Gotthold Ephraim Lessings Sämmtliche Schriften: Band 28 [Reprint 2021 ed.] 9783112433003, 9783112432990


156 0 25MB

German Pages 478 [474] Year 1795

Report DMCA / Copyright

DOWNLOAD PDF FILE

Recommend Papers

Gotthold Ephraim Lessings Sämmtliche Schriften: Band 28 [Reprint 2021 ed.]
 9783112433003, 9783112432990

  • 0 0 0
  • Like this paper and download? You can publish your own PDF file online for free in a few minutes! Sign Up
File loading please wait...
Citation preview

Gotthold Ephraim Lessings

sämmtliche Schriften

Acht und zwanzigster Theil, Berlin, 1794,

In der Dossischen Buchhandlung.

Inhalt» 1

Ä- L. keMngS Briefwechsel mit Moses MendelSsohL i.

II. S. E- kesffngs Briefwechsel mit D- Johan» Jacob Reiste ;j?

G. E. Lessings

B r i e f w e ch s e l mit

Moses Mendelssohn

Von 1755 bis 1780.

I.

Moses Mendelssohn an Lessing. Berlin den 17. Feb. 1755Mein Herr!

5ßcnn

Ihnen diese Schrift zu ungelegener Zeit kommt, so bedenken Sie, daß ich in drey Wochen nicht auf Ihrer Stube war; daß ich unmöglich Ihren Umgang so lange entbehren kann, als Sie sich vorgenommen haben, ab­ wesend zu bleiben *). Jedoch Ich begnüge mich damit, in dem Augenblicke, da ich schreibe, gleichsam eine- Art von Umgang mit Ihnen gepflogen zu haben, ohne daß es Ar •) Leffms war damals i» Potsdam, hauptsächlich um die Miß Sara Sampson auSjuarbriten.

4

G. E. Lessings Briefwechsel

nöthig ist, daß Sie mir antworten. Ich er­ warte nur einen Spartanischen Brief, worin Sie mit großen Buchstaben Ja oder Mein schreiben sollen. So viel Zeit werde» Sie sich doch wohl nehmen?' Ich frage nehmlich, ob die in Vorschlag gebrachte periodische Schrift noch wirklich vor sich gehen soll, und oh ich Ihnen die Recension der Psychologie, die Sie mir -um Durchlesen gegeben haben, überschicken kann? Sie beträgt drey und einen halben geschriebenen Bogen, und ich glaube, daß Sie so ziemlich damit zufrieden seyn werden. Werden Sie nicht bald wieder kommen, cheuerster Freund? Wenn Sie e« zu lange machen, so weiß ich nicht ob ich der Versu­ chung widerstehen können werde, mit der Zournalirre auf einige Stunden zu Ihnen zu kommen. Länger wollte ich Sie gewiß nicht stören. Auch auf diese Anfrage sollen Sie nicht mehr als Ja oder tlein antworten. Ich bin deständig

2hr Freund Moses.

mit Moses Mendelssohn. >-wi.

............ i

1

j i'

tz

2.

Lessing an MoseS Mendelssohn,

de« iS. F«br. i7ff, Liebster Freund! Es ist mir recht sehr angenehm gewesen, die

Versicherung von Ahnen ju erhalten, daß Sie in meiner Abwesenheit noch an mich denken. Ach habe Ahnen von einem Tage zum ander» schreiben wollen; aber Sie wissen jawohl, daß nicht alles geschieht, was ich mir vomehme. Ach wollte Ahnen meine Ursachen nach der Länge anführen, warum ich. Ahnen die Wahr, heit zu gestehen, die 'bewußte Preisschrift mit Fleiß zurück gehalten habe. Ahr Verweigern, sich nicht dabey zu nennen, war die vornehm, ste. Geseht nun, daß wir aus dieser gelehrten Lotterie das größte Loos gezogen hätten; was meinen Sie wohl, daß alsdann geschehen wä< re? Ste hätten wollen verborgen bleiben, und ich hätte es muffett bleiben. Wenn sich als, dann niemand genennt hätte, so hätten wir A 3

6

G. E Lessings Briefwechsel

unsre Schrift auch nicht einmal dürfen druk-

km lassen, oder wir wären doch zuletzt verra­ then- worden.

Zst es also nicht besser, daß

|t>ir den uneigennützigen Weltwcisen

spielen,

und unsre Entdeckungen der Welt ohne $o Du-

aten überlassen? Zch hoffe binnen drey Wochen

wieder in Berlin zu seyn, und ich will Zhnen nur im Voraus sagen, daß wir sogleich unsre

Arbeiten in eben dem Formate, wie Zhre phi­

losophischen Gespräche, wollen drucken lassen. Das

projectirre

Journal

noch ganz unfehlbar zu

gleichfalls

kömmt

Stande.

Sie sollen

in acht Tagen die ersten Bogen davon gedruckt

sehen. Schicken Sie mir also Zhre Recension

von der Psychologie

mit

nächstem.

Haben

Sie sonst noch etwas, so legen Sie es bey;

desgleichen fragen Sie auch bey dem Hrn. D. Gumperz, *; dem ich mein ergebenstes Com
M*IH'

-ijl

I—-

1 '»

ich noch nicht mit einem Auge gesehen. hen Sie wohl. Zch bin Dero

Le­

beständiger Freund G. E. Lessing.

10.

Mose- Mendelssohn an Lessing. d. Märt, 1756» Mein Freund) Es ist eine alte leidige Wahrheit, daß die Menschen den Werth der Güter nie besser einsehen, al« wenn sie ihnen entrissen werben. Meine Metaphysik zog (vielleicht aus einem systematischen Stolze) diese erniedrigende Maxi« nie noch immer in Zweifel; aber die Erfah­ rung kommt ihr nunmehr zu Statten. Zch habe Sie nie so sehr geliebt, al« jetzt, da ich mich mit den Gedanken quäle, ich werde Sie vor Ihrer Abreise nicht wiedersehen. Sie mögen mir immer einbilden wollen, Sle und Ihr Reisegefährte wären noch unentschlos­ sen, ob Sie über Berlin, oder Braunschweig, Les. Schelf, xxviu rh. A

5o

G. E. LeffingS Briefwechsel

»■■■'

i

nach

Hamburg

j, gehen

Ich

werden.

weiß

schon, was ich mir von dieser Ungewißheit zu

versprechen habe;

ich werde Sie vor Ihrer

Abreise nicht Wiedersehen. Wenn ich mich über Sie beklagen wollte, und wenn mein Beklagm die" Sache ändern könnte, so hätte ich vielleicht Ursache dazu. Ich

bat Sie, Sie sollten mir bey Zeiten-, mel­

den, daß Sie nicht nach Berlin kommen würdm; so wollte-ich selbst eine Reise nach Leip­

zig thun, um Sie da zu sprechen. Was war leichter, als in dieser Kleinigkeit nicht nachläs­ sig seyn? Werden Sie auch in einer grö­

ßer» Entfernung noch an mich denkm? Ich will es hoffen, ob mich gleich mein geringer

Werth, Ihre Unstätigkeit,

und die Menge

der wichtigern Bekanntschaften,

die

Sie in

der Welt machen werden, gewissermaßen kleinmülhig machen.

Was

wird

es

mir aber

helfen, wenn ich Ihnen alle vier Wochm ein­

mal durch die Gedanken laufe, wenn Sie zü

»erdrossel», ich will es heraus lägen,

wenn

Sie zu faul seyn sollt«, mich es wissen zü laffm? Ich willst» langer Zeit keinem Mrw

mit MoseS Mendelssohn.

51

t

“-•“‘ffF

t

schen so gut werden, als ich Ihnen bin, wenn mir Ihre Freundschaft mehr Unruhe machen

sollte, als sie mir Vergnügen verursacht hat.

Sie wissen, daß dieses beynahe eine unleug,

bare Folge ist aus meiner Lehre von den an» genehmen Empfindungen; und wenn ja noch Einwendungen dawider zu machen sind, so mag

ich sie für diesesmal nicht hören. So unphiloso, phisch macht mich der Gedanke, ober vielmehr die

Furcht, ich werde in einigen Jahren nichts von

Ihnen hören! Genug hiervon! Vielleicht wer, den Sie nicht ungern erfahren, baß ich diesen Sommer in meiner Lebensart die Aenderung treffen werde, zu welcher Sie mir so oft ger«

then haben.

Ich arbeite nicht länger in dem

Comtoir als sechs Stunden, von acht Uhr Mow gens,

bis um zwey Uhr Nachmittags.

übrigen Stunden sind für mich;

Alle

denn auch

die Zeit ist für mich, in welcher ich mich b«, schäftigen werde, an Sie zu denken, im Gei, sie mit Ihnen zu reisen, und mich durch Zh, ren Umgang zu bessern und zu belustigen.

Don alten Bekanntschaften will ich mich, so gut es sich thun läßt, los zu machen suchen.

D

2

5* G. E. Lessings Briefwechsel

"sQr-

t Zch

nehme

-

j

dm Herrn Prof. Sulzer

und

• Herrn Nicolai aus.

Mit dem

letztem habe

ich mehr als Dekannlschaft gemacht; ich glaubedaß es mit uns schon bis zur Freundschaft ge, kommen ist, und der erste verdient es wirk­

lich, daß

man

seinen Umgang suche.

Den

Herrn von Maupertuiö habe ich nicht wieder

besucht; und wer weiß, ob es je geschehen wird. Sie wissen,

wie sehr ich

die aufgerreppten

Schwellen, und das feyerliche Anmeld'en scheue. Die

Morgensiundeu

find

Ihnen gewidmet,

weil diese nicht aufhüren, mich an Sie zu er­

innern, so lange ich nicht Gelegenheit habe, fit eben so angenehm zuzubringen, als in Ihrer

Gesellschaft; und wann werde ich diese Gele, genheit haben?

Um zweyerley muß ich Sie noch

bitten,

bevor ich für dieseemal schließe — Jedoch nur um einerley: denn das andere, bin ich gewiss sermaßen ^berechtiget von Ihnen zu fordern; und wer bittet gern um das, worauf man ei,

nigeü Recht zu haben glaubt?

Zch bitte um

die Sammlung einiger naiven Stellen, die Sie aus den besten Dichtern zusammen getragen.

mit Moses Mendelssohn.

zz

haben, und wovon Sie mir kurz vor Ihrer Abreise etwas merken ließen. Wenn Ihnen diese Bitte unhöflich oder etwas eigennützig scheint, so antworten Sie gar nicht darauf.

Ich fordere hingegen die Ausführung von d< nein Einwmfe, den Sie mir in einem Ihrer Briefe wider

meine Widerlegung von Rous­

seau, nur obenhin anzuzeigen schienen.

Das

Recht, welches ich zu dieser Forderung zu, ha­

ben vermeine, gründet sich auf

Ihr eignes

Versprechen, daß Sie sich mündlich deutlicher erklären wollten.

Weil ich . vieles entbehren

muß, so möchte ich doch nicht gern alles ent­

behren,

was ich mir von unsrer Zusammen,

fünft versprochen habe.

Die beyden Seiten in Folio sind voll, und die Glocke schlägt

Eins

»ach Mitternacht.

Nehmen Sie mit meinem unordentlichen Brie­

fe vorlieb; ich bin wahrlich!

etwas unruhig.

Sie zweifeln wohl nicht, daß ich Ihne« von Herzen eine glücklich« Reise wünsche. Ich

hin Zeitlebens

Ihr

unveränderlicher Freund D r Moses.

54 G. E. Lessings Briefwechsel

Dem Hrn. M- Naumann bitte ich meinen freundlichen Gruß zu ver» melden. Zch wünsche ihm gute Verrichtung, und mir, daß ich ihn bald Wiedersehen soll.

it.

Moses Mendelssohn an Lessing. Berlin, de» 9. Märr 1756.

Mein werthester Freund!

^)ch habe Ihre Antwort auf meine beyden Briefe erhalten, und wenn Sie Zhr Verspre, chen gehalten hätten, so hätte ich schon vor acht oder zehn Tagen das Vergnügen gehabt, mich mit Ihnen zu unterhalten. In Wahr, Helt, liebster Lessing! Zch durste sehr nach die, sem Vergirügen. Zch habe in meinem Leben so viel Bekanntschaften nicht gemacht, als feit, dem Sie von hier weg sind, und ich finde »och keinen einzigen, mit welchem.ich die we­ nigen müßigen Stunden, die ich habe, so an,

itttit Mose- Mendelssohn. fr ■■■

..

55 IIHII

-fefefc

1

genehm und so nützlich zubringen könnte, ate mit Ihnen.

Wem erzähle ich aber diese«?

Einem Freunde, der in wenig Tagen fast ver, gessen muß, daß er Freunde

Deutschland

in

hat, den ich fast nur deswegen habe kennen

lernen, um mich von ihm wieder zu trennen, und das Leere recht zu fühlen, das sich mit­ ten in einer herrlichen Bibliothek oft unsrer Seele bemeistert l Man hat vor einigen Wo,

chen aus Leipzig geschrieben. Sie wären schon wieder von da weg, und ich hoffte damals gan»j

gewiß, Sie würden auf dem Wege hierher be­ griffen seyn.

Wae machen Sie? Soll ich

denn gar

nichts von Ihnen zu lesen bekommen? Wie steht es um den Auszug

des Goldont, den

Sie zu einem Stücke in der Bibliothek anher schicken wollten? Wie steht es

um die fünf

Komödien, die noch vor Ostern hätten die Pres­ se verlassen sollen?

Ich bin unter andern mit einem Lieutevannt Jacobi *) bekannt geworden, der ein sehr •) M. s. Hrn. Nicolai'- Anmerk. Th. XXV«, ®. fO3.

D 4

;6 G. E. Lessings Briefivechsel ■ — .jufr

------------- "

geschickter Mann, ein guter Mathematiku« und ein gründlicher Metaphysiker ist. Ich ha­ be mit ihm den Hm. Prof. Baumgarten aber­ mals besucht. Es bessert sich Gottlob! mit sei­ ner Gesundheit. Sie können sich nicht vor­ stellen, wte sehr Ihnen dieser Mann zugethan ist. Er bedauert er sehr, daß er Sie nicht hier angetroffen hat. Ich muß schließen, weil ich eben jetzt von einem Freunde in dieser angenehmen Beschäf­ tigung gestört werde. Leben Sie indessen wohl! Ich bin Ihr beständiger Freund

Moseö. 12.

Lessmg an Moseö Mendelssohn. ft!

Leipzig, den ag- April i?$6.

es möglich, daß wir einander so lange nicht geschrieben haben? Wenn es eine natür­ liche Folge von meinem Reisen seyn soll, daß

mit MsftS MendetSsohtt.

57

ich immer so wenig Nachricht von Ihnen be, komme, so werde ich mein Reisen von dieser

Seite sehr hassen.

Zwar ich glaube fest, Sie

würden mir fleißiger geschrieben haben, wenn

Sie mich nicht in Berlin von Tag zu Tag

persönlich erwartet hätten. Ich glaube es ganz gewiß.

Glauben, Sie mir nur auch, daß ich

Ihnen fleißiger würde geschrieben haben, wenn

ich nicht von Tage zu Tage nach Berlin zu kommen gehofft hatte.

Ich hoffe es nochi

Wen» mich meine Hoffnung betrügt, so wer­

de ich Deutschland nicht mit dem vergnügte, sten Herzen verlassen.

Wir gehen den sieben,

ttn May van hlcr ab, und also noch vor der Messe.

Ich bin unentschlossen; aber was das

Unglück ist,

mein

Reisegefährte ist es noch

zehnmal mehr als ich, so daß wir noch nicht einmal wissen, ob wir unsern Weg nach Ham,

bürg über Berlin oder Braunschweig nehmen werden.

Dieses ist alles, was ich Ihnen jetzt

melden will.

Künftigen Posttag sollet» Sie

einen Brief nach unsrer Art von mir be­

kommen.

Sie sollen ihn gewiß bekommen;

denn ich habe

Ihnen

hundert Kleinigkeiten

D 5

58

G. E. Lesslngs Briefwechsel

-r—

i i -'•ftiftCljMrfin

zu schreiben, von sern teu.

Leben

■ 1

der Art, wie wir in un­

Morgengesprächen

Freund, und



abzuhandeln

Sie unterdessen wohl,

pfleg«

liebster

schreiben Sie mir, so bald



Ich bin Zeitlebens

Ihnen möglich ist. Ihr

ergebenster Freund

Lessing. N. S. Mein Compliment an die Hrn. Nau­

mann, Müchler und die würdigen Freun­ de aus Ihrer Nation.

Versichern Sie

den erstern, daß ich ehestens an ihn schrei­

ben würde.

13Moses Mendelssohn an Lessing. Berlin, den s. August 1756.

Theuerster Freund! (Sic müssen sich unmöglich da« Vergnügen,

das uns Ihre Briefe verursachen, lebhaft ge«

mit Moses Mendelssohn. {FTnug

'M

'

■■•HMHfr.fr*

59 "

»

vorstellen können.

Sie würden gewiß

Stunde

den Endzweck Ihrer

die Sättigung

der Neubegierde/ aus

sonst manche

Reife,

den Augen

setzen,

um

desto öfter an Ih­

re Freunde zu gedenken:

an

Ihre Freun­

de, werthester Lessing, die es gewiß in dem

ganzen Umfange sind, den Sie diesem Worte zu geben pflegen.

Ich will dem allgemeinen

Wahn der Menschen gern allen Kummer ver­

zeihen, daß er mir den besten Freund, den ge­ treuesten Rathgeber von meiner Seite getrennt

hat, wenn dieser beste Freund nur

sortfahren

will, mir die Versicherung zu geben, daß er mich noch liebt, daß er mich noch so zärtlich

liebt, als damals,

da

mir

eine jede Unter,

redung mit ihm eine neue Aufmunterung war,

beydes meinen bessern.

Verstand und mein Herz

zu

Noch eine einzige Versicherung wün-

fche ich mir von Ihnen,

und wenn ich diese

erlange, so will ich mich gern in die Noth­ wendigkeit zu schicken wissen.

Wenn Sie Ih,

re Reise vollendet und einmal genug die Welt angegafft haben, wenn Sie sich

dereinst ent­

schließen, alle Ihre neugierigen Blicke auf Ihr

G. E. Lessings Briefwechsel

6o

.Ml

,

,-,1

eignes Herz, und auf da« Herz Ihrer Freun­ de, einzuschränken: wollen Sie alkdann diese

ruhigern Tage bey uns zubrtngen? Wenn es

Ihnen doch möglich wäre, hierauf mit Gewiß, heit Ja zu antworten!

Sie wollen, ich soll Ihnen alles schreiben, was die Neugier eines Freundes

zu wisse»»

verlangen kann; und ich werde Ihnen melden,

wie ich meine Zeit zubringe, weil diese« da« vornehmste ist, das ich von Ihnen zu wissen

verlange. —

Ich bin der grübelnden Meta­

physik auf einige Zeit ungetreu geworden. Ich

besuche Hrn. Nicolai sehr oft in feinem Gar­ ten. (Ich liebe ihn wirklich, theuerster Freund;

und ich glaube, daß unsre Freundschaft noch dabey gewinne»» muß, weil ich in ihm Ihren

wahre»» Freund liebe.)

Wir lesen Gedichte,

Herr Nicolai liest mir seine eigne»» Ausarbei­

tungen vor, ich sitze auf meinem kritischen Rich­

terstuhl, bewundre, lache, billige, tadle, bi« der Abend herein bricht.

Dann denken wir noch

einmal an Sie, und gehen, mit unsrer heuti­ gen Verrichtung zufrieden, von einander. Ich

-«komme einen ziemlichen Ansatz zu einem Bel-

toit Moses Mendelssohn. -jOt* •*'*'*

t esprit.

.............

61 t

Wer weiß, ob ich nicht gar einst Ver­

se wache i Madame Metaphysik mag ee mir verzeihen.

Sie

behauptet, die Freundschaft

gründe sich auf eine Gleichheit der Neigun­

gen, und ich finde, daß sich, umgekehrt, die Gleichheit der Neigung auch auf die Freund­ schaft gründen könne.

Ihre und Nicolai'«

Freundschaft hat es dahin gebracht, daß ich

dieser ehrwürdigen Matrone einen Theil mei­ ner Liebe entzogen, und ihn den schönen Wis­

senschaften geschenkt habe.

Unser Freund hak

mich sogar zum Mitarbeiter an seiner Biblio­ thek gewählt; aber ich fürchte, er wird um glücklich gewählt haben. Der zweyte Theil de« Messias hat mir

an vielen Stellen überaus wohl gefallen, imb ich schreibe ee meiner Religion zu, daß er mir nicht allenthalben gleich gefallen hat. Der

Kte und Sie^wer,

174 G. E. Lessings Briefwechsel t

>

- - j.

b) Zu dieser Verdunkelung trägt die Nach, uhmung selbst, wenn sie vollkommen ist, micht wenig bey, weil sie die Quantität der (liinlu chcn Lust vermehrt. Moses. Streitig, c. Das Vergnügen aus der Nachahmung ift kein einfaches, sondern rin rusammengesetzkes Dergnäge». Denn nicht nur die Geschicklichkeit des Künstlers, sondern auch die Vortreffuchkrit -er Nachahmung selbst kann uns anschauend ver, tznüge». Sonst würden uns öfters groteske Ge, statten besser gefallen, als die Nachahmung der Natur, wenn sich in jener der Witz des Künstler­ mehr gejeigt bat. Es braucht nichts mehr alRestexion,-um diese Aehnlichkeit in bemerken; denn sie fällt Kennern beym ersten Anblick in die Augen. §. 2. Daher solche unangenehme Leiden, schafren, deren Ausübung selbst für keine Nea, lirät gehalten wird, gänzlich von der Schau, de» aber finde», daß meine Sinnlichkeit und Jbrr philosophische Strengigkeit ungemein wohl mit einander übereinstimme». Nicolai. Herr Nicolai muß nicht alle Briefe gelesen ha, ben, sonst würde er mir nicht iuschreiben, waSie gesagt Haden.

mit MoseS Mendelssohn.

175

bühne wegbleiben, oder als häßlich abgebildet werden müssen.

Als z. E. IT it> :c. und alle

Affecten, die in einer Unlust über eines Andern Vollkommenheiten bestehen.

§. 3. Die anchauende

Betrachtung

un»

fers Unglücks gebieret Unlust. a) Ist das Uebel gegenwärtig, so wird

die Empfindung desselben, nachdem es größer oder kleiner ist, Unlust, Mißvergnügen, Traue rigkeit, Betrübniß u. f w. genannt.

b) Zst es bevorstehend und mit Wahr­

scheinlichkeit

zu

vermuthen,

so

erregt t«

Furcht.

c) Zst es groß und unvermeidlich, so ent,

'steht Verzweiflung.

d) Kömmt es unvermuthet und plötzlich, so entsteht Schrecken,

und wen» da« Uebel

groß ist, Entsetzen.

§. 4. Die anschauende Betrachtung von ei,

nes Andern Unglück gebieret eine Unlust, die wir Mitieiden betiteln. Streitig. a)Da nun auch das Unglück, das einer

Andern trifft so wohl der Zeit als der ßnonti, tat nach verschiede» seyn kann; so stehet mar

176 G. E. Peffkkvgs Bttefmechsel • "■■■ '■■

***flS»«*».................... ■.»

leicht, daß ünS Worte fehlen, alle Modifieatiü«en des Mitleides mit besondern Namen zu be­ legen. Es giebt eine mitterhrgeFurcht/eine mit­ leidige Verzweiflung, ein mitleidiges Schrecken, ja sogar einen mitleidigen Zorn u. s w (wenn man mir dieses Beywort erlauben will); so rote es bey der Vorstellung unsrer eignen UuvollkorA, menheit, Traurigkeit, Furcht, Schrecken u- s w. giebt. Das Mitleiden begreift als das nomei gerieds alle Modifikationen der Unlust in sich, die wir über eines Andern Unlust empfinden. Man hat sich aber mit diesem allgemeinen Na­ men begnügt, und die besondre Abänderung die", seö AffectS entweder nicht bemerkt, oder may hat sich mit den Namen beholfen, die der Mo, dification der Unlust über unser eignes Unglück gegeben worden sind. b) Wahr ists, die bemitleidete Person wird von uns geliebt. Wir nehmen also Theil an ihrem Schicksale, und empfinden bey jedem Vorfälle etwas ähnliches von demjenigen, was sie selbst empfindet. Es. wäre aber dennoch zu wünschen, daß man Erscheinungen in unsrer Seele, die von verschiedenen Ursachen herrsch, ren, verschiedentlich charakterisier hätte. Die,

ses

«it Moses Mendelssohn.

177

see unphilosophische Willkührliche in den Spra­

chen

macht den Weltweisen am

meisten zu

schaffen. Zch denke itzt schon eine halbe Stun­

de, nicht ohne Verdruß, auf ein allgemeines

Wort für die Unlust, die wir über unser eignes Unglück empfinden, um es dem Mitlciden ent­ gegen zu setzen; sed fudo multuin fruftraque

laboro.

c) Werden Sie nicht bald um Ihren Aristvteleverlegeu seyn? Wie »»philosophisch setzt er, rote Sie un< in seinem Namen berichten, das Mit­ leid«» der Furcht «ntgrgen!

Das Wort gar nicht, warum er Mltleidrn und Furcht einander entgegen gesetzt habe.

Empfinden wir keine Unlust, wenn unserm

Freunde ein Uebel bevorsteht? Ist dies« Unlust As. Schris. xxv 111 xtz. M

178 G. Er Lessings Briefwechsel. ♦ Nicht Furcht? Wir fürchten allo nicht bloß für un-, sondern auch für diejenige», die unser Mitt leiden verdienen. Ja, wir zürne», erschrecke», verrweiseln, bessert für eine Person, wenn under Dichter für sie einzunehme» weiß. — — Pectus inanitef ängit, Irritflt, mulcet, falsis terjoribus implet Ut inagus.

d) Diese falsi terrores, die der Dichter (n uns erregt, entstehen ketnesweges aus der Be­ ziehung auf uns selbst, weil wir befürchten, einst in gleiche Umstände zu gerathen, wie Sie in Ihren Briefen deutlich genug beweisen, son­ dern es sind Schrecken, die uns überfallen, wenn die bemitleidete Person plötzlich in Ge­ fahr kömmt. Es sind besondere Modificationett des Mikleidens, denen man keinen beson­ dern Namen gegeben. c) Sie sehen also, daß die unbestimmten Ausdrücke des Aristoteles an diesem Mißverständnisse Schuld gewesen. Kein Wunder, daß Dacier, Doileait und Lurkius bald cainte, bald termtr gesetzt Haden; denn bende Ast-'tm können so wohl un­ ser rlgues Unglück als das Unglück eine« Andern

mit Moses Mendelssohn» 179 zum Grunde haben, und also nicht weniger Mo, disicativnen de- Mitleidcns, als der Unlust übep unser eigne- Unglück seyn. §. 5. Man läßt also gelten, Aristoteles »habe sagen wollen: das Mitleid»» reiniget die Leidenschaften durch die Furcht; und *i|t auch darin einig, daß Aristoteles Unrecht Habe. Sie behaupten, ohne die Erlaubniß det Stagiriten:

§. 6. Das Mitleiden reinige die Leidenr schäften ohne Hülfe der Furcht, bloß dadurch, haß es den Menschen aeselliger macht, indem »r das Unglück seines Nebenmenschen wieseirj eignes fühlt. Allein eine Leidenschaft reinigen^ focifk, die heftige Begierde, die damit verknüpft ist, von Scheingütern abienken, und ihr Vas Ueberflüssige benehmen, das mir dem Gesetz» der Natur streitet. Dieses thut das Miclei, den nicht, sondern wir erlangen durch die öftert Uebung eine Fertigkeit, das Interesse un­ sers Nebenmeufchen zu beherzigen, und mit seinem Unglücke Mirleiden zu haben. DieM r

ißo G. E. Lessings Briefwechsel

♦ —. ........ feit

Vorzug

_o> muß auch

Herr Nicolai dem

Mikletden eing«stehen'). Allein er ist von der Reinigung der Leidenchaften sehr weit ent­ fernt, und zwar um so viel mehr, da das Mitt

beiden selbst wiederum von der Vernunft re# giert werden muß.

§. 7. Vermöge (§. i.) desjenigen Grund­

satzes, den wir Ihnen zu danken haben, wer­ den wir die Absicht des Trauerspiels etwas ge­ nauer bestimmen können. Ich nenne das Ver­ mögen der Seele, vermittelst der ansthanenden

Erkenntniß Laster zu verabscheuen, die Tugend

jzu lieben,

und über die

physischen

Unvoll­

kommenheiten, die mit der Tugend in einens Subject verknüpft sind, Unlust zu empfinden, •) Ja, dies gestehe ich dem Mitleibe» nicht al­ lein zu, sonder» ich mache es auch zu der ein# tigeii Wirkung, die die Leidenschaften im Trau­ erspiel haben könne», und dir das Trauerspiel aus uns haben kann, S. 19. Philosophischer 1« reden, e- kau» unsere sittliche Empfindlich­ keit vermehre»; aber unser Freund hat in sei# »en Gedanken von der auschauenden Erkennt« «iß §. 10. a) gewiesen, baß die- zur Reini­ gung nicht hinlänglich ist. Nicalai.

mit Mofts Mendelsfthtt.

den moralischen Geschmack.

igi

Die Absicht

des Trauerspiels wird also seyn: diesen mo­ ralischen Geschmack durch eine schöne lebendige Nachahmung zu üben. Durch das Beywort schön versiehe ich eine einzige, vollständige und große Handlung; durch le­

bendig aber, daß sie dramatisch eingerichtet «nd vorgestellt zu werden geschickt seyn soll. Wie leicht sich diese Defiiütion auf den Grund/

sah unsers lieben Nicolai reduciren läßt, wer­

de ich nicht nöthig haben zu erklären.

Ja,

nichts als Affecten sind vermögend, diesen mo­

ralischen Geschmack zu üben.

Das Trauer­

spiel muß also Affecten erregen,

aber nicht

reinigen. §. 8. Aus den obigen Definitionen erheke

let, daß sowohl Bewunderung als Mitleideu

den moralischen Geschmack beschäftigen können, und ich wünsche

mit

Hrn.

Nicolai,

daß

man künftig stakt Schrecken und Mitleiden, Bewunderung und Mitleiden setzen möchte, weil das Schrecken bloß eine besondre Modification des Mttleidens ist. M g

itzr G. E. Lessings Briefwechsel §. 9. Das Mitleiden rührt unser Herz, die Be­ wunderung erhebt unsre Seele. Jenes lehrt uns fühlen, diese erhaben denken. Jenes läßt uns unsern unglücklichen Freund bedauern, diese mit der Gefahr unsers Lebens ihm zu Hülfe eilen. Aber alle diese Wirkungen sind bloß die zweyte. Absicht des Trauerspiels.

§. io. Zch würde also einem Dichter m rathen, er solle sowohl Mitleiden als Bewun­ derung in seinem Trauerspiele zu erregen su­ chen. Fragt er aber, welcher von diesen bey­ den Affeeten darin herrschen soll? so würde tck für mein Theil dem Mitleiden freylich kemen Vorzug einraumen. Die Bewunderung» ohne Mltleiden rft jederzeit kalt, wie Nicolai solches von dem Canut angemerkt hat. §. 11. Streichen Sie in der oben ange­ führten Definition das Wörrlein lebendig aus; so haben Sie die Absicht des Heloengedichres. Ich bedarf es einem Lessing nicht zu sagen, daß ein Heldengedicht in ein Trauer­ spiel verwandeln wert mehr ist, als es in Dia­ logen ab:heilen,und ich weiß nickt, wie Siemiö dieses in emcnk Zhrer Briefe haben Schuld

mit Moses Mendelssohn.

geben können.

183

Das Trauerspiel muß fähig

seyn, durch die Vorstellung die Nachahmung schöner, und die Effecten lebhafter zu machen.

§. i2. Nehmen Sie, statt des moralischen Geschmacks, nach unsrer Erklärung, die Fä­ higkeit, Anderer Handlung« n-zn beurthcilen, insofern sie Hob oder Tadel verdie­

nen ;

so haben wir die Absicht der Komödie.

Der Tadel wird öfters, wenn wir für die Per,

fön nicht sonderlich eingenommen sind, vom Lachen begleitet; daher sucht man in der Ko­

mödie sonderlich das Lachen zu befördern, und bedient sich sogar öfters des Burlesken, (das

keine sittliche Absurdität zum Grunde hat, um uns in die Disposition zum Lachen zu setzen.^ 27.

Lessing an Moseö Mendelssohn. Leipzig, d. 29. Met i/)7.

Liebster Freund! §bundern Sie sich nur wcht, daß ich für jetzt, so saums-liZ im Schreibe» ein.. Ich befinde,M 4

ig4 G. E» Lessings Briefwechsel g mich auf einmal

in hundert Verwirrungen

und Verlegenheiten,

Voß schon

von den Zhnen Herr

vielleicht gesagt hat,

wenigsten»

Was mich am meisten da, bey tröstet, ist dieses, daß ohne Zweifel meine

noch sagen kann.

jetzigen Verdrießlichkeiten die Gelegenheit seyn werden, mich wieder in die Arme meiner Freun,

de in Berlin zu werfen; und dieses vielleicht

eher als Sie es vermuthen. Den ersten Theil der Bibliothek werden

Sie von Herrn Voß bekommen haben.

Sie

dürfen sich, mit unserm lieben Nicolai, nicht wundern, a statt, des Portrait« des Hrn. von

Kleist, das Portrait des Herrn von Hage,

dorn vorzufinden.

Ersterer wollte durchaus

seine Einwilligung nicht ertheilen, und so muß­

te ich und der Verleger aus der Noth, eine

Tugen.c

machen; obgleich Herr von Kleist

schon völlig gestochen ist, wovon Sie ehestens

einen Abdruck bekommen sollen. Für jetzt schicke ich Zhnen beyden den Conrract des Hrn. Dyk mit, wovon Hr. t-Ti# colai eine Abschrift unterschreiben, und ehe« Pens wieder zurück senden wird.

mit MoseS Mendelssohtt.

»85

Leben Sie wohl, mein liebster MoseS. Ein Mehreres mit Nächstem, so bald ich Zeit ha­ ben werde, wieder an unsre lieben Streitigkeit ten zu denken. Für wie viel Unterrichtende« werde ich Ihnen zu danken haben! Ich bin ganz der Ihrige

Lessing.

MoseS Mendelssohn an Lessing. Berlin, d. z. 2un. i7$7* Liebster Freund!

weil Sie vielleicht nicht viel zum Lesen Luft Haden möchten. Da ich nun überdem Sie bald mündlich zu sprechen hoffe, so will ich mich itzt schonen, um Ihnen alsdann etwas Neues sa­ gen zu können. Herrn Voß habe ich Ihren.Dries auf dem Postwagen.überreicht, als -er eben nach Potsdam reiste, wo sein Bruder der KriegsM si

'1R6 T. F. Lessings Briefwechsel

Er bat mich,

Zhnen zu

daß er itzt, wie ich sähe,

ein wenig

rach gestorben ist. Melden,

zerstreut wäre, baß er aber noch vielleicht von

Potsdam aus antworten würde. Herr tlieolai

muß,

wenn es mit Recht zuqeht,

Antworten; wenigstens

auch heute

hat er es versprochen.

Er ist mit der Bibliothek sehr zufrieden, und hat auch Ursache es zu seyn: denn Druck und Papier sind wirklich, so viel ich davon verstehe,

Wae schadecs? wenn auch Hagedorns

gu..

Kupfer etwas zu kurz ist, so ist man doch we­ nigstens versichert, daß es der gute Mann nicht Übel nehmen kann.

Schicken Sie nilr, liebt, ^ttd:

wenn es Ihnen be­

die beyden kleinen Aufsätze, unter dem Riinste und Nachahmung, mit er>

(ter Post wieder.

Zch will aus der kleinen

ttbr einen Bratenwender machen, und leben feie wohl.

2hr unveränderlicher Freund

MoseS.

mit MoseS Mendelssohn,

jgr

f----- --------- ------ |

29« Moses Mendelssohn an Lessing.



Berlin, d. i. Jul. 1715*1

Lieber Freund! SSÖtr haben Ihr Schreiben nebst einigen qe,

druckten Sachen erhalten. Die Komödie Habs ich noch nickt lesen können. ' Das Divertlsse/ ment fiel uns sogleich in die Augen; und wenn

die ganze Komödie eben so gut ist, so kann! man mit' dem Verfasser recht ssehr zufrieden'

seyn

Was ist das aber für rin elender Mär.'

tyrer des guten Geschmacks, wie er sich selber

nennt, der das lustige Gebet und das herzbret

chcudeSchäfergedicht eingesckickt hat? Zch weiß nicht, was ihm Herr Nicolai antworten wird. Wenn ich ihm zu antworte» hätte,

so würde

ich ihm die Wahrheit nicht verhehlen,

doch ohne seiner zu spotten.

«bet

Seine Gedichte

sind unter aller Kritik, und sein eigner Cbai

rakrer, wie ee sckeint,

unter aller Satire!

Solche Leute verdienen am meisten Verschob

Uung.

'

x ■

- >r

,88 G. E. Lessings Briefwechsel »

WMeine Abhandlung:

Verbindung

«nd

der

Von der «Quelle schönen Rünste,

muß schon feit vorigem Sonnabend in Leipzig

sdyn.

So wenig Sie iht zum Nachdenkm

aufgelegt seyn mögen; so wünschte ich dennoch diese wenigen Blätter von Ihnen beurtheilt zu sehen.

Ich habe sie aufsehen müssen, ohne

die davon entworfenen Gedanken, die Sie viel­ leicht schon verloren, bey der Hand gehabt zu Vielleicht hätte aus einigen nicht un,

haben. richtigen

Gedanken

etwas

werden

wenn ich mehr Zeit gehabt hätte. «ssai

hat mir jute

können,

Herr XTv

Dienste dabey gethan..

Sie werden eine ganze Seite finden, die er von dem ©einigen hinzugefügt hat.

Sehen

Sie, wenn es Ihnen gefällt, diese Gedanken

nur mit flüchtigen Augen durch.

Wir wissen

«llzuwohl, wie viel Untrüglichkeit Ihrem flüch-

tigen Auge zuzutrauen ist. Wie kömmt mein Name auf die Fabeln^

»je Herr Gleim an die Verfasser der Biblio­ thek eingesandt hat? Sollte mich dieser Mann

kür einen ordentlichen Mitarbeiter an der Bi­ bliothek halte«? Sollte dieses seyn, so wünscht-

mit Moseö Mendelssohn

»89

ich mir eine Gelegenheit, ihn von solchen Ger Lanken abzubringen.

Es ist unbillig,

daß ich

mich in die Ehre mit Hrn. ITicolai theilen

sollte, wovon mir nur ein sehr unansehnlicher Theil gebührt. Es ist wahr, er ist so gefällig,

nichts vorzunehmen, ohne mich dabey zu Rar

the zu ziehen; aber Sie wissen, wie entbehr, lich

die

Rolle

eines

Vertrauten in

einem

Schauspiele ist.

Es ist mir lieb, daß Sie die Fabeln selbst recensiren wollen. .Herr Mkolsi wird Ihnen

die Recension schicken,

die ich zum zweyten

Stück davon aufgesetzt hatte.

Sie werden

daraus ersehen, was ich von diesen Fabeln uc theile, und wie nöthig es sey, daß Sie wv--°

nigstene diese einzige Recension zum zweyten

Stück

fertig machen.

Ich

beschwöre Sie

aber,' es weder aus Gefälligkeit

noch

aus

Nachlässigkeit bey meinen unreifen Gedanken bewenden zu lassen.

Wenn Ihnen die Herren Rabulisten den Kopf recht warm

gemacht *);

so lesen Sie'

') M- s. Lessing- Leben. D. i. S. nr.

|9° G. E. Lessings Briefwechsel hoch beykommende Drochüre, die mir au« Ham« harz zugeschickt worben ist.

Sie schreibt sich

i}on einem gewissen D. Pauli *) her, bey wel­

chem, wie ich nachher vernommen, Herr tTau« mann eine Zeitlang gewohnt hat.

E« ist ein

Grundriß zu einer systematischen Moral, roo# hey der Verfasser sehr viel gedacht haben muß.

Ach möchte sehr gern Zhr Urtheil darüber

vernehmen. Vermuthlich wird mir Herr iTau« mann das Glück verschafft haben, mit diesem

systematischen Moralisten bekannt zu werden..

Ach habe aber durch eine Antwort alle« wie« der verdorben, und ich vermuthe, daß unsre

Correspondenz

bereits

wieder zu Ende

seyn

wird. Herr Voß hat mir von Fabeln gesagt,

deren Sie eine ganze Menge fertig habe» sol,

len. Wir können wohl nicht hoffen, einige da, von zu Gesichte zu bekommen, bevor sie im Drucke erscheinen? Zch habe es sehr ost ersah,, teil, daß in dergleichen Dingen Ähre Freunde nicht den geringsten Vorzug haben.

•) M. s. Nicvlai's Anmerk. S. >06,

Vielleicht

Theil xxvu.

mit Moses Mendelssohn.

halben Sie hierin nicht ganz Unrecht.

19^

Sie lassen

ZhrenWih mit der ganzen Welt buhlen, indeß Ihr keusches Herz nur wahren Freunden auf/

behalten ist.

Eine Distinction, woraus man

ejrtn so leicht beweisen könnte daßalle Frauenzim­

mer getreu, und alle Liebhaber beständig wären. Machen Sie wenigstens, daß Sie noch

diesen Sommer Herkommen. überaus schönen Garren, können.

Ach habe einen

worin Sie logiren

Er ist von Hrn. Nicolai's Gckrten

nicht wett abgelegen, iuib Sie können alle Be,

quemllchkeiten darin haben, die Sie nur wün-

scheu.

Zch komme alle Abende um 6 Uhr hin,

M.us, und werde bloß von einigen meiner Freun/ de begleitet, die Sie gewiß nicht stören wer/

den.

Wie angenehm könnten wir die Abende

zubringen, wenn Sie sich hierzu verstehen woll­

ten ;

das heißt, wenn ich .Ihren Eigensinn

nicht kennte, der Ihre Freundschaft------- der

Zhren Charakter —

Doch schenken Sie mir

heute den Schluß dieser Periode.

Zch weide

einen ganzen Brief zu diesem Gedanken be,

stimmen müssen, weil er einen Vorwurf ent­ hält, de« ich Zhnen noch machen muß, bevor

igt G. E. Lessings Briefwechsel *—■

|

wir untf Wiedersehen. Ich bin bis dahin, ohne

die geringste Zurückhaltung, Zhr

wahrer und offenherziger Freund Moses.

30.

Lessing an Moses Mendelssohn. Leipzig, den 6. Jul. i?$7*

Lieber Freund

rÖa

bereits der erste Dogen von dem zwey,

ten Stücke der Bibliothek abaedruckr ist, und ich die letzte Revision vom Anfänge an bekomm

men habe, so können Sie leicht denken, daß

ich

Ihre Abhandlung,-von den «Quellen und Verbindung der schönen Wissenschaften und Rünste, nicht bloß mit einem flüchtigen

Auge, sondern

aufmerksam und mit großem

Vergnügen müsse gelesen haben.

Mehr kann

tch jetzt nicht davon sagen; ich habe seit acht

Tagen ein intermittireiwes Fieber, welches mit solchen

mit Moses Mendelssohn»

.solch,n

gewaltigen

Kopfschmerzen

verbunden

jft, daß ich Gott danke, wenn ich nur manch­ mal dabey denken kann, und das Urtheilen

gar gern auf eine andre Zeit ausgesetzt seyn

lasse.

Schreiben Sie, mein lieber Moser, so

viel als Ihre gesunde Hand nur immer ver­ mag, und glauben Sie steif und fest, daß Sir

nichte Mittelmäßiges schreiben können — — denn ich habe er gesagt!

Den D. Pauli habe ich die Ehre peksönlich zu kennen.

Ganz Hamburg hielt ihn, als

ich da war, für einen würdigen Candidaten

des Tollhauses; und man sah mich mit sehr zweydeUtigen Augen an, als ich mich "dessen ,

ungeachtet mit ihm in ein sehr weitläuftiges, ernsthaftes Gespräch einließ.

Ich hätte den

Brief wohl lesen mögen, den Sie ihm geschrie­

ben haben. Ein Mann, der aus guten Abstch,. ten seinen Verstand nach solchen Grundsätzen zerrüttet, ist mir ein weit traurigerer Anblick

al« ein Selbstmörder, lliiser tlcumcnn schlägt

diesen Weg nicht schlecht ein ;

und ich hätte -

uns beyden wohl die melancholische "Lust gönnen, mögen, ihn mnd den D. Pauli mit einander

Les. Schtls. XXVIU. rb.

N

ip4 G. E. Lessings Briefwechsel tu, i streiten zu hören.

Sie werden sich erinnern,

daß jener sich die menschliche Seele als eine Baßgeige vorstellt; wer also, als er, hat es

leichter begreifen können, daß der Tugendtrieb dem Tone sol, und das Nervengebäude dem

Tone ut gleich sey? Ihre Recension von Gleims Fabeln Ist

noch nicht bey mir eingelaufen.

Ihr Name

aber ist auf das Exemplar von dem zweyte» Buche seiner Fabeln

daher

gekommen, weil

Herr Gleim geglaubt hat, daß niemand an­

ders, als Sie, die Recension vom Lowth könne gemacht haben; er hält Sie also für ei,

nm Mitarbeiter, ohne sich darum zu bekümmern,

ob Sie ein ordentlicher oder ein außerordentitcher

sind. Er ist übrigens einerZhrergrößtenVerehrer. Von meinen Fabeln, deren Herr Voß ge­

gen Sie gedacht hat, habe ich Ihnen bloß des­ wegen nicht geschrieben, weil ich es nicht der

Mühe werth geachtet habe.

Damit Sie mich

aber doch nicht länger einer geheimnißvollen

Zurückhaltung beschuldigen mögen, so schicke ich Ihnen hier einige,

die

ich

so aus

der

Menge heraus genommen habe, ohne daß ich

mit MofeS Mendelssohn.

19;

sagen kann, die besten oder die schlechtsten getroffen zu haben. Wenn ich in Berlin bin, sollen Sie sehen, daß ich eine große Menge schlechter und bes­ serer gemacht habe. Wenn ich in Berlin bi»? — ")

3»Moses Mendelssohn an Lessing. Berlin, den 4. Ang. 17'57.

Mein liebster Freund! ^ch werde mein langes Stillschweigm nicht entschuldigen. Zch kann an die Ursachen da­ von nicht ohne Verdruß gedenken, und jetzt ist die Stunde, da ich mich aller verdrießli­ che» Vorstellungen entschlagen will. Sie können dennoch unmöglich nachtheilige Folgen daraus jiehen; dem; Sie wissen, daß es meine N 1

*) Hier ist ein gastier halber Dogen abgerissen, «ad verloren gegangen.

tA§ G. E» Lessings Briefwechsel

.liebste Beschäftigung ist, mich mit Ihnen zu unterhalten. Ich hatte mein voriges Schreiben räthseh hast geschlossen, um mich in diesem deutlicher zu erklären. Ich hatte während Ihrer Anwe,

senheic allhier,

in Ihrem

freundschaftlichen

Umgänge eine Art von Zurückhaltung bemerkt, die mich eifersüchtig machte.

Sie haben öf­

ters eigennützigen Bekannten mehr Dlen,rstr-

tigkeit zugetrauet, den.

als Ihren wahren Frenm

Wie hätten Sie sich sonst entschließen

können, lieber M. N. verbunden zu sey», als

mir Gelegenheit zu geben, Ih^en,zu dienen?

Ich schweige von dem Schaden, den Sie sich

Sie hätten Ihre

-selbst verursacht haben.

ganze Bibliothek 1>ey mir wieder finden teil;

iien, statt daß ich jetzt nicht mehr als einigt

spanische und holländische Bücher in Händen habe. — Doch genug hiervon?

Ich erwarkt

auch Hierauf keine Antwort von Ihnen, wohl aber

das Versprechen,

mich künftig Ihrer

ganzen Freundschaft würdig zu achten.

Hier sind Ihre Fabeln.

Äste 'meinen

Beyfall,

Sie haben nicht

Jedoch sind folgende

Mit Moses Mendelssohn. 197

Stücke vollkommen Ihrer

würdig: Aolopus

und der Esel, der Rangstreit der Thiere, das

Geschenk der Feyen, der Affe und der Fuchs, und

der Geist des Salomo.

vielleicht auch

In der Fabel, Zevs und das Pferd, ist die Erdichtung schön, aber die Moral gemein.

Auch Ihre übcrschickte Komödie habe ich gelesen.

Es bleibt dabey, das Divertissement

ist das Beste daraus.

Wie ist es aber? Haben Sie an allen mei­ nen

überschickten

Sachen gar nichts auszu­

daß es sehr ärger­

setzen? Wissen Sie auch, lich ist,

wenn man in

allen Stücken ohne

Widerspruch Recht bekömmt?

Ich soll im­

mer fortfahren, so lange ich eine gesunde Hand habe.

War dieses alles, ^as Sie zu

erinnern harten?

Ich will Ihnen beweisen,

daß meine gesunde Hand mehr schreiben kann, als Sie jemals billigen werden.

Ich habe

da« Naive dem Schwulste entgegen gesetzt,

und gesagt, es bestände in Zeichen, die klei­ ner sind, als

hie

bezeichnete Sache.

Viel­

leicht ist diese Erklärung nicht ganz unrichtig, aber definito latior scheint sie mir wirklich.'

N 3

198 G. E» Lessings Briefwechsel »—............ r-— ^0 Denn kommt nicht dieser Charakter auch dem Erhabnen zu?

Nicht zwar dem Erhabnen

im Ausdrucke, sondern dem Erhabnen in dm

Gedanken. Erklärung

Wenigstens ist mir vom

Erhabnen

keine andre

bekannt.

Die

Vanmgartensche thut mir kein Genüge. Longin sagt: Lacilius habe einen ganzen Träk-

tat darüber geschrieben,

und Große bestehe.

worin das Erhabne

Er aber wolle die Mit­

tel zeigen, durch welche man groß und erha­

ben werden könne.

Er erklärt uns also nicht,

was er unter erhaben verstehe, und Loilcan, der diesen Mangel ersetzen will, sagt auf gut Französisch: es wäre cet extraordinaire et ce merveilleux, qui trappe dans le difcours,

et qui fait qu’un ouvrage enleve, ravit,

transporte.

Sind wir nun nicht eben so klug

als vorhin? Cuncta fupercilio moventis, ist ein Ausdruck, der an Erhabenheit unstreitig

das fiat lux bey weitem übertrifft.

Ein Phi-

Vias würde aus diesen drey Worten vielleicht

eben so gut, als au« dem Homer, seine große Idee zum Jupiter haben hernehmen können. Allein nach meiner Definition würde dieser

Mit MoseS Mendelssohn.

Ausdruck naiv seyn;

kann

199

dieses zugegeben

werde»? Es fehlt mir zwar an Ausflüchten nicht, meine Erklärung zu vertheidigen; allein

ich

möchte

vorerst Ihre

vernehmen. Ich habe noch den

ich

möchte.

von Ihnen

Meinung darüber

einen Gedanken gehabt,,

gern beurtheilt

wissen

Die natürliche Verbindung

unsrer

Begriffe,

vermöge deren

legem imaginationis

unsre

von

Seele

per

einer Vorstellung

auf die andre übergehet, hat den Virtuosen Ssters gedient, ihre Gegenstände anschauender

vorzustellen.

Sie fügen zu einem jeden Haupt#

begriffe jederzeit die ideas focias hinzu,

die»

mit ihm in der Natur in Ansehung des Ort­

oder des Raums verbunden sind, oder die wir isterü mit ihm zugleich gehabt haben.

drücke mich ziemlich dunkel aus;

Ich

ich glaube

aber, Sie werden mich besser verstehen, als ich mich ausdrücke.

Nun sind unsre Begriffe

auch öfters als Wirkung und Ursache mir ein#

ander verknüpft,

und die Seele schließt von

der Ursache auf die Wirkung, oder umgekehrt.

Die Virtuosen haben sich dieses Kunstgriffes

N 4

ico G. E. keMg» Briesivechsek i

““l

..■'. ■"..

bedient, den Begriff der Ursache



!

durch die

Vorstellung ihrer Wirkung zu bereichern unk

an schauender zu machen.

So drücken sie die

Leidenschaften der Seele durch ihre Wirkun­

gen und Aeußerungen in Tönen, Bewegung und Geberden aus, und vervielfältigen dadurch

gewissermaßen die vorzustellenden Begriffe, in­ dem sie unsre Seele von feder Wirkung auf das Daseyn der Ursache schließen lassen. ses vorausgesetzt,

Die­

habe ich mich nach Excm-

peln umgesehen, da man In den schönen Kün­ sten auch umgekehrt

die Wirkung durch die

Ursache vorstellen oder beleben würde.

Allein

ich habe nicht ohne Verwunderung wahrge,

nommen,. daß diele Beyspiele sehr selten sind.. Ein einziges erinnere ich mich in Dübos ge­

legen zu haben.

Dieser erzählt, Lullt soll in.

einer gewissen Oper den Schlaf durch gewisse

einförmige Töne sehr natürlich gusgedrückr ha, den,

und bemerkt

dabey,

daß der Schlaf

wirklich nicht so wohl durch eine völlige Stil­ le, als durch Töne, die weder merklich steigen

noch

fallen,

erregt werde.

Die Erfahrung

scheint auf seiner Seite zu stehen- ob ich gleich

ioi

mit MyseS MeyhelSsohn.

die physische Ursache davon nych nicht deutlich

Dem sey wie ihm wolle,

einsehe.

dieses

sy. wäre

ein Beyspiel der Art, die ich suche.

Indessen ist unser Herr Nicolai mit diesen Anmerkungen

gar

Seine

nicht zufrieden.

Gründe mag er Ihnen selber schreiben; und wenn wieder ein Sonntag

kommt, da Sie

Nicht in die Kirche gehen werden, so wenden

Sie die Erbauungsstunden an, in dieser Ma­ terie einen

Ausspruch

jetzt aufhören.

zu

thun.

Ach muß

Es ist halb zwey in der Nacht,

und morgen früh um sechs Uhr muß ich Hrn.

iTicoUi

in seinem Garten besuchen,

wem,

ich zu rechter Zeit wieder zu Hause seyn will. Ist das nicht lächerlichich bringe eine Nacht

schlaflos zu, um Sie vielleicht durch

einen

langweiligen Brief desto sanfter einzuschläfern? Schlafen Sie wohl!

Moses, N- S.

mal

Ach kann Ahnen Ähre Fabeln dies/ nicht mitschicken.

Mich darum,

Herr Voß quält

und Sie

müssen ihm doch

nothwendig darum geschrieben haben;

sonst

würde er es ja nicht wissen, daß ich sie habe.

N 5

rar G. E, LeffmgS Briefwechsel

Ich habe Im Spinoza eine Stelle ge, funden,

die Ihnen gewiß

Sie werden sich erinnern,

gefallen wird. wie Sie

einst

die Erklärung des Lächerlichen von dem, jenigen, was bey dem mechanischen Lachen vorgeht, haben abstrahiren wollen. Wir lachen, wenn uns ein anderer kitzelt, sag, ten Sie, weil wir nicht wissen, ob er nicht die Schranken

ten

des Angenehmen überschrei,

Ich

werde.

glaube, folgender Satz

kann hierin einiges Licht geben. parr. 3. Schol.

Prop. u.

sagt der angeführte Schrift,

stellet: Tirillatio et dolor ad hominein re*

fcruntur,

quatenus

reliquis ess assecla.

una ejus pars prae Hierauf gründet er

,part. 4. Prop. 43. folgenden Lehrsatz: Ti. tillatio cxcessum habere et mala esse po-

test, *dolor autem catenuspotess esse bonus3

quatenus titillatio ess mala. Dem.

Titillatio

ess laetitia, quae, quatc-

nus ad Corpus refertur, in hoc confissit,

quod quaedam ejus

pars

prae reliquis

afficitur; cujus asseäus potentia tanta esse potest, ut reliquas corporis actioncs fupe-

mit Moses Mendelssohn. »03

rct (per prop. b) eique pcrtinaciter adhaercat, atque adeo impcdiat, quo minus Cor­ pus aptum fit, ut plurimis aliis modis afficiatur, adeoque (per prop. 38.) mala esse poteft. Sed dolor diverfos habere potess gradus. Sit igitur talis ut titillationem cocrceat, nc fit nimia; eatenus erit bonus. Q. E. D. Der 38ste Lehrsatz, worauf sich dieser Be­ weis bezieht, wird solgendergestalt bewiesen: Quo Corpus aptius redditur, ut plurimis modis afficiatur, co mens aptior ad percipiendum redditur, adeoque id, quod Cor­ pus hac ratione disponit, ess nccessario bonum. — (per prop. 26.) c^c. Ueberhaupt finde ich in Spinozens Theo­ rie von den Affeeten so viel Gründliches, daß ich mich verwundere, wie die neuern - Weltweisen über diese Materie so haben hin, weg eilen können. Kaum haben Wolf, Reusch und B-umgarten mehr davon, als die bloße Worterklärung. Zch finde, daß Spinoza auch vom Selbstmorde mit mir einerley Gedanken hat. Er sagt: ornnis

204 G. E. Lessings. Briefiyechsel

vir tu s in eo consistit, ut homo fuum esse confcrvare conctur. (Zhnen werde icty wohl nicht zu sagen nithig haben, daß 5uum eile, suain pcrfectionem > suani rcaliatem confcrvare > einerley bedeuten.) Ha nun Spinoza behauptet, unsre Realität gehe nach dem Tode verloren; so sagt er auch ausdrücklich: sequitur COS, qui se interfi» ciunt, animo esse impotentes, eosque a causis externis fuae naturae repugnantibus prorfus vinci. Fast eben das, worüber Ich mich in meinen Briefen ziemlich ausgedehnt habe.

Lessing an Moseö Mendelssohn. Leiprig, den 9. Aug. 1757,

Mein lieber Moses! chen keine Zeile von Ihnen zu sehen bekomme? Warum wollen Sie mir denn auf meine»

20$,

Mit Moses Mendelssohn.

.♦■r- ■■ ■ i

'

-■

»

letzten Brief nicht antworten? Oder haben Sie

ihn nicht bekommen?

Ich habe Ihre Aufsätze

von der Kunst, von dem Naiven re. und einige von meinen Fabeln mit beygelegt.

Diese letz,

tern möchte ich bald wieder zurück haben, um

die Sammlung vollständig zu machen,

die ich

dem Drucke bestimmt habe, werm Sie anders-

stach der Probe zu urtheilen,

mir nicht davon

«brathen.

In Ihrer Abhandlung von den Quellen und Verbindungender schönen Künste re. haben

Sie beyläufig meiner gedacht; und ich muß Ih­

nen für Ihre freundschaftliche Anmerkung Dank sagen.

Da ich Ihnen aber etwas näher ver­

wandt bin, als das Publicum, so glaube ich

auch auf eine nähere Erklärung Recht zu haben.

Welches sind die Stellen, die Sie für indecicu mabel halten?

Ich frage nicht, um mich mit

Ihnen In einen Streit darüber einzulaffen; ich

frage bloß,

um künftig aufmerksamer seyn zu

können. Wa« macht denn Herr tlkofai ? Hat er einen Brief übel genommen, den ich ihm vor 8

Tagen über seine Recension des Messias ze-

ao6 G. E. Lessings Briefwechsel

schrieben? —

---------

Dey Gelegenheit des Messias

Haben Sie schon den Tod Adams gelc/

sen? Was sagen Sie davon? Von den Gleimschen Fabeln denken wir

ziemlich einerley.

Sie sagen: unter den eignen

Erfindungen des Verfassers, verdiene die n, 17 und r7ste des ersten Buchs allen andern w#

gezogen zu werden. Einmal, wo nicht mehrmak,

müssen Sie sich hier gewiß verschrieben haben; denn 27 Fabeln hat das erste Buch nicht. Sonst

sind mir die 3,10, 12; i E. Lessings Briefwechsel

Gemein« von dem Höheren unterscheiden, und

die von dem

tragischen Dichter nicht über­

schritten werden müssen.

Ich kann mich jetzt

nicht deutlich über diesen Punkt erklären. Ich

werde aber die. Stellen in Ihrem

Trauer­

spiele aufsuchen, die ich eigentlich meine, und

alsdann werde ich mich selbst besser verstehen, Und also besser erklären können.

Herr Nicolai will eine zweyte Abhand­

lung von eben der Materie schreiben.

Viel­

leicht ergreife ich die Gelegenheit, mein Urtheil

zu bestätigen, oder zu widerrufen, nachdem ich öder Sie Recht behalten werden. So viel aber, hoffe ich, muß das Publi, cum zum Voraus wissen, daß man einen Lest sing nicht so tadelt, als einen Schönaich. Was ich an Ihnen nicht billige, das würde

ich an einem kleinen Geiste bewundern. wenn mein Tadel gerecht ist,

Za,

so verdienen

Sie ihn nicht mehr, als Thomson, Zoung, Moore und andre englische Dichter,

auch^zum Theil berührt habe.

die ich

mit MöseS Mendelssohn,

"t

—f

t

Men Sie beyde zusammen wohl; schrei, ben Sie oft, und lieben l©te mich beständig. Gotth. Eph. Lessing.

Z8.

Lessing an Moses Mendelssohn. Leipzig, dm

Ott

i?S7.

Liebster Freund l ^)ch habe Herrn Voß ein« zweyte Anwei, stmg an Sie gegeben; doch werden Sie nicht gehalten seyn, sie anzunehmen, wenn es Ihre Umstände nicht erlauben sollten. Sie müssen, um mir eine Gefälligkeit zu erweisen, sich nicht üt Verlegenheit setzen. Das will ich durchaus nicht. 3d) erwarte also Ihre Antwort hier, ans, ob ich Ihnen eine Handschrift auf die halbe oder ganze Summe einrichten soll. Mein Pro, -eß geht so geschwind, als ein Prozeß in Sach, fen gehen kann; und da ich in der nächsten Wo, che wiedcr einen Termin habe, so muß ich schon so lange noch hier bleiben. Ich sehne mich

mit Moses Mendelssohn.

233

mehr, als Sie. glauben können, bald wieder in Berlin zu seyn; denn das Leben, das ich hier führen muß, ist allen meinen Absichten und Nest gütigen zuwider. Zch habe durch Herrn Voß den «Lodru» wieder zurück gesendet, und zugleich ein neue« Stück mitgeschickt, welches bey Herrn Dyk eingelausen war. Der Lodrus hat nichts weniger, als meinen Beyfall. Doch wünscht« ich, daß Herr ttkolei dem Verfasser nicht alle Wahrheiten sagte, die man ihm sagen könnte. Wenn ich ein Paar ruhige Stunden finde, so will ich «inen Plan aufsehen, nach welchem ich glaube, daß man einen bessern

Q

bessern Plan Jedoch,

zum

Codrue

machen

wollten.

waS haben Sie nicht schon für die

Bibliothek versprochen,

und nicht gehalten?

Wo sind Gleims Fabeln?

wo die Idylle«

Lheokrits? — ich wollte sagen Lieber, kühns? wo ist der Brief 'über Hrn.Nicolai's

Beurtheilung des Messias? Mein Rath wäre, Herr LTkolai schickte zum vierten Stücke nicht

mehr Manuskript,

als zu zehn Dogen unge,

fähr. Ich weiß es schon, daß Sie nicht eher ar­

beite»,

als wenn der Druckrrjunge in der

Stube sitzt, und darauf wartet; wir wollen Ihnen also diesen über den Hal« schicken.

Dey dem »«vermutheten Besuche der Oest,

reicher war uns freylich Anfang« nicht wohl zu

Muthe.

Ich hielt zwar ziemliche Contenance;

indessen bin ich doch seit der Zeit zu allem ernst,

hasten Studieren ungeschickt gewesen. So sehr zerstreuen un« die widersprechenden Nachrichten,

die stündlich einlaufen, und nunmehr uns wirk,

sich zu interessiren anfangen.

Wenn diese Um­

stände noch ein halbes Jahr anhalten, so komme ich ganz aus dem Geleise.

mit Moses Mendelssohn

337

----- m

t

Es ist eine elende Sache mit den Prozessen!

Erfordert es denn so viel Kopfbrechens, auszu,

machen, ob Sie Geld haben sollen, oder nicht? oder haben-die Rechtsqelehrten

so

langsame

Köpfe? Gewiß, ich hätte unterdessen vielleicht

quadratnram

circuli finden wollen,

ehe die

Leute allda erörtern, ob man sein Versprechen halten müsse, oder nicht.

Machen Sie, mein

lieber Lessing, daß Sie bald zu uns kommen.

Zch dachte, S?e könnten hier immer zu leben Verschaffen Sie aber zum Besten der

finden.

Bibliothek einen zweyten Lessing ; der nach Zh, rer Reise die Revision besorge; denn sonst dürste

ee manchmal ziemlich unordentlich gehen. Den Augenblick kömmt Herr tlicolai mit

seinem Briefe.

Zch sehe, er bittet Sie recht

feyerlich um die Paar Stücke zur Bibliothek, die Sie versprochen.

Dieses scheint mir ziem­

lich possierlich! Ich versichre Sie, wenn Sie Zhr Wort nicht halten, so wird Herr wrnkler

auch das seine nicht zu halten gezwungen wer­ den.

Ich denke,

er hat so viel Recht, sein

Wort zurück zu nehmen, als Sie.

gegebne

Daß jenes

Wort Geldsachen betrifft, k ist

eine

2Z8 G. E. Lessings Briefwechsel “* -iCf-vr große Kleinigkelt, die zur Sache nicht» thut.

Machen Sie also immer, was Sie uns zuge,

sagt habe», und zwar vor Ihrer Abreise noch; denn hier möchten Sie nicht so bald in Orb#

nung seyn, um nach Bequemlichkeit arbeiten zu können.

Ueber Ihren Ausdruck: da Ihnen Rlop, stocks Adam so wenig gefallen, habe ich mich ziemlich gewundert.

Hat er Ihnen beim

gefallen? gefallen Ihnen denn seine geistlichen

Lieder? — Wenn diese» ist, wie ich doch um, möglich glaube, warum haben Sie nicht meine

Recension vom Adam so gut cassirr,

als die

vom Dcvil to pay?

Ich sende Ihnen nächstens meine Gedan« sc» vom Erhabnen zur Beurtheilung zu.

Sie

sollen in das vierte Stück kommen, und ich

muß ihr Urtheil erst darüber vernehmen, ehe ich sie zum Drucke befördern lasse. Für die# sesmal lesen Sie meinen Brief an Hrn Prof. Lanmgarten, und seine Antwort, und schrei,

brn Sie mir mit nächster Post, wie Ihne» letztere gefallen,

und was Sie insbesondre

mit Moses Mendelssohn. »37. tui

.

zu dem ; osten Kapitel der Sprüche Salomo-

nto sagen? Leben Sie wohl,

und lieben Sie mich

beständig.

Moses 40.

Moses Mendelssohn an Lessing. Berlin, de» .. Nov-1757.

Liebster Freund! Unsre Urtheile über das Betragen des Hrn. Prof. Baumgarten stimmen völlig überein. Die letzte Frage kann unmöglich Verstellung

seyn.

Sie muß ans

dem

Herzen gestossen

seyn, und das Herz dieses Mannes

scheint

mit seinem Verstände in keiner genauen Ver­

bindung zu stehen.

Ich werde die Frage wie,

holen, die ich, wo ich nicht irre, einiger Zeit an Sie gethan. senschaft lehrt uns

schon vor

(Welche Wis­

die Porurtheile

sixeiten?) Und wenn es wahr ist,

be-

daß der

mit Moses Mendelssohn. »37. tui

.

zu dem ; osten Kapitel der Sprüche Salomo-

nto sagen? Leben Sie wohl,

und lieben Sie mich

beständig.

Moses 40.

Moses Mendelssohn an Lessing. Berlin, de» .. Nov-1757.

Liebster Freund! Unsre Urtheile über das Betragen des Hrn. Prof. Baumgarten stimmen völlig überein. Die letzte Frage kann unmöglich Verstellung

seyn.

Sie muß ans

dem

Herzen gestossen

seyn, und das Herz dieses Mannes

scheint

mit seinem Verstände in keiner genauen Ver­

bindung zu stehen.

Ich werde die Frage wie,

holen, die ich, wo ich nicht irre, einiger Zeit an Sie gethan. senschaft lehrt uns

schon vor

(Welche Wis­

die Porurtheile

sixeiten?) Und wenn es wahr ist,

be-

daß der

240

G. E. LesitNgS Briefwechsel |

Mensch zwey Seelen hat; so würde ich meine Frage folgendergestalt «»«drücken: Wir haben sehr viele Wissenschaften für die Serke der Verstandes; weiche Wissenschaft aber ist für die Seele des Herzens? — Jedoch, auch der tiefsinnige Dricf des Hrn. Professor« hat mir nicht sonderlich gefallen. Was er darin sagt, paßt gar nicht auf die Fragen, die ich gethan habe, und er scheint mir nur durch Winkel, züge entwischen zu wollen. Schicken Sie mir doch den Brief bald wieder, ich muß dem Manne antworten. Was die Demüthigung betrifft, da haben Sie Unrecht. Ich habe nichts weniger, als geschmeichelt. Wie ichs schrieb, so floß es mir aus dem Herzen. Sie haben Recht, mein liebster Freund! Wie es scheint, so würde ich die Frage nicht gethan haben, wer Sie zu Leipzig zurückhal, te, wenn ich den Verfasser des Frühlings persönlich kennte. Ich habe, ohne diesen Mann zu kennen, eine wahre Hochachtung für seine Talente sowohl, al« für seine Sitten, nach der Beschreibung, die seine Freunde von den, selben machen. Die. Seelm diese« Manne«

mit Moses Mendelssohn. 34t

scheinen in ziemlicher Correspondenz mit ein, und er zu stehen. Mik dem Lode Adams verstehe ich Sie noch nicht recht. Erklären Sie sich also bett'

kicher, wenn,Die besser verstanden seyn wollen,

«1» Llopstock. Daß Sie Trauerspiele im Kopfe fertig haben, bas haben wir

schon

lange gewußt.

Aber mit Ihnen ist es nun wieder eine