125 77 5MB
German Pages 204 [200] Year 2024
Martin Poppe
Grundkurs Theoretische Elektrotechnik Q, E und B begründen alles 2. Auflage
Grundkurs Theoretische Elektrotechnik
Martin Poppe
Grundkurs Theoretische Elektrotechnik Q, E und B begründen alles 2. Auflage
Martin Poppe FB Elektrotechnik und Informatik Fachhochschule Münster Steinfurt, Deutschland
ISBN 978-3-662-68630-0 ISBN 978-3-662-68631-7 (eBook) https://doi.org/10.1007/978-3-662-68631-7 Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über https://portal.dnb.de abrufbar. © Springer-Verlag GmbH Deutschland, ein Teil von Springer Nature 2020, 2024 Das Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung, die nicht ausdrücklich vom Urheberrechtsgesetz zugelassen ist, bedarf der vorherigen Zustimmung des Verlags. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Bearbeitungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen. Die Wiedergabe von allgemein beschreibenden Bezeichnungen, Marken, Unternehmensnamen etc. in diesem Werk bedeutet nicht, dass diese frei durch jedermann benutzt werden dürfen. Die Berechtigung zur Benutzung unterliegt, auch ohne gesonderten Hinweis hierzu, den Regeln des Markenrechts. Die Rechte des jeweiligen Zeicheninhabers sind zu beachten. Der Verlag, die Autoren und die Herausgeber gehen davon aus, dass die Angaben und Informationen in diesem Werk zum Zeitpunkt der Veröffentlichung vollständig und korrekt sind. Weder der Verlag noch die Autoren oder die Herausgeber übernehmen, ausdrücklich oder implizit, Gewähr für den Inhalt des Werkes, etwaige Fehler oder Äußerungen. Der Verlag bleibt im Hinblick auf geografische Zuordnungen und Gebietsbezeichnungen in veröffentlichten Karten und Institutionsadressen neutral. Planung\Lektorat: Michael Kottusch Springer Vieweg ist ein Imprint der eingetragenen Gesellschaft Springer-Verlag GmbH, DE und ist ein Teil von Springer Nature. Die Anschrift der Gesellschaft ist: Heidelberger Platz 3, 14197 Berlin, Germany Das Papier dieses Produkts ist recycelbar.
Vorwort
Die Sprache der Wahrheit ist einfach (Euripides)
Ein Theroriebuch sollte trocken, abstrakt und möglichst schwer zu verstehen sein. Es sollte dem Leser in Ehrfurcht vor den intellektuellen Giganten unter den Altvorderen (und vor den Buchautoren!) seine Beschränktheit vor Augen führen. Oder? Dieses Buch soll Ihnen helfen, sich auf neue, unbekannte Fragestellungen einzulassen, neue Techniken mitzuentwickeln und neue Produkte zu erdenken. Dazu brauchen Sie ein vertieftes Verständnis des theoretischen Unterbaus der Elektrotechnik. Denn erst aus diesem Verständnis und dem Wissen um die eigene Fähigkeit, es zu nutzen, erwächst jenes Selbstbewusstsein, welches ein Mensch braucht, um wirklich Neues anzupacken. Der gerade Weg führt am schnellsten zum Verständnis Dieses Buch soll Sie auf dem kürzesten Weg zu einem grundlegenden Verständnis der theoretischen Elektrotechnik führen. Dies ist möglich, weil deren physikalische Grundlage, die Elektrodynamik, vollständig auf einer sehr kleinen Anzahl von Größen beruht: 1. einer einzigen, Ladung Q genannten Eigenschaft der Materie und 2. dem elektrischen Kraftfeld .E und dem magnetischen Kraftfeld .B nebst deren Kopplungskonstanten .ε0 und .μ0 . Deren Beziehungen untereinander werden durch die Coulomb-Kraft, die LorentzKraft und durch die Maxwell’schen Gleichungen vollständig beschrieben. Darauf baut alles auf – in der theoretischen Elektrotechnik und in diesem Buch. Die Darstellung soll Albert Einsteins Forderung nach Einfachheit und V
VI
Vorwort
absoluter Kompromisslosigkeit folgen: „Vornehmstes Ziel aller Theorie ist es, jene irreduziblen Grundelemente so einfach und so wenig zahlreich als möglich zu machen, ohne auf die zutreffende Darstellung irgendwelcher Erfahrungsinhalte verzichten zu müssen.“ Die theoretische Elektrotechnik findet ihren Zweck in der Anwendung Ein Thema gilt in diesem Buch erst dann als abgehandelt, wenn der Bezug zur Anwendung hergestellt worden ist. Die Anwendung wird sowohl in Form von Beispielen als auch in Frage- und Aufgabenform behandelt. In dieser zweiten Auflage sind noch einmal sieben Übungsaufgaben und fünf Anwendungsbeispiele dazugekommen. So hat der Leser die laufende Kontrolle des eigenen Lernfortschritts. Denn dieser Satz gilt vorwärts wie rückwärts: „Wer etwas verstanden hat, der kann es auch anwenden.“ Jeder Leser wird Tage haben, an denen er seine eigene Höchstleistung nicht erreicht. Erscheint an einem solchen eine Aufgabe in diesem Buch unlösbar, so sollte dies nicht Anlass für Depressionen sein. Es sei vielmehr Motivation, die mitgelieferten Lösungswege als ergänzenden Lehrstoff zur Vertiefung des Verständnisses zu erkennen. Was die Natur vereint hat, soll der Ingenieur nicht trennen Eine zentrale Frage in modernen Theorien ist die nach der Unterscheidbarkeit. In der Quantenmechanik spielt gerade deren Verneinung eine zentrale Rolle: Für das Verständnis des Pauli-Prinzips, der gesamten Quantenstatistik und Phänomenen wie der Supraleitung ist das Konzept grundsätzlich ununterscheidbarer Anteile eine unabdingbare Voraussetzung. Nach der Lektüre dieses Buches wird Ihnen klar sein, dass im Verständnis der klassischen Elektrotechnik die Ununterscheidbarkeit von Feldanteilen eine ähnlich zentrale Rolle spielt. Denn Ihr Erkennen lässt Vieles in anderem Licht erscheinen: Fragen wie „Was verschiebt eigentlich der Verschiebungsstrom?“, „Was erregt die magnetische Erregung im Vakuum?“ oder gar „Wie findet man die Pole im H-Feld“ werden nicht beantwortet, sondern (besser!) sie lösen sich vollständig in Luft auf. Und die korrekte Antwort auf die Frage, wie viele Maxwell’sche Gleichungen es gibt, ist am Ende ganz selbstverständlich „im Allgemeinen vier, aber in Anwesenheit von Materie sechs“. Viel Erfolg wünscht Ihnen Steinfurt, Deutschland den 01.12.2023
Martin Poppe
Dank
Mein erster Dank gilt dem durch Frau Eva Hestermann und Herrn Michael Kottusch vertretenen Springer Verlag. Erst durch ihre Unterstützung wurde das Buch ermöglicht. Dankbar bin ich auch den Kollegen Andreas Böker, Ralf Hinterding, Rainer Nix und Ulrich Wittrock für hilfreiche Anmerkungen zum Text. Wenn dieser zweiten Auflage diverse Flüchtigkeitsfehler und missverständliche Formulierungen aus der ersten Auflage abhandengekommen sind, so ist dies in erster Linie Eric Baaks Verdienst. Er hat das gesamte Buch durchgearbeitet und wertvolle Korrekturvorschläge gemacht. Dieses Buch wäre nicht geschrieben worden, hätten mich Ulrike, Christian und Johannes in der Zeit des Schreibens nicht so freundlich unterstützt.
VII
Inhaltsverzeichnis
1
Einführung: Die klassische Elektrodynamik in der modernen Welt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1.1 Wovon dieses Buch handelt: Ladung und Felder . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1.2 Einige Ergebnisse aus der Grundlagenforschung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1.3 Die grundlegenden Annahmen der Elektrodynamik . . . . . . . . . . . . . . . . . 1.4 Kontrollfragen und Aufgaben zum 1. Kapitel . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1.5 Antworten und Lösungen zum 1. Kapitel . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Literaturverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
1 1 2 8 10 11 13
2
Ladung und Strom . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.1 Strom und die Erhaltung der Ladung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.2 Strom und das Ohm’sche Gesetz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.3 Kontrollfragen und Aufgaben zum 2. Kapitel . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.4 Antworten und Lösungen zum 2. Kapitel . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Literaturverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
15 15 19 25 27 31
3
Die Maxwell’schen Gleichungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3.1 Die Maxwell’schen Gleichungen in differenzieller Form . . . . . . . . . . . . 3.2 Felder in Materie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3.3 Die integralen Feldgleichungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3.4 Brechung von Feldlinien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3.5 Kontrollfragen und Aufgaben zum 3. Kapitel . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3.6 Antworten und Lösungen zum 3. Kapitel . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Literaturverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
33 33 35 44 49 51 52 56
IX
X
Inhaltsverzeichnis
4
Erster Spezialfall: statische elektrische Felder . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 57 4.1 Energie und Potenzial . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 57 4.2 Feldberechnung mittels Gauß- und Coulomb-Integralen . . . . . . . . . . . . 65 4.3 Die Gleichungen von Laplace und Poisson . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 68 4.4 Strategien zur Potenzialberechnung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 72 4.5 Elektrische Multipole . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 81 4.6 Kapazitäten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 93 4.7 Kontrollfragen und Aufgaben zum 4. Kapitel . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 97 4.8 Antworten und Lösungen zum 4. Kapitel . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 99 Literaturverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 104
5
Zweiter Spezialfall: statische Magnetfelder . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5.1 Energien im Magnetfeld . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5.2 Das Vektorpotenzial und die Poisson-Gleichung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5.3 Das Gesetz von Biot und Savart . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5.4 Kräfte im Magnetfeld . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5.5 Magnetische Multipole . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5.6 Induktivitäten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5.7 Magnetkreise . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5.8 Kontrollfragen und Aufgaben zum 5. Kapitel . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5.9 Antworten und Lösungen zum 5. Kapitel . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Literaturverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
105 106 111 113 119 125 127 130 132 135 142
6
Einige Eigenschaften zeitabhängiger Felder . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6.1 Elektrodynamik als Eichfeldtheorie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6.2 Wellen an Materialgrenzen: die Begründung der Optik . . . . . . . . . . . . . . 6.3 Energieerhaltung und der Satz von Poynting . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6.4 Vereinfachungen für sich langsam verändernde Felder . . . . . . . . . . . . . . 6.5 Stationäre Leitungstheorie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6.6 Kontrollfragen und Aufgaben zum 6. Kapitel . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6.7 Antworten und Lösungen zum 6. Kapitel . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Literaturverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
143 143 152 161 167 172 179 181 185
7
Ausblick . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 187 Literaturverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 189
Stichwortverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 191
1
Einführung: Die klassische Elektrodynamik in der modernen Welt
Die reinste Form des Wahnsinns ist es, alles beim Alten zu lassen und gleichzeitig zu hoffen, dass sich etwas ändert. (Albert Einstein)
Zusammenfassung
Der klassischen Elektrodynamik liegen im Jahre 2020 die selben Gleichungen zugrunde wie im Jahre 1900. Doch müssen sich deren Darstellung und Interpretation im 21. Jahrhundert in radikaler Weise von alt hergebrachten Vorstellungen lösen. Denn die ursprüngliche Darstellung war eingebettet in ein Weltbild, das kaum Zweifel an der Existenz eines ubiquitären „Äthers“ kannte, das keine Vorstellung von der elektrischen Struktur der Materie hatte und in dem die Ideen der Quanten- und Relativitätstheorie noch nicht existierten. In diesem Kapitel soll, ausgehend von einer Zusammenfassung von Forschungsergebnissen des 20. Jahrhunderts, der Grundstein für eine dem Stand der Wissenschaft entsprechende Darstellung der klassischen Elektrodynamik gelegt werden. Auf den am Ende dieses Kapitels formulierten Hypothesen wird der Rest des Buches aufbauen.
1.1
Wovon dieses Buch handelt: Ladung und Felder
Dieses Buch behandelt eine einzige Eigenschaft der Materie, die Ladung, deren Auswirkung auf den sie umgebenden Raum und das Wirken dieser Veränderung auf geladene Körper. Die Wirkung der Ladung auf den Raum wird mit den Begriffen
© Springer-Verlag GmbH Deutschland, ein Teil von Springer Nature 2024 M. Poppe, Grundkurs Theoretische Elektrotechnik, https://doi.org/10.1007/978-3-662-68631-7_1
1
2
1 Einführung: Die klassische Elektrodynamik in der modernen Welt
elektrisches und magnetisches Feld beschrieben. Die mathematische Beschreibung ihrer Erzeugung und Wirkung heißt Elektrodynamik, ihre Nutzung Elektrotechnik. Beide zusammen bilden die Grundlage der Theoretischen Elektrotechnik. In der Mathematik versteht man unter dem Begriff Feld eine stetige Funktion eines abstrakten Raums. In der klassischen Physik ist dieser Raum in der Regel dreidimensional und wird in Metern gemessen. In diesem Buch soll der Feldbegriff, wann immer möglich, auf solche Größen beschränkt werden, die grundsätzlich messbar sind. Denn alle Naturwissenschaften sind Erfahrungswissenschaften. Ihr Fortschritt basiert auf der Überprüfung von Vorhersagen durch Messungen. Die Eigenschaften grundsätzlich nicht messbarer Felder sind aber nicht falsifizierbar, können also nicht an diesem Fortschritt teilhaben. Und die Erfahrung zeigt, dass Größen, welche sich als nicht messbar erweisen, über kurz oder lang aus den naturwissenschaftlichen Theorien verschwinden. Ein Beispiel ist der „Äther“, ein weiteres ist die „schwere Masse“. Die exklusive Verwendung physikalischer Felder berücksichtigt die im Vorwort zitierte Forderung Einsteins, die in der Theorie benutzten Größen „möglichst wenig zahlreich“ zu halten. Denn diese Strategie war besonders erfolgreich: Sie führte zur Allgemeinen Relativitätstheorie.
1.2
Einige Ergebnisse aus der Grundlagenforschung
Kaum ein einziges elektrotechnisches Gerät funktioniert nach heutigem Verständnis so, wie es sich die Pioniere im 19. Jahrhundert vorgestellt hatten. Die Formeln für Lorentz-Kraft, Coulomb-Kraft und die Maxwell’schen Gleichungen sind geblieben. Ihre Interpretation hat sich im zwanzigsten Jahrhundert radikal verändert. Einige Ergebnisse dieser Veränderungen seien im Folgenden skizziert: .E
und .B gehören zusammen Das folgende Gedankenexperiment erhellt die Tatsache, dass verschiedene Beobachter am gleichen Ort zur gleichen Zeit scheinbar verschiedene Felder wahrnehmen können. Abb. 1.1 zeigt den Weg von Elektronen in einer Vakuumkammer (hier ein Glaskolben), als rosaroter Schein sichtbar durch Stöße mit den Restatomen im Vakuum. Die Kreisbahn der Elektronen wird durch ein von außen angelegtes Magnetfeld erzwungen. Sie entsteht also durch die Lorentz-Kraft .F = Qv × B. Nun stelle man sich vor, ein Raumschiff mit extragalaktischen Wissenschaftlern passiere das Labor mit genau der Geschwindigkeit, mit der die Elektronen sich
1.2 Einige Ergebnisse aus der Grundlagenforschung
3
Abb. 1.1 Gedankenexperiment zur An- und Abwesenheit von Magnetfeldern. Für den irdischen Beobachter werden die Elektronen in dem Vakuumglas durch ein Magnetfeld auf eine Kreisbahn gelenkt. Die Besatzung einer mit der Elektronengeschwindigkeit fliegenden Untertasse wird am Punkt P feststellen, dass am Punkt Q keine Lorentz-Kraft wirkt. (Foto: Marcin Bialek in commons.wikimedia.org)
im Glaskolben bewegen. Wenn sich die Wissenschaftler am Punkt P in Abb. 1.1 genau parallel zu den Elektronen am Punkt Q bewegen, kann für sie dort keine Lorentz-Kraft wirken, denn die Elektronengeschwindigkeit ist für sie gleich null. Mangels Alternativen müssen die Extragalaktischen zu dem Schluss kommen, dass die Krümmung der Elektronenbahn (für sie: die Beschleunigung ruhender Elektronen weg von ihnen) durch die Coulomb-Kraft .F = QE verursacht wird. Sie sehen daher in der Elektronenbewegung den Beweis für die Anwesenheit eines elektrischen Feldes. Die Konsequenz dieses Gedankenexperiments lautet: Beobachter mit verschiedenen Geschwindigkeiten sehen am gleichen Ort zur gleichen Zeit verschiedene Anteile von .E und .B Feldern. Anfang des 20. Jahrhunderts untersuchte Einstein dieses und verwandte Phänomene und veröffentlichte das Ergebnis unter dem Titel „Zur Elektrodynamik bewegter Körper“, (Abb. 1.2) heute bekannt als „Spezielle Relativitätstheorie“ [2]. Sie ist im Kern eine Analyse der Transformationseigenschaften der Maxwell’schen Gleichungen und der sich daraus ergebenden Konsequenzen.
4
1 Einführung: Die klassische Elektrodynamik in der modernen Welt
Abb. 1.2 Die Relativitätstheorie im Original von 1905. (Faximile [1])
Die folgenden Erkenntnisse Einsteins sind für ein zeitgemäßes Verständnis der klassischen Elektrodynamik von entscheidender Bedeutung:
1. Für eine in allen Bezugssystemen konsistente Beschreibung der Bewegung geladener Körper muss immer die Summe aus Coulomb- und Lorentz-Kraft berechnet werden. 2. Die Felder .E und .B sind verschiedene Aspekte des gleichen Phänomens, deren relative Stärken mit der Geschwindigkeit des Beobachters zu variieren scheinen.
Beide Aussagen haben den gleichen physikalischen Kern: Die Verwandtschaft der Felder begründet die Notwendigkeit, immer beide zu verwenden. Und die Notwendigkeit beide zu verwenden beweist die Verwandtschaft. Überspitzt formuliert: Des Einen .B Feld ist des Anderen .E Feld. Materie besteht aus freien oder gebundenen geladenen Teilchen Ein Teilgebiet der Quantenmechanik, die Festkörperphysik, entwirft das in Abb. 1.3 skizzierte Bild der elektrischen Struktur der festen Materie (siehe z. B. [3]). Den ortsfesten Atomkernen (+) stehen Elektronen gegenüber, deren Energie nur innerhalb bestimmter Bereiche, den sogenannten Energiebändern frei variieren kann (in Abb. 1.3 grau hinterlegt). In den frühen Tagen der Elektrotechnik waren nur die heute als „frei“ bezeichneten Ladungen bekannt. Als später Anzeichen für elektrische Eigenschaften
Bindungsenergie (bel. Einheiten)
1.2 Einige Ergebnisse aus der Grundlagenforschung
5
}
}
0 2 4 6 8 10 12 14
Bandabstand
-4
-3
-2
-1
0
1
2
}
frei Strom leitend
gebunden
Q frei , I frei
Q geb. , I geb.
3
Abstand zum Rand in Kernabständen Abb. 1.3 Skizze der Orts- und Energiestruktur eines Festkörpers gemäß den Regeln der Quantenmechanik
der Festkörper selbst gefunden wurden, unterschied man zwischen „wahren“ und „scheinbaren“ Ladungen. Heute bleibt festzuhalten:
1. Festkörper bestehen ausschließlich aus Atomkernen und Elektronen. Für sie alle gelten die gleichen Gesetze der Elektrodynamik und der Quantenmechanik. 2. Die Elektronen können nur bestimmte, in Bändern organisierte Energien annehmen. 3. Es gibt Energiebänder, in denen sich die Elektronen innerhalb des Festkörpers annähernd frei bewegen können. Diese heißen Leitungsbänder. 4. Jedes Elektron ist entweder frei oder gebunden. Die Menge aller Elektronen besteht daher aus zwei disjunkten Teilmengen.
Felderzeugung und Feldwirkung sind wesensgleich Wesentliche Fortschritte der theoretischen Physik beruhen auf der Untersuchung von Symmetrien. Dabei geht es um die Frage, ob, und wenn ja, wie sich das Verhalten eines Systems verändert, wenn es bestimmten Transformationen ausgesetzt wird. Bleibt das System unverändert, nennt man die Transformation eine „Symmetrieoperation“. Das System wird dann als invariant in Bezug auf diese Symmetrieoperation bezeichnet.
6
1 Einführung: Die klassische Elektrodynamik in der modernen Welt
Abb. 1.4 Veranschaulichung der Symmetrieoperationen Ladungskonjugation C, charge conjugation, Parität P, parity und Zeitumkehr T, time reversal
+Q C
P
T
-Q
Entscheidend für eine mit dem aktuellen Weltbild verträgliche Formulierung der Elektrodynamik sind die drei in Abb. 1.4 gezeigten Symmetrieoperationen: • •
•
Ladungskonjugation (charge conjugation, C), also das Vertauschen von positiver und negativer Ladung: .C(Q) = −Q. Parität (parity, P), also das Invertieren der Raumkoordinaten. Formal heißt dies für Ortskoordinaten .P (r) = −r, Kräfte .P (F ) = −F und Ortsableitungen .P (∂/∂x) = −∂/∂x. Ein Sonderfall sind sogenannte Axialvektoren, also solche, die aus einem Vektorprodukt wie .τ = r × F hervorgehen. Denn für sie gilt .P (τ ) = +τ. Zeitumkehr (time reversal, T), also die Invertierung der Zeitkoordinate: .T (t) = −t. In der Folge dieser Operation wird .T (∂/∂t) = −∂/∂t, und so .T (v) = T (∂r/∂t) = −v, .T (a) = +a und daher auch .T (F ) = +F .
Nach dem nach seinen Entdeckern benannten Lüders-Pauli-Theorem (CPTTheorem, [4]) gilt unter sehr allgemeinen Voraussetzungen, dass elementare Prozesse gleich ablaufen, wenn alle drei Symmetrieoperationen .C, P und .T nacheinander ausgeführt werden. Für die Elektrodynamik ist dies von herausragender Bedeutung, denn die sogenannte CP-Invarianz ist experimentell untersucht und mit großer Präzision bestätigt worden. Invertiert man also zuerst alle Raumkoordinaten und dann die Vorzeichen aller Ladungen, so ändert sich nichts (siehe Ausnutzung der CP-Invarianz bei Teilchenbeschleunigern). Nach dem CPT-Theorem ist damit sichergestellt, dass der Elektromagnetismus auch gegenüber einer Zeitumkehr invariant ist. Es darf danach keinen grundsätzlichen Unterschied zwischen Felderzeugung und Feldwirkung geben. So folgt: 1. Die Felder, welche von Ladungen erzeugt werden, sind die gleichen, welche auf Ladungen wirken. 2. Die Elektrodynamik beschreibt ausschließlich Felder, welche sich durch ihre Wirkung auf Ladungen manifestieren.
1.2 Einige Ergebnisse aus der Grundlagenforschung
7
Der zweite Punkt folgt aus dem ersten. Gleichzeitig ist er das entscheidende experimentelle Kriterium für die Auswahl der Felder, welche für die klassische Elektrotechnik von Belang sein können.
Ausnutzung der CP-Invarianz durch Teilchenbeschleuniger Sehr viele bahnbrechende Erkenntnisse der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts wurden durch Experimente mit Teilchenbeschleunigern. Im größten von ihnen, dem Large Electron Positron collider (LEP) wurden am CERN in den Jahren 1989–2000 Elektronen in einer Vakuumröhre auf Geschwindigkeiten knapp unterhalb der Lichtgeschwindigkeit beschleunigt und bis zu einer Stunde durch starke Magnete auf einer Kreisbahn gehalten. In der gleichen in Abb. 1.5 gezeigten Röhre kreisten dabei in entgegengesetzter Richtung Positronen, die Antiteilchen der Elektronen. An den Kollisionspunkten standen Detektoren, mit denen die Ergebnisse der MaterieAntimaterie Kollisionen erfasst wurden. Diese Experimente konnten nur funktionieren, weil Positronen in der einen Richtung exakt der gleichen Bahn folgen wie Elektronen in der anderen Richtung. Wobei exakt innerhalb von 1 mm Strahlquerschnitt verglichen mit einem sehr großen Vielfachen des Bahnumfangs von 27 km bedeutet. Bei einer Viertelstunde Strahlzeit wird etwa die doppelte Entfernung Erde – Sonne zurückgelegt. Das Funktionieren beweist so mit hoher Präzision, nämlich ca. 1 mm/300 Mio. km die CP-Invarianz des Elektromagnetismus. Denn die Ladungskonjugation (C) überführt Elektronen in Positronen und die Parität (P) kehrt die Richtung um. Abb. 1.5 Ausschnitt aus dem 27 km langen large electron collider, LEP am CERN. Man erkennt die Ablenkmagnete (rot), Fokussiermagnete (blau) und bei genauem Hinsehen auch die Vakuumröhre für Elektronen und Positronen durch beide hindurch. (Foto: CERN)
8
1.3
1 Einführung: Die klassische Elektrodynamik in der modernen Welt
Die grundlegenden Annahmen der Elektrodynamik
Vor dem Hintergrund der oben genannten Forschungsergebnisse haben die folgenden Aussagen Bestand: Hypothese 1.1 Die Elektrodynamik handelt von der „Ladung“ Q genannten Eigenschaft der Materie und deren Wechselwirkung mit dem sie umgebenden Raum. Besteht die Ladung Q aus einer Anzahl von Einzelladungen, die so groß ist, dass ihre Verteilung innerhalb eines Volumens V als kontinuierlich angesehen werden kann, ist es hilfreich, eine „Ladungsdichte“ .ρ mit .Q
=
ρdV
(1.1)
V
zu verwenden.1 Das Produkt aus Ladungsdichte und Geschwindigkeit der Ladungsträger heißt „Stromdichte“ .J : .J
= ρv
(1.2)
Hypothese 1.2 Die Veränderungen des Raumes durch Ladungen wird durch die Kraftwirkung auf den als Sonde fungierenden Träger einer weiteren Ladung .QS festgestellt: Auf einen sich mit der Geschwindigkeit .v bewegenden Träger dieser Ladung übt ein elektrisches Feld die Coulomb-Kraft, .F = QS E aus. Ein Magnetfeld übt die Lorentz-Kraft .F = QS v × B aus. Die Summe .F
= QS (E + v × B)
heißt nach einem Vorschlag Einsteins [2] „elektrodynamische Kraft“.
1 Integrationsvariablen
werden in diesem Buch durch einen Apostroph (. ) gekennzeichnet.
1.3 Die grundlegenden Annahmen der Elektrodynamik
9
Das elektrische Feld .E wird wegen seiner Wirkung auch „elektrisches Kraftfeld“ genannt. Da das magnetische Feld ebenfalls durch seine Kraftwirkung festgestellt wird, soll .B im Folgenden „magnetisches Kraftfeld“genannt werden.2 Maxwell selbst bezeichnete .B noch als magnetic induction [5]. Da im Deutschen mit dem Begriff Induktion bereits die durch das Magnetfeld erzeugte Wirkung auf Ladungen beschrieben wird, soll auf eine wörtlich Übersetzung des Begriffes verzichtet werden. Hypothese 1.3 Erzeugung und Struktur der Felder sind durch die vier Maxwell’schen Gleichungen [5] gegeben. Sie nehmen in SI-Einheiten die Form
.
1. ∇ · (ε0 E) = ρ
2. ∇ · B = 0
3. ∇ × E = − ∂t∂ B
4. ∇ × (μ−1 0 B) = J +
∂ ∂t (ε0 E)
an. Die elektrische Feldkonstante .ε0 bestimmt den Betrag des elektrischen Kraftfeldes bei gegebener Ladungsdichte. Die magnetische Feldkonstante .μ0 bestimmt den Betrag des magnetischen Kraftfeldes bei gegebener Stromdichte. Die Tatsache, dass die eine Feldkonstante im Zähler und die andere im Nenner steht, hat ausschließlich historische Gründe und keinerlei inhaltliche Relevanz. Eine kompakte Darstellung der Historie und eine sehr ausführliche Liste von Originalreferenzen zur historischen Entwicklung findet sich im Skript von Kirk T. McDonald [6]. Die in der Hypothese 1.3 zitierten Gleichungen sind invariant hinsichtlich jeder einzelnen der drei Symmetrieoperationen .C, P und .T (Nachweis: Lösung zu Aufgabe 1.10), wie sich durch Einsetzen der transformierten Größen feststellen lässt. Die Maxwell’schen Gleichungen erfüllen also auf jeden Fall das CPTTheorem. Eine ausführliche Diskussion der Transformationseigenschaften findet sich in [7].
2 Die
traditionellen Begriffe „Flussdichte“ oder auch „Stromdichte“ werden außerhalb der Beschreibung von Magnetfeldern immer als Produkt aus Dichte und Fließgeschwindigkeit definiert.
10
1.4
1 Einführung: Die klassische Elektrodynamik in der modernen Welt
Kontrollfragen und Aufgaben zum 1. Kapitel
1.1 Was ist die elektrodynamische Kraft und wer hat sie eingeführt? 1.2 Kann man jedes Magnetfeld in ein elektrisches Feld umrechnen? 1.3 Was ist ein Leitungsband? 1.4 In der Festkörperphysik werden die Ladungsträger in vier Gruppen eingeteilt. Welche sind das? 1.5 Abb. 1.6 zeigt die quantendynamische Beschreibung der Fusion eines Elektrons (e− ) mit dessen Antiteilchen, dem Positron (e+ ), in ein kurzlebiges Photon (γ ), welches in ein Paar anderer Elementarteilchen, sogenannter Muonen (μ+ , μ− ), zerfällt. Bitte zeichnen Sie diejenigen Änderungen in dieses Bild ein, welche sich durch die Operationen C, P und T ergeben. 1.6 Welche Konsequenz hat das CPT-Theorem in Verbindung mit der experimentell nachgewiesenen CP-Symmetrie für die Anzahl der Felder, mit denen sich die Elektrodynamik befasst? 1.7 Wie würden Sie die durchschnittliche Geschwindigkeit der Ladungsträger berechnen, wenn Sie die durchschnittliche Stromdichte < J > kennen und welche Zusatzinformation brauchen Sie? 1.8 Zwei der Maxwell’schen Gleichungen geben die Divergenzen des elektrischen und magnetischen Feldes an. Was bedeuten diese Formeln anschaulich?
Abb. 1.6 Zur Aufgabe 1.5: Erzeugung eines Paares von Elementarteilchen („Myonen“) durch die Fusion eines Elektrons (e− ) mit einem Positron (e+ ) zu einem sehr kurzlebigen Photon (γ ), welches sofort wieder zerfällt
x
μ+
e+ γ
μ-
-
e
t
1.5 Antworten und Lösungen zum 1. Kapitel
11
1.9 Aus der vierten Maxwell’schen Gleichung, dem Ampère-Maxwell’schen Gesetz, folgt die sogenannte „Kontinuitätsgleichung“, ∂ρ/∂t + ∇ · J = 0. Zeigen Sie dies! 1.10 Bitte zeigen Sie, dass die in der Hypothese 1.3 zitierten Maxwell’schen Gleichungen in dieser Form jede einzelne der Symmetrien C, P und T erfüllen.
1.5
Antworten und Lösungen zum 1. Kapitel
1.1 Die elektrodynamische Kraft wurde 1905 von Einstein als Summe aus Coulomb-Kraft und Lorentz-Kraft eingeführt. 1.2 Das geht nur für jeweils einen Punkt im Raum, an diesem aber garantiert. Man muss sich an diesem Punkt parallel zu der magnetischen Feldlinie bewegen. Dann verschwindet die Lorentz-Kraft. Wird dennoch eine Kraftwirkung auf eine Ladung an diesem Punkt beobachtet, so ist in diesem bewegten System dem Raum ein elektrisches Feld E zuzuordnen. 1.3 Ein Leitungsband ist ein Bereich der Bindungsenergie, in dem sich nach den Gesetzen der Quantenmechanik Elektronen aufhalten dürfen und in dem die Bindungsenergie so schwach ist, dass die Elektronen sich über viele Atomradien hinweg bewegen können. Elektronen im Leitungsband sind also nicht an ein einziges Atom oder Molekül gebunden. 1.4 Man unterscheidet 1. Elektronen die genug Energie haben, den Festkörper zu verlassen, 2. Elektronen, die im Körper gefangen, aber innerhalb des Körpers frei beweglich sind, 3. Elektronen, die ortsfest sind und 4. Atomkerne. 1.5 Abb. 1.7 zeigt eine Lösung. Andere graphische Ideen sind möglich.
Abb. 1.7 Zur Aufgabe 1.5: Die Wirkung der Symmetrieoperationen C, P und T am Beispiel der Paarezeugung durch Elektron-Positron-Fusion
x μ+
e+
P
C
γ
C μ-
ex t
T
t
12
1 Einführung: Die klassische Elektrodynamik in der modernen Welt
1.6 Da für den Elektromagnetismus die CP-Symmetrie erfüllt ist müssen elektromagnetische Prozesse auch gegenüber einer Zeitumkehr invariant sein. Die Felder, welche auf Ladungen wirken, müssen mit denen identisch sein, die Ladungen erzeugen. Es kann daher nur die zwei durch ihre Wirkung nachweisbaren Felder E und B geben. Insbesondere ist die Existenz sogenannter „Erzeugerfelder“ ausgeschlossen. 1.7 Sie müssen wissen auf wie viele Ladungsträger die Gesamtladung verteilt ist. Dann gilt für n Ladungsträger der Einzelladungen q die durchschnittliche Stromdichte < J > und die Durchschnittsgeschwindigkeit < v > .
< J >=
J dV = V
ρvdV q = V
n
i=1 v i
n
=q
Also ist < v >=< J > /q oder bei einer Gesamtladung Q auch < v >=< J > n/Q. 1.8 Die Gleichung ∇ · B = 0 bedeutet, dass das magnetische Feld keine Quellen hat. Das heißt: Wenn die Maxwell’schen Gleichungen gültig sind, kann es keine magnetischen Monopole geben. Für die magnetischen Feldlinien folgt, dass diese weder Anfang noch Ende haben, also immer geschlossene Kurven ergeben. Die Gleichung ∇ · (ε0 E) = ρ bedeutet, dass das elektrische Feld dort Quellen oder Senken besitzt, wo Ladungen anwesend sind. 1.9 Beginnend mit der Hypothese 1.3.4 findet man ∇ × (μ−1 0 B) = J +
→ ∇ · (∇ × (μ−1 0 B)) = 0 = ∇ · J + ∇ · .
| Divergenz berechnen
∂ ∂t (ε0 E) ∂ ∂t (ε0 E)
→0 =∇ ·J +
∂ ∂t ∇
→0 =∇ ·J +
∂ρ ∂t
· (ε0 E)
| vertauschen | Hyp. 1.3.1 einsetzen | fertig.
Die letzte Formel wird als „Kontinuitätsgleichung“ bezeichnet. Historisch verlief das Argument genau anders herum: die Kontinuitätsgleichung war bekannt. Maxwell erkannte, dass das Ampère’sche Gesetz dieser widersprach und führte daher den Zusatzterm mit dem elektrischen Feld ein. 1.10 Der Nachweis gelingt am einfachsten durch Einsetzen. Ladungskonjugation C: Es gelten C(ρ) = −ρ, und C(J ) = −J , womit sich auch die Vorzeichen von E und B bei der Ladungskonjugation umkehren. Ein Blick auf
Literaturverzeichnis
13
die Hypothese 1.3 zeigt, dass die Ladungskonjugation in jeder der Gleichungen auf beiden Seiten der jeweiligen Gleichheitszeichen ein Minuszeichen hinzufügt, so dass die Gleichungen in sich selbst übergehen. Parität P : Hier folgt mit B als axialem Vektor ein System
.
1. (−∇) · [ε0 (−E)] = ρ
2. (−∇) · B = 0
3. (−∇) × (−E) = − ∂t∂ B
4. (−∇) × (μ−1 0 B) = −J +
∂ ∂t [ε0 (−E)] ,
welches mit den ursprünglichen Gleichungen identisch ist. Zeitumkehr T : Da die Geschwindigkeiten unter Zeitumkehr das Vorzeichen wechseln, die Kräfte aber nicht gilt T (J ) = −J und T (E) = +E, jedoch T (B) = −B wegen F = Qv × B. Auch hier werden nach der Transformation die ursprünglichen Gleichungen reproduziert.
Literaturverzeichnis 1. Faksimile siehe https://doi.org/10.1002/andp.19053221004/references 2. Einstein, Albert, Annalen der Physik Band 322, Nr. 10, Seiten 891ff, Leipzig (1905) 3. Konrad Kopitzki und Peter Herzog, Einführung in die Festkörperphysik, 7. Aufl., Springer Heidelberg 2017, ISBN 9783662535783 4. Gerhart Lüders, On the Equivalence of Invariance under Time Reversal and under Particle-Antiparticle Conjugation for Relativistic Field Theories, Kongelige Danske Videnskabernes Selskab, Matematisk-Fysiske Meddelelser 28 (5) 1–17 (1954) 5. James Clerk Maxwell, A Dynamical Theory of the Electromagnetic Field, Royal Society Transactions, Vol. CLV, 1865, p 459 6. Kirk T. McDonald, Forces on Magnetic Dipoles, Princeton University, New York 2018, http://kirkmcd.princeton.edu/examples/neutron.pdf 7. Jürgen Schnakenberg, Elektrodynamik, Wiley-VCH Weinheim 2003, ISBN 978-3-52740369-1
2
Ladung und Strom
Zusammenfassung
Die gesamte Elektrotechnik beruht auf der Bewegung von Ladungsträgern – Grund genug, ihre Eigenschaften kennenzulernen. Denn Kräfte in elektrischen Maschinen sind Kräfte auf bewegte Elektronen. Beschleunigte Ladungsträger lassen Antennen senden und empfangen. Und das Einwandern von Elektronen in Störstellen von Halbleiterkristallen steht am Anfang aller Transistorfunktionen. In diesem Kapitel lernen Sie die wesentlichen Eigenschaften der Ladung, also deren Zusammensetzung aus Elementarladungen, ihre Erhaltung und die daraus folgenden Konsequenzen kennen. Sie erkennen und nutzen den Zusammenhang zwischen Ladung, Stromdichte und Strom. Sie wissen, auf welchen Annahmen das Ohm’sche Gesetz beruht und wann welche anderen Gesetze zum Zuge kommen.
2.1
Strom und die Erhaltung der Ladung
Eine experimentell sehr genau getestete Eigenschaft der Ladung ist deren Erhaltung. Am spektakulärsten ist sie bei der Paarerzeugung von Teilen zu beobachten: In einer sogenannten Blasenkammer hinterlassen geladene Teilchen in einer Flüssigkeit eine Spur aus kleinen Bläschen, so wie in Abb. 2.1 gezeigt. Bringt man alles in ein Magnetfeld ein, so verrät die Krümmung der Bahn die Ladung. Es werden immer nur Paare mit der Gesamtladung Null beobachtet.
© Springer-Verlag GmbH Deutschland, ein Teil von Springer Nature 2024 M. Poppe, Grundkurs Theoretische Elektrotechnik, https://doi.org/10.1007/978-3-662-68631-7_2
15
16
2 Ladung und Strom
Abb. 2.1 Blasenkammeraufnahme zur Ladungserhaltung. Ladung wird immer nur in Paaren mit der Gesamtladung Null erzeugt. Diese Aufnahme [1] von 1964 zeigt an den durch Pfeile markierten Punkten die Erzeugung von Paaren geladener Teilchen. Aus der jeweils entgegengesetzten Krümmung im Magnetfeld folgt, dass die Teilchen entgegengesetzte Ladungen haben
Der Strom ist eine zeitliche Ladungsänderung, kein Vektor Im Folgenden sollen die formalen Konsequenzen der Ladungserhaltung untersucht werden. Hierzu wird der Zusammenhang zwischen der Stromdichte, dem elektrischen Strom und eine der Stromdichte ausgesetzte gerichtet Fläche benötigt. (Unter einer gerichteten Fläche versteht man einen Vektor, dessen Größe gleich dem Flächeninhalt ist und dessen Richtung senkrecht auf der Fläche steht.) Multipliziert man die Stromdichte mit einer gerichteten Fläche a, welche aus vielen Einzelelementen da besteht, so ist das Ergebnis eine zeitliche Änderung der Ladungsbilanz, welche als „Strom“ I bezeichnet wird: .I
=
dQ = dt
J · da
(2.1)
a
Das Skalarprodukt in (2.1) filtert aus der Stromdichte die Komponente heraus, welche senkrecht zur Fläche und damit parallel zum Flächenvektor liegt. Sind beide Vektoren parallel, zeigen sie entsprechend Abb. 2.2 gemeinsam an, auf welcher Seite der Fläche die Ladung zunimmt. Die Kontinuitätsgleichung: Was drinnen verlorengeht kommt draußen hinzu Gleichung (2.1) kann nun benutzt werden, um aus der Ladungserhaltung eine an jedem Punkt gültige Eigenschaft des Raumes zu bestimmen. Zu diesem Zwecke wird der Spezialfall einer ruhenden, um ein Volumen V herum geschlossenen
2.1 Strom und die Erhaltung der Ladung
17
a J
J I = dQ/dt > 0
-a I = dQ/dt < 0
Abb. 2.2 Zum Zusammenhang von Strom I und Stromdichte J : Wo Flächenvektor a und Stromdichte parallel sind, nimmt die Ladung Q mit der Zeit zu, wo sie anti-parallel liegen nimmt sie ab
Oberfläche betrachtet, deren Flächenvektoren gemäß einer von Gauß eingeführten Konvention alle nach außen zeigen. Für diesen Fall gilt1 .Inach
außen
∂Qaußen = = ∂t
J ·da ,
∂V
wobei der Integrationsbereich ∂V für die das Volumen V umschließende Fläche steht. Und nun die Kernaussage: Wenn keine Ladung verloren gehen kann muss die Zunahme außen gleich der Abnahme innen sein, innerhalb des Volumens V also .
∂Qaußen ∂Qinnen =− = ∂t ∂t
J ·da
∂V
gelten. Da aber nach Gl. (1.1) Qinnen /V = ρ die durchschnittliche Ladungsdichte innerhalb des Volumens ist, wird mit Hilfe des Gaußschen Satzes die an allen Punkten gültige Kontinuitätsgleichung .
∂ρ + ∇ · J =0 , ∂t
(2.2)
erreicht, indem der Fall V → 0 betrachtet wird. Diese Gleichung ist also die mikroskopische Formulierung des Ladungserhaltungsgesetzes. 1 Hier
reicht die partielle Ableitung, da sich die Fläche in Ruhe befindet und in der Folge alle zu I beitragenden Ableitungen außer ∂Q/∂t gleich null sind.
18
2 Ladung und Strom
Der Widerspruch zwischen der Kontinuitätsgleichung und dem Ampère’schen Gesetz (vergl. Aufgabe 1.9) war der Ausgangspunkt der heute allgemein akzeptierten Maxwell’schen Korrektur dieses Gesetzes. Ladungserhaltung gilt heute als so selbstverständlich, dass sie in Formulierungen wie „Der Strom fließt von a nach b“unbewusst vorausgesetzt wird (vergl. Abb. 2.2). Ein zur gerade gezeigten Herleitung komplementärer Ansatz benutzt die Ladungserhaltung, um den Begriff der Stromdichte überhaupt erst zu definieren. Dazu wird in Räumen mit beliebig bewegten Grenzen 0 = dQ/dt postuliert, ausgerechnet und praktisch umgeformt (zur anschaulichen Bedeutung siehe auch Aufgabe 2.6 und deren Lösung). Zunächst wird die Ladung wieder als Integral über ihre Dichte geschrieben. Dann wird abgeleitet. Der zweite Teil des Ergebnisses
.
dQ d = dt dt
ρdV =
V
∂ρ dV + ∂t
V
ρRand
dV dt
∂V
beschreibt denjenigen Teil der Ladungsänderung, welcher sich durch die zeitliche Änderung der Raumgröße dV /dt an dessen Rand ∂V ergibt. Dabei ist ρRand die Ladungsdichte an den Rändern des Integrationsgebietes. Mit Hilfe des Green’schen Satzes kann der Randänderungsterm (nach diversen Hilfsrechnungen) als Integral über den gesamten Raum, .
dV = ρRand dt
∂V
dr ∇· ρ dx
V
dV =
∇ · ρv dV
V
umgeschrieben werden. Dabei ist aus mathematischer Sicht v der Geschwindigkeitsvektor eines Volumenelementes im gesamten Integrationsgebiet. Die physikalische Sichtweise setzt diese Geschwindigkeit mit derjenigen der Ladungsträger gleich. Die Forderung der Erhaltung der Ladung wird dann als .0
=
dQ d = dt dt
V
ρdV =
∂ρ ρ + ∇ · (ρv ) dV ∂t
V
geschrieben. Soll dies für beliebige Volumina V gelten, so muss der Integrand selbst immer gleich null, die Kontinuitätsgleichung (2.2) mit J = ρv‘ also immer erfüllt sein. Nach dieser Herleitung folgt ebenfalls:
2.2 Strom und das Ohm’sche Gesetz
19
Ladungserhaltung und Stromdichte sind untrennbar verbunden. Ladungserhaltung im Infinitesimalen ist nicht ohne die Stromdichte J formulierbar. Und der Begriff der Stromdichte ist nur deshalb sinnvoll zu verwenden, weil die Ladung eine Erhaltungsgröße ist.
Die Kirchhoff’sche Knotenregel folgt aus der Ladungserhaltung In der technischen Anwendung der Ladungserhaltung sticht die „Knotenregel“ heraus. Wenn in einem (meist als Leiterbahnen realisierten) elektrischen Knoten keine Ladung gespeichert werden kann, (dQKnoten /dt = 0) so folgt für alle beteiligten Leiterbahnen mit Querschnitten Ai .0
=
J · da =
J i · ai =
i
a
Ii (Knotenregel, original).
i
Kann an einem Knoten Ladung gespeichert werden, gilt die Knotenregel nicht. Haben zum Beispiel Leiterbahnen eine (Parasitär-) Kapazität CP gegen ein festes Potenzial, so ist dQ/dt = CdU/dt und die modifizierte Knotenregel lautet .
i
Ii + CP
dU = 0 (Knotenregel mit Parasiten). dt
Daher wird die Berücksichtigung von Parasitärkapazitäten bei hohen Frequenzen wichtig.
2.2
Strom und das Ohm’sche Gesetz
In Leitern bremsen Gitterschwingungen den Ladungstransport durch Elektronen Das Ohm’sche Gesetz [2] ist ein Spezialfall des Gesetzes von Drude, [3] welches besagt, dass die Stromdichte in einem Körper proportional zum elektrischen Feld ist, also .J
= σE
(2.3)
20
2 Ladung und Strom
gilt, wobei der Proportionalitätsfaktor σ „spezifische Leitfähigkeit“ genannt wird. Denn für einen Körper der, wie in Abb. 2.2 skizziert, eine Querschnittsfläche a und eine Länge l hat, folgt mit I = J · a = J a und der Spannung2 U = El .U
=
l I = RI Aσ
(2.4)
Der Faktor R heißt „Widerstand“. Er ist definiert als das Verhältnis von Spannung zu Strom und in den meisten praktischen Fällen nur sehr schwach von der Spannung abhängig. Die Proportionalität von Spannung und Strom verrät viel über den Mechanismus des Abbremsens der Ladungsträger durch den Festkörper, selbst wenn die zugrundeliegenden quantenmechanischen Zusammenhänge außer Acht gelassen werden: Man stelle sich die Ladungsträger als quasi frei fliegende Bälle im Festkörper vor. Entlang der Richtung des elektrischen Feldes wären dann QE = me
dv dt
QEt = me v (+c1 ) = me
.
1 2 2 QEt
= me x (+c2 )
| 1. Integration dx (+c1 ) dt
| 2. Integration mit c1 = 0 | mit c2 = 0
gültig. Dabei bedeuten c1 = 0, dass nach jedem Stoß die neue Anfangsgeschwindigkeit null ist und c2 = 0, dass der Ursprung des Koordinatensystems in den Kollisionspunkt gelegt wird. Zunächst wird der Fall ruhender Hindernisse (Atomrümpfe) betrachtet. Wenn x als Abstand zwischen zwei Stößen festgelegt wird, dann ist v die Endgeschwindigkeit und t die Zeit, bis diese erreicht ist. Man kann annehmen, dass x nicht von der Feldstärke abhängt. Dann nimmt aber die zum √ Beschleunigen der Ladungsträger zur Verfügung stehende Zeit gemäß t ∼ 1/ E ab. Diese Abnahme stellt sich als weniger als lineare Zunahme der Endgeschwindigkeit dar. Denn eliminiert man t aus den letzten zwei Zeilen des obigen Gleichungssystems, bleibt für die mit < v > bezeichnete Durchschnittsgeschwindigkeit
2 Genaueres
zu Spannungen und Potenzialen im nächsten Kapitel.
2.2 Strom und das Ohm’sche Gesetz
21
xqE vEnd = = 2 2me . xqE →J =ρ (ruhende Hindernisse). 2me übrig.√ Wäre also die Bewegung der Festkörperatome vernachlässigbar, müsste I ∼ U beobachtet werden. Die extreme Alternative ist, dass die Geschwindigkeit der Ladungsträger für die Stoßhäufigkeit gar keine Rolle spielt.3 Die Zeit t zwischen zwei Stößen ist dann zum Beispiel durch die doppelte Schwingfrequenz t = 1/(2f ) der Festkörperatome gegeben (zwei Stöße pro Schwingung). Mit vEnd = QE/(2me f ) folgt dann .J
=ρ
Q 4f me
E (schnell bewegte Hindernisse),
(2.5)
also die meist beobachtete Proportionalität von Strom und Spannung.
Die Gültigkeit des Ohm’schen Gesetzes legt nahe, dass für das Abbremsen der Ladungsträger ausschließlich die Bewegungen der Gitteratome des Festkörpers verantwortlich sind.
Der bei vielen Materialien beobachtete Anstieg des Widerstandes mit der Temperatur wird nun zumindest qualitativ verständlich: Mit steigender Temperatur muss die Schwingfrequenz zunehmen. Tatsächlich ergibt ein auf Einstein zurückgehender quantenmechanischer Ansatz in jeder Raumrichtung Schwingfrequenzen, welche vielfache der sogenannten „Einsteinfrequenz“ fE sind und Energien .Wn
3 Man
1 = n+ hfE , mit n = 0, 1, 2, . . . 2
(2.6)
kann sich einen Jogger in einem „Horrortunnel“ vorstellen, dessen Wände mit großer Amplitude so schnell hin und her wabern, dass er ständig umgeworfen wird, bevor er wieder Fahrt aufnehmen kann.
22
2 Ladung und Strom
Tab. 2.1 Temperaturkoeffizienten des spezifischen Widerstands bei 20 ◦ C Material ΔR/(RΔT ) in 10−4 /◦ C
Ag 3,8
Au 3,7
Al 4,0
Cu 3,9
Fe 6,6
Hg 0,9
haben können [4]. Die Größe h ist das „Planck’sche Wirkungsquantum“. Die Schwingfrequenzen sind also wie diejenige von Photonen proportional zu den Schwingungsenergien. Da steigende Temperatur nichts Anderes als steigende Energiedichte ist, folgt aus Gl. (2.5) und (2.6) unmittelbar, dass sich die Stromdichte proportional zum Kehrwert der absoluten Temperatur T verhält. Also gilt .|J |
∼
1 ↔R∼T, T
was bedeutet, dass bei Raumtemperatur der Widerstand alle drei Grad Celsius um ca. 1 % zunimmt: ΔR/(RΔT ) = 3, 3 10−4 / ◦ C. Tab. 2.1 zeigt, dass gemessene Werte zwar nicht gleich sind, aber bei vielen Metallen in ähnlicher Größenordnung liegen. Bei Legierungen können deutlich andere Werte auftreten. Die Temperaturkoeffizienten von Halbleitern sind negativ: bei ihnen wird das verstärkte Abbremsen durch einen Zuwachs von Leitungselektronen überkompensiert.
Anforderungen an die Leitfähigkeit eines Faraday’schen Käfigs Abb. 2.3 skizziert einen Faraday’schen Käfig in einem Gewitter. Dessen Schutz kann für Autofahrer und Flugzeuginsassen gleichermaßen überlebensnotwendig sein. Dazu soll ein Beispiel durchgerechnet werden: Wie gut muss das Material an der Oberfläche eines Faraday’schen Käfigs leiten, damit selbst ein Blitz von I = 1 kA weniger als 10 Volt im Inneren des Käfigs erzeugt? (Fortsetzung)
2.2 Strom und das Ohm’sche Gesetz
23
Abb. 2.3 Bildmontagen zum Faraday’schen Käfig und die zur Berechnung der Feldstärke verwendeten Variablen
z θ
}
r
Wir nehmen an, dass der als kugelförmig angenommene Käfig einen Radius r = 1 m hat und mit einer leitenden Schicht der Dicke δ und mit dem spezifischen Leitwert σ überzogen ist. Ferner nehmen wir an, dass der Blitz an den Einschlagspunkten einen endlichen Durchmesser von bBlitz = 0, 1 m habe und den Käfig auf voller Länge durchschlage. Die Richtung legen wir als z-Achse fest. Mit diesen Angaben ist die Stromdichte und so auch die Feldstärke also in der Mitte zwischen Blitzein- und -austritt (am „Äquator“, wenn man sich den Eintrittspunkt als Nordpol und den Austrittspunkt als Südpol vorstellt), wie folgt bestimmt: .I
= J Äqu. · a Äqu. = 2πrJÄqu. δ → EÄqu. =
I . 2πrδσ (Fortsetzung)
24
2 Ladung und Strom
Nun müssen sowohl die Stromdichte als auch die Feldstärke gemäß Gl. (2.3) in dem Maße steigen, in dem die Kugeloberflächensegmente zu den Einschlagsflächen hin kleiner werden. Nennen wir θ den Winkel zwischen einem Oberflächensegment und der z-Achse, dann ist also E(θ ) = EÄqu. / sin θ . Mit .E(θ )
=
I sin θ 2πrδσ
folgt nun die Spannung gemäß π/2 .U = 2 E(θ )rdθ = θmin
tan(π/4) I ln πδσ tan(θmin /2)
mit θmin = bBlitz /2r = 0,05. Der Term 1/(σ δ) ist auch als „Schichtwiderstand RS “ bekannt. Denn ein Quadrat einer solchen Schicht hat, unabhängig von seiner Größe immer den gleichen Widerstand. Bei den hier gewählten Parametern ergibt der Logarithmus der Winkelfunktionen einen Wert von 3,45. So erhält man .U
=
RS I · 3,45 ≈ RS I π
als gute Abschätzung der Gesamtspannung zwischen Blitzein- und austritt. Nach den Vorgaben darf also der Schichtwiderstand RS ≈ 10 m nicht überschreiten.
Die Gültigkeit des Ohm’sche Gesetzes wird thermodynamisch begrenzt Bei sehr hohen Elektronengeschwindigkeiten, wenn also die Driftgeschwindigkeiten die Größenordnung der Bewegungsgeschwindigkeiten der Gitteratome erreichen, kann der Strom nicht mehr proportional zur Spannung ansteigen. Vielmehr muss der Anteil der kinetischen Energie, welcher von den Elektronen an den Festkörper abgegeben wird, steigen. In Stoffen, die als Leiter bezeichnet werden, liegen die Driftgeschwindigkeiten viele Größenordnungen unterhalb dieses Wertes. So bleiben als Kandidaten für eine Grenzannäherung nur Halbleiter. Abb. 2.4 zeigt,
2.3 Kontrollfragen und Aufgaben zum 2. Kapitel
=
ko ns t.
10 6
R
Driftgeschwindigkeit in m/s
Abb. 2.4 Driftgeschwindigkeit von Elektronen in Silizium als Funktion der Feldstärke. Ein konstanter Widerstand würde der gepunkteten Linie entsprechen. Messungen beweisen aber eine Endgeschwindigkeit von ca. 105 m/s
25
10 5
Messungen
10 4
10 3
10 4
10 5 10 6 10 7 Feldstärke in V/m
10 8
dass es in Silizium eine Endgeschwindigkeit von ca. vEnd ≈ 105 m/s gibt. Der Wert liegt erstaunlich nahe bei der durchschnittlichen thermischen Geschwindigkeit eines idealen Elektronengases bei Raumtemperatur
.ve,rms
=
< ve2 > =
3kT = 1,16 · 105 m/s, me
was folgenden Schluss nahelegt:
Die Endgeschwindigkeit der Elektronen wird durch deren Energietransfer auf die Gitteratome mit dem Ziel der Temperaturangleichung bestimmt.
Detailliertere quantenmechanische Rechnungen bestätigen diese Sichtweise (siehe z. B. [5, 6])
2.3
Kontrollfragen und Aufgaben zum 2. Kapitel
2.1 In einem Leiter sei J die Stromstärke an einem Ort. Finden Sie ein einen einfachen Ausdruck für die an Wärmeleistungsdichte diesem Ort. (Beginnen Sie am besten mit dem Betrachten eines sehr kleinen Volumens mit der spezifischen Leitfähigkeit σ des Materials.)
26
2 Ladung und Strom
2.2 Auf welchem Gesetz und welcher dazugehörigen Formel baut das Ohm’sche Gesetz nach heutigem Verständnis auf? 2.3 Bitte benennen Sie das hydrodynamische Äquivalent zur Kontinuitätsgleichung der Elektrodynamik. 2.4 Wie ist eine Stromdichte allgemein definiert und welche der folgenden Größen ist eine solche: (a) Ladungsstromdichte, (b) Teilchenstromdichte, (c) Massenstromdichte, (d) Leistungsdichte einer Strahlungsquelle, (e) magnetische Flussdichte? 2.5 Ist das Gesetz der Ladungserhaltung den Maxwell’schen Gleichungen übergeordnet, untergeordnet oder gleichgestellt? 2.6 Bitte betrachten Sie den in Abb. 2.5 skizzierten Fall eines sehr kleinen Würfels, welcher nur in x-Richtung von Ladung durchströmt wird. Zeigen Sie ohne Zuhilfenahme der Kontinuitätsgleichung und ohne den Gauß’schen Satz, dass für ∂Jx diesen Würfel im Grenzfall Δx → 0 die Formel ∂ρ ∂t + ∂x = 0 gilt. 2.7 Es wurde geschätzt, dass bei Raumtemperatur der Widerstand eines Leiters bei drei Grad Temperaturerhöhung um 1 % zunimmt. Wie viele Grad Celsius werden bei 100 ◦ C für einen Erhöhung von 1 % nötig sein? 2.8 Widerstandswerte lassen sich mit Hilfe der in Abb. 2.6 skizzierten Vierpunktmethode messen. Gemessen wird der Gesamtstrom I und die über den zusätzlichen Kontakten 1 und 2 abgegriffene Spannung UV . Bitte schätzen Sie die Genauigkeit der Widerstandsbestimmung für den Fall ab, dass die Kontaktwiderstände Werte in
Jl al
a2
J2
Δx Abb. 2.5 Zur Aufgabe 2.6: Die Änderung der Ladung mit der Zeit in einem mikroskopisch kleinen, fest stehenden Volumen V = aΔx ergibt sich aus der Differenz der ein- und ausgehenden Stromdichten J 1 und J 2
2.4 Antworten und Lösungen zum 2. Kapitel Abb. 2.6 Skizze einer Vierpunktmessung zur Widerstandsbestimmung, hier für den Widerstand R. Die Halbkugeln deuten die vier Kontaktwiderstände an. RV ist der Innenwiderstand des Voltmeters
27
RV IV UV
1
2
R
3
4
U
I
UQ
der Größenordnung von R1 ≈ R2 ≈ R3 ≈ R4 ≈ 10 haben und der Innenwiderstand des Spannungsmessers bei RV ≈ 1 M liegt. Die Leitungszonen unmittelbar rechts und links vom zu messenden Widerstand können den Kontaktwiderständen R3 und R4 zugeschlagen werden. Können Sie eine Faustregel für die Genauigkeit der Messmethode angeben? 2.9 Sie kennen das Ohm’sche Gesetz in der Form U = RI . Gibt es Umstände, unter denen es U = −RI heißen muss, und wenn ja: welche? 2.10 Flugzeugen aus Karbonfasern wird als Schutz vor Blitzen ein dünnes Kupfernetz „über den Rumpf gezogen“. Bitte bestimmen Sie den Schichtwiderstand eines aus quadratischen Maschen bestehenden Kupfernetzes. Dieses bestehe aus Drähten mit dem Radius r und dem Abstand A von Drahtmitte zu Drahtmitte. Untersuchen Sie bitte den Fall, dass der Strom entlang einer Drahtrichtung fließt. Bitte vergleichen Sie den Schichtwiderstand mit demjenigen, den eine Kupferfolie mit der gleichen Masse pro Quadratmeter wie das Netz hat.
2.4
Antworten und Lösungen zum 2. Kapitel
2.1 Man stelle sich ein würfelförmiges Volumen V = (Δx)3 vor, welches so klein ist, dass das in ihm wirkende Feld E und die Stromdichte J konstant sind. Der Strom dringe senkrecht in eine Würfelfläche ein (siehe Abb. 2.7). Dann sind
28
2 Ladung und Strom
E
Abb. 2.7 Zur Aufgabe 2.1: Eindringen einer Ladungsdichte in ein kleines Volumen (Δx)3 in dem ein elektrisches Feld E wirkt
J Δx
J I . U P → P /V
= σE = J · Δx · Δx = E · Δx = J · Δx/σ = U · I = J 2 · (Δx)3 /σ = J 2 /σ .
Die Wärmeleistungsdichte beträgt also J 2 /σ . 2.2 Das Ohm’sche Gesetz ergibt sich aus dem Gesetz von Drude, nach dem die Stromdichte proportional zur Feldstärke ansteigt (Gl. (2.3)). 2.3 Das hydrodynamische Gesetz lässt sich formulieren, wenn man mit ρ die Massendichte des Wassers und mit J die Flussdichte des Wassers, also das Produkt aus Massendichte und Fließgeschwindigkeit bezeichnet. Dann kann Massenerhaltung analog zur Kontinuitätsgleichung der Elektrodynamik formuliert werden. 2.4 Unter einer Stromdichte versteht man immer das Produkt aus einer Dichte und einer Geschwindigkeit. Beispiele sind (a) Ladungsdichte mal Ladungsträgergeschwindigkeit, (b) Teilchendichte mal Teilchengeschwindigkeit, (c) Massendichte mal Geschwindigkeit, (d) Energiedichte mal Lichtgeschwindigkeit = Leistungsdichte, aber nicht die sogenannte magnetische Flussdichte. Letztere beruht auf einer Analogie zwischen Hydrodynamik und Magnetostatik und nicht auf einem physikalischen Zusammenhang. 2.5 Historisch gilt: Die Ladungserhaltung war eher bekannt. Sie war für Maxwell der Grund, am Ampère’schen „Gesetz“ zu zweifeln und es in der Folge zu vervollkommnen. Logisch ist es genau anders herum: Man kann aus dem AmpèreMaxwell’schen Gesetz und dem Gauß’schen Satz für das elektrische Feld die Kontinuitätsgleichung und damit das Gesetz der Ladungserhaltung herleiten, aber
2.4 Antworten und Lösungen zum 2. Kapitel
29
nicht umgekehrt. Logisch sind die Maxwell’schen Gleichungen dem Gesetz der Ladungserhaltung also übergeordnet. 2.6 Der in das Volumen hinein Ihinein ergibt sich aus der Bilanz vom linken und rechten Rand des Würfels. Reihenentwicklung und Teilen durch das Volumen führen zum Ergebnis Ihinein = −(a 1 · J 1 + a 2 · J 2 )
| nur Komponenten in x − Richtung
= −a2x (J2x − J1x )
| Reihenentwickeln!
x = −a2x ∂J ∂x Δx
| Teilen durch V = aΔx
Ihinein V
x = − ∂J ∂x
| Q = ρV und Stromdefinition einsetzen
∂ρ ∂t
x − ∂J ∂x
.
=
| fertig,
welches als eindimensionale Version der Kontinuitätsgleichung bezeichnet werden kann. 2.7 Wenn der Widerstand proportional zur absoluten Temperatur steigt, können wir eine Konstante k mit R = kT definieren, und so gilt ΔR/ΔT ≈ dR/dT = k. Es folgt ΔR/R ≈ ΔT /T , also bei einer relativen Widerstandsänderung von 1 % und T = 373 K .ΔT
≈ 1 % · 373 K = 3,7 K,
also auch ΔT = 3,7 ◦ C. 2.8 An dem Aufbau treten die folgenden Spannungen auf U = (I − IV )R .U
| die Spannung am Objekt
= (R1 + R2 + RV )
UV = RV IV
| die gleiche Spannung, anderer Weg | Spannung am Voltmeter,
aus denen sich die Unbekannten U und IV herauskürzen lassen. Das Ergebnis .UV
= RI 1 −
R1 + R2 + R R1 + R2 + RV + R
R + 20 ≈ RI 1 − R + 1 M
30
2 Ladung und Strom
zeigt, dass für einen R = 1 k Widerstand die Genauigkeit bei 1 Promille liegt. So lange der Innenwiderstand des Voltmeters deutlich größer als der der Kontakte ist, sind die Messfehler in der Größenordnung R/RV . 2.9 Innerhalb eines Netzwerkes können Strom- und Spannungspfeile frei vergeben werden. Wenn diese an einem Bauteil antiparallel sind, so müssen die Bauelementegleichungen U = −RI, I = −CdU/dt und U = −LdI /dt verwendet werden. Grund ist, dass, wann immer antiparallele Pfeile vergeben werden, das folgende physikalische Prinzip verletzt wird: „Bei der Beschreibung eines Systems müssen alle Größen relativ zum gleichen Koordinatensystem angegeben werden.“ Strom- und Spannungspfeile sind nichts Anderes als eindimensionale Koordinatensysteme. Sie an einem Bauteil nicht parallel zu wählen ist also ein physikalischer Modellierungsfehler, welcher durch ein Minuszeichen in der Bauelementegleichung kompensiert wird. 2.10 Fließt der Strom entlang einer Drahtrichtung, so tragen die Drähte quer dazu nicht zur Stromleitung bei. Nun sei ein Quadrat der Seitenlänge l betrachtet. Ein einzelner Draht hat dann einen Widerstand von R1 = l/(σ πr 2 ). In dem Quadrat gibt es n = l/A parallele Drähte. Dadurch wird der Widerstand um den Faktor 1/n verringert, und man erhält .R
=
A R1 l·A = , = 2 n σ πr · l σ πr 2
also ein Ergebnis, welches von der Größe des Quadrates unabhängig ist. Ein Quadrat einer Kupferfolie mit der Dicke δ und der Seitenlänge l hat, ebenfalls unabhängig von dieser Länge, den Widerstand RS = 1/(σ δ). Nun wird δ so gewählt, dass die Volumina (also auch die Massen) von Quadrat und Drähten gleich sind, also .VQuadrat
= l 2 δ = VDrähte = n · V1 Draht =
l πr 2 · πr 2 l → δ = A A
was den gleichen Schichtwiderstand .RS
=
1 A = σδ σ πr 2
ergibt. Bei diesem Vergleich wurden jedoch nur die in Stromrichtung verlaufenden Drähte berücksichtigt, also nur die Hälfte aller Drähte. Daraus folgt: Je „flächiger“ das Material eines Faraday’schen Käfigs, desto besser die Materialausnutzung.
Literaturverzeichnis
31
Literaturverzeichnis 1. V. E. Barnes et al., Phys. Rev. Lett. 12, 204 (1964) 2. Georg Simon Ohm, Die galvanische Kette, T.H. Riemann, Berlin 1827 3. Paul Drude, Lehrbuch der Optik, Leipzig (1906) 4. Philipp Hofmann, Einführung in die Festkörperphysik, Wiley VCH, Stuttgart 2013, ISBN: 978-3-527-41226-6 5. Rainer Waser (Ed.), Nanoelectronics and Information Technology, 3. Ed., Wiley-VCH, New York 2012, ISBN: 978-3-527-40927-3 6. Harald Ibach und Hans Lüth, Festkörperphysik, Springer Heidelberg 2009, ISBN 978-3540-85794-5
3
Die Maxwell’schen Gleichungen
Zusammenfassung
Die klassische elektromagnetische Feldtheorie ist durch die Maxwell’schen Gleichungen vollständig beschrieben. Auf alles, was sich auf diese Gleichungen zurückführen lässt, kann man sich verlassen. In diesem Kapitel lernen Sie, wie die vier Maxwell’schen Gleichungen die Entstehung und die Stuktur elektrischer und magnetischer Felder bestimmen. Sie verstehen, wie die Bedeutung der Feldgrößen .D, P , H und .M aus einer Anwendung der Maxwell’schen Gleichungen auf freie und in Materie gebundene Ladungen folgt. Und Sie können die bekannten makroskopischen Gesetze der Elektrotechnik auf die Maxwell’schen Gleichungen zurückführen.
3.1
Die Maxwell’schen Gleichungen in differenzieller Form
Heute gelten die Maxwell’schen Gleichungen nicht nur als Basis der Elektrodynamik, sondern sind als integraler Bestandteil der elektroschwachen Wechselwirkung unverzichtbarer Baustein aller Versuche, vereinigte Feldtheorien zu entwerfen. Entsprechend kann ihrer Gültigkeit uneingeschränkt vertraut werden. Die in den vier Maxwell’schen Gleichungen zusammengefassten Gesetze der elektromagnetischen Felder beschreiben deren Ursachen und Struktur. Ursachen sind Ladungen und Ströme. Sie lauten (vergl. Hypothese 1.3):
.
1. ∇ · (ε0 E) = ρ
2. ∇ · B = 0
3. ∇ × E = − ∂t∂ B
4. ∇ × (μ−1 0 B) = J +
∂ ∂t (ε0 E)
© Springer-Verlag GmbH Deutschland, ein Teil von Springer Nature 2024 M. Poppe, Grundkurs Theoretische Elektrotechnik, https://doi.org/10.1007/978-3-662-68631-7_3
(3.1)
33
34
3 Die Maxwell’schen Gleichungen
Abb. 3.1 Veranschaulichung der Maxwell-Gleichungen, dargestellt in der gleichen Reihenfolge wie in Gl. (3.1) [1]
E
Q
∂B/∂t
B
∂E/∂t
J
E
B
Die oberen beiden Gleichungen bestimmen die Quellenstruktur der Felder, so wie in Abb. 3.1 skizziert. Das elektrische Feld hat Quellen. Wo immer sich Ladungen befinden gehen elektrische Feldlinien von ihnen aus. Im Infinitesimalen wird diese durch die Ladungsdichte .ρ berücksichtigt. Das magnetische Feld hat keine Quellen, das heißt: In jedes beliebig geformte und beliebig große Volumen treten genauso viele magnetische Feldlinien ein wie aus. Die unteren beiden Gleichungen beschreiben den Anteil der Felder, welcher sich durch geschlossene Linien darstellen lässt. Man nennt ihn auch den Wirbel- oder Rotationsanteil der Felder. Elektrische Rotationsfelder gehen mit der Änderung von Magnetfeldern einher. Magnetische Rotationsfelder werden sowohl durch die Änderung elektrischer Felder als auch durch Ströme verursacht. Im Infinitesimalen werden die Ströme durch die Stromdichten .J berücksichtigt. Hieraus folgt: Die durch Ladungen erzeugten elektrischen Felder haben Quellen und Senken. Diese Felder können durch elektrische Wirbelfelder überlagert werden, welche durch Änderungen von Magnetfeldern entstehen. Die Magnetfelder selbst sind immer reine Wirbel- bzw. Rotationsfelder. Die Existenz elektrischer Wirbelfelder hat eine wichtige praktische Konsequenz:
Die Kirchhoff’sche Maschenregel [2] gilt nur in der Abwesenheit elektromagnetischer Strahlung, denn das elektrische Feld ist nur im statischen Falle konservativ.
3.2 Felder in Materie
35
Die modifizierte Maschenregel, welche Einstrahlung berücksichtigt, ist in Aufgabe 3.6 beschrieben.
3.2
Felder in Materie
In Felder eingebrachtes Material verändert ebendiese Felder. Das heißt: Die Materialien erzeugen unter dem Einfluss äußerer Felder selbst elektrische oder magnetische Kraftfelder. Man sagt auch: Ein Material kann magnetisch oder elektrisch polarisiert werden und nennt diese Vorgänge daher Polarisation bzw. Magnetisierung. Elektrische Felder polarisieren Wie Abb. 3.2 zeigt, richten sich bei ionischen oder polaren Bindungen die Ladungen entsprechend dem äußeren Feld aus. Dadurch entstehen viele kleine Dipole, deren Feld das ursprüngliche Feld abschwächt. Diesen Vorgang nennt man Polarisation. Er führt dazu, dass das elektrische Feld innerhalb des Festkörpers aus zwei Komponenten zusammengesetzt ist, dem Feld .E frei , welches von den Ladungen außerhalb des Festkörpers erzeugt wird und dem meist entgegengesetzten Polarisationsfeld des Festkörpers .E geb. : .E
= E frei + E geb. .
(3.2)
Diese Gleichung gilt an jedem Punkt im Raum. Sie darf allerdings nicht so überinterpretiert werden, dass man zunächst beide Feldanteile getrennt ausrechnen und die Ergebnisse dann addieren kann. Denn in der Regel entsteht das Polarisationsfeld erst durch die Einwirkung des äußeren Feldes.
Abb. 3.2 Feldbilanz in einem elektrisch polarisierbaren Stoff. Ein äußeres elektrisches Feld zieht die Moleküle auseinander. Dadurch entstehen im Material viele Dipole, deren Felder das von außen angelegte Feld abschwächen
E frei = 0
E frei = 0
E geb.
+
36
3 Die Maxwell’schen Gleichungen
Abb. 3.3 Gegenbeispiel zur Addition kompletter Felder: Die Eisenspäne im linken Bild zeigen den Verlauf des von einer Spule erzeugten Magnetfeldes. Das Einbringen eines Eisenkerns verändert sowohl die Stärke als auch den Verlauf und damit die Länge der Feldlinien
Selbst isotrope Materialien verändern die Richtungen von Feldern Dies geschieht, wenn die Materialien in inhomogener Weise im Raum verteilt sind. Als Konsequenz können Felder einzelner Quellen im Makroskopischen nicht einfach als Ganzes addiert werden. Ein Gegenbeispiel zur makroskopischen Feldaddition ist in Abb. 3.3 skizziert. Das Magnetfeld der Spule erzeugt im (vorher nicht magnetisierten) Eisen ein weiteres Magnetfeld, und die Summe der beiden erst ergibt das Gesamtfeld. In Worten der Festkörperphysik heißt dies: Das von freien Ladungen erzeugte Magnetfeld .B frei richtet die gebundenen Ströme des Eisens so aus, dass diese ein zusätzliches Feld .B geb. erzeugen. In vielen Lehrbüchern wird daher auch von der „magnetischen Erregung“, definiert als .H = B frei /μ0 , gesprochen. Dass das Ergebnis der Spule-Eisenkombination nicht einfach die Summe zweier makroskopischer Felder sein kann, ergibt sich aus der Tatsache, dass Eisen als praktisch isotropes Material Felder verstärken, nicht aber drehen kann. Trotzdem hat das Eisen zusammen mit der Spule ein Feld geschaffen, welches andere Richtungen aufweist als das der Spule allein. Ähnliche Überlegungen kann man auch für elektrische Felder in Materie anstellen. Alle Feldgrößen sind Kraftfelder oder Anteile an ihnen Die Maxwell’schen Gleichungen sind lineare partielle Differenzialgleichungen. Ladungsdichten, Stromdichten und Felder treten jeweils nur in der ersten Potenz auf. Dies hat das Prinzip der linearen Superposition zur Folge. Abb. 3.4 skizziert die Konsequenzen: Solange Ströme und Ladungen festgelegt sind, kann man entweder zuerst aus verschiedenen Strömen und Ladungen die Felder ausrechnen und diese dann addieren oder zunächst die Ströme und Ladungen addieren und aus deren Summen die Felder ausrechnen. Das funktioniert • •
immer auf der Ebene der Differenzialgleichungen, makroskopisch bei statischen Feldern in Abwesenheit von Ladungsträgern,
3.2 Felder in Materie
37 Jg
Jo
∂E/∂tg
Bg
+ =
Bo
∂E/∂t o
J = Jg + Jo B = Bg + Bo E = Eg + E o
Abb. 3.4 Veranschaulichung des Prinzips der linearen Superposition. Die Maxwell’schen Gleichungen gelten für jede nichtüberlappende Ladungs- und Strommenge separat und damit auch für beliebige Linearkombinationen. In dem gezeigten Extremfall löschen sich sowohl die Ströme als auch die Felder gegenseitig aus
•
makroskopisch bei zeitabhängigen Feldern in Abwesenheit von Ladungsträgern, allerdings mit zusätzlichen Verzögerungstermen.
Die Lösungen der Differenzialgleichungen beschreiben das makroskopische Verhalten. Zu diesem gehört aber auch die Wechselwirkung der Ladungsträger aufgrund der Felder und daher auch die durch die Ladungsträger vermittelten Wechselwirkungen der Felder untereinander. Auf makroskopischer Ebene verändern sich die Felder also gegenseitig und können daher nicht einfach addiert werden. Auf das in Abb. 3.4 gezeigte Beispiel findet das Prinzip der linearen Superposition also nur dann Anwendung, wenn die Ströme durch ideale Stromquellen festgelegt und die Leitungen mechanisch stabil sind. Mit Hilfe des Prinzips der linearen Superposition lassen sich jene Differenzialgleichungen bestimmen, die das Verhalten von Feldern in Anwesenheit von Materie beschreiben. Hier der Weg: An jedem Punkt im Raum gilt .B
= B frei + B geb.
und
E = E frei + E geb. .
(3.3)
Außerdem gelten die Maxwell’schen Gleichungen (3.1) für jede Ladungsmenge, also insbesondere
38
3 Die Maxwell’schen Gleichungen
1a. ∇ · (ε0 E frei ) = ρfrei 1b. ∇ · (ε0 E geb. ) = ρgeb. .
4a. ∇ × (μ−1 0 B frei ) = J frei +
(3.4) ∂ ∂t (ε0 E frei )
4b. ∇ × (μ−1 0 B geb. ) = J geb +
∂ ∂t (ε0 E geb. )
für gebundene (.ρgeb. , J geb. ) und freie (.ρfrei , J frei ) Ladungen und Ströme. Die beiden Gleichungssysteme (3.3) und (3.4) lassen sich nun so auflösen, dass die gesamten Felder ohne die gebundenen Ladungen und Ströme bestimmt werden können. Das Ergebnis ∇ · ε0 (E − E geb. ) .
= ρfrei
∇ × [μ−1 0 (B − B geb. )] = J frei +
(3.5) ∂ ∂t ε0 E frei
ist meist in der folgenden Form bekannt ∇ · (ε0 E + P ) .
= ∇ · D = ρfrei
∇ × (μ−1 0 B − M) = ∇ × H = J frei +
(3.6) ∂ ∂t D
und wird oft als Maxwell’sche Gleichungen für Felder in Materie bezeichnet. In diesen Gleichungen werden .P Polarisation oder (besser) Dipoldichte genannt. Im Text zur Abb. 4.13 wird dies noch genauer erläutert werden. Mit .D wird der sogenannte Verschiebungsstrom oder die elektrische Verschiebung bezeichnet. Der Buchstabe D erinnert an die ursprünglich vollständige Bezeichnung displacement of the ether. Denn im 19. Jahrhundert war der Glaube an die Existenz eines alles durchströmenden Äthers noch ungebrochen. Die Aufgabe .Ds bestand in dessen Verschiebung. In der Mitte des 20. Jahrhunderts kam dann der Begriff elektrische Erregung auf. Für .M wird traditionell der Ausdruck Magnetisierung oder auch magnetische Dipoldichte benutzt (mehr dazu im Text zu Abb. 5.10). Die Größe .H hieß im 19. Jahrhundert schlicht Magnetfeld, ab Mitte des 20. Jahrhunderts oft auch magnetische Erregung. Der Vergleich von (3.5) und (3.6) zeigt, dass die Maxwell’schen Gleichungen für Felder in Materie nichts Anderes sind als eine Anwendung der Maxwell’schen Gleichungen (es gibt tatsächlich nur die in Gl. (3.1)) auf den Fall von zwei disjunkten Ladungs- und Strommengen. Dabei spielt es grundsätzlich keine Rolle, wo genau die Trennungslinie gezogen wird. Bei Leitern werden unter freien
3.2 Felder in Materie
39
Tab. 3.1 Bedeutung der traditionellen Feldgrößen nach [3] trad. Feldgröße Bedeutung Ursache Ursache (Symbol)
.H
.D
.M
.P
.B frei /μ0
.ε0 E frei
.B geb. /μ0
.−ε0 E geb.
freie Ströme .J frei
freie Ladung .ρfrei
geb. Ströme .J geb.
.ρgeb.
geb. Ladung
Ladungsträgern die Elektronen des Leitungsbandes verstanden, bei Flüssigkeiten die in ihnen gelösten Ionen und bei Halbleitern je nach Problemstellung auch temporär besetzte Orbitale an Verunreinigungsstellen. Der Vergleich von (3.5) und (3.6) zeigt darüber hinaus die Bedeutung der in den Maxwell’schen Gleichungen für Felder in Materie erscheinenden Größen, welche in Tab. 3.1 zusammengefasst sind. Diese ist wie folgt zu lesen: Berechnet man an einem Punkt im Raume den Wert für .μ0 H , so liefert das Ergebnis den Beitrag, welche die freien Ströme zum Magnetfeld leisten. Entsprechendes gilt für die anderen traditionellen Feldgrößen. Wie weit diese Interpretation von den Ideen des 19. Jahrhunderts entfernt ist, mag daraus geschlossen werden, dass die zu Gl. (3.6) komplementären Gleichungen für gebundene Ladungen, nämlich ∇ · ε0 (E − E frei ) .
∇
× [μ−1 0 (B
= ρgeb.
− B frei )] = J geb. +
∂ ∂t ε0 E geb. ,
(3.7)
bzw. ∇ · (ε0 E − D) = −∇ · P .
= ρgeb.
∇ × (μ−1 0 B − H ) = ∇ × M = J geb. −
∂ ∂t P
(3.8)
erst in den 2010er-Jahren veröffentlicht wurden [4, 5]. Deren Korrektheit ist im Übrigen zwingend erforderlich, um die „Gleichungen für Felder in Materie“ (3.5), (3.6) anwendbar und gleichzeitig die ursprünglichen, universellen Gleichungen (3.1) gültig zu halten (Siehe auch Aufgabe 3.3 und deren Lösung). Die „mikroskopischen Gleichungen“ gelten im Makroskopischen In vielen Lehrbüchern und Skripten werden die Maxwell’schen Gleichungen (3.1) auch die „mikroskopischen Gleichungen“ genannt, während die Gleichungen für Felder in Materie (3.6) als die „makroskopischen Gleichungen“ bezeichnet werden. Diese Unterscheidung ist durch die verschiedenen Anwendungsgebiete begründet. Sie kann sehr leicht falsch verstanden werden:
40
3 Die Maxwell’schen Gleichungen
Die Maxwell’schen Gleichungen (3.1) gelten immer, auch im Makroskopischen. Gleichzeitig sind sie in der Anwendung auf makroskopische, materielle Systeme von geringem Nutzen, da sie die (interessierenden) Gesamtfelder in Beziehung zur (nicht interessierenden) Gesamtheit aller Ladungen und Ströme setzen. Was in diesen Fällen gebraucht wird sind Gleichungen, die die Gesamtfelder in Beziehung zur Teilmenge der freien Ladungen und Ströme setzen. Genau das leisten die makroskopischen Gleichungen. Der Begriff „Hilfsfeld“ führt in die Irre Die Größe .H wird in neueren Lehrbüchern oft als „Hilfsfeld“ bezeichnet (siehe z. B. [6]). Diese Bezeichnung beschreibt, wie .H im Zusammenhang mit der Berechnung des .B Feldes benutzt wird. Die physikalische Bedeutung bleibt jedoch nicht nur offen, mit der den Gesamtbegriff klassifizierenden Wortendung . . . feld wird sogar Falsches suggeriert. Denn es macht einen großen Unterschied, ob etwas ein ganzes Feld oder nur ein Feldanteil ist. Dies soll das folgende Beispiel aus der Hydrodynamik erhellen. Auch hier werden ununterscheidbare Anteile aus unterscheidbaren Quellen gespeist. Die in Abb. 3.5 gezeigte Sensationsmeldung beruht auf einer nicht wegzudiskutierenden Tatsache: In 123 m Höhe über dem Meeresspiegel fließen Werra und Fulda zusammen und bilden die Weser. Betrachtet man nur die Wassermoleküle (ohne Salze und Schwebstoffe), so sind in einem Kubikmeter Weserwasser jeweils die Hälfte Wassermoleküle aus der Werra und der Fulda. Die Aussage, dass das Werrawasser innerhalb der Weser nur noch halb so dicht ist wie in der Werra, stimmt. Denn der Rest eines jeden Volumens wird vom Fuldawasser eingenommen. Woher ein bestimmtes Molekül kommt ist grundsätzlich nicht nachweisbar, denn einzelne Moleküle sind ununterscheidbar. Falsch ist es, die Abnahme der Dichte als Eigenschaft des Werrawassers oder gar des Wassers insgesamt zu interpretieren. Was hier beobachtet wird ist das Zusammenwirken zweier wesensgleicher ununterscheidbarer Teile (Moleküle aus Werra und Fulda) zu einem Ganzen und dessen Konsequenzen. In der Magnetostatik wird gerne ein vergleichbarer Fehler gemacht. Das Magnetische (Kraft-)Feld .B speist sich in Anwesenheit von Materie aus zwei unterscheidbaren Strömen, den subatomaren internen (.→M) und denjenigen, welche von Ladungsträgern mit einem größeren Aktionsradius stammen (.→H ). In der Summe ist an keiner Stelle die Ursache experimentell nachweisbar. Denn eine Hall-Sonde misst weder .M noch .H , sondern immer .B. Interpretiert man die Verläufe von .H und .M in einer Situation, in der beide anwesend sind, als deren Eigenschaften, so macht man den gleichen Fehler wie derjenige, der die Halbierung
3.2 Felder in Materie
41
Abb. 3.5 Eine Sensationsmeldung, deren Wahrheitsgehalt auf einer Verwechslung von Gesamtheit und Anteil beruht. (Foto Wikiwand [7])
der Dichte des Werrawassers in der Weser als dessen Eigenschaft und nicht als Resultat des Zusammenfließens versteht. Genauso wie Werra und Fulda die Weser speisen, setzt sich das Magnetfeld aus Anteilen von gebundenen und freien Strömen erzeugten zusammen. Einmal vereint, lassen sich die Anteile nicht mehr trennen. Tut man es dennoch, schreibt man den Anteilen Eigenschaften zu, welche sie nicht haben, sondern welche durch das Zusammenwirken vorgetäuscht werden. Selbst wenn der Atlantik ausschließlich aus Werrawasser bestünde, er trüge weiterhin alle Schiffe. Wasser ist Wasser, egal aus welcher Quelle es gespeist wird, und ein Magnetfeld ist ein Magnetfeld, egal ob es von freien oder gebundenen Strömen hervorgerufen wird. Der Begriff Feld markiert die Trennungslinie: .E und .B sind Felder, alle anderen in den „makroskopischen Gleichungen“ vorkommenden Größen nicht. Relative Feldkonstanten machen Formeln übersichtlich Die Felddifferenz .E − E geb. kann auch als Modifikation des elektrischen Feldes .E durch Materie interpretiert werden. Da diese stoffspezifisch ist, wird sie am
42
3 Die Maxwell’schen Gleichungen
Egeb.
E
Egeb. Efrei = εr E
E
α
Efrei = εr E
Abb. 3.6 Zur Definition von .εr : Man kann aus einem Vektor .E einen anderen, .E frei gewinnen, indem man entweder einen anderen Vektor, .E geb. abzieht, oder indem man .E transformiert. Links ist eine Verlängerung dargestellt, rechts eine Drehung um den Winkel .α
besten durch eine neue, dem Stoff zugeordnete Größe .εr , die relative Dielektrizität oder auch relative Permittivität beschrieben. Deren Bedeutung ergibt sich aus der folgenden Umformulierung der Felddifferenz .E − E geb. : .E frei
= E − E geb. = εr E.
(3.9)
Durch Gl. (3.9) wird .εr definiert. In Abb. 3.6 werden die beiden äquivalenten Möglichkeiten dargestellt. Meist ist .εr einfach ein Konstante, die relative Dielektrizitätskonstante. Diese gibt an, um welchen Faktor der im elektrischen Feld befindliche Stoff das Feld der freien Ladungsträger abschwächt. Dieser Fall ist in Abb. 3.6 links dargestellt. Bei Festkörpern, deren Moleküle bzw. Kristalle sich nicht entgegengesetzt zum äußeren Feld verformen können, wird .εr durch eine Transformationsmatrix beschrieben, denn diese Materialien verändern auch die Richtung des elektrischen Feldes. Man nennt sie elektrisch anisotrop. Ähnlich wie beim elektrischen Feld kann die Differenz zwischen dem Feld .B und dem durch die Magnetisierung entstandenen magnetischen Kraftfeld .B geb als Modifikation des durch die freien Ströme erzeugten Magnetfeldes durch die von ihm durchdrungene Materie interpretiert werden. Es wird dann .B frei
= B − B geb. = μ−1 r B
(3.10)
gesetzt. Die Größe .μr wird relative magnetische Permeabilität genannt. Bei Festkörpern, deren Moleküle sich nicht (anti-)parallel zum äußeren Feld magnetisch ausrichten können, wird .μr ebenfalls durch eine Matrix dargestellt, denn diese Materialien verändern auch die Richtung des magnetischen Feldes. Man nennt sie magnetisch anisotrop.
3.2 Felder in Materie
43
Solange Feldanteile von freien Ladungen und Strömen vorhanden sind ist die Verwendung der Größen .μr und .εr übrigens ohne weiter Einschränkung möglich. Sie setzt im Gegensatz zu einem weit verbreiteten Missverständnis grundsätzlich weder bestimmte Stoffeigenschaften noch Stoffmengen voraus [3]. Wenn keine freien Ladungen und Ströme vorhanden sind gilt schlicht .E = E geb. etc. Allerdings beinhalten große Stoffmengen, dass .εr als quasi-ortsunabhängig behandelt werden kann, und isotrope Materialien machen die Verwendung von Matrizen überflüssig. Zusammenfassend lässt sich folgende einfache Regel formulieren:
Man erhält die Gleichungen für Felder in Materie aus den MaxwellGleichungen, indem man ε0 E −1 0 B
.μ
ρ, J
→ ε0 εr E → (μ0 μr )−1 B
(3.11)
→ ρfrei , J frei
ersetzt. Dabei sind .εr und .μ−1 r im Allgemeinen stoffspezifische Matrizen. Bei geometrisch aufwändigen Anwendungen dieser Substitution muss darauf geachtet werden, dass .μ−1 r direkt vor .B und .εr direkt vor .E steht. Dabei wird oft .ε0 εr = ε und .μ0 μr = μ abgekürzt. So folgt in Anwesenheit von Materie (vergl. Hypothese 1.3) ein Satz von Gleichungen
.
1. ∇ · (εE) = ρfrei
2. ∇ · B = 0
3. ∇ × E = − ∂t∂ B
4. ∇ × (μ−1 B) = J frei +
∂ ∂t (εE),
(3.12)
welcher den originalen Maxwell-Gleichungen zum Verwechseln ähnlich sieht. Auf subatomarer Ebene versagen die Gleichungen für Felder in Materie Die Unterscheidung zwischen freien und gebundenen Ladungen bzw. Strömen ist nur sinnvoll, solange Volumina betrachtet werden, welche deutlich größer als die eines atomaren Bindungsorbitals betrachtet werden. Denn innerhalb eines solchen sind auch die Bindungselektronen frei. Der Formalismus zur Beschreibung von Feldern in Materie kann also auf atomarer und subatomarer Ebene nicht mehr
44
3 Die Maxwell’schen Gleichungen
verwendet werden. Entsprechendes gilt für die in seinem Kontext definierten Größen:
Größen .E frei , B frei , D, H , P , M, μr und .εr sind für die Beschreibung subatomarer Verhältnisse und Prozesse ungeeignet.
Im Gegensatz dazu behalten .E und .B ihre Bedeutung.
3.3
Die integralen Feldgleichungen
Während die bisher behandelten Differenzialgleichungen das grundsätzliche Verständnis der Elektrodynamik erst ermöglichen, sind für die technische Anwendung der Gesetze deren integrale Formulierungen meist nützlicher. Diese sollen als Nächstes dargestellt und in Beziehung zu den Maxwell’schen Gleichungen gesetzt werden. Die Darstellung der vier zu den Maxwell’schen Gleichungen gehörenden Gesetze soll mittels der folgenden, weit verbreiteten Konventionen erfolgen: Das Symbol . steht entweder für eine geschlossene Linie oder für eine geschlossene Fläche. Die Ränder der eingeschlossenen Flächen werden mit .∂A, die Grenzflächen der eingeschlossenen Volumina mit .∂V bezeichnet. Aus dem Gauß’schen Satz für das elektrische Feld folgt das Coulomb’sche Gesetz Der aus der Vektoranalysis bekannte Gauß’sche Satz verbindet das Volumenintegral über die Divergenz mit dem Flussintegral durch die Oberfläche eines Volumens: Der Gauß’sche Satz für das elektrische Feld lautet .
∂V
ε0 E · da =
∇ · (ε0 E) dV = Q.
(3.13)
V
Das linke Gleichheitszeichen in (3.13) gilt für beliebige Vektorfelder, das rechte nur für das elektrische Feld. Zur Veranschaulichung stelle man sich, wie in Abb. 3.7 gezeigt, eine Kugel vor, in deren Mitte sich ein sehr kleiner Ladungsträger befindet. Das elektrische Feld steht senkrecht auf der Kugeloberfläche und ist daher zu allen seinen infinitesimalen Flächenelementvektor .da parallel. Da die Oberfläche
3.3 Die integralen Feldgleichungen
45
E
Abb. 3.7 Veranschaulichung des Gauß’schen Satzes. Eine Ladung im Zentrum einer Kugel verursacht ein elektrisches Feld, welches senkrecht auf der Kugeloberfläche steht
da' r
E
+
E E
der Kugel die Größe .a = 4πr 2 hat, fällt nach dem Gaußschen Satz die Stärke des elektrischen Feldes mit dem Quadrat des Abstandes: .E
=
Qr 4πε0 |r|3
(3.14)
So folgt zusammen mit der Coulomb-Kraft (Hypothese. 1.2) das Coulombsche Gesetz. Betrachtet man die in Abb. 3.7 gezeigte Kugel aus großer Entfernung, so erscheint sie als Punkt, von dem aus alle das elektrische Feld beschreibenden Vektorpfeile weg zeigen. Verbindet man diese Pfeile zu Feldlinien, so nehmen die Linien alle bei der kleinen Kugel ihren Anfang. Betrachten wir nun den Grenzfall sehr kleiner Volumina, also .V → 0, dann wird ⎛ ⎞ Q 1 . lim ∇ · (ε0 E) dV ⎠ = ∇ · (ε0 E) = lim ⎝ V →0 V V →0 V
(3.15)
V
Die Ladungsdichte ist aber .ρ = Q/V , so dass der Gauß’sche Satz für das elektrische Feld mit der ersten Maxwell’schen Gleichung (3.1.1) inhaltsgleich ist. In Anwesenheit von Materie folgt mittels Gl. 3.11 .
∂V
εE · da =
∇ · (εE) dV = Qfrei ,
V
wobei .ε = ε0 εr im Allgemeinen innerhalb des Integrals stehen muss.
46
3 Die Maxwell’schen Gleichungen
Der Gauß’sche Satz für das Magnetfeld schließt magnetische Monopole aus Der Gauß’sche Satz für das Magnetfeld lautet .
B · da = 0
(3.16)
∂V
und kann mit den gleichen Rechenschritten wie der Gauß’sche Satz für das elektrische Feld der zweiten Maxwell’schen Gleichung (3.1.2) zugeordnet werden:
B · da = 0 ⇔ ∇ · B = 0
.
(3.17)
∂V
Er besagt, dass das Magnetfeld keine Quellen hat, es also keine magnetischen Einzelladungen (Monopole) gibt. In Feldlinienbildern manifestiert sich diese Tatsache darin, dass aus jedem Volumen genauso viele magnetische Feldlinien einwie austreten. Das Faraday-Henry-Gesetz kombiniert zwei Effekte in einer Formel Das magnetische Induktionsgesetz, nach seinen Entdeckern auch Faraday-HenryGesetz genannt, lautet .
⎞ ⎛ dΦ d B E · ds = − = − ⎝ Bda ⎠ dt dt
(3.18)
a
∂a
und beinhaltet sowohl eine Wechselwirkung zwischen elektrischen und magnetischen Feldern als auch die Wirkung auf bewegte Ladungen („Der einzige Fall in der Physik, in dem eine einzige Formel zwei völlig verschiedene Effekte beschreibt. [8]“). Dies zeigen die folgenden Rechnungen: Die Berechnung der Ableitung des Integrals in Gl. (3.18) ergibt nach den Regeln der Vektoranalysis für ein beliebiges Feld .B .
d dt
Bda
=
∂B + v (∇ · B) − ∇ × (v × B) · da ∂t
Dabei steht .v rein mathematisch betrachtet für die Geschwindigkeiten der Flächenelemente .da . Physikalisch wird dies später als Bewegung von Ladungsträgern interpretiert. Da das magnetische Kraftfeld (die Flussdichte) quellenfrei ist, bleibt in diesem Falle
3.3 Die integralen Feldgleichungen
.
d dt
Bda
=
47
∂B − ∇ × (v × B) · da ∂t
(3.19)
übrig. Man erkennt, dass das Induktionsgesetz in seiner makroskopischen Form zwei verschiedene Effekte beinhaltet: der .∂B/∂t Term zeigt, dass eine Änderung der magnetischen Feldstärke eine Rolle spielt. Dieser Teil wird heute zum Beispiel für Funketiketten benutzt, und er steht für die Grenzen elektromagnetischer Verträglichkeit. Der .∇ × B Term bildet das theoretische Fundament aller Elektromotoren und wird bisweilen auch als „motorische Induktion“ bezeichnet. Zur genaueren Untersuchung verwandeln wir das Linienintegral in Gleichung (3.18) mit Hilfe des Stokes’schen Integralsatzes in ein Flächenintegral: .
E · ds =
(∇ × E) · da
a
∂a
Der Vergleich mit Gl. (3.19) ergibt dann .∇
×E =−
∂B + ∇ × (v × B). ∂t
(3.20)
Die ersten beiden Terme sind mit der dritten Maxwell’schen Gleichung (3.1.3) identisch. Die beiden äußeren Terme lassen sich aus der Lorentz-Kraft ableiten:
.
F = Qv × B →E =v×B → ∇ × E = ∇ × (v × B)
(3.21)
Bei der ersten Umformung wurde durch eine Ladung Q dividiert. Im Vakuum bedeutet dies eine Division durch null. Daher ist folgende Einschränkung zu beachten: Das Induktionsgesetz (3.18) gilt nur in Anwesenheit von Ladungsträgern. Im Vakuum ist die zur dritten Maxwell’schen Gleichung äquivalente Formel .
∂a
zu verwenden.
E · ds = −
a
∂B · da ∂t
48
3 Die Maxwell’schen Gleichungen
In Transformatoren und elektrischen Maschinen werden Ladungsträger durch Leiterschleifen zur Verfügung gestellt. Das durch Induktion erzeugte elektrische Feld ist im Übrigen ein reines Wirbelfeld, ganz im Gegensatz zu dem von Ladungen erzeugten elektrischen Feld, welches ein reines Quellenfeld ist. Das Ampère-Maxwell’sche Gesetz beschreibt die Erzeugung von Magnetfeldern Das vierte makroskopisch formulierte Gesetz ist das Ampère-Maxwell’sche: .
(μ−1 0 B) · ds = I +
∂a
∂(ε0 E) da ∂t
a
(3.22)
Der in diesem Gesetz auftretende Strom I ist dabei derjenige, welcher durch die Fläche a mit dem Rand .∂a fließt. Die Beziehung zu den Maxwell’schen Gleichungen kann wiederum mit Hilfe des Stokes’schen Satzes gefunden werden: .
(μ−1 0 B) · ds =
(∇ × (μ−1 0 B)) · da
a
∂a
Da nun auf beiden Seiten des Gleichheitszeichens Integrale über eine Fläche stehen, ist es ratsam, auch den Strom zu ersetzen: .I
=
J · da
a
Daher kann Gl. (3.22) in der folgenden Weise geschrieben werden: (∇
.
× (μ−1 0 B)) · da
a
=
∂(ε0 E) · da J+ ∂t
(3.23)
a
Da dies für jede beliebige Fläche a gelten muss, müssen auch die Integranden gleich sein: .∇
× (μ−1 0 B) = J +
∂(ε0 E) ∂t
(3.24)
Dieses Gesetz ist also der vierten Maxwell’schen Gleichung (3.1.4) äquivalent.
3.4 Brechung von Feldlinien
49
Im Grenzfall .∂(ε0 E)/∂t = 0 bleibt davon das sog. Ampère’sche Gesetz
(μ−1 0 B) · ds = I,
.
(3.25)
∂a
welches streng genommen nur ein Teilgesetz ist übrig. Denn dieses gilt nur in Abwesenheit veränderlicher elektrischer Felder.
3.4
Brechung von Feldlinien
An Materialübergängen wechseln sowohl elektrische als auch magnetische Felder ihre Richtung. Dieses Phänomen wird in Anlehnung an seine grafische Darstellung als Brechung von Feldlinien bezeichnet. Zu dessen Verständnis ist es hilfreich, die Feldvektoren in eine Komponente parallel zum Materialübergang und eine senkrecht zu ihm zu zerlegen. Die Parallelkomponente des elektrischen Feldes bleibt, wie in Abb. 3.8 angedeutet, an einem Materialübergang unverändert. Zur Begründung wenden wir das Faraday-Henry-Gesetz auf die Verbindungslinie der Punkte .P1 bis .P4 in Abb. 3.8 an und betrachten den Grenzübergang eines immer kleiner werdenden Abstands der Punkte .P1 und .P4 , sowie .P2 und .P3 . Für einen endlich groß bleibenden Abstand .Δx zwischen den Punkten .P1 und .P2 wird in diesem Grenzübergang .
⎞ ⎛ d ⎝ ⎠ E · ds = − B · da dt
a
∂a
→ (Ex1 − Ex2 ) Δx = 0 → Ex1 = Ex2 .
Das Flächenintegral im Gesetz muss gegen null gehen, wenn die Fläche gegen null tendiert. Abb. 3.8 Brechung elektrischer Feldlinien an einem Materialübergang
y
P4
E x2
P1 E x1
P3 P2
α2
E y2 E y1 E1
E2
α1 x
50
3 Die Maxwell’schen Gleichungen
Zur Untersuchung der senkrechten Komponente wenden wir den Gauß’schen Satz für das elektrische Feld, Gl. 3.13, auf den Fall der Anwesenheit von Materie mit dem Ergebnis .
εE · da =
∂V
∇ · (εE) dV = Qfrei V
an. In dem in Abb. 3.8 angedeuteten Grenzübergang eines immer flacher werdenden quaderförmigen Volumens bleiben nur die in Abb. 3.8 nach oben und nach unten zeigenden Flächen A endlich groß und es bleibt .
ε2 Ey2 − ε1 Ey1 A = 0 → ε1 Ey1 = ε2 Ey2
übrig. Denn für ein immer kleiner werdendes Volumen muss auch dessen Integral verschwinden. Insgesamt ergibt sich so eine Formel .
Ex1 /Ey1 ε1 tan α1 = = , tan α2 Ex2 /Ey2 ε2
(3.26)
welche als Brechungsgesetz für elektrische Feldlinien bekannt ist. Das Verhalten von Magnetfeldern an Materialgrenzen kann auf ähnliche Weise (siehe Aufgabe 3.10) aus dem Ampère-Maxwell’schen Gesetz und dem Gauß’schen Satz für das Magnetfeld gewonnen werden. Man erhält, wie in Abb. 3.9 angedeutet, eine Veränderung der oberflächenparallelen Feldkomponente bei unveränderter Vertikalkomponente. Insgesamt ergibt sich .
Bx1 /By1 tan α1 μ1 = = , tan α2 Bx2 /By2 μ2
(3.27)
das sogenannte Brechungsgesetz für magnetische Feldlinien.
Abb. 3.9 Brechung magnetischer Feldlinien an einem Materialübergang
y
P4
B x2
P1 B x1
P3 P2
α2
B y2 B y1 B1
B2
α1 x
3.5 Kontrollfragen und Aufgaben zum 3. Kapitel
51
An Materialübergängen verändern sich ausschließlich die oberflächenparallele Komponente des Magnetfeldes und die senkrechte Komponente des elektrischen Feldes. Resultat dieser komplementären Eigenschaften sind gleich aussehende Formeln für die Brechungsgesetze beider Felder.
Die Brechungsgesetze gelten sowohl im statischen als auch bei moderaten Frequenzen1 im dynamischen Falle.
3.5
Kontrollfragen und Aufgaben zum 3. Kapitel
3.1 Gelten die Maxwell’schen Gleichungen (3.1) in Anwesenheit von Materie? 3.2 Es gibt zwar nur vier Maxwell’sche Gleichungen, aber in Anwesenheit von Materie sind sechs Gleichungen zu erfüllen. Wie viele Gleichungen müssten gleichzeitig erfüllt sein, wenn die gebundenen Ladungen und Ströme in Elektronen und Atomkerne unterteilt würden? 3.3 Welche der folgenden Größen haben in Anwesenheit von Materie andere Eigenschaften als in deren Abwesenheit: B, M, H , E, D, P ? 3.4 Bitte zeigen Sie, dass sich mit Hilfe der Gleichungssysteme (3.5) und (3.7) die die Ladungs- und Stromdichten enthaltenden Maxwell’schen Gleichungen in ihrer Originalform reproduzieren lassen. 3.5 Um das Induktionsgesetz anzuwenden muss das Linienintegral E · dl berechnet werden. Ist es nötig, die Wegelemente dl entlang der elektrischen Feldlinien zu wählen? 3.6 Die Kirchhoff’sche Maschenregel lautet i Ui = 0. Wie muss diese Regel für eine elektronische Platine modifiziert werden, damit sie auch im Falle der Einstrahlung elektromagnetischer Felder stimmt?
1 Die
Frequenzen müssen klein genug sein, dass atomare Relaxationszeiten deutlich unter einer Periodendauer liegen.
52
3 Die Maxwell’schen Gleichungen
3.7 Ein elektrisches Feld sei zum Zeitpunkt t = 0 durch .E
= E0 r02
−y x , ,0 r3 r3
mit r 2 = x 2 + y 2 + z2 beschrieben. E0 und r0 sind Konstanten. Wird dieses Feld durch Ladungen oder Magnetfelder erzeugt? 3.8 Zeigen Sie, dass das elektrische Feld einer Kugel keinen Wirbelanteil hat. 3.9 Ein Kondensator, dessen Elektroden Kreisflächen mit Radius r = 10 cm einen Abstand von d = 50 μm haben wird von einer Anfangsspannung von U0 = 5 V über einen R = 100 k Widerstand entladen. Das Dielektrikum habe eine relative Permittivität von μr = 2 und außerdem εr = 10. Bitte bestimmen Sie das Magnetfeld als Funktion des Radius’ und der Zeit sowohl zwischen den Kondensatorplatten als auch bei größeren Radien. Wie hängt das Magnetfeld von εr ab? Wie hängt das elektrische Feld von der Zeit ab? 3.10 Bitte leiten Sie das Brechungsgesetz für magnetische Feldlinien her. 3.11 Bei der Herleitungder Brechungsgesetze für Feldlinien wurde vorausgesetzt, dass ein Flächenintegral f da verschwindet, wenn die Fläche beliebig klein wird. a
Können Sie dies bestätigen oder gar begründen?
3.6
Antworten und Lösungen zum 3. Kapitel
3.1 Ja, sie betreffen jedoch die Gesamtheit aller Ladungen und Ströme, von welcher in der Regel nur der freie Anteil zugänglich ist. Sie sind also in Anwesenheit von Materie ebenso wahr wie nutzlos. 3.2 Für jede neue Ladungs- und Strom-Teilmenge kommen zwei Gleichungen hinzu. Eine Unterteilung der gebundenen Ladungen und Ströme würde also zu insgesamt acht Gleichungen führen. 3.3 Die Größen H und D stimmen im Vakuum mit dem elektrischen und dem magnetischen Feld überein. In Anwesenheit von Materie sind sie nur noch Feldanteile, (keine Felder) für die die Maxwell’schen Gleichungen keine unmittelbaren Strukturvorgaben (Pole, . . . ) machen.
3.6 Antworten und Lösungen zum 3. Kapitel
53
Die Größen M und P gibt es nur in Anwesenheit von Materie. Sind keine freien Ströme bzw. Ladungen vorhanden, fallen sie (bis auf vom Einheitensystem abhängige Naturkonstanten) mit den Feldern B und E zusammen. Andernfalls sind auch sie Feldanteile ohne unmittelbare Strukturvorgaben durch die Maxwell’schen Gleichungen. Die physikalischen Felder B und E bedeuten immer das Gleiche und sie müssen unter allen nur denkbaren Umständen die Strukturvorgaben der Maxwell’schen Gleichungen erfüllen. 3.4 Man muss die Gleichungen addieren:
.
∇ · ε0 (E − E frei )
= ρgeb.
+ ∇ · ε0 (E − E geb. )
= ρfrei
→ ∇ · ε0 (2E − E frei − E geb. ) = ρfrei + ρgeb. → ∇ · ε0 E
=ρ
und entsprechend folgt für Magnetfelder ∇ × [μ−1 0 (2B − B frei − B geb )] = J frei + J geb. + .
→ ∇ × [μ−1 0 B] = J +
∂ ∂t ε0 (E geb.
+ E frei )
∂ ∂t ε0 E,
was zu zeigen war. Im Übrigen sind die beiden hier nicht betrachteten Maxwell’schen Gleichungen unabhängig von der Anwesenheit von Materie. 3.5 Nein, es ist nicht nötig, dieses Integral entlang der Feldlinien auszurechnen. Denn das Skalarprodukt zwischen dem Wegelement dl und dem Feldvektor E hat einen Wert, welcher gerade demjenigen entspricht, welchen man ohne vektorielle Rechnung bei der Wahl eines Pfades entlang der Feldlinien erhält: E · dl beliebig = EdlFeldlinie . Das heißt: Ein Ausrechnen entlang einer Feldlinie ist nicht nötig, aber praktisch. Mehr noch: Ist der Feldlinienverlauf unbekannt, ist die Berechnung der Feldstärke ohne numerische Hilfsmittel fast immer unmöglich. 3.6 Die Kirchhoff’sche Maschenregel folgt aus der Wirbelfreiheit des elektrostatischen Feldes. Nach dem Induktionsgesetz (Faraday-Henry-Gesetz) können zeitabhängige Felder einen Wirbelanteil haben. Bezeichnet man mit ΦB den magnetischen Fluss durch die von den Leiterbahnen und Bauelementen der Masche aufgespannte Fläche, dann gilt
54
3 Die Maxwell’schen Gleichungen
.
i
Ui +
dΦB =0 dt
(Maschenregel bei Einstrahlung)
(3.28)
3.7 Als Ursachentest wird die Divergenz des Feldes berechnet. Das Ergebnis .∇
yx xy · E = E0 r02 3 5 − 3 5 + 0 = 0 r r
zeigt, dass es ein reines Wirbelfeld ist, also nur von einem sich ändernden Magnetfeld verursacht sein kann. 3.8 Das elektrische Feld einer Kugel wurde als E = rQ/(4πε0 |r|3 ) berechnet. Die Rotation dieses Feldes beträgt .∇
yz zy zx xz xy yx × E = E0 r02 −3 5 + 3 5 , −3 5 + 3 5 , −3 5 + 3 5 , = (0, 0, 0), r r r r r r
verschwindet also überall. 3.9 Bis auf zu vernachlässigende Randeffekte ist das Feld zwischen den Platten gleich groß und außerhalb praktisch gleich Null. Das Magnetfeld ergibt sich aus dem axialsymmetrischen Aufbau und dem Ampere-Maxwell Gesetz (3.22). Nennt man α den Abstand zum Plattenzentrum, dann entsteht zwischen den Platten ein konzentrisches Magnetfeld, welches .
−1 (μ−1 0 μr B) · ds = I +
∂(ε0 εr E) ∂E 2 · da → 2παB = μ0 μr ε0 εr πα ∂t ∂t
a
∂a
erfüllen muss. Ableiten dieser Gleichung und Einsetzen ergibt ein Magnetfeld, .B
=−
U0 μ0 μr α −t/τ e R 2πr 2
(α < r)
welches zum Rand hin stärker wird und (bis auf die Zeitentwicklung) erstaunlicher Weise nicht mehr von den elektrischen Eigenschaften (εr ) des Dielektrikums abhängt. Die ε Faktoren kürzen sich durch den 1/τ Term der inneren Ableitung von exp(−t/τ )heraus. Für Radien größer als r behält das Flächenintegral in der ersten Gleichung einen konstanten Wert und das Linienintegral wird von μr unabhängig, denn die Linie verläuft nun außerhalb des Dielektrikums. Das Magnetfeld nimmt dann gemäß
3.6 Antworten und Lösungen zum 3. Kapitel
.B
= −μ0
55
U0 1 −t/τ (α ≥ r) e R 2πα
ab. Mit anderen Worten: außerhalb des Kondensators ist das Magnetfeld genau so groß wie um die Leitung herum, denn U0 /R ist gerade der Anfangswert des Stromes, I0 , weshalb man auch B = μ0 I /(2πα) schreiben könnte. Der Wert der Kapazität ist nun C = 0 r (πr 2 )/d = 55,6 nF. Die Zeitkonstante τ ist dann RC = 5,56 ms. Damit hat das elektrische Feld die Stärke .E
=
U0 −t/RC V ·e = 105 · e−t/(5,56 ms) d m
3.10 Der Gauß’sche Satz auf das in Abb. 3.9 rechts gezeigte Volumen gibt .
B · da ≈ (By2 − By1 )a = 0 → By1 = By2 ,
∂V
wobei a die Größe der Oberseite des Quaders ist. Das Ampère-Maxwell’sche Gesetz, Gl. (3.22), ergibt in Anwesenheit von Materie, Gl. (3.11) für den in der Abbildung links skizzierten Weg .
→
(μ−1 B) · ds =
∂A
B1x B2x + μ1 μ2
J · da +
A
∂(εE) · da |betrachte|P1 − P4 | → 0 ∂t A
|P1 − P2 | = 0
|dividiere /|P1 − P2 |
B1x μ2 = B2x μ1 denn in dem Maße, in dem die Punkte P1 und P4 einerseits und P2 und P3 andererseits aneinanderrücken verschwindet die umschlossene Fläche und mit ihr verschwinden die Flächenintegrale des Ampère-Maxwell’schen Gesetzes. Der Rest ist Geometrie: .
QED.
Bx1 /By1 μ1 tan α1 = = . tan α2 Bx2 /By2 μ2
56
3 Die Maxwell’schen Gleichungen
3.11 Man kann dies mit dem Mittelwert der Funktion f über der Fläche begründen: < f > = f da /a a f da =< f > da =< f > a .→ a a → f da = 0
| Definition Mittelwert | lim
a→0
| solange < f > endlich ist
a
In Worten: Das Integral über die Fläche wird als Produkt aus der Fläche und dem Mittelwert der Funktion über dieser Fläche geschrieben. Solange dieser Mittelwert endlich ist muss das Integral zusammen mit der Fläche verschwinden.
Literaturverzeichnis 1. Martin Poppe, Prüfungstrainer Elektrotechnik, 4. Auflage, Springer Heidelberg 2022, ISBN 978-3-662-65001-1 2. Gustav Kirchhoff, Vorlesungen über mathematische Physik, 3. Band, Teubner Leipzig 1891, im Netz bei https://archive.org/details/vorlesungenberm01plangoog/page/n7/mode/ 2upzufinden 3. Martin Poppe, Die Maxwell’sche Theorie, Springer Heidelberg 2015, ISBN 978-3-66245592-0 4. Andrzej Herczynski, Am. J. Phys. 81, 202 (2013); https://doi.org/10.1119/1.4773441 5. Gonano Zich and Mussetta, Progress In Electromagnetics Research B, Vol. 64, 6. David J. Griffiths, Elektrodynamics, 5. Auflage, Cambridge University Press 2023, ISBN 9781009397759 7. New Flame sinking off Europa Piont, www.wikiwand.com 8. Richard P. Feynman, The Feynman Lectures on Physics: The Definitive and Extended Edition, Vol.2, Addison Wesley 2005, ISBN 0-8053-9045-6
4
Erster Spezialfall: statische elektrische Felder
Zusammenfassung
Zentrale Begriffe der Elektrotechnik gehen auf die Eigenschaften statischer elektrischer Felder zurück. Nach der Lektüre dieses Kapitels kennen Sie nicht nur den Zusammenhang zwischen elektrischem Feld, Potenzial, Spannung und Energie. Sie verstehen auch, wie sich die Verwendung dieser Begriffe aus den Eigenschaften des statischen elektrischen Feldes ergibt. Sie erkennen das Zusammenspiel von Feldenergie, Lageenergie und der inneren elektrischen Energie von Stoffen. Sie kennen einige der Techniken, mit denen elektrische Felder berechnet werden, sei es durch Lösung der Gleichungen von Poisson und Laplace oder sei es die Verwendung der Green’schen Funktion. Auch die Verwendung von Spiegelladungen und das Näherungsverfahren der Multipolentwicklung gehören dazu. Sie erkennen, dass die klassische Elektrotechnik bei subatomaren Distanzen nicht mehr unverändert angewandt werden darf und dass Kapazitäten ohne Gegenelektrode möglich sind.
4.1
Energie und Potenzial
Sich mit dem Begriff Potenzial auseinanderzusetzen lohnt in dreierlei Hinsicht: • •
Die Differenz zweier Potenziale führt auf den die gesamte Elektrotechnik durchdringenden Begriff der Spannung. Das Potenzial ist eine skalare Größe, deren Ableitung alle drei Komponenten des elektrischen Feldvektors bestimmt. Seine Berechnung ist daher in vielen Fällen die einfachste Möglichkeit, ein elektrisches Feld zu bestimmen.
© Springer-Verlag GmbH Deutschland, ein Teil von Springer Nature 2024 M. Poppe, Grundkurs Theoretische Elektrotechnik, https://doi.org/10.1007/978-3-662-68631-7_4
57
58
•
4 Erster Spezialfall: statische elektrische Felder
Das Potenzial ist ein Maß für potenzielle Energie und ist damit eine Verbindungsgröße zwischen der Elektrotechnik und der Mechanik.
Im statischen Falle hat das elektrische Feld keinen Wirbelanteil, denn von .∇ ×E = −∂B/∂t bleibt nur .∇ ×E = 0 übrig. So ist das statische elektrische Feld ein reines Quellenfeld, was vieles einfacher bzw. erst berechenbar macht. Grundsätzlich sind zwei Energieformen zu unterscheiden: die potenzielle Energie eines Ladungsträgers im elektrischen Feld und der Energieinhalt des Feldes selbst. Beide sind durch den Energieerhaltungssatz untrennbar verknüpft: Der Energieinhalt eines Feldes wächst in dem Maße, in dem Arbeit verrichtet werden muss, um die es erzeugenden Ladungen gegeneinander zu verschieben. Ladungen geben sich gegenseitig potenzielle Energie Um einen Ladungsträger von einem Startpunkt zu einem Zielpunkt zu bewegen, muss Arbeit verrichtet werden. Der Energiegewinn1 ist dabei Ziel .Wpot
=
Ziel
−F · ds = −Q Start
E · ds .
(4.1)
Start
Da der Wirbelanteil des statischen elektrischen Feldes gleich null ist, hängt der Energiegewinn auf einen Faktor Q nur vom Feld und von den Anfangs- und Endpunkten ab. Letzteres lässt sich mit Hilfe des Satzes von Stokes beweisen, indem man sich, wie in Abb. 4.1 gezeigt, eine geschlossene Kurve denkt, die durch die beiden Start- und Zielpunkte führt. Diese liefert dann den Energieunterschied zwischen „Hinweg“ und „Rückweg“. Für die von der Kurve .∂a umschlossene Fläche .a gilt nach dem Satz von Stokes .Q
∂a
E · ds = Q
(∇ × E) · da = 0 ,
a
was bedeutet, dass erst die Abwesenheit eines Wirbelanteils .(∇ × E = 0) ermöglicht, jedem Punkt im Raum ein Potenzial zuzuordnen. Daher wird die in
1 Das
Minuszeichen in Gl. (4.1) bedeutet, dass die Energie genau dann gewonnen wird, wenn gegen eine Kraft bewegt wird.
4.1 Energie und Potenzial
59
Ziel „hin“ ds
E
ds
E
ds ds
a
ds „zurück“
ds E
Start
Abb. 4.1 Geschlossene Kurve im statischen elektrischen Feld .E, welche als Summe zweier unterschiedlicher Wege zwischen den Punkten a und b interpretiert wird. Nach dem Stokes’schen Satz ist der Energiegewinn eines Ladungsträgers .− QE · ds = 0 entlang der Gesamtkurve, wenn das Feld auf der Fläche a wirbelfrei ist
Gl. (4.1) definierte Energieform auch als Lageenergie oder auch als potenzielle Energie des Ladungsträgers bezeichnet. Die Arbeit, welche nötig ist, um eine Punktladung .Q1 von sehr großer Entfernung aus bis zu einem Abstand .r12 einer anderen, .Q2 , anzunähern, ergibt sich aus (4.1) und (3.14) zu .Wpot
=
Q1 Q2 . 4πε0 r12
(4.2)
Kommt eine weitere Ladung hinzu, muss sowohl gegen das Feld der ersten als auch gegen das der zweiten bewegt werden. Die Generalisierung auf n Punktladungen ist dann .Wpot
n 1 = 4πε0 i=1
n Qi Qk rik
(4.3)
k=i+1
wobei der Indexbereich der zweiten Summenbildung sicherstellt, dass jede Kombination nur einmal vorkommt und keine Wechselwirkung eines Ladungsträgers mit sich selbst postuliert wird. Abb. 4.2 zeigt zwei Beispiele von Ladungskonfigurationen, welche aus einer Einzelladung Q und zwei jeweils halb so großen, in festem Abstand A gehaltenen Ladungen besteht. Gezeigt wird der Verlauf der gesamten potenziellen Energie nach Gl. (4.3) als Funktion des Abstandes x zwischen der großen Ladung und dem
60
4 Erster Spezialfall: statische elektrische Felder
x
Q/2
Q/2
Q/2
Q
x
A Q/2
Potenzielle Gesamtenergie in beliebigen Einheiten
A
Q
Wp Ws
2
1
0 -2
-1
0
1
2
3
4
Normierter Abstand x/A
Abb. 4.2 Zwei Konfigurationen aus jeweils drei Ladungsträgern (links) und die zu ihnen gehörende Gesamtenergie (rechts). Die Ladungsträger werden als punktförmig angesehen. Zwei der Ladungsträger haben jeweils einen festen Abstand A. Im oberen Fall liegen alle auf einer Linie und ergeben die Gesamtenergie .Wp (p wie parallel), im unteren stehen die Verbindungslinien senkrecht aufeinander und ergeben .Ws (s wie senkrecht)
Schwerpunkt der beiden kleinen. Liegt die große Ladung in der Mitte zwischen den beiden kleinen ist .x = 0. In beiden Fällen strebt die potenzielle Gesamtenergie für große x nicht gegen null, sondern gegen die potenzielle Energie, die sich die beiden „kleinen“ Ladungen gegenseitig geben. Dieser Teil wird innere Energie dieses Systems aus zwei Ladungen genannt. Je kleiner x wird, desto größer wird der Einfluss der Positionen der kleinen Einzelladungen relativ zur Großen (siehe Abb. 4.2, oben): Liegen alle Ladungsträger auf einer Linie, so hat die potenzielle Energie .Wp an den xWerten Pole, an denen der Abstand zwischen zwei Ladungen null wird. Wenn die Verbindungslinie zwischen den Ladungsträgern senkrecht auf dem Abstandsvektor steht, gibt es keinen Pol, denn die Ladungsorte bleiben getrennt, wie Abb. 4.2 unten zeigt. Die Differenz zwischen der potenziellen Gesamtenergie und der inneren Energie wird auch Wechselwirkungsenergie genannt. Festzuhalten bleibt:
Die innere Struktur geladener Objekte kann bei der Berechnung der Wechselwirkungsenergie nur vernachlässigt, also durch Punktladungen ersetzt werden, wenn Abstände deutlich größer als die Objektgröße betrachtet werden.
4.1 Energie und Potenzial
61
Das Potenzial: Eine skalare Größe bestimmt den elektrischen Feldvektor Die auf dessen Ladung normierte potenzielle Energie eines Ladungsträgers an einem Punkt .b wird elektrisches Potenzial .Φ(b) genannt: b .Φ
=
E · ds
(4.4)
irgendwo
Der Begriff „irgendwo“ als untere Grenze soll andeuten, dass die Definition des Potenzials eine gewisse Freiheit beinhaltet: Wo der Startpunkt des Weges des Ladungsträgers ist, ist in dieser Definition nicht festgelegt. Meist, aber nicht immer, wird davon ausgegangen, dass der Ladungsträger ursprünglich sehr weit von allen anderen Ladungen entfernt war. Das Potenzial in der Nähe eines einzelnen Ladungsträgers ist dann konsequenter Weise eine Funktion des Ortes, welcher an allen Punkten im Raum festlegt, wieviel Energie ein zweiter Ladungsträger braucht, um sich dem ersten Ladungsträger bis zu diesen Punkten zu nähern. Das Potenzial spielt im statischen elektrischen Feld eine ähnliche Rolle wie die Höhe (genauer: das Produkt aus Höhe h und Erdbeschleunigung: .ΦSchwerkraft = gh) im Schwerkraftfeld der Erde. Egal auf welchen der in Abb. 4.3 gezeigten Routen der Gipfel erreicht wird: der Energiegewinn ist immer der gleiche .ΔW
= mgΔh = mΔΦSchwerkraft .
Die Differenz der Potenziale an zwei verschiedenen Punkten .a und .b heißt Spannung: b .Uab
=−
E · ds = ·(Φ(a) − Φ(b)).
(4.5)
a
Kennt man also das Potenzial des Anfangspunktes und das des Endpunktes der Bewegung einer Ladung, dann weiß man, welche Energie benötigt oder freigegeben wurde, um vom ersten Punkt zum zweiten zu gelangen. Im Gegensatz zum Potenzial, dessen Definition den Startpunkt offenlässt, ist die Spannung zwischen zwei Punkten eindeutig, also ohne Wahlfreiheiten definiert.
62
4 Erster Spezialfall: statische elektrische Felder
Abb. 4.3 Verschiedene Wanderrouten zu einem Berggipfel in Nord-Norwegen. Der Gewinn an potenzieller Energie ist auf allen Routen gleich, denn das Schwerkraftfeld ist wirbelfrei
Welch großen Nutzen das Potenzial zur Bestimmung elektrischer Felder hat, wird in der folgenden, differenziellen Form seiner Definition deutlich: Das elektrische (Vektor-) Feld .E kann als Gradient genau dieser skalaren Funktion .Φ geschrieben werden, .E
= −∇Φ
(4.6)
welche ausreicht, um alle drei Komponenten des elektrischen Feldes eindeutig festzulegen. Die Übereinstimmung der Gleichungen (4.4) und (4.6) ergibt sich wie folgt: Der Energiegewinn .dW entlang eines Wegstückchens .dr ist immer durch die zu überwindende Kraft .F bestimmt. Das heißt für einen geladenen Körper, dass dW = −QE · dr = −Q(Ex dx + Ey dy + Ez dz) .
d(W/Q) = −E · dr
= −(Ex dx + Ey dy + Ez dz)
gilt. Nennt man nun .Φ = W/Q das Potenzial und nimmt man an, dass diese Funktion für jeden Punkt im Raume differenzierbar und eindeutig ist, so sieht deren totales Differenzial .dΦ
=
∂Φ ∂Φ ∂Φ dx + dy + dz = ∇Φ · dr ∂x ∂y ∂z
4.1 Energie und Potenzial
63
dem des Energiegewinns sehr ähnlich. Ein Vergleich der letzten beiden Gleichungen gibt dann Gl. (4.6). Hieraus folgt, dass ein elektrisches Feld als Gradient einer Potenzialfunktion geschrieben werden kann, aber nicht muss: Wegen .∇ ×(∇f ) = 0 für alle .f (r) gilt Gl. (4.6) nicht für Wirbelfelder. Da das statische elektrische Feld aber keinen Wirbelanteil hat, stellt die Verwendung der Potenzialfunktion in diesem Falle keinerlei Einschränkung dar. Gl. (4.6) begründet die Wahlfreiheit des Anfangspunktes in der Potenzialdefinition (4.4): Eine Veränderung des Anfangspunktes erhöht oder erniedrigt das Potenzial um einen konstanten Betrag, welcher beim Differenzieren verschwindet. Der Anfang kann also wirklich „irgendwo“ sein. Ein Teil der Feldenergie kann an Dielektrika abgegeben werden Dass das elektrische Feld selbst Energie enthält, lässt sich aus der Arbeit schließen (wie in Lehrbüchern zu den Grundlagen der Elektrotechnik oder der Physik [1] nachzulesen ist), die für das Laden eines Kondensators verrichtet werden muss. Man erhält eine Energiedichte von .w
=
ε0 εr 2 W = E , V 2
(4.7)
wobei .εr die relative elektrische Feldkonstante des Dielektrikums ist. Für den in Abb. 4.4 gezeigten Kondensator bedeutet dies, dass die Polarisierbarkeit des Dielektrikums die zum Laden benötigte Energie verdreifacht. Gleichung (4.7) gibt eine Antwort auf die Frage, wo genau die Energie zum Laden eines Kondensators hingeht: Da .εr gerade der Faktor ist, um den das Dielektrikum das von außen angelegte Feld abschwächt, .E aber das tatsächlich im Material vorhandene Feld („außen minus Polarisation“) ist, ergibt sich
Abb. 4.4 Ein Folienkondensator. Knapp ein Drittel der in ihm gespeicherten Gesamtenergie ist im elektrischen Feld .E, deren größter Teil jedoch in der Ladungsverschiebung innerhalb der Dielektrikumsmoleküle gespeichert (Abbildung: WIMA GmbH & Co. KG)
64
4 Erster Spezialfall: statische elektrische Felder
wgesamt = wFeld =
.
ε0 εr 2 2 E ε0 2 2E
→ wFeld /wgesamt = 1/εr , was Folgendes bedeutet:
Bringt man ein Dielektrikum in ein elektrisches Feld ein, so nimmt es einen erheblichen Teil der Feldenergie auf, so dass der Anteil der im Feld selbst gespeicherten Energie nur noch .1/εr beträgt.
Die im Dielektrikum gespeicherte Energie ist gemäß dem Energieerhaltungssatz genau diejenige, die für dessen Polarisation benötigt wird. Die Feldenergie setzt der klassischen Elektrodynamik Grenzen Im Rahmen der speziellen Relativitätstheorie hat Einstein gezeigt, dass Masse eine Energieform ist. Die folgende Überlegung zeigt, dass die Gesetze der klassischen Elektrodynamik bei der Betrachtung sehr kleiner Objekte nicht mehr angewandt werden können. Die Energie einer punktförmigen Quelle divergiert. Nach der Relativitätstheorie müsste dann auch die Masse über alle Grenzen wachsen. Die im elektrischen Feld außerhalb einer geladenen Kugel mit dem Radius R gespeicherte Energie ist .W
=
w dV =
∞
w 4πr 2 dr ,
R
außen
wobei w die Energiedichte des elektrischen Feldes unter Zuhilfenahme von Gl. (3.14) als .w
=
1 Q2 ε0 E 2 = 2 32π 2 ε0 r 4
berechnet werden kann. Damit ergibt sich eine Gesamtenergie .W
=
Q2 , 4πε0 R
4.2 Feldberechnung mittels Gauß- und Coulomb-Integralen
65
welche für .R → 0 divergiert. Wegen der Äquivalenz von Masse und Energie (.W = mc2 ) können die obigen Formeln nicht mehr korrekt sein, wenn zum Beispiel der Radius .Re eines Elektrons die Grenze .Re
=
Q2 ≈ 2,8 f m 4πε0 me c2
erreicht. Denn dann ist das elektrische Feld allein schon so schwer wie sein Erzeuger. Dieser Minimalradius entspricht etwa dem eines leichten Atomkerns und er ist viele Größenordnungen oberhalb dessen, was quantenelektrodynamische Interpretationen von Experimenten mit Elektronen suggerieren. Er sagt also nichts über die tatsächliche Ausdehnung eines Elektrons aus. Vielmehr macht die in der Speziellen Relativitätstheorie verankerte Äquivalenz von Masse und Energie eine Modifikation der klassischen Elektrotechnik bei der Analyse nuklearer Vorgänge zwingend erforderlich.
4.2
Feldberechnung mittels Gauß- und Coulomb-Integralen
Einfache Geometrien: der Satz von Gauß hilft Die Verwendung des Gauß’schen Satzes für die Berechnung elektrischer Felder ist immer dann einfach, wenn aufgrund der Symmetrie bekannt ist, dass die Feldvektoren E überall parallel zu den Flächenelementen da stehen. Denn dann wird aus dem Skalarprodukt E · da schlicht das Produkt der Beträge Eda.
Dotierungsanforderung an eine Solarzelle Der Gauß’sche Satz für das elektrische Feld kann beispielsweise verwendet werden, um die Feldstärkenverteilung innerhalb einer Solarzelle zu berechnen. Solarzellen sind Halbleiterbauelemente, bei denen leicht unterschiedlich verunreinigte Bereiche zusammenkommen. Nahe der Grenzfläche bildet sich eine Zone ohne frei bewegliche Ladungsträger, die sogenannte Verarmungszone. Innerhalb dieser Zone kann durch Lichteinfall Strom erzeugt werden. Denn wenn hier ein Lichtquant ein Elektron aus seiner Bindung löst, folgt es dem in der Verarmungszone herrschenden Feld. Je breiter die Verarmungszone, desto größer die Wahrscheinlichkeit einer Licht-Strom-Umwandlung. Daher ist es wichtig, den Zusammenhang zwischen den Technologieparametern und der Breite der Verarmungszone zu (Fortsetzung)
66
4 Erster Spezialfall: statische elektrische Felder
kennen. Man möchte bei gegebener Spannung ein möglichst auf große Abstände verteiltes Feld bekommen. Abb. 4.5 zeigt die geometrischen Verhältnisse am Übergang. Die Verarmungszone enthält auf der unteren Seite (y < 0) negativ geladenen Ionen der Verunreinigungsatome, auf der oberen (y > 0) positiv geladene. Jenseits der Verarmungszone ist das Material leitend und damit praktisch feldfrei. Wird der Gauß’sche Satz nun auf den in Abb. 4.5 skizzierten Quader der Dicke Δy und Stirnfläche a angewandt, dann sind . E · da = Ey a und Q = ρV = ρaΔy, wobei die Ladungsdichte ρ gleich der Dichte der Verunreinigungsatome multipliziert mit der Ladung eines Elektrons ist, also ρ = −e na . Der Quader hat seinen unteren Rand immer am unteren Ende der Verarmungszone, also bei y = −wa . Für einen beliebig dicken Quader ist daher Δy = y + wa . Der Gauß’sche Satz (3.13) führt also auf die Lösung .εEy a
= ρa(y + wa ) → Ey = −
ena (y + wa ) , ε
a wd > y > 0
+
+
+
+
0 > y > -wa
-
-
-
-
Verarmungszone Δy
a Abb. 4.5 Ortsfeste Ladungsträger in der Verarmungszone eines Halbleiter- PN-Übergangs. Der Gauß’sche Satz wird für Volumenelemente der Größe a Δy angewandt
(Fortsetzung)
4.2 Feldberechnung mittels Gauß- und Coulomb-Integralen
67
welche ein linear negativer werdendes Feld E = (0, Ey , 0) in y-Richtung bedeutet. Es verschwindet am unteren Rand der Verarmungszone und erreicht seinen größten negativen Wert bei y = 0, also an der Grenzfläche. Für positive y-Werte ergibt sich analog .Ey
=
ena (y − wd ), ε
also ein Feld, welches in die gleiche Richtung zeigt, aber linear wieder abnimmt und bei y = wd wieder verschwindet. Die über der gesamten Verarmungszone abfallende Spannung UD erhält man durch Integration der Feldstärke über y mit dem Resultat .UD
=
e 2 wa na + wd2 nd . 2ε
Der Absolutwert von UD ergibt sich nicht aus der Weite der Verarmungszone, sondern als thermodynamisches Gleichgewicht, welches nur schwach (logarithmisch) von der Konzentration der Verunreinigungsatome abhängt. Zur Optimierung der Technologieparameter ist es daher nützlich, die Gesamtweite w = wa + wd als Funktion der Konzentrationen und UD zu bestimmen. Man erhält2 mit .w
=
2UD ε e
1 1 + na nd
eine Formel, die zeigt, dass eine Breite der Verarmungszone und damit die Stromausbeute vor Allem durch niedrige Verunreinigungskonzentrationen erreicht werden kann. Gleichzeit ist nun leicht zu verstehen, dass die höchsten Konzentrationen von Halbleiter-Verunreinigungen bei den Mikroprozessoren zu finden sind, bei denen es auf hohe Transistordichte und damit gerade auf schmale Verarmungszonen ankommt.
der Umformung wird wa na = wd nd benutzt, was nichts Anderes bedeutet, als dass die Donatorseite genauso viele Elektronen abgibt wie die Akzeptorseite aufnimmt.
2 Bei
68
4.3
4 Erster Spezialfall: statische elektrische Felder
Die Gleichungen von Laplace und Poisson
Wenn die Bestimmung elektrischer Felder durch vorherige Berechnung des Potenzials .Φ vorteilhaft sein soll, so muss als Erstes geklärt werden, wie denn dieses Potenzial bestimmt werden kann. Antworten hierauf haben die Wissenschaftler Laplace und Poisson gegeben. Ihre Gleichungen sollen im Folgenden vorgestellt und an einem Beispiel angewandt werden. Aus Ladungsverteilungen folgen Felder Im Folgenden soll untersucht werden, wie das Potenzial bei einer gegebenen Verteilung freier Ladungen .ρfrei bestimmt werden kann: Ohne weitere Einschränkungen führen Gl. (4.6) und .∇ · (εE) = ρfrei auf die Gleichung E = −∇Φ → εE = −ε∇Φ .
|ε· |∇·
→ ∇ · (εE) = −∇ · (ε∇Φ) |Gl. (3.12.1) → −ρfrei = ∇ · (ε∇Φ) ,
welche mit Hilfe der Kettenregel3 die allgemeine Potenzialgleichung für elektrische Felder in Materie, .
− ρfrei = (∇ε) · (∇Φ) + ε∇ 2 Φ ,
(4.8)
ergibt. Bei der Integration dieser Gleichung muss im Allgemeinen sichergestellt werden, dass .ε als ortsabhängiger Integrand und nicht als Vorfaktor behandelt wird. Wenn allerdings das Potenzial in einem homogenen Medium berechnet werden soll, also .∇ε = 0 ist, folgt .
− ρfrei = ε∇ 2 Φ = εΔΦ , die Poisson-Gleichung,
(4.9)
in welcher .ε als Konstante auftritt. Im Vakuum sind .ρ = ρfrei und .ε0 = ε zu wählen.
3 Hier: .∇
· (f a) = f ∇ · a + (∇f ) · a.
4.3 Die Gleichungen von Laplace und Poisson
69
Wenn keinerlei Ladungen vorhanden sind, bleibt .0
= ∇ 2 Φ = ΔΦ , die Laplace-Gleichung.
(4.10)
Die Lösung jeweils einer der letzten drei Gleichungen bestimmt aus einer gegebenen Ladungsverteilung das Potenzial und so indirekt das elektrische Feld (siehe auch [2]). Kugelsymmetrie führt auf überschaubare Gleichungen: Kugel und Punktladung Das einfachste Beispiel zur Verwendung der Poisson- und der Laplace-Gleichung ist die homogene geladene Kugel im Vakuum (siehe [3]). Auch wenn es für diese nicht allzu viele Beispiele in der technischen Anwendung gibt, so lohnt eine Betrachtung in mehrerer Hinsicht: Aus den Ergebnissen für Kugeln folgen die für punktförmige Ladungsträger als Spezialfall. Und aus der Betrachtung sehr vieler punktförmiger Ladungsträger folgen Integrationsformeln für beliebige kontinuierliche Ladungsverteilungen, also auch für komplizierte technische Anwendungen. So eröffnet die Betrachtung von Kugeln den Weg weg von Differenzialgleichungen hin zu Integralen. Große Atomkerne wie der des Urans (Abb. 4.6) sind (abgesehen von Quanteneffekten) näherungsweise homogen geladene Kugeln. Man kann sich anstelle eines Atomkerns auch eine an einem dünnen Faden hängende Kugel aus isolierendem Material vorstellen, die vorher mit Elektronen beschossen wurde. Innerhalb der Kugel .(r ≤ R) gilt die Poisson-Gleichung, außerhalb .(r > R) die LaplaceGleichung. Die Ladungsverteilung ist kugelsymmetrisch, also kann auch ein kugelsymmetrisches Potenzial .Φ = Φ(r) erwartet werden, das heißt: .∂Φ/∂θ = ∂Φ/∂ϕ = 0. Von der Poisson-Gleichung bleibt daher in Kugelkoordinaten
Abb. 4.6 Die Natur kennt nur wenige Beispiele homogen geladener Kugeln. Die Kerne schwerer Elemente (hier: Uran-235) sind näherungsweise solche Kugeln
R
70
4 Erster Spezialfall: statische elektrische Felder
.ε∇
2
Φinnen (r) =
ε ∂ r 2 ∂r
r2
∂Φinnen ∂r
= −ρinnen
übrig, wobei die partiellen Ableitungen .(∂ . . .) in diesem Falle der Abhängigkeit von nur einer einzigen Variablen mit den totalen .(d . . .) gleichzusetzen sind. Multiplikation mit .r 2 dr und Integration der getrennten Variablen gibt dann .εr
2 dΦinnen
1 = − ρinnen r 3 + c1 3
dr
mit .c1 als erster Integrationskonstante. Auch diese Gleichung kann mittels Variablentrennung .(·dr/r 2 ) integriert werden: .εΦinnen
1 c1 + c2 = − ρinnen r 2 − 6 r
Außerhalb der Kugel bleibt von der Laplace-Gleichung .ε0 ∇
2
Φaußen (r) =
ε0 ∂ r 2 ∂r
r2
∂Φaußen ∂r
= 0,
wobei .ε0 anstelle von .ε andeutet, dass der Raum außerhalb der Kugel materiefrei ist. Die Lösung dieser Gleichung lässt sich berechnen oder aus der Lösung der Poisson-Gleichung mit .ρ → 0 und .ε → ε0 ablesen: .ε0 Φaußen
=−
c3 + c4 r
Die Integrationskonstanten ergeben sich wie folgt: • • •
Das Potenzial muss bei bei .r = 0 endlich sein. Daher ist .c1 = 0. Das Potenzial soll für große Distanzen verschwinden. Daraus folgt .c4 = 0. Diese Entscheidung kann man treffen, muss man aber nicht. Damit die Feldstärke an der Kugeloberfläche endlich bleibt, muss der Potenzialverlauf dort stetig sein. Daher gilt .Φinnen (R) = Φaußen (R) und als Konsequenz ε0 .c3 = ε
ρinnen R 3 − c2 R 6
.
4.3 Die Gleichungen von Laplace und Poisson
•
71
Nach dem Gauß’schen Satz für das elektrische Feld (3.13) muss bei einem Materialübergang die Feldstärke der Vertikalkomponente in dem Maße kleiner werden, in dem .εr steigt (siehe Gl. (3.11) und Brechungsgesetze für elektrische Feldlinien, Abb. 3.8). Diese Zusammenhänge erfordern .εEinnen
= ε0 Eaußen → ε
dΦaußen dΦinnen = ε0 dr dr
für .r = R mit der Konsequenz .c3
=−
ρinnen R 3 . 3
Nun fehlt noch die Auflösung von .c2 mit dem Ergebnis .c2
=
ρinnen R 2 6
1+
2ε ε0
,
so dass sich mit .εr = ε/ε0 insgesamt für die Kugel ein Potenzialverlauf Φinnen =
ρinnen 2 R (1 + 2εr ) − r 2 6ε0 εr
.
Φaußen
ρinnen R 3 = 3ε0 r
(4.11)
ergibt. Das Feld innerhalb der Kugel wird also in dem Maße schwächer, in dem größer wird. Im Grenzfall .εr → ∞ wird das Potenzial konstant und das Kugelinnere feldfrei, denn mithilfe von .E = −∇Φ, bzw. .E = −∂Φ/∂r folgt der in Abb. 4.7 gezeigte Verlauf der Feldstärke E:
.εr
Einnen =
ρinnen r 3ε0 εr
.
Eaußen
ρinnen R 3 = . 3ε0 r 2
(4.12)
Aus der Formel für das äußere Feld der Kugel lässt sich mittels .Q = ρinnen · (4πR 3 /3) auf das Potenzial einer punktförmigen Ladung schließen:
4 Erster Spezialfall: statische elektrische Felder elektrische Feldstärke: E(r)/E(R)
72
1
εr = 1
0,8 0,6
~ 1/r 2
εr = 2
0,4 0,2 0 0
0,5
1
1,5
2
Abstand zum Nullpunkt in Kugelradien: r/R
Abb. 4.7 Elektrische Feldstärke einer homogen geladenen Kugel mit dem Radius R im Vakuum, normiert auf deren Maximalwert .E(R). Wenn die relative Dielektrizitätskonstante des Kugelmaterials .εr ungleich eins ist, ist der Feldverlauf bei .r = R nicht stetig
.ΦPunktladung
=
Q 4πε0 r
(4.13)
Mehr noch: Man kann aus Gl. 4.11 auch auf den Potenzialverlauf und das Feld einer Metallkugel mit dem Radius R schließen. Außerhalb der Kugel müssen Feld und Potenzial mit denen einer Punktladung identisch sein. Innerhalb der Kugel gibt es kein Feld, muss das Potenzial also konstant .Φ = Q/(4πε0 R) sein. Natürlich decken sich diese Ergebnisse mit denen, die aus dem Gauß’schen Satz für das elektrische Feld (3.14) folgen.
4.4
Strategien zur Potenzialberechnung
Bis zum Aufkommen rechnergestützter Verfahren zur Berechnung elektrischer Potenziale machten die Lösungsstrategien der Gleichungen von Laplace und Poisson einen erheblichen Teil der theoretischen Elektrotechnik insgesamt aus. Hier sollen Methoden für drei Fälle vorgestellt werden. Der einfachste ist derjenige, bei dem alle Felder im Unendlichen langsam verschwinden. Ein Gegenbeispiel ist der Fall, bei dem ein punktförmiger Ladungsträger vor einem geerdeten Leiter platziert ist. Für eine überschaubare Reihe von Geometrien erlaubt hier die Methode der Spiegelladungen eine effektive Potenzialbestimmung. Zum Schluss wird noch angedeutet, wie mit Hilfe der Green’schen Funktionen der allgemeine Fall gelöst wird.
4.4 Strategien zur Potenzialberechnung
73
Aus dem Potenzial einer Punktladung folgen Potenziale und Energien beliebiger Ladungsverteilungen Zunächst wird der Fall von durch keinerlei elektrisch aktive Objekte gestörte Ladungen betrachtet. Das Potenzial eines Systems mit n Punktladungen ist dann (vergl. Aufgabe 4.1) .Φ(r)
=
n 1 Qi 4πε0 |r − r i |
(4.14)
i=1
und kann auf kontinuierliche Ladungsverteilungen verallgemeinert werden: .Φ(r)
=
1 4πε0
V
ρ(r ) dV , |r − r |
(4.15)
wobei die Apostrophs .( ) die zu integrierenden Größen andeuten sollen. Der rechte Teil dieser Gleichung wird oft Coulomb-Integral genannt. Es erlaubt, bei gegebener Ladungsverteilung den Potenzialverlauf durch Integration zu bestimmen, vorausgesetzt, das Potenzial verschwindet bei großen Entfernungen. Abb. 4.8 zeigt einen nach Gl. 4.15 berechneten Potenzialverlauf für einen negativ geladenen und einen positiv geladenen jeweils leitenden und runden Körper. Befinden sich die Ladungsträger in einem Medium mit .εr = 1, muss .ε0 in Gl. (4.15) durch .ε = ε0 εr ersetzt werden. Die Ladungen sind dann die der Träger und nicht die im Medium gebundenen. Gleichung (4.15) ist der ideale Startpunkt zur numerischen Berechnung von Potenzialen. Ihre scheinbar einfache Form darf aber nicht darüber hinwegtäuschen, dass ihre analytische Berechnung in der Regel sehr kompliziert und meist nur näherungsweise möglich ist. Selbst die Berechnung des Potenzialverlaufes einer Kugel (siehe z. B. [4]) ist deutlich aufwendiger als die explizite Lösung von Poisson- und Laplace-Gleichung. Um vom Coulomb-Integral auf eine Gleichung zur Bestimmung der potenziellen Energie zu kommen, ist es taktisch günstig, die Gleichung zur Bestimmung der potenziellen Energie einer Ladungsverteilung, also Gl. (4.3), so umzuschreiben, dass .Φ(r) in sie eingesetzt werden kann. Im Ergebnis
.Wpot
n 1 = 4πε0 i=1
n Qi Qk rik
k=i+1
=
n i=1
1 Qi 2
n 1 (1 − δik )Qk 4πε0 |r i − r k | k=1
74
4 Erster Spezialfall: statische elektrische Felder
Φ
y x
Abb. 4.8 Potenzialverteilung zweier in der xy-Ebene platzierter Ladungsträger aus leitendem Material. Der positiv geladene Körper ist in roter Farbe dargestellt. Charakteristisch für solche Potenzialverläufe ist der in der Umgebung der Ladungsträger einem Vulkan ähnelnde Verlauf
berücksichtigt der Faktor .1/2 die Tatsache, dass die zweite Summe nun mehr als doppelt so viele Terme hat als die bei .i + 1 beginnende. Durch das Kronecker-.δik ,4 welches die Terme mit .i = k herausfiltert, wird der Faktor .1/2 exakt. Im Übergang zu kontinuierlichen Verteilungen (.n → ∞) kann .δik weggelassen werden, denn die Anzahl der Terme, bei denen es gleich eins ist, wächst proportional zu n, während die Anzahl, bei der es gleich null ist, quadratisch wächst: .(1 − δik ) → 1. Man erkennt nun, dass die Summe über k gegen den in Gl. (4.14) stehenden Ausdruck für das Potenzial strebt: 1 Qi Φ(r), 2 n
.für
große n : Wpot ≈
i=1
wobei zum Endergebnis noch der Übergang der . Qi zur kontinuierlichen Verteilung fehlt. Das Resultat 1 .Wpot = ρ(r)Φ(r)dV , (4.16) 2 V
ist dann exakt. 4 Es
ist .δik = 1 für .i = k und sonst gleich null.
4.4 Strategien zur Potenzialberechnung
75
Geerdete Leiter vor Ladungen täuschen Spiegelladungen vor Felder von Ladungsträgern in der Nähe von geerdeten Leitern einfacher Geometrie lassen sich mit folgender Überlegung bestimmen: „Kann man anstelle des Leiters einen zusätzlichen Ladungsträger finden, so dass das Gesamtpotenzial genau an der Position der Leiteroberfläche gleich null ist?“ Zur Bestimmung des einfachsten Falles drehen wir das Argument um und suchen die Fläche zwischen zwei punktförmigen Trägern gleich großer, entgegengesetzter Ladungen, auf der .Φgesamt = 0 ist. Die Symmetrie des Problems legt nahe, die Ladungsträger an die Positionen .r1 = (−a, 0, 0) und .r2 = (a, 0, 0) zu setzen. Dann muss −Q Q Φgesamt = + =0 2 2 2 . (x0 + a) + y0 + z0 (x0 − a)2 + y02 + z02 → x0
=0
gelten, während .y0 und .z0 beliebige Werte annehmen können. Dieser Satz von Bedingungen definiert aber gerade eine ebene Oberfläche in der yz-Ebene. Daher lässt sich schließen: Das elektrische Feld eines punktförmigen Ladungsträgers im Abstand a vor einem geerdeten ebenen Leiter gleicht, wie in Abb. 4.9 angedeutet, in Form und Größe dem zweier Träger gleich großer entgegengesetzter Ladungen, deren Abstand 2a beträgt. Was aber ergibt sich für zwei Träger unterschiedlicher Ladungen? In diesem Falle gibt es keine offensichtliche Symmetrie, und so wird ein Ladungsträger am
Abb. 4.9 Spiegelladung: Ein punktförmiger Ladungsträger, welcher vor einem geerdeten, ebenen Leiter platziert wird, hat bis hin zum Leiter das gleiche (hier rot dargestellte) Feld wie ein Dipol, dessen Ladung in den Leiter hineingespiegelt ist (hier blau)
76
4 Erster Spezialfall: statische elektrische Felder
Ursprung des Koordinatensystems platziert: .r 0 (Q0 ) = (0, 0, 0) und .r 1 (Q1 ) = (b, 0, 0). Das Potenzial ist dann überall dort gleich null, wo Q1 + =0 x02 + y02 + z02 (x0 − b)2 + y02 + z02 . −b2 2b → x02 + y02 + z02 =
2 +
2 · x0 1 1 1− Q 1− Q Q0 Q0 Φgesamt =
Q0
gilt. Diese Gleichung beschreibt eine entlang der x-Achse verschobene Kugel. Denn nennt man R deren Radius und v den Abstand des Kugelmittelpunktes vom Punkt .(0, 0, 0), so hat die Bedingungsgleichung (x0 − v)2 + y02 + z02 = R 2 .
→ x02 + y02 + z02 = −(v 2 − R 2 ) + 2vx0
die gleiche Form wie die für die Bedingung für .Φgesamt (x0 , y0 , z0 ) = 0. Ein Koeffizientenvergleich liefert Abstand und Radius der Kugel: .v = bQ20 /(Q20 −Q21 ) und .R = |bQ0 Q1 /(Q20 − Q21 )|. Für eine kompakte Formulierung des Ergebnisses ist es ratsam, die Kugel in den Mittelpunkt zu transformieren [5]. Die betragsmäßig kleinere Ladung befindet sich dann, wie in Abb. 4.10 gezeigt, innerhalb der Kugel und es gelten5 .rp rm
= R 2 und −
Qp = Qm
rp (Kugel – Spiegelladung), rm
wobei es egal ist, ob sich der reale Ladungsträger außer- oder innerhalb der Kugel befindet. Die Formeln bleiben. Da zwei Ladungen nur gleich oder verschieden sein können ergibt sich der folgende, interessante Umkehrschluss:
Das Feld eines punktförmigen Ladungsträgers in der Nähe eines geerdeten Leiters ist genau dann durch Spiegelladungen bestimmbar, wenn dieser die Form einer Kugel oder einer ebenen Fläche hat.
5 Für
die Umrechnung wird .rm = v und .rp = v − b benutzt.
4.4 Strategien zur Potenzialberechnung
77
Abb. 4.10 Das Feld eines Ladungsträgers in der Nähe einer geerdeten Kugel hat die gleiche Form wie eines mit einem Träger entgegengesetzter Ladung im Inneren der Kugel. Wenn sich der reale Ladungsträger außerhalb der Kugel befindet, zeigen die blauen Feldlinien ein reales Feld an, die roten ein fiktives
R
rp
rm
Bei nicht trivialen Randbedingungen hilft die passende Green’sche Funktion Bisher ist davon ausgegangen worden, dass das Potenzial .Φ in großer Entfernung vom betrachteten Objekt verschwindet. Die Integration der Gleichung (4.15) reicht dann zur Bestimmung des Potenzials an jedem beliebigen Ort. Das Beispiel der Spiegelladungen aber zeigt: Es gibt Anwendungen, bei denen entweder die Funktionswerte oder deren Ableitungen an den Rändern eines Definitionsbereiches vorgegeben sind. Zusammen mit den dort gültigen Differenzialgleichungen bilden sie die sogenannten Randwertprobleme. Sind die Werte eines Potenzialverlaufes am Rande vorgegeben, so spricht man von einem Dirichlet-Problem, sind dessen Ableitungen (also die Feldvektoren) am Rande vorgegeben, von einem Neumann-Problem. Im Folgenden soll der zugrundeliegende Formalismus vorgestellt werden: George Green fand heraus, dass auch unter solchen Bedingungen das Potenzial durch Integration bestimmt werden kann, vorausgesetzt man findet eine Funktion G (wie „Green’sche Funktion“), so dass der Spezialfall 1 1 Φ(r) = ρ(r ) dV | bei Φ → 0 für r → ∞ auf ε 4π|r − r | V . (4.17) 1 Φ(r) = ρ(r )G(r, r )dV | für beliebige Randbedingungen ε V
generalisiert werden kann.
78
4 Erster Spezialfall: statische elektrische Felder f(x)
Abb. 4.11 Graphische Annäherung an die .δ-Distribution. Man stelle sich in der .x − f (x) Ebene eine Fläche der Größe 1 vor, welche immer schmaler und höher wird. Die .δ Distribution wird in dem Maße erreicht, in dem die Breite der Fläche gegen Null geht (und so die Höhe sehr groß wird)
x
Das zunächst Überraschende an dem Verfahren ist, dass die Green’sche Funktion nichts Anderes als die Lösung der Poisson-Gleichung für eine punktförmige Verteilung unter den vorgegebenen Randbedingungen ist. Um dies zu beweisen wird eine Möglichkeit gebraucht, im Rahmen der Analysis eine Verteilung zu beschreiben, bei der alles in einem einzigen Punkt konzentriert ist. Die in Abb. 4.11 gezeigte .δ Distribution ist die Möglichkeit der Wahl. Implizit ist diese Distribution darüber definiert, dass sie die Integration einer Funktion durch deren Wert an einer Stelle ersetzt, ∞ .
f (x )δ(x − x )dx = f (x)
−∞
beziehungsweise den Wert aus dem Gesamtverlauf „herauspickt“. Angewandt auf Ladungsverteilungen heißt dies zum Beispiel .
ρ(r )dV = Q(r) wenn ρ(r ) = Qδ 3 (r − r )
(4.18)
gesamtes Weltall
mit .δ 3 (r − r ) = δ(x − x )δ(y − y )δ(z − z ). Erlaubt also das Ersetzen einer Summe durch ein Integral den Übergang von diskreten zu kontinuierlichen Verteilungen, so ermöglicht die .δ-Distribution den Weg zurück. Mit Hilfe der .δ Distribution lässt sich daher die Poisson-
4.4 Strategien zur Potenzialberechnung
79
Gleichung für eine an einem einzelnen Punkt am Ort .r konzentrierte Verteilung hinschreiben: .ΔG(r, r
) = −δ 3 (r − r ) |für einen Punkt r im Integrationsgebiet über r (4.19)
Dabei ist das formale Detail zu beachten, dass .Δ auf .r, nicht aber auf .r wirkt. Das G gerade die gesuchte Green’sche Funktion ist ergibt sich durch zweifaches Ableiten von Gl. (4.17) nach dem Ort. Für Ladungen in einem konstanten Volumen V ergibt sich ΔΦ(r) =
1 ε
V
.
ρ(r ) ΔG(r, r ) dV
−1 = ε
ρ(r )δ 3 (r − r )dV
V
−1 ρ(r), = ε also gerade wieder die Poisson-Gleichung. Daher kann man folgern:
Das zu einer Ladungsverteilung .ρ(r) gehörende Potenzial .Φ(r) lässt sich durch das Integral .Φ(r)
=
1 ε
ρ(r )G(r, r )dV
(4.20)
V
bestimmen, vorausgesetzt die Green’sche Funktion .G(r, r ) ist eine Lösung der Gleichung .ΔG(r, r
) = −δ 3 (r − r ),
wobei .Δ auf .r und nicht auf .r wirkt.
(4.21)
80
4 Erster Spezialfall: statische elektrische Felder
Verschwindet das Potenzial im Unendlichen, so ist die Green’sche Funktion bereits aus Gl. (4.17) bekannt. .G(r, r
)=
1 4π|r − r |
Für andere Randbedingungen schreibt man sie am besten in der Form .G(r, r
)=
1 + F (r, r ) , 4π|r − r |
(4.22)
denn dann muss der zweite Teil der Formel, hier mit .F (r, r ) bezeichnet, die Laplace-Gleichung erfüllen (siehe auch Aufgabe 4.8). Das einfachste Beispiel, .F (r, r ) = 0 und .ρ = Qδ 3 (r − r‘) führt, dies sei als vertrauensbildende Maßnahme erwähnt, auf das Ergebnis .Φ(r)
=
1 ε
V
ρ(r )G(r, r )dV =
1 ε
Qδ 3 (r − r‘) V
1 Q dV = , 4π|r − r | 4πε|r|
also wieder genau auf die bereits bekannte Formel für eine Punktladung. Insgesamt liegt der Feldberechnung mittels Green’scher Funktion also das folgende Prinzip zugrunde:
Die Reaktion eines Raumes auf eine beliebige Ladungsverteilung ist durch dessen Reaktion auf einen punktförmigen Ladungsträger vollständig festgelegt. Denn er wird durch das Faltungsintegral der Reaktion auf die Punktquelle mit der Verteilungsfunktion bestimmt.
Die Bestimmung der Green’schen Funktion unter beliebigen Randbedingungen sprengt den Rahmen dieses Buches. Die Literatur (siehe [2, 3, 6]) beschreibt viele Lösungsstrategien. Leider enthält die Green’sche Funktion in verschiedenen Büchern verschiedene Faktoren von 2, .π und .ε, je nach gewähltem Einheitensystem und je nachdem, welche der in Gl. (4.17) auftretenden Faktoren in die Green’sche Funktion mit hineingenommen werden. In diesem Buch wurde die Konvention mit der einfachsten Differenzialgleichung (4.21) gewählt.
4.5 Elektrische Multipole
4.5
81
Elektrische Multipole
Da die exakte Berechnung elektrischer Felder oft sehr aufwendig oder sogar unmöglich sein kann sind für verschiedene, immer wiederkehrende Anordnungen Näherungsverfahren entwickelt worden. Für elektrisch neutrale Anordnungen (also solche mit gleich viel positiver wie negativer Ladung) ist die sogenannte Multipolentwicklung das Mittel der Wahl. Denn diese führt die Feldberechnung auf eine Integration zurück. Und sie ordnet die zum Potenzial beitragenden Terme gemäß ihrer Wichtigkeit bei großen Entfernungen. Im Folgenden wird zunächst der gleichzeitig einfachste und meist auch wichtigste Multipol, der Dipol beschrieben. Dessen genauere Untersuchung führt auch auf eine sehr konkrete physikalische Interpretation der oft in verwirrender Weise als „Polarisation“ .P bezeichneten Größe, welche sich als einen durch atomare Dipole erzeugten Feldanteil darstellen lässt. Elektrische Dipole reagieren auf Felder, selbst wenn sie neutral sind Die einfachste Form des Dipols besteht, wie in Abb. 4.12 gezeigt, aus zwei punktförmigen Ladungsträgern, die einen Abstand .d voneinander haben. Er wird charakterisiert durch sein Dipolmoment .p = Qd. Dieses ist ein Maß für dessen interne Ladungstrennung, denn es wächst sowohl mit der Größe der Ladungen als auch mit deren Abstand. Für ein System aus N Punktladungen wird das die Definition des Dipolmoments auf
.p
=
N
Qi r i
(4.23)
i=1
generalisiert. Diese Definition setzt voraus, dass das System insgesamt neutral ist. Denn nur dann ist es, wie in Aufgabe 4.9 ausgeführt, eine von der Wahl des Bezugssystems unabhängige Größe. Für kontinuierliche Verteilungen ist dann .p
=
ρ(r )r dV
(4.24)
das Pendant zu Gl. (4.23). In Festkörpern gibt es oft eine sehr große Anzahl von Einzeldipolen .p i , da letztere aus nur wenigen Einzelatomen bestehen. Für die Bestimmung der
82
4 Erster Spezialfall: statische elektrische Felder
z
Abb. 4.12 Die Urform des elektrischen Dipols. Sie besteht aus zwei Trägern gleich großer entgegengesetzter Ladungen im Abstand .d
Q d
-
rp
-Q
rm y x elektrischen Eigenschaften ist es hilfreich, mit der Dipoldichte .P im Volumen V , = ( i pi )/V zu rechnen.
.P
Auf einen elektrischen Dipol wirkt im Feld ein Drehmoment In einem elektrischen Feld wirken auf die positiven Ladungen die genau entgegengesetzten Kräfte wie auf die negativen. So erfährt jeder Dipol ein Drehmoment .τ , welches erst gleich null wird, wenn .p E erreicht ist. Das Drehmoment ist allgemein als Kreuzprodukt von Kraft .F und Abstandsvektor .r Achse definiert. Auf den in Abb. 4.12 gezeigten „Urdipol“ angewandt bedeutet dies, vorausgesetzt die Achse wird genau in die Mitte zwischen die Ladungen gelegt, Folgendes: τ = [d/2 × (F (Q)] + [(−d/2) × F (−Q)] = [d/2 × (QE)] + [d/2 × (QE)] . = Qd × E →τ =p×E .
(4.25)
Die letzte Zeile gilt auch, wenn der Dipol aus mehr als zwei Einzelladungen zusammengesetzt ist. Und ihre Berechnung erfordert keine Kenntnis des Ladungsschwerpunktes. Die Bedeutung ist allerdings an diesen gekoppelt. Denn das so berechnete Drehmoment gilt um eine Achse herum, die genau durch den Ladungsschwerpunkt geht.
4.5 Elektrische Multipole
83
Interne Dipole erzeugen das elektrische Feld E geb. = −P /ε0 Die Tatsache, dass in der häufigsten Notation des Gauß’schen Satzes für das elektrische Feld in Materie mit .ρfrei = ∇·(ε0 E+P ) zwei scheinbar völlig verschiedene Größen zueinander addiert werden, muss jedem unvoreingenommenen Leser wie „Äpfel plus Birnen“ vorkommen. Eine Summe aus Feld und Dipoldichte, durch .ε0 auf gleiche Einheiten getrimmt? Hier scheint Skepsis angebracht. Im Folgenden sei daher gezeigt, warum dies möglich und sogar korrekt ist: Weil die polarisierten Einzelmoleküle gerade ein Feld .E geb = −P /ε0 erzeugen. Hinter der Summe aus zwei scheinbar grundverschiedenen Größen ist also die Differenz zweier Feldanteile versteckt. Zum besseren Verständnis stelle man sich den in Abb. 4.13 Würfel der Kantenlänge l vor, in dem eine Anzahl N von Einzeldipolen mit dem jeweiligen Moment .p 1 dicht gepackt vorliegt. Alle Dipole sind senkrecht zur Oberkante des Würfels ausgerichtet. So entsteht eine Konfiguration in der sich Schichten mit positivem Ladungsüberschuss mit negativ geladenen Schichten abwechseln. Im Inneren des Würfels neutralisieren sich diese Schichten. Nur an den beiden Seiten oben und unten bleibt ein Ladungsüberschuss. Daher gelten folgende Gleichungen p1
= Q1 · d
| Ladung und Länge eines Einzeldipols
d
=
| Die Anzahl der Dipole übereinander ist N 1/3
Q
= Q1 · N 2/3 | Überschüssige Ladung an der Oberfläche
.
l/N 1/3
EDipole = −Q/(ε0 l 2 ) | Feld durch Oberflächenladungen(← Kondensator)
+Q ...
p1 p1
E
...
l l
-Q
l Abb. 4.13 Würfelförmiger Ausschnitt aus einem polarisierten Stoff. Das Koordinatensystem ist so gewählt, dass alle Dipolmomente nach oben (in z-Richtung) ausgerichtet sind: .p 1 = (0, 0, p1 ). Die an der Oberfläche liegenden Ladungen .+Q und .−Q erzeugen ein elektrisches Feld .E = (0, 0, −E)
84
4 Erster Spezialfall: statische elektrische Felder
für diesen Würfel. Nun lässt sich das elektrische Feld als Funktion der Einzeldipole ausdrücken. Das Ergebnis
.p 1
.EDipole
=
−p1 N −p1 N = 3 ε0 V ε0 l
(4.26)
deckt sich mit dem durch Analyse der Maxwell’schen Gleichungen gewonnenen (siehe Tab. 3.1), wenn das von den Dipolen erzeugte Feld mit dem Feldanteil .Egeb. gleichgesetzt wird. Der Name „Dipoldichte“ für .P = −E geb. /ε0 bekommt (bis auf ein historisch bedingtes Vorzeichen) nun eine sehr anschauliche Bedeutung: es ist die Anzahl von Einzeldipolen pro Volumen, multipliziert mit deren Dipolmomenten.
Die gebundenen Ladungen eines neutralen Körpers werden durch den Vorgang der Polarisation gegeneinander verschoben. Dadurch entstehen interne Dipole. Das elektrische Feld dieser Dipole wird mit .−P /ε0 in den Maxwell’schen Gleichungen bezeichnet.
In den Maxwell’schen Gleichungen steht also nicht der Vorgang der Polarisation, sondern dessen Ergebnis: ein elektrisches, von polarisierten Molekülen hervorgerufenes Feld. Zum Schluss dieser Überlegung noch die Warnung vor der Überinterpretation der soeben angestellten Rechnung: In der Realität werden die internen Dipole nicht dicht gepackt sein. Tatsächlich wird .p1 aus einer Länge deutlich kleiner als −1/3 und einer entsprechend größeren verschobenen Ladung resultieren. Wäre .l/N dies nicht so, müsste jede Polarisation mit einer massiven Verformung einhergehen. Der Begriff „Dipoldichte“ basiert also auf idealisierten Annahmen. Der Begriff „Feldanteil von gebundenen Ladungen“ ist dagegen immer korrekt. Das Feld des elektrischen Dipols nimmt rasch mit der Entfernung ab Das elektrische Feld eines Dipols ist die Summe der Felder seiner Einzelladungen. Wählt man, wie in Abb. 4.14 gezeigt, als Achse zwischen den Ladungen die z-Achse, so dass die Ladungen an den Orten .r(Q) = (0, 0, d/2) und
4.5 Elektrische Multipole Abb. 4.14 Dipol in einem an ihm ausgerichteten Koordinatensystem. Die hier gezeigten Größen werden in der Berechnung des Feldes verwandt. Die Variable y steht hier für den Abstand von der Dipolachse, ist also immer positiv
85
z r1 Q
+ θ
R r2 y
d -Q
-
= (0, 0, −d/2) zu finden sind, so hängt das Feld nur noch von z und dem Abstand y zur z-Achse ab. Das Resultat der Summenbildung,
.r(−Q)
Q Ez = 4πε0
z + d/2 z − d/2 − (y 2 + (z − d/2)2 )3/2 (y 2 + (z + d/2)2 )3/2
.
Q Ey = 4πε0
y y − (y 2 + (z − d/2)2 )3/2 (y 2 + (z + d/2)2 )3/2
,
hat folgende Eigenschaften: Die z-Komponente des Feldes ist zwischen den Ladungsträgern am größten, nur dort verstärken sich die Felder der beiden Ladungen. Für .z > 0 zeigt der Radialanteil nach außen .(Ey > 0), für .z < 0 nach innen. Das Feld in großer Entfernung zum Dipol lässt sich am besten berechnen, wenn zunächst das Potenzial bestimmt, dieses nach Potenzen von .|a|/R entwickelt und dann gemäß .E = −∇Φ abgeleitet wird [7]. Für die in Abb. 4.14 gezeigte Anordnung ergibt sich ein Potenzial
86
4 Erster Spezialfall: statische elektrische Felder
Φ=
Q 4πε0
1 1 − r1 r2
| Potenzial, exakt
r1 = |R − d/2| = .
1 1 ≈ r1 R 1 1 ≈ r2 R → Φ≈
1+
R2 +
d cosθ 2R
d cosθ 1− 2R
d2 − Rd cosθ | Abstand zu + Q, exakt 4
√ | wegen 1/ 1 + ε ≈ 1 − ε/2
| wie 1/r1
Q d cosθ · 4πε0 R2
| Näherung für d/R 1 (4.27)
oder in Vektornotation .Φ
≈
p·R (Näherung für a/R 1). 4πε0 R 3
(4.28)
Das Potenzial nimmt also proportional zum Quadrat der Entfernung zum Dipol ab. Um das Feld zu bestimmen ist es am einfachsten, .E = −∇Φ in dieser Notation auszurechnen:
−4πε0 E ≈ ∇ p·R 3 R
. = ∇ R13 p · R + = − R35 R(p · R) +
| Kettenregel 1 ∇(p R3
· R) | mit ∇(p · R) = p
1 p R3
So folgt das Endergebnis .E
≈
p·R 1 3R − p (Näherung für a/R 1), 4πε0 R 3 R2
(4.29)
welches zeigt, dass das Feld mit .1/R 3 , also stärker als das einer Einzelladung abfällt.
4.5 Elektrische Multipole
87
Alternativ zur obigen Rechnung kann auch eine (kartesische) Komponente ausgerechnet und dann verallgemeinert werden. Aus xpx + ypy + zpz 1 ∂ 4πε0 ∂x (x 2 + y 2 + z2 )3/2 −3 px 1 1 + p · R · · 2x · =− 4πε0 R 3 2 R5 1 p·R =+ 3x 2 − px 4πε0 R 3 R
Ex ≈ − .
ergibt sich dann das gleiche Ergebnis. Multipolentwicklungen geben Näherungen für große Entfernungen Ziel der Multipolentwicklung ist es, auch bei komplizierten Ladungsverteilungen gut handhabbare Ausdrücke für das elektrische Feld zu bekommen. Die Multipolentwicklung kommt dem tatsächlichen Feld nahe, wenn entweder die Entfernung viel größer als die Ausdehnung der Ladungsverteilung ist oder sehr viele Terme der Entwicklung berücksichtigt werden. Die Archetypen der Multipole sind in Abb. 4.15 gezeigt. Ihre Besonderheit besteht darin, dass alle jeweils links von einer Struktur stehenden Anordnungen ihr jeweiliges Moment gleich null haben. Der Dipol hat die Gesamtladung (Monopol) null, der gezeigte Quadrupol hat sowohl die Gesamtladung als auch das Dipolmoment null. Mathematisch gesehen ist die Multipolentwicklung ein Näherungsverfahren, bei dem die in (4.27) vorgenommene Reihenentwicklung der Wurzelfunktion bis zu beliebigen Potenzen von .ε und damit letztlich von .1/R fortgeführt wird. Interessant ist insbesondere das Feld in großer Entfernung. Denn dieses folgt auch bei beliebig komplexen Ladungsverteilungen praktisch immer einer sehr kleinen Anzahl vorgegebener Strukturen und seine Entfernungsabhängigkeit geht in ein einfaches Potenzgesetz über.
Abb. 4.15 Die Archetypen der Multipole
+
Monopol
-
+
-
-
-
+
+
+
+
-
+
Dipol
Quatrupol
-
-
Oktupol
+
88
4 Erster Spezialfall: statische elektrische Felder
Abb. 4.16 Zur Berechnung des elektrischen Potenzials am Punkt .P im Abstand .R vom Zentrum eines aus infinitesimalen Volumina .dV bestehenden Körpers
R-r'
dV' r'
θ
R
P
Zur allgemeinen Beschreibung soll das Feld an dem mit .P in Abb. 4.16 bezeichneten Punkt so beschrieben werden, dass sich das Ergebnis für große Entfernungen schnell dem exakten annähert. Dazu wird der im Coulomb-Integral (4.15) auftretende Abstand .|R − r | zu einem Volumenelement .dV um den Abstandsvektor .R zum Zentrum hin entwickelt: .
1 1 1 = √ = √ 2 2 |R − r | R 1+ε R + r − 2Rr cosθ
mit 2 r r r r .ε = − · 2cosθ = · − 2cosθ . R R R R Die ersten Terme der Reihenentwicklung lauten .√
1 1+ε
1 5 3 ≈ 1 − ε + ε2 − ε3 + . . . 2 8 16
und führen auf die nach Potenzen von .r sortierte Reihenentwicklung 1 1 = . |R − r | R
1+
2 r 3cos2 θ − 1 r cosθ + R R 2 3 r 5cos3 θ − 3cosθ + + ... R 2
(4.30)
4.5 Elektrische Multipole
89
bei der die winkelabhängigen Teile als Legendre-Polynome .Pi (cosθ ) bekannt sind.6 Erstaunlicherweise gilt dies (siehe z. B. [4]) für alle Potenzen von ., so dass die ins Unendliche erweiterte Formel ∞ 1 r i 1 = . Pi (cosθ ) |R − r | R R i=0
keine Näherung, sondern eine exakte Identität ist. Mit ihrer Hilfe lässt sich nun das Potenzial in einer nach Potenzen von .r sortierten Form als .Φ(R)
=
∞
Φi (R) =
i=0
∞ i r 1 1 Pi (cosθ )ρ(r )dV 4πε0 R R
(4.31)
i=0 V
schreiben. Mit dem Index i ist also die Potenz von .r angegeben. Je höher der Index i, desto schneller verschwindet der jeweilige Beitrag zu dieser Summe mit der Entfernung. Gleichung (4.31) ist als Multipolentwicklung des elektrischen Potenzials bekannt. Die diskrete Variante von Gl. (4.31),
.Φ(R)
=
∞ i=0
Φi (R) =
N ∞ 1 1 rn i Qn Pi (cosθn ) 4πε0 R R
(4.32)
i=0 n=1
ergibt dann die Entwicklung für .N punktförmige Ladungsträger. Eine Darstellung des Zusammenhanges zwischen der allgemeinen Beschreibung von Di- und Quadrupolen und den in Gl. (4.31), (4.32) enthaltenen Termen .Φ1 und .Φ2 findet sich in [8].
Ist die Entfernung zu einem System von Ladungsträgern sehr viel größer als dessen Ausdehnung, so folgt das Potenzial einem Potenzgesetz, dessen Exponent durch den ersten nicht verschwindenden Term der Multipolentwicklung bestimmt wird.
6 In
der Atomphysik beschreiben diese Polynome auch die Winkelabhängigkeit der Elektronenorbitale und so die äußere Gestalt der Atome. Sie wurden deswegen von Wolfgang Pauli die „Urformen der Natur “ genannt.
90
4 Erster Spezialfall: statische elektrische Felder
Damit die Multipolentwicklung tatsächlich zu Vereinfachungen führt, wird also der Koordinatenursprung möglichst in den Ladungsschwerpunkt gelegt und, wenn dies geht, die Berechnung in der Ebene der Ladungsträger durchgeführt. Vier Ladungen können sowohl einen Dipol als auch einen Quadrupol bilden In Abb. 4.17 sind vier in der yz-Ebene liegenden Ladungen dargestellt, deren Potenzial am Punkt .P = (0, 0, R) als Funktion der beiden Winkel .θ, δ und des für alle gleichen Abstandes .r zum Koordinatenursprung bestimmt werden soll. Mit einem kleinen Kunstgriff wird sich das Ergebnis später auf beliebige, nicht auf der z-Achse liegende Punkte in der Ebene der Ladungsträger verallgemeinern lassen. In diesem Beispiel sind .θ1 = θ +δ, .θ2 = θ −δ, .θ3 = θ +π +δ und .θ4 = θ +π −δ. Ein Dipol wird realisiert, wenn .Q1 = Q2 = Q und .Q3 = Q4 = −Q gewählt wird. Man erhält dann für Q1 = Q2 = −Q3 = −Q4 :
.
Φ0 (P ) = 0 Qr Φ1 (P ) = cosθ cosδ πε0 R 2 Φ2 (P ) = 0
(Gesamtladung 0) (Dipolterm) (kein Quadrupolterm),
also einen Dipol um den Winkel .θ herum, der mit dem Winkelabstand .2δ der Ladungsträger untereinander schwächer wird. Die Potenzialterme .Φ0 , Φ1 und .Φ2 , geben die Werte am Punkte .P = (0, 0, R) an. Für .δ = 0 entspricht das Ergebnis Abb. 4.17 Vier Ladungen, die in der yz-Ebene im gleichen Abstand zum Nullpunkt und zu der im Winkel .θ gelegenen Geraden platziert sind. Je nach Wahl der Ladungsvorzeichen bilden sie einen Monopol, einen Dipol oder einen Quadrupol
z P Q2 θ r
Q3
δ
δ
Q4
δ
δ
Q1
y
4.5 Elektrische Multipole
91
der Gl. (4.28). Für .δ = π/2 dagegen liegen sich gleichnamige Ladungen genau gegenüber. Daher verschwindet in diesem Falle das Dipolmoment. Eine um den Ursprung alternierende Ladungsverteilung ergibt für Q1 = −Q2 = Q3 = −Q4 : Φ0 (P ) = 0 .
(Gesamtladung 0)
Φ1 (P ) = 0 Φ2 (P ) = −
(kein Dipolterm) 3Qr 2 4πε0 R 3
sin(2θ )sin(2δ) (Quadrupolterm),
also einen Quadrupolterm, der maximal ist, wenn die Ladungsträger ein Quadrat aufspannen, wenn also .δ = π/4 ist. Für .δ = 0, .δ = π/2 etc. liegen die Ladungen verschiedener Vorzeichen genau übereinander. Genau wie im Falle des Dipols ändert der Winkel .δ die Größe des Potenzials, nicht jedoch dessen Winkelabhängigkeit. Der Term .sin(2δ) hat also keine Wirkung auf die Form des Feldes. Ein kleiner Perspektivwechsel führt zur Feldberechnung in der gesamten Ebene Sind die Multipolterme .Φ1 , Φ2 , . . . bekannt so lassen sich mit ihrer Hilfe das Potenzial und in der Folge das elektrische Feld berechnen. Das Ergebnis ist eine gute Näherung, wenn der Abstand R sehr viel größer ist als die Ladungsanordnung. Dazu muss zunächst das Potenzial an einem beliebigen, im Allgemeinen nicht auf der z-Achse liegenden Punkte bestimmt werden. Zu diesem Zwecke stellt man sich die in Abb. 4.17 gezeigte Anordnung um den Winkel .θ zurückgedreht vor. Dann ist .R = R(0, −sinθ, cosθ ) und die Ladungsanordnung ist an der zAchse ausgerichtet, so wie in Abb. 4.18 links gezeigt. Eine Änderung des Winkels .θ bedeutet nun eine sich ändernde Position des Beobachtungspunktes .P um die Anordnung herum. Lässt man .θ den gesamten Bereich von 0 bis .2π durchlaufen, kennt man das Potenzial an jedem Punkt. Formal bedeutet der Perspektivwechsel schlicht, .θ („vom festen Punkt zum beliebig ausgerichteten Dipol“) durch .−θ („vom festen Dipol zum beliebig ausgerichteten Punkt “) zu ersetzen. Für einen bestimmten Wert von .Φ ergeben die oben berechneten Multipolterme einen Zusammenhang zwischen dem Abstand R und dem Winkel .θ . Die so definierten Linien in der yz-Ebene sind in Abb. 4.18 exemplarisch für den Quadrupol dargestellt. Der starke Abfall von Quadrupolpotenzialen mit dem Abstand vom
92
4 Erster Spezialfall: statische elektrische Felder
z
z Q2
Q1
δ δ
P -θ y
y
r Q3
δ δ
Q4
Abb. 4.18 Links: die um den Winkel .−θ zurückgedrehte und als Quadrupol realisierte Anordnung aus Abb. 4.17. Rechts: die dafür berechneten Äquipotentiallinien des Quadrupolterms .Φ2 . Die Einheiten der Längen .y, z sind beliebig. Die Potenziale verhalten sich wie 1 (innen) zu 0,1 zu 0,01 (außen). Positive Potenziale sind rot dargestellt, negative blau
Ladungsschwerpunkt ist daran zu erkennen, dass ein 4,64 mal so großer Abstand einer Äquipotentiallinie zum Nullpunkt einer Potenzialreduktion um den Faktor 100 entspricht. Das elektrische Feld kann nun als Gradient des Potenzials berechnet werden: Für den ersten nicht verschwindenden Term .Φ1 des Dipols erhält man zum Beispiel E Dipol = −∇Φ1 (−θ ) = −∇ .→
EDipol,R = −
→ EDipol,θ = −
∂ Φ1 ∂R
=
Qr cosθ sinδ πε0 R 2
2Qr cosθ sinδ πε0 R 3
1 ∂ Qr sinθ sinδ Φ1 = R ∂θ πε0 R 3
mit .θ als Winkel zur z-Achse, vorausgesetzt, der Dipol ist parallel zu dieser ausgerichtet. Die Berechnung des Quadrupolfeldes verläuft in analoger Weise. Für Strukturen die nicht in einer Ebene liegen lässt sich die Multipolentwicklung noch ein Stück weitertreiben. An dieser Stelle sei auf die Literatur verwiesen (z. B. [3]).
4.6 Kapazitäten
4.6
93
Kapazitäten
Unter der Kapazität C versteht man in der Technik meist die Eigenschaft eines Kondensators, bei einer angelegten Spannung U eine Ladung Q zwischen Anode und Kathode mittels eines elektrischen Feldes getrennt zu halten. Auf der Anode liegt eine Ladung .Q
= CU,
(4.33)
auf der Kathode .Q = −CU . Bei einer Doppelleitung tragen beide Ladungen zum Feld bei. . . Es sei zunächst die Kapazität zweier langer, dünner Leitungen die parallel verlaufen betrachtet. Das Feld des in Abb. 4.19 gezeigten linken Leiters ist zylindersymmetrisch und hat im Abstand R von der Leitungsmitte eine Stärke von .E1 = Q/(2πR lε). Um die Spannung auszurechnen benutzen wir den direkten Weg von einer Oberfläche zur gegenüberliegenden für die Integration .U1
d−r
=
E1 dx =
r
d −r Q ln 2πlε r
um dann zu schließen, dass die Gesamtspannung doppelt so groß sein muss. Denn die Feldstärke der rechten Leitung zeigt entlang der Verbindungslinie in die gleiche Richtung und ist im Mittel genauso groß wie die der linken. Damit folgt die Kapazität .CDoppelleitung,dünn
Abb. 4.19 Zwei parallel verlaufende, entgegengesetzt geladene Leitungen der Länge l mit den Radien a. Der Abstand der Mittelachsen ist d
=
Q πlε Q = d−r . = U 2U1 ln r
(4.34)
l 2r
+Q
l 2r
-Q x
d
94
4 Erster Spezialfall: statische elektrische Felder
John David Jackson [9] ist in den 1970er-Jahren aufgefallen, dass die Äquipotentiallinien eines dünnen Drahtpaares leicht nach außen verschobene Zylinder bilden. Legt man nun im Geiste zwei dickere Drähte mit kreisförmigem Querschnitt bündig in solche Äquipotentialzylinder, erhält man eine Formel für die Kapazität zweier Drähte, die nun nicht mehr dünn sein müssen. Das Resultat .CDoppelleitung,allgemein
=
πεl arcosh dr
folgt allerdings erst nach einiger Rechnerei. . . . beim Kugelkondensator nicht Zur Berechnung des einfachsten Falles, einer Kugel mit dem Radius .R1 , stelle man sich vor, wie sich das Feld in der Nähe dieser Kugel ändert, wenn sie in eine zweite metallische Hohlkugel mit der Radius .R2 > R1 gesteckt wird. Da der Raum in der äußeren Kugel feldfrei ist muss ihr Beitrag zum Potenzial in ihrem Inneren eine Konstante sein, nämlich .Φ2 = Q2 /(4πε0 R2 ). Das Feld zwischen den beiden Kugeloberflächen wird also ausschließlich von der Ladung .Q1 der inneren Kugel bestimmt. Die Potenzialdifferenz, also die Spannung zwischen den beiden Kugeloberflächen beträgt also .U
= Φ1 − Φ2 =
Q1 Q1 Q1 − = 4πε0 R1 4πε0 R2 4πε0
1 1 − R1 R2
Das Feld außerhalb der äußeren Kugel wird nach dem Gauß’schen Satz für das elektrische Feld durch die Summe der Ladungen beider Kugeln bestimmt. Es verschwindet, wie in Abb. 4.20 plausibel gemacht, ganz für .Q2 = −Q1 . Wird diese Ladung gewählt, so stellt die Anordnung einen „Kugelkondensator“ dar. Dessen Kapazität beträgt
+
=
Abb. 4.20 Feld eines Kugelkondensators als Überlagerung der Felder einer negativ geladenen großen und einer positiv geladenen kleinen Kugel
4.6 Kapazitäten
95
.CKugelkondensator
=
Q1 = U
4πε0 1 R1
−
1 R2
(4.35)
und hat den interessanten Grenzfall .R2 → ∞, bei dem nur sichergestellt werden muss, dass alle geladenen Objekte viel weiter als .R1 entfernt sind: .CKugel
= 4πε0 R1 .
Man kann also unter der Voraussetzung, dass alle anderen elektrisch relevanten Objekte hinreichend weit weg sind, auch aufladbaren Einzelobjekten eine Kapazität zuweisen. Diese gibt dann an bei welcher Potenzialänderung wieviel Ladung aufgenommen wird. Zur Größenordnung solcher Kapazitäten siehe Aufgabe 4.4. Der Kugelkondensator hat noch einen weiteren, technisch sehr viel relevanteren Grenzfall: Man stelle sich beide Kugeln auf astronomische Größenordnungen aufgebläht, aber immer noch ähnlich groß vor. Dann wird .CKugelkondensator
≈
εAKugel d
mit .d = R2 − R1 . Die Kugeln könnte man in viele kleine Einzelteile zerschneiden um Elektrodenpaare zu gewinnen, die von einem Plattenkondensator mit dem Elektrodenabstand d nicht mehr zu unterscheiden sind. Das Ergebnis für jedes Stückchen .CPlattenkondensator
=
εA d
lässt sich -auf die Spitze getrieben- so formulieren: „Das Feld eines Plattenkondensators wird auf Basis der Ladung nur einer der beiden Elektroden bestimmt, weil deren Gegenelektrode der Extremfall .R → ∞ eines Spezialfalles ist, bei dem letztere im Inneren feldfrei ist.“ Aber ist denn nicht auch die Kapazität zweier Leitungen rechnerisch der Spezialfall eines immer „schlanker“ werdenden Plattenkondensators? Die Antwort heißt nein. Denn die Kapazität eines Plattenkondensators wird unter Vernachlässigung der Randfelder berechnet. Diese spielen aber beim Leitungspaar die Hauptrolle. Dagegen verläuft folgender Übergang weich und ohne Sprünge: Man stelle sich kleine Ausschnitte zweier flacher Elektroden eines Kondensators in großer Entfernung voneinander vor. In diesem Falle träten, wie in Abb. 4.21 angedeutet, genauso viel Feldlinien auf deren Vorder- wie Rückseiten aus. Nennt man .QA = Q/A die
96
4 Erster Spezialfall: statische elektrische Felder
l E1
+
E1 =
l
l d
Abb. 4.21 Zwei kleine quadratische Teilstücke geladener flacher Elektroden und ihre Felder. Bringt man sie nahe zusammen, addieren sich die Feldstärken zwischen ihnen. Auf den Rückseiten löschen sie sich gegenseitig aus
Flächenladungsdichte, so gäbe der Gauß’sche Satz für das elektrische Feld für ein Flächenelement der Größe .A = l 2 eine Feldstärke .E1 = QA /(2ε). Das Gesamtfeld wäre dann zwischen den zwei in Abb. 4.21 gezeigten Flächenelementen die Summe aus den Feldern beider Elektroden: .E
= 2 E1 = 2
Q QA = . 2ε ε·A
Bewegte man nun die Elektroden bis auf einen Abstand d aufeinander zu, ergibt sich • •
zwischen den Platten (wie gehabt) eine Spannung .U = (Qd)/(εA). Außerhalb löschen sich die Felder (auch wie gehabt) aus: .Eaußen = 0.
Die Gleichheit der Ergebnisse von „Kugel extrem“ und „einfach zwei Platten“ ist letztlich eine Konsequenz der folgenden Regel:
Grundsätzlich müssen zur Kapazitätsberechnung die Felder aller beteiligten Ladungen addiert werden. Die scheinbaren Ausnahmen nutzen das Verschwinden von Feldanteilen bei speziellen Geometrien.
Da die Ausnahmen neben dem Kugelkondensator und dessen Extremfall, dem Plattenkondensator auch den Koaxialkondensator (vergl. Aufgabe 4.11) betreffen, kann leider leicht der falsche Eindruck entstehen, die Ausnahmen seien die Regel.
4.7 Kontrollfragen und Aufgaben zum 4. Kapitel
4.7
97
Kontrollfragen und Aufgaben zum 4. Kapitel
4.1 Finden Sie einen Ausdruck für das Potenzial zweier Punktladungen Q1 und Q2 , welche sich an den Punkten r 1 und r 2 befinden. Verallgemeinern Sie das Ergebnis auf n Punktladungen. Finden Sie bitte auch unter Zuhilfenahme von Gl. (3.14) entsprechende Ausdrücke für das elektrische Feld. 4.2 Begründen Sie, warum elektrische Feldlinien an der Oberfläche von Leitern senkrecht auf diesen Oberflächen stehen. 4.3 Bitte bestimmen Sie analytisch den Verlauf der potenziellen Energien Wp (x) und Ws (x) der in Abb. 4.2 gezeigten Anordnungen. 4.4 Bitte bestimmen Sie mit Hilfe des Gauß’schen Satzes das elektrische Feld innerhalb und außerhalb einer sehr langen zylinderförmigen Leitung mit dem Radius R und der Ladungsdichte ρ. Dazu suchen Sie sich, wie in Abb. 4.22 gezeigt, ein Stück von beliebiger Länge l (diese kürzt sich später heraus) aus. Wäre es einfacher, das Problem mittels Poisson- und Laplace-Gleichung zu lösen? 4.5 In einem späten Stadium großer Sterne setzt das sogenannte „Kohlenstoffbrennen“ ein. Dies geschieht, wie Abb. 4.23 zeigt, im Kern. Dabei können zwei Kohlenstoffkerne zu einem Magnesiumkern fusionieren: 12 C + 12 C → 24 Mg. Man kann davon ausgehen, dass Atomkerne eine ähnliche Massendichte, eine homogene Ladungsverteilung und in etwa Kugelform haben. Die Radien können aus der Anzahl der Nukleonen A (hier 12 bzw. 24) mit R ≈ 1,07 fm · A1/3 abgeschätzt werden und es ist εr ≈ 1. Welche potenzielle Energie, ausgedrückt in Elektronenvolt, muss überwunden werden, damit sich die beiden Kerne berühren? Hierbei darf vernachlässgt werden, dass die innere potenzielle Energie beider Kerne bei ihrer gegenseitigen Annäherung zunimmt. Bitte vergleichen Sie die potenzielle Energie der Ladungsträger vor und nach der Fusion: um welchen Faktor nimmt diese zu? Abb. 4.22 Zur Aufgabe 4.4: ein sehr langer Metallstab mit dem Radius R, von dem ein Stück der Länge l betrachtet wird
l
2R
98 Abb. 4.23 Zur Aufgabe 4.5: Aufbau eines roten Riesensternes. Im Kern fusioniert Kohlenstoff, in der Schale darum herum Helium
4 Erster Spezialfall: statische elektrische Felder
äußere Schale He C
4.6 Bitte zeigen Sie, dass sich die Kapazität eines Plattenkondensators als Grenzfall eines Kugelkondensators mit sehr nahe beieinander liegenden Kugelschalen darstellen lässt, wenn Randeffekte vernachlässigt werden können. 4.7 Bitte bestimmen Sie die Fläche eines PET Folienkondensators (εr = 3,3), welcher bei einer Foliendicke von d = 1 μm eine Kapazität von C = 10 nF aufweist. Vergleichen Sie diese mit der Oberfläche einer Metallkugel mit der gleichen Kapazität. 4.8 Zeigen Sie, dass die für nicht triviale Randbedingungen gebrauchte Funktion F (r, r ) in Gl. (4.22) die Laplace-Gleichung erfüllen muss. 4.9 Zeigen Sie, dass das Dipolmoment eines Systems von Punktladungen gemäß Gl. (4.23) von der Wahl des Koordinatenursprungs unabhängig ist. 4.10 Das Wassermolekül H2 O hat ein gemessenes Dipolmoment von p = 0,613 · 10−29 Cm. Seine beiden Wasserstoff-Atome stehen im Winkel von φ = 104,45◦ zueinander. Der Abstand zwischen dem Sauerstoffkern und den Wasserstoffkernen beträgt a = 0,09584 nm. Bitte berechnen Sie aus diesen Werten das Dipolmoment unter der Voraussetzung, dass die beiden Wasserstoffatome vollständig ionisiert sind und vergleichen Sie es mit dem gemessenen Wert. Wie erklären Sie den Unterschied? 4.11 Damit das Innere eines Leiters auch dann feldfrei sein kann, wenn Ladungen in seiner Nähe sind, muss ein Teil der Ladungen an die Oberfläche wandern. Bei
4.8 Antworten und Lösungen zum 4. Kapitel
99
einem Koaxialkabel heißt das, dass im Falle einer großen Spannung von außen nach innen an der Oberfläche des inneren Leiters mehr Elektronen als in dessen Zentrum sind. Trotzdem wird bei der Berechnung des Leiterwiderstandes so getan, als wäre die Stromdichte überall gleich. Wie lässt sich dieser Widerspruch auflösen?
4.8
Antworten und Lösungen zum 4. Kapitel
4.1 Um das Potenzial an einem Punkt ungleich .r 0 = (0, 0, 0) zu finden, muss man nur das Koordinatensystem in die entgegengesetzte Richtung verschieben. Dann wird das Potenzial von .Q1 bei .r 1 schlicht .Φ = Q1 /(4πε0 |r − r 1 |). Da elektrische Felder auch addiert werden können, gilt ebenfalls Q1 Q2 + | für 2 Ladungen 4πε0 |r − r 1 | 4πε0 |r − r 2 | n . 1 Qi Φ= | für n Ladungen , 4πε0 |r − r i | Φ=
i=1
Für das elektrische Feld selbst ergibt die gleiche Verschiebung Q1 (r − r 1 ) Q2 (r − r 2 ) + | für 2 Ladungen 4πε0 |r − r 1 |3 4πε0 |r − r 2 |3 n . 1 Qi (r − r i ) E= | für n Ladungen . 4πε0 |r − r i |3 E=
i=1
4.2 Wenn eine Feldlinie senkrecht auf der Oberfläche steht, dann bedeutet dies, dass das elektrische Feld keine Komponente parallel zur Oberfläche hat. Wäre es anders, würden sich die Ladungsträger so lange innerhalb des Leiters bewegen bis das Feld verschwunden ist. Da die Ladungsträger aber den Leiter nicht verlassen können, gilt dies nicht für die senkrechte Komponente des elektrischen Feldes. 4.3 Nach Gl. (4.3) ist wegen Q2 = Q3 = Q/2 in beiden Fällen .W
=
Q2 4πε0
1 1 1 + + 2r12 2r13 4r23
,
mit r23 = A. Liegen alle drei Ladungsträger in einer Reihe, so sind r12 = |x −A/2| und r23 = |x + A/2|, und die potenzielle Energie wird
100
4 Erster Spezialfall: statische elektrische Felder
Q2 .W = 4πε0
1 . + + 2|x − A2 | 2|x + A2 | 4A 1
1
Bei dieser Formel dürfen die Betragsstriche nicht vergessen werden. Steht die Verbindungslinie zwischen den Trägern der kleineren Ladung senkrecht auf dem Abstand zum Träger von Q, so wird ⎛ Q2 ⎝ .W = 4πε0
1 x2 +
A2 4
⎞ 1 ⎠ + 4A
der korrekte Ausdruck, denn zwei der Geometrieterme sind gleich groß. 4.4 Aus der zylindersymmetrischen Aufgabenstellung ergibt sich, dass das elektrische Feld nur eine radiale Komponente haben kann: E = (Er , Eφ , Ez ) = (Er , 0, 0). Der Gauß’sche Satz lautet in Zylinderkoordinaten bei einem Radius r ≤ R und einem Leitungsstück der Länge l l 2π
r l 2π εEr dφdz =
.r
0
0
ρdφdzrdr . 0
0
0
Für eine ortsunabhängige Ladungsdichte führen die Integrale auf eine mit dem Radius ansteigende Feldstärke, .2πrlεEr
= πlr 2 ρ → Er =
ρr (für r < R), 2ε
wobei der Anstieg wegen ε = ε0 εr mit der Polarisierbarkeit (bei Halbleitern relevant) abnimmt. Für Radien r > R spielt die Polarisierbarkeit keine Rolle mehr und die Gesamtladung bleibt konstant, so dass die Feldstärke mit dem Radius abnimmt: .2πrlε0 Er
= πlR 2 ρ → Er =
ρR 2 (für r > R). 2rε0
Falls also das Material eine von eins verschiedene relative Dielektrizitätskonstante hat, macht die Feldstärke an der Materialkante einen Sprung. Das Ergebnis für r > R ist !im Allgemeinen nicht als Ableitung einer Potenzialfunktion darstellbar. Denn da r −1 dr = ln(r) ist gibt es keine Potenzialfunktion,
4.8 Antworten und Lösungen zum 4. Kapitel
101
welche für r → ∞ endlich ist. Die Verwendung der Laplace-Gleichung ist in diesem Falle also nicht zielführend. 4.5 Mit Hilfe von Gl. (4.13) lässt sich die Spannung berechnen, die ein Träger der Elementarladung e überwinden muss, um einen der Kerne zu berühren: .U
=
6e , 4πε0 · 2R
wobei R = 1,07 · A1/3 fm = 2,45 fm ist. Die Zahlen ergeben U = 1,76 MV. Dieser Wert gibt gleichzeitig an, welche Energie in Elektronenvolt eine Ladung e haben muss, um den zweiten Kern zu berühren. Ein Kohlenstoffkern braucht die sechsfache Energie, also W = 10,6 MeV. Um das Verhältnis der potenziellen Energien zu bestimmen, muss die potenzielle Energie innerhalb der beiden Kohlenstoffkerne mit derjenigen des Magnesiumkerns nach Gl. (4.16) verglichen werden. Für εr = 1 wird das Potenzial innerhalb der Kerne .Φinnen (r)
=
ρ 2ε0
R2 −
r2 3
Damit wird die potenzielle Energie mit dV = 4πr 2 dr
.Wpot
=
1 2
R ρ· 0
ρ 2ε0
r2 4πρ 2 R 5 R2 − · 4πr 2 dr = , 3 15ε0
also mit der fünften Potenz des Radius ansteigend. Da dieser aber mit der Kubikwurzel der Anzahl A der Nukleonen ansteigt, ergibt sich Wpot (12 C) = . Wpot (24 Mg)
R(12 C) R(24 Mg)
5
=
12 24
5/3 = 0,315
Da vor der Fusion zwei Kohlenstoffkerne vorhanden waren, haben diese zusammen 63 % der potenziellen Energie der Ladungen im Magnesiumkern. Anders ausgedrückt: Damit die Reaktion exotherm, also Energie freisetzend ablaufen kann, muss die Erhöhung der elektrischen potenziellen Energie um fast 59 % durch eine noch größere Verringerung der potenziellen Energie aufgrund der Kernkräfte kompensiert werden.
102
4 Erster Spezialfall: statische elektrische Felder
4.6 Gleichung (4.35) kann für kleine Abstände mit d = R2 − R1 R1 wie folgt umgeschrieben werden: .C
= 4πε0
R1 R2 4πε0 R 2 ≈ , R2 − R1 d
wobei A = 4πR 2 gerade die nun fast gleiche Oberfläche der Kugeln ist. 4.7 Für die Fläche a des Folienkondensators gilt in diesem Falle .a
=
Cd = 3,42 10−4 m2 (Folienkondensator) ε0 εr
und für die Kugel .R
=
C = 98,9 m (Kugel), 4πε0
was schon auf die durchaus bessere Platzausnutzung des Folienkondensators hinweist. Man kann auch das Verhältnis der Oberflächen direkt ausrechnen. Das Ergebnis .
aKugel Cεr = ≈ 3 · 108 aFolienkondensator 4πε0 d
bestätigt den Eindruck. 4.8 Aus Gl. (4.17), (4.21) ist bekannt, dass .Δ
1 4π|r − r |
= −δ 3 (r − r ),
die Green’sche Funktion für am Rande verschwindende Potenziale bereits eine Lösung der geforderten Differenzialgleichung ist. Kommen weitere Terme hinzu, darf also von ihnen nach der doppelten Differenziation nichts übrig bleiben. Es muss also ΔF (r, r ) = 0 sein. Letzteres ist die Erfüllung der Laplace-Gleichung. 4.9 Die Wahl eines verschobenen Bezugssystems ist dem Hinzuaddieren eines festen Vektors R V zu allen anderen Vektoren äquivalent. Das Dipolmoment im verschobenen Bezugssystem ist daher
4.8 Antworten und Lösungen zum 4. Kapitel
.P
=
Qi (r i + R V ) =
i
103
Qi r i
+ RV
i
Qi ,
i
woran zu erkennen ist, dass das Dipolmoment im neuen Bezugssystem genau dann gleich dem ursprünglichen ist, wenn das System insgesamt neutral ist ( i Qi = 0). 4.10 Aus der Lösung von Aufgabe 4.9 folgt die Freiheit der Wahl des Koordinatensystems für die Bestimmung des Dipolmoments. In diesem Falle ist es besonders vorteilhaft, das Sauerstoffatom in den Koordinatenursprung zu legen und die Wasserstoffkerne symmetrisch um die x-Achse zu platzieren. Dann muss p = (p, 0, 0) sein. Die einzige Komponente ist dann p = 2 · e · d · cos(φ/2). Dabei ist φ der Winkel zwischen den Wasserstoff-Atomen und d deren Abstand zum Sauerstoffkern. In Zahlen ergibt sich p = 1,88 · 10−29 Cm. Dieser Wert ist mehr als dreimal so groß wie der experimentell bestimmte Wert. Da p = q · d und d bekannt ist, muss Q < e sein. Die Wasserstoff-Atome sind nur zum geringen Teil ionisiert. Sie haben die Elektronen zum erheblichen Teil selbst behalten und nicht an das Sauerstoff-Atom abgegeben. 4.11 Es herrscht tatsächlich ein Elektronenüberschuss an der Oberfläche des Innenleiters. Dieser ist aber unter allen nur denkbaren Randbedingungen so klein, dass er vernachlässigt werden kann. Hierzu ein Zahlenbeispiel: Man stelle sich ein Koaxialkabel vor, dessen kupferner Innenleiter einen Radius von r = 5 cm hat und dessen Außenleiter bei R = 10 cm beginnt. Dazwischen befinde sich ein Isolator mit εr = 2, der einer Spannung von U = 100 000 V ausgesetzt ist. Die Ladung pro Länge Q/ l an der Oberfläche ergibt sich dann aus der Spannung U gemäß .U
R
=
Ex dx =
r
r
R
R Q Q ln dx = 2πεlx 2πεl r
(4.36)
und führt mit Hilfe der Elementarladung e auf eine Anzahl von .
Ne = 1,00 · 1014 m−1 l
Elektronen, die sich pro Meter an der Oberfläche befinden.7 7 Der
aufmerksame Leser wird feststellen, dass mit Gl. (4.36) fast schon die Formel für die Kapazität eines Koaxialkabels gefunden wurde.
104
4 Erster Spezialfall: statische elektrische Felder
Im Vergleich dazu ist die Gesamtzahl der Leitungselektronen, errechnet aus der Avogadro-Zahl NA und dem Molvolumen Vmol von Kupfer,8 pro Länge mit .
Ne NA Ne → = πr 2 = 6,65 · 1026 m−1 l Vmol l
so viel größer, dass man auch für andere Anwendungen von keinem nennenswerten Effekt auf die Leitfähigkeit ausgehen kann.
Literaturverzeichnis 1. Paul A. Tipler und Gene Mosca, Physik, 8. Auflage, Springer-Spectrum 2019, ISBN 9783-662-58280-0 2. Küpfmüller, Theoretische Elektrotechnik, 20. Auflage, Springer Heidelberg 2017, ISBN 978-3-662-54837-0 3. Siegfried Blume, Theorie elektromagnetischer Felder, 3. Auflage, Hüthig, Heidelberg 1991, ISBN 978-3778520703 4. David J. Griffiths, Elektrodynamics, 5. Auflage, Cambridge University Press 2023, ISBN 9781009397759 5. Jürgen Schnakenberg, Elektrodynamik, Viley-VCH, Stuttgart 2009, ISBN: 978-3-52740369-1 6. Marco Leone, Theoretische Elektrotechnik, 2.Auflage, Springer Heidelberg 2021, ISBN 978-3658292072 7. David Dugdale, Essentials of Electromagnetism Springer New York 1993, ISBN 978-156396-253-0 8. J. B. Tatum, Dipole and Quadrupole Moments, University of California 2019 https:// phys.libretexts.org/Bookshelves/Electricity_and_Magnetism/Electricity_and_Magnetism_ (Tatum) 9. John David Jackson, Classical Electrodynamics, 3. Auflage, Wiley 1998, ISBN 978-0471-30932-1
8 Pro
Kupferatom gibt es ein Leitungselektron.
Zweiter Spezialfall: statische Magnetfelder
Zusammenfassung
Alle elektrischen Maschinen nutzen die Eigenschaften statischer oder sich langsam verändernder Magnetfelder in ferromagnetischen Stoffen aus. In diesem Kapitel wird gezeigt, wie die Details des Energietransfers zwischen Feldern von Spulen und denen der Eisenelektronen für den Wirkungsgrad elektrischer Maschinen entscheidende Bedeutung erlangen. Je nachdem, wie magnetisch wirksame Stoffe im Raume verteilt sind, gelten für Magnetfelder auch verschiedene Potenzialgleichungen. Dies zu wissen ist wichtig, um zu verstehen, warum das Boit-Savart’sche Gesetz zur Berechnung von Magnetfeldern nur sehr eingeschränkt gültig ist. Es wird gezeigt, dass auf beliebig geformte geschlossene Stromschleifen Drehmomente wirken und dass das die Schleifen charakterisierende Dipolmoment große Ähnlichkeiten mit dem elektrischer Dipole hat. Es wird gezeigt, wie Magnetfelder nach denen von Multipolen sortiert und damit näherungsweise berechnet werden können. Das Kapitel endet mit einer Diskussion der sogenannten Magnetkreise.
Statische Magnetfelder sind durch statische elektrische Felder nicht zu beeindrucken Magnetfelder sind wie das Abb. 5.1 gezeigte Strömungsfeld eines Tiefdruckgebietes Wirbelfelder. Im statischen Falle wird das magnetische Kraftfeld .B (die „Flussdichte“) ausschließlich durch bewegte Ladungen bestimmt. Denn von den Maxwell’schen Gleichungen bleiben .∇ · B = 0 und .∇ × μ−1 B = J für das Magnetfeld übrig. Im statischen Falle ist daher das magnetische Feld völlig unabhängig vom elektrischen Feld. © Springer-Verlag GmbH Deutschland, ein Teil von Springer Nature 2024 M. Poppe, Grundkurs Theoretische Elektrotechnik, https://doi.org/10.1007/978-3-662-68631-7_5
105
5
106
5 Zweiter Spezialfall: statische Magnetfelder
Abb. 5.1 Ein Tiefdruckgebiet über dem Atlantik. Sein Strömungsfeld ist ein reines Wirbelfeld. Daher hängt der Energieverbrauch für den Flug Frankfurt – Grönland stark von der gewählten Route ab. Hier kann durch Umwege Kerosin gespart werden
5.1
Energien im Magnetfeld
Die Energiedichte des Magnetfeldes .wFeld
=
1 2 B 2μ0
(5.1)
lässt sich aus der Energie berechnen, die zum Feldaufbau einer stromführenden Luftspule nötig ist. Diese Beziehung gilt unabhängig von der An- oder Abwesenheit irgendwelcher Stoffe. Sie spezifiziert die Energie, welche durch das Feld selbst im Raume gespeichert ist. In Anwesenheit von Materie gilt .wgesamt
=
1 B 2, 2μ0 μr
(5.2)
wobei diamagnetische Stoffe (.μr < 1) dem Magnetfeld Energie entnehmen, indem sie es durch ein Gegenfeld abschwächen. Paramagnetische Stoffe sind dagegen in der Lage, ein Magnetfeld zu verstärken, also latent im Stoff vorhandene Energie abzugeben. Über 99 % aller bekannten Stoffe haben ein .μr , welches sich um weniger als 1 % von eins unterscheidet, so dass .wFeld ≈ wgesamt ist. Sehr große Abweichungen findet man dagegen bei den ferromagnetischen Stoffen, also Eisen, Nickel, Kobalt, deren Legierungen und einige ihrer Verbindungen. Da diese von
5.1 Energien im Magnetfeld
107
technisch überragender Bedeutung sind, soll ihr Einfluss auf Magnetfelder genauer untersucht werden: In Eisen setzen kleine Ströme große Energien frei Gibt man einer Spule einen Eisenkern, so findet man, dass das Magnetfeld bei gleichem Spulenstrom bis zu zweitausendmal stärker wird. Gleichzeitig wird bei solchen Stoffen Hysterese beobachtet, das heißt, wie stark das gegenwärtige Feld in einem Eisenkern ist hängt davon ab, wie stark das Feld in der Vergangenheit war. Dieses Verhalten hat nicht-triviale Konsequenzen für die Energie- und Leistungsbilanz, welche in einem kleinen Gedankenexperiment analysiert werden sollen. Es wird eine langsame lineare Stromerhöhung von null bis zum Erreichen der Sättigung1 des Eisens und danach ein Absenken zurück bis auf null betrachtet. Der Einfachheit halber werden ein konstanter Kernquerschnitt a und ein homogenes Feld angenommen, so dass der magnetische Fluss wie bei einer sehr langen Spule √ (.l a) .ΦB = B a ist. Wie in Abb. 5.2 gezeigt, durchläuft dann das Magnetfeld die Punkte .B(t = −t0 ) = −BR , dann .B(t = 0) = Bsatt und schließlich B(t = t0 ) = BR . Dabei treten die folgenden drei Leistungsarten
B
I
rück
Bsatt
I satt
BR t 0 -t0
0
t0
t
hin
-BR -t0
I satt
I (oder Bfrei )
Abb. 5.2 Zur Energiebilanz Magnetfeld-Hysterese in Eisen: Ein Eisenkern wird einem linear ansteigenden und wieder abnehmenden Spulenstrom I ausgesetzt, bis Sättigung erreicht ist (linkes Bild). Dabei durchläuft das Magnetfeld die im rechten Bild gezeigte Kurve. Diese kann gleichermaßen als Funktion des Stromes I oder des durch ihn hervorgerufenen Feldanteils .Bfrei dargestellt werden
1 Von Sättigung wird gesprochen, wenn die Zunahme des von außen angelegten Feldes gleich
der des Gesamtfeldes ist.
108
5 Zweiter Spezialfall: statische Magnetfelder
PI = Uind I = N P. B =
dΦB dB I = N aI dt dt
dWFeld la dB B = dt μ0 dt
(Leistung aus dem Stromkreis)
(Leistung an das Feld) und
(5.3)
l dB (Leistung an den Eisenkern) B PF e = PI − PB = a N I − μ0 dt auf. Diese Formeln werden übersichtlicher, wenn man die Leistungen als Funktion desjenigen Feldanteils .Bfrei = B(I ) = μ0 N I / l angibt, welcher durch den Spulenstrom allein erzeugt wird. Denn dann treten alle Geometriefaktoren so auf, dass aus Gl. (5.3) Beziehungen für Leistungsdichten .p = P /V = P /(l a) werden, nämlich als pI =
. pB
=
Bfrei dB μ0 dt
(aus dem Stromkreis)
B dB μ0 dt
(an das Feld) und
pF e = p I − pB =
(5.4)
1 dB (an den Eisenkern), (Bfrei − B) μ0 dt
was die Gleichungen viel leichter interpretierbar macht. Denn nun wird der Energiefluss in das Eisen hinein und wieder heraus deutlich: • • • •
Bei .t ≈ −t0 , also .Bhin ≈ −BR entnimmt das Eisen Energie sowohl aus dem Feld als auch aus dem Stromkreis, ab .B = 0 nur noch aus dem Stromkreis. Ab .Bhin = Bfrei beginnt das Eisen, Energie an das Feld abzugeben. Bei .Bhin = Brück = Bsatt hat das Eisen die ihm maximal mögliche Energiemenge abgegeben. Auf dem Rückweg .(0 < t < t0 ) nimmt das Eisen, ebenso wie der Stromkreis, Energie aus dem Feld auf.
Eine erstaunliche Konsequenz ergibt sich so für die innere Energie des Eisens, also die ihm eigene, welche sich durch die Leistungen ergibt:
5.1 Energien im Magnetfeld
109
Magnetisiertes Eisen hat weniger innere Energie als unmagnetisiertes. Das Minimum in Abwesenheit eines äußeren Magnetfeldes liegt bei .B = BR . In Anwesenheit eines äußeren Feldes wird dieses Minimum noch unterschritten.
Nun wird klar, warum eine einmal magnetisierte Kompassnadel jahrzehntelang ihre Magnetisierung behält. Der für die Konstruktion von Transformatoren wichtige Einfluss der Hysterese auf die Energiebilanz wurde bereits 1881 von Emil Warburg [1] berechnet. Denn die Leistungen von Hin- und Rückweg unterscheiden sich so, dass am Ende vom Eisen mehr Energie aufgenommen als zurückgeliefert wird. Konkret ergibt sich dies wie folgt: Die Energie, welche dem Stromkreis entnommen wird, ist für den ersten Abschnitt 0 .Whin
=
0
Phin dt = −t0
−t0
dBhin Na I (t )dt = dt
0 Na −t0
dBhin t I 1 + dt . satt dt t0
Partielle Integration ergibt
.Whin
= N aBsatt Isatt − N a
Isatt t0
0
Bhin dt
−t0
für den Hinweg und nach einer ähnlichen Rechnung
.Wrück
= −N aBsatt Isatt
Isatt + Na t0
t0 0
Brück dt
110
5 Zweiter Spezialfall: statische Magnetfelder
für den Rückweg. Addiert man die Energien für Hin- und Rückweg, so bleiben nur die Integrale übrig. Diese können in Integrale über den Strom2 umgeschrieben werden. In Summe ergibt sich dann
.W
= Whin + Wrück
Isatt = Na (Brück − Bhin )dI 0
In dieser Formel taucht die Zeit .t0 nicht mehr auf. Es ist also unerheblich, wie schnell alles abläuft, selbst die Form der Stromänderung mit der Zeit ist unerheblich. Die übersichtlichste Form ergibt sich auch hier, wenn anstelle des Stromes der durch ihn hervorgerufene Feldanteil .Bfrei betrachtet wird. Das Ergebnis der Variablentransformation W 1 .w = = al μ0
Bfrei,satt
(Brück − Bhin )dBfrei
(5.5)
0
zeigt, dass bei kluger Wahl der Variablen die Energieverlustdichte w direkt aus der Hyseresekurve abzulesen ist: Sie ergibt sich als Fläche zwischen Hin- und Rückweg. Der Energieverlust führt zu einer Erwärmung des Eisens. Hier gilt also .w = wF e . Bisher wurde nur derjenige Teil der Hysteresekurve betrachtet, bei dem .I > 0 ist. Natürlich gelten für .I ≤ 0 die entsprechenden Formeln. Das Ergebnis für die Gesamtkurve, welche also einen vollständigen Ummagnetisierungszyklus darstellt, hat die in Abb. 5.3 gezeigte Bedeutung: Die von der Hysteresekurve umschlossene Fläche ist bis auf den Faktor .μ0 gerade gleich der Verlustenergiedichte pro Ummagnetisierungszyklus. Ferromagnetische Legierungen, bei denen die umschlossene Fläche besonders groß ist, nennt man hartmagnetisch. Sie eignen sich besonders gut für Permanentmagnete und Kompassnadeln. Für die Konstruktion von Transformatoren und jenen Teil elektrischer Maschinen, in denen Ummagnetisierungen stattfinden, wird man dagegen weichmagnetische Stoffe, also solche, die eine schmale Hysteresekurve haben, bevorzugen.
den Hinweg unter Benutzung von .Ihin = Isatt [1 + (t /t0 )] und Ähnlichem für den Rückweg.
2 Für
5.2 Das Vektorpotenzial und die Poisson-Gleichung
111
B wFe /μ0 Bfrei
Abb. 5.3 Darstellung eines vollständigen Ummagnetisierungszyklusses. Die dabei an das Eisen pro Volumen abgegebene Energie .wF e ist gleich der von der Hysteresekurve umschlossenen Fläche, geteilt durch .μ0
5.2
Das Vektorpotenzial und die Poisson-Gleichung
Ist der Verlauf eines Magnetfeldes durch geometrische Besonderheiten a priori bekannt, so reicht das Ampère-Maxwell’sche Gesetz (3.22) zur Berechnung des magnetischen Kraftfeldes .B (der „Flussdichte“). In allen anderen Fällen ist es nötig, einen formalen Umweg zu gehen, welcher analog zum Benutzen des Potenzials in der Elektrostatik verläuft. Der Umweg beginnt beim magnetischen Vektorpotenzial .A und endet beim sogenannten Biot-Savart’schen Gesetz, welches unter bestimmten Randbedingungen erlaubt, das Magnetfeld an einem beliebigen Punkt im Raume per Integration zu berechnen. Das magnetische Potenzial kann geeicht werden Das magnetische Vektorpotenzial .A ist durch .B
=∇ ×A
(5.6)
definiert. Der Name „Potenzial“ verweist auf die Analogie zur Elektrostatik. Er leitet sich nicht aus potenzieller Energie ab. Zu einem gegebenen Magnetfeld gibt es mehrere Vektorpotenziale, denn Anteile an .A, welche die Rotation null haben, tragen nicht zu .B bei. Wegen .∇ × (∇Ψ ) = 0 gilt: Wenn aus .A das korrekte magnetische Kraftfeld .B folgt, dann muss jedes .AΨ
= A + ∇Ψ
(5.7)
112
5 Zweiter Spezialfall: statische Magnetfelder
auf genau das gleiche Magnetfeld wie .A führen. Die Festlegung von .∇Ψ wird Eichung des Potenzials, .∇Ψ Eichfeld genannt. Dynamische Theorien, deren Potenziale bis auf Eichfelder definiert sind, heißen Eichfeldtheorien und spielen bei der Suche nach einer gemeinsamen Formulierung aller physikalischen Kräfte eine herausragende Rolle: Neben dem Elektromagnetismus werden auch die sogenannte schwache Wechselwirkung und die Kernkraft durch Eichfeldtheorien beschrieben. In der Magnetostatik wird meist die CoulombEichung .∇
· A = 0 (Coulomb − Eichung)
(5.8)
verwendet. Das heißt: auch das Vektorpotenzial wird in diesem Kapitel als reines Wirbelfeld definiert. Die Poisson-Gleichung gilt für die homogene Verteilung isotroper Materie Mit den gleichen Rechentechniken, mit denen aus einer Ladungsverteilung .ρ(r ) zunächst das Potenzial .Φ(r ) und aus diesem das elektrische Kraftfeld .E(r ) berechnet wird, kann aus einer gegebenen Stromdichteverteilung .J (r ) zunächst das magnetische Vektorpotenzial .A(r ) und danach das magnetische Kraftfeld .B(r ) bestimmt werden. Dies ergibt sich mit Hilfe des Ampère’schen Gesetzes (3.25) wie folgt: B =∇ ×A .
| μ−1 ·
| ∇× μ−1 · B = μ−1 · (∇ × A) ∇ × (μ−1 · B) = ∇ × μ−1 · (∇ × A)
So folgt mit Hilfe von Gl. (3.12) die allgemeine Potenzialgleichung für Magnetfelder in Materie .J frei
= ∇ × μ−1 · (∇ × A)
(gilt im statischen Falle immer),
(5.9)
welche allerdings im Allgemeinen sehr schwer zu handhaben ist. Daher werden meist die folgenden Spezialfälle betrachtet und mit .∇ × (∇ × A) = ∇(∇ · A) − ΔA berechnet: Wenn der Stoff keine das Magnetfeld drehende Eigenschaften hat, ist .J frei
= −μ−1 ΔA + (∇μ−1 ) · (∇ × A)
(falls μ skalar)
5.3 Das Gesetz von Biot und Savart
113
das Ergebnis. Wenn .μ eine konstante Zahl ist, dann wird die Potenzialgleichung zur Poisson-Gleichung für Magnetfelder .μJ frei
= −ΔA
(falls μskalar und überall gleich groß),
(5.10)
deren formale Ähnlichkeit mit der des elektrischen Feldes es erlaubt, in der Elektrostatik gewonnene Erkenntnisse auch für Magnetfelder zu nutzen. Wo keine Ströme fließen, gilt die Laplace-Gleichung für Magnetfelder .ΔA
= (0, 0, 0)
(falls μ skalar und überall gleich groß).
(5.11)
Beide Vektorgleichungen stehen natürlich für jeweils drei einzelne Gleichungen.
5.3
Das Gesetz von Biot und Savart
Mit Hilfe dieses Gesetzes lässt sich das Magnetfeld in der Nähe eines stromdurchflossenen Leiters berechnen. Mathematisch gesehen folgt es aus der Lösung der Poisson-Gleichung. Es gilt also nur, wenn weder felddrehende Materialien noch materielle Inhomogenitäten vorhanden sind. Hier der Weg zum Gesetz: Wenn .A im Unendlichen verschwindet, ist die Lösung der Poisson-Gleichung aus (4.15) bekannt: .A
=
μ 4π
V
J (r ) dV |r − r |
(5.12)
So folgt für ein ruhendes Volumen V nach dem Heine-Cantor Theorem und der Kettenregel μ B =∇ ×A = 4π .
=
μ 4π
∇× V
V
J (r ) dV |r − r |
1 ∇ × J (r ) − J (r ) × ∇ |r − r |
1 |r − r |
dV
Der Term .∇ ×J (r ) ist gleich null, weil der Nabla-Operator .∇ nur auf .r, nicht aber auf die Integrationsvariable .r wirkt (vergl. .∂f (x )/∂x = 0). So muss nur noch der Gradient von .1/|r − r | berechnet werden, um das Biot-Savart’sche Gesetz
114
5 Zweiter Spezialfall: statische Magnetfelder
.B(r)
=
μ 4π
V
J (r ) × (r − r ) dV |r − r |3
(5.13)
zu erhalten. Ist die Stromdichte durch eine dünne Leitung mit dem Strom I beschränkt, kann, wie in der Lösung zu Aufgabe 5.3 gezeigt, anstelle des Volumenintegrals ein Wegintegral entlang der Leitungsstückchen treten: Es lautet für diesen Fall .B(r)
=
μ I 4π
ds × (r − r ) . |r − r |3
s
(5.14)
In Abb. 5.4 sind die Variablen skizziert. Oft ist es günstig, zunächst das Vektor Potenzial zu bestimmen und dann das Feld als dessen Rotation zu berechnen. Für einen dünnen Draht ist dieses als Spezialfall von (5.12) durch .A
=
μ I 4π
s
ds |r − r |
(5.15)
gegeben. Wichtig bleibt: Das Biot-Savart’sche Gesetz gilt nur, wenn keine felddrehenden Stoffe in der Nähe sind und wenn die gesamte Umgebung das gleiche .μr hat. Abb. 5.4 Skizze zum Biot-Savart’schen Gesetz: Das Magnetfeld .B (Flussdichte) am Ort .P ergibt sich durch Integration über Längenelemente .ds der vom Strom I durchflossenen Leitung
y I
ds' r'
r-r' r
Magnetfeld zeigt in die Ebene
P x
5.3 Das Gesetz von Biot und Savart
115
Zylindergeometrie hilft: Das Feld eines Bogensegments Abb. 5.5 zeigt eines der wenigen mit geringem Aufwand berechenbaren Beispiele zur Anwendung des Biot-Savart’schen Gesetzes. Gesucht wird das Feld im Zentrum vom Strom I durchflossenen Viertelbogens mit dem Krümmungsradius R. Die im Gesetz geforderte Integration über die Bogensegmente .ds kann in diesem Fall auf die Integration über den Winkel .φ reduziert werden. Dann gelten r = (0, 0, 0) r = R(cosφ , sinφ , 0) .
r − r = −R(cosφ , sinφ , 0) ds =
∂r ∂φ dφ
= R(−sinφ , cosφ , 0)dφ
und das Gesetz kann hingeschrieben werden. Das Resultat π/2 μ 1 I B= (−sinφ , cosφ , 0)dφ × (−cosφ , −sinφ , 0) 4π R . 0 μI = 0, 0, 8R
y
Abb. 5.5 Ein zu einem Viertelbogen gebogener Draht, durch den ein Strom I fließt. Berechnet soll das Magnetfeld am Punkt .P werden
R P
r'
ϕ' R
I
x
116
5 Zweiter Spezialfall: statische Magnetfelder
ergibt ein in z-Richtung, also aus der Seite herauszeigendes Feld (siehe auch Aufgabe 5.6). Die Zuleitungen tragen am Punkt .P = (0, 0, 0) nichts zum Magnetfeld bei, da für sie .ds r gilt. Meist müssen Magnetfelder numerisch berechnet werden Für eine begrenzte Anzahl von Geometrien sind analytische Lösungen von Gl. (5.14) bekannt. Diese sind in Abb. 5.6 und Gl. (5.16) zusammengefasst.
Abb. 5.6 Beispiele von mit dem Biot-Savart’schen Gesetz berechenbaren Magnetfeldern, von oben nach unten: Strombogen, Ringspule, Halbring, Halbquadrat, Rechteck. Die Feldstärken an den mit .P bezeichneten Orten sind in Gl. (5.16) angegeben
R
I
α r
P
I
z
P
I P
s I
P
s/2
l I
P
k
5.3 Das Gesetz von Biot und Savart
117
Magnetfelder bekannter Geomtrien (siehe Abb. 5.6) Typ
Ort
Feld
Strombogen Kreismittelpunkt
B=
μI α 4π
Ringspule
B=
μI R2 z Achse 2 R 2 + z2 (3/2)
Zentralachse
.
1 1 − r R
μI 2πR √ 2μI Halbquadrat Quadratmittelpunkt B = πs
1 2μI 1 + 2 Rechteck Mittelpunkt B= π l2 k
Halbring
Kreismittelpunkt
B=
Richtung in die Seite hinein
aus der Seite heraus in die Seite hinein in die Seite hinein (5.16)
Schon kleine Variationen der Problemstellungen lassen den Rechenaufwand explosionsartig anwachsen. So läuft zum Beispiel die Berechnung des Magnetfeldes einer kreisrunden Spule an einem nicht auf der Zentralachse liegenden Ort bereits auf ein elliptisches Integral hinaus [2]. Für eine begrenzte Anzahl von Geometrien existieren neben der Anwendung des Biot-Savart’schen Gesetzes Verfahren zur analytischen Lösung der PoissonGleichung. Eine sehr praxisnahe Zusammenstellung findet sich zum Beispiel in [3]. Den wenigen bekannten Lösungen steht eine große und praktisch alle technischen Anwendungen umfassende Menge von Problemstellungen gegenüber, die ausschließlich mit numerischen Methoden lösbar sind. Beschreibungen dieser Methoden sind in [4, 5] zu finden.
Vektorpotenzial und Magnetfeld eines langen Drahtes Gesucht werden das Vektorpotenzial .A und das Feld .B im Abstand r zu einer sehr langen, geraden, dünnen Leitung (siehe Abb. 5.7). Für das Vektorpotenzial einer unendlich langen Leitung divergiert die Lösung von Gl. (5.15). Daher wird zunächst eine Leitung der endlichen Länge .2 L betrachtet. Danach wird untersucht, was passiert, wenn L sehr groß wird. Das Vektorpotenzial .A = (0, 0, Az ) wird also als (Fortsetzung)
118
5 Zweiter Spezialfall: statische Magnetfelder
z
φ dz L
x
r-r' r
{
P
y
I Abb. 5.7 Zur Berechnung des Vektorpotenzials und des Magnetfeldes einer langen Leitung am in der x-y-Ebene liegenden Punkt P im Abstand r wird der Strom in Richtung der z-Achse fließend angenommen. Das Gesamtfeld setzt sich dann aus Beiträgen der Leitungsstückchen dz zusammen
.Az
=2·
μ I 4π
L 0
dz r 2 + z 2
berechnet. Die Stammfunktion für das hier erscheinende Integral ist für z 2 + r 2 + z bekannt (für negative Werte von positive r und .z als .ln .z
ist sie komplizierter). So ergeben sich Ausdrücke ⎞⎤ ⎡ ⎛ 2 L μ r Az = 2 · I ln ⎣ · ⎝ 1 + 2 + 1⎠⎦ (immer) 4π r L .
Az = 2 ·
2L μ I ln 4π r
(für L r),
welche die Divergenz für große L beweisen. Dennoch liefert das Vektorpotenzial das korrekte Ergebnis für .B: Die einzige nicht verschwindende Komponente von .∇ × (0, 0, Az (r)) ist die um die Leitung herum zeigende Vektorkomponente .Bϕ
=−
∂Az μI ∂ln(2L/r) μI =− = , ∂r 2π ∂r 2πr
(Fortsetzung)
5.4 Kräfte im Magnetfeld
119
welche nicht mehr von L abhängt und für .r → ∞ verschwindet. Der Vergleich mit der Integralform des Ampère’schen Gesetzes (3.25) zeigt, dass das Ergebnis korrekt ist.
5.4
Kräfte im Magnetfeld
Die Lorentz-Kraft ist für alle in Magnetfeldern auftretenden Kräfte verantwortlich. Da diese nur auf bewegte Ladungen wirkt, sind es die Ströme, welche durch Magnetfelder beeinflusst werden. Geschlossene Stromschleifen sind im homogenen Magnetfeld ortsfest Zunächst soll die Lorentz-Kraft für eine beliebige Stromverteilung hingeschrieben werden um daraus die Spezialfälle „dünner Draht“ und „geschlossene Stromschleife“ abzuleiten. Denn es lässt sich ohne großen Aufwand das formale Grundgerüst F = Qv × B F =
N
(eine Ladung)
Qi v i × B (viele einzelne Ladungen)
i=1
.
ρv × BdV (kontinuierlich verteilte Ladungsdichte)
F = V
→F =
J × BdV
(kontinuierlich verteilte Stromdichte)
V
hinschreiben. Ist die Stromdichte .J auf einen dünnen Draht begrenzt, so bleibt von den drei Dimensionen des Volumenintegrals nur eine übrig. Auf das Drahtstück zwischen zwei Punkten .a und .b des Drahtes wirkt eine Kraft b .F
(ds × B) (dünner Draht)
=I a
(5.17)
120
5 Zweiter Spezialfall: statische Magnetfelder
wobei der Strom I sich als Produkt aus der Stromdichte und dem Querschnitt des Drahtes ergibt (vergl. Aufgabe 5.3). Ist das Magnetfeld homogen und isotrop, so lässt es sich aus dem Integral ziehen. Ein interessanter Spezialfall ist die geschlossene Stromschleife im homogenen Magnetfeld, denn das Wegintegral über eine geschlossene Kurve verschwindet. So folgt mit .F
=I·
ds × B = I · (0) × B = 0,
dass auf eine geschlossene Stromschleife in einem homogenen Magnetfeld keine Kraft wirkt. Das heißt, sie bleibt an ihrem Ort. Dennoch ist das Magnetfeld nicht wirkungslos, wie das Folgende zeigt: Ringströme erzeugen magnetische Dipole Ströme in geschlossenen Leiterschleifen haben das Bestreben, sich so zu einem Magnetfeld auszurichten, dass sich die Ladungsträger nur in einer Ebene senkrecht zum Magnetfeld bewegen. Im Folgenden wird mit Hilfe der Lorentz-Kraft .F = Qv × B das dazugehörige Drehmoment .τ bestimmt. Dazu betrachten wir zunächst eine dünne Teilleitung, welche sich, wie in Abb. 5.8 gezeigt, in einem konstanten Magnetfeld in z-Richtung (.B = (0, 0, B)) befindet. Die Leitung befinde sich vollständig in einer um den Winkel .θ um die x-Achse gegen das Magnetfeld geneigten Ebene. Das Drehmoment durch einen Träger der Ladung Q im gerichteten Abstand .R = (0, Ry , Rz ) von der z-Achse ist .τ = R × F = R × (Qv × B), wobei .v die Ladungsträgergeschwindigkeit ist. Aus dem Drehmoment durch eine bewegte Einzelladung kann nun auf jenes für eine kontinuierliche Verteilung geschlossen werden, deren Spezialfall dann das in Abb. 5.8 gezeigte Leitungsstückchen ist: Für eine kontinuierliche Ladungsträgerverteilung tritt im Ausdruck für .τ an Stelle des Faktors Q die Volumenintegration über die Ladungsdichte: .τ
=
R × J × B dV
(5.18)
V
Ist das Magnetfeld überall gleich stark und gleich gerichtet, so kann .B aus dem Integral herausgezogen werden. Befinden sich die Ladungsträger alle innerhalb eines dünnen Drahtes, kann außerdem (vergl. Aufgabe 5.2) das Volumenintegral durch ein Pfadintegral ersetzt werden:
5.4 Kräfte im Magnetfeld
121
z
Abb. 5.8 Ein stromführender dünner Draht, welcher sich in einer um den Winkel .θ um die x-Achse geneigten Ebene befindet. Jedes Teilstück .ds im Abstand .R zur x-Achse trägt zum Drehmoment bei
θ ds'
da' R'
x0
B -x 0 y
x
⎛ .τ
=I⎝
x0
⎞ R × ds ⎠ × B
−x0
Das Kreuzprodukt .R × ds ist ein Vektor .da , welcher senkrecht auf der Ebene der Leitung steht, und dessen Betrag gleich dem vom .R und .ds aufgespannten Parallelogramm ist (siehe Abb. 5.8). Das Integral über alle .da ergibt so den Vektor der von der Leitung und der x-Achse aufgespannten Fläche .a: x0 .
x0
R × ds =
−x0
da = a
−x0
So folgt .τ
= Ia × B
(5.19)
Das so bestimmte Drehmoment hängt allerdings von der Wahl der Achse ab: je weiter diese vom Leitungsstück entfernt ist, desto größer wird .a. Völlig unabhängig von der Wahl des Achsensystems wird das Drehmoment, wenn die Leitung zu einer geschlossenen Schleife ergänzt wird. Fügt man im in Abb. 5.8 gezeigten Beispiel ein Stück entlang der x-Achse ein, bleibt das Drehmoment gleich, da entlang dieser Achse der Abstand zu dieser .R = (0, 0, 0) ist. Jede andere Ergänzung ändert gleichzeitig die Fläche und das Drehmoment. Entscheidend ist: wird bei der nun geschlossenen Schleife .R bezüglich einer
122
5 Zweiter Spezialfall: statische Magnetfelder
beliebigen anderen Achse in der Ebene der Schleife berechnet, so heben sich relativ zur ursprünglichen Wahl alle Zuwächse und Verlust von .a auf. Für eine geschlossene Leiterschleife wird das Drehmoment nach (5.19) vom Bezugssystem unabhängig. Daher ist es sinnvoll, es als Zusammenwirken des Magnetfeldes mit der magnetisches Dipolmoment .m genannten Eigenschaft der geschlossenen Leiterschleife als .τ = m × B = I a × B (5.20) zu formulieren. Da sowohl .τ als auch .B direkt messbare Größen sind, wird das erste Gleichheitszeichen in (5.20) als Definition des Dipolmoments .m und das zweite als dessen Berechnungsvorschrift verwendet. Abschließend soll geklärt werden, welche Rolle die Drehachse spielt. Zur Illustration wird das Drehmoment für das oben skizzierte Beispiel (mit Schleifenergänzung entlang der x-Achse) komponentenweise mit dem Ergebnis x0 .τ
= BI
(Rz dsx , Rz dsy − Ry dsz , 0) −x0
ausgerechnet. Die erste Komponente .τx = Rz dsx gibt das Drehmoment um die x-Achse an. Solange .τy = 0 ist, kann jedoch bei freier Achsenwahl ein größeres Drehmoment als .τx alleine wirken. Kann sich die Leiterschleife völlig frei bewegen, wird sie sich daher dem größtmöglichen Drehmoment folgend um diejenige Achse drehen, die parallel zum Drehmomentvektor zeigt und die die Leiterschleife in zwei Hälften gleich großer Flächen teilt. Dipolmomente können addiert werden Ursprung der auf Leiterschleifen wirkenden Drehmomente ist die Lorentz-Kraft. Diese kehrt ihr Vorzeichen um, wenn sich die Stromrichtung umkehrt. Zerteilt man nun, wie in Abb. 5.9 gezeigt, einen stromdurchflossenen Ring und verbindet beide Hälften durch nahe beieinanderliegende Leitungsstücke, so ändert sich an der auf die Schleife wirkenden Kräftebilanz gar nichts. Denn die Summe der hinzugekommenen Kräfte ist gleich null. So kann einerseits eine umschlossene Fläche in beliebige Teilflächen unterteilt werden. Andererseits lassen sich komplizierte Dipole durch Addition kleiner Einzeldipole konstruieren. Man kann die Möglichkeit, Dipolmomente beliebig zu addieren auch rein formal begründen: Das Dipolmoment .m ist ein Vektor. Es setzt sich aus zwei
5.4 Kräfte im Magnetfeld
123
I
I
I
Abb. 5.9 Zur Kombination von Dipolmomenten: ein stromdurchflossener Ring wird durch zwei Halbringe mit geraden Zusatzverbindungen ersetzt
B a
I1
l
m1 a
I1
l
l Abb. 5.10 Zur Herleitung von Gl. (5.21): Ein makroskopischer Würfel der Seitenlänge l, dessen Material ein magnetisches Feld .B erzeugt, wird in mikroskopische Einzelteile mit Dipolen .m1 unterteilt. Letztere entstehen durch Ringströme .I1 um Flächen der Größe .a 1
Größen I und .a zusammen, die sich einfach addieren lassen. Daher lassen sich auch Dipolmomente addieren. Dies gilt auch, wenn sie gegeneinander geneigt sind. So kann das Dipolmoment einer beliebig geformten Leiterschleife bestimmt werden, indem die von ihr aufgespannte Fläche in viele Einzelflächen unterteilt wird. Mikroskopische interne Dipole erzeugen ein makroskopisches Feld Festkörper können ein Magnetfeld erzeugen. Und Festkörper haben eine atomare Struktur, in der ständig Ringströme fließen und in der die beteiligten Elementarteilchen selbst magnetische Dipolmomente haben. Daher hat fast jedes Atom ein kleines, resultierendes eigenes Dipolmoment .m1 . Im Folgenden soll untersucht werden, in welcher Beziehung atomare Dipolmomente zum Gesamtfeld stehen. Als Kollateralnutzen wird klar werden, warum eine in den Maxwell’schen Gleichungen auftretende Größe bisweilen „magnetische Dipoldichte“ genannt wird. Man stelle sich einen makroskopischen Würfel der Seitenlänge l mit einer großen Anzahl N mikroskopischer Ringströme .I1 , so wie in Abb. 5.10 gezeigt,
124
5 Zweiter Spezialfall: statische Magnetfelder
vor. Das resultierende Magnetfeld ist nun mithilfe folgender Überlegungen auf die internen Dipole zurückzuführen. • • • •
Flächenvektor, Dipolmoment und Magnetfeld sind parallel. Jeder einzelne Dipol hat ein Dipolmoment mit dem Betrag .m1 = I1 a1 . Die Fläche des Dipols beträgt .a1 = l 2 /N 2/3 Es entstehen lange Spulen mit .N 1/3 Windungen. Das Magnetfeld einer langen Spule hat in diesem Falle den Betrag .Bgeb. = μ0 I1 N 1/3 / l. Mit dem Index „geb.“ wird darauf hingewiesen, dass alle hier betrachteten Felderzeuger im Material gebunden sind.
Kürzt man die mikroskopischen Ströme und Flächen heraus, ergibt sich ein zur Dipoldichte .m1 N/V proportionales magnetisches Feld, .B geb.
= μ0
N N m1 = μ0 m1 , 3 V l
(5.21)
welches traditionell mit .M = B geb. /μ0 bezeichnet wird. Aufgrund der oben angestellten Überlegungen wird .M auch magnetische Dipoldichte genannt.3 Allzu wörtlich darf der Begriff Dipoldichte übrigens nicht genommen werden. Denn die tatsächliche Anzahl der in den Atomen gebundenen Dipole ist ein großes Vielfaches des hier betrachteten .N. Nur gibt es zu fast jedem internen Dipol einen genauso großen, aber entgegengesetzt gerichteten zweiten Dipol. Was hier .m1 genannt wurde, ist die vektorielle Summe aus vielen subatomaren Einzelkomponenten. Beim Eisen sind dies zum Beispiel der Dipol des Kerns, die 26 Einzeldipolmomente der Elektronen, die 12 Dipole, welche aufgrund der Bahnbewegung der inneren Elektronen zustande kommen sowie eine weitere Anzahl von bis zu 8 Dipolen der äußeren Elektronen, deren Ausrichtung von der chemischen Bindung des Eisens abhängt. Wer schlicht vom .B geb. als dem „Anteil des magnetischen Feldes, welcher durch gebundene Ladungen erzeugt wird“ spricht, liegt immer richtig.
3 Der
häufig benutze Begriff „Magnetisierung“ soll in diesem Buch ausschließlich für den Vorgang des Ausrichtens der Dipole verwendet werden.
5.5 Magnetische Multipole
5.5
125
Magnetische Multipole
Magnetische Felder und deren Kraftwirkung auf Ströme sind nur in sehr wenigen Fällen analytisch berechenbar. Eines der populärsten Verfahren zur annähernden Bestimmung eines Magnetfeldes ist die Multipolentwicklung desselben. Ausgangspunkt ist ähnlich wie beim elektrischen Feld die Reihenentwicklung des Vektorpotenzials. Zunächst wird, wie in Abb. 5.11 gezeigt, eine geschlossene Stromschleife betrachtet. Dann wird das Vektorpotenzial nach Gl. (5.15) als .A
=
μ I 4π
ds (R − r )2
= A0 + A1 + . . .
(5.22)
mit .An
=
μ I 4πR R n
(r )n Pn (cosθ )ds
geschrieben. Dabei lohnt ein genauerer Blick auf die ersten Terme: μ (Monopolterm) I ds 4πR μ I r cosθ ds (Dipolterm) . A1 = 4πR 2 2 μ r 3cos2 θ − 1 ds (Quadrupolterm) I A2 = 3 2 4πR A0 =
(5.23)
Da das Wegintegral über eine geschlossene Schleife immer null ist und da im statischen Falle alle Stromschleifen geschlossen sein müssen folgt, dass der Monopolterm verschwindet.
Abb. 5.11 Zur Berechnung des magnetischen Potenzials am Punkt .P im Abstand .R vom Zentrum einer geschlossenen Stromschleife
ds' R-r' r'
θ'
R I
P
126
5 Zweiter Spezialfall: statische Magnetfelder
Zur Bestimmung des Dipolterms soll folgende Strategie verfolgt werden: Es ist bekannt, dass das Drehmoment einer ebenen Stromschleife zu deren Fläche proportional ist. Da der Dipolterm ein Ringintegral beinhaltet, bietet sich an, den Stokes’schen Satz zum Umschreiben des Ringintegrals in ein Flächenintegral zu verwandeln, um dann zu prüfen, ob sich nicht auch in diesem Falle die vom Strom umflossene Fläche isolieren lässt. Um den Stokes’schen Satz anwenden zu können wird der Dipolterm in Gl. (5.23) als Funktion der beteiligten Vektoren .r cosθ = r · eR ausgedrückt, so dass μ .A1 = I r · eR ds 4πR 2 ∂a
bleibt. Hierauf lässt sich die in Aufgabe 5.2 aus dem Stokes’schen Satz abgeleitete Formel . da × (∇f ) = f ds a
∂a
mit .f = r · eR anwenden. Wegen .∇(r · eR ) = eR 4 wird das Flächenintegral zu .
da × ∇(r · eR ) =
a
da × eR = a × eR =
a
(r · eR )ds
∂a
bestimmt. Damit zeigt sich, dass der Dipolterm der Multipolentwicklung .A1
=
μ I a × eR 4πR 2
(5.24)
tatsächlich proportional zur vom Strom umflossenen Fläche .a ist. Darüber hinaus wird offensichtlich, dass die Stromschleife nicht in einer Ebene liegen muss, denn dies wurde bei der Herleitung von Gl. (5.24) an keiner Stelle vorausgesetzt. Dies bestätigt die Erkenntnis, dass das magnetische Dipolmoment auch im Falle einer nicht in einer Ebene liegenden Leiterschleife als .m = I a zu berechnen ist. Und der Dipolterm der Potenzialentwicklung lässt sich als
4.e
R zeigt vom festen Punkt, an dem .A1 berechnet wird, zum ebenfalls festen Punkt, um den herum .r berechnet wird. Die Komponenten dieses Vektors sind also konstant.
5.6 Induktivitäten
127
.A1
=
μ μ m × eR = m×R 4πR 2 4πR 3
(5.25)
schreiben. Das Dipolfernfeld ist schlussendlich durch .B = ∇ × A gegeben. Dies lässt sich wie folgt berechnen5 ∇×
.
1 1 1 (m × R) = ∇ × (m × R) + 3 ∇ × (m × R) 3 3 R R R 2 3 = − 4 eR × (m × R) + 3 m R R 1 = 3 [−3eR × (m × eR ) + 2m] R 1 = 3 [3eR (eR · m) − m] R
und führt auf .B
=∇ ×A=
μ [3(m · eR )eR − m]. 4πR 3
(5.26)
Dabei zeigt der Vergleich mit Gl. (4.29), dass das Magnetfeld des magnetischen Dipols die gleiche Struktur hat wie das elektrische Feld des elektrischen Dipols.
5.6
Induktivitäten
Mit der Induktivität wird die Wirkung eines sich ändernden magnetischen Flusses auf einen ihn umschließenden Leiter beschrieben: Die Induktivität L ist das Verhältnis des magnetischen Flusses .ΦB zum hervorrufenden Strom .L
=
ΦB I
(5.27)
Nach dem Faraday-Henry-Gesetz bedingt eine Flussänderung die Induktion einer Spannung in diesen Leiter. Damit legt die Induktivität auch fest, welche Spannung durch eine Stromänderung in eine Leiterschleife induziert wird
5 Dabei
wird .∇ × (m × R = m(∇ · R) − (m · ∇)R = 3m − m benutzt.
128
5 Zweiter Spezialfall: statische Magnetfelder
Eine große Induktivität ist immer dann erwünscht, wenn viel Energie in einem Magnetfeld gespeichert werden soll, eine geringe dann, wenn der Strom unabhängig von Magnetfeldern fließen soll. Spulen nutzen jede Leiterschleife zweimal Werden aus einem einzigen Draht N Leiterschleifen übereinandergelegt, entsteht der N-fache magnetische Fluss einer Einzelschleife. Geschieht dies so, dass dieser Fluss von allen Leiterschleifen umschlossen wird, so wird im Falle einer Stromänderung nach dem Faraday-Henry-Gesetz in jede Schleife eine Spannung induziert, die N mal so groß ist wie der in eine einzelne Schleife. Für N Schleifen in Reihe gibt das die .N 2 − fache Spannung. Daher tritt in der bekannten Formel .L
=
μA · N2 l
(lange Spule)
(5.28)
für die Induktivität einer langen Spule der Faktor .N 2 auf. Und aus dem gleichen Grunde bestehen Bauelemente, die auf der Wirkung von Magnetfeldern beruhen immer aus vielen übereinander gelegten Leiterschleifen. Dies gilt gleichermaßen für Transformatoren und eingelötete Elemente auf einer Platine. Und so ist der Name „Spule“ zum Synonym für Bauelemente geworden, welche Magnetfelder nutzen. Induktivitäten von Leitungen werden durch Material und Geometrie bestimmt Der magnetische Fluss .ΦB eines sehr dünnen, sehr langen Drahtpaares kann näherungsweise bestimmt werden, indem nur die Fläche zwischen den Drähten betrachtet wird. Es wird also vorausgesetzt, dass der in Abb. 5.12 rechts gezeigt Abstand d sehr viel größer als der Drahtradius r ist. Man erhält den Fluss als Summe des Flusses durch Hin- und Rückleitung als .ΦB
d−r
=2· r
d −r μI l lμI dy = · ln 2πy π r
(dünnes Drahtpaar)
(5.29)
wobei .μ = μ0 μr sich auf das Material zwischen den Drähten bezieht. Sind ein kleiner Fluss und damit eine kleine Induktivität erwünscht, so sind Drähte mit großem Durchmesser das Material der Wahl. Soll die Induktivität einen sehr genau
5.6 Induktivitäten Abb. 5.12 Links eine aus schmalen Metallbändern bestehende Doppelleitung, rechts eine Doppelleitung aus dünnen Drähten
129
l
I
I
h
2r d
d
[μH/m] Induktivitätsbelag L/l
Abb. 5.13 Induktivitätsbelag (.L/ l) zweier schmaler Bänder der Höhe h als Funktion des Abstands y der Bänder. Hier wird .μ = μ0 angenommen
I l
1,2 0,8 0,4 0 0
1
3 2 Normierter Abstand: y/h
4
gestimmten Wert haben, so sollten wegen der logarithmischen Singularität bei → 0 die Drähte ebenfalls nicht zu dünn sein. Sehr gut einstellbar ist die Induktivität, wenn anstelle von runden Drähten flache Metallbänder der Höhe h verwendet werden. Dann verschwindet, wie in Aufgabe 5.10 gezeigt, die Singularität bei kleinen Durchmessern. Die Bänder können also beliebig dünn ausfallen. Der magnetische Fluss der in Abb. 5.12 gezeigten Anordnung ist dann entsprechend der Lösung von Aufgabe 5.10
.r
h lμI arctan dy ΦB = 2 · 2y 0 πh . √ h h2 + 4d 2 lμI 2d = ln + · arctan π h h 2d
d
(Metallbänder) (5.30)
und sein Verlauf als Funktion des normierten Abstands .d/ h wird durch die eckige Klammer in Gl. (5.30) bestimmt. In Abb. 5.13 wird die aus der Gleichung folgende Induktivität pro Länge .L/ l = ΦB /(l · I ), also der Induktivitätsbelag, als Funktion des normierten Abstands dargestellt.
130
5 Zweiter Spezialfall: statische Magnetfelder
5.7
Magnetkreise
Unter diesem Titel wird ein Verfahren beschrieben, die Stärke von Magnetfeldern in ferromagnetischen Konstruktionen zu berechnen. Es gibt in der Elektrotechnik zwei besonders populäre Anwendungen von Magnetkreisen: Transformatoren und elektrische Maschinen. Grundlage der Magnetkreise sind Symmetrien zwischen Strömen, elektrischen Feldern und Magnetfeldern. Aus heutiger Sicht ist nur eine der herangezogenen Gleichungen (.∇ · B = 0) universell gültig, die anderen sind es nur im statischen Falle. In traditioneller Notation (Bedeutung der Symbole siehe Tab. 3.1) werden die Symmetrien besonders deutlich: Gesetz für Magnetfelder Formal ähnliches Gesetz · B = 0 (immer), ↔ ∇ · J = 0 (Statik) ! H · ds = I (Statik) ↔ E · ds = −U (Statik)
.∇
Diesen Ähnlichkeiten liegen die bis heute verwendeten Begriffe „magnetische Flussdichte“ .B, und „Magnetfeld“ .H zugrunde: In Analogie zur Ladungsstromdichte .J wird .B, als „magnetische Flussdichte“ bezeichnet. Und aus der oben verwendeten Formulierung des Ampère’schen Gesetzes wird in Analogie zur Definition der elektrischen Spannung der Name „magnetisches Feld“ für die Größe .H abgeleitet. Denn in einem geschlossenen elektrischen Stromkreis mit punktförmiger Spannungsquelle gilt .U = − Eds. Darüber hinaus führt das in der Statik gültige Ampère’sche Gesetz (3.25) bei Systemen, deren Magnetfelder in ferromagnetischen Materialien verlaufen, auf eine Analogie zwischen Ohm’schen Widerständen und magnetischen Materialeigenschaften. Diese soll im Folgenden dargelegt werden: Eine Analyse der Brechungsgesetze für magnetische Felder (3.27) führt zu der Erkenntnis, dass magnetische Feldlinien innerhalb ferromagnetischer Materialien fast genau parallel zu den Oberflächen verlaufen (siehe Aufgabe 5.8). Der Verlauf der Feldlinien ist so!durch die Geometrie des Eisens vorgegeben, und der magnetische Fluss .ΦB = B · da innerhalb des Eisens ist praktisch konstant. Für ein a
durch mehrere diskrete Teile verlaufendes Magnetfeld gilt bei einem parallel zu den Feldlinien verlaufenden Weg .s .N I
= s
Bi si Bi si ai B si ds ≈ = = ΦB , μ0 μr μ0 μri μ0 μri ai μ0 μri ai i
i
i
5.7 Magnetkreise Abb. 5.14 Zur Abbildung magnetischer Kreise auf Gleichstromkreise: Einer stromdurchflossenen Wicklung wird eine magnetische Spannung, einem Stück Metall ein magnetischer Widerstand, und einem magnetischen Fluss ein elektrischer Strom zugeordnet (Grafik aus [6])
131
1,2,..
N
b B
h s
I
RM =
UM = NI
ΦB = Bhb
s hbμ
IM = ΦB
also eine Formel, die an das Ohm’sche Gesetz für einen geschlossenen Stromkreis " = ( i Ri )I erinnert. Sie wird daher auch als
.U
.UM
= ΦB
RM,i
(5.31)
i
geschrieben und als Hopkinson’sches Gesetz bezeichnet. Dabei wird .UM = N I „magnetische Spannung“ genannt. Mit Hilfe der so skizzierten Analogien können Systeme mit Magnetfeldern in Eisen auf elektrische Gleichstromkreise abgebildet werden (siehe Abb. 5.14). Auf diese Weise finden die bekannten Lösungsstrategien für elektrische Netzwerke Anwendung bei der Berechnung magnetischer Netzwerke. Strenggenommen funktioniert das Verfahren nur bei statischen Feldern. Jedoch sind bei niedrigen Frequenzen die Abweichungen sehr klein. Die Begriffe magnetische Spannung, magnetische Feldstärke, magnetischer Widerstand und magnetische Flussdichte dienen im Übrigen der effektiven Kommunikation bei der Entwicklung elektrischer Maschinen und Transformatoren. Nur in diesem Kontext sind die sinngebenden Analogien zu finden. Schlussendlich sei darauf hingewiesen, dass alle Feldberechnungen mit Magnetkreisen der Verwendung des Ampère’schen Gesetzes unter der Randbedingung der Erhaltung des magnetischen Flusses äquivalent sind. Anders formuliert: alles was mit Magnetkreisen ausrechenbar ist kann auch ohne sie ausgerechnet werden. Der Vorteil einer Abbildung auf einen elektrischen Schaltkreis entsteht immer dann, wenn das Magnetfeld aus vielen Teilkreisen besteht. In diesem Falle erlaubt die Verwendung des Maschenstromverfahrens oder die des Überlagerungsverfahrens eine effektive Berechnung des Magnetfeldes.
132
5.8
5 Zweiter Spezialfall: statische Magnetfelder
Kontrollfragen und Aufgaben zum 5. Kapitel
5.1 Welche (nützlichen) Beziehungen folgen aus dem Gauß’schen Satz für ein beliebiges Vektorfeld V , wenn man ihn auf die Spezialfälle V = f C und V = F × C (C konstant) anwendet? Suchen Sie bitte Formulierungen, in denen C nicht mehr vorkommt. 5.2 Bitte drücken Sie das Wegelement ds im Biot-Savart’schen Gesetz oder in der Multipolentwicklung des magnetischen Potenzials (siehe Abb. 5.4 oder 5.11) als Funktion der Vektoren r und r aus. Finden Sie dann einen Ersatz für das Integral ∂a f ds , indem Sie den Stokes’schen Satz auf das Vektorfeld V = f C (mit C konstant) anwenden. 5.3 Zeigen Sie, dass sich die Integralformel für die Bestimmung des magnetischen Vektorpotenzials aus der Verteilung der Stromdichte J , Gl. (5.12) im Falle eines auf einen dünnen Draht begrenzten Stromes auf ein Wegintegral entlang des Drahtes (5.15) reduziert. 5.4 Eine rechteckige, vom Strom I durchflossene Leiterschleife liege, so wie in Abb. 5.15 gezeigt, in einer Ebene senkrecht zu einem Magnetfeld B = (0, 0, B). Die Stärke des Feldes variiere ausschließlich entlang der einen Parallele zur Leiterschleife: B = B(x). Bitte finden Sie einen Ausdruck für die auf die Leiterschleife wirkende Kraft. 5.5 Eine rechteckige Leiterschleife in einem Magnetfeld B = (0, 0, 2) mT verbindet mit einem Strom von I = 5 A die Punkte z
Abb. 5.15 zur Aufgabe 5.4: Eine vom Strom I durchflossene Leiterschleife, welche in der Ebene senkrecht zum Magnetfeld B liegt und die Punkte a, b, c und d verbindet
B= (0,0,B(x))
a x
b
I
I
c
y d
5.8 Kontrollfragen und Aufgaben zum 5. Kapitel
.
133
P 1 = (−3, −1, −2) cm,
P 2 = (3, −1, −2) cm,
P 3 = (3, 2, 4) cm,
P 4 = (−3, 2, 4) cm
in der angegebenen Reihenfolge. Bitte bestimmen Sie die Achse, um die die Leiterschleife gedreht wird, und den Drehmomentvektor. 5.6 Durch einen Ring mit dem Radius R und vernachlässigbarer Dicke fließt ein Strom I (siehe Abb. 5.16). Bitte Bestimmen Sie mit Hilfe des Biot-Savart’schen Gesetzes das magnetische Kraftfeld B entlang seiner Symmetrieachse durch den Ringmittelpunkt. Tipp: das Ringstück ds bestimmen Sie am besten als (dr /dφ )dφ . 5.7 Abb. 5.17 zeigt den Querschnitt durch einen Elektromagneten, der ein Eisenstück trägt. Die Fläche a quer zu den Feldlinien sei überall gleich groß. Die Feldlinien des Magnetfeldes haben im Eisen eine Gesamtlänge g und zusätzlich links und rechts einen kleinen Anteil d in Luft. Bestimmen Sie mit Hilfe des Ampère’schen Satzes die Stärke des Magnetfeldes B. Leiten Sie daraus die Gesamtenergie des Magnetfeldes ab. Diese können!sie nun als potenzielle Energie des Gesamtsystems interpretieren. Wegen W = F dx lässt sich auf die Kraft schließen, mit der das Eisenstück nach oben gezogen wird. Wie groß ist die Kraft? !d !d Tipp: F dx wird hier − F dx, was sich nach d ableiten lässt (Fundamentaltheo0
0
rem). 5.8 Der Erhaltung des magnetischen Flusses in Eisenkonstruktionen liegt die Tatsache zugrunde, dass magnetische Feldlinien parallel zur Oberfläche des Eisens
Abb. 5.16 zur Aufgabe 5.6: In einem Ring fließender Strom I . Gesucht wird das Magnetfeld am Punkt P
P I rP R
x
r
y
φ'
r' I
ds
134 Abb. 5.17 zur Aufgabe 5.7: Ein Elektromagnet, der mit N Windungen einer Stromschleife mit dem Strom I betrieben wird, zieht ein Eisenstück im Abstand d unter ihm an
Abb. 5.18 Querschnitt durch ein Koaxialkabel, bestehend aus Innenleiter, Isolator und Außenleiter
5 Zweiter Spezialfall: statische Magnetfelder I
N
g d
R2 R1
R3
verlaufen. Ferner liest man in Handbüchern, dass „magnetische Feldlinien das Eisen im Winkel von 90◦ verlassen“. Bitte begründen Sie die beiden Aussagen, indem Sie für den (moderaten) Fall, dass μF e = 1000 und μLuft = 1 sind, die Abhängigkeiten der in Abb. 3.9 gezeigten Winkel skizzieren: Zeichnen Sie bitte αF e als Funktion des Winkels αLuft und die Inversfunktion αLuft (α F e ). 5.9 Abb. 5.18 zeigt den Querschnitt durch ein Koaxialkabel. Die leitenden Materialien sind durch die Radien R1 und R3 nach außen begrenzt und durch einen von R1 bis R2 reichenden Isolator getrennt. Innen fließt ein Strom Ii , außen ein Strom Ia in entgegengesetzter Richtung. Bitte bestimmen Sie das magnetische Kraftfeld (die Flussdichte) B innerhalb und außerhalb des Kabels. Für alle Materialien ist hier μr ≈ 1. 5.10 Abb. 5.19 zeigt ein gewalztes Metallband mit vernachlässigbar kleiner Dicke welches auf der x-Achse liegt und dessen Höhe h sich von z = −h/2 bis z = h/2 erstreckt. Bitte bestimmen Sie für den Fall, dass die Länge l sehr groß wird das Vektorpotenzial A und das magnetische Kraftfeld B für einen Punkt P auf der y-Achse. Ein guter Startpunkt hierfür ist das Vektorpotenzial eines langen Drahtes.
5.9 Antworten und Lösungen zum 5. Kapitel
135
z
Abb. 5.19 Ein sehr schmales Metallband der Länge l und der Höhe h welches von einem Strom I in x-Richtung durchströmt wird.
l
h/2
I P -h/2
x
5.9
y
Antworten und Lösungen zum 5. Kapitel
5.1 Die Spezialfälle des Gauß’schen Satzes sind für .V = f C
∇ · (f C)dV =
V
. und
V
→
f C · da = C ·
∂V
⎛ ⎞ [(∇f ) · C + 0] dV = ⎝ ∇f dV ⎠ · C
∇f dV =
V
V
f da
∂V
f da
∂V
und für .V = F × C
∇ · (F × C) dV =
V
.
und
(F × C) · da =
∂V
→ V
∇ × F dV =
∂V
[C · (∇ × F ) − 0] dV = C ·
V
(da × F ) · C = C ·
∂V
da × F
∂V
V
da × F
∇ × F dV
136
5 Zweiter Spezialfall: statische Magnetfelder
5.2 Es ist ds = dr . Der Spezialfall des Stokes’schen Satzes lautet hier
[∇ × (f C)] · da =
a
.
und
f C · ds = C ·
∂a
→
[(∇f ) × C + 0] · da = C ·
a
da × (∇f )
a
f ds
∂a
da × (∇f ) =
a
f ds
∂a
5.3 Wie in Abb. 5.20 gezeigt, sind hier die Vektoren J , O und ds parallel, so dass skalar gerechnet werden kann und die Richtung des Endergebnisses als die von ds festgelegt ist. Als Volumenelement dient eine Scheibe Ods. Die Integration zur Bestimmung des Vektorpotenzials (5.12) kann dann als μ .A = 4π
V
J (r ) μ dV = |r − r | 4π
⎛ ⎝
s
O
⎞ J (r ) dO ⎠ ds |r − r |
geschrieben werden. Wenn der Draht sehr dünn ist, wenn also das Feld in einem Abstand von sehr vielen Drahtradien bestimmt werden soll, kann die Änderung von 1/|r −r | bei der Integration über die Querschnittsfläche O vernachlässsigt werden. Dieser Faktor kann also vor das Integral über die Fläche O gezogen werden. Dann folgt μ .A = 4π
Abb. 5.20 zur Aufgabe 5.3: Die bei einem dünnen Draht parallelen Vektoren der Stromdichte J , der Fläche O und des Leitungssegmentes ds
s
⎛ ⎝ 1 |r − r |
⎞ J (r )dO ⎠ ds ,
O
J
O ds
5.9 Antworten und Lösungen zum 5. Kapitel
137
was im Inneren die Berechnungsvorschrift für den Strom I durch den Querschnitt O enthält. So folgt Gl. (5.15). 5.4 Ausgehend von Gl. (5.17) schreiben wir .F
=I
# # ## ex ey ez ## # # (ds × B) = I # dx dy 0 # = I (dyB, −dxB, 0), # # # 0 0 B#
denn in diesem Falle liegen die Wegstückchen parallel zu den Achsen. Das Wegintegral wird nun in vier Abschnitte unterteilt. Bei der Niederschrift ⎡
⎤ b c d a .F = I ⎣ (0, −Bdx, 0) + B(b) (dy, 0, 0) + (0, −Bdx, 0) + B(a) (dy, 0, 0)⎦ a
b
c
d
wird berücksichtigt, dass das Magnetfeld entlang der Wegstücke parallel zur yAchse konstant ist. Das erste und das dritte Integral unterscheiden sich nur im Vorzeichen. Ihre Summe ist null. Gleiches gilt für das zweite und das vierte Integral. Vor diesen Integralen stehen jedoch verschiedene Werte von B. So bleibt ⎡⎛ c ⎞ ⎤ .F = I (B(b) − B(a)) ⎣⎝ dy ⎠, 0, 0⎦ = I [(B(b) − B(a))(c − b), 0, 0] b
als Lösung. Wenn der Strom die Richtung umkehrt, so auch die Kraft. Ist das Feld homogen, wirkt -wie erwartet- keine Kraft. 5.5 Vor der Anwendung der Formel τ = a × B wird geprüft, ob die Punkte ein Rechteck ergeben. Dazu berechnen wir die Abstandsvektoren R ik = P k − P i so, dass ihre Richtung der des Stromflusses entspricht:
.
R 12 = (6, 0, 0) cm
R 23 = (0, 3, 6) cm
R 34 = (−6, 0, 0) cm
R 41 = (0, −3, −6) cm
Man sieht, dass diese Vektoren paarweise antiparallel sind, und dass die jeweils an einem Punkt anschließenden Vektoren senkrecht aufeinander stehen – wie es sich für ein Rechteck gehört. Nun kann der Flächenvektor a als Vektorprodukt
138 .a
5 Zweiter Spezialfall: statische Magnetfelder
= R 12 × R 23 = R 23 × R 34 = R 34 × R 41 = R 41 × R 12 = (0, −36, 18) cm2
berechnet werden, so dass das Drehmoment als .τ
= a × B = (−72, 0, 0) cm2 mT = (−1, 0, 0) · 7, 2 μNm
herauskommt. Die Drehachse muss durch das Zentrum des Rechteckes (P 1 + P 3 )/2 = (P 2 + P 4 )/2 = (0, 12 , 1) gehen und parallel zur x-Achse verlaufen. Sie ist daher durch (x, 12 , 1) gegeben. 5.6 Abb. 5.16 zeigt die zur Lösung der Aufgabe benötigten Größen. Um das Biot-Savart’sche Gesetz anwenden zu können, werden zunächst die darin vorkommenden Terme als Funktion des Winkels φ in der xy-Ebene bestimmt: Das Endergebnis man dann erhält durch Integration über φ . r = R cosφ , sinφ , 0 . Dies ist der Vektor zu einem Punkt auf dem Ring. I ds : Zur Bestimmung des Stromelementes im Linienelement ds wird die Kettenregel benutzt:6 .I ds
=I
∂r dφ = I Rdφ (−sinφ , cosφ , 0) ∂φ
Der Vektor zwischen den Ringelementen und dem Punkt r p = (0, 0, h), an dem das Magnetfeld bestimmt √ werden soll ist r = r p − r = (−Rcosφ , −Rsinφ , h). Er hat die Länge |r| = h2 + R 2 . Nun kann I ds × r mit den Einheitsvektoren ex etc. bestimmt werden, # # # ex ey ez ## # # # .I ds × r = # −sinφ cosφ 0 # I Rdφ = (h cosφ , h sinφ , R) I Rdφ # # # −Rcosφ −Rsinφ h # was unmittelbar zur Anwendung des Gesetzes führt:
.B
6 Dabei
=
μI R
3/2 4π R 2 + h2
2π (h cosφ , h sinφ , R) dφ 0
wird ausgenutzt, dass die anderen partiellen Ableitungen verschwinden.
5.9 Antworten und Lösungen zum 5. Kapitel
139
Die Integration ergibt mit B = (Bx , By , Bz ) dann Bx = By = 0 und .Bz
=
μI R 2 2(R 2 + h2 )3/2
5.7 Aus der Erhaltung des magnetischen Flusses folgt: Wenn (wie hier) der Querschnitt überall gleich groß ist, ist auch das Magnetfeld überall gleich stark. Also gilt .N I
B 2B d B Bg + = dx ≈ μ μ0 μF e μ0 μ0
=
g + 2d μF e
Die Energiedichte des Magnetfeldes ist
.
B2 B2 W →W = = a 2μ0 μr V μ0
g +d 2μF e
Die gesamte Energie erhält man durch Eliminieren von B: .W
=
μ0 (N I )2 a 2 μgF e + 2d
Nun wird geschlossen: d .W
=−
F dx → F = −
∂W . ∂d
0
In diesem Fall reicht die partielle Ableitung, da alle anderen Parameter unverändert bleiben. Nun kann die Kraft berechnet werden: .F
=−
∂W B 2a μ0 (N I )2 a = 2 = ∂d μ0 g μF e + 2d
Für die letzte Umformung wurde die erste Gleichung dieser Aufgabenlösung benutzt. Der Term im Nenner erklärt, warum Eisenstücke an Elektromagneten wie festgeklebt wirken: Für d = 0 ist F ∼ μF e , für große Abstände wird μF e
140
5 Zweiter Spezialfall: statische Magnetfelder
Abb. 5.21 zur Aufgabe 5.8: Winkelabhängigkeiten magnetischer Feldlinien am Eisen-Luft Übergang. Tritt die Linie aus dem Eisen in die Luft (blaue Linie), beträgt der Winkel dort meist fast 0◦ zur Flächennormalen. Die Feldlinie steht senkrecht auf der Oberfläche. Von der Luft ins Eisen ergibt sich ein Verlauf parallel zur Oberfläche im Eisen (90◦ )
Winkel der Feldlinien zur Flächennormalen Austrittswinkel in Grad
90
α Fe (α Luft ) α Luft (αFe )
60
30 0 0
60 90 30 Eintrittswinkel in Grad
irrelevant. Für Elektromagnete, die deutlich kleiner als 1 m sind, fällt daher die Anziehungskraft auf dem ersten Millimeter um mehr als das 1000-fache ab. 5.8 Nach Gl. (3.27) ergibt sich beim Übergang „Medium1“ zum „Medium 2“ als Winkel zur Flächennormalen .α2
= arctan
μ2 tan(α1 ) μ1
Setzt man μ1 = μLuft = 1 und μ2 = μF e = 1000, so ergeben sich die in Abb. 5.21 gezeigten Verläufe. Aus der meist nahe α = 90◦ verlaufenden Linie für α F e folgt die annähernde Erhaltung des magnetischen Flusses. 5.9 Für alle Bereiche gilt das Ampère’sche Gesetz (3.25). Außerdem kann in allen Bereichen gleichen Materials mit jeweils gleichen Stromdichten gerechnet werden, nämlich J i für Ii und J a für Ia . Dann ergeben sich Bereich r < R1 :
I = Ii
r2 Ri2
Bereich R1 < r < R2 : I = Ii .
Bereich R2 < r < R3 : I = Ii − Ia Bereich R3 < r :
I = Ii − Ia
→ B = μ0 Ii
r 2 −R22 R32 −R22
r 2π R12
→ B = μ0 Ii /(2πr)
r 2 −R22 μ0 → B = 2π I − I i a 2 2 r R3 −R2
→ B = μ0 (Ii − Ia )/(2πr)
5.9 Antworten und Lösungen zum 5. Kapitel
141
5.10 Da der Strom in x-Richtung fließt, hat das Vektorpotenzial nur eine Komponente: A = (A, 0, 0). Für einen sehr langen Draht ist diese .A
=
2l μ I · ln (sehr dünner, sehr langer Draht), 2π r
wobei r der Abstand zum Draht ist. Werden sehr viele Drähte übereinandergelegt, so entsteht die in Abb. 5.19 gezeigte Konfiguration. Mathematisch heißt das für einen Punkt P = (0, y, 0) ⎛ ⎞ N μ 2l ⎠ A= Ik · ln ⎝ $ 2π y 2 + z2 k=1
(diskret mit Ik = I /N )
k
.
μ →A= 2π
h/2
−h/2
dI dz
· ln
2l
y 2 + z2
dz
kontinuierlich mit
dI I = dz h
und führt per Integration auf die erste Lösung: % & 2l h μ 2y · I · ln · arctan .A = +1− 2 2 2π h 2y 4h + y
(5.32)
Das Feld B kann aufgrund der Symmetrie des Aufbaus entlang der y-Achse nur eine Komponente in z-Richtung haben, ist also von der Form B = (0, 0, B). Von der Gleichung B = ∇ × A bleibt damit nur B = −∂A/∂y übrig. Nach einigen erstaunlichen Kürzungen ergibt sich so mit .B
=
h μI · arctan πh 2y
(5.33)
eine Formel der man ansehen kann, dass sie für h → 0 wieder das Feld eines dünnen Drahtes beschreibt. Auffällig ist außerdem, dass das Feld für h = 0 mit .B(y
frei von Divergenzen ist.
= 0) =
μI 2h
142
5 Zweiter Spezialfall: statische Magnetfelder
1 0,8 B / B Draht
Abb. 5.22 Das Verhältnis der Kraftfeldstärke B eines schmalen Metallbandes zu der eines sehr dünnen Drahtes als Funktion des auf die Bandhöhe h normierten Abstands y
0,6 0,4 0,2 0 0
1
3 2 Normierter Abstand: y/h
4
Interessant ist noch der Vergleich mit dem Feld des dünnen Drahtes. Dazu schreiben wir B als Produkt des Drahtfeldes und einer Modifizierungsfunktion. F = B/BDraht . Mit α = y/ h lässt sich diese als .B
= BDraht · F (α) =
μI 1 · 2α arctan 2πy 2α
schreiben. Wie in Abb. 5.22 zu sehen ist, gleicht sich die Feldstärke in dem Maße, in dem der Abstand größer als die Höhe wird, derjenigen der dünnen Leitung an.
Literaturverzeichnis 1. Emil Warburg, Annalen der Physik und Chemie 20, S. 814–835, Leipzig 1881 2. Dong Lin und Xin Chen, Mathematical Models of 3D Magneti Field and 3D Positioning System by Magnetic Field, Appl. Math. Inf. Sci. 8 No 4, 2014, P1647–1654., Natural Science Publishing Cor. www.naturalspublishing.com/files/published/54ims25g 64sp5o.pdf 3. Marco Leone, Theoretische Elektrotechnik, 2.Auflage, Springer Heidelberg 2021, ISBN 978-3658292072 4. Gottlieb und Peter Strassacker, Analytische und numerische Methoden der Feldberechnung, Vieweg und Teubner 1993, ISBN 978-3-519-06168-7 5. Arnulf Kost, Numerische Methoden in der Berechnung elektromagnetischer Felder, Springer Heidelberg 1994, ISBN 978-3-540-55005-1 6. Martin Poppe, Prüfungstrainer Elektrotechnik, 4. Auflage, Springer Heidelberg 2022, ISBN 978-3-662-65001-1
Einige Eigenschaften zeitabhängiger Felder
Zusammenfassung
Da der Aufwand zur Berechnung zeitabhängiger Systeme deutlich größer als derjenige zur Berechnung statischer Systeme ist, muss alles getan werden, um diesen in erträglichem Rahmen zu halten. Hier wird daher zunächst gezeigt, wie die im dynamischen Falle größere Komplexität der Gleichungen dadurch gemildert werden kann, dass diese meist auf ein System entkoppelter skalarer Differenzialgleichungen reduzierbar sind. Die Gleichungen beschreiben Potenziale. Die Entkopplung der Raum- und Zeitkomponenten geschieht mit Hilfe einer als Eichung bekannten Methode. Die so gewonnenen Lösungsansätze werden benutzt um das Verhalten elektromagnetischer Wellen an Materialgrenzen zu bestimmen und so die Gesetze der Optik aus der Elektrodynamik herzuleiten. Es wird gezeigt, dass mit zeitabhängigen Feldern immer Energieund Impulstransporte verbunden sind, und zwar in einer Weise, die teilweise der Intuition zuwider läuft. Das Kapitel endet mit einer Diskussion der Frage, unter welchen Bedingungen dynamische Felder ähnlich wie statische Felder („quasistationär“) und damit stark vereinfacht berechenbar sind.
6.1
Elektrodynamik als Eichfeldtheorie
Rechnungen mit statischen Feldern sind viel einfacher als solche mit veränderlichen. Die Felder .E und .B lassen sich im statischen Falle völlig getrennt voneinander berechnen. Zeitlich veränderliche elektrische Felder bedingen dagegen magnetische Felder und umgekehrt. Ihre Kopplungen werden durch die Gesetze von Ampère-Maxwell und Faraday-Henry ausgedrückt. Die wichtigste
© Springer-Verlag GmbH Deutschland, ein Teil von Springer Nature 2024 M. Poppe, Grundkurs Theoretische Elektrotechnik, https://doi.org/10.1007/978-3-662-68631-7_6
143
6
144
6 Einige Eigenschaften zeitabhängiger Felder
praktische Konsequenz ist die Existenz elektromagnetischer Wellen. Die formale ist ein im Allgemeinen deutlich gestiegener Rechenaufwand bei der Bestimmung der Felder. Hier hilft die Potenzialtheorie, denn mit ihrer Hilfe ist es möglich, die vier gekoppelten Maxwell’schen Gleichungen auf ein System von zwei getrennten Gleichungen zu reduzieren, allerdings um den Preis, dass diese Differenzialgleichungen zweiter Ordnung sind. Das in Gl. (5.6) eingeführte magnetische Vektorpotenzial .A bedingt bereits den Gauß’schen Satz für das magnetische Feld, da für jeden Vektor .V div (rotV ) = 0 ist. Mit Hilfe des Faraday-Henry Gesetzes kann aus ihm ein Potenzial für das elektrische Feld gefunden werden, welches auch im dynamischen Fall Bestand hat. Die Umformungen B = ∇ × A | Definition A ∇ × E + ∂B ∂t = 0 =0 → ∇ × E + ∂A ∂t
und .
→
E+
∂A ∂t
| Faraday − Henry | eingesetzt
= −∇Φ | (E + ∂A/∂t) muss Quellenfeld sein
führen auf eine Verallgemeinerung von Gl. (4.6), wie die letzte Zeile zeigt. Die Kraftfelder .E und .B sind also nicht nur durch zwei Potenziale .A und .Φ mit den Gleichungen .B
= ∇ × A und E = −∇Φ −
∂A ∂t
(6.1)
eindeutig bestimmt, sie erfüllen ebenfalls a priori den Gauß’schen Satz für das Magnetfeld („die magnetische Flussdichte“) und das Gesetz von Faraday und Henry. Um zu den Bestimmungsgleichungen der Potenziale zu gelangen muss sichergestellt werden, dass auch die verbleibenden Maxwell’schen Gleichungen erfüllt sind. Durch Einsetzen in Gl. (3.12) erhält man mit = ρfrei ∇ · ε ∇Φ + ∂A ∂t . = J frei ∇ × μ1 (∇ × A) + ε ∂t∂ ∇Φ + ∂A ∂t
(6.2)
6.1 Elektrodynamik als Eichfeldtheorie
145
das gewünschte Ergebnis: die in beliebigen Materialien gültigen Potenzialgleichungen. Falls .ε und .μ konstante Zahlen sind, werden die Bestimmungsgleichungen mit √ .v = 1/ εμ einfacher, denn die Rotationsterme können eliminiert werden:
.
∇ 2A −
1 ∂2A v 2 ∂t 2
∇ · (∇Φ) + ∂t∂ (∇ · A) = −ρfrei /ε = −μJ frei − ∇ ∇ · A + v12 ∂Φ ∂t
(6.3)
Im Vakuum kann v durch die Lichtgeschwindigkeit c ersetzt werden (mehr zur Bedeutung von v im Rahmen der Lorentz-Eichung weiter unten). Wenn nicht zwischen freien und gebundenen Ladungen unterschieden wird fallen die Indizes „frei“ weg. Anstelle von .ε und .μ sind .ε0 und .μ0 in Gl. (6.3) zu verwenden. Potenziale, welche die Gleichungssysteme (6.2) oder (6.3) erfüllen, ergeben automatisch Felder, welche mit allen vier Maxwell’schen Gleichungen konform sind. Im Folgenden wird der Einfachheit halber nur noch der Fall konstanter Werte für .ε und .μ, also Gl. (6.3) betrachtet. Die Potenziale .Φ und .A können in einem bestimmten Rahmen verändert werden, ohne dass sich die Felder .E und .B verändern. Solche Veränderungen der Potenziale werden Eichtransformationen genannt. Letztere erlauben eine Vereinfachung der Potenzialgleichungen. Die Eichtransformationen der Potenziale sind
.
AΨ = A + ∇Ψ ΦΨ = Φ − ∂Ψ/∂t,
(6.4)
wobei .Ψ eine skalare Funktion von .r und t ist. Dass sich .B durch diese Transformation nicht ändert, dass also .B Ψ = B ist, ergibt sich wegen .∇ ×(∇Ψ ) = 0 unmittelbar aus Gl. (6.1). Um zu zeigen, dass auch .E sich nicht ändert, wird nach [5] der folgende konstruktive Weg beschritten: Anstelle zu fragen, ob die Transformation (6.4) korrekt ist, wird untersucht: Gegeben die Transformation für .A, wie muss die Transformation von .Φ aussehen, damit sich auch das elektrische Feld .E nicht ändert? Oder: Was ist .ΦΨ ? Dazu wird das transformierte Vektorpotenzial in die Bestimmungsgleichung für .E eingesetzt: E Ψ = − ∂t∂ AΨ − ∇ΦΨ .
| einsetzen
= − ∂t∂ (A + ∇Ψ ) − ∇ΦΨ | Divergenzen zusammenfassen = − ∂t∂ A − ∇ ∂t∂ Ψ + ΦΨ | mit dem Original vergleichen : E = − ∂t∂ A − ∇Φ
| Gl. (6.4) passt.
146
6 Einige Eigenschaften zeitabhängiger Felder
Der Vergleich der letzten beiden Zeilen zeigt also, dass sich das elektrische Feld durch die Eichtransformation nicht ändert, also .E = E Ψ ist. Die Freiheit der Eichtransformation kann zu drastischen Verringerungen des Rechenaufwandes führen. Die beiden Möglichkeiten „Coulomb-Eichung“ und „Lorentz-Eichung“ werden dabei besonders oft verwandt. Erstere soll kurz vorgestellt, Letztere dann auch weiter benutzt werden. Die Coulomb-Eichung verkürzt Rechnungen, wenn ρ = 0 ist Coulomb-geeicht sind Felder dann, wenn .∇
· A = 0 (Coulomb − Eichung)
erfüllt ist, siehe Gl. (5.8). Diese Eichung wird darüber hinaus bei statischen Magnetfeldern und oft auch dann verwendet, wenn sich die Ladungen durch Mittelwertbildung aufheben. Die Coulomb-geeichten Potenziale erfüllen nach Gl. (6.3) .∇
2
Φ=−
ρfrei ε
und ∇ 2 A −
1 v2
∂ 2A ∂ 2Φ + 2 ∂t 2 ∂t
= −μJ frei
(6.5)
und weisen damit auf einen Weg, .Φ durch Integration zu bestimmen. Denn .Φ ist die in Gl. (4.15) angegebene Lösung der Poisson Gleichung (4.9). Davon abgesehen sind Rechnungen im Rahmen der Coulomb-Eichung meist sehr aufwendig, denn beide Potenziale, .Φ und .A, tauchen in einer einzigen Gleichung auf. Für den Rest des Buches soll daher die meist rechentechnisch günstigere Lorentz-Eichung verwandt werden. Die Lorentz-Eichung bringt Vereinfachungen durch Potenzialtrennung Die ganze Kraft der Eichtransformation zeigt sich, wenn .Ψ so gewählt wird, dass .∇
·A+
1 ∂Φ = 0 (Lorentz − Eichung) v 2 ∂t
(6.6)
gilt. Denn dann vereinfachen und entkoppeln sich die Bestimmungsgleichungen (6.3) zu ∇ 2Φ −
1 ∂2Φ v 2 ∂t 2
∇ 2A −
∂2A
.
1 v 2 ∂t 2
= −ρfrei /ε = −μJ frei ,
(6.7)
6.1 Elektrodynamik als Eichfeldtheorie
147
was in Abwesenheit von Materie ∇ 2Φ −
1 ∂2Φ c2 ∂t 2
= −ρ/ε0
∇ 2A −
∂2A
= −μ0 J
.
1 c2 ∂t 2
bedeutet. Gleichungen des Typs (6.7) werden inhomogene Wellengleichungen genannt. Denn ihren Lösungen ist gemein, dass sie Wellen beschreiben, welche sich mit den Geschwindigkeiten 1 in Materie und v= √ με . 1 im Vakuum c= √ μ0 ε0
(6.8)
ausbreiten. Da auch Licht eine elektromagnetische Welle ist, wird c als Lichtgeschwindigkeit bezeichnet. Man kann also auch im dynamischen Falle mit vier unabhängigen Gleichungen (selbst die Komponenten der Bestimmung von .A sind nicht gemischt) arbeiten. Jede Lösung dieses Gleichungssystems führt zusammen mit der Eichbedingung (6.6) zwangsläufig auf Felder .E und .B, welche alle vier Maxwell’schen Gleichungen erfüllen.
Das Einhalten der Lorentz-Eichung reduziert die Bestimmung dynamischer elektromagnetischer Felder in linearen Medien auf die Lösung von vier inhomogenen Wellengleichungen.
In der Abwesenheit von Ladungen und Strömen reduziert sich das System (6.7) auf die homogenen Wellengleichung ∇ 2Φ −
1 ∂2Φ v 2 ∂t 2
∇ 2A −
∂2A
.
1 v 2 ∂t 2
welche zunächst untersucht werden soll.
=0 = 0,
(6.9)
148
6 Einige Eigenschaften zeitabhängiger Felder
Nur eine d’Alembert’sche Lösung garantiert die Ursache-Wirkung Reihenfolge Die allgemeine Lösung der Wellengleichung wird nach ihrem Entdecker d’Alembert’sche Lösung genannt. Sie besagt, dass Felder genau dann, Gl. (6.9) erfüllen, wenn sie nicht separat vom Ort .r und der Zeit, sondern von der Kombination .r ± vt abhängen, ähnlich wie bei den sich in einem Teich ausbreitenden Wasserwellen (siehe Abb. 6.1). Es sind also
.
A = A1 (r − vt) + A2 (r + vt) und Φ = Φ1 (r − vt) + Φ2 (r + vt)
(6.10)
zu erfüllen. Das System (6.10) ist ein System vier unabhängiger Gleichungen, in kartesischen Koordinaten zum Beispiel für .Ax , Ay , Az und .Φ. Um zu zeigen, dass Gl. (6.10) tatsächlich die Wellengleichung löst, sollen die zweiten Ableitungen des Potenzials .Φ1 (r − vt) berechnet und in Gl. (6.9) eingesetzt werden. Die Rechnung für .Φ2 und für die Komponenten von .A verläuft in analoger Weise. Nach der Kettenregel gilt1 für die zweite Ableitung nach einer Ortskoordinate ∂Φ1 ∂(r − vt) ∂Φ1 ∂Φ1 = = · ex ∂x ∂(r − vt) ∂x ∂(r − vt) . ∂(r − vt) ∂ 2 Φ1 ∂ 2 Φ1 ∂ 2 Φ1 → = · ex = 2 2 ∂x (∂x) [∂(r − vt)] [∂(r − vt)]2 und für die zweite Ableitung nach der Zeit ebenfalls
Abb. 6.1 Wellenausbreitung mit der Geschwindigkeit .v in einem Teich vom Punkt .r aus als Folge eines Steinwurfs. Die äußere Welle geht durch die Punkte .r 1 = r + v 1 t und .r 2 = r + v 2 t
v1 t r
v2 t
r2
Folgenden steht .∂Φ1 /∂(r − vt) für die einreihige Jacobi-Matrix ∂Φ1 /∂(x − vx t), (∂Φ1 /∂(y − vy t), (∂Φ1 /∂(z − vz t) . Die zweite Ableitung steht für eine 3 mal 3 Matrix. Doch diese Details sind irrelevant, da sich am Ende genau diese Terme aus der Differenzialgleichung herauskürzen.
1 Im
.
r1
6.1 Elektrodynamik als Eichfeldtheorie
.
149
∂ 2 Φ1 ∂(r − vt) ∂ 2 Φ1 ∂ 2 Φ1 = v2 , · (−v) = ∂t (∂t)2 [∂(r − vt)]2 [∂(r − vt)]2
so dass Gl. (6.9) erfüllt ist, wovon man sich durch Einsetzen überzeugen kann. Dass die d’Alembert’sche Formel für eine Vielzahl von Einzellösungen steht ist daran zu erkennen, dass nicht spezifiziert wird, wie .Φ von .(r ± vt) abhängt, nur dass sie eine Funktion nur dieses Terms ist. Gleichzeitig unterscheidet sie die physikalisch sinnvollen Lösungen von den anderen: Genau so, wie die Ausbreitung der Wellen in einem Teich (Abb. 6.1) dem Steinwurf zeitlich und kausal (kein Stein, keine Welle) folgen, folgen elektromagnetische Felder ihrer Ursache mit einem zeitlichen Versatz, welcher durch den Abstand und die Lichtgeschwindigkeit gegeben ist. Ladungsänderungen wirken sich mit Verzögerung aus Die Bestimmung dynamischer elektrischer Potenziale beliebiger Ladungsverteilungen kann nun analog zu der statischer Potenziale erfolgen: Zunächst wird das Potenzial einer punktförmigen Ladung bestimmt, dann auf dasjenige eines Systems solcher Ladungen geschlossen und zum Schluss der Übergang zu kontinuierlichen Verteilungen beschritten. Falls nur ein punktförmiger Ladungsträger im Koordinatenursprung .(x, y, z) = (0, 0, 0) vorhanden ist, gilt an allen Orten außer diesem Ursprung die homogene Wellengleichung. Außerdem muss das Potenzial eine kugelsymmetrische Form ha ben. Es reicht eine Betrachtung der Abhängigkeit vom Radius .r = x 2 + y 2 + z2 , was .∇
2
ΦPunktladung = ΔΦPunktladung =
1 ∂2 rΦPunktladung 2 r ∂r
bedeutet.2 So kann die Wellengleichung (6.9) außerhalb des Ursprungs als
.
∂2 1 ∂2 rΦPunktladung − 2 2 rΦPunktladung = 0 2 ∂r v ∂t
geschrieben werden. Auch hier muss die Lösung d’Alembert folgen – allerdings in diesem Falle mit einem Minuszeichen vor dem .vt Term. Denn welches Vorzeichen vor dem Term .vt physikalisch sinnvoll ist hängt von der genauen Fragestellung ab:
2 Dabei
wurde .∂ 2 (rΦ)/∂r 2 = ∂[r 2 ∂Φ/∂r]/∂r angewandt.
150
6 Einige Eigenschaften zeitabhängiger Felder
1. Frage nach der Wirkung: Steht der Zeitpunkt der Ursache (z. B. Ladung an einem Ort .r zum Zeitpunkt .t = 0) fest, so sind die Lösungen .Φ2 (r +vt) sinnvoll. 2. Frage nach der Ursache: Steht der Zeitpunkt der Wirkung (z. B. Potenzial an einem Ort .r 1 zu einem Zeitpunkt .t = 0) fest, so gilt für die Ladungen .Q = Q(r 1 − vt). Das richtige Vorzeichen bei der Lösungsauswahl bestätigt ein zweiter Blick auf Abb. 6.1: Die äußere Welle befindet sich an den Punkten .r i = r + v i t, wobei t die Zeit zwischen dem Auftreffen des Steines und der Aufnahme des Bildes ist. Will man von der äußeren Welle auf Ort .r schließen, an dem der Stein das Wasser berührte, so gibt .r = r i − v i t die richtige Lösung. Daher muss die Lösung für die Frage nach der Ursache eines Potenzials vom Typ .ΦPunktladung (r, t)
=
r 1 1 f (r − vt) → ΦPunktladung (r, t) = g t − r r v
sein. Die Funktion g nutzt die Kugelsymmetrie des Problems aus. Ihr genaues Aussehen legt der Vergleich mit dem statischen Potenzial (4.13) nahe. Denn für .v → ∞ müssen beide zu jedem Zeitpunkt t übereinstimmen, was durch .ΦPunktladung (r, t)
=
Q t − vr 4πεr
(6.11)
erfüllt wird. Der Ausdruck (6.11) wird als retardiertes Potenzial oder verzögertes Potenzial bezeichnet. Denn er besagt, dass sich eine Ladung erst mit einer Verzögerung .Δt = r/v in einer Entfernung r auswirkt. Der Beweis, dass .ΦPunktladung tatsächlich die gesuchte Potenzialfunktion ist, besteht darin, dass gezeigt wird, dass überall außer am Punkt .(0, 0, 0) die homogene Wellengleichung (6.9) erfüllt wird. Dies geschieht wie folgt: Da die Position der Ladung als Koordinatenursprung gewählt wurde, ist .∂/∂r die einzig relevante Komponente des Nabla-Operators, so dass das Erfüllen von .ΔΦPunktladung
=
1 ∂ 2 ∂ 1 ∂2 r Φ = ΦPunktladung Punktladung r 2 ∂r ∂r v 2 ∂t 2
als Beweis ausreicht. Dazu ist es hilfreich, soweit möglich, alle partiellen Ableitungen mit Hilfe der Kettenregel auf Ableitungen nach der verringerten Zeit .τ− = t − r/v zurückzuführen. Dann gelten insbesondere
6.1 Elektrodynamik als Eichfeldtheorie
.
∂Q ∂Q ∂τ− ∂Q = = ∂t ∂τ− ∂t ∂τ−
,
151
1 ∂(1/r) ∂τ− v =− und = 2 , ∂r v ∂τ− r
so dass sich für die zweite Ableitung nach dem Ort .ΔΦPunktladung
=
∂ 2Q 1 2 4πεrv ∂t 2
ergibt. Die zweite Ableitung nach der Zeit hat bis auf einen Faktor .v 2 das gleiche Ergebnis. Somit ist Gl. (6.11) als richtig bewiesen. Das Potenzial am Punkt .r eines Systems mit n Punktladungen an beliebigen Orten .r i kann nun als Summe von Einzelpotenzialen hingeschrieben |r−r i | n 1 Qi,frei t − v .Φ(r, t) = 4πε |r − r i |
(6.12)
i=1
und analog zu Gl. (4.14), (4.15) auf kontinuierliche Ladungsverteilungen verallgemeinert werden, 1 .Φ(r, t) = 4πε
ρfrei t − V
|r
|r−r | v −r |
dV ,
(6.13)
wobei die Apostrophs .( ) die zu integrierenden Größen andeuten sollen. Für alle Komponenten des Vektorpotenzials .A gelten die gleichen Differenzialgleichungen. Die Form muss also derjenigen von Gl. (6.13) gleichen. Die Normierung ergibt sich daraus, dass in Abwesenheit von Ladungen und für .v → ∞ Gl. (5.12) herauskommen muss. Die Gleichung J frei t − |r−r | v μ .A(r, t) = dV 4π |r − r |
(6.14)
V
ist dann das Resultat. Bei den letzten drei Gleichungen kann in Abwesenheit von Materie der Zusatz „frei“ weggelassen und gleichzeitig .μ und .ε durch .μ0 und .ε0 ersetzt werden. Die Geschwindigkeit v wird dann zur (Vakuum-)Lichtgeschwindigkeit c.
152
6 Einige Eigenschaften zeitabhängiger Felder
6.2
Wellen an Materialgrenzen: die Begründung der Optik
Reflexion und Brechung sind aus der Optik bekannte Phänomene. Im Folgenden soll gezeigt werden, wie deren Gesetzmäßigkeiten aus denen der Elektrodynamik folgen. Da Reflexion und Brechung an Grenzflächen von Materialien beobachtet werden, sind deren Gesetze Konsequenzen der Anwendung der Maxwell’schen Gleichungen für solche Grenzschichten. Harmonische Lösungen vereinfachen die Rechnungen Harmonisch nennt man Wellen, wenn sie sowohl entlang der Zeitachse als auch entlang der Raumachse die Form einer Sinusfunktion haben. Wie in der Wechselstromtechnik üblich soll die komplexe Exponentialfunktion auch für Wellen des elektrischen Feldes als Erweiterung der Sinusfunktion, also in der Form .E
ˆ j(ωt−k·r) = Ee
(6.15)
benutzt werden.3 Die tatsächlich messbare elektrische .E(t, r) Welle ist dann durch .E
ˆ ˆ = Ee ˆ jφE = (E) = Esin(ωt − k · r + φE ) mit E
(6.16)
also den Imaginärteil der komplexen Wellenfunktion gegeben. Zur Bestimmung der Eigenschaften harmonischer elektromagnetischer Wellen werden komplexe Potenziale von der Form .Φ
ˆ j(ωt−k·r) ˆ j(ωt−k·r) und A = Ae = Φe
(6.17)
angenommen. Einsetzen in Wellengleichungen (6.9) zeigt, dass diese Funktionen genau dann Lösungen dieser Gleichungen sind, wenn .k
v = ω2
2 2
(6.18)
gilt, und außerdem diese drei Größen konstant sind.
3 Komplexe
Größen werden durch einen Unterstrich gekennzeichnet. Die komplexe Ampliˆ beinhaltet die Phasenverschiebung. Für .φE = 0 ist die komplexe Amplitude reell. tude .E
6.2 Wellen an Materialgrenzen: die Begründung der Optik
153
y
Abb. 6.2 Eine Periode einer elektromagnetischen Transversalwelle mit .φE = 0, welche sich in x-Richtung ausbreitet .(k = (k, 0, 0)). Die Pfeile geben die Amplituden der Felder an
^ E
z
^ B
x
λ
Zur Bestimmung der Felder .E und .B wird nun ein Koordinatensystem gewählt, in dem .k = (k, 0, 0) ist. Dann ergeben sich unter Berücksichtigung der Eichbedingung (6.6) die Felder B =∇ ×A .
E = −∇Φ −
= jk(0, Az , −Ay ) ∂ ∂t A
= −jω(0, Ay , Az ),
und (6.19)
welche auf mehrfache Weise gekoppelt sind. Denn aus Gl. (6.19) folgt für eine sich in einer Richtung bewegende Welle, was ganz allgemein der Fall ist:
Bei elektromagnetischen Wellen stehen .E, .B und der Wellenvektor .k senkrecht aufeinander. Die beiden Feldvektoren oszillieren synchron. Das ˆ Bˆ = v. Verhältnis der Amplituden beträgt .E/
Die Felder sind dann vom in Gl. (6.16) dargestellten Typ. .E und .B sind in Abb. 6.2 für .φE = 0 zu finden. Elektrische und magnetische Wellen werden unterschiedlich reflektiert Der einfachste Fall ist der in Abb. 6.3 gezeigte Fall der Totalreflexion. Hier wird der Fall betrachtet, in dem die Welle keine Energie abgibt. So bleibt sie letztlich innerhalb eines Mediums, behält also ihre Geschwindigkeit und Wellenlänge. Die Reflexionsgesetze ergeben sich entweder aus dem Prinzip der kürzesten Laufzeit (dem sog. Fermat’schen Prinzip ) oder aus der schlichten Tatsache, dass das Verhältnis der elektrischen Feldstärken der ein- und auslaufenden Wellen zu jedem
154
6 Einige Eigenschaften zeitabhängiger Felder y
a
kI I
R
kR x
z
Abb. 6.3 Zur Geometrie der Totalreflexion einer elektromagnetischen Welle: .a ist der Normalenvektor der Grenzfläche, .k I und .k R die Wellenvektoren
Zeitpunkt und an jedem Punkte der Grenzfläche das Gleiche sein muss, wie die folgende Überlegung zeigt: Schreibt man die einlaufende Welle .E I und die reflektierte Welle .E R als .E I
ˆ I ej(ωI t−k I ·r) =E
und
ˆ R ej(ωR t−k R ·r) , ER = E
so wird das Verhältnis von ein- und auslaufender Welle .
ˆ I j[(ω −ω )t−(k −k )·r] EI E I R = e I R . ˆR ER E
Wenn dieses Verhältnis für beliebige Zeiten t gelten soll, so muss .ωI = ωR sein, d. h. die Frequenz bleibt gleich. Wenn für alle Punkte .r G auf der Grenzfläche das Verhältnis das Gleiche sein soll ist .(k I − k R ) · r G = 0 zu erfüllen. Das heißt: Die Differenz der Wellenvektoren steht senkrecht auf der Grenzfläche. Nennt man diese a und den dazugehörigen Flächenvektor (Normalvektor) .a, gilt also .k I
− kR ∼ a
Legt man zum Beispiel das Koordinatensystem in die zx-Ebene, so das der Vektor der Grenzfläche .a = (0, a, 0) ist, und nennt man .ϑ den Winkel zwischen ihm und einem Wellenvektor, dann folgt aus .k I
− k R = kI (sinϑI , cosϑI , 0) − kR (sinϑR , cosϑR , 0) ∼ (0, a, 0),
was, betrachtet man die x-Komponente, impliziert, dass .kI
= kR
und
ϑI = ϑR
(6.20)
6.2 Wellen an Materialgrenzen: die Begründung der Optik
155
erfüllt sind. Gl. (6.20) sind als Reflexionsgesetze bekannt. Diese geben noch nicht Auskunft über die Polarisation der ein- und auslaufenden Feldvektoren. Von besonderem Interesse sind die in der Ebene der Grenzfläche liegenden Komponenten. Bei senkrechtem Einfall liegen elektrischer und magnetischer Feldvektor parallel zur Grenzschicht, .E = E , B = B . Im oben benutzten Koordinatensystem sind dann = (0, −k, 0)
.k I
und
k R = (0, k, 0).
Für eine in z-Richtung polarisierte Welle der Form .E I
ˆ I ej(ωt−k I ·r) = Eˆ I (0, 0, 1)ej(ωt+ky) =E
führt das Faraday-Henry-Gesetz in unmittelbarer Nähe der Grenzschicht auf .
ˆ R = −E ˆ I. Edl = 0 → EzI + EzR = 0 → E
Das heißt: Bei Reflexion an der Grenzschicht wechselt der elektrische Feldvektor das Vorzeichen. Ganz anders das magnetische Feld: Mit Hilfe von .B = ek × E/v lassen sich die zu den elektrischen Wellen gehörigen magnetischen Wellen ausrechnen. Das Ergebnis .B I
= BR = −
EI (1, 0, 0)ej(ωt+ky) v
unterscheidet sich im Vorzeichen von dem der elektrischen Welle so, wie es in Abb. 6.4 zu sehen ist. Natürlich gilt Entsprechendes für jede oberflächenparallele Polarisation .E . So lässt sich der Unterschied ˆ R .E
ˆ I = 0 +E
aber
Bˆ R − Bˆ I = 0,
(6.21)
festhalten, was später noch gebraucht werden wird. Unabhängig vom Vorzeichen bleibt die Tatsache, dass die Amplituden der ein- und auslaufende Welle den gleichen Betrag haben.
156
6 Einige Eigenschaften zeitabhängiger Felder
Ex ,Bx
Abb. 6.4 Die Amplituden der elektromagnetischen Felder, welche bei senkrechtem Einfall, hier also bei .k I = (0, −k, 0), in der Ebene der Grenzschicht vorzufinden sind. .E wird bei der Reflexion gespiegelt, .B nicht
ER BR
EI BI Ez ,Bz
Lichtbrechung ist eine Folge von Geschwindigkeitsunterschieden Das als Lichtbrechung bekannte Phänomen ist in Abb. 6.5 dargestellt. Seine einzige Ursache ist die in verschiedenen Materialien nach Gl. (6.8) unterschiedliche Lichtgeschwindigkeit. Um dies zu verstehen betrachte man die Zeit t, welche zwischen dem Erreichen der Oberfläche zweier Punkte derselben Wellenfront vergeht. In dieser Zeit wird in dem Medium mit der höheren Geschwindigkeit eine größere Strecke zurückgelegt. Nennt man .ϑ den Winkel der Wellenbewegungsrichtung zur Flächennormalen, so zeigt Abb. 6.5, dass
.
Δx sin(ϑI ) = vI t und Δx sin(ϑT ) = vT t
ist. Das Resultat für das Verhältnis .
vI nT sin(ϑI ) = = sin(ϑT ) vT nI
(6.22)
ist mit dem Brechungsindex .n = c/v als Brechungsgesetz bekannt. Wenn .sin(ϑT )vI /vT > 1 ist, kann Gl. (6.22) nicht mehr erfüllt werden. Dann wird die Welle zu 100 % reflektiert. Der Winkel .ϑT ab dem dies für eine gegebene Materialkombination der Fall ist heißt kritischer Winkel. Der Anteil gebrochener Wellen hängt von der Polarisation ab Während Totalreflexion auf bestimmte Winkelbereiche beschränkt bleibt, ist eine teilweise Reflexion wie sie in Abb. 6.6 gezeigt ist der Regelfall. Dabei folgt der Anteil der reflektierten Welle aus den gleichen Überlegungen wie die Brechungsgesetze für Feldlinien (3.26), (3.27). Die Richtungen .ek der Wellenvektoren sind entsprechend Abb. 6.6 durch
6.2 Wellen an Materialgrenzen: die Begründung der Optik
157
y
Stoff I Stoff T
I I
vT t
vI t
T T
Dx
x
Abb. 6.5 Zur Geometrie der Brechung einer elektromagnetischen Welle an einem Materialübergang. Die Pfeile stellen die in der Zeit t zurückgelegten Strecken an. Die Winkel .ϑI und .ϑT zur Flächennormalen finden sich in zwei Dreiecken wieder, deren gemeinsame Hypotenuse der Abstand .Δx ist
Abb. 6.6 Eine elektromagnetische Welle mit dem Wellenvektor .k I trifft auf die Grenzschicht zweier Stoffe. Ein Teil „R“ wird reflektiert, ein anderer, „T “, gebrochen. Die Längen der mit .k bezeichneten Vektoren sind nicht maßstabsgetreu
.e kI
y
kI Ey
ϑI
ϑI
kR
Ez Ex z
x
ϑT kT
= (sinϑI , −cosϑI , 0) ekR = (sinϑI , cosϑI , 0) ekT = (sinϑT , −cosϑT , 0)
gegeben. Die Feldkomponenten senkrecht zur Oberfläche .(Ey und .By ) einerseits und parallel zu dieser .(Ex , Bx , Ez und .Bz ) andererseits zeigen ein sehr unterschiedliches Verhalten. Wählt man als Grenzfläche zwischen den Stoffen „I “ und „R“ die xz-Ebene, so gilt (vergl. auch Abb. 3.8 und 3.9) nach den integralen Formen der Maxwell’schen Gesetze (3.1) für die in der Ebene der Grenzfläche liegenden Komponenten
158
6 Einige Eigenschaften zeitabhängiger Felder
1. 2.
.
3.
μ
4.
−1
Gesetz →
in unmittelbarer Grenzflächennähe
Edl = 0 →
ExI + ExR = ExT
Edl = 0 →
EzI + EzR = EzT
Bdl = 0 →
μ−1 Bdl = 0 →
μ−1 I BxI
− μ−1 I BxR
=
(6.23)
μ−1 T BxT
−1 −1 μ−1 I BzI − μI BzR = μT BzT
wobei angenommen wird, dass .E I und .B I sich im Soff mit dem Index I befinden. Nun wird zwischen zwei Fällen unterschieden. Deren sprachliche Unterscheidung zwischen senkrechter und paralleler Ausrichtung4 richtet sich allerdings (historisch gewachsen) nicht nach der Grenzfläche, sondern nach der durch die Ausbreitungsvektoren .k definierte Ebene (in Abb. 6.6 ist das die xy-Ebene). 1. Senkrechte Polarisation: Hier steht der elektrische Feldvektor senkrecht auf der xy-Ebene, es gilt also .E = (0, 0, E) und damit nach (6.23.2) .EI
+ ER = ET
Gemäß .B = v1 ek × E sind dann die Magnetfelder durch BI = . BR
=
BT =
EI vI
(−cosϑI , −sinϑI , 0),
ER vI (cosϑI , −sinϑI , 0) ET vT
und
(−cosϑT , −sinϑT , 0)
festgelegt. Für die oberflächenparallele x-Komponente gilt nach (6.23.3) .
4 Der
−
EI ER ET cosϑI + cosϑI = − cosϑT , μI vI μI vI μT vT
Vollständigkeit halber muss darauf hingewiesen werden, dass in der Optik alle elektromagnetischen Wellen als transversal bezeichnet werden, da die Felder senkrecht auf der Ausbreitungsrichtung stehen.
6.2 Wellen an Materialgrenzen: die Begründung der Optik
159
was erlaubt, entweder .ER oder .ET zu eliminieren. Das Ergebnis lautet z. B. für die Feldstärke der reflektierten Welle
.
εI μI
cosϑI −
εT
μT cosϑT ER = , εI εT EI cosϑ + cosϑ I T μI μT
(6.24)
√ wobei .v = 1/ εμ benutzt wurde. 2. Parallele Polarisation: Hier liegt der elektrische Feldvektor in der xy-Ebene, so dass das Magnetfeld mit .B = (0, 0, B) oberflächenparallel ist. Nach Gl. (6.23.4) gilt dann mit .E = vB .
εI (EI − ER ) = μI
εT ET , μT
und außerdem nach Gl. (6.23.1) .(EI
+ ER )cosϑI = ET cosϑT .
Das Ergebnis ist dann
μI cosϑ − T εI cosϑI ER . = , μI μT EI cosϑ + cosϑ I T εI εT μT εT
(6.25)
also von ähnlicher Struktur wie das für die transversale Polarisation, allerdings mit invertierten Vorzeichen und Vorfaktoren. Der Winkel der gebrochenen Welle zur Oberfläche kann in beiden Fällen mit Hilfe des Brechungsgesetzes (6.22) durch die Gl. 2
.cos
(ϑT ) = 1 −
n2I n2T
sin2 (ϑI ) (beide Polarisationen)
(6.26)
eliminiert werden. So kann bei bekannten elektromagnetischen Stoffeigenschaften der Anteil der reflektierten Welle direkt aus dem Einfallswinkel .ϑI bestimmt werden.
160
6 Einige Eigenschaften zeitabhängiger Felder
Messung des Brechungsindex’ von Glas Eine populäre Methode zur Bestimmung des Brechungsindex’ n beruht auf der Tatsache dass, wie Abb. 6.7 zeigt, der Anteil des reflektierten parallel polarisierten Lichtes bei einem bestimmten Winkel, dem Brewster-Winkel .ϑBrewster , gleich null wird. Glas und Luft haben, wie viele andere Stoffe auch, eine verschwindend geringe Magnetisierbarkeit, so dass .μr
≈1→n≈
√
εr
anwendbar ist. In den Gl. (6.24), (6.25) können daher alle Faktoren von √ ε/μ durch den Brechungsindex n ersetzt werden. Der Anteil reflektierten Lichtes hängt dann darüber hinaus nur noch von einem Winkel ab (der zweite ist durch das Brechungsgesetz festgelegt). In Abb. 6.7 ist dies für .nLuft = 1 und .nGlas = 1,5 dargestellt. Bei einem Einfallswinkel von ◦ .ϑGlas = arctan(nLuft /nGlas ) = 33,7 wird kein parallel polarisiertes Licht reflektiert. Nach dem Brechungsgesetz entspricht dies einem Winkel .
.ϑLuft
= arctan(nGlas /nLuft ) = ϑBrewster = 56,3◦
in Luft.
Reflexionskoeffizient r = ER / E I
Brechung und Reflexion
Totalreflexion
1
senkrechte Polarisation 0,5
0
-0,5
parallele Polarisation -1 0
30o
60 o
90o
Einfallswinkel θGlas
Abb. 6.7 Reflexionsanteile r = ER /EI beim Übergang von Glas (n ≈ 1,5) in Luft. als Funktion des Winkels ϑGlass zur Flächennormalen im Glas
(Fortsetzung)
6.3 Energieerhaltung und der Satz von Poynting
161
Der Brechungsindex kann nun gemessen werden, indem LASER-Licht unter variablem Winkel .ϑLuft auf eine Glasoberfläche gelenkt wird. Das reflektierte Licht wird durch ein Polarisationsfilter auf eine Photodiode geleitet. Wenn diese „kein“(tatsächlich wird ein Minimum bestimmt) parallel polarisiertes Licht enpfängt, ist der Brewster-Winkel eingestellt. Aus diesem Winkel folgt der Brechungsindex.
6.3
Energieerhaltung und der Satz von Poynting
Die Erhaltung der Energie wird in elektrodynamischen Systemen als Poynting’scher Satz ausgedrückt. Dieser besagt, dass der zeitliche Verlust an Feldenergie eines Systems gleich der Leistung der von ihm abgestrahlten elektromagnetischen Felder ist. Dies soll im Folgenden gezeigt werden. Dabei wird nach [2] folgende Strategie verfolgt: Zunächst wird aus Lorentz- und Coulomb-Kraft die Energieänderung .dW und Leistung .P = dW/dt durch die Bewegung der Ladungsträger innerhalb der Felder bestimmt. Aus dem Ergebnis wird mithilfe der Maxwell’schen Gleichungen die Ladung eliminiert. Was bleibt ist eine Gleichung, welche die Änderung der im System vorhandenen Feldenergien mit der in der Strahlungsleistung in Beziehung setzt. In dieser Urform des Poynting’schen Satzes spielt also eine mögliche Wechselwirkung von Feldern und Materie noch keine Rolle. Der erste Schritt führt von der elektrodynamischen Kraft auf eine Ladung, welche sich mit der Geschwindigkeit .v bewegt, auf deren Leistungsverlust .P : F = Q(E + v × B) .
elektrodynamische Kraft
→ dW = F dr = Q(E + v × B) · dr Energieverlust mit v = dr/dt → P = dW/dt = QE · v + v × B · v Leistung
Wegen .v × B · v = 0 ergibt sich dann der zeitliche Energieverlust (Leistung) .P
=
ρv · EdV =
J · EdV
(6.27)
162
6 Einige Eigenschaften zeitabhängiger Felder
beim Übergang zu einer kontinuierlichen Ladungsverteilung. Das Verschwinden des .B Terms ist gleichbedeutend mit der Aussage, dass ein im freien Flug ein Magnetfeld durchquerender Ladungsträger nur seine Richtung, nicht aber seine Geschwindigkeit ändert. Der zweite Schritt ist das Eliminieren von .J , beginnend mit dem AmpèreMaxwell’schen Gesetz (3.1.4) in dessen Folge ein Ausdruck entsteht, in welchem nur noch Felder vorkommen. Dessen Multiplikation des Gesetzes mit .E ergibt einen Ausdruck J = ∇ × (μ−1 0 B) − .→
∂ ∂t (ε0 E)
E · J = E · [∇ × (μ−1 0 B)] − E · = E · [∇ × (μ−1 0 B)] −
∂ ∂t (ε0 E)
1 ∂ 2 2 ∂t (ε0 E ),
welcher mit .[∂(ε0 E 2 )/∂t]/2 schon einen Term enthält, welcher als Verlust an elektrischer Feldenergie interpretiert werden kann. Nun muss in dem verbleibenden Ausdruck .E · [∇ × (μ−1 0 B)] der Verlust an magnetischer Feldenergie gesucht werden. Dazu wird (in der Hoffnung auf einen .B ·∂B/∂t Term) ein Zusammenhang zwischen .E und .∂B/∂t, also das Faraday-Henry Gesetz .∇
×E =−
∂B ∂t
gebraucht. Mit Hilfe der Produktregel .∇
· (E × B) = B · (∇ × E) − E · (∇ × B)
ist es möglich, diesen Zusammenhang herzustellen. Das Ergebnis
1 ∂B 2 ε0 ∂E 2 .E · J = − + 2μ0 ∂t 2 ∂t
−
1 ∇ · (E × B) (ohne Materie) μ0
(6.28)
enthält einen Term .S
=
1 E × B (ohne Materie), μ0
(6.29)
6.3 Energieerhaltung und der Satz von Poynting
163
welcher Poynting-Vektor genannt wird. Dieser sieht auf den ersten Blick asymmetrisch und so vielleicht falsch aus. Warum gibt es vor dem letzten Term den Faktor .1/μ0 , nicht aber ein .ε0 ? Der Grund wird deutlich, wenn man .S mit √ der Vakuumlichtgeschwindigkeit .c = 1/ ε0 μ0 (siehe Gl. (6.8) weiter unten) erweitert. Dann wird anhand von .S
=c
√ √ ε0 E × B/ μ0
deutlich, dass der Poynting-Vektor proportional zum harmonischen Mittel der Energiedichten der Felder .E und .B ist. Außerdem treten die Feldkonstanten nun in ausbalancierter Weise auf. Und es deutet sich an, dass der PoyntingVektor ein Strahlungsterm ist. Denn wenn die Feldenergie gleichmäßig auf das elektrische und das magnetische Feld verteilt ist und wenn .E und .B senkrecht aufeinander stehen, dann ist der Betrag des Poynting-Vektors gleich dem Produkt aus der gesamten, also elektrischen plus magnetischen Feldenergiedichte und der Lichtgeschwindigkeit. Nun kann die Leistung (6.27) mit Hilfe des Gauß’schen Satzes explizit als .P
=
J · EdV = − V
V
1 ∂B 2 ε0 ∂E 2 + 2μ0 ∂t 2 ∂t
dV −
S · da
∂V
hingeschrieben werden. Das Umfeld wechselt, der Poynting-Vektor bleibt Das Aufstellen der Leistungsbilanz (6.28) ist durch die Berechnung der Leistung an Ladungsträgern motiviert, aber nicht hergeleitet. Vielmehr reichen das AmpèreMaxwell’sche Gesetz sowie jenes von Faraday und Henri, um zum Poynting’schen Satz zu gelangen. Diese Tatsache kann genutzt werden, um aus den für die Anwesenheit von Materie geltenden Anwendungen dieser Gesetze (3.7) Leistungsbilanzen für Felder in Materie aufzustellen. Man erhält auf genau dem gleichen Weg, der auch zur Gl. (6.28) führte E · J frei .
E · J frei
∂B ∂(εE) −1 = − (μ B) · +E· − ∇ · E × (μ−1 B) (Stoff anisotrop) ∂t ∂t 1 ∂B 2 ε ∂E 2 B =− + − ∇ · (E × ) (Stoff isotrop), 2μ ∂t 2 ∂t μ (6.30)
164
6 Einige Eigenschaften zeitabhängiger Felder
wobei bei anisotropen, also das Feld drehenden Materialien .ε und .μ−1 als Matrizen −1 zu lesen sind. In jedem Falle können .ε = ε0 εr und .μ−1 = μ−1 0 μr beliebige Funktionen der Feldstärken und des Ortes sein. Eine einfache Interpretation von Gl. (6.30) ergibt sich bei konstanten Faktoren −1 .εr und .μr : Sie geben an, um welchen Faktor die Energiedichte durch die Anwesenheit von Materie (meist aufgrund deren Polarisation) verändert wird. Und sie modifizieren relativ zu den ursprünglichen Gleichungen den Geschwindigkeitsterm
.
ohne Materieeinfluss → mit Materieeinfluss √ c → c/ εr μr
mit dem Resultat einer Geschwindigkeitsreduktion. Die in Gl. (6.30) angegebene Form des Poynting-Vektors führt mit Hilfe des Gauß’schen Satzes auf die unter allen Bedingungen gültige Formel .S
= E × (μ−1 B)
(gilt immer),
(6.31)
welche die Leistungsverlustdichte durch Felder beschreibt. In der Anwendung ist dieser Vektor dabei oft nur schwerlich mit der Intuition in Einklang zu bringen, wie das folgende Beispiel zeigt: Leitungen transportieren Strom, nicht aber Energie Mit Hilfe des Poynting’schen Satzes lässt sich zeigen, dass der Energietransport von elektrischen Versorgungsleitungen nicht innerhalb dieser Leitungen, sondern in den Feldern zwischen ihnen geschieht. Dazu wird zunächst gezeigt, dass der Poynting-Vektor innerhalb eines Drahtes keine Komponente entlang desselben hat. Ein Draht mit dem Radius R und der Länge l sei einer Spannung U in Längsrichtung ausgesetzt. Dadurch fließe ein Strom I . Innerhalb des Drahtes entsteht ein Magnetfeld, welches zur Drahtoberfläche hin zunimmt und dort eine Stärke .|B| = μI /(2πR) erreicht. Seine Feldlinien verlaufen, wie in Abb. 6.8 gezeigt, parallel zur Drahtoberfläche. Dort, wie im ganzen Draht, existiert zusätzlich ein elektrisches Feld der Stärke .|E| = U/ l entlang des Drahtes, also ebenfalls parallel zur Oberfläche aber senkrecht zum Magnetfeld. Der Betrag des Poynting-Vektors und der Energieverlust sind also durch .|S|
=
1 U μI → P = UI μ l 2πR
6.3 Energieerhaltung und der Satz von Poynting
165
S S
B
E
S Abb. 6.8 Die elektromagnetischen Felder .E und .B sowie der Poynting-Vektor .S in einem stromführenden Draht. Der Poynting-Vektor zeigt nach außen
Abb. 6.9 Simulation des Magnetfelds in einer stromführenden Steckdose. Zwischen den Leitungen ist das Feld am stärksten. Die (nicht gezeichneten) Linien des elektrischen Feldes verbinden die Leitungen senkrecht zu den Magnetfeldlinien. Der Poynting-Vektor zeigt aus der Steckdose heraus
gegeben, denn die Oberfläche eines Drahtstückes ist gerade .2πRl. Und der Vektor steht nach außen zeigend auf der Drahtoberfläche. Das heißt: Die Energie fließt aus dem Draht heraus und die Leistung ist genau so groß wie die Verlustleistung aufgrund des Ohm’schen Drahtwiderstandes.5 Der Poynting-Vektor beschreibt hier also die Leistungsdichte der Wärmestrahlung. Eine völlig andere Feld- und Energiestruktur ist, wie Abb. 6.9 zeigt, zwischen zwei Strom hin- und herleitenden Drähten zu finden. Bei einem Paar gerader, parallellaufender Drähte müssen aus Symmetriegründen sowohl die elektrischen als auch die magnetischen Feldlinien in einer Ebene senkrecht zu den Drähten verlaufen. Bei einer Steckdose kann man sie also auf diejenige Wand zeichnen, in der die Dose montiert ist. Der Poynting-Vektor kann dann nur parallel zu den
.S
5 Genau genommen stimmt dieses Ergebnis erst, wenn der Draht seine Endtemperatur erreicht
hat, selbst also keine Energie mehr aufnimmt.
166
6 Einige Eigenschaften zeitabhängiger Felder
Drähten verlaufen. Der Energietransport ist damit an die Drähte gebunden, findet aber außerhalb von ihnen statt. Energietransport bedeutet auch Impulstransport Elektromagnetische Felder, welche Energie transportieren, transportieren immer auch einen Impuls .P . Dies lässt sich mit Hilfe der Maxwell’schen Gleichungen und dem Ansatz .dP /dt = Q(E + v × B) im Rahmen einer sehr aufwendigen Rechnung (siehe z. B. [2]) zeigen. Auf einen durch die spezielle Relativitätstheorie stark abgekürzten Weg hat Feynman [3] hingewiesen: Nach einem fundamentalen Satz der relativistischen Mechanik ist jeder Energietransfer mit einem Impulstransfer verbunden. Dividiert man eine Energieflussdichte (Energie pro Zeitintervall und Fläche, also Leistungsdichte) durch das Quadrat der Lichtgeschwindigkeit, so ist das Ergebnis die Impulsdichte (Impuls pro Volumen). Wird dann .g die Impulsdichte (Impuls pro Volumen) genannt, so ist diese für elektromagnetische Felder daher durch .g
=
1 S c2
(6.32)
gegeben. So einfach die Formel, so abstrakt ihre Interpretation: Während der Poynting-Vektor die Energieflussdichte beschreibt, also die Geschwindigkeit des Energietransports beinhaltet, steht .|g| für die Impulsdichte innerhalb eines Volumens. Die Impulsflussdichte erhält man erst, wenn man die Impulsdichte mit derjenigen Geschwindigkeit multipliziert, mit der sich das elektromagnetische Feld bewegt. Wie bei jeder Flussdichte ist dann deren Produkt mit einer Fläche .a der Impulsdurchsatz pro Zeit durch diese Fläche. Es gilt also .
dp = c(g · a), dt
wobei .c der Geschwindigkeitsvektor der Strahlung ist. Wird auf der Fläche die gesamte Strahlung absorbiert, so gibt der letzte Ausdruck gemäß .F = dp/dt auch an, welche Kraft auf die Fläche wirkt. Strahlungsdruck Das bekannteste Beispiel für den Impulstransfer ist der Strahlungsdruck, welcher auf Kometen in der Nähe der Sonne wirkt. Dieser lässt sich aus der auf der Erde beobachteten Leistungsdichte der Sonnenstrahlung von .|S Erde | ≈ 1 kW/m2 aus Gl. (6.32) bestimmen,
6.4 Vereinfachungen für sich langsam verändernde Felder
.
|S Sonne | = |S Erde |
RErdumlaufbahn RSonne
167
2
F = aKomet c|g Sonne |
wobei der Faktor c hinter der Kometenquerschnittsfläche .aKomet aus der Impulsdichte eine Impulsflussdichte macht. In Zahlen ergibt sich für einen .aKomet = 10 m2 großen Kometen eine Kraft von .F = 1,54 N.
6.4
Vereinfachungen für sich langsam verändernde Felder
Quasistatisch rechnen heißt mit weniger Aufwand rechnen Quasistatische Berechnungen sind solche, bei denen Systeme mit veränderlichen Feldern mit den gleichen Methoden berechnet werden wie statische Systeme. Sie sind insbesondere in der Wechselstromtechnik populär. Dazu werden die in Tab. 6.1 gezeigten Ersetzungen vorgenommen und postuliert, dass diese Größen bis auf den Faktor ejωt nicht von der Zeit abhängen und sich auch in jeder anderen Hinsicht wie zeitunabhängige Größen verhalten. Die Erweiterungen in die komplexe Ebene dienen der Vereinfachung von Rechnungen. Die messbaren Größen sind dann die Imaginärteile u = (u) = Uˆ sin(ωt + φU ) etc. Der zeitlich harmonische Verlauf bedingt, dass auf diese Weise beschreibbare Systeme regelmäßig die immer gleichen Zustände durchlaufen. Daher werden sie in der Literatur oft als quasistationär bezeichnet. Im Folgenden soll diskutiert werden, unter welchen Voraussetzungen den Ergebnissen quasistatischer Rechnungen vertraut werden kann. Dabei gilt folgende Einschränkung: Keine Abschätzung kann 100 %ige Sicherheit geben solange nicht das ohne quasistatische Näherungen berechnete Ergebnis bekannt ist. Die Basis der Näherungen ist also eher die praktische Vernunft als die exakte Wissenschaft. Die Kriterien stecken in den Maxwell’schen Gleichungen Quasistatische Rechnungen sind genau dann gerechtfertigt, wenn die Terme, welche die dynamische Theorie von der Statik unterscheiden auch im dynamischen Falle vernachlässigbare Auswirkungen haben. Ein Blick auf die Maxwell’schen Gleichungen zeigt: Die Terme ∂E/∂t und ∂B/∂t machen den Unterschied. Sind Tab. 6.1 Ersetzungsregeln der klassischen Wechselstromtechnik Gleichstromgröße Wechselstromgröße Amplitude
I i = I ejωt I = IˆejφI
U u = U ejωt U = Uˆ ejφU
E ˆ jωt E = Ee ˆ jφE ˆ E = Ee
B ˆ jωt B = Be ˆ jφB ˆ B = Be
168
6 Einige Eigenschaften zeitabhängiger Felder
sie zu vernachlässigen, können die Gesetze der Statik auch auf harmonisch oszillierende Größen angewandt werden. Denn unter diesen Voraussetzungen werden Magnetfelder ausschließlich von den Strömen bestimmt. Wenn der ∂B/∂t Term vernachlässigt werden kann, wird das Faraday-Henry-Gesetz auf die Wirkung der Lorentz-Kraft reduziert, wie in Gl. (3.20) und (3.21) gezeigt wurde. Und elektrische Felder werden ausschließlich durch Ladungen erzeugt. Sowohl ∂E/∂t als auch ∂B/∂t sind dimensionsbehaftete Größen. Ob etwas vernachlässigbar ist oder nicht kann aber immer nur anhand eines dimensionslosen Verhältnisses (welches dann meist viel kleiner als eins sein muss) bestimmt werden. Daher wird im Folgenden geprüft: 1. Wann kann die Energie des aufgrund der Oszillation des elektrischen Feldes anwesenden Magnetfeldes relativ zu der des elektrischen Feldes vernachlässigt werden, wann gilt also WB WE ? 2. Wann kann die Energie des aufgrund der Oszillation des magnetischen Feldes anwesenden elektrischen Feldes relativ zu der des Magnetfeldes vernachlässigt werden, wann gilt also WE WB ? 3. Wann kann die Leistung der elektromagnetischen Abstrahlung relativ zur Ohm’schen Leistung vernachlässigt werden, wann gilt also PStrahlung PΩ ? Dazu werden solche Anwendungen gesucht, bei denen das dynamische Verhalten analytisch berechenbar ist. Danach werden Gemeinsamkeiten der Ergebnisse gesucht. Kondensatorverhalten ist praktisch immer stationär zu rechnen Betrachtet man nur das elektrische Feld des Kondensators, so ist sein Verhalten in der Regel durch Q = CU beschrieben. Jede Änderung des Feldes bringt aber nach dem Ampère-Maxwell’schen Gesetz ein Magnetfeld hervor. Für einen Kondensator mit kreisförmigen Elektroden mit Radius r und im Abstand d beträgt dessen Stärke (vergl. Aufgabe 3.9) im Abstand a vom Kreiszentrum .B
=
1 ∂E αμε . 2 ∂t
ˆ Eine Wechselspannung E = Esin(ωt) erzeugt demnach ein Magnetfeld ˆ B = 12 μεωEcos(ωt). Dieses enthält eine Energie .
WE = ( 12 εE 2 ) · (πr 2 d) = 12 επr 2 d Eˆ 2 sin2 (ωt).
6.4 Vereinfachungen für sich langsam verändernde Felder
169
Demgegenüber beträgt der Energieinhalt des Magnetfeldes WB =
B2 dV 2μ
V .
r
2 α ˆ μεωEcos(ωt) α dα 2
=
1 2πd 2μ
=
π 2 ˆ2 2 4 2 16 με E cos (ωt)dr ω ,
0
so dass sich im zeitlichen Mittel ein Verhältnis .
WB 1 1 rω 2 = μεr 2 ω2 = WE 8 8 v
√ mit der Geschwindigkeit v = 1/ εμ ergibt. Festzuhalten bleibt: Das Verhalten eines kreisförmigen Kondensators kann demnach quasistatisch berechnet werden falls .
1 rω 2 1 8 v
(6.33)
erfüllt wird. Ein Zahlenbeispiel: Für einen Kondensator mit C = 1 μF und d = 1 μm ist bei einer Frequenz fg = 711 MHz der maximale Energieinhalt des Magnetfeldes genau so groß wie der des elektrischen Feldes. Wenn berücksichtigt wird, dass reale Kondensatoren gewickelt oder gefaltet sind, in der technischen Wirklichkeit also niemals so große Radien auftreten wie beim Plattenkondensator, so kann darauf vertraut werden, dass das Magnetfeld innerhalb eines Kondensators praktisch nie relevant ist. Spulen können Energie abstrahlen Für eine toroide Spule lässt sich das Magnetfeld exakt berechnen. Wie in Aufgabe 6.5 gezeigt, ist die Energie des durch die Oszillation des Magnetfeldes provozierten elektrischen Feldes dann vernachlässigbar, wenn .
WE 1 ωr 2 = 1, WB 12 c
(6.34)
170
6 Einige Eigenschaften zeitabhängiger Felder
wobei r der größere der beiden Radien eines Torus ist, erfüllt ist. Das Verhältnis der Energie gleicht fast genau dem Verhältnis der Feldenergien beim Kondensator, wenn E und B vertauscht werden. Während toroide Spulen das Magnetfeld völlig in sich tragen, reicht dieses bei Spulen mit offenen Enden in die Umgebung. Und sind die Frequenzen hoch genug, werden sie auch in Massenprodukten wie RFID [4] als Sendeantennen benutzt. Kleine Dipole strahlen wenig Energie ab Dipole strahlen mit einer Leistung PStrahlung , welche im Mittel proportional zum Quadrat des in sie hineinfließenden Stromes i = Iˆsin(ωt) steigt. In Analogie zur Leistung an einem Ohm’schen Widerstand wird der Proportionalitätsfaktor Strahlungswiderstand RStrahlung genannt, so dass sich die Leistung als .PStrahlung
=
1 ˆ2 I RStrahlung 2
(6.35)
schreiben lässt. Für Dipole, deren Länge L deutlich kleiner als die Wellenlänge der abgestrahlten Welle ist (L λ), lässt sich der Strahlungswiderstand analytisch zu .RStrahlung
=
π 6
μ0 ε0
2 2 L L ≈ 197 λ λ
(kurzer Dipol)
(6.36)
berechnen [2]. Die Strahlungsleistung steigt also für L λ mit der Ausdehnung L stark an. Je mehr sich die Länge L der Hälfte der Wellenlänge nähert, desto ungenauer wird Gl. (6.36). Für die populärste Dipolantenne, die L = λ/2 Antenne ergibt eine numerische Berechnung RStrahlung ≈ 73 , also etwas mehr als von der Näherung für kurze Dipole erwartet. Das konstante Verhältnis von Länge und Wellenlänge entspricht einem festen Produkt aus Kreisfrequenz ω und der Länge. Daher lässt sich die Annäherung an eine Dipolantenne als .L
2
2 λ 2
→
ωL πc
2 1
(6.37)
schreiben. Die Grenze L = λ/2 ist in Abb. 6.10 als durchgezogene Linie gezeichnet. In der Energiebilanz ist die Strahlungsleistung in dem Maße wichtig, in dem sie sich der Ohm’schen Leistung R Iˆ2 /2 nähert. In Abb. 6.10 zeigt die gestrichelte Linie die aus Gl. (6.36) abgeleitete Bedingung
6.4 Vereinfachungen für sich langsam verändernde Felder
171
d e
Frequenz
1 GHz
1 MHz
1 kHz
stationäre Rechnung möglich
λ/2 = c f
R=1Ω a
1 Hz 1 nm
1 μm
nicht möglich
c
b
1 mm
1m
1 km
1000 km
Länge a-b Hausgeräte, Kraftwerke c Europäisches 50 Hz Netz d 5G Antennen e Intel I7 Prozessor Abb. 6.10 Durch elektrische Dipolstrahlung gesetzte Grenzen für des Verwenden statischer Näherungen. Aufgetragen ist die maximale Frequenz f als Funktion der Länge L. Durchgezogene Linie: λ/2−Dipol, gestrichelte Linie: Strahlungsleistung gleich Ohm’scher Leistung bei R = 1
c .f = L
√ 6R ε0 R c ≈ √ π μ0 L 197
(6.38)
für den Wert R = 1 . Diese besagt, bei welcher Länge und welcher Frequenz Leistungsgleichheit für einen Ohm’schen Widerstand von 1 herrscht. Je geringer dieser Widerstand ist, desto geringer sind auch die Frequenzen, ab denen Strahlung eine Rolle spielt. Man kann diese Bedingung auch ähnlich wie Gl. (6.37) formulieren und erhält .
ωL πc
2
R 12,3
(6.39)
als Bedingung. Diese ist jedoch nicht direkt mit den vorher berechneten vergleichbar. Denn hier werden nicht mehr die Felder allein, sondern es wird die Leistungsbilanz des gesamten Systems betrachtet.
172
6 Einige Eigenschaften zeitabhängiger Felder
Zur Systembilanz ein Beispiel: Definitiv nicht zu vernachlässigen ist die Strahlung bei Mikroprozessoren. So hat der Intel I7 Prozessor [5] bei einer Versorgungsspannung von VDD = 1,52 V je nach Variante Maximalströme von 35–85 A, was Ohm’schen Widerständen im 30 m Bereich entspricht. Gemeinsamkeiten stärken das Vertrauen in Näherungn Bis auf wenige Prozente ergeben Kondensator, Spule und Dipolantenne die gleiche Bedingung .
ωL πc
2 1.
Unter dieser Randbedingung scheint sicher, dass die von Feldern erzeugten Felder relativ jenen, die von Strömen und Ladungen erzeugt werden, vernachlässigbar sind. Von der Dipolantenne ist darüber hinaus zu lernen, dass Abstrahlung in der Leistungsbilanz eine Rolle spielt, wenn bei kleinen Spannungen große Ströme fließen. Die Maximalfrequenz für die Verwendbarkeit quasistatischer Näherungen sinkt daher unter die oben genannte Grenze, wenn der Ohm’sche Systemwiderstand unter R = 12 sinkt.
6.5
Stationäre Leitungstheorie
Leitungen sind in der Elektrotechnik so unverzichtbar wie Adern in der Biologie. Die klassische Leitungstheorie in Form der Telegraphengleichungen beruht auf der Annahme, dass stationäre Rechnungen hinreichend genau sind. Ausgangspunkt ist die in Abb. 6.11 gezeigte Modellierung eines Leitungsstückchens, welches für ein N -tel der Gesamtleitung steht.
i1 u1
L N /4 R N /4
i2 CN
u2
Abb. 6.11 Modellierung eines Zweidraht-Leitungsstückchens mit komplexen Strömen und Spannungen an Ein- und Ausgang
6.5 Stationäre Leitungstheorie
173
In den vorigen zwei Kapiteln wurde gezeigt, dass sowohl R als auch L und C proportional zur Leitungslänge sind. Daher wird wie folgt vorgegangen: zunächst wird die Leitung in N Teile zerlegt, dann jedes Teil modelliert wie in Abb. 6.11 gezeigt und schließlich das Verhalten der Kettenschaltung aller N Elemente berechnet. Im Übergang .N → ∞ erhält man so das Verhalten einer Leitung mit kontinuierlich über die Länge verteilten Impedanzen. Wie genau die Rechnung abläuft kann in einem Filmclip [6] betrachtet werden. Für eine Doppelleitung mit einem Ohm’schen Widerstand R und einer Induktivität .L entlang des gesamten Strom-Hin- und -Rückweges und einer Kapazität .C zwischen den Einzelleitungen erhält man so u1 = cosh(g) u2 + Z 0 sinh(g) i 2 .
i1 =
1 sinh(g) u2 + cosh(g) i 2 Z0
(6.40)
mit dem sogenannten Übertragungsmaß .g und der charakteristischen Impedanz .Z 0 (auch Wellenwiderstand genannt), welche durch g(Leitung) =
.
Z 0 (Leitung) =
jωRC − ω2 LC L jR − C ωC
(6.41)
gegeben sind. Diese Gleichungen werden zusammen Telegrafengleichungen genannt. Ist .g = 0, so lässt die Leitung Strom und Spannung unverändert passieren. Das gesamte elektrische Leitungsverhalten wird also von nur zwei komplexen Parametern bestimmt, und nach Gl. (6.41) hängt die Frage, ob der Ohm’sche Widerstand eine Rolle beim Leitungsverhalten entsprechend der Bedingung .ωL
R
(dann ist R vernachlässigbar)
nicht von der Kapazität der Leitung ab. Im Folgenden soll zunächst der Zusammenhang der beiden Parameter .g und .Z 0 zu den in den Leitungen vorhandenen Feldern untersucht werden. Danach werden die Konsequenzen für das Leitungsverhalten untersucht.
174
6 Einige Eigenschaften zeitabhängiger Felder
Ideale Leitungen haben keine Verluste und vernachlässigbare Felder in den Leitern Im Folgenden soll zwischen verlustlosen (R = 0) und idealen (R = 0 und ΦB innerhalb der Leiter vernachlässigbar) Leitungen unterschieden werden. Zunächst wird das ideale Koaxialkabel betrachtet. Dessen Kapazität folgt aus Gl. (4.36). Die Induktivität ergibt sich aus Aufgabe 6.6. Nennt man ri und ra die das Dielektrikum begrenzenden Radien, so ergeben sich mit 2πεl ln(ra /ri ) μl · ln(ra /ri ) = 2π
CKoax = .
LKoax
Ausdrücke mit erstaunlich ähnlichen Termen. Aus ihnen folgen mit .g Koax
√
= jωl με und Z 0,Koax
ra μ 1 = ln 2π ri ε
(6.42)
zwei Gleichungen bei denen auffällt, dass das Übertragungsmaß völlig unabhängig von den Radien ist. Ein ähnliches Ergebnis liefert die ideale Doppelleitung: Die Gleichungen CDoppelleitung = .
LDoppelleitung
ln
πεl d−r r
und
d −r μl · ln = π r
führen auf .g Doppelleitung
d −r 1 μ √ , = jωl με und Z 0,Doppelleitung = ln π r ε
(6.43)
was zeigt:
Das Übertragungsmaß einer idealen Leitung ist ausschließlich von ihrer Länge und dem Material zwischen Hin- und Rückleitung abhängig. Im Gegensatz dazu ist der Wellenwiderstand durch den Leitungsquerschnitt und das Material bestimmt, also von der Länge unabhängig.
6.5 Stationäre Leitungstheorie
175
In der Praxis bedeutet dies, dass das Übertragungsmaß nur durch die Wahl des Materials beeinflusst werden kann, kaum jedoch durch die Geometrie der Leitung. Im Gegensatz dazu ist der Wellenwiderstand durch die Wahl des Querschnitts einstellbar. Dabei setzt die logarithmische Singularität für kleine Leiterradien das Maß für Fertigungstoleranzen. An- und Abschluss machen den Unterschied Verlustlose Leitungen haben gemäß Gl. (6.41) ein rein imaginäres Übertragungs√ √ maß g = jω LC und einen rein reellen Wellenwiderstand Z 0 = L/C. Um deren Bedeutung in einem elektrischen System zu bestimmen wird untersucht, was am Eingang passiert, wenn die Leitung am Ausgang mit verschiedenen Impedanzen „abgschlossen“ (d. h. am Ausgang angeschlossen) wird. Mit cosh(jα) = cos(α) und sinh(jα) = j sin(α) wird für eine verlustlose Leitung √ √ u1 = cos(ω LC) u2 + jZ 0 sin(ω LC) i 2 . √ √ j i1 = sin(ω LC) u2 + cos(ω LC) i 2 . Z0 Nun kann bestimmt werden, was in den Fällen Kurschluss (u2 = 0), Leerlauf (i 2 = 0) und „Anpassung“ (u2 = Z 0 · i 2 ) bei der Speisung durch eine ideale Spannungsquelle passiert: • • •
√ √ Leerlauf: u1 = cos(ω LC)u2 , → u2 divergiert bei ω LC = π2 ± N · π. √ √ Kurzschluss: i 1 = jZ10 cot(ω LC)u1 , → i 1 divergiert bei ω LC = ±N · π. √
Anpassung: u1 = ej(ω LC) u2 und i 1 = ej(ω bung, alle Scheitelwerte bleiben unverändert.
√
LC) i
2,
→ nur Phasenverschie-
Aus dieser Zusammenstellung wird die wichtigste Bedeutung der charakteristischen Impedanz deutlich: Wird ein Verbraucher mittels einer verlustlosen Leitung angeschlossen, deren Wellenwiderstand genau so groß wie der Widerstand des Verbrauchers ist, dann wird er, bis auf eine Phasenverschiebung, genauso mit Spannung versorgt, als wäre keine Leitung dazwischen. Die Leitung ist daher an den Verbraucher „angepasst“. Um sicher zu gehen, dass auch dann, wenn kein Verbraucher angeschlossen ist oder ein Kurzschluss herbeigeführt wird, keine Katastrophen passieren werden in der Informationstechnik ideale Spannungsquellen vermieden. Stand der Technik ist die Verwendung sowohl angepasster Quellen als auch angepasster Verbraucher.
176
6 Einige Eigenschaften zeitabhängiger Felder
Die lange Leitung: auch ein technisches Problem Das Übertragungsmaß g ist proportional zur Länge. Es setzt damit die Skala, ob eine Leitung kurz oder lang ist. Gemäß Gl. (6.43), (6.42) bedeutet .l
1 √ ω εμ
√ „die ideale Leitung ist kurz“. Der hier auftretende Faktor 1/ εμ wurde in anderem Zusammenhang schon als Geschwindigkeit identifiziert. Anhand der angepassten verlustlosen Leitung ist das auch hier leicht feststellbar. Denn eine √ Phasenverschiebung steht immer für eine Zeitverschiebung: Aus u1 = ej(ω LC) u2 folgt .U 2 e
jωt
= e−jω
√
LC
√
U 1 ejωt = U 1 ejω(t−
LC)
.
√ Die Ausgangsspannung läuft der Eingangsspannung also um eine Zeit Δt = LC hinterher. Jetzt muss die Länge Δl bestimmt werden, die zu dieser Zeitverschiebung gehört. Hierzu schreiben L und C als Funktion ihrer Belege: Ll = L/Δl und Cl = C/Δl. Also gilt .Δt
=
√ LC = Ll Cl · Δl .
(6.44)
Und so folgt aus Gl. (6.44) die Signalgeschwindigkeit v = Δl/Δt 1 Ll Cl . 1 1 = √ v= √ εμ Ll Cl v= √
(verlustlose Leitung) (6.45) (ideale Leitung)
wie der Vergleich mit Gl. (6.43), (6.42) für die ideale Leitung zeigt.6 Eine lange Leitung ist also ein solche, in deren Verlauf zur gleichen Zeit an verschiedenen Orten deutlich unterschiedliche Spannungen auftreten.
6 Gleichung (6.45) kann zur Überprüfung von Herstellerangaben benutzt werden. Wenn mehr
als die Lichtgeschwindigkeit herauskommt ist Skepsis geboten.
6.5 Stationäre Leitungstheorie
177
Auch „kurz“ muss nicht trivial sein Im Energieversorgungsbereich sind die technischen Herausforderungen ganz andere als in der Nachrichtentechnik. Dies soll am Beispiel eines Erdkabels erläutert werden.
Beispiel: Erdkabel zur Stromversorgung Zur Versorgung eines neuen, l = 5 km entfernten Stadtteils soll ein dreiadriges Erdkabel dienen. Jede Ader wird an Ueff = 110 kV bei f = 50 Hz geschlossen und einzeln elektrisch abgeschirmt. Als Leitungsmaterial wird Aluminium (ρAl = 2,64 · 10−8 m), als Isolator VPE (vernetztes Polyäthylen, εr = 2,2) mit einer Spannungsfestigkeit von Emax = 40 kV/mm gewählt. Der Kabelwiderstand soll Rmax / l = 0,1 /km betragen. Geometrie (ohne Korrosionsschutz etc.): Der Radius des Innenleiters ri wird durch den spez. Widerstand von Aluminium bestimmt: l .R = ρAl → ri = πri2
ρAl l → ri = 9,17 mm πRmax
Der Außenradius ra des Isolators ergibt sich aus der Spannungsfestigkeit des Materials VPE. Dabei muss berücksichtigt werden, dass die elektrische Feldstärke von innen nach außen abnimmt und dass der Scheitelwert Uˆ größer als der Effektivwert der Spannung ist. √
.E(r)
=
2 Ueff U → ra = ri e Emax ri → ra = 14,0 mm r ln(ra /ri )
Elektrische Eigenschaften: √ Die Bedingung l 1/(ω εμ) bedeutet in diesem Fall in Zahlen l 644 km. Das 5 km lange Kabel kann daher als elektrotechnisch kurz angesehen werden: Die Spannung ist zu jedem Zeitpunkt überall im Kabel fast gleich groß. Die Kapazität ist gemäß der Lösung von Aufgabe 4.11 .C
=
2πεl → C = 1,45 μF ln(ra /ri ) (Fortsetzung)
178
6 Einige Eigenschaften zeitabhängiger Felder
Diese Kapazität muss 100-mal pro Sekunde auf- und entladen werden. Dies führt zu Blindströmen welche zu Ohm’schen Verlusten führen: In einem Leitungsstückchen der Länge Δx in der Entfernung x vom Leitungsanfang 2 (x)/(πr 2 ), wobei der Strom linear mit beträgt der Verlust ΔP = ρAl Δx Ieff i der Entfernung abnimmt. Die Verlustleistung im Innenleiter ist dann .Pinnen
l
= 0
ρAl 2 x 2 1 2 Ieff,0 · 1 − dx = Rinnen Ieff,0 2 l 3 πri
wobei Rinnen der Gesamtwiderstand der Leitung (hier 0,5 ) und Ieff,0 der Effektivwert des Stromes am Leitungsanfang ist. Letzterer ist derjenige, der 2 = (ω C Ueff )2 . Die die Gesamtkapazität der Leitung versorgen muss: Ieff,0 Berechnung der gesamten Verlustleistung muss auch den (deutlich größeren) Gesamtwiderstand durch die Abschirmung, Raußen berücksichtigen. Das Resultat .P
=
1 (Rinnen + Raußen ) · (ω C Ueff )2 3
zeigt, dass diese Verluste stark mit der Spannung ansteigen. Und es formuliert eine Maximalbedingung für den Widerstand der Abschirmung bei gegebener Verlustleistung im Leerlauf. Eine weitere Maximalbedingung für den Widerstand der Abschirmung liefern die durch die kapazitive Kopplung hervorgerufenen Spannungsschwankungen. Diese nehmen mit dem Abstand x zum Anschlusspunkt gemäß ρaußen .U (x) = Aaußen
0
x
Raußen Ieff,0 I (x )dx → Ueff (x) = l
x2 x− 2l
zu und erreichen am Ende der Leitung mit Ueff (l) = Ieff,0 · Raußen /2 ihr Maximum. Die Induktivität (unter Vernachlässigung der Abschirmung) ist nach der Aufgabe 6.6
(Fortsetzung)
6.6 Kontrollfragen und Aufgaben zum 6. Kapitel
179
ra lμ0 .L = 1 + 2 ln → L = 923 μH . 4π ri Aus der Induktivität und der Kapazität kann auf die Signalgeschwindigkeit geschlossen werden. Das Resultat .v
= √
m 1 → v = 1,37 · 108 s Ll Cl
liegt knapp unterhalb der halben Lichtgeschwindigkeit. Die Geschwindigkeitsreduktion liegt einerseits an dem in der Kapazität auftretenden Faktor εr , andererseits an der durch den großen Leitungsquerschnitt gegenüber einer idealen Leitung deutlich vergrößerten Induktivität.
Nun heißt es: Gummistiefel anziehen und die Theorie anwenden!
6.6
Kontrollfragen und Aufgaben zum 6. Kapitel
6.1 Ein Koaxialkabel (siehe auch Abb. 5.18), dessen Dielektrikum vom Radius R1 des Innenleiters bis zum Innenradius des Außenleiters R2 reicht, habe vernachlässigbare Ohm’sche Widerstände der Leiter. Bei einer Spannung von U = 10,000 V fließe ein Strom von I = 10 A. Bitte berechnen Sie den Poynting-Vektor und den Energietransport, also die Leistung durch das Dielektrikum. Wie würde sich das Verhalten des Kabels ändern, wenn ein Dielektrikum mit εr > 1 zum Einsatz käme? 6.2 Es gibt Ideen, den Strahlungsdruck der Sonne zur Beschleunigung von Raumschiffen zu nutzen. Wie groß müsste ein Sonnensegel in Erdnähe mindestens sein, damit es mit einer Kraft von 1 N von der Sonne weggedrückt wird? Die Leistungsdichte der Sonnenstrahlung beträgt auf der Erde P /a ≈ 1 kW/m2 . 6.3 Eine elektrische Feldkomponente hänge vom Ort x und von der Zeit t gemäß .Ex
= Eˆ x cos(kx) cos(kvt)
180
6 Einige Eigenschaften zeitabhängiger Felder
ab [3]. Bitte prüfen Sie, ob das Feld die Wellengleichung ΔE = με∂ 2 E/(∂t)2 erfüllt. Ist dies eine Lösung nach d’Alembert? Und wenn ja, kommentieren Sie bitte die Feldqualität! ˆ 0) · sin(ωt − kx x) 6.4 Eine elektromagnetische Welle verlaufe gemäß E = (0, E, im Vakuum aus. Bitte bestimmen Sie die dazugehörige Welle des Magnetfeldes B und zeigen Sie, dass Eˆ = cBˆ gilt. Versuchen Sie, das Ergebnis unabhängig vom Koordinatensystem zu formulieren, in dem Sie B als Funktion von E und dem Wellenvektor k ausdrücken. 6.5 Eine toroide Spule habe N Windungen und die in Abb. 6.12 gezeigten Radien R und r. Durch einen Strom der Kreisfrequenz ω wird in ihrem Inneren ein Magnetfeld erzeugt, welches wiederum ein elektrisches Feld. Bitte bestimmen Sie das Verhältnis der elektrischen Feldenergie relativ zur magnetischen Feldenergie unter der Voraussetzung, dass die Erzeugung eines Magnetfeldes durch das so entstandene elektrische Feld vernachlässigbar ist. 6.6 Bestimmen Sie die Induktivität pro Länge der in Abb. 5.16 gezeigten Anordnung, ausgehend von den bekannten Feldanteilen aus der Lösung der Aufgabe 5.9. Dabei seien die Ströme der Hin- und Rückleitung gleich groß. 6.7 Zeigen Sie, dass die Telegraphengleichungen 6.40 symmetrisch bezüglich der Vertauschung der Leitungsanschlüsse (u1 ↔ u2 und i 1 ↔ −i 2 ) sind.
Abb. 6.12 zur Aufgabe 6.5: Als Torus gewickelte Spule und die Definition ihrer zwei Radien r und R. (Photo aus de.wikipedia.org)
R
2r
6.7 Antworten und Lösungen zum 6. Kapitel
181
6.8 Die zu einer idealen Leitung gehörenden Felder bewegen sich oft deutlich √ langsamer als mit Lichtgeschwindigkeit. Dabei spielt der Faktor 1/ εr des Dielektrikums die Hauptrolle. Müsste dann nicht auch die von den Feldern übermittelte Leistung entsprechend sinken? Und wenn nicht – warum nicht?
6.7
Antworten und Lösungen zum 6. Kapitel
6.1 Das Magnetfeld beträgt nach dem Ampere’schen Gesetz (vergl. Aufgabe 5.9) für r im Bereich .R1 < r < R2 .B
=
μI , 2πr
und seine Feldlinien bilden konzentrische Kreise. Zur Bestimmung des elektrischen Feldes werden eine Ladung Q, über eine Länge l verteilt auf den Innenleiter und ein geerdeter Außenleiter angenommen. Nach dem Gauß’schen Satz ist dann Q .E = 2πεrl
R2 und U = −
Edl =
Q ln(R2 /R1 ) , 2πεl
R1
und daher .E
=
U . r ln(R2 /R1 )
Die Feldlinien zeigen vom Innenleiter auf den Außenleiter und stehen damit senkrecht auf denen des Magnetfeldes. Damit zeigt das Vektorprodukt .E × B entlang des Kabels und der Betrag des Poynting-Vektors enthält mit 1 .|S| = μ
U r ln(R2 /R1 )
μI 2πr
keine winkelabhängigen Terme. Damit ergibt sich eine Leistung als Integral über den Querschnitt des Dielektrikums zu
182
6 Einige Eigenschaften zeitabhängiger Felder
R2 .P
=
R2 S · da =
R1
|S| · 2πrdr = U I , R1
in Zahlen also 100 kW. Ein großes .εr würde die Leistung nicht ändern. Allerdings hätte das Kabel eine größere Kapazität (ein Nachteil bei Wechselstrom). 6.2 Wenn das Segel so beschaffen ist, dass es die Strahlung von der Sonne vollständig absorbiert, dann ist bei einer Leistungsdichte S = c2 g der Betrag der Kraft auf die Fläche a durch .F
= cga =
1 Sa c
gegeben. Umgestellt nach a ergibt sich für eine Kraft von 1 N eine Fläche von a = 3 · 105 m2 . Wenn das Segel 100 % der Strahlung reflektiert, reicht die halbe Fläche. So ergeben sich die Größen
.
aschwarz = (548 m)2 und averspiegelt = (387 m)2
für die Segel. 6.3 Einsetzen in die Wellengleichung ergibt, dass das Feld diese Gleichung erfüllt, √ wenn v = 1/ εμ ist. Wegen .cosx
cosy =
1 [cos(x + y) + cos(x − y)] 2
ist dies auch eine Lösung nach d’Alembert. Da sie aber eine Teillösung beinhaltet, die der Kausalität widerspricht, wird sie in der Wirklichkeit nicht vorkommen. 6.4 Grundlage ist das Gesetz ∇ × E = −∂B/∂t. Wegen .∇
ˆ cos(ωt − kx x) × E = (0, 0, −kx E)
muss B immer in z-Richtung schwingen: B = (0, 0, B). Und wenn die zeitliche Ableitung der Cosinus-Funktion folgt, muss die nicht abgeleitete Welle sinusförmig sein. Es gilt also
6.7 Antworten und Lösungen zum 6. Kapitel
.
183
ˆ B = (0, 0, B)sin(ωt − kx x) ˆ → = (0, 0, ωB)cos(ωt − kx x) . ∂B ∂t
Mit Hilfe der Maxwell’schen Gleichung kann das Ergebnis der Rotationsbildung mit dem der zeitlichen Ableitung gleichgesetzt werden: kx Eˆ = ωBˆ Nun sind ferner ˆ Ihr Resultat sollte der Abb. 6.2 k = 2π/λ und ω = 2πf . So bleibt Eˆ = λf Bˆ = cB. entsprechen. Allgemein gelten nun die zwei nützlichen Beziehungen .B
=
1 ek × E und E = −cek × B, c
in welchen ek = k/|k|, also der Einheitsvektor in Ausbreitungsrichtung ist. 6.5 Nach dem Ampère’schen Gesetz hat das Magnetfeld im das Zentrum der Wicklung bildenden Ring einen Betrag BZ = μN I /R. Nennt man a denAbstand von diesem Ring (0 < a < r), so wird nach dem Induktionsgesetz Edl = −dΦB /dt ein elektrisches Wirbelfeld gebildet. Dabei ist aufgrund der Symmetrie der Anordnung der magnetische Fluss durch eine Kreisfläche genau so groß wie er im Falle eines homogenen Magnetfeldes BZentrum wäre. Es gilt also .
Edl = E · (2πa) = −(πa 2 ) ·
dBZentrum 1 dBZentrum →E=− a . dt 2 dt
ˆ ˆ Für einen harmonischen Verlauf BZentrum =Bsin(ωt) ist daher E= −Baωcos (ωt)/2 ˆ Bˆ = aω/2, welches mit dem und es resultiert ein Verhältnis der Scheitelwerte E/ Abstand zum Zentralring zunimmt. Die zeitlich gemittelten Energiedichten verhalten sich also wie .
wE 1 = εμ a 2 ω2 wB 4
und ergeben nach der Mittelung von a 2 im Bereich 0 bis r ein Verhältnis der Gesamtenergien .
WE 1 1 ωr 2 = , εμω2 r 2 = WB 12 12 c
welches fast genau dem Verhältnis der Feldenergien beim Kondensator entspricht, wenn E und B vertauscht werden. Hier gilt: Die gegenseitige Felderzeugung
184
6 Einige Eigenschaften zeitabhängiger Felder
kann vernachlässigt werden, wenn das Produkt aus der Frequenz und der größten vorkommenden Länge der Feldlinie des erzeugten Feldes viel kleiner als die Lichtgeschwindigkeit ist. 6.6 Der magnetische Fluss ist, da B und die Flächenelemente senkrecht aufeinander stehen, durch .ΦB
=
BdA = l
B(r )dr = l
μI (r ) dr 2πr
gegeben. Damit ergeben sich in den verschiedenen Teilen mit unterschiedlichen Materialien im Innenleiter (r < R1 )
.
im Isolator
ΦB1 =
(R1 < r < R2 ) ΦB2
im Außenleiter (R2 < r < R3 ) ΦB3
lμ1 I 4π
lμ2 I R2 = · ln 2π R1 R32 R3 lμ3 I 1 = ln · . − 2π R2 2 R32 − R22
Der Gesamtfluss ist dann ΦB = ΦB1 + ΦB2 + ΦB3 , die Gesamtinduktivität pro Länge L/ l = ΦB /(lI ). Diese Lösung hat einigen Besonderheiten: Der Flussanteil des Innenleiters ist von dessen Durchmesser unabhängig. Und er ist oft nicht zu vernachlässigen. Denn √ bei gleichem μ für Innenleiter und Isolator ist erst ab R2 /R1 = e ≈ 1,65 die Ungleichung ΦB2 > ΦB1 erfüllt. Der Beitrag des Flusses im Aussenleiter ist der kleinste. Er ist jedoch trotz des Terms −1/2 immer positiv. 6.7 Wenn die Telegraphengleichungen diese Symmetrie erfüllen, muss außer Gl. (6.40) auch u2 = cosh(g) u1 − Z 0 sinh(g) i 1 .
−i2 =
1 sinh(g) u1 − cosh(g) i 1 Z0
gelten. Dies kann geprüft werden, indem in diese Gleichung auf der rechten Seite u1 und i 1 aus Gl. (6.40) eingesetzt werden. Für u2 muss dann immer
Literaturverzeichnis
.u2
185
= cosh(g) · cosh(g) u2 + Z 0 sinh(g) i 2 1 sinh(g) u2 + cosh(g) i 2 − Z 0 sinh(g) · Z0
gelten. Etwas Umsortieren schafft hier Klarheit: .u2
= cosh2 (g) − sinh2 (g) · u2 + 0 · i 2
Wegen cosh2 (g) − sinh2 (g) = 1 bleibt nur u2 = u2 übrig, was immer gilt und damit die Symmetrie für die Spannungen beweist. Die gleiche Rechnung mit dem gleichen Ergebnis kann mit i 2 angestellt werden. 6.8 Vorab: in der bekannten Formel P = U · I kommt εr nicht vor, daher ist eine Reduktion des Energietransfers durch das Dielektrikum a priori ausgeschlossen. Wenn aber bei verringerter Übertragungsgeschwindigkeit die Leistung gleichbleiben soll, dann muss eine erhöhte Energiedichte der elektromagnetischen Welle die Verlangsamung kompensieren. Und genau dies kommt heraus, wenn man den √ Poynting-Vektor (Gl. (6.31)) als Produkt aus Geschwindigkeit v = 1/ εμ und Energiedichte hinschreibt. Das Resultat B 1 2 .S = E · εE →S= √ μ εμ
B2 μ
lässt sich am besten so interpretieren: Wenn die Welle das Material durchdringt, polarisiert es dessen Moleküle, wodurch diese Energie aufnehmen. Daher geht mit der elektrischen Welle auch eine von Molekül zu Molekül weitergegebene Energiewelle einher. Letztere bremst und verstärkt gleichzeitig den Energietransfer √ um genau den gleichen Faktor: ε.
Literaturverzeichnis 1. Jürgen Schankenberg: Elektrodynamik, Wiley-VCH Weinheim 2009, ISBN: 978-3-52740369-1 2. David J. Griffiths, Elektrodynamics, 5. Auflage, Cambridge University Press 2023, ISBN 9781009397759 3. Richard P. Feynman, The Feynman Lectures on Physics, New Millennium Edition, Basic Books 2011, ISBN 978-0465023820
186
6 Einige Eigenschaften zeitabhängiger Felder
4. Patrick J. Sweeney, RFID for dummies, John Wiley and Sons 2005, ISBN: 978-1-11805447-5 5. https://www.intel.com/content/www/us/en/products/docs/processors/core/core-technicalresources.html zuletzt gelesen 2023 6. siehe http://www.prufungstrainer-elektrotechnik.de/#Quiz
7
Ausblick
Das Ende dieses Buches möge für Sie, geehrter Leser, ein Anfang sein! Sie kennen nun die zum Verständnis der theoretischen Elektrotechnik nötigen Begriffe und erkennen die grundsätzlichen Zusmmenhänge. Damit stehen Sie -bildlich gesprochen- vor einer weit geöffneten Tür, hinter der sich ein gro ßer Schatz an Wissen, Erfahrung und Know-how verbirgt. In diesem Kapitel erfahren Sie, wo einige der Schatztruhen zu finden sind. Begegnen Sie bitte diesen Schätzen mit Respekt aber nicht kritiklos. Denn wer nur den Autoritäten folgt, wird diese nie erreichen und daher immer zweitklassig bleiben. Und viele Schätze, selbst solche jüngeren Datums, sind mit einer Patina aus den Vorstellungen untergegangener Weltbilder überzogen. Leider gilt dies insbesondere für einen großen Teil der deutschsprachigen Lehrbücher der Elektrotechnik. Die im Vorwort zitierte Einstein’sche Richtschnur führt hier auf das Kriterium „Je größer die Anzahl der Fachbegriffe, desto dicker die Patina“. Last, but not least: Wenn Sie etwas nicht verstehen, so kann das (natürlich außer bei dem hier vorliegenden Text) auch am Buch liegen. Feldberechnung Die theoretische Behandlung der Elektrostatik ist ein Gebiet, dessen vollständige Behandlung weit über das bisher Beschriebene hinausgeht. Bei Günther Lehner [1] finden sich zum Beispiel alle bisher behandelten Ansätze explizit in kartesischen, zylindrischen und sphärischen Koordinatensystemen. Wer seine Kenntnisse durch weitere Übungsaufgaben festigen möchte, findet diese bei Filtz und Menco [2]. Ein mächtiger theoretischer Ansatz zur Lösung vieler elektrostatischer Probleme ist der der konformen Abbildungen. Dieser wird sehr ausführlich von Sigfried Blume [3] behandelt. Außerdem werden Felder behandelt, welche nicht im Unendlichen verschwinden, sondern durch andere Randbedingungen festgelegt sind.
© Springer-Verlag GmbH Deutschland, ein Teil von Springer Nature 2024 M. Poppe, Grundkurs Theoretische Elektrotechnik, https://doi.org/10.1007/978-3-662-68631-7_7
187
188
7 Ausblick
Die in solchen Fällen wichtigen Green’schen Funktionen und deren Bestimmung werden sehr gut dort und bei David Griffiths [4] beschrieben. Die vollständige Multipolentwicklung elektrostatischer und magnetostatischer Felder ist bei David Griffiths [4] in mathematisch gut nachvollziehbarer Weise dargelegt. Die in der Praxis wichtigen Felder von nicht trivial geformten Leitern sind bei Marco Leone [5] zu finden. Mit dem Aufkommen immer leistungsfähigerer Rechner und immer besserer Software hat sich die numerische Feldberechnung in nahezu allen industriellen oder industrienahen Bereichen fest etabliert. Sie hat dort die bekannten analytischen Näherungsverfahern praktisch vollständig ersetzt. Zu diesen Methoden sind in [6,7] Informationen zu finden. Analyse und Behandlung elektromagnetischer Wellen Bis zum Aufkommen von Glasfaserkabeln waren durch Antennen gesendete und empfangene elektromagnetische Wellen Herzstück aller technischen Kommunikation. Deren Übertragungseigenschaften und Wechselwirkung mit der Atmosphäre werden bei Bernhard Rembold [8] diskutiert. Entwurf und Eigenschaften der Antennen selbst sind bei Klaus Kark [9] zu finden. Bei Günter Lehner [1] findet sich eine praktisch vollständige, sehr formale gehaltene Abhandlung. Das Verhalten von Wellen auf Leitungen wird von Marco Leone [5] ausführlich beschrieben. Einen fast vollständigen und aktuellen Überblick des Fachgebietes Optik bieten Saleh, Bahaa E. A. und Teich, Malvin Carl [10]. Elektrodynamik als Ausgangspunkt von Relativitäts- und Quantentheorie Das zunehmende Verständnis des Elektromagnetismus am Beginn des 20. Jahrhunderts spielt eine überragende Rolle in den unter den Schlagworten Relativitätstheorie, Quantendynamik und Quantenelektrodynamik bekannten Revolutionen der Physik. Der Anschluss der Relativitätstheorie an die klassische Elektrotechnik ist bei Jürgen Schnakenberg [11] zu finden. Der Anschluss an die klassische Physik insgesamt wird bei David Halliday et al. [12] oder auch bei Paul A. Tipler und Gene Mosca [13] in gut lesbarer Form präsentiert. Eine aktuelle und Irrtümer wie die „relativistischer Masse“ etc. beendende Einführung in die spezielle Relativitätstheorie hat Peter Hrasko [14] geschrieben. Der Beginn der Quantenmechanik war die von Max Planck im Jahre 1900 vorgestellte Formel zur Beschreibung des Spektrums und der Intensität elektromagnetischer Strahlung. Deren Herleitung und Beschreibung findet sich heute in
Literaturverzeichnis
189
praktisch jedem guten Physik-Lehrbuch (z. B. [12, 13]). Genaueres ist bei Franz Schwabl [15] zu finden. Wer sich mit der Quantenelektrodynamik beschäftigen will, kommt an Richard. P. Feynman vorbei. Das gilt sowohl für dessen „Lectures on Physics“ [16] als auch für seine populärwissenschaftliche Kurzschrift [17] zu dem Thema.
Literaturverzeichnis 1. Günther Lehner, Elektromagnetische Feldtheorie, 8. Auflage, Springer Heidelberg 2018, ISBN 978-3-662-56642-8 2. Filtz, Manfred, Henke, Heino, Übungsbuch Elektromagnetische Felder, 2. Auflage, Springer Heidelberg 2012, ISBN 978-3-642-19741-3 3. Siegfried Blume, Theorie elektromagnetischer Felder, 3. Auflage, Hüthig, Heidelberg 1991 ISBN 978-3778520703 4. David J. Griffiths, Elektrodynamics, 5. Auflage, Cambridge University Press 2023, ISBN 9781009397759 5. Marco Leone, Theoretische Elektrotechnik, 2.Auflage, Springer Heidelberg 2021, ISBN 978-3658292072 6. Gottlieb und Peter Strassacker, Analytische und numerische Methoden der Feldberechnung, Springer Heidelberg 1993, ISBN 978-3-519-06168-7 7. Arnulf Kost, Numerische Methoden in der Berechnung elektromagnetischer Felder, Springer Heidelberg 1994, ISBN 978-3-540-55005-1 8. Bernhard Rembold, Wellenausbreitung, 2. Auflage, Springer Heidelberg 2017, ISBN 978-3-658-15283-3 9. Klaus Kark, Antennen und Strahlungsfelder 9. Auflage, Springer-Vieweg, Wiebaden 2022, eBook ISBN 978-3-658-38594-1 10. Saleh, Bahaa E. A. und Teich, Malvin Carl, Optik und Photonik, 3. Auflage, Wiley-VCH, Berlin 2020 ISBN: 978-3-527-34723-0 11. Jürgen Schankenberg: Elektrodynamik, Wiley-VCH Weinheim 2009, ISBN: 978-3-52740369-1 12. David Halliday, Robert Resnick und Jearl Walker, Halliday Physik, 3. Auflage, VileyVch Weinheim 2017, ISBN 978-3-527-41356-0 13. Paul A. Tipler und Gene Mosca, Physik, 8. Auflage, Springer-Spectrum 2019, ISBN 9783-662-58280-0 14. Peter Hrasko, Basic Relativity, Springer, Berlin 2011, ISBN 978-3-642-17809-2 15. Franz Schwabl, Quantenmechanik, 7. Auflage, Springer Heidelberg 2007, ISBN 978-3540-73674-5 16. Richard P. Feynman, Die seltsame Theorie des Lichts und der Materie, Piper Verlag 2006, ISBN 978-3-492-31316-2 17. Richard P. Feynman, The Feynman Lectures on Physics: The Definitive and Extended Edition, Vol.2, Addison Wesley, 2005, ISBN 0-8053-9045-6
Stichwortverzeichnis
A anisotrop 42
B Bändermodell 5 Bezugssystem 4 Biot-Savart’sches Gesetz 113, 114 Blasenkammer 16 Blitz 22 Brechungsindex 160
C CERN 7 Coulomb-Eichung 112, 146 Coulomb-Integral 73 CP-Invarianz 7 CPT-Theorem 6
D d’Alembert 148 Dielektrikum 63 Dielektrizitätskonstante, relative 42 Dipol elektrischer 81, 90 magnetischer 120 Dipoldichte 38 elektrische 38, 83 magnetische 123
Dipolmoment elektrisches 98 magnetisches 120, 122 Dipolstrahlung 170 eines kurzen Dipols 170 Dirichelt-Problem 77 Drudes Gesetz 19
E Eichfeldtheorie 143 Eichtransformation 145 Einstein 3, 8 Elektrodynamik 2 Elektron 2 Driftgeschwindigkeit 24 freies 5 gebundenes 5 Elektrotechnik 2 theoretische 2 Energie des elektrischen Feldes 58 des magnetischen Feldes 106 einer kontinuierlichen Ladungsverteilung 73 eines Punktladungssystems 59 Erhaltung der 161 im Dielektrikum 63 innere 60 potenzielle 58, 59 Verlust durch Hysterese in Eisen 107
© Springer-Verlag GmbH Deutschland, ein Teil von Springer Nature 2024 M. Poppe, Grundkurs Theoretische Elektrotechnik, https://doi.org/10.1007/978-3-662-68631-7
191
192 Energiebänd 5 Erregung elektrische 38 magnetische 36, 38, 130
F Feld Eichfeld 112 elektrisches einer zylindrischen Leitung 97 -erzeugung 6 in Materie 35 Luftwirbel 106 mathematisches 2 physikalisches 2 -wirkung 6 Feldstärke, magnetische 130 Fluss, magnetischer 130 Flussdichte 9, 26 magnetische 130
G Gitteratom 21 Grenze der klassischen Elektrodynamik 64
H Hopkinsonsches Gesetz 131
I Impedanz Leitung 173 Impulsdichte elektromagnetischer Strahlung 166 Induktion 9
K Kapazität 93 Kernfusion 97
Stichwortverzeichnis Knotenregel 19 mit Parasitärkapazitäten 19 Kondensator 63 Leitungspaar 93 mit PET Folie 98 Kraft Coulomb-Kraft 3, 8 elektrodynamische 8 Lorentz-Kraft 3, 8 Kraftfeld 9 Kreisbahn 3 Kugelkondensator 95
L Ladung 8 Ladungsdichte 8, 34 Laplace-Gleichung für das elektrische Feld 69 für das magnetische Feld 113 Legende-Polynome 89 Leistung durch Feldbewegung 163 Leitfähigkeit, spezifische 20 Lichtgeschwindigkeit 147 Lorentz-Eichung 146 Lorentz-Kraft 3
M Magnetfeld 38 analytische berechenbare Beispiele 116 Drehmomente auf Ströme 120 eines dünnen Drahtes 117 in einer Steckdose 165 Kräfte auf Ströme 119 Magnetisierung 35 Magnetismus Dia-,Para, und Ferro- 106 hart- und weichmagnetischer Stoffe 110 Hysterese 107 Magnetkreis 130, 131 Maschenregel 34, 53
Stichwortverzeichnis Maxwellsche Gleichung 3, 9, 33, 34 für freie Ladungen 38 für gebundene Ladungen 39 makroskopische 39 mikroskopische 39 Multipol elektrischer 81, 87 magnetischer 125 Multipolentwicklung des elektrischen Feldes 87 des magnetischen Feldes 125
N Näherung, numerische 73 quasistationäre 167 quasistatische 167 Neumann-Problem 77
O Ohmsches Gesetz 19, 27 Optik 152
P Permeabilität, relative 42 PN-Übergang 66 Poisson-Gleichung für das elektrische Feld 68 für das magnetische Feld 112 Polarisation 35, 64 Polarisationsfeld 35 Potenzial 61, 144 einer beliebigen Ladungsverteilung 73, 151 einer geladenen Kugel 69 eines Systems von Punktladungen 73, 151 retardiertes 149 Potenzialgleichung allgemeine elektrische 68 allgemeine magnetische 112 elektromagnetische 144
193 Poynting-Vektor 161 eines durchflossenen Drahtes 165 in Materie 163 Q Quadrupol Äquipotenziallinien 92 elektrischer 90 magnetischer 125 Quelle elektrische 34 magnetische 34 R Randwertproblem 77 Reflexionsgesetz 155 Relativitätstheorie 3 Rotationsfeld 34 S Schichtwiderstand 24, 27 Solarzelle 65 Spannung 61 Strahlung eines Mikroprozessors 172 Strahlungsdruck 166 Strahlungswiderstand 170 Strom 16 Stromdichte 8, 28, 34 Superposition, lineare 36 T Telegrafen-Gleichung 173 U Übertragungsmaß Leitung 173 V Vektorpotenzial magnetisches 111 retardiertes 151
194 Verarmungszone 66 Verschiebungsstrom 38
W Welle Brechung 156 elektromagnetische 153 harmonische 152 komplex erweiterte 167 Totalreflexion 153
Stichwortverzeichnis Transmission 156 Wellenfunktion, komplexe 152 Wellengleichung homogene 147 inhomogene 146 Widerstand 20 Temperaturabhängigkeit 22 Vierpunktmessung 27 Winkel Brewster 160 kritischer 156