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German Pages 912 Year 2009
Wolls Lehr- und Handbücher der Wirtschafts-und Sozialwissenschaften Herausgegeben von Universitätsprofessor Professor Dr. Dr.h.c. mult. Artur Woll Lieferbare Titel: Aberle, Transportwirtschaft, 5. A. Assenmacher, Konjunkturtheorie,8. A. Barro · Sala-i-Martin, Wirtschaftswachstum Bretschger, Wachstumstheorie, 3. A. Büschges · Abraham · Funk, Grundzüge der Soziologie, 4. A. Cezanne, Allgemeine Volkswirtschaftslehre, 6. A. Fischer · Wiswede, Grundlagen der Sozialpsychologie, 3. A. Tirole, Industrieökonomik, 2. A. Varian, Mikroökonomie, 3. A. Wohltmann, Grundzüge der makroökonomischen Theorie, 5. A.
Grundlagen der Sozialpsychologie von
Lorenz Fischer und
Günter Wiswede
3., völlig neu bearbeitete Auflage
OldenbourgVerlag München
Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über abrufbar.
© 2009 Oldenbourg Wissenschaftsverlag GmbH Rosenheimer Straße 145, D-81671 München Telefon: (089) 45051-0 oldenbourg.de Das Werk einschließlich aller Abbildungen ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung außerhalb der Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist ohne Zustimmung des Verlages unzulässig und strafbar. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und die Einspeicherung und Bearbeitung in elektronischen Systemen. Lektorat: Wirtschafts- und Sozialwissenschaften, [email protected] Herstellung: Anna Grosser Coverentwurf: Kochan & Partner, München Gedruckt auf säure- und chlorfreiem Papier Gesamtherstellung: Druckhaus „Thomas Müntzer“ GmbH, Bad Langensalza ISBN 978-3-486-58756-2
Inhaltsübersicht Teil I: Die Sozialpsychologie als Disziplin 1 Gegenstand der Sozialpsychologie ........................................................7 2 Entwicklungslinien der Sozialpsychologie ..........................................17 3 Methoden und Theorien .......................................................................31 4 Wirtschaftliche Anwendungsbezüge ....................................................41 Teil II: Die soziale Realität des Individuums 5 Soziales Lernen und Sozialisation .......................................................51 6 Motivation und soziales Handeln.........................................................93 7 Emotion und Belastung......................................................................133 8 Soziale Vergleichsprozesse ................................................................171 9 Soziale Wahrnehmung und Kognition ...............................................189 10 Soziale Einstellungen.........................................................................283 11 Kommunikation und Medienwirkungen ............................................349 12 Soziale Aspekte des Selbstkonzeptes .................................................391 Teil III: Das Individuum im sozialen Kontext 13 Interaktion in Dyaden ........................................................................431 14 Gerechtigkeit in Sozialbeziehungen...................................................495 15 Interaktion und soziale Rollen ...........................................................517 16 Macht und Führung in sozialen Systemen .........................................547 17 Norm, Konformität und Abweichung ................................................603 18 Gruppenstruktur und Gruppenleistung...............................................645 19 Konflikt, Kooperation und Wettbewerb .............................................691
Inhaltsverzeichnis Vorwort zur dritten Auflage ....................................................................................1
Teil I: Die Sozialpsychologie als Disziplin 1 Gegenstand der Sozialpsychologie ..........................................................7 Unser sozialer Alltag – Ein typisches sozialpsychologisches Experiment – Einige Definitionen von Sozialpsychologie – Verweigerung einer Definition? – Versuch einer Objektbestimmung – Soziales Handeln – Einige Abgrenzungsfragen
2 Entwicklungslinien der Sozialpsychologie............................................17 2.1 Zur Geschichte der Sozialpsychologie ......................................................17 Ziele dieser historischen Darstellung – Zugänge zur Geschichte der Sozialpsychologie – Die „lange Vergangenheit“ der Sozialpsychologie
2.2 Elemente des Forschungsprozesses und ihre Geschichte........................19 Eine modelltheoretische Systematik – Bedeutende Forscher und Strömungen – Anthropologische Grundannahmen – Die Entwicklung aktueller Konzepte – Die Entwicklung von Erhebungs- und Auswertungsmethoden – Typische Problemstellungen auf der Gegenstandsebene
3 Methoden und Theorien.........................................................................31 Zur Methodologie der Sozialpsychologie – Verstehen und Erklären – Qualitative und quantitative Verfahren – Empirische Sozialforschung – Insbesondere: Das sozialpsychologische Experiment – Theorieprogramme – Behavioristische und kognitive Theorien
4 Wirtschaftliche Anwendungsbezüge .....................................................41 4.1 Theorie und Praxis: Einige Grundfragen ................................................41 Sozialpsychologie als Grundlagenforschung – Verschiedene Praxisbegriffe – Mögliche Praxisbereiche der Sozialpsychologie – Gefahren der Anwendung
4.2 Ein Blick auf verschiedene Anwendungsbereiche ...................................43 Anwendungsbereiche: Gesamtwirtschaft – Arbeit – Organisation – Führung – Geld – Markt – Konsumentenverhalten – Werbung – Verknüpfung von Sozialpsychologie und Wirtschaftspsychologie
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Inhaltsverzeichnis
Teil II: Die soziale Realität des Individuums 5 Soziales Lernen und Sozialisation .........................................................51 5.1 Vororientierung .......................................................................................... 51 Inhalte des Lernens – Vom evolutionären Vorteil des Lernens – Lerndispositionen – Überblick über die Lernmechanismen
5.2 Fundamentale Lernmechanismen ............................................................ 54 5.2.1 Klassische Konditionierung: Lernen von Auslösebedingungen................ 54 Das Erlernen von neuen Reizen als Signale – Generalisation und Diskrimination
5.2.2 Instrumentelle Konditionierung: Lernen von Verhalten über Konsequenzen ................................................................................................ 56 Das Effekt-Gesetz – Verstärkungspläne – Sekundäre Verstärkung – CRESPIEffekt – Gesetz des relativen Effekts – Delay-Effekt – Habitualisierung – Selbstverstärkung – Internalisierung – Generalisation – Diskrimination – Kritik am Effekt-Gesetz
5.2.3 Kognitives Lernen ......................................................................................... 65 Lernen durch Einsicht – Antizipierte Effekte – Lernen von Kognitionen
5.3 Soziales Lernen........................................................................................... 67 5.3.1 Was ist „sozial“ beim Lernen? ..................................................................... 67 Soziale Perspektiven – Soziale Lerntheorien
5.3.2 Lernen am Modell ......................................................................................... 68 Reziproke Determinierung – Imitationslernen - Selbstwirksamkeit
5.3.3 Lernen von Erwartungen ............................................................................. 73 Rotters soziale Lerntheorie – Locus of control
5.3.4 Kontingenz und Kontrolle ............................................................................ 75 Kognizierte Kontrolle – Gelernte Hilflosigkeit – Kontroll-Illusion und gelernte Sorglosigkeit
5.4 Sozialisation als Lernprozess .................................................................... 79 5.4.1 Inhalte der Sozialisation ............................................................................... 79 Lernen von Normen und Rollen – Internalisierung von Normen – Ökonomisation
5.4.2 Phasen der Sozialisation ............................................................................... 81 Kognitive Entwicklung – Individuation und Selbstkonzept – Sozialisationsstörungen – Sekundäre Sozialisation – Tertiäre Sozialisation – Quartäre Sozialisation – Sozialisation durch Medien
5.4.3 Stile der Sozialisation .................................................................................... 87 Belohnungs- und Bestrafungsorientierung – Ein zweidimensionales Modell – Zuwendung und Bindung – Inkonsistente Sozialisation – Familiale Kompetenzen – Differenzielle Sozialisationsorientierungen
Inhaltsverzeichnis
IX
6 Motivation und soziales Handeln ..........................................................93 6.1 Vororientierung...........................................................................................93 6.2 Grundfragen der Motivation .....................................................................93 6.2.1 Begriff der Motivation...................................................................................93 Gründe und Begründungen – Motivation und Attribution – Motivation als hypothetisches Konstrukt – Motiv und Motivation – Motiv: Ein irreführendes Konstrukt? – Messung der Motivation
6.2.2 Formen der Motivation .................................................................................98 Primäre und sekundäre Motive – Unbewusste und bewusste Motivation – Intrinsische Motivation – Entstehung intrinsischer Motivation – „Flow“: Sonderform der intrinsischen Motivation – Beziehungen zwischen extrinsischer und intrinsischer Motivation – Korrumpierungs-Effekt – Selbstbestimmung und Selbstregulierung
6.3 Theorien der Motivation ..........................................................................103 6.3.1 Antriebsorientierte Konzepte .....................................................................104 Triebreduktion – Aktivierung – Bedürfnisse – Emotionen
6.3.2 Anreizorientierte Konzepte.........................................................................108 Werte (Valenzen) – Erwartungen und Werte – Die Prospect-Theorie – Instrumentalität – Instrumentalitätstheorie: Einige Einwände – Instrumentalitätstheorie: Empirische Befunde
6.3.3 Handlungsorientierte (volitionale) Konzepte ............................................ 112 Das TOTE-Modell – Handlungsregulation – Das Rubikon-Modell – Handlungskontrolle – Zielsetzungstheorie
6.4 Soziale Motivation ....................................................................................119 6.4.1 Was sind soziale Motive?............................................................................. 119 6.4.2 Leistungsmotivation ....................................................................................120 Erfolgssuche und Misserfolgsmeidung – Leistung und Attribution – Empirische Befunde zur Leistungsmotivation – Leistungsmotivation und Arbeitsverhalten
6.4.3 Das Anschlussmotiv (Affiliation) ................................................................124 Furcht und die Gesellschaft anderer – Mögliche Gründe für Affiliation
6.4.4 Macht- und Kontrollmotivation .................................................................125 Das Kontrollmotiv – Messung des Kontrollmotivs – Das Machtmotiv – Messung des Machtmotivs – Macht als ambivalentes Motiv – P-Macht und SMacht
6.4.5 Altruismus und Aggression .........................................................................130 Extrinsischer Altruismus – Intrinsischer Altruismus – Einige Bedingungen für aggressives Verhalten
X
Inhaltsverzeichnis
7 Emotion und Belastung........................................................................ 133 7.1 Vororientierung ........................................................................................ 133 7.2 Belastung und Bewältigung..................................................................... 133 7.2.1 Stress und Stressoren................................................................................... 133 Potenzielle Stressoren – Selbst-Stress – Sozialer Stress
7.2.2 Stress- Modelle............................................................................................. 136 Fit-Modelle – Unsicherheits-Modelle – Kontrolltheoretische Ansätze – Transaktionales Stress-Modelle
7.2.3 Soziale Unterstützung ................................................................................. 139 Formen sozialer Unterstützung – „Annahme verweigert“
7.3 Emotion und Gefühl ................................................................................ 141 7.3.1 Facetten der Emotion .................................................................................. 141 Merkmale von Emotionen – Ebenen emotionaler Reaktion – Kognition und Emotion – Verlauf von Emotionen
7.3.2 Messung von Emotionen ............................................................................. 146 Physiologische Messverfahren – Messung des subjektiven Erlebens – Beobachtung des Ausdrucksverhaltens – Induktionsverfahren
7.3.3 Emotionen im sozialen Kontext ................................................................. 148 Soziale Emotionen – Eigene und fremde Emotionen – Emotionale Kontrolle – Emotionen und soziale Normen
7.4 Ausgewählte Emotionstheorien .............................................................. 151 7.4.1 Klassische Konzepte .................................................................................... 151 7.4.2 Evolutionäre Konzepte................................................................................ 152 Funktion von Emotionen – Ausdruck von Emotionen – Basis-Emotionen – Evolutionäre psychische Mechanismen
7.4.3 Kognitive Konzepte ..................................................................................... 156 LAZARUS – SCHACHTER – WEINER
7.5 Affekte und Stimmung............................................................................. 162 7.5.1 Wirkungen auf die Informationsverarbeitung ......................................... 163 Affektives Priming – Stimmungskongruenz – Depressiver Realismus – Wirkung von Stimmungen auf die Einstellungsänderung – Stimmung als Information
7.5.2 Wirkungen auf das Sozialverhalten........................................................... 165 Aggression/Altruismus – Gruppeninduzierte Stimmung – Affektive Ansteckung
Inhaltsverzeichnis
XI
8 Soziale Vergleichsprozesse ...................................................................171 8.1 Vororientierung.........................................................................................171 Relevanz von Vergleichsprozessen – Vergleichsprozesse in verschiedenen Kontexten – Spontane Vergleiche
8.2 Eine Theorie sozialer Vergleichsprozesse ...............................................173 8.3 Grundkonzepte zum sozialen Vergleich .................................................174 8.3.1 Sozialer Vergleich als Motiv........................................................................174 Stärke des Vergleichsmotivs – Sub-Motive des sozialen Vergleichs
8.3.2 Gegenstand des Vergleichs ..........................................................................176 Vergleich von Fähigkeiten – Vergleich von Meinungen – Vergleich von SelbstAspekten – Vergleich von Gefühlen – Andere Vergleichsobjekte
8.3.3 Physikalische und soziale Realität..............................................................179 Einschränkungen der Realitätshypothese – Kosten des Realitätstests
8.3.4 Ähnlichkeit der Vergleichsperson...............................................................181 Gefahr der Zirkularität – Relevante Attribute – Vergleiche mit unähnlichen Personen – Ähnlichkeit in anderen Konzepten – Gruppenzugehörigkeit
8.4 Richtung des Vergleichs ...........................................................................183 8.4.1 Aufwärts-Vergleiche ....................................................................................183 Leistungsvergleiche – Dissonante Vergleiche
8.4.2 Abwärts-Vergleiche......................................................................................184 Eine Theorie abwärtsgerichteter Vergleiche – Vergleiche nach oben und nach unten
9 Soziale Wahrnehmung und Kognition................................................189 9.1 Vororientierung.........................................................................................189 9.1.1 Was ist sozial an der „sozialen Wahrnehmung“? .....................................189 9.1.2 Unterschiedliche psychologische Forschungsparadigmen.......................190 9.1.3 Kognitionstheoretische Begriffe .................................................................190
9.2 Grundlegende Prozesse der Wahrnehmung...........................................191 9.2.1 Wahrnehmung als konstruktive Vermittlung zwischen Person und Umwelt......................................................................................191 9.2.2 Elementare Prozesse der Wahrnehmung...................................................194 Sensorische Empfindungen – Selektionsprozesse – Organisationsprozesse – Die Klassifikation
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Inhaltsverzeichnis
9.2.3 Zur Systematisierung der Wahrnehmungsprozesse................................. 205 9.2.4 Integrative Konzepte sozialer Wahrnehmung .......................................... 207 Wahrnehmen als Testen von Hypothesen – Schemagesteuerte Informationsverarbeitung – Der Erwerb von Schemata – Die entlastende Funktion von Schemata – Zentrale Postulate der Schematheorie
9.2.5 Soziale Bedingtheit von Wahrnehmung .................................................... 214 Bedürfnisse und Wahrnehmung – Physische und soziale Bedürfnisse – Neugier und Wahrnehmung – Ein Dispositiver Faktor der Wahrnehmungsorganisation: Der Regulatorische Fokus – Kulturelle Klassifikationen – Sprache als Klassifikationsschema – Rechtwinklige Räume als kulturell erlerntes Schema
9.3 Intuition oder Gedankenlosigkeit? – Entscheiden mit begrenzter Rationalität ............................................................................................... 223 9.3.1 Die beschränkte Rationalität...................................................................... 223 Die Metapher des dualen Prozesses – Die kognitive Zugänglichkeit – Der Framingeffekt – Das Priming
9.3.2 Kognitive Abkürzungen (Heuristiken) ...................................................... 227 Visionen der Vernünftigkeit – Verfügbarkeitsheuristik – Repräsentativitätsheuristik – Verankerung und Anpassung – Rekognitionsheuristik – Die „Take the first“ Heuristik – Die „Take the Best“ Heuristik – Die Effizienz von Heuristiken
9.3.3 Kognitive Täuschungen (Biases) ................................................................ 231 Halo-Effekt – Positivitäts-Bias – Negativitäts-Bias – Egozentrischer Bias – Konfirmatorischer Bias
9.3.4 Gewinn und Verlust: Die Prospect-Theorie .............................................. 235 9.3.5 Zwei-Prozess-Modelle ................................................................................. 239 Grundgedanken – Das Elaboration-Likelihood-Modell (ELM) – Das HeuristicSystematic-Model (HSM) – Interaktion der Verarbeitungsmodi – Fazit
9.4 Personenwahrnehmung........................................................................... 244 9.4.1 Fragestellungen im Zusammenhang mit der Wahrnehmung von Personen ...................................................................................................... 244 9.4.2 Wirksamkeit non-verbaler Schemata in der Personenwahrnehmung ... 245 Mimische und gestische Ausdrucksformen – Physische Attraktivität
9.4.3 Organisationsformen personenbezogener Wahrnehmungsschemata .... 247 Implizite Persönlichkeitstheorien – Ist der erste Eindruck am wichtigsten? – Kognitive Algebra
9.4.4 Ursachen von Sympathie und Ablehnung................................................. 252 Lernerfahrungen – Wirkungen kognitiver Balancierung: Die Balance-Theorie – Die Reziprozität der interpersonellen Beziehungen
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9.5 Attributionsprozesse.................................................................................257 9.5.1 Vororientierung............................................................................................257 9.5.2 Eine Systematik der Attributionskonzepte................................................258 9.5.3 Attributionstheorien ....................................................................................260 Theorie korrespondierender Schlussfolgerungen – Grenzen der Theorie korrespondierender Schlussfolgerungen – Das Kovariationsmodell – Kausale Schemata – Die attributionstheoretische Perspektive der Leistungsmotivation – Emotionen und Ursachenzuschreibung – Kontrollierbarkeit und Verantwortlichkeit
9.5.4 Der irrende Alltagswissenschaftler.............................................................274 Hedonistische Relevanz – Der fundamentale Attributionsfehler – Falscher Konsensus
9.5.5 Eine Synopse attributionstheoretischer Fragestellungen.........................277
10 Soziale Einstellungen............................................................................283 10.1 Vororientierung.........................................................................................283 10.2 Definition und Grundkonzepte der Einstellung ....................................285 10.2.1 Das Drei-Komponenten-Modell und seine Alternativen ..........................285 10.2.2 Die strukturelle Verankerung von Einstellungen im kognitiven System...................................................................................287 Vernetzung von Einstellungen – Der pyramidenartige Aufbau von Einstellungssystemen
10.3 Die Messung von Einstellungen...............................................................290 10.3.1 Das Problem einer latenten Variablen .......................................................290 Messprobleme – Skalenniveaus – Latente Variable und das Antwortverhalten
10.3.2 Wichtige Messverfahren..............................................................................294 Die THURSTONE-Skalierungen – Die LIKERT-Skala – Die GUTTMAN-Skala – Das semantische Differenzial
10.4 Entstehung und Wandel von Einstellungen ...........................................298 10.4.1 Das Erlernen von Einstellungen .................................................................298 10.4.2 Die Entwicklung von Einstellungen aus funktionalem Anlass ................301 10.4.3 Kognitive Determinanten des Einstellungswandels I: Die Kongruitätstheorie................................................................................302
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10.4.4 Kognitive Determinanten des Einstellungswandels II: Die Dissonanztheorie................................................................................... 304 Grundlagen der Dissonanztheorie im Überblick – Anwendungsbereiche der Theorie der kognitiven Dissonanz – Dissonanz nach erfolgter Entscheidung – Exkurs zum Regret-Effekt – Enttäuschte Erwartungen – Einstellungskonträres Verhalten – Weitere Modifikationen der Dissonanztheorie
10.4.5 Dissonanzreduktion auf impliziter Ebene.................................................320
10.5 Wirkungen von Einstellungen ................................................................ 321 10.5.1 Funktionen von Einstellungen für das Individuum ................................. 321 10.5.2 Wirkungen von Einstellungen auf die Wahrnehmung ............................ 322 10.5.3 Die Wirkung von Einstellungen auf das Verhalten .................................. 324 Zur Geschichte eines Forschungsparadigmas – Duale Prozessmodelle der Verhaltensvorhersage – Das Modell des spontanen Verfahrens (FAZIO et al. 1986) – Die Konzepte des überlegten und geplanten Handelns – Spontanes oder geplantes Handeln – Das integrative MODE-Modell – Verschiedene Begriffe der Einstellungsstärke
10.6 Das Vorurteil............................................................................................. 334 10.6.1 Vorbemerkungen ......................................................................................... 334 Begriffe – Das alltägliche Erscheinungsbild des Vorurteils
10.6.2 Strukturen des Vorurteils ........................................................................... 337 10.6.3 Ursachen und Wirkungen von Vorurteilen............................................... 338 Die Sozialisationsthese – Die autoritäre Persönlichkeit – Soziale Dominanz – Die Sündenbocktheorie – Kognitive Fehlurteile und illusionäre Korrelation – Grenzen der Selbstkontrolle – Diskriminierung als Folge von Vorurteilen - Ein Sozio-Funktionaler Ansatz der Vorurteilsforschung
10.7 Das Undenkbare denken: Geheiligte Wahrheiten und Tabus ............. 344
11 Kommunikation und Medienwirkungen ............................................ 349 11.1 Vororientierung ........................................................................................ 349 Begriff der Kommunikation – Formen der Kommunikation
11.2 Grundfragen der Kommunikation......................................................... 350 11.2.1 Interpersonelle Kommunikation................................................................ 350 Kontext der Kommunikation – Verbale Kommunikation – Sprache als soziales Vehikel – Imaginative Kommunikation – Non-verbale Kommunikation – Medienvermittelte persönliche Kommunikation – Ebenen der Kommunikation
11.2.2 Massenkommunikation............................................................................... 359 Charakteristika der Massenkommunikation – Wirkungen der Massenkommunikation – Nutzung der Massenmedien
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11.3 Variablen der Kommunikation................................................................362 11.3.1 Merkmale des Kommunikators..................................................................362 Glaubwürdigkeit – Rekurs: Das Elaboration-Likelihood-Modell (ELM) – Sleeper-Effekt – Interessengebundenheit – Attraktivität/Sympathie – Ähnlichkeit
11.3.2 Merkmale der Botschaft..............................................................................367 Emotionale Appelle – Anschaulichkeit – Reihenfolge-Effekte – Mehrseitige Argumentation – Urteilsdiskrepanz
11.3.3 Merkmale des Rezipienten..........................................................................375 Art der Einstellung – Beeinflussbarkeit – Selbstselektion – Aktive Informationsverarbeitung (cognitive response) – Affektive Zustände
11.4 Medienwirkungen .....................................................................................379 11.4.1 Kognitive Wirkungen ..................................................................................380 Das aktive Publikum – Agenda-Setting – Die Medienrealität
11.4.2 Emotionale Wirkungen ...............................................................................383 Wirkungsmechanismen – Gewalt in den Medien
11.4.3 Medien und interpersonelle Kommunikation ...........................................385 Vergleich der Persuasionswirkungen – Das Meinungsführer-Konzept – Interpersonelle Netzwerke
12 Soziale Aspekte des Selbstkonzeptes ...................................................391 12.1 Vororientierung.........................................................................................391 12.2 Das dialogische Konzept des Selbst.........................................................392 12.2.1 Begriffliche Klärungen ................................................................................392 12.2.2 Das Selbst als Gewusstes .............................................................................394 Selbst-Schemata – Das Selbstwertgefühl
12.2.3 Das Selbst als Wissender .............................................................................396 Der Begriff der Selbstaufmerksamkeit – Determinanten der Selbstaufmerksamkeit – Konsequenzen der Selbstaufmerksamkeit
12.3 Quellen der Selbstinformation.................................................................401 12.3.1 Situative Informationsquellen ....................................................................401 Die bedeutsamen anderen – Situative Anreize und der Schluss auf eigene Emotionen
12.3.2 Das eigene Verhalten als Informationsquelle ............................................403 Die Parallele zur Personenwahrnehmung – Relevanz der Entscheidungsfreiheit
12.3.3 Kognitive Informationsquellen des Selbst .................................................405
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Inhaltsverzeichnis
12.4 Selbstprozesse ........................................................................................... 405 Selbstvalidierung und Selbstwerterhöhung – Neuere Ansätze der Selbstkonstruktion
12.4.1 Theorien der Stabilisierung des Selbst ...................................................... 407 Selbstdarstellung – Tendenz der Selbstwerterhöhung – Die Selbstintegritätstheorie – Die Theorie der symbolischen Selbstergänzung – Die Theorie der Selbstwerterhaltung – Zur Notwendigkeit der Stabilisierung des Selbst (TerrorManagement)
12.4.2 Die Selbstsystemtheorie .............................................................................. 418 Das Konzept der vier Selbstziele – Korrespondenzen zu anderen theoretischen Konzepten – Selbstkomplexität
12.4.3 Die Selbstkategorisierungstheorie von TURNER ....................................... 420 Wichtige Ausgangsannahmen – Hypothesen zur Selbstkategorisierung
12.4.4 Die Theorie der Selbstregulation ...............................................................423 Basiselemente der Selbstregulation – Stützende Argumente – Nicht bewusste Selbstregulation
12.4.5 Independente und dependente Selbstkonstruktionen – ein Kulturproblem? ..........................................................................................425
Teil III: Das Individuum im sozialen Kontext 13 Interaktion in Dyaden .......................................................................... 431 13.1 Vororientierung ........................................................................................ 431 13.2 Interaktion als Prozess ............................................................................. 431 13.2.1 Formen der Interaktion .............................................................................. 431 Interaktionssequenzen – Dimensionen der Interaktion – Beziehungsqualität und Beziehungszufriedenheit – Bindung und Partnerschaftsbeziehungen – Interaktion und Emotion
13.2.2 Interaktion und Zeitperspektive ................................................................ 436 Interaktionsprozess-Analyse – Soziale Episoden – Das Einspielen der Interaktion – Stadien einer sozialen Beziehung – Änderung der Beziehungsqualität – Interaktionszukunft – Vertrauen
13.2.3 Motivation zur Interaktion......................................................................... 442 Extrinsisch bedingte Interaktion – Intrinsisch bedingte Interaktion
13.2.4 Interaktion und interpersonelle Attraktion .............................................. 444 Räumliche Nähe – Physische Attraktivität – Liebe und Freundschaft – Lob, Bestätigung und Zuwendung – Ähnlichkeit und Attraktion – Attraktion und Attribution
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XVII
13.3 Helfen und Schädigen...............................................................................452 13.3.1 Prosoziales Verhalten...................................................................................452 Begriffliches – Evolutionspsychologische Aspekte – Nutzenmodelle – Empathie und Altruismus – Personale und situationale Faktoren – Prozessmodelle – Reaktionen des Hilfe-Empfängers
13.3.2 Aggressives Verhalten..................................................................................459 Begriffliches – aggressives Verhalten: erlernt oder angeboren? – Das „Ausleben“ von Aggression (Katharsis) – Aggressive Modelle und Skripts – Aversive Stimulation – Intervenierende Bedingungen – Aggression im Makrokontext
13.4 Paradigmen zur Interaktion ....................................................................466 13.4.1 Interaktion und soziale Kompetenz ...........................................................466 Modell der sozialen Fertigkeiten – Facetten sozialer Kompetenz – Interaktion und Verhandlungskompetenz – Taktiken und Strategien – Impression Management und Selbstüberwachung
13.4.2 Interaktion als Austausch............................................................................473 Die Austauschtheorie von HOMANS – Die Exchange-Theorie von THIBAUT & KELLEY – Die Nutzenmatrix – Strukturelle Aspekte der Interdependenz – Motivationale Transformation – Das Investment-Modell – Ressourcen-Theorie – Grenzen der Austauschperspektive
13.4.3 Symbolischer Interaktionismus ..................................................................484 Besonderheiten des Symbolischen Interaktionismus – Zentrale Annahmen des Symbolischen Interaktionismus – Das interaktionistische Konzept des Selbst – Situationen und Bedeutungen – Natürliche Zeichen und signifikante Symbole – Zur Kritik des symbolischen Interaktionismus
14 Gerechtigkeit in Sozialbeziehungen ....................................................495 14.1 Vororientierung.........................................................................................495 14.1.1 Anwendungsbereiche der Gerechtigkeitsthematik...................................495 14.1.2 Voraussetzungen und Elemente der Gerechtigkeitsbewertung ...............497
14.2 Gerechtigkeitsprinzipien ..........................................................................498 14.3 Kombinationen von Gerechtigkeitsregeln..............................................499 14.3.1 Die subjektive Angemessenheit von Rechtsprinzipien .............................499 14.3.2 Soziale Prozesse und Gerechtigkeitsprinzipien.........................................500
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Inhaltsverzeichnis
14.4 Die Equity-Theorie................................................................................... 501 14.4.1 Die Grundgedanken der Equity-Theorie .................................................. 501 14.4.2 Bewertende Reaktionen auf erlebte Ungerechtigkeit .............................. 502 Asymmetrie der Reaktionen – Die Bedeutung der Zurechenbarkeit (accountability) – Möglichkeiten der Wiederherstellung von Ausgewogenheit – Ungerechtigkeitssensitivität
14.5 Verfahrensgerechtigkeit........................................................................... 506 Grundgedanken – Die Institutionalisierung von Prozeduren – Legitimität und Berufung – Die Referent-Cognitions-Theorie und die Fairness-Theorie
14.6 Die Subjektivierung von Gerechtigkeitsvorstellungen......................... 509 14.6.1 Das Lernen von Gerechtigkeitsvorstellungen........................................... 509 14.6.2 Der Glaube an die gerechte Welt ............................................................... 510 14.6.3 Gerechter Ausgleich mit allen anderen (Equity with the world) .............511
14.7 Die Gerechtigkeitstheorien als Prozessmodell....................................... 512
15 Interaktion und soziale Rollen ............................................................ 517 15.1 Vororientierung ........................................................................................ 517 15.2 Perspektiven der Rollentheorie .............................................................. 518 15.2.1 Strukturfunktionalistische Perspektive..................................................... 518 Rolle als soziale Hülse – Der „übersozialisierte“ Mensch – Rolle als Austauschmuster
15.2.2 Interaktionistische Perspektive.................................................................. 520 Wechselwirkung zwischen Individuum und Gesellschaft – Plastizität von Rollen – Eine interaktionistische Rollensystematik – Rolle als Typisierungsschema – Rollen in Theater-Analogie
15.2.3 Zur sozialpsychologischen Perspektive ..................................................... 523 Integrative Aspekte – Ein paradigmatisches Rollen-Experiment – Rollen als Skript
15.3 Vom Umgang mit sozialen Rollen........................................................... 525 15.3.1 Das Lernen sozialer Rollen......................................................................... 525 Inhalte des Rollenlernens – Rahmenbedingungen des Rollenlernens – Mechanismen des Rollenlernens
15.3.2 Entstehung und Lösung von Rollenkonflikten ......................................... 527 Zur Systematik des Rollenkonflikts – Entstehung von Rollenkonflikten – Lösung von Rollenkonflikten
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XIX
15.3.3 Belastende Aspekte des Rollenverhaltens..................................................530 Rollen als „Ärgernis“? – Dimensionen der Rollenbelastung – Aushandeln sozialer Rollen
15.3.4 Eine Theorie der Rollenbilanz ....................................................................532 15.3.5 Rolle und Selbstkonzept ..............................................................................535 Einfluss der Rolle auf das Selbst – Einfluss des Selbst auf die Rolle – Rolle und Selbstüberwachung – Rolle und Selbstaufmerksamkeit
15.4 Anwendungsbereiche der Rollentheorie.................................................537 15.4.1 Geschlechtsrollendifferenzierung...............................................................537 Zum Nachweis psychischer Geschlechtsunterschiede – GeschlechtsrollenStereotype – Wandel der Geschlechtsrolle
15.4.2 Rollen in Organisationen ............................................................................542 Gestaltbarkeit organisationaler Rollen – Klarheit und Ambiguität – Diskrepanz und Konflikt – Arbeitsrolle und Rollenidentität – Extra-Role-Behavior – Ausblick
16 Macht und Führung in sozialen Systemen .........................................547 16.1 Vororientierung.........................................................................................547 Macht und Einfluss – Definitionen – Ebenen sozialer Macht
16.2 Kriterien sozialer Macht ..........................................................................549 16.2.1 Erscheinungsformen sozialer Macht..........................................................549 Potenzielle und realisierte Macht – Formelle und informelle Macht – Personale und strukturelle Macht
16.2.2 Grundlagen der Macht................................................................................551 Belohnungsmacht – Bestrafungsmacht – Legitime (legitimierte) Macht – Identifikationsmacht – Expertenmacht – Ökologische Macht – Macht durch Emotion
16.2.3 Kosten der Macht.........................................................................................555 Kostenfaktoren – Kosten der Bestrafungsmacht – Machtkosten anderer Machtgrundlagen – Machtumwandlung als Kostenproblem – Eine Kostentheorie sozialer Macht
16.2.4 Grenzen der Macht ......................................................................................559 Möglichkeiten für den Machtbetroffenen – Macht und Reaktanz – Widerstand gegen Macht – Macht und Gegenmacht – Normative Grenzen – Strukturelle Grenzen
16.3 Paradigmen sozialer Macht .....................................................................563 16.3.1 Macht als Motiv ...........................................................................................563 Das Machtmotiv – Macht korrumpiert – Reduktion der Machtdistanz
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Inhaltsverzeichnis
16.3.2 Macht als Austausch.................................................................................... 565 Dependenz und Ungleichgewicht – Ergebnis- und Verhaltenskontrolle – Macht als Austauschguthaben
16.3.3 Macht als Spiel............................................................................................. 568 Strategische Machtspiele – Strategischer Mitteleinsatz
16.4 Macht als Führung................................................................................... 570 16.4.1 Führung in Gruppen ................................................................................... 570 Die Studie von LEWIN et al. – Die Studie von BALES et al. – Zur Entstehung von Status – Funktionen der Führung
16.4.2 Führung in Organisationen ........................................................................ 574 Besonderheiten des organisationalen Kontexts – Substituierbarkeit von Führung – Kriterien der Effizienz – Der „Work-activity-Ansatz“ – Der Eigenschaftsansatz – Der Führungsstil-Ansatz
16.5 Theoretische Konzepte zur Führung ..................................................... 580 16.5.1 Führung und Persönlichkeit....................................................................... 580 Charismatische und transformationale Führung – Führung und soziale Identität
16.5.2 Führung und Lernen................................................................................... 583 Lernprozesse bei Führungspersonen – Lernprozesse bei den Geführten
16.5.3 Führung und Situation................................................................................ 584 Das Kontingenz-Modell von FIEDLER – Zur empirischen Prüfung des Modells – Zur Kritik des Modells – Andere situative Konzepte
16.5.4 Führung und Motivation ............................................................................ 588 Die Motivation des Führenden – Aufgabenschwierigkeit und Zielsetzung – Der Weg-Ziel-Ansatz
16.5.5 Führung und Attribution............................................................................ 591 Schlüsse aus dem Verhalten der Geführten – Zuschreibung von Führungsqualitäten – Führung als Wahrnehmungsphänomen – Personalisierungstendenzen – Symbolische Führung
16.5.6 Führung und Interaktion............................................................................ 596 Dispersion von Führung – Führung als Austausch – Führung und Rollenerwartungen – Vertikale Dyaden
17 Norm, Konformität und Abweichung................................................. 603 17.1 Vororientierung ........................................................................................ 603 17.2 Soziale Normen......................................................................................... 604 17.2.1 Normen und normative Erwartungen....................................................... 604 Normen in der Sozialpsychologie – Klassifikation sozialer Normen – Norm, Einstellung und Verhalten – Aktivierung von Normen
Inhaltsverzeichnis
XXI
17.2.2 Internalisierung von Normen .....................................................................608 Ursachen der Internalisierung – Folgen der Internalisierung – Die „Unbedingtheit“ normativen Handelns
17.2.3 Entstehung sozialer Normen.......................................................................610 Validierungsnormen – Instrumentelle Normen – Herrschaftsnormen – Eingespielte Normen – Emergente Normen
17.3 Soziale Konformität..................................................................................613 17.3.1 Formen der Konformität.............................................................................613 Innere und äußere Konformität – Normative und informative Konformität – Sanfter Einfluss und Manipulation
17.3.2 Standard-Konformitäts-Experimente........................................................617 Die ASCH-Situation – Die CRUTCHFIELD-Situation – Das MILGRAM-Experiment
17.3.3 Bedingungen für Konformität ....................................................................620 Merkmale des Konformitätsobjektes – Merkmale des Konformitätssubjektes – Merkmale der Konformitätsquelle
17.3.4 Theorien der Konformität...........................................................................623 Theorie der informellen Kommunikation – Austauschtheoretische Konzepte – Die Social impact-Theorie
17.3.5 Einfluss von Minoritäten.............................................................................627
17.4 Soziale Abweichung ..................................................................................630 17.4.1 Formen der Abweichung .............................................................................630 Gruppenreaktionen auf Devianz – Bezugssysteme für Devianz – Kristallisationsformen abweichenden Verhaltens
17.4.2 Theorien abweichenden Verhaltens ...........................................................633 Abweichung als geplantes Verhalten – Aggression und Abweichung – Die Chancenstruktur-Theorie – Die Social-Bonding-Theory – Delay-Effekte – Verhältnis der Theorien zueinander – Zur Lerntheorie abweichenden Verhaltens – Gruppeneinflüsse
17.4.3 Labeling und Attribution ............................................................................640 Zur Wirkung sozialer Reaktionen – Attribution von Verantwortlichkeit – Attribution bei Opfern
18 Gruppenstruktur und Gruppenleistung.............................................645 18.1 Vororientierung.........................................................................................645 18.2 Erscheinungsformen der Gruppe............................................................646 Begriff der Gruppe – Gruppengröße – Formen der Gruppe – Wie Menschen Gruppe kognizieren - Insbesondere: die Bezugsgruppe
XXII
Inhaltsverzeichnis
18.3 Gruppenprozesse...................................................................................... 654 Entstehungs- und Entwicklungsprozesse – Einfluss-, VergleichsIdentifikationsprozesse – Gruppensozialisation – Gruppenausschluss
und
18.4 Sozialstruktur der Gruppe...................................................................... 657 Gruppenstruktur: ein Sammelbegriff – Zur Entstehung von Gruppenstrukturen – Bedeutung von Gruppenstrukturen – Objektive und subjektive Struktur – Formelle und informelle Struktur
18.5 Zentrale Strukturdimensionen ............................................................... 660 18.5.1 Affekt- und Sympathiestruktur ................................................................. 660 Soziometrie – Kohäsion der Gruppe – Kohäsion als unabhängige Variable
18.5.2 Status- und Rollenstruktur......................................................................... 663 Die IPA-Studien – Der Expectation-states-Ansatz
18.5.3 Macht- und Führungsstruktur................................................................... 664 Hierarchien – Der Kontrollgraph
18.5.4 Kommunikationsstruktur........................................................................... 665 Struktur von Kommunikationsnetzen – Befunde der KommunikationsnetzForschung
18.6 Gruppenleistung und Gruppenentscheidung........................................ 667 18.6.1 Die soziale Aktivierung (social facilitation)............................................... 667 18.6.2 Leistung in interagierenden Gruppen ....................................................... 669 Leistungshemmende Faktoren in interagierenden Gruppen: Der RINGELMANNEffekt – Faktoren des „social loafing“ – Arten von Aufgaben – Die Zusammensetzung der Gruppe – Leistung in virtuellen Gruppen
18.6.3 Gruppenentscheidung ................................................................................. 678 Erhoffte Synergie-Effekte – Risiko-Schub und Polarisierung-Effekte – Hidden profile – Transaktives Gedächtnis
18.6.4 Gruppenarbeit: eine Bilanz ........................................................................ 682 18.6.5 Gruppendenken ........................................................................................... 683 Die Entwicklung des Groupthink-Gedankens – Rahmenbedingungen des Gruppendenkens – Symptome des Gruppendenkens – Der Entscheidungsprozess im Zusammenhang des Gruppendenkens
19 Konflikt, Kooperation und Wettbewerb............................................. 691 19.1 Vororientierung ........................................................................................ 691 Reichweite sozialpsychologischer Konfliktforschung – Konflikt und Macht
19.2 Formen des Konflikts .............................................................................. 692 Objektiver und subjektiver Konflikt – Intra- und Intersystemkonflikt – Funktionale und dysfunktionale Konflikte – Latente und manifeste Konflikte – Strukturinduzierte und verhaltensinduzierte Konflikte
Inhaltsverzeichnis
XXIII
19.3 Das Konfliktgeschehen .............................................................................696 19.3.1 Konfliktstrategien ........................................................................................696 Prinzipielles über Kooperation und Wettbewerb – Soziale Orientierungen – Konfliktstile
19.3.2 Konfliktverlauf.............................................................................................700 Relevante Variablen einer Konfliktepisode – Verlaufsformen – Eskalation von Konflikten – De-Eskalation von Konflikten – Konfliktregelung – Konfliktpotenzial bei kompetitivem Verhalten – Kosten der Kooperation – Soziale Fallen – Solidarität
19.4 Experimentelle Spiele ...............................................................................709 19.4.1 Symmetrische Spiele ....................................................................................709 Wiederholtes Gefangenen-Dilemma – Die Evolution der Kooperation
19.4.2 Asymmetrische Spiele..................................................................................712 Das trucking game – Koalitionsbildung
19.5 Theorien des sozialen Konflikts...............................................................717 19.5.1 Lerntheoretische Ansätze ............................................................................717 19.5.2 Austauschtheoretische Ansätze...................................................................719 Konflikte im Rahmen der Interdependenztheorie – Konflikt, Equity und relative Deprivation
19.5.3 Kognitive Theorien ......................................................................................721 Die „goal expectation“-Theorie – Attributive Einflüsse auf Erwartungen – Eine Wert-Erwartungs-Theorie des Konflikts – Die Rolle von Emotionen
19.6 Konflikte zwischen Gruppen ...................................................................724 19.6.1 Entwicklung der Fragestellung...................................................................724 19.6.2 Der „realistische“ Gruppenkonflikt...........................................................726 19.6.3 Konfliktpotenziale........................................................................................728 19.6.4 Zur Theorie der sozialen Identität (SIT) ...................................................729 Die Kernelemente der Theorie – Die soziale Identität – Soziale Vergleiche und das Streben nach positiver Distinktheit – Unsichere soziale Identität als Voraussetzung der Gruppendifferenzierung – Soziale Kategorisierung – Eine Spezifikation der Voraussetzungen von Feindseligkeit
19.6.5 Strategien der Konfliktbewältigung ...........................................................736 Die Internalisierung einer negativen Identität – Soziale Mobilität und Assimilation – Die räumliche Segregation (Ghettobildung) und die kulturelle Segregation (Subkulturen) – Der soziale Wettbewerb – Soziale Kreativität
19.6.6 Kritische Anmerkungen zur SIT ................................................................740 19.6.7 Möglichkeiten eines Abbaus der Zwischengruppenkonflikte..................741
XXIV
Inhaltsverzeichnis
Literaturverzeichnis ............................................................................................ 747 Autorenverzeichnis .............................................................................................. 843 Stichwortverzeichnis............................................................................................ 863
Vorwort zur dritten Auflage Die außerordentlich dynamische Entwicklung der Sozialpsychologie in den letzten Jahren hat es notwendig gemacht, unser Lehrbuch gründlich zu überarbeiten und teilweise völlig neu zu gestalten. Diese neueren Entwicklungen betreffen v.a. die folgenden Bereiche: ♦ „Soziale Kognition“ gilt nicht nur als Oberbegriff für alle Wahrnehmungs- und Urteilsprozesse, die sich auf soziale Sachverhalte beziehen, sondern als neues Paradigma: nämlich als Konzeptualisierung sozialpsychologischer Themen in Modellvorstellungen der Informationsverarbeitung. Dabei werden die klassischen Themen, wie z.B. Einstellungen und Vorurteile aber auch Selbst- und Gruppenprozesse kognitionspsychologisch re-interpretiert. Insofern liegt hier ein besonderer Schwerpunkt der neueren Entwicklung, die freilich von einigen Kritikern auch skeptisch gesehen wird. So wird insbesondere befürchtet, dass durch die Sogwirkung des Social-Cognition-Paradigmas die Sozialpsychologie zu einer Teilmenge der kognitiven Psychologie geworden sei und damit ihre Identität verliere. ♦ Die Öffnung der Sozialpsychologie zur sog. Evolutionären Psychologie, die nicht als bloßes „Kapitel“ in Erscheinung tritt, sondern paradigmatische Züge trägt, die quer durch verschiedene klassische Themen der Sozialpsychologie gehen. Die evolutionäre Psychologie lässt erkennen, dass die im Behaviorismus unterstellte absolute Offenheit und Prägbarkeit der menschlichen Natur fiktiv ist und in unterschiedlichen Erbanlagen ihre Grenze findet. Methodisch steht die evolutionäre Psychologie allerdings vor dem Problem, ihre zentralen Variablen nicht systematisch variieren zu können, sondern in weiten Teilen auf Ex post Erklärungen angewiesen zu sein. ♦ Die bereits vor über zwei Jahrzehnten eingeklagte „emotionale Wende“ hat eine Gegenbewegung zur ausschließlich kognitiven Perspektive der Sozialpsychologie eingeleitet, so dass es auch im Rahmen dieses Buches sinnvoll erschien, ein gesondertes Kapitel über soziale Emotionen und Stimmungen zu verfassen und diese Darstellung mit Aspekten sozialer Belastung (einschließlich sozialer Unterstützung) zu verbinden. Umstritten ist auch hier, ob der dabei dominante Ansatz – nämlich Emotionen vorwiegend unter kognitiver Perspektive zu sehen – dem Gegenstand wirklich angemessen ist. ♦ Die starke Beachtung von sog. Zwei-Prozess-Modellen hat nicht nur unser Verständnis von Kommunikationsprozessen befruchtet, sondern gilt mittlerweile als zentrales Paradigma der Informationsverarbeitung. Dabei wird sichtbar, dass die Sozialpsychologie bisher in erheblichem Maße an elaborierten und gründlichen Informationsverarbeitungsprozessen orientiert war und damit auch die dominierenden Handlungstheorien – Theorien überlegten und geplanten Verhaltens – beeinflusste, während sie das sog. System 1, nämlich die Welt des Sporadischen, Peripheren, Intuitiven, Oberflächlichen und Gedankenlosen stark vernachlässigte. Insbesondere erwies sich die Beschäftigung mit Heuristiken – kognitive Abkürzungen – als fruchtbarer Weg der Forschung, der schließlich auch den Zugang zu Problemfeldern der Ökonomie eröffnet hat. Die Entwicklung der Prospect-Theorie hat diese Verbindungslinie zur ökonomischen Forschung vertieft und zu einer Neueinschätzung der sog. Wert-Erwartungs-Theorien geführt.
2
Vorwort zur dritten Auflage
Die vorliegende dritte Auflage unseres Lehrbuches ist jedoch nicht allein durch neue Entwicklungen der Sozialpsychologie veranlasst, sondern auch durch den Umstand, dass die Autoren im Rahmen einer Wirtschafts- und Sozialwissenschaftlichen Fakultät angesiedelt sind und insofern die Verbindungslinien zwischen Sozialpsychologie und Wirtschaftspsychologie besonders betonen. Dies bedeutet freilich nicht, dass es sich bei dieser Darstellung um eine verkappte Wirtschaftspsychologie handelt – einer der Autoren (WISWEDE 2007) hat hierzu einen separaten Einführungstext verfasst – sondern dass die Schwerpunkte so gewählt sind, dass sie als Fundus für wirtschaftliches Anwendungswissen gelten können. Insofern sollte dieses Lehrbuch v.a. auch für Studierende anderer Fächer (z.B. der Wirtschaftswissenschaften mit den Anwendungsbereichen Marktpsychologie oder Arbeitsund Organisationspsychologie) von Nutzen sein, die meist keine Vorkenntnisse in allgemeiner Psychologie haben. Aus diesen Grund musste an einigen Stellen weiter ausgeholt werden, um den Leser mit dem Basiswissen zu bestimmten Themen (z.B. den Bereichen Lernen, Motivation, Wahrnehmung) vertraut zu machen. Psychologen können diese einleitenden Passagen weitgehend aussparen und sich erst „einklinken“, wenn es um die spezifisch sozialpsychologischen Zusammenhänge geht. Schließlich bedarf es noch einer weiteren Anmerkung zu den Schwerpunkten dieses Buches. Der Text enthält die üblichen Topics der Sozialpsychologie, z.B. soziale Kognition, Wahrnehmung und Attribution, Selbstkonzept und Identität, Interaktion, Gruppenprozesse und Gruppenstrukturen etc., daneben jedoch auch Kapitel, die in den gängigen Lehrbüchern meist fehlen oder nur sehr kursorisch behandelt werden, z.B. ♦ ♦ ♦ ♦ ♦ ♦ ♦ ♦
ein gesondertes Kapitel über (soziales) Lernen und Sozialisation; ein separates Kapitel über (soziale Aspekte der) Emotion und Belastung; ein eigenes Kapitel über (soziale) Motivation; eine geraffte Darstellung von Medienwirkungen im Rahmen des Kommunikationskapitels; eine stärkere Beachtung der Themenbereiche Macht und Konflikt; eine Wiederbelebung der lange vernachlässigten Rollentheorie; die Einbeziehung zentraler Aspekte des symbolischen Interaktionismus; die Berücksichtigung sozialpsychologisch relevanter Aspekte abweichenden Verhaltens.
Noch einige Hinweise zur formalen Gestaltung: Zentrale oder illustrativ interessante Experimente sind (meist in Kurzfassung) als Box eingerahmt dargestellt. Gleiches gilt für sozialpsychologische Theorien; sie sind zusätzlich mit „blau“ unterlegt. Da diese Theorien in vielen Lehrbüchern recht essayistisch und ungenau dargestellt werden, haben wir uns meist für kurzgefasste Explikationen entschieden, die die zentralen Variablen der jeweiligen Theorien verdeutlichen. Zum Schluss jeden Kapitels (der Hauptteile II und III) findet der Leser einen kurzen Anhang, der exemplarisch auf Anwendungen im wirtschaftlichen Bereich (Gesamtwirtschaft, Markt, Organisation) verweist. Zusätzlich erfolgen einige (sparsame) Literaturempfehlungen, von denen wir glauben, dass sie ergänzend oder vertiefend für die Thematik des jeweiligen Kapitels herangezogen werden sollten. Der Leser wird bemerken, dass die Systematik der Stoffbehandlung zugleich ein didaktisches Ordnungsprinzip darstellt. Wir – die Autoren – haben dies im Vorlesungsbetrieb auf die Weise umgesetzt, z.B. im Wintersemester die Kapitel 1 bis 12, im Sommersemester dann die Kapitel 13 bis 19 zu thematisieren.
Vorwort zur dritten Auflage
3
Diese Auflage musste nicht nur von den Texten her überarbeitet werden, sondern unter Verwendung von Schmuckfarben graphisch neu gestaltet werden. Diese aufwändigen Arbeiten wurden von Barbara Besken, Monika Bresemann und Anita Leisse mit großem Engagement durchgeführt. Wir sind ihnen sehr zu Dank verpflichtet. Bei den Dankesbezeugungen sollten jene zahlreichen aktiven Studenten nicht vergessen werden, die dieses Buch im Rahmen von Vorlesungen und Seminaren eigentlich mitgestaltet und manche Änderung herausgefordert haben. Köln, im April 2009
Lorenz Fischer
Günter Wiswede
TEIL I Die Sozialpsychologie als Disziplin
1
Gegenstand der Sozialpsychologie
Womit beschäftigt sich die Sozialpsychologie? Diese Frage ist nicht leicht zu beantworten. Wir wollen daher versuchen, uns einer Antwort auf verschiedenen Wegen zu nähern. Unser sozialer Alltag Ein erstes Vorverständnis erschließt sich vielleicht dadurch, dass wir einen typischen Alltag Revue passieren lassen und unser Augenmerk darauf richten, in welchem Ausmaß unser Handeln, Denken und Fühlen von anderen Menschen und von Regeln mitmenschlichen Zusammenlebens geprägt wird. Werfen wir einen ersten Blick auf unseren sozialen Alltag. Er beginnt gewöhnlich mit dem (zwangsweisen) Aufstehen, dem üblichen Gerangel im Bad, mit gemeinsamem Frühstück, der Fahrt zur Arbeit (wie üblich: im Stau), die Stechuhr betätigen, kommunizieren, Konflikte beilegen, Rat geben, Anweisungen entgegennehmen, jemandem Schuldgefühle verschaffen, delegieren, gemeinsame Zielvorgaben erarbeiten, ein Mitarbeitergespräch führen, telefonieren, einen Flirt versuchen, einen verhassten Mitarbeiter bloßstellen, mit Partnern kooperieren, Kompetenz demonstrieren, Teamgeist zeigen..., und wenn der Arbeitsalltag vorbei ist, landen wir im Schoß der Familie mit milderen Zwängen: man hat Gäste, man kommuniziert, man einigt sich auf das Fernsehprogramm, debattiert, streitet, versöhnt sich, geht zu Bett..., bis der Wecker wieder klingelt und uns veranlasst aufzustehen, obwohl wir lieber liegen geblieben wären.
Jeder kann für sich selbst seinen Tagesablauf durchdeklinieren und daraufhin erkennen, dass unser Alltag immer mit anderen Menschen zu tun hat, sei es ganz konkret im Umgang mit anderen oder abstrakter durch Spielregeln, Normen oder Interessen, die man mit anderen teilt (oder auch nicht). Dies verschafft uns ein gewisses Vorverständnis für Fragen, mit denen sich die Sozialpsychologie als Psychologie der zwischenmenschlichen Beziehungen beschäftigt: normgeleitetes Verhalten, sozialer Einfluss, Kommunikation, sozialer Konflikt, Gruppenarbeit, soziales Zusammenleben, Kooperation und Wettbewerb usw. Ein typisches sozialpsychologisches Experiment Ein zweiter Zugang zur Sozialpsychologie – diesmal weniger impressionistisch – könnte dadurch gewonnen werden, dass man sich ein typisches sozialpsychologisches Experiment ansieht. STROEBE (1980, 13ff) hat dies anhand eines klassischen sozialpsychologischen Experiments1, des sog. ASCH-Linienexperiments, sehr anschaulich demonstriert. Seine Darstellung, die die Besonderheit des sozialpsychologischen Vorgehens demonstriert, sei hier wörtlich übernommen:
1
Dieses Experiment wird im Kontext der Konformitätsforschung (Kap. 17) ausführlich diskutiert.
8
Kapitel 1 – Gegenstand der Sozialpsychologie
Ein paradigmatisches Experiment „Die Versuchspersonen bei diesem Experiment waren Studenten an einem kleinen College an der Ostküste der Vereinigten Staaten. Die Aufgabe schien recht einfach zu sein. Von drei Linien unterschiedlicher Länge, die auf einer weißen Unterlage dargeboten wurden, musste jeweils diejenige ausgesucht werden, die der Länge einer auf einer zweiten Unterlage dargebotenen Linie entsprach. Mit jeder Versuchsperson wurden 18 Vergleiche durchgeführt, sie musste also 18 Urteile abgeben, wobei jeweils andere Standard- und Vergleichsreize dargeboten wurden. Ganz offensichtlich also ein Wahrnehmungsexperiment, in dem vermutlich die Unterschiedsschwelle bei Längenschätzungen festgestellt werden sollte. Der Versuchsleiter wollte demnach prüfen, welche Unterschiede in den Strichlängen bestehen müssen, bevor die Versuchspersonen die Linien als unterschiedlich lang beurteilen – eine der klassischen Fragen der Wahrnehmungspsychologie. Dem Kenner psychophysischer Methoden fällt allerdings auf, dass hier eine etwas unorthodoxe Vergleichsmethode verwendet wurde. Bei genauerer Überprüfung der Untersuchungsmethode lassen sich noch weitere Unregelmäßigkeiten feststellen. Anstatt die Reize jeweils nur einer Versuchsperson darzubieten, nahmen an diesem Versuch mehrere Versuchspersonen gleichzeitig teil. Daran wäre an sich nichts auszusetzen, wenn eine gegenseitige Beeinflussung der Versuchspersonen unmöglich gemacht worden wäre. Dies kann erreicht werden, indem man etwa die Versuchspersonen die Antworten niederschreiben lässt und visuelle Kontakte durch Zwischenwände ausschaltet. Solche Vorsichtsmaßnahmen wurden aber in diesem Versuch nicht getroffen. Die Versuchspersonen saßen alle an einem Tisch und gaben ihre Urteile der Reihe nach laut ab. Hier liegt anscheinend ein eklatanter Methodenfehler vor. Eine Bestimmung der Unterschiedsschwelle, die aus einem solchen Versuch stammt, ist äußerst fragwürdig, da eine gegenseitige Beeinflussung der Versuchspersonen wahrscheinlich ist. Nehmen wir einmal an, dass bei einem der Vergleiche der ersten Versuchsperson ein Fehler unterläuft und sie die falsche Vergleichslinie auswählt. Die nächste Versuchsperson, die alleine vielleicht ein korrektes Urteil abgegeben hätte, wird jetzt vom Urteil der ersten Versuchsperson beeinflusst und macht denselben Fehler. Die nächste Versuchsperson, obwohl sie vielleicht an der Richtigkeit der abgegebenen Urteile ernsthaft zweifelt, wird kaum widersprechen wollen und deshalb dasselbe Fehlurteil abgeben. Damit ist aus einem Wahrnehmungsversuch eine Untersuchung sozialer Einflussprozesse geworden. Wie Sie sicher schon vermutet haben, war es nie die Absicht dieses Versuchsleiters, Wahrnehmungsschwellen festzustellen. Die hier beschriebene Versuchsanordnung wurde von Solomon ASCH (1952) in seinen klassischen Konformitätsuntersuchungen benutzt. In jeder Versuchsgruppe war nur eine einzige Versuchsperson „echt“, alle anderen waren Mitarbeiter des Versuchsleiters, die beauftragt worden waren, bei einigen der Vergleiche einstimmig ein falsches Urteil abzugeben. Die Mitarbeiter waren so gesetzt, dass sie ihr Urteil stets vor der echten Versuchsperson abgeben mussten. Der Versuchsleiter wollte feststellen, ob sich die echten Versuchspersonen tatsächlich von den Falschurteilen der anderen „Versuchspersonen“ beeinflussen lassen würden. Die Vergleichsreize wiesen derart deutliche Längenunterschiede auf, dass ein Irrtum kaum möglich war (und bei einer Kontrollgruppe von alleine urteilenden Versuchspersonen auch nicht auftrat). Wenn sich also eine echte Versuchsperson den falschen Urteilen der Mehrheit anschloss, tat sie dies wider besseren Wissens. ASCH fand dennoch, dass unter dem Einfluss einer falsch urteilenden Mehrheit (aus drei oder mehr Mitarbeitern) etwa ein Drittel Fehlurteile abgab.“
Gegenstand der Sozialpsychologie
9
Einige Definitionen von Sozialpsychologie Ein weiterer Zugang zur Objektbestimmung der Sozialpsychologie könnte sich dadurch erschließen, dass man auf Definitionen dieser Disziplin zurückgreift, insbesondere auf solche, die in der relevanten Literatur besonders häufig zitiert werden oder die einschlägigen Lehrbuchtexten entstammen. Die folgende Auswahl mag hier hilfreich sein.
Definitionen der Sozialpsychologie „Social psychology is the science which studies behavior of the individual so far as his behavior stimulates other individuals or is itself a reaction to their behavior, and which describes the consciousness of social objects and social reactions.“ (F.H. ALLPORT 1924, 12) „With few exceptions, social psychologists regard their discipline as an attempt to understand and explain how the thoughts, feelings, and behaviors of individuals are influenced by the actual, imagined or implied presence of other human beings. The term „implied presence“ refers to the many activities the individual carries out because of his position (role) in a complex social structure and his membership in a cultural group.“ (G.W. ALLPORT 1954, 5) „Social psychology is a discipline devoted to the systematic study of human interaction.“ (GERGEN & GERGEN 1986, 4) „Die Sozialpsychologie beschreibt und erklärt die Interaktion zwischen Individuen sowie die Ursachen und Wirkungen dieser Interaktionen.“ (HERKNER 1991, 17) „Der Sozialpsychologe untersucht menschliches Verhalten im sozialen Kontext. In dieser Hinsicht unterscheidet sich seine Aufgabe von der desjenigen, der allgemeine Psychologie betreibt; letzterer isoliert oftmals in seiner Betrachtung das Individuum von seiner sozialen Umgebung. Seine Aufgabe unterscheidet sich auch von der eines Soziologen, der oft die Struktur von sozialen Interaktionen getrennt von den handelnden Individuen untersucht.“ (SECORD & BACKMAN 1983, 1) „Die Sozialpsychologie ist diejenige Teildisziplin der Sozialwissenschaften, die die Wechselwirkung innerhalb und zwischen Individual- und Mikrosystem mit Systemen gleicher oder höherer Ordnung zum Gegenstand hat.“ (WITTE 1989, 14) „Die Sozialpsychologie befasst sich mit dem Einfluss, den Menschen auf die Überzeugungen und Verhaltensweisen anderer Menschen ausüben“. (ARONSON 1994, 29) „Sozialpsychologie ist das Studium der Reaktionen des Individuums auf soziale Stimulation“ (BIERHOFF 1993, 9) „Die Sozialpsychologie wird oft definiert als der wissenschaftliche Versuch, zu verstehen und zu erklären, wie Gedanken, Gefühle und Verhaltensweisen von Individuen durch die tatsächliche, vorgestellte oder erschlossene Anwesenheit anderer Menschen beeinflusst wird.“ (JONAS et al. 2007, 31)
Es fällt auf, dass die aufgeführten Definitionen (mit Ausnahme von WITTE) das Verhalten und Erleben des Individuums im Rahmen sozialer Interaktion1 in den Vordergrund rücken. Diese
1
Als Interaktion (im Gegensatz zu Aktion oder Reaktion) wird das wechselseitig aufeinander bezogene Handeln zwischen Individuen verstanden. Insofern ist der Ausdruck Interaktion (genauere Begriffsbestimmung in
10
Kapitel 1 – Gegenstand der Sozialpsychologie
individualistische Perspektive ist zwar vielfach kritisiert und als ideologisch einseitig empfunden worden (z.B. GRAUMANN 1988; SECORD 1986), gleichwohl verkörpert sie den „mainstream“ der gegenwärtigen Sozialpsychologie. Verweigerung einer Definition? Sozialpsychologen haben gelegentlich darauf hingewiesen, dass ihre Wissenschaftsdisziplin nicht systematisch gewachsen, sondern völlig unsystematisch gewuchert sei. So formulieren STROEBE & FREY (1981, 128): „Kein Problem ist so esoterisch, um Sozialpsychologen zu entmutigen, es zu untersuchen“. Und IRLE verweigert eine Definition von Sozialpsychologie; für ihn ist Sozialpsychologie eben dadurch repräsentiert, was Sozialpsychologen so alles treiben: „Was in der Sozialpsychologie betrieben wird, ist durch Theorien definierbar, die derzeit als sozialpsychologische Theorien bezeichnet werden“ (IRLE 1975, 16). In der Tat werden viele Forschungsfelder von Sozialpsychologen erschlossen, und es ist auch auf den zweiten Blick nicht ohne weiteres erkennbar, was die besondere sozialpsychologische Perspektive dabei ausmacht. Daran ändert auch der Zusatz „social“ (etwa bei social cognition, social learning) meist nicht viel, und manchmal drängt sich der Eindruck auf, das Etikett „sozial“ diene lediglich als Feigenblatt, um eine Behandlung im Kontext der Sozialpsychologie zu rechtfertigen (vgl. auch GRAUMANN 1979, 1988). Dies alles hat wenig zu tun mit einer Disziplinierung (im Sinne des Begriffes Wissenschaftsdisziplin), und deshalb werden wir in diesem Buch – auch wenn wir dem „mainstream“ sozialpsychologischer Forschung im wesentlichen folgen – besonders darauf achten, das Etikett „sozial“ zu rechtfertigen und mit Leben zu erfüllen. Im übrigen scheint es mit der Disziplinierung der Sozialpsychologie so schlecht nicht bestellt zu sein, denn die einschlägigen Lehrbuchtexte konvergieren in starkem Maße im Hinblick auf die zentralen „topics“, so dass durchaus von einem mehr oder weniger gemeinsamen Kanon sozialpsychologischer Themenbereiche ausgegangen werden kann. Dies wird insbesondere dann sichtbar, wenn man berücksichtigt, dass gleiche oder ähnliche Themenbereiche unter scheinbar verschiedenen Überschriften abgehandelt werden (z.B. Personenwahrnehmung, soziale Perzeption, soziale Kognition usw.). Versuch einer Objektbestimmung Versuchen wir trotz der genannten Schwierigkeiten eine Definition von Sozialpsychologie anzubieten, so stellen wir in Anknüpfung an die bereits zitierten Vorschläge folgende Objektbestimmung zur Diskussion: Sozialpsychologie befasst sich mit dem Erleben und Handeln von Individuen im sozialen Kontext.
Beschäftigen wir uns zunächst mit Aspekten des Erlebens. Dieser Begriff umfasst alle psychischen Inhalte und Prozesse, die im Organismus des Individuums lokalisiert sind. Insbesondere sind dies Kognitionen (Denken, Wissen, Glauben, Überzeugungen, Zuschreibungen,
Kap. 13) mit dem noch zu erörternden Begriff des sozialen Handelns gleichzusetzen, betont jedoch mehr den Aspekt der Wechselseitigkeit.
Gegenstand der Sozialpsychologie
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Erwartungen etc.) und Emotionen1 (negative und positive Gefühle, Affekte, Stimmungen). Eine typische soziale Kognition ist z.B. das Geschlechtsrollen-Stereotyp. Eine typische soziale Emotion ist z.B. Sympathie für einen Gesprächspartner. Besondere Schwierigkeiten erwachsen der (Sozial-) Psychologie im Zusammenwirken von Emotionen und Kognitionen. Emotionen können Kognitionen stimulieren (z.B. Rechtfertigungsstrategien für Aggressionen); umgekehrt werden Gefühle im Lichte von Kognitionen interpretiert (z.B. die Einstufung eines Gefühls als Angst) oder verändert (z.B. können bestimmte Informationen über eine Person meine Gefühle ihr gegenüber ändern). Befassen wir uns sodann mit Aspekten des Handelns. Viele Sozialwissenschaftler ziehen den Begriff des Handelns dem des Verhaltens vor; der Grund ist, dass der Verhaltensbegriff im Rahmen des Behaviorismus im Sinne eines passiven/rezeptiven Reagierens reduziert worden ist. Andererseits ist auch der Handlungsbegriff durch verschiedene Vorannahmen (etwa im Rahmen sog. Handlungstheorien) vorbelastet (z.B. durch die Annahme, Handeln sei immer sinnhaft, zielgerichtet, willentlich, bewusst, kognitiv gesteuert). Es scheint uns nützlich, den Begriff des Handelns zunächst von solchen Zusatzkomponenten freizuhalten, denn anders wäre es beispielsweise nicht sinnvoll, den Grad der kognitiven Beteiligung oder das Ausmaß der Zielorientierung einer Handlung als Variable im empirischen Forschungsprozess einzuführen. Insofern ist u.E. auch nichts dagegen einzuwenden, den Begriff des Verhaltens dann synonym für Handeln zu gebrauchen, sofern man sicherstellt, dass es hier nicht lediglich um Reaktionen auf soziale Stimuli geht, sondern auch um aktive Einflussnahme auf äußere Umweltbedingungen. Andererseits spricht auch einiges dafür, die Begriffsdifferenzierung akzentuierend beizubehalten.2 Fragen wir schließlich, was genau unter sozialem Kontext verstanden werden kann. Dies könnten zunächst konkrete Personen sein, mit denen man in Interaktion steht (z.B. der Lebenspartner, der Vorgesetzte) oder aber konkrete Gruppen, denen man angehört (z.B. die Familie, die Arbeitsgruppe) oder angehören möchte (z.B. ein Club, der Vorstand einer Partei). Auch „abstrakte Andere“ oder „vorgestellte Andere“ (die „Gesellschaft“) gehören in diesen sozialen Kontext („man tut dies nicht“). Jedoch nicht nur Personen oder Personenmehrheiten definieren diesen Kontext zur Gänze; auch soziale Strukturen bieten Zwänge und Orientierungspunkte des Handelns zugleich: Hierarchien, soziale Netzwerke, soziale Ungleichheiten, institutionalisierte Rollenerwartungen usw. Das gleiche gilt für soziale Wertsysteme: kulturelle Regelungen, gesellschaftliche Zielvorstellungen und Wünsche, Ideologien, gesellschaftlich etablierte Urteilsschemata (z.B. soziale Vorurteile); auch sie gehören zu den sozialen Rahmenbedingungen, in die das Erleben und Handeln von Individuen eingebettet ist. Ähnlich sehen dies SHERIF & SHERIF (1969, 15) in ihrer Klassifikation sozialer Stimuli; sie unterscheiden folgende Stimuli-Klassen:
1
2
Die Dominanz der kognitiven Perspektive in der Sozialpsychologie hat die emotionalen Aspekte des Erlebens vernachlässigt. Man spricht auch von einer „Verkopfung“ des Gegenstandsbereichs der Sozialpsychologie. Vgl. auch GROEBEN (1986), der zwischen Handeln, Tun und Verhalten unterscheidet. Die Begriffe sind allerdings in ein Kontinuum eingebettet.
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Kapitel 1 – Gegenstand der Sozialpsychologie
I. Andere Menschen A. Andere Individuen B. Gruppen ♦ Beziehungen innerhalb von Gruppen ♦ Beziehungen zwischen Gruppen C. Kollektive Interaktionen zwischen Gruppen II. Elemente der kulturellen Umgebung: Produkte der Interaktionen zwischen Menschen in der Vergangenheit oder Zukunft D. Materielle Kultur E. Immaterielle Kultur Soziales Handeln In der Soziologie und auch in der Sozialpsychologie ist es üblich, von sozialem Handeln zu sprechen. Fragt man Laien oder Studienanfänger, was sie unter sozialem Handeln verstehen, kann man die eigenartigsten Antworten hören1. Anhand solcher Äußerungen kann man nachvollziehen, dass der Begriff des sozialen Handelns zunächst Assoziationen zu sozial fürsorglichem Verhalten weckt: helfen, unterstützen, an andere denken, altruistisch (statt egoistisch) zu sein. Auch solches Verhalten (z.B. Hilfeleistung, Altruismus) ist Gegenstand sozialpsychologischer Forschung; allerdings handelt es sich hier lediglich um eine Teilklasse sozialen Handelns, die Sozialpsychologen üblicherweise als pro-soziales Verhalten bezeichnen. Der wissenschaftliche Gebrauch des Begriffes „soziales Handeln“ bezieht sich auf die Orientierung des Handelns an sozialen Objekten. Dabei ist es zunächst nützlich, soziales Handeln von instrumentellem Handeln abzugrenzen2. Instrumentell ist insbesondere das Arbeitsverhalten (Wie schlage ich einen Nagel in die Wand? Wie kann man einen Bürostuhl nach ergonomischen Gesichtspunkten zweckmäßig gestalten?). Soziales Handeln hingegen – folgen wir Max WEBERs berühmter Formulierung – „soll ein solches Handeln heißen, welches seinem von dem oder den Handelnden gemeinten Sinn nach auf das Verhalten anderer bezogen wird und daran in seinem Ablauf orientiert ist“ (WEBER 1922, 1980, 1). Soziales Verhalten orientiert sich demnach an Bezugspersonen und Bezugsgruppen und schließt dabei die mutmaßlichen Reaktionen signifikanter Anderer mit ein. So ist z.B. eine Anweisung des Vorgesetzten an seinen Mitarbeiter ebenso auf das Verhalten Anderer hin orientiert, wie auch eine – äußerlich vielleicht sehr solistisch wirkende – Kaufentscheidung, die die mutmaßlichen Reak-
1
J. BACHER (Wien) erhielt die nachfolgenden Umschreibungen sozialen Handelns von Studienanfängern zu
Beginn einer soziologischen Vorlesung (persönliche Mitteilung): - jemandem eine gute Tat tun; - fürsorglich sein; - Handeln in Gemeinschaft; - gemeinsames Problemlösen; - niemand soll durch das soziale Netz fallen; - Kritik an der Gesellschaft, da diese unsozial ist; - der Allgemeinheit nicht schaden; - das Gegenteil von egoistischem Handeln; - Beseitigung von Benachteiligungen. 2 HABERMAS (1981) spricht von kommunikativem Handeln im Gegensatz zu instrumentellem Handeln.
Gegenstand der Sozialpsychologie
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tionen der sozialen Umwelt (Reaktion der Ehefrau, des Nachbarn, der Arbeitskollegen) mit impliziert und sich – zumindest zum Teil – daran ausrichtet. Soziales Handeln könnte jedoch auch in anderer Weise verstanden werden. Hier geht es weniger um die Tatsache, dass Handeln an sozialen Objekten orientiert ist, sondern dass unser Handeln (Verhalten) durch soziale Prozesse geformt wurde. In dieser Hinsicht ist es wirklich schwierig, soziales Verhalten von nicht-sozialem Verhalten abzugrenzen; zu letzterem wären etwa bloße Reflexe, triebdurchbrüchiges Verhalten, instinktgeprägte Verhaltensweisen (soweit sie beim Menschen noch auffindbar sind) zu zählen. Die weitaus meisten unserer Verhaltensweisen werden bereits durch frühkindliche Sozialisationsprozesse geprägt, und auch möglicherweise genetisch bedingte Vorgaben (Prädispositionen) werden durch Lernvorgänge realisiert und kanalisiert. Sieht man den Begriff des sozialen Handelns in dieser Perspektive, so ist davon auszugehen, dass nahezu alle Verhaltensweisen – zumal die komplexeren – im sozialen Kontext durch verschiedenartige Sozialisationsprozesse im Lebensablauf ausgeformt werden. Ein Verweis auf die Caspar-Hauser-Berichte mag dies verdeutlichen. Dieser Doppelcharakter des sozialen Handelns findet sich auch in verschiedenen speziellen Gegenstandsbereichen sozialpsychologischer Forschung. So verstehen wir beispielsweise unter sozialer Wahrnehmung die Wahrnehmung sozialer Objekte (Personen, Gruppen), andererseits reflektiert dieser Begriff auch den Umstand, dass Wahrnehmungsprozesse sozial geprägt und sozial vermittelt werden. Auch hier werden wir auf Lernprozesse im Verlauf der Sozialisation verwiesen, die vor dem Hintergrund kulturell geprägter Wahrnehmungsmuster stattfinden. Einige Abgrenzungsfragen Sehr viele Sozialwissenschaften (z.B. die Anthropologie, die Ökonomie, die Psychologie, die Soziologie) befassen sich ebenfalls mit dem menschlichen Verhalten, aber jede tut dies unter ganz bestimmter Perspektive. Die Ökonomie interessiert sich meist für rationales Verhalten und verfolgt damit oft eine formallogische Analyse: Sie ist insoweit vielfach ein spezieller Anwendungsfall der Entscheidungslogik, intendiert also weniger deskriptive als vielmehr normative (präskriptive) Forschung. Zur deskriptiven Analyse ist das Studium rationalen Verhaltens nur begrenzt tauglich (vgl. WISWEDE 2007; KIRCHLER 2003; FISCHER & MÜLLER 1996 a,b). Allerdings finden sich in der (Sozial-)Psychologie etliche Konzepte, die eine enge Verwandtschaft mit dem ökonomischen Ansatz aufweisen (z.B. die sog. Wert-ErwartungsTheorien oder Theorien sozialen Austauschs). Die Psychologie befasst sich generell mit dem Verhalten und Erleben des Menschen, unabhängig davon, ob dies innerhalb eines sozialen Kontextes stattfindet oder nicht. Nun ist es schwierig, so etwas wie „Individualpsychologie“1 als möglichen Gegensatz zur „Sozialpsychologie“ zu konzipieren, da gezeigt werden kann, dass unser Leben und Handeln eigentlich immer auch von sozialen Bezügen geformt ist. Lediglich beim Studium von Grundbedürfnissen oder Emotionen oder bei der Verfolgung psychischer Prozesse und ihrer physiologischen Korrelate sind Bereiche erkennbar, die nichts oder wenig mit sozialen Komponenten zu tun haben. Aber selbst Triebtheorien (etwa das Studium des Sexualtriebes oder des Geltungstriebes) sind ohne soziale Bezugspunkte nicht sinnvoll nachzuvollziehen. Auch im Rahmen der Persönlichkeitspsychologie (differentielle Psychologie) – sonst häufig als Gegen1
Der Begriff „Individualpsychologie“ wird heute praktisch ausschließlich für die Lehre A. ADLERs verwendet.
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Kapitel 1 – Gegenstand der Sozialpsychologie
instanz zur Sozialpsychologie verstanden – kann die Analyse von Persönlichkeitszügen (z.B. Ängstlichkeit, Dominanz, Extraversion) soziale Bezüge nicht ausblenden. Wir kommen also zum Ergebnis, dass sich die Sozialpsychologie von der allgemeinen Psychologie nur schwer abgrenzen lässt1, sofern man die soziale Formung menschlichen Verhaltens und Erlebens im Auge behält. Die Soziologie versteht sich im Allgemeinen als Wissenschaft vom sozialen Handeln einerseits und sozialer Strukturen andererseits (vgl. WISWEDE 1998, 2004; die abgrenzende Definition von SECORD & BACKMAN 1983, unsere Auswahl der Definitionen von Sozialpsychologie), sowie von den besonderen Beziehungen zwischen Handeln und Struktur. Beim Studium sozialen Handelns ist der soziologische Erkenntnisbereich mit dem der Sozialpsychologie fast deckungsgleich; allerdings setzt die Soziologie hier andere Akzente. Zum einen interessieren den Soziologen eher die sozialstrukturellen Hintergründe sozialen Verhaltens (z.B. Schichtzugehörigkeit, soziales Milieu); zum anderen versuchen Soziologen, das Entstehen sozialer Strukturen (z.B. Organisationsstrukturen, Macht- und Herrschaftsstrukturen, soziale Netzwerke) als Resultat intendierten sozialen Handelns sowie nicht intendierter Konsequenzen sozialen Handelns zu verstehen. Anders formuliert: Strukturen wirken auf das individuelle Handeln im Sinne objektiver Vorgaben ein; andererseits werden soziale Strukturen durch individuelles Handeln produziert. Man bezeichnet dies gelegentlich als den Dualismus sozialer Strukturen (GIDDENS 1988). Die Analyse sozialen Handelns muss freilich auch auf ihre psychologischen Hintergründe hin ausgelotet werden. Dabei haben in der Entwicklung der Soziologie verschiedene Paradigmen eine besondere Rolle gespielt: etwa die (strukturfunktionalistische) Rollentheorie (vgl. Kap. 15), der symbolische Interaktionismus (vgl. Kap. 13 und 15) sowie der Rational Choice-Ansatz (der dem oben skizzierten ökonomischen Ansatz entspricht). Vielleicht wäre die Soziologie besser beraten gewesen, sich eher auf ihre eigene Tochterdisziplin, nämlich die Sozialpsychologie zu stützen und deren vergleichsweise hohen empirischen und theoretischen Entwicklungsstand zu nutzen. So gibt es mittlerweile eine Vielzahl gut bestätigter sozialpsychologischer Theorien von hoher soziologischer Relevanz (z.B. die Reaktanztheorie, die Theorie der sozialen Identität, die Theorie sozialer Vergleichsprozesse), die jedoch von Soziologen – von wenigen Ausnahmen abgesehen – kaum zur Kenntnis genommen werden (vgl. kritisch zum Verhältnis beider Disziplinen: WISWEDE 2004). Schließlich wäre noch das Verhältnis der Sozialpsychologie zu verschiedenen Varianten anthropologischer Forschung2, insbesondere zur Ethologie bzw. Sozio-Biologie zu klären. Während die amerikanische „cultural anthropology“ die Plastizität und Relativität kulturgeprägter Verhaltensmuster betont, geht die Ethologie von gewissen genetisch determinierten Handlungsmustern aus. Dieses phylogenetisch erworbene Arsenal ist – bis auf Mutationssprünge – allen Mitgliedern einer Art gemeinsam und durch Selektionsdruck der natürlichen Umwelt entstanden; es erfüllt die Funktion der Anpassung an die Umwelt und führt zur Erhaltung der
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Dass manche Bereiche (z.B. die klinische Psychologie, die Entwicklungspsychologie) institutionell deutlich von der Sozialpsychologie abgesondert sind, steht auf einem anderen Blatt. 2 Die Anthropologie tritt als „Natur-Anthropologie“ wiederum in verschiedenen Varianten auf, z.B. als Ethologie (eine Sparte der Verhaltensbiologie) im Sinne von LORENZ, oder als Sozio-Biologie (bzw. Psycho-Biologie) im Sinne von WILSON (1975). Davon abzugrenzen ist die sog. „cultural anthropology“ der US-amerikanischen Tradition (z.B. LINTON 1945). Wiederum abzuheben ist die „Philosophische Anthropologie“ (z.B. GEHLEN 1976), die die Wesensunterschiede zwischen Mensch und Tier zum Gegenstand hat.
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Arten (LORENZ 1961) bzw. – nach neuerer Auffassung – zur optimalen Weitergabe der Gene (DAWKINS 1994). Gelingt einer auf den Menschen bezogene Verhaltensbiologie (Human-Ethologie) der empirische Nachweis genetischer Determinierung des menschlichen Verhaltens in bestimmten Bereichen – wie z.B. durch bestimmte Vorgaben (Prädispositionen) –, so kann die Sozialpsychologie diese empirisch und theoretisch nicht vernachlässigen. Insbesondere gilt dies für die neueren Befunde der sog. evolutionären Psychologie (BUSS 1994, 2004, 2005; COSMIDES & TOOBY 1994). Diese versteht sich als neues Paradigma für verschiedene Teildisziplinen und Forschungsprogramme der Psychologie und behauptet, dass die in der Evolution entstandene Architektur der menschlichen Psyche keineswegs aus bereichsunspezifischen AllzweckMechanismen bestehe, sondern dass sich zur Bewältigung zahlreicher Anpassungsprobleme durch natürliche Selektion verschiedene bereichsspezifische evolutionäre psychische Mechanismen herausgebildet haben, die einen besonderen Anpassungsvorteil bewirkt hätten. Diese Mechanismen seien in menschlichen Wahrnehmungs- und Denkstrukturen ebenso nachweisbar wie im Bereich der Instinkte und Emotionen. Im wesentlichen geht es dabei um die alte Streitfrage „Anlage vs. Umwelt“, die in verschiedenen sozialpsychologischen Kontexten auch in diesem Buch immer wieder auftritt, z.B. ♦ beim Thema Lernen und Sozialisation: Wie weit erstreckt sich der Umkreis lernbaren Verhaltens? (vgl. Kap. 5); ♦ beim Studium der Motivation, z.B. sog. primärer Motivation (vgl. Kap. 6); ♦ bei der Analyse spezifischer Motive, etwa bei genetisch begründeten Wurzeln des Altruismus oder bei biologisch entstandenen Potentialen der Aggression (vgl. Kap. 6); ♦ bei der Erforschung der Funktion von Gefühlen, insbesondere im Zusammenhang mit so genannten Basis-Emotionen (vgl. Kap.7); ♦ bei der Geschlechterdifferenzierung: Welche Aspekte weiblichen und männlichen Rollenverhaltens sind biologisch-genetisch begründbar (wenngleich möglicherweise sozialkulturell überformt)? (vgl. Kap. 15); ♦ beim Studium egoistischen vs. kooperativen Verhaltens könnte die Evolution der Kooperation (auch) biologischen Ursprungs sein (vgl. Kap. 19); ♦ beim Studium kultureller Universalien (z.B. Inzest-Tabu) oder universaler Problemstellungen (z.B. Überleben von Sozialverbänden), für die es möglicherweise unterschiedliche funktionale Äquivalente gibt. Die hier zuletzt angeschnittenen Abgrenzungsfragen zur allgemeinen Psychologie, zur Ökonomie, zur Soziologie und zur Ethologie sollten hier nicht dazu führen, ein überholtes Revierdenken zu revitalisieren. Die genannten Forschungsbereiche sind nämlich schon durch ihren Gegenstandsbezug – das sozial geformte und sozial orientierte Verhalten – miteinander verschränkt. Dies zeigt sich am ehesten bei problembezogener Forschung, bei der ein interdisziplinäres Vorgehen einzig sinnvoll erscheint. Abschottungstendenzen, wie sie für die gegenwärtige soziologische und sozialpsychologische Forschung in Deutschland charakteristisch zu sein scheinen, sind für den Forschungsfortschritt eher dysfunktional.
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Entwicklungslinien der Sozialpsychologie
2.1
Zur Geschichte der Sozialpsychologie
Ziele dieser historischen Darstellung Historische Darstellungen einer Wissenschaftsdisziplin können recht unterschiedliche Ziele verfolgen. Sie können beispielsweise der Rechtfertigung des bislang erreichten Erkenntnisniveaus oder zur Erklärung einer bestimmten inhaltlichen Ausrichtung, die möglicherweise mehr oder minder zufällige historische Hintergründe hat, dienen. Meist werden sie auch dazu benutzt, die jeweilige „Identität“ eines Faches zu begründen, in der „Heroen“ der jeweiligen Forschungsgeschichte zitiert und ihre Verdienste um die Entwicklung des Fachs in dem Sinne gewürdigt werden, wie dieses Fach von dem jeweiligen Autor oder der gegenwärtigen scientfic community definiert wird (vgl. GRAUMANN 1997). Für die folgende Darstellung beschränken wir uns bewusst auf das Ziel, die Arbeiten der zahlreichen Autoren, die in den späteren Kapiteln dargestellt werden, als Träger bestimmter Forschungstraditionen erkennbar werden zu lassen, deren Fragestellungen in recht unterschiedlichen, aber innerhalb der jeweiligen Tradition durchaus systematisierbaren Denktraditionen wurzeln. Für ein eingehenderes Studium der Geschichte der Sozialpsychologie empfehlen wir ANGER (1979), LÜCK (1996b; LÜCK & MILLER 2002), GRAUMANN (1997) und STROEBE et al. (2007). Individuozentrische und soziozentrische Forschung bilden die beiden Hauptstränge der Sozialpsychologie. GRAUMANN (1997) spricht im gleichen Sinne von einer eher psychologisch orientierten und einer mehr soziologisch orientierten Sozialpsychologie. Die beiden inhaltlichen Hauptkapitel dieses Buches folgen im wesentlichen dieser Aufteilung. Zugänge zur Geschichte der Sozialpsychologie Die Geschichte der Sozialpsychologie lässt sich anhand ♦ ♦ ♦ ♦
wichtiger Forscherpersönlichkeiten, einflussreicher Forschungsparadigmen/-konzepte, wichtiger Forschungsprobleme auf der Gegenstandsebene oder aber als Methodengeschichte der empirischen Erhebungs- und Auswertungsmethoden darstellen.
Jedes dieser einzelnen Elemente wies in der Forschungsgeschichte unterschiedlich dynamische Phasen auf, beeinflusste die anderen Elemente oder wurde von diesen seinerseits angeregt. In Abhängigkeit von solchen Phasen förderten einerseits theoretische Konzepte (z.B. Dissonanztheorie) bestimmte Methoden (hier: das sozialpsychologische Experiment). Ande-
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Kapitel 2 – Entwicklungslinien der Sozialpsychologie
rerseits förderte die Entwicklung von Skalierungsverfahren die Einstellungsforschung etc. Im Prinzip kann man sich alle diese Elemente in gegenseitiger Abhängigkeit vorstellen. Wir werden im Folgenden allerdings nur einige dieser Verknüpfungen darstellen, die sich in der Geschichte der Sozialpsychologie als besonders wichtig herausgestellt haben. Die „lange Vergangenheit“ der Sozialpsychologie Die Frage nach den Anfängen einer wissenschaftlichen Disziplin ist notwendigerweise in hohem Maße willkürlich, weil die Aktivitäten des Menschen schon in den frühesten Stadien seiner Entwicklung auf die Lösung von Problemen gerichtet waren, die in der einen oder anderen Form heutzutage zu unterschiedlichen Wissenschaftsdisziplinen gehören. Seit EBBINGHAUS (1908) ist es deshalb üblich geworden, im Hinblick auf psychologische Forschung von einer „langen Vergangenheit“ und einer „kurzen Geschichte“ zu sprechen. Abhandlungen der Geschichte der Psychologie beginnen üblicherweise erst mit der Ablösung der Psychologie von der Philosophie und der expliziten Formulierung psychologischer Hypothesen im Laufe des 19. Jahrhunderts (z.B. FECHNER 1801 – 1877). Aus der langen Vergangenheit sind sicher solche Denktraditionen von Interesse, die auch heute noch sozialpsychologisches Denken und sozialpsychologische Forschung in grundlegender Weise bestimmen. GRAUMANN (1996) verweist in diesem Zusammenhang auf die antiken Wurzeln abendländischen Denkens. PLATON hatte in seinen Werken „Der Staat“ und „Gesetze“ der Funktionsfähigkeit des Gemeinwesens Vorrang eingeräumt gegenüber der Entwicklung völlig individueller Präferenzen. Der ideale Staat sollte nach dem Plan und Willen des Weisen gestaltet werden. Das (staatlich bestimmte) Erziehungswesen und die gesellschaftlichen Strukturen sollten so beschaffen sein, dass sich die Menschen in optimaler Weise in den „idealen Staat“ einfügen. Der Einfluss der Familie sei nach Möglichkeit zu reduzieren, da sie den staatlichen Erziehungseinfluss mindere; Vermögensunterschiede seien abzuschaffen und sogar die Partnerwahl solle unter eugenischen Aspekten beeinflusst werden. PLATONS Interesse galt also der Frage, wie die Umwelt (hier insbesondere der Staat) auf das Individuum Einfluss nehmen kann und soll, um ein ideales Zusammenleben zu ermöglichen. Insoweit sind PLATONS Arbeiten präskriptiv. Man könnte dementsprechend PLATONs grundlegendes Verständnis menschlichen Handelns mit heutigen Begriffen formulieren als: Verhalten = f (soziales Umfeld). Der Mensch wird also vorwiegend als durch situative Faktoren bestimmt angesehen. Dieser Ansatz wird entweder als soziozentriert oder auch häufig als situativ bezeichnet. Gegenüber diesem soziozentrierten Ansatz kann man bei ARISTOTELES einen individuozentrierten Ansatz erkennen. Für ARISTOTELES ist nämlich der Mensch von Natur aus sozial und muss nicht erst durch Vorgaben des Staates dazu angehalten werden. Der Philosoph vertraute darauf, dass die Natur die einzelnen Menschen zum Zusammenleben befähigt, indem mehr oder minder natürlicherweise Beziehungen in Familien, Sippen, Stämmen und schließlich im Staat entwickelt wurden. Man kann hier entsprechend die Formel bilden: Verhalten = f (persönliche Faktoren). Auch heute lässt sich in der Sozialpsychologie eine ähnliche Dichotomie feststellen, da es einerseits eine primär individuumzentrierte Sozialpsychologie gibt, die institutionell vor allem im psychologischen Fachbereich beheimatet ist und primär individuelle, insbesondere kognitive Phänomene untersucht. Hierzu gehören insbesondere die Themen der Lerntheorie (zumindest zum größten Teil), der kognitiven Theorien (Dissonanztheorie, Theorien der Informa-
Zur Geschichte der Sozialpsychologie
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tionsverarbeitung, teilweise auch die Attributionstheorie etc.), das Einstellungskonzept, implizite Persönlichkeitstheorien etc. Demgegenüber stehen die eher soziozentrierten Forschungen, die insbesondere Gruppenphänomene analysieren bzw. die das Individuum im sozialen Kontext betrachten. Hierzu zählen die Wirkungen von Rollenstrukturen, Organisations- und Gruppenstrukturen, die ökologische Psychologie etc. In der neueren Theorieentwicklung haben sich die Konzepte als besonders tragfähig erwiesen, die im Sinne der von LEWIN (1963) verwendeten Formel: Verhalten = f (Person, Umwelt) relevante Faktoren sowohl der Person wie auch der Umwelt integrieren (z.B. AJZEN 1988). In Weiterführung dieses Ansatzes wäre zusätzlich zu problematisieren, wie Menschen ihrerseits intentional auf ihre Umwelt einwirken. Dies ist ein spezifisch handlungstheoretischer Ansatz, der den Menschen nicht nur als reagierendes, sondern als gestaltendes Individuum begreift.
2.2
Elemente des Forschungsprozesses und ihre Geschichte
Eine modelltheoretische Systematik Eine systematische Behandlung des Einflusses der verschiedenen Elemente eines Forschungsprozesses auf dessen Resultate wird erleichtert durch eine Ordnung dieser Elemente in zwei Dimensionen, der semantischen Dimension (das Abbildungsproblem) und der pragmatischen Dimension (die Relation des Forschers zum Forschungsgegenstand). Die semantische Dimension bezeichnet die Relation der wissenschaftlichen Abbildung (Modellierung) des tatsächlichen Gegenstandsbereiches durch den empirischen Prozess. Dieser Forschungsprozess wird also als Abbildungsprozess verstanden, an dessen Ende ein Modell von Wirklichkeit steht. Dabei ist zu beachten, dass jedes Medium, das man zur Abbildung verwendet, diese Wirklichkeit in häufig wenig beachteter Weise verändert. Gegenstand und Methoden der Analyse befinden sich also in einem gegenseitigen Bedingungsverhältnis. Man kann hier von den modellbildenden Wirkungen der empirischen Abbildungssysteme sprechen (siehe hierzu vertiefend STACHOWIAK 1973; GIGERENZER 1981). In der folgenden beispielhaften Darstellung (Abb. 2-1) ist der empirische Abbildungsprozess lediglich auf zwei wichtige Stufen reduziert. Es geht bei diesem Beispiel um die Frage, wie die Arbeitsleistung von Mitarbeitern eines Betriebes (Gegenstandsbereich) gemessen werden soll. Als Erhebungsverfahren (empirisches System) stehen unterschiedliche Vorgehensweisen zur Verfügung, die zwar dasselbe messen sollen, tatsächlich aber nur Teilmengen (und zudem jeweils nicht notwendig identische Teilmengen) des Gegenstandsbereiches abzubilden in der Lage sind. Selbstberichte sind häufig im Sinne von Selbstwertdienlichkeit verzerrt, Vorgesetzte sehen nur Ausschnitte des Leistungsverhaltens ihrer Mitarbeiter und manche kreativen Leistungen entziehen sich dem ermüdeten Auge des Beobachters. Ähnliche Abweichungen kann auch die Verwendung unterschiedlicher Auswertungs- und Berichtsverfahren mit sich bringen. So ist die verbale Darstellung gegenüber einer mathematischen Formulierung flexibler und besser zur Beschreibung komplexer Zusammenhänge geeignet, weist dafür aber starke Defizite in der Präzision auf. Über die Vorzüge und Nachteile von verbalen oder numerischen Darstellungsverfahren in den Sozialwissenschaften gibt es eine ausgedehnte Literatur, die hier
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Kapitel 2 – Entwicklungslinien der Sozialpsychologie
nicht im Detail besprochen werden kann (zur Problematik numerischer Abbildungen vgl. insbesondere GIGERENZER 1981). '?:0-5477E74?&
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