rottenburg, Hauptabteilung Schulen [u. a.]. Tauberbischofs­ heim 2018. Richtlinien für religiöse Feiern unter Beteiligung mehrerer Religionsgesellschaften (Überar­ beitete Fassung 2016), hg. v. Erzbischöflichen Amt für Unterricht und Erziehung Wien. Wien 2016 [http://www.schulamt.at/index.php/religionsunterricht/interreligioeses] (21.11.2018).

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3  Geschichtliche Skizze zur Liturgie aus der Perspektive der römischen Tradition

»Warum beten wir eigentlich nicht zusammen?« Gottesdienste und religiöse Feiern im multi­ religiösen Schulkontext, hg. v. Landeskirchenamt der Evangelisch-Lutherischen Landeskirche Hannovers. Hannover 2007. Theologische Reflexion Jochen Arnold, Multireligiöse und interreligiöse Feiern. Eine phänomenologische und theolo­ gische Betrachtung, in: Loccumer Pelikan 2006, 2, 53–60. Rita Burrichter  – Tuba Işık, Gemeinsam Dank und Bitte vor Gott tragen – Anlässe und Räume multireligiöser Feiern, in: Handbuch christlich-islamischer Dialog. Grundlagen  – Themen  – Praxis – Akteure, hg. v. Volker Meißner  – Martin Affolderbach – Hamide Mohagheghi  – An­ dreas Renz. Freiburg/Br. 2014 (Schriftenreihe der Georges-Anawati-Stiftung 12), 268–272. Peter Ebenbauer, An den Bruchlinien spätmoderner Lebenskultur. Interreligiöses Beten und zivilreligiöse Feiern als Herausforderung, in: Herder Korrespondenz Spezial: Wie heute Gott feiern? Liturgie im 21. Jahrhundert, April 2013, 49–52. ders., Interreligiöse Gebetsfeiern. Ein theologischer Orientierungsversuch, in: Pax et Bonum. Franziskanische Beiträge zu Frieden und interreligiösem Dialog, hg. v. Michaela Sohn-Kron­ thaler – Paul Zahner. Innsbruck – Wien 2012 (TKD 23), 195–206. Susanne Heine – Özsoy Ömer – Christoph Schwöbel – Abdullah Takim, Christen und Muslime im Gespräch. Eine Verständigung über Kernthemen der Theologie. Gütersloh 2014; darin be­ sonders Kapitel XII. Regeln der Glaubenspraxis: Riten (S. 289–311). Peter Hünermann, Theologischer Kommentar zur dogmatischen Konstitution über die Kirche Lumen gentium, in: Herders Theologischer Kommentar zum Zweiten Vatikanischen Konzil 2: Sacrosanctum Concilium – Inter mirifica – Lumen gentium, hg. v. Peter Hünermann – Bernd Jochen Hilberath. Freiburg/Br. [u. a.] 2004, 263–582. Themenheft: Leben und Feiern in Vielfalt. Auf der Suche nach christlich-muslimisch verant­ worteter Praxis, in: HlD 70. 2016, H. 1. Bernhard Nitsche, Religiosität und Religionen. Der Dialog als Zeichen der Zeit, in: Das Zweite Vatikanische Konzil und die Zeichen der Zeit heute, hg. v. Peter Hünermann in Zusammen­ arbeit mit Bernd Jochen Hilberath und Lieven Boeve. Freiburg/Br. [u. a.] 2006, 146–160. Christian Troll, Gemeinsames Beten von Christen und Muslimen?, in: StZ 226. 6/2008, 363–376.

4.1  Liturgie als Versammlung vor Gott125

4 Theologie der Liturgie Liturgie artikuliert und kommuniziert in ritueller Form christliche Glaubensüberzeugungen. Sie ist ein Feiergeschehen, an dem der Glaube der Kirche ablesbar ist. Darauf weist das Axiom »Lex orandi – Lex credendi« hin (vgl. Kap. 2.2.7.2). Zugleich bedarf sie immer neu der theologischen Reflexion, um innerhalb vielfältiger Deutungen, die an sie herangetragen werden, ihre sinnstiftende Mitte nicht zu verlieren. Damit ist die Theologie der Liturgie angesprochen, in die das folgende Kapitel einführt. Es nimmt seinen Ausgangspunkt bei der Liturgiefeier als menschlicher Versammlung, die sich von Gott gerufen weiß und unter ganz spezifischen Voraussetzungen steht (4.1). Es arbeitet das dynamische Gottesbild der Liturgie heraus, das dem Gottesdienst als Begegnungsgeschehen zwischen Gott und Mensch entspricht (4.2). Die Liturgie wird als Feier des Pascha-Mysteriums Christi (4.3), eine der zentralen Aussagen heutiger Liturgietheologie, und als ein geistgewirktes Geschehen, das der Mensch nicht selbst »machen« kann, (4.4) interpretiert. Theologie, Christologie und Pneumatologie der gottesdienstlichen Feiern sind folglich zu thematisieren. Die Anteilhabe der Liturgie am von Gott verheißenen Heil (4.5) sowie das Zueinander von irdischer und himmlischer Liturgie (4.6) sind darzustellen. Liturgie ist Verherrlichung Gottes, zugleich aber auch Heiligung des Menschen. Darum ist auch das Menschenbild der Liturgie Gegenstand der Liturgietheologie (4.7). Schließlich ist das Verhältnis von Liturgie und christlicher Lebenspraxis zu erfragen (4.8).

4.1

Liturgie als Versammlung vor Gott

4.1.1 Versammlung als anthropologisches Phänomen Das Grundgeschehen der christlichen Liturgie kommt mit dem anthropologischen Phänomen »Versammlung« in den Blick. Unter »Versammlung« versteht man zunächst das Zusammenkommen von Menschen zu einem bestimmten Zweck. Nach Gruppe, Anlass und Zielsetzung wird eine solche Versammlung unterschiedlich gestaltet. Ihr Handeln folgt bestimmten Regeln, ist also standardisiert und wiederholbar. Sie ist durch die Ordnung der Rollen und Formen charakterisiert. Schließlich ist sie für die jeweilige Gruppe als kommunikative Handlung notwendig. Insbesondere für religiöse Versammlungen lassen sich häufig Stereotypisierungen des Sprach- und Zeichengeschehens und damit Formalisierungen beobachten. Wiederholbarkeit, die Verwendung feststehender sprachlicher Ausdrücke und Formeln sowie festgelegter Symbole und Handlungen u. a. sind zu nennen (Lang/128). Die grundsätzliche Regelung der Handlungsabläufe und die Zielsetzung ermöglichen erst Versammlung als Geschehen in Gemeinschaft. Religiöses Versammlungsgeschehen tendiert notwendigerweise zur Ritualisierung; es ist wiederholbar, kann in der Wiederholung be-

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4  Theologie der Liturgie

stimmte Inhalte repräsentieren und ermöglicht aufgrund des wiederkehrenden Rituals eine wie auch immer geartete Partizipation der jeweiligen Gruppe. Auf dieser Ebene lassen sich bereits die liturgische Rollenverteilung sowie die Zuweisung von Texten, Zeichen und Handlungen an Rollenträger, die Konstituierung von kirchlicher Gemeinschaft aus der Liturgiefeier und die Vermittlung sozialer Beziehungen sowie einer spezifischen Weltsicht aus der liturgischen Versammlung erklären. Zentrale Wesenszüge der christlichen Liturgie, etwa dass Gott ihr Initiator ist, dass Christus als Subjekt der Versammlung handelt und der Mensch durch die Liturgie Wandlung erfährt, lassen sich allerdings nicht allein anthropologisch ableiten, sondern sind theologisch zu begründen, wie zu zeigen ist. Dabei wird deutlich werden, dass hinsichtlich der liturgischen Versammlung, in die sich Menschen von Gott durch Christus gerufen wissen und in der sie mit und durch Christus auf den Anruf Gottes antworten, Anthropologie und Theologie Hand in Hand gehen.

4.1.2 Liturgie als von Gott gerufene Versammlung Versammlungen mit gottesdienstlichem Charakter begegnen bereits im Alten und Neuen Testament. So berichtet das Neue Testament vielfältig von Versammlungen zu Gebet und Gottesdienst (Apg 4,5; 12,12; 1 Kor 5,4; 14,23), insbesondere zur Eucharistie (Apg 20,7 f.; 1 Kor 11,17 f. 33; 14,26). Charakter, Ort der Zusammenkunft und Umstände können variieren, doch eines bleibt erkennbar gleich: Diese Versammlungen sind immer auf Christus bezogen. Besonders deutlich wird das in der Eucharistie, die im Bewusstsein der Christusgegenwart gefeiert wird, wie nachdrücklich in der Emmausperikope (Lk 24,13–35) erzählt wird. Im Hintergrund der verschiedenen Versammlungen steht die Zusage der Gegenwart Christi, »wo zwei oder drei in meinem Namen versammelt sind, da bin ich mitten unter ihnen« (Mt 18,20). Wenn es über die Taufe heißt, sie geschehe im Namen Jesu (Apg 10,47) und entfalte als solche ihre reinigende Wirkung (1 Kor 6,11), wird der Bezug zu Christus sichtbar. Liturgie ereignet sich nach dem Neuen Testament jeweils im Namen Jesu Christi, des Gottessohnes. Was in den liturgischen Vollzügen geschieht, muss dem gefeierten Ereignis, der Offenbarung Gottes in Jesus Christus, angemessen sein. In 1 Kor 11,27 wird dieser Zusammenhang für das Herrenmahl deutlich. Wer unwürdig vom Brot isst und aus dem Kelch des Herrn trinkt, macht sich an Leib und Blut Christi schuldig, damit an Christus, der sich am Kreuz hingegeben hat. Vom Christusgeschehen lässt sich liturgische Versammlung demnach nicht lösen. Das Sich-Versammeln im Namen Jesu wie beständiges Lobpreisen und Beten sind für die Ekklesia der Christen konstitutiv (Hucke – Rennings/461; Berger/424). Die christliche Versammlung liegt damit auf einer Linie mit jenen im Alten Testament genannten Versammlungen (‫)קהל יהוה‬, die Gott einberuft, so besonders eindrücklich der göttliche Auftrag an Mose nach Dtn 4,10: »Ruf mir das Volk zusammen.« Ex 19,7 erzählt von der Zusammenkunft der Ältesten des Volkes, die von Gott aufgetragen ist (Ex 19,6). Auf Befehl Gottes, hier durch Mose überbracht, versammelt sich das Volk, um Gottes Wort zu hören. Ähnlich ruft Mose nach Dtn 5,1 das Volk zusammen, um ihm die von Gott gegebenen Gebote weiterzugeben. Nach Neh 8,3 hört das versammelte Volk auf das von Esra verkündete

4.1  Liturgie als Versammlung vor Gott127

Gesetz Gottes. Hier begegnet also ein Typus von Versammlung, der mit Blick auf Versammlungsform, Rollenverteilung, Ritualisierung usw. üblichen Schemata menschlicher Versammlung folgt, aber als Spezifikum die Initiative Gottes kennt. Im Neuen Testament lebt dieser Strang für die gottesdienstlichen Versammlungen fort, doch ist nun Christus derjenige, auf dessen Auftrag hin man zusammenkommt (vgl. 1 Kor 11,24 f.) bzw. dessen Name über der jeweiligen Versammlung und ihrer Handlung steht. Mehr noch: Nach Mt 18,20 ist Christus selbst in dieser Versammlung gegenwärtig (vgl. auch Mt 28,20). Damit erst bekommt sie ihre eigentliche Qualität: Gegenwart Christi bedeutet Gegenwart des Auferstandenen und seines Heilshandelns. Anlass und Inhalt, aber auch das primäre Subjekt des Gottesdienstes werden benannt. Was auch im Einzelnen im Gottesdienst geschieht, ereignet sich als Aktualisierung von Leiden, Tod, Auferstehung und Erhöhung Christi. Wie eng die Verbindung von Liturgie und Versammlung ist, kann man schon daran ablesen, dass man die Eucharistie bis ins Frühmittelalter auch als σύναξις (Versammlung) bezeichnet hat (Meyer/3: 39). Mit der dogmatischen Konstitution Lumen Gentium (LG 28) und dem Dekret über Dienst und Leben der Priester Presbyterorum ordinis (PO 5) taucht der Begriff in zwei Dokumenten des Zweiten Vatikanischen Konzils wieder auf. Die Liturgiekonstitution spricht davon, dass die Kirche niemals aufgehört habe, sich zur Feier des Pascha-Mysteriums zu versammeln (SC 6). Diese Versammlung wird als Fortführung des Heilswerkes Christi gedeutet, das in der Sendung des Sohnes durch den Vater wurzele, also bei Gott seinen Anfang nehme; Verkündigung der Botschaft und Vollzug des Heilswerkes »durch Opfer und Sakrament« haben ihren Platz in der Versammlung. Wie Mediator Dei 20, die Enzyklika Pius’ XII. von 1947 zu Fragen der Liturgie, weist die Konstitution auf die Gegenwart Christi auch in der Versammlung hin (SC 7) und beschreibt Liturgie als Werk Christi und seines Leibes. Die Getauften versammeln sich zur Liturgie als Höhepunkt und Quelle kirchlichen Tuns (SC 10; LG 11). Auf dieser Linie liegen beispielsweise die eröffnenden Elemente und die entsprechenden Rubriken verschiedener heutiger Liturgiefeiern, die vom Anfang des jeweiligen Gottesdienstes her das folgende Geschehen und die Versammlung qualifizieren. Das Messbuch (Meßbuch/50: 323) sieht auf der Ebene zeichenhaften Handelns das Sich-Versammeln der Gemeinde, den Einzug von Priester und Assistenz unter begleitendem Gesang und die Verehrung des Altares (als Symbol für Christus) vor. Hier bereits wird realisiert, dass sich Menschen um Christus versammeln. Das Kreuzzeichen, das sich anschließt, drückt das in Wort und Gestus aus. Alle Anwesenden vollziehen dieses Zeichen mit, das zugleich über die begleitende Formel »Im Namen des Vaters und des Sohnes und des Heiligen Geistes« an die Taufformel erinnert, und stellen sich in ihrer Feier unter das Signum Christi. Die kürzeste der vorgesehenen Begrüßungsformeln, vom Priester mit ausgebreiteten Händen als Begrüßungsgestus gesprochen und von der Gemeinde beantwortet, lautet: »Der Herr sei mit euch.  – Und mit deinem Geiste.« Andere Begrüßungen lauten: »Gnade und Friede von Gott, unserem Vater, und dem Herrn Jesus Christus sei mit euch« oder »Die Gnade unseres Herrn Jesus Christus sei mit euch« (vgl. Joh 20,21.26 u. ö. bzw. 1 Kor 1,3 u. ö.). In Gruß und Gegengruß kommt das Geschehen zwischen Gott/Christus und den Menschen, das diese Versammlung konstituiert, zum Ausdruck.

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4  Theologie der Liturgie

Ähnliches lässt sich in variierenden Formen für andere Liturgiefeiern zeigen, so etwa für die Tagzeitenliturgie. Auf der Handlungsebene besitzt das Zusammenkommen und Versammeln von Menschen zur Liturgie Zeichencharakter. Aber auch die Gebetssequenzen, die diese Liturgie eröffnen, weisen die Versammlung als Versammlung vor Gott aus. Die erste Tageshore beginnt mit dem Invitatorium aus Ps 51(50),17: »Herr, öffne meine Lippen. – Damit mein Mund dein Lob verkünde.« Wer mit diesem Vers den Tag beginnt, bedenkt sich und sein Leben vor Gott und weiß sich auf dessen Zuwendung und Gnade angewiesen. Auch wenn die Eröffnungselemente der Stundenliturgie andere sind als diejenigen der Messe, das Ziel, die Versammlung auf Gott hin zu orientieren, ist beiden gemeinsam (Häußling/457).

Kurzinformation: Tagzeitenliturgie Der tägliche Gottesdienst der Christen war ursprünglich nicht die Messfeier, sondern die Tag­ zeitenliturgie. Die in der Alten Kirche selbstverständliche Praxis regelmäßiger Gebetsver­ sammlungen zu bestimmten Tageszeiten ist im Zuge der abendländischen Kirchengeschichte bis auf wenige Ausnahmen untergegangen bzw. durch populäre Formen wie Rosenkranzge­ bet oder Engel des Herrn ersetzt worden. Demzufolge wird die Tagzeitenliturgie bis heute noch verbreitet als ein Standesgebet der Kleriker und der klösterlichen Gemeinschaften ange­ sehen. Auch die Liturgiekonstitution geht noch zunächst vom Priester und anderen kraft kirchlicher Ordnung Beauftragten als deren Träger aus, dem sich freilich auch weitere Christ­ gläubige anschließen können (SC 84). Die Allgemeine Einführung in das Stundengebet (1971) beginnt demgegenüber mit einer programmatischen Aussage: »Das öffentliche und gemein­ same Gebet des Volkes Gottes gilt mit Recht als eine der Hauptaufgaben der Kirche« (AES 1). Begründet wird dies mit der kontinuierlichen Gebetspraxis der Jerusalemer Urgemeinde (Apg 2,42) und der neutestamentlichen Zeugnisse von privatem und gemeinsamem Gebet zu bestimmten Stunden. »Aus diesen gemeinsam verrichteten Gebeten bildet sich allmählich ein fester Kreis von Gebetszeiten heraus. Dieses ›Stundengebet‹ oder ›Officium divinum‹, das auch durch Lesungen bereichert wurde, ist vor allem Lob- und Bitt­gebet, und zwar ein Gebet der Kirche mit Christus und zu Christus« (AES 2). Die Liturgiekonstitution verwendet die beiden bibli­ schen Bilder der Kirche, das aus dem Hohelied von der »Stimme der Braut, die zum Bräutigam spricht«, und das paulinische vom »Gebet, das Christus, vereint mit seinem Leibe an seinen Vater richtet« (SC 84). Tatsächlich hat die Tagzeitenliturgie in ihren poetischen Elementen seit frühester Zeit einen starken christologischen Bezug gehabt. Vielleicht kann man schon einige der neutestament­ lichen Hymnen dazu zählen. In jedem Fall ist der frühchristliche Abendhymnus Phos hilaron (Plank 2001) ein prominentes Zeugnis christlicher Hymnendichtung, die sich in späterer Zeit in den lateinischen Hymnen des Ambrosius und anderer Hymnendichter fortsetzt. Dies darf aber nicht darüber hinwegtäuschen, dass der Rhythmus des Betens zu bestimmten Tageszei­ ten bereits im Judentum zur Zeit des Tempels ausgebildet worden ist, der sich in Formen pri­ vaten und gemeinschaftlichen Betens in der Synagoge weiterentwickelt hat. Christliche Tag­ zeitenliturgie bildete sich teilweise parallel dazu aus unter gegenseitiger Annahme und

Kurzinformation: Tagzeitenliturgie129 Abgrenzung. Gemeinsam ist beiden der Gedanke der Gegenwart des Heils beim Gotteslob und beim Gedenken. Im Judentum wurde seit dem Exil der Opfergedanke spiritualisiert. An­ stelle der Opfer im Tempel traten nun feste Gebetszeiten, die auch zu Hause vollzogen wer­ den konnten (vgl. Dan 6,11; Ps 55,18). Schon zuvor erhielten die einzelnen Gebetszeiten eine inhaltliche Füllung, insbesondere die am Morgen und am Abend. Am Abend wurde des Aus­ zugs aus der Knechtschaft Ägyptens und am Morgen des Bundesschlusses am Sinai gedacht. Parallelen zwischen jüdischen und christlichen Gebräuchen – etwa hinsichtlich der Auswahl von Psalmen oder einzelner Verse wie z. B. die Kompletpsalmen 4, 91 und 126 – resultieren zum Teil aus dem gemeinsamen Fundus, können aber auch Resultat eines dynamischen Interakti­ onsprozesses beider Religionen sein (s. Kap. 3.2). Gemeinsam ist beiden Religionen der Gedanke, dass die Zeit der Schlachtopfer vorbei ist. Während jedoch das Judentum seit der Zerstörung des Tempels im Jahre 70 und der Neufor­ mierung in rabbinischer Zeit kein Priestertum mehr kennt, lebt nach christlichem Verständnis der priesterliche Dienst des einzigen Hohenpriesters des Neuen Bundes in der Kirche fort, deren Tagzeitenliturgie Vollzug des Priesteramtes Christi durch die Kirche ist: »Sie kann jedoch diese priesterliche Aufgabe nur dann auf eine gottgefällige Weise wahrnehmen und fortsetzen, wenn Gott selbst ihr durch Christus den Hymnus zu seinem Lob und die Worte des fürbittenden Eintretens für das Heil der ganzen Welt in den Mund legt. Das Gebet der Kirche ist also Antwort auf die immer schon vorausgegangene und erfahrene Zuwendung Gottes, auf den Ruf Gottes an sie« (Kaczynski 2004, 168). In dieser Hinsicht ist auch die Tagzeitenliturgie dialogisches Gesche­ hen, Wort und Antwort, Empfangen und Geben. Der Vorrang des Empfangens zeigt sich allein schon darin, dass der weitaus überwiegende Teil der Tagzeitenliturgie seit jeher aus bibli­ schen Texten besteht. Zudem wurde durch die Liturgiereform der Anteil der biblischen Lesun­ gen erhöht. Die Besonderheit der Tagzeitenliturgie liegt in ihrem Zeit- und Lebensbezug. Zu Recht legt die erneuerte Tagzeitenliturgie daher größten Wert auf die veritas horarum, d. h. auf die Feier zur rechten Zeit, die gegenüber dem früheren quantitativen Pensum-Denken die Heiligung des Tages in den Mittelpunkt stellt, wie auch die Apostolische Konstitution Papst Paul’ VI. zur Einführung der erneuerten Liturgia horarum betont. Den Bezug zur Tageszeit stellen insbe­ sondere die Hymnen und einige der Psalmen her, aber auch die wieder eingeführten Bitten in der Morgen- und Fürbitten in der Abendhore, die sich nur in Restbeständen erhalten hatten. Darin kommt insbesondere der Auftrag des stellvertretenden Betens und des Einstehens für die Welt zum Ausdruck. Es liegt nahe, dass monastische Spiritualität hier einen wichtigen An­ knüpfungspunkt gefunden hat, der aber nicht exklusiv verstanden werden darf. Einen ein­ deutigen Bezug zur Tageszeit haben das Invitatorium zu Beginn (»Herr, öffne mir die Lip­ pen ...«) und die Komplet am Ende des Tages (»Eine ruhige Nacht und ein gutes Ende gewähre uns der allmächtige Herr«). In einer Zeit zurückgehender Zahlen bei Priestern und Ordensleuten stellt sich auf eine ganz neue Weise die Frage, wie die »priesterliche Aufgabe« in der Fläche zumindest punktuell zu erfüllen ist. Seit Jahrzehnten gibt es unter Aufgreifen von Ansätzen aus der Zeit der Liturgi­ schen Bewegung Bemühungen, Tagzeitenliturgie in Gemeinden und Gruppen zu verankern

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4  Theologie der Liturgie

(Budde 2013). Gerade im deutschen Sprachraum stehen ausgezeichnete Möglichkeiten aus Tradition und Gegenwart zur Verfügung, der Tagzeitenliturgie eine je nach Mitfeiernden und Anlass angemessene Gestalt zu geben (vgl. z. B. Ökumenisches Stundengebet sowie die Peri­ odica »Magnificat« und »Te Deum«). Die musikalische Gestaltung der Tagzeitenliturgie ist mehr als ein Beiwerk; sie trägt wesentlich mit dazu bei, dass beim Vollzug der Liturgie Herz und Stimme in Einklang sind, wie die Allgemeine Einführung unter Bezug auf die Liturgiekon­ stitution, die ihrerseits auf die Benediktsregel rekurriert, fordert (AES 19). Die Feier der Tagzei­ tenliturgie in den Gemeinden wird mehr oder weniger Maß am kirchlichen Stundenbuch nehmen, wobei die Bemühungen während der vergangenen Jahrzehnte eine Fülle von Wei­ terentwicklungen gebracht haben, von denen einige auch in das Kapitel »Die Tagzeitenlitur­ gie« des Gotteslob 2013 aufgenommen worden sind (GL 618; 626; 659; 667). Das Gotteslob und die flankierenden Publikationen bieten ein großes Repertoire für die Feier in Gemeinschaft, angefangen von der einstimmigen modalen Form bis zu mehrstimmigen Psallierweisen. Die Liturgiereform hat, wie allerdings zuvor schon Papst Pius X., in die Struktur des Römischen Breviers gravierend eingegriffen, etwa in Bezug auf die Anzahl der Tagzeiten und deren Auf­ bau sowie auf die Verteilung der Psalmen und deren Anzahl in den einzelnen Horen. Die Psalmen wurden statt wie bisher auf eine Woche auf einen Vierwochenzyklus aufgeteilt. Die als Verdoppelung der Morgenhore eingeführte Prim wurde gestrichen, die drei mittleren Horen Terz, Sext und Non können je nach Tageszeit auf eine reduziert, die Vigil kann als Le­ sehore zu jeder Zeit vollzogen werden. Der Aufbau der einzelnen Horen wurde angeglichen, sodass die Struktur im Vergleich nahezu identisch ist: Der Aufbau der Horen der heutigen Tagzeitenliturgie Lesehore [Vigil]

Laudes

Kleine Hore (entsprechend Tageszeit)

Vesper

Komplet

Invitatorium

Eröffnung (oder Invitato­ rium)

Eröffnung

Eröffnung

Eröffnung (Gewissenserfor­ schung, Schuld­ bekenntnis, Vergebungsbitte)

Hymnus (in der Nacht/am Tag)

Hymnus

Hymnus

Hymnus

Hymnus

1. Psalm 2. Psalm 3. Psalm Versikel

Morgenpsalm atl. Canticum Lobpsalm

1. Psalm­(abschnitt) 2. Psalm­(abschnitt) 3. Psalm(abschnitt)

1. Psalm 2. Psalm ntl. Canticum

1–2 Psalmen

1. Lesung (Hl. Schrift) Responsorium

(Kurz-) Lesung

Kurzlesung

(Kurz-) Lesung

Kurzlesung

2. Lesung (Kirchen­ väter, -schriftsteller, Hagiographie) Responsorium

Responsorium

Versikel

Responsorium

Responsorium

Kurzinformation: Tagzeitenliturgie131

Lesehore [Vigil]

Laudes

[3 Cantica Evangelium]

Kleine Hore (entsprechend Tageszeit)

Vesper

Komplet

Benedictus (Lk 1,68–79)

Magnificat (Lk 1,46–55)

Nunc dimittis (Lk 2,29–32)

Bitten

Fürbitten

Vaterunser

Vaterunser

Te Deum (an Sonnund Feiertagen)

Oration

Oration

Oration

Oration

Oration

Entlassung

Segen und Entlassung

Versikel

Segen und Entlassung

Segensspruch

(Marianische Antiphon)

Marianische Antiphon

Der Aufbau lässt sich in folgendes Schema fassen: Eröffnung Hymnus Psalmodie (Psalmen und neu- oder alttestamentliches Canticum) Verkündigung (Lesung, Antwortgesang, Canticum aus dem Lukasevangelium) Bittgebet Segen Vor allem Laudes und Vesper können im gemeindlichen Vollzug rituell reicher entfaltet wer­ den, auch durch die Erweiterung der Wortverkündigung. Bei der Adaption spielt der Umgang mit den Psalmen eine wichtige Rolle. Hier ist weniger oft mehr, wie Erfahrungen mit dem Bonner Mittagsgebet bzw. dem Ökumenischen Stundengebet lehren (Budde 2013). Alles in allem gilt: Die Potenziale der Tagzeitenliturgie für die Präsenz von Christen in der heutigen Welt sind längst nicht erkannt, geschweige denn genutzt. Literatur Harald Buchinger, Tagzeitenliturgie, in: Der Gottesdienst und seine Musik 2: Liturgik: Gottes­ dienstformen und ihre Handlungsträger, hg. v. Albert Gerhards – Matthias Schneider. Laaber 2014 (Enzyklopädie der Kirchenmusik 4/2) 71–82. Achim Budde, Gemeinsame Tagzeiten. Motivation – Organisation – Gestaltung. Stuttgart 2013 (PTHe 96). Corinna Dahlgrün, Zeit aus der Zeit genommen. Zur Theologie des Stundengebetes, in: Euro­ pean Society of Women in Theological Research: Jahrbuch der Europäischen Gesellschaft für die Theologische Forschung von Frauen 7. 1999, 117–122. Albert Gerhards, Stundengebet. I. Geschichte, in: TRE 32. 2000, 268–276.

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4  Theologie der Liturgie

Angelus A. Häußling, Tagzeitenliturgie in Geschichte und Gegenwart. Historische und theolo­ gische Studien, hg. v. Martin Klöckener. Münster ²2017 (LQF 100). Reiner Kaczynski, Theologischer Kommentar zur Konstitution über die heilige Liturgie Sacro­ sanctum Concilium, in: Herders Theologischer Kommentar zum Zweiten Vatikanischen Konzil, hg. v. Peter Hünermann – Bernd Jochen Hilberath. Bd. 2. Freiburg/Br. [u. a.] 2004, 1–227. Lebendiges Stundengebet. Vertiefung und Hilfe, hg. v. Martin Klöckener – Heinrich Rennings. Freiburg/Br. [u. a.] 1989 (Pastoralliturgische Reihe in Verbindung mit der Zeitschrift »Gottes­ dienst«). Liborius Lumma, Liturgie im Rhythmus des Tages. Eine kurze Einführung in Geschichte und Praxis des Stundengebets, Regensburg 2011. Peter Plank, Phos hilaron. Christushymnus und Lichtdanksagung der frühen Christenheit. Bonn 2001 (Hereditas 20). Robert Taft, The Liturgy of the Hours in East and West. The Origins of the Divine Office and its Meaning for Today. Collegeville, MN ²1993. Tagzeitenliturgie. Ökumenische Erfahrungen und Perspektiven. Liturgie des heures. Expéri­ ences et perspectives oecuméniques, hg. v. Martin Klöckener – Bruno Bürki. Fribourg 2004.

4.1.3 Liturgiefeier in gegliederter Versammlung Die liturgische Versammlung wird in den neutestamentlichen Quellen als geschwisterliche Versammlung beschrieben, ist aber dennoch nach Aufgaben und Diensten gegliedert (Kirchschläger/469; Wie weit trägt das gemeinsame Priestertum?/518; Theobald/409). Der Leitungsdienst einerseits und ein Handeln der anwesenden Gläubigen andererseits schließen einander aber keineswegs aus, denn das Umgreifende ist die Versammlung im Namen Jesu Christi. Christus selbst vollzieht sein Heilswerk für die Menschen und feiert mit der Gemeinde. Die Menschen, die in der Liturgie handeln, partizipieren am Tun Jesu Christi. Diese Partizipation kann sehr unterschiedliche Formen haben, muss aber immer in der Sendung Christi stehen und von ihr her legitimiert sein. Das gilt insbesondere für den liturgischen Leitungsdienst, der im Neuen Testament mit der Gemeindeleitung verbunden ist: gehandelt wird für und mit der Gemeinde (Kirchschläger/468). Innerhalb der Liturgie feiernden Gemeinde, näherhin in den Feiern der Sakramente, unterscheidet man demgegenüber heute für die eine Gemeinde die Leitung, die liturgischen Dienste und die anderen Feiernden. »Die liturgischen Handlungen sind Feiern der Kirche, die das ›Sakrament der Einheit‹ ist; sie ist nämlich das Volk, geeint und geordnet unter den Bischöfen« (SC 26). Jeder Gläubige wird mit seinem Charisma für die Feier der Liturgie »in Dienst genommen«; Ordination, Beauftragung, Partizipation der übrigen Gläubigen sind unterschiedliche Weisen, wie und mit welcher Verpflichtung die verschiedenen Charismen beansprucht werden. Zugleich öffnet SC 26 die Möglichkeit, dass mit der Leitung des Gottesdienstes Beauftragte oder die Christgläubigen insgesamt auch ohne geweihten Priester

4.1  Liturgie als Versammlung vor Gott133

oder Diakon viele liturgische Handlungen vollziehen können, was für Tagzeitenliturgie (SC 84; 100), Sakramentalien (SC 79) und Wortgottesdienst (SC 35,4) ausgeführt wird. Für jede liturgische Feier, gleich ob von Ordinierten oder Nichtordinierten geleitet, gilt, dass »jeder, sei er Liturge oder Gläubiger, in der Ausübung seiner Aufgaben nur das und all das tun [soll], was ihm aus der Natur der Sache und gemäß den liturgischen Regeln zukommt« (SC 28).

4.1.4 Hören und Antworten als menschliche Grundaktionen in ­liturgischer Versammlung Liegt die Initiative der liturgischen Versammlung bei Gott, so auf Seiten des Menschen das Hören und das Antworten auf das von Gott Zugesprochene. Der Mensch ist also als handelndes Subjekt in die Liturgie einbezogen. Die liturgische Versammlung ist weder Selbstzweck noch auf sich konzentriert, sondern auf Gott ausgerichtet, der sich in Jesus Christus geoffenbart hat. Hören und Antworten sind deshalb menschliche Grundaktionen in der liturgischen Versammlung. Die Sonntagseucharistie als eine Form von Liturgie lässt in ihrer Eröffnung erkennen, was dabei im Mittelpunkt steht. Der Einführung schließen sich – nach dem Schuldbekenntnis  – Kyrie, Gloria und Tagesgebet an. Kyrie und Gloria hängen eng zusammen; sie sind Ausdruck der Verherrlichung des Kyrios Christus, was unter anderem im Gesang und im Stehen der Gemeinde hör- und sichtbar wird. Sie gehören mit zum Ersten, was die Versammlung als Ganze in dieser Liturgie artikuliert. Dass dies in der Liturgie zum Teil formelhaft geschieht, darf nicht den Blick für das dahinterstehende personale Geschehen verdecken. Das Formelhafte, das allgemeiner bleibt und das Individuelle stärker übersteigt als frei formulierte Texte, kann den individuellen Mitvollzug und die notwendige persönliche Rezeption erleichtern, weil es nicht auf das Konkrete festgelegt ist. In der Liturgie wird dem Menschen von Gott her Heil zugesprochen. Das kann beispielsweise dem Kollektengebet, also dem Tagesgebet, abgelesen werden. Nach der Gebetseinladung (»Lasset uns beten«) sollte nach alter Tradition Raum für das stille Gebet der Gläubigen sein; mit der »Collecta«, dem sammelnden und deshalb knappen Gebet, beschließt der Priester den Gebetsakt. In der heutigen liturgischen Praxis ist diese Verbindung von gemeinschaftlichem und individuellem Gebet allerdings häufig nicht mehr erkennbar. Das Antworten der Gemeinde kann so vielfältige Gestalt annehmen wie die liturgischen Versammlungen selbst. Neben Dank und Lobpreis treten Bitte und Klage, sodass auch in den akklamierend-anbetenden Formen den Lebensrealitäten der Versammelten Rechnung getragen wird. Unverzichtbar ist für alle liturgischen Sprach- und Handlungsakte, dass die Dimension der Kommunikation zwischen Gott und Mensch in der liturgischen Handlung selbst zu erkennen und zu erfahren ist. Aus theologischen Gründen sind deshalb die Kommunikationsebenen hinsichtlich Stil und Adressierung der Gebetshandlungen durchzuhalten, dies nicht aus Formalismus heraus, sondern um des eigentlichen liturgischen Geschehens willen. Feierform und Sinngehalt korrespondieren einander. Gerade eine mystagogische, also sich gleichsam im Vollzug selbst erschließende und weitgehend selbst sprechende Liturgie erfor-

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4  Theologie der Liturgie

dert in sich Stimmigkeit. Mit Blick auf die Liturgie als Gemeinschaftsgeschehen ist eine solche Klarheit der Formen und Vollzüge wichtig, damit nicht der Kern des Geschehens aus dem Blick gerät. Auch dieser Aspekt von Versammlung ist für die verschiedenen Liturgiefeiern unverzichtbar, wie die Tagzeitenliturgie belegt. Sprachliche und nichtsprachliche Elemente bestimmen die Eröffnung. Im Versammeln konstituiert sich die betende Gemeinde, die sich bereits in den Eröffnungsrufen als um den Herrn versammelte Gemeinde bekannt und sich vergegenwärtigt hat, dass ihr Lobpreis und damit auch ihre Versammlung von Gott ermöglicht ist. In manchen monastischen Gemeinschaften ist vor der Tagzeitenliturgie eine »statio« üblich, eine Versammlung etwa im Kreuzgang, bei der die verschiedenen Aspekte liturgischer Versammlung sichtbar werden: »Weil etwas gemeinsam zu tun ist, findet man sich zusammen; weil das gemeinsame Handeln aber Beten und Hören ist, sammelt sich der einzelne zum gemäßen Dienst mit und in der Gemeinschaft. … Dem Sammeln folgt die Prozession zum Ort der Tagzeitenliturgie. … Erst jetzt, nach der Hinwendung zueinander und der Abstimmung miteinander, erfolgt die gemeinsame Hinwendung zu Gott im eröffnenden Dialog des Gebetsrufes« (Häußling/457: 263 f.).

4.1.5 Versammlung der Gemeinde – Versammlung der Kirche Liturgische Versammlung meint immer mehr als die einzelne Versammlung hier und jetzt. Sie besitzt eine ekklesiale Dimension, insofern über sie Kirche auferbaut wird (Gemeinde, Ortskirche, Universalkirche). Auch das stellt die liturgische Versammlung nochmals unter eigene Voraussetzungen, einerseits diesen ekklesialen Bezug zu realisieren, andererseits das je Eigene in Glaubensleben und Liturgie zu artikulieren, auch um es in die Universalkirche einbringen zu können. Zugleich beansprucht die Kirche aufgrund ihrer Apostolizität das bleibende Heilsgeschehen für die Liturgie zu verbürgen. Schon die Initiationsfeiern sind nicht Aufnahmeriten in eine bestimmte Gemeinde, auch wenn sie im Gemeindekontext gefeiert werden und die Gemeinde der primäre Erfahrungsraum von Kirche ist. Sie gliedern vielmehr in das Volk Gottes ein und besitzen auch ekklesiologische Bedeutung, denn die Kirche als Ganze ist von dieser Initiation betroffen. Zur gleichen Aussage kommt man, wenn man den christologischen Aspekt der Taufe, die Eingliederung in Christus, hervorhebt, denn Christus ist nicht ohne seinen Leib, die Kirche (vgl. 1 Kor 12,12 f.; Eph 5,23). Außerdem ist gerade bei der Taufe nicht zu übersehen, dass die Kirche aus ihr lebt. Die Praenotanda generalia »Die Eingliederung in die Kirche« (Feier der Kindertaufe/57: 10), die Einleitung in die Taufliturgie, nennen die Taufe »das sakramentale Band, das alle zusammenhält, die dieses Zeichen empfangen haben«. Für die Eucharistie lässt sich in gleicher Weise zeigen, dass über die Gemeinde hinaus die Feiernden sich der Orts- und Universalkirche verbunden wissen, mehr noch: dass sich aus der Communio der feiernden Gemeinden Kirche aufbaut und Kirche sich in den Eucharistie

4.1  Liturgie als Versammlung vor Gott135

feiernden Gemeinden realisiert. Die Interzessionen (von lat. intercedere = Fürsprache einlegen) im eucharistischen Hochgebet sprechen diese wechselseitige Beziehung aus: »Beschütze deine Kirche auf ihrem Weg durch die Zeit und stärke sie im Glauben und in der Liebe: deinen Diener, unseren Papst N., unseren Bischof N. und die Gemeinschaft der Bischöfe, unsere Priester und Diakone, alle, die zum Dienst in der Kirche bestellt sind, und das ganze Volk deiner Erlösten« (3. Hochgebet; Meßbuch/50: 497). Die am Ort feiernden Christen wissen sich mit Papst, Bischof und allen Gläubigen zur Eucharistie versammelt. Die Interzes­ sionen sind Repräsentanz der ganzen Kirche in der jeweiligen Eucharistiefeier. Die Liturgiekonstitution unterstreicht die Einheit des liturgischen Lebens im Bistum mit dem Bischof im Mittelpunkt. Kirche werde in besonderer Weise dann sichtbar, wenn das ganze Volk voll und tätig an der Liturgie teilnehme: »in der Einheit des Gebets und an dem einen Altar und unter dem Vorsitz des Bischofs, der umgeben ist von seinem Presbyterium und den Dienern des Altars« (SC 41; vgl. LG 11). Die eucharistische Ekklesiologie, die vor allem der orthodoxen Theologie viele Impulse verdankt (Felmy/173), bringt diesen ekklesialen Rang der Eucharistie wie das Gewicht der einzelnen feiernden Gemeinden zum Ausdruck (Thaler/263). In der Eucharistie wird Kirche auferbaut. Christus selbst schafft hier im Heiligen Geist Kirche als seinen Leib. Was Kirche ist, definiert sich nach diesem Modell von der Eucharistiefeier her. Kirche verwirklicht sich in der eucharistischen Gemeinschaft, in der eucharistischen Gemeinschaft wird Kirche konstituiert. »Ein Brot – ein Leib« ist mit 1 Kor 10,17 der theologische Leitgedanke dieser Ekklesiologie, die freilich nicht auf die Eucharistie begrenzt ist, sondern sich auch im Leben des Christen niederschlagen soll. Die eucharistische Ekklesiologie hat auch in den Dokumenten des Zweiten Vatikanischen Konzils Aufnahme gefunden, wie LG  3 belegt: »Sooft das Kreuzesopfer, in dem Christus, unser Osterlamm, dahingegeben wurde (1 Kor 5,7), auf dem Altar gefeiert wird, vollzieht sich das Werk unserer Erlösung. Zugleich wird durch das Sakrament des eucharistischen Brotes die Einheit der Gläubigen, die einen Leib in Christus bilden, dargestellt und verwirklicht (1 Kor 10,17). Alle Menschen werden zu dieser Einheit mit Christus gerufen, der das Licht der Welt ist: Von ihm kommen wir, durch ihn leben wir, zu ihm streben wir hin.« (vgl. u. a. diese kirch­ lichen Dokumente: das sog. Münchener Dokument »Das Mysterium der Kirche«/97; Jo­ hannes Paul II., Ecclesia de Eucharistia/90: 1, 6, 21; Benedikt XVI., Sacramentum Caritatis/99: 15). Die ekklesiologische Dimension ist für jede Liturgiefeier grundlegend. Gestalt gewinnt sie nicht nur in Gebetselementen, insbesondere jenen, in denen Orts- oder Universalkirche genannt werden, sondern auch durch die in kirchlicher Vollmacht handelnden Leiterinnen und Leiter, die Gebetsordnung der Kirche u. a.

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4  Theologie der Liturgie

4.1.6 Aktualisierung von Heilsgeschichte in der liturgischen ­Symbolhandlung Über Liturgie als Versammlungsgeschehen im oben beschriebenen Sinne lässt sich nur auf der Ebene des Symbols sprechen. Liturgiefeier ist symbolische Handlung, die das Gefeierte darstellt und an ihm Anteil gibt. Auch »Dialog« und »Kommunikation« geschehen allein im Modus des Symbols. Wie das Symbol hat die Liturgie die Eigenschaft, dass sie teilhaben lässt an dem, was sie darstellt, dass aber das, woran sie teilhat, als Ganzes und im Letzten zugleich noch entzogen bleibt. Wie dem Symbol eignet der Liturgie daher der Charakter des Bruchstückhaften und Fragmentarischen. Ordnet man die Symbolhandlung der Ästhetik des Glaubens zu, kann man von Partizipation am gefeierten Geschehen und entsprechend von Nähe zu Gott reden, muss aber auch die im Symbol liegende Vorläufigkeit nennen, weil das Symbol eben nur Anteil an der göttlichen Wirklichkeit gibt. So ereignet sich in der liturgischen Versammlung Gemeinschaft um Christus und um Gott; als solche ist sie vom Menschen personal mit Leben zu füllen. Die endgültige Verwirklichung dieser Gemeinschaft bleibt aber der himmlischen Liturgie vorbehalten. Im Symbolgeschehen nimmt die liturgische Versammlung jetzt schon Anteil an dieser Heilswirklichkeit (vgl. Hebr 12,22–24). »Für die liturgische Versammlung ist dieser Bezug zur endzeitlichen Liturgie unverzichtbar, doch die Teilnahme in Vollgestalt wird erst für die Zukunft erhofft« (März/485: 94). Die damit verbundene eschatologische Spannung muss jede liturgische Versammlung prägen, die sich auf dem Weg weiß und auf Erfüllung vertraut. Die Versammlung selbst wird zum Symbol der himmlischen Festversammlung. In der Liturgie wird die Heilshoffnung zur »Verheißungswirklichkeit« (Schierse/503: 203). Das »Gloria« und das »Sanctus« verdeutlichen das Gesagte. Im Zitat der Engel nach Lk 2,14, mit dem der altkirchliche Hymnus einsetzt, bzw. Jes 6,3 und Offb 4,8 in der die Präfation beschließenden Akklamation klingt die himmlische Liturgie an, genauer: stimmt die irdische Liturgie in den Lobpreis der Engel ein. Die eingespielten biblischen Zitate markieren das Ineinander beider Liturgien (vgl. Kap. 4.6.1). Der Gesang des Gloria bzw. des Sanctus wird zur Symbolhandlung, die das Besondere dieser gottesdienstlichen Versammlung erfahrbar macht.

4.2 Theo-logie Für die Theo-logie der Liturgie, also die Weise, wie die Liturgie Gott feiert und darin von Gott kündet (Kirchberg/467: Rede von Gott in der Rede zu Gott), können hier auf knappem Raum nur einige Aspekte genannt werden. Zudem findet man in der Liturgie auch keine in sich geschlossene, systematisch entwickelte Theologie, sondern in Wort und Handlung wird in der Mannigfaltigkeit eines rituellen Geschehens Teilhabe am Heilsgeschehen ermöglicht. Die Liturgie will keine Kommunikation über, sondern mit Gott ermöglichen. Die Vielfalt der Möglichkeiten, gerade in poetischen Formen und in Zeichenhandlungen in der Feier der Liturgie Gott zu verkünden und sich seiner Gegenwart zu vergewissern, ist Zeichen der

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Vielfalt Gottes, von der die Liturgiefeiern – je nach Lebenssituation, Zeit des Kirchenjahres usw. – reden und an der sie Anteil geben. Die Liturgie pflegt hier ein eigenes Sprachspiel. Sie definiert und systematisiert nicht, ist keineswegs als »gebetetes Dogma« zu verstehen, sondern ermöglicht immer neue Annäherungen und damit einen ganz eigenen Zugang zum Geheimnis Gottes.

4.2.1 Begegnung mit dem personalen Gott Liturgie ist ein Geschehen zwischen Gott und Mensch, das gängig mit Dialog, Kommunikation oder Begegnung beschrieben wird. Wie dies in den liturgischen Vollzügen geschieht, lässt erkennen, dass die Liturgie die Personalität Gottes voraussetzt. Das wird vor allem sichtbar, wenn Gott als Gegenüber, als »Du« angesprochen wird (Le Gall/475). Diese DuAnrede setzt die Gegenwart von Sprechendem und Angesprochenem voraus. Das Ich und das Du sind mit ihrer Geschichte in diesen Dialog eingebunden. Die Personalität Gottes wird in der Liturgie vielfältig ausgesagt, so in Attributen wie »gütig«, »allmächtig«, »barmherzig«, »treu«, »allwissend«, »allherrschend«, »gnädig«, »erhaben« oder in prädikativen Wendungen wie »Gott des Erbarmens«, »Gott, unser Schöpfer und Erlöser«, »Vater im Himmel«, »Gott, du Licht der Völker«, »Vater aller Gläubigen«, »Du unwandelbare Kraft, du ewiges Licht«, aber auch in Rufen wie »Komm«, »Sei uns nahe«, »Hilf uns«, »Schenke uns …« oder »Rüttle unser Herz auf« (alle Beispiele aus Orationen des Messbuches). Die Aussagen, die in der Anrede Gottes sichtbar werden, markieren bedeutsame theologische Unterschiede, vor allem wenn man Attribute wie »heilig«, »himmlisch« »unsichtbar« oder »ewig« hinzunimmt. Sie zeugen von Nähe, wenn Gott als gütig, gnädig und barmherzig beschrieben wird; sie bringen die Dynamik dieser Beziehung und ihre Zielgerichtetheit zum Ausdruck. Ohne dass damit in Frage gestellt wird, dass Gott den Menschen zugewandt ist, zeigen sie aber auch seine Entzogenheit an, wenn sie Gott als »heilig«, »himmlisch« oder »unsichtbar« bezeichnen. In den Attributen, die Gott beigemessen werden, kommt also schon das Besondere der Gottesbeziehung in der Liturgie zur Sprache: Der Mensch vertraut sich in der Liturgie dem nahen und zugleich fernen Gott an. Die zitierten Gebetsrufe drücken die Intensität und das Vertrauensvolle dieser Beziehung aus. Diese Spannung wie Fragilität, zugleich auch diese Erwartungshaltung müssen mitbedacht werden, wenn über Gottesbild wie Gottesbeziehung der Liturgie gesprochen wird. Schließlich darf der besondere Charakter des Verhältnisses von Gott und Mensch nicht übersehen werden: In der Liturgie geht es um die Begegnung zwischen Schöpfer und Geschöpf, die sich von zwischenmenschlicher Kommunikation markant unterscheidet. Deswegen kann Liturgie immer nur als ein analoges, sich annäherndes Sprachgeschehen verstanden werden.

4.2.2 Doxologische Gottesanrede Die Gottesanreden der Liturgie sind doxologisch (von griech. δόξα, Ehre, Glanz, Herrlichkeit) formuliert, zumindest aber geprägt. In ganz unterschiedlicher Form kommt in ihnen der Lobpreis Gottes zum Ausdruck. Damit wird biblische Gebetssprache fortgeschrieben,

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die sich durch Prägnanz, Hymnik, Formalisierung usw. auszeichnet. Wesentliche Aspekte der Gottesbeziehung und zentrale Eigenschaften Gottes werden genannt; in ihnen klingt die dahinter stehende Heilsgeschichte an. Das doxologische Sprechen – hier zu unterscheiden vom Gebetselement »Doxologie« (vgl. Kap. 5.2.5.3) – spiegelt Gottesglauben wie Gotteserfahrung des Menschen wider. Die Doxologie ist die Gott angemessene Weise liturgischen Sprechens, genauer: ist Ausdruck der Gott zukommenden Anbetung und Verherrlichung. Die zitierten Gebetsrufe sprechen Erwartung und Hoffnung gegenüber Gott aus und vermitteln etwas von der Spannung und auch den Konflikten, die in der Liturgie zur Sprache kommen können. Gebet und Liturgie sind auch mit der Ferne Gottes konfrontiert. Sie können der Raum sein, in dem der Mensch sich in Freiheit für Gott entscheiden kann. Die Feiernden können aber auch diese Abwesenheit als Widerspruch erfahren zwischen einerseits dem zugesagten Heil und der Hoffnung, an ihm in der Liturgie bereits Anteil zu gewinnen, und andererseits den konkreten Welt- und Lebenserfahrungen. Gebetsrufe, Bitten, aber auch die Klage artikulieren das in der Liturgie. Sie sind als Glaubensäußerungen wahrzunehmen, setzen das beschriebene, als wahr erachtete Gottesbild voraus, das erst diese Kontrasterfahrungen möglich macht und zum Ringen um die Nähe Gottes ermutigt. Doxologie kommt nicht nur im Gebet zur Sprache, sondern auch in anderen Akten der Verehrung Gottes in der Liturgie, so in Lesung, Bekenntnis, Gesang und Spiel. Die doxologische Dimension der Liturgie würde verkürzt, wenn man sie auf verbale Äußerungen begrenzen würde. An der Kommunikation mit Gott ist der Mensch als ganze Person mit allen Äußerungsmöglichkeiten beteiligt. In Körperhaltungen und Gebetsgebärden wie beispielsweise dem Stehen oder Knien, dem Ausbreiten der Arme oder dem Falten der Hände (vgl. Kap. 5.2.6) bringt der Mensch sinnenhaft die Verehrung Gottes zum Ausdruck und wird gerade durch den leiblichen Vollzug von der Doxologie selbst geprägt.

4.2.3 Der Gott der Geschichte Das Gebetsgeschehen weist Gott als denjenigen aus, der in der Geschichte des Menschen als Handelnder erfahren wird. Die liturgischen Texte bekennen Gott als geschichtsmächtig. Prädikationen wie Treue, Barmherzigkeit und Gnade, aber auch Bitten um sein Kommen und um seine Hilfe weisen auf Erfahrungen hin, die als Handeln Gottes gedeutet und bezeugt werden. Die Liturgie als ein Geschehen zwischen dem personalen Gott und der Gemeinde lebt aus der Glaubenserfahrung, dass Gott sich dem Menschen in seiner Geschichte als präsent und gegenwärtig erweist. Sie drückt diese Erfahrung in bilderreicher Sprache aus und ist dadurch für vielfältige Rezeption offen, die neue Erfahrungen (auch) im Lichte tradierten Gebets deuten kann. Die Liturgie selbst wird als Ort erfahren, an dem Gott in der Geschichte des Menschen handelt und an dem der Mensch ihm verehrend gegenübertritt. Das 4. Eucharistische Hochgebet bringt diese heilsgeschichtliche Dimension des Gottesbildes der Liturgie sehr nachdrücklich zur Sprache. So heißt es in der Präfation: »Alles hast du erschaffen, denn du bist die Liebe und der Ursprung des Lebens. Du erfüllst deine Geschöpfe mit Segen und erfreust sie mit dem Glanz deines Lichtes« (Meßbuch/50: 502). Wich-

4.2 Theo-logie139

tig sind für das Gottesbild die Zeitebenen, die hier eine Rolle spielen: Schöpfung als uranfängliches Geschehen, der Segen Gottes als bleibende Gegenwart. Gott handelt in der Geschichte, die dieses Hochgebet als Heilsgeschichte qualifiziert. Die Brüchigkeit dieser Geschichte beschreibt ein Passus im Postsanctus, der Überleitung von der Präfation zur Epiklese: Zwar hat der Mensch durch sein Fehlverhalten die Freundschaft Gottes – ein Ausdruck großer Innigkeit – verloren, aber Gott hat ihn nicht fallen lassen, sondern ihm geholfen, ihn, Gott, zu suchen und zu finden. Das Hoffnungspotenzial, das sich mit der Gottesbegegnung in der Liturgie verbindet, wird hier sichtbar. Dieses Hochgebet konkretisiert zudem, was Heilsgeschichte in der christlichen Liturgie umfasst. Das Postsanctus preist eingangs Gott für all seine Werke, um dann die Erschaffung des Menschen nach Gottes Bild, die Menschenfreundlichkeit Gottes, der sich in Jesus Christus dem sündigen Menschen erneut zuwendet, zu nennen und schließlich vom Heiligen Geist zu sprechen, der das Werk Christi weiterführe und vollende. Es geht um »Preisung des Wirkens Gottes in der Geschichte bis zu deren Vollendung« (Brakmann/429: 216). Die Liturgie feiert also, wenn sie des Wirkens Gottes in der Geschichte gedenkt, die Zeit von der Schöpfung bis zur Vollendung. Sie deutet diese, wie noch zu zeigen sein wird, in der hermeneutischen Perspektive des Christusereignisses (vgl. Kap. 4.3.2). Das Heilshandeln Gottes geht in der Liturgie dem Handeln des Menschen voraus. Die Liturgie verweist nicht nur auf Gott, sondern ist ein Ort, an dem mit aller Dringlichkeit Gott gesucht und er als Herr der Geschichte um seine Nähe angefleht wird.

4.2.4 Gottesbilder der Liturgie Drei Gottesbilder stehen dominierend im Zentrum der Liturgie: der Schöpfer, der sich selbst Offenbarende, der Erlöser. Sie begegnen in den Sakramenten ebenso wie in der Tagzeitenliturgie und den Festen des Kirchenjahres, aber auch im Wortgottesdienst und in Benediktionen. Gott wird gefeiert als Schöpfer. Das eben zitierte 4. Hochgebet bringt das in der Eucharistie, also in der Mitte christlicher Liturgie zum Ausdruck (weitere Beispiele bei Probst/495); die hier einschlägigen biblischen Lesungen aus Gen 1 und 2 verkünden das Schöpfungsgeschehen an unterschiedlichen Stellen der Liturgie, zentral v. a. in der Osternacht; Hochformen des Gebets wie Anrufung und Lobpreis Gottes über dem Wasser (Taufwasserweihe) und einzelne Orationen, aber auch Psalmen, Hymnen usw. erinnern an das Schöpfungsgeschehen. Neben den Dank an den Schöpfer tritt zugleich, wie in jedem Lobpreis, die Anerkennung Gottes, hier eben als des Schöpfers. Mit Dank und Lobpreis verbindet sich die Bejahung der Schöpfungswirklichkeit, was auch als Auftrag zur Bewahrung eben dieser Schöpfung verstanden werden muss. Doch Schöpfung bleibt in der Liturgie nicht Geschichte im Sinne eines vergangenen Geschehens; vielmehr wird sie in der vergegenwärtigenden Erinnerung der Liturgie zur Gegenwart der Menschen. Die Schöpfung ist Teil menschlicher Geschichte; die Feiernden wissen sich auf Gott als ihren Schöpfer verwiesen. Dies betrifft sie in ihrem Personsein, weil sie sich im Lob des Schöpfers ihrer eigenen Würde als Bild Gottes erinnern. Schließlich verwendet die Liturgie auch schöpfungstheologische Begriffe, um die

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4  Theologie der Liturgie

eschatologische Neuschöpfung in Christus auszusagen. So heißt es in der Oration nach der Lesung von Gen 1,1–2,2 in der Osternacht: »Laß deine Erlösten erkennen, daß deine Schöpfung groß ist, doch größer noch das Werk der Erlösung, die du uns in der Fülle der Zeit geschenkt hast durch den Tod des Osterlammes« (Meßbuch/50: [87]). Als zweites Bild muss dasjenige Gottes, der sich selbst in Jesus Christus geoffenbart hat, genannt werden. Es prägt die christliche Liturgie und findet in der Feier des Pascha-Mysteriums seinen dichtesten Ausdruck. In Leben, Leiden, Sterben, Auferstehen und Erhöhtwerden Jesu offenbart sich Gott. In ihm zeigt er sich den Menschen nahe, in ihm legt er sich selbst aus. Auch dies wird im Beispiel des 4. Hochgebets ausdrücklich gesagt: »Um deinen Ratschluß zu erfüllen, hat er sich dem Tod überliefert« (Meßbuch/50: 505). Die schon genannten Zeitvorstellungen des Ineinanders von Heilsgeschichte und Heilsgegenwart werden im Kontext der Offenbarung in Christus auf die Heilsvollendung hin weitergeführt. So hat der Sohn vom Vater »als erste Gabe für alle, die glauben, den Heiligen Geist gesandt, der das Werk deines Sohnes auf Erden weiterführt und alle Heiligung vollendet«. Wenn dann sofort anschließend gebetet wird: »So bitten wir dich, Vater: der Geist heilige diese Gaben«, wird deutlich, dass die Gläubigen in Christus am endzeitlichen Heil schon Anteil haben (Meßbuch/50: 505 f.). Das dritte Gottesbild ist dasjenige Gottes als des Erlösers. Das 4. Hochgebet nennt sehr unterschiedliche Weisen, in denen dieses Erlösungshandeln Gottes erlebt wird: in der Hilfe, Gott zu suchen und zu finden; in der Sendung des Sohnes als des Retters; in dessen Auferstehung vom Tod; in der Gabe des Geistes. Begreift man Erlösung als Befreiung des Menschen aus ihn unterdrückenden, seine Entfaltung als Mensch hindernden Unheilszusammenhängen, dann entdeckt man in der Liturgie vielfältige biblische Erlösungsereignisse, die davon künden. Unterschiedliche literarische Genera und Zeichenhandlungen wie Salbungen, Handauflegungen, Segnungen usw. erinnern daran und sprechen das erlösende Handeln Gottes zu. Gott wird als derjenige verehrt, der Erlösung bringt. Noch deutlicher ausgesprochen wird aber die Hoffnung auf Teilhabe am Erlösungsgeschehen. Erinnerung göttlichen Handelns vollzieht, dass der Mensch hier und heute Teil der Erlösungsgeschichte ist, sowohl was die Heilsgeschichte als auch was die eschatologische Vollendung angeht. Wiederum gilt, dass die Doxologie Gottes als Erlöser zugleich auch diejenigen betrifft, die diese Doxologie artikulieren und sich dabei als schon Erlöste erfahren dürfen. Der Lobpreis des erlösenden Gottes ist in der christlichen Liturgie mit dem Christusbekenntnis verbunden. In Jesus Christus und seinem Leben hat sich das göttliche Erlösungswerk inkarniert: »Den Armen verkündete er die Botschaft vom Heil, den Gefangenen Freiheit, den Trauernden Freude« (Meßbuch/50: 505). Der Sonntag und seine Liturgiefeiern führen beispielhaft alle drei Gottesbilder zusammen, ohne dass dies in einzelnen Texten explizit gesagt werden müsste. Der Sonntag ist idealiter Erfahrungsraum Gottes als des Schöpfers, des sich in Jesus Christus selbst Offenbarenden und des Erlösers. Das kommt unter anderem in den verschiedenen Bezeichnungen, die der Tag mit langer Tradition trägt, zum Ausdruck. Er verbindet sich mit Schöpfung und Neuschöpfung in Christus (der erste Tag); er feiert das Offenbarwerden der Gottesmacht in Christus, das Pascha-Mysterium (der Herrentag); an ihm steht schließlich das Erlösungs-

4.2 Theo-logie141

handeln Gottes im Mittelpunkt (der achte Tag als Beginn der eschatologischen Zeit). Der Sonntag ist ein Beispiel dafür, wie Gottesbild und liturgisches Handlungsgeschehen so zusammenwirken, dass Ersteres in Letzterem erfahren wird. Er bietet einen »Zeitraum« für diese Erfahrung. Auch die Benediktionen mit ihrer biblisch begründeten Schöpfungstheologie, Soteriologie wie Ekklesiologie (Kluger/470; Segen/508) schaffen einen ästhetischen Erfahrungsraum Gottes, in dem der Schöpfer, der in Christus der Gott der Erlösung ist, in sinnenfälliger Form verkündet wird (Kaczynski/465: 242 f.). Der Segen, der dem Menschen zugeeignet wird, beruht auf dem heilschaffenden Handeln Gottes. Segnungen treffen vielfältige Lebenssituationen des Menschen; Gott wird in der Benediktion als derjenige verkündet, der im Leben des Menschen gegenwärtig ist. Ein dynamisches Gottesbild prägt die Liturgie. Gott ist Urheber und Garant des Segens. Dem korrespondiert, dass im Vordergrund Lob und Dank Gottes stehen, also gleichsam der Segen Gottes (Genitivus objectivus) (Kluger/470). Hier kommt die doppelte Bedeutung des hebräischen ‫ברך‬, des griechischen εὐλογεῖν und des lateinischen »benedicere« zum Ausdruck: Segnen bedeutet demnach Lobpreis Gottes (Genitivus objectivus) wie auch Segen Gottes (Genitivus subjectivus) für den Menschen. Im Segen wird Dank gesagt für das Heil, das Gott dem Menschen bereits geschenkt hat, wird zugleich aber auch die eschatologische Erwartung auf die Vollendung des in Christus angebrochenen Heils zum Ausdruck gebracht. Zugesprochen wird der Segen dem Menschen von Gott her durch Jesus Christus (Heckel/458). Beispielhaft sichtbar wird das in den Segnungen des Benediktionale wie etwa der Segnung von Erntegaben (Benediktionale/67: Nr. 10), die zunächst dem Schöpfer für Himmel und Erde dankt, die dann um den Segen für die empfangenen Gaben und zugleich um Erlösung für Hungernde und Arme bittet (und damit die Bitte für sich selbst mit der Bitte für den Nächsten verbindet) und die schließlich Lobpreis und Bitte über die Schlussdoxologie mit dem Christusgeschehen verbindet: »Allmächtiger Gott, du hast Himmel und Erde erschaffen. Du hast dem Weltall eine Ordnung gegeben, die wir erkennen und bewundern. Du hast den Menschen dazu bestimmt, sich die Erde untertan zu machen, sie zu bebauen und ihren Reichtum recht zu nutzen. Wir freuen uns heute über die Ernte dieses Jahres. Segne diese Feldfrüchte, die wir dankbar aus deiner Hand empfangen haben. Laß auch die Armen und Hungernden den Reichtum deiner Güte erfahren und teilhaben an der Fülle deiner Gaben. Darum bitten wir durch Christus, unseren Herrn.« Die anschließende Rubrik sieht vor, dass der Zelebrant die Erntegaben mit Weihwasser besprengt. Im Handlungsgeschehen dieser Segnung (die weitere Gebetselemente und Schrifttexte umfasst) wird sichtbar, dass die Liturgie nicht diskursiv über Gott handelt, sondern in präsentativer Symbolik (vgl. 4.7.4) Erfahrungsräume eröffnen will.

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4.3 Christologie Im Mittelpunkt der christlichen Liturgie steht das Christusereignis: Leben, Leiden, Tod, Auferstehung und Erhöhung Jesu Christi. Das prägt alle christlichen Gottesdienste und bestimmt ihre Identität. Je nach Kirchenjahreszeit und nach Anlass der jeweiligen liturgischen Feier setzt die Liturgie unterschiedliche Akzente und erinnert an einzelne Ereignisse des Lebens Jesu; sie bekennt Christus als Gottesknecht, als Opferlamm, als Hohenpriester. Immer aber feiert sie in aller Differenzierung das eine Christusereignis. In der Liturgie begegnet das Christusbekenntnis in besonders nachdrücklicher Weise. Hier wirkt die im Glauben wahrgenommene Heilsgeschichte in der Ästhetik von Text, Zeichen und Zeichenhandlung und ergreift den Gläubigen mit all seinen Sinnesorganen. So erklärt die Osternacht nicht diskursiv-erläuternd, dass Christus das Heil für die Menschen ist, sondern inszeniert dieses in präsentativer Symbolik im Zusammenspiel von Dunkel der Nacht und Licht der Osterkerze, im Geruch des Weihrauchs, in kantillierter Erinnerung an die Heilsgeschichte, im Exsultet und anderen Orationen (vgl. Kap. 4.7.4). Das Gefeierte ergreift den Menschen. Menschwerdung, Verkündigung, Tod und Auferstehung werden als rettendes Geschehen erfahren. Das Christusereignis wird so erinnert, dass seine Gegenwartsbedeutung offenbar wird. In der Liturgiefeier wird dem Gläubigen daran Anteil gegeben. Dem Christusereignis in der Liturgie zu begegnen, bedeutet für den Menschen Wandlung. Die diabatische Dimension der Liturgie, also der verwandelnde Übergang (Hahne/448: 235; Hahne/447), trägt zur Neuwerdung des Menschen bei. Im Gottesdienst wird dieses immer wieder von Gott erbeten. Zugleich ist von den Gläubigen »die Angleichung an Christus verlangt. Liturgisch handeln heißt: im Sinne und in der Kraft Christi handeln« und bedeutet im Letzten Umkehr und Veränderung (Hahne/448: 235). Christliche Liturgie ist auch Erwartung der Wiederkunft Christi. Sie steht unter dem Eindruck, dass die Heilsgeschichte noch nicht vollendet ist, wie die Gemeindeakklamation im eucharistischen Hochgebet bekennt: »Deinen Tod, o Herr, verkünden wir, und deine Auferstehung preisen wir, bis du kommst in Herrlichkeit.« Der altkirchliche liturgische Ruf »Maranatha« – »Komm, Herr Jesus« (vgl. 1 Kor 16,22; Offb 22,20) (Jonas/542: 243–275) bringt diese Erwartung zum Ausdruck. Die Vollendung steht noch aus. Auch das gehört zur Glaubensästhetik der Liturgie, wie im Kirchenjahr erfahrbar ist. Karfreitag und Karsamstag müssen ausgehalten werden als Zeiten, in denen Verderbnis und Tod als Realitäten der Schöpfung besonders präsent sind (Wiese/519). Die Erwartung, dass sich die Verheißungen mit der Wiederkunft Christi erst noch vollenden, die Erfahrung des Ausstehenden gehört zum christlichen Hoffnungspotenzial. Soteriologie und Eschatologie, Lobpreis und Bitte bilden deshalb in der Liturgie eine Einheit und stehen eng beieinander.

4.3.1 Liturgisches Gebet »ad Christum« – »per Christum« Hinter dem, was in der Liturgie geschieht, »muß letztlich der Vater aufleuchten als der all dies Wirkende« (Pahl/492: 256). Gerade in den Präsidialgebeten, also den Gebeten des Vor-

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stehers, wird deutlich, dass sich die Gläubigen mit und durch Christus an Gott wenden (vgl. zu den historischen Implikationen Jungmann/464). Diese Gebete haben besonderen Rang in der Liturgiefeier, was auch in theologisch sorgfältigen Formulierungen zum Ausdruck kommen sollte. Gebete, die tritheistische Vorstellungen fördern und die Klarheit des monotheistischen Bekenntnisses, auch gegenüber Juden und Muslimen, verdunkeln könnten, sind theologisch nicht akzeptabel. Für die Messfeier ist deshalb festgelegt, dass das Hochgebet und die Orationen von der um Christus versammelten betenden Gemeinde an Gott gerichtet werden (AEM 32). Vor allem der längere Schluss des Tagesgebetes verdeutlicht das Gebet durch Christus (per Christum) zum Vater: »Das Tagesgebet endet mit dem längeren Schluß, und zwar: Wenn es an den Vater gerichtet ist: ,Darum bitten wir durch (ihn), Jesus Christus, deinen Sohn, unseren Herrn und Gott, der in der Einheit des Heiligen Geistes mit dir lebt und herrscht in alle Ewigkeit« (AEM 32). Christus, der in der Einheit des Heiligen Geistes mit Gott lebt, ist der Mittler des Gebets. Diese Mittlerschaft entfaltet sich im Rahmen des Bekenntnisses zum dreieinen Gott. Auch die wenigen Gebete, die an Christus gerichtet sind, halten diese Theologie durch: »der du in der Einheit des Heiligen Geistes mit Gott dem Vater lebst und herrschest in alle Ewigkeit« (AEM 32). Mit ›Mittlerschaft‹ wird eine Aussage über Christus gemacht, die zwar kaum in der lehramtlichen Verkündigung Niederschlag gefunden hat, aber ins Zentrum der Christologie gehört (Schöttler/505). Christus ist Mittler zwischen Gott und Mensch, insofern er wahrer Mensch und wahrer Gott ist: In Christus ist Gott bei den Menschen, in Christus ist zugleich der Mensch bei Gott (Harnoncourt/450). Nach 1 Tim 2,5 ist einer der »Mittler zwischen Gott und den Menschen, der Mensch Christus Jesus«. Nach Hebr 8,6; 9,15 ist er Mittler eines neuen Bundes. Entsprechend folgt die christliche Gebetsordnung der Offenbarung in umgekehrter, gleichsam antwortender Richtung, also durch Christus, in ihm und mit ihm (Wohlmuth/523: 94). Mit dem Attribut ›Mittler‹ bewegt man sich also nicht nur im Zentrum der Christologie, sondern auch im Zentrum der Liturgie. Adressat zumindest in den zentralen Gebeten der christlichen Liturgie ist gemäß diesen theologischen Überlegungen und nach den kirchlichen Bestimmungen letztlich immer der Vater, auch dort, wo erkennbar zunächst das Gebet an den Sohn gerichtet ist. Entweder wird er direkt angesprochen oder indirekt im Sohn der Vater verherrlicht (vgl. das Gloria der Messe). Immer wird das Bekenntnis zum einen Gott in drei Gestalten ausgesprochen. Nicht anders als für das Messbuch sind auch Gebetstexte und -schlüsse in der Allgemeinen Einführung in das Stundengebet formuliert. Deutlicher noch als die AEM spricht AES 6 von der Mittlerschaft Christi im Gebet: »Das Gebet zu Gott muß in Verbindung mit Christus geschehen, dem Herrn über alle Menschen und einzigen Mittler, durch den allein wir Zutritt zu Gott haben. Er schart die ganze Menschengemeinschaft um sich, so daß das Gebet Christi und das Gebet der ganzen Menschheit mit innerer Notwendigkeit verbunden sind. Denn in Christus und in ihm allein erreicht die ganze menschliche Gottesverehrung ihre heilbringende Kraft und ihren höchsten Sinn.«

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Christliches Gebet ist ohne Bezug auf Christus nicht möglich, ja wird erst in Verbindung mit Christus möglich. Der Mittler verschafft den Betenden Zugang zum Vater. Die Christozentrik des Gebets wird von der Theozentrik umfasst (Frenzel/598: 108–112). Der Absatz der AES spricht vom Gebet Christi und vom Gebet der Menschen, die notwendig miteinander verbunden sein müssen, damit das Lob Gottes in Christus seinen höchsten Sinn erreicht. Die Orationen der liturgischen Bücher halten diese Gebetstheologie weithin durch. Allerdings darf man mit Blick auf andere Traditionsstränge, wie sie beispielsweise die griechische Gregoriosanaphora repräsentiert, nicht übersehen, dass das Gebet »ad Christum« vor allem in Hymnen und im christlich gedeuteten Psalmengebet, in Akklamationen und dann natürlich im privaten Gebet seinen Platz hatte und hat. So kann für das christliche Gebet formuliert werden, dass das Gebet zu Christus unverzichtbar ist, wenn dabei im Blickfeld bleibt, dass es mit der Forderung nach trinitarischem Gebet in Einklang stehen muss (Gerhards/443: 250).

4.3.2 Liturgie als Feier des Pascha-Mysteriums Mit dem Begriff »Pascha-Mysterium« (Haunerland/453; Schrott/146; dazu Haunerland/452) wird das gesamte Heilsgeschehen in Jesus Christus zusammengefasst, an das die Liturgie erinnert, das sie als gegenwärtig feiert und in seiner Vollendung erhofft (vgl. SC 5). Der Begriff »Pascha« ist zunächst vom alttestamentlichen Pascha her zu verstehen. Es ist Zeichen des rettenden Handelns Gottes an Israel im Exodus, das in ritualisierter Form zu einem Element des kulturellen Gedächtnisses wurde, mithin für Israel identitätsstiftend wirkte. Für die Reflexion wie die Feier der christlichen Liturgie ist zu beachten, dass diese Tradition auch im Judentum bis heute fortlebt. Zugleich ist »Pascha« vom Christusereignis her zu lesen, das als Erweis des Anbruchs des Gottesreiches ebenfalls in liturgisch ritualisierter Form gefeiert wird. Das Lamm des alttestamentlichen Pascha wird auf Christus und seine Selbsthingabe am Kreuz gedeutet (zu den sehr differenzierten Interpretationen von »Pascha« in der Alten Kirche vgl. Auf der Maur/4: 69). Das Paschalamm des alttestamentlichen Gottesvolkes verstehen die Christen als Typos des Erlösungshandelns Jesu Christi. Doch indem sie Christus, das neue Paschalamm, zugleich als Gottessohn proklamieren, wird die Hermeneutik des alttestamentlichen Bundesvolkes überschritten. Mit Blick auf das für Christen als Heilige Schrift indispensable Alte Testament und die Tatsache, dass bis heute das Judentum das Pascha feiert und die Pascha-Tradition lebendig hält, ist zu fragen, wie das Verhältnis der christlichen Lesart des Pascha zum alttestamentlichen Pascha und seiner Rezeption im Judentum gedacht werden kann. Für Josef Wohlmuth bindet die christliche Liturgie, die den neuen und ewigen Bund feiert, das Gedächtnis von Leiden und Auferstehung »in den Sinaibund und dessen prophetische Erneuerungsverheißung durch Verinnerlichung der Tora und radikale Sündenvergebung« ein (vgl. Jer 31,31–33). Eucharistie umfasst nach Wohlmuth dann nicht nur »die Zwischenzeit zwischen Jesu Geburt und dem Jüngsten Tag«, sondern das christliche Heilsgedächtnis ist auszuweiten »auf die Bundeserwählung und deren Verheißungen, ja auf Schöpfung und Vollendung« (Wohlmuth/522: 205).

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Jürgen Werbick hebt hervor, dass mit der Feier des christlichen »Pascha-Mysteriums« das Alte Testament nicht überflüssig wird. Bei der Feier des Pascha-Mysteriums kann die Kirche vom weiteren Kontext der Erfahrung Israels nicht absehen, denn das Verständnis des Christusereignisses steht im Überlieferungszusammenhang des Alten Testaments. Das Pascha Christi im Licht der Gotteserfahrung Israels zu verstehen, heißt zu erkennen, dass die Erfahrung der Treue Gottes in Jesus nicht ablösbar ist von der Erfahrung der Treue Gottes zu Israel (Werbick/517: 217). Albert Gerhards weist auf die Karfreitagsfürbitte hin, die von der Treue der Juden zum Bund mit Gott spricht. Er hält es christlicherseits für notwendig, von einer Erneuerung des einen, ungekündigten Gottesbundes in Christus zu sprechen. Kirche und Israel sieht er in Weggenossenschaft, »der eschatologischen Sammlung im kommenden Reich entgegen« (Gerhards/310: 35). Daniela Kranemann kommt vor diesem Hintergrund für die Dramaturgie der Feier des Pascha-Mysteriums zu dem Schluss, »Israel« werde »an dramaturgisch bedeutsamen Stellen der Liturgie nicht mehr als stummer Zeuge einer vom Christusereignis überstrahlten Vergangenheit gesehen, sondern als erster und lebendiger Teilhaber am großen Heilsdrama Gottes, das im Schöpfungs-Akt seinen Anfang nahm, in der Erwählung Israels am Sinai in seinen zweiten, großen Akt ging und sich zuletzt in Person und Wirken Jesu Christi auf die Völkerwelt hin öffnete, so dass fortan Christen und Juden gemeinsam seinen heilvollen Ausgang erhoffen und erwarten« (Kranemann/473: 25). Die Liturgie ist Feier des »Mysteriums«. Der Begriff wird im Alten Testament zurückhaltend verwendet, weil er pagan-sakralen Ursprungs ist. Er begegnet in Dan 2,28 f. 47 und der frühjüdischen Apokalyptik im Sinne von Geheimnis, das Gott offenbart; mitgeteilt wird, »was am Ende der Tage geschehen wird« (Dan 2,28). »Mysterium« trägt hier eschatologische Bedeutung und verweist auf das Kommen der Gottesherrschaft. Das Neue Testament bezeichnet mit μυστήριον das Christusereignis. So weist der Begriff in Mk 4,11 par auf den Anbruch der Gottesherrschaft im Wirken Jesu hin. Entsprechendes schreibt Paulus vom »Geheimnis der verborgenen Weisheit Gottes« (1 Kor 2,7), das im Gekreuzigten geschichtlich offenbar geworden ist. Kol 2,2 versteht unter μυστήριον das Heilsgeschehen in Christus (»das Geheimnis Gottes zu erkennen, das Christus ist«) (vgl. auch Kol 1,27; Eph 3,4 f.; 5,32). In ihm manifestiert sich der Heilswille Gottes. Das Mysterium bezieht sich also auf eine Wirklichkeit, die menschliches Denken übersteigt und unlösbar mit Offenbarung verbunden ist. Sie ist von Gott gnadenhaft gegeben. Jesus Christus ist das Geheimnis Gottes, in das die Gläubigen zu ihrem Heil einbezogen werden. In der Gemeinde, in der es verkündet wird, ist es gegenwärtig. Der Begriff bringt deutlicher als »sacramentum« (im Lateinischen ursprünglich für Fahneneid der Soldaten; Faber/437: 33) die heilsgeschichtliche Dimension der liturgischen Feier zum Ausdruck. »Mysterium« verweist also sowohl auf die präsentische als auch auf die eschatologische Dimension christlicher Liturgie sowie auf den Glauben, in der Feier der Liturgie am göttlichen Heilshandeln in Christus teilzuhaben (ebd. 26–28; vgl. Kap. 1.2). Indem Leiden, Tod, Auferstehung und Erhöhung Jesu Christi mit dem einen Begriff »Pascha-Mysterium« bezeichnet werden, kommt zum Ausdruck, dass die Liturgie insgesamt das eine Heilsmysterium Christi feiert. Die Liturgie kann also weder das Leben Jesu noch

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Leiden und Kreuz noch die Auferstehung ausblenden, wenn sie Christus personal in seiner ganzen Heilswirklichkeit verkünden und dem Menschen in seiner Gebrochenheit personale Begegnung mit Christus ermöglichen möchte. Vom Pascha-Mysterium her eignet der Liturgie eine Grundspannung zwischen Todesverfallenheit und Auferstehung, deren eschatologische Überwindung aufgrund des Christusereignisses erhofft werden kann. »Mysterium paschale« ist einer der Leitbegriffe der Liturgiekonstitution und kann als eine »Kurzformel« nachkonziliarer Theologie bezeichnet werden (Häußling/456). Ein Programm wird sichtbar: »Nicht (mehr) die Inkarnation ist als die alles bestimmende (weil offenbar schon abschließende) Heilstat anzusehen und zu verkündigen, sondern das ›Paschamysterium‹« (ebd. 164). Letztlich wird zwar hier wie dort die eine Erlösung gefeiert. Während aber mit der Inkarnation eine statische Christologie die Präexistenz Christi und das Erhöhtsein betont (das Weihnachtsfest ist das markanteste Beispiel), kommt mit der Feier des Pascha-Mysteriums (wie beispielhaft das österliche Triduum zeigt) das Erhöhtwerden und damit eine dynamische, an Heilsgeschichte interessierte Christologie zum Ausdruck (Berger/425). Das Zentralereignis des christlichen Glaubens, seine Dynamik auch für das Leben der Gläubigen, die durch die Taufe am Heilsereignis Christi partizipieren, und die Erwartung der endzeitlichen Vollendung kommen mit dem Pascha-Mysterium in den Blick. Allerdings betonen neue liturgietheologische Arbeiten überzeugend die Verbindung von Inkarnation und Pascha-Mysterium: »Das ganze Leben Jesu Christi steht unter dem Vorzeichen der Liebe Gottes zu den Menschen, beginnend mit seiner Inkarnation, über die vielfachen Zeichen und Heilungen in der Hinwendung zu den Menschen bis hin zur Selbsthingabe am Kreuz, die durch den Tod hindurch zum Leben bei Gott führt und nach seiner Himmelfahrt in die Mysterien der Kirche übergegangen ist.« (Wahle/513: 173) Wenn man in dieser Weise Inkarnation und Pascha-Mysterium zusammenschaut, was sich letztlich biblisch nahelegt, dann werden hier »die Würdigung des ganzen irdischen Lebens in seiner ambivalenten Gestalt« und die »Hoffnung auf ewiges Leben angesichts von sinnlosem Leiden und dem unausweichlichen Tod« mit dem einen Christusgeschehen verbunden (ebd.). Die Liturgiekonstitution geht wiederholt auf den Begriff »Pascha-Mysterium« ein: Röm 6,4, spricht davon, dass der Mensch durch die Taufe in dieses Mysterium eingefügt (SC 6), also ganz in dieses Heilsgeschehen hineingenommen werde (»Geist der Kindschaft«). Diese Theologie fand unter anderem Niederschlag in Ausprägungen der altkirchlichen Taufliturgie, in denen durch das Hindurchgehen der Täuflinge durch das Taufbecken und ihr Untertauchen das Mitsterben und Mitauferstehen mit Christus rituell abgebildet wurde. In der heutigen Taufliturgie bemüht man sich um vergleichbar ausdrucksstarke Zeichenhandlungen. Die Messfeier mit Wortverkündigung, Eucharistie, der Anbetung (adorare) und der Danksagung (gratias agere) wird als Versammlung zur Feier des Pascha-Mysteriums gedeutet (SC 6). Es ist die Mitte der Liturgie, von der aus alle Sakramente und Sakramentalien ihre Kraft ableiten (SC 61). Hervorgehoben wird der Sonntag als der Ur-Feiertag, an dem sich die Gläubigen zur Feier des Pascha-Mysteriums versammeln sollen. Er ist »Fundament und Kern des ganzen liturgischen Jahres« (SC 106), das auf diese Weise als Ganzes in den Horizont des Mysterium pa-

4.3 Christologie147

schale gestellt wird. Dies besitzt zentrierende Funktion für die Spiritualität und damit das Leben der Gläubigen (SC 107). Auch in den verschiedenen Horen der Tagzeitenliturgie steht das Pascha-Mysterium im Zentrum und ist hermeneutischer Ort der rezitierten Schrifttexte (vgl. Kap. 5.1). Christus wird in seiner Proexistenz, also seiner Hingabe für die Menschen, als personal gegenwärtig gefeiert. Gerade diese Liturgie ist immer wieder gedeutet worden als Einstimmen der Kirche in das Gebet Christi zum Vater (vox Christi ad Patrem) wie als Gebet, das sich an Christus richtet (vox ecclesiae ad Christum) (Fischer/438: 86–89; zur Prägung der verschiedenen Feierformen durch das Pascha-Mysterium vgl. Pahl/491; Schrott/146). Die Vielzahl der Beispiele aus der Liturgie zeigt, wie SC – und die Liturgietheologie folgt dem – das »Pascha-Mysterium« auf die Liturgie insgesamt bezieht und in ihm das heilsgeschichtliche Ereignis benennt, das die sehr unterschiedlichen Liturgien feiern und an dem sie partizipieren. Würde man diese theologische Zentrierung in Frage stellen und das Pascha-Mysterium allein der Eucharistie zuordnen, wäre zum einen das Ineinander der verschiedenen Liturgiefeiern gefährdet, die alle Anteil haben an dem einen Heilsgeschehen; zum anderen käme nicht in den Blick, dass auch kleinere und einfache gottesdienstliche Feierformen die Partizipation an dem einen Christusmysterium ermöglichen.

4.3.3 Gegenwart Christi in der Liturgie Durch die Tradition hindurch hat die Kirche an der Glaubensüberzeugung festgehalten, dass Christus in der Eucharistiefeier gegenwärtig ist. Dies kommt in den Feierformen zum Ausdruck, wie es beispielsweise am feierlichen Umgang mit dem Evangeliar oder mit den eucharistischen Spezies ablesbar ist. Im Hintergrund steht die Zusage der Gegenwart Christi an die Kirche (Mt 28,20: »Ich bin bei euch alle Tage bis zum Ende der Welt«), die im Bekenntnis der jungen christlichen Gemeinde widerklingt (Kol 1,27: »Christus ist unter euch, die Hoffnung auf Herrlichkeit«). Die neutestamentliche Schlüsselstelle Mt 18,20 haben jüngere katholische Dokumente zur Liturgie ganz auf den Gottesdienst hin interpretiert (Mediator Dei 20; SC 7; zur Auslegungsgeschichte insgesamt: Luz/484: 53–55), weitergefasste Deutungen sind möglich. Die Gegenwart Christi ist jedenfalls eng mit der Liturgie als einer Grundfunktion der Kirche verknüpft (Eisenbach/435). Die Gegenwart Christi in der Liturgie ist als eine dynamisch-personale Aktualpräsenz zu verstehen. Was das meint, kann als biblisches Beispiel die Emmauserzählung (Lk 24,13–35) verdeutlichen. Die Jünger begegnen dem auferstandenen Christus auf dem Weg nach Emmaus; er legt sich ihnen im Licht der Schriften aus; sie erkennen ihn als den Auferstandenen, als er ihnen das Brot bricht. In der Schriftauslegung (»Brannte nicht unser Herz in uns, als er … uns den Sinn der Schriften eröffnete?« [Lk 24,32]) und im Brotbrechen (»Da wurden ihre Augen aufgetan und sie erkannten ihn« [Lk 24,31]) wird Christus als personal gegenwärtig erfahren. Die den Jüngern verheißene Gegenwart Christi ist durch die kirchliche Tradition insbesondere mit der Liturgie verbunden worden. Die Gegenwart Christi ist als Personalpräsenz in bestimmten Formen der Liturgie expressiv ausgesagt. In der Eucharistie ist es die Gegen-

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4  Theologie der Liturgie

wart unter den Gestalten von Brot und Wein, verbunden mit dem Deutewort »Das ist mein Leib«, »Dies ist der Kelch des neuen und ewigen Bundes, mein Blut …«. Die Ganzhingabe Christi wird hier als gegenwärtig erfahren. »Äußerlich wahrnehmbare irdische Lebendigkeit« und »konkreteste innere Lebenskraft« Christi begegnen in der Eucharistie (Welker/516: 92). Die Gegenwart Christi im Wort, der frühen Tradition vertraut (Nußbaum/490), legt SC 33 dahingehend aus, dass Christus selbst in der Liturgie die Frohe Botschaft verkündet. Gegenwart im Wort bedeutet »Selbstkunde«. Im Kommunikationsgeschehen der Liturgie ist Wortverkündigung »Gottes-Kunde angesichts der Lebensgeschichten der Sprechenden und Hörenden« (Sattler/500: 140). Der Umgang mit dem Wort gestaltet sich entsprechend als komplexes rituelles Geschehen. Verkündigungsort (Ambo), Ankündigung der Lesung, Abschlussformel und Antwort der Gemeinde sowie (wie im Wortgottesdienst der Messe) das Responsorium bzw. Responsum nach den Lesungen der Tagzeitenliturgie, die Gestaltung des Buches mit den biblischen Texten und nicht zuletzt die Person, die die Texte vorträgt, drücken die besondere Würde des als Wort Gottes Verkündeten aus (Kranemann/472). Daneben kennen Tradition und Gegenwart die Präsenz Christi in der versammelten Gemeinde, die in den liturgischen Texten und Vollzügen sinnenfällig inszeniert wird. Deutlich spricht dies die Bitte eines Gabengebets aus: Der Sohn »selbst erfülle das Lobgebet, das wir über Brot und Wein sagen, mit seiner Hingabe und Liebe, damit dir gegeben werde, was dir gebührt« (Gabengebet zur Auswahl 4; Meßbuch/50: 349). Im Lobpreis der Gemeinde handelt Christus selbst, der in der Eucharistie gegenwärtig ist. Eine Liturgie mit dialogischen und kommunikativen Formen in der Wortverkündigung und der Mahlgemeinschaft entspricht dem. In der Liturgie geht es um die erfahrbare, liturgisch erinnerte irdische Wirklichkeit Jesu und die himmlische Wirklichkeit des Auferstandenen. Auch mit Blick auf die Gegenwart Christi ist das eschatologische »Schon und noch nicht« zu beachten, also die Gleichzeitigkeit von Nähe, personaler Gegenwart und Gemeinschaft mit Christus einerseits und Entzogenheit, Ferne und Distanz andererseits. Für das richtige Verständnis von »Personalpräsenz« ist dies zu berücksichtigen. Die verschiedenen Aspekte dieser »Gegenwart« hat man theologisch-begrifflich zu fassen versucht. Der Begriff »Aktualpräsenz« – von »actio«, also Gegenwart seines Handelns und Tuns – drückt die sakramentale Vermittlung der Gegenwart Christi aus. Seine Gegenwart ist wirksam vermittelt durch Personen, Symbole und Zeichen. In dynamischen Zeichen ereignet sich die Gegenwart Christi in der Liturgie. Zugleich bezeichnet Aktualpräsenz die durch den Heiligen Geist vermittelte Präsenz Christi. Der Geist erschließt und vermittelt den Gläubigen die Gegenwart Christi. Aktualpräsenz wird näherhin gekennzeichnet als kommemorative Aktualpräsenz. Christus ist im Heute präsent. Diese Gegenwart Christi ist unabhängig von menschlicher Subjektivität; sie ist wiederum pneumatisch vermittelt. Im liturgischen Gedächtnis, der Anamnese, ereignet sich personale Begegnung mit dem Auferstandenen und Erhöhten. Der Begriff »Proleptische Finalpräsenz« deutet die Antizipation der Vollendung in der Liturgie an. Hier wird die Parusie, die endzeitliche Wiederkunft Christi schon vorweg gefei-

4.3 Christologie149

ert und an diesem Heilsgeschehen Anteil gegeben. Damit verbindet sich zugleich Hoffnung auf das Wiederkommen Christi und das verheißene Erbe. Das für die heutige Liturgietheologie grundlegende heilsgeschichtlich-personale Verständnis der Gegenwart Christi ist im 20. Jahrhundert neu entdeckt worden. Maßgebliche Studien dazu stammen von Odo Casel (vgl. Kap. 2.2.5.2 u. 3.10.1). Casel betont das Real­ gedächtnis, also die tatsächliche Gegenwart der Heilstat in der Liturgiefeier, nicht nur die Erinnerung an dieses Heilsgeschehen. In Liturgie und insbesondere Eucharistie geschieht aber nicht eine Wiederholung der Heilstat, sondern ihre Re-Präsentation. Das Kultmysterium ist »nicht etwas neben dem Glauben und dem religiös-sittlichen Leben Stehendes …, das etwa Gnadengaben vermittelte oder gemeinschaftsbildende Funktionen innerhalb der sichtbaren Gemeinschaft der Kirche hätte. Gewiß ist auch dies seine Aufgabe; aber an erster Stelle ist das Kultmysterium die objektive und notwendige Darstellung und Gegenwärtigsetzung des Heilswerkes Christi, steht also insofern im Mittelpunkt der christlichen Existenz, so daß auch der Glaube in ihm zum symbolhaften, allgemein erkennbaren Ausdruck gelangt und das religiöse Leben aus ihm seine Kraft und seine Verpflichtung schöpft. Im Kultmysterium wird das Christusmysterium sichtbar und wirksam; es ist somit eine Art Fortsetzung und Weiterentfaltung der Oikonomia Christi, die ohne das Kultmysterium sich nicht allen Geschlechtern der in Raum und Zeit sich ausbreitenden Heilsgemeinde mitteilen könnte.« (Casel/169: 194) Casel versteht die Sakramente als rituelle Symboltaten, in denen sich der Heilsplan Gottes, der sich in Christus vollendet hat, zeigt und realisiert. Das Christusmysterium ist in der Liturgie als Kultmysterium in der Weise des Gedächtnisses gegenwärtig. Dieses Heils­ gedächtnis bildete für Casel gleichsam den Kern der christlichen Liturgie. Es handelt sich um ein real bewirkendes, objektives Gedächtnis des Pascha-Mysteriums. Christus und seine Heilstat werden gegenwärtig. Die Liturgie begeht das christliche Mysterium in ritueller Form. Sie will die Heilstaten Gottes durch Symbole vergegenwärtigen. An deren Heil nimmt der Glaubende dann teil. Angelus A. Häußling (1932–2017) hat diese theologischen Aussagen im Kontext des ausgehenden 20. Jahrhunderts neu interpretiert und fortgeführt. Liturgie ist für ihn »Gedächtnis eines Vergangenen und doch Befreiung in der Gegenwart«. Der hier und jetzt Liturgie feiernde Mensch ist »Zeitgenosse der Heilstaten Gottes«. Durch die Heilstat Christi erfährt er Wandlung, wird ein anderer und kann entsprechend leben. Im darstellenden Handeln der Liturgie, beispielsweise im Beten des Vaterunsers, des Benedictus oder des Magnificat, aber auch in Zeichenhandlungen wie der Wassertaufe, Salbung usw. klärt der Liturgie Feiernde seine eigene Rolle, indem er sich aus seiner Situation heraus mit den Leitgestalten der Heilsgeschichte identifiziert. Wer also das Magnificat singt, tritt in die damit verbundene Geschichte Mariens ein, deutet sein Leben von hierher und weiß sich wie Maria im Gegenüber zu Gott und seinem erlösenden Handeln (Häußling/454). Diese durch Casel angeregte liturgietheologische Neuorientierung, die ihre Kriterien vor allem aus der Auseinandersetzung mit der Alten Kirche gewinnt, prägt zunächst die Enzyklika »Mediator Dei« von 1947, die in Nr. 20 von der Gegenwart Christi »im hochheiligen Opfer des Altars, in der Person des seine Stelle vertretenden Priesters wie vor allem unter

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4  Theologie der Liturgie

den Eucharistischen Gestalten« sowie »in den Sakramenten« und »im Lob Gottes und im Bittflehen zu ihm« spricht. Zusammen mit Überlegungen aus der Liturgischen Bewegung fand dies Niederschlag auch in den kirchlichen Dokumenten des Zweiten Vatikanischen Konzils und der Nachkonzilszeit. SC 7 spricht von der Gegenwart Christi generell in der Kirche, dann in besonderer Weise in der Feier der Liturgie. Genannt werden das Messopfer, die Person des Priesters und die eucharistischen Gestalten. Impulse der Liturgischen Bewegung werden aufgenommen, wenn von der Gegenwart im Wort und in der Versammlung der Gemeinde gesprochen wird (zu den Auseinandersetzungen bei der Abfassung dieses Artikels vgl. Jungmann/463: 20–23; Interpretation bei Kaczynski/571: 65–71). Wichtige nachkonziliare Dokumente wie die Allgemeine Einführung ins Messbuch (AEM) oder die 1967 veröffentlichte Eucharistie-Instruktion weisen, insbesondere was die Nennung der Gegenwart Christi in der Gemeinde angeht, eine andere Reihenfolge auf. AEM 7 schreibt: »In der Meßfeier … ist Christus wirklich gegenwärtig in der Gemeinde, die sich in seinem Namen versammelt, in der Person des Amtsträgers, in seinem Wort sowie wesenhaft und fortdauernd unter den eucharistischen Gestalten.« Die Eucharistie-Instruktion »Eucharisticum mysterium« fügt ein Zitat aus der Enzyklika »Mysterium Fidei« Papst Pauls VI. von 1965 an: »die Gegenwart Christi unter den Gestalten ›wird wirklich genannt, nicht im ausschließlichen Sinn, als ob die anderen Gegenwartsweisen nicht wirklich wären, sondern im hervorhebenden Sinn‹« (DEL 907). Damit wird die Aussage der Liturgiekonstitution zu den liturgischen Gegenwartsweisen präzisiert: Es geht um die eine und tätige Gegenwart Christi in der Liturgie. Christus ist das Subjekt der Liturgiefeier. Zusammen mit seiner Kirche begeht er diese Feier. Die feiernde Kirche ist sichtbare Gestalt des personal gegenwärtigen Christus, sie ist in das Subjektsein Christi hineingenommen. »Kirche« aber umfasst alle Gläubigen. Die participatio actuosa der Getauften ist unabdingbar für die Feier der Eucharistie, weil nur so Kirche als Leib Christi Ausdruck und Ort der Gegenwart Christi sein und den gegenwärtigen Christus sichtbar machen kann.

4.4 Pneumatologie 4.4.1 Liturgie als geistgewirktes Geschehen Die westliche Theologie hat – anders als die Theologie des Ostens – die pneumatologische Dimension der Liturgie zu wenig profiliert (Felmy/173). Dabei gehört das Beten um die Gabe des Geistes zu den elementaren Aspekten jeder Liturgie; die Pneumatologie stellt ein wesentliches Fundament der Liturgietheologie dar (Harnoncourt/451; Schütz/506; Probst/494). Darauf weist schon hin, dass SC 6, jener Artikel der Liturgiekonstitution, der das PaschaMysterium und seine Feier thematisiert, mit der (allerdings angehängt wirkenden) Feststellung schließt, dies alles geschehe in der Kraft des Heiligen Geistes. Die Gegenwart des

4.4 Pneumatologie151

Heilswerkes und der Heilstaten wird durch den Geist vermittelt. Für die nachkonziliare Liturgie ist damit gleichsam ein Programm vorgegeben, das immer noch einzuholen ist. Die Pneumatologie der Liturgie fußt auf dem neutestamentlichen Zeugnis, das die Erfahrungsdimension des Geistes bereits im Alten Testament vorfindet, wesentlich aber auch durch die nachösterlichen Geist-Erfahrungen geprägt wird: Der Auferstandene ist im Heiligen Geist inmitten der Gemeinde und zu ihrem Heil anwesend. Das Bekenntnis zu Christus geschieht aus dem Heiligen Geist (1 Kor 12,3). Das Leben des auf Christus Getauften ist Leben im Heiligen Geist (1 Kor 6,11; 12,3.13), unbeschadet der Tatsache, dass Paulus Leben »in Christus« und »im Geist« häufig nebeneinander nennt (vgl. etwa Röm 8,1–11). Der Mensch erfährt sich als neue Schöpfung im Heiligen Geist; er weiß sich als seinem Schöpfer verdankt. Der Empfang des Geistes verpflichtet zu einem entsprechenden Leben (Gal 3,1–5); dies wird als Frucht des Geistes gedeutet (Gal 5,19–26). Nach Röm 8,15 ist die Basis aller Pneumatologie der Liturgie die Gabe des Geistes an den Christen in der Taufe. Wie die Apostel erst nach Pfingsten und damit nach der Gabe des Geistes ihre Sendung beginnen können, so ist es der »Geist der Sohnschaft«, der Christen in das »Abba, Vater« einstimmen lässt (Röm 8,15; Gal 4,6). Mit Letzterem ist eine Gebetsanrufung gemeint, ob in liturgischer Form, muss offen bleiben. Der Geist Gottes befähigt den Menschen zum Gottesdienst. Liturgie ist also wesentlich Geistgeschehen. Die Versammlung von Menschen zur Liturgie und die Auferbauung der Versammlung zur Kirche ist ebenso ein pneumatisches Geschehen. Natürlich weiß der Beter, was er erhofft und im Gebet von Gott erbittet. Aber dafür, wie er beten soll und in welcher Weise er das Erbetene aussprechen kann, sieht ihn die Kirche auf den Geist Gottes angewiesen, den er in der Taufe erhalten hat (Röm 8,23) und der für ihn eintritt (Röm 8,26 f.). Der Mensch als Teil der vergänglichen Schöpfung kann zu Gott nur angemessen beten in der Kraft des Heiligen Geistes. Die Gabe des Geistes ist Geschenk (Röm 5,5; 1 Kor 12,7; 2 Kor 5,5; 1 Thess 4,8), sie wird empfangen (Röm 8,15; 1 Kor 2,12; 2 Kor 11,4; Gal 3,2). Wer den Geist, »der aus Gott stammt«, empfangen hat, kann zur Erkenntnis des von der Gnade Gottes Geschenkten gelangen (vgl. 1 Kor 2,12 f.). Ihm ist eine neue Wirklichkeit eröffnet, die vom Geist der Welt unterschieden wird. Für den Charakter von Liturgie als geistgewirktem Geschehen ist das ausschlaggebend: Das Grundgeschehen ist Gabe und Geschenk. Die Gegenwart Christi und die Hinwendung des Menschen zu Christus und durch Christus zu Gott geschehen im Heiligen Geist.

4.4.2 Doxologie, Epiklese, Anrufung Zwei Gebetselemente, in denen das Wirken des Geistes in der Liturgie besonders nachdrücklich zur Sprache kommt, sind die Doxologie und die Epiklese (vgl. auch Kap. 5.2). Doxologie bedeutet hier Lobpreis in trinitarischer Form, wie er z. B. verwendet wird: • als Abschluss des Tagesgebets in Messe und Tagzeitenliturgie: z. B. »Darum bitten wir durch [ihn], Jesus Christus, deinen Sohn, unseren Herrn und Gott, der in der Einheit des Heiligen Geistes mit dir lebt und herrscht in alle Ewigkeit …«,

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4  Theologie der Liturgie

• als Abschluss des eucharistischen Hochgebets: »Durch ihn und mit ihm und in ihm ist dir, Gott, allmächtiger Vater, in der Einheit des Heiligen Geistes alle Herrlichkeit und Ehre jetzt und in Ewigkeit« oder • am Ende der Psalmen und biblischen Cantica in der Tagzeitenliturgie: »Ehre sei dem Vater und dem Sohn und dem Heiligen Geist. Wie im Anfang, so auch jetzt und alle Zeit und in Ewigkeit«. Diese Gebetsformeln (»Kleine Doxologie«) haben im Zuge der christologischen Streitigkeiten in der Alten Kirche ihre heutigen Formen erhalten. Hier zeigt sich der innerkirchliche Versuch, das Verhältnis der drei Personen in Gott theologisch angemessen auszusagen (vgl. Kap. 3.5.1). Die Gleichrangigkeit der innertrinitarischen Personen soll nicht in Frage gestellt werden (Jungmann/464: 151–168). Folglich wird in zentralen liturgischen Gebetsvollzügen der Heilige Geist genannt. Die Erwähnung der »Einheit des Heiligen Geistes« (unitas) bringt mehr als der Ehrerweis gegenüber dem dreieinen Gott das Handeln Gottes am Menschen zur Sprache. Der Geist wird als das Lebensprinzip der Kirche sichtbar. Die Kirche sieht sich in ihrem Gotteslob und damit in der Liturgie geeint durch den Heiligen Geist. Im eucharistischen Hochgebet bringt die Doxologie die Einheit von Christus und Kirche, aber auch die Einheit der Gläubigen in der Kirche zur Sprache, die geistgewirkt ist. Durch die Doxologie, die die Orationen beendet, wird neben der Verherrlichung des dreieinen Gottes dem Vater für sein Heilshandeln durch den Sohn im Heiligen Geist das Lob dargebracht. Zugleich kommt in der Formel zum Ausdruck, dass die Kirche durch Christus im Heiligen Geist betet. Bei solchen liturgischen Formeln handelt es sich um sprachliche Standardisierungen, die auf knappem Raum zentrale Aussagen zum Gebet bündeln und die Wirklichkeit ausdrücken, die sich im Gebet konstituiert. Deshalb muss die Gemeinde auch dem hier Ausgesagten mit dem »Amen« zustimmen können, das Gebet gleichsam »ratifizieren« und es sich zu Eigen machen. Die Epiklese (»Anrufung«/»Herabrufung«) ist jenes Gebetselement in Hoch- und Weihegebeten, aber auch in einigen Orationen, in denen Gott explizit um sein Handeln im Heiligen Geist angerufen wird. Man findet sie im eucharistischen Hochgebet, hier aufgeteilt in eine Gabenepiklese vor und eine Kommunionepiklese nach den Einsetzungsworten, in Anrufung und Lobpreis Gottes über dem Taufwasser, im Weihegebet der Ordination, im Segensgebet über die Brautleute usw. Hierbei handelt es sich um die jeweils zentrale Gebetshandlung der Liturgie. Die Epiklese ist Teil von Gebeten, denen konsekratorische Bedeutung zugesprochen wird. Dass dabei der Heilige Geist als die Gabe genannt wird, die Gott geben möge, unterstreicht die Bedeutung der Pneumatologie für die Liturgie. Gerade die Epiklesen bringen zum Teil sehr bildhaft und dadurch nachdrücklich das Wirken des Geistes zum Ausdruck und lassen erkennen, dass der Mensch auf die Gabe des Geistes angewiesen ist. Im eucharistischen Hochgebet wird zunächst um die Heiligung der Gaben von Brot und Wein gebetet, »damit sie uns werden Leib und Blut deines Sohnes, unseres Herrn Jesus Christus« (3. Hochgebet; Messbuch/50: 494). Die Feiernden sollen Anteil erhalten an der Mahlgemeinschaft Christi, natürlich hier und jetzt, aber auch in der einsti-

4.4 Pneumatologie153

gen Vollendung bei Gott. In der Epiklese zeigt sich präsentische Eschatologie. Die Kommunionepiklese bittet um die Erfüllung mit dem Geist, »damit wir ein Leib und ein Geist werden in Christus« (3. Hochgebet; Meßbuch/50: 496), bittet also um Wandlung der Gläubigen, die im Geist zur Einheit finden sollen; aus der Eucharistie entsteht Kirche. In der Taufwasserweihe (Erstes Formular; vgl. Anhang 1.2) wird um das Hinabsteigen der Kraft des Geistes in das Wasser gebetet, welches damit zu einem Zeichen des Geistes wird. Was hier mit »Kraft des Geistes« gemeint ist, macht der vorausgehende Katalog alt- und neutestamentlicher Paradigmen deutlich, die erzählen, wie Gott in der Heilsgeschichte im Zeichen des Wassers gewirkt hat. Wenn jetzt um die Gabe des Geistes gebetet wird, dann ist die Heilsgeschichte mitgemeint: die Wasser der Schöpfung, die heiligende Kraft besaßen; die Vernichtung des alten und die Hervorbringung des neuen Menschen in der Sintflut; die Befreiung aus Knechtschaft, wie sie Israel im Durchzug durch das Rote Meer erfahren hat; die Taufe Jesu, »Urbild der christlichen Taufe« (Meßner/37: 68); Blut und Wasser aus der Seite Jesu am Kreuz, Ursprung und Leben der Kirche; der Taufbefehl an die Jünger. Die Geistgabe ist mit der Hoffnung verbunden, der Mensch als Ebenbild Gottes werde durch Wassertaufe und Geistgabe neue Schöpfung. Die Epiklese formuliert die Bitte, dass »alle, die durch die Taufe mit Christus begraben sind in seinen Tod, mit ihm zum Leben auferstehn« (Feier der Kindertaufe/57: 55). Die Vitalität des pneumatologischen Geschehens, das Lebenswirklichkeit verändern soll, kommt gerade in diesen Paradigmen zum Ausdruck: Altes wird vernichtet, Neues entsteht; Strukturen der Unterdrückung werden zerschlagen, Freiheit wird geschenkt; der Mensch wird von Schuld reingewaschen; aus dem Kreuzestod und damit dem Osterereignis entsteht die Kirche, die unter dem Sendungsauftrag Jesu steht, d. h. verkünden, taufen und die Heilsgeschichte weitergeben soll. Untergang und Neuschöpfung werden nebeneinander genannt und lassen die Ambivalenz des Geistwirkens deutlich werden. Schließlich bittet das Hochgebet um die Auferstehung zum ewigen Leben durch das Mitbegrabenwerden mit Christus und beschreibt die Taufe als Transitusereignis, das sich in der Kraft des Heiligen Geistes vollzieht. Ähnlich ist das erste Segensgebet über die Brautleute formuliert, das an die Erschaffung von Mann und Frau, den Bundesschluss mit Israel und die Erneuerung des Bundes durch das Kreuzesgeschehen erinnert, um dann die Gabe des Heiligen Geistes für diese Ehe zu erbitten: Einheit, Bewahrung und Reifung der Liebe und Förderung in allem Guten. Gerade dort, wo von der Lebensmitte der Ehe die Rede ist, wird also um den Geist Gottes gebetet (Feier der Trauung/58: 45–51). Das Weihegebet für die Priesterweihe, das in seinem Aufbau vergleichbar strukturiert ist, verdeutlicht, dass der Heilige Geist Lebensprinzip der Kirche ist. Nach alt- und neutestamentlichen Paradigmen wird unter anderem für die Neupriester mit Blick auf die Wirkung ihres Verkündigungsdienstes um die Gnade des Heiligen Geistes gebetet (Weihe des Bischofs/65: 92). Die Vollmacht dazu vermittelt die Geistgabe. Zwar kennt die katholische Liturgie Anrufungen des Geistes in Form von Hymnen, Sequenzen, dann auch Akklamationen, Antiphonen und Responsorien, in denen der Heilige Geist in persona angerufen und um sein Kommen gebeten wird, doch keine Orationen, die unmittelbar an den Geist gerichtet sind. Ein Beispiel für die Vielfalt der Anrufungen bietet

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4  Theologie der Liturgie

das Pfingstfest. Die Dynamik des Geistgeschehens bringt nachdrücklich die MagnificatAntiphon (1. Vesper) zur Sprache. In ihr kommt die doppelte Bedeutung des Pfingstfestes zum Ausdruck: Geistausgießung und – in der Konsequenz  – Sammlung des eschatologischen Glaubensvolkes: »Komm, Heiliger Geist, erfülle die Herzen deiner Gläubigen und entzünde in ihnen das Feuer deiner Liebe, du, der du über alle Grenzen der Sprachen hinweg die Völker in einem Glauben sammelst« (Stundenbuch/70: 2, 521). Andere Antiphonen besingen das Wirken des Geistes in der Kirche und die Befähigung zur Verkündigung (»Alle wurden erfüllt vom Heiligen Geist, und sie begannen zu reden.« [2. Vesper, 3. Antiphon]; Stundenbuch/70: 2, 536) wie zur Sündenvergebung, die geistgegeben sind (»Empfangt den Heiligen Geist. Wem ihr die Sünden nachlaßt, dem sind sie erlassen.« [Benedictus-Antiphon]; Stundenbuch/70: 2, 527).

Kurzinformation: Feier der Taufe 1. Die Entwicklung der Taufliturgie Taufbad, Salbung und Ersteucharistie: die eine Initiationsfeier in der Alten Kirche Die christliche Taufe entsteht im Umfeld antiker Wasserriten, setzt aber eigene Akzente: Sie wird empfangen, d. h. man tauft sich nicht selber, ist einmalig und nimmt den gläubigen Men­ schen bleibend in Anspruch. Vorbild ist die Umkehrtaufe Johannes des Täufers, doch besitzt die Taufe eine christologische Sinnmitte und gliedert in die Kirche ein. Durch die Taufe voll­ zieht der Mensch einen Herrschaftswechsel. Paulus spricht vom Anziehen Christi (Gal  3,27) und vom Hineingetauftwerden in den Leib Christi (1 Kor 12,13). Für ihn ist die Taufe eng mit Tod und Auferstehung Jesu Christi verbunden (Röm  6,3–5). Taufe bewirkt Sündenvergebung (1 Kor 6,11) und ist »Bad der Wiedergeburt« (Tit 3,5). Der Ritus der Taufe ist im Neuen Testament nicht einheitlich, kann Wassertaufe und/oder Geisttaufe umfassen (Apg 8,4–25; 10,47 f.; 19,1–7). Eine Einführung in den Glauben kann vorausgehen (Apg 8,26–40). In der Spätantike werden Erwachsene nach einer Zeit der Hinführung zum Glauben (Katechu­ menat), die Liturgie und Katechese umfasst, in einer einzigen Feier initiiert. Sie besteht aus Taufe, Salbung nach der Taufe und erster Eucharistie. Symbolhandlungen ermöglichen das Hineinwachsen in den Glauben. Das Handeln Gottes am Täufling wird gefeiert. Die Didache (um 100) beschreibt die Taufe so: »Was die Taufe angeht, tauft folgendermaßen: Nachdem ihr das alles vorher mitgeteilt habt, tauft auf den Namen des Vaters, des Sohnes und des Heiligen Geistes in lebendigem Wasser. Wenn du aber kein lebendiges Wasser hast, taufe in anderem Wasser; wenn du es nicht in kaltem Wasser kannst, dann in warmem. Wenn du aber beides nicht hast, gieße über den Kopf dreimal Wasser aus auf den Namen des Vaters, des Sohnes und des Heiligen Geistes. Vor der Taufe sollen fasten der Täufer, der Täufling und andere, die können. Gebiete aber, daß der Täufling vorher ein oder zwei Tage fastet.« (Did 7 [FC 1, 119]) Um 200 gewinnt der Taufkatechumenat Bedeutung. Er entwickelt sich regional unterschied­ lich. Es stellt sich zunehmend die Frage, wer zum Katechumenat zugelassen werden soll. Ein entsprechender Lebenswandel ist notwendig. Die Taufbewerber werden auf ihrem mehr­

Kurzinformation: Feier der Taufe155 jährigen Vorbereitungsweg begleitet. Der Katechumenat besteht aus der Einführung in ­Bibel und Glaubenslehre und aus liturgischen Elementen (Handauflegung, Gebet, Exorzis­ mus etc.). Die Taufliturgie entwickelt sich im 2./3. Jh. vielgestaltig weiter. Es gibt verschiedene Typen: a) Im mediterranen Bereich steht der Übergang des Täuflings vom Herrschaftsbereich des Bösen in den Machtbereich Christi im Vordergrund. In liturgischen Vollzügen wie Exorzismen oder der Lossagung vom Teufel kommt die reinigende Wirkung der Taufe zum Ausdruck. Das wird rituell erfahrbar, wenn etwa dem Täufling zum Exorzismus die Hand aufgelegt wird, um das Böse zu vertreiben. In der Taufe selbst wird der Täufling dreimal nach seinem Glauben gefragt und dann untergetaucht oder übergossen. Der Bischof tauft. b) Die syrische Liturgie stellt dagegen die Geistgabe in den Mittelpunkt. Die Thomasakten (3./4. Jh.) beschreiben u. a. eine Liturgie aus Hauptsalbung mit Herabrufung des Heiligen Geistes, Wassertaufe und Taufeu­ charistie, wobei die Salbung die theologische Priorität besitzt. Der Mensch soll sich Christus angleichen. So kann er dem Tod und der Vergänglichkeit entkommen. Im 4./5. Jh. erlebt die Initiation in einem durch die neue gesellschaftliche Rolle wie Entfal­ tungsmöglichkeit des Christentums veränderten gesellschaftlichen Umfeld nach der sog. Konstantinischen Wende weitreichende Neuerungen: Unter den zahlreichen Taufbewerbern sind viele, die sich in den Katechumenat einschreiben lassen, ohne sich aber in einem über­ schaubaren Zeitraum taufen zu lassen. Der Katechumenat gerät in eine Krise. Taufe – Firmung – Erstkommunion: das Auseinanderbrechen der einen Initiation Mit der Zunahme der Säuglingstaufe seit dem 5./6. Jh. und aufgrund der Verselbstständigung der postbaptismalen Salbung, die als Firmung dem Bischof reserviert bleibt, verändert sich die Initiation. Taufe, Firmung und Eucharistie fallen auseinander. Seit dem 5./6. Jh. wird die Säuglingstaufe der Normalfall, die Erwachsenentaufe tritt zurück. Im 5. Jh. erteilt Papst Inno­ zenz I. Priestern das Recht zu taufen. Die postbaptismale Handauflegung mit Gebet und die Stirnsalbung bleiben dem Bischof vorbehalten. Sie werden aus der Initiation herausgelöst, es entwickelt sich die Firmung. Taufe und Firmung treten vor allem in den Missionsgebieten zeitlich auseinander, weil der Bischof bei der Taufe aufgrund der Größe seines Bistums gar nicht immer anwesend sein kann, die Firmung also gegenüber der Taufe später stattfindet. Eine eigenständige Sakramentenliturgie »Firmung« entwickelt sich. Mit der Hochsetzung des Firmalters im 18./19. Jh. manifestiert sich endgültig die Reihenfolge der Initiationssakramente: Die Firmung tritt ans Ende nach Taufe und Erstkommunion und erhält damit einen neuen Charakter. Man feiert Eucharistie, ohne dass die Initiation beendet ist. Im Laufe des Mittelalters entwickelt sich die Taufe immer mehr zu einem Geschehen für den einzelnen Täufling in der Pfarrkirche. Für das unmündige Kind beantworten die Paten die Fragen, die gestellt werden. Die Taufe feiert man mit Blick auf das Seelenheil des Kindes mög­ lichst bald nach der Geburt, der Aspekt der Aufnahme in die Kirche tritt zurück. Die Taufe soll die Erbsünde vergeben.

156

4  Theologie der Liturgie

Säuglingstaufe – Feier der Eingliederung Erwachsener: Taufe im 21. Jahrhundert Durch die Liturgiereform nach dem Zweiten Vatikanischen Konzil ist auch die Liturgie der Ini­ tiation erneuert worden. Die Liturgiekonstitution fordert die Wiederherstellung eines mehr­ stufigen Erwachsenenkatechumenats (SC 64). Die Säuglingstaufe soll der Situation von Säug­ lingen und Kleinkindern angepasst werden. Die Rolle von Eltern und Paten in der Liturgie soll klarer konturiert werden (SC 67). Die eine Taufe kann jetzt auf die Täuflinge und ihre Lebenssi­ tuationen angepasst werden. Die verschiedenen Ausprägungen der einen Taufe schlagen sich in den Titeln der liturgischen Bücher nieder: Feier der Eingliederung Erwachsener in die Kirche (2001) – Eingliederung von Kindern im Schulalter in die Kirche (1986) – Feier der Kinder­ taufe (2007) (im Quellen- und Literaturverzeichnis die Nrr. 55, 54 und 57). Die »Feier der Kindertaufe« enthält Texte für die »Feier der Kindertaufe in zwei Stufen«; diese ermöglicht eine längere Vorbereitung und Hinführung zur Taufe und kann als eine Reaktion auf einen Verlust an Kirchenbindung und die damit häufig verbundene Distanz zu Kirche und Glaube in der Gesellschaft verstanden werden. Aus theologischen Gründen ist die Erwachsenentaufe für das Verständnis von Taufe und Tauf­ liturgie von besonderem Gewicht, weil sie die Entscheidung und Bekehrung des Einzelnen, das Zusammenwirken von Individuum und Gemeinschaft, das Prozesshafte von Initiation und die Einheit der drei Initiationssakramente ideal realisiert. Die Säuglingstaufe partizipiert an derselben Wirklichkeit, am Christusmysterium. Sie lebt aus stellvertretendem Tun von Kirche, Gemeinde, Paten und Eltern. In ihr äußert sich die Hoffnung, dass das neugetaufte Kind in ei­ ner Umgebung aufwächst, in der es sich zum Christen entwickeln kann. Diese Form der Taufe verlangt nach ihrer Vollendung in Firmung und Ersteucharistie. Die Kindertaufe in Stufen soll den Eltern eine intensive Vorbereitung auf die Taufe und eine erneute Annäherung an Glaube und Kirche ermöglichen. Schon am Beginn des Weges steht ein Wortgottesdienst: Man preist Gott und dankt für die Geburt, man bittet um Schutz für das Kind und salbt es mit Katechume­ nenöl. Erst später folgt dann die eigentliche Taufhandlung. Im 20. Jh. nähern sich verschiedene christliche Kirchen deutlich in Fragen der Taufe einander an. »Unitatis Redintegratio«, das Dekret des Zweiten Vatikanischen Konzils über den Ökume­ nismus, nennt die Taufe »ein sakramentales Band der Einheit zwischen allen, die durch sie wiedergeboren sind« (UR 22). Die Konvergenzerklärung »Taufe, Eucharistie und Amt«, die 1982 in Lima von der Kommission für Glauben und Kirchenverfassung des Ökumenischen Rates der Kirchen verabschiedet wurde, hebt als Aspekte gemeinsamer evangelischer, anglikanischer, orthodoxer und römisch-katholischer Tauftheologie hervor: »Teilhabe an Tod und Auferste­ hung Christi«, »Bekehrung, Vergebung, Waschung«, »Gabe des Geistes«, »Eingliederung in den Leib Christi«, »Zeichen des Gottesreiches« (Taufe, Eucharistie und Amt 1982, 9–11). 2007 haben elf christliche Kirchen in Deutschland in der Magdeburger Erklärung (https://www.ekd. de/pm86_2007_wechselseitige_taufanerkennung.htm) (21.11.2018) ihr Grundeinverständnis über die Taufe zum Ausdruck gebracht. Gerade in der Taufe kommt das Gemeinsame zwi­ schen den Kirchen zum Ausdruck.

Kurzinformation: Feier der Taufe157 2. Strukturen der Kindertaufe und ihre Bedeutung Eröffnung – Wortgottesdienst – sakramentale Zeichenhandlung – abschließende Riten Nach der Eröffnung mit dem Kreuzzeichen für den Säugling (Signation) feiert man zunächst den Wortgottesdienst. Besondere Riten nach der Predigt sind u. a. die Anrufung der Heiligen, Fürbittgebet, Exorzismus-Gebet um Stärkung des Täuflings durch die Gnade Christi und die Salbung mit Katechumenenöl. Das Exorzismus-Gebet verdeutlicht, dass der Mensch sich von allem, was schlecht ist, abwendet und Christus zuwendet. Der feierliche »Lobpreis und Anru­ fung Gottes über dem Wasser«, ein außerhalb der Osterzeit verwendetes Gebet, folgt (vgl. Kap. 4.4.2). In Absage und Glaubensbekenntnis bekennen alle, die die Taufe feiern, noch einmal ihren Glauben. Nachdem der Taufwillen seitens der Eltern bekundet worden ist, folgt als zentraler Ritus die Wassertaufe. Zeichenhandlungen, die sich anschließen, verdeutlichen, was hier ge­ feiert wird: Chrisamsalbung, Übergabe des Taufkleides und der Taufkerze, (fakultativ) EffataRitus. Es kann die Eucharistiefeier folgen. Wo dies geschieht, wird der Sinn für das Miteinander von Taufe, Firmung und Eucharistie wachgehalten. Andernfalls endet die Liturgie mit dem Vaterunser und dem Segen über die Eltern und Anwesenden. Die Säuglingstaufe ist folgendermaßen strukturiert: Struktur

Feierelemente

Orte

Eröffnung

Begrüßung Fragen, die an Eltern und Paten gerichtet sind Dem Täufling wird ein Kreuz auf die Stirn gezeichnet Gebet

Eingang der Kirche o. Ort in der Kirche, wo die Tauf­ familie versammelt ist

Wortgottes­ dienst

Gang zum Ort des Wortgottesdienstes Wortgottesdienst (in gewohnter Weise) Die Homilie soll an die liturgischen Texte anknüpfen, in das Geschehen der Taufe einführen und auf die Aufgaben für Eltern und Paten eingehen. Nach der Homilie: [Stille o. Gesang] Anrufung der Heiligen und Fürbitten Gebet um Schutz vor dem Bösen (Exorzismus-Gebet) Salbung mit Katechumenenöl o. Handauflegung

Ort des Wortgottesdiens­ tes; Ambo

Taufe

Gang zum Taufort [unter Gesang] Lobpreis und Anrufung Gottes über dem Wasser (Taufwasserweihe) Absage und Glaubensbekenntnis (Apostolisches o. Großes Glaubensbekenntnis o. Glaubenslied) Erfragung des Taufwillens Wassertaufe Salbung mit Chrisam Anlegen des weißen Taufkleides Übergabe der brennenden Kerze [Effata-Ritus]

Die Gemeinde geht zum Taufbrunnen oder die Taufe findet im Blickfeld der Gemeinde statt.

158

Struktur

4  Theologie der Liturgie

Feierelemente

Orte

ggf. die Eucharistiefeier Abschluss

Gang zum Altar Vaterunser Segen über Mütter und Väter sowie über alle ­Anwesenden

Altar

Zeichenhandlungen der Taufe: Wassertaufe und Salbung – Taufkleid – Taufkerze Das Zeichen lebendigen Wassers ist für die Taufe von besonderer Bedeutung, die Zeichen­ sprache muss verständlich sein. Indem der Täufling im Wasser unter- oder eingetaucht bzw. mit Wasser übergossen wird, kommen verschiedene Wirklichkeiten der Taufe zum Ausdruck: Neuschöpfung, Sündenvergebung, Anteilhabe am Christusgeschehen (Tod und Auferste­ hung), Aufnahme in die Kirche. Die Salbung mit Chrisam bezieht sich auf 1 Petr 2,9: Der Neugetaufte gehört zu Christus und hat Anteil an dessen Priester-, König- und Prophetentum. Ihm wird eine besondere Würde zugesprochen. Die Liturgie entwirft ein bestimmtes Menschenbild. Durch das Anziehen des weißen Taufkleides wird in Anlehnung an Gal 3,26–28 Christus angezo­ gen. Die Zeichenhandlung drückt aus, dass sich eine Veränderung am Menschen vollzieht, mit Eph 4,24 gesagt: dass er »den neuen Menschen« anzieht. Auch diejenigen, die am endzeitli­ chen Hochzeitsmahl (Offb 19,8) teilnehmen, tragen ein weißes Gewand. Verschiedene Zeit­ ebenen werden durch die Liturgie zusammengebracht: die Liturgiefeier im Jetzt mit dem Christusgeschehen der Vergangenheit und mit der Zukunft, die einst bei Gott erwartet wird. In ähnliche Richtung weist die Überreichung der Kerze, die an der Osterkerze entzündet wird. Sie verbindet die Taufe mit dem Osterereignis. Auch der fakultative Effata-Ritus nach Mk 7,31– 37 verbindet den Täufling mit der Heilsgeschichte und mit Jesus Christus. Literatur Benedikt Kranemann, Die eine Initiation in vielfältiger Gestalt. Geschichte – Struktur – Theo­ logie, in: Christwerden in einer multireligiösen Gesellschaft. Initiation – Katechumenat – Ge­ meinde, hg. v. Patrik C. Höring – Bernd Lutz. Ostfildern 2014, 27–50. Liturgie der Kindertaufe, hg. v. Jürgen Bärsch – Andreas Poschmann. Trier 2009. Martin Stuflesser  – Stephan Winter, Wiedergeboren aus Wasser und Geist. Die Feiern des Christwerdens. Regensburg 2004 (Grundkurs Liturgie 2). Die Taufe. Einführung in Geschichte und Praxis, hg. v. Christian Lange – Clemens Leonhard – Ralph Olbrich. Darmstadt 2008. Ernst Werner, Christ werden in veränderter Zeit. Zur Entwicklung des Katechumenats in Deutschland, hg. v. Deutschen Liturgischen Institut und dem Deutschen Katecheten-Verein. Trier 2015.

4.4 Pneumatologie159

4.4.3 Handauflegung und Salbung als darstellendes Handeln Zeichenhandlungen, in denen das Gebet um den Geist und das Wirken des Geistes zum Ausdruck kommen, sind Handauflegung und Salbung. Dies gilt nicht per se; es bedarf der Interpretation durch Gebets- oder Begleittexte, damit diese Zeichen als darstellendes Handeln für die Geistdimension der Liturgie verstanden werden können. Es ist nicht nebensächlich, dass in beiden Fällen ein Zeichen mit der Hand vollzogen wird. Dies kann zum einen auf die Übertragung von Kraft hindeuten, zum anderen sowohl anthropologisch als auch theologisch Zuwendung, Schutz, Heilung und Ermutigung vermitteln, aber auch Besitz­ ergreifung oder Identifikation anzeigen. Die Hand steht für die Aufnahme von zwischenmenschlichem Kontakt, der hier Abbild der Kommunikation zwischen Gott und Mensch ist. Die Handauflegung als Geistmitteilung begegnet bereits in Dtn 34,9: Josua ist vom Geist der Weisheit erfüllt, denn Mose hatte ihm die Hände aufgelegt. Das Neue Testament bezeugt eine entsprechende Praxis in Teilen der Gemeinden für die Initiation (Apg 8,14–18; 19,3–7), für die Betrauung mit einem Amt (Apg 6,1–7; 13,1–3; 14,23; 1 Tim 4,14; 2 Tim 1,6) und für die Heilung durch Geistgabe (Apg 9,12–17), die dann auch zur Verkündigung befähigt. Verschiedene Liturgiefeiern kennen die Handauflegung und -ausstreckung als Zeichen für das Wirken des Geistes. Diese Praxis findet sich auch in der Orthodoxie, den Kirchen der Reformation und bei den Anglikanern. Zwar können die theologischen Interpretationen variieren, dennoch kann man die Handauflegung ein ökumenisch erstrangiges Zeichen nennen. In den sakramentalen Feiern der katholischen Kirche haben Auflegung und Ausstreckung der Hand eine besondere Bedeutung als Darstellung des Geistwirkens; dies wird im eucharistischen Hochgebet, in der Handauflegung der Firmung, der Buße und der Ordination, im Trauungssegen (zur Epiklese) und bei der Chrisamweihe deutlich. Bei der Taufwasserweihe (Erstes Formular; vgl. Anhang  1.2) wird zur Epiklese das Wasser auch berührt – als Zeichen für die sich hier ereignende Geistsendung. In der Handauflegung wird für alle Feiernden signalisiert, dass Gott sein Heilshandeln für die Menschen in der Kraft des Geistes fortführt. Sie stellt das Wirken des Geistes dar und ist Verheißung auf Wirksamkeit. Ähnlich verhält es sich mit der Salbung. Salbungen zählen zu den zentralen liturgischekklesialen Zeichenhandlungen. Sie drücken die Zuwendung Gottes zum Menschen und damit die personale Dimension des Gefeierten aus. Auch sie sind Symbol für das Wirken des Geistes, wie man bei Taufe und Firmung als Teilen der Initiation oder bei Bischofs- und Priesterweihen sehen kann. Die Firmliturgie spricht von der Besiegelung mit der Gabe des Geistes, stellt also den Menschen ganz unter die Wirkkraft des Geistes und vermittelt ihn als Lebensprinzip. So kann dann die Chrisamsalbung der Taufe gedeutet werden als Eingliederung in das Volk Gottes und als Eingliederung in Christus, den Priester, König und Propheten. Die Salbung als pneumatisches Geschehen bewirkt »die Konstituierung des neuen Menschen« (Meßner/37: 125; vgl. ebd. 126 f. zu den Munera Christi und ihrer Bedeutung für den Getauften). Salbungen in anderen Liturgien können von hier her als Entfaltungen des in der postbaptismalen Taufsalbung Zugesagten verstanden werden.

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4  Theologie der Liturgie

Bei beiden Zeichenhandlungen wird Spezifisches für die Pneumatologie der Liturgie deutlich: Im darstellenden Handeln der Liturgie (Sprach- und Zeichengeschehen) wird das Wirken des Geistes, das Bibel und Liturgie bezeugen, vermittelt. Darstellendes Handeln ist ein symbolisches Geschehen, das in der Liturgie als von Gott ermöglicht und getragen begriffen wird. Wenn in der Liturgie vom Geistwirken gesprochen wird, ist dies für die Gläubigen ein performatives Geschehen, das wesentlich in sinnenhafter Form vollzogen wird.

4.4.4 Der Heilige Geist in poetischen Texten des Gottesdienstes Die liturgischen Gebete und die Zeichenhandlungen lassen bereits die Fülle der Wirkungen erkennen, die dem Geist zugeschrieben werden: Schöpfung und Ermöglichung von Leben, Stiftung von Freiheit und Frieden, Gabe von Einheit und Gemeinschaft (Kirche), Stärkung zum Zeugnis in Verkündigung und Leben; Ermöglichung von Gebet und Liturgie und Anteilgabe am eschatologischen Heil. Was sich für den einzelnen Christen wie die Kirche mit dem Wirken des Geistes Gottes verbindet, haben durch die Jahrhunderte hindurch gerade die poetischen Texte der Kirchenlieder unterschiedlichster Gattungen deutlich werden lassen. So gibt es vielfältige Lieder, die um das Kommen des Geistes bitten. Ein hervorragendes Beispiel ist die Sequenz »Veni Sancte Spiritus« des Stephan Langton von Canterbury (1150/55–1228): »Veni, Sancte Spiritus, / Et emitte caelitus / Lucis tuae radium. // Veni, pater pauperum, / Veni, dator munerum, / Veni, lumen cordium. // Consolator optime, / Dulcis hospes animae, / Dulce refrigerium. // In labore requies, / In aestu temperies, / In fletu solatium. // O lux beatissima, / Reple cordis intima / Tuorum fidelium. // Sine tuo numine, / Nihil est in homine, / Nihil est innoxium. // Lava quod est sordidum, / Riga quod est aridum, / Sana quod est saucium. // Flecte quod est rigidum, / Fove quod est frigidum, / Rege quod est devium. // Da tuis fidelibus, / In te confidentibus, / Sacrum septenarium. // Da virtutis meritum, / Da salutis exitum, / Da perenne gaudium.« »Komm Heiliger Geist, / sende vom Himmel herab / deines Lichtes Strahl! // Komm, Vater der Armen, / komm, Geber der Gaben, / komm, Licht der Herzen! // Bester Tröster, / süßer Gast der Seele, / süße Labsal! // In der Arbeit Ruhe, / in der Hitze Kühlung, / im Weinen Trost! // Du seliges Licht, / erfülle das Innere der Herzen / deiner Gläubigen! // Ohne dein Walten / ist nichts im Menschen, / ist nichts ohne Schuld. // Wasche, was beschmutzt ist; / erweiche, was spröde ist; / heile, was wund ist! // Beuge, was starr ist; / erwärme, was kalt ist; / lenke, was verirrt ist! // Gib deinen Gläubigen, / die auf dich vertrauen, / die sieben heiligen Gaben! // Gib der Tugend ihren Lohn; / gib am Ende Heil; / gib ewige Freude!« (Übersetzung aus: Graduale Romanum/77: 94). Die Sequenz ist kunstvoll konzipiert. Jeder lateinische Vers besteht aus sieben Silben – ein Hinweis auf die siebenfältige Gabe des Heiligen Geistes. Jeder dritte Vers schließt mit der Endung -ium. Die Sequenz ist literarisch durchstrukturiert und von hoher lyrischer Qualität. Das zeigt sich auch daran, dass der Klang von »spiritus« immer wieder neu in diesem Lied durchgespielt wird.

4.4 Pneumatologie161

Aber auch inhaltlich folgt der Text einem klaren Schema. Er geht zunächst auf das Pfingst­ereignis ein. Die Bitte um »deines Lichtes Strahl« spielt ebenso auf das Feuerereignis von Pfingsten an wie das »Licht der Herzen«. Die Strophen 3 und 4 malen aus, was in Anklang an Joh 14–16 mit »Consolator optime«, »bester Tröster«, gemeint ist. Die Stärke der Sequenz ist es, dass sie das Wirken des Geistes mit dem Alltag der Menschen zu verbinden weiß: Der Geist Gottes gibt Ruhe in der Arbeit, Kühlung in der Hitze, Trost im Weinen. Die Pneumatologie der Liturgie hat durchaus einen »Sitz im Leben« der Menschen. Die beiden nächsten Strophen besingen, wie der Geist am Menschen wirkt. Wieder klingt das Lichtmotiv der beiden ersten Strophen an. Sie unterstreichen, dass der Mensch ganz auf das Walten des Geistes angewiesen ist. Man kann im »nihil« eine Anspielung auf die Schöpfungstheologie lesen. Die Schöpfung aus dem Nichts klingt ebenso an wie die Leere im Menschen als Konsequenz der Urschuld. Die Strophen 7 und 8 spielen noch einmal durch, was der Geist Gottes für den Menschen wirkt: »Lava«, »Riga«, »Sana«, »Flecte«, »Fove« und »Rege«. Das geschieht in einem anderen Vokabular als in einem dogmatischen Diskurs. Mit Bildern bringt die Liturgie zum Ausdruck, was als Wirken des Heiligen Geistes erfleht wird. Die beiden Schlussstrophen richten den Blick nochmals auf die Communio fidelium. Sie ist die Trägerin des Hymnus. Mit Jes 11,2 f. bittet sie um die sieben Gaben des Geistes. Dort wird über den »Geist des Herrn« gesagt, er sei »der Geist der Weisheit und der Einsicht, der Geist des Rates und der Stärke, der Geist der Erkenntnis und der Gottesfurcht«. Die Gegenwart Gottes im Heiligen Geist ist das Lebensprinzip des Christen wie der Kirche und ihrer Liturgie. Das bringt die Sequenz mit den Mitteln der Liturgie zum Ausdruck, sie bereichert dadurch auf ihre Weise das theologische Nachdenken über den Heiligen Geist. Als Zeugnis der Frömmigkeitsgeschichte zeigt das Lied vor allem, dass es nicht um ein Randthema von Liturgie und christlicher Existenz geht, sondern um deren Mitte. Immer wieder finden sich in der Liedgeschichte Beispiele dafür, dass dem Heiligen Geist und dem Pfingstereignis sehr sinnenfreudig und lebensnah nachgegangen wird. Ganz deutlich wird das bei Paul Gerhardt im »Pfingstlied« (1653): »Ich war ein wilder Reben, / Du hast mich gut gemacht, / Der Tod durchdrang mein Leben, / Du hast ihn umgebracht / Und in der Tauf erstickt, / Als wie in einer Flute / Mit dessen Tod und Blute, / Der uns im Tod erquickt. … Du bist ein Geist der Freuden, / Von Trauern hältst du nicht, / Erleuchtest uns im Leiden / Mit deines Trostes Licht. / Ach ja, wie manchesmal / Hast du mit süßen Worten / Mir aufgetan die Pforten / Zum güldnen Freudensaal.« (Gerhardt/444: 103 f.). Poetischer Sprache eignet im Vergleich zu anderen liturgischen Texten wie Orationen ein Mehr an Emotionalität, sie besitzt dadurch größere Lebensnähe und weist viele Leerstellen und Spielräume für die Interpretation wie Rezeption auf. In Anlehnung an Umberto Ecos »Offenes Kunstwerk« kann man für solche poetischen Texte in der Liturgie als Wirkung konstatieren, »im Interpreten ›Akte bewußter Freiheit‹ hervorzurufen, ihn zum aktiven Zentrum eines Netzwerkes von unausschöpfbaren Beziehungen zu machen« (Eco/434: 31). Gegenüber der Zurückhaltung westlicher Theologie in der Pneumatologie vermögen die Metaphern, Klangbilder usw. gerade der Geist-Lieder das Wirken des Geistes lebensnah zu

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4  Theologie der Liturgie

beschreiben. Das gilt bis heute, wie ein 1986 von Marijke Koijck-de Bruijne veröffentlichtes Lied »De Geest van God waait als een wind« zeigt, das traditionelle Metaphern in eine neue Sprachgestalt fügt und die Dynamik des Geistes sehr vital nahe bringt. »Der Gottesgeist weht wie ein Wind, / er kommt auf Friedensflügeln. / Wie Atem, der lebendig macht, / weckt er die Unrast, innen, / die manchmal Sturm zu werden wagt, / Gewalt und Bosheit laut verklagt. / Er kühlt als frische Brise. // Und wie ein Feuer ist der Geist, / mit heißen Flammenarmen / erstickt er, was dem Unrecht dient, / und glüht doch voll Erbarmen. / Ist Hoffnungsfunke, der noch blinkt / ein Licht, das wartet, das uns winkt, / ein Glanz in Herz und Augen. // Im Stillen handelt Gottes Geist, / treibt an durch sanfte Kräfte, / die weise Mutter, die uns führt, / die Quelle guter Mächte. / Sie gibt uns Mut voranzugehn, / macht, daß sich Menschen neu verstehn, / hüllt uns in ihren Mantel.« (Übersetzung Jürgen Henkys, in: Müller/487) In die Gemeinschaft, die hier singt, wirkt der mit weiblichen Metaphern beschriebene Geist hinein (»die uns führt«, »sie gibt uns Mut voranzugehen«) und birgt sie (»hüllt uns in ihren Mantel«). Die Leben schaffende Macht des Geistes und die darin liegende Ermutigung für den Menschen (»treibt an durch sanfte Kräfte«) und sein Handeln (»gibt uns Mut voranzugehn«) wird besungen (Müller/487). Die Metaphern erschließen die Wirklichkeit des Geistes Gottes. Noch zu wenig wahrgenommen sind weibliche Darstellungen des Geistes in verschiedenen christlichen Liturgien. Im Lied klingen sie im Bild der Mutter an, die durch weibliche Bilder Gottes im Alten Testament (der Geist als ruach [fem.]), durch apokryphe Texte und sprachgeschichtliche Eigenheiten (Geist/Wind als feminines Substantiv in den semitischen Sprachen) motiviert sind. So beschreiben Quellen aus der Frühzeit der syrischen und armenischen Liturgie den Heiligen Geist als Mutter, Taufhymnen der Armenier sogar als Ge­ bärende. Diese poetisch-theologischen Phänomene frühchristlicher Liturgie gewinnen im Bemühen um ein umfassenderes, dem Biblischen gemäßes vielfältiges Gottesbild (vgl. Dtn 32,11.18; Jes 42,14; Lk 13,24) an Interesse (Winkler/520; zu den damit aufgerufenen Genderfragen und Liturgie vgl. u. a. [mit histor. Interesse] Berger/426; Enzner-Probst/436; Liturgie und Frauenfrage/478).

4.5 Die Zeitordnung der Liturgie 4.5.1 Zeitmodi der Liturgie Untersucht man für eine Liturgiefeier die Zeitlichkeit des Gefeierten, stößt man auf eine Verschränkung verschiedener Zeitmodi Das lässt sich im Sprach- und Zeichengeschehen, aber beispielsweise auch an den Räumen, in denen gefeiert wird, sowie der Ikonographie der liturgischen Orte und der anderen Bildwerke beobachten. Im darstellenden Handeln der Liturgie fallen die Anwesenheit Gottes im Heute (Gegenwart), die immer gegenwärtige ­Geschichte Gottes mit den Menschen (Vergangenheit) und die eschatologische Heilsvoll­

4.5  Die Zeitordnung der Liturgie163

endung (Zukunft) ineins. Diese zeitlichen Modi sind in der Liturgie aber nicht Aneinander­ reihungen chronologischer Abschnitte, sondern Ausdruck menschlich-zeitlichen Seins gegenüber der Ewigkeit Gottes. In den zeitlichen Modi der Liturgie lässt Gott die feiernde Gemeinde an seiner Seinsfülle partizipieren. Diese Teilhabe ist pneumatisches Geschehen; sie wird im Symbolgeschehen der Liturgie vollzogen. Das Tagesgebet am Hochfest »Erscheinung des Herrn« (6. Januar) kann das verdeutlichen. Es lautet im deutschen Messbuch: »Allherrschender Gott, durch den Stern, dem die Weisen gefolgt sind, hast du am heutigen Tag den Heidenvölkern deinen Sohn geoffenbart. Auch wir haben dich schon im Glauben erkannt. Führe uns vom Glauben zur unverhüllten Anschauung deiner Herrlichkeit. Darum bitten wir durch Jesus Christus« (Meßbuch/50: 60). Drei Ebenen eines Geschehens lassen sich hier unterscheiden. Die Weisen sind, wie es auch die Evangelienperikope Mt 2,1–12 verkündet, dem Stern gefolgt; den Heiden ist Christus geoffenbart worden. Dies wird zunächst als Geschehen der Vergangenheit in Erinnerung gerufen, aber  – und hier kommt nun ein Spezifikum von Temporalität der Liturgie zum Vorschein – zugleich handelt es sich um Gegenwart: »am heutigen Tag« geschieht diese Offenbarung. Die zur Liturgie versammelte Gemeinde ist in das Offenbarungswirken Gottes einbezogen und nimmt daran teil, wie es der Bibeltext für die Weisen verkündet. Was sich im Heute ereignet, deutet die Gemeinde nicht nur von der Vergangenheit her, sondern sieht sich, was das Offenbarungsgeschehen betrifft, damit in zeitlicher Einheit. Die Oration geht bis an die Grenzen des sprachlich Aussagbaren: »durch den Stern, dem die Weisen gefolgt sind, hast du am heutigen Tag … geoffenbart«. Dass mit dem »hodierna dies« nicht ein historisches Kalenderdatum gemeint ist, verdeutlicht (auch) später in der Messe die Präfation mit den Worten: »Denn heute enthüllst du das Geheimnis unseres Heils, heute offenbarst du das Licht der Völker.« (Meßbuch/50: 370 f.) Markant ist hier die Haltung der Gläubigen, die nicht Zuschauer dieses Geschehens sind, sondern Teilnehmer, denn wie die Weisen sind sie bereits im Glauben zur Erkenntnis gelangt. Damit ist zugleich die hermeneutische Perspektive für die Wahrnehmung der Verdichtung von Zeit in der Liturgie benannt: der Glaube. Schließlich klingt eine weitere zeitliche Dimension an, wenn die Oration von der unverhüllten Anschauung göttlicher Herrlichkeit spricht. Im Glauben gibt es bereits Erkenntnis Gottes, aber die Herrlichkeit Gottes bleibt verhüllt. Eine Spannung wird sichtbar: Erkenntnis, aber nur in Vorläufigkeit. Die unverhüllte Anschauung wird erhofft für – so darf man ergänzen – die eschatologische Vollendung. An dieser Heilszukunft gewinnen wiederum die Gläubigen im liturgischen Symbolgeschehen bereits Anteil: »wir haben … schon im Glauben erkannt. Führe uns … zur unverhüllten Anschauung«. Die drei Zeitmodi finden zusammen in der Ewigkeit Gottes, wie in der deutschen Fassung der Oration in der Gottesanrede deutlich wird: »allherrschender Gott«. Die Zeitmodi sind von der Wirklichkeit Gottes umfangen. Ihr Ineinander hat seinen Ursprung bei Gott. Die Liturgie stellt das dar. Wie sehr diese Modi in der Liturgie miteinander verwoben sind, zeigt das Beispiel des Osterhymnus »Zum Mahl des Lammes schreiten wir«. Der Text stammt in der lateinischen

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4  Theologie der Liturgie

Fassung »Ad cenam agni providi« aus dem 5./6. Jahrhundert und wird seit dem Frühmittelalter in der Stundenliturgie rezitiert. Sein Ort ist die Vesper des Ostersonntags und der Sonntage der Osterzeit. Die Textgestalt ist im Laufe der Jahrhunderte revidiert worden. Der Hymnus besingt das Christusereignis als Befreiungsgeschichte und deutet es vom Alten und Neuen Testament her. 1.  »Zum Mahl des Lammes schreiten wir / mit weißen Kleidern angetan, / Christus, dem Sieger, singen wir, / der uns durchs Rote Meer geführt. // 2.  Am Kreuze gab er seinen Leib / für alle Welt zum Opfer hin; / und wer von seinem Blute trinkt, / wird eins mit ihm und lebt mit ihm. // 3.  Am Pascha-Abend weist das Blut / den Würgeengel von der Tür: / Wir sind befreit aus harter Fron / und von der Knechtschaft Pharaos. // 4.  Christus ist unser Osterlamm, / das uns zum Heil geschlachtet ward. / Er reicht uns seinen heil’gen Leib / als Brot, das uns sein Leben schenkt. // 5.  Lamm Gottes, wahres Opferlamm, / durch das der Hölle Macht zerbrach! / Den Kerker hast du aufgesprengt, / zu neuem Leben uns befreit. // 6.  Erstanden ist der Herr vom Grab, / kehrt siegreich aus dem Tod zurück. / Gefesselt ist der Fürst der Welt, / und offen steht das Paradies. // 7.  Dem Herrn sei Preis und Herrlichkeit, / der aus dem Grabe auferstand, / dem Vater und dem Geist zugleich / durch alle Zeit und Ewigkeit. Amen« (Stundenbuch/70: 2,256). Die Verschmelzung der Zeitebenen ist hier sehr offensichtlich. Die, die Christus preisen, sind »durchs Rote Meer« geführt worden (Str. 1: Vergangenheit), »sind befreit aus harter Fron« (Str. 3: Gegenwart) und wissen, dass »offen steht das Paradies« (Str. 6: Zukunft). Der Hymnus umfängt also die Zeiten. Subtiler geschieht die Verschränkung der Zeitmodi noch in einzelnen Versen, wie schon der Anfang verdeutlicht. Wenn vom Mahl des Lammes die Rede ist, assoziiert man sowohl das Pascha Christi als auch die österliche Eucharistie. Die weißen Kleider kann der Kundige auf die Taufkleider der Neugetauften beziehen. Doch zugleich spielen offensichtlich Motive aus Offb 7,14 hinein: die Kleider, die im Blut des Lammes weiß gemacht worden sind. Die Teilhabe am eschatologischen Mahl des Lammes wird hier zur Sprache gebracht und zugleich die eschatologische Spannung ausgesagt, in der die Liturgie steht. Die zweite Strophe bleibt dahinter nicht zurück, sondern sieht Kreuzesopfer, Teilhabe und Leben mit dem Auferstandenen zusammen. Das »Schreiten« auf das Mahl hin, von dem die Eingangszeile spricht, markiert dann gleichsam die raum-zeitliche Richtung. Die folgenden Strophen besingen die Bedeutung der Partizipation am sich ereignenden Heil: Es geht um ein Geschehen, das Freiheit schenkt und insbesondere in Szenen des Exodus als einer expliziten Befreiungsgeschichte und in Szenen von Tod und Auferstehung Christi als ein den Menschen existenziell betreffendes Ereignis besungen wird. Christus erscheint als der Sieger, während die Mächte, mit denen sich Unterdrückung von Leben und Freiheit verbindet (also »Pha-

4.5  Die Zeitordnung der Liturgie165

rao«, »Hölle« und »Fürst der Welt«), untergehen. Die Teilhabe an den liturgischen Zeitmodi spricht dem Menschen die Teilhabe am heilsgeschichtlichen Geschehen zu, weist ihm gleichsam eine neue Rolle zu, indem er nun zu den »ersten Freigelassenen der Schöpfung« gehört (Moltmann/486). In der Vergegenwärtigung von Heilsgeschichte im Heute will die Liturgie die Hoffnungen und Perspektiven der Gläubigen vom Gotteshandeln her verändern. Neue Lebensperspektiven wie Handlungsoptionen werden eröffnet, indem der Gläubige in Heilsvergangenheit wie -zukunft eingebunden ist. Die damit verbundene Spannung von »Schon« und »Noch nicht« kommt in zahlreichen Texten und Vollzügen zum Ausdruck. Sie ist für die Liturgie unverzichtbar, denn in ihr drückt sich für den Glauben eine Spannung aus, die dem Glaubensgeschehen wie den Realitäten des Lebens angemessen ist. Nicht nur durch Verbalität, sondern auch durch Zeichen und Zeichenhandlungen realisiert sich die temporale Performanz der Liturgie. So symbolisieren das Luzernar, der vesperale Lichtritus, aber auch der Lichtritus der Osternacht Christus als den, der in der liturgischen Versammlung gegenwärtig ist, erinnern an ihn im Zeichen des Lichtes als den, der das Licht gebracht hat (vgl. den Hymnus Phos hilaron; vgl. Kap. 3.2.4), und verherrlichen ihn als den, der eschatologisch wiederkommen wird. Im Symbol des Lichtes und in den unterschiedlichen Formen seiner Einbindung in die Liturgie wird dies gleichsam verdichtet ausgesagt: durch Hineintragen der Osterkerze als Christussymbol in den dunklen Kirchenraum, durch die Weitergabe des Lichts an die Gläubigen und durch die Positionierung der Kerze an hervorgehobener Stelle im Kirchenraum. Gerade beim Lichtsymbol ist bemerkenswert, dass es an den entscheidenden Stationen der Glaubensbiographie des Christen und in den entsprechenden Ritualen (Initiation mit Taufe und Erstkommunion / Taufkerze und Erstkommunionskerze; Trauung / Hochzeitskerze; Sterben / Sterbekerze) immer wieder zum Zeichen für die Teilhabe an der Präsenz Gottes in der Zeit wird.

4.5.2 Die Dimension der Erinnerung Die Wirkmacht Gottes in der Geschichte wird für den Menschen in der Liturgie Gegenwart. Dies kommt in der Dimension der Erinnerung in der Liturgie zum Ausdruck. In modernen Gedächtnistheorien (Halbwachs/449; Assmann/422) unterscheidet man zwischen kommunikativem und kulturellem Gedächtnis. Das kommunikative Gedächtnis hat seinen Platz in der Alltagskommunikation. Geschichtserfahrungen im Rahmen von Biographien sind sein Inhalt, der durch lebendige Erinnerung, Erfahrung und Hörensagen kommuniziert wird (Assmann/422: 56). Das kulturelle Gedächtnis hingegen sichert die Erinnerung an das Ursprungsereignis, aus dem die jeweilige Gemeinschaft lebt. Es bezieht sich auf die absolute Vergangenheit und die im Mythos tradierte Urgeschichte. Seine Medien sind unter anderem Wort, Bild, Tanz, symbolische Kodierung und Inszenierung. Geschichte im Modus des kulturellen Gedächtnisses besitzt normative und formative Kraft (ebd. 52). Es kommt also eine wesentliche Dimension menschlichen Lebens ins Spiel, insofern die Begrenzung auf das Hier und Heute in Frage gestellt und die »Gleichzeitigkeit« des Alltags mit Ungleichzeitigem konfrontiert wird (»kontrapräsentische Funktion«, vgl. ebd. 85). Insofern

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dient Erinnerung auch der Befreiung und ist – mit Herbert Marcuse – »Luft von einem anderen Planeten« (ebd. 85). Liturgie lässt sich vor diesem Hintergrund als Gedächtnisgeschehen und -ort in Symbolgestalt beschreiben, an dem die Einbeziehung der feiernden Gemeinde in das geschichtliche Heilshandeln Gottes zum Ausdruck kommt (Güntner/446; Brüske/431). Der Blick auf Mnemotechniken kann diesen Aspekt der Liturgie erhellen, lässt aber den theologischen Bedeutungsüberschuss unerklärt. In der Liturgie erfahren Menschen sich als Partizipierende am Heilsgeschehen der Vergangenheit in personal-dynamischer Weise, also in einer Form, die sie in ihrem Personsein je neu betrifft. Gott selbst handelt in Christus. Das Erinnerte wie die Erinnerung nehmen ihren Ausgang bei Gott. Liturgische Anamnese als ein Medium der Erinnerung in der Liturgie ist ein pneumatischer Akt und darf nicht im Sinne von Magie als menschliche Verfügungsmacht über Gott verstanden werden. Der Zusammenhang von Anamnese und Epiklese verdeutlicht, dass Gott durch das Wirken des Geistes selbst im Gedächtnis der Feiernden handelt. Aufgrund der Begrenzung des Menschen durch Raum und Zeit muss die rituelle Abbildhandlung im Letzten von Gott ermöglicht sein. Gott steht im Zentrum dieses Geschehens. Schöpfung, Bund mit Israel, Inkarnation, Pascha Christi – Gott offenbart sich den Menschen als Schöpfer und Erlöser und ermöglicht so erst das Gedenken der Menschen. Aus der personalen und dynamischen Beziehung Gottes zum Menschen kann Vergegenwärtigung wachsen. Gemeinde in der Liturgiefeier existiert folglich immer auch in einer anderen Zeitdimension als im Präsens. In der Anamnese ruft die Gemeinde die Geschichte Gottes mit den Menschen in Erinnerung – in der Hoffnung, dass Gott auch in der Gegenwart zum Heil der Menschen handeln möge. Damit wird die Anamnese implizit zur Bitte an Gott, sich auch in der Gegenwart als Gott der Heilsgeschichte zu zeigen. Anamnese bedeutet also nicht anachronistisches Rückversetzen in eine andere historische Situation und ihre Ereignisse. Ihr geht es um Erinnerung an Heilsgeschichte in der Hoffnung auf Teilhabe an derselben Wirklichkeit Gottes im Heute. Dieses geschieht in der Liturgie, die sich dafür vielfältiger sinnenhafter Erinnerungsformen (vgl. beispielsweise Thönnes/510 zur anamnetischen Funktion liturgischer Kleidung) und auch des Körpers (Kranemann/209) bedient. Ebenso kommt die Dimension der Erinnerung in den verschiedenen Formen von Epiklese, Bitte und Fürbitte zum Ausdruck. Sie setzen die Erinnerung an die Heilsgeschichte Gottes voraus. Man kann sogar die Klage als Ausdruck von Erinnerung bezeichnen. Sie wird in der katholischen Liturgie fast ausschließlich in den Worten biblischer Texte, insbesondere der Klagepsalmen, laut. Die Klage als Äußerung des Glaubens an Gott verweist auf Gottes machtvolle Taten in der Vergangenheit und konfrontiert sie mit der leidvollen Gegenwart. Sie erwächst aus dem Widerspruch zwischen Erinnertem und Gegenwärtigem (zur Klage vgl. Angesichts des Leids an Gott glauben?/420; Fuchs/439; Schweigen wäre gotteslästerlich/507).

4.6  Liturgie der Gemeinde und himmlische Liturgie167

4.5.3 Die Dimension der Erwartung Die Liturgie im Heute spannt sich nicht nur in die Vergangenheit, sondern zugleich in die Zukunft aus. Sie partizipiert am endzeitlichen Heil, das in Christus angebrochen ist, und antizipiert dessen endgültige Vollendung. Die Liturgie gibt im symbolischen Geschehen ganzheitlich am bereits angebrochenen Heil Anteil, aber sie erhofft zugleich die endgültige Vollendung des Reiches Gottes, steht also unter dem eschatologischen Vorbehalt. Diese Dimension der Erwartung ist für die Liturgie unverzichtbar (zur Bedeutung von Erinnerung und Erwartung vgl. Schaeffler/502; Ebenbauer/596: 94–141). Liturgie wird von präsentischer Eschatologie geprägt. Sie steht unter dem Eindruck des noch Erhofften, also des in seiner Vollendung noch Ausstehenden. Sie besitzt antizipatorischen Charakter. Symbole, Texte und Handlungen bringen zum Ausdruck, dass bei aller Vorläufigkeit in der Liturgie in Wort und Zeichen das endgültige Heil zugesprochen wird (Lengeling/476). Liturgie verbindet das Heute und die Zukunft bei Gott. Sie steht daher in einer theologisch produktiven Spannung, sowohl mit Blick auf das Kerygma wie auf die Ausdrucksformen, in denen die Heilsgeschichte unter den Bedingungen der Gegenwart gefeiert wird. Die Erwartung auf die verheißene Zukunft kommt auch in der Epiklese zum Ausdruck, also im Herabrufen des Namens Gottes und der Gabe des Geistes. So bittet die Epiklese des Weihegebets über dem Taufwasser, dass die, die mit Christus durch die Taufe mitbegraben sind, mit ihm auferstehen zum ewigen Leben. Taufe gibt Anteil am verheißenen Heil. Auch in Bitten und Fürbitten kommt die proleptische Dimension der Liturgie zum Ausdruck: »Laß uns dereinst zu ihm gelangen, der uns auf dem Weg durch den Tod in die Herrlichkeit vorausgegangen ist«, formuliert das dritte der Schlussgebete zur Auswahl im Messbuch (Meßbuch/50: 525). Wenn es eingangs in der Prädikation heißt, die Feiernden seien »Gäste am Tisch deines Sohnes [gewesen], und er war der Herr unseres Mahles«, verbinden sich in diesem Gebet Präsentisches und Eschatologisches. Sogar die Klage artikuliert Zukunftshoffnung vor Gott. Sie bringt Leid- und Mangelerfahrungen der Gegenwart mit ganzer Wucht zur Sprache und drückt die Hoffnung aus, dass Gott, der sich in der Geschichte als menschenfreundlich gezeigt hat, auch zukünftig zum Heil des Menschen wirken möge. Gerade die Klage zeugt von Erwartungen und Hoffnungen des Menschen gegenüber Gott.

4.6 Liturgie der Gemeinde und himmlische Liturgie 4.6.1 Himmlische Liturgie als Verherrlichung Gottes Das Lob Gottes ist nicht auf das Tun der irdischen Liturgie und der versammelten Gemeinde beschränkt. Vielmehr sprechen die biblische Überlieferung und die kirchliche Tradition von der himmlischen Liturgie. Diese Liturgie ist Lobpreis Gottes, der durch die Engel dargebracht wird, so heißt es in Jes 6,1–4 in einer Vision des Propheten über diesen Kult vor Gott in metaphorischer Sprache.

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Verherrlichung Gottes prägt diesen himmlischen Gottesdienst. Seine Träger sind die Engel, nach Offb 4–5 die himmlischen Lebewesen, deren Huldigung »bei Tag und Nacht« (Offb 4,8), also ohne Unterlass erklingt. Auch nach dem Zeugnis von Offb 19,1 f. erklingt in der himmlischen Liturgie das Halleluja vor Gott: »Halleluja! Das Heil und die Herrlichkeit und die Macht ist bei unserem Gott. Seine Urteile sind wahr und gerecht.« Als Mittler am Thron Gottes, dessen Transzendenz gewahrt bleibt, steht nach Offb 5,1 f. das Lamm »zwischen dem Thron und den vier Lebewesen und mitten unter den Ältesten« (Offb 5,6). Ihm wird gehuldigt und ein »neues Lied« gesungen. Für das Selbstverständnis der Liturgie der christlichen Gemeinde sind das offensichtlich sehr zentrale Textstellen. Anders wäre es nicht zu erklären, dass beispielsweise der in Jes 6 und Offb 4,8 überlieferte Lobgesang der Engel als Sanctus Teil jeder Messliturgie ist. Indem die Gemeinde dieses singt, stimmt sie ein in den himmlischen Lobpreis. Irdische und himmlische Liturgie klingen zusammen, wie am Ende der Präfation des eucharistischen Hochgebets proklamiert wird: »Darum preisen wir dich mit allen Engeln und Heiligen und singen vereint mit ihnen das Lob deiner Herrlichkeit.« (2. Hochgebet; Meßbuch/50: 479)

4.6.2 Zusammenspiel von irdischer Liturgie und endzeitlich-himmlischer Liturgie Die um Christus versammelte Gemeinde partizipiert bereits an der verheißenen endzeitlichen Liturgie, in der die Geschichte ihr Ziel findet (Brunner/430: 168–180; Kunzler/36: 43– 49). Erik Peterson (1890–1960) hat sich u. a. in seinem »Buch von den Engeln« mit der himmlischen Liturgie beschäftigt. Er deutete die Liturgie in einem theologisch-eschatologischen Kontext. Sie ist mit der himmlischen Liturgie verbunden, ohne mit ihr identisch zu sein, übersteigt aber deutlich ein allein menschliches Tun und ist nicht auf die Gegenwart begrenzt. Christen, auch in der Liturgie, sah Peterson auf dem Weg zwischen der Welt und dem himmlischen Jerusalem (Meyer-Blanck/232; Gerhards/178). »Niemals wird im Kult der Kirche der Hymnus der Engel fehlen dürfen, denn er erst gibt dem Lobpreis der Kirche jene Tiefe und Transzendenz, wie sie durch den Charakter der christlichen Offenbarung gefordert wird« (Peterson/493: 53 f.). Der Kultus der Kirche brauche die Transzendierung durch die höhere Seinsordnung der Engel und trete zur Liturgie der Engel erst hinzu. »Das besagt, daß der Mensch in der Liturgie nur in einem kosmischen Ganzen gesehen wird, und daß er nur aus diesem kosmischen Ganzen heraus handelt« (ebd. 54). Zahlreiche weitere Beispiele, in denen dieses Hinzutreten sichtbar wird, lassen sich anführen: Gebete und Gesänge (z. B. Gloria), Zeichen und Vollzüge, aber auch z. B. die Ausgestaltung des Kirchenraumes (Ausmalungen in Altarbögen und Apsisstirnwänden, Engel- und Heiligenfiguren im Altarbereich etc.; Beispiele u. a. in der Hagia Sophia, Konstantinopel, in S. Apollinare, Ravenna, oder in S. Paolo fuori le mura, Rom).

4.6  Liturgie der Gemeinde und himmlische Liturgie169

Der Hebräerbrief lässt als theologische Grundüberzeugung erkennen, dass die gefeierte Liturgie Erde und Himmel umfasst, denn es gibt »einen erhabenen Hohenpriester …, Jesus, den Sohn Gottes« (Hebr 4,14). Durch das »Blut Jesu«, also das Heilswerk Jesu Christi, tritt die Gemeinde in das Heiligtum Gottes ein, denn »er hat uns den neuen und lebendigen Weg erschlossen durch den Vorhang hindurch, durch sein Fleisch« (Hebr 10,19 f.). Hebr 12,22–24, Teil einer neutestamentlichen Lesung, die unter anderem für die Liturgie der Kirchweihe ausgewählt werden kann, spricht vom Hinzutreten zum Berg Zion als dem himmlischen Jerusalem, »zur Stadt des lebendigen Gottes«, zur festlichen Versammlung von »Tausenden von Engeln« und der Erstgeborenen und zum »Mittler eines neuen Bundes, Jesus«. Die durch und durch christologisch bestimmte Gestalt des Gottesdienstes ermöglicht es, die Liturgie des himmlischen Jerusalem und die irdische Liturgie aufeinander zu beziehen und zu erklären, dass die Gemeinde durch das Bekenntnis zum Gekreuzigten und Auferstandenen an der himmlischen Liturgie partizipiert. Bemerkenswert ist für eine heutige Liturgietheologie der Erfahrungshorizont des Hebräerbriefes: Der Rückzug von Gemeindemitgliedern vom Gottesdienst (Hebr 10,25) wird als Glaubenskrise interpretiert. Die Christen sehen sich gesellschaftlich an den Rand gedrängt (Hebr 10,32–36); die eigene liturgische Feier wird nicht mehr als Ort der Erfahrung und Vermittlung von Heil wahrgenommen (Hebr 13,7–17). Der Hebräerbrief greift diese Situation auf, stellt den Gottesdienst in den größeren soteriologischen und eschatologischen Kontext und kann so seine Bedeutung als Geschehen zwischen Gott und Mensch für das Christsein gewichten und herausstellen. Die Interpretation des Gemeindegottesdienstes in Hinordnung auf die himmlische Liturgie soll ihm neue Überzeugungskraft und Vitalität verleihen. Vor allem wird sichtbar, dass der Gottesdienst für den Christen keine Marginalie ist, sondern fundamentales Glaubensgeschehen (März/485). Auch die Liturgiekonstitution geht auf dieses Zusammenspiel ein: Sie interpretiert die irdische Liturgie als vorauskostende Anteilnahme an der himmlischen Liturgie. Die christliche Gemeinde sieht sie als Pilgerin auf dem Weg dorthin, »wo Christus sitzt zur Rechten Gottes, der Diener des Heiligtums und des wahren Zeltes« (SC 8). Es wird also keineswegs eine Identität beider Liturgien behauptet, sondern vielmehr Anteilhabe (nicht Abbildung!) des irdischen Gottesdienstes am himmlischen Gottesdienst. Das schließt ein, dass die Liturgie bereits in den himmlischen Lobgesang einstimmt: »In der irdischen Liturgie singen wir dem Herrn mit der ganzen Schar des himmlischen Heeres den Lobgesang der Herrlichkeit. In ihr verehren wir das Gedächtnis der Heiligen und erhoffen Anteil und Gemeinschaft mit ihnen. In ihr erwarten wir den Erlöser, unseren Herrn Jesus Christus, bis er erscheint als unser Leben und wir mit ihm erscheinen in Herrlichkeit« (SC 8).

4.6.3 Liturgie und Eschatologie Man kann allerdings nicht die Schwierigkeiten übersehen, die solche Aussagen und Formulierungen nach sich ziehen. SC 9 weist darauf hin, dass Glauben und Bekehrung der Liturgiefeier vorangehen müssen, und lässt die Notwendigkeit der Hinführung zum Glauben

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erkennen (Häußling/455: 5). Der Glaube bietet das Fundament, um Verständnis für das finden zu können, was »himmlische Liturgie« bedeutet. Trotz aller Überzeichnungen, die hier möglich sind, muss die heilsgeschichtliche Linie der Liturgie, die sich mit der »himmlischen Liturgie« verbindet, gewahrt werden, um das Glaubensgeschehen des Gottesdienstes und seinen Rang auszusagen. SC 8 spricht in diesem Zusammenhang von der Hoffnung auf »Anteil und Gemeinschaft« mit den Heiligen sowie von der Wiederkunft des Erlösers Jesus Christus, hebt also die eschatologische Spannung für die Liturgie hervor. Sie zu missachten, hieße, einen Triumphalismus in die Liturgie (und Kirche) einzutragen, der weder anthropologisch noch theologisch zu rechtfertigen wäre. Die Lebenswirklichkeit des Menschen mit allen Begrenzungen und Leiderfahrungen, mit Zweifel und Suche würde in einer Liturgie, die die Unterscheidung beider Liturgien nicht durchhielte, nicht ernst genommen und könnte auch nicht mehr sinnvoll im Gottesdienst artikuliert werden. Zugleich würde die Erwartung der Wiederkunft Christi und damit die theologische Eschatologie ad absurdum geführt. Die Liturgie als Symbolgeschehen repräsentiert einerseits die himmlische Liturgie, ohne andererseits den menschlichen Alltag und seine Erfahrungen ausblenden zu müssen (Odenthal/138: 47–77). Zugleich soll eine Liturgie, die den Menschen und sein Leben hier und jetzt als Konstitutivum des Feiergeschehens einbezieht, deutlich machen, dass die Liturgie in ihrem Grundgeschehen nicht von Menschen gemacht ist, sondern ein Hinzutreten zu einer göttlichen Wirklichkeit bedeutet. Das hat Konsequenzen für die Einschätzung sowohl der Würde der Liturgie als auch des Menschen. Schließlich verbindet sich mit einer Liturgie, die in den Gesang der himmlischen Liturgie einstimmt, in dem sich wiederum die Herrlichkeit Gottes spiegelt, ein theologisch-ästhetischer Anspruch; dieser bezieht sich auf das Bemühen um Formen, die dem Feiergeschehen angemessen sind. Das Zusammenspiel der unterschiedlichen Zeitebenen in der Liturgie lässt sich gerade am Kirchenjahr beobachten.

Kurzinformation: Kirchenjahr 1. Was ist ein (christliches) Fest? Das Fest ist ein gegenüber dem Alltag herausgehobener Zeitabschnitt. Es trägt zur Gliede­ rung von Zeit bei. Das Fest hebt eine Zeit aus dem Alltag heraus, aus welchem Anlass auch immer es gefeiert wird. Der chaotische Raum der Zeit wird durch das Fest zum gestalteten Raum. Zum Fest gehört die Gestaltung der Festzeit, die diese vom alltäglichen Leben absetzt. Mittel dafür sind z. B. Musik, Spiel, Tanz, Festessen und festliche Kleidung. Sie sind Ausdruck gesteigerter Lebensfreude. Ein Fest feiert man nicht für sich allein. Es handelt sich um ein Gemeinschaftsgeschehen. Zum Fest gehört »Geselligkeit«. Das Fest hat auch insofern etwas mit Gemeinschaft zu tun, als durch das Fest Gruppenidentität erhalten und im Fest immer neu konstituiert wird. Viele Feste in Gesellschaft und Religion beziehen sich auf einen Ursprung (z. B. Wiedervereinigung Deutschlands, Geburt Jesu von Nazareth, Sturm auf die Bastille usw.)

Kurzinformation: Kirchenjahr171 und messen ihm Bedeutung für die Zukunft der Gesellschaft oder Gemeinschaft zu. Religio­ nen erinnern an göttliches Heilswirken, das vergegenwärtigt wird (z. B. Auszug I­sraels aus Ägypten). Indem man feiert, nimmt man daran teil. Durch das Fest werden Zeiträume ver­ schiedener Qualität gegeneinander abgegrenzt. Mit ihm kann deshalb auch die Vorstellung der »heiligen Zeit« verbunden werden. Zum Fest gehört der Exzess, das Außerkraftsetzen von Gesetzen und Konventionen. Zeitlich begrenzt werden Ordnungen in symbolischer Weise aufgehoben (Beispiel: Karneval; verschwenderischer Umgang mit Licht, Musik, Weihrauch im christlichen Fest; Festmahl in Absetzung von einer Fastenperiode). Es handelt sich um ein komplexes Ritual. Es wird in gleicher Form bei wiederkehrendem Anlass, Kalendertermin etc. wiederholt. Christliche Feste sind unauflöslich mit der Erinnerung an Jesus Christus verbunden. Das grundlegende Ereignis ist die Auferstehung Jesu Christi. Damit steht das christliche Fest aber in einer eigentümlichen eschatologischen Spannung (vgl. Kap. 4.5.3). Es begeht das Gute/Heil, das Gott in Christus grundgelegt und geschenkt hat. Das Fest feiert das angebrochene Heil, und es begeht zugleich – und das macht seine Spannung aus –, dass dieses Heil sich einmal bei Gott vollenden wird. Es ist von Hoffnung auf Vollendung geprägt. Es stiftet eine Hoff­ nungsgemeinschaft, weil nach christlichem Glauben im Fest die endzeitliche Versammlung bereits anbricht. 2. Von Sonntag und Ostern zum entfalteten Kirchenjahr Das Kirchenjahr entwickelte sich im Laufe der Jahrhunderte zu jener vielfältigen Gestalt, die man heute kennt. Zunächst wurden nur der Sonntag (Wochenpascha) und das Osterfest (Jah­ respascha; an einem Tag mit Vigilfeier und Eucharistie) gefeiert. Die Osterfeier (mit vorge­ schalteter Quadragesima [Septuagesima], ›Karwoche‹, folgender Osterzeit und Pfingsten [4./5. Jh.]) und die Weihnachtsfeier (mit Advent und folgenden Festtagen [4.–6. Jh.]) sowie die (Christus- und Heiligen-)Feste im Jahreskreis wurden im Mittelalter weiter ausgestaltet. Im Hochmittelalter trat neben die (1) Herren- oder Christusfeste und die auf das Christusmyste­ rium bezogenen (2) Heiligenfeste mit den (3) Ideen- oder Devotionsfesten wie z. B. Fronleich­ nam 1264 und Dreifaltigkeit 1334 ein weiterer Festtyp. Feste entstanden zunächst aus ge­ meindlicher und ortskirchlicher Initiative und Rezeption. Später setzte sich die römische Anordnung durch. 3. Faktoren für die Genese des Kirchenjahres Das Kirchenjahr ist nicht allein aufgrund binnenkirchlicher Vorgänge entstanden. Es ist Teil der Kulturgeschichte und unterliegt vielfältigen Einflüssen: • Anthropologie: Fest und Feier gehören zum menschlichen Leben dazu. Das alltägliche ­Leben wird ausgesetzt. Der »spielende Mensch« (»homo ludens«) übersteigt im Fest das alltägliche Leben. • Naturrhythmen: Auch die Natur hat Einfluss auf einzelne christliche Feste. So fallen Feste mit Sonnenwenden zusammen (Weihnachten). Jahreszeiten prägen einzelne Feste (Ernte­ dank). Die Ausgestaltung mancher Feste greift Naturgegebenheiten auf (Ostern – Frühling).

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• Jüdische Liturgie: Das Verhältnis der Liturgien beider Religionen ist durch Miteinander wie Gegeneinander geprägt, auch in der Ausgestaltung des jeweiligen Festjahres. • Pagane Feste: Im Kontext antiker Sonnenverehrung entstehen das Weihnachtsfest und Epiphanie. • Christliche Heilsgeschichte: In der Osterzeit wird die Geschichte des Auferstandenen entfal­ tet. • Theologie und Frömmigkeit: Die intensivierte Eucharistiefrömmigkeit des Hochmittel­alters führt zur Entwicklung des Fronleichnamsfestes. • Kirchenpolitische Daten: Ein militärischer Sieg über die Türken führt 1457 dazu, dass als Dank das Fest »Verklärung des Herrn« eingeführt wird. • Mentalität der jeweiligen Zeit: Die christliche Festkultur wird durch Kultur und Mentalität, die Art des Feierns und andere Einflüsse der Zeit stark geprägt. Das kann zur Übernahme von Elementen und Gestaltungen von Festen wie zu Abgrenzungen führen. • Das Verhältnis zwischen den Konfessionen: Bestimmten seit dem 16. Jh. lange Zeit konfessi­ onelle Spannungen die Feste, so werden diese mittlerweile im Sinne innerchristlicher Öku­ mene gefeiert. Von ihrem theologischen Gehalt her durchlaufen die Feste eine markante Entwicklung. Im Anfang steht der Gedanke im Vordergrund, dass im einzelnen Fest das je ganze Heilsgesche­ hen gefeiert wird. Er tritt immer mehr zurück. Die Feste werden zunehmend als ein »Nach­ spielen« einzelner Begebenheiten der Lebensgeschichte Jesu verstanden. Das Heiligen­ gedächtnis erhält im Laufe der Geschichte ein so großes Gewicht, dass andere Aspekte des Kirchenjahres überlagert werden. 4. Die Entwicklung des Kirchenjahres in der Gegenwart Die Geschichte des Kirchenjahres ist nicht abgeschlossen. So haben der Wechsel von einer agrarisch geprägten Kultur zur Industriegesellschaft, »Entkirchlichung« und »Entchristli­ chung«, gesellschaftspolitische Diskussionen um den Stellenwert der christlichen Festkultur etc. Auswirkungen auf die Praxis des christlichen Festjahres. Veränderungen in der Spirituali­ tät oder Theologie führen zu neuen Akzenten (Sonntag der göttlichen Barmherzigkeit; Pfingstmontag als Tag der Ökumene). 5. Die kirchliche Ordnung des Festjahres heute Die Liturgiekonstitution stellt die vergegenwärtigende Erinnerung des Pascha-Mysteriums (Anamnese) in das Zentrum des Kirchenjahres: »Indem sie [die Kirche] so die Mysterien der Erlösung feiert, erschließt sie die Reichtümer der Machterweise und der Verdienste ihres Herrn, so daß sie jederzeit gewissermaßen gegenwärtig werden und die Gläubigen mit ihnen in Berührung kommen und mit der Gnade des Heiles erfüllt werden.« (SC 102) Die Feiern im Jahreskreis erinnern das Erlösungswerk Jesu Christi. In jeder Woche begeht die Kirche »an dem Tag, den sie Herrentag genannt hat, das Gedächtnis der Auferstehung des Herrn, und einmal im Jahr feiert sie diese Auferstehung zugleich mit dem seligen Leiden des Herrn an Ostern, ­ihrem höchsten Fest.« (SC 102) Sonntag und Ostern stehen im Mittelpunkt des Festjahres. Im Jah­

4.7  Der Mensch in der Liturgie173 reslauf wird das Mysterium Christi »von der Menschwerdung und Geburt bis zur Himmel­ fahrt, zum Pfingsttag und zur Erwartung der seligen Hoffnung und der Ankunft des Herrn« (SC 102) gefeiert. So wird das Kirchenjahr insgesamt auf das Mysterium Christi bezogen und das einzelne Fest­kerygma im Rahmen des Pascha-Mysteriums gedeutet. Die Heiligenfeste sind auf die Feier des Christus­ereignisses hingeordnet: »In den Gedächtnis­feiern der Heiligen verkündet die Kirche das Pascha-­Mysterium in den Heiligen, die mit Christus gelitten haben und mit ihm verherrlicht sind. Sie stellt den Gläubigen ihr Beispiel vor ­Augen, das alle durch Christus zum Vater zieht, und sie erfleht um ihrer Verdienste willen die Wohltaten Gottes.« (SC 104) Das Kirchenjahr der römisch-katholischen Kirche besteht heute aus den drei österlichen Ta­ gen mit vorausgehender Quadragesima (österliche Bußzeit; Fastenzeit) und folgender Pente­ koste (Osterzeit), der Weihnachtszeit (von der ersten Vesper der Geburt Christi bis zum Sonn­ tag nach Erscheinung des Herrn [6. Januar]) mit vorausgehender Adventszeit, der allgemeinen Kirchenjahreszeit (nicht durch einen besonderen Aspekt des Christusgeheimnisses geprägt) sowie den Bitt- u. Quatembertagen (Mittwoch, Freitag und Samstag der ersten Woche der Advents- und Fastenzeit, der Woche vor Pfingsten und der ersten Oktoberwoche, die der Be­ sinnung und Buße angesichts der großen Zeitfragen dienen sollen). Literatur Hansjörg Auf der Maur, Feiern im Rhythmus der Zeit I. Herrenfeste in Woche und Jahr. Regens­ burg 1983 (GdK 5). Karl-Heinrich Bieritz, Das Kirchenjahr. Feste, Gedenk- und Feiertage in Geschichte und Gegen­ wart. Neu bearbeitet und erweitert von Christian Albrecht. München 2014 (Beck’sche Reihe 447). Christliches Fest und kulturelle Identität Europas, hg. v. Benedikt Kranemann – Thomas Stern­ berg. Münster 2012. Kristian Fechtner, Im Rhythmus des Kirchenjahres. Vom Sinn der Feste und Zeiten. Gütersloh 2007. Liborius Olaf Lumma, Feiern im Rhythmus des Jahres. Eine kurze Einführung in christliche Zeitrechnung und Feste. Regensburg 2016.

4.7 Der Mensch in der Liturgie Liturgie ist als Begegnungsgeschehen zwischen Gott und Mensch beschrieben worden, das sich durch Christus im Heiligen Geist und in menschlicher Versammlung entfaltet. Der Mensch ist also in die Liturgiefeier konstitutiv einbezogen, sein Handeln als Antwort auf die Zuwendung Gottes ist für den Gottesdienst unverzichtbar. Liturgie setzt voraus, dass die Zuwendung Gottes zum Menschen (Heiligung) von diesem angenommen und beantwortet

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wird (Verherrlichung). Sowohl in der Katabasis als auch in der Anabasis ist der Mensch in seinem Selbstsein betroffen. Die Rolle des Menschen in der Liturgie und deren Menschenbild sind deshalb Gegenstand der Liturgietheologie (Valenziano/511; Hahne/448; Bieritz/428).

4.7.1 Heiligung des Menschen in der Liturgie Von ihrem Anspruch her begleitet die christliche Liturgie das Leben des Menschen und stellt es – vereinfacht gesagt – unter den Segen Gottes. Das gilt von der Geburt bis zum Tod, für zentrale Entscheidungen im Leben und Glauben, für den Tag und die Woche wie das Jahr. Im liturgischen Symbolgeschehen wird gefeiert, dass der Mensch durch die ihm von Gott her widerfahrende Heiligung in die Gegenwart Gottes gestellt wird. Die Liturgie zeigt folglich an, dass der Mensch in sehr unterschiedlichen Lebenslagen auf die Nähe Gottes vertrauen darf. Sie sieht den Menschen dazu bestimmt, seine Neuschöpfung in Christus zu leben. Das prägt ihr Menschenbild. Der Mensch gelangt nach Aussage der Liturgie zur Vollendung, wenn er sich in das Pascha-Mysterium Christi und damit in das Geheimnis Gottes hineinnehmen lässt. Das lässt sich den Feiern der Initiation ebenso entnehmen wie der Feier der Buße (»Du erneuerst uns ständig durch die Feier der Sakramente, damit wir, von der Knechtschaft der Sünde befreit, immer vollkommener dem Bild deines geliebten Sohnes gleichgestaltet werden«; Feier der Buße/60: Nr. 57), aber auch der Trauung (die Gemeinschaft von Mann und Frau als Abbild des in Christus erneuerten Bundes) und der Begräbnisliturgie (der Tod als Übergang zum endgültigen Leben bei Christus) usw. (Allerdings ist im Einzelnen kritisch zu fragen, ob und wie solche Bilder heute sprechen.) Die Liturgie bringt zum Ausdruck, was Ziel des Menschen und seines Lebens, was menschliches Leben im Letzten bedeutet. Von Gott her wird dem Menschen durch Christus die Wahrheit seines Lebens geoffenbart. In der Liturgie, ihren Texten und Symbolen, wird dieses ausgedrückt und gefeiert. Das geschieht vor allem in Anamnese und Prolepse, in denen Ursprung und Ziel menschlichen Lebens ausgesagt werden. Durch das ihm in der Liturgie verkündete Heilswerk soll der Mensch in seinem Leben und seiner ganzen Existenz angesprochen und bewegt werden. Die Vollzüge der Liturgie bieten dem Menschen Orientierung und vermitteln Sinnstiftung. Deshalb kommt der Verkündigung der Geschichte Gottes mit den Menschen, der Heiligen Schrift, ein besonderer Rang im Gottesdienst zu. Gerade durch die in der Liturgie gefeierte, sich ereignende Beziehung zwischen Gott und Mensch erschließt sich also menschliches Leben als Sein vor Gott. Die Defizite wie die eigentliche Bestimmung menschlichen Lebens, der Mensch in seiner Sünde wie in seiner Hoffnung auf Erlösung, der unterdrückte und in Unfreiheit lebende wie zur Freiheit berufene Mensch werden sichtbar. Das bedeutet zugleich, dass der Mensch mit seiner ganzen Person vom Geschehen der Liturgie betroffen ist; er ist Mitwirkender am gottesdienstlichen Geschehen; insofern ist die Wirklichkeit des Individuums explizit und implizit im Gottesdienst von Bedeutung (Gerhards/441). Sichtbar wird das beispielsweise in der Taufe, in der der Mensch beim Namen genannt, an ihm auf seinen Namen hin die Taufhandlung vollzogen und ihm die Taufgnade zugespro-

4.7  Der Mensch in der Liturgie175

chen wird. Die Zuwendung Gottes gilt dem konkreten Menschen. Ähnliches bezeugen Tauferneuerung oder das ebenfalls im Singular formulierte Credo, aber auch die einzelnen sakramentalen Vollzüge: Es geht jeweils um liturgische Akte, an denen das personale Ich mit seinem Leben beteiligt ist. Wird Liturgie als Begegnungsereignis verstanden, ist das menschliche Ich, das mit Gott kommuniziert, immer mitgemeint. Das Personsein des Menschen endet nicht vor der Liturgie; vielmehr realisieren die Feiern von Taufe oder Eucharistie, die Tagzeitenliturgie oder eine Benediktion die Teilhabe des Individuums an der hier gefeierten Gottesbeziehung. Liturgie will Identität stiften. Das hat für die Feiergestalt der Liturgie mehrere Konsequenzen. Die Liturgie wird in verbalen und nonverbalen Formen gefeiert, in denen der Einzelne wie die Gemeinschaft die Zuwendung Gottes erfahren und darauf antworten können. Gerade die Anthropologie der Liturgie macht auf die Notwendigkeit liturgischer Kommunikationsformen aufmerksam, die das dialogische Geschehen zwischen Gott und Mensch ermöglichen. Die gottesdienstlichen Feiern sollen sich durch Offenheit für das Leben der Menschen auszeichnen. Die Liturgie bietet dafür unterschiedliche Möglichkeiten der Participatio actuosa: Im Mitbeten artikuliert sich der Gläubige persönlich vor Gott innerhalb des gemeinschaftlichen Gottesdienstes. Stille als Raum des persönlichen Gebets (Bärsch/618: 259 f.), das – wie bei der Collecta (vgl. Kap. 5.2.5.1) – in das gemeinschaftliche Gebet mündet, realisiert, dass der Einzelne als Person in Gemeinschaft vor Gott steht. Die Liturgie kann also das individuelle Gebet in das gemeinschaftliche Gebetsgeschehen integrieren. Zugleich kennt sie aber auch das öffentlich artikulierte, stärker gemeinschaftlich geprägte Gebet, etwa in den Fürbitten. Liturgie ist Gemeinschaftsgeschehen, was sich bereits aus ihrer ekklesiologischen Bedeutung ergibt, betrifft aber zugleich immer auch den Einzelnen als Teil dieser Gemeinschaft. Dem ist in der Feier selbst Rechnung zu tragen. Sowohl einem individualistischen wie einem korporativ-geschlossenen Verständnis der Liturgie ist entgegenzutreten. Die Liturgie lebt aus der Gemeinschaft der Individuen. Sie soll es ihnen ermöglichen, sich immer wieder in ihrer Beziehung zu Gott zur Sprache zu bringen. Zugleich entfaltet sich der Mensch als soziales Wesen in der Gemeinschaft der Liturgie. Liturgie kann deshalb vertikal wie horizontal als »Beziehungsgeflecht« (Gerhards/441: 288) bezeichnet werden.

4.7.2 Transformation menschlicher Wirklichkeit Die Liturgie steht unter dem Anspruch, zur Identitätsstiftung des Menschen und zu seiner Lebensgestaltung einen wesentlichen Beitrag zu leisten. Das Zweite Vatikanische Konzil hat entsprechend für die Eucharistie formuliert, in der Feier sollten die Gläubigen »zu immer vollerer Einheit mit Gott und untereinander gelangen, damit schließlich Gott alles in allem sei« (SC 48 in Anschluss an 1 Kor 15,28). An anderer Stelle wird für die »Wirkung der Sakramente und Sakramentalien« gesagt, dass durch die in ihnen vermittelte Gnade des PaschaMysteriums nahezu jedes Ereignis im Leben der Gläubigen geheiligt werde (vgl. SC 61). Die in der Liturgie in welcher Form auch immer erinnerte und gefeierte Heilsgeschichte hat demnach Wirkung im Leben des Menschen. Die Liturgie selbst geht von einem Prozess aus,

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4  Theologie der Liturgie

in dem menschliches Leben sich in der Begegnung mit Gott verändert und die Einheit mit Gott und den Mitmenschen intensiviert und verdichtet wird. Besonders deutlich wird das in der Erwachseneninitiation, die sich über einen längeren Zeitraum des Hineinwachsens in das Glaubensleben erstreckt. Ein Medium der Liturgie ist in diesem Zusammenhang die situative Identifikation mit den Gestalten der Heilsgeschichte (Häußling/454). Indem sich der Liturgie feiernde Mensch mit Gestalten der Heilsgeschichte dadurch identifiziert, dass er in deren Rollen eintritt, sei es durch Texte, sei es durch Zeichenhandlungen, versteht er sein Leben in der Zeit Gottes. In diesem »Rollenspiel« artikuliert er seine Hoffnung, dass ihm der Segen Gottes zuteil wird. Zugleich verändert sich auch die Wirklichkeit seines Lebens, die als von Gott her qualifiziert gedeutet wird. Voraussetzung der Rollenidentifikation wie der Wahrnehmung, dass in der Liturgie von Gott her dem eigenen Leben Sinn und Identität zugesprochen werden, ist der Glaube an das Wirken Gottes in der Zeit. In diesem Horizont des Gottvertrauens feiert die Liturgie, dass der Mensch aus einem Ursprung lebt, der bleibend und wirksam ist, der vor allem menschliches Leben immer wieder erneuern kann. Diese Perspektive der Liturgie lässt sich auch kulturanthropologisch vom kulturellen Gedächtnis her plausibel machen. Die Wahrnehmung menschlicher Wirklichkeit bleibt nicht auf das Maß des Gewohnten, gleichsam das Alltagsmaß begrenzt; das Erinnerte ermöglicht vielmehr eine neue Sicht der Wirklichkeit. Liturgietheologisch wird das Modell des kulturellen Gedächtnisses überstiegen, weil der Grund für den Erinnerungsvorgang in der Gnade Gottes gesehen wird. Das, was in der Liturgie dem Menschen mit performativer Wirkung zugesprochen wird, also die Heilszusage, ist nicht vom Menschen machbar, sondern muss von Gott zugesprochen werden. Menschliches Leben erfährt durch die Liturgie eine grundlegend neue Orientierung, insofern der Gottesdienst die Bestimmung des Menschen zur Neuschöpfung feiert. Die Liturgie feiernde Gemeinde ist dann Gemeinschaft auf dem Weg zu diesem Ziel. Kann man hier von einer Qualifizierung menschlichen Lebens von der Heilsgeschichte Gottes her sprechen, so hält die Liturgie die Menschen auch an, aus dem Gefeierten heraus das eigene Leben, aber auch gesellschaftliche Wirklichkeit im Sinne des Gefeierten, d. h. im Sinne des Evangeliums zu gestalten. Ein der Liturgie angemessener Lebensstil wird eingefordert. Die Liturgie lädt den Menschen zur Umkehr ein und entfaltet auch so Wirkung (Richter/499; Ahme nach/419; Bukovec/432). Menschliche Wirklichkeit ist also durch die Liturgie zum einen insofern betroffen, als das Leben des Menschen in einen neuen Horizont gestellt wird und an der von der Liturgie proklamierten Wirklichkeit partizipiert; zum anderen werden der Einzelne wie die Gemeinschaft zum Leben aus der Liturgie ermutigt. Die Perspektive, die die Liturgie eröffnet, ist die der Befreiung des Menschen. Auf das in der Liturgie Gefeierte antwortet der Mensch mit einer entsprechenden Lebenspraxis. Jede Liturgiefeier verkündet die dem Menschen verheißene und in der Liturgie als begonnen gefeierte Freiheit. Besonders darf man dies von den unterschiedlichen Feiern der Initiation erwarten, die als Übergangsriten in die Kirche das feiern, was den Christen verheißen wird: die »Freiheit der Kinder Gottes« (Feier der Kindertaufe/57: 44). Die Taufe wird im

4.7  Der Mensch in der Liturgie177

Einzelnen sehr unterschiedlich konturiert, kann Befreiung aus der Macht des Bösen oder auch der Erbschuld bedeuten (ebd. 44), bedeutet Teilhabe an der Auferstehung (ebd. 55), das Geschenk ewigen Lebens (ebd. 70) und die Annahme als Kinder Gottes (ebd. 67). Hoffnung auf Befreiung des Menschen impliziert also die erhoffte Überwindung eines Menschseins, das von widerfahrenem Unrecht, Sünde und Tod geprägt ist, und Eröffnung eines neuen Lebensraumes, der sich mit dem Attribut »Kindschaft Gottes« verbindet; sie ermöglicht aber auch ein Leben aus der bereits zugesprochenen Anteilhabe an der »Freiheit der Kinder Gottes«. Das gilt für das Leben in Kirche und Gesellschaft, das von innerer Freiheit aus der Taufe geprägt sein soll. Damit öffnet die Liturgie dem Menschen einen Horizont, vor dem er in unterschiedlicher Weise sein Leben in die Liturgie einbringen kann. Lob und Dank für gelingendes Leben, aber auch Bitte und Klage für Lebenssituationen, die für den Menschen noch nichts von der verheißenen Freiheit erkennen lassen, finden hier Platz. Das Fragmentarische menschlichen Lebens muss sich angesichts des Verheißenen in der Liturgie zur Sprache bringen lassen. Das korrespondiert dem gefeierten Pascha-Mysterium, der Feier also von Leiden, Tod und Auferstehung und Erhöhung Jesu Christi. Keines dieser Momente darf fehlen, denn sonst wird die Christusbotschaft verkürzt und dem sie feiernden Menschen nicht gerecht.

4.7.3 »Einer« in Christus – das inklusive Menschenbild Für das Menschenbild der Liturgie findet man in Gal 3,28 einen Maßstab; bezogen auf alle, die auf Christus getauft worden sind, heißt es dort: »Es gibt nicht mehr Juden und Griechen, nicht Sklaven und Freie, nicht männlich und weiblich; denn ihr alle seid einer in Christus Jesus.« Der Vers ist Teil einer möglichen Lesung in der Feier der Eingliederung Erwachsener in die Kirche und der Feier der Kindertaufe. Das Feiergeschehen selbst verbietet für die christliche Liturgie jede Exklusivität. Weder mit Blick auf Geschlecht noch Herkunft, soziale Gruppe oder anderes dürfen Menschen vom Feiergeschehen ausgeschlossen oder in der Liturgie benachteiligt werden. Das Menschenbild der Liturgie kennt ebenso wenig eine abstrakte Gleichheit. Erkennbar ist, dass jeder in seinem vollen Menschsein an der Liturgie partizipieren kann. In der heutigen Liturgie finden sich entsprechend klare Formulierungen: »Wir danken dir …, denn durch die Frohe Botschaft deines Sohnes hast du Menschen aus allen Völkern und Sprachen vereint in der Gemeinschaft der Kirche« (Präfation I, Hochgebet für Messen für besondere Anliegen; Feier der Gemeindemesse/49: 140). Rassische oder kulturelle Unterschiede führen nicht zum Ausschluss von Kirche und Liturgie. Oder: »Inmitten einer Menschheit, die gespalten und zerrissen ist, erfahren wir, daß du Bereitschaft zur Versöhnung schenkst.« (Präfation, Hochgebet zum Thema »Versöhnung«; Feier der Gemeindemesse/49: 152) Hier drückt sich die Hoffnung aus, dass Differenzen zwischen den Menschen in Gott überwunden werden; dies verpflichtet die Liturgie. Es sind theologische Gründe, die hier ausschlaggebend sind: die Gottesebenbildlichkeit aller Menschen, das zwischenmenschliche Grenzen überwindende Evangelium Christi, die Versöhnung bei Gott. Mit diesem Prinzip eines sog. inklusiven Menschenbildes ist die Liturgiegeschichte sehr ambivalent umgegangen. Noch im Ritualefaszikel für die Begräbnisliturgie muss darauf

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4  Theologie der Liturgie

hingewiesen werden, dass diese Liturgie Arme und Reiche gleich behandelt und kein Ansehen der Person kennt (Begräbnisfeier/61: Praenotanda 20 mit SC  32). Außereuropäischen kulturellen Traditionen und Ausdrucksformen aus Kirchen der sog. Dritten Welt hat man erst spät und sehr zögerlich den Zugang zur katholischen Liturgie eröffnet. Ein bekanntes Beispiel ist der Messritus von Zaire, der zu einer Symbiose von katholischer Messliturgie und regionaler Feierkultur in Sprache, Gesang und Zeichen geführt hat (Der neue Meßritus im Zaire/488). Mit Blick auf das Menschenbild der Liturgie nach dem Zweiten Vatikanischen Konzil ist bemerkenswert, dass unterschiedliche menschliche Feierkulturen als Ausdrucksformen des Glaubens akzeptiert werden. Bis heute halten Diskussionen um eine Liturgie an, in der Frauen als Feiernde, aber auch in der Leitung und den liturgischen Diensten gleichberechtigt partizipieren können. Eine solche Liturgie muss sich u. a. durch die Berücksichtigung weiblicher Spiritualität, eine nicht enggeführte androzentrische Gebetssprache, die Berücksichtigung weiblicher Gestalten aus  dem Alten und Neuen Testament sowie aus der Frömmigkeitsgeschichte auszeichnen.  Frauen müssen sich gleichberechtigt mit ihrem Leben und ihrer Frömmigkeit im Gottes­dienst der Kirche wiederfinden (Liturgie und Frauenfrage/478; Berger/425; EnznerProbst/436; weitergehend zu Geschlechterdifferenz und Genderfragen Berger/427). Das inklusive Menschenbild hat auch Konsequenzen für die Berücksichtigung von Mi­ grantinnen und Migranten im Gottesdienst. Das sind in der römisch-katholischen Liturgie oftmals Menschen aus den unierten Ostkirchen, die andere Riten, eine andere Sprache, Vorstellungen von anders gestalteten liturgischen Räumen etc. mitbringen. Es kann auch bedeuten, dass ein Kirchenraum für die Liturgie anderer Konfessionen zur Verfügung gestellt wird. Liturgie stiftet Identität und kann gerade Menschen in der Migration mit der fernen Heimat verbinden. Im Aufnahmeland kann sie im günstigen Fall einen emotionalen Rückhalt geben. Verkündigung in der Liturgie muss sich solcher Formen bedienen, die alle Menschen einbeziehen. Deshalb verlangt die Inklusivität der Liturgie das Bewusstsein um Menschen, die auf der Flucht sind oder vertrieben werden, sowie das Gebet für sie und die Solidarität aus der Liturgie heraus mit ihnen. Die Bedeutung der Liturgie für Migranten, Vertriebene, Menschen, die längerfristig im Ausland leben, bedarf für die Geschichte wie für die Gegenwart weiterer Forschung (Liturgy in Migration/482; Liturgie und Migration/479; Liturgie und Migration/480).

Kurzinformation: Lebenswendefeier Seitens der Kirchen sind in den vergangenen Jahren neue Rituale und Feiern entwickelt wor­ den, zu denen auch oder sogar ausschließlich Menschen eingeladen sind, die nicht getauft sind und die keiner Kirche angehören. Beispiele sind die Segnungsfeier für Paare am Valen­ tinstag, Segnungsfeiern für Neugeborene konfessionsloser Eltern, Totengedenken u. a. Das theologische Fundament kann man mit dem Buch für die kirchlichen Segnungsfeiern so fas­ sen: »Der Mensch ist segensbedürftig. Er verlangt nach Heil, Glück und Erfüllung seines Lebens. Darum sprechen sich Menschen gegenseitig Segen zu: Sie wünschen sich Gutes. Vor allem erhof-

Kurzinformation: Lebenswendefeier179 fen und erbitten sie Segen von Gott.« (Benediktionale/67: 11 [vgl. im Quellen- und Literaturver­ zeichnis]) Auf der Basis dieser inklusiven Segenstheologie wird der Segen Gottes auch Men­ schen außerhalb der Kirche zugesprochen. Solche Gottesdienste oder liturgienahe Feiern begleiten Menschen angesichts von Leid und Tod, sollen Trost und Hoffnung spenden, Besin­ nung und gemeinsames oder stellvertretendes Bitten und Beten ermöglichen. Hinter solchen Riten stehen vor allem diakonische Motive. Das Handeln aus dem Glauben soll anderen helfen und dadurch den Glauben bezeugen (Diakonische Kirche 2018). Besonders populär in Ostdeutschland ist die Lebenswendefeier. Zu dieser Feier sind aus­ schließlich konfessionslose Jugendliche eingeladen, die den Übergang vom Kindes- in das Jugend- und Erwachsenenalter feiern. Es handelt sich um ein Jugendritual, das Christen für Nichtchristen anbieten, das in einer katholischen Schule in Erfurt 1997 entstanden ist und seitdem u. a. im Dom St. Marien gefeiert wird. Heute ist diese Feier an vielen Orten in Ost­ deutschland Praxis. Es handelt sich um eine kirchliche Alternative zur Jugendweihe. Letztere war eine staatlich verordnete Jugendfeier in der DDR, die verpflichtend war, ein Gelöbnis auf den sozialistischen Staat enthielt und politische Konformität erzeugen bzw. erzwingen sollte. Wer nicht teilnahm, musste mit staatlichen Repressionen und beruflichen Nachteilen rech­ nen. Für viele Jugendliche in Ostdeutschland ist die Jugendweihe, die nach 1989 ihren politi­ schen Charakter verloren hat und als reine Familienfeier weiterlebt, bis heute Tradition. Die Teilnehmerzahlen sind erheblich und liegen weit über denen für die kirchlich durchgeführte Lebenswendefeier. Allerdings darf man nicht übersehen, dass ein großer Prozentsatz der Ju­ gendlichen weder an Firmung oder Konfirmation, noch an Jugendweihe oder Lebenswende­ feier teilnimmt (Domsgen – Handke 2016, 237). Die Lebenswendefeiern sind in ihrem Ablauf und den verwendeten Zeichen örtlich unter­ schiedlich geprägt. (Das Folgende orientiert sich an den Feiern in Erfurt.) Es sind keine kir­ chenamtlich geregelten Feiern mit eigenem liturgischen Buch. Zudem werden sie immer wieder verändert und weiterentwickelt. Gemeinsam ist die Zulassung von in der Regel nur Nichtgetauften, der feierliche Charakter, die Feier in einem Kirchenraum mit seiner christli­ chen Ikonographie, die fehlende Initiation in die Kirche, das fehlende Gottesbekenntnis der Feiernden. Die Lebenswendefeiern werden langfristig vorbereitet. Die Jugendlichen beschäftigen sich dabei u. a. mit Fragen des Lebenssinns, Problemen des Jugendalters, sozial-gesellschaftli­ chem Engagement, der Vorbereitung der Feier. In der Lebenswendefeier selbst ist Raum für die persönliche Vorstellung der Jugendlichen, die u. a. erzählen, wer und was für sie in der Kindheit wichtig war und sie auf ihrem bisherigen Lebensweg begleitet hat. In manchen die­ ser Feiern legen die Jugendlichen etwas ab, das für sie zeichenhaft für Kindheit steht (eine Puppe, ein Ball, ein bestimmtes Buch etc.). Eine Erzählung wird verlesen. Sie nimmt Themen auf, die zum Erwachsenwerden passen. Eine Ansprache interpretiert dann diesen Text für die Jugendlichen und die anderen Feiernden. Dabei können auch Bezüge zum Kirchenraum und zu den Liturgien, die hier sonst gefeiert werden, hergestellt werden. Wichtig in der Feier sind Bitten der Jugendlichen für sich und für die Welt, in der sie leben. Dabei handelt es sich nicht um an Gott oder Jesus Christus adressierte Fürbitten. Vielmehr fehlt eine klare Adressierung.

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4  Theologie der Liturgie

Es kann eine Kerze durch eine Person überreicht werden, die dem jeweiligen jungen Men­ schen besonders wichtig ist. Am Ende der Feier steht ein Gebet um den Segen Gottes, das der Leiter oder die Leiterin der Feier spricht. Es handelt sich um stellvertretendes Beten bzw. um einen Segen, der zugesprochen wird. Eine große Rolle in diesen Feiern spielt die Musik. Ge­ meinsame Lieder zu singen, kann schwierig sein, da ein verbindender Liedkanon nicht exis­ tiert. So erklingt häufig Instrumentalmusik. Die Lebenswendefeier ist ein Beispiel für ein kirchliches Ritual, das über den kirchlichen Bin­ nenraum hinaus in die Gesellschaft hineinwirkt, bei der Gestaltung eines Lebensübergangs begleitet und zugleich den Kontakt mit dem christlichen Glauben ermöglicht. Es handelt sich um eine neu entwickelte Feierform, die offen in die Gesellschaft hinein und für Konfessions­ lose ist. Das erfordert eine Sprache, auch bei den Zeichenhandlungen, die für jemanden nachvollziehbar ist, der nicht kirchlich sozialisiert ist. Es verlangt zudem ein Zugehen auf Teil­ nehmerinnen und Teilnehmer, die mit kirchlichen Riten und Räumen nicht vertraut sind. Letztlich sind solche Feiern auch ein Lernort für gottesdienstliches Handeln der Kirchen im religiösen Pluralismus. Eine solche Feier zeigt eine Kirche, die mit ihren Ritualen Menschen jenseits konfessioneller Grenzen in Lebensübergängen oder anderen Lebenssituationen be­ gleitend und helfend zur Seite steht. Es handelt sich um Feiern einer vom Evangelium her mit den Menschen der Zeit solidarischen Kirche. Literatur Diakonische Kirche in säkularer Gesellschaft, in: Communio 47. 2018, H. 3. Michael Domsgen – Emilia Handke, Religiöse Jugendfeiern geben zu denken. Herausforde­ rungen, Fragen und Perspektiven in einem beginnenden Diskurs, in: Lebensübergänge be­ gleiten, 236–246. Emilia Handke, Religiöse Jugendfeiern »zwischen Kirche und anderer Welt«. Eine historische, systematische und empirische Studie über kirchlich (mit)verantwortete Alternativen zur Ju­ gendweihe. Leipzig 2016 (APrTh 65). Reinhard Hauke, »Feier der Lebenswende«. Versuch einer christlichen Alternative zur Jugend­ weihe, in: Diakonia 32. 2001, 132–138. Benedikt Kranemann, Rituale in Diasporasituationen. Neue Formen kirchlichen Handelns in säkularer Gesellschaft, in: Objektive Feier und subjektiver Glaube? Beiträge zum Verhältnis von Liturgie und Spiritualität, hg. v. Stefan Böntert. Regensburg 2011 (StPaLi 32) 253–273. Lebensübergänge begleiten. Was sich von Religiösen Jugendfeiern lernen lässt, hg. v. Michael Domsgen – Emilia Handke. Leipzig 2016.

4.7.4 Leiblichkeit des Menschen und Liturgie Die Wahrnehmung der anthropologischen Seite der Liturgie verlangt, die Leiblichkeit und Sinnenhaftigkeit der Liturgie ernst zu nehmen (Lengeling/477). »Leib« meint in theologischer Perspektive den beseelten Körper. Sowohl die Wahrnehmung dessen, was im Gottes-

4.7  Der Mensch in der Liturgie181

dienst verkündigt und gefeiert wird, als auch die Selbstäußerung des Menschen in der Liturgie geschehen über seine Sinne, also als Artikulation des Menschen in seiner Leiblichkeit. Der Mensch als Leib-Geist-Wesen, das über die Sinne mit seiner Umwelt kommuniziert, ist für sein Denken, Fühlen und Handeln auf Körperlichkeit angewiesen. Diese schließt die Sprache natürlich ein, ist aber insgesamt wesentlich vielfältiger und dadurch auch komplexer. Mit all seinen Sinnen partizipiert der Mensch am Glaubensgeschehen, das die Liturgie feiert: mit dem Hören (akustischer Bereich: Wort, Gesang, Musik usw.), dem Sehen (optischer Bereich: Gestik, Farbe, Gewänder, Geräte usw.), dem Fühlen (taktiler Bereich: Handauflegung, Salbung usw.), dem Riechen (odoratischer Bereich: Weihrauch, Duftstoffe im Öl usw.) und dem Schmecken (gustatorischer Bereich: Brot, Wein; Systematik nach Reifenberg/669). Er äußert sich durch Haltung, Gestik, Gebärde (als komplexere Einheit aus Haltungen und Gesten) und Bewegungsabläufe (Sequeira/509: 28 f.). Über seine Leiblichkeit nimmt er teil am Geschehen der Liturgie, das das allein Diskursive übersteigt und sich auf der Ebene des sinnlich Präsentativen ereignet (vgl. Kap. 5.2.6). Liturgie ist wesentlich auf präsentative Zeichen angewiesen. Sie sprechen als ganzheitliche Struktur, kommunizieren nonverbal und erfordern entsprechende sinnliche Interaktionsformen. Die Vielfalt der präsentativen Zeichen, die für den Gottesdienst unverzichtbar sind, um das Gefeierte angemessen wahrnehmen zu können, entspricht der Artikulation des Menschen über seine Leiblichkeit (Langer/474). Leiblichkeit ist also nicht nur instrumentell zu verstehen, dass man also mit dem Körper eine Handlung vollzieht, sondern auch im symbolischen Sinne (Kranemann/216). In der Leiblichkeit des Menschen wird der Glaube dergestalt vollzogen, dass der leibliche Ausdruck zum Symbol für das Glaubensgeschehen wird. So verleiblichen sich im Stehen, Sitzen und Knien Glaubenshaltungen des Menschen gegenüber Gott. »Das Innerliche muß sich … lebendig, mit Wesensnotwendigkeit ins Äußerliche umsetzen. So ist der Leib natürliches Ausdrucksbild der Seele, die unwillkürlich entstehende Bewegung Bild eines seelischen Vorganges« (Guardini/445: 51). Leiblichkeit ist damit symbolisierendes Sich-Ausdrücken (Lukken/483: 123). Wird dieser wichtige Bereich vernachlässigt, fehlt eine wesentliche Dimension der Anthropologie der Liturgie, wird das Grundgeschehen der Liturgie beschädigt. Theologisch lässt sich die Bedeutung der Leiblichkeit von der Inkarnation in Jesus Christus her begründen. In 2 Kor 4,4 und Kol 1,15 wird Christus selbst als Bild des Vaters bezeichnet. Er ist Zeichen Gottes, ist das Ursakrament Gottes. In seiner Existenz wird die Nähe Gottes offenbar. In Christus ist sie wahrnehmbar, er gibt an ihr bereits Anteil. Auch hier geht es um Sinnenhaftigkeit. 1 Petr 2,3 kann mit Ps 34,9 (»Kostet und seht, wie gütig der Herr«), einem der ältesten Kommuniongesänge, vom Schmecken der Güte des Herrn sprechen. In 2 Kor 2,14 ist vom »Duft der Erkenntnis Christi« die Rede. Auch für die Leiblichkeit in der Liturgie ist die Pneumatologie von Bedeutung. Durch das Wirken des Geistes wird die menschliche Leiblichkeit zum Symbol im Begegnungsgeschehen zwischen Gott und Mensch. »Es geht also in der Liturgie um die menschliche Leiblichkeit als eine durch den Geist Jesu beseelte Wirklichkeit« (Lukken/483: 127).

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4  Theologie der Liturgie

Kurzinformation: Riten anlässlich menschlicher Partnerschaft In der katholischen Kirche gibt es heute unterschiedliche Liturgien, mit denen Menschen in ihrer Partnerschaft begleitet werden. Es handelt sich um Riten wie vor allem die Verlobung und die Trauung, aber auch Segnungen zu unterschiedlichen Anlässen einer Partnerschaft (Segnungen zu Ehejubiläen) oder in der Öffentlichkeit (Paarsegnungen am Valentinstag), für die kirchenamtlich liturgische Bücher oder Materialien existieren. Daneben gibt es Riten, die praktiziert werden, aber kirchlicherseits entweder nicht geregelt oder noch in der Diskussion sind. Zu Partnerschaftsriten gehört hinzu, dass generell eine Entwicklung und eine Dynamik der jeweiligen Liturgien festzustellen ist. So hat es auch die Trauungsliturgie nicht immer in der heute vertrauten Form gegeben, sie ist vielmehr das Ergebnis einer langen Kultur- und Theo­ logiegeschichte. Aus einer Vermählung im häuslichen Umfeld entwickelte sich seit dem Hoch­ mittelalter die sog. Brauttorvermählung, die am Brauttor einer Kirche stattfinden konnte und rechtliche wie ökonomische Konsequenzen hatte. Der Ehewille wurde erfragt, eine Handrei­ chung der Brautleute folgte, der Ehevertrag ebenso wie die Brautgaben wurden überreicht. Der Ring der Braut oder aber die Ringe der Brautleute wurden gesegnet. Eine Segnung des Paares war hier zwar möglich, aber das feierliche Segensgebet über das Paar erfolgte erst später in der Messe, die sich nicht direkt anschließen musste. 1563 legte das Konzil von Trient im Dekret »Tametsi« fest, nur diejenige Ehe sei als gültig anzuerkennen, die der Formpflicht genüge, also in einer kirchlich festgelegten Form vor Pfarrer und Zeugen geschlossen worden sei. Das schützte u. a. wirtschaftlich abhängige Frauen, deren Männer nun nicht mehr behaup­ ten konnten, nie verheiratet gewesen zu sein. Es führte aber auch dazu, dass die rechtliche Komponente der Trauung, die Erklärung des Ehewillens (Konsens), immer dominanter wurde und die Elemente der eigentlichen Feier, die Liturgie mit dem Ehesegen, theologisch weniger stark gewichtet wurden. Veränderungen sind auch hinsichtlich der Emotionen und Werte, die bei einer Trauung heute im Spiel sind, zu beobachten. Von Partnerschaft und Orientierung auf eine Beziehung hin kann über Jahrhunderte nicht die Rede sein, weil die Frau dem Mann an­ vertraut und gleichsam übergeben und Ehe vor allem auf den Zweck der Fortpflanzung hin gedacht wurde. Religiöse Vorstellungen der Unterordnung der Frau unter den Mann (Eph  5,22–24), entsprechend gesellschaftlich verbreitete Bilder des Zueinanders der Ge­ schlechter und vor allem ein Bild der Frau, das diese, auch in sexueller Hinsicht, als vom Mann Empfangende und damit Dienende betrachtete, sanktionierten dies. Ein höchst problemati­ sches Frauenbild wie Modell von ehelichem Miteinander war dieser Liturgie eingeschrieben. Das Zweite Vatikanische Konzil hat 1963 eine Reform auch dieser Liturgie in Auftrag gegeben, sodass die Trauung »in der Regel« innerhalb einer Messe gefeiert werden kann und zwar nach Evangelium und Homilie und vor den Fürbitten. Das Konzil verlangte eine Überarbeitung des Trauungssegens. Durch den gesamten Ritus sollen »deutlicher die Gnade des Sakramentes bezeichnet und die Aufgaben der Eheleute eindringlich betont« werden (SC 77). Es hat sich nicht nur der Ritus, sondern ebenso das Bild der Geschlechter, der Partnerschaft und des Ehe­ zwecks geändert. Statt vom Primärzweck der Zeugung und Erziehung von Kindern, der seit

Kurzinformation: Riten anlässlich menschlicher Partnerschaft183 Augustinus mit Treue und Unauflöslichkeit zusammen genannt wird, wird seit dem Zweiten Vatikanischen Konzil von den Ehegütern Partnerschaft und Elternschaft, also Liebes- und Le­ bensgemeinschaft gesprochen, die mit Christus und der Kirche verbunden und offen dafür ist, »Kindern das Leben zu schenken« (Feier der Trauung/58, S. 24, Nr. 13 [vgl. im Quellen- und Literaturverzeichnis]). Ritus der Verlobung Die Feier der Verlobung, die im Benediktionale beschrieben wird, soll »Ausdruck des festen Willens zweier Menschen [sein], miteinander die Ehe einzugehen.« (Benediktionale/67, Nr. 55 [vgl. im Quellen- und Literaturverzeichnis]) Zu den Riten gehören eine Ringsegnung sowie ein Ringtausch und ein kurzes Segensgebet. Die Zeit der Verlobung soll der Vorbereitung auf die Ehe dienen. Die Verlobten sollen gemeinsam mit dem Segen Gottes ihren Weg gehen und immer deutlicher erkennen, dass sie füreinander bestimmt sind. Der Gottesglaube und das gegenseitige Vertrauen sollen ihnen dabei eine Hilfe sein. Es gibt keine Untersuchung, wie oft die Verlobung heute noch begangen wird. In den meisten Fällen wird sie durch Riten, die nicht im kirchlichen Rahmen gefeiert werden (z. B. durch das Anstecken von Verlobungsrin­ gen, festliches Essen), oder durch das Zusammenziehen der Paare in eine gemeinsame Woh­ nung abgelöst worden sein. Ritus der Trauung Gerade Letzteres hat Konsequenzen für die Feier der Trauung, die sich nun von einem Über­ gangsritus immer stärker zu einem Ritus entwickelt hat, der eine bereits gelebte Partnerschaft bestätigt. Die Feier der Trauung soll nach der liturgischen Ordnung folgendermaßen ablau­ fen: Struktur

Elemente

Ort

Eröffnung

Empfang des Brautpaares (Taufgedächtnis) Einzug in die Kirche Begrüßung Einführung in die Feier Kyrie (Gloria) Tagesgebet

Eingangsbereich der ­Kirche

Wortgottes­ dienst

Wortgottesdienst (in gewohnter Weise)

Ambo

Trauung

Erfragung der Bereitschaft der Brautleute zur ­christlichen Ehe Segnung der Ringe Vermählung (Konsens) Bestätigung der Vermählung (Konsenserklärung) Feierlicher Trauungssegen (Gesang oder Musik) Fürbitten

im Blickfeld der Gemeinde

184

4  Theologie der Liturgie

Struktur

Elemente

Ort

Eucharistiefeier (wenn nicht ein reiner Wortgot­ tesdienst gefei­ ert wird)

[U. a. ist vorgesehen, dass die Brautleute unter bei­ den Gestalten kommunizieren.]

Altar

Abschluss

Unterzeichnung der Trauungsdokumente (Überreichung von Brot, Wein, Salz und Kerzen) Auszug

Die Liturgie der Trauung ist ein Beispiel für unterschiedliche Rezeptionsmöglichkeiten einund derselben Liturgie. Während für das Brautpaar möglicherweise die Segnung und das Anstecken der Ringe sowie das Ja-Wort im Rahmen der Liturgie emotional besonders dichte Riten sind, wird seitens des Kirchenrechts der Konsens als Mitte der Trauung hervorgehoben. Die Liturgiewissenschaft betont den Charakter der Feier und gewichtet das zentrale Segens­ gebet mit Anamnese und Epiklese, das als geistliche Erschließung und Durchdringung der Ehe verstanden wird, entsprechend stark. Diese verschiedenen Deutungen sollen nicht ge­ geneinander ausgespielt werden, sondern müssen in das Gesamtbild der Trauung einfließen. Die Segensgebete im liturgischen Buch drücken aus, dass nach kirchlicher Lehre die Ehe Ab­ bild der Liebe Gottes zu den Menschen, des Bundes Gottes mit seinem Volk wie auch Christi mit seiner Kirche ist. Im Sakrament soll sichtbar werden, »wie Christus seine Kirche liebt« (Feier der Trauung/58, S. 121 [vgl. im Quellen- und Literaturverzeichnis]). Das wird konkretisiert, wenn die Hilfe Gottes für die gemeinsamen Zukunftspläne, die Erziehung der Kinder im Glauben, die Liebe zwischen den Eheleuten, zu engagiertem und solidarischem Handeln in der Welt erbeten wird. Gerade diese Liturgie ist für das Paar persönlich ein entscheidender Lebensschritt und hat deshalb emotionale Qualität. Weil es ein menschlich entscheidender Schritt ist, der hier getan wird, bedarf es einer rechtlich verbindlichen Form. Die Trauung hat auch für die Kirche Bedeu­ tung, die in der Familie – eigentlich müsste es mit Blick auf Paare ohne Kinder heißen: in der Ehegemeinschaft – »die kleinste Zelle der Kirche« sieht (Feier der Trauung/58, Pastorale Ein­ führung Nr. 14 [vgl. im Quellen- und Literaturverzeichnis]; so schon LG 11 und weitere kirchli­ che Dokumente). Die Glaubensgemeinschaft geht von gelebtem Christsein in der Familie aus, betrachtet diese gleichsam als Basisgemeinschaft des Glaubens, die zum Aufbau von Ge­ meinde und Kirche beiträgt. Wo die Kirche im Konsens das Treueversprechen einfordert und im Segensgebet um die Kraft zu einer christlichen Ehe bittet, scheint das durch. Schließlich wird insbesondere durch das Segensgebet vergegenwärtigt, wie Gott mit ganzer Hingabe Menschen nahe ist, etwa im Bund mit Israel und im Christusgeschehen. Die Kirche ruft sich das in Erinnerung und sie erinnert gleichsam Gott daran. Indem der Segen Gottes zugespro­ chen wird, bringt die Kirche diese Ehe mit der Heilsgeschichte zusammen und deutet sie von hierher. Wenn man die biblischen Bilder, die hier verwendet werden, zum Sprechen bringt, wird deren Lebensnähe deutlich. Der Bund Gottes mit Israel ist immer wieder Belastungen ausgesetzt,

Kurzinformation: Riten anlässlich menschlicher Partnerschaft185 wie das Alte Testament erzählt. Er hält nur aufgrund der Treue Gottes. Der Bund in Jesus Chris­ tus im Kreuz begann von menschlicher Seite nicht als Liebesbund. Auch hier bewahrt Gott den Bund. In den biblischen Bildern wird deutlich, dass in der Liturgie mit Herausforderungen für die Ehe gerechnet wird. Und wie es in der Geschichte Gottes mit den Menschen helle und dunkle Momente gibt, wird das auch in der Ehe sein, aber: durchgängig gilt die Zusage der helfenden Nähe Gottes. Die Trauung ist folglich nicht nur ein schöner Ritus, sondern entpuppt sich bei näherem Hinsehen zugleich als durchaus realistischer Ritus. Zugleich wird man fragen müssen, ob solche biblischen Bilder im Rahmen einer solchen Liturgie nicht überzogen wir­ ken, ob sie heute noch sprechen und ob sie möglicherweise für das Paar auch eine Überforde­ rung darstellen können. Liturgische Bücher sind immer wieder daraufhin zu befragen, ob ihre Texte und Zeichenhandlungen Gottes Nähe noch zusprechen können oder möglicherweise eher den Blick dafür verstellen. Deshalb werden solche Bücher regelmäßig Revisionen unter­ zogen. Zum Realismus mit Blick auf die Trauung gehört auch, dass in einer pluralen, multikulturellen Gesellschaft nicht nur Katholiken untereinander heiraten, sondern Menschen ganz unter­ schiedlichen Bekenntnisses, etwa aus anderen westlichen sowie orthodoxen und orientali­ schen Kirchen. Es werden im liturgischen Buch aber auch die Trauung mit einem Menschen, der nicht getauft ist und an Gott glaubt (Muslim, Jude, Angehörige/r einer nichtmonotheisti­ schen Religion), sowie mit einem/einer Nichtgläubigen beschrieben. Das liturgische Buch hält fest, dass es sich bei der Eheschließung mit einem Nichtgetauften nicht um ein Sakrament handelt, ohne damit diese Liturgie abzuwerten. Die plurale Gesellschaft hat hier den Ritus der Trauung und auch seine Theologie beeinflusst. Trauungen konfessionsverbindender Paare können unter Beteiligung von Geistlichen der betreffenden Kirchen gefeiert werden. Grundlage für die Feier ist das Rituale oder die Agende der Kirche, in der die Trauung begangen wird. Die Regelungen finden sich für den Bereich der Deutschen Bischofskonferenz im Buch »Gemeinsame Feier der kirchlichen Trauung« (Gemein­ same Feier/59 [vgl. im Quellen- und Literaturverzeichnis]). Die Geistlichen sind beide an der Trauung beteiligt. Der Geistliche, der hinzukommt, hält die Predigt, der Geistliche, in dessen Kirche gefeiert wird, spricht ein geistliches Wort vor dem Segen. Ritus für Paare auf dem Weg Zu den weiteren Riten für Menschen in ihrer Partnerschaft gehört die Segnungsfeier am Va­ lentinstag (14. Februar). Die Initiatoren der Feier haben den gesellschaftlichen Brauch aufge­ griffen, den Valentinstag als Tag der Verliebten zu begehen. Die Kirche reagiert damit auf eine Entwicklung in der Gesellschaft des 20. Jahrhunderts. Vor allem Floristen, Parfümerien und Confiserien, aber auch Restaurants haben die Popularität des Valentinstages gefördert. Die Segnungsfeier ist nicht als Rite de passage zu verstehen, sondern als rituelle Begleitung und Lebenshilfe von Menschen, die gemeinsam durch das Leben gehen. Es handelt sich, so das Modell, das im Jahre 2000 in Erfurt erstmals gefeiert worden ist und sich von dort rasant ver­ breitet hat, um einen ökumenischen Wortgottesdienst mit Segnung. Diese Feier steht Men­ schen unterschiedlichen Bekenntnisses, aber auch Konfessionsfreien offen. Zentrale Gestal­

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tungselemente sind Schriftverkündigung, Zeugnisse von Ehepaaren über ihre Partnerschaft, Predigt und Segen. Weitere kreative Gestaltungselemente können hinzukommen. Die Paare, die am Gottesdienst teilnehmen, können sich durch den evangelischen oder katholischen Geistlichen gemeinsam oder einzeln segnen lassen. Die Einleitung zum Segen lautet: »Für unser tägliches Leben brauchen wir immer wieder Stärkung und Ermutigung. Wir Christen erhoffen uns das von Gott. Im Segen wird uns diese Zuwendung Gottes zugesprochen.« (Hauke 2014, 50) Diese Feier ist als »Segnungsgottesdienst ›für alle, die partnerschaftlich un­ terwegs sind‹« bezeichnet worden (Hauke 2014, 37). Damit lässt sich ein theologisches Pro­ gramm verbinden. Es wird signalisiert, dass die Kirche Paaren in ganz unterschiedlichen Le­ benssituationen den Segen Gottes zusprechen kann. Ritus für wiederverheiratete Geschiedene Zwei weitere Partnerschaftssegnungen werden in unterschiedlicher Form praktiziert, ohne dass sie seitens der Orts- oder Weltkirche bereits geregelt sind. Das betrifft zunächst Segnun­ gen wiederverheirateter Geschiedener. Es handelt sich dabei um Paare, deren erste Eheschlie­ ßung nicht annulliert worden ist, die sich in der Kirche beheimatet oder ihr verbunden fühlen und ihre neue Partnerschaft unter Gottes Segen stellen wollen. Viele Paare suchen in dieser Situation die Unterstützung der Kirche und bitten um den Zuspruch des Segens Gottes. Es geht um eine Segensfeier und nicht um eine Trauung. Die entsprechenden Riten werden in ganz unterschiedlicher Form praktiziert. Indem Schriftlesung, Gebet und eine entsprechende Zeichenhandlung praktiziert werden, wird dem Paar zugesprochen, dass es seinen gemeinsa­ men Weg mit Gott geht. 2013 haben Theologinnen und Theologen im Rahmen des Gesprächs­ prozesses der katholischen Kirche in Deutschland »Hinweise zu Dankgebet und Segensfeier anlässlich einer erneuten Eheschließung« verfasst. Sie konnten dafür auf Modelle und Materi­ alien aus verschiedenen Bistümern zurückgreifen, die für pastoral schwierige Situationen Se­ gensfeiern in der Kirche beschreiben, ohne in Konflikt mit dem Kirchenrecht zu geraten. Es werden Voraussetzungen für eine solche Segensfeier benannt. In seelsorglicher Begleitung sollen Lebensbrüche und neue Lebenswege in den Blick genommen werden. Die Gewissens­ entscheidung der Betroffenen, aber auch Verantwortung und Schuld müssen thematisiert und gewürdigt werden. Der Unterschied zwischen einer Segens- und einer Sakramentenfeier wird deutlich, zugleich aber auch, dass »in dieser Feier wie in jeder Liturgie die Gegenwart Gottes in der Lebensgeschichte von Menschen zugesprochen und erfahrbar wird« (Hinweise zu Dankgebet und Segensfeier 2013, 1). Es soll nach einer Form der Feier gesucht werden, die der Lebenssituation dieses Paares angemessen ist. Sie soll allen Ansprüchen an eine Litur­ giefeier genügen (Schriftverkündigung, Gebet, Fürbitte, Segen). Zeichenhandlungen wie eine Ringsegnung, die Segnung einer Hochzeitskerze, Besprengung mit Weihwasser usw. sind möglich. Die Feier ist folgendermaßen strukturiert: Begrüßung Lied Kyrie-Rufe Schuldbekenntnis und Vergebungsbitte Gebet

Kurzinformation: Riten anlässlich menschlicher Partnerschaft187 Lesung Lied Evangelium Kurze Ansprache Fürbitten Vaterunser Lied Gebet um Segen Schlusslied Das Segensgebet über das Paar bringt in einfacher Form Wesentliches zur Sprache: Men­ schenfreundlichkeit und Nähe Gottes. L: Wir wollen Gott um seinen Segen für N. und N. bitten: Du bist ein menschenfreundlicher Gott. A: Segne N. und N. Du bist gütig und treu für immer. A: Segne N. und N. Du bist allen nahe, die zu dir rufen. A: Segne N. und N. Du kennst die Herzen aller Menschen. A: Segne N. und N. Du bist in Jesus Christus Bruder eines jedes Menschen geworden. A: Segne N. und N. Du willst durch deinen Heiligen Geist in uns wohnen. A: Segne N. und N. Du willst, dass wir einander lieben. A: Segne N. und N. L: Es segne uns der dreieinige Gott: der Vater und der Sohn und der Heilige Geist. Amen. (Hinweise zu Dankgebet und Segensfeier, 4 f.) Es soll sich um eine Liturgiefeier handeln, die den ästhetischen Maßstäben entspricht, die auch sonst an den Gottesdienst angelegt werden. Das heißt, dass es eine Feiergemeinschaft gibt, dass die Aufgaben im Gottesdienst (Lesung, Anstimmen des Gesangs etc.) verteilt sind und die Feiernden insgesamt einbezogen werden. Ritus für gleichgeschlechtliche Paare Aufgrund deutlich veränderter anthropologischer und theologischer Einschätzungen von Homosexualität hat in den vergangenen Jahren die Diskussion um Segnungsfeiern für gleich­ geschlechtliche Paare zugenommen. Das gilt insbesondere, seit 2017 der deutsche Gesetzge­ ber rechtlich die Ehe auch für gleichgeschlechtliche Paare geöffnet hat. Homosexualität gilt heute als Variante von sexuellem Verhalten und menschlicher Be­ ziehungsfähigkeit. Biblische Texte, die Gleichgeschlechtlichkeit betreffen, werden in ihrem kulturellen und religiösen Kontext neu gelesen. Sie kennen das nicht, was heute unter Homo­

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sexualität als vieldimensionalem Phänomen verstanden wird. Eine Ablehnung von Homo­ sexualität im heutigen Verständnis kann sich demnach nicht auf das Alte oder das Neue ­Testament stützen. Seitens der Moraltheologie wird betont, dass mit dem Zweiten Vatikani­ schen Konzil die Personalität zur zentralen Dimension sexueller Beziehungen geworden ist und damit für deren Ausgestaltung die Gewissensentscheidung ganz neues Gewicht bekom­ men hat. Die Einstufung prinzipiell jedes homosexuellen Aktes als in sich sittlich schlecht, die i. d. R. mit einer bestimmten naturrechtlichen Argumentation begründet wird, wird als nicht mehr haltbar beurteilt. Es finden sich anthropologische Positionen, die auf Gottes Gesetz der Freiheit des Menschen verweisen. Sie fragen, ob nicht das Entscheidende sei, dass sich Leben und Liebesbeziehung unter den Vorzeichen Gottes vollziehen (»Wer bin ich« 2015). Das kirchliche Lehramt hat im Katechismus der katholischen Kirche jede Diskriminierung von Homosexualität verurteilt (KKK 2358), zugleich aber Homosexuelle zur Keuschheit verpflichtet, weil homosexuelle Praktiken als sündig disqualifiziert werden. Segnungsfeiern werden des­ halb abgelehnt. Viele Theologinnen und Theologen fordern seit geraumer Zeit, dass die kirchliche Lehre im Lichte neuer wissenschaftlicher Erkenntnisse reformiert wird. Während die Diskussion in der römisch-katholischen Kirche, unbeschadet einer bereits exis­ tierenden liturgischen Praxis, noch läuft, haben verschiedene Kirchen der Reformation, aber auch die alt-katholische Kirche bereits liturgische Hilfen und Ordnungen veröffentlicht. Im Bistum der alt-katholischen Kirche in Deutschland, aber auch in evangelischen Landeskirchen wird über die Frage diskutiert, ob solchen Paaren in einer Segnungsfeier der Segen Gottes zugesprochen oder ob gar eine Trauung gefeiert werden kann. Ist die Partnerschaft zwischen Homosexuellen grundsätzlich unterschieden von der zwischen Heterosexuellen, wäre eine Liturgie sinnvoll, die diesem Anderssein Ausdruck verleiht, beispielsweise ein Segnungsgot­ tesdienst. Wäre kein prinzipieller Unterschied gegeben, stünde auch einer Trauung nichts im Wege. Die Ordnung, die seit 2014 im deutschen alt-katholischen Bistum verwendet wird, trägt den Titel »Die Feier der Partnerschaftssegnung«. Sie kann im Rahmen einer Wort-Gottes-Feier oder einer Eucharistiefeier begangen werden. Je nachdem variieren die Eröffnungen der Li­ turgien. Der Wortgottesdienst soll zwei Lesungen und das Evangelium, jeweils getrennt durch Antwortpsalm und Hallelujaruf, sowie eine Ansprache umfassen. Die »Segnung« des Paares ist folgendermaßen strukturiert: Befragung und Versprechen des Paares Befragung der Gemeinde Segensgebet Ringtausch als ausdeutender Ritus Danklied Fürbitten ggf. Friedensgruß Die Wort-Gottes-Feier endet mit Vaterunser, Segen und Entlassung. Die Eucharistiefeier würde wie üblich verlaufen. Die Befragung des Paares spricht die »Bitte um den Segen für eure Partnerschaft« (Partner­ schaftssegnung 2014, 46) an und erfragt die Bereitschaft, in Liebe zueinander zu leben und

Kurzinformation: Riten anlässlich menschlicher Partnerschaft189 das Leben miteinander zu teilen. Auch die Bereitschaft, Liebe weiterzugeben, sodass sie für den Nächsten fruchtbar wird, und sich gegenseitig immer neu in Treue anzunehmen, wird erfragt. Die Antwort des Paares lautet jeweils »Ja, mit Gottes Hilfe«. Auch die Gemeinde wird befragt: »Liebe Schwestern und Brüder, Gottes Reich keimt auf in unserer Zeit, wo Menschen einander lieben und das Leben miteinander teilen. Seid ihr bereit, N. und N. darin zu bestärken, damit dieser Keim sich entfalte und die Welt in Gottes Liebe vollendet werde? So antwortet: Ja, mit Gottes Hilfe.« (Partnerschaftssegnung 2014, 47) Damit erhält die Partner­ schaftssegnung eine deutlich ekklesiale Komponente und Relevanz. Die verschiedenen Segensgebete, die Ähnliches thematisieren, bestehen aus Anamnese und Segensbitte. Diese Segnung wird als Zentrum der Feier verstanden. Eines der Begleitworte zum Ringtausch lautet: »Tragt diese Ringe als Zeichen eurer Verbundenheit. Gott, der euch in Liebe zusammengeführt hat, erhalte euch in seiner Treue.« (Partnerschaftssegnung 2014, 57) Insgesamt ist diese Vorlage für Veränderungen offen (weiterführende Diskussion in: Mit dem Segen der Kirche). Verschiedene evangelische Landeskirchen haben ähnliche Behelfe veröffentlicht, die mal stärker bei einer Segnung bleiben, mal mehr in Richtung einer Trauung weisen. Hierbei ist al­ lerdings zu beachten, dass in den Kirchen der Reformation die Trauung nicht als Sakrament betrachtet wird. Auch in der römisch-katholischen Kirche werden entsprechende Liturgien praktiziert, die die Liturgiewissenschaft reflektieren muss. Die anderen Kirchen des Westens sind in den entspre­ chenden theologischen Diskussionen weiter vorangeschritten. Sie geben bereits Antworten auf Fragen der gleichgeschlechtlichen Paare, die auch der römisch-katholischen Kirche ge­ stellt werden. Literatur Feier der Trauung Jürgen Bärsch, »Wo Mann und Frau in Liebe zueinander stehen … wird deine Treue zu uns sichtbar«. Theologische und spirituelle Motive christlicher Ehepraxis in der Feier der Trauungs­ liturgie, in: BiLi 79. 2006, 218–228. Eheschließung – mehr als ein rechtlich Ding?, hg. v. Klemens Richter. Freiburg/Br. [u. a.] 1989 (QD 120). Angelika-Benedicta Hirsch, Warum die Frau den Hut aufhatte. Kleine Kulturgeschichte des Hochzeitsrituals. Göttingen 2008. Hochzeit – Rituale der Intimität, hg. v. Benedikt Kranemann – Joachim Hake. Stuttgart 2006. Ernst Hofhansl, Trauung bekenntnisverschiedener Paare, in: Heiliger Dienst 56. 2002, 9–17. Dazu: Bernhard Körner, Trauung bekenntnisverschiedener Paare (Koreferat), in: HlD 56. 2002, 18–24. Bruno Kleinheyer, Riten um Ehe und Familie, in: Sakramentliche Feiern II: Ordinationen und Beauftragungen – Riten um Ehe und Familie – Feiern geistlicher Gemeinschaften – Die Sterbe-

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und Begräbnisliturgie – Die Benediktionen – Der Exorzismus, hg. v. Bruno Kleinheyer [u. a.]. Regensburg 1984 (GdK 8), 67–156.  Julia Knop, Beziehungsweise: Theologie der Ehe, Partnerschaft und Familie. Regensburg 2019. Manfred Probst, Das neue Trauungsrituale der katholischen Bistümer des deutschen Sprach­ gebietes, in: LJ 42. 1992, 203–218. Provozierte Kasualpraxis. Rituale in Bewegung, hg. v. Ulrike Wagner-Rau – Emilia Handke. Stuttgart 2019 (PTHe 166). Gabriele Zieroff, Gepriesen bist du, unser Gott, der Bräutigam und Braut erfreut! Die gottes­ dienstliche Feier der Eheschließung in den nachkonziliaren universalkirchlichen Ritualien so­ wie den liturgischen Büchern für das deutsche Sprachgebiet. Frankfurt/M. – New York 2002 (EHS.T 746). Segnungsfeier am Valentinstag Reinhard Hauke, Mitfeiern – miterleben – mitgestalten. Neue Perspektiven und Anregungen für die Seelsorge an Christen und Nichtchristen. Leipzig 2014. Reinhard Hauke, Partnerschaft unter dem Segen Gottes, in: Arbeitsstelle Gottesdienst 17. 2003, 69–73. Segensfeier bei Wiederheirat Franz Harant, In zweiter Ehe neu beginnen. Segensfeier bei Wiederheirat, in: Diakonia 33. 2002, 31–37. Hinweise zu Dankgebet und Segensfeier anlässlich einer erneuten Eheschließung (vorgelegt von den am Gesprächsprozess der Katholischen Kirche in Deutschland beteiligten Theologin­ nen und Theologen, Mai 2013) (http://kthf.de/studientagedbk/) (17.11.2018). Segensfeier für gleichgeschlechtliche Paare Die Feier der Partnerschaftssegnung im Katholischen Bistum der Alt-Katholiken in Deutsch­ land. Für den gottesdienstlichen Gebrauch erarbeitet durch die Liturgische Kommission und hg. v. Bischof und Synodalvertretung. Bonn 2014. Mit dem Segen der Kirche. Die Segnung gleichgeschlechtlicher Partnerschaften in der theo­ logischen Diskussion, hg. v. Andreas Krebs – Matthias Ring. Bonn 2018 (Geschichte und Theo­ logie des Alt-Katholizismus B 8). Jörg Neijenhuis, Zur Öffentlichkeitswirkung von Trauungen heterosexueller und Segnungen gleichgeschlechtlicher Paare, in: JLH 54. 2015, 42–53. »Wer bin ich, ihn zu verurteilen?«. Homosexualität und katholische Kirche, hg. v. Stephan ­Goertz. Freiburg/Br. [u. a.] 2015 (Katholizismus im Umbruch 3).

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4.8 Liturgie und christliche Lebenspraxis 4.8.1 Erinnerte Heilsgeschichte und diakonales Handeln Das soziale Engagement von Christen ist eine Konsequenz der Feier des Glaubens. Liturgie und Diakonie hängen eng zusammen und sind aufeinander verwiesen (Richter/499; Wannenwetsch/514). Die Liturgie erinnert an das Pascha-Mysterium als Befreiungsereignis und bezieht dies über die jeweilige Feier hinaus auch auf Alltag und Leben. Das vergegenwärtigte Heilsgeschehen ist in der Gegenwart der feiernden Gemeinde lebendig. In diesem Sinne verlangt die Liturgie nach Konsequenzen in der Lebenspraxis. Das in der Liturgie gefeierte Erbarmen Gottes mit den Menschen, das in Jesus Christus sichtbar ist, muss zum Maßstab für das Handeln der Feiernden werden. Die Liturgie befähigt zu solchem diakonalen Handeln, da ihr als Symbolhandlung performative Kraft zukommt (Schaeffler/501: 40). Die Vergegenwärtigung von Heilsgeschichte in ihrer bleibenden Heilswirksamkeit soll eine Veränderung der Wirklichkeit der Welt bewirken. Die diakonale Bedeutung von Liturgie ist also zunächst Konsequenz der Aktualpräsenz von Heilsgeschichte, durch welche sich, wie es etwa die Initiation beansprucht, für Menschen ein Transitus und damit eine Wandlung ereignet. Indem Schöpfung, Inkarnation, Passion/Auferstehung und Geistsendung gefeiert werden, danken Menschen in der Liturgie für das Geschaffensein, die geschenkte Erlösung und Freiheit und werden zu einem entsprechenden Leben und Handeln ermutigt und befähigt. So erinnert das Hochgebet für Messen für besondere Anliegen an das Christusereignis, um dann die Relevanz für die Gegenwart auszudrücken: »Er hat uns erlöst durch sein Kreuz und mit deinem Geiste besiegelt. Er ist der Weg, der uns zu dir führt, er ist die Wahrheit, die uns frei macht; er ist das Leben und erfüllt uns mit Freude« (Feier der Gemeindemesse/49: 142). Das Hochgebet bittet für die Gläubigen um die Hilfe Gottes, damit sie aus der Feier der Liturgie heraus zu Nächstenliebe und Weltverantwortung gelangen: »Laß die Gläubigen die Zeichen der Zeit verstehen und sich mit ganzer Kraft für das Evangelium einsetzen. Mache uns offen für das, was die Menschen bewegt, daß wir ihre Trauer und Angst, ihre Freude und Hoffnung teilen und als treue Zeugen der Frohen Botschaft mit ihnen dir entgegengehen« (Feier der Gemeindemesse/49: 148). Der Zusammenhang von Anamnese und Lebenspraxis wird durch ein personales und dynamisches Verständnis von Liturgie gestärkt. Diese erinnert und feiert den personalen Gott als Handelnden von der Schöpfung bis zur Vollendung, der als solcher auch im Begegnungsgeschehen der Liturgie den Gläubigen gegenübertritt. Die Liturgiekonstitution formuliert in ihren Ausführungen über das Wesen der Liturgie und deren Bedeutung für das Leben der Kirche, was im Glauben empfangen worden sei, solle im Leben festgehalten werden (SC 10). Sie fährt mit Blick auf die Eucharistie fort: »Wenn der Bund Gottes mit den Menschen in der Feier der Eucharistie neu bekräftigt wird, werden die Gläubigen von der drängenden Liebe Christi angezogen und entzündet.« Entscheidend ist dabei, dass es nicht um eine Verzwe-

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ckung und ästhetische Überformung der Liturgie geht, sondern dass christliche Existenz und Praxis Konsequenz des im Gottesdienst Gefeierten sind. Im »Gottesdienst als Lebensform« handeln Menschen untereinander und werden zum Handeln ermächtigt (Wannenwetsch/515: 296).

4.8.2 Liturgische Heilsantizipation und christliche Handlungsoptionen Liturgie ist zudem Partizipation an der von Gott verheißenen Zukunft. Die erinnernd-vergegenwärtigende Feier steht in Erwartung der Wiederkunft Christi und blickt folglich auf das verheißene eschatologische Heil. Die Liturgie feiert dieses Heil als in Christus schon angebrochen, doch in seiner Vollendung noch ausstehend. Diese Antizipation durch die Liturgie soll für den Christen Aufruf und Impuls zu befreiendem Handeln sein. Indem die Liturgie den Graben zwischen der gefeierten prophetischen Friedensvision und den tatsächlichen Verhältnissen der Menschen erfahrbar macht, entsteht ein geschichtliches Potenzial für eine Integration von Mystik und Politik (Schillebeeckx/504: 819 f.). In der Antizipation versöhnten Lebens im darstellenden Handeln der Liturgie erkunden die Gläubigen bereits die zukünftige Freiheit. Aus den dabei widerfahrenden Unterbrechungs- und Kontrasterfahrungen kann eine neue Weltsicht mit neuen Handlungsoptionen entstehen. Somit spielt in der Liturgie der Alltag eine Rolle, wird aber zugleich in der Liturgie auf Gott hin transzendiert.

4.8.3 Die wechselseitige Beziehung von Liturgie und sozialem Handeln Die wechselseitige Verwiesenheit von Liturgie und Diakonie bindet aber auch das soziale Engagement von Christen an die Liturgie zurück (Ahme nach/419). Wenn Liturgie durch die Kirche als Gipfel und Quelle ihres Tuns definiert wird (SC 10), dann bedarf auch die christliche Diakonia der Rückkoppelung an den Gottesdienst. Anders droht der Verlust des eigenen Propriums und damit des spezifischen Fundaments. So ist die diakonale Dimension ein Prüfstein für die Liturgie, aber ebenso die Rückbindung an die Liturgie ein Maßstab für christliche Diakonie (Die diakonale Dimension der Liturgie/433). Die evangelische und die katholische Kirche in Deutschland haben dieses Zusammenspiel im Sozialwort »Für eine Zukunft in Solidarität und Gerechtigkeit« 1997 thematisiert: »Das kirchliche Leben hat im Gottesdienst sein Zentrum. Im Gottesdienst empfängt die Kirche Gottes Gabe und antwortet mit Gebet, Bekenntnis und Lob. Diese Antwort ist vor allem Dank. Wer aus dem Dank lebt, kann die Wirklichkeit als verdankt verstehen und darum mit größerer Zuversicht an die Aufgaben herangehen, die sich dem wirtschaftlichen und sozialen Handeln stellen. Gesellschaftliches Handeln der Christen verliert an Kraft, wenn es nicht mehr an das Beten und Feiern zurückgebunden ist. Im Gottesdienst werden die Christen zum Weltdienst befreit und beauftragt« (Zukunft/85: Nr. 256). Dieses Ineinander von Liturgie und Diakonie ist mehr oder weniger deutlich bei allen Liturgiefeiern erkennbar. Die Liturgie des Triduum Sacrum realisiert dies, indem sie Leben in

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den Horizont von Heil und Auferstehung stellt, zugleich aber die Spannung von Unheilserfahrung und Heilshoffnung erfahrbar macht. Zentrale gottesdienstliche Vollzüge vergegenwärtigen wirksam das Pascha-Mysterium und ermöglichen so je neu ein lebendiges Gottesverhältnis und Haltungen christlicher Diakonie: Sinn für Gerechtigkeit, Leidempfindlichkeit, Bereitschaft zum Engagement für andere und Bereitschaft zur Entscheidung aus dem Glauben (Heimbach-Steins – Steins/459; Richter/498 u. 499; Die diakonale Dimension der Liturgie/433; Redtenbacher/497). Das gilt beispielsweise für das Teilen von Brot und Wein als Teilen von Leben und Lebensmöglichkeiten, angedeutet schon am Gründonnerstag zu Opfergang und Gabenbereitung durch den Gesang »Wo Güte und Liebe, da wohnet Gott« (Meßbuch/50: [24]); ebenso gilt dies für die Kreuzverehrung am Karfreitag als Erinnerung an das Leiden Christi, d. h. an die Proexistenz Christi, sowie für die österliche Lichtfeier, die im Exsultet Erlösungs- und Freiheitsgeschichte besingt, und schließlich für die Tauffeier, in welcher der Transitus vom Tod zum Leben geschieht und es zur Glaubensentscheidung kommt. Auch das Fürbittgebet oder Allgemeine Gebet der Messfeier ist hier zu nennen. In der Alten Kirche wurde es als Gebet für Arme und Leidende praktiziert. Es wurde als Gebet für den Nächsten, zugleich aber auch als Möglichkeit verstanden, zu einem der Glaubensbotschaft entsprechenden Leben im Alltag zu finden. Man hat diesem Gebet erhebliche Bedeutung für das Sozialempfinden in den Gemeinden beigemessen. Das Anliegen des altkirchlichen Gebets lebt fort, wenn nach dem Messbuch heute unter anderem für die Regierenden, das Heil der Welt und Menschen, die in Not sind, gebetet werden soll (AEM 45 f.). Erwähnen muss man Gabenbereitung und Kollekte. Wie die Fürbitten sind sie auch organische Elemente der Messfeier, in denen sich deren diakonaler Charakter realisiert. Aus dem in der Alten Kirche geübten Ritus, neben Brot und Wein weitere Gaben darzubringen, die auch für die Armenfürsorge verwendet wurden, entwickelt sich der Brauch, Geld als Gaben zu bringen (zur Geschichte Jungmann/340: II, 3–34). Die im Hintergrund stehende Intention ist, dass sich die Gläubigen selbst mit ihrem Leben in das eucharistische Opfer und damit in die Proexistenz Christi hineingeben. Der Bezug zur diakonalen Dimension des Christseins ist damit offensichtlich. Was im Gottesdienst gefeiert wird, muss den Teilnehmenden in seiner Relevanz für ihre Person und ihr Leben erschlossen werden; dies ist eine erste Forderung, die aus der wechselseitigen Verwiesenheit von Liturgie und Diakonie folgt. Zudem muss Gott als der für die Menschen entschiedene Gott verkündet werden. Die bleibende Entschiedenheit Gottes für seine Schöpfung, die auch im Inkarnationsereignis aufscheint, wird in der schöpfungstheologischen Prägung der Liturgie sichtbar. Schließlich muss die Liturgie konsequent die eschatologische Spannung aushalten und darf sie nicht verdecken, um von hierher diakonales Handeln aus dem Glauben zu fundieren und zu motivieren (Kranemann/471).

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4  Theologie der Liturgie

Kurzinformation: Trauerfeiern nach Großkatastrophen Ein Beispiel für die Beziehung von Liturgie und Diakonie sind Trauerfeiern nach Großkatastro­ phen, auch Disaster Rituals genannt. Sie werden nach Naturkatastrophen, Flugzeugabstür­ zen, Terroranschlägen usw. begangen. Angehörige, Freunde und weite Kreise der Gesell­ schaft suchen unter dem Eindruck des Geschehens Trost und Beistand. Es handelt sich in Deutschland in aller Regel um ökumenische Gottesdienste, die sich aber nicht nur an Christen richten, sondern Trauerfeiern für die Gesellschaft insgesamt sein sollen. Sie sollen Menschen ganz verschiedener Glaubensrichtungen und unterschiedlicher Weltanschauungen einschlie­ ßen, die in Trauer und Verzweiflung nach Trost suchen. Ihr Ablauf, die Texte und Zeichenhand­ lungen werden je nach Anlass konzipiert. Es handelt sich um eine Form von »Ritendiakonie« (Paul Michael Zulehner) für die ganze Gesellschaft. Sie werden an der sensiblen Grenze von religiöser und staatlicher Trauerfeier begangen, die zumeist aufeinanderfolgen. Da die Feiern im Fernsehen übertragen werden, erreichen sie eine große Öffentlichkeit. Es handelt sich um Wortgottesdienste u. a. mit Bibellesung, Predigt und Fürbittgebet sowie expressiven Zeichenhandlungen. Sie finden in der Regel in Kirchenräumen statt. Diese Gottesdienste spiegeln nachdrücklich die Herausforderungen wider, vor denen die Kirchen heute stehen. In einer sehr pluralen Gesellschaft soll in einer extremen Situation ge­ meinschaftlich getrauert und der Verzweiflung Ausdruck verliehen werden. Zugleich sollen Hoffnung vermittelt und Lebensperspektive geweckt werden. Unter den Teilnehmerinnen und Teilnehmern sind Juden, Christen und Muslime, Menschen anderer Religionen, aber ebenso Menschen ohne Konfession oder Bekenntnis und auch Atheisten. Die Teilnehmerin­ nen und Teilnehmer kommen mit ihren heterogenen religiösen oder nichtreligiösen Erwar­ tungen. Die Sprache und die Zeichenhandlungen der Trauerfeiern müssen auf diese Teilneh­ mergruppen in der Kirche, aber auch den Medien zugeschnitten sein. An einem Beispiel kann der Ablauf einer solchen Feier verdeutlicht werden: Am 24. März 2015 stürzte ein deutsches Verkehrsflugzeug in den französischen Alpen ab, 150 Menschen verlo­ ren ihr Leben, darunter der Co-Pilot, der den Absturz herbeigeführt hatte. Am 17. April 2015 fand im Kölner Dom, also einer katholischen Kirche, eine im Fernsehen übertragene Trauer­ feier statt. Der Gottesdienst wurde ökumenisch durch den Kölner Kardinal Rainer Maria Woel­ki und die Präses der Evangelischen Kirche in Westfalen, Annette Kurschus, geleitet. Ein markantes Zeichen im Raum waren 150 Kerzen, die zwischen den versammelten Anwesenden und dem Altar standen und an alle zu Tode Gekommenen erinnerten. Darunter war auch eine Kerze für den Co-Piloten. Kirchliche und staatliche Trauerfeier fanden im Dom statt, waren aber deutlich voneinander abgesetzt. Wer immer in dieser Feier sprach und zum Ambo ging, musste durch das Kerzenmeer als Gedenken für die Toten hindurchgehen. Die Feier wurde von den beiden genannten Geistlichen geleitet. Das Tagesgebet sprach der griechisch-ortho­ doxe Metropolit Augoustinos. Als erste Lesung wurde Offb  21,1.3–5a vorgetragen, danach predigte die Präses. Anschließend erklang das Lied »Ich steh vor dir mit leeren Händen, Herr« von Huub Oosterhuis (GL 422). Als zweite Lesung hatte man Kol 3,1–4 ausgewählt, ihr schloss sich die Predigt des Kardinals an. Die Predigten zeichneten sich dadurch aus, dass sie Fragen

Kurzinformation: Trauerfeiern nach Großkatastrophen195 in Anbetracht des Leidens formuliert und von der eigenen Hoffnung angesichts der Katastro­ phe erzählten, ohne diese aber zu verallgemeinern. Auf die unterschiedlichen Bekenntnisse und Weltanschauungen wurde deutlich Rücksicht genommen, um eine breite Beteiligung zu ermöglichen, aber zugleich die eigenen Potenziale für Hoffnung und Trost zugleich zur Spra­ che zu bringen. In Köln waren instrumentale Musik sowie Chor und Solisten zu hören. Als Zeichen für Stärkung und Halt wurden an die zur Trauerfeier Versammelten kleine Engelfiguren aus Holz ausgeteilt. Sie sollten für Beistand und Begleitung in Not stehen, aber auch zeigen, dass Menschen ein­ ander helfen und so »zu Engeln werden« können. Solche gemeinsam vollzogenen Zeichen­ handlungen wollen Gemeinschaft in der Notlage erfahrbar werden lassen. Zugleich sind diese Engelfiguren vielfältig deutbar und deshalb für eine solche öffentliche Liturgie geeig­ net. Bei den Fürbitten fiel auf, dass neben einer muslimischen Notfallbegleiterin auch ein Jude eine solche Bitte sprach. Dies überraschte, denn beide beteten in einer christlich geprägten Liturgie. Es wies zugleich darauf hin, dass verstärkt über multireligiöse Elemente in solchen Liturgien nachzudenken ist. Das ist nur ein Beispiel für eine solche Feier. Auch wenn es Konstanten gibt wie Bibellesung oder Ansprache, vor allem unterschiedliche Kerzenriten, variieren die Feiern je nach Anlass deutlich. Das Zeichen der Kerze ist, vergleichbar den gerade genannten Engelfiguren, viel­ fältig deutbar in einer Trauerfeier. Es kann für Licht in der Dunkelheit des Schmerzes stehen, kann Präsenz der Verstorbenen symbolisieren, auf Christus, das Licht, verweisen. So ermög­ licht ein solcher Ritus, in dem Kerzen angezündet, in die Kirche getragen werden o. Ä., Ge­ meinschaft im Moment größter Not und Trauer. Wenn Liturgie in diakonaler Absicht öffentlich wird, also den engeren Binnenraum der Kirche verlässt, stellen sich neue Fragen zur Theologie und Ästhetik. Sie verschärfen sich in der Situ­ ation der menschlichen Katastrophe: Ist ein gemeinsames, multireligiöses Trauern der Gesell­ schaft jenseits der Grenzen der Religionen praktizierbar? Welchen Platz finden darin die un­ terschiedlichen religiösen Bekenntnisse? Ist gemeinsames Gebet möglich und sinnvoll in einer Situation, in der Menschen mehr als sonst angesichts des erlebten Grauens zusammen­ stehen? Zumutungen wie Herausforderungen und Aufgaben durch den religiös-weltan­ schaulichen Pluralismus kulminieren gerade dann, wenn in einer solchen Situation, die das Gemeinwesen besonders betrifft, seitens der Kirchen Ritendiakonie angeboten werden soll. Diese Feiern zeigen zudem eindrücklich, dass Liturgie situativ wandelbar bleiben muss. Zur Diskussion stehen die geeignete Sprache und Riten, die Orte, an denen solche Feiern stattfin­ den, die Verantwortlichkeit, letztlich auch die Form der Trauerfeier: Werden durch solche Trauerfeiern, in denen auch Juden und Muslime beten, die jeweiligen Glaubensbekenntnisse verdunkelt? Wird nur vordergründig Gemeinsamkeit gezeigt, wo eigentlich Unterschiede dominieren? Entscheidend ist, dass sich Menschen angesichts von Tod und Trauer auf das Verbindende besinnen. Das gemeinsame Klagen, Rufen, Bitten zu Gott, nicht das konfessionell-religiös

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4  Theologie der Liturgie

Unterscheidende steht im Vordergrund. Von allen Akteuren sind zugleich Sensibilität und gegenseitige Wertschätzung verlangt. Solche Liturgien sind für Kirche und Gesellschaft ein Feld, auf dem sich die Fähigkeit zum Umgang mit den Anderen besonders eindrücklich erfah­ ren lässt. Mit einer sich verändernden Gesellschaft, aber auch mit Umbrüchen innerhalb der christlichen Kirchen hin zu mehr Pluralität wird die Diskussion um die angemessene Gestalt der Feiern weitergehen. Die Trauerfeier in Form eines ökumenischen Gottesdienstes wird sich weiter entwickeln. Entscheidend ist aus (liturgie-)theologischen Gründen, dass eine »Riten­ diakonie« geleistet wird, die in symbolischer Form das Zusammenstehen der Gesellschaft er­ möglicht. Literatur Deutschland trauert. Trauerfeiern nach Großkatastrophen als gesellschaftliche Herausforde­ rung, hg. v. Brigitte Benz – Benedikt Kranemann. Würzburg 2019 (EThS 51). Riskante Liturgien  – Gottesdienste in der gesellschaftlichen Öffentlichkeit, hg. v. Kristian Fechtner – Thomas Klie. Stuttgart 2011. Trauerfeiern nach Großkatastrophen. Theologische und sozialwissenschaftliche Zugänge, hg. v. Benedikt Kranemann – Brigitte Benz. Neukirchen-Vluyn 2016 (Evangelisch-katholische Stu­ dien zu Gottesdienst und Predigt 3). Ulrike Wagner-Rau, Angedeuteter Glaube. Kerzen im Kirchenraum, in: Das Christentum hat ein Darstellungsproblem. Zur Krise religiöser Ausdrucksformen im 21. Jahrhundert, hg. v. Tobias Braune-Krickau – Katharina Scholl – Peter Schüz. Freiburg/Br. [u. a.] 2016, 207–215.

5.1  Die Heilige Schrift in der Liturgie197

5 Elemente und Ausdrucksformen des Gottesdienstes In diesem Kapitel werden Elemente und Ausdrucksformen behandelt, die in unterschiedlicher Gewichtung allen liturgischen Feiern zukommen. Nicht alles kann hier in gleicher Ausführlichkeit behandelt werden. Dies betrifft z. B. die Körpersprache (Mimik, Gestik, Gebärden, Haltungen, Bewegungen) oder die einzelnen Feierformen im liturgischen Jahr sowie im Leben des einzelnen Menschen und der Gemeinschaft der Kirche. Doch fließen diese Aspekte wie in den beiden vorigen Kapiteln in die Behandlung der Einzelthemen ein. Aus der Summe der einzelnen Längsschnitte ergibt sich somit ein Gesamtspektrum der Liturgie des römischen Ritus.

5.1

Die Heilige Schrift in der Liturgie

5.1.1 Die Bedeutung biblischer Texte in der Liturgie Unter den Texten, die im christlichen Gottesdienst von Bedeutung sind, kommt den biblischen Büchern ein besonderer Rang zu (De Zan/533; Wort des lebendigen Gottes/555; Présence/552). Dafür gibt es mehrere Gründe. Indem biblische Texte gelesen, zitiert, angedeutet werden, nimmt die Liturgie Bezug auf die Grundurkunden christlichen Glaubens und bringt damit das Fundament der Glaubensgemeinschaft zur Sprache. Sowohl die alttestamentlichen Texte als auch die Evangelien und die Apostelgeschichte, die neutestamentlichen Briefe und die Offenbarung erzählen die Geschichte Gottes mit den Menschen, so wie sie durch die Bibel tradiert wird. Aus welchem Anlass und in welcher Hoffnung sich Christen zur Liturgie versammeln, kommt wesentlich in den biblischen Texten der Liturgie zum Ausdruck. Sie erinnern an die gründenden heilsgeschichtlichen Ereignisse. Dafür sind Altes und Neues Testament in der Liturgie unverzichtbar! Die christliche Tradition hat dem Evangelium einen besonderen Rang zugewiesen. Es zeichnet sich durch seine dichte Christusüberlieferung und seine besondere Bedeutung für die Christusverkündigung aus. Man las und liest die Evangelien in der Überzeugung, dass in den vier kanonisierten Büchern das Evangelium Christi zu lesen ist. Die Kirche tradiert, dass im Evangelium Christus selbst präsent ist (Söding/553: 42). Gott ist als der Gott der Offenbarung von der Schöpfung bis zur Vollendung auch dem Menschen in der Gegenwart nahe. In den neutestamentlichen Lesungen artikuliert sich das Evangelium Christi in der Rezeption und Bejahung durch die frühen Christen. Die Texte sind selbst Verkündigung des Evangeliums. Zugleich markieren sie den ekklesialen Kontext der Relecture des Evangeliums, in den die heute Liturgie feiernde Gemeinde eintritt und eingebunden ist.

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5  Elemente und Ausdrucksformen des Gottesdienstes

Das Alte Testament hat für Christen ebenfalls wesentliche Bedeutung; nicht nur, weil das neutestamentliche Christusbekenntnis und das Evangelium Christi ohne das Alte Testament unverständlich sind, sondern vor allem aufgrund der bleibenden Bedeutung der im Alten Testament überlieferten Offenbarungsgeschichte Gottes. Anders als viele christliche Leseordnungen der Geschichte und auch die römisch-katholische Leseordnung vor dem Zweiten Vatikanischen Konzil integriert die heutige Lese­ ordnung die zwei-eine Bibel aus Altem und Neuem Testament (zum Stellenwert des Alten Testaments in Leseordnungen der Geschichte vgl. Brakmann/528). Sie ermöglicht damit ­einen Dialog zwischen Altem und Neuem Testament, der zu einer durchaus spannungs­ reichen, darin aber der Offenbarungsgeschichte angemessenen Verkündigung führt. Das Zusammenspiel von Altem und Neuem Testament in der Liturgie wird als konstitutiv betrachtet, denn es »berücksichtigt beides: sowohl die schlechthin fundamentale, in ­diesem Sinne erstrangige Bedeutung des Alten Testaments für die gottesdienstliche Schriftlesung der Ekklesia als auch die Entwicklung vom Alten zum Neuen Testament, die … weder evo­ lutiv noch pädagogisch, nicht moralisch und spirituell, sondern nur heilsdramatisch ver­ standen werden kann, darin aber für die Ekklesia und ihre Eucharistie konstitutiv ist« ­(Söding/553: 71). Die Liturgie erinnert an die biblische Heilsgeschichte, jedoch nicht als an etwas Vergangenes; sie liest die Texte nicht lediglich als alt-ehrwürdige Urkunden. Wortverkündigung in ihren vielfältigen Formen steht vielmehr unter dem Anspruch, dass das aus der Schrift Verkündete Gegenwartscharakter besitzt und mit der Hoffnung auf einstige Vollendung verbunden ist. Die Zeitmodi der Liturgie (vgl. Kap. 4.5.1) gelten auch für die Schriftlesung. Die Kirche zählt die Schriftverkündigung zu den Orten der Gegenwart Christi (vgl. Kap. 4.3.3). Die unterschiedlichen Weisen des Schriftgebrauchs schlagen einen Bogen zwischen der Heilsgeschichte und den Feiernden. Anamnese mittels Bibelrezeption ist Teil des kulturellen Gedächtnisses der Liturgie. Schriftrelecture und Gedächtnischarakter der Liturgie sind unmittelbar aufeinander verwiesen. Liturgie als ein Begegnungsgeschehen zwischen Gott und Mensch lebt vor allem aus dem verkündeten Wort Gottes, das die Menschen als Hörende annehmen und auf das sie im Feiergeschehen antworten. Dieser Akt des Hörens und Antwortens wird in der Liturgie besonders dort deutlich, wo, wie in der Osternacht, auf eine biblische Lesung nach einer Phase der Meditation ein Gebet antwortet. Im Gebet wird der Sinn der Lesung sichtbar: Sie informiert nicht über etwas, beispielsweise über interessante Ereignisse der Religionsgeschichte, sondern zielt ab auf Veränderung und Bereicherung des Menschen und seiner Lebenswirklichkeit. Sie will transformieren (Meßner/37: 185). Eine der Orationen, die nach der dritten Lesung der Osternacht (Ex 14,15–15,1) gesprochen werden kann, preist im Rückbezug auf die Lesung Gott, dessen uralte Wunder noch in der Gegenwart leuchten, expliziert das und proklamiert dabei deutlich, wie das im biblischen Text Erinnerte (»einst«) Menschen in der Gegenwart betrifft und ihnen zum Freiheitsgeschehen wird (»nun«): »Einst hast du Israel aus der Knechtschaft des Pharao befreit und durch die Fluten des Roten Meeres geführt; nun aber führst du alle Völker durch das Wasser der Taufe zur Freiheit« (Meßbuch/50: [88]).

5.1  Die Heilige Schrift in der Liturgie199

Das in der Lesung Vergegenwärtigte und Erinnerte und das Leben der Gläubigen werden aufeinander bezogen. Die Bedeutung der Verkündigung von Heiliger Schrift kommt zum Vorschein: auf die Lebensgeschichten der Sprechenden und Hörenden hin (Sattler/500: 140).

5.1.2 Biblische Bücher als Heilige Schrift Für die Liturgie besitzen die biblischen Bücher den Charakter von »Heiliger Schrift«. Das wird besonders im Wortgottesdienst der Messe deutlich; der Lektor bzw. die Lektorin spricht in einer Anfügung an die Lesung vom »Wort des lebendigen Gottes«, die Gemeinde antwortet mit »Dank sei Gott« und qualifiziert damit das Gehörte als spezifisches Kommunikationsgeschehen. Priester oder Diakon leiten die Verlesung des Evangeliums mit einem Ruf wie »Aus dem heiligen Evangelium nach N.« ein und können sie mit den Worten »Evangelium unseres Herrn Jesus Christus« beenden. Dass die Verkündigung des Evangeliums Christus selbst repräsentiert, verdeutlicht die personal bezogene Antwort der Gemeinde »Lob sei dir, Christus«. Die Normativität der biblischen Grundurkunden für die Glaubensgemeinschaft wird gerade in solchen Riten ausgedrückt. Die Bibel kann daher zu Recht als das für den Gottesdienst wichtigste Buch bezeichnet werden (Meyer/550: 339). Die Liturgiekonstitution hat mit den Metaphern vom »Tisch des Gotteswortes«, der reicher bereitet, und von der »Schatzkammer der Bibel«, die weiter aufgetan werden solle (SC 51), den Umgang mit diesen Texten theologisch entsprechend gewichtet. Dabei ist die Glaubensüberzeugung grundlegend, dass Christus selbst in der Liturgie die Frohe Botschaft verkündet (SC 33), es also Gegenwart Christi im Wort gibt. Die Valenz biblischer Texte kommt im komplexen Ritual des Wortgottesdienstes und seiner repräsentativen Symbolik zum Ausdruck. Nachdrücklich zeigt das der Wortgottesdienst der Sonntagsmesse. Der Ambo als Leseort ist Ort der Verkündigung und daher Lesungen, Antwortpsalm, Exsultet, Homilie und Fürbitten vorbehalten. Auch die Gestaltung von Lektionar und Evangeliar (oder möglicherweise einer Lesungsbibel) hat Zeichenqualität für den Rang des Verlesenen. Weitere Zeichen kommen hinzu: der Umgang mit dem Buch (prozessionaler Einzug mit dem Evangeliar), Verwendung von Kerzen und Inzens mit Weihrauch, Akklamationen, die das Verlesen der Texte rahmen und das geistliche Grundgeschehen (Offenbarung Gottes im Wort, Präsenz Christi) anzeigen, ebenso Körperhaltungen wie das Sitzen, das intensives Zuhören ausdrückt, oder das Stehen, das Ehrfurcht bedeutet (Kranemann/472).

5.1.3 Die Verwendung biblischer Texte in der Liturgie Die römisch-katholische Liturgie kennt heute keine Liturgiefeier, in der nicht biblische Texte verlesen und rezitiert werden. Dieses geschieht nicht planlos, vielmehr werden unterschiedliche Vorgaben befolgt. Dem Wortgottesdienst der Messfeier und der Tagzeitenliturgie liegen sehr differenzierte und nach bestimmten Kriteriologien strukturierte Ordnungen zugrunde. Für die Messfeier verwendet man eine Leseordnung, die zwischen Sonn- und Festtagen sowie Werktagen differenziert und alt- und neutestamentliche Texte integriert.

200

5  Elemente und Ausdrucksformen des Gottesdienstes

Im sonn- und festtäglichen Wortgottesdienst (vgl. die Skizze im Anhang 2.2) folgt der alttestamentlichen Lesung ein Psalm, dem sich die neutestamentliche Lesung anschließt; dem dann verlesenen Evangelium geht das Halleluja voraus, das in der vorösterlichen Bußzeit durch einen Christusruf ersetzt wird. In der Osterzeit wird die alttestamentliche Lesung durch eine Perikope aus der Apostelgeschichte ersetzt. Der dreijährige Lesezyklus für die Sonn- und Festtage sieht im Lesejahr A das Mt-, im Lesejahr B das Mk- und für das Lesejahr C das Lk-Evangelium vor. Das Joh-Evangelium bleibt bestimmten Festzeiten vorbehalten (Kranemann/544). Für die Auswahl der alt- und neutestamentlichen Lesungen und der Evangelien sind die Prinzipien »thematische Abstimmung« (für die großen Festzeiten) und »ausgewählte Bahnlesung« (nur für die neutestamentliche Lesung und das Evangelium) maßgeblich. Verschiedene Grundprinzipien für die Zusammenstellung der Texte wurden angewendet: Man wollte möglichst umfassend biblische Texte im Laufe der Lesejahre unterbringen. Bestimmte Lesetraditionen, die sich für unterschiedliche Feste und Festzeiten durchgesetzt hatten, sollten berücksichtigt werden. Deshalb liest man unter anderem an Weihnachten, Epiphanie und im Ostertriduum durch die verschiedenen Jahreskreise hindurch konstant dieselben biblischen Texte. Man hat zudem Texte einander durch Abstimmung zugeordnet, um so das Zuhören und Verstehen zu erleichtern. Auch Anpassung und Auswahl von Texten ist möglich (vgl. den Überblick bei Nübold/408: 385–391; Franz/535: 72 f.). Theologie, Tradition und Anforderungen der Gegenwart wirken sich folglich in der Leseordnung aus. Die zweijährige wochentägliche Leseordnung der Messfeier umfasst eine nicht aus dem Evangelium stammende Lesung und das Evangelium. Das Evangelium wiederholt sich in jedem Jahr (Wochen 1–9: Mk; 10–21: Mt; 22–34: Lk). Die Lesungen sind in die Jahresreihen I (ungerade Jahre) und II (gerade Jahre) aufgeteilt. Für die Zeiten außerhalb der allgemeinen Kirchenjahreszeit gibt es eigene Lesungen (zur Leseordnung und ihrer Entstehung vgl. Nübold/551). Zu den Stärken der heutigen Leseordnung zählt sicherlich die Vielzahl biblischer Texte, die verlesen werden. Die Verkündigung in der Liturgie ist damit auf ein breites Fundament gestellt worden. Zugleich ist das Alte Testament durch seine starke Einbeziehung aufgewertet worden, was (liturgie-)theologisch noch längst nicht ausgeschöpft ist. Doch gibt es auch kritische Rückfragen. Umstritten ist die Perikopierung, also die Begrenzung der Lesungstexte und deren Auswahl. Seit längerem wird die Art und Weise der Einbindung des Alten Testaments in das Gesamt der Lesungstexte diskutiert. So ist die alttestamentliche Lesung auf das Evangelium abgestimmt, was dort problematisch wird, wo der alttestamentliche Text nur als (Kontrast-)Folie oder Hinführung auf das Evangelium oder gar ausschließlich nach dem Schema von Verheißung (im Alten Testament) und Erfüllung (durch das im Neuen Testament verkündete Christusereignis) gelesen werden kann. Beispielsweise ist die alttestamentliche Lesung am 6. Sonntag im Jahreskreis B (Lev 13,1– 2.45–46) so aus der biblischen Perikope herausgekürzt worden, dass sie dem Evangelium – in beiden Texten geht es um das Thema Aussatz  – als Kontrastfolie dient: hier die strengen alttestamentlichen Vorschriften über Aussätzige, dort Jesu unerschrockene Begegnung mit

5.1  Die Heilige Schrift in der Liturgie201

dem Erkrankten. Am 17. Sonntag im Jahreskreis B steht die alttestamentliche Lesung von der Brotvermehrung durch Elischa (2 Kön 4,42–44) in Zuordnung zur jesuanischen Brotvermehrung (Joh 6,1–15); daher besteht die Gefahr, dass die alttestamentliche lediglich als Vorstufe zur neutestamentlichen Brotvermehrung gelesen wird. Auch in der Chrisammesse am Gründonnerstag drängt sich das Schema Verheißung-Erfüllung auf, wenn zunächst Jes 61,1–3a.6a.8b–9 verkündet wird und dann das Evangelium Lk 4,16–21, in dem dieser Text zitiert ist, mit den Worten endet: »Heute hat sich das Schriftwort, das ihr eben gehört habt, erfüllt.« Die heutige Leseordnung wird also dem Stellenwert des Alten Testaments für christliche Identität wie Liturgie und der Bedeutung der im Alten Testament berichteten Offenbarung Gottes für das Verständnis des Christusereignisses nicht immer gerecht. Alternativmodelle wollen diese Probleme lösen. Der Liturgiewissenschaftler Hansjakob Becker spricht sich für eine heilsgeschichtlich orientierte Leseordnung aus. Sie soll das Alte Testament qualitativ aufwerten und seinen fundamentalen wie relationalen Stellenwert verdeutlichen. Das Alte Testament ist die Grundlage des Wortgottesdienstes, das Evangelium aber der Höhepunkt. Die Konsequenz ist für Becker: Das Alte Testament gibt das Thema vor; es wird, gleichsam die Heilsgeschichte rekonstruierend, in Bahn gelesen. Das Neue Testament ist dann Relecture des Alten Testaments. Nach diesem Entwurf für eine heilsgeschichtlich orientierte Leseordnung wird am 23. Sonntag nach Pfingsten Jona 1,1–4.11 gelesen. In den verschiedenen Lesejahren werden nach einzelnen Motiven dieses Textes Evangelien zugeordnet: Mk 4,35–41 (Seesturm) nimmt die Motive Flucht und Sturm, Mt 12,38–41 (Jonazeichen) das Motiv des Fisches etc. auf ­(Becker/526: 676; die Leseordnung insgesamt: Becker/524). Ein mit Blick auf alttestamentliche Lesung und Evangelium bipolares Modell für eine Leseordnung vertreten die Alttestamentler Georg Braulik und Norbert Lohfink. Sie verstehen die Tora als Leitkategorie des Alten Testaments; sie soll folglich als Bahnlesung rezitiert werden. Das Neue Testament ist der eschatologische Gegenpol zu »Gesetz und Propheten« und soll entsprechend gelesen werden. Auch für das Evangelium ist daher eine Bahnlesung, also eine fortlaufende Lesung, vorgesehen. Die zweite Lesung ist für Propheten- und Weisheitsschriften, für die neutestamentlichen Briefe und die Offenbarung des Johannes reserviert, also für die Kommentierungen der Toralesungen oder des Evangeliums; der Prediger sucht aus Alternativtexten einen Text mit Blick auf die Predigt aus. Die Leseordnung soll sich »an der Struktur des biblischen Kanons selbst orientieren« (Lohfink/547: 137; vgl. insgesamt Braulik/529; Braulik – Lohfink/530; zur Diskussion um das Alte Testament in der Leseordnung vgl. Franz/535). Alle Modelle stehen unter bibel- wie liturgietheologischen sowie pastoraltheologisch-homiletischen Gesichtspunkten in der Diskussion. Vor anderen Fragen und Aufgaben steht man bei der Verwendung des Psalters in der Liturgie. Für die Tagzeitenliturgie werden die Psalmen nach einer Vierwochenordnung gesprochen oder gesungen. Sehr unterschiedliche Auswahlkriterien kommen zur Geltung. Manche Psalmen werden in Laudes, Vesper und Komplet verwendet, weil sie für die betreffende Tageszeit sowie für den Gemeindegottesdienst als besonders geeignet erscheinen. Andere weist man dem Sonntag zu, weil sie das Pascha-Mysterium nachdrücklich zur Spra-

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5  Elemente und Ausdrucksformen des Gottesdienstes

che bringen. Bestimmte Psalmen hat man mit Bezug zur Kirchenjahreszeit ausgewählt. Manche Psalmen an Hochfesten und Festen prägen an diesen Tagen mit langer Tradition die Liturgie (AES 126–135; Übersichten bei Huonder/538). Gerade der Umgang mit den Psalmen zeigt, dass die Reflexion der Verwendung biblischer Texte in der Liturgie eine Aufgabe der Liturgiewissenschaft bleibt. So wird bei der Psalmenauswahl des gegenwärtigen Stundenbuches unter anderem die Auslassung der Fluchpsalmen 58 (57), 83 (82) und 109 (108) und einiger ähnlicher Verse als problematisch betrachtet (Gerhards/634; Jeggle-Merz/541). »Diese Textauslassungen erfolgten wegen gewisser psychologischer Schwierigkeiten, obwohl Fluchpsalmen sogar in der Frömmigkeitswelt des Neuen Testaments vorkommen (z. B. Offb 6,10) und in keiner Weise zum Verfluchen verleiten wollen« (AES 131). Allerdings kann die alttestamentliche Exegese aufweisen, dass es diesen Texten nicht um Rache, sondern um die Durchsetzung von Recht und Gerechtigkeit im Diesseits durch Gott geht. Der Beter schreit geradezu seine Verzweiflung angesichts erlittenen Unrechts heraus, er artikuliert seine Angst und seine Lage, die im Widerspruch zur Wirklichkeit Gottes steht. Letztlich drängen diese Psalmen zum menschlichen Gewaltverzicht zugunsten der Unrecht ahndenden Macht Gottes. Sie könnten im christlichen Gebetsleben nach sinnvoller Einführung oder in erschließender Übersetzung eine wichtige Funktion übernehmen (Zenger/556). Eine bis in jüngere Zeit auch auf die Psalmen in der Liturgie angewendete Lesart, die diese als Zeugnisse einer gegenüber dem Christusereignis minderen Offenbarungsstufe las, hat einem problematischen Verständnis dieser Texte zugearbeitet und sie einer bisweilen sehr rigiden Christologisierung unterworfen. Der alttestamentliche Text musste gleichsam erst christologisch aufgewertet werden, was die Wertschätzung dieser Texte und ihrer theologischen Relevanz minderte. Unter dem Einfluss neuerer exegetischer Ansätze (»kanonische Schriftauslegung«), die philologisch auch den einzelnen Psalm im Gesamt des Psalters lesen und dabei theologisch die eschatologisch-messianische Dimension der Psalmen herausarbeiten, entwickelt sich auch eine neue liturgietheologische Hermeneutik des Psalters. Schon im Alten Testament handelt es sich um ein messianisch geprägtes Buch, in dessen größerem Zusammenhang der einzelne Psalm entsprechend gelesen werden kann. Die Rezeption der Psalmen in der christlichen Liturgie kann hier anknüpfen. Wer diese poetischen Texte ernst nimmt, kann den Psalter als ein »Buch des Lebens« neu gewichten und »die fundamentale Bedeutung der existentiellen und anthropologischen Dimension des Psalters in der Liturgie« entdecken (Buchinger/532: 221; dort Ausführlicheres zur Hermeneutikdiskussion). Ganz widersprüchliche Lebenssituationen des Menschen, Freude und Leid, Verzweiflung und Hoffnung, werden vor Gott zum Ausdruck gebracht. Alle Facetten menschlichen Lebens werden über diese Texte in die Liturgie eingetragen. Nicht zuletzt biblische Texte garantieren die Lebensnähe des christlichen Gottesdienstes.

5.1  Die Heilige Schrift in der Liturgie203

5.1.4 Die Rezeption biblischer Texte im Gottesdienst Wenn die Liturgiewissenschaft nach der Rezeptionsästhetik biblischer Texte im Gottesdienst fragt, nimmt sie also Leser und Hörer in den Blick. Ihr geht es dabei um die dynamische Aneignung der Bibel durch die Liturgie, folglich um die immer neue Aktualisierung dieser Texte. Der Satz Gregors d. Gr., dass die göttlichen Worte mit dem Leser wachsen (in Ezech 22: CChr. SL142,87), gilt auch für die Liturgie und ihren Schriftgebrauch. Der einzelne biblische Text, seine Motive und Bilder können von Liturgiefeier zu Liturgiefeier jeweils neu gehört und verstanden werden. So ist etwa die Perikope von den Seligpreisungen (Mt 5,1– 12a) für ganz unterschiedliche Liturgien vorgesehen: für den 4. Sonntag im Jahreskreis A, aber auch als Auswahllesung für Firmung, Krankensalbung, Trauung und Begräbnis. Je nach Feierkontext tritt eine andere Seligpreisung in den Vordergrund und wird ein neuer Lese- und Hörvorgang ermöglicht. Die Entstehung der Bedeutung eines Textes im Rezeptionsprozess wird nach literaturwissenschaftlichen Rezeptionstheorien als Leistung des Lesers verstanden, besitzt also eine Dynamik: »Der Text gelangt … erst durch die Konstitutionsleistung eines ihn rezipierenden Bewußtseins zu seiner Gegebenheit, so daß sich das Werk zu seinem eigentlichen Charakter als Prozeß nur im Lesevorgang zu entfalten vermag. … Jede Lektüre wird daher zu einer … Aktualisierung des Textes, indem der Spielraum schwach determinierter Beziehungsmöglichkeiten differenzierte Sinngestalten herzustellen erlaubt« (Iser/539: 253.259). Auch biblischen Texten eignet eine solche Mehrdeutigkeit. Wie andere literarische Texte sind sie einerseits hinsichtlich ihrer Aussage inhaltlich bestimmt, während andererseits »Leerstellen« eine je neue Interpretation ermöglichen. So kann ein Text des Alten oder Neuen Testaments im Rezeptionsgeschehen der Liturgie jeweils neue Vitalität entfalten. Die Kirche begreift die immer neue Relecture im Rahmen der Überlieferung kirchlicher Glaubensgemeinschaft. Diese versteht sich »in der Nachfolge der Gemeinschaften, in denen die Heilige Schrift entstanden ist und wo sie bewahrt und überliefert wurde. In der Aktualisierung erfüllt die Tradition eine doppelte Aufgabe: einerseits schützt sie vor abweichenden Interpretationen; andrerseits sorgt sie dafür, daß die ursprüngliche Dynamik weitergeht« (Interpretation der Bibel in der Kirche/98: 101). So wird beispielsweise Ex 14 schon in 1 Kor 10,1 f. auf das Christusereignis und die Taufe hin gelesen, wird dann aber auch in der liturgischen Tradition in Gebetstexten, Kirchenliedern, der Predigtliteratur, in der Gestaltung von Baptisterien oder anderen liturgischen Räumen im Taufkontext breit rezipiert. Das erste Gebet über dem Taufwasser etwa lautet: »Die Kinder Abrahams hast Du trockenen Fußes durch das Rote Meer geführt und sie befreit aus der Knechtschaft Pharaos. So sind sie ein Bild der Getauften, die du befreit hast aus der Knechtschaft des Bösen« (Feier der Kindertaufe/57: 54). Das Exsultet, das feierliche Osterlob, besingt dagegen die Nacht als Heilsnacht, in der Israel »durch die Fluten des Roten Meeres« geführt wurde (Meßbuch/50: [88]). Seine spezifischen Konturen erhält der jeweilige biblische Text dadurch, dass er im Zusammenhang christlicher Liturgie und damit einer Glaubensgemeinschaft und ihrer Hermeneutik verwendet wird (zur spezifischen Hermeneutik der Schriftlesung im Wortgottesdienst der Messe vgl. Zerfaß/557). Die hier sichtbar gewordene Möglichkeit der Lesevielfalt

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5  Elemente und Ausdrucksformen des Gottesdienstes

hat die Päpstliche Bibelkommission in ihrem Dokument »Die Interpretation der Bibel in der Kirche« (1993) wie folgt umrissen: »Ein geschriebener Text kann in neuen Situationen eine andere Bedeutung erhalten, so daß sich seinem Sinn neue Bedeutungen hinzufügen. Diese Fähigkeit des geschriebenen Textes ist besonders im Fall der biblischen Texte gegeben, die als Wort Gottes anerkannt werden. In der Tat, was die Glaubensgemeinschaft dazu bewegte, sie aufzubewahren, ist die Überzeugung, in ihnen Licht und Leben auch für die kommenden Generationen zu finden. Der wörtliche Sinn ist von Anfang an für spätere Entwicklungen offen, die durch ›Wiederaufnahmen‹ (relectures) in neuen Kontexten ausgelöst werden« (Interpretation der Bibel in der Kirche/98: 70). Nicht nur der sehr unterschiedliche Charakter der biblischen Bücher, sondern auch ihre mannigfaltige Verwendung in der Liturgie hat zur Ausbildung unterschiedlicher Genera des Schriftgebrauchs geführt (ausführlich: Gemeinsam vor Gott treten/599; Das Wort Gottes hören/554; Leib Christi empfangen/545). Neben der perikopierten Schriftlesung als markantestem Beispiel sind zu nennen: die Psalmen (als Lesung, als Gebet, als Meditation), biblische Lieder (unter anderem Benedictus [Lk 1,68–79], Magnificat [Lk 1,46–55] und Nunc dimittis [Lk 2,29–33]), Gebete (prominent das Vaterunser), biblisch geprägte poetische Formen (wie Gloria oder Te Deum, aber auch viele Kirchenlieder aus Tradition und Gegenwart), die Schriftrezeption im Gebet (durch Zitat oder Motiveinspielung), Formeln und Akklamationen (»Amen«, »Halleluja«, »Hosanna«, »Maranatha« u. a. [zur Entstehung Jonas/542]), die Predigt, aber auch die Ausstattung des liturgischen Raumes (Retabelaltäre, Figuren und Bilder, Kirchenfenster u. a.). Die biblischen Texte begegnen hier als wörtliches Zitat, in indirekter Anspielung oder durch motivische Reminiszenz (Gerhards/537: 495). Die Relecture biblischer Texte kann von Glaubensgemeinschaft zu Glaubensgemeinschaft zu unterschiedlichen Rezeptionen führen (Frenzel/598). Beispielhaft lässt sich das an Ps 92 darstellen. Er wird in den Gebeten zu Beginn des jüdischen Sabbats rezitiert. Zuerst erklingen die Pss 95–99 und Ps 29; dann wird das Sabbatlied »Auf, mein Freund, der Braut entgegen, Königin Sabbat wollen wir empfangen!« gesungen. Daraufhin wird Ps 92 als »Psalmlied für den Sabbattag« zusammen mit Ps 93 angestimmt (Sidur/78: 80–85). Nach dem katholischen Stundenbuch wird Ps 92 am Samstag, also am selben Tag, in den Laudes verwendet (in der 2. und 4. Woche des Jahreskreises). Die Überschrift über dem Psalm lautet im Stundenbuch in der 2. Woche: »Schön ist es dem Herrn zu danken«; vorangestellt wird außerdem ein Athanasius zugeschriebener Satz: »Wir singen Lob wegen der Taten des Eingeborenen«. Die Antiphon stammt aus Ps 92,3. Das Sabbatmotiv spielt im christlichen Kontext explizit keine Rolle; über den Bezug auf Athanasius und im Kontext der anderen Texte der Tagzeit wird stattdessen das Christusereignis zur Bezugsgröße für die christliche Wahrnehmung dieses Textes. Das Beispiel macht zugleich auf den Reiz aufmerksam, den eine interreligiöse Schriftauslegung für die Liturgie besitzt, denn implizit wird über Ps 92 zwischen beiden Religionsgemeinschaften eine Brücke geschlagen. Beide Interpretationen legen einen möglichen geistlichen Sinn des biblischen Textes offen; das Dokument der Bibelkommission versteht diesen nicht als Ergebnis intellektueller

5.1  Die Heilige Schrift in der Liturgie205

Spekulation, sondern der »Beziehung zwischen dem Text und Wirklichkeiten, die ihm nicht fremd sind« (Interpretation der Bibel in der Kirche/98: 72). Innerhalb der christlichen Liturgie werden der Text, das in der Liturgie gefeierte Pascha-Mysterium und die Lebenssituation der Feiernden zusammengebracht. An der Schriftrezeption im Gottesdienst sind also biblischer Text und feiernde Gemeinde, und damit die Kirche, beteiligt. Der Umgang mit der Bibel in der Liturgie geschieht im Rahmen einer Überlieferungsund Erzählgemeinschaft. Deshalb gibt beispielsweise eine Leseordnung, welche die Auswahl biblischer Texte für den Wortgottesdienst der Messfeier regelt, Auskunft über die Identität der Kirche als Rezeptionsgemeinschaft wie über den Sinn, den sie den nicht eindeutigen biblischen Texten zuweist. Umso mehr besitzt eine Leseordnung in der Liturgie Verbindlichkeit, muss aber auch Gegenstand innerkirchlicher und theologischer Diskussion sein. Zugleich kann man vier verschiedene Funktionen erkennen, welche die Liturgie der Heiligen Schrift zuweist. 1. Der katechetisch geprägte Wortgottesdienst, wie er schon im altkirchlichen Katechumenengottesdienst begegnet, dient der Vermittlung und Vertiefung von Kenntnissen biblischer Glaubensgeschichten. In der Regel folgt in diesem Fall der Schriftlesung eine Auslegung. 2. Der kerygmatische oder anamnetische Wortgottesdienst erinnert mit der biblischen Lesung an das, was jetzt in der Liturgie gefeiert wird. Solche Lesungen sind eng mit den übrigen Riten der jeweiligen Liturgiefeier verbunden. 3. Ein parakletisch bestimmter Wortgottesdienst hat pastorale Funktion; die Lesung wird in Bezug gebracht zu den Verfasstheiten des Einzelnen wie der Versammlung. 4. Im doxologischen Wortgottesdienst schließlich besitzt die Wortverkündigung die Funktion, Gott zu loben. Der Psalmodie beispielsweise kommt diese Aufgabe zu (Brad­shaw/527; Meßner/548: 76–83). Die genannten Dimensionen der Wortverkündigung überschneiden sich natürlich; sie signalisieren das Gewicht der Heiligen Schrift in der Liturgie. Dieses ergibt sich vor allem von der Anamnese her, denn diese macht auf das Kerngeschehen von Wortverkündigung wie Liturgie gleichermaßen aufmerksam: die Begegnung mit Gott im Handlungsgeschehen der Liturgie. Deshalb heißt es auch, »der Gottesdienst, der ganz aus dem Wort Gottes lebt, [werde] selbst zu einem neuen Heilsereignis. Er legt das Wort neu aus und läßt es neu wirksam werden« (PEM 3).

5.1.5 Intertextualität biblischer Texte in der Liturgie Ein weiteres Charakteristikum liturgischer Schriftrezeption wird mit dem Stichwort »Intertextualität« erfasst. Mit diesem aus der Literaturwissenschaft stammenden Terminus wird hier die Dialogizität innerhalb des Schriftgebrauchs der Liturgie zum Ausdruck gebracht: Der einzelne biblische Text steht in der Liturgiefeier in Relation zu anderen Texten und damit in einem Dialog, den man als »intertextuell« bezeichnet und aus dem ein weiterer Text, der Makro-Text entsteht (Deeg/534). Der biblische Text steht in der Liturgie in einem verän-

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5  Elemente und Ausdrucksformen des Gottesdienstes

derten Kontext, er wird in einem neuen Text verarbeitet. Das Einspielen alter Texte in einen neuen Kontext ist gerade für die Liturgie von außerordentlicher Bedeutung, weil über den älteren, hier biblischen Text Anamnese und damit Partizipation an der Heilsgeschichte zum Ausdruck gebracht wird (Kranemann/554). In der Liturgie lassen sich verschiedene Formen von Intertextualität beobachten. So begegnet man im Wortgottesdienst der sonn- und festtäglichen Messe der Textabfolge: alttestamentliche Lesung, Psalm, neutestamentliche Lesung, Halleluja-Ruf, Evangelium. Eine solche Struktur ist keineswegs beliebig, sondern bringt die Schriften der zwei-einen Bibel im Kontext der Liturgie in einen Dialog. Die aufeinander abgestimmten Texte aus Altem und Neuem Testament befragen und kommentieren einander gegenseitig. Psalm und HallelujaRuf eröffnen einen bestimmten Verstehenshorizont. Wie die biblischen Texte gehört werden, hängt von der jeweiligen Feier und den Teilnehmenden ab und variiert von Liturgiefeier zu Liturgiefeier. Man kann zudem einen Dialog zwischen biblischem Text und »liturgischem« Text beobachten, wenn eine Oration, ein Hochgebet, ein Kirchenlied etc. einen biblischen Text einspielt, also Text im Text spricht und so wiederum ein neues Textgebilde entsteht. Das Kirchenlied »Es ist ein Ros entsprungen« (16. Jahrhundert) verdeutlicht das: »Es ist ein Ros entsprungen / aus einer Wurzel zart, / wie uns die Alten sungen, / aus Jesse kam die Art, / und hat ein Blümlein bracht, / mitten im kalten Winter, / wohl zu der halben Nacht.« Hier klingen deutlich alt- und neutestamentliche Texte aus Jes 11,1–2; Lk 1,31–33 und Röm 15,12 an, welche die Bedeutung des Liedes konstituieren. Der biblische Text wird in ein Lied eingelesen und im neuen Kontext, zumeist in der Liturgie des Weihnachtsfestkreises, rezipiert (Text und Interpretation des Liedes: Becker/525). Auch Ritus, Raum, liturgische Kleidung, Bewegung usw., also nicht nur Text, sind zu nennen, wenn es um Intertextualität geht. »Es sind dies sinnlich erfahrbare Kontexte, die für die Hermeneutik des Verkündigungsgeschehens von erheblicher Relevanz sind.« (Zerfaß/557: 179) Schließlich macht Intertextualität auf den Dialog zwischen verschiedenen Liturgiefeiern aufmerksam, der über biblische Texte ermöglicht wird. Für die Cantica »Benedictus«, ­»Magnificat« und »Nunc dimittis« sowie das in der Eucharistie (an Hochfesten, Festen, besonderen Feiern und Sonntagen mit Ausnahme von Advents- und Fastenzeit, vgl. AEM 31) erklingende Gloria hat Norbert Lohfink aufgezeigt, dass die Texte im Lk-Evangelium eng miteinander verbunden sind durch Stichworte (»punktuelle Wortbezüge«) wie durch ihren inneren Zusammenhang und dadurch nachdrücklich und in Fülle messianische Hoffnung ausdrücken. Diese tragen sie in den christlichen Gottesdienst ein und eröffnen dadurch eine neue polyphone Bedeutung: »Bei denen, die das Stundengebet beten, werden die vier Hymnen genau so mitten in den Ereignislauf hineingesetzt, wie sie in den Ereignissen der Kindheitsgeschichte saßen. Sie stoppen die Handlung. Sie reißen Horizonte auf. Sie f­ ügen sich zusammen zu einer die ganze Heilsgeschichte überspannenden Deutung genau der Ereignisse, die sich in dem jeweiligen konkreten Tageslauf ereignen« (Lohfink/546: 235). Der theologische Bogen zwischen den Texten durchwirkt von der Liturgie her den Tages­lauf.

5.1  Die Heilige Schrift in der Liturgie207

Eine vom Literaturwissenschaftler Gerard Genette entwickelte Typologie solcher Intertextualität lässt sich auf die Liturgie übertragen (Brüske/531). Zwar bezieht Genette den Begriff »intertextuell« im engeren Sinne nur auf Zitat, Plagiat und Anspielung, doch lässt sich auch die Rezitation biblischer Texte in der Liturgie (sei es als Lesung, Lied oder Gebet), die Zitation oder Anspielung als intertextuell bezeichnen. Denn wenn Genette »Anspielung« als eine Aussage definiert, »deren volles Verständnis das Erkennen einer Beziehung zwischen ihr und einer anderen voraussetzt, auf die sich diese oder jene Wendung des Textes bezieht« (Genette/536: 10), dann lässt sich dies durchaus auf die Komplexität biblischer Anspielungen in der Liturgie übertragen: • Das Verhältnis des einzelnen Textes zu den ihn rahmenden Texten bzw. zum Ganzen, das das literarische Werk bildet, nennt Genette paratextuell und sieht in ihm »zweifellos einen privilegierten Ort der pragmatischen Dimension des Werkes …, d. h. seiner Wirkung auf den Leser« (ebd. 11). Solche Textbeziehung kann man beispielsweise zwischen Psalm und Antiphon, zwischen Lesungen und Evangelium und den sie rahmenden Texten, zwischen Lesung und Sakramentsgeschehen beobachten. Die Erläuterung von Genette markiert den Stellenwert dieser Beziehungen. • Die Transformation oder Nachahmung biblischer Texte etwa im Kirchenlied wäre nach Genette hypertextuell. Ein Text (Hypertext) wird von einem früheren Text (Hypotext) abgeleitet, überlagert ihn und erinnert an ihn, wie man etwa für das Gloria mit Blick auf Lk 2,14 feststellen kann. • Den Kommentar zu einem Text kann man metatextuell nennen. Der Hinweis auf die Predigt zum biblischen Text liegt nahe, obwohl Genette ein Zitat oder auch nur eine Erwähnung des ursprünglichen Textes nicht für notwendig hält (ebd. 13). • Schließlich gibt es gattungsbezogene Relationen zwischen Texten, die man als architextuell bezeichnet. »Das Wissen um die Gattungszugehörigkeit eines Textes lenkt und bestimmt … in hohem Maß den ›Erwartungshorizont‹ des Lesers und damit die Rezeption des Werkes« (ebd. 14). Die Einleitung einer Lesung (»Lesung aus dem Buch Deuteronomium« / »aus dem Brief des Apostels Paulus an«) und des Evangeliums (»Aus dem heiligen Evangelium nach«) weist auf die »Gattung« und damit auf die Bedeutung des Textes im Gesamt der Liturgie hin und kann die Rezeption beeinflussen. Dass man einen Psalm singt, lenkt, auch wenn die Gattung unausgesprochen bleibt, die Rezeption der Feiernden. Intertextualität im übergreifenden Sinne markiert die besondere Lese- und Hörsituation biblischer Texte in der Liturgie und verdeutlicht ihre spezifische Sinnvielfalt im gottesdienstlichen Kontext. Sie macht Liturgiewissenschaft wie Pastoral auf die Aufgabe aufmerksam, die Polyphonie der Texte für das je eigene Feld zu erschließen. Sie zeigt schließlich, um welch sensiblen und vielschichtigen Vorgang es bei der Verwendung biblischer Texte in der Liturgie geht. Für die unterschiedlichen liturgischen Feiern handelt es sich sowohl um theologisch wie ästhetisch grundlegende Prozesse.

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5  Elemente und Ausdrucksformen des Gottesdienstes

Kurzinformation: Wort-Gottes-Feier Die Wiederentdeckung der Theologie des Wortes und seine Aktualisierung im Gottesdienst der Kirche gehört zu den Kernelementen der Liturgischen Bewegung und Erneuerung des 20. Jahrhunderts. Die Liturgiekonstitution des Zweiten Vatikanischen Konzils hat sich an ver­ schiedenen Stellen mit der Feier des Wortes Gottes befasst. In Art. 35,4 ordnet sie an: »Zu fördern sind eigene Wortgottesdienste im Advent oder in der Quadragesima sowie an den Sonn- und Feiertagen, besonders da, wo kein Priester zur Verfügung steht; in diesem Fall soll ein Diakon oder ein anderer Beauftragter des Bischofs die Feier leiten.« Das Anliegen des Konzils war, die Monopolisierung der sakramentalen Feiern auf Kosten des Wortes sowie die exklusive Leitung durch Priester im Sinne einer Theologie des Volkes Gottes zu überwinden. Im Hintergrund stehen die Aussagen über die Gegenwart Christi nicht nur im Sakrament und in der Person des Priesters, sondern auch im Wort und in der Liturgie feiern­ den Gemeinde (SC 7). Einer der Wegbereiter dieser liturgischen Theologie war der Innsbrucker Liturgiewissenschaftler Josef Andreas Jungmann SJ, der 1939 ein Buch »Die liturgische Feier« veröffentlicht hatte, das er 1964 unter dem Titel »Der Wortgottesdienst« neu herausgab (Jung­ mann/341 [vgl. Quellen- und Literaturverzeichnis]). Darin geht es um die Erkenntnis, dass im Medium Wort durch einen performativen Akt Gottesdienst konstituiert wird. Er sah dieses Faktum in einem liturgischen Formschema Lesung – Gesang – Gebet gegeben. Den Anstoß für die Einfügung des Paragrafen über die Wortgottesdienste in die Liturgiekon­ stitution gaben Bischöfe aus Ländern, in denen schon damals großer Priestermangel herrschte. Dies führte in der Folge dazu, dass die Wortgottesdienste in erster Linie als Ersatz für Eucharistiefeiern eingeführt wurden, was nicht in der ursprünglichen Absicht des Konzils lag. Ihm ging es primär um die Aufwertung des Wortes Gottes an sich und dessen Feier in der Gemeinde. Eine Folge der Funktion als Messersatz war auch die fast selbstverständliche Ein­ führung der Kommunionsspendung, die ihrerseits dazu beitrug, dass der Eigenwert der Wort­ verkündigung nicht wirklich zum Zuge kam. Außerdem erwies sich die synonyme Verwen­ dung des Begriffs »Wortgottesdienst« für die selbstständige Feier wie für den ersten Teil der Messe als kontraproduktiv. Nur zögerlich setzte sich die Bezeichnung »Wort-Gottes-Feier« für die selbstständige Feier des Wortes Gottes durch. Nach wie vor werden einige Grundsatzfragen kontrovers diskutiert, so die Frage der eigen­ ständigen Struktur, der Leseordnung und der Kommunionspendung. Diese sind nicht pau­ schal zu beantworten, sondern müssen je nach Situation unterschiedlich geklärt werden. In jedem Fall ist es sinnvoll, Wort-Gottes-Feiern unabhängig von einer akuten Notlage einzufüh­ ren. Dies können besondere Anlässe sein, etwa Jubiläen, zivile Feste oder Erfahrungen von Unglücksfällen und Katastrophen. Als ökumenische Gottesdienstform haben solche Feiern längst Tradition. Sie sollten aber auch in das Repertoire regelmäßiger Gottesdienste neben Eucharistie, Sakramentenfeiern, Tagzeitenliturgie und Andachten aufgenommen werden. Da­ her sind sie auch nicht auf den Sonntag zu beschränken. Die beiden für den deutschen Sprachraum herausgegebenen Werkbücher der liturgischen Institute (Wort-Gottes-Feier 2004; Wort-Gottes-Feier am Sonntag 2014) geben die Richtung vor (vgl. im Quellen- und Lite­

Kurzinformation: Wort-Gottes-Feier209 raturverzeichnis die Nrr. 73, 74 sowie 71). Das Werkbuch für die Sonn- und Feiertage (WortGottes-Feier 2004) legt folgenden Aufbau vor: Eröffnung Einzug – Gesang zur Eröffnung Kreuzzeichen – Liturgischer Gruß – Einführung Christusrufe (Kyrie-Litanei) Eröffnungsgebet Verkündigung des Wortes Gottes Erste Lesung Psalm (Gesang) Zweite Lesung Ruf vor dem Evangelium Evangelium Auslegung und Deutung Stille Antwort der Gemeinde (A bis E zur Auswahl) A) Glaubensbekenntnis B) Predigtlied C) Taufgedächtnis D) Schuldbekenntnis und Vergebungsbitte E) Segnungen, die zum Sonn-(Fest-)Tag gehören Friedenszeichen Kollekte Lobpreis und Bitte Sonn-(Fest-)täglicher Lobpreis Hymnus Fürbitten (allgemeines Gebet) Vaterunser Lob/Danklied Abschluss Mitteilungen Segensbitte Entlassung (Abendlied, Morgenlied, Marienlied) Auszug Die Feier ist allerdings noch eindeutig als Ersatz für die sonntägliche Eucharistie und nicht als zusätzliche Feierform konzipiert. So liegt ihr die sonntägliche Leseordnung zugrunde. Aller­ dings ist die Kommunionspendung nur als Ausnahmefall vorgesehen, sie wird gegebenen­ falls nach dem Vaterunser eingeschoben. Eigenständige Elemente sind vor allem der Lobpreis mit dem Hymnus sowie je nach Anlass und Zeitansatz das Taufgedächtnis, die Segnungen, die

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5  Elemente und Ausdrucksformen des Gottesdienstes

Lichtdanksagung und die Weihrauchspende. Ein besonderes Ritual stellt die Verehrung des Wortes Gottes dar. Nicht unumstritten ist das »Lob- und Dankgebet«. Es bildet in Stellung, Form und Inhalt den euchologischen Höhepunkt der Feier, hat mit seinem lobpreisend-­ anamnetischen Charakter naturgemäß die Funktion einer Sonntags-Eucharistia und tritt ­damit in gewisse Konkurrenz zum Eucharistischen Hochgebet der Messe. Benedikt Krane­ mann resümiert: »Will man in Zukunft am sonntäglichen Lob- und Dankgebet festhalten, liegt hier eine besondere Aufgabe wie Verantwortung. Wird sie angenommen, könnte dieses Gebet durchaus paradigmatischen Charakter für liturgisches Beten in der Gegenwart erhalten« (Krane­ mann 2002, 233). Bei der Aufnahme der Wort-Gottes-Feier in das Gotteslob 2013 (GL 668–671) hat man sich für die Beibehaltung des Lobpreises entschieden und ein trinitarisches Lobpreisgebet abge­ druckt. Es mündet in den Gesang des Gloria oder Gloria-Lieds bzw. während der geprägten Zeiten in einen anderen geeigneten Gesang (GL 670,8–9). Gegenüber der sonntäglichen Feier ist die im Werkbuch für die Wochentage vorgeschlagene Struktur variabler. Hier werden fünf alternative Formen angeboten mit unterschiedlichem Schwerpunkt: Leseordnung der Messfeier an Werktagen, Evangelium, Lesung, Psalm, Heili­ gengedenken. Die festiven Elemente sind hier allerdings ausgespart. Eine Kommunionspen­ dung ist nicht vorgesehen. Die Wort-Gottes-Feier stellt eine der bedeutenden liturgischen Errungenschaften der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts dar. Allerdings muss sie noch aus dem Schattendasein der Ersatz­ form befreit werden. Gerade in einer Zeit, in der das Wort in vieler Hinsicht pervertiert wird und Wahrheit und Lüge im alltäglichen Leben oft kaum mehr zu unterscheiden sind, kommt der Feier des Wortes Gottes als wirksamem und unverbrüchlichem Wort der Wahrheit größte Bedeutung zu. Daher verdient nicht nur der Wortgottesdienst der Eucharistiefeier und der anderen Sakramentenfeiern besondere Aufmerksamkeit, sondern insbesondere die Feier des Wortes als solches in Form der Wort-Gottes-Feier erfordert Feierkompetenz der liturgischen Dienste und sorgfältige Vorbereitung. Nicht nur auf dem Altar, sondern auch am Ort der Ver­ kündigung des Wortes Gottes geschieht Vergegenwärtigung und Fortsetzung des PaschaMysteriums (vgl. Jeggle-Merz 2016, 165 f.). Die Gestaltung der liturgischen Feierräume hat hinsichtlich der liturgischen Orte und deren Zuordnung zur Gemeindeversammlung auf diese Gottesdienstform Rücksicht zu nehmen. Literatur Albert Gerhards, Nun sag, wie hast du´s mit der Kommunion? Die Gretchenfrage der WortGottes-Feier, in: AnzSS 126. 2017, 20–24. Birgit Jeggle-Merz, Das Wort will Ereignis werden. Prolegomena zu einer Theologie der WortGottes-Feier, in: Zwischen-Raum Gottesdienst. Beiträge zu einer multiperspektivischen Litur­ giewissenschaft, hg. v. Kim de Wildt  – Benedikt Kranemann  – Andreas Odenthal. Stuttgart 2016 (PTHe 144) 149–166.

5.2  Gebet in der Liturgie211 Benedikt Kranemann, Das »Lob- und Dankgebet« in der sonntäglichen Wort-Gottes-Feier. Zu Genese, Struktur und Theologie eines neuen Gebetselements, in: Wie das Wort Gottes feiern? Der Wortgottesdienst als theologische Herausforderung, hg. v. Benedikt Kranemann – Tho­ mas Sternberg. Freiburg/Br. [u. a.] 2002 (QD 194) 205–233. Wolfgang Meurer, Die Wort-Gottes-Feier als sacra celebratio. Ein nicht ausgeführter Beschluss des Konzils. Stuttgart 2019 (PTHe 167). Wie das Wort Gottes feiern? Der Wortgottesdienst als theologische Herausforderung, hg. v. Benedikt Kranemann – Thomas Sternberg. Freiburg/Br. [u. a.] 2002 (QD 194). Die Wort-Gottes-Feier. Eine Herausforderung für Theologie, Liturgie und Pastoral, hg. v. Bene­ dikt Kranemann. Stuttgart 2006.

5.2

Gebet in der Liturgie

Beten unterscheidet sich in vielfacher Hinsicht vom Alltagshandeln. Was für ein »Dialog« ist das, wenn man sich gewiss ist, keine direkte Antwort zu bekommen? Was sind die Bedingungen angemessener Gottesrede? Wie verhält sich das freie Beten zum Gebet in geprägten Formeln, wie das persönliche zu demjenigen in Gemeinschaft?

5.2.1 Gebet in der Spannung von Lebenserfahrung und Glaubens­ überlieferung Um auf diese Fragen antworten zu können, müssen der Gebetsakt als solcher sowie der Inhalt des Betens in den Blick genommen werden. Der Religionsphilosoph Richard Schaeffler behandelt das Gebet im Zusammenhang des Spannungsverhältnisses von Lebenserfahrung und Glaube. Im Gebet spricht immer ein konkreter Mensch, in dessen Sprechen gegenwärtige individuelle und gemeinschaftliche Lebenserfahrung eingeht. »Aber indem der Beter ein ›Gebetbuch‹ benutzt, stellt er diese seine gegenwärtige Lebenserfahrung in den Zusammenhang einer Überlieferung, in der das Beten seiner Vorfahren Gestalt gefunden hat. Die Überlieferung der Glaubensgemeinde und die gegenwärtige Lebenserfahrung des Beters legen sich gegenseitig aus.« Zwischen Glaubensüberlieferung und je gegenwärtiger Lebenserfahrung besteht somit ein Verhältnis von »hermeneutischer Gegenseitigkeit« (Schaeffler/616: 74). Dem Gebet des einzelnen Menschen geht ein immer schon erfahrenes Angesprochensein durch die Welt und die anderen Menschen in Geschichte und Gegenwart voraus. Diese passive Grundverfasstheit des Menschen wirkt sich in einem ständigen Prozess des Erleidens aus, worauf der Mensch als aktives Freiheitswesen Stellung beziehen und zu Antworten kommen muss. Das Gebet versteht sich unter diesen anthropologischen Grundkonstanten als eine spezifische Äußerung des sich vollziehenden, sich »selbst überschreitenden« Menschen.

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5  Elemente und Ausdrucksformen des Gottesdienstes

Gerade vom Rande seiner Möglichkeitsbedingung her, angesichts der Erfahrung der Gottesferne, lässt sich das Charakteristische des Gebetes in den biblischen Religionen erläutern. Aufgrund seiner Stellung in Altem und Neuem Testament eignet sich als Beispiel besonders Ps 22, der mit dem Aufschrei beginnt: »Mein Gott, mein Gott, warum hast Du mich verlassen?« Der Psalm spiegelt die Erfahrung der Zerstörung des Tempels und damit des Opferkultes durch die Babylonier wider, eine Erfahrung, die nach der Zerstörung des zweiten Tempels zu einer dauerhaften wurde. Der Tempel aber galt bis dahin als der Ort auf Erden, an dem der Name Gottes wohnte. Nach der Zerstörung stellt sich die Frage, wo Gott jetzt ansprechbar gegenwärtig ist. Auf diese Frage gibt der Psalm in Vers 4 Antwort: »Aber du bist heilig, du thronst über dem Lobpreis Israels«. Der Exeget Frank-Lothar Hossfeld deutet dies folgendermaßen: »Der alte Titel des unsichtbaren ›Cherubim-Thrones‹ im salomonischen Tempel (1 Sam. 4,4; 2 Sam. 6,2; Ps. 80,2. 99,1) wird spiritualisierend umgebildet« (Hossfeld – Zenger/607: 149). Dieser Gedanke ist revolutionär. Gott wohnt nicht mehr exklusiv an einem Ort, sondern überall da, wo sein Name gepriesen wird, wo Israel seine Psalmen singt: »Das Gebet hält dem ›Gott ohne Tempel‹, dem Gott ohne Raumstelle seiner je neuen Ankunft in der Welt, eine Stelle seiner Gegenwart offen. Zu solchem Psalmengesang berufen zu sein, eine solche Stelle der göttlichen Ankunft und Gegenwart in der Welt offen zu halten, ist nun die besondere Berufung der jüdischen Volks- und Glaubensgemeinde« (Schaeffler/616: 76). Das Gebet also bildet die Raum-Zeit-Stelle, den Kairos der Gegenwart Gottes an dem Ort und zu der Zeit des Psalmengesangs Israels. Nach christlichem Verständnis hat die Frage nach dem Ort des Thronens Gottes noch einmal eine Zuspitzung erfahren. Mk und Mt überliefern als Sterbeworte Jesu eben jenen Aufschrei der Gottverlassenheit von Ps 22 (Mk 15,34; Mt 27,46). Der zerrissene Vorhang im Tempel gibt den Blick auf das leere Allerheiligste frei (vgl. Mk 15,38; Mt 27,51). Denn das Aller­heiligste ist dort, wo der Gottessohn seinen Geist aushaucht. Gottes Gegenwart zeigt sich im Sterben des von Gott Verlassenen: »Wahrhaftig, dieser Mensch war Gottes Sohn!« (Mk 15,39; vgl. Mt 27,54). In der nachösterlichen Deutung des Geschehens ist Jesus Christus der unverbrüchliche Ort des Wohnens Gottes. Wo seine Jünger sich in seinem Namen versammeln, ist er mitten unter ihnen (vgl. Mt 18,20). Die Herrlichkeit Gottes, seine einst am Cherubim-Thron erfahrene Gegenwart (vgl. Jes 6,2), erfüllt nach der Erhöhung des Gekreuzigten zur Rechten Gottes nun Himmel und Erde (vgl. Sanctus der Messe). So findet auch hier ein Vorgriff auf die eschatologische Erfüllung am Ende der Zeiten statt. Das zentrale Gebet der Christen, das Vaterunser, ist in seiner Semantik durchaus ein jüdisches Gebet (Müller/613), indem es die Betenden mit der Heiligung des Namens in die Gegenwart Gottes stellt. Mit der Bitte um das Kommen des Reiches und um das Geschehenlassen des Willens Gottes »wie im Himmel so auf Erden« wird der Blick auf die Endzeit gerichtet. Diese ist aber bereits angebrochen. Im griechischen Text heißt es: »Und vergib uns unsere Schulden, wie auch wir unseren Schuldnern vergaben« (Gnilka/603: 212. 224–227). Die Vergebungsbereitschaft und -fähigkeit ist im Kontext des Vaterunsers keine Bedingung für die erbetene Vergebung durch Gott, sondern bereits Folge der im Kreuzestod Jesu erfahrenen Vergebung Gottes (Mt 26,28; vgl. das Kelchwort im Hochgebet: zur Vergebung der Sünden).

5.2  Gebet in der Liturgie213

In dem hier dargestellten Bezug des Gebets auf das »unvordenklich Vergangene« und das »unausdenkbar Zukünftige« übersteigt das persönlich getragene Gebet den Charakter eines privaten Ereignisses. Damit deutet sich der Übergang vom privaten zum gemeinschaftlichen Gebet an. Mit Letzterem geht ein Prozess der Institutionalisierung einher. Kriterien wie theologische Integrität, literarische Qualität, oratorische Gestik und ein – sicherlich schwer bestimmbares – Maß an »Objektivität« kennzeichnen diesen Übergang. Im institutionalisierten Gebet vollzieht sich für jeden einzelnen Beter in gemeinschaftlich-kirchlicher Verfasstheit ein Akt persönlicher Zueignung (nicht Aneignung!) zu einer tradierten und lebendigen Glaubensüberlieferung.

5.2.2 Voraussetzungen des liturgischen Gebets Wie kommt im liturgischen Gebet überhaupt ein Dialog zustande? Hier ist der Blick auf den Beginn des kirchlichen Stundengebetes eines jeden Tages aufschlussreich, das Invitatorium der ersten Tagzeit: »Domine, labia mea aperies  – et os meum annuntiabit laudem tuam: Gloria Patri …« (wörtlich: Herr, du wirst meine Lippen öffnen – und mein Mund wird deinen Ruhm verkünden: Ehre sei dem Vater …). Es handelt sich um das Zitat von Ps 51 (50), 17, mit dem auch das jüdische Gebet am Morgen beginnt. Im Einzelnen besagt der Vers in seinem liturgischen Kontext: »Herr«: Anaklese: Nennung des Namens (kyrios/dominus), den Gott geoffenbart hat als Voraussetzung dafür, in die Beziehung eintreten zu können. »Öffne mir die Lippen«: Epiklese: Bitte um Befähigung zum Sprechen und Ermächtigung zum Dialog, d. h. Gottes Ersthandeln ist notwendig, damit der Mensch seinerseits handeln kann. »Damit mein Mund dein Lob verkünde«: Ziel der Bitte: Befähigung zum Gotteslob/zur Anamnese der Heilstaten Gottes. Es handelt sich um eine Art Prophetie: Wenn Gott an mir handelt, mir die Lippen öffnet, dann bin ich fähig zu seinem Lob. Das gewohnte Verhältnis Lobpreis/Dank und Bitte (vgl. Kap. 3.2.3) ist hier umgedreht. Die Bitte geht nicht aus dem Lobpreis und der Danksagung hervor, sondern ist diesen vorgeschaltet. Während z. B. im eucharistischen Hochgebet der Messe Lobpreis und Dank das bereits konstituierte religiöse »Ich« und »Wir« voraussetzen, geht es hier erst um deren Konstitution. »Ehre sei dem Vater …«: Doxologie: Vollzug des (trinitarischen) Lobpreises, wie er dann im Lauf der Tagzeitenliturgie immer wieder vollzogen wird.

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5  Elemente und Ausdrucksformen des Gottesdienstes

Daran schließt sich seit Benedikt von Nursia der Invitatoriumspsalm an, Ps 95 (94). Im Prolog der Benediktusregel wird mit dem Psalm die grundsätzliche Haltung des Mönchs und des Christen begründet, mit »aufgeschrecktem Ohr« zu hören, »wozu uns die Stimme Gottes täglich mahnt und aufruft: ›Heute, wenn ihr seine Stimme hört, verhärtet eure Herzen nicht‹« (Häußling/604: 97). Es folgt im Psalm eine Zitatensammlung vor allem aus Num 14, wo auf das Abfallen Israels während der Wüstenwanderung mit dem Fluchschwur geantwortet wird: »Sie sollen nicht kommen in das Land meiner Ruhe!« Positiv gewendet: Wer heute auf Gottes Stimme hört, wird in das Gelobte Land gelangen. Dieses Heute ist der Kairos, den Gott täglich anbietet. Jeder Tag wird so zum Tag des Heils. Die Geschichte Israels wird zur Mahnung an jüdische wie an christliche Betende, das Heute ernst zu nehmen (Gerhards/306).

5.2.3 Das Heute Gottes in der Synthese der Zeit: In-eins-Fallen von ­Vergangenheit und Zukunft im Jetzt Nun geht es um die Frage, wie der Hiatus von der Vergangenheit zur Gegenwart im Gottesdienst zu überbrücken ist. Es handelt sich ja um einen existenziellen Vollzug, der vorbereitet sein muss. Dies kann nicht allein durch Glaubensunterweisung geschehen, sondern setzt bereits einen im Gebet vollzogenen Glaubensakt voraus. Wie kann aber dann im Gottesdienst jener Hiatus überwunden werden? Angelus A. Häußling hat dafür die Bezeichnung »zitierende Rollenidentifikation« ins Gespräch gebracht (Häußling/454). In diesem Zusammenhang ist von entscheidender Bedeutung, wie das religiöse »Ich« und das religiöse »Wir« zum gottesdienstlichen Akt konstituiert werden. Dazu bedarf es laut Richard Schaeffler seitens der Betenden der Synthese von Erlebnis und Erfahrung durch Gedenken, welches Identifikation und Identität ermöglicht. Denn für religiöse Identifikationsereignisse spielt Partizipation eine besondere Rolle; d. h. im christlichen Kontext die Erfahrung der Teilhabe am Lebensschicksal Jesu durch ständig wiederholtes Erzählen der Ereignisse seines Lebens, Sterbens und Auferstehens. Durch die Deutung der eigenen Lebenserfahrung im Licht des Evangeliums im Gottesdienst geschieht »Verknüpfung der Erinnerung und Erwartung in der Gegenwart«. Schaeffler präzisiert: »Alles, was in der gottesdienstlichen Feier gesagt und getan wird, erhält seinen Inhalt aus der rühmenden Erinnerung an das, was Gott schon gesagt und getan hat. Die Erinnerung gibt also der religiösen Feier ihren Gehalt. Aber zugleich muß gesagt werden: Die Feier gibt diesen Erinnerungsinhalten erst ihre wirksame Gegenwart« (Schaeffler/501: 17). Die Gegenwart, in der sich das religiöse Ich und Wir aus der Verbindung von erinnerter Vergangenheit und erwarteter Zukunft bilden, wird nicht in einem abstrakten Akt des Denkens oder in der reinen Innerlichkeit eines Vorstellens vollzogen, sondern in der Sprachhandlung der Namensanrufung, »in der der Mensch in die Korrelation mit Gott eintritt, in dieser Begegnung mit ihm die längst gewirkten Heilstaten Gottes als gegenwärtig erfährt, und zwar so, daß damit auch Gottes künftig erhoffte Heilstaten zeichenhaft, aber wirksam vorweggenommen erscheinen« (ebd. 34). In diesem Sinne ist die aktuierte Gottesbeziehung dem gottesdienstlichen Handeln logisch vorgeordnet: Sich von Gott beim Namen gerufen zu wissen und seinen Namen anzu-

5.2  Gebet in der Liturgie215

rufen, bilden die Voraussetzungen der Deutung des gottesdienstlichen Geschehens als Dialog. Dieser besteht in einem Akt preisenden (eulogischen) Gedenkens und vertrauensvollen Bittens. Somit erweist sich das liturgische Gebet vielmehr als Ausdruck göttlichen Geschehen-Lassens denn als Artikulation persönlicher Wünsche und Bitten. Im konstitutiven Akt der Namensanrufung zeigt sich auch die Verbundenheit von Mensch und Gott als zweier aufeinander bezogener Subjekte im Gebetsgeschehen. Liturgietheologisch wichtig ist hier die Überlegung, dass die verschiedenen liturgischen Formen, die eine Synthese der Zeit im Eingedenksein der Gemeinde bezeugen, von der verheißenen, pneumatischen Gegenwart des auferstandenen Gekreuzigten durchdrungen bzw. »durchkreuzt« werden. Daher wird im synthetisierenden Zeitbewusstsein der Gläubigen, wenn also die Gemeinde des Pascha-Mysteriums Jesu Christi gedenkt, dessen verborgene Nähe im Jetzt der liturgischen Feier erfahrbar (vgl. Wahle/617).

5.2.4 Theologische Grundstrukturen jüdisch-christlicher Gebetsweisen Für das rechte Verständnis der spezifischen Weise jüdischen wie christlichen Betens ist es wichtig zu erkennen, dass vor dem Beten das Hören kommt. Wie Schaeffler schreibt, gibt das »Höre, Israel« (Dtn 6,4–9; 11,13–21), das jüdische Glaubensbekenntnis, zwar allem jüdischen Beten, Leben und Denken die spezifische Gestalt, aber es ist nicht eigentlich ein Gebet: nicht der Mensch ruft Gott an, sondern Gott den hörenden Menschen. Hat der jüdische Gläubige aber jene Worte »vor die Augen und auf sein Herz« gebunden, die ihn ins Hören rufen, so ist er fähig zu sprechen und sein Lob wie seine Bitte an Gott zu richten. Lobpreis und Bitte sind, wie noch zu zeigen ist, keine gegensätzlichen Akte, sondern bedingen einander. Dem »Höre, Israel« folgt im privaten wie im gemeinschaftlichen jüdischen Gebet jenes Gebet, das schlicht »Das Gebet« (»ha Tefilla«) genannt wird oder auch Achtzehn-­ Bitten-Gebet, auf Grund seiner achtzehn (später neunzehn) Bitten, und das mit dem Vaterunser der Christen verwandt ist (vgl. Anhang 5; vgl. Identität durch Gebet/608). Diese Bitten spiegeln die unterschiedlichsten Erfahrungsfelder jüdischen Lebens wider und enden mit einer zusammenfassenden Benediktion (Berakha), die mit einer kurzen Preisung beginnt. »Die zusammenfassende Benediktion ruft Gott jeweils rühmend als denjenigen an, der immer schon getan hat und noch gegenwärtig tut, was er nach Absicht des Bittenden auch jetzt und in Zukunft tun möge« (Schaeffler/616: 84). Angelus Häußling charakterisiert das biblische wie das jüdische Beten: »Gebet zum Gott Israels ist immer Bekenntnis zu diesem Gott, der sich in Taten des Heils, des Gerichtes, in Botschaften der Propheten offenbarte. Er offenbart sich und nimmt die von ihm Angesprochenen und ihn Hörenden in die mit einem Bund besiegelte Pflicht des befreienden Bekenntnisses« (Häußling/606: 52 f.; vgl. Ebenbauer/595: 65). Eine den jüdischen Gebetsweisen analoge Struktur und Funktion findet sich in christlichen Gebeten wieder, im eucharistischen Hochgebet, aber auch in der für die römische Liturgie typischen Oration, dem Kollektengebet (vgl. Kap. 3.3; 4.1.4 u. 5.2.5.1). Die bei aller Vergleichbarkeit dennoch unterschiedliche Akzentuierung in jüdischen und christlichen Gebeten hängt nicht zuletzt mit den unterschiedlichen eschatologischen Perspektiven zu-

216

5  Elemente und Ausdrucksformen des Gottesdienstes

sammen. In den alttestamentlichen und jüdischen Texten herrscht durchwegs eine Struktur vor, die das bittende Element als organische Kehrseite der lobpreisenden Anamnese erscheinen lässt – angesichts der offenen Gegenwartssituation und aufgrund der Hoffnung auf eine von Gott gemäß seiner Treue und Bundeszusagen verheißenen Zukunft. Dies lässt sich auch für das Achtzehn-Bitten-Gebet nachweisen, das mit dem aus der christlichen Liturgie bekannten Invitatorium »Ewiger, öffne meine Lippen, dass mein Mund dein Lob verkünde« beginnt. Darauf folgt ein längerer Lobpreis, in dem gesagt wird, dass Gott der Frömmigkeit der Väter gedenkt. So heißt die sechste Bitte: »Vergib uns, unser Vater, denn wir haben uns [gegen dich] verfehlt. Verzeih uns, unser König, denn wir haben Unrecht getan. [Denn du bist doch gütig und vergebend.] Gepriesen seist du, Ewiger, der gnädig ist und dessen ­Geduld zu vergeben unendlich ist« (vgl. Anhang  5). Die jüdische Glaubensgemeinschaft weiß sich auf einem Weg, der nach vorn, in die Zukunft hinein offen ist. Sie gibt sich in Lob, Dank und Bitte der Führung Gottes anheim und erfährt durch solches Beten zugleich ­Gottes Segen. Dieses Verhältnis ist in den christlichen Gebetstexten nicht mehr selbstverständlich anzutreffen. Nach Peter Ebenbauer lässt sich zeigen, dass die auf Jesus und die endzeitliche Gabe und Wundertat Gottes zielende Danksagung auf Grund der göttlichen Bedeutung Jesu und ihrer davidisch-messianischen Interpretation den Vorrang gegenüber der Lobpreisung Gottes und dem Segen gewinnt, und dass die epikletischen Elemente nun nicht mehr die natürliche Kehrseite des Lobes bzw. Dankes darstellen, sondern eine spezifische eschatologische und ekklesiologische Zuspitzung erfahren haben (Ebenbauer/595 u. 596). Durch Jesus ist für die Christusglaubenden die Gegenwartssituation grundsätzlich nicht mehr im ­Imperfekt einer offenen Geschichte angesiedelt, sondern im Perfekt der endzeitlichen Epiphanie Gottes. Die epikletische Dimension konzentriert sich hier auf das Flehen nach der Ratifizierung dieser Epiphanie an allen Orten dieser Welt, insbesondere am jeweiligen Wirkungsort der Ekklesia (sakramentale Dimension). Daraus ist unter anderem zu schließen, dass eine lineare Entwicklung etwa des eucharistischen Hochgebets aus der jüdischen Be­rakha trotz struktureller Verwandtschaft nicht angenommen werden kann (vgl. Kap. 3.2). Speziell in der römischen Liturgietradition findet sich die erwähnte Konzentration auf das epikletische Beten. Dies gilt neben der Oration vor allem für das eucharistische Hoch­ gebet, den Canon Romanus, der jedoch trotz seiner (mit Ausnahme der Präfation und des Sanctus) rein epikletischen Redestruktur (mit anamnetischen Einschüben) die theologische Integrität des altkirchlichen Erbes bewahrt (zur Struktur des eucharistischen Hochgebets vgl. Kap. 5.2.5.2). Peter Ebenbauer resümiert: »Lobpreis und Danksagung, preisend-segnendes Gedenken Gottes, bilden das gemeinsame theologische wie kultlogische Fundament jüdischen wie christlichen Gottesdienstes und Gebetes. In ihnen gründet das für jüdische wie für christliche Liturgie so eigentümliche Verhältnis zu Zeit und Geschichte. … Solches Gebet zeitigt in seiner sprachlichen Struktur zumeist auch eine epikletische Gebärde im weitesten Sinn des Wortes bzw. einen ihr entsprechenden Sprachausdruck. … Gottes Kommen und Beistehen in der Figur des biblisch verbürgten Zeugnisses von der Kraft seines unaussprechlichen Namens gewinnt

5.2  Gebet in der Liturgie217

symbolische Effektivität im epikletischen, auf- und herbeirufenden Gestus innerhalb der anamnetisch umfassten Gebetseuchologie« (Ebenbauer/595: 67 f.). Insbesondere die Erfahrungen der Schoah haben dafür sensibilisiert, neben den erwähnten Gebetsweisen von Lob, Danksagung und Bitte auch die Klage als einen adäquaten Ausdruck jüdisch-christlicher Gottesbeziehung anzuerkennen. Die Gottes-Klage ist als eine eindeutig biblisch bezeugte Gebetsform anzusehen. Hierbei wird vor allem der Widerspruch der Prädikation von Gottes Macht und Güte angesichts der Zustände in der Welt ins Wort gehoben. Die Klage findet ihr theologisches Fundament in der geistgewirkten Hoffnung des glaubenden Menschen, die als Angeld eschatologischer Heilswirklichkeit jedem Getauften verliehen ist (vgl. Röm 8,23–25). Bei allen Unterschieden wie Gemeinsamkeiten vor allem mit Blick auf Identität, Zeit bzw. Gebetszeit und Bekenntnis besteht für Judentum und Christentum die Aufgabe, durch Gebet und Gottesdienst die Verwiesenheit auf Gott in der Gegenwart wachzuhalten. Das Morgengebet beispielsweise kann hier wie dort als Ausdruck kairologischer, also qualifizierter Zeit mit Gott interpretiert und als Beitrag zu einer Kultur bewusster Zeit gelebt werden. »Zeit als von Gott geschenkte Strukturierung und Rhythmisierung in Tagzeiten, Leben und Geschichte kann so als für die Begegnung mit Gott im Gebet zur Verfügung gestellte Zeit empfunden werden. Bewusste liturgische wie religiöse Strukturierungen und Unterbrechungen des Tages, angefangen am Morgen, eröffnen auf diese Weise Momente der Freiheit. In diesen Momenten nimmt sich der Betende Zeit, um sich von sich selbst und seinen alltäglichen Aufgaben und Verpflichtungen abzuwenden und über sich selbst hinaus zu gelangen.« (Frenzel/598: 262)

5.2.5 Formen und Formeln des liturgischen Gebets Im Folgenden kommen ohne Anspruch auf Vollständigkeit einige Grundformen liturgischer Gebetsvollzüge zur Sprache, die vor allem für die römische Liturgie charakteristisch sind: Oration, Eucharistiegebet, Doxologie, Akklamation und Litanei (vgl. die entsprechenden Kapitel in Berger/2).

5.2.5.1

Die Oration (Kollektengebet)

Die Gestalt der römischen Messfeier ist wesentlich bestimmt von den drei sog. Kollektengebeten (collecta = Sammlung) am Ende des Eröffnungsteils (oratio, Tagesgebet), der Gabenbereitung (super oblata, früher: secreta, Gabengebet) und der Kommunion (post communionem, Schlussgebet). Das Tagesgebet fungiert in der Regel auch als Oration in den Horen der Tagzeitenliturgie. Die Euchologie der Kollektengebete bestimmt in hohem Maß die Theologie der Messfeier (Haunerland/329). Das heutige Tagesgebet der Osternacht lautet im Lateinischen (Missale Romanum/50: 280):

218

5  Elemente und Ausdrucksformen des Gottesdienstes

Oremus. Deus, qui hanc sacratissimam noctem gloria dominicae resurrectionis illustras, excita in Ecclesia tua adoptionis spiritum, ut, corpore et mente renovati, puram tibi exhibeamus servitutem. Per Dominum. In der Übersetzung des Messbuchs hat die Oration folgende Struktur (Meßbuch/50: [92]): Einladung: Lasset uns beten. (Gebetsstille) Anrede (Anaklese): Gott, Prädikation (Anamnese): du hast diese Nacht hell gemacht durch den Glanz der Auf­ erstehung unseres Herrn. Bitte (Epiklese): Erwecke in deiner Kirche den Geist der Kindschaft, (Anamnetischer Einschub): den du uns durch die Taufe geschenkt hast, Erbetene Folge: damit wir neu werden an Leib und Seele und dir mit aufrich­ tigem Herzen dienen. Konklusion (Doxologie): Darum bitten wir durch Jesus Christus, deinen Sohn, unseren Herrn und Gott, der in der Einheit des Heiligen Geistes mit dir lebt und herrscht in alle Ewigkeit. Akklamation: Amen. Die Oration hat eine anamnetisch-epikletische Grundstruktur, wobei in der deutschen Übersetzung das paulinische Motiv »Geist der Kindschaft« durch einen anamnetischen Einschub mit Hinweis auf die Taufe erläutert wird. Der indikativischen Anrede »Gott« (ohne weitere Attribute) schließt sich die relativische Prädikation an, die Gott rühmend und dankend als den benennt, der von Anfang an und immer wieder bis heute getan hat, worum er im zweiten, deprekativen Teil der Oration gebeten wird. Die Bitte ist noch einmal zu unterteilen in die eigentliche Bitte und die erbetene Folge. Die Konklusion ist in der Tradition der römischen Oration nicht eine ausdrückliche Doxologie im Sinne einer Lobpreisung, wenngleich sie implizit diese Funktion ausübt (dies ist im Deutschen durch die Erweiterung des »per dominum« mit »Darum bitten wir …« verdunkelt).

5.2.5.2 Die Struktur des eucharistischen Hochgebets Die Gattung »Hochgebet«, zu der neben dem eucharistischen Hochgebet auch die anderen sakramentlichen Weihe- und Segensgebete gehören, hat ebenfalls eine anamnetisch-epikletische Grundstruktur (vgl. das Textbeispiel im Anhang 2.3). Der anamnetische Abschnitt lässt sich je nach Eigenart und Provenienz mitunter in einen preisenden (Eulogia) und dankenden (Eucharistia) Teil aufgliedern (vgl. Kap. 3.2). In diese Grundstruktur ist bei der Eucharistie das Mahlgeschehen eingefügt: der Einsetzungsbericht in Form eines Einschubs (Embolismus), der je nach eucharistischer Tradition einen unterschiedlichen Stellenwert hat

5.2  Gebet in der Liturgie219

und sogar wegfallen kann, wobei eine Bezugnahme auf die Einsetzung der Eucharistie durch Jesus zum Gedächtnis seines Todes und seiner Auferstehung in jedem Fall vorkommt (Anaphora der Apostel Addai und Mari; vgl. Meßner – Lang/611). Der Einsetzungsbericht ist je nach Tradition stärker dem anamnetischen (so in der westsyrischen Tradition) oder dem epikletischen Abschnitt zugeordnet (so in der römischen Tradition). Innerhalb des »eucharistischen Blocks« findet eine Wende vom Gedenken (Vergangenheit) zur Bitte (Zukunft) statt: gedenkend (memores) des Todes und der Auferstehung bringen wir die Gaben dar (offerimus) und bitten (et petimus). Insofern kann das Hochgebet nur auf theoretischer Ebene in anamnetische und epikletische Abschnitte unterteilt werden. Unter gebetspragmatischer Hinsicht bilden sie hingegen eine unauflösliche Einheit, quasi die beiden Seiten einer einzigen Medaille. Im Eingedenksein des Pascha-Mysteriums Jesu Christi vollzieht sich die Gabendarbringung und die Bitte um eschatologische Durchsetzung und Vollendung der in Jesus Christus angebrochenen Gottesherrschaft. Anamnetische Abschnitte Preisendes Gedenken, Eulogia und/oder Eucharistia Institutio Einsetzungsworte und »spezielle Anamnese« mit »Epiklese«: memores – offerimus – et petimus Epikletische Abschnitte Bitte um Gewährung und Vollendung Einen Höhepunkt unter den Eucharistiegebeten der christlichen Ökumene stellt in struktureller und inhaltlicher Hinsicht die ägyptische Basilios-Anaphora dar. Nach Achim Budde (Budde/594: 206) hat sie folgende Einteilung: 1. Schöpfungslobpreis 2. Heilsgedächtnis 3. Einsetzungsbericht 4. Epiklese 5. Memento 6. Doxologie Schöpfungslobpreis (mit Sanctus) und Doxologie bilden den doxologischen Rahmen (vergleichbar der Eröffnungs- und Schlussberakha in komplexeren jüdischen Gebeten). Heilsgedächtnis und Einsetzungsbericht werden dem anamnetischen, Epiklese und Memento (Interzessionen) dem epikletischen Teil zugerechnet. Das »Mahlgeschehen« bildet mit Einsetzungsbericht und Epiklese (in welche die »spezielle Anamnese« aufgrund ihrer grammatikalischen Abhängigkeit eingeschlossen wird) die Klammer zwischen den beiden Teilen. Die Brücke bildet das präsentische Tun: »Wir bringen dar«. Von den Hochgebeten des Römischen Messbuchs entspricht das vierte dieser Struktur am ehesten, da es – allerdings unter Einfügung einer sog. Wandlungsepiklese vor dem Einsetzungsbericht – der Anaphora antiochenischen Typs nachempfunden ist:

220

5  Elemente und Ausdrucksformen des Gottesdienstes

1. Schöpfungslobpreis (nicht austauschbare Präfation mit Sanctus) 2. Heilsgedächtnis 3. »Wandlungsepiklese« 4. Einsetzungsbericht 5. Anamnese und Darbringung 6. »Kommunionepiklese« 7. Interzessionen (Memento) 8. Schlussdoxologie Das 2. Hochgebet (vgl. Anhang 2.3), das sich an die Anaphora der sog. »Traditio Apostolica« anlehnt (vgl. Kap. 3.2.4), hat eine ähnliche Struktur, jedoch ohne ein entfaltetes Heilsgedächtnis. Diese Grundstruktur weist nicht nur das eucharistische Hochgebet auf. Vielmehr kennt die liturgische Tradition zahlreiche analoge Weihe- und Segensgebete, die nach dem gleichen anamnetisch-epikletischen Grundmuster geschaffen sind (z. B. Taufwasserweihegebete, Ölweihegebete, Trauungssegen, Ordinationsgebete, Kirch- und Altarweihegebete). Der Canon Romanus, das in der Zeit zwischen dem 4. und 7. Jahrhundert entstandene Eucharistiegebet der römischen Liturgie (Schmitz/406), hat zwar auch eine anamnetischepikletische Grundstruktur, wurde aber redaktionell so bearbeitet, dass die verschiedenen Gebetsvollzüge symmetrisch um die Einsetzungsworte gruppiert sind. In Anlehnung an Johannes H. Emminghaus (Emminghaus/597, Anhang II) ergibt sich folgendes, freilich recht schematisiertes Bild: E1

Preisung (Danksagung) in Dialog / Präfation (wechselnd) / Sanctus

D1

Überleitung (Te igitur) und Annahmebitte

C1

1. Memento der Lebenden: Kirche, Papst, Bischof, Teilnehmende 1. Heiligenliste (Communicantes, mit anamnetischen Festeinschüben)

B1

1. Darbringungsformel (Hanc igitur) 1. (Wandlungs-)Epiklese (Quam oblationem)

A Einsetzungsworte (Qui pridie): Brot / Wein [Akklamation] Anamnese (Unde et memores, geht über in:) B2

2. Darbringungsformel (Supra quae) 2. (Kommunion-)Epiklese (Supplices te rogamus)

C2 2. Memento der Verstorbenen Bitte für die Zelebranten (Nobis quoque), geht über in: 2. Heiligenliste D2 Abschlusssegnung (Per quem) E2

Preisung der Schlussdoxologie

Kurzinformation: Eucharistiefeier221

Kurzinformation: Eucharistiefeier 1. Die Genese der Messfeier und ihrer Theologie Die Feier der Eucharistie gilt in allen altkirchlichen Traditionssträngen und auch in den meis­ ten neuzeitlichen als die vornehmste Gottesdienstform. Die Liturgiekonstitution behandelt sie im zweiten Kapitel (Art. 47–58). Ihre Feiergestalt war und ist in synchroner wie diachroner Hinsicht freilich sehr unterschiedlich (vgl. 3.). Die Unterschiede betreffen nicht nur die rituelle Ausgestaltung, sondern auch das theologische Grundverständnis. Die jeweils neuen kulturel­ len und zeitgeschichtlichen Herausforderungen führten zu mitunter gravierenden Verände­ rungen, auch nachdem die textliche Grundgestalt bereits weitgehend fixiert war. Aufgrund der fundamentalen Bedeutung der Eucharistie für die Kirche ist zu fragen, worin bei aller Verschiedenheit der theologischen Positionen und der konkreten Praxis das Kontinuum besteht. Es ist zunächst im sog. Mandatum der Abendmahlserzählungen zu sehen »Tut dies zu meinem Gedächtnis« (Lk 22,18; 1 Kor 11,24 f.), dem Paulus eine theologische Begründung hin­ zufügt: »Denn sooft ihr von diesem Brot esst und aus diesem Kelch trinkt, verkündet ihr den Tod des Herrn, bis er kommt« (1 Kor 11,26). Damit wird die für die Kirche wesentliche eschatolo­ gische Perspektive eingebracht. Sie spielt in Zukunft bei der Feier der Eucharistie stets eine Rolle, aber doch auf sehr unterschiedliche Weise. Die Kirche weiß sich verpflichtet, in der überlieferten Weise das Gedächtnis zu feiern, und darin besteht ein wesentlicher Teil ihrer Existenzberechtigung. Konstanten sind die Mahlelemente, das Brot und – freilich nicht im­ mer – der Wein. Im Mahlgeschehen vergewisserte man sich schon in apostolischer Zeit und der Zeit danach der Gegenwart des gekreuzigten und auferstandenen Kyrios. Je nach Ort und Zusammensetzung der Gemeindeversammlung konnte der Rahmen mehr vom jüdischen Festmahl oder vom hellenistischen Symposium bestimmt gewesen sein. So lange die Naher­ wartung der Wiederkunft Christi die Mentalität der Christen prägte, war der Gedanke der Vorwegnahme der ersehnten Wiederkunft bei der Mahlfeier vorherrschend, der sich im Ruf »Maranatha – Komm, Herr Jesus« (1 Kor 16,22; Offb 22,20) artikulierte und in den sog. KommEpiklesen der apokryphen Thomas-Akten noch Jahrhunderte später erhalten hat. In dieser Zeit ist noch mit einer eher charismatischen, wenn auch nicht gänzlich ungeordneten Struktur der Feier zu rechnen. Literarische Zeugnisse aus dieser Zeit, wie etwa aus der Didache (um 100; s. 3.2.4) sind äußerst selten. Die Parusieverzögerung und die daraus resultierende Krise führte unweigerlich zur Herausbildung kirchlicher Strukturen sowohl des Amtes als auch der Litur­ gie. Bis zum vierten Jahrhundert bildeten sich die sakramentalen Strukturen heraus. Für die Eucharistie bedeutet dies: der Glaube an die personale Präsenz Christi beim Brechen des Brotes und Teilen des Weins verlagerte sich auf die Realpräsenz in den Gaben. Nun bekommt das mit dem Austeilen verbundene Wortgeschehen eine neue, stets zunehmende Relevanz. Durch das Wort wird der Materie eine andere Wirklichkeit zugesprochen, wie es schon in der ersten Apologie des Justin (um 150) heißt: durch das Wort des Gebetes (di‘ euches logou). Zu­ nehmend interessiert die Frage, auf welche Weise die Heiligung bzw. Wandlung der Gaben durch das Gebetswort zustande kommt, und damit zusammenhängend, wer der »Konsekra­ tor« ist. In den archaischen Texten ist es der Logos-Christus oder der Hl. Geist, dessen Kommen

222

5  Elemente und Ausdrucksformen des Gottesdienstes

herabgefleht wird. Die aus dem 2. oder 3. Jh. stammende ostsyrische Anaphora der Apostel Addai und Mari konzentriert sich ganz auf die Bitte um das Kommen des Geistes und dessen Wohnen in den eucharistischen Gaben, ohne die Einsetzungsworte zu zitieren. Diese sind zwar in allen anderen liturgischen Traditionen des Ostens und Westens seit ihrer literarischen Fixierung fester Bestandteil des Eucharistiegebets, ihre theologische Gewichtung variiert je­ doch. Wertet der Osten das ganze Hochgebet konsekratorisch mit dem Schwerpunkt auf der Epiklese nach den Einsetzungsworten, so konzentriert sich der Westen auf die Verba Testa­ menti als Konsekrationsworte, die zunehmend isoliert betrachtet und aus dem Zusammen­ hang des Canon Romanus herausgerissen werden. Demzufolge wird als der eigentlich Han­ delnde nicht mehr Gott angesehen, der durch seinen Geist (oder im Canon Romanus: durch seinen Engel) die Wandlung bewirkt, sondern der Priester, der kraft seiner Weihe in persona Christi handelt. Liturgie – insbesondere Eucharistie – ist als actio liturgica in erster Linie kulti­ sches Handeln, Opfer der Kirche. Im Unterschied dazu hat der Osten die Liturgie mehr als akoluthia entfaltet, als das Ausführen eines heiligen Dramas gott-menschlichen Synergismus (vgl. das Cherubikon beim Großen Einzug der Chrysostomus-Liturgie). Der Umschlag im Verständnis der römischen Liturgie beginnt schon früh. Er lässt sich nach Andreas Odenthal in die Formel fassen »von der Gemeindeeucharistie zur Gedächtniseucha­ ristie« (Odenthal 2019). Zwar spielt auch in den ostkirchlichen Liturgien das Gedenken eine große Rolle, doch ist es in der »Himmlischen Liturgie« verortet, an der die irdische teilhat. In Rom verlagerte sich das Gedenken bereits in der Spätantike an die Gräber der Märtyrer, auf denen Kirchbauten ohne Gemeinden errichtet werden, auf deren Altären ständig Messen ohne Gemeinde stattfinden. Dies vervielfachte sich ab der Karolingerzeit durch Reliquien­ translationen und Multiplizierung der Altäre in den Kirchen. Es ist eindeutig, dass die Eucha­ ristie – hier oft nur von einem Priester unter Assistenz einer weiteren Person vollzogen – etwas anderes aussagt als beim Paradigma Gemeindeeucharistie. Die Feier des Messopfers auf dem irdischen Altar über den Märtyrerreliquien (später auch über den Reliquien anderer Heiliger) gewährleistet die Verbindung mit der Communio Sanctorum am himmlischen Altar, auf den der heilige Engel nach den Worten des Canon Romanus die eucharistischen Gaben emportra­ gen möge, von dem sie als gewandelte empfangen werden. Mit dem Zerbrechen dieser pla­ tonischen Einheitssicht im Mittelalter verlagerte sich der Schwerpunkt infolge der Eucharistie­ streitigkeiten immer mehr auf die Konsekrationsvollmacht des Priesters, dessen Worte gemäß dem aristotelischen Materie-Form-Schema die Wandlung vollziehen. Die dadurch angesam­ melten Messopferfrüchte konnten anderen, insbesondere den Verstorbenen, zugeeignet werden. Dementsprechend gipfelte die Eucharistie nicht in der Kommunion, sondern in der Elevation der gewandelten Gaben, die mit der ständigen Aussetzung des Allerheiligsten in der Monstranz eine Verstetigung erfuhr. Die Konstruktion des barocken Einheitsraums, der auf den Hochaltar mit Expositorium ausgerichtet ist, trug dem Rechnung. Letztlich ging es immer um die Frage, wie das einmalige Opfer des Neuen Bundes durch die Zeiten hindurch im Hier und Jetzt heilswirksam sein kann, eine Fragestellung, die erst im 20. Jh. durch die Myste­ rientheologie Odo Casels und durch die Integration der jüdischen Kategorien des Gedenkens in die christliche Theologie aus ihrer Aporie befreit werden konnte.

Kurzinformation: Eucharistiefeier223 Die Engführungen der Eucharistietheologie und -praxis wurden immer wieder beklagt, und es wurde unterschiedlich darauf reagiert. Die Liturgiereformen der Reformationskirchen wa­ ren eine Weise, katholische Reform, Aufklärung und Restauration eine andere. Die moderne Liturgische Bewegung versuchte, die verlorengegangenen Dimensionen der Gemeindeeu­ charistie zu reintegrieren, insbesondere die Verkündigungsdimension und den Gemeindebe­ zug, die »tätige Teilnahme« in ihren verschiedenen Dimensionen. Dies führte im Zuge der Li­ turgiereform des Zweiten Vatikanischen Konzils zu einer generellen Neuordnung der gesamten Feierstruktur in ihren Dimensionen Festkalender, Leseordnung für die Messfeier, Messordo mit den feststehenden Teilen sowie den wechselnden Messgebeten, -gesängen und rituellen Vollzügen. Insgesamt sollte die christologische Mitte der Eucharistiefeier vor al­ lem an den Sonntagen wieder deutlicher zum Vorschein treten. Im Verlauf der Reform war bald klar, dass infolge der grundsätzlichen Öffnung für volkssprachliche Liturgie keine lateini­ schen Sprachinseln verbleiben konnten, was zu einer stärkeren Dezentralisierung und Diver­ sifizierung führte. Dies betrifft insbesondere den liturgischen Gesang als genuinen Ort der tätigen Teilnahme der Gemeinde. Hier besteht vor allem in Ländern, die keine ausgeprägte Kirchenliedtradition kennen, noch immer erheblicher Nachholbedarf. Aber auch in den vor­ nehmlich gemischt-konfessionellen Ländern mit großer Kirchenliedtradition sind nach wie vor Defizite in Bezug auf liturgiegerechten Gemeindegesang festzustellen (vgl. 5.4.6). Gegenüber dem ganz auf das Messopfer zentrierten Verständnis der älteren Form, nach dem der Wortgottesdienst lediglich die »Vormesse« darstellte, sprechen die nachvatikanischen Dokumente von zwei Hauptteilen, die eine einzige Gottesdienstfeier bilden (AEM 8). Sie wer­ den gerahmt durch einen Eröffnungs- und einen Schlussteil. Die Leseordnung wurde nach Maßgabe des Konzils stark erweitert (vgl. 5.1.2). Mit dem am 1. Advent 2018 beginnenden Lese­ jahr C begann die Herausgabe der dritten Auflage des Messlektionars für die Sonn- und Feier­ tage mit der neuen Einheitsübersetzung von 2016. Obwohl Papst Paul VI. das Missale von 1970 auf der Traditionslinie des Missale von 1570 im Sinne der Kontinuität und substantiellen Identität verstanden wissen wollte, stellte Papst ­Benedikt XVI. mit seinem Motu proprio »Summorum pontificum« im Jahr 2007 die gesamte liturgische Ordnung vor der Liturgiereform nach dem letzten Stand (1962) unter Papst Johan­ nes XXIII. als außerordentliche Form neben die geltende ordentliche. Auch wenn er die Be­ zeichnung Ritus für die beiden Varianten vermied, so koexistieren doch seitdem innerhalb der lateinischen römisch-katholischen Kirche zwei Ritensysteme. Je nach Betrachtungsweise sind die Unterschiede mehr oder weniger gravierend. Dies sei an einem konkreten Beispiel darge­ stellt. Vergleichbar ist selbstverständlich nur die lateinische Grundform der erneuerten Litur­ gie mit ihren gregorianischen Gesängen: 2. Die »alte« und die »neue« Messe – ein Vergleich Missale Romanum 1962: Fünfter Sonntag nach Ostern Graduale Romanum Farbe: Weiß

Missale Romanum 1970: Sechster Ostersonntag (B) Graduale Triplex Farbe: Weiß

224

5  Elemente und Ausdrucksformen des Gottesdienstes

Introitus: Vocem iucunditatis annuntiate (Jes 48,20; Ps 65)

Introitus: Vocem iucunditatis annuntiate (Jes 48,20; Ps 65)

Stufengebet (Altarassistenz, leise)

Eröffnung, Bußakt (gemeinsam)/Varianten

Kyrie

Kyrie

Gloria

Gloria

Collecta: Deus, a quo bona cuncta procedunt

Collecta: Fac nos, omnipotens Deus, hos letitiae dies

Lesung: Jak 1,22–27

1. Lesung: Apg 10,25–26.34–35.44–48

1. Alleluja: Surrexit Christus

Antwortgesang: Surrexit Christus (A)

2. Alleluja: Exivi a Patre

Antwortgesang: Exivi a Patre (B) 2. Lesung: 1 Joh 4,7–10 Alleluja: Ego vos elegi

Evangelium: Joh 16, 23–30

Evangelium: Joh 15,9–17

(Homilie?)

Homilie

Credo

Credo Fürbitten

Offertorium: Benedicite, gentes

Offertorium: Benedicite, gentes

Secreta: Suscipe, Domine, fidelium preces

Super oblata: Ascendant ad te, Domine, preces nostrae

Präfation: Von der hl. Osterzeit

Präfation: Osterzeit (Auswahl)

Sanctus

Sanctus

Canon Romanus

Prex Eucharistica I-III (alternativ) Akklamation »mortem tuam«

Vaterunser mit Embolismus

Vaterunser mit Embolismus Doxologie: quia tuum est regnum …

Friedensgebet (still)

Friedensgebet (laut)

Pax (nur Kleriker)

Friedensgruß (alle)

Agnus Dei

Agnus Dei

Ecce Agnus Dei … Domine … (sukzessiv PriesterGläubige)

Ecce Agnus Dei … Domine (gemeinsam)

Kommunion

Kommunion

Communio: Cantate Domino

Communio: Ego vos elegi

Postcommunio: Tribue nobis, Domine …

Post communionem: Omnipotens sempiterne Deus, qui ad aeternam vitam in Christi resurrec­ tione nos reparas …

Segen

Segen

Ite, missa est

Ite, missa est

Schlußevangelium (Joh 1)

Kurzinformation: Eucharistiefeier225 Beim ersten Hinsehen zeigt sich in Bezug auf die Gesänge eine große Schnittmenge, aber nur dort. Lediglich die Communio ist aufgrund ihres Evangelienbezugs ausgetauscht. Im Gemein­ degottesdienst spielen die lateinischen Gesänge freilich kaum eine Rolle. Gravierende Unter­ schiede bestehen in der geänderten Kommunikationsstruktur, die das Dialogische stärker betont. Dies gilt insbesondere für den Eröffnungsteil, der nun nicht mehr primär der Vorberei­ tung der Kleriker auf die Berührung mit dem Heiligen dient, sondern der Konstituierung der Versammlung. Der Wortgottesdienst ist durch die Erweiterung der nun in modernen Spra­ chen vorgetragenen Lesetexte und der Einführung des Antwortpsalms (im Graduale Triplex noch nicht berücksichtigt) eindeutig auf Kommunikation angelegt, nicht zuletzt auch durch die Wiedereinführung der Fürbitten. Hervorzuheben ist die Akklamation nach den Einset­ zungsworten »Deinen Tod …« aus ostkirchlicher Provenienz, die der Gemeinde die Verkündi­ gung des »mysterium fidei« und dessen Explikation zuweist, nämlich die Feier des Todes und der Auferstehung Christi bis zur Parusie. Im Kommunionteil wird die Gemeinde stärker einbe­ zogen durch die Doxologie nach dem Embolismus des Vaterunsers sowie beim Friedensgruß. Priester- und Gemeindekommunion sind näher zusammengerückt, wobei hier wohl immer noch das seit dem Frühmittelalter vorherrschende Sündenbewusstsein und dessen Auswir­ kungen im Messordo (Odenthal 2011, 15–49) im Hintergrund steht. Wirkungsästhetisch sind die Unterschiede freilich noch gravierender, wenn man die jetzige volkssprachliche Liturgie mit der älteren Form vergleicht. Dies hängt zum einen mit der Raum­ situation zusammen, in erster Linie mit der Änderung der Zelebrationsrichtung des Priesters, wobei die Feier »zum Volk hin« nie vorgeschrieben war, sich nach dem Konzil aber rasch allge­ mein durchgesetzt hatte. Dies verleitet freilich leicht zu inadäquatem Verhalten, wenn da­ durch die unterschiedlichen kommunikativen Grundvollzüge nivelliert werden (vgl. 5.2.2). Wesentliches Medium der Aneignung der Liturgie ist die Musik. Die große Kirchenmusiktradi­ tion im deutschen Sprachgebiet war eine hilfreiche Brücke von der »alten« zur »neuen« Messe, stellt aber nach wie vor eine Versuchung dar, die Leerstellen mit gefälligen Liedstrophen ohne Rücksicht auf den liturgischen Bezug zu füllen. Dies gilt insbesondere für die Festzeiten des Kirchenjahres, an denen man ein großes spezielles Liedrepertoire zur Verfügung hat und zum Einsatz bringen will. Die Feiergestalt der Messe lebt aber von den aus unterschiedlichen For­ men spannungsvoll zusammengesetzten Einheiten, die durch die flächendeckende Bestü­ ckung mit Liedstrophen planiert werden. Ähnliches gilt für die rituellen Abläufe, die ebenfalls raumbezogen besonderer Aufmerksam­ keit bedürfen, etwa die Gestaltung einer Evangeliums- oder Gabenprozession. Insbesondere bedarf der Kommunionempfang als Höhepunkt der ekklesialen und sakramentalen Commu­ nio einer besonderen Sorgfalt, die sich mit dem üblichen, im Supermarkt mit Geduld zu ertra­ genen Schlange-Stehen nicht zufriedengeben sollte. Aber selbst wenn alle Parameter theologisch durchdacht und liturgiepraktisch optimal ge­ staltet sind, darf man sich nicht darüber hinwegtäuschen, dass die Hochform christlicher Li­ turgie sich in einer Krise befindet, deren Ende nicht abzusehen ist. Neuere rezeptionsästheti­ sche Studien lassen darauf schließen, dass die Anliegen der Liturgischen Bewegung, die von der Liturgiereform umgesetzt worden sind, selbst viele aktive Christen heute nicht mehr be­

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5  Elemente und Ausdrucksformen des Gottesdienstes

rühren. Romano Guardinis Anfrage von 1964, wie denn die heiligen Geheimnisse für den heutigen Menschen zu feiern seien, steht mit neuer ungeahnter Dringlichkeit im Raum (Dyna­ mik und Diversität 2018). Virulent stellen sich Fragen nach der Zulassung zur Kommunion und nach der ökumenischen Öffnung. Doch ist der Horizont der christlichen Kirchen bereits über­ schritten. Menschen suchen sich eigene Formen der Daseinsdeutung und Lebensbewälti­ gung und werden in der Medienwelt schnell fündig. Wie reagiert die Kirche darauf, die einer­ seits dem Mandatum verpflichtet ist, andererseits aber auch in diese Welt hinein die Freiheitsbotschaft zu verkünden hat? Es wird sich zeigen, ob dem zweifellos mutigen ersten Schritt des Zweiten Vatikanischen Konzils und seiner Umsetzung notwendige weitere folgen werden. Die Liturgiewissenschaft hat hier ein neues Aufgabenfeld der kritischen Begleitung des Bestehenden und der Sondierung des sich erst Entwickelnden. Die Gestalt der Messe wird davon nicht unberührt bleiben. Literatur Dynamik und Diversität des Gottesdienstes. Liturgiegeschichte in neuem Licht, hg. v. Albert Gerhards – Benedikt Kranemann. Freiburg/Br. [u. a.] 2018 (QD 289). Josef Andreas Jungmann, Missarum Sollemnia. Eine genetische Erklärung der römischen Messe 1: Messe im Wandel der Jahrhunderte. Messe und kirchliche Gemeinschaft. Vormesse; 2: Opfermesse. Wien 51962 (Nachdruck: Bonn 2003). Reinhard Meßner, Einführung in die Liturgiewissenschaft. Paderborn [u. a.] 22009 (UTB 2173) (150–226). Hans Bernhard Meyer, Eucharistie. Geschichte, Theologie, Pastoral. Mit einem Beitrag von Irmgard Pahl. Regensburg 1989 (GdK 4). Andreas Odenthal, Liturgie vom Frühen Mittelalter zum Zeitalter der Konfessionalisierung. Studien zur Geschichte des Gottesdienstes. Tübingen 2011 (SMHR 61). ders., Rituelle Erfahrung. Praktisch-theologische Konturen des christlichen Gottesdienstes. Stuttgart 2019 (PTHe 161). Martin Stuflesser, Eucharistie. Liturgische Feier und theologische Erschließung. Regensburg 2013.

5.2.5.3 Doxologien Gegenüber der jüdischen Berakha setzt sich im Neuen Testament und in der Entstehungsphase christlicher Liturgie die Doxologie durch. Ihre Wesensmerkmale sind: Benennung des Empfängers, doxologisches Prädikat (oft nur als Substantiv), Ewigkeitsformel, Akklamation. Am häufigsten verwendet wird die »kleine Doxologie«, insbesondere am Ende der Psalmen im Stundengebet, aber auch im Beten der sog. »Volksfrömmigkeit« (Rosenkranzgebet):

5.2  Gebet in der Liturgie227

doxologisches Prädikat: Ehre (sei) Benennung des Empfängers: dem Vater und dem Sohn und dem Heiligen Geist, Ewigkeitsformel: wie im Anfang, so auch jetzt und alle Zeit und in Ewigkeit. Akklamation: Amen. Als »Große Doxologie« wird dagegen der Gloria-Hymnus (Müller u. a./612) im Eröffnungsteil der Messe bezeichnet. Bereits im Neuen Testament ist die streng monotheistische Ausrichtung gelockert. So wird Gott »Vater unseres Herrn Jesus Christus« genannt. In den paulinischen Briefen kommt häufig die Formel »durch Christus« vor (z. B. im Kolosserhymnus). Die Doxologie kann auch direkt auf Christus bezogen werden (erstmals wohl in Offb 5,13: »Ihm, der auf dem Thron sitzt, und dem Lamm gebühren Lob und Ehre und Herrlichkeit und Kraft in alle Ewigkeit«). Der nächste Entwicklungsschritt ist im Zuge der Explikation des Trinitätsglaubens die parataktische Nennung des Heiligen Geistes. Diese findet sich schon in triadischen Formeln des Neuen Testaments (Mt 28,19). Im Zuge der dogmengeschichtlichen Entwicklung des 4. Jahrhunderts wird der Parataxe, also der Gleichordnung von Vater, Sohn und Geist, eine neue Bedeutung gegeben, da man nun mit Traditionsargumenten die Gleichheit des göttlichen Wesens der drei Personen betonen wollte (vgl. Kap. 3.5). In den ersten Jahrhunderten war die Doxologie »Ehre sei dem Vater durch den Sohn im Heiligen Geist« vorherrschend (Basilius d. Gr.; vgl. Gerhards/600). Aufgrund der unterschiedlichen Präpositionen ist die Zielrichtung des Lobpreises auf Gott, den Vater unseres Herrn Jesus Christus, deutlich. Der Sohn ist Mittler und der Geist gleichsam die Aura, in der der Zuspruch der Doxa erfolgt. Die »Einheit« des Geistes bezieht sich auf das Wesen Gottes und auf die im Heiligen Geist geeinte Kirche. So betet die römische Kirche am Ende des eucharistischen Hochgebetes bis heute: Relation: Durch ihn und mit ihm und in ihm Empfänger: ist dir, Gott, allmächtiger Vater, Modus: in der Einheit des Heiligen Geistes Prädikat: alle Herrlichkeit und Ehre Ewigkeitsformel: jetzt und in Ewigkeit. Akklamation: Amen.

5.2.5.4 Akklamationen Akklamationen (Zurufe) sind Grundformen kommunitärer Äußerungen, die auch spontan und ohne größere Einübung vollzogen werden können. Sie stellen die ursprünglichste Form der »tätigen Teilnahme« der Gläubigen dar. Es gibt sie als freien Ruf (z. B. das Kyrie am Beginn der Messe) oder im Kontext der Vorstehergebete. Das »Amen« als Bekräftigung des Gebets wurde bereits genannt. Im Bereich des eucharistischen Hochgebetes finden sich in den verschiedenen Liturgiebereichen vor allem des Ostens zahlreiche Akklamationen (zur Frühgeschichte Jonas/542; zur gegenwärtigen Liturgie Gemeinsam vor Gott/599). An folgenden Stellen können sie vorkommen:

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5  Elemente und Ausdrucksformen des Gottesdienstes

1. Im Eröffnungsdialog: dreiteilige Wechselrede (»Der Herr sei mit euch / Und mit deinem Geiste. Erhebet die Herzen / Wir haben sie beim Herrn. Lasset uns danken dem Herrn, unserm Gott / Das ist würdig und recht.«) 2. Am Ende der Präfation: das Sanctus 3. Im »Postsanctus« (Heilsgedächtnis): »Kyrie«-Rufe und / oder »Amen« (gegebenenfalls mit Erweiterung), am Ende mitunter Erbarmensruf 4. Im Einsetzungsbericht: Abschluss von Brot- und Kelchwort durch »Amen« (gegebenenfalls mit Erweiterung) 5. Im Umfeld der »speziellen Anamnese«: anamnetische Akklamation zu Beginn oder am Ende (mitunter Überleitung in die Bitte) 6. In der Epiklese: Abschluss der Brot- und Kelchbitte durch »Amen« (gegebenenfalls mit Erweiterung) 7. Im Memento (Interzessionen): durch »Kyrie eleison« akklamiert; teilweise erweitert; weitere epikletische Rufe 8. Am Ende der Schlussdoxologie: durch »Amen« (teilweise ausgeweitet) abgeschlossen. Akklamationen haben keineswegs eine bloß sekundäre Bedeutung, da sie oft ein wesentlicher Teil der sprachlichen und theologischen Struktur sind (z. B. das Sanctus). Die Akklamationen geben Aufschluss über das Rollenverständnis der Gemeinde in pragmatischer Hinsicht: • Antwort: »Und mit deinem Geiste«; »Wir haben sie beim Herrn« (Eröffnungsdialog, 1. und 2. Glied) • ermächtigende Zustimmung: »Das ist würdig und recht« (Eröffnungsdialog, 3. Glied) • Bekräftigung: »Amen« (am Ende des Eucharistiegebets) • Vollzug: »Heilig …«; »Deinen Tod verkünden wir …« (Sanctus und anamnetische Akklamation nach den Einsetzungsworten). Die Akklamationen der ostkirchlichen Anaphoren lassen die Kirche als Subjekt der eucharistischen Handlung erfahrbar werden. Der im Canon Romanus grundgelegte und in der römischen Kanonexegese sich durchsetzende Gedanke exklusiver Stellvertretung und seine Weiterentwicklung zur absoluten Christus-Repräsentanz des Priesters werden durch den ostkirchlichen Befund problematisiert (vgl. auch Gerhards/308).

5.2.5.5 Litaneien Litaneien sind Anrufungen, bei denen mit gleich bleibenden Rufen akklamiert wird. In der Liturgie spielt die Allerheiligenlitanei (vgl. GL 556) bei der Taufwasserweihe in der Osternacht und bei anderen Weihehandlungen eine tragende Rolle. Daneben gibt es vor allem im Bereich der Volksfrömmigkeit zahlreiche Litaneien, die besonderen Frömmigkeitstraditionen entsprechen (Litanei von der Anbetung Jesu Christi [GL 562], Herz-Jesu-Litanei [GL 564]). Die bedeutendste ist wohl die auf Maria bezogene Lauretanische Litanei (GL 566 nicht zuletzt aufgrund ihrer Zusammenhänge mit dem ostkirchlichen Hymnos Akathistos [Berger/2: 216]).

5.2  Gebet in der Liturgie229

In den Ostkirchen finden sich Litaneien bei allen liturgischen Vollzügen. Die Fürbittintentionen werden vom Diakon vorgetragen und mit dem Ruf um Erbarmen akklamiert. Am Ende folgt ein Abschlussgebet des Priesters. Nach diesem Muster ist auch das Allgemeine Gebet bzw. das Gebet der Gläubigen, die Fürbittlitanei in der Messfeier, aufgebaut. Es wurde erst durch das Zweite Vatikanische Konzil wieder eingeführt (SC 53) und hat in der Regel folgende Struktur: Gebetseinleitung (Priester) Gebetsintention (Diakon oder Lektor/Lektorin) (Gebetsstille) Akklamation (Vorsänger[in]/Gemeinde) [weitere Gebetsintentionen] Schlussgebet (Priester) Amen-Akklamation (Gemeinde) Eine Ausnahme bilden demgegenüber die Großen Fürbitten am Karfreitag. Sie haben folgende Struktur: Gebetsintention (Diakon): »Lasset uns beten für …« Aufruf zum Niederknien (Diakon) (Gebetsstille) Aufruf zum Erheben (Diakon) Kollektengebet (Priester) Amen-Akklamation (Gemeinde)

5.2.6 Zum Vollzug des Betens – Haltungen und Gebärden Beten ist von Seiten des Menschen zunächst das Eintreten in eine Relation in einem Akt der Sammlung, der dadurch zustande kommt, dass man gleichsam von sich absieht und sich zu jemand anderem hinwendet, der allerdings nicht sichtbar ist. Dies kann im liturgischen Gebet des Christentums durch die sog. »Orientierung«, die Hinwendung nach Osten, geschehen (Gerhards/602). Die Orientierung hat sich allgemein erst relativ spät durchgesetzt. Ihre Wurzeln sind vielfältig. Der in der paganen Religiosität verbreitete Brauch wird bei den Christen umgedeutet: Statt der aufgehenden Sonne gilt die Bitte der christlichen Gemeinde dem »sol salutis«, Christus, der vom Osten, vom Vater, seinen Ausgang nimmt. Die Bezeichnung »Sonne der Gerechtigkeit« (Mal 3,20) als Name Christi ist den theologischen Schriftstellern seit dem zweiten Jahrhundert geläufig; das erste Zeugnis für die christliche Gebetsostung reicht bis etwa auf das Jahr 100 zurück. Stärksten Ausdruck fand die Hinwendung zu Christus wohl während der Taufliturgie beim Ritus der Apotaxis und Syntaxis: Die Täuflinge standen nach Westen gewandt und schworen unter Ausspucken dem Satan ab (Apotaxis). Dann wandten sie sich nach Osten und übereigneten sich Christus (Syntaxis). Die Frage der Gebetsorientierung wird im Zusammenhang mit dem angemessenen Vollzug des Hochgebetes und der Ausrichtung der Kirchengebäude neuerdings wieder stärker diskutiert (Ratzinger/615; vgl. auch Communio-Räume/649; Gerhards/601; Gerhards/602).

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5  Elemente und Ausdrucksformen des Gottesdienstes

Eine ausdrückliche Hinwendung geschieht auch in anderen gemeinschaftlichen Gebetsvollzügen wie zu Beginn des eucharistischen Hochgebets, wenn nach dem Gruß: »Der Herr sei mit euch« das zweite Glied lautet: »Erhebet die Herzen!« – »Wir haben sie beim Herrn«. Auch hier geht es um eine ausdrückliche Hinwendung zu Gott, in diesem Fall gekleidet in das räumliche Bild des Himmels über uns. Der bewussten Ausrichtung auf Gott entspricht eine bestimmte Körperhaltung. Die in allen Liturgien der Alten Kirche angemessene Weise des Betens ist die des Stehens vor Gott. Gott macht den Menschen zum Gegenüber, er darf gleichsam in Augenhöhe mit ihm in Kontakt treten. Allerdings steht der Mensch als unvollkommener vor Gott. Darum ist die Verneigung eine ebenso angemessene Haltung des Betens. In der Ostkirche gibt es eine Reihe von Gebeten, die unter Verneigung gesprochen werden. Auch der Westen kennt die Verneigung etwa beim Gloria Patri oder bei den Doxologie-Strophen der Hymnen des Stundengebets. Eine andere Haltung des Gebets ist das Sich-Niederwerfen. Hier liegt ein Akt der Unterwerfung vor, wie er freilich nur bei bestimmten Anlässen angemessen erscheint. Im Kirchenjahr ist dies der Karfreitag, wenn zu Beginn der Karfreitags-Liturgie Priester und Liturgen sich niederwerfen, ähnlich wie dies in der jüdischen Liturgie einmal am Versöhnungstag, dem Jom Kippur (Nachama u. a./614: 242–248), geschieht. Analog dazu gibt es die Prostratio bei den Weihe-Liturgien sowie bei den Professen der Ordens-Liturgien. Ansonsten kennt die westliche Kirche das Knien, das gewissermaßen eine verkürzte Form des Sich-Niederwerfens darstellt. Auch hier geht es darum, sich bewusst klein zu machen. Es ist signifikant, dass das Knien in der Osterzeit früher nicht üblich war (vergleichbar mit dem Hymnus Akathistos im Osten, bei dem es keine Prostratio gibt), da es dem freudigen Charakter der Zeit nicht zu entsprechen schien. Das Gebet kann auch durch Formen der Bewegung im Raum einen besonderen Ausdruck finden. So setzt die Prozession verschiedene Räume in Beziehung zueinander und schafft damit einen eigenen Raum. Auch die betenden Menschen werden dabei miteinander in Beziehung gesetzt und erfahren durch ihren gemeinsamen, sinnenfälligen Vollzug auf ein gemeinsames Ziel hin Identität. Die Gemeinschaft der Glaubenden stellt durch ihr Tun das pilgernde Gottesvolk dar, in dessen Mitte oder an dessen Spitze Christus selbst mitzieht (oft repräsentiert durch ein Kreuz oder andere Christussymbole). Bei Flurprozessionen und Wallfahrten tritt zum Element der Bewegung das Schauen hinzu im Sinne von deutender Wahrnehmung der Welt (Felbecker/627). Welche Haltung nehmen die Hände beim Beten ein? Zu den älteren Haltungen gehört die sog. Orantenhaltung (weniger weit ausgestreckte Arme mit geöffneten Händen). Sie war vor allem im mediterranen Raum die für alle Gläubigen übliche Gebetshaltung und wurde erst im Laufe der Zeit zur spezifischen Geste des Weihepriestertums. Diesem Gestus steht der »nördliche« mit geschlossenen (gefalteten) Händen gegenüber, der eine Konzentration auf das Innere zum Ausdruck bringt. Darüber hinaus gibt es ein Spektrum von Haltungen beim persönlichen Gebet (Verschränkung der Arme, Bedecken des Gesichts mit den Händen u. a.), die ähnlich wie die gefalteten Hände die Innerlichkeit des Gebetsaktes unterstützen.

5.3  Die Sprache der Liturgie231

5.3

Die Sprache der Liturgie

5.3.1 Die Sprache als Ausdrucksmittel der Liturgie Die Sprache ist eines der vorrangigen Ausdrucksmittel der christlichen Liturgie. Sie folgt sowohl anthropologischen und kulturellen (aus sprachwissenschaftlicher Sicht: Hug/568; Greule/564) als auch wesentlich liturgietheologischen Prämissen (Haunerland/566; Brüske/560; vgl. auch Schermann/589). Wenn die Sprache hier behandelt wird, muss dieses immer unter Berücksichtigung der spezifischen Kommunikationssituation des Gottesdienstes geschehen: Hier ereignet sich sowohl Begegnung zwischen Gott und Mensch wie auch Kommunikation in menschlicher Gemeinschaft mit bestimmten Rollenverteilungen. Liturgische Sprache partizipiert am gefeierten Mysterium der Selbstkundgabe Gottes in Jesus Christus, das in der Liturgie als gegenwärtig bekannt wird; sie bezieht hierher ihre Plausibilität. Aufgabe der Sprache in der Liturgie ist weder eine Information über Glaubensinhalte noch eine Kommentierung von Handlungen. Die Sprache ist vielmehr wesentlich Teil und Träger gottesdienstlicher Performanz (Winter/593). Der Begriff »Performanz« stammt aus der Sprachphilosophie und wurde von John L. Austin (1911–1960) in den 1950er Jahren geprägt (Austin/558; Performanz/587). Durch den Sprechakt wird eine Handlung vollzogen, also eine außersprachliche Wirklichkeit realisiert. Indem beispielsweise der Standesbeamte das Vermählungswort spricht, wird eine Ehe geschlossen. Eine zu diesem Tun autorisierte Person vollzieht an einem zu dieser Handlung zugelassenen Subjekt, hier dem Paar, einen Akt, der eine Wirklichkeit setzt. Formulierungen wie »Ich verspreche dir die Treue«, »Ich liebe dich«, »Ich verzeihe dir« schaffen eine neue Situation, die vor der sprachlichen Äußerung noch nicht bestand. Liturgiefeiern, insbesondere die Sakramente, kennen zahlreiche Momente solcher Performanz. Für die Trauungsliturgie beispielsweise können der Vermählungsspruch (Feier der Trauung/58: 19–23) oder, im doxologischen Geschehen der Liturgie zentral, der Feierliche Trauungssegen (ebd. 37) genannt werden. Es handelt sich nicht nur um sprachlich-logisch zu verstehende Texte (lokutionärer Akt), sondern um den Vollzug einer Handlung (illokutionärer Akt) und die Hervorrufung einer Wirkung (perlokutionärer Akt). Dadurch, dass in der Liturgie etwas ausgesprochen wird, verändert sich Wirklichkeit. Ein neuer Sachverhalt wird gestiftet, im Wort wird gehandelt (Schaeffler/588: 18). Das Sprachgeschehen hat dynamische Qualität. Der Satz »Ich taufe dich im Namen des Vaters und des Sohnes und des Heiligen Geistes« stellt nicht nur ein Ereignis fest, sondern vollzieht die Taufe (der Katechumene wird getaufter Christ) und besitzt damit performative Kraft. Theologisch ist dabei die Verbindung zur gefeierten Heilswirklichkeit entscheidend. »Die Liturgiesprache bringt uns in Einklang mit der von ihr vergegenwärtigten Wirklichkeit, d. h. mit der Heilswirklichkeit, die uns von Gott durch Jesus Christus geschenkt wird; sie bringt uns in Einklang mit dem, was in der Lesung der Schrifttexte verkündet wird, mit dem, was man in den Worten der Lobpreisung feiert, mit dem, was sich in den Worten des Hochgebets vollzieht, mit dem, was man in den Worten der Danksagung entgegennimmt« (Ladriere/578: 114).

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5  Elemente und Ausdrucksformen des Gottesdienstes

Wenn im eucharistischen Hochgebet des Gründonnerstags mit Blick auf das Gefeierte eingefügt wird: »das ist heute«, wird über Sprache die Wirklichkeit bezeichnet, die dem Menschen in dieser Feier entgegentritt. Die Sprache der Liturgie dient also nicht nur dem Gebet vor und zu Gott, sondern zugleich ist sie Kommunikationsmedium innerhalb einer menschlichen Gemeinschaft. Diese steht unter dem Eindruck des Gefeierten wie der besonderen Ausprägungen der Tradierungsgemeinschaft »Kirche«. Die Sprache ist Teil der liturgischen actio und damit eines gemeinschaftlichen Tuns. Dass Gemeinschaft entsteht und dass sie kommunizieren kann, hängt wesentlich mit der Sprache zusammen, die dem in der Liturgie Gefeierten wie den Feiernden angemessen sein muss. Zugleich formt diese Überlieferungsgemeinschaft die Sprache der Liturgie in einer ganz bestimmten Weise. Durch die Liturgiegeschichte hindurch sind solche Sprachprägungen und -formulierungen, die für den Gottesdienst kennzeichnend sind, tradiert worden, die in der Gegenwart zum Teil weiterhin rezipiert, zum Teil aber auch ergänzt werden. In der kirchlichen Überlieferungsgemeinschaft haben sich zudem unterschiedliche Rollen und Ämter im Gottesdienst ausgeprägt, die auch über Sprachfiguren identifiziert werden. Das gilt z. B. für Gruß- und Segensformeln, in denen bestimmte Teile dem Vorsteher bzw. der Vorsteherin und andere der Gemeinde vorbehalten sind, ebenso aber auch für Texte wie Präsidialgebete, die an bestimmte Rollen oder auch Ämter gebunden sind, für Lesung und Evangelium usw. Die Sprache im Gottesdienst ist folglich sehr vielschichtig, sie korrespondiert sowohl mit der Differenziertheit des christlichen Gottesdienstes als auch mit den unterschiedlichen Lebenssituationen, in denen im Gottesdienst der Mensch vor Gott tritt. Das spiegelt sich nicht zuletzt in den unterschiedlichen Sprachformen des Gottesdienstes wider, wie dem Lobpreis, dem Dank, der Bitte, der Klage, aber auch dem Bekenntnis und der Ermahnung. Die Partizipation an der vertikalen wie horizontalen Dimension des Gottesdienstes hat zur Konsequenz, dass die Sprache im Gottesdienst der komplexen Wirklichkeit und Kommunikationssituation angemessen sein muss. Das betrifft das Sprachniveau, also auch Grammatik und Rhetorik. Wie Gott den Betenden gegenübertritt und von ihnen erfahren wird, kann eindrücklich in Sprachformen zum Ausdruck gebracht werden, wenngleich es immer nur um Annäherungen gehen kann. Beispielsweise spricht die relativische Prädikation (»Deus, qui nos ad imaginem tuam creasti«, Missale Romanum/51: 828) über Relativsatz und Prädikat aus, wer Gott ist und wie er für den Menschen erfahrbar ist. Die Konstruktion »Deus, qui« verbindet Gottesanrufung und Prädikation sprachlich besonders eng, muttersprachliche Formulierungen bringen das in sprachlich anderer Form zum Ausdruck: »Gott, unser Schöpfer und Erlöser, du hast uns nach deinem Bild geschaffen« (Meßbuch/50: 1088). Die sprachliche Formulierung drückt also aus, was das Gebet als Glaubensgeschehen trägt und was sich in diesem Glaubensakt ereignet. Dafür bedient sich die Liturgie auch bestimmter rhetorischer Elemente, die häufig standardisiert wiederkehren. So verwenden die Orationen regelmäßig die sprachlichen Elemente Anaklese, Prädikation, Bitte, Doxologie und Gemeindeakklamation (vgl. Kap. 5.2.5.1). In der lobpreisenden Prädikation und der

5.3  Die Sprache der Liturgie233

sich anschließenden Bitte vollzieht sich das dialogische Grundgeschehen der Liturgie; Katabasis und Anabasis kommen »zur Sprache«. Die Standardisierung sprachlicher Vollzüge erleichtert außerdem allen Anwesenden den Mitvollzug der Liturgie. Weitere rhetorische Mittel spielen auch in einer muttersprachlichen Liturgie eine Rolle und sollten nicht übersehen werden. So bedient sich die Liturgie unter anderem folgender sprachlicher Mittel (Kranemann/574): • Paradoxon: Im Segensgebet über dem Taufwasser (Erstes Formular) wird die Taufe mit der Sintflut verglichen, bedeutet also zugleich Vernichtung und Neuanfang (»da sie den alten Menschen vernichtet, um neues Leben zu wecken«) und bringt damit das Paradoxe und letztlich Unbegreifliche des Glaubensgeschehens zum Ausdruck. • Parallelismus: Durch dieses Stilelement kann zum Beispiel das Ineinander von Zeitebenen ausgedrückt werden; so heißt es im Exsultet: »Dies ist die Nacht, die unsere Väter, die Söhne Israels, aus Ägypten befreit und auf trockenem Pfad durch die Fluten des Roten Meeres geführt hat. / Dies ist die Nacht, in der die leuchtende Säule das Dunkel der Sünde vertrieben hat. / Dies ist die Nacht, die auf der ganzen Erde alle, die an Christus glauben, scheidet von den Lastern der Welt, dem Elend der Sünde entreißt, ins Reich der Gnade heimführt und einfügt in die heilige Kirche. / Dies ist die selige Nacht, in der Christus die Ketten des Todes zerbrach und aus der Tiefe als Sieger emporstieg.« Durch den parallelen Satzbau werden die beschriebenen Zeiten aufeinander bezogen, die Gleichzeitigkeit wird unterstrichen. Der folgende Satz hebt sich dadurch umso deutlicher ab: »Wahrhaftig, umsonst wären wir geboren, hätte uns nicht der Erlöser gerettet« (Meßbuch/50: [72]–[74]). • Pleonasmus: Er bewirkt durch eine Häufung sinnähnlicher Ausdrücke sowohl Anschaulichkeit als auch Nachdrücklichkeit, wie in der Eröffnung des Exsultet deutlich wird: »Frohlocket, ihr Chöre der Engel, frohlocket, ihr himmlischen Scharen, lasset die Posaune erschallen, preiset den Sieger, den erhabenen König! Lobsinge, du Erde, überstrahlt vom Glanz aus der Höhe! Licht des großen Königs umleuchte dich. Siehe, geschwunden ist allerorten das Dunkel. Auch du freue dich, Mutter Kirche, umkleidet von Licht und herrlichem Glanze! Töne wider, heilige Halle, töne von des Volkes mächtigem Jubel« (Meßbuch/50: [69 f.]). • Zitat: Ihm kommt besondere theologische Dichte und Autorität zu, weil es eine Situations- und Rollenidentifikation und damit Zeitgenossenschaft markiert, so in der Taufwasserweihe (Erstes Formular; vgl. Anhang 1.2): »Nach seiner Auferstehung gab er den Jüngern den Auftrag: Geht hin und lehrt alle Völker und tauft sie im Namen des Vaters und des Sohnes und des Heiligen Geistes.« (vgl. Mt 28,19 [Vulg]). Die Reihe der rhetorischen Mittel wäre fortsetzbar.

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5  Elemente und Ausdrucksformen des Gottesdienstes

5.3.2 Die Geschichte der Sprache im Gottesdienst der ­katholischen Kirche Die Geschichte der Sprache, die in der Liturgie verwendet worden ist, ist wesentlich vielfältiger, als man mit Blick auf das lange Zeit in der katholischen Kirche vorherrschende Latein vermuten würde (Pecklers/586). Die unterschiedlichen christlichen Liturgien haben sich vielfältiger Sprachen bedient, haben auch Sprachwechsel vollzogen und mitunter zeitgleich verschiedene Sprachen gebraucht. Die ersten Gemeinden im syrisch-palästinischen Raum haben im Gottesdienst Aramäisch, aber auch Griechisch gesprochen. Sehr rasch hat sich im westlichen Mittelmeerraum das Griechische als Weltsprache der Antike in der Koine-Form als christliche Liturgiesprache in vielen Regionen durchgesetzt. Im polyglotten Rom verwendete man in den ersten Jahrhunderten das Griechische in der Liturgie. Neben dem Griechischen, aber auch an seiner Stelle begegnen im Gottesdienst der Alten Kirche bzw. am Übergang von der Antike zum Mittelalter das Altäthiopische (Ge’ez), das Armenische, das Koptische, das Nubische, das Georgische sowie das dem Aramäischen sprachgeschichtlich nahe Syrische. In der römischen Provinz Africa hingegen wurde im Gottesdienst Latein gesprochen, dies in einer kulturellen Umgebung, die Punisch sprach. Die Liturgiesprache ist hier also schon Sondersprache (Kretschmar/577: 74–80). Bereits seit dem 2. Jahrhundert verwendete man in Rom zunehmend bei Katechumenatsriten, der Initiation und im Wortgottesdienst das Lateinische. In der zweiten Hälfte des 4. Jahrhunderts setzte sich unter Papst Damasus I. (366–384) in Rom Latein als Liturgiesprache auch für die Eucharistiefeier durch. Dies hing u. a. damit zusammen, dass es weniger Griechischsprachige in der Bevölkerung gab. Latein wurde in der Folge in den Missionsgebieten verwendet, wobei etwa in Taufe, Trauung und Buße sowie in Gesang und Predigt weiterhin einzelne volkssprachliche Elemente überliefert sind. Ist hier ein deutlicher Bruch zwischen Liturgie- und Alltagssprache zu beobachten, so lässt sich dieser sogar auch für Rom ausmachen: Denn diese lateinische Liturgiesprache war eine Kunstsprache, die sich von der Umgangssprache des Alltags deutlich unterschied. Sprachniveau, Neuschöpfungen in Wortschatz und Syntax, ein knapper Stil (»gravitas romana«), Sprachrhythmus (»cursus«) und die Übernahme biblischer wie paganer Sprachelemente und Stilmittel prägten dieses Latein (Klöckener/573: 125). Zugleich kam es zu sprachlichen Neubildungen, welche die christlichen Glaubensinhalte ausdrücken sollten. Im Zuge dogmatischer Auseinandersetzungen sollte Latein präzise theologische Formulierungen ermöglichen (Klöckener/572: 217–219). Die lateinische Liturgiesprache war also schon von ihren Anfängen her eine Sprache, die nicht allgemein verständlich war. Dabei war doch der Wechsel zu dieser Liturgiesprache gerade dadurch motiviert worden, dass man die Möglichkeit des Mitbetens und Verstehens als konstitutiv für den christlichen Gottesdienst verstand. Hier zeichnet sich bereits eine Spannung ab, welche die Diskussionen um die Liturgiesprache durch die Jahrhunderte begleitet hat: einerseits soll die Sprache dem sakralen Geschehen des Gottesdienstes gemäß sein und es in gewisser Weise sogar verhüllen, andererseits wird der Anspruch erhoben, dass die Gläubigen den Gottesdienst verständig und damit

5.3  Die Sprache der Liturgie235

auch sprachlich mitvollziehen können. So lässt sich dem Umgang mit der Sprache häufig schon das zeitgenössische Verständnis von Liturgie ablesen. Das Lateinische wirkte als Band zwischen verschiedenen Liturgiefamilien. Es wurde neben der römischen auch in der altgallischen, mozarabischen (altspanischen), der keltischen und ambrosianischen Liturgie verwendet. Allerdings war dieses Latein nicht einheitlich, vielmehr gab es zwischen den Liturgiefamilien Unterschiede. Politische Veränderungen (v. a. das Erstarken der byzantinischen Herrschaft im 6. Jahrhundert) führten dazu, dass im 6./7. Jahrhundert in Rom und Italien das Griechische in der Liturgie wieder an Bedeutung gewann. Das Glaubensbekenntnis wurde in beiden Sprachen gesprochen, Lesungen im Wortgottesdienst in Latein und Griechisch verlesen (Lentner/581: 20). Noch weit bis in das Mittelalter hinein erhielten sich in der Liturgie der katholischen Kirche Texte und Gesänge in griechischer Sprache. Heute noch werden mit dem Kyrie eleison (seit 500 Teil der römischen Messe) (Müller – Vette/234) und dem Trishagion am Karfreitag (erstmals auf dem Konzil von Chalkedon 451 bezeugt) (Plank/239) griechische Texte gesungen. Die lateinische Liturgiesprache wurde in den folgenden Jahrhunderten zunehmend nicht mehr verstanden; Erklärungen wurden notwendig. Es kam zu einer Entfremdung von der Gottesdienstsprache und damit auch von Vollzügen des Gottesdienstes. Die mittlerweile konservierte Sprache entwickelte sich zu einer Sakralsprache. Dennoch gab es in den folgenden Jahrhunderten immer wieder Auseinandersetzungen um die angemessene Liturgiesprache (Lentner/581: 47–53). Im Zuge der Slawenmission des 9. Jahrhunderts hatten die griechischen Missionare Konstantin (Kyrill) (826/827–869) und Method (um 815–885) das Slawische verwendet und die römische Messe in die Volkssprache übertragen. Sie riefen damit heftige Kritik hervor, weil nur die Sprachen der Kreuzesinschrift nach Joh 19,20 als heilige Sprachen galten, also Hebräisch, Latein und Griechisch. Papst Johannes VIII. (872–882) entschied jedoch, dass es weder Glauben noch kirchlicher Lehre widerspreche, die Messe oder die Stundenliturgie in Slawisch zu singen oder die biblischen Texte in dieser Sprache zu verkündigen. Denn Gott habe neben den genannten Sprachen auch alle anderen geschaffen. Dennoch kam es in den folgenden Jahrhunderten immer wieder zum Streit um die Sprachenfrage. Zu Auseinandersetzungen um die Liturgiesprache kam es auch im Zusammenhang des chinesischen Ritenstreits (Mungello/235), also der Frage, inwieweit konfuzianische Riten für die katholische Liturgie adaptiert werden könnten. 1615 genehmigte Papst Paul V. (1605– 1621) den Jesuiten, die römische Liturgie in Mandarin zu feiern. Papst Alexander VII. (1655–1667) verbot hingegen 1661 alle Versuche, die Volkssprache in die Liturgie einzuführen. Es widerspreche der Würde der Mysterien, die Texte des Missale allen Gläubigen zugänglich zu machen. Das Konzil von Trient hatte sich gegen die Verwendung der Volkssprache in der Messfeier ausgesprochen. Zwar erkannte man die Bedeutung der Liturgie für die Glaubensunterweisung. Diese sollte aber nicht durch die Verständlichkeit der Sprache, sondern durch Erklärung erfolgen (vgl. DH 1749, 1759). Die mit der Liturgiesprache verbundenen Probleme scheinen hier deutlich auf (Hauerland/330: 485).

236

5  Elemente und Ausdrucksformen des Gottesdienstes

Die Reformation öffnete die Liturgie der deutschen Sprache, wobei jedoch, was das Vorgehen betrifft, von Reformator zu Reformator genauer zu differenzieren ist. Seit 1520 feierte man in Gemeinden, die sich der Reformation angeschlossen hatten, Gottesdienst in der Volkssprache. 1526 erschien Martin Luthers »Deutsche Messe und Ordnung Gottis diensts, zu Wittemberg fürgenommen« (WA 19, 72–113). Hierin wurde durchgängig die deutsche Sprache verwendet, unter anderem um das Evangelium allen Menschen verkünden zu können. Luther hat, vorsichtig und immer auf die Freiheit der Entscheidung achtend, die muttersprachliche Liturgie ermöglicht. Im Jahre 1525 sagte er in einer Predigt: »Darumb hab ich mich auch so lang gewehrt mit der deutschen Messe, daß ich nicht Ursach gäb den Rottengeistern [d. h. Karlstadt und den Schwarmgeistern; Vf.], die hineinplumpen unbesunnen, achten nicht, ob es Gott haben wölle. Nun aber so mich so viel bitten aus allen Landen mit Geschrift und Briefen, und mich der weltlich Gewalt darzu dringet, könnten wir uns wohl nicht entschuldigen und ausreden, sondern müssen darfür achten und halten, es sei der Will Gottes« (WA 19, 50 f.). So stand neben der deutschen auch weiterhin die lateinische Messe (vgl. die lateinische Formula Missae et Communionis, 1523 [WA 12, 205–220]). Luther begründete den Wert, den er immer noch dem Lateinischen beimaß, wie folgt: »Denn ich ynn keynen weg wil die latinische sprache aus dem Gottis dienst lassen gar weg komen, denn es ist myr alles vmb die iugent. … Denn ich wolte gerne solche iugent vnd leute auffzihen, die auch ynn frembden landen kunden Christo nütze seyn und mit den leuten reden« (WA 19, 74). Calvin lehnte demgegenüber die lateinische Liturgiesprache rigoros ab. Für die Reformatoren war der Gottesdienst in besonderem Maße Wortgeschehen, in dem das Wort nun zum Gnadenmittel wurde (Berger/559: 800). Der muttersprachliche Gottesdienst ist die logische Konsequenz (Kranemann/359). Auch in der katholischen Kirche wurden nach dem Konzil von Trient immer wieder Stimmen laut, die sich für deutsche Gesänge in der lateinischen Messe oder für in deutscher Sprache verlesene Gebete im Anschluss an die vom Priester in Latein gesprochenen Gebete einsetzten, so im 16.  Jahrhundert Johann Leisentrit (Gülden/565) und Georg Witzel (Diez/561; Kranemann/575: 103 f.). Die katholische Aufklärung diskutierte um 1800 die deutsche Liturgiesprache im Zusammenhang der Frage nach ihrem Verständnis von Gottesdienst; Theologen dieser Zeit publizierten einzelne liturgische Texte und vor allem Ritualien in der Muttersprache (vgl. Kap. 3.8). Ein erbaulicher und belehrender Gottesdienst musste verständlich sein. Sehr unterschiedliche Begründungen begegnen also für die verschiedenen Sprachen (Latein oder Muttersprache) im Gottesdienst. Zugleich wird ein je variierendes Grundverständnis der Liturgie sichtbar: Ist sie eine Angelegenheit der ganzen Gemeinde, des Volkes Gottes, aller Initiierten oder ist sie eine Sache religiöser Spezialisten, der Ordinierten? Wird Liturgie als öffentlich zugängliche Feier der Kirche verstanden, die entsprechend auch Zeugnischarakter besitzt, oder ist sie ein sakraler Bezirk, der durch ein sprachliches Arkanum, also ein Verbergen, zu schützen ist? Soll sich die Liturgie mittels der Sprache einer Kultur öffnen und dadurch diese wiederum auch prägen, oder ist sie ein gleichsam aller Inkulturation enthobenes Geschehen?

5.3  Die Sprache der Liturgie237

Die Liturgische Bewegung ermöglichte, dass sich nach und nach die Muttersprache im Gottesdienst durchsetzte. Dabei ging es zunächst nicht primär um die muttersprachlich gefeierte Liturgie, sondern vielmehr darum, dass die Gläubigen sich durch Mitlesen einer Übersetzung der Messtexte dem Gebet des Priesters anschließen konnten; dies belegt z. B. das Volksmessbuch von Anselm Schott (1843–1896), das erstmals 1884 erschien. Erst allmählich begann man im frühen 20. Jahrhundert mit Messfeiern, in denen das Volk Gebetsteile und Gesänge übernahm, so in der »Missa recitata« oder »Missa dialogata«, der »Bet-SingMesse« oder der »Gemeinschaftsmesse« (zu den Modellen vgl. Pacik/584). Das Ziel war die Participatio actuosa der Gläubigen, dieser Begriff wurde bereits 1903 durch Papst Pius X. in seinem Schreiben »Tra le sollecitudini« verwendet (vgl. 3.10.1): Der Papst stellte einen Zusammenhang zwischen der Stärkung des christlichen Geistes und der Würde des Gottesdienstes her. Tätig an der Liturgie teilzunehmen, bedeutete für ihn, aus der primären Quelle des Glaubens leben zu können. Es ging um die Erneuerung der Kirche und der Spiritualität, um Teilhabe am Mysterium. Als ein Mittel dazu wurde zunehmend auch die Muttersprachlichkeit in der Liturgie betrachtet (vgl. dazu auch Parsch/585, v. a. 19 f.). Der Umfang der Muttersprache in der Liturgie und der Ort ihrer Einfügung in die Liturgie blieben kontrovers. Josef Andreas Jungmann schrieb 1944 von einer Lösung, »durch die den Gläubigen überhaupt eine innigere Anteilnahme auch am wortmäßigen Vollzug des Gottesdienstes, womöglich nicht nur durch das Mitlesen eines Textes, ermöglicht« werde (zitiert nach Maas-Ewerd/582: 616). Andere Stimmen wandten sich unter anderem gegen eine als bedenklich empfundene Vorstellung des ›allgemeinen Priestertums‹, sie befürchteten, dass durch die Volkssprachlichkeit die Bindung an die römische Kirche gelockert werden könne (vgl. ebd. 174, 185, 282, 350, 424 f. u. ö.). Das Ziel der muttersprachlichen Liturgie wurde aber dennoch auf verschiedenen Ebenen der katholischen Kirche in der ersten Hälfte des vergangenen Jahrhunderts angestrebt. In vielen Bistümern erschienen diözesane Anhänge zum Rituale Romanum mit den Texten unter anderem für Taufe, Trauung, Begräbnis (»Collectio rituum«), die zum Teil, mit Unterschieden von Bistum zu Bistum, zahlreiche Gebete und andere Texte in der Muttersprache enthielten. Auch verschiedene Diözesansy­ noden äußerten sich positiv zur Verwendung der Muttersprache im Gottesdienst. Zurückhaltung übte demgegenüber 1947 die Enzyklika »Mediator Dei«: »Der Gebrauch der lateinischen Sprache, wie er in einem großen Teil der Kirche Geltung hat, ist ein allen erkennbares und schönes Zeichen der Einheit und eine wirksame Wehr gegen jegliche Verderbnis der wahren Lehre. In nicht wenigen kirchlichen Handlungen kann indes die Verwendung der Landessprache beim Volk sehr nützlich sein« (Mediator Dei/95: Nr. 60).

5.3.3 Die Diskussion um die Liturgiesprache von der Liturgiekonstitution (1963) bis zum Motu Proprio »Magnum Principium« (2017) Die Liturgiekonstitution des Zweiten Vatikanischen Konzils geht erheblich über »Mediator Dei« hinaus. In der Konzilsaula wurde wiederholt mehr Raum für die Muttersprache im Gottesdienst gefordert. Von den 81 Konzilsvätern, die sich zum entsprechenden Passus im

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5  Elemente und Ausdrucksformen des Gottesdienstes

Entwurf (Schema) der Liturgiekonstitution äußerten, sprachen sich 67 im Sinne einer stärkeren Gewichtung der Muttersprache aus (zum Diskussionsverlauf: Lengeling/580: 81 f.; Selle/590). Doch blieb für das Konzil die lateinischsprachige Liturgie das Ideal. SC 36 § 1 betont: »Der Gebrauch der lateinischen Sprache soll in den lateinischen Riten erhalten bleiben, soweit nicht Sonderrecht entgegensteht.« Mit Letzterem sind unter anderem das Recht auf römische Liturgie in slawischer Sprache und die Erlaubnis zum Deutschen Hochamt angesprochen. SC 36 § 2 räumt aber das Recht ein, aus pastoralen Gründen doch der Muttersprache breiteren Raum in der Liturgie zu geben. Dennoch bleiben die Aussagen für eine muttersprachliche Liturgie erstaunlich zurückhaltend. Konkretisierungen dieser Bestimmungen für die Messfeier finden sich in SC 54, für die Sakramente und Sakramentalien in SC 63 und für die Stundenliturgie in SC 101. Mindestens ebenso überraschend ist, wie schnell sich nach dem Konzil der Wandel von der lateinischen zur muttersprachlichen Liturgie vollzogen hat. Bis 1967 wurde sukzessive die Verwendung der Muttersprache für die ganze römische Liturgie gestattet. Die lateinischen Liturgiebücher dienen seitdem als Editio typica, ihnen folgen die muttersprachlichen Bücher für die Liturgie. 1970 hieß es in einer Ansprache des Papstes vor dem Consilium (Kommission für die Ausführung der Liturgiekonstitution), man habe sich bemüht, dass »das Volk Gottes vor allem durch die Erlaubnis des Gebrauchs der Muttersprache die Texte der Liturgie besser verstehe und an den heiligen Feiern tätiger teilnehme« (DEL 2074). Im Jahre 1979 wurde bereits in 342 Sprachen und Dialekten Liturgie gefeiert (Haunerland/567: 988). Die Zahl wird seitdem noch gestiegen sein. Die Frage nach der Zuständigkeit für die kirchliche Genehmigung (Approbation) muttersprachlicher Texte sorgte für innerkirchliche Auseinandersetzungen. Hatte SC  36,3 f. das entsprechende Recht den Ortskirchen zugesprochen, so wurde dieses schon bald nach dem Konzil zunehmend vom Apostolischen Stuhl beansprucht. Der CIC 1983 erwähnt das Recht der Bischofskonferenzen auf Approbation muttersprachlicher Liturgietexte nicht mehr (Kaczynski/571: 105–111). Auch die Frage, nach welchen Kriterien man bei der Übersetzung vorgehen sollte, war nachkonziliar zu klären. Bereits am 25. Januar 1969 hatte das Consilium die Instruktion »De interpretatione textuum liturgicorum« herausgeben, also ein rechtlich verbindliches Dokument über »Die Übertragung liturgischer Texte« (DEL 1200–1242). Diese sog. »Übersetzerinstruktion« stellt Grundsätze für die Übersetzung zusammen. Hier finden sich zentrale Aussagen zur Liturgiesprache. Grundlage der Liturgie ist demnach der Text, die Sprache ist Mittel personaler Begegnung, in dem sich die Liturgie als dialogisches Geschehen katabatisch und anabatisch entfaltet (DEL 1204). In Sprache wird die Frohe Botschaft verkündet und richtet die Kirche ihr Gebet an Gott (DEL 1205). Deshalb genüge nicht die einfache und wörtliche Übertragung der Grundgedanken des Originaltextes aus dem Lateinischen in eine andere Sprache. Es komme darauf an, »einem bestimmten Volk in dessen eigener Sprache getreu zu vermitteln, was die Kirche durch den Originaltext einem anderen Volk in einer anderen Sprache mitgeteilt hat. Die Treue der Übersetzung kann also nicht lediglich von den Worten und Sätzen her beurteilt werden. Es muß vielmehr geschehen nach dem genauen Gesamtzusammenhang des Verständigungsvorganges in Übereinstimmung mit der literarischen Art des Textes.« Hier wird mit großer Sensibilität für Sprache der Rahmen für solche Übersetzungen abgesteckt: Ziel ist die Vermittlung des Gebetsinhalts. Dabei ist der spezifische

5.3  Die Sprache der Liturgie239

Kommunikationszusammenhang der Liturgie zu beachten. Ziel ist keine Übersetzung in möglichst großer sprachlicher Nähe zum Originaltext, entscheidend ist, dass die Aussage des Inhalts insgesamt verstanden werden kann. Die Kommunikationssituation wird genauer beschrieben: Sprecher, Adressat und Sprachstil sind neben der Mitteilung des Gebets zu beachten. Vor der Übersetzung muss man »den Inhalt der Botschaft gedanklich freilegen, um ihm dann eine andere, genaue und treffende Form zu geben« (DEL 1207). Das philologische Instrumentarium für solche Übersetzungsarbeit wird skizziert (DEL 1208–1212) und im Folgenden anhand von Beispielen exemplifiziert. Bemerkenswert ist unter kommunikationstheoretischen Aspekten die Klassifizierung der Sprache: Sie »soll die des täglichen Umgangs sein, also angepaßt an die Gesamtheit der Gläubigen, welche die gleiche Sprache gebrauchen und sich regelmäßig zum Gottesdienst versammeln, eingeschlossen ›die Kinder und die einfachen Leute‹ … Daraus folgt nicht, daß diese Sprache vulgär sein dürfte; ›denn sie muß immer der hohen Wirklichkeit würdig sein, die sie ausspricht … [,] und literarisch tadellos‹« (DEL 1214). Bei den Teilnehmenden darf keine literarische Bildung vorausgesetzt werden, die Verwendung poetischer Texte schließt den Gebrauch der gehobenen Umgangssprache nicht aus. Damit sind die Möglichkeiten liturgischer Sprache, aber auch ihre Schwierigkeiten klar umrissen. Es wird deutlich, dass für eine muttersprachliche Liturgie zumindest die Bereitschaft bestehen muss, die Sprachgestalt regelmäßig auf Eignung, Akzeptanz und Qualität hin zu überprüfen, denn Sprachentwicklungen gehen an der Muttersprache in der Liturgie nicht vorbei. Bei Übersetzungen ist die Äquivalenz muttersprachlicher Ausdrücke gegenüber dem religiösen Sinn zu beachten (DEL 1216), die Möglichkeit der Inkulturation liturgischer Sprache in den Blick zu nehmen (DEL 1219) und die sprachliche Gestalt im Sinne der spezifisch liturgischen Mitteilung zu berücksichtigen (DEL 1224–1228). Die sprachliche Größe jedes Textes wird hervorgehoben und die Beachtung konstitutiver Elemente betont. Zwischen Wesentlichem und Unwesentlichem soll differenziert werden. Die Gebete sollen im Zuhören verständlich sein (DEL 1228). Für verschiedene »euchologische und sakramentale Formeln, so die Weihegebete, die eucharistischen Hochgebete, Präfationen, Exorzismen und die Begleitformeln von Handlungen wie Handauflegung, Salbungen, Kreuzzeichen usw.« (DEL 1232) wird eine Übersetzung »integre et fideliter« vorgeschrieben. Ansonsten soll der jeweiligen Sprachform angemessen übersetzt werden (DEL 1234). Besondere Vielfalt ist für Gesangstexte erforderlich (DEL 1235 f.). Welche Spielräume dieses Dokument eröffnete, macht das folgende Beispiel sichtbar, das Tagesgebet vom 19. Sonntag im Jahreskreis. Die Oration lautet im Missale Romanum von 1970: »Omnipotens sempiterne Deus, quem paterno nomine invocare praesumimus, perfice in cordibus nostris spiritum adoptionis filiorum, ut promissam hereditatem ingredi mereamur. Per Dominum« (Missale Romanum/51: 358). Das deutsche Messbuch von 1975 übersetzt folgendermaßen: »Allmächtiger Gott, wir dürfen dich Vater nennen, denn du hast uns an Kindes Statt angenommen und uns den Geist deines Sohnes gesandt. Gib, daß wir in diesem Geist

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5  Elemente und Ausdrucksformen des Gottesdienstes

wachsen und einst das verheißene Erbe empfangen. Darum bitten wir durch Jesus Christus« (Meßbuch/50: 230). In der englischen Fassung lautet der Text 1973: »Almighty and ever-living God, your Spirit made us your children, confident to call you Father. Increase your Spirit within us and bring us to our promised inheritance« (Sunday Missal/53: 644). Die lateinische Oration weist typische Merkmale dieser Textsorte auf (vgl. Kap. 5.2.5), beginnt mit einer Anaklese (»Omnipotens …«), an die sich eine relativische Prädikation anschließt (»quem …«), die in eine Bitte mündet (»perfice …«). Eine Doxologie beendet das Gebet (»Per …«). Die deutsche und englische Übersetzung behalten die literarische Form der Oration bei, gehen aber schon unterschiedlich mit der Anaklese um, denn die englische Fassung bleibt hier näher am lateinischen Text. Die relativische Prädikation wird in beiden Übersetzungen aufgelöst, der Inhalt aber, der Lobpreis Gottes und die Erinnerung an sein Heilshandeln, bleibt bewahrt. Im deutschen und englischen Text ist ein Teil der Bitte der lateinischen Oration in die Prädikation übernommen worden (»und uns den Geist deines Sohnes gesandt«; »your Spirit made us your children«). Im Deutschen ist dadurch inhaltlich ein Chiasmus entstanden (Kindes Statt – Geist; Geist – Erbe), im Englischen ein Parallelismus (Spirit – Father; Spirit – inheritance). Beide Übersetzungen lösen das »paterno nomine invocare« auf und lassen »in cordibus nostris« unübersetzt. Auffällig ist die Kürze der englischen im Vergleich mit der deutschen Übersetzung. Somit kann man generell für die Übersetzung liturgischer Texte auf der Basis der römischen Dokumente der unmittelbareren Nachkonzilszeit Folgendes festhalten: • Grundlage für die muttersprachlichen liturgischen Texte sind die lateinischen Editiones typicae, also die lateinischen römischen liturgischen Bücher. • Bei der Übertragung soll der Inhalt der Oration zum Ausdruck kommen. Anliegen der Übersetzung ist die getreue Wiedergabe des Inhalts, nicht die möglichst große Nähe zum Originaltext. • Sprachlich sollen die liturgischen Texte sowohl der Gemeinde in ihrer vielfältigen Zusammensetzung als auch der besonderen Bedeutung des liturgischen Geschehens zwischen Gott und Mensch angemessen sein. • Der Gottesdienst ist insgesamt als Kommunikationsgeschehen wahrzunehmen. • In genau umschriebenen Fällen wird den Verantwortlichen vor Ort das Recht zur Umformulierung auch zentraler liturgischer Texte eingeräumt. Es wird deutlich, dass die Verwendung der Muttersprache nicht allein pragmatischen Gründen folgt, sondern liturgietheologische Vorgaben sowie pastorale Erfordernisse zu beachten hat. Eine Arbeitsgruppe, die über mehrere Jahre in bischöflichem Auftrag an neuen deutschen Übersetzungen der Messorationen gearbeitet hat, ist zu folgender Fassung der obigen Oration gekommen:

5.3  Die Sprache der Liturgie241

»Gütiger Gott, du hast uns den Geist deines Sohnes geschenkt. Wir dürfen dich Vater nennen. Hilf, daß wir in dieser Welt als deine Töchter und Söhne leben und einst das verheißene Erbe empfangen durch Jesus Christus« (Tagesgebete/592: 83). In der Begründung der Übersetzung wird auf die Auflösung zu langer Satzgefüge und die größere Nähe zum lateinischen Text verwiesen. Im Sinne inklusiver Sprache heißt es statt »Kinder« jetzt »Töchter und Söhne«. Das sprachlich schwierigere »in deinem Geist wachsen« ist durch die leichter zugängliche Formulierung »in dieser Welt als deine Töchter und Söhne leben« ersetzt worden. Die Leitlinien, die dieser Übersetzung zugrunde lagen (Leitlinien/579), lassen sich so skizzieren: Muttersprachliche Orationen müssen sich in der Liturgiefeier einer durchschnittlichen Gemeinde bewähren. Sie müssen in die liturgische Tradition der Kirche eingebunden sein, was eine gewisse Sperrigkeit der Liturgiesprache aber nicht ausschließt; sie müssen sich zur Wiederholung eignen, Bibelnähe bewahren, Inklusivität im Sinne eines ganzheitlichen Menschen- und Gottesbildes (Gerhards/562) gewährleisten und die Welterfahrung des heutigen Menschen einbeziehen. Muttersprachliche liturgische Texte stehen demnach in der Spannung von biblisch-liturgiegeschichtlicher Vorgabe, Zeitgenossenschaft und liturgischer Pragmatik. Sie folgen auch den liturgietheologisch begründeten Strukturen und Vorgaben liturgischen Betens (vgl. Kap. 5.2). Die Gottesanrede muss der Gottesbeziehung angemessen sein. Liturgische Sprache soll nicht informieren, belehren, indoktrinieren oder disziplinieren. Unter sprachlichen Aspekten sind Verständlichkeit, sprachliche Prägnanz, die sich unter anderem in der Kürze und der Vermeidung von inhaltlicher Überladung zeigt, der Einbezug christlicher Grundbegriffe (ohne in eine theologische Fachsprache zu verfallen), Offenheit für Assoziationen sowie einfacher Satzbau bei gleichzeitig gehobener Stilebene gefordert. Das aus dem Jahre 2001 stammende römische Dokument zu Fragen der Sprache in der Liturgie, das in eine andere Richtung weist, trägt im Deutschen den Titel »Der Gebrauch der Volkssprache bei der Herausgabe der Bücher der römischen Liturgie. Liturgiam authenticam«. Es handelt sich um eine Instruktion, die für die kirchlichen, gesetzesausführenden Verwaltungsorgane bindend ist. Die Übersetzung der Liturgie in die verschiedenen Muttersprachen wird nicht in Frage gestellt; es geht nicht um eine Rückkehr der Liturgie zur lateinischen Sprache. Auch die Notwendigkeit und Berechtigung tätiger Teilnahme der Gläubigen wird betont. Es wird aber deutliche Kritik an den bisherigen Übersetzungen der lateinischen liturgischen Bücher geübt. Notwendig seien Korrekturen oder Neuausgaben; Auslassungen oder Irrtümer müssten überwunden werden. Der römische Ritus wird als Instrument der Inkulturation beschrieben, denn er besitze kulturell integrative Kräfte. Dieses Instrument dürfe nicht durch Fehlübersetzungen gefährdet werden, weshalb neue Prinzipien für die Übersetzungen notwendig seien. Man sieht die Einheit des römischen Ritus tangiert. Als neuer Grundsatz wird hervorgehoben, »dass die Übersetzung der liturgischen Texte der römischen Liturgie nicht in erster Linie ein kreatives Werk ist, sondern vielmehr erfordert, die Originaltexte in die Volkssprache getreu und genau zu übertragen. Zwar mag es erlaubt sein, die Worte so anzuordnen und

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5  Elemente und Ausdrucksformen des Gottesdienstes

Satzbau wie Stil so zu gestalten, dass ein flüssiger und dem Rhythmus des Gemeinde­ gebetes angepasster volkssprachiger Text entsteht. Doch muss der Originaltext, soweit möglich, ganz vollständig und ganz genau übertragen werden, das heißt ohne Auslassungen und Zusätze, was den Inhalt betrifft, und ohne Paraphrasen oder Erklärungen« (Liturgiam authenticam/92: Nr. 20). Offensichtlich soll vor allem eine solche Übersetzung liturgischer Texte gefördert werden, die sich durch größtmögliche Nähe zum lateinischen Text auszeichnet. Man befürwortet, dass sich eine eigene »Sakralsprache« entwickelt, die »auch als speziell liturgische Redeweise anerkannt wird« (Nr. 27). Verworfen wird eine »inklusive« Sprache für die Liturgie. Sie kann nach Nr. 30 f. nur in der Katechese Platz finden. Das Dokument ist nicht nur deshalb bemerkenswert, weil es in weiten Teilen einen Bruch mit der nachkonziliaren Übersetzungspraxis vollzieht; es dokumentiert auch ein neues Kirchenverständnis, das die Position der Ortskirchen zugunsten des Heiligen Stuhls schwächt. Dieser behält sich beispielsweise »ob bonum fidelium« das Recht vor, »Übersetzungen in jede beliebige Sprache anzufertigen und für den liturgischen Gebrauch zu approbieren« (Nr. 104). Kritisiert wird an diesem Dokument auch ein falscher Begriff von Einheit, der Einheitlichkeit bis in den Wortlaut der liturgischen Texte hinein sucht und damit Aussagen der Liturgiekonstitution wie SC 37 widerspricht. Bemängelt werden das fehlende Verständnis für die bisherige Liturgiereform und vor allem falsche Kriterien für die Übersetzungen, denn die Ausdrucksweise der lateinischen Orationen lasse sich in lebenden Sprachen nicht nachahmen, wolle man nicht den geistlichen Gewinn einer volkssprachigen Liturgie aufs Spiel setzen (Kaczynski/570). Die Neuübersetzung des Begräbnisritus auf der Basis von »Liturgiam authenticam« ist auf deutliche Kritik bei Praktikern gestoßen, da sie für die Verwendung in der Liturgie aufgrund ihrer Sprachgestalt als nicht geeignet betrachtet wird (Ohren der Barmherzigkeit/583). 2013 wurde eine deutsche Neuübersetzung des Missale Romanum, die auf der Basis von »Liturgiam authenticam« erstellt worden war, u. a. durch die Deutsche Bischofskonferenz aufgrund der Qualität der Sprache abgelehnt. Im englischen Sprachgebiet ist heute ein »Missal« in Gebrauch, das nach der römischen Instruktion übersetzt worden ist. Die bereits zitierte Oration vom 19. Sonntag im Jahreskreis lautet 2011: »Almighty ever-living God, whom, taught by the Holy Spirit, we dare to call our Father, bring, we pray, to perfection in our hearts the spirit of adaption as your sons and ­daughters, that we may merit to enter into the inheritance which you have promised.« (Daily Missal/52: 1549). Man erkennt deutlich eine größere formale Nähe (Satzbau, Grammatik) zum lateinischen Text – es handelt sich jetzt um einen einzigen Satz –, aber auch den Versuch, sich möglichst eng an die lateinische Begrifflichkeit zu halten. Muttersprachler allein können beurteilen, ob eine solche Sprache der Liturgie angemessen ist. Diese Übersetzung des Missale bleibt in der Diskussion (Stuflesser/591).

5.4  Gesang und Musik in der Liturgie243

Ein weiteres Motu proprio mit dem Titel »Magnum Principium« (94) hat 2017 die Diskussion um die Sprache des Gottesdienstes erneut eröffnet. Papst Franziskus hebt darin die Bedeutung der Verständlichkeit gottesdienstlicher Texte für die tätige Teilnahme hervor, betont aber auch den Respekt vor dem gefeierten Mysterium. Die Sprache der Gebete soll dem Auffassungsvermögen der Feiernden angemessen sein, ohne dass Übersetzungen die Einheit des römischen Ritus gefährden dürfen. Erneut wird die Spannung von römischer Liturgie und unterschiedlichen Kulturen einschließlich ihrer Sprachen deutlich. Zugleich kommt gegenüber »Liturgiam Authenticam« ein verändertes Kirchenverständnis zum Ausdruck. Die Bischofskonferenzen kümmern sich um die Übersetzungen und approbieren sie. Der Apostolische Stuhl bestätigt (konfirmiert) sie und überwacht die Einhaltung der liturgischen Ordnungen. Dieses Motu proprio ist als Rückkehr zu den Kriterien des Zweiten Vatikanischen Konzils gewertet worden (Incitti/569; Kranemann/576).

5.4 Gesang und Musik in der Liturgie 5.4.1 Der Gesang als Wesensbestandteil der Liturgie Während man von der Sprache der Liturgie spricht, ist hier von Gesang und Musik im Gottesdienst die Rede. Dies deutet auf eine schwierigere Verhältnisbestimmung hin. Dabei ist die Rede von der Musik im Gottesdienst schon ein Fortschritt gegenüber der älteren Sicht, nach der die Kirchenmusik neben der Liturgie stattfand. Die Gründe für diese Entwicklung wurden im Kapitel 3 benannt. Im Folgenden geht es darum, die Bedeutung der klanglichmusikalischen Dimension für den Gottesdienst herauszustellen. Auf der metaphorischen Ebene stand diese nie in Frage. In der kirchlichen Praxis haben Gesang und Musik aber immer wieder Anlass zu Auseinandersetzungen gegeben, vom Ausschluss der Instrumentalmusik vom Gottesdienst aufgrund der Nähe zum paganen Kult in der Alten Kirche über den Streit um die frühe Mehrstimmigkeit bis hin zu heutigen Diskussionen um das Neue Geistliche Lied. Dies hängt nicht zuletzt mit der starken emotionalen Wirkung der Musik zusammen, weshalb ihr auch ein hoher Stellenwert in der Bibel eingeräumt wird (vgl. z. B. Ps 150). Die Omnipräsenz der musikalischen Dimension wird schon zu Beginn des Stundengebets eines jeden Tages deutlich. Das tägliche Gebet der Juden und der Christen beginnt mit Ps 95(94), dessen erste Verse lauten: »Kommt, lasst uns jubeln dem Herrn, jauchzen dem Fels unsres Heils! Lasst uns mit Dank seinem Angesicht nahen, ihm jauchzen mit Liedern!« Vom Gott Israels und Jesu Christi kann man folglich nicht nur sprechen, man muss singen. Kirchenmusik – oder besser: Singen und Spielen im Gottesdienst – ist demnach kein Luxus, sondern die angemessene Weise, mit Gott in Beziehung zu treten. Es gibt in der Tradition des Judentums und des Christentums praktisch keinen Gottesdienst ohne Gesang. Die Stillmesse bzw. das gesprochen vollzogene Stundengebet sind im Grunde nichts anderes als institutionalisierte Ausnahmen. Bezeichnenderweise bot ja gerade die lautlos vollzogene Stillmesse in der Zeit der Liturgischen Bewegung den Raum für die Einführung von Gemeindegesängen (vgl. Kap. 3.9 u. 3.10). Auch die Gottesdienste der

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5  Elemente und Ausdrucksformen des Gottesdienstes

Ostkirchen sind ohne Gesang nicht denkbar. Allerdings blieb die Instrumentalmusik fast gänzlich ausgeschlossen, da sie von der Alten Kirche abgelehnt worden war. Die orthodoxen Kirchen slawischer Sprache haben den ursprünglich einstimmigen Choral durch mehrstimmige Gesänge ergänzt bzw. ersetzt. Demgegenüber spielt eine kunstvolle Vokal- und Instrumentalmusik aufgrund ihres Verkündigungscharakters in vielen Kirchen der Reformation eine beherrschende Rolle. Die Bestimmung dessen, was unter Kirchenmusik exakt zu verstehen ist, bereitet einige Schwierigkeiten. Kirchenlieder gehörten bis zum Zweiten Vatikanischen Konzil jedenfalls noch nicht dazu. Erst durch das Konzil wurden solche Formen der Breitenreligiosität zum Bestandteil der Liturgie aufgewertet. Bei aller Würdigung der Erweiterung des Begriffs stellt sich jedoch die Frage, ob alles, was zurzeit in der Kirche gesungen und musiziert wird, schon Kirchenmusik ist. Was macht Musik in der Kirche zu Kirchenmusik, speziell zu katholischer Kirchenmusik? Hier hat die Liturgiewissenschaft (zusammen mit der Gregorianik-Forschung, der Hymnologie und der Musikwissenschaft) die Aufgabe, Kriterien zu erstellen.

5.4.2 Zur liturgietheologischen Einordnung der Fragestellung Liturgie besteht nicht einfach aus Texten, sondern aus Textvollzug (d. h. dem gesprochenen und dem gesungenen Wort) sowie aus Zeichenhandlungen und Symbolen. Infolgedessen treten mit der Liturgie auch jene Dimensionen der Ästhetik in den Blickpunkt der Theologie und kirchlichen Praxis, die bislang eher ein Randdasein gefristet haben: der Klang (und damit die Musik), Mimik, Gestik und Tanz (und damit die darstellende Kunst), die gestaltete Materie (und damit die bildende Kunst). Die Liturgie wird auf diese Weise zum Erscheinungsort von Kirche, insofern in ihr all das sinnenhaft erfahrbar wird, was Kirche von sich glaubt: ihre Gegenwart vor Gott, ihre Herkunft aus Gott und ihre Zukunft in Gott. Die Ästhetik der Liturgie ist also eine Ästhetik der Anamnesis, der Vergegenwärtigung (Gerhards/633). Sie bleibt in all ihren Dimensionen auf das Wort bezogen, das Gott seit Urzeit zu den Menschen gesprochen hat und das in Jesus Christus Fleisch geworden ist. Der Modus des Wortes in der Liturgie ist ein dreifacher, festzumachen an den Vollzügen der (erzählenden) Anamnese, der (bittenden) Epiklese und der (preisenden) Doxologie. In all diesen Bereichen hat die Musik eine Schlüsselstellung, insofern sie dem Wort einen »Klangleib« verleiht, es in Raum und Zeit gleichsam neu inkarniert, d. h. verleiblicht. Das gilt für alle Formen liturgischen Gesangs und liturgischer Musik, vom einfachen Sprechgesang (Rezitationston) bis hin zu kunstvollen Kompositionen für Chor und Orchester. Durch die theologische Aufwertung der Kirchenmusik über das Dekorative hinaus zu einem notwendigen und integrierenden Bestandteil der feierlichen Liturgie (vgl. SC 112) sind manche alten Wertungen hinfällig geworden. Einerseits ist die Kirchenmusik funktionsgebunden, also nicht beliebig austauschbar, andererseits haben die anderen Partner, auch der Priester, dem Eigengewicht der Musik als Bestandteil der Liturgie Rechnung zu tragen (z. B. durch eine Haltung bewussten Hörens). Die Anforderungen an eine liturgiegemäße Kirchenmusik sind also erheblich gestiegen. Diese hat mit dafür Sorge zu tragen, dass die Gemeinde nicht nur stumme Zeugin, sondern aktive Mitspielerin im Heiligen Spiel wird.

5.4  Gesang und Musik in der Liturgie245

Die Tiefendimensionen der Musik – ihr rechter Vollzug und ihre rechte Wahrnehmung vorausgesetzt – sind geeignet, dem Sprachlosen eine Stimme und dem Unsagbaren Klang zu geben. Theologie ist stets nur der Versuch, über die Grenze zum Unsagbaren hinauszugehen. Ihre verlässliche Stütze dabei ist die Selbstoffenbarung Gottes in seinem »Wort«. Daran hat die menschliche Antwort Maß zu nehmen. Daher gründet jede Form menschlicher Antwort – auch die reflektierende Theologie und ihre Anwendung in Predigt, Bekenntnis und Gebet – letztlich in der Doxologie, in der preisenden Anerkennung der Souveränität Gottes, der sich in Freiheit den Menschen mitteilt. Die Kirchenmusik bildet im Gottesdienst als Ort der Doxologie jenen Klangraum, in dem die Antwort in Freiheit erfolgen kann, als »Heiliges Spiel«. In dieser Eigenschaft, gleichsam die akustische Seite des symbolischen Raums gott-menschlicher Kommunikation zu bilden, liegt der hohe Rang der Musik im Gottesdienst, ja ihre Unverzichtbarkeit. Dabei ist für die westliche Gesellschaft nach der Aufklärung das Spannungsverhältnis zwischen Funktionsgebundenheit und Autonomie eine Gegebenheit. Musik im Gottesdienst ist Anwältin des Subjektiven, nicht um das »Objektive« der göttlichen Vorgabe zu relativieren, sondern um es zu vergegenwärtigen und so seine personale Dimension offenzulegen. Kirchenmusik ist also ein wesentlicher Faktor des Gottesdienstes als Ereignis gott-menschlicher Begegnung.

5.4.3 Musik als Raum-Zeit-Kunst Musik und Raum stehen auf verschiedenen Ebenen miteinander in Beziehung. Dabei geht es nicht nur um den »Ort« der Kirchenmusik: die Schola Cantorum, das Chorgestühl, den Lettner, die Orgelempore, sondern auch und vor allem um die Raumbezogenheit der Musik als solcher. Man spricht nicht von ungefähr vom »Tonraum«. Hoch und tief sind räumliche Kategorien, das Notenbild ist ein zwar zweidimensionales, aber nach räumlichen Vorstellungen konzipiertes Graphem. Physikalisch sind Klangwellen räumliche Phänomene, wobei hier Raum und Zeit miteinander verwoben sind. Mit dem Echo lotet man den Raum aus, durch »Verräumlichung« wird die Zeit gemessen in Takt und Metrum. Die Geschichte der Kirchenmusik zeigt, wie sehr Kirchenarchitektur und Musikpraxis einander bedingen. Als die riesigen romanischen Dome wie der Dom zu Speyer erbaut wurden, vergrößerten sich die Intervalle des Gregorianischen Chorals; Zwerggalerien dienten als Ort von »Engelsmusik«; die gotische Gewölbearchitektur beeinflusste die frühe Mehrstimmigkeit; Mehrchörigkeit führte in der Renaissance zu Emporenarchitekturen; die großen Barockorgeln mit den Sängerbühnen beeinflussten die Architektur der Barockkirchen; rein auf Sprechakustik ausgelegte moderne Kirchen bringen den Gesang zum Erliegen und lassen keine Pfeifenorgel zu. Generell kann man sagen, dass die Kirchenmusik bis zu einem gewissen Grad die akustische Dimension der Kirche darstellt, deren optische das Kirchengebäude ist. Dabei ist – entsprechend dem Architekturprinzip der Liturgie  – die Gleichzeitigkeit verschiedener Stile charakteristisch. Sie ist ein Erweis der diachronen Identität der Kirche. Als akustisches Phänomen ist die Musik jedoch primär als Zeitkunst zu verstehen und tritt als Kirchenmusik so in eine besondere Beziehung zur Liturgie. Bevor dies näher zu er-

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5  Elemente und Ausdrucksformen des Gottesdienstes

läutern ist, muss zunächst gefragt werden, was unter Gesang und Musik in der Liturgie genauer zu verstehen ist.

5.4.4 Zur Bestimmung der Musik im Gottesdienst Mit katholischer Kirchenmusik verbindet sich zunächst der Gregorianische Choral (Buchinger/622). In der Liturgiekonstitution heißt es: »Die Kirche betrachtet den Gregorianischen Choral als den der römischen Liturgie eigenen Gesang; demgemäß soll er in ihren liturgischen Handlungen, wenn im übrigen die gleichen Voraussetzungen gegeben sind, den ersten Platz einnehmen« (SC 116). Der zweite Teil von Artikel 116 spricht von der Zulässigkeit anderer Arten von Kirchenmusik, insbesondere der Polyphonie, »wenn sie dem Geist der Liturgie im Sinne von Art. 30 entsprechen«. Dort ist von der tätigen Teilnahme (actuosa participatio) des Volkes die Rede, die durch Akklamationen, Antworten, Psalmengesang, Antiphonen (Rahmenverse zum Psalmengesang), Lieder, durch Gesten und Haltungen sowie durch das heilige Schweigen (Bärsch/618) zum Ausdruck kommen soll. Wenn man die Aussagen miteinander in Beziehung setzt, so ergibt sich folgendes Bild: Der Gregorianische Gesang hat eine traditionelle Sonderstellung wegen seines Alters, doch werden prinzipiell alle anderen Formen musikalischer Verlautung zugelassen, da es in dem hier zugrunde liegenden Verständnis von Liturgie um die Ermöglichung tätiger Teilnahme geht. Das Traditionsargument konnte den Rückzug des Gregorianischen Gesangs in einer Phase intensiver Liturgiereform freilich nicht aufhalten. Das theologische Problem dieser Entwicklung liegt tiefer. Es hängt mit der faktischen Einordnung des Chorals in die verschiedenen Stile der Kirchenmusik zusammen. Gregorianik ist demnach zwar der älteste, aber doch nur einer von vielen möglichen Stilen der Musica sacra, vergleichbar dem wechselnden Design liturgischer Geräte und Gewänder, wo seit alters her stilistische Vielfalt zugelassen war (vgl. SC 123). Gregorianik wird oft vor allem als ein bewahrenswertes Melodienrepertoire aufgefasst, das mehr oder weniger eng mit den vorgegebenen Texten der Liturgie verbunden ist. Tatsächlich entscheidend aber ist vielmehr das mit dem Gregorianischen Choral verbundene Prinzip der Textbezogenheit. Mitte jedes christlichen wie schon jedes jüdischen Gottesdienstes ist das Wort Gottes, und zwar nicht das bloß geschriebene oder gedruckte, sondern das verlautete, inszenierte, kommunizierte Wort, dem Meditation und Antwort zugeordnet sind (vgl. die Kap. 5.1 u. 5.3). Dieser Wortkommunion haben alle zu dienen, ob sie nun verkündigen, predigen, beten oder Musik ausüben. Der Gregorianische Gesang ist also in verschiedener Hinsicht durchaus als »Prinzip« katholischer Kirchenmusik anzusehen (Gerhards/631). Zwar ist es richtig, dass der Text (wenn auch nicht ausschließlich) im Vordergrund steht, aber Liturgie ist von ihrem Wesen (nicht unbedingt von ihrer faktischen Realisierung) her niemals bloßer Textvollzug, sondern auch Verlautung, Klangrede. Durch die neueren Forschungsergebnisse hinsichtlich des Wort-Ton-Bezugs lässt sich die zentrale Bedeutung des Gregorianischen Gesangs und seine Relevanz für das Verständnis der abendländischen Liturgie insgesamt erhärten: Der musikalische Part erhält seine Plausibilität nicht unabhängig von der Textbasis, wie auch erst durch die Verlautung sich die Tiefendimension der Texte erschließt.

5.4  Gesang und Musik in der Liturgie247

Die theologische Aufarbeitung dieser These ist nach wie vor ein Desiderat. Immerhin wurde der neueren Gregorianikforschung in einigen bedeutenden liturgiewissenschaftlichen Publikationen Raum gewährt (Joppich/638). Nun ist nicht zu leugnen, dass sich mit der Zeit eine Kirchenmusik weithin unabhängig von der Liturgie etablierte, was durch die ganze Musikgeschichte hindurch bis heute zu Reibungen führt. Es lässt sich aber zeigen, dass gerade dieses Konfliktpotenzial, das letztlich eine Folge des künstlerischen Emanzipationsprozesses ist, Chancen in sich birgt (Gerhards/628).

5.4.5 Das »Repertoire« des liturgischen Gesangs und der Kirchenmusik Wenn man Gesang im weitesten Sinn als Textvollzug in geordneter Tonhöhe versteht, so gibt es in der klassischen Liturgie keinen Textvollzug ohne Gesang. Lesungen und Gebete, wenn sie laut vollzogen werden, werden nach einem festgelegten Melodieschema (Kantillation) vorgetragen. Für den Psalmvollzug gibt es Psalmtöne (Melodieschemata für die einzelnen Verse) in den verschiedenen Kirchentonarten. Demgegenüber sind die Antiphonen von Tagzeitenliturgie und Messe textbezogen vertont, die der Tagzeitenliturgie auf einfachere, syllabische oder oligitonische Weise (d. h. nur eine oder wenige Noten auf einer Silbe), die der Messe in ornamentreicher Melismatik (Gerhards/634). Der strikte Textbezug gilt selbst für die Gradualgesänge, die zwar nach Melodieschemata aufgebaut sind, welche aber dem Text individuell angepasst wurden (Kohlhaas/641). Darüber hinaus gibt es poetische Stücke wie Hymnen und Sequenzen (Strophenlieder zwischen den Lesungen), die teilweise reichere musikalische Entfaltungsmöglichkeiten bieten, außerdem litaneiartige Gesänge wie die Improperien (Klagegesänge) der Karfreitagsliturgie. Mit katholischer Kirchenmusik verbindet sich in besonderer Weise die Ordinariumsmesse, die Vertonung von fünf feststehenden Teilen der Ordnung der Messe (Koch/640). Es handelt sich dabei um einen bedeutenden Teil unserer abendländischen Musikgeschichte, der sich bei den Komponisten und Chören größter Beliebtheit erfreut. Die formale Geschlossenheit des Ordinariums ist unter liturgiewissenschaftlichem Gesichtspunkt eher zufällig bzw. künstlich. Geschichtlich betrachtet sind die einzelnen Stücke zu unterschiedlichen Zeiten und aus verschiedenen Gründen in den Ordo Missae eingefügt worden: Das Kyrie ist wohl das Relikt einer Fürbittlitanei östlicher Provenienz. Das Gloria ist anfänglich ein griechischer Morgenhymnus der Tagzeitenliturgie aus der Zeit der Alten Kirche und wird in Rom erst zögerlich allgemein eingeführt. Das Credo gehört ursprünglich in den Kontext der Taufliturgie und ist eine mittelalterliche Zutat zum Ordo Missae (daher verläuft die Überlieferung der gregorianischen Melodien auch unabhängig von den anderen Stücken). Das Agnus Dei ist ebenfalls eine orientalische Anleihe aus der Zeit um 700. Allein das Sanctus mit dem Benedictus/Hosanna scheint als Bestandteil des eucharistischen Hochgebets in die Zeit der Entstehung des römischen Ritus hineinzuweisen. Jedoch werden die einzelnen Kompositionen der (zunächst vier) Ordinariumsteile seit dem Mittelalter in Troparien (d. h. Sammlungen von Texteinschüben, abgeleitet von »tropus«) gesammelt. Die

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5  Elemente und Ausdrucksformen des Gottesdienstes

Benennung einzelner Ordinariumsstücke (z. B. das österliche Kyrie »Lux et origo«) erinnert noch an die nicht mehr zugelassenen Tropus-Einschübe. Entstehen konnte die spätere »Großform« des Messordinariums nur deshalb, weil man von Fragen des sinnvollen Textvollzugs weitgehend absah. Da sowieso alle Texte, um gültig zu sein, vom Priester gesprochen werden mussten, konnte man dem Chor die feststehenden Gesänge überlassen, während die Gemeinde in ihrer schon längst eingeübten, rein passiven Rolle verblieb. Der Chor wurde zum Stellvertreter der Gemeinde, statt dass man ihm eine Funktion im Dienst an der Gemeinde und ihrem Gesang zuwies. Trotz dieser problematischen Entwicklung darf man dieses Kernstück katholischer Kirchenmusik nicht leichtfertig aufgeben. Auch klassische Chor- und Orchestermessen können in die jetzige Liturgie integriert werden, wenn man ein musikalisches Gesamtkonzept entwirft, das der Komposition und dem heutigen Gottesdienstgeschehen gleichermaßen gerecht wird (Jakob Johannes Koch nennt dies »doppelte Werkkontextualisierung«: Koch/640). Es lässt sich nachweisen, dass viele Komponisten durch ihren eigenen Zugang zum Text in ihren Kompositionen Tiefendimensionen der Texte und innere Bezüge zwischen den einzelnen Stücken freigelegt haben, die im hörenden Mitvollzug großen geistlichen Gewinn bringen können. Neben dem Messordinarium und dem Requiem bot vor allem die Tagzeitenliturgie Möglichkeiten für kirchenmusikalische Entfaltung: die feierliche Vesper, die Responsorien der Karmetten, Stücke aus der Komplet oder das »Salve Regina«. Es waren vor allem wieder die »paraliturgischen« Gottesdienste neben der offiziellen römischen Liturgie, die Entfaltungsspielraum boten, vor allem das Marienoffizium, aber auch Prozessionen und Andachten. Hier gab es Vertonungen von Litaneien sowie freie Motetten, die auch wiederum in der Messe Raum greifen konnten (z. B. bei der Elevation der eucharistischen Gestalten). Schließlich ist die zwar nicht mehr liturgische, aber doch liturgienahe Gattung des Oratoriums zu nennen, die eine Brücke zum weltlichen Musikbetrieb der Oper bildet. Einen Sonderfall stellt die reine Instrumentalmusik dar. An erster Stelle steht die Orgel (Gerhards/629), doch gibt es auch Traditionen von Bläser- oder Streichermusik im Kontext der Liturgie. Bei ihrem Erklingen wird Kirchenmusik am eindrücklichsten »Klang des Unsagbaren« (Bretschneider/621).

5.4.6 »Religiöser Volksgesang« und Liturgie Die erwähnten »paraliturgischen« Formen boten auch längst vor der Reformation Gelegenheit für den religiösen Volksgesang, der in der Messe nur sporadisch Fuß fassen konnte (Möller/643). Aus mittelalterlichen Cantiones und Leisen (d. h. Kyrie-Tropen) entwickelte sich das Kirchenlied, zunächst aus reformatorischem Impuls, bald aber auch in gegenreformatorischer Reaktion. Während die Liturgien der Reformationskirchen dem Gemeindelied einen hohen liturgischen Rang zubilligten, wurde es von der katholischen Liturgie trotz mancher Teilerfolge in der Zeit des Barock und der Aufklärung systematisch ferngehalten. Dies ist ein Grund dafür, dass in rein katholischen Ländern kaum eine Tradition des Kirchenliedes anzutreffen ist.

5.4  Gesang und Musik in der Liturgie249

Tatsächlich hat sich das Kirchenlied schon in den Gemeinschaftsmessen oder Bet-SingMessen der Zeit der Liturgischen Bewegung im gemischtkonfessionellen deutschen Sprachraum als genuine liturgische Äußerung des Volkes etabliert. Dies zeigt ein Blick in die Diözesangesangbücher der Nachkriegszeit. Mit der Liturgiereform hielt infolge des Leitprinzips »tätige Teilnahme« der Gemeindegesang Einzug in die Liturgie. Die Kirchenmusikinstruktion »Musicam Sacram« (1967) sollte gleich zu Beginn der Reformphase die entsprechenden Eckpunkte setzen (Jaschinski/637; Gerhards/628). Das nachvatikanische Einheitsgesangbuch »Gotteslob« (1975; Neuauflage 2013/75; Kommentar zu den Liedern: Die Lieder des Gotteslob/642) konnte an den Traditionen der Vor- und Nachkriegszeit anknüpfen, wie schon ein Blick auf die Entstehungszeit vieler Lieder und die Namen der Autorinnen und Autoren zeigt. Ein bis heute ungelöstes Problem liegt dabei in der Tatsache, dass die ältere Kirchenliedtradition außer- oder paraliturgisch geprägt war. Die Eucharistiefeier bietet im Grunde wenig Raum für das Strophenlied, und die älteren Ordinariumslieder sind bestenfalls Paraphrasen des liturgischen Textes. So bleibt eine Spannung bestehen zwischen dem, was die kirchliche Liturgie vorschreibt, und dem, was gern gesungen wird. Dies zeigt sich besonders in den jahrzehntelangen Auseinandersetzungen um das »Neue Geistliche Lied«. Hier wirkt sich die Spannung zwischen »objektiver« Vorgabe und »subjektivem« Empfinden besonders deutlich aus. Diese Spannung autoritativ zu Gunsten der kirchlich geregelten Liturgie aufzulösen, wie neuere Dokumente dies intendieren (Gerhards/630), hieße, dem Verstummen des Singens im Gottesdienst Vorschub zu leisten (Bretschneider/620).

5.4.7 Zur theologischen Begründung des Singens im Gottesdienst Die These dieser Überlegungen lautet, dass im Singen raum-zeitliche Vergegenwärtigung geschieht, die Überwindung des Zeitflusses durch Feier und Fest. Die Art und Weise der Vergegenwärtigung durch das Singen lässt sich in formaler und in inhaltlicher Hinsicht beschreiben (Gerhards/632): • formal: Im Singen geschieht Kommunikation in einem ganzheitlichen Sinn. Man kann dies an den Kategorien Bewegung, Wahrnehmung und Spiel festmachen (Felbecker/627): a) Bewegung: Als »actio« gehört das Singen zur Bewegungsdimension. Die Singenden äußern sich, treten aus einer rein passiven, rezeptiven Haltung heraus. Sie dokumentieren durch ihr Tun ihre Präsenz. Die Bewegung ist wesentlich Rhythmus von Atmung und Sprache (Wortsprache und Tonsprache) sowie Metrum. Dabei ist auch der Tanz zu bedenken mit seinen stilisierten liturgischen Ausprägungen (Prozession, Umschreiten). Er steht in engem Zusammenhang mit Musik und Gesang und weitet den Bewegungsgestus aus. b) Wahrnehmung: Da Singen eine akustische Artikulation darstellt, geht es in erster Linie um das Hören: das Hören der eigenen Stimme und der Stimmen der anderen. Nur so kann es zu einem Zusammenklang, also zu einer Erfahrung von Gemeinsamkeit im Singen kommen. In zweiter Linie kommt die Wahrnehmung durch das Schauen hinzu.

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Wer die anderen als Mitsingende erblickt, erfährt sich als Teil einer Gemeinschaft. Damit wird Vergegenwärtigung bewirkt. Besonders stark ist das zu erfahren in massenpsychologisch beeinflussten Zusammenhängen, etwa im Sportstadion bei einer Großveranstaltung. Die Gefahren, die damit verbunden sind – insbesondere die Entpersonalisierung und Ideologisierung –, sind allerdings nicht von der Hand zu weisen. c) Spiel: Im Singen verwirklicht sich der homo ludens, der spielende Mensch. Singen gehört zwar zu allen Liturgien der Christen in Ost und West, doch blieb es dem Westen vorbehalten, es als unwesentlich anzusehen. Die Entwicklung der Stillmesse und der entsprechende Sprachgebrauch missa recitata (im Deutschen: »die Messe lesen«, im Italienischen: »dire la messa«) machen deutlich, dass die Liturgie – insbesondere die Messe  – funktionalisiert und damit ihres eigentlichen Sinnes entkleidet wurde: der Zweckfreiheit als Ausdruck gnadenhaften Geschehens. Gerade das aber ist das Wesen des Singens. Singen im Gottesdienst ist »Spielen vor Gott«. • inhaltlich: Im Singen kommen die Grundakte liturgischen Sprechens mit ihren vielfältigen Differenzierungen zum Ausdruck. Es handelt sich im Wesentlichen um die drei Vollzüge Anaklese, Anamnese und Epiklese (vgl. auch Kap. 5.2). a) Anrede (Anaklese): Im Hintreten vor Gott werden sich die Betenden ihrer selbst bewusst. Dies geschieht am Beginn des Gottesdienstes durch eine Anrufung Gottes, in der die Beziehung Du-ich oder Du-wir konstituiert wird. Im Stundengebet ist es der Ruf »Deus, in adiutorium meum intende!« (O Gott, komm mir zu Hilfe!), beim gregorianischen Introitusgesang der Messe wird dies durch das Hinzutreten unter Psalmengesang zum Ausdruck gebracht. Musik und Bewegung gehören hier untrennbar zusammen und bilden eine einzige Ausdruckshandlung. Die Funktion der Anrede haben aber auch das Eröffnungslied oder der Hymnus zu Beginn von Stundengebet oder Messe (Gloria), insofern dort Gott preisend genannt wird. b) Erinnerung (Anamnese): Lieder erzählen die Heilstaten Gottes in der Geschichte Israels und der Kirche. Lieder waren zu allen Zeiten auch Träger von Erinnerung; sie waren und sind also Bestandteil des geschichtlichen Gedächtnisses und damit Garant der Identität einer Gemeinschaft. Die im Singen zur Sprache gebrachten Inhalte werden zugleich vergegenwärtigt und angeeignet. c) Anrufung (Epiklese): Im Singen kann die Sehnsucht nach Gottes Gegenwart intensiven Ausdruck finden, so in den O-Antiphonen der Adventszeit, die das »veni!« (»Komm!«) musikalisch entfalten. Es geht um die Bitte an Gott, dass er das Heil, welches er in der Geschichte gewährt hat, auch weiterhin schenken möge. Letztlich handelt es sich hier um die eschatologische Dimension. Diese kann im Gesang eine große Expressivität finden – nicht nur in Form der Bitte, sondern auch der Klage. Hier kommt die Vorläufigkeit jeder irdischen Liturgie im Hinblick auf die verheißene »Himmlische Liturgie« zum Ausdruck. Der jüdische Religionsphilosoph Franz Rosenzweig (1886–1929) hat in seinem während des Ersten Weltkriegs entstandenen Hauptwerk »Der Stern der Erlösung« nach der Ausdrucksgestalt gefragt, in der die verheißene Erlösung als sichere Zukunft verbürgt wird: »Nicht die

5.5  Zeichen und Zeichenhaftigkeit in der Liturgie251

Prophezeiung also ist die besondere Form, in der die Erlösung Inhalt der Offenbarung sein kann, sondern es muss eine Form sein, die der Erlösung ganz eigen ist, die also das Noch-nichtgeschehen-sein und Doch-noch-einst-geschehen-werden ausdrückt. Das ist aber die Form des gemeinsamen Gesangs der Gemeinde« (Rosenzweig/644: 278). Thomas Eicker kommentiert diese Aussage: »Der Gesang führt also den Menschen mit seinen Mitmenschen, mit seiner (Um-)Welt im Zeugnis und gesungenen Bekenntnis zusammen. Der Chorgesang wird Rosenzweig zum Bild für die Erlösung. Er ist eine erste Frucht der Erlösung, weil das Gebet schon erhört wurde, da alle beten und sich im gemeinsamen Lob gefunden und vereinigt haben« (Eicker/625: 155). Letztlich aber ist auch der Gesang etwas Vorläufiges. Er ist zunächst nötig, um dem von den vielen Wörtern übertönten Wort einen neuen Klangraum zu geben. Um das Offenbarungswort hören zu können, müssen erst viele andere, vom Wesentlichen ablenkende Stimmen zum Schweigen gebracht werden. Nur durch Reduktion und Konzentration kann der Mensch zu sich selbst und zu seiner Mitte finden. »Ob im Verklingen der gottesdienstlichen Musik in eine gesammelte Stille oder in ihrer Lautwerdung in Bekenntnis, Lob, Dank, Bitte oder Klage: Immer geschieht, was Rosenzweig im Blick auf den Weg der Erlösung ›Einsäen der Ewigkeit ins Lebendige‹ nennt« (Eicker/625: 168; Rosenzweig/644: 410). In diesem umfassenden Sinn ist Kirchenmusik also Klang des Unsagbaren. Sie ist letztlich Dienerin, Klangbild des im Menschen seufzenden Heiligen Geistes (Röm 8,26), aber nicht Medium des von Menschen Gemachten. Dies zum Ausdruck zu bringen, ist ein hoher Anspruch, der Spiritualität und musikalische Professionalität zugleich erfordert (zum katholischen Verständnis von Kirchenmusik: Eicker/625; zum evangelischen Verständnis: Dahlgrün/623).

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Zeichen und Zeichenhaftigkeit in der Liturgie

5.5.1 Zeichenhaftigkeit des Gottesdienstes Die Liturgie besteht aus einer Fülle von Zeichensystemen, die aufgrund ihrer Komplexität nur schwer zu systematisieren sind. In den vergangenen Jahrzehnten wurden im Anschluss an amerikanische Ansätze der Linguistik und Semiotik zahlreiche einschlägige liturgiewissenschaftliche Studien veröffentlicht (Lukken/664; Bieritz/31; Merz/229; Meffert/228; MeyerBlanck/666; Winter/675 u. a.). Die Terminologie ist uneinheitlich, etwa was Zeichen und Symbol betrifft. Liturgiewissenschaftlich relevant ist die von Umberto Eco getroffene Feststellung, dass es genau genommen nicht Zeichen, sondern nur Zeichenfunktionen gibt (Bieritz/31: 38), d. h. ein Zeichen wird zum Zeichen dadurch, dass es in eine Beziehung, in einen Prozess der Präsentation, Wahrnehmung und Deutung, eintritt. Die Funktion wird traditionell in einem zweistelligen Modell beschrieben, in welchem man Signifikant (Bezeichnendes) und Signifikat (Bezeichnetes) unterscheidet. Dieses Modell wird vielfach zum »semiotischen Dreieck« erweitert, indem eine dritte Größe, das »Referent«, also die »Bezugsgröße« eingeführt wird: Welche gemeinsame »Wirklichkeit« liegt dem Signifikant und dem Signifikat zugrunde?

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Umberto Eco modifiziert das traditionelle Modell, indem er statt des Referenten den von Charles Sanders Peirce übernommenen Begriff des »Interpretanten« einführt: »Die Bezugnahme auf einen Referenten erhellt nie das Signifikat des Zeichens. … Das Signifikat eines Zeichens lässt sich nur klären durch den Verweis auf einen Interpretanten, der wieder auf einen weiteren Interpretanten verweist, und so fort bis ins Unendliche, was einen Prozeß unbegrenzter Semiose in Gang setzt, in dessen Verlauf der Empfänger das ursprüngliche Zeichen so weit dekodifiziert, wie er das für seine Zwecke der betreffenden Kommunikation und die Bezugnahmen, bei denen er es anwenden möchte, braucht« (Eco/650: 173; Bieritz/31: 40). Mit anderen Worten: Menschliche Kultur ist ein Deutungssystem, aus dem man sich nicht verabschieden kann. Es gibt im Bereich menschlicher Kommunikation keine kultur- und kommunikationsunabhängigen Referenten, sondern nur fortwährende Signifikationsprozesse, durch welche die »Welt« immer neu eine wahrnehmbare Gestalt gewinnt. Die Liturgie ist in ihrer Gesamtheit, also mit all ihren unterschiedlichen (optischen, akustischen, taktilen usw.) Zeichensystemen (Codes), ein solcher Signifikationsprozess. Diese zunächst nicht theologisch getroffene Aussage hat gleichwohl theologische Relevanz. Bekanntlich arbeitet die Sakramententheologie seit jeher mit dem Zeichenbegriff. So kann die Wandlung der eucharistischen Gestalten als »Transsignifikation« beschrieben werden. Das sakramentale Kerngeschehen ist aber eingebettet in einen umfassenden Kommunikations- oder Signifikationszusammenhang, dessen einzelne Systeme »Sprachen« genannt werden können. Karl-Heinrich Bieritz unterscheidet folgende »Sprachen« im Gottesdienst (Bieritz/31: 42–46): 1. Wortsprachen: Sprach- und Schriftcode (Liturgiesprachen) sowie Sprechcode (dazu gehören Lautstärke, Tonhöhe, Betonungen usw.); 2. Körpersprachen (Mimik, Gestik, Haltungen, Bewegungen durch den Raum, Stellungen im Raum, Berührungen, Geschmack und Geruch); 3. Klangsprachen (akustische Codes wie Klänge, Geräusche, insbesondere die musikalischen Codes); 4. Objekt-Sprachen (Kleider, Raumschmuck, liturgische Geräte und Gefäße, Bilder, Symbole von unterschiedlicher sinnlicher Wahrnehmbarkeit, insbesondere der Raum und seine Ausstattung); 5. Soziale Sprachen (Personen und Gemeinde als Repräsentanten Christi, Inszenierungen, Gliederung der Zeit, Festcode). Aus den Elementen eines Codes (z. B. des Kleidercodes) lassen sich Zeichenfolgen zusammenstellen, die »Text« genannt werden können. In diesem Zusammenhang ist nach der »Stimmigkeit« (d. h. gleichsam nach der grammatischen Korrektheit) und nach der Bedeutung (Semantik) eines Zeichens zu fragen. Mit der Frage der Wirkung des Zeichens kommt die Pragmatik in den Blick. Schließlich ist auf die Struktur bzw. Strukturierung Bezug zu nehmen, ein für alle Kommunikationsebenen unabdingbarer Vorgang. Durch Strukturierung werden die kommunikativen Systeme gleichsam »von außen« betrachtet. Auch Strukturen unterliegen Konventi-

5.5  Zeichen und Zeichenhaftigkeit in der Liturgie253

onen. In der Liturgie bedeutet dies z. B. die Einhaltung des liturgischen »Rollenspiels« und der feststehenden Vollzüge. Strukturen sind auch deutungsrelevant. Unter der Oberflächenstruktur verbergen sich Tiefenstrukturen, die sich z. B. bei ökumenischen Gottesdiensten je verschieden auswirken können. Für den Gottesdienst als rituelles Geschehen und als Teil der authentischen kirchlichen Überlieferung stellt sich die Frage, wie mit dem Spannungsverhältnis von vorgegebener Struktur und jeweils neuer Strukturierung umzugehen ist. Der Hinweis auf geschichtlich gewachsene und (aus römisch-katholischer Sicht) auch durch lehramtliche Entscheidung verbindliche Grundstrukturen sowie ihre Deutungen kann nicht von der Aufgabe immer wieder neuer Strukturierung entbinden (vgl. Kap. 3 u. 4). Dabei gilt: »Überlieferte Liturgie begegnet uns mit der Würde und Wucht eines Textes, der uns – eben auch auf der Ebene seiner ›Struktur‹ – bestimmte Lesarten von Gott und Welt, Leben und Glauben nahe legt. Wer an diesem Text fortschreiben will, muss ihn zuvor nicht nur gelesen und begriffen haben, sondern auch von ihm ergriffen worden sein« (Bieritz/31: 54). Im Folgenden werden einige der Zeichensysteme der Liturgie aus dem Bereich der »Objektsprachen« eingehender behandelt. Was früher als »Realienkunde« ein eher marginales Dasein fristete, erhält durch die zeichentheoretische Betrachtung einen neuen Stellenwert. Es gibt demzufolge nichts Nebensächliches im Gottesdienst. Auch die Liturgiekonstitution hat diesem Bereich ein eigenes Kapitel gewidmet: »Die sakrale Kunst. Liturgisches Gerät und Gewand« (SC 122–130; vgl. Gerhards/658). Konkrete Anweisungen gab es in den Dokumenten der Liturgiereform. Einige Bestimmungen oblagen und obliegen den territorialen Autoritäten (vgl. Leitlinien für den Bau/91).

5.5.2 Kirchenraum: Liturgischer Feierraum und öffentlicher Raum Der Kirchenraum stellt ein hoch komplexes Zeichensystem dar (Lukken/483; Volp/266: Bd.  1). Historische Kirchengebäude unterliegen im Lauf ihrer Geschichte immer wieder neuen Signifikationsprozessen, wahren ihre »Identität« letztlich durch Veränderung in Deutung und Gestalt. Die Bedeutung eines Raums erschließt sich nur aus dem Kontext, d. h. unter Einbeziehung der sich darin abspielenden liturgischen und außerliturgischen Vollzüge (Gerhards/657). Liturgie und Raum sind also relationale Größen, die sich nicht nur aus der Perspektive einer agendarischen Vorgabe oder des Bauplans erschließen, sondern auch aus der Wahrnehmung oder dem Erleben. Hierzu kommen neben den klassischen Quellen der Liturgiewissenschaft und Kunst- bzw. Architekturgeschichte auch bislang nicht genutzte Quellen in den Blick. Von besonderem Interesse in Bezug auf Liturgie- und Raum-Erleben sowie Formen der Volksfrömmigkeit sind autobiographische Quellen (Lurz/373; zum Ganzen Gerhards/654). Die Raumdimension wird traditionell als etwas Statisches angesehen. Dies hängt nicht zuletzt mit der Einführung der Kirchenbänke in der Reformationszeit zusammen. Der katholische Kirchenraum wurde zum Versammlungsraum für Glaubensunterweisung, vor allem aber zum Ort privater Anbetung in Gemeinschaft. Tatsächlich dienten die Kirchenräume in der Spätantike und im Mittelalter aber vornehmlich Bewegungsabläufen, die auf

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5  Elemente und Ausdrucksformen des Gottesdienstes

diese Weise vielfältige Raumerfahrung ermöglichten. Raumerfahrung heißt zugleich auch Selbsterfahrung. Es ist ein Unterschied, ob eine Gemeinde nur einer Einzugsprozession zusieht oder ob sie selbst am Einzugsgeschehen aktiv beteiligt ist. Die Wiederentdeckung der Bewegungsdimension als Bestandteil der Liturgie ist eine notwendige Folge des erneuerten Liturgieverständnisses. Dabei ist zu bedenken, dass erst in der Phase der Liturgiereform vielfältige Elemente der Bewegungsdimension (z. B. Prozessionen, Umgänge u. Ä.) abgeschafft wurden. Diese wurden seinerzeit nicht eigentlich als Liturgie erkannt und anerkannt. Der traditionelle Liturgiebegriff als »actio« verweist jedoch seinerseits auf das Handlungsgeschehen, auf das »heilige Drama«, das die Liturgie dem modernen Kunstbegriff annähert. In dieser Hinsicht kann man Gottesdienst auch als »Performance« beschreiben, wobei aus der Sicht der Glaubenden damit nur ein kleiner Teil der gottesdienstlichen Wirklichkeit erfasst ist. Christlicher Gottesdienst ist darstellendes Handeln, in dem die Heilsgeschichte Gottes eine Gegenwartsgestalt bekommt und auf diese Weise nicht nur als wirkmächtig und zukunftseröffnend geglaubt, sondern auch erfahren wird. Die Folgen der Liturgiereform nach dem Zweiten Vatikanischen Konzil für den katholischen Kirchenraum waren erheblich (vgl. Kap. 3.10). Gleichwohl waren die Eingriffe etwa der Tridentinischen Reformen nicht weniger gravierend (Auflösen der mittelalterlichen Raumfolge in einen Einheitsraum durch Beseitigung der Lettner, Verlegung des Aufbewahrungsortes für die Eucharistie auf den Hochaltar, Einführung von Kirchenbänken und Beichtstühlen). In zeichentheoretischer Betrachtung besteht in heutigen Kirchenräumen das ungelöste und möglicherweise unlösbare Problem einer Raumantinomie zwischen Ausrichtung und Zentralisierung, die sich in der neu aufgeworfenen Frage nach der Zelebrationsrichtung »versus populum« zeigt. Beide Dimensionen, die der zentrierten Versammlung und die der exzentrischen Ausrichtung, gehören im christlichen Gottesdienst (wie auch in dem der Synagoge) zusammen und müssen im Gleichgewicht gehalten werden. Dabei können die Schwerpunkte unterschiedlich liegen. Die Pluralität von biblischen Kirchenbildern und die Aussage von den verschiedenen Weisen der Gegenwart Christi in der Liturgie (SC 7) suggerieren eine Pluralität von Raumkonzepten (vgl. die Leitlinien für den Bau/91: Kap. 1.3). Im Unterschied zu älteren Bestimmungen gehen die »Leitlinien« von der grundsätzlichen Einheit des Kirchenraumes aus. Die Gemeinsamkeit des Taufpriestertums wird durch die hierarchische Binnenstrukturierung nicht aufgehoben. Daher ist die Differenzierung des Raumes in Orte besonderer Teilnehmer (z. B. Ort des Vorsitzes) und besondere Funktionsorte (z. B. Altar) nachgeordnet. Dabei geht es nicht um eine Nivellierung der Unterschiede (Liturgie und Bild/93: Kap. 3.1). In jüngerer Zeit wird größerer Wert auf Differenzierung gelegt, auch was die Vielfalt der Feierformen betrifft. Dabei sind architektonische Qualität und liturgische Dignität ebenbürtig. Dies führte zu Überlegungen und Gestaltungen in Richtung von »Communio-Räumen«, die das Spezifische der gott-menschlichen Gemeinschaft im Gottesdienst erfahrbar machen sollten (Communio-Räume/649). Anhand dieser Raumkonzepte stellt sich noch einmal neu die Frage nach der »Mitte« des Kirchenraumes. Diese wird in den Dokumenten scheinbar mit dem Altar identifiziert. Kann aber der Altar, der ein Ding ist, eine Person oder ein personales Geschehen symbolisieren? Die »Mitte« christlichen Gottesdienstes ist auch nicht einfach mit Christus gleichzusetzen. Bereits zur

5.5  Zeichen und Zeichenhaftigkeit in der Liturgie255

Zeit der Liturgischen Bewegung wurde die Christozentrik in Frage gestellt und durch eine trinitarische Sicht korrigiert (Rudolf Schwarz; vgl. Gerhards/315). Die Mitte des Feierraums ist treffender als Beziehung im doppelten Sinne zu verstehen, als innergöttliche und als gottmenschliche. Der Heilige Geist ist das Prinzip der Einheit in Gott und zugleich der Einheit der liturgiefeiernden Kirche, wie die Schlussdoxologie des eucharistischen Hochgebetes zum Ausdruck bringt (vgl. Kap. 5.2). Demnach kristallisiert sich eine Raumgestalt heraus, die körpersprachliche Ausdrucksformen (Haltungen, Ausrichtungen, Bewegungen) der unterschiedlichen gottesdienstlichen Vollzüge und »hierarchische Codes« gleichermaßen fördert. Dabei geht es auch um die Frage, ob die konzentrisch (um eine Mitte zusammengekommene) Versammlung der Gemeinde in sich geschlossen oder doch auch offen ist. Nach Reinhard Meßner hat die Versammlung zur Eucharistie keine zweifache (Wort und Mahl), sondern eine dreifache Gestalt: Verkündigung, Gebet und eucharistische Tischgemeinschaft (Kommunion). Die »Mitte« der Versammlung ist jeweils exzentrisch angesiedelt (Meßner/665: 29). Es muss demnach bei einer Versammlungsgestalt bleiben, die im Vollzug des Gebetes die Orientierung in irgendeiner Weise wahrt. Dabei geht es um die Begegnung mit Gott, dem Vater, durch Jesus Christus im Heiligen Geist. Dieses Gegenüber, so Meßner, ist nicht durch einen menschlichen Stellvertreter darstellbar. Insofern ist die von Rudolf Schwarz (Schwarz/673) vorgeschlagene Versammlungsgestalt des offenen Kreises nach wie vor von Bedeutung. Freilich fehlt diesem Konzept der zweite Schwerpunkt, der Ort der Wortverkündigung. In dem weiterentwickelten Konzept der Communio-Räume befindet sich der Ort der Wortverkündigung in dem offenen Segment des nun zum Oval oder zur Ellipse oder zur U-Form gestreckten Kreises. Auf diese Weise kommt, gemäß den Aussagen Meßners, in der Tat die Repräsentanz des im Wort der Schrift zu den Menschen sprechenden Subjekts durch den menschlichen Vertreter oder die Vertreterin zum Zuge. Daher kann im Moment der Wortverkündigung das offene Segment geschlossen werden. Der Priester tritt zur Gabenbereitung hinter den Altar und schaut zusammen mit der Gemeinde zum offenen Segment hin. Auf die hier beschriebene Weise wird die von Meßner geforderte Gebetsgestalt erreicht. Für die dritte Gestalt, die der Teilhabe, empfiehlt sich die Kommunion in Halbkreisen entsprechend der Sitzordnung der Gläubigen, wodurch einerseits das Miteinander zum Ausdruck kommt, andererseits der Bezug zum Altar, von dem man die eucharistischen Gaben empfängt.

5.5.3

Liturgische Orte

5.5.3.1

Der Altar

Das erwähnte Spannungsverhältnis von Opfer und Mahl ist schon in der Tradition der christlichen Altäre belegt, die mit der Entstehung eigener Kirchengebäude nach der Konstantinischen Wende aufgekommen sind. Dabei hat es wohl von Anfang an sowohl fest­ stehende als auch bewegliche Altäre gegeben. Altäre können einen Opferstein oder ein Grab symbolisieren, werden aber gedeckt und geschmückt wie eine festliche Tafel. Es lässt sich sowohl anhand der liturgischen Texte als auch der archäologischen bzw. kunstge-

256

5  Elemente und Ausdrucksformen des Gottesdienstes

schichtlichen Zeugnisse nachweisen, dass die Dimensionen Opfer und Mahl stets koexistierten, wenn auch je nach Zeit und kulturellem Kontext mit unterschiedlicher Gewichtung. Der Altar ist im christlichen Verständnis gegenüber den jüdischen und paganen Opferritualen immer etwas Uneigentliches: nicht eigentlich Opferstätte – aber doch Unterlage, auf welche die Gaben abgelegt werden  – und nicht eigentlich Esstisch  – aber doch Tisch, von dem die Mahlgaben empfangen werden. Von großer Bedeutung ist dabei die Frage, ob die Integration gelingt  – eine höchst anspruchsvolle künstlerisch-ästhetische Aufgabe (Gerhards/655). Der Altar einer christlichen Kirche erhält seine Bedeutung nicht aus einer materiellen Opferhandlung im Sinn eines Gott geschuldeten Kultes. Dies verbindet das Christentum mit den anderen beiden monotheistischen Weltreligionen Judentum und Islam, die keine Opferaltäre kennen. Gegen jene materialistische Auffassung gab es Bewegungen wie die der reformierten Kirchen, die dieser eine rein spirituelle Sicht entgegensetzten. Seine Bedeutung erhält der Altar vielmehr aus der Eigenart des zentralen liturgischen Vollzuges der Kirche, der eucharistischen Handlung. Diese besteht aus einem Geflecht von Wort- und Zeichenhandlungen an und mit materiellen Gaben, Speise und Trank. Dadurch wird das aktualisierende Gedächtnis der Geschichte Gottes mit den Menschen vollzogen. Der Altar ist der Ort, an und auf dem diese verbalen und gestischen Vollzüge stattfinden. Somit ist der Altar Ort gott-menschlicher Kommunikation. Für die genauere Betrachtung ist hier zwischen der materialen und der formalen Sinngestalt der Eucharistie zu unterscheiden. Die materiale Sinngestalt erschließt sich aus dem Handlungsvollzug der Feier. In Bezug auf den Altar sind vier Bewegungsrichtungen von Bedeutung: die zentripetale Richtung der Gabenprozession, deren Ziel der Altar darstellt; die deszendente des Ablegens der Gaben auf dem Altar bei der Gabenbereitung sowie im epikletischen Gestus während des Eucharistiegebetes; die aszendente beim zusammenfassenden Lobpreis unter Erhebung der Gaben am Ende des Eucharistiegebetes; und die zentrifugale beim Ausspenden der eucharistischen Gaben bei der Kommunion vom Altar (Gerhards/656). Hier wird deutlich, dass die materiale Sinngestalt sich nicht im Vergleich mit einem gewöhnlichen Mahl erschließt, sondern im Blick auf das kultische Mahl, in dessen Mitte eine zentrale Sprechhandlung steht, das eucharistische Hochgebet mit seinen drei Grundaspekten Lobpreis, Gedenken und Anrufung (vgl. Kap. 5.2). Der Altar bildet den räumlichen Bezugspunkt der eucharistischen Handlungen. Seine Position und Gestalt spiegeln das Eucharistieverständnis einer jeweiligen Zeit und des jeweiligen kulturellen Raumes wider. Der Altar gehört der jetzigen, in Christus erneuerten Schöpfung an und verweist zugleich auf die endgültige Neuschöpfung in der Herrlichkeit Gottes. Er ist der Ort, an dem sich der Lobgesang von Himmel und Erde verbinden (Sanctus). Die eschatologische Ausrichtung wurde schon früh mit der Orientierung der Gebetsrichtung zum Ausdruck gebracht. In Kirchen mit Apsisostung führte diese Sicht zu einer Extrapolierung des Altars aus der Gemeindeversammlung und zu seiner Erhöhung (Stufenberg). Als Schwelle gehört der Altar aber gleichzeitig auch noch der gegenwärtigen Schöpfung an. Seine Gestalt und Materialität

5.5  Zeichen und Zeichenhaftigkeit in der Liturgie257

hat dies lange Zeit zum Ausdruck gebracht. Form- und Materialgerechtigkeit sind wichtige Kriterien auch für heutige Gestaltung. Im Eucharistiegebet nimmt das Gedenken vor allem in den Anaphoren syrischer Provenienz breiten Raum ein. Dabei betrifft das Gedenken nicht nur die Geschichte Gottes mit Israel und der Menschheit, sondern auch die Kirche in ihrer Gegenwart, Vergangenheit und zukünftigen Vollendung. Der Altar wird zum Ort des Gedenkens, in dessen Mitte das Gedächtnis des Mysterium paschale steht, wie dies in der sog. »speziellen Anamnese« zum Ausdruck kommt. Der Altar ist somit immer auch Symbol der Geschichte Gottes mit dem Menschen. In seinen historischen Deutungsversuchen wird er zum Christussymbol, indem er Krippe, Golgotha, Grab, aber auch den Abendmahlstisch repräsentiert. Hier stellt sich die Frage nach einer angemessenen Ikonographie des Altares und gegebenenfalls des Altarbildes. Das eucharistische Hochgebet ist nicht nur aktualisierendes Gedächtnis des Vergangenen, sondern hat eine »nach vorn« gerichtete Dynamik. Auf die Feier bezogen zielt es auf die Kommunion (Kommunionepiklese), auf die Zeitstruktur bezogen mündet es in eine doppelte eschatologische Perspektive in Hinblick auf die Erfüllung im Jetzt und im Eschaton, am Jüngsten Tag. Epiklese und Interzessionen sind die logische Fortführung des anamnetischen Betens und greifen die im ersten Abschnitt vorgegebene universale Perspektive auf. Der irdische Altar als Ort des eucharistischen Mahles wird so zum Symbol des himmlischen Hochzeitsmahles der Endzeit. Dieses hat im sakramentalen eucharistischen Mahl jedoch einen »Vorgeschmack«. Die Tischgemeinschaft christlicher Eucharistie ist nicht virtuell, sondern real-symbolisch. Daher ist der Altar auch Mitte der Gemeinde, Familien-Tisch gottmenschlicher Kommunikation. Hier liegt die Berechtigung des Anliegens der Liturgischen Bewegung und der Erneuerung nach dem Zweiten Vatikanischen Konzil, den Altar als Mitte der Versammlung erfahrbar zu machen. Die Aufgabe für die Zukunft besteht darin, einen Ausgleich zu finden zwischen dem Anliegen, die Erfahrung realer Gemeinschaft (communio) durch eine konzentrische Versammlungsgestalt um den Altar zu vermitteln, und dem Anliegen, die Öffnung der Gemeinde auf die noch ausstehende, vollkommene Gemeinschaft bei Gott zum Ausdruck zu bringen. Die Frage des Aufbewahrungsortes für die konsekrierten Hostien (Tabernakel) ist zwar vom unmittelbaren Zusammenhang des Altars abgekoppelt (der Tabernakel kann sich auch in einer eigenen Kapelle befinden), muss aber bei der Suche nach einer angemessenen Gestalt der eucharistischen Topographie des Kirchenraumes mitbedacht werden.

5.5.3.2 Der Ambo Neben dem freistehenden, für die Zelebration »versus populum« geeigneten Altar ist die (Wieder-)Einführung des Ambo als fester liturgischer Ort wohl die zweite bedeutende Neuerung in katholischen Kirchenräumen nach dem Zweiten Vatikanischen Konzil. Sie entspricht der Aufwertung des Wortes in der römischen Liturgie (vgl. Kap. 5.1), führte andererseits zu einer Sinn- und Funktionsentleerung der traditionellen Kanzeln. In Bezug auf den Ambo erweisen sich schon die terminologische Festlegung sowie die funktionale Bestim-

258

5  Elemente und Ausdrucksformen des Gottesdienstes

mung als ein großes Problem. Noch schwieriger ist die Frage der Platzierung des Ambos im Altar- bzw. Kirchenraum. Ist der Ambo ein dem Altar vergleichbares Monument, ein zweiter Tisch neben oder gegenüber dem Altartisch? Oder handelt es sich bei der Rede vom »Tisch des Wortes« (SC 51, DV 21) vielleicht doch nur um eine Metapher? Von seiner Ursprungsbedeutung her ist der Ambo nichts anderes als ein erhöhter Ort, von dem aus man gehört und gesehen werden kann. Die Buchablage wäre demzufolge nur eine Prothese, die durchaus von einer Person, die das Buch hält, ersetzt werden könnte. Zwischen Monumentalismus und Minimalismus gibt es eine Unzahl von Variationsmöglichkeiten, die jeweils unterschiedliche Auffassungen in Bezug auf den Akt der Verkündigung und andere liturgische Vollzüge widerspiegeln. Der Ambo erhält seine Bedeutung als Ort des Verkündigungsgeschehens. Das Wesentliche ist also der an ihm stattfindende Akt, durch den die Vergegenwärtigung des Wortes Gottes in der feiernden Versammlung geschieht. Insofern sich am Ambo Anamnese und damit Vergegenwärtigung ereignet, ist er im Vollzug durchaus mit dem Altar als Ort der eucharistischen Anamnese vergleichbar. Da der Glaube vom Hören kommt, ist die Wortverkündigung der sakramentalen Feier vorgeordnet. In der Wortverkündigung ereignet sich eine der eucharistischen Präsenz analoge Realpräsenz des Wortes. Gott schenkt sich in seinem Wort. In heutigen Gottesdiensten zeigt sich allerdings oft der unsachgemäße Umgang mit dem Wort, an dessen verändernde Kraft offenbar nicht mehr geglaubt wird. So verkümmert der Wortgottesdienst nicht selten zu einer Informationsveranstaltung und der Ambo zu einem Rednerpult. Demgegenüber kann ein Blick in die Geschichte der Ambonen den erstaunlichen Reichtum und die Vielfalt der Nutzungsmöglichkeiten und damit der Wirkdimensionen von Liturgie offenlegen. Aus heutiger Sicht lassen sich einige Problemfelder benennen: Wie verhalten sich Funktio­ nalismus und Symbolismus zueinander? In welchem Verhältnis steht der Ambo zum Altar sowohl hinsichtlich Materie und formaler Gestaltung als auch hinsichtlich der Position? Wie ist er in Bezug auf den Priestersitz und die Plätze der Gläubigen situiert? Eine Theologie des Ambos leitet sich vom anamnetischen Charakter des Wortgottesdienstes her, gemäß dem die gottesdienstliche Verlautung Medium der Vergegenwärtigung der in ihr erzählten Geschichte ist. Der anamnetische Charakter des Wortgottesdienstes zeigt sich insbesondere in der rituellen Inszenierung der Verlesung des Evangeliums. Auffällig ist das Gefälle gegenüber dem eher schlichten Vortrag der anderen Lesungen aus dem Alten und Neuen Testament. In der byzantinischen Liturgie ist durch die Position des »kleinen Einzugs« zu Beginn des Wortgottesdienstes die Einheit des Gesamtvollzuges deutlicher markiert als in der römischen, wo die Evangeliumsprozession erst unmittelbar vor dem Evangelium erfolgt. Tatsächlich hat die deutliche Unterscheidung zwischen Evangeliumsverkündigung und den anderen Schriftlesungen in der Topographie der römischen Basilika mit den beiden Ambonen ihre Entsprechung. Demgegenüber legen die Dokumente des Zweiten Vatikanischen Konzils und insbesondere die Lehre von der prinzipiellen Einheit der Schrift die Konzentration auf einen einzigen Ort der Wortverkündigung nahe sowie eine der Würde des Vollzugs entsprechende rituelle Inszenierung. In Bezug auf die Formen des Wortgottesdienstes (vgl. Kap. 5.1.4) kann man sagen: Der Wortgottesdienst der Messfeier ist

5.5  Zeichen und Zeichenhaftigkeit in der Liturgie259

vor allem anamnetisch, wobei didaktische und parakletische Momente sicherlich nicht gänzlich fehlen. Die in den kirchlichen Dokumenten geforderte optimale kommunikative Situation (Verstehbarkeit, Sichtbarkeit) ist daher im Grunde ein zwar notwendiger, aber nicht allein ausschlaggebender Aspekt für die konkrete Position und Gestalt des Ambos. Dieser steht vielmehr in einer Analogie zum Altar als Ort der Christusanamnese in der Eucharistie. Hier ist auch analog zum Aufbewahrungsort für die Eucharistie gegebenenfalls über einen Ort für die Aufbewahrung des Evangeliars/der Lesungsbibel außerhalb der liturgischen Zeiten nachzudenken.

5.5.3.3 Der Taufort Der Taufort ist der dritte anamnetische Ort im liturgischen Feierraum, der wie der Ambo seine Funktion weitgehend eingebüßt hatte und durch die Neuordnung der Liturgiereform eine Aufwertung erfuhr. Schon in neutestamentlicher Zeit wird Taufe als ein vielschichtiges Geschehen betrachtet. Dem biblischen Befund entsprechen die Vielfalt der Textaussagen und Zeichenhandlungen um das Taufbad in den altkirchlichen Traditionssträngen sowie die unterschiedliche Gestalt der Tauforte. Dies soll im Folgenden summarisch aufgezeigt werden. Dabei ist freilich zu bedenken, dass in der Realität stets mehrere Motive koexistieren. Zunächst ist von der Johannestaufe zu sprechen, die in Zusammenhang zu sehen ist mit der Proselytentaufe im Judentum. Hier bildet die Umkehr ein zentrales Motiv, bei dem die Gerichtsmetaphorik einen hohen Stellenwert hat. Die Umkehr-Taufe begegnet noch in neutestamentlicher Zeit (Apg 13,24). Liturgisch lebt der Umkehrgedanke im Ritus der Apotaxis (Absage an Satan, nach Westen) und Syntaxis (Zusage an Christus, nach Osten) fort, für den die Orientierung mancher Taufanlagen für das Durchschreiten in West-Ost-Richtung von Bedeutung war. Das damit verwandte Motiv der Sündenvergebung hat unterschiedliche bildhafte Konnotationen. So ist in 1 Kor 6,11 und Offb 22,16 vom Reinwaschen die Rede, in Hebr 10,22b von der Besprengung (mit dem Blut Christi). Dem entspricht die Taufe durch Übergießen (Perfusion) und Selbsteintauchen (Immersion). Der Taufort ist hier in Funktion und Gestalt primär ein Reinigungsbrunnen. In eine andere Symbolik verweist das Motiv Taufe und Sterben, so in Mk 10,38 f. Ihm entspricht die Taufe durch Hinabsteigen und Untertauchen als symbolisches Ertrinken. Kreuzförmige Taufbecken und Baptisterien verweisen auf die staurozentrische Interpretationsebene. Im Verlauf des 4. Jahrhunderts (Ambrosius) entspricht das Untergetauchtwerden dem Bild des Begrabenwerdens (vgl. Röm 6,4). Es entstehen große flache Baptisterien. Der Gedanke der Taufe als Wiedergeburt (Joh 3,5) steht selbstverständlich mit allen genannten Themen in Zusammenhang. Es liegt nahe, das Heraussteigen aus dem Taufbrunnen als Emporsteigen aus dem Grab bzw. der Unterwelt zu deuten. In der römischen Liturgie begegnet dieses Motiv vor allem in der Symbolik der Taufwasserweihe, die den Taufort als Mutterschoß interpretiert. Auch die Symbolik des weißen Kleides lässt sich auf dieser Linie deuten. Schließlich sei auf das Thema Taufe und Rettung im Sinne des pascha-transitus verwiesen (vgl. Mk 16,16). Die zugrunde liegende Typologie ist das Exodusereignis. Der Taufort wird

260

5  Elemente und Ausdrucksformen des Gottesdienstes

als Durchzug durch das Rote Meer (in Richtung Osten) interpretiert und gestaltet (Gerhards/653). Der Taufbrunnen der entfalteten Taufliturgie der Alten Kirche entwickelte sich zum Aufbewahrungsbecken für das in der Osternacht geweihte Taufwasser. Die ursprünglich noch recht voluminösen romanischen Taufbecken (aus Stein oder Bonze) schrumpften mit der Zeit. Für den individuell und in der Regel ohne großen zeremoniellen Aufwand vollzogenen Taufakt brauchte man lediglich Kännchen und Schale. Mit der Reorganisation der Taufliturgie (evtl. Taufe durch Eintauchen: Immersionstaufe) und der Wiedereinführung des Katechumenats erhält der Taufort gegenwärtig eine neue Bedeutung im Vollzug und als anamnetisches Zeichen, als monumentales Taufgedächtnis. Die Frage ist, an welche der neutestamentlichen Typologien man anknüpfen will. Mit der Gestaltung des Taufortes stellt sich auch die Frage nach einem angemessenen Aufbewahrungsort für die drei Heiligen Öle (Chrisam, Katechumenen- und Krankenöl).

5.5.4 Gefäße und Geräte Kostbare Gefäße bilden das Herz der Kathedrale des Hochmittelalters: Kelch und Patene, Ziborium und Monstranz. Sie bergen die Reliquien der Heiligen, über deren Gräbern der Bau errichtet wurde, und vor allem nehmen sie die eucharistischen Gestalten auf. Silber und Gold symbolisieren die Nähe zum Heiligen. Traditionell durften nur diese Edelmetalle für die Brot und Wein aufnehmenden Gefäße bei der Messfeier verwendet werden, da nur das Kostbarste für würdig erachtet wurde, mit dem Allerheiligsten in Berührung zu kommen. Dem entsprach auf Seiten der Menschen die Furcht, unwürdig den Leib und das Blut des Herrn zu empfangen. Die Kostbarkeit der Gefäße unterstützte in ihrer Bildhaftigkeit diese Haltung von Priester und Gläubigen. Nach einer Phase weitgehender Missachtung der liturgischen Gefäße und Geräte wird diesem Bereich in den letzten Jahrzehnten wieder erhöhte Aufmerksamkeit gewidmet (vgl. Liturgie Gefäße/662). In der klassischen Literatur wird unterschieden zwischen »Vasa sacra« und »Vasa non sacra«, je nach Nähe zum eucharistischen Geschehen (Braun/647). Unter den »Vasa sacra« sind in erster Linie Hostienschale und Kelch zu nennen. Der Weinkelch, Bestandteil des christlichen Gottesdienstes, gehörte aber auch bereits zur jüdischen Liturgie. Im Psalmenbuch ist wiederholt vom Kelch der Preisung oder des Heils die Rede (z. B. Ps 116,12–14). Paulus mahnt seine Adressaten in Korinth: »Ist der Kelch des Segens, über den wir den Segen sprechen, nicht Teilhabe am Blut Christi?« (1 Kor 10,16). Im Erheben des Bechers und mit den dabei gesprochenen Lobsprüchen kommt insbesondere der Festcharakter der christlichen Liturgie zum Ausdruck. Im Zentrum steht also eine doppelte Handlung: Lobpreis und Dank über Brot und Wein sowie Essen und Trinken der geheiligten Gaben, für die geeignete Gefäße erforderlich sind. Die Gefäße für die eucharistischen Gaben sind in Bezug auf den Wandel im Lauf der Zeit besonders aussagekräftig: Ein großer Henkelkelch, wie er z. B. im 6. Jahrhundert auf einem Mosaik in S. Vitale in Ravenna dargestellt worden ist, hat mit einem Barockkelch nur noch die Funktion des Trinkgefäßes gemeinsam. Während der antike Kelch für das Weiterrei-

5.5  Zeichen und Zeichenhaftigkeit in der Liturgie261

chen und das Trinken durch eine größere Anzahl von Personen gedacht war, ist der Barockkelch mit seinem großen Fuß und der kleinen Kuppa für den Zeigegestus und als Trinkgefäß für nur eine Person konstruiert. Er demonstriert, dass die Kelchkommunion der Gläubigen in der Zeit seiner Entstehung allein mit den Augen stattfand. Noch gravierender sind die Veränderungen der Gefäße für das eucharistische Brot. Aus dem Brotteller (im Osten bis heute der »Diskos«) wurde das Ziborium für die Aufbewahrung der Hostien für die Kommunion außerhalb der Messfeier und die kleine Patene für die Priesterhostie, die der Priester allein in der Messe kommunizierte. Auch für andere gottesdienstliche Handlungen werden Gefäße und Geräte gebraucht: für die Taufe mit Wasser und für Salbungen mit Öl, für das Licht (die Lampe, der Kerzenhalter), später für Weihrauch und seit dem Hochmittelalter für Zeigerituale: Gefäße für Reliquien (Kästchen, Schreine, »sprechende« Reliquiare) und für das eucharistische Brot (Pyxiden, Ziborien, eucharistische Tauben, Monstranzen). Die Form des Gefäßes hängt meistens von der Eigenart der mit ihm verbundenen Handlung ab; Form und Funktion stehen in einem gegenseitigen Wechselverhältnis. Der Formwandel der liturgischen Feiern kann für die Gestalt der darin verwendeten Gefäße und Geräte nicht folgenlos bleiben. Die Gestalt der »Peripherie« entsteht ja aus dem liturgischen Handlungsgeschehen. Der mittelalterliche Zeigeritus, die Elevation, bestimmt die Form des Kelches und kreiert mit der Monstranz eine neue Form: ein Schaugefäß, um Brot zeigen zu können. Die Bestimmung, dass der Priester nach der Konsekration Daumen und Zeigefinger bis zur Händewaschung nach der Kommunion geschlossen halten muss, führte zu der Vorschrift, am Kelch eine Verdickung (Nodus = Knoten) anzubringen, damit das Gefäß in der Hand gehalten werden kann. Obwohl diese praktische Notwendigkeit nicht mehr besteht, werden auch weiterhin Kelche mit Nodus geschaffen, da dieser für viele eine Identifikationsfunktion erhalten hat. Dies führt zur Frage nach dem Bildcharakter liturgischer Geräte. Primäre und sekundäre Bildfunktionen sind zu unterscheiden, wobei die Hierarchie der Funktionen zeitgebunden ist (Liturgie und Bild/661). Dies gilt vor allem dann, wenn dogmatische Überlegungen die Form beeinflussen. So nimmt das Ziborium, der »Speisekelch« für die Gläubigenkommunion, die Form des Trinkkelches an, um deutlich zu machen, dass die Kommunion unter der Brotgestalt allein den ganzen Christus enthält. Durch die Wiedereinführung des »Laienkelches« mit dem Zweiten Vatikanischen Konzil wurde dieses Relikt aus der Reformationszeit beseitigt, damit hat aber auch der »Speisekelch« seine Plausibilität verloren. Es ist also zu fragen, welche Gestalt unserer heutigen Liturgie entspricht. Hier hat das Konzil mit seiner Aussage, die Riten (und alles, was mit ihnen zusammenhängt) sollen den Glanz edler Einfachheit aufweisen (SC 34), eine wichtige, freilich auch missverständliche Grundoption getroffen. An erster Stelle steht die Eignung für die Funktion im liturgischen Handlungsgeschehen. Der Würde dieses Geschehens haben Material und Form zu entsprechen, wobei die Festlegung auf bestimmte Materialien (z. B. Edelmetall für Kelche und Hostienbehälter) heute zu Recht nicht mehr gesamtkirchlich geregelt ist, sondern den territorialen Autoritäten überlassen bleibt. Die Wahrhaftigkeit der Form sollte überdies nicht durch eine fragwürdige sekundäre »Gestaltung« verdunkelt werden.

262

5  Elemente und Ausdrucksformen des Gottesdienstes

Daher sind die Bemühungen um die Umkehr der Reduktionsprozesse in den liturgischen Handlungen und bei den für sie benötigten Gefäßen und Geräten zu stärken. Dies gilt z. B. für die erwähnte Reduktion des Tauforts und der Gefäße und Geräte der Taufliturgie: Vom Taufbecken war bereits die Rede. Ein traditionelles Taufkännchen taugt nicht für die feierliche Epiklese der jetzt jedes Mal (außerhalb der Osterzeit) vollzogenen Taufwasserweihe. Miniaturisierte Salbgefäße vermögen kaum die Symbolik des Heiligens, Heilens und Stärkens zu veranschaulichen. Mit der Wiederentdeckung der Prozessionen kommen auch jene Gefäße und Geräte erneut in den Blick, die oft erst in jüngerer Zeit verschwunden sind, so Monstranzen und Reliquiare, Vortragekreuze und Leuchter, Bilder und Fahnen.

5.5.5 Gewänder und Textilien Die Begriffe »Text« und »Textilie« hängen etymologisch miteinander zusammen: textum (lat.) ist das Gewebe, die Textur das Gefüge. Aus dem primitiven Flechtwerk entwickeln sich komplexe Webtechniken, wie sich aus einfachen Sprachstrukturen literarische Texte entwickeln. Die Textilverarbeitung gehört zu den elementaren handwerklichen Errungenschaften der Menschheit, die Textverarbeitung zu den Spätformen menschlichen Abstraktions­ vermögens. Tuchherstellung und Textilien sind neben anderen Kulturschöpfungen wie ­Keramik, Schmuck und Waffen Inkunabeln menschlicher Kultur und Indikatoren von kul­ turellen Differenzierungen (z. B. Standestracht). So stellen Gewandreste (z. B. in Gräbern) archäologische Zeugnisse von großer Aussagekraft dar. Textilien  – insbesondere Kleidungsstücke  – haben einen hohen Symbolwert, der sich nicht auf das Funktionale (z. B. Kälteschutz, Bedeckung der Scham) reduzieren lässt: »Die Ursprünge menschlicher Kleidung liegen … im Schmuckbedürfnis des Menschen« (Berger/646: 313). Textilien sind in besonderem Maße Übergangsobjekte (Schimmel/672: 22 f. in Anlehnung an Donald W. Winnicott), die einen wichtigen Bestandteil der Anthropogenese wie auch religiöser Rituale bilden: Verhüllen und Enthüllen bilden zentrale Momente im Wechselspiel von sakral und profan. Im profan-gesellschaftlichen wie im religiösen Bereich spielt die Kleidung stets eine beherrschende Rolle. Sie signalisiert Identitäten und Differenzierungen auch in einer scheinbar permissiven, von ständischem Denken abgerückten Gesellschaft. So stellt die Kleidung heute in den unterschiedlichen Jugendszenen ein wichtiges Identifikationsmoment dar. Demgegenüber wurde das Thema Textilien im kirchlichen Raum lange Zeit marginalisiert oder gar tabuisiert. Der verbreitete nachlässige Umgang mit Paramenten, Antependien oder der Altarwäsche in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts spricht für sich. Im Gegenzug lässt sich eine kreative Wiedergewinnung der Sinnlichkeit feststellen, die nicht selten auf verloren gegangene Realien wie Paramente und andere textile Zeichen zurückgreift. Die Wiederentdeckung des Textils kann eigentlich nicht verwundern, wenn man die reiche Symbolik und Metaphorik der Bibel in Hinblick auf Gewänder und Tücher bedenkt. Die Frage ist, ob und wie aus dem Wortsymbol ein reales liturgisches Symbol werden konnte und sollte. Einen möglichen Ansatz bietet die Johannes-Apokalypse, in die nach Meinung mancher Autoren konkrete liturgische Bräuche eingeflossen sind. Bei der Schilderung der

5.5  Zeichen und Zeichenhaftigkeit in der Liturgie263

»himmlischen Liturgie« heißt es von den Martyrern: »Sie haben ihre Gewänder gewaschen und im Blut des Lammes weiß gemacht« (Offb 7,14). Das weiße Gewand ist das Einheitsgewand der himmlischen Liturgie: alle tragen es bzw. bekommen es überreicht, die vor dem himmlischen Thron erscheinen dürfen (3,4.5.18; 4,4; 6,11; 7,9.13); auch die Braut des Lammes trägt ein weißes Gewand (19,8). Am Ende heißt es: »Selig, die ihre Gewänder waschen: Sie haben Anteil am Baum des Lebens, und sie werden durch die Tore in die Stadt eintreten können« (22,14). Es ist klar, dass das Waschen des Gewandes und die weiße Farbe Anspielungen auf die christliche Taufliturgie sind. Der Schritt zum Taufkleid ist von hier nicht mehr weit, und aus diesem leiten sich andere Initiationsgewänder (vor allem das Mönchsgewand, aber auch das hochzeitliche Kleid) ab. In der späteren kirchlichen Tradition spielen Textilien eine wachsende Rolle. Aus der Alltagskleidung entwickeln sich mit der Zeit liturgische Gewänder, denen – unter Bezug auf die alttestamentlichen Vorbilder – zunehmend Bedeutung beigemessen wird. Dies gilt insbesondere für die bischöflichen Gewänder und Insignien. Gewänder dienen zur Darstellung der hierarchisch gegliederten Kirche, haben also vornehmlich eine repräsentative Funktion. Die Konzentration der gestalterischen Kräfte auf die priesterliche Kasel (und die Levitengewänder) seit dem Mittelalter entspricht der Engführung der Eucharistietheologie auf die priesterliche Konsekrationsvollmacht. Die reformatorische Kritik richtet sich gegen ein solches Verständnis. In der Reduktion der Zeichen allein war aber keine dauerhafte Lösung gefunden. Der Amtstalar des Pfarrers konnte kein Äquivalent für die katholischen Paramente sein. Die evangelische Liturgische Bewegung des 20. Jahrhunderts hat entsprechend die liturgische Farbe wiederentdeckt, weniger für das Pastorengewand als vielmehr für Antependien. In jüngster Zeit findet auch die Stola vermehrt Verwendung (Raschzok/668; Auswahlbibliographie in Löhe/663: 185–195). Auf katholischer Seite ist nach der reduktiven Phase der sechziger und siebziger Jahre seit den letzten Jahrzehnten des vergangenen Jahrhunderts eine Wiederentdeckung der textilen Dimension festzustellen. Auch hier ist vor Einseitigkeit zu warnen: Wenn das priesterliche Gewand nur in seiner hierarchischen Repräsentationsfunktion gesehen wird, verkümmert es zur Insignie. Neben der pragmatischen Funktion des Gewandes, der Kennzeichnung des Amtsträgers, sind verschiedene theologische Ebenen zu bedenken. Mit dem paulinischen Motiv des Anziehens Christi bzw. des Überkleidetwerdens mit Unsterblichkeit bekommt das Gewand eine soteriologisch konnotierte Symbolik, die vor allem im Taufkleid, sekundär auch in der Priesterkasel (casula – Häuschen: vgl. 2 Kor 5,1) präsent ist (Kunzler/660). In besonderer Weise nimmt die liturgische Kleidung an der anamnetischen Grund­ dimension der Liturgie teil, wie Dietmar Thönnes feststellt: »Kleidung trägt Erinnerung. Das textile Gedächtnis der Kirche kann als gestaltete Aneignung der Offenbarung zu einem durch sinnvolles Handeln sinnenhaft erfahrbaren Bestandteil der Liturgie, zu einer Mnemotechnik des Glaubens werden« (Thönnes/510: 88). Unter der Überschrift »Dimensionen der Zeichengestalt« nennt Klara Antons OSB folgende Dimensionen des Gewandes: 1. die »funktionale Dimension«, die in den offiziellen

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5  Elemente und Ausdrucksformen des Gottesdienstes

Dokumenten der Kirche in Fest- und Dienstcharakter differenziert wird. Davon zu unterscheiden ist die Funktionalität des Gewandes an sich, d. h. seine Eignung für die jeweilige liturgische Handlung; 2. die »sakrale Dimension«: die Verhüllung (als Dimension des Religiösen), das Prinzip der Stellvertretung, das Prinzip des Schönen, der Fülle, des Überfließens sowie das eschatologische Prinzip; 3. die »personale Dimension«: das inkarnatorische Prinzip, die Communio-Theologie, die Dimension der Einstimmung, die sinnliche Seite (einschließlich der therapeutischen und integrativen Aspekte) sowie die Sonderform des Monastischen als Dimension des Humanum (Antons/645). Wie kein anderes Produkt menschlicher Fertigkeit außer den Nahrungsmitteln kommen Textilien dem Menschen nahe, dieser geht damit auf Tuchfühlung. Die Liturgiewissenschaft hat ein Aufgabenfeld in Bezug auf das »textile Gedächtnis«. Dies betrifft in erster Linie die Kleidung im Gottesdienst. Die »Arbeitsgruppe für sakrale Kunst und Architektur« der Liturgie­kommission der Deutschen Bischofskonferenz hat vor einigen Jahrzehnten eine Diskussion über einen neuen Umgang mit dieser Frage angeregt und neue Gewänder und Insignien (Stola, Taufschal) vorgestellt (Gottes Volk  – neu gekleidet/659). Initiativen des Deutschen Liturgischen Instituts schlossen sich an. Inzwischen experimentieren viele Pfarreien mit Gewändern und textilen Insignien, wobei einige grundsätzliche Fragen nach wie vor im Raum stehen: Sollen die liturgischen Dienste (Lektor/Lektorin, Kommunionhelfer/ Kommunionhelferin) liturgische Kleidung tragen? Hat sich diese von Kleriker­gewändern deutlich zu unterscheiden? Strittig ist auch die Frage einer einheitlichen Kleidung für Kommunionkinder. Insbesondere der Taufschal stößt bei Verantwortlichen in Kirchenleitungen auf Kritik, weil er mit der Priesterstola verwechselt werden könnte. Neben der Frage eines liturgischen Grundgewandes erfahren die klassischen Paramente wieder höhere Aufmerksamkeit. Die Ausstellung »Casula« der Kunst-Station Sankt Peter Köln (1992) und die nachfolgenden Projekte (Katalog »Casula«/648) haben die künstlerische Seite der Fragestellung neu ins Spiel gebracht und eine Diskussion ausgelöst, die sich insgesamt wohl positiv auswirkt. Wenn auch die Fixierung auf den kultischen Aspekt nicht unproblematisch erscheint, so ist doch der Blick für die erforderte Qualität alter und neuer Paramente und Textilien im Kontext der Liturgie geschärft. Im Bereich der Zeichen und Symbole gibt es keine »Nebensachen«, da jedes falsch gesetzte Zeichen zum beherrschenden Störfaktor werden kann. Dies gilt z. B. für den Blumenschmuck im Altarraum oder für die Gestaltung des Eingangsbereichs. Die »Leitlinien für den Bau und die Ausgestaltung von Kirchenräumen« sowie die Arbeitshilfen »Liturgie und Bild« und »Liturgie und Licht« der Liturgiekommission der Deutschen Bischofskonferenz legen daher das Augenmerk auch auf solche meist vernachlässigten Details. Die Liturgiewissenschaft hat die Aufgabe, die »Realien« historisch, zeichentheoretisch und systematischtheologisch zu erforschen und dadurch Kriterien für den rechten Umgang mit ihnen zu erstellen.

Kurzinformation: Nutzung und Nachnutzung von Kirchenräumen265

Kurzinformation: Nutzung und Nachnutzung von Kirchenräumen Kirchengebäude hatten immer schon eine über ihre rein religiöse Nutzung hinausgehende Bedeutung. Sie waren und sind vor allem in Europa Markierungspunkte in Stadt und Land­ schaft, Identifikationsorte nicht nur für die Kirchgänger, Schwellenräume vielfältiger Selbst­ überschreitung. Als »Anders-Orte« unterscheiden sie sich von den durch Ausgrenzung und Zugangsbedingungen gekennzeichneten sonstigen Gebäuden der städtischen oder dörfli­ chen Gesellschaft. Insofern christlicher Gottesdienst öffentlich stattfindet (cultus publicus) und die Kirchen auch außerhalb der Gottesdienstzeiten geöffnet sein müssten (was sie aus nicht immer nachvollziehbaren Gründen leider oft nicht sind), gibt es keine Beschränkungen der Teilnahme oder des privaten Besuchs, keine Eintrittskontrolle oder gar obligatorisches Eintrittsgeld. Sie laden zu mehrfacher Begegnung je nach Veranlagung und Gestimmtheit ein, zur Gottes-, Nächsten- oder Selbstbegegnung. Diese besondere Bedeutung von Kirchengebäuden und -räumen gilt auch für Zeiten, in de­ nen die meisten Menschen keinen Raummangel in ihren privaten wie gemeinschaftlichen Lebensbereichen haben. Das öffentliche Interesse an Sakralräumen ist im Zeitalter der Virtua­ lisierung vieler Lebensräume bislang nicht zurückgegangen, im Gegenteil. Bei den Meldun­ gen und Auseinandersetzungen in Bezug auf die Profanierung von Kirchengebäuden kom­ men die Gegenstimmen oft gerade von Seiten derer, die keine institutionelle Beziehung zu ihnen haben. Die Suche nach Anders-Orten zeigt sich auch in dem Phänomen der »Räume der Stille«, die in unterschiedlichsten öffentlichen Gebäuden anzutreffen sind und Menschen aller Religionen und Weltanschauungen Raum bieten (vgl. Open spaces). Innerhalb der notwendigen Neuorganisation der Seelsorge-Räume in den Diözesen und Lan­ deskirchen sind die sakralen Orte dann falsch platziert, wenn sie in erster Linie als schwer zu vermarktender Immobilienbestand und folglich als Hindernis einer großräumigen Neupla­ nung in Richtung Konzentration auf wenige Kirchenzentren angesehen werden. Richtiger wäre es, zunächst vom Bestand auszugehen und zu fragen, welche Potenziale einer neuen – womöglich völlig anderen – Präsenz vor Ort in den Gebäuden liegen, wobei hier auch neue Wege der Gebäudeunterhaltung im Sinne von Nutzungsteilung und Teilumnutzung gefun­ den werden müssen. Beispiele – positive wie problematische – liegen inzwischen in großer Zahl vor (vgl. Kirchenräume und ihre Zukunft). Daher ist es angebracht, die längst in der Gesellschaft angekommene Umnutzungsdebatte in eine Nutzungsdebatte umzuwandeln, d.h. eine Bewegung weg von den Gegenständen (»zu was nütze?«) hin zu den Personen (»wem zu Nutzen«?) zu vollziehen. Kirchengebäude dienen nicht allein den leider oft nur noch wenigen Kirchgängern, sondern einem beträchtlichen Teil der Bevölkerung als Orientierungspunkte, Freiräume, Räume der Alterität oder auch als archi­ tektonische und künstlerische Monumente. Sie sind, um einen Begriff von Thomas Erne auf­ zugreifen, »hybride Räume der Transzendenz« (vgl. Erne, Hybride Räume). Insofern sind sie nicht nur erhaltenswert, sondern müssen mit sinnvollem Inhalt gefüllt werden. Diese Aufgabe sollten die Kirchengemeinden aber nicht ohne weiteres an andere abtreten, was bislang mit teils problematischen, mitunter allerdings auch respektablen Ergebnissen geschieht, sondern

266

5  Elemente und Ausdrucksformen des Gottesdienstes

sie sollten das Heft in der Hand behalten oder, um ein anderes Bild zu verwenden, statt nur Steigbügelhalter für kommerzielle Nachnutzer zu sein, lieber vorne mit am Zügel ziehen. Der Grund dafür ist einsichtig: Sakralgebäude haben einen Symbolwert, der auch über den kirch­ lichen Gebrauch hinaus fortbesteht. Nachnutzer wissen sich dessen wohl zu bedienen. Der immaterielle Mehrwert lässt sich mitunter in klingende Münze umwandeln. Allerdings mu­ tiert ein irreführendes Symbol zum Diabol, wenn die Nachnutzer nicht respektvoll damit umgehen, und als letzte Konsequenz verlieren alle Kirchengebäude ihre Symbolfunktion, wenn der überwiegende Teil anderen Zwecken und anderen Herren dient. Wenn aber die Sakralgebäude als solche für viele Menschen nachweisbar einen hohen Stellenwert besitzen, ist es unverantwortlich, sie aufzugeben, nur weil sie für gegenwärtige Gemeindebedürfnisse nicht mehr gebraucht werden – wobei auch dies im Einzelfall zu prüfen wäre, da die Entschei­ dungsprozesse nicht selten über die Köpfe der unmittelbar Betroffenen vor Ort hinweg lau­ fen. Hier wäre eine Revision der Organisationsstrukturen pastoraler Neuordnungen anzustre­ ben. Jahrzehntelange Erfahrungen mit verschiedenen Kirchenräumen, die nicht mehr (ausschließ­ lich) für die Liturgie gebraucht werden, insbesondere auch künstlerische Projekte in solchen Räumen, sensibilisieren für die hohen Potenziale, die weitaus mehr Menschen zugutekom­ men könnten, als man mit den klassischen Angeboten erreicht. Kirchenräume, die nicht mehr oder nicht mehr ausschließlich für die Liturgie benötigt werden, also umgenutzte oder teil­ umgenutzte Kirchen, können der Sendung der Kirche möglicherweise mehr dienen als man­ cher Kirchenraum, der nur gelegentlich für eine Messfeier geöffnet wird. Voraussetzung ist allerdings ein Engagement der Gemeinde oder einer christlichen Initiative als Träger oder zumindest Mitträgerin eines Nutzungskonzepts, das die transzendenten Dimensionen des Raums in Richtung einer spirituellen, kulturellen oder sozialen Nutzung wahrt. Inzwischen gibt es verschiedene Initiativen auf unterschiedlichen Ebenen, die sich um die Wahrnehmung, Wertschätzung und den Erhalt von Kirchengebäuden bemühen. Dazu gehö­ ren z.B. die vom Deutschen Liturgischen Institut Trier initiierte und betreute ökumenische »Straße der Moderne« (www.strasse-der-moderne.de), die Deutsche Stiftung Denkmalschutz, Initiativen von NRW-Kultur (zukunft-kirchen-raeume.de) und wissenschaftliche Initiativen wie die des Evangelischen Kirchbauinstituts in Marburg sowie einer an der Katholisch-Theologi­ schen Fakultät der Bonner Universität im Verbund mit anderen Universitäten eingerichteten Forschungsgruppe »Sakralraumtransformation« (vgl. Der sakrale Ort im Wandel; Wandel und Wertschätzung; De Wildt – Plum). Auch die vielen Kirchbauvereine, die sich insbesondere in den ostdeutschen Bundesländern, in denen wenige Menschen Kirchenmitglieder sind, für Kirchenräume engagieren, sind hier zu nennen. Literatur: Thomas Erne, Hybride Räume der Transzendenz. Wozu wir heute noch Kirchen brauchen. Studien zu einer postsäkularen Theorie des Kirchenbaus. Leipzig 2017. Kirchenräume und ihre Zukunft: Sanierung – Umbau – Umnutzung, hg. v. d. Wüstenrot Stif­ tung, Ludwigsburg 2017.

Kurzinformation: Nutzung und Nachnutzung von Kirchenräumen267 Open Spaces – Räume religiöser und spiritueller Vielfalt, hg. v. Thomas Erne – Peter Noss – Christian Bracht, Kromsdorf/Weimar 2016. Der sakrale Ort im Wandel, hg. v. Albert Gerhards – Kim de Wildt. Würzburg 2015 (Studien des Bonner Zentrums für Religion und Gesellschaft 12). Wandel und Wertschätzung. Synergien für die Zukunft von Kirchenräumen, hg. v. Albert Ger­ hards – Kim de Wildt. Regensburg 2017 (Bild – Raum – Feier. Studien zu Kirche und Kunst 17). Kim de Wildt – Robert J.J.M. Plum, Kirchenumnutzung: Religiöse Trends, in: Handbuch der Religionen. Kirchen und andere Glaubensgemeinschaften in Deutschland und im deutsch­ sprachigen Raum 2. 60. Ergänzungslieferung, hg. v. Michael Klöcker – Udo Tworuschka. Hohen­warsleben 2019, 1–30.

5.5  Zeichen und Zeichenhaftigkeit in der Liturgie269

Anhang 1 Initiation 1.1

Feiern der Initiation

1.1.1 Die Feier der Eingliederung Erwachsener in die Kirche 1.1.2 Die Feier der Kindertaufe 1.2

Anrufung und Lobpreis Gottes über dem Wasser (Taufwasserweihe), 1. Formular

2 Eucharistie 2.1

Die Gesänge und Gebete des Ordo Missae

2.2 Der Wortgottesdienst der Messfeier, dargestellt am Beispiel des 9. ­Sonntags im ­Jahreskreis B 2.3

Das Eucharistische Hochgebet, dargestellt am Beispiel des Hochgebets II

3

Verteilung der Psalmen und Cantica im 4-Wochen-Zyklus der Liturgia Horarum 1971

4

Aufbau und Inhalt der Liturgiekonstitution ›Sacrosanctum Concilium‹

5

Die Amida in Seder Raw Amram

270Anhang

1 Initiation 1.1

Feiern der Initiation

1.1.1 Die Feier der Eingliederung Erwachsener in die Kirche Stufen der ­Eingliederung

3. Feier der Initiation (an Ostern) 2. Feier der Zulassung zur Taufe 1. Feier der Aufnahme in den ­Katechumenat

Zeiträume

einjährige entferntere Vorbereitung bis zur Feier der Initiation an Ostern

nähere Vorbereitungszeit in der ö ­ sterlichen Bußzeit (Quadra­gesima)

Die Feier der Aufnahme in den Katechumenat – Eröffnung der Feier • Begrüßung • Einführung • Gesang • Vorstellung der Bewerber • Gebet • (Gesang zur Prozession) – Bezeichnung mit dem Kreuz – Wortgottesdienst • Lesung • Antwort • Homilie • Überreichung der Heiligen Schrift • Lob- bzw. Dankgesang • (Entlassung der Katechumenen, fakultativ) • Fürbitten – Abschluss • Segen bzw. Segenswunsch und Entlassung • Schlussgesang • (Einladung zur Agape)

Feier in der Osternacht; Zeit der Vertiefung des Gefeierten bis Pfingsten

1 Initiation271

Die Feier der Zulassung zur Taufe durch den Bischof – Eröffnung • Einzug und Eröffnungsgesang • Begrüßung und Einführung • Kyrie-Rufe • Eröffnungsgebet – Wortgottesdienst • Schriftlesung(en) • Antwortgesang • Homilie – Zulassung • Aufruf der Gemeinden • Vorstellung der Bewerberinnen und Bewerber • Zeugnis der Verantwortlichen der Gemeinden • Bitte um die Zulassung zur Taufe • Zulassung durch den Bischof • Segensgebet und Handauflegung • Beauftragung der Pfarrer • Dankgesang – Abschluss • Fürbitten und Vaterunser • Bischöflicher Schlusssegen • Schlusslied Die Zeit der entfernteren Vorbereitung und ihre Feiern – Die Feier der Sonntagsmesse – Segensgebete für die Katechumenen – Die Übergabe des Glaubensbekenntnisses – Die Übergabe des Vaterunsers Die Stärkungsriten (Skrutinien) am dritten, vierten und fünften Sonntag der österlichen Bußzeit – Eröffnung – Wortgottesdienst [nach der Homilie] • Einladung • Gebet um Befreiung vom Bösen Bittrufe Der Pate legt die Hand auf die Schulter des jeweiligen Bewerbers

272Anhang

• • • •

Gebet des Priesters Handauflegung durch den Priester Ausbreitung der Hände über den Taufbewerber Oration Salbung mit Katechumenenöl (fakultativ) Gesang (fakultativ) (Entlassung der Katechumenen, fakultativ) Fürbitten

– Eucharistiefeier – Abschluss Die unmittelbare Vorbereitung am Karsamstag – Eröffnung – Wortgottesdienst – Riten der unmittelbaren Vorbereitung • Effata-Ritus • Wiedergabe des Glaubensbekenntnisses • Namensgebung • Anrufung der Heiligen und Gebet • Salbung mit Katechumenenöl – Abschluss Die Feier der Eingliederung in die Kirche – Lichtfeier – Wortgottesdienst – Feier der Taufe • Einführung und Gebetseinladung • Litanei • Lobpreis und Anrufung Gottes über dem Wasser • Absage • Glaubensbekenntnis • Taufe • Akklamation der Gemeinde • (Salbung mit Chrisam) • Überreichung und Anlegen des weißen Gewandes • Übergabe der brennenden Kerze • Gesang – Die Feier der Firmung • Einführung und Gebetseinladung

1 Initiation273

• • • •

Ausbreitung der Hände und Gebet Salbung mit Chrisam Erneuerung des Taufglaubens seitens der Gemeinde Fürbitten

– Die Feier der Eucharistie – Abschluss Quelle: Die Feier der Eingliederung Erwachsener in die Kirche. Grundform. Manuskriptausgabe zur Erprobung, hg. v. den Liturgischen Instituten Deutschlands, Österreichs und der Schweiz. Trier 2001.

1.1.2 Die Feier der Kindertaufe Eröffnung Z

Begrüßung Gespräch mit den Eltern

Eingang der Kirche o. Teil der ­K irche, wo die Taufgemeinde versammelt ist

Wort an die Paten [Gebet] Wortgottesdienst A

[Gesang]

Z

Einladung

L/Z

Schriftlesungen

Die Taufgemeinde nimmt ihre Plätze im Kirchenraum ein.

[Antwortgesang, Kehrvers] Z

Homilie [Besinnung; Gesang]

Z/E/[P]

Bezeichnung mit dem Kreuzzeichen

Z/A

Fürbitten

Z

Exorzismus-Gebet

Z

[Salbung mit Katechumenenöl]

Taufe [Gesang] Z

Lobpreis und Anrufung Gottes über dem Wasser

Z/E/P

Absage und Fragen nach dem Glauben

A

Apostolisches Glaubensbekenntnis o. ­Glaubenslied

Die Gemeinde geht zum Tauf­ brunnen oder zu einer anderen ­geeigneten Stelle im Kirchenraum.

274Anhang Z

Taufe

Z

Salbung mit Chrisam

Z

Überreichung des weißen Kleides

Z/E/P

Übergabe der brennenden Kerze [Effata-Ritus]

Abschluss der Tauffeier A

Vaterunser

Z

Segen über Mütter und Väter und über alle Anwesenden

A

Gesang

Die Gemeinde versammelt sich am Altar.

[A: Alle;  E: Eltern;  L: Lektor;  P: Paten;  Z: Zelebrant]

1.2

Anrufung und Lobpreis Gottes über dem Wasser (Taufwasserweihe), 1. Formular

Z. Wir preisen dich, allmächtiger, ewiger Gott. Mit unsichtbarer Macht wirkst du das Heil der Menschen durch sichtbare Zeichen. Anamnese, die auf alt- und neutestamentliche Paradigmen zurückgreift Auf vielfältige Weise hast du das Wasser dazu erwählt, dass es hinweise auf das Geheimnis der Taufe. Schon im Anfang der Schöpfung schwebte dein Geist über dem Wasser und schenkte ihm die Kraft, zu retten und zu heiligen. Selbst die Sintflut ist ein Bild für die Taufe; denn das Wasser brachte der Sünde den Untergang und heiligem Leben einen neuen Anfang. Die Kinder Abrahams hast du trockenen Fußes durch das Rote Meer geführt und sie befreit aus der Knechtschaft des Pharao. So sind sie ein Bild der Getauften, die du befreit hast aus der Knechtschaft des Bösen. Wir preisen dich, Gott, allmächtiger Vater, für deinen geliebten Sohn Jesus Christus. Er wurde von Johannes im Jordan getauft und von dir gesalbt mit Heiligem Geiste. Als er am Kreuz erhöht war, flossen aus seiner Seite Blut und Wasser. Nach seiner Auferstehung gab er den Jüngern den Auftrag: »Geht zu allen Völkern und macht alle Menschen zu meinen Jüngern und tauft sie auf den Namen des Vaters und des Sohnes und des Heiligen Geistes.«

1 Initiation275

Epiklese Wir bitten dich, allmächtiger, ewiger Gott, schau gnädig auf deine Kirche und öffne ihr den Brunnen der Taufe. Dieses Wasser empfange vom Heiligen Geist die Gnade deines eingeborenen Sohnes. Die Menschen, die du als dein Abbild geschaffen hast, reinige im Sakrament der Taufe von der alten Schuld. Aus Wasser und Heiligem Geist geboren, lass sie auferstehn zum neuen Leben. Der Zelebrant berührt das Wasser mit der rechten Hand und spricht: Durch deinen Sohn steige herab in dieses Wasser die Kraft des Heiligen Geistes, damit alle, die durch die Taufe mit Christus begraben sind in seinen Tod, mit ihm zum Leben auferstehn. Darum bitten wir durch Jesus Christus, deinen Sohn, unsern Herrn und Gott, der in der Einheit des Heiligen Geistes mit dir lebt und herrscht in alle Ewigkeit. Alle: Amen. Quelle: Rituale Romanum auf Beschluss des Hochheiligen Ökumenischen Zweiten Vatikanischen Konzils erneuert und unter der Autorität Papst Pauls VI. veröffentlicht. Die Feier der Kindertaufe in den Bistümern des deutschen Sprachgebietes. Zweite authentische Ausgabe auf der Grundlage der Editio typica altera 1973. Freiburg/Br. u. a. 2007, 54 f.

276Anhang

2 Eucharistie 2.1

Die Gesänge und Gebete des Ordo Missae

Ordinarium

Proprium

Sonstige

Träger

Charakter

Funktion

Introitus

Eingangslied

Sch/G

Themat. ­Einstimmung

Begleitgesang

Eröffnung

P Ch/G

Huldigung (Buße)

Aktionsges.

Kyrie Gloria

Ch/G

Lobpreis

Aktionsges.

Tagesgebet

P

Präsidialgebet

Abschluss

Graduale

Antwortpsalm

K/G

Antwort

Aktionsges.

Alleluja (Tractus)

Ruf vor dem Ev.

K/G

Lob/Huldigung

Begleitgesang

Ch/G

Bekenntnis

Aktionsges.

K/G

Bitte

Akklamation

Sch/G

Meditation

Begleitgesang

Gabengebet

P

Präsidialgebet

Abschluss

Hochgebet

P

Präsidialgebet

Formalgestalt

Ch/G

Lob

Aktionsges.

Myst. Fidei

D/G

Bekenntnis

Akklamation

Vaterunser

G

Bittgebet

Aktionsges.

(Friedenslied

G) Ch/G

Bekenntnis/Bitte

Begleitgesang

Kommunionlied

Sch/G

Meditation

Begleitgesang

(Dankgesang

G)

Schlussgebet

P

Präsidialgebet

Abschluss

Segen, ­Entlassung

P/D

(Schlusslied

G)

(Sequenz) Credo Fürbittruf Offertorium

Sanctus/Ben.

Agnus Dei Communio

(Ite Missa est)

[Ch: Chor;  D: Diakon;  G: Gemeinde;  K: Kantor/in;  P: Priester;  Sch: Schola]

2 Eucharistie277

2.2

Der Wortgottesdienst der Messfeier, dargestellt am Beispiel des 9. Sonntags im Jahreskreis B

Ort Ambo

Handelnde

Vollzug

biblischer Text Dtn 5,12–15

Lektor(in)

1. Lesung

Lektor(in), Gemeinde

Ruf nach der 1. Lesung: »Wort des lebendigen Gottes« – »Dank sei Gott«

Kantor(in), Gemeinde

Psalm (Varianten vgl. Messbuch)

Ps 81(80),3–8.10 f.

Lektor(in)

2. Lesung; Ruf wie nach der 1. ­Lesung

2 Kor 4,6–11

Kantor(in), Gemeinde

Halleluja (Varianten vgl. Messbuch)

Priester o. Diakon, ­Ministranten

Einlegen von Weihrauch

Priester o. Diakon

wenn der Diakon das Evangelium verkündet: Bitte um den Segen; wenn der Priester das Evangelium verkündet: Vorbereitungsgebet

Altar

Priester o. Diakon, ­Ministranten

Prozession mit Evangelienbuch vom Altar zum Ambo, begleitet mit Kerzen und Weihrauch

Ambo

Priester o. Diakon, ­Gemeinde

Einleitungsdialog, Kreuzzeichen auf Stirn, Mund und Brust

Priester o. Diakon

Inzens

Priester o. Diakon

Evangelium

Priester o. Diakon, ­Gemeinde

Ruf nach dem Evangelium: »Evangelium unseres Herrn Jesus Christus« – »Lob sei dir, Christus«

Priester o. Diakon

Küssen des Evangeliars u. Begleitgebet

Priester o. Diakon

Homilie

Priester o. Diakon, ­Gemeinde

Credo

Priester; Diakon, Lektor(in); Gemeinde

Fürbitten

Vorstehersitz

Ambo

Vorstehersitz, Ambo

Mk 2,23–3,6

278Anhang

2.3

Das Eucharistische Hochgebet, dargestellt am Beispiel des ­Hochgebets II

Dialog P.: Der Herr sei mit euch. A.: Und mit deinem Geiste. P.: Erhebet die Herzen. A.: Wir haben sie beim Herrn. Präfation In Wahrheit ist es würdig und recht, dir, Herr, heiliger Vater, immer und überall zu danken durch deinen geliebten Sohn Jesus Christus. Er ist dein Wort, durch ihn hast du alles erschaffen. Ihn hast du gesandt als unseren Erlöser und Heiland. Er ist Mensch geworden durch den Heiligen Geist, geboren von der Jungfrau Maria. Um deinen Ratschluß zu erfüllen und dir ein heiliges Volk zu erwerben, hat er sterbend die Arme ausgebreitet am Holze des Kreuzes. Er hat die Macht des Todes gebrochen und die Auferstehung kundgetan. Darum preisen wir dich mit allen Engeln und Heiligen und singen vereint mit ihnen das Lob deiner Herrlichkeit: Sanctus Heilig, heilig, heilig ... Überleitung [Ja, du bist heilig, großer Gott, du bist der Quell aller Heiligkeit.] Darum bitten wir dich: Wandlungsepiklese Er faltet die Hände, streckt sie über die Gaben aus und spricht: Sende deinen Geist auf diese Gaben herab und heilige sie, Er faltet die Hände, macht ein Kreuzzeichen über Brot und Kelch zusammen und spricht: damit sie uns werden Leib und Blut deines Sohnes, unseres Herrn Jesus Christus. Er faltet die Hände. In den folgenden Texten werden die Herrenworte klar und deutlich gesprochen, wie es ihr Charakter verlangt. Einsetzungsbericht Denn am Abend, an dem er ausgeliefert wurde und sich aus freiem Willen dem Leiden ­unterwarf, Er nimmt das Brot, erhebt es ein wenig über dem Altar und fährt fort: nahm er das Brot und sagte Dank, brach es, reichte es seinen Jüngern und sprach:

2 Eucharistie279

Er verneigt sich ein wenig (außer wenn er dem Volk zugewandt steht). Nehmet und esset alle davon: Das ist mein Leib, der für euch hingegeben wird. Er zeigt der Gemeinde die konsekrierte Hostie; dann legt er sie in die Hostienschale und macht eine Kniebeuge. Er fährt fort: Ebenso nahm er nach dem Mahl den Kelch, Er nimmt den Kelch, erhebt ihn ein wenig über dem Altar und fährt fort: dankte wiederum, reichte ihn seinen Jüngern und sprach: Er verneigt sich ein wenig (außer wenn er dem Volk zugewandt steht). Nehmet und trinket alle daraus, das ist der Kelch des Neuen und Ewigen Bundes, mein Blut, das für euch und für alle vergossen wird zur Vergebung der Sünden. Tut dies zu ­meinem Gedächtnis. Er zeigt der Gemeinde den Kelch; dann stellt er ihn auf das Korporale und macht eine Kniebeuge. Akklamation Dann spricht oder singt er (oder der Diakon): Geheimnis des Glaubens: Die Gemeinde: Deinen Tod, o Herr, verkünden wir, und deine Auferstehung preisen wird, bis du kommst in Herrlichkeit. Spezielle Anamnese Der Priester breitet die Hände aus und spricht: Darum, gütiger Vater, feiern wir das Gedächtnis des Todes und der Auferstehung deines Sohnes und bringen dir so das Brot des Lebens und den Kelch des Heiles dar. Wir danken dir, daß du uns berufen hast, vor dir zu stehen und dir zu dienen. Kommunionepiklese Wir bitten dich: Schenke uns Anteil an Christi Leib und Blut und laß uns eins werden durch den Heiligen Geist. Interzessionen Gedenke deiner Kirche auf der ganzen Erde und vollende dein Volk in der Liebe, vereint mit unserem Papst N., unserem Bischof N. und allen Bischöfen, unseren Priestern und Diakonen und mit allen, die zum Dienst in der Kirche bestellt sind. Gedenke (aller) unserer Brüder und Schwestern, die entschlafen sind in der Hoffnung, daß sie auferstehen. Nimm sie und alle, die in deiner Gnade aus dieser Welt geschieden sind, in dein Reich auf, wo sie dich schauen von Angesicht zu Angesicht.

280Anhang

Vater, erbarme dich über uns alle, damit uns das ewige Leben zuteil wird in der Gemeinschaft mit der seligen Jungfrau und Gottesmutter Maria, mit deinen Aposteln und mit allen, die bei dir Gnade gefunden haben von Anbeginn der Welt, daß wir dich loben und preisen Er faltet die Hände. durch deinen Sohn Jesus Christus. Doxologie Er erhebt Hostienschale und Kelch (wenn ein Diakon mitwirkt, erhebt dieser den Kelch) und singt oder spricht: Durch ihn und mit ihm und in ihm ist dir, Gott, allmächtiger Vater, in der Einheit des Heiligen Geistes alle Herrlichkeit und Ehre jetzt und in Ewigkeit. Die Gemeinde antwortet: Amen. Nach der Doxologie und dem Amen der Gläubigen stellt der Priester die Hostienschale und (der Diakon) den Kelch wieder auf das Korporale. Quelle: Meßbuch für die Bistümer des deutschen Sprachgebietes. Authentische Ausgabe für den liturgischen Gebrauch. Kleinausgabe [...] Einsiedeln u. a. 1988, 478–489.

3  Verteilung der Psalmen und Cantica im 4-Wochen-Zyklus der Liturgia Horarum 1971281

3

Verteilung der Psalmen und Cantica im 4-Wochen-Zyklus der Liturgia Horarum 1971

Das Schema gibt einen Überblick über die Verteilung der biblischen Texte und insbesondere der Psalmen in der Liturgia Horarum bzw. im Stundenbuch. 1. Woche Lesehore

Laudes

Kl. Hore

Vesper

Komplet

So

Mo

Di

Mi

Do

Fr

Sa/So

1

6

9c

17a

17d

34a

104a

2

9a

9d

17b

17e

34b

104b

3

9b

11

17c

17f

34c

104c

62

5

23

35

56

50

118s

Dan 3,57– 88,56

1 Chr 29,10–13

Tob 13,1– 10

Jdt 16,2– 3.15–19

Jer 31,10– 14

Jes 45,15– 26

Ex 15,1– 4a.8.17–18

149

28

32

46

47

99

116

117a

18b

118a

118b

118c

118d

118e

117b

7a

12

16a

24a

25

33a

117c

7b

13

16b

24b

27

33b

109

10

19

26a

29

40

118n

113a

14

20

26b

31

45

15

Offb 19,1b– Eph 1,3–10 7*/(1 Petr 2,21–24)

Offb 4,11; 5,9–10.12

Kol 1,12– 20

Offb 11,17–18; 12,10b–12a

Offb 15,3–4

Phil 2,6– 11

90

85

142

30a 129

15

87

4

So

Mo

Di

Mi

Do

Fr

Sa/So

103a

30a

36a

38a

43a

37a

105a

103b

30b

36b

38b

43b

37b

105b

103c

30c

36c

51

43c

37c

105c

117

41

42

76

79

50

91

Dan 3,52– 57

Sir 36,1– 7.13–16

Jes 38,10– 14.17–20

1 Sam 2,1– 10

Jes 12,1–6

Hab 3,2– 4.13a.15–19

Dtn 32,1– 12

150

18a

64

96

80

147

8

2. Woche Lesehore

Laudes

282Anhang 2. Woche Kl. Hore

Vesper

Komplet

So

Mo

Di

Mi

Do

Fr

Sa/So

22

118f

118g

118h

118i

118j

118k

75a

39a

52

54a

55

58

60

75b

39b

53

54b

56

59

63

109

44a

48a

61

71a

114

112

113b

44b

48b

66

71b

120

115

Offb 19,1b– Eph 1,3–10 7*/(1 Petr 2,21–24)

Offb 4,11; 5,9–10.12

Kol 1,12– 20

Offb 11,17–18; 12,10b–12a

Offb 15,3–4

Phil 2,6– 11

90

85

142

30a 129

15

87

4

So

Mo

Di

Mi

Do

Fr

Sa/So

144a

49a

67a

88a

88d

68a

77a

106a

144b

49b

67b

88b

88e

68b

77b

106b

144c

49c

67c

88c

89

68c

77c

106c

92

83

84

85

86

50

118s

Dan 3,57– 88.56

Jes 2,2–5

Jes 26,1– 4.7–9

Jes 33,13– 16

Jes 40,10– 17

Jer 14,17– 21

Weish 9,1– 6.9–11

148

95

66

97

98

99

116

117a

118l

118m

118n

118o

21a

118p

117b

70a

73a

69

78

21b

33a

117c

70b

73b

74

79

21c

33b

109

122

124

125

131a

134a

121

110

123

130

126

131b

134b

129

Offb 19,1b– Eph 1,3–10 7*/(1 Petr 2,21–24)

Offb 4,11; 5,9–10.12

Kol 1,12– 20

Offb 11,17–18; 12,10b–12a

Offb 15,3–4

Phil 2,6– 11

90

142

30a 129

15

87

4

3. Woche Lesehore

Laudes

Kl. Hore

Vesper

Komplet

85

3  Verteilung der Psalmen und Cantica im 4-Wochen-Zyklus der Liturgia Horarum 1971283 4. Woche Lesehore

Laudes

Kl. Hore

Vesper

Komplet

So

Mo

Di

Mi

Do

Fr

23

72a

101a

102a

43a

54a

77d

49a

65a

72b

101b

102b

43b

54b

77e

49b

65b

72c

101c

102c

43c

54c

77f

49c

117

89

100

107

142

50

91

Dan 3,52– 57

Jes 42,10– 16

Dan 3,26– 29.34–41

Jes 61,10– 11; 62,1–5

Jes 66,10– 14a

Tob 13,10– 15.17–19

Ez 36,24– 28

150

134a

143a

145

146

147

8

22

118q

118r

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118t

118u

118v

75a

81

87a

93a

127

132

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75b

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87b

93b

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139

44b

109

135a

136

138a

143a

144a

140

111

135b

137

138b

143b

144b

141

Offb 19,1b– Eph 1,3–10 7*/(1 Petr 2,21–24)

Offb 4,11; 5,9–10.12

Kol 1,12– 20

Offb 11,17–18; 12,10b–12a

Offb 15,3–4

Phil 2,6– 11

90

142

30a 129

15

87

4

85

Sa/So

Stanislaus Campbell, From Breviary to Liturgy of the Hours. The Structural Reform of the Roman Office 1964–1971. Collegeville MN 1995, 166 f. Liborius Olaf Lumma, Liturgie im Rhythmus des Tages. Eine kurze Einführung in Geschichte und Praxis des Stundengebets. Regensburg 2011, 72 f.

284Anhang

4

Aufbau und Inhalt der Liturgiekonstitution ›Sacrosanctum Concilium‹

Vorwort (Art. 1–4) Kapitel I: Allgemeine Grundsätze zur Erneuerung und Förderung der heiligen L ­ iturgie (Art. 5–46) I. Das Wesen der heiligen Liturgie und ihre Bedeutung für das Leben der Kirche (Art. 5–13) II. Liturgische Ausbildung und tätige Teilnahme (Art. 14–20) III. Die Erneuerung der heiligen Liturgie (Art. 21–40) A) Allgemeine Regeln (Art. 22–25) Recht zur Ordnung der Liturgie (22); Bedeutung der Heiligen Schrift (24) B) Regeln aus der Natur der Liturgie als einer hierarchischen und gemeinschaftlichen Handlung (Art. 26–32) Liturgie als Feier der Kirche (26); Feier in Gemeinschaft (27); gegliederte Gemeinschaft (28); liturgische Dienste von Laien (29) C) Regeln aus dem belehrenden und seelsorglichen Charakter der Liturgie (Art. 33–36) Verständlichkeit der Liturgie (34); Liturgiesprache (36) D) Regeln zur Anpassung an die Eigenart und Überlieferungen der Völker (Art. 37–40) Akkulturation / Inkulturation (37); Einheit und Vielfalt der Liturgie (38); ­Autoritäten für Anpassungen und tiefergreifende Änderungen der Liturgie (39 f.) IV. Förderung des liturgischen Lebens in Bistum und Pfarrei (Art. 41 f.) IV. Förderung der pastoralliturgischen Bewegung (Art. 43–46) Kapitel II:  Das heilige Geheimnis der Eucharistie (Art. 47–58) Teilnahme der Gläubigen (48); Grundzüge der Meßreform (50); Bedeutung der Lesungen (51); Homilie als Teil der Liturgie (52); Wiedereinführung des Allgemeinen Gebets (53); ­Muttersprache (54); Kommunion innerhalb der Messe und in casibus definiendis unter ­beiden Gestalten (55);

4  Aufbau und Inhalt der Liturgiekonstitution ›Sacrosanctum Concilium‹285

Kapitel III:  Die übrigen Sakramente und die Sakramentalien (Art. 59–82) Notwendigkeit der Anpassung an die Erfordernisse der Zeit (62); Muttersprache (63); ­Initiation (64–71); Buße (72); Krankensalbung (73–75); Weiheliturgie (76); Trauung (77 f.); Sakramentalien (79); Jungfrauenweihe und Ordensprofeß (80); Totenliturgie (81 f.) Kapitel IV:  Das Stundengebet (Art. 83–101) Heiligung des Tageslaufes (84); Quelle der Frömmigkeit (90); Stundengebet in Chor oder Gemeinschaft (99); gemeinsames Stundengebet der Gemeinde (100); Liturgiesprache (101) Kapitel V:  Das liturgische Jahr (Art. 102–111) Kapitel VI:  Die Kirchenmusik (Art. 112–121) Kapitel VII:  Die sakrale Kunst. Liturgisches Gerät und Gewand (Art. 122–130) Freiheit der Kunst, sofern sie der Liturgie dient (123); Forderungen an die Kunst (124) Anhang:  Erklärung des Zweiten Vatikanischen Konzils zur Kalenderreform – Entstehung der Liturgiekonstitution Annibale Bugnini, Die Liturgiereform 1948–1975. Zeugnis und Testament. Dt. Ausgabe hg. v. Johannes Wagner u. Mitarb. v. François Raas. Freiburg/Br. u. a. 1988. Winfried Haunerland, Das Zweite Vatikanische Konzil und die Liturgiereform, in: Geschichte der Liturgie in den Kirchen des Westens. Rituelle Entwicklungen, theologische Konzepte und kulturelle Kontexte 2: Moderne und Gegenwart. In Verbindung mit Winfried Haunerland und Martin Klöckener hg. v. Jürgen Bärsch – Benedikt Kranemann. Münster 2018, 207–246. Johannes Wagner, Mein Weg zur Liturgiereform 1936–1986. Erinnerungen. Freiburg/Br. u. a. 1993. – Kommentare zur Liturgiekonstitution Josef Andreas Jungmann, Konstitution über die Heilige Liturgie: LThK.E 1, 9–109. Reiner Kaczynski, Sacrosanctum Concilium, in: Sacrosanctum Concilium, Inter mirifica, Lumen gentium. Freiburg/Br. 2004 (Herders Theologischer Kommentar zum Zweiten Vatikanischen Konzil 2), 1–227. Emil Joseph Lengeling, Die Konstitution des Zweiten Vatikanischen Konzils über die Heilige Liturgie. Lateinisch-deutscher Text mit einem Kommentar. Münster 21965 (Lebendiger Gottesdienst 5/6).

286Anhang

5

Die Amida in Seder Raw Amram

Ewiger, öffne meine Lippen, dass mein Mund dein Lob verkünde. (1) Gepriesen seist du, Ewiger, unser Gott, und Gott unserer Väter, Gott Awrahams und Gott Jizchaks und Gott Jaakows, großer, mächtiger und ehrfurchtgebietender Gott; höchster Gott, Vollbringer von Wohltaten und Schöpfer von allem, der der Loyalität der Väter gedenkt und ihren Enkeln einen Erlöser bringt um seines Namens willen in Liebe. Er ist Retter und Schutzschild. Gepriesen seist du, Ewiger, Schutzschild Awrahams. (2) Du bist ein Starker bis in Ewigkeit, Ewiger, Beleber der Toten. In Regenzeiten sagt man: Er lässt die Winde wehen und den Regen herabfallen. [In der Sommerzeit rezitiert man dies nicht, sondern nur:]1 Er ernährt das Lebendige in Güte. Er belebt Tote in großem Erbarmen. Er stützt Fallende. Er heilt Kranke. Er befreit Gefangene und erweist seine Treue denen, die im Staube schlafen. Wer ist wie du, Vollbringer mächtiger Taten, und wer gleicht dir, König, der tötet und belebt und Heil sprossen lässt [in Bälde]2 und treu bist du, die Toten zu beleben. Gepriesen seist du, Ewiger, der Tote belebt. (3) Von Generation zu Generation erkennen sie (oder erkennt!) Gott an, denn er allein ist erhaben und heilig. Und das Lob, das wir dir, unser Gott, bringen, soll niemals in unseren Mündern verstummen. Denn ein großer und heiliger König bist du. Gepriesen seist du, Ewiger, heiliger Gott. (4) Du begabst den Menschen mit Verstand, das menschliche Wesen lehrst du Einsicht. Lass uns begabt sein mit Verstand, Vernunft und Klugheit. Gepriesen seist du, Ewiger, der mit Verstand begabt. (5) Führe uns, unser Vater, zurück zu deiner Tora und nimm uns, unser König, in deinen Dienst, und lass uns durch eine vollständige Umkehr zu dir zurückkehren. Gepriesen seist du; Ewiger, der Gefallen hat an Umkehr. (6) Vergib uns, unser Vater, denn wir haben uns [gegen dich]3 verfehlt. Verzeih uns, unser König, denn wir haben Unrecht getan. [Denn du bist doch gütig und vergebend.]4 Gepriesen seist du, Ewiger, der gnädig ist und dessen Geduld zu vergeben unendlich ist. (7) Sieh unser Elend und kämpfe unsere Kämpfe und erlöse uns bald um deines Namens willen. Denn du bist doch ein starker Erlöser! Gepriesen seist du, Ewiger, der Israel erlöst.

1 Zusätzlich im Kodex 1095 Bodleian Library Oxford (Anfang 15. Jh.). 2 Nur in S, fehlt in den anderen Versionen. 3 Nur in S, fehlt in anderen Versionen. 4 Nur in M, fehlt in einigen Versionen.

5  Die Amida in Seder Raw Amram287

(8) Heile uns, Ewiger, unser Gott, dann sind wir geheilt von allen unseren Krankheiten. Denn du bist doch ein barmherziger, heilender Gott. Gepriesen seist du, Ewiger, der die Kranken seines Volkes Israel heilt.5 (9) Segne, Ewiger, unser Gott, dieses Jahr für uns zum Guten. Vom sechsten Tag nach der Tagundnachtgleiche im Tischri bis zum Nachmittagsgebet (Mincha), das Nachmittagsgebet eingeschlossen, bis zum Abend des ersten Tages von Pessach sagt man folgendes: Gib Tau und Regen [zum Segen] auf den Ackerboden und Wind auf das Angesicht der Erde. Sättige die ganze Welt mit deinen Gütern; fülle unsere Hände mit deinen Segnungen; lass die Gaben deiner Hände reichlich sein. Behüte und beschütze dieses Jahr vor allem Bösen, vor allen Arten von Zerstörern und vor allen Arten von Katastrophen; lass es eine Hoffnung sein und sein Ende Frieden. Gib Segen dem Werk unserer Hände.6 Segne es wie die guten Jahre mit Segnungen des Taus, Segen und Leben und Sättigung und Frieden.7 Gepriesen seist du, Ewiger, der die Jahre segnet. (10) Lass zu unserer Freiheit das große Widderhorn ertönen. Erhebe das Feldzeichen, um unsere Zerstreuten zu sammeln. Rufe Freiheit aus, um uns zusammen zu sammeln von den vier Enden der Erde. Gepriesen seist du, Ewiger, der die Verstoßenen seines Volkes Israel sammelt. (11) Bringe unsere Richter zurück wie in der Urzeit und unsere Berater wie am Anfang. Regiere über uns mit8 Gerechtigkeit und Recht. Gepriesen seist du, Ewiger, du liebst Gerechtigkeit und Recht. (12) Den Abtrünnigen (le-meschummadim) sei keine Hoffnung9 und die Sektierer (ha-minim) mögen auf der Stelle vertilgt werden; alle Feinde deines Volkes10 mögen rasch ausgerottet werden und die Herrschaft des Frevels möge rasch ausgerottet und zerbrochen und unterworfen werden in unseren Tagen. Gepriesen seist du, Ewiger, der die Bösen zerbricht und die Frechen unterwirft.

5 M hat: »Heile uns, Ewiger, dann sind wir geheilt. Hilf uns, dann ist uns geholfen. Bringe vollständige Heilung herauf für alle unsere Wunden. Denn du bist doch ein barmherziger, heilender Gott. Gepriesen seist du Ewiger, der die Kranken seines Volkes Israel heilt.« O hat: »Heile uns, Ewiger, dann sind wir geheilt. Hilf uns, dann ist uns geholfen. Denn du bist unser Lobpreis. Gepriesen seist du, Ewiger, der die Kranken seines Volkes Israel heilt.« 6 M hat stattdessen: »Habe Mitleid und erbarme dich über uns und über alle seine Erträge und über alle Früchte.« 7 O hat zusätzlich: »Denn du bist doch ein guter und wohltuender Gott.« (S); »... und wohltuender und verzeihender Gott« (S). 8 M hat hier zusätzlich: »Güte und Barmherzigkeit, mit ...« (Rest wie oben). 9 In O folgt ein Hinweis auf einen anderen Siddur, der zusätzlich hat: »wenn sie nicht umkehren zu deinem Buch, und die Christen (we-ha-nozrim) und die Sektierer ...« Rest wie oben, mit etwas anderer Wortwahl im Hebräischen. 10 M und O haben: »alle unsere Feinde«.

288Anhang

(13) Lass deine Barmherzigkeit walten, Ewiger, unser Gott, über allen Gerechten, über allen Frommen11 und über allen Konvertiten. Gib allen, die wahrhaftig auf dich vertrauen, guten Lohn. Teile uns dasselbe Geschick zu wie ihnen. Lass uns bis in Ewigkeit keine Schande zugefügt werden. Gepriesen seist du, Ewiger, Stütze und Zuflucht für die Gerechten. (14) Nach12 Jerusalem, deiner Stadt, kehre zurück.13 Erbaue sie als ein ewiges Gebäude in unseren Tagen. Gepriesen seist du, Ewiger, Erbauer Jerusalems. (15) Lass den Spross Davids bald aufkeimen. Stärke unsere Kraft14 durch deine Hilfe.15 Gepriesen seist du, Ewiger, der die Kräfte der Hilfe aufkeimen lässt. (16) Höre unsere Gebete, Ewiger, unser Gott, und erbarme dich über uns. Nimm unser Gebet in Barmherzigkeit und mit Wohlwollen an. Denn du bist doch ein Gott, der seit jeher unser Gebet und unsere Bitten hört. Lass uns nicht leer von dir zurückkehren, denn ein Vater voller Erbarmen bist du. Gepriesen seist du, Ewiger, der Gebet hört. (17) Habe Gefallen an deinem Volk Israel, Ewiger, unser Gott und höre auf seine Gebete. Bringe den Kult in das Heilige deines Hauses zurück und die Feuer Israels und seine Gebete mögest du bald in Liebe mit Wohlwollen empfangen. Der Kult Israels, deines Volkes, sei dir ewig wohlgefällig. Lass unsere Augen Ausschau halten nach deiner Rückkehr zum Zion in Erbarmen. Gepriesen seist du, Ewiger, der seine Gegenwart nach Zion zurückkehren lässt. (18) Wir danken dir, denn du bist der Ewige, unser Gott, der Fels, auf dem unser Leben ruht, das Schutzschild zu unserem Heil von Generation zu Generation. Wir loben dich und erzählen von deinem Ruhm für unser Leben, das in deine Hand gegeben ist und für unsere Seele, die dir anvertraut ist.16 Du bist der Gute, denn dein Erbarmen wird niemals aufhören, denn deine Gnade wird niemals versiegen, ja seit jeher hoffen wir auf dich. Du hast uns nicht in Schande kommen lassen, Ewiger, unser Gott; du hast uns nicht verlassen und hast dein Gesicht nicht von uns abgewendet. Für all dies preisen wir dich und erheben deinen Namen, unser König, allezeit. Alles, was lebt, möge dir danken, sela. Und man soll deinen guten Namen in Wahrhaftigkeit preisen. Gepriesen seist du, Ewiger, »der Gute«, das ist dein Name; schön ist es, dir zu danken. (19) Gib uns Friede, Gutes und Segen, Gnade und Barmherzigkeit, uns und deinem ganzen Volk. Segne uns alle, unser Vater, im Licht deines Angesichtes, denn im Licht deines Angesichtes hast du uns, Ewiger, unser Gott, die lebenspendende Tora gegeben, Liebe und Gnade, Gerechtigkeit und Barmherzigkeit und Friede. Es gefällt dir, dein Volk Israel zu jeder Zeit mit Frieden zu segnen. Gepriesen seist du, Ewiger, der sein Volk Israel mit Friede segnet. 11 O hat zusätzlich: »und über den Rest deines Volkes.« 12 Hebräisch: »al Jeruschalajim ... taschuw.« 13 M hat zusätzlich: »Und wohne in ihr, wie du gesagt hast.« 14 Wörtl.: »unser Horn«. 15 M und O ergänzen: »denn auf deine Hilfe hoffen wir«. M + »das ganze Leben«. 16 O hat zusätzlich: »und für deine Zeichen, die uns täglich umgeben, für deine Wunder und Wohltaten zu jeder Zeit.«

5  Die Amida in Seder Raw Amram289

Zitiert nach: Annette Böckler, Jüdischer Gottesdienst. Wesen und Struktur. Berlin 2002, 28 f. Quellen: M = Codex British Museum 613; 14./15. Jh. O = Codex 1095 Bodleian Library, Oxford, fertiggestellt 1429. Eine Kopie dieses Textes ist Codex British Museum 614. S = Codex Sulzberger, Jewish Theological Seminary of America, fertiggestellt 1516

Quellen- und Literaturverzeichnis291

Quellen- und Literaturverzeichnis

Die Literaturzusammenstellung mit Ausnahme der Abschnitte I–III orientiert sich an den Kapiteln des Buches. Es werden neben der relevanten Fachliteratur die jeweils zitierten Titel aufgeführt.

I.  Neuere Handbücher der Liturgiewissenschaft Die folgende Zusammenstellung gibt einen Überblick über die derzeit wichtigsten und umfangreichsten Handbücher der Liturgiewissenschaft. Die Auflistung kann nicht vollständig sein. Weitere ähnliche Werke sind über die genannte Literatur leicht zu erschließen. Die folgenden mehrbändigen Handbücher sind Grundlagenwerke: Gottesdienst der Kirche. Handbuch der Liturgiewissenschaft, hg. v. Hans Bernhard Meyer u. a. Regensburg 1983 ff. Von diesem Handbuch sind bislang folgende Teilbände erschienen: 1 (Bd. 2.2:) Theologie des Gottesdienstes: Gottesdienst im Leben der Christen. Christliche und jüdische Liturgie, hg. v. Martin Klöckener – Angelus A. Häußling – Reinhard Meßner. Regensburg 2008 (Gottesdienst der Kirche 2.2). 2 (Bd. 3:) Berger, Rupert u. a., Gestalt des Gottesdienstes. Sprachliche und nichtsprachliche Ausdrucksformen. 2., durchges. u. erg. Aufl. Regensburg 1990. 3 (Bd. 4:) Meyer, Hans Bernhard, Eucharistie. Geschichte, Theologie, Pastoral. Mit einem Beitrag von Irmgard Pahl. Regensburg 1989. 4 (Bd. 5:) Auf der Maur, Hansjörg, Feiern im Rhythmus der Zeit I. Herrenfeste in Woche und Jahr. Regensburg 1983. 5 (Bd. 6.1:) Harnoncourt, Philipp – Auf der Maur, Hansjörg, Feiern im Rhythmus der Zeit II/1. Regensburg 1994. Darin: Philipp Harnoncourt, Der Kalender. Hansjörg Auf der Maur, Feste und Gedenktage der Heiligen. 6 (Bd. 7.1:) Kleinheyer, Bruno, Sakramentliche Feiern I. Die Feiern der Eingliederung in die Kirche. Regensburg 1989. 7 (Bd. 7.2:) Meßner, Reinhard – Kaczynski, Reiner, Sakramentliche Feiern I/2. Feiern der Umkehr und Versöhnung. Regensburg 1992. Darin: Reinhard Meßner, Feiern der Umkehr und Versöhnung. Reiner Kaczynski, Feier der Krankensalbung. 8 (Bd. 8:) Kleinheyer, Bruno – von Severus, Emmanuel – Kaczynski, Reiner, Sakramentliche Feiern II. Ordinationen und Beauftragungen, Riten um Ehe und Familie, Feiern geistlicher Gemeinschaften, die Sterbe- und Begräbnisliturgie, die Benediktionen, der Exorzismus. Regensburg 1984. Es handelt sich um das umfangreichste deutschsprachige, zumeist von katholischen Liturgiewissenschaftlern verfasste Handbuch, das differenziert die Liturgiegeschichte darstellt und daneben unter Berücksichtigung von Fragestellungen der Gegenwart vor allem die Theologie des Gottesdienstes im Blick hat. Ausführliche Literaturverzeichnisse erleichtern die Weiterarbeit. Zum Teil sind Register zu den Bänden erschienen. Leiturgia. Handbuch des evangelischen Gottesdienstes, hg. v. Karl Ferdinand Müller – Walter Blankenburg. Kassel 1954 ff.   9 (Bd. 1:) Geschichte und Lehre des evangelischen Gottesdienstes. Kassel 1954. 10 (Bd. 2:) Gestalt und Formen des evangelischen Gottesdienstes I. Der Hauptgottesdienst. Kassel 1955. 11 (Bd. 3:) Gestalt und Formen des evangelischen Gottesdienstes II. Der Predigtgottesdienst und der tägliche Gottesdienst. Register. Kassel 1956. 12 (Bd. 4:) Die Musik des evangelischen Gottesdienstes. Kassel 1961.

292 13

Quellen- und Literaturverzeichnis (Bd. 5:) Der Taufgottesdienst. Kassel 1970. Das Handbuch gilt nach wie vor als eines der wichtigsten Werke der evangelischen Liturgik. Insbesondere Band 1 mit seinem Beitrag zur Lehre vom Gottesdienst (Peter Brunner) und Band 5 mit den umfangreichen Ausführungen zur Taufe in der Alten Kirche (Georg Kretschmar) und vom Mittelalter bis zur Gegenwart (Bruno Jordahn) sind Standardwerke.

Anamnesis. Introduzione storico-teologica alla Liturgia, hg. v. Anscar J. Chupungco. Genova [u. a.] 1974 ff. Dieses Werk umfasst folgende Bände: 14 (Bd. 1:) Neunheuser, Burkhard u. a., La liturgia. Momento nella storia della salvezza. Genova [u. a.] 1974. 2. Aufl. 1979. 15 (Bd. 2:) Marsili, Salvatore u. a., La liturgia. Panorama storico generale. Genova [u. a.] 1978. 16 (Bd. 3.1:) Nocent, Adrien u. a., La Liturgia, i sacramenti. Teologia e storia della celebrazione. Genova [u. a.] 1986. 17 (Bd. 3.2:) Marsili, Salvatore u. a., La liturgia, eucaristia. Teologia e storia della celebrazione. Genova [u. a.] 1983. 18 (Bd. 5:) Pinell, Jordi, Liturgia delle Ore. Genova [u. a.] 1990. 19 (Bd. 6:) Auge, Matias u. a., L’Anno liturgico. Storia, teologia e celebrazione. Genova [u. a.] 1988. 3. Aufl. 2002. 20 (Bd. 7:) Scicolone, Ildebrando u. a., I sacramentali e le benedizioni. Genova [u. a.] 1990. 3. Aufl. 2002. Dieses italienische Handbuch ist breit historisch und theologisch angelegt. Es bietet grundlegende Informationen und sehr umfangreiche Literaturangaben. Eigens hervorgehoben seien der einführende erste Band und der zu diesem Themenfeld vergleichsweise ausführliche siebte Band. L’Eglise en priere. Introduction a la liturgie, hg. v. Aime-Georges Martimort. Paris 1983 ff. 21 (Bd. 1:) Dalmais, Irenee Henri u. a., Principes de la liturgie. Paris 1983. 22 (Bd. 2:) Cabie, Robert, L’eucharistie. Paris 1983. 23 (Bd. 3:) Cabie, Robert u. a., Les sacrements. Paris 1984. 24 (Bd. 4:) Dalmais, Irenee Henri u. a., La liturgie et le temps. Paris 1983. Das maßgebliche französische Handbuch informiert breit historisch und behandelt ausführlich die Liturgie nach dem II. Vatikanum. Liturgietheologische Grundlegungen findet man im ersten Band. Immer noch beachtenswert ist die 1961 erschienene Vorgängerausgabe, die ins Deutsche übersetzt worden ist: Handbuch der Liturgiewissenschaft. Bd. I: Allgemeine Einleitung. Die Grundelemente. Die Theologie der liturgischen Feier. Bd. II: Die übrigen Sakramente und die Sakramentalien. Die Heiligung der Zeit. Deutsche Übersetzung hg. vom Liturgischen Institut, Trier. Freiburg/Br. 1963/65. Handbook for Liturgical Studies, hg. v. Anscar J. Chupungco. Collegeville, MN 1997 ff. Dieses Werk umfasst folgende Bände: 25 (Bd. 1:) Introduction to the liturgy, hg. v. Anscar J. Chupungco. Collegeville, MN 1997. 26 (Bd. 2:) Fundamental liturgy, hg. v. Anscar J. Chupungco. Collegeville, MN 1998. 27 (Bd. 3:) The eucharist, hg. v. Anscar J. Chupungco. Collegeville, MN 1999. 28 (Bd. 4:) Sacraments and sacramentals, hg. v. Anscar J. Chupungco. Collegeville, MN 2000. 29 (Bd. 5:) Liturgical time and space, hg. v. Anscar J. Chupungco. Collegeville, MN 2000. Das Handbuch ist durch Professoren der römischen Hochschule S. Anselmo erarbeitet worden und zugleich in Italienisch und Englisch erschienen. Die Beiträge sind von unterschiedlichem Niveau. Besonders hervorzuheben sind in den beiden ersten Bänden die Kapitel über Bibel und Liturgie sowie Liturgie und Ökumene, außerdem Hinweise zur Interpretation liturgischer Quellen (Bd. 1), zur liturgischen Epistemologie sowie zu humanwissenschaftlichen Aspekten der Liturgie (Bd. 2). In verschiedenen Bänden findet man Beiträge über die unterschiedlichen Liturgiefamilien sowie zu den Feierformen in den östlichen und nichtrömischen westlichen Kirchen.

Quellen- und Literaturverzeichnis293 Kompendien Unter den einbändigen Kompendien sind hervorzuheben: 30 Adam, Adolf – Haunerland, Winfried, Grundriss Liturgie. 3., überarbeitete und ergänzte Auflage der Neuausgabe 2012 (11. Auflage). Freiburg/Br. [u. a.] 2018. Es handelt sich um eine Neubearbeitung des erstmals 1985 veröffentlichten Handbuchs. 31 Bieritz, Karl-Heinrich, Liturgik. Berlin – New York 2004. Dieses Lehr- und Studienbuch des evangelischen Praktischen Theologen, das sich an evangelische wie katholische Leser wendet, bietet eine kompakte Einführung, die zugleich auch ein Referenzwerk für Kulturwissenschaftler ist. Hervorzuheben sind besonders die Darstellungen zur Liturgie in den Kirchen der Reformation. 32 Deeg, Alexander, Das äußere Wort und seine liturgische Gestalt. Überlegungen zu einer evangelischen Fundamentalliturgik. Göttingen 2012 (APLH 68). Der Band geht der Frage nach, was evangelischer Gottesdienst ist, und zeigt, wie das Wechselspiel von Wort und Kult zum WortKult führt. 33 Franz, Ansgar – Siri Fuhrmann – Alexander Zerfaß, Einführung in die Liturgiewissenschaft, in: Praktische Theologie. Modul 4, hg.  v. Clauß Peter Sajak. Stuttgart 2012 (Theologie studieren im modularisierten Studiengang) 179–236. Kurze Einführung, die den Schwerpunkt auf einen liturgietheologischen Überblick und eine Vertiefung anhand der Feier der Initiation legt. 34 Handbuch der Liturgik. Liturgiewissenschaft in Theologie und Praxis der Kirche, hg. v. HansChristoph Schmidt-Lauber – Michael Meyer-Blanck – Karl-Heinrich Bieritz. 3., vollst. neu bearb. u. erg. Aufl. Göttingen 2003. Es handelt sich um das derzeit umfassendste neuere Handbuch, das von evangelischen Theologen herausgegeben worden ist. Es ist ökumenisch ausgerichtet und enthält auch Beiträge zu den Liturgien anderer Kirchen, verfasst von Autoren aus diesen Kirchen. 35 Kompendium Gottesdienst, hg. v. Hans-Joachim Eckstein – Ulrich Heckel – Birgit Weyel. Tübingen 2011 (UTB 3630). Kurze Beiträge aus verschiedenen theologischen Disziplinen zu Grundfragen der Liturgie. 36 Kunzler, Michael, Die Liturgie der Kirche. Paderborn 1995 (AMATECA 10). Charakteristisch für diese Einführung ist, dass immer wieder Informationen über die Liturgie der Ostkirchen einfließen. Das Buch behandelt zunächst theologische Grundfragen des Gottesdienstes, weniger die Anthropologie der Liturgie, und geht dann auf Eucharistie, die sakramentlichen Feiern der Kirche, Tagzeitenliturgie und Wortgottesdienst sowie das Kirchenjahr ein. 37 Meßner, Reinhard, Einführung in die Liturgiewissenschaft. Paderborn [u. a.] 22009 (UTB 2173). Die Einführung beschränkt sich auf die Themen Initiation, Eucharistie, Tagzeitenliturgie, Osterfeier, Ordination, Trauung und bietet zudem neben einer Einleitung in die wissenschaftliche Disziplin Liturgiewissenschaft eine kleine Quellenkunde. Das Spezifikum des zum Teil theologisch sehr pointierten Buches ist die Verbindung von Darstellungen der Liturgiegeschichte und systematischtheologischen Fragestellungen. 38 Meyer-Blanck, Michael, Gottesdienstlehre. Tübingen 2011 (Neue theologische Grundrisse). Mit unterschiedlichen Perspektiven Praktischer Theologie bietet dieser Band eine Einführung in den Gottesdienst, die Liturgik und Homiletik zusammenführt. 39 Meyer-Blanck, Michael, Liturgie und Liturgik. Der evangelische Gottesdienst aus Quellentexten erklärt. Göttingen 2009. Anhand von Quellen aus der Alten Kirche, der Reformation und der Neuzeit sowie verschiedenen christlichen Kirchen werden Grundfragen des Gottesdienstes erörtert. 40 Saberschinsky, Alexander, Der gefeierte Glaube. Einführung in die Liturgiewissenschaft. Freiburg/ Br. [u. a.] 2006. Kurze Einführung in die Arbeitsfelder der Liturgiewissenschaft, die sich an eine weite interessierte Leserschaft wendet.

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Quellen- und Literaturverzeichnis

41 The Study of Liturgy. Revised edition, hg. v. Cheslyn Jones – Geoffrey Wainwright – Edward Yarnold – Paul Bradshaw. London 82008. Das ökumenisch angelegte Buch enthält gute Überblicksbeiträge verschiedener Autoren zu zentralen Quellentexten, zu Geschichte und Gegenwart von Initiation, Eucharistie, Ordination und Tagzeitenliturgie sowie zu einzelnen Elementen der Liturgie. Nur eines der älteren Kompendien bzw. kürzeren Einführungen in die Liturgie sei hier genannt. Weitere Titel lassen sich über die oben angegebene Literatur rasch finden. 42 Reifenberg, Hermann, Fundamentalliturgie. Grundelemente des christlichen Gottesdienstes. Wesen, Gestalt, Vollzug. 2 Bde. Klosterneuburg 1978 (SPPI 3). Von den Handbüchern, die vor dem Zweiten Vatikanischen Konzil entstanden sind, ist hervorzuheben: 43 Eisenhofer, Ludwig, Handbuch der katholischen Liturgik. 2 Bde. 2., unveränd. Aufl. Freiburg/Br. 1941. Band 1 behandelt die Allgemeine Liturgik, Band 2 die Spezielle Liturgik. Das Werk beschreibt und interpretiert die vorkonziliare Liturgie und enthält immer noch anregende, wenngleich zum Teil überholte Ausführungen zur Liturgiegeschichte. Nachschlagewerke 44 Braun, Joseph, Liturgisches Handlexikon. Unveränderter Nachdruck der zweiten, verbesserten und sehr vermehrten Auflage von 1924. München 1993. Sehr informativ für die lateinische Liturgie vor dem II. Vatikanum. 45 Liturgisch woordenboek, hg. v. Lucas Brinkhoff u. a. 1–2. Roermond. 1: 1958–1962; 2: 1965–1968; Supplementum. Liturgische orientatie na Vaticanum II. Bijdragen en overzichten geordend door Augustinus Hollaardt. Roermond 1970. Das umfangreichste Handbuch aus jüngerer Zeit mit Interesse vor allem an historischen und theologischen Fragen; der Informationsstand entspricht der Zeit vor dem Zweiten Vatikanischen Konzil. 46 Berger, Rupert, Pastoralliturgisches Handlexikon. Freiburg/Br. [u. a.] 1999, 52013. Pastoral ausgerichtet; hilfreich für die erste Information. 47 Liturgia, hg. v. Domenico Sartore – Achille M. Triacca – Carlo Cibien. Rom 2001. Ein wichtiges Nachschlagewerk, schon wegen seiner ausführlichen Literaturangaben.

II.  Liturgische Bücher Genannt werden nur die für diese Einleitung wichtigen liturgischen Bücher. Eine vollständige Zusammenstellung bis 1995 bietet: 48 Klöckener, Martin, Die liturgischen Bücher im deutschen Sprachgebiet. Verzeichnis für die pastoralliturgische Arbeit, die liturgische Bildung und das liturgiewissenschaftliche Studium (Stand: 1.10.1995). Trier 1995 (Pastoralliturgische Hilfen 9). Feier der Eucharistie 49 Die Feier der Gemeindemesse. Handausgabe. Auszug aus der authentischen Ausgabe des Meßbuches für die Bistümer des deutschen Sprachgebietes. Anhang: Hochgebet für Messen für besondere Anliegen: Votivhochgebet »Versöhnung«. Solothurn [u. a.] 1995. 50 Meßbuch für die Bistümer des deutschen Sprachgebietes. Authentische Ausgabe für den liturgischen Gebrauch. Kleinausgabe. Das Meßbuch deutsch für alle Tage des Jahres. 2. Aufl. Einsiedeln [u. a.] 1988 (Die Feier der heiligen Messe). 51 Missale Romanum. Ex decreto Sacrosancti Oecumenici Concilii Vaticani II instauratam auctoritate Pauli PP. VI promulgatum. Ed. typica. Rom 1970. – Mittlerweile liegt eine Editio typica tertia (Rom 2002) des lateinischen Meßbuchs vor. 52 Saint Paul daily missal. Sunday and Weekday Masses for Proper of Seasons, Proper of Saints, Common Masses, Masses for the Dead. Prepared by the Daughters of St. Paul […]. Boston 2012.

Quellen- und Literaturverzeichnis295 53 The Sunday Missal. A New Edition. Sunday Masses for the Entire Three-year Cycle. Complete in One Volume together with extracts from the Sacramental Rites and from The Divine Office. Introductions by Harold Winstone. Illustrations by Mark and Anne Primavesi. Texts approved for use in England and Wales, Ireland, Scotland. London 1985. Feiern der Initiation 54 Die Eingliederung von Kindern im Schulalter in die Kirche. Studienausgabe für die katholischen Bistümer des deutschen Sprachgebietes, erarb. v. der Internationalen Arbeitsgemeinschaft der Liturgischen Kommissionen im deutschen Sprachgebiet, hg. v. den Liturgischen Instituten Salzburg, Trier, Zürich. Einsiedeln [u. a.] 1986 (PLR-GD). 55 Die Feier der Eingliederung Erwachsener in die Kirche. Grundform. Manuskriptausgabe zur Erprobung, hg. v. den Liturgischen Instituten Deutschlands, Österreichs und der Schweiz. Trier 2001. 56 Die Feier der Firmung in den katholischen Bistümern des deutschen Sprachgebietes, hg. im Auftrag der Bischofskonferenzen Deutschlands, Österreichs und der Schweiz und der Bischöfe von BozenBrixen und von Luxemburg. Einsiedeln [u. a.] 1973. 57 Die Feier der Kindertaufe in den Bistümern des deutschen Sprachgebietes. Zweite authentische Ausgabe auf der Grundlage der Editio typica altera 1973. Freiburg/Br. [u. a.] 2007 (Rituale Romanum auf Beschluss des Hochheiligen Ökumenischen Zweiten Vatikanischen Konzils erneuert und unter der Autorität Papst Pauls VI. veröffentlicht); dazu: Die Feier der Kindertaufe. Pastorale Einführung. Januar 2008, hg. v. Sekretariat der Deutschen Bischofskonferenz. Bonn 2008 (ADBK 220). Feier der Trauung 58 Die Feier der Trauung in den katholischen Bistümern des deutschen Sprachgebietes. Zweite Auflage, hg. im Auftrag der Bischofskonferenzen Deutschlands, Österreichs und der Schweiz sowie der (Erz-) Bischöfe von Bozen-Brixen, Lüttich, Luxemburg und Straßburg. Zürich [u. a.] 1992. 59 Gemeinsame Feier der kirchlichen Trauung. Ordnung der kirchlichen Trauung für konfessionsverschiedene Paare unter Beteiligung der zur Trauung Berechtigten beider Kirchen, hg. v. der Deutschen Bischofskonferenz und dem Rat der Evangelischen Kirche in Deutschland. Leipzig [u. a.] ³2005. Feier der Buße 60 Die Feier der Buße nach dem neuen Rituale Romanum. Studienausgabe, hg. v. den Liturgischen Instituten Salzburg, Trier, Zürich. Einsiedeln [u. a.] 1974 (PLR-GD). Feiern anlässlich von Krankheit, Sterben und Tod 61 Die kirchliche Begräbnisfeier in den Bistümern des deutschen Sprachgebietes. Zweite authentische Ausgabe auf der Grundlage der Editio typica 1969. Freiburg/Br. [u. a.] 2009 (Rituale Romanum auf Beschluss des Hochheiligen Ökumenischen Zweiten Vatikanischen Konzils erneuert und unter der Autorität Papst Pauls VI. veröffentlicht); dazu: Die kirchliche Begräbnisfeier. Pastorale Einführung. 28. Februar 2009, hg. v. Sekretariat der Deutschen Bischofskonferenz. Bonn 2009 (ADBK 232). 62 Die Feier der Krankensakramente. Die Krankensalbung und die Ordnung der Krankenpastoral in den katholischen Bistümern des deutschen Sprachgebietes, hg. im Auftrag der Bischofskonferenzen Deutschlands, Österreichs und der Schweiz sowie der (Erz-)Bischöfe von Bozen-Brixen, Lüttich, Luxemburg und Straßburg. 2. Aufl. Solothurn [u. a.] 1994. Feiern von Weihen und Beauftragungen 63 Die Beauftragung der Lektoren und der Akolythen. Pontifikale III. Handausgabe mit pastoralliturgischen Hinweisen, hg. v. den Liturgischen Instituten Salzburg, Trier, Zürich. Freiburg/Br. [u. a.] 1994 (Pontifikale für die katholischen Bistümer des deutschen Sprachgebietes 3) (PLR-GD).

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Quellen- und Literaturverzeichnis

64 Die Weihe des Abtes und der Äbtissin. Die Jungfrauenweihe. Pontifikale II. Handausgabe mit pastoralliturgischen Hinweisen, hg. v. den Liturgischen Instituten Salzburg, Trier, Zürich. Freiburg/Br. [u. a.] 1994 (Pontifikale für die katholischen Bistümer des deutschen Sprachgebietes 2) (PLR-GD). 65 Die Weihe des Bischofs, der Priester und der Diakone. Pontifikale I. Handausgabe mit pastoralliturgischen Hinweisen, hg. v. den Liturgischen Instituten Salzburg, Trier, Zürich. Freiburg/Br. [u. a.] 1994 (Pontifikale für die katholischen Bistümer des deutschen Sprachgebietes 1) (PLR-GD). 66 Die Weihe der Kirche und des Altares. Die Weihe der Öle. Pontifikale IV. Handausgabe mit pastoralliturgischen Hinweisen, hg. v. den Liturgischen Instituten Salzburg, Trier, Zürich. Freiburg/Br. [u. a.] 1994 (Pontifikale für die katholischen Bistümer des deutschen Sprachgebietes 4) (PLR-GD). Segnungsfeiern 67 Benediktionale. Studienausgabe für die katholischen Bistümer des deutschen Sprachgebietes. Erarbeitet von der Internationalen Arbeitsgemeinschaft der Liturgischen Kommissionen im deutschen Sprachgebiet, hg. v. den Liturgischen Instituten Salzburg, Trier, Zürich. Einsiedeln [u. a.] 1978. Tagzeitenliturgie und Wort-Gottes-Feier 68 Kleines Stundenbuch. Morgen und Abendgebet der Kirche aus der Feier des Stundengebetes für die katholischen Bistümer des deutschen Sprachgebietes, hg. v. den Liturgischen Instituten Salzburg, Trier, Zürich. Einsiedeln [u. a.] 1981–1984 [Bd. 1: Advent und Weihnachtszeit, 1982; Bd. 2: Fastenund Osterzeit, 1983; Bd. 3: Im Jahreskreis, 1981; Bd. 4: Die Gedenktage der Heiligen, 1984]. 69 Morgenlob – Abendlob. Mit der Gemeinde feiern. Dienstebuch, hg. v. Paul Ringseisen. 3 Bde. Pla­ negg 2000. 2004. 70 Stundenbuch. Für die katholischen Bistümer des deutschen Sprachgebietes. Authentische Ausgabe für den liturgischen Gebrauch, hg. im Auftrag der Deutschen und der Berliner Bischofskonferenz, der Österreichischen Bischofskonferenz, der Schweizer Bischofskonferenz sowie der Bischöfe von Luxemburg, Bozen-Brixen, Lüttich, Metz und Straßburg. Zürich [u. a.] 1978 [Bd. 1: Advent und Weihnachtszeit (Nachdr. 1989); Bd. 2: Fastenzeit und Osterzeit (Nachdr. 1993); Bd. 3: Im Jahreskreis (Nachdr. 1991 u. 1993)]. 71 Versammelt in Seinem Namen. Tagzeitenliturgie – Wort-Gottes-Feier – Andachten an Wochentagen. Werkbuch, hg. v. den Liturgischen Instituten Deutschlands, Österreichs und der Schweiz im Auftrag der Deutschen Bischofskonferenz, der Österreichischen Bischofskonferenz, der Schweizer Bischofskonferenz und des Erzbischofs von Luxemburg. Trier 2008. 72 Die Wortgottesfeier. Der Wortgottesdienst der Gemeinde am Sonntag. Vorsteherbuch für Laien, hg. v. Liturgischen Institut Zürich im Auftrage der deutschschweizerischen Bischöfe. Freiburg/Schw. 1997. 73 Wort-Gottes-Feier. Werkbuch für die Sonn- und Festtage, hg. v. den Liturgischen Instituten Deutschlands und Österreichs im Auftrag der Deutschen Bischofskonferenz, der Österreichischen Bischofskonferenz und des Erzbischofs von Luxemburg. Trier 2004. 74 Die Wort-Gottes-Feier am Sonntag. Herausgegeben vom Liturgischen Institut in Freiburg im Auftrag der Bischöfe der deutschsprachigen Schweiz. Freiburg/Schw. 2014. Gesang im Gottesdienst 75 Gotteslob. Katholisches Gebet- und Gesangbuch. Ausgabe für die (Erz-)Diözesen Berlin, DresdenMeißen, Erfurt, Görlitz und Magdeburg, hg. v. den (Erz-)Bischöfen Deutschlands und Österreichs und dem Bischof von Bozen-Brixen. Leipzig – Stuttgart 2013. 76 Graduale sacrosanctae Romanae Ecclesiae de tempore et de sanctis primum sancti Pii X iussu restit. et ed. Pauli VI […] cura nunc recogn. ad exemplar »Ordinis cantus missae« dispositum et rhythmicis signis a Solesmensibus monachis diligenter ornatum. Solesmes 1974. 77 Graduale Romanum. Lateinisch-deutsche Textausgabe, hg. v. den Mönchen der Abtei Gerleve. Billerbeck 21983.

Quellen- und Literaturverzeichnis297 Andere liturgische Bücher 78 Sidur Sefat Emet. Mit deutscher Übersetzung von Rabbiner Dr. S. Bamberger. Basel 1992.

III.  Kirchliche Dokumente Es werden nur solche Dokumente genannt, die im Buch verwendet werden. Eine vollständige Zusammenstellung bieten die Bände »Dokumente zur Erneuerung« (81–83). 79 Allgemeine Einführung in das Römische Meßbuch (AEM), in: Die Meßfeier – Dokumentensammlung. Auswahl für die Praxis, hg. v. Sekretariat der Deutschen Bischofskonferenz. Bonn 122015 (ADBK 77) 7–89. 80 Allgemeine Einführung in das Stundengebet (AES), in: Tagzeitenliturgie der Zukunft. Allgemeine Einführung in das Stundengebet. In Zusammenarbeit mit dem Österreichischen Liturgischen Institut, Salzburg, hg. v. Deutschen Liturgischen Institut Trier. Trier 1999 (Pastoralliturgische Hilfen 14) 29–101 (u. a. auch im Band 1 des Stundenbuches enthalten). Dokumente zur Erneuerung der Liturgie (DEL): 81 Bd. I: Dokumente des Apostolischen Stuhls 1963–1973, hg. v. Heinrich Rennings – Martin Klöckener. Kevelaer 1983. 82 Bd. II: Dokumente des Apostolischen Stuhls 4.12.1973–3.12.1983, übers., bearb. u. hg. v. Martin Klöckener – Heinrich Rennings. Kevelaer 1997. 83 Bd. III: Dokumente des Apostolischen Stuhls 4.12.1983–3.12.1993. Mit Supplementum zu Band 1 und 2, übers., bearb. u. hg. v. Martin Klöckener unter Mitarbeit von Guido Muff. Kevelaer – Freiburg/ Schw. 2001. 84 Dokumente zur Kirchenmusik unter besonderer Berücksichtigung des deutschen Sprachgebietes, hg. v. Hans Bernhard Meyer – Rudolf Pacik. Regensburg 1981. 85 Für eine Zukunft in Solidarität und Gerechtigkeit. Wort des Rates der Evangelischen Kirche in Deutschland und der Deutschen Bischofskonferenz zur wirtschaftlichen und sozialen Lage in Deutschland, hg. v. Kirchenamt der Evangelischen Kirche in Deutschland und vom Sekretariat der Deutschen Bischofskonferenz. Hannover – Bonn 1997 (Gemeinsame Texte 9). 86 Gottesdienst. Beschluß, in: Gemeinsame Synode der Bistümer in der Bundesrepublik Deutschland. Beschlüsse der Vollversammlung. Offizielle Gesamtausgabe I, hg. im Auftrag des Präsidiums der Gemeinsamen Synode […] v. Ludwig Bertsch u. a. Freiburg/Br. [u. a.] 1976, 196–225. 87 Gottesdienst im deutschen Sprachgebiet. Liturgische Dokumente, Bücher und Behelfe, hg. v. Josef Schermann – Hans Bernhard Meyer. Regensburg 1982 (StPaLi 5). 88 Die Gruppe von Farfa Sabina, Gemeinschaft der Kirchen und Petrusamt. Lutherisch-katholische Annäherungen. Frankfurt/M. 2011. 89 Das Herrenmahl. Bericht der Gemeinsamen Römisch-katholischen / Evangelisch-lutherischen Kommission 1978, in: Dokumente wachsender Übereinstimmung. Sämtliche Berichte und Konsenstexte interkonfessioneller Gespräche auf Weltebene. 1931–1982, hg. u. eingel. v. Harding Meyer – Hans Jörg Urban – Lukas Vischer. Paderborn – Frankfurt/M. 1983, 271–295. 90 Johannes Paul II., Enzyklika Ecclesia de eucharistia von Papst Johannes Paul II. an die Bischöfe, an die Priester und Diakone, an die geweihten Personen und an alle Christgläubigen über die Eucharistie in ihrer Beziehung zur Kirche. 17. April 2003. 3. Auflage, hg. v. Sekretariat der Deutschen Bischofskonferenz. Bonn 2003 (VApS 159). 91 Leitlinien für den Bau und die Ausgestaltung von gottesdienstlichen Räumen. Handreichung der Liturgiekommission der Deutschen Bischofskonferenz. 25. Oktober 1988. 6. überarb. Aufl., hg. v. Sekretariat der Deutschen Bischofskonferenz. Bonn 2002 (DtBis 9). 92 (Liturgiam authenticam) Kongregation für den Gottesdienst und die Sakramentenordnung, Der Gebrauch der Volkssprache bei der Herausgabe der Bücher der römischen Liturgie. Liturgiam authenticam. Fünfte Instruktion »zur ordnungsgemäßen Ausführung der Konstitution des Zweiten

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Quellen- und Literaturverzeichnis Vatikanischen Konzils über die heilige Liturgie« (zu Art. 36 der Konstitution). Lateinisch-Deutsch. 28. März 2001, hg. v. Sekretariat der Deutschen Bischofskonferenz. Bonn 2001 (VApS 154). Liturgie und Bild. Eine Orientierungshilfe. Handreichung der Liturgiekommission der Deutschen Bischofskonferenz. 23. April 1996, hg. v. Sekretariat der Deutschen Bischofskonferenz. Bonn 1996 (ADBK 132). (Magnum Principium) Apostolisches Schreiben in Form eines »Motu Proprio« »Magnum Principium« von Papst Franziskus, durch das CAN. 838 des Kodex des kanonischen Rechts verändert wird (https://w2.vatican.va/content/francesco/de/motu_proprio/documents/papa-francesco-motu-proprio_20170903_magnum-principium.html) [5.12.2018]. (Mediator Dei) Unseres Heiligen Vaters Pius’ XII. durch göttliche Vorsehung Papst. Rundschreiben über die heilige Liturgie (20. November 1947: »Mediator Dei«). Lateinischer Text nach den »Acta Apostolicae Sedis«. Deutscher Text nach der von der Vatikanischen Druckerei vorgelegten Übersetzung. Freiburg/Br. 1948. Die Meßfeier – Dokumentensammlung. Auswahl für die Praxis, hg. v. Sekretariat der Deutschen Bischofskonferenz. Bonn 122015 (ADBK 77). Das Mysterium der Kirche und der Eucharistie im Licht des Mysteriums der Heiligen Dreieinigkeit, in: OrthFor 3. 1989, 219–228 (sog. »Münchener Dokument« von 1982). Päpstliche Bibelkommission, Die Interpretation der Bibel in der Kirche. Ansprache Seiner Heiligkeit Johannes Pauls II. und Dokument der Päpstlichen Bibelkommission. 23. April 1993. 2., korrigierte Auflage 1996, hg. v. Sekretariat der Deutschen Bischofskonferenz. Bonn 1996 (VApS 115). (Sacramentum Caritatis) Benedikt XVI., Nachsynodales Apostolisches Schreiben »Sacramentum Caritatis« Seiner Heiligkeit Papst Benedikt XVI. an die Bischöfe, den Klerus, die Personen gottgeweihten Lebens und an die christgläubigen Laien über die Eucharistie, Quelle und Höhepunkt von Leben und Sendung der Kirche. 22. Februar 2007. 2., korrigierte Auflage. Hg. vom Sekretariat der Deutschen Bischofskonferenz. Bonn 2007 (VApS 177). (Sacrosanctum Concilium) Konstitution über die heilige Liturgie, in: Karl Rahner – Herbert Vorgrimler, Kleines Konzilskompendium. Sämtliche Texte des Zweiten Vatikanums. Allgemeine Einleitung – 16 spezielle Einführungen – ausführliches Sachregister. Mit einem Nachtrag vom Oktober 1968: Die nachkonziliare Arbeit der römischen Kirchenleitung. Freiburg/Br. 171984, 51–90 (diese Ausgabe der Konzilsdokumente liegt in zahlreichen Auflagen vor; zum lateinischen Text der Liturgiekonstitution und zu Kommentaren vgl. auch Anhang 4). (Summorum Pontificum) Benedikt XVI., Apostolisches Schreiben »Summorum Pontificum«. Brief des Heiligen Vaters an die Bischöfe anlässlich der Publikation. 7. Juli 2007, hg. v. Sekretariat der Deutschen Bischofskonferenz. Bonn 2007 (VApS 178). (Veritatis Gaudium) Apostolische Konstitution Veritatis Gaudium von Papst Franziskus über die kirchlichen Universitäten und Fakultäten. 27. Dezember 2017, hg. vom Sekretariat der Deutschen Bischofskonferenz. Bonn 2018 (VApS 211).

IV. Literatur 1  Liturgie im gesellschaftlichen Umfeld 103 Bell, Catherine, Ritual. Perspectives and Dimensions. New York – Oxford 1997. 104 Bieritz, Karl-Heinrich, Einladung zum Mitspielen. Riten-Diakonie und Ritualtheorie: Anregungen und Einwürfe, in: Die diakonale Dimension der Liturgie, hg. v. Benedikt Kranemann  – Thomas Sternberg – Walter Zahner. Freiburg/Br. [u. a.] 2006 (QD 218) 284–304. 105 Brüske, Gunda, Offene Türen: Feiern mit Menschen auf der Suche nach Gott. Eine Arbeitshilfe zu niederschwelligen Gottesdiensten. Freiburg/Schw. 2010. 106 Casanova, Jose, Religion und Öffentlichkeit. Ein Ost-/Westvergleich, in: Religion und Gesellschaft. Texte zur Religionssoziologie, hg. v. Karl Gabriel  – Hans-Richard Reuter. Paderborn [u. a.] 2004 (UTB 2510) 271–293.

Quellen- und Literaturverzeichnis299 107 Christliche Rituale im Wandel. Schlaglichter aus theologischer und religionswissenschaftlicher Sicht, hg. v. Hans Gerald Hödl  – Johannes Pock  – Teresa Schweighofer. Göttingen 2017 (Wiener Forum für Theologie und Religionswissenschaft 14). 108 Deutschland trauert. Trauerfeiern nach Großkatastrophen als gesellschaftliche Herausforderung, hg. v. Brigitte Benz – Benedikt Kranemann. Würzburg 2019 (EThS 51). 109 Disaster Ritual. Explorations of an emerging ritual repertoire, hg. v. Paul Post – Ronald L. Grimes – Albertina Nugteren – Per Pettersson – Hessel Zondag. Leuven [u. a.] 2003 (LiCo 15). 110 Ebertz, Michael N., Einseitige und zweiseitige liturgische Handlungen. Gottes-Dienst in der entfalteten Moderne, in: Heute Gott feiern. Liturgiefähigkeit des Menschen und Menschenfähigkeit der Liturgie, hg. v. Benedikt Kranemann – Eduard Nagel – Elmar Nübold. Freiburg/Br. [u. a.] 1999, 14– 38. 111 Friedrichs, Lutz, Kasualpraxis in der Spätmoderne. Studien zu einer Praktischen Theologie der Übergänge. Leipzig 2008 (APrTh 37). 112 Gabriel, Karl, Säkularisierung, Wiederkehr der Religion oder multiple Modernen? Interpretationen der religiösen Entwicklung in (Ost-)Deutschland, in: Diaspora als Ort der Theologie. Perspektiven aus Tschechien und Ostdeutschland, hg. v. Benedikt Kranemann  – Petr Štica. Würzburg 2016 (EThS 48) 63–84. 113 Gabriel, Karl, Säkularisierung und öffentliche Religion. Religionssoziologische Anmerkungen mit Blick auf den europäischen Kontext, in: JCSW 44. 2003, 13–36. 114 Gott feiern in nachchristlicher Gesellschaft. Die missionarische Dimension der Liturgie, hg. v. Benedikt Kranemann – Klemens Richter – Franz-Peter Tebartz-van Elst. Stuttgart 2000 (zuerst 1998/99 veröffentlicht). 115 Handke, Emilia, Religiöse Jugendfeiern »zwischen Kirche und anderer Welt«. Eine historische, systematische und empirische Studie über kirchlich (mit)verantwortete Alternativen zur Jugendweihe. Leipzig 2016 (APrTh 65). 116 Hauke, Reinhard, Die Feier der Lebenswende. Eine christliche Hilfe zur Sinnfindung für Ungetaufte, in: Gott feiern in nachchristlicher Gesellschaft. Die missionarische Dimension der Liturgie, hg. v. Benedikt Kranemann  – Klemens Richter  – Franz-Peter Tebartz-van Elst. Stuttgart 2000, Teil 2, 32–48. 117 Haunerland, Winfried, Authentische Liturgie. Der Gottesdienst der Kirche zwischen Universalität und Individualität, in: LJ 52. 2002, 135–157. 118 Häußling, Angelus A., Gottesdienst III. Liturgiegeschichtlich. IV. Liturgisch-theologisch, in: LThK 4. 1995, 891–903. 119 Hock, Klaus, Einführung in die Religionswissenschaft. Darmstadt 42011. 120 Hoffman, Lawrence A., How Ritual Means: Ritual Circumcision on Rabbinic Culture and Today, in: StLi 23. 1993, 78–97. 121 Janetzky, Birgit, Unsere Liebe ist einzigartig – wir wollen ein einzigartiges Ritual. Die Gestaltung nichtkirchlicher Hochzeitszeremonien, in: Hochzeit – Rituale der Intimität, hg. v. Benedikt Kranemann – Joachim Hake. Stuttgart 2006, 71–93. 122 Klöckener, Martin, Freiheit und Ordnung im Gottesdienst – ein altes Problem mit neuer Brisanz, in: FZPhTh 43. 1996, 388–419. 123 Knop, Julia, Gott – oder nicht. Theologie und Kirche angesichts des Nichtglaubens ihrer Zeit: ein Paradigmenwechsel, in: ThG 60. 2017, 141–154. 124 Kranemann, Benedikt, Ökumenische Liturgiewissenschaft. Eine Bilanz 1963–2013, in: Alexander Deeg – Erich Garhammer – Benedikt Kranemann – Michael Meyer-Blanck, Gottesdienst und Predigt  – evangelisch und katholisch. Neukirchen-Vluyn 2014 (Evangelisch-katholische Studien zu Gottesdienst und Predigt 1) 40–69. 125 Kranemann, Benedikt, Theologie im »kulturellen Laboratorium«. Überlegungen in unübersichtlichen Zeiten, in: ThG 62. 2019, 61–73.

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Quellen- und Literaturverzeichnis

126 Kranemann, Benedikt, Trauerfeiern nach Großkatastrophen. Die Rolle der Kirchen im öffentlichen Raum, in: Politik, Recht und Religion, hg. v. Andreas Anter – Verena Frick, Tübingen 2019 (POLITIKA 18, 199–217. 127 Kranemann, Benedikt, Die Wiederentdeckung des Rituals. Ein kulturelles Phänomen in liturgiewissenschaftlicher Perspektive, in: rhs 48. 2005, 24–35. 128 Lang, Bernhard, Ritual/Ritus, in: HRWG 4. 1998, 442–458. 129 Lengeling, Emil Joseph, Liturgie, in: HThG 3. 1970, 77–100 (zuerst 1962 veröffentlicht). 130 Lengeling, Emil Joseph, Liturgie – Dialog zwischen Gott und Mensch, hg. v. Klemens Richter. Altenberge 1988. 131 Lengeling, Emil Joseph, Liturgie/Liturgiewissenschaft, in: NHThG 3. 1991, 279–305. 132 Loffeld, Jan, Das andere Volk Gottes. Eine Pluralitätsherausforderung für die Pastoral. Würzburg 2011 (EThSt 99). 133 Luckmann, Thomas, Die unsichtbare Religion. Mit einem Vorwort von Hubert Knoblauch. Frankfurt/M. 31996. 134 Lüddeckens, Dorothea, Neue Rituale für alle Lebenslagen. Beobachtungen zur Popularisierung des Ritualdiskurses, in: ZRGG 56. 2004, 37–53. 135 Lüddeckens, Dorothea, Rituelle Selbstermächtigung und strukturelle Flexibilität. Neue Bestattungsrituale als Coping Ressource im Trauerprozess, in: PrTh 50. 2015, 156–160. 136 Meßner, Reinhard, Einige Defizite in der Performance der Eucharistie, in: Römische Messe und Liturgie in der Moderne, hg. v. Stephan Wahle – Helmut Hoping – Winfried Haunerland. Freiburg/ Br. [u. a.] 2013, 305–345. 137 Mitchell, Nathan, Liturgy and the social sciences. Collegeville, MN 1999 (American essays in liturgy). 138 Odenthal, Andreas, Liturgie als Ritual. Theologische und psychoanalytische Überlegungen zu einer praktisch-theologischen Theorie des Gottesdienstes als Symbolgeschehen. Stuttgart 2002 (PTHe  60). 139 Odenthal, Andreas, Rituelle Erfahrung. Praktisch-theologische Konturen des christlichen Gottesdienstes. Stuttgart 2019 (PTHe 161). 140 Pock, Johann, Traumhochzeit, individuell angepasst? Das (katholische) Hochzeitsritual im Wandel, in: Christliche Rituale im Wandel. Schlaglichter aus theologischer und religionswissenschaftlicher Sicht, hg. v. Hans Gerald Hödl – Johann Pock – Teresa Schweighofer. Göttingen 2017 (Wiener Forum für Theologie und Religionswissenschaft 14) 87–112. 141 Post, Paul, Ritual Studies. Einführung und Ortsbestimmung im Hinblick auf die Liturgiewissenschaft, in: ALw 45. 2003, 21–45. 142 Post, Paul, Über die Liturgische Bewegung hinaus … Ein Literaturbericht zu neueren liturgie- und ritualwissenschaftlichen Studien aus niederländischer Perspektive (2005–2007), in: ALw 51. 2009, 66–95. 143 Praktische Theologie der Bestattung, hg. v. Thomas Klie – Martina Kumlehn – Ralph Kunz – Thomas Schlag. Berlin – München – Boston 2015 (PThW 17). 144 Riskante Liturgien – Gottesdienste in der gesellschaftlichen Öffentlichkeit, hg. v. Kristian Fechtner – Thomas Klie. Stuttgart 2011, 7–19. 145 Ritual und Ritualdynamik. Schlüsselbegriffe, Theorien, Diskussionen, hg. v. Christiane Brosius – Axel Michaels – Paula Schrode. Göttingen 2013 (UTB 3854). 146 Schrott, Simon A., Pascha-Mysterium. Zum liturgietheologischen Leitbegriff des Zweiten Vatikanischen Konzils. Regensburg 2014 (Theologie der Liturgie 6). 147 Stolz, Fritz, Grundzüge der Religionswissenschaft. Göttingen 32001 (UTB 1980). 148 Tambiah, Stanley J., Eine performative Theorie des Rituals, in: Ritualtheorien. Ein einführendes Handbuch, hg. v. Andrea Belliger – David J. Krieger. Wiesbaden 52013, 223–246.

Quellen- und Literaturverzeichnis301 149 Trauerfeiern nach Großkatastrophen. Theologische und sozialwissenschaftliche Zugänge, hg. v. Benedikt Kranemann – Brigitte Benz. Neukirchen-Vluyn 2016 (Evangelisch-katholische Studien zu Gottesdienst und Predigt 3). 150 Turner, Victor, Das Ritual. Struktur und Anti-Struktur. Aus dem Englischen und mit einem Nachwort von Sylvia M. Schomburg-Scherff. Frankfurt/M. 2000 (zuerst 1969 veröffentlicht). 151 Van Gennep, Arnold, Übergangsriten (Les rites de passage). Aus dem Französischen von Klaus Schomburg und Sylvia M. Schomburg-Scherff. Mit einem Nachwort von Sylvia M. SchomburgScherff. Frankfurt/M. [u. a.] 1999 (erstmals 1909 veröffentlicht). 152 Winter, Stephan, »Wir übergeben den Leib der Erde …«. Überlegungen zu mystagogischer Bestattungsliturgie, in: Arbeitsstelle Gottesdienst 16. 2002, 12–25. 2  Geschichte, Profil und Methoden des Faches Liturgiewissenschaft 153 Altermatt, Urs, Von der Volksreligion zur Massenreligiosität, in: Liturgie in Bewegung. Liturgie en mouvement. Beiträge zum Kolloquium Gottesdienstliche Erneuerung in den Schweizer Kirchen im 20. Jahrhundert. 1.–3. März 1999 an der Universität Freiburg/Schweiz. Actes du Colloque Renouveau liturgique des Eglises en Suisse au XXe siecle. 1–3 mars 1999, Universite de Fribourg/Suisse, hg. v. Bruno Bürki – Martin Klöckener unter Mitarb. von Arnaud Join-Lambert. Freiburg/Schw. – Genève 2000, 33–51. 154 Angenendt, Arnold, Geschichte der Religiosität im Mittelalter. Darmstadt 32005. 155 Angenendt, Arnold, Liturgie im Mittelalter. Ausgewählte Aufsätze zum 70. Geburtstag, hg. v. Thomas Flammer – Daniel Meyer. Münster 2004 (Ästhetik – Theologie – Liturgik 35). 156 Angenendt, Arnold, Liturgik und Historik. Gab es eine organische Liturgie-Entwicklung? Freiburg/ Br. [u. a.] 22001 (QD 189). 157 Angenendt, Arnold, Offertorium. Das mittelalterliche Meßopfer. Münster ³2014 (LQF 101). 158 Barnard, Marcel, Liturgiek als wetenschap van christelijke riten en symbolen. Rede uitgesproken bij den aanvaarding van het ambt Kerkelijk Hoogleraar in de Liturgiek vanwege de Evangelisch-Lutherse Kerk in het Koninkrijk der Nederlanden aan de Universiteit van Amsterdam op dinsdag 6 juni 2000. Amsterdam 2000. 159 Baumstark, Anton, Comparative liturgy, hg. v. Bernard Botte. London 1958. 160 Baumstark, Anton, Liturgie comparee. Conferences faites au Prieure d’Amay. Ed. refondue. Chevetogne 1939. 161 Baumstark, Anton, Missale Romanum. Seine Entwicklung, ihre wichtigsten Urkunden und Pro­ bleme. Eindhoven 1929. 162 Baumstark, Anton, Nocturna laus. Typen frühchristlicher Vigilienfeier und ihr Fortleben vor allem im römischen und monastischen Ritus. Aus dem Nachlass hg. v. Odilo Heiming. Münster 1957 (LQF 32). 163 Baumstark, Anton, Vom geschichtlichen Werden der Liturgie. 1.–5. Aufl. Freiburg/Br. 1923 (EcOra 10). 164 Berger, Teresa, »Erneuerung und Pflege der Liturgie«  – »Einheit aller, die an Christus glauben«. Ökumenische Aspekte der Liturgiekonstitution, in: Gottesdienst – Kirche – Gesellschaft. Interdisziplinäre und ökumenische Standortbestimmungen nach 25 Jahren Liturgiereform, hg. v. Hansjakob Becker – Bernd Jochen Hilberath – Ulrich Willers. St. Ottilien 1991 (PiLi 5) 339–356. 165 Berger, Teresa, Liturgie – Spiegel der Kirche. Eine systematisch-theologische Analyse des liturgischen Gedankenguts im Traktarianismus. Göttingen 1986 (FSÖTh 52). 166 Bieritz, Karl-Heinrich, Chancen einer ökumenischen Liturgik, in: ZKTh 100. 1978, 470–483. 167 Bieritz, Karl-Heinrich, Liturgik II. Forschungsstand, in: RGG 5. 2001, 452–457. 168 Casel, Odo, Das christliche Kultmysterium. 4. durchges. u. erw. Aufl., hg. v. Burkhard Neunheuser. Regensburg 1960. 169 Casel, Odo, Glaube, Gnosis und Mysterium, in: JLw 15. 1935, 155–305. 170 Casel, Odo, Die Liturgie als Mysterienfeier. 1. u. 2. Aufl. Freiburg/Br. 1922 (EcOra 9).

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Quellen- und Literaturverzeichnis

171 Casel, Odo, Mysterientheologie. Ansatz und Gestalt, hg. v. Abt-Herwegen-Institut der Abtei Maria Laach. Ausgew. u. eingel. von Arno Schilson. Regensburg 1986. 172 De Zan, Renato, Criticism and Interpretation of Liturgical Texts, in: Handbook for Liturgical Studies 1: Introduction to the Liturgy, ed. by Ansgar J. Chupungco. Collegeville, MN 1997, 331–365. 173 Felmy, Karl Christian, Einführung in die orthodoxe Theologie der Gegenwart. Berlin – Münster 2011 (Lehr- und Studienbücher zur Theologie 5). 174 Fischer, Balthasar, Östliches Erbe in der jüngsten Liturgiereform des Westens, in: LJ 27. 1977, 92–106. 175 Fluck, Jakob, Katholische Liturgik, 2 Bde. Regensburg 1853–1855. 176 Gärtner, Heribert W. – Merz, Michael B., Prolegomena für eine integrative Methode in der Liturgiewissenschaft. Zugleich ein Versuch zur Gewinnung der empirischen Dimension, in: ALw 24. 1982, 165–189. 177 Gerhards, Albert, Gipfelpunkt und Quelle. Intention und Rezeption der Liturgiekonstitution Sacrosanctum Concilium, in: Erinnerung an die Zukunft. Das Zweite Vatikanische Konzil, hg. v. JanHeiner Tück. Freiburg/Br. [u. a.] 2012, 107–126. 178 Gerhards, Albert, Himmlische Liturgie – vernunftgemäßer Gottesdienst. Eine Relecture von Sacrosanctum Concilium 8 im Licht der liturgischen Theologie Erik Petersons, in: Erik Peterson. Die theologische Präsenz eines Outsiders, hg. v. Giancarlo Caronello. Berlin 2012, 459–474. 179 Gerhards, Albert, Impulse des christlich-jüdischen Dialogs für die Liturgiewissenschaft, in: Methodische Erneuerung der Theologie. Konsequenzen der wiederentdeckten jüdisch-christlichen Gemeinsamkeiten, hg. v. Peter Hünermann – Thomas Söding. Freiburg/Br. [u. a.] 2003 (QD 200) 183– 211. 180 Gerhards, Albert, Mission Manifest oder: was machen wir falsch in der Liturgie?, in: Einfach nur Jesus? Eine Kritik am »Mission Manifest«, hg. v. Ursula Nothelle-Wildfeuer – Magnus Striet. Freiburg/Br. [u. a.] 2018 (Katholizismus im Umbruch 8) 138–156. 181 Gerhards, Albert  – Odenthal, Andreas, Auf dem Weg zu einer Liturgiewissenschaft im Dialog. Thesen zur wissenschaftstheoretischen Standortbestimmung, in: LJ 50. 2000, 41–53. 182 Gerhards, Albert – Osterholt-Kootz, Birgit, Kommentar zur »Standortbestimmung der Liturgiewissenschaft«, in: LJ 42. 1992, 122–138. 183 Gottesdienst als Feld theologischer Wissenschaft im 20. Jahrhundert. Deutschsprachige Liturgiewissenschaft in Einzelporträts, hg. v. Benedikt Kranemann  – Klaus Raschzok. Münster 2011 (LQF 98). 184 Guardini, Romano, Über die systematische Methode in der Liturgiewissenschaft, in: JLw 1. 1921, 97–108. 185 Guéranger, Prosper, L’annee liturgique. 9 Bde. Paris 1841–1866 (deutsche Übersetzung 1874 ff. u. ö.). 186 Guéranger, Prosper, Institutions liturgiques. 3 Bde. Paris 1840–1851 (erweiterte Aufl. in 4 Bde. 1878–1885). 187 Gy, Pierre-Marie, Les reformes liturgiques et la sociologie historique de la liturgie, in: Liturgiereformen. Historische Studien zu einem bleibenden Grundzug des christlichen Gottesdienstes. Bd. 1: Biblische Modelle und Liturgiereformen von der Frühzeit bis zur Aufklärung, hg. v. Martin Klöckener – Benedikt Kranemann. Münster 2002 (LQF 88) 262–272. 188 Haspelmath-Finatti, Dorothea, Theologia Prima. Liturgische Theologie für den evangelischen Gottesdienst. Göttingen – Bristol CT 2014 (APTLH 80). 189 Häußling, Angelus A., Die kritische Funktion der Liturgiewissenschaft, in: ders., Christliche Identität aus der Liturgie. Theologische und historische Studien zum Gottesdienst der Kirche, hg. v. Martin Klöckener – Benedikt Kranemann – Michael B. Merz. Münster 1997 (LQF 79) 284–301 (zuerst 1970 veröffentlicht). 190 Häußling, Angelus A., Liturgiereform. Materialien zu einem neuen Thema der Liturgiewissenschaft, in: ders., Christliche Identität aus der Liturgie. Theologische und historische Studien zum Gottesdienst der Kirche, hg. v. Martin Klöckener – Benedikt Kranemann – Michael B. Merz. Münster 1997 (LQF 79) 11–45 (zuerst 1989 veröffentlicht).

Quellen- und Literaturverzeichnis303 191 Häußling, Angelus A., Liturgiewissenschaft zwei Jahrzehnte nach Konzilsbeginn. Eine Umschau im deutschen Sprachgebiet, in: ders., Christliche Identität aus der Liturgie. Theologische und historische Studien zum Gottesdienst der Kirche, hg. v. Martin Klöckener – Benedikt Kranemann – Michael B. Merz. Münster 1997 (LQF 79) 302–320 (zuerst 1982 veröffentlicht). 192 Häußling, Angelus A., Liturgiewissenschaftliche Aufgabenfelder vor uns, in: ders., Christliche Identität aus der Liturgie. Theologische und historische Studien zum Gottesdienst der Kirche, hg. v. Martin Klöckener – Benedikt Kranemann – Michael B. Merz. Münster 1997 (LQF 79) 321–333 (zuerst 1988 veröffentlicht). 193 Häußling, Angelus A., Mönchskonvent und Eucharistiefeier. Eine Studie über die Messe in der abendländischen Klosterliturgie des frühen Mittelalters und zur Geschichte der Meßhäufigkeit. Münster 1973 (LQF 58). 194 Häußling, Angelus A., Odo Casel – noch von Aktualität? Eine Rückschau in eigener Sache aus Anlaß des hundertsten Geburtstages des ersten Herausgebers, in: ALw 28. 1986, 357–387. 195 Hnogek, Adalbert A., Christkatholische Liturgik zunächst zur Ausübung für Pfarrer und Kapläne des Weltpriesterstandes in der abendländischen Kirche, mit Berücksichtigung der in den österreichischen Staaten, der Provinz Böhmen und der Leitmeritzer Diözese insbesondere über die katholische Liturgie bestehenden Verordnungen. 5 Bde. Prag 1835–1842. 196 Jeggle-Merz, Birgit, Erneuerung der Kirche aus dem Geist der Liturgie. Der Pastoralliturgiker Athanasius Wintersig / Ludwig A. Winterswyl. Münster 1998 (LQF 84). 197 Jungmann, Josef Andreas, Gewordene Liturgie. Studien und Durchblicke. Innsbruck – Leipzig 1941. 198 Jungmann, Josef Andreas, Die liturgische Feier. Grundsätzliches und Geschichtliches über Formgesetze der Liturgie. Regensburg 1939. 199 Jungmann, Josef Andreas, Vordringliche Aufgaben liturgiewissenschaftlicher Forschung. Referat auf der Studientagung der Liturgikdozenten des deutschen Sprachgebietes in München (28. März bis 1. April 1967), gehalten am 31. März 1967. Eingeleitet, transkribiert u. erläutert v. Rudolf Pacik, in: ALw 42. 2000, 3–28. 200 Kavanagh, Aidan, On Liturgical Theology. The Hale Memorial Lectures of Seabury-Western Theological Seminary, 1981. New York 1984. 201 Kieffer, Georg, Rubrizistik oder Ritus des katholischen Gottesdienstes nach den Regeln der heiligen römischen Kirche. Paderborn 91947. 202 Kilmartin, Edward J., Christian Liturgy: Theology and Practice I. Systematic Theology of Liturgy. Kansas City 1988. 203 Klöckener, Martin, Die Bedeutung der Philologie für die Liturgiewissenschaft. Ein vernachlässigter Aspekt in Lehre und Forschung, in: SaThZ 20. 2016, 216–232. 204 Klöckener, Martin  – Häußling, Angelus A., Liturgische Bücher, in: Divina officia. Liturgie und Frömmigkeit im Mittelalter; [Ausstellung der Herzog-August-Bibliothek Wolfenbüttel und des Dom-Museums Hildesheim in der Bibliotheca Augusta vom 28. November 2004 bis 31. Juli 2005], hg. v. von Patrizia Carmassi. Wiesbaden 2004 (Ausstellungskataloge der Herzog-August-Bibliothek 83) 341–372. 205 Knop, Julia, Ecclesia orans. Liturgie als Herausforderung für die Dogmatik. Freiburg/Br. [u. a.] 2012. 206 Kohlschein, Franz, Liturgiereform und deutscher Aufklärungskatholizismus, in: Liturgiereformen. Historische Studien zu einem bleibenden Grundzug des christlichen Gottesdienstes. Bd. 1: Biblische Modelle und Liturgiereformen von der Frühzeit bis zur Aufklärung, hg. v. Martin Klöckener – Benedikt Kranemann. Münster 2002 (LQF 88) 511–533. 207 Kranemann, Benedikt, Gottesdienst als ökumenisches Projekt, in: Liturgisches Kompendium, hg. v. Christian Grethlein – Günter Ruddat. Göttingen 2003, 77–100. 208 Kranemann, Benedikt, Grenzgängerin zwischen den theologischen Disziplinen. Die Entwicklung der deutschsprachigen Liturgiewissenschaft im 19. und 20. Jahrhundert, in: TThZ 108. 1999, 253– 272.

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Quellen- und Literaturverzeichnis

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Quellen- und Literaturverzeichnis305 231 Meßner, Reinhard, Was ist systematische Liturgiewissenschaft? Ein Entwurf in sieben Thesen, in: ALw 40. 1998, 257–274. 232 Meyer-Blanck, Michael, »Versunken in die himmlische Schau«. Petersons liturgische Theologie in der Bonner Zeit (1924–1929), in: Erik Peterson. Die theologische Präsenz eines Outsiders, hg. v. Gian­carlo Caronello. Berlin 2012, 439–457. 233 Die modernen ritual studies als Herausforderung für die Liturgiewissenschaft. Modern ritual ­studies as a challenge for liturgical studies, hg. v. Benedikt Kranemann – Paul Post. Leuven 2009 (LiCo 20). 234 Müller, Sabine – Vette, Joachim, Kyrie eleison, in: Gemeinsam vor Gott treten. Die Liturgie mit biblischen Augen betrachten, hg. v. Birgit Jeggle-Merz – Walter Kirchschläger – Jörg Müller. Stuttgart 2014 (Luzerner Biblisch-Liturgischer Kommentar zum Ordo Missae 1) 95–107. 235 Mungello, David E., An Introduction to the Chinese Rites Controversy, in: The Chinese Rites Controversy. Its History and Meaning, ed. by David E. Mungello. Nettetal 1994 (MSer 33) 3–14. 236 Objektive Feier und subjektiver Glaube? Beiträge zum Verhältnis von Liturgie und Spiritualität, hg. v. Stefan Böntert. Regensburg 2011 (StPaLi 32). 237 Odenthal, Andreas, »…et communicatio sancti spiritus sit cum omnibus vobis«. Thesen zu einer praktisch-theologischen Liturgiewissenschaft im Kontext der »Kommunikativen Theologie«, in: Kommunikative Theologie: Zugänge – Auseinandersetzungen – Ausdifferenzierungen. Communicative Theology: Approaches – Discussions – Differentiation, hg. v. Matthias Scharer – Bradford E. Hinze – Bernd Jochen Hilberath. Wien – Berlin 2010 (Kommunikative Theologie – interdisziplinär. Communicative Theology – Interdisziplinary Studies 14) 108–129. 238 Pecklers, Keith F., Liturgy in the Context of Religious Pluralism. Lessons from History and Future Challenges, in: Jaarboek voor liturgieonderzoek 24. 2008, 139-154. 239 Plank, Peter, Das Trishagion. Gotteslob der Engel und Zankapfel der Menschen, in: Kirche im Osten 35. 1992, 111–126. 240 Post, Paul, Das aktuelle Panorama rituell-liturgischer Inkulturation und Partizipation in den Niederlanden, in: Gottesdienst in Zeitgenossenschaft. Positionsbestimmungen 40 Jahre nach der Liturgiekonstitution des Zweiten Vatikanischen Konzils, hg. v. Martin Klöckener  – Benedikt Kranemann. Fribourg 2006, 221–261. 241 Post, Paul, Liturgical movements and feast culture. A dutch research program, in: Christian feast and festival. The dynamics of western liturgy and culture, hg. v. Paul Post – Gerard Rouwhorst – Louis van Tongeren – Anton Scheer. Leuven – Paris – Sterling, Va. (USA) 2001 (LiCo 12) 3–43. 242 Post, Paul, Überfluss und Unvermögen. Ritualkompetenz oder Kompetenzverlust: rituell-liturgische Erkundungen im Lichte der Ritual studies, in: Wiederkehr der Rituale. Zum Beispiel die Taufe, hg. v. Benedikt Kranemann – Gotthard Fuchs – Joachim Hake. Stuttgart 2004, 47–71. 243 Rau, Stefan, Die Feiern der Gemeinden und das Recht der Kirche. Zu Aufgabe, Form und Ebenen liturgischer Gesetzgebung in der katholischen Kirche. Altenberge 1990 (MThA 12). 244 Reichert, Franz Rudolf, Die älteste deutsche Gesamtauslegung der Messe. Erstausgabe ca. 1480. Münster 1967 (CCath 29). 245 Rentsch, Christian, Ritual und Realität. Eine empirische Studie zum gottesdienstlichen Handeln des Priesters in der Meßfeier. Regensburg 2013 (StPaLi 35). 246 Ritualtheorien. Ein einführendes Handbuch, hg. v. Andrea Belliger – David J. Krieger. Wiesbaden 52013. 247 Roth, Cornelius, Die Diskussion um eine systematische Liturgiewissenschaft. Grundlagen und heutige Akzente, in: ThGl 100. 2010, 445–462. 248 Rouwhorst, Gerard, Christlicher Gottesdienst und der Gottesdienst Israels. Forschungsgeschichte, historische Interaktionen, Theologie, in: Theologie des Gottesdienstes 2: Gottesdienst im Leben der Christen. Christliche und jüdische Liturgie, hg. v. Martin Klöckener – Angelus A. Häußling – Reinhard Meßner. Regensburg 2008, 491–572.

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Quellen- und Literaturverzeichnis

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Quellen- und Literaturverzeichnis325 625 Eicker, Thomas, Einsäen der Ewigkeit ins Lebendige. Impulse einer Theologie der Kirchenmusik im Dialog mit Franz Rosenzweig, in: Kirchenmusik im 20. Jahrhundert. Erbe und Auftrag, hg. v. Albert Gerhards. Münster 2005 (Ästhetik – Theologie – Liturgik 31) 153–168. 626 Eicker, Thomas, Katholischer Ansatz einer Theologie der Kirchenmusik, in: Der Gottesdienst und seine Musik. Bd. 1: Grundlegung: Der Raum und die Instrumente. Theologische Ansätze. Hymnologie: Die Ansätze des Gottesdienstes, hg. v. Albert Gerhards  – Matthias Schneider. Laaber 2014 (Enzyklopädie der Kirchenmusik 4/1) 113–121. 627 Felbecker, Sabine, Die Prozession. Historische und systematische Untersuchungen zu einer liturgischen Ausdruckshandlung. Altenberge 1995 (MThA 39). 628 Gerhards, Albert, »Heiliges Spiel« – Kirchenmusik und Liturgie als Rivalinnen oder Verbündete?, in: Kirchenmusik im 20. Jahrhundert. Erbe und Auftrag, hg. v. Albert Gerhards. Münster 2005 (Ästhetik – Theologie – Liturgik 31) 29–38. 629 Gerhards, Albert, Jenseits der Grenze des Sagbaren … Zur liturgietheologischen Bestimmung der Orgelmusik im Spannungsfeld von Wort und Zeichen, in: Orgel und Liturgie. Festschrift zur Orgelweihe in St. Lamberti, hg. v. Michael Zywietz unter Mitarb. v. Christian Bettels. Münster 2004 (Musikwissenschaft 9) 39–51. 630 Gerhards, Albert, Liturgietheologische und -ästhetische Überlegungen zur Instruktion »Sakrament der Erlösung«, in: ders., Erneuerung kirchlichen Lebens aus dem Gottesdienst. Beiträge zur Reform der Liturgie. Stuttgart 2012 (PTHe 120) 108–119 (zuerst 2005 veröffentlicht). 631 Gerhards, Albert, Liturgiewissenschaftliche Perspektiven auf den gregorianischen Choral, in: KMJ 85. 2001, 17–30. 632 Gerhards, Albert, Mehr als Worte sagt ein Lied. Theologische Dimensionen des liturgischen Singens, in: MS(D) 113. 1993, 509–513. 633 Gerhards, Albert, Mimesis – Anamnesis – Poiesis. Überlegungen zur Ästhetik christlicher Liturgie als Vergegenwärtigung, in: ders., Erneuerung kirchlichen Lebens aus dem Gottesdienst. Beiträge zur Reform der Liturgie. Stuttgart 2012 (PTHe 120) 156–168 (zuerst 2002 veröffentlicht). 634 Gerhards, Albert, Die Psalmen in der römischen Liturgie. Eine Bestandsaufnahme des Psalmengebrauchs in Stundengebet und Meßfeier, in: Der Psalter in Judentum und Christentum, hg. v. Erich Zenger. Freiburg/Br. [u. a.] 1998 (Herders Biblische Studien 18) 355–379. 635 Der Gottesdienst und seine Musik. Bd. 1: Grundlegung: Der Raum und die Instrumente. Theologische Ansätze. Hymnologie: Die Ansätze des Gottesdienstes. Bd. 2: Liturgik: Gottesdienstformen und ihre Handlungsträger, hg. v. Albert Gerhards – Matthias Schneider. Laaber 2014 (Enzyklopädie der Kirchenmusik 4/1–2). 636 Hucke, Helmut, Geschichtlicher Überblick [zur Kirchenmusik], in: Rupert Berger u. a., Gestalt des Gottesdienstes. Sprachliche und nichtsprachliche Ausdrucksformen. Regensburg ²1990 (GdK 3) 146–165. 637 Jaschinski, Eckhard, Kleine Geschichte der Kirchenmusik. Freiburg/Br. [u. a.] 2004. 638 Joppich, Godehard, Christologie im Gregorianischen Choral, in: Christologie der Liturgie. Der Gottesdienst der Kirche – Christusbekenntnis und Sinaibund, hg. v. Klemens Richter – Benedikt Kranemann. Freiburg/Br. [u. a.] 1995 (QD 159) 270–291. 639 Kirchenmusik im 20. Jahrhundert. Erbe und Auftrag, hg. v. Albert Gerhards. Münster 2005 (Ästhetik – Theologie – Liturgik 31). 640 Koch, Jakob Johannes, Traditionelle mehrstimmige Messen in erneuerter Liturgie  – ein Widerspruch? Regensburg 2002. 641 Kohlhaas, Emmanuela, Musik und Sprache im Gregorianischen Gesang. Stuttgart 2001 (AfMw. B 49). 642 Die Lieder des Gotteslob. Geschichte – Liturgie – Kultur. Mit besonderer Berücksichtigung ausgewählter Lieder des Erzbistums Köln, hg. v. Ansgar Franz – Hermann Kurzke – Christiane Schäfer mit Unterstützung von Richard Mailänder, unter Mitwirkung von Andreas Ackermann. Stuttgart 2017.

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328Personenregister

Personenregister Alexander VII.  235 Altermatt, Urs  52 Amalar von Metz  34, 35, 94, 95 Ambrosius von Mailand  32, 33, 91, 128, 259 Andrieu, Michel  81 Angenendt, Arnold  45, 55, 56, 67, 88, 91, 96 Antons, Klara  263, 264 Arnold, Jochen  57, 124 Assemani, Joseph Aloysius  36 Assmann, Jan  165 Auf der Maur, Hansjörg  75, 88, 144, 173 Augustinus  33, 86, 183 Austin, John L.  231 Baradai, Jakob  85 Bärsch, Jürgen  54, 69, 101, 113, 158, 175, 189, 246, 281 Basilius  87, 227 Baumstark, Anton  43, 44 Beatus Rhenanus  19 Beauduin, Lambert  111, 113 Becker, Hansjakob  201, 206 Bell, Catherine  23 Benedikt von Nursia  97, 214 Benedikt XIV.  37 Benedikt XVI.  135, 223 Berger, Klaus  126 Berger, Rupert  146, 217, 228, 262 Berger, Teresa  39, 50, 162, 178, 236 Bernhard Nitsche, Bernhard  124 Bieritz, Karl-Heinrich  26, 55, 60, 173, 174, 251, 252, 253 Böckler, Annette  285 Bomhoff, Hartmut  230 Bona, Giovanni  36 Bonifatius  89 Böntert, Stefan  67, 180 Bradshaw, Paul F.  39, 205 Brahms, Johannes  107 Brakmann, Heinzgerd  139, 198 Braulik, Georg  201 Bretschneider, Wolfgang  248, 249 Bricout, Hélène  39 Brons, Martin  32 Brunner, Peter  168 Brüske, Gunda  52, 166, 207, 231 Buchinger, Harald  131, 202, 246 Budde, Achim  43, 77, 130, 131, 219 Bugnini, Annibale  281

Bukovec, Predrag  176 Burrichter, Rita  124 Caesarius von Arles  33, 86 Calvin, Johannes  236 Casanova, José  17 Casel, Odo  46, 113, 149, 222 Cassander, Georg  36 Catalani, Giuseppe  37 Cavalieri, Giovanni Michele  37 Chupungco, Anscar J.  68 Collet, Giancarlo  68 Cyprian  86 Cyrill von Jerusalem  32, 33 Dahlgrün, Corinna  131, 251 Damasus  234 De Zan, Renato  65, 197 Decentius von Gubbio  34 Deeg, Alexander  205 Diez, Karlheinz  236 Dittrich, Raymond  108 Domsgen, Michael  179, 180 Döpfner, Julius  114 Drouin, Gilles  39 Durandus von Mende  34, 99 Durant, Jean-Étienne  36 Ebenbauer, Peter  46, 76, 122, 123, 124, 167, 215, 216 Ebertz, Michael N.  17 Eco, Umberto  161, 251, 252 Egeria  32, 84, 85 Eicker, Thomas  251 Eisenbach, Franziskus  147 Eisenhofer, Ludwig  20, 40 Emminghaus, Johannes H.  220 Engberding, Hieronymus  43 Enzner-Probst, Brigitte  162, 178 Erne, Thomas 265, 266 Faber, Eva-Maria  145 Fechtner, Kristian  173, 196 Felbecker, Sabine  90, 230, 249 Felmy, Karl Christian  29, 135, 150 Fischer, Balthasar  50, 111, 117, 147 Florus von Lyon  35 Fluck, Jakob  40 Franz von Assisi  95 Franz, Ansgar  200, 201

Personenregister329 Franziskus  49, 243 Frenzel, Nina  144, 204, 217 Friedrichs, Lutz  53 Fulgentius  86 Gabriel, Karl  17, 18 Gahn, Philipp  103 Gärtner, Heribert W.  60 Gavanti, Bartolomeo  37 Gelasius I.  79, 80 Genette, Gérard  207 Gerbert, Martin  36 Gerhards, Albert  19, 30, 51, 53, 61, 67, 68, 71, 73, 75, 85, 88, 90, 91, 93, 96, 100, 104, 106, 112, 113, 114, 116, 119, 120, 131, 144, 145, 168, 174, 175, 202, 204, 210, 214, 226, 227, 228, 229, 241, 244, 246, 247, 248,   249, 253, 255, 256, 260 Gerhardt, Paul  161 Giftschütz, Franz  38 Giustiniani, Paolo  97, 98 Gnilka, Joachim  212 Goar, Jakob  36 Gregor d. Gr.  42, 79, 89, 203 Gregor II.  79 Gregor von Tours  86 Greule, Albrecht  231 Guardini, Romano  45, 46, 49, 112, 113, 120, 181, 226 Guéranger, Prosper  39 Gülden, Josef  236 Güntner, Diana  166 Gy, Pierre-Marie  56 Hadrian I.  79 Hahne, Werner  142, 174 Halbwachs, Maurice  165 Hamm, Fritz  43 Handke, Emilia  26, 179, 180 Harant, Franz  190 Harnoncourt, Philipp  143, 150 Hartmann, Philipp  37 Haspelmath-Finatti, Dorothea  57 Hauke, Reinhard  26, 180, 186, 190 Haunerland, Winfried  17, 88, 100, 101, 110, 113, 144, 217, 231, 238, 281 Häußling, Angelus A.  21, 46, 50, 59, 65, 81, 128, 132, 134, 146, 149, 170, 176, 214, 215 Heckel, Ulrich  141 Heimbach-Steins, Marianne  193 Heine, Susanne  124 Heinz, Andreas  79, 86 Henkys, Jürgen  162 Hirsch, Angelika-Benedicta  189 Hittorp, Melchior  36

Hnogek, Adalbert A.  40 Hock, Klaus  27 Hoffman, Lawrence A.  17 Hofhansl, Ernst  189 Hollerweger, Hans  104 Homolka, Walter  230 Honorius I.  79 Hossfeld, Frank-Lothar  212 Hucke, Helmut  126 Hug, Elisabeth  231 Hünermann, Peter  121, 124, 132 Huonder, Vitus  202 Ianuarius  33 Incitti, Giacomo  243 Innozenz I.  34, 155 Iser, Wolfgang  203 Işık, Tuba  124 Janetzky, Birgit  52 Jaschinski, Eckhard  106, 249 Jeggle-Merz, Birgit  47, 67, 202, 210 Johannes Chrysostomus  33 Johannes Paul II.  122, 135 Johannes VIII.  235 Johannes XXIII.  67, 223 Jonas, Michael  142, 204, 227 Joppich, Godehard  247 Jungmann, Josef Andreas  41, 42, 43, 75, 85, 87, 88, 143, 150, 152, 193, 208, 226, 237, 281 Justin  76, 77, 221 Kaczynski, Reiner  129, 132, 141, 150, 238, 242, 281 Karl d. Gr.  79, 89 Kasper, Walter  51 Kavanagh, Aidan  57 Keller, Klaus  103 Kieffer, Georg  37 Kilmartin, Edward J.  58 Kinzig, Wolfram  84 Kirchberg, Julie  136 Kirchschläger, Walter  132 Klauser, Theodor  81 Kleinheyer, Bruno  42, 189, 190 Klöckener, Martin  15, 53, 65, 79, 84, 86, 91, 115, 118, 132, 234, 281 Kluger, Florian  141 Knop, Julia  52, 57, 58, 95, 190 Koch, Jakob Johannes  106, 247, 248 Koch, Liobgid  103 Kohlhaas, Emmanuela  247 Kohlschein, Franz  38, 103 Koijck-de Bruijne, Marijke  162 Konstantin  81, 84

330Personenregister Kranemann, Benedikt  16, 26, 30, 40, 41, 49, 51, 53, 65, 98, 102, 103, 106, 117, 148, 158, 166, 173, 180, 181, 189, 193, 196, 199, 200, 206, 210, 211, 226, 233, 236, 243, 281 Kranemann, Daniela  51, 145 Kretschmar, Georg  234 Krutschek, Paul  109 Kunzler, Michael  168, 263 Kyrill  235 Ladrière, Jean  231 Lang, Bernhard  22, 125 Lang, Martin  77, 85, 218 Lang, Uwe Michael  93 Langer, Susanne K.  181 Lathrop, Gordon W.  57 Le Gall, Robert  137 Legner, Anton  94 Leisentrit, Johann  100, 236 Lengeling, Emil Joseph  19, 20, 58, 167, 180, 238, 281 Lentes, Thomas  35 Lentner, Leopold  235 Leo d. Gr.  79 Leo X.  97 Leonhard, Clemens  68, 158 Leopold II. von Toskana  104 Loffeld, Jan  18 Löhe, Wilhelm  263 Lohfink, Norbert  201, 206 Löhr, Hartmut  75 Luckmann, Thomas  22 Lüddeckens, Dorothea  25, 52 Ludwig I.  108 Lüft, Johann Baptist  40 Lukken, Gerard  181, 251, 253 Lumma, Liborius Olaf  132, 173 Lurz, Friedrich  30, 44, 51, 55, 59, 66, 98, 253 Luther, Martin  99, 100, 236 Luz, Ulrich  147 Maas-Ewerd, Theodor  237 Mabillon, Jean  36 MacMullen, Ramsay  31 Marcuse, Herbert  166 Maria Theresia  104 Martène, Edmond  36 März, Claus-Peter  31, 136, 169 Mayer, Anton Ludwig  44, 45, 56 Meffert, Bernhard  60, 251 Meliton von Sardes  33 Ménard, Nicolas-Hugues  36 Mendelssohn-Bartholdy, Felix  107

Merz, Michael B.  60, 251 Meßner, Reinhard  21, 53, 54, 57, 65, 75, 76, 77, 78, 85, 153, 159, 198, 205, 218, 226, 255 Method  235 Metzger, Marcel  69 Meurer, Wolfgang  211 Meyer, Hans Bernhard  69, 81, 127, 199, 226 Meyer-Blanck, Michael  29, 168, 251 Mitchell, Nathan  21 Möller, Christian  248 Moltmann, Jürgen  165 Müller, Christian  227 Müller, Cornelia  162 Müller, Jörg  227 Müller, Karlheinz  71, 212 Müller, Sabine  235 Mungello, David E.  235 Muratori, Antonio Ludovico  36 Nachama, Andreas  230 Neijenhuis, Jörg  190 Neunheuser, Burkhard  112 Nockles, Peter  39 Nübold, Elmar  200 Nußbaum, Otto  148 Odenthal, Andreas  21, 59, 60, 61, 67, 89, 90, 94, 112, 170, 210, 222, 225, 226 Ömer, Özsoy  124 Oosterhuis, Huub  194 Origenes  33 Osterholt-Kootz, Birgit  30 Pahl, Irmgard  98, 142, 147, 226 Pamelius, Jakob  36 Parsch, Pius  112, 113, 237 Paul V.  235 Paul VI.  129, 150, 223 Pecklers, Keith F.  234 Peirce, Charles Sanders  252 Petersen, Christoph  35 Peterson, Erik  168 Petrus Chrysologus  33 Pippin  89, 90 Pius X.  110, 113, 130, 237 Pius XII.  113, 127 Plank, Peter  75, 128, 132, 235 Plinius d. J.  73, 75 Plum, Robert J.J.M. 266, 267 Pock, Johann  52 Popp, Friedrich  103 Post, Paul  21, 31, 53, 56 Pracher, Beda  38 Probst, Manfred  139, 150, 190

Personenregister331 Proske, Carl  108 Prosper Tiro von Aquitanien  57 Pseudo-Dionysius  95 Puzicha, Michaela  97 Quirini, Vincenzo  97 Radulph von Rivo  35 Raschzok, Klaus  263 Ratzinger, Joseph  229 Rau, Stefan  37 Rautenstrauch, Franz Stephan  38 Redtenbacher, Andreas  193 Reichert, Franz Rudolf  35 Reifenberg, Hermann  181 Renaudot, Eusèbe  36 Rennings, Heinrich  126, 132 Rentsch, Christian  60 Ricci, Cipione de’  104 Richter, Klemens  119, 176, 189, 191, 193 Ringseisen, Paul  118 Rosenzweig, Franz  250, 251 Rouwhorst, Gerard  30, 51, 72, 76, 81, 84, 85 Rupert von Deutz  34 Sailer, Johann Michael  107, 108 Salmann, Elmar  67 Sattler, Dorothea  148, 199 Schaefer, Mary M.  34 Schaeffler, Richard  167, 191, 211, 212, 214, 215, 231 Schermann, Josef  231 Schierse, Franz Joseph  136 Schillebeeckx, Edward  192 Schilson, Arno  46, 58, 59, 112 Schimmel, Barbara  262 Schlierf, Wilhelm-Josef  93 Schmemann, Alexander  57 Schmid, Franz Xaver  40, 108 Schmitz, Josef  66, 78, 220 Schott, Anselm  237 Schöttler, Heinz-Günther  143 Schrott, Simon A.  20, 144, 147 Schubert, Franz  101 Schulting, Cornelius  36 Schulz, Frieder  50, 51 Schütz, Christian  150 Schwarz, Rudolf  255 Schwöbel, Christoph  124 Selle, Monika  238 Sequeira, A. Ronald  181 Serapion von Thmuis  19 Sicard von Cremona  34 Söding, Thomas  197, 198 Steins, Georg  193

Stenzel, Alois  42 Stephan Langton von Canterbury  160 Stollberg-Rilinger, Barbara  56 Stolz, Fritz  27 Stringer, Martin D.  56 Stuflesser, Martin  57, 61, 158, 226, 242 Suntrup, Robert  35 Taft, Robert  44, 55, 132 Takim, Abdullah  124 Talley, Thomas J.  74 Tambiah, Stanley J.  23 Tertullian  86 Thaler, Anton  135 Thalhofer, Valentin  40 Theobald, Michael  31, 69, 71, 132 Theodor von Mopsuestia  33 Thomas von Kempen  96 Thönnes, Dietmar  166, 263 Tongeren, Louis van  54 Traber, Annette  227 Trajan  73, 75 Trepp, Leo  69 Triacca, Achille Maria  86 Trippen, Norbert  93 Troll, Christian  124 Turner, Victor  17 Valenziano, Crispino  174 Van Gennep, Arnold  17, 24 Vette, Joachim  235 Vigilius  79 Volp, Rainer  61, 253 Wagner, Johannes  114, 281 Wagner-Rau, Ulrike  196 Wahle, Stephan  146, 215 Wainwright, Geoffrey  58 Walahfrid Strabo  35 Walterspacher, Ralph  227 Wannenwetsch, Bernd  191, 192 Wegman, Hermann A.J.  69 Welker, Michael  148 Werbick, Jürgen  145 Werkmeister, Benedikt Maria  38 Werner, Ernst  158 Wessenberg, Ignaz Frh. von  38 West, Fritz  43 Wick, Peter  69 Wiese, Hans-Ulrich  142 Wildt, Kim de  266, 267 Winkler, Gabriele  53, 54, 55, 162 Winnicott, Donald W.  262 Winter, Stephan  17, 61, 111, 158, 231, 251

332Personenregister Winter, Vitus Anton  38 Wintersig, Athanasius  47, 65, 113 Witt, Franz Xaver  108, 109 Witzel, Georg  19, 100, 236 Wohlmuth, Josef  58, 143, 144 Ximenes, Francisco  86 Zenger, Erich  202, 212 Zerfaß, Alexander  203, 206 Zieroff, Gabriele  190 Zulehner, Paul Michael  194

Sachregister333

Sachregister

(erarbeitet von Stephan Wahle)

Abendmahlsordnung  98–100 Abendmahlsvermahnung  99 f. Achtzehn-Bitten-Gebet/Amida  215 f.; 282–285 Actuosa participatiofi → Tätige Teilnahme Adaption  68 Agency  24 Agnus Dei  42; 247 Akklamationen  227 f. Akkomodation  68 Akkulturation  114 Allgemeines Gebet  98 f.; 175; 193; 229 Altar  91; 116; 255–257 Ambo  199; 257–259 Anabasis/anabatische Dimension der Liturgie  19 f.; 49; 114; 174; 233 Anaklese  240; 250 Anamnese  67 f.;77; 166; 172; 174; 184; 189; 191; 205; 216–220; 250; 259 f.;263 Antependium  262 f. Antiphonarium  79 f. Begräbnisliturgie  174; 177; 190 Begrüßungsformel  127 Benediktionale  81; 141; 179; 183 Benediktionen → Segen/Segnungen Berakha  215 Birkat Ha-Mazon  74 Bischofsmesse  81–83 Brevier  80; 104 f.; 130 Buße/Bußwesen  55; 99; 117; 174 Cäcilienbewegung  108 f. Caeremoniale Romanum  80 Canon Romanus → Eucharistiegebet Cantatorium  80 Cantica  206 Cantiones  96; 248 Chrisamsalbung → Salbung Collectio Rituum  237 Communio-Raum  254 f. Credo  247 Deutsche Messe  101 Deutsches Hochamt  238 Diabasis/diabatische Dimension der Liturgie  114; 142 Diakonie und Liturgie  191–196 Didache  76 f.; 154; 221

Diözesanliturgien  39 – Kölnische Liturgie  92–94 Dokumente, kirchliche – Apostolische Schreiben Summorum Pontificum  118; 223 – Enzyklika Mediator Dei  113; 127; 149; 237 – Enzyklika Mysterium Fidei  150 – Enzyklika Mystici Corporis Christi  113 – Instruktion De interpretatione textuum liturgicorum  238 f. – Instruktion Eucharisticum mysterium  150 – Instruktion Liturgiam authenticam  241 f. – Liturgiekonstitution Sacrosanctum Concilium  20; 46; 50; 114–116; 135; 146 f.; 199; 280 f. – Motu proprio mit dem Titel Magnum Principium  243 – Motu Proprio Trale sollecitudini  110; 237 f. – Pastoralkonstitution Gaudium et spes  27 Doxologie  49; 57; 87 f.; 137 f.;151 f.; 220; 240; 245 Editio typica  240 Einsetzungsworte  77 f.; 99; 220; 222; 225 Elevation  261 Embolismus  218 Epiklese  152 f.; 166 f.; 215–220; 250 f. Epiphanie  88; 93; 172; 200 f. Epistolar  80 Eröffnungsteil der Messe  133 f. Erwachseneninitiation →Taufe Eschatologischer Vorbehalt  167; 169 f. Eucharistie  74; 76–78; 126; 134 f.; 139; 146; 221–226; 272–276 – Aufbewahrungsort/Tabernakel  116; 257 – Eucharistische Ekklesiologie  115; 134 f. – Eucharistische Gefäße  260–262 – Sonntagseucharistie  133 Eucharistiegebet  73; 85; 217–220; 256 f. – 2.Hochgebet  274–276 – 4.Hochgebet  138–140 – Anaphora der Apostel Addai und Mari  218 – Basilios-Anaphora  219 f. – Canon Romanus  66; 78; 216; 220; 222; 228 – Gemeindeakklamation  142 – Gregoriusanaphora  144 – Messen für besondere Anliegen  191 – Schlussdoxologie  152; 227 Evangeliar  79 f.;147; 199 Evangelium  197; 258 f.

334Sachregister Exorzismus  62–65 Fermentum  82 Firmliturgie  159 Framing  23 Fronleichnam  93; 101 Fürbitten → Allgemeines Gebet Gebet  211–231 – Adressat/Anrede im Gebet  88; 136–138; 142–144 – Gebärden  138 – jüdisches Gebet  215–217 – Körperhaltung  229 f. Gedächtnis/Gedenken → Anamnese Gegenwart Christi in der Liturgie  148–150; 191 f. Gemeindevesper  103 Gesang-/Gebetbuch  103; 248 f. Gesänge  72 f.; 101 f.; 243–251 Gloria  136; 227; 247 Gottesbilder in der Liturgie  139–141 Gottesdienste anlässlich gesellschaftlicher Ereignisse  16 f. Gregorianischer Choral  39; 79; 108; 109; 223; 245–247 Gründonnerstag  193; 232 Handauflegung  159 f. Heilige Öle  260 Heilige Schrift  73 f.; 197–199 Heiligenverehrung  89; 104 Heiliger Geist/pneumatische Dimension der Liturgie  57 f.; 150–162; 181 Heilig-Land-Wallfahrt  84 Herrenmahl → Eucharistie Himmlische Liturgie  73; 167–173; 250; 262 f. Höre, Israel  215 Homilie  33; 97; 102 Hymnos Akathistos  228 Improperien  90 Initiation  132 f.; 134; 174; 176 f.; 266–271 Inkulturation  60; 67–69; 78; 89; 112; 114; 239; 241 Insignien  83; 263 f. Interreligiöse Feiern  122 Intertextualität  205–211 Interzessionen  135 Introitus  82 Invitatorium/Beginn des Stundengebets  213 f.; 243 Israeltheologie  51; 144 Jom Kippur  230 Jüdische Liturgie  51; 69–75; 215–217 Jugendfeier, religiöse  178–180

Kalendarium  81 Kanzel  257 Karliturgie  84 – Karfreitag  90 f.; 230 – Karfreitagsfürbitten  145; 229 Katabasis/katabatischeDimension der Liturgie  18–20; 49; 114; 174; 233 Katechumenat  62; 77 f. Kathedralliturgie  9 Kelch  260–262 Kindertaufe → Taufe Kirchenjahr  170–173 Kirchenlied  160–162; 206; 243 f.; 248 f. Kirchenmusik  107–110; 243–251 – Instrumentalmusik  243; 248 – Ordinariumsmesse  247 f. – Ort der Kirchenmusik  245 Kirchenraum  91 f.; 102; 105; 106; 119; 253–255; 265–267 Kirchweihe  169 Klage im Gottesdienst  166 f.; 217; 250 Kleidung im Gottesdienst  82; 262–264 Kollekte/Geldsammlung  193 Kollektengebet  78; 83; 175; 217 f. Kommunion – Gläubigenkommunion  83; 99; 105 f. – Kelchkommunion  83 – Kommunionprozession  116 Kreuzzeichen  127 Krippenfrömmigkeit  96 Kult/kultische Dimension der Liturgie  18–21; 31; 40; 49 f. Kulturelles Gedächtnis  165 f.; 176; 198 Kyrie eleison  42; 82; 235; 249 Lebenswendefeier  178–189 Leiblichkeit  23 f.,  180 f. Leisen  248 Leitungsamt  132 Lektionar  79 f.; 199 Leseordnung → Wortgottesdienst Lettner  94; 102 Lex orandi–lex credendi  46; 125 Libelli  79 Licht(ritus)/Luzenar  74 f.; 165; 261 Litanei  228 f. Liturgieerklärung  31–36; 91; 95 Liturgiefähigkeit  59; 112 Liturgiefamilien  85 f. Liturgiereform → Reform Liturgische Bewegung  20 f.; 110–113 Liturgische Bildung  114 Liturgisches Formschema  85; 208

Sachregister335 Magnificat  149 Mainzer Cantual  101 Marienoffizium  248 Martyrologium  81 Mechelner Ereignis  111 f. Messfeier → Eucharistie – Bet-Sing-Messe/Gemeinschaftsmesse  236 f.; 249 – Missa recitata/dialogata  237 ; 250 – Stillmesse  250 Messopfer  20; 99 f. Messritus von Zaire  178 Messstipendium  105 Methoden der Liturgiewissenschaft  53–61 – geistesgeschichtliche  44 f.;56 – historisch-genetische  41–43; 55 – kulturanthropologische  56 – mentalitätsgeschichtliche  56 – pastoralliturgische  47 f. – ökumenische  59 – systematische  45–47 – vergleichende  43 f.; 54 f. Monstranz  260; 262 Motette  248 Multireligiöse Feiern  122 Mystagogie/mystagogische Katechese  32–34; 59; 91 Mysterientheologie  46; 113; 148–150 Namensanrufung  214 O-Antiphon  250 Orantenhaltung  230 Oration  144; 232 f. Oratorium  248 Ordination  132 f.; 153 Ordines Romani  80 f. Ordo Missae  247; 272 Orgel  248 Ostern/Osternacht  74 f.;84; 88; 142; 163 f.; 198; 217 f. Ostung/Orientierung  229; 255 f. Palmsonntag  90; 93 f. Paraliturgie  92; 101 Participatio actuosa/Partizipation → Tätige Teilnahme Pascha  70; 75 Pascha-Mysterium  22; 46; 57; 88; 113 f.; 119; 125; 127; 140; 145–147; 149 f.; 174 f.; 191; 219 Pastoralliturgik  59–61 Pastoraltheologie  38; 40 Patene  260 f. Patriarchat  84 Patrozinium  94

Performanz, liturgische  23; 231 Pfarrgottesdienst  103 Pfingsten  88; 153 f. Phos hilaron  75 Pilgerwesen  84 Plinius-Brief  73 Plenarmissale  80 Pontifikale  80; 99 Prädikantengottesdienst  98 Präfation  115 Präsidialgebet  142; 232 Predigt → Homilie Predigtgottesdienst  98 Priestersitz  116 Privatmesse  91 Prostratio  230 Prozession  90; 93 f.;101; 103; 230; 254; 256; 262 Psalter/Psalmengesang Israels  201 f.; 212 Reform  38 f.; 50; 67; 92; 104–106; 113 f. Reliquienkult  94; 104 f. Requiem  248 Rezeptionsästhetik  203–205 Rites de Passage  17; 24 f. Ritual(e)  21–26; 29–31; 52 f. Ritual Studies  31; 56 Rituale Romanum  80; 102 f. Rollen, liturgische  48 f.; 126 Rollenidentifikation  176; 214 Rubrizistik  32; 37; 40 Sabbat  70 f.; 75 Sakramentalien  133 Sakramentar  79 f.; 90 Salbung  159 f. Sanctus  136; 168; 212; 228; 247 Schola Cantorum  83 Schweigen in der Liturgie  251 Segen/Segnungen  140 f.; 182–190; 216 – S. für Paare  185 f. – für gleichgeschlechtliche Paare  187–189 – wiederverheiratete Geschiedene  186 f. Sequenz  90 f.; 160 f. Sprache, liturgische  78; 231–243 – inklusive Sprache  242 – Latein  97 f.; 234 f. – Liturgie als Sprachhandlung  23–26 – Muttersprachlichkeit/Volkssprache  98–100; 103–106; 107; 112; 114; 233; 236–243 – Sakralsprache  235; 242 Sonnengesang des Franziskus  95 Sonntag  72; 75; 105; 140 f.; 146 f. Standortbestimmung der Liturgiewissenschaft  30

336Sachregister Stationsliturgie  81; 93 f. Stola  263 f. Symbol/Symbolgeschehen/Symbolhandlung  136; 141; 159 f. Tagesgebet  133; 143 Tagzeitenliturgie  118; 128–132; 147; 201 f.; 213 f.; 247 Tätige Teilnahme  21; 52; 106; 111; 113–115; 132 f.; 136; 151; 174 f.; 227 f.; 237; 241; 249 Taufe  72; 74; 105; 146; 151; 154–158; 174 f. – Apotaxis/Syntaxis  229; 259 – Erwachseneninitiation  64; 266–269 – Gefäße und Geräte der Taufliturgie  262 – Immersions-/Perfusionstaufe  259 f. – Kindertaufe  62–65; 269 f. – Taufgedächtnis  260 – Taufkleid  263 – Taufort  116 f.; 259 f.; 262 – Taufschal  264 – Taufwasserweihe  153 f.; 167; 233; 239; 270 f. Toda  74 Traditio Apostolica  77 Trauerfeiern  193–196 Trauung  118; 153; 174; 182–190; 231 Trishagion  235 Troparien  247



Tropierung  90 Vasa sacra/Vasa non sacra  260 Vaterunser  71; 212; 215 Verhüllen und Enthüllen  262 Versammlung  74 f.; 115; 125–136 Volksfrömmigkeit  101 f.; 244 Volksgesang  107–109 Volksmessbuch von Anselm Schott  237 Wallfahrt  94; 102 f.; 230 Weihnachten  88; 93 Weihrauch  261 Wortgottesdienst  133; 199 f.; 208–211; 258 f.; 273 – Funktionsweisen der Hl. Schrift im Wortgottesdienst  205; 258 f. – Genera des Schriftgebrauchs  204 – Leseordnung  198–201; 205 Wort-Gottes-Feier  208–211 Wortverkündigung  116; 148; 173 f.; 198; 258 – Ort der Wortverkündigung  255; 258 Zeichen/Zeichenhandlung  62 f.; 114; 261–264 Zeit/Zeitebenen  64 f.; 139; 162–165; 213 f. Zelebrationsrichtung  92; 119; 254 f. Ziborium  260 f.