Gott und Welt. Die Schöpfungstheologie der vorkritischen Periode Kants 9783666562136, 9783525562130


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Gott und Welt. Die Schöpfungstheologie der vorkritischen Periode Kants
 9783666562136, 9783525562130

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Horst-Günter Redmann / Gott und Welt

HORST-GÜNTER

GOTT UND

REDMANN

WELT

Die Schöpfungstheologie der vorkritischen Periode Kants

VANDENHOECK&RUPRECHT IN G Ö T T I N G E N

Forschungen zur systematischen und ökumenischen Theologie Herausgegeben von Edmund Schlink Band 11

© Vandenhoeck & Ruprecht in Göttingen 1962. Printed in Germany. Ohne ausdrückliche Genehmigung des Verlages ist es nicht gestattet, das Buch oder Teile daraus auf foto- oder akustomechanischem Wege zu vervielfältigen. Gesamtherstellung Hubert & Co., Göttingen 7959

MEINEN

ELTERN

„Ich bin, der ich bin." Exodus 3 „Es sollen deine Werke dich preisen, Herr, daß wir didi lieben, und lieben sollen wir dich, daß deine Werke dich preisen. Sie haben ihren Anfang und ihr Ende in der Zeit, Aufgang und Untergang, Fortschritt und Rückgang, Schönheit und Mangel. Sie haben darum in der Aufeinanderfolge den Morgen und den Abend, teils verborgen, teils zutage liegend. Aus nidits ja sind sie von dir, nicht aus dir geschaffen; nidit aus irgendeinem Urstoff, der nicht dein oder früher als du gewesen wäre . . . " Augustin „Das führt uns zu einem Lehrbegriff, der alles in sidi faßt, wenn Mensdien aus Staube gemadit, es wagen ausspähende Blidte hinter den Vorhang zu werfen, der die Geheimnisse des Unerforschlichen für erschaffene Augen verbirgt. Gott ist allgenugsam. Was da ist, es sei ητοζίίώ oder wirklidi, das ist nur etwas, in so fern es durch ihn gegeben ist. Eine menschlidie Sprache kann den Unendlichen so zu sidi selbst reden lassen: Ich bin von Ewigkeit zu Ewigkeit, außer mir ist nichts, ohne in so fern es durdi mich etwas ist." Immanuel Kant

Vorwort Es gibt keinen Philosophen neben Kant, der die Schöpfung aus dem Nichts mit ähnlicher Leidensdiaft und systematisdier Sdiärfe durchdacht hat. Dem Verfasser selbst ist das, was Schöpfung in seiner ganzen Tiefe und Problematik bedeutet, erst durch ein jahrelanges Studium der vorkritischen Schriften bewußt geworden. Geprägt ist jene Schöpfungsauffassung durdi ein von der protestantischen Tradition angeregtes Gottesverständnis, das Kants gesamte Naturwissenschaft durchleuchtet und das theologisches und naturwissenschaftlidies Denken zu einem Weltbild vereinigt, das in seiner imponierenden Geschlossenheit ein zeitloses Moment zu enthalten scheint und als Kant-LaPlacesche Theorie im Volksbewußtsein noch heute weithin als die wissenschaftliche Erklärung von der Entstehung der Welt gilt. Diese Thematik sprengt die ursprüngliche Absicht der Abhandlung, die von der Kantforschung und der Theologiegeschichte her sich stellende Frage nach dem Gottesgedanken Kants innerhalb der vorkritisdien Periode zu beantworten. Das Buch wendet sidi deshalb an einen Leserkreis, der über das Interesse an Kant hinaus neue Perspektiven über die Möglichkeiten einer aus Theologie und Naturwissenschaft gewachsenen Schöpfungstheologie erfahren will. Erleichtert wird eine soldie Lektüre dadurdi, daß die die Naturwissenschaft und die Ontologie Kants behandelnden Kapitel in sich abgerundet sind und ohne eine Kenntnis des übrigen Buches gelesen werden können. Das betrifft besonders den historischen Teil, in den nur bei etwa auftauchenden Fragen Einsicht genommen zu werden braucht. Für ihren Rat und ihre freundliche Teilnahme an der vorliegenden Untersuchung möchte ich an dieser Stelle Herrn Professor D. Heinrich Vogel und Frau Professor D. Dr. Liselotte Richter meinen herzlidien Dank aussprechen. Besonders erinnern werde idi mich stets der vielen Gespräche mit Herrn Professor Vogel, die mit dem Entstehen und der Entwicklung der Arbeit zutiefst verbunden sind. Die Abhandlung ist 1958 von der Humboldt-Universität als Dissertation angenommen worden. In das Buch nicht aufgenommene Belegstellen und Erklärungen, die ich als bekannt voraussetzen durfte, bitte ich gegebenenfalls in den Universitätsbüchereien nachzulesen. Frühjahr 1962

Horst Redmann

Inhalt Vorwort Abkürzungsverzeichnis Quellen Literatur

7 11 11 12

I. K a n t in der Sicht der Gegenwart 1.Perspektiven und Aufgabe 2. Die vorkritische Theologie im Urteil der Kantforsdiung

15 15 25

II. Kants Sdiriften der Frühzeit von 1747—1764

32

III. Die naturwissenschaftlichen und metaphysischen Sdiriften der Frühzeit und ihre Beziehung zur Theologie. Eine Übersicht 1. Die der Frage nach „Gott und Welt" zugeordneten Fragestellungen von Naturwissenschaft und Theologie 2. Die der Frage nach „Gott und Vernunft" zugeordneten Fragestellungen von Metaphysik und Theologie 3. Die Wende von der Naturwissenschaft zur Metaphysik und ihre theologisdie Bedeutung IV. Die Offenbarung Gottes in N a t u r , Vernunft und Geschichte . . .

34 34 36 37 39

V. Von der Unendlichkeit Gottes und der Welt

51

VI. Weltentstehung und Weltsdiöpfung 1. Kants These von der mechanischen Weltentstehung als Ausdrude seiner die Sdiöpfung aus dem Nichts lehrenden Theologie 2. Kants Verständnis vom Wesen Gottes und seine von dorther bestimmte Durchdenkung des Stofi-Form-Problems. Eine Zusammenfassung seiner Physikotheologie und Überleitung zur Ontologie . . S.Anmerkung zu dem Ofienbarungsverständnis Kants

105 110

V I I . Kants Ontologie und ihre Bedeutung für sein Verständnis von der Offenbarung und vom Wesen Gottes

114

V I I I . Der allgenugsame Gott. Eine Zusammenfassung 1. Der Vernunftbegrifi bei Kant und Leibniz. Vernunft und Existenz . . 2. Die theologische Begründung der Kantischen Vernunftauffassung. Vernunft und Gott Der Allgenugsame: a)Der Ewige b)Der Allmäditige c) Der Erhabene 3. Theologisdies Interesse und Ziel der ontologisdien Gedankengänge Kants 4. Abschließende Anmerkung zu dem Offenbarungsverständnis Kants . I X . Nachtrag

.

73 73

149 149 150 150 153 154 159 162 165 9

Abkürzungsverzeichnis Allgemeine Naturgeschichte und Theorie des Himmels oder Versuch von der Verfassung und dem mechanischen Ursprünge des ganzen Weltgebäudes, nadi Newtonschcn Grundsätzen abgehandelt Principorum primorum cognitionis metaphysicae nova dilucidatio Versuch, den Begriff der negativen Größen in die Weltweisheit einzuführen Der einzig möglich« Beweisgrund zu einer Demonstration des Daseins Gottes Kritik der Urteilskraft Kritik der reinen Vernunft Kritik der praktischen Vernunft

= Allg. Naturgescfa. = nova dilucidatio = Begr. d. neg. Größen = = = =

Beweisgrund Kr. d. U. Kr. d. r. V. Kr. d. pr. V.

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I. Kant in der Sicht der Gegenwart 1. Perspektiven

und

Aufgabe

Die letzten Jahrzehnte haben Kant neu sehen gelehrt. Bei aller Verschiedenheit der Fragestellungen und Antworten, die gegeben werden, ist es das eine, was die gegenwärtige Kantforschung grundsätzlidi vom Neukantianismus des ausgehenden 19. Jahrhunderts untersdieidet: Kants Kritizismus wird heute nicht mehr als ein die Metaphysik und die Religion zerstörendes, sondern vielmehr als ein das eigene metaphysische bzw. religiöse Anliegen begründendes Denken verstanden. So sagt bereits Bohatec 1938, S. 11: „Während in der zweiten Hälfte des vorigen Jahrhunderts der Neukantianismus Kant als den Zerstörer der Metaphysik angesehen hatte, drängt sidi in der letzten Zeit die Anschauung hervor, daß der Kritizismus Kants nur die Begründung einer neuen M e t a p h y s i k . . . sein wollte. Damit ergibt sidi die Verbindung mit der Religionsphilosophie von s e l b s t . . . Es ist die Religion, auf die die Theologie und damit auch die Philosophie h i n f ü h r t . . u s w .

Damit gehört die dem Positivismus und Methoden-Formalismus weithin verhaftete Zeit des Kant der „reinen Naturwissenschaften" und der „reinen Erkenntnistheorie", die sich bis zu einer, die Kantsdie Metaphysik und Religion als bloße, lediglich pragmatisdien Wert besitzende, „Illusionstheorien" deutenden Interpretation steigern konnte (Vaihinger), genauso der Vergangenheit an wie die Ansicht, daß Kant nur das Leben der alten Metaphysik fortgefristet habe^ und daß sidi seine religiöse Gesamtansicht mit dem religiösen Rationalismus seiner Zeit dedke^. Über diese Anerkenntnis einer originalen Kantschen Metaphysik und Religion nodi hinaus jedoch geht die Tendenz der Forschung dahin, jede der die metaphysischen und religiösen Motive nur neben der Erkenntnistheorie herausstellenden Auffassungen abzulehnen um die Metaphysik und Religion * ' Paulsen 1904,, S. 83. ^ Aus der Einleitung Karl Vorländers der von ihm herausgegebenen Sdirifl Kants „Die Religion innerhalb . . S . X X V I I . ' So wendet sich M. Heidegger ausdrücklich gegen Heimsoeth, M. Wundt, Nie. H a r t mann u.a.: weil „sie alle von vornherein an der Auffassung der K r . d . r . V . als .Erkenntnistheorie' festhalten und jetzt daneben auch die Metaphysik und die .metaphysischen Motive* herausstellen" (Heidegger 1929, S.5 Fußnote). * Bund 1913, S. 39: „Von hier aus aber haben dann Recht und Staat, Kunst und Wissensdiafl, Religion. Moral und Gesdiichte für den ganzen Umfang ihrer Entwicklung ein und dasselbe Ziel: die Realisierung eines Reiches der Zwecke, als eines Reidies der Vernunft, in dem das Sittengesetz zuletzt über alle herrsdit. damit sei Gott alles in allem.'

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als die alleinigen, unseren Denker bewegenden Fragestellungen gelten zu lassen. Sein Kritizismus wird also nicht als die Folge eines aufklärungsbedingten Skeptizismus verstanden®, sondern als die Folge einer bestimmten metaphysischen und religiösen Position. Seine kritizistische Polemik gilt somit auch nicht der Metaphysik und Religion sdiledithin, sondern nur den ihm tradierten Interpretationen und Auffassungen, die zu bekämpfen sich Kant eben durdi die Originalität seiner metaphysischen und religiösen Problematik gedrängt sah; wobei die Verwandtschafl eines bestimmten Christentums (Calvin) mit der Besonderheit seiner weltansdiaulidien Konzeption von einigen Kommentatoren, wenn auch mehr sachlich als genetisch, besonders nachgewiesen und beachtet wird, während Bohatec die bisher nur ungesicherten Nachrichten über die theologische Belesenheit Kants gelichtet und die starke (nicht nur formale) Abhängigkeit der „Religion innerhalb . . . " etwa von der reformierten Dogmatik (Stapfer) aufgezeigt hat. Weniger gemeint ist jene um und nach der Jahrhundertwende ersdiienene Reihe von theologischen und philosophischen Schriften, die Kant als den Erben bzw. als den wahren Vollender des Protestantismus gefeiert haben'; wenn Bruno Bauch etwa (Bauch 1904, S.4) sagt: „Luthers Wahrheiten enthielten keimhaft Kants Ideen", so ist mit jener These weder Luther nodi Kant gedient, denn weder ist Luther ein noch unentwickelter Kantianer, noch Kant ein Vollender reformatorischen Gedankenguts gewesen. Von ganz anderer Relevanz sind nun die Untersuchungen von Rust, Schmalenbadi und Bohatec', die bezeichnenderweise nicht nur auf sachlichen Vergleichen beruhen, sondern weitgehend genetisch fundiert sind. Alle diese Arbeiten aber weisen eine Verwandtschafl der Kantisdien Philosophie mit Calvin (bzw. mit der reformierten Dogmatik) auf. So spricht Rust in „Kant und Calvin" u. a. von den übereinstimmenden Auffassungen der beiden Männer hinsiditlich : der geschöpflichen Nichtigkeit des Menschen S. 13, der absoluten Transzendenz Gottes S. 18, des radikal Bösen im Menschen M.Wundt 1924, S.389: „Der Gottesgedanke und seine Auswirkung in der Welterkenntnis wird so das letzte Z i e l . . . der Kantisdien Philosophie." In: Schmalenbadi 1929, S. 84, wird der Kant der Spätzeit „als der von seinem Gotte angerufene Religiöse" bezeichnet, der von der „numinasen Dynamik" des DynamischErhabenen gepackt — die „beinahe willenlose und blinde Beute der eigenen Ekstatik" wird. Jaspers 1951, S. 107: „Religion ist bei Kant nidit ein Ursprung neben dem andern, daher kein .Gebiet' in der Systematik der Vernunilfunktionen. Ihm ist noch fremd die spätere Weise, Religion als Kultursphäre anzusehen. Religion ist ihm noch allumgreifend oder gar nicht." ® Heimsoth 1924, S. 3: „Was Kant selbst anlangt, so hat er kaum etwas schroffer weggewiesen als metaphysischen Indifferentismus! In Hume und allem auflösenden Aufklärertum sonst hat er die Feinde der Vernunft und ihrer unzerstörbaren ,Naturanlage' gesehen. —" • Kaftan 1904. — Br.Baudi 1904. — Fr.Paulsen 1899. — Rud. Eudcen 1901. Weniger diarakteristisch, wenn auch ebenfalls in jene Richtung weisend, sind die Sdiriften von: Ernst Katzer 1910. — Bruno Wehnert 1922. — Wehrung 1918. — Th. Siegfrid 1930. ' Rust 1924. — Rust 1928. — Bohatec 1938. — Schmalenbadi 1929.

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s. 19 usw.; während Schmalenbadi in „Kants Religion" S. 128 u.a. sagt: Die Verwandtschaft von Kants echter Religion mit calvinisdi religiösem Erleben steckt in dem religiös Zentralsten usw. Was Bohatec betrifft, so hat er endgültig mit dem alten Vorurteil aufgeräumt, nach dem Kant das Christentum nur „als Volksreligion kennengelernt" hatte (so Kaiweit) und nidit das Christentum der Theologen herangezogen habe®. Vielmehr hat Kant, wie Bohatec das mit einer außerordentlichen Akribie nadiweist, eine so umfangreiche und grundlegende Dogmatik etwa, wie sie Stapfers „Grundlegung zur wahren Religion" darstellt, „nicht nur gelesen, sondern auch auf sidi wirken lassen" ein Einfluß, der in Verbindung mit anderen auf unseren Philosophen einwirkenden dogmatisdien Quellen so hoch gewertet wird, daß Kant nadi der Ansicht des genannten Kommentators als ein Mann verstanden werden muß: „der seine Dynamik dem Protestantismus verdankt"

Als vorläufiges Ergebnis der Forschung lassen sich also feststellen: die (z.T. in Beziehung zum Christentum gesehene) Originalität der Kantsdien Metaphysik und Religion vmd deren umfassende Bedeutung als die Kant allein bewegenden, seinen Kritizismus bedingenden Fragestellungen. Die Entdeckung, daß auch bei Kant Bewußtsein wesenhaft auf Sein (und zwar auf ein transintelligibles Sein) geht, leitete eine Kantwende ein, die von Nie. Hartmann dahin charakterisiert worden ist: daß sie von einem „systematischen Kant" der Lösungen zu einem „aporetischen Kant" der letzten Fragen geführt hat Dabei wird von Aporie in einem gänzlich verschiedenen Sinne zu sprechen sein; sie erwächst zunächst notwendig aus einem auf Sein gehenden, sich aber als endlich verstehenden Denken und ist dem Wesen wahren Philosophierens eigentümlich, das K. Jaspers eine „vernünftige Alogik" nennt, „eine wahre Vernunft, die im Zerbrechen der Verstandeslogik ihr Ziel erreicht" Auch „Kants Vernunft hat (nach Jaspers) diesen weiten Umfang; sie umfaßt nicht nur den Verstand, sondern auch das Vermögen der Ideen, in denen kein Gegenstand erkannt wird" und die somit in ihrer Ungegenständlidikeit nur in Formen gedacht werden können, „die als gegenständlich sich selbst aufheben" „Dodi auch der erweiterte Vernunftbegriff läßt Kant überall an die Grenzen geraten, wo die Vernunft nicht mehr begreifen kann; er bemerkt ,Geheimnis', ,Rätsel' und ,Abgrund'." ' ' „Insbesondere kann die Vernunft nicht begreifen, wie Freiheit (sc. hinsichtlich des radikalen Bösen) möglich ist" Kant denke die Möglichkeit der Gnade zwar, lehne es jedoch ab, gleichsam mit ihr zu rechnen da Gnade als ein Wißbares den Anspruch an die Freiheit des Menschen, zu tun, was ihm möglich ist, schwächen würde*®. Dem so in diesem Denken auf die eigene Kraft zurückgeworfenen Menschen bleibe aber das Grenzbewußtsein gegenwärtig An dem rätselhaften Abgrund des radikal Bösen zerbrechend und so auf eine „mögliche Grenze der Freiheit selbst" stoßend, begegne ihm die gleichsam „indirekte Sprache" der Gottheit, die dem Scheiternden eine dem Wissen verborgene, dessen Freiheit nidit lähmende Möglichkeit der Gnade verheißt. „Kant vollzog (also nach Jaspers) ein Grenzbewußtsein der . . . Vernunft, und zwar so, daß, was an dieser Grenze ihm negativ bewußt wurde, in seinem Gottesbewußtsein die β Bohatec 1938, S. 27. » A.a.O. S. 29. i» A.a.O. S. 29. ' ' N . H a r t m a n n in seiner Rede zum Kant-Jubiläum 1924. K.Jaspers 1949, S.87. A.a.O. S. 122, " A.a.O. S.91. " A.a.O. S. 122. " A.a.O. ebenda. " Jaspers 1951, S.109. " A.a.O. S. 107. " A.a.O. ebenda. A.a.O. S. 106.

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Kcdmann, Gott

entscheidende Tiefe ausdrüdíte." „Die Grenze der Vernunft ist für Kant (danadi) der Ursprung dessen, was bei ihm noch Religion heißen könnte." Eine sich so ihrer Grenzen bewußte Philosophie aber ist kritisch, weil sie um ihren propädeutisdien Charakter weiß sie ist „angewiesen auf die zu ihr gehörige Erfüllung im Mensdien"^', die wiederum nur bei dem an den Grenzen der Vernunft scheiternden Menschen Ereignis wird, dort also, wo indirekte Sprache der Gottheit zu vernehmen und Ursprung der Religion bei Kant zu suchen ist.

Von gänzlich anderer Art ist nun jene Aporie, die nach Ansicht der katholischen Forschung (Erich Przywara) in Kant selbst, dessen Philosophie als ein durch Aufklärung und protestantisches Erbe bedingtes, und so am Sadiproblem der Metaphysik scheiterndes Denken dargestellt wird^^, grundgelegt ist. Die Kant — wie die Philosophie überhaupt — letztlich bewegende Frage versteht Przywara von Husserl her: „Wie ist es zu fassen, daß in der unleugbaren Endlidikeit des Menschen Unendlidikeit sei? Heißt das, daß aus seiner Endlichkeit Unendlichkeit quillt? Oder heißt es, daß er nur passiver Schauplatz einer sich offenbarenden Unendlichkeit sei?"^^ Die Zerrissenheit des Kantischen Denkens sieht nun Przywara dadurdi charakterisiert, daß es sowohl von der einen als auch von der anderen Seite her interpretierbar ist: der von Martin Heidegger gesichtete Kant einer Metaphysik der Endlichkeit und der von Eugen Herrigel ^^ her verstandene Kant einer Metaphysik der Unendlichkeit^®. Beide Kommentatoren sehen denn auch, wenn nicht Zerrissenheit, so doch ein Zurückschrecken vor der äußersten Konsequenz bei unserem Philosophen. So bleibt nach Herrigel bei Kant das letzte Ungeklärte, wie in ein und demselben Menschen zusammengehe die Absolutheit des transzendentalen Idi und die Gebundenheit ins sinnenhafl; Endliche, während für M. Heidegger die zweite Auflage der K r . d . r . V . eine Flucht Kants vor seiner eigentlidien grundlegenden Erkenntnis innerhalb der ersten Auflage ist^'. Nadi Herrigel ist nun selbst die zweite Auflage noch nicht genügend zur eigentlichen Absicht Kants durchgestoßen: „den gesamten mundus sensibilis... nur als untersten Ort zu erweisen, an dem ,noch' das Eigentlidie sich offenbart, nämlich die erst im mundus intelligibilis klarer entfalteten ,urbildlichen Synthesen' (die ,ewigen Ideen')." „Die Kategorientafel ist nur Erscheinungsform der ,urbildlichen Synthesen', d. h. der 2» Jaspers 1949, S. 122. Jaspers 1951, S. 107. 22 A.a.O. S. 112. A.a.O. ebenda. Siehe A n m . 4 7 u.a. 25 Przywara 1952, S . 4 7 5 . 2» Heidegger 1929. 27 Herrigcl, Die metaphysische Form, 1929. 28 Im folgenden werden die Kant-Deutungen Heideggers und Herrigels in der Sicht Przywaras wiedergegeben, um sowohl Przywaras, Herrigels und Heideggers Auffassungen in eins zusammenzufassen als audi das hier entwickelte charakteristische Bild der gegenwärtigen Kantforsdiung aufzuzeigen. Die Darstellung weicht nur dort von Przywara ab, wo nach Ansidit des Verfassers Przywara Heidegger fehlinterpretiert. 2« Przywara 1952, S . 4 7 6 .

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Grundgesetze, die für Sein überhaupt gelten. Folgerichtig ist das ,Idi', in dem diese Tafel sich schließt, ebenso nur Hinweis auf jenes ,metaphysische' Idi" . . . das die „(vom kopemikanischen Standpunkte her gemeinte) ,Mitte'" ist, „der schlechthin reine Wille als der Grund aller Gründe und in eins damit das personale Geistwesen als Quell alles Seins" 30. Für Heidegger liegt alles umgekehrt: Die zweite Auflage der Kr. d. r. V. ist Flucht vor der grundlegenden Erkenntnis der ersten Auflage: „die radikale Richtung des Menschen in die Endlichkeit bis zum ,Sichhineinhalten in das Nichts'"^S „die Rückführung aller Kategorien in den Schematismus der Vorstellungen, die Gründung des reinen Verstandes auf die transzendentale Einbildungskrafl", die sich auf „das zurückführt, was die Endlidikeit als solche konstituiert: die Zeit" Jene Sicht des Menschen erwächst aus dem Verstehen „der Endlichkeit des Daseins in ihm" das sich als ein solches als der „innerste Grund seiner Endlichkeit" beweist'^. Das Semsverständnis®' ist somit „das Endlidiste im E n d l i c h e n " u n d macht menschliche Existenz überhaupt erst möglich". Dieses Fragen nach der Endlidikeit im Mensdien geschehe in den drei Kantisdien Fragen nach dem Können, Sollen und Dürfen der menschlichen Vernunft'®, da hier ein „Nichtkönnen", „Noch-nidit-erfüllt-haben" und „Entbehrung" bekundet werde, das nidit nur die Endlidikeit der menschlichen Vernunft verrate, sondern deren „innerstes Interesse an der Endlichkeit s e l b s t . " " „Es geht ihr (somit) darum, nicht etwa das Können, Sollen und Dürfen zu beseitigen, also die Endlichkeit auszulöschen, sondern umgekehrt darum, dieser Endlichkeit gerade gewiß zu werden, um in ihr sidi zu halten."

Die Problematik zwischen Herrigel und Heidegger bedeutet nach Przywara „ein einschneidendes Wiedererstehen Kants". Das „zwischen Humanitäts-Rationalismus der aufgeklärten Vernunftwelt und vernunftverdammendem Luthertum der dämonisdien Welt der Sünde" zerrissene und jedes auf seine Weise verabsolutierende Denken Kants berge einen Explosivstoff des Extremen in sich, der die so extrem voneinander abweidienden Interpretationen von Herrigel und Heidegger ermögliche A.a.O. ebenda. A.a.O. S. 476/77. Przywara 1930, S.92. ä' Heidegger 1929, S. 219. A.a.O. ebenda. . . . u n d nicht etwa der Mensch, der (nach Przywara 1952, S.477) das „innerste Wesen der Endlichkeit" ist. Die von Przywara gemeinte Heidegger-Stelle (1929, S. 219/20) lautet aber: „Wir brauchen gar nicht erst nach einem Bezug des Seinsverständnisses zur Endlichkeit im Menschen zu fragen, es selbst ist das innerste Wesen der Endlidikeit." »» Heidegger 1929, S. 219. 37 д . а . О . S. 218. 's Heidegger 1929, S. 206. A.a.O. S. 207. "« A.a.O. ebenda. Zu dem von dorther gesehenen Kantverständnis Heideggers erklärt Przywara (1930, S. 91): Das „est Deus in nobis" des Opus posthumum heißt folgerichtig in seiner Akzentuierung „est Deus in nobis". Es ist die Göttlichkeit der Humanität, insofern das

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Von Augustin her formulierend, läßt Przywara Kant in die letzte Entscheidung gestellt sein: „zwisdien dem Nichts und dem Ist (Gottes)... beide Seiten sind drohend . . . die geöffnete Unendlichkeit verlangt ihn ganz zu besitzen. Das geöffnete Nichts der Endlichkeit fordert ihn ganz hinein." ^^ Der bei Herrigel und Heidegger wiedererstandene Kant „ist bei beiden nicht mehr der Kant der stolzen Humanität der Aufklärung. Es ist der Kant der einsamen Stunde des Blickes in die gestirnte Nacht: das negative apeiron, das thomistische ,infinitum potentia', die Abgründigkeit des Nichts der Endlichkeit, — und das positive apeiron, das thomistische ,infinitum actu', die Unermeßlichkeit der Fülle der Unendlichkeit. ,Abyssus abyssum invocat': Abgrund des Nichts gegen Abgrund Gottes." In der Gegenüberstellung von Herrigel und Heidegger eine Symptomatik für eine bestimmte Kantforschung der Gegenwart zu sehen, ist ein nur bedingt gerechtfertigtes Unternehmen. Wohl finden wir eine Betonung des „Übersinnlichen" im Menschen bei Kant, eine Identifizierung von „Übersinnlich" und „Übernatürlich" wird aber (außer Herrigel) kaum noch angestrebt; auch die dagegenstehende Akzentuierung der sinnenhaften Gebundenheit des Menschen hat mit der Heidegger-Deutung wenig gemein; denn während dort „die Destruierung des idealen Menschen" zu einer jede Art von Theologie verwerfenden trotzigen Metaphysik der Endlichkeit führt treibt hier das Ungenügen des Endlichen den Menschen: letzte Antwort in der Religion und Theologie zu suchen. Indessen drängen sich Parallelen auf, wenn wir etwa bei Bohatec von dem Versuch der Kantischen Religionsphilosophie lesen: „die protestantische Dogmatik in das Lidit der nachweislich platonisch gefaßten Idee zu rücken", um so eine Synthese von protestantisdiem Christentum und Piatonismus zu vollziehen^®. Nach Leisegang sind „Kants Ethik und Religionsphilosophie einer Deutung im Sinne der echten, konsequenten Mystik fähig" „Das moralische Gesetz in uns", das nach Leisegang bei Kant in seiner „Unableitbarkeit . . . die eine ,göttliche Abkunft' dieser x\nlage verkündigt", sei „geradezu der Gott in uns"^^, und damit falle „die Gnadenwirkung Gottes in den Menschen hinein, und die Gnade (werde) selbst zur Natur" (natura = gratia). Dieser „übersinnliche Mensch in uns", der kraft seiner Anlage keiner übernatürlichen Hilfe (das wäre unechte Mystik) bedürfe, sei nach Kant dem sinnlichen Menschen total überlegen""; imd da er als der „Gott in uns" auch die Texte der Innerweltlidie sidi um sie zusammensdiließt: Erdgöttlichkeit des endlidien Mensdien in der Welt in die Welt hinein. Es ist ein solches Betonen des „nobis", daß „nobis" (von unten her) als „Deus" ersdieint: die pantheistisdie „Göttliche Humanität". « Przywara 1952, S. 478. " A.a.O. S. 479. " Heidegger 1929, S. 227. « Bohatec 1938, S. 637/38. ^^ Leisegang 1949, S.26. A.a.O. S.16. « A.a.O. ebenda. "» A.a.O. S. 18.

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Bibel auslege, unterscheide sidi Kants Bibeldeutung durchaus nicht von „der alten allegorischen Methode der Mystiker" . . . usw. Die Betonung der sinnenhaften Gebundenheit des Menschen ist dagegen bei einem Kantianismus der Gegenwart zu beobachten, der in der Arbeit unseres Philosophen keine positive Begründung, sondern nur einen negativ kritischen Sinn sieht. Anders als bei Heidegger wird hier die Kantische Philosophie als Demütigung des Denkens unter seine Grenzen verstanden; sie ist zuletzt nichts als Rückführung in eine letzte Spannung, auf deren Problematik nur der Glaube Antwort zu geben vermag®'. Daß bei Kant das Denken und Handeln des Menschen in seinem Ungenügen zur Religion drängt, um dort letzte Antwort zu erfahren, wird besonders von Max Wundt aufgezeigt: „Gerade daß die Erörterung sämtlicher Kritiken schließlich in die Religion einmündet, gibt ihr eine bezeidinende Stellung."®^ „Die kritische Philosophie gipfelt (so) in der Theologie"®', denn es „bleibt für das dritte Stadium nur der von dem praktisdien Gebiet unternommene Überschritt in das Übersinnliche und die in der Theologie gebotene Betrachtung des Sinnlichen unter dem Gesichtspunkt des Übersinnlichen. Folgerichtig wird ihm daher die Theologie als sein eigentliches Gebiet zugewiesen."®^ „Der Gottesgedanke und seine Auswirkung wird so das letzte Ziel wie der Metaphysik überhaupt, so der Kantischen Philosophie." ®® Die Frage entsteht neu: Ist die Verschiedenart der gegenwärtigen Kantforschung das Kennzeichen einer in Kant selbst begründeten Aporie? Wie dem auch sei, eines wird zumindest deutlich: ob man das Kantische Denken von „oben" oder von „unten" her versteht, ob die behauptete Aporetik als ein sinnvolles oder als ein in sidi zerrissenes Philosophieren gesichtet wird: es steht in jedem Fall in einer tiefen Beziehung zur Religion. Die Frage wird also von dorther zu beantworten sein. Den umfassendsten Versuch nun, die religiösen (und metaphysischen) Hintergründe des Lebens und Wirkens Kants als die sein Denken letztlich bewegenden Motive aufzuzeigen, unternimmt H . Schmalenbadi in seinem Buch „Kants Religion". „ D e r tiefer eindringende Leser K a n t s entdeckt", wie er sagt, „in seinen Büchern, b a l d hier b a l d dort, . . . die Zeugnisse eines f a s t unvergleichlichen, jähen und wilden inneren Erlebens" I m Z e n t r u m stehe zunächst das Erhabenheitserleben des U n e n d lichen, das dem jungen K a n t in der G e s t a l t des Mathematisch-Erhabenen des R a u m e s begegne, und dem er sich in einem rauschhaften metaphysischen Fühlen hingebe, w ä h rend der späte K a n t in dem Dynamisch-Erhabenen Gottes die Erhabenheit einer ungeheuren, uns unendlich überlegenen religiösen Macht e r f a h r e " , die sich ihm d a n n letztlich und endlich in der unbedingten G e h o r s a m und U n t e r w e r f u n g fordernden 5» A . a . O . S . 2 1 . M. Wundt 1924,5.436. " A . a . O . ebenda. " A . a . O . S. 55 ff.

"

S o Friedrich K r e i s 1930 und L u d w i g F r e u n d 1950. A . a . O . S. 334. " A . a . O . S. 389. H . Schmalenbach 1929, S. 14.

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„feierlidien Majestät" des Sittengesetzes manifestiere". Die Weltanschauung des jungen Kant wird somit im Unterschied zu dem religiösen Dualismus des späten Kant als ein metaphysisch-monistischer Naturpantheismus verstanden. Das „Mysteriöse und Inkommensurable" bindet aber nadi Schmalenbadi das metaphysische und religiöse Erleben auf der subjektiven Seite zusammen®'. Die Nähe Kants zum Calvinismus sieht der genannte Kommentator u. a. darin, daß seine zunächst moralische Auffassung von der Religion®» in einen religiösen Dynamismus g i p f e l t d e r in dem dem Calvinismus zutiefst verwandten inhaltslosen und unbedingten Sittengesetz „ein grund- und sinnloses Du-sollst" erlebt; d.i. „ein absoluter Befehl; schledithin irrational; pure, nackte Gewalt" «2. Damit verbunden sei indessen bei Kant — analog dem Calvinismus — ein sehr betonter Personalismus, dessen „Basis das Bewußtsein der menschlidien Würde, das Herrseinwollen und Freiheitsverlangen" darstelle"'. Aus jener Doppelheit nun: dem Erlebnis der ungeheuren überwältigenden Macht des Dynamiscii-Erhabenen und dem Verlangen nach Freiheit — die das Erhabenheitserlebnis überhaupt erst ermögliche'* -— entstehe ein „Antagonismus von . . . Hingerissensein und Sichfesthalten" von dem her der heroische Kampf Kants gegen das Gefühl (gegen das eigene Fühlen nämlich) verständlich w e r d e " . Andererseits gehe auch der im Transzendentalismus sich ausdrückende Personalismus aus dem religiösen Leben hervor: „Denn in jenem höchsten Stehen vor Gott, das dennoch ein Stehenbleiben vor Gott ist, vollzieht sich auch die Wendung, daß nun, wo die Sinne nichts mehr vor sich sehen, Gott selbst dauernd bildnislos, völlig transzendent bleibt, die Seele also eigentlich überhaupt kein Gegenüber hat — in ihr das Bewußtsein reift: die ungeheuren Erlebnisse müssen aus ihr selbst, aus ihren eigenen verborgenen Tiefen aufgestiegen sein; aus einer Schicht des Selbst, die hinter allem Erscheinenden liegt, nie unmittelbar zutage tritt und nun als der Gedanke des Intelligiblen Ich, genialer noch des Transzendentalen Ich philosophischen Begriff erhält. ,Die Erhabenheit unserer eigenen übersinnlichen Existenz.' " "

Die von der Forsdiung auf gewiesene religiöse Verwurzelung der Kantischen Philosophie und deren Aporetik gewinnt durch Sdimalenbachs Untersuchungen an Bedeutung, da hier Kants Religiosität als ein dem Calvinismus tief verwandtes Erleben näher bestimmt wird. Doch versteht Schmalenbach die Beziehung Kant-Calvin vorwiegend sachlich; eine genetische Abhängigkeit von der Dogmatik wird im wesentlidien verneint; zugegeben wird lediglich der Einfluß eines calvinistisch geprägten Pietismus, der dann allerdings „für Kant durdi die Macht seiner religiösen Kindheitserlebnisse dauernd grundlegend gewesen" sein soll"®. Da nun neben Schmalenbach nodi eine Reihe von Kommentatoren die Nähe Kants zum Protestantismus behauptet hat®', von denen besonders A.a.O. S. 77. A.a.O. S. 67. s» A.a.O. S. 72. «1 A.a.O. S. 76. »= A.a.O. S. 74. β' A.a.O. S. 128. A.a.O. S. 103: „ . . . wenn diese Macht uns sogleich und . . . ohne Behinderung überwältigte, würde es gar nicht zum Erlebnis ihrer Erhabenheit kommen." (Vergeblidikeit des Widerstandes.) «5 A.a.O. ebenda. »« A.a.O. S. 127. " A.a.O. S. 129. «s A.a.O. ebenda. Neben den in Anm. 13 erwähnten Kommentatoren weist auch neuerdings E.Hirsch 1952 auf die Nähe Kants zur christlichen Ethik (S.302) sowie auf seine aus diesem Geist erwachsende Kritik an der rationalistischen Theologie (S. 289 ff.) hin.

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Rust (1924) hervorgehoben zu werden verdient, ergab sich die bereits von Troeltsch betonte Notwendigkeit, den Quellen der zeitgenössischen Theologie in der Gedankenwelt Kants nadizuforschen, um so jene vielen sachlichen Vergleiche auf ihre genetische Zulässigkeit hin zu prüfen. Dieser Aufgabe hat sich Bohatec mit großer Genauigkeit gewidmet und dabei überzeugend den starken Einfluß der reformierten Dogmatik (bes. Stapfer) auf die Religionsphilosophie Kants (leider nur auf sie) nachgewiesen'". Damit ist der erste Schritt zur Widerlegung der Troeltschschen Auffassung getan, nach der das Historische Kant nur als Illustrationsmittel gedient habe'*. Auch die „Umdeutungstheorie" " kann damit in eins nur noch eine bedingte Geltung beanspruchen; denn das Christentum hat, wie Bohatec das in einem begrenzten Rahmen aufzeigt, auf Kant eingewirkt und zumindest seine Religionsphilosophie inhaltlidi mitbestimmt''. Von dorther gesehen, fällt ein neues Licht auf die Aporetik des Denkens Kants; es ist nidit nur ein noch „unüberwundener Rest" der alten Dogmatik, die die Widersprüche des Kantischen Philosophierens erklären (Pfleiderer) noch ergeben sidi die Widersprüche allein daraus, daß Kant, wie Menzer — schränkt man seine Aussage ein — nicht ohne Recht betont, das Christentum aus dem Zusammenhang der historischen Kontinuität heraushob, ohne doch seinen Vernunfbrsprung angeben zu können Vielmehr kann und muß nach den genetischen Untersuchungen Bohatecs und den sachlichen Vergleichen von Sciimalenbach, Rust u.a. vermutet werden, daß zwei in Kant lebendige Welten (Aufklärung und Protestantismus) in ihm aufeinandergeprallt sind und mit der Aporetik seines Denkens in Beziehung stehen. D i e protestantische Theologie, die hier nur andeutungsweise erwähnt werden kann, berührt jene P r o b l e m a t i k nur wenig. D e r v o n A l b e r t Schweitzer versuchte Nachweis, daß ein „unlösbarer Widerspruch zwischen den Voraussetzungen des kritischen Idealismus und der Tatsache des Sittengesetzes bestünde" nimmt auf die hier interessierende F r a g e keinen B e z u g . E m i l Brunner erwähnt a m R a n d e die B e m ü h u n g K a n t s , den "

Siehe A n m . l 3 . " Troeltsch 1904, S. 134. S o sieht u . a . Aner in K a n t einen charakteristischen Vertreter des die N e o l o g i e ablösenden „umdeutenden R a t i o n a l i s m u s " (Aner 1929, S . 3 6 3 ) . " D i e Konsequenzen, die Bohatec selbst aus seinen Untersuchungen zieht, sind nicht letztlich eindeutig; w ä h r e n d er einmal die Kantische Religionsphilosophie inhaltlich v o n der D o g m a t i k mitbestimmt sein läßt ( „ d i e reinste sittliche A u f h e l l u n g , die die Idee der Menschheit in der .Religion i n n e r h a l b . . . ' erfahren hat, ist dem Einfluß der D o g m a t i k zu v e r d a n k e n " [ S . 6 1 4 ] ; f e m e r sei K a n t ein M a n n , „ d e r seine D y n a m i k dem Protest v e r d a n k e " [ S . 6 2 9 u s w . ] ) , spricht er ein a n d e r m a l v o n dem Versuch K a n t s , „die Protestantische D o g m a t i k in das Licht der nachweislidi platonisch gefaßten I d e e zu rücken" ( S . 6 3 7 ) . Andererseits läßt seine F o r m u l i e r u n g v o n der „ S y n t h e s e " v o n p r o testantischem Christentum und Piatonismus vermuten, daß hier eine auch inhaltliche Verschmelzung v o n Protestantismus und Piatonismus gemeint ist (a.a.O. S . 6 3 7 — 6 3 8 ) . " Pfleiderer 1883, S . 1 8 9 . " Menzer 1911, S . 4 2 7 . " Albert Schweitzer 1899, S . 3 2 0 .

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„theologischen Hintergrund aus seiner Ethik zu verbannen und wie er es doch nicht gekonnt hat. Daher die Zwiespältigkeit der Kantischen Ethik" Heinrich Vogel weist (wie mir aus persönlichen Gesprächen bekannt ist) auf eine hinter der Kantisdien Ethik stehende, deren Autonomie ständig zu sprengen drohende Dynamik einer Gotteswirklichkeit — keine „etwas deistisch verblaßte" wie Brunner sie nennt — hin, deren umfassende Bedeutung also für die Kantisdie Ethik den Geltungsbereich des lokalisierten Gottesbegriffes bei weitem übersteige, eine Beobachtung, die die Untersuchungen von Schmalenbach, Rust u. a. zu bestätigen scheinen. Im allgemeinen aber verstehen die recht konservativen Auffassungen Kant wesentlidi als einen Philosophen „innerhalb der Grenzen bloßer Vernunft"; so sieht Karl Barth etwa in der Kantischen Philosophie eine redliche und „kritische Selbstbejahung der Vernunft", innerhalb derer (im Unterschied zu der uferlosen Selbstbejahung der Aufklärung vor Kant) nur das ausgesagt wird, was innerhalb der Grenzen bloßer Vernunft nur ausgesagt werden kann'®.

Welch ungemein schwerwiegende Bedeutung nun dem Gottesgedanken Kants innerhalb der aufgezeigten Problemkreise zukommt, braucht kaum betont zu werden. Daß mit der Besinnung auf die metaphysisdien und religiösen Motive der Kantischen Philosophie auch deren Theologie eine systematische Darstellung verlangt, ist bereits von Bohatec gesehen worden Diese Forderung verschärfl sich, wenn man bedenkt, in weldi unmittelbarem und tiefem Zusammenhang die Aporetik des Kantischen Denkens — sei sie nun philosophisdi oder historisch begründet — mit dem Gottesgedanken unseres Philosophen steht; zwar ist über diesen Begriff seiner Einschätzung gemäß viel Beachtliches gesagt worden, dodi kann die Tatsache nicht übergangen werden, daß die thematisdi nicht als solche behandelte Theologie Kants bisher in dem Lichte von Fragestellungen gesehen wurde, die dessen Metaphysik und religiöses Erleben zum Inhalt hatten, und die so Ursprung und Wesen des Kantischen Gottesgedankens von dorther begründet und geartet sein ließen. Es heißt also demgegenüber nachzufragen: ob denn Kants Theologie überhaupt von dorther orientiert ist (durch Überprüfungen der dogmatischen, naturwissenschafüidien und metaphysischen Quellen), und ob nicht über diese eventuelle Unabhängigkeit hinaus sein Gottesgedanke seinerseits eine die Eigenart seiner Metaphysik und Religiosität bestimmende Kraft besitzt (durdi systematische Darstellung des Gottesgedankens). N u r so besteht Aussicht, vom Gottesgedanken her Wesen und Aporetik der Kantischen Philosophie zu erhellen. Einen ersten Schritt nun innerhalb jener zu leistenden Untersuchung soll diese den Gottesgedanken des jungen Kant behandelnde Arbeit darstellen. Zu jener thematischen Begrenzung raten Umfang und Schwierigkeit des Stoffes, die schon von anderer Seite aufgezeigte außerordentliche Bedeutung der Frühzeit für die kritischen Schriften, nidit zuletzt aber die Geschlossenheit und Tiefe der Theologie des jungen Kant, deren theo" E.Brunner 1932, S.61.

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Karl Barth 1952, S.242.

Bohatec 1938, S. 12; 17.

logischer und theologiegesdiiditlidier Aussagewert deren gesonderte Behandlung nicht nur erlaubt, sondern fordert. Die Abhandlung verfolgt also den doppelten Zweck: sowohl der für die gegenwärtige Kantforschung so ungemein wichtigen Frage nadi dem Ursprung und dem Wesen des Gottesgedankens der Spätzeit den Boden zu bereiten, als auch den Eigenwert der Theologie des jungen Kant herauszustellen, der nicht nur von der Theologiegesdiidite, sondern vor allem auch von der Dogmatik (besonders hinsiditlidi der Schöpfungslehre) beachtet zu werden verdient. 2 . Die vorkritische

Theologie

im Urteil

der

Kantforschung

Den die verschiedenartigen Interessengebiete von Metaphysik, Mathematik, Mechanik, Astronomie, physische Geographie u.a. umfassenden Arbeitsbereich des jungen Kant, seine weltofiene, an Bacon erinnernde Art, Wissensdiaft zu treiben, sowie sein, das reiche Traditionsgut eines Leibniz, Newton, Wolff u.a. in sich aufnehmendes und neugestaltendes Denken: all das empfiehlt sich audi heute noch am besten in der unnachahmlichen Darstellung von Kuno Fischer nadizulesen Wenig Beaditung findet hier freilich die Theologie Kants, gesdiweige denn, daß ihr eine erwähnenswerte Eigenart zugestanden wird, obwohl doch sdion allein die Tatsache, daß die größte und bedeutungsvollste Schrift jener Periode den Gottesgedanken thematisch behandelt®*, hätte zu denken geben müssen Fischer berührt sich hier mit Paulsen, der Kant seinen „Gottesbegriff der Schulmetaphysik (deus ens perfectissimum s. realissimum)", wie er ihn bei Baumgarten vorfand, ohne Modifikationen und sonderlidies Interesse entnehmen läßt®®, wie denn überhaupt seine Metaphysik als ein inhaltlich wenig selbständiger, an Leibniz (und Plato) orientierter Idealismus verstanden wird®^, der er im Gegensatz zu der aus Liebhaberei betriebenen empirischen Weltkenntnis nur aus Profession nadiging. Eine gewisse, wenn auch redhit begrenzte Wertsdiätzung erfährt die Theologie des jungen Kant bei Bruno Bauch, der aber bezeichnenderweise im bewußten Gegensatz zu Fischer und Paulsen auch dessen Metaphysik eine inhaltliche Selbständigkeit und Originalität zuspridit®'; danadi ist der Gottesgedanke unseres Denkers wesentlich durch seine neue ontologisdie Argumentation begründet®', was die Bedeutung seiner Theologie β» K.FisAer 1898, S. 136 ff. " Beweisgrund 1763. Die in den religiösen Vorurteilen des Neukantianismus nodi weithin befangene Zeit Fischers (Paulsens usw.) hat wohl eine andere Auffassung kaum aufkommen lassen. " Fr.Paulsen 1904, S. 86; 89. A.a.O. S.83. Br.Baudi 1917, S. 80/81. «β A.a.O. S. 67; 81.

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ausmachen und deren Unabhängigkeit in den sechziger Jahren von der Physikotheologie erklären soll®^. Dennoch kann nicht übersehen werden: daß die geringe Aufmerksamkeit, die auch hier der Theologie der naturwissenschaftlichen Schriften nur gewidmet wird (die doch das ganz vorwiegende Interesse des frühen Kant beanspruchen), den Gottesgedanken unseres Denkers zu einer bloßen, für das Ganze kaum Relevanz besitzenden Randerscheinung macht. Entgegen jenen die Theologie unseres Philosophen entweder weithin negierenden oder völlig einseitig die theologische Priorität der metaphysischen Schriften behauptenden Auffassungen hat Paul Menzer die außerordentliche Bedeutung des Gottesgedankens gerade für die Naturwissenschaft Kants hervorgehoben. Ähnlich Kepler, Newton, Maupertuis u.a. sei unserem Philosophen nicht die Mechanik, sondern die Weisheit Gottes höchstes Prinzip der Naturwissenschaft, so daß für ihn, wie Menzer sagt, „der Gottesbegriiï die unentbehrliche Voraussetzung für die Möglichkeit einer systematischen Verfassung des Weltgebäudes darstellt" In noch verstärktem Maße und mit einem recht veränderten Akzent hat Hugo Bund die Wichtigkeit der Theologie für den frühen Kant betont, indem er mit dessen eigenen Worten darauf hinweist, daß es sein Ziel war: „vermittels der Naturwissenschaft zur Erkenntnis Gottes hinaufzusteigen" Im Unterschied zu Menzer wird also der Gottesgedanke nicht primär als ein (wenn auch unerläßliches) Prinzip verstanden, ohne das die Naturwissenschaft nicht sein kann, sondern Kant betreibt (wie das Menzer nur im Ansatz sieht, s. Anm. 10) nach Bund „das Studium der N a t u r . . . nicht um seiner selbst willen, sondern nur als Mittel zum Zweck" (der Gotteserkenntnis). „Nicht das Wissen als W i s s e n . . . gilt ihm als Ziel seiner dahin gehenden Bemühungen, sondern . . . die Befestigung unserer Einsicht, daß es einen Gott gibt, als die wichtigste aller unserer Erkenntnisse."Dieses Forschungsergebnis bedeutet unverkennbar einen großen Schritt vorwärts, obwohl hier noch sehr einseitig der physikotheologische Gottesbeweis als das theologische Ziel unseres Philosophen angesehen wird. Von revolutionierender Art sind nun die Untersuchungen Schmalenbachs, nach denen die naturwissenschaftlichen Studien Kants die bloße Ausdrucksform eines von der Erhabenheit des Raumes überwältigten metaphysischen Erlebens d a r s t e l l e n D i e s e „rauschhafte Hingabe an die A.a.O. S.67: Kant sei auf bestimmte Argumente der Physikotheologie „gerade darum nicht mehr angewiesen, weil er Gott bereits als allgemeines Prinzip der Möglichkeit gefaßt hat". 88 P.Menzer 1911, S.52. 8β H . B u n d 1913, S.94. »» A.a.O. S.93. β» Schmalenbach 1929, S.32.

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Unendlldikeit des Universums", die als ein „wesenhaft pantheistisches Fühlen (und dann, relativ, auch pantheistisches Denken) der allgöttlichen Welt" charakterisiert wird'-, bringe den jungen Kant (zusammen mit den λ'οη Nicolaus Cusanus bis hin zu Newton reichenden Klassikern der modernen N a t u r w i s s e n s c h a f t i n eine unmittelbare weltansdiauliche Nachbarschaft mit G.Brunos naturpantheistischer monistischer Metaphysik'^ und mache deutlich, daß der von ihm gelernte Theismus des theologischen Dogmas ihn in keiner Weise innerlich berührt habe und sein die Verbindung von Gott und Welt pantheistisch zu identifizieren trachtendes Fühlen und Denken nicht wesentlich zu beeinflussen vermochte®'. Es ist das Verdienst von Bund und Sdimalenbach, als erste mit einer Fülle von Belegen aufgezeigt zu haben, daß nicht das Interesse an der Wissenschaft als solcher die Kantisdie Jugend bewegt hat, sondern ein die Wissenschaft nur als Ausdrucksmittel wählendes theologisches bzw. metaphysisches Anliegen. Ihre Auffassungen von dem Wesen der Theologie und Metaphysik unseres Denkers sind dagegen außerordentlich problematisdi. Bund sieht den jungen Kant in einer theologisch engen Beziehung zur katholisdien Kirche, denn: „Etwas anderes, als vermittelst der Naturwissenschaft zur Erkenntnis Gottes hinaufzusteigen, will also die Kirche mit ihrem Naturstudium . . . auch nicht." Audi darin sieht Bund Kant im Einklang mit der katholischen Kirche (besonders dem Neothomismus), daß er im Unterschied zu der traditionellen Theologie sich bemühe, „soweit es nur irgend angeht, mechanische Gründe aufzufinden, um dann nur für den jeder gewöhnlichen Erklärungsmethode spottenden Rest, sozusagen als pièce de résistance, auch zu einem hypermedianisdien Hebelsteller im Himmel greifen zu können" Dazu ist zu sagen, daß wohl der Neothomismus, auf keinen Fall aber Kant so gedacht haben kann, da jene Art der unserem Philosophen zugesprodienen Teleologie sich nicht wesentlidi von der Newtonsdien Physikotheologie unterscheidet, sich Kant aber grundsätzlich von ihr unterschieden wissen will. Zwar sxicht auch Bund jenen Unterschied aufzuzeigen, doch wirkt sein Hinweis nicht gerade überzeugend, daß Kant im Unterschied zu Newton erst dort „zu Gott s e l b s t . . . greife(n)", wo die „Kette der natürlichen Kausalität versperrt ist" denn nach Kant sah sich auch Newton erst am Ende seiner wissenschaftlichen Erklärungskraft (Kant redet von der „Verzweiflung" Newtons) gezwungen, „die Bemühung der Untersuchung aufzugeben und sich mit der Anführung des unmittelbaren Willen Gottes zu begnügen" •2 A.a.O. S. 77. »5 A.a.O. S.36. »8 A.a.O. S.98.

»3 A.a.O. S. 33. " A.a.O. S. 32. «« H.Bund 1913, S.94. " A.a.O. S. 100. »9 Allg. Naturgcsch. WWI S. 338/39.

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Selbst wenn man aber von dieser Tatsache (daß auch Newton nidit bewußt die mechanische Naturerklärung zugunsten der Teleologie eingeengt hat) absieht, so besteht zwischen Kant und Newton dennoch kein wesentlicher Unterschied, benutzt doch auch Kant (nach Bund): „in erster Reihe ausschließlich nur die Lücken der mechanischen Naturerklärung zum Sprungbrett, um von ihnen aus dann auch ganz unmittelbar zu Gott, als wahrem Lückenbeißer zu kommen" Die von unserem Philosophen selbst so leidenschaftlich betonte Besonderheit seiner Physikotheologie wird also anderswo zu suchen sein, als wo Bund sie vergeblich gesucht hat; sie beruht — und das ist dann allerdings ein diametraler Gegensatz — auf der einfachen Tatsache, daß Kant entgegen Newton es ausdrücklich ablehnt, auch nur im geringsten etwas anderes als mechanische Kräfte zur Erklärung der Weltentstehung anzuerkennen"'. Wenn aber das radikal medianisch verstandene "Weltbild unseres Philosophen keinerlei Lücken a u f w e i s t i n die er den Zweckgedanken hätte einsdimuggeln können, so müssen seiner Theologie doch wohl notwendig wesenhaft andere Impulse innegewohnt haben als die der mehr oder minder auf dem Zweckgedanken fußenden Physikotheologie der katholischen Kirche und der überlieferten Naturwissenschaft. Sehr viel tiefer geht nun das Verständnis von Schmalenbadi, der die Kantische Naturwissenschaft als die Ausdrucksform eines von der Erhabenheit des unendlichen Raumes (und der Zeit) ergriffenen metaphysischen Erlebens begreift (s. Anm. 13). Diese starke Betonung des emotionalen Momentes bei Kant hat sicherlich seine Bereditigung, birgt aber auch eine große Gefahr, wie sie einer die Theologie und Metaphysik primär vom Erleben her verstehenden Interpretation notwendig eigen sein müssen. Daß im Erhabenheitserleben des Raumes Kant zugleich die Erhabenheit Gottes miterlebt habe, braudit nicht geleugnet zu werden. Daß ihm aber die Erhabenheit des Raumes mit der Erhabenheit Gottes identisdi gewesen sein soll"®, ist recht unglaubwürdig, weil nach jener H . B u n d 1913, S.94. Allg. Naturgesdi. WWI S.234: „Ich habe, nachdem ich die Welt in das einfachste Chaos versetzt, keine anderen Kräfte als die Anziehungs- und Zurückstoßungskraft zur Entwicklung der großen Ordnung der Natur a n g e w a n d t . . Wie Menzcr (1911) sagt, daß bei Kant die Mechanik bereits die Theologie sei, die auf Gott hinweise (was im übrigen auch die „Lückentheorie" Bunds widerlegt), so gilt diese These nur einer ganz bestimmten Hinsicht, die indessen hier nodi nicht näher erörtert werden kann. Schärfer noch als in seinem Kantbuch sagt Schmalenbadi i. s. Leibnizsdirift S. 573 über Kants pantheistisches Gottesverständnis: „So ist bei dem Räume aber die eigentliche Basis der Unendlichkeit die Wesenheit und das Dasein Gottes, ist der reine Raum, das An-Sidi des Raumes, der das Prädikat des Unendlichen trägt, ,der ganze unendliche Raum der göttlichen Gegenwart'."

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These der (allgemein als stark anerkannte) Einfluß der Kindheit (Eltern) lind Jugendjahre (Schulz, Knudsen usw.), der dodi alles andere als pantheistisdi и-аг""·, eine nur gänzlich unbedeutende regulierende Kraft besessen haben dürfte, und, was viel schwerer wiegt, dem (von Schmalenbach so betonten, ein calvinistisdies Gotteserleben voraussetzenden [!]) strengen Dualismus der Spätzeit ein pantheistischer Monismus der Frühzeit vorangegangen sein müßte, was, da Schmalenbach in der Kr. d. U. jene (in der Kr.d.r.V. 1781 noch lebendige) monistische Weltanschauung wieder emporstrudeln läßt'"® (die „Religion innerhalb" aber nach Bohatecs Untersuchungen wieder den Einfluß reformierter Dogmatik erfahren hat), nicht nur einen einmaligen Bruch, sondern ein ständiges Schwanken des Gottesverständnisses bedeuten würde. Ob nun der Gottesgedanke des kritischen Kant mit dem identisch gewesen ist, was Schmalenbach unter dem Dynamisch-Erhabenen versteht oder nicht: auf jeden Fall hat Kant in seiner Spätzeit nach Schmalenbach in Gott das „Mysterium" des „Ganz andren" erlebt"", ein Gottesverständnis also, das „durch den Begriff des Unendlichen (sc. d.R.u.d.Z.) und dessen Gegensatz zu dem noch zugleich im Unendlichen umfaßten Endlichen nicht zu bezeichnen ist" Die Unglaubwürdigkeit nun, daß Kant bald dieses bald jenes Gottesverständnis gehabt haben soll, sucht Schmalenbach dadurch zu entkräften, daß, wie er sagt, das „Mysteriöse und Inkommensurable" des Erhabenheitserlebens das religiöse und metaphysische Erleben Kants auf der subjektiven Seite zusammenbindet (was also das Schwanken des Gottesverständnisses subjektiv verständlich maciien würde) was letztlich nichts anderes bedeutet, als daß die Inkommensurabilität dieses absolut transzendenten (so nach Schmalenbach Calvin nahen) Gottesgedankens und die des Raumes einander verwandt sein müssen, was Schmalenbach daiin auch zugibt. „Da — so könnte man den Gedanken schematisieren — der objektiven Inkommensurabilität des Unendlichen die subjektive Inkommensurabilität seines Erlebens entspridit, und da ferner mit dieser subjektiven Inkommensurabilität des UnendlidikeitsErlebens das ebenfalls subjektiv-inkommensurable Erlebnis der erhabenen Macht zusammengehört, so wird die letztere ebenfalls auch objektiv inkommensurabel und darin dem Unendlichen in hohem Grade vergleichbar sein, obwohl diese Inkommensurabilität nidit wie beim Unendlichen objektiv begründbar ist. In solchem Sinne hat die Religion seit je den primär philosophischen Begriff der Unendlichkeit als willkommene Metapher gebraudit." i»«

Sind doch, wie Schmalenbach das selbst sagt, die durch den Calvinismus bestimmten Kindheitserlebnisse Kants dauernd grundlegend für ihn gewesen (s. Anm.74). A.a.O. S. 79. " " A.a.O. S. 67 (wie Schmalenbach Kant von Rud. Otto her interpretiert). A.a.O. S. 77. A.a.O. S. 67. A.a.O. ebenda.

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Die Anzeichen sprechen indessen dafür, daß nicht Kant, sondern eher Schmalenbach so gedacht hat, der nämUch das Wesen des Inkommensurablen mehr durch das Mathematisch-Erhabene des Raumes als durch das Dynamisch-Erhabene Gottes gekennzeichnet sieht. „In der Tat wird bei dem Mathematisdi-Erhabenen klarer, wodurdi es diarakterisiert ist. Erhaben ist hier das Unendliche. Das Unendliche aber ist — auch grade wieder nach dem Kapitel der Kritik der Urteilskraft über das Mathematisch-Erhabene — das, wozu es ,keinen Maßstab als Einheit' gibt, ,der zum Unendlichen ein bestimmtes, in Zahlen angebliches Verhältnis hätte', so daß das Unendliche ,in der mathematisdien Größensdiätzung durch Zahlenbegrifie nie ganz gedacht werden kann'. Dadurch ist das Unendliche im eigentlichen Sinn ,über alle Vergleichung groß'." " " „Die Unabhängigkeit, die Selbstgenügsamkeit, die Gegenwart an allen Orten, die Macht zu erschaffen usw. sind Vollkommenheiten, die keine Welt haben kann. Hier ist es nicht so wie bei der mathematischen Unendlichkeit, daß das Endliche durch eine beständig fortgesetzte und immer mögliche Steigerung mit dem Unendlichen nach dem Gesetze der Continuität zusammenhängt. Hier ist der Abstand der unendlichen Realität und der endlichen durch eine bestimmte Größe, die ihren Unterschied ausmacht, festgesetzt. Und die Welt, die sich auf derjenigen Sprosse von der Leiter der Wesen befindet, wo die Kluft anhebt, die die unermeßlichen Grade der Vollkommenheit enthält, welche den Ewigen über jedes Geschöpf erheben, diese Welt, sage ich, ist das Vollkommenste unter allem, was endlich ist."

Daß diese Ansicht einfach nicht richtig sein kann, leuchtet dem mathematisch gebildeten Leser sofort ein, da es sich j a bei dem mathematisch Inkommensurablen um eine nur bedingte Inkommensurabilität (wovon an einer Stelle noch zu sprechen sein wird) handelt, die somit auch in keiner "Weise dem Wesen des schlechthin Inkommensurablen zu entsprechen vermag. — Daß Kant von jenem qualitativen Unterschied gewußt hat, spricht aus fast jeder Zeile seiner frühen Schriften — es wäre auch sehr sonderbar gewesen, wenn er das nicht gewußt hätte —, die nicht nur eine Identität von Gott und Welt verneinen, sondern geradezu die Widerlegung einer solchen Identität bezwecken. Das gewaltige Ausmaß und die Schönheit des Universums waren für Kant danach nur der Ort, an dem sich seine theologische Leidenschaft entzünden konnte, wie ihm die Erhabenheit des Raumes auch nur ein Gleidinis war, um auf die von ihr qualitativ verschiedene Erhabenheit Gottes hinzuweisen. Damit ist ausgesagt, daß das im Naturerleben zwar sich manifestierende, aber nicht von dorther begründete Erleben der Erhabenheit Gottes einen Begriff der Erhabenheit Gottes voraussetzt, der nicht dem Naturerleben entnommen sein kann. Die Vermutung, die sich schon bei der Besprechung der Bundschen Interpretation aufdrängte, verstärkt sich hier: daß nämlicii der Einfluß dogmatischer Quellen bedeutend ernster zu nehmen ist, als das die genannten Kommentatoren getan haben. " » A.a.O. S. 47/48.

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W W I I S. 32/33.

Daß aber auch die metaphysischen Studien Kants, deren originale Denkleistung von B.Bauch (gegenüber Fischer) zu Redit hervorgehoben wird (s. S. 36), nidit nur trodiene, professionelle, jeder religiösen Bedeutung ermangelnde Arbeiten sind, sondern durdiaus (anders als bei Schmalenbach) im vollen Umfang zur Erhellung des Kantisdien Gottesverständnisses herangezogen zu werden verdienen, besagt allein schon die Tatsadie, daß der größten und bedeutungsvollsten metaphysischen Sdirift jener Zeit die Gotteserkenntnis als die wichtigste unter allen Erkenntnissen gilt"^. Es galt also demgegenüber: im Zusammenhang mit der Überprüfung der Kant tradierten und für ihn bedeutsamen Metaphysik und Naturwissensdiafl: und der Fixierung seines Verhältnisses zur Neologie und zum Pietismus: den bereits von Bohatec eingeschlagenen Weg fortzusetzen und die von ihm innerhalb eines beschränkten Gebietes geführte Untersuchung des Einflusses kirchlicher Dogmatik auf Kants Denken zu erweitern, zumal der Gottesgedanke des jungen Kant von einer Eigentümlidikeit zu sein schien, die darauf hinwies, daß nicht erst die „Religion innerhalb" oder die kritischen Schriften überhaupt, sondern schon die Abhandlungen der Frühzeit eine starke Einwirkung calvinistisdi orientierter Dogmatik erfahren haben. (Womit denn auch die theologisch von vornherein zu vermutende Einheit des Kantischen Gottesverständnisses ausgesagt und gesichert wäre.) Darüber hinaus aber mußte die sich von Anfang an dem Leser aufdrängende Eigengesetzlichkeit der Theologie Kants und ihre sein Denken und Fühlen bestimmende Kraft sowohl als auch das seine theologisdie Originalität charakterisierende Fortentwidseln der (kirdilidi-dogmatischen) Tradition und Auseinandersetzen mit der (naturwissensdiafllidien und metaphysisdien) Tradition herausgestellt werden. D.h.: der Gottesgedanke des jungen Kant durfte nicht allein als ein bloßes, entweder aus der Eigenart seines Erlebens und Denkens (Schmalenbach; Br.Baudi) oder nur aus den versdiiedenartigen Überlieferungen (Fischer, Paulsen usw.) hervorgegangenes Produkt, sondern mußte zugleidi in seiner die Persönlichkeit und das Werk Kants prägenden, die Tradition umgestaltenden Kraft betraditet werden. Will sagen, daß — in Kritik und Anlehnung an die letzten Forschungsergebnisse — das diffizile Aufeinanderwirken von Tradition und Religiosität (der übernommene Gottesbegriff und die Eigenart des Gotteserlebnisses) zu entwidseln war, um so dem Wesen des Kantischen Gottesverständnisses nahezukommen. Beweisgrund WWII S. 65.

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IL Kants Schriften der Frühzeit von 1747—1764i 1747 Gedanken von der wahren Schätzung der lebendigen Kräfte und Beurtheilung der Beweise, deren sich Herr von Leibniz und andere Mechaniker in dieser Streitsache bedient haben, nebst einigen vorhergehenden Betrachtungen, welche die Kraft der Körper überhaupt betreffen 1754 Untersuchung der Frage, ob die Erde in ihrer Umdrehung um die Achse, wodurch sie die Abwediselung des Tages und der Nadit hervorbringt, einige Veränderung seit den ersten Zeiten ihres Ursprungs erlitten habe und woraus man sich ihrer versichern könne, welche von der Königl. Akademie der Wissensdiaften zu Berlin zum Preise für das jetztlaufende Jahr aufgegeben worden Die Frage, ob die Erde veralte, physikalisch erwogen 1755 Allgemeine Naturgeschichte und Theorie des Himmels oder Versuch von der Verfassung und dem mechanischen Ursprung des ganzen Weltgebäudes, nach Newtonischen Grundsätzen abgehandelt Meditationum quamundum de igne delineatio Principiorum primorum cognitionis metaphysicae nova dilucidatio 1756 Von den Ursadien der Erderschütterungen bei Gelegenheit des Unglücks, welches die westlichen Länder von Europa gegen das Ende des vorigen Jahres betroffen hat Geschichte und Naturbeschreibung der merkwürdigsten Vorfälle des Erdbebens, welches an dem Ende des 1755sten Jahres einen großen Theil der Erde erschüttert hat Fortgesetzte Betrachtung der seit einiger Zeit wahrgenommenen Erderschütterungen Metaphysicae cum geometria iunctae usus in philosophia naturali, cuius specimen L continet monadologiam physicam Neue Anmerkungen zur Erläuterung der Theorie der Winde 1757 Entwurf und Ankündigung eines Collegii der physischen Geographie nebst dem Anhange einer kurzen Betrachtung über die ' D i e obige Ü b e r s i d i t lehnt sich im wesentlidi«n an W W an. Eine dironologisdie A b w e i d i u n g e r f o l g t lediglich hinsiditlidi der A b h a n d l u n g „ B e g r . d. neg. G r ö ß e n " , die nicht wie in W W dem „ B e w e i s g r u n d " unmittelbar f o l g e n d (1763), sondern nach K . F i s c h e r (1898/99, S . 1 9 9 ) dem „ B e w e i s g r u n d " v o r a n g e h e n d (aber ebenfalls 1763) eingeordnet wird.

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Frage: Ob die Westwinde in unsern Gegenden darum feudit seien, weil sie über ein großes Meer streichen 1758 Neuer LehrbegriiF der Bewegung und Ruhe und der damit verknüpften Folgerungen in den ersten Gründen der Naturwissenschaft 1759 Versuch einiger Betraditungen über den Optimismus 1760 Gedanken bei dem frühzeitigen Ableben des Herrn Johann Friedrich von Funk 1762 Die falsche Spitzfindigkeit der vier syllogistischen Figuren erwiesen 1763 Versuch, den Begriff der negativen Größen in die Weltweisheit einzuführen Der einzig möglidie Beweisgrund zu einer Demonstration des Daseins Gottes 1764 Beobachtungen über das Gefühl des Sdiönen und Erhabenen Versudi über die Krankheiten des Kopfes Recension von Silberschlags Schrift: Theorie der am 23. Juli 1762 erschienenen Feuerkugel Untersuchung über die Deutlidikeit der Grundsätze der natürlidhen Theologie und der Moral

33 3 7959 Kedmann, Gott

III. Die naturwissenschaftlichen und metaphysischen Schriften der Frühzeit und ihre Beziehung zur Theologie Eine Übersicht 1. Die der Frage nach „ G o t t und Welt" zugeordneten Fragestellungen von Naturwissenschaft und Theologie. 2. Die der Frage nach „ G o t t und Vernunft" zugeordneten Fragestellungen von Metaphysik und Theologie. 3. Die Wende von der Naturwissenschaft zur Metaphysik und ihre theologische Bedeutung. 1. Die naturwissenschaftlichen Schriften Kants fragen nadi Entstehung und Beschaffenheit des Kosmos; denn sowohl die medianische Fragen zum Inhalt habende Abhandlung „Gedanken von der wahren Schätzung der lebendigen K r ä f t e . . . " (1747) als auch die geophysischen Arbeiten des Jahres 54 sind im wesentlichen sachlich vorbereitende Studien f ü r das große, 55 veröffentlichte Werk „Allgemeine Naturgeschichte . . . " Jene naturwissensdiaftliche Frage nach der Weltentstehung ist nun der theologischen Frage nach Gott untergeordnet; den wie Terminologie, Inhalt und ein hinreißendes Pathos das in einem hohen Maße aufzeigen, versteht K a n t den Kosmos als die von Gottes Herrlichkeit kündende Welt*. ' WWI S. 331: „Man kann das Weltgebäude nicht ansehen, ohne die trefflidiste Anordnung in seiner Einriditung und die sicheren Merkmale der H a n d Gottes in der Vollkommenheit seiner Beziehungen zu k e n n e n . . . " A.a.O. S . 3 3 3 : „Die N a t u r . . . ist an lauter schönen und vollkommenen Früchten fruchtbar, welche . . . mit der Verherrlichung der göttlichen Eigenschaften wohl harmonieren . . A.a.O. S . 3 1 2 : „Ich find« nichts, das den Geist des Menschen zu einem edleren Erstaunen erheben kann, indem es ihm eine Aussidit in das unendliche Feld der Allmacht e r ö f f n e t . . ." Sich eines Diditerwortes bedienend, gibt K a n t seiner Hoffnung Ausdruck, noch über das Ende der Welt hinaus Gott verherrlichen zu können: „Indem er (sc. der Mensch) diesen Zustand (sc. da der Mensch in der N ä h e des sidi in seinen Werken verherrlichenden Schöpfers ist) mit einer süßen Hoffnung schon zum voraus kostet, kann er seinen Mund in denjenigen Lobgesängen üben, davon dereinst alle Ewigkeiten erschallen sollen: ,Wenn dereinst der Bau der Welt in sein Nichts zurüdi geeilet U n d sich deiner Hände Werk nicht durch T a g und N a d i t mehr theilet: Dann soll mein gerührt Gemüthe sich, durdi dich gestärkt, bemühn,

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Dem Wesen Gottes nadizudenken, forscht er dem großen Werk der Schöpfung nadi das als ursprüngliche und fortdauernde T a t Gottes das lebendige Zeugnis des sich in seiner Weisheit, Güte und Macht offenbarenden Gottes darstellt®. In letzter Konsequenz evident nun wird jene theologische Tendenz der Kosmogonie in der Schrift „Der einzig mögliche Beweisgrund zu einer Demonstration des Daseins Gottes" (1763), der die Naturwissenschaft als ein Mittel zum Zwecke der Gotteserkenntnis gilt, und die damit auch In Verehrung deiner Allmacht stets vor deinen Thron zu ziehn; Mein von Dank erfüllter Mund soll durch alle Ewigkeiten Dir und deiner Majestät ein unendlich Lob bereiten; Ist dabei gleich kein vollkommnes: denn о H e r r ! so groß bist du. Dich nach Würdigkeit zu leben, reicht die Ewigkeit nicht zu. Addisson nach Gottscheds Übersetzung". " 2 A.a.O. S. 221/22: „Mein Eifer (sc. die Natur zu erforschen) ist verdoppelt worden, als ich bei jedem Schritte die Nebel sich zerstreuen sah, welche hinter ihrer Dunkelheit Ungeheuer zu verbergen schienen und nach deren Zertheilung die Herrlidikeit des höchsten Wesens mit dem lebhaftesten Glänze hervorbrach." A.a.O. S. 321: » . . . wenn man sieht, wie sie (sc. die Natur) sogar in der Gegend, da sie verfällt und veraltet, an neuen Auftritten unersdiöpfl und auf der anderen Grenze der Schöpfung in dem Raum der ungebildeten rohen Materie mit stetigen Schritten zur Ausdehnung des Planes der göttlichen Offenbarung fortschreitet, um die Ewigkeit sowohl, als alle Räume mit ihren Wundern zu füllen: so versenkt sich der Geist, der alles dieses überdenkt, in ein tiefes Erstaunen; aber annoch mit diesem so großen Gegenstande unzufrieden, dessen Vergänglichkeit die Seele nicht genugsam zufrieden stellen kann: wünscht er dasjenige Wesen von nahen kennen zu lernen, dessen Verstand, dessen Größe die Quelle desjenigen Lichtes ist, das sich über die gesamte N a t u r gleichsam als aus einem Mittelpunkte ausbreitet." ' A.a.O. S. 255/56: „Der Lehrbegriff, den wir vorgetragen haben, eröffnet uns eine Aussicht in das unendliche Feld der Schöpfung und bietet eine Vorstellung von dem Werke Gottes dar, die der Unendlichkeit des großen Werkmeisters gemäß ist. Wenn die Größe eines planetischen Weltbaues, darin die Erde als ein Sandkorn kaum bemerkt wird, den Verstand in Verwunderung setzt, mit welchem Erstaunen wird man entzückt, wenn man die unendliche Menge Welten und Systemen ansieht, die den Inbegriff der Mildistraße erfüllen; allein wie vermehrt sidi dieses Erstaunen, wenn man gewahr wird, daß alle diese unermeßliche Sternordnungen wiederum die Einheit von einer Zahl machen, deren Ende wir nicht wissen, und die vielleicht eben so wie jene unbegreiflich groß und doch wiederum noch die Einheit einer neuen Zahlverbindung ist . . . Es ist hier kein Ende, sondern ein Abgrund einer wahren Unermeßlidikeit, worin alle Fähigkeit der menschlichen Begriffe sinkt, wenn sie gleich durch die H ü l f e der Zahlwissenschaft erhoben wird. Die Weisheit, die Güte, die Macht, die sich offenbart hat, ist unendlich und in eben dem Maße fruchtbar und geschäftig; der Plan ihrer Offenbarung muß daher eben wie sie unendlich und ohne Grenzen sein."

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das inhaltliche Ziel der Kosmogonie präzise formuliert, da der über den ontologisdien Gottesbeweis hinausgehende Teil des Beweisgrundes nicht nur wesentliche Partien der Naturgeschichte übernimmt, sondern sich auch thematisdi der Kosmogonie anfügt, deren Gedankengang weiterführt und zum Abschluß bringt. Damit ist auch der manchen befremdliche Umstand erklärt, daß innerhalb der exklusiven theologisdien Fragestellung des Beweisgrundes nidit weniger von Naturwissenschaft gesprochen wird, als das in der Naturgeschichte der Fall ist, innerhalb derer wiederum die theologisdien Gedankengänge einen ähnlich breiten Raum einnehmen wie in der genannten Schrift. Es sind also nicht zwei sachlich fremde Themen, von denen das eine naturwissenschaftlich nach der Beschaffenheit der Welt und das andere theologisch nach Gott fragt, sondern es ist das eine große Thema „Gott und Welt", das Kant bis in die 60er Jahre hinein bewegt und das er durch die genannten Abhandlungen zu entwidceln und zu präzisieren trachtet. 2. Die von der Mitte der fünfziger Jahre an datierenden metaphysischen Schriften Kants stehen in einem gewissen Zusammenhang mit seiner Naturwissenschaft: sie bemühen sich nicht nur, die Naturphilosophie Newtons mit bestimmten Elementen der Leibniz-Wolffsdien Lehre zu verbinden*, sondern sie suchen auch von einem naturwissenschaftlich gestützten (nicht begründeten) Empirismus her die spekulative Metaphysik (besonders Leibniz) zu einer neuen Metaphysik umzugestalten. Die Einschränkung des Satzes vom Widerspruch (Unterscheidung von logischer und realer Entgegensetzung®) sowie die Kritik am Satze vom Grunde' und der sich daraus ergebenden Prinzipien der Sukzession und Koexistenz lassen das deutlich genug erkennen. — Der eigentliche und tiefste Zusammenhang mit der Naturwissensdiaft aber besteht darin, daß auch die Metaphysik letztlicii nicht ausschließlich um ihrer selbst willen betrieben wird, sondern der Kant bedrängenden theologischen Problematik weithin als ein Ausdrucksmittel dient. Wenn * Auf diese Tatsache weist allein schon der Titel der 1756 erschienenen Schrift hin: „Metaphysicae cum geometria iunctae usus in philosophia naturali, cuius specimen I, continet monadologiam physicam . . ' Begr. d. neg. Größen, WWII S.203: „Man versudie nun, ob man die Realentgegensetzung überhaupt erklären und deutlich könne zu erkennen geben, wie darum, weil etwas ist, etwas anders aufgehoben werde, und ob man etwas mehr sagen könne, als was ich davon sagte, nämlidi lediglidi, daß es nidit durch den Satz des Widerspruchs geschehe." ' Im Ansatz findet sich jene Kritik sdion in der . . . nova dilucidatio WWI S. 393 u.a.: „Pariter enuntiationi rationis sufficientis vocem rationis determinantis surrogare satius duxi, et habeo ill. Crusium assentientem. Quippe ambigua vox est sufficientis, ut idem abunde commonstrat, quia quantum sufficiat, nun statim a p p a r e t . . . "

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der „Beweisgrund", dieses umfassendste und bedeumngsvollste Werk der Frühzeit, das doch rein theologisch orientiert ist, sich selbst als „die Folge eines langen Nachdenkens" ' bezeichnet, so bezieht sidi das nicht allein auf gelegentliche Notizen, sondern auf die vorangehenden metaphysischen Studien, die analog den naturwissenschaftlichen Schriften hier zusammenlaufen und ihren Höhepunkt finden. Der Nachweis ist unschwer zu führen. Die „nova dilucidatio" nimmt die ontologisdien Gedankengänge des Beweisgrundes z.B. im wesentlichen vorweg; ihre Erhellung etwa, daß die Nichtexistenz Gottes nicht nur die Existenz der Dinge, sondern auch deren Möglichkeit aufhebe®, wird vom „Beweisgrund" genauso wie die einem theologischen Interesse dienende Begründung der „Begr. d. neg. Größen", daß das Dasein der Welt nur einen Realgrund und keinen logischen Grund haben könne', weiter entwickelt und vertieft'* usw. Die starke theologische Orientierung der metaphysischen Schriften Kants drängt sich also dem Leser deutlidi auf. Ihre Thematik ist das Problem von „Gott und Vernunft", das nicht allein der Möglidikeit der Gotteserkenntnis, sondern vor allen Dingen auch dem Einklang der Struktur der Vernunft und ihres Geltungsbereichs mit dem Wesen Gottes nachfragt. 3. Nun läuft die Metaphysik der Naturwissenschaft nidat nur parallel, sondern es ist zugleidi eine, wenn audi zögernd und mit starkem Bedenken vollzogene Wende von der Naturwissensdiaft zur Metaphysik vom Ende der fünfziger Jahre an bei Kant zu beobachten. Die Gründe dieser Entwicklung sind außerordentlich differenziert: sie hängen mit Kants Offenbarungsverständnissowohl als auch mit seinem ' Beweisgrund, W W I I S. 6 6 : „ D i e Betrachtungen, die idi darlege, sind die F o l g e eines langen N a d i d e n k e n s . . ® . . . n o v a dilucidatio, W W I S. 395 : „ H i n c patet, si D e u m sustuleris, non existentiam omnem rerum solam, sed et ipsam possibilitatem internam prorsus aboleri." • Begr. d. neg. Größen, W W I I S. 2 0 3 : „ D u r c h den allmächtigen Willen Gottes kann man g a n z deutlich das D a s e i n der Welt verstehen. Allein hier bedeutet die Macht dasjenige E t w a s in G o t t , wodurch andre D i n g e gesetzt werden. Dieses W o r t aber bezeichnet schon die Beziehung eines R e a l g r u n d e s auf die Folge, die ich mir gerne (sc. als logische Folge) möchte erklären lassen." >» Beweisgrund, W W I I S. 83 : Zu Anm. 14: „ A l l e Möglichkeit setzt etwas Wirkliches v o r a u s , w o r i n und wodurch alles Denkliche gegeben ist. D e m n a c h ist eine gewisse Wirklichkeit (sc. G o t t ) , deren A u f h e b u n g selbst alle innere Möglichkeit überhaupt aufheben würde." A . a . O . S. 152/53: 2u Anm. 15: M a n kann sidi nimmermehr „einigein Begriff d a v o n machen, . . . wie es (sc. die göttliche Allmacht) den G r u n d . . . v o n andern D i n g e n enthalte". " Beweisgrund, W W I I S. 6 5 : „I