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German Pages 478 [474] Year 1795
Gotthold Ephraim Lessings
sämmtliche Schriften
Acht und zwanzigster Theil, Berlin, 1794,
In der Dossischen Buchhandlung.
Inhalt» 1
Ä- L. keMngS Briefwechsel mit Moses MendelSsohL i.
II. S. E- kesffngs Briefwechsel mit D- Johan» Jacob Reiste ;j?
G. E. Lessings
B r i e f w e ch s e l mit
Moses Mendelssohn
Von 1755 bis 1780.
I.
Moses Mendelssohn an Lessing. Berlin den 17. Feb. 1755Mein Herr!
5ßcnn
Ihnen diese Schrift zu ungelegener Zeit kommt, so bedenken Sie, daß ich in drey Wochen nicht auf Ihrer Stube war; daß ich unmöglich Ihren Umgang so lange entbehren kann, als Sie sich vorgenommen haben, ab wesend zu bleiben *). Jedoch Ich begnüge mich damit, in dem Augenblicke, da ich schreibe, gleichsam eine- Art von Umgang mit Ihnen gepflogen zu haben, ohne daß es Ar •) Leffms war damals i» Potsdam, hauptsächlich um die Miß Sara Sampson auSjuarbriten.
4
G. E. Lessings Briefwechsel
nöthig ist, daß Sie mir antworten. Ich er warte nur einen Spartanischen Brief, worin Sie mit großen Buchstaben Ja oder Mein schreiben sollen. So viel Zeit werde» Sie sich doch wohl nehmen?' Ich frage nehmlich, ob die in Vorschlag gebrachte periodische Schrift noch wirklich vor sich gehen soll, und oh ich Ihnen die Recension der Psychologie, die Sie mir -um Durchlesen gegeben haben, überschicken kann? Sie beträgt drey und einen halben geschriebenen Bogen, und ich glaube, daß Sie so ziemlich damit zufrieden seyn werden. Werden Sie nicht bald wieder kommen, cheuerster Freund? Wenn Sie e« zu lange machen, so weiß ich nicht ob ich der Versu chung widerstehen können werde, mit der Zournalirre auf einige Stunden zu Ihnen zu kommen. Länger wollte ich Sie gewiß nicht stören. Auch auf diese Anfrage sollen Sie nicht mehr als Ja oder tlein antworten. Ich bin deständig
2hr Freund Moses.
mit Moses Mendelssohn. >-wi.
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1
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2.
Lessing an MoseS Mendelssohn,
de« iS. F«br. i7ff, Liebster Freund! Es ist mir recht sehr angenehm gewesen, die
Versicherung von Ahnen ju erhalten, daß Sie in meiner Abwesenheit noch an mich denken. Ach habe Ahnen von einem Tage zum ander» schreiben wollen; aber Sie wissen jawohl, daß nicht alles geschieht, was ich mir vomehme. Ach wollte Ahnen meine Ursachen nach der Länge anführen, warum ich. Ahnen die Wahr, heit zu gestehen, die 'bewußte Preisschrift mit Fleiß zurück gehalten habe. Ahr Verweigern, sich nicht dabey zu nennen, war die vornehm, ste. Geseht nun, daß wir aus dieser gelehrten Lotterie das größte Loos gezogen hätten; was meinen Sie wohl, daß alsdann geschehen wä< re? Ste hätten wollen verborgen bleiben, und ich hätte es muffett bleiben. Wenn sich als, dann niemand genennt hätte, so hätten wir A 3
6
G. E Lessings Briefwechsel
unsre Schrift auch nicht einmal dürfen druk-
km lassen, oder wir wären doch zuletzt verra then- worden.
Zst es also nicht besser, daß
|t>ir den uneigennützigen Weltwcisen
spielen,
und unsre Entdeckungen der Welt ohne $o Du-
aten überlassen? Zch hoffe binnen drey Wochen
wieder in Berlin zu seyn, und ich will Zhnen nur im Voraus sagen, daß wir sogleich unsre
Arbeiten in eben dem Formate, wie Zhre phi
losophischen Gespräche, wollen drucken lassen. Das
projectirre
Journal
noch ganz unfehlbar zu
gleichfalls
kömmt
Stande.
Sie sollen
in acht Tagen die ersten Bogen davon gedruckt
sehen. Schicken Sie mir also Zhre Recension
von der Psychologie
mit
nächstem.
Haben
Sie sonst noch etwas, so legen Sie es bey;
desgleichen fragen Sie auch bey dem Hrn. D. Gumperz, *; dem ich mein ergebenstes Com
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1 '»
ich noch nicht mit einem Auge gesehen. hen Sie wohl. Zch bin Dero
Le
beständiger Freund G. E. Lessing.
10.
Mose- Mendelssohn an Lessing. d. Märt, 1756» Mein Freund) Es ist eine alte leidige Wahrheit, daß die Menschen den Werth der Güter nie besser einsehen, al« wenn sie ihnen entrissen werben. Meine Metaphysik zog (vielleicht aus einem systematischen Stolze) diese erniedrigende Maxi« nie noch immer in Zweifel; aber die Erfah rung kommt ihr nunmehr zu Statten. Zch habe Sie nie so sehr geliebt, al« jetzt, da ich mich mit den Gedanken quäle, ich werde Sie vor Ihrer Abreise nicht wiedersehen. Sie mögen mir immer einbilden wollen, Sle und Ihr Reisegefährte wären noch unentschlos sen, ob Sie über Berlin, oder Braunschweig, Les. Schelf, xxviu rh. A
5o
G. E. LeffingS Briefwechsel
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nach
Hamburg
j, gehen
Ich
werden.
weiß
schon, was ich mir von dieser Ungewißheit zu
versprechen habe;
ich werde Sie vor Ihrer
Abreise nicht Wiedersehen. Wenn ich mich über Sie beklagen wollte, und wenn mein Beklagm die" Sache ändern könnte, so hätte ich vielleicht Ursache dazu. Ich
bat Sie, Sie sollten mir bey Zeiten-, mel
den, daß Sie nicht nach Berlin kommen würdm; so wollte-ich selbst eine Reise nach Leip
zig thun, um Sie da zu sprechen. Was war leichter, als in dieser Kleinigkeit nicht nachläs sig seyn? Werden Sie auch in einer grö
ßer» Entfernung noch an mich denkm? Ich will es hoffen, ob mich gleich mein geringer
Werth, Ihre Unstätigkeit,
und die Menge
der wichtigern Bekanntschaften,
die
Sie in
der Welt machen werden, gewissermaßen kleinmülhig machen.
Was
wird
es
mir aber
helfen, wenn ich Ihnen alle vier Wochm ein
mal durch die Gedanken laufe, wenn Sie zü
»erdrossel», ich will es heraus lägen,
wenn
Sie zu faul seyn sollt«, mich es wissen zü laffm? Ich willst» langer Zeit keinem Mrw
mit MoseS Mendelssohn.
51
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schen so gut werden, als ich Ihnen bin, wenn mir Ihre Freundschaft mehr Unruhe machen
sollte, als sie mir Vergnügen verursacht hat.
Sie wissen, daß dieses beynahe eine unleug,
bare Folge ist aus meiner Lehre von den an» genehmen Empfindungen; und wenn ja noch Einwendungen dawider zu machen sind, so mag
ich sie für diesesmal nicht hören. So unphiloso, phisch macht mich der Gedanke, ober vielmehr die
Furcht, ich werde in einigen Jahren nichts von
Ihnen hören! Genug hiervon! Vielleicht wer, den Sie nicht ungern erfahren, baß ich diesen Sommer in meiner Lebensart die Aenderung treffen werde, zu welcher Sie mir so oft ger«
then haben.
Ich arbeite nicht länger in dem
Comtoir als sechs Stunden, von acht Uhr Mow gens,
bis um zwey Uhr Nachmittags.
übrigen Stunden sind für mich;
Alle
denn auch
die Zeit ist für mich, in welcher ich mich b«, schäftigen werde, an Sie zu denken, im Gei, sie mit Ihnen zu reisen, und mich durch Zh, ren Umgang zu bessern und zu belustigen.
Don alten Bekanntschaften will ich mich, so gut es sich thun läßt, los zu machen suchen.
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2
5* G. E. Lessings Briefwechsel
"sQr-
t Zch
nehme
-
j
dm Herrn Prof. Sulzer
und
• Herrn Nicolai aus.
Mit dem
letztem habe
ich mehr als Dekannlschaft gemacht; ich glaubedaß es mit uns schon bis zur Freundschaft ge, kommen ist, und der erste verdient es wirk
lich, daß
man
seinen Umgang suche.
Den
Herrn von Maupertuiö habe ich nicht wieder
besucht; und wer weiß, ob es je geschehen wird. Sie wissen,
wie sehr ich
die aufgerreppten
Schwellen, und das feyerliche Anmeld'en scheue. Die
Morgensiundeu
find
Ihnen gewidmet,
weil diese nicht aufhüren, mich an Sie zu er
innern, so lange ich nicht Gelegenheit habe, fit eben so angenehm zuzubringen, als in Ihrer
Gesellschaft; und wann werde ich diese Gele, genheit haben?
Um zweyerley muß ich Sie noch
bitten,
bevor ich für dieseemal schließe — Jedoch nur um einerley: denn das andere, bin ich gewiss sermaßen ^berechtiget von Ihnen zu fordern; und wer bittet gern um das, worauf man ei,
nigeü Recht zu haben glaubt?
Zch bitte um
die Sammlung einiger naiven Stellen, die Sie aus den besten Dichtern zusammen getragen.
mit Moses Mendelssohn.
zz
haben, und wovon Sie mir kurz vor Ihrer Abreise etwas merken ließen. Wenn Ihnen diese Bitte unhöflich oder etwas eigennützig scheint, so antworten Sie gar nicht darauf.
Ich fordere hingegen die Ausführung von d< nein Einwmfe, den Sie mir in einem Ihrer Briefe wider
meine Widerlegung von Rous
seau, nur obenhin anzuzeigen schienen.
Das
Recht, welches ich zu dieser Forderung zu, ha
ben vermeine, gründet sich auf
Ihr eignes
Versprechen, daß Sie sich mündlich deutlicher erklären wollten.
Weil ich . vieles entbehren
muß, so möchte ich doch nicht gern alles ent
behren,
was ich mir von unsrer Zusammen,
fünft versprochen habe.
Die beyden Seiten in Folio sind voll, und die Glocke schlägt
Eins
»ach Mitternacht.
Nehmen Sie mit meinem unordentlichen Brie
fe vorlieb; ich bin wahrlich!
etwas unruhig.
Sie zweifeln wohl nicht, daß ich Ihne« von Herzen eine glücklich« Reise wünsche. Ich
hin Zeitlebens
Ihr
unveränderlicher Freund D r Moses.
54 G. E. Lessings Briefwechsel
Dem Hrn. M- Naumann bitte ich meinen freundlichen Gruß zu ver» melden. Zch wünsche ihm gute Verrichtung, und mir, daß ich ihn bald Wiedersehen soll.
it.
Moses Mendelssohn an Lessing. Berlin, de» 9. Märr 1756.
Mein werthester Freund!
^)ch habe Ihre Antwort auf meine beyden Briefe erhalten, und wenn Sie Zhr Verspre, chen gehalten hätten, so hätte ich schon vor acht oder zehn Tagen das Vergnügen gehabt, mich mit Ihnen zu unterhalten. In Wahr, Helt, liebster Lessing! Zch durste sehr nach die, sem Vergirügen. Zch habe in meinem Leben so viel Bekanntschaften nicht gemacht, als feit, dem Sie von hier weg sind, und ich finde »och keinen einzigen, mit welchem.ich die we nigen müßigen Stunden, die ich habe, so an,
itttit Mose- Mendelssohn. fr ■■■
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55 IIHII
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1
genehm und so nützlich zubringen könnte, ate mit Ihnen.
Wem erzähle ich aber diese«?
Einem Freunde, der in wenig Tagen fast ver, gessen muß, daß er Freunde
Deutschland
in
hat, den ich fast nur deswegen habe kennen
lernen, um mich von ihm wieder zu trennen, und das Leere recht zu fühlen, das sich mit ten in einer herrlichen Bibliothek oft unsrer Seele bemeistert l Man hat vor einigen Wo,
chen aus Leipzig geschrieben. Sie wären schon wieder von da weg, und ich hoffte damals gan»j
gewiß, Sie würden auf dem Wege hierher be griffen seyn.
Wae machen Sie? Soll ich
denn gar
nichts von Ihnen zu lesen bekommen? Wie steht es um den Auszug
des Goldont, den
Sie zu einem Stücke in der Bibliothek anher schicken wollten? Wie steht es
um die fünf
Komödien, die noch vor Ostern hätten die Pres se verlassen sollen?
Ich bin unter andern mit einem Lieutevannt Jacobi *) bekannt geworden, der ein sehr •) M. s. Hrn. Nicolai'- Anmerk. Th. XXV«, ®. fO3.
D 4
;6 G. E. Lessings Briefivechsel ■ — .jufr
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geschickter Mann, ein guter Mathematiku« und ein gründlicher Metaphysiker ist. Ich ha be mit ihm den Hm. Prof. Baumgarten aber mals besucht. Es bessert sich Gottlob! mit sei ner Gesundheit. Sie können sich nicht vor stellen, wte sehr Ihnen dieser Mann zugethan ist. Er bedauert er sehr, daß er Sie nicht hier angetroffen hat. Ich muß schließen, weil ich eben jetzt von einem Freunde in dieser angenehmen Beschäf tigung gestört werde. Leben Sie indessen wohl! Ich bin Ihr beständiger Freund
Moseö. 12.
Lessmg an Moseö Mendelssohn. ft!
Leipzig, den ag- April i?$6.
es möglich, daß wir einander so lange nicht geschrieben haben? Wenn es eine natür liche Folge von meinem Reisen seyn soll, daß
mit MsftS MendetSsohtt.
57
ich immer so wenig Nachricht von Ihnen be, komme, so werde ich mein Reisen von dieser
Seite sehr hassen.
Zwar ich glaube fest, Sie
würden mir fleißiger geschrieben haben, wenn
Sie mich nicht in Berlin von Tag zu Tag
persönlich erwartet hätten. Ich glaube es ganz gewiß.
Glauben, Sie mir nur auch, daß ich
Ihnen fleißiger würde geschrieben haben, wenn
ich nicht von Tage zu Tage nach Berlin zu kommen gehofft hatte.
Ich hoffe es nochi
Wen» mich meine Hoffnung betrügt, so wer
de ich Deutschland nicht mit dem vergnügte, sten Herzen verlassen.
Wir gehen den sieben,
ttn May van hlcr ab, und also noch vor der Messe.
Ich bin unentschlossen; aber was das
Unglück ist,
mein
Reisegefährte ist es noch
zehnmal mehr als ich, so daß wir noch nicht einmal wissen, ob wir unsern Weg nach Ham,
bürg über Berlin oder Braunschweig nehmen werden.
Dieses ist alles, was ich Ihnen jetzt
melden will.
Künftigen Posttag sollet» Sie
einen Brief nach unsrer Art von mir be
kommen.
Sie sollen ihn gewiß bekommen;
denn ich habe
Ihnen
hundert Kleinigkeiten
D 5
58
G. E. Lesslngs Briefwechsel
-r—
i i -'•ftiftCljMrfin
zu schreiben, von sern teu.
Leben
■ 1
der Art, wie wir in un
Morgengesprächen
Freund, und
■
abzuhandeln
Sie unterdessen wohl,
pfleg«
liebster
schreiben Sie mir, so bald
e«
Ich bin Zeitlebens
Ihnen möglich ist. Ihr
ergebenster Freund
Lessing. N. S. Mein Compliment an die Hrn. Nau
mann, Müchler und die würdigen Freun de aus Ihrer Nation.
Versichern Sie
den erstern, daß ich ehestens an ihn schrei
ben würde.
13Moses Mendelssohn an Lessing. Berlin, den s. August 1756.
Theuerster Freund! (Sic müssen sich unmöglich da« Vergnügen,
das uns Ihre Briefe verursachen, lebhaft ge«
mit Moses Mendelssohn. {FTnug
'M
'
■■•HMHfr.fr*
59 "
»
vorstellen können.
Sie würden gewiß
Stunde
den Endzweck Ihrer
die Sättigung
der Neubegierde/ aus
sonst manche
Reife,
den Augen
setzen,
um
desto öfter an Ih
re Freunde zu gedenken:
an
Ihre Freun
de, werthester Lessing, die es gewiß in dem
ganzen Umfange sind, den Sie diesem Worte zu geben pflegen.
Ich will dem allgemeinen
Wahn der Menschen gern allen Kummer ver
zeihen, daß er mir den besten Freund, den ge treuesten Rathgeber von meiner Seite getrennt
hat, wenn dieser beste Freund nur
sortfahren
will, mir die Versicherung zu geben, daß er mich noch liebt, daß er mich noch so zärtlich
liebt, als damals,
da
mir
eine jede Unter,
redung mit ihm eine neue Aufmunterung war,
beydes meinen bessern.
Verstand und mein Herz
zu
Noch eine einzige Versicherung wün-
fche ich mir von Ihnen,
und wenn ich diese
erlange, so will ich mich gern in die Noth wendigkeit zu schicken wissen.
Wenn Sie Ih,
re Reise vollendet und einmal genug die Welt angegafft haben, wenn Sie sich
dereinst ent
schließen, alle Ihre neugierigen Blicke auf Ihr
G. E. Lessings Briefwechsel
6o
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,
,-,1
eignes Herz, und auf da« Herz Ihrer Freun de, einzuschränken: wollen Sie alkdann diese
ruhigern Tage bey uns zubrtngen? Wenn es
Ihnen doch möglich wäre, hierauf mit Gewiß, heit Ja zu antworten!
Sie wollen, ich soll Ihnen alles schreiben, was die Neugier eines Freundes
zu wisse»»
verlangen kann; und ich werde Ihnen melden,
wie ich meine Zeit zubringe, weil diese« da« vornehmste ist, das ich von Ihnen zu wissen
verlange. —
Ich bin der grübelnden Meta
physik auf einige Zeit ungetreu geworden. Ich
besuche Hrn. Nicolai sehr oft in feinem Gar ten. (Ich liebe ihn wirklich, theuerster Freund;
und ich glaube, daß unsre Freundschaft noch dabey gewinne»» muß, weil ich in ihm Ihren
wahre»» Freund liebe.)
Wir lesen Gedichte,
Herr Nicolai liest mir seine eigne»» Ausarbei
tungen vor, ich sitze auf meinem kritischen Rich
terstuhl, bewundre, lache, billige, tadle, bi« der Abend herein bricht.
Dann denken wir noch
einmal an Sie, und gehen, mit unsrer heuti gen Verrichtung zufrieden, von einander. Ich
-«komme einen ziemlichen Ansatz zu einem Bel-
toit Moses Mendelssohn. -jOt* •*'*'*
t esprit.
.............
61 t
Wer weiß, ob ich nicht gar einst Ver
se wache i Madame Metaphysik mag ee mir verzeihen.
Sie
behauptet, die Freundschaft
gründe sich auf eine Gleichheit der Neigun
gen, und ich finde, daß sich, umgekehrt, die Gleichheit der Neigung auch auf die Freund schaft gründen könne.
Ihre und Nicolai'«
Freundschaft hat es dahin gebracht, daß ich
dieser ehrwürdigen Matrone einen Theil mei ner Liebe entzogen, und ihn den schönen Wis
senschaften geschenkt habe.
Unser Freund hak
mich sogar zum Mitarbeiter an seiner Biblio thek gewählt; aber ich fürchte, er wird um glücklich gewählt haben. Der zweyte Theil de« Messias hat mir
an vielen Stellen überaus wohl gefallen, imb ich schreibe ee meiner Religion zu, daß er mir nicht allenthalben gleich gefallen hat. Der
Kte und Sie^wer,
174 G. E. Lessings Briefwechsel t
>
- - j.
b) Zu dieser Verdunkelung trägt die Nach, uhmung selbst, wenn sie vollkommen ist, micht wenig bey, weil sie die Quantität der (liinlu chcn Lust vermehrt. Moses. Streitig, c. Das Vergnügen aus der Nachahmung ift kein einfaches, sondern rin rusammengesetzkes Dergnäge». Denn nicht nur die Geschicklichkeit des Künstlers, sondern auch die Vortreffuchkrit -er Nachahmung selbst kann uns anschauend ver, tznüge». Sonst würden uns öfters groteske Ge, statten besser gefallen, als die Nachahmung der Natur, wenn sich in jener der Witz des Künstler mehr gejeigt bat. Es braucht nichts mehr alRestexion,-um diese Aehnlichkeit in bemerken; denn sie fällt Kennern beym ersten Anblick in die Augen. §. 2. Daher solche unangenehme Leiden, schafren, deren Ausübung selbst für keine Nea, lirät gehalten wird, gänzlich von der Schau, de» aber finde», daß meine Sinnlichkeit und Jbrr philosophische Strengigkeit ungemein wohl mit einander übereinstimme». Nicolai. Herr Nicolai muß nicht alle Briefe gelesen ha, ben, sonst würde er mir nicht iuschreiben, waSie gesagt Haden.
mit MoseS Mendelssohn.
175
bühne wegbleiben, oder als häßlich abgebildet werden müssen.
Als z. E. IT it> :c. und alle
Affecten, die in einer Unlust über eines Andern Vollkommenheiten bestehen.
§. 3. Die anchauende
Betrachtung
un»
fers Unglücks gebieret Unlust. a) Ist das Uebel gegenwärtig, so wird
die Empfindung desselben, nachdem es größer oder kleiner ist, Unlust, Mißvergnügen, Traue rigkeit, Betrübniß u. f w. genannt.
b) Zst es bevorstehend und mit Wahr
scheinlichkeit
zu
vermuthen,
so
erregt t«
Furcht.
c) Zst es groß und unvermeidlich, so ent,
'steht Verzweiflung.
d) Kömmt es unvermuthet und plötzlich, so entsteht Schrecken,
und wen» da« Uebel
groß ist, Entsetzen.
§. 4. Die anschauende Betrachtung von ei,
nes Andern Unglück gebieret eine Unlust, die wir Mitieiden betiteln. Streitig. a)Da nun auch das Unglück, das einer
Andern trifft so wohl der Zeit als der ßnonti, tat nach verschiede» seyn kann; so stehet mar
176 G. E. Peffkkvgs Bttefmechsel • "■■■ '■■
***flS»«*».................... ■.»
leicht, daß ünS Worte fehlen, alle Modifieatiü«en des Mitleides mit besondern Namen zu be legen. Es giebt eine mitterhrgeFurcht/eine mit leidige Verzweiflung, ein mitleidiges Schrecken, ja sogar einen mitleidigen Zorn u. s w (wenn man mir dieses Beywort erlauben will); so rote es bey der Vorstellung unsrer eignen UuvollkorA, menheit, Traurigkeit, Furcht, Schrecken u- s w. giebt. Das Mitleiden begreift als das nomei gerieds alle Modifikationen der Unlust in sich, die wir über eines Andern Unlust empfinden. Man hat sich aber mit diesem allgemeinen Na men begnügt, und die besondre Abänderung die", seö AffectS entweder nicht bemerkt, oder may hat sich mit den Namen beholfen, die der Mo, dification der Unlust über unser eignes Unglück gegeben worden sind. b) Wahr ists, die bemitleidete Person wird von uns geliebt. Wir nehmen also Theil an ihrem Schicksale, und empfinden bey jedem Vorfälle etwas ähnliches von demjenigen, was sie selbst empfindet. Es. wäre aber dennoch zu wünschen, daß man Erscheinungen in unsrer Seele, die von verschiedenen Ursachen herrsch, ren, verschiedentlich charakterisier hätte. Die,
ses
«it Moses Mendelssohn.
177
see unphilosophische Willkührliche in den Spra
chen
macht den Weltweisen am
meisten zu
schaffen. Zch denke itzt schon eine halbe Stun
de, nicht ohne Verdruß, auf ein allgemeines
Wort für die Unlust, die wir über unser eignes Unglück empfinden, um es dem Mitlciden ent gegen zu setzen; sed fudo multuin fruftraque
laboro.
c) Werden Sie nicht bald um Ihren Aristvteleverlegeu seyn? Wie »»philosophisch setzt er, rote Sie un< in seinem Namen berichten, das Mit leid«» der Furcht «ntgrgen!
Das Wort gar nicht, warum er Mltleidrn und Furcht einander entgegen gesetzt habe.
Empfinden wir keine Unlust, wenn unserm
Freunde ein Uebel bevorsteht? Ist dies« Unlust As. Schris. xxv 111 xtz. M
178 G. Er Lessings Briefwechsel. ♦ Nicht Furcht? Wir fürchten allo nicht bloß für un-, sondern auch für diejenige», die unser Mitt leiden verdienen. Ja, wir zürne», erschrecke», verrweiseln, bessert für eine Person, wenn under Dichter für sie einzunehme» weiß. — — Pectus inanitef ängit, Irritflt, mulcet, falsis terjoribus implet Ut inagus.
d) Diese falsi terrores, die der Dichter (n uns erregt, entstehen ketnesweges aus der Be ziehung auf uns selbst, weil wir befürchten, einst in gleiche Umstände zu gerathen, wie Sie in Ihren Briefen deutlich genug beweisen, son dern es sind Schrecken, die uns überfallen, wenn die bemitleidete Person plötzlich in Ge fahr kömmt. Es sind besondere Modificationett des Mikleidens, denen man keinen beson dern Namen gegeben. c) Sie sehen also, daß die unbestimmten Ausdrücke des Aristoteles an diesem Mißverständnisse Schuld gewesen. Kein Wunder, daß Dacier, Doileait und Lurkius bald cainte, bald termtr gesetzt Haden; denn bende Ast-'tm können so wohl un ser rlgues Unglück als das Unglück eine« Andern
mit Moses Mendelssohn» 179 zum Grunde haben, und also nicht weniger Mo, disicativnen de- Mitleidcns, als der Unlust übep unser eigne- Unglück seyn. §. 5. Man läßt also gelten, Aristoteles »habe sagen wollen: das Mitleid»» reiniget die Leidenschaften durch die Furcht; und *i|t auch darin einig, daß Aristoteles Unrecht Habe. Sie behaupten, ohne die Erlaubniß det Stagiriten:
§. 6. Das Mitleiden reinige die Leidenr schäften ohne Hülfe der Furcht, bloß dadurch, haß es den Menschen aeselliger macht, indem »r das Unglück seines Nebenmenschen wieseirj eignes fühlt. Allein eine Leidenschaft reinigen^ focifk, die heftige Begierde, die damit verknüpft ist, von Scheingütern abienken, und ihr Vas Ueberflüssige benehmen, das mir dem Gesetz» der Natur streitet. Dieses thut das Miclei, den nicht, sondern wir erlangen durch die öftert Uebung eine Fertigkeit, das Interesse un sers Nebenmeufchen zu beherzigen, und mit seinem Unglücke Mirleiden zu haben. DieM r
ißo G. E. Lessings Briefwechsel
♦ —. ........ feit
Vorzug
_o> muß auch
Herr Nicolai dem
Mikletden eing«stehen'). Allein er ist von der Reinigung der Leidenchaften sehr weit ent fernt, und zwar um so viel mehr, da das Mitt
beiden selbst wiederum von der Vernunft re# giert werden muß.
§. 7. Vermöge (§. i.) desjenigen Grund
satzes, den wir Ihnen zu danken haben, wer den wir die Absicht des Trauerspiels etwas ge nauer bestimmen können. Ich nenne das Ver mögen der Seele, vermittelst der ansthanenden
Erkenntniß Laster zu verabscheuen, die Tugend
jzu lieben,
und über die
physischen
Unvoll
kommenheiten, die mit der Tugend in einens Subject verknüpft sind, Unlust zu empfinden, •) Ja, dies gestehe ich dem Mitleibe» nicht al lein zu, sonder» ich mache es auch zu der ein# tigeii Wirkung, die die Leidenschaften im Trau erspiel haben könne», und dir das Trauerspiel aus uns haben kann, S. 19. Philosophischer 1« reden, e- kau» unsere sittliche Empfindlich keit vermehre»; aber unser Freund hat in sei# »en Gedanken von der auschauenden Erkennt« «iß §. 10. a) gewiesen, baß die- zur Reini gung nicht hinlänglich ist. Nicalai.
mit Mofts Mendelsfthtt.
den moralischen Geschmack.
igi
Die Absicht
des Trauerspiels wird also seyn: diesen mo ralischen Geschmack durch eine schöne lebendige Nachahmung zu üben. Durch das Beywort schön versiehe ich eine einzige, vollständige und große Handlung; durch le
bendig aber, daß sie dramatisch eingerichtet «nd vorgestellt zu werden geschickt seyn soll. Wie leicht sich diese Defiiütion auf den Grund/
sah unsers lieben Nicolai reduciren läßt, wer
de ich nicht nöthig haben zu erklären.
Ja,
nichts als Affecten sind vermögend, diesen mo
ralischen Geschmack zu üben.
Das Trauer
spiel muß also Affecten erregen,
aber nicht
reinigen. §. 8. Aus den obigen Definitionen erheke
let, daß sowohl Bewunderung als Mitleideu
den moralischen Geschmack beschäftigen können, und ich wünsche
mit
Hrn.
Nicolai,
daß
man künftig stakt Schrecken und Mitleiden, Bewunderung und Mitleiden setzen möchte, weil das Schrecken bloß eine besondre Modification des Mttleidens ist. M g
itzr G. E. Lessings Briefwechsel §. 9. Das Mitleiden rührt unser Herz, die Be wunderung erhebt unsre Seele. Jenes lehrt uns fühlen, diese erhaben denken. Jenes läßt uns unsern unglücklichen Freund bedauern, diese mit der Gefahr unsers Lebens ihm zu Hülfe eilen. Aber alle diese Wirkungen sind bloß die zweyte. Absicht des Trauerspiels.
§. io. Zch würde also einem Dichter m rathen, er solle sowohl Mitleiden als Bewun derung in seinem Trauerspiele zu erregen su chen. Fragt er aber, welcher von diesen bey den Affeeten darin herrschen soll? so würde tck für mein Theil dem Mitleiden freylich kemen Vorzug einraumen. Die Bewunderung» ohne Mltleiden rft jederzeit kalt, wie Nicolai solches von dem Canut angemerkt hat. §. 11. Streichen Sie in der oben ange führten Definition das Wörrlein lebendig aus; so haben Sie die Absicht des Heloengedichres. Ich bedarf es einem Lessing nicht zu sagen, daß ein Heldengedicht in ein Trauer spiel verwandeln wert mehr ist, als es in Dia logen ab:heilen,und ich weiß nickt, wie Siemiö dieses in emcnk Zhrer Briefe haben Schuld
mit Moses Mendelssohn.
geben können.
183
Das Trauerspiel muß fähig
seyn, durch die Vorstellung die Nachahmung schöner, und die Effecten lebhafter zu machen.
§. i2. Nehmen Sie, statt des moralischen Geschmacks, nach unsrer Erklärung, die Fä higkeit, Anderer Handlung« n-zn beurthcilen, insofern sie Hob oder Tadel verdie
nen ;
so haben wir die Absicht der Komödie.
Der Tadel wird öfters, wenn wir für die Per,
fön nicht sonderlich eingenommen sind, vom Lachen begleitet; daher sucht man in der Ko
mödie sonderlich das Lachen zu befördern, und bedient sich sogar öfters des Burlesken, (das
keine sittliche Absurdität zum Grunde hat, um uns in die Disposition zum Lachen zu setzen.^ 27.
Lessing an Moseö Mendelssohn. Leipzig, d. 29. Met i/)7.
Liebster Freund! §bundern Sie sich nur wcht, daß ich für jetzt, so saums-liZ im Schreibe» ein.. Ich befinde,M 4
ig4 G. E» Lessings Briefwechsel g mich auf einmal
in hundert Verwirrungen
und Verlegenheiten,
Voß schon
von den Zhnen Herr
vielleicht gesagt hat,
wenigsten»
Was mich am meisten da, bey tröstet, ist dieses, daß ohne Zweifel meine
noch sagen kann.
jetzigen Verdrießlichkeiten die Gelegenheit seyn werden, mich wieder in die Arme meiner Freun,
de in Berlin zu werfen; und dieses vielleicht
eher als Sie es vermuthen. Den ersten Theil der Bibliothek werden
Sie von Herrn Voß bekommen haben.
Sie
dürfen sich, mit unserm lieben Nicolai, nicht wundern, a statt, des Portrait« des Hrn. von
Kleist, das Portrait des Herrn von Hage,
dorn vorzufinden.
Ersterer wollte durchaus
seine Einwilligung nicht ertheilen, und so muß
te ich und der Verleger aus der Noth, eine
Tugen.c
machen; obgleich Herr von Kleist
schon völlig gestochen ist, wovon Sie ehestens
einen Abdruck bekommen sollen. Für jetzt schicke ich Zhnen beyden den Conrract des Hrn. Dyk mit, wovon Hr. t-Ti# colai eine Abschrift unterschreiben, und ehe« Pens wieder zurück senden wird.
mit MoseS Mendelssohtt.
»85
Leben Sie wohl, mein liebster MoseS. Ein Mehreres mit Nächstem, so bald ich Zeit ha ben werde, wieder an unsre lieben Streitigkeit ten zu denken. Für wie viel Unterrichtende« werde ich Ihnen zu danken haben! Ich bin ganz der Ihrige
Lessing.
MoseS Mendelssohn an Lessing. Berlin, d. z. 2un. i7$7* Liebster Freund!
weil Sie vielleicht nicht viel zum Lesen Luft Haden möchten. Da ich nun überdem Sie bald mündlich zu sprechen hoffe, so will ich mich itzt schonen, um Ihnen alsdann etwas Neues sa gen zu können. Herrn Voß habe ich Ihren.Dries auf dem Postwagen.überreicht, als -er eben nach Potsdam reiste, wo sein Bruder der KriegsM si
'1R6 T. F. Lessings Briefwechsel
Er bat mich,
Zhnen zu
daß er itzt, wie ich sähe,
ein wenig
rach gestorben ist. Melden,
zerstreut wäre, baß er aber noch vielleicht von
Potsdam aus antworten würde. Herr tlieolai
muß,
wenn es mit Recht zuqeht,
Antworten; wenigstens
auch heute
hat er es versprochen.
Er ist mit der Bibliothek sehr zufrieden, und hat auch Ursache es zu seyn: denn Druck und Papier sind wirklich, so viel ich davon verstehe,
Wae schadecs? wenn auch Hagedorns
gu..
Kupfer etwas zu kurz ist, so ist man doch we nigstens versichert, daß es der gute Mann nicht Übel nehmen kann.
Schicken Sie nilr, liebt, ^ttd:
wenn es Ihnen be
die beyden kleinen Aufsätze, unter dem Riinste und Nachahmung, mit er>
(ter Post wieder.
Zch will aus der kleinen
ttbr einen Bratenwender machen, und leben feie wohl.
2hr unveränderlicher Freund
MoseS.
mit MoseS Mendelssohn,
jgr
f----- --------- ------ |
29« Moses Mendelssohn an Lessing.
’
Berlin, d. i. Jul. 1715*1
Lieber Freund! SSÖtr haben Ihr Schreiben nebst einigen qe,
druckten Sachen erhalten. Die Komödie Habs ich noch nickt lesen können. ' Das Divertlsse/ ment fiel uns sogleich in die Augen; und wenn
die ganze Komödie eben so gut ist, so kann! man mit' dem Verfasser recht ssehr zufrieden'
seyn
Was ist das aber für rin elender Mär.'
tyrer des guten Geschmacks, wie er sich selber
nennt, der das lustige Gebet und das herzbret
chcudeSchäfergedicht eingesckickt hat? Zch weiß nicht, was ihm Herr Nicolai antworten wird. Wenn ich ihm zu antworte» hätte,
so würde
ich ihm die Wahrheit nicht verhehlen,
doch ohne seiner zu spotten.
«bet
Seine Gedichte
sind unter aller Kritik, und sein eigner Cbai
rakrer, wie ee sckeint,
unter aller Satire!
Solche Leute verdienen am meisten Verschob
Uung.
'
x ■
- >r
,88 G. E. Lessings Briefwechsel »
WMeine Abhandlung:
Verbindung
«nd
der
Von der «Quelle schönen Rünste,
muß schon feit vorigem Sonnabend in Leipzig
sdyn.
So wenig Sie iht zum Nachdenkm
aufgelegt seyn mögen; so wünschte ich dennoch diese wenigen Blätter von Ihnen beurtheilt zu sehen.
Ich habe sie aufsehen müssen, ohne
die davon entworfenen Gedanken, die Sie viel leicht schon verloren, bey der Hand gehabt zu Vielleicht hätte aus einigen nicht un,
haben. richtigen
Gedanken
etwas
werden
wenn ich mehr Zeit gehabt hätte. «ssai
hat mir jute
können,
Herr XTv
Dienste dabey gethan..
Sie werden eine ganze Seite finden, die er von dem ©einigen hinzugefügt hat.
Sehen
Sie, wenn es Ihnen gefällt, diese Gedanken
nur mit flüchtigen Augen durch.
Wir wissen
«llzuwohl, wie viel Untrüglichkeit Ihrem flüch-
tigen Auge zuzutrauen ist. Wie kömmt mein Name auf die Fabeln^
»je Herr Gleim an die Verfasser der Biblio thek eingesandt hat? Sollte mich dieser Mann
kür einen ordentlichen Mitarbeiter an der Bi bliothek halte«? Sollte dieses seyn, so wünscht-
mit Moseö Mendelssohn
»89
ich mir eine Gelegenheit, ihn von solchen Ger Lanken abzubringen.
Es ist unbillig,
daß ich
mich in die Ehre mit Hrn. ITicolai theilen
sollte, wovon mir nur ein sehr unansehnlicher Theil gebührt. Es ist wahr, er ist so gefällig,
nichts vorzunehmen, ohne mich dabey zu Rar
the zu ziehen; aber Sie wissen, wie entbehr, lich
die
Rolle
eines
Vertrauten in
einem
Schauspiele ist.
Es ist mir lieb, daß Sie die Fabeln selbst recensiren wollen. .Herr Mkolsi wird Ihnen
die Recension schicken,
die ich zum zweyten
Stück davon aufgesetzt hatte.
Sie werden
daraus ersehen, was ich von diesen Fabeln uc theile, und wie nöthig es sey, daß Sie wv--°
nigstene diese einzige Recension zum zweyten
Stück
fertig machen.
Ich
beschwöre Sie
aber,' es weder aus Gefälligkeit
noch
aus
Nachlässigkeit bey meinen unreifen Gedanken bewenden zu lassen.
Wenn Ihnen die Herren Rabulisten den Kopf recht warm
gemacht *);
so lesen Sie'
') M- s. Lessing- Leben. D. i. S. nr.
|9° G. E. Lessings Briefwechsel hoch beykommende Drochüre, die mir au« Ham« harz zugeschickt worben ist.
Sie schreibt sich
i}on einem gewissen D. Pauli *) her, bey wel
chem, wie ich nachher vernommen, Herr tTau« mann eine Zeitlang gewohnt hat.
E« ist ein
Grundriß zu einer systematischen Moral, roo# hey der Verfasser sehr viel gedacht haben muß.
Ach möchte sehr gern Zhr Urtheil darüber
vernehmen. Vermuthlich wird mir Herr iTau« mann das Glück verschafft haben, mit diesem
systematischen Moralisten bekannt zu werden..
Ach habe aber durch eine Antwort alle« wie« der verdorben, und ich vermuthe, daß unsre
Correspondenz
bereits
wieder zu Ende
seyn
wird. Herr Voß hat mir von Fabeln gesagt,
deren Sie eine ganze Menge fertig habe» sol,
len. Wir können wohl nicht hoffen, einige da, von zu Gesichte zu bekommen, bevor sie im Drucke erscheinen? Zch habe es sehr ost ersah,, teil, daß in dergleichen Dingen Ähre Freunde nicht den geringsten Vorzug haben.
•) M. s. Nicvlai's Anmerk. S. >06,
Vielleicht
Theil xxvu.
mit Moses Mendelssohn.
halben Sie hierin nicht ganz Unrecht.
19^
Sie lassen
ZhrenWih mit der ganzen Welt buhlen, indeß Ihr keusches Herz nur wahren Freunden auf/
behalten ist.
Eine Distinction, woraus man
ejrtn so leicht beweisen könnte daßalle Frauenzim
mer getreu, und alle Liebhaber beständig wären. Machen Sie wenigstens, daß Sie noch
diesen Sommer Herkommen. überaus schönen Garren, können.
Ach habe einen
worin Sie logiren
Er ist von Hrn. Nicolai's Gckrten
nicht wett abgelegen, iuib Sie können alle Be,
quemllchkeiten darin haben, die Sie nur wün-
scheu.
Zch komme alle Abende um 6 Uhr hin,
M.us, und werde bloß von einigen meiner Freun/ de begleitet, die Sie gewiß nicht stören wer/
den.
Wie angenehm könnten wir die Abende
zubringen, wenn Sie sich hierzu verstehen woll
ten ;
das heißt, wenn ich .Ihren Eigensinn
nicht kennte, der Ihre Freundschaft------- der
Zhren Charakter —
Doch schenken Sie mir
heute den Schluß dieser Periode.
Zch weide
einen ganzen Brief zu diesem Gedanken be,
stimmen müssen, weil er einen Vorwurf ent hält, de« ich Zhnen noch machen muß, bevor
igt G. E. Lessings Briefwechsel *—■
|
wir untf Wiedersehen. Ich bin bis dahin, ohne
die geringste Zurückhaltung, Zhr
wahrer und offenherziger Freund Moses.
30.
Lessing an Moses Mendelssohn. Leipzig, den 6. Jul. i?$7*
Lieber Freund
rÖa
bereits der erste Dogen von dem zwey,
ten Stücke der Bibliothek abaedruckr ist, und ich die letzte Revision vom Anfänge an bekomm
men habe, so können Sie leicht denken, daß
ich
Ihre Abhandlung,-von den «Quellen und Verbindung der schönen Wissenschaften und Rünste, nicht bloß mit einem flüchtigen
Auge, sondern
aufmerksam und mit großem
Vergnügen müsse gelesen haben.
Mehr kann
tch jetzt nicht davon sagen; ich habe seit acht
Tagen ein intermittireiwes Fieber, welches mit solchen
mit Moses Mendelssohn»
.solch,n
gewaltigen
Kopfschmerzen
verbunden
jft, daß ich Gott danke, wenn ich nur manch mal dabey denken kann, und das Urtheilen
gar gern auf eine andre Zeit ausgesetzt seyn
lasse.
Schreiben Sie, mein lieber Moser, so
viel als Ihre gesunde Hand nur immer ver mag, und glauben Sie steif und fest, daß Sir
nichte Mittelmäßiges schreiben können — — denn ich habe er gesagt!
Den D. Pauli habe ich die Ehre peksönlich zu kennen.
Ganz Hamburg hielt ihn, als
ich da war, für einen würdigen Candidaten
des Tollhauses; und man sah mich mit sehr zweydeUtigen Augen an, als ich mich "dessen ,
ungeachtet mit ihm in ein sehr weitläuftiges, ernsthaftes Gespräch einließ.
Ich hätte den
Brief wohl lesen mögen, den Sie ihm geschrie
ben haben. Ein Mann, der aus guten Abstch,. ten seinen Verstand nach solchen Grundsätzen zerrüttet, ist mir ein weit traurigerer Anblick
al« ein Selbstmörder, lliiser tlcumcnn schlägt
diesen Weg nicht schlecht ein ;
und ich hätte -
uns beyden wohl die melancholische "Lust gönnen, mögen, ihn mnd den D. Pauli mit einander
Les. Schtls. XXVIU. rb.
N
ip4 G. E. Lessings Briefwechsel tu, i streiten zu hören.
Sie werden sich erinnern,
daß jener sich die menschliche Seele als eine Baßgeige vorstellt; wer also, als er, hat es
leichter begreifen können, daß der Tugendtrieb dem Tone sol, und das Nervengebäude dem
Tone ut gleich sey? Ihre Recension von Gleims Fabeln Ist
noch nicht bey mir eingelaufen.
Ihr Name
aber ist auf das Exemplar von dem zweyte» Buche seiner Fabeln
daher
gekommen, weil
Herr Gleim geglaubt hat, daß niemand an
ders, als Sie, die Recension vom Lowth könne gemacht haben; er hält Sie also für ei,
nm Mitarbeiter, ohne sich darum zu bekümmern,
ob Sie ein ordentlicher oder ein außerordentitcher
sind. Er ist übrigens einerZhrergrößtenVerehrer. Von meinen Fabeln, deren Herr Voß ge
gen Sie gedacht hat, habe ich Ihnen bloß des wegen nicht geschrieben, weil ich es nicht der
Mühe werth geachtet habe.
Damit Sie mich
aber doch nicht länger einer geheimnißvollen
Zurückhaltung beschuldigen mögen, so schicke ich Ihnen hier einige,
die
ich
so aus
der
Menge heraus genommen habe, ohne daß ich
mit MofeS Mendelssohn.
19;
sagen kann, die besten oder die schlechtsten getroffen zu haben. Wenn ich in Berlin bin, sollen Sie sehen, daß ich eine große Menge schlechter und bes serer gemacht habe. Wenn ich in Berlin bi»? — ")
3»Moses Mendelssohn an Lessing. Berlin, den 4. Ang. 17'57.
Mein liebster Freund! ^ch werde mein langes Stillschweigm nicht entschuldigen. Zch kann an die Ursachen da von nicht ohne Verdruß gedenken, und jetzt ist die Stunde, da ich mich aller verdrießli che» Vorstellungen entschlagen will. Sie können dennoch unmöglich nachtheilige Folgen daraus jiehen; dem; Sie wissen, daß es meine N 1
*) Hier ist ein gastier halber Dogen abgerissen, «ad verloren gegangen.
tA§ G. E» Lessings Briefwechsel
.liebste Beschäftigung ist, mich mit Ihnen zu unterhalten. Ich hatte mein voriges Schreiben räthseh hast geschlossen, um mich in diesem deutlicher zu erklären. Ich hatte während Ihrer Anwe,
senheic allhier,
in Ihrem
freundschaftlichen
Umgänge eine Art von Zurückhaltung bemerkt, die mich eifersüchtig machte.
Sie haben öf
ters eigennützigen Bekannten mehr Dlen,rstr-
tigkeit zugetrauet, den.
als Ihren wahren Frenm
Wie hätten Sie sich sonst entschließen
können, lieber M. N. verbunden zu sey», als
mir Gelegenheit zu geben, Ih^en,zu dienen?
Ich schweige von dem Schaden, den Sie sich
Sie hätten Ihre
-selbst verursacht haben.
ganze Bibliothek 1>ey mir wieder finden teil;
iien, statt daß ich jetzt nicht mehr als einigt
spanische und holländische Bücher in Händen habe. — Doch genug hiervon?
Ich erwarkt
auch Hierauf keine Antwort von Ihnen, wohl aber
das Versprechen,
mich künftig Ihrer
ganzen Freundschaft würdig zu achten.
Hier sind Ihre Fabeln.
Äste 'meinen
Beyfall,
Sie haben nicht
Jedoch sind folgende
Mit Moses Mendelssohn. 197
Stücke vollkommen Ihrer
würdig: Aolopus
und der Esel, der Rangstreit der Thiere, das
Geschenk der Feyen, der Affe und der Fuchs, und
der Geist des Salomo.
vielleicht auch
In der Fabel, Zevs und das Pferd, ist die Erdichtung schön, aber die Moral gemein.
Auch Ihre übcrschickte Komödie habe ich gelesen.
Es bleibt dabey, das Divertissement
ist das Beste daraus.
Wie ist es aber? Haben Sie an allen mei nen
überschickten
Sachen gar nichts auszu
daß es sehr ärger
setzen? Wissen Sie auch, lich ist,
wenn man in
allen Stücken ohne
Widerspruch Recht bekömmt?
Ich soll im
mer fortfahren, so lange ich eine gesunde Hand habe.
War dieses alles, ^as Sie zu
erinnern harten?
Ich will Ihnen beweisen,
daß meine gesunde Hand mehr schreiben kann, als Sie jemals billigen werden.
Ich habe
da« Naive dem Schwulste entgegen gesetzt,
und gesagt, es bestände in Zeichen, die klei ner sind, als
hie
bezeichnete Sache.
Viel
leicht ist diese Erklärung nicht ganz unrichtig, aber definito latior scheint sie mir wirklich.'
N 3
198 G. E» Lessings Briefwechsel »—............ r-— ^0 Denn kommt nicht dieser Charakter auch dem Erhabnen zu?
Nicht zwar dem Erhabnen
im Ausdrucke, sondern dem Erhabnen in dm
Gedanken. Erklärung
Wenigstens ist mir vom
Erhabnen
keine andre
bekannt.
Die
Vanmgartensche thut mir kein Genüge. Longin sagt: Lacilius habe einen ganzen Träk-
tat darüber geschrieben,
und Große bestehe.
worin das Erhabne
Er aber wolle die Mit
tel zeigen, durch welche man groß und erha
ben werden könne.
Er erklärt uns also nicht,
was er unter erhaben verstehe, und Loilcan, der diesen Mangel ersetzen will, sagt auf gut Französisch: es wäre cet extraordinaire et ce merveilleux, qui trappe dans le difcours,
et qui fait qu’un ouvrage enleve, ravit,
transporte.
Sind wir nun nicht eben so klug
als vorhin? Cuncta fupercilio moventis, ist ein Ausdruck, der an Erhabenheit unstreitig
das fiat lux bey weitem übertrifft.
Ein Phi-
Vias würde aus diesen drey Worten vielleicht
eben so gut, als au« dem Homer, seine große Idee zum Jupiter haben hernehmen können. Allein nach meiner Definition würde dieser
Mit MoseS Mendelssohn.
Ausdruck naiv seyn;
kann
199
dieses zugegeben
werde»? Es fehlt mir zwar an Ausflüchten nicht, meine Erklärung zu vertheidigen; allein
ich
möchte
vorerst Ihre
vernehmen. Ich habe noch den
ich
möchte.
von Ihnen
Meinung darüber
einen Gedanken gehabt,,
gern beurtheilt
wissen
Die natürliche Verbindung
unsrer
Begriffe,
vermöge deren
legem imaginationis
unsre
von
Seele
per
einer Vorstellung
auf die andre übergehet, hat den Virtuosen Ssters gedient, ihre Gegenstände anschauender
vorzustellen.
Sie fügen zu einem jeden Haupt#
begriffe jederzeit die ideas focias hinzu,
die»
mit ihm in der Natur in Ansehung des Ort
oder des Raums verbunden sind, oder die wir isterü mit ihm zugleich gehabt haben.
drücke mich ziemlich dunkel aus;
Ich
ich glaube
aber, Sie werden mich besser verstehen, als ich mich ausdrücke.
Nun sind unsre Begriffe
auch öfters als Wirkung und Ursache mir ein#
ander verknüpft,
und die Seele schließt von
der Ursache auf die Wirkung, oder umgekehrt.
Die Virtuosen haben sich dieses Kunstgriffes
N 4
ico G. E. keMg» Briesivechsek i
““l
..■'. ■"..
bedient, den Begriff der Ursache
■
!
durch die
Vorstellung ihrer Wirkung zu bereichern unk
an schauender zu machen.
So drücken sie die
Leidenschaften der Seele durch ihre Wirkun
gen und Aeußerungen in Tönen, Bewegung und Geberden aus, und vervielfältigen dadurch
gewissermaßen die vorzustellenden Begriffe, in dem sie unsre Seele von feder Wirkung auf das Daseyn der Ursache schließen lassen. ses vorausgesetzt,
Die
habe ich mich nach Excm-
peln umgesehen, da man In den schönen Kün sten auch umgekehrt
die Wirkung durch die
Ursache vorstellen oder beleben würde.
Allein
ich habe nicht ohne Verwunderung wahrge,
nommen,. daß diele Beyspiele sehr selten sind.. Ein einziges erinnere ich mich in Dübos ge
legen zu haben.
Dieser erzählt, Lullt soll in.
einer gewissen Oper den Schlaf durch gewisse
einförmige Töne sehr natürlich gusgedrückr ha, den,
und bemerkt
dabey,
daß der Schlaf
wirklich nicht so wohl durch eine völlige Stil le, als durch Töne, die weder merklich steigen
noch
fallen,
erregt werde.
Die Erfahrung
scheint auf seiner Seite zu stehen- ob ich gleich
ioi
mit MyseS MeyhelSsohn.
die physische Ursache davon nych nicht deutlich
Dem sey wie ihm wolle,
einsehe.
dieses
sy. wäre
ein Beyspiel der Art, die ich suche.
Indessen ist unser Herr Nicolai mit diesen Anmerkungen
gar
Seine
nicht zufrieden.
Gründe mag er Ihnen selber schreiben; und wenn wieder ein Sonntag
kommt, da Sie
Nicht in die Kirche gehen werden, so wenden
Sie die Erbauungsstunden an, in dieser Ma terie einen
Ausspruch
jetzt aufhören.
zu
thun.
Ach muß
Es ist halb zwey in der Nacht,
und morgen früh um sechs Uhr muß ich Hrn.
iTicoUi
in seinem Garten besuchen,
wem,
ich zu rechter Zeit wieder zu Hause seyn will. Ist das nicht lächerlichich bringe eine Nacht
schlaflos zu, um Sie vielleicht durch
einen
langweiligen Brief desto sanfter einzuschläfern? Schlafen Sie wohl!
Moses, N- S.
mal
Ach kann Ahnen Ähre Fabeln dies/ nicht mitschicken.
Mich darum,
Herr Voß quält
und Sie
müssen ihm doch
nothwendig darum geschrieben haben;
sonst
würde er es ja nicht wissen, daß ich sie habe.
N 5
rar G. E, LeffmgS Briefwechsel
Ich habe Im Spinoza eine Stelle ge, funden,
die Ihnen gewiß
Sie werden sich erinnern,
gefallen wird. wie Sie
einst
die Erklärung des Lächerlichen von dem, jenigen, was bey dem mechanischen Lachen vorgeht, haben abstrahiren wollen. Wir lachen, wenn uns ein anderer kitzelt, sag, ten Sie, weil wir nicht wissen, ob er nicht die Schranken
ten
des Angenehmen überschrei,
Ich
werde.
glaube, folgender Satz
kann hierin einiges Licht geben. parr. 3. Schol.
Prop. u.
sagt der angeführte Schrift,
stellet: Tirillatio et dolor ad hominein re*
fcruntur,
quatenus
reliquis ess assecla.
una ejus pars prae Hierauf gründet er
,part. 4. Prop. 43. folgenden Lehrsatz: Ti. tillatio cxcessum habere et mala esse po-
test, *dolor autem catenuspotess esse bonus3
quatenus titillatio ess mala. Dem.
Titillatio
ess laetitia, quae, quatc-
nus ad Corpus refertur, in hoc confissit,
quod quaedam ejus
pars
prae reliquis
afficitur; cujus asseäus potentia tanta esse potest, ut reliquas corporis actioncs fupe-
mit Moses Mendelssohn. »03
rct (per prop. b) eique pcrtinaciter adhaercat, atque adeo impcdiat, quo minus Cor pus aptum fit, ut plurimis aliis modis afficiatur, adeoque (per prop. 38.) mala esse poteft. Sed dolor diverfos habere potess gradus. Sit igitur talis ut titillationem cocrceat, nc fit nimia; eatenus erit bonus. Q. E. D. Der 38ste Lehrsatz, worauf sich dieser Be weis bezieht, wird solgendergestalt bewiesen: Quo Corpus aptius redditur, ut plurimis modis afficiatur, co mens aptior ad percipiendum redditur, adeoque id, quod Cor pus hac ratione disponit, ess nccessario bonum. — (per prop. 26.) c^c. Ueberhaupt finde ich in Spinozens Theo rie von den Affeeten so viel Gründliches, daß ich mich verwundere, wie die neuern - Weltweisen über diese Materie so haben hin, weg eilen können. Kaum haben Wolf, Reusch und B-umgarten mehr davon, als die bloße Worterklärung. Zch finde, daß Spinoza auch vom Selbstmorde mit mir einerley Gedanken hat. Er sagt: ornnis
204 G. E. Lessings. Briefiyechsel
vir tu s in eo consistit, ut homo fuum esse confcrvare conctur. (Zhnen werde icty wohl nicht zu sagen nithig haben, daß 5uum eile, suain pcrfectionem > suani rcaliatem confcrvare > einerley bedeuten.) Ha nun Spinoza behauptet, unsre Realität gehe nach dem Tode verloren; so sagt er auch ausdrücklich: sequitur COS, qui se interfi» ciunt, animo esse impotentes, eosque a causis externis fuae naturae repugnantibus prorfus vinci. Fast eben das, worüber Ich mich in meinen Briefen ziemlich ausgedehnt habe.
Lessing an Moseö Mendelssohn. Leiprig, den 9. Aug. 1757,
Mein lieber Moses! chen keine Zeile von Ihnen zu sehen bekomme? Warum wollen Sie mir denn auf meine»
20$,
Mit Moses Mendelssohn.
.♦■r- ■■ ■ i
'
-■
»
letzten Brief nicht antworten? Oder haben Sie
ihn nicht bekommen?
Ich habe Ihre Aufsätze
von der Kunst, von dem Naiven re. und einige von meinen Fabeln mit beygelegt.
Diese letz,
tern möchte ich bald wieder zurück haben, um
die Sammlung vollständig zu machen,
die ich
dem Drucke bestimmt habe, werm Sie anders-
stach der Probe zu urtheilen,
mir nicht davon
«brathen.
In Ihrer Abhandlung von den Quellen und Verbindungender schönen Künste re. haben
Sie beyläufig meiner gedacht; und ich muß Ih
nen für Ihre freundschaftliche Anmerkung Dank sagen.
Da ich Ihnen aber etwas näher ver
wandt bin, als das Publicum, so glaube ich
auch auf eine nähere Erklärung Recht zu haben.
Welches sind die Stellen, die Sie für indecicu mabel halten?
Ich frage nicht, um mich mit
Ihnen In einen Streit darüber einzulaffen; ich
frage bloß,
um künftig aufmerksamer seyn zu
können. Wa« macht denn Herr tlkofai ? Hat er einen Brief übel genommen, den ich ihm vor 8
Tagen über seine Recension des Messias ze-
ao6 G. E. Lessings Briefwechsel
schrieben? —
---------
Dey Gelegenheit des Messias
Haben Sie schon den Tod Adams gelc/
sen? Was sagen Sie davon? Von den Gleimschen Fabeln denken wir
ziemlich einerley.
Sie sagen: unter den eignen
Erfindungen des Verfassers, verdiene die n, 17 und r7ste des ersten Buchs allen andern w#
gezogen zu werden. Einmal, wo nicht mehrmak,
müssen Sie sich hier gewiß verschrieben haben; denn 27 Fabeln hat das erste Buch nicht. Sonst
sind mir die 3,10, 12; i E. Lessings Briefwechsel
Gemein« von dem Höheren unterscheiden, und
die von dem
tragischen Dichter nicht über
schritten werden müssen.
Ich kann mich jetzt
nicht deutlich über diesen Punkt erklären. Ich
werde aber die. Stellen in Ihrem
Trauer
spiele aufsuchen, die ich eigentlich meine, und
alsdann werde ich mich selbst besser verstehen, Und also besser erklären können.
Herr Nicolai will eine zweyte Abhand
lung von eben der Materie schreiben.
Viel
leicht ergreife ich die Gelegenheit, mein Urtheil
zu bestätigen, oder zu widerrufen, nachdem ich öder Sie Recht behalten werden. So viel aber, hoffe ich, muß das Publi, cum zum Voraus wissen, daß man einen Lest sing nicht so tadelt, als einen Schönaich. Was ich an Ihnen nicht billige, das würde
ich an einem kleinen Geiste bewundern. wenn mein Tadel gerecht ist,
Za,
so verdienen
Sie ihn nicht mehr, als Thomson, Zoung, Moore und andre englische Dichter,
auch^zum Theil berührt habe.
die ich
mit MöseS Mendelssohn,
"t
—f
t
Men Sie beyde zusammen wohl; schrei, ben Sie oft, und lieben l©te mich beständig. Gotth. Eph. Lessing.
Z8.
Lessing an Moses Mendelssohn. Leipzig, dm
Ott
i?S7.
Liebster Freund l ^)ch habe Herrn Voß ein« zweyte Anwei, stmg an Sie gegeben; doch werden Sie nicht gehalten seyn, sie anzunehmen, wenn es Ihre Umstände nicht erlauben sollten. Sie müssen, um mir eine Gefälligkeit zu erweisen, sich nicht üt Verlegenheit setzen. Das will ich durchaus nicht. 3d) erwarte also Ihre Antwort hier, ans, ob ich Ihnen eine Handschrift auf die halbe oder ganze Summe einrichten soll. Mein Pro, -eß geht so geschwind, als ein Prozeß in Sach, fen gehen kann; und da ich in der nächsten Wo, che wiedcr einen Termin habe, so muß ich schon so lange noch hier bleiben. Ich sehne mich
mit Moses Mendelssohn.
233
mehr, als Sie. glauben können, bald wieder in Berlin zu seyn; denn das Leben, das ich hier führen muß, ist allen meinen Absichten und Nest gütigen zuwider. Zch habe durch Herrn Voß den «Lodru» wieder zurück gesendet, und zugleich ein neue« Stück mitgeschickt, welches bey Herrn Dyk eingelausen war. Der Lodrus hat nichts weniger, als meinen Beyfall. Doch wünscht« ich, daß Herr ttkolei dem Verfasser nicht alle Wahrheiten sagte, die man ihm sagen könnte. Wenn ich ein Paar ruhige Stunden finde, so will ich «inen Plan aufsehen, nach welchem ich glaube, daß man einen bessern
Q
bessern Plan Jedoch,
zum
Codrue
machen
wollten.
waS haben Sie nicht schon für die
Bibliothek versprochen,
und nicht gehalten?
Wo sind Gleims Fabeln?
wo die Idylle«
Lheokrits? — ich wollte sagen Lieber, kühns? wo ist der Brief 'über Hrn.Nicolai's
Beurtheilung des Messias? Mein Rath wäre, Herr LTkolai schickte zum vierten Stücke nicht
mehr Manuskript,
als zu zehn Dogen unge,
fähr. Ich weiß es schon, daß Sie nicht eher ar
beite»,
als wenn der Druckrrjunge in der
Stube sitzt, und darauf wartet; wir wollen Ihnen also diesen über den Hal« schicken.
Dey dem »«vermutheten Besuche der Oest,
reicher war uns freylich Anfang« nicht wohl zu
Muthe.
Ich hielt zwar ziemliche Contenance;
indessen bin ich doch seit der Zeit zu allem ernst,
hasten Studieren ungeschickt gewesen. So sehr zerstreuen un« die widersprechenden Nachrichten,
die stündlich einlaufen, und nunmehr uns wirk,
sich zu interessiren anfangen.
Wenn diese Um
stände noch ein halbes Jahr anhalten, so komme ich ganz aus dem Geleise.
mit Moses Mendelssohn
337
----- m
t
Es ist eine elende Sache mit den Prozessen!
Erfordert es denn so viel Kopfbrechens, auszu,
machen, ob Sie Geld haben sollen, oder nicht? oder haben-die Rechtsqelehrten
so
langsame
Köpfe? Gewiß, ich hätte unterdessen vielleicht
quadratnram
circuli finden wollen,
ehe die
Leute allda erörtern, ob man sein Versprechen halten müsse, oder nicht.
Machen Sie, mein
lieber Lessing, daß Sie bald zu uns kommen.
Zch dachte, S?e könnten hier immer zu leben Verschaffen Sie aber zum Besten der
finden.
Bibliothek einen zweyten Lessing ; der nach Zh, rer Reise die Revision besorge; denn sonst dürste
ee manchmal ziemlich unordentlich gehen. Den Augenblick kömmt Herr tlicolai mit
seinem Briefe.
Zch sehe, er bittet Sie recht
feyerlich um die Paar Stücke zur Bibliothek, die Sie versprochen.
Dieses scheint mir ziem
lich possierlich! Ich versichre Sie, wenn Sie Zhr Wort nicht halten, so wird Herr wrnkler
auch das seine nicht zu halten gezwungen wer den.
Ich denke,
er hat so viel Recht, sein
Wort zurück zu nehmen, als Sie.
gegebne
Daß jenes
Wort Geldsachen betrifft, k ist
eine
2Z8 G. E. Lessings Briefwechsel “* -iCf-vr große Kleinigkelt, die zur Sache nicht» thut.
Machen Sie also immer, was Sie uns zuge,
sagt habe», und zwar vor Ihrer Abreise noch; denn hier möchten Sie nicht so bald in Orb#
nung seyn, um nach Bequemlichkeit arbeiten zu können.
Ueber Ihren Ausdruck: da Ihnen Rlop, stocks Adam so wenig gefallen, habe ich mich ziemlich gewundert.
Hat er Ihnen beim
gefallen? gefallen Ihnen denn seine geistlichen
Lieder? — Wenn diese» ist, wie ich doch um, möglich glaube, warum haben Sie nicht meine
Recension vom Adam so gut cassirr,
als die
vom Dcvil to pay?
Ich sende Ihnen nächstens meine Gedan« sc» vom Erhabnen zur Beurtheilung zu.
Sie
sollen in das vierte Stück kommen, und ich
muß ihr Urtheil erst darüber vernehmen, ehe ich sie zum Drucke befördern lasse. Für die# sesmal lesen Sie meinen Brief an Hrn Prof. Lanmgarten, und seine Antwort, und schrei,
brn Sie mir mit nächster Post, wie Ihne» letztere gefallen,
und was Sie insbesondre
mit Moses Mendelssohn. »37. tui
.
zu dem ; osten Kapitel der Sprüche Salomo-
nto sagen? Leben Sie wohl,
und lieben Sie mich
beständig.
Moses 40.
Moses Mendelssohn an Lessing. Berlin, de» .. Nov-1757.
Liebster Freund! Unsre Urtheile über das Betragen des Hrn. Prof. Baumgarten stimmen völlig überein. Die letzte Frage kann unmöglich Verstellung
seyn.
Sie muß ans
dem
Herzen gestossen
seyn, und das Herz dieses Mannes
scheint
mit seinem Verstände in keiner genauen Ver
bindung zu stehen.
Ich werde die Frage wie,
holen, die ich, wo ich nicht irre, einiger Zeit an Sie gethan. senschaft lehrt uns
schon vor
(Welche Wis
die Porurtheile
sixeiten?) Und wenn es wahr ist,
be-
daß der
mit Moses Mendelssohn. »37. tui
.
zu dem ; osten Kapitel der Sprüche Salomo-
nto sagen? Leben Sie wohl,
und lieben Sie mich
beständig.
Moses 40.
Moses Mendelssohn an Lessing. Berlin, de» .. Nov-1757.
Liebster Freund! Unsre Urtheile über das Betragen des Hrn. Prof. Baumgarten stimmen völlig überein. Die letzte Frage kann unmöglich Verstellung
seyn.
Sie muß ans
dem
Herzen gestossen
seyn, und das Herz dieses Mannes
scheint
mit seinem Verstände in keiner genauen Ver
bindung zu stehen.
Ich werde die Frage wie,
holen, die ich, wo ich nicht irre, einiger Zeit an Sie gethan. senschaft lehrt uns
schon vor
(Welche Wis
die Porurtheile
sixeiten?) Und wenn es wahr ist,
be-
daß der
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G. E. LesitNgS Briefwechsel |
Mensch zwey Seelen hat; so würde ich meine Frage folgendergestalt «»«drücken: Wir haben sehr viele Wissenschaften für die Serke der Verstandes; weiche Wissenschaft aber ist für die Seele des Herzens? — Jedoch, auch der tiefsinnige Dricf des Hrn. Professor« hat mir nicht sonderlich gefallen. Was er darin sagt, paßt gar nicht auf die Fragen, die ich gethan habe, und er scheint mir nur durch Winkel, züge entwischen zu wollen. Schicken Sie mir doch den Brief bald wieder, ich muß dem Manne antworten. Was die Demüthigung betrifft, da haben Sie Unrecht. Ich habe nichts weniger, als geschmeichelt. Wie ichs schrieb, so floß es mir aus dem Herzen. Sie haben Recht, mein liebster Freund! Wie es scheint, so würde ich die Frage nicht gethan haben, wer Sie zu Leipzig zurückhal, te, wenn ich den Verfasser des Frühlings persönlich kennte. Ich habe, ohne diesen Mann zu kennen, eine wahre Hochachtung für seine Talente sowohl, al« für seine Sitten, nach der Beschreibung, die seine Freunde von den, selben machen. Die. Seelm diese« Manne«
mit Moses Mendelssohn. 34t
scheinen in ziemlicher Correspondenz mit ein, und er zu stehen. Mik dem Lode Adams verstehe ich Sie noch nicht recht. Erklären Sie sich also bett'
kicher, wenn,Die besser verstanden seyn wollen,
«1» Llopstock. Daß Sie Trauerspiele im Kopfe fertig haben, bas haben wir
schon
lange gewußt.
Aber mit Ihnen ist es nun wieder eine