Goethe’s Schriften. Band 3 Egmont: Ein Trauerspiel in fünf Aufzügen [Reprint 2022 ed.] 9783112660669, 9783112660652


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Table of contents :
Personen
Erster Aufzug. Armbrustschießen. Soldaten und Bürger mit Armbrüsten
Zweyter Aufzug. Platz in Brüssel
Dritter Aufzug. Pallast der Regentinn
Vierter Aufzug. Straße. Ietter. Zimmermeister
Fünfter Aufzug Straße. Dämmerung
Claudine von Villa Bella
Personen
Erster Aufzug
Zweyter Aufzug
Dritter Auszug. Wohnung der Vagabunden im Gebirge-
Erwin und Elmire
Personen
Erster Aufzug. Ein Garren, mit einer Aussicht auf Landund Lusthäuser
Zweyter Aufzug. Waldig= buschige Einöde, zwischen Felsen eine Hütte mir einem Garten dabey
Torquato Tasso
Personen
Erster Aufzug
Zweyter Aufzug
Dritter Aufzug
Vierter Aufzug
Fünfter Aufzug
Lila
Personen
Erster Aufzug. Saal
Zweyter Aufzug. Romantische Gegend eines Parks
Dritter Aufzug. Rauher Wald, im Grunde eine Höhle
Vierter Aufzug. Wald
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Goethe’s Schriften. Band 3 Egmont: Ein Trauerspiel in fünf Aufzügen [Reprint 2022 ed.]
 9783112660669, 9783112660652

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Schriften Dritter Band.

Leipzig, bey Georg Joachim Göschen

E g m o n t.

E i n

Trauerspie

in fünf Aufzügen.

Geethe's W. 3. Band.

A

Personen. Margarete von Parma, Tochter Karls te< Künsten, Regentinn der Niederlande, Graf Egmont, Prinz von Saure.

Wilhelm von Oranien. Herzog von Alba.

Kerdinand, fein Natürlicher Sc6n. Machiavell, im Dienste tetsuaemina»

Richard, Sgmvnts Seheimschreider.

Gomez,

I unter Alda dienen». J

Clärchen, Sgmvms Seliedte.

Ihre Mutter. Drackenburg, ein Diirgersschn.

Soest,

Zetter,

Krämer, Schneider,

Liirger den Brüstet,

Zimmermann,

Seifensieder,

Duyck, Soldat unter «gmonr.

RuysilM, Invalide und teil». Bansen, ein Schreiber. Volk, Gefolge, Wachen», f.w.

Der Schauplatz ist in Brüssel,

Erster Aufzug, Armbrustschießen.

Soldaten und Bürger mitArmbrüsten.

Zetter,

Burger von Brüssel, ein Schneider, tritt

vor und spannt die Armbrust.

Soest,

Bürger

von

Brüssel, ein Krämer.

Soest. 9lun schießt nur hin, daß e« alle wird.'

Zhe

nehmt mir'- doch nicht! Drey Ringe schwarz, die habt ihr eure Tage nicht geschossen. Und so wat' ich für dieß Jahr Meister. Zetter. Meister und König dazu. Wer miß« gönnt'« euch? Zhr sollt dafür auch die Zeche dop, peil bezahlen; ihr sollt eure Geschicklichkeit bezahlen, rote’« recht ist.

Buyck, ifn Holländer, Soldat unter Egmont.

Zetter, den Schuß Handl'ich euch ab, theile den Gewinst, trakrire die Herren: ich bin so schon lange A 3 hier

T g m o n t.

4

hier und für viele Höflichkeit Schuldner.

Fehl' ich,

so ist'S als wenn ihr geschossen hättet. Ich sollte drein reden: denn eigentlich

Soest.

verlier' ich dabey. Duyck schießt.

nur immerhin.

Doch, Buyck, Nun,

Pritschmeister, Reve­

renz!— Eins! Zwey! Drey! Vier! Soest.

Vier Ringe? Es sey!

Vivat, Herr König, hoch! und aber«

Alle. mahl hoch!

Danke, ihr Herren.

Buyck.

Ware Meister

zu viel! Danke für die Ehre. Die habt ihr euch selbst zu danken.

Zetter.

R u y s« m, «in FritSländer, Invalide

und taub.

Daß ich euch sage!

Wie ist's, Alter?

Soest. Ruysnm.

Daß

ich

euch

sage! —

Er

schießt wie sein Herr, er schießt wie Egmont.

Buyck. Schlucker.

Gegen ihn bin ich nur ein armer

Mit der Büchse trifft er erst, wie kei­

ner in der Welt.

Nicht etwa wenn er Glück oder

gute Laune hat; nein! wie er anlegt, immer rein

schwarz geschossen.

Gelernt habe ich von ihm.

Das wäre auch ein Kerl,

der bey ihm diente und

nichts von ihm lernte. — Nicht zu vergessen, meine

Herren! Ein König nährt seine Leute; und so, auf des Königs Rechnung, Wein her!

Zetter.

E g Äi o n t.

5

Es ist unter uns ausgemacht,

'Zetter.

baß

jeder —

Du y ck.

Ich bin fremd und König, und achte

eure Gesetze und Herkommmen nicht. Du bist ja ärger als der Spanier;

Zetter.

der hat sie uns doch bisher lassen müssen.

Was?

Ruysum.

Er will uns gastiren;

Soest lam.

er will

nicht haben, daß wir zusammenlegen, und der Kö­ nig nur das doppelte zahlt.

Ruysum.

Laßt ihn!

doch ohne Präjudiz!

Das ist auch seines Herren Art, splendid zu seyn,

und es laufen zu lassen wo eS gedeiht. Sie bringen Wein. Alle.

Jhro Majestät Wohl! Hoch!

Zetter zu Buyck. Duyck.

Versteht sich Eure Majestät.

Danke von Herzen, wenn's doch so

seyn soll.

Soest.

Wohl!

Denn unserer Spanischen

Majestät Gesundheit trinkt nicht leicht ein Nieder­ länder von Herzen.

Ruysum.

Soest laut.

Wer?

Philipps des Zweyten,

Königs

in Spanien.

Ruysum.

Unser allergnädkgster König und

Herr! Gott geb' ihm langes Leben. A 3

Soest.

E g m o n t.

6 Soest.

Hattet ihr seinen Herrn Vater, Karl

den Fünften, nicht lieber? Ruysum.

Gott tröst'ihn! daswarekn Herr l

Er hatte die Hand über den ganzen Erdboden, und war euch alles in allem; und wenn er euch begegnete,

so grüßt' er euch wie ein Nachbar den andern; und

wenn ihr erschrocken wart, wußt' er mit so guter

Manier — Ja, versteht mich — Er ging aus, ritt aus, wie'S ihm einkam, gar mit wenig Leuten. Haben wir doch alle geweint, wie er -feinem Sohn

das Regiment hier abrrat — sagt' ich,

versteht

mich— der ist schon anders, der ist majestätischer. Jett er.

Er ließ sich nicht sehen, da er hier

war, als in Prunk und königlichem Staate.

Er

spricht wenig, sagen die Leute.

Soest.

Es ist kein Herr für uns Niederländer.

Unsre Fürsten müssen froh und frey seyn, wie wir, le«

den und leben lassen. Wir wollen nicht verachtet noch gedruckt seyn, so gutherzige Narren wir auch sind. Zetter.

Der König, denk' ich, wäre wohl

ein gnädiger Herr, wenn er nur bessere Rathgeber hätte.

Soest. Nein, nein! Er hat kein Gemüth gegen uns Niederländer, sein Herz ist dem Volke nicht geneigt, er liebt uns nicht; wie können wir

ihn wieder lieben? Warum ist alle Welt dem Gra­ fen Egmont so hold?

Warum trügen

wir

lhn

alle auf den Händen? Weil man ihm anfleht, daß

er

E g m o n t.

7

er UNS wohl will; weil ihm die Fröhlichkeit, da-

freye Leben,

die gute Meinung aus den Augen

sieht; weil er nichts besitzt, das er dem Dürftigen

nicht mitkheilte, auch dem, der'ü nicht bedarf.

Laßt

den Grafen Egmonr leben! Duyck, an Euch tst'S,

die erste Gesundheit zu bringen! Bringt eures Herrn

Gesundheit aus. Von ganzer Seele denn: Graf Eg«

Duyck.

mont hoch! Ruysum.

Dem Helden von Gravelingen!

Duyck.

Hoch!

Alle.

Ruysum. Schlacht.

Ueberwlnder bey St. Qulntln.

St. Quintln

war meine letzte

Ich konnte kaum mehr fort, kaum die

Hab' ich doch den

schwere Büchse mehr schleppen.

Franzosen noch eins auf den Pelz gebrennt, und da kriegt' ich zum Abschied noch einen Streifschuß an's rechte Dein.

Duyck.

Gravelingen!

Freunde!

frisch! Den Sieg haben wir allein.

da ging's

Brannten und

sengten die Wälschen Hunde nicht durch ganz Flan­ dern ? Aber ich mein', wir trafen sie! Ihre alten handfesten Kerle hielten lange wider, und wir dräng­ ten und schossen und hieben, daß sie die Mäuler ver­ zerrten und ihre Linien zuckten.

Da ward Egmont

das Pferd unter dem Leibe niedergeschossen,

und

wir stritten lange hinüber herüber, Mann für Mann, Pferd gegen Pferd, Haufe mit Hanfe, auf dem

A 4

breiten

E g m o n t. breiten flachen Sand' an der See hin. Auf ein« mahl kam's, wie vom Himmel herunter, von der Mündung de« Flusses, hav! bau! immer mit Ka­ nonen in die Franzosen drein. Es waren Engländer, die unter dem Admiral Malin von ungefähr von Dünkirchen her vorbeyfuhren. Zwar viel Hal« fett sie uns nicht; sie konnten nur mit den kleinsten Schiffen herbey, und daß nicht nah' genug; schos­ sen auch wohl unter un« — Es that doch gut! Es brach die Wasschen und hob unsern Muth. Da glng's! Rick! rack! herüber, hinüber l Alle« todt geschlagen, alle« in'« Wasser gesprengt. Und die Kerle ersoffen, wie sie da« Wasser schmeckten; und was wir Holländer waren, gerad hinten drein. Uns, die wir beydlebkg sind, ward erst wohl im Wasser wie den Fröschen; und immer die Feinde im Fluß zusammengehaue», weggeschossen wie die Enten. Was nun noch durchbrach, schlugen euch auf der Flucht die Dauerweiber mit Hacken und Mist­ gabeln tobt. Mußte doch die Wälsche Majestät gleich da« Pfötchen reichen tmb Friede machen. Und den Frieden seyd ihr uns schuldig, dem großen Cgmont schuldig. Alle. Hoch! dem großen Egmont hochl und abermahl hoch! und abermahl hoch! Zetter. Hätte man uns den statt derMargrete von Parma zum Regenten gesetzt! Soest. Nicht so! Wahr bleibt wahr! Ich lasse mir Margareten nicht schelten. Nun ist'« an mir. Es lebe unsre gnad'ge Fra«!

Alle.

E g m o n t. Alle.

9

Sie lebet

Soest.

Wahrlich,

treffliche Weiber find in

Die Regeminn lebe!

dem Hause.

Klug ist sie, und mäßig in allem,

Zetter.

was sie thut; hielte sie« nur nicht so steif und fest Sie ist doch auch mit schuld, daß

mir den Pfaffen.

wir die vierzehn neue Bischofsmützen im Lande Ha­ den.

Wozu die nur sollen? Nicht wahr, daß man

Fremde in die guten Stellen einschleben kann, tob

sonst Aebte aus den Kapiteln gewählt wurden? Und

wir sollen glauben, es sey um der Religion willen.

An drey Bischöfen hatten wir ge­

Za es hat sich.

nug : da ging's ehrlich und ordentlich zu.

Nun muß

doch auch jeder thun al« ob er nöthig wäre; und da seht'S allen Augenblick Verdruß und Händel.

Und

je mehr ihr das Ding rüttelt und schüttelt, desto trü­ ber wird'«.

Sie trittst«. Soest.

Das war nun des Königs Wille; fie

kann nicht« davon, noch dazu thun. Zetter.

Da sollen wir nun die neuen Psal­

men nicht singen.

Sie sind wahrlich gar schön in

Reimen gefetzt, und haben recht erbauliche Weisen.

Die sollen wir nicht singen; aber Schelmenlieder, so viel wir wollen.

reyen drin, sagen

Und warum? Es seyen Ketze-

sie,

und Sachen, Gott weiß.

Ich hab' ihrer doch auch gesungen; es ist jetzt was

neue«, ich hab' nicht« drin gesehen.

A 5

Duyck.

E g m o n t.

io Bu y ck.

Zch wollte sie fragen! Zn unsrer Pro»

vinz singen wir was wir wollen.

Das macht, daß

Graf Egmont unser Statthalter ist, der fragt nach

so etwas nicht. — Zn Gent, Ppern, durch ganz Flandern singt sie, wer Belieben har.

Laut.

ES

Ist ja wohl nichts unschuldiger, als ein geistlich Lied ? Nicht wahr, Vater?

Ey wohlEs ist ja ein Gottesdienst,

Nuysum. eine Erbauung. Zetter.

Sie sagen aber, es sey nicht auf die

rechte Art, nicht auf ihre Art; und gefährlich ist's

doch immer, da läßt man'S lieber seyn.

Die Zn«

quisitionSdiener schleichen herum und passen auf; man­

cher ehrliche Mann ist schon unglücklich gewesen.

Der Gewissenszwang fehlte noch! Da ich nicht thun darf was ich möchte, können sie mich doch denken und singen lassen was ich will.

Soest.

Die Inquisition kommt nicht auf.'

Mir sind nicht gemacht, wie die Spanier, unser Gewissen tyrannisircn zu lassen.

Und der Adel

muß auch bey Zeiten suchen, ihr die Flügel zu be­

schneiden. Zetter.

Es ist sehr fatal.

Wenn'« den lie­

ben Leuten einfallt, in mein Hau« zu stürmen, und Ich sitz' an meiner Arbeit, und summe just einen

Französischen Psalm, und denke nichts dabey, weder Gutes noch Böses; ich summe ihn aber, weil er

wir in der Kehle ist; gleich bin ich ein Ketzer und

werde eingesteckt.

Oder ich gehe über Land, und

bleibe

E g m o n t.

IX

bleibt bey einem Haufen Volks stehen, das einem neuen

Prediger zuhört, einem von denen, die aus Deutsch­

land gekommen sind; auf der Stelle heiß' ich ein Rebell, und komme in Gefahr, meinen Kopf zu

Habt ihr je einen predigen hören?

verlieren.

Soest.

Wackre Leute.

Neulich hort'ich einen

auf dem Felde vor tausend und tausend Menschen sprechen.

Das war ein ander Geköch, als wenn

unsre auf der Kanzel herumtrommeln und die Leute mit Lateinischen Brocken erwürgen.

Der sprach

von der Leber weg; sagre, wie sie uns bisher hätten bey der Nase herumgeführt, uns in der Dummheit

erhalten,

und wie wir mehr Erleuchtung

könnten. —

haben

Und das bewies er euch alles aus der

Bibel.

Zetter.

Da mag doch auch war dran seyn.

Ich sagt's immer selbst, und grübelte so über die Sache nach.

Mir ist's lang' im Kopf herumge­

gangen.

Buyck.

Es läuft ihnen auch alle«Volk nach.

Soest.

Das glaub'ich, wo man was Gute«

hören kann und was Neues.

Zetter.

Und was ist's denn nun ? Man kann

ja einen jeden predigen lassen nach seiner Weise. Buyck. Frisch, ihr Herren! Ueber dem Schwätzen

vergeßt ihr den Wein und Oranien. Zetter.

Den nicht zu vergessen.

ein rechter Wall:

Dar ist

wenn man nur an ihn denkt, meint

E g M 0 N t.

!2

weint man gleich, man könne sich hinter ihn ver-

stecken, und der Teufel brachte einen nicht hervor Hoch! Wilhelm von Oranien, hoch! Alle. Soest. sundheit.

Hoch! hoch!

Nun, Alter, bring' auch deine Ge­

Ruysum.

Alte Soldaten!

Alle Soldaten!

€« lebe der Krieg !

Duyck. Dravo, Alter! Alle Soldaten! Es lebe der Krieg!

Zetter.

Krieg! Krieg! Wißt ihr auch, was

ihr ruft? Daß et euch leicht vom Munde geht, ist wohl natürlich; wie lumpig aber unser einem dabey zu Muthe ist, kann ich nicht sagen. Das ganze Jahr das Getrommel zu hören; und nichts zu hö­

ren, al« wie da ein Haufen gezogen kommt und dorr ein andrer, wie sie über einen Hügel kamen und bey einer Mühle hielten, wie viel da geblieben sind,

wie viel dort, und wle sie sich drängen, und einer ge­

winnt, der andere verliert, ohne daß man fein Tage

begreift, wer was gewinnt oder verliert. Wie eine die Bürger ermordet

Stadt eingenommen wird,

werden, und wie's den armen Weibern, den un­ schuldigen Kindern ergeht. Das ist eine Noth und Angst, man denkt jeden Augenblick; »Da kommen

sie! Es geht uns auch so. *

Soest.

Drum muß auch ein Bürger immer

in Waffen geübt seyn.

Setter.

S g m o n t. Zetter. der hat.

13

Ja es übt sich, wer Frau^md Kin­

Und doch hör' ich noch lieber von Solda­

ten, als ich sie sehe.

Duyck.

Zetter.

mann.

Das sollt' ich übel nehmen.

Auf euch ist's nicht gesagt, Lands­

Wie wir die Spanischen Besatzungen los

waren, höhlten wir wieder Athem.

Soest.

Gelt!

die lagen dir am schwersten

auf? Zetter.

Dexir'Er Sich.

Soest.

Die hatten scharfe

Einquartierung

bey dir.

Zetter.

Halt dein Maul.

Soest. Sie hatten ihn vertrieben ans der Küche, dem Keller, der Stube — dem Bette. Sie lachen.

Jett er.

Du bist ein Tropf.

Duyck. Friede ihr Herren 1 Muß der Soldat Friede rufen? — Nun da ihr von uns nichts Ho­

ren wollt, nun bringt auch Eure Gesundheit aus, eine bürgerliche Gesundheit, Zetter.

Dazu sind wir bereit I Sicherheit und

Ruhe! Soest.

Ordnung und Freyheit l

Duyck.

Brav! das sind auch wir zufrieden» Sie

6g m o n t

14

Sie (tos en an und wiederhohlen fröhlich die Worte, »oet so, daß jeder ein anders ausruft und es eine Art Canor wird. Der Alte horcht und fallt endlich auch mit ein. Alle.

Sicherheit und Ruhel

Ordnung und

Freyheit!

Pallast der Regentinn. Margarete

von

Hofleute.

Parma,

Pagen.

in Zagm-irer»,

Bediente.

Regentinn.

Ihr stellt das Jagen ab, ich werde heut nicht reiten.

SagtMachiavellen, er soll zu mir kommen.

Alle gehen ad. Der Gedanke an diese schreckliche Begebenheiten läßt mit keine Ruhe! Nicht« kann mich ergehen,

nichts mich zerstreuen; immer sind diese Bilder, diese Sorgen vor mir. Nun wird der König sagen, dieß seyn die Folgen meiner Güte,

meiner Nachsicht;

und doch sagt mir mein Gewissen jeden Augenblick, das rälhlichste, das beste gethan zu haben.

Sollte

ich früher mit dem Sturme de« Grimmes dieseFlam« men anfachen und umhertreiben?

Ich hoffte, sie

zu umstellen, sie in sich selbst zu verschütten.

Ja,

was ich mir selbst sage, was ich wohl weiß, ent­

schuldigt mich vor mir selbst; aber wie wird es mein Bruder aufnehmen? Denn, ist es zu läugnen? Der

lieber-

E g m o n t. Uebermuth verfremden Lehrer hat sich täglich erhöht;

sie haben unser Heiligrhum gelästert, die stumpfen

Sinnen des Pöbels zerrüttet und den Schwindel­ geist unter sie gebannt.

Unreine Geister haben sich

unter die Aufrührer gemischt, und schreckliche Tha­ ten sind geschehen, die zu denken schauderhaft ist, und die ich nun einzeln nach Hofe zu berichten habe;

schnell und einzeln, damit mir der allgemeine Ruf

nicht zuvor komme, damit der König nicht denke, man wolle noch mehr verheimlichen.

Zch sehe kein

Mittel, weder strenges noch gelindes, dem Uebel zu steuern.

O was sind wir Große auf der Woge der

Menschheit? Wir glauben sie zu beherrschen, und sie

treibt uns auf und nieder, hin und her. Machiavell ttiit a*f. Regentinn.

Sind die Briese an den König

aufgesetzt?

Machiavell.

Zn einer Stunde werbet ihr

sie unterschreiben können. Regentinn.

Habt ihr den Bericht ausführ­

lich genug gemacht 3 Machiavell.

Ausführlich und umständlich,

wie es der König liebt.

Ich erzähle, wie zuerst zu

St. Omer die bilderstürmerische Wuch sich zeigt.

Wie eine rasende Menge mit Stäben, Beilen, Häm­ mern , Leitern, Stricken versehen, von wenig Be­

waffneten begleitet, erst Kapellen, Kirchen und Klöster anfallen, die Andächtigen verjagen, die

ver-

E g m o n t.

14

verschlossenen Pforten aufbrechen, alles umkehrrn,

die Altäre Niederreißen, die Statuen der Heiligen zerschlagen, alle Gemählde verderben, alle« was sie

nur Geweihtes,

Geheiligtes antreffen,

tern, zerreißen,

zertreten.

zerschmet­

Wie sich der Haufe

unterwegs vermehrt, die Einwohner von Ipern ih-

»en die Thore eröffnen.

Wie sie den Dom mit un­

glaublicher Schnelle verwüsten, die Bibliothek des Bischofs verbrennen.

Wie eine große Menge Volks,

von gleichem Unsinn ergriffen,

sich über Menin,

Comines, Verwich, Lille verbreitet, nirgend Wi­

derstand findet, und wie fast durch ganz Flandern

in Einem Augenblicke die ungeheure Verschwörung sich erklärt und ausgeführt ist.

R e g e n t k n n. Ach, wie ergreift mich auf's neue der Schmerz bey deiner Wiederhohlung l Und die

Furcht gesellt sich dazu, bas Uebel werde nur großer und größer werden.

Sagt mir eure Gedanken,

Machiavell! M a ch i a v e l l.

Verzeihen Eure Hoheit, meine

Gedanken sehen Grillen so ähnlich; und wenn ihr

auch immer mit meinen Diensten zufrieden wart,

habt ihr doch selten meinem Rath folgen mögen. Ihr sagtet oft im Scherze: „Du siehst zu weit,

Machiavell! Du solltest Geschichtschreiber seyn: wer

handelt,

muß für's nächste sorgen."

Und doch,

habe ich diese Geschichte »richt voraus erzählt? Hab'

ich nicht alle« voraus gesehen?

Regen-

E g m o n t.

$7

Ich sehe auch viel voraus, ohne

Regentin«. e< ändern zu können.

Machiavell.

Ein Wort für tausend:

Ihr

Laßt fle gelten,

unterdrückt die neue Lehre nicht.

sondert sie von den Rechtgläubigen, gebt ihnen Kir-

chen, faßt sie in die bürgerliche Ordnung, schränkt

sie eln; und so habt lhr die Aufrührer auf einmahl zur Ruhe gebracht.

Jede andere Mittel sind Ser-

geblich, und ihr verheert das Land.

Regentin».

Hast du vergessen, mit welchem

Abscheu mein Bruder selbst die Frage verwarf, oh

man die neue Lehre dulden könne? Weißt du nicht,

wie er mir in jedem Briefe die Erhaltung de« wah­ ren Glauben« auf'« eifrigste empfiehlt? baß er Ruhe und Einigkeit auf Kosten der Religion nicht herge-

gestellt wissen will? Hält er nicht selbst in den Pro­ vinzen Spionen, dle wir nicht kennen, um zu er­

fahren, wer sich zu der neuen Meinung hinüber neigt? Hat er nicht zu unsrer Verwunderung un«

diesen und jenen genannt, der sich in unsrer Nähe

heimlich der Ketzerey schuldig machte? Befiehlt er nicht Strenge und Scharfe ? Und ich soll qeiind seyn?

ich soll Verschlüge thun, baß er nachsehe, daß er

dulde? Würde ich nicht alle« Vertrauen, allen Glau­

ben bey ihm verlieren? Machiavell.

fiehlt,

Ich weiß wohl; der König be­

er läßt euch seine Absichten wissen.

sollt Ruhe und Friede wieder herstellen,

Ihr

durch ein

Mittel, das die Gemüther noch mehr erbittert, da«

Goethe'« W. z. Band.

D

den

E g m o n r.

18

den Krieg unvermeidlich an allen Enden anblasen

wird.

Bedenkt, was ihr thut.

Die größten Kauf­

leute sind angestcckt, der Adel, das Volk, die Sol­ daten.

Was hilft eS auf feinen Gedanken beharren,

wenn sich um uns alles ändert? Möchte doch ein

guter Geist Philippen eingeben, daß es einem Kö< niae anständiger ist, Bürger zweyerley Glaubens zu

regieren, als sie durch einander aufzureiben.

Regentinn.

Solch ein Wort nie wieder.

Zch weiß wohl, daß Politik selten Treu' und Glau­ ben halten kann,

daß sie Offenheit, Gutderzigkelt,

Nachgiebigkeit aus unsern Herzen ausschließt.

In

we.tlicken Gejchäften ist das leider nur zu wahr;

sollen wir aber auch mit Gott spielen wie unter ein­

ander ? Sollen wir gleichgültig gegen unsre bewährte Le!>re seyn, für die so viele ihr Leben ausgeopfert haben? Die sollten wir hingeben an die hercelaufne,

ungewisse, sich selbst widersprechende Neuerungen?

Machiavell.

Denkt nur

deswegen nicht

übler von mir.

Regentinn.

Zch kenne dich und deine Treue,

und weiß, daß einer ein ehrlicher und verständiger

Mann ieyn kann, wenn er gleich den nächsten besten

Weg zum Heil seiner Seele verfehlt hat.

Es sind

noch andere, Machiavell, Männer die ich schätzen

Und tadeln muß.

Machiavell.

Wen bezeichnet ihr mir 1

Regen-

E g M 0 N kr diegentinn.

19

Ich kann eS gestehen, baß mir

Egmonk heute einen recht innerlichen tiefen Verdruß erregte. Machkavell.

Regenrinn.

Durch welches Betragen?

Durch sein gewöhnliche», durch

Gleichgültigkeit und Leichtsinn.

Aich erhielt die

schreckliche Bothschaft, eben al« ich von vielen und

ihm begleitet aus der Kirche ging. nen Schmerz nicht an,

Ich hielt Mei­

ich beklagte mich laut und

tief, indem ich mich zu ihm wendete: „Seht, was

in eurer Provinz entsteht! Das duldet ihr,

Graf,

-rn dem der König sich alles versprach? “ Machiävelf.

Und was annvorttte et?

Regentin».

Als wenn es nichts, alS wenti

es eitle Nebensache wäre, versetzte er: Wären nur erst die Niederländer über ihre Verfassung beruhigt!

Das übrige würde sich leicht gebe»:

Machiavell.

Vielleicht har er wahret, als

kinq und fromm gesprochen.

Wie sostZutrauen ent»

stehen und bleiben, wenn

der Niederländet sieht,

daß es mehr um seine Besißthümer als Um sein Wohl, um seiner Seele Heil zu thun ist? Haben die neuen Dischöfe mehr Seilen gerettet, als fette Pfründen

geschmaus t, und sind es nicht meist Fremde? Noch werden alle Statthalterschaften mit Niederländern

beseht; lassen sich es die Spanier nickt zu deutlich merken, daß sie die größte- unwiderstehlichste Begierde nach diesen Steilen empfinden? Will ein Volk nicht

D »

lieber

E g « o « r. lieber «ach feiner Art von den SelnkgeN regieret wer­ den, al» von Fremden, die erst km Lande sich wie» der Desitzthümer auf llnkosten aller zu erwerben suchen, die einen fremden Maßstab milbringen, und unfreundlich und ohne Theilnehmung herrschen?

Regentknn. der Gegner.

Du stellst dich aus die Seit«

Machiavell. Mit dem Herzen gewiß nicht; und wollte, ich könnte mit dem Verstand« ganz auf der unsrigen seyn. Regentina. Wenn du so willst, so thLt' ei noth, ich träte ihnen meine Regentschaft ab; denn Egmont und Oranien machten sich große Hoffnung, diesen Platz einzunehmm. Damahls waren sie Geg, ner; jetzt sind sie gegen mich verbunden, sind Freunde, unzertrennliche Freunde geworden. Machiavell.

Ein gefährliches Paar.

Regentinn. Soll ich aufrichtig reden; ich fürchte Oranien, und ich fürchte für Egmonr. Ora­ nien sinnt nichts Gute«, seine Gedanken reichen in die Ferne, er ist heimlich, scheint alle« anzunehmen, widerspricht nie, und in tiefster Ehrfurcht, mit größ­ ter Vorsicht thut er wa« ihm beliebt.

Machiavell. Recht im Gegentheil geht Egmont einen freyen Schritt, al« wenn die Welr ihm gehört«.

RegeNrlnn. Er nLgt das Haupt so hoch, alt wenn die Hand brr Majestät nicht über ihm schwebt«.

Ma«

E g m v n t.

41

Die Augen des Volks sind alle

Machkavell.

«ach ihm gerichtet, und die Herzen hangen au ihm.

Nie hat er einen Schein ver­

Regentin«.

mieden ; al« wenn niemand Rechenschaft von ihm

zu fordern hätte.

Noch trägt er den Namen Eg-

monr. Graf Egmont, freut ihn, sich nennen zu hören; al« wollte er nicht vergessen, daß seine Vor­ fahren Besitzer von Geldern waren.

Warum nennt

er sich nicht Prinz von Gaure, wie e« ihm zukommt? Warum thut er da«? Will er erloschne Rechte wie­

der geltend machen?

Machkavell.

Ich halte ihn für einen treue«

Diener de« König«. Regentinn. Wenn er wollte, wie verdient könnte er sich um die Regierung machen; anstatt

baß er un« schon, ohne sich zu nutzen, unsäglichen Verdruß gemacht hat.

Seine Gesellschaften, Gast­

mahle und Gelage haben den Adel mehr verbünde«

und verknüpft, al« die gefährlichsten Heimlichen Zu­ sammenkünfte.

Mit seinen Gesundheiten haben die

Gäste einen dauernden Rausch, einen nie sich ver­ ziehenden Schwindel geschöpft.

Wie oft seht er

Lurch seine Scherzreden die Gemüther de« Volks i«

Bewegung, und wie stutzte der Pöbel über die neuen Livreen,

über die thörichten Abzeichen de.r Be­

dienten! Machiavell. ahne Absicht.

Ich bin überzeugt,

» 3

et

war

Regen-

E g M 0 « t.

22

Regentinn. Schlimm genug. er schadet uns, und nützt sich nicht.

Wie ich sage:

Er nimmt da«

Ernstliche scherzhaft; und wir, nm nicht müßig und

nachlässig zu scheinen, müssen das Scherzhafte ernst« So hetzt eins das andre; und was

lich nehmen.

man abzuwenden sucht, da« macht sich erst recht.

Er ist gefährlicher als ein entschiednes Haupt einer Verschwörung; und ich müßte mich sehr irren, wenn

man -hm bey Lose nicht alles gedenkt.

Ich kann

nicht iäuqnen, es vergeht wenig Zeit, daß er mich nicht empfindlich, sehr empfindlich macht. Macht ave l l.

Er scheint mir in allem nach

seinem Gewissen zu handeln.

Regentinn.

fälligen Spiegel. gend.

Sein Gewissen hat einen' ge« Sein Betragen ist ost beleidst

Er sieht oft aus, als wenn er in der völligen

Ueberzeugung lebe, er sey Herr und wolle ee uns nur ans Gefälligkeit nicht fühlen lasst», wolle un«

so gerade nicht zum Lande hinausjagen; e« werde sich schon geben.

M a ch i a v c k l.

Ach bitte euch, legt seine Offen­

heit, sein glückliches Blut, das alles Wichtige leicht

behandelt, nicht zu gefährlich aus.

Ahr schadet nur

ihm und euch.

Regentinn.

Ach lege nkchtS aus.

Ich spreche

nur von de» unvermeidliche» Folgen, und ich kenne

ihn

Sein Niederländischer Adel und sein golden

Vließ vor der Brust stacken sein Vertrauen, seine Kühnheit.

BeydeS kann ihn yor einem schnellen,

will-

E g m o « t. willkürlichen Unmurh des Königs schiften.

2Z Unter­

such' es genau, an dem ganzen Unalück, das Flan­ dern trifft, ist er dock nur allein schuld.

Er hat

zuerst den fremden Lehrern nachgesehn, hat's so ge­ nau nicht genommen, und vleödcbt sich heimlich ge­

freut, daß wir etwas zu schaffen batten.

Laß mich

nur, was ich auf dem Herzen habe, soll bey dieser

Uyd sch will die Pfeile nicht

Gelegenheit davon.

umsonst verschießen; ich weiß wo er empfindlich ist.

Er ist auch empfindlich. Habt ihr den Rath zusammen

M a ch i a v e l l.

berufen lassen? Kommt Regentinn

ihn geschickt.

a-'icn auch?

Ich habe nach Antwerpen um

Ich will ihnen die Last der Deeant«

worrung nahe genug zuwälzen; sie sollen sich mit mir dem llebcl ernstlich enkaegensthen oder sich auch

als Rebellen erkmrcn.

Eile, daß die Briefe fertig

weiden, und bringe mir sie zur Unterschrift. Dann senhe schnell den bewährten Va«ka nachMadrst; er

ist unermüdet lind treu;

daß mein Bruder zuerst

durch ihn die Nachricht erfahre, daß der Ruf ihn

nicht übereile.

Zch will ihn selbst noch sprechen eh'

er ab'ieht. Machiavelt.

Eure Befehle sollen schnellunki

genau befolgt werden.

» 4

Bär-

24

E g m o n t. Bürgerhaus. Clare.

Clärens Mutter. Bracken« bürg.

Clare. Wollt ihr mit nicht das Garn halten, Drackenburg? Brackenburg. Ich bitt' euch, verschont mich, Clärchen. Clare. War habt ihr wieder? Warum versagt ihr mir diesen kleinen Liebesdienst?

Drackenburg. Ihr bannt mich mit dem Zwirn so fest vor euch hin, ich kann euern Augen nicht ausweichen. Clare.

Grilleni kommt und haltet!

Mutter im Seffel stricken».

Singt doch eins! Drackenburg feeundkrt so hübsch. Sonst war't ihr lustig, und ich hatte immer was zu lachen.

Brackenburg. Clare.

Sonst.

Wir wollen singen.

Drackenburg.

Was ihr wollt.

Clare. Nur hübsch munter und frisch weg! Cs ist ein Soldatenlledchen, mein Leibstück. Sie

95

s g m o n t. Sie wickelt Garn und singt mit BcackeNburg.

Die Trommel gerühret!

Das Pfeifchen gespielt! Mein Liebster gewaffner Dem Haufen befiehlt, Die Lanze hoch führet,

Die Leute regieret. Wie klopft mir das Herze! Wie wallt mir das Blut! O hatt' ich ein Wämmsleln,

Und Hofen und Hut!

Ich folgt' ihm zum Thor' ane Mit muthigem Schritt, Ging' durch die Provinzen, Ging' überall mit.

Die Feinde schon weichen, Wir schießen darein. Welch Glück sonder Gleichen,

Ein Mannsbild zu seyn I Brackenburg hat unter dem Singen Clärchen »st ange, sehen; zuletzt bleibt ihm die Stimme stocken, die Thrä­ nen kommen ihm in die Augen, er läßt den Strang fallen und geht an's Fenster. Cliirchen singt da« Lied allein au«, die Mutter winkt ihr halb unwillig, sie steift auf, geht ei­ nige Schritte nach ihm hin, kehrt halb unschlüssig wieder um, und setzt sich.

Mutter. Was gibt'« auf der Gaffe, Brackenbürg? Ich höre marfchiren. B 5

Kracken-

E g m o n t.

,6

Brackenburg.

Es ist die Leibwache ber

gentinn.

Um diele Stunde? was soll das

Clare.

be­

deuten? Gie sicht auf und geht an das Fenster juBracken»

-urg.

Das ist nickr die käalicke Wache, das stnd

weit mehr! Fast alle ihre Haufen.

0 Bracken»

burq, acht! hört einmal was es gibt? Es muß et­ was Besondere« seyn.

Geht, guter Brackenburg,

thut mir den Gefallen, Brackenburq.

wieder da. die ihrige.

Ich bln alekch

Er reicht ihr abgehend die -and; sie gidt ihm

Du schickst ihn schon wieder weg!

Mutter.

Ich bin neugierig.

Clare. mirs nicht.

Ick a^e!

Und auch verdenkt

Seine Gegenwart thut mir weh.

Ich

weiß immer nickt, wie ich mich gegen ihn betragen soll.

Ich habe Unrecht geaen ihn, und mich naat'S

ain Herzen, daß er es so lebendig fühlt. —

Kam»

ich's doch nicht andern!

ES ist ein so treuer Bursche,

Mutter. Clare.

Zch kann'S auch nicht lassen, ick muss

ihm freundlich begegnen.

Meine Hand drückt sich

oft unversehens zu, wenn die seine mich so leise, s» liebevoll anfaßt.

Zch mache mir Vorwürfe, daß

sch ibn betrüge, daß ich in seinem Herzen eine ver­

gebliche Hoffnung nabre

Ich bin übel dran

Gott, ich betrüg' ihn nicht.

Weiß

Zch will nicht, daß er

E g m o n t.

27

rv fassen soll, ttnb ich kann ihn doch nicht verzwei»

feln lassen. Mutter.

Das ist nicht gut.

Zch hatte ihn gern,

Clare.

auch noch wohl in der Seele.

und will ihm

Ich hätte ihn hei»

rathen können, und glaube ich war nie in ihn ver«

liebt. Mutter.

Glücklich wärst du immer mit ihm

gewesen.

Wäre versorgt, und hatte ein ruhiges

Clare. Leben.

Mutter.

Und das ist alles durch dein? Schuld

verscherzt. Clare.

Ich bin in einer wunderlichen Lage.'

Wenn ich so nachdenke wie cS gegangen ist, weiß ich's wohl und weis; es nicht. Und dann darf ich Egmont nur wieder anfthen, wird mir alles sehr

begreiflich,

ja wäre mir weit mehr

begreiflich.

Ach, was ist's ein Mann! Alle Provinzen bethen

ihn an, und ich in seinem Arm sollte nicht das glüch» lichste Geschöpf van der Welt seyn?

Mutter.

Clare.

Wie wlrd's in der Zukunft werden ?

Ach, ich frage nur ob er mich liebt *

ynd ob er mich liebt? ist das eine Frage ?

Mutter.

Man hat njchlS als Herzensangst

mir seinen Kindern.

Wie das ausgehen wird?

Zmmer Sorge und Kummer! Es geht nicht gut auSl

E g m o n t.

28

au«! Du hast dich unglücklich gemacht! mich utt«

glücklich gemacht. Clare gelassen. Mutter.

Ihr ließet e« doch lm Anfänge.

Leider «ar ich zu gut, bin immer

i« gut. Wenn Egmont vorbeyritt und ich an'«

Clare.

Fenster lief, schaltet ihr mich da? Tratet ihr nicht

selbst an'« Fenster? Wenn er herauf sah, lächelte, nickte, mich grüßte; war eS euch zuwider? Fandet

ihr

euch nicht selbst in eurer Tochter geehrt? Mutter.

Mache mir noch Vorwürfe.

Clare gerührt.

Wenn er nun öfter die Straße

kam, und wir wohl fühlten,

daß er um meinet­

willen den Weg machte, bemerktet ihr's nicht selbst

Mit heimlicher Freude? Rieft ihr mich ab, wenn ich Himer den Scheiben stand und ihn erwartete? Mutter.

Dachte ich, daß es so weit kommen

sollte? Clare mit stockender Stimme und zurückgehaltene» Thränen.

Und wie er uns Abends, in den Mantel

«ingehüllt, bey der Lampe überraschte, wer war ge­ schäftig ihn zu empfangen, da ich auf meinem Stuhl

wie angekettet und staunend sitzen blieb?

Mutter.

Und konnte ich fürchten, daß diese

unglückliche Liebe da« kluge Clärchen so bald hin­ reißen würde? Ich muß e« nun ttagen, daß meine

Tochter —

Clare

29

Egmont.

Mutter! Ihr

€tfttt triff ausbrechenden Thränen.

wollt'« nun! Ihr habt eme Freude, mich zu äng­ stigen. Mutter «einend.

Weine noch gar!

mich noch elender durch deine Betrübniß.

mache

Ist mir'»

nicht Kummer genug, daß meine einzige Tochter ein verworfene« Geschöpf ist? Clare aufstehend und kalt.

Monts Geliebte, verworfen? —

Verworfen!

Eg»

Welche Fürstinn

neidete nicht da« arme Clärchen um den Platz an

seinem Herzen! O Mutter — meine Mutter, so redetet ihr sonst nicht.

Liebe Mutter, seyd gut! —

Da« Volk was da« denkt, die Nachbarinnen waü

d i e murmeln — Diese Stube, diese« kleine Hau« ist ein Himmel, seit Egmont« Liebe drin wohnt. Mutter. wahr.

Man muß ihm hold seyn! da« ist

Er ist immer so freundlich, frey und offen.

Clare.

E« ist keine falsche Ader an ihm.

Sehr, Mutter, und er ist doch der große Egmont.

Und wenn er zu mir kommt, wie er so lieb ist, so gut!

wie er mir seinen Stand, seine Tapferkeit

gerne verbürge! wie er um mich besorgt ist! so nur

Mensch, nur Freund, nur Liebster. Mutter.

Clare.

Kommt er wohl heute?

Habt ihr mich nicht oft an'« Fenster

gehen sehn? Habt ihr nicht bemerkt, wie ich horche,

wenn'« an der Thüre rauscht? — Ob ich schon weiß,

daß er vor Nacht nicht kommt, vermuth' ich ihn doch je, den

Egmont.



bett Augenblick, von Morgens an, wenn ich auf­

stehe.

Wär' ich nur ein Bube und könnte immer

mit ihm gehen, zu Hofe und überall hin l Könnt'

ihm die Fahne nachtragen in der Schlacht 1 —

Du warst immer so ein Spring»

Mutter.

inrfeld; a!< ein kleines Kind schon, bald toll, bald

nachdenklich.

Ziehst du dich nicht ein wenig best

ser an?

Clare.

Vielleicht, Mutter! Wenn ich Lange«

weile babe. —

Gestern, denkt, gingen von sei­

nen Leuten vorbey und sangen Lobliedchen auf ihn»

Wenigstens war fein Name in den Liedern«

übrige konnte ich nicht verstehn.

das

Das Herz schlug

wir bis an den Hals — Ich hätte sie gern zurück» gerufen, wenn ich mich nicht geschämt hätte.

Mutter.

Nmmdich in Acht! Dein heftiges

Wesen verdirbt noch alles; du verräthst dich offen« har vor den Leuten.

Wie neulich bey dem Vetter,

wie du den Holzschnitt und die Beschreibung fandst

und mit einem Schrey riefst: Graf Egmont! — Zch ward feuerroth.

Clare.

Hätt' ich nicht schreyen sollen?

ES

war die Schlacht bey Gravelingen, und ich finde

vben im Bilde den Buchstaben C. und suche unten in der Beschreibung C. Steht da: „GrasEgmont, dem da« Pferd unter dem Leibe todt geschossen wird." Mich überiies'S— und hernach mußt' ich lachen über

den holzgeschnitzten Egmont,

der so

groß

war

el< der Thurm von Gravelingen gleich dabey, und

die

E g m o n t.

Zi

die Englischen Schiffe an der Sekte. nffch manchmahl erinnere,

Wenn ich

wie ich mir sonst eine

Schlacht vorgeüellt, und was ich mir als Mädchen für ein Bild vom Grafen Eanwnt machte, wenn

sie von ihm erzählten, und von allen Grasen und Fürsten — und wie mir s jetzt ist! Brackenburg

Clare.

kommt,

Wie steht's?

Brackenburg.

Man weiß nichts Gewisses.

In Flandern soll neuerdings ein Tumult entstanden seyn;

feie Regentin» soll besorgen, er Mochte sich

hierher verbreiten.

Das Schloß ist stark beseht,

die Bürger sind zahlreich an den Thoren, das Volk suMmt in den Gassen

— Ich will nur schnell z»

Meinem alten Barer.

Als wollt' er gehen, Clare.

Sieht man euch morgen?

mich ein wenig anstehen.

Ich will

Dec Vetter kommt, und

ich sehe gar zu liederlich aus.

Helft mir einen Au-

genblick, Mucker. — Nehmt das Buch mit, Bracken­

burg , und bringt mir wieder so eine Historie.

Mutter.

Lebt wohl.

Drackenburg seine«ns reichend

Clare ihre Hand versagend.

kommt.

EureHanvl

Wenn ihk wiedetz

Mutter und Tochter ah.

Drackenburg

««ein.

Ich hatte mir vorge«

nemmen, grade wieder fort zu gehn; und da sie es

3-

E g m o « t.

e« dafür aufnimmt und mich gehen läßt,

möcht'

ich rasend werden. — Unglücklicher! und dich rührt

deine» Vaterlandes Geschick nicht? der wachsende Tumult nicht? — und gleich ist dir Landsmann

oder Spanier, und wer regiert und wer Recht hat? — War ich doch ein andrer Junge als Schul» knabe! — Wenn da ein Exercitium aufgegebcn war; „Drums Rede für die Freyheit, zur Uebung

der Redekunst; “ da war doch immer Fritz der Erste,

und der Rector sagte: wenn'« nur ordentlicher wäre,

nur nicht alles so über einander gestolverr. — Da­ mahls kocht' es und trieb! —- Jetzt schlepp' ich mich

an den Augen des Mädchens so hin.

Kann ich sie

doch nicht lassen! Kann sie mich doch nicht lieben! —•

Ach — Nein — Sie — Sie kann mich nicht

ganz verworfen haben--------- Nicht ganz—und halb und nicht« l — Ich duld' es nicht länger!--------Sollte es wahr seyn, was mir ein Freund neulich

in's Ohr sagte? daß sie NackrS einen Mann heim­

lich zu sich einläßt, da sie mich züchtig immer vor Abend aus dem Hause treibt.

Nein, es ist nicht wahr, eS ist eine Lüge, eine schändUche verläum-

derische Läge! Clärchen ist so unschuldig als ich un­ glücklich bin. —

Sie hat mich verworfen,

hat

mich von ihrem Herzen gestoßen----------- Und ich

soll so fort leben? Ick duld', ich duld' cs nicht.--------Schon wird mein Vaterland von innern Zwiste hef­ tiger bewegt, und ich sterbe unter dem Getümmel nur ab! Ich duld' es nicht! — Wenn die Trompete klingt, ein Schuß fällt, mir sährt's durch Mark

und

E g m o n t. rmd Dem!

Ach,

33

es reiht mich nicht! es fordert

mich nicht, auch mit einzugreifen, mit zu retten, zu wagen.— Elender, schimpflicher Zustand

ist besser, ich end' auf einmahl.

mich in'S Wasser, ich sank

Es

Neulich stürht' ich

aber die geängstete

Natur war stärker; ich fühlte, daß ich schwimmen konnte,

und rettete Mich wider Willen.-----------

Könnt' ich der Zellen vergessen, da sie mich liebte,

mich zu lieben schienI — Warum har mir's Mark

und Bein durchdrungen, das Glück? Warum ha­

ben mir diese Hoffnungen allen Genuß des Lebens aufgezehrt,

indem sie mir ein Paradies von wei­

tem zeigten? —

Und jener erste KußJener ein­

zige! — Hier,

die -Hand auf den Tisch legend,

hier

waren wir allein — sie war immer gut im: freund­

lich gegen mich gewesen — da schien sie sich zu er­ weichen — sie sah mich an — alle Sinne dingen mir um, und ich fühlte ihre Lippen auf den meini­ gen. — Und — und nun? — Stirb, Armer!

Was zauderst du? Er zieht ein Fläschchen aus der Tasche» Ich will dich nicht umsonst aus meinesBrudersDoctor-

kästchen gestohlen haben, heilsames Gift! Du sollst

mir dieses Bangen, diese Schwindel, diese Todes­ schweiße auf einmal verschlingen und lösen.

Goethe'- W. 3. Band.

e

Zwei»

E g m o n t.

34

Zweyter Aufzug. Platz in Brüssel. Jetter und ein Zimmermeister

treten rusammm. Zimmermeister. Sagt' ich's nicht voraus? Noch vor acht Tagen

auf der Zunft sagt' ich, es würde schwere Händel geben.

Jetter.

5(1*6 denn wahr, daß sie die Kir­

chen in Flandern geplündert haben? Zimmermeister.

Ganz und gar zu Grunde

gerichtet haben sie Kirchen und Kapellen.

Nichts

als dir vier nackte Wände haben sie stehen lassen. Lauter Lumpengesindel! Und das macht unsre gute

Sache schlimm.

Wir härten eher in der Ordnung,

und standhaft unsere Gerechtsame der Negentinn

vortragen und drauf halten sollen.

Reden wir jetzt,

versammeln wir uns jetzt: so heißt es, wir gesellen uns zu den Aufwieglern.

Jetter.

E g m o n t.

35

Ja so denkt jeder zuerst: was sollst

Zetter.

du mit deiner Nase voran? hängt doch der Hals gar nah' damit zusammen.

Z i m m e r m c i st e r.

Mir ist'S bange, wenn'S

einmahl unter dem Pack zu lärmen anfangt, unter

dem Volk, das nichts zu verlieren hat.

Die brau­

chen das zum Vorwande, worauf wir uns auch berufen müssen, und bringen das Land in Unglück.

Soest

tritt dazu.

Guten Tag, ihr Herrn! Was gibt'ü neues? Ist'S wahr,

daß die Dilderstümer gerade hierher ihren

Lauf nehmen? Zimmer meister.

Hier sollet» sie nichts an«

rühren.

Soest.

Es trat ein Soldat bey mir ein, To«

bak zu kaufen; den fragt' ich aus.

Die Regentinn,

so eine wackre kluge Frau sie bleibt, dießmahl ist sie

außer Fassung.

Es muß sehr arg seyn, daß sie sich

so geradezu hinter ihre Wache versteckt.

ist scharf beseht.

Die Burg

Man meint sogar, sie wolle aus

der Stadt flüchten. Zimmermeister.

Hinaus soll

sie nicht!

Ihre Gegenwart beschützt uns, und wir wollen ihr

mehr Sicherheit verschaffen,

als ihre Stutzbärte.

Und wenn sie uns unsere Rechte und Freyheiten auf­

recht erhält;

so wollen wir sie auf den Händen

tragen.

C 2

Sei-

E g m o n t. Seifensieder teilt dazu,

Garstige Händel! Ueble Händel * Es wird un­ ruhig und gebt schief aus s — Hüter euch, daß ihr

stille bleibt, daß man euch nicht auch für Aufwieg­

ler hält. Soest

Da kommen die sieben Welsen aus

Griechenland.

Seifensieder.

Jchwelß, da sind viele, die

eS heimlich mit den Calvinisten halten, die auf die Bischöfe lästern, die den Sonia nickt sckeuen.

Aber ein treuer Unterthan, ein aufrichtiger Katho-

like! —

Si gesellt sich nach und nach allerley Volk zu ihnen und horcht. Vansen tritt dazu. Gott grüß'euch Herren! Was neues? Zimmermeister.

Gebt euch mit dem nicht

ab, da« ist ein schlechter Kerl. Zetter.

Ist es nicht der Schreiber beym

Dvctor WietS?

Zimmermeister.

gehabt.

Er hat schon viele Herren

Erst war er Schreiber, und wie ihn ein

Patton nach dem andern fortjagte, Schelmstrelche halber; pfuscht er jetzt Notaren und Advocaten in’« Handwerk, und ist ein Dranntweinzapf.

kommt mehr Volk zusammen und steht truppweise.

Ban-

E g m o n t. Vansen.

Ihr seyd auch versammelt, steckt die

Köpfe zusammen, Soest.

Es ist immer redenSwerth.

Ich denk' auch.

Wenn jetzt einer oder der andere

Vansen. Herz häkle,

37

und einer oder der andere den Kopf

dazu; wir könnten die Spanischen Ketten auf ein* mahl sprengen.

Soest.

Herre!

So

müßt

ihr nicht reden.

Wir haben dem König geschworen. Vansen.

Und der König un».

Zetter.

Das läßt sich hören!

Merkt das. Sagt eure

Meinung.

Einige Andere.

Horch, der versteht's. Der

hat Pfiffe.

Van sen.

Ich hatte einen alten Patron» der

besaß Pergamente und Briefe, von uralten Stistun«

gen, Contracken und Gerechtigkeilen; er hielt auf die rarsten Bücher.

Verfassung:

Zn einem stand unsere ganze

wie uns Niederländer zuerst einzelne.

Fürsten regierten, alles nach hergebrachten Rechten, Privilegien und Gewohnheiten; wie unsre Vorsah-

ren alle Ehrfurcht für ihren Fürsten gehabt, wenn er sie regiert wie er sollte; und wie sie sich gleich

vorsahen, wenn er über die Schnur hauen wollte. Die Staaten waren gleich hinterdrein: denn jede

Provinz, so klein sie war, hatte ihre Staaten, ihre

Landstände.

C 3

Zim-

E g m o n t.

Z8

Simmet meist es.

Halter euer Maul?

das

weiß man lange! Ein jeder rechtschaffener Bürger ist, so viel er braucht, von der Verfassung unter­ richtet.

Laßt ihn reden; man erfährt immer

Zetter. etwas mehr.

Soest.

Er hat ganz Recht.

Mehrere.

Erzählt! erzählt! So was hört

man nicht alle Tage. Vansen.

So seyd ihr Bürgersleute?

Zhr

lebt nur so in den Tag hin; und wie ihr euer Ge«

werb'von euer« Eltern überkommen habt, so laßt

ihr auch das Regiment über euch schalten und walten, wie es kann und mag.

dem Herkommen,

Zhr fragt nicht nach

nach der Historie,

nach dem

Recht eines Regenten; und über das Versäumniß haben euch die Spanier das Netz über die Ohren

gezogen. Soest.

Wed denkt da dran? wenn einer nur

bas tägliche Brot har. Zetter.

Verflucht! Warum tritt auch keiner

in Zeiten auf, und sagt einem so etwas?

Vansen.

Zch sag' es euch jetzt.

Der König

in Spanien, der die Provinzen durch gut Glück

zusammen besitzt, darf doch nicht drin schalten und walten, anders al« die kleinen Fürsten, die sie ehe­

mahls einzeln besaßen. Zetter.

Begreift ihr das?

Erklärt's uns. Ban-

E g m o n t. Vansen.

39

Es ist so klar als die Sonne. Müßt

ihr nicht nach euer« Landrechten gerichtet iverden?

Woher käme das? Ein Bürger.

Vansen.

Wahrlich!

Hat der Brüsseler nicht ein ander

Recht/ als der Antwerper? der Anrwerper, als der

Genter? Woher käme denn das?

Anderer Bürger.

V a n se n.

Bey Gottl

Aber, wenn ihr'S so fortlaufen laßt;

wird man's euch bald anders weisen. Pfuy! Was Karl der Kühne, Friedrich der Krieger, Karl der Fünfte nicht konnten, das thut nun Philipp durch

ein Weib.

Soest.

Ja, ja! Die alten Fürsten haben's

auch schon probirt.

Vansen. paßten auf.

Freylich! —

Unsere Vorfahren

Wie sie einem Herrn gram wurden,

fingen sie ihm etwa seinen Sohn und Erben weg, hielten ihn bey sich, und gaben ihn nur auf die beste

Bedingungen heraus. Unsere Väter waren Leute! die wußten was ihnen nütz war! die wußten etwas zu fassen und fest zu setzen I Rechte Männer! Dafür find aber auch unsere Privilegien so deutlich, unsere Freyheiten so" versichert.

Seifensieder. heilen?

Was sprecht ihr von Frey­

C 4

Da«

E g m o n t.

4® Da« Volk.

Von unsern FreyKeiten,

unsern Privilegien!

von

Erzählt noch watz von unsern

Privilegien.

Vansen.

Wir Brabanter besonders, obgleich

alle Provinzen ihre Vortheile haben, wir sind am

herrlichsten versehen.

Soest. Zetter.

Sagt an. Laßt hören.

Ein Bürger. V a n se n.

Ich habe alles gelesen.

Ich bitt' euch.

Erstlich steht geschrieben: Der Her«

zog von Brabant soll uns ein guter und getreuer

Herr seyn, Gut I Sreht da« so?

Soest.

Zetter, Vansen.

pflichtet,

Getreu? Zst das wahr?

Wie ich euch sage.

Er ist uns vet«

Zweyten«: Er soll keine

wie wir ihm.

Macht oder eignen Willen an uns beweisen, mer­ ken lassen, oder gedenken zu gestatten, auf keiner«

ley Weise.

Zetter.

Sä ön! Schön! nicht heweisen.

Soest,

Nicht merken lassen.

Ein Anderer.

Und nicht gedenken zu gestat­

ten! Da« ist der Hauptpunkt.

Niemanden gestat­

ten , auf keinerlei) Weise. V a n se n.

Zelter.

Mit ausdrücklichen Worten.

Schafft uns das Buch. Ein

E g m o n t. Ein Bürger. Andere.

41

Ja, pir müssen'« haben.

Das Buch! das Buch!

Ein Anderer.

Wir wolle» zu der Regen»

tinn gehen mit dem Buche, Ein Anderer.

Ihr sollt Has Word führen,

Herr Docror. Seifensieder,

0 die Tropfe!

Noch etwas aus dem Buche!

Andere.

Seifensieder.

Ich schlage ihm die Zähne

in den Hals, wenn er noch ein Wort sagt. Das Volk. was thut.

Wir wollen seben, wer ihm et­

Sagt nn« waö von den Privilegien j

Haben wir noch mehr Privilegien? Vansen.

heilsame.

Mancherley, und sehr gute, sehr

Da stchr auch: Der Landsherr soll den

geistlichen Stand nicht verbessern oder mehren, ohne Verwilliqung des Adels und der Stände!

Merkt

da«! Auch den Staat des Laubes nicht verändern. Soest.

Vansen.

Ist das so? Ich will's euch geschrieben zeigen,

von zwey drey hundert Jahren her.

Bürger.

Und wir leiden die neuen Bischöfe?

Der Adel muß uns

schützen,

wir fangen Hän­

del an! Andere.

Und wir lassen uns von der Inqui­

sition in's Bockshorn jagen?

C 5

Van-

E g m v n t.

43 Bansen.

Das ist eure Schuld. Wir haben noch Egmont * noch

Das Volk.

Oranien! Die sorgen für unser Bestes.

Vansen.

Eure Brüder in Flandern haben

das gute Werk angefangen.

Seifensieder.

Du Hund!

Er schlagt ihn.

Andere widersetzen sich und rufen.

Bist du auch

ein Spanier?

Ein Anderer.

Was? den Ehrenmann?

Ein Anderer.

Den Gelahrten?

Sie fallen den Seifensieder an.

Zimmermeister. ruht!

Um's Himmels willen,

Andere mischen sich in den Streit.

Zimmermeister.

Bürger, was soll das?

Buben pfeifen, werfen mit Steinen, hetzen -Hunde an, Diirger stehn und gaffen, Volk läuft zu, andere gehn ge­ lassen auf und ab, andere treiben allerley Schalkspossen, schreyen und jubiliren.

Andere.

Freyheit und Privilegien! Privile­

gien und Freyheit! EgMvNt tritt auf mit Begleitunz.

Ruhig!

ruhig,

Leute!

Was gibt's?

Ruhe!

Dringt sie aus einander.

Zimmermeister. Gnädiger Herr, ihr kommt wie ein Engel der Himmels. Stille! seht ihr

nichts?

43

E g m o n t.

nichts? Graf Egmont! Dem Grafen Egmont Re­

verenz. E g m o n t. Auch hier? Was fangt ihr an? Bürger gegen Bürger! Halt sogar die Nähe unsrer königlichen Negentinn diesen Unsinn nicht zurück?

Geht aus einander,

gehr an euer Gewerbe.

ES

ist ein übles Zeichen, wenn ihr an Werktagen feiert. Was war's? Der Tumult stillt sich nach und nach, und alle stehen um

ihn herum.

Eie schlagen sich um ihre

Zimmermeister.

Privilegien. Egmont.

Die sie noch muthwillig zertrüm­

mern werden — Und wer seyd ihr? Zhr scheint

mir rechtliche Leute. Zimmermeister. Egmont.

DaS ist unser Bestreben.

Euers Zeichens?

Zimmermeister.

Zimmermann und Zunft­

meister. Egmont.

Soest. Egmont. Zetter.

Und ihr? Krämer.

Ihr?

Schneider.

Egmont. Zch erinnere mich, ihr habt mit an den Livreen für meine Leute gearbeitet. Euer Nahme ist Zetter.

Zetter.

E g M 0 N t.

44 Zetter.

E q m o n t.

Gnade, daß ihr euch dessen erinnert.

Ich vergesse niemanden leicht, den

leb einmahl gesehen und gesprochen habe. —

Mil­

an euch ist, Ruhe zu erhalten, Leute, das thut; ihr seyd übel genug angeschrieben.

Reiht den Kö­

nig nicht mehr, er har zuletzt doch die Gewalt in Händen.

Ein ordentlicher Bürger, der sich ehrlich

und fleißig nährt, hat überall so viel Freyheit als er braucht« ?immermeister.

Ach wohl!

das ist eben

unsre Noth! Die Taqdiebe, die Söffer, die Faullen;er, mit Euer Gnaden Verlaub, die stänkern aus

Langerweile, und scharren aus Hunger nach Privi­

legien, und lügen den Neugierigen und Leichtgläub gen was vor, und um eine Kanne Bier bezahlt zu k. Legen, fangen sie Händel an, die viel tausend Menschen unglücklich machen.

recht.

Das ist ihnen eben

Wir halten unsre Hauser und Kasten zu gut

verwahrt; da möchten sie gern uns mit Feuerbrän­

den davon treiben. E