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German Pages 713 [720] Year 1999
GOETHE · BEGEGNUNGEN
w DE
G
UND
GESPRÄCHE
GOETHE BEGEGNUNGEN UND GESPRÄCHE
B E G R Ü N D E T VON E R N S T G R U M A C H UND R E N A T E
GRUMACH
BAND VI 1806-1808
H E R A U S G E G E B E N VON RENATE
GRUMACH
1999 WALTER
DE
GRUYTER
BERLIN
NEW
YORK
Die Deutsche Bibliothek — CIP-Einheitsaufnahme Goethe, Johann Wolfgang von: Begegnungen und Gespräche / Goethe. Begr. von Ernst Grumach und Renate Grumach. Hrsg. von Renate Grumach. — Berlin ; New York : de Gruyter Bd. 6. 1806-1808. - 1999 ISBN 3-11-012862-4
© Copyright 1999 by Walter de Gruyter GmbH & Co. KG, D-10785 Berlin Dieses Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechdich geschützt. Jede Verwertung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist ohne Zustimmung des Verlages unzulässig und strafbar. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen. Printed in Germany Druck: Arthur Collignon GmbH, Berlin Buchbinderische Verarbeitung: Lüderitz & Bauer-GmbH, Berlin
1806 Weimar 1. 1.
Tagebuch 1. 1. 1806 (WA III 3, 113)
Einige Freunde. Bey Fr. v. Stein. Uber Esprit de Corps und die Grade der Würden. Weiser zu Tische. 2.1.
Tagebuch 2. 1. 1806 (WA III 3, 113)
Kam Riemer von Jena. 3.1.
Tagebuch 3. 1. 1806 (WA III 3, 113)
Major v. Kleist zu Tische . . . Gautieri Chalcedone. 4.1.
Tagebuch 4. 1. 1806 (WA III 3, 113)
Major v. Knoblauch
v. Knebel
Die Müllerinn.
Knebel, Tagebuch 4. 1. 1806 (GSA, Nachlaß Knebel)
Abends mit Göthe im Singspiel die Müllerin. vor 5. 1.
An F. A. Wolf 5. 1. 1806 (WA IV 19, 93)
Die Herren Loder und Klinger haben wir diese Tage gesehen. vor 6. 1.
Chr. G. Voigt an Eichstädt 6. 1. 1806 (Ztschr. Ver. thür. Gesch. NF 27, 196)
Herr G. R. v. Goethe hatte in Jena und Weimar Diät Irrthümer erfahren, die er nicht mehr begehen darf. Ist er hierin standhaft und der Champagner nicht zu verführend, und sind seine Freunde nicht verführerisch, so hoffe ich doch, daß er uns noch länger verbleiben soll. Es giebt Stunden, wo Mismuth und Ängstlichkeit auch über einen standhaften Mann etwas Uberhand behalten. 6.1.
Tagebuch 6. 1. 1806 (WA III 3, 114)
[Im Theater] Abends der Vermitder. Unfug des Preusischen Officiers. 7.1.
Tagebuch 7. 1. 1806 (WA III 3, 114)
Verschiednes wegen des militärischen Unfugs. Mittag v. Knebel und Familie Abends bey Fr. v. Stein. Ankunft Serenissimi. Knebel, Tagebuch 7. 1. 1806 (GSA, Nachlaß Knebel)
Bey Göthe mit Frau u. Kind. 1
1806
Weimar Chr. A. Vulpius an Ν. Meyer 7. 1. 1806 (Kasten 1 S. 185)
Β3 2192
Diesen Morgen um 11 Uhr ist meine Schwester Ernestine sanft für immer entschlafen . . . Wir dürfen es dem Geheimen Rath noch nicht sagen, daß E. tod ist; es greift ihn alles gar zu sehr an. Er ist auch nicht recht taktfest. Christiane Vulpius an N. Meyer Jan. 1806 (Kasten 1 S. 187)
B3 2193
Mit dem Geheimen Rath geht es wieder leidlich, aber ich fürchte auch nur daß es Flickwerk i s t . . . Der Geheim Rath und August grüßen herzlich und beide werden bald schreiben. 8. 1.
Tagebuch 8. 1. 1806 (WA III 3, 114)
Früh die Damen. Physiologische Farben, biß zur Harmonie. Charlotte v. Schiller, Aufzeichnung nach Goethes Vorträgen (GSA, Schiller 1663)
Der Geist wie der Sinn des Menschen strebt immer nach Totalität, und durch die Totalität entsteht die vollkommne Harmonie. — Ein geübtes Auge daß die Erscheinungen des Lichtes, und der Farben oft beobachtet hat, wird wenn es eine Farbe erblickt, auch die Farbe sehen, die die andre fodert, um den Kreis des Ganzen zu vollenden. Man kann eben so gut sagen, das Licht ist für das Auge gemacht, als das Auge ist für das Licht gebildet — Es giebt nur drey Grundfarben, die wir rein wahrnehmen, die andern entstehen durch Vermischung. — Die Farben erscheinen jedem Aug auf seine eigne Art, wie es durch seine Constitution gebildet ist die Licht strahlen auf zu fassen. Manche Menschen sehen Farben die andre nicht sehen, obgleich Licht u. Nichtlicht immer die Erscheinungen machen, so modificiert sich das Licht doch nach der Bildung des Auges. Es giebt drey Arten die Erscheinungen der Farben uns zu zeigen. Physiologisch, durch die Reflection, u. Einwirken des Geistes. Pathologisch, durch die verschiednen Zustände des Auges; u. dem mehr oder minder gesunden Zustand des Organs. Physisch, durch ihre natürlichen Eigenschaften, u. angebohrnen. Sophie v. Schardt, Aufzeichnung nach Goethes Vorträgen (*LA II 3, 14; G S A , Stein-Schardt 165) B 3 2237
Wär nicht das Auge sonnenhaft Wie könnten wir das Licht erblicken? Lebt nicht in uns des Gottes eigne Kraft Wie könnt' uns Göttliches entzücken? P h y s i o l o g i s c h e Farben. Sind die die im Auge entstehen. Warum sehn wir das dunkle Fensterkreuz wenn wir hernach auf eine helle graue Fläche blicken hell, u. das übrige dunkel? 8.1.
Vgl. Goethes Stichworte zum Physikalischen Vortrag in der Mittwochsgesellschaft LA I 11, 79ff.
2
Weimar
1806
Der Theil der Retina wo das dunkle Kreuz hinfiel ist mehr ausgeruht u. noch empfänglich für das Licht, da der Theil der das helle des Fensters aufnahm, schon so viel Licht empfangen hat, daß ers nicht gleich wieder admittirt. Von allen Farben rufen sich grün u. Purpur am auffallendsten hervor. Wirkung der Farben auf den Menschen (LA I 3, 281)
Eine Gesellschaft Frauenzimmer wurde [am 8. 1. 1806?] über Muster, welche nach beiliegendem Schema in Streifen gefárbt waren, befragt, und sie drückte ihr Urteil folgendermaßen aus: 1) 2) 3) 4) 5)
1. 1. 1. 1. 1.
2. 3. 4. 5. 6.
6) 7) 8) 9)
2. 2. 2. 2.
3. 4. 5. 6.
10) 3. 4. 11) 3. 5. 12) 3. 6.
13) 4. 5. 15) 5. 6. 14) 4. 6. 1. Gelb 2. Chamois (Gelbrot) 3. Purpur 4. Violett 5. Blau 6. Grün
1. Das Chamois wurde etwas dunkler gewünscht, man fand das Muster leidlich und fein, allenfalls als Tapete, die gehöriges Licht hat. 2. Spricht nicht an, notdürftig zu Gardinen. 3. Nichts gegen. Gefállt sogar. Doch scheint es gemeiner. 4. Eine so gut wie das vorige. 2. wies vorige. 5. Will nicht recht ein. 6. Man verlangt eine dritte Farbe; besonders etwas Dunkles. 7. Mißfällt. 8. Fällt die Kokarde ein. 9. Sehr lustig. Man verlangt das Grün etwas dunkler. — Gemein. 10. Gefällt durchaus. 11. Traurige Wirkung. 12. Das Blau etwas höher, das Grün etwas heller; in Seide vortrefflich. 13. Wird gut gefunden. 14. Gleichfalls. 15. Gleichfalls. Caroline v. Wolzogen, Aufzeichnung nach Goethes Vorträgen (Boerner S. 6)
Von der Brechung der Strahlen durch verändertes Medium, Dioptrisches Sehen. Durch Linsen, Segmente einer Kugel. Durch Wasser — es h e b t das Bild dem Auge entgegen gleichsam. Versuch mit der Blume in einer Schale, mit dem zerbrochen scheinenden Stock. Uiber das Licht — Man kann sagen die Welt besteht aus Finsternis u. Licht — die Finsternis erzeugt das Licht, — Finsternis deutet sich unsren Organen als ein Mangel an. Auch kann man sagen das Licht bildet unser Auge. — Wie die Natur sich aus den gegebnen Kräften fort zeugt — Der Geist der Natur nur wirckend — Die gemeine Idee der Schöpfung der Menschen, nimmt Gott als 3
1806
Weimar einen Bildhauer an — die höhere Vorstellung der gegebnen Bedingung durch d i e Menschen entstehen mußten nimmt ihn als einen Schöpfer an — Das Auge braucht einige Minuten, um sich aus den Duncklen wieder an das Licht zu gewöhnen. Die Dunkelheit öfnet die Rettina, beim Licht zieht sie sich zusamen. Charlotte v. Stein an F. v. Stein 15. 1. 1806 (*Rohmann S. 117; FDH)
B 2 858 B 3 2201
Goethens Vorlesungen gehen alle Mittwoche ihren Weg ein Viertelstündchen wird der Politik gewidmet oder viel mehr den jetzigen Begebenheiten, doch hat er das nicht gern, Vor 8 Tagen war eben seine Schwägerin die jüngere Schwester seiner demoiselle gestorben und zwar wie wir eben da waren, aber alle Todesfälle in und auser seinen Hauß lasset er sich verheimlichen, bis er so nach und nach dahinder komt, doch soll er sie beweint haben, sie war schon lang an der Auszehrung kranck, sein Bube komt mir auch nicht vor als könte er lange leben gebe der Himmel daß er nicht vor ihm stirbt, seine demoiselle sagt man betrinckt sich alle tage wird aber dick und fett, der arme Goethe der lauter edle Umgebungen hätte haben sollen! doch hat er auch zwey Naturen; Er ließt uns jezt über die Farben, sagt daß sie in unßren Augen liegen drum verlange das Auge die Harmonie der Farben wie das Ohr die Harmonie der Töne pp. Charlotte v. Schiller an Cotta 10. 1. 1806 (Vollmer S. 560)
B 2 856a B 3 2194
Goethe war auch einige mahl diesen Winter krank, doch ist er wieder so wohl, daß wir Mittwoch [8. 1.] früh bey ihm waren. Seine Vorlesungen sind sehr bedeutend. Seine Blicke sind einzig, so tief und reich. Charlotte v. Schiller an F. v. Stein 13. 1. 1806 (Urlichs 1 1, 497)
B 3 2200
Goethe hat Trauer im Haus. Die Schwester der Vulpius ist gestorben; der arme Mann hat so geweint! Dies schmerzt mich, daß seine Thränen um solche Gegenstände fließen müssen. — Ich hoffe, Goethe bleibt diesen Winter wohl; er war einigemal krank, doch ist es jetzt vorüber. — Seine Mittwochs-Gesellschaften sind sehr interessant. Ich wollte, Sie hätten es hören können. Ich habe Manches aufgeschrieben. Seine Farbenlehre wird jetzt gedruckt. 9.1.
Tagebuch 9. 1. 1806 (WA III 3, 114)
Bey Serenissimo. Mittag Ltnant v. Schak. W. v. Schack, Erinnerungen (Weniger S. 40)
B 3 2195
Heute ward ich zu Mittag vom Geheimrat Goethe eingeladen. Ich ging um halb zwei hin, hielt mich bei Kleist bis zur Essenszeit auf und ward dann mit ihm ins Speisezimmer gerufen, wo ich Goethe schon vorfand. Er empfing mich sehr artig, und ich kann nicht, wie so viele andere, über seinen Empfang klagen; doch ist es gegründet, daß er sich gegen ihn besuchende Fremde zuweilen äußerst sonderbar benimmt, welches ihm aber auch nicht zu verdenken ist, da er außerordentlich überlaufen wird. Besonders soll er gegen junge Gelehrte zuweilen sich so unhöflich betragen, daß sich diese voller Bestürzung aus seinem 4
Weimar
1806
Zimmer entfernen. Doch ist dies nur dann der Fall, wenn Goethe ihnen ihre geringe Geistesfähigkeit ansieht und er sich ihr Erscheinen nur aus Neugierde erklärt. . . Wenn man bedenkt, wie oft Goethe auf diese Art von seinen Arbeiten abberufen wird, so ist sein Betragen sehr verzeihlich . . . Ich fand bei Goethe bloß den Lt. von Kleist, die Mademoiselle Vulpius, seine Mätresse, seinen Sohn, einen jungen liebenswürdigen Menschen von sechzehn Jahren, und dessen Hofmeister. Unsere Unterhaltung beschränkte sich meist aufs Theater und auf die jetzigen Zeitumstände. Er unterhielt uns vortrefflich, ließ sich in Erklärung der unbedeutendsten Sachen ein und ließ uns durchaus den Stolz nicht merken, dessen man ihn sonst beschuldigt. Wir aßen recht gut. Nach der Mahlzeit stand er auf und verfügte sich sogleich nach seinem Arbeitszimmer, welches einmal bei ihm hergebrachte Sitte ist. Ich blieb noch eine kurze Zeit dort und entfernte mich gleichfalls. Bei Kleist fand ich mehrere seiner Werke, unter anderem interessierte mich außerordentlich ein Exemplar des Reineke Voß, in welchem er sehr vieles mit eigener Hand korrigiert hatte. Nachher ging ich mit dem jungen Goethe auf seine Stube, wo ich eine recht hübsche Naturalien-, Schmetterlingsund Tierschädelsammlung fand. 10. 1.
Tagebuch 10. 1. 1806 (WA III 3, 114)
Eleg. I mit Riemer. Theater unwesen wegen der Geburtstags Stücke. Chr. G. Voigt an Eichstädt 11. 1. 1806 (Ztschr. Ver. thür. Gesch. NF 27, 199)
Herr G. R. v. Goethe befindet sich gegenwärtig ganz wohl. Er hat auch Officiers Einquartirung. 11. 1.
Tagebuch 11. 1. 1806 (WA III 3, 114)
Zu Weisern wegen des Herzog von Oels Büste. Riemer (»Pollmer' S. 250; G S A , Riemer 779)
B3 2 1 9 7
G. d. 11 Januar 1806. Cotta, so gescheidt und unternehmend er sey, ruhe doch mit seinem Gemüth auf dem Mittelmäßigen. Es thue ihm doch gewissermaßen leid, daß er aus den Pulvertonnen von G[oethe] H [erder] u S [chilier] nicht Speyteufel u Raketen machen könne. Riemer, *Mittheilungen 2, 683 (GSA, Riemer 933) G
d. 11. Januar 1806.
Newtonische Theorie = geflickter Betdermantel den die Prorectoren umthun und immer wieder neue Doctoren dieser Bettlerfacultät creiren. Riemer, *Mittheilungen 2, 683 (GSA, Riemer 933)
B 2 857 B 3 2 1 9 6
G
d 11. Januar 1806
„An der Newtonischen Lehre ist schon soviel verändert und hinzugeflickt worden; und doch meinen die Kerls [korr.: Herren] sie hätten noch die alte. Wie G. 5
1806
Weimar sagte ist sie ein wahrer Bettlersmantel, der schon aus den Flicken der vierten fünften Generation besteht." Bey Gelegenheit der Rede von H Weiß, der in einer Note zu Hauy bemerkt: „bey welchen Farben dieses (die verschiedene Refrangibilität) statt finde oder nicht, will ich an einem andern Orte sagen, pp. H. Meyer (*JbGG 3, 209; FDH 6984)
B3 2 1 9 8
d. 11 Jan 1806 Das bey Göschen in Leipzig herauskommende Journal für Frauen und geschrieben von Frauen gab Goethe der es auf der Bibliotheck fand und darin eine Nekropom[p]e v. Seüme auf Schiller bemerkte — anlaaß sehr witzig zu sagen m a n c h e r H e r m a p h r o d i t mag in d i e s e m Werke stecken. 12. 1.
Tagebuch 12. 1. 1806 (WA III 3, 114)
Bey Dlle Jagemann von Stella. 13. 1.
Mittag Major v. Knoblauch, Major v. Kleist
Leseprobe
Tagebuch 13. 1. 1806 (WA III 3, 114)
Beym kleinen Prinzen und Frau v. Wedel. Zu Tische Dr. Stoll, Rittmstr. Jeseniz Stolls kleines Stück [Streit und Liebe]. 14. 1.
Tagebuch 14. 1. 1806 (WA III 3, 114)
Weiser fertig Model. Abends Probe Stella. Riemer an Eichstädt 14. 1. 1806 (Biedermann 6 S. 284)
Ew. W. habe d. Ehre durch Auftrag zu melden, daß Se. Exc. die v. Ihnen vorgeschlagene Einrichtung d. Druckes der bewußten Recension [von Des Knaben Wunderhorn] vollkommen genehmigen, nur wünschen Sie, daß statt d. unnöthigen Nummer d. Liedes lieber d. Seitenzahl, welche im Manuscript nachgesetzt ist, vorgezogen u. statt jener bemerkt werde; doch müßte nicht immer S. wiederholt, sondern voraus ein- für allemal bemerkt werden, daß es die Seitenzahl sei. — Ferner wünschen Sie bald benachrichtigt zu sein, wie viel d. Manuscript austrägt u. Ew. W noch nöthig haben; Se. Exc. wünschen noch einiges hinzuzusetzen, um dem Ganzen e. Schluß zu geben. (vor?) 15 1
St. Schütze, Tagebuch 15. 1. 1806 (*JSK NF 4, 95; GMD)
Im Theater Stella. Goethe will nicht, daß im Elys[ium und Tartarus] über neue Stücke geurtheilt werde; er gäbe vielleicht selbst etwas dazu. 15. 1.
Tagebuch 15. 1. 1806 (WA III 3, 115)
Früh die Damen. Phys. Farben Schluss und Pathologische. 15. 1.
Vgl. Goethes Stichworte zum Physikalischen Vortrag in der Mittwochsgesellschaft LA I 11, 81 ff.
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Weimar
1806
Charlotte ν. Schiller, Aufzeichnung nach Goethes Vorträgen (GSA, Schiller 1663)
Die Färbung der Schatten ist eine der sonderbarsten Erscheinungen, u. erklärt einem wenn man darüber reflectirt manche Erscheinung dadurch daß das Streben nach Totalität in jeder Foderung liegt die wir machen, entsteht das Gefühl der Harmonie, in uns, u. immer sucht das Gefühl sich ein Ganzes zu bilden. — Sophie v. Schardt, Aufzeichnung nach Goethes Vorträgen (*LA II 3, 14; GSA, Stein-Schardt 165) B 3 2237
Der doppelte Schatten von Mondlicht u. Kerzenlicht zusammen. Den der Vollmond wirft u. das Kerzenlicht bescheint, ist ganz rothgelb. Den die Kerze wirft, u. der Mond bescheint ist vom schönen blau. Wo beyde Schatten sich zu einem vereinen ist er schwarz. Verweilt der Blick lange auf der Tafel, so wird das geforderte Blau das fordernde Gelb bis ins Gelbroth steigern, welches dann wieder seinen Gegensaz, eine Art Meergrün hervorbringt. P a t h o l o g i s c h e , (krankhaftes Sehen des Auges) entstehen aus sie deuten auch auf organische physische Gesetze. Roth ist der Abklang vom Gelb des Lichts. Caroline v. Wolzogen, Aufzeichnung nach Goethes Vorträgen (Boerner S. 6)
Weißes u. schwarzes Rund — lezteres nur am Kleinsten scheinend. Ein schwarzes Viereck auf einen grauen Grund gehalten — Einige Sekunden nachdem man das schwarze weg nimmt — oder man das Auge von der Richtung auf das Schwarze weg wendet — sieht man einen weißen Fleck. Das e n t g e g e n g e s e t z t e hat sich in unsren [Auge] gebildet. So mit den Farben — das rothe erzeugt einen grünen Schein vice versa, Das Blaue einen Gelben, Das Auge fodert die Harmonie u. die Farbe die die andren in sich begreift. G. nennet den Schimmer der andren Farbe der entsteht nach den Verschwinden der ersten, das A b k l i n g e n . Die Färbung der Schatten. Wenn das Tages Licht auf einen Schatten von Kerzenlicht fällt, entsteht ein bunter Schatten — ein blauer Schatten auf weißen Pappier, nach veränderten Farbe, durch die sich das Licht bricht, entstehen andre Farben — Dieses entsteht in der Dämerung in Halbschatten — volle Nacht, macht auch schwarze Schatten. Man muß die Farben in die Dynamische Vorstellungsart bringen. Die H ö f e theilen sich in Subjective u. Objektive. Der Kreis unseres Auges macht die Subjectiven. Die Harmonie die unser Auge fordert ist die Bedingung. Der sich erwehrende Kreiß der Höfe wie die Circkel im Wasser ginge ins Unendliche wenn nicht die Lider u n s e r e s A u g e s ihn halte Die Menschen die die Farben nicht unterscheiden, denen fehlt das Blau u. grün, sie sehen die Welt nur roth u. gelb. 16. 1.
Tagebuch 16. 1. 1806 (WA III 3, 115)
Nach Tische mit Riemer manches, besonders über den epischen Teil Ab. bey Herz. Amalie gegenw. Pr. Caroline, Frl. v. Knebel und die Haus und Hofgenossen. 7
Weimar
1806 Riemer, Mittheilungen 2, 639
B 3 2202
Wie G. mir mündlich schon den 16. Januar 1806 sagte: so sollte [in seinem geplanten epischen Gedicht] sowohl Teil als der Landvogt in einem heitern Character erscheinen; jener mehr der gute, aber u n b e s o n n e n e Teil, und der Landvogt wenigstens gegen die Weiber freundlich und zuthulich seyn; kurz Alles läßlicher gehalten, und soviel ich mich erinnere auch der Apfelschuß nicht so b a r s c h und präcipitirt. Riemer, »Mittheilungen 2, 697 (GMD, Kat. Kipp. 3782, 4)
B 2 859 B 3 2203
G. d. 16 Januar 1806. „Der Mensch, wenn er wider Willen von einer Maxime, Art zu seyn oder zu handeln, lassen muß und zur entgegengesetzten bisher von ihm gehaßten übergehen, muß erst von dieser einigen sichtlichen Vortheil, der den Schaden durch jene überwiegt, erhalten haben, ehe er ihr ganz von Herzen bey tritt und mit ihr eins wird." ç Henriette v. Knebel an Knebel 18. 1. 1806 (Düntzer 4 S. 242)
B 3 2204
Was D u mir Gutes vom jungen Blomberg sagst, freut mich gar sehr. Wieland, welchen wir vorgestern bei der Herzogin-Mutter antrafen, lobte ihn auch. Goethe war diesen Abend auch da und war sehr lebhaft und brillant, fast ein wenig zu sehr in der Gegenwart vom alten Wieland, welcher jedoch, wie der sanfte Mond, seinen Platz am Himmel auch nicht schlecht behauptete und dem die sanft empfindenden Gemüther fast noch williger folgten. Indeß sprach Goethe sehr gescheidt, und ich kann sagen, daß ich sein Gespräch mit Vergnügen angehört und behalten habe. Nur daß man den Vorsatz in ihm zu bemerken glaubte, allein gelten zu wollen, schreckte etwas ab. Henriette v. Knebel an Knebel 25. (27.?) 1. 1806 (Düntzer 4 S. 242)
B 2 860 B 3 2205
Es wäre mir ein wahres Vergnügen gewesen, wenn ich Dir neulich von Goethes und Wielands Kampfgespräch einiges hätte mittheilen können, und ich zog mich ungern zurück, da ich unterbrochen wurde . . . Der Streit kam über Tischbeins Zeichnungen her, die er kürzlich an die Herzogin-Mutter geschickt. Unter dem Lobe, das ihnen Goethe ertheilte, sprach er viel von Talent und Uebung in der Kunst, welche durchaus zu ehren und zu preisen wäre, sollte es auch nur an d e m Manne sein, welcher einst vor Alexander dem Großen die Hirsenkörner durch ein Nadelöhr geworfen hätte. Es war artig, wie Wieland noch lange ruhig zuhörte, und endlich gleich wieder bei den Hirsenkörnern anfing, welche Kunst er so dumm und albern fand, daß er den Mann noch ganz besonders hätte strafen lassen, daß er so unendlich viel Zeit darauf verwendet hätte. Alle Künste der Technik, wodurch die Engländer sich auszeichneten, behauptete Goethe, wären durch diese Geduld und Anhaltsamkeit entstanden, und Alexander als Monarch hätte ganz Unrecht gehabt, den Mann so verächtlich zu behandeln. Er hätte vielmehr zu den Umstehenden sagen sollen: „Seht, dieser Mann hat es durch außerordentliche Geduld und Uebung zu solch einer Fertigkeit gebracht. Könntet ihr es nicht in etwas Gescheidterm auch so weit bringen?" u. s. w. 8
1806 16.(?) 1.
Weimar Wieland an die Herzogliche Bibliothek in Weimar 18. 1. 1806 (Aukt.-Kat. Meyer u. Ernst 27, 104)
Sollte sich gegen alles Vermuthen diese alte Ausgabe [des Julius Caesar] nicht wieder finden, so bin ich im voraus erböthig, sie durch eine neuere und bessere . . . zu ersetzen. Ich habe Sr. Excellenz den Hrn. Geh. Rath von Göthe bereits davon preveniert. 17. 1.
Tagebuch 17. 1. 1806 (WA III 3, 115)
Mittag Hr. und Mad. Wolf. 18. 1.
Tagebuch 18. 1. 1806 (WA III 3, 115)
Prof Fernow, einiges die Kunst betreffendes und seine Arbeiten. Hillers Gedichte. Vorgelesen von Riemer. 19. 1.
Tagebuch 19. 1. 1806 (WA III 3, 115)
Doctor Seebeck Mineralogische und physische Unterhaltungen von Cid.
Leseprobe
18./19. 1. Riemer an Eichstädt 19. 1. 1806 (Biedermann 6 S. 284)
Ew. W übersende hiermit den Schluß der Recension des „Wunderhorns" mit Empfehlung des Hrn. Geh. Raths u. Bitte, den übrigen Raum d. Stückes mit e. beliebigen Recension einstweilen auszufüllen. Die zweite v. ihm unternommene Recension, Hillers Gedichte betr., beträgt schon üb. e. Stück u. er hofft, dieselbe Anfang Februars einzusenden. Jene mag also vor d. Hand allein voraufgehen. 20. 1.
Tagebuch 20. 1. 1806 (WA III 3, 115)
Hauptm. Götz vom Reg Zastrow. Prof. Meyer. Plinius. 22. 1.
Tagebuch 22. 1. 1806 (WA III 3, 115)
Die Damen. Galvanismus. theoretisch und historisch Versuche des gelb- und trüben Glases.
Mittag Prof Göttüng
Charlotte v. Schiller, Aufzeichnung nach Goethes Vorträgen (GSA, Schiller 1663)
Es ist nach Goethens Theorie die selbe Grundkraft die in allen Organisirten Naturen, u. allen Erscheinungen wirkt, nur das Plus u. Minus bringt die Verschiedenheiten hervor, und das Streben nach Totalität, in den Gefühl, wie in der Wirckung der Naturen vereinigt die Dinge, und bey der Vereinigung entscheiden die mehr oder minder wirckenden Kräfte die Verschiedenheit der Naturen. — Die Dualität geht durch alle Erscheinungen der sichtbaren Welt. Die Körper trennen sich nur in zwey, um wieder durch eine dritte wirckung zu einem ganzen zu machen. Er führt sehr sinnreich diese Idee durch ein Kartenspiel durch, da sind zwey Figuren nur, aus denen die andern entspringen, wie zwey wirckungen der Kräfte der physischen Erscheinungen. Es sind zwey Farben, zwey geschlechter die 22. 1.
Vgl. Goethes Stichworte zum Physikalischen Vortrag in der Mittwochsgesellschaft LA I 11, 83 ff.
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1806
Weimar erscheinen. Alle diese einfachen Erscheinungen vereinigen sich ein ganzes in der Idee zu bilden, und streben nach Harmonie der Kräfte, wie in der Natur, die Erscheinungen. — Die Natur wirckt groß und leise, wir sehen ihre Wirckungen nicht, sondern nur die Erscheinungen alles geht Geräuschlos und Groß an uns vorüber, nur Sturm, und Donner sind Natur Erscheinungen die Schall haben, die Erderschütterungen sind Still, und wenn die Gebäude die durch ihr Einstürzen das Krachen entstehen lassen nicht da sind, so gehen die grössten Zerstörungen der Natur Still und Klanglos vor sich. — Caroline v. Wolzogen, Aufzeichnung nach Goethes Vorträgen (Boerner S. 7)
Waß der Bezug ist. Jedes Wesen hat zuerst auf sich selbst Bezug. Götter Kraft des Egoismus. Aber auch auf die Ganze Welt — In sich zusammen ziehn — sich Ausdehnen, die Arten seines Seins Geistige u. Sinnliche trennen. Einseitige Philosophie — Alles kann zu unsren Geistigen Leben werden. Fichte Schelling, Jakobi, Kant am wenigsten — Form in der zu schafen kommen. Alles kann aufs sittlich Bezug haben. Die Kunst stellt das her Nur durch den Gegensatz entsteht eine Welt von Verhältnissen, Beweisen am Spiel. Henriette v. Knebel an Knebel 25. (27.?) 1. 1806 (Düntzer 4 S. 243)
B 2 861 B 3 2205
. . . Noch lieber möchte ich Dir von Goethes letztem Vortrag vom vorigen Mittwoch Bericht abstatten können, der mir ganz außerordentlich wohl gefiel. Es war das angenehmste Gefühl, sich mit ihm gleichsam auf eine höhere Stufe gestellt zu sehen, und wirklich die schönste menschliche Natur belebte sich aufs neue in ihm. Er sprach von dem Bezug, den der Mensch zu sich selbst und zu den Dingen außer ihm hat, so reich, reif und mild, daß ich wirklich noch nie so habe sprechen hören. Ich wünschte, er hätte die Rede aufgeschrieben. Mich dünkt, sie allein müßte ihm den Ruhm eines seltnen Menschen machen. Ich selbst dünkte mich glücklicher und vornehmer durch die unzähligen Fäden, durch die wir mit Himmel und Erde zusammenhängen. Es ist eine wahre Freude, wenn der Geist, wie die Natur, alt, und doch so verjüngt, sich darstellt, ein kräftiger, erfreulicher Frühlingshauch. Prinzeß freute sich mit mir. 24. 1.
Tagebuch 24. 1. 1806 (WA III 3, 116)
Mittag Frommann. 26. 1.
Tagebuch 26. 1. 1806 (WA III 3, 116)
Bey Serenissimo. Mit Geh. R. Voigt viel spazieren Graf Schwerin Genast. Abends Knebelischer Lucrez I Buch mit Riemer. 26. l.(?)
Mittag.
Knebel an Riemer 24. 1. 1806 (GSA, Knebel 1226a) Vielleicht möchte auch unser Göthe, dem ich mich vielmals zu empfehlen bitte, sich hievon [Knebels Lukrezübersetzung, Buch I und II] etwas vortragen lassen, und mir sein Urtheil schenken.
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1806 27. 1.
Weimar Tagebuch 27. 1. 1806 (WA III 3, 116)
Bey Fr. v. Wolzogen. Schillers litterarische Verlassenschaft . . . Prof Meyer. Ab. Lucretz II. mit Riemer. 29. 1.
Tagebuch 29. 1. 1806 (WA III 3, 116)
Verabredung mit Genast und Destouches. Abends Probe vom Cid und vom Prolog mit Trompeten. 30. 1.
Tagebuch 30. 1. 1806 (WA III 3, 116)
General Major v. Pellet. 31. 1.
Tagebuch 31. 1. 1806 (WA III 3, 116)
Die Damen Vortrag der Galvanischen Experimente Mittag, lustige Unterhaltung. Besonders über Augusts Schul Verhältnisse Nachm. Adj. ν. Kleist Abschied. Mit Riemer einiges wozu Salmasius Anlaß gab. Egypter, bes. Alexandriner. Charlotte v. Schiller, Aufzeichnung nach Goethes Vorträgen (GSA, Schiller 1663)
Zwey Stoffe beleben die Körperliche weit, das Oxigen Sauersam, und der Wasserstoff Hyderogene, wo einer Gewalt über die Körper erlangt, das heißt sie erreicht, so entsteht der andre auch, und diese Entwickelung des Oxigens ist Leben. Kein Metall selbst hat so enge Pores daß nicht das Oxigen könnte Veränderungen auf der Fläche entstehen lassen, die Länge der Zeit macht dem sauersamen Stoff über all wircksam, die feinern Metalle erreicht es später aber doch erreicht er sie ein mal. Glas u Harz Elektricität stehen einander entgegen. Plus u. Minus. In dem Metallen wircken diese Kräfte des Plus u. Minus eben so bemerkbar, und es giebt eine Mettall Kette wo ein Metall sich immer auf das andre bezieht. Zink ist das erste Metall daß seine erregbarkeit manifestirt, und man schmeckt die Säure die durch die Vereinigung der zwey Metall platten entsteht. Henriette v. Knebel an Knebel 1. 2. 1806 (Düntzer 4 S. 244)
B 3 2207
Wir sind gestern Vormittags beim Goethe gewesen, da es den Mittwoch nicht anging. Er hat uns schöne galvanische Versuche gemacht, die mich sehr interessirt haben. Die schönen Reden, die ich Dir neulich angedeutet habe, kann ich Dir leider nicht schriftlich mittheilen. 31. 1.
Vgl. Goethes Stichworte zum Physikalischen Vortrag in der Mittwochsgesellschaft LA I 11, 86 f. W. v. Schack, Erinnerungen (Weniger S. 41) B 3 2208 Heute war der letzte Tag unseres Aufenthaltes in Weimar, wo wir so gern noch länger geblieben wären. Nach der Parade gingen ich und Wrangel im Namen des Offizierkorps zu Wieland und empfahlen uns seinem Andenken . . . Goethe, zu dem wir auch gingen, gab der Herzogin eine Vorlesung, und sie war noch nicht zu Ende, als wir das zweite Mal zu ihm kamen. Deshalb unterblieb unser Besuch, und wir trugen es seinem Sohne auf, ihm die Absicht unserer Sendung bekanntzumachen.
11
1806 Jan.
Weimar J. H. Voß d. j. an B. R. Abeken 9. 3. 1806 (LB Dresden, Ms e 97, 24)
Schon am Anfang Januars [vielmehr: 30. 1.] ist der Niemeyersche Cid [nach Corneille] auf unsrer Bühne gegeben worden, und wie sehr auch Göthe über die vielen unharmonischen Verse und sentimentalen Auswüchse gejammert hat, er hat ihn doch in Ermanglung einer andern Bearbeitung nehmen müssen. J. H. Voß d. j. an B. R. Abeken 30. 1. 1806 f G r ä f 1 S. 98; LB Dresden, Ms e 97, 23)
Β2 862 Β3 2206 Göthe ist nicht wie er sein sollte. Seine Nieren sind wahrscheinlich desorganisirt. Er hat täglich Blutabgang durch den Urin, oft aber stockt dieser und dann ist er sehr krank. Ich glaube, daß er alt werden kann, aber gesund wird er nie wieder. Gott erhalte ihm nur seine frohherzige Laune. Neulich sagte er: „wenn mir doch der liebe Gott eine von den gesunden Russennieren schenken wollte, die zu Austerlitz gefallen sind! — Das Schauspiel besucht er fleißig, auch geht er jeden Tag im Park spazieren. Caroline Schelling an Schelling 9. 5. 1806 (E. Schmidt 2 2, 455)
[Aus einer Unterhaltung mit Gries:] Goethe war mehrermal sehr krank im vergangnen Winter, an den alten Krämpfen, die von der Zerstörung einer der beyden Nieren herrühren. Er weiß diesen Umstand, und sagte einmal zu dem jüngeren Voß, der täglich bey ihm ist: „wenn mir der Himmel nur die gesunden Nieren von einem der Russen bescherte, die in der Schlacht von Austerlitz geblieben sind!" Voß wußte nicht, ob er weinen oder lachen sollte über den Wunsch. Die Ärzte sagen, er könne doch noch lange mit einer halben Niere leben. vor 1 . 2 .
J. A. Kanne, Aus meinem Leben (Schmitt-Dorotic S. 40)
Hier [in Jena] traf ich den Professor J. J. Wagner aus Würzburg . . . Er . . . war so großmüthig gewesen, daß er, ehe ich kam, schon Goethen von mir und meiner neuen wissenschaftlichen Richtung lobpreisend erzählt hatte, weil er vorausgesetzt hatte, daß ich von Würzburg auch gleich nach Weimar gehen würde. 1. 2.
Tagebuch 1. 2. 1806 (WA III 3, 117)
Dr. Kanne von Jena Mit Frau Gräfinn Henkel spazieren. Gros F. Constantin in Berlin pp . . . Rückten Füsilier ein. Hauptmann Hering im Quartier. J. A. Kanne an Goethe 1. 2. 1806 (Eing. Br. 1806, 9)
Acht bis neun Musen verziehen mir schon gestern, was ich heute that [als er Goethe besuchte], und überzeugten mich, daß es keine Prosa wäre. Ich bin Erfinder in der Historie; wenn dies nicht wäre, so würde ich mit dem bloßen Leben, wie das bisherige am besten selbst beweist, kürzer verfahren. Aber so hält es mich und läßt mich nicht: darum bin ich entschuldigt. Enthielte nicht ein Fond 100 vorzustrekkende Thaler? J. A. Kanne an Ungenannt o. Dat. (Aukt.-Kat. Stargardt 653 I, S. 200)
Schon Goethe sagte mir daß Du mit Wärme von mir gesprochen, das mich freute. Er nahm mich so schön auf, daß ich sagen mußte, ich wäre darüber erfreut. 12
1806 2.2.
Weimar Tagebuch 2. 2. 1806 (WA III 3, 117)
Bey Weiser wegen der Marmorbüste Schweizer [Gluz-Blozheim] von Solothurn. Obrist Graf Schwerin Abends Probe des Titus. 5.2.
Tagebuch 5. 2. 1806 (WA III 3, 117)
Abends Plinius Kunstgeschichte mit Meyer. 6.2.
Tagebuch 6. 2. 1806 (WA III 3, 117)
Behandlung des ersten Bandes meiner Werke mit Riemer Durchsicht des mehreren was im Manuscripte daliegt. Ab. Prof. Meyer und Riemer. 7.2.
Tagebuch 7. 2. 1806 (WA III 3, 117)
Vortrag. Schluß des Galvanismus. Regiment Bork. Einquartiert. C. v. Budwitzky. Abends mit Riemer. Charlotte v. Schiller, Aufzeichnung nach Goethes Vorträgen (GSA, Schiller 1663)
Die voltaische Säule besteht, aus einer Reihe von Platten Zink, nassgemachte Pappe, und Kupfer, machen die Säule aus, die an einem Metall Stabe gesteckt werden. Den anfang der Säule macht eine Zinkplatte, und beschliesst die Säule alsdenn eine Kupferplatte. Aus der Zinkplatte, läuft ein Eisendrath, und aus der Kupferplatte auch einer. Die Zinkwirckung ist stärcker, als die des Kupfers, und es ist daßelbe was die Glas Electricität ist, und die wirckung des Kupfers ist der Harz Electricität, gegenüber zu stellen. So ist immer die Einfache wirckung zweyer Kräfte die die Erscheinungen hervor bringen, und das Streben nach Vereinigung erregt die Kraft, und durch ihre wirkkung entsteht die Harmonie, u. Totalität. Diese Ansicht ist die Basis von Goethens Ansichten der Natur, und sie ist groß und Schön, und wolthuend. — Dem Electrischen Plus et Minus, sind in der Chymie die zwey Stoffe gleich, Oxigene, u. Hyderogene. Bey dem Galvanismus sind diese zwey Stoffe wircksam, und durch die naßgemachte Pappenplatte, entsteht der Waßerstoff der nöthig ist den Sauerstoff zu entwickeln in den Zink und Kupferplatten, um die Electrische Wirckung hervor zu bringen. — Es entstehen keine Funken, und nichts zeigt die Gegenwart des Feuers an wie bey der Electricität, sondern nur durch das beleben, und Gefühl in den Nerven merkt man die Electrische wirckung. So schnell u. fein wirckt keine andre Kraft, als die durch den Galvanismus erregt wird. — Es ist die eigentlichste Benennung die man ihm geben, die der Thierischen Electricität. — Auf das unbelebte äußert er auch auf das feinste u. schnellste, und in der grössten stille seine Kräfte. Dadurch daß der Galvanismus den Sauerstoff entwickelt, wirckt er auf die Farbenwelt. — Aus dem Quecksilber entwickelt er die Luft, und belebt es, daß es sich trübt, und schnell wieder hell wird, wenn der Drath der vom Zink abgeleitet ist in dem Raum der das Quecksilber einschliesst, schnell in die Röhre geleitet wird, die vorher durch den Kupfer drath getrübt worden. —
7. 2.
Vgl. Goethes Stichworte zum Physikalischen Vortrag in der Mittwochsgesellschaft LA I 11, 87 ff.
13
1806
Weimar Die versuche des Galvanismus sind die bedeutendsten Erscheinungen in der Theorie der Erregbarkeit, und wieder so schnell und bestimmt, daß keine andre Kraft so wirckt, der Thierische Magnetismus schliesst sich daran an, und ist ein Beweis wie zwey gleich organisirte Körper auf einander wircken können. Am nächsten kömmt der Galvanismus dieser Erscheinung. — In der Natur sind Kräfte die auf einander wircken. Die Leblosen auf die Leblosen, wie man bey den Magnetischen Erscheinungen sieht, und die Leblosen auf die Lebendigen, wie die Elektricität, und der Galvanismus. — Caroline v. Wolzogen, Aufzeichnung nach Goethes Vorträgen (Boerner S. 5)
Der Froschschenkel, Volta endeckte die Wirckung als er einen toden Frosch auf einen Eisernen vergoldeten Garten Geländer Knopf legte, u. die Bewegung wahrnahm. 4,fache Wirckung, der Verbindungen. Das leblose mit den leblosen, in der Verbindung zweier verschiedner Metalle. Das leblose mit den lebendigen verbunden — Der Frosch mit Zinck berührt — Das lebendige mit den lebendigen — Wenn man den Nerv u. Muskel eines Froschs in sich selbst zurückbeugt u. vereinigt, Und das voll Lebendige eines belebten Körpers auf andre Körper. Wie der Zitter-Aal u. Roggen. Sie vermögen andre Fische zu töden durch elektrischen Schlag, auch hat man den Funcken wahrgenommen. Göthe meint, durch den Magnet, Elektricität, u. Galvanism gehn dieselbe Wirkkung durch — die zwei Pole, daß Bestehen in sich, durchs entgegengesezte — Er meint man werde vielleicht am Magnet noch Funcken u. Erzeugen des Sauersamen endeken — um die Elektrizität u. Galvanism. Sauer schmecken Uiber das Waß — u. Wasser. Statt des angenommenen Ausdrucks, Dinge. Wenn man recht weiß waß geschieht, so weiß man auch wie es geschieht, über Catoptrick u. Dioptrick? Wenn auf die Finsternis eine dichte Maße, auf diese Licht fällt — entsteht blau — der Blaue Himmel durch die reine Luft auf den finstern Grund — Gott selbst, wenn er Farben sehen will kann sie nicht anders sehen — Dies ist als ein Naturfundament anzusehen. Versuche angefärbte Gläser, Opal Stein Nach einen duncklen Grund sehend ist der Stein blau — Auf einen Lichtgrund sehend, vorne Gelb. In einer duncklen Kammer, kann man durch aufeinander liegende Pergament Tafeln alle Farben hervor bringen von Gelb bis Purpur. Caroline v. Wolzogen, Aufzeichnung nach Goethes Vorträgen (Boerner S. 7)
Das Sauersame Oxigene ist das Allgemeine in der Welt. A t o m i s t i s c h e Vorstellung, das Oxigene vom Hidrogen im Wasser trennen Dynamisch geht es aus einander wirckend nach Außen. Galvanismus. Metalle 2, vereinte, entbinden das Sauersame Hang des Sauersam nach den Metallen. Gradation der Metalle. Zinck u. Silber wircken am stärcksten in der Voltaischen Säule. Ließe man die Säule immer während feucht so occidierten sich die Metalle bis zum zerstöhren. Occidieren entbinden des Sauersamen, Rosten. 14
Weimar
1806
Ein Cristall Würfel eingesenckt rückt das Bild in die Höhe. Ein Rund durch eine Parallelle Wasserfläche gesehen verändert sich wenig, Wi[rd] die Wasser Masse Keilförmig so hebt sich das Bild. 8. 2.
Tagebuch 8. 2. 1806 (WA III 3, 118)
Episteln mit Riemer. Regiment Arnim 8. (?) 2.
Einquartiert Hauptm. Gualtieri.
H. Meyer (*JbGG 3, 210; G S A , Meyer 109)
B3 2 2 1 0
Da Bert[u]ch mit lächerl. Eitelkeit sich gerührt stellend Monier's Tod dem Weimarischen Publikum im Wochenblatt [vom 8. 2. 1806] verkündete rief G. aus O w i e wohl t h ä t e n d i e s e w e n n sie kein H e r z h a b e n w o l l t e n ! J. H. Voß d. j. an Riemer o. Dat. (wohl 9. 2. 1806; G S A , Riemer 1248)
Empfiehl mich ja dem herlichen Herrn Geheimerath, und danke ihm für seinen herzlichen Glückwunsch mit dem er mich gestern Morgen entließ. 9. 2.
Tagebuch 9. 2. 1806 (WA III 3, 118)
v. Gualtieri ab . . . Prof. Meyer Plinii Kunstgesch. 10. 2.
Tagebuch 10. 2. 1806 (WA III 3, 118)
Epigramme mit Riemer. Dejeunè auf dem Hofamte Regim. Pirch Einmarsch Einquartiert Hauptm. . . . Abends Meyer. Hannöverische Recensionen. 11. 2.
Tagebuch 11. 2. 1806 (WA III 3, 118)
Uber Organisation von unten herauf mit Riemer bey Gelegenheit von Blumenbachs Handb. der vergi. Anatomie Prof Meyer. 12. 2.
Tagebuch 12. 2. 1806 (WA III 3, 118)
Vortrag
Dioptrische Farben der ersten Klasse.
Charlotte v. Schiller, Aufzeichnung nach Goethes Vorträgen (GSA, Schiller 1663)
Die wirckungen der Erscheinungen lassen sich in zwey Fragen vorlegen, was? und wie? Es giebt viele Dinge die wir nur wissen können wenn wir wißen was sie sind. Wie sie sind ist eine ganz entgegen gesezte Sache. Die Erscheinungen der Lichtstralen auf unsre Augen können wir in vier wirckungen eintheilen. In der wißenschaftlichen Sprache ist die Dioptrik die Brechung der Lichtstralen auf einer Fläche. Die zweite Wirckung des Lichts, die hellen Streifen, an den Spizen und Kanten der Körper. Die dritte wirckung ist, die Brechung der Lichtstralen durch die Körper, wie zum Beispiel die Prismatischen Phänomene. Die vierte wirckung die Brechung der Strahlen durch dichte trübe Körper, als zum Beispiel durch Beinglas — u. f. 12. 2.
Vgl. Goethes Stichworte zum Physikalischen Vortrag in der Mittwochsgesellschaft LA I 11, 90 f.
15
1806
Weimar Sehr merkwürdig ist es, wie die Dichtigkeit und mindere Dichtigkeit der Luft die Ansichten verändert. Auf den höchsten Bergen wo die Atmosphäre rein ist, ist der Himmel dunkel blau bey nah schwarz, je niedriger der Ort liegt, je dichter ist der Luftkreis, und man sieht selten dem Himmel Blau. In Italien wo die Atmosphäre meist rein ist, sind die fernen Gegenden immer in blaue Tinten getaucht — Die Dünste die bey den Winden aufsteigen, verdichten die Luft, und es entsteht die selbe wirckung im grossen, beym Scirocco zum Beispiel wo die heissen Dünste die Luft verdichten, als wenn man durch ein mit Kalck verdichtetes Glas nach dem hellen hinsieht, da erscheint alles röthlich gefärbt, die Flamme des Lichts wird ganz purpur roth, So erscheinen die wolcken die Sonnenstrahlen ganz feuerroth, und die weissen Gebäude scheinen in Purpur getaucht. Sophie v. Schardt, Aufzeichnung nach Goethes Vorträgen (*LA II 3, 15; GSA, Stein-Schardt 165) B 3 2237
Bey p h y s i s c h e n Farben richten wir uns darauf, wie durch farblose Mittel verschiedne Bedingungen entstehn. Wenn es von der Oberfläche eines Mittels zurück strahlt. K a t o p t r i s c h e wenn es vom Rande her strahlt: p a r o p t i s c h e ; wenn es durch einen durchsichtigen Körper geht d i o p t r i s c h e . Das Licht durch ein t r ü b e s Mittel erscheint gelb. Die Finsternis durch ein trübes von einem darauffallenden Licht erleuchtetes Mittel gesehn — scheint blau, welche immer heller u. blässer, je trüber das Mittel; immer dunkler, je durchsichtiger das Trübe — ja bis ins schönste violet sich steigern. Solch gemäßigt, getrübtes Licht, wirft einen Schein auf die Gegenstände, gelb, gelbroth, purpur. Dies die Ursach der Blauen Farbe der Athmosphere, der Berge pp. des dunklern blaues wenn man auf hohen Bergen ist. C h e m i s c h e : die fest adherirenden. Henriette v. Knebel an Knebel 15. 2. 1806 (Düntzer 4 S. 244)
B 3 2212
Goethe ist wieder wohl, und die Stunden, die wir bei ihm zubringen, sind uns sehr angenehm und interessant. Luise V. Göchhausen an Böttiger 12. 2. 1806 (Deetjen 1 S. 162)
B 3 2211
Goethe fährt noch immer fort, uns naturhistorische Vorlesungen zu halten. Er verläugnet h i e r das Genialische seines Geistes nicht, der da weiß, einen großen Gegenstand groß zu behandeln. Die Vorträge sind sich nicht alle gleich; aber er hat uns vortreffliche gehalten. 14. 2.
Tagebuch 14. 2. 1806 (WA III 3, 118)
Elegien abermals mit Riemer. 15. 2.
Tagebuch 15. 2. 1806 (WA III 3, 118)
Auf dem Hofamte. 15. 2.
An Eichstädt 8. 2. 1806 (WA IV 19, 102) Kommen Ew. Wohlgeb. Sonnabend hierher, so erzeigen Sie uns das Vergnügen zu Mittage beym Essen. Um 1 Uhr soll Ihr Couvert parat liegen. Eichstädt an Goethe 12. 2. 1806 (Eing. Br. 1806, 20) Nächsten Sonnabend früh gedenke ich nach Weimar zu reisen, wenn anders Sie mir vergönnen, an
16
Weimar
1806 A n Eichstädt 19. 2. 1806 (WA IV 19, 102)
Ew. Wohlgeb. und Ihrem Freunde [Chr. A. G. Goede] bin ich für die mir neulich geschenkte Gegenwart recht vielen Dank schuldig. Eichstädt an Goethe 16. 2. 1806 (Bing. Br. 1806, 19)
Wir sind gestern mit dem innigsten Dankgefühl u. in einer Art von begeisterter Freude von Ew. Excellenz geschieden, u. haben uns seitdem die angenehmen Stunden oft wieder zu vergegenwärtigen gesucht. Prof. Goede hat heut sein schon aufgekündigtes Logis wieder bis Michaelis gemiethet. Ich sehe dieß als die erste gute Wirkung von dem gestrigen Tage an. 16. 2.
C. Bettuch, Tagebuch 16. 2. 1806 (*JSK NF 4, 95; G S A , Bertuch 3067)
[Nach der Rückkehr aus Wien] Besuch bey Göthe und Voigt, Thon. 17. 2.
Tagebuch 17. 2. 1806 (WA III 3, 118)
Mittag Dem. Bardois, Hauptm. Vent. Prof. Meyer. 19. 2.
Tagebuch 19. 2. 1806 (WA III 3, 118)
Vortrag. Refraction Nach Mittage Ordnung der Physicalischen Geräthschaften mit August. . . Abends Prof. Meyer. Charlotte v. Schiller, Aufzeichnung nach Goethes Vorträgen (GSA, Schiller 1663)
Die mehr oder minder Dichtigkeit der Luft, läßt uns die Gegenstände näher oder Ferner erscheinen. Es ist dieselbe operation die vorgeht, als wenn wir die Sonne, oder Licht, durch getrübte Gläser erblicken. — Wenn ein dunkler Körper zur unterläge dient, so entsteht das blaue. — Sieht man eine Flamme, von angezündeten Weingeist, und hält das Gefäß gegen das helle, so verschwindet der blaue Dunst gänzlich dem man sonst erblickt, u. die gelbe Farbe, zittert in schwacher Flamme vor dem Auge, hält man da eine dunkle Scheibe dagegen, so erscheint der untre Theil des Licht-Cörpers blau, u. rein blau, und die obere Hälfte der Flamme rein gelb. Es giebt eine Hebung der Körper durch die Wirckung der Lichtstralen, Und eine Brechung. Wir sehen das Licht eines Sterns früher als dem Stern selbst, weil seine Lichtstralen schon früher dem Körper bilden, als er da ist. Die Ursache warum uns der Mond u. die Sonne bey ihrem Aufgang grösser erscheinen als wenn sie über uns stehen, ist auch durch die verticale, Brechung der Stralen, und durch die horizontale zu erklären. diesem Tage Ihnen, auch nur ein Stündchen, aufzuwarten. Das letzte liegt mir vorzüglich des Profess. Goede wegen jetzt sehr am Herzen. Ich fürchte, wir verlieren diesen Mann bald wieder . . . Er will in der Mitte des März wieder nach Göttingen reisen; - Man wird ihn . . . dort schwerlich weglassen . . . u. er wird gewiß bleiben, wenn er nicht mit guten Vorsätzen von uns abreiset. — Ich weiß aus meiner Freunde u. aus eigener Erfahrung, wie viel ein freundliches Wort von Ihnen über das Gemüth vermag, u. wie sehr es fesselt. Deshalb bitte ich um eine Audienz für meinen Freund. 19. 2.
Vgl. Goethes Stichworte zum Physikalischen Vortrag in der Mittwochsgesellschaft LA I 11, 91 ff.
17
1806 20. 2.
Weimar Tagebuch 20. 2. 1806 (WA III 3, 119)
Bey Herzoginn Amalia. Reconvalescenz. 21. 2.
Tagebuch 21. 2. 1806 (WA III 3, 119)
Erster Band meiner Werke mit Riemer absolvirt. 11./
21 2 (?)
'w
22. 2.
F. V. Müller an B. R. Abeken 20. 3. 1845 (Allgem. Zeitung Beil. 75, 30. 3. 1905, S. 597)
Es wird Sie interessiren, daß die lange, stämmige Figur im Gedicht vom 3t. Sept. 1783 nicht der Oberstallmeister von Stein, sondern ein Prinz von Darmstadt ist, wie Riemer von Göthe selbst vernommen hat. Knebel, Tagebuch 22. 2. 1806 (GSA, Nachlaß Knebel)
Mit Frau u. Kind u. Rath Starke nach Weimar gefahren . . . Bey Göthe. pp Im Macbeth. H. Meyer (*JbGG 3, 210; G S A , Meyer 109)
B3 2213
22 Febr. 1806. Goethe bemerkte da der Macbeth aufgeführt wurde Er kenne weder aus dem Alterthum noch neuerer Zeit eine beßere Composition als diese. Sie enthalte nicht weniger Verständige Überlegung als geniale Poetische Freyheit grenze mit der größten Kühnheit zuweilen bis an's Übertriebene und nie sey doch die Schranke des erlaubten und rechten überschritten worden. Die Erscheinung des Banko schien er für einen der herrlichsten Züge acht dramatischen Werths zu halten. 23. 2.
Tagebuch 23. 2. 1806 (WA III 3, 119)
LandKR. Bertuch manches über Wien. Nach Tische Fernow. Varia. Bezug auf seine Dresdner Reise. Abend Prof. Meyer. Mit Riemer kl. Gedichte. 25. 2.
Tagebuch 25. 2. 1806 (WA III 3, 120)
Pr. Meyer
Brief von Rom.
Henriette v. Knebel an Knebel 26. 2. 1806 (Düntzer 4 S. 244)
B3 2 2 1 4
Inzwischen ist Goethe wieder etwas unpaß, ich hoffe, daß es nicht viel bedeuten soll. Charlotte v. Stein an F. v. Stein 3. 3. 1806 (»Rohmann S. 120; FDH)
B 2 862 a Β 3 2 2 1 6
Goethe war wieder recht kranck, seine Kranckheit ist periodisch, er bekomt sie alle drey 4 Wochen; er sagte mir er nähme Pilsenkraut stat opium dafür, und thäte ihm lezteres beßer. Neulich [15. 1.] wurde seine Stella gegeben, er hat aus dem Drama eine Tragedie gemacht es fand aber keinen Beyfall Fernando erschießt sich, und mit den Betrüger mag man kein Midieid haben, beßer wäre es gewesen er hätte [nur] Stella sterben laßen, er nahm mirs übel als ichs ihm tadelte. Chr. A. Vulpius an N. Meyer 3. 3. 1806 (Kasten 1 S. 191)
B 2 zu 811 B 3 2 2 1 5
Göthe ist schon wieder krank gewesen. Monatlich kömmt jedesmal sein Uebel zurück, u macht ihn sehr mürbe. Es sind böse hämorrhoidal Zufälle . . . Göthe hat seine Stella neu für's Theater bearbeitet. 18
Weimar
1806
vor 27. 2. St. Schütze, Tagebuch 27. 2. 1806 (*JSK N F 4, 95; GMD)
Meyer: Goethe hätte öfters von mir gesprochen und würde gern meine Bekanntschaft machen; er wolle nach der besten Zeit sich erkundigen. Auch könne ich im Sommer einmal in Tieffurt sein. 27. 2.
Tagebuch 27. 2. 1806 (WA III 3, 120)
Puppenspiel pp mit Riemer . . . Tenorist
Probe Gesang.
Ende
Chr. G. Voigt an Eichstädt Ende Febr. 1806 (UB Jena, Nachl. Eichstädt 2)
Febr.
Hiernächst mochte ich gern erst mit HrnvGöthe sprechen, was gestern erst geschehen konte. Der HrvG. stimmt einmüthig in alles, was ich mit Ihnen [den Hausbau in Jena betr.] verabredete.
Febr.
J. E. Wagner an Goethe 2. 3. 1806 (Eing. Br. alph. 971)
. . . meinen unterthänigen Dank für den gnädigen Gruß — welchen Herr Rath Krauß mir, meinem kleinen Wilibald betreffend, überbracht hat. H. Meyer (*JbGG 3, 209; GSA, Meyer 109)
B 3 2209
D a Pitts Tod kund wurde stund eben in der Allgemeinen Zeitung [vom 5. 2. 1806] ein wahrscheinlich v. Böttiger geschriebener Aufsatz welcher mit den Worten „ D e r a r m e p o d a g r i s c h e P i t t " anfieng. sehr Paßend sagte G. laße sich hierauf die Fabel vom Fuchs anwenden welcher den todten Löwen be-pßt. Febr.(?)
H. Meyer (*JbGG 3, 209; GSA, Meyer 109)
B 3 2199
Eben damahls war die Rede v. einem Almanach den Nikolai Herdern zu necken, unter dem Titel ein F e i n e r A l m a n a c h herausgegeben der V o l k s l i e d e r enthalten soll. Hierauf sagte Goethe N i k : sey m i t B i l e a m d e r f e i n e A l m a n a c h m i t d e ß e n E s e l zu v e r g l e i c h e n d e r k l ü g e r als d e r d e r ihn ritt g e w e s e n und Nikolai habe gegen seine Absicht darin recht gute Lieder drucken laßen — und also mehr gesegnet als geflucht. Riemer (CA, Riemer: Anmerkungen zu Goethes Gedichten)
Das Lied Vanitas Vanitatum Vanitas ist gemacht als Parodie auf Adam Reußner s (zu Frkf a /M.) bekanntes Lied: „Ich hab mein Sach Gott heimgestellt" pp. und zwar 1806 Anfg auf Anlaß des Rittmeisters Flotho. 1. 3.
Tagebuch 1. 3. 1806 (WA III 3, 120)
IV. Band m. Werke mit R[iemer]. 2. 3.
Tagebuch 2. 3. 1806 (WA III 3, 120)
Geh. Hofr. Starke Theaterangelegenheiten ischen Miscellen mit Meyer und Riemer. 3. 3.
Abends Die verschiednen Cotta-
Tagebuch 3. 3. 1806 (WA III 3, 120)
Mit R[iemer] über Faust und verwandt. Ab. Prof. Meyer Engl. Miscellen das schwarze Meer betr. 19
Eton
1806 4. 3.
Weimar Tagebuch 4. 3. 1806 (WA III 3, 120)
Mad Wolf. Corona Becker 5. 3.
Pr. Meyer
Merkelwürdigkeiten.
Riemer an Knebel 5. 3. 1806 (*Düntzer 5 2, 77; FDH)
B3 7432
Unter freundlicher Begrüßung vom Herrn Geh. Rath übersende ich Ew Hochwohlgeboren die verlangte Vorlesung über die Physiognomie der Pflanzen von Humboldt u dessen Antrittsrede, wovon Ihnen die erstere besonders viel Vergnügen machen wird. Unser Geh. Rath ist jetzt wieder hergestellt. Es war sein gewöhnlicher periodischer Anfall, der dießmahl etwas heftiger war als bisher; doch nicht in dem Grade, wie voriges Jahr. 6. 3.
Tagebuch 6. 3. 1806 (WA III 3, 121)
Nach Tafel Serenissimus. 7. 3.
Tagebuch 7. 3. 1806 (WA III 3, 121)
Elsermann Arthur um 8. 3.
Prof. Meyer Fragment de Polybe pp.
Chr. G. Voigt an Eichstädt etwa 8. 3. 1806 (UB Jena, Nachl. Eichstädt 2)
Mit Zuschickung des p. Sturm war der Hr v. Göthe zufrieden. 8. 3.
Tagebuch 8. 3. 1806 (WA III 3, 121)
Fernere Durchsicht mit Riemer 9. 3.
Tagebuch 9. 3. 1806 (WA III 3, 121)
Nach Tafel Serenissimus 10. 3.
Mit Riemer Romeo und Julie.
Tagebuch 10. 3. 1806 (WA III 3, 121)
Bey Fr. v. Stein 11. 3.
Geh. R. Voigt.
Prof Meyer Arnims Brief und bes. Mosaique.
Tagebuch 11. 3. 1806 (WA III 3, 121)
Walchisches Stammbuch mit Riemer. vor 12. 3. Eichstädt an A. W. Schlegel 12. 3. 1806 (Körner 3 1, 297)
B3 2217
Goethe grüßt herzlich und freundschaftlich. Er hat mir diesen Gruß zu wiederholten malen aufgetragen. Seine Gesundheit ist leider schwankend; aber er erholt sich immer schnell wieder, und ist dann wie gestärkt zu neuer Arbeit. 6. 3.
Carl August an Goethe 6. 3. 1806 (Wahl1 1, 341) Schon Huschke und Profeßor Meyer sagten mir, daß du beßer wärest, ich habe deßwegen den Besuch aufgeschoben, den ich dir zugedacht hatte und den ich, wenn es dir recht ist, diesen Nachmittag abstatten werde.
9.(?) 3.
J. H. Voß d. j. an Riemer 8. 3. 1 8 0 6 (GSA, Riemer 1248) Gestern habe ich die für mich erschütternde Nachricht vom Tode meines Onkel Boje erhalten . . . Theil doch Göthe die Nachricht mit, er ist einer von denen, die meinen Onkel noch geliebt, geschäzt und anerkannt haben . . . Bringe dem theuren Mann meine herzlichsten Grüße.
20
Weimar
1806 12. 3.
Tagebuch 12. 3. 1806 (WA III 3, 121)
Vortrag. Prismatische Erscheinungen. Sämmtliche Societät Monumenti inediti mit Riemer und Meyer.
[Winckelmanns]
Maria Pawlowna an Jeannette Mazelet 12. 3. 1806 (HSTA Weimar, HA A X X V M 82, 29)
J'ai été ce matin à déjeuner chez le célèbre Göthe, cela a lieu toutes les semaines, il fait du lectures très intéressantes, je trouve cela une charmante occupation. Charlotte v. Stein an F. v. Stein 14. 3. 1806 (»Rohmann S. 122; FDH)
B 2 863 a B 3 2 2 1 8
. . . ich will lieber Goethens Vorlesungen fort hören um die übrige menschliche Welt zu vergeßen. Jezt komt er auf sein Farben sistem, schade daß aber sein periodisches Übel offt die Vorlesung unterbricht er hat sich entschloßen nach Carlsbad zu gehen, ich finde ihn Mismuthig, sein Leiden ist sehr schmerzhaft. 15. 3.
Tagebuch 15. 3. 1806 (WA III 3, 121)
Mit Riemer den Unsinn der Newtonianer neuerer Zeit durchgegangen. (vor?) 17 3
Chr. G. Voigt an Eichstädt 17. 3. 1806 (UB Jena, Nachl. Eichstädt 2)
HGRvGöthe war es gern zufrieden, wenn Sie Ihm einmal Ihren Architekt mit dem Plan zusenden und seiner Berathung [beim Bau des Hauses für Eichstädt und die JALZ] sich bedienen wollen. 18. 3.
Tagebuch 18. 3. 1806 (WA III 3, 122)
König Johann. Leseprobe. 15./18. 3. Chr. L. Mursinna, Autobiographie (Mursinna S. 24)
Ich machte nach erfolgtem Frieden im März eine sehr angenehme Reise, mit dem jetzigen Herrn Doctor Steinrück, von Hannover nach Göttingen, Cassel, Eisenach, Gotha, Weimar, Halle, Leipzig u. s. w. . . . Vorzüglich angenehm und lehrreich war mir der dreitägige Aufenthalt in Weimar, wo Sr. Durchlaucht der Herzog mich besonders gnädig aufnahmen, und ich zugleich das Glück hatte, die vorzüglichen Gelehrten Wieland und Göthe näher kennen zu lernen. 19. 3.
Tagebuch 19. 3. 1806 (WA III 3, 122)
Vortrag. Ableitung der Pr. Erscheinungen aus der Lehre vom Trüben und der Nebenbilder. 12. 3.
Vgl. Goethes Stichworte zum Physikalischen Vortrag in der Mittwochsgesellschaft LA I 11, 93 f. und I 3, 514.
12.(?) 3.
Henriette v. Knebel an Knebel 8. 3. 1806 (Düntzer 4 S. 246) Die Schrift von Humboldt [Essai sur la géographie des plantes] möchte ich wohl lesen, und werde den Goethe, wenn ich ihn sehe, darum bitten.
19. 3.
Vgl. Goethes Stichworte zum Physikalischen Vortrag in der Mittwochsgesellschaft LA I I I , 95f. und I 3, 514.
21
1806
Weimar Charlotte v. Schiller, Aufzeichnung nach Goethes Vorträgen (GSA, Schiller 1663)
Wenn wir die Gränze eines Körpers so erblicken, daß die refraction des Lichts statt hat, so sehen wir Farben, die weißen hellen Körper haben helle Ränder, u. die dunkeln dunkle Ränder, je mehr sich der Farbenschimmer ins helle verliehrt je blässer werden die Farben an der weißen Scheibe auf schwarzen Grund, ist der Rand hellgelb, dunkelgelb u. Rothgelb, oder orange. Am Rand der Schwarzen Scheibe auf weissem Grund, ist die Blaue, u. rothe Farbe vermischt, u. es ist dunkelblau, heller blau, u. lilla zu sehen, wenn die Farben die mittlere Fläche ganz aufheben, so erscheint da wo die Fläche ist, entweder ist es ein weisser Körper das schönste Gelb, u. ist es eine schwarze Fläche das schönste Blau. Bey der Erscheinung eines Gegenstandes vor unsern Augen, entstehen drey Operationen Das Bild des Gegenstandes erscheint selbst, Es entsteht ein Nebenbild. Es entstehn Farben in dem Bild selbst, oder an den Ecken, u. Rändern. Die Körper nach dem Licht gekehrt nach dem Tages Licht, oder Sonnenlicht zu haben alle helle farbige Ränder, die nach dem dunkeln glänzen, wo das Licht nicht frey hinreichen kann haben blaue Ränder, und wenn sich das Licht mit den dunkeln Schimmer verbindet, so entstehen, die vielfarbigen Ränder, wo Gelb u. roth zusammen läuft feuerfarben wo blau u. roth zusammen trifft, lilla, u. wo gelb u. blau zusammen trift grün, wie das Licht auf die Körper wircken kann, in welcher Gradation, so entstehen auch die prismatischen Farben in steigrung oder vermindrung, auch ißt die Art u. weise wie das Aug die Körper erblicken kann, die, die mehr, oder mindern farbigen Ränder hervor bringt, eine einzige Wendung des Gegenstandes bringt andre vermehrte, oder verminderte Farbenscheine hervor. Die refraction des Lichtes, lässt uns die Körper erblicken. — Die dunkeln erscheinen kleiner, u. die weißen grösser. Caroline v. Wolzogen, Aufzeichnung nach Goethes Vorträgen (Boerner S. 4)
d. 21 ten Merz Das Leben ist eine leicht zu erregende Erscheinung — Eine Eisenstange wird magnetisch, die Elektricität der Säule. Die Farben — Versuche des doppelten Bildes im Spiegel durch die Dichtigkeit des Glases erzeugt — Bild des Schwarzen parallelogram in einer blauen Flüssigkeit, erzeugt ein blaues Bild. — Uiber die Bilder verschiedner Art — ein Gemähide Bild eines Bildes — die 5 Farben in Quadraten, die Hellen machen groß, die duncklen klein — Die Leidenschaft hält das Bild des Geliebten in der retina fest. Maria Pawlowna an Maria Feodorowna 19. 3. 1806 (HSTA Weimar, HA A X X V R 154, 49) ^
Ce matin après la messe j'ai été chez Göthe, il va assez bien. 19. 3.(?)
B
7433
Sophie v. Schardt, Aufzeichnung nach Goethes Vorträgen (*LA II 3, 15; G S A , Stein-Schardt 165) B 3 2237
Aus g e l b u. blau vermischt wird grün. Abstuffend kommen sie in roth u. Purpur zusammen. Alle dunkle Körper ränden sich hell; alle hellen dunkel. 22
1806
Weimar Nach dem allgemeinen Gesez der aufeinander wirkenden Gegensätze, geht diese Beziehung, zwischen der Sonne u. dem Auge vor, sie schaffen sich die Farben momentan, nach den Verhältnißen der Dinge zu ihnen. Dünste auf Licht werden blau; ein getrübtes Glas ζ. E. verdickter, weisser — grau u. s. w. Jede Farbe, hat ihren Gegensaz in einer andern. (Versuch mit einem Bande auf einer weissen Fläche — der Gegens: ist das nachbleibende Bild, (sie ruft näml. ihren Gegensaz hervor) Die vollendeteste Farbe ist roth. Roth ist das Blut, u. s. w. Gelb fordert Rothblau blau rothgelb Purpur grün. u. umgekehrt. Die Farben v. der Plus Seite Gelb. Orange od. Rothgelb. Gelbroth (Zinnober) Gelb. roth. blau, sind überhaupt die einzigen Farben v. d. Minus Seite. blau, blau-roth. violett Plus Seite. Verwandschaft mit S ä u r e n . Minus — mit Alealien Plus. Minus Gelb. Blau. Wirkung. Beraubung Licht. Schatten. hell. dunkel. Kraft. Schwäche. Wärme. Kälte. Nähe. Ferne. Abstoßen. Anziehen. Verwandsch. mit Säuren Verwandschaft mit Alkalien. Das blaue so wie das Gelbe steigern sich ins rothe aber auf verschiedene Art. Das R o t h die reine Farbe, ist gleichsam der Gipfel der Pyramide. Die Farbe läßt sich im Δ schematisiren, durch verdoplung u. Verschränkung zum alten 6 Eck. bringen. Oberwärts das roth unterwärts das grün
20. 3.
hier die Elohim hier die irrdischen Dinge.
Tagebuch 20. 3. 1806 (WA III 3, 122)
Dr. Stoll über sein Stück [Streit und Liebe] und seine maximen v. Wolzogen.
Herr Geh. R.
vor 21. 3. H. Becker an H. Blümner 21. 3. 1806 (HSTA Weimar, Genint, Slg. Pasqué 2, 2)
Das Räthsel ist wirklich ein allerliebstes Stück, und hat hier sehr gefallen . . . Das Stück ist bey uns eingeschickt worden, und hat sich bis jezt der Verfasser 23
1806
Weimar [Κ. W. Salice-Contessa] noch nicht melden wollen. Die Altenburger Liebhaber Gesellschaft hatte von Gotha aus, von diesem Stücke viel gutes gehört; und da sie bey der Anwesenheit des Herzogs zum Landtage, gern etwas neues geben wollten, so ersuchte eine Freundin von mir, um dieses Stück. Der Herr Geheimerath von Göthe setzte das Honnorar auf 6 Ducaten, welche dem Verfasser, bis er sich meldet, auf dem Hofamt, aufbewahret liegen . . . — Der Herr Geheimerath Göthe hat wieder öfters Anfälle von seinen Krämpfen gehabt, und das letztemal stärker und anhaltender als je. Schwerlich wird er dies Jahr nach Lauchstädt kommen, die Aerzte wollen durchaus er soll nach Carlsbad gehen, wohinn er aber nicht gern geht, er zieht Lauchstädt vor.
21. 3.
Tagebuch 21. 3. 1806 (WA III 3, 122)
Faust angefangen durchzugehen mit Riemer. H. Meyer (*JbGG 3, 210; G S A , Meyer 109)
B3 2219
21. Mertz. 1806. Goethe erklärte Er habe niemahls über die Theorien der Poesie anhaltend und ernst nachgedacht und von allen seinen poetischen Werken sey keines mit klarem Verstände deßen was gemacht werden solle und müße sondern bloß durch ein Gefühl eine Ahndung das sey das Rechte entstanden, ohne weiteres Raisonement darüber. In sachen der bildenden Kunst hingegen habe er zwar wenig geleistet aber viel über die Theorien derselben nachgedacht und meinte diese hatten bey ihm gleichs. statt eines Simbols der Poesie gedient und das Nachdenken im Fach der Bildenden Kunst ihn in seinem eigenthümlichen Feld im poetischen schaffen und Wirken viel gefödert. Er sprach hierauf von der Farbenlehre und sagte in Natur-Historischen Dingen wäre einigermaßen derselbe Fall bey ihn daß er nehml. eines durch Nachdenken über das andere beßer begreiffen hatte lernen — die Forschungen über die Farben hatten ihm die Elektricität klarer gemacht den Magnet den Galvanism p. und umgekehrt Nachdenken über diese Theile der Physik hätte ihm bey den Forschungen über die Farbenerscheinungen Nutzen gebracht weil in Elementarischen Dingen immer eines das Simbol für das andere sey — 22. 3.
Tagebuch 22. 3. 1806 (WA III 3, 122)
Geh. R. Voigt. 24. 3.
Tagebuch 24. 3. 1806 (WA III 3, 122)
Faust mit Riemer . . . Prof Meyer. 25. 3.
Tagebuch 25. 3. 1806 (WA III 3, 122)
Faust mit Riemer. 26. 3.
Tagebuch 26. 3. 1806 (WA III 3, 122)
Vortrag. Farbige Bilder. 26. 3.
Vgl. Goethes Stichworte zum Physikalischen Vortrag in der Mittwochsgesellschaft LA I 11, 96 f. Maria Pawlowna an Maria Feodorowna 26. 3. 1806 (HSTA Weimar, HA A X X V R 154, 52) Ce matin je m'envais aller chez Göthe.
24
Weimar
1806
Charlotte v. Schiller, Aufzeichnung nach Goethes Vorträgen (GSA, Schiller 1663)
Die Natur ist ganz einfach in ihren Operationen, u. wir können uns die Regeln dieser Formen, wie die Regeln der Grammatick feststellen, u. können wißen, was aus bestimmt gegebnen Fällen entsteht. Es sind in der Unbelebten weit, oder vielmehr der Unorganisirten, immer die gleichen Erscheinungen die sich wiederholen. Die Elecktricität entsteht durch reiben, der Galvanismus durch Verbindung 2weyer Metalle. Durch Licht u. Schatten, die Farbe, u. durch die verticale Stellung des Eisenstabs die magnetische Kraft. In der Thierischen Organisation, werden wir dieselben Kräfte eben so wiederfinden, u. die grosse Einfachheit der Natur wird auch da troz der anscheinenden Verwickelung sich in Einfache Fackta auflösen. Man ist niemals zu Ende mit der Wißenschaft, denn glaubt man am Ende eines Beweises, u. einer Erfahrung zu sein so kömmt ein neuer, u. so spinnt [?] sich alles ins unendliche fort, u. kein Sterblicher kann je sagen hier bin ich zum lezten Resultat gelangt. Auch die Lehre des Lichtes, und der Farben ist unbegränzt, und es entstehen immer neue Phänomene, in der doch einfach gegebnen Regel, der Natur. Die Brechung der Lichtstralen und horizontalen oder verticalen Linien, der Körper, bringt in jedem Aug eine andre Farbmischung u. Erscheinung hervor, wie nicht jedes Auge so gebaut ist, daß es die Wirckung des Lichts eine gleiche Zeit ertragen kann, doch giebt es auch Grundregeln in der Farbenlehre, wie in der Grammatik, die wir als unumstößlich gegeben ansehen können. — Goethe sagt, daß das Roth keine gegebne physische Farbe sey, sondern nur durch die Verdichtung, des Mediums wodurch wir sehen entsteht, oder durch die Verdichtung der Körper. Zum Beispiel ein Schneckenförmig gewundnes Gefäß, daß oben weit, u. nach unten zu immer Enger zusammenläuft, wenn man in dieses ein blau gefärbtes Wasser giesst, so wird oben das reinste blau durchschimmern, u. je weiter nach unten zu es sich neigt, je röthlicher wird das blaue erscheinen, u. zulezt sich in ein lilla verliehren. Das verdichtete Gelb, bringt auch auf diese Art das Roth herfür, u. es lösen sich die Farben auch nur in zwey Grund Farben auf, Gelb und Blau. — Caroline v. Wolzogen, Aufzeichnung nach Goethes Vorträgen (Boerner S. 4)
d. 28ten Es giebt eigentlich nur Blau u. Gelb, das Roth wird erst gemacht, durch Verdichtung eines Mediums. Ein Gefäß mit Abstufungen, u. mit einer blauen Tincktur angefüllt, in den erblickt man unten die Purpur Farbe. Die Brechungen der Farben verändern, verschieben gleichsam die Formen der Körper. Ein Papier mit Quadraten u. Streifen verschiedner Farbe durchs Prisma gesehen. 28. 3.
Tagebuch 28. 3. 1806 (WA III 3, 123)
Faust mit Riemer.
25
1806 30. 3.
Weimar Tagebuch 30. 3. 1806 (WA III 2, 123)
Bey Serenissimo. 31. 3.
Tagebuch 31. 3. 1806 (WA III 3, 123)
Mit der Erbprinzess im römischen Hause den Morgen zugebracht. Prinzess Caroline. Gr. Henkel. Geh. Rath Sinclair von Homburg Kleine Baubesorgungen. Prof. Meyer. Riepenhausische Genoveva. Recensionen der J. A. L. Z. I. v. Sinclair an Prinzessin Marianne von Preußen 17. 4. 1806 (Hegel-Studien 13, 43)
Bei meiner Durchreise durch Weimar habe ich die Herrn ν Göthe, Wieland und Frau ν Schiller sehr mit der Nachricht Ew. Hoheit Wohlbefinden erfreut, denn Ew. Hoheit werden auch da über alles geschäzzt; und Göthe bedauerte sehr, Ew. Hoheit beim ersten Aufenthalt nicht gesehen zu haben. I. V. Sinclair an Hegel 25. 4. 1806 (Hegel-Studien 13, 40)
Auf Göthes Urtheil dem ich auch das Stück [Das Ende des Cevennenkrieges] gab, wäre ich sehr begierig. I. v. Sinclair an Hegel 28. 7. 1806 (Hegel-Studien 13, 44)
Der Gesichtspunct nach dem Göthe es [Das Ende des Cevennenkrieges] beurtheilt, war der, unter dem ich es ihm vortrug, weil mir diese, freilich nicht eigentlich künsderische Seite der Sache das Wichtigste dabei ist. I. V. Sinclair an J. v. Müller 7. 4. 1806 (Hegel-Studien 13, 44)
Ebel ist in allem meiner Meinung; u. es freute mich dieselbe Ansicht auch bei Göthe, u. selbst bei dem so gelassenen Wieland zu finden. Der Geist des Volks erwacht, u. reißt sich los von den Banden, in denen das Zutrauen in unwürdige und abgestorbene Formen ihn gehalten. J. G. Hamel, Notiz (Hegel-Studien 13, 43)
Mündlich den 3. Dez. 1857: ,Den Goethen habe Sinclair einmal in Weimar besucht u. Grüße von ihm an Gerning mitgebracht.' März
Falk an J. v. Müller 25. 3. 1806 (Maurer-Constant 3, 22)
B 3 2220
Goethe hat monatliche Anfälle von der güldenen Ader, die bei ihm den Weg durch den Urin nimmt. Sonst, wenn sie kamen, waren sie höchst schmerzhaft, und er schrie so, daß ihn die Wachen am Thor hören konnten; jetzt ist es gelinder damit. Kutsche und Pferde hat er abgeschafft und geht, wie die Thüringischen Landleute sagen, eben auch proper zu Fuß. Auf jede Weise ist ihm dieses auch zuträglicher. J. D. Gries an G. Hufeland 28. 3. 1806 (Diezmann 1 S. 25)
B 3 2222
Uebrigens befindet Goethe sich jetzt ganz leidlich und arbeitet sehr eifrig an der neuen Ausgabe seiner Werke, so wie an einem neuen Werke über die Farben, auf welches er selbst vielen Werth zu legen scheint. Gebe nur der Himmel, daß 26
1806
Weimar diese Ausgabe endlich einmal eine vollständige werde und daß er selbst sie noch ganz vollenden möge! Charlotte v. Schiller an Cotta 28. 3. 1806 (Vollmer S. 560)
B 2 863b B 3 2221
Goethe ist jetzt recht heiter, seine Anfälle kommen leider regelmäßig, und er hat viel Schmerz dabei, doch sah er besser aus als lange nicht, und man sah seinen Zügen an, daß sie lang keinen Schmerz empfunden hatten. Stark hofft viel vom Karlsbad, wo er schon voriges Jahr hätte hingehen sollen, aber dieses Jahr gewiß hingehen wird. Riemer (»Pollmer 1 S. 251; G S A , Riemer 1061)
B 3 2225
G. im März 1806. Wielands neustes Gedicht an die Großfürstin sey so hohl, so leer, als wenn einer mit den dürren Hülsen von Bohnen (mit dürren Bohnenschalen) klapperte, pp. Riemer, *Mittheilungen 2, 674 (GSA, Riemer 893)
B 2 863 B 3 2223
G März 1806 „Lichtenbergs Wohlgefallen an Carricaturen rühre von seiner unglückl. körperlichen Constitution her, daß es ihn gefreut etwas noch unter sich zu erblicken. Wie er sich wohl in Rom gemacht haben würde beym Anblick und Einwirkung der Kunst. Er war keine constructive Natur, wie Aesop und Socrates; nur auf Entdeckung des Mangelhaften gestellt." Riemer ("Pollmer 1 S. 251; Keil 5 S. 174)
Β 3 2224
Im März 1806. [Goethe:] „Ritter winde die Natur wie eine Aderlaßbinde von 12 Meilen um sich herum als um eine Mumie, daß man nicht sagen könne, wo sie anfange, wo sie aufhöre, wo der Kopf und wo der Fuß sei pp." Riemer (JbGG NF 32, 270)
B 3 2226
Im März 1806. „Die Dilettanten hätten überall die Wissenschaft gefördert; ein Gärtner das Barometer erfunden, — vor hundert Jahren schon die neue Chemie gelehrt, — ein Musikus den Uranus entdeckt pp." Äußerung Goethe's bei Gelegenheit einer groben Rezension von Gall in der Jenai. Allg. Lit. Zeit, [durch Κ. A. Rudolphi], wo gesagt ward: der Engländer Wilkes habe schon dasselbe in Absicht des Gehirns gesagt. Anekdote von der Katzenpastete, die man für eine Hasenpastete gefressen, auf die Newtonische Farbenlehre bezogen. vor Apr.
F. de la Motte Fouqué an A. W. Schlegel 11. 4. 1806 (Körner 3 1, 314)
Als Deinem unmittelbaren Jünger . . . widerfährt mir mit Tieck u. a. m. die Ehre, [von der JALZ] gänzlich mit Stillschweigen übergangen zu werden. Wenigstens, wo ich mich mit meinem Schriftstellernamen unterzeichne; als Ungenannter habe ich den Zorn bereits empfunden, welcher sich dort gegen die neure Schule 27
1806
Weimar regt. Diese negative Art, Krieg zu führen, scheint sich bei Göthe und bei Allem, was unter seiner Direction steht, ordentlich zum System auszubilden . . . Einzelne mündliche Aeusserungen Goethes wider die neuere Schule sind auch mir zu Ohren gekommen, doch bleiben die mir bekannten immer in gewißen Schranken, so daß man sie allenfalls auch anders deuten könnte.
Anf. Apr.
Riemer, Aphorismen S. 288
B 2 864 B 3 2228
Im Anfang April 1806. [Goethe:] „Es giebt Tugenden, die man, wie die Gesundheit, nicht eher schätzt, als bis man sie vermißt; von denen nicht eher die Rede ist, als wo sie fehlen; die man stillschweigend voraussetzt; die dem Inhaber nicht zu Gute kommen, weil sie in einem Leiden, in der Geduld bestehen. Sie scheinen, wo sie sind, nur aus einer Abwesenheit von Kraft und Thätigkeit zu bestehen, und sie sind die höchste Kraft, nur nach innen gewandt, und zur Abwehr äußeren Unglimpfs, nur als Gegendruck gebraucht. H a m m e r zu seyn scheint Jedem rühmlicher und wünschenswerther, als A m b o s , und doch was gehört nicht dazu, diese unendlichen, immer wiederkehrenden Schläge auszuhalten!" 1. 4.
Tagebuch 1. 4. 1806 (WA III 3, 123)
In der russischen Kirche Bey Fr. v. Stein. Faust mit Riemer Portrait. Pr. Meyer. Gallerie der Hermitage. 2.4.
Prinz August
Tagebuch 2. 4. 1806 (WA III 3, 123)
Vortrag. Achromasie. Tischbeins Fischer und Störche. Pr. Meyer. Englische Miscellen. Charlotte v. Schiller, Aufzeichnung nach Goethes Vorträgen (GSA, Schiller 1663)
Vom Nero hat man die erste Nachricht daß er die Wettspiele durch ein Glas, u. durch ein grünes angesehen habe. Es entstehen Dinge, die man vorfindet, über die, die Wißenschaft resultate aufsucht, u. jeder so weit Es ausführt als er nur Trieb hat, dann hört man in Ganzen Jahrhunderten von keinen weitern Fortschritten sprechen, u. manche kommen ganz wieder in Vergessenheit, So erfand man in 1400 die Brillen, und 1500 erst die Fern Gläser; Newton behauptete es sey nicht möglich ein Glas ohne daß es Farbigen Schein um die Gegenstände gäbe zu finden, weil die Art des Schleifens, wohl noch nicht so weit war, Euler behauptete es sey mathematisch gewiß, daß man ein Glas schleifen kann ohne Farbige Ränder zu erblicken, u. Tollond war der erste der es ausführte. — Es giebt Dinge die sich verneinen lassen, u. doch sind, die ihre Erscheinung negiren, u. doch die wirckung die sie sollen vorbringen, hat zu Β Ein Mensch eine Summe Geldes, die er in einem bestimmten Termin aufbraucht, so hat er sie nicht mehr wenn sie alle ist, aber er hat dafür gelebt, u. die Zeit sich angeeignet die er dazu angewendet die Summe zu vernichten. 2. 4.
Vgl. Goethes Stichworte zum Physikalischen Vortrag in der Mittwochsgesellschaft LA I 11, 97 ff.
28
1806
Weimar Hell u. dunkel gehören dazu um die Körper erscheinen zu lassen, aus mehr hell u. dunkel entsteht Licht, aus mehr dunkel u. weniger Licht die getrübten Körper. Wir wissen in der Elektricität daß aus dem Reiben der Körper die Elektrische Erscheinung entsteht, sie ist also immer da, kömmt aber nicht zur Erscheinung wenn sie nicht diese Bedingung erfährt; wir wissen immer daß sie da ist. Mit der Gottheit, ist es auch so, wir wissen durch den Blick über die Welt, durch die Wirckungen der Erscheinungen daß ein höherer Geist dies Ganze belebt u. fühlen daß er sich stets äussern könne wenn er dem Willen hätte es zu wollen. Caroline v. Wolzogen, Aufzeichnung nach Goethes Vorträgen (Boerner S. 4)
d. 3ten April. Die Griechen machten keine Erfahrungen Jeder Fall war ihnen einzeln u. individuell. Erfindung der Fern Gläser. Nero soll einen Schmaragd gehabt haben durch welchen ihn die Spiele näher u. deutlicher schienen. Brillen — durch das Bedürfnis — Bacon ein Mönch machte ein zusammengesezes. — Gregorianiste — Neutonianische — Schwierigkeit durch Spiegel die Brechung der Farben zu entfernen. Die Franzosen steigen nicht bis zur Idee in ihr[er] Naturansicht. Elektricität, Magnetism, pp in einer Idee /. zwei Kräfte die aus einander gehen, u. sich wieder vereinen. Gott, oder die Grösste Einheit, überall. 2. 4. und
Maria Pawlowna, Choses remarquables. Journal 1805/09 (HSTA Weimar, HA A X X V Bl. 9)
früher
j , ^ a s s j s t ¿ i ' a u t o m n e passée [13. 9. 1805] chez Göthe à un déjeuner, ou je me rappelle qu'il nous a montré plusieurs médailles; entr'autres une représentant le maréchal Trivulpe, et plusieurs autres qui malheureusement sont sortis de ma mémoire. Je ne me rappelle aussi qu'un des revers de ces médailles, ou il y avait des fleurs qui sembloient tomber du ciel, et des animaux; quelque chose audessous avoit la forme d'un canon, ou on distinguoit du moins les seins [?]. Depuis, j'ai plusieurs fois entendu Göthe discourir sur le magnétisme, sur plusieurs objets de la physique expérimentale comme l'electripité, la forfè de cohésion, mais l'état de ma santé, un voyage, et plusieurs circonstanpes m'ont empêché d'assister aussi souvent que je l'avois voulû et dû à cet espèpe de cours. J'ai été plus assidue à celui sur l'origine des couleurs, que Göthe a fait [19. 3. 1806], Voiçi ce qu'il a dit de plus remarquable, pour expliquer la formadon de la couleur jaune et bleue. Quant nous regardons par un verre prismatique un objet uni et blanc, et que nous le regardons de manière, que ce qui est peint en blanc se trouve au dessus de ce qui est peint en noir, où bien l'opposé, nous voyons que ce qui se trouve en haut de l'autre objet ou blanc ou noir, est comme pour ainsi dire abaissé sur l'objet plapé au dessous. Göthe se sert du terme verrückt, pour l'expliquer. Quant le blanc se trouve tiré, abaissé sur le noir, alors à l'endroit ou les deux couleurs se joindront, on apperpevra la couleur jaune: quand par contre le noir se trouve tiré, abaissé sur le blanc, alors on observera la couleur bleue. Ce phénomène est très remarquable. Le rouge n'est qu'un degré de plus de la 29
1806
Weimar couleur jaune renforpée; et le rouge touchant au bleu produit le violet, et voilà ce qui forme ces belles couleurs de l'arc-en ciel. Le vert est un mélange de bleu et de jaune, etc. Göthe parla de l'invention des lunettes: il dit que Néron qui avoit la vûe basse, avoit regardé les combats des gladiateurs au cirque, par une émeraude, qui plutôt par nature, que par art, avoit le don d'agrandir les objets. Le moine Bacon fut le premier qui inventa les lunettes à mettre sur le nez. Il se passa ensuite plusieurs siècles sans qu'on eut fait usage de cette découverte, ce ne fut s'il m'en souvient bien que dans le 16ième siècle, quon en fit usage généralement. Galilée se servit le premier de tubes pour regarder les etoiles au ciel, Newton les perfectionna; Dolond fut le premier qui fit des verres achromatiques, c'est à dire ou les objets étoient dépouillis des couleurs de l'arc-en ciel qui les bordent quant on regarde par un verre commun mis en lunette. Euler voulût avant que la découverte de ces verres acromatiques ne fut faite, voulut soumettre cette soustraction des couleurs de l'arc en ciel à des cadences: je crois aussi qu'il y réussit, et ce ne fut qu'en voulant prouver qu'il avoit tort, que Dolond fit la découverte qu'il avoit raison, parce qu'il fit des verres achromatiques.
3. 4.
Tagebuch 3. 4. 1806 (WA III 3, 123)
Walpurgisnacht mit R. Zu Tisch Elsermann Rolle des Arthur. vor 4. 4.
Christiane Vulpius an N. Meyer 4. 4. 1806 (Kasten 1 S. 193)
B 3 2229
. . . ich bin aber noch ganz untröstlich darüber [den Tod der Tante], und dazu kommt noch immer die Sorge um den guten Geheimer Rath, mit dem es doch auch noch immer auf der Spitze steht. A n J . F. Blumenbach 4. 4. 1806 (WA IV 19, 120)
Ein preußischer General erzählte mir in diesen letzten Einquartirungstagen, daß er bey Dislocation eines ungeheuren Steins, der ihm auf einem Exercierfelde im Wege gelegen, unter demselben ein ungeheures Pferdegerippe gefunden, welches aber durch die Rohheit der Arbeiter und andre Zufälligkeiten zerstört worden. Nach der Beschreibung müßte es unsere gegenwärtigen größten Pferde mehr als einmal an Maaß übertroffen haben. Von den Zähnen hatte er einige nach Berlin an die Academie der Wissenschaften geschickt. A n P. Hackert 4. 4. 1806 (WA IV 51, 189)
Daß Sie unsern Winkelmann, und das was ihm anhängig ist, so wohl aufgenommen und uns Ihre freundliche Meynung äußern wollen, hat uns großes Vergnügen gemacht. Ich sage uns: denn Meyer von Zürich, dessen Sie sich noch wohl erinnern, der auch das Glück hatte Ihres Umgangs und Ihrer Belehrung zu genießen, hat an dieser Arbeit einen bedeutenden Theil. Er empfiehlt sich Ihnen bestens und gedenkt mit mir noch oft jener guten Tage . . . Herr Gore lebt noch bey uns, vergnügt, aber diesen Winter vom Podagra übel behandelt. Miss Emilie ist noch bey ihm, nicht verheirathet. Beyde grüßen zum schönsten. 30
Weimar
1806 4. 4.
Tagebuch 4. 4. 1806 (WA III 3, 123)
Walpurgisnacht mit R. geendigt. . . Bey Rath Krause wegen einiger Gemälde. 5. 4.
Tagebuch 5. 4. 1806 (WA III 3, 124)
Bey Hrn. Geheimerath Voigt. Chr. G. Voigt an Eichstädt 7. 4. 1806 (Ztschr. Ver. thür. Gesch. N F 27, 173)
B 2 863 c B 3 2227
Bey einer Unterredung mit Herrn G. R. v. Goethe hat mir es geschienen, daß er über die Galische Recension [von K. A. Rudolph: in J A L Z 1806 Nr. 71] in sofern verlegen sey, als ohne Noth mit einiger Animosität dabey verfahren worden und er daher wohl gewünscht hätte, davon vorher unterrichtet gewesen zu seyn, zumal seine Sachkenntniß ihn dazu qualificire. 6. 4.
Tagebuch 6. 4. 1806 (WA III 3, 124)
Chromatica mit R. 7. 4.
Tagebuch 7. 4. 1806 (WA III 3, 124)
Mit Riemer Chromatica revidirt. Auf dem Theater wegen Arthur. Mittag Frommans u. Günther. 8. 4.
Tagebuch 8. 4. 1806 (WA III 3, 124)
Schelver. Seebeck. Physica pp. 9. 4.
Tagebuch 9. 4. 1806 (WA III 3, 124)
Krankheit des kl. Prinzen Halbvortrag Fr. v. Schard Frl. Göchhausen Objective Prism. Versuche Mit Riemer Doppelspat und dessen Eigenschaften. Riemer (LA II 4, 105)
B 3 7434
über Tische. Durch den isländischen Kristall gesehen. Man unterscheidet: 1. epoptische Farben. 2. physiologische. 3. prismatische. Oft sind alle 3 bei einander 10. 4.
Tagebuch 10. 4. 1806 (WA III 3, 124)
Prof. Meyer. 11. 4.
Tagebuch 11. 4. 1806 (WA III 3, 124)
Chrom, mit R. Schluss der Prism. Versuche 13. 4.
Tagebuch 13. 4. 1806 (WA III 3, 125)
Dirzka, Graff, Stromeyer zu Tische 13. 4.
Auf dem Hofamte.
Eberl von Wien. Prof Meyer.
J. F. v. Retzer an Goethe 30. 1. 1806 (SchrGG 18, 20) Wäre ich auch nicht so glüklich Ihnen persönlich bekannt zu seyn, so würde ich mir doch die Freyheit nehmen, Ihnen als einem bekannten Beförderer alles Guten und Schönen den wegen seiner Talente selbst in Petersburg rühmlich bekannten Tonkünstler aus Wien E b e r l bestens zu empfehlen.
31
Weimar
1806
C. Bettuch, Tagebuch 13. 4. 1806 (GSA, Bertuch 3067)
Anton Eberl . . . besuchte heute Wieland u. Goethe u. Einsiedel. 14. 4.
Chr. G. Voigt an Goethe 15. 4. 1806 (SchrGG 55, 102)
Ich hatte vorgestern als einigen Beweis meiner besondern Teilnehmung das Chronostichon, was ich gestern Ew. Exzellenz mitteilte, auch dem Herzog vorgelegt. 15. 4.
Tagebuch 15. 4. 1806 (WA III 3, 125)
Bey Fr. v. Stein . . . Verschiedne Recens, mit Riemer gelesen. 16. 4.
Tagebuch 16. 4. 1806 (WA III 3, 125)
Vortrag. Achromasie, Hyperchr., Electroscope und Meters. Vorschlag zu einer Grabtafel für den kl. Prinzen von Hrn. Geh. R. Voigt. Überlegung mit Meyer deshalb. Charlotte v. Schiller, Aufzeichnung nach Goethes Vorträgen (GSA, Schiller 1663)
Flint Glas hat seine Entstehung durch Metall Fluß. Andres Glas durch Alkali, und hat Pflanzensäure in sich. Durchs Flintglas entstehen die Prismatischen Farben, u. durch reines Glas, ohne das nähern, u. verrücken der Gegenstände. Die acromatischen Erscheinungen in den Gläsern entstehen durch die wirckung der Oxigenation. Wenn das Glaß bey seiner Bereitung, durch Alcali, entsteht, oder durch Metall, wo das Oxigen wirckt, so erscheint die Wirckung der Farben entstehung weniger oder mehr, je nachdem das Glas Säuren oder Pflanzentheile enthält. Auch diese Erscheinung löst sich nach G.s Ansichten durch die Einfachsten Grundstoffe, und das Mehr oder Weniger, Plus, et Minus was in der Elektricität, im Magnet, im Galvanismus wirckungen hervor brachte, u. die E n t g e g e n g e setztesten Erscheinungen zeigte, erscheint auch durch die chemischen Bestandt e i l e der Gläser, wieder in derselben Kraft, u. nicht Kraft Aeußerungen. Caroline v. Wolzogen, Aufzeichnung nach Goethes Vorträgen (Boerner S. 4)
den 17 April. Uiber die Entfernung der Farben bei achromatischen Gläsern — Entstehen von Farben an den Enden der Lorgnetten — Ein dreifaches Glas wo ein Prisma von Flintglas dabei — Das eine zeigt Farben u. erhebt die Linien, das zweite rückt hinunter u. zeigt schwächere Farben — die zwei zusammengelegt noch schwächer u. macht die gerade Linie wieder — Alle drei zusammen verschwindet die Farben gänzlich. Die Art von Glas die die meiste Säure enthält, erzeugt die meisten Farben. / wichtige Wahrnehmung /. Elecktrische Instrumente. Er wünschet Ihnen in Weimar persönlich aufzuwarten . . . Schenken Sie ihm gütigst Ihr Wohlwollen, und, in so weit es seine Kunst betrift, Ihren mächtigen Schutz. 16. 4.
Vgl. Goethes Stichworte zum Physikalischen Vortrag in der Mittwochsgesellschaft L A I 11, 99.
32
Weimar
1806
Ein Cylinder von Glas mit einer Metallplatte gedeckt, in welchen zwei schmale Streifen von Blattgold aufgehängt sind, zeigt wie die Berührung eines Elecktricität leitenden Cörpers, sie sogleich in Bewegung sezt u. auseinander treibt. Verschiedne Elecktrizitätten? .. Ein Elecktrometer, durch den man einen Draht leiten könte welcher die Gewitter materie andeutet — Beim legen der Hände auf die Metallplatte wird das Maaß der Elektrizität sichtbar. 16. 4. (?)
Maria Pawlowna, Choses remarquables. Journal 1805/08 (HSTA Weimar, HA A XXV Bl. 9)
Göthe en parlant de l ' a c r o m a t i e disoit que la réfraction ne marchoit pas-àpas-égaux avec les couleurs: que les couleurs tiennent à la masse du verre, et qu'au fond ce que nous appelons lunettes acromatiques, ne sont principalement pas ce que le verre en est très minpe, et surtout que le sont au foyer de la lunette, ou lorgnette; parce que là, la matière est plus minpe que sur les bords. On s'est apperpu que l'apparition des couleurs dépendoit beaucoup de la qualité des verres; les verres dans la composition desquels se mèle de l ' a l c a l i sont moins sujets aux bords colorés, que ceux où il ne s'en mèle pas, et où par outre, on employe des oxydes. Ainsi l'apparition des couleurs tient par là à la chymie. Göthe nous montroit l'instrument par le moyen duquel Dolond est parvenu à se persuader qu'il étoit possible de faire abstraction des couleurs: c'est trois prismes de verre, arrangés de fapon que les deux premiers se posent l'une sur l'autre, et forment un parallélograme; les couleurs paraissent toujours pourtant; qu'on y y ajoute la troisième et on voit les objets aussi dépouillés de couleur que possible; ce qui paroit contradictoire, en ce que je viens de dire que l'apparition des couleurs tient beaucoup à la masse des verres. Je ne puis pas me l'expliquer autrement, que Dollend avoit remarqué en même tems que les ingrédiens mêlés à la matière du verre, sont principalement causes de l'apparition et du contraire. J'avais vû anpiennement à Pétersbourg un homme [E. Chladni] qui possédoit un clavepin de couleurs, et qui nous a en outre montré une chose qui a frappé beaucoup de monde, et qui a été regardée comme une apparition très remarquable pour déterminer le rapport entre les tons et la géométrie. Cet homme avoit une plaque ronde en verre assez épaisse, il y répandoit du sable de marbre très fin, et tiroit avec un archet, un son contre le bord de la plaque; si le son étoit juste, le sable prenoit sur la plaque ou plateau la forme d'une figure géométrique la plus régulière; pour peu que le son ne fut pas juste, on le voyoit à la figure, qui perdoit de sa régularité. Göthe m'a objecté qu'on ne pouvoit pas démontrer ce qui en étoit, mais qu'il étoit très fapile de produire cette apparition en y mêlant un peu d'adresse, et que lui même vouloit me la faire voir: que cela dépendoit de la manière de vibrer de la plaque de verre, au moment ou l'archet en exprime le son, et que de cette vibration généralement répandue dedans ou sur la plaque, provenoit cette figure régulière, que la manière de tenir la plaque entre les doigts y entrait pour beaucoup. 17. 4.
Tagebuch 17. 4. 1806 (WA III 3, 125)
Ubergang zu den Catoptr. und Paroptischen Farben. Dejeunè. Frau und Fräulein aus dem Winkel. Dlle Bardois. Geh. R. v. Einsiedel. C. M. Eberl von Wien. Leg. 33
1806
Weimar Schmidt. Dirzka und Stromeyer. R. R. Voigt wegen des Monuments [für den verstorbenen Prinzen], H. Meyer ( * J b G G 3, 211; G S A , Meyer 109)
B 3 2230
d. 16 Apr 1806. Dejeüner b. Göthe. Gegenwärtig waren Frl. aus dem Winkel und Capellmstr Ebri aus Wien Letzerer Erzählte macherley v. Mozart deßen Vatter ein tüchtiger Musikus und Capellmstr des Erzbischofs zu Salzburg habe den Sohn gleich vom 4 Jahre an unterrichtet und alle seine Geisteskräfte für die Musik in Anspruch genommen daher Mozart auch von jeder andern Seite ungebildet gewesen. Eberl, schien sich darüber zu wundern wie Mozart ohne Welt ohne vielseitiges Wißen doch die Charaktere aus den Dichtungen die er in Musik gesetzt so gut habe faßen und halten können. Wir fanden beynahe Ursache, uns über Hrn. Eberl, zu verwundern der nicht einzusehen schien daß eine vollkomne Bildung worin sie auch besteht eben alles umfaßt und daß Einer worin er Exzellent ist allemahl zu den vorzüglichen und gebildeten Menschen überhaupt gehört — C. Bertuch an Böttiger 21. 4. 1806 (LB Dresden, Böttiger 4" 10)
Donerstag d. 17. war sie [Therese aus dem Winckel] des Morgens bey Goethe mit Eberle. 18. 4.
Tagebuch 18. 4. 1806 (WA III 3, 125)
Corona Becker zu Tische. 19. 4.
Tagebuch 19. 4. 1806 (WA III 3, 125)
Prof Meyer bes. wegen des Monuments [für den verstorbenen Prinzen]. 20. 4.
Tagebuch 20. 4. 1806 (WA III 3, 126)
Bey Serenissimo. Bey Jagemann Monuments. 21. 4.
Tagebuch 21. 4. 1806 (WA III 3, 126)
Faust mit Riemer letzte Revision Prof Fernow und Meyer. 22. 4.
Auf der Bibliothec
Jagemann zu Tische
Tagebuch 22. 4. 1806 (WA III 3, 126)
Major v. Hendrich zu Tische 17. 4.
August nicht wohl. Prof. Meyer wegen des
Graf Mannteufel.
C. Bertuch, Tagebuch 17. 4. 1806 ( * J S K N F 4, 95; G S A , Bertuch 3067) Ich traf sie (Therese a. d. Winckel], in weißem Atlas theatralisch geschmückt im begriff zu Göthe zu gehen. Falk an Bertuch 17. 4. 1806 (GSA, Bertuch 471) Eine Fräulein v. Winkel aus Dresden . . . wünscht ihre . . . Bekanntschaft. Sie bleibt aber nur noch heute hier. U m eilf Uhr ist sie zu Göthen gebethen.
34
1806 23. 4.
Weimar Tagebuch 23. 4. 1806 (WA III 3, 126)
Vortrag Epoptische Farben
Fernow. Promem. wegen Winkelm.
Charlotte v. Schiller, Aufzeichnung nach Goethes Vorträgen (GSA, Schiller 1663)
Durch dem Druck der Luft, entstehen auf dem Glas die Farbigen scheine, und die Substanz des Glases bestimmt die Farben. Der Hauch der über die Gläser wegläuft, übt einem Druck der Luft aus, u. dadurch erscheinen die Farben eben so, als wenn zwey Gläser auf einander recht gedrückt werden. G. hat einen versuch gemacht, zwey Glasplatten, ein ganzes Jahr fest übereinander gebunden liegen zu lassen sie spielten die schönsten Farben, u. als er sie aus einander nahm, verschwand der Farbige Schein schnell. Caroline v. Wolzogen, Aufzeichnung nach Goethes Vorträgen (Boerner S. 5)
d. 24ten Zwei verbundne Glasscheiben, mit den Finger gedrückt, so erzeuget sich ein kleiner farbiger Flecken — verschiedne Farben Kreise entstehen. Fenster Gläser mit Farben. Anlaufen des Stahls im Feuer, Suite vom Farben, das röthliche braucht die meiste Hitze — Grün entsteht gar nicht — Durch dieses Phenomen, das Entstehen der Farben durch Hitze, Uibergang zu den Chymischen Farben. Entstehen der Farben auf der dünnen Haut über einer Flüßigkeit — Seifenblasen Maria Pawlowna an Maria Feodorowna 23. 4. 1806 (HSTA Weimar, HA A X X V R 154, 69) B 3 7435
J'ai été chez Göthe ce matin, mais je ne puis encore parvenir à fixer mes idées, elles cernent toujours la perte [ihres Kindes am 10. April], Maria Pawlowna, Choses remarquables. Journal 1805/08 (HSTA Weimar, HA A X X V Bl. 11)
Eté le mércredi 23/11 avril chez Göthe. Il nous y a parlé des apparitions naturelles de ces couleurs de Parc-en-ciel, apparitions qu'on appelle physiques, qui viennent d'elles-mêmes et qu'on ne sauroit expliquer. Il y en a qui se produisent par la pression très forte d'un morpeau de verre de miroir sur un autre; on en voit des exemples dans quelques productions minéralogiques comme le spath, le plomb, le talc, etc. Il y en a qu'on peut produire par la chaleur: par exemple en faisant chauffer des boutons d'apier polis; quant c'est un moindre degré de chaleur alors le bouton devient tout jaune; quand le degré de chaleur augmente, alors la couleur se rembrunit et passe au bleu, melê de parpelles violettes; plus la chaleur est forte, plus la couleur devient bleue fonpée et dégagée de violet; le dernier degré de chaleur, par contre, rend le bouton d'un bleu clair. Enfin on a encore des exemples de ces couleurs physiques, dans les bulles de savons, dans
23. 4.
Vgl. Goethes Stichworte zum Physikalischen Vortrag in der Mittwochsgesellschaft LA I 11, 99 f.
35
Weimar
1806
l'attouchement de quelques fluides, comme on peut le voir quand on a une baguette trempée dans du vernis d'asphalte et qu'on en touche la superficie de l'eau régale. J. H. Voß d. j. an Friederike Griesbach 24. 4. 1806 (Voß 2 S. 73)
Β 3 2231
Bei Göthe hab' ich seit meiner Zurückkunft schon einige vergnügte Abende zugebracht. Am liebenswürdigsten ist er in seiner wollenen Nachtjacke, und es kommt mir vor, als wenn er mit seinem Oberrock an jedem Abend zugleich alle seine Sorgen auszieht. So sagt man, soll er mit seinem grünen Ministerrocke auch noch allerlei anziehn; aber in diesem habe ich ihn noch nicht gesehn, wiewohl ich zwei Jahre hindurch fast sein täglicher Hausgenoß bin. Ich habe ihm gestern viel von meinem Onkel Boie erzählt, und mich erquickte recht seine Theilnahme. Ich wollte, daß ich dies alles noch meinem Onkel hätte schreiben können; er wäre um eine Freude reicher aus der Welt gegangen. C. L. Fernow an Böttiger 18. 1. 1807 ("Gerhardt S. 200; LB Dresden, Böttiger 8" 9, 38) B 2 965 a Β 3 2398
Göthe hat versprochen, die neue Ausgabe der Winkelmannischen Werke, wenn sie zu Stande käme, durch eine Vorrede beim Publikum einzuführen, u. sich auch sonst durch Rath u. That für die Unternehmung, die seinen Beifall sogleich fand, als ich ihm zuerst davon sprach, thätig zu interessiren. 25. 4.
Tagebuch 25. 4. 1806 (WA III 3, 126)
Bey der Hoheit. . . Dr. Oelenschläger . . . v. Knebel. Cotta. Müllers Vorlesungen mit R. Maria Pawlowna an Maria Feodorowna 26. 4. 1806 (HSTA Weimar, HA A XXV R 154, 70) B 3 7436
Je crains terriblement de revoir les endroits où j'alais auparavent et que je n'ai pas envû depuis: je ne saurais dire combien je souffre en me retraçant mon bonheur d'alors: l'autre jour chez Göthe, j'ai crû n'y pas tenir. A. Oehlenschläger, Selbstbiographie (Oehlenschläger 1 2, 24)
Β 3 2239
Göthe empfing mich [am 25. 4.] sehr liebevoll, und ich brachte drittehalb Monat in dieses großen Meisters beinahe täglicher Gesellschaft zu. 26. 4.
Tagebuch 26. 4. 1806 (WA III 3, 126)
Bey Geh. R. Voigt Fernow. 25. 4.
zu Tische Maj. v. Hendrich, Dr. Oelenschläger . . . Prof.
A. Oehlenschläger an Christiane Heger 23. 4. 1806 (Paludan - Preisz - Borup I 2, 4) I Morgen skulde see og kiende min Goethe. [Ubersetzung:] [. . . daß ich] morgen meinen Goethe sehen und erkennen sollte.
36
Weimar
1806
Chr. G. Voigt an Eichstädt 26. 4. 1806 (UB Jena, Nachl. Eichstädt 2)
Ich erhielt heute einen Besuch von dem Herrn Geheimerath vG. Da er die Fichtische Recension [JALZ 1806 Nr. 91] sehr lobte, so sprach ich über deren Verfasser [Luden] und producirte das eben bey mir liegende 58. Stück der G[öttinger Gel.] Afnzeigen mit G. J. Plancks Rez. über Ludens ,Hugo Grotius'] mit Erwähnung der Absicht, die man seinetwegen hege. Er war damit [Berufung Ludens nach Jena] überaus zufrieden, zugleich auch sagte er über Ew. Wohlgeb. allerley Gutes und Schönes . . . Hr. GRvG. hat seine Idee wegen H [erzog] Bernard, vorlängst aufgegeben. Knebel, Tagebuch 26. 4. 1806 (GSA, Nachlaß Knebel)
Mittags bei der Herzogin Mutter. Bei Göthe. In der Komödie Figaro. 27. 4.
Tagebuch 27. 4. 1806 (WA III 3, 126)
Nach Tische von Knebel. 29. 4.
Tagebuch 29. 4. 1806 (WA III 3, 126)
Früh Laune des Verliebten mit R. Bey Prinzess Caroline Tische Sein Trauerspiel [Hakon Jarl] vorgelesen.
Dr. Oelenschläger zu
Knebel, Tagebuch 29. 4. 1806 (GSA, Nachlaß Knebel)
Morgens Gesellschaft bei Prinzessin, Göthe da. 30. 4.
Tagebuch 30. 4. 1806 (WA III 3, 127)
Vortrag Weis und Schwarz Meyer.
Mittag Versuche und Gespräch mit R.
Prof
Caroline v. Wolzogen, Aufzeichnung nach Goethes Vorträgen (Boerner S. 5)
den 31 ten Wasser worein eine trübende Flüßigkeit gegoßen, wird erst gegen das Licht gehalten, gelb, auf einen duncklen Grunde, blau, mit mehr trübender Materie ./Seifenspiritus/, bleibt es weiß, verschiedne Mineralien, Cristalle Frauenglaß Salz, Spath, weise Dichtigkeit. Das Schwarze entsteht wenn ein Körper halb verbrannt ist. Kohle, wenn Kohle wieder angebrannt wird u. verbrennt entsteht das Carbon K o h l e n s a u r e s , eine eign Säure die Lebensluft zerstöhrend, sie zieht das Oxigene an sich, aber giebt es verderbt von sich / s'ébouler / der Franzosen. Rauchtopase, trübe Durchsichtigkeit Maria Pawlowna, Choses remarquables. Journal 1805/08 (HSTA Weimar, HA A XXV Bl. 11)
Göthe nous a parlé le mércredi 30/18 Avril, de l'origine du b l a n c : communément on dit toujours que le blanc est un faispeau des autres couleurs, lui ne l'a point dit, mais je me propose de le lui demander. Il nous a fait remarquer que 30.4.
Vgl. Goethes Stichworte zum Physikalischen Vortrag in der Mittwochsgesellschaft LA I 11, 100 und I 3, 515.
37
1806
Weimar tout tend au blanc et surtout à la transparenpe, et que le blanc n'est autre chose que e i n e v o l l e n d e t e T r ü b e , ce sont ses propres termes; il en a fait l'expérienpe en versant de l'esprit de savon dans de l'eau, jusqu'à ce qu'on ne puisse distinguer à travers ni le blanc ni le noir; l'eau elle même étoit devenue d'un blanc de neige et au commenpement elle coloroit les objets quand on regardoit à travers, par exemple le noir devenoit bleu, et le jour jaune; à mesure que Göthe ajoutoit de l'esprit de savon, le blanc s'épaissisoit. Les grecs appellèrent la couleur du noir transparent que nous pouvons comparer à celle de la Rauch-topase, o r p h i n o n : la première apparition du noir se présente dans le charbon brulé.
Apr.
Maria Pawlowna, Choses remarquables, Journal 1805/08 (HSTA Weimar, H A A X X V Bl. 18)
Vû chez Göthe au mois d'avril, une gravure d'un des plus magnifiques tâbleau de Claude Lorrain qui me soit encore tombé sous la vue; c'est un paysage situé sur le bord de la mer, dont le bord le plus éloigné est borné par des rochers et de hautes montagnes; à gauche sur le devant du tableau, est un magnifique temple de Vénus, de l'architecture la plus noble, la plus riche, la plus imposante. A la droite, encore plus sur le devant se trouve une troupe de personnes qui vont en procession sacrifice au temple, sur les marches duquel se trouvent une foule de personnages diversement groupés. Il est impossible de rien voir de plus beau que cette gravûre, dont l'éxécution est très soignée aussi: l'auteur en est Gmélin de Carlsruhe, elle est dédiée je crois au Pr. Jean Lichtenstein. Apr.(?)
Maria Pawlowna, Choses remarquables. Journal 1805/08 (HSTA Weimar, H A A X X V Bl. 15)
Goethe en parlant de l ' é d u c a t i o n disoit un jour, qu'il avoit essayé de ne jamais moraliser les enfans, surtout de ne jamais leur faire des défenses toutes sèches. Qu'en se promenant avec eux par exemple dans une prairie ou dans un champ, il les laissoit jouer au balon ou s'amuser comme ils le vouloient. Mais que pour leur faire sentir qu'il falloit respecter l'appartenanpe de quelqu'un, ou bien ne pas jouer dans un espape circonscrit comme là ou il n'y a point d'entraves, en les menant jouer dans un jardin, ils leur disoient, « mes enfans nous voipi dans un lieu resserré, ce n'est pas comme la prairie. » Alors les enfans prenoient garde d'eux mêmes. Je lui objectois s'il n'y avoit pas moyen de faire sentir aux enfans même en bas âge par leur attachement même à ce qui leur appartient, qu'il faut respecter ce qui est aux autres, me souvenant d'un passage d'un espèpe de roman allemand ou plutôt d'ouvrage sur l'éducation, (ouvrage qui m'a fait grand plaisir, mais dont malheureusement j'ai oublié le nom) ou cette manière est employée. Göthe me dit, qu'il ne croyoit pas la chose applicable aux tous petits enfans, parce qu'il se mèle à ce raisonnement qu'une fois on est obligé de leur faire une moralité qui surpasse les forpes de leur entendement. Et moi il m'avoit parû si fapile de louer[P] dès la naissanpe presque et insensiblement ces prinpipes dans la tête! Ende Apr.(?)
Chr. G. Voigt an Goethe 28. 4. 1806 (SchrGG 55, 108) Mit Ew. Exzellenz wird Ortmann selbst wegen der Geldversur sprechen und das Möglichste einrichten.
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1806
Weimar Göthe parlant de la vie commune et des principes qui font agir les hommes; « il ne faut jamais faire connoitre les manières par lesquelles on agit, c'est à la conduite à le montrer. » Il parloit de la canonade de Walmye ou il avoit assisté et faisoit une description de ce qu'on appelle communément d a s K a n o n e n f i e b e r ; il disoit qu'il pouvoit s'en faire une idée, car lui qui n'avoit eu aucune vocation ni piafe dans l'armée, étoit revenu à la charge deux fois pour sentir ce que c'étoit, et que la première fois la terre trembloit au bruit des coups de canon et le monde tombant autour de lui, il avoit crû sentir la sensation f i dessus nommée. Mais qu'étant retourné une seconde fois exprès pour voir s'il la ressentiroit encore, l'habitude qu'il commenfoit apparemment à prendre de la chose affoiblit beaucoup cette sensation. A la canonade de Walmye, on a tiré je crois pour le moins 10 mille coups de canon. Göthe m'a montré des verres de forme de grains oblongs; ils sont de trois couleurs; on les vend communément à Sengrue]?] et dans presque toutes les echelles du Levant; ils ont cela de particulier qu'ils sont de trois couleurs; les vénitiens savent les fabriquer, et on croit même que les anfiens phénifiens sont leurs inventeurs. Göthe m'a montré ce qu'on appelloit en botanique E p i d e n d r i o n et qui croit aux arbres: les oiseaux le transportent quelquefois d'un arbre à l'autre, et l'occasionnent eux mêmes souvent: c'est une espèpe de maladie qu'ont les arbres, dans ces contrées fi, elle est moins fréquente que sur le Rhin, par exemple. Maria Pawlowna, Choses remarquables. Journal 1805/08 (HSTA Weimar, HA A X X V Bl. 15)
Göthe disoit un jour que les anfiens n'avoient pas d'idée de ce qu'étoit le c o m p f o r t a b l e pour les logemens; et qu'il étoit persuadé que le dernier brasseur ou artisan quelconque logeoit mieux par rapport à cela que l'avoit été l'empereur Auguste. En parlant de ce sentiment double qu'on éprouve, de ce p o u r et c o n t r e qu'on ressent au dedans de soi, il disoit, que cette oscilation est justement ce qui rend la personne intéressante; parce qu'elle permet à une autre de s'attacher à elle, tandis qu'un etre froid et auquel se sentiment n'est pas si connu, qui est renfermé en soi même et pour soi même, n'est pas si intéressant. Il a ajouté que le point le plus grand de l ' a c q u i s qu'on peut avoir, c'est d'éprouver ce sentiment double sans en être dérangé. 1. 5.
Tagebuch 1. 5. 1806 (WA III 3, 127)
Bey H. Amalia wegen der Tischb[einschen Zeichnungen], P. Thieriot an Jean Paul l.(?) 8. 1806 (Berger S. 51)
Am ersten Mai sah ich Goethe wieder. 13. 4./
A n J. F. v. Retzer o. Dat., wohl 4.(?) 5. 1806 (WA IV 19, 445)
^ 5'
Herr Capellmeister Eberle hätte sich bey mir nicht musikalischer anmelden können, als indem er mir einen Brief von Ew. Hochwohlgeboren überbrachte . . .
39
1806
Weimar Wir haben ihn bestens empfangen, sowohl um dieser Empfehlung als seines Talents willen, und ich hoffe, er soll nicht unzufrieden von uns geschieden seyn; obgleich ein empfindlicher Verlust [am 10. 4. starb der Sohn des Erbprinzen], der unser fürstliches Haus betraf, bey Hof und im Publicum eine traurige Stimmung verbreitet hatte. Indessen fand man sich durch sein schönes Talent erheitert, und ist seine Gegenwart uns dadurch doppelt bedeutend geworden.
2.5.
Tagebuch 2. 5. 1806 (WA III 3, 127)
Dr. Gruber. 3. 5.
Tagebuch 3. 5. 1806 (WA III 3, 127)
Mahomet, mit R. Bey dem Erbprinzen
Herd [er] Cid.
Maria Pawlowna, Choses remarquables. Journal 1805/08 (HSTA Weimar, HA A XXV Bl. 15)
Le samedi 3 may, Göthe a lû chez moi plusieurs romanpes de Herder formant l'histoire du Cid: elles sont traduites ou imitées de l'espagnol; Göthe nous faisoit remarquer la délicatesse et le fini des poèmes espagnoles: on le retrouve dans presque toutes leurs productions: ce soigné fait un parfait contraste avec les moeurs assez barbares, dont les mêmes poèmes nous fournissent assez d'exemples. vor 4. 5.
An P. v. Braun 4. 5. 1806 (WA IV 19, 444)
Die Abreise des Herrn Doctor Stoll, der sich einige Zeit bey uns aufgehalten, veranlaßt mich zu dem Gegenwärtigen. Er ist der Verfasser einiger Stücke, die mit Beyfall aufgenommen worden, und hat sich auch sonst durch Aufmerksamkeit und Studium mit den theatralischen Angelegenheiten dergestalt bekannt gemacht, daß er einer solchen Anstalt auf eine oder die andre Weise wohl nützlich werden könnte. An J. F. Retzer o. Dat., wohl 4.(?) 5. 1806 (WA IV 19, 445)
Herr Doctor Stoll, der sich einige Zeit bey uns aufgehalten, wird diesen Brief überbringen. Er hat sich theoretisch und praktisch um das Theater bemüht und wird einer solchen Anstalt auf eine oder die andre Weise wohl nützlich seyn können. 4. 5.
Tagebuch 4. 5. 1806 (WA III 3, 127)
Hr. Grund von Rom. Hr. Dreyer von Bremen Oels. 4.(?) 5.
Zu Mittag. Malcolmi Haide
Christiane Vulpius an N. Meyer 5. 5. 1806 (Kasten 1 S. 195)
Vom Herrn Geheimenrath habe ich gehört, daß Sie zu Michaelis uns besuchen wollen. 3. 5.
Maria Pawlowna an Maria Feodorowna 3. 5. 1806 (HSTA Weimar, HA A XXV R 154, 73) La chaleur est considérable aujourd'hui aussi vais-je bientôt me promener, d'ailleurs Göthe veut venir ipi nous lire quelque chose, ce que c'est je n'en sais rien.
40
1806 5. 5.
Weimar Tagebuch 5. 5. 1806 (WA III 3, 127)
Hr. Osborn mit Planen und andern Zeichnungen Nelson betr. Tag- und Jahres-Hefte 1806 (WA I 35, 263)
. . . sowie mir von Aufklärung einzelner Zeitereignisse noch wohl erinnerlich ist, daß ein bei uns wohnender Engländer von Bedeutung, Herr Osborn, die Strategie der Schlacht von Trafalgar, ihrem großen Sinn und kühner Ausführung nach, umständlich graphisch erklärte. P. Thieriot an E. Osmund 5. 5. 1806 (Berger S. 50)
Ich hatte gebetet, Goethe noch zu begegnen, und begegnete ihm heute. 7. 5.
Tagebuch 7. 5. 1806 (WA III 3, 127)
Vortrag. Objective prismatische Farben. Gülichs Färbebuch gelbe Farben Prof Meyer. Caroline v. Wolzogen, Aufzeichnung nach Goethes Vorträgen (Boerner S. 5)
Versuche — durch ein groses Prisma mit Wasser Streif auf den Boden — Zwei Prismen Bilder eins über das andre verstärken Tinck[t]ur, in Schüsseln mit Stufen zeigen roth Getrübte Milchigte Wasser masse — Die Sonne als Anfang der Chimischen Farben versäumt.
7ten angefüllt — langer Farben die Farben — blaue u. gelbe im Grund — durch eine ein Purpurfleck.
Caroline v. Wolzogen, Aufzeichnung nach Goethes Vorträgen (Boerner S. 7)
Schwarzes Rund auf weisen Grund durch eine Linse gesehen nimt einen blauen Rand an, bei leisen Schiefansehen einen gelben. Das Unendliche ist Grenzenlos, einfarbig. An allen Grenzen der Körper entstehen Farben. Wo zwei Grenzen in einander laufen. Wenn sich das schwarze in das weise ausbreitet, Blau, das Weise in das Schwarze gelb. Wenn die Farben-streifen nahe genug an einander laufen, nur daß der Schimmer des blauen u. gelben sich berührt, so entsteht das Grüne. Durch Spizwincklichte Prismen entstehen einfachere u. schwächere Farben, nach Veränderung der Dichtigkeit — durch Gradwinckliche die Volle Erscheinung. den 7. Mai Maria Pawlowna, Choses remarquables. Journal 1805/08 (HSTA Weimar, H A A X X V Bl. 11)
Göthe nous a raconté le mércredi 7 / 2 5 may/avril plusieurs expérienpes sur l'apparition des couleurs par le moyen de prismes de verres et de prismes remplis 6. 5.
Maria Pawlowna an Maria Feodorowna 6. 5. 1806 (HSTA Weimar, HA A X X V R 154, 75)B 3 7437 . . . je Vous dirai Maman, que la Pr. Dolgoroucky voulant faire la connoissance de Göthe, le Duc nous a invité à Sa maison de jardin pour le thé.
7. 5.
Vgl. Goethes Stichworte zum Physikalischen Vortrag in der Mittwochsgesellschaft L A I 11, 101.
41
Weimar
1806
d'eau. Selon sa théorie il n'y a que deux couleurs primitives, le bleu et le jaune: le rouge se produit en mêlant le bleu fonpé au jaune fonpé. Quand on examine un objet par un miroir convéxe, on observera qu'il est coloré au-delà du foyer du verre, en raison inverse de la manière dont il étoit coloré en deçà. Par c o l o r é , j'entends les bords de couleur. 9. 5.
Tagebuch 9. 5. 1806 (WA III 3, 127)
Probe von der Glocke. 10. 5.
Tagebuch 10. 5. 1806 (WA III 3, 127)
Früh bey der Erbprinzess mit Meyer.
Cid von Herder. Fortsetzung . . . Runges Umrisse
Maria Pawlowna, Choses remarquables. Journal 1805/08 (HSTA Weimar, H A A X X V Bl. 15)
Le samedi 10 may, Göthe a lû chez moi la seconde A b t h e i l u n g du Cid de Herder. Le passage ou donna Uracca dit au Cid de s'éloigner, et de ne point venir chez elle à Zamora, Göthe l'a trouvé parfaitement beau en lui même; il a ajouté qu'il falloit qu'il fut bien traduit, quoiqu'il ne connoissoit pourtant pas l'original espagnol. H. Meyer ( J b G G 3, 210)
B 3 2233
10. Mai 1806. Als die Vier Tageszeiten, Kupferblätterumrisse von Runge, ankamen und Goethe die Zweckmäßigkeit, das Charakteristische im Ausdruck und die Mannigfaltigkeit und Gewandtheit des Künstlers betrachtet hatte, sagte er: Endlich hast du, Galiläer, doch überwunden. K. Mayer, Erinnerungen (Mayer S. 169)
B 3 3347
Nach der Todtenfeier von Schiller, die er veranstaltet habe, wobei alle Schauspieler und Schauspielerinnen sich selbst Scenen aus Schiller'schen Dramen zur Darstellung haben auslesen dürfen und Schillers Glocke mit Goethe's von Madame Wolf gesprochenen Stanzen nachgefolgt sei, habe er sie [Frau Seebeck] nachher um den Eindruck gefragt, und sein Herz sei so gepreßt gewesen, daß er das Freie habe suchen müssen, um sich Luft zu machen. Riemer, Aphorismen S. 288
B 2 865 B 3 2232
den 10. Mai 1806. [Goethe:] „ E s ist lächerlich, wenn die Philister sich der größern Verständigkeit und Aufklärung ihres Zeitalters rühmen und die frühern barbarisch nennen. Der Verstand ist so alt, wie die Welt, auch das Kind hat Verstand: aber er wird nicht in jedem Zeitalter auf gleiche Weise und auf einerlei Gegenstände angewendet. Unser Zeitalter wendet seinen ganzen Verstand auf Moral und Selbstbetrachtung; daher er in der Kunst und wo er sonst noch thätig seyn und mitwirken muß, fast gänzlich mangelt. Die Phantasie wirkte in frühern Jahrhunderten ausschließend und vor, und die übrigen Seelenkräfte dienten ihr; jetzt ist es umgekehrt, sie dient den andern und erlahmt in diesem Dienst. 42
Weimar
1806
Die frühern Jahrhunderte hatten ihre Ideen in Anschauungen der Phantasie; unseres bringt sie in Begriffe. Die g r o ß e n A n s i c h t e n des L e b e n s w a r e n d a m a l s in G e s t a l t e n , in G ö t t e r g e b r a c h t ; heutzutage bringt man sie in Begriffe. Dort war die Productionskraft größer, heute die Zerstörungskraft, oder die Scheidekunst." 11. 5.
Tagebuch 11. 5. 1806 (WA III 3, 128)
Werner Deny Brand zu Tische. 12. 5.
Tagebuch 12. 5. 1806 (WA III 3, 128)
Oelenschläger und Voß zu Mittage 13. 5.
Aladdin vorgelesen.
Tagebuch 13. 5. 1806 (WA III 3, 128)
Prof Fernow . . . Pr. Meyer. vor 14. 5. Maria Pawlowna, Choses remarquables. Journal 1805/08 (HSTA Weimar, HA A X X V Bl. 19)
J'ai goûté de ce vin de Dornbourg, il est très aigre: les habitans prétendent pourtant qu'il est extrêmement fort. On m'a fait voir une petite figure en fer, grande comme la main, représentant le Dieu Dor, qu'on avoit autrefois adorré dans ces contrées, et duquel Dornbourg avoit pris son nom. Si je ne me trompe Göthe m'avoit une fois montré une empreinte de cette petite figure. An Eichstädt 14. 5. 1806 (WA IV 19, 130)
Ew. Wohlgeb. neulichem Besuch bey uns hätte ich einen erfreulichem Anlaß gewünscht; denn so lieb es mir war, Sie einmal wiederzusehen, so versäumte ich doch, durch die Nachricht des unangenehmen Vorfalls verwirrt, verschiedenes Heitere mitzutheilen. Möchte sich doch die Spur zeigen, auf der Sie wieder zu dem Ihrigen gelangen könnten! 14. 5.
Tagebuch 14. 5. 1806 (WA III 3, 128)
Vortrag. Chemische Farben
Runges Blätter Einiges mit farbigen Liquoren.
Charlotte v. Schiller, Aufzeichnung nach Goethes Vorträgen (GSA, Schiller 1663)
Durch das Fixiren der Erscheinungen entstehen die Farben, Und man kann sich dadurch auch klar machen, wie die Farben sich modificiren durch chimische Mischungen, die in dem Universum vorhanden sind, wie u. auf welche Weise, sie nun auf die Formen wircken, u. sich festmachen können, bestimmt die Tinten der Töne. Da die Natur einfach ihren Weg geht, so möchte ich wohl diese Theorie auch aufstellen u. annehmen. Sie ist einfach in ihren Wirckungen, u. Mannichfaltig in ihren Resultaten. Der Grad der Wärme entwickelt die Farben, auf eine Mannichfaltige Art, zum Beispiel Stahl der übers Feuer gehalten wird, nimmt zuerst von gelindem Grade einen gelben Hauch, so steigt die Farbe von Gelb zum röthlich, von röthlich zu 14. 5.
Vgl. Goethes Stichworte zum Physikalischen Vortrag in der Mittwochsgesellschaft LA I I I , 101.
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1806
Weimar lilla, von lilla zu dunkel blau, u. von dunkelblau zu hell blau, wo der Stahl dem höchsten Grad Hize erreicht hat, u. ausgefallen. Caroline v. Wolzogen, Aufzeichnung nach Goethes Vorträgen (Boerner S. 7)
Lezte Vorf[üh]r[ung] Uiber die Farben in der Mahlerei. Weise Gründe, lasieren eine Färb über die andre gesezt, Kunst der Alten Mahler, reflexe verbindend. Maria Pawlowna, Choses remarquables. Journal 1805/08 (HSTA Weimar, H A A X X V Bl. 11)
Göthe nous a prouvé par plusieurs proçédés chymiques, le mércredi, 2 / 1 4 may, la gradation progressive du jaune et celle du bleu, et qu'elles se réunissoient à une tendanpe au rouge. En parlant de la tendançe générale qu'ont les objets du plus ou moins vers le blanc et surtout vers la transparence, Göthe disoit qu'en parlant même de la J é r u s a l e m c e l e s t e , on la représentoit toute transparente. Henriette v. Knebel an Knebel 21. 5. 1806 (Düntzer 4 S. 247)
Die ganz allerliebsten Gedanken der mystischen Zeichnungen [von Ph. O. Runge] lassen sich wohl von Goethen selbst am besten hören. Es ist eine Wärme und Liebe darin, die man nur mit dem schönsten Naturprodukt vergleichen möchte, und man mag nur in Reinheit und Heiligkeit der Seele davon reden und andre Welthändel unberührt lassen. Henriette v. Knebel an Knebel 7. 6. 1806 (Düntzer 4 S. 249)
Was noch die mystischen Bilder betrifft, so scheint mirs, als wenn der Künstler [Ph. O. Runge] mit Absicht lauter kindische oder vielmehr kindliche Gegenstände gewählt hätte, vielleicht weil er glaubte, das Größte ließe sich vor den Sterblichen nur durch das Kleinste ausdrücken. Doch wäre zu wünschen, daß es in Farben gemalt wäre, wie es auch Goethe meinte, damit man die Verschiedenheit der Blumen und Pflanzen leichter finden könnte. Maria Pawlowna, Choses remarquables. Journal 1805/08 (HSTA Weimar, H A A X X V Bl. 18)
Vû chez Göthe le mércredi 2 / 1 4 may, des arabesques faites par un nommé Runge de la Poméranie; elles sont admirables; Göthe disoit, ce sont des arabesques m i s t i c o - c h r é t i è n n e s ; et il est sûr qu'elles renferment un sens caché; à entendre Göthe les expliquer, on croiroit qu'il connoît ce sens; on ne sait qu'admirer davantage, de l'imagination qui créa ces ornemens, de la main habile qui les traça si bien, ou du génie qui nous les a expliqués. Je n'oublierai jamais cette impression. Ces dessins consistent en quatre planches; elles ont un sens mystique par ce qu'elles étoient destinées à la chapelle de Mr. de Bucksdorff à Ziebingen, cheflieu d'une secte qui a pris le nom de Ziebingen: je ne saurois dire en quoi elle consiste. D'après l'idée et l'explication de Göthe, la première de ces planches représente le matin; Jehovah, celui qui dit J e s u i s c e l u i qui est, la Divinité, en un mot, est l'objet à laquelle la première planche est comme pour ainsi dire dédiée; tous les attributs se rapportent à elle. La seconde est de même affectée 44
1806
Weimar à une personne de la Trinité: a Dieu le Père: celle-là représente le midi. La troisième est dédiée à Notre Sauveur comme fils de Dieu et seconde personne de la Trinité; cette planche indique le soir. La quatrième est pour le St. Esprit, et représente la nuit. Il seroit bien diffipile d'exprimer jusqu'à quel point tous les détails sont exprimés et soignés; la composition est très belle, et on voit qu'elle est très méthodique: on peut tout comprendre, en entendant Göthe en donner l'explication, jusqu'à de petites particularités, qui sont pour la plupart des attributs et emblèmes mystiques de la secte. Il y a un détail de fleurs, de plantes, dans ces planches, qui est inexprimable. Dans la première il s'élève de la terre un lys, emblème de l'amour, sur les feuilles duquels sont plusieurs groupes d'enfans: sur les tiges adjacentes, des enfans sont aussi assis, et par leur poids les recourbent vers la terre. Dans la seconde planche, l'amour et les soins maternels sont exprimés en ce que une femme entourée de ses enfans; qui s'occupent de différentes manières, est assise dans un délipieux bosquet, près d'un étang tranquile. Dans la troisième planche, le lys représenté dans la première s'enfonpe dans la terre et rend [?] disparaître, ce qui fait une allusion au déclin du jour; on ne sauroit dire combien c'est beau. —
15. 5.
Tagebuch 15. 5. 1806 (WA III 3, 128)
Mittag Ortmann, Voigt, Stichling
Bey Fr. v. Stein. Frl. v. Reizenstein.
Jena 16. 5.
J. D. Färber, Kalender 16. 5. 1806 (UB Jena, Nachl. Martin q 20)
Sind d. H. Geh.rath ν Göthe nebst dH Doctor Vulpius ein logirt u dH Hofmeister aus Weimar. Tagebuch 16. 5. 1806 (WA III 3, 128)
Bey Frommanns
Bey Hrn. v. Hendrich zum Abendessen.
Johanna Frommann an C. F. E. Frommann 19. 5. 1806 (GSA, Frommann 26, 3, 119)
Seit Freitag [16. 5.] Abend ist Göthe hier. Riemer quartirte sich gleich bei uns, da gar schon Göthe bei H. Fuchs logiren muste, weil Sonnabend das ganze Weimarsche Haus erwartet wurde . . . Göthe war gleich Freitag Abend ein Stündchen hier. Bericht für die Akten der Oberaufsicht 16. 5. 1806 (GSA, Aktenkopien II, Tit. 6 N. 3 Bd 4)
Nach meiner Ankunft zu Jena, den 16 n May 1806, begab ich mich sogleich auf das anatomische Museum, wo mir Herr Hofrath Fuchs die neue, nach der Anordnung vom 16 April dieses Jahres . . . vollbrachten Einrichtung vorzeigte, welche ich in jedem Sinne zu billigen Ursache hatte . . . 15. 5.
Chr. G. Voigt an Eichstädt 15. 5. 1806 (UB Jena, Nachl. Eichstädt 2) HGRvGöthe reiset heute nach Jena, um dort die residentialische Armseligkeit und den wissenschafd. Reichthum in's möglichste Verhältniß zu bringen.
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1806
Jena Weil aber für die großen, von Martens acquirirten Skelete kein Raum in den Zimmern vorhanden und solche bis jetzt nur auf dem Saal an den Wänden angelehnt wurden; so wurde beschlossen auf eben diesen Saal, dessen Raum es sehr gut zuläßt, einen LattenVerschlag zu errichten und innerhalb desselben die Skelete mit ihren nöthigen Stützen aufzustellen. Ferner ward vorstehende Rechnung, nach denen von Herrn Hofrath Fuchs eingereichten Datis, von dem Renntamtsadministrator Bartholmäi gefertigt und von Herrn Hofr. Fuchs unterschrieben. D a nun bey dieser Gelegenheit zur Sprache kam, wie Herr Hofrath Fuchs künftighin von Führung dieser Rechnung losgesprochen zu werden wünschte, und der R. A. A. Bartholmäi sich zu deren Führung, nach der Art und Weise wie es mit der botanischen geschieht, bereitwillig erwies; so wurde das Arangement sogleich getroffen und das Nöthige an den R. A. A. verfügt. . . D a es übrigens nach der Lage der Sache noch nicht thulich gewesen, ein völliges lnventarium des Ganzen aufzusetzen oder einen Catalog zu fertigen; so hat man die darauf sich beziehenden Papiere und Verzeichnisse in ein Acten-Fascikel gebracht und solches dem Hrn. Hofr. Fuchs dergestalt übergeben, daß er die Nummern nochmals revidire, deren Empfang anerkenne und das Acten-Stückchen zu seiner Legitimation bey sich behalte.
17. 5.
Tagebuch 17. 5. 1806 (WA III 3, 128)
Bey Hrn. v. Hendrich Kam Sereniss. der Erbprinz und Gemahlinn tung auf den Museen und sonst.
Unterhal-
Maria Pawlowna, Choses remarquables. Journal 1805/08 (HSTA Weimar, HA A XXV Bl. 19)
J é n a . Vû le cabinet d'histoire naturelle. La collection minéralogique est admirable: j'y ai vù de très beau morpeaux du cristaux bruts, en topaze, opales, etc: D'après le dire du professeur Lentz, je possède dans ma petite collection un morpeau d'aigue-marine en forme de colonne, qui l'emporte encore sur ceux qui se trouvent dans le cabinet de Jéna. Les jaspes sont plus beaux en Russie, et il en manque une espèpe surtout, dont j'ai toujours entendu parler comme d'une des plus remarquables; c'est le jaspe jaune rubanné. J'ai vû une mine de fer, du païs de Nassau, à laquelle on a donné le nom de Gö, j'y ai vû de très belles pétrifications, une entr'autres d'une main d'un animal que le Pr. Lenz croit être e i n e M e r k a t z e , très remarquable. Une dent d'éléphant dont l'intérrieur est aussi une pétrification: une collection de tour en marbres trouvés et connûs en Italie surtout: des pierres tombées de la lune, une entr'autres très grande, ce sont les premières que j'ai vûes. Göthe me disoit qu'il est incroyable combien il faut de soins pour maintenir une collection minéralogique en bon état, sans qu'elle dépérisse; que pour lui il en avoit une depuis trente ans, mais qu'elle n'étoit plus si belle qu'autrefois; l'air, la lumière influent sur les minéraux. Il me disoit aussi que les minéralogues peuvent nommer non seulement la région, et le district, mais même la carrière d'où on tire les pièrres, quand on leur en présente une: il faisoit la comparaison avec quelqu'un que nous conoitrions et qui parleroit dans une autre chambre: le son de sa voix nous le feroit découvrir; 46
1806
Jena à cela je lui ai objecté qu'il me sembloit encore plus fapile de reconaitre une pierre, que la voix de quelqu'un, la pierre ayant pour ainsi dire des traits caractéristiques et permanens, au lieu que le son fuit. Il a trouvé que j'avois raison.
18. 5.
Tagebuch 18. 5. 1806 (WA III 3, 128)
Schlecht Wetter deshalb der H o f um 10 Uhr abfuhr Bartholomae Astrologische Präparate.
Mit Hofr. Fuchs und
Knebel, Tagebuch 18. 5. 1806 (GSA, Nachlaß Knebel)
Nachm. bei Göthe im Schloß. Johanna Frommann an C. F. E. Frommann 19. 5. 1806 (GSA, Frommann 26, 3, 119)
Vorgestern wollte er [Goethe] kommen kam aber nicht. Gestern kam er, die Seidenstickern war blos da u er ließ sich gar nicht stören, sehr liebenswürdig u scharmant zu sein. Ich hätte dich sehnlich zu dieser Partie fine hergewünscht. Ich hab ihm gesagt, wie deine Wünsche im letzten Briefe waren, wir sollen ja herüber kommen, er will allerhand schönes zeigen . . . Eben kommt Riemer. 10 Tage wollen sie noch vorm Carlsbad hier zubringen. 19. 5.
Tagebuch 19. 5. 1806 (WA III 3, 128)
Schelver. Voigt iunior . . . Zu Fromans. Knebel, Tagebuch 19. 5. 1806 (GSA, Nachlaß Knebel)
An Frau v. Schiller u. m. Schwester durch Göthe. vor 20. 5. St. Schütze, Tagebuch 22. 6. 1806 (|SK N F 4, 95)
Voß: Goethe hätte mich in Jena als den Recensenten des Donatoa [von Sonnenbergj genannt. 20. 5.
Knebel, Tagebuch 20. 5. 1806 (GSA, Nachlaß Knebel)
Göthe reißt ab früh. J. D. Färber, Kalender 20. 5. 1806 (UB Jena, Nachl. Martin q 20)
Sind dH Geh.rath ν Göthe nach Weimar abge[rei]st. Weimar 21. 5.
Tagebuch 21. 5. 1806 (WA III 3, 128)
Vortrag. Chemische Farben Forts
Dlle Bardois zu Tische.
Charlotte v. Schiller, Aufzeichnung nach Goethes Vorträgen (GSA, Schiller 1663)
Das weiße verdichtet, lässt roth entstehen, vom Purpurroth, bis zum Feuerfarb, je weniger oder mehr die weisse Lage einer Materie wircksam ist oder nicht.
21. 5.
Weimar Henriette v. Knebel an Knebel 21. 5. 1806 (Düntzer 4 S. 247) Ich muß eilen, weil die Stunde, wo wir zu Goethen gehen, herannaht.
47
1806
Weimar Mischt man in einem gläsernen Kasten, mit Wasser gefüllt, Seifen Spiritus, so sieht man durch das weißliche helle das gelbe licht, u. zulezt je mehr Spiritus im wasser ist, u. je trüber das Glaß, so entsteht das schönste Purpurroth. — Mischt man Schwe[fe]lsäure mit wasser, u. schüttet Galläpfel Tinktur hinzu, so entsteht blau, u. zulezt schwarz. Sieht man durch dieses gefärbte wasser so erscheint das Licht anfangs blau, u. zulezt dunkel schwarz. Alle weisse Körper in den Erdearten, streben nach Durchsichtigkeit. Von Sand, u. Kalk an, u. Thon giebt es sich klar, daß sie nach Durchsichtigkeit streben — Quarz. Spath. Cristall, sind Beispiele. In Rußland u Sibirien erzeugt die Natur selbst Glas, das sogenannte Marien Glaß, es ist die selbe Substanz woraus das künstliche Glaß besteht. Sobald die Säure ins Feld tritt, so entstehen Farben, u. was wir in den weißen Cörpern nur farbigt schimmern sehen, fixirt sich in dunckeln, so bald Eisen theile damit vermischt sind. Es giebt eben so wohl eine Gradation Schwarz gefärbter Erdarten, als wie in den weißen, u. von der Steinkohlen Art bis zum Cristal, giebt es dunkle Steinmassen. Der Isländische Oxidian, und Rauchtopas der ein durchsichtiges Schwarz hat. gehören dazu, u man sieht wie die Eisentheile die Farbe haben entstehen lassen. Es giebt auch schwarze Diamanten. Caroline v. Wolzogen, Aufzeichnung nach Goethes Vorträgen (Boerner S. 5)
2te Lecktion darüber den 21. Mai. Weingeist über Blumen gegossen zieht die Farben der Blumen aus diese bleiben bleich — Ein Braunstein u. ? — abgeschürft, kleine grünlichte Seifen Körner in Wasser geworfen werden im Zergehen schönes roth. Maria Pawlowna, Choses remarquables. Journal 1805/08 (HSTA Weimar, HA A X X V Bl. 11)
Le mércredi 9/21 may, Göthe a continué à nous montrer par des expérienpes et mélanges chymiques le moyen de produire soudain les couleurs. Entre'autres il a appliqué cette expérience particulièrement à la couleur verte, en disant qu'elle pouvoit apparoitre sans un mélange p r é a m b u l a t o i r e pour ainsi dire, et prépédent, de jaune et de bleu. Il nous en a fourni l'exemple par l'encre sympathique, etc. De même il nous a fourni quelques éxemples de moyen de décolorer les objets, tels que des tulipes dont il avoit totalement fait disparoitre la couleur, en les mettant dans de l'esprit de vin. St. Schütze, Tagebuch 21. 5. 1806 (GMD)
Die Β [ardua], Goethe habe meinen Aufsatz gelobt. 22. 5.
Tagebuch 22. 5. 1806 (WA III 3, 129)
Buchhändler Wittich von Beri. Kupfer der Theaterkostumes. 48
Weimar
1806
L. W. Wittich an Goethe 19. 8. 1823 (Ztschr. Ver. Gesch. Berlins 58, 13)
. . . ich, der vor langen Jahren einmal das Glück hatte, in der Gesellschaft meines Freundes, des Hrn. Hofraths Schwabe, Ew. Excellenz persönlich seine Aufwartung machen zu dürfen . . . 23. 5.
Tagebuch 23. 5. 1806 (WA III 3, 129)
Rabe von Berlin. Tag- und Jahres-Hefte 1806 (WA I 35, 253)
Von Künsdern besuchte uns nun abermals Rabe von Berlin, und empfahl sich eben so durch sein Talent wie durch seine Gefälligkeit. Maria Pawlowna, Choses remarquables. Journal 1805/08 (HSTA Weimar, HA A XXV Bl. 19)
Vu, un matin chez Mr. Gore, le 11/23 may, des vûes des Indes, parfaitement bien éxécutées. Elles sont faites par deux frères Thomas et Guilleaume Daniel, qui ont été pendant 12 ans aux Indes. J'avois déjà vû ces vûes à Pétersbourg. La planche coûte un louïs, et je crois qu'en tout il y en a mille, mais toutes ces planches sont bien loin d'avoir paru. Il est à remarquer qu'elles se décolorent à la longue. Göthe, qui se trouvoit à ce déjeuner chez Mr: Gore, disoit qu'il présumoit que les artistes ont rendu les proportions des bâtimens qu'ils ont copié, plus régulières qu'elles ne le sont en effet, parce que l'eléganpe qui règne dans tous ces batimens est surprenante. 24. 5.
Tagebuch 24. 5. 1806 (WA III 3, 129)
Früh auf dem Schlosse
Ein Theil vom Cid. Abends Stella.
Maria Pawlowna, Choses remarquables. Journal 1805/08 (HSTA Weimar, HA A XXV Bl. 16)
Le samedi 12/24 may, Göthe a lû chez moi plusieurs romanpes de l'histoire du Cid, devant Valençe. Il y a de superbes choses de nouveau; Göthe nous faisoit remarquer combien chaque personnage se reste fidèle à soi même, de façon qu'on trouve que chacun a raison. Göthe disoit que c'étoit la plus grande preuve de la vérité de cette constanpe de caractère. Le morpeau ou le Cid fait une lepon de courage au nommé Martin Pélaez est charmant. Il y a une délicatesse extrême. Le passage ou le Cid envoye les chefs des villes ou châteaux qu'il a enlevés aux maures, au roi Alphonse, et l'arrivée et le discours de ses envoyés à la cour du roi est très remarquable. Entr'autre Göthe disoit, après nous avoir lû le passage ou Alvar Fanez rapporte au roi d'une manière forte et prononpée, sans le moindre déguisement, les propres paroles du Cid; combien l'habileté du poète étoit grande puisque il s'étoit simplement contenté de nous laisser pâmer [?] ce que disoit Antoine Linez aussi envoyé par le Cid, annonpé comme doué de l'eloquenpe et de la persuasion dans ses paroles, et qui devoit parler au roi Alphonse, 24. 5.
Maria Pawlowna an Maria Feodorowna 24. 5. 1806 (HSTA Weimar, HA A XXV R 154, 90) Mon . . . mari . . . a même grande envie d'aller au spectable, où j'irai aussi par déférenpe pour Göthe dont c'est la Pièçe [Stella],
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1806
Weimar après que le discours brutal d'Alvar Fanez avoit été terminé. Un poète moins habile auroit aussi rapporté le discours d'Antoine Linez, mais de combien l'effet n'en auroit-il pas été diminué? —
27. 5.
Tagebuch 27. 5. 1806 (WA III 3, 129)
Abends bey Wolzogen. vor 28. 5. Α. Oehlenschläger an die Direktion des Kgl. Theaters in Kopenhagen 28. 5. 1806 (Paludan - Preisz — Borup I 2, 11)
Jeg har oversat dette Sörgespil [Hakon Jarl] paa tydsk; fiere af Tydsklands udmasrkede Lserde og Kunsterfarne have eenstemmig bifaldet det, og dets almindeligerkiendte störste Digter, Hans Excellenz Herr Geheimeraad von Goethe har tilbudt sig at opföre det paa Theatret i Weimar, nässte Saison. [Ubersetzung:] Ich habe diese Tragödie [Hakon Jarl] ins Deutsche übersetzt; mehrere von Deutschlands ausgezeichneten Gelehrten und Kunstkennern haben dem Stück einstimmig Beifall gegeben, und der allgemeinbekannte größte Dichter, Seine Exzellenz Herr Geheimrat von Goethe, hat sich angeboten, es im Theater in Weimar in der nächsten Spielzeit aufzuführen. 28. 5.
Tagebuch 28. 5. 1806 (WA III 3, 129)
Vortrag
Dr. Ratsky von Danzig
Abends Wieland.
Charlotte v. Schiller, Aufzeichnung nach Goethes Vorträgen (GSA, Schiller 1663)
Die Säure entwickelt sich in Pflanzen durch die Wärme, daher die Kohle entsteht wenn das Holz verbrannt ist, u. wo Säure wirckt entsteht die schwarze Farbe. Alle weissen Körper haben eine Neigung gelb zu werden, u. die wirckung des lichtes lässt das weiss verschwinden nach u nach. Sobald sich Eisentheile mischen können entsteht roth gelb. In den Erdarten ist es sichtbar. Quecksilber mit Schwefelsäure giebt das schönste Zinober roth. Alle dunklen Erdarten streben nach Helle, u. werden nach u. nach so viel wie es nur möglich ist, weiß. Die weissen werden durch Metall, wodurch sich die Säure wircksam zeigt wieder zum dunkeln sich neigen. Es ist recht merkwürdig die chemischen Farben vor den Augen entstehen zu sehen, wie die physischen, was dort das Licht thut, u. die Brechung der Lichtstralen, thut hier das Oxigen, wenn man Schweifsaure in distillirtes Wasser giebt, das alle groben Stoffe verdunstet hat, so entsteht ein Farbloses wasser giesst man Vitriol Säure hinzu, so entsteht Gelb, u. Alkali so entsteht die dunkel blaue Farbe, u. wenn man alsdenn wieder Essig hinzugiesst, so entsteht wieder Lilla, 27. 5. (?)
F. M. Klinger an W. v. Wolzogen 27. 4. 1806 a. St. (HSTA Weimar, HA C W 8) Grüßen Sie aufs freundlichste Herrn von Goethe.
28. 5.
Vgl. Goethes Stichworte zum Physikalischen Vortrag in der Mittwochsgesellschaft LA I 3, 513.
50
1806
Weimar von Lilla zu roth in gradationen; durch mehr oder weniger Tropfen u. vom Roth in das Gelb, so decomponiren sich die Farben vom dunkel zu helle sichtbar vor unsern Augen. Das mehr oder weniger Oxigen, spielt wieder seine Rolle, wie das Plus u. Minus, in der Elektricität, u. Magnetismus, u. Galvanismus, u. im Licht, u. Dunkel. Durch verdichtetes Weiß entsteht das Gelb u. Rothe, Durch verdüntes Schwarz, das Blau, u. Rothe wenn das Gelb sich anfängt zu mischen. Alle Grund Farbe des Blauen ist Schwarz, nur die trüben weißen Mittel machen den Grundton dunkler oder heller. Alle Grund Farbe des Gelben, ist weiß, nur das verdichtete, oder dünnere weiß macht das Gelbe, oder Roth erscheinen. Caroline v. Wolzogen, Aufzeichnung nach Goethes Vorträgen (Boerner S. 5)
Vielstreifige Scheiben, die im Drehen nur die Farbe die das Auge fodert zeigt. Mischung aller Farben erzeugt das Grau. Proffesor [K. B. Mollweide, 12. 7. 1802] Wollte die Zöglinge sollten weiß statt grau sehen. Der Zinck Pol / Südpol / verändert wie Säure die Farben. Eine Lackmuß Tincktur wurde roth. Verbrennt Gold Blättchen. Das Quecksilber sollte sich occidieren mit Schwarzen Ansatz überziehen — gerieth nicht. — Das Quecksilber zwischen die zwei Drähte der Säule angebracht, Pulsiert — Nach Ritters Beobachtungen 360, Schläge während den Laufe des Tages. Alle 6 Stunden ein mal am stärksten dann im Abnehmen. Maria Pawlowna, Choses remarquables. Journal 1805/08 (HSTA Weimar, HA A X X V Bl. 11)
Le mércredi 18/30 may [vielmehr: 16/28 may], Göthe nous a expliqué comment les anpiens teignoient en pourpre, c'est le jus d'un coquilage, qui a lui même une si belle teinte. La pourpre des anpiens n'est pas ce que nous regardons à présent comme telle; leur couleur est un espèpe de violet fonpé approchant du noir. Dans la suite et du tems du bas Empire, il ne fut plus permis qu'aux empereurs de la porter; et comme, disoit Göthe, il n'y avoit pas beaucoup d'empereurs, l'art de la teinture en pourpre tomba en décadenpe. Mr. de Riedésel, connu par ses voyages, en parcourant l'Italie, trouva aux environs de Tarente je crois, une collection de coquillages, qui lui parût être ceux dont les anpiens se servirent pour teindre en pourpre. Le savant Réaumur trouva en Franpe, sur les bords de la mer un coquillage qui lui parût aussi être du même genre; ce dernier avoit commenpé par teindre la mousseline blanche en jaune, et à l'air cette couleur jaune se transforma en pourpre. Göthe nous a démontré que le blanc n'est point un faispeau des autres couleurs réunies, comme on l'a prétendu, et il nous l'a prouvé par une de ces petites roues de couleurs qu'on fait tourner fort vite, on appelle ces roues en allemand [Schwungrad] Quand la machine est en mouvement alors l'oeil n'apperpoit plus qu'une couleur grise généralement répandue partout ou brilloient les couleurs quand la roue étoit en tranquilité: cette couleur grise se détache parfaitement du cercle blanc 51
1806
Weimar qui se trouve autour du centre au pivot de la roue, et qu'on semble avoir rendu tel à dessein. Göthe nous racontoit à ce sujet une drôle d'anecdote, il disoit qu'entrant un jour [12. 7. 1802] dans une pension ou maison d'éducation, le maitre [Κ. Β. Mollweide] qui y enseignoit la physique lui dit qu'il savoit que lui, Göthe, nioit dans sa théorie des couleurs, que le blanc est un faispeau des autres couleurs: Göthe répondit qu'en effet il étoit d'un autre avis, mais que le maitre devoit seulement lui prouver, qu'il étoit en déffaut. Alors le maitre de physique alla chercher sa roue de couleur et la faisant tourner, il appela un des enfans de sa classe, encore tout jeune, et lui demanda quelle couleur il voyoit? L'enfant répondit, du gris; le maitre se fâche et dit: as-tu donc déjà oublié ce que je t'avois appris?
29. 5.
Tagebuch 29. 5. 1806 (WA III 3, 129)
Abends Probe von Egmont. 30. 5.
Tagebuch 30. 5. 1806 (WA III 3, 129)
Auf der Bibliothec mit den Damen. Maria Pawlowna, Choses remarquables. Journal 1805/08 (HSTA Weimar, HA A X X V Bl. 20)
Vû à la bibliothèque if i, le vendredi, 30/18 may, plusieurs coupes en ivoire, très bien sculptées et travaillées, Göthe croyoit qu'elles etoient du lóième siècle: vû le couteau, cuiller et fourchette du duc Guilleaume de Weimar. Dans le cuiller il y a une pierre qui change de couleur lorsqu'elle rencontre du poison. 31. 5.
Tagebuch 31. 5. 1806 (WA III 3, 129)
Bey der Erbprinzeß
Schluß des Cids. Frommanns und Oelenschläger.
Maria Pawlowna, Choses remarquables. Journal 1805/08 (HSTA Weimar, HA A X X V Bl. 16)
Göthe, a lû chez moi le samedi 19/31 may la fin de l'histoire du Cid, renfermant dans le morpeau lû ce jour là, son victoire à Valenpe, l'abbandon de ses filles par leurs époux, les derniers momens du Cid, et sa mort. Ses derniers instans sont admirables, nous étions tous émus et Göthe encore plus. Il disoit que ce qui le touchoit si fort, étoit l'espèce de gaïté, de sérénité ou d'aménité que l'auteur avoit fait régner dans le répit de momen, qui ont pour l'ordinaire une expression si lugubre et triste. Quand le Cid demande à voir son fidèle Babièpa, son cheval, son campagnon fidele, on ne peut pas rendre ce qu'on éprouve. Göthe parloit de son voyage en Sipile, du séjour qu'il avoit fait à Catane, à Palerme, et du bâtiment mauresque qui se trouve à Palerme; il est unique dans toute l'Italie. Je lui demandoi s'il avoit aussi été à Messine, il me dit qu'oui, mais que la ville étoit absolument détruite par le tremblement de terre de 1783. Il ajouta, que la manière de bâtir étoit une des principales causes pourquoi les bâtimens avoient tant souffert, et que la preuve en étoit en ce que les murs éxterrieurs et prinpipalement le devant des maisons s'étoient soutenus tandis que tout ce qui se trouvoit derrière ce premier mûr étoit bouleversé. Il faut qu'on se soit servi d'une autre manière de construire pour la profondeur des 52
1806
Weimar maisons que celle qu'on employe ordinairement. Göthe disoit que quelqu'un avoit eu au sujet des tremblemens de terre une idée qui lui avoit beaucoup plû: on sait que l'electripité entre beaucoup dans ces secousses, la personne dont il s'agit a supposé que le tremblement de terre produit sur plusieurs objets, comme sur la chaux des maisons par exemple, sur le ciment, une cessation de continuité: c'est un absorbant, il fait disparoitre la force intrinsèque de l'objet, c'est ce qui produit le bouleversement. Ungenannt, Weimarisches Hoftheater (Zeitg. f. d. elegante Welt 19. 6. 1806, Sp. 589)
Sonnabend den 31 sten May zum ersten Mal Egmont, von Göthe . . . Die Aufführung im Ganzen ging vortreflich. Mad. Becker als Klärchen löste die selbst für den Dichter dießmal so schwierige Aufgabe, Heroismus und Naivität in einer Person zu vereinigen, bis zur Bewunderung; besonders im letzten A k t . . . Graf zeichnete mit echt tragischem Talent den Herzog Alba durch eine große und kräftige Mimik, ohne daß sein Spiel darüber . . . zu Grimasse wurde. Man sah es wohl, daß er bei einem großen Meister in die Schule gegangen war . . . Die komischen Partien des Stücks wurden nicht minder gut exekutirt. Alle, die bei den Proben gewesen, versichern, daß Göthe selbst die Volksszenen unvergleichlich und über allen Ausdruck schön deklamiren und nüanciren soll. Hr. Unzelmann als Schneider Jetter und Hr. Becker als Schreiber Vansen entwickelten im Kontrast schneiderhafter Duldsamkeit mit revoluzionärer Beweglichkeit, durch ihr Spiel die frappantesten und belustigendsten Gegensätze. K. Eberwein, Goethe als Theaterdirektor (Europa 1856, Sp. 477)
B 2 1770 B 3 1280 a 4454
Ein ander Mal sollte Egmont, nach Schillers Einrichtung für die Bühne, gegeben werden. Der Meister war behindert, den ersten Proben davon beizuwohnen. Dem Regisseur Genast blieb die Leitung derselben überlassen. Die Schauspieler beklagten sich im Stillen, daß sie noch nicht wüßten, wie sie die Volksscene, wodurch die Tragödie eingeleitet wird, im Sinne des Dichters darstellen sollten. Endlich erscheint Goethe in der Probe. Als er das Gewirre sah, worin die Schauspieler sich nothdürftig bewegten, rief er: „Halt!" ging auf die Bühne und ordnete die Stellung der zunächst Beschäftigten. Damit die Scene an Abwechselung gewinne, ließ er den Seifensieder von der linken Seite her auftreten, und sich an einen Tisch setzen, der besonders für ihn servirt wurde. Vansen hingegen erhielt die Weisung, aus dem Hintergrunde aufzutreten. Da merkte man es deutlich wie durch diese kunstgemäße Gruppirung den Schauspielern das Verständniß aufging und nun Sicherheit in ihre Leistungen kam. In der Scene zwischen Herzog Alba (Graff) und Egmont (Oels) [?] bemerkte Goethe: „Lieber Graff, Ihre Gesticulationen wären ganz gut, wenn sie dabei nicht das Gesicht verdeckten, das man nur in besonderen Fällen dem Zuschauer verbergen soll. Spielen Sie statt mit dem rechten Arme mit dem linken; so bleibt ihr Gesicht frei und Ihre Mimik geht dem Publicum nicht verloren. Auch ist es angemessener, die Worte, welche Alba an Egmont, der zu seiner Linken steht, richtet, mit der linken Hand vorzugsweise zu unterstützen!" Graff verneigte sich und sagte: „Sehr wohl, Excellenz!" — und des Meisters Wink war ihm Gesetz. 53
Weimar
1806
Die Goethianer erhoben die Arme nicht höher, als daß die Hände mit den Augen parallel Linien bildeten. Mai (?)
Maria Pawlowna, Choses remarquables. Journal 1805/08 (HSTA Weimar HA A XXV Bl. 16)
Göthe disoit à un déjeuner chez moi, le mércredi, ou l'on sert ordinairement de cette patisserie qu'on appelle Krapfel, que dans le tems qu'il étudioit à Leipzig, il se souvenoit que ces mêmes Krapfel, qu'un boulanger de voisinage faisoit très bien, lui avoient fait manquer un cours de philosophie, je crois, mais enfin un de ses cours d'études: il a ajouté, qu'il se l'étoit notée, parce que cela l'avoit tant frappé. — 1. 6.
Tagebuch 1. 6. 1806 (WA III 3, 129)
Bey Jagemann
Frommanns und Oelenschläger
Prof Meyer. Augusteum.
31. 5./
C. F. E. Frommann an J. D. Gries 16. 7. 1806 (GSA, Frommann 47, 3)
^ 6'
Den 31/V. u. 1/VI waren wir also in Weimar bey G. wie ich Ihnen schon voraussagte. Die Vorstellung des Egmont war eine der gelungensten im g a n z e n , soviel auch im einzelnen besonders am E g m o n t , (Haide) zu wünschen übrig blieb, den nur Klärchen (die Wolf) in der köstlichen Szene, durch ihr leichtes, heitres Spiel etwas schlanker machte. Aber fast alle Volksscenen gingen rasch und gut, besonders durch Beckers (Vansen) charakteristisches Spiel. Außer Klärchen, Vansen war auch Brakenburg (Oels) sehr gut, die Erscheinung von großer Wirkung und das ganze wie gesagt von einem Effect wie ich ihn vorher kaum mir dachte. Die Regentin u. Machiavell fehlten und wurden bey der Vorstellung wenigstens nicht vermist. Das Spiel war rasch u. wir waren vor 9 Uhr wieder bey G. dieser war, besonders beyde Mittage sehr heiter und öfter ganz geistvoll mittheilend, die Gesellschaft ward auch belebt durch den Dänen Oehlenschlaeger, der seit einem halben Jahre wo er mit Steffens, Schleiermacher und in Berlin gelebt, große Fortschritte im Deutschen gemacht, so daß selbst seine deutschen Gedichte nur durch kleine grammatikalische Fehler und einzelne Worte den Ausländer bezeichnen. Sonst eine köstliche Natur, voller Leben und Feuer, kräftig und brav, hinlänglich eitel, doch mehr stolz und nicht ohne Grund, aber in freundschaftlicher Geselligkeit höchst angenehm und intressant. Wie oft haben wir Sie zu uns gewünscht wie er hier und fast täglich bey uns war. Als Dichter voll Gemüth und Phantasie, und in der Anlage und Composition sehr verständig und besonnen. G. schäzt ihn sehr, stellt ihn schon izt auf eine sehr bedeutende Stelle und hegt große Hofnungen von ihm bey seinem unverkennbaren Genie und weiterer Ausbildung seiner Talente.
25. 4./
An Zelter 2. 6. 1806 (WA IV 19, 132)
2 6
' '
Auch haben wir einen angenehmen und hoffnungsvollen jungen Mann bey uns, einen Doctor Oehlenschläger aus Kopenhagen, den Sie vielleicht in Berlin ge-
31. 5./ 1.6.
C. F. E. Frommann an J. D. Gries 28. 5. 1806 (GSA, Frommann 47, 3) Sonnabend wird in Weimar Egmont gegeben und wir werden wahrscheinlich Sonnabend u. Sonntag bey G'e zubringen.
54
1806
Weimar sehen haben. Er besitzt ein unverkennbares poetisches Talent und wird auch für uns Deutsche, da er unsre Sprache zu bemeistern sucht, manches Angenehme hervorbringen.
vor 3. 6.
Chr. G. Voigt d. j. an A. W. Schlegel 3. 6. 1806 (Körner 3 1, 336)
B 3 2234
Göthe ist im Begriff nach Carlsbad zu gehen, um sein Uebel im Unterleib zu vertreiben, was seit einiger Zeit oft wiederkam, und gefährlich zu werden drohte. Er freut sich Ihres Andenkens und emphielt sich Ihnen. 4. 6.
Tagebuch 4. 6. 1806 (WA III 3, 130)
Vortrag
Chem. Farben
Mittheilung bis zu Ende.
Charlotte v. Schiller, Aufzeichnung nach Goethes Vorträgen (GSA, Schiller 1663)
Alle Farbe ist ein dunkler Gegenstand, und mehr oder weniger Licht macht hell oder dunkle Farben, entstehen. Eine weisse Unterlage unter Farbschichten macht hell, eine dunkle Unterlage dunkle Unterlagen entstehen. Aus weiß u. Schwarz, entsteht Blau, wie am Himmel, der Grund ist Schwar2e u. das verdichtete Licht, oder weiß, lässt dem Aether blau erscheinen, kömmt das gelbe Licht der Sonne hinzu, so entstehen gelbe Wolcken verdichtet sich das Gelb, so entsteht roth. — Es giebt Farben die durch Licht, u. Nichtlicht entstehen. Es giebt Farben, die durch den Wiederschein der andern entstehen im Auge, u. physische Farben heissen. Und giebt Metallische Farben, die durch Metallglanz entstehen wo die Säure wircken kann im Eisen u. Licht u. Luft sind in der Pflanze zur entstehung der grünen Pflanze nöthig, ohne Licht u. Luft, haben die Blätter u. Stengel weiße Farbe, an der Luft verdünnen sich die Säfte, u die Sonne, die, die Wärme entwickelt, entwickelt das Sauersame, oder Waßersame, u. man kann sich denken, wie die Farben der Blumen entstehen. Nach G. ist mir daraus klar geworden daß die Farben der Pflanzen Körper nicht in den innern bestandtheilen liegen, wie Keime liegen die Formen der Gestalten, und wenn der Keim entwickelt ist, dann wircken Luft u. Sonne, um die chemischen Bestandtheile zu entwickeln. Im Apfel als einem Körper der mehr Sauerstoff in sich hat, entwickelt die Sonnenwärme ganz anschaulich, die Farbe, die Gelbe Farbe des Apfels wird so durch die Sonne allmählig verdichtet, daß auf der Oberfläche der Schaale, das Roth entsteht, u. so wie die Apfel nach der Sonne gerichtet sind, erhalten sie ihre Röthen. Die Färbkunst ist eine der ältsten beym Menschen Geschlecht. Die ersten Spuren davon hat man in der Aeltern Geschichte, bey den Phöniziern, Egyptern, u. s. f. Es giebt Pflanzen, die im Wasser stehen, u. deren Sprossen immer auf einander verfaulen, durch die Fäulung, in der die Säure wirckend ist, entsteht die Farbe, u. zuerst ist man durch diese Pflanzen Farbe wohl auf die Idee gekommen, die Körper die keine Farbe hatten damit zu bedecken 55
1806
Weimar Je verfeinerter die Zeit wurde, je mehr vervollkommnete man diese Kunst, u. die Wahl der Stoffe trug nicht wenig, zu der schönen Erscheinung der Farben bey. — Die vögel sind am nähsten den Farben nach mit den Blumen verwandt, nach den Inseckten, haben sie die buntesten Farben in der Organischen Welt. Es sind die selben Bedingungen unter denen sich die Farben bilden, u. fixiren als wie bey den Pflanzen. Luft u. Licht, entwickeln auch da die chemischen Bestandt e i l e mehr oder weniger. Je höher die Organisation steigt, je mehr verschwinden die Farbigten Erscheinungen, die vierfüssigen Thiere, haben wohl gefärbte Haare, aber sie spielen alle meist in einer Hauptfarbe. — Es giebt auch keine der entscheidenden Farben, blond, gelb, nicht wie in den Pflanzen, u. Federn. In der Menschlichen Haut, spielen alle Farben aber es sind keine Elementar Farben, die Epidermen überdecken sie mit weiß, u. keine Hauptfarbe erscheint sichtbar. — Die Ungebildeten Völcker streben am meisten nach bunten Farben, u. daher bemahlen sie ihre Gestalt um den Thieren nachzuahmen. — Die Menschliche ist die vollkommenste Organisation die es giebt, weil wir selbst es sind, können wir die Organisation nicht übersehen, u. nur kleinere Organisationen fassen, die zusammen erst eine Menschliche ausmachen, wenn zum Beispiel keine Ameise wäre, so wäre auch keine Menschliche Organisation deutlich, denn um das Ganze zu vollenden ist alles Nothwendig. u. wäre das eine nicht da so wäre auch das andre nicht. Bemerkungen. Aus Schwefel, u. Quecksilber, besteht Zinober, dieses ist ein Beleg zu G. .s Theorie, daß aus verdichteten Gelb roth entsteht. — Bey den Pflanzen sind die Ramificationen am Tage, die Insekten gränzen durch den Polypen an die Pflanzen, u. man möchte sagen daß das thierische Leben da zuerst sichtbar wird. Die Federn der Vögel haben auch Stämme, aber keine Zweige, u. Aeste, sie sind mehr Einzeln zusammen gereihte Stengel, aber sie verflechten sich nicht in einander. Die große Kette der Natur, enthüllt immer mehr unsern Blick die zarten Gelenke durch die das Ganz in einander verschränkt ist. Je sorgfältiger wir uns die Natur zu deuten suchen. Maria Pawlowna, Choses remarquables. Journal 1805/08 (HSTA Weimar, HA A XXV Bl. 14)
Le mércredi 23 may/4 juin, Göthe, continuant à nous parler sur l'origine des couleurs nous disoit, que non seulement toute couleur étoit plus obscure que le blanc, mais encore qu'il falloit qu'il y eut de la lumière, du jour enfin, pour faire paroitre la couleur. Il nous a prouvé pepi de diverses manières, par des morceaux de lame, etc. par le vin rouge, etc. Ensuite il nous a fait remarquer les couleurs appelées p h i s i o l o g i q u e s (j'ignore d'où vient ce nom) qui paraissent au bord, von einer vollgesätigten Farbe; entr'autre il a avancé les prismes de verre, comme éxemple, dans laquel comme on sait, les couleurs paraissent autour ou auprès des objets: il nous a dit que souvent le jour et la lumière étoient népessaires
56
1806
Weimar pour colorer les objets, témoins les plumes de plusieurs oiseaux, des harras, des lorys, par éxemple: quand on souffle sur leur poitrines, l'endroit ou les plumes s'écartent et qui est celui ou elles sont attachées à la peau, est infiniment moins coloré que le reste des plumes qui sont toujours présentées à l'air: là, il me paroit que pour s'assurer de la chose il faudroit laisser pendant longtems quelques plumes à l'air, et voir ensuite si l'endroit ou ont elles ont tenu anciennement à la peau, se colore aussi fortement que le reste. Göthe nous a parlé de cet éclat métallique qui couvre les plumes, plusieurs autres objets, comme la fayanpe quelquefois, au point qu'on ne distingue pas la couleur qui se trouve au dessous de cet éclat métallique: le rouge, appelé de Madrid nous en fournit la preuve. —
4. 6 (?)
Caroline v. Wolzogen, Aufzeichnung nach Goethes Vorträgen (Boerner S. 3)
Göthe hat bemerckt, daß wenn man Wasser stehen läßt, so erzeugen sich Converven u. grüne Wasserpflanzen wenn das Wasser am Licht steht, steht es im Dunckeln so entstehen kleine Thiere. Die Animalische Natur scheint sich in der Dunckelheit zu bilden, u. die Vegetabilische scheint ein Geschöpf des Lichtes. Statt des langen Streits über die höchsten Glieder des Vegetabilischen u. denen des Animalischen stellt sich G. vor, daß die beiden untersten Enden u. nietrigsten Gattungen — des Pflanzen u. Thierreichs zusammenhängen — u. gleichsam nach beiden Seiten ihre höhern Zweige fortbilden — zum Menschen, vielleicht bis zum Eichbaum. Göthe meint — das auseinander Stehen der Augen habe ein bestimmtes Verhältnis am Menschen, unter dem grenze es ans Thierische, sinnliche — Bei allen Thieren stehen sie zu weit auseinander u. sind dadurch unter den Verhältnis — Bei den Affen ist das richtige Verhältnis übersprungen — u. die Augen stehen zu Nahe an einander. Gedancke eines Römischen Classickers den G. beistimmt. Bei dem Vollkomenen kann man nicht still stehen. vor 6. 6.
Henriette v. Knebel an Knebel 7. 6. 1806 (Düntzer 4 S. 249)
B 3 2235
Dann ist . . . gestern Herr Jagemann bei mir gewesen, und läßt Dich bitten zu kommen, da er just jetzt Zeit hätte, und so sehr wünschte, Dein Bild machen zu dürfen. Nur wenige Stunden dürften dazu erforderlich sein. Goethe hätte ihm auch davon gesagt, und er wünschte, daß es noch bei dessen Hiersein könnte angefangen werden. J. D. Gries an C. F. E. Frommann 6. 6. 1806 (GSA, Frommann 33, 4)
Seebeck schreibt mir von einem neuen Anfall, den Göthe gehabt hat. Wenn das so fortgeht, so fürchte ich sehr, ich werde ihn nicht Wiedersehen. Ich habe keinen Abschied von ihm genommen, es war mir schlechterdings unmöglich. Wenn Sie ihn sehen, versichern Sie ihn meiner herzlichsten Verehrung. Es gehört zu dem Härtesten, was ich im Leben erfahren habe, daß das Schicksal mich diesem Einzigen so nahe brachte und mir zugleich die Möglichkeit benahm, seines Umgangs zu genießen. Ich mag gar nicht daran denken. 57
Weimar
1806 7. 6.
Tagebuch 7. 6. 1806 (WA III 3, 130)
Mittag C. M. Reichart
Troubadour.
H. Meyer (*JbGG 3, 212; GSA, Meyer 109)
B 3 2236
7. Jun 1806. Einsiedels Bekantschaft im Bade. Goethe bemerkte vom Advokat Strampel es sey Fehlerhaft diesem Würdigkeit zu geben und ihn zugleich zur lustigen Person im Stück zu machen und dabey noch das Deforme in der Gestalt zuzuschreiben. Nichts werde zur Erscheinung gebracht sondern bloß erzählt was geschehen ist und was geschehen soll. Die Alten wären auch hierin zum Muster zu nehmen wen sie den Parasiten verfratzten so sey derselbe nichts anders als der Parasite bloß der über welchen gelacht wird, wen er hingegen wie hier würdiges thue od. ausspreche so belache nachher das Lächerl. niemand mehr. 7. 6. (?)
A. Oehlenschläger an Christiane Heger 16. 7. 1806 (Paludan - Preisz - Borup I 2, 39)
Engang da vi var aliene sammen og nylig begge havde indignerei os over en falsk Hofmand der spiller freier deutscher Mann (Reichardt), var det mig umuligt andet end at falde Goethe om Halsen og kysse ham, hvilket han hiertelig giengieldte og sagde med Varme: »Lieber Däne! Ihr meint's auch treu und gut in der Welt!« Han siger gierne Ihr naar han i fortrolig Munterhed taler med Folk han holder af. — Voss fortalte mig, at da de engang kom paa Tale om mig havde Goethe med unsœdvanlig Varme og Venlighed sagt: »O das ist mir ein herzlieber Junge!« . . . Jeg skrev ham [Reichardt] et Brev til, hvor dierve Sandheder blev sagt; fra den Tid har han vœret yderst gallant; hvilket han isasr blev da han kom til Weimar og hörte Goethes Ideer om mig. Riemer, som er hos Goethe har fortalt at han spurgte saa flint om mig, at man ligesaa gierne künde tage hans Mening om mig for slet, som for god; da nu Goethe fortalte ham strax at han 1 senge ikke havde truffet et Menneske med saameget Genie som jeg og at han holdt mig for den Bedste af de nulevende Digiere (formodentlig har han ikke meent sig selv med) saa blev Manden endnu elskv£erdiger[e]. [Ubersetzung:] Einmal als wir alleine zusammen waren und uns beide jüngst über einen falschen Höfling, der den freien deutschen Mann spielt (Reichardt), entrüsteten, war es mir unmöglich, anderes zu tun, als Goethe um den Hals zu fallen und ihn zu küssen, welches er herzlich erwiderte und mit Wärme sagte: „Lieber Däne! Ihr meint's auch treu und gut in der Welt!" Er sagt gerne Ihr, wenn er in vertraulicher Heiterkeit mit Leuten spricht, die er mag. Voss erzählte mir, daß, als sie einmal auf mich zu sprechen kamen, Goethe mit ungewöhnlicher Wärme und Freundlichkeit gesagt hatte: „O das ist mir ein herzlieber Junge!" . . . Ich schrieb ihm [Reichardt] einen Brief, in dem derbe Wahrheiten gesagt wurden; seitdem war er äußerst galant; was er besonders wurde, als er nach Weimar kam und Goethes Meinung über mich hörte. Riemer, der bei 58
1806
Weimar Goethe ist, hat erzählt, daß er so geschickt nach mir fragte, daß man seine Meinung über mich ebensogut für schlecht wie für gut halten könne; als nun Goethe ihm gleich erzählte, daß er lange keinen Menschen mit so viel Genie wie mich getroffen hätte, und daß er mich für den Besten der jetzt lebenden Dichter hielt (vermutlich hat er sich selbst nicht mitgemeint), da wurde der Mann noch liebenswürdiger. A. Oehlenschläger, Selbstbiographie (Oehlenschläger 1 2, 29)
B 2 867 B 3 2241
Einmal bei Tische sprach er [Goethe] so feurig, und mit so vieler Achtung und Kraft für Bürgerrecht und Bürgerehre gegen einen kalten Hofmann, der zur Unzeit über das wackere Betragen eines Bürgers spotten wollte, daß ich es nicht lassen konnte, als der Fremde weg war, ihm um den Hals zu fallen und ihn zu küssen. „Ja, ja, lieber Däne," — sagte Göthe — „Ihr meint's auch treu und gut in der Welt!" A. Oehlenschläger, Selbstbiographie (Oehlenschläger 1 2, 26)
B 2 867 B 3 2239
Einen Mann, der mich in Berlin gekannt hatte, und nach Weimar kam [Reichardt], fragte Göthe: „Kennen Sie etwas von Oehlenschläger?" — „Nein," war die Antwort, — „aufrichtig, ich mag die deutsche Sprache nicht radebrechen hören." — „Und ich," antwortete Göthe mit imposantem Gefühle, „mag die deutsche Sprache s e h r g e r n in einem poetischen Gemüthe entstehen sehen!" vor 9. 6.
Chr. G. Voigt an S. F. L. v. Franckenberg 6. 6. 1806 (HSTA Weimar, I 364)
Ich bin doch recht unglücklich mit meiner Collegenschaft. . . Göthe schwingt sich über das Terrestrische und braucht seinen perpetuirlichen Urlaub zu Arbeiten und Unterhaltung seines eignen Geistes. Jena 9. 6.
J. D. Färber, Kalender 9. 6. 1806 (UB Jena, Nachl. Martin q 20)
Nachmittag V* 3 Uhr sind Ihro Durchl. Herzog und dH Graff ν Löwenstern, dH Geh.rath ν Göthe nebst Hofmeister ein logirt haben hier gespeist dato wieder nach Weimar 8 Uhr Abends dH Geh.rath ist dageblieben. Tagebuch 9. 6. 1806 (WA III 3, 130)
Zu Mittage Serenissimus. 10. 6.
J. D. Färber, Kalender 10. 6. 1806 (UB Jena, Nachl. Martin q 20)
Sind dH Geh.rath ν Göthe nebst Hofmeister wieder nach Weimar gereist. 9. 6.
Jena Carl August an Goethe 8. 6. 1806 (Wahl 1 1, 342) Der J[uris] C[onsul]tos Hortleder mit Familie, und Personen aus der Zeit des Churfürsten J[ohann] Friedrich liegen darinnen [in der Jenaer Johannes Kapelle]. Die Gewölber werden wohl mit abgerissen, und da kömmt mann auf die alten Leichen und findet vieleicht Sachen, die auf die Jenaische Manier verhunzt werden. Ich will morgen Mittag um 12 drüben seyn . . . Nach Tisch wollen wir die Reliquien und was aufzuheben nütze wäre, ansehn. Gehst du früh hinüber, so könntest du wohl bestellen, daß die Gewölber vor meiner Ankunft geöfnet würden.
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Weimar
1806
Weimar Knebel, Tagebuch 10. 6. 1806 (GSA, Nachlaß Knebel)
Bei Göthe Mittags mit Karl. Um 4. Uhr nach Tiefurt. 11. 6.
Tagebuch 11. 6. 1806 (WA III 3, 130)
Vortrag Farbenlehre geendigt. Gen. Ltnt Pistor Aladdin 5. Act 1. Hälfte. Mit Falck im Park.
Reichardt und Oelenschläger
Maria Pawlowna, Choses remarquables. Journal 1805/08 (HSTA Weimar, HA A XXV Bl. 14)
Mércredi: 30/11 May/Juin: Göthe nous parlant pour la dernière fois des couleurs, nous a rappellé qu'elles étoient pour ainsi dire un intermédiaire entre le blanc et le noir; en parlant de l'effet qu'elles produisent et de l'influenpe qu'elles ont sur nous, il a pité une assez drôle d'anecdote que voici: « Monsieur (on ignore son nom, mais c'étoit un français) avoit remarqué que son t o n de c o n v e r s a t i o n avec mad. Ν. Ν. avoit changé, depuis que cette dernière avoit remeublé son appartement de bleu qu'il étoit, en cramoisi. » En parlant de la couleur bleue, il nous a fait remarquer que par sa tendanpe et son aproximation du noir, elle ne satisfaisoit pas autant notre ame, ou nos regards que le jaune, qui tenoit plus du brillant de la lumière. 12. 6.
Tagebuch 12. 6. 1806 (WA III 3, 130)
Bey Wolzogen. 14. 6.
Tagebuch 14. 6. 1806 (WA III 3, 130)
Reg. R. Voigt
G. R. Voigt
Oelenschläger Stammb. Prof Meyer.
A. Oehlenschläger, Selbstbiographie (Oehlenschläger 1 2, 30)
B 2 867 B 3 2244
Als ich wegreiste, schrieb ich eine dänische Uebersetzung des Erlkönigliedes in's Stammbuch des jungen Göthe, und zum Schluß die deutschen Zeilen: „Erinnern Sie sich, wenn längst ich schied, Bei der Uebersetzung des Vaters Lied, Des Dichters vom Lande, wo Nacht und Wind Und Elf' und Schauder zu Hause sind. „In Weimar weht es schon mehr gelind, Gott segne den Vater mit seinem Kind!" „Ja, ja!" sagte Göthe, als er es gelesen hatte, mir freundlich in's Auge blickend und die Hand auf meine Schulter legend — „ I h r s e i d ein P o e t ! " In mein Stammbuch schrieb er: „Zum Andenken guter Stunden, dem Verfasser des Aladdin." 25. 4./ 14. 6.
B 2 868 B 3 2247
Riemer, Mittheilungen 1, 415 ,v, „ . , . T _„ ,
Wie G. sich die Insolenz des wandernden Antiquarius [Martin Friedrich Arendt] hatte gefallen lassen, so ertrug er auch andere Unarten des freilich schönen und
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1806
Weimar liebenswürdigen Oehlenschläger, der sich überdieß damals als angehender aber vielversprechender Dichter empfahl. Beinah ein halbes Jahr hielt er sich in Weimar und Jena abwechselnd auf, und war häufiger Tischgenosse G's. und in allen Weimarischen und Jenaischen Zirkeln gern gesehen. Jetzt nur von seiner sonderbaren Angewöhnung zu reden, so hatte er — wohl kann man sagen — die Wuth, unversehens ein halbdutzendmal hinter einander mit allen fünf Fingern schlenkernd so zu knacken, daß man darüber erschrack, irgend eine Verletzung fürchtend, ja sie beinah an sich zu empfinden glaubend. G. sagte eine Zeitlang Nichts dazu; als sich aber die Sache zu oft repetirte, bat er ihn, mit freundlicher Verwunderung über die seltsame Gymnastik, in seinem treuherzigen und familiären Tone: „Thut mir das nicht zu Leide," oder: „laßt mir das unterwegs, Ihr wißt, daß es mir fatal ist" und dergleichen. Die Vermahnung hielt freilich nicht lange vor, und zwischendurch entwischte doch wieder ein halber Knick oder Knack, der dann gutmüthig überhört wurde. G. wußte nun zwar uns Andern dieses gefahrlich klingende Manöver physiologisch und osteologisch zu erklären; es hörte aber doch nicht auf uns, wonicht zu erschrecken, doch zu irritiren, bis wir es gewohnt waren. A. Oehlenschläger, Selbstbiographie (Oehlenschläger 1 2, 26)
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Auch Göthe, obschon er sich in einer gewissen Steifheit und Zurückgezogenheit mitunter gefiel, war immer gut und wirkt in seinen vortrefflichen Werken immer auf's Herz . . . Darum freute es mich auch sehr, wenn Schleiermacher von ihm sagte: „Der Göthe ist doch eigentlich eine gute Haut!" Er empfing mich väterlich, ich aß oft bei ihm, und ich mußte ihm meinen ganzen Aladdin und Hakon Jarl aus dem Stegreif deutsch vorlesen. D a machte ich mich denn vieler Dänismen schuldig; er verwarf sie aber nicht alle; er meinte, die beiden verwandten Sprachen, aus einer Wurzel entsprungen, könnten einander mitunter mit guten Worten schwesterliche Geschenke machen. „Hm, das ist hübsch!" sagte er mitunter, wenn ich etwas vorlas. „Sagen Sie denn das so deutsch?" frug ich. „Nein, wir sagen es nicht, könnten es aber sagen." — „Soll ich denn ein anderes Wort brauchen?" — „Nein, thun Sie das nicht." A. Oehlenschläger, Vorrede zu seiner Ubersetzung von Holbergs Lustspielen (Oehlenschläger 5 4, XII)
. . . Ich wage indeß hier die bescheidene Frage: ob nicht, so wie die dänische Sprache vieles aus der deutschen aufgenommen hat, vielleicht auch einige dänische Wendungen und Redensarten in der deutschen Sprache angewandt werden könnten? beide sind ja doch Zwillingstöchter von Einer Mutter. Weiß ich doch noch, was der große Göthe oft sagte, als ich meine ersten deutschen Versuche unter seinen Augen begann und ihm solche vorlas: „Hm! das ist hübsch!" „ „Sagen Sie denn das so im Deutschen?" " — „Nein, wir sagen es nicht, könnten es aber sagen." „ „Soll ich es denn ausstreichen?" " — „Nein, thun Sie das ja nicht!" A. Oehlenschläger, Meine Lebens-Erinnerungen (Oehlenschläger 2 2, 100)
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Ich sah zuweilen Falk bei Göthe. Eines Mittags hielt er uns eine lange Vorlesung und ich wunderte mich über die Geduld, mit der ihn Göthe angehört hatte. 61
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Weimar „Nun," entgegnete Göthe, „wenn ein Mensch so mit einer Tafel auf der Brust zu mir kommt, auf die er Alles geschrieben hat, was in ihm wohnt, so kann ich mich wohl einmal darein finden, zu lesen, was darauf steht." — Er war nicht immer so geduldig; es mußte auch Etwas auf der Tafel stehen. A. Oehlenschläger, Meine Lebens-Erinnerungen (Oehlenschläger 2 2, 57)
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Als ich meinen Aladdin zu schreiben anfing, und meiner Schwester und einigen andern guten Freunden die ersten Scenen vorlas, fand er keinen Beifall . . . So ging es mir auch hier bei Göthe mit dem Hakon Jarl. Aladdin hatten wir in kleinen Portionen zusammengelesen, und er hatte ihn aufmerksam gehört und aufgefaßt; Hakon Jarl las ich ihm auf ein Mal nach Tisch vor. Er verlor den Faden, der Gang des Stückes verwirrte ihn; und er äußerte nach beendigter Leetüre, daß Einiges in der Composition des Stückes geändert werden müsse . . . Göthe hatte mich gebeten, ihm den kurzen Inhalt des ganzen Stückes aufzuschreiben. Ich brachte ihm das Verlangte, und nachdem er es gelesen hatte, billigte er durchaus den Gang des Stückes und fand nichts daran auszusetzen . . . Göthe munterte mich selbst dazu auf, das Stück schriftlich zu übersetzen (denn ich hatte es bei ihm nur mündlich übersetzt), damit es in Weimar gespielt werden könne, was doch nicht geschah, da der Krieg dies verhinderte. A. Oehlenschläger, Meine Lebens-Erinnerungen (Oehlenschläger 2 2, 60)
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Er [Goethe] sagte gern „Ihr" in vertrauter Rede zu Leuten, die er lieb hatte. Joh. Heinr. Voß (der Jüngere) erzählte mir, daß Göthe, als einmal die Rede auf mich kam, mit ungewöhnlicher Wärme und Freundlichkeit gesagte habe: „O, das ist mir ein herzlieber Junge!" — Ich hätte kaum geglaubt, daß er nach der Trennung so bald sein Herz von mir wenden würde. F. Schlegel an S. Boisserée 11. 1. 1807 (KAFS 29, 597)
Er [Oehlenschläger] ist wohlgestaltet und jung, auch von Goethe so gut in allem Heidentum unterrichtet worden, daß er uns großen Spaß macht. A. Oehlenschläger an Goethe 4. 9. 1808 (GJb 8, 13)
. . . so schreib ich doch diesen [Brief] ohne Zagen und Zittern; weis ich doch von Alters her daß Sie es mit meinen accusativen und dativen nicht so genau nehmen . . . Hat mein extemporirtes Stottern zum erstenmahl Ihnen gefallen, so weis ich . . . daß Sie mir zugestehen werden: ich habe Fortschritte in der deutschen Sprache gemacht, seitdem wir uns letzens sahen. A. Oehlenschläger an Christiane Heger 16. 7. 1806 (Paludan - Preisz - Borup I 2, 38)
. . . mit Ophold i Weimar. I bestandig Omgang med Goethe, Professor Voss, Dr. Riemer og en Dr: Martens, gik Dagene let og hurtigt — — Jeg kan uden Pral sige at Goethe fik mig bestandig kierere. [Ubersetzung:] . . . mein Aufenthalt in Weimar. In ständigem Umgang mit Goethe, Professor Voss, Dr. Riemer und einem Dr. Martens vergingen die Tage leicht 62
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Weimar und schnell — — Ich kann ohne zu prahlen sagen, daß Goethe mich zunehmend liebgewann. A. Oehlenschläger an H. C. 0 r s t e d 6. 12. 1807 (Paludan - Preisz - Borup I 3, 47)
. . . — Nu kom jeg efter et halv Livs Lasngsel til min Laerer og Mester Goethe! Og der saae jeg den gamie Löves stumme Indignation over den nyere Fraskhed og kaade Petulanz. Han talte lidet derom, men jeg lseste i hans Hierte, og sluttede af hans besindige Dom. — Saavist det Enkelte dependerer af det Hele, saavist Mennesket meer eller mindre af Auctoritet. Denne Auctoritet er H i s t o r i e n s S e l v o p h o l d e l s e s d r i v t . Uden dette vilde alt falde fra hinanden som tort Sand og ikke forbinde sig. Jeg havde ikke mange Auctoriteter, men Goethe var een. [Ubersetzung:] Nun kam ich nach einem halben Leben Sehnsucht zu meinem Lehrer und Meister Goethe! Und dort sah ich des alten Löwen stumme Entrüstung über die neuere Frechheit und gewagt dreiste Anmaßung. Er sprach wenig darüber, aber ich las in seinem Herzen und folgerte aus seinem besonnenen Urteil. — So gewiß wie das Einzelne von dem Ganzen abhängt, so gewiß der Mensch mehr oder weniger von Autorität. Diese Autorität ist der S e l b s t e r h a l t u n g s t r i e b der G e s c h i c h t e . Ohne diesen würde alles auseinanderfallen wie trockener Sand und sich nicht verbinden. Ich hatte nicht viele Autoritäten, aber Goethe war eine. Barbara Juliane v. Krüdener, Journal 24. 4. 1 8 1 4 (Etudes germaniques 23, 56)
Mme de Chézy nous raconta que Oelenschlager et Goethe s'étant promenés sur une montagne, Goethe avait voulu sacrifier un petit chien qui les suivait, ce qui avait jeté Oelenschlager dans l'admiration. vor 15. 6. H. Becker an H. Blümner 28. 6. 1806 (HSTA Weimar, Genlnt, Slg. Pasqué 2, 2)
Der Herr Geheimerath von Göthe ist auf der Reise nach Carelsbad, wo er 4 bis 6 Wochen bleiben, und von da nach Lauchstädt auf 14 Tage kommen will. Er befindet sich jezt recht wohl, und seine Krankheit nimmt immer ab, von Carelsbad hoft er völlig gesund zurück zu kommen. Chr. G. Voigt an S. F. L. v. Franckenberg 2. 7. [1806] (HSTA Weimar, I 364)
Ew werden ein Cammercircular erhalten, worin für den Prof. Hegel zu Jena um etwas gebeten wird: Göthe weiß nicht Gutes genug von ihm zu sagen. F. Kirms an G. F. Treitschke 24. 7. 1806 (HSTA Weimar, Genlnt, Slg. Pasqué 34, 3)
Bereits unterm 3 ten April dieses Jahres haben Ew. Wohlgeb. die Gefälligkeit gehabt, dem Herrn Geh: Rath von Göthe zu benachrichtigen, daß Sie Herrn Iffland ersucht hätten, ein Mscpt des Texts zur Musik von Mozarts Idomeneus nach Weimar abgehen zu lassen. Man hat von Zeit zu Zeit der Ankunft dieses Wercks entgegen gesehen . . . theils kann man auch, ohne unhöflich zu seyn, die Beantwortung Ihrer geehrtesten Zuschrifft länger nicht unbeantwortet lassen, wozu mir S e Excell. der Herr g. Rath bereits vor seinem Abgange nach 63
1806
Weimar Carlsbad den Auftrag ertheilt und Ihnen von Seiten seiner viel freundliches zu überschreiben mich ersucht hat. A n Eichstädt nach 18. 6. 1806 (WA IV 19, 138)
Daß manche Recension von ihm [H. Meyer] noch ungedruckt sey, kam zur Sprache, als ich ihn zu einem Johannisprogramm aufforderte. St. Schütze, Tagebuch 12. 7. 1806 (*JSK NF 4, 95; GMD)
Meyer: mein Besuch würde Goethen angenehm sein. Er ist jetzt im Bade. Charlotte v. Stein an F. v. Stein 10. 8. 1806 (*Düntzer 9 2, 238; G S A , Stein 107)
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Wir haben hier einen neuen Schuldirector [Chr. L. Lenz] welcher seinen Schülern die alten Dichter gleich in deutsche Verse übersetzen läßt, dieses wird den jungen Leuten sehr schwer, und August Goethe nahm das Wort und sagte ihn, er würde es nicht thun, den sein Vater hätte ihm verboten nie Verse zu machen. Bey der unpoetischen Mlle Vulpius und ihrer Depentenz mag ihm das wohl natürlich eingefallen seyn. Charlotte v. Stein an F. v. Stein 10. 8. 1806 (*Düntzer 9 2, 238; G S A , Stein 107)
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Sie [Caroline v. Günderrode] hat allerliebste dramatische und andere Poesien unter den Namen Thian herausgegeben ich war erstaunt über die tiefe Gefühle und den Reichthum der Gedancken bey den schönen Versen und Goethe fand es auch. Jena 15. 6.
J. D. Färber, Kalender 15. 6. 1806 (UB Jena, Nachl. Martin q 20)
Sind dH Geh.rath ν Göthe nebst Hofmeister ein logirt. Tagebuch 15. 6. 1806 (WA III 3, 130)
Frommanns auf der Zinne und dem Kabinet. 16. 6.
Tagebuch 16. 6. 1806 (WA III 3, 130)
Spazieren mit Knebel u. Hendr. Knebel, Tagebuch 16. 6. 1806 (GSA, Nachlaß Knebel)
Mit Göthe im Botansch. Garten. 17. 6.
Tagebuch 17. 6. 1806 (WA III 3, 130)
Hofr. Voigt u. Sohn wegen der Naturforschenden Gesellschaft. Dr. Seebeck. Dr. Oelenschläger. 18. 6.
Tagebuch 18. 6. 1806 (WA III 3, 131)
Bey v. Hendrich mit dem Meining. v. Hendrich. dann ν Backhof Oelenschl. Hakon 3ter Act Mit Riemer spazieren. 64
ν Einsiedel.
Jena
1806
Knebel, Tagebuch 18. 6. 1806 (GSA, Nachlaß Knebel)
NachM. bei Göthe, Frommans pp. 19. 6.
Tagebuch 19. 6. 1806 (WA III 3, 131)
Mittag bey v. Hendrich mit dem Meinungisch und Hrn. v. Bachoff. bey Knebel. Oelenschläger sang. Sömmerings Gehörwerkzeuge. Knebel, Tagebuch 19. 6. 1806 (GSA, Nachlaß Knebel)
Fr. Dr. Seebeck u. ihre Mutter hier. Abends u. zum Essen, Starks sämd. Frommanns Voigts, H. Riemer, H. Oelenschläger aus Kopenhagen Göthe war Abends auch hier, blieb nicht zum Essen. 19. 6. (?)
A. Oehlenschläger, Meine Lebens-Erinnerungen (Oehlenschläger 2 2, 221)
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Den letzten Abend [1806 in Rom] war bei Thorwaldsen Gesellschaft. . . Einige sangen, und ich sang unter Anderm „Göthe's Musen und Grazien in der Mark," nach einer alten, pathetischen Freimaurermelodie mit Rouladen und Trillern, welche dazu beitrugen, die Ironie des Gedichtes zu verstärken. Ich hatte Göthe selbst dieses Lied vorgesungen, und es hatte ihn sehr amüsirt und machte ihm besonders Spaß, wenn ich zuletzt das deutsche harte Β und das weiche Τ gebrauchte und sang: „Wir sind pieder und nadierlich." Er wiederholte es lachend und rief laut: „ „Pieder und nadierlich, der verfluchte Däne!" " vor 20. 6. Knebel an Katharina v. Schückher 20. 6. 1806 (GSA, Knebel 335)
Unser Göthe ist dermalen hier in Jena und wird in wenig Tagen nach dem Karlsbad abgehen. Sein Gesundheitszustand ist auch noch immer abwechselnd, u. steigt u. fällt in Extremen. Sein Fleiß ist unermüdet. 20. 6.
Tagebuch 20. 6. 1806 (WA III 3, 131)
Hr. RegRath Voigt kam an 21. 6.
Anatomisches Museum.
Tagebuch 21. 6. 1806 (WA III 3, 131)
Mit Hrn. Reg.Rath Voigt den Tag zugebracht indem derselbe durch die Museen die Bibliothec und andre Anstalten geführt wurde. Ging derselbe gegen Abend wieder ab. Mittags Consistorialr. Steffany von Castell. Chr. A. Vulpius an N. Meyer 21. 6. 1806 (Kasten 1 S. 196)
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Ich gehe Morgen oder Uebermorgen von hier [Jena] nach Weimar, weil der GehR. Göthe jetzt hier ist, u in 8 Tagen, nebst dem Major von Hendrich in's Karlsbad geht, dort seine Gesundheit wieder zu erlangen. Gott gebe es! Meine Schwester ist schon seit 2 Tagen nach Lauchstedt u ich kann das Göthische Haus in W. nicht ganz leer lassen. 20. 6.
Chr. G. Voigt an Goethe 19. 6. 1806 (SchrGG 55, 114) Mein Sohn will sich morgen nachmittag oder gegen Abend nach Jena einschiffen und dort die Nacht zubringen. Ich danke herzlich, daß Ew. Exzellenz ihn zu meinem Gedächtnis machen wollen.
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Jena
1806
Knebel, Tagebuch 21. 6. 1806 (GSA, Nachlaß Knebel)
NachM. mit Göthe spaziren im Regen. 20./21. 6. Chr. G. Voigt an Eichstädt 3. 7. 1806 (UB Jena, Nach]. Eichstädt 2)
Prof. Hegel hat auf HrnGRvGöthes eifrigste Instanz von dem Herzog 100 rh Gehalt erlangt. 15./21. 6. J. H. Voß d. j. an Zelter 21. 6. 1806 (Aukt.-Kat. Henrici 90, 56)
Mit herzlicher Theilnahme habe ich Ihrer gedacht, als mir Goethe Ihren Verlust sagte . . . Goethe grüßt Sie, er reist den 29. von hier ins Carlsbad . . . Kommen Sie einmal wieder zu Göthe, wo so oft von Ihnen gesprochen wird. 22. 6.
Tagebuch 22. 6. 1806 (WA III 3, 131)
Bey Hofr. Voigt wegen des physischen Apparates
Bey Frommans.
A n Chr. G. Voigt 23. 6. 1806 (WA IV 19, 141)
Schon als Herr Hofrath Voigt mir vor einiger Zeit eröffnete, daß man ihm sowohl von Halle aus, als von andern Orten her, seine Instrumente feil mache, sagte er zugleich, daß er sie gegenwärtig, wenn er sie sämmtlich weggäbe, im gewissen für 3000 Thaler anzubringen sich getraue. Als ich ihm gestern die Eröffnung that, daß man sowohl um seinet- als um der Academie willen nicht abgeneigt wäre, Serenissimo den Vorschlag zu thun, diese Instrumente auf die Weise der Büttnerischen Bibliothek zu acquiriren, daß man nemlich eine gewisse Summe festsetzte, und davon jährlich bis zur Tilgung des Capitals einen bestimmten Theil abtrüge, ihm aber auf Lebenszeit die Aufbewahrung, Erhaltung und Benutzung überließe; so erkannte er diesen Antrag mit vielem Dank, und erklärte vorläufig, daß er, was die Bestimmung des Preises beträfe, sie am liebsten in Serenissimi Hände geben wollte, um sich einer solchen höchsten Unterstützung um desto würdiger zu machen. Durch seine frühere Erklärung, der ich bey seinem guten, durchaus aufrichtigen Character gar wohl traue, hat man wenigstens im Allgemeinen eine Basis, auf welche man eine weitre Überlegung gründen kann. Ich habe gedachten Hofrath Voigt veranlaßt, ein Verzeichniß seiner Instrumente aufzusetzen und zwar zu besserer Ubersicht, nach den Capiteln des Compendiums des Professor Meyer zu Göttingen; da sich denn die Sammlung recht gut wird beurteilen lassen. 23. 6.
Tagebuch 23. 6. 1806 (WA III 3, 131)
Im Batschischen Hause 24. 6.
Ging Vulpius ab.
Tagebuch 24. 6. 1806 (WA III 3, 131)
Batschisches Haus mit Voigt iun.
ν Hendrich zu Mittag
Knebel, Tagebuch 24. 6. 1806 (GSA, Nachlaß Knebel)
Abends Göthe hier bis spät. 66
v. Erfa.
Jena
1806
vor 25. 6. An Christiane Vulpius 25. 6. 1806 (WA IV 19, 143)
August war hier mit seinen Gesellen. Es hat mich gefreut zu sehen, daß es mit seinen körperlichen Kräften und seinem guten Muth so wohl steht. Ich habe mich einige Abende recht hübsch mit ihm unterhalten. Sie sind in allen Bergen und auf allen Schlössern herumgezogen, haben Aal in der Triesnitz gegessen und die Johannisfeuer haben wir zusammen von dem Altan des Daches gesehen. 25. 6.
Tagebuch 25. 6. 1806 (WA III 3, 132)
Mit v. Knebel und Dr. Voigt im Batschischen Hause lungen.
Bey Frommans. Niebe-
Knebel, Tagebuch 25. 6. 1806 (GSA, Nachlaß Knebel)
In dem Batschischen Kabinet mit Göthe Morgens. C. F. E. Frommann an J. D. Gries 16. 7. 1806 (GSA, Frommann 47, 3)
Vom 15 — 28 war G. hier, dann ging er von hier nach Carlsbad mit Riemer, von dem ich eben Nachricht erhalte, daß sie glüklich hingekommen und daß der Anfang der Kur G. sehr gut zu bekommen scheint. Geht dies fort, sezt G. seine fast zu ängstliche Diät ferner fort, so hoffe ich wir koennen uns seines längern Lebens freuen. Die lezten Anfälle in Weimar waren schwach u. kurz und er im ganzen wohl u. heiter. Hier war er fleissig u. ließ sich nur halbe Stunden bey uns u. sonst sehen, aß nirgends nur einen Abend kam er und blieb ganz gemüthlich auf einer Stelle fast von 6 bis gegen 11 Uhr sizzen. Konnte ich Ihnen doch diese Stunden beschreiben, selten hatten wir ihn so ganz er selbst, fast nie besser! Er hatte eben das „Niebelungen Lied" wieder vorgenommen, entwikkelte erst mit allem Feuer die Fabel, und die großen, prächtigen Motive, dann nahm er es selbst u. laß uns einige prächtige Episoden vor, die er zum Theil erst entziffern mußte, um sie verständlich wieder zu geben, Oehlenschlaeger, Hegel, Riemer, wir saßen um ihn, jeder gab sein Theil zu Entzifferung einzelner Stellen und G. war ganz exaltirt, in dem er neue Schönheiten des Details, neue Motive entdeckte. Kurz es war ein kostlicher Abend . . . . . . Außerdem hat er [Oehlenschläger] geschrieben u. schon übersezt Hakon, ein historisches Trauerspiel, in G. Händen, der es selbst durchsehen u. im Herbst spielen laßen will. A. Oehlenschläger, Selbstbiographie (Oehlenschläger 1 2, 28)
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Das Nibelungenlied war eben herausgekommen, und Göthe las uns einige Gesänge vor. Weil nun Vieles in der alten Sprache mit altdänischen Worten verwandt ist, so konnte ich ihnen Manches deuten, was die Andern nicht gleich verstanden. „Sieh einmal," rief dann Göthe lustig, „da haben wir wieder den verfluchten Dänen." — „Nein, Däne," sagte er einmal im demselben Tone, „hier kommt etwas, was Ihr doch nicht hättet sagen können: „Es war der große Siegfried, der aus dem Grase sprang, Es ragete ihm vom Herzen eine Speerstange lang." „Es ragete ihm vom Herzen eine Speerstange lang!" — wiederholte er staunend, die Worte stark betonend, in seinem Frankfurter Dialekt: „Das ist kapital!" 67
1806 25. 6. (?)
Jena Louise Seidler, Erinnerungen (Uhde 2 S. 19)
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Nicht selten verherrlichte auch Goethe, der sich oft mit seinem Secretair und Freunde Riemer von Weimar nach Jena zurückzog, um dort ungestörter zu arbeiten, einen Abend bei Frommanns durch seine Gegenwart, ja, bisweilen sogar durch seine Kunst im Vorlesen. So erinnere ich mich, daß er — es war dies aber erst 1808 [vielmehr 1806] — das Nibelungenlied, mit dem er sich eben damals viel beschäftigte, theilweise vortrug und erläuternde Bemerkungen scharfsinnigster Art dazu gab. F. S. Voigt an Goethe 13. 2. 1807 (Bing. Br. 1807, 15)
Das neue Petschaft [der Naturforschenden Gesellschaft zu Jena] erkannte ich gleich, es gefiel mir schon damals sehr, als Sie die Güte hatten, mir den Entwurf zu zeigen. 20./25. 6. Chr. G. Voigt an Goethe 26. 6. 1806 (SchrGG 55, 116)
Ew. Exzellenz angewendete viele Bemühung in unsern wissenschaftlichen Sammlungen hat mir zum Teil mein Sohn geschildert und gestern der Bibliothekar [Vulpius] noch genauer dargestellt. Ich habe mich darüber, außer den Empfindungen meines Dankes, besonders auch deswegen erfreuet, weil ich einen Beweis Dero Wohlbefindens damit erhalte. 26. 6.
Tagebuch 26. 6. 1806 (WA III 3, 132)
Fuchs des Ohres Beschluß. 27. 6.
Tagebuch 27. 6. 1806 (WA III 3, 132)
v. Knebel Dr Hegel sche Farbenlehre.
Dr. Seebeck. Die Niebelungen
v. Knebel. Griechi-
Knebel, Tagebuch 27. 6. 1806 (GSA, Nachlaß Knebel)
Morgens bei Göthe. 28. 6.
Tagebuch 28. 6. 1806 (WA III 3, 132)
Mit Knebel nach der Rasenmühle
Mit Riemer zu Hause.
Knebel, Tagebuch 28. 6. 1806 (GSA, Nachlaß Knebel)
NachMittags noch bei Göthe u. mit ihm spaziren, der Morgen nach Karlsbad abreißt. 15./28. 6. Knebel an J. D. Gries 15. 7. 1806 (Gaedertz 3 S. 139)
Goethe hat vor seiner Abreise nach Karlsbad circa vierzehn Tage bei uns zugebracht und will bei seiner Rückkehr wieder hier verweilen. Eichstädt an Böttiger 18. 7. 1806 (LB Dresden, Böttiger 4° 45, 70)
Ich selbst kann nicht als ein Urtheilsfähiger über dieses Buch [Böttigers Andeutungen über die Archäologie] sprechen: aber Goethe hat es öfter mit vielem Lob erwähnt, er wollte es zu seinem Haus- u Handbuche bestimmen. Ein ein68
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Jena sichtsvoller Recensent (nicht in Sachsen) hat es zur Beurtheilung für unsere Zeitung übernommen. A. Oehlenschläger an Christiane Heger 16. 7. 1806 (Paludan — Preisz — Borup I 2, 41)
Goethe reiste nemlig til Carlsbad og for endnu at tilbringe 8 Dage med harn, reiste jeg til Jena, hvor jeg har nydt megen Fornöielse i Boghandler Frommanns Huus; der blev jeg strax som hiemme. Jeg ventede ogsaa her efter min Vexel, den kom ikke; Goethe reiste . . . Goethe besörger Hakon Jarl omsendt til de tydske Theatre naar det er Tid; bliver nu mit Stykke i Kiöbenhavn antaget saa seer jeg gode Revenuer imöde; det er ogsaa nödvendigt. [Ubersetzung:] Goethe reiste nämlich nach Karlsbad, und um dort noch acht Tage mit ihm zu verbringen, reiste ich nach Jena, wo ich viel Vergnügen im Hause des Buchhändlers Frommann genoß; dort war ich gleich wie zu Hause. Ich wartete auch hier auf mein Geld, es kam nicht; Goethe reiste . . . Goethe sorgt dafür, Hakon Jarl an die deutschen Theater zu senden, wenn Zeit ist; wird mein Stück in Kopenhagen angenommen, sehe ich guten Einkünften entgegen; das ist auch notwendig. A. Oehlenschläger, Selbstbiographie (Oehlenschläger 1 2, 31)
B 3 2245
Um Goethes Gesellschaft noch acht Tage zu genießen, ging ich nach Jena, wo er sich jetzt aufhielt, um von da aus nach Karlsbad zu reisen. — Es war ein schwüler Tag, und ich war sehr erhitzt und löschte gar zu schnell meinen Durst an einem vorbeifließenden eiskalten Bach. Als ich nach Jena gekommen war, fühlte ich eine rheumatische Engbrüstigkeit . . . Ich war bei'm Buchhändler Frommann in Gesellschaft mit Goethe, konnte mich aber nicht recht dessen freuen, weil die Engbrüstigkeit ziemlich stark war; doch sprach ich zu Niemandem davon . . . Bei den lieben Frommanns fand ich meine alte Heimath wieder. Sie waren Goethes Gastfreunde, besuchten ihn oft in Weimar, und wenn er nach Jena kam, war er da zu Hause; das will sagen: meistens des Abends, nach der Arbeit, denn er bewohnte mit Riemer einige kühle, große Zimmer ganz allein im alten Schlosse, wo der Poet mitunter hinflüchtete, und ließ so lang den Minister in Weimar bleiben. Das war nun recht ein trefflicher Aufenthalt zum Schreiben und zum Dichten; auch mußte es ja herrlich sein, einen gebildeten, treuen, gelehrten Freund bei sich zu haben. Das D i k t i r e n aber ist mir immer eine unbegreifliche Sache gewesen . . . Daß der große Goethe, des Diktirens ungeachtet, uns doch immer so viel Schönes und Herrliches geschenkt hat, dafür danken wir seinem mächtigen, durch keinen Zwang gefesselten Genie. Ich bin aber davon überzeugt, er würde uns bis zum Grabe noch mehr von jenem humoristischen Jugendfeuer, von jener schönen L e i d e n s c h a f t einer gefühlvollen Seele, ohne die Meisterschaft der Darstellung einzubüßen, gegeben haben, wenn er nicht d i k tir t hätte. Man braucht ihn ja nur s p r e c h e n zu hören, um davon überzeugt zu sein!
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1806
Jena
25. 4 . / 28 6
Stammbucheintragung für A. Oehlenschläger (ChronWGV 24, 26)
29. 6.
J. D. Färber, Kalender 29. 6. 1806 (UB Jena, Nachl. Martin q 20)
Zum Andencken guter Stunden, dem Verfasser des Aladdin.
Früh 3 Uhr sind dH Geh.rath ν Göthe nebst der Hr Major ν Hendrich ins Carlsbad abgereist.
Asch 30. 6.
Tagebuch 30. 6. 1806 (WA III 3, 133)
Asch. Postmeister . . . Comödie: Die Hussiten vor Naumburg. An Christiane Vulpius 3. 7. 1806 (WA IV 19, 154)
Den 30. bis Asch, wo wir um 9 Uhr Abends, im Regen, eine Viertelstunde vors Thor gingen, um in einer Scheuer die Hussiten vor Naumburg spielen zu sehen. Riemer, *Mittheilungen 2, 697 (GSA, Riemer 875)
B 2 870 B 3 2250
G d. 30 Juni 1806. In Asch bey Gelegenheit von Kotzebues Hussiten, die dort in einer Scheune gegeben wurden, und die wir zusammen einen Act hindurch mit ansahen. Man könne mit Recht von ihm sagen: Und hätt' ich Flügel der Morgenröthe u flog an die äußersten Enden der Erde, so würde seine [Kotzebues] Hand ihn doch treffen u. s. w. Ferner: K. sey ein vortrefflicher Mann: was für eine Menge Menschen er abspeist, die wie hungrige Raben auf ihn warteten. 30. 6. (?)
Riemer ( J b G G N F 32, 272)
B 3 2251
Im Juni 1806. Bei Gelegenheit über die Art, wie Kotzebue seine Octavia durch Frommann bei ihm habe einschwärzen wollen, bemerkte Goethe: „Auch nach Berlin habe er sie anonym geschickt; die Rolle der Octavia habe gleich Gunst gefunden, da jede doch einmal einen Abend eine rechtschaffne Frau sein wolle; und die große Zuneigung zu dem Antonius habe gemacht, daß sie ihren Unzelmann verlassen und zu ihrem Bethmann übergegangen sei."
Eger 1. 7.
Tagebuch 1. 7. 1806 (WA III 3, 133)
Über Franzensbrunn nach Eger. Umstände wegen der vergessenen Pässe. An Christiane Vulpius 3. 7. 1806 (WA IV 19, 154)
Den 1. Juli kamen wir bis Eger, wo wir ausruhten und manches, was sich auf Wallenstein bezog, sahen. 70
Eger
1806 Tag- und Jahres-Hefte 1806 (WA I 35, 263)
Von Freunden und Ärzten bestimmt, entschloß ich mich Karlsbad zu besuchen, um so mehr, als ein thätiger und behender Freund, Major von Hendrich, die ganze Reisesorge zu übernehmen geneigt war. Ich fuhr also mit ihm und Riemer Ende Mai's ab. Unterwegs bestanden wir erst das Abenteuer, den Hussiten vor Naumburg beizuwohnen, und in eine Verlegenheit anderer Art geriethen wir in Eger, als wir bemerkten daß uns die Pässe fehlten, die, vor lauter Geschäftigkeit und Reiseanstalt vergessen, durch eine wunderliche Complication von Umständen auch an der Gränze nicht waren abgefordert worden. Die Polizeibeamten in Eger fanden eine Form diesem Mangel abzuhelfen, wie denn dergleichen Fälle die schönste Gelegenheit darbieten, wo eine Behörde ihre Competenz und Gewandtheit bethätigen kann; sie gaben uns einen Geleitschein nach Karlsbad gegen Versprechen die Pässe nachzuliefern.
Karlsbad 3. 7.
Riemer (LA II 4, 18)
Carlsbad. Wie die Blutstropfen auf dem Teppich von Heinrich dem zu erklären seyen? Der Teppich sey roth gewesen, nicht zu dunkel und nicht zu hell, und das Scheinbild der weißen Würfel auf demselben habe die anscheinenden Blutstropfen gemacht. 4. 7.
Tagebuch 4. 7. 1806 (WA III 3, 134)
Am Sprudel und Neubrunnen. Mehrere Bekanntschaften. Bey Steinschneider Müller die Carlsbader Suite angeschafft . . . Abends mit Kaufmann Wieler von Magdeburg mit Familie. 5. 7.
Tagebuch 5. 7. 1806 (WA III 3, 134)
Am Sprudel, bey Müllern . . . Nach Tisch zu der Fürstin Solms, zum Generallieutenant Kleist. Auf der Wiese vor dem Concert spatzieren. Jude Baruch (aus russischem Pohlen) mit seinen beperlten Weibern. Graf Oertzen. Wielers. Wie Fürst Putiattin versicherte, wenn er Gott wäre und er hätte voraussehen können, daß ein Stück wie Schillers Räuber sollte geschrieben werden, so würde er die Welt nicht erschaffen haben. Wie Böttiger in einem Clubb zu Dresden von Schriftstellern und ihrem Werthe und immer wieder von Schriftstellern spricht, und ein launiger Gast dem Kellner, der hinten an der Tafel steht und die Zechen macht, ein paarmal He! zuruft; da der aber gar nicht hören will, endlich laut aufschreit: „He! Schriftsteller! noch ein Nößel Wein!" Tümplings Curmethode, auch Abends den Brunnen zu trinken. Wie ein junger Mensch wollte Vergißmeinnicht krystallisirt haben und zwar in 24 Stunden. 71
1806
Karlsbad Riemer, Aphorismen S. 303
B 3 2252
[Goethe?:] „Von einem König in Spanien (es war Alfons der Weise von Castilien) erzählt man, er habe die Welt besser machen wollen als Gott in sieben Tagen. Dies sey aber nur in Bezug auf das damalige ptolemäische Weltsystem und dessen sehr verwickelte Planetenbahn gesagt und keine Blasphemie." Ein Gegenstück ist die Anekdote, die mir Goethe erzählte. Fürst Putiatin, ein bekannter Sonderling, habe einmal gesagt: „wenn Er Gott gewesen wäre und hätte gewußt, daß ein Stück, wie Schillers Räuber, in der Welt aufkommen würde, er hätte die Welt nicht geschaffen." Eckermann, Gespräche 17. 1. 1827 (Houben 1 S. 165)
B 2 2468
[Goethe:] Eines Sommers in einem Bade, ging ich durch einen eingeschlossenen sehr schmalen Weg der zu einer Mühle führte. Es begegnete mir der Fürst *** [Putjatin] und da in demselben Augenblick einige mit Mehlsäcken beladene Maulthiere auf uns zukamen, so mußten wir ausweichen und in ein kleines Haus treten. Hier, in einem engen Stübchen, geriethen wir nach Art dieses Fürsten sogleich in tiefe Gespräche über göttliche und menschliche Dinge; wir kamen auch auf Schillers Räuber und der Fürst äußerte sich folgendermaßen: „Wäre ich Gott gewesen, sagte er, im Begriff die Welt zu erschaffen, und ich hätte in dem Augenblick vorausgesehen, daß Schillers Räuber darin würden geschrieben werden, ich hätte die Welt nicht erschaffen." 6. 7.
Tagebuch 6. 7. 1806 (WA III 3, 135)
Mittags bey Graf Rzewusky, wo die Kurfürstl. Sächsischen Beichtväter, einige Engländer und andre waren. Nachher spatzieren. Sodann auf dem Ball, wo ziemlich viel Personen gegenwärtig waren, viel Tänzerinnen aber wenig Tänzer. Erneuerte Bekanntschaft des Grafen Mier, aus Galizien. 7. 7.
Tagebuch 7. 7. 1806 (WA III 3, 135)
Fürst Reuß XIII. General Richter, der mit in Ulm war. Vieles über Mack und die damaligen Begebenheiten. Am Neubrunnen Frau von Bodenhausen. Bey Graf Oertzen zum Mittag. Mit der Gesellschaft, die bey Rzewusky war. Ich saß zwischen dem Abt Schneider und dem Engländer. Nachher gegen das Posthaus spatzieren. Mit der Fürstin Carl Lichtenstein zurück. Starker einfallender Regenguß. Morgens bey Müller. Interessante Stufen des Ubergangsgebirges und anderes. 3./7. 7.
An Christiane Vulpius 7. 7. 1806 (WA IV 19, 156)
Ich habe manche alte Bekannte angetroffen und ihrer schon viele neue gemacht. Morgen beziehen wir ein besser Quartier als das bisherige. Die Bälle sind übrigens hier nicht sehr belebt. Von 50 Frauenzimmern, die in weißen Kleiderchen herum sitzen, kommen vielleicht 10 zum Tanz. Übrigens giebt es Pikeniks und Spazierfahrten, die in der schönen Gegend ganz angenehm sind . . . Herr v. Hendrich und Herr Riemer grüßen zum schönsten. 72
Karlsbad
1806 8. 7.
Tagebuch 8. 7. 1806 (WA III 3, 136)
Am Neubrunnen mit der Hoheit spatziert und der Fürstinn Reuß, auch Herrn von Zibet. Nach dem Frühstück bey dem Fürst Reuß Visite. Er las mir einen merkwürdigen Auszug aus einem Tagebuch vom 3. October an bis zur Ubergabe von Ulm. Mit ihm in die Allee. Der Fürst Lubomirsky und Graf Potocky. Nachmittage mit dem Steinschneider Müller über den Schloßbrunn, Gartenbrunn, Neubrunn, die Gesteinarten besehen . . . Abends auf das Posthaus, wo Lubomirsky eine Fête gab. Um 9 Uhr zurück. Bekanntschaft mit Graf Golowkin. Fürstin Lubomirska. Fürstin Dolgorucki. Tag- und Jahres-Hefte 1806 (WA I 35, 264)
Gleiches Zutrauen [wie Fürst Reuß XIII.] hegte General Richter zu mir, der mich in's Vergangene gar manchen Blick thun ließ. Er hatte die harten Schicksale von Ulm mit erlebt, und mir ward ein Tagebuch vom dritten October 1805 bis zum siebzehnten, als dem Tage der Ubergabe gedachter Festung, mitgetheilt. 8. 7. (?)
K. Morgenstern an F. A. Wolf 4. 3. 1808 (Russ. Revue 1879, 319)
Der Curator der Universität Charkow, Geh. Rath und Ritter, Graf Severin Potocki, ist, wie er mir in St. Petersburg selbst gesagt hat, ein persönlicher Bekannter von Ihrem Freunde Göthe. Er zeigte mir vor ein Paar Jahren einmal eine Liste von Candidaten zu Lehrstellen in Chfarkow], die ihm G. gemacht. 9. 7.
Tagebuch 9. 7. 1806 (WA III 3, 137)
Mit Rzewusky und Fit nach dem Posthause zu spatzieren. Mittag bey der Hoheit. Außer der Familie niemand denn Graf Wartensleben und Graf Lepel. Gegen Abend mit dem Fürst Reuß in der Allee, nachher gegen das Posthaus. Mittags mit Graf Lepel über hiesige Mineralogie und Müller. Auch über Kunst, seine Sammlung, Runge u. s. w. 10. 7.
Tagebuch 10. 7. 1806 (WA III 3, 137)
Bey Müller, bey Oertzen, welcher recitirte. Bey Rzewusky, welcher nicht wohl war . . . Geheime Assistenzrath Thon. Angekommen waren von Bühler und Voght. Nachmittag sämmtl. mit Müller gegen die Eger. Erst Granit worin die s. g. Piniten Quarz mit Holzspuren. Uber die Eger zu den Basalten. Die Rolle hinauf zu den Feldern und der scheinbaren Lava. Auf Fischern. Forellen gegessen. Einen ruhigen schönen Abend zum Rückweg. 11. 7.
Tagebuch 11. 7. 1806 (WA III 3, 138)
Bühlers. Bräuner. Dann bey Titius. Fürstin Lubomirska . . . Abends bey Tische von Tümpling. Nachher spatzieren. Assistenzrath Thon. Bekenntnisse der schönen Seele wegen Rafaels Liederlichkeit. Guter Ruf wegen der Mineralogie und Chemie, besserer als wegen der Poesie. Krystalle aus venetianischer Seife zu schneiden. Titius Zusage wegen Mineralien. 12. 7.
Tagebuch 12. 7. 1806 (WA III 3, 138)
Fürst Carl von Hessen. Graf Bräuner . . . Bey Wielers. Mit Gurlitt. Nach Tische Tümpling. Geschichte seiner aufgenommenen Bettelkinder. Früh bey Müller 73
1806
Karlsbad wegen einiger von ihm verheimlichten Mineralien. Schöne Exemplare anderer. Completirung der Suiten. Madam Bethmann kam an . . . Abends Tümpling. Apologie der Esel. F. V. Müller, Tagebuch 9. 8. 1823 (Grumach S. 69)
Prof. Gurlitt von Hamburg . . . der Goethen von Carlsbaad her kennt und lobt. 3./12. 7.
A n Chr. G. Voigt 12. 7. 1806 (WA IV 19, 157)
Der Steinschneider und Steinhändler Müller ist noch immer der Alte und hat sich durch die neuern Mineralogen anregen lassen, immer auf etwas neues auszugehn . . . Alte Bekannte habe ich gefunden, auch neue Bekanntschaften gemacht. 13. 7.
Tagebuch 13. 7. 1806 (WA III 3, 138)
Gespräch mit Voght über die Zeidäufte. Wurden die bürgerlichen Tugenden angerühmt. Mineralien zum römischen Kaiser. Berghauptmann von Gutschmidt. Gräfin Schimmelmann. Skizzen der gestrigen Gegend. Aß der Steinschneider Müller mit uns. Nachmittag. Aufwartung beym Prinz Carl von Hessen. Mit Madam Unzelmann spatzieren. A n Christiane Vulpius 14. 7. 1806 (WA IV 19, 158)
Es giebt hier viel Unterhaltung mit alten Bekannten die man wiederfindet, so wie mit neuen, die man macht. Madam Unzelmann ist angekommen und wird sich vier Wochen aufhalten . . . Es wird . . . täglich voller, besonders von Russen und Polen. A n Zelter 14. 7. 1806 (WA IV 19, 159)
Für die Nachricht. . . über D. Luthers neue Erscheinung danke ich zum schönsten. Ich habe hier auch schon einige Personen gesprochen, die das Stück gesehen hatten. So wie mir auch Madame Unzelmann gestern davon erzählte, daraus ich mir denn abstrahiren kann, daß es ein Werk von Herrn Werner ist. 13. 7. (?)
Friederike Bethmann-Unzelmann an Goethe 25. 6. 1807 (Deutsche Dichtung 9, 256)
Da ich nun gern wünschte meine jüngste Tochter [Minna Unzelmann] recht gut zu versorgen so erlauben Sie mir nochmals die Frage ob sich noch kein Plätzgen für sie bey Ihrem Theather gefunden hatt. Nachdem sie so glücklich war Ihre Bekanntschaft zu machen, so bittet sie mich bestäntig sie doch ja nur nirgens hin zu schicken als nach Weimar. 14. 7.
Tagebuch 14. 7. 1806 (WA III 3, 139)
Mit Fürst Reuß, Voght von Hamburg, Gutschmidt von Freyberg, Graf Bräuner und andern. Ging Fürstin Lubomirska ab . . . Zu Mittag das Schauspiel: Wohin? „Es ist keine Ruhe, es ist nur eine sitzende Ungeduld" Graf Golowkin. 13. 7. (?)
Zelter an Goethe 23. 6. 1806 (Hecker1 1, 147) Die Gelegenheit, welche mir Mademoiselle Minna Unzelmann, Tochter der Madame Bethmann, darbietet, Ihnen diese Zeilen zukommen zu lassen, soll Ihnen sagen, daß diese Mademoiselle Unzelmann eine hoffnungsvolle Schauspielerin und meine Schülerin im Singen ist.
74
Karlsbad
1806 8./14. 7.
Carl August an Goethe 5. 8. 1806 (Wahl1 1, 345)
Die Fürstinn Lubomirska sagte mir, daß sie dich gesehn hätte. 15. 7.
Tagebuch 15. 7. 1806 (WA III 3, 139)
Graf Rzewusky mit dem Stammbuch. Oertzen declamirte . . . Abends die erste Comödie. Die Stricknadeln und der todte Neffe. Spatzieren mit Mad. Unzelmann nach dem Posthause. Tümplings Bedienter, dem er die Nachtwächters teile verspricht, damit der Kerl studiren soll die Uhr kennen zu lernen. Wahrscheinlich ein Akyanobleps auf seinem Gute, weswegen wir ihm farbige Papiere mitgeben wollen. 16. 7.
Tagebuch 16. 7. 1806 (WA III 3, 140)
Auf der Wiese mit Fürst Reuß, die neusten Politica. Mit Baron Voght von Hamburg, der mir von seiner ökonomischen Einrichtung in Flottbeck und von den Armenanstalten in Hamburg erzählte. Bey der letzteren haben sie gegenwärtig 3300 Kinder zu versorgen, welche stufenweise mehr oder weniger Unterstützung erhalten. Sie kosten des Jahrs 40 bis 50 000 Thaler. Vorsteher sind 180, da Hamburg in 60 Quartiere eingetheilt ist, in jedem Quartier 3 und ein Ausschuß als Obercollegium von 20 Personen. Bey der Bewirthschaftung von Flottbeck ist das merkwürdigste, daß er keinen Viehstand hat, sondern den Mist von Hamburg zu Schiffe kommen läßt, auch die Reinigung der Stadt Altona übernommen hat. Bonapartes Äußerungen in Wien gegen mehrere, als den Grafen Zinzendorf von Wrmb, gesammelt vom Fürsten von Ligne und mit Anmerkungen begleitet. Fürstin Nariskin mit ihrem Gefolge. Fürst Nariskin ihr Vetter. Ein andres junges Frauenzimmer, das der Erbprinzeß Maria Paulowna gleicht. Bey Graf Lepel und Kupfer besehen. Beym Landgrafen von Hessen zu Tafel mit Minister Carlowiz, Graf Lepel, Kammerherr Tümpling u. s. w. Abends auf dem Posthofe gegessen mit Madam Unzelmann. 17. 7.
Tagebuch 17. 7. 1806 (WA III 3, 141)
Abends nach dem Posthause mit Mad. Unzelmann. Bekanntschaft mit dem Grafen Salmur. Unterweges sahen wir die Fürstin Nariskin. Voghts Resumé von den Hamburger Armenanstalten. 18. 7.
Tagebuch 18. 7. 1806 (WA III 3, 141)
Am Neubrunn, mit Fürst Reuß über Politica, besonders über die Ansichten des Landgrafen von Hessen . . . Nach Tische auf den Hammer gefahren mit Müller. Von da den Berg erstiegen, den Acker besucht, der aus aufgelöstem Granit besteht und wo die Zwillingskrystalle sich finden. Sodann weiter hinauf bis zur Marksäule Nr. 240 des Ellenbogner Kreises, die auf einem Basaltfelsen steht, der aus meist deutlichen 5, auch 6seitigen Säulen besteht. Zurück auf den Hammer und wieder nach Carlsbad gefahren. 75
1806 19. 7.
Karlsbad Tagebuch 19. 7. 1806 (WA III 3, 142)
Bey Titius über medicinische und mineralogische Gegenstände. Bey Meyer von Wien mit Graf Lepel. Zu Tische Müller. Vorher über mineralogische Gegenstände. Nach Tische des Mannes Leben und Wirken näher betrachtet und aufgezeichnet. Vor Tische Besuch von Dr. Voigtei. 20. 7.
Tagebuch 20. 7. 1806 (WA III 3, 142)
Am Sprudel, am Neubrunn. Mit Fürst Reuß über die gegenwärtigen politischen Verhältnisse. Mit dem Landgrafen von Hessen über Urgeschichte und Gang der Menschheit. Mit Voght über die höheren Ansichten woraus sich das Einzelne herleitet. Der Fürstin Nariskin auf der Promenade vorgestellt. . . Bey der Hoheit zur Tafel. Scherzhafter Ernst über Mineralogie und allerley Wissenschaftliches. Mit Graf Lepel und Voght spatzieren. Das Gespräch fort- und die Thesen heiter durchgesetzt. Visite bey der Feldmarschallin von Kalkstein. 16./20. 7. Maria Pawlowna an Maria Feodorowna 9. 9. 1806 (HSTA Weimar, HA A X X V R 154, 184) B 3 7443
Je sais que Göthe a vû KpacaBHija [„die Schöne", Zar Alexanders Geliebte Naryschkina] à Carlsbad, et qu'il l'a trouvé charmante et superbe pour la figure. vor 21. 7. A n Christiane Vulpius 21. 7. 1806 (WA IV 19, 161)
Die Badeliste steigt auf 650 Personen und ich habe manche Bekanntschaft gemacht. Wir essen gewöhnlich zu Hause. Manchmal sind wir zu Gaste geladen. Die hiesige Schauspieler-Gesellschaft hat etwa sechsmal gespielt, ich bin aber noch nicht ins Theater gekommen. Nach allen Erzählungen scheint es wenig erfreuliches zu leisten. Den Ball hab' ich ein einzigesmal besucht, der aber für mich auch nicht unterhaltend war. Von deinen Bekannten wüßt' ich Niemand hier, außer den dicken Herrn von Oertzen, den die Frauenzimmer in Lauchstädt vor ein paar Jahren einander abspänstig machten. Er treibt sein altes Wesen fort, aller Welt die Cour zu machen . . . Meine Reisegefährten grüßen. 21. 7.
Tagebuch 21. 7. 1806 (WA III 3, 142)
Am Sprudel. Mit dem Landgraf von Hessen das gestrige Gespräch fortgesetzt, auch manches über Armenanstalten und ihr Bedenkliches . . . Um 11 Uhr Graf Lepel mit Herrn von Struve. Mittags bey Baron Voght mit Fürst Reuß, Graf Corneillan, Tümpling, Fit u. s. w. Zuletzt kam General Einsiedel, mit dem wir bey Graf Corneillan dessen Portefeuille besahen, worin Guache-Zeichnungen von ihm und Professor Rösel in Berlin, skizzirte Gegenden in Tusche von Schneider und Zeichnungen von Ramberg. Nachher mit Tümpling spatzieren nach dem Posthofe. 16./21. 7. A n Charlotte v. Stein 21. 7. 1806 (WA IV 19, 164)
Unter die letzten Ankömmlinge gehört eine schöne Fürstin Nariskin, welche zum Beweise dient, daß Alexander der Erste keinen üblen Geschmack hat. Die Fürstin Solms ist schon länger hier und immer sehr anmuthig und freundlich. Der Landgraf Carl von Hessen, Fürst Reuß und andre vorzüglichere Männer
76
Karlsbad
1806
minderen Standes sind gesprächig und unterhaltend und ich habe schon manche Bekanntschaft gemacht. Graf Lepel hat ein Portefeuil bey sich von schönen und bedeutenden Kupfern. 22. 7.
Tagebuch 22. 7. 1806 (WA III 3, 143)
Am Sprudel, am Neubrunn, mit Baron Voght; von Struve seiner Gemahlin präsentirt. Weniges mit dem Landgrafen von Hessen. Nach Tische mit Müller nach Engelhaus. Unterwegs das Quarzgestein, jedoch nicht anstehend, sondern zusammengeschafft. Basalte vom Glasberge auf die schönangelegte Pragerstraße. Bey der Auffahrt von Engelhaus Granitübergänge mit Schörl, schillerndem Feldspath, abgesondertem Quarz und Schriftgranit. Schöne landschaftliche Gegenstände. Leineweber als Cicerone. Klingsteinfelsen. Ruinen. 23. 7.
Tagebuch 23. 7. 1806 (WA III 3, 144)
Bey Herrn von Struve, dessen Mineralien angesehen. Schönes Chromium. Siberit. Wernerit. Krystalle vom Gotthard mit eingeschlossenem Amiant. Stufen gestrickten Silbers aus Potosi. Massen von Zinngraupen, die sich nesterweis krystallisirt hatten, von Schlackenwalde . . . Nach Tische bey dem mit geschliffenen Steinen handelnden Juden. Große Theuerung der farbigen Steine. Ein paar artige Antiken von der leichten Sorte. Abends Engelhaus ausgezeichnet. Besuch von Tümpling. Späße von Tümpling. Das Scharlachfieber am Neujahrstage, um sich keine Hofuniform anzuschaffen. Warum es nicht räthlich sey, ihn zum Ober-Küchenmeister zu machen. Wenn er König würde, alljährliche Freude seiner Unterthanen über sein Wachsthum an Gewicht. Spatziergang des Abends mit Baron von Ende. vor 24. 7. Riemer an Johanna Frommann 24. 7. 1806 (*Frommann S. 76; GSA, Frommann 41)
B 3 2253
Goethe grüßt Sie sämmtlich freundlichst und befindet sich äußerst wohl. Die Cur schlägt an. Motionen macht er sich viel: man kann beynahe sagen, in einem Tage mehr, als in Weimar während eines ganzen Jahres, und er übernimmt sich damit nicht: er kann es aushalten. Wir machen zusammen mineralogische Spaziergänge und Fahrten und kehren steinreich zurück . . . Seit ungefähr einer Woche haben wir hier auch ein Schauspiel . . . Wie es uns mit einer andern Truppe, die jetzt im Franzenbad spielt, und die wir in Asch antrafen, ergangen, davon soll und muß Ihnen Goethe mündlich erzählen, denn nur in seinem Munde wird es romantisch. 24. 7.
Tagebuch 24. 7. 1806 (WA III 3, 144)
Aussichten von Schönhof und aus Sachsen radirt und illuminirt vom Grafen Corneillan vorgewiesen. Beym geh. Assistenzrath Thon. Mittags bey Hrn. von Bühler gegessen mit Graf Lepel, Fräulein Stackelberg. Nach Tafel Gesangs- und Tanzexhibitionen. Bey Hrn. von Ende, ingleichen bey Hrn. von Lenthe. Mit Graf Lepel und Voght spatzieren bis gegen den Freundschafts sitz. Über ästhetische Umbildung von Gegenden. Tadel der Carlsbader neuen Anlagen im malerischen Sinne betrachtet. 77
1806
Karlsbad Sophie v. Weyrauch an Goethe 1. 7. 1822 (Eing. Br. 1822, 179)
Ich [bin] so frey Ewr. Excelen2 mit diesem Briefe eine frühere Bekandtin vorzustellen, die vor 16. Jahren mit der Generalin Meyendorf als Fräulein Stackelberg in Weimar das Vergnügen hatte Ewr. Excelenz persönliche Bekandtschaft durch Se. Durchlaucht dem Herzog von Weimar zu machen, u diese so angeneme Bekandtschaft in Carlsbad fortzusezen, wo sie öfters Mittags mit Ewr. Excelenz sowohl bey ihrem Vetter dem Bayerschen Gesandten Baron Büchler, als auch bey der Gräfin Schimmelmann zusammen trafen. Riemer an C. F. E. Frommann 24. 7. 1806 (GSA, Frommann 41)
Goethe grüßt schönstens. 25. 7.
Tagebuch 25. 7. 1806 (WA III 3, 146)
Bey Frau Gräfin Schimmelmann zu Mittage, mit Fürst Reuß, dem Obersten und Major von seinem Regimente und Baron Voght. Nach Tische besuchte mich Graf Lepel . . . Beym Abendessen von Tümpling, der den Organisationsplan seines Volksaufstandes sehr lebhaft und leidenschaftlich vortrug. Tag- und Jahres-Hefte 1806 (WA I 35, 268)
Angst und Gefahr jedoch vermehrte der brave tüchtige Wille echter deutscher Patrioten, welche in der ganz ernstlichen und nicht einmal verhohlnen Absicht einen Volksaufstand zu organisiren und zu bewirken, über die Mittel dazu sich leidenschaftlich besprachen. 26. 7.
Tagebuch 26. 7. 1806 (WA III 3, 146)
Kurze Zeit spatzieren mit dem Fürsten Reuß und Graf Lepel. Wegen Regens und Nässe wieder nach Hause. Nach Tische Hr. von Ende . . . Um 4 Uhr in das Schauspiel. Ward Pinto aufgeführt. Abends war von Tümpling da. Frage über den grünen Stein in der Halskette. 27. 7.
Tagebuch 27. 7. 1806 (WA III 3, 146)
Mit dem Landgrafen von Hessen, seiner Symbolisirung der Geburt des Harlekins, wie sie aus dem Ei in der Pantomime vorgestellt wird. Dessen richtige Ansicht dieses Characters. Übrigens besondre ahndungsvolle Vermuthung von den mysteriis iniquitatis, welche in den katholischen Klöstern besonders den italiänischen vorgehen sollen. Auch war der bayerische protestantische Dechant zu Zirndorf, Pabst, bey mir und erzählte von der französischen Einquartirung, besonders aber, wie von Paris aus Männer geschickt werden, welche Vorlesungen halten, wobey besonders auf Bildung der Unterofficiere gerechnet wird. Er sucht sich einen großen Saal oder sonstigen Raum aus, setzt sich an einen Tisch. Die Soldaten stehn im Kreise um ihn her und er trägt seine Lehren nach einer bestimmten Form vor, wornach er auch in der Folge examinirt und die Leute gewissermaßen katechisirt. Dieser Unterricht, welcher von Paris geleitet wird, soll durch die ganze Armee conform seyn und sich auf höhere und niedere Tactik sowohl als auf Gesinnung und Betragen beziehen. Frau v. Brösigke und 78
1806
Karlsbad Frau von Levetzow (Pandora). Spatzieren, mit Fürst Reuß Politica. Über die östreichische Staatsschuld. Bemerkung über die unglückliche Vermischung dreyer ganz separat zu haltender Capitel. 1. Staatsschuld. 2. Deficit der Einnahme gegen die Ausgabe. 3. Papiergeld als currentes Geld oder Scheidemünze im Großen angesehen. Besuch von Hrn. von Struve. Uber verschiednes Mineralogisches. Auch über den grünen Stein, welcher für Chrysopras erkannt wurde. Zu Mittag bey Baron Voght zu Tische im Sächsischen Hause mit von Tümpling. Schatzgräbergeschichten. Das schwarze Eichhörnchen. Die Teufel mit bepichten brennenden Besemen, worüber die Beschwörer aus dem Kreise von Laubthalern herausfliehen. Tag- und Jahres-Hefte 1806 (WA I 35, 267)
Uber eine pädagogisch-militärische Anstalt bei der französischen Armee gab uns ein trefflicher aus Bayern kommender Geistlicher [Pabst] genaue Nachricht. Es werde nämlich von Officieren und Unterofficieren am Sonntage eine Art von Katechisation gehalten, worin der Soldat über seine Pflichten sowohl als auch über ein gewisses Erkennen, so weit es ihn in seinem Kreise fördert, belehrt werde. An Christiane Vulpius 28. 7. 1806 (WA IV 19, 165)
Gestern begegneten mir ganz unerwartet Frau von Brösigke und ihre Tochter, die von Egerbrunn herüberkamen, wo es auch nicht zum heitersten hergehen soll, weil die Ostreicher und Polen zwey Partheyen machen, die gegeneinander wirken, beyde aber weder einen Sachsen noch einen Preußen unter sich aufnehmen. Frau von Levezow ist reizender und angenehmer als jemals. Ich bin eine Stunde mit ihr spazieren gegangen und konnte mich kaum von ihr losmachen, so artig war sie und soviel wußte sie zu schwatzen und zu erzählen. 28. 7.
Tagebuch 28. 7. 1806 (WA III 3, 148)
Nicht getrunken; aber an beyden Brunnen mit Berghauptmann von Gutschmidt über die Freyberger persönlichen Verhältnisse. Über Trebra, Charpentier, Werner, besonders über die Bedenklichkeit und Unentschlossenheit des letztern, sowie über das Retardiren seiner Vorlesungen. Am Neubrunn den Landgrafen von Hessen angetroffen. Mittags im sächsischen Saale gegessen mit Gesellschaft: Frau von Brösigke, von Levetzow etc. etc. Eingefallener Regen. Bey Meyer im Laden, mit General Einsiedel über Stutereyen, Graf Lepel. Nachher zur Gräfin Schimmelmann, welche Whist spielte. 27./28. 7. Ulrike v. Levetzow, Erinnerungen (Mecklenburgische Monatshefte 8, 114)
B 2 872 B 3 2257
Meine Großältern Brösichcke müssen schon mit Göthe [un]d auch Schiller bekant gewesen sein wie sie auch mit dem Großherzoch von Weimar nicht nur bekant sondern befreundet waren, wie ich das ja selber noch in Marienbad gesehen habe, wo sie sich mit dem Großherzoch so oft alter Zeiten d Bekanten errinerten. Großvater war ja in Sachsen reich begütert zu erst auf Brikehl dan der großen Hersch. Löbnitz, d übte die Jagdt leidenschaftlich. Göthe mochten 79
1806
Karlsbad sie wohl in Bädern känen gelernt haben zuerst vileicht in einem kleinen Bade bei Leibzich, Lauchstät ich kan mich dessen noch ganz dunkel aus meiner früsten Kindheit errinern, wie ich auch die Großältern mit Göthe darüber sprechen hörte, meine Mutter hatte Göthe, als ganz junge Frau in Carlsbad kenen gelernt oder wider angetroffen den sie erzählte oft daß sie durch G in große Verlegenheit gesezt wurde da er sie in Carlsbad bei einem Spazirgange gefragt habe welche Gedichte ihr liber die seinen oder die von Schiller, Mutter hatte erwidert ich verstehe wohl Beide nicht imer doch die ν Schiller fühle ich, Gojethe] nahm ihr die Andwort nicht übel sondern blib sehr freundlich mit ihr d zoch sie sehr vil ins Gespräch.
29. 7.
Tagebuch 29. 7. 1806 (WA III 3, 148)
Zu Mittage bey der Fürstin Lubomirska. Speisten daselbst die Prinzeß Solms, Fräulein L'Estocq, Fürst Reuß und Sohn (dessen Manier Krebse zu essen), Graf Golowkin, Mr. Agram, Baron Voght, Fräulein Potocky vom Hause. Nach Tische lange Conversationen. Auf der Wiese spatzieren, mit einem Theil dieser Gesellschaft . . . Meyer, Kaufmann von Wien, verkauft der Fürstin Nariskin mehrere Waaren und richtet seine Forderung darauf ein, daß er die Zahlung in Papiergeld erwartet. Sie zahlt ihm halb in Gold, halb in Silber, nach dem alten Fuß, entschuldigt sich, daß sie nicht ganz in Gold zahle und bekomplimentirt sich mit ihm über die Wohlfeilheit seiner Preise. 30. 7.
Tagebuch 30. 7. 1806 (WA III 3, 149)
An dem Neubrunnen; mit Baron Voght seinen Weg. Uber den Findlaterschen Weg nach Hause. Geh. Assistenzrath Thon. Bey der Fürstin Solms. Zu Tische zurück. War Geh. Assistenzrath Thon unser Gast. Mineralien von Hrn. von Struve, theils von Lessau, theils von Joachimsthal. Im Schauspiel. Ward aufgeführt Axur. Columbine (Demoiselle Hof). Später mit Hrn. Agram spatzieren nach dem Posthause: über Gasthöfe, Shakespeare, Racine, Reisebeschreibungen, Engländer in Weimar, englische Chemiker und Physiker. Abends zusammen. 31. 7.
Tagebuch 31. 7. 1806 (WA III 3, 149)
Mit Voght über verschiedene Ansichten der Naturgegenstände . . . Ein Etagen-Stock des Grafen Nariskin, entsprungen aus den Flötenstocken, dessen Etagen als Etuits gebraucht werden. Flucht der Pandora [Amalie v. Levetzow?]. Juli
Böttiger an Bertuch 24. 8. 1806 (GJb 2, 375)
B 3 2255
Mit Goethe habe ich in den 4 Wochen, wo wir zusammen im Karlsbad gewesen sind, mich nur stumm gegrüsst. Es ist nicht meine Schuld. Er wollte es so haben, wie mir Hendrich sagte und ich fand mich natürlich auch nicht geneigt, ihm zu hofiren. Welch eine sultanische Arroganz. Böttiger an C. Bertuch 24. 4. 1807 (*GJb 2, 375; G S A , Bertuch 202 I 77)
. . . Da . . . sich Göthe noch das letzte mal in Carlsbad so bäurisch grob gegen mich genommen hat, daß es aller Welt auffiel. . .
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Karlsbad
1806
Ε. M. Arndt, Meine Wanderungen und Wandelungen mit dem Reichsfreiherrn H. K. F. von Stein (Arndt S. 167) B 2 871 B 3 2256
Hier eine hübsche Böttger-Göthe-Anekdote, welche mir mein Graf Geßler erzählt hat. Göthe war in Karlsbad, kam von einem Morgenspaziergange zu Hause und sagte: „Man stößt in der Welt doch immer und allenthalben auf unsaubere Geister, da habe ich von fern einen Mann vorbeirutschen gesehen, der Kerl hat mich ordentlich erschreckt; ich glaubte den leibhaftigen Böttger erblickt zu haben." „O, erwiederte der Freund, Ihre Augen haben sich da nicht versehen, Sie haben wirklich den Leibhaftigen gesehen." Bei diesen Worten rief Göthe aus, wie einer, der von einem Schrecken wieder aufathmet: „Gotdob! gottlob! daß Gott nicht ein zweites solches A. . . .gesicht geschaffen hat." S. Boisserée an Mathilde Boisserée 14. 4. 1832 (Boisserée 1, 587)
Tieck, dem ich es [Boisserées Begegnung mit Böttiger] erzählte, tröstete mich lachend, mit der schönen Anekdote, die sich vor mehreren Jahren in Karlsbad zugetragen hat, wo Goethe ganz verstimmt am Fenster stand, als Rehbein [?] zu ihm trat, ihm anzukündigen, daß Böttiger angekommen sey. — „Nun Dank dir, allbarmherziger, grundgütiger Gott!" brach Goethe auf einmal ganz freudig aus; „ich habe heute das abscheuliche Gesicht gesehen, und war betrübt in dem Wahn, du habest in deiner Allmacht es geschehen lassen, daß noch eine zweite Bestie der Art in der Menschen Gesellschaft entstanden sey. Dank, ewiger Dank, daß du es mit dem Einen hast genug seyn lassen!" P. A. Wolff an H. Blümner 30. 4. 1822 (HSTA Weimar, Genint, Slg. Pasqué 38, 2)
Mit Böttiger haben wir eine Explication gehabt. . . danken wir Gott mit Göthen, daß nur ein solcher Mensch geschaffen ist. 1. 8.
Tagebuch 1. 8. 1806 (WA III 3, 150)
Unterhaltung mit von Voght. Uber höhere Ansichten des Reiches der Natur und der Freyheit. Mittag beym Landgrafen von Hessen. Zugegen waren der Kreisdirector von Schiller, Baron Voght und einige andre. Nach Tische Visite bey Bühlers, gegen Abend Voght. Fortsetzung des früheren Gespräches. Sodann von Struve, der einen idealen Durchschnitt des Lessauer und Hohdorfer Gebirges brachte. 13. 7./ 1 8
Tag- und Jahres-Hefte 1806 (WA I 35, 268)
Landgraf Carl von Hessen, tieferen Studien von jeher zugethan, unterhielt sich gern über die Urgeschichte der Menschheit und war nicht abgeneigt höhere Ansichten anzuerkennen, ob man gleich mit ihm einstimmig auf einen folgerechten Weg nicht gelangen konnte. 2. 8.
Tagebuch 2. 8. 1806 (WA III 3, 151)
Besuch vom Fürsten Reuß. Verwirrung wegen des Wegfahrens . . . 1.8.
Vgl. die vermutlich während des Gesprächs mit Struve entstandene Zeichnung vom Erdbrandgebiet der Lessauer und Hohdorfer Gebirge bei Femmel V Β Nr. 200.
81
1806
Karlsbad Eigene Nachfrage des jungen Grafen Rzewusky nach der Wahrheit des Wertherschen Romans.
7. 7./2. 8. Tag- und Jahres-Hefte 1806 (WA I 35, 264)
An diesem Curorte [Karlsbad], wo man sich um zu genesen aller Sorgen entschlagen sollte, kam man dagegen recht in die Mitte von Angst und Bekümmerniß. Fürst Reuß XIII., der mir immer ein gnädiger Herr gewesen, befand sich daselbst, und war geneigt mir mit diplomatischer Gewandtheit das Unheil zu entfalten das unsern Zustand bedrohte. 3. 8.
Tagebuch 3. 8. 1806 (WA III 3, 151)
An einigen Orten persönlich Abschied genommen. Berg-Commissionsrath von Herder. Mit demselben über verschiedene geologische Gegenstände. Blieb derselbe zu Tisch, wo das Gespräch fortgesetzt wurde. Einiges über das BlauFarbenwerk, über die Münze und andre Einrichtungen. Vor Tische Hr. Bergrath Werner. Dessen Vorstellung von der Entstehung des Sprudels und der übrigen hiesigen mineralischen Quellen. Er legt ein Steinkohlenflötz zum Grunde, das er auf die wunderlichste Weise operiren läßt. Nach Tische mit Müllern den Schloßberg bestiegen und die verschiedenen Quellen besehen. Nachrichten von den verschiedenen Ausbrüchen des Sprudels und andrer Quellen. Blick in die vergangene Zeit, theils historisch, theils hypothetisch. Besuch von Hrn. Baron von Voght. Dann besuchten wir Herders in der goldenen Krone, trafen Werner auf der Wiese und nahmen so Abschied. Tag- und Jahres-Hefte 1806 (WA I 35, 267)
Späterhin traten Bergrath Werner und August von Herder, jener auf längere, dieser auf kürzere Zeit, an uns heran. Wenn nun auch, wie bei wissenschaftlichen Unterhaltungen immer geschieht, abweichende, ja contrastirende Vorstellungsarten an den Tag kommen, so ist doch, wenn man das Gespräch auf die Erfahrung hinzuwenden weiß, gar vieles zu lernen. Werners Ableitung des Sprudels von fortbrennenden Steinkohlen-Flötzen war mir zu bekannt, als daß ich hätte wagen sollen ihm meine neusten Uberzeugungen mitzutheilen, auch gab er der Übergangsgebirgsart vom Schloßberge, die ich so wichtig fand, nur einen untergeordneten Werth. August von Herder theilte mir einige schöne Erfahrungen von dem Gehalt der Gebirgsgänge mit, der verschieden ist, indem sie nach verschiedenen Himmelsgegenden streichen. F. W. H. V. Trebra an Goethe 28. 8. 1817 (Herrmann S. 165)
Unbegreiflich ist es mir, daß Werner so wenig über diese Carlsbader Wichtigkeiten gesprochen und gar nichts geschrieben h a t . . . Nur soviel habe ich einmal von ihm herausgepreßt, daß Du auch über eine Theorie der Carlsbader Quelle brütetest, daß Du ihm viel davon gesagt hättest, daß er aber nicht Deiner Meinung wäre. Worinne das alles aber bestanden hätte, darüber durchaus weiter nichts. 82
1806 10. 7./ 3 8
Karlsbad C. v. Voght an Johanna Margaretha Sieveking 5. 8. 1806 (Tecke 2, 148)
B 3 2254
Ich habe viel mit der Prinzessin von Solms, dem Landgraf von Hessen, der Schimmelmann, einigen Wiener und einigen englischen Familien gelebt. Vorzüglich habe ich Göthe genossen. Ich traf ihn an mehrern Orten. Er hat offt bey mir gegessen und nachdem die Höflichkeitskruste abgestreifft war, in die er sich zu werffen so gewohnt ist, ward er äußerst interessant. Er hat mir auf mehrern stundenlangen Gängen sein System einer für den gesunden Verstand äußerst anziehenden Metaphisik mit viel Wärme und Beredsamkeit auseinander gesezt. Diese S y m b o l i s t i k — diese p h i s i o l o g i s c h e Ansicht der Physick, die weder eine subjektive noch platt objektive ist, scheint Einem so ganz i n s L e b e n u n d in d i e Welt h i n e i n zu s e t z e n , die in jedem andern System durch die Abstraktion zerstört wird. Dies führt dan wieder auf eine k l a r e r e Weise zum Spinozism, zum Platonism und zu den Ansichten der mehrsten alten Philosophen, die die Materie für Ewig hielten und die Gottheit in A l l e m sahen. In diesen Ideen, die ihm nun alles, womit er sich sonst beschäfftigte, auf das eigendste zu ordnen und zu verbinden scheinen, lebt er nur allein. Von seinen Dichter Arbeiten spricht er als wenn ein andrer sie gemacht hätte. Er hat mit Beyhülfe seines Gesellschaffters, des Dr. Riemer, der ein großer Grieche ist, alles gesammelt, was die Alten über das S e h e n gesagt haben und wird in einer Optik in 3 Bänden, die auf Ostern herauskommen wird, diesen Sinn nach seinem System darstellen, welches denn mit der Ansicht der Alten wunderbarlich zusammentreffen soll. D i e W i s s e n s c h a f t e n , sagt Göthe, g e h n v o r w ä r t s n i c h t im Z i r k e l , a b e r in e i n e r S p i r a l l i n i e — d a s s e l b e k o m t w i e d e r a b e r h ö h e r u n d weiter. Unter den sonderbaren Collectionen, die er macht, ist denn auch Eine von H a n d s c h r i f f t e n bekannter Männer. Er hat mich um die Handschrifften derer gebeten, die auf einliegender Karte verzeichnet sind, damit haben Sie denn auch s e i n e H a n d s c h r i f f t und dafür bitte ich Sie mir zu helfen, daß ich sie bald beysammen bringe. Noch möchte er gern H a g e d o r n s Handschrifft haben, aber das wird wohl schwer seyn . . . Göhte wundert sich über das Aufheben, das Jakobi von Körtes Bekantmachung der Briefe gemacht hat [JALZ Intbl. 14. 4. 1806] — wenn er indessen bey der Gelegenheit etwas Gutes über Freundschafft gesagt hat, so wollen wir ihm auch das gut heissen.
3. 7./3. 8. Tag- und Jahres-Hefte 1806 (WA I 35, 265)
Was von seinen [Joseph Müllers] Untersuchungen mir den größten Gewinn versprach war die Aufmerksamkeit, die er dem Ubergangsgestein geschenkt hatte, das sich dem Granit des Hirschensprungs vorlegt. . . Er zeigte mir sorgfältig die Spuren obgedachten Gesteins, welches nicht leicht zu finden ist, weil die Gebäude des Schloßbergs darauf lasten. Wir zogen sodann zusammen durch die Gegend, besuchten die auf dem Granit aufsitzenden Basalte über dem Hammer, nahe dabei einen Acker, wo die Zwillingskrystalle sich ausgepflügt finden. Wir fuhren nach Engelhaus, bemerkten im Orte selbst 83
1806
Karlsbad den Schriftgranit und anderes vom Granit nur wenig abweichendes Gestein. Der Klingsteinfelsen ward bestiegen und beklopft, und von der weiten, obgleich nicht erheiternden Aussicht, der Charakter gewonnen. Zu allem diesem kam der günstige Umstand hinzu, daß Herr Legationsrath von Struve, in diesem Fache so unterrichtet als mittheilend und gefällig, seine schönen mitgeführten Stufen belehrend sehen ließ, auch an unsern geologischen Betrachtungen vielen Theil nahm und selbst einen ideellen Durchschnitt des Lessauer und Hohdorfer Gebirges zeichnete, wodurch der Zusammenhang der Erdbrände mit dem unter und neben liegenden Gebirg deutlich dargestellt und vermittelst vorliegender Muster, sowohl des Grundgesteins als seiner Veränderung durch das Feuer, belegt werden konnte. Spazierfahrten, zu diesem Zwecke angestellt, waren zugleich belehrend, erheiternd und von den Angelegenheiten des Tags ablenkend. An Carl August 4. 8. 1806 (WA IV 30, 87)
Seit meinem Letzten wurden mehrere interessante Bekanntschaften gemacht, andre mehr cultivirt. Wenn ich sie im Ganzen durchgehe, so bleibt doch immer Voght von Hamburg wohl die vorzüglichste. Hinter einer etwas rauhen bürgerlichen Schale, die man am reichen Reichsstädter wohl verträgt, zeigt sich große Kenntniß der weltlichen Dinge, der beste Wille fürs Gute, Rechte und Wohlthätige und eine unermüdete Thätigkeit. Dabey ist seine Geistescultur wirklich fein und auch in literarischen Dingen hat er schöne Kenntnisse. Man kann leicht mit ihm über alles reden, weil sich leicht bey ihm an alles anspielen läßt. Der Landgraf von Hessen hat mich mit einigen Aussichten nach dem Orient bekannt gemacht, nicht weniger auch mir eröffnet, wohinaus die gegenwärtigen Überschwemmungen und Umwälzungen der Weltzustände endlich laufen würden. Von diesen Mysterien werde ich mündlich etwas mittheilen können. Indem wir uns nun von einer Seite so ernsthaft unterhielten machten die schönen Frauen Solms und Nariskin im Ganzen und besonders auch auf die Mystagogen eine solche Wirkung, die man fast comisch nennen dürfte. Die Fürstinn Solms ist abgereis't und was sonst unsre Contemporanen sind, verlieren sich auch nach und nach. Polen und Juden haben jetzt durchaus das Ubergewicht, und da sich in der Hälfte der Badezeit eines Jeden die Lust erschöpft, neue Bekanntschaften zu machen; so finde ich mich in diesen letzten Tagen am Sprudel und Neubrunn ganz in einem fremden Lande. Eine überraschend angenehme Erscheinung war ein Portefeuille von Kupferstichen das Graf Lepel mit sich führt und worin er die Acquisitionen aufbewahrt, die er unterweges macht . . . Indessen hat denn doch die Mineralogie innerhalb dieser Felsen auch ihre Rechte behauptet . . . Ein Bruder des von Struve, der sich so lange bey uns aufhielt, ein passionirter Mineraloge, war dabey als Theilnehmer sehr erwünscht. Er hat die große Genauigkeit Wernerischer Schüler in Beschreibung dieser natürlichen Gegenstände, viel Kenntniß und Thätigkeit, wobey ihm denn freylich seine Taille zu statten kommt, die ihm besser als uns die Berge zu besteigen erlaubt. 84
Karlsbad
1806 An Zelter 15. 8. 1806 (WA IV 19, 172)
In guter Reisegesellschaft habe ich ein ganz frohes Leben geführt, habe viele Bekanntschaften gemacht und mancher ist mir persönlich begegnet, dessen Namen und Wirkungen ich sonst nur kannte. H. Luden, Rückblicke in mein Leben (Luden 1 S. 18)
B 2 873 B 3 2260
[Goethe erzählt 10. 8. 1806:] „In meiner Art auf und ab wandelnd, war ich [in Karlsbad] seit einigen Tagen an einem alten Manne von etwa 78 bis 80 Jahren häufig vorübergegangen, der, auf sein Rohr mit einem goldenen Knopfe gestützt, dieselbe Straße zog, kommend und gehend. Ich erfuhr, es sei ein vormaliger hochverdienter österreichischer General aus einem alten, sehr vornehmen Geschlechte . . . Ein Mal auf einem Spaziergang . . . kam der Alte freundlich auf mich zu, entblößte das Haupt ein wenig, was ich natürlich anständig erwiderte, und redete mich folgender Maßen an: „Nicht wahr, Sie nennen sich Herr Goethe?" — Schon recht. — „Aus Weimar?" — Schon recht. — „Nicht wahr, Sie haben Bücher geschrieben?" — O ja. — „Und Verse gemacht?" — Auch. — „Es soll schön sein." — Hm! — „Haben Sie denn viel geschrieben?" — Hm! es mag so angehen. — „Ist das Versemachen schwer?" — So, so. — „Es kommt wohl halter auf die Laune an, und ob man gut gegessen und getrunken hat, nicht wahr?" — Es ist mir fast so vorgekommen. — „Na, schauen's, da sollten Sie nicht in Weimar sitzen bleiben, sondern halter nach Wien kommen." — Hab' auch schon daran gedacht. — „Na, schauen's, in Wien ist's gut; es wird gut gegessen und getrunken." — Hm! — „Und man hält was auf solche Leute, die Verse machen können." — Hm! — „Ja, dergleichen Leute finden wohl gar — wenn's sich gut halten, schaun's, und zu leben wissen — in den ersten und vornehmsten Häusern Aufnahme." — Hm! — „Kommen's nur; melden's sich bei mir; ich habe Bekanntschaft, Verwandtschaft, Einfluß; schreiben's nur: Goethe aus Weimar, bekannt von Karlsbad her. Das Letzte ist nothwendig zu meiner Erinnerung, weil ich halter viel im Kopf habe." — Werde nicht verfehlen. — „Aber sagen's mir doch, was haben's denn geschrieben?" — Mancherlei, von Adam bis Napoleon, vom Ararat bis zum Blocksberg, von der Ceder bis zum Brombeerstrauch. — „Es soll halter berühmt sein." — Hm! leidlich. — „Schade, daß ich Nichts von Ihnen gelesen und auch früher Nichts von Ihnen gehört habe. Sind schon neue verbesserte Auflagen von Ihren Schriften erschienen?" — O ja, wohl auch. — „Und es werden wohl noch mehr erscheinen?" — Das wollen wir hoffen. — „Ja, schauen's, da kauf' ich Ihre Werke nicht. Ich kaufe halter nur Ausgaben der letzten Hand; sonst hat man immer den Arger, ein schlechtes Buch zu besitzen, oder man muß dasselbe Buch zum zweiten Male kaufen. Darum warte ich, um sicher zu gehen, immer den Tod der Autoren ab, ehe ich ihre Werke kaufe. Das ist Grundsatz bei mir, und von diesem Grundsatz kann ich halter auch bei Ihnen nicht abgehen." — Hm!" — F. V. Müller, Unterhaltungen 1. 1. 1832 (Grumach S. 207)
B 2 3039 B 3 6936
Einst saß Goethe in Carlsbad mit einem Oestreichischen Magnaten zu Tisch, der ihm Entschuldigungen machte, daß er seine Werke noch nicht gelesen, weil 85
1806
Karlsbad er sich zum Princip gemacht, Autoren erst dann zu lesen und anzukaufen, wenn keine veränderten Editionen mehr zu fürchten, d. h. nach ihrem Tode. „Sie sollten nach Wien kommen; dort macht man etwas aus solchen Leuten wie Sie sind!" Gedankenspäne — Anekdoten (R. Grumach S. 373)
Graf W., der kein Werk eines Autors kauft als bis der tot ist, weil man die Werke sonst nicht beisammen haben kann.
Eger 4. 8.
Tagebuch 4. 8. 1806 (WA III 3, 152)
Abends um 6 Uhr in Eger angekommen. Vorzüglich gute Musik beym Zapfenstreich. Maestro und Primo-Hautboist ist ein gewisser Radeck. 5. 8.
Tagebuch 5. 8. 1806 (WA III 3, 152)
Wir gingen zum Scharfrichter, Huß genannt, welcher eine schöne Münzsammlung besitzt, welche sich besonders über alle moderne europäische Reiche und Provinzen erstreckt. Auch von antiken Münzen ist gutes dabey, obgleich wenig. Er hat sie erstlich nach dem Range der Staaten und dann nach der Zeit geordnet. Sie sind sehr sauber aufbewahrt und gehalten. Außerdem hat er sich mit Abschriften von Documenten, die sich auf Eger und Egrische Familien beziehen, viele Mühe gegeben. Auch besitzt er allerley andre Dinge, besonders Waffen, aus der mittleren Zeit. Unter mancherley Gefäßen zeichnet sich ein krystallnes, sehr sauber geschnittnes und ein etwa 15 Zoll hohes Fayence-Gefäß aus, das mit erhabenen Figuren gearbeitet und mit bunten Glasuren gemalt ist. Einige gute Dinge von gebranntem Thon, die er durch einen Geistlichen aus Rom erhalten hat. Worunter besonders eine einen Zoll große tragische Maske, die einem Jupiter ähnlich sieht, eine Menge andrer Curiosa, auch einige Mineralien. Kam Mad. Unzelmann von Franzensbad, die bey uns zu Mittag aß, worauf wir sie auf das Rathhaus und auf das alte Schloß führten. Abends kehrte sie wieder zurück. H. Becker an H. Blümner 18. 8. 1806 (HSTA Weimar, Genint, Slg. Pasqué 2, 2)
Die Madame Bethmann hat von Eger aus an uns geschrieben, sie wollte gern hier [Lauchstädt] spielen, Göthe hätte sie deshalb an uns gewiesen, wir haben es aber abgelehnt, und ihr solches gestern in einem Brief nach Leipzig zu wissen gethan. Eger 5. 8.
Friederike Bethmann-Unzelmann an Goethe 30. 7. 1806 (Eing. Br. alph. 928) Den 5. oder 6. habe ich ia wohl das Vergnügen Sie hier [Eger] zu sehn, und werde mündlich meine Antwort [auf ihren Gastspielantrag in Lauchstädt] von Ihnen erhalten, haben Sie nur die Güthe mich gleich von Ihrer Ankunft zu benachrichtigen.
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Eger
1806 J. S. Grüner (Grüner S. 68)
Goethe selbst nahm nicht Anstand, bei ihm [Huß] einmal in früheren Jahren ein Frühstück zu veranstalten, welches er mit einer berühmten Opernsängerin in seinem Hause einnahm. A s c h — Hof — P ö ß n e c k — J e n a 6.8.
Tagebuch 6. 8. 1806 (WA III 3, 154)
Der Pfarrer [Chr. F. Martius] mit den vielen Kindern und Zwillingen. Politische Neugier des Mautners . . . Abends um 7 Uhr in Hof. Nachricht von der Erklärung des rheinischen Bundes und dem Protectorat. Reflexionen und Discussionen. Gutes Abendessen. Nachricht von einem Balle den nächsten Sonnabend, zu Ehren des Tauenzienschen Regiments, das durch Hof u. s. w. nach Hannover marschirt. In Asch fanden wir eine Hökin, welche kleine Birnen 6 für einen Kreuzer verkaufte. Sie holen diese, so wie ihr übriges frisches und getrocknetes Obst, Gemüse und andres Gartenwerk, auch Grütze und dergl. von Bamberg herauf. . . Auch schon in Hof wurde uns gesagt, daß sie ihr Obst und Gemüse, besonders Blumenkohl, aus Nürnberg mit dem Postwagen kommen lassen, weshalb sie im Gasthof einen ordentlichen Accord haben. 6. 8. (?)
Riemer (*JbGG NF 32, 284; Keil5 S. 191)
B 3 7167. 7152
[Goethe?:] „Ein Landschaftsmaler und überhaupt ein Maler hat zu bedenken, daß es ein Raum ist, den er verzieren soll. Roux et socii wissen das nicht, daher sieht ihre Sache auch nach nichts aus. „Ein Gegenstand wird sogleich ein anderer, sobald er durch die Phantasie des Menschen als Medium durchgegangen." In Asch bemerkt, als Goethe das hölzerne Gebäude und seinen Anhang zeichnete. „Wenn der Mensch sich in irgendwas dem Schöpfer gleichstellen kann, so ist es der Künstler, indem er den Gegenstand nochmals erzeugt und sich mit ihm identificirt. Die holländischen Landschaften sind erst was durch die Phantasie des Künstlers und des Beschauers. Es wird gleichsam vorausgesetzt, daß da nichts zu sein brauchte, wo er (der Künstler) ein Etwas hingesetzt. Wie viel Silber der Rechtschaffenheit ich unter dies mein Kupfer noch darunter thun will, daß es im Handel und Wandel noch gilt, das ist meine Sache und geht Niemanden als mich und Gott an." 7. 8.
Tagebuch 7. 8. 1806 (WA III 3, 155)
Zwiespalt des Bedienten und Kutschers auf dem Bocke, welcher uns mehr in Leidenschaft versetzte als die Spaltung des römischen Reichs. In Gefäll den Pferden etwas Heu gegeben . . . Uneigennütziger Mann der uns von Podelwitz einen schlechten Weg nach Pösneck wies. Kleiner muntrer Betteljunge, der vom Terminischen kam und uns den Fußpfad nach dem Städtchen führte. Nachtquartier in Pösneck. 87
1806 6./7. 8.
A s c h - Hof - P ö ß n e c k - J e n a An die Fürstl. Generalpolizeidirektion in Jena 14. 8. 1806 (WA IV 19, 170)
Mit den Dienstleistungen meines gewesenen Bedienten Gensler habe ich persönlich zufrieden seyn können; allein er hat mir durch sein unartiges Betragen gegen meine Umgebung fortdauernden Verdruß gemacht. Daß diese Übel sich von ihm selbst herschrieben, zeigt sich daraus schon ganz deutlich, daß er die Veranlassung dazu im Hause auf meine Hausgenossen, auf der Reise auf meine Reisegefährten [Riemer und v. Hendrich] schieben will.'Von seinen sträflichen Unarten ist mir noch manches bey meiner Rückkunft bekannt geworden. Die Händel mit dem Kutscher [J. M. Goldschmidt] gingen schon den 6. bey der Abfahrt in Eger an, da er dem Kutscher zum Verdruß gepackt hatte; woher schon beym Aufsteigen ein lebhafter Wortwechsel zwischen beyden entsprang. Den 7., zwischen Hof und Schleiz, entstand ein ähnlicher Zank auf dem Bocke, welcher ohnerachtet aller bedrohlichen Zureden wohl eine Viertelstunde dauerte, bis sie sich zuletzt zu balgen anfingen, der Kutscher wie wüthend vom Bocke sprang, mit der Peitsche dem darauf sitzen bleibenden Bedienten drohte, daß dieser ausgeschlagen habe, mit Heftigkeit ausrief, und dadurch die Reisegesellschaft in nicht geringen Unmuth und Verlegenheit versetzte. 8. 8.
Tagebuch 8. 8. 1806 (WA III 3, 156)
Um 6 Uhr abgefahren. Unterwegs politisi« und neue Titel Napoleons ersonnen. Spaß von subjectiven Prinzen. Ferner Fichtes Lehre in Napoleons Thaten und Verfahren wiedergefunden . . . Abends um 6 Uhr nach Jena angekommen. Carl auf die Hauptwache . . . Mit Major von Hendrich zu Abend gegessen. Riemer f P o l l m e r 1 S. 253; G S A , Riemer 931)
B 3 2258
G im Sommer, $ [Freitag] den 8 August 1806. „Wir Napoleon, Gott im Rücken, Mahomet der Welt, Kaiser von Frankreich, Protector von Deutschland, Setzer und Schätzer des empirischen Universums etc. etc." Gemeinschafd. mit G. erfunden auf der Rückreise von Carlsbad, nach erhaltner Nachricht das deutsche Reich sey aufgelöst. Jena J. D. Färber, Kalender 8. 8. 1806 (UBJena, Nachl. Martin q 20)
Abends Ά 6 Uhr sind dH Geh. rath ν Göthe und dH Major ν Hendrich aus Carlsbad wieder ankörnen. A n die Fürstl. Generalpolizeidirektion in Jena 8. 8. 1806 (WA IV 19, 169)
. . . Da ich mich nun in dem Fall sah, durch Zorn und Ärger die ganze Wirkung meiner vollbrachten Badekur zu verlieren, auch auf dem Punct stand, zu einer unschicklichen und sträflichen Selbsthülfe genöthigt zu werden; so blieb mir nichts übrig, als diesen Burschen [Diener Gensler] bey meiner Ankunft in Jena 88
1806
Jena in militärische Haft bringen zu lassen, den ich nach diesem Vorgang nicht mehr in meinen Diensten behalten kann.
9. 8.
Tagebuch 9. 8. 1806 (WA III 3, 156)
Bey Lenz im Cabinette, wo alles in der besten Ordnung gefunden wurde . . . Major von Knebel angetroffen, der in Weimar gewesen war und verschiednes erzählte. Bey Major von Hendrich gegessen. Geheime Hofrath Stark. Abends bey Frommann. Vorher Prof. Fuchs. Abends Ständchen der Studenten wegen der Prorectorwahl. Knebel, Tagebuch 9. 8. 1806 (GSA, Nachlaß Knebel)
Göthe gestern vom Karlsbad zurück, den Morgen ihn besucht. Nach M. das Museum besehen mit ihm. In Griesbachs Garten. 10. 8.
Tagebuch 10. 8. 1806 (WA III 3, 157)
Polizeysecretär, welcher die Sachen von Carln in Empfang nahm. Hierauf Hr. Geheimerath Hufeland von Berlin, Hr. Dr. und Prorector Gabler. Die Abgeordneten von den Studirenden, wegen der gestrigen Nachtmusik. Dr. Seebeck, welcher von seinen Versuchen über die Oxydation und Desoxydation, über mehr und weniger Erwärmung durch gefärbtes Licht Nachricht ertheilte . . . Nachmittag und Abends bey Major von Knebel, wo Geh. Rath Hufeland und Professor Luden zu Nacht speisten. Notiz für die Akten der Oberaufsicht 10. 8. 1806 (GSA, Aktenkopien II, Tit. 6 N. 1 Bd 5)
Professor Schelfer wiederhohlte seine Bitte um ungehinderten Gebrauch des naturhistorischen Museums. Knebel, Tagebuch 10. 8. 1806 (GSA, Nachlaß Knebel)
Morgens Geh. R. Hufland hier, mit Prof. Luden — u. speisen beide Abends mit Göthe u. Hn Riemer bei mir. Riemer ( J b G G N F 32, 273)
B 3 2259
d. 10. August 1806 Abends bei Knebel. Geh. R. Hufeland. Prof. Luden. Goethe. Bei Gelegenheit des bewunderten Experiments mit dem schwimmenden Stein sagte Goethe: „ E s ist gar zu hübsch, wenn die Natur einmal natürlich ist, da weiß man nicht was man anfangen soll." Als von Gespensterglauben und einem Hause in Weimar, worin es spuken sollte, die Rede war, sagte Goethe: „Der Glaube muß sich doch irgendwohin flüchten können, wenn es auch in ein altes Haus wäre." Es ist das sogenannte Kornhaus, das einst Schiller angeboten worden, und worin zuletzt noch Frau von Staël logirt hatte. H. Luden, Rückblicke in mein Leben (Luden 1 S. 8)
B 2 873 B 3 2260
Im Frühlinge des Jahres 1806 wurde ich zum außerordentlichen Professor in Jena ernannt. Um die Mitte des Jahres erklärte ich, daß ich dem Rufe folgen 89
1806
Jena und mein Amt zu Michaelis antreten wollte: denn ich wünschte den Sommer hindurch die Bibliothek in Göttingen zu benutzen und überhaupt für meine akademische Wirksamkeit vorzuarbeiten. Gegen das Ende des Monates Julius aber entschloß ich mich, nach Jena zu reisen und mich einige Wochen daselbst aufzuhalten . . . Als ich eben im Begriffe war, mit der Post nach Jena abzureisen, traf der Staatsrath Hufeland in Götdngen ein. Dieser so vortreffliche als berühmte Mann kam aus Pyrmont, und wollte über Weimar und Jena nach Berlin zurück reisen . . . Hufeland bot mir eine Stelle in seinem Wagen an: er sei ganz allein, und würde sich freuen, die Reise in meiner Gesellschaft zu machen. Natürlich schlug ich ein . . . Wir kamen Abends in Jena an und traten im Gasthofe zur Sonne ab. Am anderen Morgen sagte Hufeland: „Von nun an, lieber Freund, werden unsere Wege leider wohl aus einander laufen . . . Indeß kann ich mir das Vergnügen nicht versagen, Sie mit Einem Manne bekannt zu machen, den ich sehr hochhalte, der gewiß nicht der gelehrteste, aber zuverlässig der interessanteste Mann in Jena ist. Sie werden mir seine Bekanntschaft danken, und er wird sich der Ihrigen freuen. Es ist der Major von Knebel." Um 10 Uhr gingen wir hin . . . Knebel und Hufeland begrüßten sich auf das Freundschaftlichste und schienen Beide über das Wiedersehen eine gleich herzliche Freude zu haben. Und auch mich empfing Herr von Knebel, als Hufeland meinen Namen genannt und einige empfehlende Worte über mich gesagt hatte, auf eine sehr wohlwollende Weise. . . Als wir hierauf in Knebel's Wohnzimmer eingetreten waren, sagte dieser zu Hufeland: „Wahrlich, ich freue mich sehr, Sie gesund und wohl wieder zu sehen; aber doppelt erfreulich ist mir Ihr Besuch gerade am heutigen Tage. Gestern Abends spät ist Goethe aus dem Karlsbade angekommen, und hoffentlich mit frischen Kräften und heiterem Geiste. Vor einer Viertelstunde habe ich ein Billet von ihm erhalten, in welchem er mir ankündigt, daß er diesen Abend bei uns essen will. Ich habe so eben meine Frau avertirt. Wollen Sie mir die Ehre erweisen, Theil zu nehmen, so soll es mich sehr freuen; ich werde meine Frau veranlassen, zu leisten, was Haus und Stadt vermögen, und ich hoffe, wir wollen recht vergnügt sein." Hufeland nahm die Einladung gern an. „Und Sie, mein junger Freund," setzte Knebel gegen mich gewendet hinzu, „werden meine Bitte doch auch nicht zurück weisen; es wird Sie, denke ich, freuen, Goethe'n bekannt zu werden und kennen zu lernen." „Ja, Den da," rief Hufeland, „machen Sie glückselig durch Ihre Einladung; glauben Sie mir das." Und ich gestehe gern, daß ich auf das Höchste erfreuet war . . . Wir blieben bis gegen 1 Uhr. Als wir Abschied nehmen wollten, hielt Herr von Knebel uns zurück: „Noch einen Augenblick; ich muß Ihnen ein gar schönes neues Gedicht vorlesen, das Goethe mir heute Morgen zugeschickt hat, und das noch Niemand kennt." Es war eins von den kleinen Liedern; ich kann mich nicht besinnen, welches; Knebel aber las dasselbe mit einer reinen, vollen, klangreichen Stimme so vortrefflich, wie ich kaum jemals lesen gehört hatte. 90
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Jena Voll von der Erinnerung an den Morgen dieses Tages, voll von der Erwartung des Abends, eilte ich nach Tische ins Freie hinaus, an die Saale im Paradiese, über die Brücke, auf die Berge, nach dem Fuchsthurm. Ich war sehr glücklich und gedachte mit den schönsten Hoffnungen der Tage, die mir in der großen Stadt Weimar-Jena bevorstanden. Ich bemerkte nicht, wie weit ich mich entfernte, und wie die Stunden verschwanden. Als ich mich endlich besann, lief ich so schnell als möglich nach der Stadt zurück, vermochte aber die Sonne erst nach 8 Uhr zu erreichen. Hufeland war schon zum Herrn von Knebel gegangen, und hatte dem Kellner aufgetragen, mir zu sagen, daß ich mich beeilen möchte. Ich wechselte schnell mein Kleid, ging nicht ohne einige Beklommenheit rasch fort, und mochte etwa um halb 9 Uhr im Knebeischen Hause eintreffen. An der Treppe kam mir die Frau von Knebel entgegen, eine sehr hübsche und äußerst lebhafte Dame. „Aber, Herr Professor," sagte sie nach der ersten Begrüßung, „Sie haben lange auf sich warten lassen. Drinnen ist eine große Verstimmung. Der geheime Rath ist sehr eigen; er will auf Niemand warten, sondern verlangt, daß alle Welt auf ihn warten soll. Es hat nicht viel gefehlt, so wäre er wieder fortgegangen." — „Sie erschrecken mich, gnädige Frau," antwortete ich. „ E s thut mir um so mehr Leid, da Se. Excellenz Recht hat. Indeß hoffe ich, Verzeihung zu erhalten. Sollte aber meine Entschuldigung nicht ausreichen, so hoffe ich, Sie werden mir beistehen, und einer schönen Frau wird es ja leicht gelingen, auch die Verdrießlichkeit einer Excellenz in Heiterkeit umzuwandeln." — Frau von Knebel führte mich in das Zimmer: „Hier ist der Zauderer," sagte sie. In dem Zimmer befanden sich, außer den Herren von Knebel und Hufeland, nur Goethe und Riemer, der Goethe zu begleiten pflegte. Alle standen schweigsam da; kein Gesicht zeigte sich freundlich. Hufeland sah gutmüthig vor sich hin, Riemer gleichgültig, Knebel verlegen, Goethe verdrießlich. Knebel, gegen Goethe gewendet, wies mit der Hand nach mir her: „Herr Professor Luden." Goethe machte eine kleine, verstümmelte Bewegung, in welcher kaum der Anfang zu einer Verbeugung zu erkennen war, ohne ein Wort zu sagen. Das war die ganze Vorstellung; und vielleicht war sie die beste: denn nun brauchte ich auch Nichts zu sagen und hatte doch Zeit gehabt, mir den Heros anzusehen. Ich wandte mich daher sogleich an den Herrn von Knebel: „Frau von Knebel hat mir so eben gesagt, daß auf mich gewartet worden ist. Das thut mir unendlich Leid; aber ich glaube, Absolution von meiner Sünde zu verdienen, auch ohne Buße. Eine Stunde war mir nicht bestimmt, und als Neuling bin ich natürlich unbekannt mit der Weise der Götter in diesem Lande. Was ich diesen Morgen aus diesen Fenstern gesehen hatte, das übte auf mich eine unwiderstehliche Anziehungskraft. Ich mußte die Herrlichkeiten, den Fluß, die Berge, Alles soweit als möglich in der Nähe sehen. Also bin ich hinaus gelaufen, habe die Fluren durchstreift und mehre Berge bestiegen; und in meiner Begeisterung habe ich nicht an die Zeit gedacht und ganz vergessen, daß der Rückweg so lang zu sein pflegt, als der Anmarsch. So habe ich mich, in aller Unschuld, verspätet." Während ich diese Worte sprach, ließ Goethe ein Paar Male ein beifälliges Hm! Hm! vernehmen, und Knebel warf sein gewöhnliches Jo, jo! Jo, jo! hinein. Endlich sagte Goethe: „Die Entschuldigung des Herrn Professors ist ausreichend; wir 91
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Jena wollen ihm vollkommene Absolution ertheilen, unter der Bedingung, daß er künftig, da er nunmehr mit der Weise der Götter in diesem Lande bekannt geworden ist, pünktlicher sei." Ich sprach sogleich das Gelübde aus. „So ist," rief Frau von Knebel, „mein Beistand, den ich dem Herrn Professor zugesagt habe, wohl gar nicht nöthig?" — „Gar nicht, schöne Frau," antwortete Goethe. „Aber wir müssen die Zeit wieder einbringen; darum geben Sie uns nur bald zu essen und zu trinken." Fünf Minuten nachher saßen wir um einen runden Tisch. Wir aßen gut und tranken noch besser. Auch schienen Alle einen vortrefflichen Appetit zu haben und einen anständigen Durst. Anfangs wurde hin und her geplaudert, in gewöhnlicher Weise. Kaum aber mochte eine Viertelstunde verlaufen sein, so hatte Goethe es übernommen, die Gesellschaft zu unterhalten. Und er unterhielt sie auf eine bewunderungswürdige Weise. Er erzählte Anekdoten und Abenteuer von seinen Reisen, im Besondern von seinem letzten Aufenthalte im Karlsbade, charakterisirte die Menschen auf das Lebendigste, warf mit Scherzen und Witzworten um sich, und schien aus seinem unermeßlichen Vorrathe um so freigebiger und lieber mitzutheilen, je aufmerksamer wir sämmtlich auf seine Worte waren und je dankbarer für seine Mittheilungen. Die Gesellschaft wurde ungemein lebendig und brach zuweilen in ein schallendes Lachen aus, nur dem Lachen der unsterblichen Götter vergleichbar. An diesem Lachen nahm Goethe selbst nur mäßigen Antheil, schien aber mit großer Lust in dasselbe hinein zu schauen und nur den Wunsch zu haben, es nicht ausgehen zu lassen. Im Allgemeinen hatte er das Wort ganz allein; nur Herr von Knebel ließ sich sein Hausrecht nicht nehmen, brach hier und dort ein, und gab damit Veranlassung zu neuen Witzen und Anekdoten. Wir Übrigen machten Alles mit Lachen gut. Zuweilen jedoch richtete Goethe auch wohl eine Frage an Diesen oder Jenen, und im Besonderen wiederholt an mich, sei es, daß er seine erste Unfreundlichkeit noch mehr gut machen, sei es, daß er mir, dem Ankömmling, wie man zu sagen pflegt, auf den Zahn fühlen wollte. Und in der Stimmung, in welcher ich war, blieb ich eben keine Antwort schuldig. Ein Paar Male sang auch Frau von Knebel ein Goethe'sches Lied, nach Zelter's Composition, sehr schön. Sie wurde zuerst durch Hufeland ersucht, der, wie er versicherte, eine wahre Sehnsucht hatte, die herrliche Stimme dieser Frau einmal wieder zu hören; alsdann wünschte Goethe selbst, daß sie noch ein Mal singen möchte. Er fühlte wohl, wie Hufeland, daß der ganzen Gesellschaft eine Erholung Bedürfniß sei. Und Frau von Knebel erfüllte bereitwillig die ausgesprochenen Wünsche, ohne alle Ziererei. Nach den Gesängen aber ging es von Neuem weiter in der alten Weise. Mehr als eine Anekdote, die von Goethe erzählt ward, ist mir noch im Gedächtniß. Aber sie zu erzählen, wage ich nicht. Jedes Falles würde das Anmuthigste und Pikanteste fehlen: Goethe's Augen, Stimme und Geberdenspiel; denn er erzählte nicht bloß, sondern er stellte Alles mimisch dar. Besonders kam er wiederholt auf zwei alte Gräfinnen, mit welchen er in Verkehr gebracht worden war. Sie hätten einen unermeßlichen Umfang gehabt, und deßwegen eine bewunderungswürdige Unbeweglichkeit gezeigt, sobald sie ein Mal Platz genommen. Dabei hätten sie eine große Geläufigkeit der Zunge behalten und ein 92
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Jena endloses Geschwätz geführt. Ihre Stimme sei jungfräulich gewesen, sei aber oft, wenn sie lebhaft geworden, oder das Gefühl ihrer Würde an den Tag zu legen für nöthig gehalten, bald in ein artiges Krähen, bald in ein girrendes Zwitschern übergegangen. „Mir selbst," sagte Goethe, „waren die wunderlichen Kugelgestalten dieser Damen am Merkwürdigsten. Ich konnte nicht begreifen, wie es einem Menschen, Mann oder Weib, gelingen könne, es zu einer solchen Masse zu bringen; auch hätte ich die Dehnbarkeit der menschlichen Haut nicht für so gränzenlos gehalten. Sobald ich aber die Ehre erhielt, ein Mal mit den edlen Damen zu speisen, wurde mir Alles klar. Wir Andern wissen doch wahrlich auch, was essen und trinken heißt, und ich denke, wir geben unserer vortrefflichen Wirthin einen schlagenden Beweis; aber ein solches Essen — vom Trinken sage ich Nichts — überstieg doch meine Vorstellungen. Jede der beiden Damen nahm ζ. B. sechs harte Eier zum Spinat, schnitt jedes Ei in der Mitte durch, und warf nun das halbe Ei mit eben so großer Leichtigkeit hinunter, wie der Strauß ein halbes Hufeisen." Übrigens theilte Goethe noch einzelne Bemerkungen der edlen Damen mit über die Wirkungen des Karlsbader Sprudels auf ihren Körper, über die Zeidäufe und über die Gesellschaften, und einzelne Urtheile über Schriftsteller und Kunstwerke, die prächtig waren, naiv, drollig, barock, toll. Und ernsthaft setzte er alsdann hinzu: es sei viel Wahres in diesen Bemerkungen und Urtheilen, und er habe Manches von den Damen gelernt. Noch eine Anekdote mag mitgetheilt werden, weil sie uns ungemein ergötzte durch die Weise, in welcher sie erzählt wurde. Ich will sie mit Goethe's Worten wieder geben; die Weise muß freilich ein Jeder hinzu denken. „In meiner Art auf und ab wandelnd, war ich seit einigen Tagen an einem alten Manne von etwa 78 bis 80 Jahren häufig vorübergegangen, der, auf sein Rohr mit einem goldenen Knopfe gestützt, dieselbe Straße zog, kommend und gehend. Ich erfuhr, es sei ein vormaliger hochverdienter österreichischer General aus einem alten, sehr vornehmen Geschlechte. Einige Male hatte ich bemerkt, daß der Alte mich scharf anblickte, auch wohl, wenn ich vorüber war, stehen blieb und mir nachschaute. Indeß war mir das nicht auffallend, weil mir dergleichen wohl schon begegnet ist. Nun aber trat ich ein Mal auf einem Spaziergang etwas zur Seite, um, ich weiß nicht was, genauer anzusehen. Da kam der Alte freundlich auf mich zu, entblößte das Haupt ein wenig, was ich natürlich anständig erwiderte, und redete mich folgender Maßen an: „Nicht wahr, Sie nennen sich Herr Goethe?" — Schon recht. — „Aus Weimar?" — Schon recht. — „Nicht wahr, Sie haben Bücher geschrieben?" — O ja. — „Und Verse gemacht?" - Auch. — „Es soll schön sein." — Hm! — „Haben Sie denn viel geschrieben?" — Hm! es mag so angehen. — „Ist das Versemachen schwer?" — So, so. — „Es kommt wohl halter auf die Laune an, und ob man gut gegessen und getrunken hat, nicht wahr?" — Es ist mir fast so vorgekommen. — „Na, schauen's, da sollten Sie nicht in Weimar sitzen bleiben, sondern halter nach Wien kommen." — Hab' auch schon daran gedacht. — „Na, schauen's, in Wien ist's gut; es wird gut gegessen und getrunken." — Hm! — „Und man hält was auf solche Leute, die Verse machen können." — Hm! — „Ja, dergleichen Leute 93
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Jena finden wohl gar — wenn's sich gut halten, schaun's, und zu leben wissen — in den ersten und vornehmsten Häusern Aufnahme." — Hm! — „Kommen's nur; melden's sich bei mir; ich habe Bekanntschaft, Verwandtschaft, Einfluß; schreibend nur: Goethe aus Weimar, bekannt von Karlsbad her. Das Letzte ist nothwendig zu meiner Erinnerung, weil ich halter viel im Kopf habe." — Werde nicht verfehlen. — „Aber sagen's mir doch, was haben's denn geschrieben?" — Mancherlei, von Adam bis Napoleon, vom Ararat bis zum Blocksberg, von der Ceder bis zum Brombeerstrauch. — „ E s soll halter berühmt sein." — Hm! leidlich. — „Schade, daß ich Nichts von Ihnen gelesen und auch früher Nichts von Ihnen gehört habe. Sind schon neue verbesserte Auflagen von Ihren Schriften erschienen?" — O ja, wohl auch. — „Und es werden wohl noch mehr erscheinen?" — Das wollen wir hoffen. — „Ja, schauen's, da kauf' ich Ihre Werke nicht. Ich kaufe halter nur Ausgaben der letzten Hand; sonst hat man immer den Arger, ein schlechtes Buch zu besitzen, oder man muß dasselbe Buch zum zweiten Male kaufen. Darum warte ich, um sicher zu gehen, immer den Tod der Autoren ab, ehe ich ihre Werke kaufe. Das ist Grundsatz bei mir, und von diesem Grundsatz kann ich halter auch bei Ihnen nicht abgehen." — Hm!" — Die Sitzung dauerte bis gegen 1 Uhr. Etwa in der letzten halben Stunde wurde die Unterhaltung matter, ja flau. Endlich sah Goethe nach der Uhr. Wir erhoben uns. Goethe sagte alsdann noch jedem Einzelnen einige verbindliche Worte. Zu mir sagte er: „ E s freuet mich wirklich, Herr Professor, Ihre Bekanntschaft gemacht zu haben. Ich hoffe, das wird weiter führen. Sie werden gewiß oft nach Weimar kommen; alsdann bitte ich mich zu besuchen. In Jena wird es Ihnen schon gefallen, wenn Sie sich nur erst gewöhnt haben." Nach diesen Worten, welche ich so gut, als ich vermochte, beantwortete, wandte er sich ab und ging ein Paar Schritte weiter, drehete sich aber sogleich wieder um: „Man muß nichts verschieben. Mit einem neuen Freunde muß man doch auch ein ernstes Wort sprechen; und dazu sind wir heute nicht gekommen. Die Nachwirkung des Bades hat uns auf tolle Dinge gebracht, und das ist für Alle recht gesund gewesen. Ich reise aber erst übermorgen nach Weimar, und habe morgen den Morgen frei. Kommen Sie früh zu mir." Er bestimmte 8 Uhr. Hierauf gingen wir vier Gäste zusammen nach der Stadt zurück; aber in tiefem Schweigen. Am Thore trennten wir uns; Goethe und Riemer gingen um den Graben, Hufeland und ich in die Stadt und nach der Sonne.
11.8.
J. D. Färber, Kalender 11. 8. 1806 (UB Jena, Nachl. Martin q 20)
Sind dH Geh. rath ν Göthe wieder nach Weimar gereist nebst dH D. Riemer. Weimar Tagebuch 11. 8. 1806 (WA III 3, 157)
Früh . . . nach Weimar, woselbst ich Dr. Meyem und seine Frau fand. 12. 8.
Tagebuch 12. 8. 1806 (WA III 3, 157)
Auf dem Hofamte mit Hofkammerrath Kirms und von Pappenheim. Bey der regierenden Herzogin . . . Bey Frau von Stein. 94
Weimar
1806
Charlotte v. Stein an Charlotte v. Schiller 14. 8. 1806 (Urlichs1 2, 351)
Β 3 2263
Goethe war vorgestern ziemlich lange bei mir, sehr gesprächig und heiter und zufrieden vom Karlsbad. Luise Gräfin v. Voß an A. W. Schlegel 12. 8. 1806 (Körner 3 1, 355)
B 3 2262
Bey meinem hiesigen Aufenthalt habe ich alles auf den alten Fleck gefunden. Göthe ist wohl und munter aus dem Carlsbade zurückgekommen. 11./12. 8. J. H. Voß d. j. an Chr. Niemeyer 12. 8. 1806 (Zeitgenossen 3 II, S. 106)
Die Abende bringe ich entweder bei dem ehrwürdigen Göthe zu (wenn ich gesund bin), oder es sammelt sich auf meinem Zimmer ein kleiner Kreis. 13. 8.
Tagebuch 13. 8. 1806 (WA III 3, 158)
Mit Hofkammerrath Kirms Theatersachen behandelt. Graf und Gräfin von Voß aus Berlin nebst Fräulein von Göchhausen. Zu Tische Oberconsistorialrath Lenz und Prof. Fernow. Nach Tische mit Meyers nach Tiefurt. Zeitig zurück und zu Gores, woselbst die regierende Herzogin mit ihren Damen, die Gräfin Backhof und der russische General Metsch zum Thee waren. 14. 8.
Tagebuch 14. 8. 1806 (WA III 3, 158)
Bey Hrn. Geh. Rath Voigt. Zu Tische Meyers von Bremen und Professor Meyer . . . Abends mit Frau von Stein spatzieren. Nachts Verkleidung der Dr. Meyern in einen Knaben. Jena 15. 8.
J. D. Färber, Kalender 15. 8. 1806 (UB Jena, Nachl. Martin q 20)
Sind dH Geh. rath ν Göthe nebst Hofmeist[er] einlogirt. Tagebuch 15. 8. 1806 (WA III 3, 158)
Nach Tische Dr. Voigt, wegen der Angelegenheiten der naturforschenden Gesellschaft. Buchbinder Wilhelmi, dem das Auftragen der Zeichnungen übergeben wurde . . . Abends zu Major von Knebel, aus den Fenstern etwas gezeichnet. Zum Nachtessen geblieben. Knebel, Tagebuch 15. 8. 1806 (GSA, Nachlaß Knebel)
Göthe mit Riemer Abends hier zum Essen. 16. 8.
Tagebuch 16. 8. 1806 (WA III 3, 159)
Kam Dr. Meyer mit seiner Frau, welche das mineralogische und naturhistorische Cabinet besahen. Hofrath Voigt und nachher Eichstädt. Uber verschiednes neues Litterarisches und einige Recensionen. Er theilte mehrere Bücher mit, die Briefe von Gleim, Müller und Heinse, Jacobi's Schrift dagegen, Steffens Grundzüge der philosophischen Naturwissenschaft. Mittags mit Meyers bey Hrn. von Hendrich . . . Abends spatzieren mit Meyers, welche nachher mit ins Schloß 95
1806
Jena gingen und bis gegen neun Uhr blieben. Abschied, indem sie den andern Morgen verreisen wollten.
11./16. 8. S. Hirzel, Nicolaus Meyer (S. Hirzel S. XI)
Im Jahre 1806 verheirathete er [Nicolaus Meyer] sich . . . Die Hochzeitsreise führt das junge Paar nach Weimar. Nach achttägigem genußreichen Aufenthalte [11. —14. 8.] im Hause Goethe's erhält es von ihm ein freundliches Geleit bis Jena, speist dort bei ihm auf dem Schlosse [16. 8.] und lauscht mit Ergötzen den Erläuterungen seiner Farbenlehre. Zum Abschiede wird den Freunden eine Karte übergeben, die ihnen in Lauchstädt Goethe's Theaterloge eröffnet; ihre Anwesenheit dort [17. 8.] aber wird — so hatte es Goethe veranstaltet — durch eine Aufführung des Götz von Berlichingen geehrt. A n Charlotte v. Schiller 29. 8. 1806 (WA IV 19, 185)
D. Meyern hat es sehr leid gethan, Sie nicht zu treffen. Er hat sich sehr ausgebildet und brachte sein junges, hübsches, wunderliches Weibchen mit, von dem ich allerley zu erzählen habe. Sophie Meyer an Goethe 25. 8. 1826 (Kasten 1 S. 343)
B 3 2266
Ew. Excellenz Freundliche Zuschriften an meinen Mann, haben auch mir jedesmal die herzlichste Freude erweckt, und mir die schönen Tage zurückgerufen, in denen ich, noch ein unbefangenes Kind, als junge Frau zuerst von Ihnen so freundlich aufgenommen wurde. Jetzt, Mutter einiger schon erwachsenen Söhne, bin ich stolz darauf, daß auch Sie sich jener Zeit noch erinnern, und der freundliche Beweis den Sie mir in dem lieben Geschenke, welches der Sendung an Meyer für mich beigefügt war, gegeben, hat mir jene frohen Tage doppelt lebhaft zurückgerufen, welche damals auf mein jugendliches Gemüth einen unauslöschlichen Eindruck machten. Noch immer hoffe ich, daß das damaliche „ B ü b c h e n " einmal noch so glücklich seyn werde, Ihnen, als Mutter, den stattlichen Sohn zuzuführen, der Ihren Nahmen trägt. 17. 8.
Tagebuch 17. 8. 1806 (WA III 3, 159)
Kam Dr. Seebeck, mit selbigem einige Versuche in der camera obscura besonders Oxydation und das Entgegengesetzte durch die prismatischen Farben. Mittags bey Hrn. von Hendrich mit Hofrath Volker . . . Kam Major von Knebel, mit dem ich später noch spatzieren ging. Knebel, Tagebuch 17. 8. 1806 (GSA, Nachlaß Knebel)
Abends bei Göthe. 18. 8.
Tagebuch 18. 8. 1806 (WA III 3, 160)
Machte Dr. Seebeck die Versuche, wegen der Wärme verschiedener Farben. Zu Tische bey Major von Hendrich. Tragische Nachricht von Haugwitzens Entleibung und Hinrichtung. Auf's Cabinet, mit Lenz die neue Einrichtung des 96
Jena
1806
Wurm- und Insectenzimmers beredet. Prof. Schelver. Nachher mit Dr. Voigt und Knebel auf dem Museum der naturforschenden Gesellschaft. Knebel, Tagebuch 18. 8. 1806 (GSA, Nachlaß Knebel)
Im Batschischen Kabinet, mit Göthe pp. Bericht für die Akten der Oberaufsicht 18. 8. 1806 (GSA, Aktenkopien II, Tit. 6 Ν 1 Bd 5)
Begab ich mich mit Herrn D. Vogt auf das Museum der naturforschenden Gesellschaft woselbst sich Hrr Major von Knebel einfand, und alles nach Wunsch angetroffen wurde . . . . . . 4., Die Mineralien, welche nicht zu besondern Suiten gehörten, waren von H. Bergrath Vogt, der sich von Ilmenau hieher begeben hatte, systematisch geordnet. Er hat dazu das neuste wernersche System in Abschrift hergegeben, Vorschläge für die Zukunft gethan und versprochen deshalb noch ein besonders Promemoria einzureichen. 5., Auch hat D. Vogt die Spirituose ausgefüllt und in Ordnung gestellt. 6., ist er bemüht das Ausgeliehene wieder beyzuschaffen . . . [Im Mineralienkabinett] Nach Vorgängiger Berathung [mit Lenz] wurde beschlossen die beyden noch nicht geweißten und unangestrichnen Zimmer in Stand setzen zu lassen und durch ein neues Arangement der Schränke sowie durch Zusammenrückung der Vögel mehrern Platz zu gewinnen. 19. 8.
Tagebuch 19. 8. 1806 (WA III 3, 160)
Besuch von Prof. Luden . . . Dr. Seebeck gegen Mittag. Versuch wegen der verschieden erwärmenden Eigenschaft der Farben. Bey Major von Hendrich zu Tische. Preußische Fortification von Erfurt. Erinnerung an Akyanoblepsie, von Bibra in Meiningen, Ritter und von Tümplingischer Alumnus. Abends mit Major von Knebel spatzieren, dann bey ihm zum Abendessen. Von der Schädlichkeit der Kartoffeln. „Phädrus Anecdote von Tiberius in Atriensem, so wohlfeil verkaufe er seine Ohrfeigen nicht." H. Luden, Rückblicke in mein Leben (Luden 1 S. 8. 21)
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Gerade über den Faust habe ich mit Goethe ein Gespräch geführt, als ich kaum die Ehre gehabt hatte, ihm bekannt zu werden; und die Wendung, welche dieses Gespräch nahm, und unläugbar durch meine Schuld nahm, oder vielmehr durch meine jugendliche Unbefangenheit, ist eine der Ursachen des geringen Verkehres gewesen, der zwischen Goethe und mir Statt gefunden hat. Allerdings ist seitdem ein ganzes Menschen-Alter verlaufen; aber das Gespräch über den Faust habe ich sogleich aufgeschrieben, und an das, was diesem Gespräche voraufging oder nachfolgte, bin ich wohl tausend Male erinnert worden; auch habe ich Alles von Zeit zu Zeit einem Freunde mitgetheilt. Deßwegen steht Manches noch so frisch in meinem Gedächtnisse, als hätte es gestern Statt gefunden, und Goethe selbst steht mir, mit allen seinen Mienen und Bewegungen so lebendig vor der Seele, als erblickte ich ihn in diesem Augenblick. Selbst der Ton seiner Stimme ist nicht verklungen in meinen Ohren . . . 97
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Jena Goethe empfing mich ungemein heiter und freundlich, lobte meine Pünktlichkeit und erinnerte sich mit Vergnügen an den gestrigen Abend. Alsdann ging er ans Fenster. „Es ist ein schöner Tag," sagte er, „warm bei bedecktem Himmel. Ich denke, wir gehen in den Garten." Wir gingen und wandelten auf und ab, kreuz und quer, und ließen uns auch von Zeit zu Zeit etwas nieder. Er fragte mich zuvörderst über die Städte, in welchen ich mich in den letzten Jahren aufgehalten hatte, über Göttingen und über Berlin. Uber Göttingen nicht viel; denn er kannte die Anstalten und Einrichtungen selbst genau; unter den gelehrten Männern schien ihn eigentlich nur Blumenbach zu interessiren, und mit Blumenbach war ich nur sehr wenig bekannt geworden. Mehr über Berlin. Er erkundigte sich nach Menschen und Dingen. Ich vermochte über das Meiste Auskunft zu geben: denn ich war mit den bedeutendsten Männern, die damals in Berlin lebten, das Militair ausgenommen, entweder in Verkehr oder doch in Berührung gewesen. Gothe schien mit meiner Auffassung der Dinge und mit meinen Urtheilen über die Menschen keinesweges unzufrieden zu sein. Er hörte mich ruhig an, ließ zuweilen ein beifälliges Hm! Hm! vernehmen und sprach sich auch wohl zustimmend aus, bald erläuternd, bald bestätigend. Damals hatte ich die Gewohnheit, meine ausgesprochenen Ansichten, Meinungen oder Urtheile mit einem tüchtigen Worte aus dem Faust zu bekräftigen; eine Gewohnheit, der ich nicht gänzlich entsagt habe bis diesen Tag. Ich muß aber bemerken, daß hier nur von dem alten Faust die Rede ist, von dem Fragmente, das sich noch nicht für eine Tragödie gab. Ob schon im J. 1806 eine Ausgabe mit neuen Zusätzen erschienen war, weiß ich nicht; ich selbst kannte nur den Faust, wie er im 7. Bande von Goethe's Schriften, Leipzig bei Göschen 1790, zu finden ist. Als ich nun einige Male diesen Faust angeführt hatte, sagte Goethe, den bisherigen Gang des Gespräches abbrechend: „Sie scheinen sehr belesen im Faust. Hat das wunderliche Gedicht auch Sie so stark angezogen?" Ich glaube, Ew. Excellenz, ich würde den Faust vom Anfange bis zum Ende her recitiren können; nur die tolle Wirthschaft in der Hexenküche dürfte mich in einige Verwirrung bringen. „Wo und wie haben Sie die Bekanntschaft gemacht? Doch wohl in Berlin; denn in Göttingen bekümmert man sich wohl nicht viel um den tractatum de Fausto." So arg, Ew. Excellenz, ist die Philisterei denn doch in Göttingen nicht. Und ich habe wirklich in Göttingen viel Interesse für den Faust gefunden. Ich selbst hatte ihn aber schon vor acht Jahren, als ich in Bremen auf der Schule war, gelesen, aber freilich damals nicht mit sehr großer Theilnahme. Ich hatte nämlich als Knabe in meinem Geburtsorte ein Puppenspiel gesehen, der Erzzauberer Dr. Faust genannt. Das Ding mochte schlecht genug sein, ergötzte oder ergriff mich jedoch unbeschreiblich. Bald nachher fiel mir das bekannte Volksbuch, das in Coin, denke ich, gedruckt ist, in die Hände, und regte meine Phantasie gewaltig an. Als mir daher in Bremen, etwa im J. 1797 oder 1798, der Goethe'sche Faust vor die Augen kam, griff ich mit beiden Händen zu, fand aber meinen alten Faust nicht wieder. Indeß las ich fleißig in demselben; viele Reime, Kernsprüche enthaltend, blieben mir im Gedächtnisse hängen, und ich warf diesen 98
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Jena und jenen häufig in ein Gespräch hinein, oft zu rechter, zuweilen wohl auch zu Unrechter Zeit, niemals jedoch verfehlten sie ihre Wirkung auf meine jungen Genossen. Während meines Aufenthaltes in Göttingen, vom J. 1799 an, kamen einige Studirende aus Jena nach dieser Universität. Es waren zum Theil schon reifere Jünglinge. Einige waren Fichte's Zuhörer gewesen; viele hatten Schelling gehört und die Schlegel; auf Alle hatte das damalige philosophische und ästhetische Treiben in Jena eingewirkt, und das Theater in Weimar hatten sie nur so oft versäumt, als der leere Beutel Einsprache that. Mehrere von diesen jungen Männern wurden mir befreundet; unter ihnen ein Dr. Winkelmann. „Winkelmann?" Ja, Ew. Excellenz; Winkelmann aus Braunschweig, ein Verwandter des berühmten Winkelmann. Es war eine große, derbe Gestalt. Aber auf dem unbehülflichen Rumpf saß ein sehr schöner Kopf. „Ich glaube ihn gesehen und auch einige Worte mit ihm gesprochen zu haben." Er rühmte und freuete sich dieser Ehre. — Da nun mein häufiges Berufen auf den Faust zunächst die Veranlassung zu unserer näheren Bekanntschaft gegeben hatte, so wurde der Faust gar oft der Gegenstand unserer Gespräche, unserer Discussionen und Disputationen. „Wie so? wie kam es denn unter ihnen zu Disputationen?" Meine Freunde hatten den Kopf voll von allerlei Ansichten und Ideen, die mir nicht immer recht klar und faßlich waren, sprachen dieselben in Worten aus, die mir oft wunderlich vorkamen, schienen aber doch so viel bei diesen Worten zu denken, daß sie unser Einen halb vornehm, halb mideidig anblickten, so daß man nicht umhin konnte, ein Mal heraus zu fahren und den Selbstseligen entgegen zu treten. „Ich kenne Das; aber was brachten sie denn über den Faust vor, diese Philosophen?" Genau, Ew. Excellenz, wüßte ich Das in der That nicht mehr zu sagen; auch würde ich es vor Ihnen nicht ohne einige Befangenheit aussprechen können. „Sagen Sie es nur immer ganz unbefangen. Es würde mir doch interessant sein, zu hören, wie von den jungen Leuten die Ideen ihrer Lehrer aufgefaßt werden. Denn diese Ideen waren es doch wohl im Grunde, welche sie sich in ihrem Kopf und auf ihre Weise zurecht gelegt hatten." Ohne Zweifel. Es waren aber lauter „hohe Intuitionen." Es waren mystische Worte, die aus dem Ungeheuern hervor zu kommen und an das Ungeheuere gerichtet zu sein schienen. Sie verwarfen meine Auffassung des Einzelnen im Faust, welchem ich den Sinn gab, der in den Worten liegt, und behaupteten, man müsse sich zu der Anschauung des Geistes erheben, aus welchem das Einzelne hervorgegangen sei. In der Anschauung dieses Geistes aber erkenne man und müsse man erkennen, daß dieses Fragment, Faust genannt, ein Bruchstück aus einer großen, erhabenen, ja göttlichen Tragödie sei. In dieser Tragödie, wenn sie einst vollendet erscheine, werde der Geist der ganzen Weltgeschichte dargestellet sein; sie werde ein wahres Abbild des Lebens der Menschheit sein, Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft umfassend. In Faust sei die Menschheit idealisirt; er sei der Repräsentant der Menschheit. Bei seinem Auftritt in dem 99
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Jena Fragmente habe er sich schon von dem Unendlichen, oder dem Absoluten, nicht nur losgerissen, sondern er sei auch schon von dem Gefühle des Unglückes dieser Losreißung durchdrungen. In ihm sei die Sehnsucht nach der Wiedervereinigung erwacht. Aus dieser Sehnsucht sei sein Durst nach Wissen und Erkennen hervorgegangen; er habe in demselben nach allen Seiten ausgegriffen, und alle Wissenschaften „durchaus mit heißem Bemühn studirt." Aber er habe das Unendliche nicht zu erkennen vermocht: denn das Unendliche sei nicht zu erkennen, sondern es müsse angeschauet und gelebt werden. Deßwegen habe er Zweifel gegen all sein Wissen gefaßt, und all sein Erkennen für Nichts geachtet. Er sei in Verzweifelung gerathen, und habe diese Verzweifelung in sinnlichen Genüssen zu betäuben gesucht, ohne jemals das Streben nach dem Unendlichen aufzugeben. So sei er verirrt, so zu Schlechtigkeiten und Verbrechen gekommen, zu welchen Mephistopheles, die Personification des bösen Princips, ihm gerathen, ihn verleitet und unterstützt habe. Auf diesem Wege der Verirrung, den übrigens Faust stets richtig erkenne, wandele derselbe noch, wo das Fragment abbricht; „er taumele noch von Begierde zu Genuß, und verschmachte noch im Genuß vor Begierde." Aber schon ekele ihm „vor dem Gefährten, obgleich er denselben nicht mehr entbehren könne." Aber er sei schon zu dem Gefühle gekommen, daß dieser Gefährte „ihn kalt und frech vor ihm selbst erniedrige." Das sei ein Beweis, daß er bald zurück kehren werde zu der Wahrheit, zu dem Unendlichen, und daß er alsdann dieses Unendliche nicht mehr zu erkennen suchen, sondern daß er es anschauen, daß er es leben, und durch dieses Leben des Unendlichen oder im Unendlichen selig sein werde. Das sei der Gang der Menschheit, das der Geist der Weltgeschichte. — In diesen oder ähnlichen Worten, welche mir ungefähr dasselbe zu bedeuten schienen, theilten meine Freunde ihre Jenaische Weisheit mit; und dieselben Phrasen habe ich später auch in Berlin häufig genug anhören müssen. „Haben Sie Schlegel's Vorlesungen beigewohnt?" Nein, Ew. Excellenz. Ich habe nur ein Paar Male hospitirt. Uberhaupt bin ich in Berlin nur Fichte's Zuhörer gewesen, und auch nur in den wissenschaftlichen Vorträgen, nicht in den populären. „Sie scheinen also nicht viel auf Schlegel zu halten, oder sind wohl selbst ein Gegner?" Keinesweges. Ich verehre Schlegel's Verdienste um die teutsche Literatur auf das Höchste, und bin ihm selbst große Dankbarkeit schuldig; denn ich habe Manches von ihm gelernt und bin, was ich noch höher anschlage, oftmals mächtig durch ihn angeregt worden zum Lernen und Denken. Seinen Vorträgen aber konnte ich nicht wohl beiwohnen, weil sie für die Ordnung meiner Zeit unbequem fielen. Auch bedurfte ich des Zuhörens kaum; denn mein Freund Kohlrausch schrieb fleißig und verständig nach und erstattete mir immer getreulich Bericht zu gegenseitiger Besprechung. Und endlich muß ich auch gestehen, daß ich lieber las, was Schlegel geschrieben hatte, als anhörte, was er sagte. Seine Persönlichkeit hatte für mich etwas Störendes. Übrigens habe ich bei den Worten, daß ich in Berlin dieselben Phrasen hätte anhören müssen, die ich in Göttingen angehört hatte, durchaus nicht an Schlegel gedacht.
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Jena „Aber Sie haben nicht bloß angehört, sondern Sie haben disputirt." Nur in Göttingen mit meinen jungen Freunden. In Berlin habe ich die Redensarten nur angehört, habe zugestimmt und zuweilen etwa gelacht. „Gelacht?" Versteht sich, in mich hinein. „Aber eben damit haben Sie stillschweigend das Disputiren fortgesetzt. Sie sind nicht zu der Meinung Ihrer Gegner übergegangen, sondern in der Opposition geblieben. Sie haben Ihre Argumente also fortwährend für stark genug gehalten, um die Gegner aus dem Felde zu schlagen. Darf man denn die Gründe nicht kennen, mit welchen Sie gestritten haben?" In der That, Ew. Excellenz, würde ich kaum im Stande sein, vor Ihnen diese Gründe auszusprechen. Sie waren gar verschieden, heute andere, als gestern, wie der Augenblick sie eingab. Auch waren sie von sehr verschiedener Art. „ E s würde mich doch interessiren, sie kennen zu lernen, wenigstens in der Hauptsache. Auch scheint mir billig, da Sie so gütig gewesen sind, die Meinungen des einen Theiles mitzutheilen, die entgegenstehenden Meinungen auszusprechen. Und thun Sie Das nur mit völliger Unbefangenheit; vergessen Sie, daß der Dichter des Faust mit Ihnen spricht." Meine Freunde aus Jena waren natürlich sämmtlich große Philosophen. Ich war im ersten Jahre meines Universitätslebens nicht eben zum Studium der Philosophie angeregt; denn die Lehrer in Göttingen, Buhle und Bouterwek, verstanden es, bei aller Gelehrsamkeit, keinesweges, für dasselbe zu begeistern. Jene Freunde nöthigten mich zu diesem Studium, und ich stürzte mich hinein mit dem feurigsten Eifer. Ich studirte die Schriften von Kant und Fichte, auch Alles, was von Schelling und Hegel ausging; und las Alles, was die Schlegel schrieben und Diejenigen, die auf deren Seite standen, wie z. B. die Herzensergießungen eines kunstliebenden Klosterbruders und vieles Andere. Aber zugleich pflegte ich meine alte Liebe für die Geschichte, und Thibaut hatte mich durch seinen anmuthigen Vortrag für die Mathematik gewonnen. So kam es denn, daß ich durch die Intuitionen nicht geblendet wurde, daß ich verlangte, ein Begriff müsse bei dem Worte sein, daß ich Worte verwarf, welche sich einstellten, wenn Begriffe fehlten, wie trefflich sich auch mit denselben streiten ließ. Wir disputirten über alle Gegenstände der Philosophie, zuweilen ich allein gegen Mehrere, zuweilen unterstützt von göttingischen Freunden, besonders von einem herrlichen Jüngling Ebers aus Hannover, einem tüchtigen Philologen, Wolf's Schüler, mit welchem ich den Plato las. Unser Streit wurde zuweilen so heftig, daß wir die Freundschaft aufkündigten und grimmig aus einander liefen; aber am folgenden oder am dritten Tage suchten wir uns wieder auf und wandelten mit einander auf der alten Bahn, als wäre Nichts vorgefallen. Bei diesen Disputationen kamen wir denn auch oft auf den Faust zurück, und ich holte bald dieses, bald jenes Geschütz aus meinem Arsenal hervor, um den Bau meiner Freunde zu beschießen. „Das ist recht hübsch. Ich hätte kaum geglaubt, daß man es in dieser Weise in Göttingen getrieben habe. Ihre übrigen Disputationen würden uns zuweit führen; was Sie aber gegen die Ansichten Ihrer Freunde vom Faust vorgebracht 101
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Jena haben, wäre ich wohl begierig, der Hauptsache nach, zu erfahren. Gelang es Ihnen, den Feind mit Ihrem Geschütz aus dem Felde zu treiben?" Nein, Ew. Excellenz; aber ich habe ihn doch zuweilen in seinem Lager stark beunruhigt. Mehr war nicht zu gewinnen. Denn, wer Recht behalten will und hat nur eine Zunge, behält's gewiß. Man verwarf meine argumenta ad hominem, und wandte sich mit der Behauptung hinweg, ich stecke noch in der Sphäre des gemeinen Menschen-Verstandes, und man könne nur mit Dem ordentlich disputiren, der sich zu der Höhe der wahren Philosophie erhoben habe. Das mußte ich mir denn wohl gefallen lassen und abwarten, ob der Streit wieder anfangen würde. Gewöhnlich dauerte es nicht lange. „Nun, so fahren Sie doch eine oder die andere Ihrer Batterien vor, damit man ihre Stärke und Tragweite erkenne." Wenn Ew. Excellenz es wollen, so gehorche ich dem wiederholten Befehl; ich muß aber um Nachsicht und zu erwägen bitten, daß ich Student war. Auch können natürlich nur ein Paar Beispiele gegeben werden. „Ganz Recht, ganz Recht. Geben Sie nur." Meine Freunde hatten, wie gesagt, behauptet: der Faust sei oder werde sein eine divina tragoedia, in welcher der Geist der ganzen Weltgeschichte dargestellt, in welcher das ganze Leben der Menschheit sei, Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft umfassend. Dieser Behauptung stellte ich den Begriff der Tragödie entgegen, wie derselbe von alten und neuen Philosophen bestimmt worden, und behauptete alsdann, eine Darstellung der Weltgeschichte könne unmöglich eine Tragödie sein. Allerdings gab ich gern zu, daß der bis jetzt geltende Begriff von Tragödie zu eng sein möge. Wie es früher dramatische Dichtungen einer gewissen Gattung gegeben habe, ehe man den Namen Tragödie gefunden und mit demselben jene Gattung bezeichnet habe: so könnten wohl neue Dichtungen nöthigen, den Begriff der Tragödie zu erweitern. Wie man ihn aber auch fassen möge: so lange es ein Begriff bleibe, eine bestimmte Dichtungsgattung umfassend, so lange dieser Gattung andere Gattungen gegenüber ständen, so lange könne und dürfe die Weltgeschichte nicht als Tragödie bearbeitet werden, und eben so wenig als Komödie oder als Schäferspiel. Denn die Weltgeschichte sei, der Idee nach, Alles, und Tragödien und Komödien seien kleine Theile derselben. Auch scheine mir die Einschränkung, daß es nicht die Weltgeschichte sei, die dargestellt werde, sondern der Geist der Weltgeschichte, oder, wie auch gesagt worden, der Geist der Menschheit, nicht weiter zu führen. Denn leiblich erscheine der Geist der Menschheit doch nicht in dem Fragmente, und werde auch nicht in dem vollendeten Faust leiblich erscheinen können, um in eigener Person zu tragiren. Auch begriffe ich nicht, mit wem der Geist der Menschheit, Falls er in Person erschiene, tragiren sollte; ich begriffe nicht, wen man diesem Geiste gegenüber oder an die Seite stellen könnte. Ich fürchtete daher, demselben werde Nichts übrig bleiben, als endlose Monologen zu halten, oder sich einsam in der freien Luft zu ergehen. Und wie denn der Geist der Menschheit, wie er sich in der Weltgeschichte offenbare, gedacht werden könne. Wir sprächen zwar von einer Geschichte der Menschheit, und von einem Geiste der Geschichte der Menschheit und philosophirten über die Menschheit und ihre 102
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Jena Geschichte: aber wir bezögen diese Ausdrücke doch nur auf die Vergangenheit. Von der Zukunft, die sie auch in die göttliche Tragödie hinein ziehen wollten, gelte noch immer Horazens Wort: futuri temporis exitum caliginosa nocte premit Deus. Die Vergangenheit aber, soweit wir dieselbe geschichtlich zu erkennen vermögen, sei sehr kurz, und doch abstrahirten wir aus ihr allein das Leben der Menschheit, indem wir aus dem eigenen Geiste und den eigenen Gefühlen hinzuthäten, was uns nöthig oder wünschenswerth zu sein scheine. Es wäre nicht nur möglich, sondern sogar wahrscheinlich, und ich glaubte, wir müßten es wünschen, daß unsere Nachkommen nach 10,000 Jahren die Weltgeschichte ganz anders auffaßten, als wir, und in ihr, wenn nicht einen ganz anderen Geist, doch denselben Geist viel klarer, deutlicher und bestimmter erkennen würden; es wäre möglich, daß sie Alles, worin wir es so herrlich weit gebracht zu haben glaubten, nur als Anfänge, als kindische Versuche betrachteten und all unsere Weisheit als knabenhafte Thorheit. „Hm! Hm!" — (dem Laute nach halb beifällig und halb zweifelnd.) — Eben deßwegen hielte ich nicht für denkbar, daß irgend einem Menschen der ungeheuere Gedanke in den Kopf kommen könne, das Leben der Menschheit, wenn nicht für das Theater, doch jedes Falles in dramatischer Weise, zu bearbeiten; und am Wenigsten könnte ich mir Dieses von dem Dichter des Faust vorstellen, in dessen übrigen Schöpfungen, z. B. in meinen Lieblings-Gedichten, der Iphigenia und dem Torquato Tasso, Alles so hell und lauter erscheine, so wahr, menschlich und schön, so scharf und gerundet. Dieses letzte Argument ward aber auf eine Weise schnöde verworfen, welche ich, da ich ein Mal in das Schwatzen hinein gekommen bin, nicht unberührt lassen möchte, weil sie am Besten zeigen kann, wie es in den Köpfen einiger meiner Freunde aussah. „Nun, ich bin begierig." Meine Freunde gaben zu, daß der Dichter des Faust den Gedanken gar nicht gehabt haben möge, ja vielleicht einen ganz anderen, aber sie behaupteten, daß er diesen Gedanken dennoch gegen sein Wissen und seinen Willen dem Gedichte zum Grunde gelegt und die ganze Dichtung mit demselben durchdrungen habe. Sie sahen nämlich die dichtende Kraft oder den Dichtergeist als eine unabhängige, freiwirkende Gewalt an, welche den Menschen, den man den Dichter zu nennen pflegt, nöthige zu dichten und so zu dichten, wie er eben dichtet. Sie nahmen an, die Dichtung dringe aus dem s. g. Dichter hervor, wie etwa der Quell aus dem Felsen. Wie alte Theologen sich die Inspiration dachten, als habe der heilige Geist den heiligen Schriftstellern die Hand geführt, damit sie eben schreiben mußten, was sie geschrieben haben, kein Jota zu viel und kein Jota zu wenig: so dachten sie sich den Dichtergeist wie eine mystische Macht, die den Menschen, in welchem sie wohnt oder welchen sie erfaßt, nur als Werkzeug gebraucht, um sich in der Weise vor der Welt zu bewähren, in der sie sich eben bewähren will. Rhythmus, Metrum, Reim, Alles ist nicht Werk des dichtenden Menschen, sondern die Wirkung des dichterischen Geistes, welchem der Mensch nicht zu widerstehen vermöge, er möge sich stellen, wie er wolle. „So? Ei, das ist ja ganz charmant." 103
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Jena Meine Gegenbemerkungen, ζ. B., daß zwar Gott, nach einem alten Sprichworte, seine Gaben wunderbar vertheile und seinen Freunden Vieles im Schlafe gebe, daß ich aber doch, wie hoch ich auch den Dichter ehre, nicht umhin könne, nur Einen Geist anzunehmen, der sich zwar im Dichter anders offenbare, als im Bildhauer, im Redner, im Geschichtschreiber, der aber doch immer derselbe bleibe; daß ferner die Dichter gerade bei ihren schönsten Werken tüchtige Vorstudien zu machen gehabt hätten, und namentlich der Dichter des Faust für den Götz, für die Iphigenia, für den Tasso, ja daß sich fast alle Gedichte entweder auf Selbst-Erlebtes oder auf Überliefertes bezögen, und daß das Studium wie das Erleben bei dem Dichter ganz auf dieselbe Weise vorgehe, wie bei anderen Menschen; daß manche Dichter sich Jahre lang mit Entwürfen zu dichterischen Schöpfungen herum getragen, und diese Entwürfe, zuerst ganz im Allgemeinen aufgefaßt, nach und nach schärfer gestaltet, selbst verändert, auch wohl Winke und Belehrung von kritischen Freunden erhalten und befolgt hätten, ehe sie zu der Ausführung geschritten; daß sie auch die Darstellung selbst nicht selten überarbeiteten, um den Stoff zu reinigen und die Form zu verbessern: die verschiedenen Ausgaben gäben Zeugnisse; daß viele Dichter die Musen um Beistand angeflehet, viele über die Hindernisse geklagt hätten, welche ihnen die Sprache in den Weg lege, und daß es daher offenbar sei, auch der Dichter habe seine Werkstatt und er empfinde bei der Arbeit dieselben Geburtswehen, an welchen andere Sterbliche zu leiden hätten — „Da haben Sie wohl Recht." — diese Gegenbemerkungen wurden als unphilosophisch, prosaisch und gemein zurück gewiesen. Und um mich vollends von der Nichtigkeit derselben zu überzeugen, wurde z. B. folgende Anekdote erzählt. Ew. Excellenz wären ein Mal in einem lebhaften Gespräche verwickelt gewesen. Sie hätten an einem Tische gesessen, auf welchem Ihr rechter Arm geruht habe. Während des Gespräches hätten Sie eine Bleifeder ergriffen und ein Stück Papier, Beides mechanisch; denn Sie hätten gar nicht hingesehen. Sie hätten angefangen zu zeichnen, die Augen abgewendet und das Gespräch ununterbrochen fortsetzend. Am Ende hätte sich ergeben, daß Sie eine recht schöne Landschaft gezeichnet; und darüber seien Sie höchst verwundert gewesen; denn Sie hätten gar nicht gewußt, daß Sie die Bleifeder in der Hand gehalten, vielweniger, daß Sie gemalt hätten. So habe die dichterische oder die schaffende Kraft in Ihnen sich Ihrer Hand als bloßen Werkzeugs bedient: denn sie habe sich offenbaren müssen, diese Kraft, und habe sich in diesem Augenblicke nicht anders offenbaren können. „So?" Ein zweites Beispiel. Meine Freunde behaupteten, Faust sei, oder solle sein, der Repräsentant der Menschheit und Mephistopheles das personificirte Böse. Ich leugnete Beides. Was Faust sein solle, sagte ich, oder was er einst sein werde, wenn die ganze Tragödie vollendet sei, lasse ich auf sich beruhen. Aber in dem Fragment sei er offenbar nicht Repräsentant der Menschheit, sondern ein Einzelner. Neben ihm erschienen ja auch andere Menschen, wie der ehrliche Wagner, die tapferen Burschen, Frosch, Brander, Siebel und Consorten, die lüsterne Frau Marthe und das wunderliebliche Gretchen, welche sämmtlich doch 104
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Jena auch zur Menschheit gehörten und, so zu sagen, einen Theil der Menschheit in sich trügen, wenn auch nur einen sehr kleinen. Wollte man aber den Faust etwa einen Repräsentanten der Menschheit nennen, wie ein Gesandter der Repräsentant eines Reiches oder eines Volkes sei, oder ein Deputirter im englischen Parlamente der Repräsentant einer Grafschaft, einer Stadt, eines Fleckens: so fürchtete ich, es würde ihm nicht möglich sein, seinen Vollmachts-Brief vorzuzeigen. Auch sei es doch sonderbar, daß das Böse, welches sich im Leben der Menschheit finden möge, hier als Person neben dem Repräsentanten der Menschheit, als gehorsamer Diener, herlaufe und dergleichen mehr. „Alles Dieses läßt sich hören; es sind jedoch nur Negationen, was Sie vorbringen, oder vorgebracht haben, die nicht weiter führen. Indem Sie aber die Ansichten Anderer von dem Faust zu widerlegen suchten und zu diesem Zweck den Faust abermals und abermals lesen mußten, sind Sie ohne Zweifel zu einer eigenen Ansicht von dem wunderlichen Gedicht gekommen, die solchen Gründen, als Sie aufgestellt haben, zu widerstehen im Stande ist. Wollen Sie nicht wenigstens zum Schlüsse unserer Unterhaltung diese Ansicht, die Sie selbst aus der Leetüre des Faust gewonnen haben, mittheilen?" In der That, Ew. Excellenz, habe ich wohl Versuche gemacht, die Idee, welche der Dichter darzustellen unternommen habe, aufzufinden, und aus derselben das Einzelne in dem Gedichte zu erklären; es hat auch wohl Augenblicke, vielleicht Stunden und Tage gegeben, in welchen ich an die Richtigkeit dieser Idee geglaubt habe. Aber sie ist mir immer wieder, wie man zu sagen pflegt, unter den Händen zerronnen, und mein Glaube ist verschwunden. Daher, wie ich alles Streiten längst aufgegeben habe, so habe ich auch aller Grübelei entsagt. Ich freue mich Dessen, was wir haben, nehme es, wie es vorliegt, und überlasse Anderen zu ergründen, was vielleicht unergründlich ist. „Wie ist denn Das möglich?" Ich lese die einzelnen Scenen, und oft, und mache das Büchlein immer mit neuer Lust wieder auf. Des gelehrten Doctors Selbstpeinigung, die allerdings bei einem Manne von 54 Jahre etwas auffallend ist — „Warum geben Sie ihm denn grade 54 Jahre?" Auf und ab. Da Faust sich durch den Hexentrank 30 Jahre vom Leibe schaffen, und doch wohl, weil er nach gewissen Genüssen lüstern ist, nicht als unreifer Bursche erscheinen will, so dächte ich, 54 Jahre wären ungefähr ein angemessenes Alter. „Nun, ich habe Sie unterbrochen; fahren Sie doch fort." Des Doctors Selbstpeinigung erregt mein Mideid und macht mich besorgt für den Mann; seine weisen Lehren gewinnen meinen Beifall, sein Streben nach tieferer Erkenntniß meine Achtung, sein Gebet im Walde greift tief in meine Brust, und sein Gespräch mit Gretchen über Religion spricht lebendig zu meinem Herzen. Bei allen diesen Vorgängen nehme ich ihn, wie er eben erscheint, und suche weder den eiden Hans in der Hexenküche, noch den groben Gesellen im Verkehre mit Mephistopheles, oder den arglistigen Verführer der Margaretha mit ihm, in jenen Vorgängen, in Ubereinstimmung zu bringen. Und auf dieselbe 105
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Jena Weise fasse ich die übrigen Personen, wie sie sich eben geben, jedes ihrer Worte in dem einfachen Sinne nehmend, den sie in der Sprache haben. „Ja; so mögen denn die Orakelsprüche, Sentimentalitäten, Schelmereien, Spitzbübereien und Schweinereien auch ihr Interesse haben. Aber es ist ein kleinliches, ein zerhacktes Interesse. Ein höheres Interesse hat doch der Faust, die Idee, welche den Dichter beseelt hat, und welche das Einzelne des Gedichtes zum Ganzen verknüpft, für das Einzelne Gesetz ist und dem Einzelnen seine Bedeutung giebt." Darüber könnte freilich der Dichter den besten Aufschluß geben. „Mit diesem Aufschlußgeben wäre die ganze Herrlichkeit des Dichters dahin. Der Dichter soll doch nicht sein eigener Erklärer sein und seine Dichtung in alltägliche Prosa fein zerlegen; damit würde er aufhören Dichter zu sein. Der Dichter stellt seine Schöpfung in die Welt hinaus; es ist die Sache des Lesers, des Ästhetikers, des Kritikers, zu untersuchen, was er mit seiner Schöpfung gewollt hat." Ich gebe dieses Alles sehr gern zu, Ew. Excellenz; aber mir scheint doch auch, daß es dem Leser oder Kritiker unmöglich sein werde, die Idee der ganzen Schöpfung anders, als aus der ganzen Schöpfung zu gewinnen. „Aber wir erkennen doch im Torso den Herkules." In tantum, Ew. Excellenz. Wir erkennen in dem schön bearbeiteten colossalen Block, den ich leider nicht gesehen habe, daß derselbe der Rumpf einer colossalen Statue gewesen sein müsse, und wir sind, so zu sagen, stillschweigend übereingekommen, in dieser Statue den Herkules zu sehen, weil wir sie sonst nicht unterzubringen wissen. Wenn aber irgend ein Zauberer die Statue wieder herstellte und ihr den Torso ohne Fuge und Naht einverleibte: so würde sich doch vielleicht zeigen, daß selbst Winkelmann sich geirrt habe, und daß der Torso nicht einem sitzenden Herkules, den Kopf auf die Hand gestützt und das Auge zum Himmel gerichtet, angehöret habe. Ich sage, das wäre möglich. „Soll ich etwa an Statt des Torso die Löwenklaue nennen?" Wenn uns eine abgeschnittene Klaue dargeboten würde, also ein Fragment eines Löwen, so würden wir gewiß erkennen, daß es eine Löwenklaue sei, aber ich fürchte, den Löwen, von welchem sie abgeschnitten ist, würden wir nimmermehr erkennen. Und wenn das Geschlecht der Löwen ausgestorben wäre, und die abgeschnittene Klaue würde einem großen Kenner der Natur vor die Augen gelegt, so würde er gewiß sogleich behaupten, es sei die Tatze eines großen und starken Thieres, etwa aus dem Katzengeschlechte; ob er aber aus dieser Tatze den Löwen, wie er leibt und lebt, zu construiren im Stande sein würde, scheint mir weniger gewiß. So halte ich für unmöglich, daß Jemand den Faust zu lesen vermöchte, ohne den großen und gewaltigen Dichtergeist zu erkennen, der, ich möchte sagen, in jeder Zeile wehet und wirkt, einen Dichtergeist, der das Heiligste durchdrungen und das Gemeinste ins Auge gefaßt hat, ohne von demselben besudelt oder nur berührt zu werden. Aber für unmöglich halte ich, aus dem Fragment einen ganzen Faust zu construiren, oder in dem Fragment eine Idee aufzufinden, aus welcher die vorliegenden Scenen eben sowohl erklärt werden könnten, als was noch an einem Ganzen fehlen mag. 106
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Jena „Und dennoch hat man allgemein einen Mittelpunkt gesucht, aus welchem heraus das Einzelne, sich gegenseitig ergänzend, erwachsen sei und ferner erwachsen könnte. Und große Gelehrte und geistreiche Männer haben es nicht für zu gering gehalten, sich nach diesem Mittelpunkt umzusehen." Das zeugt jedes Falles für das allgemeine Bedürfniß eines solchen Mittelpunktes. „Was hat denn aber dieses Bedürfniß erzeugt? Doch ohne Zweifel das Fragment selbst. Das Einzelne, das Ihnen zu genügen scheint, hat Andere nicht befriedigt, und doch haben sie das Büchlein nicht hinweg geworfen, sondern sie haben es festgehalten, oder es von Neuem und abermals wieder in die Hand genommen. Es muß also doch Etwas in dem Büchlein sein und durch das Büchlein hindurch gehen, das auf den Mittelpunkt hinweist, auf die Idee, die in Allem und Jedem hervortritt." Ich habe nicht gerade gesagt, Ew. Excellenz, wenigstens hätte ich nicht sagen sollen, daß mir das Einzelne genüge, sondern ich habe nur sagen wollen, daß ich mich des Vorhandenen freue, und daß ich das tiefere Forschen darum aufgegeben habe, weil meine Versuche mißlungen wären, und weil mir auch die Versuche Anderer mißlungen zu sein schienen. Und dann gestehe ich auch, daß die beständige Erneuerung dieser Versuche, den Mittelpunkt oder die GrundIdee des Faust aufzufinden, nicht gerade so zu erklären sein dürfte, wie Ew. Excellenz sie zu erklären geruhet haben. „Wie wollten Sie dieselbe denn anders erklären, als aus der poetischen Richtung des Einzelnen, welche auf einen nothwendigen Zusammenhang, also auf einen Mittelpunkt, auf eine Grund-Idee hinweist überall?" Das könnte vielleicht auf mehr als eine Weise geschehen. Wenn aber Ew. Excellenz mir verstatten wollen, nur Eins anzuführen, das mitgewirkt haben könnte zu diesem allgemeinen Eifer in der Erklärung des Faust, so möchte ich mir fast erlauben, mit Worten aus dem Faust zu sprechen, wenn es auch Hexen- und Teufelsworte sind: Aus Eins mach' Zehn, Und Zwei laß gehn, Und Drei mach' gleich, So bist du reich. Und Neun ist Eins, Und Zehn ist keins. „Wie gehört dieses Hexen-Einmal-Eins hierher? Was wollen Sie damit sagen?" Mit anderen Worten: — ein vollkommner Widerspruch Bleibt gleich geheimnißvoll für Kluge wie für Thoren. Und je geheimnißvoller der Widerspruch ist und je rascher sich ein Widerspruch an den anderen drängt, als sollten sie sich gegenseitig, wie ergänzen, so erklären oder auflösen, desto stärker und allgemeiner, denke ich, muß das Verlangen werden, wenn der gemeine Ausdruck verstattet ist, dahinter zu kommen. „Im Allgemeinen möchte in dieser Bemerkung immer einige Wahrheit sein. Auf den besonderen Fall aber angewandt, scheinen Sie die große Theilnahme, welche 107
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Jena der Faust gefunden hat, nicht dem Werke selbst, nicht der Macht der Poesie zuzuschreiben, sondern einem mystischen Etwas, das hinter dem Faust liegt; die Leser werden nicht angezogen durch Das, was ihnen dargeboten ist, sondern durch Etwas, was sie zu suchen veranlaßt werden, und was sie niemals zu finden vermögen." So ist es nicht gemeint, Ew. Excellenz. Ich habe ja von mir selbst gesagt, daß ich mich des Gegebenen herzlich erfreue, und ich hätte hinzusetzen können, daß ich des Faust erst recht froh geworden bin, seitdem ich mich entschlossen habe, das Einzelne zu genießen, und das Suchen nach einer Grund-Idee, nach einem Mittelpunkt, wodurch mir der Genuß verkümmert worden war, gänzlich aufzugeben. Es ist aber eben die Macht der Poesie, welche das ergriffene Gemüth überwältigt, und den klügelnden Verstand anreizt, noch einen tieferen Sinn in den Worten und Darstellungen zu vermuthen: er weiß sonst den Eindruck nicht zu erklären, denn er ist eben nicht poetisch, der Verstand. Würden ihm die Widersprüche in schlichter Prosa dargeboten, oder in Reimen ohne Poesie, so würde er die Widersprüche ohne Weiteres, als unvernünftig, zur Seite schieben. „Also abermals die Widersprüche? Wollten Sie nicht die Güte haben, den einen oder den anderen dieser Widersprüche etwas näher zu bezeichnen, an welchen Sie Anstoß genommen haben, oder welche Ihnen so geheimnißvoll zu sein scheinen, daß Kluge und Thoren sich zu der Auflösung aufgefordert fühlen?" Hätte ich ahnen können, daß mir die Ehre zu Theil werden würde, mit Ew. Excellenz diesen Morgen ein solches Gespräch zu führen: so würde ich den Faust ein Mal wieder durchgelesen haben, um Alles frisch und lebendig aufzufassen. Denn es ist mir in der letzten Zeit so Mancherlei durch den Kopf gegangen, daß Eins und das Andere im Faust doch zurück getreten ist. Und deßwegen, und weil ich ohnehin doch nur wenig werde vorbringen können, will ich den ganzen wunderlichen Hexenspuk übergehen, obwohl derselbe, als dem Glauben einer früheren Zeit angehörend, mit der Welt, in welcher wir leben, in einem schneidenden Widerspruch steht. Und auch die Geister-Erscheinungen will ich übergehen, die nicht minder jenes Geheimnißvolle an sich haben, das die Seele stachelt. Selbst den prächtigen Gesellen Mephistopheles will ich nicht anführen, obwohl er wohl Stoff zu mancher Bemerkung darböte. Dieser Teufel ist so stark von der Cultur beleckt worden, daß er ein recht behaglicher Gesellschafter zu sein scheint, sehr verschieden von dem alten Teufel, der wie ein brüllender Löwe herum lief und die Menschen zu verschlingen suchte. Nur die Atmosphäre wird durch ihn, nach Gretchens Bemerkung, etwas schwül gemacht, trotz seines freiherrlichen Benehmens. Da er aber nicht Ein Teufel aus vielen ist, sondern da er sich selbst den Teufel nennt und den Gruß der Seinigen als Junker Satan annimmt, so muß man erstaunen, daß der Fürst der Finsterniß sich soweit herab läßt, den Diener eines so unholden Herrn zu machen; man muß sich wundern, daß er sein großes Reich so lange verlassen kann, um sich um die Seele eines pedantischen Magisters zu bewerben, und man kommt zu dem Schlüsse, daß, wenn der Teufel sich so viele Mühe um jede Seele geben 108
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Jena muß, die Hölle unmöglich stark bevölkert sein kann. Doch dieses sind nur Einfälle des Augenblickes; ich komme auf den Helden, auf Faust selbst. Faust ist, wie mir scheint, am Besten von dem Dichter selbst bezeichnet worden. Mephistopheles nennt ihn einen „übersinnlichen, sinnlichen Freier," allerdings nur in Beziehung auf Gretchen; aber es ist wahr in Beziehung auf Alles, um das er sich bewirbt, wornach er strebt. In ihm sind unverkennbar zwei Seelen — „Hm!" Diese beiden Seelen, zusammengewachsene Zwillinge, befinden sich mit einander in einem unausgleichbaren Kampfe. Die eine, der göttlichen Natur im Menschen entsprechend, strebt dahin, woher sie stammt, nach dem Göttlichen, nach Wahrheit, Erkenntniß, Licht; die andere, die thierische Natur im Menschen, treibt zu jeglichem sinnlichen Genuß. Das ist nun, meine ich, nichts Unerhörtes; derselbe Kampf findet sich mehr oder minder, verschieden gestaltet und geführt, in dem Leben eines jeden Menschen. Das Abweichende und Widersprechende ist aber, daß sonst die thierische Natur wohl in der Jugend von Zeit zu Zeit den Sieg gewinnt, in späteren Jahren aber von der göttlichen überwunden wird, daß in Faust hingegen die göttliche Natur ein halbes Jahrhundert vorherrschend gewesen ist, und daß alsdann die thierische alle Gewalt dergestalt ausübt, daß er, der alternde Mann mit erkünstelter Jugend, oder vielmehr mit einer HexenJugend, daß Er taumelt von Begierde zu Genuß, Und im Genuß verschmachtet vor Begierde. Und nur von Zeit zu Zeit erinnern seine Worte, im Widerspruche mit seinen Handlungen, daran, daß einst ein höherer Geist in ihm gelebt und gewirkt hat. Im wirklichen Leben ist das üppige Alter widerwärtig, und ein lockerer Greis eine häßliche Erscheinung. Den Faust macht nur die Poesie erträglich. Das ist der erste Widerspruch. Und andere drängen sich hervor. Faust tritt auf, nachdem er schon Philosophie, Juristerei, Medicin und Theologie mit heißem Bemühen studirt hat. Nun macht er die Entdeckung, daß wir Nichts wissen können; aber zugleich auch die Entdeckung, daß er weder Gut noch Geld, noch Ehr' und Herrlichkeit der Welt hat. Darum mag er so nicht länger leben. Aber er weiß auch recht gut, warum sein Herz Sich bang in seinem Busen klemmt, Warum ein unerklärter Schmerz Ihm alle Lebensregung hemmt. Denn er antwortet selbst: Statt der lebendigen Natur, Da Gott die Menschen schuf hinein, Umgiebt in Rauch und Moder nur Mich Thiergeripp und Todtenbein. Auch verschreibt er sich sogleich ein Recipe: Flieh! Auf! Hinaus ins weite Land! Denn wenn Natur Dich unterweist, Dann geht die Seelenkraft Dir auf. 109
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Jena An Statt aber der eigenen Vorschrift zu folgen, an Statt sich von allem Wissensqualm zu entladen und in die Natur hinaus zu gehen, ergreift er „das Buch von Nostradamus eigner Hand" und fángt an die Geister zu beschwören. Die Erscheinung bringt ihm nur Schauer, Demiithigung, Verwirrung. In der Fülle der Gesichte aber wird er gestört durch den ehrlichen Wagner, den trocknen Schleicher. Und wie schön und menschlich weiß er, der Mann der Verzweifelung, „des unerklärten Schmerzes," der unendlichen Sehnsucht, wie schön und menschlich weiß er den redlichen Forscher an die einzige Quelle zu verweisen, aus welcher allein der Mensch sein heiligstes Bedürfniß befriedigen kann. Das Pergament ist das der heil'ge Bronnen, Woraus ein Trunk den Durst auf ewig stillt? Erquickung hast Du nicht gewonnen, Wenn sie Dir nicht aus eigner Seele quillt. Er aber verläßt diese Quelle und ergiebt sich dem Teufel. Bei seiner ersten Erscheinung mit Mephistopheles spricht er noch eine Sprache, die seines früheren Strebens würdig ist. Er stellt seine Forderungen so hoch, daß man, wenn er auf die Erfüllung bestände, selbst die Ergebung an den Teufel verzeihen, daß man begreiflich finden würde, wie er geglaubt habe, um einen solchen Preis dürfe und müsse er selbst seine Seele verkaufen. Und was der ganzen Menschheit zugetheilt ist, Will ich in meinem innern Selbst genießen, Mit meinem Geist das Höchst' und Tiefste greifen, Ihr Wohl und Weh auf meinen Busen häufen. Diese Worte erregen hohe Erwartung. Sie eröffnen die Aussicht auf Großes, Gewaltiges, Erhabenes. Mephistopheles aber hat den Mann schon durchschauet: das beweiset die schnöde und höhnische Weisheit, welche er dem Manne zu predigen wagt, der alle Wissenschaften studirt hat. Und wenn Faust ihm auch noch ein Mal mit einem scheinbar-entschiedenen: „ich will!" entgegentritt, so läßt er sich nicht irre machen. Und bald hat er die Freude zu sehen, daß der Held Vernunft und Wissenschaft vergißt oder verräth, daß er mit der feigen Frage: Wie fangen wir das an? allem Willen entsagt, daß derselbe sich mit der Antwort begnügt: Wir gehen eben fort. Deßwegen höhnt ihn Mephistopheles denn auch noch: Den schlepp' ich durch das wilde Leben, Durch flache Unbedeutenheit, Er soll mir zappeln, starren, kleben. Er setzt hinzu, als hätte er die Entdeckung gemacht, daß es kaum der Mühe werth gewesen, sich um diese arme Seele zu bewerben, weil sie ihm doch nicht entgangen sein würde: Und hätt' er sich auch nicht dem Teufel übergeben, Er müßte doch zu Grunde gehn. Und in der That: welchen Gewinn hat denn Faust, der so Großes erstrebte, so Großes wollte, aus dem Bunde mit dem Teufel gezogen? Er hat mit Hülfe desselben ein junges, liebes, unschuldiges Mädchen verführt; das ist Alles. Und 110
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Jena für diesen Zweck sind die aufgewandten Mittel etwas groß. Denn ein solches Bubenstück ist schon Manchem gelungen, ohne daß er einen Bund mit dem Teufel geschlossen, einen Hexentrank verschlungen oder Geschenke der Hölle angewendet hätte, um dem armen Kinde die Augen zu verblenden. Ist es daher zu verwundern, daß so Viele, unbefriedigt von einem solchen Resultate, sich gleichsam von der Handlung losreißen, eine hohe Idee hinter derselben suchen, jede Scene, ja jedes Wort symbolisch nehmen, und es nach der Idee des Ganzen erklären oder deuten? „Alles, was Sie da vorbringen, kann Nichts gelten. In der Poesie giebt es keine Widersprüche. Diese sind nur in der wirklichen Welt, nicht in der Welt der Poesie. Was der Dichter schafft, das muß genommen werden, wie er es geschaffen hat. So wie er seine Welt gemacht hat, so ist sie. Was der poetische Geist erzeugt, muß von einem poetischen Gemüth empfangen werden. Ein kaltes Analysiren zerstört die Poesie und bringt keine Wirklichkeit hervor. Es bleiben nur Scherben übrig, die zu Nichts dienen und nur incommodiren." Eben deßwegen habe ich alles Räsonniren verworfen, und nehme die Handlung rein und lauter, wie sie dargestellt, und jedes Wort, wie es gesprochen worden ist. „Aber Sie nehmen nur immer die einzelnen Scenen, Sprüche, Wörter, und wollen von dem Ganzen Nichts wissen." Weil es dem Dichter nicht gefallen hat, uns ein Ganzes zu geben. Wir haben ja nur Bruchstücke. „Aber eben weil es Bruchstücke sind, müssen sie ja zu einem Ganzen gehören, und im Ganzen poetisch aufgefaßt werden." Ich gestehe, daß dazu eine größere poetische Empfänglichkeit gehören würde, als deren ich mich rühmen kann. Sollte es dem Dichter gefallen, ein Mal das Ganze vorzulegen, so werde ich gewiß versuchen, dieses Ganze in mich aufzunehmen, und die Idee zu erkennen, von welcher er bei seiner Schöpfung ausgegangen ist. Nur würde es mir sehr wehe thun, wenn irgend Etwas von diesem Fragmente, das mir so wohl bekannt und so lieb geworden ist, in dem Ganzen verloren ginge. „Wie könnten aber diese Bruchstücke in einem Ganzen verloren gehen, aus welchem sie herausgenommen sind? Sie werden in demselben als organische Theile erscheinen und erst ihre wahre Bedeutung erhalten." Diese Äußerung Ew. Excellenz scheint zu beweisen, daß das Ganze schon wirklich vorhanden ist. Alsdann würde ich mich unendlich freuen, wenn es bald erschiene, und durch die Erscheinung würde auch allem Streit ein Ende gemacht werden. „Es ist vorhanden, noch nicht Alles geschrieben, aber gedichtet. — Nun? Sie schweigen? Sie sehen mich ungläubig an?" Wie könnte ich wagen, den Worten Ew. Excellenz meinen Glauben zu versagen? Ich bin nur überrascht, und muß beschämt meinen Irrthum und meine Schwäche bekennen. „Wie so? — Beichten Sie ein Mal." 111
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Jena Da Ew. Excellenz die Gnade gehabt haben, mir so lange geneigtest zuzuhören, daß ich selbst betreten bin über Alles, was ich zu sagen mir erlaubt habe, so will ich denn auch ehrlich bekennen, daß ich wirklich oft, weil ich es glaubte, auch behauptet habe: dieses so genannte Fragment gehöre keinesweges einem Ganzen an, aus welchem es als Bruchstücke, gleichsam zur Probe mitgetheilt wäre, und sei auch nicht im Geist eines Ganzen gedichtet; ja es sei kein dramatisches Werk, möge man es eine Tragödie nennen oder anders, das irgend eine Idee, irgend einen Gedanken, abgerundet und vollendet darstellen und zur Anschauung bringen solle, — es sei kein solches dramadsches Werk möglich, in welches diese Bruchstücke dergestalt eingefugt werden könnten, daß sie als organische Theile des Ganzen, ergänzend und ergänzt, erscheinen könnten. Allerdings könnten noch viele Scenen hinzugefügt werden, im Anfang, am Ende, in der Mitte; diese Scenen würden ohne Zweifel von demselben hohen Dichtergeiste Zeugniß geben, der uns aus dem gegenwärtigen Faust so gewaltig anspräche; auch möchten sie durch die Namen Faust, Mephistopheles, Gretchen, Wagner mit dem vorliegenden Fragment in Verbindung gebracht werden können und uns bekannte Gestalten zeigen; aber sie würden immer nur an die Handlungen des Fragmentes und an einander gereihet sein, und niemals würde ein Ganzes entstehen, das sich, wie von Innen heraus, wie organisch gebildet, darstellte. Die Gründe, auf welche ich diese Behauptung stützte, liegen in Dem, was ich früher gesagt habe, und mir schien die Behauptung auf diesen Gründen allerdings ziemlich festzustehen. Nach dem aber, was Ew. Excellenz so eben zu versichern die Gnade gehabt haben, muß ich allerdings einräumen, daß ich im Irrthume gewesen bin; aber Sie werden mir auch gewiß verzeihen, wenn ich bekenne, daß ich nur durch die Erscheinung des ganzen Faust selbst von meinem Irrthum völlig geheilt werden kann. „Es ist Ihnen nicht zu verargen, daß Sie sehen und nicht gläuben wollen. Wie aber haben Sie sich denn die Entstehung des Faust gedacht? Habe ich Sie recht verstanden, so sind Sie der Meinung gewesen, und sind noch der Meinung, daß der Dichter gar nicht gewußt hat, was er wollte, als er die Dichtung begann, sondern daß er auf das Gerathewohl, daß er in das Blaue hinein gedichtet und sich nur des Namens Faust wie einer Schnur bedient habe, um die einzelnen Perlen aufzuziehen und vor der Zerstreuung zu bewahren." Es bleibt mir nur übrig, Ew. Excellenz einfach und kurz zu erzählen, wie mir durch häufiges Lesen des Faust die Sache erschienen ist. Der Dichter kannte die Sage vom Faust; wohl auch ein Puppenspiel. Zugleich ward er, vielleicht sehr früh, veranlaßt, sich in Schriften, die Magie, Alchymie und andere geheime Wissenschaften betreffend, umzusehen. Hierauf kam er als Student nach Leipzig und sah in Auerbachs Keller das alte Bild, auf welchem, wie mir erzählt worden ist, Faust auf einem Fasse reitend den Keller verläßt. Dieses Bild ergötzte ihn bei seinen Kenntnissen des Faust. Nun mag ein wildes Studentengelag in Auerbachs Keller hinzu gekommen sein, von welchem der Dichter Zeuge war, von welchem er jedes Falles unterrichtet wurde. So ward er veranlaßt, einen Scherz zu machen, das Gelag und Fausts Erscheinung im Keller zu verbinden und Theils wahr und Theils ergötzlich darzustellen. Die Scene in Auerbachs Keller 112
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Jena schien mir zu allererst geschrieben zu sein. Sie ist so frisch, so lebendig, so jugendlich, so burschikos, daß ich geschworen haben würde, sie sei in Leipzig von dem Dichter-Studiosus geschrieben oder gedichtet worden. Die zweite Scene, die nach dem Auftritte im Keller gedichtet worden, schien mir der Auftritt zwischen dem Schüler und Mephistopheles. Diese Scene ist gleichfalls so frisch, so lebendig und wahr, daß sie nur aus der unmittelbaren Anschauung des Lebens und Treibens auf der Universität, wie es gewesen, wie es wohl hier und dort auch noch ist, hervorgegangen sein muß. Hat man die Universität nur einige Jahre verlassen, so denkt man kaum noch an das Collegium logicum und an die rasdose Heftschreiberei des Trosses der Studirenden. Das Gespräch mit dem Schüler aber konnte Faust nicht führen; nur Mephistopheles durfte solche höhnende Bezeichnungen der Wissenschaften aussprechen. Um daher den Schüler mit dem Mephistopheles zusammen zu bringen, war die Scene zwischen diesem und Faust nothwendig, welche jenem Gespräche vorausgeht. Diese schien mir daher als die dritte der Dichtung, nach der Zeit berechnet. Und nun sind die übrigen nach und nach entstanden, so wie irgend ein Vorgang im Leben den Dichter reizte oder beschäftigte. So mag die Verführung eines Mädchens Veranlassung zu der Schöpfung der lieben, unschuldigen und unglücklichen Margarethe gegeben haben, die ich, Trotz ihrer garstigen und rauhen Hände, von welchen sie selbst spricht, schön nennen würde, wenn man sich auf des Doctors Geschmack verlassen könnte; in diesem Doctor aber regt sich, seit er den Hexentrank verschlungen hat, Cupido und springt hin und wieder, und des Mephistopheles schnödes Wort: Du siehst mit diesem Trank im Leibe Bald Helenen in jedem Weibe, schreckt zurück. Und um aus dem alten Pedanten einen Galan zu machen, der um Margaretha mit Glück freien durfte, war die Hexenküche nothwendig; und um Margaretha ins Garn zu locken, mußte die Nachbarin Martha herein gezogen werden. Zuletzt von Allem schien mir der Monolog gedichtet zu sein, mit welchem Faust das Fragment eröffnet. Der Hans Lüderlich sollte zu Ehren gebracht; es sollte ihm ein Empfehlungsschreiben an die Welt mitgegeben werden, damit man ihn zuließe, auch in honnete Gesellschaft. „Nun, nun, das ist auch eine Meinung, und eine Meinung, die schon bestritten, vielleicht schon widerlegt ist. Sie gebe Stoff zu neuen Gesprächen oder zur Fortsetzung des gegenwärtigen. Wir wollen indeß für dieses Mal abbrechen, und den Gegenstand nicht wieder aufnehmen, bis die ganze Tragödie vorliegt." — So weit habe ich Goethe's Unterhaltung mit mir, wenige Tage nach derselben, aufgeschrieben, und hier nur Einiges, im Besondern einzelne Namen, ausgelassen, und einige Sätze abgekürzt. Als jetzt eine kleine Pause entstand und ich Goethe'n bestimmter ins Angesicht schauete, kam mir vor, als ob seine Züge weniger freundlich seien, als früher. Zwar hatte ich auch während des Gespräches zuweilen bemerkt, daß seine Augen stark hin und her rollten; aber das war auch am vorigen Abende bei der heitersten Stimmung der Fall gewesen, und darum hatte ich weder auf dieses Rollen, noch auf eine Veränderung der Stimme zum Kurzen und Scharfen hin, geachtet. Jetzt fiel mir sein Gesicht etwas auf, 113
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Jena und diese Bemerkung brachte eine kleine Unruhe in mir hervor. Als er nach einigen Augenblicken von Neuem das Wort nahm, zeigte sein Gesicht abermals eine große Freundlichkeit, aber es war derselben ein Zug beigemischt, den ich weder jetzt zu benennen weiß, noch damals zu deuten wußte. Indeß sammelte ich mich und faßte den Entschluß, mich in keiner Weise verblüffen zu lassen, überall bescheiden nachzugeben, aber auch jedes Falles auf dem Wege fortzuwandeln, den ich ein Mal eingeschlagen hatte, oder vielmehr, auf den ich, ohne zu wissen wie, gerathen war. Und bald nach dem Beginne des Gespräches kam mir vor, als habe er die Absicht, mich ein Wenig zu necken, um zu versuchen, ob ich fest und wie fest ich im Sattel säße. Das schien mir aus den Wendungen seiner Fragen und Einwürfe hervor zu gehen, welche letztere mir zuweilen etwas wehe thaten, mir, einem jungen Manne, der ich, wie ich wohl sagen darf, begeistert war für meinen neuen Beruf, und große Dinge erwartete von meiner künftigen akademischen Wirksamkeit. Goethe begann: „Ja, wir haben lange geplaudert. Und doch sind wir noch gar nicht auf Das gekommen, worüber ich mich mit Ihnen zu unterhalten gedachte, auf Ihr eigenes Vorhaben, auf Ihr Thun und Treiben. Sie wollen also — Geschichte lehren? wollen ein — Historiker werden? oder vielmehr sind ein — Historiker?" Meine Absicht ist allerdings, einen Versuch zu machen, Geschichte zu lehren. Ob es mir gelingen werde, Theilnahme zu finden oder zu erregen, ist eine andere Frage. Übrigens würde das eine unverzeihliche Anmaßung sein, wenn ich sagen wollte, ich sei ein Historiker; dagegen leugne ich nicht, daß es mein heißester Wunsch ist, einst diesen hohen Namen zu verdienen. Und an Fleiß und Anstrengung soll es gewiß nicht fehlen. Der Erfolg liegt in Gottes Hand. „Warum sollte das Lehren der Geschichte Ihnen nicht gelingen? Sie haben eine reine, wohlklingende Stimme und gute Manieren; Sie werden gut erzählen und das Erzählen ist leicht. Und wer hört nicht gern guten Erzählungen zu? Das Kind liebt es, sich 'was erzählen zu lassen, und der Greis hat noch dieselbe Lust oder dieselbe Schwachheit, gleichviel. Und warum wollten Sie sich gegen den „hohen" Namen eines Historikers sperren? Ein Jeder, der sich mit der Historia beschäftigt, ist ein Historicus." Die Worte Ew. Excellenz sind eben nicht sehr ermunternd für einen jungen Mann, der entschlossen ist, sein Leben der Geschichte zu widmen, der Forschung, dem Lehren, der Darstellung. „Warum nicht? Ich dächte, ich hätte einen heiteren Glanz auf diese heilige Dreieinigkeit geworfen." Eine Erzählung, welcher Jung und Alt ein geneigtes Ohr leiht, die Erzählung einer Anekdote nämlich, mag leicht sein; und doch giebt es nicht viele Menschen, die eine Anekdote gut zu erzählen wissen. Die Erzählung großer und complicirter Ereignisse und Begebenheiten hingegen, wie sie im Leben der Völker und Staaten vorkommen, hat denn doch wohl einige Schwierigkeiten, die nicht oft überwunden werden. Wenigstens wüßte ich nicht, daß es viele große Lehrer der Geschichte gegeben hätte, d. h. solche Lehrer, welche die Gegenstände der Geschichte klar und anschaulich zu entwickeln und ein lebendiges Interesse in ihren Zuhörern zu erregen und zu erhalten verstanden hätten. Und 114
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Jena alsdann ist ja auch die bloße Beschreibung geschichtlicher Dinge oder die bloße Er2ählung der Begebenheiten nicht die Hauptsache bei dem Lehren der Geschichte: es soll vielmehr durch die Erzählung der Sinn und die Bedeutung der Begebenheiten erkennbar gemacht werden. Was aber das Studium der Geschichte betrifft, so ist dasselbe, weil das Feld unermeßlich ist, gewiß das schwierigste von allen Studien. „ Z u dieser Meinung sind Sie wohl zunächst gekommen, weil Sie sich am Meisten mit der Geschichte beschäftigt haben. Wäre Mephistopheles gegenwärtig, so würde er etwa folgenden Knittelreim pathetisch herdeclamiren: So war es schon in meinen Tagen: Ein Jeder schlägt gar hoch sich an, Und, würdest Du sie Alle fragen, Das Wichtigste hat Er gethan. Es lastet schwer die schwere Last, Die selber Du zu tragen hast, Und ob ein Andrer ächz't und keucht, Für Dich ist seine Bürde leicht*)." Ganz unwahr mag der Spruch nicht sein; und vielleicht hält darum ζ. B. jeder Philosoph seine eigenen Gedanken für die richtigsten, ja sein eigenes System für das einzig wahre, weil er Beides nur mit großer Mühe zu Tage gefördert hat, während er fremde Gedanken bequem vom Blatte ablieset. In Beziehung auf die Geschichte indeß bin ich doch der Meinung des guten Wagner, daß schon die Mittel schwer zu erwerben sind, womit man zu den Quellen steigt, und weiß gar wohl, daß die Zahl dieser Quellen, zu welchen man steigen muß, nicht gering ist. „ E s ist doch auch viel vorgearbeitet, viel gethan. Die meisten Quellen sind längst durchforscht; was sie an reiner Fluth enthielten, ist ausgeschöpft; nur trübes Wasser zurück geblieben." Es wäre aber doch möglich, daß die Forscher das Wasser auch zuweilen getrübt hätten, und daß man, würde dasselbe abgeklärt, neue Entdeckungen machen würde. Auch dürfte noch manche Quelle nicht durchforscht und ausgebeutet sein. „Und wenn Sie nun auch alle Quellen zu klären und zu durchforschen vermöchten: was würden Sie finden? Nichts Anderes, als eine große Wahrheit, die längst entdeckt ist, und deren Bestätigung man nicht weit zu suchen braucht; die Wahrheit nämlich, daß es zu allen Zeiten und in allen Ländern miserabel gewesen ist. Die Menschen haben sich stets geängstigt und geplagt; sie haben sich unter einander gequält und gemartert; sie haben sich und Anderen das Bischen Leben sauer gemacht, und die Schönheit der Welt und die Süßigkeit des Daseins, welche die schöne Welt ihnen darbietet, weder zu achten noch zu genießen vermocht. Nur Wenigen ist es bequem und erfreulich geworden. Die Meisten haben wohl, wenn sie das Leben eine Zeit lang mitgemacht hatten, lieber hinausschei*) Diese Verse sind wohl nicht ganz richtig, obgleich ich sie oft ins Gedächtniß zurück gerufen habe. Nur den Reim glaube ich als acht bezeichnen zu können, und den Sinn gewiß.
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Jena den, als von Neuem beginnen mögen. Was ihnen noch etwa einige Anhänglichkeit an das Leben gab oder giebt, das war und ist die Furcht vor dem Sterben. So ist es; so ist es gewesen; so wird es wohl auch bleiben. Das ist nun ein Mal das Loos der Menschen. Was brauchen wir weiter Zeugniß." Ich sah Goethe an; er machte ein sehr ernstes Gesicht. Dennoch antwortete ich halb lachend: Ich kann unmöglich glauben, daß Dieses Ew. Excellenz eigene Meinung sei. Mir kommt vor, Mephistopheles habe abermals gesprochen. (Goethe lächelte.) Wenn auch viele Menschen in alten und neuen Zeiten so gelebt haben mögen, so ist deßwegen ein solches Leben noch nicht das Loos der Menschen, und das Loos der Menschen ist auch nicht das Schicksal der Menschheit. „Die Menschheit? Das ist ein Abstractum. Es hat von jeher nur Menschen gegeben und wird nur Menschen geben." Das Wort bezeichnet, denke ich, den Menschengeist, wie derselbe sich in dem gesammten Leben der Menschen entwickelt und offenbart. Das Abstractum muß daher von dem Leben der Menschen abstrahirt werden. Im Leben der einzelnen Menschen kann das Wesen und der Geist nicht erkannt werden, weil es unübersehbar ist. Es ist nur zu erkennen im Leben der Völker, in den gesellschaftlichen Verhältnissen der Menschen. Wer den Geist eines Volkes erkennt, wie derselbe sich in dem Leben des Volkes gezeigt hat, der hat das Wesen des Lebens aller Menschen erkannt, die zu diesem Volke gehörten. Und der Gesammtgeist aller Völker ist die Menschheit. „ E s ist mit den Völkern, wie mit den Menschen. Die Völker bestehen ja aus Menschen. Auch sie treten ins Leben, wie die Menschen, treiben's, etwas länger, in gleich wunderlicher Weise, und sterben gleichfalls entweder eines gewaltsamen Todes, oder eines Todes vor Alter und Gebrechlichkeit. Die Gesammtnoth und die Gesammtplage der Menschen ist eben die Noth und die Plage der Völker." Aber, wie Menschen späteren Menschen, so lassen Völker späteren Völkern Etwas zurück, das nicht mit ihnen stirbt. „Sie lassen Etwas zurück? Freilich. Mephistopheles würde vielleicht in seiner Weise sagen: Was Völker sterbend hinterlassen, Das ist ein bleicher Schattenschlag. Du siehst ihn wohl; ihn zu erfassen, Läufst D u vergeblich Nacht und Tag. Und vielleicht setzte er gutmüthig warnend hinzu, der Schalk: Wer immerdar nach Schatten greift, Kann stets nur leere Luft erlangen; Wer Schatten stets auf Schatten häuft, Sieht endlich sich von düstrer Nacht umfangen." Der Schatten, den ein Volk wirft, es mag blühen oder zu Grunde gehen, fällt zurück, nicht vorwärts; er fällt auf die früheren Völker und nicht auf uns, die späteren Enkel, oder wir müßten uns freiwillig und einfältig zugleich hineinstellen. Was uns ein Volk hinterläßt, wenn es nicht überhaupt ohne Nachlaß verscheidet, ist der Geist seines Lebens. Wir müssen uns nur bemühen, die 116
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Jena Erbschaft gehörig zu würdigen und zu benutzen, und uns nicht mit dem Inventario begnügen. Wir müssen die Geschichte des Volkes studiren, und was sie zeigt, verwenden. Denn die Geschichte eines Volkes ist das Leben des Volkes. „Die Geschichte eines Volkes, das Leben des Volkes? Das ist kühn. Wie wenig enthält auch die ausführlichste Geschichte, gegen das Leben eines Volkes gehalten? Und von dem Wenigen, wie Weniges ist wahr? Und von dem Wahren, ist irgend Etwas über allen Zweifel hinaus? Bleibt nicht vielmehr Alles ungewiß, das Größte wie das Geringste? Daher scheint doch das Wort von Faust festzustehen: Die Zeiten der Vergangenheit Sind uns ein Buch mit sieben Siegeln?" Gewiß, Ew. Excellenz, so weit hat der Dichter vollkommen Recht; er würde aber Unrecht gehabt haben, wenn er hinzu gesetzt hätte, daß auch nur eins dieser sieben Siegel unlösbar wäre. „Lösbar sind sie vielleicht; es fehlt aber das Instrument, sie zu sprengen." Ich möchte doch glauben, daß dieses Instrument nicht fehle. Wir vermögen sogar an jedes geschichtliche Werk, an jede Uberlieferung einen dreifachen Hebel anzulegen: die Kenntniß der Zeit, die jener Zeit vorausgegangen ist, von welcher die Uberlieferung berichtet, die Kenntniß der Zeit, die jener Zeit nachfolgte und gleichsam ein Product derselben gewesen, und endlich die Wahrheit, die jede Uberlieferung Theils durch ihr bloßes Dasein, Theils durch ihre Eigenthümlichkeiten, der Ansicht, der Auffassung, der Darstellung, in sich trägt. Der Stützpunkt für jeden dieser Hebel ist die menschliche Natur, das Gewicht der eigene Geist des Forschers. „Ihre Ausdrücke erinnern mich daran, daß Sie vorhin sagten, Sie wären von Thibaut für die Mathematik gewonnen worden. Haben Sie sich mit dieser Wissenschaft viel beschäftigt?" Einige Jahre hindurch, nach Zeit und Umständen, ziemlich viel. Ich habe sogar selbst ein mathematisches Buch geschrieben, das ich bald, wie einen verlorenen Sohn, in die Welt hinein laufen zu lassen gedenke. „Um so mehr wundert mich, daß Sie diese erste aller Wissenschaften, in welcher Alles Gewißheit und Wahrheit ist, verlassen haben, um sich auf der Bahn der Geschichte zu versuchen, die bei jedem Schritte schwankt, und in einer Arbeit zu verharren, in welcher Sie, selbst mit drei Hebeln, Nichts zu Tage fördern werden, das Ihnen nicht streitig gemacht werden könnte. Gewiß hat Johannes Müller Sie zu dieser Veränderung bestimmt." Johannes Müller hat allerdings einen großen Einfluß auf mich gehabt. Er hat mich schneller zum Entschlüsse gebracht. Aber auch ohne ihn würde ich mich für die Geschichte entschieden haben. Ich habe schon die Ehre gehabt, Ew. Excellenz zu sagen, daß die Geschichte meine erste Liebe gewesen sei, und die erste Liebe hält fest. Auch haben meine Verhältnisse mir nicht verstattet, mich z. B. durch die Beobachtung der Wunderwerke des Himmels zu ergötzen oder zu erbauen, oder nur auf der Erde mich einer bedeutenden Anwendung meiner theoretischen Kenntnisse zu erfreuen; und bei dem beständigen Verkehren mit Zahlen, Buchstaben und Figuren ist mir, ich muß es gestehen, begegnet, was 117
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Jena Mephistopheles dem Schüler bei seiner Gottähnlichkeit weissagt: es ist mir bei aller Wahrheit und Gewißheit recht herzlich bange geworden. „Giebt denn Ihnen die Geschichte, bei aller Ungewißheit, mehr Befriedigung, als die Wahrheit der Mathematik?" Freilich. Die Geschichte ist gleich befriedigend für den Geist und das Herz, für den Verstand und das Gemüth, und zugleich regt sie die Phantasie allgewaltig auf und treibt, wie zum Denken, so zum Dichten. Auch wüßte ich nicht, warum eine geschichtliche Wahrheit weniger wahr sein sollte, als eine mathematische. „Gewiß; nur kommt es darauf an, die Wahrheit herauszubringen. Könnte man die geschichtliche Wahrheit demonstriren, wie die mathematische, so wäre aller Unterschied verschwunden; so lange man Das nicht kann, so lange wird wohl ein Unterschied bleiben, nicht zwischen Dem, was wirklich wahr ist, sondern zwischen Dem, was hier als wahr demonstrirt, dort als wahr angenommen wird." Was wirklich Geschichte ist, das ist auch wirklich wahr. „Aber nicht Alles ist wirklich geschehen, was uns als Geschichte dargeboten wird, und was wirklich geschehen, Das ist nicht so geschehen, wie es dargeboten wird, und was so geschehen ist, das ist nur ein Geringes von Dem, was überhaupt geschehen ist. — Sie wissen ohne Zweifel, warum Sir Walter Raleigh seine Geschichte nicht fortgesetzt, sondern das Manuscript ins Feuer geworfen hat?" O, ja, Ew. Excellenz. Er that es, wie die Anekdote sagt — „Er sagt es selbst." Das hab' ich nicht gewußt; denn ich muß bekennen, daß ich noch Nichts von Sir Walter gelesen habe. Dieser also warf die Handschrift ins Feuer, weil er Augenzeuge eines Vorganges gewesen war, den andere Augenzeugen, abweichend von einander, auch ganz anders erzählten, als er denselben selbst wahrgenommen hatte. „Das ist uns Anderen wohl auch schon ebenso gegangen, und es wird in früheren Tagen nicht anders gewesen sein." Mich wundert nur, daß Sir Walter eine besondere Erfahrung nöthig gehabt hat, um die Entdeckung zu machen, daß verschiedene Menschen jeden Gegenstand verschieden auffassen. Schon das alte Sprichwort: Duo quum faciunt idem, welches doch gewiß eben so wohl vom Anschauen und Erzählen, als vom Handeln gilt, hätte ihm ja die große Wahrheit lehren können, und das Lesen mehrer Geschichischreiber, welche denselben Gegenstand darstellen, hätte dieselbe bestätigen mögen. Also, meine ich, hätte er sein Werk niemals anfangen, oder er hätte es auch fortsetzen sollen. „Sir Walter wußte gewiß längst, was wir Alle wissen; er war aber in dem alten Schlendrian fortgegangen. Jetzt nun, als er den Vorfall vor seiner Wohnung mit eigenen Augen angesehen und alsdann die verschiedenen, abweichenden, unwahren Erzählungen vernahm; jetzt trat ihm plötzlich der Gedanke, daß es keine Wahrheit in der Geschichte gebe, in die Seele, und sogleich faßte er in seinem Unmuth den Entschluß, nicht ferner mitzuwirken zur Erhaltung und Verbreitung des Truges, nicht ferner seinen Zeitgenossen von der Welt der Vergangenheit ein falsches, ein lügenhaftes Bild vorzuhalten." 118
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Jena Er muß aber doch, wie mir scheint, eine wunderliche Vorstellung von der Wahrheit der Geschichte gehabt haben. Denn es versteht sich ja von selbst, daß der Historiker von den Begebenheiten und Ereignissen früherer Zeiten nichts Anderes wissen kann, als was uns überliefert worden ist. Wenn er Dieses redlich erforscht und ehrlich wieder giebt, so, denk' ich, ist er alles Truges frei. „Aber der Trug bleibt. Er ist nicht Urheber der Lüge, aber der Verbreiter; nicht der Dieb, aber der Hehler. Die Lüge fallt nur auf euere so genannte QuellenSchriftsteller zurück." Wenn diese Schriftsteller ehrlich und redlich aufgezeichnet haben, was sie wahrnahmen oder was zu ihrer Kenntniß kam, so sind sie eben so frei von Lug und Trug. Sie konnten nicht mehr geben, als sie hatten. „Die Lüge bleibt immer; sie ist nur abermals zurück geworfen, und zurück geworfen auf die Sache selbst; und wir bekommen stets ein unwahres, ein verzerrtes, ein schiefes und falsches Bild von der früheren Welt. Und besser wäre doch wohl, sich gar nicht um die Vergangenheit zu bekümmern, als falsche, also unnütze und verwirrende Vorstellungen von derselben mit uns herum zu tragen. Dadurch werden wir nur verführt, auch die Welt, in welcher wir leben, falsch aufzufassen, und verkehrt in ihr und auf sie zu wirken." Das wäre, wenn es so wäre, gewiß sehr schlimm; aber es würde auch zu dem Loose der Menschen gehören, und wir würden genöthigt sein, es zu tragen. Aber so ist es nicht. Die Abweichungen in den Erzählungen sind keineswegs sofort als falsche Angaben zu bezeichnen; sie entstehen vielmehr meistens daraus, daß der Eine etwas Anderes von dem Vorgange aufgefaßt hat, als der Andere. Manches liegt auch in den Worten. Uber den Ursprung und den Zusammenhang mögen Irrthümer vorkommen, weil weder jener noch dieser in die Augen fallen, sondern aus allgemeinen Notizen, aus Gerüchten, aus Vermuthungen erschlossen werden müssen. Zuweilen täuschen auch die Sinne, nach der Stellung des Zeugen: Dieser hält für schwarz, was dem Anderen als blau vorkommt und was dem Dritten als grün erscheint. Uber die eigentliche Thatsache aber, über Das, was zunächst unser Interesse erregen muß, und was für spätere Ereignisse von der größten Bedeutung ist, weil es dieselben erzeugt oder bedingt, pflegen die verschiedenen Zeugen nicht von einander abzuweichen. Napoleons Bulletin mag etwas ganz Anderes enthalten, als die österreichischen und russischen Berichte, und die Erzählungen der Officiere und Soldaten in den verschiedenen Heeren mögen vom Bülletin und von den Berichten abweichen: über die Thatsachen, die entscheidend sind und, weil sie entscheidend sind, der Geschichte angehören, über die Thatsachen, daß am 2. December 1805 eine Schlacht zwischen dem französisch-teutschen und dem russisch-österreichischen Heer bei Austerlitz Statt gefunden, daß die Franzosen den Sieg gewonnen, daß die Russen sich nach Schlesien zurück gezogen, daß der Kaiser Franz hierauf im französischen Lager mit Napoleon eine Unterredung gehabt habe, daß hierauf zuerst ein Waffenstillstand und weiter ein Friede zu Preßburg abgeschlossen worden — über diese Thatsachen sind alle Nachrichten eben so einig, als die Bedingungen des Friedens außer allem Zweifel stehen. Und so möchte ich gleichfalls glauben, daß selbst wegen des Ereignisses vor Raleighs Wohnung die 119
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Jena übrigen Augenzeugen mit ihm selbst und unter einander in Vielem übereingestimmt haben: Ort, Zeit, Parteien (Falls es Parteien gab), Ausgang und Folgen sind ohne Zweifel von Allen auf gleiche Weise angegeben. Nun will ich zwar keinesweges behaupten, daß die übrigen Erscheinungen, welche bei einem Ereigniß, ζ. B. bei der Schlacht von Austerlitz vorkamen, ohne Bedeutung wären, und daß man deßwegen die Verschiedenheit der Angaben über dieselben auf sich beruhen lassen könnte; aber einen festen Anhalt gewähren doch jene Thatsachen unleugbar. Sie sind die Knochen, das Gerippe des Körpers, in einem besonderen Falle der Begebenheit, überhaupt der Geschichte. Die verschiedenen Angaben über die übrigen Erscheinungen, unter welchen und in welchen jene feststehenden Thatsachen Statt fanden, hat der Historiker zuerst kritisch auf ihren wahren Werth zurück zu führen; er hat sie unter einander und mit den Thatsachen zu vergleichen; er hat sie, nach seinen Kenntnissen von der Lage und der Natur der Länder, von der Stellung der Völker zu einander, von der früheren und späteren Geschichte, von dem inneren Zustande der Staaten, von den Charakteren und den Gesinnungen der handelnden Menschen zu prüfen, und alsdann wird die Ungewißheit verschwinden, und Dasjenige wird sich als die Wahrheit herausstellen, was er als geeignet zu Nerven, Fasern, Muskeln, Mark und Haut für jenes Gerippe erkennt, um dasselbe mit schaffendem Geist und künsderischer Hand als einen lebendigen Leib hinzustellen. „Das wird freilich eine große Operation sein; aber was der Historiker nach solcher Plage für Wahrheit hält, ist immer nur für ihn, ist nur subjective Wahrheit; unbestreitbare, objective Wahrheit ist es nicht." Fichte beantwortete die Frage des Pilatus: was ist Wahrheit? — ein Mal mit folgenden Worten: Wahrheit ist, was nothwendig so gedacht werden muß, wie es gedacht ist; was schlechthin nicht anders gedacht werden kann. „Nämlich von Fichte oder von mir. Also hat ein Jeder seine eigene Wahrheit. Die mathematische Wahrheit aber ist für Alle dieselbe." Fichte erläuterte seinen Satz mit mathematischen Beispielen. Zwei, zwei Male gesetzt, sei vier, weil es unmöglich sei, die Sache anders zu denken, sobald man nur wisse, was zwei und was vier. Er habe, sagte er, das Lachen nicht lassen können, als ihm zum ersten Male demonstrirt worden sei, daß vier Einheiten, nicht mehr getrennt, sondern vereint gedacht, eben vier seien: denn das, habe er gemeint, verstehe sich ja von selbst und könne gar nicht anders gedacht werden. Und so würde Alles, was nicht anders gedacht werden könne, nothwendig allgemein als Wahrheit erkannt werden, sobald es nur allgemein verstanden würde. „Da eben liegt es. Der Unterschied ist, daß die Mathematik jeden Menschen zwingen kann, anzuerkennen, daß alle rechte Winkel gleich sind; daß Sie hingegen in historischen Dingen mich niemals zwingen können, Ihrer Meinung zu sein." Nein, aber ich glaube doch, daß ich Jeden von der Wahrheit zu überzeugen im Stande sein würde, der nicht etwa entschlossen wäre, sich nicht überzeugen zu lassen. Und das scheint mir ein Vorzug. Der Mathematiker zwingt die Menschen, die Wahrheit seiner Sätze anzunehmen; er unterwirft die Geister einem gewissen 120
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Jena Fatalismus, bei welchem keine Freiheit der Entschließung möglich ist. Der Historiker läßt die Geister frei; er wendet sich an den ganzen Menschen, an Verstand, Herz und Gemüth, und will nur die freie Uberzeugung gewinnen. „Man braucht wahrlich nicht den Widerspruch zu seinem Grundsatze gemacht zu haben, um den Gang der Dinge anders zu denken, als sie uns überliefert oder von irgend einem Historiker dargestellt worden sind oder dargestellt werden können. Und so lange dieses der Fall ist, so lange wird es verstattet sein, die Geschichte des Irrthums zu zeihen, und ihre Uberlieferungen als falsch anzusehen." Es leidet gar keinen Zweifel, daß auch der gelehrteste, redlichste, scharfsinnigste und geistreichste Historiker in Irrthümer verfallen kann, ja daß er in Irrthümer verfallen muß, weil auch er seinen Theil von dem allgemeinen Loose der Menschen zu tragen hat. Das ist aber auch kein Unglück. Lessing verbat sich ja die Wahrheit. Er hielt das Suchen nach Wahrheit dem Menschen für zuträglicher, als die Wahrheit selbst. Wenn, sagt er irgendwo, der liebe Gott vor mich hinträte und zu mir spräche, „in der rechten Hand halte ich die Wahrheit, in der linken den Irrthum; Lessing, wähle": so würde ich antworten: Vater, die Wahrheit ist für Dich, laß mir den Irrthum. Und wenn nun auch ein Historiker in seinem redlichen Irrthume das Geschehene anders darstellt, als es geschehen ist: welcher Schaden ist zu fürchten? Das Geschehene wird dadurch nicht ungeschehen, daß ein Historiker es übergeht; es wird dadurch nicht verändert, weder in seinem Ursprünge, noch in seinem Wesen oder in seinen Folgen, daß ein Historiker es unrichtig ableitet, unrichtig verlaufen und unrichtig wirken läßt; sondern es behält in der Vergangenheit die Stelle, die es gehabt, nimmt den Raum ein, den es ausgefüllt, und kann den Einfluß auf die spätere Zeit nicht verlieren, den es ein Mal ausgeübt hat. Auch werden die Uberlieferungen, welche ein Historiker unrichtig gedeutet und unrichtig benutzt hat, nicht zerstört, sondern sie liegen unverletzt für und für vor der Welt. Also kann ein anderer Historiker die Geschichte von Neuem bearbeiten und die Irrthümer des ersten berichtigen; und sollte er selbst in neue Irrthümer verfallen, so mag ein dritter hinzutreten, Beide zurecht weisen und die Wahrheit herstellen, die er erkannt zu haben glaubt. Auf solche Weise kommt Leben in das Studium der Geschichte, Leben in die Geschichtschreibung, und der Geist findet Gelegenheit sich zu üben und zu versuchen, desto öfter, je zahlreicher und je abweichender die Uberlieferungen und die Bearbeitungen sind. Uberlieferungen hingegen, wie Sir Walter Raleigh sie gewollt zu haben scheint, nämlich eine vollkommene Ubereinstimmung aller Zeugen nicht nur über die Haupt-Thatsachen, sondern auch über alle Umstände, über alle Erscheinungen, unter welchen die Thatsachen geschehen sind, würde den Tod in das Studium und in die Geschichtschreibung bringen, selbst wenn ihr Zeugniß eben so vollständig als einstimmig wäre. Wir hätten alsdann an Einer Uberlieferung vollkommen genug, und die seelenvollste Wissenschaft würde zu einem langweiligen Gedächtnißkram hinab sinken, zu einer drückenden Masse von Namen, Zahlen und Notizen. Ein Gips-Abdruck, von einer Leiche genommen, hat gewiß die größte Ähnlichkeit mit dem Bau des Gesichtes des Hingeschiedenen; aber es ist eine seelenlose Larve, die uns nim121
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Jena mer das Bild des Mannes gewähren wird, wie er dagestanden hat voll von Leben und Kraft. Viel lieber will ich die Büste besitzen, welche der Künsder mit freiem Geist und freier Hand geschaffen hat, um den Charakter des Mannes, seinen Geist und seinen Willen, ja sein ganzes Leben und Sein hinein zu legen; und es verdrießt mich nicht, daß etwa das Wärzchen fehlt, das jene Larve getreulich aufgenommen hat. So will ich auch in der Geschichtschreibung nicht die nackte, todte, aber treue Wirklichkeit, sondern eine lebensvolle, farbenreiche Welt, welche die unzweifelhaften Thatsachen unverkürzt und unentstellt darbietet, aber mit poetischem Geist aufgefaßt und mit künstlerischer Hand ausgearbeitet. „Sie machen also den Historiker zum Dichter." Da ich selbst noch Nichts in der Geschichte geleistet habe, Ew. Excellenz, so darf ich ja wohl meine Meinung aussprechen; denn ich rede nicht pro domo mea. Ich glaube wirklich, daß Geschichte nicht würdig geschrieben werden könne, ohne eine wahre ττοιησις, und daß Niemand ein Historiker sein könne, im schönsten Sinne des Wortes, dem die schöpferische oder dichterische Kraft fehlt. Denn er muß ja die Welt der Vergangenheit vor Augen haben, in welcher die Ereignisse Statt fanden, die er darstellen will, und die er nur in der Anschauung dieser Welt darstellen und in ihrer ganzen und ächten Bedeutung darstellen kann. Diese Welt aber wird ihm nicht zur Anschauung dargeboten, sondern er muß sie schaffen, um sie anschauen zu können. „Wenn man auch Dieses zugäbe, so würde doch ein großer Unterschied zwischen dem Dichter und dem Historiker bleiben. Der Dichter schafft seine Welt frei, nach seiner eigenen Idee, und darum kann er sie vollkommen und vollendet hinstellen; der Historiker ist gebunden: denn er muß seine Welt so aufbauen, daß die sämmtlichen Bruchstücke hinein passen, welche die Geschichte auf uns gebracht hat. Deßwegen wird er niemals ein vollkommenes Werk liefern können, sondern immer wird die Mühe des Suchens, des Sammeins, des Flickens und Leimens sichtbar bleiben." Um so größer ist die Aufgabe des Historikers, um so schwieriger seine Arbeit, um so mehr verdient ein gelungenes geschichtliches Werk Dank, Ehre und Preis, ein weniger gelungenes Nachsicht und Schonung. Auch darf nicht übersehen werden, daß der Dichter nur seine eigene Idee, so tief und groß, als die Kraft seines Geistes sie zu fassen vermag, darzustellen sucht, der Historiker aber die Idee Gottes, wie sie sich im Leben der Menschen offenbart hat. „Am Ende steht Ihnen der Historiker über dem Dichter." Ja nicht, Ew. Excellenz. Ich kann mich überhaupt mit der Stufenleiter, auf welche man die Geister zu stellen pflegt, nicht recht vertragen, und möchte glauben, daß die Bahnen des Geistes nicht unter einander gebaut sind, sondern neben einander fordaufen. Jedes Falles glaube ich, daß Derjenige, der Tüchtiges in der Geschichte leistet, Niemandem seine Stelle zu beneiden brauche. „Wenn ich nun aber aus Ihren Bemerkungen über geschichtliche Forschung und Geschichtschreibung das Resultat ziehe, so scheint doch, mit Schillers Worten, der langen Rede kurzer Sinn zu sein, daß Faust Recht habe: Was man den Geist der Zeiten heißt, Das ist im Grund der Herren eigner Geist, In dem die Zeiten sich bespiegeln." 122
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Jena Mit diesem classischen Spruche bin ich vollkommen einverstanden. Wenn uns aber die Herren Geist geben und wäre es auch der eigene, und wenn sie uns in diesem Geiste das Spiegelbild der Zeiten zeigen, so können wir, denke ich, einiger Maßen zufrieden sein. „Aber nun doch noch Eine Frage. Was wollen Sie denn zuletzt mit Ihrer Geschichte, mit allen diesen historischen Wahrheiten, Irrthiimern, Dichtungen? Welches ist das endliche Ziel Ihrer Studien und Ihrer Bestrebungen?" Das ist eine große Frage, Ew. Excellenz, die eine weitläufige Antwort nothwendig macht. In der Kürze wüßte ich sie in der That nicht besser zu beantworten als mit Fausts Worten: — Was der ganzen Menschheit zugetheilt ist, Will ich in meinem innern Selbst erkennen. „Genießen, wollen Sie sagen." Ew. Excellenz halten's zu Gnaden; ich möchte doch bei dem Erkennen bleiben, und mich mit dem Genüsse begnügen, den etwa das Erkennen abwirft. Das Erkannte aber möchte ich alsdann durch Lehre und Schrift mittheilen. Übrigens darf ich wohl nicht hinzufügen, daß ich natürlich nur von meinem Wunsch und Willen gesprochen habe; das Vollbringen liegt nur zum kleinsten Theil in des Menschen Hand. Aber in magnis voluisse sat est. „Ja, ja. Wir haben nunmehr Stoff zu vielen künftigen Unterhaltungen. Aber es ist schon weit am Tage; wir müssen's dießmal unterbrechen." Indem ich nun meine Endassung zu nehmen gedachte, sagte ich ungefähr folgende Worte: Ich kann nicht aussprechen, mit welchen Gefühlen ich von Ew. Excellenz scheide. Der gestrige Abend hatte mir die Brust mit der heitersten Freude angefüllt, und mit dieser Freude trat ich diesen Morgen bei Ihnen ein. Im Laufe des Gespräches aber ist ein Schatten in diese reine Heiterkeit gefallen, dem ich nicht auszuweichen vermocht habe, und der mich jetzt, da ich Ew. Excellenz verlassen soll, etwas stark zu incommodiren anfangt. „Wie so, Lieber? Was ist denn Das?" Seit ich die Vocation nach Jena angenommen hatte, hat mich der Gedanke begleitet, daß mir nun auch das Glück beschieden sein möchte, nach welchem ich mich schon lange gesehnt hatte, das Glück, in die Nähe Ew. Excellenz zu kommen, Sie zu sehen, Sie zu sprechen. Und doch vermochte ich die Erfüllung dieses Wunsches nicht ohne große Ängstlichkeit zu denken. Zu meiner Sehnsucht mischte sich, bei meiner Verehrung und Bewunderung des Fürsten der Dichter, ich möchte sagen, eine heilige Scheu. Ich fürchtete, daß ich, wenn mir ein Mal die Ehre zu Theil werden möchte, Ew. Excellenz vorgestellt zu werden, wie ein Berauschter vor Ihnen erscheinen möchte, unbehülflich, hölzern, verwirrt, tölpelhaft. Der gestrige Abend hat mich nun über alle Verlegenheit rasch und glücklich hinweg gerissen; aber ich fürchte, er hat mich zuweit hinweg gerissen; ich fürchte, daß ich heute gesprochen habe, wie ich nicht hätte sprechen sollen. Ich bin aber in die Rednerei hinein gekommen, ich weiß selbst nicht wie. Ich habe wohl gefühlt, daß ich nicht hätte hinein kommen sollen; da ich aber ein Mal hinein gekommen war, so vermochte ich mich nicht wieder hinaus zu finden. Was ich Irriges gesagt haben mag, das werden Ew. Excellenz gewiß 123
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Jena nicht beachtet haben; aber ich bitte so unterthänig als herzlich, mir auch zu Gnaden zu halten, was etwa Ungebührliches und Ungehöriges vorgekommen ist. „Ei, lieber Herr Professor, seien Sie darüber ganz ruhig. Wir haben unter vier Augen gesprochen, im Ernst und im Scherz, und ich wüßte nicht, was wir, Einer dem Anderen, vorzuwerfen oder übel zu nehmen hätten. Unser Gespräch hat mich interessirt und unterhalten, sonst würde es wohl auch nicht so lange gedauert haben. Ich habe in Ihnen einen jungen Mann kennen gelernt, der klar sehen will, der sich nicht durch hohle Worte verwirren und nicht durch Blendwerke irre führen läßt. Sie streben eifrig nach Wahrheit, ohne der Poesie entfremdet zu sein; selbst ihre täuschenden Gebilde mögen Sie wohl leiden. Das ist löblich und gut. In Ihrem wissenschaftlichen Treiben sind Sie auch auf gutem, auf dem rechten Wege. Fahren Sie fort, in der Geschichte zu leben und kühn in die vergangenen Zeiten zu schauen, ungestört von den Wirrungen der Gegenwart. Forschen Sie mit Anstrengung aller Kräfte in den Jahrbüchern der Völker; theilen Sie ehrlich und redlich mit, ohne alle Nebenabsicht, was Sie durch Ihre Forschung als wahr erkannt zu haben glauben, in Wort und Schrift; in Ihrer Darstellung aber machen Sie sich frei von jedem Vorbilde, und geben Sie namentlich jede Hämmerung und Verrenkung auf, die an Johannes Müller, der selbst nur ein Nachahmer von Tacitus ist, erinnern könnte; überhaupt fröhnen Sie nicht der Geschmacklosigkeit der Zeit und verachten Sie die Weisheit, die in den s. g. literarischen Blättern altklug verkündigt zu werden pflegt. Schreiben Sie vielmehr klar und einfach, ohne Scheu vor einem poetischen Anflug, und ziehen Sie eine bequeme Entwickelung der geschraubten Kürze vor, die man schlagend zu nennen und hoch zu bewundern pflegt. Sie werden späteren Geschlechtern gefallen, wenn Sie auch den Tadel Ihrer Zeitgenossen zu erdulden haben sollten. Jedes Falles hoffe ich von Ihrer Anstellung in Jena Gutes für Sie selbst und für die Universität. Und nun (mir die Hand reichend) leben Sie recht wohl. Auf baldiges Wiedersehen." Ich mochte mich 12 bis 16 Schritte entfernt haben, als Goethe mir nachrief: „Herr Professor Luden." — Rasch kehrte ich um, und fragte nach seinen Befehlen. „Ich habe Sie," sagte er, „gebeten, mich in Weimar zu besuchen; habe aber vergessen hinzuzusetzen: kehren Sie ja nicht in einem Wirthshause ein, sondern fahren Sie bei mir vor. Es soll immer ein Couvert für Sie bereit gehalten werden, und so oft Sie über Nacht in Weimar bleiben können und wollen, sollen Sie auch ein Bette finden. Und so noch ein Mal: leben Sie recht wohl." An Chr. G. Voigt 19. 8. 1806 (WA IV 19, 177)
Professor Luden ist heute eine Stunde bey mir gewesen. Er gefällt mir sehr wohl. Es sind aber schon äußere Dinge, die auf ihn eindringen, seine gute Natur verwirren und verlegen machen, die mir beym ersten Anblick nicht gefallen und die ich Ew. Excellenz vertraulich mittheile, wenn ich sie nicht bey näherer Betrachtung anders finde. H. Luden, Rückblicke in mein Leben (Luden 1 S. 75)
B 2 875 B 3 2265
Als ich Goethe verlassen hatte, blieb ich den ganzen Tag hindurch in einer wunderlichen Stimmung. Es war etwas Unheimliches und Unruhiges in mir, und 124
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Jena ich sah nicht mit Heiterkeit, nicht mit Zufriedenheit auf den Morgen zurück. Ich ärgerte mich über mich selbst, daß ich mir erlaubt hatte, vor einem solchen Mann über sein eigenes Werk so offen und freimüthig zu sprechen . . . Deßwegen war ich ärgerlich über mich selbst, sehr ärgerlich, weil ich solche verletzende Worte gegen einen Mann ausgesprochen hatte, für welchen meine Brust voll war von Verehrung und Bewunderung. Aber ich war auch ärgerlich über Goethe. Wenn ich den ganzen Gang des Gespräches überdachte, so konnte ich nicht umhin, auf Goethe den größten Theil der Schuld zu werfen, daß dasselbe eine solche Wendung genommen hatte. Er hatte mich ja zu meinen Äußerungen verlockt, ja fast gezwungen. Ohne sein Drängen würde ich mich nimmer so weit eingelassen haben. Und in dem zweiten Theile des Gespräches, über die Geschichte, hatte er es, wie mir in meinem Unmuthe vorkam, darauf angelegt, seinen Unmuth an mir auszulassen, mich zu verwirren, mir wehe zu thun. Nun mußte ich mir allerdings selbst gestehen: Goethe's Benehmen gegen mich sei durchaus edel, fein und zart gewesen; höchstens hätte sein Mienenspiel und der Ton seiner Stimme einige Gereiztheit verrathen. Aber in mein Grollen mit mir selbst mischte sich bald ein argwöhnischer Gedanke ein, und in dieser Durchkreuzung sah ich in Goethe's Benehmen nicht mehr bloßes Wohlwollen und Güte, sondern es kam mir vor, als sei es Herablassung gewesen; es kam mir vor, als hätte er es für anständig und seiner hohen Stellung in der bürgerlichen Gesellschaft und in der Literatur für angemessen gehalten, einem jungen unbedeutenden Professor gegenüber sich gleich zu bleiben und seine Freundlichkeit vom vorigen Abend mit seiner Würde als Minister und als Fürsten der Dichter ins Gleichgewicht zu bringen oder im Gleichgewichte zu erhalten . . . Zuverlässig war dieses Alles nichts als Grillenfängerei. Zuverlässig hatte ich vollkommen Unrecht. Davon habe ich mich in der Folge völlig überzeugt. . . Am anderen Morgen um 6 Uhr saßen wir [Luden und Hufeland] im Wagen und rollten bei dem schönsten Wetter dahin. Auf dieser Fahrt nun fragte Hufeland mich, wie ich denn gestern mit Goethe ausgekommen sei? Er habe die Excellenz gestern Abend noch gesehen und von ihr erfahren, daß ich gar lange bei derselben gewesen sei. Goethe habe gesagt, er habe ein wahres Examen mit mir angestellt, und dieses sei in eine Discussion, ja in eine Disputation übergegangen; wir hätten uns so in dem Gespräche verwickelt, daß das Netz zwei Male gewaltsam hätte durchbrochen werden müssen. Auf meine Frage, ob denn Goethe nicht die Gegenstände unsers Gespräches genannt und kein Urtheil über meine Ansichten und Weisen hinzugefügt habe, erhielt ich eine verneinende Antwort. Es sei dazu auch keine Zeit und keine Gelegenheit gewesen. Goethe habe nur gesagt, ich sei nicht übel bestanden; er hoffe Gutes von meiner Anstellung für die Universität, und glaube, daß es mir gelingen werde, das Studium der Geschichte empor zu bringen. Hierauf erzählte ich Hufelanden den Inhalt, den Gang und das Ende meiner Gespräche mit Goethe. Natürlich konnte Dieses nur im Allgemeinen geschehen . . . Am Ende . . . sagte er ungefähr folgende Worte: „Uber die Sachen können wir hier nicht verhandeln; Zeit und Ort machen es unmöglich. Ich gestehe Ihnen aber, daß ich wünsche, Sie möchten ein solches Gespräch mit Goethe nicht geführt haben. Ich fürchte, Sie haben einen falschen Schritt gethan. . . Und Goethe, gewiß 125
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Jena der Erste der Dichter, ist nur an Bewunderung, ja an Anbetung gewöhnt. Sie haben daher sehr unvorsichtig gehandelt, daß Sie ihm widersprochen, daß Sie über die Bewunderer seines Faust fast ein wenig spöttisch gesprochen, und dem erhabenen Gedichte einen so gewöhnlichen Ursprung gegeben haben. Es ist ja fast zum Gelegenheits-Gedichte gemacht worden, und diese Gattung der Poesie pflegt man am Tiefsten zu stellen . . . Goethe verdient zuverlässig, und darin stimmen Sie drei Male mit mir überein, die Verehrung von ganz Teutschland, deren er sich auch in der That rühmen kann. Aber Sie wissen auch, daß diese Verehrung dem großen Dichter von Vielen, und nicht bloß von unbedeutenden Männern auf den Knieen bewiesen worden ist. Dadurch ist sie eben zur Anbetung geworden; dadurch ist aber auch Goethe verwöhnt; er betrachtet sich wie ein geheiligtes Haupt, und verlangt, daß ein Jeder ihm seine unbedingte Huldigung und Hingebung darbringen soll. Wer das nicht thut, wer ihm sogar widerspricht, den betrachtet er als seinen Feind. So glaube ich, und ich habe gute Gründe zu diesem Glauben." . . . „Ich kenne Goethe nicht genug," erwiderte Hufeland, „um zu wissen, ob er der Rancüne fähig sei oder nicht; indeß möchte ich es nicht glauben. Dagegen aber halte ich für möglich, daß eine gewisse Empfindlichkeit gegen Sie in ihm zurückgeblieben sei, und Sie werden wohl thun, Ihr ferneres Betragen so einzurichten, als wäre diese Empfindlichkeit wirklich in ihm. Auch fallt mir jetzt erst ein, daß er gestern Abends in einem etwas trocknen Ton von Ihnen sprach. Hinderlich wird er Ihnen nicht sein; dazu denkt er zu edel; aber auf Förderung von seiner Seite dürfen Sie auch nicht hoffen. Dazu ist er überhaupt nicht eben geneigt; es ist ihm zu unbequem."
20. 8.
Tagebuch 20. 8. 1806 (WA III 3, 161)
Dr. Heiligenstät, wegen der Batschischen Abfindung. Dr. Hegel; Dr. Seebeck in der camera obscura. Versuche wegen der mehr oder weniger wärmenden Kraft der gefärbten Lichter. Bey Major von Hendrich zu Tische, Frau Hauptmann von Griesheim aus Hessen. Romanhafte Begebenheiten ihres Lebens. „Außer Stand geheirathet." Johanna Frommann an C. F. E. Frommann 20. 8. 1806 (GSA, Frommann 26, 3, 122)
Heute kam Riemer wieder . . . Göthe denkt noch immer ich sei zu krank. Du weist er hat eine kleine Furcht vor Krankheit. Morgen will er nun kommen . . . Göthe zeichnet fleißig Nachmittag Vormittag wird geschrieben. 21. 8.
Tagebuch 21. 8. 1806 (WA III 3, 162)
Zu Tische bey Major von Hendrich. Neues Arrangement seiner Thalersammlung . . . In den botanischen Garten. Mit dem Gärtner, mit Prof. Schelvern. Cleome pentaphylla. Betrachtungen über das neue Werk von Steffens. 22. 8.
Tagebuch 22. 8. 1806 (WA III 3, 162)
Major von Knebel kam mit seinem Sohne, denen ich die Carlsbader Suite, in Bezug auf das noch Erwartete, vorzeigte. 22. 8.
Johanna Frommann an C. F. E. Frommann 22. 8. 1806 (GSA, Frommann 26, 3, 122) Heut will er nun wirklich kommen, da kann ich ihm gute Nachricht von seiner Mutter geben.
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Knebel, Tagebuch 22. 8. 1806 (GSA, Nachlaß Knebel)
Morgens bei Göthe u. im Museum. Johanna Frommann an C. F. E. Frommann 22. 8. 1806 (*Frommann S. 74; GSA, Frommann 26, 3, 122) B 3 2267
8'/2 Uhr Abs. Vor einer halben Stunde gieng Göthe fort — wie freut ich mich als er bald nach 5 in die Thür trat, da ich ihn fast 8 Tage nicht sehn konnte! Wie freundlich u gut war er; ich mochte mich gar an kein Kranksein errinnern. Erst sprachen wir von Deiner Reise [nach Frankfurt und Heidelberg], von seiner Mutter — ich las ihm blos vor was sie gesagt hatte, das gefiel ihm sehr, u er wünschte es ins besondre den Genzianern zu beherzigen. Aus dem übrigen Deines Briefes hab ich blos so discurando referirt, (aber Riemer hab ich mit Deiner Erlaubnis vieles daraus vorgelesen, was ihn sehr erbaut hat). Darauf erblickte Göthe auf einmal den Oehlenschläger [ein Miniaturbild] an der Wand, erkannt ihn gleich u lobte mich gütigst. Dann muste Mine ihre Werke vorzeigen u endlich fing er selber an zu zeichnen, u machte einen hübschen Entwurf, u will es fertig machen wenn er wiederkommt. Endlich wollt er vom Frfter Theater hören, dies hattest Du sehr kurz abgespeist, konnte also nicht viel sagen. Ich entschuldigte Dich damit, Du hättest so viel von Deinem Freun[d] Ebel zu schreiben gehabt, daß das Frfter Theater zu kurz dabei gekommen. Nun was denn der machte? es müste eine „hübsche Natur" sein etc. etc. Nun erzählt ich denn (aber mit gehöriger Discretion) viel Gutes von ihm; Göthe hat seine Schweizerreise gelesen, und muß auch Briefe von ihm gesehen haben, die ihm gefallen haben. Endlich Schloß er so: eins wär ihm doch nichts Nutz, er siegelte mit einem Tirannen Kopf, u da ihm diese doch zuwider wären, so müst er auch den Kopf nicht haben. Göthe fand den Kopf so schön. Ist es Dir nicht möglich eine ähnliche Gemme zu kriegen? Er meinte es wäre ein Diocletian — aber ich fürchte ich fürchte es ist eine Antike u dann ists vorbei. Er scheint Ebel zu schätzen, dies freute mich recht. 23. 8.
Tagebuch 23. 8. 1806 (WA III 3, 163)
Gegen Abend bey Hofrath Eichstädt. 24. 8.
Tagebuch 24. 8. 1806 (WA III 3, 163)
Dr. Voigt wegen der nächsten Angelegenheiten der naturforschenden Gesellschaft. Buchbinder Wilhelmi, ihm die Skizzen übergeben. Johanna Frommann an C. F. E. Frommann 25. 8. 1806 (GSA, Frommann 26,3, 123)
Ziegesars sind gestern alle herein gefahren haben die Werthern begleitet u sind zum Theil nach Weimar gefahren, vermuthlich um die Berg zu hohlen. Göthe als er das gehört hat ist in dem einmal bestellten Wagen [mit dem er nach Drakendorf fahren wollte] mit Riemer nach Dornburg gefahren. Heut hat ihn Knebel engagirt sonst wär er gekommen. 127
1806 25. 8.
Jena Tagebuch 25. 8. 1806 (WA III 3, 163)
Major von Knebel und Dr. Seebeck. Optische Versuche, besonders die paroptischen Farben betreffend. Sächsische Suite durchgesehen. Abends zu Knebel. Gezeichnet. Dr. Voigt und Prof. Luden kamen hin. Neuer Katechismus für die sämmtlichen französischen Christen. Dort gegessen. Den Inhalt der Niebelungen erzählt. Knebel, Tagebuch 25. 8. 1806 (GSA, Nachlaß Knebel)
B 3 7438
Morgens bei Göthe. Optische Sachen . . . Abends Göthe u. Riemer hier. Bleiben zum Essen. 26. 8.
Tagebuch 26. 8. 1806 (WA III 3, 164)
Bibliothekar Vulpius angekommen, brachte einen Bedienten auf die Probe mit. Knebel an J. I. v. Gerning 26. 8. 1806 (FDH)
Göthe ist öfters hier [Jena], und seitdem er aus dem Karlsbad wiedergekommen, fast beständig. Er sucht die hiesige Ruhe, und findet sie auch wohl, zumal bei seinen weidäuftigen u. abwechselnden Kenntniß- u. Wissenschaften . . . Heute haben Sie mich auch zum Mitdirektor der hiesigen Naturforschenden (ehemals Batschischen) Gesellschaft, unter Göthes Präsidio, gemacht. 27. 8.
Tagebuch 27. 8. 1806 (WA III 3, 165)
Früh im botanischen Garten. Mit Schelvern pathologische Fälle . . . Prof. Hegel, hernach Knebel, Mineralogie und Geologie von Carlsbad. Mineralogisches Cabinet. Bey Seebeck in der camera obscura .. . Dr. Voß aus Koppenhagen, mit etwas barscher Voßität. Abends Gäste: Major von Knebel, von Hendrich, Hofrath Voigt, Dr. Voigt, Prof. Göttling. Hofrath Voigt als Clubbcommissarius hat Noth, dem Wirth auf der Rose begreiflich zu machen, daß in ein gekniffenes Maß weniger geht als in ein ordentliches polizeygemäßes, bis er es ihm durch die Papiertüten, die der Materialist vorher aufbläst, ehe er den Taback oder Caffé hineinthut, anschaulich macht. Hinterlistiges Setzen der Holzklaftern auf abhängigem Boden. Gehn an eine runde oder eckige Tafel mehr Gäste? Obiter die Consequenz des reflectirten Lichtes und als wirklich an dem blauen Kronleuchter wahrgenommen! Knebel, Tagebuch 27. 8. 1806 (GSA, Nachlaß Knebel)
Morgens . . . bei Göthe . . . Abends in Gesellschaft bei Göthe. Hegel an Goethe 20. 7. 1817 (Hoffmeister 2, 163)
[Über Goethes Aufsatz Zur Kenntnis der böhmischen Gebirge,] der mir mit so vielem Vergnügen die Anschauung zugleich in Erinnerung gebracht, die Euer Excellenz mir an der mitgebrachten Sammlung [von Joseph Müller] in Jena zu geben vormals die Güte hatten. 28. 8.
Tagebuch 28. 8. 1806 (WA III 3, 165)
Dr. Seebeck und Hofrath Eichstädt. Major von Knebel und Sohn. Mittags bey Hrn. Major von Hendrich, mit Vulpius. Darstellende Erzählung vom Hof128
Jena
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apotheker beym weimarischen Vogelschießen. Das Lager von Mühlberg tritt ein. Diadoche der Grobheit von Bode, Buchholz, Brunnquell und Stephani. Kegelschiebende Harmonie . . . Abends bey Frommanns, mit Prof. Hegel. Knebel, Tagebuch 28. 8. 1806 (GSA, Nachlaß Knebel)
Morgens bei Göthe, zum Geburtstag. Johanna Frommann an C. F. E. Frommann 29. 8. 1806 (*Frommann S. 75; GSA, Frommann 26, 3, 124) B 3 2268
Hier [im Brief vom 28. 8.] unterbrach mich eine Botschaft von Göthe daß er kommen wollte. Eine Stunde früher kam schon die Schmidt, dann kam Göthe u Riemer, dann von selbst Hegel. Göthe war sehr fidel; es war sein Geburtstag. Er mag aber darüber nichts gemacht haben. Erst schickte er uns ein groß Stück Prezel mit Blumen besteckt. Die S. störte ihn gar nicht. Als er gegen 8 gehen wollte, sagt ich ihm; obs ihm nicht gefällig war noch ein Stündchen zu bleiben, u er nahms gleich an. Bei Tisch aß er nichts als ein Paar kleine Schnittchen Braten u 2 Reineclauden in Branntwein u 2 Gläser alten Mallaga, der mich zu stärken ordinirt ist. Dieser schien ihm gut zu thun. Es kamen sehr hübsche Sachen zum Vorschein, u wurde herzlich gelacht. Gries läßt er sagen es wäre lobenswürdig, wenn er so zugenommen hätte, indes vom zarten ottave rime könnte man nichts mehr bemerken, so wollten wirs doch noch nicht glauben, daß ihm die Silhouette ähnlich wäre. Unter andern sagte er, seine Mutter könne er über Frl. Günterodt nicht fragen, denn da kriegt er gleich die Antwort, sie müste toll geworden sein. Er wolle es ganz so bewenden lassen. Mit Hegel sprach er äusserst intreßant über Steffens Schrift [Grundzüge der philosophischen Naturwissenschaft], im Halbdunkel, ich saß u horchte, verstand aber wenig. Mit den Kindern war er äusserst freundlich, die führten vor Tisch Krieg mit bleiernen Soldaten, u prahlten nun gegen ihn an auf Du u Du. Seine angefangne Zeichnung hatten wir ihm irgendwo aufgestellt, aber er machte sich nicht dabei. 28. (?) 8.
Johanna Frommann an C. F. E. Frommann 1. 9. 1806 (GSA, Frommann 26, 3, 125)
Vielleicht komt Ifland [nach Weimar] — da kannst du vielleicht den Kaiser sehn der schon abgesetzt ist, u Docktor Luther. Man muß den — nicht an die Wand mahlen, sagt Göthe, sans comparaison. 29. 8.
Tagebuch 29. 8. 1806 (WA III 3, 166)
Um zwölf Uhr mit Prof. Hegel über Steffens neuestes Werk. Um 6 Uhr zu Knebel. Altdeutsche Ubersetzung des Petrarchischen Werks über das menschliche Leben mit Holzschnitten. Warme Nacht und vollkommen schöner Mondschein. Von Knebels nach Hause begleitet. 28. 8.
Chr. G. Voigt an Eichstädt 27. 8. 1806 (UB Jena, Nachl. Eichstädt 2) Ich bitte die Inlage an H m Vulpius zu befördern, dem ich etwas schicke, was er morgen früh dem Hr. GR v. Göthe geben soll, dessen Geburtstag der 28. Aug. ist.
129
1806
Jena Knebel, Tagebuch 29. 8. 1806 (GSA, Nachlaß Knebel)
Göthe u. Riemer Abends hier. 30. 8.
Tagebuch 30. 8. 1806 (WA III 3, 166)
Zu Mittag Versuche mit Dr. Seebeck in der camera obscura, die mehr oder weniger erwärmende Eigenschaft der Farben betreffend. Beym Major von Hendrich zu Tische. Knebel, Tagebuch 30. 8. 1806 (GSA, Nachlaß Knebel)
Göthens Farbenlehre. 31. 8.
Tagebuch 31. 8. 1806 (WA III 3, 167)
Gegen Mittag Major von Knebel und Dr. Seebeck. Uber die optischen Dinge, sowie über manches Mineralogische . . . Zu zwey gegessen, weil Hr. Major von Hendrich weggereist war, um seine Haushälterin zu holen . . . Nach 5 Uhr zu Dr. Seebeck in Garten. Preisschrift von Weiß. Verschiednes die Farbenexperimente betreffend . . . Kam Hr. Major von Hendrich zurück mit der Nachricht, daß sich die Tümplingsche Familie hier festsetzen werde. Riemer (LA II 4, 112)
B 3 7439
Abends um 7. nach einem Besuch mit G. bei D. Seebeck im Garten. Das rote Licht ist wärmer, als das violette. Ich glaube zur Wärme gehört eine Solideszenz. Das Trübe ist ein Schritt zur Solideszenz. Die rote Farbe entsteht durch eine starke Trübe. Das Violette aber ist nur die leichtübertrübte, wenig erhellte Finsternis. Und aus dem Grunde ist das violette Licht weniger warm. Die W ä r m e n i m m t der Farbe e t w a s von i h r e r D u r c h s i c h t i g k e i t Das sieht man auch an der Luft in Italien die von Wärme kann man sagen, getrübt ist; es sind in Wärme aufgelöste Dünste, welche diese blaue Trübe hervorbringen. Um 9 Uhr. Da das Rote durch eine starke Trübe entsteht, so ist es gleichsam konsolidierter und darum wärmer als das gelbe. Das Blaue müßte nun noch kälter sein als das Violette; doch nein, da das Blaue übertrübte Dunkelheit ist, so hat es mehr Solideszenz in welcher sich die Wärme mehr offenbart. Das Violette ist überlichtete Dunkelheit und folglich, als άραιοτερον, kälter. Exper. Nach Steffens korrespondieren Wärme und Schwere. Knebel, Tagebuch 31. 8. 1806 (GSA, Nachlaß Knebel)
Morgens bei Göthe. Abschied auf Morgen. Riemer, * Aphorismen S. 289 (GSA, Riemer 751)
B 2 876 B 3 2269
G. „Das Beste in den Briefen des Bonifacius sind die Stellen aus der Bibel; weil es ewig nur Mosaik ist, was die Leute machen, aber in dem Sinne gut." 130
1806
Jena Wir haben ja auch unsre Cotteriesprache, zB. August." (Man kann von den Humanisten, welche römisch schreiben, dasselbe sagen. R.) d. 31. August 1806. Riemer (JbGG NF 32, 274)
B 3 2270
d. 31. August 1806 (Goethe:) „Wie der Polyp das Köderthier frißt und, weil er durchsichtig ist, man dieses sieht, so sind die neuern idealistischen Menschen auch so durchsichtig, daß man den Dreck in den Magen hinuntergehen und hinten wieder herauskommen sieht, wie bei einer Ente. Aber Gott hat uns nicht durchsichtig haben wollen. Die arme Tian ist auch so durchsichtig." Riemer, »Mittheilungen 2, 663 (GSA, Riemer 889)
B 2 877 B 3 2272
G. „Die beyden ersten Acte von Minna von Barnhelm sind schön und gut, sie haben Handlung und Fortschritt; im dritten stockts. Man weiß nicht recht woran es sich acrochirt. Da erscheint ein retardirender Auftritt zwischen dem Wachtmeister und Franciska. Man sieht Lessing hat Lust an den Characteren selbst gewonnen und spielt nun mit denen, mahlt sie zu einzelnen Scenen aus, die als solche recht schön sind. Sensation des Stücks bey s. ersten Erscheinung. Im Teilheim die Ansicht seiner Zeit und Welt im Punct der Ehre; in Minna Lessings Verstand." D. 31. August 1806. Johanna Frommann an C. F. E. Frommann 1. 9. 1806 (GSA, Frommann 26, 3, 125)
Heut früh ist Göthe fort. Er schickte noch gestern Abend u gestern Morgen schöne Blumen u ließ sagen, daß er in 14 Tagen wiederkäme. 15./31. 8. Ungenannt, Korrespondenznachricht aus Weimar (Der Freimüthige 18. 9. 1806, S. 232)
Göthe, der vom Carlsbad sehr gestärkt zurückgekommen ist, braucht die Nachkur in Jena und arbeitet an seinem großen Werk über die Farbentheorie. F. J. Schelver an Goethe 1. 9. 1806 (Eing. Br. alph. 799, II)
Die unverhofte Abreise Ew. Exzellenz verhinderte Ihnen, ihrer Aufforderung zufolge meine Ansicht von der Rezension des Hufelandschen Werkes vorzulegen. 1.9.
J. D. Färber, Kalender 1. 9. 1806 (UB Jena, Nachl. Martin q 20)
Früh 7 Uhr sind dH Geh. rath ν Göthe nach Weimar abgereist.
Weimar Tagebuch 1. 9. 1806 (WA III 3, 167)
Gegen 8 Uhr Jena weggefahren. Unterwegs Horazens ars poetica. 131
Weimar
1806 1. 9. (?)
Riemer (JbGG NF 32, 282)
B3 7162
Goethe bemerkte, daß er nichts so hasse, als Horat. ars poetica, weil sie soviel dumme Nachbeterei und Kritikerei aufgebracht. Ich setzte noch Aristotel. Poetik dazu. Beide haben dem Unverstand unverständige Waffen in die Hände gegeben, womit sie unverständig fackeln. 2. 9.
Tagebuch 2. 9. 1806 (WA III 3, 168)
Landrath von Wien . . . Uber Tisch die neuen französischen Andeutungen, daß die katholische Religion allgemein werden müsse. 3. 9.
Tagebuch 3. 9. 1806 (WA III 3, 168)
Bey Durchlaucht dem Herzog im römischen Hause zum Geburtstag Glück zu wünschen, bis 10 Uhr geblieben. Herein mit Oberconsistorialrath Günther. Einige Studirende von Jena. Einige Schauspieler. Nach Tische zu Frau von Stein und Herrn Geh.Rath Voigt. A n G. Sartorius 3. 9. 1806 (WA IV 51, 203)
Unser, jedes Verdienst so sehr erkennende Fürst hat indessen mit H. v. Alopeus von Ihnen gesprochen, hat ihn mit Ihren Schriften u. s. w. bekannt gemacht, wodurch der beste Wille Ihnen zu dienen und sich Ihrer zu bedienen scheint entsprungen zu seyn. Möchten Sie Sich mit einem Memoire deßhalb an H. v. A. wenden; so würden Serenissimus dasselbe gerne befördern. Am aller gerathensten scheint es aber unserm Fürsten, der mir die besten Grüße an Sie aufträgt, daß Sie Sich wo möglich auf den Weg machen und etwa über hier nach Berlin zu gedachtem Gesandten eilen. Riemer, Gesprächsniederschrift in Goethes Papieren zur Farbenlehre (*LA II 4, 113; G S A , Goethe 26/LIII 3) B 3 7440. 7441
d. 3. September 1806. vor Tische. Bey den physiologischen Farben tritt das Auge an die Stelle bald des Lichts, bald der Finsterniß, d. h. es wirkt bald als Licht, bald als Finsterniß. Wird ihm das Licht und was davon herkommt von Außen geboten, so erwiedert es ihm von innen das Dunkle; wird ihm die Dunkelheit und was davon herkommt gebracht, so stellt es diesem das Licht entgegen. Die gelbe Farbe kommt vom Licht: das Auge setzt ihr die vom Dunkeln sich herschreibende Violette entgegen. 3. (?) 9.
P. A. Wolff an F. Kirms 1. 9. 1806 (HSTA Weimar, Genint, Slg. Pasque 38, 1) Ich habe bei dieser Reise [nach Regensburg] weiter nichts zum Grunde, als mein Eigenthum für die Zukunft zu sichern, die meinigen auf ein paar Tage wieder zu sehen, und meine Frau mit Ihnen bekannt zu machen. S c Excellenz haben mir vor zwei Jahren versprochen, mir vielleicht in einiger Zeit diese Reise zu erlauben . . . Bei Erneuerung des Contracts würden wir um eine mäßige Zulage ersuchen, wenn wir jedes 2 Thlr. wöchentlich Zuschuß erhielten, so würden wir 2 Thlr. auf Abzug unserer Schuld, u. 2. Thlr. baar zu erhalten wünschen, und damit vollkommen zufrieden sein. Haben Sie die Gefälligkeit dieses mein Anliegen zu beherzigen, und S r Excellenz voraus darüber zu sprechen, wir wollen ihn nach seiner Ankunft von Jena beide mündlich um alles inständig ersuchen.
132
1806
Weimar Die blaue Farbe kommt vom Dunkeln, das Auge setzt ihr die vom Licht kommende Gelbe (Orange) entgegen. Schon wenn bloß mit Hell und Dunkel, Weiß und Schwarz operirt wird, sieht man, daß das Auge zE das schwarze undurchsichtige Fensterkreuz in einen lichten durchsichtigen Schemen verwandelt; die durchsichtigen hellen Fensterscheiben aber in dunkle undurchsichtige Räume. Nun ist ein g e l b e s Object anzusehn, wie ein Helles. Ein b l a u e s dagegen, wie ein dunkles. Das Auge wandelt also das helle (gelbe) Object in ein dunkles (violettes); und ein dunkles (blaues) in ein helles (gelbes/oranges). Das rothe participirt eben so viel vom Dunklen, als vom Hellen; und so setzt das Auge ihm gleichfalls ein Compositum entgegen, das auch aus Gegensätzen komperirt ist.
Das rothe erscheint, wenn das starke Gelb (Orange) mit einem d u r c h s i c h t i g e n Dunkel sich mischt. (Man sehe die Sonne durch angeraucht Glas) Das Violett ist gleich einem durchsichtigen Dunkel. Weil das rothe aus durchsichtigen Farben komperirt ist, so ist es schöner, als das grüne, das es nur zur Hälfte, und beyde Ingredientien an sich schwächer sind, (weniger energisch) Das äußere Object wird im Auge zu einem Scheinbild, zu einem Schemen. Ist das Object dunkel, oder kommt von ihm her; so ist der Schemen hell; Ist das Object licht, oder kommt von ihm her, so ist der Schemen dunkel. In dem Maße nun, als sich die Objecte gegen das Licht verhalten, in dem Maße verhalten sich die Schemen, welche das Auge entgegensetzt, zur Dunkelheit. Denn wenn das höchste Licht, (weiß) zu seinem Gegensatz die Finsterniß ( s c h w a r z ) hat; so muß ein geschwächtes Licht (Gelb) eine geschwächte Finsterniß haben (d.i. Violett; und eine Erscheinung, die aus vermitteltem Licht und Finsterniß herkommt, wie das Roth ist, muß einen Gegensatz haben, der aus Licht und Finsterniß ebenfalls vermittelt ist, nehmlich G r ü n . Ob nun gleich die Farben durch die Trübe aus Licht und Finsterniß vermittelt werden; so kann diese Theorie doch nicht so unmittelbar auf die physiologischen Farben angewandt werden, daß man das Trübe in dem Schemen des Objects zu finden glaubte; indem dieß zu mechanisch verfahren wäre. Das Auge wirkt ja als ein lebendiges und behandelt sich chemisch. Was der Opal und das Glas, welches gelb und violett erscheint, ausübt, indem wir es nach Licht und Finsterniß wenden, dasselbe übt das Auge gegen sich selbst aus, indem es bey Erzeugung des violetten Schemens, nach innen, bey Erzeugung des blauen nach außen schaut. Ohngefähr wie das Auge sich selbst sieht wenn man es seitwärts drückt. Die physiologischen Farben des Auges entstehen aber durch eine Wendung des Blicks. 133
1806
Weimar d. 3 September 1806. nach T i s c h Noch wäre ein Versuch anzustellen in Absicht auf die farbigen Bilder, welche man in eine Camera obscura fallen ließe, und zwar aufhelle, dunkle, oder bunte Unterlagen, um zu sehen, in wiefern diese Bilder in Absicht auf die Farbe alterirt würden und ob sie als Trüben anzusprechen und demgemäß zu operiren wären. Eben so meynte G. daß man diese Bilder zE eines blauen Himmel und eines gelbrothen Hauses zugleich auf Phosphor (innerhalb der Camera) wirken ließe. Diese Wirkung müßte schneller und wirksamer seyn wenn der Versuch mit den Bildern farbiger Gläser die außer der Camera obscura sich befänden, und die noch als Bilder in dieselbe gelangten mit starker Erhellung (vielleicht Transparenz).
4. 9.
Tagebuch 4. 9. 1806 (WA III 3, 168)
Zu Mittag Werneburg. 5. 9.
Tagebuch 5. 9. 1806 (WA III 3, 168)
Zu Mittag Werneburg, Prof. Meyer und Corona Becker. Vorher in der Kunstausstellung bey Rath Kraus. 6. 9.
Tagebuch 6. 9. 1806 (WA III 3, 168)
Mit Prof. Meyer im Schießhause. Nach der Rückkehr mit Frau von Stein spatzieren. Charlotte v. Stein an F. v. Stein 7. 9. 1806 (GSA, Stein 107)
Gestern Abend saß ich in der Dämerung unter die orangen vor meiner Thür, zwey Männer kämmen auf mich zu, sehr verwundert war ich als es Goethe und Meyer waren welche aus den Schießhauß kamen, wo sie beyde mir versicherten sehr guten Caffé getruncken zu haben, zu welchen er sich jetz bekehrt nehmlich Goethe ob er sich schon von seinen Sohn hat versprechen laßen nie Caffé zu trincken und nie Verse zu machen. 7. 9.
Tagebuch 7. 9. 1806 (WA III 3, 169)
Madam Reinhardt. Zu Mittag Regierungsrath Voigt, Müller und Werneburg. Nach Tische Hofrath Eichstädt. Abends nach dem Schießhause. Den Ball abgewartet bis 9 Uhr. 4./7. 9.
J. F. Werneburg an Goethe 16. 9. 1806 (Eing. Br. alph. 982, IV)
Angelangt bin ich wieder vor 8 Tagen auf meinem Pathmos im beständigen frohen Erinnern an den höhern Genuß des Geistes, den ich an Ew. Exc. Tafel unter freundlicher Unterredung und Mittheilung der Ideen hatte. 8. 9.
Tagebuch 8. 9. 1806 (WA III 3, 169)
Um 10 Uhr auf die Ausstellung, wohin die sämmtlichen fürstlichen Damen kamen . . . Abends mit Prof. Meyer nach dem Schießhause. 134
1806
Weimar Maria Pawlowna an Maria Feodorowna 8. 9. 1806 (HSTA Weimar, HA A X X V R 154, 184) B 3 7442
C'est Göthe à qui les eaux de Carlsbad ont fait du bien, il a ramainpi et rajeuni, et m'a en général extrêmement surprise quand je l'ai revû, c'est le matin, où la Duchesse et moi avons été voir p a r p a t r i o t i s m e une exposition des ouvrages des jeunes elèves de l'école de dessin ipi, il y en a de fort jolis: en général il paroit que cet institut est bon, mais on a le désagrément qu'aussi tôt qu'un sujet s'est véritablement distingué et avanpé dans l'art, alors il quitte et s'en va. 9. 9.
Tagebuch 9. 9. 1806 (WA III 3, 169)
Hofkammerrath Kirms Theaterangelegenheiten . . . Nach Tiefurt. Kam gegen Abend der Erbprinz mit seiner Gemahlin. Nach 8 Uhr hereingefahren. War von dem Ifflandischen Dr. Luther, und was sonst die Zeit mit sich bringt, viel die Rede. Maria Pawlowna an Maria Feodorowna 9. 9. 1806 (HSTA Weimar, HA A X X V R 154, 184) B 3 7443
Ce soir j'ai été à Tiefurth, voir la D[uchesse] mère, qui se porte fort bien. J'y ai trouvé Wieland et Göthe qui tous deux etoient fort bien disposés et de belle humeur. Je sais que Göthe a vû [16./20. 7.] KpacaBHua à Carlsbad, et qu'il l'a trouvé charmante et superbe pour la figure. Maria Pawlowna, Choses remarquables. Journal 1805/08 (HSTA Weimar, HA A X X V Bl. 16)
Je me suis trouvée en sept. 1806 un soir à Tiefurth, au même temps que Göthe et Wieland; ceux-pi se mirent à discourir sur le théâtre, je venois de lire les Söhne des Thais par Werner auteur de la Weihe der Krafft; Göthe me dit qi'il ne l'avoit pas lû qu'en général il s'étoit fait une loi de ne pas lire depuis quelque tems les productions nouvelles, pour se laisser le plaisir d'en entendre parler les auteurs, et alors de baser son judement ou plutôt sa pénétration sur les discours. Il nous dit, comment il faisoit venir ses amis ou connoissanpes, un jour de représantation théatrale, pour savoir de l'un au commenpement, de l'autre au second acte, et ainsi de suite, et l'avis du public, et l'impression que produisoit la pièpe en elle-même. Il disoit aimer infiniment mieux cela que d'aller lui même au spectacle. Wieland disoit que le Luther de la Weihe der Krafft n'étoit nullement le Luther de l'histoire: à cela Göthe répondit, que si effectivement on avoit mis sur la spène Luther tel en tout point que nous le connoissons, personne n'auroit pû y tenir, et chacun auroit fui cette représentation. Il ajouta, qu'il étoit étonné que personne n'eut pensée à mettre en spène le moment ou Luther se dépida à aller à Worms, et où il dit « ich gehe hin, und wenn da so viele Teufel wären, wie Ziegel an die Dächer. » Que pour lui il pensoit, que cela auroit vraiment pû être mis en exécution, et qu'il y auroit un moyen d'arranger une décoration passible dont on auroit pû se promettre le plus grand effet. Que pour lui, à la plape de Mr. Werner, il auroit certainement profité de cette circonstanpe, et qu'il avoit souvent pensé et repensé en s'amusant aux moyens d'éxécuter une décoration passible, et qu'il croyoit pouvoir la bien arranger. Il 135
1806
Weimar pria toute la sopiété de ne point parler pourtant de cette idée, crainte qu'on ne la lui enlevât, ou qu'on n'en fassa un mauvais usage, en ne la rendant pas bien. —
vor 11. 9. Prinzessin Caroline an Charlotte ν. Schiller 11. 9. 1806 («Urlichs1 1, 536; GS A, Schiller 1789, 1,5) B 3 2274
Göthe ist hier, das wissen Sie; aber das wissen Sie wohl nicht, Schlüßeldame, daß er 32 Zeichnungen auf seiner Reise gemacht hat, die hübschten und geistreichesten, und mir sie geschenkt hat. Liebe Lolo, können Sie sich mein Glück recht lebhaft denken? u meinen Stolz, wenn ich Ubermuth in der Seele hätte. 11. 9.
Tagebuch 11. 9. 1806 (WA III 3, 169)
Bey Serenissimo im römischen Hause . . . Abends die Geschwister. Die Schauspieler zum Abendessen. 12. 9.
Tagebuch 12. 9. 1806 (WA III 3, 169)
Bey Serenissimo im römischen Hause. Mit demselben durch die Felder bis an die Kraudänder. 13. 9.
Tagebuch 13. 9. 1806 (WA III 3, 170)
Mittags der junge Boie und Gasse von Hamburg. 14. 9.
Tagebuch 14. 9. 1806 (WA III 3, 170)
Bey Herrn von Wolzogen die angekommenen französischen Gemälde gesehen. 15. 9.
Tagebuch 15. 9. 1806 (WA III 3, 170)
Abends Professor Meyer. Erinnerungen an Carlsbad. 16. 9.
Tagebuch 16. 9. 1806 (WA III 3, 170)
Abends bey Sereniss. wegen einiger Besorgungen in dessen Abwesenheit. 17. 9.
Tagebuch 17. 9. 1806 (WA III 3, 170)
Bey Serenissimo zum Abschiede. Mittags Weiser. Abends bey Fr. v. Stein. War Fr. v. Seebach daselbst. 18. 9.
C. Bertuch, Tagebuch 18. 9. 1806 (*JSK NF 4, 95; G S A , Bertuch 3067)
Abends thée m u s i c a l e bei Spiegels. — — Große Gesellschaft. Prinzessin Caroline. — . Himmel spielt ein Quartett von sich, mehr lieblich als imposant, wobei er sich im Grunde wenig zeigen konnte. Brand Quartett von Schneider, wo er für sein Instrument das Fagott, einige gute Solos hatte. Uebrigens taugte das Quartett n[ich]ts. Scene aus Vasco da Gama von Stromeyer, Brand u. Himmel, sehr brav prima vista. Himmel sang mehrere Arien seiner [?] Composition. Goethe war da — den Fischer hatte Himmel meisterhaft componirt. — Mit fortgehender Bewegung vortreflich. Das Wogen des Liedes unnachahmlich schön. 19. 9.
Tagebuch 19. 9. 1806 (WA III 3, 170)
Bey Geh.R. Voigt wegen der Zeitumstände. Medaillen. 136
Weimar
1806 Tag- und Jahres-Hefte 1806 (WA I 35, 269)
Welche sorgenvolle Verhandlungen ich mit meinem treuen und ewig unvergeßlichen Geschäftsfreunde dem Staatsminister von Voigt damals gewechselt, möchte schwer auszusprechen sein. 20. 9.
Tagebuch 20. 9. 1806 (WA III 3, 170)
Prof. Meyer
Plinius von Farben und Mahlerey.
Riemer an C. F. E. Frommann 20. 9. 1806 (Heitmüller S. 83)
B 2 888a (recte 878a) B 3 2275
G. ist wohl u. grüßt schönstens. Wir arbeiten fleißig an den Farben. Wenn wir Mscpt bringen oder schicken; so ist's dießmal viel, woran Sie ein Weilchen zehren können. Gelegentlich schicken Sie uns wohl den 4 ten Aushängebogen vom 2 Theil. C. Bertuch, Tagebuch 20. 9. 1806 (*JSK NF 4, 96; G S A ; Bertuch 3067)
Des Abends mit Müller nach Tiefurth — Himmel Goethe, Wieland, Wollzogen etc. etc. da. — Himmels Lied aus dem Kyllenion [von Herzog August von Sachsen-Gotha] — Chelidonia die Schwalben so schön wie der Fischer. — Das leichte schwirrende ätherische — — — Göthe rief mit pathetischen Humor favete linguis! — . Der Erbprinz kam. Gespräch über Belvedere. Im schönsten Mondschein zurück. 21. 9.
Tagebuch 21. 9. 1806 (WA III 3, 170)
Mit der Erbprinzeß Höh. spazieren. Capellmstr Himmel, und Ludw. Tieck Schönes Spiel des ersteren. Ab. Prof. Meyer. 22. 9.
Tagebuch 22. 9. 1806 (WA III 3, 171)
Adjutant v. Kleist. 23. 9.
Tagebuch 23. 9. 1806 (WA III 3, 171)
Mittag. Capellmstr Himmel
RegR. Voigt
Concert bey Spiegels.
Niederroßla 24. 9.
Tagebuch 24. 9. 1806 (WA III 3, 171)
Mittag in Niederroßla bey Serenissimo im Haupt Quartier. Abend auf dem Schloß. Conzert. Himmel spielte pp. Weimar 23. 9.
24. 9.
F. H. Himmel an Goethe 22. 9. 1806 (Eing. Br. alph. 414) Ich bin höchst erfreuet über die Güte von Ew: Eccelenz! Da ich im Schauspielhause aber Probe habe um 9 Uhr von meinem Sextett, oder musikal. Mondschein, so werde ich doch von der liebenswürdig angebotenen Güte nur eine Stunde vor Tische Gebrauch machen können, und zwar mit großem Vergnügen. Abends sind wir gewiß bey Ε. ν. Spiegel zu sammen, und der Wunsch Ihres Herrn Sohnes erfreuet hoch den Himmel. Niederroßla Carl August an Goethe 24. 9. 1806 (Wahl1 1, 346) Erzeige mir den Gefallen und komme heute zu Tische nach Nieder Roßla; wir eßen schon um 1 Uhr.
137
1806
Niederroßla Tag- und Jahres-Hefte 1806 (WA I 35, 269)
. . . eben so wenig [auszusprechen wäre] die prägnante Unterhaltung mit meinem Fürsten im Hauptquartier Niederroßla.
Weimar 25. 9.
Tagebuch 25. 9. 1806 (WA III 3, 171)
Mittags in Tiefurt. Himmel Musik. Minister v. Lenthe. Tag- und Jahres-Hefte 1806 (WA I 35, 269)
Die Herzogin Mutter bewohnte Tiefurt, Capellmeister Himmel war gegenwärtig, und man musicirte mit schwerem Herzen. 20./ 25 9 (?)
'w
Mai/
L. Tieck an Goethe 27. 3. 1822 (SchrGG 13, 302)
. . . Thorbeck, der im Jahre 1806 in Weimar lebte, und dessen Sie sich vielleicht noch erinnern werden. J. Osborn an Goethe 30. 9. 1806 (Eing. Br. alph. 679)
Comme il est très possible que Je partirai bientôt de Weimar, Je serois infiniment obligé si Votre Excellence voudroit m'envoyer par la premiere occasion les deux Lettres que vous avez eu la bonté de me promettre pour Göttingen . . . Je me souviendrai toujours de mon séjour ici, puisque pela m'a aussi procuré le plaisir de fair votre Connoissance. An J. F. Rochlitz 3. 4. 1807 (WA IV 19, 301)
Wahrscheinlich kommt in einiger Zeit ein Engländer, der Chevalier Osborn, nach Leipzig, ein schon bejahrter, höchst erfahrner und interessanter Mann von dem besten Character. Er ist Mitglied der königl. Societät zu London und wünscht den Leipziger Gelehrten aufgeführt zu werden.
Jena 26. 9.
J. D. Färber, Kalender 26. 9. 1806 (UB Jena, Nachl. Martin q 20)
Vi 11 Uhr sind dH Geh. rath ν Göthe und dH Doctor Vulpius einlogirt. Tagebuch 26. 9. 1806 (WA III 3, 171)
Früh nach Jena mit Vulpius. Carlsbader Suite ausgepackt. Mittag bey Hrn. ν Hendrich mit mehreren Officiren von Rudorf. Geh.R. Wolf mit dem ich mich auf dem Wege gekreutzt hatte. Abends bey Frommanns. Weimar 20./ 25. 9. (?)
K. Thorbecke an Goethe 20. 9. 1806 (GSA, Goethe 2 6 / L I , 11/244) Sie werden so oft besucht, und ungern mögt' ich hier verlieren. Wollten Sie einige Minuten meinen Zeilen schenken und mir eine herzliche Bitte gewähren? Dürft' ich zu Ihnen kommen?
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Jena
1806
An Johanna Frommann 28. 11. 1806 (WA IV 19, 239)
An den letzten Abend, den wir noch so froh zusammen zubrachten, habe ich oft gedacht. Tag- und Jahres-Hefte 1806 (WA I 35, 270)
Die Karlsbader Gebirgsfolge war in Jena angelangt, ich begab mich am sechs und zwanzigsten September hin sie auszupacken und unter Beistand des Directors Lenz vorläufig zu katalogiren. Knebel, Tagebuch 26. 9. 1806 (GSA, Nachlaß Knebel)
Göthe hier. Mit ihm u. Geh. R. Wolf Abends bei Frommann. bis nach MitterNacht bei Göthe. C. F. E. Frommann an J. D. Gries 27. 9. 1806 (GSA, Frommann 47,3)
Gestern Morgen kam Göthe und war den Abend von 7 bis 11 Uhr zum Thee bey uns und höchst intressant. Es ist mir einer der merkwürdigsten Abende die ich mit G. verlebt. Johanna Frommann, Die Schlacht bei Jena (Frommann S. 77)
B 3 2279
— — Goethe war in Jena. Wenn er Abends zu uns kam, ließen wir es uns um ihn herum so ruhig und gemüthlich als möglich sein. Den ganzen Tag und an der Tafel des Fürsten [Hohenlohe] hatte er nichts als Politik gehört — gern kam er auf andere Gegenstände — die aufgeregten Seelenkräfte wurden bei Allen dadurch besänftigt. An einem Abend, der mir unvergeßlich sein wird, fingen wir mit Zeichnen und komischen Geschichten, bei Mainz, wo er mit dem Herzoge im Felde war, an, dann ging es auf andre Gegenstände über — wir endigten beim wahrscheinlichen Laufe der Ceres. Wolf war auch da, wie Blitze erleuchteten die Gedanken dieser beiden Männer ihren Kreis. Wenn Goethe kam, fand er in seiner Nähe seine angefangene Zeichnung und alles Nöthige, denn er zeichnete in der Zeit gern beim Reden. Es war schon in den Tagen eine Stärkung auf die folgenden. 27. 9.
Tagebuch 27. 9. 1806 (WA III 3, 171)
Geh.R. Wolf. Viel über Archäologie pp. Um 9 Uhr fuhr er weg nach Naumburg Lenz C. B. Suite. Knebel, Tagebuch 27. 9. 1806 (GSA, Nachlaß Knebel)
Morgens bei Göthe. Karlsbader Stein . . . Abends Göthe zum Essen hier, mit Hegel u. Seebeck. 28. 9.
Tagebuch 28. 9. 1806 (WA III 3, 171)
Lenz Carlsb. Suite rangirt. Versuche mit Seebeck. Mit Hrn. ν Hendrich und Vulpius zu Mittage. Bey Hrn. v. Tümpling zum Nachtessen. Knébel, Tagebuch 28. 9. 1806 (GSA, Nachlaß Knebel)
Mit Göthe Nachm. in der Batschisch. Sammlung Von da zu ihn. bis 7. Uhr. 139
1806 29. 9.
Jena Tagebuch 29. 9. 1806 (WA III 3, 171)
Ging Hr. ν Hendrich nach Naumb. ins Hauptquartier . . . Bey Knebel mit Voigt dem j. farbige Schatten. Osteológica. Knebel, Tagebuch 29. 9. 1806 (GSA, Nachlaß Knebel)
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Morgens in der Optischen Kammer auf dem Schlosse, mit Seebeck, Göthe, Schelver. An Robinson mit Dr. Voigt. Abends letzterer hier mit Göthe zum Essen. 30. 9.
Tagebuch 30. 9. 1806 (WA III 3, 171)
Berg. R. Lenz beendigte den Catal. der Carlsb. Suite. Im Botanischen Garten mit Schelver über Medizin Geschichte Praxis und Theorie. Versuche mit Seebeck. Besuch der v. Tümplingischen Familie. 27./30. 9. Tag- und Jahres-Hefte 1807 (WA I 36, 12)
Ich hatte Beispiele der darin [Joseph Müllers Karlsbader Sammlung] aufzuführenden Gebirgsarten zur Genüge mitgenommen und dieselben, meine Zwecke hartnäckig verfolgend, in dem Jenaischen Museum niedergelegt, mit Bergrath Lenz ihre Charakteristik und dem Vorkommen gemäße Anordnung besprochen. 1. 10.
Tagebuch 1. 10. 1806 (WA III 3, 172)
Hegel über philosophische Gegenstände. Quartier verändert. Bey Hrn. v. Hendrich. Die ersten Lerchen, ν Tümpling. Tag- und Jahres-Hefte 1806 (WA I 35, 270)
. . . Dieser trüben Ansichten ungeachtet, ward nach alter akademischer Weise mit Hegel manches philosophische Capitel durchgesprochen. Knebel, Tagebuch 1. 10. 1806 (GSA, Nachlaß Knebel)
Bei Göthe mit Karl. . . Göthe muß ausziehen, wegen Fürst von Hohenlohe pp. 26. 9./
Bericht für die Akten der Oberaufsicht 1. 10. 1806 (GSA, Aktenkopien II, Tit. 6 Ν. 1 Bd 5)
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Das anatomische Museum ist noch immer stationär. Herr Hofrath Fuchs entschuldigt sich mit dem Außenbleiben der Gläser, wogegen denn freylich nichts zu sagen ist. Auch versichert er, in den untern Anatomiezimmern noch manche trockne Präparate fürs Museum zu verwahren, die erst noch ausdorren und den Firniß recht anziehen müssen.
10 '
2. 10.
Tagebuch 2. 10. 1806 (WA III 3, 172)
Catalog der C. B. Suite durchgesehen. Dem Setzer übergeben . . . Fürst Hohenlohe Zur Tafel. Einiges gezeichnet Bey Frommans Getuscht, v. Massebach Obrist v. Gravert Gen. Lieutenant. Knebel, Tagebuch 2. 10. 1806 (GSA, Nachlaß Knebel)
Bei G. Morgens unter Regen. 140
1806
Jena Tag- und Jahres-Hefte 1806 (WA I 35, 270)
Ich war bei Fürst Hohenlohe zu Tafel, sah manche bedeutende Männer wieder, machte neue Bekanntschaften; niemanden war wohl, alle fühlten sich in Verzweiflung, die keiner umhin konnte, wo nicht durch Worte doch durch Betragen zu verrathen. Tag- und Jahres-Hefte 1806 (WA I 35, 270)
Mit Obrist von Massenbach, dem Heißkopfe, hatte ich eine wunderliche Scene. Auch bei ihm kam die Neigung zu Schriftstellern der politischen Klugheit und militärischen Thätigkeit in den Weg. Er hatte ein seltsames Opus verfaßt, nichts Geringeres als ein moralisches Manifest gegen Napoleon. Jedermann ahnete, fürchtete die Übergewalt der Franzosen, und so geschah es denn daß der Drucker begleitet von einigen Rathspersonen mich anging, und sie sämmdich mich dringend baten, den Druck des vorgelegten Manuscriptes abzuwenden, welches bei'm Einrücken des französischen Heeres der Stadt nothwendig Verderben bringen müsse. Ich ließ mir es übergeben und fand eine Folge von Perioden, deren erste mit den Worten anfing: „ N a p o l e o n , i c h l i e b t e d i c h ! " die letzte aber: „ i c h h a s s e d i c h ! " Dazwischen waren alle Hoffnungen und Erwartungen ausgesprochen, die man anfangs von der Großheit des Napoleon'schen Charakters hegte, indem man dem außerordentlichen Manne sittlichmenschliche Zwecke unterlegen zu müssen wähnte, und zuletzt ward alles das Böse was man in der neuern Zeit von ihm erdulden müssen, in geschärften Ausdrücken vorgeworfen. Mit wenigen Veränderungen hätte man es in den Verdruß eines betrogenen Liebhabers über seine untreue Geliebte übersetzen können, und so erschien dieser Aufsatz eben so lächerlich als gefährlich. Durch das Andringen der wackern Jenenser, mit denen ich so viele Jahre her in gutem Verhältniß gestanden, überschritt ich das mir selbst gegebene Gesetz, mich nicht in öffentliche Händel zu mischen; ich nahm das Heft und fand den Autor in den weidäufigen antiken Zimmern der Wilhelmischen Apotheke. Nach erneuerter Bekanntschaft rückte ich mit meiner Protestation hervor, und hatte, wie zu erwarten, mit einem beharrlichen Autor zu thun. Ich aber blieb ein eben so beharrlicher Bürger, und sprach die Argumente, die freilich Gewicht genug hatten, mit beredter Heftigkeit aus, so daß er endlich nachgab. Ich erinnere mich noch, daß ein langer stracker Preuße, dem Ansehn nach ein Adjutant, in unbewegter Stellung und unveränderten Gesichtszügen dabei stand und sich wohl über die Kühnheit eines Bürgers innerlich verwundern mochte. Genug ich schied von dem Obristen im besten Vernehmen, verflocht in meinen Dank alle persuasorischen Gründe, die eigentlich an sich hinreichend gewesen wären, nun aber eine milde Versöhnung hervorbrachten. Chr. K. A. L. v. Massenbach an Goethe 12. 4. 1810 (AS 2 2 , 817)
Ewr Hochwohlgebohrn haben mir Beweise Ihrer Güte an jenen Tagen gegeben, welche der Catastrophe vorhergegangen sind. F. A. L. v. d. Marwitz, Memoiren (Dtsch. Rundschau 162, 445)
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In diesen letzten drei Tagen hatten wir viel mit der Verpflegung zu schaffen. Wir standen mit dem größten Teil auf Weimarschem Territorio. Der Herzog 141
1806
Jena hatte daher seinen Minister, Se. Exzellenz von Goethe, als Verpflegungskommissarius in unser Hauptquartier geschickt. Hier habe ich diesen berühmten Dichter täglich zu Mittag beim Fürsten [Hohenlohe] gesehen. Er war beflissen, vom Gelehrten und Dichter nichts, sondern allein den Minister sehen zu lassen. Er erschien nicht anders als im Hofkleide und größten Staat. Gepudert und mit einem Haarbeutel, gesticktes Hofkleid und Weste, schwarze, seidene Beinkleider, weiße, seidene Strümpfe, Galanteriedegen und ein kleines seidenes Dreieck statt eines Hutes unter dem Arm. Er war ein großer, schöner Mann und verstand die Würde seines Ranges, wenngleich nicht den natürlichen freien Anstand eines vornehmen Mannes, sich anzueignen. Den ersten Tag trug der Fürst mir und meinem Kamaraden Blumenstein auf, uns neben Goethe zu setzen und ihn zu unterhalten. Der Prinz Louis und der General Grawert saßen nämlich neben dem Fürsten, und Se. Exzellenz von Goethe sollte ihm gegenüber sitzen. — Nun kam unerwartet noch der General Holtzendorff, mein ehemaliger Kommandeur bei den Gendarmen und Goethes Freund von Schlesien im Jahr 1790 her. Dieser war damals als Sekretär mit dem Herzog, der die Gendarmen in seiner Brigade hatte, mit zu Felde gewesen, und wenngleich Holtzendorff vielleicht in seinem Leben kein Gedicht gelesen hatte, so mußte doch wohl sein gerader Verstand und tüchtiger Sinn den ähnlichen Eigenschaften des andern entsprochen haben. Jetzt war Holtzendorff Generalleutnant und kommandierte unsere Reserve. Er setzte sich natürlich auch dem Fürsten gegenüber, und so war nur eine Seite des großen Ministers frei, welche der dienstfertige Franzose Blumenstein alsbald einnahm. Ich gab acht, was die Konversation für eine Wendung nehmen würde, bemerkte aber nur während der Suppe einige Fragen mit sehr verbindlichen Mienen von Seiten des Franzosen und kalte Antworten von selten Sr. Exzellenz, nachher altum silentium während der ganzen Tafel. Wie selbige beendigt war, sagte ich zu Blumenstein: „Ihre Unterhaltung ging ja nichts weniger als brillant, wo hatten Sie denn Ihre sonstige Amabilität gelassen?" „Der verfluchten Kerlen hatten ja wie ein'n Pechflastern auf sein Maulen, wollte nicht antworten, schwiegen ick auck stillen." „Wovon sprachen Sie denn?" „Wovon kann man denn spreken mit ein Poete als von sein' Werken?" „Das war fehlgeschossen! Sie mußten von Verwaltungsgegenständen des Herzogtums reden!" „Aha! Iß die Kanaille so hokmütig? Nach mein' Meinungen issen ein großen Poete ganz andere Kerlen als klein miserable Minister." „Von welchem seiner Werke redeten Sie denn?" „War eine verfluchten Streichen, deutsche Literaturen mir nicht so geläufig. Wollte Sie vor Tischen noch fragen, was der Kerlen eigentlich hat geschrieben, vergaßen aber und nun sitzen ick da, kann mir partout nix erinnern von sein'n Werken. Zum größten Glücken fällt mir noch „Die Braut von Messina" ein!" „Das war noch besser. Das ist ja von Schiller!" 142
1806
Jena „Hols der Teif! Das ist perfide. Schadet aber gar nixen. Der Kerlen taugt doch nixen. Iß eine große Poete und will kleine Minister spielen! Ha! Ha! Ha! Ha!"
3. 10.
Tagebuch 3. 10. 1806 (WA III 3, 172)
Visiten Prinz Louis GenLtnant v. Graber Obr v. Massow Hptm. ν Blumenstein Beym Fürsten Hohenlohe zur Tafel. Bey Maj. v. Knebel mit Seebeck und Hegel. Tag- und Jahres-Hefte 1806 (WA I 35, 272)
Noch trefflichen Männern wartete ich auf; es war am Freitag den dritten October. Den Prinzen Louis Ferdinand traf ich nach seiner Art tüchdg und freundlich; Generallieutenant von Grawert, Obrist von Massow, Hauptmann Blumenstein, letzterer jung, Halbfranzos, freundlich und zutraulich. Zu Mittag mit allen bei Fürst Hohenlohe zur Tafel. Verwunderlich schienen mir bei dem großen Zutrauen auf preußische Macht und Kriegsgewandtheit, Warnungen die hie und da an meinen Ohren vorübergingen: man solle doch die besten Sachen, die wichtigsten Papiere zu verbergen suchen; ich aber, unter solchen Umständen aller Hoffnung quitt, rief, als man eben die ersten Lerchen speis'te: nun, wenn der Himmel einfällt, so werden ihrer viel gefangen werden. Knebel, Tagebuch 3. 10. 1806 (GSA, Nachlaß Knebel)
Bei G. . . . Abends Göthe, Hegel u. Dr. Seebeck hier. 3. 10. (?)
Knebel an Henriette v. Knebel 15. 5. 1807 (Düntzer 4 S. 285)
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Von hier [Jena] geht ohnehin alles, was noch rechtlich. Hegel und Seebeck, meine Freunde, von denen Goethe selbst sagte, sie machten mit Schelver, der auch schon fort ist, allein eine Akademie aus — diese reisen auch noch in diesem Jahre ab. 4. 10.
Tagebuch 4. 10. 1806 (WA III 3, 172)
Hauptm. v. Blumenstein v. Knebel und Dr Voigt Mit ihnen spazieren. Trafen Schnaubert. Bey Maj. von Knebel mit D. Voigt. Anatomia comparata. Knebel, Tagebuch 4. 10. 1806 (GSA, Nachlaß Knebel)
Morgens bei G. Hauptm. v. Blumenstein da. Voigt, it. . . . NachM. mit Göthe und Voigt im Batschischen Kabinet. Spaziren mit Göthe, Abends dieser mit Voigt spät bei mir. 2./4. 10.
Tag- und Jahres-Hefte 1807 (WA I 36, 16)
Hauptmann Blumenstein, den ich vor einem Jahr in Jena, am furchtbaren Vorabend unserer Unglückstage, theilnehmend und aufrichtig gefunden. 5. 10.
Tagebuch 5. 10. 1806 (WA III 3, 172)
Ging Maj. v. Hendrich ab. Abends bey Maj. v. Knebel. 5. 10.
Vgl. die Stammbucheintragung für Ungenannt: In unsres Lebens oftgetrübten Tagen . . . (Aukt.Kat. Härtung u. Härtung 62, 1990, 365)
143
1806
Jena C. F. E. Frommann an A. Oehlenschläger 5. 10. 1806 (Paludan - Preisz - Borup I 2, 102)
Goethe ist noch hier und geht wahrscheinlich Morgen früh hierüber. Mit ihm sprechen Sie über Hakon. Knebel, Tagebuch 5. 10. 1806 (GSA, Nachlaß Knebel)
Abends Göthe hier. vor 6. 10. Tag- und Jahres-Hefte 1806 (WA I 35, 254)
Dr. Seebeck brachte das ganze Jahr in Jena zu und förderte nicht wenig unsere Einsicht in die Physik überhaupt, und besonders in die Farbenlehre. Wenn er zu jenen Zwecken sich um den Galvanismus bemühte, so waren seine übrigen Versuche auf Oxydation und Desoxydation, auf Erwarmen und Erkalten, Entzünden und Auslöschen für mich im chromatischen Sinne von der größten Bedeutung. An Riemer 30. 9. 1806 (WA IV 19, 194)
D. Seebeck hat die Versuche über die durch die Farbe bewirkte Erleuchtung, Erwärmung und Oxydation, nebst ihren Gegensätzen, sehr hübsch mit großer Genauigkeit durchgeführt. F. S. Voigt, Grundzüge einer Naturgeschichte (F. S. Voigt S. 433)
Ich verdanke eigentlich die in diesem Paragraphen [Verlauf der organischen Entwickelung. Successive und simultane Metamorphose] vorgetragenen Hauptsätze dem Herrn Geheimrath von Göthe. Die vegetabilische Metamorphose ist in einer kleinen Schrift (J. W von Göthe Versuch, die Metamorphose der Pflanzen zu erklären, Gotha 1790) entwickelt worden, die animalische habe ich im Jahr 1806 durch mündliche Mittheilungen von ihm erfahren. Es ist natürlich, daß sich mir seit jener Zeit mannigfaltige Gelegenheit dargeboten hat, diese Ansicht im Einzelnen weiter zu verfolgen und auszubilden. 1803/06
Tag- und Jahres-Hefte 1806 (WA I 35, 255. 322)
Mit Professor Schelver ließen sich gar schöne Betrachtungen wechseln; das Zarte und Gründliche seiner Natur gab sich im Gespräch gar liebenswürdig . . ., wo es dem Mitredenden sich mehr anbequemte als sonst dem Leser. Verstäubung, Verdunstung, Vertropfung (LA I 9, 210)
Es mögen etwa sechzehn Jahre sein, als Prof. Schelver, welcher das Großherzogl. unmittelbare botanische Institut unter meiner Leitung behandelte, mir, in eben diesem Garten, auf eben diesen Wegen die ich noch betrete, vertraulichste Eröffnung tat, daß er an der Lehre, welche den Pflanzen wie den Tieren zwei Geschlechter zuschreibt, längst gezweifelt habe und nun von ihrer Unhaltbarkeit völlig überzeugt sei. Ich hatte das Dogma der Sexualität bei meinen Naturstudien gläubig angenommen und war deshalb jetzt betroffen gerade das meiner Ansicht Entgegengesetzte zu vernehmen; doch könnt' ich die neue Lehre nicht für ganz ketzerisch 144
1806
Jena halten, da aus des geistreichen Mannes Darstellung hervorging: die Verstäubungslehre sei eine natürliche Folge der mir so werten Metamorphose . . . Wer die Stellung kennt, in welcher sich damals unsere Botanik befand, wird mir nicht verargen, wenn ich Schelvern aufs dringendste bat von diesen seinen Gedanken nichts laut werden zu lassen. Es war voraus zu sehen, daß man ihm aufs unfreundlichste begegnen und die Lehre der Metamorphose, welche ohnehin noch keinen Eingang gefunden hatte, von den Grenzen der Wissenschaft auf lange Zeit verbannen würde. Unsere akademische persönliche Lage riet gleichfalls zu einer solchen Schweigsamkeit, und ich weiß es ihm Dank bis jetzt daß er seine Uberzeugung an die meinige anschloß und, so lange er unter uns wohnte, nichts davon verlauten ließ. F. J. Schelver an Goethe 25. 5. 1807 (Bräuning-Oktavio 2 S. 57)
Den von Ew. Excellenz zu erwartenden Ideen über organische Bildung sehe ich mit großer Sehnsucht entgegen; denn sofern ich Ihre mündlichen Äußerungen richtig verstanden habe, werden Sie diesen Gegenstand in dem höheren Sinne der universalen Bildung behandeln. An A. Henschel 2. 7. 1820 (WA IV 33, 90)
Durch eine ganz besondere Eigenheit der Fügung irdischer Zufälligkeiten findet mich Ihr Werk genau an der Stelle, wo mir, vor soviel Jahren, der werthe Schelver seine Apprehension gegen die Sexualität der Pflanzen zuerst eröffnete. Ich ersuchte ihn damals, unsere Lage wohl kennend, er möge mit dieser Paradoxie zurückhalten. 6. 10.
Johanna Frommann, Die Schlacht bei Jena (Frommann S. 78)
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Als er [Goethe] acht Tage vor der Schlacht vorbei, zu Hause, fuhr, sah er mich und Minchen am Fenster stehen, er hielt und schickte noch herauf, uns ein Lebewohl sagen zu lassen; uns war, als entflöhe unser Schutzgeist — er b l i e b uns doch. Wer in seiner Nähe gelebt hat, wer ihn verstanden hat, wird sich des wohlthätigen Eindrucks ewig erfreuen können. J. D. Färber, Kalender 6. 10. 1806 (UB Jena, Nachl. Martin q 20)
Sind dH Geh.rath ν Göthe u Doctor Vulpius nach Weimar abgereist. 11 Tage hier logirt.
Weimar Tagebuch 6. 10. 1806 (WA III 3, 173)
Früh von Jena, mit Major von Knebel Speiste derselbe mit uns. Bey Fr. ν Stein. Bey Wolzogen. war Fürst Piloselsky daselbst. Knebel, Tagebuch 6. 10. 1806 (GSA, Nachlaß Knebel)
Früh 8. Uhr mit Göthe nach Weimar gefahren, bei ihn zu Mittag. 145
1806
Weimar Knebel an Henriette v. Knebel 7. 10. 1806 (Diintzer 4 S. 255)
Bei Goethe sah ich die schönen weißen Blumen von Runge und den herrlichen Kupferstich von Gmelin. Kann man die Fröhlichkeit holder malen? Mich wundert nicht, daß da Tiger und Leoparden 2ahm werden. 7. 10.
Tagebuch 7. 10. 1806 (WA III 3, 173)
Hofk.R. Kirms. Bey der regierenden Herzoginn. Nach Tische gezeichnet Bernhard und Hr. ν Hinzenst. Prof. Meyer. 6./7. 10.
G. Reinbeck, Reise-Plaudereien (Reinbeck 2 2, 12)
Prinz
B 2 878 B 3 2280
Bei dem Dichterfürsten Göthe glaubte ich keiner fremden Empfehlung zu bedürfen, denn er hatte mehrere meiner Dramen auf die Bühne zu bringen gewürdigt, und hatte mir öfter durch Reisende nach Petersburg freundliche mich ehrende Grüße gesendet. Ich ging in sein Haus, traf ihn aber nicht an. Doch sandte er noch am nämlichen Tage zu mir und ließ mir anzeigen, daß er im Begriff sey nach Jena zu gehen und mich dort zu sehen hoffe. Dieß lag aber nicht in meinem Plan, und ich beschloß seine Rückkunft abzuwarten . . . Göthe kam nach acht Tagen zurück und ich ging zu ihm. Freundlich begrüßte mich das vor der Zimmerschwelle eingelegte Salve, und ich fand es in meinem Empfange bestätigt. Der Dichterfürst nahm mich wie einen Bekannten auf, erkundigte sich nach meinen Zwecken, meinen Arbeiten, und erzählte mir von der nicht ungünstigen Aufnahme meiner Dramen und von seiner Absicht bei der Aufführung meiner nach Monsieur de Pourceaugnac des Moliere bearbeiteten Posse: Herr von Hopfenkeim. Er klagte darüber, daß das deutsche Publikum zu prude sey und nicht recht Spaß verstehe, wodurch der Bühne ein Gebiet verschlossen werde, das wenigstens dem Genuß größere Mannigfaltigkeit geben könnte, und recht behandelt könne das Grotesk-Komische gerade ein Vehikel seyn, so manches zur Sprache zu bringen, was in zarterer Behandlung einen zu ernsten Charakter gewinne . . . Der Komiker Becker war damals Regisseur der Weimarischen Bühne, und Göthe wies mich an diesen in Theaterangelegenheiten; in Kunstangelegenheiten an seinen Freund Mayer, den Director der Kunstschule, der mir sehr gefällig seine Sammlung von Studien vorlegte; in Bibliotheksangelegenheiten an Vulpius, der mir nicht uninteressant war, — nicht wegen seines Rinaldo Rinaldini, sondern — wegen seiner nicht mißlungenen kühnen Fortsetzung des Geistersehers von Schiller. — So war ein Stündchen verflogen und ich freute mich der persönlichen Bekanntschaft und freundlichen Aufnahme des Mannes, der jetzt, nachdem Schiller nicht mehr neben ihm hienieden wandelte, im deutschen Bardenhain die bedeutendste Stelle allein behauptete, und zu dessen warmen Bewunderern ich in der Ferne schon gehört hatte . . . — — welch ein Geist! Diesen noch in voller Lebensfülle vor mir gesehen zu haben, ist wahrlich eine der schönsten Erinnerungen aus meinem Leben, und welche herrliche Erscheinung lag schon in dem hohen Geistesblick des Auges, in dem stattlichen Aeußern, das noch damals die Spuren hoher plastischer Schönheit zeigte. —
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1806
Weimar G. Reinbeck, Mein dramatischer Lebenslauf (Reinbeck1 1, LXXVIII)
Endlich kehrte Hr. v. Göthe zurück, und ließ es mich wissen. Ich wartete ihm auf. — Es würde anmaßend scheinen, wenn ich mich der Aufnahme rühmen wollte, die mir von seiner Güte wurde. — In Hinsicht des Theaters wünschte er, daß ich die Bekanntschaft des braven Komikers Becker machen möchte, der die Schule, in welcher er war, mit Geist benutzt hatte, und damals der Bühne als Regisseur vorstand. vor 8. 10. J. H. Voß d. j. an K. W F. Solger 8. 10. 1806 (»Archiv 11, 129; SNM)
B 3 2301
So wohl, wie es mir auch in Weimar ist an der Seite meines herlichen Göthe, ich tauschte dennoch [mit Heidelberg]; denn von Göthe muß ich mich bald doch trennen! Ich habe dies Jahr Göthe auch nur wenig genossen, und die wenigen Mal daß ich ihn sah, empfing ich mitleidige Worte u. Blicke über meinen Zustand; ich kann ihm nicht vorlesen, ich kann keine Hexameter mit ihm machen, ich muß stumm bei ihm sizen, und darf nur stammeln statt zu reden; drum geh ich auch jezt seltner hin, als im vorigen Winter. 8. 10.
Tagebuch 8. 10. 1806 (WA III 3, 173)
Die Damen
Visiten
Mit Pr. Meyer spazieren.
Charlotte v. Stein an F. v. Stein 11. 10. 1806 (GSA, Stein 107)
Die Wohlzogen, Schillern, Waldnern und Goethe laßen Dich tausendmahl grüsen. 8./9. 10.
A. Oehlenschläger, Selbstbiographie (Oehlenschläger 1 2, 52)
B 2 881 B 3 2282
Besser wäre es doch gewesen, nach Wien gegangen zu sein. Bröndsted aber und Koes, die fleißige Zeitungsleser waren, versicherten, es habe keine Noth; und so ließ ich mir es gern gefallen, um mich von den lieben Landsleuten nicht zu trennen, und um Goethe noch einmal zu sehen. Als wir [am 8. 10.] nach Weimar kamen, trafen wir ihn im Schauspiele. „Nun seid Ihr," sagte er, „wo Ihr billig nicht sein solltet; weil Ihr aber hier seid, so seid willkommen!" Diesen Abend und den folgenden Mittag brachte ich bei ihm in alter Behaglichkeit des Friedens zu. Weiter zu reisen, fanden wir nicht rathsam; wir entschlossen uns da zu bleiben, um den Ausgang der Sache zu erwarten; und diesen Ausgang bekamen wir denn in der Nähe zu sehen. A. Oehlenschläger an Christiane Heger 23. 11. 1806 (Paludan - Preisz - Borup I 2, 134)
Vi [Bröndsted, Koës, Oehlenschläger] reiste med en Leiekudsk til Leipzig hvor vi blev to Dage, og endskiöndt vi hörte, det begyndte at mekke dievels op, besluttede vi dog, da vi vare det saa nasr, at fortsastte vor Reise dl Weimar, for at höre Goethes Raad om hvad vi videre skulde giöre . . . Den 8 te kom vi til Weimar, hvor endnu alting saa saa fredeligt og roligt ud som sidst jeg reiste bort. Her traf jeg Goethe i Comedien. Denne Aften, og Middagen efter ved hans Bord nöd jeg endnu som sidst med ham i Roligheds Glasde. 147
1806
Weimar [Übersetzung:] Wir [Bröndsted, Koës, Oehlenschläger] reisten mit einer Mietkutsche nach Leipzig, wo wir zwei Tage blieben, und obwohl wir hörten, daß ein Gewitter im Anzüge war, beschlossen wir doch, da wir dem so nahe waren, unsere Reise nach Weimar fortzusetzen, um Goethes Rat zu hören über das, was wir weiter tun sollten . . . Am achten kamen wir nach Weimar, wo alles noch so friedlich und ruhig aussah wie zuletzt, als ich fortreiste. Hier traf ich Goethe in der Komödie. Diesen Abend und mittags danach an seinem Tisch genoß ich noch freudig wie zuletzt die Ruhe mit ihm.
10. 10.
Tagebuch 10. 10. 1806 (WA III 3, 173)
Genauere Nachrichten von der Affaire bey Saalburg Bewegung der Armee lincks Starcker Truppenmarsch durch die Stadt und die Gegend. Bey der Herzoginn Mutter zu Tafel Auf den Straßen umher. Chr. G. Voigt an Goethe 11. 10. 1806 (SchrGG 55, 132)
Ich verstand gestern von Ew. Exzellenz, daß Sie die Trebraischen Mineralien schon eingelegt haben. Ich will keine Mühe verursachen und bitten, solche für sich zu behalten. Der Zufall hat sie Ihnen schon zugeeignet. 10. 10. (?) Falk (Schultze S. 58)
B 2 882 B 3 2281
Einige Zeit vor dem unglücklichen 14. Oktober, als alle andern begeistert waren und an nichts als an Kriegslieder dachten, sagte Wieland eines Abends bei der Herzogin Amalie: „Warum schweigt nur unser Freund Goethe so still?" — da sagte Goethe: „Ich habe auch ein Kriegslied gemacht!" — Man bat ihn schön, es zu lesen. Da hub er an und las sein Lied: „Ich habe meine Sach' auf nichts gestellt!" — Was ihm Wieland noch zwei Jahre nachher übel nahm. 11. 10.
Tagebuch 11. 10. 1806 (WA III 3, 173)
Besucht ich die Freunde. Charlotte v. Stein an F. v. Stein 12. 10. 1806 (*Düntzer 9 2, 241; GSA, Stein 107)
B 2 883 B 3 2283
Mein Kopff ist mir heute recht schwer von allen Lerm Furcht und Hoffnung, die meisten um mich herum sind aber noch ängstlicher als ich. Goethe sagte die Franzosen hätten ja schon längst die Welt überwunden es brauchte kein Bonaparte, die Sprache, Colonien von refugies emigrirte, französche Kammerdiener Köche, Kaufleute pp alles dieses wäre allerwegens hingen an ihre Nation und wir wären verkauft und verrathen. 12. 10.
Tagebuch 12. 10. 1806 (WA III 3, 173)
Bey Luccesini und Haugwiz
Affaire bey Kesen.
Johanna Schopenhauer an A. Schopenhauer 19. 10. 1806 (Lütkehaus S. 82)
B 2 884 B 3 2284
Den 12ten besuchte mich erst Bertuch, der mich sehr beruhigte; man glaubte bestimmt die Franzosen zögen nach Leipzig, alles könne gut werden, wir wären 12. 10.
J. H. W. Tischbein an Goethe 20. 9. 1806 (SchrGG 25, 16) Unnöhtig ist es zu schreiben, da Md: Schoppenhauer Weimar zu Ihren auffenthaltsordt um Goehtens willen wehle, das sie die persoh[n]lige beckandtschafft wünscht.
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1806
Weimar nicht in Gefahr. Kurz drauf meldete man mir einen unbekannten, ich trat ins Vorzimmer und sah einen hübschen ernsthaften Mann in schwarzem Kleyde der sich tief mit vielem Anstände bückte und mir sagte erlauben Sie mir, Ihnen den Geheime Raht Göthe vorzustellen, ich sah im Zimmer umher wo der Göthe wäre, denn nach der steifen Beschreibung die man mir von ihm gemacht hatte konnte ich in diesem Manne ihn nicht erkennen, meine Freude und meine Bestürzung waren gleich Gros, und ich glaube ich habe mich deshalb besser genommen als wenn ich mich drauf vorbereitet hätte, wie ich mich wieder besann waren meine beyden Hände in den seinigen und wir auf dem Wege nach meinem Wohnzimmer. Er sagte mir er hätte schon gestern kommen wollen, beruhigte mich über die Zukunft, und versprach wieder zu kommen. Johanna Schopenhauer an J. H. W. Tischbein 2. 2. 1807 (Alten S. 113)
. . . Ich spreche . . . auch davon . . . daß ich jetzt noch fehlen, oft unbeschreiblich schöne Stunden gütigen Freunde, verdanke ich das größtentheils. und der Frl. Goechhausen ein und diesen beiden
in einem Kreise, dem nur Sie verlebe. Auch Ihnen, meinem Sie führten mich bei Goethe verdanke ich alles übrige . . .
F. Gentz an J. v. Pilat 21. 11. 1813 (Mendelssohn 1 1, 92)
Was Sie von Göthe sagen, ist gegründet. Er ist ein schändlicher Egoist und Indifferentist. Ich werde nie vergessen, in welcher moralischer Stellung ich ihn 2 Tage vor der Schlacht bei Jena im Jahr 1806 gefunden habe. Man muß ihn überhaupt blos l e s e n , sehen und sprechen wo möglich nie. 13. 10.
Tagebuch 13. 10. 1806 (WA III 3, 173)
Ging ich mit Hrn. v. Hendrich das Lager zu sehn. König und Königin ab. Die Garde ab. J. H. C. Koës, Tagebuch 13. 10. 1806 (GJb 27, 120)
B 2 885 B 3 2285
Spatziergang mit Goethe und dem Major Hinrich neben dem großen Lager. Der König steht jetzt hier mit 95 000 Mann; die Großfürstin ist fort nach Altstädt, gestern schlugen die Sachsen bei Jena ein Lager auf. So weit wir über die Berge umher sehen konnten, standen Zelte; die Soldaten kochend Kohl und Kartoffeln, andere Holz umhauend aus den Alleen, andere Ochsen oder Kühe schlachtend, die nachher stückweise auf Pfählen ins Lager getragen wurden. Marhketenderinnen mit Branntwein und Kaffee, Feldwachen, Hauptwache, Kavallerieregimenter defilirten vorbei, ringsherum stieg Rauch aus dem Lager herauf. Es war ein schöner Herbsttag. Goethe ist ein ansehnlicher Mann, herrliche Augen; doch schien sein Gemüth niedergedrückt durch die kritischen Umstände. Gestern zerschlugen ihm die Soldaten die Fenster und Meubel in seinem Gartenhause. Heute heißt es, seien bei dem Bäcker die Laden eingeschlagen, weil nicht Brot genug da war. An Butter fehlte es schon gestern, auch heute morgen. C. G. M. Lincke, Fragment einer Beschreibung der Oktobertage 1806 in Weimar (*Weber S. 174; FDH)
Gegen Abend [des 13. Okt.] ausgehend, führte mich der Weg durch die Esplanade, jetzt Schillerstraße . . . weiter schreitend erblickte ich vor den Thüren 149
Weimar
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des Theaters eine ziemliche Anzahl Menschen, Musiker aus der Hofkapelle, Schauspieler u. Schauspielerinnen, u. vernahm, näher hinzutretend, ernste u. sorgenvolle Gespräche über die Tagesereigniße u. über die Zukunft. Bald erfuhr ich auch, daß heute Theater sei u. daß „Fanchon" das Leiermädchen gegeben werden solle u. die Sängerin Ambrosch, welche die Rolle der Fanchon hatte, rief aus „Es ist doch entsetzlich, was wir von diesem Manne (Göthe) gequält (gepeinigt) werden. Man sollte Betstunden halten u. wir müssen Comödie spielen." Jetzt erschien Göthe u. Alles, so auch ich, begab sich in das Haus, was aber sehr leer war u. es hatten sich nur einige Preußische Offiziere, die man wohl besonders vor Augen gehabt hatte, eingefunden. Nach einiger Zeit gab Göthe in seiner Loge das Zeichen zum Anfange u. ich entfernte mich, von dem Gefühle des Mißbehagens ergriffen; doch hat das Stück durchgespielt werden müssen. 6./13. 10. J. H. Voß d. j. an B. R. Abeken Okt. 1806 (Abschrift; GSA, Abeken 268 Heft 7)
Ukert, der gute Junge, ist in diesen Tagen zu d. Schillerschen Kindern als Hofmeister gekommen; ich habe ihn dem Vater Göthe dringend anempfohlen, u. ich wollte, daß er ihm meine Stelle ersezte. E. Vehse, Geschichte der Höfe des Hauses Sachsen 1, 280
Bei der preußischen Einquartierung, mit der Weimar belegt und bei der auch Göthe's Haus nicht verschont ward, ereignete sich eine heitere Scene in einem Weinhaus, wo ein alter, dickbäuchiger Major zu andern Offizieren bei der Besprechung ihrer allerseitigen Wohnungen die Aeußerung hingab: „Ich stehe bei einem gewissen Gothe oder Göthe oder weiß der Teufel, wie der Kerl heißt." Die Offiziere machten ihn nun mit Emphase vorstellig, das sei der berühmte Göthe, wo er stehe. Der alte dickbäuchige Herr erwiederte darauf: „Kann sein, ja, ja, nu, nu, das kann wohl sein, ich habe dem Kerl auf den Zahn gefühlt und er scheint mir Mucken im Kopfe zu haben." Johanna Schopenhauer an Susanne Jacobine Labes 26. 10. 1806 (Ztschr. Westprß. Geschver. 1927, 118)
Ich fragte ihn [Graf F. A. v. Kalckreuth], ob ich fliehen sollte, er rieth mir zu bleiben, auch riethen mir alle, die in der kurzen Zeit meine Freunde geworden waren, meistens Männer von Erfahrung, Herr v. Goethe, Bertuch und viele andere das nämliche. 14. 10.
Tagebuch 14. 10. 1806 (*WA III 3, 174; GSA, Goethe 27)
Abends um 6 Uhr flogen die Cannonenkugeln durch die Dächer um V2 6 Einzug der Chasseurs. 7 Uhr Brand Plünderung schreckliche Nacht Erhaltung unseres Hauses durch Standhaftigkeit u. Glück. Leutenant Voisin. Riemer, Mittheüungen 1, 362
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Dienstag den 14ten October 1806 des Morgens um 7 Uhr hörte man in Weimar ganz deutlich die Canonade der Schlacht bei Jena. In G's. Hausgarten vernahmen wir diesen Donner pelotonweise, weil die Morgenluft den Schall in gerader Rich150
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Weimar tung dahinbrachte, der, wie der Tag zunahm, sich verminderte und endlich ganz aufzuhören schien. Wir setzten uns daher ohne weitere Beunruhigung zu Tische, wie gewöhnlich um 3 Uhr etwa, aber wir hatten kaum angefangen von den Speisen zu genießen, als wir Canonenschüsse erst einzeln, darnach mehrere hintereinander ganz in der Nähe vernahmen. Wir standen sogleich auf, der Tisch wurde schleunigst abgeräumt; G. entfernte sich durch die vordem Zimmer, ich eilte von der andern Seite durch den Hof in den Hausgarten und fand ihn bereits darin auf- und abgehend. Während dessen pfiffen Canonenkugeln über das Haus hin. Es war von der Altenburg her und eine der Kugeln hatte in das alte Theater eingeschlagen. Ich eilte durch den Hof ins Haus zurück, mich in den untern Räumen aufzuhalten. Während dessen ging die preußische Redrade hinter dem Garten dicht an der Ackerwand weg, in der gräßlichsten Verwirrung. Ich sah sie nicht, sondern hörte nur das Geschrei und bemerkte die Spitzen der Gewehre und sonstigen Waffen über der Gartenmauer hinschwankend. Unter Angst und Erwartung der Dinge die da kommen sollten, unter Hin- und Wiederrennen der Hausleute und Wegschaffen von zurückgelassenen Effecten der bisherigen Preußischen Einquartierung, war vielleicht eine Stunde vergangen, als eine furchtbare Stille die Straßen und den Platz vor G's. Hause erfüllte. Da kamen einzelne französische Husaren ans nahe Frauenthor gesprengt, spähend ob Feinde in der Stadt wären. Einer wagte sich etwas weiter herein; wir eilten, G's. Sohn und ich, mit Bouteillen Weins und Biers auf sie zu und reichten ihnen diese Erfrischungen, die sie aber nicht eher annahmen, als bis wir ihnen versicherten, daß keine Preußen mehr in der Stadt wären. Hierauf ritt jener erste und einige mit ihm weiter in die Stadt herein, bis etwa an die Wohnung des Kaufmann Martini, von wo aus man die ganze Straße, die nach dem Markt führt, absehen kann, und als er alles leer sah, gallopirte er und mehrere ihm nach in die Stadt hinein. Zu gleicher Zeit oder bald darauf bemerkte ich, daß G. zu Fuße an der Seite eines Husarenoffiziers nach dem Markte zu, also vermuthüch auf das Schloß ging. Erst lange nachher erfuhr ich, dieser Offizier, der mir als ein Bekannter G's. bezeichnet wurde, habe sich sehr geheimnißvoll nach ihm erkundigt; es war ein Baron von Türkheim, Sohn der unter dem Namen Lili als G's. frühere Geliebte berühmt gewordenen Fr. v. Türkheim geb. Schönmann. G. ließ uns vom Schloß ins Haus sagen, wir würden zur Einquartierung den Marschall Ney bekommen und außerdem noch einige Cavalleristen, sollten aber sonst Niemand hereinlassen. Es lagerten sich auch bald sechszehn derselben, meist Elsasser, in das Bedientenzimmer, waren aber so ermüdet von dem sechszehnstündigen Ritt aus Franken bis nach Jena zur Schlacht, wie sie sagten, daß sie nach Nichts als Streu verlangten und das angebotene Essen und Trinken beinahe ablehnten, und sich rasch nur an einigen Bouteillen Weins und Biers erquickten. Mittlerweile war Feuer in der Stadt ausgekommen; es brannten mehrere Häuser in der Nähe des Schlosses, höchst wahrscheinlich, ja gewiß durch die Franzosen 151
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Weimar selbst angezündet, welche dadurch Signale ihres Einzugs in Weimar gaben, und daher auch zur Löschung selbst wieder beitrugen. Während dessen herrschte die größte Verwirrung in der Stadt durch das Hereinströmen immer neuer zahlreicher Truppen, die auf den Plätzen der Stadt bivouakirten, Läden und Keller erbrachen, in die Häuser drangen um zu plündern und Mißhandlungen zu verüben. G. war indeß zurückgekommen, allein der Marschall erschien immer noch nicht, ohngeachtet die Tafel für ihn und seine Begleiter schon lange bereit war. Die Elsasser schliefen indessen fest. Das Haus war verriegelt. Ich hielt mich auf der Hausflur hin und wiedergehend auf, um gleich zur Hand zu seyn wenn der Marschall komme, indessen aber andres Volk das sich eindrängen wolle abzuhalten, und im Nothfall die Hülfe der schlafenden Reiter anzurufen. Während ich so allein auf der Diele des Hauses auf- und abgehend verweilte, ohne Licht und nur von den hochaufleuchtenden Flammen der in der Ferne brennenden Häuser die nöthige Hellung empfangend, waren in einem der Zimmer des Hinterhauses eine Menge Personen aus der Stadt zusammengedrängt, die geflüchtet vor der Wuth und den Mishandlungen der Plünderer hier Schutz und Verborgenheit zu finden hofften. Einige derselben waren der Wirthin in Bereitung der Speisen und der Heraufschaffung des nöthigen Kellervorrathes für den erwarteten Marschall und sein Gefolge behülflich; Andere jammerten über das wie ein Blitz hereingebrochene noch nie erfahrene Unglück und Elend, und vermehrten so die Bestürzung und Unruhe der Hausgenossen, die den Kopf zusammenzunehmen hatten, um das Nöthigste und Geeignetste in dieser Bedrängniß nicht zu verfehlen. Es war schon tief in der Nacht, der Lärm auf den Straßen dauerte immer fort; ich hatte bisher meinen Posten unangefochten behauptet, als plötzlich fürchterliche Kolbenstöße an die Hausthür donnerten und auf mein endliches Wer da! rufen, Einlaß verlangt wurde. Ich schlug ihn ab, mit der Bedeutung das Quartier sey schon für den Marschall in Beschlag genommen, dessen Ankunft man jeden Augenblick entgegensehe, und außerdem mit 16 Reitern belegt. Mein Einwenden wollte Nichts verfangen; ich weckte daher einen der Reiter, einen Elsasser, ebenden, der gleich bei seinem Eintritt ins Haus soviel Gutmüthigkeit hatte blicken lassen, daß ich mit Vertrauen, er werde über diese Störung im Schlafe nicht unwillig werden, ihn bat, seine Kriegskameraden zu bedeuten, daß hier für sie keine Aufnahme zu verlangen noch zu hoffen sey. Er stand auch auf, ohne ungehalten zu seyn, öffnete das Fenster, schalt sie aus und verwies sie wieder an ihr Bivouak zurück, wo sie eben herkommen mochten, um sich eine bessere Lagerstatt auszumitteln. Es half auch für den Augenblick. Schimpfend und brummend gingen sie fort, und ich glaubte mich und das Haus schon geborgen. Es dauerte aber nicht lange, so pochte es wieder an die Thür, dießmal höflicher, und verlangte mit sanfter Bitte Einlaß. Es waren die Vorigen. Sie wollten sich nur unter Dach befinden und etwas ausruhen, und was sie sonst noch mitleiderweckendes vorbringen mochten. Ich wies sie dennoch ab, zwar mit Bedauern, aber doch mit der geschärften Bemerkung, der Marschall sey bereits da, und es fände sich nirgends Platz für sie mehr. Nun wurden sie heftiger, drohten die 152
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Weimar Thür einzuschlagen; und da sie vollends die niedrigen Fenster nebenan gewahrten und durch diese bemerken konnten, daß ich mich in einem beinahe zimmerähnlichen Raum befände, so machten sie Anstalten, das Fenster einzuschlagen und sich mit Gewalt in das verweigerte Asyl zu setzen. Nun hielt ich es nicht für gerathen den Widerstand weiter zu treiben; ich schob daher den Riegel zurück und ließ sie ein. Es waren zwei kleine Kerls, von der damals spottweis sogenannten Löffelgarde, eigentlich Tirailleurs in voller Bewaffnung. Als sie eintraten, wiederholte ich nochmals meine Vorstellung, und öffnete zum Beweis die Thüre des Zimmers wo die Reiter schliefen. Sie überzeugten sich durch Einblick und schienen gelassener, indem sie Nichts weiter verlangten, als hier im Schauer zu verweilen und einiges zu genießen. Ich holte Licht aus der nahen Küche und einiges Getränk und Speise, und setzte es auf einem bereitstehenden Tisch ihnen vor. Schemmel waren auch zur Hand, und so nahmen sie bald Besitz von dem allen und sprachen der Flasche weidlich zu. Der Wein schien ihnen zu munden, sie wurden heiter und gesprächig, fragten nach diesem und jenem, auch nach dem Hausherrn. Ich entschuldigte seine Abwesenheit, und mochte ihnen scheinen die Wahrheit zu verhehlen. Sie wurden immer dringender ihn zu sehen; ich mußte befürchten, sie möchten sich selber den Weg zu seinem Zimmer suchen, und es ihm dann empfindlicher entgelten lassen. Ich eilte also zu G. hinauf, erzählte mit kurzen Worten den Hergang, und wie ich mir nicht weiter zu helfen wüßte und ihn bäte herunterzukommen, sich den Leuten zu zeigen und sie mit mehr Gewicht abzuweisen als ich haben könne. Er that es auch, ohne betroffen zu seyn oder zu scheinen. In Erinnerung ähnlicher Auftritte der deutschen Krieger in der Champagne mochte er wohl denken, daß jetzt die Reihe an die Deutschen komme, und wie er sich in Alles zu finden und zu fügen wußte, so auch in dieses. Obgleich schon ausgekleidet und nur im weiten Nachtrock — der sonst scherzhaft Prophetenmantel von ihm genannt wurde — schritt er die Treppe herab auf sie zu, fragte was sie von ihm wollten, und ob sie nicht alles erhalten was sie billiger Weise verlangen könnten, da das Haus bereits Einquartierung habe und noch einen Marschall mit Begleitung erwarte. Seine würdige, Ehrfurcht gebietende Gestalt, seine geistvolle Miene schien auch ihnen Respect einzuflößen, sie waren auf einmal wieder die höflichen Franzosen, schenkten ein Glas ein und ersuchten ihn mit ihnen anzustoßen. Es geschah auf eine Weise, die jeder Unbefangene den Umständen gemäß und seiner nicht unwürdig erkannt haben würde. Nach einigen gewechselten Reden entfernte er sich wieder; sie schienen zufrieden und beruhigt, und sprachen den Flaschen von Neuem zu; bald aber schienen sie schläfrig sich nach einer Ruhestatt umzusehen, und da ihnen die bloßen Dielen nicht genügen mochten, verfolgten sie die nahe Treppe auf der sie den Hausherrn hatten kommen und gehen sehen. Ich eilte ihnen nach, sie nahten dem Zimmer, worin die Betten für die Begleitung des Marschalls standen, und drangen hinein. Widerrede half Nichts, Widerstand war so unmöglich wie thöricht, ich mußte es geschehen lassen, in der einzigen Hoffnung, daß einer der auf jeden Fall angekündigten Adjutanten wenigstens und mit erfolgreichern Mitteln sie vertreiben werde. 153
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Weimar Er kam auch, aber als bereits der Tag angebrochen war; mein erstes Wort bei seinem Eintritt ins Haus war die Meldung, daß sein Zimmer und Bett bereits von zwei Maraudeurs eingenommen worden sey, die sich auf keine Weise davon hätten abhalten lassen. Wüthend stürzte er die Treppe hinauf, und in das Zimmer dringend fuchtelte er mit flacher Klinge die Kerls aus den Betten heraus, die nicht eilig genug Zimmer und Haus verlassen konnten. Ich sehe sie noch vorübereilen, und war damals nicht ohne Besorgniß, sie möchten noch etwas von Silbergeschirr und dergleichen haben mitgehen heißen. Es war nun völlig Tag geworden, der Marschall, der die Nacht anderswo geblieben, kam an; augenblicklich trat Sauvegarde vor das Haus, größere Ruhe und Ordnung stellten sich ein, und ich erfuhr in der ersten Unterredung mit den übrigen Hausgenossen: daß, während ich die beiden Maraudeurs in den Betten glaubte, sie dem Hausherren auf das Zimmer gerückt wären und sein Leben bedroht hätten. Da habe seine Frau einen der mit ins Haus Geflüchteten zu Hülfe gerufen, dieser habe G. von den Wüthenden befreit, sie hinausgejagt, die Thüren seines Zimmers und Vorgemachs verschlossen und verriegelt. G. selbst ließ sich nie etwas davon merken; ich aber war nicht wenig bestürzt über die Gefahr, in welcher er ohne mein Wissen und Gedenken geschwebt hatte. W. Ludecus, Aus Goethes Leben (Ludecus S. 81)
Ich befand mich am 14. Oktober 1806 in meiner Wohnung zu Weimar vor dem Frauenthor, um den Einmarsch französischer Truppen zu erwarten, als ich plötzlich 2 französische Chasseurs am Thore erblickte und bemerkte, wie mehrere Personen aus den benachbarten Häusern mit Erfrischungen für dieselben herbeieilten. Auch ein Mann im blauen Ueberrocke kam herbei und kaum hatte ich in ihm Göthe erkannt, als mich die Neugierde, wie der große Mann sich in diesem kritischen Augenblicke benehmen werde, veranlaßte ebenfalls an das Thor zu eilen. Ich kam in dem Augenblicke daselbst an, als Göthe aus seinem Ueberrocke eine Flasche Wein zog und sie einem Chasseur aufs Pferd reichte, welcher solche mit einem gefälligen Kopfnicken sogleich in seinen Mantel in Sicherheit brachte. Als aber Göthe dem anderen Reiter ein Paquet mit Tabak reichte, wurde er durch die Frage ob der Tabak gut sei in nicht geringe Verlegenheit gesetzt, denn da Göthe bekanntlich nicht rauchte, so mochte er wohl in der Eile den Tabak aus der Bedientenstube mitgenommen haben, er erwiederte daher auch lächelnd, er könne es nicht behaupten, weil er selbst nicht rauche. In diesem Augenblicke hörte man in der Entfernung den Ruf qui vive? begleitet von einigen Schüssen, worauf die Reiter davon jagten. Ich selbst hielt es für rathsam mich wieder in meine Wohnung zu verfügen und Göthe begab sich ebenfalls mit raschen Schritten von dannen. Falk (Schultze S. 63)
Als die Franzosen kamen, ging Goethe ihnen bis an das Frauenthor entgegen. Da gaben ihm zwei französische Chasseure sogleich jeder ein Pferd in die Hand und sagten ihm, er solle es in den Stall führen. Seiner Frau und seinen Freunden brach das Herz, als sie ihn in diesem Zustande ankommen sahen. 154
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1806 Falk (Schultze S. 64)
Als Goethe am 14. Oktober dem ersten französischen Chasseur die Tramentane abnahm und ihm selbst sein Pferd an der Frauenthorstrasse herunterführte, so konnte man wohl sagen, das er selbst die Tramentane verloren hatte. Im Hause selbst, da er sich bald wieder auf seinen hohen Sattel der Hitze und des Jähzorns setzte — wie man einem verzogenen schreienden Kinde alles giebt, wenn es schreit —, war er bald genötigt vom Schauplatz der Handlung, in der er zu vieler Consternation debütiert hatte, abzutreten und diesen der Mademoiselle Vulpius, seiner bisherigen Haushälterin, zu überlassen, mit der er sich auch wirklich für treue Dienstleistung einige Tage darauf trauen liess. J. H. C. Koës, Tagebuch 16. 10. 1806 (GJb 27, 122)
Marodeurs bei Goethe, setzten ihm eine Bajonette vor die Brust. 14. (?) 10. Falk an Christine v. Reitzenstein 29. 12. 1811 (Konzept; »Witte S. 45; G S A , Falk VI 4 [1] 18)
Armer Göthe, der 14te Oktobr. brachte mich dir dennoch vor die Augen, und wie beschämt, wie demüthig vernichtet, wie dankbar standest du vor dem Manne da, den du kurz zuvor noch hattest Landes verbannen wollen und der nun der Pfeiler war, der dich und die Uebrigen trug und stützte. 15. 10.
Tagebuch 15. 10. 1806 (WA III 3, 174)
Marschall Lannes im Quartier und General Victor. Bey Hofe wegen Ankunft des Kaisers. Nach Hause. Beschäftigt mit Sicherung des Hauses und der Familie. An Ch. F. D. de Villers 11. 11. 1806 (WA IV 19, 232)
Ihr freundlicher Brief, mein werthgeschätzter Herr, lag auf meinem Tische, als die Adjutantur der französischen Generale bey mir eintrat, um Quartier zu machen. Durch die Adresse wurde ich diesen Männern bekannt, die sich sehr freundlich gegen mich bezeigten und mir in diesen bösen Tagen manches Gute erwiesen. W. Ludecus, Aus Goethes Leben (Ludecus S. 60)
Als ich . . . am 15. October Vormittags an dem Göthe'schen Hause vorüberging, wurde ich aus einen Fenster der untern Etage von den Rathsbeidiener Eckert angerufen, welcher mich dringend bat, mich für ihn zu verwenden. Ich trat ein und in der Domestiquenstube klagte mir Eckert weinend, er habe für den Marschall Ney 4 Vorspannpferde schaffen sollen, da es ihm jedoch nicht gelungen sei, die Pferde sogleich zu bekommen, weil sehr viele Einwohner ihre Pferde in der Nacht durch Plünderung verloren oder weggebracht hätten oder sie ver15. 10.
A. D. Krako an Goethe 15. 10. 1806 (Keil 7 S. 34) Ich ward gestern Abend spät noch von Hause gerufen weil die französische Besatzung die Thiiren des Reg. Archivs zu sprengen drohte . . . Herr Reg. Müller hat mir den Rath gegeben mich an den Herrn Marschall Lannes der bei Ew. Excellenz im Quartier ist zu wenden. Da aber Hochdieselben bey d. Herrn Marschall viel mehr auszuwürken vermögen wie ich so bitte ich unterthänig gehorsamst um Ihre gnädige Vermittelung.
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Weimar heimlichten, so sei er geprügelt worden und sitze jetzt hier im Arrest und solle nicht eher los kommen, bis die Pferde angelangt sein würden; er wolle nun auch die Pferde wohl schaffen, aber er bitte mich, bei dem geh. Rath für seine Loslassung mich zu verwenden. Ob es nun gleich nicht in meiner Art lag, mich in fremde Dinge zu mischen, so glaubte ich doch in Rücksicht, daß es Göthes Wunsch sei, den ungebetenen Gast sobald als möglich los zu werden, mich des armen Menschen annehmen zu müssen und ließ mich bei Göthe melden, welcher sich in des Marschalls Zimmer befand. In dem Saale, an welchen des Marschalls Zimmer stieß, stand eine große Tafel mit Speisen und Wein, und die Haushälterin Goethes, Demoiselle Vulpius, war beschäftigt den vielen ab- und zugehenden Offizieren ein Frühstück zu reichen. Als Göthe zu mir trat, wollte er zuerst von einer Verwendung für die Loßlassung des Festsitzenden nichts hören, weil er vermuthete, derselbe werde dennoch die Pferde nicht schaffen und der Marschall also länger verweilen. Er kehrte in das Zimmer des letztern zurück und als ich mich ebenfalls entfernen wollte, ersuchte mich ein französischer Offizier, welcher etwas von dem Gespräch verstanden hatte, ihn doch von der Sache zu unterrichten. Tagebuch 16. 10. 1806 (WA III 3, 174)
Lannes ab. Gleich drauf Marschall Augereau. In dem Intervall die größte Sorge. Bemühung um Sauvegarden u. s. w. bis endlich das Haus ganz voll Gäste war. Mit dem Marschall gespeist. Viele Bekanntschaften. Thätige Theilnehmung mancher Militärpersonen. Ankunft des Commandanten Dentzel. O. Jahn nach Brief Chr. G. Voigt an S. F. L. v. Franckenberg (Jahn 2 S. 90)
Nach einer sechsstündigen Unterredung mit der „göttlichen Herzogin" und ausführlichen Besprechungen mit Goethe, war er [Voigt] klar über das was zunächst zu thun sei; eine Menge Anstalten wurden getroffen, „so gut als es durch die Obrigkeit eines eroberten Landes eben geschehen konnte". 14./
Maria Belli-Gontard nach ungenannter Quelle (Belli-Gontard 1 3, 107)
16. 10.
Franzosen im Jahre 1806 Weimar besetzten, verbarg er [Goethe] sich in seinem Hause, und Jedermann glaubte ihn verreist. Die Vulpius sprach nicht ein Wort französisch, besorgte jedoch die Einquartierung. Einst kommt eine wilde Rotte Franzosen in das Haus, Göthe wird in seinem Versteck entdeckt, und jene drohen mit Plünderung. Die Vulpius in ihrer Todesangst stürzt auf die Straße, ein französischer General reitet gerade vorüber, sie fallt dem Pferde in die Zügel, und ruft: „Göthe, eine Sauvegarde!" Der General spricht glücklicherweise deutsch, und fragt, ob sie den General Augereau zum Schutze wolle? Sie willigt freudig ein, und Göthe war gerettet. Die Folge davon war Göthe's Trauung mit der Vulpius, am folgenden Sonntagmorgen, bei welcher Beider Sohn gegenwärtig war. Chr. A. Vulpius an N. Meyer 10. 11. 1806 (Kasten 1 S. 200)
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Den 15—17 waren wir im Hause des Geheimen Raths Göthe, u unsre Wohnung, war mit allem was darinnen war, denen preiß gegeben, die es besetzen wollten. 156
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Weimar Und das geschah auch endlich. Gegen 16 Mann haußten darinnen, als mich endlich, (da Napoleon Bücher von der Bibliothek verlangte,) auf Requisition seines Ingenieurs d'Alma, Grenadiere, in meine Wohnung einsetzten . . . Meine Schwester stand bei, aber — dem Geheimen Rath selbst hat es über 2000 Rthlr. gekostet; allein 12 Eimer Wein. Er ist nicht geplündert; den ersten Abend hat er's mit Wein u Klugheit abgewendet, dann bekam er Sau[v]egardes, da die General. Viktor, Marschälle Ney, Lannes, Augerau, u andere Offiziere bei ihm logirten; zu weilen 28 Betten in seinem Hause, aber es hat ihn sehr mitgenommen; doch ist er gesund, wofür Gott zu danken ist. Johanna Schopenhauer an A. Schopenhauer 19. 10. 1806 (Lütkehaus S. 91)
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Die Stadt ist förmlich der Plünderung preiß gegeben . . . Am besten kamen die fort die wie wir, Muht genug hatten keine Angst zu zeigen, der Sprache und der französischen Sitte mächtig waren, darunter gehört Göthe, der die ganze Nacht in seinem Hause die Rolle spielen mußte, die bey mir Sophie u Conta spielten . . . Meyers SchwiegerVater [v. Koppenfels] ist ein alter kräncklicher, hypochondrischer Mann, der eine Kasse zu verwalten hat, und ängstlich Ordnung liebt, Göthe sagte mir nach her er hätte nie ein größres Bild des Jammers gesehen, als diesen Mann im leeren Zimmer rund um ihn alle Papiere zerrissen und zerstreut, er selbst saß auf der Erde kalt und wie versteinert, Göthe sagte er sah aus wie König Lear, nur daß Lear toll war, und hier war die Welt toll. . . Was mich beim Anblick alles entsezüchen was man sich denken kann noch hielt ist daß ich half wo ich konnte um den Jammer zu lindern, mein Landsmann F[alk] gab mir die Wege an, und so habe ich mich einer Stube im Alexandershoff in der an 50 Verwundete lagen, meistens Preußen, angenommen. Ich schickte ihnen altes Leinen zum Verbinden, Wein, Thee . . . Suppe, einige Buteillen Madera . . . Brod und was ich konnte . . . Es war im ganzen wenig, und half doch viel, besonders da ich die erste war, ich rettete die Armen vor dem Unglück an Gott u Menschen zu verzweifeln. Göthe u andre haben davon gehört, und sind meinem Beyspiel gefolgt. G. Reinbeck, Reise-Plaudereien (Reinbeck 2 2, 56)
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Die Dame [Christiane Vulpius] war in jeder Hinsicht ausgezeichnet practischer Natur. Sie hatte, überzeugt, daß der Geheimerath wie sie ihn nannte, wo's auf's Handeln ankam, gänzlich rathlos sey, und daß sie für den Riß stehen müsse, sobald der Ausschlag zweifelhaft wurde und eigentlich für Freund oder Feind zu sorgen war, sich mit reichlichen Vorräthen versehen, und unten im Hause Tische mit Speise und Getränk aufstellen lassen, daß jeder Herzutretende gleich Befriedigung fände und der Geheimerath oben in seinen Zimmern nicht belästigt würde. Sie selbst war dabei geschäftig. Dieß war für den ersten Anlauf sehr verständig berechnet, und bald erhielten die beiden Mitglieder der Ehrenlegion, Göthe und Wieland, Sauvegarden, und Marschall Augereau nahm bei Göthe Quartier. Der Marschall sah die Geschäftigkeit der Demoiselle Vulpius und ihre verständigen Anordnungen, Göthe stellte ihm seinen Sohn vor, — und es war sehr natürlich, daß er die unten geschäftige Hausfrau für Göthe's Gattinn hielt 157
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Weimar und überrascht war zu hören, daß sie zwar die Mutter des einzigen Sohnes Göthe's, aber nicht seine Gattinn sey. — Er überredete Göthe, sie als solche anzuerkennen und dazu diesen Augenblick zu benutzen, wo die Aufmerksamkeit des Publikums getheilt sey und nicht lästig fallen werde, und als es geschehn war, war's geschehn. Falk nach Erzählung von Caroline Kunhold im Jahr 1 8 1 0 (GMD, Falk IV 7)
Göthe d. 14ten October Aus dem Munde von Johanne, Caroline Kunold, aus Tannerode, die d. 14 October in Göthens Hause diente, und dieses Jahr [1810] Ammendienste bey meiner Frau vertrat habe ich folgende Aneckdoten. Göthe selbst suchte am 14tcn Oktober sich, als der Tumult des Krieges nach erlittner Niederlage der Preußen überhand nahm, sich eine Französische Sauvegarde. Es dauerte nicht lang: so kam er einen Französischen Offizier an der einen, und sein Pferd am Zügel in der andern Hand zum Frauenthor hereingeführt. Er bat ihn die Plünderung von der Stadt abzuwenden, und wäre fast, vor Schreck und Angst vor ihm auf die Knie gesunken. Den 15tcn Früh, als den Tag nach der Schlacht, stand ich Hanne, Caroline Kunold, im Göthischen auf dem Plan des Frauenthors gelegnen Hause, auf dem Vorsaal [?], und scheuerte und besorgte, die Wirthschaft, als ein himmellanger Franzose in das Haus trat, von welchem ich nachher erfuhr, daß es der Marschall Augerau sey. Weil ich nicht angezogen war, und auch sonst kein Französisch verstand: so wollte ich ausreißen, als er mich mit einem fürchterlichen: „Alte La" zum Stehen brachte. Er frug mich nach dem Herrn des Hauses ich sagte ihm, daß dieser auf dem Schloß sey. Er frug sodann nach der Madam. Ich sagte ihm: es gäbe in dem Hause keine Madam. In dem ging von Ungefähr Göthens natürlicher Sohn über die Hausflur und grüsste den Marschall. Dieser fragte mich wer das sey: ich gebe ihm zur Antwort „Der Sohn" O Er fuhr Er fort: ah nicht gut — wo Sohn ist muß auch Madam seyn. Ich bedeutete ihm es sey nicht so, aber obgleich nur eine Haus[hä]lterin, sey sie doch eben so gut, wie [eine Ma] dame, worauf er sie mir unverzüglich zu rufen befahl. Sie stack damals samt August im Hinterstübchen, ich rief sie, und sagte: Kommen Sie nach vorn es ist ein möglicher grosser Franzose da, auch habe ich ihm Alles sagen müssen, er weiß daß Sie nicht des Geheim Raths Frau sind, August hat Alles verrathen. Sie schalt mich ein bischen, ging aber sogleich mit mir nach vorn, befahl mir aber hinter der Thür stehen zu bleiben und Posto zu fassen, damit im Fall er ihr Gewalt anthun wollte, ich statt ihrer schreyen, und die Leute herbey rufen konnte. Das geschah denn auch. Ich blieb stehen. Als die jetzige Geheimderäthin dem Marschall näher kam, wollte sie vor Angst in's Knie, und in Ohnmacht sinken, wenigstens machte sie einen so tiefen Knicks, daß Er es nothwendig vor einen Fußfall halten mußte. Er griff sie deßhalb untern Arm und sprach ihr Muth. Im nähern Gespräch zog er Erkundigung ein, warum sie bloß Haushälterin und nicht Frau sey, da sie doch eifnen] erwachsenen Sohn habe? Sie zuckte die Achsel, und sagte, an ihr liege die Schuld nicht die Mutter des Geheimenraths wünsche es auch (wie auch wahr, denn der Wunsch war von jeher, 158
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Weimar daß diese Geschichte ihres Sohnes, auch schon des Kindes wegen, auf eine oder die andre Art ein Ende nehme) Augereau klopfte sie drauf auf die Achsel hieß sie gutes Muths seyn, er wolle die Sache selbst mit dem Gehe. Rath besprechen. Bald drauf kam der Geheimderath. Marschall Augerau (Marschall Lannes, der nachher in der Schlacht bey Aspern blieb) und andre Französische Herrn fanden sich nun zum Frühstück ein, und setzten den etwas consternierten armen Göthe derm[a]ssen beym Frühstück zu, daß er ihnen versprach sich trauen zu lassen — (Aus lauter [?] Complaisance gegen das schwache Geschlecht, die den Franzosen eigen ist, war also diese Sache zu Stande gekomen, und durch den Marschall Augereau vermittelt worden — Sie saßen noch drinnen, als die jetzige Geheimderäthin mit einem ganz erhitzten Gesicht aus der Stube heraus kam, und sagte: „Caroline, was Neues, der GeheimeR. läßt sich mit mir trauen, und daran bist Du Schuld, weil Du dem Marschall gesagt hast, daß Ich die Geheimr[a]ths seine Frau nicht bin — Bald drauf wurde nach Frankfurt geschrieben, die jetzige Geh.e.Räthin höhlte selbst das Dintenfaß aus der Studierstube des Geheimdenraths — der Taufschein musste erst aus Frankfurt kommen, und daran stieß es sich das die Trauung nicht gleich seyn konte — Augerau und Lanes die Marschälle unterschrieben sich als Zeugen, der Brief an die Mutter wurde fortgeschickt. Als Der Taufschein kam, sagte der Gehr. zu August: August du mußt mit in die Kirche, faße dich an der Mutter an, du bist ein Mantelkind — (So heißen unehliche Kinder, weil sie sonst bey der Trauung mit einem Mantel bedeckt wurden — Die Gehe. Rathe [sagte] an die Hofmarschallen v. Eglofstein nachmals, August [habe sich ?] bey der Trauung dermassen sel[b]st vor Angst an sie gedrückt, daß sie geglaubt hatte sie müßte umfallen — (Aus der Hofmfar]schallen eignen Munde — P.S.... Wer Göthens von Natur etwas verschüchterten Charakter kennt — [wird] Alles dieses sehr begreiflich finden. Seine näheren Freunde selbst fanden diesen Schritt übereilt und . . . [Textverlust etwa 3 Wörter] Göthe wüsste recht gut, wie es mit dieser Person stand . . . Ein seelenguter Mann, ein wahrhaftes Kind an Gemüthsart, das ist das Zeuchnis aller Derer, die mit Göthen in einem näheren Umgang gestanden sind, seine Diener Domestiken — höchstens stampfte er mit dem Fuß, und so war Alles vorbey — so war den auch seine Mutter, ein Kind, von Jedermann geliebt. . . Göthe machte durch seine Weichheit im Hause Alles kleinmüthig [?]. Er hieß sie sämtlich reisefertig seyn, er gab Jedem, da er eben kurz zuvor seine Gage bekommen hatte, 20 Thaler, bis ihn Gott wieder in den Stand sezte, daß er Leute halten könte. er sprach vom Aufgehen des Hauses in Feuer vom zu Fuß gehen nach Frankfurt zu seiner Mutter am Wanderstabe, denn [?] es sey doch auch was meinte Er, wenn es hieße nach Allem was wir erlebt, daß Göthe sich nach Frankfurt zu Fuß durchgebettelt habe — Er weinte - Er rang die Hände, er ging im Garten auf und ab — er grub [?] dies und jenes, trug es dann wieder an einen andern Ort — wo er es sichrer glaubte — Er selbst verhielt sich meistens auf dem Schloß — wie alle Damens von Weimar und ließ sein Haus indeß allein. 159
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An Madame Lannes, Herzogin von Montebello Febr. 1 8 1 2 (WA IV 22, 485)
16. 10.
Seine [des Marschalls Lannes] großen Verdienste habe ich nicht nur in der Ferne bewundert, sondern auch seine Menschlichkeit in der Nähe lieben gelernt; ja ich werde stets mit Freuden bekennen, daß er in gefährlicher Zeit mein Retter . . . gewesen. Rezension von: Collection des portraits historiques de M. le Baron Gérard (WA I 49 1 S. 397)
Übrigens finden wir ihn [Marschall Lannes] hier im Bilde sehr viel älter als im Jahre 1806, wo wir seiner anmuthigen Persönlichkeit, ja man dürfte wohl sagen schnell gefaßten Neigung, eine in damaligen Tagen unwahrscheinliche Rettung verdankten. A n F. A. Wolf 3. 11. 1806 (WA IV 19, 226)
Ich habe erst den General Victor, dann die Marschälle Lannes und Augereaux im Hause gehabt, mit Adjutantur und Gefolge. Für 40 Personen Betten mußten in einer Nacht bereitet seyn und unser Tischzeug ward als Leinlaken aufgedeckt. Was daran alles hängt, können Sie sich leicht denken. A n W. Chr. Günther 17. 10. 1806 (WA IV 19, 197)
Dieser Tage und Nächte ist ein alter Vorsatz bey mir zur Reife gekommen; ich will meine kleine Freundinn, die so viel an mir gethan und auch diese Stunden der Prüfung mit mir durchlebte völlig und bürgerlich anerkennen, als die Meine. Falk (Schultze S. 65)
Einmal in diesen Tagen hatten die Franzosen in Goethes Nachbarschaft Pulver in ein Haus und daneben als Drohung eine brennende Lunte gelegt. Das ganze Quartier des Frauenthores war in Gefahr aufzufliegen. Goethe, dessen wehmütige Stimmung von nun an mit jedem Tage zunahm — denn immer ist Goethe ein verhätscheltes Kind gewesen, das dem Glücke im Schoos gesessen hat, daher er denn auch für die Leiden der Menschheit kein Herz hat, daher er alles, was zur Erleichterung des Volkes abzielt, und die Menge kurz und gut für blankes Lastvieh hält, die man zu guten oder amüsanten Zwecken verbrauchen muss — Goethe ist, seinen Principien nach von jeher entweder Despot oder Knecht gewesen — — — in dieser weimarschen Pulververschwörung also sagte Goethe in der wehmütigsten Stimmung zu seinem Sohn August und zu seiner Frau: „Macht Euch jeden Augenblick reisefertig, wir wollen zu meiner Mutter nach Frankfurt! Es ist doch interessant zu hören, wenn es einmal heissen wird, Goethe hat seinen Wanderstab ergriffen und hat sich von Land zu Land bis nach Frankfurt durchbetteln müssen." 17. 10.
Tagebuch 17. 10. 1806 (WA III 3, 174)
Marschall Augereau ab. Der Kaiser ging ab. Zur Einquartierung den chef de bataillon Dupuis. Mittag bei Lauhns, wo Dentzel einquartiert war, zu Tische. Wieland war von der Gesellschaft. Nachher aufs Schloß, wo die Absendung nach allen Enden hin, zum Herzog und Erbprinzen geschah. Geheimnißvolle Unterhaltung mit dem Husarenofficier. 160
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An G. F. E. v. Dentzel 28. 3. 1808 (WA IV 51, 232)
Wir können an Ihren Namen nicht erinnert werden, ohne den Mann zu preisen, der in fürchterlichen Augenblicken, durch ernste Erfüllung seiner Soldaten- und Menschenpflicht, uns vor den gräßlichen Folgen des Krieges bewahrte und zugleich durch die Anmuth seiner Unterhaltung uns die gegenwärtigen Übel vergessen machte, indem er die Gesellschaft, die er um sich her versammelte, in einen heitern, friedlichen Zustand zu versetzen wußte. Widmung in einem Exemplar von Wielands Werken (Keil 7 S. 65)
Dem Hrn. General und Stadtkommand. Denzel widmet dies Exemplar der Werke des gemeinsamen Freundes Wieland Mit innigem Dank für Schuz u. Vorsorge in schröklichen Tagen Goethe am 18. Octbr. 1806. Mit Bitte des Kleeblats vom 17ten nicht zu vergessen. Charlotte v. Stein an F. v. Stein 22. 3. 1807 (GSA, Stein 107)
Augerau ist hierdurch gereißt der in der Schreckenszeit beym Goethe logirte . . . Goethe war sehr damahls von ihm eingenommen. An die Jenaer Freunde 18. 10. 1806 (WA IV 19, 198)
Mit Wieland habe ich gestern beym Stadtcommandanten [Dentzel] gespeist. Der gute Alte ist auch glücklich durchgekommen. 18. 10.
Tagebuch 18. 10. 1806 (WA III 3, 174)
Denons Ankunft Bey Launs gespeist. Begräbniß des Gen. Schmettau Mit Denon bey der Herzoginn Zu Hause Abends spät bey Hofe. Denon reiste Abends nach Erfurt. 19. 10.
Tagebuch 19. 10. 1806 (WA III 3, 175)
Trauung. Denon kam zurück von Erfurt. Absendung eines Boten nach Jena. Zix zeichnete im Schloßhof und vor dem Frauenthore. Abends mit Denon bey Hofe bis 8 Uhr. 18. 10.
G. F. E. Dentzel an Goethe 18. 10. 1806 (Keil 7 S. 65) Ich glaube Hrn. Hofrath Goethe den grösten Dienst zu leisten Herrn Denon Mitglied des Nationalinstituts zu Paris und General Inspector der Künsten und des Museums als Gast bey Ihnen einzulegen. Knebel an Katharina v. Schückher 25. 10. 1806 (GSA, Knebel 335) Denon war hier [Jena], um das Schlachtfeld zu zeichnen . . . Er reiste des andern Morgens nach Weimar zu Göthe.
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Ungenannt, Eintragung in das Copulations-Protokoll bei der Fürsd. Sachs. Hof-Kirche in Weimar (*Stahr 2, 145; Stadtkirchnerei Weimar)
Sr: Excellenz, Herr Johann Wolfgang von Göthe, Fürstl: Sächß: Geheimer, Rath allhier, mit Demoisell Johanna Christiana Sophia geb: Vulpius, des weil: Herr Johann Friedrich Vulpius Fürsd: Sächß: Amts. Copistens allhier hinterlaßene älteste Tochter, sind Dom: X X post Trinitatis / als den 19 octobr. / in allhiesiger Fürsd: Hofkirchen Sacristey von dem Herrn Oberconsist: Rath Günther in der Stille copulieret worden. J. H. C. Koës, Tagebuch 19. 10. 1806 (GJb 27, 123)
Heute wurde Goethe mit der Mamsell Vulpius in der Stadtkirche öffentlich getraut. Riemer, Mittheilungen 1, 373
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Alle Freunde und Verehrer G's. billigten und belobten diesen längst erwarteten Schritt [der Trauung], und so war es denn der 19te October, der erste Sonntag nach der Schlacht vom 14ten, wo G. mit seiner Gattin, seinem Sohne und mir, als Zeugen, des Morgens nach der Schloßkirche fuhr und in der Sakristei den Act der Trauung vollziehen ließ. Der Ober-Consistorialrath Günther verrichtete die Ceremonie in angemessener Weise. Charlotte v. Stein an F. v. Stein 25. 10. 1806 (*Düntzer 9 2, 247; G S A , Stein 107)
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Die Schiller hat auch wenig verlohren Goethe gar nichts, er hat den Augerau bey sich gehabt, und wärend der Plünderung hat er sich mit seiner Maitresse öffendlich in der Kirche trauen laßen, und war dies die letzte Kirchliche Handlung den alle unßre Kirchen sind nun Lazerethe und Magazine. Chr. A. Vulpius an Ungenannt 16. 11. 1806 (FDH)
Meine Schwester (die wie Sie wissen werden, am 19ten mit dem Hrn. Geheime R. v. Göthe getraut wurde,) ist jetzt auch kränklich geworden, denn dort im Hause ist zwar nicht geplündert worden, aber es kostet ihm über 2000 rh. u welche Verlegenheiten u Aengstlichkeiten! Sie haben mir mit Gelde geholfen, sonst hätte ich nichts. C. Bertuch an L. Froriep 29. 10. 1806 (GSA, Bertuch 3191)
Göthe hat außer vielen Kosten, Marschall Augereau logierte bey ihm, nichts gelitten Er hat sich vor einigen Tagen mit der Vulpius trauen laßen. W. Ludecus, Aus Goethes Leben (Ludecus S. 62)
B 2 891 B 3 2293
Die Trauung erfolgte . . . am 17. [vielmehr: 19.] Oktober, in der Jacobskirche, ohne alles Aufsehen, so daß Göthe sich mit Demois. Vulpius zu Fuße dahin begab und man erst am folgenden Tage Kunde davon erhielt. Seine täglichen Haus- und Geschäftsfreunde waren nicht wenig überrascht, als er ihnen seine Gattin mit den Worten vorstellte: „Sie ist immer meine Frau gewesen."
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Weimar C. L. Fernow an Böttiger 26. 10. 1806 ( J b G G 5, 222)
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Vater Wielands Haus ist in den ersten Momenten glücklich verschont geblieben; hernach bekam er eine Salvegarde ins Haus; so auch Göthe, der indessen die Last einiger kostbaaren Einquartierungen, die aber auf der andern Seite auch wieder interessant gewesen, tragen müssen. Die Marschäle Lannes u. Augerau, u. der Pariser Kunstfreund de Non wohnten nacheinander bei ihm . . . Göthe hat sich in diesen bedenklichen Zeiten mit seiner alten Freundin heimlich trauen lassen, u. die bisherige Demoiselle Vulpius ist jezt Frau Geheimeräthin. Sie ist also wahrscheinlich die einzige, die in dieser allgemeinen Noth ihren Schnitt gemacht hat. 14./ 19. 10.
J. H. Voß d. j. an B. R. Abeken 26. 4. 1807 («Weimarer Sonntagsblatt 3, 384; LB Dresden, Ms e 97, 29) Β 2 889 Β 3 2288. 2799
Du willst von Göthes Heirath wissen? Sie scheint mir die Frucht von s. damaligen Gefühl gewesen zu sein, daß auf Erden eine allgemeine Gleichheit eingetreten sei. Er dachte wohl zunächst an den möglichen Wechsel der Dinge, u. wünschte die versorgt, der er doch so viele Verbindlichkeiten schuldig ist. Die Vulpius mag sein was sie will, für Göthe hat sie von je her mit beispielloser Treue gewacht, und sie durfte mit Recht Anspruch auf s. Dankbarkeit machen. Auch ist sie ja immer die Mutter seines geliebten Sohnes. Irdische Verhältnisse mögen Göthe bisher abgehalten haben die Vulpius zu heirathen, aber wann konnten solche Rücksichten weniger Statt finden, als zu der Zeit, wo alles sich auflösen zu wollen schien. Mir war es rührend, wie Göthe am 2ten Abende nach der Schlacht, als wir um ihn versammelt waren, der Vulpius für ihre Treue in diesen unruhigen Tagen dankte, und mit den Worten Schloß: „so Gott Will, sind wir Morgen Mittag Mann und Frau." — Und welchen Zeitpunct konnte Göthe bequemer wählen, das zu thun, was er schon lang hat thun wollen, als zu einer Zeit, wo die StadtFama mit viel wichtigern Dingen beschäftigt war, als auf eine solche Kleinigkeit zu merken. Als man sich wieder besinnen konnte, war Göthes Heirath schon etwas altes und verjährtes. — Übrigens leben Göthe und s. Frau wie vorher. Er nennt sie: „liebes Kind" wie vorher; und sie ihn „lieber Geheimerath" und „Sie" wie vorher. Sie macht in ruhigen Tagen ihre Lustpartieen, sie hat Schauspielergeselschaften — alles wie vorher. — Lieber Abeken, die Vulpius ist nicht so schlimm wie Du sie denken magst. Sie ist sinnlich, d. h., auf Vergnügungen ausgehend. Aber so lange ich sie kenne, hat sie nichts gethan, was auch bei dem strengsten Rigoristen ihre Renommés verdächtig machen könnte. J. H. Voß d. j. an L. v. Seckendorff 6. 12. 1806 (Neue Heidelberger Jbb. 18, 44)
B 2 888 B 3 2340
Göthe war mir in den traurigen Tagen ein Gegenstand des innigsten Mideidens; ich habe ihn Thränen vergiessen sehen: „Wer, rief er aus, nimmt mir Haus und Hof ab, damit ich in die Ferne gehen kann?" Als der erste Schrecken vorüber oder zur Gewohnheit worden war, ward er ruhiger, und jetzt ist er sehr heiter; ich möchte sagen, er ist noch liebenswürdiger geworden; manche starre Seite an ihm ist gebrochen, er ist milder, freundlicher, herzlicher. Geplündert worden ist er nicht, aber sich selbst hat er plündern müssen, um nicht geplündert zu wer163
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Weimar den. Ob seine Verheirathung aus dem Gefühle seiner baldigen Hinfälligkeit entsprungen ist, oder aus dem sich aufdringenden Bewusstsein aller aufgehobenen Standes- und Rangesverschiedenheit, will ich nicht entscheiden; aber gewiss hätte er keinen schöneren Moment ergreifen können; kein Weimaraner hat über dieses Factum zu reden Musse gehabt und Göthes Freunde haben sich um so herzlicher freuen können. Jetzt lebt Göthe sehr häuslich, fast von allen Geschäften zurückgezogen, und arbeitet an seiner Optik. J. Chr. Loder an Chr. W. Hufeland 8. 4. 1807 (»Geiger 3 S. 99; G S A , Bettuch 4772, 27)
Ich habe Ihnen . . . versprochen, Ihnen von demjenigen, was mir Egloffstein von Weimar und Jena erzählt. . . das Wichtigste mitzutheilen . . . E. war von der Großfürstin mit Briefen an die Kayserin Mutter hergeschickt [nach Petersburg] . . . Es ist nicht wahr, daß Wieland und Goethe aus Achtung gegen ihren berühmten Namen eine Wache bekommen haben. Goethe ward allerdings geplündert und ein Paar brutale Kerls drangen mit ihren Degen auf ihn ein und hätten ihn vielleicht umgebracht oder wenigstens verwundet, wenn die Vulpius sich nicht auf ihn geworfen und ihn theils dadurch, theils durch einige silberne Leuchter, die sie sogleich hergab, gerettet hätte. D a f ü r hat er sie geheyrathet und der Herzog hat nachher seine Einwilligung dazu gegeben, auch haben die Weimarischen Damen — Egloffsteins Frau mit zuerst — die neue GeheimeRäthin in ihre Gesellschaften gebeten und sie dadurch gefirmelt. Daß Goethe sich unter dem Donner der Kanonen hat copuliren lassen, wie in der Hamburger Zeitung stand, ist ein platter Spaß oder vielmehr eine dumme Lüge. Böttiger nach C. L. Fernow, Korrespondenznachricht aus Weimar 6. 11. 1806 (Allgem. Zeitung 24. 11. 1806)
Göthe ließ sich unter dem Kanonendonner der Schlacht mit seiner vielj ährigen Haushälterin, Dlle. Vulpius, trauen, und so zog sie allein einen Treffer, während viele tausend Nieten fielen. Nur der Ununterrichtete kan darüber lächeln. Es war sehr brav von Göthe, der nichts auf gewöhnlichem Wege thut. Wieland erhielt vom Prinzen Joachim aus freien Stüken eine Sauvegarde, und der Marschall Ney besuchte ihn selbst. Göthe hatte die Marschälle Lannes und Augereau, und dann den Kunstfreund Denon zu Gästen. Charlotte v. Schiller an F. v. Stein 24. 11. 1806 (Urlichs 1 1, 499)
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Sein [Schillers] Freund hat sich seiner selbst nicht so würdig gezeigt, und es hat mein Gefühl verwundet, ihn in einer schmerzlichen Anschauung zu sehen. Er wollte sich zusammennehmen, wollte heiter scheinen, wie wir noch keinen Sinn dafür hatten. Man fühlte auch, daß es nicht aus der rechten Quelle kam, und deßwegen blieb auch der Eindruck verloren. Die Trauung hat mir etwas Grausenhaftes, gesteh' ich; in einer Kirche, wo Todte, Verwundete Tags vorher lagen, wo man sicher erst alle Spuren der vorhergehenden Tage sorglich verwischt hatte, eine Cäremonie vorzunehmen, die jeder Mensch nur in den glücklichsten Tagen seines Lebens oder nie feiern sollte, 164
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Weimar dieses ist mir ein Gefühl, das ich nicht ganz verdrängen kann. Das Nachtheilige des Eindrucks, den dieser Schritt auf die Gemüther thun muß, ist nicht zu unterdrücken. Auch ist es so ohne Nutzen und Zweck. Ich habe nicht Glück wünschen können, wie Andere, und schwieg lieber. Es war etwas Unberechnetes in diesem Schritt, und ich fürchte, es liegt ein panischer Schrecken zum Grund, der mir des Gemüths wegen wehe thut, das sich durch seine eigene große Kraft über die Welt hätte erheben sollen. Chr. A. Vulpius an N. Meyer 20. 10. 1806 (Kasten 1 S. 198)
B 2 890a B 3 2291
Den 14. wurde die unglückliche Schlacht bei Jena verloren, Abends 5 Uhr ging bei uns die Plünderung an, die 36 Stunden dauerte, u mich von allen, a l l e n entblöset h a t . . . Etwas Frohes: Gestern hat der Ghr. G. sich mit meiner Schwester trauen lassen. Sein Haus, ist verschont geblieben. Er hatte stets Marschälle drinnen. Johanna Schopenhauer an A. Schopenhauer 19. 10. 1806 (Lütkehaus S. 101)
B 2 887. 890 B 3 2290
Es ist unbegreiflich wie man dem größten Unglück entgangen ist, Gottes Engel wachte über uns, noch heute sagte mir Göthe daß man in seinem Hause überall zerstreutes Pulver u gefüllte Patronen gefunden hat, in einem Hause ihm gerade gegen über ist förmlich Feuer angelegt worden u nur durch Zufall entdeckt u gelöscht, überall lag Pulver u Patronen, überall standen Pulverwagen, überall lief man mit brennenden Lichtern umher, und Gott erhielt uns doch. Meine Existenz wird hier angenehm werden, man hat mich in 10 Tagen besser als sonst in 10 Jahren kennen gelernt, Göthe sagte heute ich wäre durch die Feuertaufe zur Weimaranerinn geworden, wohl hat er recht. Er sagte mir, jezt da der Winter trüber als sonst heranrücke, müssen wir auch zusammen rücken, um einander die trüben Tage wechselseitig zu erheitern. Was ich thun kann, um mich froh und muhtig zu erhalten thue ich, alle Abende, so lange diese Tage des Trübsais währen, versammeln sich meine Bekannten um mich her, ich gebe ihnen Thee und Butterbrod, im strengsten Verstände des Wortes, es wird kein Licht mehr als gewöhnlich angezündet, und doch kommen sie immer wieder, und ihnen ist wohl bey mir; Meyer, Fernow, Göthe bisweilen, sind darunter. . . Göthe hat nichts verloren, Prof. Meyer alles, auch seine Zeichnungen, nur nicht seine Schriften und seine gute Laune. 20. 10.
Tagebuch 20. 10. 1806 (WA III 3, 175)
Mit Denon bis zu seiner Abreise. Demselben die Medaillen gezeigt. Er ließ mein Profil zeichnen durch Zix. Ankunft eines Boten von Jena, desgleichen kam Götze herüber. Den Tag bey Hofe. Abends bey Madam Schopenhauer.
20. 10.
Fourierbuch 20. 10. 1806 (HSTA Weimar) Mittag . . . Fiirstl. Tafel. 4. Damen! 4. Cavaliers [zusammen] 8. gw. Cts. 9. Hr. geh.R. v. Goethe 10. Hr. Commandant Dantzel . . . Der gegenwärtige Stadt-Commandant Herr v. Däntzel speißte heute zum l 5 t n mahle an Hof.
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Weimar Perne und B. Zix, Eintragung in A. v. Goethes Stammbuch 20. 10. 1806 (Dtsch. Rundschau 68, 1891, S. 257)
Ewig werden wir uns der freundschafdichen Aufnahme erinnern und stolz seyn, den grossen Göthe gesehen zu haben. Riemer an C. F. E. Frommann 20. 10. 1806 (Heitmüller S. 84)
Von Goethe habe ich Sie sämmtlich zu grüßen. Wenn er Ruhe hat, wird er selbst schreiben. Johanna Schopenhauer an A. Schopenhauer 24. 10. 1806 (Lütkehaus S. 107)
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Göthe hat sich Sonntag mit seiner alten geliebten Vulpius der Mutter seines Sohnes trauen lassen, er hat gesagt in Friedenszeiten könne man die Geseze wohl vorbey gehen, in Zeiten wie die unsre müsse man sie ehren. Den Tag drauf schickte er D. Riemer den Hoffmeister seines Sohnes zu mir um zu hören wie es mir gienge, den selben Abend ließ er sich bey mir melden, und stellte mir seine Frau vor, ich empfing sie als ob ich nicht wüßte wer sie vorher gewesen wäre, ich dencke wenn Göthe ihr seinen Namen giebt können wir ihr wohl eine Tasse Thee geben. Ich sah deutlich wie sehr mein Benehmen ihn freute, es waren noch einige Damen bey mir, die erst formell u steif waren und hernach meinem Beyspiel folgten, Göthe blieb fast 2 Stunden u war so gesprächich und freundlich wie man ihn seit Jahren nicht gesehen hat. Er hat sie noch zu niemand als zu mir in Person geführt, als Fremde u als GroßStädterin traut er mir zu daß ich die Frau so nehmen werde als sie genommen werden muß, sie war in der That sehr verlegen, aber ich half ihr bald durch, in meiner Lage und bey dem Ansehn u der Liebe, die ich mir hier in kurzer Zeit erworben habe kann ich ihr das gesellschaftliche Leben sehr erleichtern, Göthe wünscht es und hat Vertrauen zu mir, und ich werde es gewiß verdienen, Morgen will ich die Gegenvisite machen. C. Bertuch, Tagebuch 20. 10. 1806 (*JSK NF 4, 96; GSA, Bertuch 3067)
Um 9 Uhr zu Denon bey Göthe. Er empfängt mich sehr artig. Ich gebe ihm Wielands Portrait u. Roux Ansichten — Seine kleine Zeichnung v. Göthe sehr ähnlich. Will Medaille schlagen laßen. Denon hatte Landschaftszeichner bey sich. Er reist den Morgen in das Hauptquartier. 20. (?) 10. C. L. Fernow an C. F. E. Frommann 30. 10. 1806 (GSA, Frommann 17, 7 Nr. 6)
. . . Um so größer war meine Freude u. Beruhigung, zuerst von Göthe zu hören, . . . daß Sie doch noch so glimpflich, obwohl nicht ohne viel Unruhe u. Angst, davon gekommen sind. 14./
C. Bertuch an Böttiger 13. 11. 1806 (LB Dresden, Böttiger 4° 10)
20. 10.
£ ) e n o n logierte hier bey Göthe, wo ich ihn besuchte. Er hat ProfilZeichnungen von Göthe u. Wieland machen laßen, und will Medaillen schlagen laßen. Lannes u. Augereau logierten auch bey Göthe, was sehr kostspielig war — daß Göthe sich mit der Vulpius hat trauen laßen, schrieb ich Ihnen schon. 166
Weimar
1806 18./
c . Bertuch an Böttiger 25. 11. 1806 (LB Dresden, Böttiger 4° 10)
20. 10.
j-j a ß Q o e t h c ¿ ¡ e Vulpius aus Dankbarkeit ihres herzhaften Betragens in den Tagen der Gefahr geheyrathet hat, werden Sie wißen. Denon logierte bey Göthe. Er ist ein gar gefelliger artiger Mann. Er hat Profilzeichnungen von Göthe und Wieland zu Münzen machen laßen. Tagebuch 13. 1. 1831 (WA III 13, 9)
General Dentzel war 1806 in den bedenklichen Tagen Kommandant in Weimar gewesen und hat sich überhaupt, besonders auch gegen mich sehr gut benommen. Er quartirte Herrn Denon bey mir ein und machte dadurch die unglücklichen Tage zu frohen Festtagen, indem auch der Genannte wegen früherer Verhältnisse und einem herkömmlichen Zutrauen mir das Lästige des Augenblicks nicht fühlen ließ. An Knebel 22. 10. 1806 (WA IV 19, 210)
Denon Direcktor aller Kayserlichen Museen, logirte zwey Tage bey mir. Ich hatte ihn in Venedig gekannt und viel Freude am Wiedersehen. An Knebel 23. 10. 1806 (WA IV 19, 216)
Habe ich dir schon geschrieben, daß ich einen Besuch von meinem alten Freund Denon hatte, der sich einige Tage bey uns aufhielt? So muß erst ein Gewitter vorbeyziehen, wenn ein Regenbogen erscheinen soll! Er war äußerst munter und artig. An H. Meyer 20. 10. 1806 (WA IV 19, 208)
Wenn es Ihnen möglich ist, lieber Professor, so verfügen Sie sich, wo nicht heute, doch morgen früh, zu Hofrath Wieland und zeichnen sein Profil mit der Calotte, in der Größe etwan eines Laubthalers. Denon wünscht es zu haben. Der Zweck ist, daß eine Medaille danach geschnitten würde. An D. V. Denon 21. 10. 1806 (WA IV 19, 213)
Je me fais des reproches, que pendant Votre présence, mon estimable ami, je ne sentis que la joye de Vous revoir, et que j'ai oublié la misere qui m'entoure. 21. 10.
Tagebuch 21. 10. 1806 (WA III 3, 175)
Zwei Boten nach Jena abgefertigt. . . . Bey Geh.R. Voigt. Abends bey Hofe Einquartirung. 22. 10.
Tagebuch 22. 10. 1806 (WA III 3, 175)
Bey Geh.R. Voigt. Abends bey Hof. 23. 10.
Tagebuch 23. 10. 1806 (WA III 3, 175)
Absendung Dr Müllers nach Jena. Mittag Hauptm. zu Tische. Bey Gen. in Heidorfs Hause. Bey Hofe. Nachricht von der Herz Amalie durch Blumenbach. 23. 10.
Chr. G. Voigt an Goethe 23. 10. 1806 (SchrGG 55, 137) Herr Dr. Müller ist zu jedem Auftrag bereitwillig. Er würde im Befehl des Conseil administratif den Herrn Kommandanten [Bouchard in Jena] um Schutz für die den gelehrten Instituten zuständigen gelehrten Sammlungen bitten und n a c h s e i n e r g u t e n Entschlossenheit und Klugheit wahrnehmen, wie die Sachen stünden. Ew. Exzellenz haben die Güte, ihn vielleicht näher zu instruieren.
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Weimar
1806
Notiz auf Chr. G. Voigts Brief vom 23. 10. 1806 (SchrGG 55, 138)
Ist Herr Müller mit einer umständlichen Instruktion gegen Mittag [nach Jena] abgegangen. 8./23. 10. A. Oehlenschläger, Selbstbiographie (Oehlenschläger 1 2, 58)
Goethe verheirathete sich während der Schlacht, um im Falle des Unglücks die Existenz seines Sohnes zu sichern. Wir [Oehlenschläger, Koës, Bröndsted] waren noch einen Mittag bei ihm, und dann eilten wir, Weimar zu verlassen. A. Oehlenschläger, Meine Lebens-Erinnerungen (Oehlenschläger 2 2, 98)
B 2 894 B 3 2800
Göthe machte während der Schlacht mit Fräulein Vulpius Hochzeit. Er hatte wohl lange schon an diesen Schritt gedacht, um seinem Sohne verheirathete Eltern zu geben; aber um dem Komischen zu entgehen, das darin liegt, daß ein älteres Paar mit dem Anfange endigt (le commencement de la fin, wie Talleyrand es nannte, als Napoleon zu fallen begann), hatte er es wohl aufgeschoben, und um, wie Teil bei Schiller, den Apfel vom Haupt des Sohnes abzuschießen, während Geßler stritt, ging er mit einer alten Haushälterin in die Kirche, während die Kanonen mit ihren entsetzlichen Glocken auf Jenas Fluren läuteten, und kehrte mit ihr zurück, ohne daß es die geringste Veränderung in Etwas machte, außer daß sie nun Frau Geheimräthin von Göthe hieß. Wenn man sie sah, konnte man nicht begreifen, wie sie Göthe's Geliebte geworden war. Sie glich weder Lotten, noch Klärchen, noch Gretchen, weder den Leonoren, noch der Iphigenie; wenn sie überhaupt einer der Göthe'schen Gestalten glich, so glich sie der Braut von Korinth, aber in entgegengesetzter Bedeutung, denn nicht der Geist sondern der Körper spukte. Für Poesie hatte sie durchaus keinen Sinn, und Göthe sagte einmal selbst im Scherz: „Es ist doch wunderlich, die Kleine kann gar kein Gedicht verstehen." In ihrer Jugend war sie frisch gewesen, voll und rotwangig war sie noch, aber ganz aus der niederländischen Schule; obgleich, wie gesagt, durchaus kein Klärchen. Sie war eine Schwester des berühmten Verfassers des Rinaldo Rinaldini und Rinaldo Rinaldini hatte eine Zeitlang wohl mehr Bewunderer in Deutschland gehabt, als Wilhelm Meister. Die Neuvermählte erwies ihrem Manne stets Ehrerbietung und nannte ihn immer „Herr Geheimrath". Das thaten wir andern auch. Als ich ihn im Anfange Excellenz nannte, sagte er gutmüthig: „Lassen Sie es beim Geheimrath bewenden!" und dieser Titel klingt in Deutschland sehr bürgerlich; Frau Göthe war von einer raschen beweglichen Natur und hielt nicht viel von dem stillen Leben, das ihr Mann führte. „Der Herr Geheimerath und ich" — soll sie einmal gesagt haben — „wir sitzen immer und sehen einander an. Das wird am Ende langweilig." 24. 10.
Tagebuch 24. 10. 1806 (WA III 3, 175)
Bey den französchen Ingenieurs. Mittags lange Unterhaltung mit Hauptmann Mähler (Capitaine Gautier. Abends bey Hofe. Riemer an C. F. E. Frommann 24. 10. 1806 (GSA, Frommann 41)
G. grüßt schönstens. 168
1806 25. 10.
Weimar Tagebuch 25. 10. 1806 (WA III 3, 176)
Hauptmann Gautier, Zeichner, zu Tische. Unterhaltung über den Krieg, die Kunst und die politischen Lagen. Abends bey Hofe. Geheimerath von Wangenheim von Eisenach. 26. 10.
Tagebuch 26. 10. 1806 (WA III 3, 176)
Abends bey Hofe. Apprehension wegen einer scheinbaren Kanonade in der Ferne, welches aber nichts als Wilddiebe und muthwilliges Abbrennen zerstreuter Patronen zu seyn schien. vor 27.10. Riemer, Mittheilungen 2, 625
B 2 879 B 3 2300
Das Stück [Elpenor] war ursprünglich in der sogenannten poetischen, d. h. rhythmischen Prosa, wieauch die erste Iphigenia, und zwar in fortlaufendem Context geschrieben; als aber G. die Ausgabe in 8. besorgte und mir das Manuscript zur Durchsicht gab, bewog ich ihn, den größtentheils schon jambisch hinschreitenden Text vollends in Verse abzutheilen. Er überließ jedoch, da er fast kein Interesse mehr daran hatte, die Arbeit mir, der sie, als seine erste der Art, noch furchtsam und vielleicht zu ängstlich gewissenhaft ausführte, in der Meinung, es sey sowenig als möglich durch Zusätze oder Weglassung daran zu ändern; daher denn hie und da Verse mit zuviel oder zuwenig oder gar keinen Füßen unterlaufen. G. war indeß damit zufrieden und so ward das Manuscript zum Druck abgesendet. 27. 10.
Tagebuch 27. 10. 1806 (WA III 3, 176)
Verwirrung und Sorge wegen preußischer Gefangenen, die sich losgemacht haben sollten. . . Abends bey Hofe. Verwirrung wegen des weilburgschen Unterofficiers, der sich des Nachts auf dem Lande Exactionen schuldig gemacht hatte. 28. 10.
Tagebuch 28. 10. 1806 (WA III 3, 176)
Hauptmann Mähler, weilburgisch, ging ab . . . Nach Tische Professor Meyer, wegen Einleitung der Zeichenschule. Abends bey Hofe. 29. 10.
Tagebuch 29. 10. 1806 (WA III 3, 176)
Demoiselle Huber von Jena. Haarbauer kam von Erfurt. Ingleichen Dr. Müller von Jena . . . Abends bey Hof. Die Fürsten Reuß von Köstritz. 30. 10.
Tagebuch 30. 10. 1806 (WA III 3, 177)
Würzburger Einquartierung. 29. 10.
C. F. Müller an Goethe 26. 10. 1806 (Keil 7 S. 116) Demoiselle Hubert habe ich freylich in einer leidigen Lage getroffen . . . Es befindet sich nämlich noch ein kleines Kästchen in ihrem Gewahrsam, welches sie in demselben aus mehrern Gründen nicht sicher genug glaubt, und deshalb sehr beängstiget ist. Sie wünscht, dasselbe Ew. Excellenz selbst überliefern, und bey dieser Gelegenheit noch über verschiedne andere Punkte mit Hochdenenselben Rücksprache nehmen zu können. Geruhten Ew. Excellenz dieses zu genehmigen, so würde Demoiselle Hubert kommenden Dienstag [28. 10.] selbst nach Weimar fahren.
169
1806 31. 10.
Weimar Würzburger Einquartierung. Tagebuch 31. 10. 1806 (WA III 3, 177)
Zu Mittag Graff. Einquartierung eines französischen Hauptmanns. Abends zur Herzogin Mutter, wohin mehrere Personen kamen, ihre Aufwartung zu machen; auch die französischen Ingenieurs. An J. F. Blumenbach 23. 2. 1807 (WA IV 19, 272)
. . . sowie unsre glücklich zurückgekehrten Flüchtlinge [Anna Amalia und Gefolge] noch sehr lebhaft sich der guten Stunden erinnern, die sie mitten in den verworrensten Zeiten bey dem ruhigen und frohen Naturforscher zugeEnde Okt.
bracht haben. Chr. G. Voigt an S. F. L. v. Franckenberg Ende Okt. 1806 (HSTA Weimar, I 364)
E— verzeihen, wenn ich — schwach und stark schrieb. Schon izt, nachdem ich mit Göthe vieles überlegt — und eine Dosis WeinChina eingenommen habe, — Okt.
bin ich viel klüger. Riemer, Mittheilungen 1, 370
Wohl hatte G. Recht, in prophetischer Voraussicht zu sagen „von diesem Tage, dem 14ten October [1806] an, beginne eine neue Epoche der Weltgeschichte." Eine Weissagung die nur allzuwahr in Erfüllung gegangen ist. In gutem Humor nannten wir bald nachher alles vor dieser Epoche liegende a n t e d i l u v i a n i s e h. Johanna Schopenhauer, Jugendleben und Wanderbilder (Schopenhauer 4 1, 3)
B 3 2298
„Daß jeder Narr jetzt seine eigne Geschichte hat, das eben ist keine der geringsten Plagen der jetzigen bösen Zeit," seufzte freilich einst Göthe, als einige, übrigens ganz vortreffliche Personen, wenige Tage nach der Schlacht bei Jena, in etwas ungehöriger Breite von ihrem während derselben und den ihr unmittelbar Elisabeth Förster-Nietzsche an E. v. Bodenhausen 27. 8. 1 9 1 5 (Bodenhausen S. 272)
Im übrigen weiß man ja durch das berühmte Vorbild Goethe, daß sich alte Leute schmerzliche Dinge gern fernhalten. Meine Großmutter Nietzsche, die in erster Ehe mit einem Vetter Kotzebues in Weimar verheiratet war, erzählte gern von einer Gesellschaft, wo Teilnehmer der schrecklichen Niederlage in Jena zugegen waren und man zu hören gewünscht habe, was die erlebt hätten, daß aber Goethe, der zufällig eine Jugendbekannte getroffen habe, mit ihr sich in ganz harmlose Jugenderinnerungen vertieft hätte, besonders auch in das Rezept einer Marmelade und eines Kuchens, den er als Junge so gern gegessen hätte. Anf. Nov. H. Meyer (*JbGG 3, 212; G S A , Meyer 109)
B 3 2302. 2303. 2278
im Anfang Novbrs 1806 G. verglich die Fr[anzosen] mit Haaren die an dem Schweif des Fuchses durch Löcher und Schluchten gezogen noch gestreichelt werden und sich am Ende Wundern wie sie da durchgekommen sind. 170
Weimar
1806
In Bezug auf Werke guter Schriftsteller: Wen der Becker wüßte od. bedächte was für Lumpenpack sein Brod äße er würde lieber keines backen Ahndung Einige Zeit vor dem 14t 8br ging er in Jena den Graben hinauf bedenkend die Anstalten die Gefahren die möglichen Folgen blickte über die Häuser der Stadt und ihn dünckte es flimerte und regte sich über den Dächern wie etwa wenn eine Kohl [en] ρ fanne im freyen steht und man über derselben die Luft sich bewegen sieht — dieses Phänomen erschien ihm zu derselben Stunde mehrere Mahle indem er wiederholt seinen Blick auf die Häuser richtete — und er hatte kein Hehl daß dieses Ereigniß Ursache war von Jena nach Weimar zu gehen wo seine Gegenwart auch ohne allen Zweifel Ursache war daß sein Haus von Plünderung verschont geblieben sonst gedachte er in Jena noch länger zu verweilen und seinen Elpenor für den Druck zu corrigiren. 1. 11.
Tagebuch 1. 11. 1806 (WA III 3, 177)
Einquartierter Major zu Tische. Abends bey Mad. Schopenhauer. Riemer, Aphorismen S. 296
B 2 909 B 3 2304
Im November 1806. [Goethe:] „Es wird bald Poesie ohne Poesie geben, eine wahre ττοίησις, wo die Gegenstände έν ποιήσει, in der M a c h e sind, eine g e m a c h t e Poesie. Die Dichter heißen dann so, wie schon Moritz spaßte, a spissando, densando, vom Dichtmachen, weil sie Alles zusammendrängen, und kommen mir dann vor, wie eine Art Wurstmacher, die in den sechsfüßigen Darm des Hexameters oder Trimeters ihre Wort- und Sylbenfülle stopfen." 1. (?) 11.
Riemer, Aphorismen S. 296
B 2 9 1 0 B 3 2305
[Goethe:] „Die Stelle aus Delille's l'Imagination (Chant IV, p. 224.), welche den Eindruck der Verödung von Versailles schildert, ist poetisch durch den Gegenstand, und die rhetorisch-energische Behandlung, welche die Franzosen ihren Poesien geben, thut hier gut und ist an ihrer Stelle. Wie aber da, wo der Mann sich im Gegenstand vergreift und diesen λήκυθος (Farbenkasten) an Unrechten Stellen ausschmiert!" 2. 11.
Tagebuch 2. 11. 1806 (WA III 3, 177)
Bey der Herz Mutter
Bey Fr. Schoppenhauer.
Riemer, Notizzettel (*LA II 4, 119; G S A , Goethe 26/LIII 4)
Admonenda. An das Gleichniß vom Koch mit der Katzenpastete zu einer Parabel. Vom zu Lehre gehn bey Newton. Aufhebung des Gleichnisses vom Mark. Licht in die chinesische Laterne schaffen. //Blumenbach// Himly zu ironisiren wegen der physiologischen Farben 171
B 3 7445
Weimar
1806
Riemer, Notizzettel (*LA II 4, 119; G S A , Goethe 26/LIII 3)
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Admonenda. Um das Gleichniß vom Koch mit der HasenPastete Katzen — zu einer Parabel. Vom zu Lehre gehen bey Newton, d. 2 November [gestr.: etwas bey Gelegenheit v. Galls [System gestr.:] Lehre.] Es betraf die Einleitung zu der Pflanzenmetamorphose. (Sie haben seit 12 Jahren ihn heimlich benutzt, ohne ihn zu erwähnen Er sieht also nicht ein, warum er s verschweigen sollte, was sie von ihm haben. zE Herr Himly (mit Ironie) treffe artig mit s. Ideen überein. //Licht in die chinesische Laterne schaffen, bey den physiol Farben// Blumenbach// Cotta's Abhandlung durchgegangen. /Noch wegen des M a r k s zu schinden, das Gleichniß aufzuheben./ Riemer, Aphorismen S. 289
B 2 896 B 3 2306
den 2. Nov. 1806. [Goethe:] „Es ist ein gräuliches Verfahren, welches die Mineralogen bei der Bestimmung der Farben beobachten. Nicht nur mengen sie apparente Farben, chemische, und unter diesen durchsichtige und Erdfarben untereinander; sondern auch die physischen mischen sie mit chemischen wie auf der Palette durcheinander: Morgenroth mit gelblich braun u. dergl." 3. 11.
Tagebuch 3. 11. 1806 (WA III 3, 178)
Einquartier zu Tische. Ecole Veterinaire Homerische Stelle Abends bey Madam Schopenhauer mit dem hiesigen Commandanten [Le Guerrier] und Falk. 4. 11.
Tagebuch 4. 11. 1806 (WA III 3, 178)
Abends bey der Herzogin Mutter, wo der junge Fürst Reuß hinkam. Nachmittag Luthers Verherrlichung von Hummel mit Meyer durchgegangen, und anderes auf Luthers Leben und Charakter bezügliches besprochen. vor 6. 11.
Riemer, Aphorismen S. 290
B 2 897 B 3 2307
Im Nov. 1806. [Goethe:] „Wenn Paulus sagt: g e h o r c h e t der O b r i g k e i t , denn sie ist G o t t e s O r d n u n g , so spricht dies eine ungeheuere Cultur aus, die wohl auf keinem frühern Wege als dem christlichen erreicht werden konnte: eine Vorschrift, die, wenn sie alle Ueberwundenen jetzt beobachteten, diese von allem eigenmächtigen und unbilligen, zu ihrem eigenen Verderben ausschlagenden Verfahren abhalten würde." 5. 11.
Vgl. F. Boies Widmung in einem Band Terenz: In Memoriam F. Boie. Vimariae die V Novemb. 1806 (Ruppert 1443)
172
Weimar
1806 6. 11.
Riemer, Aphorismen S. 290
B 2 898 B 3 2308
den 6. Nov. 1806. Angefangen an dem Schema und der Einleitung zur Morphologie, des Abends um acht Uhr. [Goethe:] „Das Gall'sche System kann dadurch zu einer Erläuterung, Begründung und Zurechtstellung gelangen. Es ist ein sonderbarer Einwurf, den man gegen dasselbe davon hergenommen hat, daß es eine partielle Erklärungsweise sey von Erscheinungen, die aus dem gesammten organischen Wesen ihre Erklärung schöpfen. Als wenn nicht alle Wissenschaft in ihrem Ursprünge partiell und einseitig seyn müßte! Das Buchstabiren und Syllabiren ist noch nicht das Lesen, noch weniger Genuß und Anwendung des Gelesenen; es führt doch aber dazu. Eine Würdigung dieser erst aufkeimenden Wissenschaft oder dieser Art des Wissens ist noch viel zu früh." Riemer, Aphorismen S. 291
B 2 899 B 3 2309
Im Nov. 1806. [Goethe:] „Wie die Schalthiere im nächsten Bezug auf den Kalk stehen, daß man sagen kann, sie seyen organisirter Kalk; so kann man sagen, daß diejenigen Insekten, welche auf färbenden Pflanzen leben und gleichsam lebendig den Farbestoff derselben darstellen, als die Coccusarten, gleichsam die organisirten Pflanzen sind. Steffens nannte gewisse Käfer in Bezug auf den Blumenstaub, den sie der Blume zuführen, das fliegende Gehirn derselben. Mit demselben Rechte einer witzigen Combination, wenn es weiter nichts wäre, kann man jene Insekten organisirten Farbestoff nennen. Lebendiger Farbestoff, wie Jeder sagen würde und könnte, drückt das Nämliche aus, nur versteckter." 7. 11.
Riemer, Aphorismen S. 291
B 2 900 B 3 2310
den 7. Nov. 1806. [Goethe:] „Die Naturphilosophie construirt zuerst aus dem Lichte die Solidität und die Schwere. Den die Schwere constituirenden Kern des Erdkörpers bilden die Metalle. Demnach müßte man sagen: die Metalle seyen das solidirte Licht und Darsteller der Schwere; daher auch ihr übriger Bezug zum Lichte theils durch ihren Glanz, theils durch die Farbe, die sie in ihrem regulinischen, krystallischen und kalkhaften Zustande bereits haben und noch annehmen." Riemer, Aphorismen S. 292
B 2 901 B 3 2311
den 7. Nov. 1806. [Goethe:] „Bücher werden jetzt nicht geschrieben, um gelesen zu werden, um sich daraus zu unterrichten und zu belehren, sondern um recensirt zu werden, damit man wieder darüber reden und meinen kann, so in's Unendliche fort. Seitdem man die Bücher recensirt, liest sie kein Mensch außer dem Recensenten, und der auch so so. Es hat aber jetzt auch selten Jemand etwas Neues, Eigenes, Selbstgedachtes und Unterrichtendes, mit Liebe und Fleiß Ausgearbeitetes zu sagen und mitzutheilen, und so ist Eins des Andern werth." 173
1806 8. 11.
Weimar Tagebuch 8. 11. 1806 (WA III 3, 178)
v. Knebels Ankunft, bey Herzoginn Amalia. Günstige Nachricht von Berlin Bey Wolzogen wo Voigt war. Knebel, Tagebuch 8. 11. 1806 (GSA, Nachlaß Knebel)
Morgens . . . mit Weib und Kind u. Dr Voigt nach Weimar zu Fuß gegangen . . . Um 12. Uhr da. Zu meiner Schwester . . . gezogen. Voigt bei Göthe . . . 14 rh an Göthe für den halben Eimer Wein, auf Abschlag dessen was ich ihm vorgeschossen. 9. 11.
Tagebuch 9. 11. 1806 (WA III 3, 178)
v. Knebel und Sohn Dr. Voigt v. Jena zu Tische Bey Dem. Jagemann.
Rath Krausens Beerdigung
C. Bertuch, Tagebuch 9. 11. 1806 (GSA, Bertuch 3067)
Heute Nachmittag 3 Uhr wurde Kraus beerdigt mit der großen halben Schule. — Das Grab war geöffnet, der Geistliche stand davor. Wir giengen den Sarg zu hohlen. Seine Schülerinen, lauter blühende junge Mädchen giengen vor dem Sarg her, schwarz gekleidet. Meyer u. Kästner an der Spize. Den Sarg trugen 8 junge Künsder — Goethe u. Krauses Freunde folgten dem Sarge. Langsam u. feyerlich näherte sich der Sarg der Gruft. Als er eingelaßen wurde trat ein holdes junges Frauenzimer hervor, tief verschleyert, u. legte tief bewegt schweigend einen Lorbeerkranz dem Künstler auf den Sarg. Nun rollte der Sarg herunter. Voigt sezte in einjer] paßenden Rede die Verdienste des Verstorbenen auseinander. Das Chor begleitete die Ceremonie mit einig[en] gefühlvollen Arien. — Es endigte, und Westermeyer und ich deckten zuerst die Uebereste unseres unvergeßl. Freundes mit kühler Erde — Jezt änderte sich die schöne Witter[un]g, u. in Nebel gehüllt, gieng[en] wir zurück. C. Bertuch an L. F. Froriep 13. 11. 1806 (GSA, Bertuch 3191)
Am Sontag (9 Nov) Nachmittag um 3 Uhr wurde er [Kraus] begraben. Alle seine Schülerinnen in tiefer Trauer giengen vor dem Sarg her. 8 Junge Künstler trugen den Sarg. Göthe, unsere Familie, Riedel, Weyland, und die übrigen Freunde von Kraus folgten. Wir hatten für den braven Künstler zur Ruhestätte einen Plaz an der Kirchmauer zwischen L. Cranach u. Bode bekommen. Voigt sprach eine gute Rede bey dem Grabe, und Minchen Conta legte dem Entschlafenen noch einen frischen Lorbeerkranz auf den Sarg. C. Bertuch an Böttiger 13. 11. 1806 (LB Dresden, Böttiger 4° 10)
Am Sontag am 9" Nov. Nachmittag 3 Uhr wurde er [Kraus] feyerlich beerdigt . . . Hinter dem Sarge giengen als Leidtragende Goethe, unsere Familie, Weiland, Riedel, und die übrigen zahlreichen Freunde von Kraus. Christiana Kotzebue an A. v. Kotzebue Nov. 1806 (Kotzebue S. 70)
B 2 902 B 3 2312
Es wird Dich von Goethe freuen, dass er kurz nach der Plünderung, wie Krause begraben wurde, auf dem Kirchhofe zu mir kam, mich fragte wie es mir gegan174
Weimar
1806
gen, und wünschte, dass ich in sein Haus gekommen wäre. Er sei nicht ausgeplündert, weil er sich eine Sauve-garde, die ihm zwar viel gekostet, ausgebeten. Er habe bis auf den Wein doch das Seinige behalten, und bedauerte mich sehr freundschaftlich über meinen Verlust. 10. 11.
Tagebuch 10. 11. 1806 (WA III 3, 178)
Zu dem Erbprinzen, wo ich Prof. Meyer fand. Zur Prinzeß. Mittag Leg.Rath Bertuch und Familie, Major von Knebel und Familie, Mad. Schopenhauer, Dr. Müller, Dr. Voigt. Darmstädtscher Major zur Einquartierung. Abends zur Herzogin Mutter, wo der Prinz und Prinzessin waren. C. Bertuch, Tagebuch 10. 11. 1806 (*JSK NF 4, 96; GSA, Bertuch 3067)
Diner bey Goethe. Seine Frau — Knebels — Er hatte sich trauen laßen — der 14 Oct bezeichnet seine [n] Trauring. Lannes u. Augereau hatten bey Goethe logirt. Knebel, Tagebuch 10. 11. 1806 (GSA, Nachlaß Knebel)
Mittags bei Göthe sämtlich in grosser Gesellschaft. Abends bei der Herz.M. in Gesellschaft. Riemer, Aphorismen S. 292
B 2 903 B 3 2313
den 10. Nov. 1806. [Goethe:] „Qualis rex, talis grex paßt niemals mehr als jetzt, und miles gregarius versteht man jetzt, wovon es ausgeht. Es bemerkte Jemand sehr gut, daß Napoleon in seinem Zimmer wie ein Löwe oder Tiger in seinem Käfig unruhig auf und abgeht und sich dreht." Johanna Schopenhauer an A. Schopenhauer 14. 11. 1806 (Lütkehaus S. 118)
B 2 904 B 3 2314
Montag war ich mit Adelen zu Mittag bey Göthe die Gesellschaft war klein, ich, Bertuchs, Major Knebel mit seiner Frau aus Jena ein höchst interessanter Mann, der auch als Dichter bekannt ist, und seine Frau, und einige Fremde. Ich kann Göthen nicht genug sehen, alles an ihm weicht so vom gewöhnlichen ab, und doch ist er unendlich liebenswürdig, diesmahl habe ich ihn einmahl böse gesehen, sein Sohn, eine Art Taps, der aber im äußern viel vom Vater hat zerbrach mit großem Geräusch ein Glas, Göthe erzählte eben etwas, und erschrack über den Lärm so daß er aufschrie, ärgerlich darüber sah er den August nur einmahl an, aber so daß ich mich wunderte daß er nicht untern Tisch fiel, ein ausdruckvolleres mobileres Gesicht habe ich nie gesehen, wenn er erzählt ist er immer die Person von der er spricht, der Ton seiner Stimme ist Musick, jezt ist er alt aber er muß schön wie ein Apoll gewesen seyn. J. H. Voß d. j. an Friederike Griesbach 8. 12. 1806 (Voß 2 S. 79)
B 3 2316
Der Abschied aus dem Schillerschen Hause und von Göthe ist mir schwer geworden; ich habe in beiden Häusern so viel Freude und so viel Leid getheilt. Uberall, wo ich hinkam, fand ich Trauer über meinen Weggang, und das ging mir jedesmal sehr zu Herzen. 175
1806
Weimar J. H. Voß d. j. an Ungenannt 1 8 1 7 (?) (Graf 1 S. 113)
Β3 4412
Schmerzlich war es mir eine Zeit lang, daß Goethe mich so frostig entließ, und mir später nach Heidelberg hin nur so lange wieder herzliche Briefe schrieb, als sein Sohn hier war. Dann sagte ich mir: es ist doch besser, von Goethe mit Empfindlichkeit endassen werden, als mit Freude; er ist nun einmal so, daß ihn jedes Zerreißen eines Verhältnisses schmerzt u.s.w. J. H. Voß d. j. an B. R. Abeken 26. 4. 1807 (*Gräf' S. 104; LB Dresden, Ms e 97, 29)
Β3 2 3 1 6
Du fragst, wie ich Göthe verlassen konnte. Lieber Abeken, das ist auch schwer geworden, und auch ihm dem guten Vater, wie sein gerührter Blick und der lezte Kuß, den er mir auf die Backe drückte mir versichert haben. J. H. Voß d. j. an K. W. F. Solger 30. 7. 1807 (»Archiv 11, 134; SNM)
B3 2 3 1 6
Mit Göthe stehe ich in fortdauerndem Briefwechsel; schon 5 Briefe habe ich von ihm, und der alte Vater schreibt immer so herzlich. Ich weiß, er hat mich ungern verloren, er hat es mir selber gesagt, und die Thränen traten ihm in die Augen wie ich Abschied von ihm nahm. Nun hat er mir Hofnung gegeben, uns hier zu besuchen, und Ostern schickt er mir seinen Sohn zu. J. H. Voß d. j. an Schleiermacher 9. 12. 1806 (Aukt.-Kat. Liepmannssohn 4. 2. 1895, S. 75)
Göthe habe ich sehr wohl verlassen, aber angegriffen war auch er sehr in den unruhigen Tagen. Er arbeitet jetzt fleissig an seiner Optik, und zieht sich von allen öffentlichen Geschäften fast ganz zurück. Ich hoffe er wird diesen Sommer eine Reise zu uns machen, wenigstens nach Frankfurt, zu seiner alten und doch noch so jugendlichen Mutter. Elisabeth Goethe an Goethe 18. 11. 1806 (Pfeiffer-Belli S. 846)
Heute nur ein paar Zeilen an dem frohen Tag den mir Herr Voß und sein Begleiter Bein [Boie] gemacht da Sie mir von deinem und der deinigen Wohlbefinden die beste Nachricht gebracht haben. bis 10. 11. F. Boie an A. v. Goethe 19. 11. 1 8 1 0 (GJb 10, 82)
Erinnert sich der Vater noch des damals kleinen Boie, so bitte ich ihm neben einer Empfehlung und Danksagung für die vielen in seinem Hause genossenen angenehmen Stunden, noch eine besondere für die außer demselben verursachten abzustatten. F. Boie an Goethe 27. 9. 1828 (Ring. Br. 1828, 511)
Bei der diesjährigen Versammlung der Naturforscher ist Ew. Exellenz so oft gedacht worden, daß ich es für natürlich und daher nicht für unpassend halten darf Ihnen den Namen eines damals jungen Mannes ins Gedächtniß zurück zu rufen, der im Jahre 1806 während verhängnißvoller Tage und nachher eine Aufnahme unter Ihrem gastfreundlichen Dache fand, und sich jener Vergangenheit eben in diesen Tagen erinnern mußte.
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1806
Weimar J. H. Voß d. j. an Goethe 7. 12. 1806 (GJb 5, 50)
B 2 855a B 3 2792
Sie . . . haben mich freundlich und väterlich aufgenommen, und nachher stets zu allem Guten mich aufgemuntert. Sie haben viel an mir gethan . . . Sie haben mir durch Ihr Zutraun, durch Ihre Liebe ein unschäzbares Geschenk gemacht . . . Sie sagten einmal, Heidelberg sei ein lieblicher Ort für dreitägigen Aufenthalt. Ernestine Voß an Goethe 20. 4. 1826 (GJb 5, 94)
Wir haben damals tröstend empfunden, das Göhte diesen seltenen der unser Sohn war, nicht bloss seines Herzens wegen geliebt, sondern auch sein reges Streben überall anerkannt und geschäzt hat. — Und wie glücklich hat ihn die wahrhaft väterliche Liebe und Leitung die er Jahre in Ihrem Hause fand, bis zu seinem scheiden gemacht. Ernestine Voß, Uber Voßens Verhältnis zu Schiller und Goethe (Voß 1 3 2 , 66)
Gegen unsern Sohn in Weimar blieb der väterliche Ton nicht bloß in wissenschaftlichen, sondern auch in persönlichen Verhältnissen. So zeigte er ihm bei einem schmerzhaften Lippenübel die herzlichste Theilnahme, die sich so weit ausdehnte, daß er gerne mit beitrug, ihn aufzuheitern und vor ängstlicher Sorge zu bewahren. Sehr billigte er es, daß der Sohn seine Stelle aufgab und nach Heidelberg zog, um seine Gesundheit zu stärken. Ernestine Voß an Charlotte v. Schiller 9. 3. 1823 (Urlichs 1 3, 200)
B 2 833a B 3 2793
Wie lebhaft dachten wir in dieser Zeit [von Goethes schwerer Erkrankung 1823] jeder schönen Stunde, die wir ihm danken, jedes Zeichens der Liebe, wodurch er unsers Sohnes Herz an sich gefesselt. J. H. Voß d. j. an B. R. Abeken 3. 2. 1820 f G r ä f 1 S. 32; LB Dresden, Ms e 97, 94)
Β 3 7284
Als ich das Bild [Fouqués] zu Tische brachte, fing mein Vater zu peroriren an, wie ehemals Göthe über eine Fledermaus, die im Schillerschen Gartenhaus gefangen u. auf ein Brett genagelt ward. Dieser hochdeutsch, jener plattdeutsch. „Keerl", sagte er, „wo sühst du ut, du Apengesicht. . ." Nur Schade, daß man dergleichen [ein kritisierender Ausruf des alten Voß: „Lewe Gott!"] nicht gut drucken kann, so wenig als Göthens Mienenrecensionen, von denen mir noch viele vorschweben. J. H. Voß d. j. an B. R. Abeken 28. 5. 1818 ("Graf 1 S. 112; LB Dresden, Ms e 97, 84)
Β 3 4077
In dieser Zeit ist mir Göthes Wort zu mir: „Nicht begreifen könnt' ichs, wie ein Mensch so viel Geist haben kann [wie Shakespeare], wenn ichs nicht erlebt hätte" — recht klar geworden. J. H. Voß d. j. an Chr. v. Truchseß 24. 10. 1813 (Voß 3 S. 43)
Göthe lachte recht, als ich ihm einmal sagte: „Und betrachten Sie nur die Anne Page; sie ist ein munteres Ding von 18 Jahren, aber sie wird vor dem 30sten Jahre eine vollkommene Philistine sein". 177
1806
Weimar J. H. Voß d. j. an Chr. Niemeyer 2. 7. 1806 (Zeitgenossen 3 II, S. 96)
Mein „Lear" und „Othello" sind beide gedruckt. . . Ich lege nur einen Werth darauf, weil die Arbeit Göthe'n Freude gemacht hat. J. H. Voß d. j. an B. R. Abeken 26. 4. 1807 (»Graf 1 S. 101; LB Dresden, Ms e 97, 29)
Β 3 2301
Göthe wird die Eugenie gewiß nie fortsezen. Außer Hermann und Dorothea habe ich nichts durchgesehen. Nur Schade, daß ich nicht dazu gekommen bin, sie noch einmal mit ihm gemeinschaftlich durchzusehn. Das wollten wir immer, aber in der lezten Zeit hat meine Lippe mich abgehalten. J. H. Voß d. j. an Goethe 21. 1. 1808 (GJb 5, 54)
Noch erinnere ich mit Freuden der wenigen Worte, die Sie mir sagten, als ich meine erste Probe aus dem Prometheus vor einigen Jahren in die Jen. L. Zeitung hatte einrücken lassen. J. H. Voß d. j. an B. R. Abeken 4. 1. 1 8 1 3 (»Graf 1 S. 120; LB Dresden, Ms e 97, 64) Β 2 811a Β 3 2039
Göthe's Leben, Th. 2, habe ich bis zur Hälfte gelesen, und mit großem Vergnügen, bis auf die Sacramente, in deren allegorischen Darstellung er offenbar dem Zeitgeiste huldigt. Lieber Gott, wie ganz anders habe ich darüber Göthe r e d e n gehört. . . Die Geschichte von Gottsched kannte ich schon aus s. Munde; sie ist mit Gold nicht zu bezahlen. J. H. Voß d. j. an Riemer 8. 3. 1806 (GSA, Riemer 1248)
Er [Goethe] hat ihn [H. Chr. Boie] einmal „eine Stufe der deutschen Literatur" genannt. J. H. Voß d. j. an B. R. Abeken 12. 7. 1822 (»Graf 1 S. 165; LB Dresden, Ms e 97, 107) Β 2 690 Β 3 2089
Göthes Aufsaz über den Calderón ist, bei aller Einseitigkeit, die diesmal in seinem Plane lag, höchst treflich. Nur in Einem Punkte hat Göthe unrecht, und Du, liebster Abeken, mit ihm. Wie kommt ihr dazu, die Andacht zum Kreuze unter die (ich will der Kürze wegen sagen) papistischen Stücke zu zählen? Ich habe sie von Neuem gelesen, und sie in der That höchst unschuldig gefunden. Es wird darin gar kein dogmatischer Glaube in Anspruch genommen, sondern bloß ein poetischer, wie bei Macbeths Hexen. Ich weiß auch bestimmt, daß Göthe ehemals ganz anders über das Stück dachte, und Schiller mit ihm. J. H. Voß d. j. an K. W. F. Solger (?) 8. 10. 1806 (?) (Archiv 11, 131)
Neulich erhielt ich von diesem Jakobi [Max Jacobi] eine Bitte, ihn in der Jenaischen zu recensiren. Er fragte ganz kläglich an, ob es denn wirklich so wäre, daß ein Uebersetzer des Thucidides sich in Johannes von Müllers Sprache hinein studiren müsse? In diesem Punkte hat ihm der Hall: Ree. wohl Unrecht gethan . . . Aber Jakobi hat gar nicht unsere Sprache studirt, er hat den Thucidides in das Norddeutsche übersetzt. Ich werde ihn nicht recensiren; das harte Urtheil, was ich sprechen würde, mag ein anderer sagen. Göthe fragte mich 178
Weimar
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einmal, ob M. Jakobi seine Sache einigermaßen gemacht habe. „Schlecht!" sagte ich. — Das thut dem guten Papa leid, denn Jakobi ist sein Neffe, aber er meint doch, Jakobi hätte davon bleiben können. — Seit Schillers Tod zerfällt unsere Bühne. Göthe erlaubt die Gesundheit nicht, viel anzuordnen, zumal da die Schauspieler nur des Winters hier sind. J. H. Voß d. j. an F. Diez 14. 6. 1819 (Aukt.-Kat. Stargardt 645, 213)
. . . Wenn von Unverständlichkeit die Rede ist, frag' ich: Wem unverständlich? Der matten Fantasie? Dem langsamen Ohre? Dies hat gar kein Stimmrecht; in ihm gefrieren die Gedanken, wie in Münchhausens Waldhorn: was dem seligen Historiker Heinrich in Göthes Gegenwart einmal begegnete. Göthe war ungemein wizig, u. alles lachte um ihn; nur Heinr. saß nachdenkend. Nach einer Stunde als wir übrigen zum Ernst zurückgekehrt waren, fing er an unmäßig zu lachen: Der Wiz war unterdeß in ihm aufgethaut. J. H. Voß d. j. an Goethe 28. 7. 1820 (GJb 5, 86)
Vor vielen Jahren sprachen Sie während dem Essen über die sonderbaren Spiele des Zufalls. 11. 11.
Tagebuch 11. 11. 1806 (WA III 3, 179)
Ging Dr. Voigt nach Jena. Darmstädtscher Major zu Tische. 12. 11.
Tagebuch 12. 11. 1806 (WA III 3, 179)
Kupferstecher Müller, Mustertafeln. Major von Knebel. Nach Tische Prof. Meyer. . . Abends bey Mde Schopenhauer mit Fernow, Meyer, Riedel, Schütz. Später bey der Herzogin Mutter. St. Schütze, Tagebuch 12. 11. 1806 (JSK NF 4, 96)
Mittwoch. Fernow holt mich nach 5 Uhr ab zur Schopenhauer, wo sich Ridel, Meyer und Goethe befinden. Er stellt mich G. vor. St. Schütze, Die Abendgesellschaften der Hofrätin Schopenhauer (Weimars Album S. 186) B 2 1569 B 3 2315
Die Gesellschaft nahm — den 12. November 1806 — einen ganz kleinen Anfang. Wie Fernow, der schon früher die Bekanntschaft der Frau Schopenhauer gemacht hatte, mich gegen Abend dazu abholte, fand ich Goethe, Meyer und den Kammerrath Ridel (den früheren Erzieher des Erbprinzen, jetzigen Großherzogs). Ich fühlte mich um so mehr beglückt, hier Goethe'n vorgestellt zu werden, da ich bisher vergebens darnach gestrebt hatte, denn damals war er lange nicht so zugänglich, wie in späterer Zeit, so wie denn überhaupt der spätere Goethe sich viel milder und mittheilender bewies, als der frühere. — Fünf Personen saßen denn also um die Schopenhauer her, die in stiller Geschäftigkeit hinter der Theemaschine ihr Amt als Wirthin verwaltete, während ganz gemächlich wissenschaftliche Gespräche geführt wurden. Die Unterhaltung verbreitete sich über Italien, die Italienische Sprache und ihre verschiedenen Dialekte, über welche Fernow nach vielen mit Fleiß angestellten Nachforschun179
1806
Weimar gen seine Bemerkungen mittheilte. Man blieb indeß immer nur bei Erfahrungssätzen stehen, auf ästhetische oder philosophische Betrachtungen, auf die ich am meisten begierig war, ließ man sich nicht ein. Um endlich doch auch etwas zu sagen, faßte ich mir ein Herz und äußerte gegen Goethe, da man seines Egmont's erwähnte, daß die Lichterscheinung Klärchens zuletzt dem Stück erst eine höhere Bedeutung gäbe, indem sie das Verdienst Egmont's um die ganze Nation der Niederländer in seinen Folgen ausspräche. Schiller hatte sich, wie bekannt, g e g e n die Erscheinung erklärt. Goethe lobte mich über mein Lob und sagte, daß er das Stück a u c h nicht ohne die Erscheinung sehen möchte. Damit war denn meine geistige Bekanntschaft mit Goethe eröffnet. Ein ängstliches Gefühl beschlich mich aber, wenn ich auf die Wirthin blickte, die man so wenig in's Gespräch zog. Johanna Schopenhauer an A. Schopenhauer 14. 11. 1806 (Lütkehaus S. 118)
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Mittwoch Abend kam Göthe, Fernow, Meyer, Ridel u ein junger Dichter D. Schütze der Göthen noch nicht ansichtig werden konnte, und sich deßhalb bey mir einführen ließ. Göthe war in einem seltnen Humor, eine Aneckdote jagte die andre, es war ganz prächtig, wir haben einige mahle so gelacht daß die Leute auf der Straße still gestanden wären, wenn es dergl hier gäbe . . . Du siehst wohl daß es mir hier gefallen muß, die leichte Art mit der ich die vorzüglichsten Menschen für mich interessirt habe ist mir selbst ein Wunder, ich habe noch keine Visite gemacht, alles ist so ganz von selbst gekommen. Alle Sonntag u Donnerstag von 5 bis gegen 9 werden sich meine Freunde bey mir versammeln, was an interessanten Fremden herkommt wird mitgebracht, ich habe Göthe den Plan gesagt, er billigt ihn u will ihn unterstüzen, ich gebe Thee, nichts weiter, das übrige Vergnügen muß von der Gesellschaft selbst entstehen, wärst Du doch hier, lieber Arthur, welchen Wehrt könnte grade dieser Zirkel für Dich haben! Göthe, Meyer, Fernow, Schüze, Md. Ludekus, Conta u die Schwester, Bertuchs, Falks, Riedels, Weylands, sind vors erste eingeladen, die übrigen werden sich von selbst finden, Kosten macht das Ganze gar nicht, und unendlich viel Freude. Es fehlt hier an einem VereinigungsPuncte, und sie sind alle froh, ihn bey mir zu finden . . . Sophie verdient alles was Du von ihr sagst, auch ist sie durch ganz Weimar berühmt, Göthe macht ihr fast jedesmahl wenn er herkommt eine kleine Visite in ihrem Zimmer das er prächtig zu finden weiß, und spricht mit ihr. 15. 11.
Tagebuch 15. 11. 1806 (WA III 3, 179)
Bey der Herzoginn Mutter 16. 11.
war Mounier daselbst.
Tagebuch 16. 11. 1806 (WA III 3, 179)
Mit Voigt wegen der eingegangnen Ordres und Befehle die neue Einrichtung betr. Der Blessirte Officier [Η. ν. Boyen?]. 17. 11.
Tagebuch 17. 11. 1806 (WA III 3, 179)
Major v. Hendrich kam von Magdeburg zurück. Abends Erzählung seiner Abentheuer.
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1806 18. 11.
Weimar Tagebuch 18. 11. 1806 (WA III 3, 179)
Dem. Huber von Jena Ging Maj. v. Hendrich ab ter. Astronomica zur Ableitung der Politicorum. Riemer, Aphorismen S. 293
Abends bey der Herz. MutB 2 905 B 3 2 3 1 8
den 18. Nov. 1806. [Goethe:] „Der Freiheitssinn und die Vaterlandsliebe, die man aus den Alten zu schöpfen meint, wird in den meisten Leuten zur Fratze. Was dort aus dem ganzen Zustand der Nation, ihrer Jugend, ihrer Lage zu andern, ihrer Cultur hervorging, wird bei uns eine ungeschickte Nachahmung. Unser Leben führt uns nicht zur Absonderung und Trennung von andern Völkern, vielmehr zu dem größten Verkehr; unsere bürgerliche Existenz ist nicht die der Alten; wir leben auf der einen Seite viel freier, ungebundener und nicht so einseitig beschränkt als die Alten, auf der andern ohne solche Ansprüche des Staats an uns, daß wir eifersüchtig auf seine Belohnung zu seyn Ursache und deswegen einen Patricieradel zu souteniren hätten. Der ganze Gang unserer Cultur, der christlichen Religion selbst führt uns zur Mittheilung, Gemeinmachung, Unterwürfigkeit und zu allen gesellschaftlichen Tugenden, wo man nachgiebt, gefällig ist, selbst mit Aufopferung der Gefühle und Empfindungen, ja Rechte, die man im rohen Naturzustande haben kann. Sich den Obern zu widersetzen, einem Sieger störrig und widerspenstig zu begegnen, darum weil uns Griechisch und Lateinisch im Leibe steckt, er aber von diesen Dingen wenig oder nichts versteht, ist kindisch und abgeschmackt. Das ist Professorstolz, wie es Handwerksstolz, Bauernstolz und dergleichen giebt, der seinen Inhaber ebenso lächerlich macht, als er ihm schadet." Riemer (JbGG NF 32, 275)
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d. 18. November 1806. [Goethe:] „Jetzt gilt es nicht trotzig, auch nicht verzagt, sondern pfiffig zu sein. Es gereicht uns nicht zur Ehre, daß wir uns haben überwinden lassen (der Sieg spricht es nun einmal aus, was nicht mehr zu ändern ist, und es findet keine Selbsttäuschung über unser Vermögen und Können statt.) Aber wahrlich noch weniger, wenn wir den Trotz, die Entgegensetzung, die uns vor der Uberwindung geziemt hätte, jetzt in der Ohnmacht fortsetzen, wodurch wir uns im Innern nur umso fruchdoser erbittern und unsre noch leidlich mögliche Existenz aufheben. Wer größer ist, als ich, ist und bleibt es, wenn ich auch noch zwanzig aufweisen könnte, die größer sind als er. Es ist aber der kindisch egoistische Widerspruchsgeist im Menschen, daß er gegen sich selbst zerstörend verfährt, nur um ein anderes nicht über sich zu leiden. Lobt man ein bestimmtes, so weiß er gleich noch ein andres darüber aufzustellen, um jenes zu vernichten; tadelt man etwas, so steigt er gleich einige Stufen tiefer, um zu zeigen, daß es noch vieles unter jenem gebe, und so dies zu entschuldigen, ja zu erheben." (vor?)
Charlotte v. Stein an F. v. Stein 19. 11. 1806 (Rohmann S. 129)
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Goethe läßt Dir Glück wünschen zum neugebohrenen Sohn, es schien ihm zu freuen, seine Besuche sind mir nicht wohlthätig, ich kan nicht offen gegen ihm 181
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seyn, manchmahl ist er ganz wie verrückt und nicht allein mir kommt er so vor sondern mehreren Menschen. 19. 11.
Tagebuch 19. 11. 1806 (WA III 3, 179)
Abends Thee bey der Reg. Herzogin. Commissaire Villain und Mounier. 20.11.
Riemer (*JbGG NF 32, 275; G S A , Riemer 1186)
B 2 907 B 3 2321
Nov. 1806 Aus einem Gespräch mit G. der Hauptidee nach. Der Streit, ob die männliche Schönheit, in ihrer Vollkommenheit, oder die weibliche in ihrer Art, höher stehe, kann nur aus der größern oder geringem Annäherung der männl. oder der weibl. Form an die Idee geschlichtet werden. Nun reicht die männl. aber mehr an die Idee: denn in ihr hört das reale auf. Die Männerbrust ist keine Brust mehr: Des Weibes Brust ist ein reales, denn sie säugt damit. Die Zeugungstheile des Mannes sind nicht so in die Organisation des übrigen integrirend als bey dem Weibe. Ihr Geschäft ist blos begeistend: denn was der Mann auch dabey thun mag, wir wissens ja so nicht, ist ja doch nicht so real wie des Weibes Antheil, das die Keime hergiebt. Des Weibes innere Organisation ist zum Zeugen eingerichtet, sie ist darauf angewiesen und wartet darauf, und ist nichts, wenn sie nicht gebiert. Der Mann braucht's nicht, wenn er nicht will. Des Mannes Bildung geht offenbar über [die] des Weibes hinaus; sie ist keinesweges die vorletzte Stufe. Des Mannes Brust ist nicht etwa die Andeutung zu der drauffolgenden Weiberbrust, sondern die Weiberbrust, die von den Zitzen der Thiere heraufgekommen ist, ob sie gleich in dieser Doppelgestalt ihre höchste Schönheit erreicht hat, geht im Manne über den Zweck hinaus: denn er säugt ja nicht; sondern ist mehr ein Schmuck, und Hindeutung auf eine höhere Bedeutung. Die Genitalien sind ihm gleichsam nur angehängt als zu einem untergeordneten Geschäft. Er verliert nichts dadurch wenn er auch keinen Gebrauch davon macht. Er hat sie nicht zur hauptsächlichsten Bestimmung und zum telos; aber das Weib ist ein organisirtes Gebähren, das Organ des Gebärens. Des Mannes τέλος ist viel idealer und geistiger. Und sein Verdienst besteht im Ideellen und Geistigen Wirken. Riemer, * Aphorismen S. 298 (GMD, Kasten Goetheana)
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d. 20. Nov. 1806. [Goethe:] Obgleich die Natur einen bestimmten Etat hat von dem [sie] zweckmäßig ihre Ausgaben bestreitet; so geht die Einnahme doch nicht so genau in der Ausgabe auf, daß nicht etwas übrig bliebe, welches sie gleichsam zur Zierde verwendet. Die Natur, um zum Menschen zu gelangen, führt ein langes Praeludium auf von Wesen und Gestalten, denen noch gar viel zum Menschen fehlt. In jedem aber ist eine Tendenz zu einem andern, was über ihm ist, ersichtlich. Die Thiere tragen gleichsam das, was hernach die Menschenbildung gibt, recht zierlich und schön geordnet, als Schmuck, zusammengepackt (als Windeln wie G. sagt) in den unverhältnißmäßigen Organen, als da sind Hörner, lange Schweife, Mähnen usw., welches alles beym Menschen wegfällt, der schmucklos 182
Weimar
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durch sich selbst schön und in sich schön, vollendet, dasteht; der alles was er hat auch ist, wo Gebrauch, Nutzen, Notwendigkeit und Schönheit alles Eins ist, und zu Einem stimmt. D a beym Menschen nichts überflüssiges ist, so kann er auch nichts entbehren, und verlieren; und was er verliert kann er deswegen auch nicht ersetzen, (Haare und Nägel ausgenommen, und die geringe Reproductionskraft in Rüksicht auf Haut, Fleisch und Knochen). Dagegen bey andern Thieren, und je niedriger die Thiere stehen, die Reproductionskraft ebenso wie die Zeugungskraft größer ist. Die Reproductionskraft ist nur eine unabgelöste Zeugung, und umgekehrt. 21. 11.
Tagebuch 21. 11. 1806 (WA III 3, 180)
Oberforstmstr ν Fritsch 22. 11.
Tagebuch 22. 11. 1806 (WA III 3, 180)
Reg.R. Lauhn vor 23
·
23. 11.
Abends bey der Herzoginn Mutter Derselbige.
Prof Meyer wegen der Academie der Zeichnungen.
Riemer, »Aphorismen S. 297 (GMD, Kasten Goetheana)
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Nov. 1806. [Goethe:] Die Weiber haben das Eigene, daß sie das Fertige zu ihren Absichten verarbeiten und verbrauchen. Das Wissen, die Erfahrungen des Mannes nehmen sie als ein Fertiges und schmücken sich und andres damit. Nicht die Raupe zu erziehen, das Cocon abzuhaspeln, die Seide zu spinnen, zu färben und zu appretiren; sondern sie zu Blumen zu versticken, oder im schon gewebten Stoffe sich damit zu putzen, ist im allegorischen Sinne dieses Bildes ihre Sache. Daher folgen sie dem Manne nicht in seiner Deduction und Construction, ob sie ihnen schon manchmal artig vorkommen kann; sondern sie halten sich an das Resultat; und wenn sie ihm auch folgen, so können sie ihm doch darin nicht nachahmen und es in anderm Falle wieder so machen. Der Mann schafft und erwirbt, die Frau verwendet's das ist auch im intellectuellen Sinne das Gesetz unter dem beyde Naturen stehen. Daher muß man einer Frau das Fertige geben; und aus eben dieser Ursache sind sie das wünschenswertheste Auditorium für einen Dogmatiker der nur Geist genug hat das was er ihnen sagt, angenehm und sinnlich ergreifbar zu sagen. Das Positive lieben sie in diesem Falle, solche Undulisten sie auch in andern Rücksichten seyn mögen. Tagebuch 23. 11. 1806 (WA III 3, 180)
Mittag zu Tische: Dem. Hufeland, Bardua und Hr. Hasse. Abends bey Madam Schopenhauer. Caroline Falk an Falk 22. (vielmehr: 23.) 11. 1806 (GMD, Falk III)
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So eben komme ich von der Schoppenhauern, die dich recht freundlich grüßen läßt. Ich fand daselbst wieder eine recht artige Gesellschaft, unter andern den Geheimerath ν Göthe, der sich angelegentlich nach dir erkundigt hat, wir haben eine ganze weile zusammen über dich, und dein jetziges Geschick [als Dolmetscher in Naumburg] gesprochen: er lobte dich aus dem Grunde heraus, und 183
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Weimar erinnerte sich dabey mit vieler Heiterkeit der angenehmen Stunden welche du ihm nach deiner Wiener Reise [1803], durch Mittheilung so mancher Beobachtungen gemacht hättest. Er meinte dir würde das Geschäfft um so vieles leichter werden, weil du die Gabe hättest die Dinge alle heiter zu nehmen, u du zugleich immer für dich Beobachtungen machtest kurz wir haben eine ganze, ganze weile zusammen gesprochen, dabey saß er am Tisch, u zeichnete u tusch[t]e kleine Landschaften Uber Runge mit seinen Blumentalent wurde auch gesprochen letzterer hat ihn nehmlich einen Kranz mit der Scheere ausgeschnittener Bluhmen, von der größten Zierlichkeit geschickt, welches er für Göthe zu einen Ofenschirm bestimmt hatte. Zugleich habe er ihm auch mit der größten Naivität detailliert, daß er Hausblase dazu nehmen müßte, um es auf braunes Papier zu kleben wovon er die Probe auch beygelegt hatte, kurz Göthe war enscharmiert von Runge, und wie die Schoppenhauern nachher sagte: auch von mir., welches Letztere ich aber nicht nachsagen will — . . . Professor Fernow, den ich gestern bey der Schoppenhauern sprach, erkundigte sich, ob dir noch nichts fixes an Gehalt bestimmt wäre, ich sagte Nein, bis jetzt noch nicht, das würde sich ja schon finden so erwiederte er: er habe es dir neulich schon sagen wollen du mögtest dich da mit dem Intendanten setzen, kurz er gab zu verstehen damit du nicht etwa nachher für alle Mühe u Arbeit mit leeren Händen zurück gehen müßtest. Dieß Glaube ich aber von Hrr Willain nicht, so sieht er nicht aus. Ueberhaupt lobte ihn Göthe sehr, es wäre ein Mann von Kopf, spräche sehr gut, sey fest, und zu einen solchen Platz gehöre ein Mann von solchem Charakter. Kurz er scheint hier sehr wohl gefallen zu haben. St. Schütze, Tagebuch 23. 11. 1806 (*JSK NF 4, 96; GMD)
Thee der Schopenhauer], Goethe kommt später — er zeichnet nachher. Versteckte Entschuldigung, daß er mir nicht geantwortet. C. Bettuch, Tagebuch 23. 11. 1806 (*JSK NF 4, 96; GSA, Bettuch 3067)
Den Abend zur Schoppenhauer. Göthe war da. — Mit großer Leichtigkeit entwarf er 4 Ideen zu Landschaften, die voller Poesie waren. Alles ist traurig u. in sich gekehrt in Weimar. 24. 11.
Tagebuch 24. 11. 1806 (WA III 3, 180)
Mittags bey der Herzogin Amalia. Abends General Borrel zur Einquartierung. 25. 11.
Tagebuch 25. 11. 1806 (WA III 3, 180. 438)
Mittag Capitän Barcelle. Abends bey der Herzogin Mutter zur Assemblee. An Knebel 26. 11. 1806 (WA IV 19, 234)
Von deiner Fräulein Schwester vernahm ich gestern, daß du nicht ganz wohl seyst. 26. 11.
Tagebuch 26. 11. 1806 (WA III 3, 180)
Abends bey der Herzogin Mutter. 184
Weimar
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Riemer, *Mittheilungen 2, 697 (Pollmer 2 S. 112)
B 2 915 B 3 2325
26. Nov. 1806. „Die Erscheinung, daß der Mensch, zu Behauptung seiner Freiheit, den Gegensatz des Gegebenen selbst hervorruft, diese Erscheinung zeigt sich auch im Physischen, wo das Auge den Gegensatz einer gegebenen Farbe selbst hervorbringt, und mit dem Gegebenen und dem selbst Hervorgebrachten die Totalität abschließt." Nach Goethes Bemerkung. 6./26. 11. Bericht für die Akten der Freien Zeichenschule 27. 11. 1806 (WA IV 30, 92)
Unterzeichneter [Goethe] nahm Gelegenheit mit Herrn Professor Meyer zu besprechen und zu überlegen, was allenfalls künftig zu thun seyn möchte. Indessen war der Tod des Rath Kraus erfolgt und ich begab mich am 26. November auf die Zeichenschule, wo mir beyliegende Liste überreicht wurde, welche die Namen von 149 Schülern enthält. 27. 11.
Tagebuch 27. 11. 1806 (WA III 3, 180)
Abends bey Madam Schopenhauer. St. Schütze, Tagebuch 27. 11. 1806 ( * J S K N F 4, 96; G M D )
Donnerst, bei der Schopenhauer], Goethe mit s. Frau und mit Riemer. Conta, die Hofmed. Herder. Weiland mit s. Frau und die gewöhnl. Goethes Erzählungen, Sprechen über Weihe der Kraft [von Z. Werner], Auslegung des Titels. Riemer an C. F. E. Frommann 29. 11. 1806 (*Frommann S. 90; G S A , Frommann 41)
Also vom The littéraire! [bei Johanna Schopenhauer] . . . Das mittelste Zimmer ist das Entreezimmer, das eine rechts das Theezimmer das andre links, nebst dem mittelsten um sich zu ergehen. Sie treten ein u finden eine Versammlung von Männern zunächst, und dann um den Theetisch die Damen. Goethe Meyer, Fernow, Schütz, Weiland, Conta sind die gewöhnlichen Besucher. Damen sind die Hofr. Ludecus D. Herder, Mlle Conta, Bardua etc. Man nimmt Thee auch Zwieback u. Butterbrodt, man schwatzt von novis von politischen u. literarischen; man zeichnet, man spielt Clavier, u singt. Um 6 geht man hin, um od. nach 8 schleicht man sich wieder fort. St. Schütze, Die Abendgesellschaften der Hofrätin Schopenhauer (Weimars Album S. 200) B 2 916 B 3 2327
Zu den ausgezeichneten Fremden in unserer Gesellschaft war endlich noch besonders Zacharias Werner zu rechnen. Goethe hatte vor seinem Auftritt schon öfters über sein halb mystisches, poetisch-praktisches Poetisiren gespottet, auch mich, da ich damals nicht selten in scherzhaften Aufsätzen über Zeit- und Literatur-Ereignisse mich belustigte, mit Andeutungen ermuntert, ihn und besonders 27. 11.
Riemer an C. F. E. Frommann 27. 11. 1806 (Heitmüller S. 86) Heute Abend gehe ich mit G. zum erstenmal zu Md c Schoppenhauer.
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Weimar seinen Luther zu persifliren. Er hatte auch eines Abends (den 27. November 1806) zu einer ausführlichen Erörterung der Gesellschaft die Frage vorgelegt, welchen Sinn der Titel von Werner's Luther: „Weihe der Kraft," wohl haben möchte. Jeder sollte seine Meinung sagen, ob eine geweihte Kraft, oder eine Weihung der Kraft, oder eine Weihung d u r c h die Kraft, oder was sonst darunter zu verstehen sei. Seine Absicht ging indeß weniger dahin, jene Worte erklärt zu wissen, als darüber zu scherzen.
23. u. 27 11
Johanna Schopenhauer an A. Schopenhauer 28. 11. 1806 (Lütkehaus S. 123)
B 2 917 B 3 2326
Ich lebe hier immer sehr häuslich und sehr froh, Göthe war Sonntag und gestern Abend bey mir, der Zirkel der sich Sonntags u Donnerstags um mich versammelt hat wohl in Deutschland und nirgends seines gleichen, könnte ich dich nur einmahl herzaubern! Göthe fühlt sich wohl bey mir und kommt recht oft, ich habe einen eignen Tisch mit ZeichenMaterialien für ihn in eine Ecke gestellt, diese Idee hat mir sein Freund Meyer angegeben, wenn er dann Lust hat so sezt er sich hin und tuscht aus dem Kopfe kleine Landschaften, leicht hingeworfen nur skizirt, aber lebend und wahr wie er selbst und alles was er macht. Welch ein Wesen ist dieser Göthe, wie groß und wie gut. D a ich nie weiß ob er kommt so erschrecke ich jedes mahl wenn er ins Zimmer tritt, es ist als ob er eine höhere Natur als alle übrigen wäre, denn ich sehe deudich daß er denselben Eindruck auf alle übrigen macht die ihn doch weit länger kennen und zum Theil auch weit näher stehen als ich. Er selbst ist immer ein wenig stumm, und auf eine Art verlegen wenn er kommt bis er die Gesellschaft recht angesehen hat um zu wissen wer da ist, er sezt sich dann immer dicht neben mir etwas zurück so daß er sich auf die Lehne von meinem Stuhl stüzen kann, ich fange dann zuerst ein Gespräch mit ihm an, dann wird er lebendig, und unbeschreiblich liebenswürdig, es ist das vollkommenste Wesen das ich kenne, auch im Äußern, eine hohe schöne Gestalt die sich sehr gerade hält, sehr sorgfältig gekleidet, immer schwarz oder ganz dunckelblau, die Haare recht geschmackvoll frisirt und gepudert wie es seinem Alter ziemt, und ein gar prächtiges Gesicht mit zwey klaren braunen Augen die mild und durchdringend zugleich sind, wenn er spricht verschönert er sich unglaublich, ich kann ihn dann nicht genug ansehen, er ist jezt etwa 50 Jahre alt, was muß er früher gewesen seyn. Er spricht von allem mit, erzählt immer zwischen durch kleine Aneckdoten, drückt niemanden durch seine Größe, er ist anspruchslos wie ein Kind, es ist unmöglich nicht Zutrauen zu ihm zu fassen wenn er mit einem spricht, und doch imponiert er allen ohne es zu wollen. Leztens trug ich ihm seine Tasse Thee zu, wie das in Hamburg gebräuchlich ist, damit sie nicht kalt würde, und er küßte mir die Hand, in meinem Leben habe ich mich nicht so beschämt gefühlt, auch alle die in der Nähe waren sahen mit einer Art Erstaunen zu, es ist wahr er sieht so königlich aus, daß bey ihm die gemeinste Höflichkeit wie Herablassung erscheint und er selbst scheint das gar nicht zu wissen, sondern geht so hin in seiner stillen Herrlichkeit wie die Sonne. Dann ist immer Meyer u Fernow da, beyde auch gar interessant, jeder anders, Meyer ein Schweizer. Fernow ist mein Liebling, er kommt alle morgen mir italienisch zu lehren, ich freue mich immer 186
1806
Weimar darauf, dann kommen die Bertuchs, D. Schütze ein sehr mittelmäßiger Dichter aber sonst sehr gescheidt, Dr. Riemer der bey Göthe im Hause ist, auch ein sehr gebildeter guter Kopf, dies sind die HaubtPersonen, meine gute Ludekus nicht zu vergessen die unter dem Namen Amalie Berg manchen recht hübschen Roman geschrieben hat, und noch verschiedne NebenPersonen die anderswo HaubtPersonen wären, um halb sechs versammeln sie sich, wir trincken Thee, plaudern, neue Journale, Zeichnungen, Musikalien werden herbeygeschaft, besehen, belacht, gerühmt, wie es kommt, alle die was neues haben bringen es mit, die Bardua zeichnet irgend einen als Karrikatur, Göthe sizt an seinem Tischchen, zeichnet u spricht, die junge Welt musicirt im Nebenzimmer, wer nicht Lust hat hört nicht hin, so wirds neune und alles geht aus einander und nimmt sich vor nächstens wieder zu kommen. Das ist das wahre Leben, nicht wahr? Wieland habe ich gesehen . . . Da er ohne Spiel nicht leben kann, so wird er bey mir seine Rechnung nicht finden, denn in meinem Zirkel spielt niemand, auch weicht er Göthen sehr an Interesse.
28. 11.
Tagebuch 28. 11. 1806 (WA III 3, 180)
Nach Tisch Gores Prospecte, durch die camera obscura gezeichnet, besehen. Abends bey Herrn von Fritsch. Johanna Schopenhauer an A. Schopenhauer 8. 12. 1806 (Lütkehaus S. 126)
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Vors erste schrieb ich dir den Tag, wie ich bey der Frau v. Fritsch seyn sollte, ich hoffte Wieland dort zu finden, er war nicht da, aber Göthe, er war wieder liebenswürdig aber doch nicht so wie bey mir. 29. 11.
Tagebuch 29. 11. 1806 (WA III 3, 180)
Abends bey der Herzogin Mutter, nachher bey Egloffstein. Der Hofmarschall war zurückgekommen. C. Bertuch, Tagebuch 29. 11. 1806 (JSK NF 4, 96)
Besuch bey Göthe, dem ich die Platte des Prisma gab. Luise v. Göchhausen an Knebel 29. 11. 1806 (Aukt.-Kat. Boerner 95, 128)
Heute Abend kommt Prinzesschen u. die Henriette wären Sie doch auch da! Goethe kommt alle Abend. Anna Amalia an Luise v. Knebel 29. 11. 1806 (GSA, Knebel 482)
Er [der kranke Knebel] hat an Göthe einen rechten ordentlichen Brief geschrieben der mir sachte, er were nicht so schlim . . . Goethe ist fast alle Abend bey mir u spricht nichts als von grossen Naturen, er thut mich oft recht leid daß er sich so bloß giebt vor andern die über ihnen spotten u lächerlich ihm machen wollen. 30. 11.
Tagebuch 30. 11. 1806 (WA III 3, 181)
Abends bey der Hofräthin Schopenhauer.
187
1806
Weimar St. Schütze, Tagebuch 30. 11. 1806 (*JSK NF 4, 96; GMD)
Sonntg. Bei der Schopenhauer] Thee. Goethe sitzt heiter, halb schläfrig und der junge Bertuch erzählt. Fernow liest etwas von Friedrichsen vor. C. Bertuch, Tagebuch 30. 11. 1806 (*JSK NF 4, 96; GSA, Bertuch 3067)
Den Abend M d e Schoppenhauer. Gespräch mit Göthe. C. L. Fernow an Böttiger 18. 1. 1807 (»Gerhardt S. 194; LB Dresden, Böttiger 8° 9, 37)
G. hat, wegen der bewußten Indiskrezion [Bericht über Goethes Heirat in der Allgemeinen Zeitung] in aufgebrachtem Muthe an Cotta einen fulminirenden Brief geschrieben, um wo möglich dem Schreiber derselben [Böttiger nach Brief von Fernow] hier in W. auf die Spur zu kommen. 27./
C. L. Fernow an Böttiger 30. 11. 1806 (»Gerhardt S. 190; LB Dresden, Böttiger 8° 9, 32) B 3 2328
3 0 ' 11 '
Unser Weimarisches Theater bleibt beisammen, spielt aber noch nicht. Göthe will das Institut, wo möglich erhalten, u. er hat recht. In diesen Zeiten der Zerstörung muß man alles Bildende u. Gebildete, was zu retten ist, retten u. erhalten.
Ende
H. Meyer (*JbGG 3, 213; GSA, Meyer 109)
Nov'
Im Nov. 1806. als der erste und 2te Band der neiien Auflage seiner sämtl. Werke gedruckt war und man überhaupt davon sprach, sagte er zu mir und Riemer scherzend „Gestern habe ich ein wenig vorne hinein im Willhelm Meister gelesen „Hören sie! das Ding ist gar nicht schlecht geschrieben dünkt mich" Dieses naive Urtheil bezog sich nehmlich darauf daß eben das Erste od. der Anfang im Willh. M. noch in seiner frühern Zeit angelegt und als in den 90 er Jahren das übrige hinzugefügt wurde mit aufgenommen und wie natürl. überarb. worden.
Nov.
Riemer (*Dtsch. Revue 11, 2 S. 165; Keil 5 S. 179)
B 3 2331
B 2 913 B 3 2330
November 1806. [Goethe:] „Die guten Vorsätze im Menschen, die Grundsätze, die immer wieder von der Natur überwältigt werden, sind wie die Reinigung, Scheuerung und Schmückung an Sonn-, Fest- und Ehrentagen. Man wird zwar immer wieder schmutzig, aber es ist doch gut, daß man durch solche partielle Reinigung die Reinigkeit überhaupt nicht unmöglich macht." Nov.
Riemer, » M i t t e i l u n g e n 2, 643 (GSA, Riemer 846)
(1- 9 ?)
im Nov. 1806 Horazens poetisches Talent nur in Absicht auf technische und Sprachvollkommenheit, d. h. Nachbildung der griechischen Metra und der poetischen Sprache anerkannt, nebst einer furchtbaren Realität, ohne alle eigentliche Poesie, besonders in den Oden. G[oethe]. R[iemer].
1. 12.
B 2 912 B 3 2271
Tagebuch 1. 12. 1806 (WA III 3, 181)
Abends bey der Herzogin Mutter, wo Mounier war, Wieland. Französischer Cürassierofficier Namens Lacher.
188
Weimar
1806
Luise v. Göchhausen an Knebel 3. 12. 1806 (Deetjen1 S. 167)
B 3 2338
Manches habe ich in meinem Leben durch Zungen gelitten, aber die Zunge, die ich der guten Rudel danke, macht viel wieder gut! Schon zwey Abende hat Goethe und Wieland sich daran gelabt, und ich denke, sie soll noch einige mal dieser Herrn eigene Zunge zu ihren Lobe lösen. 2. 12.
Riemer, Aphorismen S. 299
B 2 919 B 3 2332
den 2. Dec. 1806. [Goethe:] „Wenn die Natur einen bestimmten Etat für die genera der organischen Wesen hat, demzufolge sie eine starke Ausgabe durch eine Ersparniß wieder compensiren muß, so hat sie ihn wahrscheinlich auch bei den Individuen. Um nur vom Menschen zu reden, so scheinen die starken Ausgaben an gewissen Theilen der Organisadon gewisse Schwächen an anderen nach sich zu ziehen. Und auf dieser Lässigkeit, auf dieser Balancirung, scheint es, beruht alle Verschiedenheit der Bildung, und nur auf diesem Wege dürfte Galls Theorie zu begründen seyn." 4. 12.
Tagebuch 4. 12. 1806 (WA III 3, 181)
Erwartung der Mareschalle Lannes M. Schoppenhauer.
Contributions Geschichten
Abends bey
St. Schütze, Tagebuch 4. 12. 1806 (*JSK N F 4, 97; GMD)
Brief von meinem Bruder. Der Vater ist d. 30' Oct. . . . gestorben. Zeitungen. Waffenstillstand. Thee bei der Schopenhauer], Goethe redet mich an, daß ich so lustig gewesen, es sei jetzt Pflicht usw. [Zusatz am Rande: Es giebt kein draußen.] Er zeichnet. Fräul. Göchhausen. St. Schütze, Die Abendgesellschaften der Hofrätin Schopenhauer (Weimars Album S. 187) Β 2 1569 Β 3 2803
Bei der nächsten Versammlung sah ich denn auch die Gesellschaft eine ganz andere Gestalt gewinnen. Mehrere Familien (z. B. die Bertuch'sche, die Weiland'sche, die der Hofräthin Ludecus) waren noch dazu eingeladen; mit jedem Donnerstag Abend erweiterte sich der Kreis . . . Selbst Fürstliche Personen, wie der jetzt regierende Großherzog und Herzog Bernhard, beehrten sie zuweilen mit ihrer Gegenwart. Vorlesungen, die gehalten wurden, Gespräche über Werke der Kunst, die man auch öfters aufgelegt fand, wechselten ab mit leichter Unterhaltung über Vorfälle des Tages, über das Theater, über neue Erscheinungen in der Literatur, über bekannte ausgezeichnete Personen, selten über Politik, die man gern vermied, nachdem der Feind ganz Deutschland überzogen hatte. „Man möchte draußen seyn, sagte Goethe, aber es giebt kein Draußen." Dieß war in der That das erste, lästige Gefühl, wovon man sich befreien mußte, und womit es denn auch durch eigenes Treiben und Betrachten so gut gelang, daß es zur Zeit jenes Krieges hier ganz anders aussah, wie in dem übrigen Deutschland . . . Goethe war am meisten bemüht, den Krieg von sich abzuhalten, und nach einem sehr vergnügten Abend, den ich [am 1. 12.] bei seiner Frau zugebracht hatte, sagte er zu mir: ich höre, Sie sind gestern so lustig gewesen; es ist jetzt 189
1806
Weimar Pflicht, zusammen zu halten und sich das Leben angenehm zu machen. Er dichtete um diese Zeit: Ich hab' meine Sach' auf Nichts gestellt. Johanna Schopenhauer an A. Schopenhauer 8. 12. 1806 (Lütkehaus S. 127)
B 2 920 B 3 2339
Suche doch den Mahler Runge kennen zu lernen, der jezt in Hamburg lebt, es ist derselbe, von dem uns Demiani in Dresden eine so ungünstige Idee beybrachte, Göthe hält viel auf ihn, und korrespondirt mit ihm. Dieser Runge schneidet gar schön in Papier aus und hat Göthen von seiner Arbeit sehr hübsche Sachen geschickt, Göthe erzählte uns davon, ich schnitt für mich einen blühenden Kastanienzweig von einer Fuxia umschlungen aus, und legte sie auf Göthens ZeichenTisch, nun hättest du ihn und seine Freude über meine Kunst sehen sollen wie er es gewahr wurde, er hatte mir eben ein Buquet von Runge mitgebracht wogegen ich freylich zurückstehen mußte, aber meins war in der Art ein erster Versuch, denn die Blumen sind in Lebensgröße, nun kamen verschiedne, die meine Arbeit für Runges Arbeit hielten welche sie früher gesehn hatten, und Göthe rief denn ganz triumphirend, wenn sie lange bewundert hatten, Nein, die Frau, die kleine Frau hat das gemacht, solche Streiche macht sie, sehen Sie einmahl, sehen Sie einmahl, wie hübsch das ist. Er freute sich wie ein Kind zum Weyhnachten drüber, es war Donnerstag, den Abend ward nicht gelesen aber viel Musick gemacht, die übrigen giengen ans Klavier im Nebenzimmer, ich blieb allein bey Göthen an seinem ZeichenTisch, denn ich kann ihn nicht genug sehen u hören, nun erzählte er mir von einem OfenSchirm, den ich so machen müßte, machte mir mit ein paar Strichen eine Zeichnung dazu, und will mir auch beim Aufkleben helfen. Wer kann sich Göthen so denken. Hernach versammelten sich Meyer, Fernow und Schütze zu uns, wir machten einen kleinen Kreys, die Bardua kam dazu mit welcher immer heillos umgegangen wird, und der Abend vergieng unter Scherz und Lachen. 6. 12.
Tagebuch 6. 12. 1806 (WA III 3, 181)
Mit Regierungsrath Lauhn im Park spatzieren. Abends bey der Herzogin Mutter. Von meinen Gedichten vorgelesen. Riemer an C. F. E. Frommann 6. 12. 1806 (Heitmüller S. 88)
G. grüßt schönstens. 7. 12.
Tagebuch 7. 12. 1806 (WA III 3, 181)
Abends bey Mad. Schopenhauer. Ankunft der Marschallin Lannes. St. Schütze, Tagebuch 7. 12. 1806 (*JSK NF 4, 97; GMD)
Bei der Schopenhauer], Sie gemalt mit ihrer Tochter. Einsiedel. Reg. Räthin [?] Voigt. Goethe von Venedig, der Carnevali. Meyer zeigt geschnittene Steine vor. Die Feldmarschallin Lannes ist gekommen, G. muß zu Hause als Wirth. Johanna Schopenhauer an A. Schopenhauer 8. 12. 1806 (Lütkehaus S. 126)
B 2 921 B 3 2341
Zu mir hat er sich ganz gewöhnt, er kommt Donnerstags und Sonntags als ob es so seyn müßte, so lange Weimar steht, hat er das nirgends gethan, des Abends 190
Weimar
1806
sticht er eine kleine Handlaterne an und geht wohlgemuht zu Hause, dencke dir Göthen mit der Handlaterne, gestern abend mußte ihm noch obendrein Sophie mit einem Endchen Wachslicht aushelfen, er wurde schon um 7 Uhr abgerufen, und war ganz verdrüslich drüber, die Frau des Maréchal Lannes kommt hier durch, und sollte bey ihm logiren, weil sie schon viele Tage erwartet wurde und nicht kam so meynte er sie käme gar nicht, aß richtig zu Mittag eine kalte GänseleberPastete die für die Dame bereitet war, und kam den Abend zu mir, nun kam die Dame, und die Pastete war verzehrt und er war bey mir und mußte f o r t . . . Dies Bild [Johanna mit Adele Schopenhauer von Caroline Bardua], Wielands Porträt, und noch einige andere von der Bardua waren gestern Abend ordentlich bey mir aufgestellt, und die Kenner sprachen dann ihr Urtheil drüber und sezten der jungen Künsderinn, die gar ein lustiges Wesen ist tapfer zu. 8. 12.
Tagebuch 8. 12. 1806 (WA III 3, 181)
Abreise der Marschallin Lannes . . . Abends bey der Herzogin Mutter. An Louise Antoinette Scholastique Lannes, Herzogin von Montebello Febr. 1 8 1 2 (WA IV 22, 485)
. . . wenn Sie sich überzeugt halten, daß ich der schönen Stunden immer eingedenk bin, wo ich das Glück hatte Sie in meinem Hause freylich nicht nach Würden, zu beherbergen. Riemer (*Keil 7 S. 153; Keil 5 S. 181)
B 2 922 B 3 2342
d. 8. Decemb. 1806. [Goethe:] „So werden die Franzosen nach Innen zu genöthigt, sich tugendhaft zu zeigen, ehrlich, honett, rechtschaffen u.s.w. zu sein, da sie nach außen zu als Räuber und Spitzbuben und Mörder zu agiren gezwungen sind. Wir Deutsche waren im Bewußtsein unserer Tugenden früherhin im Ausdruck freier und loser, da wir jetzt bei ungebundenen Sitten zu einer Decenz des Ausdrucks streben müssen." Nach einem Spaziergang mit Goethe, mit ungefähr seinen Worten. Anna Amalia an Luise v. Knebel 12. 12. 1806 (GSA, Knebel 482)
Goethe ist alle Abend bey mir oft ist er noch überspannt, es scheint er mögte sich gern herraussen reisen von allen die Sachen die gesehen sind aber zustark auf ihm gewürkt haben er nicht ganz Herr darüber werden kan; er thut mir sehr leid, u öfters gelegenheit giebt ein spott der andren zu werden die an seinem Geiste ihm nicht nachkommen können. 9. 12.
Tagebuch 9. 12. 1806 (WA III 3, 182)
Ging der Capitan Barcelle ab. Abends bey Demoiselle Jagemann. Gueux de Beausobre an C. F. E. Frommann 9. 12. 1806 (GSA, Frommann 33, 5)
En passant a Veimar jaurois bien désiré me présenter chez M rs Vieland et Goethe, mais je craignois d'etre indiscret, j'eu le bonheur de rencontre M r 191
1806
Weimar Goethe dans le parc, je me permis de lui presenter vos honneurs et de causer un instant avec lui. enfin je l'ai vu.
11. 12.
Tagebuch 11. 12. 1806 (WA III 3, 182)
Schreiber Berg Secr von Meiningen. Botanische Samml sche Requisition Abends bey Mad. Schopenhauer. Riemer (*Dtsch. Revue 11, 2 S. 165; Keil 5 S. 181)
Wunderliche botaniB 2 925 B 3 2343
d. 11. December 1806. [Goethe:] „Die Nationen lassen sich auch mit Pflanzen, ihren Blüthen und Früchten vergleichen. Die untern Stände sind die Cotyledonen und die daraus sich entwickelnden ersten Stengelblätter; die höhern Stände und die Kulturen derselben repräsentieren die fernem Blätter, Blüthen, Früchte. Hier öffnete sich ein weites und artiges Feld für die Rungische allegorischsymbolisch-mystische Pflanzenmetamorphose." — Uber Tisch die Romanze: En manteau, manteau sans chemise, woraus Goethe seine „Woher der Freund pp." genommen. 12. 12.
Tagebuch 12. 12. 1806 (WA III 3, 182)
Bey Mademoiselle Bardua, angefangenes Porträt. Riemer (*Dtsch. Revue 11, 2 S. 165; Keil 5 S. 182)
B 2 926 B 3 2 3 4 4
d. 12. December 1806. Motiv in einem Roman. G. liebte in seiner Jugend einen jungen Freund außerordentlich. Dieser starb; bei seinem Begräbniß warf ihm G. den linken Handschuh nach ins Grab. Dies erregte äußerste Bewegung und Sensation unter den Anwesenden, die diese Äußerung jeder anders anklagten und entschuldigten. K—r ließ dem Herzog von Braunschweig-Oels noch im Grabe das Hemd des Herzogs von W. wiederausziehen, das von jenem geliehen, und verbrannte es eigenhändig im Park. Der sogenannte Aberglaube beruht auf einer viel größern Tiefe und Delikatesse, als der Unglaube. Der Verstand, der, wie Aristoteles sagt, nicht riecht, zieht seine gefallenen Ochsen und Pferde selbst ab und seinen Leichnamen die Hemden der Lebendigen an! 13. 12.
Tagebuch 13. 12. 1806 (WA III 3, 182)
Abends bey der Herzogin Mutter. Schüttgen. Riemer, Aphorismen S. 307
B 2 927 B 3 2345
den 13. Dec. 1806. [Goethe:] „Der Krieg ist in Wahrheit eine Krankheit, wo die Säfte, die zur 11. 12.
Falk an W. v. Wolzogen 10. 12. 1806 (Schatzkammer 1922, 135) Soeben kommt ein Brief von Daru an Villain, worin er ihm aufträgt, ihm a l l e B o t a n i s c h e S e l t e n h e i t e n , B l u m e n e. c. in Saamen oder Natura aus seinen Arrondissements zuzuschicken. Daru will damit der Kaiserin ein Cadeau machen . . . Sprechen Sie doch mit unserem Göthe.
192
Weimar
1806
Gesundheit und Erhaltung dienen, nur verwendet werden, um ein Fremdes, der Natur Ungemäßes, zu nähren." 2./13. 12. Riemer, Aphorismen S. 304
B 3 2335
[Goethe:] „— Alles was M e i n u n g e n über die Dinge sind, gehört dem Individuum an, und wir wissen nur zu sehr, daß die Ueberzeugung nicht von der Einsicht, sondern von dem Willen abhängt; daß N i e m a n d e t w a s b e g r e i f t , als was ihm g e m ä ß ist und was er deswegen zugeben mag. Im W i s s e n wie im H a n d e l n entscheidet das V o r u r t h e i l Alles, und das Vorurtheil, wie sein Name wohl bezeichnet, ist ein Urtheil vor der Untersuchung. Es ist eine B e j a h u n g oder V e r n e i n u n g dessen, was unsere Natur anspricht oder ihr widerspricht; es ist ein freudiger Trieb unseres lebendigen Wesens nach dem Wahren wie nach dem Falschen, nach Allem, was wir mit uns im Einklang fühlen" etc. Riemer, Aphorismen S. 302
B 2 924 B 3 2334
Im December 1806. [Goethe:] „Die Farbe zeigt eine P o l a r i t ä t , sie oxydirt und desoxydirt, und wird es: beides Erscheinungen wie bei Magnet und Electricität. Sollte die Farbe nicht eine nur für den Sinn des Auges erfolgende Erscheinungsweise eines und desselben Ends seyn, das sich bald als Magnetismus, bald als Electricität, bald als Chemismus zeigt? Sollte nicht beim Erscheinen der prismatischen Ränder gleichsam eine Oxydation und Desoxydation des Lichtes durch das Medium des brechenden Mittels und auf Anlaß dessen vorgehen? Daß also das Prisma nur für den Sinn des Auges thäte, was bei dem Galvanismus die beiden Drähte im Wasser thun, eine Zersetzung des Lichts hervorbringen. Electricität wird ja sehr leicht für die tactische Empfindung als Galvanismus erregt, warum nicht eben so leicht für die Empfindung des Auges durch das prismatische Medium als Farbe?" Riemer, Aphorismen S. 299
B 2 923 B 3 2333
Im December 1806. [Goethe:] „Man kann die Phalangen (Wirbel im Rücken und sonst) als die Knoten ansehen bei den Pflanzen. Wie die Pflanze von Knoten zu Knoten wächst, so die Organisation der Thiere. Die Knochen der Arme und Beine sind auch nichts anderes als größere Knoten oder Phalangen. Von Eins fängt's an, geht im Vorderarm und im Unterschenkel in zwei, dann in drei, vier, fünf über etc." Riemer, Aphorismen S. 305
B 3 2336
[Goethe:] „Es giebt keine Individuen. Alle Individuen sind auch Genera: nämlich dieses Individuum oder jenes, welches du willst, ist Repräsentant einer ganzen Gattung. Die Natur schafft nicht ein e i n z e l n e s Einziges. Sie ist ein E i n z i g e s , sie ist Eine, aber das Einzelne ist oft, viel, in Menge, zahllos vorhanden." 14. 12.
Tagebuch 14. 12. 1806 (WA III 3, 182)
Zu Tische Frommann und mehrere junge Leute (Schütz, Bardua) Weißer, Hufeland. Nachmittag kam Minchen ihren Pflegevater abzuholen. Abends bey Mad. Schopenhauer. Fernow las über den florentinischen und römischen Dialect. 193
1806
Weimar St. Schütze, Tagebuch 14. 12. 1806 (*JSK NF 4, 97; GMD)
Sonntag. Den Mittag zu Tische bei Goethe. Fromman. G. über s. Werther. C. F. E. Frommann an J. D. Gries 21. 1. 1807 (GSA, Frommann 47, 3)
Goethe befindet sich diesen Winter sehr wohl heiter und arbeitet fleissig. Nur einmal war ich in Weimar einen halben Tag bey ihm, im Theater noch gar nicht, da ich nicht gut von Haus kann und auch eben nichts neues intressantes bis izt gegeben wurde. 13./
A n Chr. G. Voigt 20. 12. 1806 (WA IV 19, 249)
. . . wegen jener ersten Sendung [von Samen und Pflanzen für Kaiserin Josephine] verfolgen wir den Weg, den ich mit Hofgärtner Wagner schon eingeschlagen und mit Falk beredet habe. 15. 12.
Tagebuch 15. 12. 1806 (WA III 3, 182)
Abends Prof. Meyer. Riemer, Tagebuch 15. 12. 1806 (»Dtsch. Revue 11, 2 S. 166; G S A , Riemer 971)
B 2 928 B 3 2346
G. Von Jean Pauls neustem Erziehungsbüchlein [Levana] sagte G Er komme ihm vor wie ein Züchtling dessen Ketten man immer klirren hörte, wenn er auch noch so leise Bewegungen machte. Man hörte immer die Catena von Citaten, Excerpten, Collectaneen und s. fort. Riemer, »Aphorismen S. 303 (GSA, Riemer 740)
B 3 2346
Basedow pflegte immer zu sagen: Wenn ein Gott im Himmel wär' so müßte er den (und den) Kerl erschlagen haben, wie er nur anfing an dieß (und das) zu denken. Erzählte G. mir den 15 Decbr 1806. Riemer QbGG NF 32, 278)
B 3 2346
Uber Schreiber in Eisenach hatte neulich die Zeitung für die elegante Welt [vom 2. 12. 1806] ein gutes Bonmot: Das Schlimmste, was einem großen Manne widerfahren könne, sei ein solcher lebendiger Leichenstein, der einem den Todten im Grabe noch verhaßt machen könnte. Und von ein paar schlechten Gedichten Schreibers: sie hätten das Gute noch, daß sie gar nicht an Schiller erinnerten. G.'s Unterschrift in Knittelversen unter das Portrait eines reichen Weinhändlers in Frankfurt. 16. 12.
Tagebuch 16. 12. 1806 (WA III 3, 182)
Abends bey Demoiselle Jagemann. Riemer, Mittheilungen 2, 698
B 2 929 B 3 2347
Göthe bemerkte, „daß, da er nach Gall die Gabe habe, sich nur gleichnißweise auszudrücken, er nun auch das Verhältniß der Newtonischen Lehre zu seiner 194
Weimar
1806
und der frühern in einem Gleichniß darstellen wolle. Er habe dieses gefunden in den verschiedenen astronomischen Systemen. Das Newtonische verhalte sich zu dem neusten seinen, wie das Tychodebrahische zu dem Copernicanischen." 17. 12.
Tagebuch 17. 12. 1806 (WA III 3, 183)
Abends bey der Herzogin Mutter. Johanna Schopenhauer an A. Schopenhauer 22. 12. 1806 (Lütkehaus S. 130)
B 3 2350
Vorige Woche brachte ich einen sehr angenehmen Abend bey der Herzoginn zu, es war niemand dort als ich, die Hoffdamen, Göthe, Wieland und Einsiedel, Göthe zeichnete wie immer, ich finde ihn aber nirgends heitrer und liebenswürdiger als bey mir. 18. 12.
Tagebuch 18. 12. 1806 (WA III 3, 183)
Abends bey der Schopenhauer. Riemer (»Pollmer 1 S. 263; GSA, Riemer 933)
B 3 2348
G. d. 18 Decbr 1806. „So schwer, ja so unmöglich es wäre, aus gefilzter Wolle, aus dem Hutfilz alle die Hasenhare wieder zu sondern; so bey Newton diese Verfilzung von wahrem und falschem, Gesehenen und Gemeinten." Auf Newtons Art zu schließen passe Basedows ergo bibamus. St. Schütze, Tagebuch 18. 12. 1806 (JSK NF 4, 97)
Bei der Schopenhauer], Goethe über das undeutliche Singen. Fernow über die ital. Dialecte. 19. 12.
Tagebuch 19. 12. 1806 (WA III 3, 183)
Bey Mamsell Bardua zweyte Sitzung. Mittags Hr. Ramann aus Erfurt zu Tische. Abends bey der Herzogin Mutter. Erbprinz, von Wolzogen, Mounier, Ziegesar, Frau Major von Knebel. 12./ 19. 12.
Wilhelmine Bardua, Verkehr einer deutschen Malerin mit Goethe (Morgenblatt 9. 7. 1862, S. 650) B 2 939 B 3 2809
Caroline [Bardua] war jedem dankbar, der ihr sitzen mochte . . . Das merkwürdigste war das Bild Goethes; er war der erste, der ihr saß. Das Bild hat sich bis auf den heutigen Tag erhalten und soll sehr ähnlich gewesen seyn. Goethe erscheint mit noch dunkeln Haaren, in bloßem Hals, einen rothen Mantel um die Schultern geworfen. Im grünen Damast des Hintergrundes bildet sich, wie zufällig, ein Lorbeerkranz um den Kopf. Man sieht wohl, daß es das Bild eines Anfängers ist; der Kopf erscheint etwas colossal, aber majestätisch wie eines Imperators. Oft hörte man Carolinens Vater den Freunden, welche kamen, das Bild zu sehen, wiederholen, was Goethe gesagt habe: „Mit diesem Bilde sey er für die Nachwelt zufrieden." 195
1806 20. 12.
Weimar Riemer (JbGG NF 32, 279)
B3 2349
d. 20. December 1806. [Goethe:] „Die Idee, man kann sagen, wie sie in die Erscheinung tritt, wird zur Fratze, zur Mißgeburt. Der Hermaphrodit was zeigt er anderes als die Identität der Geschlechter, daß ein Glied beides sein kann! Um zu erscheinen, muß sie sich trennen. Die Electricität erscheint nur, indem sie sich trennt, in Plus und Minus." Auch Voigt kam auf die Vergleichung des os temporum mit den scapulis. „Aus drei Rückenwirbeln läßt sich die Hirnschale construiren." [Spätere Bemerkung Riemers:] Diese Notiz ward aus einer mündlichen Unterredung mit Goethe geschöpft und kann zum Beweis dienen, daß lange vor Oken's Programm diese Idee von G. gefaßt worden. 21. 12.
Tagebuch 21. 12. 1806 (WA III 3, 183)
Abends bey Madam Schopenhauer. Fernow, über die italiänischen Dialecte. St. Schütze, Tagebuch 21. 12. 1806 (*JSK NF 4, 97; GMD)
Bei der Schopenhauer], Goethe erzählt von Ital. Lustspielen. [Zusatz am Rande:] das langsam-plastische. 11./18./ 21 12
Tag- und Jahres-Hefte 1806 (WA I 35, 262)
Der große Vortheil mit einem Manne zu wohnen, der sich aus dem Grunde irgend einem Gegenstande widmet, ward uns reichlich durch Fernows dauernde Gegenwart. Auch in diesem Jahre brachte er uns durch seine Abhandlung über die italiänischen Dialekte mitten in's Leben jenes merkwürdigen Landes. 21. 12.
Johanna Schopenhauer an A. Schopenhauer 22. 12. 1806 (Lütkehaus S. 131)
früher?)
Göthe ist noch immer jeden Gesellschafts-Abend bey mir, gestern war mein Zirkel klein, aber um so interessanter, obgleich gerade niemand etwas zum vorlesen mitgebracht hatte, ich schnitt wieder Blumen aus, und Göthe war gewaltig geschäftig sie zu einem Ofenschirm zu ordnen den er selbst aufkleben will, dabey erzählte er Aneckdoten aller A r t . . . Die Bardua mahlt jetzt Göthen, ich glaube fast er würde mir auch sizen wenn ich ihn drum bäte, den Muht dazu hätte ich wohl, aber wenns zur Ausführung käme, und er mich dann so ernsthaft mit seinen durchdringenden Augen ansähe, dann wäre ich in Gefahr davon laufen zu müssen aliso lasse ich es lieber, die Bardua wird mir aber das Bild welches sehr ähnlich werden soll, copieren . . . Die Italiener mit ihrer Verwunderung über den Schnee kann ich mir lebhaft dencken, ich erzählte es neulich, und Göthe, Fernow und Meyer die lange in Italien waren amusirten sich sehr darüber. . . Lezt sprach man bey mir vom Latein, wie nohtwendig es wäre, und wie wenig es jezt gelernt würde, ich sagte du hättest es in deiner Kindheit durchaus nicht lernen können obgleich du lebende Sprachen sehr leicht vollkommen begriffst, Göthe sagte es wundre ihn nicht, es wäre ungeheuer schwer, da hülfe keine Methode, die ganze Kindheit 196
B 2 930 B 3 2350
Weimar
1806
müsse drauf zugebracht werden, denn wenn 10 Louisd'or auf einem Tisch liegen kann man sie leicht einstreichen, aber wenn sie tief in einem alten Brunnen liegen und Steine, Schutt und Gebüsch obendrauf dann ists ein ander Ding, ein Kind kriecht dann wohl mühsam hinein, aber ein Erwachsener muß es bleiben lassen, ich sagte du hättest Lust es noch zu lernen, ich wolle dir aber abrahten, das sollte ich auch nicht thun, sagte er, es bliebe doch immer etwas hängen, und wenn du es noch thun wolltest so wäre es sehr gut und nüzlich, obgleich du es zur Vollkommenheit nicht bringen können wirst. 22. 12.
Knebel, Tagebuch 22. 12. 1806 (GSA, Nachlaß Knebel)
[Morgens] zu Göthe. Riemer (JbGG NF 32, 280)
B 3 2352
den 22. Decbr. 1806 Goethe sagte, „daß ihm die Lust, zu zeichnen, oft gekommen sei, und zuweilen mit der größten Gewalt. Er habe darüber reflectirt, da es doch eigentlich nicht sein Talent sei und wenn es Talent wäre, es sich völlig entschieden und zur Beruhigung gekommen sein würde, — was es denn eigentlich sei? Nun habe er gefunden, daß bei ihm sich die Sehnsucht, die jeder Mensch habe, darin auflöse." Tagebuch 22. 12. 1806 (WA III 3, 183)
Bey der Herzogin Mutter. Die Gesellschaft spielte, ich zeichnete. 22. (?) 12. H. Meyer an Eichstädt 22. 12. 1806 (*GJb 3, 321; FDH)
B 2 931 B 3 2351
Es geschähe auf Hr Geh. R. v. Goethes Geheiß daß ich die Stelle über den Verkauf der [Gallitzinschen] Gemmensammlung dem Manuskript [Unterhaltungen über Gegenstände der bildenden Kunst] eingerückt und glaubte er habe mit Ihnen darüber Rücksprache genommen — Ich bin die Weglaßung darum wohl zufrieden und habe ferner mit Goethe gesprochen der es ebenfalls genehmigt und wünscht sie möchten auch mit der Anzeige des Verkaufsanerbietens im Intelligenzblatt so lange warten bis die gegenwärtigen Besitzer dieser Sammlung sich solches von Ihnen selbst ausbitten würden. 23. 12.
Tagebuch 23. 12. 1806 (WA III 3, 183)
Mittag Besuch von Knebel und nach Tische von Seebeck. Abends bey Demoiselle Jagemann mit Prof. Meyer wegen der Stickereyen. 23. 12. (?) Th. J. Seebeck an Goethe 23. 1. 1807 (LA II 4, 131)
Ich benutze diese Gelegenheit Ew. Exzellenz Wilsons Versuche über die Phosphore und deren prismatische Farben zu übersenden, von welchen ich aus unvollständiger Erinnerung erzählt hatte. Der Versuch über das Verlöschen eines leuchtenden Papiers durch heiße metallische Körper befindet sich p. 518. 197
1806 24. 12.
Weimar Tagebuch 24. 12. 1806 (WA III 3, 183)
Schmidt von Wien in Theaterangelegenheiten. Nach Tische Waser, der Sohn, auf der Nachhausereise von Lübeck, wo er als preußischer Angestellter mit in das Unglück gekommen. Merkwürdige Physiognomie, die an den Charakter des Vaters erinnert. Abends bey der Herzogin Mutter, in Gesellschaft mit den fürstlichen Kindern und Herrn Mounier. H. Schmidt, Erinnerungen (H. Schmidt S. 225)
B 2 934 B 3 2355
Als ich von Berlin nach Wien meine Tour über Weimar nahm, säumte ich natürlich nicht, sondern war vielmehr im Drang jugendlicher Dankbarkeit hoch beglückt, den göttlichen Mann [Goethe] wiederzusehen, um ihm nochmals danken zu können. Bald nach meinem Eintritt fragte er mich: „Nun, wie geht's und wie ist's gegangen? Wie haben Sie sich mit dem Theater zurechtgefunden?" Erfreut legte ich sogleich eine vollkommene, doch kurzgefaßte Beichte ab, deren Kern im Wesentlichen darin bestand, daß ich ihm seinen eigenen frühern Ausspruch zurückrief, der dahin lautete, daß er fürchtete, meine Neigung zum Geschäft des Schauspielers würde nicht Stand halten, um dabei mit Erfolg zu beharren, wie es die Aufgabe erfodere. Wie sehr bestätigte sich dies. Ja! es gehört eine große, beharrlich große Liebe zu diesem Geschäft dazu, um zum Ziele zu gelangen. Mir aber wurde es, je länger ich dabei blieb, um so abstoßender. Der Schauspieler ist zu bedingt in der freien Ausführung seiner Rollen in Beziehung auf Wahl, Zeit, Stimmung, daher sollte wol auch nicht zu leicht über seine Leistungen abgeurtheilt werden . . . Dies immer mehr einsehend, war mir daher auch nichts willkommener, als daß sich mir eine in jeder Hinsicht erwünschte Gelegenheit darbot, meine Vorliebe für das Theater, besonders aber auch für Musik und Oper auf andere Weise zu bethätigen, indem das fürstlich Esterházy'sche Theater im Schloß zu Eisenstadt eröffnet werden sollte und mir die Mitwirkung bei der Her- und Einrichtung sowol als auch bei Fortführung des Ganzen zu Theil wurde. Nun fand sich erst, wofür meine Neigung die eigentliche Richtung erhalten sollte. Goethe sagte hier die für mich so wohlthuenden Worte: „Nun, das freut mich. So, wie ich mir's gedacht hatte, als ich damals mit Schiller davon sprach. Nun! Glück zu!" An Zelter 26. 12. 1806 (WA IV 19, 254)
Daß Sie in die Administration mit verwebt sind, wie manches andre, was mir Herr Schmidt erzählt, bedaure ich. Riemer, Aphorismen S. 307
B 2 932 B 3 2353
den 24. Dec. 1806. Goethe wünschte einmal die Frage: ob ein nützlicher Irrthum, eine nützliche Lüge einer schädlichen Wahrheit vorzuziehen sey, in einer Fabel zu behandeln. 24. 12.
Zelter an Goethe 17. 12. 1806 (Hecker 1 1, 155) Herr Schmidt, ein geborner Weimaraner, Theaterdirektor des Fürsten Esterhazy zu Eisenstadt, der Ihnen diese Zeilen bringen will, wird Ihnen des Mehrern sagen können, wie er mich gefunden.
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1806
Weimar Ich soll ihn daran erinnern, wiewohl sie in der Iphigenie schon durchgeführt sey. Während Orest und Pylades ihre Zwecke durch Lug und Trug zu erreichen streben, sucht sie auf ihre Weise durch die Wahrheit dahin zu gelangen. Riemer (CA, Riemer: Anmerkungen zu Goethes Werken, s. v. Iphigenie)
Dieses Moment, das Iphigenie nicht l ü g e n könne, sich dazu [nicht] verstehe, setzte G. auch mir als seine Aufgabe bey der Iphigenie auseinander, gleich in den ersten Jahren. 25. 12.
Tagebuch 25. 12. 1806 (WA III 3, 184)
General Matsch. Festspiel zu Augusts Geburtstag. Bey Madam Schopenhauer zum Thee. Zum Abendessen beym Intendant Villain auf dem Fürstenhause. Johanna Schopenhauer an A. Schopenhauer 5. 1. 1807 (Lütkehaus S. 134)
B 2 935 B 3 2356
Den ersten Feyertag war meine Gesellschaft, den Tag vorher hatte Adele ihren Weyhnachten bekommen, und zwar nach der LandesSitte, einen großen TannenBaum mit vergoldeten Nüßen, Äpfeln und Wachslichtern, den mir einige Damen fabrizirt hatten, dabey Puppen, eine kleine Galanteriebude, und mancherley wie du leicht denken kannst, Göthe ist ein unbeschreibliches Wesen, das Höchste wie das Kleinste ergreift er, so saß er denn den ersten Feyertag eine lange Weile im letzten meiner drey Zimmer mit Adelen und der jüngsten Conta einem hübschen unbefangenen 16jährigen Mädchen, wir sahen von weitem der lebhaften Conversation zwischen den dreyen zu ohne sie zu verstehen, zulezt giengen alle 3 hinaus, und kamen lange nicht wieder, Göthe war mit den Kindern in Sophiens Zimmer gegangen, hatte sich dort hingesezt und sich Adelens Herrlichkeiten zeigen lassen, alles Stück vor Stück besehen, die Puppen nach der Reihe tanzen lassen, und kam nun mit den frohen Kindern und einem so lieben milden Gesichte zurück, wovon kein Mensch einen Begrif hat der nicht die Gelegenheit hat ihn zu sehen wie ich. Ihn freut alles was natürlich und anspruchslos ist, und nichts stößt ihn schneller zurück als Prätension. Wir hatten den Abend nichts zu lesen, ein Aufsaz über die verschiednen Mundarten der italienischen Sprache welchen Fernow mit der ihm ganz eigenen Grazie und Klarheit geschrieben und vorgelesen hatte, und der uns einige Abende hindurch unterhalten hatte war aus, und wir hatten nichts anders, aliso kam es denn wieder an mein Ausschneiden wofür Göthe sich lebhaft interessirt, mein Ofenschirm ist in voller Arbeit, dencke dir ein Ofenschirm den ich ausschneide, wozu Fernow u Meyer Raht geben, und den Göthe aufklebt. Ob das nicht ein merckwürdiges Stück wird. Ich fabricirte den Abend noch mit Meyern einen transparenten Mondschein, denn Meyer muß auch immer so etwas vor haben, die übrigen standen umher und conversirten im zweiten Zimmer, Conta und die Bardua sangen zwischen durch ein Liedchen, und Göthe gieng ab und zu bald an meinen Tisch wo ich mit Meyern arbeitete, bald nahm er theil an jenem Gespräch, mit einemmahle kam man, ich weiß nicht wie dort auf den Einfall die Bardua, die sich ohnehin leicht graut, mit Gespenster Geschichten Angst zu machen, Göthe stand gerade hinter mir, mit einemmahle machte er ein ganz ernsthaftes 199
Weimar
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Gesicht, drückt mir die Hand, um mich aufmercksam zu machen, und trat nun gerade vor die Bardua und fing eine der abentheuerlichsten Geschichten an die ich je hörte, daß er sie auf der Stelle ersann, war deutlich, aber wie sein Gesicht sich belebte wie ihn seine eigene Erfindung mit fortriß ist unbeschreiblich, er sprach von einem großen Kopf der alle Nacht oben durchs Dach sieht, alle Züge an dem Kopfe sind in Bewegung, man denckt die Augen zu sehen und es ist der Mund, und so verschiebt sichs immer, und man muß immer hinsehen wenn man einmahl hingesehen hat, und dann kommt eine lange Zunge heraus die wird immer länger und länger, und Ohren die arbeiten um der Zunge nachzukommen, aber die könnens nicht, kurz es war über alle Beschreibung toll, aber von ihm muß mans hören, und besonders ihn dazu sehen. So ungefähr muß er aussehen wenn er dichtet. . . Die Frau [Frommann] ist eine Hamburgerin, aber sehr gebildet u liebenswürdig, Göthe hält viel auf diese Familie besonders auf der Frau. 26. 12.
Tagebuch 26. 12. 1806 (WA III 3, 184)
Schmidt von Wien zu Tische. Riemer (JbGG NF 32, 280)
B 3 2359
Gegen die Newtonianer. [Goethe:] Die Butter auf dem Butterbrod schmiert zwar die Löcher des Brodes zu; aber wir wollen sie nicht zuschmieren, sondern auskratzen. Riemer, »Mittheilungen 2, 681 (GSA, Riemer 831)
B 2 938 B 3 2359
Hauy gehöre zu den wiederkäuenden Thieren, wie die Newtonianer sind, bey denen der Schlund sich in lauter aufeinanderfolgende Magen zusammenfaltet. Das Newtonische Heu schlucken sie hinunter; aber sie könnens im Magen weder verdauen, noch verscheißen. Sie ruminiren es also durch alle Magen herauf bis ins Maul und können's doch nicht digeriren, käuen aber den Dreck immer fort, dahingegen andere, edlere Thiere das ihrem Magen widerspenstige gleich von sich geben. Den Hauy müsse man in ein Ragout zerpflücken (discerpiren) und ihn recht zierlich auf einem silbernen Teller über einer Lampe, à la Schart, zurechte machen. G. d. 26 Decbr 1806. H. Schmidt, Erinnerungen (H. Schmidt S. 134)
B 2 937 B 3 2357
. . . Hier will ich nur eines interessanten Theaterabends [in Berlin] insbesondere, erwähnen, an dem Schiller's „Don Carlos" gegeben wurde, weil er mir Gelegenheit gibt, eines merkwürdigen Zuges von Geistesgegenwart zu gedenken, durch den sich die geniale Schauspielerin Bethmann auszeichnete. Sie gab die Eboli, Mattausch, ein großer Naturschauspieler, der leicht den Kopf verlor, den Prinzen. Es kommt zur Scene im Pavillon, wohin Carlos eingeladen ist und wo er die Königin zu finden meint, jedoch die Prinzessin Eboli findet. Sein Benehmen äußert sich dieser getäuschten Hoffnung gemäß, nur die Prinzessin weiß sich 200
1806
Weimar dieses Benehmen, da er doch auf ihre Einladung gekommen ist, nicht zu erklären. Endlich geräth sie auf den Gedanken, Carlos wisse um die Bewerbungen des Königs, denen sie eben ausgesetzt ist. Um auch dies Hinderniß ihrer Liebe zu beseitigen, für sich zugleich Interesse und in ihm Vertrauen zu erwecken, übergibt sie ihm einen in dieser Hinsicht entscheidenden Brief vom König an sie, indem sie ihn darauf aufmerksam macht, auf welche Weise ihrer Tugend nachgestellt werde, und ihn um seinen Schutz bittet. Carlos nimmt auch diesen Brief und steckt ihn ein, ohne ihn in seiner Zerstreuung und Verlegenheit weiter zu berücksichtigen oder zu lesen. Prinzessin Eboli nimmt in dem fernem Verlauf des Gesprächs wahr, daß sie sich getäuscht habe, daß Carlos sie nicht liebe, daß er eine Andere hier zu finden gehofft habe. Mit Ungestüm verlangt sie also, daß Carlos ihr, bevor er sie verläßt, den Brief zurückgeben soll. „Welchen Brief?" fragt Carlos. Prinzessin: „Den vom König." Carlos: „Von wem?" Prinzessin: „Den Sie vorhin von mir bekamen." Carlos: „Vom König? und an wen? An Sie?" Prinzessin: „O Himmel! wie schrecklich hab' ich mich verstrickt! Den Brief! Heraus damit! Ich muß ihn haben!" Carlos: „Vom König Briefe? Und an Sie?" Prinzessin: „Den Brief! Im Namen aller Heiligen!" Carlos: „Der einen Gewissen mir erklären sollte? Diesen?" Prinzessin: „Ich bin des Todes! Geben Sie!" Carlos: „Den Brief!" Prinzessin (in Verzweiflung die Hände ringend): „Was hab' ich Unbesonnene gewagt!" Carlos: „Den Brief, der kam vom König? Ja Prinzessin! Das ändert freilich Alles schnell, das ist (den Brief frohlockend emporhaltend) ein unschätzbarer, schwerer, theurer Brief, den alle Kronen Philipp's einzulösen zu leicht, zu nichtsbedeutend sind! Den Brief behalt' ich" (geht ab). Prinzessin: „Großer Gott! ich bin verloren." Hier nun beging Mattausch die entsetzliche Unvorsichtigkeit, den Brief auf dem Theater zu verlieren, eh er abging. Er war nun also in der Gewalt der Prinzessin, die zu dem großen Monolog in der Scene zurückbleibt. Um das höchst Kritische dieser Situation ganz zu durchschauen, muß zweierlei erwogen werden. Erstlich, daß von diesem Briefe die Motive aller darauf folgenden Schritte der Prinzessin abhängen, und daß eigentlich das Stück zu Ende ist, wenn sie den Brief zurückerhält. Zweitens, daß die Scene vor den Franzosen gespielt wurde, die eben erst als Feinde eingezogen waren und bei denen eine gute Vorstellung einer geglätteten Tischplatte gleichen muß, auf der kein Staubkorn haftet; daß diese Franzosen den Gang der Handlung mit der größten Aufmerksamkeit verfolgten und jetzt eine Aufregung, eine Unruhe blicken ließen und endlich einen Lärm machten, als bräche das ganze Publicum zum Weggehen auf. Eboli, die höchst talentvolle, besonnene Bethmann, stand auf der einen Seite der Bühne, jedoch ohne den Brief wahrzunehmen. Vielmehr warf sie ihre Blicke überall im Publicum umher, um dort vielleicht die Ursache der allgemeinen Aufregung zu finden, die sie nicht zum Worte kommen ließ. Denn es geschah damals wol, daß Siegesnachrichten, Bulletins im Theater von Generalen vorgelesen wurden. Nirgends einen Aufschluß entdeckend, fällt ihr Auge endlich auf die Bühne selbst und — auf den Brief. — Bis hierher hatte ich, als ich bald darauf nach Weimar kam und bei Goethe speiste, über Tische den Vorfall erzählt und bat ihn nun zu rathen, was die Bethmann wol in diesem Augenblicke gethan haben möchte; denn er hatte uns 201
1806
Weimar vorher auch lange auf den Namen des damals noch anonymen Verfassers von dem Lustspiel „Das Räthsel" rathen lassen. Er stand einige Augenblicke an, und Frau von Goethe . . . meinte, sie würde gethan haben, als sehe sie den Brief nicht. „Da wären denn freilich Madame wohlfeilen Preises davongekommen," erwiderte Goethe, und foderte mich auf weiter zu erzählen. „Denn wer kann errathen," fügte er hinzu, „was eine kluge, verständige Schauspielerin in so kritischem, dringendem Augenblick thut!" — Die Bethmann, in demselben Moment, als sie den Brief erblickt, bezeigt die höchste freudigste Ueberraschung und stürzt mit der auffallendsten Hast auf den Brief hin, ergreift ihn begierig, durchfliegt ihn mit vor Hoffnung funkelnden Augen und — wirft ihn endlich mit dem Gest getäuschter Erwartung wieder hin, als sei es ein falsches Papier. Man muß es mit eigenen Augen gesehen haben, um das höchst Verdienstliche und Ueberraschende dieser besonnenen Handlung ganz zu würdigen, durch welche die auseinandergerissenen Fugen eines so herrlichen, ergreifenden Kunstwerks mit dem einzigen Griff einer kleinen, aber verständigen Frauenhand wieder zusammengefaßt und zusammengehalten wurden. Alles brach auch in einen solchen Beifallssturm aus, daß das ganze Haus davon erbebte. St. Schütze, Tagebuch 26. 12. 1806 (GMD)
In die Erben von der Weißenthurn. Beide Herzoginnen mit Klatschen empfangen. Goethe sitzt vorne mit s. Frau. Goethe an Schiller erinnernd. Caroline Falk an Falk 27. 12. 1806 (GMD, Falk III)
B 3 2358
Gestern Abend war ich in die Comödie, man gab ein neues Lustspiel [Die Erben] von Fr: v. Weißenthurn, welches Stellenweis recht artig war, und viel dabey gelacht wurde. Als die Herzogin erschien, wurde sie mit lautem Applaudissement empfangen. Göthe saß vor mir, auf seinen alten Platz mit seiner Donna, und sprach einige recht freundliche Worte mit mir, die von meiner abwechselnden Wittwenschaft handelten. B 2 933 B 3 2354
24./
Riemer, Aphorismen S. 307
26. 12.
Q habe nur drei Arten, sein Urtheil zu äußern, indem er lobe, oder schweige, oder schelte.
27. 12.
Tagebuch 27. 12. 1806 (WA III 3, 184)
Dr. Müller Prinz August von Preußen Schausp. Hause. Nachtmusic.
Proclamation des Friedens in dem
An Carl August Ende Dez. 1806 (WA IV 19, 200)
Den Prinzen August [von Preußen] hab ich einen Augenblick in einer für uns beyde peinlichen Lage gesehen. Er bestellte bey mir ein Monument für den Grafen Schmettau. B 3 2360
Riemer (GSA, Riemer 933)
G. d. 27 Decbr 1806. G's Gleichniß vom alten ehrwürdigen Eichbaum, den ein Eifrer umhaut. Aber wenn der Aberglaube aufhören solle, so müsse auch der Eichbaum umgehauen werden. 202
Weimar
1806
Riemer (*JbGG NF 32, 281; GSA, Riemer 831)
B 3 2360
Bey Hauy müsse gezeigt werden, daß die Franzosen sich Unrecht thäten des alten Engländers Irrthum in ihren Prytaneen zu verewigen. Da sie überall aufs Exstirpiren der Engländer ausgingen, so müßten sie es auch hier, und diejenigen ihrer Landsleute, Castel, Mariot, Gautier etc welche durch Voltaire und andre Journalisten, die blos um Phrasen nie um die Sache sich bekümmern, unterdrückt worden wären, wieder zu der verdienten Ehre bringen ppp. G. d. 27. Decbr 1806. 27. 12. (?) An Knebel 3. 1. 1807 (WA IV 19, 257)
Wenn man den Regierungsrath Müller erzählen hört, der von Berlin mit dem Friedens-Document gekommen ist; so begreift man recht gut, wie sie [die Franzosen] die Welt überwunden haben und überwinden werden. Wenn man in der Welt etwas voraussähe, so hätte man voraussehen müssen, daß die höchste Erscheinung, die in der Geschichte möglich war, auf dem Gipfel dieser so hoch, ja übercultivirten Nation hervortreten mußte. Man verläugnet sich das Ungeheure, so lange man kann, und verwehrt sich eine richtige Einsicht des Einzelnen, woraus es zusammengesetzt ist. Wenn man aber diesen Kaiser und seine Umgebung mit Naivität beschreiben hört, so sieht man freylich, daß nichts dergleichen war und vielleicht auch nicht seyn wird. 28. 12.
Tagebuch 28. 12. 1806 (WA III 3, 184)
Abends bey Madam Schopenhauer. (vor?) 30. 12.
St. Schütze, Tagebuch 30. 12. 1806 (*JSK NF 4, 97; GMD)
G. hätte meine Ged. in Tb [Taschenbuch zum geselligen Vergnügen auf das Jahr 1807?] gelobt. 30. 12.
Riemer, Aphorismen S. 307
B 2 940 B 3 2362
den 30. Dec. 1806. Bei Ifflands Almanach für's Theater. Auf meine Bemerkung, daß die Deutschen den F r a n z M o o r nicht los werden könnten, erwiederte G., daß Iffland ihn in seiner Jugend gut gespielt habe, und weil er ihn nicht losgeben wolle, ihn nun in das Würdige ziehe, einen R i c h a r d aus ihm mache etc. Was es denn aber helfe, Eine grelle Figur abzudämpfen, wenn die übrigen es noch blieben, ja nur stärker hervorträten? Schillers Intention, als Mann von Genie, sey vielmehr gewesen, in diesem fratzenhaften Stücke auch einen fratzenhaften Teufel auftreten zu lassen, der die andern übertrumpfe. Aber nun beschneiden sie ihm die Krallen, u n d da s o l l es e i n w ü r d i ger H u n d s f o t t w e r d e n , damit ihn ein w ü r d i g e r M a n n spielen könne". 31.12.
Tagebuch 31. 12. 1806 (WA III 3, 184)
Abends bey Madam Schopenhauer. 203
1806
Weimar Johanna Schopenhauer an A. Schopenhauer 5. 1. 1807 (Lütkehaus S. 136)
B 3 2364
Ich werde vermuhtlich im Sommer Göthens Raht folgen, und mir dicht vor Jena einige meublirte Zimmer miehten, die etwa auf 3 Monate 10 bis 15 Thaler kosten, und einige Zeit mit meinem ganzen Hofstaat in der herrlichen Natur zubringen, Göthe kommt dann auch hin. Den lezten Tag im Jahr gab ich zum ersten mahl ein kleines Suppee, ich könnte mehr Personen sezen aber ich habe mich auf 12 beschränckt, Göthe mit der Frau, Fernow, Meyer, D. Riemer der bey Göthen lebt, die Bardua u der Dichter Schütze der ihr ein wenig die Cour macht, Professor Froriep aus Halle, Bertuchs Schwiegersohn, und einer der schönsten u dabey angenehmsten Männer, Conta mit der Schwester, ich u Adele, das waren wir alle, und gewiß einer der angenehmsten Zirckel, Göthe war auf sein Bestes, und alle versichern mir seit vielen Jahren keinen ähnlichen Abend erlebt zu haben, auch war das alte Jahr schon seit zwey Stunden vorüber wie wir uns trennten. St. Schütze, Tagebuch 31. 12. 1806 ( * J S K N F 4, 97; G M D )
Abendessen bei der Schopenhauer], Goethe über die eingelaufnen Auflösungen des Räthsels. St. Schütze, Die Abendgesellschaften der Hofrätin Schopenhauer (Weimars Album S. 188) B 2 1569 B 3 2365
Am Sylvester-Abend, wo Frau Schopenhauer einen e n g e r e n Kreis (wozu ich auch mit gehörte), geschmackvoll bewirthete, war er überaus heiter. Unter anderm erzählte er von dem Erfolge des großen Räthsels, das er in die Welt ausgesandt. Briefe über Briefe kamen mit Auflösungen. E s kostete viel Porto, und der Bediente gerieth außer sich. Lassen wir das noch eine Weile, sagte er: „ E s ging vorzüglich nach dem Harze zu, und endlich brach es sich am Brocken." — Dann neckte er die Bardua, die mich mit einem Einfalle malen sollte. Dez.
Riemer ( J b G G N F 32, 277)
B 3 2363
Im December 1806. Goethe sagte: „Die vornehmen Herren hätten die Hundsfötter außerordentlich gern." Mir fiel jener Fürst ein, von dem er mir oft erzählt hatte, der seine Diener durch Nachsicht verdarb und dann ausrief: „Nun der Hundsfott wär' mir gelungen!" Gräfin Friederike Louise Stolberg an K. L. Reinhold 18. 3. 1807 (Bobé 3, 167)
Der Erbprinz von Weimar kam um 11 und blieb bis um 5 . . . Goethe [so berichtet er] ist ganz französisch und trägt einen Knopf von Augereau in der Tasche, ein schönes Amulet, die Schardten soll auch ganz intoxicated gewesen sein. Okt./Dez. Amalie Voigt an L. Tieck 1. 1. 1807 (GMD)
Goethe, der, wie Sie vielleicht wissen, von Denon gezeichnet wurde, um dann medalirt zu werden, befindet sich gesunder, als seit geraumer Zeit, auch ist er heitrer zutraulicher, und gesellschaftlicher als sonst. 204
1806
Weimar Soret, Conversations 11. 11. 1823 (Robinet de Cléry S. 26)
Β 2 2188 Β 3 5323
Il [Goethe 1823] nous raconte un tour joué par lui, en 1806, à un chapelain de régiment durant l'occupation d'Ièna par les Français. Le curé avait exigé, pour sa part de réquisitions, de belles tentures pour orner son autel; on lui en avait remis une du plus brillant cramoisi, mais elle n'était point encore assez bonne à son gré. Il s'en plaignit à Goethe qui lui dit: «Remettez-moi cette étoffe, je chercherai à vous procurer quelque chose de mieux.» «Cependant, poursuivit Goethe, on donnait une pièce nouvelle et la pièce de drap cramoisi servit à parer les acteurs . . . Quant à mon curé, je n'obtins point d'autre étoffe pour son usage, il fut obligé de se tirer d'affaire comme il put.» F. A. Ukert an Goethe 26. 11. 1810 (Eing. Br. alph. 925, I)
Mit welcher Freude gedenke ich des Tages, da mein lange sehnlichst gehegter Wunsch erfüllt ward Sie selbst zu sehen und kennen zu lernen. 1806
F. de la Motte Fouqué, Göthe und Einer seiner Bewundrer (Fouqué 3 S. 18)
Späterhin wollte man mir . . . berichten, er [Goethe] sei höchst unzufrieden über das Ganze [Schillers Todtenfeier von Bernhardi und Fouqué] gewesen, es gleich bei Lesung der ersten Zeilen des Prologs über die Seite werfend, weil er die paar Blätter für eine Spötterei angesehn habe wider den großen Todten. Riemer, *Mittheilungen 2, 638 (CA, Riemer: Anmerkungen zu Goethes Werken, s. v. Sultan wider Willen) B 2 943 B 3 2784
S u l t a n w i d e r Willen, der G. hat sich immer und zumeist im Jahr 1806 mit dieser Geschichte getragen, für die er eine besondre Liebe zu haben schien. Vier Damen von ganz verschiedenen Charakteren interessiren sich alle für e i n e n Mann Jede ist auf eine eigene Art liebenswürdig Jede trifft er, wo immer er sich ihr nähert seinem Zustande angemessen, allein liebenswürdig, und unbegreiflich wie er eine andre lieben kann u. s. w. G. konnte nun bey diesem Stoffe freylich viel de suo hinzuthun, indem es ihm begegnet, daß g a r v i e l e Frauen ihm entgegenkommen, wie er denn in der frühern Zeit für diese und jene z u g l e i c h wenn auch nicht das g l e i c h e empfand.
205
1807
Weimar
1807
1.1.
Tagebuch 1. 1. 1807 (WA III 3, 185)
Mehrere Glückwünschende. Zu Mittag Professor Froriep von Halle. Abends bey Mde Schopenhauer. Las Fernow Schützens Lustspiel „Der Dichter und sein Vaterland" vor. St. Schütze, Tagebuch 1. 1. 1807 ( * J S K N F 4, 97; G M D )
Donnerstag. Um 11 Uhr zur Bardua, die mich mit einem Einfall malen soll; sie hat aber keinen. Thee bei der Schopenhauer]. Die B. unter d. Tisch p. weil sie nicht pp. Goethe läßt sich aber wenig auf den gestrigen Spaß ein. Fernow liest der Dichter und s. Vaterland [von Schütze] vor. Goethe's Lob. Abend lustig bei der Goethen. St. Schütze, Die Abendgesellschaften der Hofrätin Schopenhauer (Weimars Album S. 188) B 2 1569 B 3 2365
Den folgenden Tag [1. Jan.], als er [Goethe] wieder kam, saß sie [Caroline Bardua bei Johanna Schopenhauer] unter dem Tische, weil sie seinen Befehl nicht vollzogen hatte. Wie sie aber jetzt hervorrauschte, erschreckte sie ein sehr ernstes Gesicht, — der Scherz war vorüber. St. Schütze, Die Abendgesellschaften der Hofrätin Schopenhauer (Weimars Album S. 188) B 2 1569 B 3 2367
Vorlesungen hielt Fernow zweimal über die Italienischen Dialekte. Dann kam von mir ein Lustspiel daran: der Dichter und sein Vaterland. „Als Vorschlag zu einer Todtenfeier für alle Dichter, die gestorben sind, und noch sterben werden." Es wurde zur Zeit der Jenaischen Schlacht gedruckt, und jetzt, vom Krieg umringt, mußte es sein Publikum in Weimar, ja in diesem Kreise suchen. Fernow brachte es am Neujahrstage zum Vortrag, und Goethe, der es schon kannte, äußerte zuletzt, wo das zu einem Denkmal gesammelte Geld auf den Grabhügel des todtgeglaubten Dichters gelegt wird, und er nun plötzlich selbst, es zu empfangen, hervortritt: „hier will ich dem Autor den Vorschlag thun, daß er einen von den Gesandten der grünen Inseln sagen läßt: „Ich muß protestiren, für diesen Fall habe ich keinen Auftrag!" — gewiß ein kösdicher Einfall, der den Widerspruch — für einen lebenden Dichter nichts zu thun, und für den todten Schätze zu einem Denkmale zu sammeln — recht in das hellste Licht setzt. Goethe schickte das Lustspiel auch an Knebel, und die Herzogin Amalia, glorreichen Andenkens, ließ es sich ebenfalls in ihrer Abendgesellschaft vorlesen. St. Schütze an Ungenannt 5. 1. 1807 (GSA, II 2648)
Nach den vielen Kriegsunruhen begrüße ich Sie, mein werthgeschätzter Freund, mit einem Lustspiele [Der Dichter und sein Vaterland], das vielleicht etwas zu Ihrer Erheiterung und Zerstreuung beitragen kann. Göthe macht etwas daraus. 206
Weimar
1807
St. Schütze an Böttiger 5. 1. 1807 (GMN, Bö)
Doch würde ich mir diese Freiheit [Ubersendung des Lustspiels Der Dichter und sein Vaterland] auf die Gefahr, Ihren gebildeten u. feinen Geschmack zu beleidigen, nicht genommen haben, wenn ich nicht hinzusetzen dürfte, daß dies Lustspiel das Glück gehabt hat, unserm verehrungswürdigen Göthe zu gefallen, der besonders den Humor und die Unschuld der Ironie daran lobt. Johanna Schopenhauer an A. Schopenhauer 5. 1. 1807 (Lütkehaus S. 136)
B 3 2366
Den NeujahrsTag wurde bey mir ein Lustspiel von Schütze gelesen das ganz hübsch ist und allgemeinen Beyfall fand, sieh doch zu daß du es liest, es heißt Der Dichter u seyn Vaterland, zur Todtenfeyer aller gestorbenen Dichter und derer die noch sterben werden. Schütze hat diese Bahn noch nicht lange betreten, aber der erste Versuch ist glücklich, es ist Wiz und Satyre, aber ohne alle Bitterkeit, und das ist selten, Göthe hatte auch viel Behagen dran, er war aber recht müde von der Schwärmerey der vorigen Nacht. 2.1.
Tagebuch 2. 1. 1807 (WA III 3, 185)
War der junge Schmidt von Wien zu Tische. H. Schmidt, Erinnerungen (H. Schmidt S. 159)
B 2 936. 944 B 3 2368. 2369
In Weimar blieb ich nur sechs Tage, da ich meine guten Aeltern vom Kriegstrubel ziemlich unverletzt und die Lage und Verhältnisse der Theatermitglieder anders gefunden hatte, als vorausgesetzt worden war. Denn das Theater hatte sich keineswegs aufgelöst, und so waren auch hier die bessern Mitglieder wenig geneigt, es zu verlassen, bis auf Madame Beck, eine sehr brave Schauspielerin, mit der ich abschloß, und Herrn Haide, wegen dessen ich jedoch erst nach Wien schrieb und wohlweislich vorher ein Gastspiel anrieth, bevor man ihn engagire . . . Auch in Bezug auf die andern vorzüglichen Mitglieder unterließ ich jedoch nicht, meinem Auftrag gemäß weitere Schritte zu thun, worüber mir Goethe, als ich vor meiner Abreise das letzte mal bei ihm speiste, das aus seinem Munde mir höchst erfreuliche Zeugniß gab, daß er meine Schritte, die ihm nicht unbekannt geblieben wären, ganz gebilligt, und daß ich es zu vereinigen gewußt habe, meinen Pflichten ganz treu zu bleiben und doch dem Theater in Weimar nicht nachtheilig zu werden. (Noch im Jahre 1828 [wohl: Febr. 1829], wo ich das letzte mal die Freude hatte, ihn in Weimar zu sprechen, erinnerte er sich an dies Zeugniß). Zugleich bedauerte er, daß es nicht möglich gewesen sei, mich während meines Aufenthalts seinen „Egmont" sehen zu lassen. Ich hätte dabei abnehmen können, auf welche sinn- und effectvolle Art Klärchens Erscheinung am Schlüsse, die er nun beschrieb, plastisch bewirkt würde. Ich fragte ihn hierauf, ob das Stück noch mit den Abänderungen in Weimar gegeben würde, wie sie mir von Iffland's Gastspiel her, der 1796 den Egmont als Gast gab, erinnerlich waren. Goethe fragte, worin sie bestanden hätten. Ich erwähnte nur die eine, daß nämlich bei der Unterredung Egmont's mit Ferdinand im Kerker, im fünften Act, auch Alba im weiten schwarzen Gewände mit der Kapuze über 207
1807
Weimar den Kopf herabgezogen und dem Henkerschwert an der Seite gegenwärtig gewesen sei und daß dann Egmont bei einem Ausbruch seines Unmuths (es war bei der Rede: „Und ich falle ein Opfer seines (Alba's) niedrigen Hasses, seines kleinlichen Neides. Ja ich weiß es und darf es sagen, der Sterbende, der tödtlich Verwundete kann es sagen, mich hat der Eingebildete beneidet, mich wegzutilgen hat er lange gesonnen und gedacht") noch die Worte hinzugefügt habe: „Ja ich darf es sagen, und wenn Herzog Alba selbst es hören sollte", womit er Alba die Kapuze vom Gesicht herabriß und dieser in seines Nichts durchbohrendem Gefühle dastand. „Ja", erwiderte Goethe, „ich erinnere mich, daß es damals so arrangirt war und zwar von Schiller selbst. In Schiller'sche Stücke hätt' es auch wol gepaßt; allein das ist mein Genre nicht." Dies ganz seine eigenen Worte . . . Beim Abschied von Weimar drang ich mit der wiederholten Bitte in Goethe (es war schon früher mehrmals davon gesprochen worden), in diesem Sommer nach Wien zu kommen, wo ich Quartier und alles Nöthige für ihn besorgen und bereit halten würde. Er sagte die Erfüllung der Bitte halb zu, sowie er auch versprach, einige seiner Stücke für Wien bearbeitet zu schicken. H. Schmidt an Goethe 30. 1. 1807 (SchrGG 18, 22)
Der schönste Moment während meiner Anwesenheit in Weimar war der, als Sie mit mir endlich von meinem Geschäfte sprachen und mir über die Art meiner Führung Ihre Zufriedenheit zu erkennen gaben . . . Der Vorschlag, den Sie gegen mich äußerten, Iffland [bei einem geplanten Engagement in Wien] einen Antheil an dem Superplus nehmen zu lassen, wird noch das beßte und einzige Ausgleichungs-Mittel werden, das beyde Theile zufrieden stellen wird . . . Wenn Ew. Exzellenz erlauben, so ist das nicht der letzte Brief, den ich an Sie schreibe, zumal da ich den versteckten Zweck dabey habe, immer von Zeit zu Zeit Ihr erfreuliches Versprechen, künftigen Sommer hieher zu reisen, auf gute Art in Anregung bringen möchte. H. Schmidt an Goethe 6. 3. 1807 (SchrGG 18, 26)
[Die Direktion des Wiener Theaters werde] mit dem größten Vergnügen alle jene Stücke gegen ein zu bestimmendes Honorar aufnehmen, die noch bey dem Weimar. Theater vorräthig und zur Aufführung in Wien tauglich sind . . . wie z. B. das Räthsel [von Contessa], von dem Sie mir in Weimar Erwähnung thaten. — Den Auftrag wegen der vierstimmigen Gesänge von Jos. Haydn hab' ich bis jetzt immer im Auge gehabt, aber noch ist mirs nicht geglückt neuere, als die in Leipzig gedruckten, zu erhalten. 3. 1.
Tagebuch 3. 1. 1807 (WA III 3, 185)
Legationsrath Bertuch und Dr. Haberle wegen des geologischen Modells. Riemer (Keil 5 S. 208)
B 3 2781
G. arbeitete lange an einem kleinen Modell seiner Theorie des Erdbaus in farbigem Wachs, so nämlich, daß die verschiedenen Erdarten in verschiedenen 208
Weimar
1807
Farben übereinander lagerten, und dies meist nach Tische. Er kam aber, aus Mangel technischer Behandlung des Wachses, nicht ganz damit zu Stande und wollte es von Dr. Häberle bei Bertuch ausführen lassen, die dieserwegen auch d. 3. Januar 1807 bei ihm speisten. Tag- und Jahres-Hefte 1807 (WA I 36, 8)
. . . Mir [schwebte] immer ein Modell im Sinne . . . Es sollte auf der Oberfläche eine Landschaft vorstellen, die aus dem flachen Lande bis in das höchste Gebirg sich erhob. Hatte man die Durchschnittstheile auseinander gerückt, so zeigte sich an den innern Profilen das Fallen, Streichen und was sonst verlangt werden mochte. Diesen ersten Versuch bewahrte ich lange, und bemühte mich ihm von Zeit zu Zeit mehr Vollständigkeit zu geben. Freilich aber stieß ich dabei auf Probleme die so leicht nicht zu lösen waren. Höchst erwünscht begegnete mir daher ein Antrag des wackern Naturforschers Haberle, den Legationsrath Bertuch bei mir eingeführt hatte. Ich legte ihm meine Arbeit vor mit dem Wunsch, daß er sie weiter bringen möge; allein bei einiger Berathung darüber ward ich nur allzubald gewahr, daß wir in der Behandlungsart nicht übereinstimmen dürften. Ich überließ ihm jedoch die Anlage, auf seine weitere Bearbeitung hoffend, habe sie aber, da er wegen meteorologischer Mißlehren sich von Weimar verdrießlich entfernte, niemals wiedergesehen. 4.1.
Tagebuch 4. 1. 1807 (WA III 3, 185)
Mittags Regierungsrath Voigt zu Tische. Vorher Geschäftssachen mit ihm. Abends bey Mde Schopenhauer. Nachher bey der Herzogin Mutter. Johanna Schopenhauer an A. Schopenhauer 5. 1. 1807 (Lütkehaus S. 137)
B 2 948 B 3 2370
Gestern war wieder Gesellschaft, Göthe fieng an von seinem herannahenden Alter zu sprechen mit einer Weicheit des Tons, mit einem so edlen Selbstbewußtseyn daß er uns alle tief rührte, dabey hielt er mich fest bey der Hand, er thut das oft, und erinnert mich dann lebhaft an deinen Vater, der mich dann auch so fest halten konnte. St. Schütze, Tagebuch 4. 1. 1807 (*JSK NF 4, 97; GMD)
Thee bei der Schopenhauer], Goethe demonstrirt mir das Gänsespiel, spricht mit Fernow sehr schön [?] über Verunglimpfungen Weimars pp. Die Goethen: sie sei jetzt nicht mehr so glücklich. C. L. Fernow an Böttiger 7. 1. 1807 (»Gerhardt S. 191; LB Dresden, Böttiger 8° 9, 33) B 2 9 1 8 B 3 2329
Am Abend desselben Tages, wo ich meinen lezten Brief . . . an Sie absandte, hatte ich eine sehr interessante Unterredung mit G. von der ich Ihnen das Wesentliche je eher je lieber mittheile . . . Ich kam zufällig mit G. über das Journal- u. Zeitungswesen unsers Vaterlandes ins Gespräch. Sie wissen wie G. von jeher über die Neuigkeitskrämereien der Journale u. Z. gedacht hat; und er war auch jezt indigniti über so manche Nachrichten welche in diesen lezten Zeiten über Weimar, besonders in der Allg. Z. gestanden haben, z. B. die Notiz, 209
1807
Weimar unsere verwittwete Herzogin u. ihre Flucht von W. vor der Schlacht, welche hier allgemein gemißbilligt worden, u. um so mehr da die Beweggründe zu ihrer Abreise dort völlig falsch angegeben worden, u. die andere, daß die Herzogin v. W. dem gefallenen Prinzen Louis Ferd. von Preussen einen Lorberkranz geweihet habe, woran, wie Sie leicht denken können, kein wahres Wort ist u. andere Indiskrezionen mehr, die Ihnen bekannt sind. Er sagte mir, er habe deshalb auch sehr ernstlich an Cotta geschrieben, daß derselbe jezt besonders, wo Deutschland nur eine große und heilige Sache habe, die, im Geiste zusammenzuhalten, u. in dem allgemeinen Ruin wenigstens das bis jezt noch unangetastete Palladium unserer Litteratur aufs eifersüchtigste zu bewahren, dergleichen Frivolitäten, welche nur zum Gespött der Schadenfrohen u. zum Geklatsche der Müßiggänger dienen, nicht in seinen Blättern hegen u. pflegen müssen. Er sagte nach dem 14. Oktober müsse kein Freimüthiger mehr existiren, u. was man sich sonst von Berlin aus mit verachtendem Stillschweigen habe gefallen lassen, müsse man keinesweges von dem südlichen Deutschlande u. von Ulm aus erdulden. Besonders müsse man in Sachsen, welches vor vielen andern geschont worden, u. so günstige Bedingungen für seine fernere Existenz erhalten, jezt mehr als je zusammen halten, da Dresden, Leipzig, Jena u. Weimar künftig leicht der Hauptsiz der Germanischen Geisteskultur im nördlichen Deutschland bleiben dürften, wie sie es ja auch schon früher größtentheils gewesen seien. Alle die Neckereien, welche ehemals in Zeiten der Ruhe u. friedlicher Verhältnisse, wenn auch unanständig, doch im Wesentlichen unschädlich gewesen würden jezt höchst nachtheilig werden, wenn sie dazu beitragen könten, daß die Franzosen die einzige Achtung die sie jezt noch für die Deutschen haben könten, die Achtung für unsere Kultur und für unser geistiges Streben, wovon sie jezt als Augenzeugen genauer u. besser als je unterrichtet werden können, verlieren müßten. Es sei also jezt, wo alles auf der Spitze stehe, eine wahre Verrätherei mit dem alten Leichtsinne fortzufahren, Orte welche als ein Siz der Kultur, u. Männer welche als thätige Beförderer derselben einige Ansprüche auf öffentliche Achtung haben können, unwürdig zu behandeln, u. daß der Feind uns um so weniger ehren werde, wenn wir uns selbst so wenig ehren u. achten, daß wir nichts besseres zu thun wissen, als vor seinen Augen unsere Blößen aufzudecken. Besonders müsse Weimar u. diejenigen in W. welche zum Theil dazu beigetragen haben, auch selbst in den Augen der Fr. unsere Litteratur Achtungswürdig zu machen, jezt mit gebürender Rücksicht behandelt werden, um so mehr da der K. Napoleon selbst auf W aufmerksam geworden sei, so daß er den hiesigen Regierungsrath Müller in einer Unterredung gefragt hat, ob denn Weimar auch in Deutschland wegen seiner höheren Bildung in demselben Ansehen stehe, wie bei den französischen Gelehrten? Man müsse also auf alle Weise verhüthen, daß der in dessen Hand jezt Deutschlands Schicksal liege, die Achtung die wir ihm durch ein höheres geistiges Ubergewicht abgenöthigt haben, nicht verliere, u. s. w. Dies ungefehr war der Inhalt dessen was mir G. sagte, u. ich glaube Sie werden eingestehen, daß er recht hat. . . Wie wahr u. begeisternd muß für jeden Deutschen das Wort sein, was Johannes Müller in seiner neulichen Rezension [JALZ 1806, 1357] von Eichstädts de 210
Weimar
1807
imaginibus Romanorum ρ sagt: Italien hat seine Künste; Frankreich eine vielseitige Bildsamkeit für Alles: m ö g e D e u t s c h l a n d die L e h r e r i n s e i n ! Was h a b e n wir (jezt noch) als u n s e r e S p r a c h e u n d L i t e r a t u r ? Es hat mich überrascht u. erfreuet, in jener Rezension, die ich gestern gelesen, ganz denselben Geist dessen, was G. mir zwei Tage früher in jenem merkwürdigen Gespräche sagte, wieder zu finden . . . Es kann sein, daß G., der wohl weiß, daß ich mit Ihnen in freundschaftlichen Verhältnissen stehe, mir das Obige absichtlich gesagt hat, u. wäre das auch nicht der Fall, so halte ich es für meine Pflicht, es Ihnen mitzutheilen, da die Sache so wichtig ist, wie irgend eine in der Welt. 5. 1.
Tagebuch 5. 1. 1807 (WA III 3, 185)
Müller und Steinert wegen der optischen Tafeln. Mittags Fernow zu Tische. Abends bey Frau von Stein. Johanna Schopenhauer an A. Schopenhauer 5. 1. 1807 (Lütkehaus S. 137)
B 3 2370
Jezt ist er eben wieder da gewesen um mit mir wegen unserer Kleberey zu sprechen, er fand mich aber mit Fernow italienisch studieren, und hielt sich nicht lange auf. Es ist unbegreiflich wie er sich an mich gewöhnt hat, alles wundert sich drüber, und ich selbst wundre mich auch, aber ich freue mich drüber unbeschreiblich. Wenns dich langweilt, daß ich immer dasselbe schreibe so sag es ohne Scheu, er ist mir bey weitem hier das Interessanteste, auch lebe ich so viel mit ihm daß er sich in alle meine Vorstellungen einmischen muß. 6. 1.
Tagebuch 6. 1. 1807 (WA III 3, 185)
Legationsrath Bertuch wegen der Rudolstädter Reise. Abends mit den jungen Schauspielern die Mitschuldigen gelesen. 8. 1.
Tagebuch 8. 1. 1807 (WA III 3, 186)
Abends bey Mde Schopenhauer. Johanna Schopenhauer an A. Schopenhauer 9. 1. 1807 (Lütkehaus S. 139)
Ich lebe hier wie gewöhnlich, gestern war mein Zirckel größer wie sonst, Göthe war wie immer. 10. 1.
Tagebuch 10. 1. 1807 (WA III 3, 186)
Abends Professor Meyer. Medaillenkunde des 15. und der ersten Hälfte des 16. Jahrhunderts. 9./10. 1.
Chr. A. Vulpius an N. Meyer 13. 1. 1807 (Kasten 1 S. 203)
B 3 2372
Nach einem Aerger bekam der Ghr. Göthe seinen Anfall wieder; es ist aber wieder vorbei. 11. 1.
Tagebuch 11. 1. 1807 (WA III 3, 186)
Taufactus. Zu Mittag Dr. Vulpius und Schnauß. Spaß über die königl. sächs. Tournire. Über Werneburgs Mondsystem, welches er auf Verlangen einschickte.
211
1807
Weimar Abends bey Mde Schopenhauer. Las Professor Froriep ein wunderliches Lustspiel mit Chören, Schachide, vor. An Carl August 15. 1. 1807 (WA IV 19, 265)
Die heilige Handlung [Taufe eines Sohnes von Caroline Jagemann und Carl August] ist vergangenen Sonntag früh um eilf anständig und heiter vorgenommen worden, wobey wir es an den besten Wünschen für Ihr Wohl und Ihre Freude nicht fehlen lassen. Caroline Falk an Falk 14. 1. 1807 (GMD, Falk III)
B 3 2371
D. Jagemann . . . hat einen kleinen Sohn, will dieß aber, wie man sagt cachieren, denn sie hat gleich ein paar Tage danach aus dem Fenster gesehen, als wenn nichts passiert sey. Göthe hat das Kind aus der Taufe allein gehoben, u Günther hat das heilige Werk bey ihr im Hause verrichtet, es hat den Namen Carl August erhalten. St. Schütze, Tagebuch 11. 1. 1807 (*JSK N F 4, 98; GMD)
Thee bei der Schopenhauer]. Froriep liest eine Komödie: Schachide vor, Goethe sagt nichts dazu. Riemer (GSA, Riemer 653 Bl. 158)
G Schachide. Das Aperçu gut aber schlecht ausgeführt. 12. 1.
l i j a n . 1807
Tagebuch 12. 1. 1807 (WA III 3, 187)
Abends mit Prof. Meyer verschiednes die Zeichenschule betreffendes abgehandelt und in die letzten Acte von Rodogüne. 13. 1.
Tagebuch 13. 1. 1807 (WA III 3, 187)
Kupferstecher Müller. Berichtigung einiger Tafeln. Riemer, Tagebuch 13. 1. 1807 (*Dtsch. Revue 11, 1 S. 60; Keil5 S. 210)
B 2 949 B 3 2373
Bemerkungen, die Polemik betreffend, vorgetragen. Abends bei G. Newtons 2. Buch der Optik besprochen. Wie es sich damit verhalte, daß der Spectator die Farben umgekehrt sehe im Prisma gegen die, welche das Prisma an die Wand werfe. Versuch mit dem Kerzenlichte. Es ist gar nicht dasselbe, was er im Prisma und an der Wand sieht. Jenes ist das ganze Bild des Lichts vom Auge rückwärts gefärbt, das an der Wand sind die Ränder des Prismas. 14. 1.
Tagebuch 14. 1. 1807 (WA III 3, 187)
Abends Prof. Meyer. Humboldtisches Manuscript der Gemälde in Spanien. Riemer, Tagebuch 14. 1. 1807 (Dtsch. Revue 11, 1 S. 61)
B 3 2374
Äußerte sich Goethe über das Steife und Leblose der mathematischen Formeln, sobald sie außer ihrem Kreise, d. h. außer dem Räumlichen angewendet werden. 212
Weimar
1807 Riemer, Aphorismen S. 309
B 2 950 B 3 2375
den 14. Jan. 1807. [Goethe:] „Die mathematischen Formeln außer ihrer Sphäre, d. h. dem Räumlichen, angewendet, sind völlig starr und leblos, und ein solches Verfahren höchst ungeschickt. Gleichwohl herrscht in der Welt der von den Mathematikern unterhaltene Wahn, daß in der Mathematik allein das Heil zu finden sey, da sie doch, wie jedes Organ, unzulänglich gegen das All ist. Denn jedes Organ ist specifisch und für das Specifische." 1. Hälfte
Luise v. Göchhausen an Böttiger 15. 1. 1807 (GJb 10, 151)
B 3 2376
J an '
Goethe beschäftiget sich sehr anhaltend mit seiner neuen Optik, die nächstens bey Frommann herauskommt.
15. 1.
Tagebuch 15. 1. 1807 (WA III 3, 187)
Steinert wegen einer chromatischen Tafel. Dr. Froriep. Mittags Dem. Elsermann zu Tische . . . Dem. Brand Guitarre und Gesang. 16. 1.
Tagebuch 16. 1. 1807 (WA III 3, 187)
Abends Prof. Meyer. Weniges gezeichnet. Demoiselle Bardua und Brand, Guitarre. Riemer, Tagebuch 16. 1. 1807 (Keil 5 S. 210)
Nach Tisch [mit Goethe] ein Portefeuille mit Tischbein's Reise und eins mit altdeutschen Holzschnitten durchgesehen. Zum Abendessen M llc Bardua, Brand. Guitarre. G. zeichnete. 17. 1.
Tagebuch 17. 1. 1807 (WA III 3, 187)
Abends Prof. Meyer, Demoiselle Brand. 18. 1.
Tagebuch 18. 1. 1807 (WA III 3, 187)
Cammercalculator Kühn von Jena. Berichtigung der Museumsrechnung und Anordnung dessen, was sonst darauf bezüglich. Vor Tische bey der Herzogin Mutter und Fräulein Göchhausen. Nach Tische das Portefeuille, das sich auf menschliche Gestalt bezieht. Hr. v. Einsiedel, Voigt iunior. Abends bey Mad. Schopenhauer. Aktennotiz 19. 1. 1807 (Döbling S. 48)
Das Nöthigste war indessen für die Casse [der Oberaufsicht] zu sorgen, und als man den, wegen Wechsel der Interims-Administratoren verspäteten Cassebestand am 10 Januar erhielt, so wurde sogleich der Cammercalculator Kühn herMitte Jan. (?)
F. A. Ukert an Riemer 10. 1. 1807 (GSA, Riemer 1246) Da ich Göthe in den lezten Tagen meines Aufenthalts in Weimar nicht sah, so habe ich ihn nicht fragen können, ob er etwas dagegen hätte daß ich die Mémoires übersezte nach denen die Natürliche Tochter entworfen ist: thun Sie, Lieber, mir den Gefallen und fragen Sie ihn, ist es ihm nur im Mindesten unangenehm, so übersetze ich keine Sylbe.
213
Weimar
1807
überberufen, welcher denn auch Sonntags den 18 tcn ankam und das Manual nebst den sämmtlichen Belegen mitbrachte. Man ging darauf das ganze Geschäft mit ihm durch, beseitigte manche Bedenklichkeit und faßte die fol. befindlichen vorläufigen Resolutionen, wodurch denn das Geschäft wieder in den alten Gang geleitet und die zu Ostern abzulegende Rechnung vorbereitet worden. 19. 1.
Tagebuch 19. 1. 1807 (WA III 3, 188)
Legationsrath Bertuch . . . Nach Tische Prof. Froriep. Abends der Amerikaner. Capellmeister Himmel auf seiner Durchreise von Berlin nach Gotha. Riemer, Tagebuch 19. 1. 1807 (Dtsch. Revue 11, 1 S. 61)
B 2 952 B 3 2377
Briefe für Goethe an Voß, Meyer, Schelver. Mittags Demoiselle Elsermann; Rolle der Emilia Galotti mit ihr durchgegangen. Abends der Amerikaner [Lustspiel von W. Vogel]; Goethe bemerkte, daß er sich zu einer vortrefflichen Oper machen ließe. 19. (?) 1.
Bertuch an L. F. Froriep 17. 3. 1808 (GSA, Bertuch 3201, 223)
Mit meinem Zeichen- und Schreibe-Meister für Industrie Schulen in Städten und auf dem Lande liege ich . . . noch vor Ancker, weil ich erst Ruhe und Reorganisation der Staaten und Regierungen . . . abwarten, und meine neue und fruchtbare Idee dem V o l k s U n t e r r i c h t e e i n e n n e u e n n o c h f e h l e n d e n Z w e i g zu g e b e n , mir nicht selbst verhunzen wollte. Göthe, dem ich einmal darüber, und besonders über den Elementar-Unterricht des Zeichnens, a u f S c h i e f e r T a f e l n , sprach, wurde nebst Hofr. Meyer, enthusiasmirt davon, und führte dieselbe sogleich in der hiesigen freyn Zeichenschule ein. 20. 1.
Tagebuch 20. 1. 1807 (WA III 3, 188)
Um 4 Uhr Leseprobe vom Tasso. Abendessen mit den jüngeren Schauspielern. E. Genast, Aus dem Tagebuche eines alten Schauspielers (nach A. Genast) (Genast 1, 163)
Anfang Februar [vielmehr: 20. Jan.] 1807 überraschten die obengenannten Mitglieder [des Hoftheaters, Oels, Wolff, Becker, Silie, Wolff] Goethe mit dem beendeten Studium dieses Werkes [Tasso] und wußten ihn zu bestimmen, daß er dessen Darstellung bewilligte. G. Parthey, Jugenderinnerungen (Friedel 2, 97)
Göthe hatte anfangs geglaubt, daß Wolf der Rolle des Tasso nicht gewachsen sei; dieser hoffte ihn vom Gegentheile zu überzeugen, und spazierte wohl ein halbes Jahr lang alle Morgen mehrere Stunden im Park, den Tasso in der Tasche, so daß er zuletzt fast das ganze Stück auswendig wußte. Nun bat er Göthen, ihm den Tasso vorlesen zu dürfen, und erhielt denn auch die unbedingte Erlaubniß zum Spiel. 20. (?) 1.
Chr. G. Voigt an Goethe 20. 1. 1807 (SchrGG 55, 153) Mein Sohn wird Mehrers zu referieren die Ehre haben.
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1807
Weimar Riemer, Tagebuch 20. 1. 1807 (*Dtsch. Revue 11, 1 S. 61; Keil5 S. 211)
B2 952 a Β 3 2378
Abends Leseprobe vom Tasso. Goethe's Freude über sein Aperpu, die Ähnlichkeit zwischen Napoleon und Reichardt entdeckt zu haben; derselbe rictus und Ton desselben, dieselbe Unbarmherzigkeit u. s. w. Daher auch odium ex paritate. — Schmarutzender Tyrann oder tyrannischer Schmarutzer gebe ein gutes Stück. [Spätere Zusatzbemerkung Riemer's:] Hierher gehörte das symbolische Schema, das wir, Goethe und ich, einmal zusammen entwarfen, und ich besonders in's Einzelne ausführte, wonach der Tyrann und der Narr sich einander gegenüber zu stehen kamen. 21. 1.
Tagebuch 21. 1. 1807 (WA III 3, 188)
Vor Tisch spatzieren und bey der Prinzeß Caroline . . . Abends Prof. Meyer. Versuche mit den bunten Bildern durch die Linse. 22. 1.
Tagebuch 22. 1. 1807 (WA III 3, 188)
Mittags Mlle Elsermann. Einquartierung von zwey französischen Officiers. Abends bey Mad. Schopenhauer. Riemer, Tagebuch 22. 1. 1807 (Keil5 S. 211)
Einquartirung von 2 französischen Capitains. Abends Experimente mit der Linse und den farbigen Bildern auf G. Stube. 23. 1.
Tagebuch 23. 1. 1807 (WA III 3, 189)
Bey Herrn GR. Voigt. Dann bey Gores. Zu Mittag einer der einquartierten Capitäns. Beschreibung von Ragusa und seiner Reise nach Dalmatien. Abends bey Frau von Wolzogen; dann bey Frau von Stein. Brief aus Breslau mit der Belagerungsnachricht. Riemer, Tagebuch 23. 1. 1807 (Keil5 S. 211)
[Mit Goethe?] Gezeichnet zur Chromatik. Mittags speiste der eine Officier mit, der in Ragusa gewesen war, Montenegriner leben vom Raube, Ragusa policirt mitten unter diesen Barbaren. Charlotte v. Stein an F. v. Stein 23. 1. 1807 (»Düntzer 9 2, 259; GSA, Stein 107)
B 3 2379
D u bist so ruhig und gefaßt in Deinen Brief . . . was vor ein erschrecklicher Zustand in einer belagerten Stadt zu seyn . . . Ich . . . mögte Herrnhuthern werden um mehr Ergebung zu haben, wie D u auch wohl bemerkst daß einen die frommen bey so einer Gelegenheit wohlthun. Goethe war eben bey mir, er hat Deinen Brief mitgenommen um ihn zu Hauß zu lesen . . . Goethe war traurig, seine Gesundheit ist nicht sonderlich, doch ist mir seine Traurigkeit wohlthuender, als seine unatürliche Lustigkeit; Prinz August von Preusen hat als er [27. 12. 1806] hierdurch gefangen ging vor den Graf Schmettau ein Monument beym Goethe bestellt hat auch sein Grab besucht. 215
1807 24. 1.
Weimar Tagebuch 24. 1. 1807 (WA III 3, 189)
Auf dem Hofamte. Bey Dem. Jagemann . . . Lustige Unterhaltung mit August. Formel für die Coquetten. Prof. Meyer. 25. 1.
Tagebuch 25. 1. 1807 (WA III 3, 189)
Mittags Mlle Elsermann. Nach Tische Emilia Galotti. Sodann Legationsrath Bertuch. Prof. Meyer. 26. 1.
Tagebuch 26. 1. 1807 (WA III 3, 189)
Abends Prof. Meyer. Um 9 Uhr Herrn Gores Beerdigung. 27. 1.
Tagebuch 27. 1. 1807 (WA III 3, 190)
Spatzieren. Dann bey der Prinzeß Caroline . . . Abends bey Mde Schopenhauer. Kleines Concert. Bey der Illumination zum Krönungsfest in Dresden hatte einer das Motto: Es lebe Friedrich August Rex! Wer noch Geld hat, der versteck's! C. W. v. Fritsch an Goethe 28. 1. 1807 (Eing. Br. 1807, 7)
Die gestern besprochene Idee habe ich möglichst verfolgt aber die Kürze der Zeit hat den Damens nicht die Hofnung gestattet ihren Putz zu vollenden u. ich habe müßen den Gedanken aufgeben, der zwar gebilligt aber nicht genug unterstüzt wurde. Johanna Schopenhauer an A. Schopenhauer 30. 1. 1807 (Lütkehaus S. 142)
B 2 951 B 3 2380
Am Dinstag [27. 1.] gab ich einmahl eine extra Gesellschaft, denn ich mußte einige der adlichen Häuser in denen ich gewesen war einladen, wie wenig kostet ein solcher Zirckel und wie hübsch ist er! Ich hatte ein kleines Konzert, mein neues Piano ist wunderschön von Ton, Werner mein Musickmeister spielt es sehr schön, dann auch singt er einen schwachen aber angenehmen Tenor, die Bardua und der erste Sänger bey der Oper Stromeyer, sangen Duette, Arien und auch kleine hübsche Lieder meistens von Göthe zur Guitarre. Dann waren noch 3 Musici von der Kapelle des Herzogs, alles dies kostet nichts als einige Gläser Punsch, diese Leute spielen nicht für Geld sie kommen aber gerne wenn man sie bittet. Um 9 Uhr ließ ich Punsch, Bullion und Butterbrödchen herum geben, wie in Hamburg in der Sonntagsgesellschaft beym Spiel, und wir blieben bis gegen 12 Uhr lustig und guter Dinge zusammen. Die Göthen kam allein, und sagte mir er wäre nicht wohl und würde wenn es ihm möglich wäre eine halbe Stunde kommen doch sey dies nicht gewis, mit eins sah ich ihn aber im Nebenzimmer zwischen der Bardua und der Conta ganz gemühtlich sizen, ich lief gleich voller Freude zu ihm, die Mädchen machten mir Plaz, und ich habe fast eine Stunde mit ihm geplaudert, er erzählte mir viel von Huber dessen Leben jezt heraus gekommen ist, welches du lesen mußt, er war unbeschreiblich sanft und liebenswürdig gestimmt, du meinst es ist unmöglich vis a vis ihm nicht ein wenig scheinen zu wollen, sähst du ihn nur, du würdest fühlen wie unmöglich 216
1807
Weimar es ist gegen ihm sich anders als natürlich zu zeigen, er selbst ist ganz Natur, und seine hellen klaren Augen benehmen alle Lust sich zu verstellen, man fühlt doch daß er durch alle Schleyer sieht, und daß diesem hohen reinen Wesen jede Verstellung verhaßt seyn muß. Ich pflegte ihn nach besten Kräften und hatte die Freude seinen Bedienten bis 11 Uhr mit der Laterne warten zu sehen der schon um acht Uhr gekommen war.
28. 1.
Tagebuch 28. 1. 1807 (WA III 3, 190)
Abends Meyer. Litteraturzeitung. Riemer, Tagebuch 28. 1. 1807 (Keil 5 S. 212)
Bei G., der Abends Linse als Congregatis prismatum angesehen. Bei G., der nicht wohl war. 30. 1.
Tagebuch 30. 1. 1807 (WA III 3, 190)
Mittags Dem. Elsermann. Von Emilia Galotti Leseprobe mit ihr gehalten. 31. 1.
Tagebuch 31. 1. 1807 (WA III 3, 190)
Früh beym Herzog, bey der Herzoginn, beym Erbprinzen zum Frühstück. Mittags speisten Frommann, Hegel und Seebeck mit uns. Riemer, Tagebuch 31. 1. 1807 (Keil 5 S. 212)
Kam Frommann, Hegel und Seebeck von Jena herüber. Speisten zu Mittag bei uns. A n Knebel 14. 3. 1807 (WA IV 19, 283)
Ich verlange endlich einmal eine Darstellung seiner [Hegels] Denkweise zu sehen. Es ist ein so trefflicher Kopf und es wird ihm so schwer, sich mitzutheilen! 31. 1. (?)
Hegel an Schelling 23. 2. 1807 (Hoffmeister 1, 150)
B 3 2382
Mit dem größten Interesse habe ich Deine Mitteilungen über eine neue höhere Seite der physischen Wissenschaft gelesen . . . Seine [Ritters] Versuche werden aber zuweilen transzendent, so daß andre nicht zu folgen fähig sind, und er wird Mühe haben, seine Magnetnadel aus 2 Metallen, die Du in der Schrift gegen Fichte anführ[s]t, bei andern Physikern geltend zu machen; wenigstens findet, so viel ich höre, darüber noch großer Widerspruch statt. — In Ansehung der siderischen Versuche habe ich deswegen mit Vergnügen gehört, daß er eine Vorrichtung angegeben zu haben schreibe, durch welche das Zufallige, das sich in diese Versuche einmischen kann, entfernt werde — ohne diese wage ich es nicht, bei mir einen für gelungen zu halten — freilich habe ich auch nur mit Bleiwürfeln, Geldstücken und drgl. — nicht mit goldnen und silbernen Würfeln experimentieren können. Goethen hab' ich neugierig darauf gemacht, der einstweilen seine Späße dabei anbrachte. — Er arbeitet an seiner Farbengeschichte fort, von der er an zwei 217
1807
Weimar Teilen zugleich — einem theoretischen, d. h. empirischen, und einem geschichtlichen drucken läßt, — von jedem sind wohl schon ein 20 Bogen fertig. — Ich habe einen Teil derselben gesehen, er hält sich aus Haß gegen den Gedanken, durch den die andern die Sache verdorben, ganz ans Empirische, statt über jenen hinaus zu der andern Seite von diesem, zum Begriffe, überzugehen, welcher etwa nur zum Durchschimmern kommen wird. — Zugleich läßt er auch an einer Morphologie drucken — er scheint überhaupt sein Haus bestellen und seine zeitlichen Angelegenheiten in Richtigkeit bringen zu wollen — der Anfang derselben ist der ungeänderte Abdruck seiner Metamorphose der Pflanzen! — Die Abhandlungen über den tierischen Organismus, zu denen er von hier übergehen wird, kennst Du wohl schon näher.
2. Hälfte
Johanna Schopenhauer an A. Schopenhauer 30. 1. 1807 (Lütkehaus S. 141)
J an '
Die Kreyde kam unversehrt an, hast du sie eingepackt so mußt du ebenfalls gelobt werden, ich habe Göthe, Fernow, Meyer und der Bardua jedem einen verehrt, und sie haben sich alle hübsch bedanckt, wovon dir auch ein Theil gebührt, ich habe Göthen auch die Nachtlampe um nach der Uhr zu sehn gegeben, weil er lezt drüber klagte, daß er oft aufwache und dann nicht wissen könne wie es an der Zeit wäre, dafür hat er mir einen Kasten mit transparenten Mondscheinen gegeben, und Göthe wird mir zu dem Kasten immer mehr neue Mondscheine erfinden, und ich und Meyer werden sie ausführen, er mit dem Pinsel ich mit der Scheere . . . Klugen vernünftigen Leuten muß unser Beginnen fast thöricht vorkommen, wenn so ein Senator oder Burgermeister sähe wie ich mit Meyer Papierschnitzels zusammenleime wie Göthe und die andern dabey stehen und eifrig Rath geben, er würde ein recht christliches Mitleid mit uns armen kindischen Seelen haben, aber das ist eben das Göttliche der Kunst, sagt dein Liebling Tieck, wenn ich nicht irre, daß ihr Beginnen, ihre Werckzeuge so fast kindisch und einfältig aussehen. Der Ofenschirm ist fertig und die Bewunderung aller Welt, er ist würcklich über Erwarten hübsch, Göthe hat letzt mit dem Licht in der Hand wohl eine halbe Stunde davor gesessen und ihn besehen, und wer in die Nähe kam den kriegte er beim Schlafitchen, und er mußte mit bewundern und besehen, jezt wird ein andrer gemacht, und zwar wird der ächte Bogen GoldPapier den ich aus London brachte mit dazu gebraucht. Göthe ist seit einiger Zeit nicht recht wohl, eigentlich ist er nicht kranck, aber er fürchtet kranck zu werden, und schont sich ängstlich, doch kommt er zu mir wenn er irgends kann, und läßt sich in der Portechaise zu mir tragen, er kommt mir bisweilen etwas hypochondrisch vor, denn seine Kranckheit verschwindet ganz wenn er nur ein wenig warm in der Gesellschaft wird, und das geschieht so leicht.
Ende Jan. Riemer an C. F. E. Frommann 28. 1. 1807 (Heitmüller S. 89)
B 2 953 B 3 2380
B 2 954 B 3 2381
Unser theurer G. ist zeither nicht ganz wohl. Er will zwar nicht, daß man es laut werden lasse, u. ich sage es Ihnen nur im Vertrauen; allein er kann es doch nicht verbergen. Es sind die schlimmen Monate gerade; u. es kommt so vieles zusammen, was auf ihn nicht zum besten einwirkt. Wenn wir nur den May 218
Weimar
1807
erreichen, ohne heftigere u. eigentliche Anfälle; dann wollen wir ihn schon wieder mit Gesundheit ausrüsten. Das alles unter uns; denn er hat's nicht gern, wenn ihm aus der Nähe und Ferne die Wirkungen seines Zustandes zurückstrahlen. Jan.
Johanna Schopenhauer an J. H. W. Tischbein 2. 2. 1807 (Alten S. 113)
B 2 955 B 3 2383
Sie wünschen einen Komentator zu Ihren Zeichnungen zu haben, wozu soll Ihnen noch ein Komentar; geben Sie es der Welt wie es ist; wer Sinn dafür hat, dem spricht Ihr Pinsel deutlicher, als die beredetste Feder, wer ihn von Natur nicht erhielt, der faßt sie nicht, und wenn Engelszungen es ihm erklärten. Ihr Werk ist ein vollendetes Ganze, mehr hinzuthun wäre zuviel und würde der schönen Einheit schaden. Diese Meinung habe ich Goethen abgefragt; ich bin überzeugt, Sie werden sie für die rechte erklären, wenn Sie um sich her die Menschen ansehen. Goethe ist vielleicht der einzige, der einen Komentar dazu machen könnte. Ihre Geister sind einander verwandt. . . Johanna Schopenhauer an A. Schopenhauer 28. 4. 1807 (Lütkehaus S. 170)
Ridel ist ein armer ängstlicher Philister, du weißt Tischbein hat ein Eselsbuch das er gar nicht aus den Händen giebt er will es gerne mit Erläuterungen bekannt machen, und gab mir damahls einen Brief an Professor Römer in Braunschweig damit ich mit dem drüber sprechen und dann Tischbein meine Meynung von ihm melden sollte, über all den Wirrwarr schrieb ich nur durch Ridel erst, und rieht Tischbein davon ab weil Römer mir nicht der Mann dazu scheint, zugleich bat ich ihn das Buch durch Rideln an Göthen zu schicken mit dem ich drüber gesprochen hatte, er hat es auch gewollt, was mich sehr wundert, und der ängstliche Ridel hats nicht nehmen wollen weil Göthe es der Esel wegen seiner Meynung nach übel nehmen könnte. L. F. Froriep an H. E. G. Paulus 3. 2. 1807 (»Reichlin-Meldegg 1, 367; GSA, Bertuch 4453 a)
In Weimar habe ich Göthe u n d s e i n e F r a u oft gesehen. Er ist gewaltig sociable; sie ist in so fern sehr vernünftig daß sie gar wenig spricht. Göthe hat aber am 14 u 15 Octob. Dinge thun müßen, wovon er sich kaum etwas hätte träumen laßen. Seine Bronce-Sammlung ist durch ein sehr theures Stück vermehrt worden, was ihn 2000 rh und drüber kostet — ein Rock Knopf von Augereau der mit seiner Suite bey ihm logirt hat. 1. 2.
Tagebuch 1. 2. 1807 (WA III 3, 191)
Mittags Herr von Hendrich zu Tische. Abends bey Mad. Schopenhauer. St. Schütze, Tagebuch 1. 2. 1807 (*JSK NF 4, 98; GMD)
Thee bei der Schopenhauer], Mit Goethe über die Ohren, Geräusch in der Luft. St. Schütze, Tagebuch 2. 2. 1807 (JSK NF 4, 98)
Β [ardua]: Goethe hätte sich gestern mit Falk beinahe gezankt. 219
1807 1. 2. (?)
Weimar Johanna Schopenhauer an A. Schopenhauer 3 . 2 . 1 8 0 7 (Lütkehaus S. 144)
Sage Mdlle. Willink daß ihre [Stick-]Muster Göthen u Meyer als ganz neu und geschmackvoll besonders aufgefallen sind, und daß sie sie den andern weit vorziehen. 2. 2.
Tagebuch 2. 2. 1807 (WA III 3, 191)
Beym Herzog wegen Berichtigung der Landkarten. Bey der Fürstin Reuß . . . Nach Tische die Journalisten, neues Stück von Dr. Schütz vorgelesen. Riemer, Tagebuch 2. 2. 1807 (Keil 5 S. 212)
Schickte Schütze seine sämmtlichen dramatischen Sachen mir zu. Las ich nach Tische G. die Journalisten vor. St. Schütze, Tagebuch 2. 2. 1807 (*JSK NF 4, 98; GMD)
Riemer hat Goethen bei Tisch die Journalisten [von Schütze] vorgelesen und sie haben ihm gefallen. 3. 2.
Tagebuch 3. 2. 1807 (WA III 3, 191)
Theaterbemerkungen. Genast. Gegen den Schwanensee zu spatzieren. Dann bey der Herzogin Mutter . . . Abends die Mitschuldigen mit den jungen Schauspielern, Mde Schopenhauer und Dem. Bardua. Riemer, Tagebuch 3. 2. 1807 (Dtsch. Revue 11, 1 S. 61)
Einige Theaterbemerkungen bei Goethe. Spazieren nach dem Schwanensee mit Goethe. Abends war Madame Schoppenhauer zur Vorlesung von den Mitschuldigen bei uns. Riemer, Aphorismen S. 309
B 2 956 B 3 2384
den 3. Febr. 1807. [Goethe:] „Die Reflexion führt darum so leicht auf's Unrichtige, auf's Falsche, weil sie eine einzelne Erscheinung, eine Einzelheit, ein Jedesmaliges, zur Idee erheben möchte, aus der sie Alles ableite; mit einem Worte, weil es eine partielle Hypothese ist. Z. E. wenn man sagt: „Jeder handele aus Eigennutz." — „Die Liebe sey nur Selbstsucht." — Als wenn die Natur nicht so eingerichtet wäre, daß die Zwecke des Einzelnen dem Ganzen nicht widersprechen, ja sogar zu seiner Erhaltung dienen; als wenn ohne Motive etwas geschehen könnte, und als wenn diese Motive außerhalb des handelnden Wesens liegen könnten und nicht vielmehr im Innersten desselben; ja, als wenn ich die Wohlfahrt des Andern befördern könnte, ohne daß sie auf mich inundirte, keineswegs mit meinem Verlust, mit meiner Aufopferung, welche nicht immer dazu erfordert wird, und welches nur in gewissen Fällen geschehen kann. 3. 2.
Johanna Schopenhauer an A. Schopenhauer 3. 2. 1807 (Lütkehaus S. 144) Ich bin heute Abend bey Göthe zu einem kleinen Fest geladen das er ganz eigen für mich angestellt hat, und wozu ich mich sehr freue.
220
1807
Weimar Wäre es wahr, daß Jeder nur aus und zu seinem Vortheil handle, so würde einmal folgen, daß, wenn ich zu meinem Abbruch, Nachtheil, Detriment handelte, ich erst die Wohlfahrt des Andern beförderte, welches absurd ist. Ferner, daß, wenn ich dem Andern Schaden thäte, wenn ich in Zorn gegen ihn aufwallte und ihn schlüge oder dergl., daß ich alsdann zu meinem Vortheil, für mein Interesse handelte, welches ebenso absurd ist. Man unterscheidet hier nicht die Aufwallung, die Regung der Natur, die in jedem Einzelnen den Mittelpunkt vom Ganzen aufschlagen will." Johanna Schopenhauer an A. Schopenhauer 12. 2. 1807 (Lütkehaus S. 145)
B 2 961 B 3 2389
Bei Göthen wars den Abend wie ich dir schrieb ganz allerliebst, er hatte einige junge Schauspieler, die er oft bey sich deklamiren läßt um sie für ihre Kunst zu bilden, eingeladen und las mir mit ihnen eine seiner frühesten Arbeiten ein Stück voll Laune und Humor „Die Mitschuldigen" betitelt, vor. Er hatte selbst die Rolle eines alten Gastwirths darin übernommen, was blos mir zu Ehren geschah, sonst thut er das nicht. Ich habe nie was Aehnliches gehört, er ist ganz Feuer und Leben, wenn er deklamirt, niemand hat das ächt Komische mehr in seiner Gewalt als er. Zwischendurch meisterte er die jungen Leute, ein paar waren ihm zu kalt. „Seyd Ihr denn gar nicht verliebt?" rief er komisch erzürnt, und doch war's ihm halb ein Ernst, „seyd ihr denn gar nicht verliebt? Verdammtes junges Volk! Ich bin sechzig Jahr alt und ich kanns besser." Wir blieben bis halb zwölf zusammen, ich saß bey ihm und die Bardua auf der andern Seite, wir beyde sind seine Lieblinge. Wilhelmine Bardua, Verkehr einer deutschen Malerin mit Goethe (Morgenblatt 9. 7. 1862, S. 651) B 2 1369 B 3 2390
Es fanden auch öfter dramatische Leseproben bei Goethe statt, bei denen die Schauspieler sich zusammenzunehmen hatten, denn er war sehr streng in der Kritik ihres Vortrags und konnte es besonders nicht vertragen, wenn sie zu schläfrig waren. Eines Tags wurden die Mitschuldigen gelesen. Der erste Liebhaber las seine Rolle nicht nach Goethes Sinn; er ward heftig, warf das Buch auf den Tisch, klagend, wie die Jugend doch so wenig Lebendigkeit und Enthusiasmus habe, nahm es darauf wieder in die Hand und fing an selbst zu lesen, und alles war hingerissen von dem Feuer seines herrlichen, jugendlichen Vortrags. Caroline [Bardua] durfte bei diesen Vorlesungen öfter zugegen seyn. K. Eberwein, Goethe als Theaterdirektor (Europa 1856, Sp. 479)
B 3 2391
Von Novitäten oder neu zu besetzenden Dramen hielt der Meister so lange Leseproben, bis Jeder in den Geist seiner Rolle eingedrungen war; dann erst fanden die Proben auf der Bühne statt. Mitunter declamine er ganze Scenen vor. In einer Leseprobe von den „Mitschuldigen" sprach er den Wirth, wobei er eine Komik entwickelte, daß man vor Lachen den Geist hätte aufgeben mögen. 4. 2.
Tagebuch 4. 2. 1807 (WA III 3, 191)
[Vormittag] auf dem Hofamt, bey Hrn. v. Wolzogen . . . Nachmittag bey Frau v. Stein. 221
1807
Weimar H. Meyer (*JbGG 3, 213; GSA, Meyer 109)
B 3 2392
Nach Goethes Rath den 4t Febr. 1807. wäre ein Bändchen gleiche. Initiationen in K[un]st und Kunstgeschichte abzufaßen wo die b e r ü h m t e s t e n K[ün]stlr aller Schulen verzeichnet wären mit Angabe wenn Sie geboren wo sie gelebt und wenn Sie gest: sind, dazu einige Hauptzüge ihres Kunstcharakters und endlich wo ihre vorzügl. Werke zu finden sind. 5. 2.
Tagebuch 5. 2. 1807 (WA III 3, 191)
Bey Hrn. Geh. Rath Voigt. Mittags kam die kleine Teller. Abends bey Mde Schopenhauer Vorlesung von Hebeischen Gedichten. Nachher bey Dlle Jagemann. Riemer, Tagebuch 5. 2. 1807 (Keil5 S. 212)
Um 8 zu G. Der Newton. Optik 1. Buches 2. Theil angefangen. Mittags ein Brief von Voß an G. Abends bei Mad. Schopenhauer; allemannische Gedichte. Johanna Schopenhauer an A. Schopenhauer 12. 2. 1807 (Lütkehaus S. 146)
B 2 962 B 3 2393
Am Donnerstag drauf [5. 2.] bestand mein Zirkel fast nur aus Herren, aber es waren gerade die interessantesten, Frau v. Göthe war die einzige Dame. „Weil wir eben in solchem kleinen vertraulichen Zirkel sind", fing er an, „so will ich denn einen Bericht von einer Naturmerkwürdigkeit mittheilen; es ist billig, daß man unter Freunden sich dergl. wechselseitig mittheilt und weil wir eben so ganz unter uns sind" — und damit fing er aus einem Briefe [von J. H. Voß d. j.] eine Geschichte einer Mamsell, die in die Wochen gekommen war, an zu lesen. Darüber kam die Bardua. „Gerechter Himmel! da kommt die Bardua!" rief er aus, „nun darf ich nicht weiter lesen." „Es thut nichts," sagte ich, „die Bardua muß so lange draußen bleiben." Das war Wasser auf seine Mühle. Der Bardua kündigte er gleich gravitätisch an, sie müsse draußen bleiben, den Bertuch, den Sohn, der gewaltig lang ist, stellte er an die zugemachte Thür, welche die Bardua von draußen gewaltig berannte. „Halten, halten Sie Ihren Posten wohl, Bertuch, denken Sie, Sie sind in Breslau, es soll Ihr Schaden nicht seyn, ich will schon so lesen, daß Sie dort so gut hören sollen als hier." Die Bardua machte einen erbärmlichen Spectakel, er ließ sich nicht stören und verwies sie nur von Zeit zu Zeit mit ein paar Worten zur Ruhe und Geduld, zuletzt spielte sie aus Leibeskräften auf dem Ciavier. „Eine Kriegslist," sagte er, „hilft nichts, wir lesen lauter" und so erhob er die Stimme oder ließ sie sinken, nachdem sie accompagnirte, wie in einem Melodram, bis ans Ende wo sie dann feyerlich hereingeholt ward. — Alles dies ist nichts, aber man muß es sehen. Dieses kleine Intermezzo stimmte uns alle lustiger, es wurde viel den Abend gelacht, zuletzt aber kam das Gespräch auf die Alemanischen Gedichte. Meyer als Schweizer und Legationsrath Weyland als Elsasser sind der Sprache mächtig und lasen manches daraus sehr hübsch vor, Göthen ist die Sprache fremde . . . . er las aber doch sein Lieblingsstück das Gespenst von der Kanderer Straße (er hält viel von diesem Gedichte) und er las es wie nur er lesen kann. Mache doch daß du die allemannischen Gedichte zu lesen bekommst, ich weiß, sie gefallen dir wenn du dich nur erst mit der Art bekannt gemacht hast. . . 222
Weimar
1807
Ich bin heute unsäglich liebenswürdig, würde Meyer sagen, darum schreibe ich dir auf der andern Seite ein neues Lied von Göthen (Ich hab mein Sach auf nichts gestellt] ab welches mir sehr gefällt, es erscheint in seinen neuen Schriften . . . . Du siehst einliegende Karte; die habe ich mit Göthe fabrizirt, nämlich er hat R gezeichnet, und ich habe es ausgeschnitten, dann hat er es auf Papier gelegt, ist mit einem Tuschpinsel darüber gefahren, und wir haben eine gewaltige Freude über das schöne R gehabt, das dadurch wie gedruckt dastand. Es will verlauten, daß man in England ganze Alphabete dieser Art von Blech hat, die dazu dienen, um Inschriften und dergleichen sehr sauber zu fabriziren und auch schnell. St. Schütze, Tagebuch 5. 2. 1807 (*JSK NF 4, 98; GMD)
Thee bei der Schopenhauer]. Goethe über die Journalisten [Lustspiel von St. Schütze], Er will einen Leipz. [?] Magister pp Mein Urtheil über Pericles von Dalberg. M. [Meyer?]: er sei ein Nützlichkeitsmann. vor 6. 2.
Luise v. Göchhausen an Knebel 6. 2. 1807 (Schwarzburgbote Nr. 2, 9. 1. 1927)
Goethe hat mit Eintreten der Kälte wieder Anfälle seines Übels gehabt; die mich sehr ängstigten, doch ist er besser und hat uns schon für den Freitag wieder zu sich beschieden. 6. 2.
Tagebuch 6. 2. 1807 (WA III 3, 191)
Mittags war die kleine Teller mit zu Tische . . . Abends bey der Herzogin Mutter. Bey Hrn. Geh. Rath Voigt. Riemer, Tagebuch 6. 2. 1807 (Keil 5 S. 212)
Zu G., an der Newtonischen Optik. Um 12 Experiment mit dem Wasserprisma und der schiefen Fläche. 7. 2.
Tagebuch 7. 2. 1807 (WA III 3, 192)
Bey Serenissimo bis zur Abreise. Nach Tische kam Fernow und brachte vier Porträte von Kügelgen, als: Seume, Oehlenschläger, Fernow, Müller. Riemer, Tagebuch 7. 2. 1807 (Keil 5 S. 212)
Über Tisch Fernow und 4 Gemälde von Kügelchen: Seume, Fernow, Oehlenschläger und Müller in Dresden. C. L. Fernow an G. v. Kügelgen 19. 2. 1807 (Schopenhauer 1 S. 369)
B 2 964 B 3 2394
Seit vierzehn Tagen bin ich nun im Besitze der mir übersandten vier Porträts [von Fernow, Seume, Adam Müller, Oehlenschläger]. Sie sind glücklich und unbeschädigt angekommen, und machen allen, die sie sehen, große Freude. Daß es mehrere und gerade vier so verschiedene Individualitäten sind, giebt ihnen um so mehr Interesse, erhöht bei Kennern den Genuß, und setzt sie in den Stand den Künstler um so richtiger zu schätzen, der jedes Individuum auf die ihm angemessene Weise zu nehmen, und darzustellen weiß. Göthe ist ganz 223
1807
Weimar vorzüglich befriedigt und zufrieden, sowohl über die technische Vollendung, welche den viel geübten Künstler zeigt, als auch über das Charakteristische, was in jedem Bilde so glücklich aufgefaßt und als Einheit durch's Ganze gehend ausgedrückt ist. Vorzüglich gefällt ihm die Individualität des Colorits in jedem Kopfe, so wie die Bestimmtheit der Formen, die Du besonders in meinem Kopfe beobachtet hast. . . Bei Goethe hast Du mit Deiner Kunst einen großen Stein im Brete gewonnen. Er sucht und schätzt nur das Solide und läßt sich nicht von leerem Scheine blenden. Er meint, daß man jezziger Zeit wohl keinen Porträtmaler finden möchte, der im Stande wäre, bessere Porträts wie diese, zu liefern, und wünscht auch einmal etwas von Deinen größern Arbeiten und Erfindungen zu sehen. C. L. Fernow an Böttiger 15. 2. 1807 (»Gerhardt S. 198; LB Dresden, Böttiger 8° 9, 39)
Die 4 Portraits von Kügelchen [Fernow, Seume, Adam Müller u. Oehlenschläger] sind glücklich angekommen, u. machen hier sehr angenehme Senzationen. Göthe meint auch, daß jezt wohl nicht leicht ein Portraitmaler etwas besseres liefern möchte. 8. 2.
Tagebuch 8. 2. 1807 (WA III 3, 192)
Mittags Dr. Schütz und Herr v. Jariges zu Tisch. Abends bey Mad. Schopenhauer. St. Schütze, Tagebuch 8. 2. 1807 (*JSK NF 4, 98; GMD)
Goethe läßt mich mit Jariges bitten. Ueber Luthers Denkmal. Thee bei der Schopenhauer]. G. spricht über Quadrat[?]. 9.2.
Tagebuch 9. 2. 1807 (WA III 3, 192)
Nachher kam Falk, der mit uns speiste. Viele Gespräche über Franzosen, französische Verhältnisse. Character des Lalance. Prof. Meyer über die Angelegenheiten der Zeichenschule und sonst. Riemer, Tagebuch 9. 2. 1807 (Keil 5 S. 213)
Mittags speiste Falk bei uns. Lustige Anekdoten von dem steifen sächs. Kanzleiwesen, Napol. Charakteristik. 27. \./ 9 2 (?)
Riemer, Aphorismen S. 376
B 2 1592 B 3 7 1 2 7
Eine der häufigsten Anwendungen, bald in vollem bald in halbem Scherz, erfuhr das Basedow'sche Witzwort Ergo bibamus, ja es ward zu einem terminus technicus gestempelt und als ein Substantiv gebraucht nicht nur für G e l e g e n h e i t , A n l a ß , G r u n d zu Lust und Vergnügen, sondern auch zur Persiflage einer seltsamen Folgerung. Als G. diese Conclusion, die nach Basedow's Behauptung zu jeder Prämisse passen sollte, zum ersten Mal beim Dictiren der Farbenlehre, und zwar in der Polemik gegen Newton, erwähnte und sie zugleich auf die wunderliche Schlußart desselben appücirte, erlaubte ich mir die Bemerkung: es wäre dies ja der natür224
Weimar
1807
lichste, ungesuchteste Refrain zu einem Trinkliede selbst; man müsse nur die schlagenden Motive zu den Prämissen aussuchen, aus denen jene Conclusion folge. „Nun, versuchen Sie's einmal!" erwiederte er; was ich denn auch bald darauf that, und ihm schien der Versuch nicht übel. 10. 2.
Tagebuch 10. 2. 1807 (WA III 3, 192)
. . . Nachher bey Weißer wegen Gores Büste. Bey Dem. Jagemann . . . Nachmittags bey Frau von Stein. Abends die Weihe der Kraft von Werner. Prof. Meyer. Charlotte v. Stein an F. v. Stein 12. 2. 1807 (*Düntzer 9 2, 260; GSA, Stein 107)
B 2 963 B 3 2396
Goethe war vorgestern bey mir und fragte sehr nach Dir, ich las ihm einiges aus Deinen Briefen daß ihm sehr gefiel. Wir kommen offt im Streit, das lezte mahl wars über Meyer, ich tadelte er mache Goethen nach Den Deufel noch einmahl Dame sagte er ich will doch sehen wer immer mit mir lebt und mir nicht ähnlich werden soll, ich erwiderde, es wäre aber nur in seiner Ruchlosigkeit, wie es Nacht war ging er um sich von Meyern die Weyhe der Kraft vorlesen zu laßen, ich versicherte ihm ich würde über die Tragedie lachen wen ich sie Meyern in seiner schweitzerischen Mundart lesen hörte: Endlich weis ich wohl daß Meyer ein braver Künstler ist; er hat nach Krausens Tod die Aufsicht über die Zeigen academie bekommen, wir haben auch einen jungen Bildhauer hier, der recht geschickt ist er heißt Weise, jezt läßt Goethe auch von diesen seine Büste machen, in der vom Dieck sieht er eitel und pretensios und schwach, ich bin neugierig was vor Tugenden ihm Weise ausmäuseln wird. 11. 2.
Tagebuch 11. 2. 1807 (WA III 3, 192)
Abends bey der Herzogin Mutter. Riemer, Tagebuch 11. 2. 1807 (*Dtsch. Revue 11, 1 S. 61; Keil 5 S. 213)
B 2 965 B 3 2397
Nach Tische Müller's Rede zu übersetzen angefangen. Die Wahlsprüche, bemerkte Goethe, deuteten auf das was man nicht hat, sondern wonach man strebt. Nec temere nec timide. Richter in Göttingen hatte ebensowenig auream mediocritatem als Wieland, der sein ganzes Leben in Extremis zubrachte. Riemer (Keil 5 S. 213)
Goethe: Man lobt die Tugend, die man nicht hat. Justus Lipsius schrieb de constantia, — ipse omnium quos sol vidit maxime inconstans. vid. Conringii dissert. Ahnliches bemerkte G. über Richter's, des Arztes in Göttingen Symbolum, gerade das Gegentheil von ihm selbst aussagend: nec timide nec temere. So lobten Bürger und Heydenreich die Keuschheit und waren das Gegentheil. 12. 2.
Tagebuch 12. 2. 1807 (WA III 3, 192)
Einiges an den Tafeln mit Müller. Mittags Demoiselle Elsermann. Abends bey Mad. Schopenhauer. Factionäre von Napoleon, den der andre fragt, warum er ihnen nicht ein Kaiserchen machte, antwortet: C'est qu'il a les couilles dans la tête. 225
Weimar
1807
St. Schütze, Tagebuch 12. 2. 1807 (*JSK NF 4, 98; GMD)
Thee bei der Schopenhauer]. Goethe über das Ide[e]lle der Natur, Neuheiten [?] PP13. 2.
Tagebuch 13. 2. 1807 (WA III 3, 193)
Abends Probe von Tasso im Theater. Darauf bey der Herzogin Mutter. Riemer, Tagebuch 13. 2. 1807 (Keil 5 S. 214)
[Bei Goethe] Newtons Optik. Die Rede durchgegangen. vor 14. 2. Charlotte v. Stein an Knebel 14. 2. 1807 (GSA, Knebel 274, 3)
Hier sende ich Ihnen mit vielen Danck Donadoa [von v. Sonnenberg] zurück, ich besitze es selbst. Goethe hat mir's geschenckt und versichert er könne es nicht lesen, ich lese aber drinn wie in der Bibel die Gesichter der Propheten, die Teufels weis ich mir alle zu deuten . . . 14. 2.
Tagebuch 14. 2. 1807 (WA III 3, 193)
Nach Tische Besuch von Fernow. 15. 2.
Tagebuch 15. 2. 1807 (WA III 3, 193)
Zu Mittag Demoiselle Elsermann . . . Abends bey Mad. Schopenhauer, wohin Prof. Dominikus von Erfurt auf seiner Rückreise von Warschau kam. Riemer, Tagebuch 15. 2. 1807 (Keil 5 S. 214)
Bei G. Versuche mit dem Schwungrade und der Reflexion. St. Schütze, Tagebuch 15. 2. 1807 (*JSK NF 4, 98; GMD)
Thee bei d. Schopenhauer]. Goethes Lob über Joh. Müllers Rede. Prof. Reinbeck. 16. 2.
Riemer, Tagebuch 16. 2. 1807 (Keil 5 S. 214)
Morgens die Rede umgeschrieben bei G. 20. 1./
Tag- und Jahres-Hefte 1807 (WA I 36, 4)
16 ' 2 '
. . . Hiernach hatten sie [die älteren Schauspieler] auch Tasso seit geraumer Zeit unter sich verabredet, vertheilt und einstudirt, auch wohl in meiner Gegenwart gelesen, ohne daß ich jedoch, aus verzeihlichem Unglauben und daran geknüpftem Eigensinn, die Vorstellung hätte ansagen und entscheiden wollen. Nun, da manches zu stocken schien, da sich zu anderem Neuen weder Gelegenheit noch Muth fand, nothwendig zu feiernde Festtage sich drängten, da regte sich die freundliche Zudringlichkeit meiner lieben Zöglinge, so daß ich zuletzt dasjenige halb unwillig zugestand, was ich eifrig hätte wünschen, befördern und mit Dank anerkennen sollen. Der Beifall den das Stück genoß war vollkommen der Reife gleich, die es durch ein liebevolles anhaltendes Studium gewonnen hatte, und ich ließ mich gern beschämen, indem sie dasjenige als möglich zeigten was ich hartnäckig als unmöglich abgewiesen hatte. 226
1807 17. 2.
Weimar Tagebuch 17. 2. 1807 (WA III 3, 193)
Abends bey Frau von Stein; und die jungen Schauspieler zum Abendessen. Lortzings Zeichnungen und Papparbeiten. 17. 2. (oder 22. 3.?)
18. 2.
G. Reinbeck, Reise-Plaudereien (Reinbeck 2 2, 105)
B 3 2400
Tasso von Wolff und die beiden Eleonoren von den Damen Silie und Wolff gewährten einen seltenen Genuß. Göthe fragte mich am Tage nach der Aufführung: „Nun, wie hat sich mein Dichter gehalten?" — Er selbst war nicht bei der Darstellung gegenwärtig gewesen. — Ich gestand ihm offen, daß ich bei der großen Bewunderung im Lesen doch diese Wirkung auf der Bühne nicht vermuthet hätte, und nur wünschen müßte, Tasso möchte auch immer eine so meisterhafte Darstellung erhalten. — Das schien ihm nicht zu mißfallen — und er stimmte ein, daß es schwer seyn möchte, einen zweiten Wolff-Tasso zu finden. Tagebuch 18. 2. 1807 (WA III 3, 194)
Bey Durchlaucht dem Herzog. Bey Frau von Wolzogen. Abends bey Mad. Schopenhauer. Hr. v. Einsiedel las seine Ubersetzung der Mostellaria vor. Riemer an C. F. E. Frommann 18. 2. 1807 (Heitmüller S. 90)
B 3 2401
Wir waren zeither an Newtons Optik beschäftigt u. übersetzten vor ein paar Tagen zwischendurch Müllers Rede in der Academie zu Berlin: de la gloire de Frédéric. Sie werden sie schon zu lesen kriegen . . . Viele Grüße von G. und mir an die Ihrigen und Sie. St. Schütze, Tagebuch 18. 2. 1807 (*JSK NF 4, 98; GMD)
Mittwoch. Abd zur Schopenhauer] gebeten. Einsiedel liest das Gespenst [von Plautus i. d. Ubers, v. Einsiedel] vor. Mit Goethe über die Erscheinung im Egmont. Scherz über die 300 Dukaten von Cotta f das beste Lustsp. Johanna Schopenhauer an A. Schopenhauer 20. 2. 1807 (Lütkehaus S. 148)
B 3 2402
Ehegestern las Einsiedel und Fernow, Göthen, mir, Meyern und noch einigen die deshalb mich besuchten eine Komödie aus dem Lateinischen des Plautus vor, sie heißt das Gespenst, Einsiedel hat sie gar hübsch übersetzt, Göthe war so bezaubert davon daß er sie ehestens hier spielen lassen will, troz dem Abweichenden der Sitten ist das Ganze so durchaus unterhaltend, die Situationen so komisch, daß die alte Ludekus, die oben nervenschwach auf dem Sopha liegt, ganz unruhig über den Jubel ward den wir unten trieben. St. Schütze, Die Abendgesellschaften der Hofrätin Schopenhauer (Weimars Album S. 189) B 3 2403
Einsiedel gab in seinem kräftig-biederherzigen Ton zwei Uebersetzungen aus dem Plautus zum Besten, und wie Goethe darauf über die mögliche Darstellung sprach, glaubte ich zu bemerken, daß er mit seiner Neigung zum Plastischen in Gefahr war, im Komischen in eine mimische Breite zu gerathen, in welcher Stand zu halten kaum dem größten Komiker gelingt. Er erzählte aber in dieser Weise gern von den Italienischen Komikern, wie z. B. ein im Rausch in's Elysium 227
1807
Weimar versetzter Mensch allmählig erwacht, um sich tastet, die Augen reibt u. s. w. Ich habe auch nie gehört, daß Goethe Lustspiele für das Theater einstudirt und darauf die Sorgfalt verwandt hätte, die er großen Trauerspielen zu widmen pflegte.
19. 2.
Tagebuch 19. 2. 1807 (WA III 3, 194)
Abends bey Mde Schopenhauer. St. Schütze, Tagebuch 19. 2. 1807 (*JSK NF 4, 98; GMD)
Thee bei der Schopenhauer]. Goethe: ob er die Journalisten [von Schütze] nicht aufführen könte. „So wollen wir es denn tractiren." 20. 2.
Tagebuch 20. 2. 1807 (WA III 3, 194)
Mittags speiste Falk und Sophie Teller mit. Nachher Prof. Meyer. Riemer, Tagebuch 20. 2. 1807 (Keil 5 S. 214)
Morgens [bei Goethe] an der Newtonischen Optik. Versuch mit zwei Spectris, die sich einander decken. Mittags aßen Falk und Sophie Teller mit. Falks feine Bemerkungen über Tasso. Napoleon wollte[? wolle?] das Feudalsystem wieder einführen. 21. 2.
Tagebuch 21. 2. 1807 (WA III 3, 194)
Mittags Mlle Elsermann zu Tische. Rolle aus den Organen des Gehirns. Prof. Meyer. Abends in der Comödie: Fanchon. Nachher bey Dem. Jagemann. Hauptmann Müffling. Riemer, Tagebuch 21. 2. 1807 (»Dtsch. Revue 11, 1 S. 61; Keil 5 S. 215)
B 1 2404
Morgens an der Newtonischen Optik. „Ein Goldblättchen, durch eine Röhre angesehen gegen das Licht, erscheint in der schönsten Smaragdfarbe." 22. 2.
Tagebuch 22. 2. 1807 (WA III 3, 194)
Abends bey Mde Schopenhauer. Falks Darstellung von Runge. Riemer, Mittheilungen 2, 698
B 2 966 B 3 2406
„Es ist ganz einerlei auf welcher Seite ihr zu Grunde geht, auf der activen oder passiven" erwiederte G. scherzhaft auf die Bemerkung, daß ein kleiner, zeither wilder vorwitziger Knabe auf einmal wie geknickt und umgekehrt erscheine, ohne krank zu seyn, sodaß man ihn nicht wiedererkenne. St. Schütze, Tagebuch 22. 2. 1807 (*JSK NF 4, 98; GMD)
Thee b d. Schopenhauer], Mit Goethen über d Tasso. Mit Lämchen [?] Spaß, sie erzählt von einem frühern Liebhaber. 228
Weimar
1807 23. 2.
Tagebuch 23. 2. 1807 (WA III 3, 194)
Mittags Hr. Mylius von Frankfurt und Dem. Elsermann zu Tische . . . Nachher kam Hr. von Dohm. Riemer, Tagebuch 23. 2. 1807 (Keil5 S. 215)
Bei G., Experiment mit den Goldblättchen. 22. od. 23 2
Riemer (»Pollmer1 S. 269; GSA, Riemer 931)
B 3 2407
Bey der Ode auf Napoleon, in der zuletzt für den König von Preußen intercedirt werde, im Publicisten hatte G. die Vermuthung, daß sie von Napoleon selbst herrühre, um einzulenken. d. 22 oder 23 Februar 1807. 24. 2.
Tagebuch 24. 2. 1807 (WA III 3, 195)
Mittags Dem. Elsermann. Gegen Abend Hr. von Dohm. Riemer, Tagebuch 24. 2. 1807 (Keil5 S. 215)
Mit G. spazieren. Versuch mit der Camera obscura im Freien wegen der rothen und blauen • [Quadrate] mit Linien. An Knebel 25. 2. 1807 (WA IV 19, 275)
Gestern besuchte mich Herr v. Dohm, der von Warschau kam; und obgleich das, worüber man sprach, sehr unerfreulich war, so erquickte man sich doch, einen so tüchtigen, standhaften und unter allem Wechsel seinem Geschäft treu bleibenden Mann zu sehen. 25. 2.
Tagebuch 25. 2. 1807 (WA III 3, 195)
Abends Besuch von Prof. Meyer, das Neueste von Plundersweilern vorgelesen und die Krausische Zeichnung dazugenommen. Einige ältere Gedichte niederschreiben lassen. Riemer, Tagebuch 25. 2. 1807 (*Dtsch. Revue 11, 1 S. 61; Keil5 S. 215)
Bei G. Briefe an Knebel, Hendrich, Lenz. Abends bei G. Einige Gedichte geschrieben. G. las das aus Plundersweilern vor zu dem Bilde von Kraus. 26. 2.
Tagebuch 26. 2. 1807 (WA III 3, 195)
Augusts Traum von goldenen Funken, die er mit der Hand auffing und zum Fenster hereinlangte . . . Abends bey Mde Schopenhauer. Fernow gab einen Nachlaß von Carstenschen Contouren zu Moritz Götterlehre und gesammelter Kupferstiche älterer deutschen Meister. Meyers Gleichmuth, als Adele ihm seinen Rock zu verbrennen drohte: „Das will nicht viel heißen!" 23. 2.
Chr. W. v. Dohm an Goethe 23. 2. 1807 (GSA, Goethe Familie XXIII 4, 112) Ich bin soeben, aus Sarmatien rückkehrend, hier angekommen und denke morgen Nachmittag wieder abzureisen. Ich wünsche sehr Sie, Verehrtester, zu sehn und frage an, ob ich noch diesen Abend im Reisekleide kommen dürfe oder wenn dieses nicht paßt, zu welcher Stunde morgen Vormittag?
229
1807
Weimar Riemer, Tagebuch 26. 2. 1807 (*Dtsch. Revue 11, 1 S. 61; Keil 5 S. 215)
Bei G. Gedichte abgeschrieben. Mittags über Tisch von unvollendeten und projectirten Gedichten und Dramen Goethe's. (Die Hochzeit Hanswursts; die Gäste haben alle Schimpfnamen. Matineen. Einsiedel's Zigeuner in Ettersburg Vorläufer zur Fischerin in Tiefurt. Drama in der Art des Bürgergenerals u. Fortsetzung desselben.) Nach Tische Ankunft neuer Medaillen. Abends bei Mad. Schopenhauer. Fräul. Göchhausen, Frau v. Schardt. Fernow gab vom Nachlaß von Carstens alte deutsche Holz- und Kupferstiche, Konturen zu Moritz' Götterlehre. Meyer's göttliche Ruhe, als Adele ihm das Kleid anzünden wollte: „Das will nicht viel heißen." St. Schütze, Tagebuch 26. 2. 1807 (*JSK NF 4, 98; GMD)
Bei d. Schopenhauer], Riemer: Goethe habe sich mein Stück [Die Journalisten] geben lassen. Goethe weidäuftig im Gespräch, [am Rande:] Goethe als plastisch liebt die Breite, ist nun der Gegenstand nicht ergiebig, so pp 27. 2.
Tagebuch 27. 2. 1807 (WA III 3, 195)
Zu Weißer; zu Frau von Stein. War Prof. Meyer da, die Medaillen zu besehen. Versuch mit den beleuchteten rothen und blauen Quadraten und ihrer Abbildung durch die Linse. Zum Souper bey Dem. Jagemann. Riemer, Tagebuch 27. 2. 1807 (Keil 5 S. 216)
Cophtha [mit Goethe?] durchzugehen angefangen. Die gestrigen Medaillen besehen. Mit G. zu Weißer. 28. 2.
Tagebuch 28. 2. 1807 (WA III 3, 196)
Bey der Prinzeß. Febr.
Chr. A. Vulpius an N. Meyer 22. 2. 1807 (Kasten 1 S. 206)
B 3 2405
Der Geh. Rath G. ist jetzt ziemlich wohl, nur sehr krittlich u grämlich; da hat man doch ein wenig seine Noth. Ach! wie war's vor 8 Jahren, u wie ist es jetzt! C. L. Fernow an G. v. Kügelgen 1. 3. 1807 (Schopenhauer 1 S. 373)
B 2 964a. 967 B 3 2395
Ich schrieb Dir neulich, daß man an meinem Bilde auszusetzen gefunden habe, allein dies Urtheil, nach welchem Du mir zu viel Bewegung gegeben, war nur das einiger Menschen, die mich vielleicht nicht anders, als in einer gewöhnlichen und gleichgültigen Stimmung aufgefaßt haben. Halte Dich an Göthens Urtheil, welcher, sehr zufrieden damit, zu Einem jener Wenigen, der in der Gesellschaft, wo auch ich mich befand, diese Einwendung machte, sagte: „Ist denn Fernow nicht lebhaft? Lassen Sie sich nur mit ihm ein, und Sie werden ihn finden, wie ihn sich Kügelchen gedacht hat. Wenn man vier solche Bilder von einem Maler sieht, so kann man überzeugt sein, er hat über jeden Charakter reflectirt, er hat ihn nach seiner Ansicht genommen, und damit muß man zufrieden seyn, und ihm die Ehre geben, daß er recht gethan hat, was er thun sollte. Wenn Kügelchen Fernow's Porträt noch vier Mal malte, so würde er ihn vielleicht vier Mal anders nehmen, und alle vier Variationen könnten vortrefflich seyn." — So denk 230
Weimar
1807
ich auch, und es hat mich gefreut, daß Göthe Deine Intention und Dein Streben so richtig aus dem Gemälde herausempfunden hat. Darinnen ist er aber auch ganz besonders glücklich organisirt, daß jeder anklingende Ton von außen in seinem Gefühle richtiger wiederklingt, und so wie er dergleichen Anklang in sich wahrnimmt, so ist er darauf, wie auf eine Naturerscheinung, aufmerksam. Dann sucht er sich den E i n d r u c k zur Klarheit zu bringen, und ihm wo möglich, Namen und Ausdruck, wenigstens in einem Gleichnisse zu geben. Er wäre ja auch der einzige Dichter nicht, der er ist, wenn er das nicht könnte. Daher kommt's aber auch, daß so unendlich wenig Menschen Göthen verstehen und kennen; und daß die, welche ihm als Künsder Gerechtigkeit wiederfahren lassen, ihn außer dieser Sphäre als Menschen so schief beurtheilen. Nach dem, was ich nach so vielfältiger Beobachtung von seinem Charakter begreife, und ahne, so halte ich ihn auch für einen der trefflichsten und edelsten Menschen, überhaupt in jeder Hinsicht für eine der vollkommensten und gediegensten Naturen, die ich unter den Menschenkindern gefunden habe. Wer könnte auch ein wahrhaft großer und trefflicher Künstler seyn, und nicht zugleich ein eben so großer und trefflicher Mensch! Nur müssen wir den Begriff Mensch nicht nach dem armseligen Maßstabe eines Philisters, oder eines Pedanten, und was es sonst für verkrüppelte Ebenbilder Gottes giebt, abmessen. Febr. (?)
Riemer, Aphorismen S. 310
B 2 957 B 3 2385
[Goethe:] „Außerordentliche Menschen, wie Napoleon, treten aus der Moralität heraus. Sie wirken zuletzt wie physische Ursachen, wie Feuer und Wasser." Riemer, Aphorismen S. 310
B 2 958 B 3 2386
[Goethe:] „Ja schon Jeder, der aus der Subordination heraustritt — denn die ist das Moralische — ist insofern unmoralisch." Riemer, Aphorismen S. 310
B 2 959 B 3 2387
[Goethe:] „Wer von seinem Verstände zum Schaden Anderer Gebrauch macht, oder diese auch nur dadurch einschränkt, ist insofern unmoralisch." Riemer, Aphorismen S. 311
B 2 960 B 3 2388
[Goethe:] „Jede Tugend übt Gewalt aus, wie auch jede Idee, die in die Welt tritt, anfangs tyrannisch wirkt." 1. 3.
Tagebuch 1. 3. 1807 (WA III 3, 196)
Zum Dejeuner Mde Schopenhauer, Mlle Bardua, Fernow, Meyer . . . Abends bey Mad. Schopenhauer. Riemer, *Mittheilungen 2, 698 (GSA, Riemer 875)
B 2 968 B 3 2408
G. d. 1. März 1807. „Kotzebue sey wie ein Pagliasso. Wenn er die auf dem Drathe tanzen sieht, so sagt er: was ist denn das? (weiter) das kann ich auch (auf dem Erdboden); was soll denn das da heißen, warum nicht hier? Das kann ich und noch dazu scheißen. Das macht mir einmal nach auf eurem Drahte!" 231
1807
Weimar Bey Gelegenheit von Κ. Reisen und Müllers Bemerkg d. 1 März 1807. it. Er sey wie die Sau ins Judenhaus so in die Peterskirche gerannt. St. Schütze, Tagebuch 1. 3. 1807 (*JSK NF 4, 98; GMD)
Th[ee] b. Schoph. Mit Goethe über das Fliegen im Traum. Goethe und Bertuch von ehemaligen Privatkomödien. Goethe liest etwas aus d. Calderón vor. Johanna Schopenhauer an A. Schopenhauer 10. 3. 1807 (Lütkehaus S. 152)
B 2 969 B 3 2409
Von mir kann ich dir nicht viel sagen, ich gehe meinen alten Gang, am Sonntage hatte Göthe mich mit meinen beyden Freunden Meyer u Fernow zum Frühstück eingeladen, um mir Arbeiten von Runge zu zeigen. Beschreiben kann ich sie dir nicht sie sind zu wunderbar . . . Welch ein poetisches Wesen ist dieser Mensch, erst sah ich viel von seinen ausgeschnittenen Sachen, sie sind sehr schön, aber ich mache sie fast so gut, Göthe sagt ich mache sie eben so gut, das ist aber nicht, dann ist sein Gesicht in Kreyde gezeichnet, Göthe sagt er hat nie ein Profil wie seines gesehen, dieser K o p f ist leider en face es hat aber einen Raphaelischen Blick, ohne Raphael zu gleichen, dann sind vier große Blätter, bloße Umrisse, in Kupfer gestochen, sie werden aber nicht verkauft er verschenckt sie nur, die sind eben das unbeschreiblich wunderbare, es sind Blumen und Genien, wie Arabesken, aber der tiefe Sinn der darinn liegt, die hohe Poesie, das mystische Leben . . . Meyern dabey zu sehen ist höchst ergözlich, er schimpft drauf wie ein Rohrsperling, weil er immer davor stehen bleiben muß bis ihm der K o p f weh thut. Hernach führte Göthe mich im Parck spazieren, daß ich immerfort dachte O Lord, o Lord etc. wirst du dir wohl selbst dencken. Seit ein paar Abenden liest Göthe selbst bey mir vor, und ihn dabey zu höhren und zu sehen ist prächtig, Schlegel hat ihm ein überseztes Schauspiel von Calderone [Der standhafte Prinz] im Manuscript geschickt, es ist Klingklang und Farbenspiel, aber er liest auch den Abend keine drey Seiten, sein eigener poetischer Geist wird gleich rege, dann unterbricht er sich bey jeder Zeile, und tausend herrliche Ideen entstehen und strömen in üppiger Fülle, daß man alles vergißt und den einzigen anhört. Welch ein frisches Leben umgiebt ihn noch immer! Der arme alte Wieland, er kommt mir gegen ihn vor wie der alte Kommandant von Eger, wenn Wallenstein ihm sagt an meinen braunen Locken zogen die Jahre leicht vorüber du kennst die Stelle, sie heißt anders aber dies ist der Sinn davon. Auch fühlt Wieland sich durch Göthens Gegenwart gedrückt, deßhalb kommt er nicht in meine Gesellschaft so gern er möchte, denn wo er mich zu treffen weiß geht er gerne hin. F. Passow an A. L. Bucher 10. 10. (?) 1807 (Weimarer Sonntagsblatt 2, 1856 S. 417)
B 3 2411
Neulich hat Goethe angefangen, uns Schlegels Uebersetzung von Calderon's standhaftem Prinzen vorzulesen, von der er das Manuskript hat. Das Stück selbst genießen wir nicht sonderlich, aber Goethen desto mehr, weil er sich bey'm Vorlesen so recht gehn läßt. Erstlich spricht er so laut und heftig, daß die Leute in allem Ernst unterm Fenster stehn bleiben müssen; dann wiederholt
232
Weimar
1807
er oft lange Stellen, die ihm besonders gefallen, 2wei- und dreimal, und endlich spricht er selbst alle Augenblicke dazwischen wo er etwas zu loben oder zu tadeln findet. 1. 3. (?)
Wilhelmine Bardua, Verkehr einer deutschen Malerin mit Goethe (Morgenblatt 9. 7. 1862, S. 651) B 2 1369 B 3 2410
An Johanna Schopenhauer, die damals in Weimar lebte, gewann Caroline [Bardua] bald eine mütterliche Freundin und ward oft in ihre Kreise gezogen. Sie sah die gewählteste Gesellschaft bei sich und auch Goethe brachte gern seine Abende bei ihr zu. Er hatte da seinen besondern Tisch mit Zeichenapparat, Blättern, Broschüren und allem, was in Kunst und Literatur Neues erscheinen mochte. Die Tagesblätter von Runge machten damals große Sensation. Goethe hatte viel Freude daran und machte in einer dieser Abendgesellschaften die Beschauer auf die sinnreiche Composition des „Morgens" aufmerksam, hindeutend auf die Genien, wie sie, aus den Blumenkelchen emporsteigend, den Tag verkündigen. „Am Abend kriechen sie wohl wieder hinein?" bemerkte Falks Frau, sich schmeichelnd, da einen recht artigen Spaß zu machen. Goethes Stirn verfinsterte sich. „Als der Frau eines Satirikers," erwiederte er, „mag Ihnen die Bemerkung verziehen seyn." — Während man um ihn herum sich bewegte und unterhielt, saß er gern an seinem Tisch und zeichnete; gewöhnlich mußte Caroline sich zu ihm setzen, um ihn vor störender Annäherung zu schützen. 2. 3.
Tagebuch 2. 3. 1807 (WA III 3, 196)
Abends zu Hause. Prof. Meyer, und die Aufsätze von Mannlich durchgegangen. 3. 3.
Tagebuch 3. 3. 1807 (WA III 3, 196)
Abends Regierungsrath Lauhn. 5. 3.
Tagebuch 5. 3. 1807 (WA III 3, 197)
Abends bey Mad. Schopenhauer. St. Schütze, Tagebuch 5. 3. 1807 (JSK N F 4, 98)
Bei der Schopenhauer]. Goethe kommt spät. 6. 3.
Tagebuch 6. 3. 1807 (WA III 3, 197)
Mittags Sophie Teller zu Tische. Abends bey der Herzogin Mutter. Riemer, Tagebuch 6. 3. 1807 (Keil5 S. 216)
Bei G. Polemik umgeschrieben. 7. 3.
Tagebuch 7. 3. 1807 (WA III 3, 197)
Nach Tische Fernow wegen Winckelmanns. 8. 3.
Tagebuch 8. 3. 1807 (WA III 3, 197)
Morgens bey Serenissimo. Mittags Demoiselle Elsermann zu Tische. Abends bey Madam Schopenhauer. Falks heitere Schilderung von Danzig. 233
1807
Weimar St. Schütze, Tagebuch 8. 3. 1807 ( * J S K N F 4, 98; G M D )
Bei der Schopenhauer], Gespräch mit Goethen über die gestrige Aufführung der Camilla. vor 10. 3. Johanna Schopenhauer an A. Schopenhauer 10. 3. 1807 (Lütkehaus S. 151)
Wenn Laurent seinen Denner nicht zum Ansehen schicken will so mag er ihn behalten, laß es nur ganz gut seyn und sage ihm nichts mehr drüber, Göthe hat es sich schon aus dem Sinne geschlagen. 10. 3.
Tagebuch 10. 3. 1807 (WA III 3, 197)
Besuch von Osborne. Abends Dem. Bardua. An F. Kirms 10. 3. 1807 (WA IV 19, 280)
Herr Unzelmann tritt bey mir ein mit wunderlichen Reden, wie er einen Brief von seiner Mutter habe, die sich doch sonst um seinen Vater nicht bekümmert, daß sein Vater krank sey und daß die Gegenwart des liebenswürdigen Jünglings in Berlin erwünscht und nothwendig seyn möchte. Er bittet um einen Urlaub, da jetzt die stille Woche eintritt u. s. w. Riemer, Tagebuch 10. 3. 1807 (Keil 5 S. 216)
Briefe von Voß an mich und G. Nach Tische Notamina bei G. aufgeschrieben. Abends zu Hause, Dem. Bardua und Deny, Guitarre. (vor?) 11 3
St. Schütze, Tagebuch 11. 3. 1807 ( * J S K N F 4, 99; G M D )
12. 3.
Tagebuch 12. 3. 1807 (WA III 3, 198)
Goethe hat mein[? jenes?] Schreiben an Cotta in der Eleganten Zeitung] gefallen, er hat g[eg]en R[iemer] behauptet, daß es von mir wäre. Mittags Schauspieler Graff zu Tische. Abends bey Mde Schopenhauer. Vom standhaften Prinzen den 1. Act ausgelesen. Riemer, Tagebuch 12. 3. 1807 (*Dtsch. Revue 11, 1 S. 62; Keil 5 S. 216)
Abends bei Mad. Schopenhauer. Las Goethe den 1. Act vom standhaften Prinzen zu Ende. Johanna Schopenhauer an A. Schopenhauer 13. 3. 1807 (Lütkehaus S. 155)
B 3 2412
Gestern war mein Theezirkel. Ich dencke, ich habe dir den Tod des General Schmettau der hier verwundet lag, und im Augenblick da die Franzosen einzogen sich aus dem Fenster stürzte, erzählt, und wie ehrenvoll er hernach vom Feinde begraben ward. Die rechte Geschichte seines Todes wurde nicht ganz offenbar, es hieß er wäre an seinen Wunden gestorben. Die Familie läßt ihm ein Denckmahl sezen wozu Göthe die Idee gab; ein Haus welches einstürzt weil 12. 3. (?)
Johanna Schopenhauer an A. Schopenhauer 10. 3. 1807 (Lütkehaus S. 151) Wegen der Buchstaben will ich mit Göthen sprechen, zwey Marek ist aber sehr theuer für einen solchen Spaß, man könnte sie hier wohlfeiler machen lassen.
234
Weimar
1807
Jupiters DonnerKeil drauffällt, Schmettau, in Rittertracht, das Schwert in der Hand geht im Augenblick des Einstürzens mit festem Tritt heraus, und sieht zürnend hinauf nach dem Donnerkeil, der eben einschlägt. Göthe zeichnete es mit ein par Strichen auf um es mir deutlich zu machen. Ich schicke dir seine Skizze. vor 12. 3. St. Schütze, Tagebuch 12. 3. 1807 (*JSK NF 4, 99; GMD)
Bei der Schopenhauer], Hofrat Meyer: wie ich ihm und Goethen einjen] vergnügten Abd gemacht. Goethe liest aus d Calderón vor. Die Goethen bittet mich zur Β [ardua] auf morgen, [am Rande:] Wie Goethe einmal das Buch hinfalln läßt — begeistert]. 13. 3.
Tagebuch 13. 3. 1807 (WA III 3, 198)
Bey Fräulein von Göchhausen. Mittags Sophie Teller zu Tische. Abends bey Hrn. Geh. Rath Voigt; dann bey der Herzogin Mutter. Ulphilas von Zahn herausgegeben. Kam der Marschall Augeraux und reiste den 14. wieder ab. Riemer, Tagebuch 13. 3. 1807 (Keil 5 S. 216)
Bei G. den 9. Band seiner Schriften eingesiegelt. Kam der Marschall Augereau verwundet an und reiste den 14. Morgens wieder ab. 15. 3.
Tagebuch 15. 3. 1807 (WA III 3, 198)
Mittags Demoiselle Elsermann zu Tische. Leseprobe von der Rolle der Philematium. Abends bey Mad. Schopenhauer. Vom standhaften Prinzen die Hälfte des 2. Actes vorgelesen. St. Schütze, Tagebuch 15. 3. 1807 (*JSK NF 4, 99; G M D )
Bei der Schopenhauer]. Goethe über Kunstwerk in Mgdb [? Magdeburg ?]; Vorlesung aus d Calderón . . . Riemer: Goethe habe einen Stoff für mich zu einem Lustspiele. 16. 3.
Tagebuch 16. 3. 1807 (WA III 3, 198)
Mittags Elsermann und Deny zu Tische. Chr. A. Vulpius an Ungenannt 16. 3. 1807 (Aukt.-Kat. Henrici 125, 100)
Der Geheime Rat ist nicht mehr recht bei Laune. 17. 3.
Tagebuch 17. 3. 1807 (WA III 3, 199)
Mittags Elsermann . . . Nachher Hofrath Meyer. [Schellings] Recension von Schleiermachers Christabend. Landschaft mit dem Maßstabe der Berghöhen nach Humboldts Angabe. Riemer, Tagebuch 17. 3. 1807 (Keil 5 S. 217)
Aus Humboldt's Reise vorgelesen. Geographie der Thiere und Pflanzen. Abends bei G., [Schellings] Recension von Schleiermacher's Christabend. 235
1807 19. 3.
Weimar Tagebuch 19. 3. 1807 (WA III 3, 199)
Abends bey Mad. Schopenhauer. Den 2. Act vom standhaften Prinzen zu Ende gelesen; Anfang vom dritten. F. Kirms, Bericht für die Akten der Theaterkommission 20. 3. 1807 (HSTA Weimar, A 10041, 19)
Auf die unterm gestrigen Dato eingegangene höchste Resolution kahmen Se. Exzellenz der Herr geheime Rath von Göthe mit Unterzeichnetem [Kirms] überein, der Hof-Schauspielerin Beck mündlich — zu Vermeidung aller Mißverständnisse — zu erklären, daß 1.) sobald sie ihre Verbindlichkeiten gegen die Wiener Direction würde beendigen können [sie hatte aus Furcht vor der Schließung des Weimarer Theaters mit Wien abgeschlossen, wollte nun aber schuldenhalber in Weimar bleiben], sie unter den zeitherigen Bedingungen hier wieder angestellt werden solle; 2.) daß ihre mit Ostern sich endigende Gage, von dieser Zeit an, zu ihrem Unterhalt nicht anders, als im Vorschuß gereicht werden könne; 3) daß sie übrigens, im Fall ein Engagement wieder statt finden könne, sie für ihre Pflegetochter [Louise Beck], so lange sie nicht in das Fach der Liebhaberinnen den Jahren nach, treten werde, keine besondere Gage fordern dürfe. Riemer, Tagebuch 19. 3. 1807 (*Dtsch. Revue 11, 1 S. 62; Keil 5 S. 217)
Erzählung deutscher Ausgewanderten [mit Goethe?] durchgesehen. Abends bei Mad. Schopenhauer. Las G. den 2. Act und Anfang des dritten vom standhaften Prinzen vor. Riemer (*Dtsch. Revue 11, 2 S. 166; Keil 5 S. 217)
B 2 970 B 3 2413
d. 19. März 1807. [Goethe:] „Man wird sich dessen, was man hat oder nicht hat, ist oder nicht ist, erst am Gegentheile von diesem bewußt oder inne. Darum werden so viele Menschen durch die Erscheinung eines neuen, fremden Menschen in der Gesellschaft beunruhigt. Er entdeckt ihnen, was sie nicht haben, und dann hassen sie ihn, oder er entdeckt ihnen durch sein Gegentheil, was sie haben, und so verachten sie ihn wieder. Ist er besonders höflich und galant, so ist er den Groben zuwider; ist er grob, so ist er den Höflichen und im Grunde allen zuwider; und so durch alles durch." Riemer, Aphorismen S. 311
B 2 971 B 3 2414
den 19. März 1807. [Goethe:] „Die Natur kann zu Allem, was sie machen will, nur in einer Folge gelangen. Sie macht keine Sprünge. Sie könnte z. E. kein Pferd machen, wenn nicht alle übrigen Thiere voraufgingen, auf denen sie wie auf einer L e i t e r bis zur Structur des Pferdes heransteigt. So ist immer Eines um Alles, Alles um Eines willen da, weil ja eben das Eine auch das Alles ist. Die Natur, so mannichfaltig sie erscheint, ist doch immer ein Eines, eine Einheit, und so muß, wenn sie sich theilweise manifestirt, alles Uebrige diesem zur Grundlage dienen, dieses in dem Uebrigen Zusammenhang haben." 236
Weimar
1807
St. Schütze, Tagebuch 19. 3. 1807 (*JSK N F 4, 99; GMD)
Thee b d. Schopenhauer]. Goethe: man hätte ihm andere Stücke gebracht, aber erst pp — ; wie ich die Preisaufgabe persifliren solle. Er fährt fort mit d standhaften Prinzen. 19. (?) 3.
St. Schütze, Tagebuch 21. 3. 1807 (JSK N F 4, 99)
Plan zu einem Lustsp. nach der Idee von Goethe gemacht. 20. 3.
Tagebuch 20. 3. 1807 (WA III 3, 199)
Mittags Dem. Elsermann und Sophie Teller . . . Um 4 Uhr Probe von Tasso im Hause. Nachher zum Thee bey Hrn. Kammerherrn von Schardt. Harmonica. Johanna Schopenhauer an A. Schopenhauer 23. 3. 1807 (Lütkehaus S. 158)
B 3 2419
An Anbetern fehlt es mir auch nicht . . . Dann ist hier auch ein Kammerherr der Großfürstinn [L. E. W v. Schardt] der mich gern in den Adelstand erheben möchte, ein herzlich alberner Tölpel, der aber eine geistreiche Frau gehabt hat, und gerne wieder eine hätte, der mich unverhohlen venerirt, alle Welt weiß es, aber abweisen kann ich ihn noch nicht, weil er aller Welt nur mir nicht seine Absichten erklärt, dieser macht uns allen großen Spaß mit seiner prächtigen Uniform seinem hohen Federbusch, und seinem goldenen Schlüssel. Am Freytage hatte er mich und meinen ganzen Cirkel zu sich gebeten, die Bardua, seine Vertraute, mußte ihm eine Liste davon machen, wir kamen auch alle, selbst Göthe, ich machte den Thee, und er spielte die Harmonika dazu, was das gottlose Volck für eine Lust dabey hatte kannst du dir dencken, indessen er war seelen vergnügt, und ließ sich nichts anfechten. Riemer (*Dtsch. Revue 11, 1 S. 62; Keil5 S. 218)
B 2 972 B 3 2415
Um 4 Uhr Probe von Tasso beigewohnt, im Hause; bis 7 Uhr. „Franzosen sind Pedanten (nach Goethe's Reflexion), d. h. sie können aus der Form nicht heraus." vor 21. 3. Charlotte v. Stein an F. v. Stein 21. 3. 1807 (GSA, Stein 107)
Goethen wirst Du wohl hier nicht antreffen den er geht wieder ins Carlsbad auch hörte ich sagen er zöge wieder nach Franckfurth, wen es wahr ist so thut ers vermuthlich seiner dummen Heyrath wegen, da er diese Frau hier nicht produciren kan. 21. 3.
Tagebuch 21. 3. 1807 (WA III 3, 200)
K a m Demoiselle Huber von Jena und speiste. Nachmittags Dr. Seebeck und Frommann . . . Professor Meyer: über die Mannlichschen Aufsätze und Noten dazu. H. Meyer (*JbGG 3, 213; GSA, Meyer 109)
B 3 2416
21 Mertz 1807. Vom Standhaften Prinzen des Calderón den er [Goethe] in diesen Tagen bey der Hofrathin Schoppenhauer Stückweise vorgelesen meinte er zwar habe dieses 237
1807
Weimar Stück in manchem den Modernen Zuschnitt sey aber so groß gedacht und angelegt wie Odippus in Colonos, es endaße seines Endes wegen den Hörer od Zuschauer befriedigt da hingegen die Stücke des Shakespeare imer in Disharmonie sich auflösen und entweder traurige oder Schmerzhafte Empfindungen zurücklaßen.
22. 3.
Tagebuch 22. 3. 1807 (WA III 3, 200)
[Vormittags] Bey Frau von Stein . . . Abends bey Mad. Schopenhauer den standhaften Prinzen durchgelesen. Abends die jungen Schauspieler zu Tische: Lortzing, Deny, Elsermann. Riemer, Tagebuch 22. 3. 1807 (*Dtsch. Revue 11, 1 S. 62; Keil 5 S. 218)
B 2 973 B 3 2417
Morgens bei Goethe. Interessante Materien im Gespräch. Fürstin Gallicin ging noch in der Blüthe ihrer Jahre vom Hofe ab, aus Religiosität. Sie sagte zu Goethe, als sie ihm was großes anvertraute (es waren die geschnittenen Steine): „wenn Ihr mich betrögt, so schadet's auch nicht, so bin ich um eine Erfahrung reicher." — „Es hat wohl jeder im Leben Momente, Vorfälle gehabt, über die er nicht hätte hinauskommen sollen" (und doch ist er's, wie G. über den Werther). — Abends bei Mad. Schopenhauer. Endigte Goethe den standhaften Prinzen. Charlotte v. Stein an F. v. Stein 22. 3. 1807 (GSA, Stein 107)
B 2 972 a Β 3 2418
Gestern sah ich Taßo spielen, unbeschreiblich gut wurde er aufgeführt . . . Goethe hat mich in dieser Stelle unterbrochen er ist nun wieder fort und beklagt es sehr wen er Dich bey Deinen Hierseyn nicht sehen solte. Johanna Schopenhauer an A. Schopenhauer 23. 3. 1807 (Lütkehaus S. 156)
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Göthe verläßt mich nicht, er hat jeden Abend seinen standhaften Prinzen standhaft vorgelesen, bis gestern, wo er ihn zu Ende brachte, es ist ein wunderbares Wesen drum, und es sind wahrlich Stellen darinn die grade ins Herz dringen, und wo es mir anfängt möglich zu erscheinen daß man Calderón neben Shakespear nennt, aber wie viel Wust, wie viel Haubt und Staatsaktionen sind mit hineingewebt, und dann das ganze südliche Wesen, das FarbenSpiel das Spiel mit Bildern mit Tönen, die unsere nördlichen Naturen gar nicht ansprechen, indessen ists doch ein hoher Genuß von Göthen dies lesen zu hören, mit seiner unbeschreiblichen Kraft, seinem Feuer, seiner plastischen Darstellung reißt er uns alle mit fort. Obgleich er eigentlich nicht kunstmäßig gut liest, er ist viel zu lebhaft, er deklamirt, und wenn etwa ein Streit oder gar eine Bataille vorkommt macht er einen Lärm, wie in Drurylane wenns dort eine Schlacht gab, auch spielt er jede Rolle die er liest, wenn sie ihm eben gefällt, so gut es sich im Sizen thun läßt, jede schöne Stelle macht auf sein Gemüht den lebhaftesten Eindruck, er erklärt sie, liest sie zwey dreymahl, sagt tausend Dinge dabey die noch schöner sind, kurz es ist ein eignes Wesen, und wehe dem der es ihm nachthun wollte, aber es ist unmöglich ihm nicht mit innigem Antheil mit Bewunderung zuzuhören, noch mehr ihm zuzusehen, denn wie schön alles dieses seinem Gesichte 238
1807
Weimar seinem ganzen Wesen läßt, mit wie einer eignen, hohen Grazie er alles dies treibt, davon kann niemand einen Begrif sich machen. E r hat etwas so rein einfaches, so kindliches, alles was ihm gefällt sieht er leibhaftig vor sich, bey jeder Scene denckt er sich gleich die Dekoration, und wie das Ganze aussehen muß, kurz ich wollte du hörtest das einmahl. Diesen Sonntag wird Fernow eine Erzählung von St. Schütze vorlesen, die hübsch und lustig seyn soll, dann kommt Göthe wieder mit einer Ballade. Zwischen durch singt die Bardua uns ein Lied von Göthe von Zelter oder Hummel komponirt, er hat das gerne, und extert die gute Bardua nicht wenig wenn sie undeutlich ausspricht, oder gar die Verse verwechselt, lezt habe ich entdeckt, daß sein Lied, ich hab mein Sach auf nichts gestellt recht gut zur Melodie, es giengen drey Burschen zum Thor hinaus, sich paßt, darüber hatte er große Freude, und nun muß die Bardua es jeden Abend singen. St. Schütze, Tagebuch 22. 3. 1807 (*JSK N F 4, 99; GMD)
Thee d. Schopenhauer]. Goethe beendigt den standh. Pr. Regiergsr. Müller. St. Schütze, Die Abendgesellschaften der Hofrätin Schopenhauer (Weimars Album S. 192) B 2 1569 B 3 2420
Die höchste Glorie umleuchtete ihn erst in Augenblicken der Begeisterung. . . Es war dieß namentlich der Fall, als er eines Abends Calderon's standhaften Prinzen vorlas (den 22. März 1807). Bei der Scene, wo der Prinz als Geist mit der Fackel in der Nacht dem kommenden Heere voranleuchtet, wurde er so von der Schönheit der Dichtung hingerissen, daß er mit Heftigkeit das Buch auf den Tisch warf, so daß es auf die Erde fiel. 23. 3.
Tagebuch 23. 3. 1807 (WA III 3, 200)
Mittags Dem. Elsermann und Deny. Abends bey der Herzogin Mutter. 24. 3.
Tagebuch 24. 3. 1807 (WA III 3, 200)
Regierungsrath Voigt und Hr. von Knorring. Mittags Dem. Elsermann und Deny. Abends Prof. Meyer. Riemer (*Dtsch. Revue 11, 2 S. 166; Keil 5 S. 218)
B 2 976 B 3 2423
d. 24. März 1807. [Goethe:] „Die Formel der Steigerung läßt sich auch im Ästhetischen und Moralischen anwenden. Die Liebe, wie sie modern erscheint, ist ein Gesteigertes. Es ist nicht mehr das erste einfache Naturbedürfniß und Naturäußerung, sondern ein in sich cohobirtes, gleichsam verdichtetes und so gesteigertes Wesen. Es ist einfältig diese Art zu verwerfen, weil sie auch noch einfach existirt und existiren kann. Wenn man in Küche und Keller ein gesteigertes sucht und darauf ausgeht, warum soll man nicht auch diesen Genuß für die Darstellung oder für das unmittelbare Empfinden steigern dürfen und können? 239
Weimar
1807
Jeder Koch macht auf diese Weise seine Brühen und Saucen appetitlicher, daß er sie in sich cohobirt." 25. 3.
Tagebuch 25. 3. 1807 (WA III 3, 200)
Bey der Frau von Stein. Mittags Elsermann und Deny. Probe von der Rolle der Emilia Galotti. Nach Tische Fernow. Riemer an C. F. E. Frommann 25. 3. 1807 (HeitmüUer S. 92)
Die Correctur [1. Bogen der Polemik] erhalten Sie hier zurück mit schönsten Grüßen von G. 26. 3.
Tagebuch 26. 3. 1807 (WA III 3, 201)
Mittags Dem. Elsermann und Deny. Nach Tische in den Treibhäusern. Abends bey Mad. Schopenhauer. Einsiedel las seine Ubersetzung vom Schatz (Trinummus) des Plautus vor. A n Christiane v. Goethe 30. 3. 1807 (WA IV 19, 293)
Mit der Elsermann und Deny war ich am grünen Donnerstag zu beyderseitiger großer Erbauung in den Treibhäusern. 27. 3.
Tagebuch 27. 3. 1807 (WA III 3, 201)
Bey Prof. Meyer und Dem. Bardua. Mittags Dem. Elsermann, Deny, Sophie Teller . . . Abends Prof. Meyer . . . Abends bey Dem. Jagemann mit Serenissimo und dem Hauptmann Müffling. 28. 3.
Tagebuch 28. 3. 1807 (WA III 3, 201)
Mittags Dem. Elsermann und Deny . . . Abends bey Frau von Stein. 29. 3.
Tagebuch 29. 3. 1807 (WA III 3, 202)
Mittags Elsermann und Deny . . . Abends bey Mde Schopenhauer Vorlesung von der Erzählung vom Schütz. A n Christiane v. Goethe 30. 3. 1807 (WA IV 19, 294)
Unser ganzes Haus befindet sich wohl, August gloriirt über seinen Ritt nach Erfurt, von welchem die Reiter schon vor Tische wieder zurück waren. Er hat sich gestern in einem neuen Starostenkleid gebrüstet. . . Bey Mad. Schopenhauer war es ganz unterhaltend. Das junge Bertuchische Paar fand sich daselbst ein. St. Schütze, Tagebuch 29. 3. 1807 (*JSK NF 4, 99; GMD)
Bei der Schopenhauer]. Goethe: was ich jetzt arbeite pp. Fernow liest die Rückkehr aus dem Kriege [von Schütze] vor. 30. 3.
Tagebuch 30. 3. 1807 (WA III 3, 202)
Mittags Dem. Elsermann und Deny. Abends in der Oper Helena. 240
Weimar
1807 31. 3.
Tagebuch 31. 3. 1807 (WA III 3, 202)
Stellte Hr. Becker seine soeben angetraute Frau vor. Mittags Dem. Elsermann und Deny. März (?)
H. Wernekke nach Akten der Loge Amalia (Wernekke S. 30)
Br. v. Hendrich . . . hatte [in einem Brief an Chr. G. v. Voigt vom 6. 3. 1807] . . . gebeten, einer Deputation der Jenaer Brüder eine Unterredung [wegen der beabsichtigten Neugründung einer Loge in Jena] zu gewähren. Diese führte zu keiner bestimmten Abweisung; hatte doch Goethe dem Professor Stark gesagt: „Der Funke zum Entstehen, zum Werden einer Freimaurerloge, er komme her, woher er wolle — nur gesetzmäßig, vollkommen und echt — so ist es gut." 1.4.
Tagebuch 1. 4. 1807 (WA III 3, 202)
Um 10 Uhr kamen die Damen. Mittags Dlle Elsermann und Deny . . . Abends by Dem. Jagemann zum Souper. An Christiane v. Goethe 3. 4. 1807 (WA IV 19, 295)
Am Mittwoch ist die regierende Herzogin mit den Damen wieder zum erstenmal bey mir gewesen. An A. v. Humboldt 3. 4. 1807 (WA IV 19, 297)
Die durch den Krieg unterbrochnen Unterhaltungen am Mittwoch, bey welchen ich unserer verehrten regierenden Herzogin, der Prinzeßin und einigen Damen bedeutende Gegenstände der Natur und Kunst vorzulegen pflege, haben wieder ihren Anfang genommen, und ich finde nichts interessanteres und bequemeres, als Ihre Arbeiten dabey zum Grunde zu legen und das Allgemeinere, wie Sie es ja schon selbst thun, anzuknüpfen. Charlotte von Schiller, Aufzeichnung (*LA II 9 Β S. 277; G S A, Schiller 2133)
Erinnerungen aus G. Unterhaltungen den 1 ten April 1807. Die neue weit ist viel höher als die Alte, eine Sinnreiche Anschauung der Höhen hat G. in einer erfundnen Landschaft gegeben, u. die Höhen der Berge des Alten und neuen Continents bestimmt. Der Brocken unser höchster Berg in Deutschland ist 5000 Klafter, (die Clafter zu 3 Ellen 6 Fuß gerechnet) über der Meeres Fläche. Der Gotthardt 1000 Toisen, der Montblanc 2000 Toisen über der Meeres Fläche erhaben. In dieser von G. erfundnen Landschaft ist der Brocken wie ein kleiner Hügel im Vorgrund einer Landschaft, u. die Berge in der Alten Welt wo die Schnee 1.4.
An Charlotte v. Stein Ende März 1807 (WA IV 19, 295) Mittwoch nach Ostern meinen verehrten und geliebten Besuch zu empfangen will ich mich bestens vorbereiten. Ich hoffe Humboldts Tropenländer vorstellen zu können. An Christiane v. Goethe 30. 3. 1807 (WA IV 19, 294) Mittwoch werden die Damen das erstemal wieder bey mir zum Frühstück seyn. Vgl. Goethes Stichworte zum Vortrag Über die Bildung der Erde in der Mittwochsgesellschaft L A I 1, 317 ff.
241
1807
Weimar Linie anfángt sind mit dem Land in Amerika in gleicher Linie, wo die schönste reichste Cultur ist, wo bey uns nur noch Gentiana u. Moos wächst, sind dort Palmen, und Quito, am Fuß des Chimborazzo, liegt auf einer Höhe mit dem Mont blanc. 9000 toisen über der Meeres Fläche ist der Vulkan zur Kette des Chimborazzo gehörig. — Die Bemerkung war mir neu, daß die Metalle ihre Polarischen Richtungen folgen, man hat durchgängig beynah bemerkt, daß die Mettall Gruben von Nord nach Süd die Gänge gerichtet haben. Eine der Hypothesen der Entstehung der Gebirge ist: daß die Erde ein flacher runder Körper anfangs gewesen und die Erhöhungen über der Meeresfläche, durch herabgefallne Monde entstanden sind. Die Alte Welt hat vielleicht nur zwey GebirgsArten verschieden von der Neuen, wie man bis jezt entdeckt hat. Haide kraut Lat: Erica hat 130 Arten Die Zwiebelgewächse brauchen am wenigsten Zeit im Frühling, und Vorbereitung aus der Erde zu kommen, und gestalten sich alsdenn sogleich in Blumen, weil die Zwiebel selbst schon alles enthält was zu ihrer Entwickelung nöthig ist. Die meisten Blumen Zwiebeln haben einen sauern Geruch, sie sind Cotyledonen. wo bey andern Blumen noch Kelch ist, da stehet bey ihnen gleich die Krone. Die Ersten Arten der Monocotyledonen sind dreyblättrig oder sechsblättrig als einfache Erscheinungen Dahin gehören die Leberblumen lat: Hepatica Ranuncel Arten, zu der zweiten Gattung der monocotyledonen gehören Nießwurz u. s. w. Sophie v. Schardt, Aufzeichnung nach Goethes Vorträgen (*Düntzer 8 S. 406; GSA, Stein-Schardt 165) B 2 866 B 3 2238
Strömungen der Berge, von Norden nach Süden v. Westen nach Osten. Die Erde ist unter dem Meer fortgehend nach denselben Regeln. Inseln sind Köpfe der Berge. In den Richtungen v. Norden nach Süden befindet sich das Eisen, von Westen nach Osten die Silber Adern. Wir verbinden die erste Empfindung von etwas, als z. B. die der Ehrfurcht der Liebe pp mit dem Gegenstand der zuerst sie in uns entwickelte, darum sind die ersten Eindrücke so dauernd. cryptogramen.
Falenogramen
monocotiliton 2. 4.
dicotiliton
Tagebuch 2. 4. 1807 (WA III 3, 202)
Mittags Dem. Elsermann und Deny. Abends bey Mde Schopenhauer. An Christiane v. Goethe 3. 4. 1807 (WA IV 19, 296)
Zu dem neuen Maskenstücke ist durch Herrn von Einsiedels Verwendung von H o f her ein prächtiges Kleid für die Elsermann angekommen, weißer Krepp
242
Weimar
1807
mit guten Silberflintern, Zickzack gestickt, so daß es von weitem wie Zindel aussieht, nur viel blendender. Wir haben es ihr gestern nach Tische angezogen und sie hätte sich gar nicht wieder auskleiden mögen. St. Schütze, Tagebuch 2. 4. 1807 (*JSK NF 4, 99; GMD)
Die Erzählung [Rückkehr aus dem Kriege] geändert an Becker geschickt. Bei der Schopenhauer] mit Goethe über die Änderung meiner Erz. vor 3. 4.
An A. v. Humboldt 3. 4. 1807 (WA IV 19, 299)
Durchlaucht der Herzog hat uns viel von Ihnen erzählt, von Ihrem magnetischen Garten und sonstigen Untersuchungen. Er ist recht eingeweiht in das, was Sie leisten und vorhaben. 3.4.
Tagebuch 3. 4. 1807 (WA III 3, 203)
Mittags Dem. Elsermann, Deny, Lortzing. Probe von der Emilia Galotti . . . Abends bey Dem. Jagemann. 1./3. 4.
An Christiane v. Goethe 3. 4. 1807 (WA IV 19, 295)
Von Krieg und Kriegsgeschrey hören wir auch kaum etwas weiter, als was August gelegentlich mit großem Triumph aus der Bayreuther Zeitung erzählt. 4. 4.
Tagebuch 4. 4. 1807 (WA III 3, 203)
Mittags Deny. B 3 2424
H. Meyer (*JbGG 3, 214; G S A , Meyer 109)
Den 4t. Apr. 1807. Emilie Gallotti v. Leßing wurde gegeben. Göthe machte die Bemerkung nie habe der Verstand ein Genialischer Werk hervorgebracht. Die beyden Motive wo im Anfang des Stücks der Prinz der Gräfin Orsina Brief nicht ließt und ungedultig gegen den Plan des Marinelli in die Kirche läuft um die Emilie zu sprechen woraus die Verwicklung des ganzen Stücks entsteht, nannte er groß und unübertreffl. 5. 4.
Tagebuch 5. 4. 1807 (WA III 3, 203)
Mittags Elsermann, Deny, Lortzing. Nach Tische mit Elsermann nach Belvedere spatzieren in die Treibhäuser. Abends bey Mad. Schopenhauer. Riemer, Tagebuch 5. 4. 1807 (Keil 5 S. 219)
Bei G. Experimente. Nach Tische mit G. und der Elsermann nach Belvedere. 6. 4.
Tagebuch 6. 4. 1807 (WA III 3, 203)
Färber von Jena kam, sich zu bedanken für den Schloßvoigt . . . Mittags Elsermann und Deny. Spaß mit den Kanonen für August. Rolle der Philematium und des Grumio durchgegangen. Riemer an C. F. E. Frommann 6. 4. 1807 (Heitmüller S. 92)
B 3 2425
Die Sonne will uns zu unsern Experimenten nicht recht Stich halten; doch haben wir ihr soviel abgewonnen, daß wir Mittwoch neues Manuscript zu 243
1807
Weimar schicken gedenken, wenn Sie uns den Rest, den Sie drüben haben, mit der Dienstagspost senden, um das neue genauer als aus dem Gedächtniß anschließen zu können . . . [Nach Jena] können wir nicht eher bis die Geheimeräthinn [von] Frankfurt wieder zurück ist. Ich bin in ihrer Abwesenheit mehr um G. als sonst, u. kann ihn nicht verlassen. Kommen wir nicht eher, so geschieht es gewiß kurz vor oder zu Pfingsten, um uns zur Reise ins Carlsbad zu praepariren.
vor 7. 4.
H. Becker an H. Blümner 7. 4. 1807 (HSTA Weimar, Genint, Slg. Pasqué 2, 2)
Ihren werthen Brief, nebst Einlagen habe ich erhalten. Der Herr Temperlein, hat mir, so wie den Herrn Geheimerath von Göthe viehl Vergnügen gemacht. Die Rollen werden jetzt ausgeschrieben, vor unserer Abreise wird es erst noch hier, und dann in Leipzig gegeben werden. 7. 4.
Tagebuch 7. 4. 1807 (WA III 3, 203)
Mittags Dem. Elsermann und Deny. Um 4 Uhr Leseprobe im Theater vom Gespenst. Beym Regierungsrath Voigt Abends. 7. (?) 4.
An J. F. Blumenbach 9. 5. 1807 (WA IV 19, 326)
Das mumisirte Haupt zog alle unsre Aufmerksamkeit auf sich, und mein August, der sich Ihnen bestens empfiehlt, wollte die Absicht des Stricks im Munde darin finden, daß man den K o p f daran aufgehangen, um ihn entweder zu trocknen oder trocken zu erhalten. 8. 4.
Tagebuch 8. 4. 1807 (WA III 3, 204)
Um 10 Uhr die Damen. Anfang der Geologie, nachher die erste Lection Pflanzen von Jena. Mittags Elsermann und Deny. Riemer, Tagebuch 8. 4. 1807 (*Dtsch. Revue 11, 1 S. 62; Keil 5 S. 219)
Die deutschen Ausgewanderten beendigt. Goethe's Vorlesung für die Damen. Knebel, Tagebuch 8. 4. 1807 (GSA, Nachlaß Knebel)
Bei Göthe in der Vorlesung. Sophie v. Schardt, Aufzeichnung nach Goethes Vorträgen (*Düntzer 8 S. 405; GSA, Stein-Schardt 165) B 2 866 B 3 2238
Was ist das Seyn? Es äussert sich durch Form u. Bewegung od. Handlung. Warum soll das Seyn, anders als durch diese Darstellung aller Existenz definirt werden? 8. 4.
Vgl. Goethes Stichworte zum Vortrag Über die Bildung der Erde in der Mittwochsgesellschaft LA I 1, 319 und zum Botanischen Vortrag LA II 9 Β 67 f.
8. (?) 4.
Knebel an Riemer 8. (?) 4. 1807 (ehem. Slg. Kühne, Berlin) Empfehlen Sie mich doch unserm guten Göthe, und forschen Sie bei Ihm aus, welche Zeit oder Stunde ihm die wenigst beschwerliche seyn könnte, uns bei sich zu sehen? Wir sind diesen Mittag bei der Herzogin Mutter versprochen, die nicht gar wohl ist. Vielleicht vergönnte er uns nach dem Essen ein Stündchen bei ihm zuzubringen? Wir bleiben heute noch hier.
244
Weimar
1807
Alle Hauptformen des Erdbodens, der Berge, Steinmassen pp streben vom Mittelpunkt der Erdkugel nach den Polen zu: kleinere Massen, durchkreuzen seitwärts diese Strömung, als ob sie nach kleinern verschiedenen anziehungs Punkten strebten. Jede verschiedene Substanz modificirt die mit der sie sich vermischt. Diese gegenseitige Wirkung, bringt dann unendliche Abweichungen u. Abwechslungen hervor. Beobachtungen hierüber im Steinreiche, pp Keine Substanz existirt auf Erden rein vor sich, u. unvermischt. Alles (ductile) herabfallende von einer angemeßnen Höhe, bildet sich in die Kugelform. Bsp. wenn man Bley gießt, Wassertropfen pp. Der Geist ist so gut wie die Materie, das sich gestaltende u. handelnde Seyn, in seiner Äusserung 9. 4.
Tagebuch 9. 4. 1807 (WA III 3, 204)
Bey Frau von Spiegel wegen ihrer Büste. Mittags Hr. v. Knebel und sein Carl, Elsermann und Deny. Allerley Erzählungen von Jenaischen Kriegsgeschichten. Abends bey Mad. Schopenhauer. Romanze von Hilla Lilla vorgelesen. Falk eine neue Ubersetzung von Anacreon. Knebel, Tagebuch 9. 4. 1807 (GSA, Nachlaß Knebel)
Mittags bei Göthe. Riemer, Tagebuch 9. 4. 1807 (Keil 5 S. 219)
Mittags Knebel und sein Karl zu Tische nebst Demois. Elsermann und Deny . . . Knebel's Haß gegen die Fische. Spashafte Bemerkungen über ihre Physiognomie. Tag- und Jahres-Hefte 1807. Paralipomena (WA I 36, 388)
Hilla Lilla, eine schottische Ballade, war auch im Geschmack einer Litanei bei uns willkommen; man las den Text mit vernehmlicher Stimme, und die Gesellschaft wiederholte den Glockenklang des Refrains als Chor. St. Schütze, Tagebuch 9. 4. 1807 (*JSK NF 4, 99; GMD)
Bei d. Schopenhauer]. Falk liest Uebersetzungen aus d Calderón [? wohl: Anakreon] vor, Göthe eine schottische Romanze, wobei die Frauen nachsprechen müssen. St. Schütze, Die Abendgesellschaften der Hofrätin Schopenhauer (Weimars Album S. 195) B 2 1569 B 3 2426
Goethe liebte . . . das Förmliche und Feierliche . . . Einen Auftritt dieser Art gab es eines Abends bei einer Vorlesung, wobei das Feierliche aber beinahe in's Komische umschlug. Goethe hatte nämlich Schottische Balladen mitgebracht und erbot sich, eine von ziemlicher Länge selbst vorzutragen, doch so, daß den wiederkehrenden Satz, der bei jedem Verse vorkam, die Frauen immer im Chor dazwischen sprechen sollten. Der pathetische Vortrag begann, die Damen hiel245
1807
Weimar ten sich bereit und fielen zur rechten Zeit ein, glücklich kam man über den ersten Vers hinaus, aber als dieselben Worte sich zum zweiten- und drittenmal wiederholten, überwältigte die Frau Professorin Reinbeck ein unwillkührliches Lachen; Goethe hielt inne, ließ das Buch sinken und strahlte sie alle mit den feurigen Augen eines donnernden Jupiters an: „Dann lese ich nicht!" sagte er ganz kurz. Man war nicht wenig erschrocken; aber Johanna Schopenhauer bat vor, gelobte auf's neue Gehorsam und verbürgte sich für die Uebrigen. Nun ging es in Gottes Namen wieder vorwärts — und in der That! sämmtliche Damen auf Kommando das Kinn taktmäßig zugleich bewegen zu sehen, hatte so viel von der Komik an sich, daß die volle Autorität eines Goethe dazu gehörte, die ganze Gesellschaft in dem angeordneten feierlichen Ernste zu erhalten. Riemer, Mittheilungen 1, 407
Um mehr Abwechselung in die Unterhaltung [bei J. Schopenhauer] zu bringen und das Zuhörer-Personal ebenfalls zu beschäftigen, behandelte er [Goethe] einstmals dieses als Chor und ließ es mit dem Refrain einer Romanze, in der Mitte und am Schluß der Strophe, sprechend einfallen, welches eine wunderbare mit dem Inhalt des Gedichts, das von einem für eine Glocke verkauften Mädchen handelte, harmonirende Wirkung that, da es melodische Frauenstimmen waren, die dieses Glockengeläut nachbildeten. Nur die Geistlosigkeit Einiger fand die Sache lächerlich, während sie in einer andern Gesellschaft mit Beifall aufgenommen wurde. 10. 4.
Tagebuch 10. 4. 1807 (WA III 3, 204)
Mittags Elsermann, Deny und Sophie Teller. Starb Durchlaucht die Herzogin Mutter. Abends zu Hause. Nachher zur Prinzeß. Riemer, Tagebuch 10. 4. 1807 (Keil 5 S. 219)
Um 7 Uhr zu G.: am 6. und 7. Versuch. 11.4.
Tagebuch 11. 4. 1807 (WA III 3, 204)
Kam Hr. von Knebel. Verschiedenes verhandelt. Mittags Knebel. Elsermann und Deny zu Tische. Hofrath Meyer. Knebel, Tagebuch 11. 4. 1807 (GSA, Nachlaß Knebel)
Mittags bei Göthe. Riemer, Tagebuch 11. 4. 1807 (Dtsch. Revue 11, 1 S. 62)
B 3 2428
Abends zuhause bei Goethe, Schema zu den Personalien der Herzogin Mutter. 12. 4.
Tagebuch 12. 4. 1807 (WA III 3, 204)
Mittags Elsermann und Deny . . . Um 5 Uhr kam meine Frau von Frankfurt zurück. Gegen 7 Uhr kam Geheimerath Wolf. 11. 4.
Chr. G. v. Voigt an Goethe 10. 4. 1807 (SchrGG 55, 156) Morgen früh habe ich die Ehre, aufzuwarten und das Weitre umständlicher zu besprechen.
246
Weimar
1807
Riemer, Tagebuch 12. 4. 1807 (Keil 5 S. 220)
Um 5 Uhr kam Frau Geheimräthin zurück. Abends mit Wolf und Goethe allein. 13. 4.
Tagebuch 13. 4. 1807 (WA III 3, 204)
Mittags Geheimer Rath Wolf. Abends Unterhaltung mit Handschriften des Walchischen Stammbuchs und Winckelmanns griechischen Schriftübungen. Knebel, Tagebuch 13. 4. 1807 (GSA, Nachlaß Knebel)
Morgens bei Göthe im Garten. G. Reinbeck, Reise-Plaudereien (Reinbeck 2 2, 118)
B 3 2427
Die ehrwürdige Herzoginn Amalie, die Gründerinn von Weimars literarischem Ruhm, erkrankte und starb [am 10. 4.] . . . Die Bestürzung war allgemein. Ganz Weimar drängte sich mit Liebe und Verehrung zu dem Todtenbette der verewigten Fürstinn. Besonders ergriff aber die Trauer um sie die Männer, die in ihr einen schützenden Genius zu beweinen hatten: Göthe, Wieland, Bertuch, von Einsiedel. Es war ergreifend, die Thränen dieser Männer sich vereinigen zu sehen über einen Verlust, der gemeinschaftlich unmittelbar ihr Herz getroffen. — Göthe war mehrere Wochen nicht sichtbar; auch war er viel mit dem Herzoge, der mit ihm trauerte. 14. 4.
Tagebuch 14. 4. 1807 (WA III 3, 205)
Regierungsrath Müller. Mittags Wolf und Knebel zu Tische. Abends mit Geheimerath Wolf bey Durchlaucht dem Herzog zum Souper. Riemer, Tagebuch 14. 4. 1807 (Keil 5 S. 220)
Morgens bei Wolf und G., im Garten spaziren. Um 12 Uhr kam Knebel, der mitspeiste. Knebel, Tagebuch 14. 4. 1807 (GSA, Nachlaß Knebel)
Mittags bei Göthe mit Geh. Rath Wolf aus Halle. Nach dem Essen 5. Uhr abgefahren. 8./14. 4.
Knebel an Riemer 19. 4. 1807 (GSA, Knebel 1226a)
Die Unbäßlichkeit unsers Geh. Raths thut mir sehr leid. Ich ahndete etwas davon, als ich den lezten Tag in Weimar war, hatte aber nicht das Herz es zu sagen. Gewiß ist es mir, daß der lange morgendliche Aufenthalt im feuchten Garten [13. 4.] dazu beigetragen h a t . . . Die mitgenommenen kleinen Schriftchen werde ich, nebst dem Entwurf der Farbenlehre, mit nächstem Botentage mit Dank wieder zurückschicken. Die historische Zeichnung über Karl den Grossen [von J. Chr. Aretin] ist zwar in einer vornehmen Art, aber nicht so wie sie mir gefallen will. Ich liebe in diesen Dingen die analytische Form, so wie etwas entstanden ist, oder entsteht; ungefähr wie uns Göthe die Bildung des Helleborus [am 8. 4.] dargelegt hat. 247
Weimar
1807 15. 4.
Tagebuch 15. 4. 1807 (WA III 3, 205)
Um 10 Uhr die Damen. Gab Geh. Rath Wolf denselben einen kleinen Abriß von dem Alterthumsstudium. Mittags Wolf, Madeweiß, Keferstein und Hr. Landrath v. Wedel zu Tische. Abends bey Legationsrath Bertuch. Riemer, Tagebuch 15. 4. 1807 (Keil 5 S. 220)
G. hatte Besuch der Damen, Wolf gab ihnen einen Abriß des Alterthumsstudiums. Charlotte v. Schiller, Ideen aus der Rede die Prof. Wolf bey G. gehalten (GSA, Schiller 2107)
Die griechische Sprache, hat von allen andern uns bekannten die längste Dauer; weil wir ihren Fortschritten, und ihren Dasein auch ununterbrochen folgen können, 2 0 0 0 jähr vor Christi G e b u r t , ist die Wahrscheinlichkeit d a ß H o m e r existirte
ihre Fortschritte haben Unterbrechungen gehabt, über 1500 jähr, können wir ihren Gang folgen. Man hat 1600 Schriften in dieser Sprache, auf unsre Zeiten gebracht. Wie gebildet die Griechen in allen Ständen waren, zeigen die verschiedenartigen Beschäftigungen, und Stände, die sich alle mit der Litteratur beschäftigen, Man hat unter den Soldaten, die gebildetensten Schriftsteller angetroffen und Menschen die unter Krieg gelebt und alt geworden haben sich mit Kunst abgegeben man hat gefunden daß es Feldherrn gab die 30 bis 60 Trauerspiele gedichtet. — Wie allgemein muß die geistige Bildung in allen Ständen gewesen sein. Die Römische Litteratur hat einen viel kleineren Umfang. Man kann ihre Spur die ununterbrochen ihren Weg macht nur 900 Jahrhunderte folgen. Ideen Aus der Rede die Prof. Wolf bey G. gehalten. Henriette v. Knebel an Knebel 18. 4. 1807 (Düntzer 4 S. 281)
B 2 978 B 3 2429
Vorigen Mittwoch waren wir Vormittags bei ihm [Goethe]. Der Geheimerath Wolf war da, und hielt anfangs auch einen kleinen Vortrag über die Alten, ihre Geschichte, ihre Sprache u. s. w. Dann brachte uns Goethe einige Frühlingsblumen, und zeigte uns recht hübsche Sachen, mit guten Bemerkungen; wobei ich das artige Hungerblümchen besonders lieb gewann, das so wenige Bedürfnisse hat, und bei wenig Saft und geringer Wärme sich so schnell entwickelt und hervorkommt, daß man es fast wachsen sehen kann. Riemer an C. F. E. Frommann 15. 4. 1807 (Heitmiiller S. 93)
B 3 2430
Heute kommen Wolfs Reisegefährten von Erfurt wieder zurück, Madeweiß, Keferstein und der Landrath von Wedel. Sie essen diesen Mittag bey uns, u. morgen geht die Reise wieder nach Hause . . . Der Druck unserer Farbenlehre leidet durch den Tod der Herzoginn Mutter u. diesen Besuch eine für uns und Sie gleich unangenehme Unterbrechung, die 15. 4.
Bertuch an L. F. Froriep 13. 4. 1807 (GSA, Bertuch 3201, 180) Gestern Abend überraschten mich Wedel, Madeweiß und Keferstein sehr angenehm mit ihrem Besuche. Sie giengen heute früh nach Erfurth, und kommen morgen Abend zurück; Wolf blieb hier, und auf den Mittwoch [15. 4.] sind wir bey Göthe zusammen.
248
Weimar
1807
jedoch so kurz als möglich dauern soll, indem ich besonders darauf dringe, daß die Polemik völlig gedruckt sey, ehe wir nach Carlsbad gehen. Denn es ist gar zu unangenehm, nach einer Unterbrechung wie diese seyn würde, wieder ins alte zurückzukehren, u. sich von neuem in den Zusammenhang einzustudiren. Nach der Rückkunft gehen wir mit frischen Kräften u. größerer Lust zu dem historischen Theil über. — G. ist übrigens wohl. Die Geheimeräthinn ist wieder zurück u. unterhält uns von dem was sie sah und hörte. Eine neue Nobelgarde hatte sich in Frankfurt versammelt, um zu dem Kaiser zu stoßen. Die alte muß also ziemlich gelitten haben. 12./15. 4. A n Esther Stock 17. 4. 1807 (WA IV 19, 309; 30, 268)
Sie können leicht denken, wertheste Freundin, daß seit dem 12. dieses, als dem Tage, wo meine kleine Frau zurückkam, Frankfurt unser beständiges Gespräch gewesen, und daß es mir fast zu Muthe ist, als käme ich selbst daher. Haben Sie tausend Dank für alles Gute und Freundliche, das Sie der Reisenden erzeigen wollen, für die eine lebhafte Erinnerung jener heiteren Stunden ein kostbarer Schatz für die Zukunft bleiben wird. 16. 4.
Tagebuch 16. 4. 1807 (WA III 3, 205)
Reiste Geh. Rath Wolf ab. Riemer, Tagebuch 16. 4. 1807 f D t s c h . Revue 11, 1 S. 62; Keil 5 S. 220)
B 3 2432
Morgens reiste Wolf ab. Ward G. krank, sehr schlimme Nacht. Chr. A. Vulpius an N. Meyer 26. 4. 1807 (Kasten 1 S. 209)
B 3 2435
Eben als ich Ihnen geschrieben hatte, starb unsere gute Herzogin Fr. Mutter . . . Ich schicke Ihnen hierbei die Personalia die nach ihrer Leichpredigt abgelesen wurden, weil sie Göthe aufgesetzt hat. Dieser hat einmal wieder seinen Anfall gehabt. 12./16. 4. Wilhelmine Wolf an Christiane v. Goethe 19. 4. 1807 (Reiter 1, 435)
B 3 2431
Hier . . . sind die Münzen die der Vater gleich nach seiner Zurückkunft Ihrem Herrn Gemahl zu schicken versprochen hatte. Er freut sich sehr, viel mehr schicken zu können, als er erst selbst geglaubt hatte . . . aus den 12 die er vermuthete sind bei genauerer Ansicht 39 geworden . . . Die Rückreise des Vaters, war wegen des schrecklichen Wetters sehr unangenehm geworden, und nur zu ertragen durch die Erinnerung an die schönen, herrlichen Stunden die der Vater in Ihrem Hause genoßen hat; er läßt dem Herrn Geheimenrath und Ihnen allen noch tausendmal für die Güte und Freundschaft danken, womit Sie ihn aufgenommen haben . . . Wir wünschen und hoffen nur daß sie [die Münzen] ihm [Goethe] ein paar angenehme Stunden machen mögen, vielleicht füllen einige darunter doch ein paar Lücken aus. 249
1807
Weimar Chr. G. V. Voigt an Eichstädt 20. 4. 1807 (UB Jena, Nach]. Eichstädt 2)
Wolf ist nicht so hoch trabend gewesen, als er in diesen Tagen hier war. Hernach war Göthe 2wey Tage krank, weil er keinen Diätfehler mehr machen darf. C. L. Fernow an C. F. E. Frommann 18. 4. 1807 (GSA, Frommann 17, 7 Nr. 11)
Göthe hat in der gestrigen Nacht wieder sehr gelitten, u. war gestern sehr krank; ich hoffe es ist nichts ärgers als der gewöhnliche Anfall, der seit langer Zeit glücklich ausgeblieben war, aber vielleicht durch einige Übertretungen der Diät während Wolfs Besuch wieder veranlasset worden. H. Becker an H. Blümner 26. 4. 1807 (HSTA Weimar, Genint, Slg. Pasqué 2, 2)
Der Herr Geheimerath von Göthe hat mir aufgetragen Ihnen schönstens von ihm zu grüßen. Er ist wieder eine Nacht von seinen Krämpfen befallen worden, welches der heftigste Zufall war, welchen er in dieser Krankheit erlitten. Er war aber ein bischen mit daran Schuld, Wolff von Halle war hier, und da ist ein bischen getrunken worden, und daß darf er nicht mehr, wenn er nicht krank werden will. 17. 4.
Riemer, Tagebuch 17. 4. 1807 (*Dtsch. Revue 11, 1 S. 62; Keil 5 S. 220)
B 3 2433
Bei G., der noch im Bett blieb, den ganzen Tag. Von allerlei gesprochen, über Wolf pp. 18. 4.
Tagebuch 18. 4. 1807 (WA III 3, 205)
Hofrath Meyer. Henriette v. Knebel an Knebel 18. 4. 1807 (Düntzer 4 S. 281)
B 2 978 B 3 2429
Goethe hat mir sagen lassen, daß er Dir heute die Trauerrede [auf Anna Amalia] selbst schicken würde. Er hat diesen Morgen die Prinzeß mit schönen Blumen beschenkt, die sie sehr erfreuen, einem Lack- und einem Levkoienstock, in schönster Blüthe. 10./18. 4. Riemer an C. F. E. Frommann 18. 4. 1807 (Heitmüller S. 94)
B 2 978 a Β 3 2434
In der Hoffnung, daß dieser Brief Sie noch in Jena antreffe, lege ich mit einem freundlichen Gruße von G. den von den Kanzeln zu verlesenden Aufsatz zum Andenken der Herzoginn bey. Ein erweiterter wird zu andern Zwecken mit nächster Gelegenheit anderen Orts erscheinen. Der Tod der Herzoginn, die unverhoffte Rückkehr der Geheimeräthinn, die Ankunft Wolfs u. seiner Reisegefährten, die zwischenfallende Ausarbeitung gedachten Aufsatzes, eine Vorlesung für die Damen, die Uebertretung der gewohnten Diät führten am Donnerstag Abend [16.] den alten Anfall mit schon vergessener Heftigkeit herbey u. G. mußte gestern noch den ganzen Tag im Bette zubringen. Erst heute hat er es verlassen u. ist in soweit wieder hergestellt, doch muß er sich noch ein paar Tage schonen. Die Abäscherung in 4 Tagen hintereinander war bey seiner gewohnten Ruhe zu groß. Es ließ sich aber nicht anders machen. Gott sey Dank daß es vorüber ist! 250
Weimar
1807 20. 4.
Riemer, Tagebuch 20. 4. 1807 (Keil 5 S. 220)
Zu G. Die Erzählung der deutschen Ausgewanderten durchgegangen. 20. (?). 4.
Riemer, Mittheilungen 2, 601
B 2 825 B 3 2436
Goethe wollte darin [Unterhaltungen der deutschen Ausgewanderten], wie er mir sagte, eine Art von t a u s e n d u n d e i n e r N a c h t liefern, so nämlich, daß eine Erzählung durch die andere hervorgerufen würde; dankte aber zuletzt Gott, daß er bis an das Mährchen kam. 21. 4.
Tagebuch 21. 4. 1807 (WA III 3, 206)
Falk. Hofrath Meyer. Verschiedene Recensionen der Allgemeinen Litteratur Zeitung zusammen durchgelesen. 22. 4.
Riemer, Tagebuch 22. 4. 1807 (Keil 5 S. 220)
Morgens bei G., Briefe. Henriette v. Knebel an Knebel 22. 4. 1807 (Düntzer 4 S. 282)
B 3 2437
Goethe war sehr krank, ist aber wieder ganz hergestellt, doch kann er sich heute noch nicht mit Sprechen fatiguiren. vor 23. 4. St. Schütze, Tagebuch 23. 4. 1807 (*JSK NF 4, 99; GMD)
Bei der Schopenhauer]. Riemer: er hätte Goethen von Hanchen auf d Wacht [von Schütze] erzählt. 23. 4.
Tagebuch 23. 4. 1807 (WA III 3, 206)
Mamsell Brentano. Bettina Brentano an Goethe 15. 6. 1807 (Schmitz/Steinsdorff S. 576)
Und was will ich denn? Erzählen wie die herrliche Freundlichkeit mit der Sie mir entgegen kamen, jezt in meinem Herzen wuchert; alles andre Leben mit Gewallt erstickt? wie ich immer muß hinverlangen wo mir's zum e r s t e n m a l wohl war? Bettina Brentano an Goethe 30. 7. 1808 (Schmitz/Steinsdorff S. 620)
B 3 2441
Aber da ich nun endlich bei Dir war — Traum! jezt noch — wunderbarer Traum! — da kam mein Kopf auf Deine Schulter zu ruhen da schlief ich ein paar Minuten nach 4 bis 5 Schlaflosen Nächten, zum ersten Mal. siehst Du! siehst Du! Da soll ich mich hüten, vor Liebe und hat mir nie sonst Ruhe geglückt. 23. 4.
Wieland an Goethe 23. 4. 1807 (*Bergemann S. 26; Eing. Br. alph. 989, XII) Bettina Brentano, Sophiens Schwester, Maximilianens Tochter, Sophien La Roches Enkelin wünscht dich zu sehen, 1. Br. und giebt vor Sie fürchte sich vor dir, und ein Zettelchen, das ich ihr mit gebe, würde ein Talisman seyn, der ihr Muth gäbe. Wiewohl ich ziemlich gewiß bin, daß Sie nur ihren Spaß mit mir treibt, so muss ich doch thun was Sie haben will — und es soll mich wundern wenn dirs nicht eben so mit mir [sie] geht.
251
1807
Weimar Bettina Brentano an C. Brentano vor 12. 5. 1807 (Corona 7, H. 1 S. 36)
B 3 7448
Aber jezt kommen wir zu Göthe. Ey preiße mich glücklich Guter Clemens, nur erst einmal auf die Treppe, die zwei freundliche Marmorbilder die Dir entgegen winken, und so still und würdig ist das Hauß — Ich wartete in einem Zimmer daß voll kleiner Holzschnitte und Zeichnungen hängt, ich blieb bey einer Madona in Holzschnitt stehen, und dachte so in meinem Sinn was Göthe wohl gedacht haben mogte dass er es so schön eingerahmt hatte, in dem tratt er herein, grüßt mich, führt mich auf sein Zimmer, nach dem ich saß, rückt er sich einen Stuhl herbey. Nun da sind wir ja, jezt wollen schwäzen. bis Nacht ist, er sprach mir viel von Arnim, den hat er wirklich lieb, auch über Dich sagte er mir mancherlei gutes und schönes, was mir sehr lieb ist, er ist doch sehr gerecht und mild, und auch nachsichtig, er hat eigentlich den wahren Respeckt vor der menschlichen Natur, wer vor ihm steht ohne Pretension, mit aufrichtiger Liebe, dem muß es wohl gehen bey ihm, ich plauderte alles was mir auf die Zunge kam, und er war damit zufrieden, ich sagte ihm dass ich seine Lebensgeschichte schreiben wollte, dieß freut ihn, er eiferte mich ordendich dazu an Er war so ehrend in allem was er sprach, ich konnte nicht begreifen, wie ihm alles so ernst war, was wir gegenseitig sprachen, ich frage ihn darum, es ist einmal nichts anders und kann nicht anders sein, sagte er, nicht alle Menschen haben ein Recht auf mein Herz. — lieber Clemens wer ihn einmal gesehen hat wie ich, und ihn nicht liebt wie ich, der ist seinen Anblick nicht werth, und wenn die ganze Welt ihn nicht erkennt so will die Bettine Jubel rufen über seine Herrlichkeit Und Arnim der ihn auch liebt ohne viel zu spindisieren der soll die Fahne schwingen, als ich weg ging, steckte er mir einen Ring an den Finger, und erinnerte mich nochmals an seine Biografie, sein leben will ich nicht schreiben das kann ich nicht, aber den Duft seines lebens will ich erschwingen und auffassen, und zum ewigen Andenken seiner bewahren. Ach lieber Clemens, was mir so wohl gefiehl — ich war so ruhig bei ihm, er war mit mir wie mit einem Jugendgespielen . . . Den einzigen Gefallen thue mir und geh zur alten Göthe sage ihr dass ich hundert mal ihrer gedacht habe bei ihrem Sohn, daß ich sie um seiner und ihrer Natur willen tausendmal lieb habe, sage ihr dass seine Liebenswürdigkeit alle Erwartung alles Zutrauen weit übertroffen dass ich ihr die Freude all die ich bei ihrem Sohn genossen in Fr: wieder vergelten will. Bettina Brentano an A. v. Arnim 13. 7. 1807 (Betz-Straub 1, 99)
B 3 2438
In Weimar ward mir ein einziger Wunsch erfüllt, die vier Stunden, die ich dort zubrachte, schaute ich in Göthes Antlitz, der mich wieder so freundlich ansah, so freundlich! Kein Wesen in der ganzen Natur war mir so angemessen, gab so, was ich begehrte, als eben das seinige . . . Mit Göthe sprach ich viel von Ihnen, er hat Sie lieb, er kann es sehr gut begreifen, daß ich Sie auch lieb habe. Ich wundre mich, daß ich so ruhig war bei ihm, bei ihm allein, daß ich auf seiner Schulter lag und beinah schlief, so still war die Welt um mich her, und er ließ sichs gefallen und war auch still und war so ehrend in dem wenigen, was er zu mir sprach. Ich trag einen Ring von ihm am Mittelfinger der rechten Hand, 252
1807
Weimar es ist eine kleine Figur in einen blauen Stein geschnitten, die ihre Haare löst oder bindet. C. Brentano an A. v. Arnim 14. 7. 1807 (FBA 31, 606)
B 3 2445
Indessen reiste Bettine Carriere in Geschäften mit Jordis durch Berlin, und Weimar dort war sie bei Göthe 3 Stunden und er steckte ihr einen Ring an den Finger und gedachte unsrer Mutter . . . Ich — muste sehr weinen Sie [Bettine] wieder zu sehen, am Finger die schöne Anticke von Göthen ein Weib das sich verschleiert . . . Göthens Gespräche mit Bettinen sind ein Schatz für uns Freunde, er war wie ein Kind, er gestand ihr, daß er mürrisch und kalt oft sei, daß er sie ewig um sich wünsche, daß er dann nie alt geworden, daß er nie einen Jüngling so schnell geliebt wie dich, daß sie um ihn bleiben möge, er wolle sich wieder wiegen laßen, er hat ihr erlaubt sein Leben nach den Aussagen seiner Mutter zu schreiben, er wolle ihr noch viel dazu sagen, das solle seine Biografie werden, einfältig wie die Heimonskinder, sie war mit ihm, wie der Genius mit dem Dichter im Hans Sachs spricht. Sie hat ihn gezankt, gestärkt, und gebessert und verjüngt, in drei Stunden; und alles ist so in ihm, wie wir es uns gedacht. V o n d e r B i o g r a f i e , d a s V e r s c h w e i g e , es giebt ein göttlich Buch . . . Um den Ring, den Göthe Bettinen gab, haben ihn früher seine besten Freunde gebeten, und er hat ihn versagt, ihr wunderbares Gespräch mit ihm ist mir ein rührender Beweiß, von welcher göttlichen Wirkung auf Erden dies erleuchtete Kind sein würde, wenn Sie nicht so viele Worte an die Gemeinheit ausspräche. Bettina Brentano an Savigny Juni 1807 (Schellberg-Fuchs 2 S. 64)
B 3 7447
Bei Göthe war ich! Das hat Dir Meline erzählt; das ist alles gut, aber Alter, ich muß bei Dir sein, auf Deinem Schoß sitzen, D u mußt mich herzlich umarmen, wenn ich so weich werden soll, Dir alles zu sagen, ich trage einen Ring von Göthe am Finger, der ist mir sehr lieb. Ich sag Dir, Du bist recht gut, Du bist der Beste, aber erinnere Dich, wie oft mir nicht wohl war bei Dir, daß ich wild und traurig wurde im Gemüt, daß ich so recht fühlte, ich wußte nicht, wo aus noch ein im Leben. All das war verschwunden bei Goethe, und doch hatte ich mich davor am meisten gefürchtet. Er kam auf mich zu, gleich im ersten Augenblick, küßte mich auf die Stirn und behandelte mich wie eine lang verheißene Freude, die nun endlich erscheint. Auch war er mir gar nicht fremd; wie zwei Prinzen, die miteinander auf einer einsamen Insel erzogen sind, die an dem Ufer des Meeres ihren künftigen Lebensplan miteinander ersonnen haben, so war ich mit ihm, er selbst würdigte mich mit jedem Worte, was er gegen mich aussprach, und ich durfte die Wahrheit meines Gefühls nur ausdrücken, um ihn zu erfreuen. Nun denk Dir, er sagte mir, ich sollte bei ihm bleiben so lange, bis wir uns ausgeschwätzt hätten, und das dauert lange, setzte er hinzu, er wollte mich lesen lehren und meine übrige Studien dirigieren. Das durfte ich aber alles nicht annehmen; D u weißt ja, wie alles zusammenhängt. Bettina Brentano an Savigny ca. 4. 8. 1807 (Schellberg-Fuchs 2 S. 67)
Seit ich nun mit Göthe war und weiß, was der Mensch dem Menschen sein kann, was ich entbehre, hab ich gar keine Ruh mehr . . . Göthe hatte mich 253
1807
Weimar gebeten bei ihm zu sein und länger, so lang, bis ich müde wäre . . . Stellst D u Dir es auch recht vor, wie ich mit ihm war? Gleich im ersten Augenblick, als ob ich [in] eine wohlbekannte Welt wieder zurückkäme, als ob ich nach langem Anschaun der Wolken in dunkler Nacht endlich den Mond hervortreten sähe, nicht blendend, mild und wohltätig erleuchtete er mir nun die ganze Gegend in stiller Harmonie, die kaum sich voneinander lösend mir bewies, daß Friede alles Schöne in Verein bringt. Ich hatte es so erwartet, aber doch war ich überrascht, er brach früher durch, als ich geglaubt hatte. Ach wie lieb war er; guter Savigny, wie wohl tat mirs, wenn er mich gutes Kind nannte oder meine Seele! mein innig Herz! wenn er mir versicherte, daß ich durch mein mutwillig Geschwätz und auch durch meine Rührung Saiten in ihm berührte, die lange nicht wieder geklungen hätten! Malla Montgomery-Silfverstolpe, Reisejournal 11. 5. 1826 (Franzos S. 257)
B 3 2447
Einmal klagte Betdna Goethe, sie habe mit der größten Eifersucht einen Ring gesehen, den er einem gegeben hatte, der sich dessen rühmte. D a zog Goethe einen Ring vom Finger, steckte ihn ihr an und sagte: „Wenn einer sagt, er habe einen Ring von mir, so sage du, Goethe erinnert sich an keinen wie an diesen!" Meline Brentano an Savigny 2. 6. (?) 1807 (Schellberg-Fuchs 2 S. 63)
Ich bekam gestern einen langen Brief von Budin [Betdna], der mir erzählt, wie der Wieland so schmutzig und der Göthe so freundlich sei. Letzterer hat ihr als Andenken unserer Familie einen Ring geschenkt und hat sie gar schön aufgenommen. Betdna Brentano an C. Brentano 6. 6. 1807 (Aukt.-Kat. Henrici 149, 56)
Das einzige worauf ich meinen Blick zu weilen noch mit inniger Liebe wende . . . [ist] der Ring den mir Göthe an den Mittelfinger meiner rechten Hand gesteckt h a t . . . Ich liebe ihn gewiss recht wie man ihn lieben muss, seitdem ich ihn gesehen habe. Bettina v. Arnim an C. Brentano o. Dat., Entwurf 1834 ( J b F D H 1929, S. 330)
Ich 18jähriges Kind (denn daß ich ein Kind war wie heute weißt du wohl) hab auf Göthes Schoß gesessen und bin gleich an seinem Herzen eingeschlafen vor seliger Ruh und habs in trunkener Freude an Göthes Mutter geschrieben, und dabei bleibts; was wäre dabei zu verläugnen? Elisabeth Goethe an Bettina Brentano 19. 5. 1807 (Pfeiffer-Belli S. 856)
Meine Freude war groß da ich von meiner Schwieger Tochter hörte daß du in Weimar gewesen wärest — du hast viel vergnügen dort verbreitet — nur bedauerte man daß dein Aufenthalt so kurtz war. Elisabeth Goethe an Bettina Brentano 13. 6. 1807 (Pfeiffer-Belli S. 857)
Meine Schwieger Tochter hat mir geschrieben wie sehr du Ihm gefallen hast. 254
1807
Weimar Elisabeth Goethe an Christiane v. Goethe 19. 5. 1807 (Pfeiffer-Belli S. 855)
Hirbey kommt ein Briefelein von der kleinen Brentano — hiraus ist zu sehen daß Sie noch in frembten Landen sich herum treibt — auch beweißen die Ausdrücke ihres Schreibens — mehr wie ein Alvabeth wie es ihr bey Euch gefallen hat. An C. F. A. Conta 30. 6. 1807 (WA IV 30, 102)
. . . daß es mir unendlich leid thue, sie [Frau v. Savigny] . . . dießmal nicht persönlich kennen zu lernen, um so mehr als ihre Schwester Bettine mich vor kurzer Zeit in Weimar durch ihren Besuch sehr glücklich gemacht hat. Caroline ScheUing an Pauline Gotter 1. 3. 1809 (E. Schmidt 2 2, 544)
In Weimar war sie [Bettina Brentano] vor 1—2 Jahren, Goethe nahm sie auf wie die Tochter ihrer Mutter, der er sehr wohl wollte, und hat ihr tausend Freundlichkeiten und Liebe bewiesen. Malla Montgomery-Silfverstolpe, Reisejournal 1 1 . 5 . 1826 (Franzos S. 253)
B 3 2446
Bettina erzählte auch von ihrer ersten Bekanntschaft mit Goethe, der ihr Abgott gewesen, seit sie im Alter von 14 oder 15 Jahren den Werther gelesen hatte . . . Sie bat Wieland . . . um einige geschriebene Zeilen an Goethe, mit denen sie Zutritt bei ihm zu erlangen hoffte. Der Alte erklärte sich freundlich und zuvorkommend sofort dazu bereit und erwähnte auch, daß sie Sophie Brentanos Schwester sei. . . Mit dieser Empfehlung Wielands begab sich Bettina nun zu Goethe, übergab das Billett einem Bedienten und blieb allein in einem Gemach, wo sie sich an einen Kachelofen lehnte. Nach einiger Zeit öffneten sich ein paar Flügeltüren, und der herrliche Mann, damals über 60 Jahre, trat allein ein. Sie zitterte so, daß sie sich nicht von der Stelle rühren konnte. Er merkte es und führte sie zum Sofa. Da saßen sie nun und sahen sich an. Er begann von dem Verlust der verehrten Herzogin-Witwe Amalie zu sprechen, die kürzlich verschieden war. „Nein," rief Bettina und sprang auf, „das kann ich nicht aushalten." Da umfaßte er sie und zog sie auf seinen Schoß, ihr Kopf sank auf seine Schulter, und sie schlummerte ein wie ein Kind. Alle Unrast, alle Sehnsucht war nun gestillt, alles war Friede und Ruhe! — So saß sie eine Weile und hörte nur sein Herz schlagen. Er hob ihr Köpfchen: „Du hast geschlafen, mein Kind!" sagte er, und nun entspann sich ein recht vertrautes Gespräch, in dem sie ihrer Bewunderung, ihrer Liebe, ihrer Eifersucht Worte lieh. „Mignon", nannte er sie, und sie erzählte von ihrer Liebe zu dieser seiner Schöpfung, und wie es ihr dünkte, daß diese Figur die einzige sei, die sie im Wilhelm Meister, den sie sonst nicht so recht mochte, fassen und verstehen könne. Aber Mignon sei ihr so lieb geworden, daß sie sich von dem Buche nicht trennen konnte. Goethes Frau (er hatte sich damals kürzlich mit Demoiselle Vulpius trauen lassen) trat in die Türe. Er winkte mit der Hand und bat sie, ihn bei seinen Gästen zu entschuldigen, er könne nicht zu ihnen zurückkommen, weil er selbst unvermutet den Besuch einer alten Bekannten bekommen habe. Er sagte zu Bettina: 255
1807
Weimar „Du bist deiner Mutter sehr ähnlich, aber du bist geistreicher; dein Vater hatte so einen Kopf!" — Von 4 Uhr bis 10 Uhr abends waren sie beisammen, dann mußte sie gehen. Er zog sie herzlich in seine Arme und hielt sie lange an seinem Herzen. Fünfundsiebzig Schläge zählte sie, sprach es aus, riß sich los und lief hinaus. „Wunderliches Mädchen! Du rufst die Jugend in meine Brust zurück!" rief er ihr nach. Sie verschwand und reiste am nächstfolgenden Tage ab. Varnhagen, Tagebuch 10. 7. 1857 (Varnhagen 3 13, 418)
Gegen Abend in den Thiergarten zu Frau Bettina von Arnim gefahren . . . Fräulein Armgart wollte Goethe'n anklagen, er habe kein Herz gehabt, ich trat stark wieder diese Lästerung auf, zur Freude Bettinens. „Eine Tochter Bettinens darf das sagen?" — „Ja, grad eine Tochter Bettinens, mit der ist er schlecht umgegangen, er hat sie ausgesaugt, und sich mit ihr geschmückt!" — Gegen diesen Wahn ließ in Gegenwart der Mutter sich nichts Rechtes aufbringen. Ich vertheidigte aber Goethe's Kälte und Zurückhaltung, und sagte, wenn er anders gewesen wäre, wie würde man ihn dann erst tadeln! Dies mußt' ich Bettinen in leiserem Gespräch wiederholen und genauer angeben, ich sagte, wenn er die leidenschaftliche Zuneigung eines jungen Mädchens aufgenommen, benutzt, ihre Liebkosungen erwiedert hätte . . . . da überraschte sie mich durch die leise, doch sehr bestimmt gesprochenen Worte: „Und er hat's gethan! grade das hat er gethan!" worauf ich nun nichts weiter entgegnen durfte! Frühere Aussagen und das ganze Buch sagen freilich das Gegentheil, aber Bettinen schien es in dem Augenblick unerträglich, daß Goethe von ihrer jugendlichen Weiblichkeit nicht sollte fortgerissen worden sein, ihre Eitelkeit forderte, daß er erwärmt, angeregt, seiner nicht mächtig gewesen, und so sagte sie keck die Unwahrheit. Betdna v. Arnim, Goethes Briefwechsel mit einem Kinde (Schmitz/Steinsdorff S. 564)
[Bettina Brentano, Tagebuch] Wie ich ihn zum erstenmal sah, da erzählte ich ihm wie mich die Eifersucht gequält habe, seit ich von ihm wisse ... Da kam nun einer, der trug einen Siegelring am Finger und sagte, den habe Goethe ihm geschenkt. Das klagte ich ihm, wie ich ihn %um erstenmal sah, wie sehr mich das geschmerzt habe, daß er einen Ring so leichtsinnig habe verschenken können, noch eh er mich gekannt. Goethe lächelte ψ diesen seltsamen Liebesklagen nicht, er sah milde auf mich herab, die zutraulich an seinen Knieen auf dem Schemel saß. Beim Weggehen steckte er mir den Ring an den Finger und sagte: „Wenn einer sagt, er habe einen Ring von mir, so sage du: Goethe erinnert sich an keinen wie an diesen." — Nachher nahm er mich sanft an sein Herz, ich zählte die Schläge. — „Ich h o f f e du vergißt mich nicht", sagte er, „es wäre undankbar, ich habe ohne Bedingungen alle deine Forderungen so viel wie möglich befriedigt." — Also liebst Du mich, sagte ich, und ewig, denn sonst bin ich ärmer wie je, ja ich muß verzweifeln. Bettina v. Arnim, Goethes Briefwechsel mit einem Kinde (Schmitz/Steinsdorff S. 25) B 2 979 B 3 2 4 4 0
[Bettina Brentano an Elisabeth Goethe 16. 5. 1807] Mit diesem Billet [von Wieland] ging ich hin, das Haus liegt dem Brunnen gegenüber; wie rauschte mir das Wasser so betäubend, — ich kam die einfache Treppe hinauf, in der Mauer stehen Statuen von Gyps, sie 256
1807
Weimar gebieten Stille. Zum wenigsten ich könnte nicht laut werden auf diesem heiligen Hausflur. Alles istfreundlich und doch feierlich. In den Zimmern ist die höchste Einfachheit Hause, ach so einladend! Fürchte Dich nicht sagten mir die bescheidnen Wände, er wird kommen und wird sein, und nicht mehr sein wollen wie Du, — und da ging die Tür auf und da stand er feierlich ernst, und sah mich unverwandten Blickes an; ich streckte die Hände nach ihm, glaub' ich, — bald wußt' ich nichts mehr, Goethe fing mich rasch auf an sein Her%. Armes Kind, hab' ich Sie erschreckt, das waren die ersten Worte, mit denen seine Stimme mir in's Her^ drang; er führte mich in sein Zimmer und setzte mich auf den Sopha gegen sich über. Da waren wir beide stumm, endlich unterbrach er das Schweigen: Sie haben wohl in der Zeitung gelesen daß wir einen großen Verlust vor wenig Tagen erlitten haben durch den Tod der Herzogin Amalie. Ach! sagt' ich, ich lese die Zeitung nicht. — So! — ich habe geglaubt, alles interessiere Sie, was in Weimar vorgehe. — Nein, nichts interessiert mich als nur Sie, und da bin ich viel ungeduldig, in der Zeitung %u blättern. — Sie sind ein freundliches Kind. — Lange Pause — ich auf das fatale Sopha gebannt, so ängstlich. Sie weiß daß es mir unmöglich ist, so wohlerwogen da sitzen. — Ach Mutter! Kann man sich selbst so überspringen Ì — Ich sagte plötzlich: hier auf dem Sopha kann ich nicht bleiben, und sprang auf. — Nun! sagte er, machen Sie sich's bequem; nun flog ich ihm an den Hals, er ^og mich auf's Knie und Schloß mich an's Her%. — Still, gan^ still war's, alles verging. Ich hatte so lange nicht geschlafen; fahre waren vergangen in Sehnsucht nach ihm, — ich schlief an seiner Brust ein; und da ich aufgewacht war, begann ein neues Leben. Und mehr will ich ihr diesmal nicht schreiben. Bettina v. Arnim, Goethes Briefwechsel mit einem Kinde (Schmitz/Steinsdorff S. 20)
B 3 2439
[Bettina Brentano an Elisabeth Goethe 5. 5. 1807] Den Wolfgang hab' ich endlich gesehen; aber ach was hilft's? Mein Her% ist geschwellt wie das volle Segel eines Schiffs, dasfest vom Anker gehalten ist am fremden Boden, und doch so gern in's Vaterland ^urück möchte. Bettina v. Arnim, Goethes Briefwechsel mit einem Kinde (Schmitz/Steinsdorff S. 43)
[Bettina Brentano an Elisabeth Goethe o. Dat.] Ich hab ihm [Goethe] gesagt in Weimar: Wenn ich dort wohnte, so wollt ich als nur die Sonn- und Feiertäg' ψ ihm kommen und nicht alle Tag, das hat ihn gefreut; so mein ich, daß ich auch nicht alle Tag' an ihn schreiben darf, aber er hat mir gesagt schreib alle Tag', und wenn's Folianten wären, es ist mir nicht viel. Betdna v. Arnim, Goethes Briefwechsel mit einem Kinde (Schmitz/Steinsdorff S. 38) B 2 979 B 3 2443
[Bettina Brentano an Elisabeth Goethe 12. 6. 1808] Es war voriges fahr im Eingang Mai da ich ihn sah %um ersten Mal, da brach er ein junges Blatt von den Reben die an seinem Fenster hinaufwachsen, und legt's an meine Wange und sagte: das Blatt und deine Wange sind beide wollig; ich saß auf dem Schemel ψ seinen Füßen und lehnte mich an ihn, und die Zeit verging im Stillen. — Nun, was hätten wir Kluges einander sagen können was diesem verborgnen Glück nicht Eintrag getan hätte; welch' Geisteswort hätte diesen stillen Frieden ersetzt der in uns blühte? — O wie oft hab' ich an dieses Blatt gedacht, und wie er damit mir die Stime und das Gesicht streichelte, und wie er meine Haare durch die Finger %og und sagte: ich bin nicht klug; man kann mich leicht betrügen, du hast keine Ehre davon wenn du mir was weis machst mit deiner Liebe. — Da fiel ich ihm um den Hals. 257
1807
Weimar Bettina ν. Arnim, Goethes Briefwechsel mit einem Kinde (Schmitz/Steinsdorff S. 126)
B 3 2442
[Bettina Brentano an Goethe 17. 11. 1807] Wie ich Dich %um ersten Mal sah, da sagtest Du: Du gleichst Deinem Vater, aber der Mutter gleichst Du auch, und dabei hast Du mich an's Her^ gedrückt und warst tief gerührt. Bettina v. Arnim, Goethes Briefwechsel mit einem Kinde (Schmitz/Steinsdorff S. 49) B 2 979 B 3 2444
[Bettina Brentano an Elisabeth Goethe o. Dat.] Er [Goethe] hat gesagt, ich soll ihn vertreten bei Ihr, und soll Ihr alles Liebe tun was er nicht kann, und soll sein gegen Sie, als ob mir all' die Uebe von Ihr angetan war' die er nimmer vergißt. — Wie ich bei ihm war, da war ich so dumm und fragte ob er Sie liebhabe, da nahm er mich in seinen Arm und drückte mich an's Her.ζ und sagte: berühr eine Saite, und sie klingt, und wenn sie auch in langer Zeit keinen Ton gegeben hätte. Da waren wir still und sprachen nichts mehr hiervon. Betdna v. Arnim, Goethes Briefwechsel mit einem Kinde (Schmitz/Steinsdorff S. 109)
[Bettina Brentano an Goethe 13. 8. 1807] Aber so warst Du, wie ich am Abend allein bei Dir war, daß ich Dich gar nicht begreifen konnte; Du hast über mich gelacht, weil ich bewegt war, und laut gelacht weil ich weinte, aber warumi Und doch war es Dein Lachen, der Ton Deines Lachens was mich ψ Tränen rührte, so wie es meine Tränen waren die Dich lachen machten. 24. 4.
Tagebuch 24. 4. 1807 (WA III 3, 206)
Mittags Dem. Elsermann und Sophie Teller zu Tische. 25. 4.
Tagebuch 25. 4. 1807 (WA III 3, 206)
Fernow über Winckelmanns Ausgabe, verschiedenes. Abends zu Hause. Hofrath Meyer. 26. 4.
Tagebuch 26. 4. 1807 (WA III 3, 206)
Mittags Dem. Elsermann zu Tische. Gegen Abend kam Hofrath Meyer. 28. 4.
Tagebuch 28. 4. 1807 (WA III 3, 206)
Nachmittags um 4 Uhr im Theater bey der Probe vom Gespenst. Riemer, Tagebuch 28. 4. 1807 (Keil 5 S. 221)
Mit G. in die Probe vom Gespenst. vor 29. 4. Henriette v. Knebel an Knebel 29. 4. 1807 (Düntzer 4 S. 283)
B 2 980 B 3 2449
Eine gute Lektüre, die uns etwas von der Gegenwart entfernt, ist jetzt von großem Werth, und es war mir recht schmeichelhaft, als uns Goethe gestand, da wir ihm kürzlich auf dem Spaziergang begegneten, daß er jetzt am liebsten „tausend und eine Nacht" läse; denn just so mache ich es auch. Chr. G. v. Voigt an Eichstädt 29. 4. 1807 (»Ztschr. Ver. thür. Gesch. NF 27, 193; UB Jena, Nachl. Eichstädt 2)
Der junge Prof. Voigt hat dem Hm v. Göthe sich so empfohlen, daß er sich seiner angenommen hat. Ich kenne ihn gar nicht, und bin auch botanisch un258
Weimar
1807
gelehrt genug, um Etwas Entscheidendes über die Wahl urtheilen zu können, die ich dem HvG überlassen müssen. 29. 4.
Tagebuch 29. 4. 1807 (WA III 3, 207)
Mittags Dem. Elsermann zu Tische. Riemer, Tagebuch 29. 4. 1807 (Keil 5 S. 221)
[Mit Goethe über] Werthers Reise in die Schweiz. Henriette v. Knebel an Knebel 29. 4. 1807 (Düntzer 4 S. 282)
B 3 2449
Wir sind diesen Morgen nicht bei Goethen, der auch kürzlich krank war, und nun auch noch etwas matt und hinfällig ist. 30. 4.
Tagebuch 30. 4. 1807 (WA III 3, 207)
Mittags Professor Fernow zu Tische. Abends bey Madam Schopenhauer. Riemer, Tagebuch 30. 4. 1807 (Keil 5 S. 221)
Morgens bei G. Schweizerreise. Um 'Λ 7 zur Schopenhauer. Sehr große Gesellschaft. Wieland. Dispute über das gestrige Stück, das Lustspiel [Das Gespenst, nach Plautus von Einsiedel], H. Meyer (*JbGG 3, 214; G S A , Meyer 109)
B 3 2452
30. Apr. 1807 bey Gelegenheit eines in Pastell gemahlten Bildnißes der Mad.m Schoppenhauer Sie selbst darstellend, und eines nur untermahlten Bildnißgemähldes in Ohl v. der M!1 Bardua die Hofmedicus Herderin nebst 2 Kindern darstellend sagte Goethe insg[eh]eim zu mir. K u n s t a r b e i t e n von Damen setzen einen jedesmahl in V e r w u n d e r u n g geben aber nie Gelegenheit zur B e w u n d e r u n g , Er gab in Verfolg des Gesprächs diesem Wort eine weitere und allgem. Ausdehnung auch auf Poesie und überh. alles wo Frauen sich mit K[un]st befaßen. G. Reinbeck, Reise-Plaudereien (Reinbeck 2 2, 120)
B 2 984 B 3 2455
Nach und nach gelangten denn auch die Conversationen im Schopenhauer'schen Hause wieder zu ihrem vorigen Glänze und Göthe nahm häufig daran Theil. . . Wir besuchten zum Letztenmale die Gesellschaft im Schopenhauer'schen Hause und fanden sie zahlreicher als gewöhnlich. Göthe unterhielt sich viel mit mir von meinen Plänen, die damals noch in's Weite gingen und nach dem schönen Italien strebten, und man kann sich leicht vorstellen, wie unterhaltend und belehrend seine Aeußerungen und Schilderungen waren. — Gelesen wurde diesen Abend nicht, und wenn dieß der Fall war, so pflegten Göthe und Mayer, nach30. 4.
Johanna Schopenhauer an A. Schopenhauer 28. 4. 1807 (Lütkehaus S. 169) B 3 2448 Ein großes Unglück hat über uns alle geschwebt, es ist vorüber gezogen. Göthe ist dem Tode nahe gewesen, seit 14 Tagen die er kranck war, habe ich ihn nicht gesehen, jezt ist er besser, und kommt hoffenüich übermorgen zu mir, dann gebe ich meine Gesellschaft zum letzten Mahle, es wird jezt Sommer, und die Zeit der Geselligkeit ist vorüber.
259
1807
Weimar dem etwa eingetroffene neue Kunstblätter beschaut und beurtheilt waren, auf kleinen Papierblättern mit Bleistift zu zeichnen, Göthe gemeiniglich Landschaften, die er dann wohl in Sepia ausführte. — Dieß geschah auch dießmal. Ich saß am Zeichnentische Göthe gegenüber. Er hatte ein Blatt vollendet, sah zu mir herüber, und schnellte das Blättchen mir zu, und ich — ich muß mich schon auslachen lassen — statt es sogleich einzustecken, als ein höchstwillkommenes Andenken, war zu schüchtern dazu. Ich besah es und legte es dann wieder zu Göthe hinüber auf den Tisch. — Als er aufgestanden war wollte ich das Versäumte nachholen; allein — das Blättchen war nicht zu finden. Wahrscheinlich war ein Anderer gescheidter gewesen und hatte es an sich genommen. — In Hinsicht der Kunst waren diese Zeichnungen nicht eben bedeutend. — Auch zeigte sich in Göthe kein besonderer musikalischer Sinn: aber seine Lieder in Reichardt'schen oder Zelter'schen Compositionen zu hören machte ihm auch bei mittelmäßigem Vortrage Vergnügen.
1.5.
Tagebuch 1. 5. 1807 (WA III 3, 207)
Mittags Sophie Teller zu Tische. Abends bey der regierenden Herzogin zum Thee. Riemer, Tagebuch 1. 5. 1807 (Keil 5 S. 221)
Morgens bei G. Versuch zum 7. Experiment mit der Schrift. Das Violett giebt gar kein Licht zurück durch die Linse. 30. 4./
C. L. Fernow an Böttiger 3. 5. 1807 (JbGG 5, 227)
B 3 2451
5'
Daß mir Göthe zur Rücksprache [wegen der von Fernow nicht gewünschten Versetzung an die Universität Jena nach dem Tode Anna Amaliens] angewiesen ward, ließ mir noch einige Hoffnung übrig, eine bedeutende oder vielmehr die entscheidende Stimme für mich zu gewinnen, u. ich konte darauf um so sicherer hoffen, da ich nicht nur Beweise habe, daß Göthe mir persönlich wohl will, sondern da ich auch weiß, daß er sich für meine Ausgabe der Winkelmannischen Werke lebhaft interessirt. Dieß war also eine Aussicht zu glücklicher Beilegung der Sache nach meinen Wünschen, die mich denn auch nicht getäuscht hat. Ich ging also getrostes Muthes zu Göthe, mit dem Vorsatze ihm, wenn ich ihn irgend geneigt fände meinen Vorstellungen u. Gründen Gehör zu geben, alle meine Bedenken und Wünsche offen mitzutheilen, und ihn um seine Verwendung zu bitten. Alles ging nach meinen besten Hofnungen von statten. Ich ging einen Abend während der Komödie zu Göthe, da er aber gerade nicht wohl war, so sah ich ihn nicht u. wurde am andern Morgen zu Tische geladen. Er war so wie ich es wünschen konte, heiter ruhig u. milde; als wir nach Tische allein waren, rückte ich mit meiner Angelegenheit hervor u. theilte ihm die erhaltenen Depeschen [von Eichstädt und Chr. G. v. Voigt] mit, und sagte ihm
1. 5.
An Chr. G. v. Voigt 1. 5. 1807 (WA IV 19, 315) Mit Fernow spreche ich heute selbst, schwerlich wird er geneigt seyn sich nach Jena zu verfügen. Beym Bibliotheckswesen wünscht ich ihn nicht einmal angestellt. Wir brauchen mechanisch thätige Subalternen.
260
Weimar
1807
was ich über diese mir widerwärtige Versetzung denke u. wünsche. Er war nicht nur völlig meiner Meinung, sondern sagte mir auch, er werde die Sache übernehmen und zu meiner Zufriedenheit beendigen. Wie ich ihn so günstig gestimmt sah, erweiterte ich auch mein Herz ein wenig, und ging mehr in das einzelne der Umstände ein, welche mir diese Versetzung verhasst u. den Aufenthalt in Weimar wünschenswerth machten. Besonders war, wie natürlich u. billig die Ausgabe der Winkelmannischen Schriften, die ich in Jena überhaupt nicht, am wenigsten unter den alle meine Zeit erfodernden Zubereitungen zur akademischen Laufbahn, würde zu Stande bringen können, das Hauptmoment worauf ich mich stützte, u. welches auch Göthe für den Punkt hielt, von dem man ausgehen müsse, um die Sache für jezt völlig abzuwenden. Er erkennet meine Versetzung nach Jena, unter den jetzigen Umständen der Universität, für eben so zweckwidrig, u. hält es für nützlicher daß ich mein litterarisches Leben noch eine Zeitlang in Weimar fortsetze. Wie sehr sich G. für diese Sache interessirt beweiset die Schnelligkeit womit er sie betrieben hat, denn schon am andern Morgen frühe hatte er sein ausführliches Gutachten über diese Sache zur Mittheilung an Vogt u. den Herzog aufgesetzt. Henriette v. Knebel an Knebel 2. 5. 1807 (Düntzer 4 S. 283)
B 2 981a B 3 2453
Goethe hat gestern sehr viel nach Dir gefragt. Er war bei der Herzogin zum Thee. Auch unser alter Wieland, für welchen jedoch ein Bostontisch bereitet war. 2. 5.
Tagebuch 2. 5. 1807 (WA III 3, 207)
Mittags Demoiselle Elsermann. Nach Tische die Rolle im Hahnenschlag durchgegangen. vor 3. 5.
H. Becker an H. Blümner 3. 5. 1807 (HSTA Weimar, Genint, Slg. Pasqué 2, 2)
Göthe geht dies Jahr wieder nach Carelsbad, daß will er noch einige Jahre thun, weil er für sein Uebel vihl Linderung verspürt, und die Aerzte versichern daß wenn er es noch ein paarmal thun würde, er es ganz verliehren würde. 3. 5.
Tagebuch 3. 5. 1807 (WA III 3, 207)
Nach Tische Prof. Fernow, Dr. Haberle. Abends Hofrath Meyer, Voigt und Frau, Falk zum Thee. Riemer, Tagebuch 3. 5. 1807 (Keil 5 S. 221)
Bei G. Schweizerreise mit ihm durchgegangen. Abends bei G., die Auszüge aus seinem italienischen Journal vorgelesen. 29. 4 . / 3. 5.
Riemer, Mittheilungen 2, 536
B 2 983 B 3 2450
Goethe wollte im Werther'schen Geschmack eine Reisebeschreibung durch die Schweiz liefern und die Briefe unter Mehrere vertheilen, um objectiv zu werden, wie er mir sagte, als wir zusammen diese Briefe durchgingen, um sie in die Ausgabe von 1806 zum ersten Mal aufzunehmen. 261
Weimar
1807 3. 5. (?)
F. Passow an M. Hudtwalker 17. 5. 1807 (Wachler S. 75)
Β 2 982 Β 3 2454
Meine Absicht nach Weimar zu gehn, hat aber eine sonderbare Wendung gewonnen. Ich fuhr mit Luise, der ältesten Löffler, die ein sehr interessantes liebes Mädchen geworden ist, und dem Dr. Buddeus zur Aufführung des Tasso, vor 14 Tagen, nach Weimar. Wir blieben den andern halben Tag noch, und ich ging zu Göthe. Er erinnerte sich gleich meiner von Halle. Ich hegte die schönste Hoffnung. Ich sagte ihm meinen Plan, von Joh. bis Mich, in Weimar zu leben, und meinen Wunsch, ihn dann als meinen Lehrer ansehn zu dürfen. Aber er antwortete mir, er ginge im Juni schon ins Carlsbad, wo er bis Ende des Augusts bliebe. Du kannst denken, wie wenig erfreulich mir das war. Er fragte mich indeß, welchen Lebensplan ich verfolge, und ließ mich ihm von meinen Arbeiten Rechenschaft ablegen. Mit Entzücken glaubte ich in seinem Gesicht zu bemerken, daß er mein Ziel als würdig erkenne und daß er mit mir zufrieden sey. Ich blieb fast zwei Stunden bey ihm. Beym Weggehn reichte er mir seine Hand, und sagte: ich hoffe Sie dennoch bald wieder in unsrer Nähe zu sehn. — Indem ward ein Fremder hereingeführt, und ich mußte mich entfernen, ohne mir über seine letzten räthselhaften Worte Licht erbitten zu können. Am letzten Mittwoch erhielt ich das Unerwartetste. — Ich erhielt einen Brief vom Minister von Voigt aus Weimar, der Herzog von Weimar habe ihm befohlen, mir hiermit die durch den Abgang des Professor Voß nach Heidelberg erledigte Professur der griechischen Sprache am Weimarschen Gymnasium zu übertragen, die ich sogleich am 1. Juli d. J. antreten solle; war Erstaunen mein erstes, so war Freude doch mein zweites Gefühl . . . Ich habe nichts als den griechischen Sprachunterricht in den 3 obersten Classen, die alte Literaturgeschichte und die Correctur der deutschen Aufsätze, vereinigt mit Aesthetik in der ersten Classe. — Und alles dieses muß ich Göthes Einfluß beymessen. 5. 5.
Tagebuch 5. 5. 1807 (WA III 3, 208)
Abends Hofrath Meyer. 6. 5.
Tagebuch 6. 5. 1807 (WA III 3, 208)
Kam der Damenbesuch. Bezügl. auf Pflanzen, besonders aufs Keimen. 7. 5.
Tagebuch 7. 5. 1807 (WA III 3, 208)
Mittags Hr. Uckert zu Tische, Hofmeister bey Frau v. Schiller. Abends Hofrath Meyer. vor 8. 5.
Riemer an J. H. Voß d. j. 8. 5. 1807 (GJb 13, 142)
Goethe hatte vor kurzem wieder einen Anfall von seinem alten Übel. Das bestimmt ihn diesmal zeitiger nach Carlsbad zu gehen . . . Goethe grüsst Dich schönstens. 8. 5.
Tagebuch 8. 5. 1807 (WA III 3, 208)
Kam Hr. Cotta. Mittags Deny zu Tische. Bey der regierenden Herzogin zum Thee. 262
Weimar
1807 Aktennotiz 8. 5. 1807 (Kuhn 1, 157)
Den 9ten I l t e n und 12ten Band am 8ten May Herrn Cotta bey seinem Hierseyn übergeben. Quittung für Cotta 8. 5. 1807 (Kuhn 1, 157)
Fünfhundert Thaler sächsisch von Herrn Cotta von Tübingen auf weitere Berechnung erhalten zu haben bescheinige. Riemer, Tagebuch 8. 5. 1807 (Keil 5 S. 222)
Bei G. Mittags Deny zu Tisch. Rolle des Dunois durchgegangen. 9.5.
Tagebuch 9. 5. 1807 (WA III 3, 208)
Nach Tische nahm Prof. Reinbeck Abschied. Hofrath Meyer. G. Reinbeck, Reise-Plaudereien (Reinbeck 2 2, 123)
B 2 985 B 3 2456
Aus diesem Kreise, der mich so überaus zuvorkommend und gütig behandelt hatte, mich loszureißen, und mit der Ueberzeugung, daß ich ihn niemals wieder — und gewiß niemals wieder einen ähnlichen um mich erblicken würde, fiel mir sehr schwer. Ich machte am folgenden Tage [9. 5.] meinen Abschiedsbesuch bei Göthe, den ich so gar lieb gewonnen hatte. Er war allein. Ich mußte auf dem Sopha Platz nehmen und er setzte sich auf einen Stuhl mir gegenüber. Es war eine gewisse Feierlichkeit, nicht Vornehmigkeit, die ich auch wohl an ihm kannte, — in seinem Benehmen — und mir war's recht schwer um's Herz. — Unser Gespräch betraf meine Reise und meinen Aufenthalt in Heidelberg. — Die Natur und die Vergangenheit bieten Ihnen dort viel, sagte er; ob aber das Leben? — Ich weiß nicht, ob Sie mit dem deutschen Universitätswesen bekannt sind? Es ist nicht eben das angenehmste, und in Heidelberg besonders scheint viel Parteiwuth zu herrschen, und die Wissenschaft trennt statt zu vereinigen. — Es ist wie mit der Kirche dort. — Protestanten und Katholiken sind in einem Gebäude unter dem nämlichen Dache vereint; allein — in der Mitte ist zwischen beiden eine dicke Mauer. Haben Sie dort Bekannte? — Ich sagte ihm, daß ich von Dresden aus an Professor Fries und von dem guten General-Superintendenten [J. L. G. Vogt] an Heinrich Voß Briefe hätte. — „Da sind Sie gut versehen," erwiederte er: „grüßen Sie mir den Heinrich, das ist ein lieber kindlicher Mensch, und grüßen Sie auch den Alten von mir." — Unser Gespräch verbreitete sich über mehreres, und auch mit Wehmuth von meiner Seite über meinen achtmonatlichen Aufenthalt in Weimar und das darin erlebte, wobei ich es für ein wahres Glück schätzte, zu einem so langen Aufenthalt gleichsam gezwungen worden zu seyn. — „Was Sie an Ihrem Aufenthalte hier etwa zu tadeln finden," versetzte er, „wird Ihnen in der Erinnerung vielleicht noch mehr Genuß gewähren, als was Sie jetzt zu loben haben. Ueberstandenes Ungemach hat einen eigenthümlichen Reiz." — Ich konnte das aus einer reichen Erfahrung nur bestätigen. — Endlich mußte doch aber an den Aufbruch gedacht werden, und ich konnte den Entschluß dazu nicht finden. — Als ich zuletzt fast gewaltsam aufbrach, versagte mir das Wort. Ich stammelte einiges — ich weiß selbst nicht
263
1807
Weimar was. Göthe war sichtbar bewegt. Er reichte mir die Hand. „Reisen Sie glücklich," sagte er, „und vergessen Sie uns nicht!" — Nie! nie! rief ich, und man wird's natürlich finden, daß ich Wort hielt, und ich habe auch die Freude, daß ich in Weimar nicht ganz vergessen wurde.
Sept. 1806/G. Reinbeck an Cotta 26. 1. 1808 (CA) 9 5 1807
Wir trafen in Weimar den 27 Septbr. ein, der 14. October erschien und wir verloren 700 rth. S. bei der Plünderung. — Doch brachten wir einen ganz angenehmen Winter in Göthens, Wielands, Einsiedels, Fernows, Bertuchs Kreise zu und im May 1807 reisten wir nach Heidelberg. G. Reinbeck, Reise-Plaudereien (Reinbeck 2 2, 106)
B 2 975 B 3 2361. 2422
In der Gesellschaft im Hause der Frau Hofräthinn Schopenhauer, von welcher wir mit vieler Güte empfangen wurden, hatten wir das Vergnügen, Bertuch, Vater und Sohn, Riemer, Falk, Fernow, Stephan Schütze u. m. und einige Damen zu finden. Zum Erstenmale erschien [27. 11. 1806] die Frau Geheimeräthinn v. Göthe darin: eine Frau von noch vielem materiellen Reiz, an welcher man Gutmüthigkeit und einen stets gleich heitern Sinn rühmte, wie dieß mit Temperamenten der Art gewöhnlich verbunden ist. Später kam der Geheimerath. Er trat mit einem freundlich gezogenen Hm! Hm! nach allen Seiten grüßend ein und sah sich gleich nach einem Stuhle um. Jetzt beschaute er sich den Kreis, und als sein Auge auf mich fiel, stand er auf und kam auf mich zu. Natürlich erhob ich mich sogleich. Er bückte sich feierlich und sagte: Er habe mir seinen Dank abzustatten. Ich fragte, wodurch ich so glücklich gewesen sey, mir diesen zu erwerben? „Ich hatte immer den Vorsatz, Rußland einmal zu besuchen," antwortete er, „Sie haben mich aber vollkommen davon geheilt." — „Das würde ich sehr bedauern," erwiederte ich, „zunächst für Rußland, welches des Glücks beraubt werden sollte, den Mann bei sich zu sehen, den es so hoch verehrt; dann aber auch, erlauben Ihre Excellenz, daß ich es sage, um Ihrer selbst willen, denn Rußland würde Ihnen gewiß der nähern Bekanntschaft würdig scheinen." — Es war dieß von seiner Seite eine scherzhafte Wendung, mir anzudeuten, daß er [im März 1807] meine damals erschienenen „Flüchtige Bemerkungen auf einer Reise über Moskwa, Warschau u. s. w." gelesen habe, die einiges Aufsehen machten durch die von den gewohnten Lobpreisungen eines Storch hier und da abweichenden Ansichten und Schilderungen nach einem vierzehnjährigen Aufenthalt in Petersburg. Ich stellte ihm nun meine Frau vor, mit welcher er sich sehr freundlich unterhielt. — Göthe war in der besten Laune von der Welt. Er sprach viel mit mir über Rußland, fragte nach mehreren Bekannten daselbst, wir kamen auf das wieder eröffnete Theater, die Conversation wurde allgemein und war ungenirt, und ich dankte meinem lieben Fernow für diese reiche Quelle des Genusses, die er mir in Weimar eröffnet hatte und die ich von diesem Abend an nie unbenützt ließ. — Ich machte hier die interessantesten Bekanntschaften, Göthe fehlte selten dabei, und in der Unterhaltung war stets Abwechslung, wie in solchem wohl seltenen Kreise natürlich. Besonders trug dazu der höchst lebendige und liebenswürdige Vater Bertuch bei, dem seine verschiedenen Insti264
1807
Weimar tute, worunter das damalige Moden-Journal, reichen Stoff gaben, und nicht weniger der thätige Oekonomierath Bertuch der Sohn. Da fand sich immer etwas Neues zu berichten oder vorzuzeigen, wozu denn auch Göthe und Mayer hülfreich waren . . . Oft wurde auch vorgelesen, besonders Calderón in der Uebersetzung von Schlegel. Die Rollen wurden vertheilt und an den Chören mußten auch die Frauen Theil nehmen. Göthe wies sie an, wie sie sie sprechen sollten, wobei es denn oft belustigenden Widerspruch gab. — Im Tragischen gefiel mir Göthe's Vortrag nicht, ich fand zuweilen falsches Pathos darin; aber im Komischen war er ganz unvergleichlich. — Oft betraf auch die Unterredung die Sprache, und ich erinnere mich noch des Aufwandes von Scharfsinn, für aufgegebene Fremdwörter echt deutsche zu suchen. So schuf Göthe für balanciren: in der Schwebe, und ich glaube, der Ausdruck, der in den meisten Fällen, wenn auch nicht in allen, so treffend ist, trat an diesem Abende zuerst hervor. — Der unlängst erlebten Katastrophe wurde fast gar nicht gedacht, und ich erinnere mich nicht, daß Göthe jemals über Politik gesprochen hätte. G. Reinbeck, Reise-Plaudereien (Reinbeck 2 2, 116)
B 3 2806
Noch während der Kriegstrubel hatte ich mein Lustspiel: „Er muß sich malen lassen" in fünf Aufzügen geschrieben und solches Fernow und Gruber an einem unsrer Abende vorgelesen. — Der gute Fernow verlangte es Göthe mitzutheilen, und als dieser es gelesen, forderte er mich auf, es mit ihm bei der Frau Hofräthinn Schopenhauer zu lesen. Göthe war natürlich bei dieser Lesung nicht zugegen, aber außerdem ein großer und literarisch glänzender Kreis . . . G. Reinbeck, Reise-Plaudereien (Reinbeck 2 2, 102)
B 2 878 B 3 2805
. . . Auch Göthe und Bertuch hatten keine besonders hohe Meinung von Klinger's Charakter, und erzählten mir manche Anekdote aus seinem frühern Leben, die ihn als einen Phantasten, besonders in der Sturm- und Drangperiode, darstellt, der bloß durch ein angenommenes fast brutales Wesen habe Aufsehen erregen wollen . . . Wenn in Hinsicht Göthe's seine Erklärung über Klinger [in Dichtung u. Wahrheit] mit meiner Anzeige im Widerspruch zu stehen scheint, so — bitte ich, mich deswegen keiner Unwahrheit zu zeihen: Ansichten können sich ändern, und das konnte auch bei einem Göthe der Fall seyn. W. Budde, Tagebuch 1. 3. 1808 (Neue Heidelberger Jahrbücher 21, 285)
Mit Goethe hatte er [J. H. Voß d. j.] eben so vertraut gelebt [wie mit Schiller], Reinbeck sprach manches von der haushälterischen Vulpius, der jetzigen Geheimderätin Goethe, von ihrer unendlichen Anhänglichkeit an Goethe — von seinem Leben während der Schlacht in Weimar. Riemer, der Nachfolger Vossens, habe sich ganz dem Goethe nachgebildet. 10. 5.
Tagebuch 10. 5. 1807 (*WA III 3, 208; G S A , Goethe 27)
Herzogl. Badenscher Regierungskanzley Sekretär Keller. Hr. von Müffling brachte die Recension von dem hohenlohischen Feldzug die ich durch sah. Mittags Rath Schulze zu Tische. Abends Leg. R. Falk mit Mr. Le Marquand von Erfurt, und Regierungsrath Voigt. 265
1807 11.5.
Weimar Tagebuch 11. 5. 1807 (WA III 2, 209)
Nach Tische Demoiselle Elsermann die Rolle aus den Journalisten überhört . . . Nach der Comödie kam Falk. Riemer, Tagebuch 11. 5. 1807 (Dtsch. Revue 11, 1 S. 63)
B 2 986 B 3 2457
Prolog für Leipzig geschrieben . . . Als über Tisch von Erasmus die Rede war, sagte Goethe: „Erasmus gehöre zu denen, die froh sind, daß sie selbst gescheit sind, und keinen Beruf finden, andre gescheit zu machen, — was man ihnen auch nicht verdenken könne." 12. 5.
Tagebuch 12. 5. 1807 (WA III 3, 209)
Nach Tische Madam Wolff den Prolog gelehrt. Abends zu Hause. Hofrath Meyer. Wilhelmine Bardua, Verkehr einer deutschen Malerin mit Goethe (Morgenblatt 9. 7. 1862, S. 652)
Die Zeilen, welche Goethe Carolinen [Bardua] beim Abschied von Weimar in ihr Stammbuch schrieb, folgen hier. Er war fast unwillig, da er sie schrieb, weil sie ihm das Stammbuch so spät brachte und „man mit dem, was man da so eilig hinein schreibe, doch vor aller Welt sich zu zeigen habe." Wie wir dich in unsrer Mitte Ueben dein Talent gesehn, Mögest du mit gleichem Schritte Immer, immer vorwärts gehn. Weimar, 12. Mai 1807. Zum freundlichen Andenken Goethe. Herbst Wilhelmine Bardua, Verkehr einer deutschen Malerin mit Goethe (Morgenblatt 9. 7. 1862, S. 651) 1805/ B 3 2808 12 5 1807
Eines Abends, mitten im Vortrag eines Dramas, wurde Goethe durch die lebhaften Ausbrüche einer häuslichen Kundgebung gestört; er hielt inne, und da das Unwetter immer stürmischer herauf brauste, ward er verstimmt und wandte sich zu Carolinen [Bardua]: „Sie, stilles Kind, wären Sie wohl so gut hinunter zu gehen und in meinem Namen zu bitten, ob die Verhandlung nicht etwas weniger laut vor sich gehen könnte?" Wilhelmine Bardua, Verkehr einer deutschen Malerin mit Goethe (Morgenblatt 9. 7. 1862, S. 651) B 2 1 1 1 3 B 3 2421
Goethe ließ sich oft und gern von Carolinen [Bardua] vorsingen; wenn sie aber die Worte nicht deutlich aussprach, war er ungehalten und fragte, ob das deutsch oder italienisch sey? Sie hatte viel natürliche Gabe für Harmonie und nahm Unterricht im Generalbaß bei Detouche. Eines Abends bei Goethe fiel es ihr ein, alle ihre Freunde und Bekannten aus Goethes Kreise, auf dem Fortepiano phantasirend, zu charakterisiren und nach der verschiedenen Art ihrer Eigenthümlichkeit und in den entgegengesetztesten Stimmungen einen nach dem andern darzustellen. Wie z. B. Stephan Schütze vergnügt und wie er traurig ist, 266
Weimar
1807
wie er zornig, grob und wie er sanft und höflich ist, wie er liebt und wie er dichtet, wie er in eiligen Geschäften ist oder sinnend spazieren geht, philosophirt, raisonnirt, lobt oder tadelt — das alles stellte sie in ihrer Weise dar, unter lautem Beifall und Lachen der Zuhörer, unter denen die Originale ihrer musikalischen Porträts oft anwesend waren. Besonders ergötzte sich Goethe an diesem Scherz und ließ ihn sich öfters wiederholen. Von seinen Liedern hörte er namentlich gern: „Füllest wieder Busch und Thal," und „Wenn die Reben wieder blühen." Caroline mußte sie ihm oft vorsingen; besonders war es das letzte, das ihn immer zu bewegen schien. Sinnend pflegte er dabei auf und ab zu gehen, indem er die großen Augen an der Decke wandern ließ. Caroline Bardua an Goethe 18. 12. 1809 (Hing. Br. alph. 172, I)
Wie die Wittwe von Ephesus ausgesehn hat weiß ich nun auch! — — Sie haben mich einmal damit verglichen und niemant konte oder wolte mir es auf meine Bitten sagen, wie sie ausgesehn habe, nun haben Sie es selbst mir beschrieben [Wahlverwandtschaften II 4]. Ich danke schön für das Compliment. 13. 5.
Tagebuch 13. 5. 1807 (WA III 3, 209)
Besuch von den Damen. Fortgesetzte botanische Vorträge. Nach Tische bey Mad. Schopenhauer und Geh. Rath Voigt. Riemer, Tagebuch 13. 5. 1807 (*Dtsch. Revue 11, 1 S. 63; Keil 5 S. 222)
B 2 988 B 3 2458
Aus Zinkgref's Apophthegmen: Sebastian Frank von Wörth „Gott definirt er also, daß er sei ein unaussprechlicher Seufzer im Grund der Seele gelegen." Von Goethe mir mitgetheilt. Ein anderes führte G. an: Nihil contra Deum nisi Deus ipse. Steht auch im Zinkgref. Johanna Schopenhauer an A. Schopenhauer 14. 5. 1807 (Lütkehaus S. 171)
B 3 2459
Göthe nahm gestern Abschied von mir, übermorgen geht er ins Karlsbad: gebe der Himmel, daß er mit neuem frischen Leben zurückkehre. 14. 5.
Tagebuch 14. 5. 1807 (WA III 3, 209)
Mittags Demoiselle Elsermann. Rolle aus der Laune des Verliebten mit ihr durchgegangen. Nach Tische beym Herzog und Hrn. v. Wolzogen. Abends . . . Besuch von Hofrath Meyer. 15. 5.
Tagebuch 15. 5. 1807 (WA III 3, 209)
Nach Tische Mad. Wolff. Wiederholung des Leipziger Prologs. Fernow. Legationsrath Bertuch. Abends Hofrath Meyer. Riemer, Tagebuch 15. 5. 1807 (Keil 5 S. 222)
Morgens bei G. Hernach für die Geheimräthin Briefe. vor 16. 5. A. Genast an F. Kirms 3. 6. 1807 (HSTA Weimar, Genlnt, 1272)
Mlle Jagemann wünscht in Tancred die Amenaide zu spielen, das Stük ist nun nach Ihrem Wunsche ausgetheilt, auch Goethe wünschte es. 267
1807
Weimar H. Becker an H. Blümner 28. 6. 1807 (HSTA Weimar, Genint, Slg. Pasqué 2, 2)
Ich habe den Auftrag von den Herrn Geheimerath von Göthe Sie zu bitten, daß Sie sich einen Platz [im Leipziger Theater während des Weimarer Gastspiels] nach Ihrem Gefallen wählen möchten. Elisabeth Goethe an Christiane v. Goethe 9. 7. 1807 (Pfeiffer-Belli S. 860)
Schlosser ist glücklich angelangt — und kan nicht genung rühmen und preißen wie gut und herrlich es Ihm bey Euch ergangen ist. F. Passow an M. Hudtwalker 7. 7. 1807 (Wachler S. 83)
B 2 987 B 3 2460
Göthe ist noch nicht hier, kommt aber im August, da er seinen Plan mit Wien aufgegeben hat. Ich sehe aber, daß er schon alles vorbereitet hat, mich an sein Haus zu knüpfen. Seine jetzige Frau hat mir das schon zu verstehn gegeben. Und nicht umsonst! — Einen zweiten gesellschaftlichen Berührungspunkt hat mir eine Landsmännin von Dir, eine hier lebende Hofräthin von Schopenhauer gegeben, die Du vielleicht kennst. Ihr Haus ist das einzige, was Göthe besucht, und wo man ihn ganz Göthe findet. Im Winter ist er und noch einige Weimaraner, z. B. Einsiedel, Meyer, Fernow, Weisser, alle Abende des Donnerstags und Sonntags bei ihr, wo er zum Entzücken liebenswürdig seyn soll. Noch vor seiner Reise hat er gleich nach meiner Berufung die Schopenhauer gebeten, auch mich zu diesen Cirkeln zu zählen.
Jena 16. 5.
Tagebuch 16. 5. 1807 (WA III 3, 209)
Um 9 Uhr nach Jena gefahren, wo wir um 12 Uhr ankamen. Bey Hrn. Major v. Hendrich zu Tische. Nach Tische Bergrath Lenz. Das Cabinet besehen. Merkwürdige Suite vom Rhein, besonders Porphyrart mit großen Feldspathkrystallen. Nachher in den botanischen Garten und Hrn. v. Hendrichs Garten. Dann zu Frommanns, wo Geh. Räthin Loder und Fräulein Silvie und Hr. v. Ziegesar. Nachher um die Stadt. Zuletzt Hrn. v. Hendrichs Münzen besehen. Riemer, Tagebuch 16. 5. 1807 (*Dtsch. Revue 11, 1 S. 63; Keil 5 S. 222)
B 2 988 B 3 2461
Punkt 9 Uhr von Hause weggefahren. Um 12 Uhr in Jena. Unterwegs das Schlachtfeld betrachtet. Mittags beim Hr. Major [v. Hendrich], Nach Tische bei Frommanns. Mit G. ausgegangen in den botanischen Garten. Des Majors Garten. Dann zu Frommanns. Goethe's Verstimmung durch die politica und das Hundegebell. Ging noch mit mir um die Stadt. Dann zu Hause. Majors Münzen besehen. Späße aus dem Zinkgräf. Geschwätzt mit G. J. D. Färber, Kalender 16. 5. 1807 (UB Jena, Nachl. Martin q 20)
Der Hr. Geh. R. v. Göthe u. H. Riemer b. den Hm v. Hendrich einlogirt. (Mittags). 268
1807 17. 5.
Jena Tagebuch 17. 5. 1807 (WA III 3, 210)
Besuch von Dr. Voigt . . . Nachher spatzieren ins Paradies, wo wir Hrn. v. Knebel fanden, mit demselben und Schnaubert eine kleine Tour gemacht. Mittags bey Hrn. Major von Hendrich. Aus Zincgref zum Nachtisch. Dann Seebeck und Eichstädt. Abends bey Frommanns; im Garten, wo der Commissär Bigot. Dann oben zum Abendessen. Mit Seebeck und Frommann über die Newtoniana gesprochen. Riemer, Tagebuch 17. 5. 1807 (*Dtsch. Revue 11, 1 S. 63; Keil 5 S. 223 und GSA, Riemer 931) B 2 989 B 3 2462
(Pfingstfest.) Zu G. „Flucht nach Ägypten" dictirt. Spazieren im Paradies mit Knebel. Nach Tische aus Zinkgräf vorgelesen. Kam Dr. Seebeck u. Eichstädt. Dann zu Frommanns. Goethe äußerte: „er habe nie auf Despoten schimpfen hören, als die selbst Despoten gewesen, kleine oder große." (de invidia Mülleri) i. e. Johannes Mit Beziehung auf die Jenaische Brandstätte bemerkte er: „Niemals werde ein Fürst oder großer Herr von einer Sache schlechter unterrichtet, als wenn er sich selbst dahin begebe, um sich zu unterrichten." Uber Klinger sagte er: „er sei ein Pflicht-Tyrann." Ferner äußerte er über die Jenaische Schlacht: „wir brauchten nur zu wissen, daß die Franzosen gesiegt und die Preußen verloren hätten;" und bemerkte weiter: „Die Franzosen hätten keine Imagination, sonst hätten sie statt der zwanzig Häuser in Jena und Weimar, wenn sie nicht zufällig abgebrannt, sondern von ihnen angezündet sind, die Stadt an allen Ecken angezündet und mit Stumpf und Stiel abgebrannt. Das hätte dann anders in die Welt hineingeklungen." Auch äußerte G.: „Die Weiber müßten nur lieben oder hassen, da wären sie ganz charmant; die Männer aber müßten weder lieben noch hassen. So käme alles wieder in's Gleichgewicht." „Die Irrthümer des Menschen machen ihn eigentlich liebenswürdig." Riemer, »Mitteilungen 2, 699 (GSA, Riemer 931)
B 2 992 B 3 2465
G Θ [Sonntag] d. 17 May 1807. „Da alle Welt über den Egoismus, der jetzt herrsche, klage, so sey Napoleon gekommen den Menschen uneigennützig zu machen." N B als davon die Rede war, daß er den Soldaten den Sold vorenthalte und dergl. C. F. E. Frommann a n j . D. Gries 18. 5. 1807 (GSA, Frommann 47, 3)
Auch Göthe mit Riemer ist hier um in 8 Tagen nach Carlsbad zu gehen. Wir haben schon 2 Abende ihn bey uns gesehen und besonders gestern uns seiner sehr gefreut. Wir feyerten einen doppelten, der Loder u. Minchens, Geburtstag, und lebten der alten, seligen Zeiten. 269
1807 18. 5.
Jena Tagebuch 18. 5. 1807 (WA III 3, 210)
Hierauf der Mechanikus Otteny. Sodann zum jungen Voigt, wohin der Hofrath Voigt und Hr. v. Knebel kamen. Hauptsächlich Osteológica und einiges Botanische. Mittags bey Hrn. v. Hendrich zu Tische. Nach Tische in Zincgref. Um 6 Uhr zum botanischen Wedel. Abends mit dem Hrn. Major v. Hendrich Thee getrunken und verschiedene Geschichten des letzten preußischen Feldzugs recapitulirt. Riemer, Tagebuch 18. 5. 1807 (*Dtsch. Revue 11, 1 S. 63; Keil 5 S. 224)
Um V i ! Uhr in den Wanderjahren 2 Kapitel. Zu Prof. Voigt in den botan. Garten. Uber achromatische Fernröhre gesprochen. Knebel, Tagebuch 18. 5. 1807 (GSA, Nachlaß Knebel)
Im Botanischen Garten mit Göthe Morgens. 18.5.
Riemer (*Dtsch. Revue 11, 2 S. 167; Keil 5 S. 224)
( 1 8 · 3 ?)
B 2 977 B 3 2463
d. 18. Mai 1807. [Goethe:] „In dem, was der Mensch technizirt, nicht blos in den mechanischen, auch in den plastischen Kunstproductionen ist die Form nicht wesentlich mit dem Inhalt verbunden, die Form ist dem Stoff nur auf- oder abgedrungen. Die Productionen der Natur erleiden zwar auch äußere Bedingungen, aber mit Gegenwirkung von innen. Kurz es ist hier ein lebendiges Wirken von außen und innen, wodurch der Stoff die Form erhält. Die Form des Leuchters ist dem flüssigen Messing aufgenöthigt. Sich selbst überlassen, hätte es sich aus sich und durch die einwirkende Luft geformt. Man könnte einen Leuchter auch aus Salz gerinnen lassen. Hier würde sich das Salz zwar innerlich krystallisiren, aber nach außen zu wird ihm die Form des Leuchters aufgedrungen."
19. 5.
Tagebuch 19. 5. 1807 (WA III 3, 211)
Kam Kriegsrath von Stein von Weimar herüber. Mittags mit ihm, den beyden Voigt und Hendrich bey Major von Knebel. Abends ebendaselbst. Gespräch über die Kunst, insbesondre der Malerey. Warum es immer beym Dilettantismus bleibe. „Es fehlt an einer aufgestellten und approbirten Theorie, wie sie die Musik hat, in der keiner gegen den Generalbaß schlegeln darf, ohne daß die Meister es rügen, und unsere Ohren es mehr oder weniger empfinden . . . " — Auf Anlaß eines Porträt der Frau von Knebel von Roux. Über Meyers Lehrgabe. Knebel, Tagebuch 19. 5. 1807 (GSA, Nachlaß Knebel)
Früh Friz Stein hier. Mittags nebst diesem Göthe, Riemer, Voigts Vater u. Sohn, Seebeck ρ Bleiben Abends hier. Riemer, Tagebuch 19. 5. 1807 (*Dtsch. Revue 11, 1 S. 63; Keil 5 S. 224)
B 2 991 B 3 2466
Mittags bei Hr. v. Knebel mit Kriegsrath Stein aus Breslau. Abends ebendaselbst. Klage über General Vandamme; seine Habsucht. Gespräch über Kunst. G.: „In 270
1807
Jena der Malerei fehle schon längst die Kenntniß des Generalbasses, es fehle an einer aufgestellten und approbirten Theorie, wie es in der Musik der Fall ist." An Charlotte v. Stein 24. 5. 1807 (WA IV 19, 336)
Die Gegenwart des lieben Breslauer Freundes hat uns allen sehr viel Freude gemacht, und der Wunsch, ihn länger hier zu behalten, ist allgemein geblieben. Er hat mich durch sein gutes, natürliches, festes, verständiges und heiteres Wesen gar sehr erquickt und mir aufs neue gezeigt, daß die Welt nur ist, wie man sie nimmt; sie aber mit Heiterkeit, Muth und Hoffnung aufzunehmen, auch wenn sie sich widerlich zeigt, ist ein Vorrecht der Jugend, das wir ihr wohl gönnen müssen, weil wir es auch einmal genossen haben. 20. 5.
Tagebuch 20. 5. 1807 (WA III 3, 211)
Um !/2 11 mit Knebel zum Mechanikus Otteny, wo Hofrath Voigt und Dr. Seebeck Versuche mit dessen für Reil in Halle verfertigten Electrisirmaschine anstellten. Um ιΛ 1 Uhr zu Hofrath Voigt zu Tische. Um 4 Uhr abermals zu Otteny die Versuche fortzusetzen. Riemer, Tagebuch 20. 5. 1807 (Keil 5 S. 225)
Neue Electrisirmaschine, von Voigt und Seebeck probirt. Mit G. u. Knebel spazieren. Knebel, Tagebuch 20. 5. 1807 (GSA, Nachlaß Knebel)
Morgens bei Göthe. 16./20. 5. Eichstädt an Ch. F. D. de Villers 20. 5. 1807 (»Nord und Süd 84, 107; SUB Hamburg, Villers 12, 589) B 3 2467
Noch ist Ihr Schlachtplan [der Lübecker Schlacht von 1806] hier in Jena nicht zu haben; auch in Weimar muß er noch nicht seyn; denn Hr. v. Goethe fragte mich neulichst nach demselben. Der treffliche Mann laeßt sich bestens empfehlen; er verweilt so eben einige Tage bey uns, und wird auf den Montag [25. 5.] eine Reise ins Karlsbad antreten. 21. 5.
Tagebuch 21. 5. 1807 (WA III 3, 211)
Prof. Fuchs. Major von Knebel. Mittags bey Major von Hendrich. Abends um 6 Uhr bey Frommanns; Thee und Abendessen. Gegen das Aufmutzen der Eitelkeit disputirt, wie schon früher vor mehreren Jahren bey Loders auf dem Schabellchen. Knebel, Tagebuch 21. 5. 1807 (GSA, Nachlaß Knebel)
Bei Göthe Morgens. Riemer, Tagebuch 21. 5. 1807 (»Dtsch. Revue 11, 1 S. 63; Keil 5 225)
B 2 994 B 3 2468
Um 7 Uhr zu G. „Die neue Melusine". Abends zu Frommanns. Über die Eitelkeit. 271
1807
Jena Riemer (*Dtsch. Revue 11, 1 S. 63; GSA, Riemer 685, 1)
Im Alter schlafe man eigentlich nicht, sondern der Schlaf ziehe sich nur über die Gegenstände des Tags wie eine Art Flor, und lasse sie durchscheinen. G. sah den 20sten May 1807 Nachts sein Mährchen von der Melusine unter einer Architectur hervorschimmern, er hielt im Traum das für das schöne und rechte, und wollte es festhalten, aber wie er erwachte, verschwand der Unsinn. Riemer, Aphorismen S. 312
B 2 994 B 3 2468
Jena, den 21. Mai 1807. [Goethe:] „ U e b e r d i e E i t e l k e i t . Man mutze sich jetzt in der Gesellschaft die Eitelkeit auf, dadurch gehe die Gesellschaft zu Grunde; denn nun würden die Einen blos passiv, indem sie dächten: wenn ich die angenehmen Eigenschaften, die ich besitze, nicht zeigen soll, so will ich thun, als hätte ich gar keine, und nun passen sie den Andern auf; dadurch bemächtigt sich gerade der Schlechteste der Gesellschaft, der dreist genug ist." 22. 5.
Tagebuch 22. 5. 1807 (WA III 3, 212)
Kam der junge Voigt zu Betrachtung der Metamorphose des Monoculus, und Hr. von Knebel wie auch Eichstädt. Vorher war Seebeck dagewesen. Mittags bey Major von Hendrich. Nach Tische Hofrath Seidensticker . . . Früh die Museumsrechnungen mit Kühn . . . Bey Dr. Seebeck zum Thee und Abendessen. Genauer Electrometer. Chemische Farben. Riemer, Tagebuch 22. 5. 1807 (*Dtsch. Revue 11, 1 S. 64; Keil 5 S. 225)
B 2 995 B 3 2469
Morgens um 7 zu G. Fortsetzung des gestrigen. K a m ein Brief von Wolf aus Berlin mit einer griechischen Übersetzung zweier Goethischen Elegieen von Spalding. Zu Seebecks. Gemischte Wirkung der farbigen Lichter auf Hornsilber. Electrometer. Die Luft ist niemals electrisch, sondern der Gegenstand in ihr wird es durch seine Position und Berührung mit einem andern . . . G.: „Die Nachtigallen, bemerkt Büffon, schlagen nur so schön während der Begattungszeit. Nachher ist ihre Stimme rauh und ganz anders, so daß man einen andern Vogel zu haben glaubt. Die Griechen kannten daher die Nachtigall als zwei verschiedene Vögel unter zweierlei Namen, wie Plinius bemerkt. Die Thiere werden erst vokal in dieser Zeit, als Hirsche, Auerhähne u. dgl. Die Stimme hängt auch so sehr mit den Zeugungsgliedern zusammen." Knebel, Tagebuch 22. 5. 1807 (GSA, Nachlaß Knebel)
Bei Göthe, Monoculus . . . Bei Seebeck supirt, mit Göthe pp. 16./22. 5. Knebel an Henriette v. Knebel 22. 5. 1807 (Düntzer4 S. 286)
B 2 993 B 3 2470
Wir haben Goethe noch hier [in Jena], und er wandelt in seiner h a l b e n H y p o c h o n d r i e , wie er sie nennt, unter uns herum, und seine Gegenwart thut uns wohl. Wie angenehm ist es, unter den gemeinen Gelehrten einen Mann zu sehen, dem es um wahre Wissenschaft und Weisheit zu thun ist! Auch scheint es mir, daß er froh ist, der weimarischen bösen Luft auf eine Weile entronnen zu sein. 272
Jena
1807 23. 5.
Tagebuch 23. 5. 1807 (WA III 3, 212)
Major von Knebel. Dr. Voigt. Bey Major von Hendrich zu Tische. Nachher mit ihm und Knebel auf das Schlachtfeld gefahren. Riemer, Tagebuch 23. 5. 1807 (Keil 5 S. 227)
Bei G. Eine neue Erzählung dictirt. Nach Tische mit Knebel und Hr. v. Hendrich auf das Schlachtfeld gefahren. Um 3/4 auf 6 zurück. Knebel, Tagebuch 23. 5. 1807 (GSA, Nachlaß Knebel)
Mittags bei Göthe ρ Nachmittags mit diesen nach dem Schlachtfeld gefahren. 24. 5.
Tagebuch 24. 5. 1807 (WA III 3, 212)
Museenrechnungen mit Kühn. Rath Stark . . . Bey Hofrath Seidensticker. Mittags bey Major von Hendrich . . . Abends zu Hause bey Hrn. von Hendrich. Lieutenant Kühnemann von der Churf. Sächs. Armee, kam nach Jena das Schlachtfeld aufzunehmen und zu modeliren. Riemer, Tagebuch 24. 5. 1807 (Keil 5 S. 227)
Bei G. Briefe u. dgl. 16./24. 5. Th. J. Seebeck an Hegel 29. 6. 1807 (Hoffmeister 1, 172)
B 3 2471
Daß Sie mit Ihren gegenwärtigen Geschäften und Wohnorte zufrieden sind, freut mich her[z]lich, doch wünschte ich, Sie könnten wieder zur akademischen Carrière zurückkehren. Für Jena ist jedoch, wie ich aus unseres großen Freundes [Goethe] letzlichen Äußerungen wahrgenommen habe, nicht viel, eigentlich gar nichts zu erwarten. H. Luden, Rückblicke in mein Leben (Luden 1 S. 102)
B 2 997 B 3 2472
Nach der Schlacht bei Jena erkundigte ich mich bei jeder Gelegenheit: wie es Goethe'n in den unglücklichen Tagen gegangen wäre, und alle Erkundigungen brachten mich zu dem Glauben, daß auch Er sein Kreuz zu tragen gehabt und den Jammer getheilt hätte, den ein siegreicher Feind, übermüthig und trotzig, wie über die Besiegten, so über die wehrlosen Angehörigen der Besiegten zu bringen pflegt. Etwa vier Wochen nach dem unglücklichen Tage [vielmehr: im Mai 1807] fand ich Goethe bei Knebel. Er war zum ersten Male wieder in Jena. Sein Gesicht war sehr ernst, und seine Haltung bewies, daß auch auf ihm der Druck der Zeit lag. „Der Mann," sagte Knebel, „hat's empfunden." „Ich habe schon gehört," fügte Goethe zu mir gewendet hinzu, „daß Sie sehr hart mitgenommen sind." Ich konnte mein Schicksal in wenige Worte zusammenfassen und that es. „Von Allem," sagte ich, „was wir während meiner Anwesenheit nach Jena geschafft hatten, und was ich bei meiner Abreise zurückließ, habe ich nicht das Geringste wieder gefunden bei meiner Zurückkunft, einige zerbrochene Kisten, Kasten und Koffer ausgenommen. Ich habe den Schmerz gehabt, meine junge Frau in eine völlig leere und kalte Wohnung einzuführen, die kaum nothdürftig gereinigt war von abscheulichem Schmutze." Herr von Knebel rief aus, und nicht zum ersten Mal: „es ist gräulich, es ist ungeheuer." Goethe aber 273
1807
Jena sagte einige Worte, so leise, daß ich sie nicht verstand. Als ich hierauf Gelegenheit nahm zu fragen, wie denn Se. Excellenz durch die Tage der Schmach und des Unglücks hindurch gekommen, antwortete Goethe mit folgenden Worten: „Ich habe gar nicht zu klagen. Etwa wie ein Mann, der von einem festen Felsen hinab in das tobende Meer schauet, und den Schiffbrüchigen zwar keine Hülfe zu bringen vermag, aber auch von der Brandung nicht erreicht werden kann, und nach irgend einem Alten soll das sogar ein behagliches Gefühl sein" — („nach Lucrez!" rief Knebel hinein) —, „so habe ich wohlbehalten da gestanden und den wilden Lärm an mir vorüber gehen lassen." Ich will nicht leugnen: bei diesen Worten, in der That mit einer gewissen Behaglichkeit ausgesprochen, lief mir einige Kälte über die Brust hinweg. Aber sie war schnell verflogen. Und da Knebel kein Wort sagte, sondern sich mit seiner gewöhnlichen Beweglichkeit abgewendet Etwas zu thun machte, so erlaubte ich mir das Schweigen zu unterbrechen: „zuletzt ist es auch nicht der Mühe werth, von meinem Verlust zu sprechen. Er ist mir nur verdrießlich, weil ich zur Zeit noch jeden Augenblick daran erinnert werde: denn ich bin in meinen Arbeiten unterbrochen und gestört; ich kann die alten nicht fortsetzen und keine neuen beginnen, weil es mir an allem nothwendigen Geräth und Gezeug gebricht. Uberhaupt verschwindet das Unglück der Einzelnen, der Städte, Gemeinden und Familien, vor dem ungeheueren Unglücke, das auf Teutschland, unserm Vaterlande, liegt. Mich drückt und quält lediglich die Zeit der Schmach und Schande, die über uns eingebrochen ist, die uns bevorsteht. Wäre die Schlacht bei Jena gewonnen worden: gern hätte ich jegliches Opfer dargebracht und auch nackt und bloß den fliehenden Feinden nachgejubelt. Und dann — Alles, was mir genommen worden, kann ersetzt werden. Das Beste ist mir doch geblieben; und so lange wir selbst sind und die Berge da feststehen und die ewige Sonne scheint, so lange gebe ich nicht verloren, weder meine eigene Sache, noch die Sache des Vaterlandes." Knebel antwortete mit einigen Ausrufungen: „Bravo, so recht!" und dergleichen; Goethe aber sagte kein Wort und verzog keine Miene. Hierauf lenkte Knebel das Gespräch auf etwas Literarisches; ich aber beurlaubte mich bald, weil ich den beiden alten Freunden lästig zu werden fürchtete. Knebel an Henriette v. Knebel 26. 5. 1807 (Diintzer 4 S. 287)
B 2 998 B 3 2473
Goethe ist gestern in der Frühe von hier abgereist. Wir grüßten ihn noch beim Wegfahren aus unserm Fenster. Er scheint sich fast ganz in sich und den weiten Umfang seiner Beschäftigungen und Kenntnisse zu konzentriren, um den bösen Einflüssen der Zeit und der Umstände widerstehen zu können und das mannigfaltige moralische und politische Uebel von sich zu halten. Es ist schlimm, wenn man gewissermaßen an der Welt zu verzweifeln anfängt und sich das Gemüth der freien Mittheilung verschließt. Man bewahrt dadurch Uebel, die sich doch vielleicht lindern ließen. Doch was läßt sich sagen! Die Umstände machen vorher das Gemüth krank, und dann kann das kranke Gemüth nicht, wie das gesunde, sich freie Vorstellungen schaffen. Goethe ist indessen glücklich, daß er sich einen so reichen Vorrath von tiefen Kenntnissen und Fähigkeiten aller Art hat anzuschaffen und zu erhalten gewußt. Zu wünschen wäre es, daß er an 274
1807
Jena dem Platze, woran er sich befunden, auch gewisse politische Fähigkeiten oder Eigenschaften sich hätte aneignen können: aber diese sind, wie schon Bacon bemerkt hat, Gemüthern von eigenem reichen Vorrath selten eigen, indem sie anfänglich solche zum Theil auch zu sehr verachten. So hat unser Weimar durch die ganz vorzüglichen Geister, die es besessen, im Politischen auch nicht um ein Haar gewonnen.
25. 5.
J. D. Färber, Kalender 25. 5. 1807 (UB Jena, Nachl. Martin q 20)
Früh Vi 5 Uhr sind der Hr Geh. Rath v. Göthe u. Hr. Riemer von hier nach Carls baad abger. Knebel, Tagebuch 25. 5. 1807 (GSA, Nachlaß Knebel)
Göthe reißt um halb 5. Uhr nach Karlsbad ab. Jena — Karlsbad Tagebuch 25. 5. 1807 (WA III 3, 213)
Um 11 Uhr in Podelwitz . . . Von hier nach Schleiz, daselbst um 5 Uhr angekommen. Gegessen. Fürst Reuß kam zweymal gefahren unter Ankündigung eines Postillions. Gespräche über mancherley Phänomene der neuren Zeit, was die Deutschen, besonders die nördlichen, waren und hatten; was sie zu verlieren in Gefahr sind, das zunächst eindroht. Betrachtungen über die neuen Staatsformen: Souveränität, Landstände, Conscription u. s. w. Einwirkung der Pfaffen und Juden. — Charaktere. Des Hrn. von W. in Weimar als Diplomatiker. Chromatische Betrachtung und Gleichnisse. Lieben und Hassen, Hoffen und Fürchten sind auch nur differente Zustände unsres trüben Inneren, durch welches der Geist entweder nach der Licht- oder Schattenseite hinsieht. Blicken wir durch diese trübe organische Umgebung nach dem Lichte hin, so lieben und hoffen wir; blicken wir nach dem Finstern, so hassen und fürchten wir. Beyde Seiten haben ihr anziehendes und reizendes, für manche Menschen sogar die traurige mehr als die heitere. Riemer, Tagebuch 25. 5. 1807 (»Dtsch. Revue 11, 1 S. 64; Keil 5 S. 228 und GSA, Riemer 888) B 2 999 B 3 2474
Nach 4 Uhr von Jena weggefahren. Prächtiger Morgen . . . Um 11 Uhr in Buddelwitz, im Garten hinter dem Hause gegessen. Uber Lenz und Moritz gesprochen. Lenz hatte einen besondern Hang zur Intrigue, auch gegen Goethe, trotz seiner Anhänglichkeit. Sie hatten zusammen in Straßburg studiert. Er war eines Superintendenten Sohn aus [Lücke] Moritz' italienische Reise ist gewissermaßen verdorben durch das Bestreben, es Goethe nachzuthun. Seinen Aufsatz über die Kunst ist G. durchgegangen. — Um 1 Uhr weiter gefahren und gegen 5 Uhr in Schleiz angekommen. 26. 5.
Tagebuch 26. 5. 1807 (WA III 3, 214)
Um 5 Uhr von Schleiz abgefahren. Unterweges Motive zu den Wander jähren. Erklärung des französischen Plünderungswesen coram Imperatore aus dem 275
1807
Jena — Karlsbad Aperçu, mit, in und durch seine Umgebung zu erscheinen und sich anzukündigen. Nach 11 Uhr in Hof eingetroffen. Besuch beym Hrn. Kreisdirector von Schütz. Ausfertigung eines Passes für Carl . . . Besuch von Hrn. von Schütz, Kreishauptmann. Riemer, Tagebuch 26. 5. 1807 (»Pollmer 1 S. 274; Keil 5 S. 229)
B 3 2475
Morgens um 5 Uhr von Schleiz ausgefahren. Unter allerlei Gesprächen nach 11 Uhr in Hof angelangt. G: „Wenn man erscheinen will, so muß man mit seiner ganzen Umgebung erscheinen. Man muß sich in ihr und durch sie ankündigen." So Napoleon, wenn er das System der Soldaten zu begünstigen scheint. Das Anzünden eines Hauses ist bei ihnen ein Signal ihrer Ankunft für die übrigen. Mittags gut gegessen. Guter Burgunder. Spazieren in den Steinbruch, um die Stadt. Resource-Haus und Garten. Abends Briefe. Besuch vom Kreishauptmann von Schütz. 27. 5.
Tagebuch 27. 5. 1807 (WA III 3, 215)
Um 5 Uhr von Hof abgefahren . . . In der Dogana zu Schönbach angehalten, die Pässe vorgezeigt und den Koffer plombirt. Verbot im Ostreichischen von Politik zu reden . . . Um 2 Uhr in Franzensbad angekommen. Gutes Essen; aber getaufter Wein. Nach Tische Motive aufgeschrieben. Uber Sprache und veraltete Worte unterhalten. Nachher spatzieren am Brunnen und sonst bis gegen 8 Uhr. Allerley besprochen . . . „Der Hauptfehler in dem Motiv der Jungfrau von Orleans, wo sie von Lionel ihr Herz getroffen fühlt, ist, daß sie sich dessen bewußt ist, und ihr Vergehen ihr nicht aus einem Mißlingen oder sonst entgegen kommt. (Wie ζ. E. dem Weibe in dem indianischen Mährchen, in deren Hand sich das Wasser nicht mehr ballt.)" „Palladio, sagten die Italiäner, baute bloß aus Haß gegen den Adel, um ihn zu ruiniren." „Merkwürdig, daß die Pfaffen sich keines Gesundbrunnens und Bades bemächtigt und so diesen ungeheuren Besitz ganz aus den Händen gelassen." Riemer, Tagebuch 27. 5. 1807 (*Dtsch. Revue 11, 1 S. 64; Keil 5 S. 230)
Um 2 in Franzensbad. Getaufter Wein. Nach Tische Motive aufgeschrieben. Uber Sprache. Worte aus den Statuten des deutschen Ordens. Nachher mit G. spazieren. Riemer, Mittheilungen 2, 699
B 3 2476
Wir lasen in Zinckgräf's Apophthegmen und G. wendete eine Sentenz sogleich an, indem er sagte: „Napoleon habe die T u g e n d gesucht, und als er die nicht funden, die M a c h t bekommen." Riemer, Mittheilungen 2, 700
B 2 1005 B 3 2478
[Goethe:] „Daß die Pfaffen so dumm gewesen, sich ein solches Besitzthum, wie ein Bad, ein Gesundbrunnen ist, entgehen zu lassen, und keine Anlagen und 276
1807
Jena — Karlsbad Anstalten für Wunderkuren damit zu verbinden, wie bei dem Teich Bethesda. — " „Die Naturlehre war damals völlig getrennt von der Idee. Das Ideale war blos geistlich, christlich, und in der Natur glaubte man seyen Zauberer, Gnomen, die alle unter dem Teufel standen. Die Welt gehörte dem Teufel an, selbst bis auf Luther." Riemer (*Dtsch. Revue 11, 1 S. 64; Keil 5 S. 230)
B 2 1000 B 3 2477
Goethe unterwegs von Hof bis Asch und Franzensbad d. 27. Mai 1807: „In der Jugend sieht man das Detail als Masse, die Masse als Detail; im Alter umgekehrt." 28. 5.
Tagebuch 28. 5. 1807 (WA III 3, 216)
Nach Maria Culm, wo eben Anstalten zur Procession des Frohnleichnamsfestes gemacht wurden. Es wurde Calmus gestreut. Artiger Bauernknabe, der es dem Küster nachthun wollte, den Calmus schüttelte, aber die Hände nicht öffnete, daß er fallen konnte . . . Um Vi 2 Uhr in Carlsbad. Freundlicher Empfang von unsern Wirthsleuten.
Karlsbad A n Christiane v. Goethe 28. 5. 1807 (WA IV 19, 341)
Heute sind wir bey guter Zeit hier angekommen . . . Wir konnten nach der Ankunft noch promeniren, Bekannte besuchen und uns umsehen. 29. 5.
Tagebuch 29. 5. 1807 (WA III 3, 216)
. . . Dann zu Hrn. Müller. Verschiedene interessante Stücke der Carlsbader Suite, besonders aber Tungstein . . . Zum Nachtisch kam Müller. Unterhaltung über einige Publica. Besuch vom Residenten Reinhard, Schilderung von Jassy, der Lebensart, Bauart daselbst etc. Dann zu Hrn. von Mitterbacher, der aber nicht zu Hause. Dann zum neuen Hospital. Unterhaltung mit dem Baumeister. Riemer, Tagebuch 29. 5. 1807 (Keil 5 S. 230)
Dictando geschrieben. Dann zum Residenten Reinhard, der an Schiller und Hirt erinnert. Zum Nachtisch kam der jungalte Müller. Dann der Resident Reinhard; über die Bauart in Jassy. Mit G. spazieren zum neuen Hospital. Abends im Zinkgräf laut. Christine Reinhard an Sophie Reimarus 1. 6. 1807 (Übers, nach d. dtsch. Orig.: Wimpffen S. 325) B 2 1001 B 3 2484
Vous ne devinerez jamais, chère mère, avec qui nous sommes en relations à présent. Je veux laisser votre curiosité en suspens et continuer mon r é c i t . . . Il [Goethe] était arrivé peu de jours avant et, dès le lendemain, il m' avait envoyé une lettre de M m e Froman, par l'entremise du professeur Riemer, et m'avait annoncé sa visite. Mon mari voulut le prévenir et se rendit chez lui après le dîner. 277
1807
Karlsbad On l'introduisit dans une chambre où il vit un homme âgé, assez corpulent, vêtu d'un veston, qui disparut prestement dans la pièce voisine et revint un instant après, revêtu d'une redingote. Il s'assit sur le canapé et eut soin de se mettre à droite. Ses manières n'ont rien de français, rien d'affable, elles sont brusques et saccadées. Son expression est sérieuse, mais lorsqu'il sourit, ses yeux pétillent et l'esprit malin paraît dans toutes les rides de son visage. Il a été très prévenant, a parlé de Jassy, de notre internement, et s'est rappelé un voyage qu'il avait fait dans ces contrées. Ainsi qu'il arrive fréquemment pour les hommes célèbres, l'image que je m'étais faite de Goethe n'est nullement exacte. Il ressemble plus à Antonio qu'au Tasse. Toute sa manière d'être est celle d'un conseiller d'État, son oeil seul dénote le poète.
30. 5.
Tagebuch 30. 5. 1807 (WA III 3, 217)
Gegen 7 mit Resident Reinhard am Neubrunnen auf und abgegangen. Dr. Mitterbacher. Uber Hufnagels Zustand. Uber Kreishauptmann von Schiller. Papiergeld. Neues Kupfergeld. Anlagen und anderes Carlsbad betreffende . . . Vor Tische zum Residenten Reinhard, Besuch abgelegt . . . Um 5 Uhr mit Müller zum neuen Hospital. Riemer, Tagebuch 30. 5. 1807 (Keil 5 S. 231)
G. dictirte (der neue Raimond). Nach Tische Zinkgräf; G. schlief ein. G. zeichnete dann verschiedenes. Christine Reinhard an Sophie Reimarus 1. 6. 1807 (B2 Band 5 S. 67)
B z 1001 B 3 2483. 2484
Vorgestern ward auf meinem Zimmer über die Begebenheiten der Zeit geschwätzt, gefragt ob wohl Deutschland und deutsche Sprache ganz verschwinden würden? Nein, das glaube ich nicht, sagte jemand, die Deutschen würden w i e die J u d e n sich überall unterdrücken lassen, aber u n v e r t i l g b a r sein, wie d i e s e und wenn sie kein Vaterland mehr haben, erst recht zusammenhalten. — Dieser Jemand war Goethe. 31. 5.
Tagebuch 31. 5. 1807 (WA III 3, 217)
Mit Reinhard am Neubrunnen zusammengetroffen. Riemer, Tagebuch 31. 5. 1807 (Keil 5 S. 231)
G. zeichnete. Mit G. spazieren vor's Egerthor. Mai
Riemer, Mittheilungen 2, 699
B 2 990 B 3 2 4 6 4
[Goethe:] „Die Arzneikunde ist Viel mehr politisch als ein Anderes. Man muß auf die Krankheit losgehen, wie auf einen großen Herrn oder ein hübsches Mädchen, die man be- will, wie ein Diplomat den andern durch einen Pfiff, um ihr etwas abzugewinnen. Nur en tant daß er pfiffig ist, ist einer ein guter Arzt." 1.6.
Tagebuch 1. 6. 1807 (WA III 3, 218)
Um 5 Uhr am Sprudel. Bekanntschaft mit Herrn Bosi: über böhmische Landesund Staatsökonomie. Venedig unter der Regierung von Ostreich. Gedachter war 278
1807
Karlsbad Podestà in Padua gewesen. Nachher mit Advokat Mener aus Dresden über verschiedene dortige Verhältnisse, den androhenden Kathoücismus u. s. w. Alsdann mit Reinhard und seiner Frau über Jacobi und Körte und Heinsischen Briefe. Nachher mit dem Herrn Yacowleff: wie Reisende durch die gegenwärtigen Kriegsläufte hin und wider getrieben werden . . . Nachher auf der Wiese spatzieren, bey den Glasmännern; einem alten Bekannten Perron wieder begegnet. Kinder die gar artig über Stricke springend liefen. Riemer, Tagebuch 1. 6. 1807 (Keil 5 S. 231)
Bei G.: „Die gefährliche Wette." Mit ihm auf der Wiese. Um 5 Uhr spazieren mit G. zur Papiermühle und auf die Pragerstraße. 29. 5./
K. F. Reinhard an J. v. Hammer 1. 6. 1807 (Bachofen von Echt S. 489)
B 3 2482
^ 6'
Unter den Brunnen-Gästen nenne ich Ihnen Einen statt Aller. Seit einigen Tagen ist Goethe hier und wir begegnen uns alle Morgen bei der Quelle. Von seinem Äußeren hatten wir uns, wie das immer geht, einen anderen Begriff gemacht, seine Statur ist lang und scheint hager, weil man sieht, daß er embonpoint verloren hat. Seine Gesichtsfarbe ist dunkel, fast nächtlich. Etwas Hartes in seinen geistreichen Zügen macht, daß man, was ehemals in seinem Gesicht schön war und in seinen Blicken noch ist, kaum mehr erkennt. Nur sein Auge ist noch wie ehemals ein zurückgehaltener Strahl, der im Augenblick leuchtet, wenn er lächelt, und dann blickt auch der Schalk unverkennbar hervor. Seine Manieren sind nicht ganz elegant. Sie scheinen mir etwas schamlos und eben darum etwas fast Unpräziöses zu haben; wenn er bloß höflich sein will, fällt er in etwas Affektuöses, das ihn nicht kleidet, weil es erkünstelt ist, aber ich habe ihn schon sich erwärmen gesehen und aus der inneren Fülle kochen hören, und so erkenne ich den Löwen an der Kralle. Er hat sich bis jetzt sehr freundschaftlich an uns angeschlossen und dies gewährt uns eine schöne Aussicht.
2. 6.
Tagebuch 2. 6. 1807 (WA III 3, 218)
Um 5 Uhr an den Sprudel. Mit Hrn. von Bosi. Böhmische Fabrication, besonders Steingut und Porzellan in der Nähe. Papiergeld, neues dem Papiergeld parallelisirtes Kupfergeld. Noch einiges über die Venetianischen Staaten. NB. Von dem älteren Kupfergeld ist unter dem jetzigen Kaiser Franz für 100 Millionen geschlagen worden. Der Bauer vergräbt gegenwärtig schon das Kupfer, weil es immer besser als das Papier. Sehr viel Silbergeschirr auf dem Lande, besonders um die Hauptstädte herum. Nachher mit Reinhard und seiner Frau über verschiedne litterarische Gegenstände, seinen Aufenthalt zu Florenz und dortige Vorfälle. Uber einige östreichische Geschäftsleute und über den umständlichen Formalismus der Geschäfte, wodurch die Sache selbst erdrückt wird . . . Dr. Mitterbacher: über die Effecte des hiesigen Brunnens, des Teplitzer, des Badischen bey Wien u. s. w. Varia über die neusten Begebenheiten. Er ist den 14. October auf dem Gränzgebürg gegen Waldmünchen gewesen und hat daselbst nebst einigen Freunden die Kanonade von Jena gehört . . . Einen Augenblick mit Perron und dem Russen Qakowlew] . . . Nach 7 Uhr zu Reinhards. Seine Medaillen besehen und Geschichten aus der Revolution. 279
1807
Karlsbad Riemer, Tagebuch 2. 6. 1807 (*Dtsch. Revue 11, 1 S. 64; Keil 5 S. 231)
B 2 1006 B 3 2485
Abends zu Reinhards; Thee und Punsch; Revolutionsgeschichten. Bei Gelegenheit von einem Apophthegma im Zinkgräf bemerkte G.: „Man kann schon einen nicht, geschweige denn viele unter einen Hut bringen, denn jeder setzt ihn sich anders zurecht!" 3. 6.
Tagebuch 3. 6. 1807 (WA III 3, 220)
Früh um 5 Uhr an den Sprudel. Mit von Bosi Bohémica. Mit Reinhard Fortsetzung des gestrigen Gesprächs. Mit Mener über Dresdner Verhältnisse: Müller, Bötticher u. s. w. . . . Nachher Resident Reinhard, mit ihm nach Hause . . . Abends zusammen spatzieren. Riemer, Tagebuch 3. 6. 1807 (Keil5 S. 231)
Mit G. auf der Wiese. Nach Tische Brief vom Herzog, daß er nach Karlsbad kommen wolle. Abends aus der Reinhard Tagebuch von Jassy vorgelesen. 4. 6.
Tagebuch 4. 6. 1807 (WA III 3, 220)
Früh um 5 Uhr an den Sprudel; mit der gewöhnlichen Gesellschaft. Verschiedene Quartiere besehen. Das bey Amtmann Gerber gemiethet. K. F. Reinhard, Protokoll eines Gesprächs mit Goethe (KMA 859)
Den 4ten Juny. 1807. 1.) Physiologische Erscheinungen, solche die sich unter gegebnen Bedingungen blos im Auge ereignen, ohne Rüksicht auf einen Gegenstand, z. B. Auf einer Schneefläche sieht das schnell sich schliessende und öfnende Auge purpurrot. — Schwarze Buchstaben auf weisem Papier im Sonnenschein erscheinen rot oder grün. — Der gelbe Stral vom Stern zum Auge beim Blinzeln oder das Bild das von einem fixirten Gegenstand im Auge bleibt beim schnellen Übergang von Licht zu Schatten. — (Pathologische Erscheinungen: das L i c h t vor dem Auge bei einem Stos; grün und gelb vor d. Augen bei einer Ohnmacht.) Alle diese Erscheinungen spezifizirt und vorübergehend. 2.) Physische Erscheinungen, solche die sich im Auge ereignen mit Beziehung auf einen Gegenstand und das Medium, durch das er sichtbar wird. — Z. B. Blauer Himmel, Farben der Sonne, verschieden am Mittag und am Abend; Wolken; Regenbogen, Prisma. — Spezifizirt und vorübergehend. 3.) Chemische Erscheinungen, solche die sich im Auge ereignen, in Beziehung auf die Gegenstände, ohne Einflus eines Mediums oder ohne Rüksicht auf ein Medium: Sie sind spezifisch und fixirt; vorübergehend können sie fixirt werden. Das Auge sieht nicht Formen, sondern nur Farben — Farben sind die Natur in so fern sie sich dem Auge manifestirt. — Die allgemeine Bedingung unter welcher die Natur sich, mit welchen Modifikationen es sei, in der physischen und moralischen Welt, manifestiren kann, scheint diese zu seyn, daß ein Positives und ein Entgegengeseztes sich zeigen, daß ein Zerreissen statt finde und ein Streben nach Widerherstellung, nach Einheit, nach Totalität. Magnet — Elektri280
1807
Karlsbad zität — Galvanismus — moli und dur — Hydrogen und Oxygen — Bei den Farben, Licht und — Nichtlicht. — (Bei den galvanischen Säulen wird durch die Zersezung des Wassers Lakmus, auf der Einen Seite der Säule grün, auf der andern roth gefärbt.) In der Farben-Lehre zeigt sich dieses Zerreissen, so wie das Streben in Totalität iiberzugehn, wenn z. B. das Auge vor einer Schnee-Fläche wegblikt, sich schliest und wieder öfnet. Unfelbar erscheint als denn die Purpur-Farbe. Zu dieser Farbe aber gelangt das Auge durch eine Gradation von Verändrungen; sie ist das Mittel zwischen Licht und Nicht-Licht; darum wird sie bemerkbar. — Ein trübes Glas gegen das Licht gehalten, erscheint gelb; gegen den Schatten, blau; ein doppeltes solches Glas gegen das Licht, orangen-gelb; gegen den Schatten, violet-blau; ein dreifaches gegen das Licht, orangen-rot; gegen den Schatten, violett-rot; dis doppelte Rot vereinigt bildet reines Rot (Purpur?) So aufsteigend auf der Lichtseite durch die Potenzen? Von Licht minus Licht, und auf der Nichtlicht-Seite durch die Potenzen von Licht minus Licht finden wir gegenüber gelb und blau, orangen-gelb und violet, oben rot. Aus Gelb und Blau entsteht Grün, und so hätten wir im Zirkel: rot
wo immer die im Durchmesser, nicht die in Chorde sich gegenüberstehenden Farben die Totalität bilden, und sich gegenseitig voraussezen und nachziehn. Diese Farben-Folge mus in allen physischen Erscheinungen unveränderlich seyn und ist unveränderlich. — Während der Magnet nur zwei Pole hat, hat dieser Farben-Zirkel eben soviele Pole als im Durchmesser gegenüberstehnde Punkte d. Circonferenz; denn von jeder Nüance zwischen den bezeichneten Farben gilt, was von den bezeichneten gesagt ist. Farbigte Schatten. Licht, Nichtlicht + Licht, gelb. Licht, Nichtlicht - Licht, blau. Tageslicht, Kerzenlicht, blauer Schatten. Tageslicht, Kerzenlicht und Kerzenlicht im Gegenschein, gelber Schatten. Stralenbrechung. Neuton hat eine Einzelne Erscheinung, die unter einer allgemeinen Maxime steht, zur Maxime erhoben. Er hat die Bedingungen, die wesentlich sind, um aus seinem Prisma den Regenbogen hervorgehn zu lassen, für ausserwesentlich erklärt und vernachlässigt. Die weisse Wand durchs Prisma bleibt weis; Die Theorie ist falsch! Die ganze Erscheinung erklärt sich durch die Bewegung (das Zerreissen?) des Bildes, wodurch ein Doppel-Bild entsteht, wo beim schnellen Ubergang von weis zu schwarz (von Licht zu Nicht-Licht) oben, und von schwarz zu weis (von Nicht-Licht zu Licht) unten, sich nach obigen Erfarungen die Farben in 281
1807
Karlsbad der nemlichen Folge entwikeln, die wir schon kennen, und zwar oben immer in der umgekerten Folge gegen unten. (Uberhaupt von welchem Punkt der FarbenCirconferenz man ausgehe kommt es auf das Fortschreiten von Licht zu Nichtlicht, oder von Nichtlicht zu Licht an, in welcher Abstufung die Farben sich folgen werden.) Was wir Stralenbrechung nennen, geschieht an den Rändern (eine Gränze ist die notwendige Bedingung) nie in der Mitte; (in der Mitte fliesen die beiden Bilder ineinander und bleiben farblos? einfärbig? behalten die GrundFarbe?) [Diese Klammer gestr. und dafür die folgende erg.:] (sind zwei Bilder zu weit aus einandergeriikt, um ineinanderzufliessen, so bleibt ihre natürliche Farbe; stehn sie nahe genug, so fliessen die äussersten Farben ineinander, und bilden eine dritte nach bekannten Gesezen) — dis auf den Regenbogen angewandt, mus die Mittel-Farbe roth seyn, wo die beiden Bilder der Sonne in einander fliessen, und nach den Extremitäten hin aus Roth sich das orangengelbe und gelbe von der Einen Seite, das violette und blaue von der andern anschliessen. Wie die Farben Affinität mit den chemischen Elementen zu haben scheinen, so daß ihre Plus-Seite sich zur Plus-Seite, ihre Minus-Seite zur Minus-Seite dieser Elemente gesellt; eben so haben sie Affinität mit der menschlichen Seele. Farben der Licht-Seite geben Freude und Mut; der Nicht-Licht-Seite stimmen sanft und zur Traurigkeit. Anwendung auf die Ästhetik ergibt sich von selbst. Die menschliche Natur liebt überall das Ganze. Alle Farben, die im Durchmesser von einander stehn, enthalten das Ganze, und suchen sich, und gefallen. Rose mit grünen Blättern. — Wo der Haupt-Ton des Gemäldes Farben der nemlichen Seite erfordert, dürfen doch Farben der entgegenstehnden Seite nicht ganz feien, um jene metaphysische Sehnsucht zu befriedigen, u. s. w.
5. 6.
Tagebuch 5. 6. 1807 (WA III 3, 220)
Früh am Sprudel. Vorzüglich mit Reinhard. Spitzen gehandelt. Auf der Wiese spatzieren. Nach Tische kam Geh. Secretär Vogel. Einführung desselben in das Quartier . . . Abends bey Reinhard vorzüglich über Farbenlehre. Ein Deutscher, der sich über das Übergewicht des N. dadurch tröstete, daß doch das Genie auch nicht unsterblich sey. 6.6.
Tagebuch 6. 6. 1807 (WA III 3, 221)
Nicht getrunken. Am Neubrunnen der Gesellschaft wegen. Erneute Bekanntschaft mit dem Grafen von Grünne, welchen ich vor 20 Jahren hier gesehen. Bekanntschaft mit der Gräfin von Loß und dem Kammerherrn Leontieff. Nachher mit Yacowleff auf der Wiese spatzieren. Gegen Mittag kam der Herzog von Weimar an. Vor Tische noch eine Tour das Brunnenlocal zu besehen. Zu dreyen gespeist. Gegen Abend spatzieren bis zur neuen Prager Straße. Abends zusammen bis gegen 10 Uhr. Riemer, Mittheilungen 2, 700
B 2 1007 B 3 2486
[Goethe:] „Man muß nicht auf die Sachen böse werden: denn das thut den Sachen ganz und gar nichts." sagt Marc Aurel. — „Also indigniren die Menschen mich dann und wann wohl; aber die Sachen finden mich immer entschlossen." 282
1807 7.6.
Karlsbad Tagebuch 7. 6. 1807 (WA III 3, 221)
Am Sprudel und Neubrunn. Die Bekannten an den Herzog präsentirt. Hauptmann Blumenstein. Aufzug der Schützengesellschaft vor des Herzogs Quartier; zweymalige Salve. Mittagsessen an der Table d'Hote des Grafen Bolza. Abend im böhmischen Saal. Riemer, Tagebuch 7. 6. 1807 (Keil 5 S. 232)
Vorgelesen aus Hackert. Um 12 Uhr Aufzug der Schützen vor des Herzogs Quartier, zweimalige Salve. Mittags im goldenen Schilde an table d'hote mit Reinhard, dem Herzog und Goethe. 8. 6.
Tagebuch 8. 6. 1807 (WA III 3, 221)
Der Steinschleiferin aus Turnau einige Granaten abgekauft. Zur Tafel beym Herzog, wo sich Prochazka, Mitterbacher etc. befanden. Vorher bey Reinhards wegen der Copie der Mad. Reinhard, nach meiner Gebirgszeichnung. Riemer, Tagebuch 8. 6. 1807 (Keil 5 S. 232)
Bei G. geschrieben an Hackert's Biographie u. Abriß. Christine Reinhard an Sophie Reimarus 1 1 . 6 . 1807 (Übers, nach d. dtsch. Orig.: Wimpffen S. 327) B 2 1008 B 3 2487
Un même jour il [Goethe] est venu quatre fois: dans la matinée pour m'aider dans la copie que je fais de sa carte des hauteurs, ensuite pour me rendre le journal de notre internement qu'il avait demandé à lire, puis pour nous apporter des verres de couleur relatifs à son travail; enfin, dans la soirée, pour s'excuser de ne pouvoir venir souper. vor 9. 6.
An Christiane ν. Goethe 9. 6. 1807 (WA IV 19, 346)
Übrigens sind alle Reisende, die von Leipzig hierherkommen, mit den Aufführungen [der Weimaraner], denen sie beygewohnt haben, sehr zufrieden. 9. 6.
Tagebuch 9. 6. 1807 (WA III 3, 222)
Um 6 Uhr am Sprudel; nachher am Neubrunn. Canicoff ehemaliger russischer Gesandter zu Dresden. Zum Juwelier Knoll, dessen Arbeit angesehen . . . Beym Herzog zur Tafel, wo Präsident Reinhard und Graf Grünne waren. Mit Oberforstmeister von Fritsch auf dem Schützenhause, um ihre Anstalten und die Scheiben zu besehen . . . Vorher früh am Brunnen bey Gelegenheit dieses Werks [Philosophie de l'univers par Dupont de Nemours] über den Zusammenhang aller Erscheinungen und über die Hauptmaximen der Natur . . . Abends nach der Carlsbrücke mit Oberforstmeister von Fritsch und zurück. Hübsches Brunnenmotiv bey der Brauerey. Unterwegs Fritschens Reisegeschichte. 10. 6.
Tagebuch 10. 6. 1807 (WA III 3, 223)
Kam Serenissimus und Hr. von Fritsch; worauf ich badete. Beym Herzog zur Tafel, Reinhard und Graf Grünne . . . Um 6 Uhr zum Grafen Bolza zu Thee und Spiel. Zeitig entfernt und zu Reinhard. Thee getrunken. 283
1807
Karlsbad Christine Reinhard an Sophie Reimarus 1 1 . 6 . 1807 (Übers, nach d. dtsch. Orig.: Wimpffen S. 326) B 2 1008 B 3 2487
Chère mère, je voulais vous écrire hier après une longue promenade, lorsque Goethe est venu prendre le thé. Il nous a fait un vrai cours sur sa nouvelle théorie des couleurs. Sa façon de l'envisager, de l'expliquer, est très intéressante; pourtant, quand on n'est plus sous le rayonnement de son génie, on se dit que beaucoup de ses déductions seront reléguées, par les gens compétents, dans le royaume des chimères. Charles suit mieux que moi cet esprit étincelant. Le monde intellectuel dans lequel il se meut embrasse tout: la philosophie, la botanique, l'astronomie, aucune science ne lui est inconnue. Lorsque je l'ai suivi pendant quelque temps, effleurant tous les sujets et se maintenant toujours à des hauteurs inaccessibles, mon intelligence me refuse tout service et le sentiment de mon infériorité m'écrase. Je me rends compte que c'est l'effet qu'il recherche et qui le flatte le plus. vor 11. 6. Christine Reinhard an Sophie Reimarus 11. 6. 1807 (B 2 Band 5 S. 68)
B 3 2488
Als ich Goethe von unserm großen Spaziergang erzählte, sagte er halb traurig: So etwas kann ich in dieser Zeitlichkeit nicht mehr unternehmen. 11. 6.
Tagebuch 11. 6. 1807 (WA III 3, 223)
Besuch von Hrn. von Fritsch . . . Mittags verfehltes Gastmahl und dafür an der Table d'Hote gegessen. Nach Tische zum Goldschmied Knoll; den Lapislázuli zum Fassen gegeben. Hierauf den Maler besucht und ihm eine zweyte Zeichnung zur Glückscheibe gebracht. . . Um 8 Uhr nochmals weggegangen. Mit der Gräfin Loß und den Russen über den Posthof und zurück. 6./11. 6.
Christine Reinhard an Sophie Reimarus 11. 6. 1807 (Übers, nach d. dtsch. Orig.: Wimpffen S. 327) B 2 1008 B 3 2487
Le duc de Weimar est ici depuis une huitaine et nous le voyons constamment. Il est insignifiant; son attachement pour Goethe date du temps où, jeunes tous les deux, les mêmes plaisirs les réunissaient. Leurs rapports amicaux se sont maintenus, malgré la différence de leur fortune, et cela parle en leur faveur. Le duc est très naturel, sans aucune morgue. Au cours d'une partie de campagne à laquelle Goethe l'avait amené, il s'est procuré des lignes et il s'est mis à pêcher des petits poissons dans la Toppel [Tepl]. Le poète nous a apporté son livre d'amis en nous demandant de nous y inscrire: j'en fus tout intimidée, car il a ses théories sur les écritures qui, selon lui, donnent des aperçus sur le caractère des personnes; il a fait une véritable étude de celle de Napoléon et il est arrivé à fort bien la juger. Nous nous sommes tirés de cette épreuve en louant le génie universel du grand homme, pour qui la nature et le coeur humain n'ont plus de mystères, et cette flatterie a été bien accueillie. 12. 6.
Tagebuch 12. 6. 1807 (WA III 3, 223)
Dann zu Reinhard. Medaillen ausgesucht, trübe Gläser behandelt. Beym Herzog zu Tafel. General Richter und von Seckendorf. Vogelschießen mit Pistolen hinter dem böhmischen Saal. Spatzieren gegen die Carlsbrücke, kamen Augustrofsky 284
Karlsbad
1807
und Piatti und Kayer, welcher blieb. Allerley Späße. Auf dem Rückweg Fritsch Geschichte: wie Kayer für einen Polen gehalten mit der polnischen Sprache übel bestand. Nach Tische noch zum Herzog hinüber. Riemer, Tagebuch 12. 6. 1807 (*Dtsch. Revue 11, 1 S. 64; Keil 5 S. 232)
G. dictirte am Mann von 50 Jahren. [Auf beigelegtem Blatt:] Goethe's Mann von 50 Jahren findet seine gute Erklärung in Goethe's eigner Natur. Seine persönliche Reinlichkeit ließ ihn eine solche Toilette, wie sie jener Mann machte, zwar nicht nachahmen, aber doch annehmlich finden, und er lobte sie an andern. 13. 6.
Tagebuch 13. 6. 1807 (WA III 3, 224)
Um 2 Uhr zum Herzog zur Tafel, mit Kayer. Unterhaltung, erst ernsthaft über die Zeidäufte, dann lustige über vergangene désappointements. Riemer, Tagebuch 13. 6. 1807 (*Dtsch. Revue 11, 1 S. 64; Keil 5 S. 233)
B 2 1009 B 3 2489
Diktata geschrieben. Mittags beim Resident Reinhard zu Tische Allerlei über G., Schiller, Herder. Eugenie, Gerichtsrath. Nach Tische gezeichnet. Kam G., über das heute Begegnete gegenseitig gesprochen. Früh trug man sich mit der Nachricht von unterzeichneten Friedenspräliminarien. Abends mit G. spazieren. Jugendgeschichten aus Wetzlar. Goué, Gotter, v. Braun pp. Geheime Ritterorden. Mystificationen. Zu der Zeit, wo ganz Deutschland seinen Götz von Berlichingen bewunderte, befand sich Goethe in größter Verlegenheit, wie er das Papier dazu bezahlen sollte; denn er hatte mit Merck gemeinschaftlich es drucken lassen, jener den Druck, er das Papier besorgt, und hernach in Kommission gegeben, aber sein Lebtag nicht einen Heller dafür eingenommen. Zinkgräf Apophth.: „Wer einen Stein nicht allein erheben mag, der soll ihn auch selbander liegen lassen." 14. 6.
Tagebuch 14. 6. 1807 (WA III 3, 224)
Um 10 Uhr Resident Reinhard. Nach 12 Uhr zogen die Schützen auf. Mittags beym Herzog, in Gesellschaft der Russen, Graf Grünne und Kayer. Nach dem Schießhause gegangen. Bis gegen 8 Uhr bey Reinhards. 6./14. 6.
A n Charlotte v. Stein 14. 6. 1807 (WA IV 19, 347)
Unserm Fürsten bekommt die Cur auch ganz wohl, und Er hat wirklich einiges Zutrauen zu dem Wasser gefaßt, weshalb er wohl länger bleiben wird, als er sich anfangs vorgesetzt hatte. Die Gesellschaft vergrößert sich nach und nach, wodurch aber meine Art zu seyn wenig verändert wird: denn ich lebe nach herkömmlicher Sitte meist allein, und habe wenig Verkehr mit der übrigen Welt. 13. 6.
Caroline Jagemann an Carl August 10. 6. 1807 (Bamberg 2, 330) Erzähle Goethen, daß bei der größten Hitze das Theater [in Leipzig] immer gestopft voll ist und die Leute ganz entzückt über alles sind, was wir geben. Carl August an Caroline Jagemann 13. 6. 1807 (Bamberg 2, 330) Goethen will ichs sagen, was Du mir an ihn aufträgst.
285
1807
Karlsbad Einen sehr interessanten Mann habe ich an dem Residenten Reinhard gefunden. Sie werden sich erinnern, daß er früher in Hamburg angestellt war, sich so lange in Paris aufhielt und zuletzt nach Jassy gesendet wurde, wo ihn die Russen, bey dem Ausbruch des letzten Krieges, mit Frau und Kindern gefangen nahmen, über den Dnieper, Bog und Dniester führten und zuletzt wieder los ließen; da er denn durch Polen und Gaüzien wieder ins westliche Europa unter die Menschen zurückkehrte. Es ist ein sehr tüchtiger, erfahrner, theilnehmender Mann, mit dem ich sehr erfreuliche Unterhaltungen habe. Durch ihn habe ich ein französisches Buch [Dupont, Philosophie de l'univers] kennen lernen, woraus hiebey ein Auszug folgt, der Ihnen, hoff' ich, willkommen seyn wird.
15. 6.
Tagebuch 15. 6. 1807 (WA III 3, 225)
Bey Müller. Demselben assistirt bey Anordnung der neuen Sammlungseinrichtung . . . Mittags beym Herzog zu Tafel, wo General Einsiedel und Dr. Kappe von Leipzig. Nach 5 Uhr mit Müller an die Eger und die Quarzformation daselbst durchgeklopft. Riemer, Tagebuch 15. 6. 1807 (Keil 5 S. 233)
Gegen 5 Uhr Abends mit G. und Müller an der Eger hinunter. 16. 6.
Tagebuch 16. 6. 1807 (WA III 3, 225)
Bey Müllern, die zur Sammlung fehlenden Mineralien aufzusuchen . . . Besuch von Dr. Kappe. 17. 6.
Tagebuch 17. 6. 1807 (WA III 3, 225)
. . . Nachher bey Müllern, zu Completierung der geognostischen Sammlung. Nachher Dr. Kappe. Besuch von Hrn. von Schiller. Mittags bey Durchlaucht dem Herzog, wo die von Alvensleben und von Holleben und Herda. Vor Tische von Herda, mit demselben die geognostische Sammlung durchgegangen. Brief von Oehlenschläger aus Paris durch Hrn. von Herda mitgebracht. 18. 6.
Tagebuch 18. 6. 1807 (WA III 3, 226)
. . . Nachher Dr. Kappe und Dr. Mitterbacher. Nachher bey Reinhards . . . Zu Tafel beym Herzog mit Hrn. von Ompteda und beyden Grafen Solms. Nachher ging Hr. von Herda mit hieher und wir handelten allerley Mineralogisches ab. Abends zu Reinhards, wo einige Gedichte von Mad. Reimarus und Hrn. Reinhard gelesen wurden. 6./18. 6.
Carl August an Chr. G. v. Voigt 18. 6. 1807 (Tümmler 1 2, 504)
Goethe ist recht munter. Die Gesellschaft ist sehr unbedeutend. Mitte Juni A n Christiane v. Goethe 18. 6. 1807 (WA IV 19, 352)
Von dem Gebrauch des Wassers kann ich noch immer Gutes sagen, und für die Zukunft habe ich auch bessere Hoffnung, da Doctor Kapp, ein alter Freund 286
Karlsbad
1807
und vortrefflicher Arzt, sich meiner annimmt, mein Übel wohl überlegt und, wie mir scheint, sehr gut beurtheilt hat. Hauptsächlich läuft alles auf eine sehr genaue Diät hinaus. 19. 6.
Tagebuch 19. 6. 1807 (WA III 3, 226)
Früh am Schloßbrunnen. Bekanntschaft mit Oberhofprediger Reinhard. Mit von Ompteda und Auditeur Cramer auf- und abgegangen. („Schreibt auch besser als er denkt.") . . . Zur Tafel beym Herzog, mit Kreishauptmann von Schiller, Kreiscommissär Prochazka, Hauptmann von Pfisterer. Nach Tische in die Comödie. Ward Camilla [von Paer] gegeben. Nach Hause . . . Besuch von Cramer. F. Cramer an Goethe 26. 1. 1809 (Eing. Br. 1809, 106)
. . . erinnere ich mich mit dem größten Vergnügen der Augenblicke, wo es mir dort [„an den herrlichen Ufern der Töpl"] vergönnt ward, Ihre persönliche Bekanntschaft zu machen. 20. 6.
Tagebuch 20. 6. 1807 (WA III 3, 226)
Am Schloßbrunnen; mit Oberhofprediger Reinhard; mit Ferber. Nachher bey Müller mit Herda. Nachher bey Dr. Kappe . . . Nachher bey Resident Reinhard. Mittags beym Herzog mit Dr. Kappe und Mitterbacher. Nach Tische kam von Bechtolsheim . . . Ein Jude wünscht, daß Gott die Waden vorn hingesetzt hätte, weil man sich so oft an die Schienbeine stoße, und hinten keine Gefahr sey. Riemer, Tagebuch 20. 6. 1807 (Keil 5 S. 234)
Abends mit G. spazieren. Corneillan's in Kupfer gestochne und sauber ausgemalte Landschaften besehen, die der Herzog gekauft. 21. 6.
Tagebuch 21. 6. 1807 (WA III 3, 227)
Früh am Schloßbrunnen. Mit Hofrath Ferber über Adam Müller. Zum Herzog vor dem Frühstück. Zu Hause gefrühstückt . . . Dann Dr. Kappe über die geographischen Durchschnitte. Kam Resident Reinhard, der die Farbenlehre mitbrachte und über verschiedenes anfragte. Ich gab ihm ein Prisma und die schwarzweißen Kärtchen. Mittags beym Herzog, wo Hr. von Hopfgarten, Fritschens Schwager, und der sächsische Oberstlieutenant Erzählungen dieses Mannes vom 14. October und folgenden Tagen, besonders von dem Moment, da die sächsische Cavallerie Pferde abgeben mußte. Nachher ins Schauspiel: die unruhige Nachbarschaft, ein Stück, das uns sehr belustigte und im einzelnen gut gegeben wurde. 22. 6.
Tagebuch 22. 6. 1807 (WA III 3, 227)
Auf dem Schloßbrunnen; mit Oberhofprediger Reinhard; besonders über die Aussichten des Protestantismus und der Litteratur: über das Katholischwerden der Protestanten und die Erklärung des Königs von Sachsen an die Stände, daß er das Land von Napoleon als pays conquis empfangen habe. Nachher mit Hrn. 287
1807
Karlsbad von Ompteda, besonders über England, englisch Ministerium, Katholiken in Irland u. s. w. Zuletzt mit Resident Reinhard über Physisches, nachher Ästhetisches, besonders über die Fabel, insofern sie bedeutend ist und einem Gedicht zum Grunde liegt. Nachher beym Herzog, der Kaminfeuer hatte machen lassen. Mittag im goldenen Schilde zum Picknick, große Gesellschaft von Damen und Herren, besonders Franzosen und Russen, die Rohans, Yacowleffs . . . Kam auch Kayer und holte einen Zirkel. Abends bey Resident Reinhard, wo Hr. von Peiron und Familie, Dr. Kappe und Mitterbacher, beyde mit ihren Frauen, sich befanden.
23. 6.
Tagebuch 23. 6. 1807 (WA III 3, 228)
Am Schloßbrunn, mit Oberhofprediger Reinhard, Ompteda, Bechtolsheim. Nachher zu Müllern, sodann zu Durchlaucht dem Herzog, mit demselben in verschiedene Läden, zu Zöldner von Prag, geschliffene Steine zu sehen. Bey Meyern. Abschied von Cramer aus Quedlinburg genommen. Mittags beym Herzog zur Tafel und allein . . . Nachher bey Reinhard, der mir ältere Papiere und Handschriften aus der Revolutionszeit wies. Riemer (Keil 5 S. 234)
G. hatte die englische Ballade: It was a joly Miller once übersetzt. Frau von Stein soll Original und Ubersetzung von ihm haben. In Carlsbad von ihm mitgetheilt den 23. Juni 1807. vor 24. 6. Christine Reinhard an Sophie Reimarus 24. 6. 1807 (Übers, nach d. dtsch. Orig.: Wimpffen S. 330) B2 1010 B3 2490
Goethe passe presque toutes ses soirées chez nous. La politique est alors bannie de la conversation; les messieurs s'entretiennent d'art, de science, de littérature, et l'esprit pétillant du savant sait donner un tour nouveau aux questions les plus ardues. On ne peut le juger à première vue et il ne se révèle tel qu'il est, c'està-dire un génie universel, que lorsqu'on est seul avec lui; dès qu'on est plus nombreux, il devient taciturne, s'absorbe dans ses pensées et c'est ainsi qu'il se montre dans les réunions. Vous avez raison de dire que notre recontre avec lui doit compter parmi les hasards heureux de notre vie; ils deviennent de plus en plus rares. Le mouvement intellectuel qui résulte de notre intimité est d'un effet plus salutaire pour mon mari que ne le sont tous les remèdes qu'il emploie; Goethe et lui paraissent se convenir et s'apprécier chaque jour davantage. Nous passons des journées entières ensemble. Un soir, Goethe a lu et déclamé plusieurs de ses poésies; c'était une vraie jouissance de l'entendre. Le temps me fait défaut pour vous parler plus longuement de son débit, mais je le ferai une autre fois et je vous donnerai mon appréciation sur cet homme extraordinaire qui occupe tant mon esprit sans rien dire à mon coeur. Mon jugement est-il impartial? Je l'espère. Il n'en serait pas de même de celui de mon mari, auquel Goethe a volé une parcelle de son coeur. Peut-être a-t-il dédaigné de s'en donner la peine pour moi, sans quoi ce magicien eût dû réussir. 288
Karlsbad
1807
An Christiane v. Goethe 24. 6. 1807 (WA IV 19, 353)
Zugleich ist mir freylich sehr daran gelegen . . . Doctor Kapp, der auch noch eine Zeidang hier bleibt, Gelegenheit zu geben, daß er meine Zustände noch genauer beurtheilen könne. Er hat mir gerathen, wenn ich nach Hause komme, Spaawasser zu trinken . . . Die Schauspielergesellschaft ist endlich auch hier angekommen. Wie sie im Ganzen bestellt ist, kannst du daraus abnehmen, daß in der Camilla unser alter Spitzeder den Herzog und Madame Weyrauch die Camilla gespielt hat. Übrigens ist die Tochter von Spitzeder ein recht hübsches Mädchen geworden, aus der wohl etwas zu machen wäre. Von der Weyrauchschen Tochter will ich nicht dasselbige sagen. An A. Genast 24. 6. 1807 (WA IV 30, 99)
Wir haben hier nun auch ein Schauspiel, wobey sich mancher alte Bekannte findet; Madam Weihrauch habe ich als Camilla, Herrn Spitzeder als ihren Gemahl gesehen. Spitzeders Tochter ist herangewachsen und hat mir ganz wohl gefallen, ob sie gleich für die Rolle des Adolfs, den sie spielte, groß war. Die Weihrauchsche Tochter ist auch ein ganz hübsch Mädchen geworden . . . Ich werde mich noch eine Zeidang hier aufhalten und das Wasser nach dem Rath des Herrn Doctor Kappe fortbrauchen. Die Gegenwart von diesem vortrefflichen Arzte und alten Freunde ist mir von großem Werth. An H. Schmidt 24. 6. 1807 (WA IV 19, 356)
Herr Cramer von Quedlinburg, ein junger Mann, der mit der deutschen Literatur sehr bekannt und in mehr als einem Sinne schätzenswerth ist, macht die Reise nach Wien, nachdem er einige Zeit hier mit uns gelebt. Ich bitte, ihn gut aufzunehmen und ihm förderlich zu seyn, daß er bedeutende Männer kennen lerne. Er kann Ihnen erzählen, daß ich mich hier ganz wohl befinde. 24. 6.
Tagebuch 24. 6. 1807 (WA III 3, 229)
Bey dem Herzog, wo der in Prag sich aufhaltende Rühler mit den Tabackspfeifenköpfen auslegte. Bey Meyer, wo über den Spaß mit der falschen Affiche sehr gelacht wurde . . . Mittags beym Herzog, allein. Der Herzog ritt nach Schlackenwerth. Nachher bey dem Hrn. v. Nitschwitz, beym Oberhofprediger Reinhard, bey Knoll, wegen des Geldes von Leipzig, beim Steinhändler im Maltheserkreuz. Spatzieren mit Hrn. v. Seckendorf. Abends im Concert, das Dem. Mager auf der Violine gab. Christine Reinhard an Sophie Reimarus 24. 6. 1807 (Übers, nach d. dtsch. Orig.: Wimpffen S. 329) B 2 1 0 1 0 B 3 2490
Mon mari avait rencontré Goethe dans la matinée et il lui avait dit que la bataille prévue [bei Friedland] avait été livrée. « Il y en aura bien d'autres, » lui répondit Goethe, et, pour la première fois, il s'exprimait en français. Après le concert, le poète est venu à notre rencontre et s'est promené avec nous ostensiblement. Cette démonstration a été remarquée. 289
1807 25. 6.
Karlsbad Tagebuch 25. 6. 1807 (WA III 3, 229)
Verhandlung mit Kaufmann Knoll, wegen der Assignation von 200 rthlr. nach Leipzig. Einiges gekauft und bestellt. Mittags beym Herzog, allein. Abends mit Reinhard spatzieren. Den Tag viel auf der Wiese, in mancherley Gesellschaft. Riemer, Tagebuch 25. 6. 1807 (Keil 5 S. 234)
Abends mit G. und Reinhard auf der Wiese. Vorher einen Besuch beim Oberhofprediger Reinhard. 26. 6.
Tagebuch 26. 6. 1807 (WA III 3, 230)
Am Schloßbrunnen . . . Mit Oberhofprediger Reinhard. Uber die Vorstellungen, das Natürliche einem bösen Geiste zuzuschreiben, wie Luther solche gehabt. Geschichte der Hexenprozesse u. s. w. Bey Müller, der nun bald mit den geologischen Sammlungen in Ordnung ist. Viel auf der Wiese. Yacowleffs Dose und auf Chalcedon eingelegte Arbeit. Feuerzeug durch einen Luftdruck. Mittags beym Herzog zu Tafel und die beyden Grafen Piatti. Nach Tische bey dem Steinhändler, um Shawls gefeilscht. In der Comödie, den ersten Act der Schwestern von Prag angesehen. Äußerst geist- und humorlose Repräsentation. Abends bey Reinhards. Verschiedenes über Theater: Schröder, Iffland. Mad. Reinhard recitirte einige Gedichte von Unzer, dem Manne von Schröders Schwester, der Demoiselle Ackermann. Sie zeigen kein dichterisch Talent, drücken aber eine gewisse mißmuthige Laune recht gut aus; auch sind die Verse gut. Uberhaupt scheint das Subjectiv-lyrische, Hypochondrische, Moderne in Niedersachsen recht obzuwalten, Männer und Frauen aber das Talent gereimter Verse recht gut zu besitzen. 27. 6.
Tagebuch 27. 6. 1807 (WA III 3, 230)
Früh am Schloßbrunnen mit Bechtolsheim. Oberhofprediger Reinhard: über Göttingen, Heyne u. s. w., Bibliothek, Collectaneen, Gelehrsamkeit. Mit Prinz Rohan über seine Campagne in Italien, äußerst beschwerlicher Staub auf dem Marsche, Vortheil des wohlfeilen Weines und sonstiger Lebensmittel. Höchst schlechte und niederträchtige Aufführung mehrer armer venetianischer Edelleute, die man engagirt hatte. Mit Resident Reinhard wechselseitig über unsern Aufenthalt in Italien. Er war nicht nach Rom gekommen, sondern hatte den Weg nach Neapel und zurück zu Schiffe über Livorno gemacht. Sonstige Epochen seines Lebens und seiner Bildung . . . Kam . . . Regierungsrath Voigt an . . . Mittags beym Herzog; speiste Reg. R. Voigt mit. Nach Tafel mit Serenissimo, Fritsch und Voigt successiv in den Läden auf der Wiese, in der Comödie u. s. w. Abends Voigt bey uns. A n Charlotte v. Stein 28. 6. 1807 (WA IV 19, 357)
Gegenwärtiges gebe ich Herrn Regierungsrath Voigt mit, dessen unvermuthete Ankunft mir viel Vergnügen gemacht hat. 28. 6.
Tagebuch 28. 6. 1807 (WA III 3, 231)
. . . Nachher kam Reinhard. Das Phänomen der epoptischen Farben vorgelegt. Einiges den Tag betreffendes und die Zeitgeschichte. Mittags beym Herzog, 290
1807
Karlsbad der etwas spät von der Promenade zurückkam. Kayer, der, als man die Zeitung, die zur Tafel gebracht wurde, nicht interessant finden wollte, einen Artikel von Constantinopel folgendermaßen las: „Auch hat der neue Sultan Mustapha das ganze Serail seines Vorgängers Selim bey genauer Untersuchung als Jungfrau befunden." Nachher zu Reinhard, demselben den Krystall mit der Iris gezeigt . . . Später kam Regierungsrath Voigt vom Balle. Riemer, Tagebuch 28. 6. 1807 (Keil 5 S. 234)
Goethe die Lebensbeschreibung von Joh. Albert Heinrich Reimarus, noch lebenden Vaters der Mad. Reinhard, vorgelesen. 29. 6.
Tagebuch 29. 6. 1807 (WA III 3, 232)
Früh am Schloßbrunnen, mit Oberhofprediger Reinhard: über Protestantismus, Katholicismus. Letzter Erlaß des Kaisers von Danzig aus, an die französischen Bischöfe, worin ein Dankfest verordnet wird, zugleich ein Gebet um Friede, damit er seine Plane, die Religion betreffend, ausführen könne. Nachher auf der Wiese spatzieren. Fürstin Bagration präsentirt. Beym Herzog zur Tafel; allein. In der Comödie: der Tyroler Wastel. Abends zu Hause mit Fritsch und Voigt. 30. 6.
Tagebuch 30. 6. 1807 (WA III 3, 232)
Früh am Schloßbrunnen mit Bechtolsheim, dem Dresdner Reinhard und Resident Reinhard. Mit letzterem nach Hause, wo er mir den Brief an Villers vorlas. Nachricht von der Einnahme von Königsberg . . . Mit Voigt ausgegangen und verschiedenes zusammengekauft, um es mit Voigt zu versenden. Mittags bey Fritsch. Abends im Concert der Pixis. Nachher bey Reinhards. Einiges vorgelesen. Juni
An Knebel 1. 7. 1807 (WA IV 19, 364)
Vor allen Dingen werden Steine gepocht, dann gezeichnet; dann vor langer Weile allerley Geld vertändelt und im Spazierengehen manche Conversation geführt. Ich habe mehrere Bekanntschaften gemacht, worunter wohl der Resident Reinhard, der, nachdem er den Posten von Jassy verlassen mußte, auf sonderbaren Umwegen und durch ein eigenes Geschick hieher gelangt ist, wohl die interessanteste seyn möchte. An Christiane v. Goethe 3. 7. 1807 (WA IV 19, 366)
Gegenwärtig wird den ganzen Tag gezeichnet und illuminirt und Riemer thut ein Gleiches, wodurch wir uns denn ganz gut unterhalten, und noch eine Weile so fort zu leben wünschen. K. F. Reinhard an Ch. F. D. de Villers 30. 6. 1807 (Isler S. 27)
B 3 2491
M. de Göthe, mon cher et estimable ami, a repu avec beaucoup de plaisir l'expression de vôtre souvenir que Mad. Reimarus nous avait chargés de lui transmettre. En retour j'ai à vous faire une proposition dont je ne saurais vous dire si c'est M. G. ou si c'est moi qui ai eu la première idée et qui est tout-à-fait digne du saint Apostolat auquel vous vous êtes dévoué. J'entre en matière. 291
1807
Karlsbad Après son retour du voyage d'Italie M. Göthe fut conduit par l'étude des arts et surtout de celui de la peinture à s'occuper de la théorie des couleurs. Par une de ces inspirations d'où jaillissent toujours les grandes découvertes il pressentit que la théorie Newtonienne, très-stérile d'ailleurs dans son application à la pratique, devait être fausse. Il ne tarda pas à s'en convaincre. Son génie le conduisit à des aperçus nouveaux, dont il publia une parue il y a dix ou douze ans. Mais soit que l'époque d'alors ne fut pas mûre encore pour s'approprier cette découverte, soit que sa doctrine manquât encore de cette étendue, de cette précision et de cette cohérence qu'elle a repues depuis, le public parut rester dans l'indifférence, et la superstition des savans pour les formules qu'un grand maître leur avait transmises, ne fut pas ébranlée. La théorie des couleurs va reparaître aujourd'hui en corps complet de doctrine. La simplicité et l'évidence des principes ou plûtôt des phénomènes primitifs dont elle part, la justesse et l'enchaînement des conséquences qu'elle en tire, l'immensité des faits qui tous s'y classent dans leur ordre naturel, frappent l'esprit d'une lumière irrésistible et dans le spectre variable des couleurs prismatiques elle a sû fixer la vérité. Cette partie de l'ouvrage est déjà imprimée. Une autre partie contiendra des recherches historiques sur les variations que la doctrine des couleurs a subies, sur les idées qu'on s'en est faites avant Newton, et sur l'opposition sourde mais continue par laquelle de très-bons esprits, surtout parmi les Français, ont contesté l'empire à la théorie de ce dernier. Enfin la partie polémique démontrera que Newton, arrachant de l'ordre des faits un phénomène particulier dont il a méconnu la nature, partant du composé pour ne jamais arriver au simple, postulant des propositions fausses et se mettant en contradiction avec l'expérience, a porté la confusion dans cette matière et que les Newtoniens, au lieu de linge blanc, seront condamnés à porter désormais du linge gris. Si le résultat de la nouvelle doctrine n'aboutissait qu'à cette bonne plaisanterie, elle pourrait encore avoir un grand intérêt, puisqu'en redressant une branche aussi importante, dont la fausse direction embarrassait toute la physique, on aurait rendu un service éminent à cette science; mais peut-être l'Apôtre des réformes de la métaphysique et du Christianisme, trouverait au dessous de lui de devenir celui de la réforme de la chromatologie. Et cependant dans cette hypothèse même cet ouvrage, modèle de clarté, de cohérence, de richesse et d'exactitude en observations et en expériences, prouverait encore que le nom de Göthe n'est point déplacé à côté de ceux de Kant et de Luther.. . . . . Voilà cependant et la difficulté et l'importance de la proposition que j'ai à vous faire et que vôtre pénétration aura déjà saisie, j'oserais presque dire que vôtre zèle philosophique aura déjà acceptée. Les idées de M. de Göthe trouveront, n'en doutés point, un champ préparé dans la nation allemande . . . mais comment les transmettre aux Français qui, dans aucun sens, ne consentent à se laisser conquérir, et par l'organe d'une langue qui, renfermant dans son enceinte toute l'étendue des connaissances humaines, s'est refusé la faculté d'en modifier la forme et d'en agrandir la sphère? . . . Non seulement vous lirés l'ouvrage, mais vous parcourrés tout le cercle d'observations et d'expériences qu'il vous 292
1807
Karlsbad indique. Ce sera lorsque les faits auront parlé à vos yeux que le livre parlera à vôtre esprit; un pas de plus et vous serés à la hauteur de son principe. Cependant pour vous prouver au moins que j'ai été écolier attentif et docile je vous envoye le résumé d'une séance, dans laquelle M. de Göthe m'exposa ses idées avant que je n'eusse lû son ouvrage. Si c'était la v o i x v i v a n t e , telle que je l'ai entendue, vous sériés déjà converti, vous sériés déjà Apôtre; mais hélas, c'est la lettre qui tue.
1.7.
Tagebuch 1. 7. 1807 (WA III 3, 233)
Mit Voigt spatzieren. Die Dose für ihn angeschafft. Mittags bey Fritsch gegessen. Um Vi 3 Uhr nach Ellbogen gefahren . . . Discours mit der Wirthin [Margarethe Katharina Ruschitschka] im Rössel, welche mir erzählte, daß seit der Schlacht bey Jena 20608 Preußen durch Ellbogen durchgegangen, wie sie von demjenigen wisse, bey dem sie sich hätten melden müssen. Noch vor kurzem sey ein preußischer Commissär dagewesen, der sich 15 Tage bey ihr aufgehalten und viel Geld bey sich gehabt, um die Durchziehenden zu verpflegen und ihnen weiter fortzuhelfen. E r sey aber nunmehr vom Kreisamt weggewiesen worden. Riemer, Tagebuch 1. 7. 1807 (Keil5 S. 235)
B 2 1011 B 3 2492
Nach Ellnbogen gefahren. Vortreffliche, schöne Lage des Ortchens . . . Einiges gezeichnet. Goethe rieth mir, Everdingens Sachen zu studiren, weil ich das Aperpu der Silhouette habe. Es war nämlich vor der Stadt ein prächtiges Motiv für einen Potter, ein sogenannter Bruch, bewachsen mit einzelnen Weiden, der aber mit Vieh zu Staffiren wäre. Ich habe ihn gezeichnet und ein wenig mit Farbe angewaschen, so gut ich's konnte. Räthsel: „Wo ist der Trank eins mit der Flasche? Wo die Speise mit dem Topfe? Antwort: in der Weinbeere, im Ei. Abends nach Hause. K. F. Reinhard, Protokoll eines Gesprächs mit Goethe am 1. 7. 1807, in dem das Gesprächsprotokoll vom 4. 6. 1807 gemeinsam korrigiert wurde (KMA 859)
d. 1 sten July. 1.) Physiol. Farben, Erscheinungen, die sich unter [übernehmend vom 4. Juni: gegebnen Bedingungen blos im Auge] ereignen u. ausschliesend subjektiv sind. So bleibt das Bild d. Sonne im Auge zurük, wenn dieses schnell vom hellen sich ins dunkle wendet. Ein schwarzes Blättchen auf einem weissen Blatt, unverrükt u. lang angesehn und dann schnell weggerükt, erscheint dem Auge noch auf d. neml. Stelle aber mit einer andern Farbe. Man bemerkt, daß es korespondirende Farben gibt, deren eine die andre im Auge hervorruft oder f o r d e r t . Alle diese Erscheinungen sind spezifizirt u. vorübergehend. Wenn so vorübergehend, das Dunkle ins Helle tritt, erscheint gelb; wenn das helle ins dunkle, erscheint blau. 293
1807
Karlsbad Farbigte Schatten, gelbe, blaue. — Pathologische Farben, im Zustande des Auges oder des Körpers.
krankhaften
Diese Bedingung oder dieses Gesez hat man beim Magnetismus deh Polarität, bei der Elektrizität u. d. Galvanismus deh Positiv u. Negativ, Plus u. Minus ausgedrukt. In d. Chimie waltet hydrogen u. oxygen. Für d. Sinn des Auges ist Licht u. Schatten; aus Licht und Schatten entstehn die Farben Jede Brechung erfolgt nur an den R ä n d e r n eines B i l d s , d. h. eines in Linien eingeschlosnen Raums; sie findet nicht Statt, wo kein Ubergang vom hellen ins dunkle, vom dunkeln ins helle ist. E i n e w e i s s e W a n d d u r c h s P r i s m a b e t r a c h t e t b l e i b t weis, ausser an den Gränzen. Durch jede Brechung wird ein Bild verükt; es entsteht ein Doppelbild, und nur in der Richtung, in der das Bild sich scheinbar bewegt, zeigen sich die Farben. Diese entwikeln sich in der nemlichen Folge, die wir schon kennen, und zwar so, daß immer das gelbe und orange erscheint, wo das dunkle ins helle, das blaue und violette, wo das helle ins dunkle tritt. Da, wo die Ränder der Doppelbilder, die da sie sich in der nemlichen Richtung folgen, immer die entgegengesezten Farben zeigen, sich erreichen, deken sich die Farben, und man sieht nur die Zwischen-Farben, wie z. B. Grün aus gelb und blau. Wo die Ränder der Doppelbilder sich nicht erreichen, erscheint die natürliche Farbe des Gegenstands. 2) Physische Farben, solche die deh ein Medium, deh einen durchsichtigen oder trüben Körper im Auge hervorgebracht werden u. die zugleich subjektiv u. objektiv sind. Sie sind spezifizirt u. vorübergehend. — Dioptrische Farben, Prisma — Epoptische Farben, die sich unter gegebnen Bedingungen auf Oberflächen zeigen, z. B. zwei polirte Spiegelgläser gegeneinandergedrükt, zeigen purpurne und grüne Ringe. Stai im Feuer läuft nach verschidnen graden d. Hize mit verschidnen Farben an. Diese können fixirt werden u. machen so den Ubergang zu den 3) chimischen Farben, die nach Gefallen auf d. Oberfläche d. Körper hervorgerufen, verändert oder aufgehoben werden können. Sie sind spezifisch u. fixirt. — Verwandschaft des gelben u. gelbroten mit Säuren, des blauen u. blauroten mit Alkalien. Das Auge sieht [übernehmend vom 4. Juni: nicht Formen, sondern nur Farben — Farben sind die Natur in so fern sie sich dem Auge manifestirt. — Die allgemeine Bedingung unter welcher] die Natur sich uns manifestiren kann oder wir die Natur auffassen können, scheint diese [übernehmend vom 4. Juni: zu seyn, daß ein Positives und ein Entgegengeseztes sich zeigen, das ein Zerreissen statt finde und ein Streben nach Widerherstellung, nach Einheit,] nach Totalität. In d. Farben Lehre zeigt sich [übernehmend vom 4. Juni: dieses Zerreissen, so wie das Streben in Totalität] überzugehn, in den mannigfaltigsten Erscheinungen. Daher z. B. die Purpur-Farbe, wenn das Auge geblendet v. einer Schnee294
1807
Karlsbad Fläche wegblikt; daher grüne Buchstaben auf einem weissen, v. d. Sonne beschienenen Papier. — Durch t r ü b e , farblose Mittel werden diese Erscheinungen am auffallendsten dargestellt; ein trübes Glas gegen das Licht gehalten, erscheint gelb, gegen d. Schatten, blau; ein doppeltes [übernehmend vom 4. Juni: solches Glas gegen das Licht, orangen-gelb; gegen den Schatten, violet-blau; ein dreifaches gegen das Licht, orangen-rot; gegen den Schatten,] violetroth. (Dis doppelte Roth vereinigt bildet reines Roth, Purpur, zwar nicht chimisch, aber in d. Erscheinungen der Natur. So aufsteigend [übernehmend vom 4. Juni: auf der Lichtseite durch die Potenzen? Von Licht minus Licht, und auf der NichtlichtSeite durch die Potenzen von Licht minus Licht finden wir gegenüber gelb und blau, orangen-gelb und violet, oben rot. Aus Gelb und Blau entsteht Grün, und so] haben wir im Zirkel [übernehmend vom 4. Juni: rot
] wo immer [übernehmend vom 4. Juni: die im Durchmesser, nicht die in Chorde sich gegenüberstehenden Farben die Totalität bilden,] u. sich gegenseitig f o r d e r n . Diese Farben-Folge [übernehmend vom 4. Juni: mus in allen physischen Erscheinungen unveränderlich seyn] u. ist unveränderlich. Zuweilen verschwinden die Zwischen-Farben, und man erblikt nur ζ. B. Blau, Purpur, gelb, oder: orange, grün, violet, oder auch nur: Grün und Purpur. Dis geschieht nemlich in den Erscheinungen, die durch Refraktion hervorgebracht werden, (auch in den epoptischen) Was v. d. im obigen Zirkel bezeichneten Farben gesagt ist, gilt von jeder Nüance zwischen den bezeichneten Farben; jede fordert die ihr gegenüberstehnde; und um die Formel des Magnetismus hier anzuwenden, könnte man sagen, daß während d. Magnet nur zwei Pole hat, dieser Farben-Zirkel eben soviele Pole habe, als im Durchmesser gegenüberstehnde Punkte der Circumferenz. Zugleich sind durch diesen Zirkel alle mögliche Farben-Erscheinungen abgeschlossen. Weis ist das undurchsichtige helle; schwarz ist das undurchsichtige dunkle; aus der Vermischung aller Farben entsteht grau. Wie die Farben eine unverkennbare Affinität mit d. chimischen Elementen haben (bei d. galvanischen Säule wird durch Lakmus das sich zersezende Wasser auf d. Einen Seite d. Säule grün, auf d. andern rot gefärbt) eben so haben sie Affinität [übernehmend vom 4. Juni: mit der menschlichen Seele. Farben der Licht-Seite geben Freude und Mut; der Nicht-Licht-Seite stimmen sanft] und zur Traurigkeit. Anwendung [übernehmend vom 4. Juni: auf die Ästhetik ergibt sich von selbst. Die menschliche Natur liebt überall das Ganze. Alle Farben, die im Durchmes-
295
1807
Karlsbad ser von einander stehn, enthalten das Ganze, und suchen sich, und gefallen. Rose mit grünen Blättern. — Wo der Haupt-Ton des Gemäldes Farben der nemlichen Seite erfordert, dürfen doch Farben der entgegenstehnden Seite nicht ganz feien, um jene metaphysische Sehnsucht] zu befriedigen.
27./1. 7.
Chr. G. v. Voigt an Eichstädt 9. 7. 1807 (UB Jena, Nachl. Eichstädt 2)
HGRvGöthe befindet sich in Carlsbad recht wohl; mein Sohn hat ihn dort gesehen. 2. 7.
Tagebuch 2. 7. 1807 (WA III 3, 234)
Buchhalter Gerle von Prag, ein unterrichteter Mann, von dem besten Willen . . . Nachher kurze Zeit bey Meyer. Riemer, Tagebuch 2. 7. 1807 (*Mittheilungen 2, 700; Keil 5 S. 235)
B 2 1 0 1 4 B 3 2493
Gegen Abend spazieren mit G. nach der Carlsbrücke. Zum Glasmann; Art desselben, auf Glas zu tuschen. Abends zu Hause. Allerlei Gespräche. G.: „Die Kunst stellt eigentlich nicht Begriffe dar; aber die Art, wie sie darstellt, ist ein Begreifen, ein Zusammenfassen des Gemeinsamen und Charakteristischen, d. h. den Styl." 3. 7.
Tagebuch 3. 7. 1807 (WA III 3, 234)
Um 10 Uhr gebadet. Darauf kam Resident Reinhard und blieb bis gegen 1 Uhr. Gespräch über Hamburg überhaupt, besonders seinen litterarischen Zirkel. Reimarus, Klopstock, Lessing, Büsch, Ebeling u. s. w. Vorständige beschränkte Denkungsweise. Ferner über den Unterschied des Charakters der drey letzten Hansestädte. Uber die Geschichte des Tages. Aussichten für Religion und Cultur im Norden. Zu Tische mit Fritsch allein. 4. 7.
Tagebuch 4. 7. 1807 (*WA III 3, 234; G S A , Goethe 27)
Mittag beym Herzog. Gegenwärtig Graf Salmour, Graf Loß, Dr. Kappe und Oberhofprediger Reinhard. Nach Tische zu Landkomthur v. Berlepsch. Riemer, Tagebuch 4. 7. 1807 (Keil 5 S. 236)
Goethen vorgelesen aus des Bonaventura mystischen Nächten, von Feßler. Nachher mit ihm spazieren. vor 5. 7.
Christine Reinhard an Sophie Reimarus 5. 7. 1807 (B 2 Band 1 S. 498)
B2 1 0 1 2 B3 2494
Ich sagte neulich im Spaß zu Goethe, daß Sie sein Urteil über die Schlegel verlangten. Er läßt Ihnen sagen; daß er das Urteil der ganzen Welt unterschreibe, denn wenn man alles, was diese Gutes und Böses von den beiden Brüdern gesagt habe, zusammen addiere, so würde das Fazit, das herauskäme: Wilhelm und Friedrich Schlegel heißen. Goethe fordert uns auf, unsern Weg über Weimar zu nehmen. Bei dieser Gelegenheit sagte er Karl: Sehr wünsche ich, daß Sie die Bekanntschaft meiner Frau machen. Ich bin Ihnen eine Schilderung von ihr schuldig, vor Ihrer Frau würde 296
Karlsbad
1807
ich es nicht wagen, denn sie hat eine zu aristokratische Natur. Zuerst muß ich Ihnen sagen, daß von allen meinen Werken meine Frau keine Zeile gelesen hat. Das Reich des Geistes hat kein Dasein für sie, für die Haushaltung ist sie geschaffen. Hier überhebt sie mich aller Sorgen, hier lebt und webt sie; es ist ihr Königreich. Dabei liebt sie Putz, Geselligkeit und geht gern ins Theater. Es fehlt ihr aber nicht an einer Art von Kultur, die sie in meiner Gesellschaft und besonders im Theater erlangt hat. Uberhaupt glaubt man nicht, wie sehr das Theater, wenn man so zehn Jahre lang es alle Abende besucht, bildet. Da kommt denn doch alles vor: Welt, Kunst, Moral tritt durch das Spiel der Personen hervor und durch die Freiheit des Urteils gewinnt es für die Zuschauer neues Interesse und Lebendigkeit. Auch bei meinem Sohne habe ich es bemerkt. Christine Reinhard an Sophie Reimarus 5. 7. 1807 (Übers, nach d. dtsch. Orig.: Wimpffen S. 332) B 2 1 0 1 3 B 3 2495
[Anschließend an die vorangehende, nach dem Original überlieferte Briefstelle:] Dans l'antiquité, le spectacle passionnait les Grecs, et leurs plus célèbres orateurs se préparaient aux luttes de la tribune en prononçant des discours sur les places publiques. » Goethe nous a fait un fort joli cadeau en nous donnant la nouvelle édition de ses oeuvres complètes, qui vient de paraître. Il a collé lui-même sur la première page une vue de Carlsbad, prise d'après nature et peinte par lui avec cette dédicace: « Au digne couple Reinhard, » et cette attention nous a touchés. Mon mari s'est procuré plusieurs auteurs français qu'il veut lui offrir. En ce moment, il n'est question que de Corinne. Le duc en a fait venir un exemplaire sur la demande de Goethe, il l'a en mains depuis peu de jours et il paraît en être émerveillé. Il loue cet ouvrage sans aucune réserve et en est aussi enthousiasmé que vous l'êtes vous-même. F. Schlegel an Anne Germaine de Staël 13. 8. 1807 (Körner 3 1, 432)
On [Reinhard?] m'écrit que Goethe est tout a fait enchanté de Corinne et qu'il n'en parle qu'avec un enthousiasme qui lui est bien rare. Pour donner cependant toute l'exactitude possible a cette petite nouvelle, il faut ajouter qu'il n'avoit encore repu que le I e Volume. 5. 7.
Tagebuch 5. 7. 1807 (WA III 3, 235)
Ein paar Becher Sprudel getrunken. Nachher mit Resident Reinhard auf der Wiese spatzieren. Kam darauf Hr. von Wöllwarth. Nachher Dr. Kappe. Ferner Resident Reinhard. Einnahme von Lübeck und unglückliche Folgen daher. 6. 7.
Tagebuch 6. 7. 1807 (WA III 3, 235)
Am Schloßbrunnen mit Oberhofprediger Reinhard: über das deutsche Publikum und woran es denn eigentlich Interesse genommen u. s. w. Mit dem Herzog auf der Wiese spatzieren. Zu Hause gefrühstückt . . . Ließ Fürst Auersperg seine Pferde vorführen. Mittag mit Fritsch allein gegessen. Der Herzog machte eine Parthie nach Engelhaus. Husar der von Weimar kam und ein Packet mitbrachte mit der Nachricht von des Reg. Rath Voigts glücklicher Ankunft in Weimar. 297
Karlsbad
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Bedingungen des Waffenstillstandes. Nachher zu Resident Reinhard, wohin Herr und Frau von Wöllwarth kamen. 1. 6./6. 7. K. F. Reinhard an J. v. Hammer 6. 7. 1807 (Bachofen v. Echt S. 491)
B 3 2496
Daß ich Goethen hier gefunden habe, hat Ihnen mein letzter Brief gesagt. Ich kann nur hierzu sagen, daß ich kaum irgend einen Menschen mit größerer Verehrung und Liebe jemals umfaßt habe als diesen. Er ist mir auf eine äußerst freundliche Art entgegen gekommen. Er ist Morgens und Abends unser beinahe ausschließender Umgang gewesen und ich habe Zeit und Gelegenheit gehabt, die ungeheuere Ausdehnung dieses Geistes in ihrem ganzen Umfange kennen zu lernen. Es ist beinahe keine Wissenschaft, die er nicht durch seine DétailKenntnis oder durch einen Uberblick beherrsche. Im ganzen Gebiete der Literatur, der Kunst und der Geschichte schaltet er nach eigenen Ansichten. Auch sein Charakter fußt auf durchaus edlen Maximen und was ehemals in ihm Launenhaftes war, hat Zeit, Weltkenntnis und Erfahrung gemildert. Auch ein gegenwärtiges physisches Leiden, das er mit großer Stärke trägt, hat ihn wohl milder gemacht. Kurz, dieses schöne Carlsbad war beinahe allein die Reise nach Jassy wert. Auch einen Ihrer Bekannten, Herrn Hofrath Böttiger, habe ich hier zwar bis jetzt noch sehr im Vorbeigehen kennen gelernt; doch haben wir schon von Ihnen gesprochen. Goethe und er sind n i c h t Freunde; und ich gestehe, daß, wenn ich unter beiden wählen müßte, die Wahl keinen Augenblick zweifelhaft sein könnte. 7. 7.
Tagebuch 7. 7. 1807 (WA III 3, 236)
Am Brunnen. Den Morgen mit Visiten zugebracht, bey Ompteda, Wöllwarth. Beym Herzog, während daß er badete. Zur Tafel mit Fritsch allein . . . Abends Concert von Calmus auf dem Violoncell mit Flötenbegleitung. 8. 7.
Tagebuch 8. 7. 1807 (WA III 3, 236)
Am Schloßbrunnen, mit Oberhofprediger und Dr. Sulzer . . . Beym Herzog als er badete. Stammbuch der Fürstin Bagration . . . Resident Reinhard. Versuch einer Ubersetzung der Farbenlehre ins Französische. Mit Oberhofprediger Reinhard und Kappe bey dem Prager Steinhändler. Nachher bey Yacowleff. Merkwürdiger chinesischer Teppich mit Landschaften, Figuren und Blumen, wovon alle Theile einzeln gewoben oder gestrickt und wie Tarsia zusammengesetzt waren. Ich erinnerte mich ähnlicher uralter Teppiche in Magdeburg im Chor des Doms. Riemer, Tagebuch 8. 7. 1807 (Keil 5 S. 236)
Mit G. nach der Eger zu spazieren. Prächtiger Abend. Lilafarbne Schindeldächer, blaugrüne Schatten. 9. 7.
Tagebuch 9. 7. 1807 (WA III 3, 236)
Am Brunnen, mit Resident Reinhard und Frau . . . Auf der Wiese mit dem älteren Yacowleff . . . Um 11 Uhr Resident Reinhard, den ich von der Geschichte der Farbenlehre unterhielt . . . [Nachmittag] Besuch von Hrn. von Ompteda. 298
1807
Karlsbad Κ. F. Reinhard, GesprächsprotokoU 9. 7. 1807 (KMA 859)
Geschichte der Farben-Lehre. Aus Göthens Munde. D. 9ten July, 1807 Es sind nur Materialien einer Geschichte; es bleiben Liiken, die villeicht nicht ausgefüllt werden können, die villeicht andre ausfüllen werden. — Auch hier wird sich zeigen, wie viel immer von der Vorstellungs-Art des Zeitalters und von der Individualität der Beobachter abhieng. Den ersten Völkern war die Farbe, der Regenbogen blos Symbol. — D. Hebräern des Friedens und der Begnadigung; etwas ähnliches den Griechen. Diesen war Iris die Tochter des Thaumas, des Erstaunens. Von Erstaunen geht der Mensch aus; auf Erstaunen kommt der Philosoph zurük. Unter den Griechen war Zeno der erste, der sich mit der Farbe beschäftigte. E r nannte sie zwar nicht im richtigen Sinn, aber sehr richtig, den ersten Schematismus der Natur. — In einem Traktat über die Farben, der, noch vorhanden, dem Theophrast zugeschrieben wird, aber, nach Wolf, dem Aristoteles gehört, u. ganz aristotelisch ist, werden die Farben den Elementen zugetheilt, Licht die gelbe, Luft die blaue, Erde die grüne. Er enthält einiges recht hübsche über die chromatischen Erscheinungen — die atomistische Vorstellungs-Art findet sich bei Epicur, der die Farben v. d. Flächen, von rauhen u. glatten, u. s. w. herleitet. — Plato hat, nach seiner Weise, herrliche Stellen, auch über physiologische Farben, ζ. B. im Timäus über Blendung, wo das Auge dem Objekt, das Objekt dem Auge entgegentritt, und das Zusammentreffen sich in Thränen auflöst. — Die Farbe beschäftigte die griechischen Philosophen besonders in Beziehung auf die Färberei, vornemlich den Purpur. Man sieht daß sie die Werkstätten besuchten; selbst Experimente zu machen, darauf verfielen sie nicht. — Man sieht übrigens, daß die Alten immer voraussezten, das Objekt stehe dem Leser vor Augen. Daher sind sie im Ausdruk durchaus nicht genau, und das nemliche Wort bedeutet oft bei den Griechen alle Farben, beinahe des ganzen chromatischen Zirkels. Unter den Römern handelt Plinius v. d. Farben nur in Beziehung auf Kunst und Färberei. Seneka hat einige in einem mehr heranrükenden Sinn bedeutende Stellen. — Einiges hieher gehöriges, findet sich in d. Kirchen-Vätern, besonders im Augustin. Nun tritt die Barbarei ein, und alles wird öde und leer. Unter den Arabern findet sich zuerst wieder eine Spur. Elhazin schrieb einen Traktat über die Farben, wo sich schon die Lehre von den Linien findet, und der ganz ins mathematische hinüber spielt. Nach Wiederherstellung der Wissenschaften wurde die Farben-Lehre blos literarisch behandelt, ohne Rüksicht auf d. Gehalt. Dalmasius gab den theophrastischen Traktat heraus, mit blos philologischen Anmerkungen. Auch Skaliger schrieb in diesem Sinn. Nun traten die alten Chimiker ein. Sie fanden das Verhältnis der Farbe zur Chimie. Salz war ihnen das Alkali, Schwefel die Säure, Mercur der Alles verbindende Geist. Diese Dreieinigkeit spielte sodann ins mystische hinüber. Theophrastus Paracelsus, Cardan. Die Mathematiker liessen die Farben seitwärts liegen. Kepler erklärte ausdrüklich, er könnte sich nicht damit befassen. Die Erfindung der Teleskope machte Epoche. Man konnte die Farbe nicht los wer299
1807
Karlsbad den, aber zugleich konnte man sie nicht reimen [?]. Von der aristotelischen Schule her, die auf die Jesuiten übergieng, wurde die Farbe immer als blosses accidens betrachtet, seis im Glase oder in der Luft. Ein Italiäner schrieb einen Quartanten, um zu beweisen, daß die Farbe etwas zufalliges sei; erst in d. lezten Paragraphen wagt er s. Meinung zu äussern, sie sei doch etwas konstantes, [a. R.: Galiläi vernachlässigte die Farbe ganz. Die Lehre v. d. Refraktion u. v. d. Linien absorbirte alles andre.] Ein Bischof v. Spalato [Antonius de Dominis] machte, als Dilettant, Versuche mit den Farben. Er wurde auf die Ränder aufmerksam, u. auf den dunkeln Grund als Bedingung d. Erscheinung, [a. R.: Er lies prismatische Farben nur an den Rändern gelten.] Descartes nam dis an; aber den dunkeln Grund und die Ränder wust' er beim Regenbogen nicht zu finden. Im übrigen trug er die dynamische Vorstellungs-Art auf die Farben über. Stärkere oder schwächere Wirbel bringen bei ihm die Farben hervor. Nach Theophrast od. Aristoteles und Elhazin war Boyle wieder der erste, der die Phänomene sammelte. Er hat sie mit Einfachheit und Treue dargestellt. Auch Hughes zur nemlichen Zeit beschäftigte sich mit d. Farben. Nun trat Newton auf. Im ersten Werk, das er über die Farben schrieb, und das erst nach s. Tod gedrukt wurde, gieng er noch ganz ehrlich zu Werke; aber in s. Optic, wo die Sache schon als System erscheint, und das er als Präsident der Londner Sozietät herausgab, sieht man schon das böse Gewissen. Newton fand vor die Fernrore, die Refraktion, die Linien. Nun fürt ihm der Zufall das prisma in die Hände, und zwar ein solches, wodurch er die Ränder zusammen fallen sieht. So erscheint sein Grün in d. Mitte, das er nicht mehr los wird. — Dieses Phänomen nun wird ihm zu Ur-Phänomen. Da er nachher doch d. weissen Raum gewar wird, da wo die Bilder nicht zusammenfallen, so ersinnt er Hypothesen auf Hypothesen, um dieses Einfache vom Zusammengesezten abzuleiten. Eben so er und s. Schüler bei jedem Fall, der mit d. Theorie nicht zusammenstimmt. Kurz Refraktion und Spaltung des Strals in die Urfarben wurden nun identisch. Jeder Körper läst gewisse Stralen durch, andre nicht. Aber ein gelbes Glas z. B. das nur gelbe Stralen durchlassen soll, zeigt dennoch jeden Gegenstand in s. natürl. Farbe, wiewol mit einiger Modifikation? Auch dafür fand man eine Erklärung. Nun hatte das Ansehn des Meisters die Lehre vestgesezt. Sie ward zum Glaubens-Artikel. Wie d. Katholike vor d. Monstranz knixt, und dann unbekümmert s. Geschäfte nachgeht, so jeder Physiker vor Newtons Farben-Theorie, die er denn bei Seite liegen lies. Die Philosophen fanden die Synthese der sieben Stralen in Einem hübsch; die Priester hatten ein artiges Bild und beide spielten damit. Indessen waren doch die Franzosen ihren eignen Weg gegangen. Gassendi [Lücke für ca 2 Wörter] bis Voltaire, nach England verschlagen, die Newtonische Physik nach Frankreich brachte, und als Mode einfürte. Fontenelle deh s. Mehrheit d. Welten hatte der Damen Philosophie den Weg gebahnt. Indessen auch nun machte Mariotte Einwendungen u. urgirte die weisse Wand. P. Castel warf d. Engländern vor, sie hätten zu d. Versuchen, die man anstellen wolte, lauter k l e i n e Prismen herübergeschikt, bei denen die Ränder zusammen 300
Karlsbad
1807
fielen. Die Sache kam in d. académie des sciences vor. Ein Comité untersuchte die Versuche, die alle gewält waren, um die Theorie zu begünstigen. So gieng d. Glaubens-Artikel durchs Konzilium. Voltaire schlug ihn mit Spott nieder, und sehr ernsthaft sagt' er: M. Mariotte qui avait une réputation, l'a ternie en supposant à Newton. Als wenn eine Reputation verloren werden könnte! Die Franzosen verstehn es vortreflich, einen Menschen zu beseitigen, wenn er von einer ganz fremden Seite Blossen gibt! Eben so gieng es d. P. Castel. Wirklich auch war Newton unüberwindlich, wenn man ihn v. d. Seite angrif, wo er Recht hatte, in d. Behauptung nemlich, daß die Farbe etwas konstantes sei. Unter d. Italiänern verfiel Rizetti zuerst auf die trüben Mittel. Er hat manches brauchbare; aber jeder reichte mit s. neuen Ideen gerade so weit als sie gieng. Auf alle Phänomene lies keine sich anwenden. Nun erschienen die achromatischen Fernröre. Man fand, daß bei d. neml. und beinahe bei d. neml. Grad v. Refraktion die Farben Spaltung beibehalten oder aufgehoben werden könne. Nach Newton solte eigentlich gar kein Teleskop möglich seyn; er gesteht, daß er selbst n[ich]t begreife, wie die Farben nicht alles deken. — Durch die achromatischen Fernröre wars erwiesen, daß Refraktion und Farben-Spaltung (um das Kunstwort beizubehalten) zwei verschiedne Dinge seien, und Newtons Theorie war todt. Aber todt, wie sie war, wurde sie einbalsamirt, und so erschien sie vor wie nach in allen Kompendien. Fourcroy, ohne sich einzulassen, spricht doch in s. élémens de chimie v. prétendue de composition de la lumière. Unter d. Deutschen ist nur Ein bedeutender Physiker [Baier] bekannt, der an Newtons Theorie Zweifel hatte; und auch von diesem weis man es nur durch Uberlieferung. Marat macht einige ganz gute Einwendungen gegen N. aber er sezt eine noch ungereimtere Theorie an die Stelle. Für die chimischen Farben, für ihr Verhältnis zu Säuren und Alkali ist viel vorgearbeitet worden. Riemer, Tagebuch 9. 7. 1807 (Keil 5 S. 236)
Abends mit G. auf den Galgenberg. Dort gezeichnet. 10. 7.
Tagebuch 10. 7. 1807 (WA III 3, 237)
Kurze Zeit am Brunnen, mit Dr. Sulzer. Hernach zum Herzog, wo Vorbereitungen zur heutigen Parthie nach Ellbogen gemacht wurden. Sodann mit demselben auf die Wiese. Kam der Herzog von Coburg . . . Nachher Dr. Florian, Gräflich Laczanskyscher Arzt in Manetin, Dr. Sulzer, Kappe und Mitterbacher. Etwas über Mineralogie von Böhmen . . . Nach Tische zu Resident Reinhard. Nachricht von den Friedenspräliminarien . . . Nach 8 Uhr kam die Parthie von Ellbogen zurück. Riemer, Tagebuch 10. 7. 1807 (Keil 5 S. 237)
Mit G. zur Wachsfigur [von Sussini, bossiert nach Anleitung von F. Fontana, in der Ausstellung des G. Ariosti]. Seine Meinung über die menschliche Organisation, als wir die weibliche Wachsfigur, die geöffnet und auseinander genommen werden konnte, betrachteten. 301
1807
Karlsbad Β 2 1017 Β 3 2498
Riemer, Mittheilungen 2, 701
[Goethe:] „Die Götter haben im menschlichen Körper eine unmögliche Synthese geleistet: das T h i e r und den M e n s c h e n zu verbinden. Die Eingeweide kommen alle übereinander zu stehen, da sie bei den Thieren hängen, in der Wampe. Sie hätten auch den Vogeltypus nehmen können: dann — scherzte er — legten die Weiber Eier und brüteten sie aus; dann u. s. w.["] 11.7.
Tagebuch 11. 7. 1807 (WA III 3, 237)
Am Schloßbrunnen. Mit Resident Reinhard den Weg hinter und über den Häusern der Wiese weg . . . Kam Resident Reinhard. Uber französische Revolution und Begebenheiten seines Lebens gesprochen. In der Zwischenzeit Fürst Ligne und Graf Salmour. Nachher auf der Wiese mit dem Herzog und Fürst Ligne. Dann zur Fürstin Bagration zu Tafel. Außer obgenannten Graf Starhemberg, der russische Legationssecretär [v. Mohrenheim], Graf Corneillan, Herzog von Coburg. Graf Corneillan zeigte eigene und fremde Zeichnungen. NB. Aquarellist Hammer in Dresden. 12. 7.
Tagebuch 12. 7. 1807 (WA III 3, 238)
Nach Eins zu dem Herzog, der im Bade war. Mittags zur Tafel waren der General und Minister von Wöllwarth, letzterer mit zwey Söhnen, und Hr. von Hopfgarten. Nach Tische Hr. von Schwarzenfels, der von Töplitz gekommen war und mit Herrn von Hopfgarten einen Pferdehandel machte. Da denn auf der Wiese ein Vorreiten stattfand . . . Mit Hofrath Sulzer zu Dr. Kappe. 13. 7.
Tagebuch 13. 7. 1807 (WA III 3, 238)
Resident Reinhard. Wir gingen seine Ubersetzung einiger Stellen der Farbenlehre durch und beredeten uns über die Art und Weise, wie sie ad Gallos zu richten sey . . . Mittags bey Reinhard zum Abschied gegessen . . . Gegen Abend Hr. von Mohrenheim, russischer Legationssecretär, welcher mir den Amphitryon von Kleist, herausgegeben von Adam Müller, brachte. 14. 7.
Tagebuch 14. 7. 1807 (WA III 3, 240)
Dr. Kappe und Dr. Mitterbacher . . . Mit Graf Corneillan lange auf der Wiese auf und abgegangen. Abends im Concert der Pixis Nachricht, daß der Herzog nach Dresden abgehen werde. Nach Hause. Einiges besorgt. Später zum Herzog. Auftrag wegen des Ringes an Dr. Kappe. Um 11 Uhr Abschied genommen. An Chr. G. v. Voigt 18. 7. 1807 (WA IV 30, 103)
Serenissimus sind den 14. in der Nacht auf eine von H. Verlohren erhaltene Stafette von hier nach Dresden gereist . . . Höchstdieselben waren bey gutem Befinden und guter Laune. vor 15. 7. An Christiane v. Goethe 16. 7. 1807 (WA IV 19, 371)
Unter die Menschen komme ich wenig; nur in sofern ich bey dem Herzog speise und von ihm in die Welt gezogen werde, sehe ich manchmal verschiedene Personen. 302
Karlsbad
1807
A n Christiane v. Goethe 23. 8. 1807 (WA IV 19, 390)
Es wäre nicht unmöglich, daß ich nach Töplitz ginge . . . der Herzog hat hier mündlich . . . dergestalt darauf insistirt, daß ich ihn dort besuchen soll, daß ich noch nicht weiß, ob ich es ablehnen kann und werde. Böttiger, Korrespondenz-Nachricht aus Karlsbad (Morgenblatt 14. 7. 1807, S. 668)
Carlsbad, das im vorigen Jahr an 800 Nummern in seiner Badeliste aufführen konnte, ist diesmal sehr verödet, da alle Besuchenden aus Niedersachsen, der preußischen Monarchie und Rußland wegbleiben, und sich die ganze Gesellschaft aus erbländischen und sächsischen Badegästen zusammensetzen muß . . . Der regierende Herzog von Weimar, nebst dem Geheimen-Rath von Goethe, dessen Gesundheit hier neue Stärkung erhält, gehören unstreitig zu den merkwürdigsten Mitgliedern der dießmaligen Badegesellschaft. Der Herzog ist von hier nach Teplitz gezogen. Goethe wird noch einige Wochen in Carlsbad, und seinen von ihm mit scharfen Kenneraugen beobachteten Umgebungen verweilen. 15. 7.
Tagebuch 15. 7. 1807 (WA III 3, 240)
Bey Reinhard Abschied genommen. Am Schloßbrunnen, mit Oberhofprediger Reinhard: über den neuen mystischen Amphitryon und dergleichen Zeichen der Zeit . . . Vorher bey Müller. Einige gute Exemplare zur geognostischen Sammlung. Ausgegangen. Der Prinzessin Bagration das Stammbuch gebracht, die ich auf der Wiese sitzen fand. Bey ihr waren der Herzog von Coburg, Gentz, Narischkin, Kayer etc. Dr. Kappe den Ring gegeben. Mit Frau von Ompteda zu dem Prager Steinhändler. Mehrere Damen kamen dazu. Bey Franz Meyer wegen des Austausches der Broncen. Mittags zu Hause. Stafette von Dresden wegen der früheren Ankunft des Kaisers . . . Nach Tische zu Franz Meyer über die Wiener Zustände zur Zeit der Franzosen. Zum Buchhändler Haaß. Transparente Visitenbillets. Sonst hie und da in den Läden. Riemer, Tagebuch 15. 7. 1807 (*Dtsch. Revue 11, 1 S. 64; Keil 5 S. 238)
An Goethe's geologischem Schema geschrieben. Mit G. zu Meyer aus Wien; kostbare Silber-, Bronce- und Stahlarbeiten. Niedliche Gouachegemälde von Wigand, Wiener Prospecte vorstellend. 29. 5./
Tag- und Jahres-Hefte 1807 (WA I 36, 13)
15 ' 7 '
In reiferen Jahren, wo man nicht mehr so heftig wie sonst durch Zerstreuungen in die Weite getrieben, durch Leidenschaften in die Enge gezogen wird, hat eine Badezeit große Vortheile, indem die Mannichfaltigkeit so vieler bedeutender Personen von allen Seiten Lebensbelehrung zuführt. So war dieses Jahr in Karlsbad mir höchst günstig, indem nicht nur die reichste und angenehmste Unterhaltung mir ward, sondern sich auch ein Verhältniß anknüpfte, welches sich in der Folge sehr fruchtbar ausbildete. Ich traf mit dem Residenten von Reinhard zusammen, der mit Gattin und Kindern diesen Aufenthalt wählte, um von harten Schicksalen sich zu erholen und auszuruhen . . . 303
1807
Karlsbad Schon der Moment, in welchem sich ein neuer würdiger Landsmann von Schiller und Cuvier darstellte, war bedeutend genug um alsobald eine nähere Verbindung zu bewirken. Beide Gatten, wahrhaft aufrichtig und deutsch gesinnt, nach allen Seiten gebildet, Sohn und Tochter anmuthig und liebenswürdig, hatten mich bald in ihren Kreis gezogen. Der treffliche Mann Schloß sich um so mehr an mich, als er, Repräsentant einer Nation die im Augenblick so vielen Menschen wehe that, von der übrigen geselligen Welt nicht wohlwollend angesehen werden konnte. Ein Mann vom Geschäftsfache, gewohnt sich die fremdesten Angelegenheiten vortragen zu lassen, um solche alsbald zurecht gelegt in klarer Ordnung zu erkennen, leiht einem jeden sein Ohr, und so gönnte mir auch dieser neue Freund anhaltende Aufmerksamkeit, als ich ihm meine Farbenlehre vorzutragen nicht unterlassen konnte. Er ward sehr bald damit vertraut, übernahm die Ubersetzung einiger Stellen, ja wir machten den Versuch einer sonderbaren wechselseitigen Mittheilung, indem ich ihm Geschichte und Schicksale der Farbenlehre, von den ältesten Zeiten bis auf die neusten, und auch meine Bemühungen, eines Morgens aus dem Stegreif vortrug, und er dagegen seine Lebensgeschichte am andern Tage gleichfalls summarisch erzählte. Graf K. F. v. Reinhard an Goethe 4. 6. 1829 (Heuscheie - Gross S. 386)
Aus Krementschug bracht ich einen Nervenhusten, der mich nach Karlsbad und zu Ihnen führte. Nicht das Wasser, Sie haben mich kuriert. Graf K. F. v. Reinhard an F. v. Müller 26. 6. 1835 (GJb 11, 54)
B 3 7305
So wie er [Goethe] mich erst angezogen, dann an sich hinaufgezogen, dann mit Vorliebe, mit Treue, mit Nachsicht, mich geduldet, gehalten, gehoben hat, so ist mir von keinem andern Menschen geschehn. Christine Reinhard an Johanna Frommann 8. 7. 1807 f L a n g 1 S. 314; GSA, Frommann 71, 4) B 3 2497
Die zwei Monathe hier sind uns unglaublich schnell vergangen. Wir haben in diesem friedlichen Thal ausgeruht von dem Sturm des Lebens und wirklich körperlich und geistig neue Kräfte gesammelt. Unser Zusammentreffen hier mit Göthe betrachte ich als ein Geschenk des Himmels. Er und Reinhard scheinen großes Behagen an ein ander zu finden. Ich habe eine herzliche Freude sie ihre Schätze gegen einander austauschen zu sehn. Göthe lebt hier fast nur mit uns, wir sehen ihn täglich. Mein eigentliches Urtheil über diesen höchst merkwürdigen Menschen, der als Dichter alle meine G e f ü h l e , und als Mensch nur meine Ver s t ande s krä ft e in Bewegung setzt; behalte ich mir vor Euch einmal beim Theetisch recht v e r s t ä n d i g vorzutragen um es durch Euch berichtigen zu laßen. Christine Reinhard an Johanna Frommann 29. 3. 1808 (GSA, Frommann 71, 4)
Was Du bei G. über n i c h t E r k e n n e n und Fremdheit sagst, liebes Hanchen, past nicht, weil nicht von ein paar Puissanzen die sich nicht nähern wollten, sondern nur von meiner K l e i n h e i t und seiner Größe die Rede ist. Laß das nur 304
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Karlsbad gut sein ich kann Göthe immer bewundern und seinem gewaltigen einzigen Geiste huldigen, wenn er auch das bischen Gute was an mir ist nicht kennt oder aufzufinden der Mühe wehrt hielt. Graf K. F. v. Reinhard an Goethe 22. 8. 1822 (Heuscheie - Gross S. 285)
In Pempelfort habe ich das Autochthonische wieder erkannt, das Sie einst so schnell und so richtig an meiner guten Frau entdeckten. A n Christiane v. Goethe 16. 7. 1807 (WA IV 19, 371)
Resident Reinhard mit seiner Familie geht morgen ab, über Dresden, und kommt wahrscheinlich in einiger Zeit nach Weimar. Sey freundlich gegen sie, wenn sie dich besuchen, und mache ihnen etwa Gelegenheit, Jemand zu sehen und kennen zu lernen. An ihm wirst du einen ernsthaften, sehr verständigen und wohlwollenden Mann finden. In wie fern du zu ihr einiges Verhältniß haben kannst, wird sich geschwind zeigen. Sie ist eine gute Mutter und thätige Gattin, aber belesen, politisch und schreibselig; Eigenschaften, die du dir nicht anmaßest. Sie kennt Madame Schopenhauer und hofft, auch mit ihr in Weimar zusammen zu treffen. Christine Reinhard an Sophie Reimarus 10. 7. 1807 (Übers, nach d. dtsch. Orig.: Wimpffen S. 334) B 2 1 0 1 5 B 3 2499
. . . Goethe parut alors! . . . . Je vous ai parlé de nos rapports journaliers et de l'intérêt que j'ai pris à contempler ce génie aussi extraordinaire qu'universel. Je dis contempler, car malgré toutes les avances qu'il a faites, nos rapports, en ce qui me concerne du moins, n'ont jamais été cordiaux. Il y a chez lui trop d'apprêt et un manque de naturel qui n'appellent pas la confiance et qui, au contraire, excluent toute effusion. Il serait présomptueux de ma part de vouloir le juger et de prétendre avoir compris cet être unique. Je tenterai pourtant de reproduire l'impression qu'a faite sur moi cet esprit étincelant, mais il faudrait, pour bien le faire, avoir son don d'observation et sa hardiesse. Le professeur Huber dit avec raison que Goethe évite toute individualité, c'est pourquoi il n'a jamais ému mon coeur, il plane au-dessus des misères humaines, pareil à un habitant d'une autre sphère. Jamais il ne parle de lui-même, jamais je ne l'ai vu s'intéresser aux joies ou aux chagrins des autres. On obtient rarement de lui une marque d'approbation ou de déplaisir. Lorsqu'on lui raconte les peines, les déceptions de personnes qui lui sont connues, il envisage ces récits comme des faits divers et en cite de pareils. Rien ne l'émeut. Il vit dans le cercle de ses idées et de son savoir, cercle immense qui englobe toutes les sciences, et il se fait un jeu des matières les plus abstraites. Il s'occupe avec ardeur de botanique, de chimie, de minéralogie, d'astronomie; tout lui est familier. La théorie des couleurs est son cheval de bataille actuel, et le résumé qu'en a fait mon mari prouve que, partant de la chimie, elle aboutit à la philosophie. Adulé comme il est habitué de l'être, aucun hommage ne l'étonné. Au cours d'une conversation pendant laquelle Goethe s'était exprimé avec un feu, un élan inusités, Charles lui dit que, bien qu'à différentes reprises il eût été en rapports presque intimes avec des hommes 305
1807
Karlsbad remarquables, il n'avait trouvé chez aucun d'eux une telle richesse d'idées, une telle harmonie, une telle élévation de sentiments, enfin un ensemble aussi parfait que chez lui. Il lui avoua qu'il avait de la peine à le suivre, car son esprit devait revenir sans cesse sur ce qu'il lui avait entendu dire, et qu'il était souvent comme ébloui par la justesse et par l'audace de ses conceptions. Cet hommage ne parut pas étonner le poète, il lui répondit qu'il fallait, en effet, être habitué à son langage pour pouvoir le comprendre; que lui-même, à cause de cela, avait renoncé à la conversation et ne daignait plus causer que lorsqu'il trouvait des hommes à sa hauteur, comme l'était mon mari et comme l'avait été Schiller. Il fit alors l'éloge de ce dernier sans aucune arrière-pensée de rivalité et sans chercher à établir de comparaison. Vous savez, chère mère, que pareil à bien des hommes supérieurs, Goethe s'accommode volontiers, chez les femmes, d'un niveau intellectuel peu élevé, et qu'il préfère presque chez elles une nature vulgaire à une intelligence plus raffinée. Dans ses relations, il se laisse aller à l'impression du moment, et les maximes ne lui manquent pas pour justifier ses caprices et toutes leurs conséquences. Mais, dans ses ouvrages, ses héroïnes, douées de sentiments élevés, n'émeuvent et ne plaisent pas, parce que le poète ne les a parées de tant de vertus et ne les a créées avec tant d'amour que pour paraître avoir fait mieux que le Créateur. Faite par lui, la lecture de ses poésies est une véritable jouissance. Sa voix est sonore, forte et bien modulée. Le feu de son regard, son expression, ses gestes sont justes et impressionnants. Il déclame de préférence des ballades et des poésies à actions. Il nous avait prévenus que son choix se portait d'habitude sur des sujets représentant une situation bien frappante et non sur un exposé de sentiments ou d'aspirations. Ma main inhabile en a dit assez sur ce maître en tout art; il me resterait à vous communiquer l'appréciation de mon mari sur Goethe en tant qu'homme, sinon en tant qu'écrivain, mais le temps me manque. Elle diffère de la mienne à plusieurs points de vue, car il porte son ami tellement aux nues que la tête de son héros se trouve presque entourée d'une auréole. Moi, je me borne à admirer en lui deux yeux d'un éclat incomparable et tels que je n'en ai jamais vu de semblables, car ils reflètent une intelligence hors ligne . . . Notre départ est fixé au 15; je ne puis quitter sans émotion cette vallée où l'air que je respirais me semblait plus léger, où les soucis m'effleuraient sans m'atteindre et où la société de Goethe a imprimé à notre séjour un charme bien particulier. Ces relations, amenées par le hasard, deviendront durables, car de part et d'autre on a le désir de se revoir et on s'est promis de s'écrire. K. F. Reinhard, Tagebuch Mai/Juli 1807 (Β 2 Band 1 S. 501)
Β2 1016 Β3 2500
Einmal, wie der Alten gedacht war, sagte er: Wenn man bedenkt, wie weit es die Griechen schon gebracht hatten, was für Kenntnisse bei ihnen blühten, und wie das Alles untergegangen ist! dann sich ein bißchen umsieht nach dem, was uns bevorsteht, möchte man sich nur gleich auf die faule Haut legen. Aber man darf doch den Mut nicht verlieren. Es trieb mich auch immer und ich habe es mir sauer werden lassen.
306
1807
Karlsbad Goethe sprach von seiner Reise nach Italien und wie er erst an Ort und Stelle gefunden, daß er von Kunst keinen Begriff hatte. Dadurch ist mein Aufenthalt in Italien, sagte er, mühsam und von den gewöhnlichen Reisenden sehr verschieden geworden. Lange nahm ich gelehrig alles in mir auf, las, hörte, verglich, sah, bis ich endlich in mir selbst zur Klarheit kam. Ich hatte bis Rom, besonders in Venedig, ein sehr weidäufiges Tagebuch geführt, auch viele Briefe geschrieben, die ich größtenteils wieder zurück erhalten habe und die mir noch jetzt viel Vergnügen machen, weil sie meist mit vieler Freiheit und in der heitersten Stimmung meines Lebens geschrieben sind. In Rom ließ ich mein Tagebuch liegen oder schrieb wenig. Ich gedenke jenes Tagebuch, jene Briefe drucken zu lassen mit Anmerkungen. Es fehlte wenig, so wäre ich ganz in Italien geblieben. Mein Sohn, sagte er, hat das Gute, auch nicht die geringste Anlage zur Poesie zu haben. Meine Maxime wäre gewesen, ihn von selbst das werden zu lassen, wozu die Anlage ihn treibt; es gibt in der menschlichen Natur eine Periode für die Vernunft wie für die Pubertät, und oft geschieht es, daß die Menschen erst nach der Vernunft zum Verstand kommen. Allerdings, sagte Goethe, muß man meine Sprache erst eine Zeitlang hören, um mich zu verstehen, da ich mit niemandem spreche als mit Männern, die mich f a s s e n können, wie Sie ζ. B., so habe ich mich verwöhnt, besonders mit Schiller. Da ging es Schlag auf Schlag. Schiller war im höchsten Grade Idealist und reflektierend, schon in unsern Ansichten über Poesie gingen wir durchaus voneinander ab. Er war für die moderne sentimentale, reflektierende Poesie, mir war diese ein Greuel, da ich die alte, naive durchaus vorzog. Diese Verschiedenheit kränkte Schiller. Aus Schonung und Delikatesse hörten wir endlich auf zu streiten, aber Schiller behielt es auf dem Herzen, und so erschien plötzlich in den Hören sein Aufsatz über antike und moderne, über sentimentale und naive Poesie. Mir, der ich meiner Einseitigkeit mir bewußt war, (so wie überhaupt jeder Mensch einseitig ist und sein muß) mir machte dieser Aufsatz große Freude und ich erkannte, daß auch i c h durch mein Zeitalter und meine Ausbildung zur modernen Poesie gehörte. Von Schiller sagte er noch: Es ist unglaublich wie dieser Mann sich in den letzten Jahren ausgebildet, wie frei er sich bewegt hat. Seit zehn oder zwölf Jahren glaubte man er könnte kein Jahr mehr leben; man hatte sich daran gewöhnt und glaubte nicht mehr, daß er sterben könnte. C. F. E. Frommann an H. E. G. Paulus 25. 8. 1807 (GSA, Frommann 47, 4)
Ihr Landsmann der französ. Minister [Reinhard] (zulezt in Jassy) war mit seiner Familie in Carlsbad gewesen, wo er sich mit Goethe sehr eingelebt. Dieser hatte ihn sehr achten gelernt und R. wieder ganz G. C. F. E. Frommann an J. D. Gries 24. 8. 1807 (GSA, Frommann 47, 3)
Fernow und St. Schütz kommen diese Woche von Carlsbad zurück, Goethe aber wohl 8 à 14 Tage später. Er befindet sich wohl, gefällt sich und scheint sehr fleissig gewesen zu seyn. Reinhard (der französ. Minister) war mit G. lange in Carlsbad, viel und taglich zusammen, und beide haben sich gegenseitig sehr gefallen. Er war mit seiner Familie vom ó.1— 12 ten in Weimar . . . Wenn man sich an G. und Schiller gewöhnt 307
1807
Karlsbad hat, kann man ihn nicht steif nennen, mit leztern hat er besonders in Haltung und Stellungen frappante Aehnlichkeit. K. F. Reinhard an Goethe 9. 8. 1807 (Heuscheie - Gross S. 29)
Wir sind in Leipzig zwei Tage länger geblieben, als unser erster Plan war, um die Weimarsche Truppe zu erwarten. Sie kam und gab Torquato Tasso. Ich bitte Ihnen eine voreilige Meinung ab, die ich in Karlsbad äußerte; Tasso hat die Bühne vollkommen und mit dem höchsten Interesse ausgefüllt. K. F. Reinhard an Goethe 7. 3. 1808 (Heuscheie - Gross S. 56)
B 2 1016 a Β 3 2501
Seinen [Ζ. Werners] Mystizismus laß ich mir gefallen. Ich stoße, wie Sie von einer gewissen Nation sagten, mit den Fühlhörnern dagegen, aber ich ziehe sie nicht zurück. K. F. V. Reinhard an Goethe 16. 2. 1810 (Heuscheie - Gross S. 110)
Was Sie vom Wiederlesen der Wahlverwandtschaften voraussagen, ist bei mir bereits eingetroffen . . . Dieser Roman hat mir manche Ihrer Äußerungen in Karlsbad wieder ins Angedenken gebracht, und ich glaubte darin die Befugnis zu finden, Sie besser zu verstehn als mancher andre. K. F. V. Reinhard an G. F. Stäudlin 26. 2. 1810 (SNM)
Man mus sich, um das Werk [Die Wahlverwandtschaften] zu beurtheilen in einen eignen Gesichtspunkt stellen; und da ich durch persönlichen Umgang von mehreren Monaten und manchen Unterredungen die Ansichten des Verfassers kenne, so glaub' ich ihn so ziemlich gefast zu haben. An Graf K. F. v. Reinhard 12. 4. 1820 (WA IV 32, 235)
Daß Sie sich in der früheren Zeit der orientalischen Sprachen und Literatur beflissen, war mir, aus der treulichen Geschichte Ihres Lebensganges, wie Sie mir solche in Carlsbad vertraut, noch gar wohl erinnerlich. K. F. v. Reinhard an Goethe 4. 12. 1811 (Heuscheie - Gross S. 171)
Alsdann kommt [in Goethes autobiographischen Schriften] die historische Zeit. Auch aus dieser ließen sich herrliche Fragmente mitteilen, ζ. B. die Geschichte der Ausbildung Ihres Kunstsinnes, worüber Sie mir schon einst einige Andeutungen gegeben haben. K. F. Reinhard an Goethe 25. 7. 1807 (Heuscheie - Gross S. 28)
Ich erhalte diese Nachrichten [über die Beschäftigungen der Brüder Schlegel] von eben dem jungen Menschen aus Köln [S. Boisserée], von dem ich mit Ihnen gesprochen habe und den ich gerne für die Farbenlehre gewinnen möchte, damit Friedrich Schlegel den Katholiken nicht katholisch mache. An K. F. Reinhard 16. 11. 1807 (WA IV 19, 455)
Nach der langen Pause, und nach unsern Unterhaltungen, komme ich an die Sache [„das chromatische Geschäft"] mit einer Frischheit des Blickes, die mich an dem vorgearbeiteten manches aussetzen läßt.
308
1807
Karlsbad An Graf K. F. v. Reinhard 21. 7. 1 8 1 8 (WA IV 29, 252)
So eben bin ich bereit nach Carlsbad zu gehen, wo ich an so vielen Stellen der schönen Tage gedenken werde, die wir, zwar in bedenklicher Zeit, doch in freudiger und lebhafter Theilnahme genossen. Sie erhalten anbey verschiedene Druckschriften, mit denen ich mich seither beschäftiget. Sie finden darin gar manchen Gegenstand, über welchen wir uns früher unterhielten. K. F. Reinhard an Goethe 9. 8. 1807 (Heuscheie-Gross S. 30)
Den Geheimen Rat Voigt hab ich gefunden, wie Sie mir ihn geschildert hatten. Ich beneide Sie um diesen Kreis von Menschen. K. F. v. Reinhard an Goethe 21. 1. 1809 (Heuscheie - Gross S. 84)
Herr Leleu ist ein junger Franzose, den ich Ihnen in Karlsbad auf dem Schloßplatz vorgestellt habe. E. Le Leu an Goethe 11. 2. 1809 (Eing. Br. 1809, 103)
L'occasion que j'ai eu de faire à Carlsbad Votre connaissance pérsonnelle m'a été trop précieuse pour que j'ai pû oublier cette circonstance. 16. 7.
Tagebuch 16. 7. 1807 (WA III 3, 241)
Nach Tische Visite bey Graf Salmour; nachher bey Kreiscommissarius Prochazka wegen der Anstalt am Neubrunn. Riemer, Tagebuch 16. 7. 1807 (»Dtsch. Revue 11, 1 S. 64; Keil 5 S. 238)
Bei G. an dem Aufsatz über Carlsbad geschrieben. Spazieren mit G. an den Neubrunnen. Gedanken zu dessen leichtester Verschönerung. Auf den Codek'schen Weg. 17. 7.
Tagebuch 17. 7. 1807 (WA III 3, 241)
Früh am Schloßbrunn. Oberhofprediger Reinhard mit seiner Frau . . . Nachmittag auf den Hammer gefahren. Hrn. Städel von Frankfurt angetroffen und als Landsmann begrüßt. Vom Zustand dieser Stadt, dem Character und Benehmen des Fürsten und seiner Minister. Frau von Werther und Hr. von Einsiedel. . . Bey der Zurückkunft fanden wir Hrn. Prof. Fernow und Dr. Schütze. Einlogirung derselben u. s. w. Nach Tische Besuch von beyden bis 10 Uhr. Riemer, Tagebuch 17. 7. 1807 (Keil 5 S. 238)
Bei G. Fortsetzung der Mineralogica. Nach Tische nach dem Hammer. Gezeichnet die Aussicht hinter dem Wirthshaus-Garten, und des Hammers. Bei der Rückkunft fanden wir Fernow und Schütze. Sie kamen noch zu uns. St. Schütze, Tagebuch 17. 7. 1807 (*JSK NF 4, 99; GMD)
Ankunft in Karlsbad. Göthe weist uns ein Quartier an — im Maltheserkreuz. Abd mit Fernow zu ihm. Sein Urtheil über d. Corinna — er ist ernst gestimmt. 309
1807
Karlsbad
vor 18. 7. Riemer an C. F. E. Frommann 18. 7. 1807 (Heitmüller S. 97)
Β 3 2503
G. befindet sich seit einigen Wochen trefflich wohl und es ist nur zu wünschen, daß er sich dieses Zustandes auch entfernt von Carlsbad zu erfreuen habe . . . G. grüßt Sie allezusammen auf das schönste. An Chr. G. v. Voigt 18. 7. 1807 (WA IV 30, 104)
Der alte Müller begleitet mich wie vormals. Er ist noch eben so gut zu Fuß wie vor zwanzig Jahren und spricht immer von der Zukunft für die er zusammenträgt . . . Die Suite welche ich vorm Jahre nach Jena gebracht, werde ich dießmal complettiren so daß sie in ihrer Art einzig seyn soll. Titius von Dresden und Sulzer von Ronneburg nehmen einigen Antheil an diesen Dingen; doch nicht so viel als ich wünschte. Natürlich hat jeder seine eigene Ansicht und sein eigenes Interesse. 18. 7.
Tagebuch 18. 7. 1807 (WA III 3, 242)
Am Schloßbrunnen. Abschied vom Oberhofprediger und seiner Frau. Am Neubrunn mit Frau von Werther spatzieren. Zu Müller. Einpacken des Steinkästchens nach Jena . . . Bey Meyer, Thee- und Milchkanne gegen die Broncen umgetauscht. Nachher bey Dr. Sulzer; bey Fernow und Schütze. Dr. Sulzer erzählte von seiner Reise nach Töpel. Mit Dr. Kappe auf der Wiese spatzieren. Versteintes Holz von Joachimsthal und andere Bergarten, die er mir zukommen ließ . . . Nach Tische mit Müller und Schütze nach Dalwitz . . . In Dalwitz die Fabrik besucht, den Vorsteher derselben, Hrn. Haßlacher, vom vorigen Jahr noch gefunden und die Anstalt im Wachsen. Mit Hrn. von Schönau Bekanntschaft gemacht. St. Schütze, Tagebuch 18. 7. 1807 (*JSK NF 4, 100; GMD)
Mit Goethen, Riemer und dem Petschaftstecher [Müller] nach Dalwitz. (Er könne nur einen mitnehmen — Fernow ist den Nachmittag mit Böttiger bei Oberhofp. Reinhardt). 19. 6./ 18 7
Tag- und Jahres-Hefte 1807 (WA I 36, 15)
Sodann sollte mir der Name Reinhard noch einmal theuer werden. Der Königl. Sächsische Oberhofprediger suchte seine schon sehr zerrüttete Gesundheit an der heißen Quelle wieder aufzubauen. So leid es that, diesen Wackern in bedenklichen Krankheitsumständen zu sehen, so erfreulich war die Unterhaltung mit ihm. Seine schöne sittliche Natur, sein ausgebildeter Geist, sein redliches Wollen, so wie seine praktische Einsicht was zu wünschen und zu erstreben sei, traten überall in ehrwürdiger Liebenswürdigkeit hervor. Ob er gleich mit meiner Art mich über das Vorliegende zu äußern sich nicht ganz befreunden konnte, so hatt' ich doch die Freude in einigen Hauptpuncten gegen die herrschende Meinung mit ihm vollkommen überein zu stimmen, woraus er einsehen mochte, daß mein scheinbarer liberalistischer Indifferentismus, im tiefsten Ernste mit ihm praktisch zusammen treffend, doch nur eine Maske sein dürfte, hinter der ich mich sonst gegen Pedanterie und Dünkel zu schützen suchte. Auch gewann
310
Karlsbad
1807
ich in einem hohen Grade sein Vertrauen, wodurch mir manches Treffliche zu Theil ward. Und so waren es sittliche, das Unvergängliche berührende Gespräche, welche das Gewaltsame der aufeinander folgenden Kriegsnachrichten ablehnten oder milderten. Eckermann, Gespräche 30. 3. 1824 (Houben 1 S. 85)
B 2 2245
[Goethe:] Der selige Reinhard in Dresden . . . wunderte sich oft über mich, daß ich in Bezug auf die Ehe so strenge Grundsätze habe, während ich doch in allen übrigen Dingen so läßlich denke. 19. 7.
Tagebuch 19. 7. 1807 (WA III 3, 243)
Fernow und Schütze . . . Abends mit Fernow und Schütze auf die Pragerstraße. Riemer, Tagebuch 19. 7. 1807 (Keil 5 S. 238)
Bei G. Fortsetzung des mineralogischen Aufsatzes. Motive zu den Wanderjahren. Um 6 Uhr mit G., Fernow und Schütze auf die Prager Straße. St. Schütze, Tagebuch 19. 7. 1807 (*JSK NF 4, 100; GMD)
Mit Goethen pp spazieren auf der Chaussee nach Prag. Er geht allein nach Steinen. 20. 7.
Tagebuch 20. 7. 1807 (WA III 3, 243)
Am Schloßbrunnen. Unterhaltung mit Hrn. von Seckendorf. . . Nach Tische zu Frau von der Recke, wo ich Herrn Tiedge fand. Zu Capellmeister Himmel. Abrocome und Anthia. Abends mit Müller auf den Galgenberg, wegen der Breccien und Conglomerate . . . In Frankreich gibt es eine Familie Moncul. Eine schöne Frau, die diesen Namen führte, schrieb einem guten Freund, um ihn auf ihr Schloß einzuladen: Moncul n'est qu' un trou, mais les environs en sont charmants. Riemer, Tagebuch 20. 7. 1807 (Keil 5 S. 238)
[Mit Goethe] Die Feldspathkrystallform analysirt und in Thon nachgeahmt. 21. 7.
Tagebuch 21. 7. 1807 (WA III 3, 244)
Am Schloßbrunnen. Mit Capellmeister Himmel. . . Negoz mit Knoll. Besuch von Hrn. Städel von Frankfurt, von Hrn. Minister von Wöllwarth, Dr. Kappe, Capellmeister Himmel. . . Nach Tische bey Prinz Friedrich von Gotha. Elisabeth Goethe an Christiane v. Goethe 17. 8. 1807 (Pfeiffer-Belli S. 860)
Herr Städel brachte mir einen Brief vom 20 ten Julius von Carlsbaad — dieser Brave Mann, erzählte mir so viel gutes und schönes von meinem Sohn — von seiner Gesundheit, gutem Aussehn daß ich mich von Hertzen freute. Riemer, Tagebuch 21. 7. 1807 (Keil 5 S. 238)
[Bei Goethe] Die Krystalle zum Auseinandernehmen verfertigt aus Thon. 311
1807 22. 7.
Karlsbad Tagebuch 22. 7. 1807 (WA III 3, 244)
Nach Tische Brief von Frau von Eybenberg durch Hrn. Geh.Rath von Faßbinder, dem ich die Visite machte, drauf zu Franz Meyer, zu Knoll, wegen des Halsbandes. Visite an Dr. Kappe. Riemer, Tagebuch 22. 7. 1807 (Keil 5 S. 238)
Zu G. Am geologischen Aufsatz geschrieben. Nachher das Schema der Feldspathkrystalle gezeichnet und den Kreuzkrystall angefangen. 23. 7.
Tagebuch 23. 7. 1807 (WA III 3, 245)
Besuch von Dr. Sulzer. Geologisches Gespräch: über die partielle Folge der Epochen, deren Entwicklung in und aus sich selbst, so wie ihr endliches Auslaufen. Nicht gleichzeitig aller Orten. Argumente gegen das öftere Wiederkehren der Wasser. Mittags zu Hause. Von Kayer auf einen Augenblick. Hr. von Ompteda. Langes und umständliches Gespräch über die gegenwärtige politische Lage. Abends zu Franz Meyer, Zeltner von Prag, beyden ihre Rechnung bezahlt. Spatzieren. Nachher mit Himmel bis zur Papiermühle gefahren . . . Dilettant, der den Capellmeister mit der Violine accompagni« und am Schlüsse sagt: „Herr, bald wärt ihr aus dem Tacte gekommen!" Derselbe Dilettant und eine Dilettantin halten beyde keinen Tact. Der Capellmeister sagt am Ende: „Ihr habt beyde keinen Tact!" « C'est singulier, formalisiren sie, personne ne nous a dit fa! » Riemer, Tagebuch 23. 7. 1807 (*Dtsch. Revue 11, 1 S. 65; Keil 5 S. 238)
B 2 1 0 1 9 B 3 2504
Bei G. an dem geognosdschen Aufsatz. Briefe . . . angefangen. Mit G. spazieren. An der Karlsbrücke nahm ihn Himmel in seinen Wagen. [Himmel oder Goethe:] „Vokalmusik heißt sie, weil man beim (jetzigen) Singen nur die Vokale hört." 24. 7.
Tagebuch 24. 7. 1807 (*WA III 3, 246; G S A , Goethe 27)
Früh am Schloßbrunnen, dann am Neubrunnen. Frau von Werther, Frau ν Reck. Hr. von Nitschwitz, von Haak, Himmel, Pixis, Kayer. Himmels Entzückungen über das Wiener Freudenmädchen. Zu Hause mit dem Architeckten die neue Anlage am Neubrunn verhandelt. . . Nachher Geheime Rath von Faßbender. Abermalige Einladung nach Wien. Ueber die gegenwärtige Lage der Dinge. Argument dererjenigen die eine bessere und höhere Bildung aversiren „daß ja den Protestanten ihre Cultur eben so wenig bey Jena als den Catholiken ihre Uncultur bey Austerlitz geholfen oder geschadet habe" . . . Kam Professor Fernow. Ueber verschiedene sich gegenwärtig hier befindende Badegäste. Dr. Schubert von Dresden, Bürg von Wien u.s.w. . . . Man erzählt, als Napoleon zum Herzog von Gotha gesagt habe: il est domage que Vous n'ayez un fils, habe dieser geantwortet. Il ne depend que de Votre Majesté, que ma fille soit un garçon. Riemer, «Aphorismen S. 3 1 3 (GMD)
Β 2 1020 Β 3 2505
d. 24 July 1807. [Goethe:] „Die Bildung wird zwar von einem Wege (ins Holz) angefangen, aber auf ihm nicht vollendet. Einseitige Bildung ist keine Bildung. Man muß zwar 312
1807
Karlsbad von Einem Puñete aus-, aber nach mehreren Seiten hingehn. Es mag gleich viel seyn, ob man s. Bildung von der mathematischen, oder philologischen, oder künstlerischen Seite herhat, wenn man sie nur hat; sie kann aber in diesen Wissenschaften allein nicht bestehen. Die Wissenschaften einzeln sind gleichsam nur die Sinne mit denen wir den Gegenständen Fape machen; die Philosophie oder die Wissenschaft der Wissenschaften ist der sensus communis. Aber so wie es lächerlich wäre, wenn einer das Sehen durch das Hören, das Hören durch das Sehen compensiren und ersetzen wollte: sich bemühte die Töne zu sehen, statt zu hören; so ist es auch lächerlich durch Mathematik die übrigen Erkenntnißarten zu compensiren und vice versa, und so in allen übrigen. Oder es wird eine Phantasterey. Daher giebt es jetzt so manche Phantasten, die ohne positive Kenntnisse, die so durch phantastische Combination dessen was von jenen öffentlich verlautet, sich das Ansehen tiefer Einsicht in das Wesen einer jeden zu geben wissen. Exempla sunt otiosa." Riemer, *Mittheilungen 2, 701 (GMD)
Β 2 1021 Β 3 2506
Den 24 Julius 1807. G R [Goethe?:] „Die Stoische Philosophie ist, wie ich schon sonst bemerkte, eine Philosophie für die Armen, nehml. beruhend auf dem Abweisen des objects als in nostra potestate non situm. [Riemer?:] Ebenso muß man sagen, daß vielmehr alle Philosophie für die Armen ist, indem es ihnen darum zu thun seyn muß, weil sie der Mannigfaltigkeit des Genusses entbehren, geschwind das Identische und Gemeinsame an allem zu erfahren, das Leben wenigstens zu erkennen da sie es nicht practisch durchführen mögen. [Goethe? Riemer?:] Der Fichtianismus ist ein moderner Stoicismus vis à vis der Moral, sonst in Absicht auf Ideen ist es ein Piatonismus. (Unterwegs nach Carlsbad) 25. 7.
Tagebuch 25. 7. 1807 (WA III 3, 247)
Bekanntschaft mit Dr. Schubert von Dresden . . . Um 11 Uhr kam Dr. Schubert und trug mir seine Theorie des Sonnensystems vor. Ich las nach Tische seine Abhandlung über die Verwesung . . . Abends zu Meyer und dann kurze Promenade bis weniges hinter die Allee. Kam Himmel und sollte Abends unter den Bäumen musicirt werden, welches nachher im sächsischen Saale geschah. 26. 7.
Tagebuch 26. 7. 1807 (WA III 3, 248)
Gegen Abend auf der Wiese vor dem Maltheserkreuz mit Fernow und Schütze, wozu Dr. Schubert kam. Bekanntschaft mit Superintendent Gönne [Demme], der durch Frau von Recke präsentirt wurde. Abends auf den Ball. Bekanntschaft mit Gräfin Chotek, Frau von Bissing etc. Gespräch mit Herrn von Seckendorf, der von Dresden kam. Nachher mit dem russischen Gesandten [P. F. v. Maltitz] über französische Poesie. 313
1807
Karlsbad St. Schütze, Tagebuch 26. 7. 1807 (*JSK NF 4, 100; GMD)
Mit Goethen vor der Thür. Ueber die Weiber [? Ueber die Niobe?], benvenuto. Prof. Schubert. 8./26. 7.
A. v. Maltitz, Einige Minuten mit Goethe (Abendzeitung a. d. Jahr 1840 Nr. 229 Sp. 1830)B 3 6672
In Karlsbad, in meiner Knaben2eit, erschien er [Goethe] mir zuerst. Noch hatte ich keine Zeile von ihm gelesen. Man wies mir mit dem Worte „Goethe" einen hohen, ernsten Mann, dessen Auge gar so bestimmt umherschaute. Ich blickte ihm wie einem Wunderthäter nach, dessen Wunder mir noch unbekannt waren, aber man staunt lange, ehe man bewundert, und Knaben staunen für ihr Leben gern. Auf dem romantischen Wege zum Hammer sah ich ihn eines Tages, nicht weit von der Karlsbrücke, den Rücken gegen eine Wiese gewendet, am Rande der Straße stehen, säumend, nachdenkend und betrachtend, während wir zu Wagen an ihm vorüberrollten. Mit den hellen Sinnen des Knabenalters habe ich ihn in dieser Stellung auf immer festgehalten. Er mag in jenem Augenblicke mit seinem Faust umgegangen seyn, dessen erster Theil, wenn ich nicht irre, ein Jahr später (1808) vollendet erschien. L. A. Frankl, Wahrheit aus Goethes Leben (Die Heimath 1882, 768)
B 2 1507 a Β 3 2508
Der Dichter Apollonius Freiherr von Maltitz, der als Gesandter Rußlands nach dem Tode Goethe's in Weimar lebte, hatte diesen in Karlsbad kennen gelernt. Viel früher noch betrachtete er den Dichter, wenn er ihn sah, ehrerbietig aus der Ferne und pflegte ihm zu folgen. Da fiel ihm die sich einigemal wiederholende Erscheinung auf, daß Goethe, allein im Thale sich ergehend, die Augen immer zu den Wolken richtete und die Lippen fast ununterbrochen bewegte, als ob er geheime Zwiesprache mit denen, die in den Wolken wohnen, pflegte. Er schilderte dies in einem formschönen Sonette, das er uns in Karlsbad, von uns scheidend, verehrte. Es ist eines aus einem ganzen Cyclus, der in seinen gesammelten Gedichten nicht enthalten ist und den wir als kostbares Andenken an den trefflichen Freund, an den edlen Dichter bewahren. 27. 7.
Tagebuch 27. 7. 1807 (WA III 3, 248)
Frau von Werther, von Recke, von Einsiedel, Fernow, Schubert, von Haack . . . Nach Tische Besuch vom alten Müller. Nachher zu Meyer. Dann mit Fernow und Schütze nach der Carlsbrücke, wo Dr. Schubert mit Hrn. von Raumer aus Dessau, der in Freyberg studirt und der Gebirgskunde wegen reist, zu uns trafen. Κ. v. Raumer, Lebenserinnerungen (K. v. Raumer S. 38)
Auch dießmal [1804 in Halle] sprach ich ihn nicht, das geschah erst im Jahre 1808 [1807], wo ich ihm in Carlsbad als ein von Freiberg kommender Schüler Werners vorgestellt wurde. Bei dem großen Interesse Göthes an der Geognosie, besonders an der Werner'schen, unterhielt er sich damals sehr freundlich mit mir, und befragte mich auf's Genaueste über Leben und Lehre in Freiberg. St. Schütze, Tagebuch 27. 7. 1807 (*JSK NF 4, 100; GMD)
Spazirgang mit Fernow, Goethen und Riemer. G. nicht gesprochen. H. v. Raumer. 314
1807
Karlsbad An Christiane v. Goethe 27. 7. 1807 (WA IV 19, 373)
Frau Stallmeister Böhme und Demoiselle Musculus, Professor Fernow und Doctor Schütze sind auch glücklich angekommen und es zeigen sich täglich neue Curgäste. Riemer, Tagebuch 27. 7. 1807 (Keil 5 S. 239)
Briefe [für Goethe] geschrieben . . . Erklärte mir G. den Regenbogen. Riemer, Aphorismen S. 3 1 4
B 3 2509
den 27. Juli 1807. [Goethe? Goethe u. Riemer?:] „Das Qualitative soll nichts seyn, sondern allein das Quantitative? — Beides sind ja nur Worte, und es ist die Frage, was damit gemeint sey. Ist das Quantitative eine Wiederholung, Zusammenreihung des Einerleien oder des Verschiedenen? Des Einerleien nicht, denn es giebt eigentlich keine Doubletten von etwas; also des Verschiedenen, und die Verschiedenheit, daß nämlich Eins nicht das Andere ist, heißt man ja seine Qualität. Und wo fängt denn das Quantitative an? Womit ihr anhebt, das Eins oder das Erste, ist ja selbst wieder in's Unendliche theilbar und folglich auch schon zusammengesetzt. Ihr setzt also schon eine Quantität als Einheit oder als Erstes voraus." 28. 7.
Tagebuch 28. 7. 1807 (WA III 3, 249)
Nach Tische Gentz. Gegen Abend zu Fernow und Schütze. Nachher ins Concert der Demoiselle Mager, wo, als Capellmeister Himmel zu spielen anfing, das fürchterliche epileptische Geschrey der Subow einfiel und die brillante Societät in nicht geringe Verwirrung setzte. 2Ó./28. 7. G. Demme an Charlotte Sophie Hagenbruch 28. 8. 1807 (Geyer 2 S. 6)
Ich habe Göthen etwas näher kennen lernen. Die Frau v. d. Recke stellte mich ihm [26. 7.] vor, und er grüßte als Sultan der Musen von oben herab. Am dritten Tage nach dem Sultanischen Gruße fanden wir uns zufällig in einem Concerte, wo er äußerst freundlich war. Ich fahre fort, ihn zu achten, aber meinem Herzen ist er nicht näher gekommen. 29. 7.
Tagebuch 29. 7. 1807 (WA III 3, 249)
Prochazka der mir den Stahlischen Bericht über die Verbesserung des Carlsbades mitbrachte, den ich sogleich nachher las . . . Abends auf der Wiese. Einen Augenblick auf dem Ball im sächsischen Saal. Spatzieren bis zum Posthof. Begegnete uns H i m m e l . . . NB. Der Capellmeister der erst von Dilettanten durch ihr Vorspielen seckirt wird und hernach zu wohlthätigen Absichten um Gottes willen spielen muß. Riemer, Tagebuch 29. 7. 1807 (Keil 5 S. 239)
Vorlesung von Adam Müller, daraus vorgelesen. Gegen Abend mit G. aus; Versuch, auf den Ball zu gehen, bald umgekehrt aus dem Saal, nach dem Posthof. Zurück, noch eine Vorlesung von Müller gelesen. 315
1807 30. 7.
Karlsbad Tagebuch 30. 7. 1807 (WA III 3, 250)
Bey Müller ferneres Arrangement der Steine. Kam Kayer, mit dem ich eine lange Unterhaltung hatte. Kam der Architekt mit dem Plane der neuen Anlagen am Neubrunn. Nachher kam Schubert. Fortsetzung seiner Darstellung des Planetensystems . . . Spatzieren auf der Wiese mit Hrn. v. Haack gegen der Melone. Hr. von Seckendorf. Hinter den böhmischen Saal. Auf dem Rückweg Hofrath Titius, der sich über den Lärm und Unruhe bis spät in die Nacht auf der Wiese beschwerte. „Was in der poetischen Production Spinozismus ist, wird in der kritischen Reflexion Machiavellismus." Scherzhafter Unterschied, den man in der Societät hier zwischen Polon und Polonois macht. Riemer, Tagebuch 30. 7. 1807 (*Dtsch. Revue 11, 1 S. 65; Keil 5 S. 239)
B 2 1023 B 3 2 5 1 0
Gegen Abend auf die Wiese, wo wir bald sitzen blieben. Hr. v. Haack, Frau von Ompteda und Frau von Recke. Abends zu Hause Vorlesung von Müller. Bei Gelegenheit einer Müller'schen Vorlesung über das spanische Drama und seine Gescheitigkeit bemerkte G.: „Alles Spinozistische in der poetischen Production (oder: Was in der poetischen Production Spinozismus ist) wird in der kritischen Reflexion Machiavellismus." 31. 7.
Tagebuch 31. 7. 1807 (WA III 3, 250)
Bey General Canicoff zum Frühstück, der seine sehr angenehmen französischen Gedichte vorlas. Es sind meist gelegentliche Envois über menschliche und gesellige Verhältnisse, Schicksale und Leidenschaften mit vielem Geschmack, Tact und Gewandtheit behandelt; und da es an lauter wirkliche Personen gerichtet ist, auch die einzelnen Fälle immer etwas pikantes haben, so kommen darunter sehr hübsche und brauchbare Motive vor. Vor Tische Dr. Mitterbacher. Uber den Ball zum Besten des Hospitals. Juni/Juli
A n Zelter 27. 7. 1807 (WA IV 19, 376)
Interessante Menschen von sehr verschiedener Art habe ich kennen lernen, unter welchen der Französische Resident Reinhard, der zuletzt in Jassy gestanden und dessen Schicksale Ihnen gewiß im ganzen bekannt sind, wohl den ersten Platz einnimmt. Übrigens lebe ich denn doch sehr einsam: denn in der Welt kommen einem nichts als Jeremiaden entgegen, die, ob sie gleich von großen Übeln veranlaßt werden, doch, wie man sie in der Gesellschaft hört, nur als hohle Phrasen erscheinen. Wenn Jemand sich über das beklagt, was er und seine Umgebung gelitten, was er verloren hat und zu verlieren fürchtet, das hör' ich mit Theilnahme und spreche gern darüber und tröste gern. Wenn aber die Menschen über ein Ganzes jammern, das verloren seyn soll, das denn doch in Deutschland kein Mensch sein Lebtag gesehen, noch viel weniger sich darum bekümmert hat; so muß ich meine Ungeduld verbergen, um nicht unhöflich zu werden, oder als Egoist zu erscheinen. 316
Karlsbad
1807 Juli
Elisa V. d. Recke an J. Chr. Reinhart 25. 7. 1807 (Baisch S. 203)
B 3 2507
Goethe und Fernow sind jetzt hier. Ersterer will sich in Karlsbad ansäßig machen und auf der Wiese den goldenen Brunnen kaufen. Ich verdenke dies Goethen nicht; denn Karlsbad bleibt schön, wenn man auch Salzburg, Tyrol, Italien und die Schweiz gesehen hat. Elisa v. d. Recke an Fürstin Luise von Anhalt-Dessau 28. 7. 1807 (Aukt.-Kat. Stargardt 588, S. 66) B 3 7449
Göthe sehe ich bisweilen am Brunnen und auf Spatziergängen, aber kein Gespräch knüpft sich unter uns an. Göthe hat mich auch mit seinem Besuche beehrt, aber seit 22 Jahren daß wir uns kennen, blieben wir uns fremde . . . Göthe will sich in Carlsbad ansiedeln, er ist im Begriff, den Goldenen Brunnen an [dem] sächsischen Saale zu verlassen [Perloesen?]. Charlotte v. Schiller an Cotta 26. 7. 1807 (Marbacher Schillerbuch 1, 371)
Goethe soll außerordentlich wohl sein in Carlsbad, er hat sich auch dort mit seinen Werken beschäftigt u. zumahl die Optik durchgearbeitet. Er bleibt noch einige Wochen in Carlsbad. Juli (Jun./ F. v. Müller, Tagebuch 27. 2. 1 8 1 8 (Grumach S. 21) Jul. 1808?)
B 2 1830 B 3 4532
erzählte [Febr. 1818] eine allerliebste kleine Liebesgeschichte von Carlsbaad, als 2 junge Mädchens von Fr. Elise v. d. Reck[e] gehört hatten, er gebe sich mit älter η Damen gar nicht gerne ab. Soret, Conversations 20. 7. 1831 (Robinet de Cléry S. 134)
Β 2 2983 Β 3 6870
[Goethe, 1831:] Je me rappelle encore avec plaisir que, faisant une visite à Madame de Reck, on annonça une dame avec deux jolies demoiselles au moment où je sortais. Quel était ce Monsieur? demanda-t-elle. — C'était Goethe. — Ah! Dieu, que je suis fâchée qu'il ne soit pas resté et de n'avoir pas fait sa connaissance! — Vous n'y avez rien perdu, ma chère, dit Madame de Reck. Il est parfaitement maussade avec les dames, à moins qu'elles ne soient assez jolies pour l'attirer. Quant à des personnes de notre âge, c'est peine perdue de songer à le faire causer. Au sortir de la visite, les deux jeunes demoiselles se dirent entre elles: Nous sommes jolies. Voyons si nous ne parviendrons pas à subjuguer le sauvage et, là-dessus, quelques gracieuses révérences me furent faites au Sprudel. J'abordai ces dames, je leur parlai. De propos en propos, elles me conduisirent à leur mère et me voilà pris. Dès lors, nous fûmes tous les jours ensemble. Le promis de l'une de mes belles arriva. Je m'accommodai de l'autre. Je fus charmant pour toutes les trois et ce séjour à Carlsbad est devenu l'un de ceux dont je conserve le plus agréable souvenir. Peu de temps après, notre connaissance établie, ces dames me racontèrent en riant la conjuration dont je viens de vous faire part. 1. 8.
Tagebuch 1. 8. 1807 (WA III 3, 251)
Früh am Brunnen. Unterhaltung mit Herrn von Haack: über die Rückreise Napoleons, die angekündigte Reise des östreichischen Kaisers und sonst.. . 317
1807
Karlsbad Fernow der das Bouterwekische Buch über die französische Litteratur brachte. Lustiger Vorschlag dieses Kritikers, der eine Tragödie will ausgearbeitet haben über das Sujet, daß man einer Dame das Herz ihres Geliebten zu essen gibt. Um 4 Uhr in das wohlthätige Concert. Mehrere Dilettanten spielten und sangen. Capellmeister Himmel Schloß. Darauf war Ball im sächsischen Saale. Riemer, Tagebuch 1. 8. 1807 (*Dtsch. Revue 11, 1 S. 65; Keil 5 S. 239)
B 2 1024 B 3 2511
Bekam G. einen Brief von Reinhard. Bei Gelegenheit eines geistreichen, wiewohl malignen Urtheils von Reinhard über Corinna die Äußerung Goethe's. Um 4 Uhr in's Concert für die Armen; Dilettanten sangen und spielten; Graf Narischkin, Fräulein Spielmann. Physiognomische Betrachtungen. [Anmerkung Keil in Keil5:] Es war laut des Tagebuchs die von Riemer in den Briefen von und an Goethe S. 315 mitgetheilte Äußerung: „Ich bin einer von den gutwilligen Lesern, die das Brod des Autors mit der Butter guten Willens überstreichen und so die Lücken zukleben, wenn sie nicht gar zu groß sind. Reinhard ißt das Brod trocken und da kann er freilich sonderbare Dinge erzählen von dem, wie es ihm geschmeckt." Riemer (»Dtsch. Revue 11, 1 S. 65; G S A , Riemer 753)
B 2 1025 B 3 2 5 1 5
Carlsbad 1 August 1807. Lustiger Vorschlag Bouterwecks über die franz. Litteratur: Der eine Tragödie ausgearbeitet haben will über das Sujet daß man einer Dame das Herz ihres Geliebten zu essen giebt. 2. 8.
Tagebuch 2. 8. 1807 (WA III 3, 252)
Fernow brachte einen Brief vom Danziger Tenoristen. Über Tische Bouterweks Vorschlag eines romantischen Trauerspiels, in welchem das Herz des Liebhabers gespeist wird. Scenario des Stücks entworfen. Abends beym Prinz Friedrich von Gotha, wo Himmel seine Composition eines Auszugs aus Tiedges Urania vortrug. Fürst Trautmannsdorf, Frau von Bissing, Graf Bouquoi und noch einen Riemer (»Dtsch. Revue 11, 1 S. 65; G S A , Riemer 753)
B 2 1025 B 3 2 5 1 5
2 Aug. 1807 Ueber Tisch Bouterwecks lustiger Vorschlag eines romantischen Trauerspiels in welchem das Herz des Liebhabers gespeist wird abermals besprochen und das Scenario des Stücks entworfen v. Goethe und mir. Riemer, Tagebuch 2. 8. 1807 (Keil 5 S. 240)
Abends zum Prinz Friedrich von Gotha, wo Himmel Tiedge's Urania in Musik gesetzt vortrug. Fürst Auersperg und seine Gemahlin, Fürst Trautmannsdorf, Frau v. der Recke, Fr. v. Werther, Canonicus Tiedge u.a. Riemer (Dtsch. Revue 11, 2 S. 167)
B 2 1026 B 3 2 5 1 8
2. August 1807. [Goethe (Goethe und Riemer?):] „Alle Philosophie über die Natur bleibt doch nur Anthropomorphismus, d. h. der Mensch, eins mit sich selbst, teilt allem, was 318
1807
Karlsbad er nicht ist, diese Einheit mit, zieht es in die seinige herein, macht es mit sich selbst eins. Um die Natur zu erkennen, müßte er sie selbst sein. Was er von der Natur ausspricht, das i s t etwas, d.h. es ist etwas Reales, es ist ein Wirkliches, nämlich in bezug auf ihn. Aber was er ausspricht, das ist nicht alles, es ist nicht die ganze Natur, er spricht nicht die Totalität derselben aus. Wir mögen an der Natur beobachten, messen, rechnen, wägen etc. wie wir wollen, es ist doch nur unser Maß und Gewicht, wie der Mensch das Maß der Dinge ist. Das Maß könnte größer oder kleiner sein, es ließe sich mehr oder weniger damit abmessen, aber das Stück, das Gewebe, bleibt nach wie vor, was es ist, und nichts weiter von ihm als seine Ausdehnung in bezug auf den Menschen ist durch jene Operation ausgesprochen. Mit Duodezimal oder Dezimalmaß wird nichts von der sonstigen anderweitigen Natur des Dinges ausgesprochen oder verraten. Dies zur Verständigung und Vereinigung mit denen, welche noch von Dingen an sich sprechen. Ob sie gleich von den Dingen an sich nichts sagen können, eben weil es Dinge an sich, das heißt außer bezug auf uns und wir auf sie sind, und sie alles, was wir von den Dingen sagen, für unsere Vorstellungsart halten (wobei nur zu bemerken ist, daß es nicht bloße Vorstellungsart sein kann, sondern das Ding in unserer Vorstellungsart, von ihr bekleidet), so leuchtet doch daraus soviel ein, daß sie mit uns darin einig sind, daß, was der Mensch von den Dingen aussagt, nicht ihre ganze Natur erschöpft, daß sie dieses Ausgesagte nicht pur allein, einzig, sondern noch viel mehr und anderes sind. Und das ist doch wahr: denn man entdeckt täglich mehr Relationen der Dinge zu uns, empfindet ihnen noch immer etwas ab. Das heißt die Dinge sind unendlich. Das wissen wir ja. Mit einem Worte: der Mensch spricht das Objekt nicht ganz aus. Aber was er davon ausspricht, das ist ein reales, wäre es auch nur seine I d i o s y n c r a s i e , das heißt der Bezug, den es auf ihn allein hat. Wäre das nicht, wer sollte den Bezug aussprechen? Der Mensch ist in dem Augenblicke, als er das Objekt ausspricht, unter und über ihm, Mensch und Gott in einer Natur vermittelt. Wir sollten nicht von Dingen an sich reden, sondern von dem Einen an sich. Dinge sind nur nach menschlicher Ansicht, die ein verschiedenes und mehreres setzt. Es ist alles nur Eins; aber von diesem Einen an sich zu reden, wer vermag es? Dinge sind ja selbst nur Verschiedenheiten, durch den Menschen gesetzt und gemacht; und die Verschiedenheiten, die er setzt und macht, wird er ja wohl auch als solche Verschiedenheiten, nämlich als das, wofür er sie erkennt, als verschieden aussprechen können!"
1./2. 8.
Riemer, Aphorismen S. 316
B 3 2514
[Goethe:] „In dem Protestantismus trat an die Stelle d e r g u t e n Werke Sentimentalität." Riemer, Aphorismen S. 315
B 3 2512
[Goethe:] „Die christlichen Tugenden sind architektonisch, sie sind leidend, tragend. Sie sind wie die Festungswerke, die den unendlichen Kanonendonner auf und gegen sich aushalten müssen." 319
1807
Karlsbad Riemer, Aphorismen S. 3 1 5
Β3 2 5 1 3
[Goethe:] „Es sind närrische Specificationen (Begriffe): H e i d e n t h u m , J u d e n t h u m , C h r i s t e n t h u m ! — Juden giebt es unter den Heiden: die W u c h e r e r ; Christen unter den Heiden: die Stoiker; Heiden unter den Christen: die L e b e menschen." 2. (?) 8.
Riemer, Aphorismen S. 3 1 6
B 2 1032 B 3 2 5 1 6
[Goethe:] „Der Mann soll gehorchen, das Weib soll dienen. Beide streben nach der Herrschaft. Jener erreicht sie durch Gehorchen, diese durch Dienen. Gehorchen ist dicto audientem esse; dienen heißt zuvorkommen. Jedes Geschlecht verlangt von dem andern, was es selbst leistet, und erfreut sich dann erst: der Mann, wenn ihm das Weib gehorcht (was er selbst thut und thun muß); das Weib, wenn ihr der Mann dient, zuvorkommt, aufmerksam, galant und wie es heißen mag ist. So tauschen sie in der Liebe ihre Rollen um: der Mann dient, um zu herrschen, das Weib gehorcht, um zu herrschen." 3. 8.
Tagebuch 3. 8. 1807 (WA III 3, 252)
Morgens war ich lange bey Gentz gewesen und hatte mit ihm erst einen politischen dann ästhetischen Discours geführt. Viel über Adam Müller und dessen Art zu denken und zu arbeiten. Abends bis hinter den Posthof spatzieren. Nachher aus Bouterwek vorgelesen. Riemer, Tagebuch 3. 8. 1807 (Keil 5 S. 241)
Morgens bei G., der hernach zu Gentz ging. Nach Tische Vorlesung von [Adam] Müller. . . Poetischer Vögelausstopfer. — Hernach zum Sprudel, der heftiger sprang als je und deswegen gelüftet werden mußte; zum Neubrunnen und [Joseph] Müller. Riemer, »Aphorismen S. 3 1 7 (Keil 5 S. 241)
B 2 1028 B 3 2 5 1 7
G. bemerkte bei der Müller'schen Vorlesung über die spanische Poesie und seinem Lobe von Schlegel's Ubersetzung des Calderón: „Sie sei denn doch nur ein ausgestopfter Fasan, gegen einen wirklichen, aber ein gut ausgestopfter." 3. 8. (?)
A n A. Müller 28. 8. 1807 (WA IV 19, 402)
Uber Amphitryon habe ich Manches mit Herrn von Gentz gesprochen; aber es ist durchaus schwer, genau das rechte Wort zu finden. Nach meiner Einsicht scheiden sich Antikes und Modernes auf diesem Wege mehr, als daß sie sich vereinigten . . . 4. 8.
Tagebuch 4. 8. 1807 (WA III 3, 253)
Abends auf den Ball, den eine Gesellschaft Herren und Damen gab. Hübsche Anstalt im sächsischen Saale, Illumination vor demselben. Unterhaltung mit mehrern Personen. Hr. von Struve etc. Um halb Elf nach Hause. Riemer, Tagebuch 4. 8. 1807 (»Dtsch. Revue 11, 1 S. 65; Keil 5 S. 242)
Früh bei G. an den Wanderjahren fortgeschrieben. In Bouterwek gelesen. 320
Karlsbad
1807 5. 8.
Tagebuch 5. 8. 1807 (WA III 3, 253)
Früh am Schloßbrunnen. Bekanntschaften mit einigen neu angekommenen Frauenzimmern. Nachher zu Hause . . . Prochazka brachte die Chronik von Carlsbad oder umständlichen Aufsatz darüber. Riemer, Tagebuch 5. 8. 1807 (Keil5 S. 242)
Morgens bei G. bis 1 Uhr an der Ubersetzung der folle en pèlerinage geschrieben. Riemer (CA, Riemer: Anmerkungen zu Goethes Gedichten, s. v. Der Müllerin Verrath)
Die folle en pellerinage selbst übersetzte G. erst in Carlsbad, und ich ging sie sehr genau mit ihm durch. Als G. in Carlsbad den kleinen Roman übersetzte gingen wir nochmals s. Uebersetzung mit dem Originale durch, das sich anfängt En manteau manteau sans chemise pp. Ich versuchte es treu zu übersetzen, blieb aber stecken, da es durch wörd. Ueberstzg alle Anmut verliert. 6. 8.
Tagebuch 6. 8. 1807 (WA III 3, 253)
K a m Schubert. Uber die neue Art von Behandlung der Naturlehre; über seine Bemühungen einzeln, wobey besonders darauf appuyirt wurde, nicht zu geschwind zu verknüpfen, und daß man sich gewöhnen müsse die verschiedenen Theile der Naturlehre einzeln zu behandeln, um ihre künftige Verknüpfung vorzubereiten. Nach Tische kam Himmel. Spaßige Judengeschichte, besonders die von dem aus Potsdam nach Berlin reisen wollenden und nach den Meilen sich erkundigenden. „Ich bezahle euch 12 Pferde, so bin ich schon da." Nachher zu Franz Meyer. Riemer, Tagebuch 6. 8. 1807 (Keil 5 S. 242)
Kam Himmel und unterhielt uns mit allerlei Anekdoten. Gegen Abend zu Meyer; nachher über die Wiese, kam Einsiedel. Sedendo bis zu Antons Ruhe hinter dem Posthof; allmählich zurück. 7. 8.
Tagebuch 7. 8. 1807 (WA III 3, 254)
Ritter Gentz nahm Abschied, der nach Prag ging. Kam Schubert, wurde der gestrige Discours fortgesetzt; dazu Kayer. Mancherley Chemisches und Naturhistorisches. Erwähnung eines indischen Gedichts Mahabared, wovon eine persische Ubersetzung in Dresden. Ferner der Zahlen, womit die Indier ihre astronomischen Rechnungen vollenden: 432. Ferner der Mexikaner: 13. Ferner des Cid nach der alten Behandlung, herausgegeben von Schubert. Und Alexander, ein naturphilosophisches Gedicht der mitderen Zeit, spanisch; von Schubert herausgegeben in derselben Sammlung. Es ist Alexander Magnus, der aber auf eine wunderbare Weise in den Himmel und in die Hölle geführt wird, um dort zu erfahren, wie es zugeht. . . Gegen Abend nach der Egerbrücke spatzieren. Fernow gesellte sich zu uns. 321
1807 15. 7./ 7 8
25. 7./ 7 8
Karlsbad F. v. Gentz an Α. Müller 24. 8. 1807 (Gentz-Müller S. 109)
Goethe . . . ist äußerst für Sie eingenommen, und ehrt Sie sehr. G. H. Schubert an Goethe 30. 8. 1807 (Eing. Br. alph. 831, II)
Ich habe wohl noch nie mit so vielem Muth und Freudigkeit weiter gestrebt, und auf meine Zukunft gesehen, als seit der Zeit [in Karlsbad] wo Ew Excellenz meine Arbeiten Ihrer Aufmerksamkeit würdigten . . . [Ubersendet den zweiten Teil seiner „Ahndungen einer allgemeinen Geschichte des Lebens"] . . . Zugleich werde ich dann statt jener Zeichnung, welche die Austheilung der Sonnensternenpunkte der Planetenbahnen andeuten sollte, eine richtigere beylegen. Denn wenn sich diese noch in Ew. Excellenz Händen befindet, muß ich mich einiger Fehler derselben sehr schämen. Ich hatte sie in Carlsbad zum Theil aus dem Gedächtniß gemacht. . . Wo ich auch seyn werde, und zu welcher Arbeit mich der innre Trieb führen wird, so wird mir eins der lezten Gespräche Ew Excellenz immer tief in der Seele seyn, und die Richtung, welche mir in jener Stunde als die beste und würdigste klar geworden, beständig mit ernsten Sinne verfolgen. Ja diese Stunde soll mich mit der innigen Verehrung meiner ganzen Seele gegen Ihre hoch vollendete Natur, bis ans Grab begleiten. G. H. Schubert an F. A. Köthe Aug. 1807 (Bonwetsch S. 149)
B3 2520
Ich bin seit 8 Tagen wieder aus Carlsbad hier [Bärenwalde]. Freylich habe ich dort viel Glück gehabt. Ich bin fast täglich bey Göthe gewesen, und er hat mit dem lebendigen Intereße eines Jünglings meinen ganzen 2ten Theil [der Ahndungen einer allgemeinen Geschichte des Lebens] studirt. Die astronomischen Entdeckungen haben ihn über alle Erwartung sehr intereßirt. Ich habe ihm täglich demonstriren müßen, der alte große Greis hat begierig um Alles gefragt, sich nicht geschämt wo ihm etwas noch Unbekanntes war, und mich so lange wiederhohlen laßen bis ihm Alles zu der Klarheit gekommen war, welche sein hierin wirklich einziger Genius überall verlangt. Ich möchte wohl wißen was unser guter Krause gesagt oder gedacht hätte wenn er eins der Gespräche, die mir gar viel werth sind, mit angehört hätte. Der Abschied war besonders groß und schön. Wie war der hohe Alte so väterlich! wie hat er mir gesagt wo es, nicht allein mir sondern meiner ganzen Zeit fehlte, mich getröstet und geweißagt was ich leisten könne und würde! Die Mathematiker und Neutonianer hat er nie leiden können. Er schreibt jezt seine ganze Optik Satz für Satz gegen Neuton. Es war Balsam in die Wunde seines Haßes, daß auch das Reich der Mechanique celeste seinem letzten Tag sich nähere. Mündlich mehr und viel von Göthe. Ich hatte das Glück mit Bürg hier zusammen zu treffen, dem bekannten Wiener Astronomen. Einen schulgerechten Mathematiker und Neutonianer, mit einer chinesischen Gründlichkeit. Übrigens gutmüthig. Es wäre zu weidäufig dir seine ganzen Gespräche hier zu erzählen. Mündlich davon. Göthe hat sehr darüber gelacht. 322
1807
Karlsbad G. Η. v. Schubert, Selbstbiographie (Schubert 2, 222)
Β 2 1022 Β 3 2521
Der Kreis meiner Bekanntschaften sollte sich in diesem Sommer noch viel über das uns zunächst Liegende erweitern; mir wurde hierin ein Glück zu Theil, das ich längst ersehnt, kaum aber erwartet hatte. Ein kränklicher Zustand meiner lieben Henriette . . . hatte uns vermocht . . . nach Karlsbad zu gehen . . . Dort fand ich Göthe, den bewunderten Mann, den ich in Weimar so oft mit Ehrfurcht angeschaut, dem ich mich aber niemals zu nahen gewagt hatte. Ich wurde durch Fernow, den ich schon in Dresden gesehen und mit dem ich in Karlsbad in einen vertraulichen Verkehr gekommen war, bei Göthe eingeführt und von diesem mit großer Freundlichkeit empfangen. Ich hatte kurz vorher [?] seine Farbenlehre mit wahrhaftem jugendlichen Entzücken gelesen, hatte aus seiner Morphologie, dieser geistvollen Formenlehre der organischen Welt, Lichtblicke einer tieferen Naturanschauung in mich aufgenommen, deren weitere eigenthümliche Entwickelung mir eine Aufgabe für spätere Zeit wurde. Zunächst von diesen Dingen sprach ich mit dem großen, hellblickenden Meister, der in jedem Gebiete, das sein schöpferischer Geist betrat, ein Neues hervorrief und auffand. Mit unbeschreiblicher Nachsicht kam er meinen unreifen Gedanken entgegen, wies mich mit wenig Worten auf die rechte Spur, billigte an Dem, was ich ihm von meinen Arbeiten mittheilte, Das, was ihm zu billigen schien, belehrte mich über bessere Form und Deutlichkeit und so nahm ich aus den wenigen Stunden, die ich mit ihm zubringen durfte, milde Gaben für viele künftige Jahre mit mir. Der Geber, an solche ihm leichte Mittheilung gewöhnt, wußte wohl kaum, was er that, wußte nicht, wie jedes seiner Worte in mich einging und was es da wirkte. Aber ich fühlte es ihm an, daß er Das, was er gab, immer gerne gab und daß der innere Drang, der mich zu ihm führte, ihm nicht mißfiel. Ich habe, als ich mehr denn zwanzig Jahre später, seitdem in vielen Dingen gereifter, noch einmal nach Karlsbad kam, öfters in dankbarer Erinnerung nach der damaligen Wohnung Göthe's, an der Tepel hinaufgeblickt, darin ich so manches belehrende Wort empfing und mich nach einer Stelle unter den Bäumen an dem Rande des Flüßchens umgesehen, wo der von vielen Augen gesuchte Meister in den Nachmittagsstunden zuweilen saß und der Ansprache von Bekannten wie von Fremden sich nicht entzog. Hier auf der hölzernen Bank in seiner Nähe sitzend, fanden sich öfters Fernow, Riemer aus Weimar und andere seiner nächsten Bekannten, hier durfte auch ich ihn noch manchmal sehen und hier sah ich ihn auch gemeinsam mit den werthen Freunden aus Freiberg: C. v. Raumer und M. v. Engelhardt. Η. K. Dippoldt an J. v. Müller 30. 9. 1807 (Maurer-Constant 4, 438)
Unser gute Schubert hat das Glück gehabt, mit Göthe im Karlsbad oft zu sprechen, ihm selbst sein Werk vorzulesen, zu erläutern und den herrlichen Genius selbst darüber zu vernehmen. A. v. Platen, Tagebuch 13. 1. 1821 (Laubmann - Scheffler 2, 442)
B 2 1 1 4 4 B 3 2900
Bei S c h u b e r t . . . Es war die Rede von Schellings eben geendeter Vorlesung, von Jean Pauls „Flegeljahren" und von Goethe . . . Goethen hat er in seiner Jugend 323
1807
Karlsbad öfters gesehen, aber erst, ich glaube 1807 in Karlsbad kennen gelernt. Goethe war sehr teilnehmend gegen ihn, und Schubert teilte ihm seinen damals gefertigten zweiten Band seiner „Ahnungen" mit.
8. 8.
Tagebuch 8. 8. 1807 (WA III 3, 255)
Früh am Brunnen. Jeremiaden Einsiedels und des Grafen Apponyi über die gegenwärtigen Zustände . . . Nach Tische Landrath von Haza, der mir ein Packet von Adam Müller brachte . . . Nachher auf der Wiese und Allee, mit Yacowleff, Prinz von Gotha, Frau von Werther und dann in das Pixidische Concert. Riemer, Tagebuch 8. 8. 1807 (*Dtsch. Revue 11, 1 S. 65; Keil 5 S. 242)
Gegen 7 Uhr mit G. auf der Wiese. In der Allee zusammen spazieren; Frau v. Werther, der Prinz [von Sachsen-Gotha]. Dann den zerbrochnen Krug gelesen, ein Lustspiel von Hrn. v. Kleist, dem Verf. des Amphitryo. Riemer, *Mittheilungen 2, 701 (GSA, Riemer 931)
B 2 1029 B 3 2522
„ E s sind zwey Formeln, in denen sich die sämmtliche Opposition gegen Napoleon befassen und aussprechen läßt, nämlich: Afterredung (aus Besserwissenwollen) und Hypochondrie." G. in Carlsbad. d 8 August 1807. 9. 8.
Tagebuch 9. 8. 1807 (WA III 3, 255)
K a m Hr. von Faßbinder, uns in den sächsischen Saal abzuholen. Kleine Tafel, wobey Herr und Frau von Wöllwarth, Frau von Matt und Fräulein Tochter, Fräulein von Spielmann, Frau von Frank. Viel von Wien und dessen Vorzügen: Theater, Gegenden u. dergl. Von der Schweizerfamilie Wyß, die sich bey Baden in Ostreich ganz ins Enge gezogen und daselbst mit ganz besondrer Resignation lebt. Gegen Abend spatzieren auf den Terrassen des Neubrunnens. Beym Rückweg Himmeln vor der Thüre gefunden. Anekdote vom Juden, der mit offenen Beinkleidern vorüber geht und reprochirt antwortet: „Was gehts den Herren an! Ich schöpfe Luft!" Riemer, Tagebuch 9. 8. 1807 (Keil 5 S. 242)
Mit G. geschwätzt über den zerbrochnen Krug. Briefe [für Goethe] . . . angefangen. vor 10. 8. An Charlotte v. Stein 10. 8. 1807 (WA IV 19, 386)
Personen mancher Art habe ich kennen gelernt, besonders viele Wiener, die zu den dringenden schriftlichen Einladungen, die ich erhalten habe, noch soviel mündliche hinzuthun, daß ich meine Entschuldigungsargumente oft genug wiederholen muß. 10. 8.
Tagebuch 10. 8. 1807 (WA III 3, 256)
Nach Tische nahmen die Pixis Abschied, da sie nach Dresden gehn. Nach Tische gegen Abend kam Fernow . . . Professor Dabelow und Auditeur Cramer 324
1807
Karlsbad kamen von Wien und brachten ein Packet mit, das Theaterstücke, meistens Opern enthielt. Riemer, Tagebuch 10. 8. 1807 (*Dtsch. Revue 11, 1 S. 65; Keil 5 S. 242)
Briefe für G. geschrieben . . . Uber Tische Motive zur Achilleis als Roman. Riemer, Mittheilungen 2, 522
B 2 1060 B 3 2523
Die A c h i l l e i s gerieth durch diese [Propyläen] und andere Studien und Beschäftigungen ganz in Stocken, dergestalt, daß sie erst wieder bei der Herausgabe seiner Schriften 1806, wobei ich ihm an Händen ging, gegen mich zur Sprache kam; wo er mir seine Absicht die A c h i l l e i s in e i n e n R o m a n zu v e r w a n d e l n mittheilte und die Motive besprach. 11. 8.
Tagebuch 11. 8. 1807 (WA III 3, 257)
Zu Hrn. von Haza. Auf der Wiese mit Prochazka. Vernahm den Tod des Oberhofpredigers Reinhard, welches ein falsches Gerücht war. Begegnete dem Hofrath Becker von Dresden, der sehr übel aussah . . . Dann in die Comödie. Ward die unruhige Nachbarschaft gegeben zum Benefiz für Spitzeder. Bekanntschaft mit einem neuangekommenen hübschen Frauenzimmer. Abends zu Prinz Friedrich ins Concert. Einige neue Bekanntschaften. 12. 8.
Tagebuch 12. 8. 1807 (WA III 3, 257)
Um 10 Uhr bey Frau von Ompteda, welche einige römische Kupfermünzen in Ellbogen von einem Bauer gekauft hatte; es war eine Faustina iunior, Marc Aurel und Commodus und gut erhalten. Gegen Abend zu Franz Meyer; dann mit Fernow und Schütze nach dem Posthofe. Ariosts Satiren. Auf dem Rückweg nach Sonnenuntergang Empfindung einer starken anwehenden Wärme an gewissen Stellen. Hofrath Becker begegnete uns vorher mit seiner Familie. Riemer, Tagebuch 12. 8. 1807 (Keil 5 S. 243)
Bei G. einiges geschrieben, zur Einleitung in die Farbenlehre. Über Tische Betrachtungen über die Natur, — daß dieselbe zu verschiedenen Sinnen anders redet. Mit G. zu Franz Meyer, kam hernach Fernow, mit diesem hinter der Allee gesessen. Gänse-Pädagogik, die uns viel Spaß machte. Kam Hofrath Becker, hernach Schütze. Riemer, Mittheilungen 2, 702
B 2 1027 B 3 2524
Ueber Tisch. [Goethe:] „Betrachtungen über die Natur, welche, immer dieselbe, zu verschiedenen Sinnen anders rede. Die Farbe ist fürs Auge, aber sie ist nicht blos fürs Auge. Das Blaue z. B. ist Etwas, kein bloßer Name, es ist ein Chemisches, es beruht auf der Natur des Körpers. Daher die Farben auch zu fühlen seyn müssen etc." St. Schütze, Tagebuch 12. 8. 1807 (*JSK NF 4, 100; GMD)
Nach dem Posthofe zu mit Fernow und Goethe. Mit G. über die unruhige Nachbarschaft, politischen Kannegießer. 325
1807
Karlsbad
12. 8.
R. Keil, Anm. zu Riemers Tagebuch 12. 8. 1807 (Keil 5 S. 243)
1809?)J
B 2 1221 B 3 3042
Wie Riemer auf einem spätem Notizblatt angiebt, beobachteten er und Goethe „auf dem Chotek'schen Wege, da, wo die zum Schloßberg gehörigen Häuser anfingen, dergl. ihnen begegnende Geschöpfchen" und machten gemeinschaftlich die Bemerkung, welche mit dem Datum 16. Oct. 1809 in Riemer's Mittheilungen II. S. 712 aufgenommen ist: „Junge Gänschen sehen so klug aus, besonders um die Augen, so vielgelebt, und werden doch mit jedem Tage wie größer so dümmer."
13. 8.
Tagebuch 13. 8. 1807 (WA III 3, 257)
Am Schloßbrunnen mit Hofrath Becker, der von dem Unternehmen des Augusteums und von verschiedenen Medaillen-Cabinetten, auch von dem vorgewesenen Handel, das Cabinet antiker Münzen in Smyrna betreffend, sprach. Nachher mit der Fürstin Solms, erst am Schloßbrunn, dann am Theresienbrunnen. Nachher zu Müller, der abermals schöne Blätterabdrücke oder Mumien in dem grauwackigen Gestein von Lessau mitgebracht. . . Besuch von Cramer: verschiedenes über Wien, das Wiener Theater und sonst dergl. Nach Tische zur Prinzeß Solms, die ich nicht fand, zu Hofrath Becker, dessen Frau ich fand. Riemer, Tagebuch 13. 8. 1807 (Keil 5 S. 243)
Abends gegen die Carlsbrücke, bei Mondenschein zurück. Poculirt. Daphnis und Chloe besprochen, als vortreffliche Piken gegen die Alten und Philologen. Goethe's Bemerkungen über die Femmes auteurs und über Coquetterie. Riemer (Dtsch. Revue 11, 1 S. 65)
B 2 1033 B 3 2525
Goethes Bemerkung: „Die femmes auteurs (und wohl überhaupt) fassen die Männer nur unter der Form des Liebhabers auf und stellen sie dar; daher alle Helden in weiblichen Schriften die Gartenmanns-Figur machen." — Goethe äußerte: Coquette ist Egoismus in der Form der Schönheit. Die Weiber sind rechte Egoisten, indem man nur in ihr Interesse fällt, sofern sie uns lieben oder wir ihre Liebhaber machen, oder sie uns zu Liebhabern wünschen. Eine ruhige, freie, absichtslose Teilnahme und Beurteilung fällt ganz außer ihrer Fähigkeit. Sie sehen alles nicht etwa nur aus ihrem Standpunkt, sondern in persönlichem Bezug auf sich. Die Weiber bestreben sich innerlich und äußerlich anmutig liebenswürdig zu erscheinen, zu gefallen, mit Einem Worte, und wenn wir dasselbe thun, so nennen sie uns eitel. 13. 8. (?)
Riemer (Keil 5 S. 244)
[Goethe:] „Wir wollen die koquetten und galanten Damen nicht schelten, sondern sie wie ein anderes Glück mit Dank annehmen. Sie sind eine Art von Lotterie, wo man mit geringem Einsatz sehr viel gewinnen, wohl gar das große Loos ziehen kann und niemals eine völlige Niete behält. Dagegen muß man bei andern sich selbst und seine ganze Existenz einsetzen, und am Ende erhält man oft nicht den Einsatz wieder und wird wohl gar bankerott." 326
1807 14. 8.
Karlsbad Tagebuch 14. 8. 1807 (WA III 3, 258)
Früh am Schloßbrunnen; mit Becker auf und ab. Über Medaillen alter und neuer Zeit. Am Neubrunn Frau von Werther, Graf Apponyi und Suite . . . Nach 12 Uhr zu dem Nürnberger der ausgeblasene Amphibien und Raupen, eingelegte Pflanzen und besonders Exemplare der natürlichen Forstbibliothek hatte. Hernach Kayer sive Blumenstein, der zu Fuß in Schlackenwald gewesen und dort eingefahren. Mittags bey der Prinzeß Solms zu Tafel. Riemer, Tagebuch 14. 8. 1807 (Keil 5 S. 244)
Mit Goethe nach der Eger bis auf die Kapellenanhöhe. Schöner Mondschein. Vom Fürsten Chartorisky erzählt, seinem Park und von der Rheingräfin und Frau von Werder aus frühern Zeiten; Prinzessin Monaco, lauter liebenswürdige Wesen. 15. 8.
Tagebuch 15. 8. 1807 (WA III 3, 258)
Mittags über Tisch Besuch von Kayer. Gespräch über die geschnittenen Steine mit Accidens etc. Gegen Abend Fernow, wo wir zusammen Ariostische Satiren und Sonette lasen. Riemer, Tagebuch 15. 8. 1807 (Keil 5 S. 244)
Abends mit G. allerlei, besonders von der Unnöthigkeit des allgemeinen Studiums der griechischen Sprache pp. Riemer (Keil 5 S. 244)
d. 15. August 1807, nach einem Gespräch mit G. über diese Materie. Ü b e r die S c h w i e r i g k e i t e n bei E r l e r n u n g der g r i e c h i s c h e n S p r a c h e . Die Schwierigkeiten entstehen 1.) aus dem Reichthum an Worten, da man Worte aus allen Zeiten der griechischen Sprache zu behalten hat, 2.) aus dem Reichthum an Formen, indem man poetische und prosaische und dialectische Unterschiede zu behalten und aufzufassen hat, 3.) in der Anomalie, wodurch die Sprache ganz willkürlich erscheint, ob sie gleich nach dem Gesetz des Wohlklangs verfahren ist. Es giebt eine solche Menge anomalischer Verben und Nomina, daß es nur zwei Wege giebt, sich ihrer zu ermächtigen: einmal, daß man sie gesammelt, wie sie sind, bona fide auswendig lernt, oder daß man sie entstehen läßt aus supponirten Thematis nach den Regeln der Conjugation und Declination. Ü b e r den N u t z e n des g r i e c h i s c h e n L e r n e n s . Der Nutzen ist im Vergleich mit der Mühe, die man sich geben muß, sehr gering. Die Wirkung, welche die Schriften der Alten hervorbringen sollen, ist, wenn sie unmittelbar in der Grundsprache gelesen werden sollen, erstlich nicht so augenblicklich, so ganz, total, simultan wie die ihrer plastischen Werke, und sodann nicht einmal so lebhaft und concentrirt wie in Übersetzungen, weil das Detail der Sprache, die Vorkenntnisse historischer und alterthümlicher Art die ästhetische Wirkung inhibiren und verzetteln, und nicht so klar wie aus einer Übersetzung hervorgeht, was des Autors eigentliche Darstellung ist. 327
1807
Karlsbad Ehe man aber einen Alten wie eine Übersetzung liest, geht ein ganzes Leben der genauesten Beschäftigung mit der Sprache und Alterthümern hin. Für die eigene Production ist die Original-Lectüre sogar schädlich, indem man blos auf das Mechanische der Sprache attendirt, welches sich einem beständig aufdringt; daher auch die productiven Philologen nur das Mechanische in Sprache und Versbau der alten Sprachen sich aneignen konnten. Die wahrhaft genialen Köpfe haben alle kein Griechisch gekonnt, sondern aus Ubersetzungen, schwacher Kenntniß der Sprache, wie durch einen Flor nur die Idee, das Wesentliche des alten Styls und Kunst erblickt, und sind so zu eigener Production animirt worden. Petrarch, Ariosi, Shakespeare, Calderón, Goethe, Schiller, Herder haben alle gar kein Griechisch oder nur wenig verstanden!
16. 8.
Tagebuch 16. 8. 1807 (WA III 3, 259)
Besuch von Tiedge und Generalsuperintendent Demme, welche bald abgehen wollen. Mittag bey Lord Findlater im sächsischen Saale, in Gesellschaft von Graf Langenau, Reichard von Gotha und Familie und anderen Fremden. Nachher zu Hause. Dann spatzieren hinter den böhmischen Saal. Hauptmann Blumenstein gesellte sich zu uns und wir gingen bis gegen den Posthof. Franzosen und Spanier in Garnison (in Gibraltar) zusammen vertragen sich gut. Die Spanier sprechen in ihrer Sprache untereinander von Hüten. Ein Franzose, der es nicht versteht und dem es verdolmetscht wird: „Mais que c'est que pa leur coûteroit de dire chapeaux." Parodirter Vers: „il faut périr; pérons." (Bey Begegnung von Peiron.) Eine Dame steht vor dem Spiegel sich zu putzen und hat vorn ihre schönen Brüste bloß. Ein Gärtnerjunge mit Pfirsichen kommt und richtet sein Compliment gegen den gegenwärtigen Ehemann folgendermaßen aus: Mr. le Président, j'ai l'honneur de lui porter de la part de mon père une corbeille de — tetons. Der Präsident fährt ihn an, der Junge erschrickt, gleitet aus, fällt rückwärts, seine Schürze schlägt zurück und der Präsidentin fällt seine Natur so auf wie ihm vorher die ihrige. Sie redet ihrem Mann zu und sagt: Ne grondez pas ce pauvre garçon. Un cheval bronche bien, quoiqu'il ait quatre — couilles. Vide Moyen de parvenir. Gezeichnet von Ramberg, beym Grafen Corneillan gesehen. 30. 7./
W.J. V. Blumenstein an Goethe 26. 3. 1808 (Eing. Br. 1808, 4)
16 ' 8 '
Vous vous rapellerez peut-être mes beaux projets de philosophie et d'études des arts, enfans du Sprudel et surtout de vos aimables entretiens . . . . . .Je ne sais si la légéreté naturelle de la Princesse de Babylone ou turque comme vous l'apelliez [Frau v. Eybenberg?] est seule la cause que je n'en puis tires signe de vie.
17. 8.
Tagebuch 17. 8. 1807 (WA III 3, 260)
Früh am Schloßbrunnen, fand daselbst Reichards von Gotha, kam hernach die Prinzeß Solms, mit der ich auf und ab ging, sie an den Theresienbrunnen, in das Porzellangewölbe und nach Hause begleitete . . . Um 11 Uhr zu Graf Corneillan um seine Zeichnungen, Gouachen und Kupferstiche zu sehen. Einige 328
1807
Karlsbad Skizzen von ihm selbst. Zeichnungen von ihm, durch andre colorirt. Gouachen. Ein Portefeuille Zeichnungen, zur sächsischen Suite gehörig, wovon viele gestochen sind; von Friedrich, von Klotz, Vitzany etc. Schöne Abdrücke von Morghens Stichen des Abendmahls von Leonardo da Vinci, der Madonna von Raphael von Dresden. Zeichnungen und illuminirte Radirungen von Ramberg. Große Gouachen von einem hannövrischen Maler. . . Nach Tische kam Blumenstein . . . Gegen 7 Uhr spatzieren hinter den böhmischen Saal. Gesellte sich abermals Blumenstein zu uns. Riemer, Tagebuch 17. 8. 1807 (Keil 5 S. 245)
Einleitung in die Chromatik. Mit G. zu Graf Corneillan, seine Zeichnungen, Aquarellen pp. zu sehen. 18. 8.
Tagebuch 18. 8. 1807 (WA III 3, 261)
Nach Tische der Mineralienhändler, einiges abgekauft. Nachher Hr. von Wöllwarth. Umständliches Gespräch über die verschiedene Behandlungsart der Vasallen in Baiern, Würtemberg und Würzburg. Klage über die Einrichtung des letztern Großherzogthums, welche sich von einem Geheimrath Seyffert herschreibt . . . Bey Herrn Reichard im Meerfräulein. Zu Hause. Fernow kam. Riemer, »Mittheilungen 2, 702 (GSA, Riemer 681)
B 2 1030 B 3 2527
„Wenn ein Weib einmal vom rechten Wege ab ist, dann geht es auch blind und rücksichtslos auf dem bösen fort, und der Mann ist nichts dagegen, [Zusatz i. d. Mittheilungen: wenn er auf bösen Wegen wandelt.] denn er hat immer noch eine Art von Gewissen. Bey ihr aber wirkt dann die bloße Natur." G. Carlsbad d. 18 August 1807 (bey Gelegenheit einiger modernen Clytaemnestren, Forsters Frau, Zachs Clytaemnestra etc etc.) Riemer (*Dtsch. Revue 11, 2 S. 168; Keil 5 S. 246)
B 2 1034 B 3 2526
Den 18. August 1807. [Goethe:] „Der Philister negirt nicht nur andere Zustände, als der seinige ist, er will auch, daß alle übrigen Menschen auf seine Weise existiren sollen. Er geht zu Fuß und ist sein Lebenlang zu Fuß gegangen. Nun sieht er jemand in einem Wagen fahren. Was das für eine Narrheit ist, ruft er aus, zu fahren, sich dahin schleppen zu lassen von Pferden! Hat der Kerl nicht Beine? wozu sind denn die Beine anders als zum Gehen? Wenn wir fahren sollten, würde uns Gott keine Beine gegeben haben! — Was ist es denn aber auch weiter? Wenn ich mich auf einen Stuhl setze und Räder unten anbringe und Pferde vorspanne, so kann ich auch fahren so gut wie jener. Das ist keine Kunst! Man wird in philisterhaften Äußerungen immer finden, daß der Kerl immer zugleich seinen eigenen Zustand ausspricht, indem er den fremden negirt, und daß er also den seinigen als allgemein sein sollend verlangt. Es ist der blindeste Egoismus, der von sich selbst nichts weiß, und nicht weiß, daß der der andern ebensoviel Recht hätte, den seinigen auszuschließen, als der seinige hat, den der andern." 329
1807 17. 6./ 18 8
Karlsbad Tag- und Jahres-Hefte 1807 (WA I 36, 16)
Auch überraschte mich durch seine Gegenwart Hauptmann Blumenstein . . . Voller Einsicht, Heiterkeit und glücklicher Einfälle war er der beste Gesellschafter, und wir trieben manchen Schwank zusammen; doch konnte er, als leidenschaftlicher Preuße mir nicht verzeihen, daß ich mit einem französischen Diplomaten [Reinhard] zu vertraulich umgehe. Aber auch dieses ward durch ein paar lustige Einfälle bald zwischen uns in Freundschaft abgethan. 19. 8.
Tagebuch 19. 8. 1807 (WA III 3, 261)
Gegen Abend bey der Prinzeß Solms mit dem Prinzen von Gotha, wo gesungen wurde. Dann zu Hause. Nachher bey dem Prinzen von Gotha zum Thee; waren Reichards da, wurde aus der französischen Correspondenz gelesen. Der Klatsch von Paris über die Reden und Gegenreden bey der Reception des Cardinais Mori ins Institut. Ferner über Leben und Tod des Mallet, der die dänische Geschichte geschrieben. 16./19. 8. H. A. O. Reichard, Selbstbiographie (Uhde 3 S. 383. 397)
B 3 2528
Prinz Friedrich [von Sachsen-Gotha] ging 1807 über Karlsbad nach Italien . . . Die Gegenwart und Gnade des Prinzen öffnete mir gleich in den ersten Tagen die vornehmsten Kreise . . . 1807 war ich mit Goethe zusammen in Karlsbad. A n H. A. O. Reichard 16. 10. 1807 (JbGG 15, 64)
Ew. Wohlgebornen erlaubten mir wegen einiger Bücher bey Ihnen anzufragen. 20. 8.
Tagebuch 20. 8. 1807 (WA III 3, 262)
Zu Mittag bey Lord Findlater zu Tische, wo Minister Graf Langenau, einige Polen, Kreishauptmann von Schiller und Dr. Mitterbacher. Ein Pole aus Gallizien klagte über die höchst willkürliche, mitunter absurde Behandlungsart, welche sie von den vorgesetzten Kreishauptleuten erduldeten, die vorzüglich daher komme, daß diese Männer die Sprache nicht verstehen und das Land nicht kennen. Es ist schon zum Sprüchwort geworden: im russischen Polen sey man im Himmel, im preußischen im Fegfeuer, im östreichischen in der Hölle. Nachmittag . . . Professor Fernow zeigte sein Ariostisches Manuscript vor. Verschiedenes über die Ariostischen kleineren Gedichte. Penna freggiata d'oro. Wir gingen zusammen spatzieren. St. Schütze gesellte sich zu uns und erzählte von der Parthenais [von Baggesen] und ihrer zweyten Edition. An der Carlsbrücke ruhten wir aus und gingen dann zurück. Vorher hatte Meyer der Meerjunker Abschied genommen und ein Kästchen an den Herzog abgegeben. St. Schütze, Tagebuch 20. 8. 1807 (JSK NF 4, 100)
Mit Goethen über die Parthenais [von Baggesen] auf der Promenade. 21. 8.
Tagebuch 21. 8. 1807 (WA III 3, 263)
Mittags bey der Prinzeß Solms zur Tafel. Nach Tische zu Hause. War Dr. Schütze da, der die Parthenais von Baggesen brachte. Abends mit der Hoheit, 330
Karlsbad
1807
Kammerherrn von Haack, Graf Corneillan nach Friederikens-Ruhe. Nachher aus der Parthenais lassen vorlesen. 22. 8.
Tagebuch 22. 8. 1807 (WA III 3, 263)
Kam der Buchdrucker und zeigte einige Mineralien vor. . . Nach Tische kam August, mit mehreren Briefen. Abends mit ihm und Fernow bis zur Carlsbrücke und wieder zurück. F. Schubart, Erinnerungen (Archiv 4, 456)
B 2 1035 B 3 2529
Wie Goethe sein eheliches Verhältniss nach seiner damaligen Neigung und mit Uebergehung der kirchlichen Ordnung auf blosse Natürlichkeit gegründet hatte, so sprach sich dieser blosse Naturgrund auch in der Weise aus, mit welcher er Familien-Erlebnisse aufnahm. Es ist mir erzählt worden, wie er in jenen Jahren Kinder durch den Tod verloren hat, und wie ihn der Vaterschmerz dabei so überwältigte, dass er sich in ungemässigten Aeusserungen desselben an die Erde warf. Wie ihn aber auch Familien-Freude gleichmässig ergriff, davon hat mir ein alter Freund, der nun auch längst verstorbene Dichter Stephan Schütz eine Scene geschildert, welcher er als Theilnehmer beigewohnt hatte . . . Stephan Schütz war es nun eben, welcher mir einst über Goethes Familiengefühl die obigen Bemerkungen aussprach und sie mir durch folgende miterlebte Scene bestätigte. Bei dem jährlichen Aufenthalte Goethes in Karlsbad pflegte letzterer während der Badezeit daselbst auch mehrere aus Weimar anwesende Personen an sich zu ziehen und in seine Gesellschaft aufzunehmen, obgleich sie nachher bei der Rückkehr in die fürstliche Residenz wieder in das hier beobachtete Verhältniss der Erstarrung zurücktraten, wie es auch mit meinem schriftstellerischen Freunde Schütz gehalten wurde. Einst an einem schönen Sommertage sass der grosse Dichter dort in Karlsbad im Freien mit weimarischen Bekannten an einem Tisch mit Holzbänken zu beiden Seiten. Stephan Schütz sass ihm gegenüber mit mehreren Personen und auch an Goethes Seite sassen noch einige. Da sah man, in das Gespräch vertieft, Goethes Sohn von einer Anhöhe herabkommen. Der junge Mann studierte zu dieser Zeit in Heidelberg und hatte eine unternommene Fussreise auch nach Karlsbad geleitet, um den Vater dort mit seinem Besuche zu überraschen. Als er sich nun der Gesellschaft an jenem Tische so näherte, dass ihn der Vater im Rücken hatte und seine Annäherung nicht bemerken konnte, winkte er den gegenübersitzenden eifrig zu sich still zu verhalten und den Vater nicht auf seine Ankunft aufmerksam zu machen. So schlich er endlich leise bis an den Rücken des Vaters heran und hielt ihm plötzlich nach gebräuchlichem weimarischen Scherze die Hände vor die Augen. Wie nun Goethe sich loswindet und umkehrt und so höchst unerwartet den Sohn erblickt, da ergreift ihn das freudige väterliche Gefühl auf eine Weise, die in den anderen gegenwärtigen Personen eine tiefe Erschütterung hervorbrachte. Die masslosen Aeusserungen der Gefühlsüberwältigung, mit welchen der erhabene Mann hier erschien, waren von solcher Stärke, dass die Zeugen dieser Scene wirklich dabei erschraken und in Besorgniss für seinen Geist die Beruhigung herbeiwünschten. 331
1807 23. 8.
Karlsbad Tagebuch 23. 8. 1807 (WA III 3, 263)
Früh mit August an die sämmtlichen Brunnen gegangen . . . Nach Tische mit August und Fernow nach dem Hammer gefahren. Dort Forellen gegessen und Melniker getrunken. Parodiren der spondäischen Ausgänge des Hexameters. Abends nach Hause. Kam Dr. Schütze und nahm Abschied. St. Schütze, Tagebuch 23. 8. 1807 (JSK NF 4, 100; GMD)
Bei Goethen zum Abschied. S. Freude über s. Sohn. Bei Tische Uebung von Spondäen. 22./23. 8. Tag- und Jahres-Hefte 1807 (WA I 36, 23)
Gegen das Ende der Cur kam mein Sohn nach Karlsbad, dem ich den Anblick des Ortes, wovon so oft zu Hause die Rede war, auch gönnen wollte. Dieß gab Gelegenheit zu einigen Abenteuern, welche den innern unruhigen Zustand der Gesellschaft offenbarten. Es war zu jener Zeit eine Art von Pekeschen Mode, grün, mit Schnüren von gleicher Farbe vielfach besetzt, bei'm Reiten und auf der Jagd sehr bequem, und deßhalb ihr Gebrauch sehr verbreitet. Diese Hülle hatten sich mehrere durch den Krieg versprengte preußische Officiere zu einer Interimsuniform beliebt, und konnten überall unter Pächtern, Gutsbesitzern, Jägern, Pferdehändlern und Studenten unerkannt umhergehen. Mein Sohn trug dergleichen. Indessen hatte man in Karlsbad einige dieser verkappten Officiere ausgewittert, und nun deutete gar bald dieses ausgezeichnete Costüm auf einen Preußen. Niemand wußte von der Ankunft meines Sohnes. Ich stand mit Fräulein L'Estocq an der Tepelmauer vor dem Sächsischen Saale; er geht vorbei und grüßt; sie zieht mich bei Seite und sagt mit Heftigkeit: Dieß ist ein preußischer Officier, und was mich erschreckt, er sieht meinem Bruder sehr ähnlich. Ich will ihn herrufen, versetzte ich, will ihn examiniren. Ich war schon weg als sie mir nachrief: Um Gottes willen, machen Sie keine Streiche! Ich brachte ihn zurück, stellte ihn vor und sagte: Diese Dame, mein Herr, wünscht einige Auskunft, mögen Sie uns wohl entdecken woher Sie kommen und wer Sie sind? Beide junge Personen waren verlegen, eins wie das andere. Da mein Sohn schwieg und nicht wußte was es bedeuten solle, und das Fräulein schweigend auf einen schicklichen Rückzug zu denken schien, nahm ich das Wort und erklärte mit einer scherzhaften Wendung, daß es mein Sohn sei, und wir müßten es für ein Familienglück halten, wenn er ihrem Bruder einigermaßen ähnlich sehen könnte. Sie glaubte es nicht, bis das Mährchen endlich in Wahrscheinlichkeit und zuletzt in Wirklichkeit überging. A n Christiane v. Goethe 23. 8. 1807 (WA IV 19, 389)
August ist glücklich angekommen und freut und verwundert sich an den seltsamen Felsen, warmen Quellen und dergleichen, daß er sogar gleich angefangen hat, zu zeichnen und zu illuminiren, wobey er, wie es im Anfang geht, wo man noch nichts kann, große Freude hat. . . Augusten schmeckt der Meinicker vortrefflich. Es ist so ein Wasserweinchen, das leicht hinunterschleicht und von dem man viel trinken kann. Wir haben ihm 332
1807
Karlsbad den Spaß gemacht, daß eine Harfenfrau, als wir bey Tische saßen, das famose Lied: „ E s kann ja nicht immer so bleiben" zu singen anfing, und was dergleichen Späße mehr sind. An Knebel 23. 8. 1807 (WA IV 19, 391)
Jetzt will ich dir nur sagen, daß August glücklich angekommen ist und daß es ihm großen Spaß macht, diese wunderliche neue Welt zu sehen. 24. 8.
Tagebuch 24. 8. 1807 (WA III 3, 264)
Mit August allerley Unterredung gepflogen . . . Dr. Mitterbacher. Perspectivische Verhandlung bey Gelegenheit von Augusts Zeichnungen. Nach Tische mit August, der gegen Abend in die Comödie ging. . . kam bald zurück. Dann mit ihm zum Schloßbrunn über die Häuser hinter der Wiese weg. Abends Schulgespräche: über die Art das Griechische und Lateinische zu tractiren. Riemer, Tagebuch 24. 8. 1807 (Dtsch. Revue 1 1 , 1 S. 65)
Morgens zeichnete August. Hernach ich. Gegen Mittag machte uns Goethe mit den Regeln der Perspective bekannt. 25. 8.
Tagebuch 25. 8. 1807 (WA III 3, 264)
Früh am Schloßbrunnen der Prinzeß Solms Gesellschaft geleistet.. . Gegen Abend spatzieren. Fand ich die Prinzeß Solms in der Allee beim Thee. Graf Finkenstein. Ich ging mit dem Grafen Haack nach dem Posthofe, wohin die Prinzeß gefahren kam und wir zu Fuße hereingingen. 26. 8.
Tagebuch 26. 8. 1807 (WA III 3, 264)
Dr. Mitterbacher . . . Zu Tische zusammen. 27. 8.
Tagebuch 27. 8. 1807 (WA III 3, 265)
Dr. Mitterbacher. Hr. von Ompteda, artiges Geschenk eines Beutelchens mit 3 römischen Münzen, die bey Ellbogen gefunden worden. Abends zum Thee bey Frau von Ompteda auf der Bank über dem böhmischen Saal, mit der Hoheit und ihrer Suite. 28. 8.
Tagebuch 28. 8. 1807 (WA III 3, 266)
Dr. Mitterbacher . . . Steinschneider Müller, vergnügt über Bestellung von zwey Sammlungen, welche der Fürst von Bernburg gemacht. Nach Tische zur Hoheit, kam Graf und Gräfin Corneillan und Graf Langenau. Abends mit August auf der Wiese spatzieren. Riemer, Tagebuch 28. 8. 1807 (*Dtsch. Revue 11, 1 S. 66; Keil 5 S. 247)
B 2 1036 a Β 3 2530
Goethe's Geburtstag. Des Morgens Briefe geschrieben bei G. Gegen Abend mit August und dann mit G. auf der Wiese und in der Allee. Zu Bolza in den Garten, wo das Tirolerlied geblasen und gesungen wurde. Erzählte G. vom Dichter Zachariä, mit dem er in Leipzig, noch als Student, gegessen, und der sie junge Leute dort recht lieb gehabt. 333
1807
Karlsbad Riemer, Tagebuch 28. 8. 1807 (GSA, Riemer 730)
Ariosti Comödie Scholastica behandelt das Hauptmotiv, daß die Professoren mit Frau und Kindern von der Universität wegziehen, weil ihnen wegen des Kriegs der Salario nicht ausgezahlt worden. G. Carlsbad. d 28 August 1807. aus m Tagbuch. 8./28. 8.
An A. Müller 28. 8. 1807 (WA IV 19, 403)
Die Bekanntschaft des Herrn von Haza, der das Gegenwärtige mitzunehmen die Gefälligkeit hat, ist mir sehr angenehm gewesen. 29. 8.
Tagebuch 29. 8. 1807 (WA III 3, 266)
Früh kam Hr. von Yacowleff, der von Franzensbrunn zurückgekehrt war . . . Gegen Abend zu Steinschneider Müller, um einige Sammlungen nach der neuen Einrichtung zu rangiren. Ausflüchte desselben, um den Ort, wo die Augiten gefunden werden, nicht anzugeben. Zuletzt sagte er gar: „Der Jäger selbst kann's nicht sagen." Augustens Freude darüber. War inzwischen Hofrath Becker bey mir gewesen und brachte Augustens Stammbuch. 30. 8.
Tagebuch 30. 8. 1807 (WA III 3, 266)
Briefe dictirt. . . Nachher Besuch von Herrn von Struve, der von Braunschweig, Hrn. Brückmann und Hausmann daselbst sprach. Der letztere ist ein junger Mineralog von etwa 25 Jahren, vom Harz, der sich viele Mühe gegeben und neuerlich in Norwegen gewesen ist, auch von daher schöne Sache mitgebracht. Das berühmte Mantuanische Gefäß hat der Prinz Wilhelm von Braunschweig mitgenommen. Nach Tische zur Hoheit, wo ich den Grafen Miaszinsky und Corneillan fand. Der erstere hatte einen sehr schönen Solitär und auch einen großen Opal. Ärgerliches Lied auf Fräulein von Langet von Hrn. Cramer und componirt von Himmel. Nach Hause . . . Spatzieren hinter den böhmischen Saal, wo sich Lord Findlater zu uns gesellte. Kam August mit zerbrochnem Hammer von Ellbogen zurück. 31. 8.
Tagebuch 31. 8. 1807 (WA III 3, 267)
Ging die Hoheit nach Franzensbad. Fingen wir an aufzuräumen und besonders die Steine wegzuschaffen. Bey Yacowleff dessen geschnittene Steine durchgesehen. Gegen Abend zu Müllern und die Sammlung für Sulzer in Ordnung gebracht. 13./31. 8. Tag- und Jahres-Hefte 1807 (WA I 36, 15)
Zunächst hab' ich nun der Fürstin Solms, einer gebornen Prinzessin von Mecklenburg zu gedenken, die mir immer, wo ich ihr auch begegnete, ein gnädiges Wohlwollen erwies. Sie veranlaßte mich jederzeit ihr etwas vorzulesen, und ich wählte stets das Neuste was mir aus Sinn und Herz hervorgequollen war. . . Eine freundlich sinnige Hofdame, Fräulein L'Estocq, war es, welche mit gutem Geiste diesen vertraulichen Mittheilungen beiwohnte. 334
Karlsbad
1807 Aug. (?)
Riemer, Tagebuch o. Dat. (August 1807?) (*Dtsch. Revue 11, 2 S. 168; Keil 5 S. 194) B 2 1031 B 3 2 5 1 9
[Goethe:] „Die Phänomene, wenn man sie auch gut apercevirt hat, werden immer wieder dadurch entstellt und zu Grunde gerichtet, daß man sie aus der jedesmaligen Philosophie zu erklären und dieser zu subsumiren sucht; so wie umgekehrt die herrschende Philosophie sich wieder solche physische Vorstellungsarten aneignet, die in ihren Kram dienen, z. B. die Naturphilosophen die Newtonische Lehre, damit sie auch hier alles aus dem Licht ableiten können." 1.9.
Tagebuch 1. 9. 1807 (WA III 3, 268)
Nach Tische Besuch von Hofrath Becker. Gegen Abend von Bergrath Werner, der eben angekommen war. Zuerst Gespräch über geologische Gegenstände und Disputation über den Sandstein am Egerflusse, inwiefern er chemischen oder mechanischen Ursprungs sey. Mehrere geognostische Puñete theils mit Dissens theils mit Assens durchgesprochen. Dann über Wien, Sammlungen, geschnittene Steine, über Jacquin und Sonnenfels, über die Epoche Joseph des Zweiten, über Männer und Frauen in Wien u. s. w. August war nach dem Hammer geritten. Abends Geschichte seiner astronomischen Unterhaltung mit dem Kutscher auf dem Herwege: Schuberts Sonnen- und Planetenmuster vorgewiesen. 2. 9.
Tagebuch 2. 9. 1807 (WA III 3, 268)
Erst etwas eingepackt, hernach mit Bergrath Werner bey Müller. Zu Mittag über die letzteren geologischen Interessen. Nach Tische zu Müller, um die Sulzerische und fürsd. Bernburgsche Sammlung fortzuschaffen. Abends zum Thee bey Corneillan, wo man die Hoheit vergebens erwartete, die krank von Franzensbad zurückkam. Dann bey Bolza und Yacowleff, wo ich die Frau von Matt, ihre Tochter und Frau Spielmann und andre antraf. 3. 9.
Tagebuch 3. 9. 1807 (WA III 3, 269)
Zu Bergrath Werner: über die pseudovulkanischen und vulkanischen Erscheinungen, sodann über die warmen Quellen. Seine Erklärung des Carlsbader Sprudels im Gefolg alles obigen. Zu Graf Langenau. Geschichte mit Fräulein L'Estocq wegen Augusts Ähnlichkeit mit ihrem jüngeren Bruder. Vorher mit Himmeln den 3 Rosen gegenüber gesessen. In der Melone eine Reitpeitsche gekauft. Hernach bey Graf Haack. Uber Tische politisches Lebensgespräch. Nach Tische zu Müllern, um an den Sammlungen fort zu ordnen und zu packen. Riemer, Mittheilungen 2, 702
B 2 1037 B 3 2532
„Gespräch über Einrichtungen des Lebens und Verfahrens bei jetzigen politischen Umständen, was ein junger Mensch zu thun habe. Es ist weiter nichts als das gesellschaftliche Betragen, ausgedehnt auf eine größere Gesellschaft, auf Franzosen u.s.w." 4. 9.
Tagebuch 4. 9. 1807 (WA III 3, 269)
Zu Bergrath Werner. Unterhaltung über den Schloßberg und seinen Einfluß auf die Quellen. Geognostische Formationen überhaupt, besonders über die letzte 335
1807
Karlsbad Porphyr- und Trappformation, nicht weniger über die verschiedentliche Rückkehr des Wassers über den Erdboden. Nachher mit ihm zum Sprudel, welcher unterwärts ausgebrochen war. Bretterbrücke, worauf man bis gegen die Fleischerbrücke gehen konnte und an vielen Orten die Luftblasen gewaltsam aufstreben sah . . . Uber Tisch Recapitulation des vorhergehenden. Nach Tische mit August zu Müller, welcher schon den ganzen Tag aus war. Die von August geschickt geordneten Suiten revidirt und richtig befunden . . . Spatzieren auf der Wiese. Graf Haack begegnet, am sächsischen Saal gestanden. Mädchen mit schwarzen Augen und schönen Zähnen.
9. 6./4. 9. L. A. Jakowlew an Goethe 30. 12. 1809 ^Gartenlaube 1932, 224; Eing. Br. 1809, 12)
Aimant a me flatter que Vous retrouverés encore dans Votre Memoire un voyageur qui se rappele avec un plaisir bien vif de l'avantage dont il a joui de Vous trouver a Carlsbad, ou indépendamment de Votre grande et juste reputation la conformité de Votre goût pour l'histoire Naturelle avec le sien lui a fait rechercher Votre société, je profite . . . de l'occasion d'un courier qui retourne a Weimar . . . pour vous faire parvenir la boîte ci jointe avec Matrice de granat qui m'a semblé exciter Votre attention a Carlsbad. 5. 9.
Tagebuch 5. 9. 1807 (WA III 3, 270)
Zu Mittag Bergrath Werner und Hr. von Struve zu Tische. Uber Sprachen und deren Verwandtschaft. Geologisches, Politisches u. s. w. Gegen Abend mit August und Riemer am Sprudel, wo die Dämmung ziemlich zu Stande war, aber noch Blasen lebhaft aufstiegen. Riemer, Tagebuch 5. 9. 1807 (*Dtsch. Revue 11, 1 S. 66; Keil 5 S. 247)
B 3 2533
Speisten Werner und Struve bei uns. Werner's Meinung über den Ursprung der Sprachen und ihre Verwandtschaft, auf geologische Principien gegründet; 3 Hauptsprachen: Iberisch, Celtisch, Scytisch. Das Persische ist zu den germanischen Sprachen zu rechnen. 6. 9.
Tagebuch 6. 9. 1807 (WA III 3, 270)
Früh eingepackt. Bergrath Werner auf kurze Zeit. . . Kam der alte Müller, nahm Abschied und erzählte von seinen Studien auf dem Galgenberg. Hofrath Becker. Dr. Mitterbacher: über der Frau von Recke Befinden in Franzensbad und über die Wahrscheinlichkeit, daß die Brunnen überhaupt und diese besonders variiren. Gegen Abend Bergrath Werner, der seine Sprachforschungsmanuscripte mitbrachte . . . Mittags die Kinder mit Harfe, Flöte und Gesang. Abends Augustens Händel mit den Polen. Tag- und Jahres-Hefte 1807 (WA I 36, 24)
Wir waren schon in den September gelangt, zu der Jahrszeit, in welcher die Polen häufiger sich in Karlsbad zu versammeln pflegen. Ihr Haß gegen die Preußen war schon seit langer Zeit groß, und nach den letzten Unfällen in Verachtung übergegangen. Sie mochten unter der grünen, als polnischen Ur336
Karlsbad
1807
sprungs, recht eigentlich polnischen Jacke [August v. Goethes], dießmal auch einen Preußen wittern. Er geht auf dem Platz umher, vor den Häusern der Wiese, vier Polen [Graf Ignaz Krosnowsky, Graf Marzelin Ronarsky, Grafen Stanislaus und Ignaz Miaczinsky] begegnen ihm auf der Mitte des Sandweges hergehend; einer lös't sich ab, geht an ihm vorbei, sieht ihm in's Gesicht und gesellt sich wieder zu den andern. Mein Sohn weiß so zu manoeuvriren, daß er ihnen nochmals begegnet, in der Mitte des Sandwegs auf sie losgeht, und die Viere durchschneidet, dabei sich auch ganz kurz erklärt, wie er heiße, wo er wohne und zugleich daß seine Abreise auf morgen früh bestimmt sei und daß wer was an ihn zu suchen habe, es diesen Abend noch thun könne. Wir verbrachten den Abend ohne beunruhigt zu sein, und so reis'ten wir auch den andern Morgen ab. Riemer, Tagebuch 6. 9. 1807 (Keil5 S. 247)
Abends kam Werner wieder und theilte seine Sprach-Collectaneen mit. 1./6. 9.
Tag- und Jahres-Hefte 1807 (WA I 36, 19)
Und so wurde mir auch noch, wie gewöhnlich in den spätesten Tagen des Karlsbader Aufenthalts, Bergrath Werners Anwesenheit höchst belebend. Wir kannten einander seit vielen Jahren, und harmonirten, vielleicht mehr durch wechselseitige Nachsicht, als durch übereinstimmende Grundsätze. Ich vermied seinen Sprudelursprung aus Kohlenflötzen zu berühren, war aber in andern Dingen aufrichtig und mittheilend, und er, mit wirklich musterhafter Gefälligkeit, mochte gern meinen dynamischen Thesen, wenn er sie auch für Grillen hielt, aus reicher Erfahrung belehrend nachhelfen. Es lag mir damals mehr als je am Herzen, die porphyrartige Bildung gegen conglomeratische hervor zu heben, und ob ihm gleich das Princip nicht zusagte, so machte er mich doch in Gefolg meiner Fragen mit einem höchst wichtigen Gestein bekannt; er nannte es nach trefflicher eigenartiger Bestimmung, dattelförmig körnigen Quarz, der bei Prieborn in Schlesien gefunden werde. Er zeichnete mir sogleich die Art und Weise des Erscheinens, und veranlaßte dadurch vieljährige Nachforschungen. Es begegnet uns auf Reisen, wo wir entweder mit fremden oder doch lange nicht gesehenen Personen, es sei nun an ihrem Wohnort oder auch unterwegs, zusammentreffen, daß wir sie ganz anders finden, als wir sie zu denken gewohnt waren. Wir erinnern uns, daß dieser oder jener namhafte Mann einem oder dem andern Wissen mit Neigung und Leidenschaft zugethan ist; wir treffen ihn und wünschen uns gerade in diesem Fache zu belehren, und siehe da, er hat sich ganz wo anders hingewendet, und das was wir bei ihm suchen ist ihm völlig aus den Augen gekommen. So ging es mir dießmal mit Bergrath Werner, welcher oryktognostische und geognostische Gespräche lieber vermied und unsere Aufmerksamkeit für ganz andere Gegenstände forderte. Der Sprachforschung war er dießmal ganz eigentlich ergeben; deren Ursprung, Ableitung, Verwandtschaft gab seinem scharfsinnigen Fleiß hinreichende Beschäftigung, und es bedurfte nicht viel Zeit, so hatte er uns auch für diese 337
1807
Karlsbad Studien gewonnen. Er führte eine Bibliothek von Pappenkasten mit sich, worin er alles was hierher gehörte, ordnungsgemäß, wie es einem solchen Mann geziemt, verwahrte und dadurch eine freie geistreiche Mittheilung erleichterte . . . Werner hatte sich in seinem Fach, wie er herankam, für die Einzelheiten solcher Namen bedient, wie sie seinem Vorgänger beliebt; da er aber zu unterscheiden anfing, da sich täglich neue Gegenstände aufdrangen, so fühlte er die Nothwendigkeit selbst Namen zu ertheilen . . . Werner . . . holte freilich weit aus, indem er, um Gegenstände eines gewissen Fachs zu benennen, die Sprachen überhaupt in ihrem Entstehen, Entwicklungsund Bildungssinne betrachten und ihnen das was zu seinem Zwecke gefordert ward, ablernen wollte . . . Und wenn auch Werner über dem Mittel den Zweck vergessen hätte, welches wir doch keineswegs behaupten dürfen, so waren wir doch Zeugen der Freudigkeit, womit er das Geschäft betrieb, und wir lernten von ihm und lernten ihm ab, wie man verfährt, um sich in einem Unternehmen zu beschränken, und darin eine Zeit lang Glück und Befriedigung zu finden.
28. 5./ 7 9
Tag- und Jahres-Hefte 1807 (WA I 36, 17)
Nun aber schloß sich mir ein neuer Kreis auf: Fürstin Bagration, schön, reizend, anziehend, versammelte um sich eine bedeutende Gesellschaft. Hier ward ich dem Fürsten Ligne vorgestellt, dessen Name mir schon so viele Jahre bekannt, dessen Persönlichkeit mir durch Verhältnisse zu meinen Freunden höchst merkwürdig geworden. Seine Gegenwart bestätigte seinen Ruf; er zeigte sich immer heiter, geistreich, allen Vorfällen gewachsen und als Welt- und Lebemann überall willkommen und zu Hause. Der Herzog von Koburg zeichnete sich aus durch schöne Gestalt und anmuthig würdiges Betragen. Der Herzog von Weimar, den ich in Bezug auf mich zuerst hätte nennen sollen, weil ich ihm die ehrenvolle Aufnahme in diesen Kreis zu verdanken hatte, belebte denselben durch seine Gegenwart vorzüglich. Graf Corneillan war auch hier, durch sein ernstes ruhiges Betragen und dadurch daß er angenehme Kunstwerke zur Unterhaltung brachte, immer willkommen. Vor der Wohnung der Fürstin, mitten auf der Wiese, fanden sich stets einige Glieder dieser Kette zusammen; unter diesen auch Hofrath von Gentz, der mit großer Einsicht und Ubersicht der kurzvergangenen Kriegsereignisse mir gar oft seine Gedanken vertraulich eröffnete, die Stellungen der Armeen, den Erfolg der Schlachten und endlich sogar die erste Nachricht von dem Frieden zu Tilsit mittheilte. An Ärzten war dießmal Karlsbad gleichfalls gesegnet. Dr. Kapp von Dresden nenne ich zuerst, dessen Anwesenheit im Bade mich immer glücklich machte, weil seine Unterhaltung überaus lehrreich und seine Sorgfalt für den, der sich ihm anvertraute, höchst gewissenhaft war. Hofrath Sulzer von Ronneburg, ein treuer Naturforscher und emsiger Mineralog, Schloß sich an; Dr. Mitterbacher, sofern seine Geschäfte erlaubten, war auch beiräthig. Dr. Florian, ein Böhme von Manetin, trat gleichfalls hinzu, und so hatte man Gelegenheit mehr als eine der ärztlichen Denk- und Behandlungsweisen gewahr zu werden . . . 338
1807
Karlsbad Für ein näheres Verständniß der Edelsteine war mir die Gegenwart eines Juweliers, Zöldner von Prag, höchst interessant: denn ob ich ihm gleich nur weniges abkaufte, so machte er mich mit so vielem bekannt was mir im Augenblick zur Freude und in der Folge zum Nutzen gereichte. Ubergehen will ich nicht, daß ich in meinen Tagebüchern angemerkt finde, wie des Dr. Hausmanns und seiner Reise nach Norwegen mit Ehren und Zutrauen in der Gesellschaft gedacht worden. G. E. Guhrauer, Goethe in Karlsbad (Deutsches Museum 1851 I 115)
Der bejahrte Besitzer des Hauses [Zum goldnen Herzen], ein Bruder des Steinschneiders David Knoll, hat mir noch aus der Erinnerung jener geräuschvollen Zeit eine lebendige und bis ins Einzelne gehende Schilderung gemacht. . . Die Fürstin bewohnte das ganze Haus, bewirthete täglich vor dem Hause auf der Wiese, wo zu dieser Zeit das Ufer der Tepel von Buden frei und nur mit Bäumen besetzt war, an einem breiten Tische, welchen der Wirth noch aufbewahrt, die glänzendste Gesellschaft, zu welcher meistentheils auch Goethe gehörte. Die Herzöge von Koburg und von Weimar wetteiferten in ihren Gunstbestrebungen gegenüber der schönen Fürstin Bagration, wobei jedoch der Erstere vor seinem Nebenbuhler den Vorrang behielt. Tag- und Jahres-Hefte 1807. Paralipomena (WA I 36, 390)
In Karlsbad ergötzte ich mich abermals an den Rambergischen farbigen Zeichnungen im Besitz des Grafen Corneillan und dessen gleichfalls illuminirten Kupfer-Umrissen. Auch zeigte daselbst Yakoblew neuerlich in Rom geschnittene Carneen, an welchen die kluge Benutzung der Chalcedon- und Onyx-Bogen höchlich zu loben war. Er besaß auch unter andern Merkwürdigkeiten einen alten chinesischen Teppich, an welchem die Figuren einzeln gefertigt und durch einen schicklichen Grund zu einem Bilde vereinigt waren. Ich erinnerte mich, dergleichen aus frühen deutschen Zeiten im Dome von Magdeburg gesehen zu haben. Tag- und Jahres-Hefte 1807 (WA I 36, 16)
Die erneuerte Bekanntschaft mit dem verdienten Kreishauptmann von Schiller gewährte . . ., ungeachtet der vielfachen Arbeiten dieses überhäuften Geschäftsmannes, gar manche angenehme Stunde. L. v. Ompteda, Notizen eines deutschen Diplomaten (Ompteda S. 21)
Gegen Ende des Monats Mai 1807 verließ ich Wien und ging über Brünn, um meinen Stiefsöhnen das Schlachtfeld von Austerlitz zu zeigen, dann über Prag, um dort meinen Hausstand aufzulösen, nach Karlsbad, wo ich am 10. Juni eintraf. Außer den vielen Bekanntschaften, die ich hier erneuerte, war eine neue von besonderer Bedeutung, die von Goethe. Sie war sofort vermittelt dadurch, daß meine Frau vor Jahren in Begleitung der Herzogin von Kurland in Weimar Goethe kennen gelernt hatte und wurde nun befördert durch ein allmorgend339
1807
Karlsbad liches Zusammentreffen und Zusammenwandeln an dem von anderen Kurgästen weniger besuchten Neubrunnen. Die Beziehungen zu Goethe verstärkten sich durch die Ankunft des Herzogs von Weimar, dem ich auch von Berlin aus bekannt war. F. H. Himmel an Goethe 9. 9. 1807 (Eing. Br. 1807, 61)
Göthe sprach in Carlsbad mir „Schick mir doch dies Liedgen!" „Herr! dein Will gescheh!" und mir schick ein andres Liedgen deiner eignen Dichtungskrafft; dafür Himmel Freud dir schafft. Durch Weimar's Herzog meinen Gruß durchs Liedlein meinen Himmelskuß. Riemer (CA, Riemer: Anmerkungen zu Goethes Gedichten)
An Uranius. Dieses Gedicht ist an den Capellmeister Himmel gerichtet, der damals 1806 [vielmehr: 1807] in Carlsbad die Cur brauchend alle Morgen vor dem Hause worin G. wohnte, auf einem Schimmel vorbeyritt, und nickend hinaufgrüßte. F. Schlegel an A. W. Schlegel 25. 9. 1807 (Körner 3 1, 441)
Von Goethe werden aber Plattheiten über Plattheiten erzählt; er schreibt übrigens über Farben und Licht und Gebirge immer fort und führt allstets Deinen Calderone mit sich, welchen selbst er eben so sehr als Deine Uebersetzung unbedingt und vergötternd bewundert. Ph. O. Runge an Goethe 23. 10. 1807 (SchrGG 51, 69)
Ich habe lange gehofft, daß Ihre Abhandlung über die Farben, wovon Sie mir schrieben, erscheinen würde; besonders da ich von einigen Freunden hörte, daß Sie im Karlsbad einiges davon mitgeteilt hätten. Riemer (Keil5 S. 248)
Carlsbad 1807.
G: „Die Juden würden nicht solche niederträchtige . . . . sein, wenn sie nicht auf einen Messias hofften." Anecdote von einem Portugiesischen General, welcher sagte: Was soll ich mit einem Volke anfangen, dessen einer Theil auf den Messias und der andre auf den Don Sebastian hofft? Riemer (Keil5 S. 247)
Carlsbad 1807.
Bei Gelegenheit des lebendigen Saamens der Weiden an Oken's ZeugungsTheorie gedacht. [Goethe:] „Wenn man [sich] an den Begriff von simultaner und successiver Existenz halte, so komme man der Sache sehr nahe." Riemer (Keil5 S. 248)
Carlsbad 1807.
Eine Parabel von der Ablehnungsweise der Menschen gegen das Genie, z. E. Napoleons, hatte G. vor. 340
Karlsbad — Jena
1807
Karlsbad — Jena 7. 9.
Riemer (*Dtsch. Revue 11, 2 S. 169; Keil 5 S. 248)
B 3 2534
Goethe, den 7. September 1807 mit uns (August und mir) unterwegs von Carlsbad nach Mariä Culm, äußerte über die Differenz der katholischen und protestantischen Religion und bemerkte es ebenso auch in seinem Tagebuche: . . . Tagebuch 7. 9. 1807 (WA III 3, 271)
Früh nach 4 Uhr von Carlsbad ausgefahren. Vergessener Ring, den Nanny nachbrachte, und Hammer, der aber beym Schmied zurückblieb. — Uber geologische Sachen. Verfahren bey irgend einer Darstellung; gleich voraus nur irgend eine Wasserbedeckung angenommen und Hypothesen zu ihrer Erklärung aufzusuchen. Uber die Differenz der katholischen und protestantischen Religion. Es kommt darauf an, daß der Mensch immerfort an seine drey idealen Forderungen: Gott, Unsterblichkeit, Tugend erinnert und sie ihm möglichst garantirt werden. Der Protestantismus hält sich an die moralische Ausbildung des Individuums, also ist Tugend sein erstes und letztes, das auch in das irdische bürgerliche Leben eingreift. Gott tritt in den Hintergrund zurück, der Himmel ist leer, und von Unsterblichkeit ist bloß problematisch die Rede. Der Katholicismus hat zum Hauptaugenmerk dem Menschen seine Unsterblichkeit zuzusichern, und zwar dem Guten, eine glückliche. Dem Rechtgläubigen ist sie ganz gewiß, und wegen gewisser kleinerer oder größerer Differenzien setzt er noch einen Mittelzustand, das Fegefeuer, in den wir von der Erde aus durch fromme und gute Handlungen einwirken können. Ihr Gott steht auch im Hintergrunde, aber als Glorie von gleichen, ähnlichen und subordinirten Göttern, so daß ihr Himmel ganz reich und voll ist. D a an eine sittliche Selbstbildung nicht gedacht, oder vielmehr in früheren roheren Zeiten nicht daran geglaubt worden, so ist statt derselben die Specialbeichte eingeführt, da denn niemand sich mit sich selbst herumzuschlagen braucht, eine empfundene Entzweyung nicht selbst zu vereinen und in's Ganze herzustellen aufgefordert ist, sondern darüber einen Mann von Metier zu Rathe zieht. Um 10 Uhr in Maria Culm. Gegessen. Augusts getäuschte Erwartung wegen der Bratwürste. Um 1 Uhr weitergefahren und gegen halb 3 Uhr in Eger. Riemer und August gingen aufs Rathhaus und Schloß, dann zusammen zu dem Scharfrichter Huß, um seine Münzen zu besehen, und brachten von dem Gestein des alten Römerthurms ein Stück mit. Um 7 Uhr nach Hause und gegessen. Riemer, Tagebuch 7. 9. 1807 (*Dtsch. Revue 11, 1 S. 66; Keil 5 S. 248)
Früh um 4 Uhr ausgefahren. Um 11 Uhr in Mariä-Culm . . . Um V2 3 Uhr in Eger. Mit August auf das Rathhaus. Dann mit ihm zu Huß, wohin G. vorausgegangen war. Unkritik des Mannes . . . In der Sonne logirt. A. v. Goethe, Reisetagebuch 7. 9. 1807 (GSA, Goethe Familie XII 3)
Den 7 t e n Septemper reisete ich mit meine [m] Vater v. Karlsbad ab, wir gingen über Eger zurük wo ich die Ruinen des alten Schlosses, die Wallensteinischen Sachen u. die Münzsammlg des Scharfrichters [Huss] besah. 341
1807 8. 9.
Karlsbad — Jena Tagebuch 8. 9. 1807 (WA III 3, 273)
Um 5 Uhr in Hof angekommen. Verschiedene Unterhaltung und gutes Abendessen. 9. 9.
Tagebuch 9. 9. 1807 (WA III 3, 273)
In Schleiz zu Mittag und Abend gegessen. Disputât mit August und Riemer über die katholische Religion, insonderheit den Bilderdienst und Ohrenbeichte betreffend. 7./9. 9.
Riemer (Keil 5 S. 249)
[Goethe und Riemer:] „Das Ungeheure bei der katholischen Religion ist nur dies, daß sie in einem Kultus besteht und die Moralität Nebensache ist. Man kann der allerunmoralischste Mensch von der Welt und dabei doch ein guter Katholik sein. Denn diese Religion vergiebt alle Sünden; ist es der andere Geistliche nicht, der es thut, so ist es der Bischof, so ist es der Papst. Die Moralität ist niemals ohne Religion, aber die Religion kann ohne Moralität sein. Denn moralisch handeln, andre nicht als Mittel, sondern als Selbstzwecke betrachten, ist schon und beruht schon auf einer religiösen Ansicht der Welt. Nun giebt es moralische Menschen in beiden Religionen; es ist nur hier die Frage: welche Religion nöthigt und zwingt einem das moralische Handeln gleichsam auf und verpflichtet den großen Haufen wenigstens zu einer loyalen Handelsweise (wenn es auch nicht immer zur andern Gewohnheit gewordene Tugend ist)? und da ist kein Zweifel, daß es der Protestantismus sei. Der Protestantismus ist niemals in Irreligiosität ausgeartet; er hat nur zuletzt die Symbole verschmäht und den Kultus vernachlässigt. Der Protestantismus giebt durchaus eine Kultur des Innern, wie der Katholicismus nach Außen, vis à vis der Welt. Und so gleicht der Protestantismus der Sinnesweise eines rechtschaffenen Menschen, dem es um sein Inneres allein zu thun ist, und der die nicht zu verachtende, ja nothwendige Außenseite zu sehr vernachlässigt. In's Künftige würde es blos von der Organisation der Individuen abhängen, ob sie moralisch wären oder nicht; dagegen jetzt doch wenigstens der Protestantismus als Lehre die Leute nöthigt, gewisse Egards zu beobachten, welche sie außerdem gar nicht beobachten würden. Es kann mit ihm wie mit der conventionellen Höflichkeit gehen; aber diese ist gleichwohl nöthig, wie die Uniformität eines Kriegsheers. Und diese äußerliche Moralität begünstigt der Katholicismus wenigstens nicht, da er nicht darauf appuyirt. Die Moralität hat das Nachtheilige, daß sie auf der passiven Seite steht, sich alles gefallen lassen muß, es dulden, leiden, verkochen, wie sie kann und mag, während die entgegengesetzte Sinnesart ewig im Vortheil ist. Betrogen werden und nicht wieder betrügen, hintergangen sein, ohne wieder zu hintergehen, ist sie jederzeit ein Ball, mit dem die Spitzbuben spielen. Uberlisten, Bevortheilen, Beinstellen — alles Handlungen, die aus dem übermäßigen Egoismus hervorgehen. Was thut und ist Moralität anders, als Einschränkung des Egoismus, Beschränkung desselben auf den Grad, daß dem andern auch Raum zu existiren gegeben wird? Es ist das Naturrecht in der 342
1807
Karlsbad — Jena Gesellschaft; oder durch die Gesellschaft limitirt. Daher ist es absurd und lächerlich, den Christen dies und jenes Schuld zu geben. Sie haben das nicht als Christen gethan, sondern als egoistische Menschen überhaupt, und als bornirte Kerls, deren es unter jeder Religion giebt. Aber die eine befördert ein solches Handeln, die andre schränkt es ein; und nicht die, die den Neigungen schmeichelt und Vorschub thut, sondern die sie einschränkt, kann die wahre sein, denn sie ist und soll ein Gegengewicht sein. Aus zwei gegeneinander wirkenden Kräften besteht das Leben, das physische wie das geistige und moralische." Riemer (Keil 5 S. 252)
Das Schicksal als solches aber definirte Goethe [Anm. Keil: laut eines dem Tagebuche beiliegenden Notizblattes] als „allmächtige Unvernunft". 10. 9.
Tagebuch 10. 9. 1807 (WA III 3, 274)
In dem Gasthofe [in Podelwitz] Bilder auf die Königswürde des Churfürsten von Sachsen. Zu Mittag dort gegessen. Vorher und nachher Augustens und Riemers Späße mit der Bildung von lauter collectiven Substantivwörtern mit der Vorschlagssylbe ge, als: Geöchs, Gekälb, Gebäuch, Gehühn etc. Um 11 Uhr weggefahren. Nachmittags in Kahla. „August schlug die Fliegen im Wagen todt; mehrere aber waren nur angetödtet." Unter Regen in Jena eingetroffen. Bey Hrn. von Knebel abgestiegen, während August und Riemer in den Bären fuhren. Zu Major von Hendrich und Frommanns. Bey ersterem übernachtet. 10. 9.
Riemer (Keil 5 S. 253)
unbest
Z,u allerlei heitern Anspielungen gaben Gelegenheit die scherzhaften Versuche, die wir machten, durch neue Worte die Sprache zu bereichern und eines strengern Purismus uns zu befleißigen. Auf der Rückreise von Carlsbad, auf der uns Goethe's Sohn begleitete, erinnere ich mich daß dergleichen Späße viele vorkamen. Unter andern versuchten wir sogenannte Collectiva, wie Gemäuer, zu bilden, und so kamen denn allerlei Thiere als: Gethier, Geöchs u. s. w. zum Vorschein. Eine Trompete wurde „eine Schmetterpfeife" benamset, eine Kutsche „ein Fuhrhäuschen" u. dgl. m. Die im Wagen uns belästigenden Fliegen wurden mit der ledernen Reisekappe des jungen Goethe geschlagen; da sie aber immer wieder auflebten, so nannte man sie „nur angetödtet". Auch in deutschen Hexametern wurde, ganz nach Vossischer Sprach- und Tonweise, mit eingemischten Homerischen Floskeln, als: „bis spät zur sinkenden Sonne," oder: „aber nachdem sie entflohn", oder: „und sie erhüben die Hände zum lecker bereiteten Mahle", besonders über Tisch gesprochen, wie denn August Goethe von einer ganz eigenen Laune und bildlichem Witze die seltsamsten gryllus-artigen Wortgebilde erfand. Wir saßen in ziemlich mönchischem Kostüm, langen weißen oder grauen Hausröcken, eines Abends bei gewöhnlichem, frugalen Mahle von Hühnerfricassee. Ich ward ohnehin schon längst scherzweise „der Abt" genannt, und so fiel es 343
1807
Karlsbad —Jena August auf einmal ein, uns „Hühnermönche" zu nennen; welches Stichwort dann in der Folge als ein Schibboleth und Erinnerung an gute und vergnügte Stunden noch manchmal zum Vorschein kam. Mehrere dergleichen nur uns verständliche, andern aber absurd oder barbarisch vorkommende Ausdrücke, wie „Katzenpunsch" statt Milch, „Angermus" statt Spinat, dienten doch statt eines andern Rothwelsch oder Zigeunersprache, uns im Augenblick wie durch geheimen Wink zu erklären. Auch dies gehört zu vollständiger Charakteristik des im Goethe'schen Familienleben waltenden launigen Tons. Jena
10. 9.
Knebel, Tagebuch 10. 9. 1807 (GSA, Nachlaß Knebel)
Göthe komt nach 5. Uhr von Karlsbad an, u. steigt hier ab. Geht Morgen nach Weimar. Knebel an J. I. v. Gerning 20. 9. 1807 (FDH)
Göthe ist seit nicht gar langem von Karlsbad zurück, das, wie es scheint, seiner Gesundheit zuträglich gewesen ist. C. F. E. Frommann an J. D. Gries 9. 10. 1807 (GSA, Frommann 47, 3)
Goethe kam den 10 ten Sept von Carlsbad zurück, recht wohl u. sehr heiter. Er ging leider gleich den andern Morgen nach Weimar, wir sahen ihn aliso nur ein Abend Stündchen. Er wollte bald wieder kommen, konnte aber er nicht. Ich wollte herrüber, es ging aber auch nicht. An C. F. E. Frommann 18. 9. 1807 (WA IV 19, 411)
Eingewickelt ist das Geld in jenes merkwürdige poetische Product [wohl Kleists Amphitryon], von welchem wir zusammen gesprochen. 11. 9.
Tagebuch 11. 9. 1807 (WA III 3, 274)
Gegen 7 Uhr das mineralogische Cabinet besehen und mit Lenz über die getroffenen Einrichtungen gesprochen. 10./11. 9. Knebel an Hegel 11. 9. 1807 (Hoffmeister 1, 190)
B 3 2535
Gestern ist der Herr Geh. Rat v. Goethe vom Karlsbad glücklich wieder hier eingetroffen, woselbst er durch einen dreimonatigen Aufenthalt seine Gesundheit meist vollkommen wiederhergestellt h a t . . . Goethe kam gestern abends hier an und stieg bei uns ab. Diesen Morgen ist er sogleich wieder nach Weimar gegangen. Ich lege Ihnen hier seine Bezeichnung der Karlsbader Mineralien bei und zugleich ein Gedicht von einem hiesigen Schuster. In beiden werden Sie etwas verschiedene Art und Ausführung finden. J. D. Färber, Kalender 10./11. 9. 1807 (UB Jena, Nachl. Martin q 20)
Ist der H. Geh. Rath v. Goethe nebst Ihren Hn. Sohn u. Hn. Riemer aus dem Carlsbad hier Abends eingetroffen und Den l l t n früh 7 Uhr wieder nach Weimar abgereist. 344
Weimar
1807
Weimar 11. 9.
Tagebuch 11. 9. 1807 (WA III 3, 274)
Gegen Vi 11 Uhr in Weimar eingetroffen. . . Mittags Sophie Teller zu Tische. Wurde einiges mitgebrachte vorgewiesen. Tag- und Jahres-Hefte 1807 (WA I 36, 25)
Bei meiner Rückkunft von Karlsbad brachten mir die Sänger ein Ständchen, woraus ich zugleich Neigung, guten Willen, Fortschreiten in der Kunst und manch anderes Erfreuliche gewahr werden konnte. Riemer, Tagebuch 11. 9. 1807 (Dtsch. Revue 11, 1 S. 66)
Um 11 in Weimar. Zu Hause Elsermann, Wolf und Deny, die uns begrüßten. Bertuch an Charlotte v. Schiller 17. 9. 1807 (GSA, Schiller 1698)
Auf den Sonnabend wird unser Theater, mit etwas Neuem von Göthe /der recht wohl zurückgekommen ist/ wieder eröffnet. 12. 9.
Tagebuch 12. 9. 1807 (WA III 3, 274)
Bey Durchlaucht der Herzogin. Überlegung wegen des Vorspiels. Mittags Genast zu Tische . . . Gegen Abend Hofrath Meyer. E. Genast, Aus dem Tagebuche eines alten Schauspielers (nach A. Genast) (Genast 1, 167) B 2 1038 B 3 2536
Als wir [vom Gastspiel in Leipzig u. Lauchstädt] nach Weimar zurückgekehrt waren, ging ich zu Goethe, um ihm über alle Vorkommnisse Rapport abzustatten. Er empfing mich mit den Worten: „Nun, Ihr habt Euch ja recht wacker gehalten und unsere Gesellschaft hat, wie ich von allen Seiten höre, Ehre eingelegt, besonders hat Mahlmann gewichtige Worte über unser Streben gesprochen. Der Mann hat vollkommen Recht, Virtuosität muß von der dramatischen Kunst fern gehalten werden. Keine e i n z e l n e Stimme darf sich geltend machen; Harmonie muß das Ganze beherrschen, wenn man das Höchste erreichen will. Darum laßt uns in unserm Streben so fortfahren, denn Manches findet sich noch, was, besser ins Auge gefaßt, zu größerer Geltung gebracht werden kann. An Ausdauer von meiner Seite, gutem Willen und Fleiß von Seiten des Personals fehlt es nicht, und so ist mit der Zeit das Beste zu erwarten." 13. 9.
Tagebuch 13. 9. 1807 (WA III 3, 275)
Bey Durchlaucht dem Herzog, der gestern auch angekommen war. Mit Hrn. Geh.R. Voigt über die bisherigen Begebenheiten. Mittags Herr Becker zu Tische. Regierungsrath Voigt. Abends Hofrath Meyer. Die Riesengeschichte. 14. 9.
Tagebuch 14. 9. 1807 (WA III 3, 275)
Mittags die Herren Heß und Morhard zu Tische. Nach Tische Musik; besonders die vierstimmigen von Zelter erhaltenen Sachen. Abends Hofrath Meyer. Die sieben weisen Meister. 345
Weimar
1807 H. Meyer ( * J b G G 3, 214; G S A , Meyer 109)
B 3 2537
Den 7br Bey Gelegenh da Goethe seinen Prolog [Vorspiel zu Eröffnung des Weimarischen Theaters am 19. September 1807] schrieb. Erklärte er sich über wesentliche Stücke der Poesie gegen mich folgendermaaßen. „Die Poesie kan an's Herz sprechen und dieses ist eigentlich die Stuffe worauf das Publikum unserer Tage steht daher erhielt Taßo daher andere so große Zuneigung. Höher kan Sie zur Leidenschaft sprechen ja sie erregen auch zum Verstand und hierin bestund vornehmlich Schillers Talent. Aber das höchste ist wen Sie an die Immagination spricht, wen Sie ohne sich ins Detail einzulaßen mit gewaltigen Worten den Zuhörer [gleichsam gestr.] machtig faßt und erschüttert / er machte hierbey eine Gebärde wie wenn man einen mit Fäusten an den Haaren faßt und schüttelt/ Das ist es womit die Alten großes gewirkt haben und ihr [unerreichter gestr.] besonderer und eigener Vorzug; bey meinem jetzigen Stück will ich versuchen ebenfalls in dieser von den Alten geübten Weise zu behandeln." Ich Erinnerte daß es mir schien als ob die beschreibende Poesie /wie ζ. Β Wieland/ eben durch großes Detail dem Spiel der Immagination des Zuhörers einhalt thue ihm Beding und Schranken setze, welches Goethe zugab — Um eben die Zeit las er viel in einer Sammlung von alten Volksmährchen welche er sich gemacht hatte Lobte besonders die Haymonskinder und das Märchen ν den 7. weisen Meistern letzteres gefiel ihm vorzügl. der schönen Erfindung wegen. 15. 9.
Tagebuch 15. 9. 1807 (WA III 3, 275)
Demoiselle Silie wegen des Anfangs ihrer Rolle. Bey Madame Schopenhauer. Bey Heideloff wegen der Decoration. Zu Mittag Malcolmi. . . Abends bey der regierenden Herzogin zum Thee, wo Minister von Stein sich befand. Riemer, Tagebuch 15. 9. 1807 (Keil 5 S. 254)
Zu G. Den Prolog geschrieben. 16. 9.
Tagebuch 16. 9. 1807 (WA III 3, 275)
Um 11 Uhr Demoiselle Silie wegen ihrer Rolle. Mittags Graff und Strobe zu Tische. Nach Tische spielte Strobe einige Lieder von Strobe und Zelter. Ging ich ins Theater, um die Vorbereitungen von Heideloff zu sehen. 17. 9.
Tagebuch 17. 9. 1807 (WA III 3, 276)
Um 11 Uhr Probe mit den Frauenzimmern. Bestellung der Decorationen bey Meyer und Heideloff. Abends bey der regierenden Herzogin zum Thee, wo Minister von Stein war, der nach Preußen zurückging. Mittags die Wolffischen Eheleute und Silie zu Tische. Abends bey der Hoheit zum Thee. 18. 9.
Tagebuch 18. 9. 1807 (WA III 3, 276)
Um 11 Uhr Probe mit den Frauenzimmern. Besuch bey der Gräfin Henkel. Mittags die Beck mit ihrer Tochter, Dirzka und Sophie Teller zu Tische. Abends 346
Weimar
1807
Probe von dem Vorspiel. Nachher auf dem Stadthause, auf dem Ball, welchen die Hoheit den Frauenzimmern gab, die ihr entgegengegangen waren. 19. 9.
Tagebuch 19. 9. 1807 (WA III 3, 277)
Abschluß des Vorspiels. Um 11 Uhr Probe desselben. Mittags allein mit der Familie . . . Bald auf das Theater der Arrangements wegen. Sodann Vorstellung des Vorspiels. Hernach Scherz und Ernst und das Geständniß. 20. 9.
Tagebuch 20. 9. 1807 (WA III 3, 277)
Um 11 Uhr Gesang der jungen Schauspieler unter Anleitung Heßens. Kam Herr von Seebach. Mittags Demoiselle Engels, Deny und Lortzing zu Tische. Nachmittag zu Frau von Stein, wo ich die ältere Frau von Seebach und die jüngere von Stein antraf. Abends zu Mad. Schopenhauer. Johanna Schopenhauer an A. Schopenhauer 22. 9. 1807 (Lütkehaus S. 185)
Wenn Du auf einen Sonntag kommst so erschrick nicht wenn Du Gesellschaft findest und Göthen drunter, diesen Sonntag ließ er sich ordendich bey mir zum Thee melden, und war gar prächtig, er hatte mir Stecknadeln aus Karlsbad mitgebracht, er hat mich aber schon vorher besucht seit seiner Zurückkunft, er sagte mir des Sonntags wenns frühe finster wird müßte er zu mir kommen, es ist aliso leicht möglich daß er den Sonntag auch da ist wenn Du kommst. St. Schütze, Tagebuch 20. 9. 1807 (*JSK NF 4, 100; GMD)
Bei der Schopenhauer] treffe ich Goethen, Meyern. Voigtin pp 21. 9.
Tagebuch 21. 9. 1807 (WA III 3, 277)
Abends in der Comödie: der Wasserträger. Spielte Heß und Morhard zum erstenmal. Hofrath Meyer, der mit mir nach Hause ging. Geschichte der florentinischen Kunst, besonders der Gießerey von Johann von Bologna an. Riemer, Tagebuch 21. 9. 1807 (Keil 5 S. 254)
An der Achilleïs. Mit G. die Achilleis angefangen durchzugehen. 22. 9.
Tagebuch 22. 9. 1807 (WA III 3, 278)
Achilleis erst allein, nachher zusammen durchgesehen. War Demoiselle Jagemann da, wegen ihrer Abreise nach Leipzig. . . Nachmittag geistlicher Rath Oberthür. Uber Münzsammlungen und andres dergl. Riemer, Tagebuch 22. 9. 1807 (»Dtsch. Revue 11, 1 S. 66; Keil 5 S. 254)
Achilleïs geendigt. Im Reinecke Fuchs von Gottsched gelesen. Abends bei G. Bergpredigt von Matthesius, die zweite. 23. 9.
Tagebuch 23. 9. 1807 (WA III 3, 278)
Mittag Prof. Bredow und Frau und Weißer und Hofrath Meyer. Der erste erzählte viel von Paris, den Litteratoren, Anstalten und sonst. 347
1807 24. 9.
Weimar Tagebuch 24. 9. 1807 (WA III 3, 278)
Auf der Bibliothek. Die neuen Acquisitionen besehen. Kam Hr. Geh. Rath Voigt dazu. Uber gegenwärtige öffentliche Angelegenheiten.. . Abends Hofrath Meyer. Chr. A. Vulpius, Notiz für die Akten der Fürstlichen Bibliothek 24. 9. 1807 (GSA, IA, LB A 20, 80)
D. 24sten Sept. 1807. Nahmen Ihro Exzellen2en die Hrn. Geh. Räthe von Göthe u Voigt, die neuen Einrichtungen der Bibliothek in Augenschein, waren sehr zufrieden, u lobten die Arbeit. Der Stammbücher wegen, soll ich mit H. v. Murr in Nürnberg mich in Correspondenz setzen. 25. 9.
Tagebuch 25. 9. 1807 (WA III 3, 279)
Bey Frau von Stein. Breslauer Liqueure. Mittags Mad. Teller und Sophie, Spengler und Öls zu Tische. Abends bey Durchlaucht dem Herzog, welcher nicht wohl war. Gegenwärtig war die regierende Herzogin. Später kam die Erbprinzeß und die Prinzeß Caroline. Charlotte v. Stein an F. v. Stein 30. 9. 1807 (*Düntzer 9 2, 271; G S A , Stein 107)
B 3 2540
Goethe ist wieder hier und grüßt Dich freundlich, übrigens muthet er seinen Herzen nicht viel zu vor seine alte Freunde. Er hat mir 3 Flaschen [des zum Verkauf übersandten] breßlauer Liquer abgenommen und eine habe ich ihm geschenckt. . . Daß ich den Brief den Reinhard noch nicht gegeben ist die Furcht daß er Dich betrügt, man sagt er verderbe die Pflanzen die er verkauft um sie allein zu haben, Goethe sagte mir in Dreßden und Berlin köntest Du ja die Pflanzen von aller Art bekommen, dabey ist er gewißenlos theuer. Maria Pawlowna an Maria Feodorowna 27. 9. 1807 (HSTA Weimar, HA A X X V R 155, 229) B 3 7450
J'ai trouvé Göthe fort maigri et changé à son retour de Carlsbad. Riemer, Tagebuch 25. 9. 1807 (*Dtsch. Revue 11, 1 S. 66; Keil 5 S. 255)
B 2 1039 B 3 2538
Bei G. Allerlei Schemata zur Geschichte der Wissenschaften. G.: „Das Zeitalter war's, das den Sokrates durch Gift hinrichtete, das Zeitalter, das Huß verbrannte; die Zeitalter sind immer sich gleich geblieben." Riemer (*Dtsch. Revue 11, 1 S. 66; Keil 5 S. 255)
B 2 1039 B 3 2538
[Goethe:] „Vernunftkultur haben am Ende einzig nur die Frommen. Bei den andern (Jacobi, Lavater u. a.) gewinnt zuletzt der Verstand doch die Uberhand, daß man das Höchste zu irdischen Zwecken benutzt. So eine sinnlich verständige Kultur wie z. E. Wegwoods, sei auch unschätzbar und schätzbarer als diese. — Es seien zu allen Zeiten nur die Individuen, welche für die Wissenschaft gewirkt. Nicht das Zeitalter. ["] 348
Weimar
1807 26. 9.
Tagebuch 26. 9. 1807 (WA III 3, 279)
Bey Hofrath Wieland. Abends bey Durchlaucht dem Herzog, der sich besser befand. Allein. Die Damen waren in der Repräsentation des Tasso. Später kamen von Seebach und Ziegesar, welche die Vorstellung und besonders Wolffens Spiel sehr lobten. Riemer, Tagebuch 26. 9. 1807 (Keil 5 S. 255)
Uber Tische von Albertus Magnus. 27. 9.
Tagebuch 27. 9. 1807 (WA III 3, 279)
Deny mit der Rolle aus Pinto. Heß mit den jungen Leuten zur Gesangsübung. Mittags Hofkammerrath Kirms und Stallmeister Böhme. Abends zu Durchlaucht dem Herzog. Nach 10 Uhr nach Hause. Riemer, Tagebuch 27. 9. 1807 (Keil 5 S. 255)
Mittags Hof-Kammerrath Kirmß [bei Goethe] zu Tische. Anekdoten, die er erzählte. (Eine Mutter, deren Tochter bei N. N. dient und zu einem Kinde kommt, ruft unter Jammern aus: Nein, so was ist meiner Tochter doch noch nicht passirt! — Einer (es war Seebach) ist zum Souper geladen, das sehr kostbar und reichlich ist, und wobei man in ihn hineinstopft; da ruft er: Ich bitte mir's lieber in Gelde aus!) 28. 9.
Tagebuch 28. 9. 1807 (WA III 3, 280)
Abends bey Durchlaucht dem Herzog. . . Die Herzogin und Hr. von Einsiedel waren zugegen. 29. 9.
Tagebuch 29. 9.1807 (WA III 3, 280)
Morgens Wolff wegen einiger Theaterangelegenheiten, welcher die Beurtheilung der Weimarischen Hofschauspieler in Dycks Bibliothek der redenden und bildenden Künste 4. Bandes 1. Stück mitbrachte. Bey der Prinzeß Caroline. Frau von Stein und Rath Oberthür waren zugegen . . . Mittags Demoiselle Elsermann. Nach Tische Prof. Fernow, die verschiedenen Bearbeitungen von Hans Carvels Ring bringend. Ingleichen eine unbekannte Comödie von Gozzi, Amore assottiglia il cervello. Abends bey Durchlaucht dem Herzog; gegenwärtig die regierende Herzogin, die Erbprinzeß, die Prinzeß Caroline und Gräfin Henkel. Maria Pawlowna an Maria Feodorowna 29. 9. 1807 (HSTA Weimar, HA A X X V R 155, 230) B 3 7451
La santé du Duc se rétablit, grapes à Dieu; nous avons passé la soirée chez lui, et je Vous supplie chère Maman de deviner qui est-ce qui a fait le thé? — — — C'est Göthe lui même: quand il l'a preparé, pour la curiosité du fait je lui ai demandé une tasse, et je lui dois la justipe de dire qu'il s'en acquittoit comme quelqu'un qui en a l'habitude. 349
1807
Weimar Henriette ν. Knebel an Knebel 30. 9. 1807 p ü n t z e r 4 S. 304)
B 2 1039 b B 3 2539
Goethe kam gestern zur Prinzeß, nachdem er sie zuvor mit einer Fortsetzung seiner Handzeichnungen beschenkt hat. Er versprach der Prinzeß den Prolog, und sagte, daß sie Dir ihn schicken möchte. nach 29 9.
Riemer, Mittheilungen 1, 308 . . .
B2 1 6 1 3 B3 7 1 1 0
[Uber Die natürliche Tochter] Soviel ist gewiß — da G. es mir selbst gestand — daß ihm die Fortsetzung derselben „durch die niederträchtige Critik eines Dyck verleidet worden." (vor) 30. 9.
Riemer an C. F. E. Frommann 30. 9. 1807 (Heitmüller S. 100)
B 2 1039 a Β 3 2541
. . . Doch ich will Ihre Sorge nicht noch selbst vermehren, u. so bin ich durch die Nachricht, daß die gute Alwine auf dem Wege der Besserung, wo nicht schnell doch allmählig fortschreitet, wieder mit Hoffnung erfüllt worden. G. nimmt den größten Theil an Ihrem Unfall u. läßt Sie allerseits bestens grüßen. Das Vergnügen Sie allerseits oder einzeln hier zu sehen benimmt er sich noch nicht, u. verspart es sich auf ruhigere Zeiten, u. andre theatralische Vorstellungen, zu denen wir diesen Winter Aussicht haben . . . Mit nächstem, — eher war's nicht möglich — wird G. auch an der Polemik wieder fortfahren. Sich zu dieser Winterarbeit vorzubereiten u. Lust dazu zu erwecken hat er sich vorläufig an den zweyten Theil [der Farbenlehre], der Geschichte nehmlich, gemacht, sammelt u. liest dazu. Und es wird sehr interessant werden. Von Carlsbad aus gleich in die Polemik einzuschreiten, war eine zu ennuyante Sache. Mit G. Gesundheit geht es sehr gut; u. wenn es auch nur in diesem Grade besteht, so ist schon alles gewonnen: denn ihn wieder jung zu machen, möchte wohl Medeens Sprudel selbst unfähig seyn. Gott sey Dank, daß er sich so, heiter u. thätig, befindet. 30. 9.
Tagebuch 30. 9. 1807 (WA III 3, 280)
Besuch von Herrn von Türkheim . . . Abends . . . Ich war bey Durchlaucht dem Herzog, wo die drey fürstlichen Damen und Gräfin Henkel zugegen waren. Riemer, Tagebuch 30. 9. 1807 (Keil 5 S. 255)
Bei G. zum zweiten Theil der Farbenlehre Schema. 30. 9.
Elisabeth v. Türckheim an Goethe 21. 9. 1807 (Ries S. 196) Der Gedancken eines meiner Kinder in Weimar zu wissen verbindet sich mit dem lebhaften Wunsche daß es ihm in Göthe's nähe wohl werden mögte! Gönnen, Sie, meinem guthen Carl, und seiner lieben Frau, das Glük den Freund meiner Jugend kennen zu lernen, und schenken, Sie, Ihre Gewogenheit einem Jungen Manne dessen Leben, bis izt, eine Reihe beglükkender Tage für seine Eltern war.
Ende Sept.
Knebel an Henriette v. Knebel 29. 9. 1807 (Düntzer 4 S. 303) Grüße indeß Goethen recht sehr, wenn Du ihn siehst, und sage ihm, wie sehr ich verlangte, von seinen Erscheinungen [auf dem Theater] zu sehen.
350
Weimar
1807
A n Elisabeth v. Türckheim 14. 12. 1807 (WA IV 19, 471)
Ihr lieber Brief, verehrte Freundinn, kam zu spät, Ihr Herr Sohn schickte mir ihn von Dresden. Er war bey mir gewesen, ohne daß ich's wußte er sey es. Ich verwechselte die beyden Familien, ähnliches Nahmen, und hielt ihn von der andern. Aber auch so, als mir ganz fremd, hat er mir sehr Wohlgefallen, das zweytemal kam ein Regenguß gelegen, der ihn lange bey mir festhielt. Ich machte mir Vorwürfe ihn nicht bey Tische behalten zu haben, da es eben an der Zeit war, denn ich empfand eine wahrhafte Neigung zu ihm. C. v. Türckheim an Goethe 17. 10. 1807 (GJb 13, 39)
Je me fais un devoir de vous exprimer ma reconnaissance pour l'accueil gracieux et obligeant que vous avez bien voulu me faire en vous rendant ma visite. 1. 10.
Tagebuch 1. 10. 1807 (WA III 3, 281)
Abends Thee und Souper, wozu Hofräthin Schopenhauer und Prof. Fernow. Regierungsrath Voigt und seine Frau, Hofrath Meyer, ingleichen die jungen Sänger vom Theater, Hr. Heß, Morhard, Deny, Strobe, Dem. Engels und Elsermann. Wurden einige vierstimmige Sachen, als Canons und dergleichen gesungen. Riemer, Tagebuch 1. 10. 1807 (*Dtsch. Revue 11, 1 S. 66; Keil 5 S. 66)
B 2 1040 B 3 2542
Mit G. im Garten, über Motive und über Geschichte der Philosophie. Goethe bemerkte: „Die Wissenschaften bilden sich auch aus und im Gegensatze. Das Zeitalter der Sophisten forderte den natürlichen Menschenverstand und das rechtliche Gefühl des Sokrates; das Zeitalter der Scholastiker einerseits das Sittliche des Petrarka und in der Physik den Forschungsgeist des Roger Baco u. s. w." Riemer, Aphorismen S. 3 1 8
B 2 1041 B 3 2543
den 1. Oct. 1807. [Goethe:] „Die norddeutschen Poesien, insonderheit die moralischen Lieder, kommen mir vor wie die reformirten Kirchen, die auch ohne Bilder sind." (nach?) 10 '
1. 10.
Riemer, Aphorismen S. 3 1 8
B2 1 0 4 4 B 3 2 5 4 4
[Goethe:] „Der Mensch ist wie eine Republik oder vielmehr wie ein Kriegsheer. Hand, Fuß und alle Gliedmaßen dienen und helfen zu dem Zwecke, den sich das Haupt vorgesetzt hat, und ermüden nicht, beseelt von der Vorstellung des Zwecks; darum nennen es auch die Alten das ήγεμονικόν. Aber das ήγεμονικόν muß auch die Einsicht haben, und den Soldaten die gehörige Erholung lassen. An den Franzosen sieht man recht die Zusammenwirkung von Geist und Leib, die ganze Armee ist ein Mensch, der keine Anstrengung, keine Ermattung und nichts scheut. Johanna Schopenhauer an A. Schopenhauer 30. 9. 1807 (Lütkehaus S. 186) Morgen Abend bin ich bey Göthen.
351
1807
Weimar Das Ganze ist ein g r o ß e r Riese, dem vielleicht hie und da ein Finger oder eine Hand verloren geht, oder ein Bein u. s. w. abgeschossen wird, das er wie der Fierabras ersetzt, aber den Kopf verliert er nie."
2. 10.
Tagebuch 2. 10. 1807 (WA III 3, 281)
Mittags Sophie Teller zu Tische. Abends bey der regierenden Herzogin, wo der Herzog und die Frau von Stein gegenwärdg. Charlotte v. Stein an F. v. Stein 3. 10. 1807 (GSA, Stein 107)
Gestern Abend bat mich die Herzogin zu einen têtê a têtê Thee . . . aber es wurde unterbrochen den der Herzog kam, wolte uns mit samt den Thee hinauf in sein Zimmer haben wo Goethe war, aber umgekehrt musten sie herunter kommen Goethe war gesprächig, tranck Thee mit rothen Wein und so ging der Abend vorüber . . . Viele Grüße abermahls vom Goethe und hier leg ich bey womit Du ihm erfreuen köntest. 3. 10.
Tagebuch 3. 10. 1807 (WA III 3, 281)
Nach Tische Hofrath Meyer: über das Colorii der Griechen. Im Schauspiel einen Theil von Lilla gesehen. Zu Durchlaucht dem Herzog: über den von der bayerischen Academie vor kurzem ausgesetzten Preis auf eine deutsche Sprachlehre und sonstiges die Sprache betreffend. vor 4. 10. Chr. A. Vulpius an N.Meyer 4. 10. 1807 (Kasten1 S. 215)
B 3 2545
Göthe ist gesunder zurückgekommen u ist jetzt munter u wohl, wie wohl er viel arbeitet an seinem Farben Werk, an Hackerts Biographie pp. Er hat auch ein neues vortreffl. Vorspiel geschrieben, womit die Gr. Fürstin im Theater empfangen wurde. Es schildert dasselbe die Szenen des 14—17 Oktobers vor. Jahrs bei uns, ganz treu u lebhaft, u die Empfangs Szenen d. Jahres. Sie hätten sehen sollen, wie alle Häusser mit Guirlanden, Kränzen pp behangen wurden, wie alles so waldlich aussah. Göthe hat es trefflich beschrieben. 4. 10.
Tagebuch 4. 10. 1807 (WA III 3, 281)
Um 11 Uhr die Sänger. Zu Tische Legationsrath Schmidt und Rath Völkel. Manches von Petersburg, der dortigen Rangordnung und sonstigen Verhältnissen. Gegen Abend zu der Hofräthin Schopenhauer, Passow und seine Braut [Luise Wichmann] und die gewöhnlichen. Feuerwerk auf dem Exerzierplatze. Von da wieder zur Schopenhauer. Riemer, Tagebuch 4. 10. 1807 (Keil5 S. 256)
Bei G., der an Meyer's Aufsatz über das Colorit der Alten, zum 2. Theil der Farbenlehre dictirte. St. Schütze, Tagebuch 4. 10. 1807 (*JSK NF 4, 100; GMD)
Sonntag. Zum Thee bei d. Schop. Ihr Sohn. Fernow. Goethe mit Meyer. Passow mit s. Braut. Ueber die deutsche Sprachlehre. 352
Weimar
1807 5. 10.
Tagebuch 5. 10. 1807 (WA III 3, 282)
Abends Hofrath Meyer: die Jenaische Litteraturzeitung der vorigen Woche und einen Gesang der Parthenais [von Baggesen] gelesen. 6. 10.
Riemer, Tagebuch 6. 10. 1807 (Keil 5 S. 256)
Abends zum Hr. Geh. Rath. Uber die Alten, insonderheit Aristoteles wissenschaftliche Kultur und Methode gesprochen. Nachher vorn zur Geh. Räthin . . . 7. 10.
Riemer, Tagebuch 7. 10. 1807 (Keil 5 S. 256)
Bei G. Brief an Knebel. Briefe von Voß und Knebel an G. mir mitgetheilt. Riemer, Mittheilungen 2, 703
B 2 1041 b B 3 2546
Bei Gelegenheit von Görre's dummem Urtheil, über G. und daß Tieck, Runge und Jean Paul die einzigen Dichter seyen: „So lieb' ich sie aber," sagte G. Noch ward bemerkt, daß einzelne Menschen einzelne Organe consütuiren und ausmachen, Gehör, Auge, Verstand, Gedächtniß u. s. w. 8. 10.
Tagebuch 8. 10. 1807 (WA III 3, 283)
Mittags Demoiselle Elsermann; nach Tische ihre Rolle in Rettung für Rettung vorlesen lassen. 9. 10.
Tagebuch 9. 10. 1807 (WA III 3, 283)
Mittags Stromeyer und Sophie Teller zu Tische. Abends Hofrath Meyer: Litteraturzeitung. Probe von Pinto. 10. 10.
Tagebuch 10. 10. 1807 (WA III 3, 283)
Besuch von Dr. Voigt aus Jena. Abends in der Vorstellung von Pinto. C. v. Voght, Reisejournal für Johanna Margaretha Sieveking, Friederike Poel und Magdalena Pauli 16. 10. 1807 (Tecke 3, 5) B 3 2546 a
Am 10. kam ich über das Schlachtfeld bey Auerstaedt.. . Ich sah noch denselben Abend Göhte, ließ mich bey Hofe melden und gieng ins Schauspiel, wo ich noch den Herzog traf. 11. 10.
Tagebuch 11. 10. 1807 (*WA III 3, 283; G S A , Goethe 27)
Baron Voght von Hamburg; welcher über Leipzig, um den franz. Gesandten Bourienne zu sehen, nach Paris geht, und im Vorbeygehen einspricht. . . 5. 10.
Johanna Schopenhauer an A. Schopenhauer 30. 9. 1807 (Lütkehaus S. 186) Wenn Du frühe kommst so kannst Du noch auf einen Ball bey Göthen gehen, die Geheime Räthinn hat mir aufgetragen Dich einzuladen, Du wirst schwerlich diesmahl eine andre Gelegenheit haben Göthen zu sehen, weil er die künftige Woche wahrscheinlich nach Jena geht, aber auf dem Ball wird er wenigstens ein paar Augenblicke erscheinen.
10. 10.
Knebel an Goethe 9. 10. 1807 (Eing. Br. alph. 503, 214) Die Antrittsrede von Jacobi magst Du vielleicht dem jungen Voigt mitgeben, der morgen nach Weimar zu gehen gedenkt, und Dir ohne Zweifel aufwarten wird.
353
Weimar
1807
Mittags allein: über Baco von Verulam und Geschichte der Wissenschaften gesprochen. Abends Ball im Hause für die jungen Leute. Bey Egloffsteins, wo Frau von Beaulieu, Fräulein Waldner, Generalin Wangenheim und der junge Herr von Beaulieu zugegen waren. C. v. Voght, Reisejournal für Johanna Margaretha Sieveking, Friederike Poel und Magdalena Pauli 16. 10. 1807 (Tecke 3, 6) B 3 2546 a
Am Sonntag habe ich den ganzen Morgen bey Göhte zugebracht, sah seinen Sohn, dessen Äussres sehr gefällig ist und den er sehr lieb hat. Er soll nun in Heidelberg das Recht studieren, c. a. d. [c'est à dire] le Code Napoleon. Ich fand G. über das alles ganz resignirt. Das Alte sey vorbey. Es sey Pflicht das neue erbauen zu helfen. Der Mensch sey izt mehr wie je Weltbürger, die Staaten müssen sich neu bilden und dabey wäre izt manch vorhin unübersteigliches Hinderniß beseitiget. Er presentirte mich seiner Frau, der man freylich den langen Umgang mit Göhte und Schiller nicht anmerkt, die aber vor 20 Jahren sehr hübsch gewesen seyn muß. Zulezt kamen einige Sänger vom Theater, die 4stimmige Kirchenmusik ohne Begleitung, rein und mit Haltung sangen, auch einige Göhtische Lieder nach Himmels Komposition, die G. sehr liebt. Der Abschied, das Jägerlied und das lustige Ich hab' meine Sach auf nichts gestellt p. p. sind ihm würküch vorzüglich gelungen. Der Morgen war sehr angenehm. 12. 10.
Tagebuch 12. 10. 1807 (WA III 3, 284)
Herr von Beaulieu: über Heidelberg und die dortige Art zu leben und zu studiren. Baron Voght, der mir verschiedene Autographa verehrte . . . Nachmittage Professor Fernow, der seinen Dante überbrachte. Strobe wegen der Rolle in der Camilla. C. v. Voght, Reisejournal für Johanna Margaretha Sieveking, Friederike Poel und Magdalena Pauli 19. 10. 1807 (Tecke 3, 8) B 3 2546 b
Wieland ist noch ein guter freundlicher Alter . . . Er gesteht (was Göhte nicht gesteht), daß seine Phantasie ihn verlassen habe. G. leztes Gedicht, ein kleines Drama bey der Zurückunfft der Fürstinnen, hat auf niemanden Wirkung gemacht. Göhtens Gedanke darin ist nicht deutlich ausgesprochen und die einzelnen Schönheiten des Ausdrucks errinnern an manches, was er schon besser gesagt hat. Ich habe G. mit den Handschrifften, die die Doktorin [Sophie Reimarus] für mich gesammelt hat, Freude gemacht. Im Fall Sie einige [Freude] daran hätten, seine zu sehn, lege ich Ihnen ein Billiet von ihm bey. C. v. Voght, Reisejournal für Johanna Margaretha Sieveking, Friederike Poel und Magdalena Pauli 16. 10. 1807 (Tecke 3, 7)
Am Montag gieng ich zu Bertuch, zu Wieland und wiederum zu Göhten. 12. 10.
A n C. v. Voght 12. 10. 1807 (WA IV 50, 141) . . . Doch schenckten Sie mir vielleicht noch ein Stündchen, bey sich oder bey mir.
354
1807
Weimar
10./
C. v. Voght an Goethe 15. 10. 1807 (*Tecke 3, 12; Eing. Br. alph. 942, I)
12. 10.
k a n n Jem Bedürfniß nicht wiederstehen, lieber Göhte, Ihnen, ehe ich mich weiter entferne, noch Einmahl zu sagen, wie viel Freude mir die Stunden gemacht haben die ich bey Ihnen zubrachte: wie freundlich mir Weimar vorgekommen ist und wie sehr ich gewünscht hätte daß es mir möglich gewesen wäre meinen Auffenthalt zu verlängern. C. v. Voght, Reisejournal für Johanna Margaretha Sieveking, Friederike Poel und Magdalena Pauli 5. 11. 1807 (Tecke 3, 17) B 3 2546 d
Sie fragen mich, was Göhte von Purus Durus [Karl Friedrich Reinhard] sagt? Er ist sehr mit ihm zufrieden gewesen. Reinhard hat aufmerksam zugehört, das Gehörte aufgeschrieben und Villers zum übersetzen geschickt. Alles das hat Gfoethe] sehr geschmeichelt. Rfeinhards] Ähnlichkeit mit Schillern ist jederman in Weimar aufgefallen und hat sehr für ihn eingenommen. C. v. Voght, Reisejournal für Johanna Margaretha Sieveking, Friederike Poel und Magdalena Pauli 30. 10. 1807 (Tecke 3, 14) B 3 2546 c
[Über Corinne ou l'Italie] Fr. v. Stael hat herrlich gesagt, que les paroles se traînent après les impressions primitives comme les traducteurs en prose sur les pas des Poètes, und parmi les pressentiments de la vie à venir ceux qui naissent de la Musique ne sont pas à dedaigner. Alles was S. 101 — 109 steht, ist die höchste Poesie über Musik. Göhte spricht mit Entzücken davon. 13. 10.
Tagebuch 13. 10. 1807 (WA III 3, 284)
Hofkammerrath lange wegen Theaterangelegenheiten. Demoiselle Häßler mit Destouches und Aulhorn; sang eine Scene von Beethoven und einiges andre. Zu Mittag Herr v. Beaulieu, der von Heidelberg kam und nach Hannover geht. Viel über Heidelberg und die dortigen Zustände. Abends bey der Hoheit, wo die Frau Erbstatthalterin, Erbprinzeß von Braunschweig und der regierende Hof war. Riemer, Tagebuch 13. 10. 1807 (*Dtsch. Revue 11, 1 S. 66; Keil5 S. 257)
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Früh zu Goethe. Geschrieben über Baco v. Verulam, das Haupt aller Philister und darum ihnen so auch zu Rechte. Unter den päpstlichen Münzen, die Goethe als eben erst gekommen vorzeigte, ist auch die von Clemens VIII., der wie Himmel aussieht. W. E. V. Beaulieu an Goethe 4. 8. 1808 (German Life and Letters 43, 23)
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Ew. Excellenz kennen mich wahrscheinlich nicht mehr und I h r Bild ist das lebhafteste, innigste Gemähide meiner Seele! . . . Die unbeschreiblich liebevolle Gewogenheit, die mich in Ihrer Nähe zu Weimar beglückte, das väterliche Interesse, das Sie für jedes sich mit Liebe und Eifer an Wissenschaft, Kunst u Natur hingebende jugendliche Gemüth fühlen — alles dieses läßt mich hoffen, Sie werden mir nicht zürnen [wenn ich es wage an Sie zu schreiben.] 355
1807
Weimar . . . was mich betrifft, so kann ich Ihnen nicht sagen, welch einen Eindruck Ihre persönliche Bekanntschaft auf mich gemacht hat. A n Marianne v. Eybenberg 17. 8. 1808 (WA IV 51, 241)
Der junge Mann [W E. v. Beaulieu] verdient es [Empfehlungsschreiben für Italien zu erhalten]; er hat nicht allein den besten Willen, sondern ist auch persönlich angenehm und producirt sich recht gut. J. D. Gries an C. F. E. Frommann 11. 1. 1808 (GSA, Frommann 33, 4 Nr. 43)
Es ist gewißlich wahr, und ein theures, werthes Wort, was Göthe vergangenen Herbst einem meiner Freunde (Beaulieu aus Hannover) sagte: daß Jena noch in dem letzten Ziegelsteine sein altes je ne sais quoi behalten wird. J. D. Gries an Ungenannt o. Dat. 1 8 1 4 (Aukt.-Kat. Stargardt 23. 11. 1908 S. 35)
Jena hat allerdings sehr verloren, aber es wird, wie Goethe einmal sagte, noch in seinen letzten Ziegelsteinen jenes Je ne sais quoi behalten. 14. 10.
Tagebuch 14. 10. 1807 (WA III 3, 284)
Berliner Bildhauer, der in Paris sich 5 Jahre aufgehalten hatte und nach London geht . . . Abends im Theater: Rettung für Rettung. Nachher bey Hofräthin Schopenhauer zum Thee und Souper. Riemer an Johanna Frommann 14. 10. 1807 (Heitmiiller S. 102)
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Von Goethens Befinden kann ich Ihnen das Beste melden. Er ist wohl auf; die Diaet, strenger als je, bekommt ihm sehr gut. Er ißt blos zu Mittag, aber gut u. hinlänglich; des Abends genießt er Thee mit Wein; des Morgens, außer seinem Spaawasser, abwechselnd Caffee Chocolate oder Fleischbrühe; des Weins täglich nur ein Nößel. Des Abends geht er sehr oft in Gesellschaft u. ins Theater. So hoffen wir daß sein theueres Leben uns noch lange zu gute kommen soll. St. Schütze, Tagebuch 14. 10. 1807 (*JSK NF 4, 100; GMD)
Abendessen bei der Schopenhauer]. Mit Goethen gespr. über Wolffs Spiel. Scherz mit der Riedeln pp. 15. 10.
Tagebuch 15. 10. 1807 (WA III 3, 285)
Spatzieren, wo ich Durchlaucht die regierende Herzogin antraf und mit ihr eine Weile ging. Mittags Demoiselle Elsermann zu Tische. Abends Hofrath Meyer: Rom und London oder über die Beschaffenheit der nächsten Universalmonarchie. 16. 10.
Tagebuch 16. 10. 1807 (WA III 3, 285)
Um 10 Uhr Dr. Stieglitz von Leipzig und Rath Beyer von Eisenach mit ihren Frauen und dem Schwiegervater des ersten |J. H. Reinhardt], Pfarrer von Stett16. 10.
J. Gall an Bertuch 23. 9. 1807 (*LA II 9 B, 284; G S A , Bertuch 559, 13) Wenn Göthe da ist, so beschwören Sie ihn doch, daß Er mir seinen prächtigen herrlichen Kopf abdrücken läßt. Alle Welt macht [sie] mich aus, das ich ihn nicht habe. Ich will recht sanft mit ihm umgehen.
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Weimar
1807
feld. Nachher Dr. Gall und Sporzheim. Zu Tische Deny und Sophie Teller. Dr. Gall kam nach Tische wieder, wo wir über seine Lehre bis gegen Abend sprachen; da ich mich für ihn abgießen ließ. Kleines Concert. Riemer, Tagebuch 16. 10. 1807 (*Dtsch. Revue 11, 1 S. 66; Keil 5 S. 257)
Früh bei G. Um 10. Uhr bekam er Besuch von Dr. Stieglitz und Frau, und Dr. Gall. Abends die Sänger und Gall. J. Gall an F. Brentano Mai 1827 (Archiv f. Gesch. d. Med. 10, 66)
Tausend Dank für die herrliche Büste von dem großen Goethe . . . Als ich das Glück hatte, Goethe p e r s ö n l i c h in Weimar kennen zu lernen, schien mir sein Kopf g r ö ß e r als nun die Büste ist. . . Ebenso fiel mir damahls die seltene große länglicht, eine umgekehrte Pyramide vorstellende Erhabenheit auf dem oberen mitderen Theile der Stirne sehr auf. Auch diese Erhabenheit erscheint jetzt auf der Büste in verkleinertem Maßstabe . . . Uber die Seitentheile oder [ober?] den Schläfen kann ich nicht urtheilen — aber ich habe diese Stellen breiter vermuthet. A n J. Chr. v. Mannlich 19. 10. 1807 (WA IV 19, 438)
In dem Berlinischen Archiv der Zeit, Junius 1797, steht eine Aussicht auf eine Farbenlehre für alle Gewerbe, die ihre Arbeiten mit Farben zieren oder charakterisiren wollen, zur Grundlage einer Färbungslehre für den Maler, von Herrn Matthias Klotz, damaligem Chur Pfalz bayrischen Hofmaler. Schon zu jener Zeit erregte dieser Aufsatz meine Aufmerksamkeit, welche gegenwärtig abermals auf diesen Künsder gelenkt wird, indem Herr D. Gall in diesen Tagen mir von den fortgesetzten Bemühungen desselben erzählt h a t . . . Da, wie aus jenem Aufsatze erhellt, und ich von Herrn D. Gall abermals vernehme, Herr Klotz aus seinen Ansichten kein Geheimniß macht; so wünschte ich, daß er mir nur kürzlich die Hauptmaximen mittheilte, in welchen sich seine Uberzeugung concentrirt. Chr. L. Stieglitz an Goethe 17. 10. 1807 (Eing. Br. alph. 890)
Ew. Exzellenz erlauben mir die Bitte, noch auf einige Augenblicke Ihnen meine Aufwartung machen zu dürfen und mir Ihre so belehrende Unterhaltung über Kunst noch einmahl zu schencken, die gestern so plötzlich unterbrochen wurde. 18. 10.
Tagebuch 18. 10. 1807 (WA III 3, 286)
Um 11 Uhr die Sänger. Zu Mittag Dr. Stieglitz und Frau und Schwiegervater Q. H. Reinhardt], Varia. Nachher bey Mad. Schopenhauer mit Fernow und Hofrath Meyer über italiänische Litteratur, Sonette von Berni. Riemer, Tagebuch 18. 10. 1807 (Keil 5 S. 258)
Mittags über Gall besonders gesprochen. 19. 10.
Tagebuch 19. 10. 1807 (WA III 3, 286)
Mittags Dem. Elsermann zu Tische. Um 4 Uhr zu Weißer. Abends im Theater: der Fähndrich und die Geschwister. Im Zwischenact sang Mademoiselle Häßler. 357
Weimar
1807
Riemer, Tagebuch 19. 10. 1807 (*Dtsch. Revue 11, 1 S. 66; Keil 5 S. 258)
Um 4 Uhr mit G. zu Weißern, der seine Büste machte. Aus den Nibelungen vorgelesen. 20. 10.
Tagebuch 20. 10. 1807 (WA III 3, 287)
Kam Herr von Müffling, mit demselben über die Dresdner litterarischen und philosophischen Verhältnisse: über Gentz, Adam Müller, Schubert, von Kleist etc. Mittag Madam und Demoiselle Häßler zu Tische und Demoiselle Elsermann. Abends bey der Hoheit, wo Spohr und seine Frau von Gotha, er auf der Violine, sie auf der Harfe sich hören ließen. Riemer an Johanna Frommann 20. (?) 10. 1807 (Heitmüller S. 103)
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G. läßt auf das freundlichste u. beste für Ihren Brief danken, u. bittet nur, daß Sie die Güte hätten, ihm die Adresse von Madam Reinhard zu schreiben. Er will einen Brief an Reinhard an dessen Frau schicken, damit diese ihn selbst nach Paris sende, oder wenn R. bald zurückkommt, ihn an sich hielte. L. Spohr, Lebenserinnerungen (Gothel 1, 103)
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In Weimar, wohin wir [Spohr und seine Frau] durch die Herzogin von Gotha empfohlen waren, spielten wir mit großem Beifalle bei Hofe und wurden von der Erbgroßherzogin, der Großfürstin Maria, reich beschenkt. Unter den Zuhörern im Hofkonzerte befanden sich auch die beiden Dichterheroen Goethe und Wieland. Letzterer schien von den Vorträgen des Künsderpaares ganz hingerissen zu sein und äußerte dies in seiner lebhaft-freundlichen Weise. Auch Goethe richtete mit vornehm-kalter Miene einige lobende Worte an uns. 21. 10.
Tagebuch 21. 10. 1807 (WA III 3, 287)
Nach Tische Prof. Kästner wegen einer Mineraliensammlung für die Schule. Nachmittag bey Weißern wegen der Büste. Riemer, Tagebuch 21. 10. 1807 f D t s c h . Revue 11, 1 S. 66; Keil 5 S. 258)
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Äußerte Goethe: „Die Geschichte der Wissenschaften ist eine große Fuge, in der die Stimmen der Völker nach und nach zum Vorschein kommen." Um 4 Uhr mit G. zu Weißer. Riemer an Johanna Frommann 21. 10. 1807 (Heitmüller S. 104)
G. dankt zum Schönsten für die Adresse u. grüßt freundlichst. 22. 10.
Tagebuch 22. 10. 1807 (WA III 3, 287)
Bey Weißern wegen der Büste . . . Mittags Demoiselle Elsermann. Nach Tische Eitle Mühe der Verliebten mit ihr durchgegangen . . . Nachher die Sänger angehört. Riemer, Tagebuch 22. 10. 1807 (*Dtsch. Revue 11, 1 S. 66; Keil 5 S. 258)
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Im Park traf ich G. am römischen Hause sitzend an. Über seine Büste [von Weißer]; „Meyer hätte gesagt, sie sei so ähnlich, daß sie unähnlich werde." Abends waren die Sänger da, denen wir zuhörten, und die zu Tische blieben. 358
Weimar
1807 23. 10.
Tagebuch 23. 10. 1807 (WA III 3, 287)
Zu Mittag Dr. Stoll, viel über Wien und das dortige Theater. Oberforstmeister von Fritsch. Nach Tische Dr. Seebeck. Nachricht von seinen Versuchen über den Einfluß der specificirten Farben auf das Thermometer und Hornsilber. Riemer, Tagebuch 23. 10. 1807 (Keil 5 S. 258)
Früh bei Goethe. Experiment zum 8. Versuche; das prismatische Spectrum fiel durch farbiges Glas und auch ohne dies auf Schrift. Stoll von Wien, der mit uns aß. Abends bei G. aus Fierabras vorgelesen. 24. 10.
Tagebuch 24. 10. 1807 (WA III 3, 288)
Mittags Demoiselle Elsermann zu Tische. Maler Kaaz aus Dresden mit Hofrath Meyer. Nachher bey Weißern. 25. 10.
Tagebuch 25. 10. 1807 (WA III 3, 288)
Attila von Werner, durch Täsche, Schauspieler von Wien, überbracht. Mittags Landschaftmaler Kaaz von Dresden mit seiner Frau, geborne Graff, zu Tische. Nach Tische Herr Leo von Seckendorf, der mit Dr. Stoll von Wien gekommen war. Uber das neue Journal, das sie herausgeben wollen. Abends bey Madam Schopenhauer, die gewöhnliche Gesellschaft und die genannten Fremden. Riemer, Tagebuch 25. 10. 1807 (Keil 5 S. 258)
Mittags Maler Kaatz aus Dresden und seine Frau. Erinnerung an Rom. Schenkte dem Geh. Rath eine Zeichnung von Ischia. L. V. Seckendorffan Goethe 9. 6. 1808 (SchrGG 18, 55)
Es bedarf meiner ganzen Gegenwart, um das Journal [Prometheus], das zu so schönen Hoffnungen berechtigt, wenn es sie auch noch nicht erfüllt, nicht erkalten zu lassen . . . Aber Ihr merkwürdiges Wort in Weimar: es ist ein dichter Wald, wo man keinen Pfad durch die Wildnis findet, hat sich bestätigt. L. V. Seckendorffan A. W. Schlegel 7. 11. 1807 (Körner 3 1, 469)
Der Direktor des Schauspiels, Graf Palfy nimmt sich des Vorhabens [Herausgabe der Zeitschrift Prometheus] mit Wärme an . . . Er selbst hat sich persönlich an Göthe gewandt, und im Allgemeinen alle, die mit uns in Verbindung zu treten geneigt sind, schriftlich eingeladen. Stoll und ich sind zu diesem Zwecke hieher [Weimar] gereist, und wir dürfen uns nunmehr der entschiedenen Theilname von Göthe, Fernow, Fr. Majer, Meyer, Falk, St. Schüz erfreuen. Göthe selbst hat die Einleitung zum ganzen Werke übernommen. 23. 10.
Graf F. Pálffy von Erdöd an Goethe 12. 10. 1807 (SchrGG 18, 50) Zufolge dieses unseres eben so gemeinnüzigen, als patriotischen Wunsches [„das Gute und Schöne in unserem Vaterlande befördern zu helfen" durch „die Erscheinung eines entsprechenden litterarischen Journals" Prometheus], habe ich den Doktor Stoll. . . die Gründung dieses Instituts übertragen, und durch diese Reise ihn in den Stand gesezt, mit den vorzüglichsten Köpfen, Deutschlands, besonders Weimars, in Unterhandlung zu treten. Er wird Ihnen mündlich am beßten sagen, wie allgemein Sie in Wien verehrt sind, und wie sehr wir eines persönlichen Besuches allhier von Ihnen, uns entgegen sehnen.
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Weimar
1807
St. Schütze, Tagebuch 25. 10. 1807 (*JSK NF 4, 100; GMD)
Thee bei der Schopenhauer], Goethes. Kaaz mit s. Frau. Stoll pp. 26. 10.
Tagebuch 26. 10. 1807 (WA III 3, 289)
Spatzieren und bey Frau von Stein. Mittags Demoiselle Elsermann zu Tische. Nach Tische . . . Hofrath Meyer; über antikes Colorit, Aldobrandinische Hochzeit. vor 27. 10. Henriette v. Knebel an Knebel 28. 10. 1807 (Düntzer4 S. 308)
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Es ist schon seit einigen Monaten ein gewisser Hofrath Grub hier, der wegen dem Postwesen vom taxischen Hof Aufträge hat. Er ist ein Schwabe von Geburt und hat eine gescheidte und heitre Ansicht der Dinge. Auch Goethe mag ihn wohl leiden. Oberroßla 27. 10.
Tagebuch 27. 10. 1807 (WA III 3, 289)
Auf die Kirchweih nach Rossel, wo außer den Kriegsbegebenheiten des vorigen Jahres und den speziellen Unheilsgeschichten wenig Unterhaltung war. Am bedeutendsten fand ich, was der Postmeister von Auerstedt erzählte. Es wäre der Mühe werth, ihn zu einem naiven persönlichen Aufsatze zu veranlassen. Abends zurück. Die Berliner Comödienzettel mit Mamsell Elsermann durchgesehen. Riemer, Tagebuch 27. 10. 1807 (Keil5 S. 258)
G. fuhr mit ihr [Christiane] und Elsermann nach Roßla zur Kirchweih. Weimar Tagebuch 27. 10. 1807 (WA III 3, 289)
Die Berliner Comödienzettel mit Mamsell Elsermann durchgesehen. 28. 10.
Tagebuch 28. 10. 1807 (WA III 3, 289)
Auf der Bibliothek. Bestellung wegen der Werke Roger Bacons. Mittags Leo von Seckendorf und Dr. Stoll zu Tische. Des letzteren fantastisches Drama. Über Wien: dortige Lebensart, Verhältnisse, Theater, Kunst: Wachsbüsten und Statuen. Abends . . . War ich mit Hofrath Meyer zu Hause. Er las die neuesten Litteraturzeitungen und das Morgenblatt vor. Riemer, Tagebuch 28. 10. 1807 (Keil5 S. 259)
Mittags Leo Seckendorf und Stoll zu Tische. Uber Wien. Wachs-Büsten u. Statuen. Stoll deklamirte aus seinen Stücken. 360
Weimar
1807 29. 10.
Tagebuch 29. 10. 1807 (WA III 3, 290)
Uckert brachte ein Manuscript von Kant „Zum ewigen Frieden", woran entsetzlich corrigirt war . . . Abends bey der Prinzeß von Oranien. 30. 10.
Tagebuch 30. 10. 1807 (WA III 3, 290)
Verschiedene Besuche: Herr von Göchhausen, von Seckendorf und Stoll. . . Nach Tische bey Frau von Stein, wo ich Herrn von Einsiedel fand. Abends Probe von Zwey Worte. 31. 10.
Tagebuch 31. 10. 1807 (WA III 3, 290)
Hofkammerrath und Genast wegen Theatergeschäften. Kam Berger von Halle und speiste mit uns . . . Abends Hofrath Meyer. Decoration zu der Oper die Liebe auf dem Dache. Okt.
K. Eberwein, Erinnerungen (Dtsch. Revue 2, 4 S. 122)
B 3 2553
Von Lauchstedt [nach der Sommerspielzeit 1807] in die Heimath zurückgekehrt, besuchte ich fast täglich das Kirst'sche Caffeehaus, wo ich regelmäßig Billard spielte . . . Unter den Hofschauspielern, die sich dort in gleicher Absicht mit mir einfanden, war auch Heß, der bei Goethe ein Singquartett mit der Violine dirigirte. Er sprach oft von dem Vergnügen, das es ihm gewähre, in Gegenwart des Geheimeraths die Gesänge einzuüben und aufzuführen. Zugleich bedauerte er, wegen Mangel an Musikalien nur ein beschränktes Repertoire zu haben. Als er eines Abends wieder das alte Klagelied anstimmte, faßte ich Muth, ihm mein Verlangen auszusprechen, Etwas dergleichen zu componiren, wenn ich hierzu passende Texte hätte. „Diese will ich Ihnen geben, sobald Sie mich besuchen," erwiderte der freundliche Mann. — Den folgenden Morgen ging ich bei guter Zeit zu Heß, um ihn an sein Versprechen zu erinnern. Ich fand ihn noch unschlüssig, was er mir bieten könnte. Nachdem er eine Weile in einem Band Gedichte hin und her geblättert, sprach er: „Hier, diese zwei Räthsel von Schiller werden sich wohl zur Composition eignen." Das eine ist meinem Gedächtniß entschwunden, wie mir die Musik dazu verloren gegangen ist. Das andere lautet: Auf einer großen Weide gehen Viel tausend Schafe silberweiß; Wie wir sie heute wandeln sehen, Sah sie der allerält'ste Greis. Sie altern nie und trinken Leben Aus einem unerschöpften Born, Ein Hirt ist ihnen zugegeben Mit schön gebognem Silberhorn u. s. w. Zur Auflösung dieses Räthsels führt in mondheller Nacht ein Blick zum Firmamente. Die Gemüthsstimmung, welche das milde Licht des Mondes und der Sterne bei den Erdbewohnern hervorruft, ferner die Ruhe ihrer Bewegung 361
1807
Weimar glaube ich in der Musik so gut ausgedrückt zu haben, daß ich nicht wüßte, wie ich sie nach 46 Jahren besser machen könnte. Als Heß die Räthsel beim Geheimerath singen ließ, überraschte es denselben, zum ersten Male in seinem Leben dergleichen Poesien singen zu hören, fand aber die Idee, Räthsel in Musik zu setzen, ganz artig, die weiter benutzt zu werden verdiene. Goethe gab hierauf Heß den Auftrag, mir zu sagen, daß, wenn es mir Vergnügen mache, den Singübungen in seinem Hause beizuwohnen, so würde ich ihm willkommen sein. Erwünschteres als Hessens Botschaft konnte mir nicht begegnen. Die nächste Probe war Donnerstag, Abends 9 [?] Uhr. Mit Freuden folgte ich der freundlichen Einladung meines hochverehrten Chefs. Die Singübungen fanden im Zimmer der kleinen Frau, wie Goethe seine liebenswürdige Gemahlin nannte, statt, die, obgleich nicht musikalisch gebildet, doch gute Musik gern hörte, aber darüber die Sorge für das Hauswesen nicht vergaß und deshalb mit einem großen Bund Schlüssel ab- und zuging. Großmutter und Tante der Geheimeräthin, die ein heiteres Asyl bei Goethe gefunden, hörten dem Gesang mit Andacht zu [?]. Goethe's Hauskapelle bildeten: Heß (Dirigent), Demoiselle Engels (erster Sopran), Demoiselle Häßler (zweiter Sopran oder Alt), Mohrhardt (Tenor) und Deny (Baß), sämmtlich Mitglieder des Weimarischen Theaters. Nachdem die Sänger mich durch Vortrag meiner Compositionen erfreut, erschien der Geheimerath in einem Ueberrock. Er begrüßte mich freundlich als den ehemaligen Gespielen seines August und dankte für meine Bereitwilligkeit, mich an seiner Hauskapelle betheiligen zu wollen. Nach Wiederholung der Räthsel sprach er sich, wie früher angegeben, vortheilhaft aus. Bezüglich der dritten Strophe vorstehenden Gedichtes: „Und hat der Lämmer keins verloren So oft er seinen Weg gemacht." bemerkte Goethe gutmüthig scherzend, hier habe sich sein verehrungswürdiger Freund einer Unwahrheit schuldig gemacht, denn die Sterne, die sich schnuppten, und darauf am Firmamente verschwänden, wären allerdings zu den verlornen Lämmern zu zählen. Acht Uhr ging es zu Tische. Ehe wir es uns versahen, war Goethe verschwunden, um in seinem Studirzimmer zu soupiren. Wenn der Meister uns zum Schlüsse des Essens mit seiner Gegenwart beehren wollte, so stand schon ein Stuhl zunächst der Thüre, wo er eintrat, für ihn bereit. Er öffnete dann hastig die Thüre, setzte sich blitzschnell auf seinen Sessel, und ehe wir uns erheben konnten, rief er uns zu: „Kinder, bleibt sitzen." In Folge der einfachen Lebensweise im Goethe'schen Hause bestand das Mahl nur aus einem, aber schmackhaft zubereiteten Gericht und Bier. Zwei Talglichter erleuchteten das Gemach. In des Geheimraths Arbeitszimmer brannten auch nur zwei Lichter von gleicher Qualität. Demjenigen, der wie Knebel das Licht zu kurz oder gar ausputzte, gestattete Goethe nie wieder, sich diesem Geschäft zu unterziehen. So wie Jener Miene machte, ein Gleiches zu versuchen, langte Goethe nach der Lichtputze und putzte es selbst. Es war dem gefeierten Dichter Bedürfniß, auch bei der geringfügigsten Sache seine Ordnungsliebe zu bethäti362
Weimar
1807
gen. Benahm sich Einer in seiner Gegenwart ungeschickt, worüber er sich nicht aussprechen wollte, so fuhr er sich mit der Hand übers Gesicht, gleichsam als wolle er es nicht bemerkt haben, oder das Widerwärtige durch die Handbewegung aus dem Gedächtniß entfernen. — Auf das bescheidene Mahl folgten heitere Gespräche über Kunst, Theater oder Stadtneuigkeiten, bis das Horn des Nachtwächters erinnerte, daß es an der Zeit sei, sich in seine Wohnung zu begeben. Okt. (?)
Riemer an Knebel o. Dat. (Aukt.-Kat. Stargardt 585, 24)
Ew Hochwohlgebornen Uebersetzung der Lucre2ischen Stelle habe ich abgegeben und soll mit den besten Grüßen vom Herrn Geh. Rath Ihnen schönstens dafür danken. 1. 11.
Tagebuch 1. 11. 1807 (WA III 3, 291)
Um 1 1 Uhr Gesang, wozu Herr Hauptmann von Müffling kam. Mittags Herr Graff und Berger zu Tische. Nach Tische kamen die Demoiselles Brentano. Abends bey Mad. Schopenhauer. Bettina v. Arnim, Goethes Briefwechsel mit einem Kinde (Schmitz/Steinsdorff S. 62)
[Bettina Brentano an Elisabeth Goethe o. Dat.] Jet^t kenne ich ihn [Goethe] und weiß, wie er lächelt und den Ton seiner Stimme, wie die so ruhig ist und doch voll Liebe, und seine Ausrufungen, wie die so aus demtiefenHerten anschwellen, wie der Ton im Gesang; und wie er so freundlich beschwichtigt und bejaht, was man im Herausdrang unordentlich herausstürmt; — wie ich im vorigen fahr so unverhofft wieder mit ihm zusammentraf da war ich so außer mir und wollte sprechen und konnte mich nicht %urechtfinden;da legt' er mir die Hand auf den Mund und sagt': Sprech' mit den Augen, ich versteh' alles; und wie er sah, daß die voll Tränen standen, so drückt' er mir die Augen und sagte: Ruhe, Ruhe, die bekommt uns beiden am besten. Riemer, Tagebuch 1. 11. 1807 (Dtsch. Revue 11, 1 S. 67)
[Mit Goethe] Zur Schoppenhauer. Große Gesellschaft. Naivetät der Bettina Brentano, Sie hat etwas von der Humboldt und von der Mine Wolf. Johanna Schopenhauer, Jugendleben und Wanderbilder. Suchworte zu einem Schema (Schopenhauer 4 2, 39)
. . . Bettina in Weimar, durch Goethe bei mir eingeführt. St. Schütze, Tagebuch 1. 11. 1807 (*JSK N F 4, 100; GMD)
Sonntag. Bei der Schopenhauer], Mit Goethen über das Wiener Journal [„Prometheus", hrsg. von Stoll und Seckendorff]. Auch der alte Wieland ist da. Msl. Brentano's männliches freies Wesen. 2. 11.
Tagebuch 2. 11. 1807 (WA III 3, 291)
Professor Vater, welcher die Büttnerschen Manuscripte durchsah. Johannes von Müller auf der Durchreise. Mittags die Demoiselles Brentano zu Tische. 363
1807
Weimar An Chr. G. v. Voigt 4. 11. 1807 (WA IV 51, 224)
Professor Vater ist vergnügt und dankbar von uns geschieden. J. S. Vater an Goethe 9. 11. 1807 (GSA, IA, LB A 16, 33)
Ew. Excellenz sage ich nochmals den innigsten Dank für die gewogentlichste Gewährung meiner Wünsche, die höchst schätzbare Art derselben ist mir die angenehmste Erinnerung an meine kurze Reise . . . Ew. Excellenz würden mich von neuem zum wärmsten Danke verpflichten, durch die wohlwollende Realisirung der mir schon verliehenen Hofnung, daß ich wo möglich jenen kleinen Theil der Büttnerischen Manuscripte . . . hier [in Halle] genauer durchgehen, und mit andern Werken vergleichen könne, als es mir je in Weimar möglich seyn würde: ich wage die Wiederhohlung jener unterthänigen Bitte. Bertuch an Goethe 1. 12. 1807 (GSA, IA LB A 16, 35)
Eur. Excell. erhalten beyl/ eine unterthän. Bitte von unserm braven und fleißigen Hrn. Prof. Vater in Halle, um gütige nähere Mittheilung von einigen Mscpten. des seel. Hofr. Büttner, über Linguistik, welche Sie die Güte hatten, demselben bey seinem letzten Hierseyn vorlegen zu laßen. An Eichstädt 4. 11. 1807 (WA IV 19, 450)
Herrn von Müller auch nur eine Stunde zu sehen, war mir sehr erfreulich. Leider traf das Resultat unsrer Unterredung mit dem überein, was ich neulich [über Müllers Weggang von Berlin] schrieb. 3. 11.
Tagebuch 3. 11. 1807 (WA III 3, 291)
Waren Savignys angekommen und brachten ein Packet von Jacobi, worin der Satyros befindlich. Besuchte ich dieselben und ging nachher zu der Prinzeß Caroline, wo Frau von Stein gegenwärtig war. Ich unterhielt sie mit dem Schema der Gemüthskräfte und der daraus zu ziehenden Horoskopen. Mittags Savignys und die beyden Brentanos. Viel über München und die dortigen Verhältnisse. Um 5 Uhr Probe von der Nacht im Walde. Nach 7 zu Savignys zum Thee, wo die drey Schwestern viel von ihren Reisen erzählten. Henriette v. Knebel an Knebel 9. 12. 1807 (Düntzer4 S. 317)
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Es freut uns auch das Gute, was Du uns von Goethen sagst. E s ist doch wirklich ein seltner Reichthum und Tiefe in ihm. So hat er sich uns auch noch bei einem neulichen Besuch offenbart, wo uns von seinem geistreichen Gespräch viel Wahres und Gehaltvolles zurückgeblieben ist, was uns noch oft angenehm unterhält und beschäftigt. Riemer, Tagebuch 3. 11. 1807 (*JSK 2, 287; Keil5 S. 259)
Mittags die beiden Brentanos und die Savigny mit ihrem Manne. Uber Tisch mit der Bettine gespaßt.
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1807 4. 11.
Tagebuch 4. 11. 1807 (WA III 3, 292)
Hofkammerrath wegen Theaterangelegenheiten . . . Nachher auf die Bibliothek, wo die Fremden waren. Zu Tische Herr und Frau von Savigny und die beyden Demoiselles Brentano. Abends . . . Hofrath Meyer. Riemer, Tagebuch 4. 11. 1807 (Keil 5 S. 259)
Mittags die beiden Brentano und Mad. Savigny. Viel über München. Nach Tische für Goethe das Schema der Gemüthskräfte angefertigt. A n F. H. Jacobi 11. 1. 1808 (WA IV 20, 5)
An Gästen hat es uns nicht gefehlt. Savigny's und zwey Brentano's waren eine Zeitlang bey uns. Ich habe mir viel von dir und deinen Umgebungen erzählen lassen. Bettina Brentano an Goethe 21. 12. 1807 (Schmitz/Steinsdorff S. 584)
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Dich wollte ich oft und warm ansehen, wollte Dich begleiten in Dein stilles Hauß, und wollte Dich ausfragen über Dein ehmaüges und jeziges Leben, so wie ich Dein Angesicht ausgefragt hab über seine vorige und jezige Schönheit, auf der Bibliotheck da konnte ich nicht umhin mich zu Deiner jungen Büste aufzuschwingen, und meinen Schnabel gleichsam wie eine junge Nachtigall daran zu wezen. Bettina v. Arnim, Goethes Briefwechsel mit einem Kinde (Schmitz/Steinsdorff S. 560)
[Bettina Brentano, Tagebuch] Goethe, Du bist schön! ich will Dich nicht \-um vgveitenmal in Versuchung fähren, wie damals in der Bibliothek, Deiner Büste gegenüber, die in Deinem vierzigsten Jahr das vollkommne Ebenmaß Deiner höchsten Schönheit ausdrückte; da standst Du in grünem Mantel gewickelt an den Pfeiler gelehnt, forschend, ob ich doch endlich in diesen verjüngten Zügen den gegenwärtigen Freund erkenne, ich aber tat nicht dergleichen, ach Schern und geheime Lust ließen mir's nicht über die Lippen. „Nun?" — fragte er ungeduldig: der muß ein schöner Mann gewesen sein, sagte ich. — „Ja wahrlich! dieser konnte wohl sagen ψ seiner Zeit, er sei ein schöner Mann", sagte er erzürnt; ich wollte an ihn herangehen, er wies mich ab, einen Augenblick war ich betroffen; — halte Stand wie dies Bild, nef ich, so will ich Dich wieder sanft schmeicheln, willst Du nicht? — nun so laß ich den Lebenden und küsse den Stein so lange, bis Du eifersüchtig wirst. — Ich umfaßte die Büste und küßte diese erhabne Stirn und diese Marmorlippen, ich lehnte Wang an Wange, da hob er mich plötzlich weg und hielt mich hoch in seinen Armen über seiner Brust, dieser Mann von sechzig Jahren, sah an mir hinauf, und gab mir süße Namen, und sagte die schönen Worte: Liebstes Kind, du liegst in der Wiege meiner Brust, dann ließ er mich an die Erde, er wickelte meinen Arm in seinen Mantel und hielt mir die Hand an sein klopfend Her^ und so gingen wir langsamen Schrittes nach Haus; ich sagte: wie schlägt Dein Her%! — „Die Sekunden, die mit solchem Klopfen mir an die Brust stürmen", sagte er, „sie stürben mit übereilter Leidenschaft dir und du jagst mir die unwiederbringliche Zeit vorwärts. " R. Springer nach ungenannter Quelle (Springer 1 S. 98)
Als Bettina von Arnim den Dichter fragte, was er von dieser Darstellung [der Goethebüste von Trippel] halte, soll er lächelnd geantwortet haben: „Nun, ich kann es mir wol gefallen lassen." 365
Weimar
1807
T. Koller, Heinrich Grunholzer (Koller 1, 270)
B 3 2560
Über ihr Verhältniss zu Göthe sprach sich Bettina Grunholzer gegenüber [1843] ganz offen aus. Sie sei nur begeistert für Göthe, nie in ihn verliebt gewesen. Göthe war 60 und Bettina 17 Jahre alt, als sie ihn kennen lernte. In Gesellschaft ihres Schwagers Savigny kam sie in Weimar mit ihm zusammen. In der Bibliothek habe Göthe sie bei Seite zu einer Büste geführt, sich in den Mantel gehüllt und majestätisch vor dieselbe gestellt. Es war Göthe's Brustbild. Bettina stellte sich, als erkennte sie ihn nicht und sagte: „Das ist ein schöner Mann." Göthe: „Ja, der konnte sich in seiner Jugend schön nennen." Bettina wollte ihm um den Hals fallen, verletzt, dass sie ihn in der jugendlichen Büste nicht erkannt, wies er sie ab. Darauf küsste sie die Büste. Jetzt hob Göthe sie auf die Arme, schaute ihr in die Augen und sagte: „Du Sonnenkind!" Darauf schrieb er das bekannte Sonett [„Du siehst so ernst, Geliebter!"]. 5. 11.
Tagebuch 5. 11. 1807 (WA III 3, 292)
Mittags Demoiselle Elsermann zu Tische. Nachher die Rolle in Eitle Mühe der Verliebten mit ihr durchgegangen. Abends Probe im Theater von Zwey Worte. Nachher bey Mad. Schopenhauer mit Brentanos und Savignys. Riemer, Tagebuch 5. 11. 1807 (Dtsch. Revue 11, 1 S. 67)
[Mit Goethe] In den Thee zu Madame Schoppenhauer. Sang die Brentano zur Guitarre. St. Schütze, Tagebuch 5. 11. 1807 (*JSK NF 4, 100; GMD)
Thee bei Schopenhauer] die Brentano erzählt von der Tian. Goethen über die Pfandbriefe [Lustspiel „Der Pfandbrief] befragt p. (befremdet: nun, ich [? auch ich?] denke, es ist gut. pp) Frau v. Spiegel. 6. 11.
Tagebuch 6. 11. 1807 (WA III 3, 292)
Falk der von Berlin kam. Mittags Sophie Teller. Abends bey der regierenden Herzogin. Vorlesung eines Theils von Faust. Zugegen waren der Herzog, die Frauen von Henkel, Stein und Wedel. Nachher bey Dem. Jagemann zum Concert, wo Savignys waren, Müller von Leipzig, von Seckendorf, Stoll und andre. Riemer, Tagebuch 6. 11. 1807 (Keil 5 S. 260)
Früh an dem Schema der Gemüthskräfte in Bezug auf die Weiber. Dann an August's Wappen gezeichnet. G. aufgebracht über August's polnische Jacken und Röcke, Untersagung. Abends . . . Goethe und Sie bei Dem. Jagemann zu Souper. 7. 11.
Tagebuch 7. 11. 1807 (WA III 3, 293)
Mittags Bettine Brentano und Herr und Frau von Savigny. 8. 11.
Tagebuch 8. 11. 1807 (WA III 3, 293)
Die Sänger, dazu Hr. von Müffling. Mittags allein, Demoiselle Engels mit zu Tisch. Nachher Bettine Brentano. Abends zu Falk zur Kindtaufe. Nachher zu 366
Weimar
1807
Mad. Schopenhauer, wo die sämmtlichen Fremden und sonst viele Gesellschaft war, Reichardt und Arnim. Der erstere sang einige Lieder. Riemer, Tagebuch 8. 11. 1807 (Keil 5 S. 260)
Bei G. Anmerkungen zu dem geognostischen Aufsatz über Carlsbad. Kam Reichardt von Giebichenstein, den ich abfertigen mußte. Caroline Falk an Frau Ursinus 16. 11. 1807 (GSA, Falk I 1 Β 4, 32)
Den 8ten November ließen wir es [das Neugeborne] taufen, und gaben ihn den Namen Eugenie. Die Taufzeugen dabey waren: der hiesige Präsident Herr ν Fritsch, der Geheimerath ν Göthe, die Frau Landkammerräthin Bertuch, und die Frau Kammerräthin Stichling, Tochter des Hofrath Wieland. Caroline Bertuch an L. F. Froriep 15. 11. 1807 (GSA, Bertuch 3198, 8)
Am Sontage vor 8 Tagen war Jettchen [Bertuch] mit Göthe bey Falcks Gefatter, Fritsch und die Stichünge waren noch mit, und den Abend um 5 Uhr erhielt das kleine Mädchen, in Falcks neu eingerichteten Kabinette, zu den Füßen der Vesta, und bey den Scheine anticker Lampen, den Nahmen Eugenie, nach Göthes natürlicher Tochter. Göthe hatte Jettchen mit den schönsten Blumen geschmückt, und war ein sehr galander und heiterer Gefatter; wir waren bey Falcks bis gegen 8 Uhr, den giengen wir zusammen bey die Schoppenhauer wo wir Lottchen [Froriep] fanden, und Uesen uns von Reichart was vor singen und spiehlen, und der Bediene [Brentano] was vor resonniren. Stoll und Seckendorf waren um diese Zeit, auch auf ein paar Wochen von Wien hier, und mit bey der Schoppenhauer eingeführt. St. Schütze, Tagebuch 8. 11. 1807 (*JSK NF 4, 100; G M D )
Thee der Schopenhauer] an 20 Personen. Mit Meyern über die Kunst, mit der Bettina über die Musik. Capell. Reichard. Arnimm. Weisser pp Goethe kommt spät vom Gevatterstand bei Falk. 9. 11.
Tagebuch 9. 11. 1807 (WA III 3, 293)
Mittags Savignys, zwey Demoiselles Brentanos, Reichardt, Arnim und Clemens Brentano. Komische Geschichten aus der Unglücksepoche des preußischen Staates. Abends Tasso, wovon ich einen Act sah. Nachher zu Hause, mit Hofrath Meyer. Riemer, Tagebuch 9. 11. 1807 (»Dtsch. Revue 11, 1 S. 67; Keil 5 S. 260)
B 3 2561
Mittags Brentanos, Savigny, Reichardt, Arnim und Clemens Brentano zu Tisch. Neben diesem und Bettinen gesessen. Uber Friedrich Tieck, über die Nibelungen und sonstiges. Zwei junge Leute in Cassel, die schöne Kenntnisse und Sammlungen, die altdeutsche Literatur betreffend [Anm. Keil: Die Grimm in Cassel]. 9. 11.
Tagebuch 8. 11. 1807 (WA III 3, 293) Ließ Reichardt von Giebichenstein und Arnim sich anmelden, wurden aber auf morgen eingeladen.
367
Weimar
1807
Bettina Brentano an Goethe 21. 11. 1809 (Schmitz/SteinsdorffS. 665)
B3 2562
. . . der eine [der Brüder Grimm] hatte Dich [1801 in Kassel?] aus dem Schauspiel gehen sehen, in einen großen Mantel gehüllt, er erzehlte es mir immer wieder; — wie mir das ein doppelter Genuß war! — Denn ich, war ja auch an einem Regentag selbst mit Dir im Schauspiel gewesen und den Mantel hattest Du damals an. Bettina Brentano an F. H. Jacobi 15. 10. 1808 (Zoeppritz 2, 28)
B3 2564
Eines Abends hatte er [Goethe] mich ins Theater gebracht, es war Tasso; Er ging weg; die Vorstellung ward mir langweilig... ich ging mit Freude nach Hauß, weil mir Goethe versprochen noch eine Stunde mit mir zu bleiben allein er ward verhindert. 10. 11.
Tagebuch 10. 11. 1807 (WA III 3, 293)
Las Hofrath Meyer seinen Aufsatz über das Colorii der Alten vor. Zu Frau von Savigny. Nachher Mittags Bettine Brentano und Elsermann. Familiengeschichten der ersten. Kam Arnim nach Tische. Abends bey der regierenden Herzogin einen Theil von Faust vorgelesen. Riemer, Tagebuch 10. 11. 1807 (Dtsch. Revue 11, 1 S. 67)
Früh bei Goethe. Bettina Brentano an Goethe nach 7. 5. 1808 (Schmitz/Steinsdorff S. 607)
B 3 2568
. . . heißt sie nicht Elsermann, die einmal mit uns an Deinem Tisch gegessen hat, und die Du alles selbst lehrst, und deren Gegenwart mich beym Abschied verhinderte Dich recht nach Willkühr zu küssen, aber nein! Du warst selbst Schuld, Du standest da, wie zwischen Wasser und Feuer und mögtest keine Probe aushalten. Bettina Brentano an Goethe 21. 12. 1807 (Schmitz/Steinsdorff S. 585)
B 3 2567
Den Tag als ich Abschied nahm von Dir mit dem einen Kuß, mit dem ich n i c h t s c h i e d von Dir, da war ich Morgens beinah eine ganze Stunde allein im Zimmer wo das Ciavier steht da saß ich auf der Erd im Eck, und dachte es geht nicht anders Du mußt auch einmal weinen, und Du warst ganz nah und wußtest es nicht, und ich weinte mit lachendem Munde, denn mir schaute das feste grüne Land durch den trübsinnigen Nebel durch, Du kamst, und ich sagte Dir recht kurz (und ich schränkte mich recht ein dabei, im streichlen und küssen,) wie Du mir werth seyst. Charlotte v. Stein an F. v. Stein 11. 11. 1807 (»Düntzer 9 2, 273; G S A , Stein 107) B 2 1045 B 3 2 5 7 0
Gestern Abend war ich bey der Herzogin, Goethe hatt neue Scenen in seinen Faust gemacht und las sie vor, sie werden in 6 Wochen ohngefáhr gedruckt erscheinen es ist ein sehr genialisches Stück und mit Wahrheit sagt er in der Vorrede daß er einen vom Himmel bis zur Hölle führt, es sind jetz öffterer Vorlesung vom Goethe in einen sehr kleinen Cirkel bey der Herzogin, Die Erbprinzeß, Prinzeß Caroline, die zwey Oberhofmeisterin und ich, selten 368
1807
Weimar Herrns. Wen es den Goethe lange gemüthlich bleiben wird so fort zu fahren wird es hübschere Abende geben als die des ewigen Kartenspiels; Aber beynah noch hübscher sind die Dienstag Früh bey Prinzeß Caroline, wo er auch manchmahl hinkomt, und ohne Vorlesung die Geistreichsten Dinge sehr angenehm auseinander wickelt; er ist da weniger genirt, und weis daß er in der Prinzeß Caroline einen feinen Sinn findet: Ich habe zwey Reden von ihn bekommen in der Münchner academie der schönen Wißenschaften von Jacobi, und eine vom Schelling, gehalten . . . Die vom Jacobi hat mich sehr belehrt, die vom Schelling welche Goethe der erstem vorzieht habe ich aber gar nicht verstanden, doch hat er mirs voraus gesagt, indeßen macht mirs Spas sie mir nach meiner Weise auszulegen.
1./10. 11. A n K. F. Reinhard 16. 11. 1807 (WA IV 19, 455)
. . . daß ich . . . noch mehr thun würde, wenn ich nicht so zerstreut würde durch das Theater. . . und durch Fremde, deren mehr oder weniger erwünschte Besuche einen lebhaften Reisezirkel durch mein Haus führen. Bettina Brentano an A. v. Arnim März 1808 (Betz-Straub 1, 193)
B 3 2565
Kein Mensch hat noch meiner instinktmäßigen Ansicht, die ich von Freunden habe, beinah wie ein noch verschlafnes Gefühl, so entsprochen wie Göthe; er war mit mir wie mit einem Kinde, das an denselben Ufern wie er erzogen ward, fühlte meine Unerfahrenheit, meinen Unverstand nicht als Beleidigung für ihn, indem ich mich ihm so näherte, als sei er meinesgleichen; das Gefühl meiner Unwürdigkeit schlug mir vor ihm nicht im Herzen, aber die Gelegenheit hätte beweisen können, daß ein Blick von ihm auf mein Leben mir werter war als dasselbe. Frei war ich vor ihm, wie die Tanne vor der Sonne ist, die mit Gelassenheit ihre brennende Strahlen in sich saugt. Bettina Brentano an M. P. v. Freyberg 16. 7. 1 8 1 0 (SteinsdorffS. 116)
Göthe ist gewohnt, aus meinen Begebenheiten mein Herz zu erkennen, ich sage dir ich bin in den Mann verliebt. . . Keiner könnt noch so mich trösten, denn diese schmerzliche Stunden, hat auch er gehabt und hat des Trostes bedurft wie ich, das hab ich aus seinen Büchern gesehen, keiner konnte noch so meinen Scherz wie meinen Ernst verstehen keiner meinen Willen so würdigen wie er, denn er war in seiner Jugend wie ich, so sagt er selbst; aber all was in mir zu ihm sich wendet das wendete in ihm sich zur Poesie, zu dieser Himmelskrohne, die Blühend über seinem schönen Haupte schwebt; und so hat er mich dessen Theilhafdg gemacht was das würdigste in ihm ist. von ihm hab ich auch sichere Hoffnung daß mir Heil ersprießen werde. Bettina Brentano an A. v. Arnim 8. 12. 1809 (Betz-Straub 2, 288)
B 3 2566
Daß mich Göthe so erkannt hat [im Portrait von L. E. Grimm] und meinen ganzen Charakter daraus erkannt hat, ist mir lieber, als wenn er es zu alt oder nicht schön genug gefunden hätte; denn dabei merke ich, daß ich gewiß gut und besser bei ihm war, daß bei ihm keine Lüge, nur die Liebe gelten konnte. Er 369
1807
Weimar sagte auch einmal zu mir: ,Man braucht nichts zu sagen, nicht zu lächlen, man ist doch vergnügt eins im andern.' Henriette v. Stein, Niederschrift nach einem Gespräch mit Bettina v. Arnim (Schorn 1 S. 44)
[Bettina über Goethe:] Sie glauben gar nicht, was das für eine edle Natur war, und wie viel größer noch und edler, als die Menschen ihn durch seine Geistesprodukte kennen. Mein Verhältniß zu ihm war so rein, ich hatte so keinen Begriff davon, daß es etwas gäbe, wofür man sich schämen müsse es zu thun, daß ich darum auch nie etwas sagte oder that, was nicht rein gewesen wäre, und Goethe hatte vor meiner Reinheit eine solche Ehrfurcht, eine solch' ehrerbietige Scheu, daß ich erst später, als man über ihn sprach, ihn tadelte wegen unsres Verhältnisses, erkannte, wie edel er gegen mich gehandelt. Bettina Brentano an Goethe nach Mitte Jan. 1808 (Schmitz/Steinsdorff S. 586)
B 3 2563
Da ich noch an Deinem Arm durch die Straßen ging, (Ey was dünkt mich dieß eine geraume Zeit) da war ich zufrieden; alle meine Wünsche waren schlafen gegangen . . . Bettina Brentano an Goethe Ende Nov./Anf. Dez. 1807 (Schmitz/Steinsdorff S. 580)
Warum muß ich denn wieder schreiben? Einzig um wieder mit Dir allein zu seyn, so wie ich gern kam in Weimar um mit Dir allein zu seyn, zu sagen hab ich nichts damals hatte ich auch nichts zu sagen, aber ich hatte Dich anzusehen und innig froh zu seyn, und war Bewegung in meiner ganzen Seele. Bettina Brentano an Goethe 16. 6. 1809 (Schmitz/Steinsdorff S. 644)
B 3 2556
. . . so weiß ich jeden Baum des Parks noch, an dem Wir vorübergegangen auch die kleine runde Quelle an der wir gestanden die so ewig über sich sprudelt, und die Laube mit der Steinernen Banck, wo eine Kugel an der Wand, da haben wir eine Minute gesessen und hab ich gewünscht nur einen Frühling mit Dir zu seyn, hast Du mich ausgelacht. . . Bettina v. Arnim, Goethes Briefwechsel mit einem Kinde (Schmitz/Steinsdorff S. 281)
[Bettina Brentano an Goethe 16. 6. 1809] ... so weiß ich jeden Baum des Parks noch an dem wir vorübergegangen, und wie Du die Aste der Zuckerplatane niederbogst und geigtest mir die rötliche Wolle unter den jungen Blättern, und sagtest die Jugend sei wollig; und dann die runde, grüne Quelle, an der wir standen, die so ewig über sich sprudelt, bul, bul, und Du sagtest sie rufe der Nachtigall, und die ÍMube mit der steinernen Bank, wo eine Kugel an der Wand liegt, da haben wir eine Minute gesessen, und Du sagtest set^e Dich näher, damit die Kugel nicht in Schatten komme, denn sie ist eine Sonnenuhr, und ich war einen Augenblick so dumm glauben die Sonnenuhr könne aus dem Gange kommen, wenn die Sonne nicht auf sie scheine, und da hab ich gewünscht nur einen Frühling mit Dir sein; hast Du mich ausgelacht, da fragt ich, ob Dir dies ψ lang sei, ei nein, sagtest Du, aber dort kömmt einer gegangen, der wird gleich dem Spaß ein Ende machen; das war der Herzog, der grad auf uns %ukam, ich wollte mich verstecken, Du warfst deinen Uberrock über mich, ich sah durch den langen Armel wie der Herzog immer näher kam, ich sah auf seinem Gesicht daß er was 370
1807
Weimar merkte, er blieb an der Laube stehen, was er sagte, verstand ich nicht, so große Angst hatte ich unter deinem Uberrock, so klopfte mir das Her% Du winktest mit der Hand, das sah ich durch meinen Rockärmel, der Herzog lachte und blieb stehen; er nahm kleine Sandsteinchen und warf nach mir, und dann ging er weiter. Da haben wir nachher noch lang geplaudert mit einander, was war's doch Ì — nicht viel Weisheit, denn Du verglichst mich damals mit der weisheitvollen Griechin, die dem Socrates über die Liebe belehrte, und sagtest: kein gescheutes Wort bringst Du vor, aber deine Narrheit belehrt besser, wie ihre Weisheit, — und warum waren wir da beide so tief bewegt? — daß Du von mir verlangtest mit den einfachen Worten: „Lieb mich immer", und ich sagte: „Ja. " — Und eine gan^e Weile drauf, da nahmst Du eine Spinnwebe von dem Gitter der Laube und hingst mir's auf's Gesicht, und sagtest bleib verschleiert vorjedermann und ^eige niemand was Du mir bist. Bettina Brentano an Goethe um 15. 4. 1808 (Schmitz/Steinsdorff S. 600)
Heute Nacht hab ich einen Traum von Dir gehabt. . . ich kletterte über die Mauer, da sah ich Dich auf derselben Banck sizen hinter welcher im vorigen Jahr die schöne breite Malve noch so Späth gewachsen war gegenüber lag auch die Kaze, und als ich zu Dir kam, sagtest Du wieder: seze Dich nur dort üben zur Kaze, wegen Deinen Augen, die mag ich nicht so nah . . . H. Grimm, Bettina von Arnim (H. Grimm 1, XII)
B 2 1437 B 3 2557
Anfang der Fünfzigerjahre war Betona . . . von einer längeren Reise nach Weimar gelangt und ich ging ihr dahin entgegen . . . Wir gingen durch den Park . . . Hinter dem [Goetheschen Garten-] Hause stand eine halbzerbrochene Bank. Hier setzten wir uns . . . Bettina erzählte mir, wie Goethe ihr hier einmal erzählt habe, daß er manchmal die Nacht hier im Freien zugebracht, und wenn er aufgewacht sei, hätten die Sterne so schön durch die Zweige geschienen. Malla Montgomery-Silfverstolpe, Reisejournal 1 . 1 2 . 1825 (Franzos S. 157)
B 3 2559
Am Nachmittag machte ich . . . bei Frau Arnim Visite . . . Ihre „Liebesbegegnisse" mit Goethe sind eigen! Er war sechszig, sie zwanzig Jahre alt, da gingen sie eines Abends durch eine Straße in Weimar. Es war dunkel, aber auf einmal wurden sie durch eine Laterne beleuchtet. Goethe sagte: „Siehst du, unvermutet zuweilen kommt der Lichtstrahl und zeigt uns, was wir lieben!" Und er, der Starke, nahm sie in seine Arme und trug sie in ihr Haus, zwei Treppen hoch und nannte sie „Götterkind, Sternenkind!" Oben schlief ihre Schwester schon, der matte Schein einer Lampe erhellte das Zimmer. Sie setzten sich, und Bettina sagte schmeichelnd: „Siehst du, wir genießen zusammen die Flamme der Nacht." „Ja, mein liebes Kind, aber es ist uns nicht erlaubt, sie länger zusammen zu genießen!" Und bewegt verließ er sie. Einmal zeigte er ihr seine Büste im Alter von vierzig Jahren und stellte sich daneben, um ihr den Unterschied zu zeigen. Lange betrachtete sie die Büste, so lange, daß er glaubte, sie erkenne sie nicht und darüber zürnte — da küßte sie die Büste innig. Eifersüchtig riß er sie von der Büste weg, drückte warme Küsse auf ihre Lippen und hob sie hoch empor mit dem Ausruf: „Götterkind! Sternen371
1807
Weimar kind!" Bettina machte drauf die Reflexion: „Es ist gefährlich, diese Ausrufe der Liebe zu hören, sie bleiben zu tief im Herzen haften, man glaubt an sie! Aber in diesem Augenblick war ich das, was er mich nannte, von seinen Armen zum Himmel erhoben!" Elisabeth Goethe an Christiane v. Goethe 14. 12. 1807 (Pfeiffer-Belli S. 871)
Die Familie Brentano sind /:biß auf die Bettina die noch in Caßel ist:/ wieder hir — die können nun mit rühmen, lobpreißen — Dancksagungen nicht zu Ende kommen — So wie es Ihnen bey Euch ergangen ist; so ist nichts mehr — die Ehre die Ihnen wiederfahren — das Vergnügen so sie genoßen — Summa Sumarum solche vortrefliche Menschen so ein schönes Hauß; so eine Stiege; so ein Schauspiel — das alles ist nur bey Goethe anzutrefen. C. Brentano an J. G. Zimmer 29. 11. 1807 (FBA 31, 622)
B 3 2569
Ich . . . melde Ihnen nur, daß ich zu Giebichenstein vierzehn Tage bei Arnim im Reichardschen Hauße war, sodann mit ihm nach Weimar gereiset bin, wo sich Savigny mit Familie und Bettine und Meline befanden, dort sind wir täglich bei Göthe und er bei uns gewesen, und haben uns gegenseitig liebgehabt, so dann ist die Ganze Caravane in drei Kutschen nach Cassel gefahren . . . Sollten Sie Lust haben, waß Ihnen früher schon ein angenehmer Gedancken schien, unsre besten alten Volksromane voran gleich die Haimons Kinder, nach den ältesten vollständigsten Ausgaben durch Zuziehung der französischen Originale vervollständiget, zugleich gedrängt ohne verstümmelt, modern ohne neu modisch, herauszugeben, so erbiete ich mich zu der Unternehmung, welche gehörig unternommen doch ohne zu grose Theuerung sicher gehen würde. Göthe, dem ich davon sprach hatte Grose Freude daran . . . Ein zweiter Vorschlag, den ich mir in seiner Ausführung besonders reizend dencken kann, wäre eine Zeitung in der Art des Morgenblatts, aber ganz als sei sie aus der Zeit des M i t t e l a l t e r s , oder vielmehr einer i m a g i n a i r e n litterärischen Zeit, Sie würde lauter reizende und Kuriöse Bruchstücke, und ganze kleine Geschichten Sagen, Begebenheiten, Sprüche, Lieder, seltsame Reisegeschichten, Züge aus alten Biografien und lauter sich homogene Dinge enthalten, die man in Büchern nicht bringen kann, und welche doch am Ende durch ein Gutes Register die Zeitung zu einem einzigen herrlichen Buch, voller Kleinodien unsrer alten Poetischen, und historischen Kunst machten, dann und wann einen treflichen Holzschnitt oder ein Altes Gebäude im Umriß, u. d. g. Nichts modernes, nichts Gelehrtes, nichts Getändeltes, nichts Bekanntes, nichts Langweiliges, eine schöne reizende Kunstkammer, welche sich selbst erklärte, und in welcher so wohl Alt als Jung sich gerne begeistern. Göthen gefiel auch dieser Plan sehr wohl. . . Göthe hat die vier Rungeschen Tagezeiten und sein von ihm selbst gezeichnetes Porträit in seiner Stube hängen, und liebt den Meister wie das Werk ganz auserordentlich. C. Brentano an Goethe nach 19. 1. 1809 (FBA 32, 127)
Savigny . . . ist wohl und gut, und wir dencken oft, sehr oft nach Weimar und an ihre Güte. 372
1807
Weimar Caroline Bertuch an L. F. Froriep 15. 11. 1807 (GSA, Bertuch 3198, 8)
Die erste Novbr. Woche hatten wir einen Theil der Brentanoschen Familie hier, die wir einige mal bey der Dame Schoppenhauer sahen; die eine Schwester von Clemens, Bediene, ist der Mühe werth auf einen Abend zu sehen, ein Mädchen die als Courier in Mannskleidern von Franckfurth nach Berlin reißt, die den Sommer, statt unter den Bäumen, auf den Bäumen mit ihren StrickZeuge sitzt und arbeitet; wen sie in das Sprechen kömmt, ist es wie ein aufgezognes Uhrwerck, daß fort schnürt bis es abgelaufen ist. Für Göthe hatte sie unendliche Zärtlichkeit, so daß sie bey ihrer Abreise, noch den glücklichen Weimarischen Boden geküßt hat, der ihn trägt; denn bey Arnim in den Wagen steigt sich in den Thore für seine Frau ausgiebt, und trostlos davon fährt. Eigendlich soll aber Arnim der Frau v. Savingné, der Schwester, die Cour machen. Göthe war von alle den Brentanoschen treiben, so niedergearbeitet, daß er, wie Reichart auch noch kahm, sich nach Jena flichtete, wo er noch ist, und bleiben wird, bis er von hier weg ist; doch Reichart scheint keine Eile zu haben. 1./10. 11. Bettina v. Arnim, Goethes Briefwechsel mit einem Kinde (Schmitz/Steinsdorff S. 103)
[Bettina Brentano an Goethe 1. 8. 1807] Freund, ich bin allein; alles schläft, und mich halt's wach, daß es kaum ist, wie ich noch mit Dir zusammen war. Vielleicht, Göthe, war dies das höchste Ereignis meines Lebens; vielleicht war es der reichste, der seligste Augenblick; schönere Tage sollen mir nicht kommen, ich würde sie abweisen. Es war freilich ein letzter Kuß, mit dem ich scheiden mußte, da ich glaubte, ich müsse ewig an Deinen Uppen hängen, und wie ich so dahin fuhr durch die Gänge unter den Bäumen, unter denen wir zusammen gegangen waren, da glaubte ich, an jedem Stamme müsse ich mich festhalten, — . . . und meine Tränen flössen diesem Scheiden; ach, da besann ich mich auf alles, wie Du mit mir gewandelt bist in nächtlichen Stunden, und hast mir gelächelt, daß ich Dir die Wolkengebilde auslegte und meine Liebe, meine schönen Träume, und hast mit mir gelauscht dem Geflüster der Blätter im Nachtwind; der Stille der fernen weit verbreiteten Nacht. — Und hast mich geliebt, das weiß ich; wie Du mich an der Hand führtest durch die Straßen, da hab' ich's an Deinem Atem empfunden, am Ton Deiner Stimme, an etwas, wie soll ich's Dir bezeichnen, das mich umwehte, daß Du mich aufnahmst in ein inneres, geheimes Leben, und hattest Dich in diesem Augenblick mir allein zugewendet und begehrtest nichts als mit mir ψ sein; und dies alles, wer wird mir's rauben? 8./10. 11. J. F. Reichardt an Elisabeth v. Stägemann 7. 12. 1807 (Dorow 3 2, 235)
Einen grossen Theil des Novembers hab' ich in Weimar sehr angenehm verlebt; ich begleitete Arnim . . . und seinen lustigen Freund Brentano . . . und dachte nur, wie diese, einige Tage dort zu bleiben . . . Hätte nicht der 25. November, einer unsrer häuslichen Festtage, einen unübersteiglichen Termin gesetzt gehabt, ich glaub ich wäre noch dort. Indeß hab' ich gerne versprochen, einen Theil des Winters dort zuzubringen und meine Geisterinsel und Claudine von Villa Bella auf das dortige Hoftheater zu bringen . . . Göthe ging nur leider bald nach Jena, um da einen Prolog auszuarbeiten, den er zu einem neuen Journal, Prometheus, welches mit dem neuen Jahr in Wien herauskommen soll, versprochen hatte. 373
1807
Weimar
vor 11. 11. Α. Genast an H. Blümner 16. 11. 1807 (HSTA Weimar, Genint, Slg. Pasqué 13, 1)
Es wird Ihnen nicht una[n]genehm sein zu erfahren, daß eitle Mühe des Verliebten [von Blümner] allgemeinen Beifall erhalten hat, besonders gefiel es dem Hofe durch seine Zartheit allgemein, Goethe trug mir auf Sie herzlich zu grüßen, auch den verbindlichsten Dank abzustatten, und Sie möchten uns ferner nicht vergeßen . . . Goethe will die Lästerschule wiedergeben, durch einen Zufall ist das Buch verlohren gegangen, welches wir in keiner Buchhandlung erhalten können.
Jena 11. 11.
J. D. Färber, Kalender 11. 11. 1807 (UB Jena, Nachl. Martin q 20)
Sind der H. Geh. Rath v. Göthe u. H. Riemer hier angekommen. Tagebuch 11. 11. 1807 (WA III 3, 294)
Um 9 Uhr nach Jena gefahren . . . Nach Tische Dr. Voigt über Professor Okens Präoccupation der Wirbelbeins- und Schädellehre. Nachher Werneburg: über Maaß, Jahreseintheilung u. s. w. Sodann Bergrath Lenz, seine neuen Acquisitionen, Correspondenzen, Verhältnisse und Vorträge. Abends bey Frommanns: über Litteratur, Corinna, Buchhandel. Frommanns Gedanken, wie die Münchner Academie bezüglich auf eine Buchhandlung und eine Lesebibliothek verfahren sollte. Riemer, Tagebuch 11. 11. 1807 (»Dtsch. Revue 11, 1 S. 67; Keil 5 S. 261)
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Um 9 Uhr weggefahren und um 12 Uhr in Jena. Unterwegs über Bettine, über Goethe's Stück oder Vorspiel zum Prometheus. Abends mit G. zu Frommann; über die Corinna; G.'s Vertheidigung und Zurechtweisung Frommann's. Hernach mit ihm auf seinem Zimmer darüber weiter. Riemer, Mittheilungen 1, 32. 35
B 2 1046 B 3 2572
Die Dame [Betdna Brentano] beklagte sich schon 1807 . . . an einem schönen Morgen, gegen mich, der damals in G.'s Hause lebend, von Manchem Augenund Ohrenzeuge war, daß G. so w u n d e r l i c h und s o n d e r b a r sich gegen sie zeige, das heißt in seiner Sprache: nur eben p a s s i v verhielt. . . Bettine war diesmal mit Schwestern und Bruder vom 1. —10. November in Weimar gewesen, und am 10., wo sie jene Klage gegen mich führte, wieder abgereist. Den folgenden Tag fuhr G. mit mir nach Jena, wo wir bis zum 18. December incl. blieben, und erklärte sich im Gespräch mit mir über B. nicht eben als leidenschaftlicher Liebhaber, sondern nur als Bewunderer ihres geistreichen aber auch barocken Wesens. Riemer, Mittheilungen 2, 596
B 2 1047 B 3 2573
G. trug mir eines Morgens, den 11. November 1807 auf der Reise nach Jena, die ganze Idee und Tendenz seines Gedichts [Pandora] so umständlich und 374
1807
Jena ausführlich vor, daß es mir leid that, sie nicht auf der Stelle niederschreiben zu können, sowohl um ihn künftig daran zu erinnern, wenn er davon abkommen sollte, als auch um die kleinen anmuthigen Züge und Ausschmückungen nicht zu verlieren, die einen augenblicklich improvisirten Vortrag vor dem mit Reflexion und Bedenklichkeit abgefaßten auszeichnen. Riemer, Anmerkung zu Aphorismen S. 300
Nach der durch Dr. Gall's Anwesenheit im Jahr 1806 angeregten Wiederaufnahme seiner botanischen und osteologischen Untersuchungen pflegte Goethe sich mit seinen Famiiiaren, dem jüngern Vogt in Jena . . . und mir, darüber in vertraulichen Gesprächen zu ergehen . . . namentlich bei Erklärung des Thiertypus den Schädel als aus drei R ü c k e n w i r b e l n gebildet anzusprechen . . . wie er Bd. XXXII, S. 6 und 7 [Tag- und Jahres-Hefte 1807] selbst erzählt und sich dabei auf unser beider Zeugniß als noch Lebender beruft. Wir freuten uns im Stillen dieser fruchtbaren esoterischen Lehre, mußten aber bald nicht wenig erstaunen, als ein akademisches Programm [von Oken] im September 1807 eben diese „ B e d e u t u n g der S c h ä d e l k n o c h e n " in seltsam paradoxen Ausdrücken gedruckt zu lesen gab, wonach zuletzt der ganze M e n s c h nur ein W i r b e l k n o c h e n seyn sollte. Mit dieser Nachricht eilten wir sogleich zu G., der uns aber nur S t i l l s c h w e i g e n auferlegte. Tag- und Jahres-Hefte 1807 (WA I 36, 6)
Die älteren osteologischen Ansichten, vorzüglich die im Jahre 1791 in Venedig von mir gemachte Entdeckung, daß der Schädel aus Rückenwirbeln gebildet sei, ward näher beleuchtet, und mit zwei theilnehmenden Freunden, Voigt dem Jüngeren und Riemer, verhandelt, welche beide mir mit Erstaunen die Nachricht brachten, daß so eben diese B e d e u t u n g der S c h ä d e l k n o c h e n durch ein akademisches Programm in's Publicum gesprungen sei, wie sie, da sie noch leben, Zeugniß geben können. Ich ersuchte sie sich stille zu halten, denn daß in eben gedachtem Programm die Sache nicht geistreich durchdrungen, nicht aus der Quelle geschöpft war, fiel dem Wissenden nur allzusehr in die Augen. Es geschahen mancherlei Versuche mich reden zu machen, allein ich wußte zu schweigen. 12. 11.
Tagebuch 12. 11. 1807 (WA III 3, 294)
Traf Hofrath Schnaubert. Über die Lage der Academie, über das Verhältniß des Schöppenstuhls nach außen. Es kommen doch noch immer Acten, doch freylich nicht mehr, als sogleich aufgearbeitet werden können. Gefehlt hat es noch nicht. Bey Major von Knebel: über Litteraria und Politica des Tages. Mittags bey Herrn von Hendrich . . . Thee mit Herrn von Hendrich. Knebel, Tagebuch 12. 11. 1807 (GSA, Nachlaß Knebel)
Morgens Göthe hier. 13. 11.
Tagebuch 13. 11. 1807 (WA III 3, 295)
Roux Pastellgemälde und Porträte. Dr. Werneburg. Hernach Professor Oken. Mittags bey Herrn Major . . . Gegen Abend zu Frommanns. Frau von Löbenicht 375
1807
Jena und Hofräthin Seidensticker; dann Er und Prof. Oken. Vorlesung von Oehlenschlägers 4 Romanzen. Riemer, Tagebuch 13. 11. 1807 (Keil5 S. 262)
Reinecke Fuchs. Abends mit G. zu Frommanns; las ich Oehlenschläger's Romanzen vor. Kam Seidensticker und Oken. 14. 11.
Tagebuch 14. 11. 1807 (WA III 3, 295)
Bey Lenz auf dem Museum, wo die Mineralien vom Gotthard angekommen waren. Nachher durch die Stadt zu Pflug, den ich in seiner alten Art als Künsder, Techniker, Fabrikant und Handwerker antraf. Dr. Voigt. Bey Tische über die vergangenen Kriegsoperationen und gegenwärtigen Politica. Joh. Müller soll nach Paris berufen seyn. Henry's Abhandlung über das Cölibat der Geistlichen. Hofrath Eichstädt. Nachher zu Frommanns. Die laterna magica produci«. Riemer, Tagebuch 14. 11. 1807 (Keil5 S. 262)
Reinecke Fuchs die letzten Gesänge durchgegangen. Abends zu Frommann; kam G. hin mit der Laterna magica. 15. 11.
Tagebuch 15. 11. 1807 (WA III 3, 296)
Früh den Boten nach Weimar abgefertigt. . . Besuch von Herrn Frommann und Professor Luden. Mittag bey Herrn Major von Knebel, mit Seebeck und Dr. Voigt. Abends bey Herrn von Hendrich zum Thee. Lazarethgeschichten und europäische Topographie in Kupfern. Riemer, Tagebuch 15. 11. 1807 (Keil5 S. 263)
Kam Frommann zu G., und Luden. In die mineralogische Vorlesung bei Lenz: über die Versteinerungen und die Meinungen darüber, bei den Alten, durch das Mittelalter bis jetzt. Vis lapidifica des Albertus M — Mittags bei Major v. Knebel, mit G. Nachher mit G. geschwätzt über die Allegorie in der Poesie. Knebel, Tagebuch 15. 11. 1807 (GSA, Nachlaß Knebel)
Mittags Göthe hier Seebeck, Voigt, Hendrich p. Knebel an Henriette v. Knebel 17. 11. 1807 (Düntzer4 S. 312)
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Vorgestern hatten wir den Geheimerath Goethe mit einer kleinen Gesellschaft zu Mittag bei uns. 16. 11.
Tagebuch 16. 11. 1807 (WA III 3, 296)
Nach 11 Uhr zu Knebel, mit ihm durch die Leutra spatzieren. Mittags bey Herrn von Hendrich. Herr von Knebel war zugegen. Nach Tische blieb der letzte bey 13. 11.
Oken an Schelling 3. 11. 1807 (Ecker S. 201) Göthe hat mich zu sich einladen lassen. Ich bange auf ihn. Ich kann es nicht wegbringen, mich als unmündig bei solchen Leuten anzusehen - und dadurch fallt Alles zusammen.
376
1807
Jena mir. Kam Dr. Voigt dazu, wurde über Litterarisches und Politisches gekannegießert. Abends zu Frommanns. 24. Gesang von Griesens Ariost. Knebel, Tagebuch 16. 11. 1807 (GSA, Nachlaß Knebel)
Mittags bei Hendrich, wo Göthe p. Riemer, Tagebuch 16. 11. 1807 (Keil5 S. 263)
Früh polemische Optik bei G. — Abends zu Frommann, 24. Gesang des Ariost von Gries von mir vorgelesen. C. F. E. Frommann an J. D. Gries 18. 11. 1807 (GSA, Frommann 47, 3)
Seit 8 Tagen sind Göthe u. Riemer hier und wir haben mit Ihnen schon mehrere genußreiche Stunden gehabt. G. ist wohl und heiter, doch gröstentheils stiller und ernster als sonst, dabey fast zu mäßig da er des Abends gar nichts ißt und — es ist traurig zu berichten — gar keinen Champagner mehr trinkt. Doch bekomt ihm grade diese Ubermäßigkeit sehr wohl. Noch vorgestern Abend war er zum Thee ganz gemüthlich und hub so an: „wir sollten auch eines abwesenden Freundes gedencken, und einen Gesang des Ariost zusammen lesen" Es ward gleich der erste im 3 ten Theile beliebt, R. mußte vorlesen, auch G. versuchte einige Stanzen. Sie hätten Sich seiner lebendigen Theilnahme, seines unbefangenen, herzlichen, begründenden Lobes innig gefreut. „Kurz, so schloß er, der Freund hat große Schwierigkeiten glüklich überwunden, nur ein weniges fehlt zur Vollendung und so hat er geleistet was sich nur billig fordern läßt; dankbar koennen und wollen wir es annehmen" Was sagen Sie dazu mein Freund? 11./
Knebel an Henriette v. Knebel 17. 11. 1807 (Düntzer4 S. 313)
16 '
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Goethe lebt so ganz still weg und betreibt seine Geschäfte. Er besucht mich zuweilen und wir disputiren uns auch ein wenig. Bei irgend einem Ansprüche auf das Betragen der Menschen gegen uns können wir so leicht auf lieblose Meinungen kommen. Wer oben steht, muß schlechterdings nur von sich fodern: das übrige mag und wird von sich selbst kommen. Schauen wir auf andre, so sind wir oft falsch gefällig und zuweilen unzeitig streng. Wenn Eltern und Fürsten Respect und Liebe fodern müssen, dann ist es schon schlimm. Das Menschengeschlecht ist zuweilen etwas verkehrt, aber wo ihm Wärme und Güte herkommt, da streckt es doch bald die Köpfe hin. Gerechtigkeit gehört aber auch zu Wärme und Güte; denn ungerechte Güte ist Härte gegen den Gerechten selbst. Und so geht es auch dem guten Goethe, der nicht immer mit gleichgemessenem Maße theilt.
17. 11.
Tagebuch 17. 11. 1807 (WA III 3, 297)
Vor Tische bey Griesbach, den ich ganz munter fand . . . Bey Seidensticker, den ich nicht zu Hause traf . . . Gegen Abend Seckendorf und Stoll, zum Thee. Schlegels Vergleichung der Racinischen und Euripidischen Phädra und Hippolytos. 377
1807
Jena Riemer, Tagebuch 17. 11. 1807 (Keil 5 S. 263)
Kamen Stoll und Seckendorf von Weimar auf der Rückreise nach Wien, blieben zum Thee bei Major v. Hendrich. Nachher las Goethe von Schlegel's Vergleichung der Phädra von Racine. Klotz Farbentheorie gelesen. (G.:) „Si Deum quaesieris, pulchritudinem ipsam quaeres. Quae tandem ad id ferat, unica via est, pietas contemplationi conjuncta." Hermes Trismeg. Poemandr. VI. C. Bertuch an L. F. Froriep 25. 11. 1807 (GSA, Bertuch 3191)
Sekendorf u. Stoll waren 14 Tage hier, um für ein in Wien neu herauszugebendes aesthetisch-artistisches Journal: Prometheus hier zu werben. Goethe hat Ihnen als Einleitung etwas versprochen, woran er jetzt in Jena, wo er seit 14 Tagen ist, arbeitet. 18. 11.
Tagebuch 18. 11. 1807 (WA III 3, 297)
Kam Knebel und Professor Voigt, mit ihnen in den botanischen Garten. Mittags bey Herrn Major von Hendrich. Graf Beust, Lichtenstein in Coburg. MinisterialSiegel, Magdeburgensia. Abends bey Frommanns. Vorlesung der zwey ersten Acte vom Dominicaner, welcher dem Herrn von Kleist zugeschrieben wird. Knebel, Tagebuch 18. 11. 1807 (GSA, Nachlaß Knebel)
Mit Göthe Morgens spaziren. 19. 11.
Tagebuch 19. 11. 1807 (WA III 3, 297)
Gegen Mittag spatzieren. Knebeln abgeholt, der von der Schlegelschen Schrift gegen Racine sehr entzündet war. Zu Mittag mit Major von Hendrich. Vorher die Rühlesche Schrift über die Schlacht bey Jena. Einiges über diese Vorfälle . . . Besuch von Professor Voigt. Riemer, Tagebuch 19. 11. 1807 (»Dtsch. Revue 11, 1 S. 67; Keil 5 S. 263)
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Zu Maj. v. Knebel. Uber seinen Lucrez: warum er ihn noch nicht herausgegeben? Absicht, Anmerkungen dazuzugeben. Kam G. ihn abzuholen. Mit beiden im Paradiese. Mittags bei Hr. v. Hendrich. Nach Tische las mir Goethe den Anfang von Pandorens Wiederkunft vor. Knebel, Tagebuch 19. 11. 1807 (GSA, Nachlaß Knebel)
Morgens mit Göthe im Paradies. 18. (?) 11. P.A. W o l f f a n Riemer 17. 11. 1807 (Aukt.-Kat. Stargardt 650, 128) [Uber pantomimische Vorführungen der Henriette Hendel-Schütz in Weimar] . . . wenn auch nicht ganz rein u. vollkommen, doch einzig in seiner A r t . . . da wir nach dem Vorbilde unsers großen Meisters das Wollen schäzen . . . Haben Sie die Güte uns beide [Wolff und seine Frau] Sr Excellenz bestens zu empfehlen, u. da die ganze Stadt spricht, daß wir ein neues dramatisches Produkt zu erwarten haben, Sr Ex. zu ersuchen auch unserer zu gedencken . . . [Riemer möge Goethe fragen,] ob es nicht gegen seine Wünsche wäre, wenn ich die Rolle des Fiesko einstudierte.
378
Jena
1807
19. (?) 11. Knebel an Henriette v. Knebel 20. 11. 1807 (Düntzer 4 S. 314)
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Mit meiner Gesundheit geht es wieder recht g u t . . . Auch komme ich jetzt öfters an die Luft, da mich Goethe meist gegen Mittag zu einem Spaziergang im Paradiese herunterruft. . . Goethe sagt mir, es sei jetzt viel Musik in Weimar. Das ist denn auch nicht übel. Nur die Zusammenkünfte sind noch steif und wollen kein rechtes Geschick erhalten. Das ist wie immer; es liegt ein Fluch auf den weimarischen Gesellschaften. 20. 11.
Tagebuch 20. 11. 1807 (WA III 3, 298)
Rentamtsaccessist Müller von Roßla. Major v. Knebel. Sizilien. Taormina Theater daselbst. Mittag v. Hendrich. Abends bey Frommanns. Mad. Seidensticker und Löwenicht. Ein Ackt vom Dominicaner. Riemer, Tagebuch 20. 11. 1807 (Keil 5 S. 264)
Abends zu Frommann. Kam hernach G., und ich machte die Laterna magica für die Kinder. 11./ 20 11
Knebel an Caroline v. Herder 20. 11. 1807 (SB Berlin, PrK, Herder XLII 278)
Da Göthe jezt hier ist, den ich auch täglich sehe, und dabei die Tage sehr kurz werden, so bleibt mir eben auch nicht viel Visiten Zeit übrig. Ich habe es am liebsten, wenn die Menschen den Abend bei mir sind. 21. 11.
Tagebuch 21. 11. 1807 (WA III 3, 298)
Bey Hrn. v. H[endrich] zu Tische. 22. 11.
Tagebuch 22. 11. 1807 (WA III 3, 298)
Spatzieren mit Knebel. Mittags bey Major von Hendrich. Gegen Abend zu Knebels, wo Dr. Wlokka und Professor Voigt waren. Kupfer mit allegorischen und symbolischen Darstellungen. Abends Wolff von Weimar. Tagebuch 23. 11. 1807 (WA III 3, 299)
Früh morgens hatte ich noch die historischen Schemata zu der Geschichte der Farbenlehre zusammengeheftet und manches über diesen Gegenstand gedacht, der auch gestern bey Knebel zur Sprache gekommen war. Knebel, Tagebuch 22. 11. 1807 (GSA, Nachlaß Knebel)
Mittags spaziren mit Göthe. Abends dieser hier, nebst Wloka, Voigt p. die zum Essen bleiben. 23. 11.
Tagebuch 23. 11. 1807 (WA III 3, 299)
Ging ich spatzieren mit Schnaubert. Discours über den Code Napoléon; kamen dazu Knebel und Seebeck. Streitigkeit mit dem erstem über Schellings Rede. Kam August von Weimar. Mittags bey Hofrath Seidensticker mit Eichstädt, Luden, Frommanns, Frau von Löbenicht, Professor Voigt. Bis gegen Abend 379
1807
Jena daselbst geblieben. Mit Seidensticker über den Code Napoléon und über die neuern Verhältnisse des Staatsrechts zum Civilrechte. Riemer, Tagebuch 23. 11. 1807 (Keil 5 S. 264)
Kam August von Weimar. Um 1 Uhr mit G. zu Seidenstickers, waren Eichstädt, Luden, Voigt jun., Frommanns da. Neben der Hofräthin gesessen und Minchen Herzlieb. 24. 11.
Tagebuch 24. 11. 1807 (WA III 3, 299)
Auf dem Cabinet mit Voigt und den kleinen Löbenicht. Bergrath Lenz war beschäftigt die Freieslebische Sammlung in Ordnung zu bringen. Spatzieren mit Seebeck um die Stadt. Verschiedenes über die Ritterischen—Campettischen Versuche. Nachricht von einem Wünschelruthengänger, der sich hier aufgehalten hatte. Verschiedenes über Seebecks eigene chromatische Versuche und über die Fortsetzung derselben im Frühjahr. Riemer, Mittheilungen 2, 703
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G's. Aperçu über die Alchymisten, welche die drei Ideen: G o t t , T u g e n d und U n s t e r b l i c h k e i t in der Empirie darstellen wollen, durch den Stein der Weisen (als die prima materia) nämlich vis à vis von Gott, Tugend, Unsterblichkeit Gold, Gesundheit, ewiges Leben als die A l l m a c h t , Sana mens, in corpore sano. Riemer, Tagebuch 24. 11. 1807 (Keil 5 S. 264)
Abends mit G. zu Frommann's, wo die Grießbach und Seebeck war, auch Dr. Seebeck. Ich zeigte den vielen Kindern die Laterna magica. Frommann las nachher aus dem Dominicaner vor. K. Th. Gaedertz nach Alwine Frommann (Gaedertz 2 S. 37)
Einst gab es als Weihnachtsgeschenk eine Laterna magica, die Große und Kleine fesselte. „Hätten Sie die Kinderchen gesehen, wie frisch, lieblich und freudig die jubelten, mehr Glieder hatten als andere Tage! Goethe und Riemer erbauten uns alle damit und trieben es so eifrig wie eine Wissenschaft." Louise Seidler, Erinnerungen (Uhde 2 S. 19)
B 3 2092
Andere Abende waren wohl dem Scherze und der frohen Laune gewidmet; Frommanns sahen junge Seelen gern bei sich, um ihren Cirkel gehörig zu beleben. Einst war als Weihnachtsgeschenk der Kinder eine laterna magica ins Haus gekommen; diese ergriff Goethe, ließ die bunten Bilder auf der weißen Fläche der Stubenthür sich abschildern und trug improvisirte Knittelverse des witzigsten Inhalts dazu vor. 25. 11.
Tagebuch 25. 11. 1807 (WA III 3, 300)
Mit Major von Knebel spatzieren, im botanischen Garten. Bey Major von Hendrich zu Tische, wo der kleine Paulsen, der in Berka in Pension ist, sich sehen 380
1807
Jena ließ; ein merkwürdiges Kind . . . Abends mit Herrn von Hendrich Thee: über die Position bey Mittelpöllnitz. Knebel, Tagebuch 25. 11. 1807 (GSA, Nachlaß Knebel)
Morgens bei Göthe u. mit ihm im botanischen Garten. 25.
(28.?) 11.
26. 11.
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Riemer, Aphorismen S. 319
Jena, den 25. [28.?] Nov. 1807. [Goethe:] „Was die Menschen bei ihren Unternehmungen nicht in Anschlag bringen und nicht bringen können, und was da, wo ihre Größe am herrlichsten erscheinen sollte, am auffallendsten waltet — der Z u f a l l nachher von ihnen genannt, — das ist eben G o t t , der hier unmittelbar mit seiner Allmacht eintritt und sich durch das Geringfügigste verherrlicht." Tagebuch 26. 11. 1807 (WA III 3, 300)
Spatzieren gegangen und zu Knebel. Uber die Stockholmer Freunde [v. Helvig], Nachher kam Professor Voigt, der einen Brief an die naturforschende Gesellschaft aus Böhmen von Turnau her erhalten hatte. Zu Tische bey Herrn von Hendrich: über verschiedene Staats- und Dienstverhältnisse . . . Bey Hrn. v. Knebel. Alte Kupferstiche. Besonders aber Fischarts Schriften. Der Bienenkorb und die Ubersetzung des Rabelais. Knebel, Tagebuch 26. 11. 1807 (GSA, Nachlaß Knebel)
Morgens Göthe hier. An Frau v. Hellwig nach Stockholm. Abends Göthe u. Riemer hier. In Fischarts Rabelais gelesen. Riemer, Tagebuch 26. 11. 1807 (»Mittheilungen 2, 703; Keil 5 S. 264)
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Mittags bei Major v. Hendrich. Goethe's Vorschlag, die Weiber in gewissen Fächern des Finanz- und Kammer-Wesens zu brauchen, von mir verworfen. — Abends mit G. zu Knebel. Alte Kupferbücher und ein Jagd-, Fisch- und Vogelfangsbuch besehen, mit niedlichen und prächtigen Kupfern. Knebel las aus Fischart's Bienenkorbe und seinem Rabelais vor. Knebel an Henriette v. Knebel 27. 11. 1807 (Düntzer4 S. 315)
B 2 1052 B 3 2580
Gestern Abend war Goethe mit Riemern hier, und wir waren ganz munter und lustig. In die letzte Stimmung setzten uns hauptsächlich des altdeutschen Fischarts Possen nach Rabelais, den wir lasen. In diesen herrscht ein unauslöschlich guter Humor, der zuweilen bis ins Tolle übergeht und doch Weisheit zum Hintergrunde hat. Unser Uz liebte auch diesen Schriftsteller sehr und sprach oft von ihm. So vertrieben wir uns den Abend. Für Prinzeßchen wurde bei der Vorlesung eine Mondlandschaft gezeichnet, und alte Bilder, die ich noch besitze, suchten wir auch vor. Knebel an Katharina v. Schückher 28. 11. 1807 (GSA, Knebel 335)
Ich habe jezt seit ein paar Abenden den Teutschen Rabelais, Fischart, mit Göthe und noch ein paar Freunden gelesen, und wir haben herzlich dabei gelacht. 381
1807 27. 11.
Jena Tagebuch 27. 11. 1807 (WA III 3, 301)
Um 11 Uhr ins Paradies; dahin von Knebel und Seebeck kamen. Es war von einer Veränderung des Ministeriums in England die Rede. Darauf gingen wir in Diezeis Garten, der seine Familiengeschichten vom 13. und 14. October erzählte. Mit Major von Hendrich zu Tische. Wiener Kochbuch und seltsame Worte darin. Knebel, Tagebuch 27. 11. 1807 (GSA, Nachlaß Knebel)
Gegen Mittag spazieren mit Seebeck u. Göthe. Knebel an Henriette v. Knebel 27. 11. 1807 (Düntzer 4 S. 315)
B 2 1052 B 3 2580
Goethe denkt noch acht bis vierzehn Tage zu bleiben. Wir haben heute recht laues Frühlingswetter. Knebel an Hegel 27. 11. 1807 (Hoffmeister 1, 202)
B 3 2581
Goethe ist seit 14 Tagen hier, und ich sehe ihn öfters. Auch Seebeck ist oft mit uns. 28. 11.
Tagebuch 28. 11. 1807 (WA III 3, 301)
Ins Paradies. Mit Knebel einige Zeit spatzieren; dann in seine Wohnung. Mittag bey Herrn von Hendrich. Dankelmanns und seiner Frauen Ankunft in Jena . . . Abends bey Herrn von Knebel, besonders Fischarts Übersetzung des Rabelais. Knebel, Tagebuch 28. 11. 1807 (GSA, Nachlaß Knebel)
Morgens mit Göthe spazieren. Dieser u. H. Riemer Abends bei uns. Riemer, Tagebuch 28. 11. 1807 (Keil 5 S. 265)
Abends bei Maj. v. Knebel. Im Fischart weiter gelesen. Anekdote von Knebel, daß seine Frau ihm zum Geburtstag ihm entwendeten Wein wiederkaufte. G.'s Bonmot: daß es so sei, als wenn Christus selbst sein eigenes Abendmahl genösse. Uber die holzschnittartige Weise des Fischart. — Von Paul Richter's Vater, der übertrieben religiös, ja bigott gewesen. Von seiner Frau und Kindern. Erziehungsmethode. „Es ist nicht dein Eigenthum," damit fertigte er ein 3jähriges Kind ab. Riemer, Mittheilungen 2, 703
B 3 2582
Ob Christus sein Abendmahl selbst mitgenossen, war eines Abends bei Knebel die Frage. Ich wußte im Augenblick nicht zu sagen, wie man in der christlichen Kirche sich die Sache vorstelle, da sie allerdings ein scholastisches Aporem zu begründen scheint. 29. 11.
Tagebuch 29. 11. 1807 (WA III 3, 302)
Mittags bey Frommanns mit Knebel, Seebeck, Oken, Wesselhöft. Kam Legationsrath Bertuch. Abends Schattenspiel. Sodann nach Hause. Knebel begleitete mich. 382
1807
Jena Riemer, Tagebuch 29. 11. 1807 (Keil5 S. 266)
Bei G. die erste Scene von Pandorens Wiederkunft geschrieben, und die Angabe der Decoration. Im Luden gelesen. Gegen 1 Uhr kam Knebel. Mit ihm und Goethe zu Frommanns zu Tische, wo Seebeck, Oken und Wesselhöft mit waren. Gegen 6 Uhr Laterna magica. Nachher gingen G. und die übrigen weg. Knebel, Tagebuch 29. 11. 1807 (GSA, Nachlaß Knebel)
Mittags mit Göthe pp bei Frommans. 30. 11.
Tagebuch 30. 11. 1807 (WA III 3, 302)
Spatzieren um die Stadt, mit Dr. Müller. Manches über seine Verhältnisse in Franken. Von dem veränderten Zustand jener Gegenden. Mittags bey Major von Hendrich. Nachmittags kam Professor Voigt, der den ersten Bogen seiner Druckschrift brachte. Knebels Geburtstag. Ich blieb Abends zum Thee bey Major von Hendrich, wo über Erfurt, besonders insofern es eine Fabrikstadt ist, und andre Fabrikstädte gesprochen wurde. Riemer, Tagebuch 30. 11. 1807 (Keil5 S. 266)
Bei G. Pandoras Wiederkunft. Nach Tische Hermann und Dorothea. Abends zu Maj. v. Knebel, dessen Geburtstag war. Concert von ihr und Domaratius. Nov.
An Chr. G. v. Voigt 1. 12. 1807 (WA IV 19, 465)
. . . Indessen giebt es noch immer hier unbezwingüche thätige und hoffende Naturen, unter welchen mir Lenz das meiste Vergnügen gewährt. An Charlotte v. Stein 1. 12. 1807 (WA IV 19, 464)
Ich bringe manchen Abend bey Knebel zu; da denn manches gelesen und durchgeschwätzt wird. 1. 12.
Tagebuch 1. 12. 1807 (WA III 3, 302)
Gegen Mittag Major von Knebel und Professor Voigt. Mittags bey Major von Hendrich . . . Abends bey Frommanns. Kleines Lustspiel von Kind: die Wette. Riemer, Tagebuch 1. 12. 1807 (Keil5 S. 267)
Früh an Hermann und Dorothea. Dann bei G. Pandorens Wiederkunft. Gegen 12 Uhr Knebel und Voigt jun. Illuminations-Inschrift eines Berliners: Durchmarschiren, Einquartiren, Veralimentiren, Requiriren, Verprovi andren, Conscribiren, Haus und H o f verlieren, Das Weib verführen, Nicht räsonniren, Sonst arretiren 383
1807
Jena Oder füsiliren Und doch illuminiren — Das ist zum Crepiren. Bonmot von Knebel; als von Voß die Rede war, daß er sein Eutin wieder in der Luise noch mehr hervorgehoben habe, — — „Ja er hat sich noch mehr verholzsteint." Abends mit G. zu Frommanns Vorlesung von der Wette, von Kind. Knebel, Tagebuch 1. 12. 1807 (GSA, Nachlaß Knebel)
Morgens bei Göthe. 2. 12.
Tagebuch 2. 12. 1807 (WA III 3, 303)
Kammersecretär Werner: über seine Reise, Wien, München u. s. w. Nachher zu Knebel, mit demselben spatzieren. Kamen die kranken Soldaten an, und ging das Depot von Weimar durch, nach Hof. Mittags aß Werner mit uns beym Herrn Major. Manches über Berliner Theater- und andere Verhältnisse. Abends mit Werner bey Herrn von Knebel, wo auch Dr. Seebeck war. Dessen Surrogat für das Newtonsche Schwungrad, in hölzernen Dorlen. Riemer, Tagebuch 2. 12. 1807 (*Dtsch. Revue 11, 1 S. 67; Keil 5 S. 267)
Mittags speiste der Cammersekretär Werner, Verf. vom Luther, mit bei Hendrich. Um 5 Uhr mit G. zu Knebels, wo Seebeck war. Kam auch Werner hin. Knebel, Tagebuch 2. 12. 1807 (GSA, Nachlaß Knebel)
Mit Göthe spaziren. Abends dieser H. Werner u. Seebeck hier bei mir. Knebel an Katharina v. Schückher 2. 12. 1807 (GSA, Knebel 335)
Das Steinbockshorn will Geh. R. Göthe, der eben hier ist, für den beigesezten Preis von 20 fl. behalten, wenn es dafür zu haben ist. . . Er [Z. Werner] wird diesen Abend mit Göthe u. ein paar andern Freunden bei mir zubringen. 3. 12.
Tagebuch 3. 12. 1807 (WA III 3, 303)
Um 11 Uhr Werner. Las 3 Acte von Wanda. Mittags bey Major von Hendrich . . . Gegen 5 Uhr Werner und Knebel. Mit beyden zu Frommanns, wo Werner verschiedene kleine Gedichte, Sonette u. s. w. vorlas. Riemer, Tagebuch 3. 12. 1807 (Keil5 S. 267)
Nach Tische kam Werner zu Goethe und las ihm vor. Abends mit Goethe, Knebel und Werner bei Frommann, Hr. Werner las uns seine Sonette und Romanzen vor. (Auf Tharand bei Dresden; auf den steinernen Pfalzgrafen in Heidelberg; auf eine kolossale schöne Dame; auf den Herzog von Gotha zu seinem Geburtstage; auf die Brüdergemeinde in Dietendorf, ihren Betsaal, Orgel, Kerzen; auf dem Wege nach Jena; 2 Sonette vor und nach dem Luther, an die Königin Luise und an die Deutschen; Epilog zum 1. Theil der Thalsöhne; Romanze der Ritter Wilibald.) 384
1807
Jena Knebel, Tagebuch 3. 12. 1807 (GSA, Nachlaß Knebel)
Abends bei Frommans mit Göthe ρ wo Η Werner vorliest. Knebel an Henriette v. Knebel 4. 12. 1807 (Düntzer 4 S. 316)
B 2 1052 a Β 3 2584
Der Verfasser der „Kraftweihe" [Zacharias Werner] ist hier und gestern hat er uns von seinen kleinen Gedichten vorgesagt und vorgelesen. Sie machten einen besondern Eindruck auf mich . . . Auch Goethe hatte daran großes Wohlgefallen. Er wird wohl noch 8 Tage hier bleiben und dann vielleicht mit Goethe nach Weimar gehen. Knebel an J. D. Gries 4. 12. 1807 (Gaedertz 3 S. 139)
Den dritten Theil des schönen Ariosi haben wir durch Frommann erhalten und uns dessen mächtig erfreut, da wir sehen, daß er an Anmuth und Kraft noch vor den vorigen gewonnen hat. Auch Meister Goethe, der jetzt bei uns ist, fallt gleiches Urtheil davon, grüßt unsern Freund Gries aufs Herzlichste und dankt mit mir. Wir haben seit ein paar Tagen noch einen Musensohn von der Ostsee hier, nämlich Herrn Werner, den Verfasser der Kraft-Weihe usw. . . . Es ist ein braver, man könnte sagen, etwas schwärmerischer Mann, der uns gestern einige Sonette und Canzonen von sich vorgelesen hat, die uns große Freude gemacht haben. Knebel an J. I. v. Gerning 3. 12. 1807 (FDH)
Hr. Werner hat mich gestern besucht und den Abend mit Göthe und noch ein paar Freunden bei mir zugebracht. Er ist ein recht lieber Mann, und ich wünschte wohl, daß man ihn in Weimar, wenigstens zur Theaterdirektion engagiren könte. Er hat uns viel Gutes von Ihnen gesagt. 4. 12.
Tagebuch 4. 12. 1807 (WA III 3, 303)
Um 11 Uhr Werner, der an seinem Stücke weiter las. Fehlte der Schluß. Mittags bey Herrn von Hendrich. Discours von seinen frühern Thätigkeiten. Nachmittags Herr Metzel von hier • . . . Abends zu Frommanns, wo Dr. Seebeck, Oken und die Demoiselles Seidlers waren. Etwas gespielt, gesungen und die laterna magica producirt. 2./4. 12.
A n Charlotte v. Stein 4. 12. 1807 (WA IV 19, 467)
Wenn ich das Büchlein, die Söhne des Thals, das durch die Gnade Ihro Hoheit sich gegenwärtig in meinem Hause befindet, noch nicht, wie ich leider bekennen muß, studiert habe; so bin ich für diese Unterlassungssünde bestraft, und wenn man will, zugleich belohnt, daß der Verfasser sich gegenwärtig neben mir in Jena aufhält. Ich bin genöthigt, um mich hier der gewöhnlichen Gesellschaftsausdrücke zu bedienen, ihn interessant und sogar liebenswürdig zu finden. 5. 12.
Tagebuch 5. 12. 1807 (WA III 3, 304)
Mittags bey Herrn von Hendrich. Herr Lieutenant von Münch von Hildburghausen. Erzählung von den Fatis unsres Contingents bey Colberg und Swine385
1807
Jena münde. Abends bey Frommanns mit Werner. Verschiedenes über Polen; dortige gesellige und andere Verhältnisse. Captiöse Frage über den Dosenverkauf. Riemer, Tagebuch 5. 12. 1807 (*Dtsch. Revue 11, 1 S. 67; Keil 5 S. 268)
Früh bei Goethe Pandoras Wiederkunft. In Reinecke Fuchs die angezeichneten Stellen geändert. Abends bei Frommanns. Kam hernach Werner und Goethe. Auf Frommann's Stube. Las ich einen Gesang aus den Nibelungen vor. Werner erzählte von den Polen und Polinnen. Ihre Verehrung. Als G. fort war, seine Bekenntnisse und Ansichten von der Liebe. 6. 12.
Tagebuch 6. 12. 1807 (WA III 3, 304)
Mittags mit Major von Hendrich, wo dessen Lage zur Sprache kam. Nach Tische bey Frommanns, wo von der Wernerischen Unterhaltung [über die Tendenz von seinem „Kreuz an der Ostsee"] von gestern Abend die Rede war. Nachher zu Knebeln, wo mit Seebeck manches über physische und andre Verhältnisse gesprochen wurde. Nachher kam Werner und Riemer von Clubb und Concert zum Abendessen. Unterhaltungen über verschiedene Personen, bedeutende Fälle und sonst. Riemer, Tagebuch 6. 12. 1807 (Keil 5 S. 268)
Um 7 Uhr mit Werner zu Knebel, wo Goethe und Seebeck waren. Werner erzählte über das Wiener Theater. Idee die Cencía [Zenobia?] auf's Theater zu bringen. Werner erzählte bei Gelegenheit von Campetti eine Geschichte, die ihm mit einem Manne passirt, der aus den Vornamen von dessen Geliebten diejenige, die er am stärksten geliebt, errieth durch einen Degen, dessen Gefäß beide mit einem Finger hielten, und der bei dem Denken an den Namen vibrirte stärker als je. A n F. H. V. Einsiedel 7. 12. 1807 (WA IV 19, 468)
Du hast mir, mein trefflicher Freund, mit der Großen Zenobia abermals recht viel Vergnügen gemacht. Ich glaube auch, daß das Stück aufführbar werden könnte, nur müßte vor allen Dingen noch manches von rhythmischer Seite daran gethan werden; denn, wie du selbst bemerktest, so machen die Stellen die als Octaven gedacht sind, nur in diesem Sylbenmaß ihre rechte Wirkung. Riemer, mit dem ich die Sache gestern besprochen, bedauert mit mir, daß unsere nächsten dringenden Arbeiten uns von diesem angenehmen Geschäft abhalten. Aber wir sind beide zu gleicher Zeit auf den Gedanken gekommen, ob du dich nicht mit Gries associiren solltest. Riemer, »Aphorismen S. 320 (GMD)
Β 2 1053 Β 3 2585
Jena d. 6' December 1807. [Goethe:] So wie etwas ausgesprochen wird, sogleich wird ihm auch widersprochen: wie der Ton gleich sein Echo hat. Seitdem man die dunklen Empfindungen und Ahndungen des unendlichen Zusammenhangs der Geister und Körperwelt (Mystik) allgemeiner und öffent386
1807
Jena lieh auszusprechen anfängt, ist Keiner der nicht das in Worten bestritten, was er in Empfindung und Ahndung gelebt und geleistet hat. Die sublimirten Gefühle der Liebe ausgesprochen erregen den Widerspruch aller nicht so Gesinnten. „Das ist Ueberspannung, krankhaftes Wesen" — heißt es. „Als wenn Ueberspannung, Krankheit nicht auch ein Zustand der Natur wäre! Die sogenannte Gesundheit kann nur im Gleichgewicht entgegengesetzter Kräfte bestehen, und das Aufheben derselben entsteht und besteht nur aus einem Vorwalten der einen über die andern; sodaß der Zustand hypersthenisch und asthenisch heißen würde, wenn man sthenisch als das Harmonische [Zusatz Riemer: (als die Indifferenz)] setzen wollte. ["] Knebel, Tagebuch 6. 12. 1807 (GSA, Nachlaß Knebel)
Morgens bei Hn Werner, bei Göthe. Abends Göthe, Seebeck, H. Werner, Riemer, hier, zum Essen. Knebel an Henriette v. Knebel 8. 12. 1807 (Düntzer 4 S. 317)
B 2 1055 B 3 2588
Goethe lebt hier recht wohl, und ich sehe ihn fast täglich. Zuweilen bringt er die Abende bei uns zu, und da ist dann jetzt der poetische Luther [Zacharias Werner] auch zugegen. Wir haben Goethe diese letztenmale besonders geistig und mittheilend gefunden, und es scheint, als wenn er es in diesem Kreise mehr noch sei als anderwärts. Es ist zu bewundern, wie tief er den Grund so verschiedner Dinge erforscht hat. Oft befragt er mich nach Deinem und Prinzeßchens Wohlsein, und da nehme ich mir die Freiheit, von beiden einen Gruß auszurichten. — Goethes Gegenwart gibt mir doch auch einige, wiewohl geringe Hoffnung wegen des dringenden Bedürfnisses unsrer Erziehungsanstalten. 7. 12.
Tagebuch 7. 12. 1807 (WA III 3, 304)
Spatzieren mit Knebeln. Vorher Werner und Geheimer Hofrath Stark. Mittag bey Herrn von Hendrich mit Lieutenant [von Münch?]. Nach Tische fortgefahren an den epischen Gedichten, und verschiednes besprochen. Gegen Abend zu Frommanns, wo der erste Act des Kreuzes an der Ostsee gelesen wurde. Riemer, Tagebuch 7. 12. 1807 (*Dtsch. Revue 11, 1 S. 67; Keil 5 S. 269)
B 2 1 0 5 4 B 3 2586
Früh Pandoras Wiederkunft durchgesehen. Nachher mit Goethe den Reinecke Fuchs und Hermann absolvirt. Goethen meinen Aufsatz über das Naive mitgetheilt.. . Abends zu Frommann. Dann kam G. und Fr. las aus dem Kreuz an der Ostsee den 1. Act vor. Äußerte Goethe: „Jean Paul ist das personificirte Alpdrücken der Zeit." Knebel, Tagebuch 7. 12. 1807 (GSA, Nachlaß Knebel)
Mittags mit Göthe spaziren. Riemer (Keil 5 S. 270)
Goethe klagt, daß sein Gehirn gewaltsame Bewegungen machen müsse, daß er eine Art Schmerz empfinde, wenn er Jean Paul lese . . . 387
1807
Jena Er versicherte, sein Gehirn litte durch die gewaltsame Verrenkung, die es ihn koste, sich in seine Ansichten zu versetzen.
8. 12.
Tagebuch 8. 12. 1807 (WA III 3, 305)
Abends bey Frommanns. Las Werner den zweyten und dritten Act vom Kreuz an der Ostsee. Riemer, Tagebuch 8. 12. 1807 (Keil 5 S. 270)
Bei G. an Pandorens Wiederkunft durchgesehen . . . Um 6 mit Wernern zu Frommanns, kam G. nach. Wurde von Wernern der 2. Act und der dritte des Kreuz an der Ostsee gelesen. Knebel, Tagebuch 8. 12. 1807 (GSA, Nachlaß Knebel)
Bei Göthe. 9. 12.
Tagebuch 9. 12. 1807 (WA III 3, 305)
Mit Herrn von Hendrich zu Tische. Englisches Handelsverhältniß bezüglich auf Rom und London. Abends um 5 Uhr zu Knebel gefahren mit Werner, welcher den Prolog zur Friedensfeyer in Berlin las, projectirt, wie er wahrscheinlich nicht zur Ausführung kommt. Viel disputirt über Heidenthum, Protestantismus, Katholicismus u. s. w. Rector Danz war von der Gesellschaft. Nachher zu Frommann. Schlegelsche Sonette gelesen, vorzüglich die auf den Tod seiner Stieftochter. Knebel, Tagebuch 9. 12. 1807 (GSA, Nachlaß Knebel)
Göthe Abends mit Hn Werner hier, wie auch Danz. Vorgelesen. Riemer, Tagebuch 9. 12. 1807 (Keil 5 S. 270)
Abends war G. mit Werner bei Knebel. Ich ging zu Frommanns. Um 8 kam G. allein hin. Sonette von Schlegel las G. mit Minchen zusammen. 9. (?) 12.
Charlotte v. Stein an F. v. Stein 31. 12. 1807 (»Düntzer 9 2, 277; G S A , Stein 107) B 2 1056 B 3 2589
Beym Goethe ist er [Zacharias Werner] beliebt, er hatte in Jena zuerst seine Bekantschafft gemacht, sie waren einmahl zusammen beym Knebel, die Frau schenckte Thee ein, der kleine spielte mit Steinen, und Werner in der höchsten Declamation, auf einmahl sagt der Bube der Mensch ist ja verrückt: Knebel fahrt auf halt's Maul Junge, die Mutter wurde verlegen, Goethe wolte sich tod lachen, laß ihn gehn sagt er, der Junge hat eine halbe Welt in sich, und in der that kan ein Poet nicht seyn wie andere Menschen; der Bube behauptete aber fort wie könte er den so sprechen wen er nicht verrückt wäre, Wernern störte es aber nicht. 10. 12.
Tagebuch 10. 12. 1807 (WA III 3, 306)
Kam Werner und brachte die Fortsetzung von Wanda. Mittag mit Herrn von Hendrich allerley politische und mercantilische Betrachtungen. Nach Tische Hofrath Eichstädt über verschiedene litterarische Gegenstände. Abends Thee 388
1807
Jena mit Herrn von Hendrich. Vorschlag zu einer epischen Behandlung des Octobers 1806. Dann bey Frommanns, wo Schlegelsche Sonette und „Der Bund der Kirche mit den Künsten" gelesen wurde. An H. Meyer 11. 12. 1807 (WA IV 19, 469)
Hofrath Eichstädt hat gestern wegen eines Neujahrs-Programms angefragt, freylich etwas spät . . . Er wird Ihnen schreiben. 9./10. 12. Riemer, Mittheilungen 1, 407
Unter anderm las er [Goethe] A. W Schlegel's Sonette an seine Stieftochter Augusta Böhmer, höchst gefühlvoll, mit sichtbarer Rührung, und nicht endender Belobung. Ebenso „den Bund der Kirche mit den Künsten," das er für eins von Schlegel's besten Gedichten erklärte. 11. 12.
Tagebuch 11. 12. 1807 (WA III 3, 306)
Zu Mittage mit Major von Hendrich . . . Um 5 Uhr zu Knebel: erstens über die Wernerischen katholisch-mystischen Tendenzen; dann über der Herzogin Mutter Testament und andre politisch-ökonomische Dinge. Abends zu Frommanns. Sonette von Gries und Klinger. Dessen neuster Brief aus Paris und Vorschlag zu einer Zeitschrift über Paris, erstes und letztes Stück. Riemer, Tagebuch 11. 12. 1807 (Keil 5 S. 270)
Machte ich ein Sonett auf Herzlieb. Abends zu Frommanns. Kam G. auch hin. Griesens und Klingers Sonette gelesen. 2./11. 12. An H. Meyer 11. 12. 1807 (WA IV 19, 470)
Meinen hiesigen Aufenthalt macht mir Werner sehr interessant. Es ist ein sehr genialischer Mann, der einem Neigung abgewinnt, wodurch man denn in seine Productionen, die uns andern erst einigermaßen wiederstehen, nach und nach eingeleitet wird. Übrigens treiben wir allerley wunderliche Dinge und thun wir gewöhnlich mehr als wir sollten, nur gerade das nicht was wir sollten. 12. 12.
Tagebuch 12. 12. 1807 (WA III 3, 306)
Landkammerrath Bertuch. Zu Mittag bey Herrn von Hendrich: über die Einwirkung Werners. Dann Luftschlösser mit Erfurtischen. Abends um 5 Uhr zu Frommanns, wo Werner den 2. Theil des Kreuzes an der Ostsee vorlas. C. Bertuch, Tagebuch 12. 12. 1807 QSK NF 4, 101)
Mit dem Vater, Schellenberg, Lottchen nach Jena gefahren. Besuch bey Goethe, der den Prometheus arbeitet. Riemer, Tagebuch 12. 12. 1807 (Keil 5 S. 270)
Früh Sonette gemacht. Abends [mit Goethe] zu Frommanns, wo Werner die 2 und 1/2 Act vom 2. Theil des Kreuzes an der Ostsee vorlas. Knebel, Tagebuch 12. 12. 1807 (GSA, Nachlaß Knebel)
Göthe Abends hier, liest mir den Anfang von Pandorens Wiederkunft vor. 389
1807
Jena Knebel an Henriette v. Knebel 15. 12. 1807 (Düntzer 4 S. 318)
B 2 1057 B 3 2590
Goethe hat mir kürzlich einen einsamen Abend geschenkt, wobei er mir ein neues Gedicht von ihm, das er wahrscheinlich erst hier angefangen, „Pandorens Wiederkunft", vorgelesen hat. Ich kann Dir weiter nichts davon sagen, als daß es herrlich gedacht und ausgeführt ist. Die Personen sind gewissermaßen alle neu und mit großer Lieblichkeit entworfen. Vorzüglich gefállt mir die Idee von Pandorens Büchse oder Urne, die nach der Fabel alle menschliche Uebel soll enthalten haben, und an deren Grunde die Hoffnung allein noch zurückblieb. Goethe hat diese Uebel in liebliche Traumgestalten verwandelt, die sich bei eröffneter Urne Dünsten gleich in die Höhe ziehen, nach deren Bildern die Sterblichen immer rennen, aber nur durch den thörichten Verfolg derselben unglücklich werden. Die Hoffnung verspricht er sich noch unter dem griechischen Namen Elpore glücklich auszumalen. Der sorgetragende Gemahl der Pandora, Epimetheus, hat mir auch sehr gefallen. Habe indeß die Güte und laß Dir von diesen guten Geheimnissen noch nichts vermerken, und bitte auch die liebe Prinzeß darum. Ein andres Geheimniß ist es auch noch, daß unser Kraftdichter, Herr Werner, an einem Schauspiel arbeitet, das zum Geburtstage der Herzogin soll gegeben werden [Wanda, Königin der Sarmaten] . . . Ich glaube, er geht zu Ende der Woche mit Goethe wieder hinüber nach Weimar . . . Sage doch der lieben Prinzeß meinen innigsten Dank für ihre gütigen Gesinnungen gegen mich . . . Ich sehe gar oft im Geiste nach ihr empor; auch spreche ich oft mit Goethe von ihr, und wir preisen ihr gemüthliches Auf- und Insichnehmen. 13. 12.
Tagebuch 13. 12. 1807 (WA III 3, 307)
Rath Conta von Weimar. Dr. Seebeck. Mittag bey Major von Knebel mit Major von Hendrich und Werner und Frommann. Um 5 Uhr mit letzterem nach Hause. Viel über frühere Zustände und Charaktere, auch über Seebeck, Feßler; dieses letzteren Jugendgeschichte bis zu seiner Therese und zu seinen Vorsätzen zu voluminosen Schriften. Abends auf dem Ball. Frau von Löbenicht, Frau Professor Augusti. Dem. Stark. Roux u. s. w. Riemer, Tagebuch 13. 12. 1807 (Keil 5 S. 270)
Früh Sonette. Sie Goethen vorgelesen. Mittags mit Werner, Frommann und Goethe bei Knebel. Schöner Sonnenschein auf den Tisch einfallend. Berge mit Wolken darüber bildeten eine Schattenmasse. Knebel, Tagebuch 13. 12. 1807 (GSA, Nachlaß Knebel)
Mittags Göthe, H. Werner, Riemer, Hendrich u. Fromman zum Essen hier. Johanna Schopenhauer an A. Schopenhauer 13. 12. 1807 (Lütkehaus S. 201)
Werner ist gleich nach Jena gereist wo Göthe sich seit 5 Wochen aufhält, Göthe hat mich heute grüßen lassen und hat mir sagen lassen in 6 Tagen wäre er hier und würde den Werner mir mitbringen, mit dem er alle Abende disputirt, und 390
1807
Jena der mir mancherley vorlesen soll, da wirst Du ihn aliso sehen, den Attila kann er nicht geben weil er keinen Schauspieler zu dieser Rolle hat, an die andern Wernerschen Sachen ist in Weimar nicht zu dencken.
14. 12.
Tagebuch 14. 12. 1807 (WA III 3, 307)
Um 11 Uhr kam August von Weimar geritten mich zu besuchen mit Bartholomäi. Mittags bey Herrn Major von Hendrich mit den jungen Leuten, die gleich nach Tische wieder nach Hause ritten. Nach Tische Prof. Voigt. Verschiedenes über die Farbenlehre. Um 6 zu Frommanns, mit Werner. War auch Prof. Oken da. Las Werner sein Vorspiel zum Frieden, für das Berliner Theater bestimmt, vor; das Sonett auf den Heidelberger Pfalzgrafen und einiges zu einem Declamatorio der Mad. Unzelmann zu Schillers Andenken. Riemer, Tagebuch 14. 12. 1807 (Keil 5 S. 271)
Abends mit Werner und G. zu Frommanns. War Oken da. Las Werner sein Vorspiel zum Friedensfest in Berlin vor und einiges andre. 2./14. 12. A n H. Meyer 14. 12. 1807 (WA IV 19, 473)
Es ist mir hier sehr wundersam gegangen, besonders hat die Gegenwart des Thalssohnes [Z. Werner] eine ganz eigne Epoche gemacht. 15. 12.
Tagebuch 15. 12. 1807 (WA III 3, 307)
Kam Oberforstmeister von Lyncker. Durchlaucht der Herzog spät von Hummelshain von der Schweinsjagd in Begleitung des Erbprinzen, des Stallmeister von Seebach, Kammerherr von Spiegel, von Egloffstein und Hauptmann von Müffling. Abends bey Frommanns, wo Gedichte aus Seckendorfs Almanach, nachher aber Briefe von der Reinhard vorgelesen wurden. War Seebeck gegenwärtig. Riemer, Tagebuch 15. 12. 1807 (Keil 5 S. 271)
Zu Frommanns. Seckendorfs Taschenbuch. Tod des Königs Arthur und anderes von Goethe vorgelesen. Dann las die Frommann aus der Reinhard ihren Mädchenbriefen vor. Meine Repliken auf die Vorwürfe der Männereitelkeit. Mitte Dez
Knebel an Henriette v. Knebel 15. 12. 1807 (Düntzer 4 S. 318)
Die hiesigen Freunde, die durch Goethe ein eigenes Leben erhalten, verlassen mich nicht, und seine Gegenwart sonderlich bringt mir manche angenehme und wichtige Stunde. Es ist so glücklich, wenn man sich aus der Tiefe des Gemüthes einander erklären und verstehen kann. Mitte Dez.
J. D. Gries an C. F. E. Frommann 2. 12. 1807 (GSA, Frommann 33, 4) Sagen Sie Göthen, daß ich mich durch dieses Urtheil [von Goethe über Gries' Ariost] für alle meine Mühe mehr als zu reichlich belohnt finde und daß ich durch verdoppelte Anstrengungen seine gute Meinung immer mehr zu verdienen suchen werde.
391
1807 16. 12.
Jena Tagebuch 16. 12. 1807 (WA III 3, 308)
Mittags bey Herrn von Hendrich. Nach Tische über Werner verschiedene Bemerkungen. Um 5 Uhr zu Knebel. Sonette vorgelesen. Um 8 Uhr zu Frommanns, wo die Seidensticker und Löbenicht, Asverus und Seebeck nebst ihm sich befanden. Werner hatte vorgelesen. Knebel, Tagebuch 16. 12. 1807 (GSA, Nachlaß Knebel)
Abends Göthe. Liest uns seine Sonnetten vor. Knebel an Henriette v. Knebel 17. 12. 1807 (Düntzer 4 S. 319)
B 2 1058 B 3 2 5 9 2
Es traf sich recht glücklich, daß Goethe gestern eben bei mir war, als ich Dein kleines Päckchen erhielt, und da konnte ich Deiner gewaltigen Vorfurcht wegen künftig auszuleidender Trauer- und Schauspiele doch einige Linderung zu verschaffen suchen. Es gelang mir auch wirklich, und Goethe versicherte mich, daß das zum nächsten Geburtstag unsrer Herzogin zu gebende Stück des Herrn Werner gewiß keine drei Stunden spielen könne. Auch wird das Vorspiel, das er, wie es scheint, selbst dazu machen wollte, wegbleiben, da es nicht fertig wird. Ueberhaupt scheint Goethe von der Beschwerlichkeit der Ausdauerung bei solchen festlichen Operationen gänzlich überzeugt zu sein, und er versicherte mich, daß er es selbst bei Schillers Stücken niemals über den vierten Akt habe aushalten können. Daß ich ihn für alle Folgezeiten in dieser Meinung bestärkte, das glaubst Du mir wohl, und so bin ich stolz darauf, Deine liebe Seele gerettet zu haben . . . Goethe, der morgen wieder nach Weimar zurückkehrt, hat uns gestern noch äußerst niedliche, hier verfertigte Sonette vorgelesen, und ich glaube, daß er es nicht übel nimmt, wenn Du oder die liebe Prinzeß ihn ersuchen werden, sie vorzulesen. Auch darfst Du es ihm aufrichtig gestehen, daß ich seine „Wiederkunft der Pandora" Dir verplaudert hätte, und der Beifall der Prinzeß würde ihm schmeicheln und das Gedicht selbst ihr großes Vergnügen machen. Diese Geistesblumen haben uns in der That diese letzten trüben Tage sehr erheitert. Ich glaube nicht, daß an einem solchen Ort in so kurzer Zeit mehr Geistreiches und Liebliches ist hervorgebracht worden; denn auch Herr Werner hat sehr hübsche Sachen gemacht. Riemer, Tagebuch 16. 12. 1807 (*Dtsch. Revue 11, 1 S. 67; Keil 5 S. 271)
B 2 1058 b B 3 2593
Abends bei Frommann. War die Seebeck da, kam die Asverus, Seidensticker und Löbenicht, Oken und Seebeck hin. Las Werner Sonette vor. Um 8 kam Goethe. Waren wir allein. Las Werner auch das auf Minchen vor. Erzählte G. von der goldenen Zeit in Weimar. Z. Werner, Erläuterung zu seinem Charaden-Sonett auf Minchen Herzlieb (SchrGG 14, 307) B3 2594
Dies Sonett, in einer der wenigen hellen Perioden meines Lebens gemacht, ward mir belohnt wie ich es nur wünschen konnte, mit — einem Kusse von Helios [Goethe]. 392
1807
Jena
2./16. 12. An Zelter 16. 12. 1807 (WA IV 19, 475)
Werner, der Sohn des Thals, ist seit zwölf Tagen hier bey uns in Jena. Seine Persönlichkeit interessirt uns und gefällt uns. Er liest von seinen gedruckten und ungedruckten Arbeiten vor und so kommen wir über die seltsamen Außenseiten dieser Erscheinungen in den Kern hinein, der wohlschmeckend und kräftig ist. 17. 12.
Tagebuch 17. 12. 1807 (WA III 3, 308)
K a m Knebel Abschied zu nehmen und der junge Voigt. Mittag bey Herrn von Hendrich. Abends um 6 zu Frommann, wo Seebeck und sie war. Anfang der Pandora vorgelesen. Vom Plan der Achilleis gesprochen und andern poetischen Fictionen. Knebel, Tagebuch 17. 12. 1807 (GSA, Nachlaß Knebel)
Morgens bei Göthe u. Riemer. J. D. Färber, Kalender 17. 12. 1807 (UB Jena, Nachl. Martin q 20)
Habe ich Hrn. Apoth. Schwarz das Trabitiussch. Medicinal-Conto (10 rh. 2 gr. 6 Pfg.) fertigen lassen, u. selbiges dato dem Herrn Geh. Rath v. Göthe übergeben. Riemer, Tagebuch 17. 12. 1807 (*Dtsch. Revue 11, 1 S. 67; Keil 5 S. 271)
B 2 1058 c B 3 2595
Abends mit G. zu Frommann, wo Seebeck er und sie waren. Las G. seine Pandora vor und sprach vom Plan der Achilleïs. Noch viel gescherzt und lustig. Vorher hatte mir Goethe sein Sonett auf Herzlieb vorgelesen. 2./17. 12. An F. A. Wolf 16. 12. 1807 (WA IV 19, 477)
Werner der Thalsohn ist auch bald vierzehn Tage hier. Seine Persönlichkeit hat uns in seine Schriften eingeführt. Durch seinen Vortrag, seine Erklärungen und Erläuterungen ist manches ausgeglichen worden, was uns schwarz auf weiß gar schroff entgegenstand. Es ist in jedem Sinne eine merkwürdige Natur und ein schönes Talent. Übrigens läßt sich auch bey diesem Falle sehen, daß der Autor, wenn er einigermaßen vom Geiste begünstigt ist, seine Sachen selbst bringen und reproduciren solle. Er wird in diesen Tagen mit mir zurück nach Weimar gehen. Durch seine Unterhaltungen sind wir auf die angenehmste Weise dem kürzesten Tage näher gekommen. Tag- und Jahres-Hefte 1807. Paralipomena (WA I 36, 391)
Anfang Decembers kam Werner nach Jena, und man kann nicht läugnen, daß er Epoche in unserm Kreise gemacht. Er mußte sogleich als ein merkwürdiger Mensch betrachtet werden. Ein sehr schönes poetisch-rhetorisches Talent hatte sich in dem wunderlichsten Individuum verkörpert. Dieser seltsame Gast war ohne Frage großer Ansichten über Welt und Leben fähig, die ihm aber bei einem zerstörten Innern und zerrütteten Leben nicht genug thaten und die er daher mit phantastisch-religiösen Gesinnungen verknüpfte. Dies zog ihn dem Sinne nach zu den Herrnhutern, der äußern Form nach zum Katholicismus; denn indem er ein sittlich-religiöses Streben bekannte, kämpfte in seinem Innern 393
1807
Jena eine gewisse Lüsternheit, die auch seinen Productionen eine eigene Richtung gab. Mit großer Wahrheit und Kraft las er vor, wodurch denn seine trefflichen Sonette noch hohem Werth erhielten und besonders die rein menschlich leidenschaftlichen großen Beifall gewannen. Es war das erste Mal seit Schillers Tode, daß ich ruhig gesellige Freuden in Jena genoß.
11.11./ 17 12
Riemer, Mittheilungen 1, 35
B 2 1046 a B 3 2596
Während dieses Aufenthalts [in Jena] wurden in den abendlichen Lesezirkeln bei Frommann, Knebel u. A. besonders Sonette von Klinger, A. W. Schlegel, Gries, und zuletzt von Z. Werner, der persönlich in diese Kreise eingetreten war, vorgelesen, und im Stillen auch von G. versucht — wie es seine Art war, sich von berühmten Mustern und Vorbildern anregen zu lassen — und zwar gleich in einer gewissen Anzahl. Knebel an Caroline v. Herder 17. 12. 1807 (SB Berlin, PrK, Herder XLII 280)
Wir fühlten die trüben nächtlichen Tage hier wohl auch, aber ein besonderes Glück hat sie uns bisher erträglicher werden lassen. Dieses ist die Gegenwart unsers Göthe u. seines Begleiters, des Hr Dr Riemers. Diese Gegenwart hat uns eine andre verlängerte u. interessante des Hr Kammersekretär Werner, Verf. der Kraftweihe u. anderer Werke, verursacht, und uns wirklich die trüben Tage mit Blumen bestreut. Wir verhielten uns dabei sehr mäßig, und eben dieses beförderte den Genuß. H Werner ist ein geistreicher Mann und w i r k l i c h e r D i c h t e r . . . Göthe war die einigen Wochen, die er nun hier ist, sehr lieb — und geistreich — fast wie ich ihn nie so gut gesehen habe. Erstaunen muß ich über sein fruchtreich producirendes Genie. Er hat hier Sachen gemacht von jugendlicher Anmuth u. Kraft, die gewiß unter seine Meisterwerke gehören, oder vielmehr dieselben erst vollenden. Es ist zu verwundern, daß die Gegenwart des Hn Werner, dessen Muse von der seinigen in gewissem Betrachte so different ist, ihn hiebei nicht gehindert, vielmehr angereizt hat — und so hatten wir recht gesegnete D e c e m b e r f e s t e ! Ob uns andern gleich diese Rosen nicht blühen, so ergözten wir uns doch sehr an ihrem Gerüche, u. fühlten dabei das Glück, d e s s e n d a s L e b e n f ä h i g ist. Knebel an Caroline v. Herder 2. 2. 1808 (SB Berlin, PrK, Herder XLII 286)
Göthe behandelt ihn [Z. Werner] übrigens, so viel ich weiß, sehr richtig und mit grossem Urtheil; zugleich auch schonend, weil er wohl weiß, daß man nicht so schnell von einer Art zur andern übergehen kan — und einem Dichter, der so viel eigenes hat, das seinige nicht rauben darf. Ich denke, Werner ist f ü r s e i n e K u n s t zur r e c h t e n Z e i t nach W. gekommen. Knebel an Caroline v. Herder 9. 2. 1808 (SB Berlin, PrK, Herder XLII 287)
Sie [die romantischen Dichter] denken, wenn sie nur G e f ü h l e e r r e g e n ; unbekümmert, wo es hinaus will. Darum möchte man auch, m i t G ö t h e , die h e i d n i s c h e n Dichter für m o r a l i s c h e r halten, als die c h r i s t l i c h e n — und warlich sie waren es auch! 394
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Jena Ein Dichter, der den Trieb zu b i l d e n so sehr in sich fühlt, wie Werner, sollte freilich die Schulen der W e i s h e i t lange vorher besucht haben, eh' er sich an sein göttliches Geschäft begeben . . . Daß indessen Werner von dieser V e r s ä u m n i ß selbst einige A h n u n g habe, glaube ich deutlich an ihm bemerkt zu haben. Göthe, der eben nicht zu gelinde hierin mit ihm verfährt, wird, wie ich hoffe, u. so weit es geht, ihn gewiß hierüber klarer machen. Knebel an Jean Paul 25. 1. 1808 (Gaedertz2 S. 228)
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. . . und nun wollen Sie auch, daß ich Ihnen von Goethe etwas sage. Dieser ist seit einiger Zeit heiterer und poetischer, als ich ihn je gekannt. Sein Vorspiel haben Sie in den Morgenblättern gelesen; jetzt arbeitet er — außer einer Menge Sonette, die er dazwischen macht — an einem andern, das mir eins der glücklichsten seiner poetischen Feder scheint. Es heißt: die Wiederkunft der Pandora. Nur den Anfang davon hab' ich gesehen; aber die Idee wird Sie gewiß entzücken, daß die alten Uebel nicht mehr als monströse Gestalten aus der Büchse oder Urne gehen, sondern als leichte Luftgestalten in die Höhe steigen, nach welchen der Mensch immer hascht und jagt und sie nicht erreichen kann, und dadurch erst in die Uebel geräth, denen endlich nichts Beständiges übrig bleibt — als die Hoffnung. — Sagen Sie aber niemand, daß ich Ihnen so was verschwatzt habe, und erwarten Sie mit mir die Vollendung. Uebrigens ist Goethe öfters hier und bringt uns gute Tage und Abende. C. F. E. Frommann an J. D. Gries 23. 12. 1807 (GSA, Frommann 47, 3)
Daß G-s Urtheil Ihnen wohl thun würde und mußte, wußte ich. Er hat seitdem den ganzen Band durchgelesen, sich ganz hinein gelesen und noch öfter und bestimmter Ihr Lob gepriesen. Aliso diese Autorfreude kosten Sie nur ganz aus. Dagegen, schelten Sie nicht, haben wir über Ihre AutorLeiden zusammen auch gutmüthig gelächelt. Ge läßt Ihnen zum Trost sagen, er wäre sehr zufrieden wenn man ihn nie ärger und mehr verdruckt als Sie, auch muste man den Metrikern und Grammattikern auch einen leckern Bißen goennen, weshalb er sogar a b s i c h t l i c h in der neuen Auflage der Dorothea einen Siebenfüßler stehen laßen; daß aber diese beyden Stellen quaestionis nichts als Schreib und Druckfehler sind, muß jeder sehen der es will. Schreibfehler waren es denn wirklich und so ist es denn auch den Korrektoren eher zu verzeihen daß sie ihnen entwischt. Aber sie sehen doch aus beyfolgenden zwey Schimpf Sonnetten daß auch wir Ihre Parthey ritterlich gegen die arme Druckerey genommen. Frage: von wem sind diese Sonnette? . . . Freytag [18. 12.] sind nun leider G und Riemer wieder nach Weimar gezogen und Werner ist Ihnen Sonnabend gefolgt. Ihre Anwesenheit hat uns dies mahl den kürzesten Tag fast unmerklich nahe gebracht, und die Errinnerung an diese 6. Wochen ist unvertilgbar. Eine Menge zufälliger Umstände machte daß G. diesmal sich weit öfter und mehr als sonst jeh bey uns gefiel. Im Anfang kam er einen Tag um den andern, dann fast täglich und blieb von 5, 6, 7 bis 8, 9, 10 oder 11 Uhr Abends, blos eine Taße Thee, ein Butterbrod, ein Glas Wein genie395
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Jena Bend. Es ward immer etwas gelesen und darüber mehr oder minder lebendig, immer belehrend, gesprochen. Auch mehreres noch ungedruktes und ausgeführte Plane u. Entwürfe theilte er, der UberReiche, wohlwollend mit. Ein paar Abende ward auch unser deutscher Sonnetten Schaz gemustert, dies brachte ihn so zur Produktivität, daß am Ende 21. von ihm vollendet waren, deren mehrere sich vieleicht künftig unsere Litteratur freuen wird; Auch einige der Ihrigen waren ihm eine neue und erfreuliche Bekantschaft. — Sein Verhältnis mit Riemer, in dem sich ein Talent nach dem andern schön entwikkelt, gehört auch zu den besten, die ich jeh gesehen. Die lezten 14 Tage erhielt unser kleiner Zirkel ein ganz eigenes Leben durch Werners (Verf. des Luthers) Erscheinung. Wenn man mit diesem nun erst dahin [?] war ihm als Dichter und Mensch mehrere Eigenheiten und auch Bisarerien zuzugeben, so intressirt er ungemein. G. ward von ihm aufs lebendigste angeregt, und W. lebte nun auf, sich von diesem so erkannt zu sehen. W ist voller Energie und höchst Talentreich. E r hat uns mehreres ungedrukte von sich vorgelesen, welches uns aufs lebendigste aufgeregt. Lesen Sie den ersten Theil seines Kreuzes an der Ostsee, sehen sie über das christlich-mystische hin, und Sie werden seine Kraft u. sein Talent gewis schäzzen lernen. E r ist dem Meister nachgezogen u wird wohl noch einen Monath in W bleiben, wo den 30 s t c n Janr ein ganz neues Stück von ihm gegeben wird. Doch dies alles ganz unter uns. Wilhelmine Herzlieb an Christiane Albers 10. 2. 1808 (Gaedertz 1 S. 53)
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Diesen Winter haben wir im ganzen recht froh zugebracht, ohne grade viele Menschen zu sehen. Göthe war aus Weimar herüber gekommen, um hier recht ungestört seine schönen Gedanken für die Menschheit bearbeiten zu können und so denen, die sich so sehr bemühen immer besser zu werden, auf den rechten Weg zu helfen und ihnen Nahrung für K o p f und Herz zu verschaffen. Er wohnte im Schloß, zu unserer großen Freude, denn wenn wir seiner Wohnung nicht so nahe gewesen wären, wer weis ob wir ihn denn jeden Abend gesehen hätten, denn er muß sich doch auch ein bischen nach seiner Gesundheit richten, die zwar jetzt im sehr guten Gleise ist. E r war immer so heiter und gesellig, daß es einem unbeschreiblich wohl, und doch auch weh in seiner Gegenwart wurde. Ich kann Dir versichern . . . daß ich manchen Abend, wenn ich in meine Stube kam und alles so still um mich herum war, und ich überdachte was für goldne Worte ich den Abend wieder aus seinem Munde gehört hatte, und dachte was der Mensch doch aus sich machen kann, ich ganz in Thränen zerfloß und mich nur damit beruhigen konnte, daß die Menschen nicht alle zu einer Stufe geboren sind, sondern ein jeder da, wo ihn das Schicksal hingeführt hat, würken und handeln muß wie es in seinen Kräften ist, und damit Punktum. Ich habe auch wieder einen neuen Dichter kennen lernen, für mich wenigstens war er's, denn ich kannte vor seiner persönlichen Bekanntschaft noch gar nichts von ihm. E r war nach Weimar gekommen um Göthe kennen zu lernen, und da er ihn nicht fand, gleich ohne aus dem Wagen zu steigen, noch 2 Meilen weiter gefahren bis nach Jena. Ihm haben wir auch recht viel frohe Stunden zu danken. 396
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Jena Er heißt Werner . . . Er ist ein ganz wunderbarer Mensch, in vielen Dingen mir ganz unverständlich. Er meint, er hätte sich sehr drauf gelegt, den Charakter der Weiber zu studieren, und meint uns ganz zu verstehen, ich glaube aber doch nicht dran, denn er ist mit 2 Weibern nicht glücklich gewesen, hat sie also gewiß nicht recht behandelt. Eitel ist er in einem hohen Grad; aber mehr auf seine Persönlichkeit als auf seine Werke. Er kann es zum Beispiel gar nicht leiden, wenn ihm ein Mädchen oder eine Frau was über seine Sachen sagt und sie lobt, dann beißt er die Lippen zusammen und ist ganz verstimmt; ist man aber recht aufmerksam und gefällig gegen seine Person, dann ist er auch wieder ganz glücklich. Er sähe es sogar nicht ungern, wenn man sagte, daß man ihn ganz unwiderstehlich schön fände. Aber das glaube ich wird er wohl in seinem Leben nicht hören; denn er ist von der Natur ganz erstaund vernachlässigt. Göthe ist sein Ideal, und wenn der ihm ein freundliches Wort sagt und seine Sachen lobt, so meint man, daß die Freude seines Gesichts sich über sein ganzes Wesen verbreite, und er kömmt einem dann würklich weniger häßlich vor. Ich kann es ganz erstaund an einem Dichter achten, wenn er sich nicht für mehr hält als er würklich ist, und meint, nach ein paar Jahren, wenn er gehörigen Fleis und Mühe angewandt hätte, wohl eben so weit als Göthe zu sein. G. V. Loeper an H. Düntzer 22. 3. 1870 (Diintzer12 1, 233)
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Sie wünschen, verehrter Freund, daß ich Ihnen über den Besuch, den ich vor dreizehn Jahren der Minna Herzlieb abstattete, und über die dabei gewonnenen Eindrücke etwas Näheres mittheile. . . . Es war am 6. August 1857, als ich, zu Züllichau in Geschäften anwesend . . . das schattige, auf der Straße nach Grünberg belegene Haus aufsuchte, dessen ersten Stock die verwittwete Frau Walch mit ihrer Schwägerin, der verwittweten Superintendentin Herzlieb, bewohnte . . . Beide Frauen empfingen mich mit außerordentlicher Freundlichkeit, und Minna insbesondere ließ sich sogleich in ein Gespräch über ihre in Jena verlebte Zeit verwickeln. Sie stand damals bereits am Ausgange der Sechszig, aber die vorzüglich konservirte hohe und schlanke Gestalt, die blühende Gesichtsfarbe, die leichten Bewegungen ließen sie mindestens um zwanzig Jahre jünger erscheinen. Sie machte ganz den Eindruck, wie sie bei Stahr geschildert ist. Den ersten Stoff unserer Unterhaltung bot Lewes' damals eben erschienenes, ihr schon bekanntes, aber noch nicht von ihr gelesenes Buch über Goethe . . . Sie freute sich, daß Goethe wieder Mode werde, wie sie sich ausdrückte. Meiner Frage jedoch, ob sie sich in der Ottilie der Wahlverwandtschaften' wiedererkenne, wich sie gewandt und etwas verlegen schmunzelnd aus. Mit großer Bestimmtheit aber bestritt sie, daß sie Goethes wegen aus Jena entfernt oder, nach Lewes, in eine Pension zurückgeschickt worden sei; ihre zeitweilige Entfernung von Jena sei aus ganz andern Motiven erfolgt. Daß viele der goetheschen Sonette ihr gewidmet seien, stellte sie nicht in Abrede, mit dem Hinzufügen: „Sie müssen immer denken, Goethe war ein Dichter," und der Bemerkung, daß sie davon mehrere erst durch den Druck kennen gelernt habe, welche daher wohl Bettinen gehören könnten; an diese möge ich mich nur wenden. Besonders eignete sie sich das Sonett „Wachsthum" 397
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Jena an; dies drücke ganz ihr Verhältniß zu Goethe aus. Die Sonette seien so schön und vollendet in sich, daß es Unrecht sei, die thatsächlichen Beziehungen aufzusuchen; ,Goethe war ja ein Dichter.' Sie habe ihn gekannt von etwa 1800 bis ewa 1823 oder 1824. Im Frommannschen Hause habe er sie als Kind, und in ihrer weitern Entwickelung sie, wie jenes Sonett es andeute, kennen gelernt; sie sei oft mit ihm spazieren gegangen . . . Als ich hervorhob, daß Goethe damals schon im achtundfünftigsten und sie erst im achtzehnten Jahre gestanden, bemerkte sie mit Lebhaftigkeit: ,Goethe war immer jung, man bemerkte bei ihm nicht das Alter'; er sei gegen sie stets von großer Liebenswürdigkeit gewesen, und sie könne an ihn und an jene Zeit nur mit angenehmen Erinnerungen zurückdenken. Unbefangene Verehrung und fast Enthusiasmus für Goethe sprach sich dabei in Mienen und Worten aus. Sie leugnete, die Sonette von Goethe zugesandt erhalten zu haben und erklärte, weder Briefe noch Gedichte von ihm zu besitzen, außer seinen gedruckten Gedichten, in die er sich eingezeichnet habe. Auf meine Bitte holte sie, mit lebhaftem Gange sich entfernend, aus einem andern Zimmer denjenigen Gedichtband herein, dessen Stahr gedenkt. Th. J. Seebeck an Hegel 29. 1. 1808 (Hoffmeister 1, 213)
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Goethe war im Nov. und Dec. hier. Er ist jetzt gesund und war besonders aufgeweckt und heiter. Auch den Dichter Werner haben wir zu der Zeit kennen lernen und mehrere von seinen Sonetten, die ihm vorzüglich gelingen, bewundert. A n Th. J. Seebeck 24. 2. 1808 (WA IV 51, 229)
Schon mündlich erwähnte ich einmal, daß noch ein paar ältere kleinere galvanische Säulen bey mir liegen. K. W. V. Knebel an H. Düntzer o. Dat. (Düntzer 1 4 S. 115)
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Goethe hatte mich bereits in meinem elften Jahre bei Vorzeigung meiner Siegelsammlung gefragt, woher ich die Siegel, worunter auch Gemmen sich befanden, genommen; ich erzählte ihm, daß ich sie von den auf dem Boden zerstreut herumliegenden Briefen an meinen Vater genommen. Da nahm er ganz kaltblütig die eine Tafel, welche Wappen enthielt, zerriß sie und warf sie in den Ofen, nur die Gemmen begnadigend. ,Mein Junge', rief er, ,suche alle Briefe zusammen, ordne sie chronologisch, und du (zu meinem Vater), der du mit ihnen so liederlich umgehst, läßt deinem Jungen einen Fachkasten dazu machen, und schenkst sie ihm schriftlich'. 11.11./ H. Luden, Rückblicke in mein Leben (Luden' S. 104) 17 12 (?)
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' w Seit diesem Tage [im Mai 1807] hab' ich Goethe zwar noch sehr oft gesehen, auf Spaziergängen, bei Knebel oder wenn der Herzog-Großherzog ein Mal nach Jena kam und mir die Ehre erzeigte, mich zur Tafel zu ziehen; aber nur drei Male, soviel ich mich erinnere, habe ich ihn allein gesprochen. Zuerst in Knebel's Garten. Ich besuchte, ich glaube im J. 1812 [Pwohl eher Nov./Dez. 1807], 398
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Jena Knebel und fand ihn allein mit Goethe. Es war ein schöner Sommer-Abend, und die beiden Herren waren bei meiner Ankunft gerade im Begriffe, in den Garten zu gehen. Man bat mich, sie zu begleiten. Als wir am Fuße der Treppe angekommen waren, kehrte Knebel wieder um, weil er noch Etwas zu besorgen hätte, und bat uns, nur sogleich in den Garten hinein zu gehen. Er blieb wohl eine halbe Stunde aus, und Goethe und ich wandelten inzwischen auf und ab. Zu unserm Gespräch aber gab folgender Umstand Veranlassung. . . Im Frühlinge des J. 1808 [? wohl 1807] . . . sagte er [Chr. G. v. Voigt zu Luden]: das Ernestinisch-sächsische Haus habe sich eines Helden zu rühmen, der groß und herrlich in der Geschichte stehe, des Herzogs Bernhard des Großen. Von diesem Helden aber gebe es noch keine genügende Biographie. Unser gnädigster Herr wünsche sehr, daß das Leben und die Thaten des Herzogs würdig beschrieben würden, und er habe den Auftrag, mich zu diesem Werke zu veranlassen. Das Werk würde auch keine großen Schwierigkeiten darbieten . . . Ja, die Vorarbeiten seien, wenn nicht alle, doch größtes Theiles schon gemacht, so daß mir nur die Darstellung übrig bleiben würde. Schon vor einer Reihe von Jahren nämlich habe der Herzog den geheimen Rath Goethe bewogen, die Biographie des Herzogs Bernhard zu übernehmen. Goethe habe denn auch große und weidäufige Forschungen angestellt, habe aus den Briefen und Acten Auszüge gemacht und Alles vorbereitet. Goethe aber sei eben kein Historiker; als es an die Ausarbeitung habe gehen sollen, da sei die Lust bei ihm dahin gewesen. Er habe die Arbeit verschoben; die Sache sei ihm fremd geworden; Anderes sei dazwischen gekommen, und endlich habe er ohne Weiteres Alles ins Archiv zurück geschickt, seine eigenen Arbeiten jedoch beigelegt. Und nun ständen, wenn ich das Werk unternehmen wollte, wie alles Übrige, so auch Goethe's Vorarbeiten zu meiner Disposition. Ich erwiderte dem Minister: mich schrecke allerdings der Gedanke, mich an ein Werk zu wagen, an welchem schon Goethe gearbeitet habe; wenn indeß Se. Excellenz und der Herzog selbst wirklich der Meinung wären, daß mir ein solches Werk gelingen könnte, so sähe ich Dieses als einen Befehl an, meine Kräfte zu versuchen, und gewiß würde ich Alles thun, was dieselben mir erlaubten . . . Etwa nach 14 Tagen kam die Sendung aus Weimar. Wie ein Heißhungriger über warme Semmeln, so fiel ich über diese wohlverzeichneten Papiere her. Aber ich sah mich gar bald in meinen Hoffnungen schwer getäuscht. Vor Allem suchte ich natürlich Goethe; aber in den Papieren, die unter seinem Namen aufgeführt waren, fand ich von ihm selbst keine Spur. Sie enthielten bloß Auszüge, die Goethe nicht etwa selbst gemacht hatte, sondern die von einem unbekannten Dritten, ohne Zweifel auf seinen Befehl, gemacht waren. Und sie waren trocken, armselig, ohne Zusammenhang, ohne Princip angefertigt. . . Ich verwandte ein ganzes Jahr hindurch viele Zeit auf das Studium der Geschichte des Herzogs Bernhard, und bemühete mich, einen Plan zu ent-
11. 11./ An H. Luden 18. 10. 1807 (WA IV 19, 436) 17. 12. (?) Es sollte mir sehr angenehm seyn, Sie einmal bey mir zu sehen.. . Ich will alsdann, wie ich über den Sächsischen Helden [Herzog Bernhard] denke, und was ich von einer Biographie desselben hoffe, ganz aufrichtig mittheilen.
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Jena werfen, nach welchem es möglich wäre, meinen Helden in eine solche Stellung zu bringen und in einer solchen Stellung zu erhalten, in welcher er als Der erschiene, der er sein sollte; aber alle meine Entwürfe mißlangen; keiner genügte mir über acht Tage . . . An dem Tage nun, da ich, wie ich erzählt habe, mit Goethe in Knebel's Garten ging, lag mir gewiß kaum ein Gedanke ferner, als der Gedanke an den Herzog Bernhard. Kaum aber hatten wir einige Schritte gemacht, so fing Goethe an: „Es ist mir lieb, Sie ein Mal allein zu sprechen. Ich hätte längst gern über eine Sache mit Ihnen geredet, die auch mich einst beschäftigt hat, und wir wollen den Augenblick benutzen. Wie steht es mit Ihrer Biographie des Herzogs Bernhard?" — Sind Ew. Excellenz auch mit dieser Sache bekannt? — „Wie sollte ich nicht? Freilich." — Leider, steht es nicht gut, oder vielmehr es steht gar nicht. — „Wie so?" — Und nun begann ein gar freundliches Gespräch, in welchem Goethe Anfangs der Fragende und ich der Antwortende war, welches aber bald in eine wahre Conversation überging. Ich will indeß, um die Weitläufigkeit des Gesprächs zu vermeiden, lieber zusammen stellen, was im Wesentlichen gesagt worden ist. „Ich will nicht leugnen," sagte ich, „daß ich den Vorschlag des Herrn von Voigt gern annahm, und daß ich nicht ohne Liebe ans Werk ging. Der Herzog war mir in der Geschichte des dreißigjährigen Krieges immer als eine glänzende Heldengestalt entgegen getreten, und mit Lust und Freude hatte ich wie in Tagen des Sieges, so in Tagen des Unglücks auf den jungen Fürsten des Vaterlandes hingeblickt. Deßwegen faßte ich die Hoffnung, er werde eingerahmt und aus dem großen Gemälde herausgenommen, mit einer Umgebung, die als würdiger Hintergrund ihn nur noch mehr heben müßte, sich in einer solchen Weise darstellen lassen, daß er als Held des Glaubens und des Vaterlandes ein Muster und Beispiel sein könnte für Hohe und für Geringe. So wie ich aber den Versuch machte, fielen von allen Seiten, wenn Das anders nicht falsch gesprochen ist, Schatten auf mein Bild, die mir das Licht verschoben oder verdarben. Wie ich ihn auch stellen mochte, er bekam weder Schnitt, noch Farbe. Zwar blieb er ein ausgezeichneter Kriegsfürst, tüchtig, einsichtig, tapfer und kühn; zwar war er auch ein frommer Mann und bewährte stets ein tiefes Ehrgefühl und eine hohe fürstliche Gesinnung. Aber ein bloßes Aufzählen seiner Thaten und Fahrten gewährte mir kein hinlängliches Interesse; als bloßen Soldaten konnte und mochte ich ihn nicht darstellen. Er stand allerdings nicht niedriger, als alle Übrigen, die in diesem unglückseligsten aller Kriege, in diesem heillosen Heuchelkriege hervorragten, aber auch eben nicht höher. Denn ein Heuchelkrieg war es, und wenn man auch das Bild der Religion auf dieser Seite wie auf jener vor sich her trug, so galt es doch nur um irdische Interessen, die man durch religiöse Mittel zu fördern suchte. Gustav Adolfs Haupt hat man mit einem heiligen Schein zu umgeben gesucht, und diesen Schein hat noch Niemand unter den Protestanten zu zerstören oder zu verwerfen gewagt; da er so früh seinen Tod fand, so ist er als „ein Kämpfer des Herrn" gefallen, und die Wahrheit ist von der Geschichte entfernt geblieben. Dem Herzog Bernhard ist dieser Heiligenschein zu Gute gekommen; es war genug, daß er an der Seite dieses Kämpfers des Herrn gestanden hatte; Niemand fragte nach der eigentlichen 400
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Jena Natur der Verbindung beider Fürsten, und das Herzogthum Franken wurde kaum beachtet. Selbst sein Anschließen an Frankreich, das doch eben nicht für den Protestantismus besonders enthusiasmirt war, hat eben deßwegen seine Lobredner gefunden. Mit Einem Worte: mir kam vor, als müsse der Herzog seine Stellung in der Geschichte des dreißigjährigen Krieges behalten; wenigstens trauete ich mir nicht, eine Biographie desselben zu schreiben." Was Goethe sagte, lief auf Folgendes hinaus: „Wir sind ganz einig. Ihre Geschichte ist in diesem Falle die meinige. Ich bin fast in derselben Weise, wie Sie, zu dem Versuche einer Biographie des Herzogs bewogen worden; auch habe ich in der That den Willen gehabt, das Buch zu schreiben, und die Hoffnung, es werde sich etwas Erfreuliches und Heiteres machen lassen. Aber ich erkannte bald, daß es schwer, wenn nicht unmöglich sein würde, dem Helden eine bestimmte, anständige Physiognomie zu geben. Zwar bin ich auf das Kirchliche und Politische nicht eingegangen. Das Kirchliche gehört der Zeit an. Es war der Firniß, mit welchem man Leidenschaften und Bestrebungen überstrich, um Andere und sich selbst zu täuschen. Auf jener Seite wie auf dieser hat es Glaubenshelden gegeben; auf jener Seite wie auf dieser hat man sich selbst eingebildet, und sich von Anderen vorsagen lassen, Kämpfer des Herrn zu sein. Das Politische aber habe ich zur Seite geschoben. Es gab keine andere Politik, als die Lust zu rauben, zu plündern, zu erobern. Das Reich war dahin und bestand nur noch in einer verblaßten überlieferten Vorstellung. Welcher Fürst bekümmerte sich um den Kaiser und das Reich anders, als in soweit er seinem Vortheile nachlief? Die Gedanken: Vaterland und Nationalität, waren dem Zeitalter fremd, und sind den späteren Zeiten fremd geblieben, wie sie denn auch wohl früher selten wirksam gewesen sein mögen. Darum ist Niemandem zum Vorwurfe zu machen, daß er nicht vaterländisch oder national handelte; es ist Niemandem zu verdenken, daß er sich nach allen Seiten wandte, um die Stellung zu erhalten, in welcher er größeren Einfluß gewinnen konnte, und kein Geschenk zurück wies, das er zu besitzen wünschte, gleichviel ob es ihm vom Norden her geboten ward oder vom Süden. Deßwegen glaubte ich auch, den Herzog Bernhard nur als Heerführer und Held beachten und ihn in jedem Verhältniß aufnehmen zu müssen, in welchem ich ihn fand und wie ich ihn fand, ohne die Gründe zu beurtheilen, die ihn in dieses Verhältniß gebracht haben mochten. Aber selbst in dieser Beschränkung, in welcher doch keine ungebührlichen Anforderungen gemacht wurden, gerieth ich in Verlegenheit. Von dem Früheren kann, da der Herzog noch so jung und untergeordnet war, keine Rede sein; aber der Tag bei Lützen war schön und könnte wohl Begeisterung erregen. Sie haben Recht: Gustav Adolf verdankt den heiligen Schein seinem Tod in dieser Schlacht. Hätte er länger gelebt, so möchte allerdings das Urtheil, ich will nicht sagen der Geschichte, sondern der Geschichtschreiber anders geworden sein: denn er würde sich wahrscheinlich in so wirre Dinge verstrickt haben, daß es ihm weder möglich gewesen wäre, seinem Wesen getreu zu bleiben, noch den Schein zu retten. Wenn, wie der König im Anfange der Schlacht, so der Herzog im Augenblicke des Sieges, als Wallenstein schon auf dem Rückzug oder auf der Flucht war, gefallen wäre: so würde auch er mit „dem heiligen Schein" in der Geschichte 401
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Jena stehen; er würde wie ein Held ohne Gleichen gefeiert werden, der schnell der Sache ein Ende gemacht, und all das Unglück abgewendet haben würde, das später über die Welt gekommen ist: denn die Menschen sind gar sehr geneigt, einem jungen Manne, der rasch aus dem Leben hinweg gerissen wird, alle Hoffnungen als Erfüllungen anzurechnen, und ein Götze ist ihnen immer Bedürfniß. Aber was ist mit Nördlingen anzufangen? Eine Gardine ist nicht niederzulassen, ein Schleier nicht darüber zu werfen. Und wenn auch der Dichter noch wohl einen Ausweg fände, so kommt Ihr Historiker mit Dem, was Ihr Wahrheit nennt, und treibt des Dichters Werk aus einander. Und so habe ich mich denn zurück gezogen und die Sache aufgegeben wie Sie." Inzwischen war Knebel herzu gekommen, und durch ihn wurde dem Gespräch eine andere Wendung gegeben.
18. 12.
Knebel, Tagebuch 18. 12. 1807 (GSA, Nachlaß Knebel)
Göthe reist ab nach Weimar. J. D. Färber, Kalender 18. 12. 1807 (UB Jena, Nachl. Martin q 20)
Sind der Herr Geh. Rath von Göthe u. Hr. D. Riemer wieder nach Weimar abgereist; ihres Hierseyns 5 Wochen 2 Tage.
Weimar Tagebuch 18. 12. 1807 (WA III 3, 309)
Um 12 Uhr in Weimar angekommen . . . Mittags Dem. Elsermann und Sophie Teller zu Tische . . . Brachten die Sänger zu Nacht ein Ständchen. Riemer, Tagebuch 18. 12. 1807 (*Dtsch. Revue 11, 1 S. 67; Keil 5 S. 271)
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Nach 8 Uhr weggefahren. Nebel im Thal, Sonne auf den Höhen. Prächtiger Morgen und Tag. Erzählte Goethe die Geschichte seiner Verliebung in Lili Schönemann. Begegneten wir vor dem Kegelthore den ital. Truppen und mußten aussteigen und zu Fuße herein. Abends waren die Sänger da. Ständchen für Goethe. Riemer, Mittheilungen 2, 598
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Wie zart, innig und warm er auch wenige Monate vor seinem Scheiden das Verhältniß zu Lili schildert, so reicht es doch im Einzelnen nicht an die jugendliche Fülle und Glut, womit er es mir in weit früherer Zeit, ebenfalls auf einer Reise, darzustellen und sich sowohl als mich um einen Weg von drei Stunden anmuthigst zu täuschen wußte. Johanna Schopenhauer an A. Schopenhauer 18. 12. 1807 (Lütkehaus S. 203)
Eben läßt Göthe mir sagen, daß er mit Werner angekommen ist, Sonntag werden sie wohl zu mir kommen. 402
Weimar
1807
C. Bertuch an L. F. Froriep 20. 12. 1807 (GSA, Bertuch 3191)
Werner lebte zeither bey Goethe in Jena, der ihn zu goutiren scheint. Vorgestern sind beyde hier eingetroffen. Werner wird einige Wochen hier bleiben. 19. 12.
Tagebuch 19. 12. 1807 (WA III 3, 309)
Hofkammerrath Kirms wegen Theaterangelegenheiten. Verschiednes besorgt. Kam Werner an, aß mit uns, desgleichen Mademoiselle Elsermann. Riemer, Tagebuch 19. 12. 1807 (Keil 5 S. 272)
Mittags Werner und Dem. Elsermann zu Tisch. Abends zu G.; den Kalender nachgetragen und zwei Sonette vorgelesen. 20. 12.
Tagebuch 20. 12. 1807 (WA III 3, 309)
Früh die Sänger. Kam der Erbprinz. Herr von Müffling und Werner waren zugegen. Mittags Hofrath Wieland, Rath Stichling und Werner zu Tische. Gegen Abend zu Mad. Schopenhauer. Riemer, Tagebuch 20. 12. 1807 (Keil 5 S. 272)
Früh bei Goethe an Pandoras Wiederkunft Fortsetzung. Mittags Werner, Wieland und Stichling zu Tische. Wieland's Sündenbock ist nunmehr das weimarische Publikum. Uber Napoleon; daß er durch die Empfindlichkeit über seine Person Angehendes noch mit der Menschheit zusammenhänge. Zum Dessert 2 von meinen Sonetten von Goethe vorgelesen. Wieland's Freude darüber. Um 6 Uhr mit Werner zu Mad. Schopenhauer. Große Gesellschaft. Freude über unser Erscheinen. — Um 9 Uhr nach Hause. Der Goethe Bemerkungen über Werner's Eitelkeit oder Coquetterie = Nicol. Meyer in Bezug auf das andre Geschlecht. A n Wieland 23. 12. 1807 (WA IV 51, 226)
Es war mir sehr angenehm, zu bemerken, daß Werner Dir wohlgefiel, wie ich freylich voraus gesehen hatte . . . Es ist eine tiefe talentreiche Natur, und wenn man ihn persönlich kennt, mag man ihm gern zugestehen, daß er sich manchmal wunderlich in seinen Gedichten ausdrückt, da er manches Wunderbare zu sagen hat. St. Schütze, Tagebuch 20. 12. 1807 (*JSK NF 4, 101; G M D )
Thee der Schopenhauer], Goethe kommt wieder, die Sch. umarmend. Er lobt Wernern. Dieser kommt auch, Wieland. Goethe vom (spanischen) Dorfrichter gesagt. St. Schütze, Die Abendgesellschaften der Hofrätin Schopenhauer (Weimars Album S. 200) B 3 2623
Wie es nun auf einmal hieß, Werner komme nach Weimar, war man um so begieriger, wie Goethe ihn empfangen würde. Er traf zuerst in Jena mit ihm zusammen. Kaum aber hatte er ihn kennen gelernt, als die Achtung, mit welcher Goethe jedes Talent zu schätzen wußte, alle Abneigung gegen ihn verwischte und ihn ganz zu seinen Gunsten stimmte. Dazu kam, daß Werner bei der unbe403
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Weimar grenzten Verehrung, die er für Goethe empfand, es nicht an Ausdruck derselben gegen ihn fehlen ließ. Mit einem fast feierlichen Ernste brachte Goethe ihn nach Weimar herüber. C. Bettuch, Tagebuch 20. 12. 1807 (GSA, Bertuch 3069)
Auf dem Abend . . . zu M d ' Schopenhauer — Werner der Verfaßer dr Weihe d. Kraft saß da im Kreise [von Goethe u. a.], u. unterhielt von der Frohnleichnamsproceßion in Wien recht gut. Sein Aeußeres ist zurückstoßend; struppig schwarzes Haar mit graugelben Teint. 21. 12.
Tagebuch 21. 12. 1807 (WA III 3, 309)
Früh bey Durchlaucht der Herzogin und dem Erbprinzen. Riemer, Tagebuch 21. 12. 1807 (Keil 5 S. 272)
Früh Sonette. Mittags sie Goethen vorgelesen. Dessen Rath, sie zu secretiren. Charlotte v. Schiller an F. v. Stein 21. 12. 1807 (Urlichs1 1, 503)
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Ich habe Goethe begegnet heut, er sieht sehr wohl aus; er war beinahe sechs Wochen in Jena und hat den Herrn Werner mitgebracht, dessen Bekanntschaft ihn sehr freut. Ein poetisches Interesse ist ihm immer wohlthätig, deßwegen wird er den belebenden, beseelenden Umgang unsres Freundes niemals verschmerzen. 22. 12.
Tagebuch 22. 12. 1807 (WA III 3, 309)
Bey Durchlaucht der Prinzeß: über Werner und seine Werke. Mittag bey Mad. Schopenhauer bis gegen Abend: mit Werner, Fernow, Meyer, Uckert, Conta, Dem. Elsermann. Nachher mit Dem. Elsermann ihre Rolle aus den Corsen. Henriette v. Knebel an Knebel 23. 12. 1807 (Düntzer 4 S. 321)
B 2 1058 e Β 3 2604
Goethe kam gestern Vormittag zu uns und war sehr liebenswürdig. Er las uns einen kleinen Anfang seiner „Pandora" vor, der uns außerordentlich interessirt. Karoline v. Bose an Knebel 22. 12. 1807 (GSA, Knebel 124)
D a Ihnen die Liebe Schwester Hennerjette Morgen nicht recht viel wird sagen können weil Göthe die Auserwählten zu seinen Vorlesungen wieder eingeladen hat, so will ich ein paar Worte dazu s a g e n . . . Es hat mir Leid gethan daß Sie eine Zeither nicht so ganz wohl waren, Göthe sagte uns aber heute, als er den Vormittag zur Prinzeß kam, daß die K o p f Übel gröstentheils vorüber wären, was uns sehr erfreute, Hennerjette wird Ihnen von diesen artigen Besuch wohl mehreres sagen, ich bewunderte in aller stille und unbemerckt, den schönen Vortrag des uns schon von Ihnen angekündigten neuen Productes, dieses in so mancher Rücksicht einzigen Mannes. Wir waren alle ganz entzückt und gerührt 21. 12.
Carl August an Goethe 21. 12. 1807 (Wahl1 2, 9) Wir sehn uns ja wohl heute in der Comedie.
404
Weimar
1807
davon, — und doch wird mir immer die Sprache zu diesen Manne versagen und ich habe eine Scheu vor ihm, die ich gegen Sie nie kannte, und die mir doch unheimlich ist, so viel hohe Achtung ich auch vor seinen Geist habe — 23. 12.
Tagebuch 23. 12. 1807 (WA III 3, 309)
Um 10 Uhr kamen Durchlaucht die Herzogin, die Hoheit und Prinzeß Caroline nebst den übrigen Damen. Wurde Werner präsentirt und las einige Sonette vor. Mittags Werner zu Tische. C. Bertuch an L. F. Froriep 2. 1. 1808 (GSA, Bertuch 3192, 53)
Goethe ist sehr intim mit Werner. Er kömmt mir vor, wie Faust mit dem Famulus — aber auf gute Art. Werner muß jezt die Herrschaft! Mittwochs MorgenGesellschaft bey Goethe unterhalten. W. gefällt allgemein wegen seiner Anspruchlosigkeit. Maria Pawlowna an Maria Feodorowna 23. 12. 1807 (HSTA Weimar, HA A X X V R 155, 290) B 3 7452
Ce madn chère Maman j'ai eu le bonheur de Vous dire que j'ai été d'un déjeuner spiritûel chez Göthe; Mr. Werner auteur de la fameuse pièpe de Luther ou bien Die Weihe der Krafft, (comprenez Vous ce titre chère Maman, par hazard?) y étoit, et nous a lû quelques uns de ses sonnets qui etaient fort jolis, et me plaisent mieux que son Mardn Luther, ou il y a des choses par trop rebutantes à mon goût: ce Mr. Werner paroit intéressant quoique furieusement éxalté, quand il a commenpé à lire il y a mis une emphase et tant d'expression que j'ai failli mourir de rire, et que j'ai fait l'impossible pour ne pas perdre contenanpe sous son nez: mais il faut être juste, ses sonnets, ses ballades sont charmantes, et vraiment agréables. Maria Pawlowna, Choses remarquables. Journal 1805/08 (HSTA Weimar, HA A X X V Bl. 29)
Vû chez Göthe, en dépembre, le poète Werner, auteur des Söhne des Thals, de la Weihe der Krafft, etc. il est très intéressant, et moins mystique qu'on ne le croiroit quand on lit ses ouvrages, il lui reste pourtant une bonne, dose d'éxaltation. — Il nous a lû ce jour là 11/23 dépembre 1807, des sonnets et des ballades charmantes: une ballade tirée du Söhne des Thals extrêmement belle, un sonnet dramatisé sur le château de Heidelberg et une statue d'un des Pfalzgraffs qu'entoure une branche de lierre: — un sonnet dramatisé sur l'église des Hernhueter à Neu-Dittendorff; un autre qi'il a composé en se rendant à Jéna, et en traversant 23. 12.
An Charlotte v. Stein 18. od. 19. 12. 1807 (WA IV 19, 478) Auf künftigen Mittwoch früh wünschte ich die hohe und liebe Gesellschaft wieder einmal bey mir zu sehen. Werner der sehr gut vorliest sollte sich produciren. Henriette v. Knebel an Knebel 23. 12. 1807 (Düntzer 4 S. 321) Ich kann Dir an diesem spannenlangen Morgen auch nur weniges sagen, zumal da er mir durch den Besuch, den wir heute bei Goethen um 1 0 Uhr abstatten, und wo wir die Bekanntschaft des Herrn Werners machen werden, noch mehr verkürzt wird. Maria Pawlowna an Maria Feodorowna 23. 12. 1807 (HSTA Weimar, HA A X X V R 155, 307) B 3 7452 Je ne dis rien que peu de choses ipi ma bonne Maman, me sentant singulièrement bête, quoique revenant dans l'instant d'un déjeuner spiritûel de chez Göthe; je Vous en parlerois aussi plus au long.
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1807
Weimar le champ de bataille; — un autre écrit à Jéna même sur le retour du contingent Weimarois à Weimar: il est diffiçile de rien entendre de plus agréable ni de plus fini: la pente des idées de cet homme est singulièrement mystique, toutes ces compositions s'en ressentent, mais les détails en sont prépeux et singulièrement finis: deux autres sonnets, l'un sur la Wartburg, l'autre sur les fameux rochers Der Mönch und die Nonne, près d'Eisenach, m'ont fait particulièrement plaisir. —
22./ 23 12
Riemer an C. F. E. Frommann 23. 12. 1807 (Heitmüller S. 106)
Β 2 1058 f Β 3 2605
G. hat nehmlich schon vorauf mit Zuversicht darauf gerechnet, daß Sie zum zweyten Feyertag herüber kommen würden, und nunmehr ladet er Sie förmlich durch meine Hand dazu ein. Bittet aber zugleich, daß Sie sich einrichten möchten bey Ihm zu wohnen, und auch den ganzen Sonntag hier zu bleiben. Sie kämen Sonnabends zu Tische; sähen den Abend die artige u. sehr gut executirte Oper die Wegelagerer; hörten Sonntags früh bey uns die Sänger u. was es sonst giebt; u. gingen des Abends mit zur Schoppenhauer, u. möchten dann Mondtags früh nach Belieben Ihre Rückreise machen. Die Damen logiren im blauen Zimmer, welches gerade unter mir ist, u. Sie, mein Theuerster, neben mir an, in meinem ehemahligen Zimmer; so sind Sie ganz für sich u. ungenirt, u. können ungesehn und unvernommen mit Ihren Frauen verkehren. Ich zweifle nicht, daß Sie uns die Freude machen Sie auch einmal bey uns zu sehen und Ihnen einiges Artige zu erzeigen, da wir schon so lange her in Ihrer Schuld sind. Wir hoffen darauf. Werner macht auch hier sein Glück, wie nicht zu zweifeln war, u. Wieland goutirt ihn ebenfalls. Wir haben gestern bey der Schoppenhauer mit ihm gegessen; nach Tische las er die uns bekannten u. noch einige andre Sonette vor, u. selbst Fernow fand sie, der schwer zubefriedigende, lobenswerth. So eben versammeln sich die Herzoginn u. ihre Damen bey G. und Werner wird ihnen praesentirt. 24. 12.
Tagebuch 24. 12. 1807 (WA III 3, 310)
Gegen Mittag mit Werner bey Durchlaucht dem Herzog. Mittags allein. Abends bey Frau Hofräthin Schopenhauer. Riemer, Tagebuch 24. 12. 1807 (*Keil 5 S. 273; G S A , Riemer 1059)
Mit G. über Werner, wie er dem Herzog und den Damen gefallen. Seine Sonnette. Falsche Tendenz im Ritter Wilibald obgleich sonst vortrefflich. Ueber Heidenthum. St. Schütze, Tagebuch 24. 12. 1807 (*JSK NF 4, 101; GMD)
Zur Schopenhauer] . . . Arthur ist angekommen. Goethe mit Wernern über die Ruth [?]. 25. 12.
Tagebuch 25. 12. 1807 (WA III 3, 310)
Besuch vom Geheimen Regierungssecretär Müller. Mittags Herr Becker und seine Frau, Werner und Sophie Teller zu Tische. Abends Gesellschaft zu Augusts 406
1807
Weimar Geburtstag und kleine dramatische Unterhaltung von Dr. Vulpius, vorgestellt durch Dem. Elsermann, Engels, Häßler und Rinaldo. Chr. A. Vulpius an N. Meyer 30. 12. 1807 (Kasten 1 S. 220)
B 3 2606
An Augusts Geburtstage, waren wir wie gewöhnlich, recht vergnügt, u ich hatte ein Schspl. [„Die Erscheinung"] geschrieben, welches wir im Saale aufführten. Es erhielt viel Beyfall, besonders von G. u Wernern (dem Doktor Luthers Dichter,) der eben jetzt hier ist. Seine Schple machen aber hier nicht einmal Sensation. An Johanna Frommann 26. 12. 1807 (WA IV 19, 480)
Gestern Abend, zu Augusts Geburtstag, habe ich Sie sämmtlich hergewünscht, die theatralischen Freunde spielten ein kleines Stück wovon ich die Affiche beylege. Es war sehr artig. vor
C. Bertuch, Tagebuch 26. 12. 1807 (GSA, Bertuch 3069)
26. 12.
w e r n e r kam nach Tisch — Im Umgang ein offener geselliger Man. Er rühmte Goethes Art, jedem seine Individualität zu laßen — wodurch ihm viele [?] Modificai. [?] gekomen [?].
26. 12.
Tagebuch 26. 12. 1807 (WA III 3, 310)
K a m Herr Frommann von Jena und speiste zu Mittag bey uns. 27. 12.
Tagebuch 27. 12. 1807 (WA III 3, 310)
Mittags Frommann, Werner und Dem. Engels zu Tische, welche verschiedene Lieder sang. Abends bey Mad. Schopenhauer, wo Werner seine humoristischen Sonette recitirte, meist vor Mannspersonen. 28. 12.
Tagebuch 28. 12. 1807 (WA III 3, 310)
Mittags Geh. Regierungsrath Müller, der viel von Paris erzählte, Frommann und Werner. 29. 12.
Tagebuch 29. 12. 1807 (WA III 3, 311)
Um 11 Uhr zur Prinzeß Caroline, wo Frau von Stein und die gewöhnliche Gesellschaft war. Zu Mittag Demoiselle Elsermann. Nach Tische die Rolle aus Tancred mit ihr durchgegangen . . . Hofrath Meyer: über das vorseyende Programm. Kammersecretär Werner. Nachher Capellmeister Reichardt auf der Durchreise nach Cassel. An Carl August 31. 12. 1807 (WA IV 30, 106)
Seitdem Hofrath Meyer dem hiesigen Zeicheninstitut vorsteht hat er, immerfort wirkend, die Sache auf's ernstlichste durchgedacht und sie ist öfters der Gegenstand unsrer Gespräche gewesen. Das Zutrauen zu dieser Anstalt hat seit einem Jahre sehr überhand genommen, so daß sie jetzt beynahe Vierhundert Schüler zählt.. . Die Ungeschickten und Unfleißigen nehmen den Bessern den Platz weg und stören auf mancherley 407
Weimar
1807
Weise die Aufmerksamkeit. Nun kann man bey einem so liberalen Institut nicht strafen, wie in einer gemeinen Schule, und es ist deswegen unter uns zur Sprache gekommen, ob man nicht lieber nach und nach durch ernstere, unerläßliche, strenge Forderungen diejenigen Schüler vertreiben sollte, von denen wenig Hoffnung ist. Riemer, Tagebuch 29. 12. 1807 (Keil 5 S. 273)
Abends bei G., wo Meyer und Werner. Kam Reichardt von Giebichenstein, um nach Cassel zu gehen. J. F. Reichardt an Goethe 20. 1. 1808 (JbGG 11, 230)
Ihr theilnehmendes Wort des letzten Abends in Weimar ist in Erfüllung gegangen, mir ist eine neue lebenvolle Kunstlaufbahn eröffnet. Der König von Westphalen hat mich zu seinem Directeur général des théâtres et de son orchestre mit 8000 Liv. jährlichen Gehalts, und der Zusage einer baldigen Gehaltserhöhung, ernannt. 30. 12.
Tagebuch 30. 12. 1807 (WA III 3, 311)
Früh die Damen. Werner las den Vorbericht und 1. Act des Kreuzes an der Ostsee vor. Mittags Herr von Knebel mit seinem Sohne, die Morgens von Jena gekommen waren; wo viel über Werner, sein Naturell und Talent gesprochen wurde. Knebel, Tagebuch 30. 12. 1807 (GSA, Nachlaß Knebel)
Vorlesung von Hn Werner bei Göthe. Bei diesen zu Mittag. Maria Pawlowna an Maria Feodorowna 31. 12. 1807 (HSTA Weimar, HA A X X V R 155, 293) B 3 7454
Je n'ai pû Vous dire hier que j'avois assisté de nouveau à un déjeuner spiritûel chez Göthe hier matin: le s[ieu]r Werner nous a lû le premier acte d'un de ses Drames, Das Kreutz an der Ost-See, qui est assez intéressant comme un tableau succint des moeurs des habitans de la Prusse au treizième siècle, mais il y a de nouveau prodigieusement d'Exaltation et il s'est démené comme un fou pendant la lectûre, si bien chère Maman que je n'y tenois plus: à forçe de se trémousser, il a fait tomber une des baguettes de la table qui étoit devant lui, cet acpident m'a rendû le plus grand servipe m'ayant réveillée d'un assoupissement contre lequel je luttois avec peine: le tems ayant été superbe, j'en ai profité pour me promener à pied. Maria Pawlowna, Choses remarquables. Journal 1805/08 (HSTA Weimar, HA A X X V Bl. 29)
Le mercredi d'ensuite, il [Z. Werner bei Goethe] nous a lû un précis historique de son drame, das Kreutz an der Ost-See, il est très intéressant: le premier acte 30. 12.
Maria Pawlowna an Maria Feodorowna 30. 12. 1807 (HSTA Weimar, HA A X X V R 155, 310) B 3 7453 Ce matin, je compte aussi me promener mais moins que hier, car je ne pourrai le faire qu'a l'issûe d'un déjeuner chez Göthe, où je suis invitée: j'appelle cela un déjeuner spirituel, car Werner dont j'ai eu le bonheur de Vous parler dernièrement, doit y lire une de ses productions.
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1807
Weimar de cette pièpe dont il nous a fait lectûre aussi cette fois là, présente une peinture de l'état où étoit la Prusse au 13ième siècle: . . . . . . ainsi finit la partie de cet ouvrage qui est imprimée, la suite ne l'est point encore: la piafe où les prussiens font l'assaut du château est singulièrement bien décrit, l'histoire de la jeune fille qui sauve la fille du woiwode des mains du traître qui a fapilité l'entrée de Plotsk aux prussiens, est d'autant plus intéressante qu'elle est imitée de l'histoire véritable d'une jeune fille qui a sauvé la vie de la même manière à deux religieuses de la Prusse polonoise, événement constâté dans les fastes de la régence de Plotsk, ou Werner les a vûs, ayant été secretaire de la chambre à Plotsk. Il y a de belle choses dans cette pièpe, mais la tendanpe en est aussi infiniment mystique. Riemer an C. F. E. Frommann 30. 12. 1807 (Heitmüller S. 107)
Hier erfolgt das Mscpt von Hakon [von Oehlenschläger] und die Dedication zur Farbenlehre, beydes mit den besten Empfehlungen von Goethe. Charlotte v. Stein an F. v. Stein 31. 12. 1807 (*Düntzer 9 2, 277; GSA, Stein 107)
Ein Gelehrter aus einer Preusischen Kammer ist hier, Herr Werner der Verfaßer der Weyhe der Kraft, dieser eigendlich erzt Poet, noch mehr wie Schiller, und Goethe, declamirt uns beym Goethe die Mittwoche von seine Gedichte oder Dramas. Zwey mittwoche las er uns jedesmahl einen Akt aus seinen Drama das Kreuz an der Ostsee vor, er kehrt sehr offt im Lesen seine Augen schwärmerisch nach den Himmel ließt wen er nicht gar zu heftig wird angenehm, und fühlt sich einen Beruf wie er sagt die Liebe unter vielen tausend Gestalten der Welt vorzutragen. 19./ 30 12
Z. Werner an J. G. Scheffner 31. 12. 1807 (Floeck 1 2, 95)
Da die gesammte Critik im ästhetischen Fache, wie Göthe und Alle einsehen, noch auf dem Standpunkte der Rhetorik steht, und von der Poesie keine Idee hat, so ist es sehr natürlich, daß mein erstes, von rhetorischem Phrasengeklingel noch wimmelndes Buch, nehmlich die erste Ausgabe der Thals-Söhne, allen Critikern, (nahmentlich der erste Theil) gefallen mußte und das mein bestes Produkt den meisten mißfallen wird . . . Alle Kunstrichter, die ich unterwegens gesprochen habe, erklären die in dieser neuen Auflage vorkommende Ballade Z. Bsp. [Ritter Willibald jagt wohl aus der Schlacht], und auch nahmentlich der grosse Göthe, für ein Meisterstück. Sie wissen wie meine . . . Königsbergischen Landsleute . . . sich gegen das Kreuz an der Ostsee ereifert haben . . . Göthe, (der denn doch der competenteste Richter ist) hat mich veranlaßt, es, nebst andern meiner neuen noch ungedruckten Sachen, der regierenden Herzogin, der GroßFürstin-Erbprinzessin von Weimar und den ersten Damen in Weimar vorzulesen, was ich wöchentlich einmahl thue . . . Von dem noch nicht fertigen und annoch ungedruckten 2 tcn Theile des Creuzes an der Ostsee (der so excentrisch ist, daß die Königsberger ihn mit Füssen treten müßten) sagt Göthe: „Dies Werk wird in unsrer Literatur Epoche machen und Sie sind es Ihrem Ruhme schuldig, es bald und so, wie Sie es angefangen haben, zu beendigen." 409
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Ζ. Werner an F. Α. Brockhaus 19. 7. 1814 (JbFDH 1963, 288)
Β 3 2655
Ich habe zwey Sachen halb fertig, den zweyten schon so lange rückständigen Theil meines Creuzes an der Ostsee und einen grossen episch lyrischen Hymnus . . . Jenes hat Göthe für mein bestes Produckt (er hat die fertige Hälffte des zweyten noch ungedruckten Theiles des Creuzes an der Ostsee von mir vorlesen gehört) erklärt und gesagt (was ich a u f E h r e v e r s i c h e r n k a n n a b e r n i c h t zu p r o m u l g i r e n bitte) Göthe hat zu mir ipsissimis verbis gesagt: „Sie sind es Ihrer Ehre schuldig, es bald drucken zu lassen; es kann Epoche machen, mehr kann man nicht sagen!" Das sind Göthens über diesen Gegenstand schon im Jahr 1808 [1807] (denn der 2 t e Theil des Creuzes an der Ostsee war schon 1805 so weit fertig als er jezt ist) gesprochene Worte. 31. 12.
Tagebuch 31. 12. 1807 (WA III 3, 311)
Abends bey Mad. Schopenhauer, wo Gesellschaft war und man mit Gesang Mitternacht abwartete. St. Schütze, Tagebuch 31. 12. 1807 (*JSK N F 4, 101; GMD)
Dito [d. h.: Thee der Schopenhauer] Goethe ist schon da und spricht ganz offen über die ital. Schäferspiele. Riemer mit einem Danksonett an die Sch. Essen an 3 Tischen. Singen, Goethes Commando, die Engels. (Was macht er? Er lacht) Morhard. St. Schütze, Die Abendgesellschaften der Hofrätin Schopenhauer (Weimars Album S. 196) B 2 1569 B 3 2607
. . . Eine ähnliche Peinlichkeit erlebte ich an einem musikalischen Abend (den 31. Dezember 1807), als die Hofräthin Sänger und Sängerinnen vom Theater zu sich eingeladen hatte. Goethe kam von der Lektüre Italienischer SchäferIdyllen und befand sich in einer sanften, lyrischen Stimmung, in welcher er sich auch mit großer Anmuth über das Gelesene aussprach. Nachdem herrliche Lieder, besonders von Zelter, waren gesungen worden, während Goethe in den Zimmern auf- und abging, setzte sich die Gesellschaft an verschiedene Tische. Ich bekam meinen Platz unter den Künstlern und gab mich hier um so lieber lustigen Einfällen hin, als in diesem Kreise sich eine Lachtaube befand, die für Scherze sehr empfänglich und reizbar war. Aber plötzlich — mitten in der Fröhlichkeit — klopfte Goethe auf den Tisch, augenblickliche Stille und Gesang gebietend. D a hätte man sehen sollen, wie das halb ausgesprochene Wort auf den Lippen erstarb, wie die Mienen zuckten und ein Wetterleuchten über die Gesichter fuhr. Lachtaube hatte die erste Stimme — sie kämpfte ritterlich — mit bewundernswürdiger Fassung rang sie sich auf und die andern folgten ihrem Flug, während manche bitter-süße Thräne über hochgeröthete Wangen flöß. Zum Glück haben Schauspieler sich mehr in ihrer Gewalt als andere Menschen. — Sie blieben nun auf ihrer Huth, und wie Goethe einmal aufgestanden war, schlich Einer nach und kam mit der Nachricht zurück: er lacht! was denn die vorige Lust wieder zurückführte. 410
Weimar
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Caroline Bertuch an L. F. Froriep 3. 1. 1808 (GSA, Bertuch 3198, 9)
Den Sylvester Tag haben wir bey der Schoppenhauer recht artig zugebracht, es war ihre gewöhnliche Gesellschaft da, davon gieng um 8 Uhr ein ganzer Theil auf das Stadthaus zum Ball, worunter auch Werner, der Verfaßer der Kraft der Weyhe, oder der Weyhe der Kraft, war; der alte Herre tanzt noch gern. Nachher kahmen 5 Sänger und Sängerin von den Theater, die Quartets und Sachen von Schiller sehr hüpsch sangen, dazwischen war ein sehr splentites kaltes Abendeßen und so kahm bey den Punsch porte [?], unter Gesang das neue Jahr anbey, man sang unter andern auch, als eine Arth von Compliment für die Wirthin, der Freundschaft ein vivat, und Göthe war sehr heiter und artig. Es war auch der Schoppenhauern ein hiipsches sehr schmeichelhaftes Gedicht auf den Tisch gelegt worden, von wem kahm nicht heraus, sie war aber sehr froh und glückseelich. 1807
Riemer (Dtsch. Revue 11, 2 S. 166)
B 2 945 B 3 2786
[Goethe:] „Weiber verstehen alles à la lettre oder au pied de la lettre, verlangen aber, daß man sie nicht so verstehen soll." Riemer (Keil 5 S. 224)
Goethe: „Die Frauenzimmer sollten ihre Liebhaber einpökeln, damit sie von Zeit zu Zeit sie herausholen könnten und sich daran ergötzen." Riemer (*Dtsch. Revue 11, 2 S. 166; Keil 5 S. 274)
B 2 946 B 3 2787
[Goethe:] „Ein Gott kann nur wieder durch einen Gott balancirt werden. Die Kraft soll sich selber einschränken, ist absurd. Sie wird nur wieder durch eine andre Kraft eingeschränkt. Dieses specificirte Wesen kann sich nicht selbst einschränken, sondern das Ganze, welches sich specificirt, schränkt sich eben dadurch selbst ein, aber nicht das Einzelne s i c h . " Riemer (»Dtsch. Revue 11, 2 S. 166; Keil 5 S. 274)
B 2 947 B 3 2788
[Goethe:] „Nur nichts als Profession getrieben! Das ist mir zuwider. Ich will alles, was ich kann, spielend treiben, was mir eben kommt und so lange die Lust daran währt. So hab' ich in meiner Jugend gespielt unbewußt; so will ich's bewußt fortsetzen durch mein übriges Leben. „Nützlich" — Nutzen das ist eure Sache. Ihr mögt mich benutzen; aber ich kann mich nicht auf den Kauf oder die Nachfrage einrichten. Was ich kann und verstehe, das werdet ihr benutzen, sobald ihr wollt und Bedürfniß darnach habt. Zu einem Instrument gebe ich mich nicht her; und jede Profession ist ein Instrument, oder, wollt ihr's vornehmer ausgedrückt, ein Organ." Riemer (»Pollmer 1 S. 287; G S A , Riemer 748)
B 2 1 6 1 5 B 3 2587
G. 1807. „Böttiger ist wie die Harpyen. Er kann dem Publicum nichts auftischen, ohne daß er zugleich drein scheißt."
411
1808
Weimar
1808 1. 1.
Tagebuch 1. 1. 1808 (WA III 3, 312)
Die Sänger, Schauspieler und andre Personen zum Frühstück. Verschiedenes von den vierstimmigen Gesängen vorgetragen. Mittags Dem. Elsermann. Rolle aus dem Tancred. Riemer, Tagebuch 1. 1. 1808 (*Dtsch. Revue 11, 4 S. 20; Keil 5 S. 275)
B 3 2608
Früh die Sänger zum Gratuliren. Kamen auch sämmtliche Schauspieler, die Herren; nur wenige Damen. Hatte Eberwein einige Verse von mir auf Goethe componirt, die gesungen wurden. Stromeyer's Stimme machte sich vortrefflich . . . Elsermann speiste mit uns und Sophie Teller. K. Eberwein, Erinnerungen (Dtsch. Revue 2, 4 S. 125)
B 3 2609
Zur Feier des ersten Januars 1808 dichtete Riemer einen Lobgesang an Goethe, den ich fünfstimmig in Musik setzte, damit auch Heß sich dabei betheiligen möchte . . . Früh 8 Uhr versammelte sich unser Septett im Urbini-Zimmer des Goethe'schen Hauses. Als der zu Feiernde in das Zimmer trat und wir ihn mit dem Gesang: „Meister göttlichen Gesanges, Den Du uns in's Herz gesungen, Sieh, wir nahen Dir, durchdrungen Von Verehrung, Lieb und Dank, Dir zu weih'n die Huldigungen Unsrer Herzen; unsre Zungen Strömen festlich Vollgesang! Wünsche für Dein theures Leben Senden wir zu hohen Sphären, Götter wollen sie gewähren, Ja, so ahnet unsre Brust! Mögest Du voll Huld uns hören: Dir zu dienen, Dich verehren, Unser Stolz ist's, unsre Lust!" begrüßten, prägte sich in seinem Gesicht die tiefe Bewegung aus, in welche ihn unser Gesang versetzte. Das war wohl anders nicht möglich, denn die Sänger sangen so gefühlvoll und mit einem Ausdruck, den ich früher nicht bei ihnen bemerkt hatte. Als der Gesang verklungen war, dankte der hochverehrte Meister mit wenigen, aber bedeutungsvollen Worten. Zur Erfrischung wurde uns Glühwein verabreicht. Das Urbini-Zimmer, der Saal und die angrenzenden Räumlichkeiten faßten kaum das Heer der Gratulanten, die der Excellenz ihre Glückwünsche zu Füßen legten. Damit auch jene unsern Gesang hören möchten, ließ uns Goethe durch die Geheimräthin auffordern, ihn zu wiederholen. Stromeier, mit seiner wunder412
Weimar
1808
vollen Stimme, übernahm die Baßpartie, wodurch die Wirkung der Komposition noch verstärkt wurde. Kurz darauf rief mich die Geheimräthin bei Seite und frug mich, ob ich wohl Lust hätte, einige Zeit nach Berlin zu gehen und bei Zelter Unterricht zu nehmen; der Geheimerath würde mir dabei behilflich sein. Ueber den Antrag erfreut, entgegnete ich, daß ich schon Vorjahren den Wunsch gehabt, mich in der Königsstadt aufzuhalten, aber keinen Urlaub bekommen hätte. „Nun dafür," erwiderte sie, „lassen Sie den Geheimerath sorgen." Anf. Jan.
H. Becker an H. Blümner 10. 1. 1808 (HSTA Weimar, Genint, Slg. Pasqué 2, 2)
Werner ist ein großer Schmeichler, und weiß seine Schmeicheleyen mit Geschicklichkeit anzubringen. Mann will ihm wohl! Göthe ist ganz Entzückt von ihm. 2. 1.
Tagebuch 2. 1. 1808 (WA III 3, 312)
Architekt Steiner wegen des Brunnens in Belvedere . . . Nach Tische Wolff wegen Repetition der Rolle Tancreds. Riemer, Tagebuch 2. 1. 1808 (Keil 5 S. 277)
Früh bei Goethe. Einiges geschrieben. Kalender nachgetragen. Mittags allein. Einige Sonette vorgelesen. In's Theater. In Goethes Loge'chen. Anfangs allein. Kam hernach Goethe und Werner. Abends zu Hause. Noch lange unten aufgesessen, geschwätzt und getrunken. 3. 1.
Tagebuch 3. 1. 1808 (WA III 3, 312)
Um 11 Uhr die Sänger . . . Mittags Deny zu Tische . . . Abends bey Mad. Schopenhauer, wo Fernow das Leben des Ariost vorlas. Seckendorfs Musenalmanach auf 1808. A n Betuna Brentano 9. 1. 1808 (WA IV 20, 3)
Ihre Schachtel kam kurz vor Tische, verdeckt trug ich sie dahin wo Sie auch einmal saßen und tranck zuerst Augusten aus dem schönen Glase zu. Wie verwundert war er als ich es ihm schenckte! Darauf wurde Riemer mit Kreuz und Beutel beliehen. Niemand errieth woher. Auch zeigte ich das höchst künstliche und zierliche Besteck, da wurde die Hausfrau verdrieslich daß sie leer ausgehen sollte. Nach einer Pause um ihre Geduld zu prüfen zog ich endlich den Gewandstoff hervor, das Räthsel war aufgelöst und jedermann im Lob und Preise Bettines fröhlich . . . Das ausgesuchte zierliche der Gaben war überraschend. Kunstkenner wurden herbeygerufen die artigen Balgenden zu bewundern, genug es entstand ein Fest als wenn Sie eben selbst wieder gekommen wären. St. Schütze, Tagebuch 3. 1. 1808 (GMD)
Bei der Schopenhauer], Werner über die Lustspiele in Oesterreich. Fernow liest das Leben von Ariost. 413
1808 4. 1.
Weimar Riemer, Tagebuch 4. 1. 1808 (Keil 5 S. 277)
Brief bei Goethe. Antikritik auf Schlegel über Racine, im Pubücisten . . . Über Tische Verdruß durch Werner's Indiscretion. vor 5. 1.
C. Bertuch an Böttiger 5. 1. 1808 (GJb 10, 152)
Werner ist noch hier, logirt im Schwan und ist täglich bey Goethe. 5. 1.
Tagebuch 5. 1. 1808 (WA III 3, 313)
Mittags Dem. Elsermann und Werner zu Tische. Nachher Wolff und Deny wegen der Rollen im Tancred. 6. 1.
Tagebuch 6. 1. 1808 (WA III 3, 313)
Früh die Damen. Werner las den 2. Act des Kreuzes an der Ostsee. Mittags allein. Über das Revolutionsstück. Henriette v. Knebel an Knebel 9. 1. 1808 (Düntzer 4 S. 322)
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Der zweite Akt von seinem [Z. Werners] „Ostseekreuz", den wir am vergangnen Mittwoch [bei Goethe] gehört haben, gefällt mir auch besser als der erste . . . Mit Deinen vortrefflichen lieben Sprüchen haben wir uns noch sehr angenehme Stunden gemacht. Sie gefallen der Prinzeß außerordentlich . . . Doch wollen wir sie dem Goethe zeigen, der nun gewöhnlich die Dinstage Vormittag kommt. . . Goethe liest uns die Dinstage eine schlegelsche Uebersetzung eines spanischen Drama vom Calderón [Der standhafte Prinz] vor, was wir auch recht schön finden. Maria Pawlowna an Maria Feodorowna 6. 1. 1808 (HSTA Weimar, HA A X X V R 155, 296)
J'espérois Chère Maman, avoir le bonheur de Vous écrire au long aujourd'huy, mais le déjeuner spiritûel chez Göthe et la lectûre qu'a faite le S[ieu]r Werner du second acte de sa pièpe [Das Kreuz an der Ostsee], ont dûré si furieusement longtems, que cela me devient impossible devant ce soir. Riemer, Tagebuch 6. 1. 1808 (Dtsch. Revue 11, 4 S. 20)
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Goethen die Sonette communiciert. Er dagegen seine Romanze auf die Königin, die Hofdame, der die Tasse vor dem Munde zerbricht, und den Pagen [Wirkung in die Ferne]. 7. 1.
Tagebuch 7. 1. 1808 (WA III 3, 313)
Abends bey Mad. Schopenhauer. Werner recitirte einige Sachen. Gezeichnet. Riemer, Tagebuch 7. 1. 1808 (Keil 5 S. 277)
Mittags allein. Über Resident Reinhard, s. Frau. Über Sympathie und Aversion. Abends bei Mad. Schopenhauer große Gesellschaft. Las Werner seine Sonette vor. 6. 1.
Maria Pawlowna an Maria Feodorowna 6. 1. 1808 (HSTA Weimar, HA A X X V R 155, 314) J'en reste là, à cette heure, devant de nouveau être d'un déjeuner spiritûel chez Göthe.
414
Weimar
1808 8.1.
Tagebuch 8. 1. 1808 (WA III 3, 313)
Director Lenz wegen Herrn von Miifflings lateinischen Stunden. Mittags Sophie Teller zu Tische. Uber Werners Liebeshypothesen und was dabey zu bedenken und zu erinnern. Abends mit August die Bremischen Münzen ausgepackt und die Sparbüchse geordnet. Riemer, Tagebuch 8. 1. 1808 (Dtsch. Revue 11, 4 S. 20)
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Mittags allein. Uber Werner, die Liebe. „Es giebt — äußerte Goethe, — im Menschen auch ein dienenwollendes; daher die Chevallerie der Franzosen, Servage." 9. 1.
Tagebuch 9. 1. 1808 (WA III 3, 313)
Zu Herrn v. Zigesar, wo ich die beyden Jungen Ehleute, dann Gräfinn Beust, Fri ν Reizenstein und Silvie fand. 10. 1.
Tagebuch 10. 1. 1808 (WA III 3, 313)
Früh Hauptmann von Müffling wegen seiner lateinischen Stunden beym Director. Die Sänger. Mittags Wolffs und Werner zu Tische. Nachher Leseprobe von Wanda. Zu Frau Hofrath Schopenhauer. Wegen Unpäßlichkeit meiner Frau wieder nach Hause. Um 8 Uhr zu Demoiselle Jagemann mit Werner. Durchlaucht der Herzog war daselbst. Werner trug seine Sonette vor. Riemer, Aphorismen S. 322
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In dem „Machtspruch" von Ziegler schienen ihm [Goethe] die Helden wie von Därmen gemacht, von ausgestopften Därmen, als wären die Gliedmaßen lauter Würste. St. Schütze, Tagebuch 10. 1. 1808 (JSK NF 4, 101)
Bei der Schopenhauer]. Goethe über den Tyroler Wastel. Bertuch von Privatkomödie. vor 11. 1. An F. H. Jacobi 11. 1. 1808 (WA IV 20, 5)
Ich habe mich in allerley Arbeiten versenkt, viel mit gegenwärtigen Freunden und durchreisenden Fremden gelebt; besonders hat Werner, der Sohn des Thals, den du ja auch kennst, uns durch sein Wesen, so wie durch seine Werke unterhalten und aufgeregt. 11. 1.
Tagebuch 11. 1. 1808 (WA III 3, 314)
Mittag Engels, war meine Frau besser. Von Zigesar einladend. Abends bey Ziegesar. Werner, Gräfin Beust, Fräulein Reizenstein und Fräulein Sylvie. Später kam die Frau Oberforstmeister von Ziegesar. Riemer, Tagebuch 11. 1. 1808 (Keil5 S. 278)
Früh . . . Briefe bei Goethe. 12. 1.
Tagebuch 12. 1. 1808 (WA III 3, 314)
Mittags allein: über Werners christliche Symbolik. 415
1808
Weimar Riemer, Tagebuch 12. 1. 1808 (Dtsch. Revue 11, 4 S. 20)
Mittags über Werner und seine christliche Symbolik. Henriette v. Knebel an Knebel 13. 1. 1808 (Düntzer 4 S. 322)
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Es war seit langer Zeit der erste Abend, den ich ruhig zu Haus zubrachte. Frau von Stein und Boschen waren da; auch Prinzeß, die erst um 7 Uhr zur Großfürstin ging. Es war recht vertraulich und hübsch bei uns . . . Die Stein war gar angenehm und gut. Sie war schon früh zum Kaffee hier. Goethe kam auch, und las uns den „standhaften Prinzen" aus Calderón. Ach, wie ist das schön und r e i c h ! . . . Es soll noch ein ganz vortreffliches darunter sein. Ich wollte, Du lerntest Spanisch und wolltest sie übersetzen. Schlegel läßt sie jetzt hängen und beschäftigt sich mit andern Sachen. C. Bertuch, Tagebuch 12. 1. 1808 (*JSK NF 4, 101; G S A , Bertuch 3069)
Abends Concert u. Souper bey dem Erbprinz. — Goethe, Werner, Ziegesar, Fritsch, Riedel, etc. — Werner jun. spielte — sonst unbedeutend. Das Souper heiter; ich neben Vohs u. Spiegel. 12. 1. (?)
Charlotte v. Stein an F. v. Stein 14. 1. (?) 1808 (FDH)
Goethe der auch Dienstag früh sich wie von ohngefähr bey der Prinzeß eingefunden hat, ließt uns die ausgesuchtesten Sachen von Poesie von sich und andern vor, neulich las er den standhaften Prinzen vom Chalderon welches Schlegel aus den Spanischen übersezt; er will es auch hier aufführen laßen. 13. 1.
Tagebuch 13. 1. 1808 (WA III 3, 314)
Die Damen. Werner las den dritten Ackt des Kreuzes an der Ostsee. 14. 1.
Tagebuch 14. 1. 1808 (WA III 3, 314)
Mittags Demoiselle Elsermann zu Tische. Abends bey Mad Schoppenhauer gezeichnet. Riemer, Tagebuch 14. 1. 1808 (Dtsch. Revue 11, 4 S. 21)
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Abends bei Mad. Schopenhauer. Goethes Späße über das Kreuz. C. Bertuch, Tagebuch 14. 1. 1808 (*JSK NF 4, 101; GSA, Bertuch 3069)
Führe Griesinger bey M de Schopenhauer ein. — Bekantschaft v. Fernow u. Goethe, der heute sehr munter war, u. mit Fr. v. Schard eine Kreuzlandschaft zeichnete. 13.1.
Henriette v. Knebel an Knebel 13. 1. 1808 (Düntzer 4 S. 323) Ich muß fort zu Goethen. Werner liest das Ende vom „Ostseekreuz".
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Maria Pawlowna an Maria Feodorowna 13. 1. 1808 (HSTA Weimar, HA A X X V R 156, 1) Pour ifi, je m'en vais ce matin à un déjeuner chez Göthe. 14. (?) 1.
O. Rühle v. Lilienstern an Bertuch 11. 1. 1808 (GSA, Bertuch 5554, 12) Göthe hat Müller geantwortet, und versprochen, sobald es Zeit und Gesundheit erlauben, Beiträge zum Phöbus zu geben. Sie könen uns sehr verbinden, wenn Sie ihm von Seiten Müllers und Kleists und meiner darüber etwas Schmeichelhaftes sagen wollen.
416
1808
Weimar St. Schütze, Tagebuch 14. 1. 1808 (*JSK NF 4, 101; GMD)
Bei der Schopenhauer], Goethe zeichnet. Die Sch. mit Wernem im Gespräch. 15. 1.
Riemer, Tagebuch 15. 1. 1808 (Dtsch. Revue 11, 4 S. 21)
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Reiste Goethe mit ihr nach Jena. Jena J. D. Färber, Kalender 15. 1. 1808 (UB Jena, Nachl. Martin q 20)
Sind der Herr Geh. Rath u. Frau Geh. Räthin von Göthe bei Bischoffs einlogirt. (Vormitt.) Tagebuch 15. 1. 1808 (WA III 3, 314)
Früh nach Jena Zu Frommans Mittag bey Hrn. ν Hendrich Fr. Faust gelesen. Nachts Reinbecks kleine Erzählungen. 16. 1.
Abends bey
Tagebuch 16. 1. 1808 (WA III 3, 314)
Früh bey M. [Minchen?] . . . Zum Ball Bis zwölf.
Mad Seidensticker und Löwenich. Mittag v. Hendrich
Knebel, Tagebuch 16. 1. 1808 (GSA, Nachlaß Knebel)
Morgens bei Göthe u. Frommans. NachMittags . . . Voigt . . . hier. Voigt bleibt Abends u. geht mit meiner Frau u. Karl auf den Ball, wo auch Göthe ist. 17. 1.
Tagebuch 17. 1. 1808 (WA III 3, 314)
Mittag bey Knebel
Abends bey Frommanns
Hackerts Biographie.
Knebel, Tagebuch 17. 1. 1808 (GSA, Nachlaß Knebel)
Mittags Göthe u. Frau hier, u. Voigt. Abends bei Frommans. Knebel an Goethe 19. 1. 1808 (Guhrauer 1, 318)
Für die liebe Vorlesung [aus Philipp Hackert] bei Fromanns danken wir noch. Man könnte sie der König und sein Künsder betiteln. Das ächte spanische Blut in jenem macht sie beinahe mährchenhaft. 18. 1.
Knebel, Tagebuch 18. 1. 1808 (GSA, Nachlaß Knebel)
G. reißt wieder ab. 15./
F. A. Wolf an I. Bekker 15. 2. 1808 (Reiter 4, 12)
18· 1· (?)
Was
18. 1.
J. D. Färber, Kalender 18. 1. 1808 (UB Jena, Nachl. Martin q 20)
Göthe hat, Ihre Recension des Bast QALZ 1807 Nr. 28η, wie mir Eichstädt] schreibt, zu hart und zu bitter zu finden, verstehe ich nicht, wo nicht etwa E. Bast statt Boissfonade] geschrieben hat.
[Goethe] Vorm. wieder nach Weimar abgereist. 417
1808
Weimar
Weimar Riemer, Tagebuch 18. 1. 1808 (Dtsch. Revue 11, 4 S. 21)
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Kam Goethe zurück von Jena. 19. 1.
Tagebuch 19. 1. 1808 (WA III 3, 314)
Bey Fr. v. Stein seine Schriften.
Mittag Werner
Destouches Chöre zu Wanda
Werner über
vor 20. 1. Z. Werner an Johanna Rinck 20. 1. 1808 (Floeck 1 2, 107)
Ich spreche Göthen, der mir a u ß e r o r d e n t l i c h gut ist, täglich, muß den Prinzessinnen, dem Herzoge vorlesen pp aber l a s s e n S i e d a s in kein J o u r n a l d r u c k e n ! Mein neuestes Trauerspiel: Wanda, Königin der Sarmaten, wird den 30 s t e n Januar hier zu der Herzogin Geburtstage aufgeführt. Göthe, auf dessen Veranlassung das geschieht, wendet alle ersinnliche Mühe auf die gute Execution. 20. 1.
Tagebuch 20. 1. 1808 (WA III 3, 315)
Die Damen. Die Hoheit über Werner. Sänger. Verschiednes Vierstimmiges und sonst. Nach Tische Schlittenfahrt August mit der Mutter, Elsermann und Engel. Hofr. Meyer. Römische Münzen. Maria Pawlowna an Maria Feodorowna 20. 1. 1808 (HSTA Weimar, H A A X X V R 155, 304)
J'ai . . . été comme d'usage le mércredi chez Göthe. Maria Pawlowna, Choses remarquables. Journal 1805/08 (HSTA Weimar, H A A X X V Bl. 30)
Vu chez Göthe le mércredi 8/20 janvier, quelques médailles en fer; comme une de l'Emp: Maximilien I, une autre de Charles-Quint dans sa jeunesse, je ne saurois dire qu'elle le représente d'une manière grapieuse: une autre de Marie de Bourgogne epouse de Max: I, une de Marie de Médicis. 21. 1.
Tagebuch 21. 1. 1808 (WA III 3, 315)
Mittags Mad. Wolff und Dem. Elsermann zu Tische. Abends bey Durchlaucht dem Herzog und dem Erbprinzen. Riemer, Tagebuch 21. 1. 1808 (»Dtsch. Revue 11, 4 S. 21; Keil 5 S. 279)
Mittags Mad. Wolff und Dem l l e Engels zu Tische, rother Sammt zum Anzüge in der Wanda. Abends . . . Bei uns die Sänger. Streit über die Deutschen, besonders die Preußen und sonst, aber gut geendet.
20. 1.
Henriette v. Knebel an Knebel 20. 1. 1808 (Düntzer 4 S. 323) Deinen Brief an Goethen will ich, da wir jetzt hingehen, selbst in seine Hände geben.
418
1808
Weimar Henriette ν. Knebel an Knebel 23. 1. 1808 (Düntzer 4 S. 324)
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Am Donnerstag Vormittag endigte er [Goethe] bei uns den „standhaften Prinzen", der in der That außerordentlich schön ist. Die Prinzeß mußte ihm Deine kleinen Gedichte mitgeben, doch darf es nur auf kurze Zeit sein. C. Bertuch, Tagebuch 21. 1. 1808 (*JSK NF 4, 101; G S A , Bertuch 3069)
Abends Thee u. Souper Erbprinz. Werner, Goethe Ziegesar, Spiegel u. andere. Kleine Musik. Magnetismus mit den Degen. An Zelter 22. 1. 1808 (WA IV 20, 8)
Die Musik ist schon der kleinen Schule übergeben worden. Ihre erste Sendung ist noch immer das beste was wir die Zeit her erhalten haben. Gestern wurde das meiste davon unsern Fürstinnen vorgetragen, welche viel Vergnügen daran fanden.. . Meine kleine Anstalt geht recht gut; nur schreiten die jungen Leute, wie Sie wohl wissen, gar gern aus dem Wege und jeder dünkt sich behaglicher, wenn er Solo irgend ein lamentables Grablied oder ein jammervolles Bedauern verlorner Liebe singt. Ich lasse ihnen dergleichen wohl zu, gegen das Ende jeder Session . . . Ich lobe mir was von Ihnen, lieber Freund, entspringt. Auch gestern wieder bey dem „ N i e m a l s e r s c h e i n e n die G ö t t e r allein", beym „Lieben F r e u n d e , es g a b b e s s r e Z e i t e n " war es gleich als ob Jedermann den Staub und die Asche des Jahrhunderts vom Haupte schüttelte. 22. 1.
Tagebuch 22. 1. 1808 (WA III 3, 315)
Mittags Werner und Sophie Teller. Abends bey der regierenden Herzogin die Hackertschen Anekdoten. Riemer, Tagebuch 22. 1. 1808 (Dtsch. Revue 11, 4 S. 21)
Früh an Hackerts Biographie geschrieben. Mittags Werner und Dem. Elsermann zu Tische. Ließen wir das Leben Caroli Gustavi von Pufendorf kommen, wegen der polnischen Trachten. Maria Pawlowna an Maria Feodorowna 23. 1. 1808 (HSTA Weimar, HA A X X V R 156, 5)
Hier Soir j'ai été prendre le thé chez la Duchesse: Göthe y étoit, et nous a lû des anecdotes sur Hackert, écrites par feu Hackert lui même, elles sont charmantes, Göthe étoit d'une disposition radieuse, de sorte que c'étoit très agréable, et je me suis extrêmement amusée: quand il veut et qu'il est bien disposé il est impossible d'être plus aimable que Göthe. Maria Pawlowna, Choses remarquables. Journal 1805/08 (HSTA Weimar, HA A X X V Bl. 30)
Entendû lire le vendredi 22 janvier à Göthe, un soir chez la duchesse, des anecdotes sur Hackert par Philippe Hackert lui même: impossible de rien enten22. 1.
An Charlotte v. Stein 22. 1. 1808 (WA IV 20, 8) Heute Abend hoffe ich Sie zu sehen.
419
1808
Weimar dre de plus gai, de plus intéressant et de plus amusant: tout y paroit peint au natûrel, et tout y est animé. — Göthe parloit ce soir là beaucoup de l'art de restaurer les tableaux des différens propédés que l'on employe pour ôter le repeint; à Venise il y avoit une académie de ces restaurateurs, un nommé Andréas allemand de naissanpe étoit un des plus habiles d'entre cette école: ils enlevoient la couleur qu'on avoit mis sur la couleur originâle du maitre qui avoit peint le tableau, en roulant sur la toile, ou en la frottant avec des épingles faites exprès: il y a des tableaux ou le peintre a peint certaines parties comme draperies, etc. Sur une étoffé, dont le dessin en ramages paroit, ces restaurateurs possédoient l'art de remettre des tableaux où des parties pareilles étoient entamées par le tems, en état. — Göthe nous a ensuite beaucoup parlé d'Angélique Kauffman qui vient de mourir: il nous a fait une description de son ménage, et du contraste de son caractère doux et aimable, avec celui de son mari, qui étoit un vieil avare. — Henriette v. Knebel an Knebel 23. 1. 1808 (Düntzer 4 S. 324)
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Gestern Abend las Goethe bei der Herzogin uns den neapolitanischen König oder aus Hackerts Biographie vor. Es hat uns sehr ergötzt und fand großen Beifall. 22. 1. (?)
Henriette v. Knebel an Knebel 27. 1. 1808 (Düntzer 4 S. 320)
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Goethe hat der Prinzeß und mir heilig versprechen müssen, für Wernern gut zu sorgen. 23. 1.
Tagebuch 23. 1. 1808 (WA III 3, 315)
Vor Tische spatzieren mit Frau von Stein. Mittags Dem. Elsermann. Rolle der Babet [in Kotzebues „Wirrwarr"] durchgegangen. Riemer, Tagebuch 23. 1. 1808 (Keil 5 S. 279)
Bei Goethe Brief an Humboldt. 24. 1.
Tagebuch 24. 1. 1808 (WA III 3, 315)
. . . Nachher Hofkammerrath wegen Theaterangelegenheiten. Verschiedene Decorationen und sonstiges zu Wanda. Mittag Dem. Elsermann. Vorher bey Durchlaucht dem Herzog, der nicht ganz wohl war. Gegen Abend zu Mad. Schopenhauer. Mit Hofrath Meyer die Decorationen und Requisiten durchgearbeitet. Riemer, Tagebuch 24. 1. 1808 (Keil 5 S. 279)
Mittags wir drei: Goethe, Elsermann und ich allein . . . Abends bei Mad. Schopenhauer Fernow, Meyer, Goethe und Sie, Schütz pp. Theater, Wanda besprochen. St. Schütze, Tagebuch 24. 1. 1808 (*JSK NF 4, 101; GMD)
Bei der Schopenhauer]. Meyer zeichnet zur Wanda. Goethe hat die Directorstimmung. pp. 420
Weimar
1808 25. 1.
Tagebuch 25. 1. 1808 (WA III 3, 315)
Mittags allein: über die Christianer. Wferners] Cophtacismus, heimliche Lüsternheit der Herren. Riemer, Tagebuch 25. 1. 1808 (*Dtsch. Revue 11, 4 S. 21; Keil 5 S. 279)
Bei Goethe Briefe . . . Mittags allein. Uber die Christianer. Werner's Cophtazismus und heimliche Lüsternheit. vor 26. 1. Chr. G. v. Voigt an Eichstädt 26. 1. 1808 (UB Jena, Nachl. Eichstädt 2)
[J. F. C. Werneburg soll für die Jenaer Universität gewonnen werden] Ich weiß kaum, wie man den Werneburg nun an den Mann [?] bringen wird. HvGöthe wünscht es sehr, und ich werde mit ihm darüber conferiren. 27. 1.
Tagebuch 27. 1. 1808 (WA III 3, 316)
Die Damen Die Anbetung des Kreuzes. Mit Dlle Elserm. die Rolle der Ludmilla in Wanda]. Riemer, Tagebuch 27. 1. 1808 (Dtsch. Revue 11, 4 S. 21)
Korrektur der Gesänge zu Wanda. Mittags Demoiselle Elsermann zu Tische. Uber den Anzug als Ludmilla. Maria Pawlowna an Maria Feodorowna 27. 1. 1808 (HSTA Weimar, HA A X X V R 156, 8)
Après avoir eu le bonheur de Vous écrire par la poste ce matin, j'ai été chez Göthe qui nous a fait une lectûre très intéressante d'une piepe du théâtre Espagnol de Calderone traduite en Allemand par Schlégel. Maria Pawlowna, Choses remarquables. Journal 1805/08 (HSTA Weimar, HA A X X V Bl. 30)
Entendû chez Göthe le mércredi 15/27 janvier, une lectûre faite par lui même d'une pièpe du théâtre espagnol de Calderone de la Barca, traduite en allemand par Schlégel: elle s'appelle Die Andacht zum Kreutz. — Elle est très remarquable; il y a des caractères d'une énergie prodigieuse, des situations terribles . . . Il y a une grande unité dans le but, on pourroit dire dans la tendanpe de la pièpe: tout se rapporte à l'adoration de la croix, elle est le bût et le mobile de toute l'action: la pièpe m'a parû infiniment intéressante, je suis charmée de l'avoir entendûe: — Göthe observoit avec raison qu'elle a du rapport avec les pièces de Shakespear, en ce qu'elle est composée de scènes du plus grand tragique, et de scènes très gaies et bouffons même. — 2. 12./ 27 1
Z. Werner an Gräfin Christine v. Brühl 27. 1. 1808 (Floeck 1 2, 110)
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Dort [in Jena] war ich drittehalb Wochen und lernte den hochbegnadigten G ö t h e ! ! ! kennen. Sie kennen diesen nie alternden Apollo von Belvedere, ich brauche Ihnen also nur zu sagen, daß dieser g e s u n d e s t e aller f e r n h i n 27. 1.
Maria Pawlowna an Maria Feodorowna 27. 1. 1808 (HSTA Weimar, HA A X X V R 156, 6) J'ai eu bien dormi cette nuit, et m'en vais être d'un déjeuner spirituel chez Göthe.
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1808
Weimar s c h a u e n d e n T i t a n e n mich Kranken freundlich erträgt und — g e l t e n läßt und in Bezug auf mich mein Asculap, also etwas ist, was selbst Hygeia nicht seyn kann . . . Ich sehe den wahrhafft grossen Göthe seit dem 2 ten December v. J. täglich fast. An jenem mir ewig denkwürdigen Tage lernte ich ihn in Jena kennen, wo ich drittehalb Wochen in seiner mich b e g e i s t e r n d e n Nähe war; dann gieng er hieher nach Weimar und ich auch. Er hat mich in seiner Nähe eingemiethet und nimmt sich meiner bis in die kleinsten Details — (Sie kennen diesen zarten Riesengeist, dem nichts Kleines zu klein und nichts Grosses zu groß ist!) väterlich an! Er hat mich auch dem hiesigen Hofe präsentirt. . . Ich habe den Fürstinnen und Damen von Hofe in mehreren Sitzungen den 1 sten Theil des Kreuzes an der Ostsee vorgelesen, auch Schillers Wittwe war dabey . . . Dieses Trauerspiel Wanda, Königin der Sarmaten, wird wills Gott den 30 sten d. M. zum Geburtsfeste der wahrhafft erhabenen Herzogin hier aufgeführt. Göthe wendet alle ersinnliche Mühe daran, was ich dankbar erkenne . . . Göthe mit dem ich täglich von Ihnen spreche theilt die tiefe Hochachtung, die, vom innigsten Dankgefühle belebt, ewig lodern wird im Busen Ihro Gnaden unwürdigsten aber treugehorsamsten Dieners. Caroline v. Herder an Sophie und August v. Herder 28. 1. 1808 (Gebhardt—Schauer 2, 212)
Eine neue Erscheinung ist auch hier, der Dichter Werner, Verfasser der Söhne des Thals, des Kreuzes an der Ostsee, u. von Luther. Er wohnt neben Goethe, ist viel bei ihm. Bei Goethe ist jeden Mittwoch Vormittag eine Versammlung, die Herzogin, Großfürstin, ihre Damen u. mehrere; es wird gelesen — da hat Werner auch seine Stücke gelesen. 28. 1.
Tagebuch 28. 1. 1808 (WA III 3, 316)
Bey Pr. Caroline
Die Blume und die Schärpe. Abends Vorprobe von Wanda.
Riemer, Tagebuch 28. 1. 1808 (Keil 5 S. 280)
Früh an allerlei, an Hackerts Lebensbeschreibung. Abends bei Mad. Schopenhauer. Die 3 Bertuchs, Meyer, Fernow, Schütz pp. Kam Goethe aus der Probe noch hin. 29. 1.
Tagebuch 29. 1. 1808 (WA III 3, 316)
Von 5 Uhr Probe von Wanda Zu Mad. Schoppenhauer. Wielands Ciceronianische Briefe vor 30. 1. Riemer an C. F. E. Frommann vor 30. 1. 1808 (Heitmiiller S. 109)
Hier, mein Theuerster, erhalten Sie mit Empfehlungen von G. die verlangte Comparaison von A W Schlegel. 30. 1.
Tagebuch 30. 1. 1808 (WA III 3, 316)
Mittags die Freunde von Jena Mad Schoppenhauer.
Abends Vorstellung von Wanda 422
Nachher bey
Weimar
1808
Riemer, Tagebuch 30. 1. 1808 (»Dtsch. Revue 11, 4 S. 21; Keil 5 S. 280)
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Mittags Frommanns, Oken, Werner, Fernow, Meyer, Schopenhauer, Ulrich. „Ich bin Gott darin ähnlich, daß er immer geschehen läßt was er nicht will," sagte Goethe über Tisch, worauf Werner bemerkte, daß Goethe Gott darin ähnlich sei, daß er auch alles vergäße. Ins Theater: ward Wanda gegeben. Vortrefflich spielte die Wolff, Elsermann. Theater voll. Nachher bei Mad. Schopenhauer mit der sämmtlichen Gesellschaft von Jena. C. F. E. Frommann an J. D. Gries 10. 2. 1808 (GSA, Frommann 47, 3)
Den 30.' waren wir in Weimar Mittag bey Goethe, Abend im Schauspiel, nachher bey der HofRathinn Schoppenhauer . . . bey der auch G. fleissig komt. . . Aufgeführt ward ein neues Stück von Werner: Wanda, Königinn der Sarmaten, romantisches Trauerspiel mit Gesang; wofür G. viel gethan, so daß es auch eine Vorstellung war wie man sie selten sieht, ich möchte sagen die beste die ich in Weimar sah . . . Was Sie über Werner, über den christlichen Mysticismus im allgemeinen, über den seinigen insbesondere sagen, darinn kann ich Ihnen nicht Unrecht geben. Aber Sie wißen auch wie sehr dies alles G.'s innerster Natur wiederstreitet, und doch läst grade er W. volle Gerechtigkeit wiederfahren, über seine Tiefe seine Kraft, seine Originalität und sein ganzes Talent. . . Was G. in Jena gearbeitet? Dies darf ich nicht verrathen, aber wenn es fertig seyn wird, wird es eine seiner gelungensten und erfreulichsten Produktionen. Vieleicht gelingt es ihm im Maerz und Aprili die er wieder hier zubringen will, um daß durch das vorjährige Lazareth ganz ruinirte Schlos wieder bewohnbar zu machen. Das mineralog. und naturhistor. Kabinet kömmt nehmlich herrunter in die erste Etage und die 2.te wird zur Wohnung eingerichtet. Im May denkt er wieder nach Carlsbad zu gehen. Er fährt übrigens fort sich wohl zu befinden und unter Menschen zu machen, so war er neulich wieder 3. Tage hier und mit seiner Frau auf dem Kaßino, so neulich in Weimar auf dem Stadthause zu einem Ball. . . Ueber Gs Sonette sprechen Sie ja nicht weiter, ich weiß nicht ob er es wünscht, da er sie fast niemand mitgetheilt. Ich kann aliso auch nicht mehr davon sagen. St. Schütze, Tagebuch 30. 1. 1808 (*JSK NF 4, 101; GMD)
Wanda zum Geb. d. Herzogin. Goethe klatscht zuerst pp. Κ. v. Holtei, Vierzig Jahre (Holtei1 4, 60)
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Die Schopenhauer, die einen wahren Schatz von lustigen Schwänken aus der Weimarischen Blüthezeit bewahrte, mit dem sie aber sehr sparsam blieb und nur ihre Vertrautesten hineinblicken ließ, erzählte mir . . . folgende köstliche Historie. Göthe ließ ein Werner'sches Stück, ich dächte „Wanda" wär' es gewesen, aufführen. Am Tage der Darstellung waren der Dichter und einige nähere Freunde, unter diesen die Schopenhauer, bei Göthe zum Essen. Auf die Frage, wo man sich nach dem Theater versammeln würde, suchte der Vorsichtige, der allzugroßen Andrang fürchtete, die Last von sich ab und sie, wie er es oft in 423
1808
Weimar ähnlichen Fällen that, der armen Schopenhauer zuzuwenden, die gastfrei und gefällig dergleichen Schicksale über sich ergehen lassen mußte. Diesmal kam es ihr, da sie gar Nichts vorbereitet hatte, denn doch ein wenig zu schnell und wurde um so bedenklicher, weil sie die Aufführung des Werner'schen Stückes doch um keinen Preis versäumen wollte und folglich keine Zeit mehr hatte, sich um den Haushalt zu bekümmern. Sie eilte in größter Angst heim und rief eben nur ihrer Wirthschafterin zu: wir bekommen auf die Nacht Schaaren von Gästen, richte Dich ein und hilf Dir, so gut D u kannst! Als nun nach höchst zweifelhaftem, aber doch scheinbarem Erfolge die Gäste eintrafen, nahmen die Frauen an der improvisirten Tafel Platz, die Herren standen mit ihren Tellern umher. Für Göthe und Werner waren zwei Stühle in der Mitte bestimmt; zwischen ihnen auf dem Tische stand ein wilder Schweinskopf, von welchem die Wirthin schon des Tages zuvor gegessen. In ihrer Angst hatte die Haushälterin durch einen großen Kranz von Lorbeerblättern die Anschnittswunde zu verdecken gesucht. Göthe erhob, diesen Schmuck erblickend, mächtig seine Stimme und rief dem bekanntlich sehr cynischen und nicht immer sauber gewaschenen Werner zu: Z w e i gekrönte Häupter an einer Tafel? Das geht nicht! Und er nahm dem wilden Schweinskopf seinen Kranz und setzte ihn dem Dichter der „Wanda" auf den Kopf.
31. 1.
Tagebuch 31. 1. 1808 (WA III 3, 316)
Die Sänger. K a m dazu Herr von Müffling. Mittags Wolff und Frau nebst Werner zu Tische. Abends auf dem Stadthause. Riemer, Tagebuch 31. 1. 1808 (Keil 5 S. 280)
Mittags Wolffs und Werner und Dem l l e Ulrich zu Tische. — Gegen 8 Uhr kam Goethe zu mir herauf, weil es unten zu war. Den Cipriani vorgezeigt, und den Longus. Darüber gesprochen. Dez./Jan.
An N. Meyer 1. 2. 1808 (WA IV 20, 15)
Wir haben diesen merkwürdigen Mann [Z. Werner] seit 8 Wochen hier. Er findet durchaus vielen Beyfall, so wie auch das Stück mit Enthusiasmus aufgenommen wurde. H. Becker an Ungenannt o. Dat. (Lager-Kat. Meyer u. Ernst 104, 11)
An unserem Theater-Firmament hat sich ein neuer Stern eingefunden. Herr Werner, Verfasser des Drama Dr. Luther, hat sich jezt bei uns niedergelassen. Er hat ein neues Stück unter Göthes Mitwirkung für unsere Bühne gearbeitet: Wanda, Königin der Sarmaten, welches zum Geburtstag der Herzogin . . . gegeben wird. Wir haben heute die Leseprobe davon. Er hat sich bei Göthe sehr beliebt zu machen gewußt, welcher sehr von ihm eingenommen ist. Jan.
Riemer, Aphorismen S. 320
B 2 1061 B 3 2610
Im Januar 1808. [Goethe:] „Durch das jetzt in Deutschland allgemein verbreitete Interesse an Kunst und Poesie wird weder für diese beiden, noch für die Erscheinung eines 424
Weimar
1808
originalen und ersten und einzigen Meisterwerks etwas gewonnen. Der KunstGenius producirt zu allen Zeiten, in mehr oder minder geschmeidigem Stoff, wie die Vorwelt Homer, Aeschylos, Sophokles, Dante, Ariost, Calderón und Shakespeare gesehen hat; es ist nur dies der Unterschied, daß jetzt auch die Mittelmäßigkeit und die secondären Figuren dran kommen und alle untern Kunsteigenschaften, die zur Technik gehören. Es wird nun auch im Thale licht, statt daß sonst nur die hohen Berggipfel Sonne trugen. So ist es auch mit andern Stimmungen des Geistes, mit der religiösen, amourösen, bellicosen und andern. In einzelnen Individuen sind sie zu allen Zeiten gewesen und noch. Aber allgemein verbreitet nur zu gewissen Zeitaltern, und immer sind sie der Cometenschwanz irgend eines in diesen ausgezeichneten Mannes oder mehrerer, in denen, wie an den Spitzen der Berge, zuerst diese Morgenröthe schimmerte. Jede solche Stimmung lebt einen Tag, hat ihren Morgen, Mittag, Nachmittag und Abend. So ist's mit der Kunst; so wird es auch mit der Poesie werden, die jetzt im Nachmittag ist. Oder wie G. sonst zu sagen liebte: es ist wie eine Krankheit, durch die man hindurch muß." 1.2.
Tagebuch 1. 2. 1808 (WA III 3, 316)
Mittags allein. Uber das Trauerspiel Numanzia. Uber die Herren, die mich als eine Puissance ansehen und b e s — Nach Tische Werner. Riemer, Tagebuch 1. 2. 1808 (Dtsch. Revue 11, 4 S. 22)
B 2 1065 B 3 2625
Früh an Hackerts Lebensbeschreibung. Dann bei Goethe Briefe. Mittags allein. Uber das Trauerspiel Numanzia im Spanischen [des Cervantes]. Uber die Herren, die Goethe als eine Puissance ansehen und besch-n. „Will's Ihnen aber schon sagen." Uber Werner. Goethe äußerte hinsichtlich Werners und seiner Rühmerei: „Nur die ungebildete Seite an uns ist es, von der her wir glücklich sind. Jeder Mensch hat so eine." Nach Tische kam Werner. Riemer (JbGG NF 32, 287)
B 3 2627
[Goethe:] „Der Herr bedarf ihrer", sei die Devise der modernen Herrn Steffens, Oken, Schlegel, wenn sie ohne Weiteres sich das Fremde aneignen, was in ihren Kram taugt." H. V. Einsiedel an Goethe 2. 2. 1808 (Eing. Br. alph. 294, III)
Möge der gestrige heitere Abend Dir wohl bekommen seyn. 1. 2.
Riemer, Mittheilungen 2, 704
(30. 1..)
[Goethe] einen göttlichen Mann nannte, sagte er: „Ich habe den man Teufel vom Göttlichen! Was hilft's mir, daß man mir nachsagt: das ist ein g ö t t l i c h e r Mann, wenn man nur nach eigenem Willen thut und mich hintergeht. G ö t t l i c h heißt den Leuten nur der, der sie gewähren läßt, wie ein Jeder Lust hat."
B 2 1063 B 3 2626
425
Weimar
1808
Er drückte dieß ein andermal auch so aus: „Man hält Niemanden für einen Gott, als daß man gegen seine Gesetze handeln will; weil man ihn zu betrügen hofft; weil er sich was gefallen läßt; weil er entweder von seiner Absolutheit soviel nachläßt, daß man auch absolut seyn kann." Und kürzer so: „Ich bin Gott darinn ähnlich, daß er immer geschehen läßt, was er nicht will." 2. 2.
Tagebuch 2. 2. 1808 (WA III 3, 316)
Bey Pr. Caroline Tische. 3. 2.
Blume und Schärpe 2ter Act. Demoiselle Elsermann zu
Tagebuch 3. 2. 1808 (WA III 3, 316)
Werner zu Tische. Riemer an C. F. E. Ftommann 3. 2. 1808 (Heitmüller S. 110)
Zugleich erfolgt hiermit ein Kasten, worin das Portrait der Herzoginn, nebst einem Portefeuil, worin sich auch der Phoebus befinden wird. Ich fürchte das erste Stück wird Ihnen nur zu sehr P h é b u s dünken, und die busenlose Penthesilea Sie eben nicht charmiren. Alles dieß mit den schönsten Empfehlungen von G. und Ihr. Heute Mittag ißt Werner bey uns, und so kann ich erfahren, wie lange er sich noch aufhalten wird. 4. 2.
Tagebuch 4. 2. 1808 (WA III 3, 317)
Mittag bey Wieland hauer.
Leseprobe vom zerbrochnen Krug
Bey Mad. Schoppen-
Riemer, Tagebuch 4. 2. 1808 (*Dtsch. Revue 11, 4 S. 22; Keil 5 S. 281)
Mittags mit Goethe und ihr bei Hofrath Wieland zu Gaste, wo auch Stichlings und Werner waren. Nach Tische mit Wieland über Kleist, s. Penthesilea und den zerbrochnen Krug. Las Werner einige Sonette vor. St. Schütze, Tagebuch 4. 2. 1808 (*JSK NF 4, 101; GMD)
Bei der Schopenhauer] mit Goethen über den Phöbus. M[eyer] etwas gegen Wanda. 5. 2.
Tagebuch 5. 2. 1808 (WA III 3, 317)
Mittags Sophie Teller. Über die Rollenbesetzung von der Weihe der Kraft. Bey Serenissimo. Über Werner dann die Weltaussichten. Riemer, Tagebuch 5. 2. 1808 (Keil5 S. 281)
Mittags allein und nur Sophie Teller. Über die Besetzung von Luther oder Weihe der Kraft. vor 6. 2.
H. Becker an H. Blümner 6. 2. 1808 (HSTA Weimar, Genlnt, Slg. Pasqué 2, 2)
Das mir überschickte neue Drama [„Haß der Frauen"?], habe ich dem Herrn Geheimerath von Göthe übergeben, und ihm zu gleich Ihre Meinung in an426
Weimar
1808
sehung der Besetzung mitgetheilt. Er hat mir aufgetragen Ihnen schönstens zu Grüßen, und läßt sich für das überschickte Stückchen bestens bedanken. Er wird es so bald wie möglich zur Aufführung befördern; doch wird dies sich noch ein wenig verziehen, indem wir jezt mit dem zerbrochnen Krug, welcher sich durch andere Vorstellungen schon seit den Septbr: verschoben hat, beschäftiget sind, und nach diesem der beständige Prinz von Schlegel aus dem Spanischen, die Reihe treffen wird . . . Die Wanda ist so ziemlich befriedigend gegeben worden . . . Wir werden bald viehl rühmliches davon zu lesen bekommen. Denn Göthe will Wernern wohl, und es liegt ihm viehl daran daß seine Stücke gefallen möchten. Viehle hiesige Gelehrten sind nicht ganz, wie Göthe damit zufrieden. Ja einer will Wernern so gar beweisen, daß die Wanda aus viehlen anderen Stücken zusammen gesezt ist, und wenn ich recht gehört habe, so hat er die Zahl 26 genannt, daß will denn aber doch etwas vihl sagen. 6. 2.
Tagebuch 6. 2. 1808 (WA III 3, 317)
Mittags allein: über Wanda, Werner etc. Don Juan. Riemer, Tagebuch 6. 2. 1808 (Keil5 S. 281)
Mittags allein. Allerlei. Uber Wanda, Werner. Las ich mein neustes Sonett auf ihn vor, das gefiel. Abends im Theater: Don Juan. In Goethe's Loge, wo er und Meyer waren. Kam Werner dazu. 7. 2.
Tagebuch 7. 2. 1808 (WA III 3, 317)
Früh Musick. Werner Derselbe zu Tische nebst Silie und Unzelmann Abends bey Mad Schoppenhauer. Riemer, Tagebuch 7. 2. 1808 (Keil5 S. 281)
Abends bei Mad. Schopenhauer. Lauter Herrn, Goethe, Meyer, Fernow, Schütze, Müller pp. Las Fernow das Leben Ariost's bis nahe ans Ende. Hinterher über Werner geschwätzt. Seine neue Ausgabe der Thalssöhne. Anmerk. mit verwickelten und mystischen Perioden. St. Schütze, Tagebuch 7. 2. 1808 (*JSK NF 4, 102; GMD)
Bei der Schopenhauer], Goethe pp über Fische. Fernow liest das Leben des Ariost. 7. 2. (?)
St. Schütze, Tagebuch 9. 2. 1808 (GMD)
Ridel: daß er in G. Geselschaft nicht recht froh werde. 8. 2.
Tagebuch 8. 2. 1808 (WA III 3, 317)
Mittags Dem. Ulrich zu Tische. H. Meyer (*JbGG 3, 215; GSA, Meyer 109)
B 3 2628
Am 8t. Febr 1808. las ich Göthen aus der Schrift L i c h t s t r a l e n ν Maßenbachs Rezens. über ν Müfflings Schrift vom Feldzug und Aufreibung der Preüßen 427
1808
Weimar 1806. vor. es wird darin gemeldet der Herzog v. Braunschweig habe voraus alles Unglück gesehen und den Tod gesucht ρ — Goethe bemerkte. Der Herzog v. Braunschw. habe schon vor vielen Jahren und noch vor der Fr: Revolution gegen H e r d e r einmahl vertraulich geäußert „Er sehe die innere Auflösung der ganzen Pr. Einrichtung wohl ein, wolle suchen alles so gut es gehen möge hinzuhalten und wen alles zusammenbreche sey eine Kugel sein endlich Bedürfniß —
9. 2.
Tagebuch 9. 2. 1808 (WA III 3, 317)
Mittags Dem. Ulrich zu Tische. 10. 2.
Tagebuch 10. 2. 1808 (WA III 3, 317)
Die Damen. Las Werner Attila 1 und 2 Akt. Abends Wieland und Familie Music. Abendessen biß spät. Riemer, Tagebuch 10. 2. 1808 (Keil 5 S. 281)
Früh Briefe bei Goethe nach Jena. Abends um 8 Uhr die Sänger, und Wielands, Stichlings, Schorchs, Werner, Genast pp. Zum Abendessen, und lusdg. Henriette v. Knebel an Knebel 24. 2. 1808 (Düntzer 4 S. 327)
B 3 2631
Es thut mir doch leid, daß wir heute nicht zu Goethen gehen, um die Fortsetzung von „Attila" zu hören, die uns versprochen worden. 11.2.
Tagebuch 11. 2. 1808 (WA III 3, 317)
Mittags Dem. Ulrich zu Tische. Uber Voßens Ubersetzung des Agamemnon. Nach Tische Bibliothekar Vulpius: über Fürst Reuß. 12. 2.
Tagebuch 12. 2. 1808 (WA III 3, 317)
Mittags Sophie Teller zu Tische. Uber Italien und meine dortige Art zu leben. Kam hernach Dem. Elsermann. 13. 2.
Tagebuch 13. 2. 1808 (WA III 3, 318)
Mittags Dem. Ulrich zu Tische . . . Abends . . . Aus Josephus vorlesen lassen. Riemer, Tagebuch 13. 2. 1808 (»Keil 5 S. 282; GSA, Riemer 653 Bl. 165)
Mittags begab sich Goethe bald auf sein Zimmer, weil er schläfrig von der gestern durchwachten Nacht und den Arzneien. „Die geistreichsten Träume macht der Hyoscyamus." Goethen Abends aus dem Josephus vorgelesen, nach einer alten Ubersetzung [von J. F. Cotta]. 14. 2.
Knebel, Tagebuch 14. 2. 1808 (GSA, Nachlaß Knebel)
Morgens . . . bei Göthe der unbas ist. 10. 2.
Henriette v. Knebel an Knebel 6. 2. 1808 (Düntzer 4 S. 326) Ich will den Goethe bitten, daß er alsdann [falls Knebel nach Weimar komme] nächsten Sonnabend die „Wanda" geben läßt.
14. 2.
Knebel an Katharina v. Schückher 5. 2. 1808 (GSA, Knebel 335) Da Göthe eben wieder abgereist war, als das Wunderhorn ankam, so hat er es noch nicht gesehen; ich habe aber vor, es ihm in den ersten Tagen selbst nach Weimar zu überbringen.
428
1808
Weimar
Mitte
Riemer an C. F. E. Frommann 16. 2. 1808 (Heitmüller S. 113)
B 2 1065 a Β 3 2629
Febr.
Q j s t z w a r nicht krank, aber u n t e r uns nicht des besten Humors. Er hält sich immer noch auf seiner Stube. Nur heute scheint er eine Ausnahme zu machen, da Knebel mit uns speisen soll.
15. 2.
Tagebuch 15. 2. 1808 (WA III 3, 318)
Major von Knebel. Knebel, Tagebuch 15. 2. 1808 (GSA, Nachlaß Knebel)
Morgens . . . bei Göthe . . . In der Komödie Wanda. Supirt bei Göthe. 16. 2.
Tagebuch 16. 2. 1808 (WA III 3, 318)
Major von Knebel, welcher mit uns speiste. Wurde viel über Wanda und sonst gesprochen. Riemer, Tagebuch 16. 2. 1808 (Keil 5 S. 282)
Mittags Knebel zu Tische und Dem. Ulrich. Knebel, Tagebuch 16. 2. 1808 (GSA, Nachlaß Knebel)
Mittags bei Göthe. 17. 2.
Tagebuch 17. 2. 1808 (WA III 3, 318)
Mittags Major von Knebel zu Tische. Riemer, Tagebuch 17. 2. 1808 (*Dtsch. Revue 11, 4 S. 22; Keil 5 S. 282)
Bei Goethe. Briefe, und Absendung des 2. Manuscrpts. zum Prometheus. Die Propyläen. Mittags Major Knebel und sein Karl zu Tische. Knebel, Tagebuch 17. 2. 1808 (GSA, Nachlaß Knebel)
Meine Frau u. Karl sind angekommen. Mit letztern bei Göthe Mittags. Abgefahren nach Jena um 4. Uhr. 18. 2.
Tagebuch 18. 2. 1808 (WA III 3, 318)
Mittags Dem. Elsermann zu Tische. Getheilte Urtheile über die gestrige Oper [Agnes Sorel von Sonnleithner und Gyrowetz], 19. 2.
Tagebuch 19. 2. 1808 (WA III 3, 318)
Mittags Sophie Teller. Nach Tische Dem. Elsermann, mit ihr die Rolle im zerbrochnen Krug durchgegangen. 20. 2.
Tagebuch 20. 2. 1808 (WA III 3, 318)
Mittags Hr. Frommann zu Tische: über Wanda. 21. 2.
Tagebuch 21. 2. 1808 (WA III 3, 319)
Mittags Dem. Elsermann und Herr Frommann zu Tische. 429
1808
Weimar An Th. J. Seebeck 24. 2. 1808 (WA IV 51, 229)
Ew. Wohlgebornen danke recht sehr für die übersendete Nachricht des glücklichen Successes Ihrer Versuche. Herr Frommann hatte mich schon darauf aufmerksam gemacht. 22. 2.
Tagebuch 22. 2. 1808 (WA III 3, 319)
Mittags allein. Uber das weitere von Pandoras Wiederkunft. Riemer, Tagebuch 22. 2. 1808 (Keil 5 S. 283)
An Hackert's Lebensbeschreibung bis 1 Uhr. Mittags allein: über das weitere von Pandoras Wiederkunft. 23. 2.
Tagebuch 23. 2. 1808 (WA III 3, 319)
Mittags Herr Landschaftssyndicus Schumann zu Tische. 24. 2.
Riemer, Tagebuch 24. 2. 1808 (Keil 5 S. 283)
Bei Goethe Briefe. 23./24. 2. Henriette v. Knebel an Knebel 24. 2. 1808 (Düntzer 4 S. 327)
B 2 1065 b B 3 2631
Deinen Auftrag an Goethe kann ich heute nicht selbst ausrichten und will es durch Frau von Stein besorgen lassen . . . Goethe ist besser, er ließ uns aber gestern sagen, daß er es noch nicht wagte, bei der Kälte auszugehen. 25. 2.
Tagebuch 25. 2. 1808 (WA III 3, 319)
Legationsrath Bertuch wegen verschiedener und auch der freymaurerischen Angelegenheiten. Mittags Dem. Elsermann. Nach Tische mit ihr die Rolle aus dem zerbrochnen Krug gelesen . . . Abends die Sänger. Riemer, Tagebuch 25. 2. 1808 (Keil 5 S. 283)
Bei Goethe an der Fortsetzung der Polemik geschrieben. 26. 2.
Tagebuch 26. 2. 1808 (WA III 3, 319)
Mittags.Sophie Teller zu Tische. Nach Tische Dem. Elsermann, mit ihr die Rolle aus dem zerbrochnen Krug durchgegangen. Nach Tische der Schwede Egmar. Abends zu Hause. August und erzählte allerley Jugendstreiche. Riemer, Tagebuch 26. 2. 1808 (Dtsch. Revue 11, 4 S. 22)
B 2 1065 c B 3 2632
Bei Goethe an der Polemik. Dann Theater-Angelegenheiten. Mittags sprach Goethe von der Deutlichkeit über andere Menschen, ihre Gesinnungen, was sie thun wollen und können; alles beruhe darauf und daraus entstehe die Furchtlosigkeit. Riemer, Mittheilungen 2, 705
B 3 2633
[Goethe:] „In der Welt kommt es nicht darauf an, daß man die Menschen kenne, sondern daß man in jedem Augenblicke klüger sey als der vor uns steht, und 430
Weimar
1808
Niemand ist in diesem Falle als der sein Handwerk, seine Kunst aus dem Grunde v e r s t e h t . Der Vortheil alles Handelns und Wandeins ruht hierauf." 27. 2.
Tagebuch 27. 2. 1808 (WA III 3, 319)
Enthüllung des albernen Betragens des schwedischen Malers . . . Abends Hofrath Meyer. Riemer, Tagebuch 27. 2. 1808 (*Dtsch. Revue 11, 4 S. 22; Keil 5 S. 283)
Zu Goethe wegen eines Auftrags an Fernow, den schwedischen Maler Egmar betreffend. Nach Tische Zeichnungen zum zerbrochnen Krug. Abends zu Hause über Dem. Jagemann und andre Verhältnisse, Frau v. Staël. Ph. O. Runge an Goethe 19. 9. 1808 (SchrGG 51, 92)
Ein schwedischer Maler, Herr Ekmark . . . ist vorgestern [in Hamburg] an der Schwindsucht gestorben . . . Da ich von ihm weiß, daß Sie ihn in Weimar gekannt haben . . . so möchte ich sehr gerne wissen, wie er dort gelebt und von dort weggekommen, da er sich immer sehr betrübt darüber äußerte. A n Ph. O. Runge 7. 11. 1808 (WA IV 20, 205)
Er [Ekmark] war von Natur nicht ohne Talent, konnte aber eigentlich nichts machen. Was ich von ihm gesehen, waren skizzirte und angefangene Dinge, wie man sie einem Dilettanten verzeiht. Die Noth machte ihn zum Lügner und gewissermaaßen zum Schelmen. Seine Natur und sein Unglück erregten Interesse, Zutrauen, und einige Hoffnung. 28. 2.
Tagebuch 28. 2. 1808 (WA III 3, 320)
Mittags Werner zu Tische. Abends Hofrath Meyer. Riemer, Tagebuch 28. 2. 1808 (Keil 5 S. 283)
Bei Goethe Theatersachen. 29. 2.
Tagebuch 29. 2. 1808 (WA III 3, 320)
Mittags Bildhauer Weißer und Dem. Ulrich zu Tische . . . Mit Meyern die Münchner lithographischen Abdrücke. Riemer, Tagebuch 29. 2. 1808 (Dtsch. Revue 11, 4 S. 23)
Bei Goethe an der Newtonischen Polemik. Jan./Febr. A n Caroline Bardua 24. 2. 1808 (WA IV 20, 20)
. . . Dafür können wir Sie auch versichern, daß zu mancher Stunde, besonders in dem Cirkel von Madam Schopenhauer, Ihrer in allem Guten gedacht und Ihre Gegenwart wahrhaft vermißt worden. Sophie V. Schardt an A. Duvau 22. 2. 1808 (JSK 4, 229)
B 3 2630
Wir haben hier seit wenigen Monaten, die interessanteste Erscheinung eines deutschen Schriftstellers, der sich im theatralischen Fach unendlich auszeichnet, 431
1808
Weimar Ihnen davon zu schreiben, sey auf ein ander mal bewahrt, aber nur das will ich izt von diesem H. Werner sagen, daß er ein hohes, edles, trefliches Herz hat: glühend für die Wahrheit, voll Menschenliebe u. Güte. Göthe wird selbst warm u. mild in dieser Nähe, auch unterstüzt er ihn u. seine Stücke, auf die redlichste Weise. Es sind sehr angenehme Stunden, die wir mit beyden zubringen.
1. 3.
Tagebuch 1. 3. 1808 (WA III 3, 320)
Abends bey Durchlaucht dem Herzog mit Hauptmann Müffling: über neuere und ältere Kriegsoperationen. Wirkung und Gegenwirkung der Strategie und Taktik, der Märsche und Schlachten. Kriegsabenteuer des französischen Krieges. Prinz Bernhard in Dresden, dortige Lage der Dinge überhaupt. Auch über das lithographische Wesen wie es jetzt in Dresden getrieben wird. Spät kam Durchlaucht der Erbprinz. Riemer, Tagebuch 1. 3. 1808 (*Dtsch. Revue 11, 4 S. 23; Keil 5 S. 283)
B 3 2634
Mittags allein. Uber Ast's Journal und seine Erhebung Friedrich Schlegels zum Dichter, über Tieck, Kleist und ähnliches. vor 2. 3.
Falk (»Witte S. 53; G S A , Falk IV 3, Bl. 23)
Wie Göthe sich irren konnte. Als der Wasser Krug vom Hr. v. Kleist sollte gegeben werden, rief die regierende Herzogin Hr. von Müffling auf die Seite und frug ihn: ob er Hr. von Kleist kenne, es werde nächsten Tags ein Stück von ihm gegeben werden, ein Lustspiel, von dem Göthe gesagt hatte: er müsse die Schauspieler im Spielen ordentlich einhalten und Pausen machen lassen, damit die Z u s c h a u e r Z e i t b e h i e l t e n s i c h a u s z u l a c h e n . Den folgenden Tag darauf, sagte die Prinzeß Caroline zu Hr. v. Müffling: „Wir sehen Morgen ein Stück von Kleist. Ich freue mich sehr darauf. Es soll außer der Maßen vortrefflich seyn." Ich bin fest überzeugt daß es Göthen mit diesem Urtheil in der Aufführung des Stückes ein völliger Ernst war, er hatte sich durch die einzelnen blendenden Seiten, durch den genialen Humor des Wasserkrugs bestechen lassen . . . Von dem Tage der Aufführung des Wasserkrugs an, zeigte Göthe eine entschiedene Abneigung gegen alle Kleistischen Stücke. 2. 3.
Tagebuch 2. 3. 1808 (WA III 3, 320)
Die Damen. Werner las den 3. Act seines Attila . . . Abends Hofrath Meyer. Sophie V. Schardt an E. Mounier 6. 3. 1808 (GSA, Stein-Schardt 154, 1)
Nos dejeunés du me[r]credi chez Mr. Göthe, sont fort interessans. 2. Hälfte Febr.
Chr. G. v. Voigt an Goethe 19. od. 26. 2. 1808 (SchrGG 55, 189) Ew. Exzellenz haben mir einen Berlinismus vorgelegt, über den ich nur erst noch mit meinem Sohn sprechen und darauf die Ehre haben will, mit Ihnen mündlich darüber zu konferieren.
2. 3.
An Charlotte v. Stein 1. 3. 1808 (WA IV 20, 23) Könnte ich erfahren wie es morgen werden wird so wäre es mir sehr angenehm. Der Hunnenkönig harrt vor den Thoren von Rom. Ich aber noch viel ungedultiger auf ein baldiges Wiedersehen.
432
Weimar
1808
Henriette ν. Knebel an Knebel 5. 3. 1808 (Düntzer 4 S. 328)
B z 1066 a Β 3 2635
Unser „Attila" ist nicht sehr vorgerückt, und wir haben das letztemal nur e i n e n Akt, nämlich den dritten, der etwas lang ist, angehört. Das nächstemal wird sein Einzug in Rom und sein Auszug aus der Welt wohl zusammen kommen . . . Es sind einige ganz vorzüglich schöne Stellen in dem Stück, doch bitte ich Gott, daß ich es, wegen der schrecklichen Länge, niemals auf dem Theater sehen möge. Bis jetzt ist auch noch nichts Mystisches vorgekommen, aber Goethe, dem ich meine Freude darüber bezeigen wollte, sagt, daß alles auf die Letzt käme und daß wir keineswegs verschont würden. 3. 3.
Tagebuch 3. 3. 1808 (WA III 3, 321)
Abends die Sänger. Hofrath Meyer. Mionnetsche Pasten. Riemer, Tagebuch 3. 3. 1808 (Keil 5 S. 284)
Früh Theatersachen bei Goethe. Newtonische Polemik. 2./3. 3.
E. Genast, Aus dem Tagebuche eines alten Schauspielers (nach A. Genast) (Genast 1, 169) B 2 1066 B 3 2636
Eine zweite Neuigkeit, „Der zerbrochene Krug" von Kleist, folgte am 2. März. Schon bei der ersten Vorstellung wurde dem Stück der Stab gebrochen und es fiel unverdienterweise total durch. Hauptsächlich traf die Schuld des Mißlingens den Darsteller des Adam [H. Becker], der in seinem Vortrag so breit und langweilig war, daß selbst seine Mitspieler die Geduld dabei verloren. Trotz allen Rügen Goethe's bei den Proben war er aus seinem breitspurigen Redegang nicht herauszubringen, und den kurzen Imperativ bei ihm anzubringen, wäre wahrlich ganz in der Ordnung gewesen, denn das Zerren und Dehnen war nicht zu ertragen. Bei der Aufführung dieses [?] Stücks ereignete sich ein Vorfall, der in dem kleinen weimarschen Hoftheater noch nie dagewesen und als etwas Unerhörtes bezeichnet werden konnte: ein herzoglicher Beamter hatte die Frechheit, das Stück auszupfeifen. Karl August, der seinen Platz zwischen zwei Säulen, dicht am Proscenium, auf dem sogenannten bürgerlichen Balcon hatte, bog sich über die Brüstung heraus und rief: „Wer ist der freche Mensch, der sich untersteht, in Gegenwart meiner Gemahlin zu pfeifen? Husaren, nehmt den Kerl fest!" Dies geschah, als der Missethäter eben durch die Thür entwischen wollte, und er wurde drei Tage auf die Hauptwache gesetzt. Den andern Tag soll Goethe gegen Riemer, der es mir mittheilte, bemerkt haben: „Der Mensch hat gar nicht so Unrecht gehabt; ich wäre auch dabei gewesen, wenn es der Anstand und meine Stellung erlaubt hätten. Des Anstände wegen hätte er eben warten sollen, bis er außerhalb des Zuschauerraums war." 4. 3.
Tagebuch 4. 3. 1808 (WA III 3, 321)
Mittags Sophie Teller. Hofrath Meyer. Mionnetsche Pasten. 3. oder 4. 3.
Carl August an Goethe 3. od. 4. 3. 1808 (Wahl1 2, 13) Der Obrist von Kleist, Adjutant des seeligen Hferzogs] von Br[aunschweig], ist diesen Abend bey mir. Komm du auch, aber etwas vor 6 Uhr, damit wir die theatralischen Angelegenheiten besprechen können, ehe vom Kriege die Rede sey.
433
1808
Weimar Riemer, Tagebuch 4. 3. 1808 (*Dtsch. Revue 11, 4 S. 23; Keil5 S. 284)
B 2 1066 b B 3 2637
Bei Goethe. Brief an Jacobi concipirt. Mittags war davon die Rede und über Piatonismus und Spinocismus. Uber den λόγος oder das Wort als erstgewesenes. 5.3.
Tagebuch 5. 3. 1808 (WA III 3, 321)
Mittags Demoiselle Ulrich und Elsermann. Nach Tische Demoiselle Genast. Rolle des Fischerknaben aus dem Teil mit ihr durchgegangen. Abends bey Geh.Rath Voigt. 6. 3.
Tagebuch 6. 3. 1808 (WA III 3, 321)
Die Sänger. Confirma hoc deus von Jomelli zum erstenmal. Mittags Demoiselle Ulrich und Tischner. Abends zu Mad. Schopenhauer. Nachher auf den Ball im Comödienhause. St. Schütze, Tagebuch 6. 3. 1808 (*JSK N F 4, 102; GMD)
Bei d. Schopenhauer] die Goethen giebt einen Ball im Schauspielhause. Er über Horizontallinien — redselig. 7. 3.
Tagebuch 7. 3. 1808 (WA III 3, 321)
Mittags aß Tischner mit.. . Nachmittag Falk, der von seiner Casseler Reise erzählte. Riemer, Tagebuch 7. 3. 1808 (Keil5 S. 285)
Zu Goethe. An Pandorens Wiederkunft, Fortsetzung, geschrieben. Nach Tische mit Goethe Stuttgartischen Steindruck „Schillers Reiterlied" besehen. 8. 3.
Tagebuch 8. 3. 1808 (WA III 3, 321)
Kam Hofkammerrath Kirms zum erstenmal nach seiner Krankheit. Mittags allein: über Cassel und Falks Ansichten von demselben .. . Abends Wolffs und Demoiselle Elsermann zum Thee. Maskerade aus dem zerbrochnen Krug. Wolff las einiges aus dem standhaften Prinzen. Riemer, Tagebuch 8. 3. 1808 (*Dtsch. Revue 11, 4 S. 23; Keil 5 S. 285)
B 2 1066 c B 3 2638
Mittags allein. Ermunterung an Goethe, etwas in der Tieckischen Liedermanier zu machen aus seiner höheren Naturanschauung. Uber Falk; hat nur die mittleren Maximen durch sich selbst, die höhern blos aneignungsweise . . . Abends Wolffs u. Elsermann zum Thee. Maskirten wir uns aus dem zerbrochnen Krug. Ich machte den Dorfrichter. Riemer (GSA, Riemer 797)
Falk „Habe nur die m i t t l e m Maximen durch sich selbst erwischt; die höheren blos aneignungsweise" sagte G. d. 8 März 1808, als jener von Cassel zurück gekommen von Daru v. Müller und andern Franzosen erzählte, sagte G. über Tische zu mir. 434
Weimar
1808 Riemer, Mittheilungen 1, 20
B 3 2639
Er [Falk] war viel zu sehr von sich, seinem Witz, seinem vermeinten großen politisch-moralisch-ästhetischen Aperpüs eingenommen, da er doch — nach G.'s gegen mich geäußertem Urtheil — nur die mittleren „ e r w i s c h t " habe; auch mit positiven Kenntnissen in Kunst und Wissenschaft zu oberflächlich ausgerüstet, als daß er von dieser Seite G'n. gehörig aufzufassen und zu beurtheilen vermocht hätte. F. V. Müller, Tagebuch 8. 3. 1808 (Grumach S. 6)
B 3 2640
Bey G. R. Voigt traf ich Goethe. Das Gespräch kam auf Preußisches Geld und Jüdischen Wucher, und mir entschlüpfte, daß Elkan sich bey dem Referenten für die gelinde Strafe bedankt habe, womit ich Ziegesarn meynte, es war aber Voigt jun., und insofern jene Äußerung, obgleich an sich unschuldig, doch unvorsichtig. 9. 3.
Tagebuch 9. 3. 1808 (WA III 3, 322)
Besuch von den Damen. Werner las die zwey letzten Acte des Attila . . . Abends Hofrath Meyer: über die Recension der Steindrücke. Riemer, Tagebuch 9. 3. 1808 (Dtsch. Revue 11, 4 S. 23)
B 2 1067 B 3 2642
Nach Tische die Steindrücke, der Albrecht Dürerschen Federzeichnungen besehen. Goethe sagte schon neulich, daß er sich ärgern würde, wenn er gestorben wäre, ohne sie zu sehen. Riemer an C. F. E. Frommann 9. 3. 1808 (Heitmüller S. 114)
B 3 2641
G. ist wohl u. hat heute wieder Damenbesuch. Gegen Ende dieses Monats hoffen wir auf einige Tage in Jena zu seyn. Es scheint dem Schloßbau oder vielmehr der Reparatur desselben zu gelten. Doch verbinden wir immer Neigungen mit unsern Pflichten, und so sind die Morgen dem Geschäft, die Abende Ihnen gewidmet. 10. 3.
Tagebuch 10. 3. 1808 (WA III 3, 322)
Nach Tische mit Demoiselle Genast die Rolle des Fischerknabens [in „Wilhelm Teil"] durchgegangen. Abends bey Mad. Schopenhauer. Riemer, Tagebuch 10. 3. 1808 p t s c h . Revue 11, 4 S. 23)
B 2 1068 B 3 2643
Mittags Dispute über Goethes paradoxe Maxime, alle öffentlichen Lehranstalten in Deutschland aufzuheben und den Lehrsubjekten freizugeben, Institute, Pensionsanstalten u. dergl. auf ihre Kosten zu errichten. St. Schütze, Tagebuch 10. 3. 1808 (*JSK NF 4, 102; GMD)
Bei d. Schopenhauer]. Goethe erzählt einen Traum. 9. 3.
An Charlotte v. Stein 8. 3. 1808 (WA IV 20, 31) Morgen frühe hat Attila schon wieder gezäumt und gesattelt.
435
1808 11. 3.
Weimar Tagebuch 11. 3. 1808 (WA III 3, 322)
Mittags Sophie Teller und Demoiselle Engels zu Tische. 12. 3.
Tagebuch 12. 3. 1808 (WA III 3, 322)
Mittags Major von Knebel und sein Carl zu Tische. Abends ins Theater: ward Teil gegeben, bey sehr vollem Hause; an 700 Menschen. Riemer an C. F. E. Frommann 12. 3. 1808 (Heitmüller S. 115)
Den besten Dank für Ihre freundlichen Zeilen! Sie erhalten dagegen, nebst schönen Grüßen von G. das erste Heft des Prometheus wegen der folgenden Aufsätze; und zwey allerliebste franz. Sachen, besonders die Parodie, für Ihre Academistinnen. Riemer, Tagebuch 12. 3. 1808 (*Dtsch. Revue 11, 4 S. 23; Keil 5 S. 285)
B 3 2644
Bei Goethe Briefe. Erstes Heft des Prometheus. Mittags Knebel und sein Karl zu Tische. Mit Goethe ins Theater. Auf dem Wege über Attila [von Werner] gesprochen. Knebel und Werner in unsrer Loge. Das Theater sehr voll: an 700 Menschen. Es ward Teil gegeben . . . Nachher speisten Knebel pp. und Werner, dessen Herz so weit wie Mohameds Westentasche, worin er alle Gläubigen ins Paradies führt. Knebel, Tagebuch 12. 3. 1808 (GSA, Nachlaß Knebel)
Bei Göthe Mittags mit Karl. 13. 3.
Tagebuch 13. 3. 1808 (WA III 3, 322)
Mittags allein: über Werners Talent, seinen Attila und dergl. Abends bey Mad. Schopenhauer. Einige Lieder aus der Fortsetzung des Wunderhorns vorgelesen. Riemer, Tagebuch 13. 3. 1808 (Keil 5 S. 285)
Mittags allein. Über Werners Talent, seinen Attila u. dgl. Nach Tische an Cottas Aufsatz über das Verhältniß von Autor und Verleger. Abends bei Mad. Schopenhauer. Las Goethe einige Lieder aus dem Wunderhorn, Fortsetzung, vor. St. Schütze, Tagebuch 13. 3. 1808 (*JSK NF 4, 102; GMD)
Jariges ist wegen des Lobes der Wanda im Morgenbl. ganz erbittert auf Goethe. Bei der Schopenhauer]. Goethe liest Volkslieder vor; ist sehr eifrig. 14. 3.
Tagebuch 14. 3. 1808 (WA III 3, 323)
Mittags allein: Hof des Königs von Westphalen, alte Etiquette. Riemer, Tagebuch 14. 3. 1808 (Keil 5 S. 286)
Mittags allein. Uber den Hof des Königs von Westphalen, alte Etiquette. Nach Tische an Hackert. 12. 3.
Knebel an Goethe 11. 3. 1808 (Guhrauer 1, 321) Ich und mein Karl bitten uns die Erlaubniß aus, uns morgen Mittag bei Dir melden zu dürfen und ein paar Sitze für uns in der Komödie zu erbitten.
436
Weimar
1808 15. 3.
Tagebuch 15. 3. 1808 (WA III 3, 323)
Augusts Besorgniß wegen des Bandwurms glücklich gehoben. Mittags allein: Deutsche gehen nicht zu Grunde, wie die Juden, weil es lauter Individuen sind. Riemer, Tagebuch 15. 3. 1808 (Dtsch. Revue 11, 4 S. 24)
B 3 2645
Mittags äußerte Goethe: Deutsche gehen nicht zu Grunde, so wenig wie die Juden, weil es Individuen sind. Henriette v. Knebel an Knebel 16. 3. 1808 (Düntzer4 S. 330)
B 3 2646
Goethe, der uns gestern besucht hat, war äußerst über Deinen Besuch vergnügt und über den Antheil auch, den D u am Schauspiel genommen hast. 16. 3.
Tagebuch 16. 3. 1808 (WA III 3, 323)
Die Damen. Calderón Ulyss und Circe . . . GR. ν Einsiedel. Abends Hofr. Meyer. Riemer an C. F. E. Frommann 16. 3. 1808 (Heitmüller S. 115)
B 3 2647
So eben höre ich, daß G. morgen auf ein paar Tage nach Jena geht und Hofrath Meyern mitnimmt. Mir hat er nichts gesagt und jetzt ist Damen Gesellschaft bey ihm. Ich weiß also noch nicht, ob ich von der Partie werde seyn können. 15./16. 3. Henriette v. Knebel an Knebel 19. 3. 1808 (Düntzer4 S. 330)
B 2 1068 a Β 3 2648
Goethe hat uns am vergangnen Mittwoch den Anfang eines Schauspiels von Calderón [Ulysses und Circe] vorgelesen und am Dinstag, da er bei der Prinzeß war, hat er das Lustspiel von demselben Verfasser — ich glaube es heißt „die Schärpe und der Blumenstrauß" — beendigt, was uns sehr großes Vergnügen gemacht hat. 17. 3.
Riemer, Tagebuch 17. 3. 1808 (Dtsch. Revue 11, 4 S. 24)
Früh bei Goethe, der mit Hofrat Meyer um 8 Uhr nach Jena abreiste.
Jena J. D. Färber, Kalender 17. 3. 1808 (UB Jena, Nachl. Martin q 20)
Vormitt. sind der Herr Geh. Rath v. Göthe u. Hr. Hofr. Meyer in Bischoffl. Haus einlogirt. Tagebuch 17. 3. 1808 (WA III 3, 323)
Mit Hofrath Meyer nach Jena. Verschiedene Besuche bey Seebeck etc. Mittags bey Herrn Major von Hendrich. Die Schloßbauangelegenheit. Abends bei Frommanns. Knebel, Tagebuch 17. 3. 1808 (GSA, Nachlaß Knebel)
Morgens bei Göthe. 437
1808 18. 3.
Jena Tagebuch 18. 3. 1808 (WA III 3, 323)
Mittag bey Major von Hendrich. Abends bey Herrn von Knebel mit Seebeck, Voigt und Hendrich. Knebel, Tagebuch 18. 3. 1808 (GSA, Nachlaß Knebel)
Morgens Göthe hier u Seebeck . . . Abends Göthe, Seebeck, Voigt, Hendrich, Meier, junge Häßler gespielt auf dem Klavier. Kaltes Essen. 19. 3.
Tagebuch 19. 3. 1808 (WA III 3, 323)
Früh bey Rath Wedel. Dann bey Knebel, der sich beym Stiefelanziehen verrenkte. Mittags bey Herrn von Hendrich. Verschiedene Besuche; auch bey Knebel, dem ich Pandorens Wiederkunft vorlas. Thee bey Hendrich. Knebel, Tagebuch 19. 3. 1808 (GSA, Nachlaß Knebel)
Göthe Morgens hier. Liest mir Nachmittags die Fortsezung seiner Pandora vor. Nachher Seebeck, Abends Meier, bleibt zum Essen. 20. 3.
Tagebuch 20. 3. 1808 (WA III 3, 323)
Versuche bey Dr. Seebeck. Mittags dort zu Tische mit von Einsiedel, Göttling, Frommann, Oken. Abends bei Frommann. 21. 3.
Knebel, Tagebuch 21. 3. 1808 (GSA, Nachlaß Knebel)
Göthe geht zurück nach W. J. D. Färber, Kalender 21. 3. 1808 (UB Jena, Ñachi. Martín q 20)
Vormitt. sind der Herr Geh. Rath v. Göthe u. Hr. Hofr. Meyer wieder nach Weimar abgereist. 17./21. 3. Knebel an Goethe 22. 3. 1808 (Guhrauer 1, 322)
Ich muß Dir nur sagen, daß es mir besser geht und daß ich wirklich als ein aufrechter Mensch einhergehen kann . . . Indessen war ich in diesen Tagen ganz heiter und am meisten hat wohl Dein lieber Besuch dazu beigetragen. Die herrlichen Töne Deiner holden Vorlesung [Pandora] leben mir noch in Geist und Ohren.
Weimar 21. 3.
Tagebuch 21. 3. 1808 (WA III 3, 323)
Mit Hofrath Meyer herüber. Mittags der junge Tischner: über Seebecks galvanische Versuche. Riemer, Tagebuch 21. 3. 1808 (*Dtsch. Revue 11, 4 S. 24; Keil 5 S. 286)
Mittags Goethe von Jena wieder da. Von Seebecks galvanischen Versuchen. Nach Tische mein Sonett auf Wanda an Goethe gegeben. 438
Weimar
1808 22. 3.
Tagebuch 22. 3. 1808 (WA III 3, 324)
Unterhaltung mit Wernern; nachher mit Hofkammerrath und Genast. Zu Serenissimo und zur Prinzeß. Mittags allein. Vorsätze nach Carlsbad zu gehen besprochen. Abends zur Fürstin Reuß; gegenwärtig Frau von Stein, Schiller, Gräfin Beust, Fräulein Reizenstein und Hofrath Meyer. Riemer, Tagebuch 22. 3. 1808 (Keil5 S. 286)
Vorsätze nach Carlsbad besprochen. Henriette v. Knebel an Knebel 23. 3. 1808 (Düntzer 4 S. 331)
B 2 1068 b B 3 2649
Goethe hat mir nichts von Deiner Unpäßlichkeit gesagt. Er kam gestern zu uns und blieb länger als gewöhnlich. Aber die „Pandora" hatte er nicht bei sich, sondern will sie in 8 Tagen bringen. Er schien heiter und war sehr offen und gesprächig. 23. 3.
Tagebuch 23. 3. 1808 (WA III 3, 324)
Besuch von den Damen. Schluß von Ulysses und Circe des Calderón vorgelesen. Mittags Werner zu Tische: über Heidenthum und Christenthum, Liebe und dergl. Abends zu Hause und bey Geh.R. Voigt. Riemer, Tagebuch 23. 3. 1808 (Dtsch. Revue 11, 4 S. 24)
Früh bei Goethe den Kalender nachgetragen. Mittags Werner zu Tische. Dispute über Heidentum und Christentum. Ich bemerkte gegen Werner: Jeder ist im Leben größtenteils ein Heide und nur dann und wann ein Christ. Riemer (GSA, Riemer 1059)
? [Mittwoch] d. 23 März 1808. Mittags Werner zu Tische. Dispute über Heidenthum u Christenthum. Ich machte den Spaß „Jeder ist im Leben größtentheils ein Heide, und nur dann und wann ein Christ." der G. sehr wohl gefiel und W mußte miteinstimmen. 21./23. 3. Riemer an C. F. E. Frommann 23. 3. 1808 (Heitmüller S. 116)
B 2 1068 c B 3 2650
G. hat mir so viel Schönes von seinem Aufenthalte in Jena gesagt, daß ich ganz betrübt bin, nicht mit dabey gewesen zu seyn. 23. 3. (?)
Z. Werner an Graf K. v. Brühl 25. 8. 1818 (Floeck1 2, 337)
Sie [Gräfin Brühl] war in dieser Rücksicht meinem eigenen Wesen nur zu nahe verwandt, nehmlich in der mich, wie sie, beseelenden unglückseeligen Tendenz, (die Göthe mir einmal in wahrhafft heiligem Zorne, als meinen Hauptfehler vorgeworffen hat) in d e r Tendenz: „das was ewig esoterisch bleiben soll, exoterisch machen zu wollen!" 23. 3.
Henriette v. Knebel an Knebel 23. 3. 1808 (Düntzer 4 S. 331) B 3 2649 Diesen Morgen werden wir die Fortsetzung des calderonschen „Ulysses" bei ihm [Goethe] anhören.
439
Weimar
1808 23. 3. (?) C31 12 ?)
Ζ. Werner an Goethe 23. 4. 1811 (Floeck 1 2, 224)
B 3 2881
^
Daß ich für Entsetzlich Vieles fast Unverzeyhliches Verzeihung nöthig habe, wissen Ew. Excellenz aus meinen aufrichtigen Bekenntnissen, oder vielmehr, im vollen Wortsinne, aus der Generalbeichte die ich Ihnen einst nach dem Mittagessen an Ihrem Tische (wo nur Gott noch zwischen uns Beyden war) abgestattet habe . . . Ihre mir in Weimar gesprochenen Worte tönen noch immer in meinen Ohren: „Wer" sprachen Sie „mit mir nicht gehn kann, oder will, von dem scheide ich!"
24. 3.
Tagebuch 24. 3. 1808 (WA III 3, 324)
Bey Durchlaucht der Herzogin mit den Albrecht Dürerischen Zeichnungen. Dann bey Frau von Stein . . . Abends bey Mad. Schopenhauer; dann beym Erbprinzen im Concert; bey Zeiten wieder nach Hause. Riemer, Tagebuch 24. 3. 1808 (Keil 5 S. 287)
Mittags allein. Uber Pandora. Abends zu Mad. Schopenhauer, wo auch Fernow, Meyer, Schütz, Conta und Goethe. Über Werner und Contas Vorschlag, ihn auf den Sonntag [27. 3.] in einer Gesellschaft zu krönen. 2 Sonette von mir recitirt. St. Schütze, Tagebuch 24. 3. 1808 ( * J S K N F 4, 102; G M D )
Dito [d. h. Bei der Schopenhauer] Goethe spricht über das Pastellmachen, spaßt viel mit den Damen. Meyer erzählt, wie Werner Schardts Magd habe nothzüchtigen wollen. Z. Werner an J. D. Sander 24. 3. 1808 ( J b F D H 1963, 268)
B 3 2651
Ich kann Sie nicht genug um Verzeihung bitten, daß ich Ihre gütigen Schreiben so spät erst beantworte, aber theils eine sehr angestrengte vierwöchentliche literarische Beschäfftigung, über deren Gegenstand mündlich ein Mehreres, theils die grosse Güte der vortrefflichen Weimaraner (vom H ö c h s t e n bis zum Geringsten) gegen mich, welche die Veranlassung häufiger Engagements ist, hauptsächlich aber d e r Umstand war Schuld daran, daß der H Geh Rath von Göthe mir auf Ihre beyden, ihm von mir mitgetheilten Briefe früher decidirten Bescheid zu ertheilen, durch eine Reise nach Jena und mehrere andre Umstände, bisjezt verhindert wurde. Jezt aber und eben heute, wo ich aufs Neue um Resolution in ihn drang, hat er mich ausdrücklich beauftragt, Ihnen in den verbindlichsten höflichsten Ausdrücken (das waren seine Worte) seine Freude über die Fortdauer Ihres wohlwollenden Andenkens gegen ihn und Ihr Wohlbefinden zu äussern. Was Ihre Ubersetzung und die Aufführung der Gluckschen Iphigenia betrifft, so läßt er Ihnen sagen, daß von solcher fürjezt hier zwar, (weil bis zur Abreise der Gesellschafft nach Lauchstädt das hiesige Theater bereits mit den nöthigen Stücken versehen) kein Gebrauch gemacht werden könne, daß er aber hoffe, den nächstfolgenden (nehmlich diesjährigen) Winter davon Gebrauch machen zu können. Dagegen läßt er Sie freundlichst ersuchen, ihm ja die von Ihrem jungen Freunde gemachten Compositionen seiner Lieder zu schicken und zwar nur unter seiner eigenen Addresse unmittelbar an ihn selbst, da ich 440
Weimar
1808
. . . Weimar binnen circa acht Tagen verlasse . . . Übrigens können Sie versichert seyn, daß der wahrhafft und in jedem Betracht g r o s s e Göthe mit inniger Theilnahme an Sie und die Ihrigen denkt. 25. 3.
Tagebuch 25. 3. 1808 (WA III 3, 324)
Bey Fräulein Gore wegen der Biographie ihres Vaters. Bey Heideloff im Theater wegen der Saaldecoration. Mittags Sophie Teller. Nach Tische Werner. Abends Hofrath Meyer; besonders Siderismus von Ritter. 26. 3.
Tagebuch 26. 3. 1808 (WA III 3, 325)
Auf der Bibliothek, wo von meteorologischen Anstalten die Rede war . . . [Abends] Hofrath Meyer. Riemer, Tagebuch 26. 3. 1808 (Keil 5 S. 287)
Bei Goethe Briefe und Theatersachen. Uber Tisch von Cotta's Spekulation mit Faust. Adam Müller ein Wetterbeobachter, besonders Windschauer. Riemer an C. F. E. Frommann 26. 3. 1808 (Heitmüller S. 117)
B 2 1068 d B 3 2653
G. dankt schönstens für das Ueberschickte und wird nächste Mittwoche mit neuen Sachen aufwarten. Dagegen bittet er zu eben der Zeit um die Zurücksendung des Standhaften Prinzen. Chr. A. Vulpius an N. Meyer 26. 3. 1808 (Kasten 1 S. 222)
B 3 2652
Im Hause des Geheimraths ist alles wohlauf. In 8 Tage tritt August seine Reise nach Heidelberg an. Der Geh. Rath will im Mai wieder ins Carlsbad gehen, von wo er Johanni wieder wird zurückgehen müssen nach Jena, weil er die Oberaufsicht über die dortigen Schloßreparaturen erhalten hat, das 3000 Franzosen zum Lazareth dienen mußte. 27. 3.
Tagebuch 27. 3. 1808 (WA III 3, 325)
Die Sänger. Mittags Werner zu Tische: über Heidenthum und Christenthum. Abends bey Mad. Schopenhauer. Riemer, Tagebuch 27. 3. 1808 (Dtsch. Revue 11, 4 S. 24)
B 2 1068 e Β 3 2 6 5 4
Werner zu Tisch. Gegen Christentum und Christen apostrophiert, Goethe und ich. Goethe der letzte Heide, Werner der erste und letzte Christ. St. Schütze, Tagebuch 27. 3. 1808 (JSK NF 4, 102)
Bei der Schopenhauer], Goethe erzählt aus einer Chronik über Danzig. 28. 3.
Tagebuch 28. 3. 1808 (WA III 3, 325)
Mittags Werner zu Tische, der Abschied nahm. Abends zu Hause. Hofrath Meyer. Riemer, Tagebuch 28. 3. 1808 p t s c h . Revue 11, 4 S. 24)
Mittags Werner zu Tische. Uber Christianismus. Las uns sein Abschiedsgedicht aus dem Schwan vor. Auf die Melodie: im Felde schleich ich. 441
1808
Weimar Ζ. Werner an Goethe 15. 4. 1808 (Floeck1 2, 124)
Ew. Excellen2 und dem durchlauchtigsten Herzoge die Gefühle des Danks, der Verehrung, der Liebe zu schildern die ich für Sie Beyde empfinde, bin ich schlechterdings nicht im Stande . . . Wenn ich wenigstens nur ein Mahler wäre, und Ew. Excellenz mir mahlen könnte und den kurzen Abschied an der Treppe und wie Helios mit Strahlenblicke mich beym Schöpfe ergriff und sagte: Bald hätte ich das Nöthigste vergessen! Und dann forteilte und meinem Danke entfloh! — Nicht das was er mir in die Hand steckte [Geldgeschenk der Herzogin] — (wiewohl es weit, weit über mein Verdienst und Würdigkeit) — war der Seegen, aber dies Anfassen bey dem Haupte war es — ein heydnischer Seegen, eine Kunstweyhe des Jüngers durch den ersten Meister, die auch nicht ohne Erfolg bleiben soll und wird! . . . Ich mag gar nicht über das Röllchen nachdenken, es erfüllt mich mit zu tiefer wehmüthiger Beschämung, es martert mich, so wie überhaupt in der Erinnerung mich Alles martert was und wie Sie es mir erwiesen haben, denn ich sehe zu Ihrer Grösse, Macht und Herrlichkeit nicht mit Neid aber mit Zerknirschung! Z. Werner an Goethe 24. 9. 1808 (Floeck1 2, 140)
B 3 2659
Mein Gott, was ist es doch mit aller Sprache und Schrifft für ein jämmerlich Ding, daß man da nicht was aufs Papier setzen kann, was einem ins Auge sticht, wie ein seelenvoller Blick, wie der, den Ew. Excellenz mir beym Abschiede zuwarffen, als Sie mich bey dem Haartoupé packten. Dez. 1807 /
2g 3 1808
Tag- und Jahres-Hefte 1807. Paralipomena (WA I 36, 392)
Der allgemeine Zweck von Werners Ankunft in Weimar, wo jeder Fremde von Bedeutung seit vielen Jahren die freundlichste Aufnahme, ja Wohnung und bürgerlichen Zustand gefunden hatte, mochte wohl sein, einige seiner Stücke aufgeführt zu sehen. Er las die drei Acte von Wanda vor, und ob man gleich das Abstruse des Ganzen nicht billigen konnte, so fanden sich doch so schöne Stellen in einem untadelhaften, dramatischen Gange, daß man die Vorstellung des Stücks wohl beschließen konnte. Förderlich dazu war, daß man auf dem Weimarischen Theater alles nur einigermaßen Mögliche zur Darstellung zu bringen den Grundsatz hatte, und daß gerade in dem Augenblicke die beliebtesten Schauspieler zu den Hauptrollen sich eigneten, auch der zu Anfang des folgenden Jahres eintretende hohe Geburtstag unserer verehrten Fürstin bis jetzt noch eines bedeutenden Feststücks ermangelte. Werner theilte außerdem noch seinen projectirten Prolog zur Friedensfeier in Berlin mit, welcher abermals die sämmtlichen Tugenden und Mängel seiner Muse dem Aufmerkenden bethätigte. Seine Weihe der Kraft, sein Attila wurden mehrfach besprochen, doch hielt man sich weniger daran, weil sie einer Vorstellung auf unserm Theater durchaus nicht angemessen waren. Die Zeit ging hin und man hatte genug zu thun, die zwei letzten Acte von Wanda seinem beweglichen Talent zu entreißen und nur der herandringende Tag der Vorstellung nöthigte den Dichter, seinen Umriß zu bestimmen. Was ihm aber ernstlicher am Herzen lag, war, Das Kreuz an der Ostsee gleichfalls auf's Theater zu bringen. Der erste Theil davon war als eine episch-dramatische Darstellung schon in einem Octavbande weitläufig aus442
1808
Weimar geführt. Nun galt es, die Frage, inwiefern man diese Exposition in zwei Acte zusammenziehen könne, um das Intentionirte und Desiderirte in den drei folgenden nachzubringen und abzuschließen. Man ließ ihn gewähren, allein es war ihm nicht gegeben, sich zusammenzufassen, und das Stück erweiterte sich anstatt sich in die Gränzen der Bühne zusammenzuziehen. Indessen fuhr man fort, seine Gegenwart zu benutzen; er las vor den Damen seinen Attila, ohne daß deßhalb das Stück unserer Bühne sich genähert hätte. Unter allem diesem ward offenbar, daß er sich einer gewissen realistischen Ansicht, wodurch allein das Ideelle zur Erscheinung gebracht werden kann, nicht fügen, noch weniger dieselbe sich aneignen könne. Bei dem aufrichtigen Antheil an seiner Persönlichkeit und dem Wunsche, seine äußerlichen Verhältnisse zu verbessern, that man das Mögliche, um ihn mit sich selbst zu versöhnen und ihn für den wahren ästhetischen Kreis zu gewinnen, allein vergebens, denn sein Beharren auf der eigenen Weise zeigte sich immer deudicher, seine hartnäckigen Bemühungen, andere in seinen wunderlichen Zauberkreis hineinzuziehen, immer entschiedener, und so gab es manches lebhafte, obgleich immer wohlwollende Hin- und Widerfechten, ohne daß von beiden Seiten irgend etwas wäre gewonnen worden. So verließ er Weimar gegen Ende März des folgenden Jahres, zufrieden mit Aufnahme, Bewirthung und Förderniß, eingeladen zu gelegentlicher Wiederkehr. Wir schieden mit Wohlwollen von einander, unsererseits in Hoffnung ihn bei einem zweiten Besuche mehr der hiesigen Denk- und Bestrebensweise anzunähern, er aber gewiß im Stillen der Meinung, uns zu seiner Art und Weise zu bekehren. Z. Werner an Johanna Rinck 26. 3. 1808 (Floeck 1 2, 123)
Wie mich mein großer Göthe mit seiner Gewogenheit überhäuft, was er was der Herzog, die Prinzessinnen, Wieland mir geäußert haben, ist zu schmeichelhaft um es erzählen zu können. Z. Werner an Iffland 21. 3. 1808 (Floeck 1 2, 117)
Übrigens . . . hoffe ich Ihnen noch Freude zu machen, da ich durch Göthe von der Idee die Mystick auf dem Theater durchzusetzen, zurückgekommen und mehr und mehr überzeugt bin, daß die höchste artistisch-dramatische Mystick darin besteht, der zwar mystischen aber doch klaren Natur gleich, Menschen plastisch und lebend zu schaffen. J. I. v. Gerning, Korrespondenz-Nachricht aus Frankfurt 29. 7. 1808 (Morgenblatt 4. 8. 1808, S. 744)
Werner . . . kam als ein freundlicher Genius wieder . . . Er ist Freunden der sogenannten Mystik oder Romantik, und Freunden der Griechheit, ja manchen eingefleischten Heiden gleich werth; eine Frucht seiner gemüthvollen Bescheidenheit und wechselseitiger Toleranz, die er vorzüglich an Göthe rühmt. Z. Werner an Iffland 4. 5. 1808 (C. Müller S. 228)
Ihrer mir gütigst erteilten Erlaubnis zufolge übersende ich Ihnen anbei mein neuestes dramatisches Produkt [Der 24. Februar], welches Goethe für mein gelungenstes erklärt, auch zu der Aufführung desselben bereit ist, insofern nur 443
1808
Weimar die jetzigen Zeitverhältnisse ihm Zeit, Muße und Heiterkeit genug verstatten, das Stück einstudieren zu lassen! . . . Ich habe den Fluch, nach Goethens Meinung sehr zweckmäßig ins Spiel gebracht . . . auch die Benutzung dieses Motivs billigt Goethe sehr. S. Schultze nach Falk (?) (FS Lauchstedt S. 12)
B 2 1069 B 3 2 6 5 8
Mit kräftiger Ironie führte . . . Goethe einstmals Werner bei seinem Aufenthalt in Weimar (Winter 1807/8) ab; Werner meinte nämlich witzig, ein Grund, warum er nicht (wieder) heirate, sei auch der, weil man im Anfang des Ehestandes so miserable Suppen zu essen bekäme, dass dies ein Regime sei, was jeder junge Ehemann durchmachen müsse. Goethe erwiderte ihm, dies sei blos dann, wenn die Ehen kinderlos wären. Sobald sich Kinder einfänden, so würden drei, vier Pfund Fleisch gekocht. Für ein Paar Leute koche man ein halb Pfund Fleisch, das könne dann freilich nur eine magere Suppe geben. Das beste Mittel zur Amelioration der Suppe sei dies, recht viele Kinder zu haben. In dem Masse wie Kinder auf Kinder ankämen, würde auch die Suppe besser. Z. Werner an Goethe 24. 9. 1808 (Floeck 1 2, 140)
Ew. Excellenz sollten die Gluth meiner dankvollen Anbetung erkennen! Und doch — (wenn ich es noch einmahl wagen dürffte, zum letztenmahl!) — eine grundchristliche Mignon, über welche die Schaar der ächten Kirchenväter entzückt und freudig erstaunt seyn würde, schreiben und dennoch der zwar auch göttlichen Pallas von Velletri den Rang über eine gewisse A m m e ! einräumen zu können! — Genung! — Haben Ew. Excellenz doch nur die Gnade zu verzeyhen; es ist gewiß zum letztenmahle geschehen! — A. v. Arnim an Bettina Brentano 12. 7. 1808 ( B e t z - S t r a u b 1, 275)
B 3 2656
Werner . . . hat mir sein System der Liebe auseinandergesetzt, tief ergreifend, weil man immer fühlte, wie er sich das Ganze nur wie einen Galgen aus Verzweiflung über Unglück erbaut hat. Daher immer die gräßliche Gewißheit, mit der er zwischen ausrief: ,Sie werden mich für einen Narren halten, es ist doch wahr, was ich sage; Göthe spricht von allem, von Kunst und Wissenschaft, daß ich dabei ganz dumm zugehört habe, aber in mein System hat er doch nicht hineinreden können. E r hat mir oft gesagt: sobald ich Ihnen zugebe, daß die Liebe das Höchste, so haben Sie mich fest, das gebe ich aber nicht zu, sondern alles ist das Höchste.' . . . Von Göthe meint er, daß er vielleicht nie geliebt, sondern immer in einer Art Meisterschaft stehen geblieben wäre. Α. V. Arnim an Bettina Brentano 10. 10. 1808 ( B e t z - S t r a u b 2, 50)
B 3 2657
Manches schöne Kunstwerk lernte ich dort [Mannheim] kennen. Zum erstenmal sah ich einen Abguß der Pallas von Velletri; ihre kolossale Gestalt paßt zu ihrer Weisheit, und ich mußte dem Göthe recht geben, der einmal dem Werner gegen seine Liebestheorie einwandte, er glaubte wohl, daß ihn die Marienbilder auf
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Weimar
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solche Gedanken bringen könnten, aber er wollte ihn einmal vor eine Pallas bringen, ob er da noch an so etwas dächte. L. Robert, Erklärung (Morgenblatt, Intelligenzbl. Nr. 16, 1820, S. 61)
Werner — so hörte ich in Weimar erzählen — hatte einst gegen einen seiner Rezensenten eine Antikritik verfaßt, und legte sie handschriftlich Goethen zur Beurtheilung vor: dieser aber verwies ihm sein Thun mit folgenden energischen Worten: „Wenn man Sie nicht beschuldigt, einen silbernen Löffel eingesteckt zu haben, so brauchen Sie nie auf Rezensionen zu antworten." — Wahr oder nicht wahr, ich glaube der Erzählung. Grillparzer, Meine Reise nach Italien (Sauer—Backmann S. 28)
Göthe sagte einmal zu Werner, als dieser ihm eine Erwiderung gegen einen Journalartikel vorgelesen hatte: Wenn man Sie beschuldigt einen silbernen Löffel gestohlen zu haben so antworten Sie, sonst aber lassen Sie's bleiben. An Ph. O. Runge 23. 7. 1808 (WA IV 20, 120)
. . . Denn über die Puñete, die uns beyde interessiren, muß man sich mündlich verständigen. Man muß sich, wenn man auch nicht in allem übereinstimmend denken könnte, doch die Grundmaximen deutlich machen, welche das Urtheil und die Thätigkeit des Andern führen und leiten. Den vorigen Winter ist uns dieses Vergnügen, dieser Vortheil durch Herrn Werner geworden, der sich drey Monate bey uns aufhielt und uns bekannt ward wie wir ihm. Savigny an J. und W. Grimm 12. 4. 1808 (Stoll 4 1, 321)
Der junge Goethe, der jezt hier [Frankfurt] ist, erzählt viel von Werners außerordentlich guter Aufnahme in Weimar und besonders bey Goethe. 29. 3.
Tagebuch 29. 3. 1808 (WA III 3, 325)
Bey Serenissimo August präsentirt zur Beurlaubung. War gegenwärtig die Hoheit, der Erbprinz. K a m der Hofmarschall Egloffstein. Uber die Verhältnisse in Franken. Nachher zur Prinzeß Caroline. Mittags Demoiselle Engels zu Tische. Rolle der Herzogin im Wallenstein. Geheimer Regierungsrath Müller. Henriette v. Knebel an Knebel 30. 3. 1808 (Düntzer 4 S. 331)
B 2 1068 f B 3 2660
Gestern hat uns Goethe das Vergnügen gemacht, uns aus seiner „Pandora" vorzulesen. Es dünkt uns eine seiner besten und lebendigsten Sachen. 21./29. 3. An Th. J. Seebeck 29. 3. 1808 (WA IV 51, 231)
Indem ich alles übrige bey Seite setze, so sage ich Ew. Wohlgebornen nur kürzlich, daß meine Erzählungen von den in Jena gelungenen physicalischen Versuchen viel Verlangen hier erregt haben, das alles mit eigenen Augen zu sehen . . . Durchlaucht der Herzog interessiren sich gegenwärtig sehr für Meteorologie. 445
1808 30. 3.
Weimar Tagebuch 30. 3. 1808 (WA III 3, 325)
Die Damen. Der standhafte Prinz 1. Act. Einige vierstimmige Gesänge. Mittags Demoiselle Engels. Rolle der Herzogin in den Piccolominis . . . Abends zu Hause. Hofrath Meyer. Demselben die neue Melusine vorgelesen. Maria Pawlowna an Maria Feodorowna 30. 3. 1808 (HSTA Weimar, HA A X X V R 156, 47) B 3 7455
Je reviens de chez Göthe, ou la séanpe a dûré si longtems, que j'ai à peine avant le diner, le tems de finir celle-pi. Maria Pawlowna, Choses remarquables. Journal 1805/08 (HSTA Weimar, HA A X X V Bl. 30)
Entendû lire par Göthe en partie chez lui, en partie chez la duchesse, une pièpe de Calderone, intitulée Der standhafte Fürst, traduite par Schlégel: le sujet en est que l'infant de Portugal Don Fernand ayant été envoyé contre le roi de Fez, fut fait prisonnier par lui; on lui offrit de livrer Ceuta au roy de Fez pour sa ranpon, mais l'infant ne le voulût jamais, et aima mieux rester en prison où il périt: après sa mort on le canonisa: la pièpe est très intéressante, et il y a des choses sublimes: Göthe étoit tout émû en lisant. — Riemer, Tagebuch 30. 3. 1808 (Keil 5 S. 287)
Mittags Dem. Engels zu Tische. Das Abschiednehmen vertheidigte ich für Dem. Engels gegen die Geh. Räthin. 31. 3.
Tagebuch 31. 3. 1808 (WA III 3, 326)
Bey Weißern wegen des Schmettauischen Monuments . . . Abends bey Frau Hofräthin Schopenhauer. Riemer, Tagebuch 31. 3. 1808 (Keil 5 S. 287)
Abends [mit Goethe] bei Mad. Schopenhauer. Uber Himmel's Kompositionen und Ciavierspielen, seinen Tod. Hernach über Falk's Oceaniden. F. v. Müller, Tagebuch 31. 3. 1808 (Grumach S. 6)
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Goethe war bey Schoppenhauers recht theilnehmend und mittheilend, lobte und beschrieb Carlsbaad und die Auchische Windfahne. Den grosen O r c a n e n habe man nachgerechnet, sie hätten immer eine sehr kleine Breite, kaum 3 — 400 Schritte, und bildeten eine Spirallinie im Wirbel. Schroeder könne kein wahrhaft groser Künstler seyn, weil er so viel Kunststücke gemacht, und im höchsten tragischen Moment verruchter Späße fähig gewesen sey. O h n e G e m ü t h sey keine wahre Kunst denkbar. 30.3.
Henriette V. Knebel an Knebel 30. 3. 1808 (Düntzer 4 S. 331) B 3 2660 Diesen Morgen gehen wir zu Goethen. Ich glaube, daß er uns aus dem „standhaften Prinzen" etwas vorlesen wird. Auch soll es etwas Musik dazwischen geben. Die Großfürstin wird auch kommen.
März (?)
G. H. Rapp an Cotta 24. 2. 1808 (CA) Der F.Hofr Schillerin habe ich geschrieben, ob sie uns nicht von Göthe, offen zu sagen wozu, die vielerlei Melodien zu dem: „Kennst du das Land" verschaffen könne. Wir würden alles p] villeicht auch mit neuen Entdekungen auf Stein geben.
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Weimar
1808
C. Bettuch, Tagebuch 31. 3. 1808 (*JSK NF 4, 102; GSA, Bertuch 3069)
Abends bey Mde Schopenhauer. — Goethe da sehr heiter. Ueb. Physik. Ideen, Windfahne. — Die Windkreise. — Cherbourg [?]. März
H. Becker an H. Blümner 31. 3. 1808 (HSTA Weimar, Genint, Slg. Pasque 2, 2)
Das Manuscript, Kunz von Kaufungen habe ich den Herrn Geheimerath von Göthe übergeben, aber noch bis jezt kein Urtheil darüber vernehmen können. Er fing einmal mit mir darüber an, wir wurden aber gestört. Ich glaube auch nicht das er sich sehr darüber auslassen wird, so bald er nicht weiß von wem es ist, indem er das annonime nicht sehr liebt. Es ist ihm einmal mit Kotzebues Octavia so etwas passirt, welches er noch nicht vergessen zu haben scheint. St. Schütze an W. G. Becker 27. 3. 1808 (FDH)
Göthe war diesen Winter nur einmal unpäßlich und ist im Ganzen immer sehr heiter, wird aber sehr zeitig wieder nach Carlsbad reisen, wo es ihm sehr gefällt. vor Apr.
Bettina v. Arnim, Goethes Briefwechsel mit einem Kinde (Schmitz/Steinsdorff S. 90)
[Bettina Brentano an Goethe 25. 5. 1808. So habe sie einen Besucher bei Goethes Mutter eingeführt:] Der Herr heißt Schneegans, hat Ihren Herrn Sohn in Weimar besucht und bringt Ihr viele Grüße von ihm. 1. 4.
Tagebuch 1. 4. 1808 (WA III 3, 326)
Mittags Sophie Teller zu Tische. Abends bey Durchlaucht der Herzogin. Die drey letzten Acte des standhaften Prinzen vorgelesen. Maria Pawlowna an Maria Feodorowna 1. 4. 1808 (HSTA Weimar, HA A XXV R 156, 49)
.. . rentrant chez moi d'une lectûre qu'a fait Göthe chez la Duchesse . . . 2. 4.
Tagebuch 2. 4. 1808 (WA III 3, 326)
Mittags Demoiselle Elsermann und Ulrich und Professor Voigt von Jena zu Tische. Riemer, Tagebuch 2. 4. 1808 (Keil5 S. 287)
Bei Goethe Briefe. 3. 4.
Tagebuch 3. 4. 1808 (WA III 3, 326)
Um 11 Uhr die Sänger. Dazu kam Herr von Müffling mit seinem Schwager [L. v. Scheie] .. . Bey Mad. Schopenhauer in kleiner Gesellschaft. Ende Chr. G. v. Voigt an Goethe Ende März/Anf. Apr. 1808 (?) (SchrGG 55, 192) März/ Ein numismatisches Rätsel lege ich bei; dieser Nummus ist von der ältesten Gattung. Vielleicht Anf. Apr.? vernehme ich etwas darüber, wenn ich heute die Ehre habe, Ew. Exzellenz zu sehen. 3. 4.
Carl August an Ungenannt 2. 4. 1808 (SNM) Da mir an der Sache von der ich Ihnen heute sprach gelegen ist, weil selbige gelegenheit geben wird über mancherley daran hängendes zu sprechen So schicken Sie morgen früh den Pol. Secrt. Gille zur Gräfin v. Henkel, Geh. Rath v. Göthe u. zur Frau Hofräthin Huschke u. laßen diese drey höflichst ersuchen den Pol. Secrt. zu erzählen was sie von den bewusten tollen Menschen von Vorgestern wissen. Ferner laßen Sie das LaufMädgen Reichenbecher bey meiner Tochter in Diensten die den Schlag bekommen hat, u. den Policey Diener vernehmen der bey der Gräfin Henckel wohnt,
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1808
Weimar Riemer, Tagebuch 3. 4. 1808 (Dtsch. Revue 11, 4 S. 24)
Früh bei Goethe. Empfehlungsschreiben für August nach Frankfurt u. a. 4. 4.
Tagebuch 4. 4. 1808 (WA III 3, 326)
Ging August nach Heidelberg ab . . . Nach Tische kam Dr. Seebeck. Abends mit ihm im Theater: der Flüchtling und Liebe und Geheimniß. Riemer an A. v. Goethe 13. 4. 1808 (GJb 10, 3)
Den Morgen nach Ihrer Abreise war es mir curios zu muthe . . . Nach Tische bekamen wir sämmtlich eine Diversion, indem Doctor Seebeck von Jena ankam, und bey uns logirte. 5. 4.
Tagebuch 5. 4. 1808 (WA III 3, 327)
Mittags Dr. Seebeck. Über Siderismus, Wünschelruthe und anderes. Abends mit Dr. Seebeck bey der Fürstin Reuß. Riemer, Tagebuch 5. 4. 1808 (*Dtsch. Revue 11, 4 S. 24; Keil 5 S. 288)
B 2 1071 B 3 2662
Besuch von Dr. Seebeck. Mittags allein mit ihm. Uber Galvanismus, Siderismus, Wünschelruthe pp. Bereitete Seebeck die Pappen zur Batterie. Riemer (»Dtsch. Revue 11, 4 S. 24; G S A , Riemer 1059)
G. G. bemerkte: Werner verwechsle die άγαττη mit dem ερως.
B 2 1071 B 3 2662
d. 5 April 1808
In der Cultur der Wissenschaften haben die Bibel, Plato und Aristoteles hauptsächlich gewirkt, und auf diese drey Fundamente komme man immer wieder zurück. Neuplatoniker sagt man; also Rückkehr auf den Plato; Scholastiker, und daß Kant wieder die Scholastik bringe, also Aristoteles; Jetzt Rückkehr zur Bibel. Man kann aus diesen Elementen nicht heraus, und so ist es lächerlich, wenn die Menschen sagen: die Scholastik kehre wieder, Aristoteles oder Plato. 6. 4.
Tagebuch 6. 4. 1808 (WA III 3, 327)
Kamen die Damen. Mittags Dr. Seebeck. Über Galvanismus, Mysticismus und dergl. Abends kam Durchlaucht der Herzog mit Herrn von Müffling. Herrn von Lindenau, die galvanischen Versuche zu sehen. Bis um 10 Uhr geblieben. u. welcher dabeygewesen ist wie der tolle Mensch ins Henckelsche Hauß ging, ihn weg wieß aber nicht feste hielt. ab 4. 4.
A n Th. J. Seebeck 29. 3. 1808 (WA IV 51, 231) . . . Es wäre mir daher sehr angenehm, wenn Sie sich einrichten könnten herüber zu kommen . . . Sie packten Ihren Apparat aufs Beste zusammen . . . Sie kämen Mondtags den 4' April zu uns herüber . . . Dienstags bauten wir die Säulen auf und könnten alsdann Mittwochs, Donnerstags und Freytags den Wissens- und Schaulustigen dienen. Sonnabends käme ein Wagen von Jena, um Sie wieder abzuholen. Die Gäste, die er mitbrächte, sollten uns willkommen seyn und man würde nach einer guten Schauspielvorstellung wieder nach Hause kehren können.
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Weimar
1808
Maria Pawlowna an Maria Feodorowna 6. 4. 1808 (HSTA Weimar, HA A X X V R 156, 59)
J'ai été chez Göthe ce matin. Riemer, Tagebuch 6. 4. 1808 (*Dtsch. Revue 11, 4 S. 24; Keil 5 S. 288)
B 2 1072 B 3 2663
Früh unten bei Dr. Seebeck die Säule helfen aufbauen. Mittags Seebeck zu Tische. Uber Galvanismus, den modernen Mysticismus; bemerkte Seebeck daß man leicht glauben könne: der Messias könne aus den Tremellen, die bei Gewitterregen zum Vorschein kommen als eine Gallerte, entstehen. Goethe faßte es auf und wollte ein Gedicht Maranatha oder „der Herr kommt" machen. Riemer (*Dtsch. Revue 11, 4 S. 25; Keil 5 S. 288)
B 2 1072 B 3 2663
d. 6. April 1808. Goethe bemerkte über die neuesten Aesthetiker, die Schlegels, Ast pp., daß ihr ganzes Urtheil und Absprechen blos darauf beruht, daß ein jeder wie im Dominospiel blos den Stein lobt, an den er seine Zahl anschieben kann. Er äußerte ferner: „Engländer haben kein ästhetisch moralisches Urtheil, sprechen von einzelnen Schönheiten. Als wenn für den Dichter etwas schöner wäre als das andere! Was er ausspricht, ist insofern etwas, daß er es ausspricht. Sie meinen, daß er nur etwas sage, wenn er gerade ihr Interesse ausspricht." Β. A. v. Lindenau, Tagebuch 6. 4. 1808 (Ebart S. 167)
Am Abend mit dem Herzog beim Geheimrath Goethe zugebracht. Maria Pawlowna, Choses remarquables. Journal 1805/08 (HSTA Weimar, HA A X X V Bl. 30)
Vu faire chez Göthe au mois de mars, quelques expérienpes galvaniques, par le Dt. Séebeck de Jéna: entr'autres il a brûlé des métaux pour lesquels il auroît fallû le feu du fourneau chymique des plus ardens: l'or, lorsqu'on le brûle par le procédé galvanique répand une lumière qui a l'éclat du diamant; l'argent, répand la plus belle flamme couleur d'émeraude qu'il soit possible de voir, etc. — 6. (?) 4.
Charlotte v. Stein an F. v. Stein 10. 4. 1808 (GSA, Stein 107)
Docter Seebeck . . . hat uns beym Goethe experimente mit der Galvanisir Maschine gemacht die sehr intereßant waren. Der Traht zündete Bothasche an und da sah man kleine Metalküchelchen erscheinen die aber gleich sich wieder verkalchten, Goldblättchen verbranden in einen Moment und die Flamme davon war mit einen lieblichen grünen Schein, und solche Experimente mehr pp.. . . 6. 4.
An Charlotte v. Stein 27. 3. 1808 (WA IV 20, 36) Wegen der galvanischen Versuche habe ich mir es anders ausgedacht.. . Glauben Sie daß es angenehm sey; so will ich veranstalten daß Dr. Seebeck Mittwoch d. 6. Aprili die Versuche in meinem Hause vorlege und vortrage. Chr. G. v. Voigt an Goethe 4. 4. 1808 (SchrGG 55, 194) Wenn Ew. Exzellenz vielleicht den Mittwochvormittag eine Stunde unsrer Besprechung widmen, wo auch einige Bibliothekssachen arrangiert werden könnten, so ließe sich in der Sache wohl weitersprechen.
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Weimar
1808
Goethe geht im May nach Carls bad und will drey Monath da bleiben, August ist nach Heydelberg da zu studieren, abgereißt. Chr. G. V. Voigt an Goethe 9. 4. 1808 (SchrGG 55, 195)
Noch dankend für die angenehm unterrichtende Experimentenstunde empfehle ich mich erkenntlichst. 7. 4.
Tagebuch 7. 4. 1808 (WA III 3, 327)
Mittags Dr. Seebeck zu Tische. Gegen Abend Frau Hofräthin Schopenhauer und Hofrath Meyer, um die Versuche zu sehen. Hernach die Sänger, confirma hoc deus. Nach Tische einige Lieder von Schiller; einiges zur Guitarre mit Violinbegleitung. 8. 4.
Tagebuch 8. 4. 1808 (WA III 3, 327)
Kam die Fürstin-Prinzessin Reuß, die galvanischen Versuche zu sehen. Mittags Dr. Seebeck. Abends Hofrath Meyer und Dr. Seebeck zum Thee. Herr und Mad. Wolff zum Abendessen und Demoiselle Engels. 9. 4.
Tagebuch 9. 4. 1808 (WA III 3, 327)
Mittags Dr. Seebeck. Nach Tische kam seine Frau und 3 Kinder. Mit ihm ins Theater: Tyroler Wastel. Charlotte v. Stein an F. v. Stein 10. 4. 1808 (GSA, Stein 107)
Gestern Abend sah ich den Tiroler W a s t e l . . . ich war mit Goethen und Docter Seebeck von Jena in einer Loge. 10. 4.
Tagebuch 10. 4. 1808 (WA III 3, 327)
Reiste Dr. Seebeck wieder ab . . . Abends Hofrath Meyer. 11.4.
Tagebuch 11. 4. 1808 (WA III 3, 328)
Hofrath Meyer. St. Joseph der Zweyte vorgelesen. Uber die kleinen Erzählungen überhaupt gesprochen. Riemer, Tagebuch 11. 4. 1808 (Keil 5 S. 288)
Mittags Goethe zu Tische, entfernte sich aber bald, weil ihm nicht wohl. Mit ihr über seine Krankheit gesprochen. H. Becker an H. Blümner 11. 4. 1808 (HSTA Weimar, Genlnt, Slg. Pasqué 2, 2)
So eben habe ich das Manuscript: Kunz von Kaufungen, von dem Herrn Geheimenrath von Göthe erhalten. Er läßt Ihnen schönstens grüßen, und zu gleich zu wissen thun, daß die Vorstellung dieses Stückes auf unsrer Bühne mit zu viehlen Schwierigkeiten verbunden, auch um ein bedeutendes zu lang wäre. 6. 4. (?)
Carl August an Goethe o. Dat. (6. 4. 1808?) (Wahl1 2, 14) Wenn es dir recht ist, so komme ich diesen Abend zwischen 6 — 7 Uhr nebst ein paar Gesellen zu dir, um zu Galvani-Magneti-Electri-siren.
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Weimar
1808
Uebrigens wäre die Zusammenstellung des Ganzen sehr weise eingerichtet, und zeige von einer geschickten Hand, auch wären die Verse sehr gut. Ich schicke es Ihnen wieder zurück. 12. 4.
Tagebuch 12. 4. 1808 (WA III 3, 328)
Abends Hofrath Meyer. Recension der Litteraturzeitung. Fortunatus. 11./12. 4. Riemer an A. v. Goethe 13. 4. 1808 (GJb 10, 3)
Ihre beyden Briefe sind glücklich angekommen, und wir freuen uns alle herzlich Sie wo nicht im Hafen, doch an sichrer Rhede [in Frankfurt] vor Anker zu wissen. Vater und Mutter haben mir aufgetragen in beyder Namen Ihnen zu schreiben . . . Am Montage machte uns Ihr erster Brief, und am Dienstage Ihr zweyter große Freude . . . Vater und Mutter, und alle Ihre Freunde und Bekannten grüßen Sie von Herzen. Erstere bitten auch die theure Großmutter zu grüßen, Stocks, Brentanos und alle Frankfurter Freunde. 13. 4.
Tagebuch 13. 4. 1808 (WA III 3, 328)
Nach Tische Demoiselle Elsermann. Abends die Sänger und Hofrath Meyer. Riemer, Tagebuch 13. 4. 1808 (Keil 5 S. 288)
Früh zu Goethe. Allerlei Briefe. 11./13. 4. Henriette v. Knebel an Knebel 13. 4. 1808 (Düntzer 4 S. 332)
B 3 2664
Mit Goethe geht es besser und er gedenkt noch diese Woche nach Jena zu kommen. 14. 4.
Tagebuch 14. 4. 1808 (WA III 3, 328)
Mittags Demoiselle Elsermann zu Tische. Abends bey Mad. Schopenhauer. St. Schütze, Tagebuch 14. 4. 1808 (JSK NF 4, 102)
Bei der Schopenhauer]. Goethe über mein Schreiben der Lustspieldichter an Cotta. 15. 4.
Tagebuch 15. 4. 1808 (WA III 3, 328)
Mittags Sophie Teller zu Tische. 16. 4.
Tagebuch 16. 4. 1808 (WA III 3, 328)
Professor Uckert und sein Bruder aus Gotha und Minden. 14./16. 4. Riemer an C. F. E. Frommann 16. 4. 1808 (Heitmüller S. 118)
B 2 1073 a Β 3 2665
G. wird schon künftige Woche hinüber kommen, und dann werden wir auch bald nach Carlsbad aufbrechen. Es ist noch ein gichtisches Uebel dazu gekommen, oder vielmehr der Antheil Gicht bey dem bisherigen hat sich auf die Beine geworfen, welches ihm große Schmerzen macht u. weswegen er je eher je lieber 451
1808
Weimar ins Bad eilt. Carlsbad hat ihm schon einmal diesen Zufall vertrieben; es war wie er nach Italien ging. — Doch lassen Sie sich nichts merken, als wüßten Sie was davon: er scheint mir's nicht gern zu haben, daß man davon spricht.
4./16. 4.
Christiane v. Goethe an A. v. Goethe 16. 5. 1808 (GJb 10, 7)
B 3 2695
Sei nur recht fleißig, daß der Vater Freude an dir hat, und wirst Dich dann auch sehr freuen, wie gut er alles mit Dir vorhat. Denn er hat Dich sehr lieb, das habe ich erst recht gesehen, wie Du weg warst. Die erste Zeit hat er fast nichts gegessen. Sein einziger Wunsch ist nur, daß D u was lernen möchtest. 17. 4.
Tagebuch 17. 4. 1808 (WA III 3, 328)
Früh die Sänger. Hofrath Stark . . . Abends bey Mad. Schopenhauer. Diatribe gegen die neuen Dichterlinge. Riemer, Tagebuch 17. 4. 1808 (Keil 5 S. 288)
Abends zur Mad. Schopenhauer. Sehr voll. Goethe's. Dessen Diatribe gegen die neuen Dichterlinge. St. Schütze, Tagebuch 17. 4. 1808 ( * J S K N F 4, 102; G M D )
Bei der Schopenhauer], Goethe über die Schlegels, Vermehren pp. C. Bertuch, Tagebuch 17. 4. 1808 ( * J S K N F 4, 102; G S A , Bertuch 3069)
Abds bey M d c Schopenhauer. Goethe sprach mit durchdring. Spott über die Proclamation ν. Friedrich Schlegel als Imperator der Dichter, daß seine Keule noch ein Aestchen habe. — daß Schiller kein Dichter sey. — C. Bertuch an Böttiger 21. 4. 1808 (»Archiv 15, 447; L B Dresden, Böttiger 4° 10, 90) B 2 1075 B 3 2666
Goethe denkt bald nach Carlsbad zu reisen. Lezthin war er göttlich bey M d e Schopenhauer, wo er über Schillers Cyclus v. Wallenstein sprach, welcher heute u. den Sonnabend gegeben wird. Freilich, sagte er unter anderm, verlautet jezt von dem guten Schiller, daß er kein Dichter sey (dieses predigt Passow seinen Primanern, u. stand zwei Schritte v. Gthe) doch wir haben da so unsere eigne Meinung darüber. Mit dreimal caustischer Lauge sprach er scherzend über die poetische Anarchie, wo der neueste Dichter zum grösten ausgerufen werde, u. kam auf die Landshuter Erklärung (von Ast?) daß Friedrich Schlegel zum Herkules unter den Dichtern proklamirt sey — und jezt anstatt mit dem Schlegel, mit der Keule herumwandle, an der als Excrescenz auch ein A e s t c h e n bemerkbar sey — etc. etc. Kurz G. dokumentirte hier so ganz seine hohe Meisterschaft, u. ließ einmal hell sehen, wie er über die Alfanzereyen der Zeit eigentlich denkt. Wenn er doch öfters, und auch öffentlich darinn w e t t e r t e , damit dem Unfug etwas gesteuert werde. — Phöbus Apollo erhalte uns noch lang die wenigen altern Stammherrn unserer Literatur, die mit jedem Peitschenhiebe die wahren bösen Stellen des literarischen Körpers zu treffen wißen. — Doch das über Goethe gesagte entre nous. 452
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Weimar Dorothea Schlegel, Tagebuch (Raich 1, 94; BuG V 576 zu streichen)
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Man erzählt, Goethe sollte gesagt haben: „Ich weiss wohl, es giebt jetzt einige Leute, die behaupten, Schiller wäre kein Dichter! so lange ich aber lebe, soll sich gewiss niemand unterstehen, es zu sagen." Falk, Erste Niederschrift eines Berichts vom 17. 4. 1808 (GMD, Falk IV 7)
Göthe 1808 O s t e r —Erst —Feiertag war ich mit Göthen in einer großen Gesellschaft in der Esplanade bey der Hofräthin Schopenhauer. Ich weiß nicht, wie die Rede darauf kam, daß den Sonnabend die Piccolomini und denn nächsten Mittwoch der Wallenstein, nach einer langen Zwischenpause, wo sie gar nicht gespielt wurden, wieder gegeben werden sollte. Mann wird diesen Stücken je guter, sagte Göthe je älter, daß sie werden. Es sind zehn Gründe vorhanden daß sobald wieder kein Teil, kein Wallenstein geschrieben wird, wovon schon der erste von der Art ist, daß er die 9. andern völlig überflüßig macht. Doch soll nach unsern allerneusten Imperatorn und Diktatoren Schiller durchaus für keinen Dichter gelten: — dafür hat man kürzlich zu Ingolstadt oder Landshut Friedrich Schlegel für den ersten deutschen Dichter ausgerufen: — es ist jetzt im Aesthetischen Reiche völlig wie am Ende der Römischen Republik Jeder Garkoch, jeder Soldat kann Imperator werden . . . Es waren einst zugleich 5. Erst war es Novalis. Der ist jetzt selig gesprochen. Die Hallischen Jungfern und Studenten sind neulich auf sein Grab gereis't und haben Blumen gestreut Dann kam auch Tieck. Blühte eine Zeidang und fiel ab. Ihm folgte der große Friedrich Schlegel seines Namens der zweyte. So gehts fort. Das Beste bey der Sache ist das Ungefährliche: Es stirbt ein Jeder ruhig auf seinem Bette anstatt daß die alten römischen Imperatoren meist erdrosselt wurden. Ast hat Friedrich Schlegel nur Herkules genannt, der mit seiner Keule herum ginge und Alles todt schlüge — — — — — — Daher hat Friedrich Schlegel Ast schon zu einem Heroen der deutschen Literatur getauft. — Vermähren ist nur zu jung gestorben, er hätte auch an die Reih kommen und Einer der ersten Dichter werden können. Als Ritter und Friedrich Schlegel, da er noch unter den Lebendigen in Jena wohnten, ihn eine Woche um die andere in seinem Hause besuchten, und ihn unzach [?], indem sie seine Sonnette über die Massen lobten, sein Geld abborgten, war Vermähren auf gutem Wege ein ästhetischer Imperator zu werden; hatte er nur erst so fortgefahren — So hat er bloß ein Paar Almanache herausgegeben und ist dann gestorben. An einem Dichter habe ich mir wohl früher sagen lassen, arbeite das ganze Zeitalter — aber das sind jetzt Mährchen — Chimären Unsre Dichter zera[r]beiten [?] das Zeitalter das es eine Lust ist — indeß dieses ihre Arbeiten immerfort schlecht findet. — — — — Man lese nur einmal all die absurden Sachen zusammen, welche die Kritiker über meinen Egmont gesagt haben, und man wird sehen, welch ein Sinn den Deutschen zu Zeichnung beywohnt — In der Pensiiithea [sie], Trauerspiel von Kleist, geht nun Alles vollends ins Komische — Als Parodie unschetzbar — Zum Beyspiel, wo die Amazone mit einer 453
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Weimar abgehaunen Brust erscheint, und erklärt, alle harten Gefühle dieser Brust seyen nun in die andere Gefahren — ein unschetzbarer Trick für einen Harlekin und eine Colombine auf dem italiänischen Theater, wenn er auch selbst als k[o]m[i]sches Intermezzo nicht zu ekelhaft ist. Alles dieß sind neue Ritter. Jeder hat wie die alten, seinen Knappen. Kleist — Adam Müller. Friedrich Schlegel — August Schlegel. Tieck. Schlegel. Friedrich Schlegel Ast. Tieck den Künsder [?] Bernhardt. Ueber Luther von Göthe. Es wird schwer seyn Luther als Zeichnung etwas abzugewinnen, weil er gar zu arg im Realen steht. Hebt man ihn zu sehr — so wird er idealisch-frazzenhaft Setzt man ihn auf sein irrdisches [?] Maß, so wird er gar zu leicht gemein. Die ganze Welt gehört nach ihm dem Teufel — In seinem Glauben und Thun fürchterlich borniert. — Ein Hammer war er — aber der war der Pabst Julius auch — Gegen Werner sagte Göthe habe ich mich wohl gehüthet und das Wort Plastik nie in den Mund genommen, — aber er fing manchmal davon an, und wünschte sich nur Glück über diese oder jene Stelle, indem er glaubte, daß da wirklich Plastik sey — E s ist unglaublich und es konnte mich wohl lächeln machen. Es geht ihm für diese Dinge gänzlich der Sinn ab! — — — Die Schlegel sind nun einmal zu Asche gebrant Adam Müller versteht es draus seine Seife zu sieden und an den Tag zu senden. Er geht säuberlich mit ihnen um. Er siedet sie bey gelindem Feuer, daß es doch nur Mohrwaschen wird. Allein ich gebe ihm mein Wort drauf, daß er dennoch einen Mohren waschen wird — ff, Sein Höchstes in der Poesie ist der Rhythmus (Klang) - am Schakspear — so hoch hatten Schlegel, Novalis und die Uebrigen seine Kunstanschauung gestellt — — — Die Natur ist ihm hinterher durch Schelling und die Uebrigen angeflogen, ohne daß er einen festen Standpunkt hat — ff Alles in der Welt steht auf dem Dualismus Mann und Weib — Körper und Geist - Kunst und Natur. Himmel und Hölle Der Philosoph, der diese kleine Brücke zu schlagen vergißt stürzt in die Hölle und bricht — den Hals — Die Nachkommen des Cid sind Schatzgräber in Mexico geworden Die Minen von Potosis ihr Spanier haben sich an Euch gerächt! — Doktor Gall — die Galeerensklaven. Die erste [n] Früchte unsrer Hände, die wir auf den Jahrmärkten einerndten, werden wir dazu verwenden Ihnen ein Monument aus Gold zu setzen — —— — — [Nachtrag a. R., als Ergänzung zum Anfang (?) des Berichts:] Wir wollen in den Abgrund — gut, so will ich ein Hemmschuh seyn, der aufhält — — — Wenn er sich Sonntag auf den Ettersberg stellt und die Sonne recht scheint: so kann der Herzog allen seinen Unterthanen in die Töpfe gucken — — Falk, Bruchstück eines Gesprächsberichts vom 17. 4. 1808, zweite Fassung (GSA, Falk IV 3 (1) Bl. 44-45)
[Anfang fehlt; Goethe:] Indessen glauben Sie ja nicht, daß es früher besser gewesen wäre. Wollte sich nur Jemand die Mühe nicht verdrießen lassen und all 454
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die abgeschmackten Urtheile sammeln, die bey Gelegenheit der Erscheinung von Egmont in den damals berühmtesten Zeitschriften, gefállt worden sind: für die Unwürdigkeit des deutschen Publicums und seiner oberflächlichen Wortführer, die beyde in der Regel, keinen Sinn für Zeichnung und Gestalt besitzen, könnte man in der That keine schönere Urkunde, bey der Nachwelt niederlegen! Doch wir sind aus unserem Thema gefallen. Um darauf zurückzukommen: so bringt es die romantische Dichtkunst mit sich, daß jeder Ritter, der auf Abendtheuer auszieht, auch einen Schildknappen mit sich führt. Das sind nun aber arme Schelme, denen es in der Regel schlimm genug zu ergehen pflegt. Denn wofern auch der Ritter selbst, bey solchem Straus, mit heiler Haut davon kommt: so fällt dafür die Menge nun desto unerbittlicher über seinen armen Teufel von Schildknappen her. Wie denn dieses unter andern der gute Bernhardt zur Genüge erfahren hat, der eine Zeitlang seinem Schwager, Ludwig Tiecken, Schild und Speer geduldig und in allen Ehren nachgetragen, nur daß er zuweilen dabey, wenn der Weg sie eben bey alten Ritterburgen vorbeyführte, auf eine sehr unschuldige Art in's Horn gestoßen — wiewohl, ohne großen Schreck und Schaden dadurch anzurichten — denn die Mauern jener alten Burgen, denen es galt, sind so viel mir bekannt noch Dato sämtlich stehen geblieben; ja haben nicht einmal einen kleinen Riß davon getragen, welches, besonders wenn man an das schreckliche Schicksal von Jericho denkt, gewiß zu bewundern ist. Besagtem Bernhardt nun ist es auf den Kreuzzügen, die er, in deutschen Landen als treuer Schildknappe, mit seinem Herrn und Ritter unternommen, mehrmal begegnet, daß er in den Nachtrab, oder in's Hintertreffen der Feinde gerathen ist, und bey dieser Gelegenheit von andern, etwas verschieden denkenden Kunstfreunden, eine so überschwengliche Menge von Schlägen und Püffen davon getragen hat, daß ich wenigstens keinem von meinen Bekannten rathen möchte, diesen nun mehr wieder erledigten Posten anzutreten. Ja ich würde mich keinesweges wundern, wenn ich hörte, daß dem guten Conrector vom grauen Gymnasium [Bernhardt], zu Folge eines so empfindlichen Zufalles, alle Haare, auf seinem Kopf, in einer Nacht, gänzlich grau geworden wären. Falk, Goethe S. 97
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Am zweiten [ersten] Osterfeiertage 1808 Abends war ich mit Goethe in einer kleinen, auserlesenen Gesellschaft zusammen gewesen. So ist es ihm eben recht. Auch that er seinem Humor keinen Zwang an, sondern ließ ihm freien Lauf, besonders, als wir auf Theater und die neue Literatur zu sprechen kamen, die er mit politischen Zuständen verglich und seinen Vergleich mit der anmuthigsten und lebendigsten Laune durchführte. Eben hatten wir am vergangenen Sonnabend „die Piccolomini" gesehen; die nächste Mittwoch sollte nach einer langen Zwischenpause auch der „Wallenstein" darankommen. „Es ist," sagte Goethe, „mit diesen Stücken wie mit einem ausgelegenen Weine. Je älter sie werden, je mehr Geschmack gewinnt man ihnen ab. Ich nehme mir die Freiheit, Schiller für einen Dichter und sogar für einen großen zu halten, wiewol die neuesten Imperatoren und Dictatoren unserer Literatur versichert 455
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Weimar haben, er sei keiner. Auch den Wieland wollen sie nicht gelten lassen. Es fragt sich nur, wer denn gelten soll?" „Kürzlich hat eine Gelehrtenzeitung in einer von beiden Städten, ich weiß nicht recht, ob in Ingolstadt oder in Landshut, Friedrich Schlegel als den ersten deutschen Dichter und Imperator in der Gelehrtenrepublik förmlich ausgerufen. Gott erhalte Se. Majestät auf Ihrem neuen Throne und schenke Denenselben eine lange und glückliche Regierung! Bei alle dem möchte man es nicht bergen, daß das Reich dermalen noch von sehr rebellischen Unterthanen umlagert ist, deren wir einige," indem er einen Seitenblick auf mich warf, „sogar in unserer eigenen Nähe haben." „Übrigens geht es in der deutschen Gelehrtenrepublik jetzt völlig so bunt zu wie beim Verfall des römischen Reiches, wo zuletzt Jeder herrschen wollte, und Keiner mehr wußte, wer eigentlich Kaiser war. Die großen Männer leben dermal fast sämtlich im Exil, und jedes verwegene Marketendergesicht kann Imperator werden, sobald es nur die Gunst der Soldaten und der Armee besitzt, oder sich sonst eines Einflusses zu erfreuen hat. Ein paar Kaiser mehr oder weniger, darauf kommt es in solchen Zeiten gar nicht an. Haben doch einmal im römischen Reiche dreißig Kaiser zugleich regiert; warum sollten wir in unsern gelehrten Staaten der Oberhäupter weniger haben? Wieland und Schiller sind bereits ihres Thrones verlustig erklärt. Wie lange mir mein alter Imperatormantel noch auf den Schultern sitzen wird, läßt sich nicht vorausbesdmmen; ich weiß es selbst nicht. Doch bin ich entschlossen, wenn es je dahin kommen sollte, der Welt zu zeigen, daß Reich und Scepter mir nicht ans Herz gewachsen sind, und meine Absetzung mit Geduld zu ertragen; wie denn überhaupt seinen Geschicken in dieser Welt Niemand so leicht entgehen mag. Ja, wovon sprachen wir doch gleich? Ha, von Imperatoren! Gut! Novalis war noch keiner; aber mit der Zeit hätte er auch einer werden können. Schade nur, daß er so jung gestorben ist, zumal, da er noch außerdem seiner Zeit den Gefallen gethan und katholisch geworden ist. Sind ja doch schon, wie die Zeitungen besagten, Jungfrauen und Studenten rudelweise zu seinem Grabe gewallfahrtet und haben ihm mit vollen Händen Blumen gestreut. Das nenn' ich einen guten Anfang, und es läßt sich davon schon etwas für die Folge erwarten. Da ich nur wenig Zeitungen lese, so ersuche ich meine anwesenden Freunde, wenn etwas weiter von dieser Art, was von Wichtigkeit, eine Kanonisirung oder dergleichen vorfallen sollte, mich davon sogleich in Kenntniß zu setzen. Ich meinerseits bin damit zufrieden, daß man bei meinen Lebzeiten alles nur erdenkliche Böse von mir sagt; nach meinem Tode aber sollen sie mich schon in Ruhe lassen, weil der Stoff schon früher erschöpft ist, sodaß ihnen wenig oder nichts übrigbleiben wird. Tieck war auch eine Zeiüang Imperator; aber es währte nicht lange, so verlor er Scepter und Krone. Man sagt, es sei etwas zu Titusartiges in seiner Natur, er sei zu gütig, zu milde gewesen; das Reich aber fodere in seinem jetzigen Zustande Strenge, ja, man möchte wohl sagen, eine fast barbarische Größe. Nun kamen die Schlegel ans Regiment; da ging's besser! August Schlegel, seines Namens der Erste, und Friedrich Schlegel der Zweite — die beiden regierten mit dem gehörigen Nachdrucke. Es verging kein Tag, wo nicht irgend Jemand ins Exil 456
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Weimar geschickt, oder ein paar Executionen gehalten wurden. So ist's Recht. Von dergleichen ist das Volk seit undenklichen Zeiten ein großer Liebhaber gewesen. Vor Kurzem hat ein junger Anfänger [G. Α. F. Ast] den Friedrich Schlegel irgendwo als einen deutschen Hercules aufgeführt, der mit seiner Keule im Reiche herumginge und Alles todtschlüge, was ihm irgend in den Weg käme. Dafür hat jener muthige Imperator diesen jungen Anfánger seinerseits sogleich in den Adelstand erhoben und ihn ohne Weiteres einen Heroen der deutschen Literatur genannt. Das Diplom ist ausgefertigt; Ihr könnt Euch darauf verlassen, ich habe es selber gelesen. Dotationen, Domainen, ganze Fächer in Gelehrtenzeitungen, die sie ihren Freunden zum Recensiren verschaffen, sind auch nicht selten; die Feinde aber werden oft heimlich aus dem Wege geräumt, indem man ihre Schriften beiseite legt und sie lieber gar nicht anzeigt. Da wir nun im Deutschen ein sehr geduldiges Publicum haben, das nichts liest, als was zuvor recensirt ist, so ist diese Sache gar so übel nicht ausgesonnen. Das Beste noch bei der ganzen Sache ist denn aber doch immer das Ungefährliche. Ζ. B. es legt sich Einer jetzt Abends als Imperator gesund und vergnügt zu Bette. Des andern Morgens darauf erwacht er und sieht mit Erstaunen, daß die Krone von seinem Haupte hinweg ist. Ich geb' es zu, es ist ein schlimmer Zufall; aber der Kopf, sofern der Imperator überhaupt einen hatte, sitzt doch noch immer auf derselben Stelle, und das ist, meines Erachtens, baarer Gewinn. Wie häßlich dagegen ist es von den alten Imperatoren zu lesen, wenn sie dutzendweise in der römischen Geschichte erdrosselt und nachher in die Tiber geworfen werden. Ich meinerseits gedenke, wofern ich auch Reich und Scepter verlieren sollte, hier ruhig an der Ilm auf meinem Bette zu sterben. Von unsern Reichsangelegenheiten und besonders von Imperatoren weiter zu sprechen: ein andrer junger Dichter [j. B. Vermehren] in Jena ist auch zu früh gestorben. Imperator konnte der zwar nicht werden, aber Reichsverweser, Major Domus oder so etwas, das wär' ihm nicht entgangen. Wo nicht, so stand ihm noch immer als einem der ersten Heroen in der deutschen Literatur ein Platz offen. Eine Pairskammer zu stiften, wozu Vermögen gehört, wäre überhaupt in der deutschen Literatur kein verwerflicher Gedanke. Hätte jener nur ein paar Jahre länger in Jena gelebt, so könnte er Pair des Reiches geworden seyn, ehe er sich umsah. So aber, wie gesagt, starb er zu frühe. Das war allerdings übereilt. Man soll sich, wie es der rasche Gang unserer neuesten Literatur fordert, so schnell als möglich mit Ruhm, aber so langsam als möglich mit Erde bedecken. Das ist Grundsatz. Mit der Herausgabe von einigen Sonetten und ein paar Almanachen ist die Sache noch keineswegs gethan. Die literarischen Freunde des jungen Mannes haben zwar in öffentlichen Blättern versichert, seine Sonetten würden auch lange nach seinem Tode noch fortleben; ich habe mich aber nachher nicht weiter danach erkundigt, kann daher auch nicht sagen, ob es in Erfüllung gegangen ist, oder wie es sich überhaupt mit dieser Sache verhält." „Als ich noch jung war, hab' ich mir freilich von verständigen Männern sagen lassen, es arbeite oft ein ganzes Zeitalter daran, um einen einzigen tüchtigen, großen Maler oder Dichter hervorzubringen; aber das ist lange her. Jetzt geht das Alles viel leichter von Statten. Unsre jungen Leute wissen das besser einzu457
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Weimar richten und springen mit ihrem Zeitalter um, daß es eine Lust ist. Sie arbeiten sich nicht aus dem Zeitalter heraus, wie es eigentlich seyn sollte, sondern sie wollen das ganze Zeitalter in sich hineinarbeiten; und wenn ihnen das nicht nach Wunsche glückt, so werden sie über die Maßen verdrießlich und schelten die Gemeinheit eines Publicums, dem in seiner gänzlichen Unschuld eigentlich Alles recht ist. Neulich besuchte mich ein junger Mann, der soeben von Heidelberg zurückkehrte; ich konnte ihn kaum über neunzehn Jahre schätzen. Dieser versicherte mich im vollen Ernste, er habe nunmehr mit sich abgeschlossen, und da er wisse, worauf es eigentlich ankomme, so wolle er künftighin so wenig wie möglich lesen, dagegen aber in gesellschaftlichen Kreisen seine Weltansichten selbständig zu entwickeln suchen, ohne sich durch fremde Sprachen, Bücher und Hefte irgend darin hindern zu lassen. Das ist ein prächtiger Anfang! Wenn Jeder nur erst wieder von Null ausgeht, da müssen die Fortschritte in kurzer Zeit außerordentlich bedeutend werden." So ergetzlich pflegte Goethe die Gebrechen der Zeit durchzunehmen. Falk, Anmerkung zu einem Gesprächsbericht vom 1. 3. 1 8 1 1 (GMD, Falk IV 11)
In der Schopenhauerschen Abendgesellschaft im Jahr 1810 [? wohl 17. 4. 1808] führte ich einmal ein Gespräch mit Göthen, worin seine Abneigung gegen Luther, als einen starken (bornierten) Charakter sich auf das bestimmteste aussprach. Denn wenn der Mensch einmal dahin mit seiner Spekulazion gekommen ist, wo Göthe steht, wenn der Sinn für das wahrhaft Erhabene und Göttliche in ihm erloschen ist: wenn der Begriff Gott ihm eine Chimäre, wenn Unsterblichkeit ihm eine Fratze ist, wie das bey Göthen in der That der Fall ist: so ist ein Lebenssystem, wie das von Göthe gewählt[e] und was die größte Summe menschlichen physischen Wohlseyns bezweckt das Höchste . . . St. Schütze, Die Abendgesellschaften der Hofrätin Schopenhauer (Weimars Album S. 198) B 2 1569 B 3 2669
Mit w i r k l i c h e m Zorn trat er [Goethe] eines Abends (den 17. Mai [April] 1808) ein, als ihn Friedrich Schlegel aus seiner Ruhe aufgejagt hatte, wenn ich nicht irre, durch die öffentliche Behauptung, daß in seiner poetischen Gesinnung die Grundsätze von Voltaire anzutreffen wären. Man trachte dahin, meinte er, ihn ganz allmählig herunterzuziehen, ihm etwas und dann wieder etwas zu nehmen u. s. w. Aber man sollte nur wissen, fuhr er fort, wie sie es in Jena getrieben haben. Da haben sie angereizt, einen Musen-Almanach herauszugeben — um ihre eigenen Gedichte zu drucken und ein schönes Honorar zu bekommen. Diese Scene hat Falk in seinem Buche über Goethe sehr ausführlich beschrieben, aber so viel aus seiner eigenen Phantasie hinzugedichtet und die einfachen Worte so überschwenglich mit seinen ihm eigenen pathetischen Ausdrücken vermischt, daß Goethe darin nicht wieder zu erkennen ist. St. Schütze, Zur Charakteristik Goethe's (Zeitung f. d. elegante Welt 3. 1. 1837, S. 5)
Falk hat [in seinem Buch über Goethe] die Aeußerungen von Goethe so verarbeitet, daß sich der Inhalt oft zur Ausführung verhält, wie die Textesworte zu 458
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einer Predigt. Von den Scenen, wo man selbst zugegen war, kann man auf die übrigen schließen. So legt Falk in der, wo Goethe über die Schlegel zürnt — sie fiel bei der Hofräthin Schopenhauer vor — ihm zehn Mal mehr Worte in den Mund, als er wirklich gesprochen hat, und Worte zum Theil, die seinen Lippen ganz fremd waren. 18. 4.
Tagebuch 18. 4. 1808 (WA III 3, 328)
Mittags die beyden Uckert, Demoiselle Elsermann und Ulrich zu Tische. Henriette v. Knebel an Knebel 20. 4. 1808 (Düntzer 4 S. 332)
B 3 2672
Ich weiß nicht, wann Goethe nach Jena geht. Heute glaube ich jedoch nicht. Am Ostermontag haben wir in der griechischen Kirche einigen vorzüglichen Sängern zugehört, woran auch Goethe Theil genommen hat. Riemer, Tagebuch 18. 4. 1808 (Dtsch. Revue 11, 4 S. 25)
B 2 1077 B 3 2671
Äußerte Goethe: „Schelme, Halbschelme sind wie die doppelfarbigen Mäntel, die man nach Gefallen umkehren kann, um immer nach einer Seite zu erscheinen." Riemer, Aphorismen S. 322
B 2 1076 B 3 2670
den 18. April 1808. Bei Gelegenheit der Recension seiner Werke in den Heidelberger Jahrbüchern von F. Schlegel sagte G. „er sey damit zufrieden. Der Recensent habe sich viel Mühe gegeben und Alles bedacht und bemerkt. Nur müsse er (G.) selbst am besten wissen, wo die Zäume hingen. Er verstehe die Recension recht gut, aber gegen seine Leser, d. h. die Leser seiner Werke, habe der Recensent einen curiosen Stand." „ E s seyen ja dies alles nur Fetzen und Lappen von seiner Existenz; d a einmal ein alter Hut, und d o r t ein paar Schuhe, und d o r t ein Lappen von einem Rock, den er einmal getragen. Die große Kluft, die durch die Reise nach Italien gemacht wird, zwischen den italienischen und andern Gedichten, könne man freilich nicht verlangen, daß sie der Recensent ausfüllen solle." 17./18. 4. An Zelter 20. 4. 1808 (WA IV 20, 48)
Dieses Osterfest gingen eben acht Kirchensänger hindurch von Petersburg nach Paris zur Capelle des russischen Gesandten. Sie sangen in der hiesigen griechischen Capelle die beyden Festtage, an welchen sie, wie mir die Hoheit sagte, nur noch allein ganz ächte alte Musikstücke aufführen. 19. 4.
Tagebuch 19. 4. 1808 (WA III 3, 329)
Hofkommissionssecretär Witzel, seine Lage in Buttelstädt. Mittags Demoiselle Ulrich zu Tische . . . Abends Hofrath Meyer. Museum der Alterthums-Wissenschaft 2. Heft. Uber die Memoire encyklopädische Romane die Recension der Heidelberger Annalen u. s. w. 459
1808 20. 4.
Weimar Tagebuch 20. 4. 1808 (WA III 3, 329)
Hofkammerrath wegen Theaterangelegenheiten. Bibliothekar Vulpius. B. R. Abeken, Goethe in meinem Leben (Abeken 2 S. 75)
B 3 2675
Am neunzehnten April 1808 kam ich in Weimar an . . . Gleich am andern Morgen, als ich mit der jüngsten Tochter des Hauses [Emilie v. Schiller], damals einem vierjährigen Kinde, das sich sogleich vertraulich an mich Schloß, an der Hausthür, an der von schönen Linden beschatteten Esplanade spielte, kam Goethe daher gewandelt, blieb bei dem Kinde stehen und üebkosete ihm. 14./20. 4. Riemer an C. F. E. Frommann 20. 4. 1808 (HeitmüUer S. 120)
B 2 1073 B 3 2676
Ohne betdägrig zu seyn, fühlt G. denn doch alle Tage, gewöhnlich Mittags und Abends, wie man seinem Gesicht u. sonstigen Gebärden abmerken kann, große Schmerzen. Es ist auch noch eine Art von Gicht, die ihn an den Schienbeinen sehr incommodirt. Wenn nur das Wetter bald anhaltend gut würde, damit wir die so gewünschte und auch für mich nothwendige Reise nach Carlsbad antreten könnten. — In den übrigen Stunden ist G. so ziemlich. Er geht auch ins Theater; aber seine Thätigkeit ist natürlich nicht groß, und dieß macht ihn eigentlich mehr unzufrieden, als das Uebel an sich. 21. 4.
Tagebuch 21. 4. 1808 (WA III 3, 329)
Abends Hofrath Meyer
Über das Hirtische Pantheon.
Riemer, Tagebuch 21. 4. 1808 (Keil 5 S. 288)
Vossens Ubersetzung des Agamemnon im 2. Stück des Prometheus mit dem Original verglichen. Nach Tische lange mit Goethe zusammen gesessen, über die Schlegels, Voß, die neusten Bestrebungen in der Poesie und sonstiges besprochen. 22. 4.
Tagebuch 22. 4. 1808 (WA III 3, 329)
Baron Penz aus Liefland mit einem Briefe von Joh. Müller. Mittag Elsermann, S. Teller, C. Ulrich. Abends bey Durchl. der Herzoginn. gelesen. St. Joseph der zweyte. Der Mann von 50 Jahren. B. R. Abeken an J. H. Voß d. j. 9. 5. 1808 (Osterprogramm Osnabrück S. 10)
B 2 1080 B 3 2677
Nach meiner Ankunft in W. habe ich bald Riemern besucht, den ich schon vorigen Herbst kennen lernte. Auch Göthe habe ich gesehn. Ich besuchte ihn auf dein Wort, u. überbrachte ihm deine Empfehlung u. Bestellung. Er empfing mich in s. Garten u. ging eine Weile mit mir auf und ab. Er sprach sehr freund22. 4.
J. V. Müller an Goethe 13. 4. 1808 (Eing. Br. alph. 637) Immer begierig, Euer Excellenz auf irgend eine Weise mein Andenken zu erneuern, und Sie meiner fortwehrenden Verehrung zu versichern, ist mir auch der Anlaß nicht gleichgültig, den ein, von Heeren mir sehr empfohlner, und wirklich sehr wohldenkender livländischer Edelmann, Herr v. Peez, mich so sehr um ein paar Zeilen bittet, um nur persönlich den zu sehen, dessen Geist er so viel zu danken habe.
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Weimar schaftlich von dir u. freute sich, daß sein Sohn dich fände. Göthe sieht wohl aus; ich habe eine große Freude gehabt, ihn zu sehen. B. R. Abeken an K. W F. Solger 24. 4. 1808 (SNM)
Am Freitag machte ich meinen Besuch bei Göthe, der mich in seinem Garten empfing und eine Weile mit mir herumspazirte. Er ist wohl, hat aber doch in den letzten Wochen ein wenig gekränkelt. Schicke mir bald den Sofokles für ihn; er geht in kurzem ins Karlsbad; u. ich möchte ihn dies Buch gern selbst überreichen. B. R. Abeken, Goethe in meinem Leben (Abeken 2 S. 78)
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Ein Besuch, den ich Goethen nach meiner Ankunft in Weimar machte, wurde freundlich angenommen. Ich fand ihn in seinem Hausgarten, in welchem er eine Zeit lang mit mir auf und ab wandelte. Dabei nahm ich wahr, daß er, seiner Weise gemäß, mich scharf fixirte, wie um zu sehen, ob vielleicht etwas an mir sei. Charlotte v. Stein an F. v. Stein 23. 4. 1808 (*Düntzer 9 2, 286; GSA, Stein 107)
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Gestern Abend las uns Goethe bey der regierenden Herzogin wieder aus Wilhelms Wanderjahre ein paar sehr gut gedachte und vorgetragene Geschichten, er fängt an in seinen alten Tagen auf eine neue Art intereßant zu werden, leider aber traue ich seiner Gesundheit nicht viel. Charlotte v. Stein an F. v. Stein 22. 4. 1808 (*Düntzer 9 2, 286; GSA, Stein 107)
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Vor einigen Tagen las Goethe aus seiner Fortsetzung von Wilhelm Meister welche Wilhelms Wander Jahre heißt bey mir zwey Geschichten vor, Gräfin Henkel, ihre Tochter, Mama Seebach, Henriette Seebach, Schillern, Bose waren eben bey mir, er war gekommen um mir etwas botanisches zu erklären welches ein besonderer Auswuchs an einen Lackstock den ich besitze veranlaßte, er hat dieses mit einer Deutlichkeit gethan daß man das innre Leben davon ergreifen konte, die Damens hätten ihn gern die Hände dafür geküßt, und warum nicht eben so wohl als wie am ersten Ostertag unßre liebenswürdige Grosfürstin den pope die Hand küßte fürs crucifix daß er ihr zu küßen gegeben . . . Goethe führte mich neulich in seinen Garten am Hauß um mir etwas neues zu zeigen, es war Deine alte Hütte die er wieder hatte repariren laßen, und [das war] das erste mahl seit so vielen Jahren daß er von seinen alten Verhältniß mit Dir etwas erwähnte. Charlotte v. Stein an Knebel 25. 4. 1808 (*StG 7, 83; GSA, Knebel 274, 3)
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Goethe den ich Sie bitte freundlich von mir zu grüsen hat auch einen rechten Regentag getroffen, wir werden ihn hier recht vermißen wen er wieder nach Carlsbad geht, er wird ordentlich von neuen liebenswürdig aber seine Gesundheit ist schwach. Maria Pawlowna, Choses remarquables. Journal 1805/08 (HSTA Weimar, HA A XXV Bl. 30)
Entendû lire à Göthe le vendredi 10/22 avril chez la duchesse, deux nouvelles qu'il vient d'écrire: la première s'appelle der Sankt-Joseph et fait partie de 461
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Weimar Wilhelm Meisters Wanderjahre, qui fait suite à Wilh: Meisters Lehrjahre qui ont déjà parû: elle est charmante, cette nouvelle: Göthe l'a écrite avec la simpliçité qui convient à un sujet raconté par un habitant des montagnes, et ce dont il parle est tout aussi simple que l'est la vie de cet habitant. — La seconde nouvelle, est intitûlée Der Mann von fünfzig Jahre, elle n'est point achevée, et il l'a commenpée l'été passé à Carlsbad, elle promet aussi de devenir très jolie. — Henriette v. Knebel an Knebel 23. 4. 1808 (Düntzer 4 S. 333)
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Mit Deinen hübschen und angenehmen Federn sollte ich Dir immer was Angenehmes sagen, und da will ich nur gleich von dem gestrigen Abend sprechen, wo uns Goethe bei der Herzogin einige Erzählungen vorgelesen hat, die uns außerordentlich erfreut haben. Goethe ist im Begriff, eine Fortsetzung von seinem „Wilhelm Meister" unter dem Namen „Wilhelm Meisters Wanderschaft" zu verfertigen, und aus dieser sind die Erzählungen genommen. Wir haben lange nichts gehört und gesehen, was dem „St. Joseph dem Zweiten" gleich käme. Da nun Goethe Willens ist, heute nach Jena zu reisen und Dich gewiß bald besuchen wird, so läßt Dich die Prinzessin, die Dich bestens grüßt, angelegentlichst ersuchen, Dir das Vergnügen dieser Vorlesung so bald als möglich zu verschaffen. Auch die zweite Erzählung läßt den Meister errathen; sie ist nur etwas weltlicher, unter dem Namen „der Mann von 50 Jahren"; auch ist sie noch nicht zu Ende. vor 23. 4.
Christiane v. Goethe an A. v. Goethe 28. 4. 1808 (GJb 10, 5)
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Deine uns so lieben Briefe als auch Dein gutes Lob von Frankfurt aus hat mir und Deinem Vater sehr viel Freude gemacht. Sei nur fort brav und gut und lerne was, so wirst Du uns beide ganz glücklich machen. Wir leben hier ganz stille, und bei uns ist nichts merkwürdiges vorgefallen. Der Vater befindet sich ganz leidlich und ist itzo in Jena und denket etwa so den 11. oder 12. abzureisen nach Carlsbad. Riemer an A. v. Goethe 25. 4. 1808 (GJb 10, 5)
Der Vater hat sich recht über Ihre Briefe gefreut. Riemer an J. H. Voß d. j. 25. 4. 1808 (GJb 13, 142)
Wir gehen in etwa 14 Tagen nach Carlsbad . . . Von Goethe soll ich Dich schönstens grüssen. Er ist zwar gegenwärtig in Jena, hat aber diese Bestellung zurückgelassen.
Jena 23. 4.
Tagebuch 23. 4. 1808 (WA III 3, 329)
Um 8 Uhr von Weimar mit Hofrath Meyer. Königliche und fürstliche Familien Gemälde. Uber das Pantheon. Bey Hrn. ν Hendrich frühstücken. Bey demselben zu Mittag Zu Fromanns. Kamen die Zigesar ingl. Lichtenstein der Reisende Abends zu Knebel. Prof. Voigt. Hofr. Meyer. Africanische Zustände. Politica. 462
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Jena J. D. Färber, Kalender 23. 4. 1808 (UB Jena, Nachl. Martin q 20)
Sind der H. Geh. Rath v. Göthe u. Hr. Hofr. Meyer hier angekommen. Knebel, Tagebuch 23. 4. 1808 (GSA, Nachlaß Knebel)
Abends Göthe hier auch Meyer. Auch Voigt. Knebel an Caroline v. Herder 24. 4. 1808 (Gebhardt - Schauer 2, 226)
Göthe ist auch hier, und hat gestern den Abend bei uns zugebracht. Er setzt seine glücklichen geistigen Arbeiten und Beschäftigungen immer noch mit großem Talent fort. 24. 4.
Tagebuch 24. 4. 1808 (WA III 3, 330)
Um 10 Uhr lichtenstein. Capisches. Mit Knebel und Meyer spazieren. Bot. Garten. Bey v. Hendr. gegessen mit Rath Wedel. Ν. T. zu Seebeck, zu Pflug. Zu Harras. Ins Paradies mit Meyer. Pandorisches und andres. Knebel lange spazieren. Knebel, Tagebuch 24. 4. 1808 (GSA, Nachlaß Knebel)
Morgens bei Göthe. im Botanischen Garten Abends spaziren mit ihm. 25. 4.
Tagebuch 25. 4. 1808 (WA III 3, 330)
Kamen Serenissimus mit Herrn v. Müffling. Im Paradiese. Zu Harras. Fuhren Ser. in den Thalstein. Mittag bey Hrn. ν Hendrich. nach Tafel Lichtenstein mit den Capischen Karten. Im Botanischen Garten. Bey Pflug. An Chr. G. v. Voigt 1. 5. 1808 (WA IV 30, 112)
Aber mehr als alles Untersagen [der Loge in Jena] ist wohl nothwendig, daß man selbst etwas thue und veranstalte, weil der Zudrang zu diesen QuasiMysterien im Momente wirklich sehr groß ist. Serenissimus haben neulich in einer Unterredung dasjenige summarisch angegeben, was im Nachstehenden nur wenig ausgeführter aufgezeichnet ist. Das Räthlichste wäre, die hiesige Loge Anna Amalia zu den drey Rosen wieder zu beleben, und zwar meo voto ganz nach dem alten Ritual, weil es nachher immer noch frei bleibt, sich zu dieser oder jener Verbesserung oder Abartung hinzuneigen. Außer dem Geheimderath v. Schardt, dem Legationsrath Bertuch und Unterzeichnetem sind, soviel ich weiß, keine Meister dieser Loge hier mehr übrig. Die übrigen Glieder der geringeren Grade könnte man allenfalls ausmitteln, und die Frage wäre, ob man nicht des Herrn Geheimrath von Fritsch Excellenz disponieren könnte, diese Loge wieder zu eröffnen; wozu man andere hier befindliche Ordensglieder einladen und die Officiantenstellen provisorie besetzen könnte. Lehnte dieser es ab, so wäre es vielleicht am kürzesten gethan, wenn man Herrn von Beulwitz, den Meister vom Stuhl der Rudolstädter Loge, einlüde, eine solche Eröffnung vorzunehmen, welcher einige andre Brüder mitbrächte, um der Sache ein gewisses Geschick und Ansehen zu geben. 463
1808
Jena Hätte man nun hier, im Ablehnungsfalle des Herrn Geheimrath von Fritsch Excellenz, einen neuen Meister vom Stuhl bestellt, so könnte man (und vielleicht wäre alsdann der Johannistag der schönste Termin) die Jenaischen Brüder, sowohl die vorschnellen als die zurückhaltenden, zu einem Logenfest zusammenberufen, vielleicht einige Lehrlingsaufnahmen vornehmen und was sonst zu geschehen pflegt, um dergleichen Epochen zu verherrlichen. Serenissimus gedachten dieser Angelegenheit dringend.
26. 4.
Tagebuch 26. 4. 1808 (WA III 3, 330)
Mittags v. Hend. Nach Tische Champagner mit Meyer. Unterh. über Werner, die Schlegels, die Neusten. Spät zu From. Seebeck. Lichtenstein. Westphälisches Königr. betr. Capensia. Transparente Visiten Billets. 23-/26. 4. An Christiane v. Goethe 26. 4. 1808 (WA IV 20, 51)
Ich habe einiges gearbeitet. Meyer ist mir ein sehr lieber und werther Gesellschafter. 27. 4.
Tagebuch 27. 4. 1808 (WA III 3, 330)
Mittag bey v. Hendr. Nach Tische mit Meyer. Ausbildung, Gewahrwerden verschiedner Motive und ihrer Behandlung. An Z. Werner 4. 5. 1808 (WA IV 20, 56)
Ihren erfreulichen Brief, mein lieber Werner, erhielt ich in demselben Revier, wo ich zuerst Ihre Bekanntschaft machte, die mir nachher so lieb und werth geworden ist. Gleich ward an der Stelle, wo Sie das Kreuz gepflanzt hatten, ein Liebesmahl gehalten, die sämmtlichen Gedichte der Reihe nach vorgelesen und des wunderlichen Gesellen in allem Guten gedacht. 28. 4.
Tagebuch 28. 4. 1808 (WA III 3, 331)
Früh das große Wasser angesehen Mit Knebel zur Rasenmühle Bey Otteny vorher Zu Hause gegessen. Um drey Uhr in den Botanischen, dann in Rostumpels Garten. Dürrbaum. Abends bey Knebel. St Joseph II. Die neue Melusine. Knebel, Tagebuch 28. 4. 1808 (GSA, Nachlaß Knebel)
B 3 7456
Abends Göthe hier, Vorlesung gehalten. Seebecks, Frommans, Pr. Voigt hier, nebst Meier. Knebel an Caroline v. Herder 3. 5. 1808 (SB Berlin, PrK, Herder X L I I 292)
Göthe hat uns durch eine Vorlesung von ein paar seiner Erzälungen /die er aus einem künftigen Werke, Meisters Wander jähre, herausgenommen hat/ sehr 27. 4.
An Johanna Frommann 27. 4. 1808 (WA IV 20, 52) Dunckle Stellen [in Werners Brief] werden mündlich erläutert. Auch seine Sammlung Sonnette hab ich vollständig bey mir. Wir sollten ihm zu Lieb und Ehre einmal alle hintereinander hören und beherzigen. D a mir dieser wunderlich bedeutende Mann in Ihrem Kreise zuerst lieb und angehörig ward, so mag ich in seinem Namen gern jene schönen Tage zurückrufen.
464
1808
Jena erfreut. Sie sind in ihrer Art vortreflich, und, nach unserer Meinung, noch sehr ü b e r das, was er uns im Meister gegeben. Er dankt diese gütigen Einwirkungen auf seine Natur größtentheils den Wassern des Karlsbades, und wird nun nächstens wieder dahin zurückgehen. Henriette v. Knebel an Knebel 30. 4. 1808 (Düntzer 4 S. 333)
B 2 1078 c B 3 2683
Daß Goethe noch so artig gewesen ist und Dir einen dieser trüben Abende durch seine angenehmen Erzählungen erheitert hat, freut uns, die liebe Prinzeß und mich, außerordentlich. Es ist sehr gut, daß er noch in sich gegangen ist, sonst hätten wirs ihn doch wohl fühlen lassen. Auch sind wir sehr mit ihm zufrieden, daß er Dir die dürerschen Sachen [Randzeichnungen zum Gebetbuch des Kaisers] gezeigt hat. 28. (?). 4.
Knebel an Goethe 30. 4. 1808 (Guhrauer 1, 325)
Da Du uns noch etwas aus dem Prometheus oder vielmehr der Pandora vorzulesen versprochen hast, so möchten wir Dich doch bitten, uns noch einen halben T a g . . . zu schenken. 29. 4.
Tagebuch 29. 4. 1808 (WA III 3, 331)
Mittag zu Hause nach W ging
Die Motive der Pandora durchgesprochen
Frommann der
Knebel, Tagebuch 29. 4. 1808 (GSA, Nachlaß Knebel)
Göthe hier. 23./29. 4. An Christiane v. Goethe 29. 4. 1808 (WA IV 20, 53)
Wir sitzen meist zu Hause, und gehen Abends bey den Freunden herum, wo meist etwas vorgelesen wird . . . Meyers Nähe macht mir viel Vergnügen, er ist gar so tüchtig, einsichtsvoll und brav. 30. 4.
Tagebuch 30. 4. 1808 (WA III 3, 331)
Mit Hofr. Meyer über die Vorgänge. Abends zusammen gegen Lichtenhayn. Zu Knebel. Knebel, Tagebuch 30. 4. 1808 (GSA, Nachlaß Knebel)
Spaziren mit Göthe u. Meier. Nahmen Abschied um Morgen nach W zu gehen. 23./30. 4. Oken an Schelling 3. 9. 1808 (Ecker S. 203)
Mit Göthe bin ich noch nicht auf dem gehörigen Fuß. Es ist komisch, wie wir einander noch studiren. Wir sind wirklich in einer Schwebe gegeneinander, stutzig beide, und doch sagt es sich noch keiner. Es ist mir aber wahrscheinlich, daß wir uns noch einige Wochen ansehen — und dann werden wir auseinander fahren. Er hat nichts dabei zu verlieren — und ich auch nicht! 465
1808
Jena An Th. J. Seebeck 7. 5. 1808 (WA IV 51, 237)
Von Ew. Wohlgebornen nehme mit vielem herzlichen Dank für alle erzeigte Freundschaft nochmals Abschied. Es folgen hierbey die Prismen welche Sie verlangten. Knebel an J. I. v. Gerning 13. 5. 1808 (FDH)
Wir haben auch das Verzeichniß Ihrer Vorlesungen mit Vergnügen beherzigt, und Göthe, welcher just gegenwärtig war, war wohl damit zufrieden. 1.5.
J. D. Färber, Kalender 1. 5. 1808 (UB Jena, Nachl. Martin q 20)
Vormitt. sind der Hr. Geh. Rath v. Goethe u. H. Hofr. Meyer wieder nach Weimar gereist.
Weimar Tagebuch 1. 5. 1808 (WA III 3, 331)
Gegen 8 Uhr von Jena weggefahren . . . Hofrath Meyern die erste Hälfte der Wahlverwandtschaften erzählt. . . Abends Hofrath Meyer. Nachher Dem. Engels und Elsermann, Lortzing und Deny. Dem. Engels sang zur Guitarre. H. Meyer ( * J b G G 3, 215; G S A , Meyer 109)
B 3 2684
Goethe bemerkte mir einst, 1 May 1808, die beyden Verse in Wallensteins Lager Ein Hauptmann den ein andrer erstach Ließ mir die glücklichen Würfel nach, rührten von ihm her. An eben dem Tage erzehlte er mir, da wir zusammen v. Jena nach Weimar fuhren den Inhalt den er seinem Roman Die Wahlverwandschaften geben wollte. J. Chr. Schuchardt (Weimarer Sonntagsblatt 2, 1856 S. 411)
B 2 2600 B 3 6193
Als ich meine Verwunderung darüber [Goethes Geistesgegenwärtigkeit beim Diktieren] gegen Hofrath Meyer, Goethe's langjährigen Freund, äußerte, mit welchem ich täglich verkehrte, nahm er das als etwas ihm ganz Bekanntes auf und erzählte mir einen andern Fall; Auf einer langsamen Fahrt von Jena nach Weimar habe ihm Goethe den ganzen Roman, die Wahlverwandtschaften, erzählend vorgetragen, und zwar in einer Weise fließend, als habe er ein gedrucktes Exemplar vor sich; und doch sei damals noch kein Wort davon niedergeschrieben gewesen. R. Springer (Springer 2 S. 68)
B 2 2601 a Β 3 6194
Dieses geläufige Produziren, meinte ich, sei wohl eben daraus zu erklären, daß Goethe schon vor dem Diktiren die Stoffe Jahre lang in sich herumgetragen, in seinem Geiste bewegt und theilweise schon völlig ausgearbeitet habe. „Freilich wohl," bestätigte Schuchardt. „Meyer, gegen den ich mich verwundert darüber aussprach, erzählte mir sogar, Goethe habe ihn auf einer Fahrt von Jena nach 466
Weimar
1808
Weimar im Wagen ganze Abschnitte aus den Wahlverwandtschaften, von denen damals noch nichts niedergeschrieben gewesen, so geläufig vorgetragen, als ob er von einem Buche abgelesen habe. Riemer, Tagebuch 1. 5. 1808 (Dtsch. Revue 11, 4 S. 25)
B 3 2685
War Goethe gekommen und im Garten. Mittags allein zu Tische. Uber Pandora, die Motive 30 an der Zahl, subdividiert 90 u. dergl. 2. 5.
Tagebuch 2. 5. 1808 (*WA III 3, 331; GSA, Goethe 27)
HofCammerrath wegen Theater Angelegenheiten. Der neue Bassist Repke. Mittags Dr. Lichtenstein zu Tische. Gegen Abend Hofrath Meyer, Legationsrath Falk und Bertuch. Letzter wegen Freymäurer Angelegenheiten. Falk wegen LeMarquant und andrer französischen Persönlichkeiten. Riemer, Tagebuch 2. 5. 1808 (Keil 5 S. 290)
Mittags Dr. Lichtenstein. Vom Löwen, und von der Ruhr, die durch Quecksilber curirt wurde. 3. 5.
Tagebuch 3. 5. 1808 (*WA III 3, 332; GSA, Goethe 27)
Falk und LeMarquant. Bey Durchlaucht der Prinzeß . . . Hofrath Meyer. Ankunft rungischer Zeichnungen. Riemer, Tagebuch 3. 5. 1808 (Keil 5 S. 290)
Bei Goethe Briefe, auch an Humboldt. Mittags allein. Ein Stoßgebet oder Gedicht von Goethe, das er in seiner Jugend gemacht. Henriette v. Knebel an Knebel 4. 5. 1808 (Düntzer 4 S. 334)
B 2 1080 a Β 3 2686
Gestern hat uns auch Goethe wieder besucht. Er war heiter und liebenswürdig und sprach mit herzlichem Vergnügen von Dir und dem Antheil, den Du an seinen Erzählungen genommen hast. B. R. Abeken an J. H. Voß d. j. 9. 5. 1808 (Osterprogramm Osnabrück S. 10)
B 3 2677
Am vorigen Dienstag war Concert. Auch da sah ich ihn [Goethe], u. ihn zu sehn, war mir mehr als das Concert. Gestern ist er abgereist nach dem Karlsbade. 4. 5.
Tagebuch 4. 5. 1808 (WA III 3, 332)
Zu General Dentzel in's Fürstenhaus. Kam derselbe nachher zu mir. . . Mit Hofrath Meyer besonders über die Wahlverwandtschaften. Spatzierten wir im Park, wozu Fernow kam. Italiänische neure Sonette. 1./4. 5.
Riemer an C. F. E. Frommann 4. 5. 1808 (Heitmüller S. 121)
B 2 1080 b B 3 2687
G. Ankunft am Sonntag Morgen [1. 5.] war mir eben so unerwartet als Ihnen seine Abreise. Er entschließt sich immer plötzlich. Nun ist unsre Abreise nach Carlsbad auf Morgen über acht Tage festgesetzt u. wir rüsten uns dazu. Er will wo möglich in Einem Tage von Weimar nach Schleiz, wenigstens nach Pösneck . . . 467
Weimar
1808
G. ist übrigens wohl, bis auf die Unbequemlichkeit bey Tische. Er trinkt jetzt wieder Champagner, der ihm gut bekommt. Sonderbar er darf nicht während des Essens trinken; aber nachher um 4. Uhr Dann fühlt er keine Beschwerde. Zu arbeiten haben wir uns beyde viel vorgesetzt, u. nehmen das Gehörige dazu mit. Wenn auch nicht alles erfüllt wird so ist es doch gut sich immer mehr vorzusetzen: man thut sonst gar nichts . . . Ich soll Sie schönstens von G. grüßen und Ihnen glückliche Reise und Geschäfte wünschen. 5. 5.
Tagebuch 5. 5. 1808 (WA III 3, 332)
Professor Fernow. Zu Mittag Dr. Schütz. Nach Tische Friedrich Schlegel, Geheimer Regierungsrath Müller. Abends die Sänger. Zum Nachtessen im Palais bey Villain mit Wieland und einer großen Männergesellschaft. Viel über seinen Aufenthalt in Cassel und die dortige Einrichtung der Conscription. St. Schütze, Tagebuch 5. 5. 1808 (JSK NF 4, 102)
Den Mittag bei Goethe. „Haben der Hr. Geh. Rath schon —" Riemer, Tagebuch 5. 5. 1808 (Dtsch. Revue 11, 4 S. 25)
B 3 2688
Kam Friedrich Schlegel zu Goethe. Kam von Paris und ging nach Dresden, brachte Briefe von Reinhard an Goethe. Gegen Abend hinuntergerufen zu Goethe und Friedrich Schlegel, die im Garten. Uber Indisches. F. Schlegel an S. Boisserée 9. 5. 1808 (Boisserée 1, 51)
Β 3 2689
Sagen Sie ihm [K. F. Reinhard] . . ., wie sehr sich Goethe über die guten Nachrichten von ihm gefreut. Ich habe recht viel von Reinhards erzählen müssen. Den 12. Mai geht er nach Carlsbad ab. Ich nahm auch Gelegenheit, Goethen Moslers Zeichnungen altdeutscher Gemälde im voraus zu empfehlen und zwar sehr franchement; ich sagte ihm, es hätten einige aus der Vorliebe für die alte Malerei eine Art Sekte und Phantasterei gemacht, das sey hier gar nicht der Fall, wir wollten bloß der Vergessenheit entreißen, was ohne allen Zweifel in hohem Grade merkwürdig und zum Theil gewiß auch künstlerisch vortrefflich sey. Meine Ansicht, die übrigens bloß historisch und praktisch seyn könne, habe wenigstens das gewirkt, daß eine bedeutende Zahl vortrefflicher Kunstwerke vom Untergang gerettet worden etc. Es schien Eindruck zu machen und er versprach die Sache mit Theilnahme und Ernst aufzunehmen, sobald es erschienen sey. Dann muß man ihm also eins der ersten Exemplare schicken. Sein Urtheil gilt doch sehr viel. Ich suchte ihm im Allgemeinen einen Begriff von der Kölnischen Malerei zu machen, was ihm auch sehr einzuleuchten schien. Er hat sich gewissermaßen bekehrt, indem er neulich etwas sehr zum Lobe von Albrecht Dürer geschrieben. Am meisten sprachen wir doch über das indische Studium, was ihn sehr lebhaft interessirte . . . Von Goethe sind beide Lieferungen seiner Werke fertig. C. Bertuch an L. F. Froriep 8. 5. 1808 (GSA, Bertuch 3192, 59)
Diese Woche war täglich Hezerey bey uns, wegen mehrerer hier anwesenden Franzosen. Die lezten waren Villain, der vorige Intendant in Naumburg, u. 468
1808
Weimar General Dentzel, unser erster Comandant nach dem 14." October. Beyde wurden vom Hofe sehr ausgezeichnet. Villain logierte im Palais der Herzogin Amalia, ersterer im Fürstenhause. Villain hatte Abends Tafel bey sich, wo Goethe, Wieland, wir u. andere aßen. Er ist ein 2/ Daru, durchschneidend, streng, hefdg, ganz durchdrungen von gesunden Begriffen, die er nach dem Geist der Zeit Rücksichtslos durchführt. . . V. sprach sehr bedenklich wegen Oesterreich, welches so groß wie es jezt wäre, nicht bleiben könne . . . Goethe geht den 12" nach den Carlsbad mit Riemer. Falk, Deutsche Blätter aus einem Französischen Tagebuch (GSA, Falk IX 4)
Nach dem Ball hatte ich Hr. Villain ein kleines Souper im Palais angeordnet, wobey sich der Hr. Hofr. Wieland, Gehr. Rath von Göthe, Präsid. v. Fritsch, Hr. v. Müller, Herr Bar. v. Spiegel Hr. Kammerrath Riedel, Hr. Landrath v. Eglofstein und einige andere gebildete hiesige Personen gegenwärtig befanden. Ich hatte mir auch die Freyheit genommen und den Prinzen Bernhard, nebst seinem Führer, den Hr. Major v. Rühl . . . dazu eingeladen . . . Noch Vormittags kam ein Bedienter von Ihr. Durchl. dem Prinzen Bernhard, der Uns die Ehre seines Besuchs, für den heutigen Abend, in seinem und Hr. Majors v. Rühls Namen zusagte. Hr. Villain bezeigte auf's Neue, als ich ihm dieses meldete, eine große Freude. Diese Freude aber erhielt einen etwas gemäßigtem Ausdruck, als Prinz Bernhard Abends um 10. da die ganze Gesellschaft bereits beysammen war, und eine Stunde auf Sr. Durchlaucht und den Hr. Major v. Rühl gewartet hatte, sich durch einen Bedienten entschuldigen ließ, daß er nicht kommen könne, weil er zu müde vom Balle sey. — — Wir setzten uns hierauf zu Tisch. Hr. Villain saß zwischen Göthe und Wieland und das Gespräch mußte selbst für diese Männer höchst interessant seyn, da es in Gegenwart V i l l a i n s , als des g e n i a l e s t e n aller Franzosen, die ich bis jetzt seit dem 14ten Oktobr. kennen gelernt, nicht lange erlaubt ist, flach, kalt und mittelmäßig zu seyn, und die Gemeinplätze der gewöhnlichen Conversation, in conventioneilen abgezirkelten Ausdrücken und menuetmäßigen Pas de Cadence mit ihm bald durchgemacht sind. Villain ist, so zu sagen, wie Darü auch, die personificierte Idee der Französischen Revolution, die ganze neue Zeit, die leibhaft mit a l l e m i h r e n F e h l e r n und i h r e m G u t e n , h e f t i g vor Einem steht, und Alles um sich, auch wider Willen, wie in einem Wirbel von Begeisterung fortreißt. Sein Kaiser ist sein Idol und von ihm angebetet; aber er fühlt sich selbst zu stark um über irgend eine Schwäche der Regierung ein Urtheil zu heucheln, oder ein Feigenblatt vorzulegen. Er spricht frey und offen, über Französischer und deutscher Prinzen Art, Unart, Schwachköpfigkeit, wo er sie antrifft, dieß- oder jenseits des Rheins. Ein Kind der Revolution; in ihrem Feuer geschmiedet und gestählt, bezeigt er sich zugleich als den eifrigsten Anhänger ihrer Resultate, indem er auf der andern Seite allen dabey eingerißnen Mißbräuchen auf das Unerbittlichste den Krieg macht. Seine wahrhaft g r a n d i o s e Denkart — ein Ausdruck, womit sie Göthe selber gestämpelt hat — verräth sich besonders durch jene mänlich freymüthige 469
1808
Weimar Beredsamkeit, o h n e P h r a s e n und W ö r t e r schmuck, wie man sie sich nicht etwa an Höfen, wohl aber in Feldlägern und unter Soldaten, die dem Tode mit jedem Augenblick in's Auge sehen, bey glücklichen Anlagen sich zu eigen macht. Je me suis servi (sagte er bey einer Gelegenheit) comme d'un Bouclier, dans le Temps des Jacobins, de la Phrase: « Vive la Republique! - Mais cela n'empeche pas, Messieurs les Cordonniers, que vous n'etes des Fripons. De la même Maniere je me sers a present du Bouclier « Vive l'Empereur! Mais cela n'empeche pas, Messieurs les Marecheaux, Messieurs les Comptes, Messieurs les Ducs etc., que Vous etes — — — quelquefois des meprisables Coquins. » Wer wird einen Mann von diesem energischen Charakter nicht gern sprechen, oder die Motive seiner Handlungen, auf eine lehrreiche Art auseinandersetzen hören. Zudem stehen wir dem Kreise seiner Wirksamkeit näher, als wir selbst glauben; denn immer deutlicher verräth sich die Absicht des Kaisers in W e s t p h a l e n einen P r o b e s t a a t aufzustellen, welcher den andern Staaten der Rheinkonföderation, zum Muster und Beyspiel dienen soll. Die Reformen im ehmaligen Hessischen Militair, das neue Konscriptionsgesetz, Alles dieses ist von V i l l a i n ausgegangen, und dieselbe liberale Denkart, die ihn einst als Intendant der Sächsischen Herzogthümer bezeichnete, hat er auch jetzt im Westphälischen Kriegsministerium, mit großer Schonung des Regionalen, geltend gemacht. Wenn man damit das so eben von dem Kriegsminister K e t t e l h o l d t für das F ü r s t e n t h u m R u d e l s t a d t entworfene Conscriptionsgesetz vergleicht, so scheint das zu Cassel von einer liberalen, gemüthlichen, Zeit und Umstände wohl erwägenden, und dennoch mit der Zeit fortschreitenden Deutschen; das zu Rudelstadt aber von einem Französischen, schneidend zufahrenden Commis, aus den wildesten Wirbeln der Französischen Revoluzionsepoche herzurühren . . . Villain hat bey Tische die Basis des neuen Conscriptionsgesetzes, das auf ähnliche Art auch bereits von Bayern anerkannt und eingeführt ist, sehr deutlich dargelegt. Der erste Artikel hub an « Chaque Westphalien est né Soldat » Dieser Artikel aber, da er zu stark eine militärische Tendenz ausspricht, die der neue Staat, nach der Absicht seiner Stifter durchaus nicht haben sollte, und so an die famöse und verhaßte r o t h e H a l s b i n d e erinnert wurde von ihm und Morio folgendermassen abgeändert. « Chaque Westphalien se doit a la Defense de la Patrie » welches allerdings, da hier bloß von Nothwehr die Rede ist, weit humaner, feiner und glimpflicher lautet. Dieß ist das Princip und Gesetz der Westphälischen Conscription. Ausnahmen sind: e i n z i g e S ö h n e , o d e r s o l c h e die den Erwerb von Wittwen und Waisen aufrecht erhalten, an Eltern statt; Andere, die sich den Künsten und Wissenschaften mit Erfolge widmen und sonach dem Staat eine ausgezeichnete Wirksamkeit in ihren Kreisen versprechen; sey es als Mediciner, Staatsbeamte ec In den Künsten komt die Bestimmung dazu, daß man einen Preis muß davon getragen haben oder ein ganz ausgezeichnetes Talent besitzen. Qu'il prouve le Pere, que son Fils est né Poète! Peintre! B l o ß e r R e i c h t h u m , b l o ß e r A d e l retten nicht viele vor d e m S o l d a t e n s t a n d . Beide [?] bestehen nicht mit der Gleichheit vor dem Gesetz. Um sich remplacieren zu lassen und einen Rekruten kaufen zu können — deren Preise durch das Gesetz selbst und zwar sehr ansehnlich bestimmt sind, um auf diese Art denen, welche dienen, 470
1808
Weimar dadurch eine erwünschte Schadloshaltung zu geben — — muß der Adel und der Reiche seine Söhne in Zukunft dazu anhalten, sich der Bildung zu befleißigen, damit der Eximierte einst im Stande ist, durch sein Talent als Medianer, Jurist, Theolog, Mahler, Dichter, der Gesellschaft den Arm zu ersetzen, den er ihrer Vertheidigung entzogen hat. Denn die Zeit ist vorüber, wie das Feudalsystem, woraus sie entsprang, wo jedes Muttersöhnchen, ohne alle Kenntnisse, und leer, wie ein Kürbiskopf, in den man vergessen hat das Licht zu stecken, bloß durch Vorzüge seiner Geburt, auf Rang und Ehrenstellen im Staat und in den Armeen Anspruch machen kann. Indem ich Hr. Villain in diesen Behauptungen im Allgemeinen beypflichtete, konnte ich mich dennoch nicht enthalten, ihm eine Bemerkung zu machen, die etwas grob und ungezogen klang, und in welcher Göthe, wie er sich nachher ironisch gegen mich ausdrückte, mit Vergnügen, statt des Diplomatikers, den alten Huronen Falk wieder erkannte. Ich zeigte ihm nämlich die Inkonsequenz, in welche seine Landsleute verfallen, wenn es ihnen wirklich ein Ernst drum ist, dem V e r d i e n s t ü b e r a l l die C a r r i e r e zu eröffnen. Warum umgibt sich Euer König in Westphalen ausschließlich mit Hofadel? Glaubt Ihr denn, wenn ihr die Könige und Fürsten auf diese Weise umlagert, und wenn es sich trifft, was sich treffen muß, daß ein schwacher Fürst einen Chambellan, oder Ecuyer d'Honeur hat, der ein E..1 ist, und dieser wieder einen Cousin, der etwas weniger Esel ist, als er selbst, daß der Hr. Chambellan oder Ecuyer nicht seinen Cousin, und das mit dem b e s t e n G e w i s s e n , als das tauglichste Subjekt, im ganzen weiten Umfang der königl. oder Fürstl. Staaten, zum Dienste seines Herren anpreisen wird? Man dient übrigens um 5 Jahr, vom 20. zum 25. Im 25. ist man noch tüchtig zur Heirath, und um so tüchtiger, je tüchtiger man als Soldat war. Car la Dette de la Patrie est une Lettre de Change honorée par tout» Dem Geheimr. v. Beulwitz sagte Hr. Villain, in unserer Aller Gegenwart die härtesten Sachen über ihr neues Conscriptionsgesetz, nach dem Alles, a u s g e n o m m e n der Adel, jetzt in Rudelstadt, Soldat werden muß. Es scheint, mein Herr, sagte Er, Sie verurtheilen bey sich in Rudelstadt alle Menschen zum Tode, damit ihre liebenswürdige Prinzeß nachher allen ihren Unterthanen Pardon ertheilen kann. Sie haben eine Committée niedergesetzt, die für alle Fälle der Ausnahmen entscheiden soll. Es ist nirgend gut, daß der Adel prädominiert und hier am wenigsten. — — — Er warf ihm vor, daß diese Verordnung mit der Zeit gar keinen Schritt halte; das alte Feudalsystem stecke aus diesem neuen Edikt beydes wieder Kopf und Füße heraus. Der A d e l sey nur deßhalb privilegiert, um sämtliche Junker im Dienst, als Offiziere unterzubringen. Der alte H e e r b a n n und die alten L a n d e s k n e c h t e kämen so immer wieder zum Vorschein; die E r t ö d t u n g d e s E s p r i t de Corps, wie die Stockschläge, mit dem ganzen Heer infamierender Regimentsstrafen, die schon jetzt den Dienst in Deutschen Armeen, in den Augen jedes Franzosen, wo sie zusammen ein Lager bezögen, verächtlich machten, blieben vor wie nach an der Tagesordnung. Man zwänge dadurch gleichsam den Franzosen sich als ein h ö h e r e s I n d i v i d u u m zu betrachten, ja es wohl gar dem Deutschen mit Insolenz fühlen zu lassen. Auch sey er fest überzeugt; dieser Unfug in deutschen 471
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Weimar Armeen, werde so lange fortdauern, bis der Kaiser, als Protecteur der Rheinkonföderation, zu Gunsten der beschimpften Nation, ein mächtiges Wort dazwischen sprechen, und mit dem Feudal-Nexus, zugleich die Bande der Knechtschaft zerschneiden werde, wie denn dieses jetzt bereits in Westphalen, mit dem glücklichsten Erfolge geschehen sey. Car, Messieus, fuhr er fort, indem er sich an Göthe und Wieland wandte, comme j'ai dit cent Fois a Cassel a ces Officiers, vieux Routiniers, qui se grattent toujours la Tête, et Vous chantent sans Cesse: « Nous ne fonsions pas, comme cela! » — Messieurs, en parlant de cette Manière, je vois bien, que Vous n'etes pas en Etat du Tout, de prendre Service aux nouveaux Régiments. Nous aurions plus de Peine, à Vous faire oublier les Minuties, qui font perdre les Batailles et que vous savez par Coeur, que de Vous apprendre les grandes Choses, qui les font gagner et que Vous ne savez pas. — Vous n'avez pas profité du Tout, Monsieur Beulewitz, des immenses Richesses, avec lequelles la Révolution Française a enrichi l'Esprit humain — dans votre Conscription Militaire. Vous autres Allemands avéz encore la Tête si retrécie par des Loix Féodales et des Préjugés, qu'avant le Commencement de notre Révolution. Pourquoi faire six mille Malheureux, quand suffit d'en faire six Cents? Dieß bezog sich auf die allgemeine Aushebung zum Soldatenstand, da Rudolstadt doch nur 600. Mann zum Contingent stellt. — — Alles ginge jetzt zu Cassel auf das Vortrefflichste, a u c h o h n e S t o c k s c h l ä g e , von statten. Alte Hessische und Braunschweigische und Preußische Militairs hätten ihm freylich auch erwiedert, was man zur Beschönigung dieses militairischen Schlendrians jetzt überall anführen höre: „ O h n e geschärfte R e g i m e n t s s t r a f e n , m i t b l o ß e m Prison und T o d t s c h i e ß e n , sey m i t d e m D e u t s c h e n nichts anzufangen: worauf er ihnen aber geantwortet: « N'avez Vous pas Honte Messieurs, de debater avant Moi, Français avec une pareille Bêtise? Dans quel Degrée de Latitude vivéz vous donc? Souvenéz vous, Messieurs, je Vous prie, que Vous n'etes pas en Pologne, où il n'y a rien, que de la Canaille par Million, et de la Noblesse, par Centaine, mais en Allemagne, chez un Peuple industrieux qui cultive les Arts, les Sciences, et partout, ou il y a une Nation, il y a aussi de l'Honneur! » So sprach Villain, den 7 t e n [und 5 ten ] May 1808. zu Weimar, im Palais der verwittweten, Seeig. Frau Herzogin Mutter. — . . . Die Stockschläge sind zu Cassel den Offizieren bey Cassation untersagt. Als einige Herren von Weimar gegen Hr. Villain bemerkten, daß die plötzliche Abschaffung derselben den Franzosen zu Cassel dennoch viele Händel machen könnte, gab dieser ganz gelassen und im lachenden Muthe zur Antwort: Was echte Liebhaber sind, können noch immer welche bekommen! « On en donne encore aux Amateurs. » Weiter hin scherzte er über die Prügelwuth gewisser Offiziere in den deutschen Armeen und sagte deßhalb zu dem Hr. Kammerrath Riedel: « N'est ce pas, Monsieur? Comme vous êtes de la Chambre, vous le sauvéz comme Moi. C'est la Coutûme d'Allemagne, de donner une Partie de solde en Bois — E h bien, les Coups de Bâtons, cela paroit être le Députât des
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Weimar
1808
Officiers Prussiens! » Zugleich ridicülisierte er auf's Aeusserste die mechanische Art, wie mehrere Fürsten von der Rheinkonföderation Reformen bey ihrem Militair anstellten. In seinen Augen sey nichts ridiküler, als die Franzosen, au Dehors, zu B. in Backenbärten, Janitscharenmusik, Kapots, Chakots, Hutbändern u s. w. mit der gewissenhaftesten Treue, nachzuahmen: das Interieur der Armeen aber, als wohin gehöre, das hohe P o i n t d ' H o n n e u r , das freye Avancement, die Abschaffung von Stockschlägen u s. w. in Gottes Namen vor der Hand bey Seite zu setzen. « Même vôtre Prince, Messieurs, qui est certainement un des plus sages et des plus éclairés d'Allemagne m'a fait la Question: « Avez Vous conservé les anciens Cadres de l'Armée Hessoise? Son Altesse me pardonnera, mais c'est une Demande, qui n'a ni Père, ni Mère. Voila donc, pourquoi j'ai répondu tout court: « Cela ne se fait pas, Monseigneur! » — — Encore une chose inconcevable, même au Milieu de la Guerre, le Roi de Prusse a declaré: Que l'Avancement seroit libre dans son Armée, t a n t q u e la G u e r r e d u r e r o i t . » Qu'elle Bétise! et qu'elle Petitesse d'Esprit! Hier erzählte Hr. Villain eine Menge interessanter Anekdoten, Charakterzüge von Französischen Generälen, Marschällen, Ministern u s. w. die ich aber, um den Gang der Hauptideen nicht zu unterbrechen, lieber als Anmerkung und in einer Note mittheilen will. . . Den 6 ten May . . . Villains geniale und freymüthige Aeüsserungen zeigten sich noch lebhafter diesen Abend, wo ich ihm wieder eine kleine Gesellschaft im Palais eingeladen hatte, die ihn so recht à son Aise setzte. Hofrath Wieland und der so eben aus Rudelstadt eingetroffene Geheim, v. Beulwitz, den Hr. v. Müller mitbrachte, waren ebenfalls dabey. Ein Theil dieses Abendgespräches, das der Zusammenhang der Ideen nicht zu trennen erlaubt, steht bereits oben . . . Anhang einiger von Villain über Tisch und im vertrauten Cirkel erzählter Anekdoten Der Kaiser befragte einen deutschen Prinzen in der Conversation: wie alt er sey? Der Prinz gab hierauf zur Antwort: Dix neuf, Vôtre Majesté: mais c est que ma Princesse Mere a fait une fausse Couche: autrement j'aurois vingt — Notiz in Goethes Tagebuch o. Dat. 1808 (WA III 3, 443)
[Nach Villains Erzählung:] Ein junger Mann wird gefragt wie alt er sey; Er antwortet: 21 Jahr. Ich wäre aber ein Jahr älter wenn meine Mutter nicht vorher eine fausse couche gemacht hätte. 6. 5.
Tagebuch 6. 5. 1808 (WA III 3, 333)
Zu dem General Dentzel. Bekanntschaft mit dessen Familie. Mit ihnen auf die Bibliothek. Vorher Friedrich Schlegel. Mittags Sophie Teller. Abends bey Durchlaucht der Herzogin. Später Herr Dr. Cotta von Tübingen. 6. 5.
Maria Pawlowna an Maria Feodorowna 6. 5. 1808 (HSTA Weimar, HA A XXV R 156, 85) Ce soir Göthe va faire une lecture chez la Duchesse. Cotta an Goethe 19. 2. 1808 (Kuhn 1, 172) Der Absaz der Werke geht so gut, daß wir uns nicht an die stipulirte HonorarSumme werden halten dürfen, worüber sich mündlich das Nähere besprechen läßt.
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Cotta an Schelling 6. 6. 1808 (Fuhrmans - Lohrer S. 33)
Göthe ist nach Carlsbad: ich sprach ihn noch vor seiner Abreise — er ist sehr thätig — vielleicht sehn Sie ihn dißmal in München. 5./6. 5.
An K. F. Reinhard 22. 6. 1808 (WA IV 20, 91)
Herr Schlegel... begrüßte mich . . . auf seiner Durchreise in Weimar persönlich. Die Recension meiner vier ersten Bände hatte ich kurz vorher gelesen, das erste was mir seit langer Zeit von ihm zu Gesicht gekommen war. Sie hatte mir viel Vergnügen gemacht: denn ob ich gleich selbst am besten wissen muß, wo in meinem Stall die Zäume hängen, so ist es doch immer sehr interessant sich mit einem verständigen und einsichtsvollen Manne über sich selbst zu unterhalten . . . Allein, da ich nachher eine Recension von Müllers Vorlesungen durchgelesen, Schlegeln selbst gesprochen und sein Büchlein über Sprache und Geist der Indier näher angesehen; so ist meine Zufriedenheit einigermaßen gemindert worden, weil doch aus allem gar zu deutlich hervorgeht, daß die sämmtlichen Gegenstände, die er behandelt, eigentlich nur als Vehikel gebraucht werden, um gewisse Gesinnungen nach und nach ins Publicum zu bringen und sich mit einem gewissen ehrenvollen Schein als Apostel einer veralteten Lehre darzustellen. 7. 5.
Tagebuch 7. 5. 1808 (WA III 3, 333)
Von Beulwitz und Bertuch wegen des dWesens . . . Nach Tische General Dentzel mit Frau und Tochter, Prinz Bernhard und Major von Rühle. Abends bey Regierungsrath von Müller, wo von Beulwitz war nebst mehrerer Gesellschaft. Riemer, Tagebuch 7. 5. 1808 (*Dtsch. Revue 11, 4 S. 25; Keil 5 S. 290)
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Kam Wolff und zeichnete. Den Faust vorgelesen. Mittags mit Goethe über den zweiten Theil von Faust. Riemer an Knebel 7. 5. 1808 (FDH)
Da unsre Abreise nach Carlsbad künftigen Donnerstag [12. 5.] festgesetzt ist und wir Jena ohne weiteren Aufenthalt passiren wollen, um womöglich noch Schleiz in einem Tage zu erreichen; so benutze ich diese Gelegenheit mich Ihnen schriftlich zu empfehlen . . . Hr. Geheimerath empfiehlt sich Ihnen gleichfalls sämmtlich aufs beste. C. Bertuch, Tagebuch 7. 5. 1808 (GSA, Bertuch 3069)
Um 12 Uhr Geh. Rath Beulwiz bey Goethe angemeldet. Es ist der Wunsch auch Serenss. die • Amalia wieder zu eröffnen, vorerst mit Unterstützg der • 4./7. 5.
An G. E. Dentzel 28. 3. 1808 (WA IV 51, 233) . . . so werden Sie . . . überzeugt sein, daß mir nichts angenehmeres begegnen kann, als Ihnen nochmals mündlich Dank zu sagen für das Große, das ich Ihnen schuldig geworden, für die Erhaltung meines häuslichen Glücks, wofür ich Gott nicht danken kann, ohne mich desjenigen zu erinnern, durch den es menschlicher Weise bewirkt worden.
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zu Rudolstadt, welche für uns recipirt. G. verwendet sich thätig dafür; deswegen war mit Beulwiz, G. u. dem Vater von 12—1 Uhr Conferenz — Worin ein Einlad[un]gsSchreiben an die hiesigen Brüder beschloßen, an den Arbeiten der • Amalia theil zu nehmen, welches Seren, vidirt. — Go-e sprach ich lange darüber; er betrachtet das Ganze für die jezige Zeit als ein heilsames Band, will aber den Hammer n[ich]t führen . . . Souper b. Müllers. Der Vater theilte das CircularSchreib. an Goethe u. Beulwiz mit, die es billigten. Canzler Eichelberg kam. G.— war heiter, u. mystificirte F— [Fritsch? Falk?] sehr gut. daß er laut denke. 8. 5.
Tagebuch 8. 5. 1808 (WA III 3, 333)
Die Sänger. Regierungsrath Voigt und Frau Hofrath Schopenhauer. Rungische Zeichnungen . . . Abends mit Frau von Stein und Schiller im Park. Zum Abendessen die Schauspieler. St. Schütze, Tagebuch 8. 5. 1808 (JSK NF 4, 102)
Goethe geht den ganzen Tag im Park. 9.5.
Tagebuch 9. 5. 1808 (WA III 3, 334)
[Vormittags] auf dem Schloß bey Durchlaucht dem Herzog, der Herzogin, dem Erbprinzen und Major von Rühle . . . Abends Meyer und Falk: über französische Anmaßungen und Ungerechtigkeiten. Riemer, Tagebuch 9. 5. 1808 (Keil 5 S. 290)
Mittags lang gewartet, da Goethe beim Herzog war. Falk, Goethe S. 1 1 3
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Der schwer beleidigte Kaiser [Napoleon] verstattete zwar dem Herzoge die Rückkehr in seine Staaten, aber nicht ohne das höchste Mistrauen in ihn zu setzen, sodaß der edle, offne deutsche Mann von diesem Augenblicke an von allen Seiten mit Horchern, sogar an seiner eigenen Tafel umstellt war. Da mich um diese Zeit meine Geschäfte oftmals nach Berlin und Erfurt führten, gaben mir die dortigen höhern Behörden nicht selten Bemerkungen anzuhören, von denen ich gewiß war, daß man sie als Resultate der dort gehaltenen geheimen Polizeiregister dem Kaiser vorlegte, und die ich eben deshalb dem Herzoge nicht verschweigen durfte. Mit wörtlicher Treue, wie ich sie empfangen hatte, setzte ich sie schriftlich auf, um sie höhern Orts zu übergeben. Bei dieser Gelegenheit hat Goethe eine so schöne persönliche Anhänglichkeit für den Herzog an den Tag gelegt, daß ich mir ein Gewissen daraus machen würde, dem deutschen Publicum dies schöne Blatt aus der Lebensgeschichte seines großen Dichters vorzuenthalten. Es geschah um diese Zeit häufig genug, wenn ich Goethe besuchte, daß die bedenklichen Zeitumstände — in welche ich selbst damals, nicht aber zum Unglück, sondern, wofür ich Gott herzlich danke, zum Segen des Landes, das ich bewohnte, handelnd verflochten war — mit männlicher Umsicht von uns nach allen Seiten durchsprachen wurden. So kam denn auch 475
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Weimar diesmal, als ich Goethe nach meiner Zurückkunft von Erfurt in seinem Garten besuchte, die Rede auf die Beschwerden der französischen Regierung. Ich theilte sie ihm Punkt für Punkt und so mit, wie sie auch nach diesem der Herzog unverändert gelesen hat. Es sei bekannt, hieß es unter Anderm in dieser Schrift, daß der Herzog von Weimar dem feindlichen General Blücher, der sich zu Hamburg mit seinen Offizieren nach der Niederlage von Lübeck in der größten Verlegenheit befunden, 4000 Thaler auf Wechsel vorgeschossen habe. Ebenso wisse Jedermann, daß ein preußischer Offizier, der Hauptmann v. Ende (jetzo Gouverneur in Köln), als Hofmarschall bei der Frau Großfürstin angestellt sei. Es sei nicht zu leugnen, daß die Anstellung so vieler preußischen Offiziere sowol im Militair- als Civilfach, deren Gesinnungen bekanntlich nicht die besten seien, für Frankreich etwas Beunruhigendes mit sich führe. Schwerlich werde es der Kaiser billigen, oder jemals zugeben, daß man mitten im Herzen des Rheinbundes gleichsam eine stillschweigende Verschwörung wider ihn anlege. Sogar zum Hofmeister seines Sohnes, des Prinzen Bernhard, habe man einen ehemaligen preußischen Offizier, den Herrn v. Rühl (nachmals preußischen General) gewählt; Herr v. Müffling, ebenfalls gedienter Offizier und Sohn des preußischen Generals dieses Namens (dermalen im preußischen Generalstabe), sei mit großem Gehalte in Weimar als Präsident eines Landescollegiums angestellt; der Herzog stehe mit demselben in einem vertrauten persönlichen Umgange, und es sei natürlich, daß alle solche Verbindungen nur dazu dienten, einen ohnehin schlecht genug verheimlichten Groll gegen Frankreich zu nähren. Es scheine, daß man gleichsam Alles absichtlich hervorsuche, um den Zorn des Kaisers, der doch Manches von Weimar zu vergessen habe, aufs Neue zu reizen und herauszufodern. Unvorsichtig wenigstens seien die Schritte des Herzogs in einem hohen Grade, wenn man ihnen auch nicht geradesweges eine böse Absicht unterlegen wolle. So habe derselbe auch den Herzog von Braunschweig, den Todfeind Frankreichs, nebst Herrn v. Müffling, nach dem Gefechte von Lübeck zu Braunschweig auf seinem Durchmarsche besucht. „Genug!" fiel mir Goethe, als ich bis dahin gelesen hatte, mit flammendem Gesichte ins Wort. „Was wollen sie denn, diese Franzosen? Sind sie Menschen? Warum verlangen sie geradeweg das Unmenschliche? Was hat der Herzog gethan, was nicht lobens- und rühmenswerth ist? Seit wann ist es denn ein Verbrechen, seinen Freunden und alten Waffenkameraden im Unglück treu zu bleiben? Ist denn eines edeln Mannes Gedächtniß so gar nichts in euern Augen? Warum muthet man dem Herzoge zu, die schönsten Erinnerungen seines Lebens, den siebenjährigen Krieg, das Andenken an Friedrich den Großen, der sein Oheim war, kurz alles Ruhmwürdige des uralten deutschen Zustandes, woran er selbst so thätig Antheil nahm, und wofür er noch zuletzt Krone und Scepter aufs Spiel setzte, den neuen Herren zu gefallen, wie ein verrechnetes Exempel plötzlich über Nacht mit einem nassen Schwämme von der Tafel seines Gedächtnisses hinwegzustreichen? Steht denn euer Kaiserthum von gestern schon auf so festen Füßen, daß ihr keine, gar keine Wechsel des menschlichen Schicksales in Zukunft zu befürchten habt? Von Natur zu gelassener Betrach476
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Weimar tung der Dinge aufgelegt, werde ich doch grimmig, sobald ich sehe, daß man dem Menschen das Unmögliche abfodert. Daß der Herzog verwundete, ihres Soldes beraubte preußische Offiziere unterstützt, daß er dem heldenmüthigen Blücher nach dem Gefecht von Lübeck einen Vorschuß von 4000 Thalern machte, das wollt ihr eine Verschwörung nennen? das gedenkt ihr ihm übel auszulegen? Setzen wir den Fall, daß heute oder morgen Unglück bei eurer großen Armee einträte: was würde wol ein General oder ein Feldmarschall in den Augen des Kaisers werth seyn, der gerade so handelte, wie unser Herzog in dem vorliegenden Falle wirklich gehandelt hat? Ich sage euch, der Herzog soll so handeln, wie er handelt! Er muß so handeln! Er thäte sehr Unrecht, wenn er je anders handelte! Ja, und müßte er darüber Land und Leute, Krone und Scepter verlieren, wie sein Vorfahr, der unglückliche Johann, so soll und darf er doch um keine Hand breit von dieser edeln Sinnesart und Dem, was ihm Menschen- und Fürstenpflicht in solchen Fällen vorschreibt, abweichen. Unglück! Was ist Unglück? Das ist ein Unglück, wenn sich ein Fürst dergleichen von Fremden in seinem eigenen Hause muß gefallen lassen. Und wenn es auch dahin mit ihm käme, wohin es mit jenem Johann einst gekommen ist, daß beides, sein Fall und sein Unglück, gewiß wäre, so soll uns auch das nicht irre machen, sondern mit einem Stecken in der Hand wollen wir unsern Herrn, wie jener Lukas Kranach dem seinigen, ins Elend begleiten und treu an seiner Seite aushalten. Die Kinder und Frauen, wenn sie uns in den Dörfern begegnen, werden weinend die Augen aufschlagen und zu einander sprechen: das ist der alte Goethe und der ehemalige Herzog von Weimar, den der französische Kaiser seines Thrones entsetzt hat, weil er seinen Freunden so treu im Unglück war; weil er den Herzog von Braunschweig, seinen Oheim, auf dem Todbette besuchte; weil er seine alten Waffenkameraden und Zeltbrüder nicht wollte verhungern lassen!" Hier rollten ihm die Thränen stromweise von beiden Backen herunter; alsdann fuhr er nach einer Pause, und sobald er wieder einige Fassung gesammelt, fort: „Ich will ums Brot singen! Ich will ein Bänkelsänger werden und unser Unglück in Liedern verfassen! Ich will in alle Dörfer und in alle Schulen ziehen, wo irgend der Name Goethe bekannt ist; die Schande der Deutschen will ich besingen, und die Kinder sollen mein Schandlied auswendig lernen, bis sie Männer werden, und damit meinen Herrn wieder auf den Thron herauf- und euch von dem euern heruntersingen! Ja, spottet nur des Gesetzes, ihr werdet doch zuletzt an ihm zu Schanden werden! Komm an, Franzos! Hier oder nirgend ist der Ort mit dir anzubinden! Wenn du dieses Gefühl dem Deutschen nimmst oder es mit Füßen trittst, was Eins ist, so wirst du diesem Volke bald selbst unter die Füße kommen! Ihr seht, ich zittere an Händen und Füßen. Ich bin lange nicht so bewegt gewesen. Gebt mir diesen Bericht! Oder nein, nehmt ihn selbst! Werft ihn ins Feuer! Verbrennt ihn! Und wenn Ihr ihn verbrannt habt, sammelt die Asche und werft sie ins Wasser! Laßt es sieden, brodeln und kochen! Ich selbst will Holz dazu herbeitragen, bis Alles zerstiebt ist, bis jeder, auch der kleinste Buchstabe, jedes Komma und jeder Punkt in Rauch und Dunst davonfliegt, sodaß auch nicht ein Stäubchen davon auf deutschem Grund 477
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Weimar und Boden übrigbleibt! Und so müssen wir es auch einst mit diesen übermüthigen Fremden machen, wenn es je besser mit Deutschland werden soll." Ich brauche kein Wort zu diesem wahrhaft männlichen Gespräche hinzuzusetzen, das ebenso ehrend für Goethe als für den Herzog ist. Als ich Goethe beim Abschiede umarmte, standen auch mir die Augen voll Thränen.
7./9. 5.
O. Rühle v. Lilienstern an Goethe 29. 8. 1808 (Weniger S. 162)
Ew. Exzellenz hatten bei meiner Anwesenheit in Weimar die Gnade, mir zu erlauben, Denenselben das beikommende Produkt meiner Muße [Hieroglyphen oder Blicke aus dem Gebiete der Wissenschaft in die Geschichte des Tages] überreichen zu dürfen. 10. 5.
Tagebuch 10. 5. 1808 (WA III 3, 334)
[Vormittags] Bey Prinzeß Caroline . . . Abends ins Concert im Schießhause. Henriette v. Knebel an Knebel 14. 5. 1808 (Diintzer4 S. 335)
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Goethe sagte uns, daß er nur eine Visitenkarte bei Dir abgeben würde. Ich richtete ihm Deinen Gruß aus und er sprach noch recht mit Innigkeit von Dir. Er hat die hübsche Erzählung, welche Du uns empfohlen, „Medschnun u. s. w." mit nach Karlsbad genommen. Riemer, Tagebuch 10. 5. 1808 (Keil5 S. 290)
Abends waren Goethe und Sie und Helene Vulpius im Concert im Schießhause. C. Bertuch, Tagebuch 10. 5. 1808 (*JSK, NF 4, 102; GSA, Bertuch 3069)
Concert vom Violoncellisten Friedl aus Berlin im Schießhaus. Weder als Compositeur noch als Spieler ausgezeichnet — — Die Häser brave Arie aus der Grisèlda, die für ihre sich dem Alt nähernde Stimme sehr paßt. — Concert v. Mozart von Töpfer — Vortrefl. Duett v. Nasolini von der Jagemann u. Stromeyer unendlich schön gesungen. — Es war sehr voll, Wieland und Goethe da, unser Herzog erschien mit dem Herzog v. Coburg, Prinz Leopold u. Stallmeister v. Coburg. Goethe nahm Abschied; er geht Donnerstag nach dem Carlsbad. 11. 5.
Tagebuch 11. 5. 1808 (WA III 3, 334)
Hofkammerrath Kirms, Geh. R. Voigt und Legationsrath Bertuch. Bey der Gräfin von Henkel Abschied genommen. Mittags Dem. Elsermann und Engels zu Tische. Nach Tische Wolff, der Abschied nahm, und Haide. Abends Hofrath Meyer. Brachten Eberwein, Dem. Engels, Häßler, Deny, Strobe und Morhard ein Ständchen. Riemer, Tagebuch 11. 5. 1808 (Dtsch. Revue 11, 4 S. 25)
Früh bei Goethe. Briefe und sonstiges. Abends brachten Eberwein und die Sänger Goethen ein Ständchen. 478
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Weimar An Chr. G. v. Voigt 11. 5. 1808 (WA IV 51, 238)
Bey der Unterhaltung von heute Morgen habe ich doch einen Hauptpunct vergessen. Indem wir nähmlich das Cabinet transportaren, so wird höchst nöthig die alten Commoden, welche sich noch aus der Kunstkammer herschreiben, abzuschaffen und Schränke nach Art der neueren, doch einigermaßen anders, fertigen zu lassen. Charlotte v. Stein an F. v. Stein 11. 5.1808 (*Düntzer 9 2,287; G S A , Stein 107)
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Heute früh nahm Goethe Abschied von mir Morgen reißt er nach Carlsbad und will daselbst bis im Octob: bleiben, er versichert mir er könne da seine Autorschaft viel beßer betreiben als hier; Er ist manchmahl recht freundlich und mittheilend gegen mich und trug mir auch viele freundliche Grüße an Dich auf, aber mir will das Zutrauen nicht ganz wieder werden. Riemer an Johanna Frommann 11. 5. 1808 (Heitmüller S. 122)
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Wir fahren diese Nacht um 1 Uhr schon von hier weg, und sind also zwischen 3 und 4. in Jena, welches wir nur passiren wollen, um noch Abends Schleiz erreichen zu können . . . Die Beschlüsse des Höchsten, wissen Sie, sind oft höchst wunderbar und stets unerforschlich. vor 12. 5. Christiane v. Goethe an A. v. Goethe 16. 5. 1808 (GJb 10,6)
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Dein letzter Brief, den Du an Bartholomäi geschrieben hast, hat dem Vater sehr gefallen. Er hat ihn von Riemer abschreiben lassen und er ist allen Damen produzirt worden; es war so ein hübscher Stil darin. An Bettuch 11. 5. 1808 (WA IV 20, 32; 30, 270)
Das Erste wäre nun, sämmtüche hiesige Brüder [der Loge Amalia] zur Mitunterschrift des Schreibens einzuladen, sodann eine Conferenz zu halten und in derselben sich über die Personen zu besprechen, welche man zunächst veranlassen möchte, zu der Verbrüderung gleichfalls beyzutreten. Mit Herrn Geh. Reg. Rath Voigt und Müller sowie mit Kriegs Rath Weiland habe gesprochen und Diese sind bereitwillig. An Christiane v. Goethe 15. 6. 1808 (WA IV 20, 82)
Das Allgemeine was dieser Meister [Zelter] sagt trifft mit dem zusammen was ich dir einmal sagte: die Eberweinischen Sachen haben wenig Charackter und das kommt hauptsächlich daher weil er nicht die rechten Texte wählt und Verse nimmt die sich als Chorgesang nicht dencken lassen. H. Meyer an B. Hundeshagen 15. 5. 1808 (FDH)
Hr Geheime Rath v. Goethe dankt Ew. Wohlgebohrnen nicht weniger als ich selbst für die übersendeten Exemplare von der alten Gothischen Capelle zu Frankenberg. 479
1808
Jena Jena
12. 5.
Knebel, Tagebuch 12. 5. 1808 (GSA, Nachlaß Knebel)
Göthe halb 8. Uhr hier hinaus mit Hn Riemer nach Karlsbad. Knebel an Katharina v. Schückher 12. 5. 1808 (GSA, Knebel 335, 4)
Göthe hat uns bisher öfters auf längere Tage besucht, und da sich sein Geist immer in männlicher Kraft erhält, so erweckt er auch andern damit das Leben. Seine neusten Arbeiten stehen den vorherigen an Geist u. Kraft durchaus nicht nach, ja übertreffen sie vielmehr; indem das Reelle seiner Gedanken u. Erfindungen immer mehr durch die zarte und zugleich energische Bildung hervortritt. Seine Phantasie verjüngt sich gleichsam, indem sie sich veredelt, und die Weisheit des L e b e n s in den lieblichsten Bildern darstellt. So ist auch sein Umgang immer milder und reifer geworden, und man darf sagen, zum wahren Lebensmuster. Eines darf ich doch bei meinem Freunde nicht vergessen — daß er nemlich selbst etwas vergessen ist, und ob ihm gleich das überschickte Steinbockshorn viel Vergnügen gemacht hat, so habe ich doch die Zahlung bisher noch nicht erhalten. Gestern, als er hier durch nach dem Karlsbad reißte, hab ich solches noch bei ihm erinnert, und er hat mir gesagt, daß er bereits schon Ordre gegeben hätte, daß solches an mich sollte ausbezahlt werden. Riemer, Tagebuch 12. 5. 1808 (*Dtsch. Revue 11, 4 S. 25; Keil 5 S. 290)
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Um V2 4 Uhr Morgens bei Regenwetter weggefahren. Zwischen 6 — 7 in Jena. Abgestiegen und zu Frommanns, die noch im Bett lagen und mir glückliche Reise wünschen ließen. Um 10 Uhr in Kahla. Hausmannsmusik vom Rathhause. Uber die Gestalt, die Deutschland in der Folge haben könnte, deleta cultura. Mittags von Kahla. Schönes Wetter. Über Freimaurerei. In Pösneck. Reitende Artillerie der Franzosen; schöne Pferde, lustige Kerls; fast einerlei Gesichter à la Weißer. Gut gegessen. Fische. Hatte die Wirthin das Zarte vom Spargel abgeschnitten. Arbeitete Goethe an der Pandora und las mir die Scene von Pandorens Schilderung vor. J. D. Färber, Kalender 12. 5. 1808 (UB Jena, Nachl. Martin q 20)
Sind der Hr. Geh. Rath v. Göthe u. Hr. Riemer früh % 7 Uhr hier durch nach Karlsbad gereist. Jena — Karlsbad Tagebuch 12. 5. 1808 (WA III 3, 334)
Gegen Vi 5 Uhr in Pösneck, wo 80 Mann französische reitende Artillerie mit schönen Pferden einquartiert. Im goldenen Löwen logirt. Die Scene zwischen Prometheus und Epimetheus, die Schilderung der Pandora, vollendet und vorgelesen. 480
1808 13. 5.
Jena — Karlsbad Tagebuch 13. 5. 1808 (WA III 3, 335)
Abends in Hof angelangt. . . Besuch vom Kreishauptmann von Schütz. Uber die überstandenen Bedrückungen und Contributionen. Politische Adspecten. Unterweges de quorundam amicorum nostrorum perversa libidine. De rebus aestheticis et poeticis. De Vossii et Schlegeliorum meritis et praeiudiciis. De Fausti dramatis parte secunda et quae in ea continebuntur. Riemer, Tagebuch 13. 5. 1808 (*Dtsch. Revue 11, 4 S. 26; Keil 5 S. 291)
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Früh von Pösneck ab. Schlechter Weg bis Schleiz. Gegen Abend in Hof angelangt. Im Brandenburgischen Hofe. Besuch von Kreishauptmann von Schütz. Uber die politischen Aspecten. Uber Aesthetica und Poetica. Uber Metra, Vossens, die Schlegels pp. Viel lateinisch gesprochen: Uber Werner und anderes. Uber den zweiten Theil von Faust. 14. 5.
Tagebuch 14. 5. 1808 (WA III 3, 335)
Nach Franzensbad, Abends dort angekommen. Den Brunnen besucht. Besonders Politica besprochen. 2 italiänische Sonette, eins gegen die Corilla, welche einen Juden apostrophirt hatte um ihn zu bekehren; eins von einem italiänischen Freygeist, gegen die Erlösung. Uber Jean Pauls schriftstellerischen Charakter und Verdienst. Riemer, Tagebuch 14. 5. 1808 (*Dtsch. Revue 11, 4 S. 26; Keil 5 S. 291)
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Auf mitunter sehr schlechten Wegen nach Franzensbad. In Asch regnete es wie gewöhnlich. Uber den unendlichen Mist und die Bauart, Pflastergeld u. dgl. gescherzt. Abends in Franzensbad angekommen. In dem großen Gasthofe logirt, in dem Zimmer, wo der Wandschrank ist. Am Brunnen gewesen. Schöne Kobellsche Landschaft mit blauen Bergen. Besonders Politica besprochen. Riemer (*Dtsch. Revue 11, 4 S. 26; Keil 5 S. 199)
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[Goethe:] „Europa war sonst eine der seltsamsten Republiken, die jemals existirt, und ging dadurch zu Grunde, daß ein Theil das sein wollte, was das Ganze war, nämlich Frankreich wollte Republik werden. Nirgends Schutz und Hülfe. Omnia in propatulo. Alles ausgleichen, Schleifen von Gräben und Mauern. Sonst der Mensch auf sich allein gestellt, suchte er Hülfe bei andern: in Burgen, Schlössern, bei Freunden. Jetzt in der öffentlichsten Communication hilflos und nur durch sein Inneres zu trösten und zu helfen. Sonst verschlossen nach außen, offen nach innen. Jetzt offen nach außen, verschlossen nach innen." 15. 5.
Tagebuch 15. 5. 1808 (WA III 3, 335)
Um 9 Uhr in Maria Culm. Festtag, wozu viel Landvolk der Gegend versammelt war. Die Männer meist sehr groß und langgespalten, die Weiber klein und von dumpfer Gesichtsbildung. Wallfahrterinnerung von Zwota . . . Abends in Carlsbad. 481
1808
Karlsbad Karlsbad Tagebuch 15. 5. 1808 (WA III 3, 336)
Einen Spatziergang nach der Carlsbrücke . . . Vorher Besuch von Müller. Vorsätze wegen der Farbenlehre und Hackerts Biographie besprochen. Werners Sonette. Unterweges de discrimine masculi et feminei amoris; ille ένθουσιάζων, hic plerumque officiosus esse solet. Exempla. Meine Sonette recitirt und ihre Intention angegeben. Riemer, Tagebuch 15. 5. 1808 (*Dtsch. Revue 11, 4 S. 26; Keil 5 S. 291)
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Früh Venetianisches Sonett auf die Erlösung. Jean Paul's Verdienst. Goethe's und Werner's Sonette. Unterwegs über Liebe, amor feminarum plerumque officiosus, marium s[ive] masculorum ένθουσιάζων. Goethe's Geschichte amoris uxoris suae post expertam fidem. Uber Werners Liebe. Um 9 Uhr in MariaCulm. Festtag. Wallfahrterinnen von Zwota. Schöne Lage von Elbogen kurz vor der neuen Chaussee angesehen. Abends in Carlsbad angelangt. Man war eben mit Malen der Stuben fertig. Mit Goethe Spaziergang. Absicht mit der Farbenlehre. 16. 5.
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Früh an den verschiedenen Brunnen, wo nur sehr wenige Gäste. Riemer, Tagebuch 16. 5. 1808 (»Dtsch. Revue 11, 4 S. 26; Keil 5 S. 292)
Stecknadeln durch Goethe eingekauft. Briefe bei Goethe. Werners Aufsatz oder Selbstrecension [Uber die Tendenz der Wernerschen Schriften] durchgegangen. Nach Tische arbeitete Goethe an Pandorens Wiederkunft. Gegen Abend mit ihm den Codekschen Weg nach dem Posthofe zu. Nachher zu Hause im Handbuch der städtischen Gewerbe vorgelesen. 17. 5.
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[Mit Riemer] Abends den Chotekschen Weg. Über Metamorphose und deren Sinn; Systole und Diastole des Weltgeistes, aus jener geht die Specification hervor, aus dieser das Fortgehn in's Unendliche. Abends zu Hause. Die Choriamben und den Jonicus a minori besprochen. Riemer, Tagebuch 17. 5. 1808 (Dtsch. Revue 11, 4 S. 27)
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Nach Tische Metra für Goethe. Abends mit ihm den Codekschen Weg. Uber Pandora: über Systole und Diastole des Weltgeistes. „Jene giebt die Spezifikation, diese das Unendliche." „In der Natur sei das Unmögliche, daß nichts nicht werde: das Leben sei gleich da." — Aus der Pandora das Soldatenlied mitgeteilt. 18. 5.
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[Mit Riemer] Abends den Chotekschen Weg. Über Wielands Art den Cicero zu beurtheilen. „Es ist niemand seiner Zeit gewachsen." Abends nach Tische aus den Briefen vorgelesen. 482
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Riemer, Tagebuch 18. 5. 1808 (*Dtsch. Revue 11, 4 S. 27; Keil 5 S. 292)
Nach Tische aus Wielands Ubersetzung der Ciceronischen Briefe vorgelesen. Nachher Pandor. Wied, metrisch durchgegangen und metra aufgezeichnet. Abends mit Goethe den Codekschen Weg. Uber Wielands Manier, Cicero zu beurtheilen. Abends aus den Briefen vorgelesen. 19. 5.
Tagebuch 19. 5. 1808 (WA III 3, 337)
Bey Tische die italiänischen Sonette. Riemer, Tagebuch 19. 5. 1808 (Keil 5 S. 292)
Die Pandora nochmals durchgegangen wegen der Trimeter. Nach Tische im Aeschylus der Trimeter wegen gelesen. Mit Goethe nach der Wachsbleiche. Uber die Berge nach dem neuen Schießhause. Damenbrett, wonach sie schössen. Um 7 Uhr den Codekschen Weg. Über Metra, Pandora und sonstiges. Abends ital. Sonette. Nachher im Hippocrates Aphorismen. Fortsetzung der Pandora, Ende des 1. Acts. 20. 5.
Riemer, Tagebuch 20. 5. 1808 (*Dtsch. Revue 11, 4 S. 27; Keil 5 S. 293)
Früh das Ende des 1. Acts der Pandora. Dann Ciceros Briefe. Mit Goethe hinter Florian hinauf zur Laurenzi Kapelle, die er zeichnete. Von da nach Friederikens Felsen, den er zeichnete. Dann den Berg herunter beim Sauerbrunnen vorbei, durch die Allee und Wiese zurück. Noch im Cicero gelesen bis zu Ende des 1. Bandes. Beim Abendessen über Cicero gesprochen. Uber die Vorwürfe von Eitelkeit u. dgl. Das Gedicht an Eilsens Grab, das hart und rauh die Auflösung der Gestalt in die Elemente beklagt; ich rieth auf einen Juristen, es ist von einem Mediciner. 21. 5.
Riemer, Tagebuch 21. 5. 1808 (Keil 5 S. 293)
Früh etwas von der Pandora um- und abgeschrieben. Nach Tische Casti angefangen. Mit Goethe nach dem 4 Uhr-Spazierweg. Durch Findlaters Tempel; auf den Voigtschen Weg, von da nach dem Hirschsprung. Goethe zeichnete. Sodann von dort auf der Stadtseite herunter, den Chodekschen Weg nach Hause. Ausgezogen in die 2. Etage. 23. 5.
Riemer, Tagebuch 23. 5. 1808 (Keil 5 S. 293)
Regen. Aus Schlegels Indischem Buche vorgelesen, den Nachmittag und Abend. 24. 5.
Tagebuch 24. 5. 1808 (WA III 3, 339)
[Nachmittags] mit der Gräfin Castell spatzieren gegangen. Riemer, Tagebuch 24. 5. 1808 (Keil 5 S. 293)
Schlegel's Indica. Über Tisch gegen sie. 25. 5.
Riemer, Tagebuch 25. 5. 1808 f D t s c h . Revue 11, 4 S. 27; Keil 5 S. 293)
Um 7 Uhr auf. Mit Goethe die Pandora durchgegangen. Ciceros Briefe. Codek'scher Weg. Goethe zeichnete. Unseren Schönheiten begegnet. Über die Englän483
1808
Karlsbad der und ihre Macht 2ur See. Kam ein Brief von Weimar und einer von Frau v. Staël. Nachher in Spittlers Staatengeschichte.
26. 5.
Riemer, Tagebuch 26. 5. 1808 (*Dtsch. Revue 11, 4 S. 27; Keil 5 S. 293)
Bei Goethe Brief an Frau v. Staël concipirt. Moritzens Prosodie studirt. 27. 5.
Tagebuch 27. 5. 1808 (WA III 3, 339)
Abschluß des 1. Theils von Pandorens Wiederkunft. Verschiedenes Rhythmisches besprochen. Riemer, Tagebuch 27. 5. 1808 (Keil 5 S. 293)
Uber Tische die Hauptstelle in der Pandora. Gewitter und Regen bis Abend. Metrisches und hernach davon gesprochen. 28. 5.
Tagebuch 28. 5. 1808 (WA III 3, 340)
Nach Tische die Zimmer beym Amtmann [Gerber] besehen, gemalt von 2 Prager Malern. Die Arbeit hat die 6 Wintermonate gedauert. Beyde haben Freyquartier und Verköstigung gehabt. Amtmanns haben Farben und Pinsel angeschafft und die Farbenreiber bestellt und jedem der Maler täglich 1 Gulden Bank gegeben. Riemer, Tagebuch 28. 5. 1808 (Keil 5 S. 294)
Nach Tische [mit Goethe] die Zimmer beim Amtmann besehen; vortreffliche Arbeit der Prager Maler. Nachher zum Sprudel, der sich Auswege sucht, zum Neubrunn, auf den Codekschen Weg. Zu Hause Schemata der anapästischen Systeme für Goethe aufgeschrieben. 29. 5.
Tagebuch 29. 5. 1808 (WA III 3, 340)
Nach 12 Uhr zu Fürstbischof von Breslau, Hohenlohe, und der Gräfin Castell, seiner Begleiterin . . . [Nachmittags] allein auf dem Chotekschen Wege hin und wieder spatziert und mit einigen begegnenden Herren und Frauen unterhalten. Riemer, Tagebuch 29. 5. 1808 (Keil 5 S. 294)
Früh Metrik. Pandora mit verbessern helfen. 15./29. 5. An Christiane v. Goethe 29. 5. 1808 (WA IV 20, 69)
Noch ist es sehr einsam hier. Außer den bekannten Carlsbader Einwohnern habe ich fast mit niemand gesprochen; dagegen bin ich viele Stunden des Tags unter freyem Himmel theils mit Riemer theils allein und lasse mir wohl seyn. 30. 5.
Tagebuch 30. 5. 1808 (WA III 3, 341)
Am Neubrunn lange mit der Gräfin Castell auf und ab gegangen. Warburton und seine Frau, die nicht ganz bey Trost ist und keine andre Sprache als englisch kann. Nach Tische bey Müller. Eine Sammlung revidirt. 484
Karlsbad
1808 31. 5.
Tagebuch 31. 5. 1808 (WA III 3, 341)
Machte mir der Fürstbischof von Breslau [Hohenlohe-Bartenstein] die Gegenvisite. Riemer, Tagebuch 31. 5. 1808 (Keil 5 S. 294)
Früh Verbesserungs-Vorschläge zur Pandora. Um 11 Uhr spazieren über den Neubrunn auf den Codekschen Weg. Prächtiger Tag . . . Goethe erzählte mir die Hergänge in Spanien. 29. u. 31 5
Tag- und Jahres-Hefte 1808 (WA I 36, 34)
Sodann will ich noch des Fürst-Bischofs von Breslau [Hohenlohe-Bartenstein] und eines geheimnißvollen Schweden, in der Badeliste von Reiterholm genannt, erwähnen. Ersterer war leidend, aber freundlich und zuthunlich, bei einer wahrhaft persönlichen Würde. Mit letzterem war die Unterhaltung immer bedeutend, aber weil man sein Geheimniß schonte, und doch es zufällig zu berühren immer fürchten mußte, so kam man wenig mit ihm zusammen, da wir ihn nicht suchten und er uns vermied. 1. 6.
Tagebuch 1. 6. 1808 (WA III 3, 341)
Nachmittags zu Müller und eine Sammlung der Carlsbader Mineralien revidirt. Riemer, Tagebuch 1. 6. 1808 (Dtsch. Revue 11, 4 S. 27)
B 2 1083 a Β 3 2701
Früh um 7 Uhr bei Goethe, der an den 2 ersten Kapiteln der Wahlverwandtschaften diktierte bis Vz 12 Uhr. Über Tische von Politicis, — daß Ν [Napoleon] mit Spanien fertig sei, daß Rußland es früher mit Polen ebenso gemacht. Ich meinte, unsere Kritiker würden ihn einen glücklichen Nachahmer schelten. Abends mit Goethe über die Wahlverwandtschaften. 2. 6.
Riemer, Tagebuch 2. 6. 1808 (*Dtsch. Revue 11, 4 S. 27; Keil 5 S. 294)
B 3 2702
Goethe dictirte das 3. u. 4. Kapitel der Wahlverwandtschaften. Uber Tische darüber gesprochen. Artigkeit dieses empirischen Ausdrucks. Gegen Abend die folle en pélérinage zum Durchsehen erhalten. vor 3. 6.
A n A. v. Goethe 3. 6. 1808 (WA IV 20, 72)
Anfangs fanden wir nur die Carlsbader Einwohner. Mit den wenigen Gästen hab ich kein Verhältniß. Die schöne kleine Frau und Mattoni erkundigten sich nach dir. 3. 6.
Tagebuch 4. 6. 1808 (WA III 3, 342)
Gestern Früh am Schloßbrunnen mit Mad. Limburger Eisenstuck und ihrer Familie gesprochen, ingleichen mit dem geheimnißvollen Schweden [G. A. Reuterholm]. Tagebuch 3. 6. 1808 (WA III 3, 342)
Früh an den 3 Brunnen. Aufspürung der Leipziger [Limburger Eisenstuck] . . . Von Reuterholm, Günstling des Herzogs von Südermannland, ob es der hier 485
1808
Karlsbad sich aufhaltende geheimnißvolle Schwede sey, von dem Fürst Hohenlohe gesprochen. Nach Tische in der Puppischen Allee; im goldenen Brunnen die angekündigten Toiletten zu sehen, wo ich aber nichts fand. Bey Mad. Pupp. Bey dem Kunsttischler über St. Florian. Bey dem Wiener Gemäldehändler [Franz Günther]. Riemer, Tagebuch 3. 6. 1808 (Keil 5 S. 294)
August's Brief an Goethe. Antwortete Goethe sogleich, und ich einige Worte an August postscribirt. Uber Tische von Heidelberg, Görres und August gesprochen. An der Pelegrine hin und wieder umgeschrieben. 4. 6.
Tagebuch 4. 6. 1808 (WA III 3, 342)
Eine Stunde in der Puppischen Allee. Beym Zinngießer und Zinnasche brennen sehen. Riemer, Tagebuch 4. 6. 1808 (Keil 5 S. 295)
An der Pellegrine gearbeitet. Abends mit Goethe zum Fenster herausgesehen. Uber den Schweden [G. A. Reuterholm], den G. am Brunnen kennen gelernt, — gegen den Vorwurf des Egoismus sich gegen ihn expectorirt. 5. 6.
Tagebuch 5. 6. 1808 (WA III 3, 343)
Früh am Brunnen. Die Leipziger Damen. Um 9 Uhr in die Kirche, dem Hochamt beygewohnt. Riemer, Tagebuch 5. 6. 1808 (*Dtsch. Revue 11, 4 S. 27; Keil 5 S. 295)
B 3 2703
(Pfingstfest). Mit Goethe in die Kirche, dem Hochamt beigewohnt. Messe von Haidn. Aus der Kirche ein wenig auf die Wiese. Abends über Sallust gesprochen, worin Goethe las. 6.6.
Tagebuch 6. 6. 1808 (WA III 3, 343)
Wegen Regenwetters zu Hause. Kam Kriegsrath [Clausen] von Breslau mit einem Brief von dem Kriegsrath von Stein und einigen Gipsabgüssen Nürnbergischer Medaillen aus dem 16. Jahrhundert von sehr verdienstlicher Arbeit. Riemer, Tagebuch 6. 6. 1808 (Keil 5 S. 295)
Zu Goethe, der das 5. 6. u. 7. Kapitel der Wahlverwandtschaften dictirte. Gipsabdrücke von Medaillen aus Breslau. A n Charlotte v. Stein 2. 7. 1808 (WA IV 20, 108)
Der Kriegsrath [F. v. Stein] ist so freundlich gewesen mir durch einen Schlesier, seinen Collegen [Clausen] Gipsabgüsse von sehr interessanten Medaillen zu schicken. 6. 6.
F. v. Stein an Goethe 11. 5. 1808 (Eing. Br. 1808, 52) Ein Freund [Kriegsrat Clausen] der nach Carlsbaad reißt, giebt mir Gelegenheit Ihnen ein paar Nürnberger Münz Abgüße zu senden, welche ich mich nicht errinre in Ihrer Sammlung gesehn zu haben.
486
Karlsbad
1808 7. 6.
Tagebuch 7. 6. 1808 (WA III 3, 343)
Auf dem Chotekschen Weg. Mad. Limburger mit ihrem Schwager Jordan und der Familie angetroffen. Mit ihnen bis nach dem Posthofe und zurück. Riemer, Tagebuch 7. 6. 1808 (Keil 5 S. 295)
Zu Goethe, der das 7. u. 8. Kapitel der Wahlverwandtschaften dictirte. 8. 6.
Tagebuch 8. 6. 1808 (WA III 3, 343)
Früh am Schloßbrunnen. Nachher mit den Nichten der Mad. Limburger den Findlaterschen Weg gegangen . . . Abends Briefe von Knebel, Hendrich, Vulpius durch Frau von Ziegesar erhalten. Riemer, Tagebuch 8. 6. 1808 (*Dtsch. Revue 11, 4 S. 27; Keil 5 S. 295)
B3 2704
Nach Tische war Goethe fort, zeichnen gegangen. Kam Abends zurück. Aus Sallust ihm vorgelesen, während er zeichnete. Kam die Frau v. Ziegesar und Sylvie an, die Briefe mitbrachten, von Knebel, Hendrich u. Vulpius. 9. 6.
Tagebuch 9. 6. 1808 (WA III 3, 344)
Früh am Schloßbrunn, nachher am Neubrunn, Herrn von Ziegesar und Fräulein Sylvie begegnet. Dann zu Frau von Ziegesar. Anfrage wegen des Lottospiels bey dem Einnehmer . . . Abends nach dem Posthause, wo ich Herrn von Ziegesar und Fräulein Sylvie antraf; mit letzterer den Schloßberg hinauf bis gegen Findlaters Monument. Schöner Sonnenuntergang. Uber den Theresenplatz zurück. 10. 6.
Tagebuch 10. 6. 1808 (WA III 3, 344)
Am Schloßbrunnen. Nachher zu Ziegesars, dann Einsatz ins Lotto besorgt. . . Nach Tische . . . Besuch von Herrn Jordan von Lyon . . . Dann zu Ziegesars. Es hatte den Tag über sich das Gerücht verbreitet, die Franzosen seyen bey Gabel in Böhmen eingefallen, aber zurückgewiesen. Riemer, Tagebuch 10. 6. 1808 (Keil 5 S. 296)
Zu Hr. v. Ziegesar. Uber das Gerücht von annahenden Franzosen. Goethe ging hernach zu Schiller und dann zu Ziegesars. Es bestätigte sich nicht. 11. 6.
Tagebuch 11. 6. 1808 (WA III 3, 345)
Gegen 12 Uhr zu Ziegesars. Nach Tische auf dem Chotekschen Weg, wo die Reuter am böhmischen Saale zu sehen waren. Hernach Besuch von Herrn von Ziegesar. Nachher zu Ziegesars, wo der Kammerrath von Flanz aus Gera war. Nach dessen Weggehn war die Rede von Frau von Stael, Frau von Buchwald seel.; wie auch von mancherley Hof- und Familiengeschichten. Z. E. die Geschichte der heimlichen Heirath des Herrn von Ende, sowie die Geschichte von dem Capital, das Frau von Buchwald auf Leibrenten an das Waisenhaus Gotha gegeben hatte, aber so lange lebte, daß nach ihrem Tode 6000 Thaler zu viel gezahlt worden, welche durch ein Codicill an das Institut zurückgezahlt wurden. 487
1808
Karlsbad
vor 12. 6. A n Christiane v. Goethe 12. 6. 1808 (WA IV 20, 79)
. . . doch fángt jetzt schon an die Gesellschaft größer zu werden und da giebt es viel Zerstreuung. Die Ankunft von der Ziegesarschen Familie war mir sehr erfreulich. Ich sehe sie viel und gehe mit ihnen spazieren. Nun wird es von Tag zu Tag lebhafter. 12. 6.
Tagebuch 12. 6. 1808 (WA III 3, 345)
Früh am Brunnen. Gespräch mit Kaufmann Schräder von Dresden, der von einem Schauspiel forderte: V o r t r e f f l i c h e S p r a c h e , W i t z und G e s c h i c h t e . Nachher mit den Limburgerschen Nichten. Am Neubrunnen mit Ziegesars . . . Nach Tische zu Limburgers und Jordans . . . Kästchen von Weimar durch den russischen Diakonus überbracht. Abends zu Ziegesars. Riemer, Tagebuch 12. 6. 1808 (Keil 5 S. 296)
Marschirten die Truppen aus Eger durch. Mit Goethe zum Posthofe. 13. 6.
Tagebuch 13. 6. 1808 (WA III 3, 346)
Besuch von Tiedge. Gegen Abend zu Ziegesars. Einige Wernersche Sonette und andere kleine Gedichte vorgelesen. Riemer, Tagebuch 13. 6. 1808 (Keil 5 S. 296)
Besuch von Hrn. Tiedge. Uber Tische las Goethe aus Zelters und Reinhardt Briefen, über Eberweins Kompositionen, Molltöne und Fr. Schlegel vor. 14. 6.
Tagebuch 14. 6. 1808 (WA III 3, 346)
Nach Tische bey Herrn Franz Meyer, bey der Frau von Recke und Tiedge. Am Sprudel, wo eine Congregation der Arzte und Beamten sich eingefunden, um über das anzubringende Sprudelmaß zu delibriren. Hinderniß seiner Bändigung ist die Anlegung eines festen Mühlwehrs unterhalb, ohne Schleuße, so daß man das Wasser nicht ablassen und nicht auf den Grund des Ausbruchs hinunterkommen kann. Zu Ziegesars, wo ich die Gräfin Apponyi mit ihren Töchtern und Frau von Seckendorf mit Dem. Gotter fand. Mit letztern und Fräulein Sylvie spatzieren, zur Andreas-Capelle hinauf, weiter bis zur immaculata conceptio, dann den Weg über den Gärten und Feldern am Fuß des f f f Berges und durch den ehemaligen Becherschen Garten herunter. Die Frauenzimmer nach Hause gebracht. Riemer, Tagebuch 14. 6. 1808 (Keil 5 S. 296)
Um 8 Uhr zu Goethe, an den Wahlverwandtschaften weiter geschrieben bis gegen 1 Uhr. Zu Tiedge. 15. 6.
Tagebuch 15. 6. 1808 (WA III 3, 347)
Früh am Schloßbrunnen, wo sich die Gesellschaft vermehrt hatte. Frau von Seckendorf, Dem. Gotter und die bisherigen. An den Neubrunnen, Kammerrath von Flanz. Mit Frau von Ziegesar nach Hause, zur Amtmännin [Gerber] wegen dem Frohnleichnam. Mit den Damen auf der Wiese bis zur Harfe. Gräfin 488
1808
Karlsbad Apponyi und Töchter. Bey dem Bilderhändler eingetreten. Nach Hause. Steinschneider Müller, der Zeolithe von Aussig brachte . . . Zu Frau von Seckendorf, zu Franz Meyer, auspacken helfen. Nach Hause. Sodann bey Ziegesars.
16. 6.
Tagebuch 16. 6. 1808 (WA III 3, 348)
F r o h n l e i c h n a m . Erst durch die Straßen um das Aufbauen der Altäre zu sehen; dann in die Kirche, wo unter dem Hochamt die Arie aus der Entführung aus dem Serail gesungen wurde: Ich baue ganz auf deine Stärke. Zu Ziegesars, mit ihnen ebenfalls durch die Straßen, dann in das Amtmännische Haus, wo wir die Procession ansahen. Nachher mit Fräulein Sylvie auf den Chotekschen Weg und gegen die Carlsbrücke. Nachher auf der Wiese auf und ab . . . Nach Hause. Kam Herr von Flanz und blieb lange bey mir. Gegen Abend zu Ziegesars. Erzählung von ihrer Fluchtreise vom 11. October an. Riemer, Tagebuch 16. 6. 1808 (Keil 5 S. 296)
(Fronleichnam). Zu Ziegesars. Nach 9 Uhr kam Goethe. Durch die Straßen, wo die Altäre, zu Amtmanns [Gerber], um die Function an der Dreifaltigkeits-Säule zu sehen. Um 12 Uhr ein wenig spazieren. Begegnete ich Goethen und Sylvien. Mit ihnen zurück. Dann mit Goethe die Wiese auf und ab. Abends zu Ziegesars, wo Hr. v. Ziegesar seine Fluchtreise vom 11. October 1806 erzählte. Mit Goethe über das specificirte Ideale im Katholicismus. Riemer (*Dtsch. Revue 11, 4 S. 27; Keil 5 S. 295)
Als wir eines Sonn- und Festtags die katholische Kirche in Carlsbad besuchten, vernahmen wir zu unserer Verwunderung zwischen der Messe die Musik von . . . . [Mozart] und ganz deutlich die Arie: „Ich baue ganz auf deine Stärke, Vertrau', o Liebe, deiner Macht. Denn ach! was wurden nicht für Werke Schon oft durch dich zu Stand gebracht," die man denn auf Gottes Macht und Stärke und Liebe accomodiren mochte. 17. 6.
Tagebuch 17. 6. 1808 (WA III 3, 348)
Früh an den Schloßbrunnen. Mit Frau von Seckendorf und Dem. Gotter. Hernach an den Neubrunnen mit Mad. Limburger. Jene beyden erstem nach Hause begleitet. Einiges vorgenommen. Zu Frau von Eybenberg. Uber ihren Aufenthalt in Italien, über Wien, Frau von Stael etc. . . . Abends Noch zu Ziegesars. Frau von Seckendorf und Mamsell Gotter waren da. Nachher Geschichten von Frau von der Recke. Wie sie in Altenburg in der Kirche zu Altenburg die Pröbstin des Fräuleinstifts für die Frau Generalsuperintendentin hält und ihr die größten Elogen über die Predigt ihres Mannes macht; und anderes. Riemer, Tagebuch 17. 6. 1808 (*Dtsch. Revue 11, 4 S. 28; Keil 5 S. 297)
B 3 2705
Uber Tische erzählte Goethe von der Baronesse Eybenberg. Sie hatte das Sonntagsblatt mitgebracht. Nach Tische zu Fuß mit Goethe eine Tour nach Dallwitz 489
1808
Karlsbad gemacht. Goethe zeichnete einiges unterwegs. Sehr alte, 4 Klaftern weite Eichen in dem Abhänge von Dallwitz. Gegen 9 Uhr zurück. Ging Goethe noch zu Ziegesars.
18. 6.
Tagebuch 18. 6. 1808 (WA III 3, 349)
An den Neubrunn, mit Frau von Seckendorf und Dem. Gotter . . . Nach Tische zu Frau von Eybenberg. Sodann mit Herrn und Fräulein von Ziegesar spatzieren, an der Wachsbleiche vorbey zum Schießhause; über den Schloßberg zurück. Abends zum Thee. Riemer, Tagebuch 18. 6. 1808 (Keil 5 S. 297)
Um 6 Uhr zu Frau von Eybenberg, wo anfanglich Goethe war. Über Tieck, Humboldts, über Italien. Sie war sehr artig und liebenswürdig. 19. 6.
Tagebuch 19. 6. 1808 (WA III 3, 349)
Mit Fräulein Sylvie, Frau von Seckendorf und Mamsell Gotter nach dem Posthofe. Zurück. Alsdann mit Sylvien eine große Tour bey der Kirche hinauf bis zur Lorenz-Capelle zum Prager Weg, Friederikenplatz, bis an den Säuerling, dann am Brauhause und Theater vorbey nach Hause. Nachmittag bey Frau von Eybenberg, ihre Antiken, Pasten und dergl. besehen. Einiges von ihr erhalten. Geschichten von Italien u. s. w. Abends bey Ziegesars zum Thee. Riemer, Tagebuch 19. 6. 1808 (Dtsch. Revue 11, 4 S. 20)
Bei Frau von Eybenberg. Kam Goethe. Pasten, geschnittene Steine u. dergl. besehen. 20. 6.
Tagebuch 20. 6. 1808 (WA III 3, 350)
Früh einen Augenblick an beyden Brunnen. Mit Madam Limburger über die französischen Verhältnisse in Leipzig. Um 11 Uhr mit Fräulein Sylvie die Findlaterschen Wege . . . Nach Tische bey Frau von Seckendorf. Mit Dem. Gotter nach der Carlsbrücke. Abends bey Ziegesars die neue Melusine u. s. w. 21. 6.
Tagebuch 21. 6. 1808 (WA III 3, 350)
Früh zu Franz Meyer, ihm die italiänischen Dosen gebracht. Zu Frau von Eybenberg. Uber Werner, Jean Paul und sonst. Nach Tische mit Ziegesars und Frau von Seckendorf nach Ellbogen. Riemer, Tagebuch 21. 6. 1808 (Dtsch. Revue 11, 4 S. 28)
B 3 2706
Sylviens Geburtstag. Früh zu Hause. Abgeschrieben an Goethes Epistel auf Sylvien. Nach 1 Uhr mit Ziegesars und Frau von Seckendorf, Demoiselle Gotter und Goethe nach Ellbogen. Erst einen Spaziergang unten herum. Auf einem Felsen gelagert. Die Seckendorf pfiff allerliebst das So la la. Dann aufs Schloß, himmlische Aussicht. Einrichtung zu einem Gefängnis. Gegessen. Späße. Nach 8 Uhr zurück. 490
1808
Karlsbad Eckermann an Varnhagen 16. 11. 1829 (Houben2 1, 400)
B 2 2744 B 3 6471
Herr v. Goethe erzählte mir . . . daß er dasselbe [Herrnhutische] Gedicht [Meiner Tochter Chrisdane Gregorin zu ihrem eilften Geburtstage . . .] vor vielen Jahren [1808] mit nach Carlsbad genommen, wo der naive Ton und heitere gradsinnige Vortrag viel Vergnügen gemacht, auch dasselbe bey immer neu zutretenden Personen, wie es im Bade geschieht, öfters sey vorgelesen worden. — Dadurch habe man es nun fast auswendig gelernt, einzelne Stellen daraus bey geselligen Vorfallenheiten angewendet. Z.B. Item Klapperschlangen und der Art Geschwänz wenn man unangenehmen Personen begegnete und sie begrüßen mußte. Auch seyen in diesem Rhytmus manche Artigkeiten und Erwiederungen zu Tage gekommen. Nun aber bey eintretendem Geburtstag einer holden liebenswerthen umworbenen Dame habe der Dichter nichts heiterers darzubringen gewußt als ein in der bekannten Schnurre dahinlaufendes Gedicht, welches denn auch von ganz erfreulicher Wirkung und sonst gutem geselligen Erfolg gewesen. 22. 6.
Tagebuch 22. 6. 1808 (WA III 3, 350)
Bey Frau von Eybenberg: über Frau von Staël Entrevue in Töplitz mit Gentz. Kam Methfessel, der sehr hübsch auf der Guitarre spielte . . . Abends zu Ziegesars. Geschichten besonders den Geheimen Rath Frankenberg betreffend. Uber seine Art Geschäfte zu führen. Historie mit dem hessischen Löwenorden und dem Porträt des Landgrafen. Andre Geschichten bey Gelegenheit der Heirath des Herzogs. Riemer, Tagebuch 22. 6. 1808 (Keil5 S. 298)
Bei Goethe Briefe an Reinhard, Zelter, Brentano. Uber Tische von Schlegels und der Staël. Vorgebliche Spionerie der letztern in Ν [Napoleons] Willen. 15. 5./
Riemer an Johanna Frommann 22. 6. 1808 (Frommann S. 59)
B 3 2707
Die erste Zeit unsers Hierseins gieng unter Genuß des nachgekommenen Frühlings und der Eingewöhnung in unsre neue Clausner-Lebensweise hin. Fremde waren nur wenige und Bekannte gar nicht hier. Erst den Tag der Ankunft Ihres Briefes gieng uns durch die Erscheinung der Ziegesarischen Familie ein Licht geselliger Freude auf. Wir haben gestern Sylviens Geburtstag in dem wunderschönen Ellbogen gefeiert. Fr. von Seckendorff aus Schleusingen und Dem. Gotter aus Gotha, die beide, wie ich mit großer Freude höre, auch Ihnen bekannt sind, nahmen Theil daran. So hätten wir den längsten Tag in einer der schönsten und friedsamsten Gegenden Deutschlands im Andenken unserer gemeinsamen Freunde und im Genuß der anmuthigsten Natur verlebt. Wir hoffen Ihnen mündlich mehr mittheilen zu können. G. befindet sich auch ohne eigentlichen Gebrauch des Wassers recht sehr wohl und die Früchte seiner Gesundheit, Musse und Muse werden Sie in einem der nächsten PrometheusHefte zu genießen bekommen. An Johanna Frommann 22. 6. 1808 (WA IV 20, 97)
Die ersten Wochen befanden wir uns hier ganz ohne Nachricht, bis uns denn endlich ein abwesender Freund nach dem andern und die Ziegesarische Familie 491
1808
Karlsbad durch ihre Gegenwart wieder in ein heimisches Behagen versetzte. Nun geht es recht schön, die Gesellschaft mehrt sich und wenn wir auch nicht mit vielen umgehn, so gehn doch viele um uns herum.
23. 6.
Tagebuch 23. 6. 1808 (WA III 3, 351)
Zu Frau von Eybenberg. Mit derselben nach der Carlsbrücke spatzieren. Wiener Personalitäten, besonders die französische Gesandtschaft betreffend. Andréossy. Dessen Abenteuer mit der Gräfin Palffy und sonst. Mittag [mit Riemer über] Schlegels Ubersetzung des Ramajan. Uberzeugung, daß der Seher Valmiki bloß ein Epitomator sey. Lakonisch, trocken, inhaltsartig ist das Gedicht. Wenig Spur von Poesie. Darstellendes und Nahebringendes fast gar nichts. Vergleichung mit den Erinnerungen aus den Vedams. Gegen Abend zu Ziegesars. Frau von Seckendorf, Dem. Gotter. Erstere pfiff einige Liedchen sehr artig. Geschichte von der unglaublichen Unordnung, in welcher des Herzog Ernst von Gotha Privatnachlaß gefunden worden. Aufspeicherung aller, auch unnützer Papiere, Thorzettel, Rapporte, bezahlte Wochenzettel von etlichen 30 Jahren her, alles durcheinander, vermischt mit Briefschaften, Documenten, Kunstsachen, baarem Geld u. s. w. Riemer, Tagebuch 23. 6. 1808 (Keil 5 S. 298)
Über Tisch von Schlegel's Katholischwerden. Seine Indicas. Ergänzte Goethe das Epitomatorische Gedicht vom Ramayan aus s. Jugendlectüre. Zu Frau v. Seckendorf u. Dem"6 Gotter. Mit ihnen spazieren nach dem Hammer gefahren. Nachher zu Hause. Dann zu Ziegesars, wo sie auch waren, und Goethe. Pfiff die Seckendorf wieder artig. Goethe und ich brachten beide nach Hause. 24. 6.
Tagebuch 24. 6. 1808 (WA III 3, 351)
Bey Frau von Eybenberg.. . Abends Concert des Herrn Methfessel. Hernach bey Ziegesars. Gothaischer Calender und dessen Abänderung auf Geheiß Napoleons. Großer Schade deshalb für den Verleger. 25. 6.
Tagebuch 25. 6. 1808 (WA III 3, 352)
Bey Frau von Eybenberg. Sodann Verabredung wegen der Spatzierfahrt Nachmittags. Bey Franz Meyer über den angekommnen verdächtigen Coblenzer. — Gegen 4 Uhr nach Dalwitz auf die Porzellanfabrik mit Frau von Seckendorf, Fräulein Sylvie und Dem. Gotter.. . Unterhaltung mit dem Factor über die gegenwärtige Lage der Fabrik im merkantilischen, technischen und chemischen Sinne . . . Bey Ziegesars. Uber Thümmels Schriften und seinen heitern gleichgültigen Sinn, seine gute Aufnahme in Berlin. Geschichte wie er bey Hofe spielt, indessen sich sein Sohn duellirt. Anfang vom Faust vorgelesen. Riemer, Tagebuch 25. 6. 1808 (Dtsch. Revue 11, 4 S. 28)
B 2 1083 b B 3 2708
Früh noch etwas an der Pellerine, dann an Goethe gegeben. Spazierfahrt mit Goethe, Sylvie, Seckendorf und Gotter nach Dallwitz. Als die gute Chaussee aufhörte, Ängsten und Fürchten der Damen vor dem schlechten Wege und den 492
Karlsbad
1808
ins Thal hängenden Regen- und Gewitterwolken. Ging alles gut ab. In der Fabrik umgesehen und bei dem Faktor. Nachher bei Ziegesars abgestiegen. Thee. Las Goethe noch die Stanzen, Vorspiel und Prolog von Faust vor. 26. 6.
Tagebuch 26. 6. 1808 (WA III 3, 352)
Um Vi 10 Uhr mit Fräulein Sylvie über den Schloßberg nach der Findlaterschen Säule u. s. w. bis an den Voghtischen Weg; weil es anfing zu regnen, diesen Weg herunter, über den Chotekschen zu Frau von Seckendorf. . . Um 7 Uhr zu Frau von Eybenberg. Pandorens Wiederkunft gelesen. Verschiedenes über deutsche Litteratur im allgemeinen. Die Schlegelsche Anwesenheit in Wien. Später über die politischen und Kriegsverhältnisse des Augenblicks. Uber verschiedene Wiener Charaktere und Verhältnisse. 27. 6.
Tagebuch 27. 6. 1808 (WA III 3, 353)
Mit Fräulein Sylvie bey der Harfe hinauf, dann bis zu Findlaters Tempel. Rückwärts über den 4 Uhr Weg. Nach Tische bey Meyer mit Vicarius [Chr. A. Grassoldt] in Eger, einem sehr gescheidten, behaglichen alten Manne über die Lage der geistlichen Güter und Besitzungen gegen Baiern an der Gränze her. Er ist übrigens sehr in den Reisebeschreibungen bewandert, und hat daher eine recht hübsche Ubersicht über die Welt. Abends bey Ziegesars im Faust gelesen. Geschichte, wie Kaiser Joseph auf seiner Reise einen Burgemeister fragt, was er für Einkommen habe. Dieser antwortet: das fas wolle nicht viel bedeuten, aber das nefas sey beträchtlicher. Ferner wie sie dem Kaiser einen Fasan mit Sauerkraut vorsetzen und er sich äußert, daß er ihn so am liebsten esse, sagte einer der hinter ihm stehenden Beamten: „So ein Narr bin ich auch." NB. Es geschah dieß in dem Schlosse einer Fasanerie, wo Fasanen auf vielerley Weise bereitet aufgetragen wurden. Riemer, Tagebuch 27. 6. 1808 (Keil5 S. 298)
Zu Goethe, der die Pellerine umdictirte. Nach Tische über Napoleon, die jetzigen Zeitumstände mit Goethe besprochen. 28. 6.
Tagebuch 28. 6. 1808 (WA III 3, 354)
Mit Fräulein Sylvie den 4 Uhr Weg zur Strohhütte. Manches über Familien- und Hofverhältnisse gesprochen. Nach Tische mit Frau von Seckendorf, Fräulein Sylvie und Gotter nach Engelhaus . . . Abends [Vorlesung aus?] Faust. Riemer, Tagebuch 28. 6. 1808 (Keil5 S. 298)
[Mit Goethe und den Damen] Parthie nach Engelhaus. Lustig und Spaße gemacht. Oben auf dem Felsen. 29. 6.
Tagebuch 29. 6. 1808 (WA III 3, 354)
Mit Fräulein Sylvie den gestrigen Weg. Nach Tische zu Frau von Eybenberg. Um 4 Uhr mit Ziegesars zu Demoiselle Kirchgessner, welche auf der Harmonika einiges vortrug. Bey Ziegesars war Frau von Lüttichau mit ihrer Tochter. Abends im Concert von Seidler. Später noch einige Scenen aus Faust gelesen. 493
1808
Karlsbad Riemer, Tagebuch 29. 6. 1808 (Keil 5 S. 299)
Mit Goethe und Ziegesars zu Dem. Kirchgeßner, die uns einiges auf der Harmonica vortrug. Goethe ins Conzert von Seidler. 30. 6.
Tagebuch 30. 6. 1808 (WA III 3, 354)
Früh die pilgernde Thörin vorgelesen. Nachher kam Graf Borkowski, der von den meteorischen Steinen brachte, die am 12. Mai bey Stammern in Mähren, zwei Meilen von Iglau, gefallen sind. Der eine war zerbrochen und hatte inwendig völlig das Ansehen der französischen, auswendig zart wellenartig verglast, gestupselt wie schwarzgrau Marmorpapier. Die Umstände, unter denen sie gefallen, gleichen auch denen von Biot auseinandergesetzten. Nach Tische kam der Graf wieder und ließ mir die Steine da; erzählte manches von Wien, besonders auch von einem jungen Graf Kinsky, einem sonderbaren Charakter, der, durch Liebe und sonst andre Leidenschaften wunderlich gedrängt, sich in einen Teich stürzte und lange vermißt wurde, bis man den Teich abließ. Waren Ziegesars bey mir, um Abschied zu nehmen. Abends mit den Frauenzimmern zu Frau von Severin. Vorher bey Meyer und in manchen andern Läden. Abends nachher noch Faust. A n Knebel 2. 7. 1808 (WA IV 20, 105)
Bey vielem Gleichgültigen und Wunderlichen findet sich doch auch manches Interessante und Achte unter so vielen Menschen; z. B. ein Graf Borkowski aus Gallizien, der sich sehr für Mineralogie und Geologie interessirt, und über Freyberg und Dresden zu euch kommen wird . . . Es ist ein höchst interessanter, noch junger Mann, eine Art Natur dergleichen bey uns gar nicht vorkommt, und von einem unglaublichen Ernst bey allem was er unternimmt. Er ist reich und unabhängig. Seine Bekanntschaft machte ich dadurch, daß er einige von den Steinen mitbrachte, die bey Schammern in Mähren, ein paar Stunden von Iglau, aus der Atmosphäre gefallen sind. 8./30. 6.
A. F. C. V. Ziegesar an Goethe 7. 7. 1808 (Hing. Br. alph. 1030, I)
Die Ungesellschaftlichkeit [in Franzensbad] ist noch immer dieselbe . . . Wir vermissen also doppelt die angenehmen Abende, die wir das Glück hatten, in Karlsbad in Ihrer Gesellschaft zubringen zu können. An Christiane v. Goethe 2. 7. 1808 (WA IV 20, 102)
Ich habe bisher in kleiner aber guter Gesellschaft gelebt. Die Zigesarische Familie ist abgegangen. Wir haben viel gute Stunden gehabt. Fräulein Silvie ist gar lieb und gut, wie sie immer war, wir haben viel zusammen spaziert, und sind immer bey unsern Parthieen gut davon gekommen, ob es gleich alle Tage regnete. An Charlotte v. Stein 2. 7. 1808 (WA IV 20, 108)
Die Ziegesarsche Familie, mit der ich viel zusammengelebt, ist nun auf Franzenbrunn. Es ist uns überhaupt, besonders aber auch unserer Bequemlichkeit ange-
494
Karlsbad
1808
messen, mit Personen umzugehen, die wir schon lange kennen. Frühere Verhältnisse, indem sie Vertrauen geben, machen die Unterhaltung schneller interessant und zusammenhängend. An Knebel 2. 7. 1808 (WA IV 20, 105)
Bisher war die Gesellschaft nicht groß. Man hielt sich nur Partieenweis zusammen. Mit der Ziegesarschen Familie bin ich viel gewesen. Diese sind gegenwärtig nach Franzensbrunn. Riemer an C. F. E. Frommann 1. 7. 1808 (Heitmüller S. 123)
B 2 1084 B 3 2709
G. befindet sich ununterbrochen wohl und ist sehr thätig. Die Pandora ist bis zur Hälfte dem Prometheus zugeführt, und Sie werden sich für das schöne Kind gar besonders noch interessiren. — Dann sind andre poetische Arbeiten dran gekommen, die zu ihrer Zeit auch an das Licht treten werden, zunächst wenigstens an das Kerzenlicht des geselligen Theezimmers. Allmählig rücken wir in die Prose ein, und da ist die Farbenlehre das nächste. So wird, wenn wir zurückkommen, alles hoffentlich zu Ihrer Zufriedenheit gereichen . . . Heute hat uns leider die vortreffl. Ziegesarsche Familie Lebewohl gesagt und ist nach Franzensbrunn gegangen. So ist denn auch dieser gesellige Kreis, der sich eben erst bildete, schon wieder aufgelöst! . . . Fräulein Sylvie erschien mir ganz besonders liebenswürdig. Ich hatte auch noch nie Gelegenheit sie so viel und in ihrem eigenthümlichen Lichte zu sehen . . . Frau von Seckendorf und Dem. Gotter sind aber noch hier, und so bleibt noch ein Theil der Gesellschaft um den Spaß fortpflanzen zu können . . . In Ihrem Hause bitte ich bestens mich zu empfehlen. Das gleiche thut G. und beyde hoffen wir auf freundliche Nachrichten von Ihnen und den Ihrigen. 1. 7.
Tagebuch 1. 7. 1808 (WA III 3, 355)
Früh bey Ziegesars, die nach Franzensbad gingen, da wir Abschied nahmen . . . Kam Herr Kammerrath von Flanz von Gera, mit Dr. Jani und dessen Sohn. Es wurde besonders von der Geraischen Schaumerde gesprochen und ihrem Vorkommen bey Rupitz, nicht weit von Gera, ihrer Entdeckung durch einen Kaufmann, der zuerst die Decken seiner Zimmer damit abweißen lassen . . . Abends zu Frau von Eybenberg. Viel über ihre italiänische Reise und über viele Personen, womit sie Bekanntschaft gemacht. Cardinal Fesch. Österreicher, Polen. Ich las ihr die pilgernde Thörin und die neue Melusine. Geschichte von einem höchst unwissenden Juden, der, reich geworden, [sich?] in allerley Kenntnissen unterrichten ließ, von denen er die Namen hörte. Er fragte ihn einstmals, wie denn der Tisch auf Geographie hieße. Riemer, Tagebuch 1. 7. 1808 (Dtsch. Revue 11, 4 S. 28)
Gegen halb 7 Uhr morgens zu Ziegesars, wo Goethe war und bald auch die Seckendorf und Gotter kamen, um Abschied zu nehmen. 495
1808
Karlsbad An Knebel 2. 7. 1808 (WA IV 20, 106)
Der Steinschneider Müller hat doch wieder einige Nova durch seine gewöhnliche Aufmerksamkeit 2usammengebracht, so wie ich durch einen Geraischen Arzt [Chr. H. Jani] auf die dortige Schaumerde aufmerksam geworden. An Christiane v. Goethe 2. 7. 1808 (WA IV 20, 104)
Zum Schlüsse muß ich noch melden daß auch Marianchen [v. Eybenberg] angekommen ist artig und gescheidt wie immer. 2. 7.
Tagebuch 2. 7. 1808 (WA III 3, 356)
Nach Mittage mit Frau von Seckendorf und Dem. Gotter nach dem Hammer, daselbst ausgestiegen und eine Promenade in's Gebirg gemacht, nach Kohlhaus zu. Abends bey den Damen Thee getrunken. Dann in's Concert von Schuppanzigh. Abends bey Frau von Eybenberg Sonette gelesen. Riemer, Tagebuch 2. 7. 1808 (Keil5 S. 299)
Früh nach 7 Uhr zu Goethe und Briefe geschrieben bis um 12. Dann noch die Arie: was hör' ich draußen vor dem Thor pp. Nach Tische lud uns Frau von Seckendorf ein, mit auf den Hammer zu fahren. Das Thal hinter dem Dorfe hinaufgestiegen, dem Bach entlang sehr angenehme Wildniß. Nach Hause mit ihnen. Thee getrunken und die pilgernde Thörin vorgelesen. Goethe ging noch ins Concert und von da zur Eybenberg. nach 2. 7. J. G. v. Quandi, Meine Berührungen mit Goethe (Europa 1870 Sp. 580)
B 3 3215
Im Jahre 1808, als ich meinen schon damals fast erblindeten Vater nach Carlsbad begleitete, war Goethe dort. Es bot sich mir keine Gelegenheit dar, ihn zu sprechen, denn er lebte so zurückgezogen, daß man ihn nicht einmal am Brunnen zu sehen bekam. Ich hatte bemerkt, daß Goethe des Abends an den Sprudel ging, weil um diese Zeit sich keine Gäste daselbst einfanden. Keine Bedenklichkeiten konnten die Sehnsucht, mich ihm zu nahen, stillen, ich folgte seinen Schritten und redete ihn an. Ich sprach es aus, wie seine Dichtungen mir mein eigenes Herz aufgeschlossen, mich erfüllt hätten und ich in meinem Innern nur von und durch ihn lebe. Goethe hörte meine Worte wohlwollend an, erkundigte sich nach dem Zwecke meines Aufenthaltes in Carlsbad, frug nach meinem Namen und Verhältnissen und schien damit befriedigt. Um die freie Zeit gehaltvoll auszufüllen, da ich den Brunnen nicht als Patient gebrauchte, rieth mir Goethe, mich mit Geognosie zu beschäftigen, wozu die Carlsbader Gegend reichhaltigen Stoff darbietet. Goethe's Thätigkeit war damals selbst auf geognostische Forschungen eifrig gerichtet, und so verbreitete er sich ausführlich über diese Gegenstände. Ich kann wohl sagen, ich hörte ihm mit Entzücken zu, ja ich sah die Erdrinde sich durch Niederschläge von kochendem Wasser bilden und wie die Dämpfe die Gebirge sprengten, woraus Thäler und Klüfte entstanden. 496
1808
Karlsbad Während dieses Vortrags hatte Goethe etwa zwei Becher gemächlich geleert und machte sodann eine Beugung mit dem Haupte, was ich als Verabschiedung nahm und mich empfahl. . . Es vergingen mehrere Tage [?] ohne Goethe zu sehen. Bald darauf reiste der Kronprinz von Preußen und sein Bruder [Prinz Wilhelm und sein Bruder Heinrich?] durch Carlsbad, wo sie eine Nacht verweilten. Die Badegäste veranstalteten auf Subscription, den hohen Gästen zu Ehren, eine Fete im sächsischen Saal und mein Vater überließ es mir, seine Stelle dabei zu vertreten. Das Fest war eigentlich nichts als eine Cour und, da keine Damen dabei erschienen, sehr wenig erfreulich. Die hohen Herrschaften standen am Ende des Saales, in ihrer Nähe die vornehmsten Badegäste und wir andern garnirten die Wände. Ich blieb bescheiden unweit des Eingangs. Unter den Personen in der Nähe der Prinzen war Goethe. Als er meiner ansichtig wurde, schritt er durch den weiten Raum, der uns trennte, auf mich zu, sagte, daß es ihm angenehm sei, mich hier zu sehen und da ich wohl wünschen würde, die Namen der ausgezeichnetsten Personen dieser Versammlung zu erfahren, so wolle er sie mir nennen. Als dies geschehen war, begab sich Goethe an seinen Platz zurück und ich verließ die Gesellschaft überschwenglich glücklich.
3. 7.
Tagebuch 3. 7. 1808 (WA III 3, 356)
Früh am Schloßbrunnen. Bekanntschaft mit den beyden Töchtern der Herzogin von Curland, der Prinzeß von Hohenzollern, und der Herzogin von Acerenza. Nachher mit ihnen, mit Frau von Eybenberg und Graf Rasumofsky auf der Wiese. Zu Frau Generalin von Berg, welche angekommen war. . . Bey Graf Borkowski. Mineralien von Schlackenwald und sonst. . . Zu Frau von Eybenberg. Gentzische Schrift über das russische Manifest gegen England nach dem Frieden von Tilsit. 4. 7.
Tagebuch 4. 7. 1808 (WA III 3, 357)
Graf Borkowski. . . [Nachmittags] Ich ging den Chotekschen Weg hin . . . Sodann auf die obersten G i p f e l . . . woselbst ich einen Dresdner antraf. Abends zu Frau von Eybenberg. Riemer, Tagebuch 4. 7. 1808 (Keil 5 S. 299)
Zu Goethe, an den Wahlverwandtschaften geschrieben. Um 10 Uhr kam Graf Borkowski. Nachher weiter dictirt. Concert für die Armen, ansehnlich voll. 5. 7.
Tagebuch 5. 7. 1808 (WA III 3, 357)
Gegen Abend zu Frau von Eybenberg: über die Gentzische Schrift. Nachher über verschiedene italiänische und andere Lebensverhältnisse. St. Joseph den Zweyten vorgelesen. 6. 7.
Tagebuch 6. 7. 1808 (WA III 3, 358)
Gegen Mittag zu Frau von Seckendorf. An Dem. Gotter die ersten Elemente der Pflanzenmetamorphose überliefert. Mit ihr spatzieren zum Säuerling und 497
1808
Karlsbad dann zurück. Nach Tische mit beyden Frauenzimmern nach Aich gefahren und etwas weiter. Riemer, Tagebuch 6. 7. 1808 (Dtsch. Revue 11, 4 S. 28)
Mittag gewartet auf Goethe, der bis halb zwei ausblieb bei Götterchen. Ankündigung einer Partie nach den Heilinger Felsen: Wir fuhren nach Aich und noch eine Viertelstunde ins Freie. Dann zu Fuß bis zu den Felsen und weiter hinauf. Erdbeeren gepflückt. Die Seckendorf war allerliebst. Kolossale Vergißmeinnicht. Auf dem Rückwege nahe bei Karlsbad erschien der Mond. Um 9 Uhr zu Hause. A n Silvie ν. Ziegesar 7. 7. 1808 (WA IV 20, 111)
Gestern sind wir mit den Freundinnen über Aich bey dem Heiligenstein gewesen. Pauline Gotter an Margarethe Wild 9. 8. 1808 (E. Waitz S. 9)
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Goethe erzählte mir viel von dem Harz den 6. Juli bei einer Landpartie, die wir zusammen machten, weil er fand, daß die Gegend Ähnlichkeit damit hätte. 7. 7.
Tagebuch 7. 7. 1808 (WA III 3, 358)
Um 11 Uhr Dr. Emmerich von Straßburg. Nach Tische bey Frau von Matt. Abends mit Madam Limburger nach dem Friederikenfelsen und dann eine große weitere Tour gemacht. Dann bey Frau von Eybenberg, die von ihren frühern Berliner Bekanntschaften, Graf Bernstorf, Frau von Berg und sonst erzählte. Riemer, Tagebuch 7. 7. 1808 (Keil 5 S. 300)
Bei Goethe an den Wahlverwandtschaften. Lange mit ihm zu Tische. Uber die Systeme im Menschen, Venen, Lymphen-System und deren Exuberanz; darauf sich gründende Heilmethode. 8. 7.
Tagebuch 8. 7. 1808 (WA III 3, 358)
Zu Frau von Berg. Gegen Mittag bey Dem. Gotter. Botanische Gegenstände. Gegen Abend mit Frau von Seckendorf nach dem Hammer. Von da aus zur Porzellanfabrik und weiter. Bey Frau von Seckendorf zum Thee. Nachher bey Frau von Eybenberg: über die Wiener, ihr Verhältniß zu Theater, Litteratur und Geschmack überhaupt. 14. 6./ 8 7
Pauline Gotter an Margarethe Wild 9. 8. 1808 (E. Waitz S. 7)
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Den 10. Juni kamen wir [Pauline Gotter und Caroline v. Seckendorff] bei sehr schlechtem Wetter in Karlsbad an, es gefiel mir gar nicht, und die Gegenden, die mich später entzückten, fand ich nichts weniger als hübsch . . . Ich wurde aber bald mit Karlsbad und seinen Umgebungen trotz des schlechten Wetters, was die ersten 14 Tage unaufhörlich anhielt, ausgesöhnt, und es hat sich mir ein Himmel voll Freude aufgetan, der mich noch jetzt mit Wonne erfüllt! Ach bestes, liebstes Gretchen! Du wirst nicht erraten, wessen Gesellschaft mich so unbeschreiblich glücklich gemacht hat? So wisse denn, daß es Goethe ist, und was 498
1808
Karlsbad für ein herrlicher Mann ist das. ,Wie schön befriedigt fühlte sich der Wunsch, mit ihm zu sein an jedem heitern Abend, wie mehrte sich im Umgang das Verlangen, sich mehr zu kennen, mehr sich zu versteh'n.' — Wer ihn nicht kennt, kann sich keinen Begriff machen, wie liebenswürdig, wie mitteilend und belehrend er in Gesellschaft von w e n i g Menschen ist, denn in größerer Gesellschaft ist er steif und zurückhaltend. Bei all dem Geist, mit dem er die geringste Kleinigkeit, die er sagt, interessant zu machen versteht, verbindet er eine Herzlichkeit und Natürlichkeit, die einem so viel Zutrauen einflößt, die so zum Herzen spricht, daß man ihm alles sagen könnte und ganz den großen Mann vergißt, der einen sonst genieren könnte. Wir waren beinahe alle Tage mit ihm, und jede bezaubernde Gegend um Karlsbad haben wir mit ihm gesehen, er besuchte uns sehr oft und hat mir sogar botanische Stunden gegeben. — Doch laß mich von Goethe schweigen, beste Freundin! ich möchte sonst gar nicht aufhören können, und D u denkst doch wohl am Ende schon, daß mein Herz mit meinem Verstand davongelaufen ist? — Drum laß mich nur geschwind noch hinzusetzen, daß er bald 60 Jahr ist. Pauline Gotter an Caroline Schelling 6. 9. 1808 (Plitt 2, 144)
B 3 2711
Gleich in den ersten Tagen wurde uns durch Ziegesars die Freude, Goethe's Bekanntschaft zu machen, unter freiem Himmel war sie geknüpft und unter freiem Himmel wurde sie täglich fortgesetzt. Spaziergänge, Landpartien und Vorlesungen wechselten angenehm ab, und wir machten bald mit Ziegesars, Goethen und seinem Freund Riemer einen kleinen Zirkel aus, der fest zusammenhielt und gewiß der lustigste und vergnügteste in ganz Karlsbad war. Um die übrige elegante Welt wurde sich wenig bekümmert und weder Bälle, Assembléen noch Concerts verführten uns; aber dafür wurde auch täglich die entzückend schöne Gegend zu Wagen und zu Fuß durchstrichen, und ich kann wohl sagen, es ist kein schöner Felsen drei Stunden in der Runde um Karlsbad, den wir nicht mit Goethe erklettert hätten. Er war die Seele unsrer Gesellschaft, immer gleich liebenswürdig, heiter und mittheilend. Nachdem Ziegesars weg waren, die 14 Tage früher, als die Seckendorfen und ich, Karlsbad verließen, machten wir beide mit Goethen und Riemer allein die Partien, und die Abende beim Thee theilte uns Goethe immer sehr artige Kleinigkeiten, die noch im Manuscript sind, mit. Jetzt arbeitet er sehr fleißig an einer Fortsetzung des Wilhelm Meister. Ich möchte wohl sagen, ohne mich zu rühmen, daß er insbesondere viel Güte für mich gehabt hat und sich auf alle Weise meiner angenommen, oft ist er früh gekommen mir botanische Stunden zu geben, und einigemal hat er mich ganz allein zu weiten Spaziergängen abgeholt. Ein von dem unsrigen sehr verschiedener Zirkel, wo doch gewissermaßen aber auch ein Dichter präsidirte, war der der Frau von der Recke und ihrem Freund Tiedge: die tugendhafte Gesellschaft, wie sie Goethe immer nannte, weil man dort täglich die Urania sang und recitirte; aber leider waren wir niemals so glücklich, so sehr uns auch übrigens die Frau von der Recke zu protegiren schien, so einem Oratorium beizuwohnen, wahrscheinlich unsres profanen Umgangs wegen; denn sonst mußten alle vornehmen und tugendhaften Badegäste, vom Fürsten bis zum Polizeidiener, sie mochten wollen oder nicht, zuhören. 499
1808
Karlsbad Pauline Gotter an Marianne Hummel 31. 1. 1809 (Frankf. Zeitung 11. 6. 1899)
B 2 1085 B 3 2712
5 Wochen blieben wir bey der Nympfe des Quells, und ich kann wohl sagen, daß sie eine Reihe sehr glücklicher Stunden waren, deren Erinnerung mich noch jetzt mit Wonne erfüllt. Es hat sich mir dort ein Himmel voll Freuden aufgethan; denn denk Dir, geliebte Freundinn! gleich in den ersten Tagen lernten wir Goethe kennen, und das ist, glaub ich, hinreichend Dich zu überzeugen, wie glücklich ich war. Er war so holdselig und gütig und besuchte uns oft, und wir haben in seiner Gesellschaft die reizendsten Landpartien gemacht, die sein Geist, seine Liebenswürdigkeit und gute Laune erst recht würzte! Der Kreis unsrer Bekannten war sehr eng geschlossen, außer ihm, seinen Freund Riemer und Ziegesars, wo wir uns alle Abend vereinigten, haben wir sehr wenig Menschen gesprochen — (denn sehen that man immer ungeheur viele) — aber wir verlangten auch nach niemand anders. Goethe hat auch einige mal vorgelesen und uns manches mitgetheilt, was noch nicht gedruckt war. Er war so gütig und kam mehrmal früh mir botanische Stunde zu geben und mehrmal habe ich ganz allein weite Spaziergänge mit ihm gemacht. Ich könnte Dir noch recht viel von meinem Carlsbader Aufenthalt erzählen, wenn ich nicht fürchtete weitläuftig zu werden. Du kannst denken, daß ich mit sehr schweren Herzen diesen schönen Ort verließ, für den Natur und Kunst so unendlich viel gethan hat. Pauline Gotter an Schelling 16. 3. 1811 (Plitt 2, 247)
B 3 3391
Noch ein kleines artiges Gedicht [Wirkung in die Ferne] von dem verehrten Herrn lege ich Ihnen hier b e i . . . Er theilte es uns schon in Karlsbad mit und es wurde hernach immer viel darüber gescherzt; ich bat ihn auch oft darum, er wollte aber nie damit herausrücken, endlich hat er sich aber doch eines Bessern besonnen. An Pauline Gotter 28. 9. 1808 (WA IV 20, 170)
Sie könnten dencken, liebe Pauline, undanckbare Freunde hätten der schönen Carlsbader Stunden, aller freundlichen Ereignisse, so wie alles Versprechen und Zusagen vergessen. Daß dem nicht also sey wünschte ich Sie zu überzeugen und ich fange damit an Ihnen, aus einem brausenden Hof und Weltgetöse, den stillen Amyntas zu übersenden. 9.7.
Riemer, Tagebuch 9. 7. 1808 (Dtsch. Revue 11, 4 S. 29)
B 3 2713
Reiste Goethe nach Franzensbrunn. Zwota 9. 7.
A. F. C. V. Ziegesar an Goethe 7. 7. 1808 (Eing. Br. alph. 1030, I) Es ist uns der Gedanke beygegangen: daß, da wahrscheinlicher Weise morgen, oder doch spätestens übermorgen meine Schwiegertochter hier [Franzensbad] ankommen wird . . . wir das rendezvous bis dahin aussetzen, und uns alsdann zugleich das Vergnügen verschaffen könnten, Augenzeugen der Scene des Wiedersehens, nach einer fast 10jährigen Trennung, zu seyn . . . Wenn wir nun sogleich an diesem Morgen [nach der Ankunft], von beyden Seiten — Ew. Excell. und Frau von Berg von Karlsbad, und wir von hier — . . . etwa um 8 Uhr, abführen, so könnten wir spätstens um 12 Uhr von beyden Seiten in Zwoda seyn, allda zu Mittage essen . . . und sodann bis 4 Uhr zusammenbleiben, wo Frau von Berg mit ihrer Tochter wieder zurück nach Karlsbad, und wir, ohne die letztere, wieder hierher zurückführen . . . Haben Ew. Excell. die Gnade, dieses Alles mit Frau v. B. zu besprechen.
500
Franzensbad
1808
Franzensbad Tagebuch 9. 7. 1808 (WA III 3, 359)
Mit Frau Gen. v. Berg nach 9 Uhr abgefahren. Uber Lifländische und Russische Verhältnisse. Gegen 1 Uhr in Zwota. Gegessen. Um 7 Uhr in Franzenbrunn. Die Zigesarische Familie getroffen. Spazieren. Nach dem Brunnen. Thee. Spazieren später. Zustand der Ungeselligkeit in Franzenbrunn. G. v. Berg, Autobiographie (Berg S. 215)
In Carlsbad fand sie [Hedwig Dorothea v. Berg] den alten Geheimerath Goethe, den bekannten Dichter und Schriftsteller. Dieser, ein Freund der Ziegesarschen Familie und besonders der lieben Marie, schickte sogleich eine Stafette mit einem Briefe an sie nach Hummelshayn, um ihr die Ankunft der Mutter zu melden, und machte darauf mit meiner Frau, in ihrem Wagen, die Fahrt nach Franzensbrunn bey Eger, wo auch sehr bald Mutter und Tochter die Freude hatten, sich wiederzusehen. An Riemer 12. 7. 1808 (WA IV 20, 114)
Dr. Kappe hat mir gleich wieder herrlichen Rath ertheilt, durch den ich über manche Unbequemlichkeit hinweg komme. An Christiane v. Goethe Mitte Juli 1808 (WA IV 20, 114)
Da ich eine Gelegenheit hatte hierher zu kommen; so bin ich herüber gefahren, um Dr. Kappe zu sprechen, der mir zulange ausblieb, er hat mir auch gleich wieder trefflich gerathen und mir von kleinen aber unbequemen Übeln geholfen. Ich habe ihm deinen Fall vorgetragen. Er wünscht daß du Docktor Schlegel in Merseburg befragest, ihm die Umstände erzählest und ihn ersuchst sein Gutachten aufzusetzen, das du mir alsdann nach Carlsbad schicken wirst so bald als möglich. 10. 7.
Tagebuch 10. 7. 1808 (WA III 3, 359)
Docktor Kappe consultirt. Bekanntschaft mit dessen Tochter . . . Mit der Familie gegessen. Spazieren im Parck. Auf den Ball. Hochzeit der Dem. Adler. Graf, Gräfin Bose. Kriegsr [Clausen] von Breslau. Ins Feld gegen Westen spaziert. Thee zusammen getruncken. 11. 7.
Tagebuch 11. 7. 1808 (WA III 3, 359)
Dr. Kappe über verschiedene Wirckung der Mineralwasser, Metallkalke p. Graf Bose. Anlage zu Benutzung des Kohlensauren Gasses. Abschied der Fr. ν Berg Hr. und Fr ν Zigesar von Hummelshayn . . . Mittag mit der Z. Fam. Fr. v. Boseck geb. ν Thümmel. 12. 7.
Tagebuch 12. 7. 1808 (WA III 3, 359)
Spazieren auf der Esplanade des Parcks. Kapellmstr Himmel Mittags in der C a m m e r einem im Wald gelegenen Traiteur Hause, sehr gut gegessen. So dann 501
1808
Franzensbad auf die Einsiedeley über Liebenstein. Sehr schöne Aussichten. Spät zurück. Die Partie ward mit Zigesars, Fr v. Bock und den Kindern gemacht.
13. 7.
Tagebuch 13. 7. 1808 (WA III 3, 360)
Graf Lieven. Mit S. auf den Schneckenberg. Dann gebadet. Mad Limpurg begrüßt. Dr Kappe Consultation Nebenstehende Excursionen vorgeschlagen. Nebst den Kappischen. Schömberg im Sächsischen, eine Stunde der Capellenberg Seeberg eine Stunde die Schlucht und Drathmühle Meyerhof. St. Anne durch Eger ein und eine halbe Stunde, von da nach der Einsiedeley eine halbe Stunde. Alexanders Bad. 3 — 3 1/2 Meilen Luisenburg pp Anderthalb Tage. Nach Tische nach Eger. Münz Kabinet bey Huß. Schloß Capelle, Säle, Thum. Mit Sonnen Untergang zurück. Spazieren in s Bosket. Spät zum Thee. 14. 7.
Tagebuch 14. 7. 1808 (WA III 3, 360)
Mit S. ins Bosket. Zum Frühstück. Dr Kappe. Dessen Tochter nicht wohl. Kranckheiten im Hause. Gegen Abend mit v. Zigesar und Dr Kappe auf den Cammerberg. Schöne Aussicht und interessanter Vulkanismus S. Abends kranck. Wirckung der Musick. Gesch. der W[angenheim] mit ihrem alten Manne. Rechenpfennige statt Dukaten. Mit Zucker gepudert. 15. 7.
Tagebuch 15. 7. 1808 (WA III 3, 361)
Kam Oberf.mstr von Zigesar von Carlsbad. Briefe. Geschichte der Wette daß bey einem Diñé nicht würde gelacht werden. Kästchen . . . S. Abends Kranck. 16. 7.
Tagebuch 16. 7. 1808 (WA III 3, 361)
Bey Mad Limpurg zum Caffé. Kamen Fr v. Seckendorf und Dlle Gotter von Carlsbad. Verschiedentlich promeniren. Mittags alle zusammen gespeist. Nach Mittag vor der Thüre. Zu Himmel welcher köstlich spielte . . . Mit S. verschiedenes durch gesprochen. Schöne Nymphäen. Abends Geschichten von Berbisdorf. Motiv zu einer Erzählung Einer der durch Sparsamkeit (Knickerey) in grössere Ausgaben verfällt. Verwechslung ausländischer Worte. Aus der Zeit da man so viel französche Worte in die deutsche Sprache mischte welche von denen nachgesprochen wurden die kein Französch kannten. Macarone, Macedone, Amazone. Von einem Frauenzimmer das reitet. 17. 7.
Tagebuch 17. 7. 1808 (WA III 3, 361)
Gingen Fr. v. Seckendorf und D. Gotter fort. Ingl. Hr. Oberforstmstr v. Zig. . . . Gräfinn Apponi, Töchter und ν Lieven beym Frühstück getroffen. Auf den Cammerberg mit S. und Fr ν Bock. Herrlicher Abend. Weitere Untersuchung des Gesteins. Sonnen Untergang sehr schön. Nachts ins Bosket. Geschichte von Frau von Wangenheim ihren Heyrathen und Schicksalen. 502
Franzensbad
1808
Erinnerungsblatt für Friederica Helena v. Bock (LA II 8 A S. 45)
Franzensbrunn, besonders der Kammerberg. 1. Granit. 2. Gneus. Zum Bauen. 3. Glimmerschiefer. 4. Derselbe durchs Feuer verändert. 5. Ders. noch mehr verändert und gerötet. 6. Quarz von außen gerötet. 7. Brocklicher, gebrannter Ton. 8. Schlake, schwarze. 9. Dergleichen, dichter. 10. Dergleichen von außen gerötet. 11. Braune gleich unter der Vegetation. 12. Dichteres Felsgestein unter dem Lust-H[äuschen]. 13. Dichteres Felsgestein am Fuße. Franzensbrunn Zu Erinnerung froher Stunden d. 21. Jul. 1808. Goethe. 9./17. 7.
A n Marianne v. Eybenberg 17. 7. 1808 (WA IV 20, 115)
Die artigen Jonasse [Caroline v. Seckendorf und Pauline Gotter] sind heute früh abgefahren, ihr ganzer Aufenthalt war uns eine Erinnerung an die nachbarliche Freundinn im Fasanen. Alle Späße wurden wieder lebendig, vom o mio! mio! bis zum petit baiser, und so gingen uns die wenigen Stunden angenehm vorbey . . . Dr. Kappe will, ich soll diese Cur fortsetzen . . . Ich sehe die Menschen nur im Vorbeygehen. Mit Zigesars wohne ich in einem Hause und so setzen wir das Carlsbader Leben fort. 18. 7.
Tagebuch 18. 7. 1808 (WA III 3, 362)
Mit S. hinter den Häusern spazieren. Elemente der Farbenlehre. Spazieren nach Lohma. Feuerwerck das wir nicht sahen. Gesch. Wie hies er doch! die letzte Sylbe ist Mann, die erste ist ein Gewürz. „Nicht Ingwer? nicht Zimmt?" Nein! Nein! — H a f e r m a n n ! 19. 7.
Tagebuch 19. 7. 1808 (WA III 3, 362)
Mit der Fürstinn Schönburg. 20. 7.
Tagebuch 20. 7. 1808 (WA III 3, 362)
Graf Dietrichstein, Vizekanzler. Fürstinn Schönburg. Verlosung von Bildern. Ging Dr. Kappe fort . . . Bey Fürstinn Schönburg. Ihr Bruder Fürst Reus. Fürstinn v. Leiningen. Sang. Schöne Stimme. Abends noch lange spazieren. Nachts die Geheimnisse vorgelesen. 21. 7.
Tagebuch 21. 7. 1808 (WA III 3, 363)
Silvien aus dem Tasso vorgelesen. Nach Tische Gräfinn Bose, Fürstinn von Leiningen. Ich ging zu den Schönburgischen, zu Apponys. Mit S. und Fr. v. Schwarzenfels spazieren auf dem Ried . . . Abschiede. Um 9 Uhr abgefahren. 503
1808
Karlsbad Karlsbad
22. 7.
Tagebuch 22. 7. 1808 (WA III 3, 363)
[Mit Riemer] Sonstiges indessen vorgegangnes. Abends bey Fr. ν Eibenberg mit Riemer dazu kam ν Wirtby Schlechtes Benehmen der Russen bey Austerliz. Studentenstreich Alexanders und Friedr. Wilh. gegen die feindl. Vorposten. Riemer, Tagebuch 22. 7. 1808 (*Dtsch. Revue 11, 4 S. 29; Keil 5 S. 301)
B3 2 7 1 4
Kam Goethe von Franzensbrunn zurück. Begrüßung. Gegenseitige Mittheilung. Trug ich meine Sonette vor, mit Beifall. Uber Mittag Aufgabe zu einem neuen, auf das Maulfaule Singen der Deutschen, das ich nach Tische machte. Zu Frau v. Eybenberg, wo Goethe. Kam Graf Wirtby dazu. Uber das schlechte Benehmen der Russen bei Austerlitz und im letzten Preußischen Kriege. 23. 7.
Tagebuch 23. 7. 1808 (WA III 3, 363)
Nach Tische Müller. Überraschung durch Burys Ankunft. Zu Frau von Eibenberg. Riemer, Tagebuch 23. 7. 1808 (Dtsch. Revue 11, 4 S. 29)
B3 2 7 1 5
Früh um 6 Uhr zu Goethe, an den Wahlverwandtschaften diktiert bis um 11 Uhr. Nach Tische kam Joseph Müller, erzählte vom Sprudel etc. Abends erzählte Goethe, daß er Bury auf dem Markt angetroffen. 24. 7.
Tagebuch 24. 7. 1808 (WA III 3, 363)
Bathyani. Mittags Bury. Über Berlin Dresden. Kunst und Leben. Mit Fr v. Eibenberg ausgefahren Vorgelesen. Wahlverwandsch. Kam Frau von Bock an . . . Cammerb. mit den Damen. Riemer, Tagebuch 24. 7. 1808 (Keil 5 S. 301)
Früh von 7 bis 11 bei Goethe an den Wahlverwandtschaften. Abends zur Eybenberg, wo Goethe vorlas. Zu Hause das Vorgelesene besprochen aus den Wahlverwandtschaften. 25. 7.
Tagebuch 25. 7. 1808 (WA III 3, 363)
Bury portraitirte Von seinem Leben, Ereignissen, Arbeiten, Gesinnungen, Meynungen, Überzeugungen. Zusammen gegessen. Zu Fr. v. Berg, von Bock, v. Seebach. Mit Fr. v. Eibenb. spazieren nach dem Hammer und sodann zur Eger Brücke. Mad Waltron derselben die WV. bis zu Otiliens Brief an die Freunde. Riemer, Tagebuch 25. 7. 1808 (Dtsch. Revue 11, 4 S. 29)
Kam Bury und zeichnete Goethen. vor 26. 7. A n Cotta 26. 7. 1808 (WA IV 51, 240)
Indem ich ihn [den Roman „Die Wahlverwandtschaften"] vorlas konnte ich auf künftige gute Aufnahme hoffen. 504
Karlsbad
1808 26. 7.
Tagebuch 26. 7. 1808 (WA III 3, 364)
Bury portraitirte. Kam Graf Finckenstein. Mittags Bury. Mit Fr. v. Eibenberg spazieren nach dem Hammer. Abends gelesen. Prinzessin von Curland. Gräfin Czernin. Riemer, Tagebuch 26. 7. 1808 (Dtsch. Revue 11, 4 S. 29)
Bury zeichnete Goethen. Marianne v. Eybenberg an Goethe 18. 12. 1808 (SchrGG 18, 216)
. . . die liebliche Gräfin Czernin, die mit dem lieben Gesichte so aufmercksam zuhörte, als Sie so deliciös vorlasen; noch dencken die Kinder an diesen Abend mit danckbahrem Herzen — ! 27. 7.
Tagebuch 27. 7. 1808 (WA III 3, 364)
Bury zeichnete . . . Mittags zusammen. Von Mecklenburg. Den dortigen Gutsbes. Bury nahm Abschied . . . Zu Dem. Stock. Über Dresden, Müller, Rühl, Kleist, Hartm. v. Hasa, dessen Scheidung. Körners. Dem poetischen Talent des Sohnes. Mit Fr. ν Eibenb. nach dem Hammer. F. Bury an Goethe 1. 10. 1808 (Eing. Br. alph. 230, I)
Gott erhalte Ihnen noch lange zur Freude der ganzen Welt, so Wohl wie ich Ihnen im Carls-Bad verlaßen hab. 23./27. 7. F. Bury an Catharina Bury o. Dat. (Kareil 1 S. 32)
Den geheimen Rath Goethe traf ich in Carlsbad an, und da waren alle Wünsche, welche ich auf dieser Reise haben konnte, erfüllt. An Christiane v. Goethe 1. 8. 1808 (WA IV 20, 124)
Was wirst du aber sagen wenn ich dir erzähle daß Büry uns überrascht hat und ein Paar Tage bey uns geblieben ist. Noch ganz der Alte, eben so brav und liebevoll und fahrig. Er hat etwas gemacht, das ich dir nach Weimar schicke. Du lachst gewiß wenn du's eröffnest. . . Beyde [der eben eingetroffene Kaaz und Bury] grüßen. An Silvie ν. Ziegesar 3. 8. 1808 (WA IV 20, 126)
Ganz unerwartet kam ein alter Freund [Bury], mit dem ich in Rom gelebt, einige Tage mit mir zuzubringen, so brav, so tüchtig, so liebevoll und so wunderlich wie sonst. Es traf gar vieles zusammen, das uns an die vorigen Zeiten erinnerte, das heiße Wetter und meine Heiterkeit, die er in Zwischenzeiten an mir nicht gewohnt gewesen. A n H. Meyer 17. 8. 1808 (WA IV 20, 149)
. . . Vor einiger Zeit hat mir Bury's Gegenwart auch viel Freude gemacht. Er ist noch immer der alte und sowohl in Kunst als in Leben immer noch ein Sturmlaufender. Alles ist noch beynahe convulsiv; doch haben sich sein Charakter und seine Weltansichten gar hübsch und rein ausgebildet. Was die höheren 505
1808
Karlsbad Kunstansichten betrifft; so entspringen sie, wie fast bey allen Künstlern, aus der Reflexion und nicht aus der Erfindungskraft; wodurch denn ein Schwanken zwischen dem Wahrhaft- und zwischen dem Scheinbarbedeutenden entsteht, das sich bey jedem einzelnen Falle erneuert. Tag- und Jahres-Hefte 1808 (WA I 36, 37)
. . . Sodann hatte ich die angenehme Überraschung von einem vieljährigen Freunde und Angeeigneten, nach altem Herkommen, mich leidenschaftlich angegangen zu sehen. Es war der gute talentvolle Bury, der, im Gefolg der Frau Erbprinzeß von Hessen-Cassel, in und um Dresden, zu Kunst- und Naturgenuß, sich eine Zeidang aufgehalten hatte und nun, beurlaubt, auf einige Tage hierher [Karlsbad] kam . . . Bei dieser Gelegenheit zeichnete Bury abermals mein Porträt in kleinem Format und Umriß. 28. 7.
Tagebuch 28. 7. 1808 (WA III 3, 364)
Visiten. Mad. Basenge. Hofr Titius. Gr. Czernin. Graf Bose. Hofr. Becker. Graf Lieven wo ich die Herzoginn von Würtenberg und Gen. Benckendorf fand. Nach Tische zu Dem. Kirchgessner. . . Zu F. v. Eibenberg. Faust. Was in Spanien passirt u. s. w. Maria Friederike Bassenge an Ph. O. Runge 5. 8. 1808 (Runge 2, 363)
B 2 1086 B 3 2 7 1 6
Ich schreibe heute nur ein paar Zeilen, um den Brief von Goethe zu begleiten und dir von diesem lieben Mann etwas zu erzählen. Ich habe ihn in Karlsbad zwar nicht viel gesehen, denn unglücklicherweise ging er ein paar Tage nach meiner Ankunft nach Eger ab. Ich hatte ihn die drey ersten Tage an allen Brunnen gesucht, er war nirgends; endlich erfahre ich, daß er so eben nach Eger geht, und ich schicke ihm deinen Brief; ein paar Tage vor meiner Abreise schickt er mir die Antwort und den andern Tag war er so gütig, mich selbst zu besuchen. Wir haben viel von dir gesprochen und er sagte, wie herzlich es ihn erfreut habe, an dir einen in so vielen Puncten mit ihm gleich denkenden Mann gefunden zu haben. Er wünschte sehr, sich mit dir über verschiedene Sachen ausführlich zu besprechen; durch Briefe sey das eine sehr weitläuftige und doch nicht genügende Sache. Ob es denn nicht möglich wäre, daß du auf einige Wochen nach Weimar kommen könntest, im October oder November? Riemer, Tagebuch 28. 7. 1808 (Keil 5 S. 302)
Goethe machte eine Menge Besuche und brachte die Nachricht, daß Adam Müller die Frau von Haza heirathen werde. Indignation über solch Wesen. Idee zu einem Sonett gefaßt. 29. 7.
Tagebuch 29. 7. 1808 (WA III 3, 365)
Bergrath Werner, mit ihm über die Egerschen zweifelhaften vulcanischen Producte, über Arrangement eines mineralogischen Cabinetts, über verschiedene neu entdeckte Fossilien aus der Carlsbader Gegend. Nach Tische mit verschiede506
Karlsbad
1808
nen Personen auf der Wiese. Zu Frau Generalin von Berg, sie bis zur Comödie begleitet, zu Frau von Matt, über ihre astronomische Beschäftigung. Mit Frau von Eybenberg nach dem Hammer gefahren. Auf der Papiermühle für sie Papier gekauft. Graf Wrtby zu Pferde. Herzog von Gotha mit seinen bemäntelten Kutschern . . . Bey Frau von Eybenberg den Abend zugebracht. Schilderungen mehrerer Persönlichkeiten und Verhältnisse, besonders der neuen Kaiserin, ihrer Mutter, ihres Betragens und Umgebungen. Riemer, Tagebuch 29. 7. 1808 (Keil 5 S. 302)
Früh an den Wahlverwandtschaften geschrieben. K a m Bergrath Werner zu Goethe. An Silvie ν. Ziegesar 3. 8. 1808 (WA IV 20, 128)
Ihr Fürst [Herzog August von Sachsen-Gotha], als er mir zufällig begegnete, war sehr freundlich. Die Paar Stunden die ich neben ihm auf dem Spaziergang zubrachte, hatte ich Gelegenheit seinen Geist, seinen Witz, seine glücklichen Einfälle zu bewundern. Schade daß er nicht fühlt, oder nicht fühlen will, wie hoch einem die Menschen ein Geringes anrechnen wodurch man sie verletzt, und wie sehr ihnen das seltsame fast mehr als das böse zuwider ist. Wie die Sachen jetzt stehn und gehn wird jedermann irre an ihm und wie es angefangen hat wird es endigen. 30. 7.
Tagebuch 30. 7. 1808 (WA III 3, 365)
Früh bey Gräfin Loß . . . Abends mit Frau von Eybenberg auf dem Hammer und Krebse eingekauft. Nachher Bekanntschaft mit Fräulein von Knabenau. Mit ihr, Dem. Stock und spatzieren gegangen. Nachher bey Frau von Eybenberg Forellen und Krebse gegessen. Riemer, Tagebuch 30. 7. 1808 (*Dtsch. Revue 11, 4 S. 29; Keil 5 S. 302)
Früh den Schluß der Wahlverwandtschaften bis um 9 Uhr. Mein Sonett auf Frau von Eybenberg verbessert und Goethen vorgewiesen, der es noch bedachte. Gegen Abend fuhr er mit Frau ν. E. spazieren. vor 31. 7. Marianne v. Eybenberg an Riemer Apr. 1809? (Dtsch. Revue 12, 1 S. 282)
Treiben Sie hübsch, daß Ottilie bald erscheine. 4 Monate sind schon verflossen, und in 6 Monaten versprach der Geheime Rat mir, ihr ihre entrée in der Welt machen zu lassen, — oft unterhalte ich mich mit dem lieben Kinde! Marianne v. Eybenberg an Goethe 24. 2. 1810 (SchrGG 18, 239)
Der Freund deßen memoire ich Ihnen vorlas [F. Gentz ?], hat glaube ich, auch endlich eingesehen, wie alle diese [politischen] calculs nichtig waren. (vor?) 31 7
Marianne v. Eybenberg an Goethe 11. 3. 1809 (SchrGG 18, 224)
. . . auch die Farbenlehre ist nicht erschienen wie Sie es doch versprachen. Marianne v. Eybenberg an Goethe 17. 9. 1808 (SchrGG 18, 208)
Vergeßen Sie meine Zeichnung nicht, die sie mir versprochen . . . 507
1808
Karlsbad Gedencken Sie meiner wie bisher, mit Güte und Wohlwollen . . . bedencken Sie das Neben und Neben Naßen.
31. 7.
Tagebuch 31. 7. 1808 (WA III 3, 366)
Bey Dem. Stock, Fräulein Knabenau, wo der geistliche Herr aus Dresden [Tittmann ?] war, Bergrath Werner, von Herda, Wangenheim. Nach Tische allerley Visiten. Gegen Abend mit Frau von Eybenberg auf dem Hammer. . . Abend bey Frau von Eybenberg gegessen, Abschied genommen. Riemer, Tagebuch 31. 7. 1808 (*Dtsch. Revue 11, 4 S. 29; Keil5 S. 302)
B 3 2717
Fuhr Goethe mit Frau von Eyb. spazieren. Abends mit Goethe bei ihr gegessen. Von Wien, dem Prater und sonst. Abschied. Mit Goethe noch beim Mondenschein auf der Wiese. 17.6./8.7. An Christiane v. Goethe 1. 8. 1808 (WA IV 20, 125)
22 7 /I 8 Heute ist Frau v. Eibenberg sonst Marianchen genannt von hier abgegangen, sie hat mir viel Freundliches erzeigt. 22. 7./
An Silvie ν. Ziegesar 3. 8. 1808 (WA IV 20, 127)
1 8 Abends war ich viel mit Fr. v. Eibenberg und machte mir abermals Vorwürfe daß ich Sie beyde nicht zusammengebracht. 29./31. 7. An Carl August 31. 7. 1808 (WA IV 20, 122)
Nun ist Berg Rath Werner angekommen und da geht die Conversation und Halbcontrovers auf die alte Weise wieder fort. Dr. Kappe, den ich gestern fragte ob Töpliz mir nicht frommen könnte? hat es sehr entschieden verneint und mich noch auf vierzehn Tage nach Franzenbrunn gewiesen. Juli
An Carl August 31. 7. 1808 (WA IV 20, 121; 30, 272)
. . . Denn wie sehr der Durchlauchtige Nachbar [Herzog August von SachsenGotha] die Menschen in Erstaunen gesetzt, läßt sich schwarz auf weiß wircklich nicht ausdrücken . . . Übrigens habe ich dieses Jahr mehr in bekannten Cirkeln gelebt, ob es gleich auch an neu Begegnenden nicht gefehlt hat. Mit der Zigesarischen Familie und Fr. v. Eibenberg setzten sich die früheren Verhältnisse recht angenehm fort. Die Fürstinn Schönburg mit ihrer Familie, Fürstinn Leiningen, Herzoginn von Würtenberg beyde Coburgischen Ursprungs, Graf Bose, Graf Lieven der mit Kayser Alexander in Weimar war, General Benkendorf seinen Schwiegervater, Graf Grünne, habe ich mehr und weniger gesehen. Generalin von Berg und ihre Tochter, unsre ehmalige Hofdame nun Zigesar sind noch hier. Einige wunderbare Erscheinungen aus Ungarn, Galizien, Polen sind auch an mir vorbey gegangen. Juli (?)
J. E. Wagner an Fichte 4. 8. 1808 (Lauth - Jacob III 6, 264)
Selbst Göthe, wiewohl er erklärt hat, er habe in 20 Jahren nichts besseres als mein neuestes Büchlein [Reisen aus der Fremde in die Heimat, Bd 1] gelesen, gehört doch noch immer unter die kalten Zweifler. 508
1808 1. 8.
Karlsbad Tagebuch 1. 8. 1808 (WA III 3, 366)
Beabsichtigter Spatziergang mit den Curländischen Frauenzimmern, durch den Herzog von Gotha aufgefangen und aufgehalten. Ging die ganze Gesellschaft zusammen bis über den Posthof. Fräulein Dieskau und Fräulein ν Gottesheim von Prag, Geh.R. Hardenberg. Mit letzterem Gespräch über die Arzte, über Kappe und Dori. Mit den Curländerinnen nach Hause. Wernersche Sonette. Professor Rösel mit seinen Zeichnungen von Schweden, Holstein, Löbichau, Carlsbad u. s. w. Mit Frl. v. Knabenau und Stock Abends im Nebel nach der Capelle, hinter der Harfe herunter. Mit ihnen nach Hause. Lebensweise in Löbichau, pp. Der Nachdrucker der seinen eignen broschirten Verlag unaufgeschnitten liest. Riemer, Tagebuch 1. 8. 1808 (Keil 5 S. 302)
Kam Prof. Rösel und zeigte Goethen seine Zeichnungen. Gegenden aus Schweden, Thüringen, Salzburg, Holstein, Carlsbad, Elbogen. Sehr geistreich und impromptuos gemacht. Gräfin Dorothea v. Chassepot an Goethe 14. 8. 1 8 1 4 (Eing. Br. alph. 245)
Sie sind wahrscheinlich in Carlsbad, wenn Sie die Marienkapelle sehen, so denken Sie der Pilgrimme jenes Abends, so wie ich ihrer jedesmal denke wenn ich das schöne, von Ihnen gezeichnete Bild jener Stäte, sehe. An Christiane v. Goethe 1. 8. 1808 (WA IV 20, 124)
Kappe sagt: es sey da nichts bedenckliches noch gefährliches [in Christianes Krankheitsbild], nur müsse man dazu thun und räth viel Fuß Bewegung. 2. 8.
Tagebuch 2. 8. 1808 (WA III 3, 367)
Um 10 Uhr zu den Curländerinnen. Pandorens Wiederkehr 1. Theil. Effeckte der einzelnen Stellen . . . Abends ins Conzert für die Armen. Pixis, Bär, Holbeins Deklamationen. Vorher bey der Herzoginn von Curland. Rösels Landsch. Landgr. v. Hessen. Riemer, Tagebuch 2. 8. 1808 (Dtsch. Revue 11, 4 S. 29)
B 2 1087 B 3 2 7 1 8
Abends Armen-Konzert von Pixis und Holbein gegeben, der deklamierte und sang, Goethes Hochzeitlied und Schillers Glocke. Nicht besonders. Um 9 Uhr nachhause mit Goethe. Darüber gesprochen. [Auf beigelegtem Blatt:] „Hier giebt man — sagte Goethe — Konzerte und Bälle, um wohlthätig zu sein, und ist wohlthätig, um mit Ehren singen und tanzen zu können. Das ist die Art von Mittelsalz, womit die moderne Welt ihre Pflicht und Vergnügen zugleich abführt, damit ja alles recht kurmäßig geschehen möge." 3. 8.
Tagebuch 3. 8. 1808 (WA III 3, 367)
Zu Dem. Stock. Späße mit den Visitenkarten. Actio in distans. Sonette. Später Gespräch über Magnetismus und über die Ableitung des Wunderbarsten aus
509
1808
Karlsbad bekannten und verkannten, halb gekannten Erscheinungen . . . Abends bey der Herzoginn von Curland.
26. 7 . / 3 8
An Silvie ν. Ziegesar 3. 8. 1808 (WA IV 20, 127)
Ich lernte die Töchter der Herzoginn von Curland, erst später ihre Hoffräulein kennen. Ihr selbst wartete ich erst gestern auf, sie verreist Morgen frühe. Alle waren sehr freundlich und anmuthig; zutraulich, gefällig, gnädig, und wie man die erwünschten Stufen des Wohlwollens bezeichnen mag. Ich habe dagegen durch allerley Gespräch und Vorlesen mich möglichst danckbar erwiesen. Nach Löbichau bin ich schönstens, und, wenn ich mir nicht zu viel schmeichle, wircklich im Ernst eingeladen . . . Frau von Berg und Ihre liebe Schwägerinn die alle Tage hübscher wird habe ich nur wenig gesehen. Frau v. Bock und ich wir wünschen vereint die Franzenbrunner Zeiten zurück. An Marianne v. Eybenberg 12. 8. 1808 (WA IV 20, 137)
Kurz nach Ihrer Abreise traf ich mit den Hoffräuleins der Herzogin von Curland auf der Wiese zusammen, besuchte sie einigemal und ließ mich sodann ihrer Gebieterin vorstellen. Den Abend vor ihrer Abreise war ich noch dort, las Einiges vor und war so artig als ich seyn konnte; dafür man mich denn auch recht gut behandelt und nach Löbichau eingeladen hat. Fräulein von Knabenau ist wirklich ein merkwürdiges Wesen, von großer Anmuth und Lebensleichtigkeit. An Silvie ν. Ziegesar 5. 8. 1808 (WA IV 20, 131)
Haben Sie Frl. Knabenau gesehen, oder von ihr gehört. Es ist ein wundersames Wesen. Sie besitzt eine Art von allgemeiner Liebenswürdigkeit, so daß man sich betrüben könnte wenn sie nur Einem angehörte und wenn man der Eine selbst wäre. Zunächst hat sie mich an unsre Wolfskeel, jetzige Fritsch erinnert. An Dorothea v. Knabenau 19. 8. 1808 (WA IV 20, 156)
. . . damit meiner so nachsichtig und freundlich gedacht werde, als ich aufgenommen ward, da ich sie [die übersandten Gedichte] selbst vortrug. Dorothea v. Knabenau an Goethe 8. 8. 1808 (Hing. Br. alph. 245)
[Ich] schreibe . . . Ihnen, lieber guter Göthe! schon am zweiten Tage meiner Ankunft in Löbichau, um Ihnen die versprochene Charade zu schicken. Minna Körner an Th. Körner 11. 8. 1808 (Weldler-Steinberg S. 63)
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Der Briefträger [gab] uns einen Brief von der Tante [Dora Stock], den sie in Schneberg auf die Post gegeben hatte, und die letzten Tage von Carlsbad enthielten, sie sind jeden Moment mit Göthe gewesen, haben eigne schwärmerische Scenen mit ihn gehabt. Er ist auch noch bey der lieben Herzoginn [von Kurland] gewesen . . . Die lezten Tage haben auch in Carlsbad Dein Werner und Bonnard viel in den Hause der Herzoginn gelebt, den lezten Abend [3. 8.] sind sie bis spät mit Göthe dageblieben, der seine Fortsetzung von der Pandora vorgelesen hat, ich lege Dir hier auch ein Paar Sachen aus der Pandora bey. 510
Karlsbad
1808 29. 7./ 3 8
An Silvie v. Ziegesar 3. 8. 1808 (WA IV 20, 128)
Der Churfürst von Hessen hat uns durch seine Gegenwart überrascht, um somehr als er den ersten Tag mit seinem Gefolge in völliger Uniform erschien. Sie können dencken zu was für Conjeckturen seine Erscheinung Anlas gab. 4. 8.
Tagebuch 4. 8. 1808 (WA III 3, 367)
Auf der Wiese mit Werner, Kappe u. s. w. Machte Kaaz von Dresden seinen Besuch. Nach Tische zum Herzog von Gotha, wo Graf Moschynski [und] der französische Bergmann [A. H. de Bonnard] waren, der sehr angenehm auf dem Ciavier spielte und einige französische und italiänische Lieder sang. Riemer, Tagebuch 4. 8. 1808 (Keil 5 S. 304)
Bei Goethe zur Geschichte der Farbenlehre geschrieben. 5. 8.
Tagebuch 5. 8. 1808 (WA III 3, 368)
Gegen 11 Uhr Maler Kaaz von Dresden; contourirte eine Landschaft und fing an sie zu coloriren. Zu Tafel bey dem Herzog von Gotha. Landjägermeister von Hardenberg aus Bayreuth, von Hoch, Polizeycommissär, und die Umgebung des Herzogs. Nach Tafel die Müllersche Sammlung. Ich ging nach Hause. Besuch von den Grafen Lieven und Einsiedel. Nachher spatzieren mit Kammerherrn von Tümpling auf der Brücke beym Neubrunn. Über seine Curmethode, nochmals Abends Brunnen zu trinken. Ferner über Ackerbau. Landescultur, Ökonomie u. s. w. Riemer, Tagebuch 5. 8. 1808 (Dtsch. Revue 11, 4 S. 30)
Kam Kaaz, um uns in der Landschaftsmalerei die ersten Prinzipien und Methoden beizubringen. Mittags allein gegessen, da Goethe beim Herzog von Gotha speiste. A n Silvie ν. Ziegesar 5. 8. 1808 (WA IV 20, 130)
Ich habe Ihrem Herzog [August von Sachsen-Gotha] die Aufwartung gemacht, er war gnädig und vertraulich, ja ich muß gestehen daß eine Schilderung verschiedner Characktere mit etwas scharfem, aber auch sehr genauem und richtigem Werckzeug, mich in Erstaunen gesetzt hat. . . Dem Herrn Vater sagen Sie zum Tröste daß Serenissimus in Kaufen und Schencken sich mäßig verhalten, daß von dem äußeren Seltsamen nur noch die Kutschermäntelchen übrig sind. Daß der Fürst gegen manche seine ganze Liebenswürdigkeit entfaltet, wenn er auch gegen andre den Quälgeist spielen mag, daß er einige gute weibliche Gemüther durch sein Betragen eingenommen, deren Umgang ihm wohlthätig, gewiß nicht schädlich ist. Seine beyden Begleiter haben sich Achtung und Neigung zu erwerben gewußt. Herrn von Hardenbergs kluges Benehmen ist bekannt. Frl. Dalwig hab ich nicht näher gesehen. Übrigens scheint der Medicus wie ein wahrer Dori an jedermann anzuschnurren. An Marianne v. Eybenberg 12. 8. 1808 (WA IV 20, 137)
Dem Herzoge von Gotha, den ich dort angetroffen hatte, wartete ich gleichfalls auf, wurde gut aufgenommen, nachher zur Tafel geladen und auch über ihn 511
1808
Karlsbad habe ich mich nicht zu beklagen. Beynahe scheinen Kapp und ich die einzigen, die sich nicht über ihn zu beschweren haben. Sonst bin ich selbst Zeuge von ganz schonungslosen Späßen geworden, mit denen er Fremde so gut als seine eigenen Leute geschoren und geschunden hat. Übrigens habe ich ihn einige Mal wegen sehr treffender Charakterschilderungen, geistreicher Bemerkungen und Repartien bewundern müssen. Der Eigensinn seines Arztes, der Gebrauch des Sprudels beym heißesten Wetter, Diätfehler haben in den letzten Tagen ihm die wunderlichsten Paroxysmen, geistig und leiblich, verursacht, von denen ich mich enthalte weiter zu sprechen.
6. 8.
Tagebuch 6. 8. 1808 (WA III 3, 368)
Um 11 Uhr kam Kaaz und fuhr an der Landschaft fort. Blieb zu Tische. Erzählung von den Dresdner Vorlesungen, den Böttigerschen, Müllerschen, Schubertschen, besonders wie Böttiger sich über die Reinigungen der alten Religionen weitläufig herausgelassen und dadurch die Frauen verscheucht, sowie Schubert durch seine Sonnendurchmesser. Zu Müllern wegen der Sammlungen für den Herzog von Gotha. Riemer, Tagebuch 6. 8. 1808 (Keil 5 S. 304)
Über Tische von Böttigers, Müllers und Schuberts Vorlesungen. Die Böttigers sei sehr solid, nur bei der Geschichte von den Reinigungen zuviel Detail, weswegen die Frauen herausblieben. Schubert ward anstößig durch seine Astronomie und Zahlen. 7. 8.
Tagebuch 7. 8. 1808 (WA III 3, 369)
Um 11 Uhr kam Kaaz und wurde an der zweyten Landschaft angefangen. Ich zeichnete unterdessen an der meinigen . . . Nachher der alte Müller. Riemer, Tagebuch 7. 8. 1808 (*Dtsch. Revue 11, 4 S. 30; Keil 5 S. 304)
Bei Goethe zum 2. Theil der Farbenlehre. Kam Kaaz und detailirte eine Skizze von Goethe weiter aus und tuschte sie an. 4./7. 8.
An Christiane v. Goethe 7. 8. 1808 (WA IV 20, 131)
Am Tage bin ich sehr fleißig. Bis eilf Uhr wird an dem Farbenwesen dicktirt, nachher kommt Kaas, der Landschaftmahler und da geht es an ein Zeichnen und Pinseln, das nach Tische wieder von vorne anfängt, woran ich mich denn sehr ergötze . . . Ich habe ihn [Kapp] erst recht kennen lernen was das für ein trefflicher Mann und Artzt ist. 8. 8.
Tagebuch 8. 8. 1808 (WA III 3, 369)
Kaaz, Fortsetzung der gestrigen Arbeiten. Aß derselbe Mittags mit uns. Über verschiedne Künsder und andre Verhältnisse in Dresden . . . Abends auf dem 8. 8.
Carl August an Goethe 4. 8. 1808 (Wahl 1 2, 18) Der Mann, der dir dieses bringt, ist ein sehr unglückliches Schlachtopfer des Kriegs und eines ihn verfolgenden Schicksals; er ist bey jeder Gelegenheit bleßirt worden. Auch in Persien diente er; sein Nähme und Titel ist Russischer] K[aiserlicher] Obrister Brevem. Sag den General Benckendorf und Lieven, ich freute mich sehr, sie hier [Teplitz] zu sehn.
512
1808
Karlsbad Ball des Grafen und der Gräfin Lieven. Oberst von Brevem. Graf Neale. Bald nach Hause.
9. 8.
Tagebuch 9. 8. 1808 (WA III 3, 370)
Mit Landschaftsmaler Kaaz die Arbeiten fortgesetzt. Er blieb zu Tische. Uber die Dresdner Vorlesungen, besonders die verunglückte von Wetzel über die Homerische Mythologie; der junge Körner und sein Talent. Nach Tische die Zeichnungen fortgesetzt. Abends zu Oberst von Brevem in das goldene Schild. Zu Frau von Berg, Thee mit ihr getrunken. Uber die Wege die zu und aus Carlsbad führen. 10. 8.
Tagebuch 10. 8. 1808 (WA III 3, 370)
Kaatz Arbeiten fortgesetzt. Gr. Neal. v. Herda. Wangenheim. Dr. Kappe. Mittag Kaatz. Nodrt was wegen Farbenmaterial und Gebrauch bey der Mittelgouache zu bemercken. Zum Herzog v. Gotha Abschied. Uber Fr. v. Reck und ihr Uranisches Evangelium. Gesch. Wie Frau v. Reck einen Bedienten empfielt der einen kleinen körperlichen Fehler hätte; Nachdem man alles durchgerathen findet sich daß er keine Nase habe. 17. 7./ 10 8
Tag- und Jahres-Hefte 1808 (WA I 36, 34)
Des regierenden Herzogs August von Gotha darf ich nicht vergessen, der sich als problematisch darzustellen und, unter einer gewissen weichlichen Form, angenehm und widerwärtig zu sein beliebte. Ich habe mich nicht über ihn zu beklagen, aber es war immer ängsdich eine Einladung zu seiner Tafel anzunehmen, weil man nicht voraussehen konnte, welchen der Ehrengäste er schonungslos zu behandeln zufällig geneigt sein möchte. 11. 8.
Tagebuch 11. 8. 1808 (WA III 3, 371)
Mittags allein Mit Riemer. Über die Lyrische Sammlung für das teutsche Volck. Zu Fr. Meyer, Kappe, Fr v. Seebach, wo Frl. ν Knebel hinkam. Riemer, Tagebuch 11. 8. 1808 (Dtsch. Revue 11, 4 S. 30)
B 2 1087 a Β 3 2720
Mittags allein, mit Goethe. Über München, die dortigen Verhältnisse. Plan zu einem deutschen Volksbuche besprochen. Riemer, Mittheilungen 2, 639
B 3 2721
V o l k s b u c h , deutsches. Ein Plan dazu wurde von G. mit mir besprochen in Carlsbad, im August 1808. Es sollte, soviel ich mich noch erinnere, aus der Bibel die Geschichte der Juden, desgleichen aus dem Josephus enthalten, nebst anderem Nützlichen und Wissenswürdigen aus der vaterländischen Geschichte, auch Poesien, Lieder u. a. m., dessen ich jetzt, da wir durch die Zeit und andre Unternehmungen bald davon abkamen, nicht mehr eingedenk bin. Es versteht sich, daß auch Mitarbeiter dazu gesucht und eingeladen werden sollten. 513
1808
Karlsbad
vor 12. 8. A n Marianne v. Eybenberg 12. 8. 1808 (WA IV 20, 138)
Madame Eskeles habe ich nur im Kon2ert gesehen, den Fürsten Clary auf meiner Hausbank empfangen und wie ich fürchte an beyden Ihrer Empfehlung nicht genug gethan. Nachschrift zur Stammbucheintragung für Hedwig Dorothea v. Berg 20. 7. 1809 (WA I 5 2 , 138)
Zum Andenken schöner Tage in Carlsbad 1808 der verehrten Besitzerin sich angelegentlichst empfehlend. 12. 8.
Tagebuch 12. 8. 1808 (WA III 3, 371)
Kaas gegen eilf. Meine Landschafft durch ihn ausgeführt. . . K. blieb zu Tische . . . Zu Meyer. Der geistliche Herr mit der Madame in Email. Schöne Toilette . . . Zu Fr v. Berg Abschied nehmen. Riemer, Tagebuch 12. 8. 1808 (Keil 5 S. 304)
Ich schrieb bei Goethe einen Brief an die Eybenberg. Vollendete Kaaz Goethe's Landschaft und aß mit uns. Gegen Abend mit Goethe und Kaaz bis zur Buchdruckerei, wo K. eine prächtige Vue andeutete. 13. 8.
Tagebuch 13. 8. 1808 (WA III 3, 371)
[Mit Riemer] Mittags allein. Über die Lyrische Sammlung Bey Müller. Übergang in den Porzellan Jaspis. Bey Mad Puppe wegen des Taffts. Graf Finckenstein. Abends mit Berg C. R. Herder spazieren, viel disserirt, auch über den Egerischen Cammerberg. Homsteingänge hinter dem Säuerl. Riemer, Tagebuch 13. 8. 1808 (*Dtsch. Revue 11, 4 S. 30; Keil 5 S. 304)
B 3 2722
Bei Goethe Roger Bacon. Hernach Schema zu mineralogischem Aufsatz. Über Tische von Mineralogie, besonders der Egerschen. Mit Goethe und Bergrath Herder spazieren zum Säuerling und dann die Prager Chaussee zum Galgenberg. Riemer, Mittheilungen 2, 705
B 2 1088 B 3 2723
[Goethe:] „Es geht den Leuten oder uns mit den Wissenschaften wie dem Zadig (von Voltaire) mit dem verlaufenen Hund und Pferde, das Jedermann an der Beschreibung erkennt, aber keiner gesehen haben will." „Ein ähnlicher Fall ist, daß die Leute auch von dieser oder jener Sache etwas wollen gehört oder gelesen haben, aber nicht angeben können, was und wo." 14. 8.
Tagebuch 14. 8. 1808 (WA III 3, 372)
Mittags bey Lord Findlater gespeist, woselbst Frau von Klöst, Gräfin Neale und Ritter von Aroisin. Nach Tische kam Graf Neale, der die Geschichte seines großen Verlustes mir erzählte. Riemer, Tagebuch 14. 8. 1808 (Keil 5 S. 305)
Mittag mit Goethe zu Lord Findlater. Um 8 Uhr mit Goethe den Schloßberg hinauf bis zum Monument. Ein von ihm vorgeschlagenes Sonett auf die Fürstin Chartoriska bedacht und concipirt. 514
1808 15. 8.
Karlsbad Tagebuch 15. 8. 1808 (WA III 3, 372)
Nach Tische kam Kaaz. Einiges gezeichnet. Uber Kunst und Kunstsachen. Betrachtung warum der Maler eine höhere sittliche Cultur erreicht als der Musikus. Gegen Abend zu Frau von Klöst zum Thee, woselbst Graf Neale und Tochter, Lord Findlater, Graf Moschynski, Loß und Gemalin, Corneillans. Man war in der kleinen Loggia im Hause vom goldnen Stuck versammelt. bis Mitte Aug
'
16. 8.
An Charlotte v. Stein 16. 8. 1808 (WA IV 20, 141)
. . . so sehr ich mich vor Bekanntschaften gehütet, [habe ich] manche neue und genugsam interessante gemacht. . . Alle Zustände der Gesellschaft von der größten Einsamkeit bis zum größten Lärm und Drängen und jetzt wieder bis zur Einsamkeit habe ich erlebt. Tagebuch 16. 8. 1808 (WA III 3, 373)
Zu Mittag Kaaz, der nach Tische zeichnete und malte. Uber die vorzüglichsten Landschaftsmaler gesprochen, über ihre Eigenschaften, Verdienste, Umgebungen, Originalität u. s. w. Riemer, Tagebuch 16. 8. 1808 (Keil 5 S. 305)
Bei Goethe an Roger Bacon. Brief an Frau v. Stein. vor 17. 8. An A. v. Goethe 17. 8. 1808 (WA IV 20, 145)
Bergrath Werner ist hier. Übrigens sind von der großen Masse der Besuchenden vorzüglich deine Freunde, die Polen und Juden, übrig geblieben. 17. 8.
Tagebuch 17. 8. 1808 (WA III 3, 373)
Um 11 Uhr kam Kaaz und zeichnete . . . Nach Tische auf die Wiese, zu Meyer und sonstige Besuche, zu dem Italiäner wegen der Carraccischen Landschaft. Kaaz ging wieder mit nach Hause und wurde verschiedenes über Kunst und Leben gesprochen. 4./17. 8.
An H. Meyer 17. 8. 1808 (WA IV 20, 149)
Kaaz von Dresden ist hier und unterrichtet uns in einer Art von Mittelgouache, einer gar hübschen und heitern Manier, worin man auf eine bequeme Weise gerade soviel leisten kann, als man versteht, indem man durch Uberlasiren und Aufhöhen den Effect nach Belieben verstärken, verändern und das Bedeutende zuletzt geistreich aufsetzen kann, da zum Aussparen eine sichre Anlage von vorn herein, viel Abstraction und eine vollendete Technik gehört. Sie sprachen kurz vor meiner Abreise von etwas Ahnlichem und ich habe deshalb um desto Mitte Aug. P. A. Wolff an Riemer 1. 8. 1808 (HSTA Weimar, Genint, Slg. Pasqué 38, 4) Lassen Sie auch von Zeit zu Zeit ein Wörtchen von neuen Originalen fallen, die uns d. Geheime R. zu copieren geben könnte, ich möchte gern mich weiter in dieser Manier zu mahlen üben, und eine schönere Gelegenheit finden wir nicht wieder. Empfehlen Sie uns beide nämlich meine Fr. und mich S r . Excellenz, und versichern Sie ihn unßerer herzlichen Wünsche zu der Fortdauer seiner Gesundheit.
515
1808
Karlsbad lieber zugegriffen. Kaaz wird auch wohl etwas zu Ihrer Ausstellung schicken. Es ist ein gar tüchtiger guter Mensch, der mit dem was ihm die Natur gegeben hat, ernsdich und rasch nach seinem Ziele hinschreitet.
18. 8.
Tagebuch 18. 8. 1808 (WA III 3, 373)
Um 11 Uhr kam Kaaz, colorirte an der sogenannten Schweizer Landschaft, speiste mit uns. Über das unangenehme Verhältniß des Künstlers zum Publicum, indem in der neuern Zeit niemand will was gelten lassen, als was er sich zueignen kann. Spaß mit dem geheimen Orden der Eudemischen und Misodemischen. Frau von Recke und Tiedges Verhältniß zur bildenden Kunst: auch nach obiger Art des Publicums ohne den mindesten Begriff, daß an der Kunst als Kunst etwas zu schätzen sey, so wie man an eine Kunst, als Kunst, Forderungen macht. Gegen Abend nach Dalwitz auf die Porzellanfabrik. Einiges gezeichnet. Auf dem Rückweg überfiel uns ein Regen, wir wurden tüchtig naß. Riemer, Tagebuch 18. 8. 1808 (Keil 5 S. 305)
Zu Goethe, der zeichnete. Ihm aus dem Sophokles von Solger vorgelesen. Mit Kaaz und Goethe nach Dallwitz, unterwegs einiges gezeichnet. Auf dem Rückwege ereilte uns der Regen und machte uns durch und durch naß. um 18. 8. Riemer an J. H. Voß d. j. 18. 8. 1808 (Aukt.-Kat. Henrici 73, 77)
G. befindet sich sehr wohl u. ist den Sommer über auf mancherley Weise thätig gewesen. Die Pandora wird nun wohl bald wiederkehren. Der 2. Theil der Farbenlehre macht grosse Fortschritte, und auch anderes wird wieder vorbereitet. Ich bin treulich zur Hand gegangen. Nächsten Winter hoffen wir uns tüchtig zu beschäftigen . . . G. grüsst Dich schönstens. 19. 8.
Tagebuch 19. 8. 1808 (WA III 3, 374)
K a m Kaas. Hatte Kopfweh und war auf eine Humoristische Weise verdrieslich. Zu Tische Gespräch über die Forderungen der Liebhaber an den Künstl. Blümeke ein Leipziger, der schöne Sachen besizt und wahre Liebe zur Kunst hegt. Nach Tische zu Müller. Dann zu Frau v. Reck. Mit ihr und Tiedge über verschiedne Characktere . . . ν Herder hatte Abschied genommen. Werner war frühe bey mir gewesen. Uber Münzen. 29. 7 . / 19. 8.
Tag- und Jahres-Hefte 1808 (WA I 36, 35)
Auch Bergrath Werner trat nach seiner Gewohnheit erst spät herzu. Seine Gegenwart belehrte jederzeit, man mochte ihn und seine Denkweise betrachten, oder die Gegenstände mit denen er sich abgab, durch ihn kennen lernen. 2./19. 8.
Tag- und Jahres-Hefte 1808 (WA I 36, 35)
Mit Bergrath von Herder setzte ich die herkömmlichen Gespräche fort, als wären wir nur eben vor kurzem geschieden. 516
Karlsbad
1808 5./19. 8.
Riemer an C. F. E. Frommann 14. 8. 1808 (Heitmüller S. 127)
Unterdeß ist der Herzog und alles abgereist . . . Doch macht uns Kaaz aus Dresden viel Vergnügen und wir lernen ihm in aller Geschwindigkeit ab, wie man Landschaften malen soll. Riemer an Marianne v. Eybenberg 20. 8. 1808 (Sonntagsblätter. Wien 1846 S. 1146)
Die Frequenz von Carlsbad hat gleich nach Ihrer Abreise so plötzlich abgenommen . . . Wir haben uns daher zur Kunst gewandt, und Hr. Kaaz, ein Landschaftsmaler aus Dresden, fördert uns im Technischen so, daß der Geheimerath bereits die größten Sachen unternimmt, und auch hier wieder sein seltenes Genie entwikelt. Aus den Gärten der Poesie sind wir aber nach und nach in die Steinbrüche der Mineralogie gerathen . . . In etwa einer Woche gehen wir nach Franzensbrunn, wo wir uns vierzehn Tage aufzuhalten gedenken . . . Die schönsten Empfehlungen vom Geheimerath. Er wird selbst schreiben. 20. 8.
Tagebuch 20. 8. 1808 (WA III 3, 374)
Zu Frau von der Reck. Fand Tiedgen daselbst. Uber verschiedne Personen. Riemer, Tagebuch 20. 8. 1808 (Dtsch. Revue 11, 4 S. 30)
B 2 1088 a Β 3 2724
Mittags mit Goethe allein zu Tisch. Über Frau v. d. Recke; die sei ohne Perfektibilität und stehen geblieben. 21. 8.
Tagebuch 21. 8. 1808 (WA III 3, 375)
Kaas zu Mittage. Er colorirte die schweizer Landschaft fertig. Über die reichen Hamburger und Leipziger. Abends mit Riemer spazieren, den Choteckschen Weg. 22. 8.
Tagebuch 22. 8. 1808 (WA III 3, 375)
Mittag [mit Riemer] Erinnerung an verschiedene legendenartige Gegenstände, besonders vom heiligen Neri, wie er seine adlichen Jünger mit dem Fuchsschwanz durch Rom schickt und die Wunderthäterin prüft. Gegen Abend Besuch von Herrn Tiedge und Herrn von Valentini. Riemer, Tagebuch 22. 8. 1808 (*Dtsch. Revue 11, 4 S. 30; Keil 5 S. 305)
B 3 2725
Goethen zu einer Legende vom heil. Neri (mit der Prüfung der Eitelkeit und der wunderthätigen Nonne) ermuntert, an andre Gedichte erinnert. Kam Tiedge. [Auf beigelegten Blättern:] Zu einer Legende von diesem wunderthätigen Manne, wie er auf des Papstes Befehl eine Nonne, welche Wunder zu thun vorgab, auf die Eitelkeit prüfte, ermunterte ich Goethen am 22. August 1808. Goethe führte oft den Philippus Neri an, sein Symbolum, auch Geschichte und Anekdoten aus seinem Leben. Er hatte immer Lust das Leben desselben zu schreiben, als Gegenstück zu Benvenuto Cellini. Bis er es denn ganz zuletzt noch kürzlich ausführte und in seine italienische Reise einschob. 517
1808 23. 8.
Karlsbad Tagebuch 23. 8. 1808 (WA III 3, 375)
Abends [mit Riemer?] den Chotekschen Weg bis zur Strohhütte; dann herunter, über die Wiese nach Hause. Über das Monument zwischen Trier und Luxemburg; andre dergl. Monumente und sonstige architektonisch-landschaftliche Gegenstände. Riemer, Tagebuch 23. 8. 1808 (»Pollmer 1 S. 293; Keil 5 S. 306)
B 3 2726
Brachte Hr. von Valentini das epische Gedicht Psyche von Nauwerk aus Ratzeburg. Bei Tische davon gesprochen. Ist nicht plastisch episch. Nach Tische verbesserte Goethe meine Sonette. 24. 8.
Tagebuch 24. 8. 1808 (WA III 3, 376)
Nach Tische Kaaz, der mir die Porträte von Silm und Stoll zeigte. 25. 8.
Tagebuch 25. 8. 1808 (WA III 3, 376)
Herr von Schütz, Kreishauptmann von H o f . . . Nachher Kaaz: über die Manier zu coloriren. Er arbeitete die wilde Tintenskizze zu einer reinlichen Landschaft um. Mittags derselbe zu Tische . . . Ging über die Egerbrücke den Fußpfad nach Fischern, wo ich Kaaz mit den Herren Silm aus Hamburg und Stoll dem älteren aus Dresden begegnete und besonders mit Silm auf dem Rückweg mich unterhielt, der aus Furcht vor dem Starkwerden viel zu Fuße geht. Riemer, Tagebuch 25. 8. 1808 (Keil 5 S. 306)
Mittags Kaaz zu Tisch, der eine Landschaft von Goethe zurecht rückte und colorirte. 26. 8.
Tagebuch 26. 8. 1808 (WA III 3, 377)
Nach Tische kam Kaaz und klebte zwey Landschaften auf. Die Zeichnung von der Capelle skizzirt. Besuch von Herrn von Valentini. Gegen 8 Uhr kam Kaaz und erzählte von den Mondscheinlandschaften die er gemacht; auch in Ol, das mit Mastixfirniß abgerieben, und einer blauen Tusche auf die Rückseite, um den kalten Duft zu erhalten. Riemer, Tagebuch 26. 8. 1808 (*Dtsch. Revue 11, 4 S. 30; Keil 5 S. 306)
B 2 1088 b B 3 2727
Mittags allein. Allerlei über der Menschen Art und Weise. Uber Werners und Schlegels Pfiffigkeit. Zur Kapelle, diese gezeichnet. Zu Haus tadelte Goethe einiges an meiner Zeichnung; ich machte Vorstellungen, da sagte er: „Wenn Sie mit mir disputiren wollen, dann ists vorbei." 26. 8. (?)
Riemer (*Dtsch. Revue 11, 4 S. 31; Keil 5 S. 306)
B 2 1089 B 3 2729
Goethe äußerte in Karlsbad: „Das Ideale im Menschen, wenn diesem die Objecte genommen oder verkümmert werden, zieht sich in sich, feinert und steigert sich, daß es sich gleichsam übertrumpft. Die meisten Menschen im Norden haben viel mehr Ideales in sich, als sie brauchen können, als sie verarbeiten können; daher die sonderbaren Erscheinungen von Sentimentalität, Religiosität, Mysticismus pp." 518
Karlsbad
1808 27. 8.
Tagebuch 27. 8. 1808 (WA III 3, 377)
Mittags allein. Vorher zeigte Kaaz das Porträt von der Doctor Mitterbacherin. Gegen 4 Uhr zu Lord Findlater, wo Graf Wallis und Chevalier Selby war. Nachher nach der Egerbriicke spatzieren . . . Kaaz begegnet, der sich über den zu porträtirenden Schweden beklagte, der außer den vielen Orden auf der Brust noch den Hirschensprung, drei f Berg und Sprudel im Rücken haben wollte. Riemer, Tagebuch 27. 8. 1808 (*Dtsch. Revue 11, 4 S. 31; Keil 5 S. 306)
B 2 1090. 1 0 9 0 a Β 3 2730
Uber Tische vom Charakter. „Es sei — sagte Goethe — die Tüchtigkeit, vis à vis von etwas Höherem, das er über sich erkenne, und seine Selbstschätzung. Der Charakter ruhe auf der Persönlichkeit, nicht auf den Talenten." Ermunterung, Goethe solle seine Geschichte und Bekenntnisse schreiben. Auf künftiges Jahr festgesetzt. Riemer (»Dtsch. Revue 11, 4 S. 31; Keil 5 S. 306)
B 2 1090 B 3 2730
Carlsb. 27. Aug. 1808 [Goethe:] „Der Charakter ist eine psychische Gewohnheit, eine Gewohnheit der Seele, und seinem Charakter gemäß handeln heißt seinen physischen [psychischen?] und geistigen Gewohnheiten gemäß handeln, denn diese sind ihm allein bequem, und nur das Bequeme gehört uns eigentlich an. Wer nicht nachgiebt, ob er schon einsieht, daß der andre Recht hat, heißt ein trotziger Charakter. Es wird ihm aber leichter, nicht nachzugeben (wie es mancher gewohnt ist, mit der linken Hand alles zu thun, was vielen schwer däucht), es ist seine Gewohnheit. Man muß Gewohnheit aber so verstehen: Wir können uns eigentlich nichts angewöhnen, nichts was nicht eigentlich schon unser wäre. Es ist nur das Wiederholen des ersten ursprünglichen Thuns, und der Charakter ist eigentlich vor aller Gewöhnung und Gewohnheit. Er erscheint uns nur als Gewohnheit, denn wir müssen etwas wiederkehren sehen, wenn wir wissen sollen, daß es da ist, und diese Wiederkehr, dieses Wiederholen des Ersten und Einen heißen wir Gewohnheit. Die gewöhnlichen Vorstellungsarten sind absurd. Man sagt: weil er das und das so oft gethan hat, ist es ihm zur Gewohnheit worden. Dies ist ein Idem per Idem. Es ist wie wenn ich sagte: weil ich den Handschuh so oft aus- und angezogen habe, ist er weit geworden. Wenn es nicht die Natur des Handschuhleders wäre sich zu dehnen, so hätte ich ihn tausend- und abertausendmal anziehen können, er wäre nicht weiter geworden. Warum wird es denn kein StahlHandschuh, oder ein steinerner? ich mag sie noch so oft anziehn. Nein! er hat es gethan, so oft und so oft, weil er's mußte, weil es seine Eigenschaft ist; und diese Eigenschaft erscheint uns als Gewohnheit, weil wir sie wiederholt sehen. Charakter ist also E i g e n s c h a f t und G e w o h n h e i t zugleich. Jenes, a priori angesehen; dieses, a posteriori. Nimmt man das Willkürliche aus dem Leben und Handeln und Verfahren hinweg, so hat man das Beste weggenommen. Sei ich noch so weise und verständig und zweckmäßig: ich muß sterben wie der Allerunvernünftigste, wie der Thor. Und ich habe keine Freude davon gehabt und Andern keine damit gemacht." 519
Karlsbad
1808 28. 8.
Tagebuch 28. 8. 1808 (WA III 3, 378)
Einige Visiten gemacht. Bey Herrn von Hoch wegen der Pässe; von Schiller; von Mitterbacher auf der Straße Abschied genommen. Über die Kriegsbewegungen in der Nähe und das Lager bey Bamberg. Von Mellin besucht. Bey Tische über Naivetät gesprochen. Uber den realen natürlichen Grund der alten Dichtung. Riemer, Tagebuch 28. 8. 1808 (*Dtsch. Revue 11, 4 S. 32; Keil 5 S. 308)
B 2 1091 B 3 2731
Goethe's Geburtstag. Mit ihm über den neuern Roman, besonders den seinigen. Er äußerte: „seine Idee bei dem neuen Roman „die Wahlverwandtschaften" sei: sociale Verhältnisse und die Conflicte derselben symbolisch gefaßt darzustellen." Abends mit ihm spazieren zum Schießhause. Uber den Terrassenberg bis zur Egerbrücke und zurück. Riemer (*Dtsch. Revue 11, 4 S. 32; Keil 5 S. 308)
B 2 1091 B 3 2731
Abends über das antike Tragische und das Romantische. „Das anüke Tragische ist das menschlich Tragirte. Das Romantische ist kein natürliches, ursprüngliches, sondern ein gemachtes, ein gesuchtes, gesteigertes, übertriebenes, bizarres, bis ins Fratzenhafte und Karrikaturartige. Kommt vor wie ein Redoutenwesen, eine Maskerade, grelle Lichter-Beleuchtung. Ist humoristisch, (d. h. ironisch, vgl. Ariost, Cervantes; daher ans Komische gränzend und selbst komisch) oder wird es augenblicklich, sobald der Verstand sich daran macht, sonst ist es absurd und phantastisch. Das antike ist noch bedingt (wahrscheinlich, menschlich), das moderne ist willkürlich, unmöglich. Das antike Magische und Zauberische hat Styl, das moderne nicht. Das antike Magische ist Natur menschlich betrachtet, das moderne dagegen ein blos gedachtes, phantastisches. Das antike ist nüchtern, modest, gemäßigt, das moderne ganz zügellos, betrunken. Das antike erscheint nur ein idealisirtes Reales, ein mit Großheit (Styl) und Geschmack behandeltes Reales; das romantische ein Unwirkliches, Unmögliches, dem durch die Phantasie nur ein Schein des Wirklichen gegeben wird. Das antike ist plastisch, wahr und reell; das romantische täuschend wie die Bilder einer Zauberlaterne, wie ein prismatisches Farbenbild, wie die athmosphärischen Farben. Nämlich eine ganz gemeine Unterlage erhält durch die romantische Behandlung einen seltsamen wunderbaren Anstrich, wo der Anstrich eben alles ist und die Unterlage nichts. Das romantische gränzt ans Komische (Hyon und Amanda, Oberon), das antike ans Ernste und Würdige. Das Romantische, wo es in der Großheit an das Antike gränzt, wie in den Nibelungen, hat wohl auch Styl, d. h. eine gewisse Großheit in der Behandlung, aber keinen Geschmack. Die sogenannte romantische Poesie zieht besonders unsere jungen Leute an, weil sie der Willkür, der Sinnlichkeit und dem Hange nach Ungebundenheit, kurz der Neigung der Jugend schmeichelt. Mit Gewalt setzt man alles durch. Seinem Gegner bietet man Trotz. Die Weiber werden angebetet: alles wie es die Jugend macht. — — 520
Karlsbad
1808
Alle irdische Poesie ist immer noch zu charakteristisch, rein objectiv zu sein; d. h. noch zu individuell, nicht generell genug. Ja was uns als reines Object vorkommt, ist selbst noch Individuum. Die Sonne selbst ist ein Individuum, ob sie uns gleich als das reinste Object erscheint, da sie mit nichts zu vergleichen ist. Alle empirische Poesie, selbst die uns am meisten objectiv erscheint, die griechische oder antike, ist doch nur charakteristisch und individuell, und imponirt uns nur dadurch, durch ihr streng Charakteristisches. Es ist ein erhöhtes Griechenthum, was uns entgegenkommt. Alles was uns imponiren soll, muß Charakter haben. Die Poesie an sich, ohne Charakter, ist ein Nonsens und nicht empirisch darzustellen. Das eigene einer jeden Landes- und Volkspoesie, besonders im Dramatischen, besteht darin, daß sie auf einem Gegensatz beruht, auf einen Gegensatz hinarbeitet, gleichsam vis à vis eines Gegensatzes sich in Bezug auf ihn heraushebt. Das Drama macht bei den Franzosen einen viel stärkern Gegensatz mit dem Leben, zum Zeichen daß ihr gewöhnliches Leben ganz davon entfernt ist. Bei den Deutschen weniger, indem sie selbst schon im Leben wenigstens naiv, gemüthlich und poetisch sind." 3./28. 8.
G. W. V. Valentini an G. H. v. Berenhorst 22. 10. 1808 (GJb 24, 79)
B 2 1093 B 3 2728
Am 3. August langte ich in Karlsbad an, und lebte daselbst fast vier Wochen (bis zum 28sten), in dem angenehmsten Nichtsthun, aber sehr glücklich . . . Unter den interessanten Fremden in Karlsbad muß ich Göthen wohl obenanstellen. Eine Bestellung, die mir der Herzog von Weimar an ihn aufgetragen hatte, verschaffte mir Eingang bei ihm, und so habe ich ihn einigemal besucht, und mich an seinem caustischen Humor, mit welchem er auch die neusten Weltbegebenheiten betrachtet, ergözt. Er ist auch der Meinung, daß nichts Neues heut zu Tage geschehe. Als ich mich über die kleinen Könige aufhielt, die aus dem Schlamm unseres Zeitenstroms erwachsen, hat er mich an den Agamemnon erinnert. Von diesem Heros unserer Dichter kann man mit Recht sagen, daß er das Leben zu genießen versteht. Er hat einen reinen Sinn für die Schönheiten der Natur, und findet Interesse an so Manchem, vor welchem man gewohnt ist gleichgültig vorüberzugehn. Seine Beschäftigung in Karlsbad, wo er sich fast den ganzen Sommer hindurch aufhält, ist Landschaftsmahlen und Mineralogie, welche beide ihn viel ins Freie hinaustreiben. Was sein Geist zu Tage fördert, das entsteht so lebendig in ihm, daß es ihn nicht an den Schreibtisch fesselt. Auch diktirt er meistens nur. 29. 8.
Tagebuch 29. 8. 1808 (WA III 3, 378)
Besuch des General Wallis zum Entsetzen von Kaaz . . . Abend Kaaz, der die letzten Zeichnungen abschnitt und Abschied nahm. 4./29. 8.
Tag- und Jahres-Hefte 1808. Paralipomena (WA I 36, 391)
Wenn ich mich nun auch dießmal nicht enthalten konnte, zwischen den Felsen von Karlsbad manche Skizze zu entwerfen und so weit es mir gelingen wollte 4./29. 8.
Vgl. die vermudich im Gespräch mit K a a z notierten Ratschläge für Tuschzeichnungen, Femmel IV A S. 36 zu Nr. 101.
521
1808
Karlsbad durchzuführen, so mußte mir die Ankunft Kaazens im September [August] höchst angenehm sein. Er theilte von seinen Fertigkeiten sehr freundlich mit was sich überliefern ließ, und indem man ihn arbeiten sah, glaubte man von seiner Leichtigkeit etwas erhäschen zu können. Tag- und Jahres-Hefte 1808 (WA I 36, 37)
Die Gegenwart Kaazens, des vorzüglichen Dresdener Landschaftsmahlers, brachte mir viel Freude und Belehrung, besonders da er meisterhaft meine dilettantischen Skizzen sogleich in ein wohl erscheinendes Bild zu verwandeln wußte. Indem er dabei eine, Aquarell- und Deckfarben leicht verbindende Manier gebrauchte, rief er auch mich aus meinem phantastischen Kritzeln zu einer reineren Behandlung. C. L. Kaaz an Goethe 10. 10. 1808 (Eing. Br. 1808, 30)
Mit dankbarer herzlicher Freude, gedenke ich täglich der schönen Stunden, die ich, durch das Wohlwollen Er Excellenz so herrlich u so lehrreich verlebte . . . Schon einigemal versuchte ich die Composition zum Prometheus, aber der Gott des Plato ist diesmal von mir gewichen . . . Mit den Farben . . . lege ich auch versprochener Masen Abdrücke von 2 hiesigen Steinschneider in Kalzedon u Karniol geschnittener Gemmen bey. Chr. G. Körner an Th. Körner 17. 9. 1808 (Weldler-Steinberg S. 34)
B 3 2732
Kaatz sprach ich vorgestern im Concert, und er erzählte mir viel von Göthe, mit dem er in Carlsbad täglich zusammen gewesen ist. Göthe ist jetzt sehr gesund und poetisch productiv. Die Pandora wird bald fertig seyn. Mit Kaatzen hat er um die Wette Landschaften erfunden, und soll viel Lust und Talent zu dieser Gattung haben. Gegen die neuere reine Poesie ohne Innhalt ist er sehr erbittert. Indessen wundert mich, wie er dabey so viel Geschmack an Wernern finden kann. 15. 5./ 30 8
Tag- und Jahres-Hefte 1808 (WA I 36, 31)
Die geselligen Persönlichkeiten in Karlsbad hatten diesen Sommer für mich ein ganz ander Wesen; die Herzogin von Kurland, immer selbst anmuthig mit anmuthiger Umgebung, Frau von der Recke, begleitet von Tiedge und was sich daran anschloß, bildeten höchst erfreulich eine herkömmliche Mitte der dortigen Zustände. Man hatte sich so oft gesehen, an derselben Stelle, in denselben Verbindungen, man hatte sich in seiner Art und Weise immer als dieselbigen gefunden; es war als hätte man viele Jahre mit einander gelebt, man vertraute einander ohne sich eigentlich zu kennen. Für mich machte die Familie Ziegesar einen andern mehr entschiedenen, nothwendigern Kreis. Ich kannte Eltern und Nachkommen bis in alle Verzweigungen, für den Vater hatte ich immer Hochachtung, ich darf wohl sagen Verehrung empfunden. Die unverwüstbar behagliche Thätigkeit der Mutter ließ in ihrer Umgebung niemand unbefriedigt; Kinder, bei meinem ersten Eintritt in Drackendorf noch nicht geboren, kamen mir stattlich und liebenswürdig heran522
1808
Karlsbad gewachsen hier entgegen; Bekannte und Verwandte schlossen sich an, einiger und zusammenstimmender wäre kein Cirkel zu finden. Frau von Seckendorff, geborne von Uechtritz, und Pauline Gotter waren nicht geringe Zierden dieses Verhältnisses. Alles suchte zu gefallen und jedes gefiel sich mit dem andern, weil die Gesellschaft sich paarweise bildete, und Schelsucht und Mißhelligkeit zugleich ausschloß. Diese ungesuchten Verhältnisse brachten eine Lebensweise hervor, die bei bedeutendem Interessen eine Novelle nicht übel gekleidet hätte. Bei einem in der Fremde miethweise geführten Haushalt erscheinen solche Zustände ganz natürlich und bei gesellschaftlichen Wanderungen sind sie ganz unvermeidlich. Das Leben zwischen Karlsbad und Franzensbrunnen, im Ganzen nach gemessener Vorschrift, im Einzelnen immer zufällig, veranlaßt, von der Klugheit der Alteren zuerst angeordnet, von Leidenschaftlichkeit der Jüngern am Ende doch geformt, machte auch die aus solchem Conflict hervorgehenden Unbilden immer noch ergötzlich, so wie in der Erinnerung höchst angenehm, weil doch zuletzt alles ausgeglichen und überwunden war. Riemer, Mittheilungen 2, 604
Er [Goethe] nahm dieses Undenische Pygmäenweibchen, wie er es auch nennt, . . . auf die Reise nach der Schweiz mit und hoffte es zusammenschreiben zu können. Es kam aber erst im Jahr 1808, unter dem Namen „die neue M e l u sine," zur völligen Erscheinung, in Carlsbad, wo es uns gemeinsam höchst angenehme Stunden verschaffte, indem auch die feine Ironie und verborgene Schalkheit nicht unvermerkt und unerörtert blieb. Tag- und Jahres-Hefte 1808 (WA I 36, 37)
Ich besuchte ihn [Joseph Müller] täglich auf dem Wege nach dem Neubrunnen zu einer immer erfreulichen belehrenden Unterhaltung.
Franzensbad 30. 8.
Tagebuch 30. 8. 1808 (WA III 3, 378)
Früh um 6 Uhr von Carlsbad weggefahren. Unterwegs über die Wahlverwandtschaften gesprochen und gedacht. . . Über landschaftliche Gründe und dergl. Mittags in Maria Culm. Über eine Geschichte im Castischen Styl und Sinne. Bey Zeiten in Franzensbrunn. Erst mit Stoll, dann mit Finkenstein, dann mit Frau von Seebach spatzieren. Riemer, Tagebuch 30. 8. 1808 (»Dtsch. Revue 11, 4 S. 33; Keil 5 S. 310)
B 2 1092 B 3 2733
Um 6 Uhr von Carlsbad weggefahren. Über die Wahlverwandtschaften und was noch zu thun sein möchte. Gegen Mittag in Maria Culm. Über eine Geschichte in Casti'schem Sinn und Geschmack und höchst moralisch. [Anm. von Keil: Riemer bemerkt dazu: erste Idee zu dem Gedichte „Das Tagebuch" 1810.] Um gute Zeit in Franzensbrunn. 523
Franzensbad
1808 31. 8.
Tagebuch 31. 8. 1808 (WA III 3, 379)
Früh am Brunnen, mit Madame Eskeles und Flies. Graf Ignaz Potocki, Moschynski. Ewiges Schwanken der Nachrichten und des Interesses. Langweilige Erneuerung der Vorfälle in Spanien. Politischer Calcül der Polen, daß die neuen Zurüstungen Ostreich gelten . . . Nach Tische in der Brunnengalerie mit Oberst von Brevem wandern. Abends merkwürdiger Sonnenuntergang. Hernach zu Frau von Eskeles zum Thee. Finkenstein, Graf Moschynski, Vater und Sohn, Engländer Smith. Riemer, Tagebuch 31. 8. 1808 (Dtsch. Revue 11, 4 S. 33)
B3 2734
Die Wahlverwandtschaften gelesen. Abends mit Goethe an den Brunnen auf und ab. Uber Fichtes Reden. 31. 8. (?)
Riemer (»Pollmer 1 S. 296; G S A , Riemer 685, 2)
B 3 2735
Bey Leetür v. Fichtens Reden an die deutsche Nation. Franzensbrunn, Sept. 1808. [Goethe:] „Die Menschen werden weit mehr von der Sprache gebildet denn die Sprache von den Menschen." „Bey dem, der ein fremdes Wort braucht, sieht man nicht recht eigentlich, wie er's meynt. Denn erstlich nimmt er das fremde Wort, das in der Ursprache doch eine unmittelbare Verständlichkeit und Bestimmtheit hat, in seiner subjectiven Undeutlichkeit und erregt auch bey dem Leser wieder ein Dunkles." 1. 9.
Tagebuch 1. 9. 1808 (WA III 3, 379)
Früh am Brunnen mit verschiedenen Gästen, Stoll, Frau von Eskeles und Flies, Frau von Seebach. Hernach zu Frau von Eskeles zum Dejeuné, wo der junge Graf Finkenstein und Frau. Als diese weg waren über Frau von Stael. Hernach Dr. Warburton und Graf Finkenstein der Vater . . . Abends bey Frau von Eskeles zum Thee und Abendessen. Riemer, Tagebuch 1. 9. 1808 (*Dtsch. Revue 11, 4 S. 33; Keil 5 S. 310)
B 3 2736
Mit Goethe zur Frau v. Eskeles, wo Graf Finkenstein. Uber Frau v. Staël; Diatribe der Eskeles gegen ihre Schönheit. Nach Hause. Den Park aus den Wahlverwandtschaften entworfen. Mit Goethe zum Kammerbühl. 2.9.
Tagebuch 2. 9. 1808 (WA III 3, 380)
Mittags bey Frau von Eskeles mit Ignaz Potocki, Graf Moschynski, Obersten von Brevem und Fräulein Schumacher. Nach Tische Geschichten der zerstreuten Personen: eines jungen polnischen Frauenzimmers, in deren Gegenwart man die zweite Heirath ihres Vaters mißbilligt, die aber dieses Mannes Partei nimmt und ausruft: Ja wenn er noch Kinder hätte. Femer eines Herrn von Seckendorf, der, indem seine Frau in den Wochen liegt, bey verschiedenen Freunden in der Reihe zu Gaste speist und einmal sich gegen die Gesellschaft, als sie aufstehen, entschuldigt, daß sie so schlecht gegessen haben, weil seine Frau in Wochen liegt. Gegen Mittag kam Graf Moschynski zu mir und unterhielt sich über mancherley Gegenstände. Alsdann zeigte er mir bey sich 5 große Edelsteine: Brillan524
1808
Franzensbad ten, Topas, Smaragd und orientalischen Rubin. Hübsche Einrichtung das Futteral in Form eines Buchs zu haben. Geschichte wie dadurch sein sämmtlicher Schmuck bey der Insurrection von Krakau gerettet worden . . . Ein Italiäner, als man sich wundert, daß die neue Kaiserin sich so gut gegen jedermann betrage, ob sie gleich sehr still erzogen worden, ruft aus: Eh, Signori, non contate per niente la gran fortuna, di non aver mai inteso una bestialità. Abends bey Frau von Eskeles zum Thee und Abendessen.
3. 9.
Tagebuch 3. 9. 1808 (WA III 3, 381)
Mittag bey Frau von Eskeles mit Frau von Bibra, Herrn von Schönfeld dem jüngeren, Graf Finkenstein Vater, Sohn und Tochter. Nach Tische spatzieren. Die Frau von Seebach angetroffen. Nachher einige Besuche. Bey Frau von Matt, wo vieles über den Herzog von Gotha gesprochen wurde. Gegen 9 Uhr zu Frau von Eskeles. Allein. Kam Herr von Schönfeld, der die Händel des General Meyer mit dem Uhlanenofficier erzählte. Riemer, Tagebuch 3. 9. 1808 (Dtsch. Revue 11, 4 S. 33)
Goethe diktierte mir seine Hypothese über den Kammerbühl. 4. 9.
Tagebuch 4. 9. 1808 (WA III 3, 381)
Mit Graf Moschynski dem jüngern über die Franzosen in Warschau. Mit Ignaz Potocki. Zuletzt las Graf Finkenstein einen artigen dramatischen Epilog von Tieck vor, geschrieben zur Aufführung eines Holbergischen Stückes. Mittag bey Frau von Eskeles, wo Fräulein von Matt und Frau von Bibra und Graf Finkenstein . . . Abends in derselben Gesellschaft. Bey Gelegenheit der Händel des Uhlanenofficiers mit General Meyer kamen die Duelle zur Sprache. Riemer an C. F. E. Frommann 4. 9. 1808 (Heitmüller S. 129)
G. ist wohl und grüßt schönstens. Riemer an B. R. Abeken 4. 9. 1808 (GMD, Slg. Redslob)
Sagen Sie Ihrem Freunde [Anm. Abeken: Solger, der durch mich seinen Sophocles Goethe'n hatte überreichen lassen.] für das Geschenk seiner Uebersetzung den schönsten Dank vom Herrn Geheimerath von Goethe und auch von mir, und entschuldigen Sie gefälligst erstem, wenn er es nicht schriftlich gethan hat. Er war verreis't als das Paket ankam, und nachher drangen soviel Geschäfte und Abhaltungen ein, daß wir nicht dazu kommen konnten . . . G. grüßt gleichfalls. 5. 9.
Tagebuch 5. 9. 1808 (WA III 3, 382)
Mittags bey Frau von Eskeles zu Tische mit Frau von Bibra. Graf Finkenstein kam verschiedene Male, Abschied zu nehmen. Nach Tische nach verschiedenen Hinderungen Leetüre von der pilgernden Thörin. Abends . . . Bey Frau von Eskeles, wo wir die Polen fanden, unter andern Fräulein Dembinska, die artig deutsch sprach. 525
1808
Franzensbad Riemer, Tagebuch 5. 9. 1808 (Keil 5 S. 310)
Las Goethe bei Frau v. Eskeles die Pellegrine vor. Mit ihm spazieren auf die Eger-Chaussee, bei Mondschein zurück. 6. 9.
Tagebuch 6. 9. 1808 (WA III 3, 382)
Mittags zu Frau von Eskeles mit Herrn Silm von Hamburg und Rittmeister von Schilling. Des letztern Klage über den Mangel an Polizey und Sittlichkeit in Italien. 7. 9.
Tagebuch 7. 9. 1808 (WA III 3, 383)
Mittag bey Frau von Eskeles mit der polnischen Gesellschaft. Nach Tische zur Galanteriehändlerin, Mad. Ducas, ihre Waaren besehen. Abends zu Frau von Eskeles zum Thee. Viele Erzählungen von Ignaz Potocki mitgetheilt. Er assistine beym Abendessen und fuhr mit Erzählen fort. Geschichte der Stieftochter des jungen Grafen Moschynski, die ein Packetchen von ihren Ohrringen und anderen kleinen Bijoux machte, um einen Gegner ihres Vaters zu bewegen, daß er in einer vorgefallenen Ehrensache Abbitte thun solle. Besuch der Fürstin Czartoryska bei dem Pascha von Chozim und den türkischen Gebräuchen. 8. 9.
Tagebuch 8. 9. 1808 (WA III 3, 383)
Zu Mittag bey Frau von Eskeles mit den Frauenzimmern von Eger und dem Major von Arnim und seiner Frau . . . Abends bey Frau von Eskeles zum Thee. Ward ein Feuerwerk gegeben. Nachher die neue Melusine und einige meiner Sonette vorgelesen. Riemer, Tagebuch 8. 9. 1808 (Keil 5 S. 310)
An dem Aufsatz über den Kammerberg. Schöner Abend. Mit Goethe bei Frau v. Eskeles zum Thee. Feuerwerk. Goethe las die neue Melusine und die Sonette von ihm vor. 9. 9.
Tagebuch 9. 9. 1808 (WA III 3, 384)
Mittags auf die Kammer gefahren. Dort in Gesellschaft gegessen, Frau von Alvensleben und Tochter, Geh. Rath preußischer Consul in Riga, von Arnim und Frau. Abends . . . Zu Frau von Eskeles, wo ich Graf Pergen traf. Später kamen die Moschynskis. Riemer, Tagebuch 9. 9. 1808 (Keil 5 S. 310)
Mit Goethe nach dem Kammerbühl und diesen umschritten. 10. 9.
Tagebuch 10. 9. 1808 (WA III 3, 384)
Mittags bey Frau von Eskeles mit Graf Pergen. Nach Tische mit ihnen auf die Einsiedeley von Liebenstein. Zu Fuße in das Thal herunter. Alsdann über den 526
1808
Franzensbad Kammerberg nach Hause. Abends dieselbe Gesellschaft. St. Joseph den Zweyten vorgelesen. Viele Wiener und andre Weltgeschichten. Pater Fuhrmann Ostreichische Chronik. Kasten mit Mineralien an den Brunneninspector [Musili] übergeben zur Versendung nach Gera. Riemer, Tagebuch 10. 9. 1808 (Keil 5 S. 311)
Mit Goethe zu Frau v. Eskeles, nach der Eremitage von Liebenstein gefahren. Prächtige Granitblöcke voll Kreuzcrystalle. Basalte. Abends zurück. Zum Thee dort. Las Goethe den neuen Joseph vor und die Flucht nach Ägypten. 11. 9.
Tagebuch 11. 9. 1808 (WA III 3, 384)
Bey Graf Moschynski, dessen Ringe und geschnittene Steine gesehen, unter welchen letzteren ein antiker Faun sehr schön. Unter den erstem ein gelber und blaulicher Brillant, ein schöner Saphir und Smaragd, Rubin, Hyacinth, Opal u. s. w. Den Faun im Abdruck studirt. Mittags beym Graf zu Tafel, mit dessen Neveu und Familie, Graf Pergen, Frau von Eskeles und Frau von Flies nebst andern. Viele Geschichten, besonders von nachgemachten Weinen, disträten Personen, Irrungen; letzteres bey Gelegenheit, daß der alte Graf Moschynski ein Frauenzimmer von hinten für seine Nièce angesehen und ihr mit dem Nagel über den Rücken gefahren und ihr das Kleid zerschnitten. Geschichte von dem Polen, der eine Dame, die er in seiner Frauen Zimmer antrifft, für seine Frau hält; die Dame, die ihn nicht kennt, hält ihn für närrisch, springt auf den Tisch; er wird's gewahr und fällt vor dem Tisch auf die Knie. Sie wird nur noch mehr in ihrem Wahne bestärkt. Abends bey Frau von Eskeles mit Graf Moschynski und Graf Pergen. Geschichte der Ermordung Paul I. und andre dergl. 31. 8./ 11.9.
Eleonore Flies an Goethe 30. 4. 1 8 1 0 (SchrGG 18, 255)
. . . wo ich mir mit meiner Schwägerinn Eskeles die frohen in Ihrer Gesellschaft zu Eger verlebten Stunden zurückruffe . . . A. v. Maltitz, Einige Minuten mit Goethe (Abendzeitung a. d. Jahr 1840 Nr. 229 Sp. 1830)
B 3 6672
Im Franzensbad beobachtete ich ihn [Goethe] . . . 1808 eine Zeit lang, während er, an ein Fenster gelehnt, eines Gespräches pflog und sein unvergleichliches Haupt im Profil die kühnsten und erhabensten seiner Züge wies; damals kannte ich schon seine Iphigenia und meinte, er müsse nicht anders als in Jamben sprechen. 15. 5./ 11. 9.
J. H. Lawrence an Goethe 18. 8. 1809 (Scott S. 25)
Als neulich in Wien mein Nähme von ohngefahr in der Gesellschafft ausgesprochen wurde, fragte mich eine Dame, ob ich ein Buch [L'Empire des Nairs] nicht geschrieben hatte, das sie den vorigen Sommer zu Töplitz [vielmehr: Karlsbad oder Franzensbad] von Göthe hatte loben hören. 527
1808 12. 9.
Franzensbad Tagebuch 12. 9. 1808 (WA III 3, 385)
Graf Moschynski nahm noch Abschied. Gegen 6 Uhr von Franzensbrunn abgefahren. Franzensbad — Jena Tagebuch 12. 9. 1808 (WA III 3, 385)
Mittag gehalten in Re[h]au. Erinnerung an die Anekdoten, die die Tage her erzählt worden. Nach 3 Uhr in Hof. Handwerksliedchen [Der Goldschmiedsgesell]. Zu Büttner . . . Spatzieren um die Stadt. Riemer, Tagebuch 12. 9. 1808 (Dtsch. Revue 11, 4 S. 33)
Früh von Franzensbrunn über Asch nach Hof. Dort gegen Abend eine Promenade um die Stadt. Machte Goethe abends ein Lied aus Anlaß des englischen, das mir die Frau von Fließ gegeben. 13. 9.
Tagebuch 13. 9. 1808 (WA III 3, 385)
Gegen 11 Uhr in Schleiz angekommen. [Mit Riemer] Uber die Liederbibel. Uber die Societät, in Franzensbrunn verlassen . . . Gegen 6 Uhr nach Neustadt, welches der Kutscher verkannte und vorüberfuhr. Geschickter Harfenspieler, der sich im Billardzimmer hören ließ. Jena 14. 9.
J. D. Färber, Kalender 14. 9. 1808 (UB Jena, Nachl. Martin q 20)
Sind der Herr Geh. Rath v. Göthe von der Carlsbader Reise hier eingetroffen, logirten in der Sonne. Tagebuch 14. 9. 1808 (WA III 3, 386)
Zu Major von Knebel; nach Tische zu Major von Hendrich; in's Cabinet, wo die neue Ordnung sehr gefällig eingerichtet. Hernach zu Dr. Seebeck, zu Frommanns, vorher in dem botanischen Garten. Sodann zur Geheimräthin Loder. Unterwegs Frau Hofrath Seidensticker gesprochen. Abends zu Knebel. Uber mancherley litterarische Neuigkeiten, Frau von Stael, Pandora, Sylbenmaße u. s. w. Riemer, Tagebuch 14. 9. 1808 (»Dtsch. Revue 11, 4 S. 33; Keil 5 S. 311)
In Jena nach 1 Uhr angekommen und in der Sonne abgestiegen. Zu Frommanns, Hendrich. Bei Knebel mit Goethe. Uber Pandora, Staël, Schlegel, Metrik, Franzosen, Spanier u. dgl. Knebel, Tagebuch 14. 9. 1808 (GSA, Nachlaß Knebel)
Mittags 1. Uhr Göthe hier, kommt vom Karlsbad . . . Göthe u Riemer Abends hier. 528
Jena
1808 15. 9.
Tagebuch 15. 9. 1808 (WA III 3, 386)
Früh nach Drakendorf. Johannes Müllers Rede beym Schluß des westphälischen Landtags. Gerücht wegen Ankunft Napoleons. Gegen Abend herein. War meine Frau angekommen. Nachrichten von Weimar und sonst. Riemer, Tagebuch 15. 9. 1808 (Dtsch. Revue 11, 4 S. 33)
Fuhr Goethe nach Drackendorf. Kam die Frau Geh. Rätin. Boten an Goethe expediert. Gewartet bis gegen 6, wo Goethe und die Schopenhauer kam. 16. 9.
Tagebuch 16. 9. 1808 (WA III 3, 386)
Zu Fuchs. Besichtigung des neu anzulegenden Saales. Botanischer Garten. Neues Glashaus. Mit Professor Voigt in das ehemalige Batschische Haus. Was er bisher geleistet, gesehen. Unterhaltung über diese Dinge. Zu Mittag mit Mad. Schopenhauer gegessen. Nach Tische Seebecks; mit ihnen in's Cabinet. Zu Geh. Rath Loder. Abends bey Knebels. Riemer, Tagebuch 16. 9. 1808 (Keil 5 S. 311)
Aufs Cabinet zu Lenz, wo Goethe hinkam. Mittags zusammen mit der Schopenhauer in der Sonne, sehr lusdg. Mit Goethe und ihr zu Knebels. Knebel, Tagebuch 16. 9. 1808 (GSA, Nachlaß Knebel)
Abends Göthe u. Frau hier u. H. Riemer zum Essen. 17. 9.
Tagebuch 17. 9. 1808 (WA III 3, 387)
Früh Rentamtsadministrator Kuhn wegen der Museumsrechnungen. Knebel, Tagebuch 17. 9. 1808 (GSA, Nachlaß Knebel)
Göthe reist ab nach Weimar. J. D. Färber, Kalender 17. 9. 1808 (UB Jena, Ñachi. Martín q 20)
Sind der Herr Geh. Rath v. Göthe wieder nach Weimar abgereist. Weimar Tagebuch 17. 9. 1808 (WA III 3, 387)
Gegen 1 Uhr angekommen. Theatralischer Aufputz des Hauses. Sonstiger Empfang . . . Abends . . . Ständchen. Riemer, Tagebuch 17. 9. 1808 (Dtsch. Revue 11, 4 S. 33)
B 3 2737
Gegen Eins in Weimar. Hatten die jungen Schauspieler die Treppe dekoriert. Nachricht, daß Napoleon nach Erfurt komme, bestätigt. Brief von Frankfurt, der den Tod von Goethes Mutter meldete. Betrübnis der Geh. Rätin darüber. Riemer an C. F. E. Frommann 21. (?) 9. 1808 (Heitmüller S. 129)
B 2 1095 B 3 2738
Glücklich wären wir nun wohl angekommen u. auch freundlich aufgenommen! Die jungen Schauspieler hatten die Treppe mit Teppichen u. Blumengewinden 529
1808
Weimar und Orangerie geschmückt, das einen sehr guten Anblick machte. G. war sehr erfreut. Den Nachmittag aber kam die Trauerpost, daß seine Mutter gestorben sey. Es hat ihn natürlich sehr betrübt; und wir vermeiden alles, was den Schmerz in ihm erneuern kann. Sonst ist er wohl u. es hat keine körperlichen Folgen gehabt, so viel ich wenigstens weiß. Chr. A. Vulpius an A. v. Goethe 21. 9. 1808 (GJb 10, 17)
B 2 1095 a Β 3 2740
Du wirst früher als wir die Nachricht von dem Tode Deiner Großmutter am 13. d. M. erhalten haben. Hier, traf sie am 17tcn ein, gerade an dem Tage, als dein Vater hieher zurück kam. Das Haus war mit Kränzen, Guirlanden, Teppichen behangen, mit Orangeriebäumen besetzt, und die Fußboden mit Blumen bestreut. Nach Tische mußte es Deinem Vater gesagt werden. Er war ganz hin. — Vater und Mutter gehen in tiefster Trauer . . . Dein Vater ist recht wohl aus dem Bade gekommen, schmal, und sine Bauch. Er bewegt sich viel leichter. Riemer an A. v. Goethe 21. 9. 1808 (GJb 10, 18)
B 2 1095 b B 3 2741
Der Vater obgleich von der Nachricht getroffen, ist doch wohl und wenigstens in unsrer Gegenwart heiter. Auch freut er sich, daß von Ihnen gute Nachrichten einlaufen, und Sie selbst durch Ihre Briefe sich legitimiren, ausgenommen die Orthographie und Calligraphie. 18. 9.
Tagebuch 18. 9. 1808 (WA III 3, 387)
Früh bey Durchlaucht dem Herzog, wo die Nachrichten von Ankunft des Erbprinzen so wie der beyden Kaiser sich bestätigten und näher bestimmten. Zu Durchlaucht der Prinzeß. Nachher zu Tische mit den jungen Schauspielern und dem Concertmeister [Destouches]. Gegen Abend zu Herrn von Wolzogen, dessen mitgebrachte Sachen besehen, an Münzen u. s. w. Abends Hofrath Meyer: über die geschnittenen Steine, über d'Alton, die Münchner KunstacademieEinrichtung u. s. w. Henriette v. Knebel an Knebel 21. 9. 1808 (Düntzer 4 S. 343)
B 2 1096 B 3 2739
Goethe hat die Prinzeß besucht. — Seine Mutter ist gestorben, doch spricht er nicht gerne davon. Riemer, Tagebuch 18. 9. 1808 (Keil 5 S. 316)
Mittags zu Tisch die jungen Schauspieler, Wolff und seine Frau. 18. (?) 9.
K. Eberwein, Das Personal der Weimarischen Bühne unter Goethe (Europa 1857, Sp. 581)
Goethe liebte dies Kind [Corona Becker] und erkannte seine Talente. Er ließ sie in einigen kleinen Rollen auftreten und war voll Hoffnung, daß sie dereinst in die Fußstapfen ihrer unvergeßlichen Mutter [Christiane Becker] treten werde. Als man ihm berichtete, Corona Becker, die kaum das vierzehnte Jahr überschritten, sei von ihrem Ciavier- und Singlehrer [F. Werner] entführt, und werde sich mit ihm verbinden, gerieth er in grenzenlose Wuth. Nach vollzogener Trau530
Weimar
1808
ung wollte sich das junge Brautpaar dem Geheimrath präsentiren und um seine fernere Gewogenheit bitten; Goethe aber nahm es nicht an. Charlotte v. Stein an F. v. Stein 1. 10. 1808 (GSA, Stein 107)
Das Goethens mutter gestorben wirst D u wohl wißen; was ihm weh thut davon spricht er nicht, und so konte ich ihm auch nichts drüber sagen, ich hörte er sey nach Erfurth weil ihm der directeur des französchen Theaters gebeten Wallensteins Lager so übersezt ist dort anzuordnen, vielleicht ist's aber nur eine Sage, den seine Meinung war nicht nach Erfurth zu gehen. 19. 9.
Tagebuch 19. 9. 1808 (WA III 3, 387)
Besuche von verschiedenen Personen. Mittags allein. Riemer, Tagebuch 19. 9. 1808 (Keil 5 S. 311)
Früh zu Goethe. Briefe an Zelter und sonst. 20. 9.
Tagebuch 20. 9. 1808 (WA III 3, 387)
Zu Frau Gräfin Henkel, zu Hofrath Meyer, auf die Bibliothek. Vorher Legationsrath Bertuch. Mittag Legationsrath Falk. Er erzählte viele Geschichten von Berlin und sonstigen französischen Dingen. Blieb lange nach Tische. Abends zu Fräulein Gore . . . Abends Hofrath Meyer. Uber die Angelegenheiten der Zeichenschule, d'Alton und sonst. Riemer, Tagebuch 20. 9. 1808 (Keil 5 S. 312)
Mittags speiste Legationsrath Falk [bei Goethe]. Erzählte viel von Beri. Theater, Oper Armida [von Gluck], daß das Lustspiel, der Inhalt desselben sich pantomimisch darstellen lasse, über Frau v. Staël, daß es ihr nur darum zu thun, ihre Rhetorik anzubringen. Verwechselt Hexameter und Jamben und entschuldigt sich, beides ja presque Prose. 21. 9.
St. Schütze, Tagebuch 21. 9. 1808 ( * J S K N F 4, 103; G M D )
Goethen im Park gesprochen. S. Mutter ist gest. Die G. will nach Frkt. 22. 9.
Tagebuch 22. 9. 1808 (WA III 3, 388)
Besuch bey Frau von Schiller und Dem. Jagemann . . . Mittags Dem. Engels und Herr Unzelmann zu Tische. Abends Hofrath Meyer. Charlotte v. Schiller an Cotta 22. 9. 1808 (Fehling S. 43)
B 3 2742
Goethe ist wohl gewesen diesen Sommer, er ist nun wieder hier. Jetzt hat er einen Verlust erlitten, der ihn sehr schmerzt, er hat seine Mutter verloren. Sie war eine vorzügliche Frau, so geistreich, und kräftig. 17./22. 9. B. R. Abeken an F. C. Krause 22. 9. 1808 (GSA, Abeken III 5, 3)
Göthe ist seit e. paar Tagen wieder hier, u. wohl. Seine Mutter ist gestorben, was ihn sehr bewegt haben soll. 531
1808 23. 9.
Weimar Tagebuch 23. 9. 1808 (WA III 3, 388)
Mittags Dem. Elsermann und Engels, Sophie Teller. 24. 9.
Riemer, Tagebuch 24. 9. 1808 (Keil 5 S. 312)
Mittags allein [mit Goethe]. Uber die Ankunft des Kaisers Alexander und Constantin pp. 25. 9.
Tagebuch 25. 9. 1808 (WA III 3, 389)
Mittags bey Hofe. Kam Kaiser Alexander zwischen 6 und 7. Gegenwärtig waren der Herzog von Oldenburg und der Prinz von Mecklenburg-Strelitz. (vor?) 26 9
H. Meyer an E. d'Alton 26. 9. 1808 (Gaedertz 2 S. 134)
B 2 1096 a Β 3 2744
Goethe erwartet Sie mit nicht weniger freundlicher Gesinnung als ich; es ist ihm leid gewesen, Sie in Jena nicht gesehen zu haben. 26. 9.
Tagebuch 26. 9. 1808 (WA III 3, 389)
Mittags bey Hofe. Große Tafel. Nachher durch den Erbprinzen dem Kaiser vorgestellt, der sich auf eine sehr freundliche Weise nach Wielanden erkundigte. Die Bekanntschaft von Graf Romanzow erneuert. Auch war der Bruder der Marschallin Lannes [Ch. L. J. O. Guéhéneuc] zugegen. 27. 9.
Tagebuch 27. 9. 1808 (WA III 3, 390)
Mittags bey Hofe, wo der Herzog von Oldenburg, die Prinzen von Mecklenburg-Schwerin und Strelitz gegenwärtig waren. Nachher zu Frau von Wolzogen und Frau von Stein. Abends auf dem Hofball. Merkwürdige Unterredung mit Herrn Grafen von Schlitz, der als Mecklenburgscher Gesandter in Paris gewesen war und eine vollkommen richtige Ansicht der Dinge gewonnen hatte. Bekanntschaft mit Herrn von Reck von Erfurt.
25. 9.
Fourierbuch 25. 9. 1808 (HSTA Weimar) Mittag . . . Herzogl. Tafel! im gr. Saal! 1. Ser ma ' 2. Dl. Prinzeß . . . 11. Gw. Ct. 12. S c Kaiserl. Höh. d. Gr. Fürst Constantin 13. Dl. Herzog v. Oldenburg 14. Dl. Erbprinz v. Schwerin 15. Dl. Fürst Wolkonsky 16. Hr. Graf Oserofsky 17. Hr. Minister Speransky 18. Hr. Gen. Maj. Hydrow. 19. Hr. Gen. Adj. Alsuffiew 20. Hr. Oberstm. v. Gall 21. Hr. Chr. v. Oerz 22. Hr. Chr. v. Stein . . . 31. Hr. geh. Rath v. Goethe 32. Hr. geh. Rath v. Voigt 33. Hr. geh. Rath v. Schardt 34. Hr. Canzler v. Wolfskeel.
26. 9.
Fourierbuch 26. 9. 1808 (HSTA Weimar) Mittag . . . Herzogl. Tafel! im gr. Saal. 11. Gw. Cts. 12. S c Maj. der Kaiser, v.R. . . . 14. Hr. Gf. Tolstoi 15. Hr. Fst. Gallizin 16. Hr. Fst. Wolgonsky 17. Hr. Gf. Romanzow 18. Hr. Gf. Oserofsky. . . 20. Hr. Gen. M. v. Hydrof 21. Hr. Gen. Adj. v. Alusiew 22. Hr. Adj. v. Arackschiew 23. Dl. Herzog v. Oldenburg 24. Hr. Oberstallm. v. Gall 25. Dl. Erbprinz v. Schwerin . . . 33. Hr. Fürst Gagarin 34. Hr. Staatsr. u. Cons. Bethmann 35. Mr. le Colonel Charavague 36. Hr. geh. R. v. Goethe 37. Hr. geh. R. Voigt.
27. 9.
Fourierbuch 27. 9. 1808 (HSTA Weimar) Mittag . . . Herzogl. Tafel! 3. Fürstl. Psn! . . . 13. Gw. Cts. 14. Ihro K. H. die Frau Herzogin Louis v. W[ürttember]g. 15. Hofdame v. Wittenhof 16. Hr. Graf Schaliot 17. Dl. Herzog v. Oldenburg 18. Dl. Erbprinz v. Schwerin 19. Dl. Prinz P a u l . . . 22. Dl. Prinz v. Meckl. Strelitz 23. Hr. Graf v. Schlitz 24. Dl. Prinz Leopold von Coburg . . . 34. Hr. geh. R. Voigt 35. Hr. geh. R. v. Goethe.
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Weimar
1808 27. 9. (?)
Κ. v. Stein, Goethe (Wahl 2 S. 15)
B 3 2743
Bey meinen Besuchen in Weimar von Braunschweig und Mecklenburg aus kam ich nicht offt zu ihm. Er hatte statt früherer Herzlichkeit als Doctor und Legationsrath, nun als Geheimrath und weit gefeyerter Mann, so eine Geheimrathsfeyerlichkeit angenommen, die, wenn gleich mit Freundlichkeit vermischt, mich von ihm entfernte. Das gewohnte Du hatte er in zeremonieuses Sie verwandelt. Doch erinnere ich mir nur einmal, als eben seine Mutter gestorben war, daß er mir etwas herzlich sagte, indem er mich sehr ernst anblickte: „Lieber Karl, haben Sie denn nicht ein freundlich Wörtchen für mich?" Er hatte sich angewöhnt, bey den vielen Besuchen, die er von Neugierigen empfieng, immer auf der Hut zu seyn, nichts zu sagen, was von denen, die sich gern rühmten, Göthen gesprochen zu haben, gemißdeutet ins Publicum gebracht, ja offt gedruckt erschien. Ich fand mich daher bey ihm nicht mehr einheimisch, sondern fremd und unbehaglich, obgleich er meiner Frau und mir ein Exemplar von seinem Hermann u. Dorothe zuschickte. 28. 9.
Tagebuch 28. 9. 1808 (WA III 3, 390)
Mittags Mad. Wolff zu Tische. Riemer an C. F. E. Frommann 28. 9. 1808 (Heitmiiller S. 134)
B 3 2745
G. wünscht noch ein vollständiges Exemplar auf Druckpapier von seiner Farbenlehre, beyder Theile, zu haben u. bittet darum mit nächstem. 29. 9.
Riemer, Tagebuch 29. 9. 1808 (Dtsch. Revue 11, 4 S. 33)
B 3 2746
Wurde der Geh. Rat. per express nach Erfurt gerufen. Konnte er gegen 6 Uhr Pferde erhalten. Sept. (?)
K. L. V. Woltmann an J. Smidt 1. 10. 1808 (GJb 6, 116)
B 2 1094 B 3 2 8 1 0
Herr ν Goethe trägt sich mit der Idee, in dem bevorstehenden Winter einen Kongress ausgezeichneter deutscher Männer in Weimar zu Stande zu bringen, damit sie über Gegenstände der deutschen Kultur sich gemeinschafdich berathen. Eben in diesem Zeitpunkt, wo Deutschland sich aufgelöset und seine Art von einem fremden Seyn gedrängt fühlt, ist es vorzüglich rathsam die Bande der deutschen Kultur und Literatur, wodurch wir bisher einzig als eine Nation bewahret sind, auf alle Weise fest zusammenzuziehn. Erfurt 30. 9.
Tagebuch 30. 9. 1808 (WA III 3, 390)
Früh bey Serenissimo. Herzog von Dessau. Derselbe zur Tafel, ingleichen Prinz Wilhelm von Preußen, Herzog von Oldenburg, Homburg und Suiten. Mein Nachbar war Herr von Golz. Uber Paris. Britannicus. Nachher zu Frau von Reck. Minister Maret, Graf Schlitz u. s. w. 533
1808
Erfurt F. v. Müller, Mémoire für Talleyrand 6./12. 10. 1808 (GJb 15, 20)
Mr. de Goethe étant venu de Weimar à Erfort pour profiter du théâtre franpois, eut l'avantage de se trouver un soir en société avec son Excellence Msr. Maret, Ministre Secretaire d'Etat. Le lendemain, Msr. Maret fit chercher Msr. de Müller, Envoyé de la Cour de Weimar, pour lui dire, que Sa Majesté L'Empereur et Roi, ayant appris, que Msr. de Goethe étoit à Erfort, avoit marqué le désir de le voir à l'heure de Son dejeuner le jour suivant. Cette nouvelle étoit d'autant plus heureuse pour Msr. de Goethe, que sa modestie lui n'avoit point permis l'espérance d'être presenté à L'Empereur, tout vivement qu'il desiroit au fond de son coeur d'approcher du Héros de notre Siècle. F. V. Müller, Erinnerungen aus den Kriegszeiten (F. v. Müller 3 S. 236)
B 2 1097. 1098 B 3 2748
Der Herzog berief in diesen Tagen unsern Goethe nach Erfurt, der, nach seiner eigenthümlichen Sinnesweise, sich bisher ganz fern gehalten hatte. Es war mir gelungen, eine bequeme Wohnung in der Nähe des Herzogs aufzufinden, und Goethe blieb mehrere Tage in Erfurt. Das französische Theater gewährte ihm unsäglichen Genuß, und es war höchst interessant, ihn nach jeder Vorstellung noch Stunden lang bei dem Herzog über die Eigenthümlichkeiten der französischen Tragiker und dramatischen Künstler sprechen zu hören. Er war dabei stets in der höchsten Aufregung, voll Feuer und hinreißender Beredtsamkeit. Bei Frau von der Recke lernte er den Minister Maret kennen, auf den er einen außerordentlichen Eindruck machte, und der davon dem Kaiser erzählte, worauf Napoleon ihn sogleich am 2. October zu sich einladen ließ. W. v. Wolzogen, Protokoll einer Programmbesprechung mit Goethe u. a. für den Napoleonbesuch am 7. u. 8. 10. 1808 (Ztschr. Ver. thür. Gesch. 45, 330)
Auf dem Punkt, wo des Kaisers Napoleon Majestät den 13. Oct. 1806 bivouacquirt haben (Bauinspector Götze zu Jena muß den Platz angeben), sind die Zelte Sr. Durchlaucht des Herzogs aufgeschlagen. Der Geheime Rath von Göthe wird sich an Ort und Stelle begeben und die Placirung der Zelte noch anher bestimmen, wie auch was etwa sonst noch von Decorationen anzubringen wäre, besorgen. Biographische Rinzelnheiten. Unterredung mit Napoleon (*WA I 36, 270; Blumenthal S. 272)
Den 30. bey demselben [dem Herzog] große Tafel. Abends Britannicus. Sodann bey Frau von Reck großer Thee. Minister Maret. H. Graf v. Schütz, Denkwürdigkeiten (Rolf S. 139)
Indessen die Kronenträger sich beantlitzten, zu erforschen suchten, lebten Die, welche in dem Gefolge derselben sich befanden, der Geselligkeit. Der Preußische Präsident von der Recke hatte sich und die Seinigen in einige kleine Kammern seiner Wohnung zurück gezogen, und in den übrigen ebenso kleinen Zimmern versammleten sich nun jene. Im bunten Gemische, dem Vaterlande, der Partei, dem Alter, dem Berufe nach, erblickte man dort Politiker, Gelehrte, Krieger, Dichter, Maret Bassano und Goethen. Frau v. d. Recke, schön und gut 534
1808
Erfurt (belle et bonne), wie es eine Evens-Tochter nur sein kann, war der Magnet, welcher die Zuströmenden anzog. Κ. V. Stein, Goethe (Wahl 2 S. 14)
B 3 2747
Auf dem Congreß zu Erfurth befand ich mich mit ihm und zahlreicher Gesellschafft den Abend um 12 Uhr zum Thee bey Frau v. der Reke, als Maret oder der Herzog v. Bassano dazu kam. « Je suis bien charmé de faire votre connoissance » sagte Maret zu ihm, « il y a bien longtemps depuis que je l'ai désiré. » Darauf frug er ihn, wie ihm das französische Theater gefiel, was Napoleon hatte kommen laßen, und ob er Talma oder, ich weiß nicht mehr wie die actrice hieß, den Vorzug gäb. Göthe antwortete, sie wären jedes so originel, daß er sich über keinen Vorzug entscheiden könnte. Er nahm darauf Göthen mit sich auf ein Sopha hinter dem Theetisch, wo ich wegen dem Lerm der Gesellschafft nichts weiter von ihrem Gespräch hören konnte. 1. 10.
Tagebuch 1. 10. 1808 (WA III 3, 390)
Ging meine Frau durch Erfurt. Zu Serenissimo. Nahm der Herzog von Dessau Abschied, der bey Napoleon gefrühstückt und dessen Unterredung mit Talma angehört hatte. Zu Tafel bey Champagny. Tischnachbar Bourgoing. Zaire. Gräfin Henkel zum Schauspiel. Biographische Einzelnheiten. Unterredung mit Napoleon (*WA I 36, 270; Blumenthal S. 272)
Den 1. Lever. Statthalterey, Treppe, Vorsaal und Zimmer. Geschwirre durchaus. Das allbekannte Locale und neues Personal. Gemisch. Alt und neue Bekannte. Dichter als Prophet. Scherzhaft angeregt. Der Fürst von Dessau blieb zur Audienz. Viele versammelten sich im Geleitshause. Der Fürst kommt zurück und erzählt eine Scene zwischen dem Kayser und Talma, welche Mißdeutung und Geklatsch veranlassen konnte. Speißte bey Champagny. Mein Tischnachbar war Bourgoin. Pauline Gotter an Luise Gotter o. Dat. (E. Waitz S. 15)
Von Jena und Weimar sind große Wallfahrten nach Erfurt angestellt worden. Goethe ist ganz besonders dazu eingeladen worden und hat mit Orden und Sternen und Bändern in der Kirche sehr stattlich gesessen um den Alten [? Altar ?] herum mit den übrigen Gästen. Seine Vulpiade soll sich statt dessen sehr profan auf der Kanzel ausgenommen haben und hat allen Anwesenden ein Ärgernis abgegeben. So erzählte uns wenigstens Koethe, der in Erfurt war. 535
1808 2. 10.
Erfurt Tagebuch 2. 10. 1808 (WA III 3, 391)
Zum Lever. Nachher beym Kaiser. Tafel beym Herzog. Prinzessin von Taxis und Herzogin von Hildburghausen. Visiten. Mithridate. Zu Reck. Fand ich Hofrath Morgenstern. An Christiane v. Goethe 4. 10. 1808 (WA IV 20, 172)
Eh ich von Erfurt abgehe muß ich dir ein Wort sagen und dir dancken daß du mich herübergetrieben hast. Zum Schauspiel kam ich nicht; aber nachher fügte sich alles zum Besten. Ich habe dem Kayser aufgewartet, der sich auf die gnädigste Weise lange mit mir unterhielt. An Christiane v. Goethe 16. 10. 1808 (WA IV 20, 184)
. . . Es ist wahr du hast mich zum lachen gebracht. Was aber doch noch merckwürdiger ist Kayser Napoleon hat mich in der Unterredung mit ihm zum Lachen gebracht. Er war überhaupt, auf eine zwar sehr eigne Weise, geneigt und wohlwollend gegen mich. An Cotta 2. 12. 1808 (WA IV 20, 225)
. . . ich will gerne gestehen, daß mir in meinem Leben nichts Höheres und Erfreulicheres begegnen konnte, als vor dem französischen Kaiser und zwar auf eine solche Weise zu stehen. Ohne mich auf das Detail der Unterredung einzulassen, so kann ich sagen, daß mich noch niemals ein Höherer dergestalt aufgenommen, indem er mit besonderem Zutrauen mich, wenn ich mich des Ausdrucks bedienen darf, gleichsam gelten ließ, und nicht undeutlich ausdruckte, daß mein Wesen ihm gemäß sey; wie er mich denn auch mit besondrer Gewogenheit entließ, und das zweytemal in Weimar die Unterhaltung in gleichem Sinne fortsetzte, so daß ich in diesen seltsamen Zeidäuften wenigstens die persönliche Beruhigung habe, daß wo ich ihm auch irgend wieder begegne, ich ihn als meinen freundlichen und gnädigen Herren finden werde. An Zelter 30. 10. 1808 (WA IV 20, 193)
Der Kaiser von Frankreich hat sich sehr geneigt gegen mich erwiesen. K . F. Reinhard an Goethe 24. 11. 1808 (Heuscheie - Gross S. 77)
Von Ihnen soll der Kaiser gesagt haben: Voilà un homme! Ich glaub es, denn er ist fähig, dies zu fühlen und zu sagen. An K . F. Reinhard 2. 12. 1808 (WA IV 20, 230)
Also ist das wunderbare Wort des Kaisers womit er mich empfangen hat, auch bis zu Ihnen gedrungen? Sie sehen daraus, daß ich ein recht ausgemachter Heide bin, indem das Ecce homo im umgekehrten Sinne auf mich angewendet worden. 2. 10.
Charlotte v. Stein an F. v. Stein 2. 10. 1808 (GSA, Stein 107) Goethe wird auf Verlangen Napoleons ihm heute vorgestellt.
536
1808
Erfurt Übrigens habe ich alle Ursache mit dieser Naivetät des Herrn der Welt zufrieden zu seyn. Riemer, Mittheilungen 1, 46
Daß G. auch in späteren Jahren nach etwas ausgesehen haben müsse — denn über die frühern ist kein Zweifel, da von seiner Schönheit, Lebendigkeit und Genialität aller Orten zu lesen ist — zeigt schon dies, daß Napoleon bei seinem Anblick ausrief: c'est un homme! Charlotte ν. Stein an F. ν. Stein 5. 10. 1808 (*Düntzer 9 2, 298; G S A , Stein 107)
B 3 2751
Die kleine Tante [Sophie v. Schardt] sagte mir Goethe und Napoleon seyn die intereßantesten Phisionomien im ganzen Theater gewesen . . . Goethe ist immer in Erfurth hat eine audienz von einer halben Stunde beym Napoleon gehabt, aber wie man mir sagt will er die Unteredung von der er sehr zufrieden ist geheim halten, also von diesen guten Freund erfahre ich nichts daß ich Dir mittheilen kan. C. F. E. Frommann an A. W Schlegel 7. 10. 1808 (Körner 3 1, 630)
B 3 2753
G. hat in E. eine lange und intressante Audienz bey Ν. auf deßen Verlangen gehabt. Caroline v. Herder an Sophie und August v. Herder 10. 10. 1808 (Gebhardt—Schauer 2, 243)
Fast habe ich vergessen zu sagen: Daß Goethe dem Napoleon in Erfurt vorgestellt u. sehr zufrieden mit ihm sei. C. Bertuch, Tagebuch o. Dat. 1808 (GSA, Bertuch 3069)
Gespräch v. Wieland u. Goethe mit Napoleon wehr[en]d seines Aufenthaltes in Erfurt im Herbste 1808. Napoleon sprach Goethe Sonntag Morgen den Sept. [2. 10.] wehrend des Dejeuner, u. wo Taleyrand u. Lannes noch waren. Der Kaiser sprach viel u. gründl. über Werthers Leiden. C. Bertuch, Tagebuch 1. 12. 1808 (GSA, Bertuch 3069)
Napol. hat ihn [Goethe] über Weimar mehrer. gefragt, wer von berühmten Männern da sey. Je sais, sagte er, que Weimar est le petit Athenes d'Allemagne —. C. Bertuch an Böttiger 6. 10. 1808 (GJb 10, 152)
B 3 2752
Goethe war bis gestern in Erfurt. Am vorigen Sontag wurde er nach dem Lever vom Napoleon eingeladen in sein Cabinet zu kommen, wo er allein 2 Stunden blieb. Böttiger, Korrespondenznachricht aus Weimar 9. 10. 1808 (Allgem. Zeitung 18. 10. 1808)
Es ist nicht auszusagen, wie Kaiser Napoleon von allem Wissenswerthen Kenntniß nimmt, und jedes Talent zu bemerken und aufzumuntern versteht. Wohl dürfte es der Erwähnung werth scheinen, daß er am 2 früh nach dem Lever den Geheimenrath v. Göthe, der sich in dieser Zeit immer in Erfurt aufhielt, in 537
1808
Erfurt sein Kabinet rufen ließ, und sich länger als eine Stunde ganz allein mit ihm über die interessantesten Gegenstände der Literatur und Kunst unterhielt. Ungenannt in Journal de Paris 7. 10. 1808, S. 2010
Erfurt, 2 octobre. Notre ville devient de plus en plus brillante. Il paroît que les cours de tous les princes voisins s'y sont transportées. Celle de Weimar a amené ici le célèbre Goethe, ministre du duc. S. M. l'Empereur Napoléon a voulu le voir, et lui a accordé une audience, dans laquelle il s'est long-temps entretenu avec lui de la littérature de l'Allemagne, comparée à celle des autres pays. Cet auteur, qui est jeune encore, et dont la réputation date déjà de si loin, assiste exactement aux représentations que donnent les comédiens ordinaires de S. M. l'Empereur et Roi. Il paroît aprécier parfaitement nos acteurs, et admirer surtout les chefs d'oeuvres qu'ils représentent. On a donné avant hier Britannicus, hier Zaïre, et aujourd'hui Mithridate. Ungenannt, Weimar u. Erfurt im September u. Oktober 1808 (Journal d. Luxus u. d. Moden, Okt. 1808, S. 749)
Der Kaiser Napoleon ließ sich diesen Morgen [2. 10.] in dem Audienzzimmer seines Palais Messe lesen. Vorher, nach dem Lever, wurde Hr. Geh. Rath v. Goethe während des Frühstücks bei dem Kaiser eingeführt, der seine Bekanntschaft wünschte, und gestern unsern großen Dichter durch den StaatsSekretair Maret dazu hatte einladen lassen. Biographische Einzelnheiten. Unterredung mit Napoleon (*WA I 36, 271; Blumenthal S. 273)
Den 2 t e n Marschall Lannes und Minister Maret mochten günstig von mir gesprochen haben. Ersterer kannte mich seit 1806. Ein dicker Cammerherr, Pohle, kündigte mir an zu verweilen. Die Menge entfernte sich. Präsentation an Savary und Talleyrand. Ich werde hereingerufen. In demselben Augenblicke meldet sich Daru, welcher sogleich eingelassen wird. Ich zaudere deshalb. Werde nochmals gerufen. Trete ein. Der Kayser sitzt an einem großen runden Tische frühstückend; zu seiner Rechten steht etwas entfernt vom Tische Talleyrand, zu seiner Linken ziemlich nah Daru, mit dem er sich über die Contributions-Angelegenheiten unterhält. Der Kayser winkt mir heranzukommen. Ich bleibe in schicklicher Entfernung vor ihm stehen. Nachdem er mich aufmerksam angeblickt, sagte er: « vous êtes un homme. » ich verbeuge mich. Er fragt: wie alt seyd ihr? Sechzig Jahr. 538
1808
Erfurt Ihr habt euch gut erhalten — Ihr habt Trauerspiele geschrieben. Ich antwortete das Nothwendigste. Hier nahm Daru das Wort, der, um den Deutschen denen er so wehe thun mußte einigermaßen zu schmeicheln, von deutscher Literatur Notiz genommen, wie er denn überhaupt in der Lateinischen wohlbewandert und selbst Herausgeber des Horaz war. Er sprach von mir wie etwa meine Gönner in Berlin mochten gesprochen haben, wenigstens erkannt' ich daran ihre Denkweise und ihre Gesinnung. Er fügte sodann hinzu daß ich auch aus dem Französischen übersetzt habe und zwar Voltairs Mahomet. Der Kayser versetzte: es ist kein gutes Stück, und legte sehr umständlich auseinander wie unschicklich es sey, daß der Weltüberwinder von sich selbst eine so ungünstige Schilderung mache. Er wandte sodann das Gespräch auf den Werther, den er durch und durch mochte studirt haben. Nach verschiedenen ganz richtigen Beobachtungen bezeichnete er eine gewisse Stelle und sagte: „warum habt ihr das gethan? es ist nicht naturgemäß;" welches er weitläufig und vollkommen richtig auseinander setzte. Ich hörte ihm mit heiterem Gesichte zu und antwortete mit einem vergnügten Lächeln daß ich zwar nicht wisse ob mir jemand denselben Vorwurf gemacht habe; aber ich finde ihn ganz richtig und gestehe daß an dieser Stelle etwas Unwahres nachzuweisen sey. Allein, setzte ich hinzu, es wäre dem Dichter vielleicht zu verzeihen wenn er sich eines nicht leicht zu entdeckenden Kunstgriffs bediene um gewisse Wirkungen hervorzubringen, die er auf einem einfachen natürlichen Wege nicht hätte erreichen können. Der Kayser schien damit zufrieden, kehrte zum Drama zurück und machte sehr bedeutende Bemerkungen, wie einer der die tragische Bühne mit der größten Aufmerksamkeit gleich einem Kriminalrichter betrachtet, und dabey das Abweichen des französischen Theaters von Natur und Wahrheit sehr tief empfunden hatte. So kam er auch auf die Schicksalstücke die er misbilligte. Sie hätten einer dunklern Zeit angehört: Was, sagte er, will man jezt mit dem Schicksal, die Politik ist das Schicksal. Er wandte sich sodann wieder zu Daru und sprach mit ihm über die großen ContributionsAngelegenheiten; ich trat etwas zurück und kam gerade an den Erker zu stehen, in welchem ich vor mehr als dreyßig Jahren zwischen mancher frohen auch manche trübe Stunde verlebt, und hatte Zeit zu bemerken daß rechts von mir nach der Eingangsthüre zu, Berthier, Savary und sonst noch jemand stand. Talleyrand hatte sich entfernt. Marschall Soult ward gemeldet. Diese große Gestalt mit stark behaartem Haupte, trat herein, der Kayser fragte scherzend über einige unangenehme Ereignisse in Pohlen und ich hatte Zeit mich im Zimmer umzusehen und der Vergangenheit zu gedenken. Auch hier waren es noch die alten Tapeten;
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1808
Erfurt Aber die Portraite an den Wänden waren verschwunden. Hier hatte das Bild der Herzogin Amalie gehangen, im Redouten-Anzug eine schwarze Halbmaske in der Hand, die übrigen Bildnisse von Statthaltern und Familiengliedern fehlten alle. Der Kayser stand auf, ging auf mich los und schnitt mich durch eine Art Manòvre von den übrigen Gliedern der Reihe ab in der ich stand. Indem er jenen den Rücken zukehrte und mit gemäßigter Stimme zu mir sprach, fragte er: ob ich verheyrathet sey, Kinder habe? und was sonst persönliches zu interessiren pflegt. Eben so auch über meine Verhältnisse zu dem Fürstlichen Hause, nach Herzogin Amalia, dem Fürsten, der Fürstin und sonst; ich antwortete ihm auf eine natürliche Weise. Er schien zufrieden und übersetzte sichs in seine Sprache, nur auf eine etwas entschiedenere Art als ich mich hatte ausdrucken können. Dabey muß ich überhaupt bemerken daß ich im ganzen Gespräch die Mannigfaltigkeit seiner Beyfallsäußerungen zu bewundern hatte; denn selten hörte er unbeweglich zu, entweder er nickte nachdenklich mit dem Kopfe oder sagte oui! oder gar c'est bien, oder dergl. auch darf ich nicht vergessen zu bemerken, daß, wenn er ausgesprochen hatte er gewöhnlich hinzufügte: Qu'en dit Mr. Göt. Und so nahm ich Gelegenheit bey dem Cammerherrn durch eine Gebärde anzufragen ob ich mich beurlauben könne? die er erwiederte, und ich dann ohne Weiteres meinen Abschied nahm. Französisches Haupttheater (WA I 40, 133)
Der Franzos will nur „ E i n e K r i s e " . Dieses einsichtige Wort Napoleons deutet dahin, daß die Nation an eine gewisse einfache, abgeschlossene, leicht faßliche Darstellung auf dem Theater gewöhnt war. F. v. Müller, Erinnerungen aus den Kriegszeiten (F. v. Müller 3 S. 237)
B 2 1098 B 3 2748
Die Audienz dauerte fast eine volle Stunde. Ich hatte Goethe bis ins Vorzimmer begleitet und harrte da seiner Rückkehr. Nur Talleyrand, Berthier und Savary waren bei dieser Audienz gegenwärtig. Gleich nach Goethe's Eintritt in das kaiserliche Cabinet kam auch noch der General-Intendant Daru hinzu. Der Kaiser saß an einem großen runden Tische frühstückend. Zu seiner Rechten stand Talleyrand, zu seiner Linken Daru, mit dem er sich zwischendurch über die preußischen Contributions-Angelegenheiten unterhielt. Er winkte Goethe, näher zu kommen, und fragte, nachdem er ihn aufmerksam betrachtet hatte, nach seinem Alter. Als er erfuhr, daß er im sechszigsten Jahre stehe, äußerte er seine Verwunderung, ihn noch so frischen Aussehens zu finden, und ging alsbald zu der Frage nach Goethe's Trauerspielen über, wobei Daru Gelegenheit nahm, sich näher über sie auszulassen und überhaupt Goethe's dichterische Werke zu rühmen, namentlich auch seine Uebersetzung des Mahomet von Voltaire. „Das ist kein gutes Stück," sagte der Kaiser und setzte umständlich auseinander, wie unschicklich es sei, daß der Weltüberwinder von sich selbst eine so ungünstige Schilderung mache. Werthers Leiden versicherte er siebenmal gelesen zu haben
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1808
Erfurt und machte zum Beweise dessen eine tief eindringende Analyse dieses Romans, wobei er jedoch an gewissen Stellen eine Vermischung der Motive des gekränkten Ehrgeizes mit denen der leidenschaftlichen Liebe finden wollte. „Das ist nicht naturgemäß und schwächt bei dem Leser die Vorstellung von dem übermächtigen Einfluß, den die Liebe auf Werther gehabt. Warum haben Sie das gethan?" Goethe fand die weitere Begründung dieses kaiserlichen Tadels so richtig und scharfsinnig, daß er ihn späterhin oftmals gegen mich mit dem Gutachten eines kunstverständigen Kleidermachers verglich, der an einem angeblich ohne Naht gearbeiteten Aermel sobald die fein versteckte Naht entdeckt. Dem Kaiser erwiederte er: es habe ihm noch Niemand diesen Vorwurf gemacht, allein er müsse ihn als ganz richtig anerkennen; einem Dichter dürfte jedoch zu verzeihen sein, wenn er sich mitunter eines nicht leicht zu entdeckenden Kunstgriffs bediene, um eine gewisse Wirkung hervorzubringen, die er auf einfachem, natürlichem Wege nicht hervorbringen zu können glaube. Nun auf das Drama zurückkommend, machte Napoleon mehrfache sehr bedeutende Bemerkungen, die den Beweis lieferten, daß er die tragische Bühne mit der größten Aufmerksamkeit, gleich einem Criminalrichter, betrachte, und die deutlich genug zeigten, wie tief er das Abweichen des französischen Charakters von Natur und Wahrheit empfinde. Auf die Schicksalsstücke übergehend, mißbilligte er sie höchlich: „Sie haben einer dunklem Zeit angehört. Was will man jetzt mit dem Schicksal? Die P o l i t i k ist das Schicksal!" Hierauf sprach er lange mit Daru über die Contributions-Angelegenheiten, während dessen der Marschall Soult hereintrat, den der Kaiser scherzend über einige unangenehme Ereignisse in Polen besprach. Auf einmal stand Napoleon auf, ging auf Goethe zu und fragte mit gemäßigterer Stimme nach Goethe's Familie und seinen Verhältnissen zu den verschiedenen Personen des herzoglichen Hauses. Die Antworten, die er erhielt, übersetzte er sich sogleich nach seiner Weise in entschiednere Urtheile. Doch bald wieder auf das Trauerspiel zurückkommend, sagte er: „Das Trauerspiel sollte die Lehrschule der Könige und der Völker sein, das ist das Höchste, was der Dichter erreichen kann. Sie ζ. B. sollten den Tod Cäsars auf eine vollwürdige Weise, großartiger als Voltaire, schreiben. Das könnte die schönste Aufgabe Ihres Lebens werden. Man müßte der Welt zeigen, wie Cäsar sie beglückt haben würde, wie Alles ganz anders geworden wäre, wenn man ihm Zeit gelassen hätte, seine hochsinnigen Pläne auszuführen. Kommen Sie nach Paris, ich fordere es durchaus von Ihnen. Dort giebt es größere Weltanschauung! dort werden Sie überreichen Stoff für ihre Dichtungen finden." Jedesmal, wenn er über Etwas sich ausgesprochen hatte, setzte er hinzu: « Qu'en dit Monsieur Goet? » Als nun Goethe endlich abtrat, hörte man den Kaiser bedeutsam zu Berthier und Daru sagen: « Voilà un homme! » Goethe beobachtete lange ein tiefes Schweigen über den Hergang bei dieser Audienz, sei es, weil es überhaupt in seinem Charakter lag, sich über wichtige, 541
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Erfurt ihn persönlich betreffende Vorgänge nicht leicht auszusprechen, sei es aus Bescheidenheit und Delicatesse. Daß aber Napoleons Aeußerungen ihm einen mächtigen Eindruck hinterließen, konnte man ihm sehr bald abmerken, obschon er selbst den Fragen seines Fürsten nach dem Inhalte der Unterredung auf geschickte Weise auszuweichen verstand. Die Einladung nach Paris insbesondere beschäftigte ihn noch geraume Zeit recht lebhaft. Er fragte mich mehrmalen nach dem ohngefähren Betrag des Aufwandes, den sie wohl erfordern würde, nach den verschiedenen für ihn nöthigen Einrichtungen in Paris, Zeitabtheilungen u. s. w. Späterhin mochte ihn wohl die Erwägung so mancher nicht zu beseitigender Unbequemlichkeiten in Paris von dem Vorhaben abgebracht haben. Erst lange nachher theilte er mir nach und nach die Einzelheiten jener Unterredung mit, aber erst kurz vor seinem Tode konnte ich ihn bewegen, darüber die — immer noch sehr lakonische — Niederschrift zu machen, die im 20. Bande seiner nachgelassenen Werke (60. Band der sämmtlichen Werke) gedruckt ist, und die ich oben aus seinen mündlichen Mittheilungen treu zu ergänzen mich bemüht habe. F. v. Müller, Mémoire für Talleyrand 6./12. 10. 1808 (GJb 15, 20)
Le 2. Octobre à dix heures du matin, Sa Majesté fit entrer dans Son Cabinet Mr. de Goethe et en même temps S. A. S. le Prince de Benevent et Mr. l'Intendant General Daru et quelques moments après le Prince de Neufchatel et le Duc de Montebello. Sa Majesté daigna s'entretenir près d'une heure avec le savant Allemand, sur les points les plus importants de l'histoire et de la literature, joignant dans Ses quéstions et dans Ses réponses aux conceptions les plus vastes et les plus élevées d'un héros, cette douceur et cet abandon d'un Philosophe, qui, en provoquant la franchise, fait naître l'admiration au sein de la confiance. Cette conversation fit une impression profonde sur Goethe; peut-être aussi un Poete-Philosophe est-il plus à portée que personne de saisir cette grandeur d'ame, qui, en réalisant les plus beaux idéals de l'imagination, doit doublement frapper ceux, qui ont passé leur vie à étudier des grands caractères. Les quéstions que l'Empereur lui addressa sur Werther (qu'il disoit avoir lû sept fois), le jugement lumineux qu'il porta sur les situations les plus délicates et sur les rapports morals de ce roman firent voir avec étonnement, avec quelle facilité le Génie, saisissant en même tems les détails et l'ensemble d'une composition, sait trouver dans les productions de l'art de nouveaux aperçus et de combinaisons brillantes. Talleyrand, Mémoires (Léon 1, 244)
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Napoléon, fidèle à son système momentané de lenteur, avait distribué les premières journées de manière à ce que l'on ne trouvât jamais le moment de parler d'affaires. Ses déjeuners étaient longs: il y recevait du monde, il y causait volontiers . . . J'ai vu plusieurs de ces déjeuners durer plus de deux heures. C'est là que Napoléon faisait venir les hommes considérables et les hommes de mérite, qui 542
1808
Erfurt s'étaient rendus à Erfurt pour le voir. Tous les matins, il lisait avec complaisance la liste des personnes nouvellement arrivées. Le jour où il y trouva le nom de M. Goethe, il l'envoya chercher. « Monsieur Goethe, je suis charmé de vous voir. — Sire, je vois que, quand Votre Majesté voyage, elle ne néglige pas de porter ses regards sur les plus petites choses. — Je sais que vous êtes le premier poète tragique de l'Allemagne. — Sire, vous faites injure à notre pays; nous croyons avoir nos grands hommes: Schiller, Lessing et Wieland doivent être connus de Votre Majesté. — Je vous avoue que je ne les connais guère; cependant j'ai lu la Guerre de Trente ans; cela, je vous en demande pardon, ne m'a paru fournir des sujets de tragédie que pour nos boulevards. — Sire, je ne connais pas vos boulevards; mais je suppose que c'est là que se donnent les spectacles pour le peuple; et je suis fâché de vous entendre juger si sévèrement un des plus beaux génies des temps modernes. — Vous habitez ordinairement Weimar; c'est le lieu où les gens de lettres célèbres de l'Allemagne se réunissent? — Sire, ils y sont fort protégés; mais nous n'avons dans ce moment-ci à Weimar d'homme connu dans toute l'Europe que Wieland, car Müller habite Berlin. — Je serais bien aise de voir M. Wieland! — Si Votre Majesté me permet de le lui mander, je suis sûr qu'il se rendra ici immédiatement. — Parle-t-il le français? — Il le sait, et il a lui-même corrigé plusieurs traductions de ses ouvrages faites en français. — Pendant que vous êtes ici, il faut que vous alliez tous les soirs à nos spectacles. Cela ne vous fera pas de mal de voir représenter les bonnes tragédies françaises. — Sire, j'irai très volontiers, et je dois avouer à Votre Majesté que cela était mon projet; j'ai traduit, ou plutôt imité quelques pièces françaises. — Lesquelles? — Mahomet et Tancrède. — Je ferai demander à Rémusat si nous avons ici des acteurs pour les jouer. Je serai bien aise que vous les voyiez représenter dans notre langue. Vous n'êtes pas si rigoureux que nous dans les règles du théâtre. — Sire, les unités chez nous ne sont pas essentielles. — Comment trouvez-vous notre séjour ici? — Sire, bien brillant, et j'espère qu'il sera utile à notre pays. — Votre peuple est-il heureux? — Il espère beaucoup. — Monsieur Goethe, vous devriez rester ici pendant tout le voyage, et écrir l'impression que fait sur vous le grand spectacle que nous vous donnons. — Ah! Sire, il faudrait la plume de quelque écrivain de l'antiquité pour entreprendre un travail semblable. — Etes-vous de ceux qui aiment Tacite? 543
1808
Erfurt — Oui, Sire, beaucoup. — Eh bien! pas moi; mais nous parlerons de cela une autre fois. Écrivez à M. Wieland de venir ici; j'irai lui rendre sa visite à Weimar où le duc m'a invité à aller. J e serai bien aise de voir la duchesse; c'est une femme d'un grand mérite. Le duc a été assez mal pendant quelque temps, mais il est corrigé. — Sire, s'il a été mal, la correction a été un peu forte, mais je ne suis pas juge de pareilles choses; il protège les lettres, les sciences, et nous n'avons tous qu'à nous louer de lui. — Monsieur Goethe, venez ce soir à Iphigénie. C'est un bonne pièce; elle n'est cependant pas une de celles que j'aime le mieux, mais les Français l'estiment beaucoup. Vous verrez dans mon parterre un bon nombre de souverains. Connaissez-vous le prince primat? — Oui, Sire, presque intimement; c'est un prince qui a beaucoup d'esprit, beaucoup de connaissances et beaucoup de générosité. — Eh bien! vous le verrez, ce soir, dormir sur l'épaule du roi de Wurtemberg. Avez-vous déjà vu l'empereur de Russie? — Non, Sire, jamais, mais j'espère lui être présenté. — Il parle bien votre langue; si vous faites quelque chose sur l'entrevue d'Erfurt, il faut le lui dédier. — Sire, ce n'est pas mon usage; lorsque j'ai commencé à écrire, je me suis fait un principe de ne point faire de dédicace, afin de n'avoir jamais à m'en repentir. — Les grands écrivains du siècle de Louis X I V n'étaient pas comme cela. — C'est vrai, Sire, mais Votre Majesté n'assurerait pas qu'ils ne s'en sont jamais repentis. — Qu'est devenu ce mauvais sujet de Kotzebue? — Sire, on dit qu'il est en Sibérie et que Votre Majesté demandera sa grâce à l'empereur Alexandre. — Mais savez-vous que ce n'est pas mon homme? — Sire, il est fort malheureux et il a beaucoup de talent. — Adieu, monsieur Goethe. » Je suivis M. Goethe et l'engageai à venir dîner chez moi. En rentrant, j'écrivis cette première conversation, et pendant le dîner, je m'assurai par les différentes questions que je lui fis que, telle que je l'écris ici, elle est parfaitement exacte. En sortant de table, M. Goethe se rendit au spectacle; je mettais de l'intérêt à ce qu'il fût près du théâtre et cela était assez difficile, parce que les têtes couronnées occupaient sur des fauteuils le premier rang; les princes héréditaires, pressés sur des chaises, remplissaient le second; et toutes les banquettes qui étaient derrière eux étaient couvertes de ministres et de princes médiatisés. Je confiai donc M. Goethe à Dazincourt qui, sans blesser aucune convenance, trouva le moyen de le bien placer. Ungenannt, Anecdote sur Goethe (L'Echo de Vaucluse 19. 6. 1836)
Napoléon n'appréciait pas seulement le poète, il avait encore distingué toute la portée du ministre d'état. Un jour il le fit venir à Erfurt pour s'entretenir avec lui des affaires publiques de la Saxe. Il y avait à cette conférence le maréchal 544
1808
Erfurt Davoust et le Général Bertrand; ce dernier existe encore, et il se plaît souvent à rappeler les émotions qui l'agitèrent dans cette heure solennelle où deux royautés se trouvèrent face à face. Goethe commenta à développer ses idées sur toutes les questions qui lui étaient adressées, et l'empereur, assis dans un fauteuil, l'écoutait attentivement, la tête penchée sur sa poitrine et les bras croisés. Soudain il se lève, prend vivement la main du poète la serre dans les siennes, et s'écrie: — « Monsieur de Goethé, vous êtes un homme, continuez. » Κ. V. v. Bonstetten an Friederike Brun 16. 10. 1825 (Matthisson 3 2, 312)
B 2 1099 B 3 2750
Ich habe den Fürsten Talleyrand nun drei Tage gesehen; dieser ist der geistreichste Mann v o n a l l e n , deren ich mich erinnere. Er erzählte von Bonaparte, Goethe und Wieland. Bonaparte sagte zu Goethe: « Je n'aime pas la fin de votre roman — Werther. » — « Je ne croyais pas » antwortete Goethe, « que votre Majesté aimât que les romans aient une fin. » Henry Greville, Tagebuch 28. 11. 1835 (Enfield 1, 76)
Dined with Talleyrand . . . Talleyrand talked a great deal after dinner about Napoleon at Erfurt, where he accompanied him as Grand Chamberlain . . . Napoleon saw a great deal of Goethe, and spoke to him of all his works, and particularly of 'Werther', which, he said, he had read with great pleasure — < Malgré qu'il n'en aimait pas la fin, que ce n'était pas une fin. > Goethe laughed. (Mais non,> said Napoleon, (j'aurais voulu que vous eussiez fait une fin, une véritable fin. > Goethe laughed again. ( Mais de quoi riez-vous donc? > said Napoleon. (Ah, Sire,> said Goethe, (j'aurais cru que vous surtout n'auriez point voulu de fin à un Roman. > Ungenannt (ein französ. Offizier? nach unklarer Überlieferung mitget. v. L. Geiger GJb 27, 254)
Der Kaiser, der von einer großen Truppenschau zurückkehrte, wurde bis zu den Toren des Erfurter Schlosses vom 103. Infanterieregiment begleitet. Als er die Treppe hinaufstieg, schritten neben ihm der Kaiser Alexander, mit dem er soeben einen Bündnisvertrag geschlossen hatte, der König von Sachsen, der König von Württemberg, der Großfürst Konstantin und der Prinz Wilhelm von Preußen. Mitten unter den Offizieren bemerkte man einen etwa fünfzig Jahre alten Mann in bürgerlicher Kleidung, der mit dem Marschall Lannes sprach. Oben auf der Treppe stellt Lannes, während der Kaiser in seine Gemächer geht, seinen Begleiter dem Kammerherrn vom Dienst vor. „Auf des Kaisers Befehl", sagt er, „v. Goethe". Goethe wird in einen großen Saal geführt. Der Kaiser sitzt am Tisch und frühstückt. Hinter ihm stehen die Minister und die Mitglieder des kaiserlichen Hauses und plaudern leise miteinander. „Ihr Name ist Goethe?" fragt der Kaiser ohne aufzublicken. — „Ja, Majestät." — „Wie alt sind Sie?" — „Sechzig Jahre, Majestät." — „Was für Tragödien haben Sie geschrieben?" — „,Iphigenie', ,Egmont', .Torquato Tasso'." — „Haben Sie mein Theater gesehen? Wie finden Sie meine Schauspieler?" — „Ausgezeichnet, 545
1808
Erfurt Majestät." — „Es freut mich, daß meine Schauspieler in Deutschland gefallen. .Mahomet' ist gut gespielt worden, aber das Stück ist schlecht." — „Ich habe es übersetzt, Majestät." — „Wirklich? Das beweist, daß Sie anders urteilen als ich. Ich habe Ihren .Werther' gelesen. Sie sind der Direktor des Theaters von Weimar?" — „Ja, Majestät." — „Ich möchte gern noch einmal deutsche Schauspieler spielen sehen. Ubermorgen will ich mit dem Kaiser von Rußland das Schlachtfeld von Jena besichtigen; von dort will ich nach Weimar kommen. Sagen Sie dem Großherzog, daß ich sein Theater sehen möchte. Talma und Duchesnois kommen mit. Duroc!" Marschall Duroc tritt näher. „Wie steht's in Polen? Ich habe keine Nachrichten erhalten. Machen Sie eine Aufstellung über die Bevölkerung des Landes, über seine Finanzkräfte, seine Ernten und seine Subsistenzmittel. Herr v. Goethe!" — „Majestät!" — „Was halten Sie von Talma?" — „Er ist ein hervorragender Künstler, die verkörperte Tragödie." — „Wollen Sie seine Bekanntschaft machen?" — „Ich wäre glücklich darüber . . . " — „Warten Sie . . . Talma kommt jeden Tag nach dem Frühstück zu mir." Talleyrand tritt ein. „Ah! Sie. Kommen Sie her. Ich habe von Fouché einen Bericht erhalten, der durchaus nicht für Sie spricht." Der Kaiser springt auf, führt Talleyrand in eine Ecke und spricht lebhaft auf ihn ein. Ein Kammerherr meldet: „Der König von Württemberg?" Der Kaiser dreht sich um und sagt mit gelangweilter Miene: „Ich habe zu tun: dringende Geschäfte. Es wird mich freuen, den König abends im Theater zu sehen." Der Kammerherr geht ab. Der Kaiser nimmt die Unterhaltung wieder auf, aber der Kammerherr erscheint von neuem. „Majestät, der Schauspieler Talma." — „Soll kommen, Lannes! Kommen Sie mal her. Morgen Revue über das 44. und das 103. Linienregiment. In die erste Reihe stellen Sie den Soldaten Girand von der 6. Kompagnie des 103. Regiments. Er war bei Marengo: ich will ihn sprechen, er soll das Kreuz haben. Die Truppen sollen in Gala erscheinen. Die Parade findet um fünf Uhr statt. Talma, was für ein Programm haben wir für heute?" — „Cinna" oder „Andromache" oder „Britannicus". Majestät brauchen nur zu wählen, zu befehlen." — „Gut, dann will ich „Cäsars Tod". Einen Augenblick noch . . . Herr v. Goethe . . . Talma . . . Guten Tag, meine Herren, ich muß eine Viertelstunde schlafen . . ." L. F. J. de Bausset, Mémoires anecdotiques . . . pour servir à l'histoire de Napoléon (Bausset 1, 315)
S. M. reput, pendant son déjeuner, M. de Goethe, auteur de Werther, et d'autres ouvrages célèbres en Allemagne et en France. Elle daigna s'entretenir longtemps avec lui. L. P. E. Bignon, Histoire de France, sous Napoléon (Bignon 8, 27)
J'ai vu Goethe [2. 10.] et Wieland [10. 10.] dans l'antichambre de Napoléon, à l'heure de son déjeuner. C'était le moment où l'Empereur les recevait, faisant diversion à la politique par la controverse littéraire. Ce fut en quelque sorte au congrès d'Erfurth que commença la querelle des classiques et des romantiques. 546
1808
Erfurt La tragédie française, dont on donnait des représentations assez fréquentes, fournissait un texte de discussions souvent renouvelées. Wieland et Goethe trouvaient qu'il y avait trop de conventionnel dans notre manière de jouer la tragédie; mais peut-être, de leur côté, allaient-ils un peu trop loin. Talma lui-même, à leur avis, n'était pas assez près de la nature. L'Empereur, appartenant à une génération élevée dans le culte des écrivains des siècles d'Auguste et de Louis XIV, était classique au premier degré. Au reste, en littérature comme en politique, il supportait à merveille la contradiction. MM. Wieland et Goethe repurent de Napoléon la décoration de la Légion d'honneur. W V. Humboldt an Caroline v. Humboldt 19. 11. 1808 (Sydow 3, 20)
B 2 1123 B 3 2832
Goethe hat eine lange Unterredung mit dem französischen Kaiser gehabt. . . Werthers Leiden und die französische Bühne sind die Hauptgegenstände der Unterhaltung gewesen. In Werthers Leiden hat der Kaiser eine Stelle getadelt, die, nach Goethes Versicherung [am 17./18. Nov.], allen übrigen Lesern entgangen ist. Es ist, sagt Goethe, (die Stelle selbst wollte er nicht anzeigen) eine, wo er die wahre Geschichte und die Fiktion aneinander genäht hat, wo er die Verbindung mit großer Kunst gemacht zu haben glaubt, wo indes der Kaiser doch etwas Spielendes bemerkt hat. Das französische Theater soll der Kaiser unglaublich genau von Vers zu Vers kennen und nicht so unbedingt verehren. Vorzüglich streng soll er in der Beurteilung der Konsequenz der Charaktere und in der Gegeneinanderhaltung der historischen und poetischen Motive sein. Am meisten aufgefallen ist Goethe an ihm, daß er, auch in poetischen und literarischen Dingen nie etwas getadelt hat, ohne gleich zu sagen, was an die Stelle gesetzt werden müßte. W V. Humboldt an F. H. Jacobi 21. 11. 1808 (Leitzmann 1 S. 75)
B 2 1124 B 3 2833
Mit dem Kaiser Nap. hat er eine lange Unterredung gehabt, über seinen Werther u. das Französische Theater. Ueber den ersteren versichert er [Goethe, am 17./ 18. Nov.], habe der Kaiser sehr wahre, frappante, u. ihm sonst nie vorgekommene Bemerkungen gemacht; das letztere kenne er bis zur Bewunderung genau, u. habe alle historische u. poetische Motive der bekanntesten Stücke bis in ein ungeheures Détail hinein verfolgt. F. Kohlrausch, Erinnerungen aus meinem Leben (Kohlrausch S. 115)
B 2 1172 B 3 2965
[Eine Bemerkung Goethes am 23. 5. 1809] veranlaßte mich Göthe zu fragen, ob Napoleon bei der Zusammenkunft in Erfurt im Jahre 1808 ihm wirklich eine treffende Bemerkung über den Werther gemacht habe, wie man erzähle. Göthe erwiederte: „Allerdings hat er mir eine solche Bemerkung gemacht, die von seinem Urtheile zeugte. Ich kann sie nur damit vergleichen, — wenn ein Frauenzimmer eine Naht beurtheilen will, ob sie fein und gleichmäßig genäht ist, so prüft sie dieselbe nicht mit den Augen allein, sondern sie läßt sie langsam durch den Daumen und Zeigefinger gleiten. Von einer solchen Prüfung zeugte Napoleons Bemerkung über einen Zug im Werther." 547
1808
Erfurt F. Β. ν. Bucholtz, Tagebuch 28. 9. 1812 (Westfalen 8, 59)
Β 3 3640
Unter vielem andern erzählte er [August v. Goethe, 1812] mir auch, wie sein Vater mit seinen Unterredungen mit Napoleon sehr zufrieden gewesen wäre; dieser habe ihm nichts gesagt, was Goethe nicht für sein ganzes Leben merkwürdig sein würde, und ihn überzeugt, daß er seine Werke so verstanden habe, wie wohl wenige sie verstehen möchten. (Späterhin habe ich erfahren, Napoleon habe gesagt, die Politik vertrete in der neuen Tragödie die Stelle des alten fati; und so mag eine benigna interpretado auch etwas gethan haben.) H. Abeken an B. R. Abeken 16. 2. 1829 (Abeken 3 S. 19)
B 3 6091
Heut Abend sagte Hegel, Goethe erzähle [Okt. 1827]: Napoleon habe mit ihm über die Tragödie gesprochen und dabei geäußert, das antike Schicksal fehle uns freilich, aber es sei ein nothwendiges Element der Tragödie, und wir hätten auch wohl etwas an seine Stelle zu setzen, nämlich die P o l i t i k . S. Boisserée, Tagebuch 8. 8. 1815 (Weitz 2 1, 242)
B 2 1690 B 3 4173
Napoleon hat ihm [Goethe] imponiert der größte Verstand den je die Welt gesehen — Daru habe ihn presentiert in demselben Saal der Statthalterei zu Erfurt, wo er in seiner Jugend mit Schiller, dem Herzog, Coadjutor Dalberg usw. soviel Späße getrieben und frohe Stunden verlebt. Da sei noch Berthier gewesen, Soult und andere, denen allen zugleich Audienz gegeben worden; habe mehr als eine Stunde, ja 2 gedauert; immer abwechselnd von Geschäften mit jenen, dann wieder mit ihm gesprochen — scheint nicht gemerkt zu haben, oder nicht bemerken zu wollen, daß dies alles angelegt gewesen, um ihm zu imponieren (wie ich mir es auslege). — Daru habe ihn presentiert mit Bemerken, er habe ,Mahomet' übersetzt — da Napoleon gesagt: « Mahomet est une mauvaise pièce »; dann habe er es entwickelt, und so richtig als nur zu verlangen . . . Napoleon habe sehr viel und trefflich über Tragödie mit ihm gesprochen; wo der Refrain immer gewesen: « Qu'en dit Mr. Goeth? » Napoleon habe ihn, was doch etwas sagen wolle — zum Lachen gebracht, so daß er sich darob entschuldigen zu müssen geglaubt; wisse nun aber nicht mehr zu sagen, was es dann eigentlich betroffen. S. Boisserée, Tagebuch 6. 1. 1835 (Weitz 2 3, 4)
Nach Tisch Gespräch mit Schelling . . . Goethes Abhängigkeit von der Welt — Bei aller Freiheit des Geistes ließ er sich gar leicht imponieren . . . Ansicht von Napoleon. Das Urteil desselben über den Werther hat ihn gewonnen, mit seinem scharfen Verstand traf er, wie Goethe selbst sich ausdrückte, sagt Schelling, bis auf die Naht was Wirkliches Erlebtes und Erfundenes in dem Buch. K. E. Schubarth, Über Goethes Faust (Schubarth S. 204)
B 2 1927 B 3 4806
Goethe erzählte [1820], Napoleon sei der einzige gewesen, der ihn, den Dichter, auf ein Mißverhältniß im Werther aufmerksam gemacht, das bis dahin den schärfsten, kritischen Blicken entgangen. 548
Erfurt
1808
Eckermann, Gespräche 7. 4. 1829 (Houben 1 S. 276)
Β 2 2676
Napoleon . . . hatte ihn [den Werther] studirt wie ein Criminalrichter seine Acten . . . und in diesem Sinne sprach er auch mit mir. Eckermann, Gespräche 2. 1. 1824 (Houben 1 S. 431)
B 2 2213
Napoleon, sagte ich, bezeichnet gegen Sie im Werther eine Stelle, die ihm, einer scharfen Prüfung gegenüber, nicht Stich zu halten scheine, welches Sie ihm auch zugeben. Ich möchte sehr gerne wissen, welche Stelle er gemeint hat. „Rathen Sie!" sagte Goethe mit einem geheimnißvollen Lächeln. Nun, sagte ich, ich dächte fast es wäre die, wo Lotte Werthern die Pistolen schickt, ohne gegen Alberten ein Wort zu sagen . . . [Goethe: „]Ihre Beobachtung ist eben so richtig wie die seinige." Soret, Conversations 19. 3. 1830 (Robinet de Cléry S. 110)
Β 2 2804 Β 3 6536
Moi. — Vous avez souvent eu des ennuis pour votre Werther. Cela me rappelle votre discussion à ce sujet avec Napoléon. Talleyrand était-il là? Goethe. — Oui, sans doute. Je n'eus pas à me plaindre de Napoléon comme de Bristol. L'Empereur fut avec moi de la dernière politesse et traita la matière en homme comme il faut. K. Mayer, Erinnerungen (Mayer S. 169)
Β 3 3347
[Nach Julie Seebeck:] Viel Gefallen habe er an Napoleon gefunden, bei dem er im Theater gesessen. Napoleon habe über seinen Werther mit ihm gesprochen, und Goethe habe bemerkt: er habe darin eine feine Naht, die er so fein zu machen geglaubt, daß sie niemand entdecken werde. Napoleon habe sie getroffen und ihn gleich gefragt, warum er das so und so gemacht habe? Goethe sei voll Freude aus dem Theater gekommen und habe ausgerufen: „ach! daß mein Schiller noch lebte, damit ich jemand hätte, der mich verstände." 3. 10.
Tagebuch 3. 10. 1808 (WA III 3, 391)
Beym Lever. Beym Marschall Lannes zum Dejeuner. Im Geleitshause gegessen. Oedipe. Biographische Einzelnheiten. Unterredung mit Napoleon (*WA I 36, 275; Blumenthal S. 275)
Den 3. Mancherley Beredung wegen einer in Weimar zu gebenden Vorstellung. Abends Oedip. Johanna Schopenhauer, Ausflug an den Niederrhein (Schopenhauer 2 1, 10)
Nahe vor der Bühne waren [bei der Vorstellung des Trauerspiels Oedipe] im Parquet zwei Fauteuils für die beiden Kaiser, und neben diese zu beiden Seiten gewöhnliche Stühle für die Könige und regierenden Fürsten gestellt. Der Raum hinter denselben begann nun sich zu beleben. In Galakleidern, mit Orden und Sternen überdeckt, traten berühmte Staatsmänner und Generale, aus fast allen europäischen Ländern, in das Parquet, lauter Männer, deren damals auf allen Zungen schwebende Namen schon jetzt größtentheils der Geschichte anheimgefallen sind. Die von Gold starrenden Uniformen, der nicht zu verhehlende 549
1808
Erfurt Übermuth, welcher sowohl in jeder ihrer Bewegungen, als in ihren lebhaften, größtentheils sehr markirten Gesichtszügen sich deutlich aussprach, zeichnete die Franzosen vor den ernsteren prunklosen Deutschen merklich aus. Berthier, Soult, Caulincourt, Savary, Lannes, Duroc und noch viele Andere von gleicher Bedeutsamkeit standen da in dichten Reihen; der Abglanz der Herrlichkeit ihres Kaisers verklärte auf eine ganz eigenthümliche Weise das Gesicht eines jeden unter ihnen, und mitten unter diesen stand Göthe, mit dem vollen Ausdruck unerborgter stiller Hoheit und Würde in den edlen Zügen, und neben ihm Wieland's ehrwürdige Gestalt. Der Großherzog von Weimar, der, ihre Nähe ungern entbehrend, Beide zu sich nach Erfurt geladen, der geistreiche, von seiner Zeit zu wenig anerkannte Herzog von Gotha, mehrere deutsche Fürsten und königlichen Häusern nah verwandte Prinzen gesellten sich zu jenen Beiden und bildeten Kreis um sie her, wie ihn die Welt sobald nicht Wiedersehen wird. F. v. Müller, Erinnerungen aus den Kriegszeiten (F. v. Müller 3 S. 242)
Während Goethe's Anwesenheit in Erfurt wurde ich eines Tages mit ihm von dem Marschall Lannes (Herzog von Montebello) zum Frühstück geladen. Lannes hatte im Jahre 1806 und später hatte auch seine Gemahlin bei ihrer Rückkehr von Warschau bei Goethe gewohnt. Er hegte die größte Achtung für ihn. Die Unterhaltung war sehr lebhaft und namentlich erzählte uns Lannes ausführlich den Hergang bei der Schlacht von Friedland, zu deren Entscheidung er bekanntlich am meisten beigetragen hat. Das Gespräch fiel auch auf unsere weimarischen Angelegenheiten, da nahm Lannes auf einmal einen Ring vom Finger und sagte zu mir: „Wie wenn ich diesen Ring jetzt an Ihren Finger steckte, so würde der Kaiser Napoleon die Grafschaft Blankenhain in die Hand des Herzogs von Weimar legen, wenn nur der Kaiser Alexander ein Wort spräche." 4. 10.
Tagebuch 4. 10. 1808 (WA III 3, 391)
Früh die Angelegenheit wegen der Aufführung einer französischen Tragödie in Weimar. Bey Remusat. 29. 9./ 4 10
Tagebuch 2. 5. 1 8 1 3 (WA III 5, 40)
Graf Moschinsky, ein alter Bekannter von Eger und dem Erfurter Congreß her. A n K. F. Reinhard 7. 11. 1808 (WA IV 20, 206)
Ist es wahr, daß Sie als Gesandter nach Cassel gehen? Man hat es mir in Erfurt zur Zeit der großen Monarchen Fluth . . . versichert. 2./4. 10.
F. V. Müller, Erinnerungen aus den Kriegszeiten (F. v. Müller 3 S. 242)
B 2 1097 B 3 2 7 5 4
Napoleon hatte schon mehrmalen den Wunsch blicken lassen, daß die Herzogin von Weimar ihm und seinem kaiserlichen Gast einen Ball zu Weimar geben möchte. Der Herzog überlegte hin und her, welche noch weitere Festlichkeiten und Anordnungen schicklicherweise getroffen werden müßten, wenn so hohe Gäste nach Weimar kämen. Es verstand sich von selbst, daß auch die anwesen550
1808
Erfurt den Könige und Fürsten einzuladen wären. Aber es war keine geringe Aufgabe, alle diese hohen Personen und ihr zahlreiches Gefolge anständig unterzubringen und zu versorgen. Daraus ging denn auch für mich eine Unzahl von mündlichen Aufträgen und Verhandlungen in Erfurt, wie von Correspondenzen und Anfragen nach Weimar hervor. Der Herzog forderte Goethe auf, auszusinnen, was etwa am würdigsten zur Verherrlichung der bevorstehenden merkwürdigen Tage in Weimar geschehen könnte. Goethe gab auch wirklich mehre höchst großartige und imposante Ideen an. Theils aber hätte ihre Ausführung zu viel Zeit erfordert, theils erschienen sie in der That zu gigantisch. Der Herzog beschloß daher, sich außer einem Festmahle und Hofballe auf eine große Hirschjagd am Ettersberg für den ersten Tag der kaiserlichen Anwesenheit, und für den andern Tag auf eine andere große Jagd auf den Bergen gegen Jena hin, zu beschränken, da Napoleon gewünscht hatte, dem Kaiser Alexander das Schlachtfeld von Jena zu zeigen. Der sechste und siebente October wurden zu diesen Festen bestimmt. . . Aus besonderer Artigkeit gegen die Herzogin von Weimar hatte Napoleon beschlossen, am 6. October sein ganzes Hoftheater nach Weimar zu senden, damit es dort la mort de César von Voltaire aufführe. Goethe eilte daher schon am 4. October zurück, um die nöthigen Voranstalten zu treffen. P. de Bourgoing, Souvenirs d'histoire contemporaine (Bourgoing S. 90)
La ville de Weimar qui, sous le règne du grand-duc Charles-Auguste, fut l'asile des premières illustrations littéraires de l'Allemagne, ne renfermait plus à l'époque du congrès d'Erfurth que deux de ses poëtes célèbres, Goethe et Wieland. Je vis l'un et l'autre chez mon père; dès son arrivée, il s'était empressé de faire leur connaissance. Ungenannt, Korrespondenznachricht aus Erfurt 5. 10. 1808 (Allgem. Zeitung 14. 10. 1808)
H. Geheimerath v. Göthe, den sich der Kaiser vorstellen lassen, war schon am 5 [4. 10.] nach Weimar zurükgereist. 2. u. 4·
P)
4. 10.
K. Morgenstern, Tagebuch 8. 10. 1808 (Sintenis S. 38) 10·
B 2 1 1 0 6 B 3 2768
i c h hatte ihn [Goethe] schon in Erfurt [2. 10.] beim Präsid. v. d. Recke gesprochen; und da er am folgenden Tage dort eine Karte für mich abgegeben hatte, worin er um die zwei aus Löbichau für ihn mitgebrachten Briefe des Fräulein Knabenau und der Mlle. Stock bat, so hatte ich ihn bald darauf eines Morgens [4. 10.?] mit Falk im Gasthof (der Schleedorn) besucht, wo er etwa 3/4 Stunde sehr interessant sprach über deutschen Geist, im südlichen Deutschland zumal, und manches Andere, das ich leider nicht angemerkt habe. Er sprach mit der Milde, Ruhe, Klarheit und Natürlichkeit des großen Geistes; zugleich vertraulich, zumal da Falk, den er genau kennt, dabey war. B. R. Abeken, Goethe in meinem Leben (Abeken 2 S. 101)
B 3 2755
Am 4. October machte ich mich Morgens um 8 Uhr auf, um nach Erfurt zu wandern und die dortigen Herrlichkeiten anzusehn . . . In der Nähe Erfurts 551
1808
Erfurt begegnete mir Goethe im Wagen, der, nachdem er an den Herrlichkeiten dort Theil genommen, und dem Kaiser vorgestellt war, nach Weimar eilte, um für die Einrichtung des Theaters, auf dem die kaiserlichen Schauspieler spielen sollten, zu sorgen. In Erfurt war es schwer, ein Unterkommen zu finden. Bei früheren Besuchen war ich im „Schlehendorn" eingekehrt, den Goethe eben verlassen hatte.
Weimar Riemer, Tagebuch 4. 10. 1808 (*Dtsch. Revue 11, 4 S. 34; Keil 5 S. 312)
B 2 1101 B 3 2756
Gegen 6 Uhr kam Goethe. Mit ihm in den Garten und dann auf seinem Zimmer. Uber die Erfurter Sachen. Daß er den Kaiser gesprochen. Wolle es aufschreiben, was er mit ihm gesprochen. [Anm. Keil: vgl. die Annalen, 1808. Riemer bemerkt, daß Goethe seine Unterredung mit dem Kaiser ganz so erzählte, wie er sie dort mit allen Umständen beschrieben hat.] Er hat ihm gleichsam das Tippelchen auf das I gesetzt. Nachricht, daß das französische Theater hier spielen werde. 5. 10.
Tagebuch 5. 10. 1808 (WA III 3, 391)
Abends kam der Director des französischen Theaters Dazincourt, da dann alles weiter verabredet und verfügt wurde. Riemer, Tagebuch 5. 10. 1808 (*Dtsch. Revue 11, 4 S. 34; Keil 5 S. 313)
Früh bei Goethe. Besorgung wegen des Theaters. Kam Dr. Seebeck. Gegen Abend kam der Directeur der französ. Bühne [Dazincourt] und einige Mitglieder derselben. Ins Theater, wo sie mit Goethe waren. Chr. G. v. Voigt an Eichstädt 5. 10. 1808 (Ztschr. Ver. thür. Gesch. NF 27, 203)
Das Französische Theater kommt herüber und spielt morgen. Talma ist sehr mit Herrn v. Goethe im Einklang. Dieser hatte auch eine lange Audienz bey dem Kaiser Napoleon. Falk (Schultze S. 74)
B 3 2757
Als Kaiser Napoleon nach Erfurt gekommen war, war Goethe so eingenommen worden von dem französischen Glanz, dass er, wenig die Demütigung fühlend, die in der Zumutung für ihn und uns alle darin lag, dass auf einem der ersten deutschen Nationaltheater der Julius Cäsar des Voltaire gegeben werden sollte, Weimar 5. 10.
A. L. Comte de Remusat an Goethe 4. 10. 1808 (Eing. Br. alph. 737) Je vous adresse, Monsieur, M r Dazincourt Directeur des Theatres de S. M. l'Empereur et Roi qui a été lui même un Acteur Comique tres distingué et dont les qualités égalent le talent; je vous aurai une veritable obligation d'aider M r Dazincourt de tous vos moyens pour les préparatifs de la représentation de la Mort de Cesar. Je vous rendrai moi même demain de bonne heure a Weimar et j'irai tout courante avec vous pour le mieux.
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1808
Weimar in der ersten Hitze sogar darauf bestand, dass sämmdiche Hofschauspieler die Statisten der Franzosen machen sollten, und dass [er] nur durch die nachdrücklichsten Vorstellungen der Hofschauspieler selbst, unter Vermitdung der Demoiselle Jagemann, Wolfs und anderer beim Herzog dem von ihm dirigierten Personale diese Erniedrigung endlich erliess . . . Auch hatte Herr Baron von Wolzogen in Ubereinstimmung mit Goethe den edlen Plan ersonnen, dass alle Bürgerlichen an diesem Kaisertage auf die Gallerie sollten (ins „Paradies" nämlich), die Damen aber (vorzugsweise die adligen) die erste Reihe der Logen, die Herren aber das Parterre besetzen sollten, alle nach dem Hofreglement in höchster Galla. Wie lustig nämlich dies bei der Handvoll Adligen, die es in Weimar giebt, auffallen musste, hat der Erfolg erwiesen. — Zu Erfurt wusste man von einer solchen Rangordnung kein Wort. — Auf die Vorstellung des Herren von Ziegesar, der mit in der Theatercommission sass, wie sehr es auffallen würde, wenn alle herzoglichen Kollegien auf die Gallerie müssten, wenn sogar Wieland, den man sonst nur in der herzoglichen Loge sähe, sich an einem solchen Tage auf der Gallerie zeigte, brüllte Goethe wie ein Löwe: „Hilft nichts, es muss alles herauf!" — Zum Glück ging dieser ungereimte Plan, wenigstens Wielanden betreffend, nicht durch. Man würde sonst späterhin, als der Kaiser nach Wieland fragte, in keine geringe Verlegenheit geraten sein. F. Kirms an Böttiger 12. 12. 1808 (LB Dresden, Böttiger 4° 106, 33)
Das Göthe nach Paris gehe, ist mir nicht bekannt: auch hat er die Schauspieler nicht gezwungen, Statisten zu machen, sondern als Sie Ausstellung machten, antwortete er: gut, es soll auch die Rede nicht weiter davon seyn. 6. 10.
Tagebuch 6. 10. 1808 (WA III 3, 391)
Nach vielem Hin- und Wiedergehen in allerley Geschäften zu Tafel bey Hof. Abends Schauspiel: La mort de César. Die Secretärs vom Staatssecretär Maret, dann er selbst, die bey uns logirten. Biographische Einzelnheiten. Unterredung mit Napoleon (*WA I 36, 275; Blumenthal S. 275)
Den 6. große Jagd. Die Schauspieler kommen an mit ihrem Director. Abends Tod des Cäsars. Gelegenheit zur Aufforderung einen Brutus zu schreiben. Minister Maret und Angehörige logirten bey mir. 6. 10.
Fourierbuch 6. 10. 1808 (HSTA Weimar) Mittag . . . Kaiserl. Tafel, im gew. Speisezimmer! . . . 16. Psn! Marschallstafel! Von der Russ. Suite! 1. 2. 2 Hrn. Grafen Tolstoi. . . v. d. Franz Suite! 16. Staats-Minister Maret . . . v. d. Königl. Sachs. Suite. 30. Chr. v. Gablenz . . . v. d. Königl. Wiirtenbg. Suite. 34. Obrist v. Görlitz . . . v. d. Königl. Bayer. Suite. 40. Hr. Gen. Graf Wartenberg 41. Hr. Gen. Gf. Reuß 41 b. Hr. Min. Montgelas. v. d. Königin v. Westphalen Maj. Suite 42. 1. D a m e d'atour . . . v. d. Fürst Primat. Suite 45. Fürst v. d. Leyen . . . . . . 54. Hr. Geh. Rath v. Goethe 55. Hr. Geh. Rath v. Voigt . . . 62. Psn in der Gallerie! Heute Abend nach 5. Uhr kam S c Majestaet der Kaiser von Rußland, der Grosfürst Constantin ν. Rußland, - und Sc" Maj. der Kaiser von Franckreich u. König von Italien, pp mit Allerhöchsdero Gefolge hier an . . . Abends war nach der Tafel franz. Comödie, und zwar von einer Schauspieler Gesellschaft die des Kaisers von Frankreich Maj. mitgebracht hatten. Nach der Comödie war Hof-Bai.
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1808
Weimar Stichworte zu Tag- und Jahres-Hefte 1808 (WA I 53, 389)
Die zu Erfurt versammelten Monarchen kommen nach Weimar. Julius Cäsar von Voltaire wird von französischen Schauspielern aufgeführt, ich werde bey dieser Gelegenheit aufgefordert einen Brutus im anderen Sinne zu schreiben. Herzogin Luise an Prinz Christian von Hessen-Darmstadt 10. 10. 1808 (Bojanowski S. 315)
II [Napoleon] parla à différentes dames . . . et pendant longtemps avec Wieland, qui'est allé hier à Erfurth et qui d'après l'invitation de l'empereur aura déjeuné ce matin avec lui. Peut-être que vous savez déjà, que Goethe, étant la semaine passée à Erfurth a aussi eu cet honneur-là? Et au bal il s'est aussi entretenu avec lui. Vous remarquerez tout comme nous, que ces gentillesses envers ces savants ne se font pas sans raison. Il sait, qu'ils ont en Allemagne beaucoup d'influence sur l'opinion publique et certainement que tous les journaux vont parler de la bonté et de l'assiduité de Napoléon. Knebel an Hegel 7. 10. 1808 (Hoffmeister 1, 246)
Β 3 2765
Was ich Ihnen hierbei noch, nicht als Zeitungsartikel, melden kann und was Sie vielleicht mehr interessieren dürfte, ist, daß sich bei uns der große Napoleon die Herzen aller Menschen, und vorzüglich auch der Verständigsten, auf eine Weise gewonnen hat, die ganz unabhängig von seiner Größe und Macht ist und den Mann noch mehr betrifft als den Kaiser. . . Mit unserm Goethe hat er sich schon ein paar Mal ziemlich lange unterhalten und vielleicht dadurch auch deutschen Monarchen das Exempel gegeben, daß sie sich nicht scheuen dürften, ihre vorzüglichsten Männer zu erkennen und zu ehren. Charlotte v. Schüler an Cotta 28. 10. 1808 (Marbacher Schillerbuch 1, 372)
Daß der Kaiser Napoleon immer mit bedeutenden Gegenständen sich beschäftigt, auch unter dem Geräusche der Welt, ist mir sehr interessant geworden, er hat die Gelehrten aufgesucht, und auf dem Ball eine lange Unterredung mit Wieland u. Goethe gehalten. Louise Seidler, Erinnerungen (Uhde 2 S. 41)
Nach dem Theater war großer Hofball im Schlosse. Ich fand auch da ein Plätzchen auf der Gallerie, von wo aus ich eine Unterhaltung Napoleons mit Goethe und eine längere mit Wieland beobachtete; Napoleon lehnte an einer Säule, neben ihm stand . . . der König von Sachsen. Caroline Jagemann, Erinnerungen (Bamberg 2, 337)
B3 2764
. . . danach fand im Schlosse Ball statt, wobei sich Napoleon angelegentlich mit Goethe und dem schnell herbeigeholten Wieland unterhielt. Caroline v. Egloffstein an F. Oberthür 20. 10. 1808 (JbGG 13, 234)
Er [Napoleon] sprach viel mit Wieland und Goethe über Geschichte, Religion, Regierungsform pp. 554
1808
Weimar J. G. Melos an Böttiger 9. 10. 1808 (LB Dresden, Böttiger 4 o 126, 36)
Napoleon hat nicht getanzt; aber sich desto mehr mit der Herzoginn, mit Göthe u. Wieland unterhalten. Göthe, der schon in Erfurt mit dem Kaiser gefrühstückt hatte, soll von Napoleon ganz bezaubert seyn u. geäußert haben, ein solcher Kopf wäre ihm noch nicht vorgekommen. Dagegen soll Napoleon Göthen einen Mann comme il faut genannt haben. Um 12 Uhr verließ der franz. Kaiser den Ball. K. V. Stein an F. v. Stein 10. 10. 1808 (Rohmann S. 153)
B 2 1104 a B 3 2766
Der Kaiser ließ La mort de Cesar in Weimar von seinen Pariser acteurs aufführen. Der berühmte Talma machte den Brutus. Mit Göthen und Wieland hatte er viel gesprochen. Mit Göthen schon in Erfurth. Ich habe lange Göthen nicht in so gnädiger Laune gesehen, als damals. Was doch ein Bischen Weihrauch nicht thut. C. Bertuch, Tagebuch o. Dat. 1808 (GSA, Bertuch 3069)
Am Ball den 6 n Octobr. sprach Napol. den Vater Wieland, den er durch Müller sich bringen ließ . . . Ehe er weggieng, ließ er sich Goethe hohlen, u. sprach mit ihm über die tragische Bühne, die er wie die Geschichte, zur Bildung v. Staatsmänner für ein Hauptmittel halte. Ungenannt, Korrespondenznachricht aus Erfurt Okt. 1808 (Morgenblatt 16. 11. 1808, S. 1100)
Napoleon soll viel über die Kunst mit unserm Goethe und Wieland gesprochen haben. Ungenannt, Korrespondenznachricht (Allgem. Zeitung 17. 10. 1808)
Fernere Nachrichten aus Erfurt im Journal de Francfort erzählen . . . Am 6 . . . um 5 Uhr stiegen die Kaiser wieder in den Wagen, und begaben sich nach Weimar . . . Nach dem Theater war Konzert, und nachher Ball, auf welchem der Kaiser Alexander viel tanzte, der Kaiser Napoleon aber sich geraume Zeit mit Göthe und Wieland unterhielt. Bertuch (?), Beschreibung der Feierlichkeiten, welche bei Anwesenheit von Ihro Majestäten der Kaiser Alexander und Napoleon . . . in Weimar und Jena am 6. und 7. October 1808 . . . veranstaltet wurden (Bertuch S. 14) B 3 2759
Se. Maj. der Kaiser Napoleon unterhielt sich [auf dem Ball] sehr lebhaft mit vielen der Anwesenden. Dieses Glück wurde auch den großen Dichtern Göthe und Wieland zu Theil. Mit beiden sprach der Held des Jahrhunderts sehr lange, und zu wiederholten Malen mit letzterem, und discutirte mit freier Genialität und tiefem Scharfblicke wichtige Gegenstände der alten und neuern Geschichte und Literatur, die sein umfassender Geist unter neuen großen Gesichtspunkten darstellte. Mit sichtbaren Wohlwollen zeichnete der erhabene Monarch diese Coryphäen der teutschen Literatur aus, und gab hierdurch den schmeichelhaftesten Beweis, daß ihm die Nation, deren Protector er ist, werth sey, und er ihr eigentliches National-Band, ihre Literatur und Sprache, achte und würdige. — 555
1808
Weimar Ehe der Kaiser Napoleon sich um ein Uhr in seine Zimmer zurückzog, sprach er zuletzt noch mit großer Lebhaftigkeit den Geheimen Rath von Göthe. Böttiger, Korrespondenznachricht aus Thüringen 22. 10. 1808 (Allgem. Zeitung 29. 10. 1808)
Sowohl Göthe als Wieland hatten in Erfurt Audienzen beim Kaiser Napoleon, der sich dann auch in Weimar beim Ball mit beiden wieder sehr gnädig unterhielt, und besonders mit seinem alles überblikenden Scharfsinn den Umstand erörterte, daß man endlich der Heldengedichte und Dramen aus dem Stoffe der Vorzeit genug habe, und auf neue Gegenstände denken müsse, wobei er selbst über die sogenannte Schiksalsfabel höchst treffende Urtheile einmischte. Beiden wurde der Orden der Ehrenlegion ertheilt. Alexander verweilte nach seiner Abreise noch vom 14 bis zum 16 in Weimar, und gab Göthen das grose Band des St. Annenordens, so wie Wielanden denselben Orden zweiter Klasse. Ungenannt, Korrespondenznachricht aus Weimar 9. 10. 1808 (Der Freimüthige 18. 10. 1808, S. 836)
Das Schauspiel dauerte kaum 1 und eine Viertelstunde. Das Spiel ging, ohne daß der Vorhang fiel, immer in einem fort; blos ein paar Minuten wurde nach jedem Akt pausirt. Nach dem Schauspiel war Ball am Hofe. Alexander eröffnete ihn mit der Königin von Westphalen. Napoleon unterhielt sich während des Balles sehr viel mit unserer Herzogin, Göthen und Wielanden. Göthe hatte schon einige Tage zuvor in Erfurt mit dem Kaiser gefrühstückt, und wie man sagt, ist er so von ihm bezaubert, daß er geäußert hat, er kenne kein größeres Genie als Napoleon. Auch Göthe hat dem Franz. Kaiser so wohl gefallen, daß er ihn einen Mann comme il faut genannt haben soll. Um 12 Uhr verfügte sich Napoleon auf sein Zimmer; bat aber, um seinetwillen den Ball nicht zu unterbrechen, und sich in der Freude nicht stören zu lassen. Ungenannt, Weimar u. Erfurt im September u. Oktober 1808 (Journal d. Luxus u. d. Moden, Okt. 1808, S. 756)
Ich . . . vergesse ganz, daß ich . . . noch den Ball schildern muß. — Wie soll ich Ihnen den Glanz beschreiben, der hier von allen Seiten mich umgab? . . . Napoleon, in der einfachen Uniform, ohne äußern Glanz, in ruhiger Würde . . . Vorzüglich lang unterhielt er sich mit Wieland und Goethe . . . Napoleon blieb bis gegen 1 Uhr und zog sich, nachdem er zuletzt noch mit Goethe sehr lebhaft gesprochen hatte, dann zurück. Böttiger, Korrespondenznachricht aus Weimar 10. 10. 1808 (Allgem. Zeitung 25. 10. 1808)
Napoleon nahm daran [am Ball] keinen unmittelbaren Antheil, unterhielt sich aber viel mit unserer allverehrten Herzogin Luise . . . Aber mit bezaubernder Huld und Herablassung besprach er sich auch mit andern Umstehenden, mit Göthe und mit . . . Wieland. Falk, Französisches Theater zu Erfurt (GSA, Falk IX 3, Bl. 28)
So lange ein Künstler wie Talma selbst einräumen muß, daß die Verzeichnung im Charakter des Brutus im Tod des Cäsar ihm das Spiel desselben unendlich erschwere: so lange wie der neue Cäsar in Europa selbst fühlt, und es einem 556
1808
Weimar Göthe und Wieland im Gespräch gerade heraus einzuräumen kein Bedenken trägt, daß der Cäsar von Möns. Voltaire doch weiter nichts, als eine Art von Theatralischer Carrikatur sey . . . An F. Kirms 27. 6. 1810 (WA IV 21, 336)
Könnte man die unternommenen Arbeiten nach und nach vom Stapel lassen; so würde der, durch einen sehr hohen und bedeutenden Theaterkenner [Napoleon, 1808] mir aufgetragene, Brutus wohl auch mit flott werden. J. S. Grüner (Grüner S. 86)
B 2 2017 a Β 3 4991
[Goethe zu Grüner 27. 7. 1822:] Als Napoleon in Erfurt war, wünschte er, ich möchte ein Trauerspiel „Brutus" schreiben. F. V. Müller, Unterhaltungen 30. 8. 1827 (Grumach S. 160)
B 2 2532 B 3 6042
Der Sohn [August v. Goethe] erzählte, daß er [Goethe] einen bessern Tod Caesars zu schreiben, dem Kaiser habe versprechen müssen. David d'Angers, Souvenirs (Cerf S. 34)
Β 3 6432
Goethe m'a dit [1829] que Napoléon lui avait reproché d'avoir traduit Mahomet et d'autres pièces de Voltaire: «J'étais bien aise de donner aux Allemands une idée du théâtre tragique de cette époque en France, pour les amener à de certaines choses que je voulais faire. » Riemer (GSA, Riemer 931)
Zelter schreibt [am 30. 3. 1830 an Goethe]: Man hat gesagt: Napoleon habe mit Dir über Julius Caesars Tod gesprochen. Das könntest du mich wohl wissen lassen . . . Ich erinnere mich auch, daß G. mir d a v o n gesagt hat. Leider hat s. Delicatesse, die ihn verhindert an Varnhagen zu schreiben was die Hoheit über ihn gesagt, auch hier das beste verschwiegen. B. R. Abeken, Goethe in meinem Leben (Abeken 2 S. 101)
B 3 2758
So sah ich ihn ein andermal in der vornehmsten, glänzendsten Umgebung gleich schlicht, und doch wie ihr angehörend. Vor allem war dies der Fall am sechsten October 1808, wo Napoleon, als er von Erfurt aus dem Herzoge Carl August, in der Begleitung des Kaisers Alexander und einer großen Zahl von Königen und Fürsten, einen Besuch abstattete, im Weimarischen Theater von seinen Schauspielern den Tod Cäsars von Voltaire aufführen ließ. Talma spielte den Brutus. Da sah ich Goethe unter einer unzählbaren Menge von Marschällen, Ministern, Generalen, Diplomaten im festlichen Kleide, mit seinen Orden geschmückt, in der Nähe des großen Kaisers, ihn, der mir der Größeste schien von Allen. Immer erkannte ich in ihm den Mann von fester, sicherer Haltung, den seiner selbst mächtigen. F. v. Müller, Erinnerungen aus den Kriegszeiten (F. v. Müller 3 S. 248)
B 2 1102 B 3 2760
Gleich nach dem Schlüsse des Theaters begann der festliche Hofball im großen Saale des Schlosses . . . 557
Weimar
1808
Nachdem er [Napoleon] sich hierauf eine Zeit lang mit Goethe unterhalten hatte, kam er plötzlich auf mich zu und fragte: „Wo ist denn Wieland? warum führt man mir ihn nicht zu?" Ich erwiederte, daß sein hohes Alter ihn von Bällen zurückhalte, ich würde aber sogleich veranlassen, daß er erscheine. Der Herzog ließ ihn alsbald durch einen Wagen abholen. Wieland war sehr überrascht, doch währte es nicht lange, so konnte ich ihn zu Napoleon führen . . . Der Kaiser sprach während des Balles noch einmal mit Goethe und drückte ihm sein lebhaftes Interesse an Veredlung der tragischen Kunst aus. Er wiederholte dabei, daß man das Trauerspiel nicht nur für die würdigste Schule der Fürsten und Staatsmänner achten müsse, sondern daß es in gewisser Hinsicht selbst weit über der Geschichte stehe. Erst um 1 Uhr zog er sich vom Ball zurück. F. V. Müller, Mémoire für Talleyrand 6./12. 10. 1808 (GJb 15, 23)
Sa Majesté daigna également faire appeller près d'Elle Msr. de Goethe, pendant que le Bal duroit et lui marqua de nouveau quel vif intérêt Elle mettait au perfectionnement de l'art tragique. Il repetoit plusieurs fois, que la bonne Tragédie devoit être regardée comme l'école la plus digne des hommes d'Etat, étant par un certain point de vue, même au dessus de l'histoire. Talleyrand, Mémoires (Léon 1, 254)
B 2 1103 B 3 2761
En sortant de table, on fut au spectacle où l'on jouait la Mort de César devant tous les souverains et princes qui d'Erfurt etaient venus à Weimar. Du spectacle, on passa dans la salle de bal. C'est une fort belle pièce, vaste, élevée, carrée, éclairée par en haut, et ornée de beaucoup de colonnes. L'impression que la Mort de César avait laissée fut bientôt dissipée par la vue d'une quantité de jeunes et jolies personnes qui s'étaient rendues au bal. Napoléon aimait à traiter les questions sérieuses dans les salons, à la chasse, au bal, quelquefois auprès d'une table de jeu. Il croyait par là prouver qu'il n'était pas accessible aux impressions que ce genre de mouvement donne au commun des hommes. Après avoir fait le tour de la salle, et s'être arrêté près de quelques jeunes femmes dont il demandait le nom à M. Frédéric de Müller, chambellan du duc, qui avait repu l'ordre de l'accompagner, il s'éloigna de la grande enceinte et pria M. de Müller de lui amener M. Goethe et M. Wieland . . . Il alla chercher ces messieurs qui, avec quelques autres membres de cette académie, regardaient ce beau et singulier spectacle. M. Goethe, en s'approchant de l'empereur, lui demanda la permission de les lui nommer. Je ne donne pas leurs noms, parce qu'ils ne se trouvent pas dans la note, cependant fort détaillée, que me remit le lendemain M. de Müller, à qui j'avais demandé d'écrire tout ce qu'il aurait remarqué dans ce voyage, pour le comparer à ce que, de mon côté, j'avais noté moi-même. « Vous êtes, j'espère, content de nos spectacles, dit l'empereur à M. Goethe; ces messieurs y sont-ils venus? — A celui d'aujourd'hui, Sire, mais pas à ceux d'Erfurt. — J'en suis fâché; une bonne tragédie doit être regardée comme l'école la plus digne des hommes supérieurs. Sous un certain point de vue, elle est au558
1808
We i m a r dessus de l'histoire. Avec la meilleure histoire, on ne produit que peu d'effet. L'homme, seul, n'est ému que faiblement; les hommes rassemblés reçoivent des impressions plus fortes et plus durables. Je vous assure que l'historien que vous autres citez toujours, Tacite, ne m'a jamais rien appris. Connaissez-vous un plus grand et souvent plus injuste détracteur de l'humanité? Aux actions les plus simples, il trouve des motifs criminels; il fait des scélérats profonds et tous les empereurs, pour faire admirer le génie qui les a pénétrés. On a raison de dire que ses Annales ne sont pas une histoire de l'empire, mais un relevé des greffes de Rome. Ce sont toujours des accusations, des accusés et des gens qui s'ouvrent les veines dans leur bain. Lui qui parle sans cesse de délations, il est le plus grand des délateurs. Et quel style! Quelle nuit toujours obscure! Je ne suis pas un grand latiniste, moi, mais l'obscurité de Tacite se montre dans dix ou douze traductions italiennes ou françaises que j'ai lues; et j'en conclus qu'elle lui est propre, qu'elle naît de ce qu'on appelle son génie autant que de son style; qu'elle n'est si inséparable de sa manière de s'exprimer que parce qu'elle est dans sa manière de concevoir. Je l'ai entendu louer de la peur qu'il fait aux tyrans; il leur fait peur des peuples, et c'est là un grand mal pour les peuples mêmes. N'ai-je pas raison, monsieur Wieland? Mais je vous dérange; nous ne sommes pas ici pour parler de Tacite. Regardez comme l'empereur Alexandre danse bien. A. Thiers, Histoire du consulat et de l'empire (Thiers 9, 261)
Β 2 1104 Β 3 2762
Une réception somptueuse attendait à Weimar les deux empereurs. Après un repas splendide, un bal réunit la plus brillante société allemande. Goethe et Wieland s'y trouvaient. Napoléon laissa cette société pour aller dans le coin d'un salon converser longuement avec les deux célèbres écrivains de l'Allemagne. Il leur parla du christianisme, de Tacite, de cet historien, l'effroi des tyrans, dont il prononçait le nom sans peur, disait-il en souriant; soutint que Tacite avait chargé un peu le sombre tableau de son temps, et qu'il n'était pas un peintre assez simple pour être tout à fait vrai. Puis il passa à la littérature moderne, la compara à l'ancienne, se montra toujours le même, en fait d'art comme en fait de politique, partisan de la règle, de la beauté ordonnée, et, à propos du drame imité de Shakespeare, qui mêle la tragédie à la comédie, le terrible au burlesque, il dit à Goethe: Je suis étonné qu'un grand esprit comme vous n'aime pas les genres tranchés! — Mot profond, que bien peu de critiques de nos jours sont capables de comprendre. L. P. E. Bignon, Histoire de France, sous Napoléon (Bignon 8, 25)
B 3 2763
Je rapporterai une circonstance qui est restée présente à mon esprit, et dont le souvenir mérite d'être conservé. A Weimar, dans un bal donné par le duc, tout était animé, bruyant, tumultueux même, comme s'il n'y avait eu là que des sujets ou tout au plus le souverain de cette petite principauté; et cependant toutes les grandeurs, hors Napoléon, y étaient déjà réunies. Lorsqu'il parut, sa présence s'annonça, d'une extrémité des salons à l'autre, par un moment d'un silence respectueux. Ses premiers égards furent naturellement pour l'empereur Alexandre; mais, ce devoir rempli, au lieu de se rendre là où les rois et les grands-ducs, 559
1808
Weimar courtisans à leur tour, s'étaient placés pour l'attendre, Napoléon ayant aperçu plus près de lui Wieland et Goethe, s'entretint assez longtemps avec ces maîtres de la littérature allemande avant d'arriver au bataillon de souverains. Le talent, ce jour-là, eut le pas sur la royauté. Napoléon seul au monde a pu régler ainsi l'ordre des préséances. Je remarquai avec plaisir cet hommage rendu au mérite personnel. Parmi les princes présents, peut-être y en avait-il plus d'un auquel la leçon n'était pas inutile. L. F. J. de Bausset, Mémoires anecdotiques . . . pour servir à l'histoire de Napoléon (Bausset 1, 321)
Pendant le bal, l'empereur Napoléon s'entretint long-temps avec deux hommes de lettres célèbres, à juste titre, dans toute l'Allemagne et même en Europe, M. Wiéland et M. de Goethe. LL. MM. se retirèrent à minuit dans leurs appartenons. G. H. Lewes nach ungenannter Quelle (Lange S. 505)
During the ball, Napoleon talked at great length with Goethe and Wieland. Speaking of ancient und modern literature, Napoleon touched on Shakespeare, whom he was too French to comprehend, and said to Goethe: « J e suis étonné qu'un grand esprit, comme vous, n'aime pas les genres tranchés. » Goethe might have replied that les grands esprits have almost universally been the very reverse of tranchés in their tastes; but of course it was not for him to controvert the E m p e r o r . . . After speaking magniloquently of tragedy, Napoleon told him he ought to write a Death of Caesar, but in a grander style than the tragedy of Voltaire. « Ce travail pourrait devenir la principale tâche de votre vie. Dans cette tragédie il faudrait montrer au monde comment César aurait pu faire le bonheur de l'humanité si on lui avait laissé le temps d'exécuter ses vastes plans » . . . A proposition more acceptable than that of writing tragedies at his age, was that of accompanying Napoleon to Paris, « Venez à Paris, je l'exige de vous; là vous trouverez un cercle plus vaste pour votre esprit d'observation; là vous trouverez des matières immenses pour vos créations poétiques ». 7. 10.
Tagebuch 7. 10. 1808 (WA III 3, 391)
Früh Besuch von Marschall Lannes. Mit demselben und Minister Maret verschiedenes. Nachher Graf Bose, sodann Gegenvisiten. Sprach den Fürst Primas bey Frau von Wolzogen. Nach dessen Abreise zu Ziegesars. Nach Hause, mit den Secretärs zu Mittag gespeist. Nach dem Schlosse. Kam alles von den Jenaischen Bergen und der Apoldaischen Jagd zurück und fuhr gleich weiter. Secretar Le Lorgne blieb. Abends zu Frau von Stein. Biographische Einzelnheiten. Unterredung mit Napoleon (*WA I 36, 275; Blumenthal S. 275)
Den 7. Marschall Lannes und Minister Maret, umständliches Gespräch wegen der bevorstehenden spanischen Expedition. Von der Jenaisch-Apoldischen Jagd alles zurück und weiter. Hofrat Sartorius und Frau. An Madame Lannes, Herzogin von Montebello Febr. 1812 (WA IV 22, 485)
Ich werde stets mit Freuden bekennen, daß er ¡Marschall Lannes] . . . in glücklichen Tagen mein Gönner gewesen. Wie gnädig und freundlich er sich beym
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Weimar
1808
Abschiede gegen mich erzeigt, daran kann ich nicht ohne Rührung denken: er lud mich so dringend und herzlich nach Paris ein, wo ich das Glück haben sollte, Ew. Erlaucht und den theuren Ihrigen aufzuwarten; ja er schien es mir zu befehlen . . . Charlotte v. Stein an F. v. Stein 8. 10. 1808 (*Düntzer 9 2, 299; GSA, Stein 107)
B 2 1 1 0 5 B 3 2767
Mit Wieland hat Napoleon lange gesprochen, aber er wirds wie Goethe nur der Nachwelt hinterlaßen, gestern abend als ich mit der Schillern tete a tete am Theetisch saß und wir uns zum Spaß aus den Cesar wie die französchen Comedianten vordeclamirten, kam Goethe zu mir herein um Gotteswillen legt das Buch hin sagte er, sezte sich hin und schlief so fest ein daß er schnarchte, nicht lange nachher kam die Bose die sich ich weis nicht warum vor ihn fürchtet, geht grad auf ihn zu weil sie ihn vor Deinen Bruder hält, darüber erwachte er wieder und klagte wie ermüdet er von alle diese Tage wäre und schlief wieder ein. meine andere Geselschafft ging, und endlich schlug ich ihm vor nach porteurs zu schiken, er bat um Verzeihung, daß er mir nichts habe vor Müdigkeit erzählen können und ging fort, wen er nur nicht kranck wird, heute hörte ich nichts von ihn. 7.(?) 10.
An Chr. G. v. Voigt 10. 10. 1808 (?) (WA IV 30, 116)
Die darinn [in seinem Aufsatz über den Nachdruck?] enthaltnen Vorschläge fanden den Beyfall des Ministers Grafen von Bose, der mich aufmunterte, sie an den Fürsten Primas zu bringen, welcher sie gleichfalls billigte, von mir eine Note verlangte und die Sache sogleich zu initiren versprach. A n Cotta 1. 10. 1809 (Kuhn 1, 200)
Mit Recht beklagen Sie sich, daß das Nachdrucks-Unwesen durch die liebe Preßfreyheit im Ostreichischen erst recht überhand nimmt. Ich darf Ihnen wohl im Vertrauen eröffnen, daß diese Materie bey dem großen Erfurter Zusammentreffen so vieler bedeutenden Männer zur Sprache kam. Ich hatte zwey Hauptpersonen, den Fürsten Primas und den Grafen Bose, für meine Ansichten gewonnen, oder vielmehr es waren die ihrigen, nur daß ich sie entschiedener aussprach. 8. 10.
Tagebuch 8. 10. 1808 (WA III 3, 392)
Zu Durchlaucht dem Herzog. . . Mittag Dr. Werneburg zu Tische. Nachher kam Hofrath Sartorius; mit demselben zu seiner Frau, mit denen ich in's Theater ging. Minna von Barnhelm. Nachher nach Hause gebracht in den Erbprinzen. Riemer, Tagebuch 8. 10. 1808 (Dtsch. Revue 11, 4 S. 34)
Bei Goethe Briefe. Mittags Dr. Werneburg. K. Morgenstern, Tagebuch 8. 10. 1808 (Sintenis S. 38)
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Am folgenden Morgen (8. October) . . . ging ich auf die Bibliothek. Oben auf der Treppe begegnete ich dem Geh. Rath v. Goethe. Wir sprachen einige Minuten zusammen über das französ. Theater u. s. w. 561
Weimar
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Caroline Sartorius an K. v. Voigt vor 24. 10. 1808 (Monroy S. 62)
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Am andern Morgen [8. 10.] fuhren wir durch das bunte Gewühl von Erfurth hindurch, gerade nach Weimar zu, um dort von Goethe zu vernehmen wie man es anzufangen habe um etwas von den Herrlichkeiten zu sehen und für die Nacht eine Herberge zu finden. Im Wirthshaus zu Weimar war alles so voll daß man uns nur auf eine einzige Nacht aufnehmen wollte; weil es gut ist in der Welt mancherley zu versuchen so freute ich mich schon im voraus aufs Bivuakiren. Unterdessen ging S. zu Goethe der auf die freundlichste Art von der Welt uns eine Wohnung bey sich anboth und uns in die Comödie führte, wo wir Minna von Barnhelm gesehn haben. Das Schauspielhaus ist nicht groß aber allerliebst und die Truppe nach dem Urtheil der Kenner eine der besten in Deutschland . . . Mit einer Empfehlung von Goethe an den Präsidenten von Reck und seine liebenswürdige Frau versehen, fuhren wir am Sontag [9. 10.] früh nach Erfurth zurück. vor 9. 10. Riemer an Marianne v. Eybenberg 9. 10. 1808 (Sonntagsblätter. Wien 1846 S. 1147)
Von der Gesundheit des Hrn. Geheimeraths kann ich Ihnen die erfreuendsten Nachrichten geben. Franzensbrunn scheint alle guten Einflüsse von Carlsbad noch zu bestärken. 9. 10.
Tagebuch 9. 10. 1808 (WA III 3, 392)
Hofrath Meyer. Einiges in Rahmen gebracht, Kupfer und Zeichnungen . . . Zu Frau von Wolzogen. Frau von Beaulieu und Nichte. Kartenschlagen. Zu Frau von Stein. vor 10. 10. H. Meyer an H. B. Hundeshagen 10. 10. 1808 (GSA, Meyer 85, 1)
Die jetz wieder zurückfolgenden Zeichnungen von Verzierungen aus dem Kloster Breitenau würde ich schon vor geraumer Zeit wieder zurück gesendet haben wenn ich nicht die Ankunft des Hm Geh. Raths v. Goethe aus Carlsbad hätte abwarten wollen um solche demselben vorzuweisen, dem Sie auch in der That viel Vergnügen gewährt haben. 10. 10.
Riemer, Tagebuch 10. 10. 1808 (Keil 5 S. 313)
Früh zu Goethe. Aufsatz über das Buchwesen in Deutschland, Nachdruck und Anonymität. 6./10. 10. Sophie v. Schardt an E. Mounier 10. 10. 1808 (GSA, Stein-Schardt 154, 1)
J'ai vu Talma jouer Oreste en Andromaque, Oedipe, et Brutus dans la mort de Cesar . . . quelle declamation! quelle voix que la leur. Mr. Göthe en est enchanté et dans l'admiration comme nous. A n F. v. Müller 11. 10. 1808 (WA IV 20, 174; 30, 272)
Ich . . . bitte mein Andenken nochmals allen hohen Gönnern zurückzurufen, besonders auch Herrn von Remusat einige verbindliche Worte von mir zu sagen, nicht weniger Herrn Le Lorgne, dessen hiesiger Aufenthalt mir sehr interessant gewesen ist. Den Herren vom Theater Dazincourt, Talma, Lafond recht viel 562
Weimar
1808
Artiges. Ich bin aufrichtig, wenn ich sage, daß ich mich mit Enthusiasmus ihrer erinnere. 6./
Riemer (*Dtsch. Revue 11, 2 S. 164; Keil 5 S. 188)
B 2 1597 B 3 7128
10. 10. (.) j-QQgjjjg.j ^Schöne Melodie und Gesang von einem schlechten Text thut nichts zur Sache. Es ist besser die Worte nicht zu verstehen, weil man aus den Geberden mehr herausholt, als die Worte geben können. Die Wichtigkeit des Inhalts, des Gegenstands wird uns durch leidenschaftliche Geberden aufgeprägt, auch der Stumpfeste muß denken, daß es der Mühe werth sei, sich zu ereifern. Nicht outrirt. Alle Elemente des Gefühls, Ausdrucks sind darin, die bei uns auch, aber einzeln vorkommen, aber verbunden zu einem Ganzen. Das französische Theater, Acteurs, gehen nur wenig über die französische Wirklichkeit hinaus, es ist nur tactmäßiger. Der gemeinste Soldat würde so agiren, so sprechen, nur nicht durchweg mit dieser Gemessenheit, die keineswegs steif und hölzern. Das Ensemble der Bewegungen, zumal in diesem Stück [Voltaire, Le mort de César?], bei dem mannigfaltig, aber doch uniform gekleideten Männern, war äußerst würdig und imposant. Das franz. Theater stellt seinen Gegensatz in französischer Form, das deutsche den seinigen in seiner Form [dar]. Das deutsche stellt leidenschaftliche Gegenstände mit seiner Ruhe vor, das französische gesetzte mit seiner Heftigkeit." 11. 10.
Tagebuch 11. 10. 1808 (WA III 3, 393)
Mittag Dr. Werneburg und dessen Ciavier. Sophie Teller. Abends kam Frau Hofrath Sartorius an. Riemer, Tagebuch 11. 10. 1808 (Keil 5 S. 313)
Werneburg mit seinem Instrument. Die Accorde ausgezogen, wie ich es von W gelernt hatte, und auf die Farben angewandt. Zu G. damit. An Werneburg die Accorde geschickt. Henriette v. Knebel an Knebel 12. 10. 1808 (Düntzer 4 S. 346)
B 2 1106 a B 3 2770
Goethe war gestern bei uns und sagte mir, daß sein Bulletin [nach Jena] ins Stocken gerathen ist; auf dieses hoffte ich stets. Caroline Sartorius an K . v. Voigt 27. 10. 1808 (Monroy S. 70)
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Unterdessen war unser Wagen angekommen und ein Billet von Goethe meldete, daß er uns diesen Abend bey sich erwarte. Während der Zeit daß Sartorius beym Minister [Graf Romanzow] war, bereitete ich alles zur Abreise. Er kam bald zurück. Der Minister hatte ihn aufs freundlichste empfangen, alter Zeiten beßtens gedacht, und ihn zuletzt gebethen den andern Morgen wo er länger Zeit habe wiederzukommen. Nun war guter Rath teuer, Goethe erwartete uns, und doch war des Ministers Vorschlag nicht abzulehnen. Zuletzt faßte ich mir ein Herz und machte mich alleine auf den Weg. Sartorius versprach den andern Tag 563
1808
Weimar nachzukommen sobald er seinen Besuch abgethan habe. So fuhr ich denn mit sinkendem Tage weg, machte die 3 Meilen allein im Finstern und um 9 Uhr kam ich nach Weimar in ein Haus wo ich niemahls gewesen, zu einem Mann dem ich fast unbekannt war, und vor dem so mancher sich fürchten mochte. Meine glückliche Unbefangenheit verließ mich indeß nicht, und so ging alles zum beßten ab. Ich brachte meine Worte kurz an. Goethe war äußerst liebenswürdig, hieß mich willkommen und umarmte mich, bey dieser Gewohnheit ist's denn auch verblieben solange wir dort gewesen sind, und weil es sich einmahl beyläufig ergab daß er nur „hübsche Kinder" küßt, so konnte ich nichts dagegen einzuwenden haben. Seine Frau die eben nach Frankfurth gereißt war, habe ich nicht kennen lernen, und auch dieses war einer von den seltenen Glücksfällen deren wir mehrere auf unserer Reise gehabt haben. Goethens Haus ist gar preißlich und bey altmodigen höchst einfachen Meubles, ein Inbegriff von allem Comfort. Die Treppe ist ganz im Italiänischen Geschmack, mit Statuen einem Plafondgemähide und einem Friese in Stuckatur verziert, und so über alle Maßen schön, daß ich in einem Privat Hauß, ihr nichts zu vergleichen wüßte. Am Eingang ins Vorzimmer empfängt Dich nach antiker Weise ein freundliches Salve, das mit dunklem Holz in den weißen Fußboden eingelegt ist. Noch ein anderer Fußboden in einem Saal war besonders hübsch. Er war mit Papier beklebt und mit einer Wachsmahlerey die eine Nachahmung des Alterthums ist überzogen. Der Grund war ein dunkelgrün gesprenkelter Porphir, rings herum lief eine helle Arabeske und in der Mitte war als Medaillon die Tragische Maske angebracht. Von den Kunstschätzen aller Art, die dieses Haus enthält, sage ich kein Wort als daß ich eine wahre Diebesneigung zu den geschnittenen Steinen verspürte, die ich dort gesehen habe. G. Sartorius an Goethe 11. 5. 1809 (Monroy S. 90)
Meine kleine, gute Frau empfiehlt sich Ihrem Andenken, sie kann jenes Abends noch nicht ohne des dankbarsten Gefühls sich erinnern. 12. 10.
Tagebuch 12. 10. 1808 (WA III 3, 393)
Hr. Hofrath Sartorius. Riemer, Tagebuch 12. 10. 1808 (Keil 5 S. 313)
Kam Werneburg und bezeugte, daß ich die Accorde richtig ausgezogen. Mittags Hr. von Fritsch, Oberhofmeister, und Sartorius mit s. Frau zu Tische. Geschichten von der Jagd auf d. Ettersberg und Apolda. Goldne Brillantirte Dose mit Ν auf mattem Golde, die Fritsch bekommen. Wurden Medaillen auf Ν vorgezeigt. 11./
An Christiane v. Goethe 12. 10. 1808 (WA IV 20, 175)
12. 10.
Hofrath Sartorius und Frau sind bey mir eingekehrt und bedauern gar sehr dich nicht zu finden.
13. 10.
Tagebuch 13. 10. 1808 (WA III 3, 393)
Mittag Sartorius und Frau Reg. v. Müller. F. Schoppenhauer. Blieb die Gesellschafft beysammen. Abends Concert und Soupé. 564
1808
Weimar An Christiane v. Goethe 25. 10. 1808 (WA IV 20, 187)
Einigemal hab ich Gesang gehabt. Die Göttingischen Freunde [Sartorius] waren darüber sehr vergnügt. Riemer, Tagebuch 13. 10. 1808 (Keil 5 S. 313)
Gegen Abend kamen die Sänger: confirma hoc Deus [von Jommelli] und anderes. Nachher zu Tische gesungen: die Götter, die Zeitalter, die Heirathen u. dgl. Werneburg trug seine Theorie der Musik vor. 14. 10.
Tagebuch 14. 10. 1808 (WA III 3, 393)
Orden der Ehrenlegion Gegen 2 bey Hofe wegen Ankunft des Russischen Kaysers dort verweilt. Abend 5 Uhr gespeist. . . Talma und Frau. Speisten Abends mit Sartorius und de Lorgne. Biographische Einzelnheiten. Unterredung mit Napoleon (*WA I 36, S. 276; Blumenthal S. 276)
Den 14. Orden der Ehren-Legion. Talma und Frau und Secretair de Lorgne. Caroline Sartorius an K. v. Voigt 27. 10. 1808 (Monroy S. 73)
B 2 1108 B 3 2776
Der 14. Oct. erschien — der so manches Andenken aus jener Schreckenszeit erneuerte. Die Kaiser trennten sich . . . Goethe war den Mittag bey Hof, damit aber kein Tag ohne ein eigenthümliches Intereße verstreichen sollte, so meldeten sich der Schauspieler Talma und seine Frau an. Goethe bat mich in seiner Abwesenheit ihnen und einem Secretair des Kaisers der auch im Hause logiren sollte, die Honneurs zu machen, und so habe ich denn diesen Tag die Frau vom Hause representirt. K. Morgenstern, Tagebuch 14. 10. 1808 (Sintenis S. 39)
B 2 1107 B 3 2774
Gegen Mittag war ich eine kurze Weile bei Geh. R. von Goethe. An der Hausschwelle bemerkte ich das Salve nicht; aber auf einem Teppich beim EntréeZimmer oben. Gespräch über Jacobi und Joh. Müller, die er grüßen läßt; über Klinger: Klinger würde sich, meint er, in Deutschland jetzt nicht gefallen, weil er hinter der Zeit in Manchem zurückgeblieben sei. Ueber gewisse Dinge spreche man gar nicht mehr, die seien aus- und abgemacht. 14. 10.
F. v. Müller an W. v. Wolzogen 13. 10. 1808 (HSTA Weimar, A 9125, 51) Durchl. Herzog glauben daß Talma und seine Frau am schicklichsten bey Herrn Geh. Rath von Goethe weil selbiger es zu wünschen schien logiren könnten, auch haben Ew. Excellenz die Gnade dem Hrn. GR. v. Goethe wissen zu lassen, daß Mr. de L o m e auch nach Weimar kommen und bey selbigen logiren werde. Fourierbuch 14. 10. 1808 (HSTA Weimar) Mittag . . . Kaiserl. Tafel! im gr. Saal. 1. S e Majestaet der Kaiser v. Rld. . . . 15. S c K. Hoheit der Prinz Wilhelm v. Preussen . . . 19. S c Hoheit der Erbgroßherzog v. Darmstadt 20. Hr. Obr. v. Moranville 21. 22. Ihro Hoheit der Erbgrosherzog und Herzogin v. Baaden . . . 28. 29. Durchl. Herzog v. Oldenburg. 30. 31. S e K. H. der Herzog u. Herzogin Eugen v. Würtenberg . . . 34. 35. Ihro Hoheit die Herzogin Alexander v. Würtenberg, nebst Hofdame 36. Dl. Erbprinz v. Schwerin 37. Dl. Erbprinz v. Strelitz . . . 39. Dl. Prinz v. Homburg 40. Dl. Prinz Leopold v. Coburg 41. Dl. die verw. Fr. Herzogin v. Coburg . . . 50. Hr. Consul Bethmann . . . 54. Ser mus - 55. Ser m a 56. Dl. Prinzeßin . . . 65. Hr. geh. R. v. Goethe 66. Hr. Canzler v. Wolfskeel. . . Marschaüstafel in der Gallerie . . . 21. Hr. geh. R.R. v. Müller . . . 36. Hr. geh. R.Rath Voigt.
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1808
Weimar Falk (»Schultze S. 80; GMD, Falk, IV 7)
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Göthes Unterredung mit Napoleon über Theater und Kunst aufgeschrieben am 15 ten Oktober 1808. Wir aßen kurz darauf [nach dem 6. Oktober] zusammen bey Wohlzog[en]s zu Mittage. Es war der Tag, als der Russische Kaiser zu Weimar zum zweyten Mal eintraf. 1808 d. 14 ten Oktober Da man bey Hofe gut ein Paar Stunden warten mußte, ehe man sich zu Tische setzte: so kam Göthe und nahm vorher mit uns einige Bissen ein. Er schien bey gutem Humor, und ich will das Resultat unserer Unterhaltung hier im Auszuge hersetzen. — Göthe fand für die Ruhe der Beobachtung bloß einen Menschen, der mit dem Kaiser N. Aehnlichkeit gehabt hätte: es sey dieses Lavater gewesen. Er verglich den Kaiser einem Juden, der wie mit einem Probierstein durch die Welt geht, alle Menschen anstreicht und sodann gelassen nachsieht, ob es Gold, Silber oder Kupfer ist. „Bildet Euch nur nicht ein klüger zu seyn, als Er — sagte Göthe zu einem der Anwesenden. Er verfolgt jedes Mal seinen einen Zweck — was ihn in den Weg tritt wird niedergemacht, aus dem Wege geräumt — und wenn es sein leiblicher Sohn wäre. Wenn die Andern Fürsten und Großen sich gar vielen Abneigungen und Zuneigungen überlassen, so liebt er Alles, was ihm zu seinem Zwecke dienen kann, so sehr es auch von seiner individuelsten Gemüthsstimmung abweicht. Wie ein tüchtiger C o n c e r t m e i s t e r , der wenn jeder Liebhaber sein Instrument hat, dem er den Vorzug gibt, ohne Liebe, wie ohne Haß, sie alle für sein Orchester zu benützen weiß. [Nachträglich a. R.:] Daher auch die plötzlichen Uebergänge in den heterogensten Geschäfften. Sein Kopf ist wie ein Fächer getheilt. Nachdem Er mit dem Prinzen Marat 4. Stunden und länger über Spanische Angelegenheiten gesprochen hatte, ließ er Talma, der gewartet hatte vortreten — il me parloit Theatre, Garderobe, Ca[e]sar, Brutus, tout ce que vous voulez — — Daher kommt es auch auf eins heraus und bringt schlechterdings dem Individuum keinen Vortheil, ob man von ihm g e h a s s t oder g e l i e b t wird. Er liebt den Herzog von Weimar gewiß nicht, ohne daß derselbe eben sichtlichen Nachtheil davon verspürt. Andern, die er liebt, wird eben so wenig Vortheil daraus erwachsen. Er lebt jedesmal in einer Idee, in einem Zweck, in einem Plan und nur diesem muß man sich in Acht nehmen in den Weg zu treten, weil er für diesen Punkt keine Schonung kennt. Kurz Göthe gab zu verstehen, daß N. ungefähr die Welt nach den nämlichen Grundsätzen, wie er das Theater dirigiere. Er fand es ganz in der Regel, daß er einen S c h r e y e r wie P a l m , einen Prätendenten wie d'Enghien eine Kugel vor den Kopf schießen läßt um das P u b l i k u m , das die Zeit nicht abwarten kann, sondern überall störend in die Schöpfungen des Genies eingreift, ein für alle Mal, durch ein eklatantes Beyspiel abzuschrecken. Er kämpft mit den Umständen, mit einem verdorbenen Jahrhundert, mitten in einem verdorbenen Volk — lasset uns ihn glücklich preisen, ihn und 566
1808
Weimar Europa, daß er bey seinen großen und ungeheu[r]en Weltplänen selbst nicht verdorben ist! — Er nimmt Alles mit hohem Ernst, selbst das Französische Theater, das ihn durch römische C h a r a k t e r e , g r o ß e S e n t e n z e n , wie eine Art von Regentenschule nothwendig anzieht, und einen Geist, wie seinen anziehen muß. Welche hohe Bedeutung legte z. B. der Zufall in folgende Stelle des Cinna, dem ersten Stück, das in der glänzenden Fürstenversammlung zu Erfurt aufgeführt wurde, wenn Augustus sagt — — — [Lücke 1/2 S., i. d. Mitte: „ferner", für zwei Zitate aus Corneilles „Cinna"] wahre Fragestücke, aus einem Kaiser- und Königskathechismus — [Nachträglich a. R.:] — — Son Altesse der Prince von Benevento ist bey der Unterhaltung und Talma zugegen gewesen — Noch lobt Göthe es besonders am Napoleon, daß er nichts besonders liebt, weder Frankreich noch Spanien, noch Deutschland, noch Italien, weder die Mahlerey, noch die Plastik, noch die Musik, noch das Theater, sondern das G a n z e , A l l e s , a l l e K ü n s t e , a l l e M e n s c h e n , in denen w a s s t e c k t , und daß es ihm daher so leicht wird zu glauben, was den Franzosen so schwer fällt, daß hinter dem Berge auch Leute wohnen, über Marggraf [zwei unleserliche Wörter] Es gehört zu der Natur der Frauen, daß sie einen Mann nur von der angenehmen Seite etwas abgewinnen können — Wir sagte Göthe bemühen uns angenehm zu seyn, aber ihr seyd es aus Natur — Männer, wie Napoleon können die Weiber wie Frau de Stahel und Frau v. Wohlzogen weder begreifen, noch sie richtig darstellen. Es wird unter ihren Händen ein Ungeheuer, oder ein angenehmer Fratz daraus. Was würde es helfen, wenn Talma anders spielte, als er spielt? Was hilft der Stil, wenn Alles rings um Eine Manier ist? Das Französische Theater ist in seinem jetzigen Zustande „das Land der Hinkenden" wo kein Mensch war der nicht gestottert, wenn er redte, nicht wenn er ging gehinket hätte, und wo doch reine [?] Natur, als eine Disproportion auffällt. So aufmerksam sitzt Napoleon an dem Brutus, an dem Cid, an dem Cäsar, als gälte es einen Criminalprozeß anzuhören. Es ist der u n g e h e u r e Bon S e n s , der den Kaiser, in Allem, was er unternimmt und vorhat auszeichnet. Er kennt die Foibles des Französischen Theaters so gut, wie wir. Es würde möglich seyn, ihm dieselben Sujets in einer anderen der Naivität der Griechen sich mehr annähernden Bearbeitung vorzulegen. Aber aus den einmal bestimmten Formen muß man diese Nation nicht hinaus nöthigen. Man sollte nur gleich lieber das Theater nach Griechischer Manier fest aufmauern, damit aller Streit über die Einheit des Ortes ein Ende nähme. Es ist auch viel sehr viel zurück, was man dem Kaiser selbst in dieser beschränkten Form bieten könnte. Wenn nur ein Mensch von Genie in Frankreich aufstände, der sich des Theaters zum Trotz der Feuilletons bemächtigte. An dem Kaiser würde er gewiß keinen Gegner finden. Dahin zielt was der Kaiser einst zu Talma sagte: « Je voudrais bien voir la Traduction d'une Piece de Sophocle au Pied de la Lettre — — Er kennt die Foibles des Französischen Theaters eben so gut, wie wir — Bildet Euch nur nicht ein klüger zu seyn 567
Weimar
1808
als Er — Wie ich ein Paar Worte mit ihm über diese Materie gesprochen hatte, fiel mir sogleich ein — „Schiller wenn er doch noch lebte und zuhörte!" 14. 10. (?) Falk (Schultze S. 83)
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[Goethe über das französische Theater] Dieselbe strenge Zusammenhaltung kündet sich auch in der Form und im Ganzen des Stückes an. Nichts ist hier zufällig. Das Auge der Franzosen leidet keine Königinnen Elisabeth, die auf die Erde hinfallen und ohnmächtig werden, keine Marquis Posa, die erschossen werden und auf dem Theater umfallen — — 8./14. 10. K. Morgenstern, Tagebuch 27. 9. 1808 m. späterem Zusatz (Sintenis S. 37)
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In Morgenstunden blätterte und las ich in der Neuen Ausgabe von Goethes Werken . . . Im 8. Bande ist der nun vollendete Faust, in welchem ich las, der Epilog zu Schillers Glocke und die Geheimnisse; vor letzteren ist jetzt die Zueignung, die sonst an der Spitze der Werke stand, vorgesetzt und ohne Abschnitt, als gehörte sie dazu. Ich fragte Goethen selbst darum in Weimar, ob dies etwa ein zufälliges Versehen. Er schien das doch zu verneinen. Meines Bedünkens wäre aber die Zueignung besser an der Spitze der Werke geblieben. K. Morgenstern, Vortrag, 1844 (Süß S. 110)
Auch später [nach dem Juni 1795] hat der Unvergleichliche meine Schrift über Winckelmann, zufällig auf einer Reise, wie er selbst mir mündlich mitteilte, mit besonderem Interesse gelesen. K. Morgenstern, Handschr. Widmung in: Uber Rafael Sanzio's Verklärung, Mai 1823 (Ruppert 2425)
Sr. Excellenz, Herrn Geheimen Rath von Göthe in Weimar . . . ehrfurchtsvoll übersandt von dem Verfasser, der zuletzt i. J. 1808 in Weimar Seiner persönlichen Nähe sich zu erfreuen das Glück hatte. 15. 10.
Tagebuch 15. 10. 1808 (WA III 3, 393)
Frühstück bey Leg. R. Bertuch Mittags Talma und Frau mit Sartorius. Annen Orden. Bey Hof gespeist. Unter dem Schauspiel beym Herzog, über das nächstvergangne. Ball bis 2 Uhr Nacht. Speransky und andre. Talma Abends bey uns. Caroline Sartorius an K. v. Voigt 27. 10. 1808 (Monroy S. 74)
B 2 1110 B 3 2779
Den andern Tag gab Bertuch, vor dessen Industrie-Comtoir sich mancher Rittersitz verbergen muß, ein stattliches Dejeuner dinatoire. Goethe, Wieland, Talmas, der Gesandte Bourgoing Verfaßer der Reise durch Spanien und einige vornehme Russen waren dort. Talma ward über alle Vorstellung von jedermann 15. 10.
Bertuch an Goethe 14. 10. 1808 (Eing. Br. alph. 196) Dürfte ich Eur. Excell. bitten morgen mit H. und Mad mi! . Talma, Minister v. Bourgoing, Herrn LeLorgne d'Ideville und ein Paar andern Freunden bey mir gefälligst zu frühstücken, so würden Sie mich sehr glücklich machen. Der gute Vater Wieland wird auch kommen. Wollten Sie auch die Güte haben Ihre lieben Gäste, Herrn Hofrath und Frau Hofräthin Sartorius mitzubringen, so würden Eur. Excell. mich sehr erfreuen.
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1808
Weimar fetirt, und benahm sich mit einem so feinem Anstände, so viel Würde, blieb so ganz an seinem Platz und wußte doch diesen so zu erheben, daß man sagen kann, seine sämmtlichen deutschen Collegen, ja ein großer Theil von dem, was hier zu Lande sich zur besten Gesellschaft rechnet, sind erbärmliche Stümper gegen ihn. Er war im großen Costum, weil der Kaiser Alexander ihn zu sprechen begehrte. Er trug einen lapisfarbenen Rock mit einer Garnitur Steinknöpfe die Goethe wenigstens auf 20 Carolin schätzte, die feinste Wäsche, und Points von einer Schönheit, wie ich noch keine gesehen habe. Der Kaiser hatte ihn sehr gnädig empfangen und ihn sammt seiner nicht weniger eleganten Frau auf den Abend zu einem Declamatorium wieder bestellt. Der Gesandte Bourgoing ist eine so seltsame diplomatische Figur voll steifer Förmlichkeit, daß wenn dergleichen uns auf dem Theater vorkäme, so würden wir es für eine grelle Carikatur halten. Des Mittags hatte Goethe Talmas geladen, und hier schien ein wahrer Wettstreit zwischen dem Wirth und seinen Gästen einzutreten, wer den andern an Liebenswürdigkeit übertreffen könnte. Goethe ist des französischen nicht ganz mächtig, aber seinem Geist legt keine Sprache, die er nur einigermaßen kann, so leicht Feßeln an. Talmas bathen ihn dringend nach Paris zu kommen und bey ihnen zu logiren. Das Glück den Autor von Werther bey sich zu besitzen würde ganz Frankreich ihnen beneiden, keine Frau in Paris würde ruhen eher sie ihn gesehen, auf allen Toiletten in allen Boudoirs würde er sein Buch finden, das immer von neuem gelesen, von neuem übersetzt jetzt wie vor dreißig Jahren den Reitz der Neuheit besäße. Es gab keine Art der feinen Schmeicheley die sie nicht mit der Leichtigkeit des guten französischen Tones der nie fade noch kriechend wird, ihm ausgespendet hatten. Goethe antwortete heiter und artig, wollte sich aber auf kein Versprechen einlaßen und meinte spaßhaft: Das Glück in Paris eine solche Sensation bey seinen jetzigen Jahren zu machen, wäre für seine Schultern zu schwer. Nun rückte Talma mit dem Plan eines Trauerspiels los in welches er und Du Lise den Werther verwandeln wollten. Dieses schien in der That ziemlich ungewaschenes Zeug zu sein; Goethens unerschöpflich gute Laune ließ sich indeß durch die Verunstaltung seines Kindes nicht irre machen, zuletzt nur sagte er mit einer fast unmerklich spöttischen Miene: Wenn Sie erst mit ihrem Trauerspiel im Reinen wären so möchten Sie es ihm schicken damit er es übersetzen, und auch bey sich könne aufführen laßen. Mondieu, sagte Talma, der, um mit der Herzogin von Orleans zu reden, wohl fühlen mochte wo Barthel den Most höhlt: mon dieu qu'avez Vous besoin de notre pièce vous qui feriez cent fois mieux que nous. — — — C'est qu'on n'aime pas à refaire ce qu'on a fait une fois, antwortete Goethe. Sein Kammerdiener brachte ihm inzwischen einen dicken Brief den er erbrach, durchsah und ohne weiter seiner zu erwähnen ins Fenster legen ließ. Talma fragte jetzt ziemlich indiskret, ob es wahr sey wie man allgemein versichere daß eine wahre Geschichte dem Roman zum Grunde läge. Besorgt über die Wirkung dieser Frage blickte ich auf Goethe auf dessen Gesicht aber sich keine Spur von Verstimmung zeigte. Diese Frage, erwiederte er freundlich, ist mir schon oft vorgelegt worden und da pflege ich zu antworten: Daß es zwey Personen in einer gewesen, wovon die eine untergegangen, die andere aber leben 569
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Weimar geblieben ist, um die Geschichte der ersteren zu schreiben, so wie es im Hiob heißt: Herr alle deine Schafe und Knechte sind erschlagen worden und ich bin allein entronnen dir Kunde zu bringen. Unser lautester Beyfall lohnte den herrlichen Einfall; ernsthafter, mit einem unbeschreiblich tiefen Ausdruck setzte er hinzu: So etwas schreibe sich indeß nicht mit heiler Haut; er hatte bisher Französisch gesprochen diese Worte aber sprach er deutsch und sich zu Sart. wendend: Traduisez cela à nos amis Monsieur. — — — Talma mit dem Gepräge der großen Leidenschaften bekannt, faßte leicht den Sinn ohne die Worte zu verstehen. Goethe ging schnell wieder in seine vorige Heiterkeit über. Gewöhnlich sagte er, muß man schwer seine Jugend Thorheit abbüßen; ich aber gehöre zu den wenigen Glücklichen denen sie noch in späteren Jahren Heil und Segen bringen; erstlich so manche erfreuliche und intereßante Bekanntschaft, wie dieß heute noch der Fall ist, dann hat vorgestern mir der Kaiser Napoleon das Ehrenkreuz gegeben, und eben beschenkt auch Alexander mich mit einem Orden; und nun zeigte er das Paket das der Kammerdiener ihm früher gebracht und welches das große Band des Annaordens mit einem brillantenen Stern enthielt. Hiermit entfernte er sich um sich anzukleiden weil er nach Hof zu dem oben erwähnten Declamatorium gebethen war. Er hinterließ Talmas wie uns alle von seiner hohen Liebenswürdigkeit entzückt, die wirklich diesen Tag über alle Beschreibung war. Talmas welche die Scene wo Othello die Desdemona erwürgt erwählt hatten überhörten sich ihre Rolle auf meinem Zimmer und hier war Talma so gefällig uns einige der bedeutendsten Stellen zu declamieren. Schon des Morgens bey Bertuch als man ihm ein Bild von Othello zeigte, tadelte er den Ausdruck im Munde als zu schwach gegen den in den Augen und rechtfertigte seinen Tadel vollkommen indem er auf einen Augenblick selbst den Character annahm, daß er einem Maler ein reiches Studium dargebothen hätte . . . Als sie weg waren trat Goethe in seiner Hofuniform mit Stern und Ordensband geschmückt, herein. Ich komme, sagte er, mich Ihnen zu zeigen und zu fragen ob Sie mich accreditiren wollen? — — — Er war in dieser Kleidung so jugendlich und schön daß ich ihm um den Hals fiel und ausrief: Ev. Excellenz, Ihnen so zu widerstehen ist unmöglich, aber ich hoffe Sie werden mein Unglück nicht wollen. Riemer, Tagebuch 15. 10. 1808 (Dtsch. Revue 11, 4 S. 34)
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Kam Talma mit seiner Frau. Brillantene Knöpfe auf seinem Rock. Uber Werther, Talma fragte, ob es nicht eine wahre Geschichte sei. Goethe half sich durch ein treffliches Wort heraus: er sagte, von den interessierten Personen habe sich der eine gerettet, um die Geschichte erzählen zu können; man wüßte sonst nichts von ihr. Murmelprobe von Othello mit seiner Frau, doch kolorierte er schon mehr. Um 6 mit ihnen und Sartorius ins Theater und Goethes Loge. (Goethe zeigte sich vor Weggehen an den Hof in seinem russischen Orden.) Nach der Komödie mit Talma wieder nachhause. Graff lobten sie als nobel in der Haltung, fanden die Modulation der Stimme nur ein wenig monoton, und nicht koloriert genug. Rezitierte Talma noch eine Stelle aus dem Macbeth. 570
Weimar
1808
Bertuch (?), Beschreibung der Feierlichkeiten, welche bei Anwesenheit von Ihro Majestäten der Kaiser Alexander und Napoleon . . . in Weimar und Jena am 6. und 7. October 1808 . . . veranstaltet wurden (Bertuch S. 21)
Im Theater gab man Don Carlos von Schiller. Nachher war Ball im Schlosse, an dem der Kaiser [Alexander], so wie der Großfürst Constantin, thätigen Antheil nahmen. Auch erschienen hier unsere großen Dichter Goethe und Wieland, geziert mit dem St. Annen-Orden, den ihnen Se. Maj. huldreichst heute verliehen hatte. 6./15. 10. C. v. Voght, Reisejournal für Johanna Margaretha Sieveking, Friederike Poel und Magdalena Pauli 5. 3. 1809 (Tecke 3, 272) B 3 2779 a
[Paris] As mit Talma bey Heckscher; sonderbar, daß T[alma], selbst nach seiner Reise nach Erfurt und Gespräch mit Göhte pp. ernsthafft glaubt, die französische Tragoedie mache dem Zuschauer mehr Illusion als das deutsche Schauspiel. 14./ 15 10
A n Christiane v. Goethe 16. 10. 1808 (WA IV 20, 182)
Ich habe bey dieser Gelegenheit [Ordensverleihung] gesehen daß ich viel Freunde habe, denn viele Menschen freuten sich darüber. Die schönen Kinder bey Hofe waren die artigsten, versicherten, es stünde sehr gut und die Augelchen waren unendlich. Herzogin Luise an Anne Germaine de Staël 21. 11. 1808 (Bojanowski S. 318)
Vous saurez déjà que Goethe et Wieland ont aussi figurés, et à leur avantage, et qu'ils ont été décorés par les deux empereurs. Caroline v. Herder an Sophie und August v. Herder 17. 10. 1808 (Gebhardt - Schauer 2, 244)
Goethe u. Wieland haben einen Orden von Napoleon bekommen. Alexander gab darauf Goethe den großen St. Annen Orden, u. an Wieland den Kleinen. Diese Abstufung hat hier niemand gefallen. Luise v. Herder an E. v. Herder 24. 10. 1808 (GSA, Herder V 8, 16)
Wieland bekommt von N[apoleon] den Orden der Ehren Legion, so auch Goethe, der ihn schon früher als hier gesprochen hatte, er hielt sich wohl 8 Tage in Erfurt auf u. hatte allgemein Achtung u. Aufmerksamkeit. — Vom Alexander haben Goethe den g r o ß e n u. Wieland den k l e i n e n St Annen Orden bekommen! 16. 10.
Tagebuch 16. 10. 1808 (WA III 3, 393)
Mittag Sartorius und Frau kamen Burgemeistern Huf[e]la[n]d und Schmidt von Danzig Hr von der Lühe. Iphigenie von Gluck. Abends mit Sartorius. Rungische Ausschnitte . . . Bey Mad Schoppenhauer nach dem Schauspiel. An Christiane v. Goethe 16. 10. 1808 (WA IV 20, 184)
Heute früh kommt ein alter Freund [G. F. E. Schönborn] den ich in 36 Jahren nicht gesehen. Der ehmahlige iuristische Hufland zu Jena, jetzt Burgemeister in Danzig ist auch hier. Viele andre Bekannte. Den Fürsten Primas habe ich auch hier gesprochen. 571
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Weimar
6./16. 10. L. Le Lorgne d'Ideville an Goethe 15. 4. 1809 (Eing. Br. 1809, 21)
Je regarderais comme une événement heureux pour moi des circonstances qui me feraient passer par Weimar, pour y revoir les personnes qui m'y ont si bien acceulli et que j'ai eu tant de plaisir à connaître. vor 17. 10. Johanna Frommann an C. F. E. Frommann 17. 10. 1808 (GSA, Frommann 26, 153)
Göthe ist sehr marode sagt er [Riemer], doch noch wohl. Die Frau nicht zu Hause u immer Gäste, das ist eine rechte Noth gewesen. Johanna Frommann an Wilhelmine Herzlieb 19. 10. 1808 (GSA, Frommann 314, 1 Nr. 6)
Göthe ist fast immer in Erfurt od. bei Hofe gewesen, er ist indes noch wohl u jezt hat er Sartorius bei sich gehabt. 17. 10.
Tagebuch 17. 10. 1808 (WA III 3, 393)
Früh Sartorius nach Jena. Der alte Freund Schönberg über dessen bisheriges Leben, Reisen. Gegenwärtige Lage. Mittag mit Werneburg allein dessen Lebensgeschichte. Bey Gräfinn Bernsdorf Bey GehR. Voigt Braut ν Messina Abends Fr. Geh. Loder mit Sartorius. Caroline Sartorius an K. v. Voigt 28. 10. 1808 (Monroy S. 79)
Am 17. Morgens machten wir uns auf den Weg [nach Jena über das Schlachtfeld], Goethe gab uns seinen Secretair mit um uns die wichtigsten Puñete zu zeigen. 18. 10.
Tagebuch 18. 10. 1808 (WA III 3, 394)
Fr Geh. Loder ging ab. 17./ 18 10
Johanna Frommann an C. F. E. Frommann 20. 10. 1808 (GSA, Frommann 26, 154)
Montag war die Loder mit Sart[orius] nach Weimar gefahren u kam Dienstag Mittag wieder. Sie hatte in Göthens Hause geschlafen. 18. 10.
Riemer, Tagebuch 18. 10. 1808 (Keil 5 S. 314)
Mittags Dem. Jagemann in amarantnem Uberrock und kornblumblauer Sammthut. Sehr artig und einnehmend gegen mich. Uber Tisch vom Franz. Theater. Abends allein. Las Goethe über Tische seine kleinen Poesien satyr. Inhalts vor. Caroline Sartorius an K. v. Voigt 27. 10. 1808 (Monroy S. 83)
B 2 1111 B 3 2780
Für den Abschieds Abend hatte der Dichter seine schönste Gabe, sein Gedicht uns aufgespart. Er erschien Abends bey Tisch mit einer Hand voll Papiern die er neben sich hinlegte und war über alle Maßen wohl gelaunt. Nach dem Essen fing er an vorzulesen, es aus dem Kopf zu rezitiren, bis des Nachts 1 Uhr; an diesem Abend übertraf er sich selbst. Des Dichters Glück war von jeher: Weiber, Wein und Gesang, und unsern Freund für den ein ewiger Frühling blüht, begeistern die Beyden ersten noch im Herbst seines Lebens zu den herrlichsten Gesängen. Verliebtseyn ist die Weise des Hauses; verliebt ist jedermann der darin aus, und eingeht; ich war zuletzt wahrhaftig besorgt auch uns würde diese 572
1808
Weimar Epidemie ergreifen. So hat er diesen Sommer im Carlsbad ein Liebchen gehabt, dem er seine süßesten Lieder gesungen, und diese Sonette die noch sämtlich ungedruckt sind theilte er uns mit. Schön waren sie alle; am schönsten aber die in welchen er S i e sprechen ließ und mit deren Zartheit ich nichts zu vergleichen wüßte, wie es denn wohl noch nie einen Dichter gegeben hat, der in das Weibliche Gemiith so tiefe Blicke gethan, und es ist als habe das ganze Geschlecht von der Edelsten bis zur Niedrigsten ihm beichte geseßen. In denjenigen Liedern worin E r sprach herrschte schon mehr das gemäßigte Feuer der reiferen Jahre, als die Glut die im Werther ζ. B. alles entzündet und verzehrt was seinem Kreise sich naht. — — — Als dann gab es allerhand Gelegenheitsgedichte, zum Theil aus früheren Zeiten die wegen mancherley Personalitäten nicht gedruckt sind noch es werden können, in denen aber eine Laune herrschte die uns bald sämmtlich in das unsinnigste Lachen versetzte; in meinem Leben glaube ich nicht so gelacht zu haben. In tiefer Nacht schieden wir endlich von einander nachdem er uns in diesen wenigen Stunden durch alle Stufen des Vergnügens geführt hatte. — — — Ich glaube gern daß Goethe nur gegen wenige und nur selten ist, wie ich ihn gesehen habe; aber so wie er war glaube ich nie einen liebenswürdigem Mann gesehen zu haben.
18. (?) 10. Caroline Jagemann, Erinnerungen (Bamberg 2, 337)
B 3 2764
Sein [Talmas] tiefes Verständnis der Seelenvorgänge und seine außerordentlichen Ausdrucksmittel imponierten allgemein; auch Goethe, der durch Humboldt besonders auf ihn aufmerksam gemacht war, lobte seine Deklamation und Haltung und warnte nur vor ,den Übertreibungen der Sprünge und Läufe', die mit der französischen Harmonie der Darstellung in auffälligem Widerspruche ständen. 11./
18 10
Caroline Sartorius an K . v. Voigt 27. 10. 1808 (Monroy S. 72)
B 3 2772
Acht Tage führten wir bey Goethe ein gar erfreuliches Leben. Täglich gab es etwas neues, und er selbst machte den guten Wirth, auf die liebenswürdigste Weise. Des Mittags waren gewöhnlich ein paar Gäste geladen, den Nachmittag war Comödie und des Abends wurden öfters Sänger und Sängerinnen aus der Oper herbey gehöhlt, uns das Herz mit Gesang und Saitenspiel zu erfreuen. Alles trug dazu bey unsern Wirth in die glänzendste Laune zu versetzen und dadurch unsern Aufenthalt zu verschönern. Napoleon hatte ihn vor allen andern ausgezeichnet, u. auf dem Hofball in Weimar fast nur mit ihm gesprochen. Maret hatte ihm durch den schmeichelhaftesten Brief in des Kaisers Nahmen das Ehrenkreuz verheißen; alles was groß und berühmt war drängte sich zu seiner Bekanntschaft; so sehr er gewiß über kleinliche Eitelkeit hinweg ist, so hätte er nicht Mensch seyn müßen um sich nicht geschmeichelt zu fühlen, um so mehr da er so viele Auszeichnungen seiner Persönlichkeit und nicht seinem Platz in der Welt verdankte. Caroline Sartorius an K . v. Voigt vor 24. 10. 1808 (Monroy S. 66)
B 3 2769
Maret, der bei Recks wohnte, fehlte selten . . . Er war allgemein geliebt und geehrt; auch Goethe bey dem er in Weimar logirt hat, sprach von ihm mit hoher Achtung. 573
1808
Jena Jena
19. 10.
Tagebuch 19. 10. 1808 (WA III 3, 394)
Gingen Sartorius ab. Fuhr ich nach Jena. Die Museumsarbeiten besehn. Zu Geh. R. Loder. Abends bey Knebel Dalton. J. D. Färber, Kalender 19. 10. 1808 (UB Jena, Nachl. Martin q 20)
Logirte der Herr Geh. R. v. Göthe beim Hrn. Hofr. Fuchs ein. Johanna Frommann an C. F. E. Frommann 20. 10. 1808 (GSA, Frommann 26, 154)
Göthe ist seit gestern hier, er hat gest. Ab[end] kommen wollen, der Bediente suchte ihn hier, aber da er bei der Loder gehört hat, daß Seebecks Grosmama hier war, hat ers wol verschoben. Er hat sich bei Fuchs eingemiethet. Acht Tage heist es will er bleiben, vielleicht länger. Knebel, Tagebuch 19. 10. 1808 (GSA, Nachlaß Knebel)
Göthe kommt unvermuthet gegen Abend zu mir, dann d'Alton, u. bleiben hier den Abend. 20. 10.
J. D. Färber, Kalender 20. 10. 1808 (UB Jena, Nachl. Martin q 20)
Reisten Sie [Geh. R. v. Goethe] nach Drackendorf.
Drackendorf 22. 10.
Tagebuch 22. 10. 1808 (WA III 3, 394)
Protonotarius Kayser.
Jena 24. 10.
J. D. Färber, Kalender 24. 10. 1808 (UB Jena, Nachl. Martin q 20)
Kamen der H. Geh. Rath v. Göthe von Drakendorf zurück. Tagebuch 24. 10. 1808 (WA III 3, 394)
Bey Geh. Räthinn Loder. Mit v. Hendrich gegessen. Fr v. Berg. v. Bock. Kinder. Verkleidung des kleinen Allerley Zeichnung. Zu Knebels. Biß gegen 10 Uhr. Drackendorf 20./ 24. 10.
A n Silvie ν. Ziegesar 19. 10. 1808 (WA IV 20, 185) Ist dem Freund erlaubt beykommenden Fasan Morgen Mittag mit Ihnen zu verzehren; so stellt er sich zur rechten Zeit ein. Schickt man ihn nach dem K a f f e e nicht fort; so ist er eingerichtet zu bleiben Morgen Ubermorgen und so weiter . . . Mährchen von guter Art bring ich mit. Und sonst noch einiges.
574
Jena
1808
Knebel, Tagebuch 24. 10. 1808 (GSA, Nachlaß Knebel)
Göthe läßt mir wissen, daß die Herzogin Morgen kommt. 25. 10.
Tagebuch 25. 10. 1808 (WA III 3, 394)
Kam die Herzoginn in's Museum in den Bot. Garten Nachher spazieren Tafel Abreise der Herrschaft nach Tafel. Zu Geh. Räthinn Loder. An Christiane v. Goethe 26. 10. 1808 (WA IV 20, 189)
Durchl. die Herzoginn mit der Prinzess und sämtlichen Damen ihrer Umgebung war gestern bey schönem Wetter hier und alle ganz heiter und vergnügt. 26. 10.
Tagebuch 26. 10. 1808 (WA III 3, 395)
Auf den Napoleonsberg. Kleine Löwenichte mit dem pädagogischen Pfarrer Uber die Papiermühle zurück. Aufs Museum. Graf Borkowsky Mr. Bonnard. Gebirgs arten. Mr. Bonnard. Bey Maj. v. Hendrich zu Tische. Böse Scene auf dem Marckte. Bey Knebel über Götzens Gedichte. Ramler pp. L. W. G. Schlosser, Erlebnisse eines sächsischen Landpredigers (Schlosser S. 30)
B 2 996 B 3 2 8 1 1
Im Frühling des Jahres 1807 [vielmehr am 26. 10. 1808] wollte ich das Schlachtfeld besehen und stieg den hohen, steilen Apoldaer Berg hinauf, auf dessen Gipfel, dem sogen. Windknollen, man Napoleon zu Ehren oder vielmehr zur Aufnahme der vielen Besucher einen kleinen Tempel erbaut hatte. Als ich in denselben trat, fand ich darin den Geheimrat von Goethe, dem bekannt zu sein ich die Ehre hatte. Er kam mir mit seiner gewöhnlichen Freundlichkeit entgegen, und da er eben im Begriffe war, einigen Damen in seiner Begleitung den Verlust der Schlacht zu erklären, so vernahm ich folgendes: Als die Franzosen bemerkten, daß der Windknollen nicht besetzt war, wagten es 20 Mann hinaufzuschleichen, um zu sehen, ob sie dort festen Fuß fassen könnten. Kaum hatten die preußischen Husaren in dem gegenüberliegenden Dörfchen Isserstedt sie bemerkt, als sie auch ihren Rittmeister um die Erlaubnis baten, diese Wagehälse den Berg hinunterzustürzen. Er wagte aber nicht, diese Erlaubnis aus eigener Machtvollkommenheit zu geben, sondern schickte nach Kapellendorf an den Feldmarschall Fürsten von Hohenlohe-Ingelfingen, dieser aber an den Oberfeldherrn, den Herzog von Braunschweig, in Hassenhausen, und es kam ein Verbot zurück. Aus den 20 Franzosen waren inzwischen 200 geworden. Neue Anfrage, neue Sendungen, neues Verbot. Nun hatten sich die 200 Mann zu einem starken Regiment vermehrt. Die Preußen brannten vor Begierde, sie anzugreifen, der Fürst erhielt aber zur Antwort ein noch strengeres Verbot bei Verlust seines Kopfes; denn es sollten die Feinde durchaus nicht bei Jena gereizt werden, um sie nach Hassenhausen zu ziehen, und dort wollte man en bataille rangée nach alter preußischer Art schlagen. So waren denn die Franzosen bald in großer Masse oben auf den steilen Bergen, von denen sie leicht hätten abgehalten werden können. Als der Fürst bald nach dem Beginn der Schlacht sehen mußte, daß er eine überlegene Macht gegen sich hatte, schickte er an den General Rüchel, welcher mit der Reserve in dem Gehölz Webicht vor 575
1808
Jena Weimar stand, daß er ihm zu Hilfe kommen möchte. Aber Rüchel kam nicht, obwohl er dreimal aufgefordert wurde. Um sich für eine wirkliche oder vermeintliche Zurücksetzung, die er früher im Kriege am Rhein vom Fürsten erlitten zu haben glaubte, zu rächen, wollte er ihn die Schlacht verlieren lassen, um sie dann wieder herzustellen und den Ruhm allein zu haben. Als er endlich kam, fand er schon alles in Flucht und Verwirrung, er kommandierte: „Linke Schulter vor! Feuer!" und war kaum zu überzeugen, daß er Preußen auf Preußen schießen ließ. Der eingebildete Wiederhersteller der verlorenen Schlacht mußte mit den Fliehenden fliehen. So weit Goethe. Knebel, Tagebuch 26. 10. 1808 (GSA, Nachlaß Knebel)
H. Graf Dunin Borkowsky, u. Mr de Bonnard ingénieur des mines et usines de France, hier. Mit ihnen im Museum . . . Göthe Abends spät noch hier. 27. 10.
Tagebuch 27. 10. 1808 (WA III 3, 395)
Erbprinz und einige Gesellschaft von Weimar auf dem Napol. Berg . . . Eichstedt, Seebecks, Frommanns besucht. Geh. R. Loder. Die Fremden. Ward gesungen. Zu Knebels. Mit den Fremden, Seebeck, Oken, Voigt. Knebel, Tagebuch 27. 10. 1808 (GSA, Nachlaß Knebel)
Abends die beiden Fremden Graf Bork[owski] u. Mr. de Bonnard Göthe, Seebeck, Oken u. Voigt zum Essen hier. 28. 10.
Tagebuch 28. 10. 1808 (WA III 3, 395)
Abends Seiltänzer. Vorzügl. schön. 29. 10.
J. D. Färber, Kalender 29. 10. 1808 (UB Jena, Nachl. Martin q 20)
Sind der H. Geh. Rath v. Göthe wieder n. Weim. abg. 19./ 29 10
H. Steffens, Was ich erlebte (Steffens 6, 251)
B 2 1382 B 3 2 8 1 2
(?Apr 1811?)
Göthe war nach Jena gekommen, ich sah ihn nach sieben Jahren zum ersten Male wieder und seine Gegenwart ergriff mich tief. Er begleitete mich nach der Mineraliensammlung, die noch immer unter der Direktion des Professor Lenz bedeutende Schätze in sich Schloß. Ich war für mein Handbuch der Mineralogie dort täglich mehrere Stunden beschäftigt. Göthe war bekanntlich ein geognostischer Dilettant, seine wiederholten Reisen nach Karlsbad verlockten ihn zu mancherlei Untersuchungen, und unsere Unterredung schweifte bald von der Mineralogie nach anderen naturwissenschaftlichen Gegenständen hin. Einige optische Untersuchungen wurden behandelt, seine Ansichten von der Metamorphose der Knochen beschäftigten uns, und er beklagte sich mit Heftigkeit über
27. (?) 10.
Henriette v. Knebel an Knebel 26. 10. 1808 (Düntzer 4 S. 351) Die Prinzeß läßt Dich gar vielmals grüßen und trägt Dir ein gleiches an Goethen auf, nebst ihrem besten Dank für das herrliche Getränk (Most), welches sie diesen Morgen von ihm erhält. Es hat ihr große Freude gemacht.
576
1808
Jena die Art, wie einige Naturforscher sein Vertrauen mißbraucht, und mitgetheilte Entdeckungen, ohne ihn zu nennen, als eigene bekannt gemacht hatten. Ich war ganz in die frühere schöne Zeit versetzt. Göthe ward immer heiterer, liebenswürdiger, und ich genoß ein Glück, welches mir seit langen Jahren fremd geworden war. Göthe lud mich und meine Frau mit der Frommanschen Familie nach Weimar ein. Weimar Tagebuch 29. 10. 1808 (WA III 3, 395)
Nach Weimar mit Geh. R. v. Müller. Mittags derselbe. Dlle Elserm. Seebeck. Oken. Riemer, Tagebuch 29. 10. 1808 (Keil 5 S. 315)
Kam Goethe mit Geh. R. Müller. Seebeck und Oken speisten mit. Nach Tische kam Werneburg dazu und erklärte s. System. 30. 10.
Tagebuch 30. 10. 1808 (WA III 3, 395)
Gesang. Oberk. Rath Günther und Frau. Dlle Gotter von Gotha Borkowski und Bonnard. Mittag bey Hofe. Abends Schoppenhauer.
Graf
Riemer, Tagebuch 30. 10. 1808 (Keil 5 S. 315)
Früh bei Goethe. Briefe. Kamen die Sänger. Hernach Paulinchen Gotter. An Christiane v. Goethe 31. 10. 1808 (WA IV 20, 196)
Eberwein ist wieder da, gestern war zum erstenmal Gesang. Günthers und ein Carlsbader Äugelchen Pauline Gotter von Gotha die bey ihnen wohnt waren gegenwärtig auch Fremde. Darauf speißte ich bey Hof auf spezialen Befehl des Herzogs. St. Schütze, Tagebuch 30. 10. 1808 (*JSK NF 4, 103; GMD)
Thee bei der Schopenhauer] Goethe, den [? der ?] Falk in Beschlag nimmt. Ueber Karlsbad, Caaz. Dr. Werneburg. 29./
Riemer an A. v. Goethe 30. 10. 1808 (GJb 10, 20)
B 3 2813
30. 10.
ist nunmehr wieder ganz still und ruhig in Weimar geworden, Gott sey Dank! Denn man wußte nicht, wo Einem der Kopf stand. Wir haben uns den Winter so viel zu thun vorgenommen, daß wenn auch nur die Hälfte zu Stand kommt, es immer mehr seyn wird, als man denken kann. Der Vater ist wohl, und wenn
30. 10.
Fourierbuch 30. 10. 1808 (HSTA Weimar) Mittag . . . Herzogl. Tafel! 4. Fstl. Psn! . . . 16. Gw. Cts. . . . 19. 20. Hr. u. Fr. Gf. Hohenthal 21. 22. Hr. u. Fr. Chr. v. Bibra 23. Fr. Oberhofm. v. Lengefeld 24. Fr. v. Wollzogen 25. Fr. v. Wangenheim . . . 34. Hr. geh. Rath v. Goethe.
Weimar
577
1808
Weimar Sie ihn sehen könnten, auf das Schönste decorirt mit dem französischen und russischen Legion- und Annen-Orden. Das hätten Sie und ich am 14. October nicht gedacht. Wieland und Einsiedel haben ihn gleichfalls bekommen.
31. 10.
Tagebuch 31. 10. 1808 (WA III 3, 395)
Allein mit Riemer zu Mittage
Tröst-Einsamkeit. Wunderhorn und Verwandts.
Riemer, Tagebuch 31. 10. 1808 (Keil5 S. 315)
Mittags mit Goethe allein. Uber Napoleon, Wieland, dessen Zweifelsucht pp. 29./ 31 10
Κ. Witzel an G. L. P. Sievers 31. 10. 1808 (HSTA Weimar, Genint, Slg. Pasqué 31, 6)
Ew: Wohlgeb. nach und nach an Herzogl. Hoftheater-Commission eingegangene Briefe, die Zurückforderung eines Manuscripts [„König Hirsch"] betreffend, habe ich dem Hrn. geheimen Rath von Göthe vorgelegt. Sr. Excellenz erwiederten mir darauf, daß er, alles Suchens ungeachtet, durchaus das Manuscript nicht habe finden können und daß es wahrscheinlich unversehens unter seine Papiere gekommen sey; so bald er es finde, wolle er es Ihnen zuschicken laßen. 1. 11.
Tagebuch 1. 11. 1808 (WA III 3, 396. 453)
Gegen Abend Hofrath Meyer Zeitungen. H. Düntzer nach Charlotte v. Stein an F. v. Stein Nov. 1808 p ü n t z e r 9 2, 300)
B 3 2814
Am 1. November war Goethe bei der Prinzessin. 2. 11.
Tagebuch 2. 11. 1808 (WA III 3, 396)
Durchlaucht die Herzogin und die Damen. Friedrichs Zeichnungen und Werneburgs Ciavier. Mittags Dem. Elsermann. Riemer, Tagebuch 2. 11. 1808 (Keil5 S. 315)
Früh zu Goethe. Promemoria an den Herzog. Um 10 Uhr kamen die Herzogin und die Damen, wo Werneburg s. Sachen vortrug. Nachmittag die Friedrichschen Landschaften besehen. Einzig! Riemer an C. F. E. Frommann 2. 11. 1808 (Heitmüller S. 135)
Sie erhalten hier endlich die Zeichnung aus dem Ion. Ein paar andre unbedeutende architectonische Zieraten, die G. sich wohl erinnert zu haben aber nicht finden kann, müssen einstweilen zurückbleiben. Schlegeln wird wohl hauptsächlich an diesem Prospect des Tempels gelegen seyn. Sophie v. Schardt, Aufzeichnung nach Goethes Vorträgen (GSA, Stein-Schardt 165)
M i t t w o c h den 2 ten Nov: bey G ö t h e . 2. 11.
Henriette v. Knebel an Knebel 2. 11. 1808 p ü n t z e r 4 S. 352) Jetzt muß ich mich anziehen; denn wir gehen zu Goethen.
578
1808
Weimar Der Dk tr Werneburg, seine neue ClavierErfindung. Man darf nur mit einer andern note anfangen, um eine andre Tonart zu bewirken, übrigens ist die Spielart u. applicatur dann einerley. 6. Linien statt 5. 12 Töne überhaupt, statt 7. u. 5 halbe Töne. Zahlen statt noten. Zeichnungen v. F r i e d r i c h s (in Dresden,) Umnachteter Berggipfel, allein wie eine Insel in der Höhe, dunkle Fichten an den Felsspitzen, hoch schwebt das Kreuz empor. Des Himmels Licht fällt zwischen den Wolken darauf. Um den Kreuz schlingt sich der Epheu. o möchte ich da kniend Ihn anbeten. Oedes Ufer von der See umspühlt, weisser Schaum auf die dunkeln Wellen. Einige entblätterte Bäume auf den Fels Ufern. Der Schäfer er wandelt dem Kreuze zu. Liebend bedecken es die Bäume, sich umschlingend. Leicht wandelt er den lichten Hügel herab. Grabmähler — der Verwandten, der Freunde ringsum, u. vieler andern, auch seins. G. Reinbeck nach J. F. Chr. Werneburg, Korrespondenznachricht, Weimar, im Juli 1809 (Morgenblatt 20. 7. 1809, S. 688)
Sie werden vielleicht manche widersprechende und unbestimmte Urtheile über die von Doktor Wemeburg erfundene neue Tastatur gehört haben, und doch verdient diese in der Idee und Zeichnung bereits in den Jahren 1798 und 99 vorhandene, aber erst 1803 glücklich ausgeführte Erfindung wol eine genauere Beachtung. — Wir haben hier auffallende Beweise von ihrem Erfolge und ihren Vortheilen gesehen, welche einer allgemeinern Bekanntwerdung nicht unwürdig scheinen. Der Hr. Geheimerath von Goethe fand sie seiner Aufmerksamkeit werth, und munterte den Erfinder auf, sich einige Monate in Weimar aufzuhalten, und sein Instrument mit der neuen Tastatur herkommen zu lassen. — Die Vortheile derselben sind, daß sie in oder aus allen zwölf Grundtönen in Dur und Moll unsers gewöhnlichen Tonsystems nur eine g l e i c h e Applikatur gestattet, da bey der alten Tastatur jeder Grundton eine andere erheischt . . . Auch bedarf es keiner Veränderung im Baue der Instrumente, denn die neue Tastatur kann statt der alten ohne weitere Vorkehrung eingesetzt werden, und hat gar keinen Einfluß auf den Ton. Hier wurde der Versuch mit einer talentvollen zwölfjährigen Virtuosinn, Franzisca Ambrosius, Tochter eines hiesigen herzoglichen Kammermusikus, angestellt. Sie wurde täglich eine bis zwey Stunden auf dieser neuen Tastatur unterwiesen und geübt; nach vierzehn Tagen war sie schon (am 2 November v. J.) im Stande, die Ouvertüre der Entführung aus dem Serail und fünf kleinere Tonstücke aus allen zwölf Grundtönen vor der Herzoginn, der Prinzessinn und den Damen des Hofes in der Behausung des Hrn. Geheimenraths von Goethe mit vieler Fertigkeit und Präcision vorzutragen. Herzogin Luise an Maria Pawlowna 6. 11. 1808 (HSTA Weimar, HA A X X V S 74, 19)
Les Mercredi ont recommencés chés Göthe et Dieu veuille que dans la suité ils soyent plus amusant que nel'etait le premier. 579
Weimar
1808 3. 11.
Tagebuch 3. 11. 1808 (WA III 3, 396)
Theatervorkommenheiten. Herr von Wolzogen wegen derselben. Mittags Falk. Geschichten und Charakteristik von Morgenstern; Construction desselben, besonders Historie von der Thränenweide in Danzig. Abends bey Mad. Schopenhauer. Zum erstenmal große Gesellschaft. Riemer, Tagebuch 3. 11. 1808 (Keil 5 S. 315)
Mittags Falk zu Tische; Geschichten und Charakteristik von Morgenstern. Um 5 Uhr zur Schopenhauer. Erster regelmäßiger Thee. C. Bettuch, Tagebuch 3. 11. 1808 (GSA, Bettuch 3069)
Erste Gesellsch. bey der Schopenhauer. Hr. Caperon. Goethe sehr heiter. Geschichte v. Henrys rother Altarbekleidung. St. Schütze, Tagebuch 3. 11. 1808 (*JSK NF 4, 103; GMD)
Erster regelmäßiger Thee bei d. Schopenhauer]. Der Kaufm. aus Danzig (Kabrun) Einsiedel. Schardt, die Egloffstein. Göthe im andern Zimmer. Passow und Schulz sind nicht gebeten. St. Schütze, Tagebuch 8. 11. 1808 (*JSK NF 4, 103; GMD)
Zum jungen Schopenhauer]: Goethe wolle Passow'n nicht bei s. Mutter wissen. F. Passow an E. Breem 29. 11. 1808 (Wachler S. 90)
B 3 2843
Bey dieser Gelegenheit muß ich Ihnen doch die betrübte Nachricht melden, daß Göthe — seitdem ihm Napoleon das Schandkreuz der Ehrenlegion ins Knopfloch gehenkt hat, — sich beträgt, wie es einem solchen Legionär ziemt! um 3. 11. H. Luden, Rückblicke in mein Leben (Luden 1 S. 126)
. . . Denn er war sehr leicht einzunehmen, und verschmähte es nicht, auf solche Zuträgereien zu hören. Der selige Passow hat mir ein Mal erzählt, daß Goethe ihm, während er Professor in Weimar war, nicht nur sein eigenes Haus untersagt, sondern auch andere Häuser veranlaßt habe, ihn auszuschließen, weil er (Goethe) nimmer erscheinen würde, wo Passow zugelassen würde, und daß er (Passow) dadurch, wenn nicht ganz isolirt, doch manches geselligen Verkehres beraubt worden sei. Mir kam diese Erzählung so unglaublich vor, daß ich ihre Wahrheit stark bezweifelte, und mit meinem Zweifel, den ich nicht verhehlte, den guten Passow schwer kränkte. Ich konnte mir recht gut denken, daß Goethe aus vielen Gründen den jungen Professor nicht in sein eigenes Haus einlud; ja, es war mir, so wie ich Goethe kennen gelernt hatte, selbst nicht unwahrscheinlich, daß Passow's Art und Manieren ihm nicht zusagten; daß er aber irgend einem anderen Menschen erklärt haben sollte: entweder Passow müsse ausgewiesen werden, oder er selbst würde niemals wieder sein Haus betreten, oder daß ein solches Drohen nicht mit Unwillen zurück gewiesen, sondern der Befehl streng befolgt worden sei, Das faßte mein Verstand nicht und nicht meine Brust. Und dennoch habe ich mich später überzeugt, daß sich die Sache wirklich so verhielt, wie sie mir von Passow erzählt worden war. Und welches war die Ur580
Weimar
1808
sache? Man hatte Goethe'n hinterbracht, Passow habe über seine Gedichte in der Schule tadelnd gesprochen. In der Folge wurde Goethe überzeugt, daß er hintergangen war; ob er alsdann sein Verfahren gut zu machen gesucht hat, weiß ich nicht; wenn er es aber auch gethan hat, ändert das Etwas? und viel? Riemer, Mittheilungen 1, 89
Ihn [Goethe] konnte es allerdings, wonicht aus der Fassung, doch aus dem Humor bringen, wenn die Umgebung ihn nicht anmuthete . . . So erging es ihm noch in spätem Jahren, daß er in der Mitte heiterer Gesellschaft, eben im Begriff sich gemüthlich zu ergehen, durch die Anwesenheit gewisser impassibeler oder impassibel scheinender Personen, die den Verdacht heimlichen A u f p a s s e n s durch ihr schweigsames Benehmen rechtfertigten, aus dem Concept wie man zu sagen pflegt gebracht wurde. [Anm.:] Eine solche Figur war ζ. B. Franz Passow. In den heitern, geistreichen, durch Künstler und Fremde mannigfach belebten Theecirkeln der um Weimar so verdienten Hofräthin Schopenhauer konnte dieser ganze Abende auf seinen Sitz gebannt zubringen, ohne ein Wort zur Unterhaltung beizutragen. 4. 11.
Tagebuch 4. 11. 1808 (WA III 3, 396)
Bey Günther und Paulinchen Gotter. Bey Frau von Ziegesar. Mittags allein. Abends mit Hofrath Meyer Thee. Riemer, Tagebuch 4. 11. 1808 (Keil 5 S. 315)
Mittags allein, mit Goethe zu Tische. Erzählte er mir vom Dichter Götz, daß Knebel ihn besucht, und daß jener mit Ramlers Veränderungen unzufrieden gewesen; Voßens Kunstgriff im Morgenblatt pp. Las er einige Lieder aus der Hagen'schen Sammlung vor. 4. (?) 11.
Riemer an Knebel 9. 11. 1808 (FDH)
Verzeihen Sie . . . daß ich einen Posttag später Ihr zutrauliches Schreiben vom 3' beantworte. Der H. Geh. Rath war eben ausgegangen, als ich es erhielt und kam nicht eher zurück als zu Tische, um welche Zeit die Boten schon abgegangen waren. Die Note kam leider zu spät; der Aufsatz war schon fortgeschickt. Des Geh. Raths Meynung und Rath ist dieser, die Note noch zurückzuhalten, bis etwa die Herren sich movirten, wo sie denn noch verstärkt und erweitert nachzubringen wäre. Wie natürlich wird der Verleger jenen Aufsatz erst an Voß mittheilen, und da wird sich denn zeigen, wes Geistes Kind er ist, wenn wirs etwa noch nicht wissen sollten. Ihre Vermuthung über die ganze Sache ist überaus wahrscheinlich und beyfallswerth. Der Verleger der Götzischen Werke denkt als Kaufmann, der verlegene 4. (?) 11.
Carl August an die Hoftheater : Commission 4. 11. 1808 (Jahn 2 S. 482) Der Hofkammerrath Kirms, Überbringer dieses, wird dem Geh. R. von Goethe mündlich auseinandersetzen, wie nothwendig es für die Ehre und für den thätigen Einfluß der Personen, welchen die Direction des hiesigen Hoftheaters anvertraut ist, sein muß, den Morhardtschen Fall sehr ernstlich zu nehmen.
581
1808
Weimar Ware los seyn will, und dem Lobpreiser derselben ist es ein gefundener Handel sich selbst wegen seiner Verbesserungen von Holty's Gedichten das Compliment zu machen. Nun sieht er auch nichts ander's in den Briefen als was seiner Meynung zusagt und referirt eben was er brauchen kann. Das ist ganz in der Ordnung. Aber nicht in der Ordnung wäre es das ganze Verfahren mit Stillschweigen zu übergehen, da im Stillen sehr viele und einzelne laut sich gegen diese ZeilenCritik bereits erklärt haben. Auch hier muß man das Massensystem einführen, sich nach Parteigängern umsehen und eben auf den Geist der Zeit vertrauen, der nun einmal alles zur Sprache bringt. . . Die besten Empfehlungen vom Herrn Geh. Rath. Er bittet Sie ihn zu entschuldigen, daß er nicht selbst schreibt: es ist eben die Herrschaft da. Wegen der Götzischen Sachen fragt er an: ob er Ihnen einen Empfangsschein von hiesiger Bibliothek zustellen soll; oder ob Sie solche noch zurückbehalten wollen, da er sie denn bey sich deponirt. Wir hoffen ohnehin bald, wenn auch nur auf einige Tage, hinüberzukommen. Wir brächten sie alsdann mit.
5. 11.
Tagebuch 5. 11. 1808 (WA III 3, 396)
Nach Tische Dem. Elsermann. 6. 11.
Tagebuch 6. 11. 1808 (WA III 3, 397)
Um 11 Uhr die Sänger, Geheimer Regierungsrath von Müller und Frau; Dem. Gotter. Blieben zu Tische nebst Dem. Elsermann. Friedrichsche Zeichnungen. Abends zu Mad. Schopenhauer. Meistens Männer außer Dem. Gotter. K. Eberwein, Erinnerungen (Dtsch. Revue 2, 4 S. 276)
B3 2 8 1 7
Sobald der Geheimerath wieder in Weimar eintraf, machte ich ihm meine Aufwartung. Er empfing mich mit gewohnter Freundlichkeit und forderte mich auf, ihm recht viel von Berlin zu erzählen. Als ich die Pracht rühmte, mit welcher man im Theater die Stücke in Scene setze, so bemerkte er: „Ja, was man mit Geld machen kann, das hat das Berliner Theater." K. Eberwein an Goethe 4. 1. 1809 (HSTA Weimar, A 9601)
Bey meiner Zurükkunft [von einer Studienreise nach Berlin] erfreuten mich Ew: Excellenz Hochwohl- und Wohlgeb. mit der Ausicht zu einer anderweiten Erlaubniß eine Reise nach Berlin in obgedachter Absicht. A n Zelter 7. 11. 1808 (WA IV 20, 204)
Wir haben uns gestern an manchen Ihrer Gaben ergetzt, an Ihren Compositionen so wie an Ihren Rüben; auch habe ich Ihrer dankbar gedacht, indem Eberwein etwas von Ihrem Ernst mitgebracht zu haben scheint. Er kommt mir vor wie Moses der vom Berge kam und dessen Gesicht glänzte . . . Reichardt von Cassel ist gestern hier gewesen; er besucht die Theater des südlichen Deutschlands um für die Casseler Bühne, die freylich seltsam genug eingerichtet werden muß, Personagen aufzusuchen, die à deux mains gebraucht werden können. 582
1808
Weimar Froriep ist auch hier, um nach Tübingen zu gehen. A n K. F. Reinhard 7. 11. 1808 (WA IV 20, 206)
Ist es wahr, daß Sie als Gesandter nach Cassel gehen? Man [nämlich J. F. Reichardt] hat es mir . . . jetzt wieder hier versichert. St. Schütze, Tagebuch 6. 11. 1808 (JSK NF 4, 103)
Sonntag. Bei der Schopenhauer], Goethe und Wieland, die neckend mit einander sprechen. Reichardt spielt. J. F. Reichardt, Vertraute Briefe (Gugitz 1, 25)
B3 2816
Weimar, den 6. November. . . . Dem Herzoge und seinem Goethe hat das Karlsbad wohlgetan, ich finde sie beide kräftiger und heiterer als im vorigen Jahre . . . Auch die guten, interessanten Zirkel in den gebildeten Häusern der Stadt erhalten sich nicht nur, sondern werden auch durch hergezogene, interessante Fremde immer wieder erneuert. Selbst Männer wie Goethe und Wieland und mehrere der gebildetsten Personen des Hofes besuchen sie gerne und tragen zu dem Interesse und guten Ton derselben bei. . . Der treffliche Schweizer Meyer findet hier immer mehr Veranlassung, seine Kunst und gründlichen, ausgebreiteten, literarischen Kenntnisse anzuwenden, teils im öffentlichen, akademischen Unterricht, teils aber auch in dem hohen Eifer und Ernst, mit welchem die mit allen schönen Talenten ausgeschmückten Großfürstin und Prinzessin Karoline und der Erbprinz selbst die schöne Kunst treiben, wie sie in jetziger Zeit wohl nur höchst selten von fürstlichen Personen getrieben wird. Selbst Goethe wird durch diesen heiligen Eifer aufgefordert, seinen großen Schatz von Kunst- und wissenschaftlichen Kenntnissen dem Hofe durch Vorlesungen in seinem Hause mitzuteilen, woran selbst die erhabene Herzogin gern Anteil nimmt. . . Das Theater, in welchem Goethe eine Schule für die Kunst begründete, und welches unter seiner Leitung einen sehr bestimmten Charakter erhalten hat, macht mir durch sein Ensemble jedesmal neue Freude. Man kann hier wohl mit einzelnen Schauspielern unzufrieden sein, mit dem Ganzen nicht leicht. Das greift immer so gut ineinander, daß es unverkennbar ist, wie es von einem Geiste geleitet wird, der tief in das Innere der Kunst dringt, der sich viel und ernstlich, theoretisch und praktisch, damit beschäftigte, überall weiß, was er will, nur das Ausführbare fordert, das aber auch mit der ganzen Kraft und Strenge des gebietenden Genies will und fordert . . . Dabei kommt alles auf reine, bestimmte Kunst an, die bisher im ganzen so wenig beachtet wurde und zu großen, harmonischen Darstellungen doch unerläßlich ist. 7.11.
Riemer, Tagebuch 7. 11. 1808 (Dtsch. Revue 11, 4 S. 34)
B2 1 1 1 7 a B3 2818
Kam G. und W[ieland]s Orden der Ehrenlegion an. Mittags allein mit Goethe. Uber die Hagensche Liedersammlung, Matthissons lyr. Blumenlese, Mangel an Objektivität der deutschen Dichter. 583
Weimar
1808
vor 8. 11. St. Schütze an Goethe 8. 11. 1808 (Eing. Br. alph. 835)
Ew. Excellenz erlauben, daß ich Ihnen das Taschenbuch der Liebe und Freundschaft übersenden darf. Es steht von mir eine Erzählung [Die Rückkehr aus dem Kriege] darin, über die Sie mir gütigen Rath ertheilt haben. Ich habe ihn benutzt. 8. 11.
Tagebuch 8. 11. 1808 (WA III 3, 397)
Besuch des Herrn Geheimen Regierungsrath von Müller. Auf dem Spatziergang Frau von Stein und Gräfin Henkel angetroffen. Mittags Hofrath Wieland nebst Tochter und Enkelin. Unterhaltung mit verschiedenen Zeichnungen und andern Kunstwerken. Abends d'Alton und Hofrath Meyer. Alte Jenaische Geschichten, besonders Charakteristik von Friedrich Schlegel. Riemer, Tagebuch 8. 11. 1808 (*Dtsch. Revue 11, 4 S. 34; Keil 5 S. 316)
B 2 1 1 1 7 b B 3 2820
Kam Wieland mit der Schorcht und ihrer Tochter zu Tische. Über Campe und sein Verdeutschen, Späße. Kam D'Alton, wie Wieland wegging. E. d'Alton an Knebel 9. 11. 1808 (GSA, Knebel 109)
In Weimar war ich nur auf Augenblicke . . . Bey Göthe war ich, und traf auch dort Wieland . . . Hrn. Roux bitte ich wissen zu lassen, daß wenn er meinen Mengs copirt hat, er solchen nur H: Hofrath Meyer zuschicken möchte, dieß Bild wird in Weimar mit Sehnsucht erwartet. Charlotte v. Stein an F. v. Stein 8. 11. 1808 (»Düntzer 9 2, 300; G S A , Stein 107)
B3 2819
Heute früh war die Herzogin zum Caffé bey mir . . . Die Dienstage sind noch immer eine erfreuliche Zusammenkunft bey der Prinzeß, meistentheils findet sich auch Goethe mit etwas Intereßanten dabey ein, nur heute wurde ich durch die Herzogin abgehalten, Goethe war auch heute abgehalten worden, begegnete mir aber auf den Rückweg da ich die Herzogin ins Schloß begleidet hatte, er ging mit mir herauf und ich las ihn das über den Tod seiner Mutter vor was Du mir aufgetragen hattest waß er auch sehr gut aufnahm. Mit Nächsten will er mir vor Dich einen Aufsaz geben den Mayer über die Münzen Abdrücke gemacht hat, von die allerschönsten soll man aber nicht einmahl die Meister wißen, so wenig haben sie auf die Unsterblichkeit ihrer Nahmen gedacht. 8. 11. (?)
Κ. v. Stein an F. v. Stein 8. 11. 1808 (Zs. f. Bücherfreunde 1905/06 II, S. 334)
B3 2815
In Weimar ist große Stänckerei von wegen der Jagemann, der Herzog ist wie Wachs in den Händen der Person, es heißt, Göthe will zurücktreten, wenn die Jag. nicht von ihren intriguen läßt. Die Mutter hat ihn neulich auf der Straße getroffen, schreibt sie, er sei ganz consternirt. 9. 11.
Tagebuch 9. 11. 1808 (WA III 3, 398)
Besuch von den Damen. Die Nibelungen von Anfang bis zum fünften Abenteuer. Mittags allein. Uber d'Alton und seine Specialkenntniß von Friedrich 584
1808
Weimar Schlegel. Abends im Theater: Maske für Maske und der Deserteur von Kotzebue. War Paulinchen Gotter in der Loge; diese nach Hause gebracht. Riemer, Tagebuch 9. 11. 1808 (*Dtsch. Revue 11, 4 S. 34; Keil 5 S. 316)
B 2 1 1 1 8 B 3 2821
Kamen die Damen zu Goethe. Mittags mit G. allein zu Tisch. Uber die Nibelungen als ein von Grund aus tüchtiges Gedicht. Uber D'Alton und seine Specialkenntniß von Friedrich Schlegel. Sophie v. Schardt, Notiz (GSA, Stein-Schardt 165)
M. den 9 ten Die Niebelungen. Der gehörnte Siegfried. Charlotte v. Stein an F. v. Stein 10. 11. 1808 (*Düntzer 9 2, 301; G S A , Stein 107) B 2 1 1 1 9 B 3 2822
Gestern war ich wie gewöhnlich Mittwoch früh beym Goethe mit der übrigen Geselschafft, und er trug uns die Niebelungen vor, nehmlich 4 Abentheuer; ohne seine Erklärung hätten wir's alle nicht verstanden, schon das Wort Niebelungen daß er Nebelvölker deudete. A n Cotta 2. 12. 1808 (WA IV 20, 228)
Unser diesmal sehr geselliger Winter ruft gar manches hervor. So habe ich ζ. B. übernommen wöchentlich ein paar Stunden vor einer geistreichen Gesellschaft die Nibelungen vorzulesen, zu erklären und zu commentiren; wobey sehr interessante Punkte zur Sprache kommen, indem sowohl der ethische als der ästhetische Theil von großer und weit ausreichender Bedeutung sind. 10. 11.
Tagebuch 10. 11. 1808 (WA III 3, 398)
Nach Tische mit Dem. Elsermann in die camera obscura. Wolffen die Friedrichschen Zeichnungen sehen lassen. Abends bey Mad. Schopenhauer. Fräulein Reizenstein. Charlotte v. Stein an F. v. Stein 10. 11. 1808 (»Düntzer 9 2, 301; G S A , Stein 107) B 2 1 1 2 0 B 3 2823
Heute Donnerstag kam der gewöhnliche Kochberger Bothe, Dein Bruder theilte mir Deinen Brief vom 28' Octob: mit, Goethe trat eben her[ein] ich gab ihn den Brief zu lesen weil er sehr hübsch war, er sagte, ein englischer Mensch, es thut mir Leid daß ich von ihn bin getrennt worden, aber es ist einmahl in meiner Art daß ich in der Fefrne] kein Verhältniß mehr mit Menschen haben ka[nn] das that mir etwas weh da ich immer am Gedancken von ewiger Liebe hange. Riemer, Tagebuch 10. 11. 1808 (Keil 5 S. 316)
Mit Goethe und der Elsermann zu der Camera obscura bei der Bibliothek. Zur Schopenhauer; Kam Fräul. Reizenstein, prächtige Amazone und doch sanft. Sehr artig: daß sie eine Voigdänderin sei. Falk aus dem Heldenbuche erzählend. St. Schütze, Tagebuch 10. 11. 1808 (*JSK NF 4, 103; GMD)
Bei der Schopenhauer]. Ich spreche mit Goethen über meine Erzählung [Die Rückkehr aus dem Kriege]. Das Fräulein Reizenstein. 585
1808 11. 11.
Weimar Tagebuch 11. 11. 1808 (WA III 3, 398)
Um 12 Uhr zu Mad. Schopenhauer, wo Herr Cabrun von Danzig seine Zeichnungsammlung vorzeigte. Zu Tisch geblieben mit Hofrath Meyer, Paulinchen Gotter, Fernow. Gegen Abend Dem. Gotter nach Hause gebracht. Riemer, Tagebuch 11. 11. 1808 (Keil 5 S. 316)
Zu Mad. Schopenhauer, wo Hr. Cabrun s. Zeichnungensammlung etalirte. Kam G. und Meyer, Schütz und Dem. Gotter, und blieben wir zu Mittag. St. Schütze, Tagebuch 11. 11. 1808 (*JSK NF 4, 103; GMD)
Mittagessen bei d. Schopenhauer] mit Goethen, Msl. Gotter, Riemer, Meyer u Kabrun. Goethe über die Bardua, vom Leben [?]. 12. 11.
Riemer an C. F. E. Frommann 12. 11. 1808 (Heitmüller S. 136)
B 2 1121 B 3 2 8 2 4
Sie erhalten hier, mein Bester, die angekündigte Fortsetzung des Mscpts zum 2 ten Theil der Farbenlehre mit den besten Empfehlungen von G. und mit der Bitte es bald setzen zu lassen. Die Revision wünschten wir ebenfalls wieder in doppelten Bogen zu erhalten, wo möglich aber schon sorgfältiger corrigirt als es bisher zwischendurch geschehen mögen, damit wir die Aufmerksamkeit rein auf die Sache behalten, und keine abermaligen Revisionen von uns begehrt werden. Vor bedeutenden und den Satz zerreißenden Aenderungen wollen wir uns sehr in Acht nehmen. Unterbrechungen werden nicht stattfinden, vielmehr soll der Setzer ein Sporn seyn uns sobald als möglich zu expediren. Die Friedrichschen Zeichnungen bleiben bis zum nächsten Freytag hier als dem längsten Termin und werden nun wohl bey Meyern zu sehen seyn, im Fürstenhause. Morgen zeigt sie G. der Frau Hofräthinn Schopenhauer. 30. 10./ 12 11
A n Silvie ν. Ziegesar 12. 11. 1808 (WA IV 20, 212)
Paulinchen ist hier. Ein eignes Wesen wie ich's noch nicht kannte bald liebevoll und zutraulich, bald neckend und eigen. 13. 11.
Tagebuch 13. 11. 1808 (WA III 3, 398)
Um 11 Uhr an Mad. Schopenhauer nebst Herrn Cabrun die Friedrichschen Zeichnungen nebst andren vorgewiesen. Mit Frau von Schiller im Stern spatzieren. Mittags bey Hofe gespeist. Abends bey Mad. Schopenhauer. Aus dem Wunderhorn und der Hagenschen Liedersammlung vorgelesen. Riemer, Tagebuch 13. 11. 1808 (Keil 5 S. 316)
Mittags allein mit Goethe, der bei Hofe speiste und voraß. Abends bei der Schopenhauer. Kam Paulinchen hin und Goethe. Vorgelesen aus dem Wunderhorn und Hagens Sammlung. St. Schütze, Tagebuch 13. 11. 1808 (*JSK NF 4, 103; GMD)
Bei d. Schopenhauer], Goethe, von Hof lebhaft, gegen Wieland über Danzig — er liest Volkslieder. 586
Weimar
1808
St. Schütze, Die Abendgesellschaften der Hofrätin Schopenhauer (Weimars Album S. 197) B 2 1569 B 3 2825
Ein andermal — er [Goethe] kam mit einer Weinlaune, noch halb geputzt, von Hofe — übte er völligen U e b e r m u t h aus, und zwar gegen Wieland auf eine fast bösliche Weise (den 13. November 1808). Er reizte ihn durch Widerspruch, und man hörte gleich, daß es ihm nicht darum zu thun war, Recht zu behalten, sondern nur, ihn in Harnisch zu setzen. Wieland nahm die Sache ernsthaft, und ärgerte sich denn auch in allem Ernste. Meyer hielt sich zu Goethe als sein treuer Adjutant, und seine zurechtweisenden Worte: „Lieber W i e l a n d , Sie müssen das nicht so nehmen!" klangen mir verletzend. F. v. Müller, Tagebuch 21. 12. 1808 (Grumach S. 8)
B 3 2865
Ich gieng nun zu Wieland, der nach seiner launigen Offenheit sich über G. beschwerte, daß er im Tone eines Alt Vaters zu einem 16jährigen Knaben mit ihm umgienge. C. Bertuch, Tagebuch 13. 11. 1808 (*JSK NF 4, 103; G S A , Bertuch 3069)
Bey Schopenhauer Goethe las aus d. Wunderhorn vor. 14. 11.
Tagebuch 14. 11. 1808 (WA III 3, 399)
In der camera obscura mit Fräulein von Baumbach und Pauline Gotter. Mittag allein. Uber die Nibelungen und deren Hyperpaganismus. 30. 10./
'
Riemer an Pauline Gotter o. Dat. [1808] (Verzeichnis der Goethe-Slg. Lempertz S. 53)
Herr Geh. Rath von Goethe hoffte mit mir das Vergnügen zu haben Sie noch im Theater zu sehen und zu sprechen, ich war aber so unglücklich Sie zu verfehlen. An Silvie ν. Ziegesar um 17. 11. 1808 (WA IV 20, 218)
Paulinchen ist abgereist und hat ihr wechselndes Wesen bis ans Ende sehr anmuthig fortgesetzt. Pauline Gotter an Margarethe Wild 13. 12. 1808 (*JbGG 12, 218; GSA, II 2494)
B 3 2826
Dann hatte ich noch ein Glück worauf ich wenigstens nicht rechnen konnte daß es mir so oft zu Theil wurde, nehmlich Goethen so viel zu sehn, gleich den andern Tag daß ich in Weimar angekommen war [30. 10.] wurde ich zu einen Frühstück zu ihm eingeladen, und du kannst dir denken was für eine Freude ich hatte ihm wieder zu sehn, er umarmte mich gleich, und sagte „Das nenne ich Wort halten" ich hatte ihm nehmlich in Carlsbad versprechen müssen bald nach Weimar zu kommen oder ihm ein Rendez-vous in Jena zu geben. Wem ich gut bin dem wünschte ich die Freude, diesem herrlichen Mann nur einmal in seinen Leben sprechen zu hören, seine wunderbare Liebenswürdigkeit muß auch das unempfänglichste Gemüthe ergreifen und beleben. Ich war wenigstens einen Tag um ander in seiner Gesellschaft er besuchte mich einmal, und bat mich noch einmal zu einen Frühstück und dann auch zu einen diner zu sich, und wie freundlich und herzlich er immer war, wie er alles mögliche aufsuchte mir Vergnügen zu machen, kannst du dir gar nicht denken. Er hat mir auch viele Land587
1808
Weimar Schäften geschenkt, die er selbst gemahlt hat, meistens Gegenden aus Carlsbad. Im Theater mußte ich immer in seiner Loge sitzen, und wenn dann auch manchemal das Stück schlecht war, so fände ich das reinste Vergnügen in seiner Unterhaltung, und jedes mal führte er mich aus dem Theater und aus der Gesellschaft nach Hause Dann habe ich ihm auch mehrmal in geistreichen Cirklen gesehn die eine Hamburgerin M. Schopenhauer jetzt in Weimar um sich versammelt, er führte mich zu ihr, und wahrscheinlich weil ich unter so einen Schutz kam, hat sie mich gegen Verdienst und Würden mit Artigkeiten überschüttet, da sie sonst gegen Damen nicht sehr zuvorkommend seyn soll. Ich war das erste mal [6. 11.] ein wenig verlegen wie mich Goethe hinbrachte, weil zufälligerweise den Tag, weil Ball in W war keine Damen hinkammen und ich unter eine Menge gelehrter Herrn, außer der Wirthin die einzige Dame war, und beynah alles fremde Gesichter, doch hatte ich die Freude den alten Wieland kennen zu lernen neben dem ich zu sitzen kam. Ein paar Tage drauf wurde ich auf Goeth's Gesellschaft zu einen diner zu ihr eingeladen, wo ich wieder die einzige Dame war. Ich bin auch mit ihr einen Tag in Jena gewesen . . . Ich verließ Weimar mit recht schweren Herzen, weil ich sehr vergnügte Tage dort verlebt hatte . . . Doch ich schreibe dir so viel von ihm daß du am Ende glaubst er habe mir den K o p f verdreht, und wenn er auch meinen ganzen K o p f und mein ganzes Herz so eingenommen hat, daß jetzt etwas anders Mühe hätte ein Plätzchen drinne zu gewinnen, so steht doch beydes noch auf der rechten Stelle. Pauline Gotter an Margarethe v. Schmerfeld geb. Wild 21. 7. 1809 (*E. Waitz S. 19; Aukt.-Kat. Henrici 157, 4) B 3 2828
Wie viel werde ich Dir von ihm [Goethe] zu erzählen haben. Es ist ein Gegenstand, der eine unerschöpfliche Quelle von Freude für mich ist. So herrlich, so gross seine Werke in jeden Bedacht sind, so kommen sie doch in keinen Vergleich gegen seine mündliche Unterhaltung und es ist der reinste Genuss, den ich je gefunden habe. Aber ich glaube auch, dass seine Gegenwart sehr gefährlich seyn kann, und ich versichere Dich, dass ich mein ganzes bischen Verstand zusammen genommen habe, um mir jeden Augenblick klar zu gestehen, dass alle süsse Worte, die er mir ins Ohr raunte, nicht mir ins besondere, sondern jeden jungen Mädchen gelten würden. Ich war weniger besorgt, dass meine Eitelkeit aufgeregt würde (denn die ist wahrlich bey mir nicht sehr gross) als dass mein Herz mit meinem K o p f davon laufen mögte, wenn ich ihn mit der grössten Zärtlichkeit und mit den geistreichsten Wendungen nur z. B. um die Erlaubnis bitten sah, mir die Hand zu küssen, da er gegen Andere vornehm, steif, zurückhaltend und herablassend ist. Keine Seele hat das von mir erfahren; aber in den Busen der liebsten Freundin kann man es wohl ausschütten. Es ließe sich noch viel und mancherlei darüber sprechen und mitteilen, wenn ich nicht immer bei solchen schriftlichen Ergießungen die Angst hätte, daß der Zufall jemand anders den Inhalt in die Hände spielen [könnte.] . . . Wenn D u einmal Zeit und Muße hast, könntest D u mir eine Freude machen und was recht Hübsches ausschneiden. G. hatte allerlei Ausgeschnittenes, und da sagte ich ihm, ich hätte eine Freundin, die viel schönere Dinge in der Art machte, von der ich ihm bei Gelegenheit etwas verschaffen wollte. 588
Weimar
1808
Pauline Gotter an Marianne Hummel 31. 1. 1809 (Frankf. Zeitung 1 1 . 6 . 1899)
B 3 2827
. . . ich verbrachte 3 Wochen sehr vergnügt in Weimar bey Günthers zu, wo ich Goethe sehr viel sah, der es an freundlichen Aufmerksamkeiten und süßen Worten nicht fehlen ließ, mich besuchte und sehr oft zu sich einlud, wo ich immer die vortrefflichste Unterhaltung und viel schöne Kunstwerke gesehen habe, ja er trieb die Artigkeit so weit, daß ich im Theater immer in seiner Loge sitzen mußte, und machte mir auch die Freude mir eine Menge Landschaften zu schenken, die er gezeignet hatte, meistens Gegenden aus Carlsbad. Durch ihn wurde ich auch in die Gesellschaften der Madame Schopenhauer eingeführt, wo ich viel angenehme Stunden verlebt habe. Der weimarische Aufenthalt war sehr reich an Freuden für mich . . . 15. 11.
Tagebuch 15. 11. 1808 (WA III 3, 399)
Nach Tische über Karstens mineralogische Tabellen. Hofrath Meyer. Abends beym Erbprinzen Concert. 16. 11.
Tagebuch 16. 11. 1808 (WA III 3, 399)
Früh Besuch der Damen. Nibelungen. Landkammerrath Bertuch. Mittags allein. Betrachtungen über den Reflex von oben oder außen gegen das Untere und Innere der Dichtkunst, z. E. die Götter im Homer nur ein Reflex der Helden; so in den Religionen die anthropomorphistischen Reflexe auf unzählige Weise. Doppelte Welt, die daraus entsteht, die allein Lieblichkeit hat, wie denn auch die Liebe einen solchen Reflex bildet. Und die Nibelungen so furchtbar, weil es eine Dichtung ohne Reflex ist; und die Helden wie eherne Wesen nur durch und für sich existiren. Riemer (*Dtsch. Revue 11, 2 S. 165; Keil 5 S. 200)
B 2 942 B 3 2829
[Goethe:] „Im Homer reflectirt sich die Menschenwelt noch einmal im Olymp und schwebt wie eine Fata Morgana über der irdischen. Diese Spiegelung thut in jedem poetischen Kunstwerk wohl, weil sie gleichsam eine Totalität hervorbringt und wirklich Menschenbedürfniß ist. Daher auch in der katholischen Religion. Im Himmel ist ein Vater, wie es irdische giebt, eine Mutter wie hier, einer der gelitten hat, wie es hier viele Leidende giebt. So auch im Paganismus. Der Baum soll mehr sein als ein Baum, es ist eine Dryas, die Quelle eine Najade. Die Einsamkeit des Mittags ist personificirt in allen Waldgöttern u. s. w. In den Nibelungen ist ein eherner Himmel. Keine Spur von Göttern, von Fatum. Es ist blos der Mensch auf sich gestellt und seine Leidenschaften." Schon dies ist G. ein Hauptbeweis, daß es eine nordische und heidnische Fabel ist. Henriette v. Knebel an Knebel 19. 11. 1808 (Düntzer 4 S. 353)
B 2 1 1 2 2 B 3 2830
Am Mittwoch hat uns Goethe seine Reflexionen über das alte Gedicht [Nibelungenlied], was er uns vorliest, recht schön mitgetheilt. Seine Gedanken schienen mir so frisch und richtig. So glaubt er auch, daß in den damaligen Zeiten eigentlich das wahre Heidenthum gewesen wäre, ob sie gleich kirchliche Gebräuche 589
1808
Weimar hatten; denn Homer hätte mit den Göttern in Verbindung gestanden, aber in diesen Leuten findet sich keine Spur von irgend einem himmlischen Reflekt. Sophie v. Schardt, Notiz (GSA, Stein-Schardt 165)
M. d. 16'· Die Niebelungen. Herzogin Luise an Maria Pawlowna 22. 11. 1808 (HSTA Weimar, HA A X X V S 74, 20)
Les matinées du Mercredi vont leur train accoutumé, et elles sont à present, et bien heureusement, moins ennuyente que ne l'étoit la premiere. Aparament qu'elles vont prendre un nouvel intérêt par la presence de Werner, qui va nous arriver au premier jour de Paris. vor 17. 11. Caroline v. Wolzogen, Tagebuch 24. 1. (?) 1835 (*Abeken 2 S. 83; G S A , Abeken VI 11, 4) B 2 895 B 3 2801
An diesem Fenster [ihrer Weimarer Wohnung] saß ich mit Göthe als er mir die Verlegenheit endeckte so selten uns in seinen Hauße zu sehen da wir doch seine ältsten u. liebsten Freunde wären. Der Wunsch sie [Christiane] in die gute Societät einzuführen lag offen, u. ich sagte wir würden sie gewis freundlich aufnehmen als seine Frau, wenn sie uns besuchte. Es ist ein kleines narrisches Ding sagte er, daß nicht Schreiben knapp lesen kann, aber Sie denken doch daß wenn man so lang mit mir umgeht, etwas übergehen muß. [Dazu Bemerkung B. R. Abekens auf demselben Blatt:] Fr. v. W. erfüllte Goethe's Bitte. Sie lud ihn u. seine Frau zu e. Soupé, wo H. Meyer, Riemer, Fr. v. Schiller u. ich zugegen. Es war 1808 oder 9. — Ein genaueres Verhältniß konnte s. indeß nicht machen. A n Caroline v. Wolzogen 17. 11. 1808 (WA IV 20, 217; 30, 272; 50, 228)
Nehmen Sie nochmals meinen Danck für Ihre letzte freundliche Erklärung. Lassen Sie uns von nun an im Reflex der Abgeschiednen des Uberbliebnen genießen. Werden Sie wohl gleiche Gesinnungen in den Gemüthern Ihrer Schwester und Frau von Stein wecken? Lassen Sie uns das worüber wir einig sind gemüthlich und vollständig vollbringen. Charlotte v. Stein an F. v. Stein 21. 11. 1808 (*Düntzer 9 2, 302; G S A , Stein 107)
In 14 Tagen komt Goethens Frau von Franckfurth zurück, er hat Fr. v. Wohlzogen gesagt daß er wünsche im Cirkel seiner Freunde bey sich abends seine Frau zu introduciren, wo ich den auch drunter gerechnet werde, mir hat er nicht das mindeste davon erwähnt, ich glaube die Wohlzogen aus lauter Midieiden hat es ihn an die Hand gegeben, angenehm ist mirs freylich nicht in der Gesellschaft zu seyn, indeßen da er das Creatürchen sehr liebt, kan ichs ihn wohl einmahl zu Gefallen thun. 17. 11.
Tagebuch 17. 11. 1808 (WA III 3, 400)
Bey Geheimrath Voigt wegen Theaterangelegenheiten. Zu Wolzogens zu Mittag. Abends Thee und Abendessen, Herr und Frau von Reck, Herr von Humboldt, 590
1808
Weimar Herr und Frau von Wolzogen, Frau von Schiller, Herr und Frau von Müller, Hofrath Meyer. Riemer, Tagebuch 17. 11. 1808 (»Dtsch. Revue 11, 4 S. 35; Keil 5 S. 317)
B 3 2831
Um 1 Uhr kam Humboldt auf mein Zimmer . . . Um 3 Uhr hinunter zu Goethe in den Saal gegangen. Kam erst Meyer und zeigte Hundeshagen's Säulenabdrücke von Barbarossas Palast. Kam Hr. v. Müller mit s. Frau. Hr. v. Reck mit ihr; Humboldt, Schiller, Wolzogen und sie. Wurde Thee getrunken. Las Goethe die neue Melusine vor. Nachher zu Tische gesetzt. Uber Italien, Poesie, W. Schlegels Spottgedicht auf Voß, Matthisson pp. 18. 11.
Tagebuch 18. 11. 1808 (WA III 3, 400)
Herr von Humboldt: über gegenwärtige deutsche Verhältnisse. Mittags Sophie Teller zu Tische. Kam hernach Dem. Elsermann. Beyde erzählten allerley Theaterspäße besonders von Mad. Beck. Abends bey Herrn von Wolzogen. Münzen und Pasten besehen, so wie andre Antiquitäten. 17./ 18 11
17. 11.
W V. Humboldt an Caroline v. Humboldt 19. 11. 1808 (Sydow 3, 20)
B 2 1123 B 3 2832
Ich komme eben von Weimar . . . wo ich bei Wolzogens gewohnt habe . . . Goethe war äußerst freundschaftlich und herzlich gegen mich, aber sonst in keiner guten Stimmung in den beiden Tagen. Er hat unendliche Trakasserien wegen des Theaters, und was wirklich schrecklich ist, so war ihm gerade, als ich da war, vom Hofe erklärt worden, er solle zwar die Theaterdirektion behalten, aber sich nicht mehr darum bekümmern, was ihn sehr verdroß. Goethe hat eine lange Unterredung mit dem französischen Kaiser gehabt, von der er sehr voll ist. Schlicht historisches Erzählen ist, weißt Du, seine Sache nicht. Aber Werthers Leiden und die französische Bühne sind die Hauptgegenstände der Unterhaltung gewesen. In Werthers Leiden hat der Kaiser eine Stelle getadelt, die, nach W. v. Humboldt an Goethe 14. 11. 1808 (Geiger 6 S. 203) Ich sehne mich unendlich, Sie zu sehen, und wenn es Ihnen recht ist, bin ich Donnerstag [17. 11.] bei Ihnen . . . Ich kann d i e s m a l nur bis Freitag Abend bleiben . . . Von meiner Frau, von Jacobi, von Italien, das ich mit Schmerzen verlassen, habe ich Ihnen viel zu sagen. An Caroline v. Wolzogen 17. 11. 1808 (WA IV 20, 217; 30, 272; 50, 228) Dem Freunde [W. v. Humboldt] seh ich mit Verlangen entgegen. Wie aber wird es mit Herrn und Frau von Reck? welche, wie mir v. Müller versichert, mit Humboldt kommen. Wären auch diese nicht bey Hofe, würden sie bey Ihnen zu Mittag seyn? Ich richte mich für heut Abend auf einen Thee und frugales Abendessen ein, worüber wir noch näher sprechen. An F. v. Müller 17. 11. 1808 (FS Blumenthal S. 223) Mit dem Empfang unserer ankommenden Freunde geht es etwas confus. Hr. von Humbold logirt nicht bey mir sondern bey Hrn. von Wolzogen. Geht er zu Mittag nicht nach Hofe so will man ihn dort halten am kleinen Haustisch wozu ich auch geladen bin. Wie wird es nun mit unserm Erfurter Paare [v. d. Reck] werden? Vielleicht zerhaut der Hof den Knoten und lädt sie alle zu sich. Sagen Sie mir nur mit Einem Wort Ihre Gedanken. Heute Abend wünschte ich die ganze Gesellschaft zum Thee und frugalen Essen bey mir. F. v. Müller an Goethe 17. 11. 1808 (KMA 547, 8) Recks eßen diesen Mittag bey Spiegels, werden aber mit Vergnügen Euer Excellenz gütige Einladung auf heute Abend annehmen.
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1808
Weimar Goethes Versicherung, allen übrigen Lesern entgangen ist. Es ist, sagt Goethe, (die Stelle selbst wollte er nicht anzeigen) eine, wo er die wahre Geschichte und die Fiktion aneinander genäht hat, wo er die Verbindung mit großer Kunst gemacht zu haben glaubt, wo indes der Kaiser doch etwas Spielendes bemerkt hat. Das französische Theater soll der Kaiser unglaublich genau von Vers zu Vers kennen und nicht so unbedingt verehren. Vorzüglich streng soll er in der Beurteilung der Konsequenz der Charaktere und in der Gegeneinanderhaltung der historischen und poetischen Motive sein. Am meisten aufgefallen ist Goethe an ihm, daß er, auch in poetischen und literarischen Dingen nie etwas getadelt hat, ohne gleich zu sagen, was an die Stelle gesetzt werden müßte; wirklich ist auch bei Dingen, wo es auf Handeln ankommt, nichts so désolant, als wenn man nur immer anzugeben weiß, was nicht recht ist. Unendlich weh tut es einem, daß Goethe nicht wegen des fremden Einflusses, sondern wegen des inneren Unwesens an allem literarischen Heil in Deutschland verzweifelt. Jeder, sagt er, will für sich stehn, jeder drängt sich mit seinem Individuum hervor, keiner will sich an eine Form, eine Technik anschließen, alle verlieren sich im Vagen, und die das tun sind wirklich große und entschiedene Talente, aus denen aber eben darum schlechterdings nichts werden kann. Er versichert darum, daß er sich nicht mehr um andere bekümmern, sondern nur seinen Gang gehen wolle, und treibt es so weit, daß er versichert, der beste Rat, der zu geben sei, sei die Deutschen, wie die Juden, in alle Welt zu zerstreuen, nur auswärts seien sie noch erträglich. Ich habe ihm gesagt, daß ich für mich das schon angefangen habe, und daß er nur zu uns kommen dürfe, um es auch an seinem Teil zu vollenden. Seinen Faust hatte ich hier, noch ehe ich nach Weimar ging, gelesen. Er hat vier an niemand gerichtete Zueignungsstrophen . . . Darauf kommt ein Vorspiel und ein Prolog . . . Dann folgt das Stück. In diesem sind nicht bloß hinten Szenen angehängt, sondern auch in der Mitte eingeschaltet, wie ζ. B. die, welche er uns vorlas. Ausgelassen ist, soviel ich ohne Vergleichung bemerkt habe, nichts . . . Vorgestern abend, als wir bei Goethe waren, las er uns eine Art Märchen vor. Aber leider fielen Caroline [v. Wolzogen] und mir gar sehr die Ausgewanderten dabei ein. Es ist eine der Kompositionen, die nur zum Ausruhen bestimmt sein können. Vieles von dem Neuen im Faust ist uralt. Die letzte Szene ist 30 Jahre alt, aber es hatte nie ein Sterblicher sie gesehn. Goethe hat noch mehr Szenen, die ein andermal werden eingeschaltet werden. W. V. Humboldt an F. H. Jacobi 21. 11. 1808 (Leitzmann 1 S. 75)
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Ich war in Weimar, u. sah Göthe zwei Tage lang, sprach viel von Ihnen mit ihm, u. soll Sie herzlich von ihm grüssen. Ich fand ihn wohl, u. wie Sie ihn kennen, beschäftigt, indess ziemlich zornig über so manches literarische Unwesen in Deutschland. Er klagt so ernstlich über Anarchie, Formlosigkeit, u. Mangel an Technik in den neuen Poeten u. Autoren, dass es ihn doppelt verdriesst, so viel wahres Talent in ihnen zu finden, und zu Grabe gehen zu sehn, und dass er nah daran ist, mancherlei Beschränkungen, die jenseits des Rheins Mode sind, wenigstens nicht sonderlich zu tadeln. Uebrigens fährt er fort, um
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sich her, soviel er kann, zu wirken, u. liest ζ. B. alle Mittwoch Vormittag einem ausgewählten Cirkel, unter dem sich auch die Herzogin befindet, die Niebelungen vor. Mit dem Kaiser Nap. hat er eine lange Unterredung gehabt, über seinen Werther u. das Französische Theater. Ueber den ersteren versichert er, habe der Kaiser sehr wahre, frappante, u. ihm sonst nie vorgekommene Bemerkungen gemacht; das letztere kenne er bis zur Bewunderung genau, u. habe alle historische u. poetische Motive der bekanntesten Stücke bis in ein ungeheures Détail hinein verfolgt. Sehr viel haben wir auch Bettinas erwähnt, die er nach Würden, wie wir, schätzt. W V. Humboldt an Caroline v. Humboldt 26. 11. 1808 (Sydow 3, 29)
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Was Goethen betrifft, so ist nicht zu leugnen, daß er nicht gerade das beste seines Genius während seines italienischen Aufenthalts aussprach. Es mag freilich sein, daß er nicht lange genug dort war, aber — wir sprachen noch selbst bei Carolinen [v. Wolzogen] mit ihm davon — Werther, Egmont, Faust wären nie, auch von ihm, in Italien entstanden. 19. 11.
Tagebuch 19. 11. 1808 (WA III 3, 400)
Mittags Dr. Werneburg zu Tische. Uber Musik hauptsächlich und Mathematik überhaupt. Abends Hofrath Meyer. Jenaische Litteraturzeitung. 20. 11.
Tagebuch 20. 11. 1808 (WA III 3, 400)
Um 11 Uhr die Sänger . . . Mittag Dr. Werneburg: Fortsetzung des Gesprächs über Musik. Abends Hofrath Meyer. Jahresbericht der Münchner Academie. Bey Frau Hofrath Schopenhauer. Dr. Gries. Riemer, Tagebuch 20. 11. 1808 (Keil 5 S. 317)
Mittags mit G., Werneburg über Musik und Mathematik. St. Schütze, Tagebuch 20. 11. 1808 (*JSK NF 4, 103; G M D )
Bei d. Sch. Goethe. Dr. Gries. Meyer liest aus d. Allemannischen Ged. Der junge Sch. hat auf der Wache gesessen, weil er so stark an s. Thür geschlagen. C. Bertuch, Tagebuch 20. 11. 1808 (*JSK NF 4, 103; G S A , Bertuch 3069)
Abends Schopenh. Goethe da verstimmt. Geschichte mit Morhard. 21. 11.
Tagebuch 21. 11. 1808 (WA III 3, 401)
Mittags Dr. Werneburg zu Tische. Über Musik und Mathematik. Dr. Schützens Arbeiten im Beckerschen Taschenbuch. 22. 11.
Tagebuch 22. 11. 1808 (WA III 3, 401)
Beym Geheimen Rath Voigt wegen Theaterangelegenheiten. Bey der Prinzeß. Mittags Dr. Werneburg: über Mathematik, Musik, Naturphilosophie und deren Bezug auf die Mathematik. Dr. Pryllus Beobachtung des Einflusses von dem verschiedenen Fleischgenuß auf nächtliche Träume. Stahls Aufsatz über Mathematik vorgelesen und commentirt. 593
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Weimar A n Knebel 25. 11. 1808 (WA IV 20, 224)
Eine mir sehr angenehme und lehrreiche Unterhaltung giebt mir Dr. Werneburg. Er bringt das allerfremdeste, was in mein Haus kommen kann, die Mathematik an meinen Tisch; wobey wir jedoch schon eine Convention geschlossen haben, daß nur im alleräußersten Falle von Zahlen die Rede seyn darf. Riemer, Tagebuch 22. 11. 1808 (»Dtsch. Revue 11, 4 S. 35; Keil 5 S. 317)
Mittags Dr. Werneburg zu Tische. Über Musik, Mathematik, Naturphilosophie. Doctor Gryllus, ein Ungar, der Beobachtungen angestellt über den Einfluß des verschiedenen Fleisches auf Träume. Nach Tische bei Goethe. Vorgelesen aus Stahls Entwurf der mathematischen Wissenschaften. Charlotte v. Stein an F. v. Stein 22. 11. 1808 (»Düntzer 9 2, 302; G S A , Stein 107) B 2 1 1 3 6 B 3 2836
Goethe hat seine Theater direction niedergelegt, er hat sich mit der Jageman entzweyt. ich sprach ihm heute früh, er sagte mir er habe eine grose Last vom Hals und könnte nun jezt mehr wie je mit seine Freunde leben. Henriette v. Knebel an Knebel 23. 11. 1808 (Düntzer 4 S. 354)
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Dem Goethe werde ich sogleich Deinen Gruß überbringen ... Im Spaß schalt gestern Goethe auf ihn [Humboldt], da er auch nicht das Geringste von Rom mitgebracht hat. 23. 11.
Tagebuch 23. 11. 1808 (WA III 3, 401)
Besuch der Damen. Die Nibelungen bis zum 10. Abenteuer inclusive. Ankunft meiner Frau; mit Auspacken und Referiren ging der übrige Tag hin. Christiane v. Goethe an Bettina Brentano 30. 1. 1809 (Schmitz/Steinsdorff S. 628)
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Goethe befindet sich diesen Winter auserordentlich wohl welches er doch den heilsamen Quellen zu danken hat. Bey meiner Zurückkunft [aus Frankfurt] kam er mir ordentlich jünger vor. Riemer, Tagebuch 23. 11. 1808 (*Dtsch. Revue 11, 4 S. 35; Keil 5 S. 317)
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Mittags traf die Geh. Räthin ein. Dem. Ulrich zu Tisch. Uber Frankfurt. Abends Ulrich und Deny zu Tische. Kam Haide. Ward der Geheimen Räthin ein Ständchen von Janitscharen-Musik gebracht. Nachher ihr Tagebuch von der Reise vorgelesen. Um 12 Uhr auseinander. An A. v. Goethe 5. 12. 1808 (WA IV 20, 237)
Von der Reinlichkeit deiner Wohnung, von deinen Vögeln, deiner Aufwartung und was dich sonst betrifft, haben mir die Mutter und Carolinchen gar Erfreuliches erzählt; besonders war mir lieb, daß ihr Herrn und Frau von Luck gesehen, die ältesten Freunde auf weimarischem Grund und Boden. Ich vernehme von der Mutter, daß du wegen deiner rothen Backen Anfechtung hast, und daß es Leute giebt, die behaupten solche Farbe sey eben nicht grade ein Anzeichen guter Gesundheit. 594
1808 24. 11.
Weimar Tagebuch 24. 11. 1808 (*WA III 3, 401; G S A , Goethe 27)
Besuch von LeMarcand mit Falk. Gespräch über Faust und deutsche und französ. Literatur. Mittags Dem. Ullrich. Ueber Frankfurt Auspacken der Frauen. Abends bey Mad. Schopenhauer große Gesellschaft. Riemer, Tagebuch 24. 11. 1808 (*Dtsch. Revue 11, 4 S. 35; Keil 5 S. 317)
Abends zu Mad. Schopenhauer, wo die Gesellschaft überaus zahlreich war. Ziegesar mit s. Frau, der junge Architekt [Daniel Engelhard] pp. St. Schütze, Tagebuch 24. 11. 1808 QSK NF 4, 103)
Bei der Schopenhauer], Goethe kommt früh. Riemer kann meine Wanderung nicht vorlesen, weil es zu voll ist. Johanna Frommann an Wilhelmine Herzlieb 9. 12. 1808 (GSA, Frommann 314, 1 Nr. 7)
Vor 3 Wochen war ich mit der Loder in Weimar, da sie nothwendig, Geschäfte von ihrem Vater wegen bei Zigesars bleiben muste, blieb ich auch da. Nach Tisch wollten wir zu Göthe gehn u die Loder kramte so lang bei einer Putzmacherin, daß als wir um 4 kamen, er aus war. Das war ein Schreck. Abends bei der Schoppenhauer wollt er erst gar nichts von uns wissen, fragt uns wann wir gekommen wären, u als er hörte, den Morgen, dreht er sich in Spaas um u gieng fort. Er wurde aber gleich wieder gut u erzählte den Abend sehr hübsche Sachen. Die Beschreibung von Friedrichschen neuen Landschaften bleib ich Dir schuldig. 25. 11.
Tagebuch 25. 11. 1808 (*WA III 3, 401; G S A , Goethe 27)
Kam Legat. Rath Bertuch. Mittags Dem"e Ullrich und Sophie Teller zu Tische. Abends Mr LeMarquand u Legat. R. Falk Unterhaltung über Faust, von dem er sehr geistreich den Prolog vom Theater ins Französische übersetzte. Riemer, Tagebuch 25. 11. 1808 (*Dtsch. Revue 11, 4 S. 35; Keil 5 S. 318)
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Das Sonett vollendet. Zwei Sonette an Goethe gegeben, der sie sehr lobte, besonders das zweite. Um 5 Uhr Le Marquand und Falk. Der erste las seine Ubersetzung von G. Faust vor: war sehr in den Sinn penetrirt. Hin und wiedergesprochen. Über Wolfs Meinung von Homer u. dgl. Abends hinten; war Haide und Deny da. Uber Goethes wahrscheinliche Niederlegung der Theater-Direcdon. Äußerte Goethe: „Schon fast seit einem Jahrhundert wirken H u m a n i o r a nicht mehr auf das Gemüth dessen, der sie treibt, und es ist ein rechtes Glück, daß die N a t u r dazwischen getreten ist, das Interesse an sich gezogen und uns von ihrer Seite den Weg zur Humanität geöffnet hat." [Riemer?:] „Daß die Humaniora nicht die Sitten bilden! Es ist keineswegs nöthig, daß alle Menschen Humaniora treiben. Die Kenntnisse, historisch, antiquarisch, belletristisch und artistisch, die aus dem Alterthum kommen und dazu gehören, sind 595
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Weimar schon so divulgirt, daß sie nicht unmittelbar an den Alten abstrahirt zu werden brauchen, es müßte denn einer sein Leben hineinstecken wollen. Dann aber wird diese Cultur doch nur wieder eine einseitige, die vor jeder andern einseitigen nichts voraushat, ja noch obenein nachsteht, indem sie nicht productiv werden und sein kann."
26. 11.
Tagebuch 26. 11. 1808 (WA III 3, 402)
Mittags Dem. Ulrich zu Tische. C. Bertuch, Tagebuch 26. 11. 1808 (GSA, Bertuch 3069)
Goethe hat s [ei] η Ultimai, an d. Herz[og] gegeben entwed. unumschränkte Direktion, oder abzugehen. um 26. 11. Henriette v. Knebel an Knebel 26. 11. 1808 (Düntzer 4 S. 354)
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Du weißt wohl noch nicht, daß Goethe sein Geschäft beim Theater niedergelegt hat. Ich glaube wohl, daß er der großen Plage und beständigen Neckerei längst müde war. Doch hat es ihn hauptsächlich verdrossen, daß kürzlich der Herzog aus eigener Bewegung oder vielmehr aus Bewegung der Jagemann dem Sänger Morchardt auf eine etwas ungerechte Weise Arrest gegeben hat. Als einen Eingriff in seine Rechte nahm Goethe das übel, und da weder ihm noch dem Sänger Genugthuung geschah, so zieht er sich nun ganz ab. Unser Theater möchte nun leicht von seinem Ruhme verlieren. Wahrscheinlich übernimmt es nun die Jagemann selbst. Denke nur, daß hier ein Franzos Lemarcand ist, der sonst in Erfurt war, der den „Doctor Faust" ins Französische übersetzt. Er geht dabei nach Spanien und will aber immer von Zeit zu Zeit einen Bogen von seiner Uebersetzung an Goethen schicken, daß dieser ihn korrigiren soll. Wir haben den Goethe noch nicht darüber gesprochen, sind aber neugierig, was er zu diesem Feldzug sagt. Es soll schon ein ganzes Stück davon fertig sein. 27. 11.
Tagebuch 27. 11. 1808 (*WA III 3, 402; G S A , Goethe 27)
Um 11 Uhr Gesang. Mittags Dr. Werneburg und Weißer zu Tische. Abends bey Mad. Schopenhauer. Diseurs mit Herrn LeMarquand und Falk über Franzos. Literatur, ihr Verhältniß zu sich selbst und zur deutschen. Riemer, Tagebuch 27. 11. 1808 (Dtsch. Revue 11, 4 S. 35)
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Uber Tische Einladung von Demoiselle Jagemann. Anfrage bei Goethe, Genehmigung von ihm. Von ihm instruiert. Um 3 Uhr zu ihr. Allein. Exposition der Sache. Ihre und des Herzogs Intention. St. Schütze, Tagebuch 27. 11. 1808 (*JSK NF 3, 104; GMD)
Bei d. Schopenhauer]. Goethe: das Urtheil [im Morgenblatt 5. 11. 1808] über mein Lustsp. [Die Mädchenburg] möchte wohl von Haug oder so einem sein; ich möchte es zurücknehmen. Der Preis von 300 # würde mir wohl lieber gewesen sein als die Vergleichung mit Shakespeare. Riemer liest meine Reise vor. 596
Weimar
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An Cotta 2. 12. 1808 (WA IV 20, 227)
Diese Tage ist bey uns eine höchst merkwürdige Erscheinung vorübergegangen. Mr. Lemarquand, an dem wir schon, als er französischer Commissär in Erfurt war, einen uneigennützigen, ehrliebenden und geistreichen Mann kennen lernen, hat sich die letzte Zeit in Berlin aufgehalten und ohne sonderliche Kenntniß des Deutschen sich an den Faust dergestalt attachirt, daß er mir ihn theilsweise, das Buch vor sich habend, sehr frey und anmuthig in Prosa übersetzte. Die dunklen Stellen fühlt und kennt er auch alle und hat über manche Erklärung verlangt und erhalten. Einige Stellen hatte er schon poetisch übersetzt, sehr heiter und glücklich . . . Nun arbeitet er das Einzelne durch und will nicht ruhen bis er das Ganze zu einer genießbaren französischen Production umgearbeitet hat. Er wird während seiner Arbeit mit uns beständig conferiren und das Resultat wird immer höchst merkwürdig seyn, weil der französische und deutsche Geist vielleicht noch niemals einen so wunderbaren Wettstreit eingegangen haben.
vor 28. 11. P. A. Wolff an H. Blümner 28. 11. 1808 (*SchrGG 6, 319; HSTA Weimar, Genint, Slg. Pasqué 38, 2) Β 3 2842
Heute ist leider jede Hoffnung verschwunden, und ich kann Ihnen mit gepreßtem Herzen die Nachricht, daß Göthe die Direction des hiesigen Theaters niedergelegt hat, bestimmt, und sicher ertheilen. Ich würde Sie bitten, mir das Detail eines so unangenehmen Vorfalls zu erlassen, über den ich ungern spreche, und der mich wie der Verlust meines liebsten Eigenthums schmerzt. . . Erfahren Sie also, daß Dem. J[agemann] ihre Absicht, mit dem Theater nach Belieben zu schalten, und zu walten, welches wahrscheinlich schon lange Ihr Wunsch war, damit erreicht hat, daß Sie Göthen durch Eingriffe in seine Rechte, vom Herzog unterstüzt, verschiedentlich beleidigte, und diese Kränkungen so lange wiederhohlte, bis er dem Herzog die Direction welche er 18 Jahre unter sich hatte zu Füßen legte, der Herzog, dem sein Verfahren wahrscheinlich durch Umwege abgedrungen, und manches Wort durch entfernte Gründe abgelockt worden, war anfangs sehr darüber frappiert, und es kam zu allerhand Vorschlägen, die aber immer so gedreht wurden, daß Göthe auf seinem Entschluß beharren mußte. Heute hat G. alles abgeschlossen, und nichts mehr zur Unterschrifft das Theater betreffend angenommen . . . Wie schmerzlich mich dieser Vorfall kränkt, werden Sie einsehen, da Sie wissen, daß ich unter Göthens Händen bei'm Theater aufgewachsen bin, und ihm gröstentheils meine künsderische Ausbildung verdanke . . . Die erste Beleidigung die G. widerfuhr ist folgende, es ist eine merkwürdige Geschichte, und ein Meisterstreich eines verschmizten Köpfchens. Morhard unser Tenorist wurde von der Großfürstinn unterstüzt, und deßhalb Dem. J. ein Dorn im Auge; es war ihr aber zeither unmöglich ihm etwas übles zuzufügen, obwohl sie es schon mehreremal versucht hat. Die gegenwärtige Entfernung der Großfürstinn gab ihr nun Gelegenheit, denn Morhard wurde zufällig krank, als die Oper Sargino zum zweitenmale gegeben werden sollte, der Herzog durch die J. angespornt bestand auf der Vorstellung, ließ weder Morhards Entschuldigung noch das Attestat des Arztes gelten, und verlangte noch denselben Abend, 597
1808
Weimar daß wenn er nicht singen könnte, er augenblicklich die Stadt verlassen sollte. Morhard hielt sich an Göthe als an seinen Directeur, und dieser hatte Mühe genug ihm 8. Tage Wache, als eine gelinde Strafe für seine Unschuld auszuwirken, dadurch wurde Morhard verabschiedet, und G. als Unterstüzer seines Ungehorsam's verdächtig gemacht, sie hat sich an M. gerächt, und ist zugleich zu ihrem Plan Göthen zu verdrängen vorgerückt.
28. 11.
Tagebuch 28. 11. 1808 (WA III 3, 402)
Mittags Dem. Ulrich zu Tische. Riemer, Tagebuch 28. 11. 1808 (Keil 5 S. 319)
Früh bei Goethe. Abends ins Theater. Ließ mich Dem. Jagemann hinten in den Saal rufen und fragte um Antwort. Nach dem Theater zu Goethe. 29. 11.
Tagebuch 29. 11. 1808 (*WA III 3, 402; G S A , Goethe 27)
Gegen 11 zu Prinzeß Caroline, wo von den Lafontaineschen Fabeln vorgelesen wurde. Außerdem Verschiedenes über LeMarquant und sonstige Verhältniß der Franzos. zu den Deutschen. Mittags Dem lle Ullrich zu Tische. Abends . . . Besuch von Hrn. Geh. Reg. Rath von Müller. Riemer, Tagebuch 29. 11. 1808 (Keil 5 S. 319)
Früh bei Goethe. Bat ich ihn um Instruction, wenn ich zu Dem. Jagemann gehen sollte, da sie mich um Erklärung fragte. 30. 11.
Tagebuch 30. 11. 1808 (WA III 3, 402)
Besuch der Damen. Die Nibelungen bis zum 15. Abenteuer inclusive . . . Abends Besuch von Herrn Geheimen Rath von Wolzogen. Riemer, Tagebuch 30. 11. 1808 (Dtsch. Revue 11, 4 S. 36)
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Sollte ich unten sein bei der Vorlesung. Nach 10 Uhr hinuntergerufen, waren die Herzogin und die Prinzeß, Gräfin Henkel, Stein, Schiller, Wolzogen, Egloffstein, Seebach da. Nibelungen. Chr. G. V. Voigt an Carl August 30. 11. 1808 (Jahn 2 S. 486)
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Der Hofrath Meyer erstattet einen langen mündlichen Rapport über die Theatersache, wovon das Wesentlichste folgendes ist: 1) Der G.-R. v. Göthe will mit einer bloß scheinbaren Direction sich nicht abgeben, weil selbst seine Ehre dieses nicht zulasse. 2) Dagegen will er zwar dem Modo, ihn bis Ostern zu dispensiren, submittiren, müsse dabey aber nur bemerken, daß er mit Grund fürchte und voraussehe, das Theaterwesen werde inzwischen in einen Zustand kommen, daß er den Faden nicht wieder aufnehmen könne. Denn mehrere Schauspieler, die in persönlicher Rücksicht gegen ihn sich engagirt hätten, würden aufkündigen, mehrere würden sich in Besitz von Rollen setzen, u. s. w. 3) Indessen sey er sehr bereitwillig, in dem itzigen Zustande die Direction fortzusetzen, wenn ihm nur der zugehörige Einfluß in die Disciplin bleibe, und im 598
Weimar
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Fall Ew. Durchl. darin etwas nöthig fänden, Sie die Gnade haben möchten, es durch ihn gehen zu lassen. Dieses erfordere unumgänglich seine Ehre und sein Ansehen bey den Schauspielern selbst. Wenn übrigens nur die Stücke zu Stande kommen, und gespielt würden! Bisher wären 12 — 15 Stücke bloß darum erliegen blieben, weil bey jedem Hindernisse hervorgebracht worden wären. Es sey auch ein Stück bereit, für Serenissimae Geburtsfest, das müsse aber ganz erst zurecht geschnitten werden. 4) Sollte die Idee, mit Absonderung der Opera von der Direction, ausführbar scheinen, so wäre Hr. G.-R. v. Göthe dazu allenfalls auch bereit. Ueberhaupt wolle er zu Allem die Hand bieten, was Serenissimus wünschten; nur als ein bloß dem Namen nach stehender Director könne er seiner Reputation wegen nicht stehen. ( H ö c h s t v e r t r a u l i c h fügte Meyer noch die Erklärung bey, daß Göthe keineswegs prätendire die Mad. Jagemann auf irgend einige Weise zu geniren, sondern daß ihr, wie bisher, lediglich überlassen bleiben solle, ob oder w i e Sie auftreten wolle. Ueberhaupt sehe er durchaus keine Persönlichkeit, sondern es sey ihm bloß um die Sache zu thun.) Nov.
Christiane v. Goethe an A. v. Goethe 30. 11. 1808 (GJb 10, 24)
B2 1127 a B3 2844
Der Geheimerath hat das Theater völlig niedergelegt, aber der Herzog will es durchaus nicht zugeben; man schickt täglich sowohl an mich als an den Geheimerath Leute ab, die ihn bereden sollen es nicht aufzugeben; aber sein Entschluß ist fest, daß er es entweder ganz allein haben will oder gar nicht. Ich bin es sehr wohl zufrieden und sehe ein, daß es durchaus nicht anders angeht. Die Sache ist nämlich so. Es hat sollen Sargin gegeben werden, Morhard hat aber so einen fürchterlichen Katarrh bekommen, daß es ohnmöglich war. Die Jagemann hat aber geäußert: „Wenn der Hund nicht singen kann, so soll er bellen, und er muß singen". Da das aber nicht möglich war, und Morhard nicht in die Probe kam, so hat sie sich an den Herzog gewendet, und dieser hat Morhard noch denselben Abend wollen über die Gränze bringen lassen, wo ihm denn der Geheimerath nur geschwinde hat Wache geben lassen, um es zu mildern. So stehen jetzt die Sachen. Der Herzog ist am Dienstag nach Jena, und wir wissen nun noch nicht wie es werden wird. Friederike Unzelmann an Ungenannt 15. 12. 1808 (Aukt.-Kat. Henrici 15, 18)
Unser Geheimrath hat . . . die Direktion niedergelegt, mit der Aeusserung, dass nur eine gänzliche Souveränität über das Theater Ihm bewegen könte, dieselbe wieder zu nehmen. An Knebel 25. 11. 1808 (WA IV 20, 223)
Bey Frau Hofrath Schopenhauer sind der Donnerstag und der Sonntag jeder auf seine Art interessant: der erste wegen vieler Societät, wo man eine sehr mannigfaltige Unterhaltung findet; der zweyte, wo man wegen kleinerer Societät genöthigt ist, auf eine concentrirte und concentrirende Unterhaltung zu denken; und was du dir kaum vorstellen könntest, in kurzem wird unser geselliges Wesen 599
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Weimar eine Art von Kunstform kriegen, an der du dich gelegentlich selbst ergetzen sollst.
1. 12.
Tagebuch 1. 12. 1808 (WA III 3, 403)
Früh mit meiner Frau Besuche bey den Damen. Mittag Dem. Ulrich. Abends bey Mad. Schopenhauer. Riemer, Tagebuch 1. 12. 1808 (Dtsch. Revue 11, 4 S. 36)
B 2 1 1 2 8 a B 3 2847
Besuch von Wolff. Theatersachen. Nach Tische mit Goethe, der Geh. Rätin die Theaterangelegenheiten besprochen. Goethes Vorschlag. Einwendungen dagegen und Offens. Stillgeschwiegen. St. Schütze, Tagebuch 1. 12. 1808 (*JSK NF 4, 104; GMD)
Bei der Schopenhauer], Goethe: ich möchte etwas in Liebhaber und Nebenbuhler in einer P[erson, von F. J. W Ziegler] ändern. Riemer liest meine Wanderung weiter. C. Bettuch, Tagebuch 1. 12. 1808 (*JSK NF 4, 104; G S A , Bertuch 3069)
Goethe bey d. Schopenhauer äußert sich üb. die Geschichte ν Morhard, u. vergleicht es mit einem gutmüthig. Loew [?], der zeither geschwiegen habe. Napol. hat ihn über Weimar mehrer. gefragt, wer von berühmten Männern da sey. Je sais, sagte er, que Weimar est le petit Athenes d'Allemagne — . 2. 12.
Tagebuch 2. 12. 1808 (WA III 3, 403)
Mittags Dem. Ulrich zu Tische . . . Abends zur regierenden Herzogin. Einiges vorgelesen. Uber die Fabel von Siegfried und ähnliche. Riemer, Tagebuch 2. 12. 1808 (Dtsch. Revue 11, 4 S. 36)
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War Goethe bei der Herzogin. Abends mit Deny und Demoiselle Ulrich zu Tisch. Nachher über Theaterangelegenheiten, und der Geh. Rätin Vorschlag von g ä n z l i c h e r Separation der Oper vom Schauspiel und Drama überhaupt, auch des Personals. 3. 12.
Tagebuch 3. 12. 1808 (WA III 3, 403)
Kam Herr von Humboldt von Erfurt und logirte bey uns. Riemer, Tagebuch 3. 12. 1808 (*Dtsch. Revue 11, 4 S. 36; Keil 5 S. 319)
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Früh bei Goethe Briefe . . . Um 5 Uhr war Humboldt angekommen und logirte mit Theodor bei uns. Er ging mit der Geh. Räthin ins Theater. Abends Humboldt u. Theodor zu Tisch. Über das Theater, Musik, röm. Angelegenheiten. Riemer (»Dtsch. Revue 11, 4 S. 36; Keil 5 S. 320)
B 2 1 1 2 9 B 3 2850
Gegen das Sprechen zur Musik erklärte sich G. einmal so: „Musik sei die reine Unvernunft, und die Sprache habe es nur mit der Vernunft zu thun." Es war den 3. Decbr. 1808 Abends. Humboldt speiste mit und es war viel vom Theater, Musik u. dgl. die Rede. Schiller hatte besonders den Tic bei Musik sprechen zu 600
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Weimar lassen, ζ. Β. d. Jungfrau von Orleans. Goethen war das immer zuwider, wie er oft genug äußerte. Johanna Frommann an Wilhelmine Herzlieb 9. 12. 1808 (GSA, Frommann 314, 1 Nr. 7)
Denke Dir, Fernow ist vorigen Sonntag Morgen todt, ganz ruhig liegend, in seinem Bette, gefunden . . . Mein Mann war grade in Weimar, hatte den Sonnabend so vergnügt bei Goethe den Mittag . . . zugebracht. . . Göthe ist recht wohl u heiter, die Frau ist eben von Frankfurt wiedergekommen, wo sie die Erbschaftsangelegenheiten besorgt h a t . . . Es hat mit dem Theater f a t a l e Geschichten gegeben, man hoft aber die Herzogin soils noch vermitteln. 3. (?) 12.
Riemer (GSA, Riemer 762)
Anfg Decbr 1808. Von der Friede. Brunn und der Fr v. d. Recke sagte Wilh. v. Humboldt eines Abends bey Goethe: Es komme ihm die immer als die beste vor die entfernt ist. 28. 11./ 3 12
F. A. L. v. d. Marwitz, Lebensbeschreibung (Meusel 1, 481)
Ich hatte beabsichtigt, mit ihm [Müffling] das Schlachtfeld [von Jena] zu besehen, es ging aber nicht, weil der Herzog den folgenden Tag allerhand mit der Universität und mit Goethe zu tun hatte, wobei Müffling gegenwärtig sein mußte. 4. 12.
Tagebuch 4. 12. 1808 (WA III 3, 403)
Unterhaltung mit Herrn von Humboldt. Vergleichung des Textes der Nibelungen mit der Ubersetzung im Teutschen Merkur . . . Abends bey Herrn von Müller. 3./4. 12.
W. V. Humboldt an Caroline v. Humboldt 7. 12. 1808 (Sydow 3, 40)
B 2 1130 B 3 2851
Ich habe diesmal bei Goethe gewohnt, und er war außerordentlich freundschaftlich, vertraulich und herzlich. Ich bewohnte eine seiner sogenannten Putzstuben im ersten Stock, und Theodor mit Zimmermann eine mit einer Kammer im zweiten neben Riemer. Die Händel mit dem Theater dauern noch immer fort und haben dem armen Goethe nun schon volle vier Wochen Unruhe gekostet, in denen er schlechterdings nichts hat vornehmen können. Er möchte es dahin bringen, daß Oper und Schauspiel getrennt und letzteres ihm allein überlassen würde. Allein der Herzog wird diesen Vertrag schwerlich eingehen, und vermutlich geht Goethe ganz vom Theater, das dann in weniger als nichts zerfallen wird, ab. Vermutlich gewinnt aber dann dabei das Publikum. Denn er freut sich schon jetzt, dann mehr arbeiten zu können, und denkt auf eine Fortsetzung der natürlichen Tochter, zu der schon alles fertig liegen soll. Die Geheimrätin, die jetzt von Frankfurt a. M., wo sie wegen des Nachlasses der verstorbenen Mutter Goethes war, zurückgekommen ist, ist ein ganz leidliches Wesen, und Goethe tut alles, um zu machen, daß die Weimarschen Damen mit ihr umgehen sollen. 601
1808
Weimar Caroline [v. Wolzogen] tut es ohne Anstand, da sie mit Recht sagt, daß sehr viele von jeher aufs rechtmäßigste verheiratete Damen um kein Haarbreit amüsanter sind, und andere folgen ihr. Goethe ist darum auch äußerst gut mit Carolinen und lobt sie über alle Maßen. Für Theodor hat die Geheimrätin wirklich zärtliche Sorgfalt gehabt.
Anf. Dez. W. v. Wolzogen an Cotta 5. 12. 1808 (CA)
Den 16' Xbr erwarten wir hier Werner, der vielleicht den Winter bey uns bleibt. Göthe hat gegenwärtig viel Verdruß wegen dem Theater; es giebt nun einmal gewiße Verhältniße welche nichts taugen. 5. 12.
Tagebuch 5. 12. 1808 (WA III 3, 403)
Carl Martelli, Arzt von Münster, der nach Petersburg geht. Mittags Dem. Ulrich. 6. 12.
Tagebuch 6. 12. 1808 (WA III 3, 404)
Früh bey der Prinzeß, wo ein Versuch der Mittelgouache gemacht wurde. Mittags Dr. Meyer zu Tische. Gespräch über Bremen, den Handel daselbst u. s. w. 7. 12.
Tagebuch 7. 12. 1808 (WA III 3, 404)
Früh die Damen. Vorlesung der Nibelungen bis zu Ende der ersten Hauptabtheilung. Mittags Dr. Meyer zu Tische. Fortsetzung des gestrigen Gesprächs. Nach Tische Aufsatz über das Theater an Geh. Secretär Vogel dictirt. Abends Hofrath Meyer. Vorsatz zum Neujahrsprogramm. Einiges aus der Litteraturzeitung. Riemer, Tagebuch 7. 12. 1808 (Dtsch. Revue 11, 4 S. 37)
B 2 1131 B 3 2852
Nach Tisch kam die Elsermann. Streit mit ihr über die Weiber und ihre Einbildung von sich. 7. 12. (?)
Riemer (Dtsch. Revue 11, 4 S. 37)
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[Goethe:] „Weiber haben keine Ironie, können nicht von sich selbst lassen. Daher ihre sogenannte größere Treue, weil sie sich selbst nicht überwinden können, und sie können es nicht, weil sie bedürftiger, abhängiger sind als die Männer." 8. 12.
Tagebuch 8. 12. 1808 (WA III 3, 404)
Früh Geh. Secretär Vogel wegen Theaterangelegenheiten, die ich ihm dictirte. Mittags Kügelgen, Falk, Dr. Nicolaus Meyer und Hofrath Meyer zu Tische. Uber Schubert. Abends bey Frau von Stein. Tag- und Jahres-Hefte 1808 (WA I 36, 40)
Am Schlüsse des Jahrs besuchte uns der überall willkommene Kügelgen, er mahlte mein Porträt, und seine Persönlichkeit mußte nothwendig auf den gebildet geselligen Kreis die zarteste Einwirkung ausüben. 602
Weimar
1808
Riemer, Tagebuch 8. 12. 1808 (»Aphor. 326; Keil 5 S. 321)
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Mittags Falk, Meyer, Direct. Meyer und Kügelgen zu Tische. Über Schuberts Ansichten und deren Heiligkeit. Goethe bemerkte: „solche Naturen wie die Schuberts seien gleichsam die Molltöne der Natur, das Heilige spreche sich aber auch in den Durtönen aus." Falk, Niederschrift 22. 2. 1811 (GMD, Falk IV 7)
Von Schubert sagte er . . . ein ander Mal [8. 12. 1808] . ..: — er begreife bloß die Molltön [e], der Durton sey seinen Ohren völlig verborgen. Falk, Tagebuch 14. 10. 1821 (GSA, Falk V 4, 50)
Schubert ist wie Göthe sagt im Mollton gesezt. um
Sophie v. Schardt an F. v. Stein o. Dat 1 8 1 7 (FDH)
(oder
Ich hoffe daß Mounier den Göthe unrecht verstanden hat, in dem er dessen Rede a la lettre hat genommen, sonst hätte er sich drüber nicht beschwehrt. Denn gerade in dem Verhältnis wo er in Weimar war, konnte G. ihm doch keinen Meineid zutrauen. Ich hoffe nämlich G. hat es ironisch gesagt. — G. indeß wäre da geblieben vieleicht aus wahrer Neigung für Nap: — vieleicht, weil er würklich das Regenten Wesen für gleichgültig hält, u. Opfer die in die Lebens Existens eingreifen, wohl für thörlig halten mögte zu bringen.
g |2 ft) Apr./Mai 1815?)
6./8. 12.
An Chr. G. v. Voigt 11. 12. 1808 (AS 2 2 , 794)
Der ausgebrochene Krieg, bey dem das Vermögen seiner [N. Meyers] Frau so wie das seinige mochten gelitten haben, der Tod seiner Mutter, wodurch er mit dem Zustand seines eignen Vermögens bekannt ward, mögen ihm die Ueberzeugung gegeben haben, daß er nicht in einer so reichen und kostbaren Stadt wie Bremen, wohl aber in Weimar ganz leidlich u bequem leben würde, wenn er sein ärztliches Talent zugleich ausübte . . . In der Absicht die Bedingungen einer solchen Veränderung näher zu beleuchten kam er hieher . . . Sein ärztliches Verdienst bin ich zu beurtheilen nicht im Stande, so wenig als ich von dem eigentlichen Zustande seines Vermögens unterrichtet bin. Indessen giebt es schon ein gutes Vorurtheil, daß er hier ein Haus kaufen und seine beweglichen Besitzungen hieher transportaren will. 9. 12.
Tagebuch 9. 12. 1808 (WA III 3, 404)
Fing Kügelgen mein Porträt an. Derselbe Mittags zu Tische. Nach Tische fortgefahren am Porträt. Riemer, Tagebuch 9. 12. 1808 (*Dtsch. Revue 11, 4 S. 37; Keil 5 S. 321)
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Früh bei Goethe Aufsatz übers Theater. Geschichte der deutschen Oper. Ließ er sich von Kügelgen malen. Mittags Kügelgen zu Tisch. Uber Schubert, über Tischbein in Hamburg. Goethe bemerkte: er sei ein rückschreitender Jehova, erst habe er Menschen gemalt, nun mache er die Thiere. 603
Weimar
1808 um 9. 12.
F. Passow an J. G. Keil 9. 12. 1808 (Aukt.-Kat. Stargardt 337, 27)
Göthe hat die Direktion des Theaters abgegeben. Sein elendes Betragen zu der Napoleons p. Zeit, das immer fortwährt, hat ihm seit jener Zeit die Neigung unseres edeln Hzgs sichtbar entzogen, u. jetzt ist wahrscheinl. alles persönl. Verhältnis aufgehoben. Inzwischen bleibt Göthe hier wohnen, u. das ist der Renomée wegen gut. Diejenigen, die nichts als einiges Persönliches an ihm zu schätzen verstehn, sprechen gewaltig über den Hzg: den sie nicht zu würdigen fähig sind. vor 10. 12. St. Schütze, Tagebuch 10. 12. 1808 (*JSK NF 4, 104; GMD)
Der junge Schopenhauer]: Goethe habe s. Frau den adlichen Familien vorgestellt. 10. 12.
Tagebuch 10. 12. 1808 (WA III 3, 404)
Abends Hofrath Meyer. Radirte Landschaften und Mariä Himmelfahrt von Guido. 11. 12.
Tagebuch 11. 12. 1808 (WA III 3, 405)
Abends bey Mad. Schopenhauer. Riemer, Tagebuch 11. 12. 1808 (Keil 5 S. 321)
Bei Goethe Theatersachen. Mittags mit ihm allein auf seinem Zimmer, da die Fr. Geh. Räthin krank. Das Morgenblatt [Nr. 283/4] mit den Infamien des Hr. Hofr. Voß [„Beitrag zum Wunderhorn"] gelesen. C. Bertuch, Tagebuch 11. 12. 1808 (JSK NF 4, 104)
Abends zu M. Schopenhauer, deren Gesellsch. 8 Tage geruht hatte. — Goethe u. Wieland da. Ersterer sehr morn. St. Schütze, Tagebuch 11. 12. 1808 (*JSK NF 4, 104; GMD)
Thee bei der Schopenhauer]. Dr. Meyer aus Bremen. Riemer liest den Schluß meiner Erzählung. Goethe wünscht Abkürzungen darin. 12. 12.
Tagebuch 12. 12. 1808 (WA III 3, 405)
Mittags Dr. Meyer und Dem. Elsermann zu Tische. 13. 12.
Tagebuch 13. 12. 1808 (WA III 3, 405)
Malte Herr von Kügelgen an meinem Porträt und speiste mit uns. Riemer, Tagebuch 13. 12. 1808 (Keil 5 S. 321)
Mittags mit Kügelgen gegessen; über Schubert, Kleist pp., wogegen sich Goethe lebhaft erklärte und sehr treffend. F. Kirms an Carl August 18. 12. 1808 (Jahn 2 S. 528)
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In Befolgung Ew. Herzogl. Durchlaucht höchsten Auftrags, habe ich bereits am Dienstag [13. 12.] mit dem Herrn Geheimen Rath von Goethe zu sprechen 604
Weimar
1808
mich bemüht; es hat aber derselbe keinen Antrag angenommen, weil die je2Ìgen Verhältnisse und seine Gesundheits-Umstände es durchaus nicht erlauben wollten, sich mit den Theater-Geschäften ferner abzugeben. 14. 12.
Tagebuch 14. 12. 1808 (WA III 3, 405)
Früh Besuch von den Damen. Der Nibelungen 2. Abtheilung bis zum 22. Abenteuer inclusive. Mittags Dr. Meyer. Medaillen besehen. Abends Geheimer Regierungsrath von Müller. Nachher Hofrath Meyer. Riemer, Tagebuch 14. 12. 1808 (Keil 5 S. 321)
Der Damen Vorlesung aus den Nibelungen. F. V. Müller, Tagebuch 14. 12. 1808 (Grumach S. 6)
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Lustiger nächtlicher Vorfall in Goethes Haus als Parodie auf der Müllerin Verrath . . . Von 5 — 7 1/2 Abd war ich bey Goethen. Er studiert jezt die ältere französische Literatur ganz gründlich wieder, „um ein ernstes Wort mit den Franzosen sprechen zu können. Welche unendliche Kultur, rief er, ist schon an ihnen vorübergegangen, zu einer Zeit wo wir Deutsche noch ungeschlachte Pursche waren. Deutschland ist N i c h t s , aber jeder einzelne Deutsche ist viel. Und doch bilden sich leztere gerade das Umgeckehrte ein. Verpflanzt, zerstreut wie die Juden in alle Welt müssten die Deutschen werden, um die Masse des Guten ganz und zum Heil aller Nationen zu entwickeln, die in ihnen liegt." Vertrauliches Urteil über Vossens Charackter als Mensch, der sich erst später so versteinert habe. Angrif gegen Gjoethes] Recension des Wunderhorns. Dafür wolle er ihn auch noch einst auf den Blocksberg citiren. Zum Behuf der Geschichtlichen Ausarbeitung über die Farbenlehre studirt G. jezt die Zeit-Geschichte aller großen Schriftsteller darüber. Wie er sie ansehe, davon gab er mir Proben durch die Einleitung zu Roger Bacons Leben (13. Jahrh.), der bald nach der Magna Charta gebohren ward. „Auf so heitrem Grund lasse ich nun die Figur selbst hervortreten." Auch fügte er hinzu, welch eine Welt von Herrlichkeit liegt in den Wissenschaften, wie immer reicher findet man sie. Wie viel Klügeres, Größeres, Edleres hat gelebt, — und wir Zeitlinge bilden uns ein, allein klug zu seynü Ein Volk, das ein Morgenblatt, eine Eleg[ante] Zeitung, einen Freymüthigen ρ habe, und L e s e r dazu, sey schon rein verlohren. Wie hundertmal besser sey die so verschriene Romanen-Lectüre, die doch eine ungeheuer weite — wenn gleich nicht solide — Bildung hervorgebracht habe. G. hatte das Jenaische Commissoriale sehr übel genommen. Ich bin zu alt, um mit mir Farcen und Possen spielen zu lassen. Er gab mir bey dieser Gelegenheit viele Beweise seines offnen Vertrauens, und sprach dann noch lange von der Theater Geschichte. „Es ist unglaublich, wie der Umgang der Weiber herabzieht p." Übrigens gab er die Hofnung einer Ausgleichung doch noch nicht ganz auf, und sprach sehr gemäßigt darüber. Wenn er J[agemann] alle 8 Tage hätte sehen und persönlich influiren wollen, würde es gegangen seyn. Da sie aber ohne alle Consequenz und Plan sey, nur
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Weimar
1808
eine Rolle spielen, leben, gemessen wolle, so ruinire sie jedes Verhältniß, jede Häuslichkeit in die sie trete, ohne eigentlich böse zu seyn. Er lud uns schon auf den nächsten Dienstag ein. Wahrscheinlich will er einen wöchentlichen Cirkel geben. 15. 12.
Tagebuch 15. 12. 1808 (WA III 3, 405)
Zu Frau von Stein. Mittags Dr. Wemeburg. Riemer, Tagebuch 15. 12. 1808 (Keil 5 S. 321)
Bei Goethe. Zur Geschichte der Farbenlehre. St. Schütze, Tagebuch 15. 12. 1808 (*JSK NF 4, 104; GMD)
Thee bei der Schopenhauer]. Goethe u. s. Frau. Kügelchen. Engelhardt. 16. 12.
Tagebuch 16. 12. 1808 (WA III 3, 405)
Mittags Dr. Meyer zu Tische. 17. 12.
Tagebuch 17. 12. 1808 (WA III 3, 405)
Früh Herr von Kügelgen, der an meinem Porträt malte. Mittags derselbe zu Tische. F. Kirms an Carl August 18. 12. 1808 (Jahn 2 S. 528)
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Gestern Abend habe ich mich wieder zu ihm [Goethe] verfügt und das Resultat mancherley Unterredungen war folgendes: „Wenn auch Serenissimus ihm unbedingten Auftrag geben würden, die Angelegenheiten des Theaters bey dessen mißlichen Verhältnissen, nach Serenissimi Wünschen selbst zu organisiren, so wisse er nicht, wie er es angreifen solle: Das Beste für ihn und seine Gesundheit sey, der Aufsicht über das Theater zu entsagen. Wenn er es hätte länger behalten sollen, so hätte es nur ohne Verhältniß mit dem Schauspieler Becker geschehen müssen; er hätte indessen diesem gern Platz gemacht." Riemer an Knebel 17. 12. 1808 (Guhrauer 1, 343)
B 3 2856
Während naher und entfernter Befehdungen sitzen wir ruhig in unserm Zimmer und verfolgen nur bald den Gang der Farbenlehre durch die barbarischen und folgenden Jahrhunderte, bald den Weg den die Nibelungen durch König Etzels Land genommen haben, und sind glücklich, die meisten Orte auf der Charte zu entdecken . . . Täglich erwarten wir Wernern, der seinen Besuch schon vorlängst zugesagt hat. Die übrigen die sich angemeldet haben, scheinen indeß ausbleiben zu wollen. Baggesen ist schon wieder nach Amsterdam gegangen. Herr v. Kügelchen ist aber hier und mahlt den Geh. Rath. Nun dürfen wir endlich hoffen, ein von mehreren Seiten gut getroffenes Bildniß von ihm zu besitzen. 18. 12.
Tagebuch 18. 12. 1808 (WA III 3, 406)
Mittags Schillers und Wolzogens Kinder mit ihrem Hofmeister Herrn Abeken und Dr. Meyer. Abends zu Mad. Schopenhauer. 606
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Weimar Β. R. Abeken anj. H. Voß d. j. 26. 12. 1808 (Osterprogramm Osnabrück S. 11) B 2 1137 B 3 2858
Der Ernst sitzt jetzt wieder und schreibt an einem neuen Trauerspiele: Polykrates, mit großem Eifer. Dazu hat er eine Vorrede gemacht, worin er von Göthe, Wieland u. seinem Vater spricht, wie vielen Ruhm sich die erworben. Er sey nun Schillers Sohn, u. da müsse er auch was Gutes machen. Er aß neulich Mittags bei Göthe, der sehr gütig gegen ihn war; das scheint sehr auf ihn gewirkt zu haben. — Ja, lieber Voß; auch ich bin neulich bei Göthe gewesen auf seine Einladung; u. ich muß auch dir danken; denn ohne dich wäre ich wohl nie zu Göthe gegangen. Gestern vor 8 Tagen war ich bei ihm zu Mittag. Ich kann dir meine Freude darüber nicht genug ausdrücken. Es war mir der schönste Tag, den ich in Weimar gehabt habe. Es war nur eine kleine Gesellschaft, ein Bremenser Meyer, den ich noch von Jena her kenne, eine Dame u. unsre Kleinen. Das war mir gerade recht; u. ich hatte meinen Platz gerade Göthe gegenüber, so daß ich mich an seinen Reden, seiner herrlichen Gestalt, seinem edlen Gesichte recht weiden konnte. U. er war so gesprächig, so heiter. Das Gespräch kam eben nicht auf erhabene Gegenstände; aber wie bedeutend ist auch das Kleinste in Göthe's Munde! wie lebendig, wie frisch u. heiter! — U. Göthe hat eine so herrliche Milde. Ich bin sonst schüchtern, wenigstens verschlossen, wenn ich zu großen, oder vornehmen Menschen trete. Hier war mir's ganz gemüthlich, u. bei aller Größe, mit der Göthe einem gegenüber steht, hatte ich doch das schöne Gefühl, mit dem man sich Mensch zum Menschen nahet. U. wenn ich auch Göthe nie wiedersähe, doch werde ich mir immer mit Freude sagen, daß ich ihn gesehen habe. B. R. Abeken an K. W. F. Solger 5. 2. 1809 (GSA, Abeken IV 22, 17)
Es ist eine meiner Hauptfreuden hier in Weimar, ihn [Goethe] manchmal zu sehn. Meistens ist das in Gesellschaften der Fall, u. kommt nicht eben oft; doch habe ich auch einmal diesen Winter das Fest gehabt, bei ihm in seinem Hause zu seyn, wohin er mich zu einem Mittag gebeten hatte. Da ist er ungemein heiter u. gesprächig, und man fühlt sich in seiner Nähe im mindesten nicht beengt. Seine Gespräche sind so recht angenehme leichte Tischgespräche, u. was er sagt, hat Leben, sey es auch noch so geringes. Man merkt bald, daß Göthe Alles seyn kann was er will; aber gewiß ist er auch Alles so ganz u. recht, daß man fühlt, in seinem großen Geiste ist die lebendige Quelle von Allem. Sein Aussehn ist jetzt schöner als es vor 6 — 7 Jahren war. Er ist nicht mehr stark, u. besonders hat sein Gesicht dadurch sehr gewonnen. Und er steht noch so fest u. kräftig auf der Erde, daß man hoffen darf, er werde noch lange auf ihr wandeln u. sie zieren. B. R. Abeken, Goethe in meinem Leben (Abeken2 S. 79)
B 2 1137 a B 3 2678. 2859
. . . Oft sah ich ihn [Goethe] dann, im Theater, in Concerten, im Park, oder wenn ich ihm, was ich mir freilich selten erlaubte, in seinem Hause einen Besuch machte. Jedesmal, wenn ich ihn sah, war mein Entzücken groß; am größten, als ich an einem Sonntage früh, da ich eben in wahrer Sabbatsruhe den Tasso las, von ihm mit Frau von Schiller auf den Mittag eingeladen wurde; es war der 607
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Weimar 18. December 1808. Die Unterhaltung bei Tisch war von Seiten des Wirths lebhaft; das Wort „der Mensch lebt nicht vom Brod allein" fand hier seine Anwendung; obgleich auch das Brod keineswegs zu verschmähen war. Nach dem Essen ließ Goethe einige Schubladen seines Medaillen-Cabinets holen und war ausführlich in Erklärung einzelner bedeutender Stücke. Eben so unterhaltend fand ich ihn bei wiederholter Einladung, die je seltener, desto erfreulicher war. St. Schütze, Tagebuch 18. 12. 1808 (*JSK NF 4, 104; G M D )
Bei d. Schopenhauer], Goethe mit Kügelchen, ob die Malerei der Griechen besser gewesen. St. Schütze, Die Abendgesellschaften der Hofrätin Schopenhauer (Weimars Album S. 199) B 2 1 1 3 8 B 3 2860
Kügelgen, der (vom 8. Dezember 1808) mehrere Wochen in Weimar sich aufhielt, um Wieland und Goethe zu malen, bildete in dieser Zeit einen sehr schönen Abschnitt . . . In sanfter, geistreicher Unterhaltung erging er sich gern über das Bedeutsame seiner Kunst und beseelte philosophirend die Werke mit dem Geiste einer allegorischen Poesie. Seine Bilder gefielen fast allgemein durch ihr lebhaftes (etwas buntes) Kolorit und durch den Ausdruck weit geöffneter strahlender Augen, wodurch er sie zu idealisiren strebte. Von Freund Meyer erfuhr ich aber unter der Hand, daß er und Goethe über das Verdienstliche seiner Leistungen, dem Publikum gegenüber, ganz anderer Meinung waren und in den theatralischen Reizen nicht die rechte Kraft des natürlichen Lebens fanden; sie hielten jedoch mit ihrem Urtheil an sich. Einer eigenen Scene wohnte ich (den 18. Dezember 1808) in der Gesellschaft mit bei, wie Kügelgen Goethe'n modelline, und, um keine Langeweile auf seinem Gesichte zu sehen, einen Streit mit ihm über die griechische Malerei eröffnete. Daran that er aber sehr übel. Goethe konnte nicht einmal einen einzelnen Widerspruch gern ertragen, und Dispudren ist ein fortwährendes Widersprechen. Es kreuzten sich daher so viele verdrießliche und zornige Züge durch das Gesicht, daß es ganz den Charakter einer ruhigen Uebereinstimmung verlor und wohl nur noch wenig zum Modelliren dienen konnte. Aber was den Inhalt des Gesprächs betraf, da mußte ich in der Sülle Kügelgen beipflichten, der es bezweifelte, daß die Griechen in der Malerei die höchste Vollkommenheit und schon den Gipfel der spätem Kunst erreicht hätten. Goethe glaubte daran, weil die Griechen überhaupt so vollkommen gewesen. 19. 12.
Tagebuch 19. 12. 1808 (WA III 3, 406)
Bey Durchlaucht der Herzogin wegen der theatralischen Angelegenheiten. Mittags Herr von Arnim. Nachmittag und Abend die Arnimschen Kupfer. A n F. Kirms 19. 12. 1808 (WA IV 20, 270)
Nachdem ich heute früh das Glück gehabt, die Gesinnungen unsrer Durchlauchtigsten Herrschaften über die Theater-Angelegenheiten zu vernehmen; so 608
Weimar
1808
kann ich Ew. Wohlgeb. zu erkennen geben: daß Sie sehr wohl thun würden, für den Mittwoch ein Stück ankündigen zu lassen, in welchem Becker nicht spielt. A. v. Arnim an Betüna Brentano 25. 12. 1808 (Betz - Straub 2, 101)
B 2 NN 1 1 3 9 a Β 3 2862
Die erste Bewillkommung von Göthe waren zwei Küsse; er fragte mit vieler Freundlichkeit nach allen Ereignissen, besonders nach Dir und meinte, Du hättest aufgehört ihm zu schreiben, seit er Dir wiedergeschrieben, vielleicht weil die Hoffnung größer als die Erfüllung gewesen. Ich widersprach ihm nach Deinen Briefen, versicherte ihm, daß nur Mangel an guter Laune Dich abgehalten ihm zu schreiben, daß es immer Dein Vorsatz gewesen. Er versicherte, daß Deine Briefe aus Winkel ihm besondre Freude gemacht, er habe sie oft gelesen, sie hätten ihn in alle Gänge wieder eingeführt. Nun komme ich zu meinem Ruhm und ich sage Dir, es lohnt für allen Schimpf, den Liebsten zu gefallen. Er versicherte mir, daß es wohl nie eine Zeitung [wie die Zeitung für Einsiedler] gegeben habe, wo auf so wenigen Bogen solch eine Fülle von Gutem und Curiosen zusammengehäuft worden, er entdeckte täglich etwas Neues, das ihn erfreue, er hoffte auf eine zweite Auflage; die Herzogin, die Prinzeß und alle am Hofe hätten das Aufhören bedauert u. s. w. u. s. w. In der Streitigkeit mit Voß erklärte er sich ganz gegen ihn, sagte aber, ich hätte besser getan, gar nicht zu antworten, er wäre noch besser hineingelaufen. Es tat mir leid, daß er gegen Görres sprach. Riemer, Tagebuch 19. 12. 1808 (Keil 5 S. 321)
Mittags Herr von Arnim zu Tische. 20. 12.
Tagebuch 20. 12. 1808 (WA III 3, 406)
Mittags Herr von Arnim. Abends Thee, Kupfer des Herrn von Arnim und Liebesgeschichte aus Aeneas Sylvius von demselben übersetzt und redigirt. Frau von Stein, Herr und Frau von Wolzogen, Herr und Frau von Schardt, Frau von Schiller, Herr von Einsiedel, Hofmarschall von Egloffstein, junge Gräfin von Egloffstein, Generalin von Wangenheim, Geheimer Regierungsrath von Müller und Frau, Frau Hofräthin Schopenhauer, Hofrath Meyer, von Arnim und Kügelgen. C. Bertuch, Tagebuch 20. 12. 1808 (*JSK NF 4, 104; G S A , Bertuch 3069)
Die Herzogin sprach gestern u. heute Göthe, wodurch sich die Theaterspannung beilegen wird. Riemer, Tagebuch 20. 12. 1808 (Keil 5 S. 321)
Abends großer Thee bei uns. Fr. von Egloffstein, General. Wangenheim, Frau v. Stein, Hr. und Fr. v. Schardt, Hr. u. Fr. v. Wolzogen, Müllers, Meyer, Arnim pp. Arnim zeigte seine Kupfer und las eine Romantische Geschichte aus Aeneas Sylvius übersetzt vor. A. v. Arnim an Bettina Brentano 25. 12. 1808 (Betz - Straub 2, 102)
B 2 NN 1139 a Β 3 2862
Den andern Tag war bei ihm zum erstenmal Gesellschaft der ersten Frauen der Stadt, unter andern der Frau von Stein, bei seiner Frau; er bat mich, ob ich 609
Weimar
1808
nicht etwas vorlesen wollte, und zeigte meine Kupferstiche herum. Ich las etwas, das Du noch nicht kennst, eine Novelle [Die Liebesgeschichte des Kanzlers Schlick], erst etwas beengt, aber nachher mit einer Art Dramatik, die ich noch nie geübt habe mit solcher Keckheit. So las ich auch was andres gestern vor der Prinzeß bei Frau von Wolzogen, die eine gar herrliche Frau ist. Dazwischen denk Dir Schauspiel, bei der Jagemann herzogliche Gesellschaften, bei der Schopenhauer deklamatorische Tees, Malerei, Kügelgen über mir, Werner in der Nähe, Falk mit Schattenspielen, die er vordeklamirt, und Du wirst mich entschuldigen, wenn ich nicht mehr schreibe. Ich schicke Dir ein sehr ähnliches Bild von Göthe, Basrelief von Kügelgen. Es ist unendlich viel Gutmütigkeit hier, und von der niederträchtigen literarischen Krittelei und Witzelei, die alles beschmutzt, weil sie nichts kennt, gar keine Spur. Α. V. Arnim an Goethe 18. 4. 1809 (SchrGG 14, 141)
Das beygefügte Buch [Der Wintergarten. Novellen von L. A. v. Arnim] (dessen erste Erzählung Sie mit Ihrer Billigung in Weimar ehrten) . . . F. V. Müller, Tagebuch 20. 12. 1808 (Grumach S. 7)
B 3 2861
Ehe ich zu Goethe gieng, besuchte ich Voigten, wo Wollzogen war. Bey Goethe fiel mir der alten Stein zierlicher Aufputz auf, Arnim gefiel mir sehr, und der sanfte Kügelchen. Ersterer ist einfach und bescheiden, sein Stuz Perücken ähnliches Haar, und seine im scharfen Winkel vorgebogene Nase geben ihm fast ein Missionair Ansehen. Man zeigte altdeutsche Kupferstiche von Sadler und Savary, die am Hofe Max II. zu Prag lebten, fast lauter Heiligen-Legenden. Dann las Arnim eine Verdeutschung von des Papsts Aeneas Sylvius lateinischer Novelle Lucretia und Eryfel vor, die sehr anziehend war durch kräftige Schilderungen, altväterlich einfachsten Styl und treue Herzens Zeichnung. „Liebhabende Menschen" war ein Ausdruck der sehr gefiel. O Apoll laß Deine Sonnen-Rosse noch ein Paar Handvoll Gras fressen, ehe ihr Lauf die Liebhabenden trennt. 21. 12.
Tagebuch 21. 12. 1808 (WA III 3, 406)
Besuch der Damen. Der Nibelungen Noth bis zur Ankunft an Etzels Hof. Mittags Werner zu Tische, der erst angekommen war. Antigone von Rochlitz. Abends bey Herrn von Wolzogen, besonders wegen des Jenaischen Auftrags. Riemer, Tagebuch 21. 12. 1808 (Dtsch. Revue 11, 4 S. 37)
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Besuch der Damen. Nibelungen vorgelesen. Fragte die Herzogin besonders nach dem Alter des Gedichts. Unsere Vermutung. Caroline v. Herder an Knebel 28. 12. 1808 (SchrGG 14, 319)
Übrigens soll ihm [Werner] Goethe nach Paris geschrieben haben, Weimar wäre ein gar besonderer Ort — zum zweitenmal müsse man nicht wiederkommen . . . So ist er nun hier und soll eine große Veränderung in seiner Aufnahme finden. 610
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F. v. Müller, Tagebuch 21. 12. 1808 (Grumach S. 8)
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Villemanzys Notification trieb mich zu Goethen; er dankte sehr für die Notiz, war aber doch verschlossen genug, nichts näheres zu äußern. Als ich gleich darauf bey Wollzogen hörte, daß er hinkäme, kam ich in Verlegenheit, und hätte besser gethan, nun an Wollzogen gar nichts von Villemanzys Brief zu sagen, weil, wenn er Goethen davon spricht, dieser leicht mistrauisch glauben könnte, ich hätte von seinen lezthinnigen vertraulichen Äußerungen über die Jenaische Commission etwas an W. verrathen. F. V. Müller, Tagebuch 23. 12. 1808 (Grumach S. 8)
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Ich erfuhr von Voigt . . . daß Goethe geradezu zu Wollzogen gesagt habe, er wisse daß er die Idee des Jenaischen Commissoriale angegeben, und erschrack darüber. An Chr. G. v. Voigt 27. 12. 1808 (SchrGG 55, 212)
Ich war . . . eben im Begriff . . . die Sache [Teilnahme an der Kommission zur Verwaltung einer Stiftung für Jena] abzulehnen . . . Ich erbiete mich, ihnen, was ich über den Bau der Kirche und den Aufbau der Häuser gedacht, freundlich mitzuteilen und durchaus, auf Verlangen, in der Stille zu assistieren. Herrn von Wolzogen habe ich über die Sache in gleichem Sinne gesprochen. 20./ 21 12
22. 12.
A. v. Arnim an J. G. Zimmer 23. 12. 1808 (Aukt.-Kat. Henrici 50, 42)
Göthe behauptet, dass es kein Buch in der Welt gebe wie die Trösteinsamkeit wo auf so wenigen Bogen so viel Gutes und Kurioses zusammengedrängt wäre . . . Göthe liest einer Gesellschaft worunter Herzogin und Princess die Nibelungen vor, Falk das Heldenbuch. Tagebuch 22. 12. 1808 (WA III 3, 406)
Mittags Werner, Kügelgen und Arnim zu Tische. Gegen Abend kamen Seebeck und Frommann. Abends bey Mad. Schopenhauer, wo Herr von Sidow einiges von Wieland, Schiller, Baggesen und mir deklamirte, und Fräulein von Täubner die Glocke. C. Bertuch, Tagebuch 22. 12. 1808 ( * J S K N F 4, 104; G S A , Bertuch 3069)
Abends bey M d e Schopenhauer, wo es brillant war — Werner war seit gestern von Paris zurück, wo er 4 Wochen war. — In Coppet lebte er 3 Wochen mit Benjam. Constant, Sismondi, Oelenschlaeger, Schlegel bey der Stael, die mit ihren mänlichen Umgebungen wohlweislich das Leben sehr angenehm zu machen sucht. Man lebt bey ihr sehr ungenirt. — Wir fanden Werner von neuem sehr heiter und gesellig, und Vater Wieland, der auch da war, plauderte gern mit ihm. Außerdem noch da Goethe, Kügelchen, 22. 12.
Wieland an Goethe 22. 12. 1808 ( J b G G 13, 75) D a ich diesen Abend zu Madame Schopenhauer zu kommen gedenke und Dich dort sehen werde, wird sich wohl Gelegenheit finden, uns vorläufig über dieses so unerwartete Ebenteuer [Wielands Wahl in die Commission zur Beaufsichtigung der Napoleonischen Schenkung für die Stadt Jena, Universität und katholische Pfarrei] zu besprechen.
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Weimar Falk, Schütz, Arnim, Südow lezterer declamirte mehreres sehr gut. Auch aus Schach Lolo, das Vater Wieland mundete, und zuglfeich] seine Individualität uns bezeichnete. — Fräul. Teuber declamirte n[ich]t ohne Talent die Glocke von Schiller, u. Wieland war heiter u. gesellig. Goethe blieb entfernt in dem 3"' Zimmer — Zulezt sang Kügelchen, u. wir waren bis 10 Uhr ganz vergnügt.
24. 12.
Tagebuch 24. 12. 1808 (WA III 3, 407)
Mittags Herr von Kügelgen zu Tische. Beschauung der Medaillen in Bronce und Kupfer. Nachher Werner wegen seiner ersten Visiten und Arnim um Abschied zu nehmen. Riemer, Tagebuch 24. 12. 1808 (*Dtsch. Revue 11, 4 S. 37; Keil 5 S. 322)
B 3 2867
Kamen Haide und Deny einen Weihnachtsbaum auszuputzen. Mit diesen hinunter, wo beschert ward. Ich, Haide, Deny, Ulrich, Elsermann bekamen auch ihr Theil. Kam Arnim dazu, um Abschied zu nehmen. Vorgenannte blieben zu Tische. Hering und Kartoffeln. Wein. Blieben zusammen, um Lotterie zu spielen. 19./ 24 12
A. v. Arnim an Bettina Brentano 15. 1. 1809 (Betz - Straub 2, 114)
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Den ersten Mittag empfing mich Göthe mit zwei Küssen, was ihm Gott segne mit zwei Küssen höherer Liebe, seine Lippen wie die Finger großer Musiker haben eine eigentümliche Rundung, Bildung und Beweglichkeit, so daß man schon darin sehen und fühlen kann, wie er die Sprache wunderbar erregen und verbinden kann. Über meine Zeitung [für Einsiedler] sagte er wiederholentlich so viel Schönes, ebenso die andern, was mir besonders herzstärkend war, Voß erkannte er ganz genau. Wolf erzählte mir, daß er dem Voß, wenn er bei ihm gegessen, nie das Delikate präsentirt. Ich mußte bei ihm vorlesen in einer Abendgesellschaft, ich fragte ihn, ob es nicht zu verliebt würde sein; er antwortete: ,Wir sind alle verliebt'. Da las ich denn frisch los, erst gar beklommen, nachher gut. Er sagte nachher, es wäre alles, was es sein sollte, es wäre gut . . . Maler Kügelgen hat ein Bild von Göthe bossirt, davon ich Dir einen Gypsabguß bewahre. Göthe wünscht sehr Briefe von Dir, ich suchte Dich gegen ihn zu rechtfertigen, daß Du ihn nicht vergessen. Α. V. Arnim an Bettina Brentano 25. 3. 1809 (Betz - Straub 2, 156)
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Vielleicht zieht es Dich einmal zu Göthe, von dem es mich freut, daß er Dir endlich schriftlich ausgedrückt hat, was er mir mündlich so ganz herzlich versicherte. Er hatte sich vorgenommen, gewaltig fleißig zu sein, da wird ihn inzwischen der Krieg wieder stören. Α. V. Arnim an Savigny 15. 1. 1809 (Hard S. 41)
Von Göthe war es mir ein voller Ersatz für alle Kränkung die ich in Heidelberg über meine Zeitung [für Einsiedler] erlitten, das oft wiederholte Interesse zu hören, wie er von allem Einzelnen darin sprach, er versicherte mir, es wäre 612
1808
Weimar längst darüber ein öffentliches Wort gesagt, wenn nicht ganze Institute, wie Jenaer Zeitung, Cotta als Buchhändler angegriffen wären, ich versicherte der Scherz wäre ganz unschuldig gewesen, er meinte aber mit Recht, wer mit den Gästen Händel anfinge, müste sich den Wirth zum Freunde halten. Schillers Frau sagte mir wiederholt soviel Schönes von meinem kleinen Drama den Ring, ich sollte durchaus mehrere schreiben. Göthe zeigte mir noch den lezten Abend sein Exemplar der Trösteinsamkeit, das ich ihm broschirt geschickt hatte, wie es gebunden, weil es ihm die Leute zerlesen. Die Herzogin hätte bedauert, daß es aufgehört u. s. w. Ich kann Dir versichern, daß ich es zuweilen beynahe für Ironie gehalten, wenn nur irgend Veranlassung gewesen, so gewöhnt war ich, daß die Leute, wenn sie nicht geradezu tadelten, gutmüthig entschuldigten daß es unter solchen Umständen nicht besser gerathen. In Weimar wird jezt durchaus die Kritik für schlechter Ton, Niederträchtigkeit und aller wahren Kunst entgegen gehalten. Ich schreib Dir das alles, weil ich weiß Du wirst das alles gern hören und mich nicht damit zur Unrechten Zeit aufziehen, was zur Elendigkeit unsrer Zeit gehört daß immer einer dem andern zu verleiden sucht, was ihm Freude gemacht. Noch ein Wort muß ich Dir von Göthe wiederholen er versicherte einmal, er glaube nicht, daß es leicht sey eine Schrift von so wenigen Bogen, wie die Zeitung zu finden, in der so viel stände, er entdecke noch immer etwas, so oft er sie wieder in die Hände nehme. Α. V. Arnim an C. Brentano 15. 1. 1809 (Steig2 S. 269)
Laß Dir von Savigny erzählen, wie gut und reichlich mir Göthe alle Mühe vergolten, die ich mit der Zeitung gehabt. Ueber Voß ist er einverstanden, doch bitte ich Dich herzlich, bring mich mit allem dem nicht ins Gerede der Leute und zieh mich nicht damit auf, denn es machte mich ein paar Tage sehr glücklich, und daß ich es nur mit vertrauten Freunden besitze, giebt ja dem Herrlichsten einzig Reiz. Α. V. Arnim an J. und W. Grimm 23. 1. 1809 (Steig3 S. 20)
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Göthe hat mich sehr gütig aufgenommen, er und die Weimeraner haben mir soviel Lob über die Zeitung [für Einsiedler] gesagt, daß ich recht von Herzen froh wurde. Er interessirte sich lebhaft für Wilhelms Uebersetzungen [altdänischer Heldenlieder], sowie für die Uebersetzungen [schottischer Lieder] der Schubart; ich habe für Euch beide den Realschulbuchhändler [Reimer], wenn Göthe eine Vorrede schreibt.. . Hagen hat Lust eine neue kritische Ausgabe der Nibelungen zum Behuf seiner Vorlesungen drucken zu lassen. Göthe liest wöchentlich einmal acht Damen, worunter die Herzogin, aus dessen Bearbeitung der Nibelungen vor, zeichnet Karten dazu, erläutert, Riemer setzt die Vorträge auf. Α. V. Arnim an Goethe 18. 4. 1809 (SchrGG 14, 136. 142)
Weimar ist doch ein gar freundlich Städtlein, es bewegt sich da so manches in einem, was sonst in der weiten Welt nicht berührt wird; doch vor allem sind Sie, Hochverehrter, dort! Das fällt mir so oft in dieser verworrenen Stadt [Berlin] 613
Weimar
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und Zeit ein, daß mir die fünf klaren Tage, die ich in Ihrer Nähe feierte, wie ein helles Sonnenbild vorüberstreichen . . . [Ich] wage . . . noch eine Anfrage, zu der mich Ihre gütige Gesinnung für die Ubersetzungen aus dem altdänischen und altschottischen von W Grimm und M. Schubart, die in dem Einsiedler enthalten, veranlasst. Jener hat seine Ubersetzungen nun ganz beendigt, die hiesige Realschulbuchhandlung will den Verlag übernehmen, wenn die Vorrede eines Ausgezeichneten dabey, e i n i g e W o r t e von Ihnen; die Veranlassung zu dieser Bedingung der Verlagsübernahme war der Beyfall, den Sie gegen mich über diese Bemühungen äusserten. A. v. Arnim an W Grimm 2. 4. 1809 (Steig3 S. 25)
Da ich wußte, daß Du noch einige Zeit zur Beendigung Deiner Uebersetzung [der altdänischen Heldenlieder] bedurftest, so habe ich es aufgeschoben, an Göthe darüber zu schreiben, bis ich ihm einiges mitzusenden Gelegenheit gefunden; ich meine sicher, daß er dazu geneigt ist, er sagte mir, als ich ihm von dem Mangel an einem Buchhändler sprach, der die Sache unternehmen wollte, daß er dafür wohl etwas thun wollte. Α. V. Arnim an W Grimm 25. 6. 1809 (Steig3 S. 36)
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Von Göthe habe ich über die Vorrede [zu W Grimms altdänischen Heldenliedern] noch keine Antwort, er äußerte selbst einmal, daß er sein Leben für manche entworfene Arbeit zu kurz fände, so kann ich mir wohl erklären, wie ihm Nebengeschäfte störend und lästig sind. 25. 12.
Tagebuch 25. 12. 1808 (WA III 3, 407)
Bey Durchlaucht dem Herzog wegen der Theaterangelegenheiten. Kam Geheimer Rath von Voigt. Kam Herr von Humboldt an von Erfurt, um bey uns zu logiren. Mittags mit demselben allein . . . Abends zu Mad. Schopenhauer. Vorher Herr von Thielemann, Major, bey mir. Nachher Herr von Humboldt bis in die Nacht. Hauptsächliches Gespräch über deutsche Litteratur, Schillers schriftstellerischen Charakter, die Datums meiner Arbeiten. C. Bertuch, Tagebuch 25. 12. 1808 (*JSK NF 4, 104; G S A , Bertuch 3069)
Diesen Morgen war Minister Voigt mit Goethe bey dem Herzog, wodurch die TheaterDifferenzen ausgeglichen wurden. G. - übernahm wie vorher die oberste artistische Leitung, für das ökonomische ist Kruse noch adjungirt. F. v. Müller, Tagebuch 26. 12. 1808 (Grumach S. 8)
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Bey Voigt hörte ich, daß Goethe die Theater Direction wieder übernommen habe, und gestern beym Herzog lange gewesen sey. 25. 12.
W v. Humboldt an Goethe 22. 12. 1808 (Geiger 6 S. 204) Ich . . . bin am ersten Weihnachtsfeiertag gegen Mittag in Ihrem Hause. Ich habe mich so eingerichtet, einige Tage bleiben zu können . . . Es hat sich indes auch mit mir mancherlei zugetragen, wobei ich auf Ihr Bedauern rechnen kann. Allein davon und von allem Uebrigen mündlich.
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25. 12. und früher
3 V J U W 38, JU, P. A. Wolff an Η. Blümner 28. 12. 1808 (*SchrGG 6, 321; HSTA Weimar, Genint, Slg. Pasqué fr5 2873
Sie sollen durchaus von mir zuerst die erfreuliche Nachricht erhalten, daß Göthe das Theater wieder hat. Seit meinem lezten Brief hat sich die Sache hingezogen, ein Vorschlag verdrängte den andern, eine Bedingung die andere, welche alle so schimpflich waren, daß sie G. nicht eingehen konnte, wie denn nun seine Gegner das Heft ganz in Händen zu haben glaubten, und sich über seinen Sturz schon laut zu freuen anfiengen, tratt unsre regierende Herzoginn hervor, wie Carl Moor unter die Räuber, und befahl, daß G. jede seiner Bedingungen erfüllt werden sollte, und ihn selbst ersuchte sie mündlich [19. 12.] die Direction zu behalten. Gestern Abend wurde ihm die Beendigung der Sache, und die Vollmacht schrifftlich zugeschickt, das genauere ist noch nicht bekannt, sollen Sie aber auch nächstens erfahren. Da sich die Sache wieder so gemacht hat, ist unserm Theater sehr zu gratulieren, denn Göthen war wirklich einige Nachläßigkeit vorzuwerfen, und ich bin überzeugt, daß er nun mit neuem Eifer sein Unternehmen beginnen wird. Uebrigens wäre es ihm sehr schwer geworden sich von uns loßzureißen, daß sah man an seinem ganz veränderten Wesen, und an der nun wiedergekommenen Heiterkeit. . . Wegen der Stella hab ich mit G. gesprochen, er verlangt für die Abschrifft so wie wir sie geben, mit dem veränderten Schluße, und überhaupt der ganz neuen Bearbeitung aller Acte 10. Ducaten so viel hat er von Frankfurt a/M auch bekommen . . . [Nachschrift:] Die erste Anordnung die Göthe bei Uebernahme der Direction traf, war, daß er Beckern heute die Regie abnahm, und sie vor der Hand Genasten allein auftrug. Es war früher sogar die Rede davon, daß Becker abgedankt werden sollte, allein das ist vermittelt worden. Falk, Vorarbeiten zu seinem Buch über Goethe (Bamberg 2, 345)
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Als Goethe nach den Tagen des höchsten Erfurter Glanzes [am 14. 10.] seine Bewunderung für Napoleon kundtat, verglich er ihn mit einem Konzertmeister, der jedes Instrument zu benutzen weiß, und mit einem Theaterdirektor, der seine Ideen rücksichtslos ausführt, ohne auf das Geschrei von oben und unten zu achten. Und das sagte er mit solchem Nachdruck und so bedeutsamem Blicke, daß man nicht im Zweifel war, daß er damit sein Ideal eines Theaterdirektors andeuten wollte, das er bislang nur teilweise erfüllt habe. Seine Hand lag schwer auf den Theaterleuten, das Publikum schalt er aus, verfolgte Andersgesinnte und verfemte die Journale wegen Lappalien; aber alle diese Leute machten ihm auch das Leben durch ihre Capricen, Ansprüche, Geschmacklosigkeiten und Torheiten sauer, und vor allem der Herzog, der sich mehr als je ein Fürst um alle Einzelheiten kümmerte, unmittelbar verfügte und dem Hofkammerrat Kirms Weisungen gab, dadurch den regelmäßigen Gang der Geschäfte störte und das Ansehen der Direktion untergrub. Deshalb nannte er das Theater ein miserables Geschäft und einen Bettel, den Direktor einen Sisyphus und Packesel, fand, daß er, der Geheimrat und angesehene Schriftsteller, einem Wanderprinzipal nichts vorgebe. Nur ehrenhalber wich er nicht vom Posten; wurde aber die Plackerei zu arg, vergrub er sich in einen seiner anderen Berufe und ließ den 615
Weimar
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Dingen eine Weile ihren Lauf. Unter den Schauspielern war niemand, der ihm nicht einmal Schwierigkeiten bereitet hätte, er nannte die Männer Weiber, die Weiber Puppen und schmollte zuweilen auch mit der Jagemann, obwohl er ihre Verdienste um die Oper anerkannte und in Frieden mit ihr leben wollte. Welche Frau in ihrer Stellung hätte aber die Vorteile derselben unbeachtet gelassen, welche Künstlerin von ihrer Bedeutung ihr Licht unter den Scheffel gestellt? Sie war eine Macht geworden, mit der zu rechnen war; doch drängte sie sich keineswegs vor, warf sich nicht zur Patronin der Gekränkten und Geschlagenen auf und suchte nicht persönlichen Nutzen, sondern behielt das Interesse der Kunst und der Anstalt im Auge. Zudem vermied sie jeden unmittelbaren Eingriff, alles erfolgte durch den Hausherrn, dessen Verfügungen nicht selten den Eindruck machten, als ob die Nemesis sich an der Autokratie des Direktors rächte, die bei diesem verwickelten Geschäft nicht zu entbehren war. Jedes Theater trägt beständig Zündstoff in sich, das weimarische war aber in dieser Periode besonders damit gesegnet. Becker war mit Wolff, dem Liebling Goethes, und dessen Frau zusammengestoßen, hatte sich der Klagen seiner Gattin (geb. Ambrosch) über Beeinträchtigung durch die Jagemann angenommen, und der in Aussicht gestellte Abgang eröffnete infolge seiner starken schauspielerischen und wöchnerischen Beschäftigung große Schwierigkeiten. Dazu kam ein an sich geringfügiger Kulissenstreit, indem der Tenorist Morhardt wegen Heiserkeit absagte und Demoiselle Jagemann die vom Herzog gewünschte Vorstellung durchsetzen wollte; derselbe komplizierte sich indes, als der rasch Genesene Anwürfe seiner Gegnerin durch Beleidigungen beantwortete, die auch den Herzog trafen. Äußerst erzürnt verfügte dieser seine Entlassung in härtester Form, während Goethe Untersuchung und Urteil für die Kommission in Anspruch nahm. Da er bei seiner Demission beharrte, war der Herzog willens, die Verwaltung des Theaters dem Hofmarschallamt, die geistige Leitung der Demoiselle Jagemann zu übergeben, wurde aber durch diese, seine Minister, die Herzogin und Herrn v. Einsiedel nachgiebiger gestimmt, und Rat wie eigene Überlegung brachten Goethen auf mildere Gedanken. Mit seinem Vorschlage, die Oper abzugeben und das Schauspiel zu behalten, wollte er Demoiselle Jagemann als Mitregentin anerkennen; da aber die Einheit des Personals und der Administration widerstrebte, ließ er es schließlich beim alten, nur daß er der Frau v. Heygendorf mit noch größerer Höflichkeit begegnete als vordem. Tag- und Jahres-Hefte 1808 (WA I 36, 40)
Gegen Ende des Jahrs ergaben sich bei'm Theater mancherlei Mißhelligkeiten, welche, zwar ohne den Gang der Vorstellungen zu unterbrechen, doch den December verkümmerten. Nach mancherlei Discussionen vereinigte man sich über eine neue Einrichtung, in Hoffnung auch diese werde eine Zeitlang dauern können. 26. 12.
Tagebuch 26. 12. 1808 (WA III 3, 407)
Mittags Herr von Humboldt, Hofrath Wieland mit seiner Tochter und Enkelin und Kammerrath Stichling zu Tische. Abends bey Wolzogen. Vorlesung von 616
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1808
Pandorens Wiederkunft zur Hälfte. Abends zu Tische daselbst, mit Herrn von Humboldt, Major von Thielemann, Hofrath Meyer. A n Chr. G. v. Voigt 27. 12. 1808 (WA IV 51, 247)
[Betr. Ablehnung des Kommissoriums zur Verwaltung der Napoleonischen Stiftungsgelder] Wollte man Müllern und Ziegesarn den Auftrag geben, so hätte man an ihnen zwey junge thätige Männer . . . Herrn von Wolzogen habe ich über die Sache in gleichem Sinne gesprochen. B. R. Abeken, Goethe in meinem Leben (Abeken 2 S. 80)
B 2 1 1 4 6 a B 3 3357
So gedenke ich auch eines Soupés bei Herrn von Wolzogen, an welchem neben Goethe Wilhelm von Humboldt, Riemer und der Hofrath Meyer, Goethes Freund von Italien her, Theil hatten. Es war unter Anderem von dem Liede der Nibelungen die Rede, mit dem Goethe sich damals, wie überhaupt mit der deutschen Dichtung des Mittelalters, beschäftigte. Von dem Berliner Freitag her war ich voll von diesem Gedichte; und so war ich hocherfreut, in solcher Gesellschaft darüber reden zu hören. Auch konnte ich mich nicht enthalten, meinen Enthusiasmus gegen den Hofrath Meyer auszusprechen, der aber nichts erwiederte, als in seinem immer stark hervortretenden schweizerischen Dialecte: „Jo, sie hobn auch einen Oylenspiegel." B. R. Abeken a n j . D. Gries 30. 1. 1831 (GSA, Abeken III 4 c)
Ich erinnre mich, nur einmal mit ihm [Wilhelm v. Humboldt] in Gesellschaft gewesen zu seyn; das war bei Hn. v. Wolzogen, wo auch Goethe u. Meyer zugegen waren. Damals verdroß es mich, daß er garnichts vom NibelungenLiede wissen wollte. 26. 12. (?) B. R. Abeken an J. D. Gries 20./28. 4. 1827 (GSA, Abeken III 4 c)
Riemer neckte mich einmal bei einem Soupé der Fr. v. Wolzogen tüchtig, als ich alle Schüsseln an mir vorüber gehn ließ, u. starr nach Goethe hinblickte u. seinen Gesprächen horchte. 28. 12.
Tagebuch 28. 12. 1808 (WA III 3, 408)
Die Damen. Vorlesung der Nibelungen bis zu dem großen Streit über Tafel . . . Poussinische Landschaften, Hofrath Meyer. Schubert von der Nachtseite. Borghesisches Museum. Jungfrau von Orleans. Nach derselben mit Herrn von Humboldt mancherley litterarische und politische Gespräche. Riemer, Tagebuch 28. 12. 1808 (Dtsch. Revue 11, 4 S. 38)
Mittags mit Humboldt. Über die Nibelungen, über Schubert, Werner. Ob Berlin eine Universität werden sollte etc. Riemer an C. F. E. Frommann 29. 12. 1808 (Heitmüller S. 138)
Verzeihen Sie, mein Bester, daß ich nicht schon gestern mit dem rückkehrenden Botenmädchen geantwortet. Es war Damenbesuch, der, mittwöchentliche, und ich konnte G. nicht eher sprechen, als um 1 Uhr, wo es zu spät war zu schreiben. 617
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Weimar Ihre und Herrn Steffens Gegenwart wird ihm sehr willkommen seyn. Wenn es Ihnen recht ist, ladet er Sie allerseits auf den Sonnabend zu Mittag ein. Es wird der Tyroler Wastel gegeben.
25./ 28 12
W V. Humboldt an Caroline v. Humboldt 28. 12. 1808 (Sydow 3, 53)
B 2 1 1 4 0 B 3 2874
Ich bin seit dem ersten Weihnachtsfeiertag hier, liebe Li, und wohne bei Goethe, der Dich sehr grüßt und oft mit recht eigentlicher Liebe von Dir spricht. Caroline [v. Wolzogen] sehe ich alle Morgen, da ich meistenteils bei ihr frühstücke und so geht mir das Leben so hin, daß mir zum Schreiben recht wenig Zeit übrig bleibt. Ich habe erst hier Goethes neustes Produkt, Pandoras Wiederkunft, kennen gelernt. Er hat es uns bei Carolinen vorgelesen. Es ist erst die Hälfte fertig, in welcher nur erst die weggegangene Pandora betrauert wird. Von dieser Hälfte ist wieder etwa die Hälfte in einem Journal „Prometheus" gedruckt, die andere noch Manuskript. Es ist eine der wunderbarsten Produktionen, aber der allerschönsten und größesten . . . Das Neue und Schöne ist, daß alle Urtöne der Leidenschaften, der Gefühle, alle Elemente der menschlichen Gesellschaft darin vorkommen, und mit einer Reinheit, ja man kann sagen Nacktheit dargestellt sind, daß daraus selbst eine ungeheure Größe hervorgeht. Dann ist die Sprache, die in den verschiedensten Silbenmaßen abwechselt, himmlisch. Wenn ich kann, lasse ich Dir bis morgen noch etwas daraus abschreiben. Goethe selbst hat mich ausdrücklich gebeten, Dir etwas davon zu schicken. Mit des armen Schillers nachgelassenen Papieren beschäftige ich mich des Morgens mit der Wolzogen . . . Er b l e i b t der g r ö ß t e und s c h ö n s t e M e n s c h , den ich je g e k a n n t ; wenn Goethe auch noch dahin geht, dann ist eine schauerliche Ode in Deutschland. Doch ist der jetzt überaus wohl. 29. 12.
Tagebuch 29. 12. 1808 (WA III 3, 408)
Genast wegen der Theaterangelegenheiten . . . Nach Tische Genast, Entscheidung wegen Fortdauer der Regie. Gegen Abend zu Frau von Wolzogen, wo Frau von Schiller und Herr von Humboldt waren. Vorlesung des Satyros, kleiner Gedichte und Sonette. F. v. Müller, Tagebuch 29. 12. 1808 (Grumach S. 8)
B 3 2875
Goethen fand ich steif, schroff und schwerfällig . . . Es war ein trüber Nebel Tag, Vorbote des Thauens! 30. 12.
Tagebuch 30. 12. 1808 (WA III 3, 408)
Reiste Herr von Humboldt nach Rudolstadt. Malte Herr von Kügelgen an meinem Porträt. Mittags derselbe zu Tische. Nach Tische einige Schubladen Medaillen beschaut. Abends Hofrath Meyer. Riemer, Tagebuch 30. 12. 1808 (*Dtsch. Revue 11, 4 S. 38; Keil 5 S. 322)
Mittags Hr. v. Kügelgen, der Goethe's Portrait malte. Nach Tische Schubladen mit Medaillen besehen. 618
Weimar
1808 31. 12.
Tagebuch 31. 12. 1808 (WA III 3, 409)
Mittags Steffens und Frau, Frommann und Frau, Werner und Werneburg. Abends um 7 Uhr zu Frau von Stein, woselbst Prinzeß Caroline, Gräfin Henkel u. s. w. Mancherley Unterhaltungen und Scherze bis gegen Mitternacht. Johanna Frommann an Wilhelmine Herzlieb 4. 2. 1809 (GSA, Frommann 314, 1 Nr. 8)
Die übrigen Tage von Steffens Hiersein . . . waren wir bald hier bald dort zusammen . . . Neujahrs Abend, waren wir den Mittag mit Werner bei Göthe zusammen, sahen dann den Tiroler Wastel. Riemer, f P o l l m e r 1 S. 299; G S A , Riemer 1059)
B 2 1141 a B 3 2878
Mittags Frommann's, Steffens und s. Frau, Werneburg und Werner ρ Nach Tische, aber noch an Tafel, recitirte Werner sein altes Quodlibet aus Pohlen; dann ein paar Sonette aus Italien, das zweyte aber nicht zu Ende: denn als er den M o n d mit e i n e r h o s t i a verglich, so wurde G. furios und grob und sagte: er sollte was bessres machen. Er turnirte es spaßhaft, aber kam immer wieder darauf zurück daß es dumm sei. Steffens u Frommann summten ein und tadelten die S a c h e noch mehr. Werner war geduldig wie ein Märtyrer, sagte nichts und buckelte nur nach seiner gewohnten Manier. Riemer an C. F. E. Frommann 5. 1. 1809 (HeitmüUer S. 140)
Werner hat freylich eine derbe Lection bekommen, ob verdient oder unverdient, das will ich nicht untersuchen. Indeß wird sich die Sache wohl wieder machen; er wird nach wie vor bey uns essen, nur muß er keine Oblaten offeriren. H. Steffens, Was ich erlebte (Steffens 6, 252)
B 2 1 1 4 1 B 3 2879
Wir fanden bei der Tafel, außer Göthes Frau, Meyer und Riemer, nur Werner. Göthe war sehr heiter, das Gespräch drehte sich um mancherlei Gegenstände, und die unbefangenen geistreichen Aeußerungen des berühmten Wirthes erheiterten uns alle. Auch mit den Frauen wußte er sich auf liebenswürdige Weise zu unterhalten. Endlich wandte er sich an Werner, der bis jetzt wenig Theil an den Gesprächen genommen hatte. „Nun, Werner," sagte er, auf seine ruhige, doch fast gebieterische Weise: „haben Sie nichts, womit Sie uns unterhalten, keine Gedichte, die Sie uns vorlesen können?" Werner griff eilig in die Tasche, und die zerknitterten schmutzigen Papiere lagen in solcher Menge vor ihm, daß ich erschrak, und diese Aufforderung Göthes, die das unbefangene und interessante Gespräch völlig zu unterdrücken drohte, keinesweges billigte. Werner fing nun an, eine Unzahl von Sonetten uns auf seine abscheuliche Weise vorzudeklamiren. Endlich zog doch eines meine Aufmerksamkeit auf sich. Der Inhalt des Sonetts war der köstliche Anblick des vollen Mondes, wie er in dem klaren italienischen Himmel schwamm. Er verglich ihn mit einer Hostie. Dieser schiefe Vergleich empörte mich, und auch auf Göthe machte er einen widerwärtigen Eindruck; er wandte sich an mich. „Nun Steffens," fragte er, äußerlich ruhig, indem er einen geheimen Ingrimm zu verbergen suchte, „was sagen Sie dazu?" „Herr 619
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Weimar Werner," antwortete ich, „hatte vor einigen Tagen die Güte, mir ein Sonett vorzulesen, in welchem er sich darüber beklagte, daß er zu spät, zu alt nach Italien gekommen wäre, ich glaube einzusehen, daß er Recht hat. Ich bin zu sehr Naturforscher, um eine solche Umtauschung zu wünschen. Das geheimnißvolle Symbol unserer Religion hat eben so viel durch einen solchen falschen Vergleich verloren, wie der Mond." Göthe ließ sich nun völlig gehen, und sprach sich in eine Heftigkeit hinein, wie ich sie nie erlebt hatte. „Ich hasse," rief er, „diese schiefe Religiosität, glauben Sie nicht, daß ich sie irgendwie unterstützen werde; auf der Bühne soll sie sich, in welcher Gestalt sie auch erscheint, wenigstens hier, nie hören lassen." Nachdem er auf diese Weise sich eine Zeit lang und immer lauter ausgesprochen hatte, beruhigte er sich. „Sie haben mir meine Mahlzeit verdorben," sagte er ernsthaft, „Sie wissen ja, daß solche Ungereimtheiten mir unausstehlich sind; Sie haben mich verlockt zu vergessen, was ich den Damen schuldig bin." — Er faßte sich nun ganz, wandte sich entschuldigend zu den Frauen, fing ein gleichgültiges Gespräch an, erhob sich aber bald, entfernte sich und man sähe es ihm wohl an, daß er tief verletzt war, und in der Einsamkeit Beruhigung suchte. Werner war wie vernichtet. . . Kurz nach aufgehobener Tafel trat ich bei Göthe ein, der völlig ruhig und heiter den Auftritt bei der Tafel ganz vergessen zu haben schien und mit belehrender Ausführlichkeit, wie er sie liebte, einige optische Phänomene darstellte und erläuterte. Als ich mich von ihm trennte, wartete Riemer auf mich, er wünschte mich zu sprechen und führte mich in seine Wohnung. Hier fing er nun an, über den von mir erlebten Auftritt zu sprechen. „Was Sie gesehen haben," sagte er, „ist in diesem Hause so selten, daß ich mich kaum erinnere, etwas Aehnliches erlebt zu haben." Ich versicherte ihn, daß ich, eilf Jahre früher, als ich Göthe, der damals noch so viel jünger war, oft sah, etwas Aehnliches nicht allein nicht gesehen, sondern auch nicht einmal für möglich gehalten hätte. Er fuhr fort: „Sie wissen, wie man sich mit Göthe beschäftiget, wie seine Aeußerungen und Alles, selbst das Kleinste, was man von ihm erfährt, ein Gegenstand der Tagesblätter wird. Ich muß Sie nun recht sehr bitten, ein ähnliches Besprechen der heutigen Begebenheiten in solchen Blättern nicht zu veranlassen." Meine erste Empfindung war, ich gestehe es, eine Art von Entrüstung. „Ich darf," sagte ich, „nicht voraussetzen, daß Sie je Etwas von mir erfahren haben; wäre das der Fall gewesen, so würden sie diese Bitte als gänzlich überflüssig betrachten; so wichtig der heutige Tag mir auch persönlich ist, so lieb es mir gewesen ist, erlebt zu haben, in welchen großartigen Zorn der herrliche Mann gerathen kann, wenn er die widerwärtigen geistigen Krankheiten der Zeit entdeckt, so können Sie sich doch völlig beruhigen. Ich habe an dieser fliegenden Literatur nie Theil genommen, ich stehe mit keinem einzigen Blatt in irgend einer Verbindung, aber ich begreife Ihre Furcht und finde sie sehr natürlich." Ich hatte versprochen, den Nachmittag bei der als Schriftstellerin bekannten und beliebten Madame Schopenhauer zuzubringen. Ich fand da, außer meiner Frau und der Familie Frommann, einige Herren und Damen aus der Stadt. Der Auftritt bei der Tafel war der einzige Gegenstand unseres Gesprächs. Ein bedeutendes und Gefahr drohendes politisches Ereigniß konnte keine größere 620
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Weimar Aufregung hervorrufen. Ich glaubte mich an den Hof Ludwig des Vierzehnten versetzt, Göthe's Haus erschien mir als der Palast eines mächtigen Königs, dessen zornige Aeußerung, von den bedeutendsten Folgen, die ganze Umgebung besorgt machte und in heftige Bewegung versetzte. Auch Werner, der unglückliche Gegenstand der großen Ungnade, erschien, und man zeigte ihm die größte, wenngleich mit einiger Scheu und Furcht verbundene Theilnahme. Es war der letzte Tag im Jahre; in Weimar fand der gewöhnliche Ball, den der Großherzog und seine Gemahlin mit ihrer Gegenwart beehrten, statt. Ich erinnerte mich mit Vergnügen der frühern Neujahrsnacht [1800/01], die ich mit Göthe erlebt hatte. Diesmal erschien er nicht, wohl aber seine Frau und Werner. Dieser konnte den Mittag nicht vergessen, er war noch immer sichtlich erschüttert, und ich war nicht wenig erstaunt, als ich erfuhr, welchen Eindruck Göthe's Zorn auf ihn, dessen Neigung zum Katholicismus schon damals Gegenstand des Gesprächs war, gemacht hatte. „Der Alte," sagte er mir, „hat doch recht, ich werde mich vor ähnlichen Aeußerungen in der Zukunft hüten." „Wie," rief ich überrascht, „Sie, der eifrige Christ, können so schnell umgewandelt werden, können den Aeußerungen des alten Heiden irgend eine Bedeutung geben?" Obgleich nun diese ganze Begebenheit mir etwas Seltsames, ja fast Komisches hatte, so muß ich doch bekennen, daß diese souveräne Gewalt, die ein mächtiger Geist auf seine Umgebung ausübte, mir nicht bloß merkwürdig, sondern auch achtungswürdig und bedeutungsvoll erschien. In der That hinter dem scheinbar Geringen verbarg sich etwas Großes und Feierliches, etwas geschichtlich Mächtiges, was ich wohl zu schätzen wußte. Κ. V. Holtei, Vierzig Jahre (Holtei 1 4, 60)
B 2 3019 B 3 7289
[Goethe zu Holtei nach 5. 5. 1827:] . . . So war auch der Werner; ein schönes Talent. Ich habe mich seiner von Herzen angenommen und ihn redlich zu fördern gesucht auf alle Weise! Aber wie er nachher aus Italien zurückkam, da las er uns gleich am ersten Abend ein Sonett vor, worin er den aufgehenden Mond mit einer Hostie verglich. Da hatt' ich genug und ließ ihn laufen. W. v. H u m b o l d t an Caroline v. Humboldt 1. 1. 1809 (Sydow 3, 60)
B 2 1143 B 3 2883
Hier [Weimar] habe ich Werner . . . kennen gelernt, auch sein letztes Stück „Attila" gelesen. Es hat wohl einzelne schöne Stellen, verdient aber nicht einmal, Dir nach Rom geschickt zu werden. Alles ist locker, ohne Motive, nicht reelle Personen, sondern bloß Burattini. Zuletzt wieder die Sakramente und das mystische Wesen. Gegen das letzte hat Goethe einen Haß, von dem man sich keinen Begriff machen kann, und der arme Werner hat gestern sehr dafür leiden müssen. Er aß bei Goethe, wie er mir erzählt hat, und wollte etwas vorlesen. Obgleich Goethes Frau ihm gesagt hatte, daß das Mystische Goethen unerträglich sei, so ließ er sich beigehn, ein Sonett auf Genua, wo er kürzlich gewesen, vorzubringen, in welchem die Scheibe des Vollmonds zur Hostie gemacht wird. Wie dies Goethe gehört hat, ist er, wie er selbst sagt, s a u g r o b (im Wunderhorn heißt es sauhöflich) geworden. Werner hat sich zurückziehen müssen, und obgleich er die Versöhnung durch die Frau versucht hat, mit der er gestern abend auf dem Ball gewalzt hat, so kommt sie so leicht gewiß nicht zustande. 621
1808
Weimar W. Grimm an J. Grimm 1. 4. 1809 (Schoof 2 S. 83)
B 3 2880
Von seiner Reise nach Italien, von Genua und dem großen Meer hat er [Werner] nichts als ein paar Sonette, worin der Mond als Hostie vorkommt. Als er Goethe diese vorgelesen, hat dieser gesagt, er solle ihm fortan mit dergleichen vom Hals bleiben, sonst sei es aus mit ihnen beiden. 2. Hälfte Dez
Dez. (?)
Christiane v. Goethe an A. v. Goethe 30. od. 31. 12. 1808 (GJb 10, 28)
B 2 1140 a Β 3 2876
Ich schicke Dir einstweilen ein Exemplar von Deines Vaters Schriften, weil von dem Deinigen der Vater die letzten Bände nicht finden kann. Denke Dir nur, wer alles bei uns ist; ein Herr von Kügelgen, der Deinen Vater malt, der Doktor Meyer, Herr von Humboldt, Werner, Arnim und noch mehrere Fremde. Dazu habe ich müssen 18 vornehmen Damen Visiten machen. Wir hatten [20. 12.] einen Thee von 30 Personen, alle Damen, die Du kennst, Frau von Wolzogen, Stein, Schiller und mehrere. Am zweiten Weihnachtsfeiertag war ein großes Soupé bei Wolzogens, wo ich auch dazu eingeladen war, und ich habe die Schillern und Wolzogen recht lieb gewonnen . . . Mit dem Theater hat es sich wieder so gut gemacht, da der Herzog Deinem Vater ein Rescript zugeschickt hat, daß er eigenmächtig machen kann was er will; und ich sitze nicht mehr auf meiner alten Bank, welche oben Caroline [Ulrich] eingenommen hat, ich sitze in der Loge neben der Schopenhauern. Du kannst also aus diesem Brief ersehen, daß meine jetzige Existenz ganz anders als sonst ist. Ο. A. Rühle v. Lilienstern an C. Bertuch Jan. 1809 (GSA, Bertuch 5554, 36)
Meine Hieroglyphen wandern jetzt im Publiko umher, und ich bin begierig wie man sie aufnehmen wird. Manche Einzelne, unter andern: Heeren, Buchholz, Jean Paul, haben ein ganz günstiges Urtheil darüber gefällt. Göthe scheint nicht recht zufrieden zu sein, warum weiß ich nicht. Sept./ Dez 1808 ?
Oken an Schelling 25. 1. 1809 (Ecker S. 205)
Mit Göthe stehe ich sehr gut seit seiner Zurückkunft. Eckermann, Gespräche 20. 7. 1831 (Houben 1 S. 606)
. . . Hiebei fällt mir eine Anekdote anderer Art ein die Goethe mir früher erzählte und die hier einen Platz finden mag. „Ich ging, sagte er mir, mit einem guten Bekannten einst in einem Schloßgarten gegen Abend spazieren, als wir unerwartet am Ende der Allee zwei andere Personen unseres Kreises bemerkten die in ruhigen Gesprächen an einander hingingen. Ich kann Ihnen so wenig den Herrn als die Dame nennen; aber es thut nichts zur Sache. Sie unterhielten sich also und schienen an nichts zu denken, — als mit einemmal ihre Köpfe sich gegen einander neigten und sie sich gegenseitig einen herzhaften Kuß gaben. Sie schlugen darauf ihre erste Richtung wieder ein und setzten sehr ernst ihre Unterhaltung fort als ob nichts passirt wäre. „Haben Sie es gesehen? rief mein Freund voll Erstaunen; darf ich meinen Augen trauen?" „Ich habe es gesehen, erwiederte ich ganz ruhig, aber ich glaube es nicht!" 622
Weimar
1808 Notiz in Goethes Nachlaß (WA I 53, 426)
Eine schöne, liebenswürdige, unbescholtene Frau war unvorsichtig genug einem heimlich begünstigten Jüngling beym Abendspaziergang, wo sie glaubte unbeobachtet zu seyn, einen flüchtigen Kuß zu geben. Ich aber sah es und ein Freund, zu dem sagt ich: Hast du es gesehen? Ja! sagt er, aber ich glaub es nicht! Und so war die Sache abgethan und verschwiegen.
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Aus den ersten J a h r e n nach Schillers Tod
St. Schütze, Johanna Schopenhauer (Schriftsteller 2, 178)
Es war das Schreckensjahr 1806. Die Schlacht bei Jena wurde geschlagen. Weimar fühlte die Geißel einer dreitägigen Plünderung. Lange Zeit hörte man nichts als Unglücks- und Plünderungsgeschichten. Unter diesen Umständen, wo man sich nach einer heiteren Vereinigung, nach Befreiung des Geistes von dem äußern Druck s e h n t e , begann die S c h o p e n h a u e r ' s c h e G e s e l l s c h a f t . Den 12. November nahm sie ihren Anfang, und zwar mit einer ganz geringen Zahl. Es war Goethe, Meyer, Fernow, Riedel (der vormalige Erzieher des jetzt regierenden Großherzogs [Carl Friedrich]). Fernow hatte auch mich zu der Gesellschaft abgeholt, und stellte mich Goethen vor, mit dem ich hier zuerst bekannt wurde. Von i h m ging zunächst die Unterhaltung aus. Den Theetisch einschließend, hinter welchem die Wirthin mit einiger Schüchternheit saß, sprach man über manche mit Kunst und Wissenschaft verwandte Gegenstände, von merkwürdigen Männern und ihren Eigenheiten, von Runge, Tischbein, Musäus, Bode, wobei es, wie man wohl denken kann, nicht an geistreichen Bemerkungen von mancherlei Art fehlte. — Das nächstemal war die Gesellschaft schon zahlreicher, auch mehrere Damen nahmen daran Theil, unter welchen sich von bekannten Personen die Malerin Bardua befand. Bertuch theilte aus dem reichen Schatze seiner Erfahrungen mit. — Es wurde nun ein für allemal von der gütigen Wirthin der Sonntag und Donnerstag zur Versammlung bestimmt. Goethe war fortwährend einer der fleißigsten Besucher. Auch Wieland gesellte sich bald dazu, so wie Einsiedel, Falk, Riemer, Reinbeck, und so fort fast alle Schriftsteller und wissenschaftlich Gebildeten Weimars. Genossen jeder Kunst, Bildhauer, Maler, Musiker, sah man hier mit der Zeit bei einander. Um dem herumschweifenden Gespräch einen Anhalt zu geben, wurde demnächst beschlossen, daß öfters etwas vorgelesen werden sollte, Geschriebenes, Gedrucktes. Fernow machte mit einer Abhandlung über die verschiedenen Dialekte der italienischen Sprache den Anfang. Es folgte mein Lustspiel: „Der Dichter und sein Vaterland", das damals eben gedruckt erschienen war. Später wurde auch, als Manuscript, meine „abenteuerliche Wanderung von Weimar nach Karlsbad" und fast jede meiner kleinern Erzählungen von Fernow oder Riedel hier vorgelesen. Ich beobachtete still den Eindruck und nahm mir manche Lehre daraus. Einsiedel las den von ihm übersetzten „Schatz" des Plautus vor, Meyer „Volkslieder", Goethe öfters etwas aus dem Calderón, namentlich den „standhaften Prinzen". Und so kam fast alles Neue und Merkwürdige der Literatur, wie die Zeit es brachte, nebst eigenen Versuchen aus der Mitte des Kreises zur Mittheilung. Da über das Vorgelesene mehrentheils auch gesprochen 624
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Aus den ersten J a h r e n nach Schillers T o d
wurde, so gewann dadurch nicht nur das Gespräch an Gehalt, sondern es entspann sich auch daraus ein großer Nutzen zur gelegentlichen Anwendung und zur Bildung des Geistes überhaupt. Bald zeigte sich die Muse in ernster, bald in heiterer Gestalt. Es wurde mitunter auch musizirt, gesungen und deklamirt, oder es lagen plastische Kunstgebilde vor, die von Hand zu Hand gingen. Auch an manchen Scherzen, manchen Vorfällen wurde von der Gesellschaft selbst gelegentlich weiter fortgedichtet, so daß selbst das Alltägliche einigermaßen ein geistiges Gepräge annahm. Persönliche Berührungen mischten sich auch mit in das Spiel; manches Herz blieb nicht unangefochten. Wie viel gab es aber da zu bemerken, wie viel zu beobachten! — Fortan kam denn auch kein Fremder von Bedeutung nach Weimar, der nicht die Schopenhauer'sche Gesellschaft besuchte. Hunderte von merkwürdigen Männern oder Frauen könnte ich nennen, wenn ich alle aufzählen wollte. Sie verhinderten die Eintönigkeit. Bekanntschaften knüpften sich nach allen Seiten. Einer mehrte die Erfahrungen des Andern. Ansichten und Urtheile läuterten sich durch ihre Verschiedenheit. Welche anziehende Erscheinungen gab es da! Sonderbare Personen und Charaktere traten zuweilen dazwischen, die dann wohl auch in Romanen nachher vollständiger wieder auflebten, und selbst in einem b e r ü h m t e n Romane, wie man damals nachwies, zu manchen Figuren wenigstens die ersten Umrisse hergeliehen haben. Mit der Zeit wurde die Gesellschaft immer zahlreicher, immer glänzender, so daß endlich selbst fürstliche Personen es nicht verschmähten, in dieselbe einzutreten. Zuletzt sah man fast die ganze vornehme Welt Weimars hier versammelt; es drängte sich durch alle Zimmer nicht selten bis zum Uberfüllen. So schmeichelhaft dies auch für die Wirthin seyn mußte, so wich dadurch die Gesellschaft doch allmälig von ihrer Bestimmung und Gestalt ab. Manches Müßige und Leere wurde mit eingeschwärzt, indeß mancher Dichter, mancher Künsder sich schweigsam in den Hintergrund verlor. Goethe hatte, gleich von Anfang an, seine Freiheit durch einen Zeichentisch gesichert, an welchen er, nach Umständen, Stimmung und Laune, sich setzte, um, mit geringerer Theilnahme am Gespräch, Baumgruppen und Landschaften zu entwerfen. St. Schütze, Die Abendgesellschaften der Hofrätin Schopenhauer (Weimars Album S. 190) B 2 1569 B 3 2420. 7253
Ein Hauptgegenstand der Betrachtung blieb in diesem Kreise immer G o e t h e , und gewiß werden es die meisten Leser gern sehen, wenn ich bei ihm noch besonders verweile. Doch dürfen sie nicht zu viel erwarten. Es ist nicht meine Absicht, hier ein vollständiges Bild von ihm zu entwerfen, wie es mir nach fünfundzwanzig] ährigem Verkehr mit ihm vielleicht möglich wäre, sondern nur einzelne Züge von ihm anzuführen, wie sie eben in dieser Gesellschaft zum Vorschein kamen. Das Merkwürdigste war, ihn fast jedesmal in einer anderen Stimmung zu sehen, so daß, wer ihn mit einemmale zu fassen glaubte, sich das nächstemal gewiß gestehen mußte, daß er ihm wieder entschlüpft sei. Man hatte bald einen sanftruhigen, bald einen verdrießlich-abschreckenden (auch Kummer drückte sich bei ihm gewöhnlich durch Verdrießlichkeit aus), bald einen sich absondernden, 625
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Aus den ersten J a h r e n nach S c h i l l e r s Tod
schweigsamen, bald einen beredten, ja redseligen, bald einen episch-ruhigen, bald — wiewohl seltener — einen feurig-aufgeregten, begeisterten, bald einen ironisch-scherzenden, schalkhaft-neckenden, bald einen zornig-scheltenden, bald sogar einen übermüthigen Goethe vor sich. Wenn uns ein solcher Wechsel bei ihm in Verwunderung setzt, rührt es nur daher, daß wir die menschliche Natur überhaupt zu wenig kennen. Diese große Verschiedenheit oder Menge von Stimmungen war bei Goethe etwas ganz Natürliches, ja Nothwendiges, denn wie hätte er bei seiner Richtung auf Universalität in so vielerlei Verhältnisse und Gemüthsverfassungen sich mit Leichtigkeit versenken können, wenn seiner Phantasie nicht auch eine große Schmiegsamkeit des Gefühlssystems wäre beigegeben worden, ein wandelbares Mitempfinden, das bei aller Ruhe und Freiheit doch zum Medium des Auffassens und zur Grundlage einer neuen Schöpfung dienen muß. Eine solche innerliche Beweglichkeit ist aber auch im gewöhnlichen Leben nachwirkend. Goethe übte gewiß eine Herrschaft über sich, wie leicht Niemand; dennoch drang ein Nachhall der letzten Stunde oder die Laune des Augenblicks oftmals durch die feste Haltung hindurch, und als Gast, ohne besondere Verpflichtung, ließ er sich hier weit freier gehen als zu Hause, wenn er selbst Gäste empfing. — Es konnte einem ganz ängstlich zu Muthe werden, wenn er verstimmt in die Gesellschaft trat und aus einem Winkel in den andern ging. Wenn er schwieg, wußte man nicht, wer nun reden sollte, wenn nicht etwa Bertuch mit einer Erzählung aushalf. Unter diesen Umständen und da er ohnehin sich gern gegen die Außenwelt verwahrte, muß man es der Wirthin als einen klugen Einfall nachrühmen — wenn es nicht vielleicht auf Meyer's Rath geschah — daß sie nicht weit von der Thüre einen Tisch mit Apparat zum Zeichnen aufgestellt hatte, woran er sich nach Belieben setzen konnte, wenn er eben nicht zum Reden aufgelegt war. Hier brachte er viele Landschaften zu Stande, die, wenn wirkliche Maler auch nichts Besonderes daran fanden, für die Wirthin doch immer ein sehr ehrenwerthes Andenken blieben. Um so liebenswürdiger war er aber, wenn er gesellig-aufgelegt in einem kleinen Kreise ein leichtes Wechselgespräch unterhielt, worin Einer um den Andern sein Scherflein beisteuerte. Gewöhnlicherweise warf er weder mit Witz noch Ideen um sich, ja, er vermied diese sogar; sondern er gefiel sich meist im Ton einer heitern Ironie, die etwas zu loben schien, dessen Unhaltbarkeit sich so von selbst ergeben mußte. So wurde der Tadel zu einem anmuthigen Ergötzen, und das Unvollkommene wieder zum Genuß. Schnelle Kreuz- und Quersprünge konnte er in der Unterhaltung nicht leiden. Ich lief öfters damit an, von Einfällen des Augenblicks verleitet, und ich hatte dann immer zu bemerken, daß er sich mit der Hand über das Gesicht fuhr. — Noch mehr liebte er, etwas ruhig durchzusprechen, wobei Andere oft nur beipflichtend und fragend beförderlich waren, während er eigentlich das Gespräch führte und fortsetzte. Höher noch stieg seine Liebenswürdigkeit, wenn er ganz und gar einer epischen Stimmung sich hingab, wenn er ζ. B. ein römisches Karneval beschrieb oder sonst etwas von Italien erzählte. Hier konnte man stundenlang ihm zuhören und die ganze übrige Gesellschaft darüber vergessen. 626
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Aus den e r s t e n J a h r e n nach S c h i l l e r s Tod
Die Ruhe, die Klarheit, die Lebendigkeit, der an's Komische hinstreifende halb feierliche Ton, womit er schilderte, und alles deutlich vor Augen stellte, flößte mit dem Reize der Unterhaltung zugleich ein großes Behagen, ein heiteres Wohlgefallen am Leben ein, wodurch der Blick sich erweiterte und das Herz von einer schönern Welt Besitz nahm. Man erkannte darin das Ziel der Goethe'schen Muse, schon dieses Leben in ein anmuthiges Eden zu verwandeln und den bestmöglichsten Gebrauch desselben zur Aufgabe unserer Weisheit zu machen. So angenehm-fesselnd indeß auch seine Schilderungen waren, die höchste Glorie umleuchtete ihn erst in Augenblicken der Begeisterung, wenn ein lebhafteres Roth die Wangen überflog, deutlicher der Gedanke auf der erhabenen Stirn hervortrat, himmlischer noch die Strahlen seines Auges glänzten, und sein ganzes Antlitz sich zum Ausdruck einer göttlichen Anschauung verklärte . . . Nicht am Großen allein, an jeder neuen Erscheinung von nur einiger Bedeutung nahm er den wärmsten Antheil, sobald in der Kunst nur die Natur, sei es einfach oder durch künstliche Formen, siegreich hindurch drang, und wenn irgend etwas Aufsehen machte, ließ er sich davon erzählen, wobei er fast immer auf Seiten des Volks war, dessen Stimme er gern für ein Zeugniß der unbewußten Natur nahm. Er haßte die Kritiker, die an den Fehlern haften und in der Negation sich herumdrehen. Von i h m konnte man lernen zu g e n i e ß e n . Er hielt sich an das S c h ö n e eines Kunstwerkes und sagte dann wohl bei einer Eigenheit: „das muß man nun dem Künstler zugeben, er will seine Freiheit, will auch seinen Spaß haben." Wenn nur etwas Freude machte, ging seine Nachsicht sehr weit. Sprach man ζ. B. von ergötzlichen Scherzen in Klauren'schen Lustspielen, so ließ er seine Weise und das aus dem Leben Dargestellte gern gelten: „es käme wohl nur darauf an," sagte er, „es mehr zu heben." Dieß war ein Lieblingsausdruck von ihm, womit er zugleich seine eigene Art des Idealisirens bezeichnete. Recht tolles Treiben in den Weimarischen Volksstücken ergötzte ihn vorzugsweise, und der Ausspruch: es ist etwas V e r r u c h t e s ! war für diesen Fall in seinem Munde für ein Lob zu achten. Er fügte dann auch wohl hinzu: um zu einer solchen Komik zu gelangen, müsse man von etwas Absurdem ausgehen. — Mit Vergnügen sah man ihn in größerer Bewegung, wenn eben etwas Neues, wie ζ. B. zur Zeit die erste Sammlung von Volksliedern oder das Niebelungenlied oder die allemannischen Gedichte seine Phantasie ergriffen hatte, und, geschah es dann, daß er in der ersten Aufregung im Lobe etwas übertrieb, wer hätte ihm das übel deuten sollen! Es war so rein-menschlich und so poetisch zugleich. Er kam auch bald wieder in sein voriges Gleichgewicht zurück. Ein Uebel entsprang indeß gar oft daraus für einseitige Verehrer und Bewunderer des Schönen. Sie beriefen sich nun alle auf Goethe, als ob er sich gerade für dieses oder jenes, wie wenn es das Einzige oder Höchste wäre, erklärt hätte; jede Partei zählte ihn zu dem Ihrigen und machte ihn zu ihrem Anwalt oder gar zum Oberhaupt. Goethe aber blieb an keiner Sache haften; mit allseitiger Empfänglichkeit wanderte er durch eine große Mannichfaltigkeit von bedeutenden Erscheinungen, und mit Recht konnte er daher von sich sagen: „Wenn die Leute glauben, ich wäre noch in Weimar, dann bin ich schon in Erfurt." 627
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Aus den ersten J a h r e n nach Schillers Tod
Man muß überhaupt nicht glauben, daß Goethe in seinen Ansichten immer fest und entschieden gewesen wäre. Nein! das aber sicherte grade seine Freiheit für die Erkenntniß so verschiedener Dinge, daß er sich immer das Weitere vorbehielt, jedes Ding immer wieder, so oder anders, in Betrachtung zog, und das, was ihm für den Augenblick gewiß schien, immer wieder einer neuen Prüfung unterwarf. Sein Zweifeln und Annehmen ging oft bis in das Sonderbare. So sagte er einmal zu mir: „Ich weiß doch nicht, ob nicht die Franzosen (mit ihren klassischen Trauerspielen) auf dem rechten Wege waren." Er sprach vielleicht in seinem eigenen Interesse, da er selbst durch seine ruhig-epische Natur die Richtung bekommen hatte, daß er die handelnden Personen in seinen Dramen ohne viel Geräusch ihr Inneres, was allerdings immer die Hauptsache bleibt, in ausführlichen Reden gegen und neben einander sich aussprechen ließ. Daß er auf diese Weise keine theatralische Wirkung hervorbringen konnte, fühlte er nachher gar wohl, und sagte: „Ich habe g e g e n das Theater geschrieben." So erwähnte er gelegentlich auch als eines Vortheils der besondern Kraft, die bei Shakspeare in Sprüngen und plötzlichen Uebergängen läge. — Ein andermal äußerte er gegen mich: „Es kam doch wohl auf Richelieu an, der Französischen Kunst und Literatur eine andere Wendung zu geben." Ich entgegnete: „Sollte so etwas wohl von einem einzelnen Menschen abhangen?" Da sah er mich mit großen Augen an und sagte nach einer starren Pause: „Legen Sie mir Münzen aus allen Zeiten vor, ich will sagen, aus welchem Jahrhunderte sie sind." Mir war, als ob sein Geist plötzlich in einer furchtbaren Glorie hervorträte, da ich ihn so sein ganzes Selbstgefühl, ohne Hehl die Kraft seines Genies aussprechen hörte. — Ueber Shakspeare, bei dem Manche Alles als klug berechnete Kunst bewundern, war seine Meinung: daß er mit genialem Natur-Instinkt gearbeitet, sich gleichsam einen Rahmen gezogen und da mit dreister Hand seine Figuren hineingezeichnet habe. In Calderón sah er schon mehr einen künstlichen Dichter. Ueber Werke der bildenden Kunst äußerte er sich indeß viel häufiger als über Werke der P o e s i e . Mit dieser war er vermählt, jene blieb immerfort seine Geliebte. — Außerdem lag die weite Natur und das ganze Leben zur Betrachtung vor ihm. Zu welchem unbemerkten Punkt in der Erscheinung man sich auch im Gespräche verirren mochte, man traf ihn dort. Ich erwähnte einmal [1. 2. 1807] das Belauschen der Stille bei dem allmähligen Verhallen des Tages. Da hatte er schon längst an einem schwülen Sommerabende draußen auf dem Hügel gesessen und auf die Töne hingehorcht, die mit leisem Athem bis zur schweigsamen Mitternacht in der Luft sich begegnen. — Ein andermal [1. 3. 1807] fragte er mich, ob mir auch das Glück zu Theil geworden, zuweilen im Traume zu fliegen, und w i e das geschehe; er möchte gern in der Art und Weise auf etwas Allgemeineres kommen. Er fliege im Zimmer oder in einem Saale immer oben im Kreise herum. Ich erwiederte: mein Fliegen sei unstät, bald niedriger, bald höher, wohl bis auf das Dach. — Still für mich erkannte ich, in seiner Art zu fliegen, wieder den Charakter der ruhig epischen Beschaulichkeit, aber laut gegen ihn hätte ich doch diese Bemerkung nicht machen mögen. Goethe liebte bei aller Natürlichkeit — in Verbindung mit dem Plastischen — doch das Förmliche und Feierliche ein wenig. Zum Theil rührte dieß vielleicht 628
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auch von der strengern Sitte der alten Zeit her. Wenn er eintrat, schritt er, ohne rechts oder links zu schauen, mit steifer Haltung durch alle Personen hindurch geradesweges auf die Wirthin zu, machte ihr sein ernstes Kompliment und verneigte sich dann mit einer sanften Verbeugung gegen die Uebrigen im Kreise herum. Mit kurzen, schnell wechselnden Reden über etwas leicht hinzugleiten, war ihm nicht eigen; eher that er etwas mit der Milde eines halb ausgesprochenen Wortes ab. Sonst sprach er in der Regel etwas langsam, nach den tiefern Tönen zu, mit einer bequemen Würde, die den Gegenstand von sich entfernt hält und auch gegen persönliche Annäherung sich verwahrt. Dieß Entfernthalten drückte sich auch praktisch häufig in den Worten aus: das ist nun so! — oder: das wird sich machen lassen! — Selbst das Heitere mußte sich oft der Förmlichkeit unterwerfen . . . St. Schütze, Tagebuch 14. 11. 1811 (*JSK NF 4, 112; GMD)
Brief an die Kaaz . . . Ueber das Leben von Göthe [Dichtung und Wahrheit, 1. —5. Teil] . . . wer Göthen jetzt kennt, findet ihn schon, fast mit allen Zügen, im Knaben und Jüngling dargestellt; das Ansehn, das er sich giebt, der überwiegende Ernst, das öfters stöckische, dann wieder redselige Wesen, das Ausharren bei einer Sache, der große Wechsel in der Beschäftigung, die allseitige Wißbegier — das Ausmessen und Schildern und sorgfältige Auffassen der Dinge in ihren Einzelnheiten — alles war damals schon bei ihm, wie es noch jetzt ist. Wie er die Welt kennt, hat er auch sich erkannt. Aber dieser abspiegelnde Mittelpunct der Dinge ist in sich abgeschlossen, und hat kein lebhaftes Bedürfniß für das Herz eines andern, der sich — wenigstens jetzt — ihm nur als ein Schauspiel öfnet. In der Mannichfaltigkeit zu leben, ist seine Bestimmung, als ob er der Geist der Natur selbst wäre. Die Natur ist es auch, die in und mit ihm schaltet und waltet, Moral und Grundsätze üben weniger Gewalt über ihn aus. So fällt er als eine Naturwirkung wieder in den Zusammenhang der Dinge zurück, und ist der Fülle seines Reichthums hingegeben. Wegen des Mangels an einem festen höchsten Punct ist es auch sehr schwer, Göthen ganz zu erforschen. Aber ihn zu beobachten macht ein groß Vergnügen, so beschwerlich auch oft seine Nähe ist. Johanna Schopenhauer, Carl Ludwig Fernows Leben (Schopenhauer3 2, 162)
. . . Von nun an suchte und fand Fernow jeden Abend nach vollbrachter Arbeit Erheiterung und Erholung in meinem Hause, wo er gewiß war, wenigstens zweimal die Woche um meinen Theetisch einen Kreis versammelt zu finden, wie ihn, in geistiger Hinsicht, vielleicht Jahrhunderte nicht wieder zusammenbringen werden. Goethe war die alles belebende Seele desselben, neben diesem in unaussprechlicher Liebenswürdigkeit Wieland, Einsiedel; was Weimar damals nur an geistreichen, gelehrten und bedeutenden Männern und gebildeten liebenswürdigen Frauen enthielt, Schloß, von jenen beiden angezogen, der Gesellschaft sich an, die überdem durch die vielen merkwürdigen Fremden, welche, um Goethen und Wieland in der Nähe zu sehen, bei mir Zutritt suchten, an Zahl mehr noch an Bedeutung und Interesse unendlich gewann. 629
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Aus d e n e r s t e n J a h r e n n a c h S c h i l l e r s T o d
Johanna Schopenhauer an A. Schopenhauer 13. 4. 1807 (Lütkehaus S. 161)
Meyer ist ein vortrefflicher Mensch, ihn von Weimar und dem ehemaligen Leben hier erzählen zu hören ist einzig . . . Göthe schäzt und liebt wohl niemanden so wie ihn. Falk (GSA, Falk IV 3 Bl. 33)
Göthe War oft denn am genialsten, wenn ihm der alte Zigeunerhauptmann, der ihm als Genie eingeboren ist, mitten in einer policierten Gesellschaft ζ. B. bey der Schopenhauer in den Nacken stieß. Ich kann nicht sagen, wie gern ich ihn dann hatte, wenn er alles Fuchsschwänzen in den Wind schlagend, seinen Mißmuth in ungebundenen abgebrochenen kurzen Worten, freyen Lauf lief [sie]. In der Melodie seiner Rede, bis auf die Wendungen lag dann wirklich etwas Aehnliches wie Jener des Zigeunerhauptmanns [im Jahrmarktsfest zu Plundersweilern] „Lumpen und Quark Der ganze Markt, Kinder und Fratzen Affen und Katzen Kinder und Affen, Feilschen und gaffen, Gaffen und kaufen, Bestienhaufen, Mögt all das Zeug nicht, Wenn ich's geschenkt kriegt! Könt' ich nur über sie! Wetter, wir wollten sie! Wollten sie zausen! Wollten sie lausen! Mit zwanzig Mann! Mein wär der Kram! Johanna Schopenhauer an K. v. Holtei 27. 10. 1832 (Holtei 3 S. 82)
Falks Buch ist ein Gemisch von Lügen, in denen hin und wieder etwas Wahrheit eingeflickt ist. Er selbst hat Goethe nie nahe gestanden, der ihn eigentlich nie leiden konnte. Selten erhielt er Zutritt. Vom Jahre Sechs an hat er ihn nur bei mir gesehen, und wir Alle, Goethe's nähere Freunde, bildeten dann eine Phalanx, um den unerträglichen Schwätzer wenigstens zehn Schritte weit entfernt zu halten. Goethe's Schwelle durfte Falk vom 14. Octbr. 1806 an fast nie betreten, denn sein Herumziehen mit den Franzosen und sein Brandschatzen in den kleinen Fürstenthümern hatte ihn gar zu verächtlich gemacht. Sie können also leicht erachten, wie es um die Gespräche, die er im Garten Goethe's mit diesem gehalten haben will, steht. Ungefähr wie um den prachtvoll-blühenden Feigenbaum, unter welchem er Goethen gefunden. Sie wissen, daß der Feigenbaum nie blüht, sondern gleich Früchte ansetzt. 630
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Aus den ersten J a h r e n nach Schillers T o d
Κ. v. Holtei, Erzählungen und Plaudereien (Holtei 5 1, 45)
Goethe hatte häufig Zuflucht bei ihr [J. Schopenhauer] gesucht und im friedlichen Räume gefunden, wenn er verdrossen und ermattet von steifer Gesellschaft bei sich, oder von unvermeidlicher Hofdienstpflicht, sich am friedlichen Zwiegespräch mit einer „Zuverlässigen" erholen wollte, nach betäubendem Chariwari vielstimmigen Durcheinanders. D a saß Er vor ihrem runden Tische, auf demselben Armsessel, den ich Unwürdiger jetzt inne haben durfte; zeichnete mit Blei, tuschte mit Sepia kleine Bildchen, Landschaften, Baumpartieen, allegorische Zusammenstellungen und dergleichen auf die nächst-besten Blätter, die ihm gereicht wurden; und ließ dazwischen manch' bedeutsames Wort über Vergangenheit, Gegenwart, Zukunft, über Weimars kleine wie über des weiten Lebens große Welt vernehmen, das sich tief in seiner seelenvollen Zuhörerin Seele gesenkt hatte; das jetzt, als Nachhall einstiger stiller Abende geheiligten Andenkens, den stillen Abenden eines armen, unbedeutenden Kunstjüngers doppelte Weihe verlieh. Johanna Schopenhauer an K . v. Holtei 27. 10. 1832 (Holtei 3 S. 81)
Erstere [eine Zeichnung von Goethe] . . . ist zwar nur eine Klexerei, wie er deren an meinem Theetisch in einem Abende zuweilen drei bis vier „anfertigte" — sagen die Berliner. Er wollte sie immer zerreißen und ich erhielt sie nur, weil ich behauptete, sie wären auf m e i n e m e i g e n e n Papier mit m e i n e r e i g e n e n Tusche gezeichnet, er habe folglich kein Recht daran . . . Von diesen Schmieralien, die denn doch als augenblickliche Erzeugnisse seiner Phantasie vielleicht um so interessanter sind, habe ich noch einige. Riemer, Mittheilungen 1, 406
Am aufgewecktesten erwies er [Goethe] sich freilich in kleinern Zirkeln, in Jena bei seinem Freunde Knebel, desgleichen bei Frommann, in Weimar aber in den gewählteren kleineren Soiréen der jovialen und geistreichen Hofräthin Schopenhauer; hier war er stets vom besten Humor, so gesprächig und mittheilend wie nur je, scherzte, erzählte, las vor, Eignes oder Fremdes, ζ. B. Calderon's standhaften Prinzen in mehreren Abenden; hörte aber ebenso gern Andre etwas vortragen, wobei er, um nicht ganz unthätig dazusitzen, am liebsten an einem besondern Tischchen, das für ihn immer bereit stand, zu zeichnen pflegte. Im Selbstvorlesen liebte er öfter abzusetzen und kleine Pausen eintreten zu lassen, theils der gespannten Aufmerksamkeit der Zuhörer einige Ruhepunkte zu gönnen, theils Bemerkungen einzustreuen die zu besserem Verständniß des Vorgelesenen dienen konnten. Man ließ ihn gerne nach seiner Art gewähren, da er so gemüthlich sein Inneres offenbarte, und dessen was ihn erfreute oder ärgerte kein Hehl hatte. Auch bei dem Vortrag Anderer bat er sich einen Augenblick Innehaltens aus, zu ähnlichem Behuf: welche Unterbrechung denn wohl einem hastigen Vorleser manchmal unangenehm seyn konnte; doch geschah es nur selten, und bei Personen die ihm eine solche Störung nicht übelnehmen konnten. Seine Bemerkungen, meist ästhetischer Art, waren, wenn auch kurz, doch geistreich, in das 631
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Wesen der Kunst oder das Talent des Autors eindringend. Was er aber selbst that, gestattete er nun auch Andern, und jeder mochte seine Meinung aufrichtig und unbefangen äußern, wodurch allererst eine gemeinschaftliche Theilnahme sich ermittelte . . . In diesen Zirkeln trug auch Zacharias Werner an mehreren Abenden sowohl seine Sonette und Romanzen, als seine Trauerspiele Wanda, und das Kreuz an der Ostsee actweis vor. Frommann, immer zuerst mit der neusten ästhetischen Literatur bekannt, und dazu ein überaus guter natürlicher Vorleser, ohne Declamation, brachte außer Shakspearischen Stücken auch die Kleistischen Erzählungen und Dramen, den Dominicaner, Hans Kohlhaas, den zerbrochenen Krug etc. zur abendlichen Unterhaltung. Goethe gab eins und das andre seiner neusten Gedichte oder auch kleine Erzählungen, die er nachher in die Wander jähre aufgenommen, zum Besten; aber auch Fremdes. Unter anderm las er A. W Schlegel's Sonette an seine Stieftochter Augusta Böhmer, höchst gefühlvoll, mit sichtbarer Rührung, und nicht endender Belobung. Ebenso „den Bund der Kirche mit den Künsten," das er für eins von Schlegel's besten Gedichten erklärte. Luise v. Knebel, Erinnerungen (GSA, Knebel 491 Bl. 51)
Göthe der sehr sehr oft in Jena zu drey bis vier Wochen im Fürsten Garten wohnte und beinah j e d e n Tag bei uns das M i t t a g - oder A b e n d b r o d einnahm; was Knebel unendliche Freude machte; aber leider n i c h t gut für unsern Beutel war — und allerdings für mich ganz besonder, unangenehm sein muste; da Knebel zu viel und zu gutes Eßen beständig haben wollte; und mich dann jeden Mittag in Gegenwar[t] Göthens runter machte, daß das Eßen abscheulich wäre; u. so. w. das sich Göthe oefters mit Knebel darüber zankte — aber daß half alles nichts — und der schreckliche Wein der jeden Tag bei uns aufging, daß muste alles geschafft!! Das war was für unsre Kasse!!! . . . Göthe versicherte tausendmal das obgleich auch sehr gut bei ihm gekocht würde, doch mein Eßen weit schmackhafter wäre, als bei ihm gekocht würde; und auch daß ich auf so vielfache art es zu bereitete u. so. w. so hörte doch Kn. darauf nicht, und fand einen Tadel. Daß muste K- aber Göthen doch zu gestehen; das niemand; solche vortrefliche backfische; u. Karbinaden zu bereiten verstände, als meine alte gute Köchin die Fieke u. so. f. Knebel an Henriette v. Knebel d. j. 28. 10. 1805 (SNM)
Göthe besucht mich zuweilen hier [Jena], u. ist fast ganz wieder wohl. Ich nehme sehr daran Theil, zumal da er sich so schön äussert. Seine Wirksamkeit ist unglaublich, obwohl nicht im politischen Fach, das er zu verachten scheint. Knebel an Riemer 9. 5. 1806 (GSA, Riemer 1226 a)
. . . Für jetzt müssen wir uns noch an den Lukrez halten, und den teutschen sechsfüssigen Bären, wie ihn Göthe nennet, noch brav durchlecken. H. Luden, Rückblicke in mein Leben (Luden 1 S. 87)
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Er [Knebel] ließ sich Einiges von meinen Gesprächen mit Goethe [am 19. 8. 1806] erzählen . . . „. . . Dem da drüben aber [Goethe nämlich], dem ist ganz 632
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Recht geschehen, daß ihm ein Mal eine freie Meinung ausgesprochen worden ist, gleichviel ob sie richtig war oder nicht. Er hört sonst nur Schmeicheleien; Sie haben ihm nicht eben geschmeichelt. Vielleicht hat er es aber doch als Schmeichelei angenommen. Große Herren wissen sich Etwas damit, daß sie zu Freimüthigkeit auffordern; sie wissen, daß sie dadurch nicht verlieren, sondern nur gewinnen können. Sie thun doch, was sie wollen. So ist Goethe. Er bekümmert sich um kein Urtheil. So lange seine Schriften vom Buchhändler tüchtig bezahlt werden, weil sie Abgang finden, ist ihm Alles einerlei. Wir haben noch Vieles von ihm zu erwarten. Vor dem Dinge, das man das Publicum nennt, hat er eine souveraine Verachtung. Es freuet ihn, wenn er dem Ungeheuer Brocken hinwerfen kann, an welchen es sich die Zähne blutig beißt. Ich kenne ihn lange, von Innen wie von Außen. Mich hat immer eine unüberwindliche Scheu vor dem Publicum begleitet; darum habe ich unsäglich Vieles verbrannt oder vernichtet, das ich gedichtet hatte. Goethe hat mich oft darüber gescholten. Man muß jung vor dem Publicum auftreten, sagt er, und alsdann oft erscheinen. Dieses Thier denkt, wer viel giebt, muß viel haben, und wer oft bringt, muß reich sein. Und hat man es nur erst dahin gebracht, daß man Bewunderer findet, so wird es auch nicht lange an unbedingt Ergebenen fehlen, welchen Alles vortrefflich ist, was den Namen des Bewunderten an der Stirn trägt. Und es ist wahr, Goethe hat Großes und Herrliches gebracht; er hat die höchste und reinste Poesie gebracht; er hat die Bewunderung verdient, die er gefunden hat. Die Teutschen sind verpflichtet, seinen Namen hoch und hehr zu halten, und hoch und hehr wird er bleiben. Das leidet keinen Zweifel; das weiß auch Goethe recht gut, und deßwegen ist er nunmehr völlig gleichgültig gegen die Urtheile des Publicums oder im Publicum. Sie können daher gewiß sein, daß er schon längst vergessen hat, was Sie ihm gesagt haben, und daß er nie wieder daran denken wird, wenn ihn nicht irgend ein besonderer Zufall daran erinnert . . . Goethe verwirft Rauchen und Schnupfen. Wegen des Rauchens hat er Recht; ich rauche auch täglich nur ein Paar Pfeifen. Das Rauchen, sagt er, macht dumm; es macht unfähig zum Denken und Dichten. Es ist auch nur für Müßiggänger, für Menschen, die Langeweile haben, die ein Drittheil des Lebens verschlafen, ein Drittheil mit Essen, Trinken und anderen nothwendigen oder überflüssigen Dingen hindudeln, und alsdann nicht wissen, obgleich sie immer vita brevis sagen, was sie mit dem letzten Drittheil anfangen sollen. Für solche faule Türken ist der liebevolle Verkehr mit den Pfeifen und der behagliche Anblick der Dampfwolke, die sie in die Luft blasen, eine geistvolle Unterhaltung, weil sie ihnen über die Stunden hinweg hilft. Zum Rauchen gehört auch das Biertrinken, damit der erhitzte Gaumen wieder abgekühlt werde. Das Bier macht das Blut dick und verstärkt zugleich die Berauschung durch den narkotischen Tabacksdampf. So werden die Nerven abgestumpft und das Blut bis zur Stockung verdickt. Wenn es so fortgehen solle, wie es den Anschein hat, so wird man nach zwei oder drei Menschen-Alter schon sehen, was diese Bierbäuche und Schmauchlümmel aus Teutschland gemacht haben. An der Geistlosigkeit, Verkrüppelung und Armseligkeit unserer Literatur wird man es zuerst bemerken, und jene Gesellen werden dennoch diese Misere höchlich bewundern. Und was
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kostet der Greuel. Schon jetzt gehen 25 Millionen Thaler in Teutschland in Tabacksrauch auf. Die Summe kann auf 40, 50, 60 Millionen steigen. Und kein Hungriger wird gesättigt und kein Nackter gekleidet. Was könnte mit dem Gelde geschehen! Aber es liegt auch in dem Rauchen eine arge Unhöflichkeit, eine impertinente Ungeselligkeit. Die Raucher verpesten die Luft weit und breit und ersticken jeden honneten Menschen, der nicht zu seiner Vertheidigung zu rauchen vermag. Wer ist denn im Stande, in das Zimmer eines Rauchers zu treten, ohne Übelkeit zu empfinden? wer kann darin verweilen, ohne umzukommen? In allen diesen Klagen hat Goethe Recht; aber Unrecht hat er wegen des Schnupfens. E r will immer 'was Apartes haben. Das Schnupfen hat er sich freilich nicht angewöhnt, aber dafür zieht er eau de Cologne und anderes spirituoses Zeug in die Nase hinein. Nun, unser Einer riecht auch wohl ein Mal gern, was gut riecht, aber wenn ich das Cölnische Gebräu in die Nase hinein saugen wollte, ich wäre des Todes. Er weiß auch nicht Gescheutes gegen das Schnupfen zu sagen. Es ist eine Schmutzerei, sagt er. Das aber ist Thorheit. . ." Alwine Frommann, Autobiographische Aufzeichnungen vom Sommer 1860 (*ChronWGV 39, 25; GSA, Frommann 271, 2. 4)
. . . Bald aber trat aus dem Schatten meiner Jugend Goethe's lichtes Bild hervor und blieb mir ein schöner Stern bis zu seinem irrdischen Scheiden . . . Wohl hatte ich eine Zeit wo ich als junges Mädchen seine Schriften wenig liebte; aber seine Erscheinung als Freund meiner Aeltern, als freundlicher Bringer kleiner Geschenke die er dem Kind und dem Mädchen von Reisen mitbrachte, blieb er mir immer derselbe . . . Goethe lebte oft wochenlang in Jena und kam manchen Abend sich bei uns ausruhen, war er still und vor Arbeit oder Sorge ermüdet lastete es auf Allen; aber viel öfter war er ein helles mildes Licht — g ü t i g i m m e r f ü r uns in a l l e n Z e i t e n t r e u e T h e i l n a h m e im W o r t u n d T h a t u n s g e b e n d — seine heiteren Worte erleuchteten und verwundeten auch in scherzhaften Spott nie aber man hatte g e l e r n t dadurch — seine ernsten weisen Lehren kräftigten und erhoben die Seele. Wie oft erzählte er, wenn er gerade korrigierte — waß er am Tag geschrieben und mit noch viel d e t a i l s die der Druck erbat wenigstens damals. Alwine Frommann an K. F. Meyer 3. 8. 1856 (Aukt.-Kat. Meyer u. Ernst 30, 55)
In dem Sinn wie man jetzt Alles auffasst hat nie ein Verhältniss von Goethe zu Mfinchen] H [erzlieb] bestanden; er hat sie ausgezeichnet wie so viele andere mit seiner edlen feinen und discreten Weise der Jugend und Schönheit zu huldigen ohne sie zu beleidigen — er hat auf Dichter-Weise einzelne Züge ihres Wesens in der Ottilie [in den Wahlverwandtschaften] geschildert ohne den Charakter abzuschreiben . . . er würde, wenn er lebte, sehr gekränkt sein, wenn dies jetzt in einer Weise ausgelegt und veröffentlicht würde, die der Wahrheit nicht entspricht. Johanna Frommann an Wilhelmine Herzlieb 19. 6. 1810 (GSA, Frommann 314, 2 Nr. 18)
In Tiefurth war mir wohl. Du weist, wie ich mich immer hin sehnte u wie intressant es uns durch Göthens Erzählungen war . . . 634
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Am Ufer der Ilm die unten an den schönen ländlichen Gartenanlagen vorbei rauscht, fiel mir manche Stelle aus Göthens Liedern ein, die nur hier gedichtet sein konnten. Das andre Ufer ist wie ein schräger Wall natürlich erhöht u voll schöner Eichen u andrer Bäume. Du errinnerst Dich noch wol, wie Göthe erzählte wie sie dort die Fischerin u andre Stücke aufführten, u einmal alle Erleuchtung hinter die Bäume verbargen. F. V. Müller, Unterhaltungen 1. 3. 1830 (Grumach S. 184)
B 2 2789 B 3 6520
[Goethe, 1830:] Ja, bey der Herzogin-Mutter [Anna Amalia] freilich konnte ich zuweilen wohl eine Stunde amüsiren; wenn das artige Wesen, die Kehle [Henriette v. Wolfskeel], umher trippelte und „Närrischer Geheimrath" sagte; da improvisirte ich oft eine Erzählung, die sich hören ließ; ich hatte damals des Zeugs zu viel im Kopfe und Motive zu Hunderten. A n C. F. F. v. Nagler 17. 2. 1821 (WA IV 34, 128)
Und da wäre denn bey dieser Kleinigkeit [einer beiliegenden eigenhändigen Zeichnung] zu bemerken: daß sie mir selbst deshalb lieb und werth sey, weil sie unter die Blättchen gehört, welche in den Abendunterhaltungen bey Herzogin Amalie entsprangen, woselbst ein höchst gebildeter Kreis sich versammelte und jeder auf seine Weise sich selbst und andere unterhielt. Indeß einige Karte spielten, die andern Musik machten, beschäftigten sich, neben Ihro Durchlaucht, der Engländer Herr Gore, seine älteste Tochter und ich mit mancherley Entwürfen und Skizzen, Rath Kraus beobachtete mit mahlerischem Blick unterweilen die Gesellschaft und faßte gelegendich manch artiges Bild auf, von welchen Darstellungen noch einige übrig geblieben sind. Johanna Frommann, Zelter. Nov. 1821 (GSA, Frommann 69, 2)
. . . Und seine [Zelters] Freundschaft mit Goethe, den er mit Begeisterung liebt . . . Die Alten Herrn sind sehr glücklich zusammen. Noch bei der Herzogin Amalie erzählte Zelter mal, was man alles so von Göthe sagte. Er, Goethe, saß still dabei. Wieland fügte sich, u Zelter lies sich durch nichts stören. Amalien intressirte es höchlich . . . Goethe nennt ihn seinen Schicksalsbruder, da er keinen durch Bande des Blutes hat. F. v. Müller, Tagebuch 19. 4. 1 8 1 9 (Grumach S. 35)
B 2 1873 B 3 4677
[Goethes] Fürchterlicher Fluch auf die Goechhausen, als sie einst Graf[f] ungerecht tadelte: „Fräulein, Sie werden lange faulen, wenn Graffi] noch der Stolz unsrer Bühne seyn wird!" Riemer, Gesprächsprotokoll von 1807/08 (?) in Goethes Notizbuch „Varia 33" (*WA II 13, 460; G S A , Goethe 27/64)
Schon vor langer Zeit ist auch von einem solchen sympathetischen Metallphänomen die Rede gewesen. Man hing nehmlich an einen feinen Faden einen Ring oder ein Pettschaft auf und hielt es in ein leeres Glas. Da sollte sich dieser 635
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metallische Pendel nach und nach zu bewegen anfangen und die jedesmalige Stunde schlagen. (Hofrath Voigt) Prof Voigt junior behauptet, daß i[h]n der Schwefelkießpendel über Wasser oder Metall, wenn E r stehe, von der rechten zur linken, wenn er sitze, von der linken zur rechten schwinge. Diejenigen Menschen, welche gegenwärtig unter dem Nahmen der Erz- und Wasserfühler zum Vorschein kommen, sind auch schon früher in der Schweitz unter dem Nahmen Brunnenschmecker bekannt gewesen, sind herumgezogen, haben Brunnen aufgesucht und gegraben. NB. schmecken heißt dort riechen. (Von Hofrath Meyer erzählt.) Zur Farbenlehre. Widmung an Herzogin Luise (LA I 4, 1)
Hätten Ew. Durchlaucht nicht die Gnade gehabt, über die Farbenlehre so wie über verwandte Naturerscheinungen einem mündlichen Vortrag Ihre Aufmerksamkeit zu schenken; so hätte ich mich wohl schwerlich im Stande gefunden, mir selbst manches klar zu machen, manches auseinander Liegende zusammenzufassen . . . Möge . . . dasjenige, was auf dem Papier mitgeteilt werden konnte, Höchstdieselben zu einigem Wohlgefallen an jene Stunden erinnern, die mir unvergeßlich bleiben. Charlotte v. Schiller an Goethe 22. 6. 1807 ( G J b 4, 253)
Ich danke Ihnen herzlich dass ich die Farblehre habe lesen dürfen . . . Nicht allein dieses Werk bewundere ich, sondern die ganze Reyhe der Vorträge die Sie uns hören liessen und ich bewunderte aufs neue, die Zweckmässigkeit und den Scharfsinn Ihrer Vorlesungen. Was Sie in dem Buche mit Klugheit auseinanderstellen und später die Resultate auffinden lassen haben Sie in dem mündlichen Vortrag, so klug und künstlich an einander gereyht. Charlotte v. Schiller an Goethe 18. 6. 1810 ( G J b 4, 267)
Ich sehne mich wie nach einer Lichterscheinung nach der vollendeten Farbenlehre, Cotta will sie mir senden. Uebrigens ist sie schon hier scheint es, denn Herr Falck belehrt die Damen seines Kreises daraus. Was ich einmal so glücklich war von Ihnen zu hören kann mir niemand und darf mir niemand mehr nachsprechen. Denn diese Eindrücke die zu den schönsten meines Lebens gehören, erhalte ich mir gern rein. Charlotte v. Schiller an Cotta 10. 8. 1810 (Marbacher Schillerbuch 1, 376)
Das meiste von den Versuchen u. Ansichten [in Goethes Farbenlehre] ist mir bekannt, weil ich so glücklich war es zu hören . . . Ich weiß wie lebendig Goethe beschäftigt war, bey der Lesung aller Schriftsteller, die er anführte . . . Ich wünsche nur, daß Goethe nicht zur Rede gestellt wird, denn er ist krank empfindlich, über diese Dinge, habe ich schon bemerkt. 636
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Hegel an Goethe 2. 8. 1821 (Hoffmeister 2, 276)
Es ist mir, als ob ich mich erinnerte, daß Euer Excellen2 sich vor ein zwanzig Jahren hatten entfallen lassen, daß Sie noch den Physikern die Eselsohren auf den Tisch nageln wollten. Schelling an K . v. Pfeufer 23. 2. 1844 (Aukt.-Kat. Stargardt 634, 156)
In früheren Zeiten, da ich nur zu geneigt war, gegen Unbilden mich zu wehren, sagte mir oft Goethe, was ich bis in meine alten Tage bewährt gefunden: Bildet euch nicht ein, es sey diesen Leuten um eure Meinungen oder Behauptungen zu thun, persönlich, pecuniär womöglich wollen sie euch schaden, eure äußre Lage euch verderben. Christiana Kotzebue an A. v. Kotzebue 14. 10. 1808 (Kotzebue S. 71)
Wenn neue Stücke von Dir gegeben werden, hat er die ersten Proben bei sich, und hört nicht auf, die Schauspieler zu ermahnen, gut zu spielen. A. v. Arnim an Bettina Brentano 5. 11. 1808 (*Betz - Straub 2, 67; F D H )
Ob es dem alten Meister [Goethe] gefallen würde? die Privattheater? Alles nur das nicht, weist D u so wenig von Deinem alten Freunde, er hat einen unauslöschlichen Haß gegen alle Privat Comödien, sein Grund ist, weil er fühlt wie wenig bey aller Anstrengung und Uebung von eigentlichen Schauspielern geleistet werden kann, was soll dan von leichten beschäftigten Liebhabern geschehen. Mit grimmigem Haß hat er solche Unternehmungen in Weimar verfolgt und ist er bey allen Einladungen doch nie erschienen, früher in Ettersburg hat er freilich selbst gespielt, aber immer in Verbindung mit den bessern Schauspielern wie die Corona Schröder. Riemer, Notizzettel ( G M D ; Kat. Kipp. 3782, 7)
Antonius Coriolan Caesar
G. über Shakespeare = Genuß u Herrschaft sind nicht beysammen = Haß des Volks gegen den Besten den es doch nicht entbehren kann = Haß der Besten gegen den Vorzügl. damit sie alle gleich seyen.
Riemer, Mittheilungen 2, 653
B 2 1625 B 3 2783
Aus einem Gespräch mit G. über Shakspeare notirte ich mir einmal Nachstehendes über die Tendenz des Englischen Dichters und was er in folgenden Stücken zur Anschauung habe bringen wollen. Im A n t o n i o , daß Genuß und Herrschaft (der Welt) nicht beisammen sind. Im C o r i o l a n , den Haß des Volkes gegen den Besten, den es doch nicht entbehren kann. Im C ä s a r , den Haß der Besten (optimaten) gegen den Vorzüglichen, damit sie alle gleich seyen. Diese Bemerkung . . . ist übrigens . . . ein Beweis, wie früh dergl. Reflexionen schon in G. lagen, da er sie mir zwischen 1803 — 1806 mittheilte, und . . . gedruckt zuerst in K[unst] und Aflterthum] vorkommen. 637
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Aus d e n e r s t e n J a h r e n n a c h S c h i l l e r s T o d
Riemer (JbGG N F 32, 289)
B 3 7187
„Wenn ich die Fürsten lehrte, wie man tyrannisiren muß, so lehrte ich auch die Völker, wie man die Tyrannen vernichtet," sagt Macchiavel. Vergleiche was ich [1808?] aus einem Gespräch mit Goethe über Napoleon notirt, daß er sowohl die Fürsten als die Völker belehrt habe. F. v. Müller, Goethe in seiner ethischen Eigenthümlichkeit (F. v. Müller2 S. 25)
B 2 1372 B 3 3339
Einst, als in den ersten Jahren nach der Schlacht von Jena die große Freimüthigkeit des Herzogs in seinen politischen Urtheilen und Aeußerungen, und seine fortwährend höchst unverhehlte Anhänglichkeit an die Krone Preußen, ernsthafte Besorgnisse erregten, beruhigte mich Goethe mit den Worten: „Sey'n wir unbesorgt! der Herzog gehört zu den Urdämonen, deren granitartiger Charakter sich niemals beugt, und die gleichwohl nicht untergehen können. Er wird stets aus allen Gefahren unversehrt hervorgehen; das weiß Er recht gut selbst, und darum kann Er so vieles wagen und versuchen, was jeden Andern längst zu Grunde gerichtet hätte." Riemer (GSA, Riemer 663)
σύ y à p πρώτος έν τ ή οΐκιά σου ττοίησον δημοκρατίαν sagte Lycurg zu einem der eine Democratic in Sparta verlangte. Plutar vit Lyc. c. X I X . Dasselbe sagte G. einmal zu mir als davon die Rede war, mit den Worten: „probier es doch einer einmal in s. Hause, Democratic einzurichten." Es war schon in den ersten Jahren meines Dortseyns. Ich glaube nicht daß er an Lycurgs Worte dachte oder was davon wußte. Riemer, Gesprächsnotizen aus der Vorbereitungszeit der ersten Cotta-Ausgabe (*JSK 9, 295; GMD) Β 3 2789
Erste Recension von Faust — verbrannt. Erste Recension von W. Meister, wohl 24 Jahr alt, existirt noch irgendwo. Ideen von Maskenzügen mit Gedichten müssten hier in der Stadt noch herum zu erfragen seyn. An das Terzett (Discant, Tenor, Baß) über die Maulfaulheit im Singen. „Wollt ihr euch erklären So habt nicht Brey im Maul." Dialog über Nicolais Fortsetzung vom Werther. [a. R. erg.:] Zwey Programme zu ein paar Kinderballetten: Die Weiber von Weinsberg Der Rattenfänger von Hameln Eins davon hat Morelli mitgenommen. G. hatte einen Teil als episches Gedicht vor und wollte es einmal durch mich niederschreiben lassen. Aus seiner Idee ist Schillers seiner hervorgegangen. [a. R. erg.:] Die alte Frau ν Fritsch hat noch Gs. Gelegenheitsgedichte zu Redouten, und dergl. G. trägt sich noch mit ein paar Tragödien und Comödien. 638
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Aus den e r s t e n J a h r e n nach S c h i l l e r s Tod
Fortsetzung vom Bürgergeneral. Wollte auch Schillers Demetrius fortsetzen. Hatte auch Lust 1 Gedicht über d. Jagd zu schreiben. Durch H.-dt's Einwendungen abgehalten. Wollte einmal Herzogs Bernhardts Leben beschreiben, Wollte in den Erzählungen deutscher Ausgewandterten eine Art von deutscher Tausend und Eine Nacht geben. In Italien hatte er vor: eine Art von römischen FestCalender zu schreiben, d. h die römischen Festtage, die jetzigen, durchs ganze Jahr zu beschreiben, rein objectiv (ohngefáhr wie Moriz es in der Anthusa mit den altrömischen Festen gemacht, nur freyl. unzulänglich) Wollte auch den Vieto [vielmehr: Pinto] übersetzen, kam aber durch Schiller davon ab, der immer gleich, wenn er ein Fremdes bearbeiten sollte, die Sache auf den Kopf stellte und etwas andres draus machte Wollte im wertherschen Geschmack eine Reisebeschreibung durch die Schweiz schreiben, und die Briefe unter mehrern vertheilen, um objectiv zu werden. Einiges davon wird nun [a. R.: (im May 1807)] in der neuen Ausgabe davon erscheinen Es liegen noch Scenarien von ihm herum zu diesem und jenem Stücke. In den Ausgewanderten wollte er eine Art von 1001 Nacht liefern; dankte aber Gott, daß er bis ans Mährchen kam. Bey den Weissagungen des Bakis hatte er zur Absicht für jeden Tag im Jahr ein solches Distichon zu machen, (damit es eine art von Stechbuch wurde R. r ) [a. R. erg.:] Machte auf der Reise nach Carlsbad 1808 in Hof das Goldschmidtsliedchen „Sie kommt nicht" ein kleines Stück auf eine Cottrine sich beziehend. Fing im December. 1807. Der Pandora Wiederkunft an. Im Sommer 1807 dictirte er zu den Wander jähren von Meister einen zieml. Theil. Dichtete im Dec. 1807 in Jena die 20 Sonette. Im Jan. 1808 die Romanze vom Pagen und der Hofdame, der die Sorbethtasse vor dem Munde zerbricht [Wirkung in die Ferne]. Riemer (CA, Riemer: Anmerkungen zu Goethes Werken, s. v. Paria)
Den Anfang [der Trilogie „Paria"] d. h. Gebet des Paria sagte mir G. schon in den ersten Jahren, später kam der Schluß zum Vorschein. Riemer, *Mittheilungen 2, 635 (CA, Riemer: Anmerkungen zu Goethes Werken, s. v. Pinto) B 3 2789
Pinto. G. wollte auch den übersetzen, kam aber durch Schiller davon ab, „der immer gleich, wenn er ein fremdes bearbeiten sollte, die Sache auf den Kopf stellte und etwas andres daraus machte" [a. R.:] NB sind G's eigne Worte! [Anm. zum Stichwort:] also Mendez Pinto's abenteuerliche Reise nach Ostindien und Sina i den Jahren 1497-1558. 639
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Aus den ersten J a h r e n nach Schillers T o d
Riemer, Mittheilungen 2, 6 2 0
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Seiner Programme zu Kinderballetten erwähnte G. mehrmals gegen mich, aus der frühern Theaterzeit von Bellomo und Morelli, welche bei ihrem Weggange sie mitgenommen haben müßten. Eins waren die Weiber von Weinsberg, ein anderes der Rattenfänger; aus welchem noch die Romanze: „ich bin der wohlbekannte Sänger etc." sich erhalten hat.. . Bei der Herausgabe seiner Schriften seit 1806 gaben wir uns alle Mühe, nächst den Gedichten zu Maskenzügen auch diese Programme zu den Balletten aufzufinden oder aufzutreiben; doch glückte es nicht einmal vollständig mit jenen, mit letzteren aber gar nicht. B. R. Abeken an F. C. Krause 1 1 . 8 . 1808 (GSA, Abeken III 5, 3)
Man hat mich versichern wollen, Göthe werde den Faust nicht ganz vollenden. Doch hat er noch einiges, was dazu gehört, und nicht gedruckt ist. . . Ich sprach neulich mit einer genauen Freundin von Göthe, der er sich gern u. häufig mittheilt. Sie erzählte unter anderm, Göthe habe für einige Geschöpfe seiner Fantasie eine gewisse Vorliebe. Die liebsten unter allen seyn ihm Klärchen, Gretchen u Mignon. Κ . Morgenstern, Tagebuch 14. 10. 1808 (Sintenis S. 39)
B 3 2774
Seine Frau war neulich in Frankfurt. Durch Anspruchslosigkeit gefällt sie; ζ. B. auf die Geheimräthin giebt sie nichts. Ganz unbefangen sprach sie von der Gesellschaft, die Goethe wöchentlich in seinem Hause hat, wo die Herzogin hinkommt (zur Leetüre). „Da bin ich denn natürlich nicht zugegen", sagt sie. — Ich weiß nicht, sagte Goethe ihr öfter, was Du des Morgens so früh zu schaffen hast. „Du wirst es wohl einmal sehn, wenn ich nicht da bin," sagte sie. Jetzt, als sie in Frankfurt abwesend war, bat er sie dringend um baldige Rückkehr; er sehe nun wohl, was sie des Morgens zu schaffen habe etc. Es würde zu bedauern sein, wenn er sie je verlöre etc. Das mag Alles wahr sein. Es beweist nur, daß Goethe sich eine taugliche Hausfrau geschafft hat, die ihm manche Mühe abnimmt, ihm, der sich nicht gern genirt. Wenigstens leuchtet auch hier der gesunde Verstand des Mannes hervor. T. W. Benedict an G. Freytag 17. 1. 1843 (Aukt.-Kat. Stargardt 650, 12)
Da ich als Student in den Jahren 1803 — 06 den verstorbnen Göthe oft in Leipzig gesehen habe, wo er mit seiner Geliebten in der Allee spazirte, so hat damals das für mich in höchstem Grade unangenehme äußere Wesen des Mannes mich in sofern ungerecht gegen ihn gemacht, daß ich zu der Zeit, wo ich es noch gekonnt hätte, mit den Schriften dieses Mannes mich weniger bekannt gemacht habe. E s ist aber mehreren Zeitgenossen von mir aus dieser Periode mit Göthe ebenso gegangen. Chr. A. Vulpius an Chr. H. Ramann o. Dat. (Aukt.-Kat. Stargardt 23. 11. 1908, S. 28)
Der G. R. Goethe lässt Ihnen sagen, Sie möchten nur beständig solchen Wein schicken; das wäre Ihr Schade nicht, denn er trinkt sich angenehmer hinein.
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Aus den ersten J a h r e n nach Schillers Tod
J. G. Gruber an Böttiger 20. 7. 1810 (»Berichte Leipzig 1904, 278; LB Dresden, Böttiger 4° 57, 78) B 3 2807
Ich ward [1804] als Redacteur bei der neuen Literatur-Zeitung mit angestellt, fand Gnade vor Göthe's Augen und Beifall bei den Studirenden . . . Mit Göthe stand ich anfangs sehr gut, er war sogar vertraulich, offen gegen mich. Seit er mir auf Zuflüstern von Vulpius die Niederträchtigkeit zutrauen konnte, daß ich die Nachricht von seiner Verheirathung in die [Allgemeine] Zeitung [vom 24. 11. 1806] gesendet habe, bin ich nicht wieder zu ihm gekommen, denn bei dem Minister hatte ich nichts zu suchen, und Göthen hätte ich, ungeachtet Fernow ihn von meiner Unschuld überzeugt hatte, doch wol nicht wieder gefunden. Gefällig sind wir uns übrigens gegenseitig immer geblieben. Böttiger an L. F. Huber o. Dat. (Aukt.-Kat. Zisska 11/1 S. 11)
Hätte der dortige Dichter-Minister sich nicht ganz eigendich zur Maxime gemacht, mir bei jeder Gelegenheit ausgezeichnete Beweise seines Unmuthes zu geben, und hätte mir dieß an dem kleinen Ort, wo man sich alle Augenblicke mit den Elbogen anstößt, nicht oft die unangenehmsten Empfindungen gemacht, mich hätte nichts aus Weimar weggebracht. F. Passow an E. Breem 24. 7. 1807 (Wachler S. 85)
Wieland . . . ist nun auch fast für den Umgang unbrauchbar. Zwar spricht er entsetzlich viel und immer mit einer gewissen Eleganz, aber es fehlt Allem der lebendige Geist, der bey Göthe schon aus der leisesten Bewegung spricht. F. Passow an M. Hudtwalker 7. 7. 1807 (Wachler S. 83)
Die Jagemann wohnt mir vis-à-vis; ich spreche sie täglich . . . Sie scheint eine vollendete Universalität des Charakters und die Gabe, unwiderstehlich liebenswürdig zu seyn, so bald sie will, mit Göthe gemein zu haben, den sie darum nicht leiden kann. Friederike Krickeberg an Kirms 10. 3. 1812 (HSTA Weimar, Genint, Slg. Pasqué 22, 1)
Ich möchte gern den Mann, deßen unsterbliche Wercke, deßen liebliche Dichtungen mich so oft der Last des Lebens entrückten, ich möchte Goethe zeigen, daß keine unwürdige Priesterin der Kunst aus dem Wesen geworden ist, das er auf seinen Armen einst wohl getragen und das diese Erinnerungen auch mit Stolz durchs ganze Leben begleitet haben. Caroline v. Herder an J. G. Müller 6. 12. 1807 (Diintzer 7 3, 346)
B 2 1052 b B 3 2798
Ueber Ihre herrliche Idee zum Grabmal des Vaters werde ich Professor Meyer fragen. Dieser war ehedem des Vaters Freund; er hat den wahren einfachen Geschmack. Goethe hatte ihn abgewandt; vielleicht hat er sich seitdem zum Bessern geändert, wie Goethe denn des Vaters Tod sehr angegriffen haben soll, und er jetzt gute Gesinnungen über ihn äußern soll. Ach, sie haben nur jetzt keinen Werth für mich. Goethe ist für mich todt.
641
1805/1808
Aus den e r s t e n J a h r e n nach S c h i l l e r s Tod
A. Oehlenschläger, Meine Lebens-Erinnerungen (Oehlenschläger 2 2, 100)
B 2 869 a Β 3 2243
Ein junger Baron kam ihm [Goethe] einmal mit erschrecklich großen Lobreden entgegen, aber auch mit sehr eingebildeten Erklärungen über Göthe's Genie, die kein Ende nahmen. Als er fertig war, sagte Göthe: „Sie hören sich gerne selbst reden, Herr Baron!" und kehrte ihm den Rücken zu. A. Oehlenschläger, Meine Lebens-Erinnerungen (Oehlenschläger 2 2, 100)
B 2 869 b B 3 2243
Göthe haßte die Affectation. Er saß einmal bei einer Mittagstafel zwischen zwei Fräulein vom Lande. Das eine war sehr ästhetisch, das andere geradezu und prosaisch. Das ästhetische hatte ihn lange mit ihren närrischen Entzückungen und sublimen Affectationen ermüdet. Als eine Ananas gegessen wurde, rief es: „Ach, ach, Herr Geheimerath! so eine Ananas riecht doch ganz göttlich!" — „Hm!" sagte Göthe, „woher wissen Sie denn eigentlich, wie die Götter riechen?" Drauf wandte er sich an das andere und fragte: „Wie viel Kühe hat Ihr Vater, Fräulein?" Riemer (Keil 5 S. 244)
[Goethe:] „Wir wollen die coquetten und galanten Damen nicht schelten, sondern sie wie ein anderes Glück mit Dank annehmen. Sie sind eine Art von Lotterie, wo man mit geringem Einsatz sehr viel gewinnen, wohl gar das große Loos ziehen kann und niemals eine völlige Niete behält. Dagegen muß man bei andern sich selbst und seine ganze Existenz einsetzen, und am Ende erhält man oft nicht den Einsatz wieder und wird wohl gar bankerott." Graf H. W A. v. Kalckreuth an Goethe 31. 10. 1809 (Femmel, Gemmen S. 216)
Mit Vergnügen erinnere ich mich noch bisweilen, als vor geraumen Jahren ich das Glük hatte in Gesellschaft meines Oheims [General v. Kalckreuth] bey Ihnen zu seyn, wie Sie Ihre geschnittnen Steine mir zeigten, mit einiger Vorliebe, (wie ich mir einbildete) als dem scheinbar besonnenen Mann, unter mehreren Gegenwärtigen. Ungenannt, Nekrolog auf O. Rühle v. Lilienstern (Neuer Nekrolog 25, 486)
Die Münzkunde . . . gestaltete sich [für Rühle] . . . überwiegender als Selbstzweck und Liebhaberei, die bereits vor dem letzten Kriege, durch eine zufallige Anregung Goethe's begonnen hatte.
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G O E T H E IRRTUMLICH Z U G E S C H R I E B E N E G E S P R A C H E UND ZWEIFELHAFTES
26. 9 . / Th. J. Seebeck, Gesprächsnotizen (?) in Goethes Papieren zur Farbenlehre (LA II 4, 22) 5.10.1806 ,
glänz weis local rein. mitelstück unfarbe Schaten morgens roth Braun, mitags Blau Braun abends gelb braun, reflex, am äußeren noch nächst stehenden gegenstanden, im innern eigner Contrast. R. Matthaei a. O.: „Die Notizen sind vermutlich bei einem Gespräch entstanden . . . Nach den Zeugnissen war Goethe 1806 häufig mit Seebeck gemeinsam an Überlegungen und Versuchen zur Farbenlehre, bei einer solchen Gelegenheit mag die Aufzeichnung entstanden sein."
6./13. 10. J. v. Wickede nach Tagebüchern eines preußischen Artillerieoffiziers (Wickede2 2, 78)
B 2 880. 880 a
Einige Tage hatte meine Batterie ruhig in der Umgegend von Gotha im Quartier gestanden, als wir den Befehl erhielten, uns gegen Weimar in Marsch zu setzen. Bei dieser Gelegenheit verweilte ich fast einen ganzen Tag in Weimar und benutzte natürlich diese Gelegenheit, Goethe, der inzwischen zum Minister befördert war, einen Besuch abzustatten. Er nahm mich mit der früheren alten Freundschaft und Herzlichkeit auf, lud mich auch zu Tische und wir plauderten viel von den im Feldzug von 1792 in Frankreich und dann bei der Belagerung von Mainz gemeinschaftlich bestandenen Abenteuern. Im Übrigen fand ich Goethe in einer sehr sorgenvollen, gedrückten Stimmung, wozu er als Minister des Herzogthums Weimar freilich auch alle Ursache hatte. Er war ein zu klarer K o p f und besaß eine zu gereifte Menschenkenntniß, als daß er sich die ungemein vielen Gebrechen und Schwächen aller Art, die sich in unserem ganzen Heere und besonders nun gar in der obersten Leitung zeigten, nur im allermindesten verhehlen konnte. So hegte er denn nichts wie Angst und Besorgniß vor dem Ausgang dieses Krieges und prophezeite uns ein schlimmes Ende, worin ich ihm als preußischer Officier natürlich mit aller Entschiedenheit zu widersprechen für meine Pflicht hielt, obgleich ich in meinem Innern leider manche seiner Befürchtungen nur zu sehr theilte. Daß sich jetzt der Kriegsschauplatz in das Gebiet des Herzogthums Sachsen-Weimar hingezogen hatte, mußte Goethen, als Minister dort, sehr unangenehm sein, denn nicht allein, daß er selbst viel Plage und Arbeit dadurch hatte, so litt das Land ganz ungemein. 643
Irrtümliches und Z w e i f e l h a f t e s Wenn auch die Disciplin in unserem Heere bis jetzt noch sehr strenge gehandhabt wurde, so war es doch nicht zu vermeiden, daß Unordnungen und Excesse in Menge vorkamen und manche Ortschaften hart mitgenommen wurden. Es ist wahrlich keine Kleinigkeit für ein Land, wenn ein starkes Heer wie das unsrige war, sich wochenlang daselbst aufhält und Speisekammer und Keller der Bewohner leert. Alle diese vielen Plagen und Scherereien der verschiedensten Art, die dem weimarischen Lande jetzt erwuchsen und die Goethe, als Minister, besonders hart zu empfinden hatte, mochten ebenfalls wohl viel mit dazu beitragen, daß sein Unmuth über diesen ganzen Krieg und besonders auch die Art und Weise, wie solcher bisher von uns geführt wurde, ein so überaus heftiger war daß er ganz die Ruhe und Würde, die ihm sonst stets in so hohem Grade inne wohnte, darüber vergaß. Besonders hart tadelte er auch, daß wir nicht die Feinde in der Gegend südwärts des Thüringer Waldes selbst angriffen, statt wie es jetzt den Anschein hatte, uns nordwärts davon von ihnen angreifen zu lassen. So glaube ich, daß der Einfluß Goethe's wirklich dabei mit im Spiel gewesen ist, daß der Herzog Carl August von Sachsen-Weimar, der wieder in active preußische Dienste getreten war, es durchzusetzen vermochte, daß er mit einem auserlesenen Corps von zehntausend Mann Infanterie und Artillerie, wobei sich vier Batterien befanden, über den Thüringer Wald gesandt wurde, um den Feind, den wir damals noch immer zwischen Coburg und Bamberg vermutheten, in die Flanke zu fallen . . . Als ich mich am Abend von dem Geheimrath von Goethe verabschiedete, ließ dieser mir noch in den Mantelsack den mein Pferd trug, zwei Flaschen mit einem besonders guten Liqueur den er aus Italien mitgebracht hatte, und einen kleinen silbernen Feldbecher als Angedenken stecken. D a ich meine Bleifeder verloren hatte und ihn um eine neue bat, schenkte er mir noch einen hübschen silbernen Bleifederhalter, den ich als Andenken noch jetzt besitze, während mir der kleine Feldbecher leider bald darauf bei dem unheilvollen Rückzug verloren ging. Der preußische Artillerieoffizier ist eine romanhafte Erfindung v. Wickedes. Vgl. B u G III 540 und Μ. v. Propper, J b G G N F 31, 179 ff. 14. 10.
Graf W. v. Baudissin an Gräfin Susanna v. Baudissin 25. 9. 1807 (Baudissin S. 78)
1806
B 2 890 c
Denk Dir, daß einige ganz gemeine Soldaten ihn [Goethe] gezwungen haben, ihnen die Stiefel auszuziehen! B 2 : „Diese Fabel ist vielleicht entstanden durch eine Verwechselung mit dem Oberkonsistorialrat W Ch. Günther, von dem G. v. Reinbeck derartiges berichtet." Reinbeck berichtet dies allerdings vom „General-Superintendenten Vogt" (Reinbeck 2, 11. 37). Th. Götze, Weimar in den Jahren 1806 und 1813 (NArchiv Sachs. Gesch. 4, 234)
An demselben Abende, als dem 14. October, bei Kanonendonner und während der Plünderung, als der Marschall Lannes und mehrere Befehlshaber der Armee sich bei Goethe zur Tafel befanden, wünschten dieselben die vermeindiche Gemahlin Goethes bei der Tafel zu sehen, um solcher die Honeurs machen zu 644
I r r t ü m l i c h e s und Z w e i f e l h a f t e s können. Goethen blieb nichts übrig, als sie seinen Gästen als seine Gemahlin, nebst seinem Sohn, 211 produziren und selbigen Abend noch wurde sie seine wirkliche Gemahlin. Die in Einzelheiten höchst fragwürdige Erzählung der Caroline Kunhold wurde o. S. 158 f. mit einigen Bedenken abgedruckt; da sie zweifellos auch Ereignisse des 14. Oktober im Goethehaus widerspiegelt, wurde für die Aufnahme entschieden. D e r hier abgedruckte Bericht von T h . G ö t z e geht möglicherweise auf Schilderungen Caroline Kunholds zurück. Das falsche Datum der Trauung Goethes wird auf ähnlich lautenden Zeitungsberichten beruhen.
14./19.
W B o d e nach Erzählungen von Frau Voigtritter 1905 (StG 4, 205)
10. 1806
£ ) a ß Goethe sich mit seiner Christiane Vulpius endlich trauen ließ, war Napoleons Werk. Dieser ließ sich bei Goethe zum Essen ansagen, und als sie aßen, servierte die Christiane. „Wie stehen Sie mit der Dame?" fragte Napoleon, und Goethe wußte keine Antwort. „Das nächste Mal, wenn ich wiederkomme, sind Sie verheiratet!" sagte Napoleon, und Der duldete keinen Widerspruch. Goethe aber tat nichts dergleichen, bis zur Schlacht bei Jena. Als man in Weimar die Kanonen in einem fort bullern hörte, dachte er: „Jetzt kommt Napoleon, jetzt ist's Zeit." Und er sagte zur Vulpius: „Zieh dich ein bißchen gut an!" Sie zog sich an, und unterdessen fuhr der Wagen vor. „Wir wollen ausfahren," sagte Goethe. Und als sie in der Kutsche saßen, sagte er: „Wir wollen uns trauen lassen." So wurden sie in der Jakobskirche getraut, während draußen die Kanonen donnerten. Zu Hause wurde weiter nicht gefeiert. Es war gerade der Wochentag, wo die Schauspieler in Goethes Haus kamen, um ihre Rollen herzusagen. Sie versammelten sich wie gewöhnlich im Saal, und Christiane ging wie sonst zu ihnen hinein und fragte: „Seid ihr alle da?" „Ja, wir sind alle da!" „Na, dann guckt mich einmal an!" Die Schauspieler sahen sie von oben bis unten an, konnten aber nichts Besonderes wahrnehmen. „Na, dann guckt doch ordentlich! Könnt ihr denn wirklich keine Veränderung an mir sehen?" Aber Keiner konnte was Neues an ihr sehen. „Na, dann will ich's euch sagen: ich bin heute Frau Geheime Rat v. Goethe geworden. Wir haben uns heute trauen lassen." Da war der Jubel groß, denn die Schauspieler hatten die Christiane gern, weil sie sie immer gut traktierte und manchmal für sie Fürsprache einlegte. Soweit Frau Voigtritter; diese letzte Szene wollte sie von dem Schauspieler Lortzing gehört haben, der seit 1805 in Weimar war. Andere Leute wissen noch Anderes zu berichten, ζ. B. von Enkeln und Urenkelinnen Goethes hier in Weimar und oben im Gebirge. Im Volke dichtet es eben auch, nicht bloß in einigen „vorgezogenen Geistern". „ G o e t h e als Sagenfigur" überschreibt B o d e diese und andere Goethe-Anekdoten, die mit all ihren Unrichtigkeiten doch auf zeitgenössische Schilderungen zurückgehen. Vgl. auch das voranstehende Zeugnis.
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Irrtümliches und Zweifelhaftes W. Waiblingen Tagebuch 26. 3. 1822 (Königer S. 552)
Das Merkwürdigste ist, daß sie [die Schauspielerin Maria Elise Müller] eine persönliche Bekannte von Goethe, mir einiges, worüber ich noch nie Aufschluß erhalten konnte, von ihm mitgeteilt hat. Vulpius hat Goethen nicht weiter als 13 Kinder geboren. Das klingt lustig. Alle starben bis auf den letzten, Emil, der eben nicht sonderlich geriet, aber völlig anerkannt wurde. Er wollte Philolog werden. Goethe, aus seiner Italienischen Reise zurückkommend, wo er ziemlich geschwelgt hatte, sah das 14jährige schöne Mädchen, liebte sie, und so ward sie seine Maitresse. Erst als Weimar bombardiert werden sollte, ließ er sich mit ihr kopulieren. Sie war die schändlichste Saufboldin. Madame Müller sah sie selbst oft auf dem Sofa besoffen liegen. Sie machte einsmals in einer Amazonenhülle mit Studenten einen rasenden Spektakel, was ihr aber der alte Herr aufs strengste untersagte. Vgl. zum vorigen. Nov. 1806 Riemer, Aphorismen S. 294
B 2 908 B 3 2320
Im Nov. 1806. [Goethe:] „Den Verstandesphilosophen begegnet's und muß es begegnen, daß sie undeutlich aus gar zu großer Liebe zur Deutlichkeit schreiben. Indem sie für jede Enunciation die Quelle oder ihr Acheminement nachweisen wollen, von dem Orte an, wo sie ins Räsonnement eingreift, bis zu ihrem Ursprünge, auf welchem Wege wieder Anderes acheminirt und einläuft, geht es ihnen, wie Dem, der einen Fluß von seiner Mündung an aufwärts verfolgt, und so immer auf einfallende Bäche und Flüßchen stößt, die sich wieder verzweigen, so daß er am Ende ganz vom Wege abkommt und in Deverticulis logirt. Beispiele geben Kant, auch Hegel. Aristoteles ist noch mäßig mit seinen D e n n ' s und y á p . Sie weben eigentlich nicht den Teppich, sondern sie dröseln ihn auf und ziehen Faden aus; die Idealphilosophen sitzen eigentlich am Stuhl, zetteln an und schießen ihr Schiffchen durch. Manchmal reißt wohl ein Faden, oder es entstehen Nester, aber im Ganzen giebt's doch einen Teppich." Einige der ,Aphorismen und Brocardica', die Riemer Goethe in den Mund legte, haben vermutlich allein Riemer zum Autor. Riemer selbst war sich nicht immer im klaren, wem die Gedankenspäne zuzuordnen seien. So schrieb er z. B. unter ein notiertes Bonmot „Ich weiß nicht, wem diese Bemerkung angehört, ob mir oder G.; ich schrieb sie in Karlsbad nieder." (Pollmer 2 S. 78). Zweifel des Editors aufgrund stilistischer Merkmale allein reichen in der Regel nicht aus, Texte aus dem Gesprächscorpus auszuschließen (vgl. etwa S. 313 24. 7. 1807 oder S. 315 27. 7. 1807). Der hier mitgeteilte Text aus den .Aphorismen' ist von Riemer in Anführungszeichen gesetzt und damit Goethe zugeschrieben worden (seine eigenen Aphorismen setzte er in dieser Ausgabe in eckige Klammern), er wird jedoch durch eine handschriftlich überlieferte, stark abweichende Vorstufe eindeutig als Denkübung Riemers ausgewiesen. Diese Vorstufe lautet: Kant, selbst Aristoteles Den Verstandesphilosophen begegnet oft und muß es begegnen, daß sie undeudich und gar zu große Deutlichkeit schreiben. Indem sie jeder Kommunication die Quelle, oder das Herankommen derselben bis an den Ort, wo sie eingreift, nachweisen wollen, begegnen sie wieder einem anderen einschießenden Faden, und so fort. Wie der, der einen Fluß vom Meer aus aufwärts verfolgt in Gefahr ist sich in die Nebenarme einströmender Flüsse zu verirren. Jede Kommunication beruht auf einer Menge von Anschauungen; und diese sind wieder durch andere bedingt und so ins Unendliche [Innerliche?] fort, wer will dieses Gewebe aufdröseln, und die Faden aufziehen? (Pörksen S. 48 Nr. 46)
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I r r t ü m l i c h e s und Z w e i f e l h a f t e s Riemer (GMD, Kasten Goetheana)
Das Wasser wirkt im Löschen eigentlich nur als Luft benehmend. Das Zischen rührt von den Wassertheilchen her, die zunächst dem Feuer kommen, von ihm gekocht und verdampft werden, u das Platzen von den zerspringenden Dampfkügelchen oder Bläschen. Daher kann man auch mit was andrem als Wasser löschen; mit Mist, überh mit zudeckenden Körpern. Unsicher, ob Riemer hier den Inhalt eines Gesprächs mit Goethe notiert hat. Die Notiz findet sich auf der Rs. eines Blattes, auf dem Riemers Aphorismus „Den Verstandesphilosophen begegnet's . . ." (vgl. o. S. 646) überliefert ist. 1806
Riemer (*JbGG NF 32, 270; Keil 5 S. 173)
B 3 2785
1806. (Goethe) „Wenn er uns in frühern Werken die Objecte und die Eindrücke, die sie machen, mit Worten dargestellt hat, so bemüht er sich in den spätem und späten auch die Verhältnisse der Objecte unter einander mit Worten wiederzugeben." (d. h. er symbolisirt sie.) B 3 nimmt an, daß Riemer hier eine Bemerkung notierte, die „Goethe über sich selbst" machte. Eher ist wohl an eine Beobachtung Riemers zu denken, zumal Keil eingangs in der Klammer einen zunächst gesetzten Doppelpunkt wieder gelöscht hat. Jan. 1807
Knebel an Jean Paul 8. 1. 1807 (E. Förster 3, 136)
B 3 2299
Den mächtigen Kaiser haben wir mitten in den Flammen gesehen. Göthe schickte mir in meiner Noth ein paar Flaschen Kapwein, die gerade recht kamen zu einem Mann, den die Franzosen ganz auf's Trockne gesetzt. Er selbst war die ganze Zeit mit seiner Optik beschäftigt. — Wir studieren hier unter seiner Anleitung Osteologie, wozu es passende Zeit ist, da alle Felder mit Präparaten besät sind. Da von Weinlieferungen und der Arbeit an der Farbenlehre in vielen Briefen Goethes an Knebel Okt. 1806/Jan. 1807 die Rede ist, bezieht sich Knebel hier offensichtlich nicht auf Unterhaltungen mit Goethe (Knebel war am 22./23. 12. 1806 in Weimar zu Besuch gewesen, vgl. o. S. 197). Unter Goethes persönlicher „Anleitung" konnten damals in Jena keine osteologischen Untersuchungen stattfinden, da Goethes erster Besuch nach der Schlacht von Jena dort erst im Mai erfolgte. 23. 4. 1807
Bettina v. Arnim, Goethes Briefwechsel mit einem Kinde (Schmitz/Steinsdorff S. 27)
B 2 981
[Bettina Brentano an Elisabeth Goethe Sept. 1807] . .. Ein Veilchenstrauß, den Ihr Herr Sohn, in Weimar in Gesellschaft bei Wieland, mir heimlich im Vorübergehen %uwarf. — Frau Mutter, damals war ich eifersüchtig auf den Wolfgang und glaubte, die Veilchen seien ihm von Frauenhand geschenkt; er aber sagte: kannst Du nicht zufrieden sein, daß ich sie Dir gebe? — Ich nahm heimlich seine Hand und %og sie an mein Her% er trank aus seinem Glas und stellte es vor mich, daß ich auch draus trinken sollte·, ich nahm es mit der linken Hand und trank, und lachte ihn aus, denn ich wußte, daß er es hier hingestellt hatte, damit ich seine Hand loslassen sollte. Er sagte: hast Du solche List, so wirst Du auch wohl mich fesseln wissen mein Leben lang. Während Bettinas erstem Besuch bei Goethe am 23. 4. 1807 — an den zu denken legt das fiktive
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Irrtümliches und Z w e i f e l h a f t e s Briefdatum nahe — fand keine „Gesellschaft bei Wieland" statt. Auch während ihres zweiten Besuchs in Weimar (1. —10. 11. 1807) scheint Betüna nicht mit Goethe zusammen bei Wieland gewesen zu sein. Die drei sahen sich am 1. 11. abends bei Johanna Schopenhauer. Eine Anspielung auf diese Szene findet sich auch im Brief vom 6. 6. 1809 (Schmitz/Steinsdorff S. 274). Varnhagen, Tagebuch 25. 7. 1856 (Varnhagen 3 13, 98)
Nachmittags kam Frau Bettina von Arnim . . . Sie erwähnte . . . des Sonettes „Charade", das . . . auf sie gedichtet worden sei, und fragte, ob sie mir je die Auflösung des Worträthsels gesagt? „O ja, die weiß ich sehr gut, „Nachtlicht" gaben Sie als das Wort an." . . . sie . . . verbesserte . . . mich schnell und sagte: „Nein, Nachtlicht ist falsch, Abendlicht ist das Wort, so nannte mich Goethe, weil ich Abends gekommen war und ihm den Abend erhellte." Ich erwiederte gelassen: „Damals sagten Sie Nachtlicht, und dies paßt auch allenfalls, Abendlicht aber nicht, es dürfen nur zwei Silben sein, und Abendlicht hat drei." Möglich, daß Goethe Bettina „Abendlicht" genannt hat. In dem Sonett „Zwei Worte sind es . . ." ist jedenfalls kein Echo auf Bettinas ersten Besuch bei Goethe zu sehen, denn es gehört dem Jenaer Zyklus von 1807 an und verlangt das Lösungswort Herzlieb. 6. 6. 1807 Riemer, Tagebuch 6. 6. 1807 (Keil 5 S. 232)
Gegen Mittag kam der Herzog von Weimar [nach Karlsbad], Hackert's Biographie gelesen. Nach Tische kam Reinhard. Uber die Farbentheorie gesprochen. In Cramers Individualitäten gelesen. Da Goethes Tagebuch von diesem Tage weder Reinhard noch Hackerts Biographie oder Cramers Individualitäten erwähnt, muß offen bleiben, ob die Lektüre gemeinsam mit Goethe vorgenommen wurde; Reinhards Besuch könnte Riemer allein gegolten haben. 14.7.
Riemer, *Mittheilungen 2, 660 (GSA, Riemer 866)
1807
B 2 1018 B 3 2502
Carlsbad