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German Pages 388 Year 2002
MATTHIAS STUPP
GmbH-Recht im Nationalsozialismus
Schriften zur Rechtsgeschichte Heft 93
GmbH-Recht im Nationalsozialismus Anschauungen des Nationalsozialismus zur Haftungsbeschränkung, Juristischen Person, Kapitalgesellschaft und Treupflicht Untersuchungen zum Referentenentwurf 1939 zu einem neuen GmbH-Gesetz
Von
Matthias Stupp
Duncker & Humblot · Berlin
Gedruckt mit Unterstützung der Deutschen Forschungsgemeinschaft
Die Deutsche Bibliothek - CIP-Einheitsaufnahme Stupp, Matthias: GmbH-Recht im Nationalsozialismus : Anschauungen des Nationalsozialismus zur Haftungsbeschränkung, Juristischen Person, Kapitalgesellschaft und Treupflicht ; Untersuchungen zum Referentenentwurf 1939 zu einem neuen GmbH-Gesetz / Matthias Stupp. - Berlin : Duncker und Humblot, 2002 (Schriften zur Rechtsgeschichte ; H. 93) Zugl.: Hamburg, Univ., Diss., 2001 ISBN 3-428-10803-5
Alle Rechte vorbehalten © 2002 Duncker & Humblot GmbH, Berlin Fremddatenübernahme: Selignow Verlagsservice, Berlin Druck: Berliner Buchdruckerei Union GmbH, Berlin Printed in Germany ISSN 0720-7379 ISBN 3-428-10803-5 Gedruckt auf alterungsbeständigem (säurefreiem) Papier entsprechend ISO 9706 θ
Vorwort Die Arbeit hat im Sommersemester 2001 dem Fachbereich Rechtswissenschaft der Universität Hamburg vorgelegen. Mein besonderer Dank gilt meiner verehrten Lehrerin, Frau Prof. Dr. Maximiliane Kriechbaum, die das Thema der Arbeit an mich herangetragen und mich in jeder nur erdenklichen Weise unterstützt hat. Sie ist mir in wissenschaftlicher und auch persönlicher Hinsicht während meiner Zeit als ihr Mitarbeiter in Hamburg zum Vorbild geworden. Gerne denke ich an die vielen Gespräche, mit welchen sie meine Forschung und meine Arbeit förderte und bereicherte. Für ihr großes unermüdliches Engagement und ihre ansteckende Begeisterung für das Thema möchte ich ihr meinen herzlichsten Dank aussprechen. Mein Dank gilt ebenfalls Herrn Prof. Dr. R. Walz für seine rasche Zweitkorrektur und fruchtbaren Anregungen. Ebenfalls bedanken möchte ich mich bei der Deutschen Forschungsgemeinschaft in Bonn für die großzügige Unterstützung bei der Veröffentlichung der Arbeit. Mein Dank gilt schließlich meinen Eltern und Herrn Ray Strachan-Johnston, sowie Frau Ina Eichholz und Frau Monika Ringart für ihre ständige Unterstützung. Hamburg, im Oktober 2001
Matthias Stupp
Inhaltsverzeichnis Einleitung
15 Erstes Kapitel Die GmbH als Unternehmensform bei Machtübernahme
A. Die mißbräuchliche Verwendung der GmbH (1892-1933) I. Mißbrauch der Organisationsform II. Risikoabwälzung durch Haftungsbeschränkung B. Behandlung der Mißbrauchsfälle in der frühen nationalsozialistischen Literatur (1933-1935) I. Die Forderung zur Abschaffung durch Großmann-Doerth II. Reformvorschläge von Crisolli C. Frühe gesetzgeberische Aktivitäten (1933-1935) I. Die Umwandlungsgesetzgebung von 1934 II. Reaktionen auf die amtlichen Begründungen zum Umwandlungs- und Steuererleichterungsgesetz III. Das Auflösungs- und Löschungsgesetz von 1934 IV. Der Aktienrechtsausschuß und das Aktiengesetz von 1937 D. Auswirkungen der NS-Gesetze auf den GmbH-Bestand E. Zusammenfassung
22 22 24 30 33 36 50 60 60 76 83 84 89 96
Zweites Kapitel Ideologie der Vorkriegsjahre: Die Haftungsbeschränkung in der NS-Wirtschaftsordnung A. Das Prinzip von der Einheit von Herrschaft und Haftung I. Forderungen zur Abschaffung der GmbH (1934-1937) II. Reformvorschläge (1935-1938) B. Verantwortungs- und Führerprinzip I. Führerprinzip als Teil der NS-Wirtschaftsordnung II. Die Verwirklichung des Führergrundsatzes im AktG 1937 III. Die Rolle des Führerprinzips in der GmbH (1934-1938) C. Anonymität (1933-1938) D. Ausleseprinzip (1934-1937) I. Auslese im Außenverhältnis bei freier Unternehmerinitiative II. Auslese im Innenverhältnis: Die Führerqualität E. Zusammenfassung
98 98 103 115 125 128 131 136 141 151 151 156 160
8
nsverzeichnis
Drittes Kapitel Ideologie der Vorkriegsjahre: Juristische Person, Kapitalgesellschaft und Treupflicht im Wandel A. Die Überwindung des gesellschaftsrechtlichen Dualismus zwischen juristischer Person und Gesamthand I. Die Definition der juristischen Person durch Siebert, 1935 1. NS-Rechtstheorie: Konkretes Ordnungsdenken bei Schmitt 2. Die juristische Person in den deutschrechtlichen Theorien II. Die juristische Person im Gemeinschaftsrecht nach Rhode (1935) III. Die Rechtsverkehrsfähigkeit eines Unternehmens, Siebert, 1936 B. Aktienrechtliche Diskussion zum Wesen der Kapitalgesellschaft I. Literatur (1934-1937) II. Die Beratungen des Ausschusses für Aktienrecht der Akademie für Deutsches Recht (1934-1936) III. Das Aktiengesetz von 1937 C. Zusammenfassung
161
162 170 171 175 185 189 197 198 205 209 216
Viertes Kapitel Die Beratungen des Ausschusses für GmbH-Recht der Akademie für Deutsches Recht, 1937-1939 A. Einstellung des Ausschusses zum Beibehalten der GmbH I. Diskussion über die beschränkte Haftung II. Das Signal an die Öffentlichkeit: Der erste Ausschußbericht (1938) III. Der zweite Ausschußbericht: Wende in der GmbH-Politik (1940) IV. Nutzen der GmbH für den NS-Staat B. Auswirkungen der Diskussion um die Haftungsbeschränkung I. Spezifisch ideologische Vorschläge 1. Ausbau des Führerprinzips 2. Publizitätsvorschriften gegen die Anonymität 3. Auslese der Führer 4. Ergebnis hinsichtlich des ideologischen Gehalts der Ausschußprotokolle ... II. Sicherungsvorschriften als Ausgleich zur Haftungsbeschränkung 1. Aufbringung des Stammkapitals 2. Erhaltung des Stammkapitals a) Angemessenheit von Geschäftsführergehältern b) Gesellschafterdarlehen im Konkurs c) Erwerb eigener Anteile 3. Ergebnis bezüglich der Einführung von Sicherungsvorschriften C. Auswirkungen der Diskussion um die juristische Person I. Annäherung von Körperschaft und Gesellschaft: Personengesellschaftsrechtliche Elemente im GmbH-Recht 1. Anwachsung eines Anteils bei Neuerwerb oder Kapitalerhöhung
218 219 220 228 231 236 240 240 243 248 251 253 253 253 260 261 264 267 271 272 277 278
nsverzeichnis 2. Gesamtschuldnerische Haftung der Gesellschafter 3. Zwangsweiser Ausschluß und Austritt eines Gesellschafters 4. Auflösungsklage 5. Ergebnis zur personenrechtlichen Grundlage der GmbH II. Treupflicht der Gesellschafter zur GmbH: Übernahme der §§ 101, 197 Abs. 2 AktG 1937? III. Treupflicht der GmbH-Gesellschafter untereinander: Verstärkung der Minderheitsrechte als Ausdruck der Treupflicht 1. (Minderheits-)Recht auf Auskunft, Bucheinsicht, Bilanzprüfung und Anfechtung 2. Ergebnis hinsichtlich des Minderheitenschutzes D. Zusammenfassung
281 284 287 290 291 292 294 300 300
Fünftes Kapitel Der Referentenentwurf (RefE) von 1939 als Produkt der Diskussionen und Ausschußberatungen
302
A. Wesen der GmbH als (Personen-)„Gesellschaft" und juristische Person 306 B. Personengesellschaftsrechtliche Elemente bezüglich der inneren Ausgestaltung der GmbH 314 I. Anwachsung bei Übernahme eines weiteren Anteils oder Kapitalerhöhung, § § 42 Abs. 4, 108 Abs. 2 RefE 314 II. Gesamtschuldnerische Haftung der Gesellschafter, §§24 Abs. 1, §35 Abs. 2 RefE 317 III. Zwangsweiser Ausschluß und Austritt, §§136 Abs. 1, 137 RefE 319 IV. Auflösungsklage gem. § 138 RefE 321 V. Treupflicht der Gesellschafter: Schadensersatz beim Erlangen gesellschaftsfremder Vorteile, § 76 Abs. 1 RefE 323 VI. Treupflicht der Gesellschafter untereinander: Ausgestaltung der Minderheitsrechte 326 1. Auskunftsrecht und Bucheinsicht gem. §77 Abs. 1 RefE 327 2. Prüfungsrechte, §§79,92 RefE 329 3. Anfechtungsrecht, §§ 130ff. RefE 330 4. Erweiterung der Auflösungsklage gem. § 138 Abs. 1 RefE 333 C. Vorschriften als Ausgleich zur Haftungsbeschränkung 333 I. Aufbringung des Stammkapitals 334 II. Erhaltung des Stammkapitals 336 1. Rückgewähr von Einlagen 336 2. Gesellschafterdarlehen 337 3. Geschäftsführergehälter 338 4. Erwerb eigener Anteile 341 5. Haftung des Einmanngesellschafters im Konkurs 341 III. Führerprinzip 343 IV. Publizitätsvorschriften 345 D. Zusammenfassung 347
10
nsverzeichnis
Schlußbetrachtung
350
Anhang
357
Quellenverzeichnis
369
Literaturverzeichnis
379
Stichwortverzeichnis
383
Abkürzungsverzeichnis a. E. a. F. a. a.O. AbR Abs. AcP ADHGB AG AktG AktR ALR amtl. AmtsG Anm. Art. AT Aufl. BankA BArch Bd. BGB BGBl. BGH BGHZ Bl. BNSDJ BRat bzw. ca. Co. d. Verf. d.h. ders. DJ DJZ DNotZ DR DRW dt. DurchfVO
am Ende alte Fassung am angegebenen Ort Archiv des bürgerlichen Rechts Absatz Archiv für die civilistische Praxis Allgemeines Deutsches Handelsgesetzbuch Aktiengesellschaft Aktiengesetz Aktienrecht Allgemeines Landrecht amtlich Amtsgericht Anmerkung Artikel Allgemeiner Teil Auflage Bank-Archiv Bundesarchiv Band Bürgerliches Gesetzbuch Bundesgesetzblatt Bundesgerichtshof Entscheidungen des BGH in Zivilsachen Blatt Bund Nationalsozialistischer Deutscher Juristen Bundesrat beziehungsweise circa Compagnie des Verfassers das heißt derselbe Deutsche Justiz, Rechtspflege und Rechtspolitik Deutsche Juristen-Zeitung Deutsche Notar-Zeitschrift Deutsches Recht Deutsche Rechtswissenschaft deutsch Durchführungsverordnung
12 EGHGB Einl. evtl. f. ff. Fn. gem. GenG GIK. GmbH GmbHG GmbHR GmbHR-Ausschuß GOnA GrErwStG HansRGZ HGB i.V. m. IHK Jahrb. JuS JW JZ Kap. KG KG Berlin KO LG LM LZ M nat. NJW Nr. NS NSDAP oHG OLG pr. Prof. RA RAbgO RefE RFGG RG RGBl.
Abkürzungsverzeichnis Einführungsgesetz zum HGB Einleitung eventuell folgende fortfolgende Fußnote gemäß Genossenschaftsgesetz Gewerbe- und Industriekommentare Gesellschaft mit beschränkter Haftung Gesetz über die GmbH Rundschau für GmbH Ausschuß für GmbH-Recht Gesetz zur Ordnung der nationalen Arbeit Grunderwerbssteuergesetz Hanseatische Rechts- und Gerichtszeitschrift Handelsgesetzbuch in Verbindung mit Industrie- und Handelskammer Jahrbuch Juristische Schulung Juristische Wochenschrift Juristenzeitung Kapitel Kommanditgesellschaft Kammergericht Berlin Konkursordnung Landgericht Lindenmaier/Möhring, Nachschlagewerk des BGH Leipziger Zeitschrift für Handels-, Konkurs- und Versicherungsrecht/Leipziger Zeitschrift für Deutsches Recht Mark national Neue Juristische Wochenschrift Nummer Nationalsozialismus Nationalsozialistische Deutsche Arbeiterpartei offene Handelsgesellschaft Oberlandesgericht Preußisch Professor Rechtsanwalt Reichsabgabenordnung Referentenentwurf Reichsgesetz über die Freiwillige Gerichtsbarkeit Reichsgericht Reichsgesetzblatt
Abkürzungsverzeichnis RGZ RJM RM Rn. RSiedlG Rspr. S. s.o. s.u. Sess. Sp. StEG u. u.a. ugs. UmwG usf. UStG usw. V.
vgl. VO Volkst. ZfR Vorb. WZuwStG z.B. ZAkfDR ZfB ZfSchwR ZGB ZGR ZHR Ziff.
Entscheidungen des RG in Zivilsachen Reichsjustizministerium Reichsmark Randnummer Reichssiedlungsgesetz Rechtsprechung Seite siehe oben siehe unten Session Spalte Steuererleichterungsgesetz und unter anderen umgangssprachlich Umwandlungsgesetz und so fort Umwandlungssteuergesetz und so weiter von vergleiche Verordnung Volkstümliche Zeitschrift für Rechtskunde Vorbemerkung Wertzuwachssteuergesetz zum Beispiel Zeitschrift der Akademie für Deutsches Recht Zeitschrift für Betriebswirtschaft Zeitschrift für schweizerisches Recht Zivilgesetzbuch Zeitschrift für Unternehmens- und Gesellschaftsrecht Zeitschrift für das gesamte Handelsrecht und Konkursrecht Ziffer
Einleitung Die Gesellschaft mit beschränkter Haftung (GmbH) verdankt ihre Entstehung den im vorletzten Jahrzehnt des 19. Jahrhunderts vorgetragenen Wünschen, vor allem seitens der Berliner Kaufmannschaft, nach einer neuen Gesellschaftsform. 1 Nach dem siegreichen Krieg von 1870/1871 gegen Frankreich und der Reichsgründung unter Bismarck setzte ein außerordentlicher wirtschaftlicher Aufschwung ein, der das Bedürfnis der Gründerzeit nach einer Gesellschaftsform weckte, die der Aktiengesellschaft (AG) gegenüber flexibler sein sollte. Das Aktienrecht, welches seinen Standort im Allgemeinen Deutschen Handelsgesetzbuch (ADHGB) von 1861 in den Art. 207 bis 249 hatte2, war mit Gesetz vom 18. Juli 1884 insbesondere in den Gründungsvorschriften erheblich verschärft worden.3 Für viele Unternehmen, denen die Rechtsform der offenen Handelsgesellschaft (oHG) wegen der unbeschränkten Haftung aller Gesellschafter nicht gelegen war, erschwerte sich damit der Zugang zu den Kapitalgesellschaften. Ihre Stellung sollte die neue Gesellschaftsform zwischen der auf wenige Gesellschafter zugeschnittenen oHG und der mit wenig Risiko für die Beteiligten ausgestatteten AG finden. Dabei war von Anfang an umstritten, ob sich ein solches Ziel eher im Wege der Schaffung einer „oHG mit beschränkter Haftung " oder einer AG mit gelockerten Publizitäts- und Kontrollvorschriften verwirklichen ließe. Eine Auffassung, darunter auch die der Kaufmannschaft zu Berlin, vertrat den Standpunkt, man solle auf der offenen Handelsgesellschaft aufbauen und lediglich die Haftung der Gesellschafter begrenzen. Die Gesellschaft war hier individualistisch gedacht; die andere Auffassung erstrebte eine Milderung der Aktiengesellschaft, wobei insbesondere die strengen Vorschriften über die Gründung beseitigt werden sollten.4 Die Übertragung der auf den Namen lautenden Anteile hingegen sei zu erschweren. Hier überwog der kollektivistische Gedanke. 1 Allgemein zur Entstehung vgl. Hachenburg/Ulmer, GmbHG, 8. Aufl. 1992, Bd. 1, Einl. Rn.3. 2 Nach Inkrafttreten des neuen HGB vom 10. Mai 1897 zum 1.1.1900 (vgl. Art. 1 EGHGB) wurde das Aktienrecht dort in den §§ 178 bis 319 geregelt. 3 RGBl. Nr. 22 vom 31. Juli 1884, Inkrafttreten des Gesetzes am 14. August 1884. Vgl. Rudorff, HGB vom 10. Mai 1897, S. 121 zum Bestreben des Aktiengesetzes von 1884, die Mißbräuche „durch thunlichste Oejfentlichkeit der Vorgänge bei der Gründung und Verwaltung der Gesellschaften und durch eine streng durchgeführte strafrechtliche und privatrechtliche Verantwortlichkeit der bei der Gründung und Verwaltung mitwirkenden Personen nach Möglichkeit einzudämmen. " 4 Vgl. ausführlich Hachenburg/Ulmer, GmbHG, 8. Aufl. 1992, Bd. 1, Einl. Rn.5.
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Einleitung
Erstmals wurde ein Entwurf der „Gesellschaft mit beschränkter Haftbarkeit" bereits 1884 vom Reichstagsabgeordneten Wilhelm von Oechelhäuser vorgelegt.5 Er war der festen Überzeugung, „daß dasjenige Land, welches die sichersten, einfachsten und mannigfaltigsten Rechtsformen für die Vereinigung von Kapital und Person hat, vor anderen Ländern, die hierin zurückbleiben, einen wirtschaftlichen Vorsprung gewinnen muß. " 6 Sein Vorschlag sah die neu zu schaffende Gesellschaft als einen gesamthänderischen Personenverband mit Selbstorganschaft, dessen Innenverhältnis sich grundsätzlich nach oHG-Recht richten sollte (§ 2 des Entwurfs 7). Im Außenverhältnis sollte an die Stelle der persönlichen Haftung eine solche des Gesellschaftskapitals treten, welches aus der Summe der Einlagen bestand (§ 1 Abs. 1 des Entwurfs 8). Für den Fall, daß die Einlagen nicht in voller Höhe aufgebracht worden waren, sollten die Gesellschafter gesamtschuldnerisch haften (§5 des Entwurfs 9). Dieser nur aus acht Paragraphen bestehende Entwurf, der aufgrund seiner Verweisung auf das Recht der oHG einfach gehalten und am Personengesellschaftsrecht stark orientiert war, setzte sich jedoch nicht durch. Der Entwurf des Reichsjustizamtes, im Dezember 1891 veröffentlicht, vom Bundesrat überarbeitet und im Februar 1892 dem Reichstag vorgelegt, orientierte sich am Leitbild des Aktiengesetzes und schuf die GmbH als eine kleinere AG. Zwar stellte der Entwurf die Mittelstellung der GmbH zwischen den individualistischen Gesellschaftsformen und der kapitalistischen AG heraus 10, es überwogen jedoch die Strukturelemente der AG. 11 Nach § 13 Abs. 1 GmbHG 12 hatte die GmbH in Anlehnung an die AG (Art. 213 ADHGB) selbständig ihre Rechte und Pflichten, konnte Eigentum und andere ding5
Abgedruckt bei Wieland, Handelsrecht Bd. 2 ( 1931 ), S. 399 f. und bei Schilling, Festschrift Kunze (1969), S.205. Vgl. hierzu auch Schubert, Die GmbH-Eine neue juristische Person, S.l ff. 6 Oechelhäuser, Reichstag, V. Legislaturperiode, IV.Sess., Bd. 1, 1884, S. 220ff. 7 Vgl. Wieland, a. a. O., § 2 des Entwurfs von Oechelhäuser: „Auf die Gesellschaften mit beschränkter Haftbarkeit finden die Bestimmungen Buch II Titel I des Handelsgesetzbuches (AHGB) über die offenen Handelsgesellschaften Anwendung, insofern sie nicht durch nachfolgende Bestimmungen abgeändert oder ergänzt werden. " 8 Vgl. Wieland, a.a.O., § 1 Abs. 1 des Entwurfs von Oechelhäuser: „Eine Handelsgesellschaft mit beschränkter Haftbarkeit ist vorhanden, wenn zwei oder mehr Personen ein Handelsgewerbe oder sonstiges Unternehmen unter gemeinschaftlicher Firma betreiben und bei sämtlichen Gesellschaftern die Beteiligung, mit Ausschluß jeder weiteren persönlichen Haftung, auf bestimmte Vermögenseinlagen beschränkt ist. u 9 Vgl. Wieland, a. a. O., § 5 des Entwurfs von Oechelhäuser: „Die Gesellschafter haften für alle Verbindlichkeiten der Gesellschaft solidarisch, jedoch nur bis zur Höhe des eingetragenen Grundkapitals (3). Waren also die Einlagen nicht voll eingezahlt, so sind sämtliche Gesellschafter für alle nicht einbezahlten Beträge solidarisch verhaftet. " 10 Entwurf 1891, Begründung S.35. 11 Hachenburg/Ulmer, GmbHG, 8. Aufl. 1992, Bd. 1, Einl. Rn.4. 12 Die folgenden GmbHG-Vorschriften beziehen sich, soweit nicht anders gekennzeichnet, auf das GmbHG vom 20. April 1892 (RGBl. 1892, 477 ff.). Durch Wegfall des §40 GmbHG durch Gesetz vom 20. Mai 1898 verschoben sich von da an die Vorschriften ab ebenda jeweils um eine Stelle nach vom.
Einleitung
liehe Rechte an Grundstücken erwerben und vor Gericht klagen und verklagt werden. Für die Verbindlichkeiten der Gesellschaft haftete diese gem. § 13 Abs. 2 GmbHG nur mit einem Haftungsfonds (vgl. Art. 207 ADHGB für die AG), der nach § 5 Abs. 1 GmbHG mindestens 20.000,- Reichsmark betragen mußte, und welcher durch die Einlagen der Gesellschafter aufgebracht wurde. Diese hafteten nach Leistung ihrer Einlage nicht mehr. 13 Als oberstes willensbildendes Organ bestand nach den § § 46 ff. GmbHG die Gesellschafterversammlung (vgl. Art. 224 ADHGB für die Generalversammlung der AG), § 53 GmbHG regelte den fakultativen Aufsichtsrat (vgl. Art. 225 ADHGB) und § 6 GmbHG sah die Vertretung der GmbH durch Geschäftsführer mit der Möglichkeit der Fremdorganschaft vor (vgl. für den Vorstand der AG Art. 227 ADHGB). Der Entwurf wurde bereits in der Sitzung vom 21. März 1892 in dritter Lesung angenommen und nach erfolgter Zustimmung des Bundesrats als Gesetz am 20. April 1892 ausgefertigt. Die Verkündung im Reichsgesetzblatt erfolgte am 26. April 1892.14 Das Gesetz trat am 19. Mai 1892 in Kraft. Trotz der Anlehnung des GmbHG von 1892 an die AG stellte sich schnell heraus, daß die GmbH in der Rechtswirklichkeit vielmehr einem personalistischen Zusammenschluß gleichkam. Die durch § 46 Abs. 1 GmbHG eröffnete Möglichkeit, durch Satzung das Innenverhältnis der Gesellschaft abweichend von den §§47 bis 52 GmbHG 15 regeln zu können, hatten viele, vorwiegend kleinere und mittlere Betriebe wahrgenommen. Trotz eigener Rechtsfähigkeit, einem gesicherten Haftungsfonds für die Gläubiger und dem Ausschluß der persönlichen Haftung der Gesellschafter, glich die innere Ausgestaltung der GmbH in der Rechtswirklichkeit daher mehr derjenigen einer oHG. So konnte beispielsweise der vom Gesetz vorgesehene Grundsatz der Fremdorganschaft (§ 6 Abs. 2 GmbHG) durch Gesellschaftsvertrag abgeändert werden, was zur Selbstorganschaft führte und damit ein wesentliches Merkmal der Kapitalgesellschaften, die Trennung von Geschäftsführung und Kapitalbeteiligung, außer Acht ließ. Eingehend beschrieben hat diese rechtstatsächliche Entwicklung der GmbH Ronald in der Stroth in seiner Dissertation von 1992 über „Das Recht der GmbH bis 1933 " 1 6 . Stroht kommt nach seinen Untersuchungen zu dem Ergebnis, „daß der Gesetzgeber im Jahre 1892 besser beraten gewesen wäre, entsprechend 13
Dies ergibt sich schon aus § 13 Abs. 1 GmbHG; Art. 207 Abs. 1 ADHGB war insofern noch deutlicher gefaßt gewesen: „Eine Handelsgesellschaft ist eine Aktiengesellschaft, wenn sich die sämmtlichen Gesellschafter nur mit Einlagen betheiligen, ohne persönlich für die Verbindlichkeiten der Gesellschaft zu haften. " Die Vorschrift wurde jedoch im neuen HGB vom 10.5.1897 gestrichen. 14 RGBl. 1892,477. 15 Die Vorschriften betrafen die Zuständigkeit der Gesellschafter (§ 47 GmbHG), die Beschlußfassung (§ 48 GmbHG), die Gesellschaftsversammlung (§ 49 GmbHG), deren Einberufung (§ 50 GmbHG) und die Minderheitsrechte der Gesellschafter (§51 GmbHG), sowie Form und Frist der Einberufung (§ 52 GmbHG). 16 Stroth, S. 144. 2 Stupp
Einleitung
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dem damaligen Wunsch der Kaufmannschaft, in Anlehnung an den Oechelhäuserischen Entwurf einer Gesellschaft mit beschränkter Haftbarkeit vom Februar 1884, [...], eine nach Art der OHG ausgestaltete Personengesellschaft mit beschränkter Haftung, ohne Gewährung der eigenen Rechtspersönlichkeit, zu schaffen, so wie es später ζ. B. die Liechtensteinische Regelung von 1926 sowie der Schweizer Entwurf von 1928 vorgesehen haben. " 17 Stroth stellt fest, daß die tatsächliche Entwicklung der GmbH bereits bis 1933 zu einer Diskrepanz zwischen ihrem rechtlichen Aufbau und der wirtschaftlichen Realität geführt habe. Stroth untersuchte verschiedene Studien18 und Statistiken19 zur GmbH und betrachtete die GmbH in der Wirtschaftsrealität anhand ihrer kapitalmäßigen Ausgestaltung und Gesellschafterzahl, sowie bezüglich ihrer inneren Organisation und des Unternehmenszwecks bis 1933. Danach waren spätestens seit 1904 über 90% der GmbH mit einem Stammkapital von weniger als 500.000 Mark ausgestattet. Der Kreis der beteiligten Gesellschafter war im allgemeinen klein, die überwiegende Zahl der Gesellschaften hatte nicht mehr als 2 Gesellschafter, ca. 80% der GmbH wiesen nicht mehr als 5 Gesellschafter auf. Die Anzahl der beteiligten Gesellschafter entsprach mithin weitgehend der der Personengesellschaften. Nach Stroth waren die Gesellschafter häufig in ihren GmbH als Geschäftsführer tätig, so daß teilweise, überwiegende oder vollständige personelle Identität zwischen Kapitaleigentum und Geschäftsführung bestand. In 80-85 % aller GmbH waren als Geschäftsführer ausschließlich Gesellschafter tätig, knapp über 75 % aller Geschäftsführer von GmbH waren gleichzeitig Gesellschafter dieser Unternehmungen. Das Schwergewicht der Verbreitung der GmbH lag im Handelsgewerbe und der verarbeitenden Industrie. In den überwiegenden Fällen entsprachen die wirtschaftlichen Begebenheiten bei der GmbH, im Hinblick auf Größe und wirtschaftliche Gestaltung, dem der Einzelunternehmungen, oHG und Kommanditgesellschaft (KG). Stroth kommt zu dem Ergebnis, daß die GmbH, trotz ihres ausgesprochen mannigfaltigen Anwendungsgebietes, den Charakter einer Personengesellschaft angenommen hatte. Ein wesentliches Merkmal der Kapitalgesellschaft, welches in der Trennung von Unternehmensbesitz und Unternehmensleitung liegt, fehlte bei der weit überwiegenden Anzahl von GmbH. 20 Die um 1933 anzutreffende Rechtswirklichkeit zeichnete sich also durch ein hohes Maß an personalistisch strukturierten GmbH aus, deren rechtliche Rahmenbe17
Stroth, a.a.O. Stroth, S. 5, Fn. 2 verweist auf eine Vielzahl von Untersuchungen, unter anderem von Fränkel, Die GmbH, Eine volkswirtschaftliche Studie, 1915, S.34ff., Bauer, GmbHR 1920/21, 1 ff.; Feine, Die GmbH, in: Handbuch des gesamten Handelsrechts, herausgegeben von Ehrenberg, Dritter Band, III. Abteilung, 1929, S. 12ff.; Dreher, Die GmbH 1931. 19 Stroth, S.4 verweist hier auf amtliche Statistiken. 20 Stroth, S.44f. 18
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dingungen sich jedoch an einem kapitalistisch ausgestalteten Gesetz orientierten. Eventuelle gesetzgeberische Reformen zur Anpassung des Gesetzes an den vorherrschenden Gebrauch der GmbH hatte es nicht gegeben. Die gesetzgeberischen Aktivitäten bezogen sich eher auf die Randgebiete des GmbH-Rechts.21 Nach einer leicht geänderten Paragraphenzählung durch Gesetz vom 20. Mai 189822 folgten zur Zeit der Inflation in den zwanziger Jahren vielfache Änderungen der Vorschriften zum Stammkapital.23 Eine leichte Änderung erfuhren zeitweilig ebenfalls einige allgemeine konkursrechtliche Vorschriften. 24 Was die GmbH in der Rechtswirklichkeit noch von der oHG unterschied, waren die von außen durch das Gesetz vorgegebenen Elemente der eigenen Rechtsfähigkeit und der Haftungsbeschränkung der Gesellschafter bei gesichertem Haftungsfonds. Von der AG war die GmbH durch die vielfachen statutarischen Abbedingungen, welche das GmbHG ermöglichte, weit abgerückt. Neben den ohnehin fehlenden Kontroll- und Publizitätsvorschriften hatte die innere Organisation mit der einer kapitalistisch ausgerichteten großen Gesellschaft kaum mehr etwas gemein. Die Betrachtung der Veränderungen, denen das GmbH-Recht in der Zeit des Nationalsozialismus unterworfen war, erfordert eine differenzierte Sichtweise. Im Vordergrund steht der Entwurf der Referenten des Reichsjustizministeriums zu einem neuen GmbHG von 1939 (RefE 1939).25 Dieser stellte das erste umfassende Reformwerk dar, nach mehr als vierzigjährigem Bestehen eines nahezu unveränderten GmbH-Gesetzes. Die dem Entwurf zugrunde liegende Konzeption der Gesellschaft 21 Leichte Änderungen durch Art. 11 des Einführungsgesetzes zum HGB vom 10.05.1897, RGBl. 1897,437 (443); Verbot der Hypothekenbankgeschäfte durch §2 des Hypothekenbankgesetzes vom 13.07.1899, RGBl. 1899, 375; Verbot der Versicherungsgeschäfte durch §6 Abs. 2 des Gesetzes über die privaten Versicherungsunternehmen vom 12.05.1901, RGBl. 1901,139. Neufassung des §47 Abs. 2 GmbHG durch Gesetz vom 28.06.1926, RGBl. 19261, 315. 22 RGBl. 1898, 846, durch Wegfall des §40 Neuzählung ab ebenda. 23 Art. 1 des Änderungsgesetzes vom 24.12.1922, RGBl. 19231,22, änderte die §§5 Abs. 1, 7 Abs. 2 GmbHG: Das Stammkapital wurde von 20.000,-Mark auf 500.000,-Mark und die Stammeinlage von 500,-Mark auf 10.000,-Mark heraufgesetzt. Die Mindesteinzahlungssumme vor Anmeldung wurde von 250,-Mark auf 5.000,-Mark erhöht. § 10 Abs. 1 und Abs. 3 der Goldbilanzverordnung vom 28.12.1923, RGBl. 1923 1,1253 (1254) setzte den Mindestbetrag des Stammkapitals auf 500,- Goldmark und den der Stammeinlage auf 50,- Goldmark fest. (§ 1 Abs. 2 GoldbilanzVO: 1 Goldmark = 10/42 des nordamerikanischen Dollars). Gewisse Änderungen erfolgten durch die 2. DurchführungsVO zur Goldbilanz VO vom 28.03.1924, RGBl. 19241, 385, und durch Art. 2 (= §§ 9ff.) der DurchführungsVO zur Kapitalherabsetzung in erleichterter Form vom 18.02.1932, RGBl. 19321, 75 (77). 24 Suspendierung der Vorschriften, die bei Zahlungsunfähigkeit Konkursanmeldung vorschreiben (§§ 64,71, 84 GmbHG) durch zeitweilige Außerkraftsetzung einzelner Vorschriften des HGB, durch Bundesrats VO vom 08.08.1914, RGBl. 1914,365; später Neufassung des § 64 GmbHG durch Gesetz vom 25.03.1930, RGBl. 1930 I, 93 (Zweiwochenfrist bei Konkursantragspflicht), und Änderung des Abs. 1, S.2 durch VO des Reichspräsidenten (Verlängerung der Frist auf vier Wochen). 25 Abgedruckt bei Schubert, Entwurf 1939, S. 94-146.
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Einleitung
mit beschränkter Haftung kann sich einerseits an der allgemeinen historischen Entwicklung des GmbH-Rechts seit Bestehen der GmbH messen lassen, indem aufgezeigt wird, welchen Niederschlag die rechtstatsächliche Entwicklung der GmbH im Spannungsfeld zwischen Personengesellschaft und Kapitalgesellschaft im Entwurf gefunden hat. Andererseits soll aber das Hauptaugenmerk gerade auf den Einfluß der nationalsozialistischen Sichtweise über das Gesellschaftsrecht auf die Abfassung des Reformvorhabens gerichtet werden. Dabei möchte ich den Zusammenhang herausstellen zwischen nationalsozialistischer Ideologie und wirtschaftlichen Begebenheiten einerseits und dem Reformvorhaben andererseits. In der Einleitung zum Abdruck des Entwurfes von 1939 schreibt Werner Schubert, daß man nicht säuberlich zwischen spezifisch nationalsozialistischen und nichtnationalsozialistischen Rechtsgedanken trennen sollte und könnte.26 Diese zu Recht geäußerten Bedenken gründen in der Tatsache, daß sich eine im Nationalsozialismus vorgetragene Idee nicht immer zweifelsohne auch als eine originär nationalsozialistische zuordnen läßt. Als Beispiel hierfür kann die Auffassung Rhodes über das Wesen juristischer Personen dienen, die er bereits 1931 entwickelt hatte, aber dann 1935 im nationalsozialistischen Sinne anwandte.27 Oft griffen Autoren im Nationalsozialismus auch einfach nur Ideen aus der Vergangenheit auf und machten sie der eigenen Ideologie zunutze, wie die Diskussion zur Theorie von der Einheit von Herrschaft und Haftung zeigt 28 oder der Aspekt des wettbewerbstheoretischen Ausleseprinzips 29. Insoweit bereitet das „Können " bezüglich der Zuordnung oft nicht unerhebliche Probleme, zumal viele der vorgetragenen Reformideen im Zusammenhang mit der Reformdiskussion aus der Weimarer Zeit zu sehen sind. Dennoch bin ich der Meinung, daß man den Versuch einer Ausarbeitung des Einflusses der nationalsozialistischen Theorie und Lebenswirklichkeit in Bezug auf das Reformprojekt unternehmen „sollte", zumal auf viele Vorschriften des Entwurfs von 1939 in späteren Reformdiskussionen zurückgegriffen wurde. 30 Demnach bemühe ich mich in dieser Arbeit, Entwicklungslinien des GmbH-Rechts unter dem Einfluß der Zeit und Ideologie des Nationalsozialimus herauszuarbeiten. So steht die Betrachtung des historisch-ideologischen Umfeldes ab 1933, welche für die Entwicklung der Grundkonzeption des Entwurfes von 1939 maßgeblich ist, im Vordergrund der Untersuchung. Erst nach dieser Untersuchung kann der Frage nachgegangen werden, inwieweit sich die Vorstellungen des nationalsozialistischen Gesetzgebers in eine Gesamtgeschichte des GmbH-Rechts einfügen. Die Darstellung des historischen Umfeldes, in welches das Reformvorhaben von 1939 fällt, gliedert sich in mehrere zeitliche Abschnitte. Die unmittelbaren Jahre nach der Machtergreifung sind geprägt von oft ideologisch überladenen Auffassun26 27 28 29 30
Schubert, Entwurf 1939, Einleitung S. 18. Vgl. hierzu unten, Kapitel 3, A.II. Vgl. unten, Kapitel 2, A. Vgl. unten, Kapitel 2, D. Vgl. im folgenden unten, Fn. 34.
Einleitung
gen, die nur vereinzelt Eingang fanden in die Gesetzgebungsarbeiten zum Entwurf. Geprägt ist diese Zeit ebenfalls von hektischen Gesetzgebungmaßnahmen der nationalsozialistischen Führung auf einzelnen Gebieten des Kapitalgesellschaftsrechts, welche für gewisse Stimmungen in der Wirtschaft und der Öffentlichkeit sorgten. Die eigentlichen Vorarbeiten zum Entwurf wurden von der Akademie für Deutsches Recht geleistet im Ausschuß für GmbH-Recht, der von 1937 bis 1939 in unregelmäßigen Abständen tagte. Insbesondere anhand der Ausschußarbeiten, deren Protokolle erst seit 1986 der Forschung zugänglich sind 31 , sollen Verbindungslinien zwischen den ideologischen Stimmungen der früheren Jahre des Nationalsozialismus und den Reformbestrebungen von 1939 gezogen werden, um die Reform Vorschläge in ihr weiteres Umfeld einzubetten. Demnach steht die Untersuchung des Entwurfes von 1939 erst als letzter thematischer Schwerpunkt der Arbeit an, um ihn aus seiner Entwicklungsgeschichte heraus deuten und verstehen zu können. Thematisch orientiert sich die Untersuchung an der das Außenverhältnis der GmbH bestimmenden Haftungsbeschränkung einerseits 32 und der eigenen Rechtsfähigkeit andererseits 33. Die Kritik an diesen beiden Merkmalen und die Reformvorschläge hierzu bilden die zwei Hauptströmungen, welche den größten Einfluß auf die Abfassung des Entwurfs 1939 ausmachten. Die Diskussion um die GmbH im Nationalsozialismus ist mit der Abfassung des Entwurfs 1939 so gut wie abgeschlossen. Die äußeren politischen Verhältnisse verhinderten sein Inkrafttreten, weshalb es auch kaum zeitgenössische Literatur gibt, die sich mit dem Entwurf nach dessen Abfassung beschäftigte. Eine Reihe seiner Vorschläge wurden mehrere Jahrzehnte später im Zuge der Arbeiten am Regierungsentwurf 1971/73 und an der GmbH-Novelle 1980 wieder aufgegriffen. 34
31
Von Werner Schubert veröffentlicht in der Reihe Schubert/Schmid/Regge, Akademie für Deutsches Recht 1933-1945, Protokolle der Ausschüsse, Band II, Ausschuß für GmbH-Recht, 1986. 32 Siehe unten, Kapitel 2. 33 Siehe unten, Kapitel 3. 34 Vgl. näher Hachenburg/Ulmer, GmbHG 8. Aufl. 1992, Bd. 1, Einl. Rn.56. Betroffen sind insbesondere die Vorschriften über Sachgründungen und Gründerhaftung (§§11-15, 24 RefE 1939), die Regelung des kapitalersetzenden Gesellschafterdarlehens (§36 RefE 1939) und das Auskunfts- und Einsichtsrecht (§77 Abs. 1 RefE 1939).
Erstes Kapitel
Die GmbH als Unternehmensform bei Machtübernahme A. Die mißbräuchliche Verwendung der GmbH (1892-1933) In Anlehnung an das Recht der Aktiengesellschaften (Art. 213 ADHGB) und der Genossenschaften (§17 GenG)1 bestimmte § 13 Abs. 1 GmbHG2: „Die Gesellschaft mit beschränkter Haftung als solche hat selbständig ihre Rechte und Pflichten; sie kann Eigenthum und andere dingliche Rechte an Grundstücken erwerben, vor Gericht klagen und verklagt werden Ebenso wie in Art. 213 ADHGB 3 für die AG und § 17 GenG4 für die Genossenschaft, gebrauchte das Gesetz den Begriff der Rechtsfähigkeit ausdrücklich nicht. Im Gegensatz aber zu dem für die oHG maßgeblichen Art. 111 ADHGB 5 sprach es von der Berechtigung der GmbH „als solcher " und nicht von der Möglichkeit, nur unter der Firma Rechte erwerben zu können. Die Motive zu § 13 GmbHG führten diesbezüglich aus, die Frage, ob die GmbH juristische Person sei, „soll damit nicht entschieden werden; sie ist im Wesentlichen theoretischer Natur und muß deshalb der Wissenschaft überlassen bleiben. " 6 Nach Inkrafttreten des Gesetzes erhob sich jedoch kaum ein Zweifel an der eigenen Rechtssubjektivität der GmbH.7 Eine solche war unschwer mit der Gesamtkon1
Vgl. Entwurf 1891, Begründung, S.58. Die folgenden Vorschriften beziehen sich, soweit nicht anders gekennzeichnet, auf das Reichsgesetz betreffend die Gesellschaft mit beschränkter Haftung vom 20. April 1892 in der auf Grund des Artikels 13 des Einführungsgesetzes zum Handelsgesetzbuch vom 10. Mai 1897 am 20. Mai 1898 (RGBl. 1898, S. 846 ff.) bekanntgemachten Fassung. 3 Art. 213 Abs. 1 ADHGB 1861: „Die Aktiengesellschaft als solche hat selbständig ihre Rechte und Pflichten; sie kann Eigenthum und andere dingliche Rechte an Grundstücken erwerben; sie kann vor Gericht klagen und verklagt werden. " 4 § 17 Abs. 1 GenG 1889: „Die eingetragene Genossenschaft als solche hat selbständig ihre Rechte und Pflichten; sie kann Eigenthum und andere dingliche Rechte an Grundstücken erwerben, vor Gericht klagen und verklagt werden. " 5 Art. 111 Abs. 1 ADHGB 1861: „Die Handelsgesellschaft kann unter ihrer Firma Rechte erwerben und Verbindlichkeiten eingehen, Eigenthum und andere dingliche Rechte an Grundstücken erwerben, vor Gericht klagen und verklagt werden. " 6 Entwurf 1891, Begründung, a. a. O. 7 Bähr, S.8; Bergenhahn, § 13 Anm. 1; Gareis, S.4 u.49; Goldschmidt, S.32ff., 34: „Trotz des Protestes der Motive wird es also dabei bleiben, dass jede den gesetzlichen Erfordernissen 2
Α. Die mißbräuchliche Verwendung der GmbH (1892-1933)
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zeption des Gesetzes zu vereinbaren. Danach standen sich die GmbH und ihre Gesellschafter als eigenständig berechtigte und verpflichtete Rechtssubjekte bezüglich der Ansprüche auf Einlagenleistung (§§ 19 ff. GmbHG), Nachschußpflicht (§§ 26 ff. GmbHG) oder Gewinnauszahlung (§§ 46, 47 GmbHG) gegenüber. Des weiteren trennte das Gesetz zwischen Gesellschaftsvermögen und Gesellschaftervermögen (§§ 13, 14, § 30 GmbHG). Insbesondere die Befreiung der Mitglieder von den zur Erreichung des Gesellschaftszwecks eingegangenen Verbindlichkeiten (§ 13 Abs. 2 GmbHG) wurde als Beleg für die Selbständigkeit der GmbH angesehen.8 Die der GmbH zuerkannte eigene Rechtsfähigkeit bedeutete für den inneren Aufbau der Gesellschaft, daß jedes Mitglied zu dem selbständigen Rechtssubjekt „Gesellschaft" in einem bestimmten (mitgliedschaftlichen) Rechtsverhältnis stand, die Mitglieder untereinander ein solches jedoch - anders als bei den Personengesellschaften - nicht verband.9 Auch bezüglich der Haftung der Gesellschafter lehnte sich das GmbH-Gesetz von 1892 eng an die Vorstellungen aus dem Aktienrecht an. Wahrend die Haftung der oHG-Gesellschafter gemäß Art. 112 Abs. 1 ADHGB 1 0 eine persönliche, unmittelbare und unbeschränkte war, hafteten die Gesellschafter einer GmbH hingegen, soweit sie ihre Einlagen geleistet hatten, gem. § 13 Abs. 2 GmbHG gar nicht: „Für die Verbindlichkeiten der Gesellschaft haftet den Gläubigern derselben nur das Gesellschaftsvermögen. " Dies entsprach der haftungsrechtlichen Stellung eines Aktionärs, welcher nach den Art. 207, Abs. 1, 219 ADHGB 1 1 nur die Pflicht zur Leistung des Aktienbetrages hatte, nicht aber zur persönlichen Haftung für Verbindlichkeiten der AG. Die Aussage, die Gesellschaft sei eine solche „mit beschränkter Haftungwar und ist ungenau, da weder die Gesellschafter, noch die Gesellschaft beschränkt haften. Die Haftungsbeschränkung ist in einem wirtschaftlichen Sinne zu verstehen, als ein auf den Einlagenbetrag beschränktes Risiko für die Gesellschafter oder als die beschränkte Pflicht der Gesellschafter zur Leistung ihrer Einlage. Zur Anmelentsprechende Gesellschaft mit beschränkter Haftung als juristische Person gelten soll. Liebman, GmbHG, § 13 Anm. 1; Neukamp, § 13 Anm. 1; vgl. aber pr. OLG in DJZ 1896,244; Meurer, Die juristische Person nach deutschem Reichsrecht (1901); Holder, Natürliche und juristische Personen (1905). 8 Bergenhahn, § 13 Anm. 1; Liebmann, GmbHG, § 13 Anm.l. 9 Vgl. Bergenhahn, § 13 Anm. 4 a. E.; Neukamp, § 13 Anm. 2. 10 Art. 112 Abs. 1 ADHGB 1861 : „Die Gesellschafter haften für alle Verbindlichkeiten der Gesellschaft solidarisch und mit ihrem ganzen Vermögen. " 11 Art. 207 Abs. 1 ADHGB 1861: „Eine Handelsgesellschaft ist eine Aktiengesellschaft, wenn sich die sämmtlichen Gesellschafter nur mit Einlagen betheiligen, ohne persönlich für die Verbindlichkeiten der Gesellschaft zu haften. " Art. 219 ADHGB 1861 : „Der Aktionär ist nicht schuldig, zu den Zwecken der Gesellschaft und zur Erfüllung ihrer Verbindlichkeiten mehr beizutragen, als den für die Aktie statutenmäßig zu leistenden Beitrag. "
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1. Kap.: Die GmbH als Unternehmensform bei Machtübernahme
dung der Gesellschaft genügte es zunächst, daß nach § 7 Abs. 2 GmbHG 12 nur ein Viertel der Einlage, mindestens aber ein Betrag von 250,-M geleistet wurde. Bevor der Einlagenbetrag nicht vollständig erbracht war, hafteten die Gesellschafter persönlich. Von dem Moment an, zu dem die Gesellschafter ihre Einlage komplett geleistet hatten, hafteten sie überhaupt nicht mehr. Die GmbH hingegen haftete unbeschränkt mit ihrem gesamten Vermögen, welches als Gründungsvoraussetzung nach § 5 Abs. 1 GmbHG 13 einen Betrag von mindestens 20.000,-M aufweisen mußte, jedoch auch beliebig höher liegen konnte. Die beiden wesentlichen Elemente der GmbH, ihre eigene Rechtspersönlichkeit und die in diesem Sinne verstandene Haftungsbeschränkung der Gesellschafter, wurden in den Jahren nach der Einführung des GmbH-Gesetzes in einer Form verwendet, welche die GmbH in der öffentlichen Meinung in ein schlechtes Licht rückte. Auf die Gefahren des neu geschaffenen GmbH-Gesetzes wiesen bereits zeitgenössische Autoren hin. 14 Ihre Bedenken wurden aber zunächst im Rahmen der folgenden Jahre des wirtschaftlichen Aufschwungs nicht bestätigt und somit verworfen. 15 Erst die Jahre des Kriegs, der Inflation und die beginnende Wirtschaftskrise ließen mißbräuchliche Verwendungen der GmbH immer weiter ansteigen. Einige Beispiele dieser mißbräuchlichen Verwendung der GmbH bis zur Machtübernahme durch die Nationalsozialisten sollen im folgenden skizziert werden, um die mit dem Nationalsozialismus aufkommende Welle der Kritik an der GmbH verständlich zu machen.
I. Mißbrauch der Organisationsform Zunächst war es die Leichtigkeit, mit der man „nach Maßgabe der Bestimmungen dieses Gesetzes zu jedem gesetzlich zulässigen Zweck" (§ 1 GmbHG) ohne staatliche Verleihung einer Konzession eine selbständige juristische Person ins Leben rufen konnte, die zur Kritik an der GmbH Anlaß gab. Als eine wesentliche Ursache für die mit der GmbH betriebenen Mißbräuche wurde die Einfachheit des 12 § 7 Abs. 2 GmbHG: „Die Anmeldung darf nur erfolgen, nachdem von jeder Stammeinlage, soweit nicht andere als in Geld zu leistende Einlagen auf das Stammkapital gemacht sind, ein Vierteil, mindestens aber der Betrag von zweihundertundfünfzig Reichsmark eingezahlt ist. " 13 § 5 Abs. 1 GmbHG: „Das Stammkapital der Gesellschaft muß mindestens zwanzigtausend Reichsmark, die Stammeinlage jedes Gesellschafters muß mindestens fünfhundert Reichsmark betragen. " 14 Goldschmidt, S.29, S.21: „-so besteht doch unleugbar die Gefahr; dass mit deren [gemeint: das Prinzip der beschränkten Haftung, Anm. d. Verf.] Anerkennung auch wirklich potente Kapitalisten und auch in solchen Fällen, wo innere Gründe eine solche Beschränkung nicht rechtfertigen, das bequemere, weil weniger verantwortungsvolle System der beschränkten Haftung wählen werden. Bähr, S. 8 f.; zur Kritik vgl. auch unten, S. 20. 15 Vgl. Heinitz, DJZ 1909, Sp. 177; Staub, Jahresbericht der Juristischen Gesellschaft in Berlin für 1903/1904, S. 35 ff.
Α. Die mißbräuchliche Verwendung der GmbH (1892-1933)
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„Dazwischenschiebens" einer juristischen Person gesehen. Im folgenden seien zunächst einige bekannt gewordene mißbräuchliche Verwendungen der Organisationsform aufgezeigt. In den anfänglichen Urteilen des Reichsgerichts war hervorgehoben worden, daß die GmbH und die hinter ihr stehenden natürlichen Personen zwei voneinander zu unterscheidende völlig verschiedene Rechtssubjekte seien.16 Hierdurch legte das Reichsgericht den Grund für eine formale dogmatische Haltung, die im folgenden klar zwischen juristischer und natürlicher Person trennte und somit Gelegenheit gab, mit Hilfe der juristischen Person von der dahinter stehenden natürlichen Person abzulenken. Da eine GmbH zu jedem gesetzlich zugelassenen beliebigen Zweck errichtet werden konnte, bildeten sich bereits früh nach Einführung der GmbH zahlreiche sogenannte „ Terraingesellschaften " oder „Immobilien-GmbH die sich auf den Handel mit Grundstücken spezialisierten. Es konnten hier mit Hilfe einer juristischen Person lästige Steuern dadurch vermieden werden, daß eine GmbH zum Zwecke des Erwerbs eines einzelnen Grundstücks gebildet wurde. Statt einer mit erheblichen Abgaben belasteten Veräußerung des Grundstücks beschränkte man sich dann auf die Veräußerung der Geschäftsanteile der GmbH, deren Umsatz nur einer geringen Stempelabgabe unterlag. Wirtschaftlich wurde durch die Veräußerung aller Anteile ein Wechsel im Grundstückseigentum erreicht, „ ohne daß dem Staate der Wertstempel von 1 %, der Gemeinde und den Kreisen die meist 1-2 % betragenden Umsatzsteuern und die etwaige Wertzuwachssteuer zufließen. " 17 16 Vgl. RG JW 1899, 672 (673) zu der Stellung eines als Zeugen und nicht als Partei zu behandelnden Mitgesellschafters einer klagenden GmbH: „Sein Verhältnis [...] stellt sich nicht als ein wesentlich anderes dar, als das eines Aktionärs zu einem von der Aktiengesellschaft geführten Prozesse. [...]. In Hinsicht auf die rechtliche Gestaltung der gesellschaftlichen Vereinigung indeß - und das muß als das hier Entscheidende angesehen werden - besteht im Wesentlichen volle Übereinstimmung zwischen beiden Gesellschaftsformen, nämlich darin, daß die eine wie die andere Gesellschaft eine von den Gesellschaftern verschiedene Rechtspersönlichkeit ist, daß ihr das Gesellschaftsvermögen gehört, und die Antheile der Gesellschafter nur Ansprüche obligatorischer Natur gegen die Gesellschaft darstellen, sowie daß nur sie, die Gesellschaft, den Gläubigern haftetRGZ 59, 58 (59): „Die Gesellschaft m.b.H. ist, im Gegensatze zur offenen Handelsgesellschaft, eine selbständige Rechtsperson, der die Gesellschafter als Dritte gegenüberstehen, und bleibt dies auch im Stadium der Liquidation (Ges. §§69.13)"; RGZ 92, 77 (84) zur Frage der Einmanngesellschaft: „An der Beurteilung ändert sich auch nichts dadurch, daß die Beklagte die besondere Stellung als Alleingesellschafterin der vormaligen Gesellschaft m.b.H.,Komet' eingenommen hat. An der Verschiedenheit ihrer Rechtspersönlichkeit von der der Gesellschaft m.b.H. besteht kein Zweifel (vgl. RGZ. Bd. 85 S. 380, Bd. 87 S. 25), [...] "; RGZ 104,369 (372): „Es geht nicht an, den Willen des P. und der Gesellschaftsversammlung rechtlich einander gleichzustellen [...]. Dem steht entgegen, daß die beklagte Gesellschaft m.b.H. undP, auch wenn dieser in der Gesellschaftsversammlung die ausschlaggebende Persönlichkeit ist, völlig selbständige Rechts Subjekte sind. Soweit deshalb Ansprüche gegen die Gesellschaft erhoben werden, hat die Person des einzelnen Gesellschafters außer Betracht zu bleiben [...] 17
Heinitz, DJZ 1909, Sp. 177 (181).
1. Kap.: Die GmbH als Unternehmensform bei Machtübernahme
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Aber auch nach alsbald erlassenen Steuergesetzen, die der Umgehung von Grunderwerbs- und Wertzuwachssteuer einen Riegel vorschieben wollten 18 , blieb die „ Veräußerung " eines Grundstücks mittels Veräußerung der Anteile einer GrundstücksGmbH weiterhin interessant. Die Eigenständigkeit der GmbH als juristische Person führte hier auch weiterhin dazu, wirtschaftlich gewünschte Ziele unter Umgehung von rechtlichen Hindernissen zu erreichen, wie der Fall RGZ 104, 42 19 zeigt: Für ein 960 Morgen großes Landgut war eine GmbH mit 20.000,-M Stammkapital errichtet worden. Als ein Holländer das Grundstück kaufen wollte, befürchtete dieser, daß er als Ausländer die zum Grundstückskaufe nach der Bekanntmachung vom 15.3.191820 erforderliche Genehmigung nicht erhalten würde, weshalb er durch notarischen Vertrag sämtliche Anteile der GmbH zum Preis von 20.000,-M übernahm. Durch diesen Trick hatte der Holländer nicht nur wirtschaftlich das Grundstück erworben, sondern war auch um das nach dem Reichssiedlungsgesetz (RSiedlG) vom 11.8.191921 bestehende gesetzliche Vorkaufsrecht herumgekommen, welches dem „Rheinischen Heim", einem für das Rheinland als gemeinnützig anerkannten Siedlungsunternehmen, verliehen worden war. Das Reichsgericht lehnte die Klage des Siedlungsunternehmens auf Herausgabe des Grundstücks oder Abtretung sämtlicher Geschäftsanteile der GmbH ab. Nach § 11 RSiedlG seien die das Vorkaufsrecht regelnden §§ 5-10 auf Veräußerungen gegen Entgelt gerichtet. Eine Ausdehnung dieser Vorschrift auf wirtschaftlich gleichbedeutende Verträge komme nicht in Betracht, da der Gesetzgeber dies nicht, anders als in anderen kurz vorher und nachher erlassenen Gesetzen, zum Ausdruck gebracht habe.22 Das Reichsgericht stellte sich hier also trotz des offensichtlich vorliegenden Umgehungsgeschäfts auf den formalen Standpunkt der Verschiedenheit des Erwerbsvorgangs, was auf Unverständnis in der Literatur stieß.23 Eine andere Möglichkeit des „Dazwischenschiebens" einer juristischen Person betraf Fälle, in denen die Gesellschafter ihre Identität oder Staatsangehörigkeit nicht preisgeben wollten oder es ab 1933 nicht mehr riskieren konnten, durch einen jüdischen Namen ihre Zugehörigkeit zum Judentum offen zu legen. Hier bot sich zunächst die Vorschrift des § 4 GmbHG an, die neben der Namensfirma auch die Wahl eines Sachfirmennamens erlaubte. Hierdurch ergab sich für jüdische Geschäftsleute die Möglichkeit, der sich aufgrund der politischen Verhältnisse ergebenden Notwendigkeit nachzukommen, die Identität durch Wahl eines typisch deutsch klingenden Firmennamens nicht preisgeben zu müssen.24 18
§3 GrErwStG vom 12.9.1919, §3 WZuwStG vom 14.2.1911, §5 RAbgO. Urteil vom 4. Februar 1922. 20 RGBl. 19181, S. 123. 21 RGBl. 1919 I, S. 1429. 22 RGZ 104, 42 (44). 23 Vgl. Fuchs, LZ 1923, Sp.525ff. 24 Vgl. zu den wichtigsten Fällen aus der umfangreichen Rechtsprechung beispielhaft KG JW 1934, 491 („Deutsches Tuchhaus Heinz G. "); KG JW 1934, 1247 („Deutsche Isolatoren und Apparate GmbH"); KG JW 1934, 2160 („Germaniamühle GmbH"). 19
Α. Die mißbräuchliche Verwendung der GmbH (1892-1933)
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Darüber hinaus konnte aber auch beispielsweise die Staatsangehörigkeit verschleiert werden. Dem zwischen juristischer und natürlicher Person trennenden Denken noch sehr zugetan, entschied das Reichsgericht noch 1934, daß „eine im Inland eingetragene GmbH. " ihre Inländereigenschaft auch nicht dadurch verliere, „daß sich sämtliche Geschäftsanteile in der Hand eines ausländischen Gesellschafters befinden und dieser als alleiniger Geschäftsführer die Verwaltung vom Auslande ausführt" 25 Hintergrund dieser Entscheidung war die Klage einer GmbH gegen den Staat aufgrund eines Anspruches aus Amtspflichtverletzung gewesen. § 7 des Preussischen Staatshaftungsgesetzes vom 1. August 1909 gestand Ausländern einen solchen Anspruch nur dann zu, wenn nach einer in der Preussischen Gesetzessammlung enthaltenen Bekanntmachung des Staatsministeriums durch die Gesetzgebung des ausländischen Staates die Gegenseitigkeit verbürgt war. Die Ausländereigenschaft der GmbH war hier von entscheidender Bedeutung. Das Gericht stellte aber darauf ab, daß jede Gesellschaft des deutschen Handelsrechts mit selbständiger Rechtspersönlichkeit auch als deutsche Gesellschaft ins Leben trete, die Staatszugehörigkeit ihrer Inhaber sei dabei ohne Einfluß. Ein anderer Fall, der vom Landgericht Berlin 1934 entschieden wurde, betraf die Möglichkeit, mit Hilfe mehrerer juristischer Personen auf dem Papier Kapitalerhöhungen durchzuführen, ohne daß diese tatsächlich realisiert waren. 26 Ein EinmannGesellschafter besaß fünf Grundstücks-GmbH mit je 500,- RM Stammkapital. Nach Art. 2 des Gesetzes vom 28.6.192627 war er dazu verpflichtet, das jeweilige Stammkapital auf 20.000,-RM zu erhöhen. Er tat dies in der Weise, daß er in das Vermögen der Gesellschaft A eine Hypothek an dem bereits vorher überlasteten Grundstück der Gesellschaft B, in die Gesellschaft Β eine Hypothek an dem Grundstück der Gesellschaft C, in C von D, in D von E und in E von A einbrachte. Durch eine solche Hypothekeneinbringung „ im Kreise " war tatsächlich kein neuer Wert in die jeweiligen Gesellschaften geflossen. Das Landgericht führte aus, daß jede GmbH eine eigene juristische Person sei, und daß aus diesem Grunde gegen die Kapitalerhöhungen im Wege der Hypothekeneinbringung nichts einzuwenden sei.28 Auch diese Entscheidung stieß auf Kritik. Amtsgerichtsrat Groschuff führte in einer Urteilsanmerkung aus, „der alleinige Inhaber sämtlicher Gesellschaften (Klug) führt dann lediglich einen papiernen Einlagenbetrag spazieren, ohne daß ein tatsächlicher Wert in die Gesellschaft A. gelangt. " 29 Da sich die Einlagen alle untereinander aufheben, forderte Groschuff, daß ein solcher Fall zumindest, wenn schon nicht als Simulation (§ 117 BGB), so doch wegen Sittenwidrigkeit (§§ 138, 181 BGB) nichtig sein müsse. 25
Urteil vom 10. Juli 1934, JW 1934, 2969 = DJ 1934, 1490. Unveröffentlichte Entscheidung, LG Berlin 408 Τ 17011/1933; vgl. aber Crisolli, NSHandbuch 1935, S. 1155 (S. 1157); ders. JW 1935, S. 8 (S. 12); Groschuff, Anm. zu JW 1934, S. 1124 (S. 1125 f.). 27 RGBl. 19261, S.315. 28 Vgl. Crisolli, NS-Handbuch 1935, S. 1155 (S. 1157). 29 Groschuff, a.a.O., S. 1126. 26
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1. Kap.: Die GmbH als Unteehmensform bei Machtübernahme
Aber auch für das Verhältnis der Gesellschafter untereinander führte das trennende Denken zwischen der juristischen Person und den dahinter stehenden natürlichen Personen oft zu unbefriedigenden Ergebnissen. Der einzelne Gesellschafter stand in einem Mitgliedschaftsverhältnis zur juristischen Person, untereinander waren die Gesellschafter aber nicht miteinander verbunden. Dies konnte zu Machtmißbräuchen der Mehrheitsgesellschafter führen. Da diese zu ihren Mitgesellschaftern in keinem rechtlichen Verhältnis standen, traf sie auch keine Pflicht zur Rechenschaft gegenüber ihren Mitgesellschaftern. Dadurch, daß - ebenso wie bei der Aktiengesellschaft der Aktionär - der einzelne Gesellschafter der GmbH nur in einem Rechtsverhältnis zu der Gesellschaft stand, ergab sich keine Verpflichtung des Mitglieds zu irgendeiner Form der Rücksichtnahme gegenüber anderen, solange die Schranken der §§ 138, 226 BGB gewahrt waren. Zwar hatte es auch schon zur Weimarer Zeit vereinzelt Auffassungen gegeben, die eine verstärkte Treupflicht, dies sogar für die Gesellschafter untereinander, annehmen wollten. 30 Diese Auffassung konnte sich jedoch zu dieser Zeit noch nicht durchsetzen.31 Auch die Rechtsprechung ließ zwar das Bedürfnis nach einer Ergänzung der gesetzlichen Regeln erkennen. Die entscheidenden Urteile ergingen hier sowohl für die GmbH als auch für die AG auf dem Gebiet zur Problematik der Stimmrechtsausübung.32 Sowohl § 47 Abs. 4 GmbHG 33 als auch § 252 Abs. 3 HGB für die AG sahen für Fälle der Entlastung oder der Befreiung von einer Verbindlichkeit ein Stimmrechtsverbot des betroffenen Gesellschafters/Aktionärs vor. Ähnlich gelagerte Fälle der Abstimmung „in eigener Sache" waren vom Gesetz jedoch nicht geregelt, weshalb man nach allgemeinen Grundsätzen suchte, die eine als unnatürlich empfundene Abstimmung über sich selbst hätten ausschließen können. Die Rechtsprechung beschränkte sich jedoch darauf, die Grenzen der Stimmrechtsausübung kasuistisch zu bestimmen und wandte von Fall zu Fall verschiedene Vorschriften an. Die Grenzen ergaben sich aus dem Schikaneverbot des § 226 BGB 34 , dem gesetzlichen Verbot des § 134 BGB 35 , aus der Sittenwidrigkeit nach §138 BGB 3 6 oder vereinzelt aus dem Mißbrauchsgedanken generell. 37 In der Literatur gab es Ansätze zur Übertragung der aus dem Personengesellschaftsrecht bekannten Treupflicht der Mitglieder untereinander 38 auf das Recht der 30
Liffschütz JW 1929, S. 609, (S. 610). Vgl. auch schon Gierke, s. u. Fn. 38. Vgl. Baltzer (1972), S. 30, siehe dort auch ausführlich zur Entwicklung der Treupflicht in der Rechtsprechung vor 1933, S. 39 ff. 32 Vgl. hierzu Hachenburg, LZ 1907, Sp.460 mit weiteren Literaturangaben. 33 §47 Abs. 4 GmbHG: „Ein Gesellschafter; welcher durch die Beschlußfassung entlastet oder von einer Verbindlichkeit befreit werden soll, hat hierbei kein Stimmrecht und darfein solches auch nicht für andere ausüben. [...] " 34 RGZ 81, 37 (40) = JW 1913, 210. 35 OLG Frankfurt, OLG Rspr.22, 17/8. 36 RG JW 1916, 575. 37 RGZ 124, 371 (380), einschränkend aber wieder RGZ 138, 98 (101). 38 Vgl. beispielsweise Gierke, Deutsches Privatrecht, Bd. 3 (1917), S.836. 31
Α. Die mißbräuchliche Verwendung der GmbH (1892-1933)
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Kapitalgesellschaften. Daß eine Treupflicht der Gesellschafter/Aktionäre zur juristischen Person bestand, war allgemein anerkannt. Die Problematik der Stimmrechtsausübung, also des Machtmißbrauchs der Großaktionäre gegenüber der Minderheit, betraf aber die Frage des Verhältnisses der Mitglieder einer juristischen Person untereinander. Für den Bereich der Stimmrechtsausübung sah Hachenburg beispielsweise das Bedürfnis, aufgrund der unzureichenden Vorschrift des § 47 Abs. 4 GmbHG das Bürgerliche Recht ergänzend heranzuziehen: „Richtig ist nur, dass für diese Fälle des inneren gesellschaftlichen Rechtslebens das Gesetz betr. die GmbH, keine allgemeine Bestimmung enthält [...]. Es tritt aber dann das BGB ergänzend ein. [...]. Auch die aus dem Gesellschaftsvertrage erwachsenen Rechte sind so »auszulegen*, wie es Treu und Glauben mit Rücksicht auf die Verkehrssitte erfordern." 39
Als Grundlage einer Treupflicht im GmbH-Recht wollte er eine ergänzende Vertragsauslegung des Gesellschaftsvertrages nach § 157 BGB vornehmen, die mit Rücksicht auf Treu und Glauben zu erfolgen habe. Ähnlich argumentierte Wieland, daß auch Aktionäre die Interessen der Gesellschaft zu fördern hätten und daher Rücksicht auf die Interessen der Mitgesellschafter nehmen müssten.40 Mit Blick auf die Anwendung des § 138 BGB durch die Rechtsprechung fragte Wieland: „Wie läßt sich aber von einem Zuwiderhandeln gegen die Gebote der guten Sitte bzw. der guten Treue reden, ohne Treupflicht des einzelnen Aktionärs? " 4 1 Die Grundlagen einer Treupflicht des Gesellschafters gegenüber seinen Mitgesellschaftern waren also durchaus bekannt, auch wenn die Rechtsprechung gerade erst in Begriff war, ein solches Verhältnis herauszuarbeiten. Einen ersten Anhaltspunkt für die Rückdrängung des § 138 BGB und für die Argumentation mit einer gesellschaftlichen Treupflicht bietet RGZ 132, 149 (169): „Aus der Befugnis, im Wege des Mehrheitsbeschlusses auch für die Minderheit zu beschließen und über deren in der Gesellschaft gebundene Vermögensrechte zu verfügen, ergibt sich ohne weiteres die gesellschaftliche Pflicht der Mehrheit, im Rahmen des Gesamtinteresses auch den berechtigten Belangen der Minderheit Berücksichtigung angedeihen zu lassen und deren Rechte nicht über Gebühr zu verkürzen." 42
Eine positive Formulierung einer Treupflicht der Gesellschafter untereinander fehlte jedoch zur Weimarer Zeit noch. Mißbräuchliche Verwendungen der Organisationsform, insbesondere bei der Problematik der Stimmrechtsausübung, mußten 39
Hachenburg, LZ 1907, Sp.460 (Sp.465f.). Wieland, Handelsrecht, Bd. 2 (1931), S. 205: „Geht man davon aus, daß die Aktionäre als Gesellschafter die Interessen der Gesellschaft zu fördern und auf die Interessen der Mitgesellschafter im Zusammenwirken auf ein gemeinsames Ziel billige Rücksicht zu nehmen haben, so enthält die Anwendung gesellschaftlicher Machtmittel zu anderen als gesellschaftsrechtlichen Zwecken einen Mißbrauch formalen Rechts oder, was das gleiche bedeutet, einen Verstoß gegen die Gebote von Treu und Glauben. " 41 Wieland, Handelsrecht, Bd.2 (1931), S.243. 42 Urteil vom 31.3.1931; vgl. auch Winter (1988), S.38ff. 40
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1. Kap.: Die GmbH als Unternehmensform bei Machtübernahme
daher hingenommen werden. Die formale Haltung, die dazu führte, daß zwischen den Gesellschaftern und der juristischen Person ein nur mitgliedschaftliches Verhältnis gesehen wurde, führte damit auch zu Problemen innerhalb der Beziehung der Gesellschafter zueinander. Dies stieß insbesondere im Aktienrecht, aber auch bei der GmbH auf Kritik. II. Risikoabwälzung durch Haftungsbeschränkung Ein anderer Hauptkritikpunkt an der GmbH lag in der Haftungsbeschränkung selbst, welche für die Gesellschafter bestand. Nach § 13 Abs. 2 GmbHG haftete für die Verbindlichkeiten der GmbH ausschließlich das Gesellschaftsvermögen, welches nach § 5 Abs. 1 GmbHG einen Betrag von mindestens 20.000 Mark ausmachen mußte. Dieses Stammkapital war als Mindestsumme zu verstehen, das Gesellschaftsvermögen konnte also im Einzelfall durchaus sehr hoch sein und dazu geeignet, alle Außenstände der GmbH abzudecken. Trat aber Zahlungsunfähigkeit oder Überschuldung ein, so hatten die Geschäftsführer ohne schuldhaftes Zögern Konkursantrag zu stellen (§§ 64, 84 GmbHG 43 ), das gleiche galt für die Liquidatoren, wenn sich bei der Auflösung die Zahlungsunfähigkeit herausstellte (§§71, 84 GmbHG 44 ). In diesen Fällen aber war nie mehr als das Stammkapital vorhanden, was zunächst den Eindruck erwecken könnte, die GmbH hafte immer nur mit einem Betrag in Höhe ihres Stammkapitals. Dies ist zwar ungenau; im Falle des Konkurses, wenn also die Haftungsmasse in ihrer Wichtigkeit in volle Erscheinung tritt, war jedoch, wenn überhaupt, niemals mehr als das Stammkapital vorhanden. Durch eine Reihe von Umgehungs- und Mißbrauchsmöglichkeiten konnte aber selbst das Stammkapital weit unter die Schwelle von 20.000,-Mark gedrückt werden. Gingen Gläubiger leer aus, so verbot sich wegen der auf die Einlagepflicht beschränkten Haftung der Gesellschafter (§13 Abs. 2 GmbHG) ein Rückgriff auf diese. Die unzureichenden Vorschriften bezüglich der Aufbringung und Erhaltung des Stammkapitals, sowie die Behandlung von Geschäftsführergehältern und Gesellschafterdarlehen sollen daher kurz aufgezeigt werden. Wurden auf diese Weise Gläubiger in den Ruin getrieben, während das Privatvermögen der Gesellschafter wegen der beschränkten Haftung unangetastet blieb, konnte eine nahezu vollständige Überwälzung des mit der GmbH verbundenen Geschäftsrisikos von den Gesellschaftern auf die Gläubiger erreicht werden. 43
§ 64 Abs. 1 GmbHG: „Die Geschäftsführer haben die Eröffnung des Konkursverfahrens zu beantragen, sobald die Zahlungsunfähigkeit der Gesellschaft eintritt oder aus der Jahresbilanz oder aus einer im Laufe des Geschäftsjahres aufgestellten Bilanz Überschuldung sich ergibt. " § 84 Abs. 1 GmbHG: „Die Geschäftsführer oder Liquidatoren einer Gesellschaft mit beschränkter Haftung werden mit Gefängnis bis zu drei Monaten und zugleich mit Geldstrafe bis zu eintausend Mark bestraft, wenn entgegen den Vorschriften im §64, §71 Absatz 1 der Antrag auf Eröffnung des Konkursverfahrens unterlassen ist. " 44 §71 Abs. 1 GmbHG: „DieLiquidatoren haben die aus §§36,37,41 Absatz 1,43 Absatz 1, 2 und 4, §49 Absatz 1 und 2, §64 sich ergebenden Rechte und Pflichten der Geschäftsführer. "
Α. Die mißbräuchliche Verwendung der GmbH (1892-1933)
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Bereits früh nach Schaffung des GmbH-Gesetzes war von Kritikern der GmbH darauf hingewiesen worden, daß hier bezüglich des Stammkapitals eine große Falle für die Gläubiger einer GmbH lauerte. 45 Während der Zeit des wirtschaftlichen Aufschwungs blieben Mißbräuche allerdings zunächst aus, so daß die Argumente der Kritiker nicht ernst genommen wurden. 46 Mit dem Ende des Kaiserreiches aber, dem Krieg und der Inflation, mehrten sich die Fälle der offen zutage tretenden Mißbräuche. Immer häufiger war das Stammkapital der GmbH bei Stellung des Konkursantrags gar nicht mehr vorhanden, weshalb Konkursanträge mangels Masse abgelehnt werden mußten.47 Da das Stammkapital entweder niemals tatsächlich in der vorgeschriebenen Höhe aufgebracht worden war oder auf undurchsichtigen Wegen wieder aus der GmbH kurz vor Konkursantrag abgezogen wurde, konnten die Gläubiger der GmbH somit ihre Forderungen nicht mehr eintreiben. Möglichkeiten der Verschleierung der wahren Vermögenslage ergaben sich zunächst schon bei der Aufbringung des Stammkapitals. Dies mußte nach § 5 Abs. 1 GmbHG mindestens 20.000,-Mark betragen. Nach § 5 Abs. 4 GmbHG bestand aber die Möglichkeit, daß ein Gesellschafter seinen Anteil an diesem Stammkapital, seine Einlage, nicht in bar, sondern in Form einer Sacheinlage leistete, also beispielsweise durch die Einbringung von Mobiliar, Fuhrwerken, usw. Den Wert der jeweiligen Sache bestimmte der Gesellschafter selbst, so daß hier die Möglichkeit bestand, einen höheren Wert als den tatsächlichen Marktwert anzugeben. Dies wurde vom Registerrichter vor Eintragung der GmbH auch nicht überprüft. Dem Registerrichter wurde sogar ausdrücklich das Recht abgesprochen, eine solche Prüfung vorzunehmen. In einem Kammergerichtsbeschluß vom 8. März 1934 heißt es unter Berufung auf die bisherige Rechtsprechung des Reichsgerichts48 in der Begründung: „Die Beanstandung des Wertes der Sacheinlage ist mit der vom Senat vertretenen Rechtsauffassung nicht vereinbar. Nach der Rspr. des Senats ist der Registerrichter nicht befugt, den Wert einer Sacheinlage (i. S. des § 5 IV GmbHG.) zu prüfen [...]. Es fehlen - wie das RG (a. a. O. S. 212) ausführt - im GmbHG. besondere Sicherungsbest., wie sie im Aktienrecht für Sach- (und Nach-)gründungen in den §§ 191 ff. HGB getroffen sind; [...]. Es besteht bei der Bewertung der Sacheinlage Vertragsfreiheit [...]." 49
Statt fehlende Lücken im GmbHG in Anlehnung an das Aktienrecht zu schließen, beriefen sich die Gerichte hier auf die unternehmerische Vertragsfreiheit und den ursprünglichen Willen des Gesetzgebers, eine möglichst unbürokratische wirtschaftliche Förderung zu bewirken 50, ohne daß die Gefahr des Mißbrauches eingedämmt 45 46 47 48 49 50
Bähr, S. 8, Goldschmidt, S. 32 ff., 34. Staub, S.35ff., Heinitz, DJZ 1909, Sp. 177. Zu den genauen Konkursstatistiken bis 1933 vgl. ausführlich Stroth, S.72ff. Vgl. RGZ 141, 204. KG JW 1934,1124, Nr. 1 (1125). Vgl. Entwurf 1891, Begründung, S.30.
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1. Kap.: Die GmbH als Unternehmensform bei Machtübernahme
wurde. Die Gründer einer GmbH wurden in keiner Weise zur Verantwortung gezogen, für den Fall, daß der Wert der Sache hinter dem angenommenen Wert zurückblieb. 51 In seinem Aufsatz „Die G.m.b.H. als Kulisse" in der Leipziger Zeitschrift von 1923 beschreibt Ernst Fuchs, zu dieser Zeit Rechtsanwalt in Karlsruhe, die Juristischen Zauberkünste", die man im Rahmen der Aufbringung des Stammkapitals vornehmen könne, um so die Rechtseinrichtung der GmbH mißbräuchlich auszunutzen: „Er braucht nur mit seiner Frau oder mit einem beliebigen Strohmann vor einem Notar eine GmbH, niederschreiben u. sie dann ins Handelsregister eintragen zu lassen. Dazu braucht er außer den bei der Mindestsumme geringen Kosten keine einzige Papiermark aufzubringen. Er braucht nur zu behaupten, das Stammkapital betrage 20.000-M [...] oder ein als eingebracht bezeichnetes, wenn auch noch so wertloses Gebrauchsmuster oder ein angebl. Geschäftsgeheimnis oder irgend ein sonstiger eingebrachter Gegenstand sei auf Höhe jenes Mindestbetrags zu bewerten. Bei der Anmeldung zum Handelsregister braucht nur versichert zu werden, daß von jeder Stamm-Geldeinlage lA, mindestens aber 250-M [...] geleistet sei u. zur freien Verfügung des Geschäftsführers stehe [...]." 52 Auf diese Art könne man „Schulden über Schulden häufen ohne mit seinem persönlichen Vermögen zu haften oder persönlich in Konkurs zu geraten. Aber selbst wenn das Stammkapital einmal ordnungsgemäß aufgebracht worden war, gab es zahlreiche Möglichkeiten, es entgegen den Vorschriften der §§ 30, 31 GmbHG 53 wieder abzuziehen: Die Geschäftsführer konnten sich überhöhte Gehälter zuschreiben und zunächst nicht auszahlen. Im Konkursfall wurde ihnen für diese ihnen zustehenden Gehälter nach §61 Ziff. 1 der Konkursordnung (KO) ein vorrangiges Konkursrecht eingeräumt, weshalb die Geschäftsführer mit der Stellung des Konkursantrages so lange warteten, bis die vorhandene Masse genau die Geschäftsführergehälter abdeckte. Für die anderen Gläubiger blieb dann nichts mehr übrig. Auch bestand die Möglichkeit, der Gesellschaft durch Darlehen der Gesellschafter notwendiges Kapital zukommen zu lassen. Kurz vor Konkursantrag zogen die Gesellschafter ihre Darlehen wieder ab, so daß ebenfalls die übrigen Gläubiger geschädigt waren. Schutzmechanismen hiergegen hielt das damalige GmbHG nicht bereit. Als im Jahre 1892 die GmbH geschaffen worden war, hatte der Gesetzgeber Anreize für die aufkommende Industrie geben wollen, es galt, „dem wirtschaftlichen Unternehmungsgeiste, welcher in Deutschland nur zu sehr daniederlag, freiere Bahnen zu eröffnen. " 5 4 Gerade Risikogeschäfte, Importe aus Übersee oder die Ent51
Vgl. Hachenburg, LZ 1909, Sp. 15 (36); Liebmann, DJZ 1910, Sp.675 (677). Fuchs, LZ 1923, Sp.525f. 53 § 30 Abs. 1 GmbHG: „Das zur Erhaltung des Stammkapitals erforderliche Vermögen der Gesellschaft darf an die Gesellschafter nicht ausgezahlt werden. " § 31 Abs. 1 GmbHG: „Zahlungen, welche den Vorschriften des §30 zuwider geleistet sind, müssen der Gesellschaft erstattet werden. " 54 Goldschmidt, S.41. 52
Β. Behandlung der Mißbrauchsfälle
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wicklung neuer Erfindungen sollten mit Hilfe der Kapitalsammlung bei gleichzeitig überschaubarem Risiko für die Kapitalgeber finanziert werden können.55 Die Tatsache, daß der Zweck der GmbH vom Gesetzgeber bewußt nicht begrenzt worden war und die Gesellschafter nach Leistung ihrer Einlage, abgesehen von wenigen Ausnahmefällen, keine Haftung mehr zu fürchten hatten, führte dazu, daß die Geschäftsmoral mit Hilfe der GmbH immer weiter herabsank.56 Von der ursprünglichen Idee der Haftungsbeschränkung, Unternehmern die Möglichkeit zu geben, risikoreiche Geschäfte nicht unter Einsatz ihres gesamten Vermögens tätigen zu müssen, den Gläubigern aber dennoch einen Mindestkapitalstock als Haftungsmasse zur Verfügung zu stellen57, war nicht viel übrig geblieben. Haftungsbeschränkung wurde daher nicht mehr in ihrem ursprünglichen Sinne verstanden, als ein überschaubares Risiko der Gesellschafter mit einer Gesellschaft, welche in der Regel bei guter Wirtschaftslage für die Außenstände aufkommen kann. Haftungsbeschränkung wurde gleichgesetzt mit der Situation im Konkursfall, mit dem typischen Szenario, daß keinerlei Geldmittel mehr für die Gläubiger zur Verfügung stehen, der Haftungsfonds eben nur noch sehr eingeschränkt zu verwerten ist und man an die Gesellschafter aufgrund ihrer beschränkten Einlagepflicht nicht mehr heran kommt. Zumeist waren es die kleinen Kreditgeber, Lieferanten, Angestellte oder Vermieter und Verpächter, die auf ihren Forderungen sitzen blieben.58 Geldinstitute verliehen ihr Geld an GmbH nur gegen Erteilung einer Bürgschaft durch den Gesellschafter oder anderweitige Sicherheiten.59 Wer sich aber keine Bilanz hatte vorlegen lassen und ohne Sicherheit Kredit gegeben hatte, ging im Falle des Konkurses leer aus. B. Behandlung der Mißbrauchsfälle in der frühen nationalsozialistischen Literatur (1933-1935) Mit der Machtübernahme der Nationalsozialisten und unter dem Einfluß der nationalsozialistischen Ideologie verstärkte sich die schon aus der Weimarer Zeit bekannte Kritik an der GmbH. Dies mag zum Teil an der Vorstellung gelegen haben, daß mit der Änderung der Machtverhältnisse auch eine grundsätzliche Änderung auf allen Gebieten des Lebens und des Rechts eintreten würde, was einen besonders günstigen Nährboden für Kritik und Reformvorschläge darstellte. Andererseits entspringt die Kritik aber auch einem grundsätzlich neuen Verständnis des Nationalsozialismus hinsichtlich des Aufbaus der Wirtschaft und der Kapitalgesellschaften. 55
Sontag, DJZ 1909, Sp.538; nach 1933 noch Reinhart, DJZ 1934, Sp. 1310. Vgl. zur eindrucksvollen Schilderung des Falles der „Rufiji-Baumwoll-GmbH " beispielhaft die Ausführungen von Sontag, DJZ 1909, Sp.538 f. 57 Vgl. Ausführungen des Gesetzgebers im Entwurf 1891, Begründung, S.30. 58 Vgl. Stroth, S.74; hierzu auch im folgenden die Kritik von Großmann-Doerth, unten B.I. 59 Stroth, S.71 mit weiteren Nachweisen. 56
3 Stupp
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1. Kap.: Die GmbH als Unternehmensform bei Machtübernahme
Auf diese grundsätzlich ideologischen Gesichtspunkte soll jedoch ausführlich erst später eingegangen werden. 60 Vorerst steht die Betrachtung der Kritik im allgemeinen im Vordergrund unter der Berücksichtigung der Veränderungen in der inhaltlichen Argumentation. Die nach der Machtergreifung erschienene kritische Literatur 61 gliedert sich in die „ Gegner " der GmbH, welche diese wegen der Unvereinbarkeit mit nationalsozialistischen Prinzipien gänzlich abschaffen wollten 62 , und in die „Reformer welche zwar auch Kritik übten, aufgrund wirtschaftlicher Notwendigkeiten aber für ein Beibehalten der GmbH und ihre Reformierung im nationalsozialistischen Sinne sprachen.63 Bei beiden Gruppen läßt sich feststellen, daß die Mißbräuche, die mit der GmbH betrieben wurden, mit dem herrschenden liberalistischen Wirtschaftssystem der Vergangenheit begründet wurden. 64 Prinzipien der nationalsozialistischen Wirtschaftsauffassung, wie das Führerprinzip oder das Verantwortungsprinzip galten nun als neue Maßstäbe zur Beurteilung der GmbH. Als Beispiel kann zunächst ein Abschnitt aus einer der ersten Veröffentlichungen zum Thema GmbH und NS-Wirtschaft gelten, welche von dem als amtlicher Buchführer der Reichsverwaltung in Berlin tätigen C. von Frankenberg und Proschlitz stammt. Er stellte als erster „ Gegner " der GmbH die Frage, ob die GmbH „für die nationale Wirtschaft eine überhaupt noch notwendige Unternehmungsform " 6 5 sei und vertrat den Standpunkt, die Idee der Haftungsbeschränkung ansich vertrage sich schon nicht mit dem Nationalsozialismus: „Bereits die Definition für die G.m.b.H. als diejenige Rechtsform einer Unternehmung, bei der die Gesellschafter nur mit ihrer Einlage haften, widerspricht der nationalsozialistischen Forderung, daß der Unternehmer innerhalb seines Betriebes die volle Verantwortung zu tragen hat."66 60
Vgl. unten, Kapitel 2, A. und Kapitel 3. Zum Befürworten der GmbH auch nach 1933 vgl. die in dem Oigan der „Zentrale für GmbH, Otto Schmidt, Köln", der GmbH-Rundschau, herausgegebenen Aufsätze; vgl. auch die grundlegende Abhandlung Otto Schmidts über „Die GmbH in der Steuerpolitik, 1934", GmbHR 1934, Sp.9-55, 187-208, 283-320. 62 Fehling, Dissertation 1935; Fischer, ZfB 1937, S.71 ff., S. 172 ff.; Frankenberg und Proschlitz, Die nat. Wirtschaft 1933/1934, S. 177 ff.; Großmann-Doerth, HansRGZ 1934, Sp. 19ff.; Tieisch, Dissertation 1935. 63 Bernartz, Dissertation 1938; Crisolli, JW 1935, S.8ff.; ders. NS-Handbuch, S. 1155 ff.; Dix, Der Dt. Volkswirt 1933/1934, S. 242; Gall, Dissertation 1938; Lieres und Wilkau, Dissertation 1938; Schäfer, Dissertation 1937; Schmidt, Dissertation 1937; Schönle, Dissertation 1935; Schwab, Dissertation 1935. 64 Vgl. beispielsweise für die „Gegner" Großmann-Doerth, HansRGZ 1934, Sp. 19ff.; für die „Reformer" Dix, Der Dt. Volkswirt 1933/1934, S.242. 65 Frankenberg und Proschlitz, Die nat. Wirtschaft 1933/1934, S. 177 (S. 180). 66 Frankenberg und Proschlitz, S. 177. Siehe zu dieser Passage die Erwiderung von Otto Schmidt, GmbHR 1934, Sp.599 (602), der die Vorwürfe abweist. 61
Β. Behandlung der Mißbrauchsfälle
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„Wenn aber ein Gesetz die Möglichkeit bietet, das geschäftliche Risiko von vornherein auf eine begrenzte Einlage zu beschränken, so war vorauszusehen, daß eine große Anzahl wenig verantwortungsfreudiger Unternehmer gerade von dieser Rechtsform ausgiebig Gebrauch machen würde, um ihr Privatvermögen möglichst dem Zugriff der Gläubiger zu entziehen. Eine solche Rechtsform begünstigt unmittelbar den Eigennutz und schiebt das Risiko in der Hauptsache anderen zu."67
In keiner anderen Unternehmensform habe die „Unsauberkeit und Korruption" in größerer Blüte gestanden, als bei der GmbH. 68 Die GmbH und ihre „Abarten " seien ihrer ganzen Struktur nach dazu angetan, „charakterschwachen Persönlichkeiten Gelegenheit zu geben, eine Unternehmertätigkeit zu entfalten, die im nationalsozialistischen Staat nicht geduldet werden kann. " 69 Von Frankenberg und Proschlitz bezeichnet die GmbH als eine „ Unternehmungsform, die in ihrer heutigen Struktur nach den Grundsätzen natonalsozialistischer Wirtschaftsauffassung nicht fortbestehen kann neben der Rechtsunsicherheit begünstige sie eine „verantwortungslose Führung. " 70 Auch vermischte sich bald nach 1933 die Kritik an den Mißbräuchen der Gesellschaftsform mit den Schuldzuweisungen an ausländische Machthaber: „Die weitgehende Verschachtelung zwischen solchen Gesellschaften, die Einsetzung femstehender Personen als Organe derselben [...] und die rechtlich zulässige Ausübung des Stimmrechts durch formallegitimierte Dritte ermöglichte [...] oft eine völlige Anonymität der wirklich wirtschaftlichen Machthaber. All das hatte, durch das Majoritätsprinzip begünstigt, zur Folge, daß land- und branchenfremde Kapitalbesitzer [...] Einfluß in vielen wichtigen Unternehmungen erwarben [...]. Außerdem gab dies auch mit Anlaß zu einer [...] getarnten Überfremdung des deutschen Grundstück- und Kreditmarkts." 71
Aus der allgemeinen Stimmung in der Literatur der frühen Jahre nach 1933 gegen die GmbH sollen die Auffassungen der zwei bedeutendsten Kritiker der GmbH herausgestellt werden. Es handelt sich hierbei zum einen um die Arbeiten des Freiburger Professors Großmann-Doerth. Anhand seiner Kritik an der GmbH, die er auf vorwiegend theoretische Überlegungen stützt, soll der Einfluß des Nationalsozialismus auf die Diskussion um die GmbH herausgearbeitet werden. Die Untersuchungen von Großmann-Doerth bieten hier einen guten Ansatzpunkt, da er sowohl vor als auch nach 1933 kritische Schriften zur GmbH verfaßt hat. Des weiteren sollen die Ausführungen des eher von der praktischen Seite her argumentierenden Registerrichters am Amtsgericht Berlin-Charlottenburg, Karl-August Crisolli betrachtet werden, der im Gegensatz zu Großmann-Doerth nicht der Gruppe der „GmbH-Geg67 68 69 70 71
3*
Frankenberg und Proschlitz, a. a. Ο. Frankenberg und Proschlitz, a. a. O. Frankenberg und Proschlitz, a. a. Ο. Frankenberg und Proschlitz, S. 180. Dix, Der Dt. Volkswirt 1933/1934, S.242.
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1. Kap.: Die GmbH als Unternehmensform bei Machtübernahme
ner" angehörte, sondern die GmbH reformieren wollte. Er verfaßte ab 1933 eine Fülle von Anmerkungen und Schriften zum GmbH-Recht.72 Seine herausragende Stellung innerhalb der nationalsozialistischen Literatur gründet sich auch darauf, daß er in dem von Hans Frank 1935 herausgegebenen „NS-Handbuch für Recht und Gesetzgebung " einen Artikel über die GmbH verfaßt hat, wodurch seine Ausführungen einen etwas „ offizielleren " Charakter erhalten. Ich bin davon überzeugt, daß Crisolli im weiteren Verlauf der GmbH-Diskussion noch viel stärker in die Arbeiten zur GmbH-Reform miteinbezogen worden wäre, hätte dies sein früher Tod im Jahr 193773 nicht verhindert. I. Die Forderung zur Abschaffung durch Großmann-Doerth Hans Großmann-Doerth (1894-1944) war von 1928 bis 1930 als Privatdozent in Hamburg tätig und wechselte dann als außerordentlicher Professor nach Prag. 74 Von seinen zahlreichen Schriften sollen zunächst nur drei untersucht werden. Bereits im Jahre 1931 hatte er in Prag ein umfangreiches Gutachten zur Reformbedürftigkeit der GmbH anläßlich des 5. Deutschen Juristentages in der Tschechoslowakei angefertigt. 75 Hierin zeigte er Schwachstellen des GmbH-Rechts auf und entwickelte mit Hilfe der ausführlichen Rechtsvergleichung Reformvorschläge. Anläßlich seines Wechsels an die Universität Freiburg im Breisgau zum Sommersemester 1933 hielt Großmann-Doerth am 11. Mai 1933 eine Antrittsrede, in der er auch zur GmbH-Frage Stellung nahm. Die Rede dient als Beleg für den Wunsch Großmann-Doerths, seine künftige wissenschaftliche Arbeit in den Dienst der nationalsozialistischen Weltanschauung zu stellen. Sein erster nach 1933 verfaßter Aufsatz zur GmbH schließlich vom Januar 1934 zeigt dann bereits in vollem Maße den Einfluß des nationalsozialistischen Denkens und gipfelt in der Forderung nach Abschaffung der GmbH. Ein Freund der GmbH war Großmann-Doerth niemals gewesen. Der allgemeinen Kritik folgend, wies er in seinem Gutachten von 1931 bereits auf die zahlreichen Mißbrauchsmöglichkeiten hin. Als Grund für diese Art der Verwendung der GmbH benannte er aber hauptsächlich die lückenhafte Ausgestaltung des Gesetzes: „Eine Gesellschaftsform, welche zu leichtfertigen Gründungen und unredlichen Geschäftsgebaren geradezu anreizt, deren häufige mißbräuchliche Benutzung daher nichts Verwunderliches - vielmehr wäre das Gegenteil unverständlich! - hat, sondern die absolut selbst72
Vgl. Crisolli, Entwurf eines Gesetzes zur Vereinheitlichung, Bereinigung und Reinhaltung des Handelsregisters (1934); ders., JW 1934, S. 936ff.; ders., JW 1934, S. 2657ff.; ders., JW 1934, S. 3042ff.; ders., JW 1935, S.8ff.; ders., JW 1935, S. 172ff., ders., JW 1935, S. 841 ff., ders., JW 1935, S. 2401 ff., ders. DJZ 1935, Sp.484ff., ders. NS-Handbuch 1935, S. 1155 ff. 73 Vgl. die Aussage Dünners vom 25. Mai 1937, S. 12: „Der leider viel zu früh verstorbene Kommentator des Umwandlungsrechts Crisolli [...]." 74 Vgl. weitere biographische Angaben bei Schubert, Protokolle des GmbHR-Ausschusses, S. XVIII. 75 Großmann-Doerth, Gutachten zur GmbH-Reform, 1931.
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verständliche Konsequenz des leichtfertig gemachten Gesetzes ist. [...]: diese leichte und vom Gesetz offenbar gebilligte Möglichkeit,riskanteGeschäfte unter Überwälzung des Risikos auf den Gläubiger bei eigener unbegrenzter Gewinnchance zu machen, diese Leichtigkeit, mit welcher man im Falle des ,Schiefgehens' sich samt den Aktiven, wenn überhaupt solche je vorhanden, zurückziehen kann, diese Leichtigkeit, mit welcher man den Vertragsgegner achselzuckend an die Ges.m.b.H. - eine ausgedrückte Zitrone! - verweisen kann, wenn man den Vertrag nicht mehr wünscht: das ist es, was der Ges.m.b.H.-Form vorzuwerfen ist [...]."76
Nach Großmann-Doerth war der deutsche Gesetzgeber einer dreistufigen Logik bei der Schaffung des GmbH-Gesetzes gefolgt. Zunächst sei es Ziel gewesen, eine Gesellschaftsform mit den gleichen Haftungsregeln wie in der Aktiengesellschaft vorhanden, aufzustellen; in einem zweiten Schritt habe man dann aber auf die Sicherungsmöglichkeiten des Aktienrechts 77 verzichtet, die GmbH somit von der Strenge des Aktienrechts befreit; der hierdurch entstehenden Gefährdung Dritter habe man dann dadurch zu begegnen versucht, daß der Anteilshandel mit den Gesellschaftsanteilen erschwert wurde 78 und die Gesellschaft damit vom öffentlichen Kapitalmarkt fernblieb. 79 In einer umfangreichen Rechtsvergleichung betrachtete Großmann-Doerth daraufhin die GmbH-Gesetze anderer Länder, die bereits die fehlerhafte Entwicklung in Deutschland bei der Abfassung ihrer Gesetze hatten berücksichtigen können.80 Nach dem 1. Weltkrieg waren in der Schweiz81, in Liechtenstein82, Italien 83 , Frankreich 84 und Ungarn 85 Gesetze entstanden, des weiteren betrachtete GroßmannDoerth die englische Novelle von 192886 und die deutschösterreichische Novelle von 192487. Überraschenderweise lehnte Großmann-Doerth aber fast alle Reformmöglichkeiten, die er in anderen GmbH-Gesetzen vorfand, als unzureichend oder sinnlos ab: Die Einführung eines Konzessionszwangs beispielsweise hielt er für 76
Großmann-Doerth, Gutachten 1931, S.239. Großmann-Doerth spielt hier auf die aktienrechtlichen Regelungen beispielsweise zur Gründungsprüfung, Bilanzierung und Bilanzveröffentlichung an. 78 Vgl. § 15 Abs. 3 GmbHG: „Zur Abtretung von Geschäftsantheilen durch Gesellschafter bedarf es eines in gerichtlicher oder notarieller Form geschlossenen Vertrages. " 79 Großmann-Doerth, Gutachten 1931, S. 176 u. 178. 80 Vgl. Großmann-Doerth, Gutachten 1931, S. 173. 81 Gesetzesentwurf über die Revision der Titel XXIV-XXXIII des Schweizerischen Obligationenrechts vom 21.2.1928, welcher zunächst in den Art. 766 bis 816 die GmbH regelte. Die Fassung vom 18.12.1936 regelte die GmbH dann in den Art. 772-827, auf welche ich in den Fußnoten 103 und 105 Bezug nehme. 82 Liechtensteinisches Zivil-Gesetzbuch von 1926, Art. 389 bis 427. 83 Italienischer Entwurf zu einem Handelsgesetzbuch von 1925, welcher in den Art. 147-157 die GmbH (società a garanzia limitata) regelt. 84 Gesetz vom 7. März 1925. 85 Gesetzesartikel V vom Jahre 1930. 86 Companies Act 1929. 87 Bundesgesetz vom 4. Juli 1924, BGBL 1924, 705. 77
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sinnlos. Ein solcher hatte in Deutschland nur während des Krieges bestanden.88 In der Tschechoslowakei bestand seit dem 20. Juli 1920 ein Einspruchsrecht des Innenministeriums bei Gründung und Kapitalerhöhung von GmbH, was praktisch einem Konzessionszwang entsprach.89 Im Hinblick auf die Frage über Vor- und Nachteile eines solchen Zwangs wies Großmann-Doerth darauf hin, daß das Einspruchsrecht in der Tschechoslowakei nur mit dem Grund eingeführt worden war, ausländisches Kapital abzuhalten und ein Mindestkapital von einer gewissen Höhe zu bewirken. 90 Diese Ziele seien aber auf andere Art und Weise besser zu erreichen: „Ergebnis: Der Konzessionszwang verursacht den Parteien Zeit- und Geldverluste und kostet den Staat Beamtenarbeit. Was den Nutzen betrifft, so wird das Ziel der Heraufsetzung des Mindeststammkapitals besser durch eine Änderung des Gesetzestextes erreicht, und die Abwehr reiner Auslandsgründungen kann durch den Konzessionszwang überhaupt nicht verwirklicht werden"91
Großmann-Doerth forderte daher die Aufgabe des Einspruchsrechts in der Tschechoslowakei.92 Der Konzessionszwang sei „ ganz unabhängig von dem jeweiligen staatspolitischen Standpunkt und aus nüchternen reinen Nützlichkeitserwägungen heraus abzulehnen. " 93 Auch bezüglich der Frage nach der Zulässigkeit von Einmanngesellschaften vertrat Großmann-Doerth 1931 zwar einen grundsätzlich ablehnenden Standpunkt, konnte sich aber durchaus mit der Anerkennung dieser Gesellschaftsform durch die Gerichte abfinden. Er räumte ein, daß man auch weiterhin deren Zulässigkeit nicht schon durch das Gesetz bestimmen sollte: „Wer wie Verfasser von diesem Standpunkt der Solidität aus wertet, wird einer Zulassung schon der Gründung von Einmann-G.m.b.H. nicht das Wort reden, auch wenn diese Zulassung als Konsequenz einer Gerichtspraxis und als Konsequenz der gesetzlichen Anerkennung der meArgliedrigen Ges. m. b. H. als logisch geboten anerkannt werden muß: Einige Erschwerung bedeutet der Zwang zur Beteiligung eines Strohmannes doch immerhin- [,..]."94
Auf der anderen Seite findet er aber großes Verständnis für die Einmann-GmbH: „Wenn zwei Leute sich zu einem Unternehmen zusammenschließen und dabei das Risiko auf die Gläubiger überwälzen, sofinden sie den Beifall der Ges.m.b.H.-Freunde aller Länder. Was wird nun eigentlich schlimmer - von diesem Standpunkt aus - , wenn der Einzelkaufmann seine Haftung begrenzen darf? [...] Wenn diese Haftungsbeschränkung als Ansporn für die Unternehmungslust wirklich etwas volkswirtschaftlich so Erwünschtes ist, so 88
BRatsVO v. 2.11.1917, vgl. Großmann-Doerth, Gutachten 1931, S. 189, dort Fn. 30, aufgehoben durch VO v. 9.10.1920. 89 Vgl. Großmann-Doerth, a.a.O. 90 Großmann-Doerth, Gutachten 1931, S. 196. 91 Großmann-Doerth, Gutachten 1931, S. 198. 92 Großmann-Doerth, Gutachten 1931, S. 197. 93 Großmann-Doerth, Gutachten 1931, S. 199. 94 Großmann-Doerth, Gutachten 1931, S.203.
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ist sie gewiß nicht weniger erwünscht für den Einzelunternehmer, denn warum sollte die Volkswirtschaft der Unternehmerlust nur in kollektiver Form bedürfen?" 95
Bezüglich der Möglichkeit, zunächst bei Eintragung der GmbH nur jeweils ein Viertel der Stammeinlage zu leisten (§ 7 Abs. 2 GmbHG) und den damit verbundenen Risiken bei der Aufbringung des Stammkapitals96, vertrat Großmann-Doerth ebenfalls einen gemäßigten Standpunkt. Eine Volleinzahlung der Stammeinlagen sei nicht notwendig, da durch die Vorschrift des § 7 Abs. 2 GmbHG keine nennenswerten Schäden entstanden seien: „Auch sind durch solche Stundungen, soweit bekannt, Schädigungen Dritter in nennenswertem Umfange nicht vorgekommen. Vom Interesse der Gläubiger aus ist also Verbot oder Einschränkung der Stundung nicht notwendig."97
Auch seien eine Pflicht zur Offenlegung der Bilanz und eine Verbesserung der Bilanzvorschriften insgesamt nicht zu befürworten. Es gehöre zu den „ wesentlichen privatwirtschaftlichen Vorzügen der deutschen Ges.m.b.H. vor der deutschen A.-G., daß eine Pflicht zur Veröffentlichung der Bilanz, von Ges.m.b.H.-Banken abgesehen," nicht bestehe.98 Durch die Ablehnung einer Reihe der im Ausland gesehenen Reformmöglichkeiten liest sich die Einstellung Großmann-Doerths 1931 zum deutschen GmbH-Gesetz zwar kritisch, aber durchaus nicht durchweg negativ; die Interessen der Wirtschaft hat Großmann-Doerth ebenso im Auge, wie den Schutz der Gläubiger. Die Ablehnung der ausländischen Reformen liegt aber auch in der grundsätzlichen Erwägung begründet, daß Großmann-Doerth sie nicht für weitgehend genug, oder ihren Ansatzpunkt für falsch hielt. 99 Als eigene Reformvorschläge nannte Großmann-Doerth daher im folgenden die Verschärfung der Sach- und Nachgründungsvorschriften, die Einführung eines Garantiekapitals, sowie eine durch die Sachgründungsvorschriften hervorgerufene faktische Gründungsprüfung. Da diese Reformvorschläge in der Literatur des Nationalsozialismus auch aufgegriffen wurden, seien sie kurz erläutert: Wie oben im Rahmen der Mißbrauchsfälle bereits dargelegt 100, gab es im deutschen GmbH-Gesetz eine Haftung für die richtige Bewertung von Sacheinlagen101 nur im Rahmen der allgemeinen Vorschriften über unerlaubte Handlungen. Die Rechtsprechung berief sich auf die Vertragsfreiheit der Gesellschafter, so daß sich durch eine gerichtliche Nachprüfung die Differenz zwischen einem tatsächlichen 95
Großmann-Doerth, a. a. Ο. Siehe hierzu oben, Α. II. 97 Großmann-Doerth, Gutachten 1931, S.207. 98 Großmann-Doerth, Gutachten 1931, S.219. 99 Vgl. beispielsweise Großmann-Doerth, Gutachten 1931, S.222. 100 Vgl. oben, A.II. 101 Vgl. §§9, 82 GmbHG. 96
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und behaupteten Wert des Sacheinlagegegenstands nicht feststellen ließ. Andere Länder hatten für die richtige Bewertung von Sacheinlagen Haftungsvorschriften für die Gesellschafter eingeführt, wobei die Vorschriften des Schweizer Obligationenrechts die strengsten Regelungen aufstellte. 102 Der schweizerische Gesetzgeber hatte das Mißbrauchsproblem auf einer zweifachen Grundlage gelöst: Einerseits wurden die Sacheinlagen den Publizitätsvorschriften des Aktienrechts unterstellt, so daß sich Mitgesellschafter und Dritte über die Verhältnisse orientieren konnten.103 Andererseits umfaßte die Haftung der Gesellschafter im Außenverhältnis gegenüber den Gläubigern auch die Deckung der Sacheinlage.104 Nach Art. 802 des Schweizerischen Zivilgesetzbuches hafteten alle Gesellschafter den Gesellschaftsgläubigern für die Schulden der Gesellschaft in Höhe der Differenz zwischen dem wahren und dem angesetzten Wert ohne Rücksicht auf Verschulden solidarisch. 105 Für eine solche Haftung sprach sich auch Großmann-Doerth aus. Die Möglichkeit der Umgehung dieser Haftung durch Nachgründung sei dann dadurch zu vermeiden, daß die Haftung bei der Nachgründung derjenigen bei der Sachgründung gleichgestellt werde. Sein Formulierungsvorschlag lautete: „Durch spätere Einzahlung des Entgelts für den Erwerb von größeren Anlagen u. dgl. wird die durch ursprüngliche Einzahlung der Geldeinlagen zunächst erledigte Haftung der Gesellschafter für die Gesellschaftsschulden in Höhe dieses Entgeltes wieder ins Leben gerufen, soweit nicht die Gesellschafter beweisen können, daß das Entgelt dem wahren damaligen Werte jener Anlage entsprochen hat."106
Des weiteren sah Großmann-Doerth einen wirksamen Schutz der Gläubiger durch die Einführung eines Garantiekapitals. Die Gesellschafter würden danach nicht nur wie bisher mit ihren Einlagen, sondern im Falle der Auflösung der GmbH darüber hinaus in Höhe eines Betrages haften, der bei einem Stammkapital in der gesetzlichen Mindesthöhe auf 100 Prozent der Einlagepflicht zu bemessen sei; bei höherem Stammkapital solle dieser Prozentsatz stufenweise zu ermäßigen sein.107 Durch diese Haftung der Gesellschafter über deren Einlagen wert hinaus, würde eine „ erste ernsthafte Haftung " 108 geschaffen, da die Stammeinlagen-Haftung einen realen Wert nicht oder nur wenig habe.109 102
Vgl. Großmann-Doerth, Gutachten 1931, S.212. Vgl. Art. 778 des Schweizerischen ZGB: „Leistet ein Gesellschafter seine Einlage nicht durch Einzahlung, so haben die Statuten über den Gegenstand seiner Sacheinlage, ihre Bewertung und Anrechnung sowie die Person des Sacheinlegers und den Betrag des ihm dafür zukommenden Stammanteils Aufschluß zu geben. " 104 Vgl. Steiger, §778 Rn.21. 105 Art. 802 des Schweizerischen ZGB: „Die Gesellschafter haften nach den für die Kollektivgesellschaft geltenden Vorschriften für alle Verbindlichkeiten der Gesellschaft solidarisch, jedoch nur bis zu der Höhe des eingetragenen Stammkapitals. " 106 Großmann-Doerth, Gutachten 1931, S.226f. 107 Großmann-Doerth, Gutachten 1931, S. 227ff. u.230. 108 Großmann-Doerth, Gutachten 1931, S.228. 109 Großmann-Doerth, Gutachten 1931, S.229. 103
Β. Behandlung der Mißbrauchsfälle
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Schließlich wies Großmann-Doerth noch auf einen dritten Reformpunkt hin, welcher sich zwangsläufig aus der Verbesserung der Sach- und Nachgründungsvorschriften ergebe: Dadurch, daß alle Gesellschafter nach Schweizer Vorbild solidarisch ohne Verschulden für die Bewertung der Sacheinlagen hafteten, würden sie sich mit entsprechender Gründlichkeit gegenseitig kontrollieren, was zu einer faktischen Gründungsrevision führe. 110 Auch wenn oben gesagt wurde, daß Großmann-Doerths Beurteilung der ausländischen Reformbestrebungen nicht auf eine durchweg negative Einstellung gegenüber der GmbH schließen lasse, so wird bei seinen eigenen Reformvorschlägen, insbesondere in der Absicht der Einführung eines Garantiekapitals, doch eine etwas grundsätzlichere Ablehnung der GmbH-Idee spürbar. Die Einführung eines Garantiekapitals hätte eine Haftung der Gesellschafter über deren Einlage hinaus bedeutet, das beschränkte Risiko für die Gesellschafter hätte sich demnach verdoppelt, was über die ursprüngliche Idee der Haftungsbeschränkung weit hinausging. Diese grundsätzliche Ablehnung wird in dem sich anschließenden eher theoretischen Teil des Gutachtens ebenfalls deutlich, in welchem Großmann-Doerth noch einmal ausdrücklich zur Frage der Haftungsbeschränkung und der juristischen Person Stellung nimmt. 111 Die zwei wesentlichen Argumente gegen die Idee der Haftungsbeschränkung, die auch in seinen nachfolgenden Schriften immer wieder auftauchen, sieht GroßmannDoerth in der Kreditpolitik der Wirtschaft und der mit der Haftungsbeschränkung eröffneten Möglichkeit der Risikoüberwälzung. In der Kreditpolitik der Wirtschaft, die Kredite an die GmbH nur unter Übernahme der persönlichen Haftung der Gesellschafter vergebe, findet Großmann-Doerth eine bereits vorhandene Ablehnung des GmbH-Gedankens ansich, die zu einer „Abschaffung, nämlich zwangsweise Umwandlung der Ges.m.b.H. in die off.H.-G." geführt habe: „Keine Bank und kein sonstiges Unternehmen, welches dazu nach Machtstellung und Qualität der Leitung imstande ist, gewährt irgendeiner Ges.m.b.H. Kredit anders als bei Übernahme der persönlichen Haftung durch die Gesellschafter." 113 „Die Ursachen dieser Kreditpolitik liegen zum großen Teile in den Mißbräuchen, die mit der Ges.m.b.H.-Form getrieben wurden: Man hat genügend Erfahrungen mit Ges.m.b.H. gesammelt, um zu wissen, daß das staatliche Recht zu leichtfertiger Gründung geradezu einlädt und daß femer nichts leichter für die Gesellschafter ist, als die Aktiven aus dem Gesellschaftsvermögen in das eigene zu verschieben. Zum größten Teil aber bedeutet diese Kreditpolitik der maßgebenden Wirtschaftskreise die Ablehnung des Ges.m.b.H.-Gedankens an sich, und zwar gerade in seinem wichtigsten Bestandteil, der Haftungsbeschränkung!" 114 110 111 112 113 114
Großmann-Doerth, Großmann-Doerth, Großmann-Doerth, Großmann-Doerth, Großmann-Doerth,
Gutachten Gutachten Gutachten a.a.O. Gutachten
1931, S.230ff. 1931, S.235ff. 1931, S.235. 1931, S.235f.
m
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1. Kap.: Die GmbH als Unteehmensform bei Machtübernahme
Das Verfolgen dieser Kreditpolitik sei aber nur den „ rational " betriebenen Kreditgeschäften vorbehalten, die ihre Bedingungen diktieren könnten.115 Durch diese Einschränkung werde dem Bild der GmbH ein besonders „häßlicher Fleck " aufgesetzt: „Denn was übrig bleibt, also den Gefahren der Ges.m.b.H. schutzlos preisgegeben ist, das sind die kleinen Kreditgeber, die kleinen Lieferanten, Vermieter, Angestellte usw. Gerade sie haben nicht die Möglichkeit, sich mit den Mißständen der Ges.m.b.H. »abzufinden'" 116
Neben das Argument der Kreditpolitik und Schädigung der kleinen Kreditgeber gegen die Haftungsbeschränkung tritt des weiteren das damit zusammenhängende Argument der Überwälzung des Risikos vom Gesellschafter auf die Gläubiger: „Die zum Zweck der Risikoüberwälzung gegründeten Ges.m.b.H. machen wohl die große Mehrzahl aus. Sie sind zum allergrößten Teil der wirtschaftlichen Funktion nach nicht anderes als ganz gewöhnliche off. H.-G., deren Teilhaber es lediglich für klug befinden, das Risiko ihrer Geschäfte auf diejenigen ihrer Gläubiger abzuwälzen, welche das zu merken oder abzuwehren nicht in der Lage sind. Hätte man die Ges.m.b.H. nicht eingeführt, so hätten diese Unternehmungen die Form der off. H.-G. gewählt oder sie wären eben nicht gegründet worden, weil die Beteiligten das Risiko als zu groß ansahen, um es ganz auf die eigene Schulter nehmen zu wollen."117
So sieht Großmann-Doerth auch die hierdurch hervorgerufene Verdrängung der „solidesten und wertvollsten aller Gesellschaftsformen, der off. H.-G," durch die GmbH als die verhängnisvollste Auswirkung des GmbH-Gesetzes.118 Die Haftungsbeschränkung bei der GmbH sei demnach reiner Selbstzweck, nämlich der Schutz vor dem eigenen Vermögensverlust. Dies mache den entscheidenden Gegensatz zur AG aus, welche hervorragendes Mittel sei, um zahlreiche kleine Kapitalsplitter zu sammeln und produktiven Mitteln zuzuführen: „Wie man es dreht und wendet: Die Haftungsbeschränkung ist bei der Ges.m.b.H. eine rein privatwirtschaftliche und niemals eine volkswirtschaftliche Angelegenheit. Das ist der entscheidende Gegensatz zur A.G. [...]. Wie unklar der Gedanke, als ob es zwischen off. H.-G. und A.-G. ein Mittelding geben müßte."119
Es wird deutlich, daß Großmann-Doerth an dieser Stelle schon wesentlich bedeutendere Konsequenzen aus den eigenen theoretischen Überlegungen gegen das Prinzip der Haftungsbeschränkung zieht. Zur Frage des Mißbrauchs der Rechtsform äußert er sich ebenfalls: „Sehr viele Ges.m.b.H. werden nicht um der Haftungsbeschränkung willen gegründet, sondern lediglich, um zwischen Unternehmen und eigentliche Träger des Unternehmens eine juristische Person zu schalten. Man tut niemandem Unrecht mit der Feststellung, daß es sich 1,5 116 1.7 1.8 119
Großmann-Doerth, Gutachten 1931, S.238. Großmann-Doerth, a. a. O. Großmann-Doerth, Gutachten 1931, S.240. Großmann-Doerth, a.a.O. Großmann-Doerth, Gutachten 1931, S.241.
Β. Behandlung der Mißbrauchsfälle
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dabei meist um den Zweck der Vemebelung des wahren Sachverhaltes handelt. Das Ziel ist dabei letzten Endes in der Regel die Umgehung irgendeines Gesetzes: hier entfaltet die Ges.m.b.H. stärkste privatwirtschaftliche Reize."120
Letztlich macht Großmann-Doerth abermals das lückenhafte Gesetz für die vielen Mißbräuche der Rechtsform und der Haftungsbeschränkung verantwortlich: „Man braucht sich doch nur in die Lage der Gesellschafter hineinzudenken, welche merken, daß Untergang oder doch Abwärtsentwicklung des Unternehmens nicht mehr aufzuhalten ist: die Versuchung, die juristische Person auf Kosten der Gläubiger auszuplündern, ist dann zu groß, als daß ihr nicht auch sonst durchaus anständige Kaufleute unterliegen können und vielfach unterliegen werden."
Die Suche nach Verantwortung beim Staat und nicht bei denjenigen, die von den Mißbrauchsmöglichkeiten Gebrauch gemacht haben, scheint mir das entscheidende an den Ausführungen Großmann-Doerths von 1931 zu sein. Seine Abneigung gegenüber der GmbH ist durchweg zu spüren, die Schuld für deren schlechten Ruf sucht er aber nicht bei den Gesellschaftern, sondern bei dem nicht tätig werdenden Gesetzgeber. Eine gewisse Enttäuschung gegenüber der Gesetzgebung ist nicht zu übersehen. Großmann-Doerth hält die GmbH, nachdem sie vom Gesetzgeber erfunden wurde, für allein und sich selbst überlassen: „Und gerade diese Gesellschaftsform ist vom Staate, nicht von der Wirtschaft erfunden. Lebt eigentlich noch so etwas wie das Gefühl, daß der Staat sich mit solchen Erfindungen nicht blamieren darf, daß ihm am allerwenigsten zu verzeihen ist, mit ungeschickter Hand an die Solidität des Wirtschaftslebens gerührt zu haben?"121 „Denn die Schuld an der Unsolidität des Ges.m.b.H.-Wesens trägt das Gesetz. [...]. Der Staat hat mit der Schaffung der Ges. m. b. H. eine Verantwortung auf sich geladen, welcher er sich nicht durch den billigen und ganz oberflächlichen Einwand entziehen kann, daß ,die Wirtschaft 4 sich ja mit den unbestreitbaren Schwächen dieser Gesellschaftsform ,im großen und ganzen abgefunden' habe. Die »Wirtschaft' besteht nicht nur aus den großen Kreditgebern, und ein Staat, welcher eine solche Gesellschaftsform selbst geschaffen hat, handelt höchst unsozial, wenn er sich damit beruhigt, daß wenigstens diese großen und mächtigen Kreditgeber sich selbst zu schützen imstande seien."122
Es wäre wohl zu weitgehend zu sagen, daß hier bereits der Ruf GroßmannDoerths nach einem autoritären Gesetzgeber zu sehen ist. Ganz abweisen läßt sich die Unzufriedenheit Großmann-Doerths an dieser Stelle jedoch nicht, so daß man zumindest davon ausgehen kann, daß ihm die mit der Machtergreifung der Nationalsozialisten einsetzende „Rechtserneuerung " in allen Lebensbereichen nicht unwillkommen war. An anderer Stelle äußert er sich im Rahmen der Ablehnung eines Konzessionszwangs ähnlich mit einem vorausahnenden Weitblick hinsichtlich der durch die Machtübernahme der Nationalsozialisten bevorstehenden Änderungen im Staatswesen: 120 121 122
Großmann-Doerth, Gutachten 1931, S.239f. Großmann-Doerth, Gutachten 1931, S.239. Großmann-Doerth, Gutachten 1931, S.258.
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1. Kap.: Die GmbH als Unternehmensform bei Machtübernahme „Wenn einst Grünhut das Konzessionssystem »einen fossilen Rest einer längst überwundenen Epoche' nannte, so klingt darin das absolute Selbstvertrauen des damals herrschenden Liberalismus an. Heute kann man sich des Eindruckes nicht erwehren, daß das Konzessionssystem eines künftigen Tages, welcher den Liberalismus als ,fossilen Rest usw.' ansehen würde, wieder-modem sein könnte."123
So deuten sich neben den einzelnen Kritikpunkten also schon 1931 GroßmannDoerths Einstellung zum Liberalismus der Weimarer Zeit an. Eine wirkliche Abschaffung der GmbH fordert Großmann-Doerth nicht, auch wenn ihm ein „ solches Wegdenken der Ges.m. b.H. nicht so unmöglich " 124 erscheint. Wahrscheinlich sah er 1931 noch gar keine greifbare Chance, eine wirklich radikale Umgestaltung des GmbH-Rechts zu fordern. Mit der Machtübernahme durch die Nationalsozialisten wird aber in den Arbeiten Großmann-Doerths deutlich, daß er sich vom nationalsozialistischen Gesetzgeber eine Behebung der Mißbräuche und eine grundsätzliche Änderung im Denken erhofft. Seine Kritik an der GmbH verschärft sich, und es wird deutlich, daß er sich und seine Arbeiten in den Dienst des nationalsozialistischen Gedankens stellen möchte. Aus Anlaß seines Wechsels an die Freiburger Universität (Breisgau) zum Sommersemester 1933 hielt Großmann-Dorth eine Antrittsvorlesung mit dem Titel „Selbstgeschaffenes Recht der Wirtschaft und staatliches Recht" 125. Der Vortrag, gehalten am 11. Mai 1933, befaßt sich mit dem Gesetz und seiner vielfältigen Abbedingung durch vertragliche Vereinbarungen. Großmann-Doerth stellt hier das Recht der Allgemeinen Geschäftsbedingungen als selbstgeschaffenes Recht der Wirtschaft in den Vordergrund und erhebt die Frage, wie weit durch solche Vereinbarungen staatliches Recht verdrängt werden darf. In diesem Zusammenhang bleibt zwar eine eindeutige Stellungnahme zur GmbH aus. Aber dennoch streift er das Recht der GmbH, da er in deren rechtstatsächlicher Wirklichkeit eine Parallele zum Recht der Allgemeinen Geschäftsbedingungen sieht. Zur Frage, ob es überhaupt zugelassen werden könne, „daß die Wirtschaft den Willen des staatlichen Gesetzgebers durchkreuzt " 126, führt er aus, daß das GmbH-Recht einer der Fälle sei, in denen „die abweichende autonome Regelung der Wirtschaft sich bei gerechter Prüfung als die bessere und weisere zeigt. " 1 2 7 Zur Kritik an der GmbH verweist Großmann-Doerth im wesentlichen zunächst auf sein Prager Gutachten von 1931 und bekräftigt dessen Forderungen nach einem wirksamen Schutz der Gläubiger einer GmbH. 128 Es sind hier zunächst noch keine neuen Argumente zu erkennen, die als Auswirkun123
Großmann-Doerth, Gutachten 1931, S. 198; vgl. aberS.199: „Von all diesen Dingen darf sich die Diskussion des Konzessionszwanges für die Ges.m.b.H. frei halten 124 Großmann-Doerth, Gutachten 1931, S.239. 125 Großmann-Doerth, Freiburger Universitätsreden, Heft 10, 1933. 126 Großmann-Doerth, Universitätsreden, S. 18. 127 Großmann-Doerth, Universitätsreden, S. 19. 128 Großmann-Doerth, Universitätsreden, S. 18.
Β. Behandlung der Mißbrauchsfälle
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gen der NS-Ideologie anzusehen sind. Man bemerkt jedoch sehr deutlich, daß Großmann-Doerth zu diesem Zeitpunkt, im Mai 1933, bereits offen ist für die Weltanschauungen des Nationalsozialismus und sich von den Umwälzungen auch im Hinblick auf die GmbH-Reform einiges verspricht. Aus der Antrittsvorlesung kann nicht nur ersehen werden, daß Großmann-Doerth die Parteiideologie vertritt, sondern darüber hinaus deutet sich auch bereits an, daß er bestrebt war, diese künftig in das Wirtschaftsrecht hinein zu tragen: Zunächst führte er noch einmal als Argument gegen die GmbH das Verhalten der Großbanken bei der Kreditvergabe als „autonomer wirtschaftlicher Rechtssetzung" m vor, um das Auseinanderfallen von gesetzlich vorgesehener Haftungsbeschränkung und tatsächlich gegebener unbeschränkter Haftung aufzuzeigen: „Die einzige Gesellschaftsform, welche das staatliche Recht, [...], erfunden hat, ist die Gesellschaft mit beschränkter Haftung. Und sie ist leider die einzige wirklich schlechte Gesellschaftsform; eine wahre Spottgeburt von nicht zu Ende gedachten Gedankengängen. Leitend war der Gedanke: die ,Wohltat der Haftungsbeschränkung' müsse recht weiten Kreisen der Wirtschaft zugänglich gemacht werden. Diese Wohltat der Haftungsbeschränkung ist aber bei näherem Besehen die - hiermit staatlich anerkannte und geschaffene - Möglichkeit für den Kreditnehmer, sein Geschäftsrisiko auf seine Gläubiger abzuwälzen. So das staatliche Recht. Und was tat die Wirtschaft?: Feste Praxis aller irgend rationell arbeitenden Kreditgeber Mitteleuropas ist seit langem: keiner G.m.b.H. wird Kredit gewährt anders als gegen Übernahme persönlicher Bürgschaft durch die Gesellschafter." 130
Großmann-Doerth sieht in diesem Verhalten der Wirtschaft die rechtstatsächliche Abschaffung der GmbH; er heißt das Vorgehen der Wirtschaft zwar vom Ergebnis her gut: „Aber die Wirtschaft, die sich gegen diesen Ungedanken zur Wehr setzte, handelte gesund und aus besserer Einsicht in das, was wirtschaftlich richtig ist."131
Ein solches Auseinanderfallen von staatlichem Recht und wirtschaftlichen Behelfen aber dürfe es nicht geben: „Das Ziel scheint mir die Überwindung dieses Gegensatzes von staatlicher Rechtsordnung und selbstgeschaffenem Recht der Wirtschaft. Dabei stelle ich die Forderung voran: das staatliche Recht muß immer das rechtspolitisch Mustergültige darstellen; es darf nicht sein, daß die Wirtschaft hier den Staat beschämt."132
Wo also die Wirtschaft abweichende Regelungen aufstelle, könne etwas mit der Grundkonzeption eines Gesetzes nicht in Ordnung sein. Großmann-Doerth versprach sich eine Behebung dieses Mißstandes vom Nationalsozialismus, was am Ende seines Vortrages deutlich wird: 129 130 131 132
Großmann-Doerth, Großmann-Doerth, Großmann-Doerth, Großmann-Doerth,
Universitätsreden, S. 19. Universitätsreden, S. 20. a.a.O. Universitätsreden, S.25.
1. Kap.: Die GmbH als Unternehmensform bei Machtübernahme
46
„Schon längst werden viele von Ihnen sich gefragt haben, was ich für die Erfüllung dieser Wünsche vom neuen deutschen Staate erwarte. Auf diese Frage will ich Ihnen die denkbar aufrichtigste und deutlichste Antwort geben: Alles! Alles erwarte ich in dieser Beziehung vom neuen Deutschland. Denn seit der Staatsumwälzung sind zwei Bedingungen geschaffen, ohne welche allerdings meine Vorschläge nutzlose Selbstgespräche und daher auch nicht von mir gestellt worden wären: Der Staat hat wieder die Macht, seinen Willen durchzusetzen. Er steht der Wirtschaft gegenüber frei. Niemals hatte diese weniger Möglichkeit, den staatlichen Willen zu durchkreuzen. Gerade die für die autonome Rechtsbildung so wichtigen Verbände sind heute ausnahmslos in der Hand des Staates. Und zweitens: Die Männer, welche dies erreicht haben, zeigen sich von dem Willen beseelt, dem deutschen Volke die gerechte Lebensordnung zu verschaffen, nach welcher es verlangt. Die Führer werden sicherlich erkennen, daß von diesem Leitgedanken aus auch das autonome Recht der Wirtschaft, [...] der Säuberung dringend bedarf." 133 Ferner ist zu erkennen, daß er sich nicht nur eine neue Ordnung vom Staat verspricht, sondern auch bereit ist, an einer solchen aktiv mitzuarbeiten: „Kommilitonen! Zu diesem Werk bedarf der Staat eines Juristenstandes, der, gleichgültig wo er tätig ist, als Richter, Rechtsanwalt, Rechtsberater der Wirtschaft oder Hochschullehrer, überall von dem Gedanken beseelt ist, daß der Gesamtheit eine gerechte und weise Rechtsordnung, vor allem: die Autorität des staatlichen Rechts notwendig ist."134 Großmann-Doerth schloß seinen Vortrag mit einem entschlossenen Appell, die künftigen Reformen vom nationalsozialistischen Standpunkt aus zu überdenken: „Kommilitonen! Versagen wir uns nicht dieser schönsten Aufgabe unseres Berufes! Unser aller heißer Wunsch ist, Sie möchten bei uns heranwachsen zu treuen, opferbereiten Soldaten des Rechtsgedankens, des Gedankens eines starken, gerechten, deutschen Volksrechtes!"135 Einige Monate später erschien 1934 i m Januarheft der hanseatischen Rechts- und Gerichtszeitschrift ein Aufsatz Großmann-Doerths mit dem sinnträchtigen Titel „Sinnlos gewordenes liberales Wirtschaftsrecht - eine Aufgabe nationalsozialisti136 scher Rechtserneuerung Z u m ersten mal tritt Großmann-Doerth hier als Verfechter der neuen Rechtsideen in der Wirtschaft und deren Umsetzung i m Gesellschaftsrecht auf. Das vorhandene System zu überprüfen und eine Rechtserneuerung vorzunehmen, setzte sich Großmann-Doerth zur Aufgabe. Der Aufsatz beginnt mit den Zeilen: „Rechtserneuerung ist die Verwirklichung neuer Rechtsgedanken: Rasserecht, Führerprinzip als Rechtsgrundsatz, [...]. Rechtserneuerung ist aber mehr, es ist außerdem die Ueberprüfung vorhandenen Rechts, kritische Auseinandersetzung mit überlieferter Rechtsordnung. Dieser zweiten Aufgabe ausschließlich sind die folgenden Ausführungen gewidmet."137 133 134 135 136 137
Großmann-Doerth, Großmann-Doerth, Großmann-Doerth, Großmann-Doerth, Großmann-Doerth,
Universitätsreden, S. 27. a.a.O. Universitätsreden, S. 29. HansRGZ 1934, Sp. 19. a. a. Ο.
Β. Behandlung der Mißbrauchsfälle
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Seine Hoffnungen sieht Großmann-Doerth in dem neuen Gesetzgeber des Nationalsozialismus bestätigt: „Die Fragen des Wirtschaftsrechts sind endlich wieder so zu durchdenken, wie es seit langen Jahrzehnten nicht mehr üblich ist: nämlich grundsätzlich. Grundsätzliches Denken ist Sache des Starken. Der neue deutsche Staat ist stark. Darin liegt die Hoffnung aller wirklichen Erneuerung unseres Rechts."138
Großmann-Doerth griff verschiedene Freiheiten desjenigen Wirtschaftsrechts heraus, „ welches uns von der liberalen Aera her überliefert ist, also in den letzten Jahrzehnten des vorigen Jahrhunderts entstand. " 1 3 9 Das Wirtschaftsrecht dieser liberalen Ära sei geprägt gewesen vom „ System der freien Verkehrswirtschaft dessen ordnendes Prinzip der Wettbewerb der Unternehmer war. 140 Dieser brauchte sich innerhalb des Gesetzes nur von seinem Ertragsstreben leiten zu lassen und sei niemandem für sein Tun und Lassen verantwortlich gewesen. Der Idee von der Kontrolle des Wettbewerbs folgend, habe sich der Staat aus allen wirtschaftslenkenden Eingriffen zurück gezogen und überließ alle Ordnung der Initiative des Unternehmers. 141 Daraus folgte, daß das Recht der Wirtschaft eine Reihe von Freiheiten überließ. Diese Freiheiten (private Initiative, Vertrags-, Schiedsgerichts- und Organisationsfreiheit) unterzog Großmann-Doerth zwei Fragen. Zunächst wollte er den ursprünglichen Sinn und das Ziel der Verleihung der Freiheiten untersuchen.142 Danach sei zu erörtern, ob diejenige Art, in der die Unternehmer in den letzten 60 Jahren von den Freiheiten Gebrauch gemacht hatten, diesem Sinn entsprochen habe.143 Er nahm das Ergebnis vorweg, um auf den eigentlichen Kern seiner Ausarbeitung hinzuweisen: „Diese zweite Frage werde ich zu allen vier Freiheiten verneinen und daraus ergibt sich für die Aufgabe der Rechtserneuerung die weitere Frage: Was sollen wir mit diesen Rechtseinrichtungen tun, welche so ihres ursprünglichen Sinnes beraubt sind?"144
Vor die Beantwortung dieser aufgeworfenen Frage stellte Großmann-Doerth seine Untersuchungen bezüglich der vier genannten Freiheiten. Mit dem Recht der GmbH befaßte er sich innerhalb des Abschnitts über die Organisationsfreiheit als „die Freiheit, Organisationen mit besonderer Rechtspersönlichkeit ins Leben zu rufen." Bei der GmbH stoße man auf das Motiv, Gesetze zu umgehen. Großmann-Doerth nannte einige Beispiele: Er ging auf die zahlreichen Grundstücks-GmbH ein, die nur mit dem Zweck gegründet worden waren, Steuern zu sparen. 146 Des weiteren sei 138 139 140 141 142 143 144 145 146
Großmann-Doerth,HansRGZ Großmann-Doerth,HansRGZ Großmann-Doerth,a.a.O. Großmann-Doerth,HansRGZ Großmann-Doerth,a.a.O. Großmann-Doerth,HansRGZ Großmann-Doerth,HansRGZ Großmann-Doerth,HansRGZ Großmann-Doerth,HansRGZ
1934, Sp.42. 1934, Sp. 19. 1934, Sp.20. 1934, Sp.21. 1934, Sp.22. 1934, Sp.26ff. 1934, Sp.28.
145
1. Kap.: Die GmbH als Unteehmensform bei Machtübernahme
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es durch das Dazwischenschieben einer GmbH möglich, steuerpflichtige Gewinne als erhöhte Kaufpreise zu tarnen: So wollte die „Nordwolle " einen Teil ihrer Gewinne der Steuer entziehen und gründete eine holländische Gesellschaft mit dem Namen „Hum". Diese kaufte dann australische Wolle, und „verkaufte" sie an die Nordwolle weiter. „Ihre Aufschläge ' sind in Wirklichkeit Guthaben der Nordwolle und werden auch von dieser in jeder Hinsicht so behandelt, nur nicht dem Steuerfiskus gegenüber," 147 Die juristische Person werde „zur Verschleierung ganz allgemein" und darüber hinaus überall da genutzt, „wo Erkennbarkeit der Verhältnisse nach außen unerwünscht ist" m. Nach zahlreichen weiteren Beipielen aus der Tagespresse149 gelangt GroßmannDoerth bezüglich der Organisationsfreiheit zu folgendem Ergebnis: „Das also sind die Zwecke, zu denen die Organisationsfreiheit im Zuge der ,Verfeinerung' des Gesellschaftsrechts heute vorwiegend benutzt wird: Zur Haftungsbegrenzung, zur Schiebung (Steuerumgehung bis Verbrechen), zur eigennützigen Ausbeutung von Unternehmungen, die man nicht allein besitzt. " 15°
Die Organisationsfreiheit sei eine, vom liberalistischen Gesetzgeber gewährte, aber ihres ursprünglichen Sinnes beraubte und damit überflüssige Freiheit: „Von den Grundstücks-GmbH, der Hypothekenbanken über die Finanzierungs-GmbH, der Autofabrik bis zur Hum der Brüder Lahusen und den Favag- und Kreuger-Töchtern: hier überall wird die von der Rechtsordnung gewährte Organisationsfreiheit dazu ausgenutzt, um durch Dazwischenschieben von juristischen Personen zwischen einerseits den Unternehmer und andererseits das Unternehmen oder eine Untemehmensabteilung alle Schranken des Rechts und des Anstandes niederzureißen. Die vom Staat geschaffene und anerkannte juristische Person als Todfeind der Rechtsordnung und Sittlichkeit."151
Großmann-Doerth sah den Nachweis geführt, „daß in der Gegenwart unseres Rechtslebens Rechtseinrichtungen stehen, die von der liberalen Gesetzgebung unter bestimmten Voraussetzungen und zur Erfüllung bestimmter Zwecke geschaffen worden sind, die aber seitdem ihrer Voraussetzungen beraubt sind oder zu anderen Zwecken gebraucht und vielfach mißbraucht werden. " 152 Zur Haftungsbeschränkung führte er aus, diese sei bei der GmbH nur Selbstzweck 153 , und nahm sodann zur Bestimmung von Erneuerungsvorschlägen eine Wendung ins weltanschaulich-politische: „Den Boden der Wissenschaft verlasse ich und betrete das Gebiet der Rechtspolitik, wenn ich jetzt an diejenige Frage herantrete, ohne welche mich persönlich die ganze Sache wenig 147 148 149 150 151 152 153
Großmann-Doerth, HansRGZ 1934, Sp.29. Großmann-Doerth, a. a. O. Vgl. Großmann-Doerth, HansRGZ 1934, Sp. 29-32. Großmann-Doerth, HansRGZ 1934, Sp.37. Großmann-Doerth, HansRGZ 1934, Sp.32. Großmann-Doerth, HansRGZ 1934, Sp.37. Großmann-Doerth, HansRGZ 1934, Sp.28.
Β. Behandlung der Mißbrauchsfälle
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berühren würde: die Frage nämlich: Was sollen wir tun? Was ist der Staatsführung zu raten gegenüber diesem seines ursprünglichen Sinnes beraubten liberalen Wirtschaftsrechts?" 154
Zur Beantwortung der aufgeworfenen Frage im Hinblick auf die Organisationsfreiheit weist Großmann-Doerth auf die Rede des zu diesem Zeitpunkt noch als Reichsjustizkommissar tätigen Hans Frank vom 26.10.1933 hin, die stellvertretend für die Absichten der neuen Regierung gelten solle. Nach den Worten Franks werde die Reform des allgemeinen Wirtschaftsrechts nicht überstürzt erfolgen. Maßgeblich werde sein, daß der nationalsozialistische Staat eine unverantwortliche Anonymität in der Wirtschaftsführung nicht ertragen könne und mit allen Mitteln versuchen werde, allmählich wieder die Verantwortlichkeit der persönlich führenden Unternehmer in den Mittelpunkt des Wirtschaftsrechts zu stellen.155 In diesem Sinne stellte Großmann-Doerth zusammenfassend folgende Forderungen auf: „Wenn mit diesen Zielen Emst gemacht werden soll, so dürfte nichts anderes übrigbleiben als folgendes: 1. Die GmbH, wird wieder abgeschafft. 2. Die A.-G. wird wieder unter Konzessionszwang gestellt, und die Konzession wird erteilt nur dort, wo es sich um den typischen Zweck der Aktiengesellschaft handelt, welcher vom Standpunkt der Rechtsordnung allein diese Einrichtung rechtfertigt, nämlich um die Finanzierung von Unternehmungen durch Herantreten an das große Publikum.
[..·]. Zur Begründung dieser Vorschläge: I. Solange und soweit die freie Verkehrswirtschaft gilt, hat der Unternehmer das volle Risiko der eigenen Geschäfte zu tragen - alles andere ist mit diesem System unvereinbar.!...]." 156
Zur Rechtsumgehung müsse sich das deutsche Volk und seine Führung fragen, ob es nicht wünsche, daß auch die Wirtschaft dem staatlichen Recht gehorcht. Dies sei gewiß eine „Frage der Weltanschauungaber wenn die „Vernebelungsingenieure " das Interesse der Wirtschaft als Argument für die Organisationsfreiheit anführen wollten, so müsse deutlich gesagt werden: „Der deutschen Wirtschaft würde es heute beträchtlich besser gehen, wenn ihr nicht von ihren ,Rechts' -Beratern unaufhörlich die Wege um das Recht herum aufgezeigt wären." 151 Großmann-Doerth behauptete: „Keiner der fürchterlichen Zusammenbrüche, unter denen die deutsche Wirtschaft so schwer gelitten hat, von der Favag bis zur Nordwolle, wäre in diesem Ausmaße möglich gewesen, wenn nicht durch den Mißbrauch der Organisationsfreiheit, also durch das Hervorzaubern von juristischen Personen, die in Wirklichkeit Aktenschränke der Konzernleitung darstellten, und durch eine möglichst undurchsichtige Verschachtelungspolitik jener dichte Vorhang gewebt worden wäre, hinter dem dann jede Schiebung möglich war." 158 154 155 156 157 158
4 Stupp
Großmann-Doerth, HansRGZ 1934, Sp.37. Zitiert nach Großmann-Doerth, HansRGZ 1934, Sp.39. Großmann-Doerth, HansRGZ 1934, Sp.40. Großmann-Doerth, a. a. O. Großmann-Doerth, HansRGZ 1934, Sp.40 f.
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Im Vergleich zu Großmann-Doerths früheren Ausführungen hat sich hier die Konsequenz aus der Kritik heraus deutlich verschärft. Die Argumente sind zwar im wesentlichen gleich geblieben, Großmann-Doerth verweist diesbezüglich auch ausdrücklich auf sein Gutachten anläßlich des 5. Deutschen Juristentages in der Tschechoslowakei.159 Während Großmann-Doerth aber 1931 umfängliche Vorschläge zur Reformierung des GmbH-Gesetzes macht, kommt er 1934 zur Auffassung, die GmbH sei gänzlich abzuschaffen. Auch seine Forderung, die AG unter Konzessionszwang zu stellen, läßt sich kaum mit seiner liberalen Einstellung von 1931 vergleichen, unter welcher er einen Konzessionszwang „ ganz unabhängig von dem jeweiligen staatspolitischen Standpunkt und aus nüchternen reinen Nützlichkeitserwägungen heraus " l6° ablehnte. Reformvorschläge bringt Großmann-Doerth 1934 aber gar nicht mehr an, er möchte mit Hilfe des „starken Staates" 161 die Probleme wieder „grundsätzlich" 162 durchdenken und schlägt demzufolge auch eine radikalere Lösung vor. Der nationalsozialistische Grundsatz vom „Gemeinnutz vor Eigennutz " 163 klingt hier bereits an, wenn Großmann-Doerth die Unternehmerinteressen des einzelnen hinter das Interesse der Gesamtwirtschaft stellt. Die geänderten Machtverhältnisse haben hier also dazu geführt, daß sich die Konsequenzen der bereits vorhandenen Kritik an der GmbH verschärften. Das Problem des Mißbrauchs der eigenen Rechtspersönlichkeit der GmbH wollte Großmann-Doerth dadurch lösen, daß er die GmbH abschaffte. Die Idee der Haftungsbeschränkung sah er durch die Kreditpolitik der Wirtschaft ohnehin schon als abgeschafft an, ferner sich die Haftungsbeschränkung auch nicht mit der Forderung des Nationalsozialismus nach „Verantwortlichkeit der persönlich führenden Unternehmer" 1 6 4 vertrage.
II. Reformvorschläge von Crisolli Ebenfalls mit der GmbH als juristische Person, ihrer Haftungsbeschränkung und den oben erwähnten Mißbrauchsfällen setzte sich der Berliner Amtsgerichtsrat Karl-August Crisolli auseinander.165 Wie oben bereits erwähnt, verstarb er schon sehr früh und unerwartet im Jahre 1937. Schriften zur GmbH aus der Zeit vor dem Nationalsozialismus sind mir nicht bekannt. Seine Dissertation verfaßte Crisolli im Jahre 1926 auf „Anregung des Herrn Geheimrat Dr : Heymann bei Gelegenheit mei159
Vgl. Großmann-Doerth, HansRGZ, Sp.27, Fn.6 u. Sp.40, Fn.36. Großmann-Doerth, Gutachten 1931, S. 199, vgl. auch oben, B.I. 161 Großmann-Doerth, HansRGZ 1934, Sp. 19 (42). 162 Großmann-Doerth, a. a. O. 163 ygi hierzu ausführlicher unten, Kapitel 2 und Kapitel 3. 160
164
Vgl. Großmann-Doerth, HansRGZ 1934, Sp.39. Crisollis Geburtsdatum blieb mir unbekannt. Die entsprechenden Akten des Amtsgerichts Charlottenburg und der Senatsverwaltung Berlin bzw. des früher für Personalangelegenheiten zuständigen Kammergerichts sind bereits vernichtet. 165
Β. Behandlung der Mißbrauchsfälle
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ner Mitwirkung an seiner Neuausgabe des Handelsgesetzbuches" zum Thema „Der Aktionär und die Goldbilanz nach der Goldbilanzverordnung ". Hierin untersuchte er die Schutzmittel, welche dem Aktionär oder einer Gruppe von Aktionären gegen Beschlüsse der Generalversammlung über Genehmigung der Goldbilanz zur Seite standen; Crisolli beschäftigte sich also mit dem Innenverhältnis der Aktiengesellschaft und insbesondere mit den Rechten der Minderheit. Von Kritik an der Organisationsform der Kapitalgesellschaft ist hier aber nichts zu spüren. Als Gerichtsassessor in Berlin gab Crisolli 1929 eine Monographie zum Thema „Das Recht der Reklame " mit heraus. 167 In der Folgezeit beschäftigte er sich mit dem Abzahlungsgesetz, welches er in vier Auflagen um 1930 und 1931 kommentierte. 168 Auch nach der Machtergreifung durch die Nationalsozialisten setzte er sich in einem Aufsatz in der Juristischen Wochenschrift noch mit dem „Abzahlungsgeschäfte im Lichte der neuen Rechtsanschauung " auseinander169 und verfaßte ebenfalls einen Artikel hierzu in dem von Hans Frank herausgegebenen „NS-Handbuch für Recht und Gesetzgebung". 1 7 0 Von da an sind mir auch bereits zahlreiche andere Veröffentlichungen des Registerrichters zu den Themen Firmenwahrheit, Umwandlung und GmbHRecht bekannt, welche im Laufe der Arbeit vorgestellt werden sollen. Zum ersten Mal nimmt Crisolli 1934 Stellung zur GmbH im Rahmen einer Urteilsanmerkung. Es handelt sich hier um den oben bereits erwähnten Fall des Reichsgerichts, welches bei der Frage nach der Staatsangehörigkeit einer GmbH formal auf den Sitz der Gesellschaft abgestellt hatte.171 Die Tatsache, daß sämtliche Kapitalanteile in ausländischem Besitz waren, betrachtete das Gericht als unerheblich, so daß § 7 des Preußischen Staatshaftungsgesetzes dem Amtshaftungsanspruch der deutschen GmbH gegen den Staat nicht entgegen stand. Die Entscheidung betraf somit einen Fall des „Dazwischenschiebens" einer juristischen Person, weshalb Crisolli die Entscheidung kritisierte: „Die Entscheidung dürfte den erheblichsten Bedenken unterliegen. Wenn die Entsch. auch den bisherigen Rechtsanschauungen, die eine strenge Trennung zwischen den Gesellschaftern einer GmbH, und der juristischen Person der Gesellschaft selbst durchführte, entspricht, so dürfte die Entsch., die auf eine dem Volksleben fremde ziemlich spitzfindige Unterscheidung hinausläuft, den Anschauungen der neuen Rechtsentwicklung nicht gerecht werden. Die neue Rechtsentwicklung mit ihrer Forderung nach Klarheit und Einfachheit der 166
Crisolli, Der Aktionär und die Goldbilanz nach der Goldbilanzverordnung, S.XVI. Zusammen mit Felix Wolff, Rechtsanwalt und Notar in Berlin. 168 Vgl. die Weiterführung in 5. Auflage 1958 von Rechtsanwalt Dr. Fritz Ostler, München, der im Vorwort, S. V, schreibt: „ Um 1930 waren in rascher Folge vier Auflagen einer Kommentierung des Abzahlungsgesetzes durch Herrn Dr. Karl-August Crisolli erschienen, die 4. Auflage im Jahre 1931. Der ,Crisolli' war damals die eingehendste und auch gründlichste Erläuterung des Abzahlungsgesetzes. Nach dem frühen Tod des Verfassers, der auch sonst literarisch stark hervorgetreten war, war das Werk nicht mehr aufgelegt worden. " 169 Crisolli, JW 1934, S.3042. 170 NS-Handbuch, S. 1155 ff. 171 Urteil vom 10.7.1934, RG JW 1934, 2969 = DJ 1934, 1490; vgl. oben, A.I. 167
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1. Kap.: Die GmbH als Unternehmensform bei Machtübernahme Rechtslagen kann eine solche Entsch. nicht gutheißen. Kein einfach und klar denkender Mensch wird eine Gesellschaft, deren Anteile gleich nach der Gründung in der Hand eines Ausländers vereinigt werden und die dann vom Ausland aus verwaltet wird, noch als eine »deutsche' Gesellschaft ansehen."172
Crisolli wendet seine Kritik aber hier nicht gegen die Existenz der GmbH selbst oder gegen deren Gesellschafter, sondern gegen die Ausgestaltung der GmbH als juristische Person. Grundsätzlich kann hier seinen Ausführungen keine gänzlich ablehnende Haltung gegenüber der GmbH als Gesellschaftsform entnommen werden. Lediglich die Tatsache, daß die GmbH eine juristische, und somit von den dahinterstehenden natürlichen Personen zu unterscheidende, eigene Rechtspersönlichkeit ausweist, mißfällt Crisolli. Im folgenden schlägt er eine neue Definition der juristischen Person vor, um den Mißbrauch mit dieser durch die GmbH vermeiden zu können: „Nach der neuen Rechtsentwicklung ist eine juristische Person des Handelsrechts nur als ein zweckgebundenes Vermögen der Gesellschafter anzusehen, das unter bestimmten Voraussetzungen gewährte Haftungsbeschränkung genießt und in mancher Beziehung einer lebenden Person gleichgesetzt wird." 173
Auch in dem vom damaligen Reichsminister und späteren Generalgouverneur von Polen Hans Frank 174 1935 herausgegebenen „Nationalsozialistischen Handbuchfür Recht und Gesetzgebung " bearbeitete Crisolli einen Beitrag zum GmbHRecht. 1 7 5 Die Ausführungen stimmen im wesentlichen mit den Untersuchungen Crisollis in einem Aufsatz mit dem Titel „Auswirkungen der neuen Rechtsanschauungen im Handelsrecht " des Januarhefts der JW 1935 überein. 176 Crisolli stellt die allgemeine Frage, „ob die G.m.b.H. überhaupt nach der neuen Rechtsanschauung zu beseitigen ist oder nicht " in den Hintergrund, da nicht so sehr von juristischen als mehr von „wirtschaftlichen Gesichtspunkten" auszugehen sei. 177 Er führt aber an: „Es sei hier nur soviel hervorgehoben, daß die Grundeinstellung der neuen Rechtsentwicklung mit ihrer Forderung der Beseitigung der Anonymität des Kapitals, des Führerprinzips, der Verantwortlichkeit des Unternehmers und der Wahrheit und Klarheit der Rechtsbeziehungen der Volksgenossen gegen eine Beibehaltung der G.m.b.H. sprechen muß."178
Nur eine Betrachtung der wirtschaftlichen Gesichtspunkte könne eine Beibehaltung der GmbH rechtfertigen. Daraus sei zu folgern, daß, wenn die GmbH über172
Crisolli, Anm. zu RG JW 1934, 2969. Crisolli, a.a.O. 174 Zur Person Hans Franks (1900-1946) vgl. beispielsweise die Biographie von Schudnagies, „Hans Frank - Auf stieg und Fall des NS-Juristen und Generalgouverneurs". 175 Crisolli, NS-Handbuch, S. 1155. 176 Crisolli, JW 1935, S. 8. 177 Crisolli, NS-Handbuch, S. 1155 (S. 1156). 178 Crisolli, a.a.O. 173
Β. Behandlung der Mißbrauchsfälle
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haupt beibehalten werden solle, „ ihr Lebensgebiet soweit als möglich einzuschränken ist und ihr Recht nach den nationalsozialistischen Anschauungen völlig umzugestalten ist. " 179 Auch Crisolli greift folglich nicht bloß bereits vorhandene Kritik auf, sondern will eine Reform der GmbH unter Einbeziehung spezifisch nationalsozialistischer Gesichtspunkte herbeiführen. Als solche nennt er das Führerprinzip, das Verantwortungsprinzip, die Abschaffung der Anonymität und die Verständlichkeit des Rechts. Mit Blick auf die erwünschte Verständlichkeit des nationalsozialistischen Rechts wandte sich Crisolli gegen die GmbH als juristische Person: „Bei den vorliegenden allgemeinen Betrachtungen soll noch untersucht werden, ob es notwendig ist, daß die G.m.b.H. in der Form der juristischen Person beizubehalten ist. Dies dürfte zu verneinen sein. Die Anschauung, daß die G.m.b.H. eine juristische Person' ist, dürfte eine jedem einfach und klar denkenden Volksgenossen wenig verständliche »Konstruktion' sein, die eine Quelle für Entscheidungen bildet, die mit der heutigen Rechtsanschauung kaum verträglich erscheinen. [...]. Die neue Rechtsanschauung dürfte unter keinen Umständen die Betrachtungsweise der G.m.b.H. als juristische Person' gutheißen. Diese führt nämlich - [...] - zu einer unnatürlichen und spitzfindigen Unterscheidung zwischen der Gesellschaft als solcher und dem bzw. den Gesellschaftern." 180
Hier nahm Crisolli nun die Hilfskonstruktion der juristischen Person als vorgegeben hin und versuchte nicht, wie zuvor, sie neu zu definieren. Vordergründig scheint es ihm lediglich darum zu gehen, die GmbH von dieser Konstruktion zu befreien, um die rechtliche Trennung zwischen juristischer und dahinter stehender natürlicher Person aufzuheben. Eine Abschaffung der GmbH kam für ihn nicht in Frage. In seinen Ausführungen macht Crisolli dann aber den Vorschlag, die GmbH - also nicht wie zuvor in der Urteilsanmerkung ausgeführt die juristische Person - als zweckgebundenes Vermögen der Gesellschafter anzusehen, welches unter bestimmten Voraussetzungen Haftungsbeschränkung genieße und Träger von Rechten und Pflichten sein könne. Durch diese Auffassung könne für den Bereich des GmbH-Rechts die scharfe Trennung zwischen der Gesellschaft und den Gesellschaftern vermieden werden, da die Gesellschafter als Inhaber des Gesellschaftsvermögens für die Beurteilung der Verhältnisse maßgebend blieben: „Nach der neuen Rechtsanschauung ist die G.m.b.H. nur als zweckgebundenes Vermögen der Gesellschafter anzusehen, das unter bestimmten Voraussetzungen gewährte Haftungsbeschränkung genießt und Träger von Rechten und Pflichten sein kann."181
Fraglich ist, ob sich Crisolli dieses Wechsels in der Argumentation, also in der Definition von der GmbH als Zweckvermögen anstelle der juristischen Person als 179 180 181
Crisolli, a. a.O. Crisolli, NS-Handbuch, S. 1156. Crisolli, NS-Handbuch, S. 1157; ders., JW 1935, S.8 (S. 12).
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1. Kap.: Die GmbH als Unternehmensform bei Machtübernahme
Zweckvermögen bewußt war. Dies scheint mir unwahrscheinlich, wenn man davon ausgeht, daß sich die beiden Aussagen nicht ausschließen, da die juristische Person als Zweckvermögen auch die GmbH als juristische Person umfaßt. Sofern die juristische Person Zweckvermögen wäre und die GmbH als juristische Person gilt, ist also auch sie automatisch Zweckvermögen. Definiert man aber bereits die GmbH als Zweckvermögen, ohne den „ Zwischenschritt " über die juristische Person zu gehen, so ist diese gleichsam ausgespart. Die Definition der GmbH als Zweckvermögen beinhaltet also gerade nicht eine Aussage über die juristische Person. Ist ein „ Abstreifen " der juristischen Person bei der Definition der GmbH als Zweckvermögen auf diese Art möglich, so muß man sich aber fragen, wer denn bei der GmbH als Zweckvermögen Träger dieses Zweckvermögens ist. Crisolli gibt hierzu an, dies seien dann „die Gesellschafter" 182, also gerade nicht die GmbH und folglich erst recht nicht eine juristische Person, sondern die Gesellschafter als natürliche Personen. Definierte Crisolli somit unmittelbar die GmbH als Zweckvermögen, machte er die Konstruktion der juristischen Person damit überflüssig. Dies ist insofern interessant, als es im Nationalsozialismus Bestrebungen gab, sich vom Begriff der juristischen Person insgesamt zu lösen, worauf aber erst später ausführlich eingegangen werden soll. 183 Vielleicht liegt hier schon ein solches Indiz für eine Loslösung vor. Crisolli machte jedoch ansonsten keine dogmatisch vertiefenden Untersuchungen zu diesem Gebiet. 184 Crisolli geht auf zwei Mißbrauchsfälle ein, um seinen Ansatz zu verdeutlichen. Zunächst griff er noch einmal den bereits in der JW angemerkten Fall des Reichsgerichts auf, welches bezüglich der Staatsangehörigkeit einer GmbH ganz formal auf deren Sitz abgestellt hatte, obwohl alle Anteile vom Ausland aus verwaltet wurden: „Diese mit dem Volksempfinden wohl schwer zu vereinbarende Entscheidung beruht auf der nur aus der bisherigen Rechtsanschauung zu erklärenden scharfen Trennung zwischen der juristischen Person und deren Gesellschaftern. Sie würde bei der vorgeschlagenen Betrachtungsweise nicht mehr möglich sein, da bei dieser die Frage der Staatsangehörigkeit der Gesellschaft als zweckgebundenes Vermögen der Gesellschafter nach deren Staatsangehörigkeit zu entscheiden sein dürfte." 185
Des weiteren ging Crisolli auch auf den oben bereits genannten Fall des Landgerichts Berlin über die sogenannte „Hypothekeneinbringung im Kreise" ein. 186 Dieser Fall betraf die Kapitalerhöhung innerhalb von fünf GmbH, deren Anteile alle in der Hand des selben Alleingesellschafters lagen. Durch das Einbringen einer Hypo182
Crsiolli, NS-Handbuch, S. 1155 (S. 1157), JW 1934, S. 8 (S. 12). Vgl. unten, Kapitel 3. 184 Vgl. aber die dogmatische Untersuchung Rhodes zu genau diesem Ansatz unten, Kapitel 3, Α. II. 185 Crisolli, NS-Handbuch, S. 1157. 186 Unveröffentlichte Entscheidung, LG Berlin 408 Τ 17011/1933; vgl. auch Groschuff, Anm. zu JW 1934, 1124 (1125); vgl. oben, A.I. 183
Β. Behandlung der Mißbrauchsfälle
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thek in die jeweils andere Gesellschaft hatte der Gesellschafter eine Kapitalerhöhung vorgenommen, ohne daß tatsächlich ein neuer Wert in eine der Gesellschaften geflossen war. Crisolli führte hierzu aus, daß eine derartige Entscheidung „ in Zukunft, wenn man die G.m.b.H. der Konstruktion als juristische Person entkleidet, ausgeschlossen sein " 1 8 7 werde: „Sieht man die Gesellschaft nämlich nur als zweckgebundenes Vermögen des Gesellschafters an, so wird aus den verschiedenen Vermögen der einzelnen Gesellschaften eine Einheit. Diese Zusammenfassung der Vermögen der einzelnen G.m.b.H. ergibt aber dann, daß in dieses zusammengefaßte Vermögen nichts eingebracht ist, so daß also eine Kapitalserhöhung nicht vorliegt."188
Abermals ging es ihm also darum, nicht die GmbH abzuschaffen, sondern sie dahingehend zu reformieren, daß sie ohne eigene Rechtspersönlichkeit zu gestalten wäre. Auch zur Frage der Haftungsbeschränkung nahm Crisolli Stellung. Sie sei „vom nationalsozialistischen Standpunkt aus mit seiner Forderung der Klarheit der Rechtsbeziehungen und der Verantwortlichkeit des Unternehmers nicht erträglich'. " 189 Wolle man die Haftungsbeschränkung beibehalten, so müsse man als Ausgleich hierzu nachprüfen, „ob der Unternehmer seiner Persönlichkeit nach des Privilegs der Haftungsbeschränkung würdig und ob sie für das Unternehmen erforderlich ist. " 1 9 0 Crisolli sprach sich zum einen für die Einführung eines Konzessionszwangs aus.191 Aber auch zu der Möglichkeit, durch die Überbewertung von Sacheinlagen die Haftungsmasse der GmbH zu gefährden, nahm er Stellung. Er ging auf den oben bereits erwähnten Fall des Kammergerichts Berlin 192 ein, welches bei der Prüfung von Sacheinlagewerten formal auf die Vertragsfreiheit der Gesellschafter hingewiesen hatte und eine Nachprüfung durch den Richter nicht erlaubte: „Wie geradezu grotesk die Verhältnisse bei den G.m.b.H. liegen, mag ein Beispiel der jüngsten Praxis zeigen. Das Kammergericht hält es jetzt noch für unverständlich und irrig, daß ein Registerrichter es unternimmt, bei einer G.m.b.H.-Gründung oder Kapitalserhöhung den Wert einer Sacheinlage nachzuprüfen und bei vorliegender Wertlosigkeit einer solchen die Eintragung zu verweigern! Zur Begründung erklärt es, es bestehe für die Bewertung der Sacheinlagen bei den G.m.b.H. völlige Vertragsfreiheit der Gesellschafter." 193
Gerade die mangelhafte Überprüfungsmöglichkeit der Sacheinlagen muß für Crisolli - selbst Registerrichter - schwer gewogen haben, da er in seinen Kontrollmöglichkeiten als Richter hierdurch beschränkt wurde. Crisolli wollte sein Wirken als 187 188 189 190 191 192 193
Crisolli, NS-Handbuch, S. 1157. Crisolli, a.a.O. Crisolli, NS-Handbuch, S. 1158. Crisolli, a.a.O. Crisolli, NS-Handbuch, S. 1157. KG JW 1934,1124; vgl. auch oben, A.II. Crisolli, NS-Handbuch, S. 1155.
1. Kap.: Die GmbH als Unteehmensform bei Machtübernahme
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Registerrichter ganz in den Geist des Nationalsozialismus stellen. Er sah es als seine Aufgabe an, das Handelsregister „ rein" zu halten von nichtigen Rechtsgeschäften. In seinem Aufsatz „Scheingründungen und Mantelverwertungen" wies er auf die Vielzahl von G m b H Jiin, die als juristische Person nur mit der Absicht gegründet würden, den wirtschaftlichen Zweck zu verschleiern (sogenannte „Mantelgründungen ") oder über die wahre Identität des Inhabers hinweg zu täuschen. 194 Die Folge der neuen Rechtsentwicklung sei, „daß der Registerrichter bei Vorliegen des Verdachts einer solchen Scheingründung nach § 12 RFGG. 195 Ermittlungen anzustellen hat und gegebenenfalls eine Anmeldung der Gesellschaft abzulehnen hat. " 196 Zahlreiche Mantelgründungen waren nach den Ausführungen Crisollis aber in der Vergangenheit besonders während der Inflationszeit vorgenommen worden. M i t fortschreitender Inflation hatte man mit der Erhöhung des Grundkapitals und der zu zahlenden Kapitalverkehrssteuer gerechnet, so daß oft eine oder mehrere G m b H „auf Vorrat" gegründet worden waren, auch wenn das Unternehmen erst viel später entstand. Sei aber eine solche Gesellschaft, bei der eine Mantelgründung vorlag, in das Handelsregister eingetragen, so sei die Nichtigkeitsklage nach § 75 G m b H G 1 9 7 gegeben und das Amtslöschungsverfahren nach § 144 Abs. 1 R F G G 1 9 8 zu betreiben. Dabei sei auf folgendes zu achten: „Hervorzuheben ist, daß die neue Rechtsentwicklung mit ihrer Forderung auf Säuberung des Wirtschaftslebens, ein Einschreiten des Registerrichters nach § 133 Abs. 1 RFGG. in besonderem Maße erforderlich macht. § 144 Abs. 1 RFGG. stellt als sog.,Kannvorschrift' die Frage, ob ein Einschreiten des Registergerichts gegeben ist, auf das pflichtgemäße Ermessen des Richters ab. Dieser hat hierbei in Zukunft einen besonders strengen Maßstab anzulegen. Denn die von der neuen Rechtsentwicklung geforderte Reinheit verlangt es, daß in Zukunft das öffentliche Register von der Eintragung von nichtigen Rechtsgeschäften freigehalten wird. Das Publikum hat - worauf Schlegelberger, RFGG. Anm. 1 zu § 144 mit Recht hinweist - ,ein Recht, vor Täuschungen durch das Register bewahrt zu werden und dagegen geschützt zu sein, daß es im Vertrauen auf die Richtigkeit des Registers mit nichtigen Rechtssubjekten in Verbindung' tritt. Der eventuell der Gesellschaft durch ein Einschreiten des Registergerichts entstehende wirtschaftliche Nachteil, hat gegenüber dem Vorteil des Schutzes 194
Crisolli, JW 1934, S. 936. § 12 RFGG v. 20.5.1898:,Pas Gericht hat von Amts wegen die zur Feststellung der Tatsachen erforderlichen Ermittlungen zu veranstalten und die geeignet erscheinenden Beweise aufzunehmen." 196 Crisolli, JW 1934, S.937. 197 § 75 Abs. 1 GmbHG: „Ist die Nichtigkeit einer Gesellschaft in das Handelsregister eingetragen, sofinden zum Zwecke der Abwicklung ihrer Verhältnisse die für den Fall der Auflösung geltenden Vorschriften entsprechende Anwendung. " 198 § 144 RFGG v. 20.5.1898: „Eine in das Handelsregister eingetragene Aktiengesellschaft oder Kommanditgesellschaft auf Aktien kann gemäß den Vorschriften der §§ 142,143 als nichtig gelöscht werden, wenn die Voraussetzungen vorliegen, unter denen nach den §§309, 310 des Handelsgesetzbuchs die Nichtigkeitsklage erhoben werden kann. Das gleiche gilt für eine in das Handelsregister eingetragene Gesellschaft mit beschränkter Haftung, wenn die Voraussetzungen vorliegen, unter denen nach den §§ 75, 76 des Gesetzes, betreffend die Gesellschaft mit beschränkter Haftung, die Nichtigkeitsklage erhoben werden kann. " 195
Β. Behandlung der Mißbrauchsfälle
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der Allgemeinheit zurückzutreten, da einmal Gemeinnutz vor Eigennutz geht und andererseits die Gesellschaft den Nachteil durch ihre eigenen gesetzwidrigen Handlungen hervorgerufen hat."199
Man wird zu recht davon ausgehen dürfen, daß es kein Zufall ist, daß Crisolli hier die Wichtigkeit und das Erfordernis des Einschreitens des Registerrichters derart betont. Dies wird ebenso bei der von Crisolli diskutierten Gruppe der verschleierten Sachgründung deutlich, welche Crisolli als Unterfall der Scheingründung behandelt wissen möchte. Eine verschleierte Sachgründung liegt vor, wenn die Gesellschafter die Form der Bargründung gewählt und angegeben haben, tatsächlich aber Sacheinlagen in das Gesellschaftsvermögen einbringen. Der überwiegende Teil der Literatur ging hier davon aus, daß kein Scheingeschäft vorliege, weil die Erklärungen zur Bargründung ernstlich abgegeben worden waren. 200 Hiermit wurde aber auch ein Einschreiten des Registerrichters nach § 144 Abs. 1 RFGG. nicht für nötig gehalten, was Crisolli mißfiel. Er schloß sich daher der Meinung Staubs an 201 , der die verschleierte Sachgründung für nichtig hielt, was wiederum zur Anwendbarkeit des § 144 Abs. 1 RFGG und damit zur Stärkung der Stellung des Registerrichters führte: „Die neue Rechtsentwicklung läßt die Ansicht Staubs, die vielleicht nicht ganz dem Wortlaut, aber dem Zweck des Gesetzes entspricht,richtigerscheinen. Gegen die unter der Umgehung der besonderen Schutzvorschriften für die Sachgründung entstandenen Gesellschaften muß m. E. nach der neuen Rechtsauffassung mit allen vom Gesetz gegebenen Mitteln eingeschritten werden. Wenn das Gesetz für bestimmte Rechtsvorgänge besondere Vorschriften gerade im Interesse und zum Schutze der Allgemeinheit erläßt, wie es die Vorschriften über die Sachgründung in hervorragendem Maße sind, so ist es Aufgabe des Richters, mit allen vom Gesetz gegebenen Mitteln auf die Einhaltung dieser Vorschriften zu drängen."202
Schließlich sah Crisolli auch noch die sogenannten „Strohmanngründungen " (Gründungen mit Personen, die nicht wirklich die Aufgaben eines Gesellschafters wahrnehmen wollen und oft nach der Gründung die Gesellschaft wieder verlassen) entgegen der herrschenden Meinung nach § 117 Abs. 1 BGB als nichtig an und hielt damit ein Einschreiten des Registerrichters nach § 144 Abs. 1 RFGG für gerechtfertigt. Die bisherige herrschende Meinung begründete die Gültigkeit von Strohmanngründungen damit, daß die Strohmänner eben echte Gründer seien und die Rechtsfolgen der Gründung gerade ernsthaft, also nicht nur zum Schein, wollten. 203 Dem sei entgegen zu treten: „Es muß entgegen der bisherigen reinkapitalistischen Auffassung der reine Sinn des Gesetzes wieder zur Geltung kommen. [...]. Deshalb muß gefordert werden, daß Gründer der Gesellschaft nur solche Personen sein können, die Gesellschafter werden wollen. [...]. Wo die199 200 201 202 203
Crisolli, a.a.O. Literaturangaben siehe bei Crisolli, a. a. Ο. Nachweis bei Crisolli, a. a. O. Crisolli, JW 1934, S.938. Crisolli, a. a. O., mit Nachweisen zur herrschenden Meinung.
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1. Kap.: Die GmbH als Unternehmensform bei Machtübernahme ser ,Gesellschafterwille' fehlt, deckt sich die Gründungserklärung mit dem erforderlichen Willen nicht. Wenn dieser Vorgang den anderen Gründern bekannt ist, liegt eine Simulation vor und die Gründung ist nach § 117 BGB. nichtig. Diese Rechtsansicht entspricht allein der Entwicklung unseres neuen Rechtsempfindens, das eine Reinheit, Klarheit, Lauterkeit des Rechtsempfindens fordert." 204 „Das Ergebnis der vorstehenden Ansicht ist, daß eine eingetragene Strohmanngründung nach § 1441 RFGG. zu löschen ist, wenn dem Strohmann der ,Gesellschafterwille' fehlte" 205 ·
Die Bemühungen, die eigenen Kompetenzen auszudehnen, um der nationalsozialistischen Anschauung zur Geltung zu verhelfen, werden hier deutlich. Crisolli entwarf ganz in diesem Sinne darüber hinaus 1934 ein „ Gesetz zur Vereinheitlichung, Bereinigung und Reinhaltung des Handelsregisters welches ebenfalls die Kompetenzen des Registerrichters ausweiten sollte. In erster Linie zielte der Entwurf darauf ab, das Handelsregister für Deutschland zu zentralisieren. 206 Auf die Schwierigkeiten des nicht zentral geführten Registers hatte Crisolli bereits verschiedentlich hingewiesen. Als Beispiel führte er an, „daß das Berliner Registergericht sich augenblicklich die erdenklichste Mühe gibt, das Handelsregister von unwahren, betrügerischen Firmierungen frei zu halten. Es kämpft z.B. dagegen an, daß Nichtberechtigte mit Hilfe des Firmenzusatzes ,Deutsch' einen falschen Anschein über ihre Unternehmungen erwecken. Diese ganze Arbeit ist sinnlos, wenn sie nicht im ganzen Reiche durchgeführt wird. " 20Ί Der Entwurf machte weiterhin Vorschläge auf dem Gebiet des Gesellschaftsrechts, „die in maßvoller Weise die Abkehr von der Anonymität des Kapitals einleiten" 208. Als „hauptsächlichstes Mittel zur Bereinigung und Reinhaltung des Handelsregisters " sah der Entwurf vor, daß in Zukunft nur noch „ ehrenhafte Personen " gesetzliche Vertreter und Aufsichtsratsmitglieder von juristischen Personen des Handelsrechts sein dürften. 209 Unter „ehrenhaft" verstand Crisolli Personen, über deren eigenes oder von ihnen vertretenes Vermögen in den letzten zehn Jahren kein Konkurs eröffnet oder mangels Masse abgelehnt worden war, die während dieser Zeit keinen Offenbarungseid für sich oder eine juristische Person geleistet hatten und die nicht wegen Betrugs, Untreue oder Konkursdelikte bestraft worden waren. 210 Als wichtiges Mittel gegen die Anonymität des Kapitals wollte Crisolli eine öffentliche Gesellschafterliste der GmbH-Gesellschafter einführen, die in Zukunft eine Übertragung von Geschäftsanteilen nur auf Grund einer Eintragung in diese Liste, die öffentlichen Glauben genießen sollte, möglich machte. Die notarielle Beurkun204 205 206 207 208 209 210
Crisolli, a.a.O. Crisolli, JW 1934, S. 939. Vgl. das Vorwort von Gelpcke für die IHK Berlin, Crisolli, Entwurf, S.4ff. Crisolli, a.a.O. Vgl. Crisolli, Entwurf, Vorwort. Crisolli, Entwurf, S. 15. Vgl. hierzu auch unten, Kapitel 2, D.II.
Β. Behandlung der Mißbrauchsfälle
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dung (§15 Abs. 3 GmbHG) sei zur Verhinderung der Schieberei mit GmbH-Anteilen nicht ausreichend, welche im Interesse der Wirtschaft verhindert werden müsse.211 Der wichtigste Vorschlag aber betraf die oben bereits erwähnte und von Crisolli in der Urteilsanmerkung kritisierte Freiheit der Gesellschafter bei der Bewertung ihrer Sacheinlagen. Hierfür stellte Crisolli ein Prüfungsrecht der Registerrichter auf: „4. Die von der Rechtsentwicklung geforderte Reinhaltung des Handelsverkehrs von unlauteren Machenschaften erfordert auch, daß dem Richter ein Prüfungsrecht über die Wertfestsetzung von Sacheinlagen bei den Gesellschaften mit beschränkter Haftung eingeräumt wird. Das bisherige Recht212 verbietet nämlich dem Registerrichter eine derartige Nachprüfung. Man steht (vgl. KG. a. a. O.) auf dem Standpunkt, daß die Wertfestsetzungen von Sacheinlagen bei den GmbH.s den vertraglichen Vereinbarungen der Parteien unterläge. Eine derartige Rechtsauffassung entspricht der liberalistischen Grundeinstellung des bisherigen Rechts. Sie ist mit den Bedürfnissen des Wirtschaftslebens unvereinbar, weil damit betrügerischen Handlungen und Gesetzesumgehungen ein weiter Spielraum gelassen ist/ 2 1 3
Während Großmann-Doerth also die GmbH wegen der mißbräuchlichen Verwendung der juristischen Person und der Ablehnung der Haftungsbeschränkung ganz abschaffen wollte, versuchte Crisolli, die GmbH zu reformieren. Insbesondere die Trennung zwischen juristischer und dahinter stehender natürlicher Person wollte er aufheben, indem er die GmbH als Zweckvermögen und nicht als juristische Person sah 214 . Großmann-Doerth stellte seine wissenschaftliche Tätigkeiten in den Dienst der nationalsozialistischen Anschauung und kam, was auch in seinen noch zu behandelnden späteren Schriften zum Ausdruck kommt 215 , durch die Theorie zu dem Ergebnis, daß die GmbH mit der nationalsozialistischen Wirtschaft nicht zu vereinbaren sei. Crisolli hingegen versuchte, die Kompetenzen des Registerrichters weiter auszubauen, um auf diese Art dem nationalsozialistischen Gedanken zur praktischen Geltung verhelfen zu können. Die Ausgestaltung der GmbH als juristische Person und die Haftungsbeschränkung galten für fast alle Kritiker als unvereinbar mit den Auffassungen des Nationalsozialismus. Wächter, ein Schüler des als Kirchenrechtshistoriker bekannt gewordenen Hans Erich Feine, schrieb in seiner Tübinger Dissertation vom Sommer 1934: „Wo immer die Form 216 der juristischen Persönlichkeit der Kapitalgesellschaften des ihr eigenen Gehalts beraubt wurde, machten sich Mißbräuche breit" 217. 211
Crisolli, Entwurf, S. 26. Crisolli verweist hier auf die Kammergerichtsentscheidung vom 8. März 1934 in JW 1934, S.978. 213 Crisolli, Entwurf, S. 23; vgl. hierzu auch die positive Aufnahme durch Groschuff, DJZ 1934, Sp.761 (762 f.). 214 Vgl. auch Crisolli, Anm. zu KG JW 1934, 2969. 215 Vgl. unten im Kapitel 2., Α. I. 216 Zur Bedeutung des „Formbegriffs " und dessen Ablehnung in der NS-Rechtstheorie vgl. beispielsweise unten, Kapitel 3, A.1.2. 2,7 Wächter, S. 50. 2,2
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1. Kap.: Die GmbH als Unternehmensform bei Machtübernahme
Ähnlich äußerte sich Heinrich Stoll, das Versteckspielen hinter Rechtsformen müsse ein Ende haben.218 Neben diesen anfänglichen kritischen Äußerungen seitens der Literatur sollen nun noch zunächst die mit der Machtübernahme einsetzenden gesetzgeberischen Aktivitäten gegen die GmbH betrachtet werden, welche sich in die allgemeine Stimmung einfügten und diese bestärkten.
C. Frühe gesetzgeberische Aktivitäten (1933-1935) I. Die Umwandlungsgesetzgebung von 1934 Bereits Mitte 1934 schuf der nationalsozialistische Gesetzgeber Gesetze, welche die Umwandlung von Kapitalgesellschaften in Personengesellschaften erleichtern und steuerlich begünstigen sollten. Die Gesetze und ihre amtlichen Begründungen, sowie das Zusammenspiel zwischen Äußerungen in der Literatur zu den Gesetzen und Reaktionen des Gesetzgebers hierauf, bieten einen ersten Anhaltspunkt zur Beantwortung der Frage, welche Einstellung die nationalsozialistische Führung hinsichtlich der Kapitalgesellschaften im allgemeinen und der GmbH im speziellen aufwies. Die Gesetze trugen zur allgemeinen Stimmung gegen die GmbH bei, so daß ein starkes Zurückdrängen der GmbH die Folge war. Dies ging so weit, daß einige Stimmen in der Literatur eine baldige Abschaffung der GmbH durch den nationalsozialistischen Gesetzgeber befürchteten. 219 Das Umwandlungsgesetz (UmwG) vom 5. Juli 1934 220 gewährte umwandlungsbereiten Kapitalgesellschaften eine Reihe von handelsrechtlichen Erleichterungen bei der Umwandlung in eine Personalgesellschaft. Vor den Gesetzestext gestellt findet sich folgender programmatischer Hinweis: „Um in geeigneten Fällen die Abkehr von anonymen Kapitalformen zur Eigenverantwortung des Unternehmers zu erleichtern, hat die Reichsregierung das folgende Gesetz beschlossen, [...]." 221
Auch vor Erlaß dieses Gesetzes war es natürlich für ein Unternehmen schon möglich gewesen, die Rechtsform der Kapitalgesellschaft aufzugeben und das Unternehmen in Form der Personalgesellschaft oder als Einzelunternehmen weiter zu betreiben. 222 Die Vorschriften des HGB und des GmbHG regelten jedoch nur die Um2,8
Stoll, S.31. Siehe hierzu unten, C. II. 220 RGBl. 1 1934, Nr. 75, S. 569. 221 RGBL a.a.O. 222 Vgl. hierzu die Ausführungen bei Boltz, AcP 21 (1935), S.280 (S.284); Groschuff, JW 1934, S. 1823; Herbig, Recht der Umwandlung, S. 7 (S. 10f.); Mair, S. 17-19. Vgl. §§ 80, 81 GmbHG. 219
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223
Wandlung der AG in eine andere AG oder in eine KG auf Aktien , der KG auf Aktien in eine AG 2 2 4 oder der AG in eine GmbH 225 (identitätswahrende Umwandlungen 226 ). Für die Umwandlung einer Kapitalgesellschaft in eine Personalgesellschaft, eine Umwandlung unter Aufgabe der juristischen Person also, gab es als rechtlichen Anknüpfungspunkt nur die Vorschrift des § 22 HGB, der das Recht auf Fortführung der Firma regelte. Danach durfte, „ wer ein bestehendes Handelsgeschäft unter Lebenden oder von Todes wegen erwirbt, für das Geschäft die bisherige Firma mit oder ohne Beifügung eines das Nachfolgeverhältnis andeutenden Zusatzes fortführen, wenn der bisherige Geschäftsinhaber oder dessen Erben in die Fortführung der Firma ausdrücklich willigen. " Es bestand also die Möglichkeit, das Geschäft einer Kapitalgesellschaft mit Firma auf eine bestehende oder zu errichtende Personengesellschaft oder einen Einzelkaufmann zu übertragen, unabhängig davon, ob der Erwerber Gesellschafter der ehemaligen Kapitalgesellschaft war oder nicht. 227 Hierdurch konnte also die neue Personengesellschaft die Firma der alten Kapitalgesellschaft weiterführen. Die eigentliche Übertragung war aber recht umständlich, da zunächst die Kapitalgesellschaft aufgelöst und die Personalgesellschaft errichtet werden mußte. Die Kapitalgesellschaft war abzuwickeln und jeder einzelne Vermögensgegenstand mußte im Wege der Einzelrechtsnachfolge durch Übereignung, oder bei Grundstücken durch Auflassung und Eintragung auf die Personalgesellschaft übertragen werden. Ein weiterer Nachteil waren die mit der Umwandlung entstehenden beträchtlichen Kosten.228 Die größte Erleichterung, die durch das UmwG 1934 eingeführt wurde, war der Wegfall dieser umständlichen, zeitraubenden und kostenintensiven Abwicklung der Kapitalgesellschaft. An die Stelle der Einzelrechtsnachfolge trat ein Vermögensübergang im ganzen nach § 4 UmwG, dessen Vorschrift nach § 14 UmwG auch für die GmbH galt: §4 Mit der Eintragung229 geht das Vermögen der Aktiengesellschaft einschließlich der Schulden auf die offene Handelsgesellschaft über. Die Aktiengesellschaft ist damit aufgelöst. Einer besonderen Eintragung der Auflösung bedarf es nicht. [..J. Dritter Abschnitt Umwandlung von Gesellschaften mit beschränkter Haftung § 14 Auf die Umwandlung einer Gesellschaft mit beschränkter Haftung finden die Vorschriften des Ersten Abschnitts entsprechende Anwendung. Die Umwandlung kann nur in einer Ge223 224 225 226 227 228 229
§§305, 306 HGB. §§332, 333,334 HGB. §§80, 81 GmbHG. Vgl. Friedländer, S. 105; Gros, JW 1934, S.2018. Vgl. hierzu Groschuff, JW 1934, S. 1823. Vgl. Gros, a.a.O. Eintragung des Umwandlungsbeschlusses in das Handelsregister, Anm. d. Verf.
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1. Kap.: Die GmbH als Unternehmensform bei Machtübernahme sellschafterversammlung und nur mit Zustimmung aller Gesellschafter beschlossen werden. Der Beschluß sowie die Zustimmung der nicht erschienenen Gesellschafter muß gerichtlich oder notariell beurkundet werden.
Diese neu geregelte Gesamtrechtsnachfolge stellte eine erhebliche Vereinfachung des gesamten Umwandlungsverfahrens dar. Zum Prinzip der Einstimmigkeit des Umwandlungsbeschlusses (§ 14, Satz 2 UmwG, für die GmbH, s. o., § 10 Abs. 1 UmwG für die AG) führte die amtliche Begründung aus, daß hierdurch gewährleistet werden solle, daß kein Gesellschafter gegen seinen Willen durch Mehrheitsbeschluß in die Form der unbeschränkten Haftung gedrängt werden dürfe. 230 Darüber hinaus bedurfte die Schaffung der Personengesellschaft keines besonderen Rechtsaktes mehr, sondern wurde in den Umwandlungsbeschluß der Kapitalgesellschaft hineinverlegt, § 9 UmwG i.V. m. § 14 UmwG für die GmbH: §9 Die Generalversammlung einer Aktiengesellschaft kann die Errichtung einer offenen Handelsgesellschaft, an der alle Aktionäre als Gesellschafter beteiligt sind, und zugleich die Übertragung des Vermögens der Aktiengesellschaft auf die offene Handelsgesellschaft beschließen (Umwandlung). [...].
Hierdurch entstand die oHG durch Umwandlungsbeschluß, dessen Eintragung in das Handelsregister somit konstitutiv wirkte, und nicht lediglich, wie ansonsten im Recht der Personengesellschaften üblich, deklaratorisch, vgl. § 11 Abs. 2 UmwG: §11 (1) [...]. (2) Die offene Handelsgesellschaft entsteht mit der Eintragung des Umwandlungsbeschlusses; sie ist von Amts wegen in das Handelsregister einzutragen.
Die Vereinfachung gegenüber dem geltenden Recht bestand also darin, daß sich der Übergang des Vermögens ohne Liquidation, das heißt nicht im Wege von Einzelübertragungen, sondern durch Gesamtrechtsnachfolge vollziehen sollte, und darin, daß es zur Umwandlung weder eines Veräußerungsvertrags noch eines Gesellschaftsvertrags über die Errichtung einer neuen Gesellschaft bedurfte; ein Beschluß der Generalversammlung oder Gesellschafterversammlung über die Vermögensübertragung und über die Errichtung einer neuen Gesellschaft genügte.231 Für die Gläubiger einer Kapitalgesellschaft bedeutete eine solche Umwandlung einen Schuldnerwechsel kraft Gesetzes ohne ihre Zustimmung.232 Ihre Lage verbesserte sich aber, da nun neben die Haftung des bei der Umwandlung vorhandenen Ge230
Vgl. amtl. Begründung, Deutsche Justiz 1934, S. 883; ebenfalls abgedruckt in: Bergmann, Hans, UmwG, S.31ff.; Crisolli/Grochuff/Kaemel S.34ff.; vgl. auch Becker, GmbHR 1934, Sp. 769 (771). 231 Vgl. amtliche Begründung, a.a.O. 232 Vgl. hierzu Becker, a. a. O.
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sellschaftsvermögens der aufgelösten Gesellschaft, welches durch die neue Gesellschaft mit den Verbindlichkeiten übernommen wurde, die persönliche Haftung der oHG-Gesellschafter oder des Einzelunternehmers trat. Damit die Konsequenzen der Vermögensübertragung auf dem Gebiet der Verkehrs- und Besitzsteuern die Anwendung des Umwandlungsgesetzes aus Kostengründen nicht behindern würden, trat weiterhin ein besonderes Steuererleichterungsgesetz zum UmwG (StEG) vom 5. Juli 1934233 nebst Durchführungsverordnung (DurchfVO) vom 7. Juli 1934 234 in Kraft. Das StEG bestimmte zunächst in § 1 die Steuerarten, bei welchen Erleichterungen gewährt werden sollten: §1 Wird eine Aktiengesellschaft, eine Kommanditgesellschaft auf Aktien oder eine Gesellschaft mit beschränkter Haftung auf Grund des Gesetzes über die Umwandlung von Kapitalgesellschaften vom 5. Juli 1934 (Reichsgesetzbl. I S.569) in eine offene Handelsgesellschaft, eine Kommanditgesellschaft oder in der Weise umgewandelt, daß ihr Vermögen unter Ausschluß der Liquidation auf den alleinigen Gesellschafter übertragen wird, so werden Steuererleichterungen bei den folgenden Steuern gewährt: 1. Gesellschaftssteuer, 2. Grunderwerbssteuer einschließlich der Zuschläge, 3. Wertzuwachssteuer, 4. Steuer der Gemeinden (Gemeindeverbände) vom Zubehör (Gewerbeanschaffungssteuer), 5. Umsatzsteuer, 6. Einkommenssteuer, 7. Körperschaftssteuer, 8. Gewerbesteuer.
§ 5 StEG erhielt eine Ermächtigung des Reichsfinanzministers, durch Verordnung die zur Erreichung des Getzeszweckes erforderlichen Vorschriften zu erlassen. Die 1. DurchfVO zum StEG vom 7. Juli 1934 regelte die völlige Freistellung von der Gesellschaftssteuer ( § 2 der 1. DurchfVO zum StEG), Umsatzsteuer (§5 der 1. DurchfVO zum StEG), Grunderwerbssteuer nebst Zuschlägen (§§3, 4 der 1. DurchfVO zum StEG) und Wertzuwachssteuer (§4 der 1. DurchfVO zum StEG). Die bei der Umwandlung entstehende Einkommenssteuer, Körperschaftssteuer und Gewerbesteuer wurde nur in Höhe eines Drittels der Beträge erhoben, die nach den gesetzlichen Vorschriften geschuldet waren (§ 6 der 1. DurchfVO zum StEG). 235 Sowohl die handelsrechtlichen Erleichterungen des UmwG als auch die steuerrechtlichen Erleichterungen des StEG waren nur befristet gültig für zweieinhalb Jahre bis zum 31. Dezember 1936 (§ 1 Abs. 2 UmwG, § 3 StEG). 233 RGB1.11934, S.572; vgl. hierzu Hoeres, BankA 1935, S.535; Meyer, Die nat. Wirtschaft 1935, S. 272 ff. 234 RGBl. 1 1934, S.595; vgl. hierzu Kluckhohn, GmbHR 1934, Sp.735ff. 235 Vgl. Bergmann, Hans, DJZ 1934, Sp. 1131 (1135).
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1. Kap.: Die GmbH als Unternehmensform bei Machtübernahme
Auf die Vorstellungen der Literatur über die Intention des Gesetzgebers und seine Einstellung zu den Kapitalgesellschaften soll unten ausführlich eingegangen werden. 236 Zunächst gibt bereits eine Betrachtung des weiteren gesetzgeberischen Verhaltens Aufschluß über die mögliche Einstellung der NS-Führung zur Kapitalgesellschaft. Nach Inkrafttreten der Gesetze und der DurchfVO zum StEG traten einzelne juristische Zweifelsfragen auf, die in der Literatur kontrovers diskutiert wurden. Aus der Tatsache, daß der Gesetzgeber diese Fragen jeweils zügig durch Erlaß einer neuen DurchfVO aus dem Weg räumte und aus der Betrachtung, welcher Meinung sich der Gesetzgeber anschloß, kann bereits ersehen werden, daß es dem Gesetzgeber darauf ankam, tatsächlich so viele Kapitalgesellschaften wie möglich in die Form der Personengesellschaften zu drängen und die Umwandlung tatsächlich so einfach wie nur irgendwie möglich zu gestalten. Dieses Zusammenspiel von Zweifelsfragen und Erlaß neuer Verordnungen soll daher kurz näher beleuchtet werden. Eine erste rechtliche Unklarheit bei der Umwandlung ergab sich bei der Frage, ob auch solche Kapitalgesellschaften umwandlungsfähig seien, deren sämtliche Aktien oder Geschäftsanteile sich in der Hand einer anderen juristischen Person befinden. Das Umwandlungsgesetz ließ auch solche Umwandlungen zu, bei welchen das Vermögen auf den Alleingesellschafter übertragen wurde, §§ 1 Abs. 1, a. E., 8 Abs. 1 UmwG: §1 (1) Eine Aktiengesellschaft, eine Kommanditgesellschaft auf Aktien oder eine Gesellschaft mit beschränkter Haftung kann nach Maßgabe der folgenden Vorschriften in eine offene Handelsgesellschaft, in eine Kommanditgesellschaft oder in der Weise umgewandelt werden, daß ihr Vermögen unter Ausschluß der Liquidation auf den alleinigen Gesellschafter übertragen wird.
§8 (1) Wird das Vermögen einer Aktiengesellschaft, deren Aktien sich in einer Hand befinden, auf den alleinigen Gesellschafter übertragen, sofinden die Vorschriften der §§ 2 bis 7 mit der Maßgabe entsprechende Anwendung, daß an die Stelle der offenen Handelsgesellschaft und der geschäftsführenden Gesellschafter der übernehmende Gesellschafter tritt.
Fraglich wurde nun, ob dieser Alleingesellschafter auch eine andere Kapitalgesellschaft sein könne. Amtsgerichtsrat Groschuff verneinte dies in einem Aufsatz zur „Umwandlung von Kapitalgesellschaften" in der Juristischen Wochenschrift 1934.237 Aus den einleitenden Worten zum Gesetz ergebe sich, daß der Sinn und Zweck des Gesetzes darin liege, mehr Eigenverantwortung in die Wirtschaft zu tragen. Dies könne aber nicht durch das Schaffen von Personengesellschaften erreicht werden, deren Anteile wiederum von einer juristischen Person gehalten würden: 236 237
Siehe unten, C.II. Groschuff, JW 1934, S. 1823 (S. 1824).
C. Frühe gesetzgeberische Aktivitäten (1933-1935)
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„Aus den Eingangsworten des Gesetzes erhellt sein Sinn und Zweck: ,in geeigneten Fällen die Abkehr von anonymen Kapitalformen zur Eigenverantwortung des Unternehmers zu erleichtern'. Dieser Sinn und Zweck ist also - nationalsozialistischer Rechtsauffassung entsprechend - in allen Zweifelsfällen zur Auslegung des Gesetzes, das wenige klarumrissene Grundlinien aufstellt, heranzuziehen."238 „Der häufige Fall, daß sämtliche Aktien oder Geschäftsanteile sich in der Hand einer einzigen ,Kapitalgesellschaft' befinden, scheidet hiemach aus: denn hier würde die Umwandlung nicht die Überführung zur ,Eigenverantwortung' bedeuten."239 In einem weiteren Aufsatz über „Zweifelsfragen lung von Kapitalgesellschaften
zum Gesetz über die Umwand-
vom 5. Juli 1934 " in der Juristischen Wochen-
schrift 2 4 0 bekräftigte Groschuff seine Auffassung: „Die Umwandlung muß den Erfolg haben, daß die Anonymität aufhört und der Unternehmer persönlich eigene Verantwortung übernimmt f...]." 241 Die Tatsache, daß die Rechtsprechung juristische Personen als persönlich haftende Gesellschafter einer Personengesellschaft zugelassen hatte 2 4 2 , habe nichts mit der hier entscheidenden Frage zu tun, ob die auf ein Stammkapital beschränkte Haftung eines anonymen Unternehmers eine Eigenverantwortung des Unternehmers i m Sinne des Umwandlungsgesetzes bedeute. Die Anerkennung juristischer Personen als Gesellschafter von Personengesellschaften durch die Rechtsprechung sei nur eine „ unglückliche Schöpfung des Liberalismus, die sich im Wirtschaftsleben unheilvoll ausgewirkt hat." 243 Was unter Eigenverantwortung zu verstehen sei, führte Groschuff dann genauer aus: „Der Führer' des Unternehmens, der mit seinem Gut und Blut auf Gedeih und Verderb dem Unternehmen verbunden ist, trägt,Eigenverantwortung'; niemand sonst, [...]. Diese Eigenverantwortung kann geteilt sein: dann spricht man von Personalgesellschaft; sie kann ungeteilt sein: dann spricht man von einem Einzelkaufmann. In beiden Fällen sind natürliche Personen ,mit ihrem Eigen verantwortlich '". 244 Die Auffassung Groschuffs wurde geteilt 2 4 5 , fand jedoch auch Gegenstimmen. 246 Der Berliner Rechtsanwalt Böttcher nahm in einer „Entgegnung auf die Ausführungen von Groschuff" in der Juristischen Wochenschrift zu der Problematik Stel238
Groschuff, JW 1934, S. 1823. Groschuff, JW 1934, S. 1824. 240 Groschuff, JW 1934, S.2661. 241 Groschuff, a.a.O. 242 Vgl. für die Zulässigkeit einer GmbH & Co. KG bereits RGZ 105, 101 ff., Urteil v. 4.7.1922. 243 Groschuff, a.a.O., Fn.8. 244 Groschuff, JW 1934, S.2662. 245 Vgl.Becker,GmbHR 1934,Sp.769(775); Weber,S.6ff.,S.8;Zahn,BankA 1934,S.430 (S.434). 246 Vgl. Böttcher/Meilicke, Anm.I 2 zu §8 UmwG, S.38ff.; Bergmann, Hans, DJZ 1934, Sp. 1131 (1134); Quassowski, DNotZ 1934, S.558 (S.565); Seybold, DNotZ 1934, S.716ff. 239
5 Stupp
1. Kap.: Die GmbH als Unternehmensform bei Machtübernahme
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lung. Er vertrat die Auffassung, daß auch eine juristische Person Alleingesellschafter der neuen Gesellschaft sein könne. Bei Konzernierungen und weitgehenden Verschachtelungen juristischer Personen wäre dies zumindest ein Schritt in die richtige Richtung: „Die Zahl der schützenden Hüllen, die diese natürliche Personen umgebeny hat sich um eine Hülle vermindert; das Dunkel der Anonymität ist wenigstens zum Teil aufgehellt worden. " 2 4 8 Unter Berufung auf die amtliche Begründung zum Umwandlungsgesetz stellte Böttcher heraus, daß das Gesetz auch bezwecke, eine „Entschachtelung " der Konzerne zu erreichen. Diese Zweckbestimmung stünde der Forderung nach mehr Eigenverantwortung „ vollkommen selbständig " gegenüber.249 In der Tat liest man in der amtlichen Begründung zum Umwandlungsgesetz: „(1) Das Gesetz bezweckt, in geeigneten Fällen die Abkehr von anonymen Gesellschaftsformen zu erleichtern und ihre Ersetzung durch Unternehmungen mit Eigenverantwortung des Inhabers zu fördern. Damit soll einer wirtschaftlichen Entwicklung, für die bereits Anzeichen vorliegen, der weitere Weg geebnet werden. [...]. (6) Schließlich will das Gesetz eine Handhabe bieten, übermäßige Verschachtelungen wieder rückgängig zu machen. Zu diesem Zweck ist die vereinfachte Auflösung solcher Kapitalgesellschaften vorgesehen, deren Anteile sich in einer Hand befinden oder einer offenen Handelsgesellschaft oder Kommanditgesellschaft zustehen."250
Nach der Auffassung Groschuffs jedoch hatte eine solche Entschachtelung, um dem Hauptzweck des Gesetzes, der Förderung von Eigenverantwortung, gerecht zu werden, von „unten" zu erfolgen: Zunächst müßte also die unterste Kapitalgesellschaft, auf der sich die Verschachtelungen der übrigen Gesellschaften aufbauten, in die Eigenverantwortlichkeit der beteiligten Personen überführt werden. 251 Böttcher hielt eine Entschachtelung nur dann für möglich, wenn sie in der gleichen Weise, wie sie entstanden war, auch durch einen „actus contrarius" wieder rückgängig gemacht würde, das heißt, zu beginnen war hiernach mit der zuletzt entstandenen Gesellschaft. 252 Unmittelbar im Anschluß an die Ausführungen Böttchers ist wiederum eine Entgegnung Groschuffs zu finden. 253 Hier wirft er der Gegenansicht vor, aus reinen Zweckmäßigkeitsgesichtspunkten heraus zu argumentieren; den Rechtsbeweis, daß der Gesetzgeber unter „eine Hand" im Sinne des § 8 UmwG auch „juristische Personen" fassen wollte, bliebe die Gegenauffassung schuldig. Zur Intention des Gesetzgebers sagte Groschuff, ebenfalls mit Blick auf die amtliche Begründung:
247 248 249 250 251 252 253
Böttcher, JW 1934, S.3045. Böttcher, JW 1934, S.3046. Böttcher, a.a.O. Amtliche Begründung, DJ 1934, S.883. Groschuff, JW 1934, S.2661 (S.2663). Böttcher, JW 1934, S.3045 (S.3046). Groschuff, JW 1934, S.3046.
C. Frühe gesetzgeberische Aktivitäten (1933-1935)
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„Es ist nicht so, daß das Gesetz zwei selbständige Zwecke - 1. die Abkehr von anonymen Kapitalformen, 2. die Entschachtelung - fördern will. Es will vielmehr nur ,auch* durch Entschachtelung den alleinigen ersten Zweck fördern. Die »Entschachtelung4 ist nicht Zweck, sondern Mittel." 254 Als ein halbes Jahr nach Erlaß des Umwandlungsgesetzes die erste Durchführungsverordnung des Reichsjustizministers erging, fand die in der Literatur strittige Frage eine Beantwortung. § 10 Abs. 1 der 1. Durchführungsverordnung (1. DurchfVO) zum U m w G 1934 vom 14.12.1934 255 schien zunächst für ein Aufgreifen der Ansicht Groschuffs zu sprechen: Artikel 5 Beteiligung juristischer
Personen
§ 10 Die Vorschriften über die Umwandlung einer Kapitalgesellschaft in eine offene Handelsgesellschaft, Kommanditgesellschaft oder Gesellschaft des bürgerlichen Rechts sind nicht anwendbar, wenn an den Gesellschaften juristische Personen als Gesellschafter beteiligt sind. Der Reichsminister der Justiz oder die von ihm bestimmte Stelle können Ausnahmen zulassen. Diese Regelung durch den Gesetzgeber wurde als Beleg dafür gesehen, daß es bei der Schaffung des Umwandlungsgesetzes tatsächlich in erster Linie um die Rückführung in Formen der Personalgesellschaften ging, an welchen nicht ihrerseits juristische Personen beteiligt waren. Aus der zur 1. DurchfVO erschienenen Literat u r 2 5 6 sei eine Abhandlung des Referendars Heinz Boltz aus Berlin herausgegriffen, in welcher die Interpretation der DurchfVO als eine streitentscheidende Stellungnahme des Gesetzgebers deutlich wird: „Er [Der Gesetzgeber, Anm. d. Verf.] durfte nicht die Umwandlung in Personalgesellschaften schlechthin begünstigen, sondern nur die Umwandlung in solche Personalgesellschaften, die nach ihrer Zusammensetzung seinen Wünschen und Vorstellungen von einem dem heutigen Wirtschaftsleben angepaßten, vom Prinzip der persönlichen Verantwortung durchdrungenen Gesellschaftstypus entsprechen. Der Gesetzgeber schuf, um die vollständige Abkehr von der Anonymität bei der Umwandlung in Personalgesellschaften zu gewährleisten, die Bestimmung des § 10 DurchfVO. [...]. Der Gesetzgeber, beseelt von dem Wunsche der Schaffung klarer Verhältnisse und der Hervorhebung des Momentes der persönlichen Verantwortung, hat mit der Schaffung des § 10 DurchfVO. erklärt, daß er mit der aufgezeigten Entwicklung nicht einverstanden ist. Er wünscht nicht nur, die Neubildung solcher Gebilde, wie sie die G.m.b.H. & Co. darstellt, zu vermeiden, sondern er verweigert die Erleichterung bei der Umwandlung auch dann, wenn das Vermögen einer Kapitalgesellschaft auf eine bestehende Personalgesellschaft mit Beteiligung juristischer Personen übertragen werden soll."257 254
Groschuff, a.a.O. RGBl. 1 1934, 1262. 256 Vgl. Becker, GmbHR 1935, Sp. 171; Boltz, AcP 21 (1935), S.280; Crisolli, JW 1935, S. 172; ders. JW 1935, S.841; ders. DJZ 1935, Sp.484. 257 Boltz, AcP 21 (1935), S.302f. 255
*
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1. Kap.: Die GmbH als Unternehmensform bei Machtübernahme
Allerdings ließ die 1. DurchfVO Vermögensübertragungen auf juristische Personen außerhalb von Personalgesellschaften zu, soweit diese Alleingesellschafter der Kapitalgesellschaft gewesen waren. Hierin drückte sich dann doch wiederum der Wille zur Entschachtelung aus; der Gesetzgeber hatte sich also nicht vollständig der Meinung Groschuffs angeschlossen, sondern einen Kompromiß gewählt: §11 Die Vorschriften über die Umwandlung einer Kapitalgesellschaft durch Übertragung des Vermögens auf den alleinigen Gesellschafter oder auf den Hauptgesellschafter sind auch dann anwendbar, wenn alleiniger Gesellschafter oder Hauptgesellschafter eine juristische Person ist.
Durch die §§ 10, 11 der 1. Durch VO war die Rechtslage somit geklärt. 258 Aber auch bezüglich anderer Zweifelsfragen schaffte die 1. DurchfVO Klarheit und räumte des weiteren Erleichterungen ein, was ebenfalls auf den Willen der nationalsozialistischen Führung schließen läßt, Umwandlungen in einem möglichst ausgiebigen Maße zu fördern: Seit dem Inkrafttreten des Umwandlungsgesetzes war es fraglich gewesen, ob eine Umwandlung in eine zu errichtende oHG nach den §§ 9ff. UmwG möglich war, wenn der Gegenstand des Unternehmens der umzuwandelnden AG, GmbH oder KG auf Aktien nicht ein Handelsgewerbe, wie für § 105 HGB erforderlich, war. Nach der Auffassung Groschuffs wiederum konnte der Registerrichter die Umwandlung ablehnen, wenn ein nach den §§ 1-3 HGB 2 5 9 eintragungsfähiges Unternehmen nicht vorlag oder das betriebene Unternehmen sich als ein Kleingewerbe nach §4 HGB 2 6 0 oder als ein Handwerk herausstellte. 261 Damit waren aber beispielsweise gerade die zahlreichen Grundstücksgesellschaften von der Umwandlung ausgeschlossen, da die Verwaltung von Grundstücken kein Handelsgewerbe darstellte. 262 Aktenkundig wurde hier der Fall der Kölner „ Corona Lichtspielhaus GmbH welche mit Datum vom 25. September 1934 durch ihren Notar Anmeldung in das Kölner Handelsregister als oHG beantragte. Der zuständige Richter wies die Anmeldung zurück, da die 258 Zu den einzelnen sich hieraus ergebenden Möglichkeiten zur Umwandlung vgl. sehr ausführlich Crisolli, JW 1935, S. 172, (S. 178 ff.). 259 Handelsgesetzbuch vom 10. Mai 1897, RGB1.I 1897, S.219, § 1: „Kaufmann im Sinne dieses Gesetzbuchs ist, wer ein Handelsgewerbe betreibt. Als Handelsgewerbe gilt jeder Gewerbebetrieb, der eine der nachstehend bezeichneten Arten von Geschäften zum Gegenstand hat: [...]. ", § 2: „Ein gewerbliches Unternehmen, das nach Art und Umfang einen in kaufmännischer Weise eingerichteten Geschäftsbetrieb erfordert, gilt, auch wenn die Voraussetzungen des § 1 Abs. 2 nicht vorliegen, als Handelsgewerbe im Sinne dieses Gesetzbuchs, sofern die Firma des Unternehmers in das Handelsregister eingetragen worden ist. [...]", § 3: „Auf den Betrieb der Land- und Forstwirtschaft finden die Vorschriften der §§1,2 keine Anwendung. [...] ". 260 „Die Vorschriften über die Firmen, die Handelsbücher und die Prokura finden auf Handwerker sowie auf Personen, deren Gewerbebetrieb nicht über den Umfang des Kleingewerbes hinausgeht, keine Anwendung. [...]. " 261 Groschuff, JW 1934, S. 1823; zur Gegenansicht vgl. Böttcher/Meilicke, S.45. 262 Vgl. hierzu ausführlich Crisolli, JW 1935, S. 172f.
C. Frühe gesetzgeberische Aktivitäten (1933-1935)
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„als Gegenstand des Unternehmens vorgesehene Verwaltung und Verwertung des eigenen Grundstücks" 263 nach anerkannter Rechtsprechung kein Grundhandelsgewerbe nach § 1 HGB sei. Der Notar vertrat eine andere Rechtsauffassung, die sich „schon allgemein" aus „dem Sinn und Zweck des Gesetzes" ergebe, „anonyme Gesellschaften ohne Einschränkung" umzuwandeln.264 Da der Notar dem Fall grundlegende Bedeutung zumaß, wandte er sich damit an „das Reichsjustizministerium, ζ. H. Herrn Ministerialrat Quassowski und bat um die Klärung der rechtsgrundsätzlichen Frage. 265 Auch hier schuf die 1. DurchfVO Abhilfe. In den Vorschriften der §§ 1, 2 bestimmte sie, daß, falls der Gegenstand des Unternehmens der umzuwandelnden AG, GmbH oder KG auf Aktien für die Errichtung einer oHG nicht ausreiche, eine Umwandlung in eine neu zu errichtende Gesellschaft des Bürgerlichen Rechts nach den §§ 705 ff. BGB zulässig sein sollte: Artikel 1 Umwandlung einer Kapitalgesellschaft unter gleichzeitiger Errichtung einer Gesellschaft des bürgerlichen Rechts §1 (1) Genügt der Gegenstand des Unternehmens einer Aktiengesellschaft nicht den gesetzlichen Vorschriften für die Errichtung einer offenen Handelsgesellschaft (§§105 und 4 des Handelsgesetzbuchs), so kann die Generalversammlung der Aktiengesellschaft die Errichtung einer Gesellschaft des bürgerlichen Rechts und zugleich die Übertragung des Vermögens der Aktiengesellschaft auf die Gesellschafter (Gesellschaftsvermögen; §718 des Bürgerlichen Gesetzbuchs) beschließen. (2) Die für die Umwandlung unter gleichzeitiger Errichtung einer offenen Handelsgesellschaft geltenden Vorschriften finden entsprechende Anwendung.
§2 Die Vorschriften des § 1 gelten für die Umwandlung einer Kommanditgesellschaft auf Aktien und einer Gesellschaft mit beschränkter Haftung entsprechend.
Auch hier läßt dies auf den Willen des Gesetzgebers schließen, möglichst viele Kapitalgesellschaften zur Umwandlung bewegen zu können. Eine weitere Erleichterung führte die 1. DurchfVO ein, indem sie von dem in § 10 UmwG aufgestellten Einstimmigkeitsprinzip bei dem Beschluß zur Umwandlung abwich. Auch zu der Problematik, die das Erfordernis der Einstimmigkeit für manche umwandlungsbereite Gesellschaft darstellte, liegt eine Eingabe an das Reichswirtschaftsministerium in den die Umwandlungsgesetzgebung betreffenden Akten des Reichsjustizministeriums vor. Ein Dresdner Anwalt schrieb mit Datum vom 4. Oktober 1934 an das Reichswirtschaftsministerium: „In einem mir z.Zt. vorliegenden Fall, der aber m. W. 263 264 265
Brief des AmtsG Köln an den Notar, BArch Berlin, R 3001/10418, Bl. 14, 18. Brief des Notars an das AmtsG Köln, BArch Berlin, R 3001/10418, Bl. 15. Brief des Notars an das RJM, BArch Berlin, R 3001/10418, Bl. 13, 17.
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1. Kap.: Die GmbH als Unternehmensform bei Machtübernahme
nicht der einzige seiner Art ist, kann eine Aktiengesellschaft, die sich gern auflösen würde, von den Möglichkeiten des Gesetzes vom 5.7.34 nur deshalb keinen Gebrauch machen, weil schon seit Jahrzehnten der oder die Inhaber von 1,86% des Aktienkapitals unbekannt sind und trotz aller Bemühungen bisher noch nicht aufgefunden werden konnten. [...]. Da zu allen Umwandlungsbeschlüssen nach dem Gesetz vom 5.7.34 einstimmige Beschlußfassung gehört, scheint die Firma dieses Gesetz auf sie nicht anwenden zu können. M.E. handelt es sich um eine Lücke des Gesetzes. " 266 In ähnlicher Form und noch etwas weitgehender wandte sich die Neubrandenburger „Maschinenfabrik Lythal AG " an das Reichsjustizministerium mit Datum vom 9. November 1934: „Die Umwandlung [...] wird [...] davon abhängig gemacht, dass sämtliche in der Generalversammlung anwesenden Aktionäre dem Umwandlungsbeschluss zustimmen [...]. Diese Bestimmungen geben also auch der kleinsten Minderheit das Recht, eine von der überwiegenden Mehrheit gewünschte, im Sinne des Gesetzgebers liegende Umwandlung zu untertreiben, [...]. Aus diesen Gründen erlauben wir uns anzufragen, ob noch der Erlaß von Durchführungsverordnungen geplant ist, durch welche die Aktiengesellschaft berechtigt wird, die Aktien einer kleinen Minderheit von etwa 10%, die sich weigert, die Stellung eines Kommanditisten in der neu zu gründenden Gesellschaft einzunehmen, zu einem angemessenen Preise aufzukaufen, der etwa dem Anteil dieser Aktionäre an dem Aktienkapital entspricht. " 26Ί § 10 UmwG hatte bestimmt: § 10 (1) Dem Umwandlungsbeschluß müssen alle anwesenden Aktionäre zustimmen. Es bedarf zu seiner Wirksamkeit auch der Zustimmung der nicht erschienenen Aktionäre, die gerichtlich oder notariell beurkundet werden muß.
Das Einstimmigkeitsprinzip war amtlich damit begründet worden, daß keinem Gesellschafter oder Aktionär die unbeschränkte Haftung gegen seinen Willen aufgezwängt werden dürfe: „(9) Die Gesellschafter, [...] tauschen ihre beschränkte Haftung gegen unbeschränkte Haftung und persönliche Verantwortung ein, [...]. Das Gesetz geht davon aus, daß keinem Gesellschafter die unbeschränkte Haftung aufgezwungen werden kann. Es läßt daher eine Umwandlung unter Errichtung einer neuen Gesellschaft durch Mehrheitsbeschluß nicht zu, sondern verlangt, daß sämtliche Gesellschafter der Umwandlung zustimmen."268
Die Vorschrift des §4 der 1. DurchfVO bestimmte aber nun: 266
Brief des RA Becker an den Herrn Reichswirtschaftsminister, BArch Berlin, R 3001/10418, Bl. 12. 267 BArch Berlin, R 3001/10418, B1.30, 31. 268 Amtliche Begründung, DJ 1934, S.883.
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§4 (1) Der Beschluß bedarf einer Mehrheit, die mindestens drei Viertel des bei der Beschlußfassung vertretenen Grundkapitals umfaßt. [...]. (2) Umfaßt die Mehrheit nicht zugleich neun Zehntel des gesamten Grundkapitals, so bedarf der Beschluß zu seiner Wirksamkeit der Zustimmung nicht erschienener Aktionäre bis zur Erreichung dieser Mehrheit; die Zustimmung muß gerichtlich oder notariell beurkundet werden.
Als Ausgleich räumte § 5 der 1. DurchfVO einen Abfindungsanspruch für die an der oHG nicht beteiligten ehemaligen Aktionäre/Gesellschafter ein, die bei der Abstimmung überstimmt worden waren und infolge der Umwandlung aus der Gesellschaft ausscheiden wollten. Die Literatur war sich in der Interpretation der DurchfVO weitestgehend darüber einig, daß durch diese Erleichterung aber nicht von dem Prinzip abgerückt werden sollte, daß keinem Gesellschafter die unbeschränkte Haftung aufgezwängt werden dürfe. Crisolli schrieb, der Mehrheitbeschluß „ soll aber nur verhindern, daß die Umwandlung nicht an einem Zufall oder an nicht in der Sache selbst begründeten Hindernissen scheitern sollte " 269. Der Sinn der Vorschriften bestehe nur darin, das Erfordernis der Einstimmigkeit in den Fällen in Fortfall zu bringen, in denen sonst der Zufall oder unsachliche Gründe von kleinen Minderheiten eine an sich gerechtfertigte Umwandlung verhindert hätten.270 Fraglich wurde aber, wie die Stimmen der Minderheit in Höhe eines Zehntels zu werten waren, wenn ein 9/10 der Anteile haltender Hauptgesellschafter die Übertragung des Vermögens auf sich selbst beschloß. Diese Möglichkeit räumte § 6 Abs. 2 der 1. DurchfVO ein: §6 (1) [··.]. (2) Das gleiche gilt 271 von der Umwandlung durch Übertragung des Vermögens auf einen Gesellschafter, in dessen Hand sich mindestens neun Zehntel des Grundkapitals oder Stammkapitals befinden und der allein der Umwandlung zustimmt (Hauptgesellschafter) und von der Umwandlung durch Übertragung des Vermögens auf eine bestehende offene Handelsgesellschaft oder Kommanditgesellschaft, in deren Hand sich mindestens neun Zehntel des Grundkapitals oder Stammkapitals befinden und die allein der Umwandlung zustimmt.
Was sollte für diesen Fall mit der überstimmten Minderheit von 1/10 geschehen? Durch einen solchen Mehrheitsbeschluß von 9/10 waren sie dazu gezwungen, aus der Gesellschaft auszuscheiden. Crisolli hielt dies für nicht zulässig272, andere Stimmen in der Literatur wiesen aber darauf hin, daß ein solcher Zwang zum Ausschei269 270 271 272
Crisolli, DJZ 1935, Sp.484 (485). Crisolli, JW 1935, S. 172 (S. 174). Die entsprechende Anwendbarkeit der §§ 3-5, Anm. d. Verf. Crisolli, DJZ 1935, Sp.484 (485).
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1. Kap.: Die GmbH als Unternehmensform bei Machtübernahme
den nicht unbillig wäre, da der Hauptgesellschafter auch schon nach bisherigem Recht die Möglichkeit gehabt hätte, unter Ausnutzung seiner Anteilsmehrheit einen Auflösungsbeschluß herbeizuführen. 273 Für den Hauptgesellschafter bedeutete die Zustimmung der Minderheit zu dem Beschluß im Falle des § 4 UmwG, daß er die zustimmenden Minderheitsgesellschafter an der oHG beteiligen mußte; fraglich war, was mit den zustimmungswilligen Minderheitsgesellschaftern im Falle der Vermögensübertragung auf den Hauptgesellschafter nach § 6 Abs. 2 UmwG geschehen sollte. Für diese aufgekommene Streitfrage brachte nur 5 Monate nach Erlaß der 1. DurchfVO die 2. DurchfVO vom 17. Mai 1935 274 eine Klarstellung im Sinne einer weiteren Erleichterung. § 2 der 2. DurchfVO bestimmte, daß es auf die Stimmen der Minderheit nicht ankomme: Artikel 2 Umwandlung durch Mehrheitsbeschluß
§2 Die Umwandlung einer Kapitalgesellschaft durch Übertragung des Vermögens auf einen Gesellschafter, in dessen Hand sich mindestens neun Zehntel des Grundkapitals oder Stammkapitals befinden und der der Umwandlung zustimmt (Hauptgesellschafter), und die Umwandlung durch Übertragung des Vermögens auf eine bestehende offene Handelsgesellschaft oder Kommanditgesellschaft, in deren Hand sich mindestens neun Zehntel des Grundkapitals oder Stammkapitals befinden und die der Umwandlung zustimmt, ist zulässig ohne Rücksicht darauf, ob andere Gesellschafter der Umwandlung widersprechen oder zustimmen.
Hierdurch konnte also bei der Übertragung des Vermögens auf den Alleingesellschafter nach § 6 Abs. 2 der 1. DurchfVO ein Zwang zum Ausscheiden der Minderheit von 1/10 der Anteile gegen ihren Willen erreicht werden. Ihre Bereitschaft, sich an dem Unternehmen weiterhin als persönlich haftende Gesellschafter oder als Kommanditisten zu beteiligen, konnte eine Umwandlung in ein Einzelunternehmen nach § 6 Abs. 2 UmwG nicht verhindern, die Minderheit war dann auf den Abfindungsanspruch nach § 5 UmwG angewiesen.275 Crisolli kommentierte dies wie folgt: „Diese Vorschrift 276 ist nicht als eine authentische Gesetzesauslegung, sondern als eine Gesetzesänderung anzusehen [...]. Der Sinn der Vorschrift besteht darin, daß das Recht der 1/10-Minderheit dem Allgemeininteresse an der von der nationalsozialistischen Rechtsanschauung geforderten Umwandlung zu weichen hat."277 273 274 275 276 277
Vgl. hierzu Böttcher/Meilicke, Anhang, S.260. RGBl.I 1935, 721; vgl. hierzu Becker, GmbHR 1936, Sp.885ff. Becker, GmbHR 1935, Sp.585 (588). § 2 der 2. DurchfVO, Anm. d. Verf. Crisolli, JW 1935, S. 2401.
C. Frühe gesetzgeberische Aktivitäten (1933-1935)
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Die 2. DurchfVO brachte zwei weitere Erleichterungen. Zum einen dehnte sie in Artikel 4 (§§4-8) die Anwendbarkeit der Vorschriften des Umwandlungsgesetzes auch auf bergrechtliche Gewerkschaften aus.278 Zum anderen stellte sie eine Befreiungsmöglichkeit für die neue umgewandelte Gesellschaft zur Sicherheitsleistung gegenüber ihren Gläubigern auf. Nach § 6 UmwG war es den Gläubigern der alten umzuwandelnden Kapitalgesellschaft möglich, sich innerhalb von sechs Monaten nach der registergerichtlichen Bekanntmachung der Eintragung des Umwandlungsbeschlusses in das Handelsregister zu melden, um von der neuen Gesellschaft eine Sicherheitsleistung nach den §§232 ff. BGB zu verlangen. Diese Sicherheitsleistungen hatten vereinzelt zu Schwierigkeiten geführt, da hierdurch dem neuen Unternehmen Mittel entzogen wurden, die es für den laufenden Betrieb dringend benötigte. 279 Hier bestimmte § 1 der 2. DurchfVO nun: Artikel 1 Sicherheitsleistung §1 Der Reichsminister der Justiz kann die übernehmende Personengesellschaft oder den übernehmenden Gesellschafter von der Verpflichtung, den Gläubigern einer umgewandelten Kapitalgesellschaft Sicherheit zu leisten (§ 6 des Gesetzes), befreien, wenn die Sicherheitsleistung die Personengesellschaft oder den Gesellschafter unbillig belastet und eine Gefährdung der Gläubiger nicht zu besorgen ist.
Über die tatsächlichen Zahlen der umgewandelten Gesellschaften liegen keine eindeutig verläßlichen Materialien vor. 280 Bemerkenswert ist aber, daß das Reichsjustizministerium eine Verlängerung der ursprünglich nur bis zum 31.12.1936 geltenden Frist erwog. Ob hierfür Unzufriedenheit über eine nur schleppend vorangehende Umwandlung ausschlaggebend war, läßt sich nicht eindeutig sagen. Eingaben an das Reichsjustizministerium legen dies aber nahe.281 In einer solchen Eingabe eines Berliner Rechtsanwalts und Notars vom 17. August 1936, gerichtet „z.H. Herrn Amts- und Landgerichtsrat Herbig", ist folgendes zu lesen: „Trotz des lebhaften Interesses, das das Gesetz in Wirtschaftskreisen wie im juristischen Schrifttum hervorgerufen hat, konnte zunächst nicht der wünschenswerte weitgehende Gebrauch von den im Gesetz gegebenen Umwandlungsmöglichkeiten gemacht werden, weil die vorgesehenen Erleichterungen in der Praxis sich nicht durchweg als ausreichend erwiesen hatten."282
Der Anwalt geht auf die oben beschriebenen, nur schrittweise erfolgten Erleichterungen, insbesondere auf die des § 2 der 2. DurchfVO ein und führt weiter aus: 278 279 280 281 282
Vgl. hierzu Becker, GmbHR 1935, Sp.585 (590); Groschuff, JW 1935, S.2403. Vgl. hierzu Becker, GmbHR 1935, Sp.585. Siehe hierzu ausführlich unten, D. Vgl. Akten des BArch Berlin, R 3001/10419, Bl. 120-127. BArch Berlin, R 3001/10419, Bl. 120f.
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„Erst durch diese Verordnung war der Zweck des Gesetzes, Verschachtelungen wieder rückgängig zu machen und damit das Gesellschaftsrecht übersichtlicher und klarer zu gestalten, gegenüber den im Schrifttum aufgetretenen rechtlichen Schwierigkeiten ausreichend gewährleistet. Erst nach dieser Verordnung, von der die interessierten Wirtschaftskreise im Laufe des Juni 1935 Kenntnis erhielten, also etwa ein Jahr nach Erlass des Gesetzes vom 5.7.1934, war mithin auch die Möglichkeit gegeben, zu der vom Gesetz geschaffenen Umwandlung einer Kapitalgesellschaft durch Uebertragung des Vermögens auf den Hauptgesellschafter Stellung zu nehmen."283
Mit seiner Eingabe forderte der Anwalt daher das Reichsjustizministerium auf, die Frist des UmwG durch den Erlaß einer weiteren DurchfVO zu verlängern. Über eine solche Fristverlängerung war im Reichsjustizministerium aber schon längere Zeit nachgedacht worden, wie sich aus den im Bundesarchiv verwahrten Akten des Ministeriums ergibt. 284 Das zeitlich erste mir vorliegende Schreiben des Stellvertreters des Führers ist auf den 6. Mai 1936 datiert und nimmt seinerseits Bezug auf ein Schreiben des Reichsjustizministers vom 19. Februar 1936.285 Hierin heißt es, an diesen gerichtet: „Grundsätzlich habe ich nichts dagegen einzuwenden, dass die Geltungsdauer des Gesetzes über die Umwandlung von Kapitalgesellschaften verlängert und die Umwandlung selbst dadurch erleichtert wird, dass hierzu schon der Besitz von drei Vierteln des Grund- oder Stammkapitals oder der Kuxe berechtigt."™ Das Reichsjustizministerium hatte also nicht nur bereits seit Mitte Februar 1936 eine Fristverlängerung, sondern auch eine weitere, besonders weitgehende, Erleichterung im Auge gehabt, in dem es die bisherige 9/10-Mehrheit auf eine 3/4-Mehrheit herabsetzen wollte. In folgenden Briefen an das Reichsfinanzministerium zur Abstimmung der Verlängerung des Umwandlungsgesetzes mit dem dazu erlassenen Steuererleichterungsgesetz bezeichnet der Reichsjustizminister 287 die Verlängerung als „ungemein wünschenswert" 288: „Einigkeit besteht unter allen beteiligten Stellen darüber, daß die Geltungsdauer des Umwandlungsrechts verlängert werden soll. Vielleicht wäre es an sich vorzuziehen, diese Verlängerung nicht allzu lange vor dem Ablauf der derzeitigen Geltungsdauer zu verfügen, um auf umwandlungsbereite Gesellschaften einen gewissen Zwang zur Beschleunigung auszuüben."289 283
BArch Berlin, R 3001/10419, Bl. 122. Vgl. BArch Berlin, R 3001/10419, B1.91, 93, 94, 197. 285 BArch Berlin, R 3001/10419, B1.91. 286 BArch Berlin, a.a.O. 287 Franz Gürtner (1881-1941) war seit dem 2.6.1932 Reichsjustizminister; er wurde nach seinem Tode am 29.1.1941 von Franz Schlegelberger abgelöst, vgl. Kuhn, Deutsche Justizminister 1877-1977, S. 82 ff.; ob der Brief tatsächlich vom Justizminister verfaßt wurde oder von einem seiner Vertreter, läßt sich nicht feststellen, die Unterschrift ist unleserlich und wohl auch nur als Kürzel zu verstehen. 288 BArch Berlin, R 3001/10419, B1.93. 289 BArch Berlin, R 3001/10419, B1.94. 284
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Die aufgeführten, nur fragmentarisch anhand der Akten nachvollziehbaren Gesichtspunkte werden von einem Aufsatz Groschuffs in der Juristischen Wochenschrift von 1936 vollauf bestätigt. Er führt dort aus: „Nach allgemeiner Schätzung haben sich von den vor dem 1. Juli 1934 eingetragenen Kapitalgesellschaften etwa 5% bisher umgewandelt nach Maßgabe des Ges. v. 5. Juli 1934 (RGBl. I, 569) nebst DurchfVO. Das ist nicht sehr viel, wenn man bedenkt, daß seine Geltungsdauer schon mit Jahresende abläuft. Vermutlich aber werden die Umwandlungen kurz vor Toresschluß stark zunehmen. Zu begrüßen wäre es, wenn die Geltungsdauer des Gesetzes noch um ein oder zwei Jahre verlängert wird. Denn Wünsche und Zweifelsfragen, die z.T. erst durch die 2. DurchfVO v. 17. Mai 1935 ihre Lösung gefunden haben, mögen eine gewisse Zurückhaltung veranlaßt haben."290 So erließ der Reichsjustizminister am 2.12.1936, also durchaus erst kurz vor Ablauf der Frist, eine 3. DurchfVO. 2 9 1 Diese bestimmte: Artikel 1 Geltungsdauer und Geltungsbereich des Umwandlungsrechts §1 Die Umwandlung von Kapitalgesellschaften nach dem Umwandlungsgesetz und seinen Durchführungsverordnungen kann bis zum 31. März 1939 beschlossen werden. Gleichzeitig trat eine 4. D u r c h f V O 2 9 2 zum Steuererleichterungsgesetz in Kraft, welches die ursprünglich bis Ende 1936 gewährten Steuererleichterungen ebenfalls länger gewährte, jedoch nur für ein halbes Jahr bis zum 30. Juni 1937. Aus den Schreiben des Finanzministers an den Reichsjustizminister geht hervor, daß man eine längere Frist wegen der damit verbundenen Steuerausfälle nicht für möglich hielt: „Ich habe aufgrund des bisherigen Schriftwechsels in dieser Angelegenheit und auf Grund der wiederholten Besprechung der beiderseitigen Sachbearbeiter Kenntnis davon genommen, daß Sie beabsichtigen, die Geltungsdauer des Umwandlungsgesetzes bis zum 31. März 1939 zu erstrecken. Eine entsprechende Verlängerung der Geltungsdauer des Umwandlungssteuergesetzes ist jedoch nicht möglich. Im Hinblick auf die hohen Steuerausfälle kommt eine Verlängerung der Geltungsdauer des Umwandlungssteuergesetzes höchstens bis zum 30. Juni 1937 und auch nur mit gewissen Einschränkungen (Einengung der Bewertungsfreiheit) in Frage." 293 I n einer 5. D u r c h f V O 2 9 4 zum StEG wurde die Frist dann aber noch einmal verlängert bis zum 1.1.1938. 290 291 292 293 294
Groschuff, JW 1936, S. 1330. RGBl. 1 1936, S. 1003. RGBl. 1 1936, S. 1006. BArch Berlin, R 3001/10419, Bl. 197. RGBl. 1 1937, S.662.
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Die vom Reichsjustizminister vorgesehene weitere wesentliche Erleichterung bei der Umwandlung war in § 8 Abs. 2 der 3. DurchfVO zum UmwG enthalten: §8 (1) Auf die Umwandlung einer Aktiengesellschaft durch Übertragung des Vermögens auf einen Gesellschafter (Hauptgesellschafter) oder auf eine bestehende offene Handelsgesellschaft oder Kommanditgesellschaft finden die §§4 bis 6 entsprechende Anwendung. (2) Die Umwandlung ist jedoch schon dann zulässig, wenn sich in der Hand des Gesellschafters oder der bestehenden offenen Handelsgesellschaft oder Kommanditgesellschaft mehr als drei Viertel des Grundkapitals befinden und ohne Rücksicht darauf, ob andere Gesellschafter der Umwandlung widersprechen oder zustimmen.
Durch diese Erweiterung war es also von nun an auch möglich, eine Minderheit von einem Viertel zum Ausscheiden aus der Gesellschaft zu zwingen.295 Die Frist zur Umwandlung wurde später in einer 4. DurchfVO nochmals bis zum 31. März 1941 verlängert. Somit galten die handelsrechtlichen Erleichterungen noch eine sehr lange Zeit weiter, auch wenn die steuerrechtlichen Erleichterungen zum 1.1.1938 wegfielen. Das schnelle Reagieren des Reichsjustizministeriums auf Zweifelsfragen und die kontinuierliche Erleichterung der Umwandlung, sowie die ständige Verlängerung der Geltungsdauer des Gesetzes, belegen das starke Bedürfnis des Nationalsozialismus, so viele Kapitalgesellschaften wie nur irgend möglich in die Form der Personengesellschaft zu drängen und die Wirtschaft von den Verschachtelungen der Konzerne zu befreien. Allein dieses Verhalten verstärkte die in der Literatur bereits vorhandenen Abneigungen gegen die Kapitalgesellschaften und gegen die GmbH im besonderen. Es soll im folgenden aber noch ein Blick auf die Reaktionen der Literatur und ihre Interpretationsversuche zu einem ganz bestimmten Punkt innerhalb der Umwandlungsgesetzgebung untersucht werden: Einige Stimmen in der Literatur glaubten, aus den amtlichen Begründungen zum Umwandlungsgesetz und zum Steuererleichterungsgesetz heraus lesen zu können, daß diese Gesetze nur der Anfang einer Bestrebung seien, welche im Laufe der nationalsozialistischen Herrschaft zumindest die GmbH völlig zu beseitigen versuchen würde. So rechneten viele damit, daß der Gesetzgeber nach einer gewissen Dauer einen Zwang zur Abschaffung dieser Gesellschaftsform einführen würde, weil die GmbH nicht mit der Auffassung von einer nationalsozialistischen Wirtschaft zu vereinbaren wäre. II. Reaktionen auf die amtlichen Begründungen zum Umwandlungs- und Steuererleichterungsgesetz Die amtlichen Begründungen zum Umwandlungsgesetz und zum Steuererleichterungsgesetz vom 5. Juli 1934 gaben für die betroffenen Wirtschaftskreise und die juristische Literatur das erste Mal einen Anhaltspunkt über die mögliche und ver295
Vgl. Ehlers, GmbHR 1937, S.39.
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mutliche Einstellung des nationalsozialistischen Gesetzgebers zu den Kapitalgesellschaften. I n der amtlichen Begründung zum Gesetz über die Umwandlung von Kapitalgesellschaften vom 5. Juli 1934 ist einleitend zu lesen: „(1) Das Gesetz bezweckt, in geeigneten Fällen die Abkehr von anonymen Gesellschaftsformen zu erleichtern und ihre Ersetzung durch Unternehmungen mit Eigenverantwortung des Inhabers zu fördern. Damit soll einer wirtschaftlichen Entwicklung, für die bereits Anzeichen vorliegen, der weitere Weg geebnet werden. [...]. (3) Gewiß ist die Rechtsform der anonymen Kapitalgesellschaft unentbehrlich. In der Aktiengesellschaft sind große Teile des Volksvermögens zusammengefaßt; sie bilden die größten Gemeinschaften, bei denen Millionen von Volksgenossen Arbeit und Brotfinden; von ihrem Schicksal hängen ungezählte Existenzen ab. Ihre Beseitigung kann nicht in Frage kommen. [...]. (4) Aber überall da, wo das Kapitalbedürfnis nicht so groß ist, daß es nicht von einem einzelnen oder einer kleinen Anzahl von Teilhabern befriedigt werden kann, wie bei Familiengesellschaften und bei Grundstücksgesellschaften, ist dem Einzelunternehmen oder der Rechtsform der Personalgesellschaft der Vorzug zu geben. Die Überleitung in diese Unternehmensarten soll das Gesetz erleichtern, zugleich in Verbindung mit steuerlichen, vom Reichsfinanzministerium vorgeschlagenen Maßnahmen."296 Zunächst wird ganz deutlich, daß sich der Gesetzgeber gegen die Familien- und Grundstücksgesellschaften ausspricht - unter „ ( 4 ) " Diese waren aber fast ausschließlich in der Rechtsform der G m b H organisiert, so daß hierdurch bereits eine gewisse Abneigung gegen die GmbH, stärker als gegen die AG, zum Ausdruck kam. Dies wurde aber noch dadurch bestärkt, daß hier für die Unentbehrlichkeit der Rechtsform der Kapitalgesellschaft unter „ ( 3 ) " lediglich die A G angeführt wurde, nicht jedoch die GmbH. Auch dies sprach für eine Abneigung gegenüber der GmbH. Des weiteren bezog sich die „ Unentbehrlichkeit der AG " i n den weiteren Ausführungen der amtlichen Begründung auch nur auf Großunternehmen; die kleineren A G sollten ausdrücklich in die Form der Personengesellschaft gedrängt werden: „(5) Das Gesetz dient noch einem weiteren Zweck, der mit dem Gesagten in Zusammenhang steht. Der Aktiengesellschaft als der Rechtsform der Großunternehmung sind namentlich durch die Aktienrechtsverordnung vom 19. September 1931 weitgehende Ojfenlegungspflichten auferlegt, sie sind der obligatorischen Bilanzprüfung unterworfen. Dieser Zwang zur Offenlegung bildet ein Gegenstück und einen Ausgleich gegenüber den Auswirkungen der Anonymität des Kapitals, indem er die Überwachung der Verwaltung erleichtert und einen gewissen Einblick in die Verhältnisse des Unternehmens ermöglicht. Die damit verbundenen Lasten werden aber von den kleinen Aktiengesellschaften als drückend empfunden. Ihnen wird nunmehr die Möglichkeit geboten, eine Rechtsform zu wählen, für die solche Offenlegungspflichten nicht bestehen und die überdies ihren Verhältnissen besser entspricht."297 296 297
Amtliche Begründung, DJ 1934, S.883f. Amtliche Begründung, DJ 1934, S.884.
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1. Kap.: Die GmbH als Unternehmensform bei Machtübernahme Wenn man aber schon den kleinen A G nahelegte, die Rechtsform der Personen-
gesellschaft zu wählen, lag die Annahme nicht fern, daß die GmbH, deren Aufbau in der Wirklichkeit weit an die Verhältnisse in den Personalgesellschaften angeglichen war, ebenfalls vom nationalsozialistischen Gesetzgeber als überflüssig bzw. unerwünscht empfunden wurde. Die amtliche Begründung zum Gesetz über Steuererleichterungen bei der Umwandlung von Kapitalgesellschaften vom 5. Juli 1934 ließ ebenfalls eine Abneigung gegenüber den Kapitalgesellschaften spüren, auch hier wurde deutlich, daß nur die großen A G mit ihrem Nutzen für das Gesamtinteresse in einer nationalsozialistischen Wirtschaftsordnung erwünscht waren: „(1) Nach nationalsozialistischer Wirtschaftsauffassung soll auch in der Wirtschaft die Persönlichkeit wieder mehr zur Geltung kommen. Die Inhaber eines gewerblichen Unternehmens sollen der Gefolgschaft des Betriebs und der Öffentlichkeit möglichst bekannt sein, und es soll möglichst mindestens eine natürliche Person vorhanden sein, die uneingeschränkt - das heißt mit ihrem ganzen Vermögen, mit ihrer ganzen Person, persönlich - als für das Unternehmen verantwortlich in Erscheinung tritt und für die Verbindlichkeiten des Unternehmens haftet. [..J. (2) Die Rechtsform der Aktiengesellschaft ist insbesondere bei solchen Unternehmen volkswirtschaftlich gerechtfertigt, die zur Lösung ihrer Aufgabe eine so breite geldliche Grundlage brauchen, daß dazu die Kapitalkraft eines Einzelunternehmers oder einer kleinen Zahl von Mitunternehmem nicht ausreicht, wie ζ. B. bei Schiffahrtsgesellschaften, Versicherungsgesellschaften, Bergbaugesellschaften. [·.·]. (4) Auch die Rechtsform der Gesellschaft mit beschränkter Haftung ist in vielen Fällen nicht angebracht. Sie ist insbesondere für zahlreiche Grundstücksgesellschaften, die gegenwärtig überwiegend als Gesellschaften mit beschränkter Haftung geführt werden, weder geeignet noch erwünscht. Diese Grundstücksgesellschaften haben in Wirklichkeit keinen gewerblichen Betrieb, sondern verwalten nur das Grundstück oder die mehreren Grundstücke, die zum Gesellschaftsvermögen gehören. [...]. (5) Die Reichsregierung will Kapitalgesellschaften die Umwandlung in Personalgesellschaften und Einzelunternehmen dadurch ermöglichen, daß sie die Überleitung in die neuen Unternehmensformen handelsrechtlich und steuerlich erleichtert" 29* Auch wenn die Begründung hier nur von bestimmten Arten von G m b H sprach, so wurde doch vielfach die Gesamttendenz dahingehend gedeutet, daß nach nationalsozialistischer Wirtschaftsauffassung sämtliche Arten von anonymen Kapitalgesellschaften, außer der großen AG, unerwünscht waren oder diese doch zumindest auf einen eng umgrenzten Kreis beschränkt werden sollten. Ein Großteil der zu den Umwandlungsgesetzen erschienenen Literatur übte sich in Spekulationen über den Willen des Gesetzgebers und seine Einstellung insbesondere zur GmbH. Viele sahen ein baldiges Ende der G m b H durch einen Zwang des Gesetzgebers zur Um298
Abgedruckt in Bergmann, Hans, UmwG; Deutscher Reichsanzeiger vom 16. Juli 1934, Nr. 163, Seite 2.
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Wandlung der bestehenden GmbH in Personalgesellschaften bevorstehen. Dies verstärkte die ohnehin negative Stimmung gegenüber der GmbH. Groschuff führte aus: „V. Das Dritte Reich hat nämlich aus seiner Abneigung gegenüber den anonymen Kapitalformen heraus zunächst die Rückbildung zu eigenverantwortlichen Formen des Unternehmertums eingeleitet durch das Gesetz über die Umwandlung von Kapitalgesellschaften v. 5. Juli 1934 (RGB1.I, 569) und damit wieder die Leistungsfähigkeit der Persönlichkeit in den Vordergrund gestellt. [...]. Zu erwarten steht eine gesetzliche Einschränkung der Kapitalgesellschaften. Es handelt sich hierbei durchweg nicht um wirtschaftsfeindliche Maßnahmen, sondern um Regelungen, die gerade von Kreisen der gesunden Wirtschaft und der Volksgesamtheit gefordert worden sind. An ihrem Endziel steht der »ehrbare Kaufmann', der eigenverantwortlich sein Unternehmen mit seinem Namen deckt und dieses, wenn es den Tag überdauert, gleichsam als Vermächtnis seinem Rechtsnachfolger überträgt." 299
Groschuff rechnete also mit einer „gesetzlichen Einschränkung der Kapitalgesellschaften d. h. aus den Erleichterungen, welche das Umwandlungsgesetz nun demjenigen bot, der freiwillig die Gesellschaftsform änderte, hätte nach Meinung Groschuffs bald ein Zwang zur Umwandlung werden können. Auch der gemeinsam von Crisolli, Groschuff und Kaemmel herausgegebene Kommentar zum Umwandlungsgesetz300 ging auf einen zu erwartenden Zwang ein. In der Erläuterung zur Präambel des Gesetzes301 wurde unter Berufung auf die amtliche Begründung herausgestellt, welche Fälle in der Form der Kapitalgesellschaft in Zukunft noch erwünscht sein würden: „//. Als geeignete Fälle' der Umwandlung bezeichnet die amtliche Erläuterung in DJ. 1934,883 (vgl. oben S. 35) nicht diejenigen Kapitalgesellschaften (insbesondere AktG.), bei denen ein Unternehmen vorliegt, das ,auf breiter geldlicher Grundlage' geschaffen ist, bei dem ,weite Kreise des Volkes zur Aufbringung der erforderlichen Mittel' herangezogen werden."302
In diesen nicht zur Umwandlung geeigneten Fällen sei ein Zwang zur Umwandlung also nicht zu erwarten: „In solchen Fällen soll eine Beseitigung der Kapitalgesellschaft - auch für die Zukunft - nicht in Frage kommen."303
Dies bedeutete aber im Umkehrschluß die Unerwünschtheit der kleineren AG und GmbH für die Zukunft. Dieser Kommentierung entsprechend hielt Crisolli in seinem Beitrag zum GmbH-Recht im „NS-Handbuch für Recht und Gesetzgebung die Umwandlungsgesetzgebung für nicht weitreichend genug und forderte den Gesetzgeber sogar auf, nicht umwandlungsbereite GmbH zur Umwandlung in die Personalgesellschaft zu zwingen: 299 300 301 302 303
Groschuff, JW 1936, S. 1721 (S. 1725). Crisolli/Groschuff/Kaemmel, UmwG, Vorspruch Anm. 5, S.40. Vgl. zum Wortlaut oben, C.I. Crisolli/Groschuff/Kaemmel, a. a. O. Crisolli/Groschuff/Kaemmel, a. a. O.
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„2. Die Vorschriften über die Umwandlung im Gesetz vom 5. Juli 1934 dürften als nicht ausreichend anzusehen sein. Dies ergibt sich bereits daraus, daß trotzdem beinahe 4/17 der Geltungsdauer des Gesetzes verflossen sind, von den zirka 13400 im Berliner Register eingetragenen G.m.b.H. nur zirka 30 Gesellschaften ihre Umwandlung beschlossen haben. Der Mangel des Gesetzes dürfte darauf zurückzuführen sein, daß es nur eine freiwillige Umwandlung kennt. Es erscheint erwägenswert, ob nicht für die Gesellschaften, für die nach den obigen Ausführungen die Rechtsform der G.m.b.H. überflüssig ist und deren Aufrechterhaltung nur einen Schaden für das Gesamtinteresse hervorruft 304 - wie oben vorgeschlagen305 - , eine Frist zur Umwandlung zu setzen ist, nach deren ergebnislosem Ablauf gegen die Gesellschaften im Nichtigkeitsverfahren gemäß § 144 IRFGG. einzuschreiten ist." Auch andere Kommentare zum Umwandlungsrecht äußerten sich ähnlich wie Crisolli, Groschuff und Kaemmel. L i o n spach davon, daß zwar „ein Zwang zur Umwandlung und Auflösung" nicht ausgeübt werde: „Aber schon die gebotenen handels- und steuerrechtlichen Erleichterungen einerseits, die bei vielen , ungeeigneten' Gesellschaftsformen hervorgetretenen handels- und steuerrechtlichen Erschwerungen andererseits legen jeder derartigen Unternehmung die Verpflichtung auf zu prüfen, ob die Umwandlung oder Auflösung angezeigt ist. " 3 0 6 L i o n sprach insoweit von einer „Ethisierung des Wirtschaftslebens " 307. Einen Zwang zur Auflösung von Kapitalgesellschaften hielt auch der Kommentar zum Umwandlungsgesetz von Böttcher/Meilicke für möglich. Dort heißt es i m Rahmen eines ersten kurzen Überblicks über die Umwandlungsgesetzgebung: „3. Künftiger Zwang zur Umwandlung. Im Hintergrund aller Erwägungen steht schließlich und endlich die weitere Reform des Gesellschaftsrechts, [...]. Nach dem Bericht des Ausschusses für Aktienrecht der Akademie für Deutsches Recht ist jedenfalls beabsichtigt, die Kapitalmindestgrenze für AG. erheblich in die Höhe zu setzen und gegebenenfalls zu verzehnfachen, so daß dann nur noch AG. mit einem Mindestkapital von 500 000 RM. zulässig sind. Diejenigen alten AG., die ein Kapital unter 500000 RM. haben, sollen in einem Zeitraum bis zu 10 Jahren zur Aufgabe der AG.-Form gezwungen werden. Auch für die GmbH, wird von vielen Seiten eine ähnliche Heraufsetzung - wenn auch nicht bis zur Höhe von 500 000 RM. - erstrebt, insbesondere um dem wirtschaftsschädlichen Treiben vieler unlauterer Elemente im Schutze der GmbH.-Form einen Riegel vorzuschieben. Kommt aber ein solcher Zwang, daß diejenigen Gesellschaften, deren Kapital den künftigen Mindestsätzen für AG. und GmbH, nicht entspricht, sich auflösen müssen, so ist der Entschluß zur Umwandlung nicht mehr freiwillig wie jetzt, sondern eben erzwungen. Und es ist eine alte Erfahrung, daß freiwillige Entschlüsse wertvoller undrichtiger sind, als erzwungene; sie gehen auch in der Regel unter besseren Bedingungen und Verhältnissen vor sich. Darüber hinaus ist zur Zeit noch nicht zu übersehen, ob für die erzwungene Auflösung wie304
Crisolli verweist hier auf „z.B. die zahlreichen Grundstücksgesellschaften". Crisolli verweist hier auf seine Ausführungen in Anmerkung 61, in welcher er die Zahl der im Berliner Registerbezirk eingetragenen Grundstücksgesellschaft „ bei vorsichtiger Schätzung " mit 4000 angibt. 306 Lion, Einleitung, S. 12. 307 Lion, a.a.O. 305
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der die Vorteile gewährt werden, die jetzt das Gesetz über Steuererleichterungen im Zusammenhang mit Umwandlungen in Aussicht stellt."308 Die Kommentierung von Böttcher/Meilicke sah die Tendenzen gegen die G m b H und die Kapitalgesellschaften in der Haftungsbeschränkung begründet, die mit den Grundsätzen der nationalsozialistischen Wirtschaft nicht mehr zu vereinbaren war und erwartete ein weiteres Einschreiten des Gesetzgebers: „Nachdem aber seit dem 30. Januar 1933 das Moment der persönlichen Verantwortung im politischen Leben eine ganz andere Bedeutung erlangt hat als bisher, tritt auch die Forderung nach der persönlichen Verantwortung im wirtschaftlichen Leben ganz stark in den Vordergrund. Dieser Entwicklung gemäß wird damit zu rechnen sein, daß das Moment der beschränkten Haftung in der Rechtsform der GmbH, und AG. für alle Gesellschafter kaum noch praktische Bedeutung hat, zumal, wenn auch für diese Formen eine stärkere Haftung der leitenden Persönlichkeiten gesetzlich eingeführt wird." 309 Auch in verschiedenen Dissertationen aus den Jahren 1935 bis 1937 kommt der Gedanke zum Ausdruck, daß die Wirtschaft mit einem baldigen Zwang zur Umwandlung aller G m b H zu rechnen habe. Kurt Fehling äußert sich in seiner, durch Friedrich Klausing 3 1 0 angeregten, Dissertation zum Thema „ Gefahren der beschränkten Haftung für die Gläubiger einer G.m.b.H." von 1935 3 1 1 : „Es hat den Anschein, daß der deutsche Gesetzgeber sich bereits mit dem Gedanken trägt, durch Abschaffung der Gesellschaft mit beschränkter Haftung wieder solideren Gesellschaftsformen zum Siege zu verhelfen. Das Gesetz über die Umwandlung von Kapitalgesellschaften vom 5.7.1934 (RGBl. IS. 569) ist ein deutlicher Beweis dafür." 312 Z u m Thema seiner Dissertation „ D i e Umwandlung einer Aktiengesellschaft in eine bestehende offene Handelsgesellschaft oder Kommanditgesellschaft" aus dem Jahre 1936 äußerte sich der Leipziger Referendar Johannes Weber. Seine Aussagen bleiben zwar ohne Belege, spiegeln jedoch die Stimmung der Zeit wider, welche zu Mutmaßungen über das Schicksal der Kapitalgesellschaften Anlaß gab: „Der Gesetzgeber will mit diesen Gesetzen zugleich dem bereits erkennbaren Streben, zur Eigenverantwortung zu gelangen, einen neuen Antrieb geben. [...]. Es muß abgewartet werden, ob es genügt, ,den Weg zu ebnen', um in allen geeigneten Fällen eine Umwandlung von Kapitalgesellschaften in eigenverantwortliche Unternehmen herbeizuführen. Vorläufig jedenfalls liegt dem Gesetzgeber daran, die Umwandlung ohne jeden Zwang in das völlig freie Ermessen der Beteiligten zu stellen; denn eine freiwillige Umwandlung hat, da sie regelmäßig unter für eine Gesellschaft günstigeren Umständen vor sich 308
Böttcher/Meilicke, S. 12f. Böttcher/Meilicke, S. 13. 310 Zur Biographie Klausings (1887-1944) vgl. u.a. Schubert, Protokolle des GmbHR-Ausschusses, S.XX. 311 Vgl. zu dieser Dissertation auch weiterhin unten, Kapitel 2, A.I. 312 Fehling, S.75. 309
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1. Kap.: Die GmbH als Unternehmensform bei Machtübernahme gehen wird, einen viel größeren Wert als eine erzwungene. Erweist sich jedoch der durch die Gesetze vom 5. Juli 1934 in Verbindung mit den Durchführungsverordnungen gegebene Anreiz für die Umwandlung als nicht ausreichend, so wird eine steuerrechtliche Benachteiligung der Kapitalgesellschaften oder eine steuerrechtliche Begünstigung der eigenverantwortlichen Unternehmen rasch den gewünschten Erfolg bringen. Es wäre nicht das erstemal, daß eine unterschiedliche oder auch nur scheinbar unterschiedliche Behandlung der Rechtsformen im Steuerrecht auf dem Gebiete des Gesellschaftsrechts Wunder wirken würde. - 4 3 1 3
Ähnlich werden die Gesetzgebungsaktivitäten in einer Erlanger Dissertation des Referendars Robert Mair (Referenten Köhler/Liermann) von 1937 gedeutet, die den Titel trägt „ Umwandlung einer Einmann-GmbH in eine KG unter besonderer Berücksichtigung des Steuerrechts Der Autor gibt klar zu erkennen, daß der Wille des Gesetzgebers dahingehend zu deuten sei, daß alsbald nach den Erleichterungen für eine freiwillige Umwandlung ein Umwandlungszwang beschlossen werden könnte, welcher die eingeführten Erleichterungen wegfallen ließe und die Kapitalgesellschaften abschaffen oder von einer Konzession abhängig machen würde. „Die Lösung der Frage der Haftungsbeschränkung bedeutet zugleich die Lösung der Frage der Kapitalgesellschaften überhaupt. Die nationalsozialistische Wirtschaft wird in Zukunft nurmehr große und für die deutsche Volkswirtschaft wichtige Kapitalgesellschaften weiterbestehen lassen und gleichzeitig versuchen, den kleinen und mittleren andere Formen zu geben."314 „Als drohendes Gespenst, kann man sagen, steht hinter den Kapitalgesellschaften der Zwang, ihre Gesellschaftsformen in der Zukunft abändern zu müssen und zwar wahrscheinlich ohne die im Steuererleichterungsgesetz gegebenen Steuererleichterungen. Die erzwungene Umwandlung wird sich in jedem Fall ungünstiger gestalten als eine freiwillige, selbst wenn die Verhältnisse noch so günstig liegen. Das Prinzip der beschränkten Haftung ist, [...], mit dem nationalsozialistischen Führer- und Leistungsprinzip nicht zu vereinbaren. Die deutsche Wirtschaft kennt kein Bedürfnis nach Unternehmungsformen, bei denen die einzelnen Unternehmer bzw. Gesellschafter nur eine beschränkte Haftung übernehmen."315
Dieser Eindruck des „ drohende Gespenstes " in Form eines zu erwartenden Zwangs zur Abschaffung kleinerer Kapitalgesellschaften, insbesondere der GmbH, ist charakteristisch für die Reaktionen auf die ersten gesetzgeberischen Maßnahmen auf dem Gebiet des Kapitalgesellschaftsrechts. Weitere gesetzgeberische Tätigkeiten bestärkten den Eindruck eines drohenden Zwangs. So erließ der nationalsozialistische Gesetzgeber weiterhin am 9. Oktober 1934 das „ Gesetz über die Auflösung und Löschung von Gesellschaften und Genossenschaften " 3 1 6 Mit Hilfe dieses Gesetzes konnten vermögenslose Gesellschaften aus dem Handelsregister gelöscht und nicht konkursfähige Gesellschaften aufgelöst werden.
313 314 315 316
Weber, Johannes, S.3f. Mair, S. 6. Mair, S.49f. RGBl. 1 1934, 914ff.
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I I I . Das Auflösungs- und Löschungsgesetz von 1934 Nach der bisherigen Rechtslage mußte auf dem Gebiet der GmbH bei Zahlungsunfähigkeit oder Überschuldung nach § 63 Abs. 1 GmbHG 317 ein Konkursantrag gestellt werden. Auflösungsgrund für die GmbH war nach § 60 Nr. 4 GmbHG 318 aber nur die Eröffnung des Konkursverfahrens. In den Fällen, in welchen der Konkursantrag abgelehnt wurde, weil mangels Masse noch nicht einmal die Kosten des Verfahrens gedeckt worden wären, führte die Gesellschaft nur noch eine Art Scheindasein. 319 Setzten die Gesellschafter oder Geschäftsführer den Geschäftsbetrieb fort, so führte dies leicht zu Täuschungen Außenstehender über den Umfang und inneren Wert des Unternehmens und somit zur Schädigung der Geschäftspartner. § 1 des Auflösungs- und Löschungsgesetzes bestimmte nun, daß auch mit der Rechtskraft des Beschlusses, durch den ein Antrag auf Konkurseröffung abgewiesen wurde, die betreffende AG, KG auf Aktien oder GmbH aufgelöst werde. Diese Auflösung war von Amts wegen in das Handelsregister einzutragen. Eine Löschung erging zunächst noch nicht, da noch immer Vermögen vorhanden sein konnte. Soweit aber Vermögenslosigkeit gegeben war, konnte die Kapitalgesellschaft nach § 2 des Auflösungs- und Löschungsgesetzes auf Antrag der Berufsvertretung des Handelsstandes, der Steuerbehörde oder von Amts wegen gelöscht werden. Die amtlichen Erläuterungen zum Gesetz320 beschränkten sich auf den Hinweis, daß es das Ziel sei, „ lebensunfähige Unternehmungen aus dem Rechtsleben auszuschalten " 3 2 1 . Bei Vermögenslosigkeit seien Löschungen unbedenklich, „ja im Interesse des Rechtsverkehrs wie auch einer Bereinigung der Register dringend geboten"? 22 Eine wirtschaftliche Daseinsberechtigung hätten die Unternehmen, deren Konkursantrag mangels Masse bislang abgelehnt worden war, auf keinen Fall, „sie können deshalb im Rechtsleben nicht weiter geduldet, geschweige denn vom Staat als selbständige Rechtspersönlichkeiten anerkannt werden. " 323 Diese Gesetzesintention der Reinigung des Handelsregisters von nur auf dem Papier bestehenden und vermögenslosen Gesellschaften hatte vordergründig nicht unbedingt etwas mit der Einstellung des nationalsozialistischen Gesetzgebers bezüg317 „Über das Vermögen der Gesellschaft findet das Konkursverfahren außer in dem Falle der Zahlungsunfähigkeit auch in dem Falle der Überschuldung statt. " 318 „Die Gesellschaft mit beschränkter Haftung wird aufgelöst: [...14. durch die Eröffnung des Konkursverfahrens; wird das Verfahren nach Abschluß eines Zwangsvergleichs aufgehoben oder auf Antrag des Gemeinschuldners eingestellt, so können die Gesellschafter die Fortsetzung der Gesellschaft beschließen. " 319 Vgl. Becker, GmbHR 1934, Sp. 1039 (1041). 320 Reichsanzeiger 34, Nr. 243 vom 17. Oktober 1934; ebenfalls abgedruckt bei Crisolli/ Groschuff/Kaemmel, S. 143 ff. 321 Amtl. Erläuterungen, DJ 1934, 884. 322 Amtl. Erläuterungen, a. a. O. 323 Amtl. Erläuterungen, a. a. O.
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1. Kap.: Die GmbH als Unternehmensform bei Machtübernahme
lieh der bestehenden vermögenden Kapitalgesellschaften im allgemeinen zu tun. Das Gesetz fügte sich aber in die Stimmung gegen Kapitalgesellschaften ein. Crisolli kommentierte es folgendermaßen: „Es ist zunächst hervorzuheben, daß das Gesetz sich nur mit den juristischen Personen des Handelsrechts beschäftigt. [...], so kommt in der jetzigen Regelung die von der neuen Rechtsentwicklung geforderte Abkehr von den juristischen Personen mit ihrer Haftungsbeschränkung und Anonymität des Inhabers zum klaren Ausdruck. Das Gesetz bezweckt ganz offenbar, die zusammengebrochenen oder erloschenen juristischen Personen aus dem Handelsregister zu entfernen und trägt daher den Forderungen der neuen Rechtsentwicklung in begrüßenswerter Weise Rechnung."324
Das Löschungsgesetz fügte sich also nach außen in die Umwandlungsgesetzgebung ein und vermittelte den Eindruck der staatlichen Abneigung gegen die Kapitalgesellschaften oder auch gegen die juristische Person insgesamt. IV. Der Aktienrechtsausschuß und das Aktiengesetz von 1937 Des weiteren wurde der Eindruck des drohenden Zwangs zur Abschaffung der GmbH durch die beginnenden Reformarbeiten zum Aktienrecht verstärkt. Allein die Tatsache, daß sich die NS-Führung sehr früh dem Aktienrecht widmete, ohne das Recht der GmbH mit einzubeziehen, hätte schon als Vernachlässigung der ohnehin im schlechten Ruf stehenden GmbH gesehen werden können. Bereits im Juni 1933 war von Hans Frank 325 , dem damaligen Reichsjustizkommissar und bayerischen Staatsminister der Justiz, die Akademie für Deutsches Recht gegründet worden. 326 Deren Aufgabe war es, „die Erneuerung des Deutschen Rechts im Sinne der nationalsozialistischen Weltanschauung nach den Grundsätzen strenger wissenschaftlicher Methode vorzubereiten." 327 Als Körperschaft des öffentlichen Rechts, zunächst des Freistaates Bayern 328 und später des Reichs 329 , sollte die Akademie dieser Forderung ohne Eingriff in gesetzgeberische Zuständigkeiten nachkommen und ihre Aufgabe in Anregungen zu Gesetzesänderungen, Begutachtungen oder kritischen Stellungnahmen sehen. Nach § 2 des Gesetzes über die Akademie für Deutsches Recht 330 war es ihre Aufgabe, „die Neugestaltung des 324 Crisolli, JW 1934, S.2657; vgl. auch weiterhin Mundhenke, Der Wirtschaftstreuhänder 1935, S.31. 325 Vgl. oben Fn. 174. 326 Vgl. ausführlich zur Geschichte und Aufgabe der Akademie für Deutsches Recht Schubert, Protokolle des Aktienrechts-Auschusses, S. VIIIff. 327 Frank, Gründungssitzung, Jahrbuch der Akademie für Deutsches Recht, 1. Jahrgang, zitiert nach Schubert, AktR-Protokolle, S.IX. 328 Zunächst als öffentlich-rechtliche Körperschaft des Freistaats Bayern, nach dem „ Gesetz über die Akademie für Deutsches Recht", Gesetz- und Verordnungsblatt für den Freistaat Bayern vom 22.9.1933, S.277f. 329 Reichsgesetz vom 11.7.1934, RGB1.1 1934, S.605. 330 RGBl.I 1834, S.605.
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deutschen Rechtslebens zu fördern und in enger dauernder Verbindung mit den für die Gesetzgebung zuständigen Stellen das nationalsozialistische Programm auf dem Gebiete des Rechts zu verwirklichen. " Nach § 3 stand die Akademie unter der Aufsicht der Reichsminister der Justiz und des Inneren; nach § 4 wurde der Präsident vom Reichskanzler berufen und entlassen. Präsident der Akademie wurde ihr bisheriger Führer Hans Frank vom 9.8.1934 an bis zum 20.8.1942. Am 19.12.1934 wurde Frank ebenfalls zum Reichsminister ohne Geschäftsbereich ernannt. 331 Bereits im Herbst 1933 richtete Hans Frank einen Ausschuß für das Recht der Aktiengesellschaften ein, dessen Vorsitz der Aufsichtsratsvorsitzende der Münchner Rückversicherungs AG und Geheime Justizrat Wilhelm Kißkalt übernahm. Der Ausschuß tagte für die folgenden zwei Jahre in unregelmäßigen Abständen, insgesamt in zehn Sitzungen. Da die Beratungen des Ausschusses aber zunächst geheim blieben und die Protokolle der Ausschussberatungen erst seit 1986 durch die Herausgabe von Werner Schubert der Forschung wirklich zugänglich sind, soll hier auf die einzelnen Sitzungen zunächst noch nicht eingegangen werden. 332 Im Rahmen der Betrachtung der allgemeinen Stimmungen gegen die GmbH möchte ich mich an dieser Stelle beschränken auf die Reaktionen in der Literatur, welche die ersten Veröffentlichungen des Ausschusses hervorriefen, d. h. zum einen der 1. Arbeitsbericht des Ausschuß Vorsitzenden Kißkalt und schließlich das Aktiengesetz von 1937 selbst nebst seiner Begründung. Der 1. Arbeitsbericht des Ausschusses für Aktienrecht erschien in dem Mitteilungsorgan der Akademie, der Zeitschrift der Akademie für Deutsches Recht, im 1. Jahrgang Anfang 1934.333 Er war die erste offizielle Stellungnahme zur Frage der Reform der AG, die auch die Frage der Beibehaltung der kleineren AG und am Rande auch die der GmbH betraf. Kißkalt begann seine Zusammenfassung der Beratungen mit den Worten: „Der neue Staat hat seine Grundlage im Führerprinzip. Er stellt in den Vordergrund den Wert der Persönlichkeit gegenüber der anonymen Masse. Er beruht auf dem Grundsatz der Totalität des Staates und beansprucht demgemäß die Führung auch der Wirtschaft." 334
Im Vordergrund der Beratung habe daher die Frage der Anonymität, der Anwendung des Führerprinzips bei der Aktiengesellschaft und des Verhältnisses der Aktiengesellschaft zum Staate gestanden. Zur Tendenz der Zurückdrängung der Kapitalgesellschaften führte Kißkalt aus: „Es wurde die Frage gestreift, ob für die Aktiengesellschaft im neuen Staate überhaupt noch ein Raum sei. Sie fand einhellige Bejahung. Die moderne Wirtschaft kann ohne die Aktiengesellschaft nicht bestehen. Die Aktiengesellschaft ist unentbehrlich, wenn es sich darum 331 Zitiert nach Schubert, AktR-Protokolle, S.XIIf. mit weiteren Literaturangaben zur Ernennung Franks. 332 Siehe hierzu genauer unten, Kapitel 3, B.II. 333 Kißkalt, ZAkfDR 1934, S.20. 334 Kißkalt, a.a.O.
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handelt, für einen großen Zweck große Mittel aus einer Vielzahl von Quellen zusammenzubringen."335
Über diese Fälle der Notwendigkeit der Kapitalbeschaffung hinaus sei aber ein Bedürfnis für die Aktiengesellschaft nicht anzuerkennen; für kleinere Unternehmungen sei die Form der anonymen Kapitalgesellschaft weder „ unbedingt notwendig noch wünschenswert" und auch „weder geeignet noch erforderlich". 336 Der Ausschuß fordere daher eine wesentliche Erhöhung des gesetzlich erforderlichen Stammkapitals: „Der Vorschlag geht deshalb dahin, das gesetzlich zulässige Mindestkapital für die Gründung von Aktiengesellschaften von M. 50.000,- etwa auf M. 500.000,- zu erhöhen."337
Durch eine solche Verzehnfachung des Kapitalerfordernisses wären mehr als die Hälfte der bestehenden Aktiengesellschaften nicht mehr zulässig gewesen: „Wäre dies von Anfang an der Fall gewesen, so bestünden heute nach der eingangs gegebenen Aufstellung in Deutschland nur 4002 statt 9634 Aktiengesellschaften mit einem Kapital von 21,449 Milliarden statt bisher 22,264 Milliarden; wegfallen würde die Vielzahl von 5632 kleineren Gesellschaften, das sind 58,5 % der Gesellschaften, die kapitalmäßig nur 815 Millionen = 3,6% des in den Aktiengesellschaften repräsentierten Gesamtkapitals von 22,264 Milliarden repräsentieren." 338
Kißkalt bestätigte diese Forderungen in seinem im „NS-Handbuch für Recht und Gesetzgebung" erschienenen Beitrag zur „Aktiengesellschaft im nationalsozialistischen Staat". 339 Die Reaktionen auf dieses Vorhaben, die Aktiengesellschaften nur auf große Gesellschaften durch deutliche Anhebung des erforderlichen Stammkapitals zu begrenzen, riefen unterschiedliche Reaktionen hervor. Wie oben bereits beschrieben, sah der Kommentar zum Umwandlungsgesetz von Böttcher/Meilicke hierin einen bevorstehenden drohenden Zwang zur Umwandlung aller kleineren Kapitalgesellschaften in Personalgesellschaften. 340 Crisolli sah das Gebiet der GmbH durch ein eventuelles Heraufsetzen des Stammkapitals bei der AG zunächst gar nicht betroffen; er stellte die Ausführungen des 1. Arbeitsberichts bei deren Veröffentlichung 1934 in einem Aufsatz in der Juristischen Wochenschrift dar, kommentierte diese aber nicht mit den etwaigen Konsequenzen für die GmbH. 341 Erst in seinem Beitrag 335
Kißkalt, a.a.O. Kißkalt, ZAkfDR 1934, S.23. 337 Kißkalt, a.a.O. 338 Kißkalt, a.a.O. 339 Kißkalt, NS-Handbuch, S. 1136 (S. 1139). 340 Siehe das Zitat von Böttcher/Meilicke, S. 12, oben, S. 78. „Kommt aber ein solcher Zwang, daß diejenigen Gesellschaften, deren Kapital den künftigen Mindestsätzen für AG. und GmbH, nicht entspricht, sich auflösen müssen, so ist der Entschluß zur Umwandlung nicht mehr freiwillig wie jetzt,... 341 Crisolli, JW 1934, S.8. 336
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1935 zur GmbH im „NS-Handbuch" dachte er über ein Heraufsetzen des Stammkapitals auch bei der GmbH nach. Dort kam er aber zu dem Schluß, daß bei einer Einführung der Konzessionspflicht für die GmbH ein Heraufsetzen des Stammkapitals nicht mehr erforderlich wäre. 342 Es stellte sich aber die Frage, was mit den kleineren AG passieren sollte, die ihre Rechtsform wegen einer gesetzlichen Kapitalerhöhung aufgeben mußten. Eine Möglichkeit war, in die Form der GmbH zu wechseln. Ministerialrat Quassowski, selbst Mitarbeiter im Reichsjustizamt, hielt dies für unerwünscht, wie er in einem Beitrag in der Zeitschrift der Akademie für Deutsches Recht ausführte. 343 Der Referendar Johannes C. D. Zahn, selbst als Sachverständiger zur zweiten Sitzung des Ausschusses für Aktienrecht vom 9. Februar 1934 geladen344, untersuchte in einer Abhandlung die Möglichkeiten, welche sich für diejenigen kleineren AG zur Umwandlung ergeben würden, die bei einer Erhöhung des Stammkapitals auf 500.000,- Reichsmark zur Aufgabe der Rechtsform gezwungen würden. 345 Zahn hielt die KG hier für die Form, die wegen ihrer großen Elastizität und ihrer Übereinstimmung mit den nationalsozialistischen Forderungen zum Auffangen der kleineren Kapitalgesellschaften geeignet wäre. Die Umwandlung in eine GmbH hielt er für problematisch, da deren Zukunft ungewiß sei: „Zunächst ergibt sich die Frage: Soll die GmbH überhaupt erhalten bleiben, und wenn ja, wie soll sie ausgestaltet werden?"346
Auf den Zusammenhang zwischen Aktienrechtsrefom und GmbH-Reform hatte auch Crisolli in seinen verschiedenen Beiträgen immer wieder hingewiesen.347 Jede Reform des Aktienrechts könne nur dann erfolgreich sein, wenn auch das GmbHRecht im nationalsozialistischen Sinne reformiert würde. Gerade aber diese Vernachlässigung der GmbH im Vergleich zur AG wird es gewesen sein, die zu einer allgemeinen Unsicherheit über das Schicksal der GmbH in den frühen Jahren der NS-Herrschaft führte. Der als Gast an den Ausschußsitzungen teilnehmende geschäftsführende Direktor der Akademie für Deutsches Recht, Karl Lasch, sah, ebenso wie es im Arbeitsbericht des Ausschußvorsitzenden zum Ausdruck gekommen war, in einem Beitrag in der Zeitschrift der Akademie für Deutsches Recht keine Notwendigkeit für kleinere Gesellschaften, die Form der Kapitalgesellschaft wählen zu müssen und wies in diesem Zusammenhang auch auf die Umwandlungsgesetzgebung hin: 342
Crisolli, NS-Handbuch, S. 1155 (S. 1169). Quassowski, ZAkfDR 1935, S. 1628. 344 Vgl. zu den Ausführungen Zahns in der 2. Sitzung des Ausschusses Schubert, AktR-Protokolle, S. 60-65, wie auch zur Biographie Zahns Schubert, AktR-Protokolle, S. LXV. 345 Zahn, BankA 1934, S.430. 346 Zahn, BankA 1934, S.433. 347 Vgl. Crisolli, NS-Handbuch, S. 1155 ff. 343
1. Kap.: Die GmbH als Unternehmensform bei Machtübernahme
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„Bei der Erörterung [...] ergibt sich die Frage, ob die Aktiengesellschaft, die ja im Gegensatz zur Personalgesellschaft und zur Einzeluntemehmung immer mit einer gewissen Anonymität verbunden sein wird, nicht überhaupt entbehrt werden könne. Der Ausschuß hat diese Frage verneint, [...]. In voller Übereinstimmung hiermit erklärt auch die amtliche Begründung des Gesetzes über die Umwandlung von Kapitalgesellschaften vom 5. Juli 1934, daß die Rechtsform der Aktiengesellschaft nach wie vor in den Fällen als zweckmäßigste erscheint, in denen es sich darum handelt, ein Unternehmen auf breiter geldlicher Grundlage zu schaffen [...]. Es bedeutet einen großen Schritt vorwärts, wenn die Form der Aktiengesellschaft nach den Vorschlägen des Ausschusses auf diese Fälle beschränkt und darüber hinaus die Schaffung und Beibehaltung unverantwortlichen Kapitals unmöglich gemacht wird." 348 Das Aktiengesetz von 1937 3 4 9 schließlich führte das vorgeschlagene und diskutierte Mindestkapital von 5 0 0 . 0 0 0 , - R M in § 7 Abs. I 3 5 0 ein. Bestehende Gesellschaften mit mindestens 100.000,-RM Grundkapital konnten nach § 2 Abs. 1 des Einführungsgesetzes zum A k t G 3 5 1 fortbestehen, solange sie keine wesentliche Änderung ihres Unternehmensgegenstandes vornahmen. Für Gesellschaften mit weniger als 100.000,-RM Grundkapital ergab sich ein Zwang zur Umwandlung oder Auflösung nach § 2 Abs. 2 des Einführungsgesetzes. 352 Die amtliche Begründung zum neuen Aktienrecht 1937 bestätigte die Annahme, daß der Gesetzgeber kleinere Kapitalgesellschaften für unerwünscht hielt: „Im Einvernehmen mit der Akademie für Deutsches Recht wird an der Rechtsform der Aktiengesellschaft festgehalten. Die neuzeitliche Wirtschaft kann ohne die Aktiengesellschaft nicht bestehen. Sie war und ist ein geeignetes Mittel, um durch das Zusammentragen der Ersparnisse vieler die Schaffung umfangreicher Kapitalgüter zu ermöglichen. Auf die Aktiengesellschaft kann daher ein wirtschaftlich und kulturell hochstehendes Land, wie es Deutschland ist, nicht ohne schwerste Erschütterung des wirtschaftlichen Lebens verzichten. Dagegen erschien es notwendig, die Rechtsform der Aktiengesellschaft nur großen Unternehmen vorzubehalten. Nach nationalsozialistischer Auffassung kann die Aktiengesellschaft nur da zugelassen werden, wo es sich darum handelt, ein Unternehmen auf breiter geldlicher Grundlage zu schaffen und zu diesem Zweck weite Kreise des Volkes zur Auf348
Lasch, ZAkfDR 1934, 172. Aktiengesetz vom 30. Januar 1937, RGB1.1 1937, Nr. 15, S. 107-165. 350 „Der Mindestnennbetrag des Grundkapitals ist fünfhunderttausend Reichsmark 351 „Für Aktiengesellschaften, deren Grundkapital beim Inkrafttreten des Aktiengesetzes weniger als fünfhunderttausend Reichsmark beträgt, gilt der Nennbetrag des in diesem Zeitpunkt vorhandenen Grundkapitals als Mindestnennbetrag im Sinne des § 7 Abs. 1 des Aktiengesetzes. Andern jedoch solche Gesellschaften ihre Verhältnisse wesentlich, nehmen sie namentlich eine wesentliche Änderung des Gegenstands des Unternehmens, ihrer Verfassung oder der Art ihres Geschäftsbetriebs vor, so sind diese Änderungen nur dann einzutragen, wenn das Grundkapital spätestens zugleich mit den Änderungen auf fünfhunderttausend Reichsmark erhöht wird. " 352 „Aktiengesellschaften mit einem Grundkapital von weniger als einhunderttausend Reichsmark müssen sich umwandeln oder auflösen. Soweit solche Aktiengesellschaften am 31. Dezember 1940 noch bestehen, sind sie mit Ablauf dieses Tages aufgelöst; die Vorschriften über die Auflösung der Gesellschaft durch Ablauf der in der Satzung bestimmten Zeit gelten sinngemäß. " 349
D. Auswirkungen der NS-Gesetze auf den GmbH-Bestand
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bringung der erforderlichen Mittel heranzuziehen. Im übrigen soll der Unternehmer die persönliche Verantwortung uneingeschränkt tragen. Der Entwurf setzt daher das Mindestgrundkapital grundsätzlich auf 500000 Reichsmark fest." 353
Wenn aber schon die kleineren AG im nationalsozialistischen Staat unerwünscht waren, so würde dies erst recht für die noch „kleineren " (sowohl kapitalmäßig, als auch von der Anzahl der Gesellschafter her) GmbH gelten. Nach der Begründung zum Aktienrecht schien nun die AG im nationalsozialistischen Sinne reformiert, die GmbH war aber immer noch mit allen Makeln behaftet. Zur fehlenden Regelung eines Verbots der Einmanngesellschaften hob die amtliche Begründung zum Aktiengesetz 1937 hervor: „Außerdem sind die Mißbräuche, aus denen heraus hauptsächlich das Verbot der Einmanngesellschaft gefordert wird, überwiegend bei kleinen Gesellschaften, meist bei Gesellschaften mit beschränkter Haftung, vorgekommen. Dadurch, daß der Entwurf das Grundkapital auf 500000 RM erhöht, dürften für Aktiengesellschaften die Gefahren der Einmanngesellschaft erheblich eingeschränkt sein."354
Da eine eindeutige Stellungnahme zur GmbH aber immer noch fehlte und diese offensichtlich in keinem guten Lichte gesehen wurde, ergab sich auch hieraus kein konkreter Hinweis darauf, was mit der GmbH im nationalsozialistischen Staat geschehen würde. Als Folge hielten die vorhandenen Stimmungen gegen die GmbH und die damit verbundenen Unsicherheiten auch nach dem Erlaß des Aktiengesetzes von 1937 an.
D. Auswirkungen der NS-Gesetze auf den GmbH-Bestand Die Gesetze zur Umwandlung, Steuererleichterung und Löschung, das Bevorzugen der großen Aktiengesellschaften bei der Reformierung, sowie das allgemeine ungewisse Schicksal der GmbH hatten eine Auflösungs- und Umwandlungswelle von GmbH in Personalgesellschaften zur Folge. Betrachtet man zunächst die absoluten Zahlen an GmbH, stößt man auf die Schwierigkeit, daß erst ab Ende 1936 der genaue Bestand der GmbH bekannt war. Auch hier macht sich wiederum die anfängliche Vernachlässigung der GmbH bemerkbar. Die ersten offiziellen Zahlen des Statistischen Reichsamts erschienen erst Ende 1936 im Reichsanzeiger. Zu diesem Zeitpunkt waren noch 39.549 GmbH vorhanden, Ende 1938 waren es nur noch 25.625 (im alten Reichsgebiet).355 Allein in diesen zwei Jahren hatte sich der Bestand der Gesellschaften also um 14.000 verringert. Es ist aber zu bedenken, daß Ende 1936 die Umwandlungsgesetze bereits zweieinhalb Jahre in Kraft waren. Zwar waren, wie oben berichtet, die anfänglichen Um353 354 355
Abgedruckt in Klausing, 2. Arbeitsbericht 1940, S.26. Abgedruckt in Klausing, 2. Arbeitsbericht 1940, S.27. Wirtschaft und Statistik 1939, 273.
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1. Kap.: Die GmbH als Unternehmensform bei Machtübernahme
Wandlungstätigkeiten als „schleppend" bezeichnet worden. 356 Es ist aber unbestreitbar, daß sich tatsächlich Gesellschaften mit beschränkter Haftung zwischen Mitte 1934 und Ende 1936 umgewandelt haben. Um herauszufinden, wie hoch der Bestand der GmbH vor Inkrafttreten der Umwandlungsgesetze Mitte 1934 war, kann man verschiedene Wege gehen. Eine starke Gruppe der um 1934 erschienenen Literatur beziffert den Bestand an GmbH um 1934 mit „rund 40.000" 357, „annähernd 40.000 " 3 5 8 oder sogar nur mit 38.000, wobei allerdings für diesen letzten Wert die Jahresangaben variieren. Der Diplomkaufmann Megow gibt die Zahl von 38.000 als Bestand für 1934 an 359 , ebenso Zahn 360 ; Crisolli geht in einem Anfang 1935 geschriebenen Aufsatz ebenfalls von 38.000 GmbH für diesen Zeitpunkt aus 361 , der Diplomkaufmann Curt Fischer spricht von 38.000 GmbH zum Ende des Jahres 1935.362 Quellen geben diese Vertreter, abgesehen von Fischer 363, nicht an. Da sich in der Literatur aber kaum anderweitige Zahlenangaben finden lassen364, wird hier tatsächlich der Eindruck einer herrschenden Meinung oder sogar Tatsache hervorgerufen. Einen Anfangsbestand von 40.000 oder gar 38.000 GmbH bei Machtergreifung vor Inkrafttreten des Umwandlungsgesetzes halte ich aber für sehr unwahrscheinlich. Zunächst spricht schon der amtlich erfaßte Wert von Ende 1936 hiergegen. Ende 1936 waren 39.549 GmbH vorhanden. Danach hätten sich in den zweieinhalb Jahren der Geltung des Umwandlungsgesetzes aber überhaupt keine Tendenzen zur Umwandlung ergeben, was nicht mit den Beobachtungen in der Literatur übereinstimmt: Crisolli spricht 1935 immerhin von 30 GmbH, die sich nur im Berliner Registergerichtsbezirk umgewandelt haben: „[...] trotzdem beinahe 4/17 der Geltungsdauer des Gesetzes verflossen sind, von den zirka 13.400 im Berliner Register eingetragenen G.m.b.H. nur zirka 30 Gesellschaften ihre Umwandlung beschlossen haben/' 365 Groschuff redet Mitte 1936 davon, daß sich „nach allgemeiner Schätzung [...] von den vor dem 1. Juli 1934 eingetragene Kapitalgesellschaften etwa 5 % bisher umgewandelt" hätten.366 Die angegebene Zahl von 38.000 für 1934 bzw. 1935 kann also aus diesem Grund schon nicht richtig sein, denn in diesem Fall wäre nach dem gesicherten Stand von 356
Vgl. oben, C.I. Gall, S. 7. 358 Reinhart, DJZ 1934, Sp. 1310: „Es dürften heute wohl annähernd 40.000 Unternehmungen in Form der GmbH, in Deutschland bestehen. " 359 Megow, GmbHR 1936, Sp.641 (Sp.642) „1934 etwa 38.000". 360 Zahn, BankA 1934, S.430. 361 Crisolli, JW 1935, S.8 (S. 11): „Da es in Deutschland zirka 38.000 GmbH, und zirka 10.000 Aktiengesellschaften gibt, [...]". 362 Fischer, ZfB 1937, S.71 (S.72). 363 Vgl. hierzu weiter unten im Text. 364 Vgl. nur Herbig, weiter unten im Text, der seine Annahme von fast 60.000 GmbH für 1934 erst 1937 veröffentlichte. 365 Crisolli, NS-Handbuch, S. 1155 (S. 1173). 366 Groschuff, JW 1936, S. 1330. 357
D. Auswirkungen der NS-Gesetze auf den GmbH-Bestand
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39.549 GmbH Ende 1936 sogar ein Anwachsen der Zahl an GmbH zu vermerken gewesen. Auch die Zahl von 40.000 scheint für Mitte 1934 noch zu niedrig. Legt man Groschuffs Rechnung von 5 % zugrunde, hätte der Bestand Mitte 1936 höchstens 38.000, Ende 1936 wahrscheinlich noch weniger betragen können, keinesfalls aber 39.549. Weitere Zweifel an der Zahl von 40.000 ergeben sich aber, wenn man betrachtet, wer ursprünglich als erster diese niedrigen Zahlen verwandte. In dem betriebswirtschaftlichen Aufsatz des Diplomkaufmanns Curt Fischer 367 findet sich ebenfalls der Hinweis auf die Zahl an GmbH für Ende 1935 von 38.000, allerdings mit dem Hinweis „Schätzung". 368 In einer Fußnote gibt Fischer an, die Zahlenangaben zum größten Teil der Denkschrift der Zentrale für GmbH Otto Schmidt, Köln, „Die GmbH in der Steuerpolitik, 1934" entnommen zu haben.369 Diese wiederum hatte ihre Angaben aber nur zum Teil auf amtliche Statistiken gestützt, und vielmehr eigene Untersuchungen bei den der Zentrale angeschlossenen 4.000 GmbH angestellt. 370 Es scheint, als ob hier eine Schätzung oder Hochrechnung vorgenommen wurde, welche die folgende Literatur übernahm. Der Wert wird zwar scheinbar unterstützt von einer Veröffentlichung des Statistischen Reichsamtes in der Zeitschrift Wirtschaft und Statistik von 1936. Eventuell hatte sich die Literatur auch auf diese Veröffentlichung gestützt. Hier wird die Zahl der GmbH für Ende 1935 mit 39.000 angegeben.371 Zu beachten gilt es aber, daß hier „nur die ins Handelsregister eingetragenen Firmen, die wirklich noch tätig sind" erfaßt wurden, „d. h. es sind alle diejenigen Unternehmungen nicht mitgezählt worden, die sich in Liquidation oder Konkurs befinden oder deren Geschäftsbetrieb seit langem ruht. " 3 7 2 Fragt man aber nach den Auswirkungen, welche das Umwandlungsgesetz und gerade auch das Löschungs- und Auflösungsgesetz auf den Bestand an GmbH hatte, ist das Zugrundelegen dieses Wertes verfälschend, weil ein Großteil der interessierenden GmbH ohnehin nicht mit in der Statistik erschien. Ziel des Löschungsgesetzes war es ja, gerade die „ruhenden" vermögenslosen GmbH aus dem Register zu streichen. Eine andere Frage bleibt auch immer noch, wie man von 39.000 GmbH „Ende 1935 " (so das Statistische Reichsamt) auf 38.000 Ende 1934/Anfang 1935 schließen kann. Das Amt räumte im übrigen Unsicherheiten bei dieser ersten Zählung selbst ein. Da es sich um die erste Erhebung dieser Art handele, welche auf einer Umfrage bei 367
Siehe zu den Ansichten Fischers genauer auch unten, Kapitel 2, Α. I. Fischer, ZfB 1937, S.71 (S.72). 369 Fischer, a. a. O., Fn. 4. 370 Fischer, ZfB 1937, S.73, gibt auch bereits einen Hinweis, daß man von den 1929 und 1933 untersuchten Gesellschaften (1929: 1.515 GmbH; 1933: 2.234 GmbH) „nicht ohne weiteres [...] auf die Gesamtzahl von 38.000 GmbH schließen darf. " Fischer meint dies aber nur bezogen auf die Hundertsätze der 1919 und 1933 untersuchten Gesellschaften bezüglich der Größe ihres Grundkapitals. Die Zahl von 38.000 als Bestand für 1935 ansich zieht er nicht in Zweifel. 371 Wirtschaft und Statistik 1936, S.965. 372 Wirtschaft und Statistik, a.a.O. 368
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1. Kap.: Die GmbH als Unteehmensform bei Machtübernahme
sämtlichen Industrie- und Handelskammern beruhe, „konnten nur verhältnismäßig rohe Ergebnisse erzielt werden. " m Somit bleibt diese Zahl von ungefähr 40.000 äußerst zweifelhaft und auch unrealistisch. Darüber hinaus läßt anderes Zahlenmaterial auf einen Bestand von 55.000 GmbH um 1934 oder sogar mehr schließen. Zunächst kann man auf die Zahlen über Gründungen und Auflösungen von GmbH zurückgreifen, welche bereits vor 1936 erfaßt wurden. Hierzu liegen verschiedene Tabellen des Statistischen Reichsamtes vor, die vollständigste Zusammenstellung wurde 1939 veröffentlicht. 374 Hiernach lagen in allen Jahren seit 1933 die Auflösungen deutlich höher als die Gründungen an GmbH. Geht man von dem gesicherten Wert von Ende 1936 des Statistischen Reichsamtes aus, so kann man die jeweilige Jahresdifferenz zu dem gesicherten Bestand von Ende 1936 hinzuzählen: Diese Differenz zwischen Auflösungen und Gründungen betrug im Jahre 1936: 5.780 GmbH, im Jahre 1935: 7.397 und im Jahre 1934: 2.493 (vgl. Anhang, Tabelle 1). Danach ergibt sich ein Bestand von 45.329 Ende 1935, zum Ende des Jahres 1934 ergibt sich ein Bestand von 52.726, zum Ende des Jahres 1933 hätte hiernach der Bestand der GmbH bei 55.219 gelegen. Als weitere Quelle liegt eine bislang unveröffentlichte Zusammenstellung vor, die im Jahre 1935 durch das Reichsjustizministerium vorgenommen wurde. Auch wenn das Statistische Reichsamt den genauen Bestand erst ab 1936 erfaßte, so geht aus Akten des Reichsjustizministeriums hervor, daß man dort schon im Vorfeld, d. h. 1935, eine Zählung von GmbH vorgenommen haben muß. Es findet sich unter den Akten eine „zahlenmäßige Zusammenstellung der bei den einzelnen Registergerichten eingetragenen GmbH auf dem Stande am 31.11.1935 " 3 7 5 . Die dort zusammengetragenen Zahlen ergeben einen Gesamtbestand von 55.831 GmbH (vgl. Anhang, Tabelle 2). Schließlich gibt es auch in der Literatur einige, wenn auch wenige Stimmen, die die Annahme einer weit über 40.000 GmbH liegenden Bestandszahl (zwischen 55.219 und 52.726 nach der oben angestellten Rechnung oder weit über 55.831 nach der Zählung des RJM) um 1934 nahelegen. Gustav Herbig, Amtsgerichtsrat im Reichsjustizministerium, beispielsweise äußerte sich in einem Vortrag vom 3.9.1937: „Ende 1933 waren es etwas mehr als 9.000 Aktiengesellschaften und etwa 60.000 Gesellschaften mit beschränkter Haftung. " 3 7 6 Eine Quelle gibt er nicht an, es besteht daher die Möglichkeit, daß ihm als Mitarbeiter des Reichsjustizministeriums auch die oben genannte - nicht veröffentlichte - Zählung von 1935 bekannt war, und er hiervon ausgehend auf den Bestand von 60.000 GmbH Ende 1933 geschlossen 373 374
Wirtschaft und Statistik, a. a. O. Wirtschaft und Statistik 1939, S.75; vgl. eine Wiedergabe der Tabelle weiter unten im
Text. 375 376
BArch Berlin, R 3001/10657, B1.75 und Bl. 89. Herbig, Recht der Umwandlung, S. 7 (S. 8).
D. Auswirkungen der NS-Gesetze auf den GmbH-Bestand
93
hat. Aber auch Alfred Schwab gibt in seiner Dissertation bereits um 1935 einen Bestand von 53.000-57.000 GmbH an. 377 Auch wenn die Zahl des ursprünglichen Bestandes somit nicht völlig gesichert ist (vgl. die grafische Übersicht hierzu im Anhang, Grafik 1), halte ich damit einen Bestand von 55.000 GmbH um 1934 für sehr wahrscheinlich und realistisch. Unabhängig davon, welchen Anfangsbestand man tatsächlich annimmt, sind die Auswirkungen der Umwandlungsgesetzgebung, der Rückgang der absoluten Zahlen an GmbH, aber deutlich zu erkennen. Im folgenden soll auf die in der Zusammenstellung des Statistischen Reichsamtes 1939 veröffentlichten Zahlen 378 noch ein wenig detaillierter eingegangen werden, um abgesehen vom Rückgang der GmbH konkretere Auswirkungen der Gesetzgebung und allgemeinen Stimmung gegen die GmbH zu erkennen. Die Tabelle sei daher hier in etwas vereinfachter Form wiedergegeben: Tabelle 1 b. darunter ohne von Amts wegen gelöschte
H.
Entwicklung des Unternehmungsbestandes 1 )
G. Gründungen
m. Auflösungen
1932
4.045
4.777
3.868
-
1933
3.283
4.367
3.661
-
1934
2.397
4.890
3.920
85
1935
1.495
8.892
5.443
1.972
1936
1.733
7.513
5.398
2.387
1937
782
9.804
8.175
6.149
1938
577
5.514
4.254
2.752
Umwandlungen in Einzelfirm. u. Personenges. 2)
1) Die Auflösungen [...] sind beim Beginn der Abwicklung oder der Konkurseröffnung [...] erfaßt. - Altes Reichsgebiet (ohne Österreich und Sudetenland). Ab 1. März 1935 einschließlich der Gesellschaften im Saarland. 2) Einschl. Gesellschaften bürgerlichen Rechts.
377 378
Schwab, S. 15. Wirtschaft und Statistik 1939, S.75.
94
1. Kap.: Die GmbH als Unternehmensform bei Machtübernahme
Der Tabelle kann man zunächst entnehmen, daß die Schere zwischen Gründungen (Sp. 1) und Auflösungen (Sp. 2) von Jahr zu Jahr immer weiter auseinander klafft; während sich im Jahr 1932 Gründungen und Auflösungen noch ungefähr die Waage halten, nehmen die Auflösungen bereits ab 1933 merklich zu und steigen dann vor allen Dingen 1934 und 1935 im Verhältnis zu den Gründungen überproportional an, was bis 1938 anhält. Die Spalten 2 und 3 stehen im folgenden Verhältnis zueinander: Spalte 2 „Auflösungen" enthält alle Auflösungen, d.h. zunächst die „normalen" Auflösungen, wie es sie immer schon gab 379 wegen Geschäftsaufgabe usw., dann aber auch die von Amts wegen gelöschten, was sich aus dem Umkehrschluß aus Spalte 3 ergibt. Spalte 3 enthält nämlich nur die nicht von Amts wegen gelöschten, also alle anderen „normalen " Auflösungen. Daraus folgt, daß man aus der Differenz von Spalte 2 und 3 errechnen kann, wie viele GmbH aufgrund des § 2 des Auflösungs- und Löschungsgesetzes vom 1.10.1934 tatsächlich gelöscht wurden. Die Folgen des Gesetzes sind dadurch also klar belegbar und in der nachstehenden Tabelle, von mir hinzugefügt als Spalte 5, dargestellt. Tabelle 2 EntwickG. lung des GründunUnterneh- gen mungsbestandes 1 )
m. Auflösungen
b. darunter ohne von Amts wegen gelöschte
H. Umwandlungen in Einzelfirm. u. Personenges. 2)
nur von Amts wegen gelöschte (Differenz Sp.2Sp.3)
„nomale" Auflösungen (Differenz Sp. 3 Sp.4)
1932
4.045
4.777
3.868
-
909
3.868
1933
3.283
4.367
3.661
-
706
3.661
1934
2.397
4.890
3.920
85
970
3.835
1935
1.495
8.892
5.443
1.972
3.449
3.371
1936
1.733
7.513
5.398
2.387
2.225
3.011
1937
782
9.804
8.175
6.149
1.629
2.026
1938
577
5.514
4.254
2.752
1.260
1.502
379
Aber auch die aufgrund von Umwandlungen gelöschten Gesellschaften, vgl. im folgenden Ausführungen zum Verhältnis von Spalte 3 und 4.
D. Auswirkungen der NS-Gesetze auf den GmbH-Bestand
95
Spalte 3 beinhaltet dann jedoch noch die durch Umwandlung (Spalte 4) gelöschten, so daß man aus der Differenz von Spalte 3 und 4 die „ normalen " Auflösungen, wie es sie immer schon gegeben hatte, herausrechnen kann. Diese sind von mir in Spalte 6 angefügt; sie nahmen seit 1934 stetig ab (vgl. zur grafischen Übersicht der umgewandelten, gelöschten und sonstigen aufgelösten GmbH die Grafik 2 im Anhang). Nach dem Inkrafttreten des Auflösungs- und Löschungsgesetzes ist also ab 1935 ein sprunghaftes Ansteigen der Löschungen zu ersehen. Nimmt man nur die Werte ab 1935, so wurden in den Jahren 1935 bis 1938 insgesamt 11.902 GmbH von Amts wegen gelöscht. Die gleiche Intensität erreichten die Zahlen zur Umwandlung; diese schnellten jedoch bezeichnender Weise erst ab 1937, also nach der durch die 3. DurchfVO eingeführten Fristverlängerung, erheblich in die Höhe. 380 Insgesamt wurden in den Jahren 1934 bis 1938 aufgrund der Umwandlungsgesetze 13.345 GmbH in Personalgesellschaften umgewandelt. Zum Verständnis der Tabelle des Statistischen Reichsamtes ist es hilfreich zu beachten, daß die in der Spalte 3 angegebenen „normalen Auflösungen" auch diejenigen Gesellschaften umfassen, die aufgrund einer Umwandlung aufgelöst wurden. Die Umwandlungswerte der Spalte 4 sind also aus den Werten der Spalte 3 herausgerechnet worden. Zum einen macht der Begriff der Auflösung ansonsten keinen Sinn, da auch umzuwandelnde Gesellschaften aufgelöst werden. Zum anderen kann die Idee, daß die in Spalte 3 genannten Auflösungen die Umwandlungen nicht mit umfassen, nicht greifen, da ansonsten die Summen der Spalten 3 und 4 nicht über die Zahl aller Auflösungen in Spalte 2 hinausgehen dürften (was sie aber bei weitem tun). Auch können die in Spalte 4 genannten Umwandlungen nicht neben den gesamten Auflösungen der Spalte 2 stehen. Dies ergibt sich aus der sicheren Kenntnis darüber, daß Ende 1938 der Gesamtbestand der GmbH im alten Reichsgebiet um 25.625 lag. 381 Dieser Wert wird bestätigt, wenn man wiederum die Differenzen von Auflösungen und Gründungen der Jahre 1937 und 1938 (Sp. 1 und 2) zu dem gesicherten Wert von 39.549 für Ende 1936 hinzurechnet (es ergibt sich dann ein Bestand von 30.527 für Ende 1937 und 25.590 für 1938). Wäre die Idee richtig, daß die Umwandlungen der Spalte 4 gesondert als zusätzlicher Wert neben den (dann nur „sonstigen ") Auflösungen der Spalte 2 erfaßt wurden, müßte man die Zahlen der Umwandlung von 1937 und 1938 also zusätzlich zur Differenz von Auflösungen und Gründungen vom gesicherten Wert von 1936 abziehen. Dann ergibt sich aber ein Bestand für Ende 1936 von nur 16.689 GmbH, was mit der gesicherten Angabe des Statistischen Reichsamtes von 25.625 Ende 1938 aber nicht übereinstimmt. Daraus folgt schon rechnerisch, daß die Umwandlungen innerhalb der Auflösungen mit aufgeführt wurden. Insofern hätte man über die Spalte 4 ebenfalls wie in Spalte 3 geschehen, das Wort „ darunter " mit einfügen müssen, was vielleicht aus Platzgründen nicht geschah. 380 381
Vgl. hierzu oben, C.I. Vgl. oben, D.
96
1. Kap.: Die GmbH als Unternehmensform bei Machtübernahme
Weiterhin ist den Ausführungen des Statistischen Reichsamtes in den Veröffentlichungen von 1939 zu entnehmen, daß die absolute Zahl des in allen GmbH vereinigten Stammkapitals trotz Rückganges des GmbH-Bestandes, bei weitem weniger stark zurückging. Nach Angaben des Statistischen Reichsamtes belief sich das Stammkapital Ende 1936 auf insgesamt 5.080 Millionen RM, Ende 1938 auf 4.563 Millionen RM. 3 8 2 Der Rückgang betrug also nur 517 Millionen RM, d.h. rund 10%, während sich der Bestand an GmbH zwischen 1936 (39.549) und 1938 (25.625) um fast 40% verringert hatte. Als Grund hierfür wurde die Tatsache angesehen, daß einerseits die neu gegründeten GmbH ein verhältnismäßig hohes Stammkapital aufwiesen, die zwischen 1936 und 1938 aufgelösten 15.165 GmbH hingegen ein relativ geringes Durchschnittskapital hatten (im Durchschnitt 80.000,-RM). Durch diese Tendenzen hatte sich 1938 das Durchschnittskapital der GmbH also beträchtlich erhöht, es betrug 179.000,-RM im Gegensatz zu 1936: 129.000,-RM. Hier lag somit eine Verschiebung zugunsten größerer GmbH vor, eine Tatsache, die ihre Parallele in den oben beschriebenen Bestrebungen des Aktiengesetzes 1937 durch das Heraufsetzen des Mindestkapitals wieder findet.
E. Zusammenfassung Es ist deutlich geworden, daß es zunächst der Grundsatz des „ Gemeinnutz vor Eigennutz" war, der das Unternehmerinteresse zugunsten der Volkswirtschaft in den Hintergrund treten ließ und somit alle ohnehin vorhandenen Mißbräuche und Schwindeleien im Nationalsozialismus in ein noch schlimmeres Licht stellte. Weitere als typisch nationalsozialistisch anzusehende Argumente gegen die Haftungsbeschränkung sind die neuen Werte von der persönlichen Verantwortung und dem daraus folgenden Führerprinzip. Des weiteren ist auch bereits die Ablehnung des abstrakten Begriffs der juristischen Person zu spüren gewesen. Wie sich hier bereits andeutet, stellte sich mit der Kritik an der Ausgestaltung der GmbH als juristische Person die Frage nach dem Wesen und der Verwendung dieses Begriffes aufs neue. Vielleicht war es aber auch umgekehrt, daß sich wegen eines neuen Verständnisses von Rechtsfähigkeit die damit zusammenhängenden Fragen ebenso bei der GmbH einstellten. Ursache und Wirkung lassen sich hier nicht eindeutig zuordnen. Der Nationalsozialismus hatte ab 1933 eine Auflockerung und das Überdenken von Begriffen zur Folge. Die Frage der Rechtsfähigkeit trat unmittelbar nach der Machtübernahme und vor allen Dingen durch die Nürnberger Rassegesetze in den Vordergrund. Auch wenn diese nur die natürlichen Personen betrafen, so war es doch von dort nur ein kleiner Schritt zur Frage der Rechtsfähigkeit von juristischen Personen. Während die Literatur die Vereinbarkeit der GmbH mit nationalsozialistischen Anschauungen diskutierte, setzte der Gesetzgeber durch die Begünstigung der Umwandlung Signale gegen die GmbH, welche die Diskussion verschärften. Die allge382
Wirtschaft und Statistik 1939, S.273.
E. Zusammenfassung
97
meine Stimmung war daher der GmbH gegenüber ablehnend, man rechnete vereinzelt mit ihrer Abschaffung. Das spezifisch nationalsozialistische Verständnis von der Haftungsbeschränkung und der juristischen Person sollen im Rahmen des zweiten und dritten Kapitels 383 genauer untersucht und dargestellt werden, um zu der Frage zu gelangen, ob es eine dem Nationalsozialismus eigene Vorstellung vom Recht der Kapitalgesellschaften, von der Haftung ihrer Mitglieder oder von der juristischen Person gibt.
383
7 Stupp
Vgl. im folgenden, Kapitel 2 und Kapitel 3.
Zweites Kapitel
Ideologie der Vorkriegsjahre: Die Haftungsbeschränkung in der NS-Wirtschaftsordnung A. Das Prinzip von der Einheit von Herrschaft und Haftung Sowohl die im ersten Kapitel bereits angeführte kritische Literatur, als auch die ersten Maßnahmen und Äußerungen des Gesetzgebers haben gezeigt, daß der nationalsozialistische Staat bestrebt war, die persönliche Verantwortung des Unternehmers in den Vordergrund zu rücken. Die juristische Person einerseits wurde als Mittel gesehen, hinter welchem sich unseriöse Geschäftsleute verstecken konnten, indem sie den Firmennamen von einem Strohmann oder der Sachfirma ableiteten, die Staatsangehörigkeit verschleierten oder ähnliches. Andererseits war es aber gerade die Haftungsbeschränkung, die der Verwirklichung des Prinzips der persönlichen Verantwortung hinderlich im Weg stand. Persönliche Verantwortung bedeutete, daß der Geschäftsmann sich nicht auf sein wie bei der GmbH vorhandenes beschränktes Risiko sollte berufen können und somit im Fall des Mißlingens seiner Geschäftsidee andere nicht in den Ruin treiben konnte. Die konsequente Umsetzung des Rufes nach persönlicher Verantwortung wäre demnach auch die persönliche unmittelbare und unbeschränkte Haftung gewesen.1 So erklärt es sich, daß die Rechtsform der oHG eine mit den Forderungen der nationalsozialistischen Wirtschaft einher gehende zu bevorzugende Rechtsform wurde 2 und die Kritik an der GmbH aufgrund der Haftungsbeschränkung wuchs. Diese Kritik versuchte man ideologisch-dogmatisch zu unterlegen, was im folgenden Kapitel näher untersucht werden soll. Den Hintergrund für das Verantwortungsprinzip bildete die These, daß Herrschaft und Haftung in einem Unternehmen grundsätzlich gleich laufen müßten. Die Hauptaussage, daß es einer Rechtfertigung für die Trennung von Herrschaft und Haftung in einem Unternehmen bedarf, findet sich in sämtlichen kritischen Schriften. 3 1
Vgl. beispielhaft Hohlfeld, S. 13: „Demgegenüber muß unter allen Umständen das neue Recht von dem Grundsatz getragen sein, daß, wer im Wirtschaftsleben oder auch sonst handelt, bedingungslos für sein Handeln einzustehen hat. " 2 Vgl. diese Bevorzugung auch in der Literatur beispielsweise anhand der Dissertation von Kurt Schaefer aus dem Jahre 1937 mit dem Titel „Die Notwendigkeit der Beibehaltung der GmbH, und ihre Verpersönlichung " (Referenten Becker/Planitz). Hierin untersucht Schaefer, wie man schon nach geltendem Recht die GmbH möglichst an die Personalgesellschaft annähern könnte; des weiteren Auler, Der Wirtschaftstreuhänder 1934, S.345; Dix, Der Dt. Volkswirt 1933, S.242; Schönle, S.30. 3 Vgl. neben der im folgenden Text (Α. I.) ausführlich wiedergegebenen Literatur weiterhin: Βartholomeyczik, Die nat. Wirtschaft 1934, S.4 (S.7); an Haack, Der Dt. Volkswirt 1933/1934,
Α. Das Prinzip von der Einheit von Herrschaft und Haftung
99
Vor der Einführung der GmbH hatte es im wesentlichen nur entweder die beschränkte Haftung eines Aktionärs oder die unbeschränkte des oHG-Gesellschafters (wenn man vom Kommanditanteil absieht) gegeben.4 Hintergrund und damit Rechtfertigung für die beschränkte Haftung des Aktionärs war aber die Tatsache, daß er keine Entscheidungsbefugnis bezüglich der Leitung der Aktiengesellschaft besaß. Der das beschränkte Risiko des Aktionärs tragende Gedanke war, daß derjenige nur beschränkt haften müsse, wer auf die Leitung einer Gesellschaft keinen Einfluß hat. Wer nicht herrschte, sollte auch nicht haften müssen. Das umgekehrte Prinzip war in der oHG verwirklicht: Dort hatte der Gesellschafter durch den Regelfall der Selbstorganschaft Einfluß auf die Führung der Geschäfte, er „ beherrschte " die Gesellschaft und mußte in Folge dessen auch unbeschränkt haften. Der Ausschluß des nur beschränkt mit seiner Einlage haftenden Kommanditisten von der Geschäftsführung (§ 170 HGB) bestätigte dies: Grund für eine Haftungsbeschränkung konnte folglich nur die Nichtausübung von Herrschaftsbefugnissen sein. Mit der Einführung der GmbH und ihrer grundsätzlichen Anlehnung hinsichtlich ihrer äußeren Struktur an die AG, sah der Gesetzgeber die Notwendigkeit, auch das Risiko der Gesellschafter entsprechend ihrer gesetzlich vorgesehenen Ferne zur Geschäftsführung zu beschränken: „Allein neben dem Gebiete, auf welchem die unbeschränkte Haftung sich bethätigen muß, liegt ein anderes, welches der beschränkten Haftung nicht ohne Nachtheil verschlossen werden kann. Wo die Gesellschafter nicht in der Lage sind, die Führung der Geschäfte selbst in die Hand zu nehmen, oder wo doch dem Einzelnen der Einfluß auf die Handlungen der Mitgesellschafter und die Kontrolle über deren Tätigkeit nicht im vollen Umfange möglich ist, erscheint die unbeschränkte Haftpflicht jedenfalls nicht als eine nothwendige Konsequenz der Selbstverantwortlichkeit."5
Das Prinzip von der Einheit von Herrschaft und Haftung hatte also auch schon der Gesetzgeber bei der Schaffung des GmbH-Gesetzes 1892 gesehen. Die rechtstatsächliche Entwicklung, Folge der Dispositivität des Gesetzes6, hatte die GmbH aber S.907f.; Heyl zu Herrnsheim, Die nat. Wirtschaft 1934, S.7 (S. 10); Hohlfeld, S.30: „... es wurde der Grundsatz aufgestellt, daß jeder, der handelt, voll für sein Tun einzustehen habe. [...]; wir forderten daher, daß die Beschränkung der Haftung nur denjenigen zugute kommen soll, die sich nicht geschäftsleitend, [...] an der Unternehmung beteiligen. "; Huppert, Der Dt. Volkswirt 1937, S. 1403. 4 Vgl. zur „Geschichte und Aufgabe der beschränkten Haftung im deutschen Recht" Liu, insbesondere S. 30 ff. 5 Entwurf 1891, Begründung, S.27. 6 Vgl. §45 Abs. 2 GmbHG: „In Ermangelung besonderer Bestimmungen des Gesellschaftsvertrages finden die Vorschriften der §§46 bis 51 Anwendung. " Vgl. hierzu auch den Haupteinwand gegen die Forderung von der Einheit von Herrschaft und Haftung von Limbach (1966), S. 110, die darauf hinweist, daß der Gesetzgeber der Entwicklung durch die Gewähr einer weitgehenden vertraglichen Gestaltungsfreiheit selbst den Weg bereitet hat. Das Argument, daß der Wille des Gesetzgebers ausschließlich so zu verstehen sei, daß Herrschaft und Haftung gleich laufen müßten, könne daher nicht in dieser Ausschließlichkeit belegt werden; ebenso Martens (1970), S.34: „Das Postulat vom notwendigen Junktim 7*
100
2. Kap.: Die Haftungsbeschränkung in der NS-Wirtschaftsordnung
zu einer Gesellschaftsform werden lassen, in der 80% der Gesellschafter auch Geschäftsführer waren, deren Gesellschafterzahl in der Regel klein und überschaubar war und deren Innenverhältnis kaum anders ausgestaltet war als dasjenige einer oHG. 7 Der Grundsatz von der notwendigen Einheit von Herrschaft und Haftung war somit in der GmbH nicht verwirklicht. Während aber die Trennung von Herrschaft und Haftung in der AG oder auch beim Kommanditistenanteil dadurch gerechtfertigt schien, daß die Aktionäre/der Kommanditist keinen Einfluß auf die Geschäftsleitung hatten, besaßen die Gesellschafter der GmbH dennoch die Herrschaft über diese. Als Gesellschafter-Geschäftsführer hafteten sie aber nicht für die aus der Geschäftsführung resultierenden Folgen. Eine Rechtfertigung für die Trennung von Herrschaft und Haftung in der GmbH fehlte daher. Das Grundprinzip von der Einheit von Herrschaft und Haftung geht zunächst auf die These von Adam Smith, dem englischen Vorkämpfer des wirtschaftlichen Liberalismus, zurück, daß zwischen dem Umfang der Haftung und dem Grad der Herrschaft über die haftungsbegründenden Sachverhalte ein unmittelbarer Zusammenhang bestehen muß;8 in der deutschen Übersetzung der 5. Auflage von 1789 des Buchs „An Inquiry into the Nature and Causes of the Wealth of Nations" kann man bereits über die Haftungsfreistellung der Aktionäre und ihre Einflußlosigkeit auf die Leitung der Gesellschaft nachlesen: „Die Leitung einer Aktiengesellschaft übt stets ein Direktorium aus, das häufig in vielerlei Hinsicht der Aufsicht einer allgemeinen Versammlung der Aktionäre unterliegt. Allerdings nehmen die meisten Eigentümer selten für sich in Anspruch, irgend etwas von den Geschäften der Gesellschaft zu verstehen, und bestehen keine Sonderinteressen unter ihnen, so werden sie sich auch damit nicht abgeben. [...]. Der völlige Ausschluß von Sorge und von Risiko über eine begrenzte Summe hinaus, läßt viele Leute Aktionär werden, die unter keinen Umständen ihr Vermögen in einer privaten Teilhaberschaft einzusetzen wagen würden."9
Für Deutschland wurde in der Literatur des Nationalsozialismus auf die Abhandlungen von Rudolf Müller-Erzbach verwiesen. Müller-Erzbach wurde 1874 geboren 10 , bei der um 1905 erschienenen Schrift „Die Grundsätze der mittelbaren Stellvertretung die er als Gerichtsassessor und Privatdozent in Bonn schrieb, könnte es sich um seine Dissertation handeln. Nach einer Professur in Königsberg 11 wechselte von Herrschaft und Haftung ist Ausdruck einer Ideologie, die den Gesetzgeber zwar inspiriert, aber nicht verpflichtet hat. " 7 Vgl. hierzu bereits oben, Einleitung. 8 Vgl. Smith, Wealth of Nations, book V, chapter 1; Hinweise auf Smithfinden sich in der gesamten Reformliteratur aus unterschiedlichen Zeiten: vgl. Fränkel (1915), S. 2f.; Tieisch (1935), S.6; Fischer (1948), S.78; Tittel (1969), S.6. 9 Adam Smith, Der Wohlstand der Nationen, aus dem Englischen übertragen von Horst Claus Recktenwald (1972), Buch V, S.629 [45]. 10 Zum Leben und Werk Rudolf Müller-Erzbachs (1874-1959) vgl. beispielsweise die Biographie von Nunn, „Müller-Erzbach, Von der realen Methode über die Interessenjurisprudenz zum kausalen Rechtsdenken ". 11 Vgl. den Hinweis in seiner 1913 erschienenen Schrift über „Die Relativität der Begriffe".
Α. Das Prinzip von der Einheit von Herrschaft und Haftung
101
12
er nach München. Bereits in seiner 2. und 3. Auflage des „Deutschen Handelsrechts " von 1928 ist auf den Zusammenhang von Herrschaft und Haftung hingewiesen: „Die Gefahr eines Unternehmens soll der tragen, der sie beherrscht. Diesen Gedanken hat das Handelsrecht verschiedentlich, so namentlich im Schiffahrtsrecht, dahin abgewandelt, daß es den, der keinen entscheidenden Einfluß auf die Verwaltung eines Unternehmens hat, nur beschränkt für die Gesellschaftsschulden haften läßt wie den Kommanditist [...]."13
In Deutschland ließen sich nach Müller-Erzbach bereits am Ausgang des 15. Jahrhunderts und im 16. Jahrhundert Handelsgesellschaften nachweisen, welche unbeschränkte Geschäftsführungsbefugnis und Vertretungsmacht, sowie dementsprechend unbeschränkte Haftung der Gesellschafter aufwiesen. 14 Nach den ersten Stadtrechtsreformationen, darunter die bedeutendste von Nürnberg aus dem Jahre 1479, verwandelten sich diese offenen Handelsgesellschaften durch das Eintreten von nicht geschäftsführungs- oder vertretungsbefugten Erben eines Gesellschafters in Kommanditgesellschaften. Dabei habe bereits das Privileg Friedrichs III. für Nürnberg von 1464 die beschränkte Haftung dieses Eintretenden als Folge des Fehlens der Geschäftsführungsbefugnis hingestellt.15 Im Kapitel über die GmbH findet sich allerdings kein Hinweis Müller-Erzbachs, daß die GmbH eine hinsichtlich des Herrschafts- und Haftungsprinzips ansich „systemwidrige " Erscheinung sei; auf rechtstatsächliche Untersuchungen, die für die Lebenswirklichkeit der GmbH eine Trennung von Herrschaft und Haftung nahelegen, geht er in seinem „Handelsrecht" 1928 nicht ein. Im Rahmen einer aktienrechtlichen Abhandlung findet sich hingegen ein solcher Hinweis. Auf die AG bezogen forderte Müller-Erzbach bereit 1926, die Macht der herrschenden Großaktionäre mit der Verantwortung zu verbinden 16: „Das Gesetz wird daher gut tun, dem Großaktionär die Herrschaft zu lassen, nach der er mit Grund trachtet. Es hat nur dafür zu sorgen, daß diese Herrschaft mit einer praktisch wirksamen Verantwortung verbunden wird, zumal da die Kontrolle des Kleinaktionärs ausfällt. " 17 Eine grundsätzliche Ausarbeitung des Herrschafts- und Haftungsprinzips durch Müller-Erzbach erschien am 1. Februar 1933 in der „Leipziger Zeitschrift für Deutsches Recht"Nach einem geschichtlichen19 und ländervergleichenden 20 Abriß 12 Bereits seine 1926 erschienene Schrift über „Die Entartung des Deutschen Aktienwesens " schrieb er als ordentlicher Professor an der Universität München. 13 Müller-Erzbach, Deutsches Handelsrecht, 2. und 3. Aufl., Kap. 34 a, S. 180. 14 Müller-Erzbach, Handelsrecht, S. 228, die bekannteste davon ist die Fuggergesellschaft von 1494. 15 Müller-Erzbach, a. a. O. 16 Müller-Erzbach, Entartung des deutschen Aktienwesens, S.28. 17 Müller-Erzbach, Entartung, S.25. 18 Müller-Erzbach, LZ 1933, Sp.l45ff. 19 Neben dem Privileg von Friedrich III. von 1464 geht Müller-Erzbach auf die Schriften von V. Ehrenberg und W. Nothnagel ein. Ehrenberg („Beschränkte Haftung des Schuldners nach See- und Handelsrecht1880, S.20f.) habe bereits das wirtschaftlich sehr begründete
102
2. Kap.: Die Haftungsbeschränkung in der NS-Wirtschaftsordnung
zog Müller-Erzbach eine Verbindungslinie zwischen der Forderung nach dem Herstellen von einer Einheit zwischen Herrschaft und Haftung und den Mißbrauchsfällen i m Kapitalgesellschaftsrecht der Vergangenheit. Dabei ging er von der beschränkten Haftung des Kommanditisten aus: „Hätte hingegen unser HGB. die Gelegenheit wahrgenommen und bei der Ordnung der Haftung des Kommanditisten ein deutliches Wahrzeichen für die innere Verbundenheit von Herrschaft und Haftung errichtet, so würde es damit zugleich einen wirkungsvollen Anstoß für die Weiterentwicklung dieses Gedankens in unserer Gesetzgebung gegeben haben. Viel wäre schon damit gewonnen! Ist doch u. a. mit der Herstellung dieses Zusammenhanges von Einfluß und unbeschränkter Haftung der schwere Mißbrauch der beschränkten Haftung allein wirksam zu bekämpfen, der uns in der Schaffung zahlreicher Einhands-Aktiengesellschaften und -Gesellschaften m.b.H. (one-man-companies) entgegentritt. Denn es läßt sich durch nichts rechtfertigen, daß derjenige, der durch die Vereinigung aller oder nahezu aller Mitgliedschaften in seiner Hand eine solche Gesellschaft unter seine Herrschaft gebracht und damit bestimmenden Einfluß auf die Entstehung aller rechtsgeschäftlichen Verbindlichkeiten erlangt hat, trotzdem das Privileg der Nichthaftung genießen soll."21 Es ist bezeichnend, daß Müller-Erzbach seine bereits vorhandenen Ideen unmittelbar nach der Machtergreifung durch die Nationalsozialisten aufgriff und der Öffentlichkeit in dieser Form präsentierte. Dies spricht dafür, daß auch er sich von den „ Umwälzungen" erhoffte, daß lang erwünschte Reformen nun auf den Weg gebracht würden. Der Grundsatz von der Einheit von Herrschaft und Haftung fand in der nationalsozialistischen Literatur großen Anklang. Für die Gegner der G m b H lieferte er die dogmatische Rechtfertigung für den Ruf nach Abschaffung der beschränkten Haftung. 2 2 Andere Kritiker nahmen den Grundsatz zum Anlaß, nach tiefgreifenden Reformen zu suchen, die dem Prinzip von der Einheit von Herrschaft und Haftung gerecht werden würden. 2 3 Erwähnt sei noch, daß sich die Vorstellung von der Notwendigkeit der Verknüpfung von Herrschaft und Haftung bis in die sechziger Jahre hinein hielt. Müller-Erzbach selbst erwähnte den notwendigen Zusammenhang noch nach dem Kriege in seinen Schriften „Das private Recht der Mitgliedschaft" von 1948 2 4 und „Die Prinzip aufgestellt, demzufolge ein Schuldner nur beschränkt zu haften braucht, der keinen bestimmenden Einfluß auf die Entstehung auszuüben vermochte. Ebenso habe Nothnagel („Beschränkte Haftung 1900, S. 145) in dem Fehlen von Einfluß den vornehmsten Grund für das Ausbleiben der vollen Haftung gesehen. 20 Nach § 6 des englischen Limited Partnership Act hafte der Kommanditist unbeschränkt, sobald er sich an der Leitung des Unternehmens beteilige; ähnlich Art. 28 des französischen code de commerce und das belgische Gesetz vom 18. Mai 1873. 21 Müller-Erzbach, a. a. O. 22 Siehe hierzu im folgenden unter Α. I. 23 Siehe hierzu im folgenden unter A. II. 24 Müller-Erzbach, Das private Recht der Mitgliedschaft, 1948, S. 114ff., S. 119, mit Verweis auf seine eigenen Schriften und auf die Abhandlung Großmann-Doerths, „Zur Reform der Kommanditgesellschaft", AcP 147, 1941, Iff.
Α. Das Prinzip von der Einheit von Herrschaft und Haftung
103
Rechtswissenschaft im Umbau " von 1950 2 5 . Erst Limbach löste sich als erste 1966 von diesem Grundsatz in ihrer Dissertation „ D i e empirischen Normaltypen der Gesellschaft mit beschränkter Haftung und ihr Verhältnis zum Postulat von Herrschaft und Haftung". 26 Sie geht davon aus, daß die Vertreter des Herrschafts- und Haftungsprinzips 27 von einem der Vergangenheit angehörenden Sozialmodell ausgehen 2 8 und daß die Entwicklung der industriellen Gesellschaft bereits ein Stadium erreicht hat, welches die Aufgabe dieses Modells erfordert. 29 Die Möglichkeit der Haftungsbeschränkung wird heute als gleichberechtigt neben der unbeschränkten Haftung angesehen. 30 I. Forderungen zur Abschaffung der G m b H (1934-1937) In den Ausführungen Großmann-Doerths zum Thema „Sinnlos gewordenes liberales Wirtschaftsrecht" in der HansRGZ 1934, welche in die Forderung zur Abschaffung der G m b H münden 3 1 , findet sich nur eine Andeutung des Prinzips von der Einheit von Herrschaft und Haftung. Großmann-Doerth führt hier aus, daß die Haftungsbeschränkung des Aktionärs eine notwendige sei, da dieser der Aktiengesellschaft fremd gegenüber stehe, bei der G m b H hingegen sei die Haftungsbeschränkung nur Selbstzweck: „Das Entscheidende ist doch: bei der A.-G. ist die Haftungsbegrenzung eine zur Erreichung des eigentlichen Zieles in den Kauf genommene Nebenwirkung: natürlich können kleine, dem Unternehmen fremd gegenüberstehende Kapitalisten nicht die Haftung für die Geschäftsschulden übernehmen, solches Risiko würde sie mit Sicherheit von der Beteiligung abschrecken. Dagegen bei der GmbH, ist die Haftungsbeschränkung Selbstzweck." 32 25
Müller-Erzbach, Die Rechtswissenschaft im Umbau, 1950, S.60ff., S.63: „Die heutige deutsche Gesetzgebung hat hingegen nicht dem Zusammenhang zwischen Herrschaft und Haftung einen solchen sichtbaren und richtungsweisenden Ausdruck verliehen. " 26 Limbach (1966), siehe hierzu u.a. Martens (1970), S.32f., 34; Tittel (1969), S.6f. 27 Hauptsächlich wendet sie sich gegen die sogenannte „ordoliberale Wirtschaftstheorie " und nennt, S. 116 und S. 120, als deren Vertreter Eucken, Grundsätze der Wirtschaftspolitik, S.280 und Großmann-Doerth, in: Akademie-Bericht, 1. Sitzung, S.9ff., 2. Sitzung, S. 11; eine Einflußnahme der nationalsozialistischen Ideologie auf die Arbeiten Großmann-Doerths bleibt aber außer Betracht. 28 Limbach, S. 118, S. 120: „Hat man aber die Unhaltbarkeit des Absolutheitsanspruches des Grundsatzes von Herrschaft und Haftung nachgewiesen, so ist man in der Lage, unbefangen und nüchtern die Erscheinungen des Soziallebens und die verschiedenen sich in ihnen ausdrückenden Wertvorstellungen zu betrachten. " 29 Limbach, S. 119. 30 Vgl. Tittel (1969), der ebenso wie Limbach Kritik an der Theorie von der Einheit von Herrschaft und Haftung übt, S. 21 ; hierbei greift er auch die nationalsozialistische Literatur auf, ohne diese aber als solche kenntlich zu machen; vgl. des weiteren die ausdrückliche Anerkennung der Einmanngesellschaften durch den Gesetzgeber von 1980 (§ 1 GmbHG, Gesetz vom 4.7.1980, BGBl. 1 1980, S.836). 31 Vgl. hierzu bereits oben, Kapitel 1, B.I. 32 Großmann-Doerth, HansRGZ 1934, Sp. 19 (28).
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2. Kap.: Die Haftungsbeschränkung in der NS-Wirtschaftsordnung
Deutlicher wies bereits die amtliche Begründung zum Umwandlungsgesetz vom 5. Juli 1934 auf den Zusammenhang von Herrschaft und Haftung hin: „(2) Bei der anonymen Gesellschaft, insbesondere der Aktiengesellschaft und der Kommanditgesellschaft auf Aktien, fallen die Funktion des Leiters und des Eigentümers des Unternehmens auseinander. Die Gefahr eines Vermögensverlustes infolge unsachgemäßer Betriebsführung trifft die Gesellschaft als die Eigentümerin, nicht die Verwaltungsmitglieder. Bei der Personalgesellschaft dagegen und dem Einzeluntemehmen sind Leiter und Inhaber des Unternehmens meist personengleich. Jeder geschäftliche Ausfall, jeder Verlust trifft auch den, der das Unternehmen leitet. Diese Verbundenheit des Leiters des Unternehmens mit dem Geschick des Unternehmens bietet in besonderem Maße die Gewähr für eine gewissenhafte und verantwortungsbewußte Leitung, aber auch für Tatkraft und Unternehmungsgeist des Leiters und ist daher geeignet, das Vertrauen in das Unternehmen und seine Leitung zu stärken."33
In der Literatur findet sich das Aufgreifen des Herrschafts- und Haftungsprinzips für die „Rechtserneuerung " des Nationalsozialismus zum ersten Mal in der Dissertation eines Schülers von Müller-Erzbach, Hermann Rüdy, zum Thema „Der Rechtsmißbrauch " von 1934. Die Arbeit von Rüdy kann keineswegs als von nationalsozialistischer Ideologie geprägte Abhandlung gesehen werden, sondern stellt eine, auch heute noch beachtete34, dogmatische Untersuchung zur Lehre vom Rechtsmißbrauch dar, die sich vorwiegend an der französischen Lehre vom „abus de droit " orientierte und versuchte, den verschiedenen Fallgruppen des Rechtsmißbrauchs eine einheitliche Grundlage zu geben. Innerhalb der späteren nationalsozialistischen Literatur fand die Arbeit Rüdy s allerdings keinen großen Anklang, im Gegensatz zu der 1935 erschienenen Schrift von Wolfgang Siebert 35 zum gleichen Thema.36 Nachdem er die häufigsten Mißbrauchsfälle und deren Behandlung in anderen Rechtsordnungen, hauptsächlich Frankreich, dargestellt hatte37, fragte Rüdy nach dem „ Warum " des Mißbrauchs und versuchte eine Antwort in der Art der Verknüpfung der Herrschaft mit dem Haftungsträger zu finden. 38 Um Mißbrauch zu verhindern, sei die Herrschaft immer in geeigneter Weise mit den nach der gewünschten Richtung zielenden Triebkräften des Handelnden zu verknüpfen. Dies sei leicht bei eigennützigen Interessen des Handelnden, schwieriger aber bei fremdnützig gerichteter Macht. Im engeren Vermögensrecht sei stets ein Mißbrauch zu befürchten, wenn nicht das Selbstinteresse eingesetzt werden könne, was Rüdy anhand des Rechts der Kapitalgesellschaften als „Blick in die Welt der gesamtnützigen lnteres33
Amtliche Begründung, DJ 1934, S.883. Vgl. Bommel (1992); Haferkamp (1995). 35 Vgl. zu Wolfgang Siebert ausführlich unten, 3. Kapitel, A.I. 36 Vgl. zur nationalsozialistischen Lehre vom Rechtsmißbrauch und der Arbeit Sieberts im Vergleich zur Arbeit Rüdys Haferkamp, S. 183 ff., Bommel, S. 86ff. 37 Zu den Mißbrauchsfällen innerhalb des Kapitalgesellschaftsrechts vgl. Rüdy, S. 103, zu der Behandlung des Rechtsmißbrauchs bei Handelsgesellschaften in Frankreich vgl. Rüdy, S.51. 38 Rüdy, S. 118. 34
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sen" veranschaulichen wollte. Es sei zunächst eine Mindestforderung, daß hinter den mitgliedschaftlichen Rechten eine Triebkraft stehe, die wenigstens zur Ausübung der Rechte treibe. Beim Kleinaktionär habe der Gesetzgeber beispielsweise übersehen, daß diesem das eigene Interesse fehle, welches ihn zur Teilnahme an der Generalversammlung veranlasse. Dies machten sich die Banken zunutze, indem sie ihre auf fremdes Kapital und Risiko aufgebaute Machtstellung ausnutzten und schweren Mißbrauch betrieben. 40 Der Gesetzgeber müsse aber auch umgekehrt positiv einen Anreiz bei denjenigen wachrufen, die in der Lage sind, Entscheidungen zu treffen. Einen solchen Anreiz bringe gerade das Risiko der Haftung, so daß insgesamt zum Wohle des Unternehmens gehandelt werde: „Doch kann [...] der Gesetzgeber auch positiv den Anreiz wachrufen, der die gesellschaftlichen Rechte in die Bahn des gesellschaftlichen Besten zu lenken vermag. Dahin geht die von Müller-Erzbach erhobene Forderung: Verknüpfung von Herrschaft und Haftung/ gilt, Verantwortung zu wecken; größere Risikotragung wird die verliehene Macht, der das Großkapital doch mit innerer Berechtigung zustrebt42, am sichersten dem wirklichen Wohl des Unternehmers zuführen. Risikogelöste Macht dagegen öffnet gesellschaftsfeindlichen Zwecken Tor und Tür." 43
4I
Rüdy weist noch daraufhin, daß man auch in Frankreich die Erfahrung gemacht habe, daß es keinen Sinn mache, Mißbräuche zu verbieten, sondern daß diese nur verhindert werden können, wenn man die Eigeninteressen der Gesellschafter berührt. 44 Konkreter wird Rüdy jedoch leider, auch bezüglich der Konsequenzen aus seiner Forderung für die GmbH, nicht. Eine grundlegende Arbeit zum Prinzip von Herrschaft und Haftung findet sich in der Dissertation von Elfriede Tieisch zum Thema „Beschränkte Haftung " aus dem Jahre 1935. Die Arbeit wird auch heute noch verschiedentlich erwähnt, wenn es um die Herleitung des Herrschafts- und Haftungsprinzips geht.45 Dabei muß aber berücksichtigt werden, zu welcher Zeit und vor welchem Hintergrund die Arbeit verfaßt wurde. Da Elfriede Tieisch eine Freiburger Schülerin von Großmann-Doerth ist, kann man davon ausgehen, daß hier ein maßgeblicher Einfluß der GmbH-Kritik einerseits und das Bestreben, Wissenschaft im Sinne des Nationalsozialismus zu betreiben andererseits 46, wieder zu finden sein wird. 47 39
Rüdy, S. 123. Rüdy, S. 124. 41 Rüdy verweist hier auf: ,Müller-Erzbach, Das d. Aktienwesen, 8, 25ff.", „Umgestaltung ... HR S.285; LZ 1933, Sp. 148." 42 Rüdy verweist hier auf,,Müller-Erzbach, HR, 5.255". 43 Rüdy, a.a.O. 44 Rüdy, a.a.O. 45 Vgl. Liu (1994), S.35ff. und Tittel (1969), S.4,13,15, die allerdings nicht auf eventuelle nationalsozialistische Besonderheiten der Arbeit Tielschs eingehen, sondern sie mit Literatur aus anderen Zeiten zusammen nennen. 46 Vgl. hierzu die Antrittsrede Großmann-Doerths, Freiburg 1933, sowie HansRGZ 1934, Sp. 19; siehe auch bereits oben, Kapitel 1, B.I. 40
Es
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2. Kap.: Die Haftungsbeschränkung in der NS-Wirtschaftsordnung
Tieisch stellte zunächst die Bedeutung der unbeschränkten Haftung heraus, um dann auf die Folgen der beschränkten Haftung schließen zu können. Die unbeschränkte Haftung sei als „ ein notwendiges Korrelat der unbeschränkten Wirtschaftsfreiheit" 4 8 zu verstehen. Die „heutige Wirtschaftverfassung" habe es nicht für nötig befunden, dem Einzelnen Richtlinien für sein wirtschaftliches Tun und Treiben zu geben.49 Sie belasse dem Einzelnen volle Freiheit, welche aber „ zum Abschlüsse einer unvernünftigen und ungeregelten Zahl von Rechtsgeschäften führen " würde, wenn der einzelne nicht gezwungen wäre, sich nach bestimmten Tatsachen zu richten: „ Um diese Entartung der Wirtschaftsfreiheit zu vermeiden, hat man die unbeschränkte Haftung des Einzelnen für seine Handlungen als Folge des Abschlusses eines Rechtsgeschäftes festgesetzt. " 50 Darüber hinaus sei die unbeschränkte Haftung in wirtschaftlicher Hinsicht die Grundlage zur Sicherung der Gläubiger und hänge nicht an einzelnen Vermögenswerten, sondern an der Person des Schuldners.51 Für die beschränkte Haftung bedeute dies folgendes: „Bei einer Anknüpfung an die oben gegebene Begründung der unbeschränkten Haftung ergibt sich, daß die Beschränkung der Haftung, die eine Verminderung der Pflichten des Schuldners bedeutet, ihren logischen Grund in einer Verminderung seiner Rechte haben muß. Da das Recht, das der unbeschränkten Haftung entspricht, die unbeschränkte Wirtschaftsfreiheit ist, muß die beschränkte Haftung durch eine iigendwie geartete Beeinträchtigung dieser Macht entstehen."52
Tieisch kommt zu dem vorläufigen Ergebnis, „daß die beschränkte Haftung ein Korrelat zu einer irgendwie gearteten Einflußbeschränkung des Schuldners ist" und will die Hauptfälle der beschränkten Haftung im Handelsrecht daraufhin untersuchen, in wie weit diese Einflußlosigkeit verwirklicht ist. Bei der Betrachtung der GmbH untersucht Tieisch die Dispositionsbefugnis der Gesellschafter über das Gesellschaftsvermögen. 54 Die GmbH gleiche in ihrem organisatorischen Aufbau auf den ersten Blick der Aktiengesellschaft, da ein Geschäftsführer bestellt werde, der die Gesellschaft vertritt und über außergewöhnliche Angelegenheiten die Gesellschafterversammlung entscheide. Der Schein trüge aber, da die innere Organisation der GmbH durch Gesellschaftsvertrag abgeändert werden 47 Auf dem Titelblatt der Dissertationfindet sich folgender Vermerk: „Referent: Professor Großmann-Doerth sowie „Durch die Genehmigung einer Dissertation nimmt die Fakultät zu den darin ausgesprochenen Anschauungen keine Stellung 48 Tieisch, S.4. 49 Tieisch, S.3. 50 Tieisch, S.4. 51 Tieisch, S.2f. 52 Tieisch, S.5. 53 Tieisch, S.7. 54 Tieisch, S.30ff.
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könne. 5 5 Tieisch geht auf Statistiken und rechtstatsächliche Untersuchungen ein, welche die eher individualistisch geprägten Strukturen der G m b H aufweisen 56 und kommt zu dem Schluß: „Die GmbH, bietet also das auffallende Bild einer Gesellschaft, in der sich Haftung und geschäftlicher Einfluß im Gesetz nicht entsprechen. Die Gesellschafter der GmbH, können uneingeschränkten Einfluß auf die Geschäftsführung haben. Ihre Haftung bleibt aber beschränkt. Damit stehen sie im Gegensatz zu den übrigen Fällen beschränkter Haftung." 57 „Bei der Aktiengesellschaft, haben wir gesehen, entspricht die Beschränkung der Haftung der Aktionäre dem Umstand, daß den Aktionären die Verwaltung entzogen und in die Hände der Organe der Gesellschaft gelegt ist. Der Aktionär soll als dem Unternehmer femstehender Kapitalist nicht das ganze Risiko tragen müssen; [...]. Dieser Aufbau ist aber bei der GmbH., wie oben S.29ff. dargelegt, nicht vorhanden. Die GmbH, regelt ihre Organisation nach Belieben; sie kennt keinen Zwang zur Schaffung von dritten Organen; die Funktion die Gesellschaft zu vertreten und ihre Geschäfte zu führen, kann von den einzelnen Mitgliedern als ihr eigenes Recht und ihre eigene gesellschaftliche Pflicht übernommen werden."58 Tieisch stellt nach dem erfolglosen Versuch, die beschränkte Haftung bei der G m b H zu rechtfertigen 59 , die Frage, ob man in den wenigen Fällen, in denen man mit der Beschränkung der Haftung aus protektionistischen Gründen einverstanden sein könnte, durch die Schaffung der G m b H den richtigen Weg zu dem gewünschten Ziel eingeschlagen habe, denn „die GmbH, durchbricht die Grundsätze von der wirtschaftlichen Verantwortlichkeit des Einzelnen in fundamentaler Weise." 60 Abschließend weist Tieisch auf die Durchbrechung des Prinzips von der Einheit von Herrschaft und Haftung durch die G m b H hin: „Das Handelsgesellschaftsrecht tut daher Unrecht, wenn es eine zeitweise berechtigte Unterstützung in der Weise gewährt, daß es jeden Zusammenhang zwischen Herrschaft und Haftung aufhebt, ohne Rücksicht auf eine innere Berechtigung. Die Beschränkung der Haftung sollte, wenn sie nicht durch Einflußlosigkeit begründet ist, wenigstens nur als Ausnahme vorkommen, damit sie ihren Sinn nicht vollständig verliert." 61 Zur Frage der Reform der G m b H geht Tieisch auf zwei Gruppen ein, die sie innerhalb der Literatur ausmacht: Eine Richtung wolle die Haftungsbeschränkung rechtfertigen, indem das B i l d der Aktiengesellschaft benutzt werde und Gründungsvorschriften, Revision, Heraufsetzen des Grundkapitals, sowie Bilanzierungsvorschriften zur Festigung des Kapitals gegen die Einflüsse der Mitglieder dienen sollen. 6 2 Diese Vorschläge widersprachen aber nach der Auffassung Tielschs der für 55 Vgl. §45 Abs. 2 GmbHG: „In Ermangelung besonderer Bestimmungen des Gesellschaftsvertrages finden die Vorschriften der §§46 bis 51 Anwendung. " 56 Vgl. hierzu oben, Einleitung. 57 Tieisch, S. 32. 58 Tieisch, S.36. 59 Tieisch, S. 33-42. 60 Tieisch, S.41. 61 Tieisch, S.42. 62 Tieisch verweist hier nur auf den Aufsatz von Reinhart, DJZ 1934, Sp. 1309 ff.
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2. Kap.: Die Haftungsbeschränkung in der NS-Wirtschaftsordnung
kleinere Verhältnisse geschaffenen Natur der GmbH. 63 Eine andere Gruppe innerhalb der Literatur wolle die beschränkte Haftung der unbeschränkten annähern, sie aber dennoch nicht ganz aufgeben. Als Mittel hierzu werde die Einführung eines Garantiekapitals befürwortet. 64 Die Idee des Garantiekapitals fand sich auch schon bei Großmann-Doerth, der aber auch auf das Risiko eines solchen Garantiekapitals hingewiesen hatte65, da es dazu verleiten könne, sich als Gesellschafter noch mehr als früher an dem ursprünglichen Kapital schadlos zu halten.66 Diese Bestrebungen gingen Tieisch jedoch nicht weit genug: „ Grundsätzlich wird jedoch nichts geändert, [...]. Die Gesellschafter-Geschäftsführer sind nach wie vor in der Lage, die Gesellschaft zum Schaden der Gläubiger auszuplündern und den Gewinn sicherzustellen. " 6 7 Tieisch bezeichnete es aber immerhin schon als Fortschritt, eine Ausdehnung in Richtung der unbeschränkten Haftung vorzunehmen. Eine gerechte Lösung für Gläubiger und Schuldner könne aber nur die völlig unbeschränkte Haftung bringen, womit sich Tieisch indirekt gegen die GmbH ausspricht.68 Zusammenfassend ging Tieisch noch einmal auf das Gleichgewicht zwischen Herrschaft und Haftung ein. Die Forderung, daß zumindest das Gesetz bei der Aufstellung der typischen Gesellschaftsformen auf ein solches Gleichgewicht zu achten habe69, erinnert an Großmann-Doerths Forderung von der „Mustergültigkeit" des staatlichen Rechts.70 Tieisch forderte abschließend volle Verantwortung für den mit voller Macht ausgestatteten Unternehmer: „Zwar macht sich in der Gesetzgebung der letzten Zeit ein erfreulicher Zug nach Ersatz der beschränkten Haftung durch die unbeschränkte geltend, - es sei besonders an das Gesetz zur Umwandlung von Kapitalgesellschaften erinnert-; diese Richtung kann aber nur Erfolg haben, wenn ihr eine genaue Kenntnis zugrundeliegt, wann beschränkte und wann unbeschränkte Haftung am Platze ist. [...]. Dabei muß die unbeschränkte Haftung die Grundlage bleiben; kein zur Führung berechtigter Unternehmer darf sich ihr entziehen können. Wer die volle wirtschaftliche Macht für sich in Anspruch nimmt, soll auch voll verantwortlich sein."71
Tieisch kommt also zu dem Ergebnis, daß die beschränkte Haftung nur mit der beschränkten Einflußmöglichkeit einhergehen kann. Wo wie im Falle der GmbH 63
Tieisch, S. 43. Tieisch verweist hier nur auf Fränkels Studie zur GmbH von 1915, S. 260 und einen Aufsatz in der Zeitschrift für schweizerisches Recht von 1936, S. 237 ff. [Anm. d. Verf. : Meiner Meinung nach kann es sich hierbei nur um den Aufsatz von Hachenburg handeln über die Schweizer GmbH und die deutsche Rechtsprechung, welcher sich aber auf den S. 329 ff. befindet]. 65 Vgl. hierzu bereits oben, Kapitel 1, B.I. 66 Tieisch sieht dieses Argument und verweist hier auf Großmann-Doerth, Selbsthilfe der Wirtschaft, S. 227 ff. 67 Tieisch, S.43. 68 Tieisch, a. a. O. 69 Tieisch, S.45. 70 Vgl. Großmann-Doerth, Universitätsreden, S.25; vgl. bereits oben, Kapitel 1, B.I. 71 Tieisch, S.44. 64
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Herrschaft und Haftung sich aber nicht bedingen (die Gesellschafter-Geschäftsführer herrschen zwar über die Gesellschaft, sie haften aber nicht für die sich daraus ergebenden Verpflichtungen), könne nur die unbeschränkte Haftung Platz greifen. Zu ähnlichen Ergebnissen kommt eine etwa zur gleichen Zeit (1935) erschienene Dissertation zu dem Thema „ Gefahren der beschränkten Haftung für die Gläubiger einer G.m. b.H. ", 7 2 Der Autor, Kurt Fehling, schrieb diese Arbeit auf Anregung von Friedrich Klausing, der zu dieser Zeit Professor in Frankfurt war. Des weiteren war Klausing Ausschußmitglied des Aktienrechtsausschusses der Akademie für Deutsches Recht und wurde 1937 zum Vorsitzenden des Ausschusses für GmbH-Recht der Akademie für Deutsches Recht bestimmt, welchen er in engem Kontakt zum Reichsjustizministerium leiten sollte. Klausing selbst war der GmbH stets relativ unvoreingenommen gegenüber getreten, er erkannte aber sehr wohl das politisch ungewisse Schicksal der GmbH in den frühen Jahren der NS-Herrschaft. Hierauf, und auf Gefahren und Reformmöglichkeiten wies er in dem von ihm herausgegebenen Kommentar zum GmbH-Gesetz in einer ausführlichen Einleitung hin: „Soll die GmbH, bestehen bleiben, jedoch in klar umgrenztem Anwendungsbereich und unter einer vorbeugenden, öffentlichen Kontrolle hinsichtlich Gründung, Verwendungszweck und innerer Ausgestaltung, oder aber soll sie aus der Reihe der Gesellschaftsunternehmen verschwinden?"73
Es wird deutlich, daß Klausing die Diskussion um das Schicksal der GmbH als relativ offen empfand. In einem Aufsatz in der Zeitschrift Deutsche Juristen-Zeitung schrieb er 1935: „2. Man mag es drehen und wenden, wie man will. Wir werden uns recht bald entscheiden müssen, wohin die Entwicklung gehen soll. Es gibt zwei Möglichkeiten, a) Ernsthafter Versuch einer effektiven Wiederherstellung des Prinzips der unbeschränkten Haftung für sämtliche Unternehmen, ausgenommen solche Großbetriebe, für die wegen des KapUmfangs und der regelmäßig vorhandenen Zahl der Beteiligten lediglich die Form der AG in Betracht kommt. In Verbindung hiermit: Verbot der GmbH und wohl auch der Einmann-AG. [...]. b) Wenn man sich zu dem , Wagnis4 des vorstehend geschilderten Weges nicht zu entschließen vermag, so müßte man wohl oder übel die Folgerungen aus den nun einmal gegebenen Verhältnissen ziehen und das »Unternehmen mbH' fakultativ in aller Form zulassen. Das Schwergewicht der Emeuerungsarbeit wäre alsdann auf einen anderen Punkt zu legen."74
Eine Entwicklung in die eine oder die andere Richtung war seiner Meinung nach um 1935 noch nicht abzusehen. Insofern liegt es nahe, daß Klausing eine Arbeit betreute, welche die Gefahren für die Gläubiger einer GmbH ausführlich untersuchen sollte. Fehling widmete sich zunächst eingehend den Gefahren der GmbH für die Gläubiger, bevor er in einem zweiten Teil Vorschläge an den Gesetzgeber aufstellte. Als 72 73 74
Vgl. zu dieser Dissertation bereits oben, Kapitel 1, C. II. Klausing, GmbHG, 2. und 3. Aufl., Einl., S.60. Klausing, DJZ 1935, Sp. 1135 (Sp. 1139).
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2. Kap.: Die Haftungsbeschränkung in der NS-Wirtschaftsordnung
solche Gefahren sah er die Überbewertung von Sacheinlagen75, die Finanzierung der Gesellschaft durch Gesellschafter-Darlehen 76, sowie die Aushöhlung der GmbH durch überhöhte Auszahlungen von Geschäftsführer-Gehältern 77. Als Folge seiner Untersuchungen führte er im zweiten Teil der Arbeit aus: „A. Die Gesellschaft mit beschränkter Haftung ist abzuschaffen. Es ist ein häßliches Bild, das uns die Rechtstatsachen von der GmbH, so wie sie in der Praxis aussieht, vermitteln. Man kann sich des Eindrucks nicht erwehren, daß die Rechtsform der GmbH in ihrer Ausgestaltung durch den deutschen Gesetzgeber zu unlauteren Geschäftsgebaren geradezu verleitet."78
Während Fehling sich in den kritischen Argumenten auf die Ausführungen Großmann-Doerths beruft, sieht er die dogmatische Rechtfertigung für seine Forderung nach Abschaffung der GmbH in der Tatsache, daß in der GmbH Herrschaft und Haftung getrennt sind. Dies wird durch einen Vergleich, den Fehling mit der AG und der KG zieht, deutlich: „Die beschränkte Haftung des Kommanditisten und des Aktionärs ist deshalb mit Recht eingeführt worden, weil Kommanditist und Aktionär auf die Geschäftsführung des Unternehmens in der Regel nur sehr geringfügigen Einfluß haben. Soweit die Aktiengesellschaft sich an den großen Kapitalmarkt wendet, kommt bei ihr noch hinzu, daß die beschränkte Haftung als Mittel zur Aufbringung des Grundkapitals dient. Die späteren Aktionäre werden sich nur dann beteiligen, wenn ihnen die beschränkte Haftung garantiert wird; im Hinblick darauf, daß sie keinen Einfluß auf das Unternehmen haben, kann ihnen dies niemand verdenken."79
Die Unvereinbarkeit der beschränkten Haftung der Gesellschafter mit dem nationalsozialistischen Verantwortungsprinzip folgerte also auch Fehling aus der Tatsache, daß der GmbH-Gesellschafter, anders als der Aktionär oder der Kommanditist, Einfluß auf die Geschäftsführung hat. Fehling zieht aber noch weitere Argumente heran, die im wesentlichen mit den von Großmann-Doerth bereits früher vorgetragenen Argumenten übereinstimmen 80, welchen Fehling auch oft zitiert. 81 Genannt wird vor allen Dingen die Kreditpolitik der Wirtschaft, welche die GmbH ablehne.82 Schließlich führt Fehling aus: „Mit der Forderung, die GmbH abzuschaffen, stehen wir nicht allein".* 2 Hier führt er wiederum im Text die Ausführungen GroßmannDoerths an, sowie den Aufsatz von v. Frankenberg und Proschlitz. 84 In einer Fußnote 75 76 77 78 79 80 81 82 83 84
Fehling, S.8ff. Fehling, S.30ff. Fehling, S.51ff. Fehling, S. 68. Fehling, S.69. Vgl. hierzu oben, Kapitel 1, Β I. Vgl. Fehling, S. 9f., 69, 73 ff. Fehling, S.73. Fehling, S.75. Vgl. oben, Kapitel Ι , Β . Ι .
Α. Das Prinzip von der Einheit von Herrschaft und Haftung
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verweist er auf die Abhandlung Klausings zur Frage der Abschaffung in der Einleitung des GmbH-Gesetzeskommentars.85 Der zeitlich letzte mir bekannte Aufsatz mit der Forderung zur Abschaffung der GmbH wegen deren Unvereinbarkeit mit der Forderung von der Einheit von Herrschaft und Haftung stammt von Curt Fischer aus dem Jahre 1937. Der Diplomkaufmann aus Heidelberg nimmt hier in der Zeitschrift für Betriebswirtschaft zum „Schicksal der GmbH " Stellung.86 Zur Person Fischers sei erwähnt, daß er im Jahre 1948 die erste Abhandlung zur Frage der GmbH-Reform nach dem Kriege schrieb, welche auch die Zeit des Nationalsozialismus untersucht.87 Zur Frage der Haftungsbeschränkung und der Trennung von Herrschaft und Haftung knüpft er die Nachkriegsdiskussion unmittelbar an die Ausführungen von Großmann-Doerth und Tieisch an, ohne auf ideologische Einflüsse einzugehen.88 Fischer schließt seine Ausführungen von 1948 zu dem Thema Einheit von Herrschaft und Haftung mit folgenden Sätzen: „Die grundsätzlichen Gegner der GmbH, schöpften aus dem Sachverhalt, daß in der Praxis 80 % aller Gesellschaften mbH. Geschäftsführer haben, die gleichzeitig Gesellschafter sind, daß also bei vier Fünftel aller Gesellschaften mbH. vollständige oder teilweise persönliche Identität zwischen Kapitaleigentümer und Geschäftsführer gegeben ist, die Forderung, diese Unternehmungsform wieder abzuschaffen." 89
Hierbei gibt er als Belege für solche „grundsätzlichen Gegner " außer Otto Bähr und Großmann-Doerth noch Vollweiler an, der aber aus der Trennung von Eigentum und Leitung nicht die Abschaffung der GmbH, sondern einen Konzessionszwang folgerte. 90 Seine eigenen Ausführungen aus der Vorkriegszeit erwähnt Fischer hingegen nicht. Um so interessanter ist die Tatsache, daß auch Fischer 1937 die Abschaffung der GmbH forderte. Nach der Präsentation einiger Zahlen und Statistiken zur rechtstatsächlichen Struktur der GmbH ging Fischer in der Zeitschrift für Betriebswirtschaft von 1937 zunächst auf die Intention des Gesetzgebers bei der Schaffung des GmbH-Gesetzes ein: „Die Haftungsbeschränkung sollte nicht Selbstzweck, sondern nur Mittel und gerechte Voraussetzung dafür sein, daß der Kreis der in Aussicht genommenen Beteiligten sich überhaupt zusammen schließen konnte. Nur für diese Fälle tatsächlicher Trennung von Kapitaleigentum und Gesellschaftsführung dachte der Gesetzgeber, die GmbH schaffen zu müssen. Wie sehr die Verwendung dieser Rechtsform in den Jahrzehnten nach ihrer Schöpfung den Absichten des Gesetzgebers widersprach, zeigt ein Überblick über die Zusammensetzung
85 86 87 88 89 90
Verweis auf Klausing, GmbHG, 2. Aufl., S.50ff. Fischer, ZfB 1937, S.71. Fischer, Die GmbH (1948). Fischer, Die GmbH, S.77ff. Fischer, Die GmbH, S.79. Jahrb. für Nationalökonomie und Statistik, 147/1938, S. 189ff., S.308f.
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2. Kap.: Die Haftungsbeschränkung in der NS-Wirtschaftsordnung
des Personenkreises in den heute bestehenden GmbH, der eigibt, daß bei rund vier Fünftel aller GmbH diese Trennung nicht besteht.91"92
Im folgenden geht Fischer auf die Ausführungen Großmann-Doerths ein, dessen Argumente „wegen der Schärfe" und „der logischen Geschlossenheit" besondere Beachtung verdienten. 93 Insbesondere das Argument der KreditunWürdigkeit der GmbH und die tatsächliche Abschaffung der GmbH durch die Kreditpolitik der Wirtschaft, die Kredite nur gegen persönliche Sicherheitsleistungen der Gesellschafter vergab, unterstützt Fischer. 94 Den Befürwortern der GmbH, insbesondere der „Zentrale für GmbH, Otto Schmidt, Köln" wirft er eine „interessentenmäßige Bindung und Voreingenommenheit " bei der Verteidigung der GmbH vor und erhebt interessanterweise den Vorwurf, daß gerade diese Befürworter sich, wo die sachlichen Argumente ausgehen, mit „verbrämenden und nebelhaften Schlagworten und ideologischen Anklängen an die neuesten politischen Grundsätze geholfen " haben.95 Zur Haftungsbeschränkung und dem Prinzip von der Einheit von Herrschaft und Haftung kommt Fischer im zweiten Teil seiner Abhandlung.96 Er unterteilt die Gesellschaften zunächst ihrer Haftungsform nach in drei Gruppen. Die erste Gruppe kenne nur die unbeschränkte persönliche Haftung aller Beteiligten und habe als hervorragenden Vertreter die oHG zu nennen; bei einer zweiten Gruppe seien die Gesellschafter nur zum Teil der unbeschränkten Haftung unterworfen, wie bei der KG oder der KG auf Aktien. Die dritte Gruppe schließlich bildeten die Gesellschaftsformen, bei denen alle Beteiligten einer beschränkten Haftung unterlagen, wozu die AG und die GmbH zu rechnen seien.97 Fischer ging der Frage nach der inneren Begründung dieser verschiedenen Regelung der Haftung nach, denn nur so könne der eigentliche Sinn und die Voraussetzung für die Haftungsbeschränkung ermittelt werden: „Überall da, wo eine personelle Identität zwischen Kapitaleigentümern und Gesellschaftsführer gegeben ist, wo die Kapitaleigner die volle Verfügungs- und Verwendungsgewalt über den für den Gesellschaftszweck aus dem Gesamt ihres Vermögens ausgesonderten Vermögensteil behalten, knüpft das Recht an diese Sachlage die berechtigte Forderung nach unbeschränkter Haftung für die Gesellschafts Verbindlichkeiten.98 Läßt dagegen der Umfang des Beteiligtenkreises und die Größe des Gesellschaftskapitals eine solche Identität zwi91
Fischer führt hier in einer Fußnote aus: „ Vgl. die Angaben unter /, wonach 80 v.H. und mehr aller bestehenden GmbH Gesellschaftergeschäftsführer haben. " 92 Fischer, ZfB 1937, S.75. 93 Fischer, ZfB 1937, S.77. 94 Fischer, ZfB 1937, S.78. 95 Fischer, ZfB 1937, S.79; Schmidt hatte beispielsweise in seiner Denkschrift „Die GmbH in der Steuerpolitik" von 1934, GmbHR 1934, Sp.9-55, 187-208, 283-320, davon gesprochen, daß die GmbH einer „Hochschule für Führertum auf wirtschaftlichem Gebiet" gleichkomme, was Fischer angriff. 96 Fischer, ZfB 1937, S. 172. 97 Fischer, ZfB 1937, S. 172 f. 98 Fischer nennt hier in einer Fußnote „Einzelfirma und OHG ".
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sehen Kapitaleigentum und Geschäftsführung nicht zu, liegt die Verfügungsgewalt und die Führung der für den Gesellschafszweck abgespalteten Vermögensteile aus dem Gesamtvermögen der einzelnen Beteiligten in kapitalfremder Hand, so gibt das Recht die Forderung nach unbeschränkter Haftung als bei solcher Sachlage nicht mehr zumutbar auf und befreit das übrige, nicht dem Gesellschaftszweck gewidmete Vermögen der einzelnen beteiligten Gesellschafter von jeglicher Haftung für die Gesellschaftsschulden. 99"100
Habe aber nur ein Teil der Gesellschafter gleichzeitig auch die Führung der Geschäfte inne, so stelle das Gesetz die Forderung auf, daß jene Gesellschafter einer unbeschränkten Haftung unterworfen seien; die Gesellschafter aber, die keine Einflußnahmerechte auf die Geschäftsführung besitzen, gelangen in den Genuß einer Beschränkung der Haftung, wie dies bei der KG und der KG auf Aktien der Fall sei: 101 „Daraus ergibt sich als klare Folgerung: Zentrale Voraussetzung und innere, rechtliche und wirtschaftliche, Rechtfertigung für die Beschränkung der Haftung bei einzelnen Gesellschaftsformen ist die Trennung von Kapitaleigentum und Geschäftsführung.™ 2" 103
Wer als Beteiligter einer Gesellschaft keinen direkten Einfluß auf die Geschäftsführung habe, dem könne billigerweise nicht zugemutet werden, trotz der Einflußlosigkeit für die Verbindlichkeiten der Unternehmungen die unbeschränkte Haftung mit seinem gesamten Vermögen zu übernehmen. Wo das Risiko nicht in vollem Maße beherrscht werde, sei die Einschränkung der Haftung rechtlich und wirtschaftlich durchaus berechtigt. Wende man diese Erkenntnisse über die Voraussetzungen und den inneren Sinn der Haftungsbeschränkung auf die Rechtsform der GmbH an, so zeige sich, daß nach der Vorstellung des Gesetzgebers von dem Aufbau und der Organisation der GmbH die Beschränkung der Haftung durchaus gerechtfertigt gewesen war. 104 Fischer wies aber auf die entscheidende Regelung des Gesetzes hin, welche die GmbH in der Vergangenheit ihrer inneren Organisation nach der Personengesellschaft angenähert hatte: „Die gesamte gesetzliche Regelung des innergesellschaftlichen Verhältnisses unter dem Gesichtspunkt der Trennung von Kapitaleigentum und Geschäftsführung ist dispositiv, läßt demnach jede Aufhebung dieser Trennung durch entsprechende Ausgestaltung des Gesellschaftsvertrags zu" 105
Aus dieser Tatsache heraus weist Fischer auf die Entwicklung der GmbH hin, welche diese im Hinblick auf ihre innere Ausgestaltung genommen habe und setzt 99
Fischer nennt hier in einer Fußnote „Als Beispiele: AG und GmbH Fischer, ZfB 1937, S. 173. 101 Fischer, a. a. O. 102 Fischer gibt hier folgende Anmerkung in einer Fußnote: „ Über dieses Problem ist 1935 an der Universität Freiburg eine verdienstvolle und vielfach aufschlußreiche Dissertation von Frl. E. Tieisch erschienen (Beschränkte Haftung, Referent Professor Großmann-Doerth), deren Lektüre wertvolle Anregungen zu der Stellungnahme zu dem Prinzip der Haftungsbeschränkung und seiner Durchführung in Gesellschaftsrecht und -praxis liefert. " 103 Fischer, ZfB 1937, S. 174 f. 104 Fischer, ZfB 1937, S. 175. 105 Fischer, a. a. O. 100
8 Stupp
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2. Kap.: Die Haftungsbeschränkung in der NS-Wirtschaftsordnung
sich mit den Argumenten der Verteidiger 106 der GmbH auseinander. Dabei macht er aber deutlich, daß gegen das Argument von der Trennung der Herrschaft und Haftung als Rechtfertigung der Haftungsbeschränkung allgemeinwirtschaftliche Gesichtspunkte und Schlagworte wie „Beschränkung des Risikosoder „Schutz der Familie" nicht ankommen könnten.107 Zur Gruppe der Reformer 108, welche die GmbH durch Einführung von Publizitäts- und Pflichtprüfungsvorschriften, sowie Vorschriften zur Sacheinlage, Sachgründung und Anhebung des Stammkapitals an die AG annähern wollten, äußert sich Fischer: , Je gründlicher aber eine in dieser Richtung gehende Reform des GmbH-Gesetzes vorgenommen werden würde, um so weniger könnte dann noch eingesehen werden, warum neben der AG, deren Mindestkapital ja bislang auf 50.000RM stand, noch eine zweite Rechtsform der Kapitalgesellschaft in Gestalt der GmbH erforderlich wäre." 109
Setze man das Mindestkapital demnach von 20.000 RM auf etwa 50.000 RM herauf und nähere die GmbH durch Sicherungsvorschriften an die AG an, dann wäre die Heraufsetzung des Mindestkapitals bei der AG von 50.000 RM auf 500.000 RM in der Tat wirkungslos gewesen. Andere Reformvorschläge, zum Beispiel die Einführung eines Garantiekapitals, sieht Fischer als Versuch, die GmbH der KG nahezubringen. Hiergegen wendet er jedoch ein, daß man sich dann aber überhaupt fragen müsse, aus welchem Grund die GmbH nicht abgeschafft werden und alle GmbH sich in KG umwandeln könnten.110 Schließlich geht Fischer auf die Alternative der Abschaffung der GmbH anstelle ihrer Reform ein: „Es dürfte aus der vorstehenden ausführlichen Untersuchung deutlich geworden sein, daß trotz aller gerechten Würdigung der für die Umgestaltung der GmbH gemachten Vorschläge als Ergebnis dieser Reformerwägungen immer wieder die Feststellung gemacht werden muß, daß alle Reformen, wenn sie den Mißständen im GmbH-Wesen emstlich zu Leibe gehen wollen, eine derart weitgehende Umgestaltung dieser Rechtsform und Annäherung an andere Gesellschaftsformen - KG oder AG - durchsetzen müssen, so daß kein stichhaltiger Grund mehr zu sehen ist, warum die GmbH nicht überhaupt abgeschafft werden soll."111
Die grundsätzliche Untersuchung über das Wesen und die heutige Verwendung der GmbH in Verbindung mit einer ausführlichen Stellungnahme zu dem Prinzip der Haftungsbeschränkung, seinen Voraussetzungen und seiner inneren Berechtigung, habe erwiesen, „daß der Forderung nach Wiederabschaffung der GmbH alle Berechtigung zuerkannt und sie in diesem Rahmen mit allem Nachdruck vertreten werden muß. " u l 106 107 108 109 1,0 111 112
Hier nennt er vor allem Schmidt, Die GmbH in der Steuerpolitik, 1934. Fischer, ZfB 1937, S. 177. Fischer nennt hier nur Reinhart, DJZ 1934, Sp. 1309. Fischer, ZfB 1937, S. 180. Fischer, ZfB 1937, S. 181. Fischer, ZfB 1937, S.182. Fischer, ZfB 1937, S. 183.
Α. Das Prinzip von der Einheit von Herrschaft und Haftung
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Fischer war damit neben Großmann-Doerth der zeitlich letzte Autor, der tatsächlich eine Abschaffung der GmbH ernsthaft in Betracht zog und diskutierte. 113 Er fügte seinem Aufsatz noch Ideen für die Behebung von Schwierigkeiten bei, die entstehen würden, wenn sich tatsächlich sämtliche vorhandenen GmbH umwandeln müßten. Während Großmann-Doerth als erster - neben von Frankenberg und Proschlitz die Abschaffung der GmbH aus wirtschaftspolitischen Erwägungen gefordert hatte und seine Schülerin Tieisch die dogmatische Grundlage hierzu aufgrund des Herrschafts- und Haftungsprinzips geliefert hatte, werden bei Fehling und vor allen Dingen auch bei Fischer noch einmal die Verbindungen zur Umwandlungsgesetzgebung deutlich. 114 Ohne diese Indizwirkung der Intention des Gesetzgebers, die in den frühen Jahren des Nationalsozialismus durch das Bevorzugen der AG-Reform gegenüber der GmbH-Reform und das Zurückdrängen der Kapitalgesellschaften zum Ausdruck gekommen war, wäre eine so breite Diskussion der Abschaffung der GmbH bestimmt nicht möglich gewesen. Erst mit der Einsetzung des Ausschusses für GmbH-Recht durch die Akademie für Deutsches Recht 115 und dem 1. Bericht über die Ausschußsitzungen für GmbH-Recht durch den Vorsitzenden Klausing, wurden diese Zweifel über das ungewisse Schicksal der GmbH aus dem Weg geräumt. Fischer schildert die Reaktion auf den - weiter unten ausführlich dargestellten 116 - Arbeitsbericht in seiner 1948 erschienenen Untersuchung zur GmbH wie folgt: „Es war eine gewisse Überraschung, als in der Eröffnungssitzung des GmbH.-Ausschusses [...] das Ziel der Ausschußarbeiten dahin präzisiert wurde: ,Was wir im Endziel anstreben, ist die neue volkstümliche wirtschaftsfördernde GmbH 4 ! 117 [...]. Nach Auffassung des GmbH.-Ausschusses, dessen Meinung bei der engen Zusammenarbeit mit dem RJM [...] schon einiges Gewicht beanspruchen darf, ,hat man im RJM eine Beseitigung der GmbH, nie irgendwie ernsthaft ins Auge gefaßt' 118."119
II. Reformvorschläge (1935-1938) Neben den Hauptvertretern zur Abschaffung der GmbH, Großmann-Doerth, Tieisch, Fehling und Fischer, sahen auch eine Reihe anderer Stimmen in der Literatur das Auseinanderfallen der Herrschaft über die GmbH und der Haftung für diese. 113 Zu späteren Ausführungen Großmann-Doerths mit der Forderung zur Abschaffung der GmbH vgl. insbesondere sein Referat in der 1. Ausschußsitzung, unten, Kapitel 4, Α. I. 114 Vgl. Fischer, ZfB 1937, S.81, 179. 115 Vgl. hierzu ausführlich unten, Kapitel 4, A.I. 116 Vgl. unten, Kapitel 4, A.II. 117 Fischer verweist hier auf die Pressenachrichten über die Eröffnungssitzung, z.B. in der Frankfurter Zeitung vom 9. Juni 1937. 118 Fischer verweist hier auf den 2. Ausschußbericht, siehe hierzu auch unten, Kapitel 4, A.III. 119 Fischer, Die GmbH (1948), S.68.
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116
2. Kap.: Die Haftungsbeschränkung in der NS-Wirtschaftsordnung
Wie oben bereits angedeutet wurde, versuchte diese Gruppe nach den Auffassungen Tielschs und Fischers entweder, die GmbH der AG anzugleichen, oder durch Einführung eines Garantiekapitals einen sicheren Haftungsstock zu schaffen bzw. die GmbH der KG anzunähern. Da sowohl Tieisch als auch Fischer jedoch als Beleg für die erste Gruppe nur Reinhart mit seinem Aufsatz in der DJZ von 1934 angeben120 und für die zweite Gruppe überwiegend auf Literatur aus der Zeit vor dem Nationalsozialismus verweisen 121, soll noch ein Blick auf die zahlreiche übrige Reformliteratur der Jahre 1935 bis 1938, insbesondere auf mehrere Dissertationen geworfen werden, um zu erfahren, wie die Wissenschaft das Problem der Unvereinbarkeit der Haftungsbeschränkung mit der NS-Wirtschaftsordnung zu lösen versuchte. Dabei beschränke ich mich auf die Literatur, die das Auseinanderfallen von Herrschaft und Haftung als maßgeblichen ideologischen Grund dafür sah, daß die GmbH gegen die nationalsozialistische Forderung nach persönlicher Verantwortung Verstösse.122 Hier ist zunächst die Dissertation von Alfred Schwab zu nennen, die 1935 zum Thema „Die Reform der Gesellschaft mit beschränkter Haftung " in Tübingen unter der Betreuung von Hans Erich Feine 123 erschien. Auch Schwab zeichnet zunächst die Mißstände auf, welche unter der Rechtsform der GmbH aufgetreten sind 124 und nennt die Haftungsbeschränkung als inneren Grund für die Mißbräuche mit der GmbH. 125 Er sieht die tatsächliche Entwicklung des Innenverhältnisses der GmbH, ihre Hinwendung zur Personengesellschaft und nennt als Voraussetzungen für eine Reform zunächst den Nachweis eines Bedürfnisses für die beschränkte Haftung und die Sicherung der Gläubiger und fordert auch eine generelle Einschränkung der beschränkten Haftung. 126 Er übt Kritik an der Ausgestaltung des Gesetzes, welches es den Gesellschaftern (und nicht dem Staat) überlasse, die beschränkte Haftung einzuführen und verweist auf die Arbeiten Müller-Erzbachs: „So wirft Müller-Erzbach der deutschen Gesetzgebung mit Recht vor, daß sie für das Maß der Haftung auf die Kundgebung der betreffenden Personen und nicht auf den Zusammenhang zwischen ,Herrschaft und Haftung4 abstellt."127
Schwab steht aber auf dem Standpunkt, daß die mißbräuchliche Verwendung einer Einrichtung noch nicht deren Unrichtigkeit beweise, weshalb er für eine Reform der GmbH, nicht aber für deren Abschaffung plädiert: 120
Vgl. Tieisch, S. 43. Vgl. Tieisch, a.a.O., die auf Fränkel (1915) verweist; Fischer, ZfB 1937, S.75 (S.79), nennt nur Fricke. 122 An Reformliteratur ist außerdem die Dissertation von Reinhard Schmidt (Ende 1937, Referenten Becker/Planitz) zu nennen, siehe hierzu weiter unten im Text. 123 Hans Erich Feine (1890-1965) war von 1922-1931 Professor in Rostock gewesen und seit 1931 Professor in Tübingen. 124 Schwab, S . l l . 125 Schwab, S.20. 126 Schwab, S. 13. 127 Schwab, S. 21. 121
Α. Das Prinzip von der Einheit von Herrschaft und Haftung
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„In Zukunft derartige Mißbräuche zu vermeiden, das herbeizuführen, ist Sache der Reform dieser Einrichtung, nicht darf das geschehen dadurch, daß man diese Einrichtung beseitigt, [...]." 128
Die Reform aber müsse in dem Sinne erfolgen, daß dem Prinzip von der Herrschaft und Haftung wieder Folge geleistet werde: „Die Haftung ist das notwendige Korrelat der persönlichen Betätigung, der Leitung eines Unternehmens. Nach dem Maß des Einflusses auf die Gesellschaft, den das G.m.b.H.-Gesetz den Gesellschaftern gewährt, ist das Maß der Haftung zu bestimmen, es sind Herrschaft und Haftung in möglichst enge und doch lebensechte Verbindung zu bringen' 129 ." 130
Schwab greift also ebenfalls die bereits vor der Machtergreifung durch die Nationalsozialisten vorhandene Theorie, insbesondere Ideen Müller-Erzbachs, auf und nimmt diese als dogmatische Begründung zur Rechtfertigung seiner folgenden Reformvorschläge, die er dann aber mit der Ideologie des Nationalsozialismus verknüpft: „Wenn heute stärker denn je der Ruf nach einer Reform des Rechtes, und damit auch des kleinen Ausschnittes, mit dem wir uns hier befassen, des Rechtes der G.m.b. H. ertönt, dann ist ein nicht zu unterschätzender Teil dieser Reform, eine Neuerung des Geistes, mit dem an diese rechtliche Einrichtung herangetreten wird, ein Neubau von innen her. Die nationalsozialistische Auffassung vom Verhältnis zwischen Staat und Wirtschaft, zwischen Volk und Einzelnem in ihrer gegenseitigen Gebunden- und Verbundenheit, hat auch ein neues wirtschaftliches Ethos, soweit der krasse individualistische bindungsverneinende Geist auch hier seinen Einzug gehalten hatte, mit sich gebracht."131
Anstelle des privatrechtlichen Gewinnstrebens will Schwab den Grundsatz „ Gemeinnutz (volkswirtschaftliche Belange) vor Eigennutz (eigene Interessen des Unternehmers)" verwirklicht sehen, in diesem Sinne wolle der Nationalsozialismus „ verantwortungsbewußte Menschen " heranziehen. Schließlich warte noch ein anderer Grundsatz auf seine Durchführung auf dem Gebiete der Wirtschaft, der Grundsatz von der „ Verantwortung anstelle der Anonymität". 132 Etwas konkreter führt Schwab aus, wie sich die Umsetzung des Verantwortungsprinzips auf das Recht der GmbH auswirken könne: „Hier verlangt der Grundsatz der Verantwortung, daß Entscheidungen getroffen werden, nicht von anonymen Mehrheiten, sondern von verantwortungsbewußten Persönlichkeiten, die sich offen und voll für ihre Entscheidungen einsetzen, das bedeutet also einmal Offenlegung der wirklich treibenden Kräfte, und zum anderen auch Haftung und zwar grundsätzlich unbeschränkte Haftung. " 133 128
Schwab, S.22. Schwab verweist hier auf: „Müller-Erzbach: Richtigstellung. LZ, Band 27 (1933), S. 145ff. " 130 Schwab, a. a.O. 131 Schwab, S.24. 132 Schwab, S.25. 133 Schwab, S.26. 129
Herrschaft
und Haftung. Zugleich eine
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2. Kap.: Die Haftungsbeschränkung in der NS-Wirtschaftsordnung
An Reformvorschlägen diskutiert Schwab folgende Punkte: Zur Sicherung des Stammkapitals empfiehlt er ein Verbot ideeller Sacheinlagen wegen deren schlechter und meist sehr subjektiven Bewertungsmöglichkeiten; 134 für die Bewertung von realen Sacheinlagen schlägt er die Übernahme der aktienrechtlichen Regelungen der §§ 191 bis 202 HGB vor. 135 Des weiteren will er die Ausnahmefälle der persönlichen Haftung der Gesellschafter 136 in Form der Deckungspflicht für rückständige Einlagen (§ 24 GmbHG) ausdehnen auf eine Haftung für die richtige Bewertung von Sacheinlagen137, für die Nachgründung (entspechend § 207 HGB für die AG) 1 3 8 und für die 25 prozentige Einzahlung der Stammeinlage139. In dieser Haftungserweiterung kann durchaus ein erster Schritt zur Verwirklichung der Wiederherstellung des Herrschafts- und Haftungsprinzips gesehen werden. Eine Bilanzveröffentlichung wie bei der AG hält Schwab nicht unbedingt für erforderlich 140, empfiehlt aber die Einführung eines Anteilsbuches, in welches jeder Wechsel von Geschäftsanteilen eingetragen werde. 141 Des weiteren spricht er sich für die Einführung einer jährlichen Pflichtrevision aus.142 Die von Schwab gemachten Vorschläge lehnen sich also fast ausschließlich an das Recht der AG an, auffällig ist dabei aber auch, daß Schwab seine Argumente für diese Vorschläge allesamt aus der Literatur der Zeit vor der Machtergreifung des Nationalsozialismus zieht. Er untersucht hauptsächlich die Werke von Fränkel 143, Dalberg 144 , Molitor 145 und Arbeiten von Feine 146 , Hachenburg 147 und Liebmann 148 . Erst im späteren Verlauf der Arbeit kommt er zur Verknüpfung seiner Reformvorschläge mit den Prinzipien des Nationalsozialismus zurück. In einem der letzten Abschnitte untersucht er „Die Verwirklichung des Führergedankens im Aufbau der G.m.b.H." und dessen „Auswirkungen auf die allgemeine Organisation" . 1 4 9 Hier finden sich die Forderungen des Nationalsozialismus nach Verantwortung und gegen die Anonymität wieder: 134
Schwab, S.51. Schwab, S.52ff. 136 Eine solche bestand bislang unter der Durchbrechung des Prinzips der beschränkten Haftung für den Fall der §§24 und 31 GmbHG, vgl. hierzu ausführlicher unten in Kapitel 4, Β. II. 137 Schwab, S.54. 138 Schwab, S. 58. 139 Schwab, S. 60. 140 Schwab, S.65ff. 141 Schwab, S.67ff. 142 Schwab, S. 80. 143 Fränkel, Die GmbH. Eine volkswirtschaftliche Studie, 1915. 144 Dalberg, Kreditsicherung bei der GmbH, 1911. 145 Molitor, Die ausländische Regelung der GmbH und die deutsche Reform, 1927. 146 Feine, Die GmbH 1929, in Ehrenbergs Handbuch des gesamten Handelsrechts, 3. Band, III. Abteilung. 147 Hachenburg, Volkst. ZfR 1907, S.204; LZ 1907, Sp.460, LZ 1909, Sp. 15. 148 Liebmann, DJZ 1902, S.327; ZHR 73 (1913); GmbHG, 1921. 149 Schwab, S.91 ff. 135
Α. Das Prinzip von der Einheit von Herrschaft und Haftung
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„Führergedanke, das bedeutet für unser Gebiet die Forderung der Leitung eines Unternehmens durch eine verantwortungsbewußte Persönlichkeit, das steht im Gegensatz zu einer Leitung durch anonymes Kapital, zur Anonymität, das enthält die grundsätzlichen Forderungen der Verantwortung und hieraus sich ergebend der Haftung." 150
Inwieweit Schwab das Führerprinzip im Rahmen der GmbH verwirklicht sehen möchte, sei hier nur kurz dargestellt. Eine genauere Auseinandersetzung mit dem Führerprinzip, als der ideellen Folge aus der Forderung nach mehr Verantwortung, erfolgt im weiteren Verlauf meiner Arbeit in diesem Kapitel. 151 Schwab ging es vor allem um die Stärkung des Geschäftsführers, der in der Lage sein sollte, verantwortungsvoll Beschlüsse selbständig treffen zu können, ohne von einem Mehrheitsbeschuß der Gesellschafter abhängig zu sein: „Eine andere Frage ist es, ob nicht das Führerprinzip für die unmittelbare Geschäftsführung der G.m.b.H. noch besonders verwirklicht werden kann und soll, derart, daß die Geschäftsführer in allen nicht über den laufenden Betrieb hinausgehenden Geschäften selbständig die Entscheidung zu treffen haben, um so der in dem Führergedanken liegenden Absicht Ausdruck zu geben, daß die Entscheidungen erfolgen sollen durch verantwortliche Personen und nicht durch Mehrheitsbeschlüsse."152
In der Arbeit Schwabs tritt somit das Führerprinzip als einzige speziell aus der nationalsozialistischen Ideologie hervorgegangene Forderung neben andere bereits aus der früheren Zeit bekannte und diskutierte Reformvorschläge. Die Verknüpfung von persönlicher Verantwortung als nationalsozialistische Forderung einerseits, dem Führerprinzip als Folge hieraus und dem Grundsatz von der Einheit von Herrschaft und Haftung andererseits findet sich auch in einer anderen Dissertation aus dem Jahre 1935. Die Kölner Arbeit von Friedrich Schönle zum Thema „Das Problem der Grundtypenvermischung im neuen Recht" (Referenten: Planitz/Lehmann) untersucht in erster Linie die Geeignetheit von Kapitalgesellschaften, Mitglied einer Personengesellschaft zu werden. Hierbei geht Schönle zunächst auf die „ Tendenz im nationalsozialistischen Staat, die Kapitalgesellschaften zurückzudrängen und die Personalgesellschaften zu fördern " ein 153 und untersucht dann, ob diese Tendenz Anlaß gibt, die bisherige Auffassung von der Zulässigkeit der Grundtypenvermischung (Beispiel GmbH & Co. KG) aufzugeben. 154 Als Ergebnis seiner Untersuchung sieht Schönle die Unvereinbarkeit der Grundtypenvermischung mit den Forderungen des Nationalsozialismus: „Unbeschränkte persönliche Haftung, Selbstverantwortung, fordert das nationalsozialistische Recht ganz allgemein. Sie in Kapitalgesellschaften einzubauen, wird kaum gelingen, 150 151 152 153 154
Schwab, a.a.O. Vgl. unten, B. Schwab, S.93. Schönle, S.31ff. Schönle, S.34ff.
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2. Kap.: Die Haftungsbeschränkung in der NS-Wirtschaftsordnung
da das Wesen der Kapitalgesellschaften durch die Trennung von Unternehmerbesitz und Untemehmerleitung gerade die beschränkte Haftung ist. [...]. Aus dem Gesichtspunkt der unbeschränkten Haftungsmöglichkeit der Kapitalgesellschaft kann nach gesunder, volksnaher Rechtsauffassung heraus die Zulassung der Kapitalgesellschaft als unbeschränkt haftender Gesellschafter einer Personalgesellschaft nicht mehr bejaht werden."155
Bevor Schönle auf die Kapitalgesellschaft als Mitglied der Personalgesellschaft eingeht, nimmt er auch zum Prinzip von Herrschaft und Haftung Stellung und verknüpft es mit der nationalsozialistischen Forderung nach Verantwortung: „Unmittelbar mit der Einführung des Führerprinzips hängt auch die Forderung nach unbeschränkter persönlicher Verantwortung zusammen. Wer die Führung in einem Unternehmen inne hat, muß auch die Verantwortung tragen und umgekehrt. Herrschaft und Haftung müssen miteinander verknüpft sein.156 Wirfinden dies im geltenden Recht in den Personalgesellschaften, nicht aber in den Kapitalgesellschaften verwirklicht." 157
Hier kommt noch einmal zum Ausdruck, daß die Rechtfertigung des nationalsozialistischen Verantwortungsprinzips in der Theorie von der notwendigen Einheit von Herrschaft und Haftung gesucht wurde. Als ideelle Ausprägung dieses so begründeten Verantwortungsprinzip wird das Führerprinzip gesehen: „Da im Führerprinzip der Wert der Persönlichkeit betont wird, also das Ideelle im Vordergrund steht, darf die Verantwortung als Korrelat der Führung auch nicht im Materiellen ihre Grenzefinden. Die Verantwortung muß umfassender sein als bloßes unbeschränkt persönliches Einstehen-Müssen für verschuldete Verluste; es muß darunter auch die Verantwortung gegenüber dem Stand und Volksganzen verstanden werden."158
Reformvorschläge zur Überwindung der Trennung von Herrschaft und Haftung bei der GmbH macht Schönle allerdings nicht, er begnügt sich mit der Feststellung, daß die Kapitalgesellschaften aufgrund ihrer Haftungsbeschränkung nach nationalsozialistischen Grundsätzen nicht mehr die Rolle des persönlich unbeschränkt haftenden Gesellschafters einer Personengesellschaft annehmen können. Eine ideologische Verknüpfung des Herrschafts- und Haftungsprinzips mit Reformvorschlägen im nationalsozialistischen Sinn findet sich in der Frankfurter Dissertation von Kurt Gall von Anfang 1938 zu dem Thema „Zur Reform des Gesetzes betr. die Gesellschaften mit beschränkter HaftungNachdem Gall die rechtstatsächlichen Strukturen der GmbH untersucht und aufgezeigt hat 159 , mit dem Ergebnis, die GmbH sei „Einzelunternehmen oder O.H.G. im rechtlichen Gewand der G.m.b.H. " 1 6 0 , geht er auf das Herrschafts- und Haftungsprinzip ein. Wie zuvor auch 155
Schönle, S.60. Hier verweist Schönle auf Hermann Rüdys Dissertation über den „Rechtsmißbrauch 1934, S. 124. 157 Schönle, S.32. 158 Schönle, a.a.O. 159 Gall, S. 1-29. 160 Gall, S. 20. 156
Α. Das Prinzip von der Einheit von Herrschaft und Haftung
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schon Fischer 1 6 1 , zeigt er zunächst drei verschiedene Gruppen von Haftungsregelungen i m Gesellschaftsrecht auf; als erste Gruppe die Form der unbeschränkten Haftung (Einzelunternehmen, oHG), als zweite Gruppe die Rechtsformen der zum Teil unbeschränkten Haftung ( K G und K G auf Aktien) und schließlich als dritte Gruppe die Formen, bei denen die Beteiligten nur mit ihrer Einlage haften (GmbH und A G ) . 1 6 2 Zum Grund dieser Unterscheidung führt er aus: „Die Begründung für diese verschiedenen Arten der Haftung ergibt sich zum Teil aus der Stellung der Beteiligten zu der Unternehmung. Wer sich nur mit einer Kapitaleinlage an einer Gesellschaft beteiligen will, ohne grundsätzlich persönlich die Leitung übernehmen zu können, wird nur diese Kapitaleinlage leisten wollen, ohne damit gleichzeitig ein weiteres Risiko zu übernehmen. Wer dagegen die Leitung einer Gesellschaft übernimmt oder maßgebenden Einfluß auf die Leitung ausüben kann, ist viel eher bereit, neben der geldlichen Leistung auch persönliche Verantwortung, d.h. volle Haftung zu übernehmen."163 Diese Verschiedenheit der Interessenkreise gebe auch Aufschluß darüber, wann die beschränkte Haftung gerechtfertigt sei: „Aus dieser Verschiedenartigkeit ergibt sich ohne weiteres, daß die Art und Weise der Verteilung von ,Unternehmensbesitz und Unternehmensleitung'164, von »Leistung und Kapitalbesitz' 1 6 5 , von »Kapitalistenfunktion und Unternehmerfunktion' 166, von Kapital und Arbeit, eine Grundlage bildet für die Berechtigung der beschränkten Haftung." 167 I m Gegensatz zu den Gegnern der G m b H w i l l Gall aber in dem Herrschafts- und Haftungsprinzip nicht die alleinige Rechtfertigung für die beschränkte Haftung sehen. Vielmehr sieht er auch wirtschaftliche Gründe, welche die Haftungsbeschränkung befürworten oder ablehnen könnten. Schließlich habe der Gesetzgeber die G m b H auch wegen der Möglichkeit der Kapitalvereinigung und der Erleichterung der Gesellschaftsbildung geschaffen, weshalb man die beschränkte Haftung in Kauf genommen habe. 1 6 8 Aus diesem Grunde kommt Gall nicht zur Forderung der Abschaffung der G m b H aufgrund der in ihr vorhandenen Trennung von Herrschaft und Haftung, sondern fordert Reformen: „Die beschränkte Haftung ist nun trotzdem nicht ohne weiteres für alle G.m.b.H. abzulehnen, bei denen die Trennung von Kapital und Arbeit nicht durchgeführt ist, wenn die Gewißheit besteht, daß durch besondere Maßnahmen des Gesetzgebers keine Gefährdung der 161 162 163 164
S.70.
Fischer, ZfB 1937, S. 172f.; vgl., oben, A.I. Gall, S. 32. Gall, S. 32f. Hier verweist Gall auf Liefmann, Robert: Die Unternehmungsformen, Stuttgart 1928,
165 Hier verweist Gall auf Dreher, Friedrich, Die Gesellschaft mit beschränkter Haftung, ihr wirkliches Wesen und ihre wirtschaftliche Gestalt, in: Betriebswirtschaftliche Abhandlungen, Bd. 18, 1931. 166 Hier verweist Gall auf die Dissertation von Alfred Schwab, sowie auf an Haack, Der Dt. Volkswirt, 1933/1934, S.907. 167 Gall, S. 33. 168 Gall, S. 36.
122
2. Kap.: Die Haftungsbeschränkung in der NS-Wirtschaftsordnung
Sicherheit des Wirtschaftslebens infolge der Auswirkungen der beschränkten Haftung erfolgt." 169
Zur Sicherheit des Wirtschaftslebens habe der Gesetzgeber aber bei der Einführung der GmbH tatsächlich keine Maßnahmen getroffen. Gall weist hier auf die fehlenden Vorschriften zur Nachprüfung und Bewertung von Sacheinlagen hin und auf die fehlende Haftung bei Umgehung des Auszahlungsverbots des § 30 Abs. 1 GmbHG: 170 „Aus diesen Gründen eine Abschaffung der G.m.b.H. zu verlangen, ist jedoch verfehlt. Vielmehr wird es Aufgabe der Reform sein, die beschränkte Haftung der G.m.b.H. so zu gestalten, daß eine Beeinträchtigung der allgemeinen Wirtschaftssicherheit vermieden wird." 171 Als solche Reformmöglichkeiten nennt Gall die nationalsozialistischen Forderungen nach dem Führerprinzip 172, der Bekämpfung der Anonymität 173 , und der Übernahme von Verantwortung 174. Hierzu führte Gall aus: „Daher ist zu fordern, daß die Verantwortungspflicht in geeigneter Weise so erweitert wird, daß im Falle verantwortungsloser Führung die Führer einer Gesellschaft, sowie diejenigen, die die Leitung in verantwortungsloser Weise beeinflußten, haftbar gemacht werden können."175
Auf diese Art und Weise hätte Gall aber nicht nur die Forderung nach Verantwortung erfüllt, sondern durch Einführung der Haftung auch gleichzeitig die Einheit von Herrschaft und Haftung wiederhergestellt: „Die Verantwortung, die dem Führer einer G.m.b.H. obliegt, muß nach bestimmten Haftungsgrundsätzen praktisch durchgeführt werden können." 116 Dabei sei darauf zu achten, daß neue Bestimmungen über die zivil- und strafrechtliche Haftung nicht zu weit gefaßt würden und einfach anwendbar wären. Gall diskutiert hier eine sogenannte „Erfolgshaftung" des Geschäftsführers, wonach eine Einstandspflicht für Geschäftsverluste durch den Geschäftsführer ohne jegliches Verschulden gegeben wäre. 177 Dies lehnt Gall aber als zu weit gehend ab; er hält die Einführung einer Beweislastumkehr für den schon bestehenden Anspruch der Gesellschaft gegen ihren Geschäftsführer (§43 GmbHG 178 ) für ausreichend für den Fall, daß der Geschäftsführer vorsätzlich oder fahrlässig die 169
Gall, a.a.O. Gall, S. 37 f. 171 Gall, S. 38. 172 Gall, S. 54ff. 173 Gall, S. 56f. 174 Gall, S. 57 ff. 175 Gall, S. 62. 176 Gall, S. 63. 177 Gall, S. 64. 178 §43 GmbHG: „(1) Die Geschäftsführer haben in den Angelegenheiten der Gesellschaft die Sorgfalt eines ordentlichen Geschäftsmannes anzuwenden. (2) Geschäftsführer, welche ihre Obliegenheiten verletzen, haften der Gesellschaft solidarisch für den entstandenen Schaden. [...]. " 170
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Gesellschaft schädigt. Diesen Anspruch gegen den Geschäftsführer will Gall unter den gleichen Voraussetzungen auch den Gläubigern der Gesellschaft direkt zubilligen. 1 8 0 Bestimmungen in dieser Form „ bieten einen ausreichenden Schutz gegen eine verantwortungslose Führung der Unternehmung." 181 Des weiteren möchte Gall die strafrechtliche Haftung des Geschäftsführers aus § 81 a GmbHG 182 ausdehnen auf fahrlässige Handlungsweisen. Durch diese Haftungsbestimmungen sah Gall das Prinzip von der Herrschaft und Haftung verwirklicht, da es verschiedene Haftungsformen abhängig vom Einfluß auf die Geschäftsführung aufstellte: „Haftung und Verantwortung hat derjenige zu tragen, der die Gesellschaft führt, oder wer auf die Geschäftsführung maßgebenden Einfluß besitzt. Wer Geldmittel zur Verfügung stellt, führt noch lange nicht die Unternehmung, sondern er gibt zunächst nur Mittel zu ihrer Führung. Aus dieser Bereitstellung geldlicher Mittel kann aber nicht die Übernahme einer unbeschränkten Haftung abgeleitet werden."183
Zur Sicherheit des Wirtschaftslebens diskutierte Gall weiterhin noch folgende Punkte: Die Einführung eines Konzessionszwangs lehnte er ab; Mißbräuchen sei besser entgegenzutreten durch eine Prüfung des Gründungshergangs, Erhöhung des Stammkapitals und eine erhöhte Publizitätsverpflichtung. 184 Bei der Diskussion dieser genannten Punkte ist wiederum auffällig, daß Gall, nicht ganz so ausschließlich wie Schwab, aber doch ähnlich, auf die Reformliteratur aus der Zeit vor dem Nationalsozialismus zurückgreift. Neben Feine, Dalberg, Molitor und Fränkel geht er aber auch auf die Vorschläge Crisollis und Großmann-Doerths ein, sowie auf die Arbeit Fehlings.185 Im einzelnen schlägt er eine Erhöhung des Stammkapitals auf 50.000,-RM vor 186 , eine Deckungspflicht der Gesellschafter über § 24 GmbHG hinaus auch für 179
Gall, S. 66. Gall, S. 67. 181 Gall, a.a.O. 182 § 81 a GmbHG war erst durch Gesetz vom 29.5.1933 (RGBl. 1933 I, S. 298) eingeführt worden: „(1) Wer als Geschäftsführer, Liquidator oder Mitglied eines Aufsichtsrates oder eines ähnlichen Organs einer Gesellschaft mit beschränkter Haftung vorsätzlich zum Nachteil der Gesellschaft handelt, wird mit Gefängnis und mit Geldstrafe bestraft. Daneben kann auf Verlust der bürgerlichen Ehrenrechte erkannt werden. (2) In besonders schweren Fällen tritt an die Stelle der Gefängnisstrafe Zuchthaus von bis zu zehn Jahren. Ein besonders schwerer Fall liegt insbesondere dann vor; wenn die Tat das Wohl des Volkes geschädigt oder einen anderen besonders großen Schaden zur Folge gehabt oder der Täter besonders arglistig gehandelt hat. " 183 Gall, S. 70. 184 Gall, S. 78. 185 Vgl. Gall, S. 78-95. 186 Gall, S. 79. 180
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2. Kap.: Die Haftungsbeschränkung in der NS-Wirtschaftsordnung
rückständige Sacheinlagen187, ein Verbot der immateriellen Sacheinlagen188, die Gründungsrevision 189 und Bilanzveröffentlichung. 190 Ähnlich wie in der Arbeit von Schwab ist dieser Teil der Diskussion eng an das Aktienrecht angelehnt und relativ frei von nationalsozialistischen Forderungen, sieht man von dem alles beherrschenden Gedanken der Verbesserung der Wirtschaftssicherheit durch mehr Verantwortung ab. Während folglich die Literatur, die eine Abschaffung der GmbH forderte, sich vorwiegend auf Argumente stützte, die in Verbindung zu nationalsozialistischen Forderungen standen und diese mit dem bereits von früher her bekannten Prinzip von der Einheit der Herrschaft und Haftung dogmatisch zu unterstützen versuchte, ist bei der Reformliteratur zu differenzieren. Reformvorschläge, die in Anlehnung an das Recht der Aktiengesellschaften gemacht wurden, konnten auf eine lange Tradition zurückblicken und wurden somit sachlich neutral vorgetragen, in Anlehnung an die Literatur aus der Weimarer Zeit oder früher. Als Beispiel hierfür dienen die überwiegenden Ausführungen in den Dissertationen von Schwab und Gall. Auch die Dissertation von Reinhart Schmidt von Ende 1937 (Referenten Becker/Planitz) „Die Reform der Gesellschaft m.b.H." ist hierunter einzuordnen. Bei Schmidt finden sich im wesentlichen sachliche Vorschläge in Anlehnung an das Aktienrecht, er behandelt die Sacheinlagenproblematik 191, die Gründerhaftung 192, unzulässige Rückzahlungen193, die Behandlung von Darlehen im Konkurs 194 , usf. Ideologische Bezüge sind hier nicht spürbar, der Autor greift vorwiegend auf Literatur aus der Zeit vor dem Nationalsozialismus zurück. 195 Auf der anderen Seite gab es aber innerhalb dieser Literaturstimmen Reformvorschläge, welche Folge der neuen Rechtsanschauung waren, insbesondere Folge des Rufs nach Verantwortung und Führung. Als Beispiel hierfür dient, neben den diesbezüglichen Vorschlägen Schwabs und Galls, die Dissertation von Hans Willy Bernartz (Referenten Lehmann/Nipperdey) aus dem Jahre 1938 „Möglichkeiten einer Reform der G.M.B.H. 1 9 6 Er untersucht die typisch ideologischen Schlagworte 187
Gall, S. 81. Gall, S. 83. 189 Gall, S. 84. 190 Gall, S. 88. 191 Schmidt, S. 16 ff. 192 Schmidt, S. 22. 193 Schmidt, S. 27. 194 Schmidt, S. 37. 195 Zu nennen sind insbesondere Dalberg, Kreditsicherung bei der GmbH, Berlin 1911; Fränkel, Die GmbH. Eine volkswirtschaftliche Studie, 1915; Hachenburg, LZ 1909, Sp. 15, LZ 1914, Sp. 119, DJZ 1926, Sp. 16, DJZ 1933, Sp. 1545 und Molitor, Die ausländische Regelung der GmbH, und die deutsche Reform, 1927. 196 Vgl. zum Herrschafts- und Haftungsprinzip Bernartz, S. 8 mit Hinweis auf Müller-Erzbach. 188
Β. Verantwortungs- und Führerprinzip
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des Nationalsozialismus zur GmbH, wie Anonymität 197 , Führerprinzip 198, Treupflicht 199 und die Begrenzung des Anwendungsbereichs 200 der GmbH und zieht dabei vorwiegend nationalsozialistische Literatur zu Rate, wie die Abhandlungen von Crisolli 201 , Klausing 202 , Großmann-Doerth 203, und Kißkalt 204 . Neben der bereits anfangs erwähnten Unterteilung in „ Gegner " und „Reformer " der GmbH, ist also innerhalb der Reformliteratur weiterhin zu differenzieren. Einerseits wurden Reformvorschläge sachlich neutral vorgetragen, welche sich an das Aktienrecht sowie an die Literatur aus der Zeit vor dem Nationalsozialismus anlehnten. Andererseits finden sich ideologisch geleitete Reformbemühungen, welche die GmbH im Zuge der „Rechtserneuerung " an die NS-Grundsätze anpassen wollten. Bei den Untersuchungen der Beratungen des Ausschusses für GmbH-Recht der Akademie für Deutsches Recht 205 und des Referenten-Entwurfs von 1939 206 wird demnach auch darauf zu achten sein, welche Reformvorschläge sich letztlich durchsetzten, die sachlich neutraleren, oder die mit der Ideologie stärker verbundenen. Zu beachten ist aber, daß auch gerade die mit der Ideologie verknüpften Reformvorschläge an die Dogmatik von der Einheit von Herrschaft und Haftung zur Begründung ihrer Forderungen anknüpften, die dogmatische Rechtfertigung also nur zum Teil aus der Ideologie des Nationalsozialismus selbst gezogen wurde und vielmehr darauf beruhte, daß man sich bereits bekannte Ideen zu Nutze machte. Im folgenden soll zunächst noch ein Blick auf die anderen spezifisch nationalsozialistischen Reformvorschläge, insbesondere das aus dem Verantwortungsprinzip erwachsene Führerprinzip geworfen werden.
B. Verantwortungs- und Führerprinzip Das Führerprinzip wurde schon von Rüthers als das Grunddogma der NS-Weltanschauung neben der Rassenlehre bezeichnet.207 Der aktuelle Inhalt der nationalsozialistischen Weltanschauung bestimmte sich nach dem Führerwillen, dessen Absolutheitsanspruch Kern der Weltanschauung war und in politischer Hinsicht auf die 197
Bernartz, S. 13 ff. Bernartz, S.26ff. 199 Bernartz, S.48ff. 200 Bernartz, S.52. 201 Das Recht der GmbH, in: Hans Frank, NS-Handbuch für Recht und Gesetzgebung, 1935, S. 1155 ff. 202 GmbHG, 3. Aufl. 1936; 1. Arbeitsbericht des Ausschusses für GmbH-Recht, 1938. 203 HansRGZ 1937, Sp.282. 204 Das Recht der Aktiengesellschaft, in: Hans Frank, NS-Handbuch für Recht und Gesetzgebung, S. 1136 ff. 205 Siehe unten, Kapitel 4. 206 Siehe unten, Kapitel 5. 207 Rüthers, Unbegrenzte Auslegung, S. 103 f. 198
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2. Kap.: Die Haftungsbeschränkung in der NS-Wirtschaftsordnung
Beseitigung aller den Führerwillen hemmenden Institutionen und Gruppen gerichtet war. Zunächst als politisch diktatorisches Konzept gedacht, bezeichnete es die Willenlosigkeit eines Volkes, welches sich der Führerautorität unterzuordnen hatte. Anderbrügge bezeichnet Hitlers „ Volksführung " als die Idee von der Aufhebung aller politischen Gegensätze in einem „völkischen Reich". 20* Die Unterordnung unter den Führerwillen war gewissermaßen Kehrseite und zwangsläufige Folge aus der Verantwortung, welche der Führer hatte. So schrieb Hitler in „Mein Kampf": „Wer Führer sein will, trägt bei höchster unumschränkter Autorität auch die letzte und schwerste Verantwortung. Wer dazu nicht fähig oder für das Ertragen der Folgen seines Tuns zu feige ist, taugt nicht zum Führer. Nur der Held ist dazu berufen." 209
Da also nur eine besonders verantwortungsvolle Person „Führerqualität" besaß, konnte umgekehrt auf Mehrheitsentscheidungen verzichtet werden, da diese nur hinderlich der energischen Durchsetzung des Führerwillens entgegenstanden: „Die junge Bewegung ist ihrem Wesen und ihrer inneren Organisation nach antiparlamentarisch, d. h. sie lehnt im allgemeinen wie in ihrem eigenen Aufbau ein Prinzip der Majoritätsbestimmung ab, in dem der Führer nur zum Vollstrecker des Willens und der Meinung anderer degradiert wird." 210
Die Abneigung gegenüber demokratischer Willensbildung kommt auch in einem anderen Abschnitt in Hitlers „Mein Kampf" vor, in welchem er über den „Werdegang des Judentums" schreibt: „Sein Endziel in diesem Stadium aber ist der Sieg der Demokratie oder, wie er [der Jude, Anm. d. Verf.] es versteht: die Herrschaft des Parlamentarismus. Sie entpricht am meisten seinen Bedürfnissen; schaltet sie doch die Persönlichkeit aus - und setzt an ihre Stelle die Majorität der Dummheit, Unfähigkeit und nicht zum letzten aber der Feigheit."211
Hier wird deutlich, daß der Führergedanke nicht nur neben dem Rassegedanken als Staatsprinzip stand, sondern auch gerade als Abgrenzungsmerkmal zum Judentum diesem entgegengestellt wurde. Der Führergedanke war also mehr; er sollte nicht nur das politische System erklären, sondern würde gleichsam den gesamten Staatsaufbau Deutschlands bestimmen: „Die Bewegung vertritt im kleinsten wie im größten den Grundsatz der unbedingten Führerautorität, gepaart mit höchster Verantwortung." 212 „Es ist eine der obersten Aufgaben der Bewegung, dieses Prinzip zum bestimmenden nicht nur innerhalb ihrer eigenen Reihen, sondern auch für den gesamten Staat zu machen."213 208 209 210 211 212 213
Anderbrügge, S.63, mit Verweis auf Huber, Verfassungsrecht, S. 167. Hitler, Mein Kampf, S. 379. Hitler, S. 378. Hitler, S. 347. Hitler, S. 378. Hitler, S. 379.
. Verantwortungs- und Führerprinzip
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Der so verstandene und auf Hitler zugeschnittene Glaube an die Kraft und Unfehlbarkeit des Führers nahm im Nationalsozialismus fast religiöse Züge an und sollte später auch angesichts der Niederlagen und Opfer des Krieges weitgehend anhalten. 214 Die Verwirklichung der staatsrechtlich-politischen Seite215 des Führerprinzips erfolgte nach dem Tode Hindenburgs durch die Vereinigung der Funktionen des Reichspräsidenten und des Reichskanzlers in der Person Hitlers, der Abschaffung der Parteien und Einführung des Einparteiensystems, sowie durch die Zentralisierung unter Auflösung der Länder. 216 Durch das Ermächtigungsgesetz217 war die parlamentarisch gesetzgebende Funktion des Reichstags faktisch außer Kraft gesetzt, so daß Legislative und Exekutive in der Reichsregierung vereint waren. 218 Eine Kontrolle der von der Reichsregierung erlassenen Gesetze war mit dem Führerprinzip nicht zu vereinbaren: „[...] niemand anders als der Führer kann die letzte Entscheidung darüber fällen, ob eine bestimmte Regelung gelten soll."219 „Ihm gegenüber bedarf es keiner Garantie für die Wahrung der Gerechtigkeit, da er kraft seines Führertums der ,Hüter der Verfassung', d.h. der ungeschriebenen Rechtsidee seines Volkes ist." 220
Das Führerprinzip dehnte sich sehr schnell auch auf das Wirtschaftsrecht aus. Gerade aber die Kapitalgesellschaften mit ihren teils demokratisch ausgestalteten Abläufen und Mehrheitsentscheidungen zur Willensbildung221 mußten sich einem Wandel im Sinne der Autoritätsanerkennung unterziehen. Gottfried Feder, Staatssekretär im Reichswirtschaftsministerium, führte als Aufruf einleitend zum Märzheft der Zeitschrift „Die nationale Wirtschaft" 1934 aus: „Führung Das entscheidende Moment bei der Neuordnung der politischen Dinge in Deutschland war, daß sich der Führergedanke durchgesetzt hat gegen das parlamentarische Geschwätz, daß 214
Vgl. Auerbach, in: Broszat/Möller, S. 127 (150). Vgl. Hirsch/Majer/Meinck zum Führerprinzip als allgemeines Rechts- und Verfassungsprinzip S. 141 ff., in der staatlichen Organisation S. 153 ff., als gesellschaftliches Leitprinzip S. 190 ff. 216 Hattenhauer, S. 252, Rn. 612; vgl. zur Durchsetzung in der Justiz Majer, Grundlagen, S. lOOff. 217 Vgl. hierzu Hirsch/Majer/Meinck, S.92ff. 218 Vgl. auch Majer, Grundlagen, S.96. Hans Frank bezeichnete den Führer auch zusätzlich als den „obersten Gerichtsherrn der Nation", NS-Handbuch, S.XVI. 219 Larenz, Deutsche Rechtserneuerung und Rechtsphilosophie, Recht und Staat, Heft 109 (1934), S.34. 220 Larenz, S.35. 221 Der demokratische Aufbau wurde auch als Ursache für die mit der GmbH betriebenen Mißbräuche gesehen. Vgl. Dix, Der Dt. Volkswirt 1933/1934, S.242: „Der liberale und formal-demokratische Außau dieses Teils des Handelsrechts - im wesentichen Aktien- und G. m. b.H.-Recht - gab in seinen Auswirkungen Anlaß zu den Mißbräuchen jedes so organisierten Lebensbereiches". 215
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2. Kap.: Die Haftungsbeschränkung in der NS-Wirtschaftsordnung
eine autoritäre Regierung nunmehr auf lange Sicht nach weitschauenden Plänen ihre großen Ziele zu verwirklichen vermag. Entscheidend muß auch für die Wirtschaft werden, was sich im Politischen so vorzüglich bewährt hat. Das Führungsprinzip muß sich immer mehr, auch im Bereich der Wirtschaft durchsetzen. Das Reich muß die Wirtschaft in ihrer Gesamtheit nach höheren Gesichtspunkten führen." 222
I. Führerprinzip als Teil der NS-Wirtschaftsordnung Die nationalsozialistische Wirtschaftsordnung wurde durch nur wenige Leitprinzipien bestimmt, an denen sich im Laufe der Herrschaft die jeweiligen Wirtschaftsund Rechtsgebiete beim schrittweisen Umbau der Wirtschaft orientierten. 223 Als oberster, den gesamten nationalsozialistischen Staat durchziehender Grundsatz ist das Prinzip „Gemeinnutz vor Eigennutz" zu nennen.224 Hierin lag der sozialistische Inhalt des Wirtschaftsaufbaus, durch welchen der Einzelne an die Gemeinschaft gebunden wurde. 225 Die Freiheit der Pesönlichkeit ordnete sich „freiwillig aus Einsicht in die höhere Notwendigkeit der Gemeinschaft" ein und unter. 226 „Gemeinnutz vor Eigennutz" bedeutete „Zurückstellung des Profitdenkens des einzelnen zugunsten der Gemeinschaft, Einordnung des gesunden Gewinnstrebens in den Kampf um den Wiederaufbau des Ganzen. Oberstes Ziel der Wirtschaft ist dabei die Bedarfsdeckung der Volksgemeinschaft. " 227 Daneben bestand das „Führerprinzip welches in einem allgemeinen Sinne zunächst als Führungsanspruch des Staates gegenüber der Wirtschaft verstanden wurde. 228 Dieser „Vorrang der Politik vor der Wirtschaft" 229 machte diese zu einer zweckgebundenen, das heißt die Wirtschaft mußte der Volksgemeinschaft dienen, worin auch eine Aufhebung der Unterteilung von privater und öffentlicher Sphäre zu sehen war. 230 Anders als in der Planwirtschaft sollte der Staat aber nicht selbst wirtschaften, sondern lediglich die Wirtschaft führen, was als „Gemeinwirtschaft" bezeichnet wurde. 231 Die Aufgabe der Staatsführung erstreckte sich auf die „Herausbildung der großen Richtliniennach welchen die Wirtschaft gestaltet und wirksam werden solle; im einzelnen sollte die Wirtschaft aber sich selbst überlassen 222
Feder, Die nat. Wirtschaft, 2. Jahrgang 1934, Nr. 3. Vgl. allgemein zum Führerprinzip in der Wirtschaftsverfassung Hirsch/Majer/Meinck, S.210ff. 224 Vgl. hierzu auch mit weiteren Nachweisen unten, Kapitel 3, Α.; an wirtschaftspolitischer Literatur siehe: Feder, Die nat. Wirtschaft 1934, S. 117 (S. 120); Die nat. Wirtschaft 1936, S.38; Klug, Die nat. Wirtschaft 1934, S. 85 (86). 225 Die nat. Wirtschaft 1936, S.38. 226 Brinkmann, Staat und Wirtschaft, S. 13. 227 Danielcik, Die nat. Wirtschaft 1934, S. 127. 228 Die nat. Wirtschaft 1936, S.39. 229 Vgl. Löning, DJZ 1933, Sp.810. 230 Vgl. Die nat. Wirtschaft, a. a. O. 231 Die nat. Wirtschaft, a.a.O.; Zahn, Die nat. Wirtschaft 1934, S.57 (S.59). 223
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bleiben. Hitler selbst bezeichnete dieses Zusammenspiel von Staatsführung und Wirtschaft als „Synthese [...] zwischen der Freiheit des schöpferischen Geistes und der Verpflichtung dem Volks ganzen gegenüber. " 233 Wie sich hier bereits andeutet, bedeutete der Grundsatz „ Gemeinnutz vor Eigennutz" also nicht die Ausschaltung der Initiative des Einzelnen: „Mit all diesem soll jedoch nicht gesagt werden, daß der Eigennutz des Einzelnen bei der Neuordnung der Wirtschaft völlig ausgeschaltet werden soll. Ohne jeden Eigennutz kann eine Wirtschaft nicht gedeihen; ..." 2 3 4 Es hieß Gemeinnutz „vor" und nicht „statt" Eigennutz.235 Das Prinzip der „freien Unternehmerinitiative" war lediglich abhängig von dem Dienst des Einzelnen an der Gemeinschaft, zu deren Lasten die Initiative nicht gehen durfte. In diesem Rahmen hatte die Persönlichkeit „die denkbar größte Möglichkeit zur Entfaltung". 236 Mit diesem Grundsatz eng verbunden ist das sogenannte „Leistungsprinzip wonach der einzelne nicht nur die Möglichkeit hatte, Initiative zu ergreifen, sondern umgekehrt auch die Verpflichtung trug, mit allen ihm zur Verfügung stehenden Kräften seine Leistung in den Dienst des Volksganzen zu stellen: „Der Mensch als Träger der nationalsozialistischen Wirtschaft muß also innerhalb der Ordnung die Möglichkeit haben, Leistung zu vollbringen und seine Kräfte auszuschöpfen für sich und seine Familie, aber auch für das Ganze,..." P 1 Das Leistungsprinzip wirkte in doppelter Weise: Zum einen sollte der Schaffende auch als Empfangender an dem Ergebnis des Produktionsprozesses teilnehmen. Zum anderen sollte die beste Leistung aber auch unverkürzt und unmittelbar dem Volksganzen zugute kommen 238 , eben wiederum als Ausdruck des Grundsatzes „Gemeinnutz vor Eigennutz". Eine erste gesetzgeberische Umsetzung des Führerprinzips fand sich auf dem Gebiet des Sozial- und Arbeitsrechts durch das „Gesetz zur Ordnung der nationalen Arbeit" vom 20. Januar 1934 239 , welches die Position des Arbeitgebers verstärkte und Arbeitnehmer und Arbeitgeber auf den „gemeinen Nutzen von Volk und Staat" einschwor. 240 Das Gesetz verbürgte das Führerprinzip und die Gefolgschaftstreue in der Betriebs- und Unternehmensgemeinschaft 241, aber auch die soziale Verantwortung der Unternehmensleiter: 242 232
Die nat. Wirtschaft 1934, S.39. Hitler, Rede zum Tag der Nationalen Arbeit, 1.5.1933, zitiert nach: Die nat. Wirtschaft 1934, S.39. 234 Feder, Die nat. Wirtschaft 1934, S.344. 235 Vgl. Die nat. Wirtschaft 1936, S.39. 236 Brinkmann, a. a. O. 237 Danielcik, a. a. O. 238 Brinkmann, S. 16 f. 239 RGBl. 1 1934, S.45. 240 Vgl. hierzu Stolleis, Recht im Unrecht, S.27; siehe hierzu auch Kranig, in: Rottleuthner, S. 105 ff. mit Ausführungen zum Einfluß des konkreten Ordnungsdenkens auf das Arbeitsrecht (S. 114f.) und der Position Sieberts (S. 116ff.). 241 Klug, S.89. 242 Zahn, Die nat. Wirtschaft 1934, S.59. 233
9 Stupp
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2. Kap.: Die Haftungsbeschränkung in der NS-Wirtschaftsordnung Erster Abschnitt Führer des Betriebes und Vertrauensrat §1
Im Betriebe arbeiten die Unternehmer als Führer des Betriebes, die Angestellten und Arbeiter als Gefolgschaft gemeinsam zur Förderung der Betriebszwecke und zum gemeinen Nutzen von Volk und Staat. §2 (1) Der Führer des Betriebes entscheidet der Gefolgschaft gegenüber in allen betrieblichen Angelegenheiten, soweit sie durch dieses Gesetz geregelt werden. (2) Er hat für das Wohl der Gefolgschaft zu sorgen. Diese hat ihm die in der Betriebsgemeinschaft begründete Treue zu halten. §3 (1) Bei juristischen Personen und Personengesamtheiten sind die gesetzlichen Vertreter Führer des Betriebes. [..J. Der Betriebsleiter trug allein die Verantwortung und das Risiko, der aus ihm und „ Vertrauensmännern" gebildete „ Vertrauensrat" hatte eine lediglich beratende aber nicht mitbestimmende Funktion: §5 (1) Dem Führer des Betriebes mit in der Regel mindestens zwanzig Beschäftigten treten aus der Gefolgschaft Vertrauensmänner beratend zur Seite. Sie bilden mit ihm und unter seiner Leitung den Vertrauensrat des Betriebes. [·..]. §6 (1) Der Vertrauensrat hat die Pflicht, das gegenseitige Vertrauen innerhalb der Betriebsgemeinschaft zu vertiefen. (2) Der Vertrauensrat hat die Aufgabe, alle Maßnahmen zu beraten, die der Verbesserung der Arbeitsleistung, der Gestaltung und Durchführung der allgemeinen Arbeitsbedingungen, insbesondere der Betriebsordnung, der Durchführung und Verbesserung des Betriebsschutzes, der Stärkung der Verbundenheit aller Betriebsangehörigen untereinander und mit dem Betriebe und dem Wohle aller Glieder der Gemeinschaft dienen. [...]. Das Betriebsverfassungsrecht war somit auf den Führergrundsatz umgestellt und Mitbestimmungsgremien durch den beratenden Vertrauensrat ersetzt worden. 2 4 3 Was aber i m Mitbestimmungsrecht für das Mehrheitsprinzip galt, mußte auf das Kapitalgesellschaftsrecht übertragen werden, denn das Fassen wirtschaftspolitischer Beschlüsse durch Mehrheiten widersprach allgemein dem Führerprinzip. 2 4 4 243 244
Vgl. Hirsch/Majer/Meinck, S. 198, S.210. Danielcik, a. a. O.
B. Verantwortungs- und Führerprinzip
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Aus wirtschaftsrechtlicher Sicht argumentierte in diese Richtung bereits früh nach der Machtergreifung der Gießener Professor Auler in seinem Beitrag „Der Umbau der Kapitalgesellschaften in organische Unternehmungsformen " in der Zeitschrift „Der Wirtschaftprüfer " von 1934. Er stellte hier der liberalistischen, von Gewinnstreben geleiteten Auffassung die „ organische Wirtschaftsauffassung " gegenüber, deren gedanklicher Aufbau „ die schicksalhafte Verbundenheit und die Förderung des Gesamtwohls der Nation " bildeten. Ziel der organischen Wirtschaft sei die bestmögliche, unter den vorteilhaftesten Bedingungen erfolgende Bedarfsdeckung der Volksgenossen: „In diesem organischen Geiste soll der Unternehmer als Führer seiner Unternehmung die ihm obliegenden Aufgaben durchführen. Er soll sich in klarer Schau als Oigan der Gesamtheit fühlen; er soll als Diener der Allgemeinheit ihre Interessen verfolgen und damit seine eigenen Belange wahren."245
Ein „ integrierender Bestandteil des Führerprinzips " sei die Führerverantwortung. Die Formen der oHG und KG seien daher die im Nationalsozialismus führenden Unternehmungsformen; auf die Aktiengesellschaft und die GmbH müsse der Führergedanke und die Führerverantwortung übertragen werden, was nur durch die Vernachlässigung der jeweiligen Versammlungen zu Gunsten der Führer zu erreichen sei. 246 II. Die Verwirklichung des Führergrundsatzes im AktG 1937 Gedanken über die Umsetzung des Führerprinzips im Körperschaftsrecht allgemein finden sich erstmals in einem Beitrag von Willy Paul, einem Schüler und Assistenten von Friedrich Klausing 247 , im ersten Heft der Juristischen Wochenschrift 1934.248 Er stellt die Frage, ob der nationalsozialistische Staat in seiner Rechtsordnung überhaupt Raum habe für ein parlamentarisch-demokratisch geregeltes Körperschaftsleben. Paul untersuchte die Möglichkeiten, das Führerprinzip in den Vereinsregeln des BGB durchzusetzen.249 § 40 BGB bestimme, daß die Vorschrift des § 32, wonach die Angelegenheiten des Vereins durch Beschluß der Mitgliederversammlung geregelt würden, nachgiebiges Recht sei und somit durch die Satzung abgeändert werden könne. Bei bestehenden Vereinen könne eine Satzungsänderung nach § 33 BGB durch Dreiviertelmehrheit erfolgen, die Einführung des Führerprin-
245
Auler, Der Wirtschaftstreuhänder 1934, S.345. Auler, S. 346 f. 247 Klausing schreibt im Vorwort zu seiner Kommentierung des GmbHG, 3. Auflage, S.4: „ Für die wertvolle Hülfe bei den Nachträgen zum Schrifttum darf ich meinem Assistenten, Referendar W. Paul, herzlich danken. Frankfurt a.M., Januar 1936. Friedrich KlausingVgl. auch Klausing, a. a. O., S. 59, Fn. 1: „ Vgl. hierzu die Untersuchung meines Assistenten Referendar W. Paul, Das Führerprinzip im privaten Vereinsrecht, Jur. WochSchr. 1934, S. 8ff. ". 248 Paul, JW 1934, 8. 249 Paul, S.9. 246
9*
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2. Kap.: Die Haftungsbeschränkung in der NS-Wirtschaftsordnung
zips durch Entmachtung der Mitgliederversammlung hielt Paul also auch nach geltendem Recht bereits für möglich. 250 Autoritäre Führung bedeute „Verantwortung nach oben und Autorität nach unten ", 2 5 1 Für den Aufbau eines „ autoritären Körperschaftsrechts " folge hieraus die Notwendigkeit, den Führer einer Körperschaft einer ihm übergeordneten Instanz verantwortlich zu machen. Zur „Führerqualität" und seinem Verhältnis zu den übrigen Körperschaftsmitgliedem führte Paul aus: „Der Führer ist deshalb Führer, weil er kraft seiner Persönlichkeit das Vertrauen derer hat, die er führt. Vertrauen hat hier allerdings einen anderen Sinn als im parlamentarischen Sprachgebrauch. Dort bedeutet Vertrauen soviel wie ,Dulden', wie ,vorläufig das Mißtrauen nicht äußern'. Hier ist Vertrauen wieder in einem echten, ursprünglichen Wortsinn zu nehmen, der in einer inneren Verwandtschaft zur Treue steht. Der Führer hat die Aufgabe, die Gesamtheit, deren Führer er ist, so zu führen, wie es ihm nach seiner Überzeugung für das Gesamtwohl im Hinblick auf geschichtliche Dauer am besten erscheint. Damit der Führer diese Aufgabe durchführen kann, ist er mit einer umfassenden Rechtsmacht ausgestattet, die es ihm ermöglicht, eine von ihm für notwendig befundene Maßnahme unter Umständen auch gegen den Willen einer augenblicklichen Mehrheit durchzuführen." 252
Der Führer sei demnach, wenn auch nicht in einem parlamentarischen Sinne, dem Volk für sein Handeln verantwortlich: „Seine Macht ist nicht Selbstzweck [...], sie ist vielmehr nur Mittel zum Dienst. " 2 5 3 Wegen dieser Verantwortung dem Volke gegenüber aber sei es gerechtfertigt, „vom autoritären Staate als einem demokratischen zu reden. " 254 In staatsrechtlicher Hinsicht wird man die positive Einstellung zur Entmachtung des Volkes bis hin zur Entmachtung aller parlamentarisch-demokratisch strukturierten Gremien nur vor diesem Hintergrund des Volksdienstes und den geschichtlichen Erfahrung des Palamentarismus insbesondere in der Weimarer Zeit verstehen können. Der Führergedanke wurde auch mit Beginn der Reformarbeiten zum Aktienrecht als das rettende Prinzip gegen die auch bei den Aktiengesellschaften vorhandenen Mißbräuche und gegen die „Anonymität des Kapitals" 255 gesehen. Einer starken Führung wurde mehr Vertrauen entgegengebracht als einer eventuell unschlüssigen Mehrheit, welche gerade bei der AG einem ständigen Wechsel in ihrem Bestand unterworfen war. Die Umgestaltung der Aktiengesellschaft nach dem Führerprinzip wurde vom Ausschuß der Akademie für Deutsches Recht unterstützt 256, es finden sich auch in der Literatur keinerlei kritische Stimmen gegen die Einführung des Führergrundsatzes in das Aktienrecht. Die Verwirklichung des Führerprinzips erschien als Selbstverständlichkeit. 250
Paul, a. a.O. Paul, a. a. O.; vgl. diese Aussage bei Hitler in Bezug auf das preußische Heer als Vorbild, Mein Kampf, S. 501. 252 Paul, S. 10. 253 Paul, a.a.O. 254 Paul, a.a.O. 255 Siehe hierzu unten, unter C. 256 vgl Nachweise bei Schubert, AktR-Protokolle, S.552. 251
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Die Vorschläge zur Umsetzung des Führerprinzips in der AG lassen sich im wesentlichen darstellen anhand des Berichts über die Beratungen des Aktienrechtsausschusses von dessen Vorsitzendem Kißkalt aus dem Jahre 1934257 und dessen Abhandlung über die Aktiengesellschaft im „NS-Handbuch für Recht und Gesetzgebung" von 1935.258 Danach bedeutete das Führerprinzip für ein Unternehmen folgendes: „An der Spitze des Unternehmens steht der Führer, dessen Geist und Wille das Unternehmen beseelen. Mit dem Begriffe des Führers sind untrennbar verbunden die Gedanken der Autorität und der Verantwortung. Der Führergedanke bildet den Gegensatz zu dem demokratischen Masse- und Mehrheitsprinzip." 259
In seiner Abhandlung im „NS-Handbuch", die im wesentlichen den Ausführungen des Arbeitsberichtes entspricht, fügte Kißkalt dem genannten Zitat noch eine Passage aus Hitlers „Mein Kampf" zur Erläuterung des Führerprinzips bei: „ ,Der Staat muß in seiner Organisation' - sagt der Führer in seinem Buche ,Mein Kampf' S. 501 - ,bei der kleinsten Zelle der Gemeinde angefangen bis zur obersten Leitung des gesamten Reiches, das Persönlichkeitsprinzip verankert haben. Es gibt keine Majoritätsentscheidungen, sondern nur verantwortliche Personen, und das Wort Rat wird wieder zurückgeführt auf seine ursprüngliche Bedeutung. Jedem Manne stehen wohl Berater zur Seite, allein die Entscheidung trifft ein Mann. Der Grundsatz, der das preußische Heer seinerzeit zum wundervollsten Instrument des deutschen Volkes machte, hat in übertragenem Sinne dereinst der Grundsatz des Aufbauens unserer ganzen Staatsauffassung zu sein: Autorität jedes Führers nach unten und Verantwortlichkeit nach oben'."260
Die Frage, ob das Führerprinzip nur ein politischer Grundsatz sei, verneinte Kißkalt; die Durchführung des Führerprinzips auch in der Wirtschaft sei als Forderung der nationalsozialistischen Wirtschaftspolitik anerkannt. Zwischen dem politischen Führer und dem Wirtschaftsführer bestehe aber ein Unterschied: „Beider Aufgabe ist es, dem Staat und Volk zu dienen. Während aber der politische Führer diese Aufgabe unmittelbar erfüllen kann, kann ihr der Wirtschaftsführer nur mittelbar durch bestmögliche Führung des ihm anvertrauten Betriebs zur Förderung der Betriebszwecke und zum gemeinen Nutzen von Volk und Staat gerecht werden, ..." 261
Der politische Führer müsse Entschlußkraft und Verantwortungsbewußtsein besitzen, der Wirtschaftsführer dagegen brauche Geschäftssinn. Innerhalb der Regeln für den Vorstand befand Kißkalt das Führerprinzip bereits für ausreichend umgesetzt, da Deutschland im Gegensatz zu anderen Ländern die Rechte und Befugnisse des Vorstandes schon immer recht frei gewährt habe. 257 258 259 260 261
Kißkalt, ZAkfDR 1934, S.20 (S.26ff.). Kißkalt, NS-Handbuch, S. 1136 (S. 1143 ff.). Kißkalt, ZAkfDR 1934, S.20 (S.25). Kißkalt, NS-Handbuch, a.a.O. Kißkalt, ZAkfDR 1934, S.20 (S.27).
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2. Kap.: Die Haftungsbeschränkung in der NS-Wirtschaftsordnung
Die wesentliche Umsetzung des Führerprinzips bestand jedoch auch hier im Aktienrecht darin, die Rechte der Generalversammlung zu beschneiden. Als oberstes Organ der Gesellschaft hatte sie bislang über die Rechte zu bestimmen, die unmittelbar den in der Aktie verkörperten Geschäftsanteil betrafen, wie Satzungsänderungen (§ 274 HGB 2 6 2 ), Kapitalerhöhungen (§ 278 HGB) und die Auflösung der Gesellschaft (§ 292 HGB). 263 Darüber hinaus wählte sie den Aufsichtsrat (§ 243 HGB), genehmigte die Bilanz (§§ 264,265 HGB) und konnte die Rechte des Vorstandes beschränken oder auch in einzelne Akte der Geschäftsführung eingreifen (§§ 235 Abs. 1, 236, 238 HGB): „Diese weitgehenden Befugnisse stehen mit der Führerstellung des Vorstands nicht im Einklang. Die Generalversammlung ist zur Ausübung aller dieser Funktionen auch nicht geeignet. Dazu ist sie zu wenig homogen, in ihrer Zusammensetzung zu sehr dem Zufall ausgeliefert und sie steht den Dingen auch zu fern. Sie ist deshalb grundsätzlich ihrer Stellung als souveränes Oberstes Organ zu entkleiden und auf bestimmte Aufgaben zu beschränken."
Als solche Aufgaben nannte Kißkalt Satzungsänderungen in entscheidenden Fragen, wie der Zweckänderung, Auflösung oder Kapitalserhöhung. Auch die Bestellung und Abberufung des Aufsichtsrats müsse in ihrem Aufgabenbereich verbleiben: „Dagegen müßten ihrer Entscheidung entzogen sein alle Fragen der Geschäftsführung, insbesondere auch die Beschlußfassung über einzelne geschäftliche Transaktionen." 264 Auch die Beschlußfassung über die Jahresbilanz, die Gewinn- und Verlustrechnung und die Gewinnverteilung könnten ohne allzu große Bedenken dem Vorstand und Aufsichtsrat überlassen werden. Die Stellung und Existenz des Aufsichtsrats verteidigte Kißkalt. Im „NS-Handbuch" weist er zusätzlich darauf hin, daß ein Organ notwendig sei, welchem der Führer verantwortlich ist und welches die Möglichkeit hat, ihn jederzeit abzuberufen, wenn es das Interesse des Unternehmens verlange. Ein solches Organ könne nur der Aufsichtsrat sein. 265 Zu der beabsichtigten neuen Regelung der Generalversammlung im Sinne des Führerprinzips führte Schlegelberger 266, zu dieser Zeit noch Staatssekretär im Reichsjustizministerium, anläßlich eines Vortrages vor der Industrie- und Handelskammer in Hamburg am 15. August 1935 aus: „Die Hauptversammlung wird nach dem neuen Recht, wie es mir vorschwebt, ein abgesetzter König sein. Sie wird nur noch zu beschließen haben in den im Gesetz und in der Satzung ausdrücklich bestimmten Fällen, also im wesentlichen über die Entlastung, über Bestellung 262 Soweit nicht anders gekennzeichnet, beziehen sich die folgenden Vorschriften auf das Handelsgesetzbuch vom 10. Mai 1897 (RGB1.I 1897, S.219) unter Berücksichtigung der durch die Aktienrechtsnovelle 1931 (Verordnung vom 19.9.1930) eingeführten oder geänderten Vorschriften. 263 Kißkalt, a.a.O. 264 Kißkalt, a.a.O. 265 Kißkalt, NS-Handbuch, S. 1136 (S. 1146). 266 Vgl. zur Biographie Schlegelbergers (1876-1970) Wulff; des weiteren zum „Leben und Werk des ehemaligen Staatssekretärs im Reichsjustizministerium " Förster.
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und Abberufung des Aufsichtsrats und über Satzungsänderungen. Sie wird andererseits dem Führer, dem ihre Einberufung obliegt, jederzeit zur Verfügung zu stehen haben, wenn er es für richtighält, sie über Fragen der Geschäftsführung sich äußern zu lassen."267 Die Vorschläge fanden in § 103 A k t G 1937 ihre gesetzliche Regelung. Die Vorschrift war ohne Vorbild i m geltenden Aktienrecht 2 6 8 : Rechte der Hauptversammlung § 103 Allgemeines (1) Die Hauptversammlung beschließt in den im Gesetz und in der Satzung ausdrücklich bestimmten Fällen. (2) Über Fragen der Geschäftsführung kann die Hauptversammlung nur entscheiden, wenn der Vorstand es verlangt. Die amtliche Begründung führte hierzu aus, die Vorschriften über die Hauptversammlung trügen der veränderten Stellung der Hauptversammlung gegenüber dem Vorstand und dem Aufsichtsrat Rechnung: 2 6 9 „Eine wesentliche Neugestaltung erfährt [...] die Stellung des Vorstandes und der Hauptversammlung. Nach geltendem Recht ist die Hauptversammlung der oberste Verwaltungsträger der Aktiengesellschaft; Vorstand und Aufsichtsrat leiten ihre Rechte von ihr ab. Die grundsätzlichen Entscheidungen über die Geschicke der Aktiengesellschaft liegen bei der persönlich nicht verantwortlichen Mehrheit der Geldgeber, [...]. Der Entwurf schränkt daher den beherrschenden Einfluß der Hauptversammlung ein. Die Leitung der Gesellschaft und damit die Geschäftsführung liegt nunmehr beim Vorstand. Die Hauptversammlung kann nicht mehr von sich aus in einzelne Akte der Geschäftsführung eingreifen; sie darf nur dann über Fragen der Geschäftsführung entscheiden, wenn der Vorstand es verlangt (§ 103 Abs. 2)." 270 Die neue Stellung des Vorstands zur Leitung der Gesellschaft ergab sich aus den §§70, 75 Abs. 2 A k t G : §70 Leitung der Aktiengesellschaft (1) Der Vorstand hat unter eigener Verantwortung die Gesellschaft so zu leiten, wie das Wohl des Betriebs und seiner Gefolgschaft und der gemeine Nutzen von Volk und Reich es fordern. §75 Bestellung und Abberufung des Vorstands (1) Vorstandsmitglieder bestellt der Aufsichtsrat auf höchstens fünf Jahre. Eine wiederholte Bestellung ist zulässig. [·..]. 267 268 269 270
Schlegelberger, Erneuerung des Aktienrechts, S.28f. Vgl. hierzu Martens, S. 17; Hattenhauer, S.252; Stolleis, Recht im Unrecht, S.27. Amtl. Begründung, zitiert nach Klausing, AktG, S.88. Amtl. Begründung, zitiert nach Klausing, AktG, S.56.
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(3) Der Aufsichtsrat kann die Bestellung [...] widerrufen, wenn ein wichtiger Grund vorliegt. [...]. Die amtliche Begründung führte aus, daß aus dem Recht des Vorstands zur Leitung der Gesellschaft die Pflicht folge, für das Wohl der Gesellschaft zu sorgen. Richtlinie für die Leitung sei das Wohl der „Gefolgschaft" und des Betriebs, die Wahrung dieser Richtlinie gehöre zu den Grundsätzen einer verantwortungsbewußten Wirtschaftsführung. 271 Entsprechend der Verantwortung des Führers bestimmte § 84 A k t G 2 7 2 eine Verschuldenshaftung der Vorstandsmitglieder, soweit diese bei der Geschäftsführung nicht die Sorgfalt eines ordentlichen und gewissenhaften Geschäftsleiters anwandten. 2 7 3 Hierbei lag die Beweislast bei den Vorstandsmitgliedern und war somit umgekehrt worden. 2 7 4 Darüber hinaus hafteten Aufsichtsrats- und Vorstandsmitglieder bei Ausnutzung der Gesellschaft zum eigenen oder fremden Vorteil. 2 7 5
I I I . Die Rolle des Führerprinzips in der G m b H (1934-1938) Auch in der Literatur zur Reform der G m b H findet sich, die Forderung zur Umgestaltung der G m b H nach dem Führerprinzip. 2 7 6 Bereits Großmann-Doerth hatte in seinem Aufsatz in der Hanseatischen Rechts- und Gerichtszeitschrift von 1934 ausgeführt, das „Führerprinzip als Rechtsgrundsatz" diene neben dem Rasserecht zur Verwirklichung neuer Rechtsgedanken. 277 271
Amtl. Begründung, zitiert nach Klausing, AktG, S.59. § 84 Sorgfaltspflicht und Verantwortlichkeit der Vorstandsmitglieder: „(1) Die Vorstandsmitglieder haben bei ihrer Geschäftsführung die Sorgfalt eines ordentlichen und gewissenhaften Geschäftsleiters anzuwenden. Uber vertrauliche Angaben haben sie Stillschweigen zu bewahren. (2) Vorstandsmitglieder, die ihre Obliegenheiten verletzen, sind der Gesellschaft zum Ersatz des daraus entstehenden Schadens als Gesamtschuldner verpflichtet. Sie haben nachzuweisen, daß sie die Sorgfalt eines ordentlichen und gewissenhaften Geschäftsleiters angewandt haben. [»·]·" 272
273
Vgl. amtl. Begründung, zitiert nach Klausing, AktG, S.71. Vgl. zu diesem Vorschlag für das GmbH-Recht Gall, oben im Text, B.II. 275 AktG 1937, Dritter Abschnitt, Gemeinsame Vorschriften für die Mitglieder des Vorstands und des Aufsichtsrats (§§100-101), § 101: „(1) Wer zum Zwecke, für sich oder einen anderen gesellschaftsfremde Sondervorteile zu erlangen, vorsätzlich unter Ausnutzung seines Einflusses auf die Gesellschaft ein Mitglied des Vorstands oder des Aufsichtsrats dazu bestimmt, zum Schaden der Gesellschaft oder ihrer Aktionäre zu handeln, ist zum Ersatz des daraus entstehenden Schadens verpflichtet. [...]. (5) Die Ersatzpflicht besteht auch gegenüber den Gläubigern der Gesellschaft, soweit sie von dieser keine Befriedigung erlangen können. [...]. " 276 Vgl. neben den im folgenden ausführlich besprochenen Beiträgen auch folgende Arbeiten: Diederichs, S.51; Mair, S.6; Schönle, S.29f. 277 Großmann-Doerth, HansRGZ 1934, Sp. 19. Vgl. hierzu auch bereits oben, Kapitel 1, B.I. 274
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Die Stellung der Geschäftsführer entsprach bereits insoweit der Forderung des Führerprinzips, als nach außen hin ihre Vertretungsmacht Dritten gegenüber unbeschränkt und unbeschränkbar war (§§ 36, 37 G m b H G 2 7 8 ) . Die Rechte der Gesellschafterversammlung als oberstes Organ der G m b H hingegen waren in § 46 GmbHG geregelt: §46 Der Bestimmung der Gesellschafter unterliegen: 1. die Feststellung der Jahresbilanz und die Vertheilung des aus derselben sich ergebenden Reingewinns; 2. die Einforderung von Einzahlungen auf die Stammeinlagen; 3. die Rückzahlung von Nachschüssen; 4. die Theilung sowie die Einziehung von Geschäftsantheilen; 5. die Bestellung und die Abberufung von Geschäftsführern sowie die Entlastung derselben; 6. die Maßregeln zur Prüfung und Überwachung der Geschäftsführung; 7. die Bestellung von Prokuristen und von Handlungsbevollmächtigten zum gesammten Geschäftsbetriebe; 8. die Geltendmachung von Ersatzansprüchen, welche der Gesellschaft aus der Gründung oder Geschäftsführung gegen Geschäftsführer oder Gesellschafter zustehen, sowie die Vertretung der Gesellschaft in Prozessen, welche sie gegen die Geschäftsführer zu führen hat. Die Rechte der Gesellschafter waren also recht umfangreich ausgestaltet und erlaubten eine Einflußnahme auf die Geschäftsführung. Wegen der i m GmbHG aufgestellten Satzungsfreiheit (§ 45 Abs. 2 G m b H G 2 7 9 ) war es aber möglich, die Rechte der Gesellschafterversammlung statutarisch zu begrenzen und die Befugnisse der Geschäftsführer zu erweitern. Aus diesem Grunde sah eine Gruppe innerhalb der Reformliteratur das Bedürfnis der gesetzlichen Umgestaltung der G m b H nach dem Führergrundsatz für nicht dringlich an, da eine solche auch durch Satzung nach geltendem Recht zu erzielen sei. Als Vertreter dieser Gruppe ist vor allen Dingen Klausing zu nennen, dem aber auch Crisolli grundsätzlich zustimmte. In der Einleitung zum G m b H G 2 8 0 forderte Klausing eine Anhebung des Stammkapitals von 20.000 auf 50.000 oder 100.000RM und eine Art „beschränkter Konzessionspflichtwelche durch gesetzliche Aufzählung der Fälle, in denen Haf278 § 36 GmbHG: „Die Gesellschaft wird durch die in ihrem Namen von den Geschäftsführern vorgenommenen Rechtsgeschäfte berechtigt und verpflichtet; es ist gleichgültig, ob das Geschäft ausdrücklich im Namen der Gesellschaft vorgenommen worden ist, oder ob die Umstände ergeben, daß es nach dem Willen der Betheiligten für die Gesellschaft vorgenommen werden sollte. " § 37 GmbHG: „(1) Die Geschäftsführer sind der Gesellschaft gegenüber verpflichtet, die Beschränkungen einzuhalten, welche für den Umfang ihrer Befugnis, die Gesellschaft zu vertreten, durch den Gesellschaftsvertrag oder, soweit dieser nicht ein Anderes bestimmt, durch die Beschlüsse der Gesellschaft festgesetzt sind. (2) Gegen dritte Personen hat eine Beschränkung der Befugnis der Geschäftsführer, die Gesellschaft zu vertreten, keine rechtliche Wirkung. [...]." 279 Zum Text der Vorschrift siehe oben, Fn.55. 280 Die 2. Auflage, 1934, und 3. Auflage, 1936, entsprechen sich in diesen Punkten.
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tungsbeschränkung überhaupt möglich sein sollte, das Gebiet der GmbH wesentlich einschränken würde und bestehende GmbH, welche die Anforderungen nicht erfüllten, zur Umwandlung zwingen sollte. Sodann führte er zum Führerprinzip aus: „Unter diesen Voraussetzungen brauchte man am GmbHG. als solchem, jedenfalls fürs erste, nicht allzu viel zu ändern. Das gilt auch für die Frage des ,Führerprinzips'. Bekanntlich sind die gesetzlichen Vorschriften über die Mitbestimmungsrechte der Gesellschafter nachgiebigen Rechts (§45 II GmbHG). Durch Statut kann also das formale Mehrheitsprinzip beseitigt oder derart abgewandelt werden, daß ein Gesellschafter, unabhängig von der Größe seiner Kapitalbeteiligung, die Führung erhält, und zwar namentlich dann, wenn er gleichzeitig auf Grund des Gesellschaftsvertrags mit dem Amte des Geschäftsführers betraut ist."281
Bezüglich der Willensbildung führte Klausing aus, daß es zwar ein ungeschriebener anerkannter Satz des privaten Körperschaftsrechts sei, daß Versammlungen der Mitglieder stets die Möglichkeit haben müßten, durch beschlußmäßige Abstimmung in letzter und höchster Instanz über die Geschicke der Körperschaft zu befinden. Man könnte aber sehr wohl die Auffassung vertreten, daß dieses demokratische Prinzip inzwischen außer Kraft getreten sei, soweit nicht positive gesetzliche Vorschriften das Gegenteil bestimmten: „Da nun § 45 II GmbHG. in dieser Hinsicht Satzungsfreiheit statuiert, so wäre damit vielleicht schon auf Grund des gegenwärtigen Rechtszustandes eine vollkommene Ausschaltung der körperschaftlichen Demokratie für zulässig zu erachten."282
Diese ganze Frage sei aber für die Reform der GmbH von „ untergeordneter praktischer Bedeutung da bei der meist nur geringen Gesellschafterzahl die führende Person kraft statutarischer Festlegung oder schuldvertraglicher Abmachung ohnehin die Verantwortung trage. 283 Von einer gesetzlichen Verankerung des Führerprinzips sei daher abzuraten. 284 Ähnlicher Auffassung war Gall in seiner Dissertation. Auch er hielt den Führergedanken bei der GmbH für untergeordnet, da „annähernd 75-80% der G.m.b.H. weniger als 5 Gesellschafter haben und bei rund 30 % dieser Gesellschaften alle Gesellschafter gleichzeitig Geschäftsführer sind. Bei diesen Gesellschaften sind die Besitzer des Unternehmens auch deren Führer. " 2 8 5 Die organisatorische Durchführung des Führerprinzips sei schon nach dem heutigen GmbH-Gesetz eine Angelegenheit, die durch statutarische Regelung erledigt werden könne. Crisolli verwies in seinem Beitrag im „NS-Handbuch u auf die Ausführungen Klausings, als er für den Führergrundsatz bei der GmbH-Reform ebenfalls eine „praktisch untergeordnete Rolle " feststellte. 286 281 282 283 284 285 286
Klausing, GmbHG, 3. Aufl., Einl., S.56f. Klausing, GmbHG, S.57. Klausing, GmbHG, S.58. Klausing, GmbHG, S.60. Gall, S. 56. Crisolli, NS-Handbuch, S. 1155 (S. 1162), mit Verweis auf Klausing, GmbHG, Einl., S.57.
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Im Gegensatz zu den Verhältnissen bei der Aktiengesellschaft sei bei der Struktur der GmbH und dem Aufbau des Gesetzes287 nicht mit einem schnellen und häufigen Mitgliederwechsel und einer größeren Anzahl von Gesellschaftern zu rechnen. Die Gefahr, daß der Führer des Unternehmens in seinen wirtschaftlichen und sozialen Maßnahmen durch eine zufällige Mitgliedermehrheit gestört werde, sei daher nicht erheblich. 288 Crisolli forderte aber, anders als Klausing, eine zwingende gesetzliche Regelung dahingehend, daß die Gesellschafterversammlung sich jeden Eingriffs in die Geschäftsführung zu enthalten habe. Darüber hinaus machte er den Vorschlag, die Position des Geschäftsführers dadurch zu stärken, daß er innerhalb des ersten Jahres seiner Tätigkeit von der Gesellschafterversammlung nur aus wichtigem Grund abrufbar sein sollte, um somit die Geschäfte völlig unabhängig von der Gesellschafterversammlung führen zu können.289 Nach § 38 GmbHG 290 war bislang die Abberufung der Geschäftsführer jederzeit möglich gewesen. Ebenso für eine gesetzliche Verankerung des Führergrundsatzes setzte sich Kurt Schäfer in seiner Kölner Dissertation aus dem Jahre 1937 (Referenten Becker/Planitz) mit dem Titel „Die Notwendigkeit der Beibehaltung der GmbH, und ihre Verpersönlichung " ein. Er wandte sich ausdrücklich gegen die Auffassung von Klausing und Crisolli, daß die Frage des Führerprinzips bei der GmbH wegen der Dispositivität des Gesetzes nur eine untergeordnete Rolle spiele291: „Denn der Staat wird sich nach der nationalsozialistischen Wirtschaftsauffassung und nach dem Vorgang des neuen Gesetzes über die AktGes. und KommGes. a. A. nicht damit begnügen, daß bei einer von ihm gestatteten Gesellschaftsform seine Forderungen (Führerprinzip) nur statutarisch, also ganz nach Belieben der Gesellschaft eingeführt oder auch nicht berücksichtigt werden können. Vielmehr wird er eine eindeutige zwingende gesetzliche Regelung dieser Fragen geben."292
In Anlehnung an das neue Aktienrecht forderte Schäfer, der Generalversammlung nur noch einen „Rest von Rechten " zukommen zu lassen, der sich auf die Ver287
Hier spielt Crisolli auf die erschwerte Übertragbarkeit der Anteil an; die Abtretung eines Anteils bedurfte nach § 15 Abs. 3 GmbHG eines in gerichtlicher oder notarieller Form geschlossenen Vertrages. 288 Crisolli, a.a.O. 289 Crisolli, a. a. O.; Bernartz, S. 27 f., wendet gegen den Vorschlag Crisollis ein, es wäre zu unklar, wann ein wichtiger Grund vorliege und wer über das Vorliegen zu entscheiden habe. 290 § 38 GmbHG: „ (1 ) Die Bestellung der Geschäftsführer ist zu jeder Zeit widerruflich, unbeschadet der Entschädigungsansprüche aus bestehenden Verträgen. (2) Im Gesellschaftsvertrage kann die Zulässigkeit des Widerrufs auf den Fall beschränkt werden, daß wichtige Gründe denselben nothwendig machen. Als solche Gründe sind insbesondere grobe Pflichtverletzung oder Unfähigkeit zur ordnungsgemäßen Geschäftsführung anzusehen. " 291 Schäfer, S. 28, mit Verweis auf Klausing, GmbHG, Einl., S. 56 f., und Crisolli, NS-Handbuch, S. 1162. 292 Schäfer, S.28f.
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fassung der Gesellschaft und die Bestellung, Abberufung und Entlastung der Geschäftsführer beziehen sollte. 293 Die Gesellschafterversammlung sei, ebenso wie die Generalversammlung der AG nach Schlegelberger, nur noch als ein „abgesetzter König" zu sehen.294 Für änderungsbedürftig hielt Schäfer, ebenso wie Crisolli, die derzeitige Möglichkeit, den Geschäftsführer gemäß § 38 GmbHG 295 jederzeit abberufen zu können: „Es entspricht nicht dem Führergedanken, daß der einmal gewählte Führer jederzeit grundlos abgesetzt werden kann. Der Wirtschaftsführer muß sich eine Zeitlang an der ihm gestellten Aufgabe erproben und während der Dauer seines Anstellungsvertrages die Möglichkeit haben, ohne Sorge um eine etwaige Abberufung auf weite Sicht zu arbeiten. Auf der anderen Seite folgt aber auch aus dem Führerprinzip, daß der Führer dann gehen muß, wenn er das Vertrauen des »Volkes', also der Gesellschafter verloren hat. Dies zwingt dazu, die Anstellungsverträge, während deren Dauer der Geschäftsführer grundsätzlich unabsetzbar ist, nicht für zu lange Zeit abzuschließen, ..." 296
In Anlehnung an § 75 Abs. 2 AktG sei daher eine Abberufung nur aus wichtigem Grund vorzusehen, sofern die Zusammenarbeit mit dem Führer nicht mehr zumutbar erscheine; Anstellungsverträge seien auf höchstens 5 Jahre zu begrenzen nach dem Vorbild des § 75 AktG. Gegen den Gedanken, daß die Dispositivität des Gesetzes bereits eine Einführung des Führerprinzips ermögliche und eine gesetzliche Regelung daher nicht nötig sei, wandte sich auch Otto Gottfried v. Lieres und Wilkau in seiner Erlanger Dissertation zum Thema „Das Führerprinzip bei der Neuordnung der G.m.b.H. " (Dekan: Köhler/Referent: Liermann) aus dem Jahre 1938. Die Dispositivität könne gerade auch dazu führen, daß die Rechte des Geschäftsführers beschnitten würden und dieser zurückgedrängt werde: „Zusammenfassend kann gesagt werden, daß die vom GmbH.-Ges. getroffene Regelung sehr wenig befriedigend ist. Sie läßt für eine willkürliche und unterschiedliche statutarische Regelung einen fast unbeschränkten Spielraum. Dieser kann so weitgehend ausgenützt werden, daß der Geschäftsführer faktisch von der Führung der Gesellschaftsgeschäfte ausgeschlossen ist. Von der angestrebten Verwirklichung des Führerprinzips ist dieser Zustand weit entfernt." 297
Des weiteren diskutiert v. Lieres und Wilkau, ob die sogenannte „Mehrführerschaft", daß heißt die Ausübung der Führung durch ζ. B. mehrere Vorstandsmitglieder wie in der AG mit dem Führergrundsatz zu vereinbaren sei. Nach geltendem Recht wurde die GmbH durch „die" Geschäftsführer vertreten (§ 35 GmbHG) 298 . 293 294 295 296 297 298
Schäfer, S. 29 f. Schäfer, a. a. O., mit Verweis auf Schlegelberger, Erneuerung des Aktienrechts, S. 28. Zum Text der Vorschrift vgl. oben, Fn. 290. Schäfer, S. 31. Lieres und Wilkau, S.28f. Vgl. ebenfalls §§ 36-41,43,44,46, Nr. 5 GmbHG.
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C. Anonymität (1933-1938) 299
Die durch den Gesetzgeber im Aktienrecht (§ 70 Abs. 2 AktG ) und im Gesetz zur Ordnung der nationalen Arbeit (§ 3 GOnA 300 ) gewährte Möglichkeit der „Mehrführerschaft" hielt v. Lieres und Wilkau für einen theoretischen Widerspruch mit dem Wesen des Führerprinzips. 301 Für die GmbH mit ihrem engen Kontakt zwischen Gesellschaftern und Geschäftsführer(n) und ihrer regelmäßig kleinen Gesellschafteranzahl hielt er die Einführung des „Einmannführers" für notwendig.302 Als Ausdruck des Verantwortungsprinzips forderte v. Lieres und Wilkau, ebenso wie zuvor bereits Gall 303 , eine Verschuldenshaftung des Geschäftsführers. 304 Als Grenze dieser Verschuldenshaftung solle in Anlehnung an das neue Aktiengesetz (§ 84 AktG 3 0 5 ) die Einhaltung der Sorgfalt eines ordentlichen und gewissenhaften Geschäftsführers anzusehen sein. Des weiteren solle dem Geschäftsführer die Beweislast für die Einhaltung dieser Sorgfaltspflicht obliegen (vgl. § 84 Abs. 2 AktG 306 ). Die Literaturmeinungen, welche sich entgegen der Ansicht Klausings für eine gesetzliche Verankerung des Führerprinzips, das heißt für die gesetzliche Beschneidung der Rechte der Gesellschafterversammlung und für Stärkung der Stellung der oder des Geschäftsführer/s aussprachen, überwogen damit.
C. Anonymität (1933-1938) Der Schlagruf des Nationalsozialismus „ Wider die Anonymität " kann einerseits in Verbindung mit dem Ruf nach mehr Verantwortung gesehen werden. In diesem Sinne dienten das Zurückdrängen der Anonymität und der Ausbau des Führergrundsatzes zur Verwirklichung des Verantwortungsprinzips, als gleichsam zwei Seiten derselben Medaille. In diesem Sinne verknüpft findet sich die Kritik an der Anonymität in der nationalsozialistischen Literatur häufig: „Dieser zweite Grundsatz, der seiner Durchführung auf dem Gebiete der Wirtschaft harrt, ist der Grundsatz der Verantwortung anstelle der Anonymität. [...] Hier verlangt der Grundsatz der Verantwortung, daß Entscheidungen getroffen werden nicht von anonymen Mehrheiten, sondern von verantwortungsbewußten Persönlichkeiten, ..." 307 299
„Der Vorstand kann aus einer oder mehreren Personen bestehen. Ist ein Vorstandsmitglied zum Vorsitzer des Vorstands ernannt, so entscheidet dieser, wenn die Satzung nichts anderes bestimmt, bei Meinungsverschiedenheiten im Vorstand. " 300 Zum Text der Vorschrift vgl. oben im Text unter Β. I. 301 Lieres und Wilkau, S. 33. 302 Lieres und Wilkau, S. 35. 303 Vgl. oben, A.II. 304 Lieres und Wilkau, S. 52; ähnlich Schäfer, S. 41 ff. 305 Zum Text der Vorschrift vgl. oben, Fn. 272. 306 Zum Text der Vorschrift vgl. oben, Fn. 272. 307 Schwab, S.25f.
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2. Kap.: Die Haftungsbeschränkung in der NS-Wirtschaftsordnung
„Vor allem muß dies nach den Worten des Führers der deutschen Rechtsfront durch die Stärkung der Einzelverantwortung und die Beseitigung der bisher in der Wirtschaft herrschenden Anonymität geschehen"308 Hier ist also die Anonymität der Wirtschaftsführung gemeint, was in ähnlicher Form auch als Anonymität des Kapitals bezeichnet wurde: „Der im Zeitalter des Liberalismus immer weiter verbreiteten Anonymität der Wirtschaftsführung stellt die nationalsozialistische Wirtschaftsauffassung den Grundsatz der Betonung des Wertes der Persönlichkeit und der persönlichen Verantwortung entgegen. Nicht mehr das anonyme häufig gar nicht ausreichend vorhandene Kapital soll herrschen, sondern gemäß dem Führerprinzip soll der Leiter mit seiner Person und seinem Vermögen möglichst eng mit dem Wohlergehen seines Unternehmens verknüpft sein; er soll seiner Gefolgschaft und der Öffentlichkeit möglichst bekannt sein."309 „Bei der Kapitalgesellschaft entscheidet in letzter Instanz das Kapital, und zwar das anonyme Kapital, bei dem die Person seines Trägers ohne Bedeutung ist und demgegenüber der Leiter des Unternehmens als der gesetzliche Vertreter der Gesellschaft nur eine untergeordnete Rolle spielt."310 Hier bedeutete der Ruf gegen das „ anonyme Kapital " also wiederum gleichzeitig die Forderung nach Stärkung der Führung. Das Gefühl, einer „anonymen " Gesellschaftsform gegenüber zu stehen, wurde teils durch die Möglichkeiten, welche sich aus dem „Dazwischenschieben" einer juristischen Person ergaben, teils aber auch durch die vielen Verschachtelungen und nur treuhänderisch gehaltenen Geschäftsanteile hervorgerufen. Man wußte eben bei den Kapitalgesellschaften oft nicht genau, wer sich hinter der auftretenden Firma als Kapitalgeber befand. M i t Anonymität konnte aber auch das Verhältnis zwischen Gesellschaftern und Geschäftsführern gemeint sein, welche sich oft, insbesondere bei großen Gesellschaftern, gegenseitig nicht kannten: „Die Anonymität tritt in dem Verhältnis zwischen Unternehmensleitung und Besitz in Erscheinung. Bei den Personengesellschaften , liegt wenigstens bei einem Gesellschafter eine gewisse Verbindung von Kapital und Geschäftsführung vor, die, verbunden mit unbeschränkter Haftung, volle Verantwortung in der Gesellschaft entfaltet und dem Unternehmen ein persönliches Gepräge gibt.' 311 Anders dagegen bei den Kapitalgesellschaften; hier ist gerade die Trennung von Kapital und Geschäftsführung ein wesentliches Merkmal, das allerdings auch die Grundlage für die Anonymität in diesen Gesellschaftsformen bildet."312 Darüber hinaus galt das Schlagwort der Anonymität aber auch dem Verhältnis der Kapitalgesellschafter untereinander, was sich am Beispiel der Aktiengesellschaft mit vielen Aktionären besser verdeutlichen läßt als am Beispiel der G m b H mit wenigen Gesellschaftern. 308 309 310 311 312
Dix, Der Dt. Volkswirt 1933, S.242. Hoeres, BankA 1935, S.535. Keppler, ZAkfDR 1934, S.56. Hier verweist Gall auf Schönle, S. 19. Gall, S.57.
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Gegen welche Form der Anonymität man sich wandte, wurde in der Literatur selbst nicht immer deutlich, so daß hier einige Verwirrungen entstanden. Grob gesagt kann man festhalten, daß diejenigen Vertreter, die der Meinung waren, das Anonymitätsproblem spiele in der GmbH keine Rolle, das Verhältnis der Gesellschafter untereinander oder zur Geschäftsführung im Auge hatten. Aufgrund der rechtstatsächlichen Strukturen der GmbH mit überwiegend wenigen Gesellschaftern und Selbstorganschaft waren hier die Gesellschafter und Geschäftsführer miteinander bekannt. Diejenigen, die auch bei der GmbH die „ Anonymität beseitigen " wollten, betrachteten die GmbH aber in ihrer Außenwirkung im Verhältnis zu Gläubigern oder zum Staat. Zunächst soll wiederum ein Blick auf die allgemein wirtschaftliche Bedeutung der Forderung „gegen die Anonymität " geworfen werden. Hitler streifte dieses Gebiet, als er in seinem Buch „Mein Kampf " den Übergang von immer mehr Unternehmen in die Form der AG als eine wirtschaftliche Verfallerscheinung bezeichnete: „Eine schwere wirtschaftliche Verfallerscheinung war das langsame Ausscheiden des persönlichen Besitzrechtes und allmähliche Übergehen der gesamten Wirtschaft in das Eigentum von Aktiengesellschaften." 313
Das anonyme Gegenüberstehen von Aktionären und Geschäftsleitung wird in folgendem Abschnitt deutlich, der allerdings nur von „ dem Juden " als anonymen Aktionär redet: „Über dem Umwege der Aktie schiebt er sich in den Kreislauf der nationalen Produktion ein, macht diese zum käuflichen, besser handelbaren Schacherobjekt und raubt damit den Betrieben die Grundlagen einer persönlichen Besitzerschaft. Damit erst tritt zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer jene innere Entfremdung ein,..." 314
Bei der Reformdiskussion zum Aktienrecht war man sich darüber einig, daß das Problem der Anonymität die Aktiengesellschaft in ganz besonderem Maße betraf. In seinem Ausschußbericht über die Arbeiten zur Aktienrechtsreform, sowie in seinem Beitrag im „NS-Handbuch " wies Kißkalt aber darauf hin, daß das Problem der Anonymität nicht die Leitung der Gesellschaft berühre. Die Personen des Vorstands und des Aufsichtsrats seien in der Regel bekannt, da sie im Handelsregister eingetragen und aus den Geschäftsberichten ersichtlich seien.315 Vielmehr liege das Problem in erster Linie in dem „Verhältnis des Aktionärs zur Gesellschaft" und damit in der Gestaltung der Generalversammlung. Die Frage der Kompetenzen der Generalversammlung sei eine Frage der Umgestaltung der Aktiengesellschaft nach dem Führerprinzip. Bei der Frage der Anonymität aber gehe es um die Betrachtung der Gesellschaft und ihren Wert für den Aktionär: „Der Gedanke ist der: Heute habe, wer immer an der Börse eine Aktie kaufe, sei es auch nur um sie morgen wieder zu verkaufen, das Recht, in der Generalversammlung Fragen zu stel313 314 315
Hitler, S. 256. Hitler, S. 344 f. Kißkalt, ZAkfDR 1934, S. 20; NS-Handbuch, S. 1126 (S. 1137).
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len, abzustimmen und eventuell die Beschlüsse anzufechten. Dieser Zustand führe nicht nur zu Schikanen und Erpressungen; denn nicht jedem Aktionär ist es bei seiner Frage, Abstimmung und Anfechtung um das Wohl der Gesellschaft zu tun; er führe auch zur Möglichkeit von Pakethäufen und damit zum Übergang der Herrschaft über die Gesellschaft an traditionslose Neuerwerber, die mit dem Erwerb vielleicht nicht einmal die Absicht des Dauerbesitzes, sondern die einer Ausnützung der Gesellschaft oder einer spekulativen Weiterveräußerung der Aktien verbinden."316
Um dieser Entwicklung entgegenzuwirken, forderte Kißkalt daher eine „ Verpersönlichung der Aktiengesellschaft „Der Aktionär solle die Aktiengesellschaft wieder als sein Unternehmen betrachten; er solle mit ihr in ein persönliches Verhältnis kommen. Die Generalversammlung solle der Geschäftsleitung nicht mehr als anonyme Masse, sondern als ein Kreis von interessierten Persönlichkeiten gegenüberstehen."317
Wer unbekannt bleiben wolle, möge sich mit einer stimmrechtslosen Aktie begnügen; andererseits solle aber auch der stimmberechtigte Aktionär der Gesellschaft für seine Abstimmung verantwortlich sein und zu ihr in ein Treueverhältnis 318 treten: „Die Herrschaft des unpersönlichen Kapitals solle hiernach durch die einer lebensvollen Gesellschaft von Menschen, der Aktienverein durch eine wirkliche Aktiengesellschaft 319 ersetzt werden. Der Ausschuß hat sich einhellig diesen Gedankengängen als idealer Forderung angeschlossen."320
Kißkalt führte aus, daß man in den Ausschußberatungen mehrere Vorschläge zur „ Verpersönlichung " diskutiert habe, die meisten allerdings wegen schwerwiegender Bedenken habe ablehnen müssen. Der Umwandlung sämtlicher Inhaberaktien in Namensaktien haben hauptsächlich wirtschaftliche Gründe entgegengestanden. Von der bereits bestehenden Möglichkeit der Namensaktie (§ 183 HGB) habe die Wirtschaft kaum Gebrauch gemacht, weil im ganzen Aktienwesen der Gesichtspunkt der Fungibilität der Aktie herrschend sei. 321 Auch der Vorschlag, zwei Arten von Aktien einzuführen, zum einen sogenannte Verwaltungsaktien, die auf den Namen lauteten und für einen dauerhaften Kern von Aktionären vorgesehen waren, und zum anderen stimmrechtslose Inhaberaktien, mußte zurückgewiesen werden. Zwar sei zuzugeben, daß diese Konstruktion, die im wesentlichen auf Ideen von Müller-Erzbach zurückging 322, zu einer „stärkeren Verpersönlichung des Unternehmens" führen 316
Kißkalt, ZAkfDR 1934, a.a.O. Kißkalt, a.a.O. 318 Vgl. zur Diskussion um die Treupflicht der Gesellschafter zur Gesellschaft, aber auch der Gesellschafter untereinander unten, Kapitel 3. 319 Vgl. zu dieser evtl. unbewußten aber auffälligen Gegenüberstellung von „Verein" und „Gesellschaft" unten, Kapitel 3. 320 Kißkalt, a.a.O. 321 Kißkalt, ZAkfDR 1934, S.21. 322 Vgl. Kßkalt, a.a.O. 317
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würde. Kißkalt wies aber auf die Gefahren hin, die sich auch hier ergeben könnten. So sei man nicht davor sicher, daß die Gesellschaft letztlich von einer kleinen Gruppe stimmberechtigter Aktionäre beherrscht und ausgenützt würde. Die Verwaltungsaktionäre hätten es auch in der Hand, durch forcierte Zusammenlegung des Aktienkapitals sich auf Kosten der Inhaberaktionäre erhöhte Dividendenvorteile zu verschaffen. Eine für den Fall des Zusammenbruchs vorgesehene persönliche Haftung der Verwaltungsaktionäre würde den Inhaberaktionären ebenfalls wenig nützen. Insgesamt hatte der Ausschuß daher den Vorschlag verworfen. Kißkalt kam auf die Schwierigkeiten zu sprechen, die in der „Neugestaltung " des Aktienrechts darin zu sehen seien, daß das Aktienrecht nicht neu eingeführt, sondern „ umgebaut " werden solle. Die eigentliche Schwierigkeit der Reform bestand demnach darin, die bestehenden Aktiengesellschaften in ihrer Wichtigkeit für die Wirtschaft ausreichend zu berücksichtigen. Insgesamt macht sich dann bei Kißkalt eine immer weitergehende Zurückhaltung bemerkbar. Er weist daraufhin, daß bei der Notwendigkeit der Verteilung und Sammlung des Kapitals eine „Entpersönlichung" unausbleiblich sei. Der eigentliche Grund der Aktiengesellschaft liege in der Sammlung von Kapitalien aus möglichst vielen Quellen, in der Verteilung des Risikos auf möglichst viele Schultern, woraus sich eine große Zahl von Beteiligten ergebe: „Diese Tatsachen sind anzuerkennen. Die Entpersönlichung ist bei großen Aktiengesellschaften mit stark zerstreutem Aktienbesitz unausbleiblich. Es ist unmöglich, ein Gemeinschaftsgefühl zwischen den Hunderttausenden oder Millionen von Aktionären unserer großen Unternehmung zu konstruieren oder Gesetze auf die Fiktion aufzubauen, daß ein solches vorhanden wäre; [...]." 323
Bereits zuvor hatte Kißkalt darauf hingewiesen, daß für Politiker „ ideale Gründe entscheidend " seien. Die Gesetze der Wirtschaft seien hingegen anders, weshalb gewisse Reformvorhaben nicht durchzusetzen wären. Im Ergebnis sei daher eine volle Durchführung des Persönlichkeitsprinzips nicht möglich, da Aktiengesellschaft und Anonymität sich nie völlig ausschließen könnten, womit Kißkalt die Forderung des Nationalsozialismus „ gegen die Anonymität " für die Aktiengesellschaft in ihrer Wichtigkeit somit vernachlässigte: „Dieses [das Persönlichkeitsprinzip, Anm. d. Verf.] steht mit dem Wesen der heutigen Aktiengesellschaft, so wie sie geworden ist, in Widerspruch: bezeichnenderweise spricht man in romanischen Ländern nicht von einer Aktiengesellschaft, sondern von einer , Société anonyme'. Der Versuch, große Gesellschaften zu verpersönlichen, würde hienach in der Tat nur zu künstlichen und unhaltbaren Ergebnissen führen." 324
Damit aber hatte Kißkalt die grundsätzliche Bedeutung des Problems der Anonymität für die Aktiengesellschaft zugunsten der wirtschaftlichen Durchsetzbarkeit verworfen. 323 324
Kißkalt, ZAkfDR 1934, S.23. Kißkalt, ZAkfDR 1934, S.21.
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Der Ausschuß befürwortete den Vorschlag, die Aktiengesellschaften nur noch auf die Fälle zu beschränken, in denen die Sammlung von Kapital auch tatsächlich im Vordergrund stand, namentlich also bei großen Gesellschaften. 325 Anstelle der nach geltendem Recht möglichen kleinen Stückelung solle man wie in Vorkriegszeiten 1.000,-Mark als Mindestnennbetrag der Aktie gesetzlich vorschreiben, um die Zahl der Kleinaktionäre zu reduzieren. 326 Auch wenn der Gedanke der Herstellung eines Gemeinschaftsgefühls unter den Aktionären mehr oder weniger als Utopie erscheinen müsse, so verlangte Kißkalt dennoch das Beachten einer Treupflicht der Aktionäre gegenüber der Gesellschaft dergestalt, daß der Aktionär nicht versuchen dürfe, seine Stellung und seinen Einfluß dazu auszunutzen, sich gesellschaftsfremde Vorteile zu verschaffen oder Vorstands- oder Aufsichtsratsmitglieder dazu zu bestimmen, zum Schaden der Gesellschaft zu handeln.327 Das Aktiengesetz von 1937 setzte das Mindestkapital auf 500.000,-RM in § 7 Abs. 1 AktG 3 2 8 fest. Die amtliche Begründung zum Aktiengesetz 1937 führte hierzu aus: „Nach nationalsozialistischer Auffassung kann die Aktiengesellschaft nur da zugelassen werden, wo es sich darum handelt, ein Unternehmen auf breiter geldlicher Grundlage zu schaffen und zu diesem Zweck weite Kreise des Volkes zur Aufbringung der erforderlichen Mittel heranzuziehen."329 „Die Rechtsform der AG mit ihrer notwendigen Anonymität ist nur da zuzulassen, wo das Maß des Kapitalbedarfs sie aus wirtschaftlichen Gründen unbedingt erfordert." 330
Der Zurückdrängung der Anonymität dienten weiterhin die Erhöhung des Nennwertes der Aktien auf 1.000,-RM (§ 8 AktG 3 3 1 ), wodurch sich die Zahl der Aktionäre bei gleichbleibendem Grundkapital verringerte. Des weiteren wurde die Möglichkeit gegeben, die Hälfte des Kapitals in stimmrechtslosen Vorzugsaktien auszugeben (§115 AktG 332 ). Aktionäre, die an der Willensbildung nicht interessiert waren, brauchten also kein Stimmrecht in der Versammlung auszuüben. Die amtliche Begründung wies auf die Gefahr der „ Überfremdung " hin: 325 Kißkalt machte im weiteren Verlauf noch Vorschläge zur Ausgestaltung dieser verbleibenden Gesellschaften, ZAkfDR 1934, S.24ff. 326 Kißkalt, ZAkfDR 1934, S.25. 327 Kißkalt, ZAkfDR 1934, S.26. Zur Reform des Aktienrechts vgl. im übrigen: Schlegelberger, Erneuerung des Aktienrechts, S. 11 ff. 328 § 7 Abs. 1 AktG: „Der Mindestnennbetrag des Grundkapitals ist fünfhunderttausend Reichsmark 329 Amtl. Begründung, Einl., zitiert nach Klausing, AktG, S.2. 330 Amtl. Begründung, zitiert nach Klausing, AktG, S. 8. 331 § 8 Abs. 1 AktG: „Der Mindestnennbetrag der Aktien ist tausend Reichsmark. Höhere Nennbeträge sollen auf volle fünfhundert Reichsmark lauten. " 332 § 115 AktG: „(1) Für Aktien, die mit einem nachzuzahlenden Vorzug bei der Verteilung des Gewinns ausgestattet sind, kann das Stimmrecht ausgeschlossen werden (Vorzugsaktien ohne Stimmrecht). (2) Vorzugsaktien ohne Stimmrecht dürfen nur bis zu einem Gesamtnennbetrag in Höhe der Hälfte des Gesamtnennbetrags der anderen Aktien ausgegeben werden. "
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„Als einzige Ausnahme von dem Grundsatz, daß jede Aktie das Stimmrecht gewährt, läßt der Entwurf in §§ 115-117 die Vorzugsaktie ohne Stimmrecht zu. Ihre Hauptbedeutung liegt auf dem Gebiet der Kapitalbeschaffung. [...] Die Stimmlosigkeit schließt die Gefahr aus, daß sich eine neue Art von Schutzaktien bildet, und beseitigt das Bedenken der Überfremdung bei Heranziehung ausländischen Kapitals."333 Die Ausübung des Stimmrechts für einen anderen wurde für Banken abhängig gemacht von der ausdrücklichen Erteilung einer Genehmigung, die zeitlich begrenzt und frei widerruflich war und nicht mit anderen Erklärungen verbunden sein durfte (§ 114 Abs. 4 A k t G 3 3 4 ) . U m die Geschäftsleitung bekannt zu machen, sah § 100 A k t G folgende Vorschrift vor: § 100 Namensangabe Auf allen Geschäftsbriefen müssen die sämtlichen Vorstandsmitglieder und der Vorsitzer des Aufsichtsrats mit dem Familiennamen und mindestens einem ausgeschriebenen Vornamen angegeben werden. Der Vorsitzer des Vorstands ist besonders zu bezeichnen. Die amtliche Begründung zum Aktiengesetz führte hierzu aus: „Zu den Mängeln des bisherigen Aktienrechts wird in erster Linie die Anonymität gerechnet. Soweit sich die Angriffe gegen die Anonymität der Aktierichten,läßt sich der Mangel nicht beseitigen, ohne die Aktiengesellschaft ihrer wirtschaftlichen Bedeutung zu berauben. Wohl aber kann man verlangen, daß das anonyme Kapital das Unternehmen durch verantwortliche Persönlichkeiten führen läßt, und es kann erreicht werden, daß die leitenden Persönlichkeiten der Verwaltung stärker hervortreten und ihre Namen bekannt werden."335 Für die G m b H war es wiederum Klausing, der die Behauptung aufstellte, daß das Problem der Anonymität in der G m b H nicht gegeben sei: „Zu beachten ist jedoch, daß bei der GmbH, das Problem der Anonymität nahezu vollkommen ausscheidet, [...]. Grund: die Anteile sind nicht wertpapiermäßig in Form von Inhabern verbrieft." 336 Der Handel mit GmbH-Anteilen war durch die vorgeschriebene Übertragungsform mittels notariellem oder gerichtlichem Vertrag erschwert ( § 1 5 Abs. 3 GmbHG) und der GmbH-Anteil mit der Person des Gesellschafters untrennbar verbunden, einen der Inhaberaktie vergleichbaren GmbH-Anteil gab es nicht. Klausing sah daher das Problem der Anonymität nur auf die Aktiengesellschaft begrenzt. 333
Amtl. Begründung, zitiert nach Klausing, AktG, S. 103. § 114 Abs. 4 AktG: „Banken dürfen das Stimmrecht für Aktien, die ihnen nicht gehören, nur ausüben, wenn sie zur Ausübung des Stimmrechts schriftlich ermächtigt sind. Die Ermächtigung muß einer bestimmten Bank erteilt werden. Sie muß bei der Erteilung vollständig ausgefüllt sein und darf nicht mit anderen Erklärungen verbunden werden. Sie kann nur für einen Zeitraum von längstens fünfzehn Monaten erteilt werden und ist jederzeit widerruflich." 335 Amtl. Begründung, zitiert nach Klausing, AktG, S.85. 336 Klausing, GmbHG, 3. Aufl., Einl., S.49. 334
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2. Kap.: Die Haftungsbeschränkung in der NS-Wirtschaftsordnung
Ähnliche Gedanken finden sich auch bei anderen Autoren. 3 3 7 Hachenburg schrieb beispielsweise in seiner Kommentierung des Umwandlungsgesetzes: „Dagegen weicht der Gedanke der Anonymität bei der GmbH zurück. Hier gibt es keine Inhaberanteile. Die Übertragung der Geschäftsanteile ist nur durch notarielle Urkunde möglich (§ 15 Abs. 3 GmbHG.). Der Gesellschafter ist stets eine bestimmte Person. Alljährlich ist die Liste der Gesellschafter dem Gerichte einzureichen. Das Mittel, verborgen zu bleiben durch Vorschieben eines anderen als Gesellschafter, ist hier kein anderes als das auch sonst im Gesellschaftsleben zu findende." 338 Für bedeutungsvoller hielten aber Crisolli und eine Reihe anderer Autoren 3 3 9 das Problem der Anonymität für die Reform des GmbH-Rechts. Crisolli verwies in seinem Beitrag i m „NS-Handbuch " zunächst auf die Arbeiten des Ausschusses für A k tienrecht der Akademie für Deutsches Recht und stimmte der Forderung zu, „den Kampf gegen die Anonymität des Kapitals aufzunehmen, da diese sich mit den Anschauungen des Nationalsozialismus nicht verträgt." 340 Zur Ansicht Klausings nahm er wie folgt Stellung: „Der Ansicht Klausings341, daß bei der G.m.b.H. das Problem der Anonymität,nahezu vollkommen ausscheidet4, weil ,die Anteile nicht wertpapiermäßig in Form von Inhabern verbrieft' seien, kann in keiner Weise beigetreten werden. Sie dürfte dem Leben nicht entsprechen. Jeder G.m.b.H.-Registerrichter wird bestätigen können, daß gerade die Entwicklung der jüngsten Zeit gezeigt hat, wie sehr die Form der G.m.b.H. mit ihrer Sachfirma von gewissen Kapitalskreisen zur ,Tarnung' aus verständlichen Gründen bevorzugt wird. Außerdem würde ein Kampf gegen die Anonymität bei den Aktiengesellschaften zwecklos sein, wenn ein solcher nicht auch bei den G.m.b.H. durchgeführt würde, weil dann diejenigen, die das Licht der Öffentlichkeit zu scheuen haben, durch die G.m.b.H. ihr Ziel der Tarnung ohne weiteres würdenfinden können."342 Crisolli bezog sich auf die Anonymität der G m b H in ihrem Außenverhältnis; Klausing hatte sich auf die Anonymität der einzelnen Gesellschaftsanteile berufen. Crisolli sah es als „Ausfluß der Forderungen des Nationalsozialismus " an zu verlangen, „daß die Anonymität des Stammkapitals bei der GmbH durch die künftige Gesetzgebung soweit als irgend möglich beseitigt wird. " 343 Hierzu machte Crisolli, in Anlehnung an das Englische Recht, insbesondere den Vorschlag der Einführung einer sogenannten „Geschäftsschreiben-Kundgabe". Während für die Aktiengesellschaft in § 100 A k t G 1937 das Erfordernis der Na337
Gall, S.57 mit Verweis auf Klausing, GmbHG, Einl. S.49. Hachenburg, UmwG, S.6 in: Düringer/Hachenburg, HGB, III. Band, 3. Teil. 339 Vgl. Bachmann, Die Dtsch. Volkswirtschaft 1935, S. 1121: „Es wird oft bestritten, daß bei der G.m.b.H. das Problem der Anonymität vorhanden sei, weil die Gesellschafter beim Handelsregister anzumelden sind..."; Bernartz, S.20ff.; Schäfer, S.44ff. 340 Crisolli, NS-Handbuch, S. 1155 (S. 1158). 341 Crisolli, verweist hier auf Klausing, GmbHG, Einl., S.49. 342 Crisolli, a.a.O. 343 Crisolli, NS-Handbuch, S. 1159. 338
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mensangabe der Vorstandsmitglieder erfolgen sollte (Crisollis Beitrag erschien vor dem Inkrafttreten des neues AktG), forderte Crisolli hingegen, „daß die G. m. b.H. f falls ihre Firma nicht sämtliche Namen ihrer Gesellschafter enthielte, auf allen Geschäftsbriefen, Geschäftsrundschreiben, Geschäftskatalogen, Rechnungen usw. in deutlich lesbaren Buchstaben die Vornamen und Namen, gegebenenfalls die früheren Vornamen und Namen ihrer sämtlichen Gesellschafter mit dem Hinweis der Inhaberschaft anzugeben hat. " 345 Trete ein Kaufmann mit seiner Firma als Gesellschafter in die GmbH ein, so sei die Firma unter Angabe ihres Sitzes als Gesellschafter aufzuführen, gleiches gelte für den Fall, daß eine oHG oder KG als Gesellschafter eintrete. Die Nichtbefolgung dieser Vorschriften wollte Crisolli mit Gefängnis oder Geldstrafe, sowie mit der Einleitung eines Löschungsverfahrens nach § 144 Abs. 1 RFGG belegen. Eine Ordnungsstrafe hielt er nicht für ausreichend. 346 Die Geschäftsschreiben-Kundgabe würden aber dann ihre Wirkung verlieren, wenn an der Gesellschaft andere anonyme Gesellschaften beteiligt wären (Verschachtelungen) oder wenn ein Gesellschafter nur als Treuhänder für eine andere Person den Gesellschaftsanteil hielt. „ Um den Kampf gegen die Anonymität des Stammkapitals auch im Falle der Verschachte lung wirklich wirksam zu gestalten " forderte Crisolli daher, „daß in der einzuführenden ,Geschäftsschreiben-Kundgabe' neben der Firma der Gesellschafterin auch deren Sitz anzugeben ist, wenn die Gesellschafterin eine andere anonyme Gesellschaft ist. " 3 4 7 Da aber dann der wirkliche Inhaber der anderen Gesellschaft immer noch im Dunkeln bliebe, forderte Crisolli neben der Einführung eines allgemeinen Konzessionssystems das Erfordernis der staatlichen Erlaubnis zur Beteiligung einer anonymen Gesellschaft an einer anderen: „Nur wenn die Beteiligung seitens einer anonymen Gesellschaft an einer anderen in Zukunft der staatlichen Genehmigung bedarf, ist dem häufig nur zu Verschleierungen und Gesetzesumgehungen vorgenommenen Unwesen der Verschachtelungen ein wirksamer Riegel vorgeschoben, und damit auch der Kampf gegen die Anonymität im Wege der Verschachtelungen in stichhaltiger Weise zum Ziele geführt." 348
Die Belange der Wirtschaft sah Crisolli durch die Einführung einer so weitgehenden staatlichen Mitsprache bzw. Kontrolle nicht verletzt, sondern geschützt. Nur wer eine staatliche Nachprüfung zu scheuen habe, müsse eine solche auch fürchten. 349 Zum Treuhandwesen hatte Klausing ausgeführt, daß es bei der jährlich einzureichenden Gesellschafterliste ausreiche, wenn der jeweilige Gesellschafter angebe, ob er den Gesellschaftsanteil für sich oder als Treuhänder innehalte. Eine namentliche 344 345 346 347 348 349
Vgl. weiter oben im Text. Crisolli, a.a.O. Crisolli, a.a.O. Crisolli, NS-Handbuch, S. 1160. Crisolli, a.a.O. Crisolli, NS-Handbuch, S. 1161.
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2. Kap.: Die Haftungsbeschränkung in der NS-Wirtschaftsordnung
Angabe des Treugebers hatte Klausing nicht für notwendig gehalten.350 Dagegen sei aber zu erwägen, ob man nicht eine Verpflichtung der einzelnen Gesellschafter gegenüber der Gesellschaft statuieren solle, auf Anfordern seitens der Geschäftsführer oder vielleicht auch auf Verlangen der Mitgesellschafter den Namen oder die Firma des Treugebers oder, soweit ihm diese nicht bekannt seien, mitzuteilen, welche Drittinteressen nach seiner pflichtgemäßen Überzeugung in Betracht kommen. Auch dies hielt Crisolli nicht für ausreichend: „Dieser Ansicht Klausings kann nicht zugestimmt werden. Die von ihm vorgeschlagenen Maßnahmen können in keiner Weise als ausreichend angesehen werden. Durch sie wird der Kampf gegen die Anonymität nicht genügend gefördert und nichts wesentlich Neues geschaffen." 351
Crisolli schlug statt dessen eine Pflicht zur Angabe des Treugebers im Rahmen der „ Geschäftsschreiben-Kundgabe " vor: „Dem Treuhandwesen kann in wirklich wirksamer Weise nur begegnet werden, wenn der Treuhänder unter Androhung von erheblichen Strafen gezwungen wird, den Treugeber der Gesellschaft anzuzeigen, und diese dann angehalten wird, in der Geschäftsschreiben-Kundgabe den Treuhänder als Gesellschafter anzuführen und neben seiner Angabe den Treuhänder unter entsprechendem Hinweis in Klammern mitzuteilen."352
Die „ Geschäftsschreiben-Kundgabe " wäre somit nach den Vorschlägen Crisollis ein sehr umfangreiches, aber auch sehr umständliches Informationsmittel über die Verhältnisse in der Gesellschaft geworden. Er war aber der Auffassung, daß nur unter der Einbeziehung der Verschachtelungen und des Treuhandwesens „der Kampf gegen die Anonymität des Stammkapitals " wirksam geführt werden könne. Crisolli forderte weiterhin die Einführung einer öffentlichen Gesellschafterliste, in welche jeder Wechsel über einen GmbH-Anteil einzutragen sei. Die Liste sei mit rechtserzeugender Wirkung und öffentlichem Glauben auszugestalten: „Durch die Einführung dieser öffentlichen Gesellschafterliste wird auch der Kampf gegen die Anonymität des Stammkapitals verschärft, da dadurch die Möglichkeit der Umgehung der Geschäftsschreiben-Kundgabe beschränkt wird." 353
Die übrige Literatur folgte überwiegend der Ansicht Klausings, daß das Problem der Anonymität in der GmbH eine untergeordnete Rolle spielte.354 Bernartz bespielsweise führte in seiner Dissertation „Möglichkeiten der Reform der GmbH " zu der Meinung Klausings aus: „Man wird Klausing zugeben müssen, daß das Problem der Anonymität bei der G. m. b. H. in einer ganz anderen Form in Erscheinung tritt als bei der A.G. Die Faktoren, die bei der A.G. 350
Klausing, GmbHG, 3. Aufl., Einl., S.55. Crisolli, a.a.O. 352 Crisolli, a.a.O. 353 Crisolli, NS-Handbuch, S. 1172. 354 Bernartz, S. 17; Hachenburg, UmwG, S.6, in: Düringer/Hachenburg, HGB, III. Band, 3. Teil; Schäfer, S.43. 351
D. Ausleseprinzip (1934-1937)
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die Anonymität begründen, sind die große Zahl der Aktionäre und die leichte Übertragbarkeit der Aktie. Beide Momente ermöglichen in ihrer Verbindung eine Undurchsichtigkeit des Geschäftsgebarens. Vor allem sind bei der A.G. in aller Regel Aktionäre und Vorstand einander nicht bekannt. In dieser Form können wir naturgemäß bei der G.m.b.H. von einer Anonymität nicht sprechen."355
Auch Schäfer ging grundsätzlich von der untergeordneten Rolle des Anonymitätsproblems aus und verwies insoweit auf Klausing. 356 Im Gegensatz zu diesem diskutierte die übrige Literatur aber dennoch mehr oder weniger ausführlich die Vorschläge Crisollis, hielt jedoch die Einführung der Geschäftsschreiben-Kundgabe für nicht durchführbar 357 oder praktisch zu schwierig358. Die Einführung einer öffentlichen Gesellschafterliste hingegen befürwortete Schäfer, er forderte sogar darüber hinaus ein Anteilsbuch 359 und die Ausstellung von Anteilsscheinen.360
D. Ausleseprinzip (1934-1937) I. Auslese im Außenverhältnis bei freier Unternehmerinitiative Eng mit der Forderung von der Einheit von Herrschaft und Haftung und dem Favorisieren der grundsätzlich unbeschränkten Haftung verknüpft, war der wettbewerbstheoretische Aspekt des Ausleseprinzips. Die Wirtschaftsordnung des Nationalsozialismus ließ grundsätzlich die freie Unternehmerinitiative zu, solange sie der Gemeinwirtschaft diente.361 Mit der Anerkennung des Leistungsprinzips stellte sich ohnehin auch der Ausleseprozeß des Leistungswettbewerbs ein. 362 Wer darüber hinaus aber für die nationalsozialistische Wirtschaftsordnung eine Beschränkung der Haftung ablehnte (wie vor allen Dingen die Gegner der GmbH, Großmann-Doerth, usf.), kam in einem so gedachten System der unbeschränkten Haftung zu einer weiter gehenden Selbstregulierung der Wirtschaft durch freie Konkurrenz. Bei einer solchen Konkurrenz herrschte ein „ Auslesekampf " der Unternehmer, in welchem nur die besten das erfolgreichste Geschäft betreiben konnten. Da eine solche auf Naturgesetzen aufbauende freie und sich selbst regulierende Verkehrswirtschaft auf den ersten Blick nicht mit der Vorstellung von einer „sozia355
Bernartz, S. 17ff. mit Verweis auf Klausing, GmbHG., Einl., S.29f., Bernartz geht aber auch auf die im folgenden noch darzustellende Auffassung Crisollis im NS-Handbuch ein. 356 Schäfer, S. 44 mit Verweis auf Klausing, GmbHG, Einl., S.44. 357 Bernartz, S.21. 358 Schäfer, S. 46. 359 Entsprechend der neu eingeführten Vorschrift des §61 Abs. 1 AktG 1937: „Namensaktien sind unter Bezeichnung des Inhabers nach Namen, Wohnort und Stand in das Aktienbuch der Gesellschaft einzutragen. " 360 Schäfer, S.48. 361 Siehe hierzu oben, B.I. 362 Brinkmann, Staat und Wirtschaft, S. 18.
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2. Kap.: Die Haftungsbeschränkung in der NS-Wirtschaftsordnung
listischen " Wirtschaft einher geht, der Begriff der Auslese aber dennoch in der L i teratur häufig auftaucht, soll untersucht werden, inwieweit der Nationalsozialismus auch dieses Prinzip zu seiner Forderung aufstellte. 363 Der Begriff der Auslese taucht in den Arbeiten Großmann-Doerths immer wieder auf. Es kann hier nachvollzogen werden, wie er anfangs zögerlich, dann später bestimmter, das ihm aus früheren Zeiten bekannte wettbewerbstheoretische Prinzip aufgriff und als Grundprinzip einer NS-Wirtschaftsordnung ausarbeitete. In seinem Gutachten zur G m b H von 1931 anläßlich des Deutschen Juristentages in der Tschechoslowakei 364 findet sich der Begriff der Auslese bei GroßmannDoerth zunächst an keiner Stelle; zum ersten M a l gebraucht Großmann-Doerth den Begriff in seinem ersten nationalsozialistisch geprägten Aufsatz zur G m b H in der Hanseatischen Rechts- und Gerichtszeitschrift von 1934 3 6 5 , dies allerdings zunächst ohne Bezug zum nationalsozialistischen Staat: „...so schuf man eigens zur Ermöglichung der Haftungsbegrenzung eine neue Gesellschaftsform, welche jene Belastungen nicht mit sich bringt: die Gesellschaft mit beschränkter Haftung. Vom Standpunkt des liberalen Wirtschaftssystems aus war das eine Entartungserscheinung, Versündigung gegen zwei Grundgedanken des Systems der freien Verkehrswirtschaft: Verstoß gegen die Unantastbarkeit des Privateigentums, denn Haftungsbeschränkung bedeutet Enteignung der Gläubiger - und femer Verstoß gegen das Ausleseprinzip dieser Wirtschaftsordnung - so reich nämlich diese Ordnung den erfolgreichen Unternehmer belohnt, so hart steht sie notwendig dem erfolglosen gegenüber: er soll aus dem Wirtschaftsprozeß ausscheiden, Tüchtigeren Platz machen, sein Kapital besserer Verwendung zuführen. Alle Haftungsbeschränkung aber steht dieser Auslese entgegen."366 Großmann-Doerth verwendet hier das Wort „ Auslese " i m Hinblick auf die Wirtschaftsprozesse von Erfolg und Mißerfolg als Folge der Konkurrenz. Dabei ist ihm 363
Vgl. Ausführungen zum Ausleseprinzip als ein auf Hitlers Gedankengänge zurückzuführendes allgemein wirtschaftliches Strukturprinzip: Ritsehl, in: Bracher/Funke/Jacobsen, S. 118 ff. (S. 132 f.): „Wirtschaftliche Konkurrenz nimmt in diesem biologischen Weltbild zweierlei Formen an, die des Auslesekampfes zwischen Individuen und diejenige des Lebensraumkampfes der Rassen. Die Konkurrenz zwischen Individuen erscheint dabei wegen ihrer Auslesefunktion als nützlich, während andererseits die Sicherung des Überlebens der Rasse verlangt, daß individuelle Konkurrenz dort verhindert wird, wo die Erfordernisse des Lebensraumkampfes vorgehen. Das ist der Hintergrund des Schlagwortes, Gemeinnutz gehe vor Eigennutz. [...] Es ist verschiedentlich argumentiert worden, das Lebensraumkonzept gebe für wirtschaftspolitische Fragen nichts her, allenfalls sei es als rückwärtsgerichtete Agrarutopie zu verstehen; darüber hinaus habe Hitler zur Wirtschaftspolitik keinen eigenen Standpunkt bezogen. Neuere Arbeiten haben dies in Zweifel gezogen und konnten aus der Untersuchung von Hitlers Äußerungen eine Anzahl überraschender Erkenntnisse gewinnen."; ohne Bezug zur NS-Wirtschaftsordnung siehe zum Ausleseprinzip Lehmann, ZGR 1986, S.356; Liu, S.36; Limbach, S. 123. 364 Vgl. hierzu bereits oben, Kapitel 1, B.I. 365 Zum Nachweis der ideologischen Prägung der Arbeiten Großmann-Doerths vgl. oben, Kapitel 1, B.I. 366 Großmann-Doerth, HansRGZ 1934, Sp. 19 (Sp.28).
D. Ausleseprinzip (1934-1937)
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bewußt, daß das Prinzip von Konkurrenz und Auslese ein „liberalistisches" Relikt darstellt, dessen Anwendung im Nationalsozialismus zunächst bestimmt nicht selbstverständlich, wenn nicht sogar unerwünscht war. In der wirtschaftsrechtlichen Literatur wurde es denn auch als „kapitalistischer Ausleseprozeß" der Vergangenheit in einem negativ besetzten Sinn verstanden 367: Die Eigengesetzlichkeit der Wirtschaft mit ihrer freien Konkurrenz galt „als das natürliche Auslese- und Bewegungsgesetz der liberalistisch-kapitalistischen Wirtschaft. " 3 6 8 Nach der Machtübernahme hatte man sich gerade gegen die bislang herrschende naturwissenschaftliche Nationalökonomie gewandt und gefordert, „daß die Wirtschaft nicht mehr sich selbst überlassen bleiben dürfe, sondern nach vernunftgemäßen Gesichtspunkten für die Erfüllung ihrer Hauptaufgabe, der Bedarfsdeckung der Volksgemeinschaft zweckmäßig gelenkt werden müsse. " 369 So wies Großmann-Doerth bislang nur darauf hin, daß bereits schon zur Zeit der Schaffung des GmbH-Gesetzes ein Verstoß gegen das Prinzip der Auslese vorgelegen hatte. Ich deute die Zurückhaltung Großmann-Doerths an dieser Stelle so, daß er sich noch nicht im klaren darüber war, ob dieses Prinzip auch für eine nationalsozialistisch geführte Wirtschaftsordnung gelten würde. In einem wenig später danach erschienenen Aufsatz von Klausing findet sich eine Weiterführung des von Großmann-Doerth aufgeworfenen Auslesebegriffs. 370 Klausing überdenkt dessen Verwendbarkeit für den nationalsozialistischen Staat. Er weist darauf hin, daß es verfehlt wäre, das Prinzip der Auslese als liberalistisches Erzeugnis, im Sinne eines negativ besetzten Begriffs, zu bewerten und der beschränkten Haftung den Vorzug zu geben: „Ebenso verfehlt wäre es, wenn man das in der unbeschr., persönl. H. begriffene Prinzip der ,Auslese' als »liberalistisches' Erzeugnis bewerten und deshalb der b. H. für die kommende Ordnung unserer Wirtschaft den Vorzug geben wollte."371
Es sollte also nach Klausing möglich sein, die wirtschaftliche Auslese als überliefertes Prinzip einer vergangenen Zeit aufzugreifen und als Argument gegen die beschränkte Haftung zu verwenden. Er bezeichnete die Zeit des Nationalsozialismus als eine individualistische und rationalistisch denkende, welcher das automatisch wirkende Abstellen auf Erfolg und Mißerfolg durchaus sympathisch sein sollte, im übrigen stecke nun einmal in diesem Prinzip zweifellos ein durchaus gesunder Gedanke.372 367
Die nat. Wirtschaft 1936, S.41. Die nat. Wirtschaft 1936, S.35. 369 Die nat. Wirtschaft 1934, S. 342; vgl. aber sogleich die für den Nationalsozialismus so typische Einschränkung, die Ausnahmen zuläßt, sofern sie nur nützlich sind, S.343: „Lehnt auch der Nationalsozialismus die Auffassung eines naturgesetzlichen Wirtschaftsvorganges ab, so bestreitet er andererseits nicht, daß viele Erfahrungsgrundsätze der Wirtschaft für den Neuaufbau der deutschen Wirtschaftsordnung nutzbar gemacht werden können. " 370 Klausing verweist aber nicht auf Großmann-Doerth oder andere. 371 Klausing, DJZ 1935, Sp. 1135 (1140). 372 Klausing, a. a. O. 368
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2. Kap.: Die Haftungsbeschränkung in der NS-Wirtschaftsordnung
In seinem Aufsatz mit dem Titel „ Soll die Gesellschaft mit beschränkter Haftung beibehalten werden?" 373 von 1937 legte Großmann-Doerth schließlich unter anderem auch das Ausleseprinzip als spezifisch nationalsozialistische Forderung dar und erläuterte dessen Bedeutung für die Ablehnung der Haftungsbeschränkung. Die Ausarbeitung stimmt in ihren wesentlichen Zügen mit dem Vortrag GroßmannDoerths in der ersten Sitzung des Ausschusses für GmbH-Recht der Akademie für Deutsches Recht am 7. und 8. Juni 1937 überein, welchen er dort unter der Überschrift „Notwendigkeit der GmbH? " hielt. 374 Da die Inhalte der Ausschußsitzungen zunächst geheim gehalten wurden, erfuhr die Fachöffentlichkeit zum ersten mal im August-/Septemberheft 1937 der Hanseatischen Rechts- und Gerichtszeitschrift von den Erläuterungen Großmann-Doerths. Hierin bezeichnete er die „ Theorie der unbeschränkten Haftung " in Abgrenzung zur Theorie von der „Wohltat der Haftungsbeschränkung" als „Grundwahrheit" der nationalsozialistischen Wirtschaftsordnung. 375 Zum einen zwinge die unbeschränkte Haftung den Unternehmer zur vorsichtigen Aufnahme und Bewirtschaftung der Kredite, weshalb sie also den Eigennutz des Kreditnehmers in die Dienste der richtigen Verwaltung des Volksvermögens spanne.376 Darüber hinaus erfülle die unbeschränkte Haftung aber im Hinblick auf die Auslese der Unternehmer eine volkswirtschaftliche Aufgabe: ,,b) In unserer Wirtschaftsordnung der freien Unternehmerinitiative erfüllt die unbeschränkte Haftung noch eine weitere Aufgabe: Es besteht ein volkswirtschaftliches sehr wichtiges Interesse daran, daß das Volksvermögen von fähigen Händen verwaltet werde. Dabei handelt es sich in erster Linie um die Notwendigkeit, solche Unternehmer aus dem Wirtschaftsprozeß ausscheiden zu lassen, die sich als unfähig erweisen. Unbestreitbar hat hierbei die behördliche Entscheidung eine große und in letzter Zeit gewachsene Bedeutung. Aber ebenso unbestreitbar ist doch, daß der Staat es grundsätzlich ablehnt, die Verantwortung für diese notwendige Auslese auf Behörden zu legen. Also muß für automatische Auslese gesorgt sein. Ob ein Unternehmer geeignet ist oder nicht, dafür bietet sich in solchem automatischen Verfahren als einziger Maßstab der Erfolg. Es müßte also erreicht werden, daß der erfolglose Unternehmer aus dem Wirtschaftsprozeß automatisch zum Aussscheiden gezwungen wird. Einziges Mittel hierzu ist die unbeschränkte Haftung, realisiert durch Zwangsvollstreckung und Konkurs oder durch ihre Existenz ausreichend, um den Unternehmer rechtzeitig zum freiwilligen Ausscheiden zu veranlassen."377
Der neue nationalsozialistische Staat könne die Organisationsfreiheit nur noch so lange gewähren, als sie nicht die Grundgesetze der Wirtschaftsordnung antaste.378 373
Großmann-Doerth, HansRGZ 1937, Sp.281. Abgedruckt in: Schubert, Protokolle des GmbHR-Ausschusses, S. 10ff.; siehe hierzu auch unten, Kapitel 4, Α. I. 375 Großmann-Doerth, HansRGZ 1937, Sp.283f. 376 Vgl. Großmann-Doerth, HansRGZ 1937, Sp.282 u.284. 377 Großmann-Doerth, HansRGZ 1937, Sp.283f. 378 Großmann-Doerth, HansRGZ 1937, Sp.285. 374
D. Ausleseprinzip (1934-1937)
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Gerade dieses Grundgesetz der unbeschränkten Haftung und mit ihm der Auslese sei aber seit langem völlig vergessen gewesen. 379 Großmann-Doerth greift hier also ganz bewußt auf Grundsätze der Vergangenheit zurück und stellt sie als Forderung für den nationalsozialistischen Staat auf. Als Folgerung für die G m b H ergebe sich dann: „Die GmbH, kann nur dann und nur insoweit beibehalten werden, als der Nachweis geführt wird, daß es Tatbestände im wirtschaftlichen Leben gibt, denen gegenüber höhere volkswirtschaftliche Interessen ein Zurücktreten jenes Grundsatzes der unbeschränkten Haftung verlangen. (Diese Tatbestände seien GmbH.-Fälle genannt.)"380 Als solche Fälle nannte Großmann-Doerth beispielsweise Geschäfte mit unübersehbarem Risiko, insbesondere Ausbeutung und Erprobung von Erfindungen, und Fälle besondersartiger Unternehmer wie die Erbengemeinschaft. Sollte man die GmbH, jedoch nicht abschaffen, so müßte man sie zumindest auf diese bestimmten Fälle begrenzen, was darauf hinausliefe, „ daß die GmbH, unter Konzessionszwang gestellt wird" m. Das Aufgreifen des Auslesepinzips und dessen Befürworten als nationalsozialistische Forderung zur Wirtschaftsgestaltung könnte mit der allgemeinen Popularität zusammenhängen, die gerade das Wort „Auslese " i m Nationalsozialismus erfuhr. Eine rechtliche Forderung, welche eingekleidet war in die allgemeine Ausdrucksweise der Zeit des Nationalsozialismus, machte eine Idee viel attraktiver, da sie doch den Inhalt eines deutschen, dem Volksleben entsprungenen Gedankens suggerierte. 382 379
Großmann-Doerth, HansRGZ 1937, Sp.286. Großmann-Doerth, a. a. O. 381 Großmann-Doerth, HansRGZ 1937, Sp.289. 382 Vgl. eine Passage aus Hitlers „Mein Kampf", Zweiter Band, 2. Kapitel: Der Staat, S.425 (477). Das Grundprinzip der (Menschen-)Auslese wird dort von Hitler als Naturgesetz für das Leben in der nationalsozialistischen Gesellschaft aufgestellt: „So große Bedeutung im völkischen Staat die Art der körperlichen und geistigen Erziehung haben wird, ebenso wichtig wird auch die Menschenauslese an sich für ihn sein. " Hitlers Ausführungen zum Ausleseprinzip fußten auf der Basis der rassenideologischen Klassifizierungen. Die Existenz unterschiedlicher sozialer oder intellektueller Schichten innerhalb einer „Rasse" und somit auch der Gedanke der Anwendung des Ausleseprinzips innerhalb einer rassenideologisch gleichen Gesellschaft wurde schlichtweg bestritten oder ignoriert. Aus der Zugehörigkeit zu einer bestimmten „Rasse" folgten automatisch Minderwertigkeit oder Überlegenheit. Demgemäß sei es ein „verbrecherischer Wahnwitz [...], einen geborenen Halbaffen so lange zu dressieren, bis man glaubt, aus ihm einen Advokaten gemacht zu haben, während Millionen Angehöriger der höchsten Kulturrasse in vollkommen unwürdigen Stellungen verbleiben müssen; daß es eine Versündigung am Willen des ewigen Schöpfers ist, wenn man Hunderttausende und Hunderttausende seiner begabtesten Wesen im heutigen proletarischen Sumpf verkommen läßt, während man Hottentotten und Zulukaffern zu geistigen Berufen hinaufdressiert." Adolf Hitler, a.a.O., S. 479. [Anm. d. Verf.: Zulu-Kaffer = Angehöriger eines Bantustammes in Südafrika, bzw. Kaffer = (jiddisch) ugs. für blöder Kerl]. Vgl. hierzu auch Anderbrügge, Völkisches Rechtsdenken, S. 84 f. zu den Auslesegrundsätzen und Rassegesetzen; Ritsehl, a.a. O., S. 132 f. und Majer, Grundlagen, S.38 zu Hitlers sozialdarwinistischem Gedankengut. 380
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2. Kap.: Die Haftungsbeschränkung in der NS-Wirtschaftsordnung
Für Großmann-Doerth galt die durch den Gesetzgeber hervorgerufene Tendenz, die Kapitalgesellschaften zurückzudrängen, als Beleg dafür, daß der Staat den Grundsatz der unbeschränkten Haftung und mit ihm das Ausleseprinzip als Wirtschaftsgrundsätze verfolge. Unter Berufung auf die amtlichen Begründungen zu den neu erlassenen Gesetzen (UmwG, UStG) 383 schrieb er in seinem Aufsatz in der Hanseatischen Rechts- und Gerichtszeitschrift 1937 abschließend: „Jene Bemühungen des neuen Staates um Zurückdrängung der Haftungsbeschränkung zugunsten der unbeschränkten Haftung geht von der Einsicht aus: Die Wirtschaftsordnung der Unternehmerinitiative, für deren grundsätzliche Beibehaltung der nationalsozialistische Staat sich entschieden hat, verlangt, daß für saubere Durchführung derjenigen Grundsätze gesorgt werde, ohne welche diese Wirtschaftsordnung nicht zum Wohle der Gesamtheit funktionieren kann. Ohne automatisch wirkenden Zwang auf den Unternehmer zur Vorsicht bei der Geschäftsführung und ohne automatisches Ausleseverfahren ist innerhalb dieser Wirtschaftsordnung nicht dafür gesorgt, daß das Volksvermögen gut verwaltet wird." 384
Ob das Ausleseprinzip der Unternehmer im NS-Staat ein als primär wirtschaftsordnendes und originär nationalsozialistisch ideologisches Prinzip verstanden werden kann, mag dahin gestellt bleiben.385 Gewisse Auslese-Mechanismen sind jedem liberalen Wirtschaftssystem bekannt. Fest steht aber, daß die Verwendung des Begriffes eine Häufigkeit erfuhr, die zuvor nicht vorhanden gewesen war, und daß der Begriff als Argument gegen die Haftungsbeschränkung verwandt wurde. Aber auch noch in anderer Hinsicht wurde das Ausleseprinzip zum Schlagwort. Nicht nur als theoretische Überlegung und Argument gegen die Haftungsbeschränkung wurde auf die „ Auslese " der Unternehmer verwiesen, sondern auch innerhalb des Aufbaus der GmbH fanden sich Stimmen, die für eine „Führerauslese " sprachen.
II. Auslese im Innenverhältnis: Die Führerqualität Eng mit dem Führerprinzip und dessen Umsetzung im GmbH-Recht durch Stärkung der Geschäftsführung und Beschneidung der Gesellschafterrechte verbunden, ist die Frage nach der „Führerqualität das heißt die Frage, welche Anforderungen an einen Unternehmer zu stellen waren, so daß ihm die Führerposition anvertraut werden konnte. Schönle schrieb hierzu in seiner Dissertation 386: „Die Durchführung des Führerprinzips ist mehr als bloßes Durchsetzen irgend eines politischen Grundsatzes. Es ist das Erkennen des Wertes der Persönlichkeit, hier speziell der Persönlichkeit, die allein durch Geburt, Vorbildung, Fähigkeit, Tatkraft, Initiative, Einsatzbereitschaft und Verantwortungsfreudigkeit geeignet ist, Führer eines Betriebes zu sein. Es ist das Zurückgreifen auf den geborenen Führer, der mit seinem Unternehmen auf Gedeih und 383 384 385 386
Vgl. Großmann-Doerth, HansRGZ 1937, Sp.285. Großmann-Doerth, HansRGZ 1937, Sp.286f. So die wirtschaftsrechtliche Studie von Ritsehl, S. 132f. Siehe bereits oben, Α. II.
D. Ausleseprinzip (1934-1937)
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Verderb verbunden ist. Deshalb ist er aber auch volkswirtschaftliche gesehen, der erfolgreichste Unternehmer." 387
Von dem Bestreben geleitet, die Führerauswahl und -kontrolle den Registerrichtern zu übertragen, finden sich umfangreiche Ausführungen zu den Anforderungen des „ Führers " und dessen Auslese bei Crisolli in seinem Aufsatz in der Juristischen Wochenschrift von Anfang 1935 und in seinem Beitrag im NS-Handbuch.388 Schon 1934 hatte Crisolli in seinem Entwurf zu einem „ Gesetz zur Vereinheitlichung, Bereinigung und Reinhaltung des Handelsregisters " gefordert, daß nur „ ehrenhafte Personen " gesetzliche Vertreter und Aufsichtsratsmitglieder von juristischen Personen sein dürften. 389 Crisolli hielt „die Erwägungen über die Hervorrufung einer richtigen Führerauswahl und Führerüberwachung " für wichtiger als die eigentliche gesetzliche Einführung des Führerprinzips. 390 Die Wichtigkeit des richtigen Führers begründete er mit den Mißbräuchen, welche in der Vergangenheit aufgrund schlechter und unredlicher Geschäftsführung mit der Form der GmbH getrieben worden waren: „Die bei den Handelsgesellschaften, namentlich bei den G.m.b.H., zum Theil herrschende Unsolidität und Unreellität ist nämlich nicht nur durch die teilweise unzulänglichen und nicht vom Volksempfinden getragenen Gesetze, sondern vor allem auch - wie der Aktienrechtsausschuß391 bereits mit Recht festgestellt hat - von der gesunkenen Moral der Leiter der Unternehmen hervorgerufen. Der Krieg, die Inflationszeit und namentlich die Auffassungen der vergangenen liberalistischen Zeitepoche haben in großer Menge unlautere Elemente in maßgebende Stellungen gerufen und die Moral so mancher früher ehrbarer Kaufleute in erschreckendem Maße ins Wanken gebracht."392
Das wiedererwachte Gewissen und die weltanschaulichen Grundsätze des Nationalsozialismus hätten zwar eine Abkehr von derartigen Moralvorstellungen ausgelöst, dennoch forderte Crisolli vom Gesetzgeber, „an der moralischen Erziehung und Auswahl der Führer der wirtschaftlichen Unternehmungen " in entscheidender Weise mitzuwirken. Es sei Aufgabe der Rechtserneuerung, im Gebiete des Handelsrechts den Begriff des Kaufmanns wieder zu einem Ehrentitel zu machen.393 Der Erfüllung dieser Aufgabe solle das Handelsregister dienen, als „Buch der ehrbaren Kaufleute" 394. Dieser Aufgabe, nur „moralisch einwandfreie Personen" zu Geschäftsführern zu bestellen, wollte Crisolli durch Einführung einer „in Weiterbil387
Schönle, S. 31. Crisolli, JW 1935, S. 8 (S. 11 f.); NS-Handbuch, S. 1155 (S. 1162ff.). 389 Crisolli, Entwurf, S. 15. Vgl. bereits oben, Kapitel 1, Β. II. zur Definition dieser „Ehrenhaftigkeit die im wesentlichen mit den hier vorgestellten Vorschlägen übereinstimmt. 390 Crisolli, NS-Handbuch, S. 1155 (S. 1162 ff.). 391 Crisolli, a. a. O.: „In der Zeitschrift der Akademie für Deutsches Recht 1934 S. 22ff. " 392 Crisolli, a.a.O. 393 Crisolli, NS-Handbuch, S. 1163. 394 Crisolli verweist hier auf Zahn, „Wirtschaftsring" 1934, Heft 30. 388
158
2. Kap.: Die Haftungsbeschränkung in der NS-Wirtschaftsordnung
dung des Englischen Rechts" 395 zu erlassenen Vorschrift Rechnung tragen. Danach dürfe keiner zum Geschäftsführer einer GmbH bestellt werden, „über dessen eigenes oder von ihm vertretenes Vermögen einer juristischen Person in den letzten 10 Jahren der Konkurs eröffnet oder mangels Masse abgelehnt ist. Ebenso sind von der Bestellung zum Geschäftsführer einer G.m.b.H. diejenigen Personen ausgeschlossen, die während dieses Zeitraumes für sich oder für eine von ihnen vertretene juristische Person den Offenbarungseid geleistet haben oder die wegen Betruges, Untreue oder Konkursdeliktes bestraft worden sind. " 396 Zur Durchführung dieser Maßnahmen sei vorzusehen, daß bei der Anmeldung der Eintragung von Geschäftsführern entsprechende Versicherungen abzugeben seien. Des weiteren sei in das GmbH-Gesetz ein entsprechender Straftatbestand aufzunehmen. In Härtefällen könne das Registergericht Ausnahmen zulassen. Als Grund zur Rechtfertigung der Notwendigkeit einer besonders vorsichtigen und vertrauenswürdigen Auswahl der Geschäftsführer einer GmbH führte Crisolli an, daß diese einen erheblichen Teil fremden Vermögens, also deutsches Volksvermögen verwalteten. Die Berücksichtigung der gesamten deutschen Interessen erfordere es daher dringend, daß nur moralisch einwandfreien Personen dieser große Teil des Volksvermögens anvertraut sei: „Die vorgeschlagenen Maßnahmen erscheinen erforderlich und geeignet, eine von der neuen Rechtsanschauung geforderte Auslese der Geschäftsführer der G.m.b.H. in wirksamer Weise durchzuführen, da durch sie verhindert wird, daß die unlauteren Elemente in Zukunft weiter fremde Vermögen verwalten und die Haftungsbeschränkung der G.m.b.H. zum Schaden der anderen Volksgenossen ausnutzen können. Eine weitergehende Auslese und Überwachung der Geschäftsführer muß der ständischen Ehrengerichtsbarkeit überlassen bleiben, [,..]." 397
Auch von Lieres und Wilkau sah die Notwendigkeit einer staatlichen Führerauswahl in der Tatsache begründet, daß ein erheblicher Teil des Volksvermögens von Geschäftsführern der GmbH verwaltet wurde. 398 Des weiteren untersuchte er die Frage, ob sich Argumente fänden, die Auswahl des „Führers" auf den Personenkreis der Gesellschafter zu beschränken.399 Von Lieres und Wilkau hielt eine derartige, von den Personengesellschaften her bekannte, Selbstoiganschaft zwar für grundsätzlich erstrebenswert, legte sich aber nicht fest. Der selbstinteressierte Gesellschafter werde zwar bei der Führung der Geschäfte mehr Sorgfalt beobachten, in Anbetracht der erheblichen Vermögenswerte sei es aber erforderlich, daß auch Nichtgesellschafter zu Geschäftsführern bestellt werden müßten, um zu gewährleisten, daß tatsächlich nur erfahrene Personen die Geschäfte führen. Crisollis Vor395
Crisolli verweist hier auf § 142 des Companies Act vom 10. Mai 1929 nach Artur Curti, Die englische AktiengesellschaftS. 162. 396 Crisolli, a.a.O. 397 Crisolli, a.a.O. 398 Lieres und Wilkau, S. 36, der hier auf Crisolli, NS-Handbuch, S. 1163 verweist. 399 Lieres und Wilkau, S.37.
D. Ausleseprinzip (1934-1937)
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schlag zur Einführung einer an das Englische Recht angelehnten Vorschrift stimmte von Lieres und Wilkau zunächst zu, er machte aber eine Einschränkung. Zeiten wirtschaftlicher Krisen müßten ihre Berücksichtigung finden; die Erfahrung der zurückliegenden Zeit habe gezeigt, daß nicht immer die mangelnde Fähigkeit für den Zusammenbruch eines Unternehmens ursächlich gewesen sei. Des weiteren dürfe die Vorschrift nicht solche Personen erfassen, die nur zur Abwendung des Konkurses an die Spitze des Unternehmens berufen worden waren. Zur Überwachung und Durchsetzung der Führerauswahl schlug von Lieres und Wilkau den Ausbau der ständischen Organisationen vor, empfahl aber auch ein Mitwirken des Wirtschaftsministeriums und der Handelskammern. 400 Auch Bernartz hielt in seiner Dissertation ein Einwirken des Staates zur Führerauswahl für erforderlich. 401 Er wollte die Befugnis des Registerrichters aber nicht so weit fassen, daß dieser ihm nicht geeignet erscheinende Personen beanstanden könne. 402 Ein solcher Ermessensspielraum sei zu groß, weshalb bei der Führerauswahl besser auf objektive Tatbestände abzustellen sei, wie Vorstrafen, Konkurs in der Person des Geschäftsführers und ähnliche Dinge, die den Geschäftsführer als nicht vertrauenswürdig erscheinen ließen; in diesen Fällen könne der Registerrichter die Person dann aufgrund objektiver Kriterien ablehnen.403 Auch die Übertragung dieser Aufgaben auf ständische Ehrengerichte hielt Bernartz für möglich. 404 Klausing schlug in seiner Kommentierung des GmbH-Gesetzes vor, daß der „Führer" bei verbundenen Gesellschaften jeweils von dem übergeordneten Verband einzusetzen sei. Für den Spitzenverband wäre für die Auswahl ein staatliches oder ständisches Organ notwendig. Das eigentliche Problem der „Führerauswahl und -Kontrolle" bestehe dann nur noch bei Verbänden, die sich nicht als Glied in einen höheren Verband einordnen lassen könnten. Aber auch hierfür sah Klausing die Auswahl durch ein staatliches oder ständisches Organ nicht für unmöglich an: „Wenn man dagegen das System der ,Normativbestimmungen' entsprechend unseren Anregungen für die GmbH, aufhebt bzw. mit dem ,Konzessionssystem' verbindet und gleichzeitig die Gesellschaften mit kleinerem Kapital (unter 50.000 bzw. 100.000 RM.) in andere Organisationsformen abdrängt, so wird es aller Voraussicht nach gelingen, die Zahl der Gesellschaften mit beschränkter Haftung in absehbarer Zeit so erheblich herabzusetzen, daß eine staatliche oder ständische Mitwirkung bei der Führerauswahl und -Kontrolle keineswegs mehr undurchführbar sein dürfte." 405
400 401 402 403 404 405
Lieres und Wilkau, S.41. Bernartz, S.29. Bernartz, S. 30 verweist in diesem Zusammenhang auf Crisolli, NS-Handbuch, S. 1163. Bernartz, S.31. Bernartz, a. a. O. Klausing, GmbHG, 3. Aufl., Einl., S.59f.
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2. Kap.: Die Haftungsbeschränkung in der NS-Wirtschaftsordnung
E. Zusammenfassung Im Ergebnis zeigen sich die von der Literatur geäußerten hohen Erwartungen an einen „starken Staat" in den Forderungen, gesetzliche Mißstände zu beheben (vgl. Großmann-Doerth zur Haftungsbeschränkung) und überwachend und regulierend einzugreifen (vgl. Crisolli zur Führerauswahl). Den dogmatisch-ideologischen Hintergrund für Kritik und Reformbestrebungen lieferte die aus der Vergangenheit bereits bekannte und auch bereits diskutierte Tatsache, daß bei der GmbH eine Einheit von Herrschaft und Haftung nicht gegeben war. Wer aus diesem Grunde die GmbH nicht wie Großmann-Doerth, Tieisch, Fehling und Fischer abschaffen wollte, suchte die Nachteile der Trennung von Herrschaft und Haftung zu überwinden durch die Annäherung an aktienrechtliche Sicherungen (vgl. Gall, Schwab) oder aber durch den nationalsozialistisch spezifischen Ruf nach dem Ausbau des Verantwortungsund Führerprinzips (besonders Bernartz, Lieres und Wilkau, des weiteren aber auch sämtliche anderen genannten Autoren). Der gesetzlichen Verankerung des Führerprinzips wurde von Crisolli mit Zustimmung der übrigen Literaturstimmen gegenüber der nur statutarischen Möglichkeit zur Stärkung der Geschäftsführung (so vor allen Dingen Klausing) der Vorzug gegeben. Hierin liegt die Forderung nach einer teilweisen Aufhebung der Satzungsfreiheit, zumindest soweit es um das Durchsetzen nationalsozialistischer Prinzipien ging. Des weiteren ist ein anderes Selbstverständnis von der Aufgabe und der Stellung der GmbH im Staatsganzen zu beobachten. Sieht man einmal von der grundlegenden Forderung nach Abschaffung der GmbH (Großmann-Doerth, Tieisch, Fehling, Fischer) ab, so sollte doch die GmbH, wie jede andere Gesellschaft auch, zumindest als kleinere Zelle den gesamten Staatsaufbau in sich tragen und gleichsam widerspiegeln. Waren früher Gewinnstreben und Wettbewerbsvorteile, steuerliche Vergünstigungen und hohe Rendite Maßstäbe für die Gründung und den Erfolg eines Unternehmens gewesen, so trat nun auch für die GmbH die Gemeinschaftsbindung der Wirtschaft in den Vordergrund, das Wirtschaften für das Volksganze und die Bedarfsdeckung. Des weiteren wurde deutlich, daß sich viele Autoren, insbesondere Crisolli, mehr Transparenz vom neuen Staat erhofften, sowie Einfachheit und insbesondere auch „ Volks- " Verständlichkeit nach innen und außen (vgl. den Ruf gegen die Anonymität). Wer also wegen ihrer wirtschaftlichen Notwendigkeit nicht die Abschaffung der GmbH fordern wollte, sprach sich zumindest als Ausgleich zum Beibehalten der ansich unpassenden Haftungsbeschränkung für den Umbau der GmbH nach nationalsozialistischen Grundsätzen aus. Hierbei stellte auch das Ausleseprinzip einen spezifisch nationalsozialistischen Grundsatz dar, welcher ebenso wie der Grundsatz von der Einheit von Herrschaft und Haftung bereits bekannt gewesen war und für den NS-Staat brauchbar gemacht wurde. Um die Ausgestaltung dieses Ausleseprinzips in einem volkswirtschaftlichen Sinne war Großmann-Doerth (daneben auch Klausing) bemüht, während Crisolli und andere hauptsächlich die Auslese im Innenverhältnis der Gesellschaft, insbesondere bei deren Führung ansprachen.
Drittes Kapitel
Ideologie der Vorkriegsjahre: Juristische Person, Kapitalgesellschaft und Treupflicht im Wandel Das Wesen der juristischen Person ist von jeher umstritten gewesen, und so erstaunt es nicht, daß auch im Nationalsozialismus eine breit angelegte Diskussion darüber vorzufinden ist, was nach nationalsozialistischem Verständnis von der juristischen Person zu halten sei und wie diese auszugestalten wäre. Der an späterer Stelle ausführlich zu behandelnde Entwurf der Referenten des Reichsjustizministeriums über ein neues GmbH-Gesetz von 1939 (RefE 1939)1 zeigt sehr deutlich den Niederschlag, welchen die nationalsozialistische Auffassung über das Wesen von Kapitalgesellschaften als juristische Person und das Verhältnis ihrer Mitglieder untereinander gefunden hat. § 1 RefE 1939 bestimmte, die GmbH sei „ eine mit eigener Rechtspersönlichkeit ausgestattete Gesellschaft, in der sich zwei oder mehr Personen zusammenschließen, um durch sie einen gemeinsamen Zweck zu fördern oder zu erreichenDie amtliche Begründung erläuterte hierzu: „Aus § 1 ergibt sich das Wesen der Gesellschaft mit beschränkter Haftung als einer Personengesellschaft mit gebundenem Kapital. [...] Durch ihren Zusammenschluß bilden die Gesellschafter, deren Zahl im Gegensatz zur Aktiengesellschaft regelmäßig nur gering sein wird, eine Gemeinschaft, die manche Ähnlichkeit mit der offenen Handelsgesellschaft aufweist."2
Ist die Verwendung des Begriffs „Personengesellschaft" für die GmbH tatsächlich so zu verstehen, daß hierdurch eine Einordnung der GmbH vorgenommen werden sollte, als eine personalistisch aufgebaute „ Gemeinschaftwelche den Regeln des Personengesellschaftsrechts folgt, so wäre dies ein bemerkenswerter Tatbestand. Dies gilt insbesondere für das daraus folgende Verhältnis der Mitglieder einer solchen Gesellschaft zueinander. Während bei den Kapitalgesellschaften das einzelne Mitglied in einem Rechtsverhältnis zur übergeordneten juristischen Person kraft Satzung steht, liegt zwischen den Gesellschaftern einer Personengesellschaft ein schuldrechtlicher Vertrag vor, aus welchem sich die Pflicht zur Rücksichtnahme, Vertragstreue, usf. ergeben kann. Zu einer möglichen gegenseitigen Treupflicht der Gesellschafter führte die amtliche Begründung zum Entwurf aus: 1
Herausgegeben und mit einer Einleitung versehen von Werner Schubert, vgl. ausführlich unten, Kapitel 5. 2 Schubert, Entwurf, Begründung, S. 151. 11 Stupp
162
3. Kap.: Juristische Person, Kapitalgesellschaft, Treupflicht im Wandel
„Darüber hinaus ist anzunehmen, daß die Gesellschafter über die in Gesetz oder Gesellschaftsvertrag unmittelbar geregelten Einzelverpflichtungen hinaus einander durch eine allgemeine Treupflicht verbunden sind, die in einzelnen Vorschriften des Entwurfs ihren Niederschlag findet." 3
Da der RefE 1939 wegen der aufkommenden Kriegsereignisse niemals Gesetz und zunächst auch nicht veröffentlicht wurde und somit einer breiten Diskussion nicht zugänglich war, gibt es kaum Abhandlungen nach 1939 darüber, wie die Grundhaltung des Entwurfs aufzufassen und zu verstehen ist. 4 Nachdem ich im 2. Kapitel die wichtigsten Argumente aus der allgemeinen Diskussion um die Haftungsbeschränkung dargestellt habe, soll nun die Diskussion um die juristische Person in der frühen Zeit des Nationalsozialismus ab 1933 bis 1939 heraus gearbeitet werden, was zum das Verständnis des RefE 1939 zu einem neuen GmbH-Gesetz beitragen wird. 5 Wegen der frühzeitigen, bereits 1935 einsetzenden gesetzgeberischen Reformbestrebungen auf dem Gebiet des Aktienrechts, verlagerte sich die Diskussion um die juristische Person ein wenig in diesen Bereich, der daher ebenfalls betrachtet werden soll. 6 Auch von diesem Gebiet aus können Rückschlüsse auf das GmbH-Recht, dessen Reform der Gesetzgeber erst nach derjenigen des Aktiengesellschaftsrechts in Angriff nahm, gezogen werden. Für das Innenverhältnis der GmbH hatte die Diskussion um die juristische Person und Kapitalgesellschaften im allgemeinen zur Folge, daß die GmbH im Nationalsozialismus dem Bestreben unterworfen war, sie so weit wie möglich an die ohnehin bevorzugte Gesellschaftsform der oHG anzunähern.
A. Die Überwindung des gesellschaftsrechtlichen Dualismus zwischen juristischer Person und Gesamthand Das Verständnis vom Wesen der juristischen Person in der Literatur vor Erlaß des AktG 1937 und in den Arbeiten zum neuen GmbHG (1937-1939) wandelte sich mit dem Einfluß der nationalsozialistischen Ideologie. Die Literatur fordert in diesen frühen Jahren unter Ablehnung aller abstrakt formalistischen Begriffe ein klares und gemeinverständliches „Volksrecht", welches sich an der Parteianschauung und am Staatsaufbau orientiert. Ein erster Anhaltspunkt zur Änderung im Verständnis von der juristischen Person hat sich bereits im ersten Kapitel im Rahmen der Aussage Crisollis angedeutet, die „juristische Person des Handelsrechts " sei „ nur als ein zweckgebundenes Vermögen der Gesellschafter anzusehen". 7 Die Aussage findet sich später abgewandelt 3 4 5 6 7
Schubert, a. a. O. Vgl. ansatzweise Fischer, Die GmbH (1948). Im folgenden unter A. Im folgenden unter B. Crisolli, Anm. zu RG JW 1934, 2969, vgl. auch oben, Kapitel 1, Β. II.
Α. Die Überwindung des gesellschaftsrechtlichen Dualismus
163
wieder, als Crisolli sagt, man müsse „ die GmbH der Konstruktion als juristische Person " entkleiden und „die Gesellschaft nämlich nur als zweckgebundenes Vermögen" der Gesellschafter ansehen.8 Aus der Bibliographie Crisollis 9 ergeben sich keinerlei Anhaltspunkte dafür, daß er sich mit der auf Alois Brinz zurückzuführenden Lehre von der juristischen Person als Zweckvermögen bereits einmal auseinandergesetzt hatte. Einen Bezug hierzu in seinen Ausführungen stellt Crisolli ebenfalls nicht her, so wie er auch keinerlei Hinweise auf eine allgemeine Diskussion zum Wesen der juristischen Person aufgreift. Als Registerrichter orientierte sich Crisolli möglicherweise eher an den praktischen Seiten des GmbH-Rechts, als auf grundsätzliche Erwägungen über das Wesen der juristischen Person einzugehen. Allerdings bleibt zu fragen, wie Crisolli all die anderen Korporationen in ihrer Ausgestaltung als juristische Person gesehen hätte. In seinem Aufsatz in der Juristischen Wochenschrift von 1935 möchte er nicht nur die GmbH, sondern auch die AG als Zweckvermögen ausgestaltet wissen: „Es dürfte daher richtig erscheinen, in Zukunft die Aktiengesellschaft und GmbH als zweckgebundenes Vermögen der Gesellschafter anzusehen, das nicht eine eigene Rechtspersönlichkeit bildet. " 1 0 Sprach Crisolli also nur von einer Entkleidung der AG und GmbH von dem Mantel der juristischen Person oder mußte nicht hinter solchen Äußerungen eine bereits vorhandene Anschauung stehen, auf die Crisolli sich berufen konnte, und die allgemein für alle juristischen Personen eine neue Sichtweise vertrat? Offen bleibt auch, was Crisolli mit dem oben erwähnten Satz meinte, daß „für die Beurteilung der Verhältnisse die Gesellschafter als Inhaber des Gesellschaftsvermögens maßgebend bleiben. " 11 Sah er das Zweckvermögen als gesamthänderisch gebunden an und zog er einen Vergleich zur oHG? Die Ausführungen Crisollis bleiben in diesem Punkt sehr vage. Auch wenn er sich hier lediglich auf AG und GmbH stützt, so bleibt doch die Frage, ob er letztlich nicht auch den Verein oder die Stiftung als Zweckvermögen hätte betrachten wollen. Eine Forderung nach Behandlung der Unternehmen als Zweckvermögen findet sich auch bei Heyl zu Herrnsheim in der Zeitschrift „Die nationale Wirtschaft " von 193412, worauf Crisolli aber ebenfalls nicht verweist. Bevor ich auf den möglichen Ursprung dieser „ Wiederbelebung " der Zweckvermögenslehre im Nationalsozialismus eingehe, soll aber noch kurz aufgezeigt werden, welche Gemeinsamkeiten oder Unterschiede sich tatsächlich zur Lehre von Brinz ergeben. Durch das Abstellen auf nur einzelne Rechtsgebilde, deren Befreiung von der Konstruktion der juristischen Person und ihrer (der Rechtsgebilde) Ausgestaltung als Zweckvermögen, liegt nämlich im Vergleich zu der Lehre von Alois Brinz, Ernst Immanuel Bekker und Gustav Schwarz eine Umkehrung, die nur noch den Begriff 8
Crisolli, NS-Handbuch, S. 1155 (S. 1157); vgl. oben, Kapitel 1, B.II. Vgl. bereits oben, Kapitel 1, B.II. 10 Crisolli, JW 1935, S.8(S.12). 11 Crisolli, NS-Handbuch, 1935, S. 1155 (S. 1157); siehe auch oben, Kapitel 1, B.II. 12 Heyl zu Herrnsheim, Die nat. Wirtschaft 1934, S.7 (S. 10f.).
9
11*
1 6 4 3 . Kap.: Juristische Person, Kapitalgesellschaft, Treupflicht im Wandel
des „Zweckvermögens" inhaltlich gemeinsam hat. Während die ursprüngliche Zweckvermögenstheorie das Wesen der juristischen Person durch Vorhandensein subjektloser Rechte oder Zweckvermögen und deren Zuordnung unter einen abstrakten Rechtsträger (die juristische Person) zu erklären versuchte, geht Crisolli von der menschlichen Vereinigung selbst aus und ordnet sie einem bestimmten Zweck unter. Statt die Rechte (ein bestimmtes Zweckvermögen) einer (juristischen) Person zuzuordnen, ordnet er also die Personenvereinigung einem bestimmten Zweck zu. Diese Umkehrung in dem Verhältnis von Mensch/Person und Zweck war aber auffälligerweise bereits 1932 von Rhode vorgenommen worden in seiner Abhandlung über die „Juristische Person und Treuhand" 13. Rhode befaßte sich eingehend mit den Werken von Brinz und Schwarz und stellte ihnen eine eigene Lehre vom „zweckgebundenen Recht" entgegen.14 Brinz habe subjektlose Rechte nicht anerkennen wollen und daher die vom Menschen unabhängigen Rechte dadurch zu erklären versucht, daß er neben dem menschlichen Vermögen besondere Zweckvermögen annahm, deren Einzelgüter niemandem gehörten, sondern nur für einen Zweck bestimmt seien.15 Hierdurch entstanden menschliche Vermögen mit der natürlichen Person als Rechtsträger und Zweckvermögen mit der juristischen Person als Rechtsträger. Die Überwindung dieses in das Rechtssystem hineingetragenen Dualismus von menschlichen Vermögen (natürlicher Person) und Zweckvermögen (juristischer Person) habe Schwarz in einem „verdienstvollen Versuch" 16 erstrebt: „Er hätte das an sich auf zweierlei Weise durchführen können: entweder mußte er den menschlichen Träger der Zweckvermögen feststellen, oder er mußte auch die menschlichen Vermögen zu Zweckvermögen umbilden. Für die Methode, in der unser Problem bisher behandelt worden ist, erscheint es typisch, daß Schwarz den letzten Weg gewählt hat."17
Durch die Annahme von Schwarz, daß auch menschliche Vermögen sich letztlich auf einen bestimmten Zweck zurückführen ließen, habe er den Zweckgedanken jedoch übersteigert, indem er den Menschen zum bloßen Sachverwalter seines eigenen Vermögens degradiere. 18 Dieser Weg war ein falscher, wie Rhode anhand der Kritik im Schrifttum nachweist. Statt dessen habe bislang noch niemand daran gedacht, den umgekehrten Weg zu gehen: „Die Möglichkeit, daß man vielleicht den Dualismus zwischen dem subjektiven Recht des Menschen und bloßer Zweckgebundenheit durch Unterordnung des Zwecks unter den Menschen lösen könnte, wird [...] nicht gesehen. " 19 13 Rhode, Juristische Person und Treuhand (1932), S.65ff.; siehe zu Rhode ausführlicher unten, Α. II. 14 Rhode, a.a.O. 15 Rhode, S.46. 16 Rhode, a.a.O. 17 Rhode, a. a. O., mit Hinweis auf Ennecerus-Nipperdey, § 65 III, S. 202, der sich dieser Lehre vorsichtig angeschlosssen habe (vgl. auch Rhode, S.49). 18 Rhode, S.48. 19 Rhode, S.49, S.61.
Α. Die Überwindung des gesellschaftsrechtlichen Dualismus
165
Rhode versuchte also, den Nachweis zu führen, daß auch die Zweckvermögen letztlich von Menschen getragen und daher den menschlichen Vermögen gleich zu behandeln seien.20 Dadurch ergab sich als Rechtsträger der Zweckvermögen ebenfalls die natürliche Person, der Mensch. Bemerkenswert ist, daß Rhode hierdurch zu einer Auffassung gelangt, die zwar die Verwendung des Begriffes „juristische Person " im Gesetz durchaus zuläßt21, den Terminus aber ansonsten für überflüssig hält, da nach dieser Auffassung jedes Zweckvermögen einen oder mehrere (!) 2 2 menschliche Träger hat. Rhode braucht nicht mehr eine erdachte Person, um subjektlose Rechte als Zweckvermögen zuordnen zu können, sondern führt den Nachweis, daß jedes zweckgebundene Recht vom Menschen getragen wird. Der Ausdruck „juristische Person " in einem (älteren) Gesetz meint dann nur noch, „ daß die Rechtsverhältnisse Platz greifen sollen, die die Wissenschaft als Inbegriff der juristischen Person' erkannt hat" 23. Ich halte es für wahrscheinlich, daß Rhodes Theorie Anlaß für Crisollis Forderung gewesen ist, AG und GmbH als von den Gesellschaftern getragenes Zweckvermögen zu begreifen und den Mantel der abstrakten juristischen Person abzulegen. Ob Crisolli nun lediglich GmbH und AG von dem Begriff der juristischen Person befreien wollte, oder die gesamten Korporationen als Zweckvermögen verstand, kann dahinstehen. Ebenso wie Rhode stellt Crisolli auf die vorhandene menschliche Vereinigung ab, welche den gemeinsamen Zweck trägt. Anders im Gegensatz hierzu die ursprüngliche Lehre vom Zweckvermögen, welche die juristische Person ansich dadurch zu erklären versuchte, daß bestimmte Zweckvermögen einem Rechtsträger untergeordnet werden müssen. Ein Rechtsträger „juristische Person " wäre nach der Ansicht Rhodes/Crisollis überflüssig gewesen. Die Ansicht Crisollis kann daher durchaus als ein auf die GmbH und AG übertragener Ausschnitt der allgemeinen Lehre vom zweckgebundenen Recht Rhodes gesehen werden, auch wenn ein Hinweis Crisollis auf diese Lehre nicht erfolgt. Die erste umfangreichere Untersuchung über ein von der NS-Ideologie geprägtes Verständnis vom Wesen der juristischen Person stammt von Wolfgang Siebert 24 aus dem Jahre 1935. 20
Rhode, S. 65 ff. Rhode, S. 166: „ Stellen wir also jetzt fest, daß das, was man bei der Schaffung unserer Gesetze als juristische Person' angesehen hat, tatsächlich keine ,Person' ist, sondern nur einen Komplex von Rechtsbeziehungen umschreibt, eine einfache Methode darstellt, um schwierige Rechtsverhältnisse kurz zu bezeichnen, so steht das Gesetz dieser Erkenntnis weder entgegen, noch wird es in seinen Bestimmungen, die von der juristischen Person' handeln, unbrauchbar oder unverständlich. " 22 Wie aber sollten mehrere natürliche Personen Träger eines Rechts sein, wenn nicht in gesamthänderischer Verbundenheit? Die Tatsache, daß Rhode auch mehrere Träger ein und desselben Rechts für möglich hält, ist bemerkenswert. 23 Rhode, a.a.O. 24 Zur Person Wolfgang Sieberts (1905-1959) und zu seinem Werk vgl. die Gedächtnisschrift von Hueck, S.9ff. und die dazu einleitenden Worte von Weber, S.7ff. Siebert promo21
1 6 6 3 . Kap.: Juristische Person, Kapitalgesellschaft, Treupflicht im Wandel
Siebert wollte die juristische Person zunächst nicht abschaffen oder sich ihrer entledigen, sondern sie lediglich anders definieren, um hierdurch das starre Trennen zwischen juristischer und natürlicher Person und den gesellschaftsrechtlichen Dualismus von Personen- und Kapitalgesellschaften zu überwinden. Sein Ziel war es, hierdurch das GmbH-Recht zu öffnen für die Anwendung personengesellschaftsrechtlicher Elemente, wie die Treupflicht. Die nationalsozialistischen Werte von Gemeinschaft und Treue 25 waren auf die abstrakte juristische Person schlecht übertragbar und wegen des Trennungsdenkens war ein Rückgriff auf die Treue und Gemeinschaft der Mitglieder als natürlicher Personen bislang dogmatisch nicht vertretbar. Auch verbot es sich ohnehin nach bisheriger Anschauung, Mitglieder einer juristischen Person untereinander als eine Art „ Gemeinschaft" zu sehen. Siebert wollte die Grundsätze des nationalsozialistischen Rechtsdenkens einfließen lassen in das Verständnis von der juristischen Person, um so zu einer eigenen Auffassung über deren Wesen zu gelangen. Er ging hierzu den Weg einer offenen, am konkreten Ordungsdenken26 orientierten Definition der juristischen Person. Neben die grundsätzliche Kritik an der mißbräuchlichen Verwendung juristischer Personen war der weitere Aspekt getreten, daß mit dem Nationalsozialismus auch die Grundsätze der Gemeinschaft und Treue einen hohen Stellenwert für das Rechtsleben einnahmen.27 Gerade aber das auf das Verhältnis von mehreren Personen ausgerichtete Gesellschaftsrecht konnte nicht unbeeinflußt bleiben von diesen Grundsätzen. Das Verständnis der juristischen Person als von den natürlichen Personen zu unterscheidendes selbständiges Gebilde, zu welchem jede natürliche Person ein eigenständiges Verhältnis hat, verhinderte, daß die Begriffe von Gemeinschaft und Treue in das Verhältnis der Gesellschafter untereinander mit einbezogen werden konnten. Eine Beziehung, die zur Treue verpflichten konnte, bestand nur zwischen jedem einzelvierte bereits mit 22 Jahren in Halle 1927 über den „strafrechtlichen Besitzbegriff"; seine Habilitationsschrift schrieb er im Alter von 27 Jahren über „Das rechtsgeschäftliche Treuhandverhältnis 1935 war er als außerordentlicher Professor in Kiel tätig, ab 1937 als Ordinarius in Berlin. Nach dem Krieg führte ihn sein Weg über Göttingen 1957 nach Heidelberg, wo er 1959 als ordentlicher Professor für Bürgerliches Recht, Handelsrecht und Arbeitsrecht starb. 25 Siehe allgemein zu den nationalsozialistischen Vorstellungen über die das gesamte Rechtsleben und den Staatsaufbau bestimmenden Werte von Gemeinschaft und Treue Büchner, Recht, Rechtsphilosophie und Nationalsozialismus (Rottleuthner), S.92 (S. 104); Hattenhauer, S.243 Rn.591 ff.; Hirsch/Majer/Meinck, S.236ff.; Klippel, Deutsche Rechtsgeschichte in der NS-Zeit (Rückert/Willoweit), S. 31 (S. 34); Kranig, Recht, Rechtsphilosophie und Nationalsozialismus (Rottleuthner), S. 105 (116f.); Kroeschell, Deutsche Rechtsgeschichte in der NS-Zeit (Rückert/Willoweit), S.55 (S.60ff., 67); Majer, Grundlagen des nationalsozialistischen Rechtssystems, S. 117 ff.; ders., Recht, Rechtsphilosophie und Nationalsozialismus (Rottleuthner), S. 163 (166f.); Schwerdtner, Recht, Rechtsphilosophie und Nationalsozialismus (Rottleuthner), S.82 (S. 84 ff.); Simon, Rechtsgeschichte im Nationalsozialismus (Stolleis/Simon), S. 161 (S. 169f.); Stolleis, Recht im Unrecht, S.94ff. 26 Siehe ausführlicher hierzu unten, Α. I. 27 Siehe Nachweise oben Fn.25.
Α. Die Überwindung des gesellschaftsrechtlichen Dualismus
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nen Mitglied und der juristischen Person, nicht aber zwischen den einzelnen Mitgliedern untereinander, weshalb auch der Gemeinschaftsgedanke nicht mit der herkömmlichen Sichtweise zu vereinbaren war. Neben dem Bestreben, mißbräuchliche Verwendungen der juristischen Person zu verhindern, die durch die begrifflich formale Trennung zwischen der juristischen und den dahinter stehenden natürlichen Personen möglich waren, stand also auch das Bedürfnis im Vordergrund, in Streitfällen mit Hilfe des Gemeinschaftsgedankens und der Treupflicht entscheiden zu können. Dies führte zur generellen Frage, welche Rechte die Minderheit gegenüber der Mehrheit hatte oder ob ein Gesellschafter/Aktionär bei der Betätigung seines Stimmrechts das Gesamtwohl der Gesellschaft und der übrigen Gesellschafter/Aktionäre beachten mußte. Crisolli hatte über die Wichtigkeit von Treue und Gemeinschaft im Kapitalgesellschaftsrecht geschrieben: „Nach der überkommenen Rechtsanschauung standen die Gesellschafter untereinander in keinem Vertragsverhältnis. Es wurde nur der Grundsatz der gleichmäßigen Behandlung der Gesellschafter anerkannt28, nach dem Gesellschafter gegen sie schädigende Handlungen von Mitgesellschaftem nur durch die §§226,826 BGB geschützt waren. Diese Anschauung steht im stärksten Widerspruch mit den Grundanschauungen des Nationalsozialismus. Einer seiner Hauptgrundsätze ist der Grundsatz der Treue. Als Ausfluß dieser Anschauung ist zu fordern, daß auch das Gesellschaftsrecht von dem Grundsatz der gegenseitigen Treue beherrscht wird. 29 Die Reform des Gesellschaftsrechts muß daher diesem zwischen den Gesellschaftern nach den Anschauungen des Nationalsozialismus bestehenden Treuverhältnis rechtliche Verwirklichung verleihen. [...]. Schließlich sei [...] noch auf folgende Erwägung hingewiesen. Einer der Hauptgrundsätze des Nationalsozialismus ist der Gemeinschaftsgedanke."30
Crisolli unterbreitete im folgenden eine Reihe von Vorschlägen zur Verwirklichung des Gemeinschaftsgedankens durch Beteiligung der Arbeiter und Angestellten am Unternehmen. Bereits zuvor war von Heyl zu Herrnsheim in einem Aufsatz auf die Wichtigkeit des Treubegriffs im Handelsrecht des nationalsozialistischen Staats hingewiesen worden. 31 Treue und Gefolgschaft sei ein uralter Zweiklang deutscher Rechtsauffassung. Die Gesellschaft sei nicht mehr nach den Formen des Handelsrechts zu bestimmen, sondern als „ Gemeinschaftskreis der Schaffenden " 3 2 , gleichgültig, welche Form das äußere Gewand habe. Zwischen den Teilhabern bzw. den Gesellschaftern bestehe natürlich ebenso ein Treueverhältnis wie zwischen der Gesellschaft und 28 29 30 31 32
Crisolli verweist hier auf den Aufsatz von Ritter, JW 1934, S. 3025. Crisolli verweist hier auf den Aufsatz von Heyl zu Herrnsheim, DR 1934, S.535. Crisolli, JW 1935, S.8(S.13). Heyl zu Herrnsheim, DR 1934, S.535. Heyl zu Herrnsheim, a. a. O.
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dem einzelnen. Heyl zu Herrnsheim sah das Treueverhältnis als öffentlich-rechtliches Verhältnis und forderte dessen gesetzliche Festlegung.33 Ausdruck des Gemeinschaftsgedankens war die Erkenntnis, daß der einzelne vor dem Wohl der Gemeinschaft zurückzutreten hatte,34 im Wirtschaftsrecht des Nationalsozialismus fand dies seinen Ausdruck in dem aus dem Gemeinschaftsgedanken folgenden Leitprinzip „ Gemeinnutz geht vor Eigennutz. " 35 Die erste Abhandlung Sieberts über das Wesen der juristischen Person zielte darauf, das starre Trennungsdenken aufzulösen und ein neues Verständnis über das Wesen der juristischen Person zu schaffen, welches der Auslegung von den nationalsozialistischen Standpunkten der Treue und Gemeinschaft zugänglich war. Anlaß für Sieberts Arbeit über das Wesen juristischer Personen36 war zunächst eine Entscheidung des Reichsgerichts, die zum ersten Mal die Strömungen der neuen Zeit erkennen ließ und in einem Urteil der mißbräuchlichen Verwendung einer juristischen Person Einhalt gebot. RGZ 146, 385 behandelte die aus dem Aktienrecht zu entscheidende Rechtsfrage, ob ein Vorstandsmitglied einer AG seiner bestehenden Stimmenthaltungspflicht bei einem Sitzungsbeschluß dadurch entgehen könne, daß es seine Aktien in eine GmbH einbringe, so daß dann also diese GmbH stimmberechtigt sei.37 Das Reichsgericht hatte diese Frage für den Fall verneint, daß der Gesellschafter die GmbH tatsächlich und rechtlich so beherrsche, daß sich der Wille der GmbH notwendig mit dem Willen des Gesellschafters decken muß. Die Aktien der GmbH seien dann wie persönliche Aktien des Vorstandsmitgliedes zu behandeln, der Gesellschafter solle sich nicht hinter der formellen Rechtsfähigkeit der GmbH verstekken dürfen: „Es hieße die Form über die Sache stellen, wollte man in den Fällen des § 252 Abs. 3 und des 266 Abs. 1 Satz 2 HGB. die Stimmrechtsausübung für Aktien einer juristischen Person zulassen, welche verfassungsgemäß von einem der betroffenen Vorstands- oder Aufsichtsratsmitglieder vollständig beherrscht wird, so daß die Ausübung des Stimmrechts seiner alleinigen Willensentschließung unterliegt."38
Das Gericht hob hervor, daß man, anders als im Fall der Einbringung der Aktien in eine oHG, grundsätzlich bei der Einbringung der Aktien in eine GmbH dieser kein Stimmverbot aufzwängen könne. Für den Fall der Stimmrechtsausübung durch 33
Heyl zu Herrnsheim, a. a. O. Schraut, DR 1934, S.97 (S.98). 35 Vgl. zu diesem Prinzip allgemein Buchner, Recht, Rechtsphilosophie und Nationalsozialismus, (Rottleuthner), S.92 (S.96f.); Kroeschell, Rechtsgeschichte im Nationalsozialismus (Stolleis/Simon), S.43 (S.50); Rüthers, Unbegrenzte Auslegung, S. 351 ff.; Stolleis, Gemeinwohlformeln im nationalsozialistischen Recht, S. 114 ff. 36 Siebert, DJZ 1935, Sp. 713. 37 Zunächst abgedruckt in JW 1935, S. 1550, mit Anm. Siebert. 38 RGZ 146, 385 (391) = JW 1935, S. 1550 (S. 1552). 34
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eine oHG sei dies aufgrund des Gesamthandseigentums der Gesellschafter an den Aktien anders zu beurteilen gewesen.39 Bei der GmbH jedenfalls stünden die Aktien im Gesellschaftseigentum, weshalb eine entsprechende Anwendung der Grundsätze zur Stimmrechtsausübung durch eine oHG nicht in Frage komme. Durch Auslegung unter Berücksichtigung von Sinn und Zweck der anzuwendenden Vorschriften kam das Reichsgericht aber doch zu der Ausnahme für den vorliegenden besonderen Fall, daß ein Vorstandsmitglied bei der Ausübung des Stimmrechts nicht Richter in eigener Sache sein dürfe, weshalb es keinen Unterschied mache, ob er oder eine juristische Person im Rechtssinne Eigentümer sei.40 Das Gericht behielt hier also den Grundsatz, der zwischen Gesellschaft(seigentum) und Gesellschafter(eigentum) scharf trennte, bei, schaffte aber für den vorliegenden Fall eine Ausnahme zu diesem Prinzip. Des weiteren behandelte das Urteil die Unzulässigkeit einer Anfechtungsklage wegen Verstoßes gegen die Treupflicht eines Aktionärs, soweit die Klage nur dazu benutzt wird, der Gesellschaft den eigenen Willen aufzuzwingen. 41 Das Reichsgericht stützte sich hier auf den allgemeinen Gedanken des Rechtsmißbrauchs und ging in diesem Zusammenhang auch auf die Treupflicht direkt ein: „Der Aktionär hat sich bei allen seinen Maßnahmen als Glied der Gemeinschaft zu fühlen, der er angehört und ist gehalten, die Treupflicht gegenüber dieser Gemeinschaft zur obersten Richtschnur seines Handelns zu machen. Übt ein Aktionär das [...] Anfechtungsrecht [...] aus, um selbstsüchtig der Gesellschaft seinen Willen erpresserisch aufzuzwingen, also zu geseWschaftsfremden Zwecken, dann liegt darin eine so gröbliche Verletzung der Treupflicht, daß die Ausübung des Rechts sich als ein Rechtsmißbrauch darstellt, der von der Rechtsordnung nicht geduldet werden kann. Der Gedanke der Unzulässigkeit einer mißbräuchlichen Rechtsausübung hat seinen gesetzlichen Niederschlag in dem Schikaneverbot des § 226 BGB gefunden, er muß aber über den Rahmen dieser Vorschr. hinaus überall dort Anwendungfinden, wo sich die Ausübung eines Rechtes als eine gröbliche Verletzung gegen den das gesamte bürgerliche Recht beherrschenden Grundsatz von Treu und Glauben darstellt/' 42
In der Anmerkung zum Urteil ging Siebert auf dessen Bedeutung für den Einfluß der nationalsozialistischen Ideologie ein: „Die vorl. Entsch. verdient besondere Beachtung. Sie liefert ein wichtiges Beispiel für die allmählich immer stärkere Durchdringung des Rechts der Kapitalgesellschaften mit den nationalsozialistischen Grundsätzen von Gemeinschaft und Treupflicht." 43
Siebert stellte die Erkenntnis heraus, „ daß die Pflicht aus Treu und Glauben alle Rechte und Befugnisse im Gesellschaftsrecht, insbes. die Mitgliedschaftsrechte, 39 40 41 42 43
Vgl. RGZ 146, 71 = JW 1935, S. 1236. RG JW 1935, S. 1550 (S. 1552). RG a.a.O. RG JW 1935, S. 1550 (S. 1553). Siebert, Anm. zu RG JW 1935, S. 1550 (S. 1553).
in-
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haltlich erfaßt und konkret gestaltet u44 und forderte dazu auf, die Lehre vom Rechtsmißbrauch45 und von der Rechtsfähigkeit weiter auszubauen. Zur Rechtsfähigkeit einer juristischen Person äußerte sich Siebert ebenfalls und bezeichnete sie als einen „Begriff\ der einer Anerkennung solcher Treupflicht bisher hindernd im Wege stand". 46 Sobald man diesen Begriff aber von seiner abstrakt-absoluten Hülle befreit habe, sei die Bahn frei „sowohl für die Anerkennung einer Treupflicht unter den Mitgliedern einer juristischen Person wie für die klare Durchführung einer Lehre vom Mißbrauch der Rechtsfähigkeit" 41. Zur Durchdringung des Gesellschaftsrechts mit den Prinzipien der Treue und der Gemeinschaft forderte Siebert zum Schluß seiner Anmerkung: „Die vorl. Entsch. legt aber durch ihre Begründung die Frage nahe, ob es nicht klarer und folgerichtiger wäre, den Gemeinschaftsgedanken und die Treupflicht im Gesellschaftsrecht als unmittelbar gestaltende und begrenzende Kräfte auch für die Rechtsfähigkeit juristischer Personen anzuerkennen und so auch diese Rechtsfähigkeit dem ,konkreten Ordnung- und Gestaltungsdenken' zu unterwerfen (vgl. Siebert: Deutsches Recht 1935,57). Dann bedürfte es keiner Abschaffung der Rechtsfähigkeit mehr, wie sie seit kurzem gefordert worden ist 0Crisolli: JW 1935, 12)."48
Genau dieser Forderung, die Rechtsfähigkeit dem „konkreten Ordnungs- und Gestaltungsdenken" zu unterwerfen, kam Siebert selbst in einem weiteren Aufsatz nach. In seiner grundlegenden Abhandlung in der Deutschen Juristen-Zeitung (DJZ) vom 15. Juni 1935 über „Das Wesen der Rechtsfähigkeit privatrechtlicher Personenverbände " stellte er eine neue Definition vom Wesen der juristischen Person auf, die auf den Grundlagen der nationalsozialistischen Rechtstheorie vom „konkreten Ordnungsdenken " 49 beruhte. I. Die Definition der juristischen Person durch Siebert, 1935 Siebert sah 1935 die Rechtsfähigkeit eines Personenverbandes als „die rechtliche Gestalt einer auf personenrechtlicher Grundlage zusammengeschlossenen organischen Einheit. " 5 0 Hierbei gebrauchte er den „Gestalt"-Begriff vor allem als Gegenstück zum bloßen Formbegriff. Diesem Formbegriff gegenüber sei „die Rechtsfähigkeit des Personenverbandes als Gestaltbegriff Ausdruck und Verwirklichung einer organischen Einheit und damit ein von einem konkreten Inhalt erfüllter Begriff\ der Idee und Wirklichkeit, Einheit und Vielheit verbindet. " 51 44 45
Siebert, Anm. zu RG JW 1935, S. 1550 (S. 1554). Vgl. auch Sieberts Arbeit über die „ Verwirkung und Unzulässigkeit der Rechtsausübung
1934. 46
47 48 49 50 51
Siebert, Anm. zu RG JW 1935, S. 1550 (S. 1553). Siebert, a.a.O. Siebert, a.a.O. Siehe hierzu ausführlich unten, A.I. 1. Siebert, DJZ 1935, Sp.713 (721). Siebert, a.a.O.
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Den Hintergrund für diese Definition Sieberts bildete 1935 eine Auffassung von „Recht", die sich gerade erst in den frühen Jahren nach der Machteigreifung entwickelte und als eine von der nationalsozialistischen Ideologie geprägte Rechtstheorie zu verstehen ist. Die zunächst sehr weitläufig und unklar wirkende Definition Sieberts, die hauptsächlich auf dem „Gestaltbegriff" aufbaut, aber auch die personenrechtliche Verbindung der Mitglieder herausstellt, wird erhellt durch einen Blick auf die Fragestellung, was sich in der nationalsozialistischen Rechtswirklichkeit hinter den Begriffen „Gestalt" und „konkrete Ordnung" verbarg. Siebert nahm Bezug auf das von Carl Schmitt entwickelte „konkrete Ordnungsund Gestaltungsdenken " 51. Er schrieb hierzu in seinem erwähnten Aufsatz in der DJZ: „[...], und das an die Macht ,an sich' geknüpfte abstrakte Form- und NormDenken wird überwunden durch ein auf dem Pflicht- und Gemeinschaftsgedanken beruhendes konkretes Gestalt-Denken, /..J." 5 3 Am Schluß dieses Satzes verweist Siebert in einer Fußnote auf die Arbeit Schmitts zum konkreten Ordnungsdenken.54 Um zu klären, welche Bedeutungen sich hinter den von Siebert verwandten Ausdrücken verbergen, soll ein kurzer Blick auf diese Lehre geworfen werden. 1. NS-Rechtstheorie: Konkretes Ordnungsdenken bei Schmitt Die Lehre vom „konkreten Ordnungs- und Gestaltungsdenken" wurde in dem Bestreben, die Rechtstheorie der Vergangenheit zu überwinden, zu verbessern und das Rechtsleben der Ideologie des Nationalsozialismus anzupassen, als Begriff und neue Denkweise dem herkömmlichen sogenannten „abstrakten Formdenken" gegenübergestellt. Zusammenfassend bezeichnete Carl Schmitt55 die Lehre als einen „Übergang zu einem neuen Typus rechtswissenschaftlichen Denkens" 56, der es erlaube, „den werdenden Gemeinschaften, Ordnungen und Gestaltungen eines neuen Jahrhunderts gerecht zu werden [...]" 51 52
Vgl. hierzu ausführlich unten, A.I. 1., mit weiteren Nachweisen in Fn.57. Siebert, DJZ 1935, Sp. 713. 54 Siebert, a. a. O., Fn. 1: „ Über die Wandlung im Rechtsdenken, namentlich über das ,konkrete Ordnungs- und Gestaltungsdenken', vgl. Carl Schmitt, Über die drei Arten des rechtswissenschaftlichen Denkens, 1934.[...]". 55 Zum Leben, Werk und zur Person Carl Schmitts (1888-1985) vgl. u. a. Köbler, S. 524ff.; Quaritsch, „Positionen und Begriffe Carl Schmitts ders., Complexio Oppositorum, über Carl Schmitt; Rüthers, „Carl Schmitt im Dritten ReichStolleis, Juristen, S.547f. 56 Carl Schmitt, Über die drei Arten des rechtswissenschaftlichen Denkens (1934), S.67. 57 Schmitt, a. a. O.; vgl. allgemein zum konkreten Ordnungs- und Gestaltdenken Anderbrügge, Völkisches Rechtsdenken; Maus, Recht, Rechtsphilosophie und Nationalsozialismus (Rottleuthner), S. 176 (S. 184ff.); Neumann, Recht, Rechtsphilosophie und Nationalsozialismus (Rottleuthner), S. 152 (S. 154ff.); Rückert, Deutsche Rechtsgeschichte in der NS-Zeit (Rükkert/Willoweit), S. 177 (S. 186ff.); Rüthers, Entartetes Recht, S.54ff.; ders., Unbegrenzte Auslegung, S. 277 ff.; Stolleis, Recht im Unrecht, S.32. 53
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Schmitt entwickelte das konkrete Ordnungsdenken in seinen Anfang 1934 erschienenen Ausführungen „ Über die drei Arten rechtswissenschaftlichen Denkens" 5* und wandte sich hier gegen jede rein normativistische Methode, die „die Norm oder die Regel (im Gegensatz zur Entscheidung oder zur konkreten Ordnung) isoliert und verabsolutiert" 59. In Ablehnung dieses Normativismus und ebenfalls unter Ablehnung des Dezisionismus sprach sich Schmitt für eine dritte Art der Sichtweise vom Zusammenhang und Verhältnis zwischen Lebenswirklichkeit und Recht aus: Das Recht sei als eine der sozialen Wirklichkeit innewohnende immanente Ordnung zu begreifen. Anders als im Regeln- und Gesetzesdenken oder im Entscheidungsdenken komme bei dem Denken in konkreten Ordnungen und Gestaltungen den einzelnen Rechtsbegriffen nur eine dem Wesen der Ordnung dienende Funktion zu: „Für das konkrete Ordnungsdenken ist »Ordnung' auch juristisch nicht in erster Linie Regel oder eine Summe von Regeln, sondern, umgekehrt, die Regel nur ein Bestandteil und ein Mittel der Ordnung. [...]. Die Norm oder Regel schafft nicht die Ordnung; sie hat vielmehr nur auf dem Boden und im Rahmen einer gegebenen Ordnung eine gewisse regulierende Funktion mit einem relativ kleinen Maß in sich selbständigen, von der Lage der Sache unabhängigen Geltens."60 „Die mancherlei Gewohnheiten, Regelmäßigkeiten und Berechenbarkeiten innerhalb solcher Ordnungen können und sollen das Wesen dieser Ordnung nicht erfassen und erschöpfen, sondern ihr nur dienen."61
Für die Ausgestaltung institutionalisierter Lebensbereiche bedeutete dies, daß das „spezifisch rechtliche Wesen" 62 der konkreten Ordnung einer Institution aus sich selbst heraus zu finden sei: „Sie63 haben ihre Begriffe von dem, was normal, normaler Typus und normale Situation ist, in sich selbst, und ihr Begriff von Normalität erschöpft sich nicht, wie in einer technischen Verkehrsgesellschaft, darin, berechenbare Funktion einer normierten Regelung zu sein. Sie haben eine eigene rechtliche Substanz, die wohl auch generelle Regeln und Regelmäßigkeiten kennt, aber nur als Ausfluß dieser Substanz, nur aus ihrer konkreten eigenen, inneren Ordnung heraus, die nicht die Summe jener Regeln und Funktionen ist."64
Solange eine Institution andauert, widerstehe ihre „konkrete Ordnung, Disziplin und Ehre" 65 daher jedem Versuch restloser Normierung und Regelung. Somit stehe der Gesetzgeber und Rechtsanwender unweigerlich vor dem Dilemma, entweder 58
Siehe oben, Fn. 56. Schmitt, S. 13. 60 Schmitt, a.a.O. 61 Schmitt, S.20. 62 Schmitt, a.a.O. 63 Gemeint sind „Lebensgebiete, die sich nicht verkehrsmäßig-technisch, nell gestaltet haben. " Schmitt, a. a. O. 64 Schmitt, a.a.O. 65 Schmitt, a.a.O. 59
sondern institutio-
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die mit der Institution gegebenen Rechtsbegriffe zu verwenden oder die Institution zu zerstören. 66 Die „ konkrete Ordnung " einer Institution sollte also aus sich selbst heraus die rechtlichen Verhältnisse, unter anderem auch die der zu dieser Institution gehörenden Personen untereinander und zur Institution selbst, bestimmen. Dies geht aus den von Schmitt in diesem Zusammenhang angeführten Beispielen für derlei Institutionen hervor: „Das Zusammenleben der Ehegatten in einer Ehe, der Familienmitglieder in einer Familie, der Sippengenossen in einem Stand, der Beamten eines Staates, der Geistlichen einer Kirche, der Kameraden eines Arbeitslagers, der Soldaten eines Heeres kann weder in den Funktionalismus vorherbestimmter Gesetze, noch in Vertragsregelungen aufgelöst werden."67
Hinsichtlich der Grundlagen des konkreten Ordnungsdenkens handelte es sich hierbei lediglich um ein Wiederaufgreifen historisch bereits bekannter Denkformen. Bei Rüthers 68 findet sich die ausführliche Darlegung der Geschichte der institutionellen Begriffsbildung, insbesondere mit Hinweisen auf das Denken in Rechtsinstituten bei Friedrich Carl von Savigny69, Friedrich Julius Stahl70, Maurice Hauriou71, Erich Kaufmann 72 und Phillipp Heck 73 . Zusammenfassend stellt Rüthers als Gemeinsamkeit jeden Denkens in Institutionen die Offenheit für immer neue soziale Wirklichkeiten und den Bezug zu einer außerjuristischen wertebestimmenden Ordnung fest. 74 Insoweit entwickelte Schmitt also keine völlig neue Sichtweise. Er versuchte jedoch, das konkrete Ordnungsdenken als eine genuin deutsche Idee zu belegen, weshalb es sich gut in die nationalsozialistische Ideologie einfügen ließ. Schmitt spannte hierzu einen weiten Bogen und griff exemplarisch bekannte Werke und Personen heraus, um zu belegen, daß das konkrete Ordnungs- und Gestaltungsdenken zwar in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts durch den Rechtsoder Gesetzespositivismus beseitigt wurde, unterschwellig aber stets vorhanden war. In Deutschland habe das konkrete Ordnungs- und Gemeinschaftsdenken niemals aufgehört. 75 Das deutsche Volk habe sich immer wieder gegen liberale Ideen gewehrt und gegen die Zerstörung des konkreten Ordnungsdenkens gekämpft. 76 66 67 68 69 70 71 72 73 74 75 76
Schmitt, a.a.O. Schmitt, a.a.O. Rüthers, Unbegrenzte Auslegung, S.278. Rüthers, Unbegrenzte Auslegung, S. 279. Rüthers, Unbegrenzte Auslegung, S.281. Rüthers, Unbegrenzte Auslegung, S. 283. Rüthers, Unbegrenzte Auslegung, S.285. Rüthers, Unbegrenzte Auslegung, S. 286. Rüthers, Unbegrenzte Auslegung, S.291 f. Schmitt, S.42. Schmitt, S.44.
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Schmitt ging zunächst zurück zur ursprünglichsten Form des deutschen konkreten Ordnungsdenkens, zu den lebendigen Ordnungseinheiten des mittelalterlichen, aristotelisch-thomistischen Naturrechts. 77 Nach deren Zusammenbruch habe durch die Bildung der seit dem 17. Jahrhundert entstandenen neuen deutschen TerritorialStaaten keineswegs wirklich ein Verdrängen des konkreten Ordnungsdenkens stattgefunden. Vielmehr sei das Rechtsleben geprägt gewesen durch die „ institutionelle Bestimmtheit der katholischen Kirche" 1* und im protestantischen Deutschland von dem lutherischen Sinn für die „natürliche Schöpfungsordnung" 19. Auch am Ende des 18. Jahrhunderts seien, trotz der von vernunftrechtlichen Normen geprägten Systeme von Pufendorf und Kant die konkreten Ordnungen im innerstaatlichen Leben nicht zerstört gewesen.80 Als Beleg führte Schmitt den zweiten Teil des preussischen ALR an, welches Kirche, Staat, Familie, Hausgemeinschaft und ähnliches als Institutionen verstanden habe.81 Als eine „Gesamtleistung deutschen Geistes"* 2 bezeichnete Schmitt auch den Widerstand der historischen Rechtsschule Savignys mit ihrer Lehre vom Gewohnheitsrecht gegen die Kodifikationsbestrebungen. Zusammen mit der Rechts- und Staatsphilosophie Hegels, in welcher das konkrete Ordnungsdenken mit einer unmittelbaren Kraft lebendig werde, sei sie ein Beleg für den deutschen Widerstand „gegenüber einer fremden Invasion "* 3. Selbst in Otto v. Gierkes Genossenschaftstheorie sei trotz der Antithese von Genossenschaft und Anstalt der Sinn für Ordnung und Gemeinschaft lebendig84, so daß sich für Schmitt das gesamte 19. Jahrhundert als ein deutscher Kampf gegen die normativistische Abstraktheit darstellen ließ, welcher das konkrete Ordnungsdenken schließlich vordergründig unterlag. Erst mit der nationalsozialistischen Bewegung kam das Denken in Ordnungen und Institutionen wieder zum Vorschein. Schmitt stellte einen gegenwärtigen „gewaltigen Anlauf zum konkreten Ordnungs- und Gestaltungsdenken"* 5 fest: „In Deutschland läßt sich heute am deutlichsten erkennen, in welchem Maße die Zeit des juristischen Positivismus zu Ende ist. Von allen Seiten und auf allen Gebieten des Rechtslebens dringen sog. Generalklauseln in einem jede positivistische »Sicherheit4 aufhebenden 77
Schmitt, S.41. Schmitt, S.42. 79 Schmitt, a.a.O. 80 Schmitt, S.43. 81 Schmitt, S. 44 mit Hinweis auf ALR Teil I, Titel I, § 2: „Die bürgerliche Gesellschaft besteht aus mehreren kleineren, durch die Natur oder Gesetz oder durch beide zugleich verbundenen Gesellschaften und Ständen. " 82 Schmitt, S.45. 83 Schmitt, a.a.O. 84 Schmitt, S.48. 85 Schmitt, S.58. 78
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Umfang vor, unbestimmte Begriffe aller Art, Verweisungen an außergesetzliche Maßstäbe und Vorstellungen, [...]."86
Einerseits stellte sich somit die Herleitung eines ursprünglich-deutschen, wieder erwachten konkreten Ordnungsdenkens als die Erfüllung der parteipolitischen Forderungen zur Abschaffung des rezipierten römischen Rechts dar. 87 Andererseits erlaubte es aber und gebot geradezu, jede Auslegung vom Wesen institutionalisierter Lebensbereiche auf der Grundlage deren innerer Ordnung vorzunehmen. Während ein ähnlicher transzendentaler außerjuristischer Bezug beispielsweise bei Savigny die christliche Ordnung darstellte oder bei Stahl der von Gott konzipierte Weltplan88, orientierte sich der übergeordnete Maßstab bei Schmitt an den Werten und Anschauungen des Nationalsozialismus. Hierdurch stand ein hohes Maß an Flexibilität zur Verfügung, welches das Eindringen der nationalsozialistischen Wertvorstellungen in das Rechtsleben auf schnelle Art und Weise ermöglichte. Im Ergebnis machte es folglich die schnelle Anpassung der Rechtswirklichkeit an die Bedürfnisse des Nationalsozialismus möglich, da sich mit dem Wandel der politischen Machtverhältnisse auch ein Wandel dessen ergeben hatte, was den Institutionen an „ innewohnender eigener sozialer Ordnung " zugrunde lag. Das konkrete Ordnungsdenken ist somit als Teil der Umformung des bestehenden Rechtssystems im Nationalsozialismus zu sehen.89 2. Die juristische Person in den deutschrechtlichen
Theorien
Siebert bezog sich also durch seine Verweise auf Schmitt bei der Neubestimmung des Wesens der Rechtsfähigkeit von Personenverbänden nicht nur einfach auf die von Schmitt eingeführten Begriffe, sondern unternahm hierdurch gleichzeitig den Versuch, die gesamte Sichtweise der juristischen Person auf eine ursprünglich deutschrechtliche Grundlage zu stellen und im Sinne der nationalsozialistischen Ideologie zu bestimmen.90 Er stellte zunächst das hergebrachte dualistisch trennende System kurz dar, um dessen Schwächen aufzuzeigen. Alsdann folgte eine Aus86
Schmitt, a.a.O. Vgl. Punkt 19 des Parteiprogramms der NSDAP vom 25. Februar 1920: „Wir fordern Ersatzfür das der materialistischen Weltordnung dienende römische Recht durch ein deutsches Gemeinrecht." Zur Ablehnung des rezipierten römischen Rechts siehe Landau, Rechtsgeschichte im Nationalsozialismus (Stolleis/Simon), S. 11 ff.; Luig, Deutsche Rechtsgeschichte in der NS-Zeit (Rückert/Willoweit), S. 95 ff. 88 Vgl. Rüthers, Unbegrenzte Auslegung, S. 291 f. 89 Vgl. Rüthers, Unbegrenzte Auslegung, S. 301: „Das kOD war ein Instrument zur Inhaltsänderung des gesetzten Rechts. " 90 Ähnliche solcher Versuche von Siebertfinden sich auf anderen Rechtsgebieten, vgl. etwa für das Arbeitsrecht Siebert, „Das Arbeitsverhältnis in der nationalen Arbeit" (1935); vgl. über diese Arbeit Sieberts und ihren Bezug zum konkreten Ordnungsdenken Kranig, Recht, Rechtsphilosophie und Nationalsozialismus (Rottleuthner), S. 105 (S. 114ff.). 87
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einandersetzung mit den bisherigen Theorien zur Wesensbestimmung der juristischen Person; schließlich sah sich Siebert in der Lage, einen neuen, auf deutschrechtlicher Grundlage beruhenden Ausgangspunkt zur Wesensbestimmung der juristischen Person im nationalsozialistischen Sinn zu finden. Siebert nahm die oben bereits erwähnte, von ihm selbst angemerkte, aktuelle Entscheidung des Reichsgerichts91 noch einmal zum Anlaß, den bisherigen Umgang mit der Figur der juristischen Person aufzuzeigen. Dem Ergebnis der Entscheidung hatte er ja bereits durchaus zugestimmt92, jedoch wandte er sich nun gegen die dahinterstehende deutlich werdende Denkweise, die zur Begründung des Urteils in dieser Form geführt hatte. Das Reichsgericht hatte nach wie vor an der Rechtsansicht festgehalten, daß grundsätzlich bei der Stimmrechtsausübung durch eine im Eigentum von Aktien befindliche GmbH kein Verbot in Betracht kommen könne, lediglich aufgrund der besonderen Umstände des Falles ergebe die Auslegung nach dem Sinn und Zweck des Stimmverbots ein abweichendes Ergebnis. 93 „Diese Sätze sind kennzeichnend für die bisherige Methode in Rspr. und Schrifttum: unter besonderen Umständen (Treu und Glauben) glaubte man eine »abweichende Handhabung', eine »Durchbrechung' der juristischen Konstruktion, ein Nicht-Berufen-Können auf die juristische Zweiheit' rechtfertigen zu können!"94
Siebert ging es um die Aufhebung des vom Normativismus geprägten Regel-Ausnahme-Verhältnisses von grundsätzlicher Trennung zwischen juristischer und dahinter stehender natürlicher Person und der Durchbrechung dieses Prinzips in Einzelfällen. Stattdessen wollte er ein neues Verständnis vom Wesen der juristischen Person zugrundelegen, welches auf konkretem Ordnungsdenken beruhte: „Sollte nicht aber das, was hier als Regel und Ausnahme getrennt wird, sichrichtiger als einheitliche Betätigung einer konkreten Gestaltung und Begrenzung rechtfertigen lassen?"95
Und auch den zweiten Teil des Urteils aus der bereits genannten Entscheidung führte Siebert an. Es betraf die Frage, unter welchen Voraussetzungen dem an sich anfechtungsberechtigten Aktionär entgegengehalten werden konnte, daß er mit seiner Anfechtung des Beschlusses gegen seine gesellschaftliche Treupflicht gegenüber der Gesellschaft verstieß. Siebert begrüßte, daß das Gericht nunmehr den umfassenden Grundsatz von Treu und Glauben angewandt hatte, statt wie früher auf eine vorsätzliche oder sittenwidrige Schädigung (§ 826 BGB) abzustellen.96 Von diesem Ergebnis aus sei es aber nur noch ein kleiner Schritt, § 242 BGB nicht nur auf das Verhältnis des einzelnen Aktionärs zur AG, sondern auch auf das Verhältnis 91 92 93 94 95 96
RGZ 146, 385 = DJZ 1935, 309 = JW 1935, 1550, mit Anm. Siebert, vgl. oben, Fn.37. Vgl. oben, A. Vgl. bereits oben, A. Siebert, DJZ 1935, Sp.713 (Sp.715). Siebert, a.a.O. Siebert, DJZ 1935, Sp.713, (Sp.716).
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der einzelnen Aktionäre untereinander anzuwenden. Dazu habe man sich bisher nicht allgemein entschließen können, „weil das Wesen der juristischen Person als unüberwindliches Hindernis betrachtet wurde : Beim rechtsfähigen Personenverband soll es nach h. M. körperschaftliche Rechtsbeziehungen zwar zwischen dem Mitglied und der juristischen Person, nicht dagegen zwischen den einzelnen Mitgliedern untereinander geben können, so daß § 242 BGB, der eine Sonderbeziehung zwischen bestimmten Beteiligten voraussetzt, auf die Rechtslage zwischen den Mitgliedern untereinander nicht anwendbar sein soll."97
Hier erhob Siebert die Frage nach dem Wesen der juristischen Person: „Ist esrichtig,die Rechtsfähigkeit als einen so starren und abstrakten Formbegriff anzusehen, daß nicht nur nach außen, sondern auch für die innere Gestaltung des rechtsfähigen Personenverbandes die natürlichen Glieder und Träger der juristischen Person durch die Rechtsfähigkeit verdeckt und entgegen ihrer natürlichen Verbundenheit auseinandergerissen werden?"98
Die Sichtweise von der „Gestalt" einer Institution in Abgrenzung von einer Denkweise in abstrakten Formen deutet sich hier bereits an. Statt die Form als Regel über den Inhalt zu stellen, sollte sich die juristische Person ihrem Wesen nach als „ organische Einheit " aus ihren Bedürfnissen heraus selbst erklären können, um auf diese Weise auch ihre eigenen Grenzen zu entwickeln. Wie zuvor Schmitt das konkrete Ordnungsdenken als ursprünglich deutsch hervorgehoben hatte, versuchte nun auch Siebert, die deutschrechtlichen Ursprünge des Wesens der juristischen Person aufzudecken. Seit der neueren Erforschung des Wesens der juristischen Person im 19. Jahrhundert, die für das gegenwärtige Bewußtsein ihren Anfang bei Savigny nahm", hatten sich die gegensätzlichen Meinungen von der Fiktionstheorie und der Theorie der realen Verbandspersönlichkeit herausgebildet, welche die Diskussion bestimmten. Nach der Fiktionstheorie war die Rechtsfähigkeit des Einzelmenschen etwas Naturgegebenes, die einer Körperschaft oder Anstalt dagegen eine künstliche Schöpfung der Rechtsordnung, eine gesetzliche Fiktion. 100 Savigny beschreibt die juristi97
Siebert, a.a.O. Siebert, a.a.O. 99 Vgl. Flume, BGB AT, Bd. 1, Teil 2, S. 1, mit weiteren Erläuterungen zur Verwendung des Terminus Juristische Person " bei Hugo, Lehrbuch des Naturrechts, 1798, S.45, zur Einführung des Terminus „ moralische Person " bei Pufendorf, De jure naturae et gentium 1,1 12., und zur ersten Verwendung der „juristischen Person " als Abstraktionsbegriff im Grundriß von Heise, 1807; vgl. ebenfalls Gierke, Deutsches Privatrecht, Bd. 1,1895, S.469 zur Durchsetzung des Begriffs „juristische Person " bei Savigny, System Bd. 2, S. 240, zur Verwendung des Begriffs „persona juridica" bei Gründling, Diskourse über die Pandekten, 1739. 100 Savigny, System, Bd. 2, § 85, S. 236: „Die Rechtsfähigkeit wurde oben dargestellt als zusammenfallend mit dem Begriff des einzelnen Menschen (§60). Wir betrachten sie jetzt als ausgedehnt auf künstliche, durch bloße Fiction angenommene Subjecte. Ein solches Subject nennen wir eine juristische Person, d. h. eine Person welche blos zu juristischen Zwecken ange98
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sehe Person als „ein des Vermögens fähiges künstlich angenommenes Subjekt." m Auch wenn jedoch das Wesen der juristischen Person ausschließlich auf die privatrechtliche Eigenschaft der Vermögensfähigkeit bezogen werde, bedürfe sie dennoch eines von ihr verschiedenen selbständigen Zweckes, der eben durch die Vermögensfähigkeit gefördert werden solle. 102 Deshalb sei der Name der juristischen Person demjenigen der natürlichen Person entgegenzusetzen, um auszudrücken, „daß sie nur durch diesen juristischen Zweck ein Daseyn als Person hat. " 1 0 3 Ähnlich führte Puchta später weiter aus, daß die Fiktion der juristischen Person angenommen wird, um Rechten zu einer Existenz zu verhelfen, ohne sie unmittelbar auf den Menschen als ihr Subjekt beziehen zu müssen.104 Juristische Personen seien nur geschaffen, um ein Subjekt für gewisse Rechte zu haben.105 Die Theorie der realen Verbandspersönlichkeit wurde von Georg v. Beseler begründet und durch die Vorstellungen seines Schülers Otto v. Gierke weiter entwikkelt und gefestigt. Kern dieser Theorie bildet „die von ihr dem Phantom der persona ficta entgegengestellte Auffassung der Körperschaft als realer Gesamtperson." 106 Sie behauptet die reale Existenz von Körperschaften und Anstalten 107 als soziale Lebewesen und bekämpft dabei „die Vorstellung, nach welcher die juristische Person als künstliches Individuum auf privatrechtliche und zwar vermögensrechtliche Fähigkeiten beschränkt oder doch nur in dieser Richtung ein selbständiges Rechtssubjekt sein soll. " 108 Die Theorie der realen Verbandsperson sieht diese Verbandspersönlichkeit als die von der Rechtsordnung anerkannte Fähigkeit eines menschlichen Verbandes, als ein von der Summe der verbundenen Personen unterschiedenes einheitliches Ganzes Subjekt von Rechten und Pflichten zu sein. 109 Die Verbandsperson ist hiernach eine wirkliche und volle Person gleich der Einzelperson, jedoch im Ge-
nommen wird. In ihr finden wir einen Träger von Rechtsverhältnissen noch neben dem einzelnen Menschen. " 101 Savigny, S.239. 102 Savigny, S. 240. 103 Savigny, a. a. O. 104 Puchta, Institutionen, Bd. 2, 1857, § 190, S.292. 105 Im Gegensatz zur natürlichen Person, um derentwillen die Rechte daseien, vgl. Puchta, a. a. O., mit Verweis auf L. 2 D. de statu hominum (1,5): „hominum causa omne ius constitutum est". 106 Gierke, Genossenschaftstheorie, 1887, S.5. 107 Nach Gierke, Deutsches Privatrecht, Bd. 1, 1895, S.457f. entwickelten sich die genossenschaftlichen Verbände (Sippen, Gaugenossenschaften, Völkerschaften, Gemeinden, Gilden) zu Körperschaften, die herrschaftlichen Verbände (Gefolgschaften, Lehns-, Dienst- und Hofverbände, Territorien, Reiche) hingegen zu Anstalten. In der Körperschaft trete die „Gesammteinheit" der „Gesammtvielheit" als eine im Wechsel beständige Person höherer Ordnung gegenüber. In der Anstalt hingegen trete die dauernde Verbandseinheit dem wechselnden „ Verbandshaupte " als eine selbständige Person gegenüber. 108 Gierke, Genossenschaftstheorie, 1887, S. 141 f. 109 Gierke, Deutsches Privatrecht, Bd. 1, S.469.
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gensatz zu dieser eine zusammengesetzte Person. Sie ist wirklich, „nicht blos erdichtete Person" . m Unterschiede aus diesem verschiedenen Verständnis ergeben sich beipielsweise für die Willens- und Handlungsfähigkeit des Verbandes. Während die Fiktionstheorie auf einen Stellvertreter zurückgreift, der für die juristische Person handelt111, wird dem Verband von der Gegenauffassung volle Willens- und Handlungsfähigkeit zuerkannt, die lediglich durch Organe ausgeübt wird. 112 Siebert war bestrebt, eine deutschrechliche Grundlage zu finden, weshalb die romanistisch-pandektistische Fiktionstheorie, die ja gerade die juristische Person als abstrakten Begriff verabsolutierte, zur Wesensbestimmung der juristischen Person im Nationalsozialismus von vornherein zur Ablehnung verurteilt sein mußte. Wenn Siebert in seiner Abhandlung in der DJZ 113 „die uns hier interessierende Frage nach den Grenzen und nach der Möglichkeit einer konkreten Gestaltung der Rechtsfähigkeit aufwirft" 114, die auf der Grundlage des konkreten Ordnungsdenkens erfolgen sollte und im Einklang mit der nationalsozialistischen Ideologie zu entwickeln war, wird schnell bewußt, daß sich ein Ablehnen der Fiktionstheorie aufdrängte. 115 Siebert wandte sich gegen die Vertreter der Fiktionstheorie: „Diese Theorie erblickt nämlich in der Rechtsfähigkeit der juristischen Person ein rechtlichtechnisches Hilfsmittel, [...]. Die juristische Person ist dann also ein nachträglich gesuchtes und gefundenes Denkgebilde, das für sonst zerfließende Rechte und Pflichten als zusammenfassendes Rechtssubjekt geeignet erscheint. Der Träger des Rechts wurde also erst nach dem Recht geschaffen, worin zweifellos eine trennende, ja geradezu umkehrende Abstraktion liegt."116 110
Gierke, Deutsches Privatrecht, Bd. 1, S.470. Vgl. Savigny, § 90, S. 282: „ Allein Handlungen setzen ein denkendes und wollendes Wesen, einen einzelnen Menschen, voraus, was eben die juristischen Personen als bloße Fiction nicht sind. Und so erscheint hier der innere Widerspruch eines der Vermögensrechte fähigen Subjects, welches doch die Bedingungen zum Erwerb derselben nicht erfüllen kann. Ein ähnlicher Widerspruch (wiewohl in geringem Grade) findet sich auch bey vielen natürlichen Personen, insbesondere bey Unmündigen und Wahnsinnigen; denn auch diese haben die ausgedehnte Rechtsfähigkeit neben gänzlicher Handlungsunfähigkeit. Überall nun, wo sich dieser Widerspruch findet, muß er durch eine Vertretung, als künstliche Anstalt, aufgelöst werden. " 112 Vgl. Gierke, Deutsches Privatrecht, Bd. 1, S.472: „Die Verbandsperson ist auch handlungsfähig. Sie ist kein todtes Begriffsding, das der Vertretung durch andere Personen bedarf, sondern ein lebendiges Wesen, das als solches will und handelt. Freilich vermag sie sich in ihrer unsinnlichen Einheit nur durch Organe zu bethätigen, die aus einzelnen Menschen gebildet sind. " 1,3 Vgl. bereits oben, A.I. 114 Siebert, DJZ 1935, Sp.713 (Sp.718). 115 Nur dies hielt sich auch an Punkt 19 des Parteiprogramms der NSDAP, vgl. oben, Fn. 87. 116 Siebert, a.a.O. 1,1
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Eine solche Rechtsfähigkeit erscheine aber, in Anlehnung an Wieland 117 , „als eine Hülle oder ein Schleier; deren man sich entledigt, sobald man ihrer nicht mehr bedarf." m Es wird deutlich, daß eine solche „ unorganisch-rationalistische Auffassung " zur Überwindung des von Siebert angegriffenen Regel-Ausnahme-Verhältnisses nicht geeignet war.
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Allerdings wurde der das Gesellschaftsrecht durchziehende Dualismus ebenfalls von den Lehren der deutschrechtlichen Theorien mitgetragen. 120 Hier versuchte Siebert nun, den Nachweis zu führen, daß die deutschrechtlichen Theorien in ihrer Zielsetzung mißverstanden worden waren und es so zu einem Ausbau dieser Theorie hatte kommen können, welcher zu dem falschen abstrakten Trennungsdenken geführt hatte. Zur Verdeutlichung der ursprünglichen Zielsetzung der von Georg v. Beseler und Otto v. Gierke entwickelten Theorie der realen Verbandspersönlichkeit verwies Siebert auf die Arbeiten Gierkes. 121 Diese seien zunächst so sehr davon bestimmt gewesen, die deutsche Körperschaft von der römischen universitas abzugrenzen, daß sie einerseits ihre Zielsetzung viel zu eng faßten (nämlich nur als Abgrenzung zur universitas), und daß andererseits diese verengte Zielsetzung dazu beigetragen hatte, die im weiteren Verlauf eingetretene Fehlentwicklung der Theorie möglich zu machen. Zur Verdeutlichung der Verengung des Ziels der Theorie zitierte Siebert aus den Werken Gierkes. Dieser hatte im Hinblick auf die Abgrenzung der deutschen Körperschaft zur universitas ausgeführt: „Die römische universitas tritt, wie wir gesehen haben, den sie bildenden singuli als ein in sich abgeschlossenes Subjekt mit der Geltung eines künstlichen Individuums fremd gegenüber. Zwischen derfingierten Person und den natürlichen Personen, die einander nichts nehmen und nichts geben, besteht hier kein personenrechtliches Band, sondern nur die Möglichkeit gleicher Rechtsbeziehungen, wie sie zwischen unverbundenen Individuen vorkommen."122
Im Gegensatz hierzu, so Gierke, sei die deutsche Körperschaft jedoch anders aufgebaut und zu verstehen: „Die deutsche Körperschaft ist als reale Gesamtperson das von den verbundenen Einzelpersonen getragene und ihnen zugehörige Gemeinwesen. Zwischen der Gesamtperson und den Einzelpersonen, die einander gebend und nehmend beeinflussen, schlingt sich hier ein per117
Wieland, Handelsrecht, Bd. 1 (1921), S. 398ff. Siebert, a.a.O. 119 Siebert, a.a.O. 120 Dies fand seinen Ursprung in der begrifflichen Trennung zwischen „ körperschaftlichen und „gesellschaftlichen" Gebilden bei Gierke, Deutsches Privatrecht, Bd. 1, 1895, S.481. 121 Gierke, Genossenschaftstheorie, 1887; Deutsches Privatrecht, Bd. 1, 1895. 122 Gierke, Deutsches Privatrecht, Bd. 1, 1895, S.479, abgedruckt in Siebert, DJZ 1935, Sp.713 (Sp.717). 1,8
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sonenrechtliches Band, wie es in gleicher Weise außerhalb einer Körperschaft nicht vorkommen kann."123 Gierke versuchte also zunächst nur, die Unterschiede zwischen deutscher Körperschaft und römischer universitas herauszuarbeiten. Nach Siebert kam es dieser reinen deutschrechtlichen Theorie eben nur darauf an, „ trotz der Abhebung der juristischen Person von der Gesellschaft ihr einen so realen Charakter beizulegen, daß man im Gegensatz zur universitas eine viel intensivere als eine nur schuldrechtliche Beziehung zwischen dem einzelnen Mitgliede und dem Verbände annehmen konnte." 124 Trotzdem habe von Gierke ausdrücklich getrennt zwischen juristischer Person und Gesellschaft. 125 Gierke faßte diese jedoch unter dem Oberbegriff „ Vereinigung " zusammen, da sich juristische Person und Gesellschaft durch entsprechende Ausgestaltungen einander annähern und Zwischengebilde schaffen konnten. Siebert zitierte aus Gierkes Deutschem Privatrecht: „Durch überwiegende Ausbildung des Vielheitsrechtes auf Kosten des Einheitsrechtes vermag die deutsche Körperschaft sich einer in den Teilhabern beschlossenen Gemeinschaft oder Gesellschaft stark anzunähern. Da nun aber von der andern Seite her die deutschen Gemeinschaften und Gesellschaften vermöge des Prinzips der gesamten Hand, das sie zur Entfaltung einer Personeneinheit auf Kosten der gesonderten Individualsphären befähigt, sich der Körperschaft nähern können, so wird im deutschen Recht die Kluft, die im römischen Rechte zwischen Gemeinheit und Gemeinschaft gähnt, durch eine Fülle von Zwischengebilden ausgefüllt." 126 So entstanden nach Gierke einerseits „ Vereinigungen " auf körperschaftlicher Basis, andererseits „ Vereinigungen " auf gesellschaftlicher Basis: „Demgemäß haben wir statt des römischen Gegensatzes den deutschen Gegensatz zwischen körperschaftlicher und gesellschaftlicher Vereinigung zugrunde zu legen. Beiderlei Gebilde haben wir durch einen scharfen begrifflichen Einschnitt zu sondern."127 Bei dieser Annäherung von Körperschaft und Gesamthand blieb die ursprüngliche Genossenschaftstheorie von Gierke nach den Worten Sieberts aber stehen 128 , 123
Gierke, a.a.O. Siebert, DJZ 1935, Sp.713 (Sp.720). 125 Siebert, DJZ 1935, Sp.713 (Sp.717, 719). 126 Siebert, DJZ 1935, Sp.713 (Sp.717); vgl. Gierke, a.a.O. 127 Siebert, a.a.O.; vgl. Gierke, Deutsches Privatrecht, Bd. 1, S.481. 128 Vgl. zu dieser Annäherung weitere, nicht bei Siebert zitierte, Belege: Gierke, Deutsches Privatrecht, Bd. 1, 1895, S.482: „Hieraus erklärt sich die ausserordentliche Dehnbarkeit, die im Gegensatz zu den spröden römischen Begriffen den unseren eignet; hieraus die nahe Berührung, die im Leben zwischen den untersten Gliedern der Körperschaftsreihe und den obersten Gliedern der Gesellschaftsreihe stattfindet; hieraus die nun doch einmal durch keinen juristischen Machtspruch wegzuschaffende innere Verwandtschaft zwischen Gebilden diesseits und jenseits der trennenden begrifflichen GrenzeVgl. ebenso Gierke, Genossenschaftsrecht, 1887, S. 339: „Nicht minder nachdrücklich aber mussten wir darauf hinweisen, dass in unserem Rechtsleben, wie von der einen Seite die Gebilde des Körperschaftsrechts durch eine Fülle von Abstufungen bis an das Gebiet der individualrechtlichen Gemeinschaften hinabreichen, so 124
1 8 2 3 . Kap.: Juristische Person, Kapitalgesellschaft, Treupflicht im Wandel weil dies für ihre Zwecke (der Abgrenzung von der römischen universitas) ausreichend war. Die Frage der Möglichkeit einer Verbindung beider Gesellschaftsformen habe Gierke jedoch nicht gesehen, worauf es hingegen Siebert gerade ankam. Durch eine solche Verbindung von Körperschaft und Gesamthand hätte auch der personenrechtlich spezifische Gemeinschaftsgedanke in das Recht der Körperschaft und in die Verhältnisse der Mitglieder untereinander über den Weg der Treupflicht Einzug finden können: „Wohl aber scheinen die Meinungen darüber auseinanderzugehen, ob eine Gesellschaft (Gesamthand) gleichzeitig - in gewisser Richtung - juristische Person sein kann, [...]. Die Begründer der deutschrechtlichen Theorie schweigen aber über diesen Punkt! Dies wird erklärlich, weil sie ihn für ihre Zwecke nicht zu untersuchen brauchten. Sie sind nur zu dem -richtigen- Ergebnis gekommen, daß die Gesamthand keine juristische Person ist und umgekehrt, [...]. Über die Möglichkeit einer ,Kombination4 beider Verbandsformen und über die allgemeinere Frage nach etwaigen »vertraglichen4 (besser: personenrechtlichen) Rechtsverhältnissen der Mitglieder untereinander hatten sie aber nichts zu sagen, da es der reinen deutschrechtlichen Theorie eben nur darauf ankam, trotz der Abhebung der juristischen Person von der Gesellschaft ihr einen so ,realen4 Charakter beizulegen, daß man im Gegensatz zur universitas eine viel intensivere als eine nur schuldrechtliche Beziehung zwischen dem einzelnen Mitgliede und dem Verband annehmen konnte.44129 Über die Verbindungsmöglichkeit schwieg also nach den Angaben Sieberts die Genossenschaftstheorie Gierkes. Auch in der Folgezeit sagte sie hierzu nichts aus, stattdessen habe sie eine bedenkliche Wendung genommen. Diese bestimmte Zielsetzung, d. h. die Abgrenzung zur römischen universitas, habe die nachfolgende, abstraktem Trennungsdenken zugeneigte Richtung i m Schrifttum übersehen, so daß es zu einem folgenschweren „ Ausbau " der Theorie kam und diese hierdurch eine Verfälschung erfahren habe: „Aus dem -richtigen- Satz, daß die juristische Person keine Gesellschaft (Gesamthand) ist und von ihr unterschieden werden muß, leitete man den weiteren Satz ab, daß das Wesen der Rechtsfähigkeit keine personenrechtliche Verbundenheit unter den Mitgliedern verträgt! Man glaubte, mit dieser »Inkompatibilität4 auf dem Boden der deutschrechtlichen Theorie zu stehen, man begab sich aber in Wahrheit auf den Boden eines abstrakt - normativistischen Trennungsgedankens: aus dem Nebeneinander verschiedener Stufen wurde ein Gegenüber verschiedener Formen gemacht, das ein Ineinander unmöglich erscheinen ließ.'4130 Durch diese Wendung der deutschrechtlichen Theorie sei aber der realen Verbandspersönlichkeit die lebendige Substanz genommen worden, wodurch der Unterschied zur romanistischen Theorie verwischt worden war. 1 3 1 Siebert ging nun für seine Zwecke den Weg, die ursprüngliche Theorie zunächst von dem „folgenschwevon der anderen Seite die letzteren durch mancherlei Übergänge bis an den körperschaftsrechtlichen Bereich emporsteigen; dass daher, wie dort die im Begriff der »universitas', so hier die im Begriff der »communio' ausgedrückte römische Gedankenschablone zu eng ist; [...]." 129 Siebert, DJZ 1935, Sp.713 (Sp.719). 130 Siebert, DJZ 1935, Sp.713 (Sp.720). 131 Siebert, a.a.O.
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ren Ausbau " wieder zu befreien und danach die Theorie selbst von ihrer zu engen Zielsetzung (der Abgrenzung zur römischen universitas) loszulösen. Hierdurch öffnete er die Theorie Gierkes für die Frage nach der Möglichkeit einer Kombination von juristischer Person und personenrechtlicher Verbundenheit: „IV. Aus dieser Entwicklung der beiden Haupttheorien über die juristische Person folgt für uns, daß wir bei der Bestimmung des Wesens der juristischen Person des Privatrechts wieder von vorn anfangen müssen. Dabei bietet die ursprüngliche deutschrechtliche Theorie den geeigneten Ansatzpunkt für eine wirklich lebensfrohe und konkrete Gestaltung der Rechtsfähigkeit der Personenverbände; nur muß diese deutschrechtliche Theorie von ihrer engen, durch den Kampf gegen die römische (gemeinrechtliche) universitas bestimmten Zielrichtung freigemacht und dann auf einem konkreten Gemeinschaftsdenken neu aufgebaut werden."132
Betrachtete Siebert aber nun die ursprüngliche deutsche Theorie vom „Standpunkt des Gemeinschaftsdenkens " aus, so wird deutlich, daß sich unter diesem Einfluß die Theorie dahingehend auslegen lassen sollte, daß eine Verknüpfung von juristischer Person und personenrechtlicher Verbundenheit möglich wäre. Bezüglich der Ursprünge der deutschrechtlichen Theorie griff Siebert auf die „ Organische Verbindung " zurück, in die Gierke das Einzelglied und die Gesamtheit gebracht hatte.133 Dies sei jedoch nur ein Anfang gewesen. Auch Gierke habe sich noch nicht vollständig vom Formbegriff loslösen können, da er seine Vorstellung vom Verband immer noch an die Existenz einer (zusammengesetzten) Person knüpfte. 134 Gierke habe die Antinomie „Einheit und Vielheit " noch nicht durch die Auffassung des Verbandes als eines wirklich konkreten Organismus überwinden können 135 , was nach Siebert jedoch auf der Grundlage des konkreten Ordnungsdenkens notwendig war. Demgemäß entwickelte er die Theorie Gierkes weiter: „Darin aber scheint mir das Endergebnis einer auf konkretem Gemeinschaftsdenken aufgebauten Untersuchung über das Wesen der juristischen Person zu liegen: Die Rechtsfähigkeit der Personenverbände kann niemals und in keiner Richtung ein »allgemeiner4 und normativistischer Formbegriff sein, sondern die Rechtsfähigkeit ist Ausdruck und Verwirklichung der Einheit eines konkreten Zusammenschlusses. Dann aber ist die Rechtsfähigkeit selbst ein konkreter Begriff: sie ist (nicht die rechtliche Form, sondern) die rechtliche Gestalt einer auf personenrechtlicher Grundlage zusammengeschlossenen organischen Einheit " 136
Durch die Auffassung der juristischen Person als „ Gestalt " ihrer personenrechtlich verbundenen zusammengehörigen Glieder, die sich somit durch sich selbst und ihre Bedürfnisse wandelbar definiert und nicht als starre „Form" zu begreifen ist, folgte die Möglichkeit, die übergeordnete Anschauung einfließen zu lassen. Dadurch konnte das Verhältnis der Mitglieder eines Verbandes untereinander und so132 133 134 135 136
Siebert, a.a.O. Siebert, a.a.O. Siebert, DJZ 1935, Sp.713 (Sp.721). Siebert, a.a.O. Siebert, a.a.O.
1 8 4 3 . Kap.: Juristische Person, Kapitalgesellschaft, Treupflicht im Wandel
mit das Wesen der juristischen Person von den Werten des Nationalsozialismus ausgehend ausgelegt werden, was Siebert ebenfalls abschließend andeutete: „Als rechtliche Gestalt der Zusammengehörigkeit ihrer Glieder steht auch die Rechtsfähigkeit des Personenverbandes unter dem Pflicht- und Gemeinschaftsgedanken als der alle Rechte und rechtliche Fähigkeit konkret gestaltenden Kraft." 137
Durch die Betrachtung der juristischen Person als Gestalt ihrer „personenrechtlich zusammengeschlossenen" Glieder stellte Siebert die nach seiner Auffassung nun mögliche Verbindung von Personengesellschaft und Körperschaft heraus: „Was dann die Frage nach den Beziehungen der Mitglieder untereinander betrifft, so scheint mir hier dierichtigeAuffassung dahin gehen zu müssen, daß die Rechtsfähigkeit des Personenverbandes - als rechtliche Gestalt der organischen Einheit - eine personenrechtliche Verbundenheit der Mitglieder niemals verbietet, sondern im Gegenteil geradezu voraussetzt, zum mindesten ohne weiteres gestattet."138
Die gesamthänderische Verbundenheit der Mitglieder einer juristischen Person sollte zukünftig also keinen Gegensatz mehr darstellen müssen zu einer mitgliedschaftlich verfaßten Körperschaft. Diese war nicht mehr zwangsläufig nur juristische Person, sondern hätte gleichzeitig auch die Elemente einer Gesamthandsgesellschaft aufweisen können. Damit verbunden eröffnete sich auch ein weiterreichendes Verständnis des Treupflichtgedankens. Durch die Betonung des möglichen personalistischen Elementes würde nicht nur die Beziehung der Mitglieder zur juristischen Person enger, sondern auch, und dies ist das entscheidend neue, das Verhältnis der (Kapital-)Gesellschafter untereinander von dem Treupflichtgedanken aus bestimmbar. Durch die Definition der juristischen Person „ aus sich selbst heraus " konnten nun die übergeordneten Prinzipien des Nationalsozialismus, wie der Gemeinschaftsgedanke, von vornherein bei der Rechtsanwendung mit einfließen. Hierdurch würde das oben genannte Regel-Ausnahme-Prinzip aufgehoben und bisherige „Ausnahmen " würden „nicht als ,Durchbrechung' einer Konstruktion, sondern als eine natürliche und notwendige Folgerung aus dem Wesen der Rechtsfähigkeit verstanden werden."139
Die Arbeit Sieberts war also in der Lage, ein Mittel zum Auffinden eines eigenen nationalsozialistischen Selbstverständnisses über das Wesen der juristischen Person zu bieten, das ausgehend von einer eigenen Rechtstheorie die Ordnung von nationalsozialistischen Werten aus neu bestimmte.140 Durch die Verbindung von der Ka137
Siebert, a.a.O. Siebert, DJZ 1935, Sp.713 (Sp.722). 139 Siebert, a.a.O. 140 Sieberts These, die deutschrechtliche Theorie habe nichts über die Kombinationsmöglichkeit von juristischer Person und personenrechtlicher Verbindung gesagt, ist meines Erachtens nach jedoch nicht haltbar. Die wirklich ursprüngliche Vorstellung bei Beseler ging von einem Verbandsverständnis aus, welches überhaupt nicht sorgfältig zwischen Verbänden und 138
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pitalgesellschaft mit Elementen des Personengesellschaftsrechts wäre es ihm möglich gewesen, Gedanken der Gemeinschaft und Treue auch im Innenverhältnis einer juristischen Person unmittelbar zur Anwendung gelangen zu lassen.
II. Die juristische Person im Gemeinschaftsrecht nach Rhode (1935) Als erster äußerte sich Heinz Rhode zur Auffassung Sieberts über das Wesen der juristischen Person im Nationalsozialismus. Rhode hatte, wie oben bereits beschrieben 141 , schon im Jahre 1932 seine Habilitationsschrift zum Thema „ Juristische Person und Treuhand" veröffentlicht, in welcher er eine Lehre von dem zweckgebundenen Recht aufstellte. Er sah jedes Zweckvermögen als vom Menschen getragen an und hatte zu dieser Zeit bereits darauf hingewiesen, daß die Konstruktion der juristischen Person nach seiner Auffassung im Grunde unnötig sei. Statt der Trennung von natürlichen und juristischen Personen stellte er ein an Wieland 142 erinnerndes Stufensystem von Zweckvermögen auf, an dessen Anfang die Erbengemeinschaft und an dessen Ende die Stiftung stehen sollte. 143 Hierdurch sei die traditionelle Grenze niederzulegen, an Stelle der systematisch getrennten Vermögen mit juristischer Persönlichkeit und der nicht rechtsfähigen Vermögen sei eine „ einheitliche Fläche " darzustellen. 144 Geordnete Einheit der Zweckvermögen solle an die Stelle der beiderseits der Grenzen ungeordneten Zweiheit treten, die bislang als juristische Person bekannten Gebilde seien dann nur noch Zweckvermögensgemeinschaften. 1 4 5 In seinem Aufsatz in der DJZ vom 15. Oktober 1935 betrachtet Rhode nun „ Die juristische Person im Gemeinschaftsrecht". 146 Die Welle neuen Rechtsdenkens, die das Gemeinschaftsrecht dem bisherigen individualistischen Recht gegenüberstelle147, erGesamthand unterschied (vgl. Beseler, System, 2. Aufl. 1866, §68, S. 239 ff.). Aufgrund dieser Nachlässigkeit war die Genossenschaftstheorie vielfach angegriffen und als schwach bezeichnet worden. Gierke hingegen sah ebenfalls diese Schwäche und versuchte sie zu überwinden, indem er eine eindeutige Grenze zog (Genossenschaftstheorie, 1887, S.3, S. 8 f., S. 10). Bei der von Siebert zitierten Theorie Gierkes handelt es sich also um eine Auffassung, die eine Kombination von Verband und Gesamthand sehr wohl gesehen, jedoch abgelehnt und überwunden hat. Gierke bleibt somit bei der begrifflichen Trennung und der Annäherung durch Zwischengebilde stehen, eine Verbindung von diesen hätte sich nach seiner Auffassung verboten. 141 Vgl. oben, A. 142 Vgl. Wieland, Handelsrecht, Bd. 1 (1921), S.427: „Über der losen bürgerlichen Gesellschaft bis hinauf zum Staat und der Staatengesamtheit baut sich eine ununterbrochene, durch keine Zäsur zu trennende Stufenfolge gesellschaftlicher Gebilde auf, die sich bei näherem Zusehen nur als Abwandlungen derselben Grundformen (Gesellschaft, Gesamthand) erweisen. " 143 Rhode, Juristische Person und Treuhand (1932), S. 136 f. 144 Rhode, Juristische Person, S. 135 f. 145 Rhode, Juristische Person, S. 164. 146 Rhode, DJZ 1935, Sp. 1207. 147 Nachweise zu Arbeiten über das Gemeinschaftsrecht vgl. oben, Fn.25.
1 8 6 3 . Kap.: Juristische Person, Kapitalgesellschaft, Treupflicht im Wandel
fordere eine Auseinandersetzung mit dem Wesen der juristischen Person. Die Frage sei deshalb wichtig, weil die Verwendung der juristischen Person mehr sei, als eine bloße Konstruktionsfrage: „ Wer etwas als juristische Person bezeichnet, ordnet nicht nur ein, sondern er wertet bereits. " 148 Mit Hinweis auf die Rechtsprechung kritisiert Rhode ebenfalls, wie zuvor bereits Siebert 149, daß jede Ausnahme, zu der die Rechtsprechung gezwungen sei, die Wertung, daß etwas juristische Person im herkömmlichen Sinne ist, rückwirkend wieder aufhebe: „Daß der Begriff der juristischen Person nicht nur als Ordnungsbegriff empfunden wird, findet einen für neues Rechtsdenken treffenden Ausdruck in Sieberts Feststellung150, daß die Rechtsfähigkeit der juristischen Person nicht als normativistischer Formbegriff zu erfassen sei, daß sie vielmehr Ausdruck und Verwirklichung der Einheit eines konkreten Zusammenschlusses, daß sie die rechtliche Gestalt einer auf personenrechtlicher Grundlage zusammengeschlossenen organischen Einheit sei."151
Im übrigen empfindet Rhode die Auffassung Sieberts von der juristischen Person als „ Gestalt auf personenrechtlicher Grundlage " jedoch als Kompromiß, wenn man den Gestaltbegriff der konkreten Situation anpassen und beipielsweise bei der Einmanngesellschaft beschränken müsse. Es könne nicht nur das Gestalt sein, was Ausdruck von Einheit und Vielheit sei, da auch die Stiftung von einer so definierten juristischen Person umfaßt sein müsse, diese aber auch von einem Einzelnen und im ganz engen persönlichen Interesse geschaffen sein könne. Die Frage der Staatsangehörigkeit einer vom Auslande aus geführten GmbH könne der Gestaltbegriff ebenso wenig klären wie die Identitätsfrage beim Vermögensübergang von der Vorgesellschaft auf die rechtsfähige juristische Person. 152 Die juristische Person als „Gestalt auf personenrechtlicher Grundlage" war für Rhode also nicht akzeptabel. Siebert hatte hierdurch zwar die Aufhebung der Trennung zwischen Personengesellschaft und Körperschaft für das Innenverhältnis der Mitglieder untereinander erreicht. Im Außenverhältnis blieb die Juristische Person " (als Gestalt) aber als Zuordnungsobjekt erhalten. Das neue Rechtsdenken müsse versuchen, die Gestalt der juristischen Person beiseite zu räumen: „In einem Recht, das nicht so sehr von der Beachtung einzelner Normen ausgeht, als eine ganz bestimmte geistige Grundhaltung voraussetzt, sind anonyme juristische Personen Fremdkörper. " 153 Rhode wies auf einen Aspekt hin, der für die Motivation bei Überlegungen zur juristischen Person ebenfalls eine Rolle spielte. Auch von staatsrechtlicher Seite aus wurde der Begriff der juristischen Person diskutiert, da auch der Staat als öffentlich 148 149 150 151 152 153
Rhode, DJZ 1935, Sp. 1207 (Sp. 1208). Vgl. oben, A.I.2. Rhode verweist hier auf Siebert, DJZ 1935, Sp.713 ff. Rhode, a.a.O. Rhode, DJZ 1935, Sp. 1207 (Sp. 1209). Rhode, a.a.O.
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rechtliche Körperschaft juristische Person war. 154 Hier hätte es aber eine Degradierung des Führers bedeutet, wollte man die Führung des Staates als bloße Organschaft oder Stellvertretung bezeichnen155: „ Auch der Staat, der doch auch juristische Person sein müßte, könnte nicht geführt werden; was wir bisher als Führer tum anerkannt haben, wäre nichts als organschaftliches Handeln für die Gestalt der juristischen Staatsperson. " 156 Rhode wendet sich somit im ganzen gegen das Vorhandensein eines wie auch immer gearteten Begriffs der juristischen Person im NS-Staat. Auch Gierke habe in der Schaffung der realen Gesamtpersönlichkeit nur die bereits seit der Fiktionstheorie vorhandene Konstruktion der juristischen Person bildhaft umschrieben und verständlich gemacht. Hierdurch aber habe Gierke die Scheingestalt der juristischen Person nur anders erklärt, sie aber dennoch in das Rechtssystem eingeführt. Diese originäre Fehlerquelle habe die Wissenschaft auch bereits erkannt. 157 Greife man daher nur auf Gierke zurück, so könne man zwar personenrechtliche Beziehungen der Mitglieder untereinander trotz Rechtsfähigkeit der Körperschaft wieder aufdekken, man mache aber den gleichen Fehler wie Gierke, indem man die juristische Person anerkenne.158 Nur wenn man erkenne, „ daß die juristische Person bloßer Titulär von Rechten und Rechtsbeziehungen ist, ohne Rechtssubjekt zu sein, daß auch in ihr nur Menschen die wirklichen Rechtsträger sind", nur wenn man „sich von der Mystik dieses Begriffes freigemacht und in ihm die bloße Form, den Ordnungsbegriff, das rechtstechnische Hilfsmittel festgestellt habe", dann werde es möglich sein, die hinter der Form verborgene Rechtslage zu erklären und einzuordnen. 159 Rhode greift daher im folgenden auf seine Theorie vom zweckgebunden Recht zurück, welche versucht, abseits vom Begriff der rechtsfähigen juristischen Person, überall natürliche Personen als Rechtsträger zweckgebundener Rechte anzusehen. Hierdurch will Rhode Ordnungsreihen aufstellen, die von dem Körperschaftsvermögen bis zur Treuhand reichen. 160 154
Vgl. Höhn, DR 1935, S.296; ders., DJZ 1935, Sp.65. Vgl. zum Führerprinzip bereits oben, Kapitel 2, B. 156 Rhode, DJZ 1935, Sp. 1207 (Sp. 1210). 157 Rhode, a.a.O., mit Hinweis auf Wieland, Handelsrecht, Bd.2 (1931), S.403ff. [Stelle nicht belegbar, Anm. d. Verf.]; Wolff, Organschaft und juristische Person, Bd.I, 1933, S.4ff.; Rhode, Juristische Person und Treuhand (1932), S.34ff. Die Stelle bei Wolff lautet (S. \1): „ Unter wissenschaftlichem Aspect gesehen handelt es sich hier [bei der Theorie der realen Verbandspersönlichkeit, Anm. d. Verf.] um nichts anderes, als um eine Fiktion der Realität und des organischen Wesens von Gesamtheiten, die in dieser Form unzulässig und dem Sinn und Wert juristischer Fiktion zuwider ist. " 158 Diese Kritik bezieht sich offensichtlich auf Sieberts Versuch, in Anlehnung und Weiterentwicklung der Lehre Gierkes zur juristischen Person als „Gestalt auf personenrechtlicher Grundlage " zu gelangen. 159 Rhode, DJZ 1935, Sp. 1207 (Sp. 1211). 160 Rhode, a.a.O. 155
3. Kap.: Juristische Person, Kapitalgesellschaft, Treupflicht im Wandel
Hier liegt aber die Gemeinsamkeit zur (bisherigen) Lehre Sieberts: Beide versuchen, den Dualismus des Gesellschaftsrechts, der durch die Trennung zwischen verselbständigten Vermögen (juristischer Person) und unselbständigen Vermögen im Gesellschaftsrecht herrschte, zu überwinden. Siebert tut dies durch eine neue Definition der juristischen Person, indem er diese gleichzeitig auch als Personengesellschaft anerkennen kann, wodurch die Regeln über das Verhältnis der Gesellschafter zueinander von § 242 BGB aus bestimmbar werden. Rhode wirft den Begriff der juristischen Person zwar über Bord, führt aber die einzelnen Vermögensformen von der oHG bis zur Aktiengesellschaft alle auf die menschlichen Rechtsträger zurück. Hierbei gibt er zu, daß ein Vermögen mehrere menschliche Rechtsträger gleichzeitig haben kann. 161 Trifft dies auch für die GmbH und AG zu, so liegt hierin etwas nicht viel anderes als das gesamthänderisch verbundene Vermögen. Der Unterschied zur Gesamthand bestünde darin, daß dort das gesamte Vermögen des oHGGesellschafters aufgrund seiner unbeschränkten Haftung der gesamthänderischen Bindung unterliegt, während bei der GmbH/AG nur ein beschränkter Teil des Gesellschaftervermögens mit dinglicher Wirkung zweckgebundenes ist. Ähnlich wie der Gesellschafter nur einen Teil seines Eigentums belasten könnte, kann er einen Teil seines Vermögens dem (Gesellschafts-)Zweck widmen. In diesem Punkt geht aber die Theorie Rhodes sogar noch über die Ansichten Sieberts hinaus. Eine gesamthänderische Bindung der Gesellschafter einer AG und GmbH bezüglich des Vermögens der Gesellschaft hatte Siebert nie erwähnt, weshalb er auch ganz bewußt den Begriff der „personenrechtlichen " Verbundenheit gewählt hatte.162 Ihm ging es lediglich darum, die sich aus dem Treuverhältnis der Gesellschafter einer Personengesellschaft ergebenden Pflichten auch im Körperschaftsrecht zur Anwendung gelangen zu lassen. Die Zwecktheorie, die schon vor der Machtübernahme durch die Nationalsozialisten von Rhode entwickelt worden war, paßte nun in die Forderung, eine stärkere Bindung der Gesellschafter untereinander herzustellen, da durch die gemeinsame Zweckbindung ein der Personengesellschaft ähnliches Verhältnis hervorgerufen werden konnte. Treue und Gemeinschaft fügten sich nahtlos in die Theorie, die alles „unnatürlich Trennende " aufhob, ein. So verwundert es nicht, daß Rhode seine Theorie zu diesem Zeitpunkt aufgriff und sich möglicherweise nun einen von der nationalsozialistischen Ideologie beschleunigten Durchbruch erhoffte. Gegenüber Änderungen und Weiterentwicklungen im nationalsozialistischen Sinne war er durchaus offen eingestellt: „Auch wer ihr [der Zwecktheorie, Anm. d. Verf.] folgt, ist nicht von der Aufgabe entbunden, die Gemeinschaftsverwirklichungen, die bisher verborgen waren, tiefer zu durchdenken."163 161
Vgl. bereits oben, Fn.22. Vgl. Siebert, DJZ 1935, Sp.713 (Sp.719), Fn. 18: „Es muß beachtet werden, daß die Gesamthand nur eine, besonders intensive, Form des personenrechtlichen Zusammenschlusses ist. Die richtige Fragestellung lautet also, ob eine juristische Person gleichzeitig eine personenrechtliche Verbindung ihrer Mitglieder untereinander verträgt. " 163 Rhode, DJZ 1935, Sp. 1207 (Sp. 1213). 162
Α. Die Überwindung des gesellschaftsrechtlichen Dualismus
189
Dem Begriff der juristischen Person gelte dort der Kampf, wo er Wertbegriff, Gestalt der konkreten Rechtsordnung sein wolle. Rhode Schloß seinen Beitrag: „Die Umdeutung der feinsten und ausgeprägtesten Gemeinschaftsformen zu einem selbständigen, außermenschlichen Individuum aber wird neues Rechtsdenken, das zum Gemeinschaftsrechte strebt, nicht weiter zulassen können. " 164 I I I . Die Rechtsverkehrsfähigkeit eines Unternehmens, Siebert, 1936 Siebert entwickelte seine oben dargestellte Auffassung von der juristischen Person als „Gestalt auf personenrechtlicher Grundlage" weiter. Bislang hatte er die juristische Person nur anders definiert. Hierdurch war er dem erwünschten Ergebnis näher gekommen, das Verhältnis der Mitglieder einer Körperschaft untereinander vom personenrechtlichen Standpunkt des § 242 BGB durch Annahme einer vertraglichen Bindung bestimmen zu können. Aber auch Siebert rückte nun von der Verwendung des Begriffs der juristischen Person überhaupt ab. In einem ersten Schritt tat er dies, indem er von dem Begriff der „Rechtfähigkeit " abwich und denjenigen der „Rechtsverkehrsfähigkeit" aufstellte, worin eine eher technische Bedeutung zum Ausdruck kommen sollte. In einem zweiten Schritt (1936) löste er sich vollkommen von dem Begriff der juristischen Person und stellte vielmehr das „Unternehmen " 1 6 5 jeglicher Gesellschaft in den Vordergrund. Hierdurch gelang es ihm, die zur Anwendung des Treuegedankens notwendige Kombination von Personen- und Kapitalgesellschaft zu überwinden, indem er eine jedem Unternehmen innewohnende personenrechtliche Bindung annahm. Zur selben Zeit etwa, wie das Erscheinen des Artikels von Rhode in der DJZ, tagte am 12. und 13. Oktober 1935 die „Reichsfachgruppe Hochschullehrer des Bundes Nationalsozialistischer Deutscher Juristen " (BNSDJ) unter dem Vorsitz des „Reichsfachgruppenleiters Staatsrat Professor Dr. Carl Schmitt" im Hause der „Deutschen Rechtsfront" in Berlin. 166 Thema der Tagung, zu welcher zahlreiche Hochschullehrer und Vertreter der Reichsführung, der Ministerien und Justizbehörden geladen waren, war das „Recht der Gemeinschaften und VerbändeHierzu wurden zwei Berichte erstattet, der erste von Professor Scheuner aus Jena, der zweite von Wolfgang Siebert (zu dieser Zeit bereits Professor in Kiel). 167 164
Rhode, a.a.O. Zur Diskussion der Lehre vom „ Unternehmen an sich " vor der NS-Zeit, an welche Siebert jedoch 1936 noch nicht ausdrücklich anknüpft, vgl. Laux, „Die Lehre vom Unternehmen an sich. Walther Ratenau und die aktienrechtliche Diskussion in der Weimarer Republik"', Riechers, „Das Unternehmen an sich", dort auch zu Siebert, S. 156ff. Ausdrücklich stellte Siebert das „ Unternehmen" 1938 in den Vordergrund seiner Untersuchungen, vgl. beispielsweise Siebert, Die „faktische" Gesellschaft, in: Festschrift für Hedemann, S. 266ff. 166 Die folgenden Informationen stammen aus dem Bericht über die Tagung in der DJZ 1935, Sp. 1294ff. 167 Die Berichte liegen nicht im Original vor, es wird daher nach den Ausführungen in der DJZ, a. a.O., zitiert. 165
190
3. Kap.: Juristische Person, Kapitalgesellschaft, Treupflicht im Wandel
Bemerkenswert an dem Vortrag von Scheuner ist die Forderung zur Abschaffung der juristischen Person. Nach Scheuner sollte das gesamte Verbandswesen, den nationalsozialistischen Grundsätzen entsprechend, in die Volksgemeinschaft eingeordnet werden. Die frühere Bestimmung des Wesens von Verbänden und ihrer Rechtsfähigkeit, die zur Konstruktion der juristischen Person geführt habe, müsse radikal abgelehnt werden. 168 Siebert ging von der Frage nach der Rechtsfähigkeit der Vereine, Verbände usw. aus und betonte, daß hierin nicht das entscheidende Kennzeichen für ihr Wesen enthalten sei. Er machte den Vorschlag, an die Stelle des Wortes „Rechtsfähigkeit " den Begriff der „Rechtsverkehrsfähigkeit " zu setzen, da in ihm die lediglich rechtstechnische Bedeutung dieser Einrichtung stärker in Erscheinung trete. Mit dieser Feststellung könne die Figur der juristischen Person als erledigt angesehen werden. Jeder Verband, Verein usw. erscheine heute als eine Organisation von Volksgenossen zu sinnvollem Handeln in der Volksgemeinschaft, wobei die Einheit zwar mehr sei als die Summe des einzelnen, dennoch aber nicht von ihnen abgetrennt werden könne. Deshalb begründe nicht der gemeinsame Wille der Mitglieder, sondern die Aufgabe das Wesen des Verbandes.169 Die Ansicht von der „ Aufgabe " als das Wesen des Verbandes erinnert natürlich wiederum an die Zuordnung eines „ Zwecks " zu einer juristischen Person, wie dies die Zweckvermögenstheorie (nach Brinz) getan hatte, dennoch liegt der Unterschied wiederum in der Betrachtungsrichtung. Nach Siebert gab es kein rechtssubjektloses Vermögen, welches dem Verband zugeordnet wurde, sondern ähnlich wie bei Rhode und auch Crisolli kommt hier die Auffassung zum Ausdruck, die von dem Verband als vorhandene Menschenvereinigung ausgeht, und diese einem übergeordneten Zweck zuordnet. Der Weg ist also auch hier wiederum ein umgekehrter. Während nach der (ursprünglichen) Zweckvermögenstheorie der Verband erst durch das Erdenken einer abstrakten juristischen Person entsteht, weil man ohne ihn das Vorhandensein bestimmter Rechte nicht erklären kann, sieht Siebert in auffälliger Parallele zu Rhode (und auch Crisolli) den Verband als „ Organisation von Volksgenossen " an, als vorgegebene kleinere Zelle der Volksgemeinschaft, die dann einem bestimmten Zweck, einer Aufgabe, zugeordnet ist. So verstanden, muß man den Verband dann nicht mehr zur juristischen Person erheben. Während Siebert nur einige Monate früher, wahrscheinlich noch verwurzelt im Denken der herrschenden Dogmatik, versucht hatte, das Wesen einer von ihm als vorgegeben angenommenen juristischen Person neu zu erklären, ist er nun dazu übergegangen, das Wesen des Verbandes in den Vordergrund zu stellen. Jenseits von Kategorien der verselbständigten und unselbständigen Vermögen befreit er sich von dieser Trennungslinie. Diejenigen Eigenschaften, die zur Teilnahme am Rechtsverkehr notwendig sind (beispielsweise Partei- und Prozeßfähigkeit), werden verliehen im Sinne einer dem Verband 168
Vgl. DJZ 1935, Sp. 1294 (Sp. 1295). Weitere Informationen über seine Ansichten zur juristischen Person sind nicht vorhanden. 169 Vgl. DJZ, a.a.O.
Α. Die Überwindung des gesellschaftsrechtlichen Dualismus
191
übergeordneten „Rechtsverkehrsfähigkeit", die nunmehr nur noch Ausdruck der technischen Zuordnung ist, jedoch keinerlei gestaltende Wirkung hat. Bereits hier, durch den Ersatz der „Rechtsfähigkeit" mittels der „Rechtsverkehrsfähigkeit" hatte sich Siebert von seiner oben beschriebenen Definition von der juristischen Person als „ Gestalt auf personenrechtlicher Grundlage " 170 gelöst, ganz im Sinne der Forderung Rhodes, daß die juristische Person nicht Wertbegriff oder Gestalt der konkreten Rechtsordnung sein dürfe. 171 Dabei ergab sich aber nun die Notwendigkeit, den Treuegedanken auf andere Weise als durch Anwendung des § 242 BGB in das Kapitalgesellschaftsrecht einfließen zu lassen. Sieberts Argumentation war in seinem ersten Aufsatz in der DJZ zunächst von dem Bestreben geleitet gewesen, die juristische Person anders zu definieren, um sie zu öffnen für die Verbindung mit personengesellschaftsrechtlichem Denken. Durch die Reduzierung der juristischen Person auf die „Rechtsverkehrsfähigkeit" blieb der (umständliche) Weg der Kombination von juristischer Person und Personengesellschaft nun anscheinend erspart. Eine Kombination war nicht mehr notwendig, wenn man jetzt lediglich die Struktur des Verbandes dahingehend auffaßte, daß die Mitglieder untereinander in einem vertragsähnlichen (Gemeinschafts-)Verhältnis zueinander stehen. Zur inneren Ausgestaltung des Verbandes als einer „ Organisation von Volksgenossen " führte Siebert aus, die Auffassung eines Gegenüberstehens von Verband und Mitgliedern müsse verschwinden zugunsten der Vorstellung von der Gliedhaftigkeit. Auch dieses Ziel werde durch das Aufgeben des Begriffs der juristischen Person erreicht. 172 Die Argumentation Sieberts hatte sich also bloß verschoben. Alles, was er zuvor über die juristische Person und deren Definition gesagt hatte, galt nunmehr für den Verband selbst. Im Grunde wählte Siebert hier nur den direkten Weg, wodurch er sich von der Dogmatik um die juristische Person befreien und sich von ihrem Begriff lösen konnte. An die Berichte Scheuners und Sieberts schlossen sich auf der Tagung Beratungen und Aussprachen an, die schließlich in die Formulierung der folgenden Leitsätze mündeten: Recht der Gemeinschaften und Verbände I. 1. Der Rechtsbegriff „Mensch " im Sinne des § 1 BGB verdeckt und verfälscht die Verschiedenheiten von Volksgenosse, Reichsbürger, Ausländer, Jude, usw. 170
Vgl. oben, A.I. Es ist wahrscheinlich, daß Siebert bei der Abfassung des Berichts bereits die Abhandlung von Rhode und dessen Kritik an Sieberts Auffassung kannte. (Rhodes Aufsatz erschien im Oktoberheft der DJZ vom 15. Oktober 1935). Hierfür spricht, daß er auf Rhode und seine Lehre in einem später (1936) veröffentlichten Aufsatz eingeht (vgl. näher im folgenden unten, S.215, Fn. 189). Es ist aber nach meiner Auffassung wahrscheinlich, daß dieser später veröffentlichte Aufsatz als Vorlage für die Erstattung des Berichts auf der Tagung der Hochschullehrer diente. 172 Näheres hierzu gibt der Bericht in der DJZ nicht wieder. 171
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3. Kap.: Juristische Person, Kapitalgesellschaft, Treupflicht im Wandel
2. Das gleiche gilt für den Rechtsbegriff „Natürliche Person 3. Der Rechtsbegriff „ Juristische Person " ist immer eine Fiktion, auch in der Prägung „Reale Verbandspersönlichkeit". Er verdeckt und verfälscht das wahre Wesen der Gemeinschaften, Genossenschaften, Verbände, Vereine, Gesellschaften usw. sowie der Anstalten und Stiftungen. II. Hieraus ergibt sich: 1. Der Begriff der Rechtsfähigkeit im Sinne der bisherigen Lehre führt zu einer unrichtigen Gleichstellung der Gemeinschaften, Verbände usw. untereinander und mit dem „Menschen". 2. Tatsächlich erschöpft sich der praktische Zweck des Begriffs „Juristische Person" und ihrer Rechtsfähigkeit in einer Vereinfachung und Beschleunigung bestimmter Vorgänge des Rechtslebens [...]. 3. Die Vereinfachung und Beschleunigung solcher Vorgänge des Rechtslebens stellt nur einen Teilausschnitt des Lebens eines Verbandes usw. dar. Dieser Teilausschnitt wird hier als Verkehrsfähigkeit bezeichnet. III. 1. Jeder Verband usw. hat eine bestimmte, ihm gemäße Verkehrsfähigkeit. 2. Umfang und Ausgestaltung dieser Verkehrsfähigkeit folgen der Besonderheit seiner Aufgabe in der Volksgemeinschaft und der Stärke seiner inneren Bindung. [...]. IV. Die Gesamterscheinung eines Verbandes usw. ist aber erst dann erfaßt, wenn nicht nur seine Verkehrsfähigkeit beachtet, sondern vor allem klargestellt wird, welche Befugnisse er hat, wie weit er Eigen haben darf und wem dieses oder sonstige Rechte zustehen, welcher Art seine personenrechtlichen Bindungen sind und welche Aufgaben er in der Volksgemeinschaft zu erfüllen hat. Für alles das haben wir uns an der alten deutschen Gesamthand und Genossenschaft auszurichten. Festzuhalten bleibt demnach die Ablehnung des als verfälschend empfundenen Begriffs der juristischen Person und statt dessen die Einführung der „ VerkehrsfähigkeitInteressant ist die Feststellung, daß die juristische Person immer, auch nach der Lehre von der realen Verbandsperson eine Fiktion ist, wodurch sich die Parallele zur Auffassung Rhodes ergibt. Schließlich bleibt der Hinweis auf die alten deutschrechtlichen Theorien, womit insbesondere Gierke, aber wohl auch Wieland, gemeint war. Die noch etwas i m Unklaren bleibende Auffassung Sieberts auf der Tagung der „Reichsfachgruppe Hochschullehrer " wird erhellt durch einen umfangreichen Aufsatz von ihm in der Zeitschrift „Deutsche Rechtswissenschaft" (DRW) von 1936. 1 7 3 Unter dem Titel „BGB-System und völkische Rechtsordnung " nimmt er hier zu dem Begriff der „Rechtsverkehrsfähigkeit" und demjenigen des „ Unternehmens " ausführlich Stellung. Es ist wahrscheinlich, daß der Aufsatz Siebert als Vorlage für sei173
Siebert, DRW 1936, S.204.
Α. Die Überwindung des gesellschaftsrechtlichen Dualismus
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nen oben erwähnten Bericht auf der Tagung der „Reichsfachgruppe Hochschullehrer" vom 12. und 13. Oktober 1935 diente. Das Vorwort dieses ersten herausgegebenen Bandes der Zeitschrift „Deutsche Rechtswissenschaft " von 1936, ist bereits auf den 15. Oktober 1935 datiert. 174 Siebert hatte sich in seiner Abhandlung zum Ziel gesetzt, „die Auflösung der Allgemeinen Teile - insbesondere der Allgemeinbegriffe der juristischen Person und des Vertrages - im Recht der Handelsgesellschaften" 175 darzustellen. Man befinde sich gegenwärtig in einer Entwicklung, „deren erste Stufe man als Auflockerung und Auflösung des BGB-Systems bezeichnen kann." 116 Dasjenige Recht sei zu finden, welches in bestimmten Ordnungen und Gemeinschaften innerhalb der Volksgemeinschaft gewachsen sei und wachse.177 Wie in seinem Bericht auf der Tagung der Hochschullehrer, versuchte Siebert nun nicht mehr, die vorgegebene Rechtsfähigkeit oder juristische Person in ihrem Wesen zu erklären, sondern ging von den bestehenden Handelsgesellschaften aus. Statt auf den Begriff des „Verbandes" stellte er hier auf den Begriff des „ Unternehmens" ab und rückte diesen in den Mittelpunkt seiner Untersuchungen. Das Unternehmen sei die unterste Stufe und letzte Einheit der völkischen Wirtschaftordnung 178: „Der Nationalsozialismus als die deutsche Lebensordnung schlechthin begründet und gestaltet aus der früheren Vielzahl völkischer Lebenserscheinungen eine neue, sinnvoll gegliederte Volksordnung. Diese setzt sich gegenüber unserem früheren, vielfach abstrakten Rechtssystem immer deutlicher durch, wobei an die Stelle der früheren »Rechtsgebiete' die Ordnung bestimmter Lebensbezirke und völkischer Teilgemeinschaften tritt 179 . Solche Lebensbezirke und Teilgemeinschaften sind insbesondere: - die Partei, ihre Gliederungen und die ihr angeschlossenen Verbände, - der Staat und die Selbstverwaltungskörperschaften, - die Familie, - der Hof, - der Betrieb (das Unternehmen)."180
Das Denken in Instituten und konkreten Ordnungen, auf das sich Siebert bereits früher bezogen hatte 181 , kommt hier wiederum zum Ausdruck. In dem Unternehmen erfüllen der Unternehmer oder der Verband mit ihren Beschäftigten ihre Aufgabe im Volksganzen. Das Unternehmen stelle einen „ lebendigen Organismus" 1* 2 dar, in welchem sich eine Funktion für die Gemeinschaft voll174 175 176 177 178 179 180 181 182
Vgl. Eckhardt, DRW 1936, S.5. Siebert, DRW 1936, S.204 (S.205). Siebert, DRW 1936, S.204. Siebert, DRW 1936, S.204 (S.205). Siebert, DRW 1936, S.204 (S.225). Siebert verweist hier auf Seydel, Deutsches Recht, 1936, S. 115 f. Siebert, DRW 1936, S.204 (S.245). Vgl. oben, A.I. Siebert, a.a.O.
13 Stupp
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3. Kap.: Juristische Person, Kapitalgesellschaft, Treupflicht im Wandel
ziehe. Das Unternehmen sei „die lebendige Substanz der Handelsgesellschaften welches von mehreren Personen betrieben wird, „ die untereinander in einem gesetzlich anerkannten verbandsrechtlichen Rechtsverhältnis stehen, also einen Personenverband bilden. " 183 Wie zuvor wandte sich Siebert gegen das dualistische System des Gesellschaftsrechts. 184 Die Körperschaftslehre sei, vor allem in dem Punkte juristische Person, allmählich in ein kaum zu überbietendes Maß von Trennungen und Abstraktionen hineingeraten: „Das Streben nach Überwindung des bisherigen Systems führt also im Recht der Handelsgesellschaften vor allem zu der Forderung, daß das Unternehmen als lebendige Einheit und Aufgabe das Recht der Handelsgesellschaften beherrschen, durchdringen und gestalten muß. Es muß verhindert werden, daß ein beziehungsloses Körperschaftsrecht und insbesondere die abstrakte juristische Person' das Wesen des Unternehmens verdecken oder gar verfälschen könnten."185
Siebert führte „Zur Überwindung der juristischen Person" m aus, daß nicht die Rechtsfähigkeit das Wesen der Handelsgesellschaften bestimme, sondern daß die Handelsgesellschaft als Unternehmen schon eine Einheit nach innen und außen besitze: „Die Rechtsfähigkeit ist also nur eine zusätzliche Eigenschaft, eine Folgeerscheinung, eine Erleichterung für den Rechtsverkehr und ein Mittel zur Begründung einer beschränkten Haftung, also eine Rechtsverkehrsfähigkeit. 187 [...]. b) Von diesem Ergebnis aus können alle diejenigen unnatürlichen Trennungen und Abstraktionen überwunden werden, die mit den bisherigen Auffassungen über die juristische Person verbunden waren und verbunden sind. Vor allem wird deutlich, daß die rechtsfähige Handelsgesellschaft ihrer lebendigen Substanz, d. h. ihren im Unternehmen stehenden Mitgliedern, in keiner Weise mehr getrennt gegenüberstehen kann." 188
Ähnlich wie Rhode gelingt es Siebert also nun, den Begriff der juristischen Person abzustreifen und aus Praktikabilitätsgründen die „Rechtsverkehrsfähigkeit" einzuführen. So verstanden, stimmt der Begriff mit der Vorstellung Rhodes überein, wonach die juristische Person nur noch auf ihre Funktion reduziert ist, die danach „nur einen Komplex umschreibt, eine einfache Methode darstellt, um schwierige Rechtsverhältnisse kurz zu bezeichnen" m. Im Mittelpunkt steht bei Siebert das von Menschen getragene Unternehmen, ähnlich wie bei Rhode jedes zweckgebundene 183
Siebert, DRW 1936, S.204 (S.227). Siebert, a. a.O. 185 Siebert, DRW 1936, S.204 (S.228). 186 Siebert, DRW 1936, S.204 (S.254). 187 Siebert verweist hier auf seine eigenen Ausführungen in der DJZ 1935, Sp.713 ff. und Sp. 1294ff., sowie auf Wieland, Handelsrecht, Bd. 1 (1921), S.389ff. 188 Siebert, a.a.O. 189 Rhode, Juristische Person und Treuhand (1932), S. 166; vgl. oben, A.II. 184
Α. Die Überwindung des gesellschaftsrechtlichen Dualismus
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Recht von Menschen getragen wird. Zur Lehre Rhodes grenzt sich Siebert, trotz genereller Zustimmung, dennoch etwas ab: „Der Ausdruck juristische Person' ist mißverständlich und sollte unbedingt vermieden werden. Gleichwohl kann die hier vertretene Auffassung nicht völlig mit der Theorie des Zweckvermögens gleichgestellt werden. Diese Theorie vermeidet zwar alle Fiktionen, sie kann aber die personenrechtliche Einheit und Verbindung, wie wir sie gerade beim Unternehmensverband deutlich sehen, nicht erfassen, denn sie betrifft in Wahrheit nur ein Teilstück des Verbandes, nämlich eben die Rechtslage seines Vermögens im Rechtsverkehr.190 Das Unternehmen im ganzen ist aber mehr als ein Zweckvermögen!"191
Von der bereits früher herausgestellten „personenrechtlichen Einheit " der Mitglieder eines Unternehmens/Verbandes, rückte Siebert also nicht ab. Stattdessen wies er ausdrücklich auf die bestehenden Beziehungen der Mitglieder zum Verband und der Mitglieder untereinander hin. Hatte er früher versuchen müssen, diese durch eine Kombination von Körperschaft und Personengesellschaft unter dem Mantel der juristischen Person herzustellen, brauchte er jetzt nur das Wesen der Unternehmen entsprechend zu definieren. Siebert ging hierzu von der Frage der Treupflicht des Aktionärs aus. Es sei immer wieder betont worden, daß es unmöglich sei, ein Gemeinschaftsgefühl zwischen Hunderttausenden oder Millionen von Aktionären zu konstruieren. 192 Mittlerweile sei aber eine Treupflicht vom Reichsgericht, namentlich in letzter Zeit, klar anerkannt worden in Bezug auf die Ausübung des Stimmrechts und des Anfechtungsrechts, sowie die „Nichtigkeit " (Fehlerhaftigkeit) der AG. 1 9 3 Für die Annahme einer solchen Treupflicht führte Siebert nun den Kernpunkt seiner Auffassung an, nämlich das Abrücken von der Beziehung des Mitgliedes zur juristischen Person hin zur Stellung des Mitgliedes im Unternehmen: „Auf der anderen Seite muß für die Stärke der hier in Frage stehenden Pflichten immer wieder betont werden, daß die mitgliedschaftlichen Pflichten ja nicht gegenüber einer abstrakten juristischen Person »Aktiengesellschaft' bestehen, sondern gegenüber einem Unternehmen, das seinen Sinn, seine Rechtfertigung und seine Aufgabe aus der Gliedstellung in der völkischen Wirtschaft empfängt und dem Volke dient."194
Eine Treupflicht des Mitglieds gegenüber dem Unternehmen bestand also nach der Ansicht Sieberts auf jeden Fall. Aber auch Pflichten der Mitglieder untereinander ergaben sich aus seiner Auffassung: „Es bestehen selbstverständlich auch verbandsrechtliche Beziehungen der Mitglieder untereinander. Die bisher entgegengesetzte (herrschende) Ansicht zeigt deutlich, wie notwendig 190 Siebert verweist hier auf Rhode: „In dieser Begrenzung kann der Lehre vom Zweckvermögen, so wie sie jetzt von Rhode, Juristische Person und Treuhand, 1932, und DJZ. 1935, S. 1207ff. vertreten wird, weitgehend zugestimmt werden. " 191 Siebert, DRW 1936, S.204 (S.257). 192 Siebert, DRW 1936, S.204 (S.259). 193 Siebert verweist hier auf die Urteile RGZ 146, 385, (393) = JW 1935, 1550, RG JW 1936,181 und RG JW 1935, 2647, sowie auf weiteres Schrifttum zu den Urteilen. 194 Siebert, a.a.O.
13*
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3. Kap.: Juristische Person, Kapitalgesellschaft, Treupflicht im Wandel
es ist, die bisherige Vorstellung von der juristischen Person' zu überwinden. Hierzu kam die irrige Vorstellung, daß es immer erst eines besonderen Vertrages bedürfe, um ein Gemeinschaftsverhältnis unter den Mitgliedern zu begründen, während doch die durch das Unternehmen begründete Ordnung schon mehr ist als ein Vertrag!" 195
Hier beschreibt Siebert genau den Wandel, den er selbst in seiner Begründung zur Bejahung der Treupflicht durchgemacht hat. Während er in seinem früheren Aufsatz im Juniheft der DJZ 1 9 6 noch angenommen hatte, er müsse die Körperschaft mit der Personengesellschaft kombinieren, um eine Beziehung der Mitglieder einer juristischen Person untereinander herstellen zu können, stellte er nun auf ein Unternehmen ab, welches nach seiner Ansicht Beziehungen seiner Mitglieder untereinander ohnehin voraussetzte. Hierdurch löste er sich vollkommen von der Vorstellung einer auf § 242 BGB begründeten Treupflicht und vertrat den Standpunkt, daß sich (Treu-)Pflichten aus dem einem Unternehmen immanenten Wesen ergaben. Man kann hierin bereits die Hinwendung Sieberts zur Annahme einer „ ethischen Treupflicht" sehen, die von anderen im folgenden noch zu behandelnden Autoren angenommen wurde 197 , und welche Siebert als Begriff auch bekannt war. 198 Die Vertreter dieser „ ethischen Treupflicht " sehen den Grundsatz der Treue als ein der Rechtsordnung innewohnendes Rechtsprinzip, welches Rechtsgebiete übergreifend (d.h. auch jenseits vom bürgerlich rechtlichen § 242 BGB) im Körperschaftsrecht Anwendung finden sollte. Abschließend geht Siebert noch darauf ein, daß die Stärke dieser personenrechtlichen Bindung des Mitgliedes im Unternehmen verschieden sein kann, worin der Grund, aber auch die Grenze für die Berechtigung der Unterscheidung zwischen Personal- und Kapitalgesellschaften liegt: „Diese Unterscheidung ist bei uns übertrieben worden, insbesondere hatte man sie immer mehr zu einer absoluten Trennung ausgebaut. " 199 Hier offenbart sich wiederum die Ähnlichkeit mit den Ansichten Rhodes200, Wielands 201 und zum Teil Gierkes 202, denen die Annahme einer Unternehmensreihe auf 195
Siebert, a.a.O. Vgl. oben A.I. 197 Siehe hierzu unten, B.I. 198 Siebert, a.a.O., verweist auf die aktienrechtliche Literatur, welche die „ethische Treupflicht" diskutierte, Siebert selbst verwendet den Begriff im Rahmen des Vertragsrechts, a. a. O., S. 249: „Es bedeutet nicht eine „Belastung" oder „Abwertung" des ethischen Treubegriffs, wenn man in der Treupflicht die unmittelbare und stärkste Grundlage aller einzelnen, auch der materiellen Berechtigungen und Pflichten aus dem Arbeitsverhältnis erblickt, [...]." 199 Siebert, DRW 1936, S.204 (S.259f.), mit Hinweis auf Hohlfeld, Gedanken zur Neugestaltung des deutschen Unternehmungsrechts, 1935, S.20 ff. 200 Vgl. oben, A.II. 201 Vgl. bereits oben, Fn. 142. 202 Den scharfen begrifflichen Einschnitt, den Gierke trotz Annäherung der Vereinigungen auf personenrechtlicher und körperschaftlicher Basis annimmt, sollte man nicht, wie Siebert dies tut, vernachlässigen, vgl. bereits oben, Fn. 140. 196
Β. Aktienrechtliche Diskussion zum Wesen der Kapitalgesellschaft
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unterschiedlicher Stufenfolge gemeinsam ist. Den Bezug seiner Auffassung zur Theorie von der realen Verbandspersönlichkeit hatte Siebert bereits herausgestellt: „Daß die hier vertretene Auffassung weitgehend von den Gedanken der realen Verbandspersönlichkeit beeinflußt ist, wird ohne weiteres sichtbar. Ich glaube aber, daß sowohl Georg Beseler wie Otto v. Gierke - es handelt sich dabei hier nur um das Recht der Vereine und Handelsgesellschaften203 - den wirklich realen Verband, die wirklich reale Einheit, in ihrer Dogmatik noch nicht voll zum Durchbruch gebracht haben."204
Siebert hatte also nun das „ Unternehmen " in den Mittelpunkt gestellt, was für die Frage nach dem Verhältnis der Mitglieder untereinander ein Abstellen auf die Dogmatik um die juristische Person überflüssig machte. Diese selbst konnte er als nur noch „ leere Hülle " abstreifen.
B. Aktienrechtliche Diskussion zum Wesen der Kapitalgesellschaft Die Diskussion verlagerte sich, was schon bei Siebert anklingt, in den Bereich des Aktienrechts. Da die Reformierung des Aktienrechts eine der vornehmlichsten Aufgaben der nationalsozialistischen Führung war 205 , wurden viele allgemeine Fragen des Kapitalgesellschaftsrechts am konkreten Beispiel der AG innerhalb der Literatur diskutiert. 206 Bereits im Herbst 1933 war von Hans Frank, nach der Gründung der Akademie für Deutsches Recht am 26.6.1933, ein Ausschuß für die Reform des Aktienrechts eingerichtet worden 207 , der von 1934 bis 1936 in unregelmäßigen Abständen tagte. 208 Hans Frank war zu dieser Zeit noch Reichsjustizkommissar und bayerischer Staatsminister der Justiz, auch die Akademie war zunächst Körperschaft des öffentlichen Rechts des Freistaates Bayern 209 ; erst durch Reichsgesetz vom 11.7.1934210 wurde sie zur öffentlich- rechtlichen Körperschaft des Reichs.211 Mit Datum vom 9.8.1934 wurde die Präsidentschaft von Hans Frank übernommen, der am 203 Siebert verweist hier auf die Untersuchungen von Höhn, Otto v. Gierkes Staatslehre und unsere Zeit, 1936, deren Ergebnisse auch für das Recht der Vereine und Handelsgesellschaften weitgehend Geltung beanspruchen können, da sie auf der gesamten Rechtslehre Gierkes aufgebaut seien. 204 Siebert, DRW 1936, S.204 (S.257); Siebert verweist hier wiederum auf seine eigenen Ausführungen in der DJZ 1935, Sp.713. 205 Vgl. Schubert, AktR-Protokolle, Einl. S. XXVII. 206 Siehe hierzu im folgenden unter I. 207 Vgl. Schubert, a.a.O. 208 Vgl. näheres zu den Arbeiten des Aktienrechtsausschusses im folgenden unter II. 209 Vgl. Schubert, AktR-Protokolle, Vorb., S. VIII. 210 RGBl. I, 1934, S.605. 211 Vgl. Schubert, AktR-Protokolle, Vorb., S.XII.
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3. Kap.: Juristische Person, Kapitalgesellschaft, Treupflicht im Wandel
19.12.1934 zum Reichsminister ohne Geschäftsbereich ernannt wurde. 212 Aufgabe der Akademie war die Erneuerung des Deutschen Rechts im Sinne der nationalsozialistischen Weltanschauung nach den Grundsätzen wissenschaftlicher Methode. Die Beratungen des Ausschusses für Aktienrecht blieben zunächst geheim und dienten dem Reichsjustizministerium zur Erstellung eines Entwurfes zu einem neuen Aktengesetz, welches am 30. Januar 1937 verkündet wurde 213 und am 1. Oktober 1937 inkraft trat. 214 Die aktienrechtliche Literatur, die Arbeiten zum neuen Aktiengesetz und die Reaktionen hierauf sollen überblickartig zu den Fragestellungen über das Wesen der Kapitalgesellschaften als juristische Person und das Verhältnis der Mitglieder untereinander betrachtet werden.
I. Literatur (1934-1937) Auch in der aktienrechtlichen Literatur erkannte man das Bedürfnis, verstärkt unter dem Einfluß des Gemeinschaftsdenkens und des Treuegedankens, innere Angelegenheiten der AG vom Standpunkt der „ Treupflicht des Aktionärs " aus regeln zu können.215 Ähnlich, wie Siebert in seinem ersten Aufsatz von 1935 argumentierte, die juristische Person müsse so definiert werden, daß eine Kombination von Körperschaft und Personengesellschaft und damit im Verhältnis der Mitglieder untereinander eine Anwendung des § 242 BGB im Körperschaftsrecht möglich wäre, finden sich Stimmen, die für das Aktienrecht eine Anwendung des § 242 BGB diskutieren. 216 Zahn beipielsweise wollte die Aktiengesellschaft als echte Gesellschaft auf vertraglicher Grundlage der Aktionäre ausgestalten.217 Die Parallele zu den erst später veröffentlichten allgemeineren Ausführungen Sieberts im Juniheft der DJZ 1935 ist bemerkenswert. Zahn stellt anhand der AG das dar, was Siebert dort für das Wesen aller juristischer Personen zu belegen versucht 218: 212
Vgl. Schubert, AktR-Protkolle, Vorb., S.XIIf. RGBl. I, S. 107. 214 Vgl. hierzu im folgenden unter III. 215 Vgl. hierzu zusätzlich zu den im folgenden ausführlich besprochenen Beiträgen von Dorpalen, ZHR 102 (1936), S. 1 und Klausing, Festschrift Schlegelberger, 1936, S.405 auch Bergmann, ZHR 105 (1938) S. 1; Clären, ZAkfDR 1937, S.490; Fleischmann, Treupflicht der Mitglieder von Kapitalgesellschaften (1937); Hesse, Treupflicht des Aktionärs (1938). Zur umfangreichen Literatur über die Reformierung des Aktienrechts allgemein auch Schubert, AktRProtokolle, S.LXVIff. 216 Heyl zu Herrnsheim, DR 1934, S.535; Ritter, JW 1934, S. 3027; Zahn, DJ 1935, S.27. 217 Zahn, a.a.O. 218 Nach eigenen Angaben, vgl. Schubert, AktR-Protokolle, S. LXV, kam Zahn zu seiner Betrachtungsweise von der AG als echter Gesellschaft durch seine rechtsvergleichende Untersuchung mit dem anglo-amerikanischen Recht, „ Wirtschaftsführertum und Vertragsethik im neu213
Β. Aktienrechtliche Diskussion zum Wesen der Kapitalgesellschaft
199
Zahn führt an, schon die Bezeichnung Aktiengesellschaft sei für den bisherigen Rechtszustand irreführend, eigentlich müsse es Aktienverein heißen. Aus dieser Einordnung der AG in das Vereinsrecht folge, „ daß jeder Aktionär zwar in einem unmittelbaren körperschaftlichen Rechtsverhältnis zur AG. steht, daß sich aber kein Band irgendwelcher Art von einem Aktionär zum anderen schlingt. Insbesondere stehen die einzelnen Aktionäre untereinander nicht in einem Vertragsverhältnis. " 2l9 Nach geltendem Recht brauche also kein Aktionär sein Verhalten gegenüber einem anderen Aktionär nach Treu und Glauben zu gestalten, da § 242 BGB wegen des fehlenden Vertragsverhältnisses keine Anwendung finden könne 220 : „Zweck dieses Aufsatzes ist der Vorschlag, die Aktiengesellschaft des neuen Rechts nicht als Körperschaft, sondern als echte Gesellschaft aufzubauen, [...]. Tut man das, so ergibt sich, daß zwischen den Aktionären eine organische vertragliche Beziehung entsteht und daß das Verhalten des einen Aktionärs zum andern - praktisch das der Mehrheit zur Minderheit oder umgekehrt - in Zukunft nach Treu und Glauben zu bewerten ist."221
In der Rechtsprechung des Reichsgerichts habe sich diese Auffassung bereits angedeutet.222 Gegen das Argument, daß es unmöglich sei, zwischen vielen Tausend Aktionären ein Gemeinschaftsgefühl zu erzeugen, wendet Zahn ein, es werde durch das Vertragsverhältnis lediglich ein neuer, den Forderungen einer sauberen und anständigen Wirtschaft entsprechender Maßstab geschaffen, den der Richter an das Verhalten der Aktionäre anlegen könne.223 Wie jedoch auch in der allgemeinen Diskussion um das Wesen der juristischen Person, so setzte sich bei der Diskussion um die Treupflicht im Aktienrecht der Gedanke durch, daß ein Rückgriff auf § 242 BGB, und damit die Konstruktion eines Vertragsverhältnisses der Aktionäre untereinander, gar nicht notwendig war, um die Grundsätze von Gemeinschaft und Treue im Aktienrecht zur Geltung kommen zu lassen. Anfang 1936 erschien ein Aufsatz von Andreas Dorpalen über „Die Treupflicht des Aktionärs". 224 Unter Ablehnung des Trennungsdenkens beruft sich Dorpalen en Aktienrecht" (1934); vgl. auch Schubert, AktR-Protokolle, S. XLVII, mit Hinweis auf Informationen von Prof. Geßler. 219 Zahn, a.a.O. 220 Zahn, a. a. O.; vgl. Siebert, DRW 1936, S. 204 (S. 256) über die irrige Vorstellung, „daß es immer erst eines besonderen Vertrages bedürfe, um ein Gemeinschaftsverhältnis unter den Mitgliedern zu begründen. " 221 Zahn, DJ 1935, S. 27 (S. 28); vgl. auch Fricke, S. 69: „[...] Daher die Notwendigkeit der G. m. b.H. Auch diese Gesellschaft ist den Grundgedanken des neuen Aktienrechts anzupassen. Die gegenseitige gesellschaftliche Verbundenheit auf vertraglicher Grundlage ist herbeizuführen. " 222 Zahn, DJ 1935, S. 27 (S. 29) beruft sich hier auf RGZ 108, 41 (48) und RGZ 132, 149 (163). Das von Siebert angemerkte Urteil von RGZ 146,385 = JW 1935,1550, welches Siebert zum Anlaß für seine Untersuchungen über das Wesen der Rechtsfähigkeit genommen hatte, lag Zahn also noch nicht vor. 223 Zahn, a.a.O. 224 Dorpalen, ZHR 102 (1936), S. 1.
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3. Kap.: Juristische Person, Kapitalgesellschaft, Treupflicht im Wandel
auf die älteren Lehren Wielands und auch Gierkes. Wieland sei der erste gewesen, der es unternahm, die widerspruchslos hingenommene Lehre von der AG als Körperschaft auf ihre Richtigkeit hin zu überprüfen. 225 Gierkes Verdienst war es, den Nachweis zu führen, daß gerade das deutsche Verbandsrecht stets auf dem Gemeinschaftsgedanken aufgebaut war und allein aus ihm heraus seine Auffassung vom Wesen der Körperschaft und der juristischen Person entwickelt habe.226 Unter den „individualistischen Tendenzen" habe sich dann aber die Auffassung verloren, „die auch innerhalb der Körperschaft eine gewisse Bindung unter den Mitgliedern anerkannt wissen wollte. " 227 Dorpalen ging auf den ersten Aufsatz Sieberts in der DJZ 1935 über das Wesen der juristischen Person ein und stimmte Siebert darin zu, daß die deutschrechtliche Lehre aus ihrer Kampfesstellung gegenüber der herrschenden romanistischen Theorie heraus „in der Tat zu einer starken Betonung des Körperschaftsgedankens führte", und demgegenüber „der Gemeinschaftsgedanke etwas vernachlässigt wurde. " 2 2 8 Beim weiteren Ausbau der Körperschaftslehre Gierkes sei verkannt worden, daß gerade auch der Gemeinschaftsgedanke eine wesentliche Rolle im Aufbau dieser Lehre spielte.229 Dieser Gedanke sei immer mehr in den Hintergrund gerückt und habe dazu geführt, daß schließlich jegliche Gemeinschaftsbeziehungen zwischen den Mitgliedern einer Korporation geleugnet wurden. Dorpalen grenzte sich aber hier von Siebert ab, indem er belegen wollte, daß diese Vernachlässigung des Gemeinschaftsgedankens eine Folge der allgemeinen geistigen und wirtschaftlichen Situation jener Zeit gewesen sei. Siebert habe die deutschrechtliche Theorie falsch interpretiert, wenn er annahm, diese habe in dem Bestreben, den körperschaftlichen Aufbau der juristischen Verbandsperson im Gegensatz zu der romanistischen Theorie herauszuarbeiten, den Gemeinschaftsgedanken völlig vernachlässigt. 230 Dorpalen wertet die Tendenzen der Rechtsprechung, eine Treupflicht kasuistisch herauszuarbeiten 231, lediglich als Rückkehr zu der älteren Lehre von der deutschrechtlichen Körperschaft, „deren Wesen ja gerade in demAußau auf der Grundlage eines Gemeinschaftsverhältnisses, getragen durch die personenrechtliche Verbundenheit der Gesellschafter ihr gegenüber und untereinander, begriffen war. " 232 Er geht davon aus, daß die AG Körperschaft ist und betont, daß die Aktionäre in keinem Vertragsverhältnis zueinander stehen. Ein solches ist für ihn zur Begründung einer Treupflicht auch nicht notwendig: 225
Dorpalen, S. 2. Dorpalen, S. 6. 227 Dorpalen, S.9. 228 Dorpalen, S. 8 f., Fn. 22. 229 Dorpalen, a. a. Ο., verweist hier auf v.Thur, Allgemeiner Teil, I, 1,81. 230 Dorpalen, a. a. O. 231 Dorpalen, S. lOff. verweist hier insbesondere auf RGZ 107, 72; 107, 202; 108, 41; 112, 18; 118, 67; vgl. aber weitere Belege, Dorpalen, Fn. 29-34, 37. Vgl. hierzu bereits oben, Kapitel 1, A.I. 232 Dorpalen, S. 15. 226
Β. Aktienrechtliche Diskussion zum Wesen der Kapitalgesellschaft
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„Denn jene Auffassung, die Treupflichten nur dort anerkennen will, wo besondere vertragliche Beziehungen bestehen, setzt sich durchaus in Widerspruch zu der heutigen Rechtsanschauung, die den Grundsatz von Treu und Glauben als ethisches Rechtsgebot ansieht, das unabhängig von irgendwelchen durch besonderen Vertrag begründeten Beziehungen das gesamte Rechtsleben beherrschen muß."233
Daher sei auch der Streit um die Richtigkeit der Lehre Wielands unerheblich. Die bloße Tatsache der Zugehörigkeit zu einer Gemeinschaft schaffe nach heutiger Auffassung bestimmte Bindungen ihr und den einzelnen Mitgliedern gegenüber, deren Stärke je nach Art und Aufbau der Gemeinschaft abgestuft sei. 234 Ob diese Bindungen köperschaftlicher oder gesellschaftlicher Natur sind, könne nur noch von dogmatischem Interesse sein. Dorpalen erstreckt die Treupflicht, in Anlehnung an Siebert 235, auch auf das Verhältnis der Aktionäre untereinander: „Daß auch in dieser Richtung, d. h. also nicht nur gegenüber der Gesellschaft, eine Treuverpflichtung besteht, ist heute allerdings durchaus noch nicht allgemein anerkannt und wird nicht selten auch von denjenigen bestritten, für die das Bestehen eines Treueverhältnisses zwischen Aktionär und Gesellschaft außer Zweifel steht."236
Er begründet dies mit einem Weiterwirken der aus der Vorgesellschaft resultierenden Verbindung der Gesellschafter untereinander: „Die Bindungen, die jedem einzelnen durch den Beitritt zu einer Gemeinschaft auferlegt werden, bestehen daher keineswegs nur der Gemeinschaft als Ganzem, sondern ebenso jedem einzelnen Mitglied der Gemeinschaft gegenüber, gleichsam als letzter Ausfluß des einstmals bestehenden Gesellschaftsverhältnisses." 237
Letztlich sieht Dorpalen den Aktionär nur noch als Treuhänder der Gesellschaft zum Wohle der Gemeinschaft. 238 In Abgrenzung zu der oben erwähnten Auffassung, die für eine direkte Anwendung des § 242 BGB im Aktienrecht plädierte, gilt Dorpalen in der nachfolgenden aktienrechtlichen Literatur als Begründer der Auffassung, die sich für die Anerkennung einer „ ethischen Treupflicht " des Aktionärs einsetzt, d. h. für eine auf dem Gemeinschaftsdenken beruhende umfassende moralische Pflicht des Aktionärs gegenüber der Gesellschaft/Gemeinschaft und den übrigen Gesellschaftern. 239 Auch Klausing spricht sich in einem Beitrag zur Treupflicht des Aktionärs anläßlich einer Festschrift für Franz Schlegelberger für die Treupflicht des Aktionärs 233
Dorpalen, S. 17 mit Verweis auf Ritter, JW 1934, S. 3025 ff., Danielcik JW 1935, S. 329, Heymann, Festgabe für Wieland, S. 230f. und - allgemein - Müller DJZ 1935, S. 270ff. 234 Dorpalen, Fn.42. 235 Dorpalen, S.27, Fn.68. 236 Dorpalen, a. a. O., verweist hier auf Düringer-Hachenburg III, 1. Einl., II., Anm. 78, Ritter JW 1934, S. 3029, Hueck Treuegedanke, S.4. 237 Dorpalen, S.28. 238 Dorpalen, S. 19 f. 239 Vgl. Fleischmann, S.41; Hesse, S. 17.
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3. Kap.: Juristische Person, Kapitalgesellschaft, Treupflicht im Wandel 240
aus. Er tut dies mit Hinweis auf die neuere Rechtsprechung durch das Reichsgericht und deren positive Aufnahme in der Literatur, unter anderem auch unter Bezugnahme auf die Abhandlungen von Siebert und Dorpalen. 241 Wolle man für die Personengesellschaften eine Treupflicht annehmen, eine solche für Kapitalgesellschaften aber verneinen, käme man zu einem rechtspolitisch außerordentlich bedenklichen Dualismus für die Wirtschaftsordnung. 242 Für die überwiegende Zahl der Aktiengesellschaften ließe sich „ das Vorhandensein einer bald mehr herrschaftlichi, bald mehr genossenschaftlich aufgebauten, zahlenmäßig größeren oder kleineren Gemeinschaft von Aktionären schlechterdings nicht abstreiten - und zwar einer ,konkreten', nicht nur Juristisch' erdachten oder konstruierten Gemeinschaft!" 243 Klausing rückt die Streitfrage in den Vordergrund, wem gegenüber eine solche Treupflicht des Aktionärs bestehe und nennt die Möglichkeiten der Treupflicht gegenüber der Gesellschaft, dem Unternehmen, den Mitaktionären oder der Gesamtwirtschaft. 244 Hierbei weist er auf den inneren Zusammenhang und die Verflechtungen hin, die zwischen der Auffassung über das Wesen der juristischen Person, der Aktiengesellschaft als Körperschaft und der Treupflicht der Mitglieder bestehen: »Jedenfalls geraten wir bei der Stellungnahme zu den vorgenannten Fragen alsbald in den wahrlich genugsam erörterten Streit darüber, ob die Aktiengesellschaft als »Körperschaft' oder »Gesellschaft' anzusehen sei und weiterhin, wie es überhaupt mit der Notwendigkeit und Berechtigung des Begriffes der Juristischen Person' stehe."245
Was namentlich die germanistische Lehre, in Anlehnung an Otto von Gierke, aber auch über diesen hinaus, seit Jahren angestrebt habe, nämlich durch die „Hülle " der juristischen Person hindurch den Kern der Sache zu erkennen und die juristische Person nur als Erklärungsmittel für bestimmte praktische Zwecke des Rechtsverkehrs zu sehen, „scheint endlich Gemeingut zu werden. " 246 Klausing weist auf die nationalsozialistische Auffassung vom Primat der sogenannten konkreten Gemeinschaft als der Grundlage und Quelle aller echten Ordnungen hin, woraus sich dann weiterhin die Gliedstellung des einzelnen und der innerstaatlichen Verbände wie auch des Unternehmens ergibt. Was Siebert allgemein über die Treupflicht im Rahmen personenrechtlicher Ordnungen bemerkt habe, müsse auch für die aktienrechtliche Treupflicht gelten. Man solle zugeben, „daß auch in diesen wesentlich kapitalistischen Gemeinschaftsunternehmen regelmäßig Elemente personenrechtlichen Charakters vorhanden sind und eben deshalb auch mit Fug und Recht von einem Treueverhältnis ' der Mitglieder gesprochen werden könne. " 24Ί 240 241 242 243 244 245 246 247
Klausing, Festschrift Klausing, Festschrift Klausing, Festschrift Klausing, Festschrift Klausing, Festschrift Klausing, a. a. O. Klausing, a. a. O. Klausing, Festschrift
für Schlegelberger, S.405. Schlegelberger, S.408, Fn.6. Schlegelberger, S.423. Schlegelberger, S.422. Schlegelberger, S.426.
Schlegelberger, S.433f.
Β. Aktienrechtliche Diskussion zum Wesen der Kapitalgesellschaft
203
Klausing betrachtet die Frage, wem gegenüber der Aktionär zur Treue verpflichtet ist, abseits vom damit verbundenen dogmatischen Standpunkt aus reinen Interessenserwägungen heraus: „Wenn wir uns nun aber die gleichfalls höchst,konkrete' Frage vorlegen, ob und inwiefern die Treupflicht des Aktionärs nicht nur oder vielleicht überhaupt nicht gegenüber der Gesellschaft [...] bestehe, sondern sich sowohl auf die Mitaktionäre als auf das von der Gesellschaft betriebene Unternehmen beziehe [...], so zeigt sich alsbald wiederum die Notwendigkeit, die Gesellschaft irgendwie als Beziehungspunkt [...] in dieses Pflichtenverhältnis einzuschalten."248
Mit der späteren Auffassung Sieberts geht Klausing von dem Unternehmen als kleinster Organisationsstufe der Volksgemeinschaft aus 249 und möchte in Anlehnung an Wieland 250 eine vernünftige und gerechte Interessenabwägung vornehmen und das Problem der juristischen Konstruktion beiseite lassen.251 Klausing stellt die Frage in den Vordergrund, wer einen Schadensersatzanspruch gegenüber dem eine Treupflicht verletzenden Aktionär geltend machen dürfe, nur die Gesellschaft, oder auch die Mitaktionäre. „Die bisher in Deutschland [...] herrschende Meinung geht dahin, daß grundsätzlich nur der Gesellschaft (in gewissen Fällen auch den Gläubigern), keinesfalls aber den einzelnen Mitaktionären das Recht zur unmittelbaren Geltendmachung von Schadensersatzansprüchen zustehe."252
Bereits Wieland habe aber mit gutem Grund dargetan, daß gleichwohl ein zwingendes Bedürfnis gegeben sein könne, auch dem einzelnen Aktionär unter gewissen Voraussetzungen einen selbständigen Anspruch auf Ersatz des ihm persönlich zugefügten (besonderen) Schadens zu geben. Auch nach der Ansicht Klausings sollte man dem Aktionär einen unmittelbaren Anspruch auf Schadensersatz gewähren. 253 Dies allerdings nur, wenn die Gesellschaft als solche auf eine Wiedergutmachung der ihr und damit mittelbar auch den einzelnen Mitgliedern zugefügten Nachteile verzichtet habe. Hierbei ging es Klausing aber nicht etwa um die Geltendmachung eines Schadens der Gesellschaft durch den Aktionär im Wege einer actio pro socio. 254 Klausing berief sich auf den eigenen (besonderen) Schaden des Aktionärs, bei dessen Bejahung also gedanklich bereits eine Pflicht zugrunde gelegt sein mußte, die für den Aktionär gegenüber seinem Mitaktionär bestand und die verletzt worden war. Auch wenn es Klausing hierbei lediglich um eine Interessenabwägung anhand praktischer Bedürfnisse ging, kann doch bereits auf die (dogmatische) Haltung 248
Klausing, Festschrift Schlegelberger, S.429. Klausing, Festschrift Shclegelberger, S.429, Fn.20. 250 Klausing, Festschrift Schlegelberger, S. 430, verweist hier auf Wieland, Handelsrecht, Bd.2 (1931), S. 133ff., S. 137. 251 Klausing, a.a.O. 252 Klausing, Festschrift Schlegelberger, S. 430. > 253 Klausing, Festschrift Schlgelberger, S.431. 254 Vgl. zum Verhältnis zur actio pro socio Klausing, Festschrift Schlegelberger, S.432. 249
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3. Kap.: Juristische Person, Kapitalgesellschaft, Treupflicht im Wandel
geschlossen werden, die für die Bejahung eines eigenen Schadensersatzanspruches des Aktionärs gegen einen anderen Aktionär notwendig ist, also eine Auffassung, die auch eine Treupflicht der Aktionäre untereinander bejaht. Auch Klausing hält in Anlehnung an Siebert die übertriebene Trennung von Personal- und Kapitalgesellschaften für falsch. 255 Man dürfe sich nicht durch die Figur der juristischen Person daran hindern lassen, die Adressaten der Treupflicht, nämlich nicht nur (oder überhaupt nicht) die Gesellschaft als solche oder die einzelnen Aktionäre, sondern auch das Unternehmen und die Volkswirtschaft, in den Bereich der Erwägungen einzubeziehen.256 In Übereinstimmung mit Dorpalen geht Klausing davon aus, daß es einer gesetzlichen Niederlegung des Treupflichtgedankens nicht bedürfe, da es sich hierbei um einen lebenswichtigen Grundsatz handele, der die gesamte Rechtsordnung durchziehe.257 Im Bereich der aktienrechtlichen Literatur setzte sich also der Gedanke durch, daß ein „ ethisches " allgemeines Rechtsgebot zur Treupflicht, insbesondere auch im Kapitalgesellschaftsrecht bestand. Auffällig ist, daß auch für den konkreten Bereich des Aktienrechts die starren Unterscheidungen zwischen Personen- und Kapitalgesellschaften nicht mehr verbindlich gesehen wurden und daß der Begriff und die damit verbundene Lehre von der juristischen Person beiseite gelassen wurde oder nicht mehr ernst zu nehmen war. Es deutet sich hier eine „ organische Umbildung " des Kapitalgesellschaftsrechts an. 258 Statt des Gegenübers von Personen- und Kapitalgesellschaft steht das „ Unternehmen als kleinste Zelle der Volksgemeinschaft" (Siebert, Klausing) im Vordergrund. Aus ihr heraus entwickelt Dorpalen in Anlehnung an Wieland einen stufenförmigen hierarchischen Aufbau aller „Gesellschaften" (Gemeinschaften), wobei die nächst höhere Stufe die darunter liegende jeweils mit umfaßt. Das persönliche Element tritt, auch bei der AG, in den Vordergrund: „Als Gemeinschaften gelten dabei [...] auch die Gemeinschaften, die auf freiem Zusammenschluß zur Erreichung gemeinsamer, nicht gegen die Volksordnung verstoßender Ziele beruhen. Die neue Rechtsanschauung rechnet hierzu auch die zur Erreichung wirtschaftlicher Zwecke gebildeten Gemeinschaften, [...] und begreift hierunter nicht nur die sog. Personal-, sondern auch die sog. Kapitalgesellschaften. [...]; die KapGes. stellen aber nach heutiger
255
Klausing, Festschrift Schlegelberger, S.434. Klausing, Festschrift Schlegelberger, S.434 f. 257 Klausing, Festschrift Schlegelberger, S.448. 258 Ygi Fleischmann, S. 32: „Die Entwicklung der neuen Rechtsanschauung durch die Rechtsprechung läßt deutlich erkennen, daß wir bereits mitten in einer ,organischen' Umbildung des Kapitalgesellschaftswesens stehen." Klausing, DJZ 1935, 1135 (1136), Fn.3: „Die bereits in vollem Gange befindliche ,organische' Umbildung des Aktienwesens, - [...]. " 256
Β. Aktienrechtliche Diskussion zum Wesen der Kapitalgesellschaft
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Auffassung nicht minder auch einen persönlichen Zusammenschluß zur Erreichung von Gemeinschaftszwecken dar, [...]." 259
Durch das Überwinden des begrifflich trennenden Dualismus tritt die juristische Person in den Hintergrund und das Verhältnis der Mitglieder tritt hervor: „II. Durch die Anerkennung der KapGes. als echter Gemeinschaften ist es möglich geworden, auch für das Recht der HandelsGes. auf den aus der Rezeption überkommenen Begriff der juristischen Person' zu verzichten, dessen abstrakte Natur bisher meist als Haupthindernis für die Anerkennung einer Treupflicht bei KapGes. angesehen wurde." 260
Durch die Bemühung, den Begriff der juristischen Person abzustreifen und auf das Gemeinschaftsrecht abzustellen, ebnete man den Weg für ein auf der Grundlage des konkreten Ordnungsdenkens (Schmitt) aufgebautes Gesellschaftsrecht als Recht der Gemeinschaften. Fleischmann, ein Schüler Klausings, der in seiner Auffassung den Ausführungen Sieberts und Dorpalens folgte 261 , beschrieb die Stellung der Gesellschafter einer Kapitalgesellschaft in seiner unmittelbar vor dem Inkrafttreten des neuen Aktiengesetzes 1937 veröffentlichten Dissertation wie folgt: „Die Menschen werden als in konkreten Ordnungen und Gemeinschaften stehend angesehen und aus dieser Gemeinschaft heraus begriffen. Vom Rechtsprinzip der Gemeinschaften her wird der individualistische Charakter alter Vorstellungen und Begriffe erkannt und überwunden. " 262
II. Die Beratungen des Ausschusses für Aktienrecht der Akademie für Deutsches Recht (1934-1936) Der Ausschuß für Aktienrecht der Akademie für Deutsches Recht tagte in der Zeit vom 6.1.1934 bis zum 22.10.1936 in zehn Sitzungen unter dem Vorsitz des Aufsichtsratsvorsitzenden der Münchner Rückversicherungs AG Wilhelm Kißkalt. Die Arbeiten im Hinblick auf das Gesetzes vorhaben der NS-Führung waren bereits mit der 9. Sitzung vom 25.3.1935 abgeschlossen, die 10. Sitzung diente lediglich der Diskussion über den zu diesem Zeitpunkt bereits durch das Reichsjustizministerium erstellten Entwurf zu einem neuen Aktiengesetz. Die Mitglieder des Ausschusses setzten sich aus Wirtschaftsvertretern, Parteimitgliedern, Vertretern des Reichsjustizministeriums und einigen Professoren zusammen. Staatssekretär Schlegelberger und Ministerialdirigent Quassowski sind hier als Ministerialvertreter zu nennen, unter den Professoren ist Klausing hervorzuheben. 263 259
Ciaren, ZAkfDR 1937, S.490f. Ciaren, S.491. 261 Fleischmann, S. 10f., S.40. 262 Fleischmann, S. 34. 263 Ausführlich zu den einzelnen Mitgliedern, deren Biographien und Schriften, siehe Schubert, AktR-Protokolle, S. X X V I I und S.L ff. 260
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3. Kap.: Juristische Person, Kapitalgesellschaft, Treupflicht im Wandel
Die i m Anschluß an die erste Sitzung stattfindende erweiterte (2.) Sitzung vom 9.2.1934 stand unter den Diskussionspunkten der Durchsetzung des Führerprinzips und der Beseitigung der Anonymität i m Aktienrecht. Zum Thema Treupflicht äußerte sich hier als erster der als Sachverständiger zu der Sitzung eingeladene Bankier August von Fink. Er faßte die Vorschläge seiner Vorredner als von den „ Entartungserscheinungen der Vergangenheit " beeinflußt zusammen, in welcher der Grundsatz der Treupflicht gegenüber dem Unternehmen in den Hintergrund getreten sei. 2 6 4 Das Unternehmen und dessen Wohl sei wieder an die Spitze zu stellen: „Zunächst muß allem voran der Grundsatz des Dienstes am Unternehmen und der Treupflicht gestellt werden, und zwar einmal die Treupflicht des Vorstandes und des Aufsichtsrats zum Unternehmen [...]. Sodann aber muß die Treupflicht auch maßgebend sein für den Aktionär und zwar in seinem Verhältnis sowohl zum Unternehmen als auch zu den Mitaktionären."265 A n Fink anknüpfend, ging Referendar Zahn, ebenfalls als Sachverständiger geladen, auf die Struktur der Aktiengesellschaft ein und forderte, mit Hinweis auf das amerikanische Recht, die Ausgestaltung der A G als Personengesellschaft: „Mein Vorschlag geht dahin, aus der AG. eine echte Gesellschaft zu machen und sie so aufzubauen, daß die Aktionäre untereinander in vertragliche Beziehungen treten. Die Gründer schließen einen echten Gesellschaftsvertrag. Dieser Personenzusammenschluß wird dann durch staatliche Verleihung mit juristischer Persönlichkeit ausgestattet, wobei alle bisher vorhandenen Merkmale der Gesellschaft erhalten bleiben. Personen, die später Aktionäre werden, treten dem Gesellschaftsvertrage durch den Aktienerwerb stillschweigend bei. Die Umstellung vom körperschaftlichen Prinzip auf das Gesellschaftsprinzip wäre ein praktischer Weg, um dem viel geforderten Treuverhältnis zwischen den Aktionären und dem Gemeinsinn unter ihnen einen juristischen Boden zu geben."266 „2. Die Aktiengesellschaft soll nicht als Körperschaft aufgebaut werden, sondern als echte Gesellschaft. Dadurch wird das Verhältnis der Aktionäre untereinander unter die Herrschaft der Grundsätze von Treu und Glauben gestellt. (Für den Fall, daß sich hiergegen Bedenken der juristischen Konstruktion ergeben sollten, darf ich darauf hinweisen, daß nach geltendem nordamerikanischem Recht die Aktiengesellschaft als Vertragsverhältnis ausgestaltet ist."267 I m Wesentlichen handelt es sich hier um die gleichen Ausführungen, wie diejenigen, die Zahn ein wenig später in der Deutschen Justiz (DJ) 1935 veröffentlichte und auf welche oben bereits eingegangen wurde. 2 6 8 Sein Vorschlag blieb i m Aktienrechtsausschuß jedoch weitgehend unbeachtet. 269 Kißkalt ging auf Zahns Vorschlag 264
Fink, in Schubert, AktR-Protokolle, S.55. Fink, in Schubert, a. a. O. 266 Zahn, in Schubert, AktR-Protokolle, S.61. 267 Zahn, in Schubert, AktR-Protokolle, S.65. 268 Siehe hierzu bereits oben, B.I. 269 Vgl. auch die einleitenden Worte in der DJ 1935, S.27: „ Vorbemerkung: Wir geben den Ausführungen des Verfassers Raum, da sie interessante Anregungen enthalten, wenngleich der Aktienrechtsausschuß der Akademie für Deutsches Recht sich ihnen im Gesamtergebnis nicht angeschlossen hat. " 265
Β. Aktienrechtliche Diskussion zum Wesen der Kapitalgesellschaft
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ein und bemerkte, er könne sich die Durchsetzung einer Treupflicht der Aktionäre untereinander bei großen Aktiengesellschaften nicht vorstellen. 270 In der sich anschließenden 3. Sitzung am Folgetag, dem 10. Februar 1934, bemerkte Klausing zur Treupflicht, daß ihm eine solche in allgemeiner Form für jeden Aktionär vorschwebe und in spezieller Form für den Vorstand. Zu dem Verhältnis der Aktionäre untereinander äußert er sich nicht. Beachtenswert ist aber, daß er sich hier für eine Einführung des Treuegedankens aus dem Gesichtspunkt von Treu und Glauben heraus ausspricht, losgelöst von der Dogmatik um die Anwendbarkeit des § 242 BGB im Aktienrecht: „Wir müssen nur den Mut haben, uns von dem Begriff der ,guten Sitte' zu befreien und einfach den Begriff ,Treu und Glauben' einzuführen, was im Grunde jeder anständige Unternehmer und Vorstand heute schon will. [...]. Man hat nur bisher aus gewissen juristischen Erwägungen nicht geglaubt, etwas Derartiges durchführen zu können."271
Diese Worte Klausings erinnern sehr an die spätere Bemerkung Sieberts in der DRW 1936, man müsse sich von der irrigen Vorstellung lösen, „daß es immer erst eines besonderen Vertrages bedürfe, um ein Gemeinschaftsverhältnis unter den Mitgliedern zu begründen. " 272 Im folgenden diskutierten die Mitglieder einen Vorschlag des Berliner Professors Heymann, der eine Haftung für Aktionäre vorsah, sofern sie durch ihre Abstimmung gesellschaftsfremde Vorteile erlangen wollten und der Gesellschaft dadurch ein Schaden entstand.273 Diese Haftung für gesellschaftsschädigende Abstimmungen der Aktionäre stand in engem Bezug zur Frage, inwieweit den Aktionär eine Treupflicht trifft. Hierauf wies Kißkalt hin 2 7 4 , allgemein zur Treupflicht der Aktionäre äußerte sich dann jedoch niemand mehr. Klausing befürwortete den Vorschlag Heymanns, unter der Einschränkung, daß eine solche Vorschrift generell zu halten sei 275 und das Verschulden auf grobe Fahrlässigkeit begrenzt werde. 276 270
Kißkalt, in Schubert, a. a. O. Klausing, in Schubert, AktR-Protokolle, S. 89. 272 Siebert, DRW 1936, S.204 (S.259), siehe auch oben, A.III. 273 Heymann, in Schubert, AktR-Protokolle, S. 101. Der Vorschlag lautete: „Wer als Aktionär oder als Dritter schuldhaft, namentlich zur Erreichung gesellschaftsschädlicher Sondervorteile für sich oder einen anderen auf Beschlüsse der Generalversammlung oder auf die Maßnahmen des Vorstandes oder Aufsichtsrates auf Grund seines rechtlichen oder tatsächlichen Einflusses entscheidend einwirkt, haftet mit den Mitgliedern des Vorstandes oder Aufsichtsratsfür den der Gesellschaft daraus entstehenden Schaden. " 274 Kißkalt, in Schubert, AktR-Protokolle, S. 105: „ Wir stehen vor der Frage: Sollen die Aktionärefür ihre Abstimmung haftbar gemacht werden, wenn sie vorsätzlich oder grob fahrlässig die Rechte der Gesellschaft verletzen. Ich möchte daran erinnern, daß gestern in der Diskussion dieser Gedanke auch schon berührt worden ist mit dem Worte von der Treupflicht des Aktionärs gegenüber der Gesellschaft. Wir werden uns nun doch über die Folgen schlüssig werden müssen, die sich aus der Bestimmung ergeben. " 275 Klausing, in Schubert, AktR-Protkolle, S. 106. 276 Klausing, in Schubert, AktR-Protokolle, S. 105. 271
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3. Kap.: Juristische Person, Kapitalgesellschaft, Treupflicht im Wandel
Die Frage des Erstrebens gesellschaftsfremder Vorteile durch treuwidriges Verhalten eines Aktionärs tauchte dann in der 6. Sitzung vom 25.10.1934 wieder auf bei der Überlegung, ob ein dermaßen zustande gekommener Beschluß der Anfechtung unterliegen müsse. Auch hier setzte sich Klausing für eine Haftung des Aktionärs ein, ließ jedoch offen, ob diese Haftung gegenüber der Gesellschaft oder auch gegenüber jedem einzelnen Aktionär bestehen sollte. 277 Er stellte aber hier das allgemeine Signal einer solchen Haftung an die Öffentlichkeit heraus. Er war der Meinung, „daß, wenn im neuen Aktienrecht steht, ein Aktionär kann für grobfahrlässiges Verhalten zur Ordnung gezogen werden, man bei Erlaß des Gesetzes sehr leicht klarlegen kann, daß wir eine Treupflicht verlangen. " m Im weiteren Verlauf der Sitzungen wurde die Treupflicht nicht mehr aufgegriffen. Die in der Literatur in engem Zusammenhang mit der Treupflicht diskutierte Frage nach dem Wesen der juristischen Person wurde in den Ausschußberatungen ebenfalls nicht direkt aufgegriffen. Lediglich in der 10. Sitzung vom 22.10.1936 streifte Klausing die Diskussion, wobei es aber auch hier bei einem allgemeinen Hinweis blieb. Zu dieser Zeit waren die eigentlichen Arbeiten des Ausschusses bereits abgeschlossen. Schon nach der 9. Sitzung vom 25.03.1935 hatte das Reichsjustizministerium im Sommer 1935 den Entwurf zu einem neuen Aktiengesetz angefertigt. Diesen im Mai 1936 erneuerten Entwurf zum Aktienrecht 279 diskutierte der Ausschuß in seiner 10. Sitzung. Es tauchte hierbei die Frage auf, ob die in den §§1, 48 des Entwurfs genannte „Rechtspersönlichkeit" der AG ein geeigneter Begriff sei. Klausing, dem die Diskussion um das Wesen der Rechtsfähigkeit bekannt war, wies die Kollegen darauf hin: „Endlich darf ich auf einen Punkt hinweisen, der auf dem Gebiete der juristischen Theorie liegt. Als ich das Gesetz aufgeschlagen habe, habe ich im ersten Paragraphen gelesen, die Aktiengesellschaft sei eine Gesellschaft mit,eigener Rechtspersönlichkeitund ebenso in §48, die Aktiengesellschaft habe »eigene Rechtspersönlichkeit/ Ich bitte zu entschuldigen, wenn ich in diesem Gremium von Männern, die größtenteils in der Praxis stehen, daraufhinweise, daß im juristischen Schrifttum seit einiger Zeit ein lebhafter Streit über die Beibehaltung des Begriffes juristische Person' angehoben hat. Ja, es hat sogar eine Gruppe von Theoretikern, übrigens auch Praktikern, dieses Gebilde für restlos abgetan und unmöglich erklärt. Auch der Ausdruck »Rechtspersönlichkeit' wurde lebhaft angefochten. Man hat nach Ersatzausdrücken gesucht; es wurde aber kein befriedigender gefunden. Ich fürchte, daß die Betonung des Ausdruckes im Gesetze lebhafte Schwierigkeiten im juristischen Schrifttum ergibt. Das sind freilich Auseinandersetzungen, die praktisch bedeutungslos sind; für manche Theoretiker sind sie aber von ungeheurem Wert, wenn man auch dabei leicht ins Komische abgleiten kann."280
Klausing empfahl daher die Beibehaltung der vorhandenen Formulierung in § 219 HGB, „Die Aktiengesellschaft als solche hat selbständig ihre Rechte und Pflichten...": 277 278 279 280
Klausing, in Schubert, AktR-Protokolle, S.265. Klausing, in Schubert, AktR-Protokolle, S.266. Vgl. näheres bei Schubert, AktR-Protokolle, S.XLf. Klausing, in Schubert, AktR-Protokolle, S.454.
Β. Aktienrechtliche Diskussion zum Wesen der Kapitalgesellschaft
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„Dann bliebe für die Rechtswissenschaft freie Hand festzustellen, ob die Aktiengesellschaft eine juristische Person, eine Person mit Rechtspersönlichkeit, ein rechtsfähiges Gebilde oder ein wirkungsfähiges Gebilde ist. Ich will im übrigen nicht unterlassen, darauf hinzuweisen, daß es sich nach meiner Auffassung bei dem Streit um die juristische Person oder um die Rechtspersönlichkeit um wenig fruchtbare Bemühungen gewisser Theoretiker handelt, die besser tun würden, ihre theoretische Arbeit auf andere, wichtigere Gegenstände unseres Rechtslebens zu erstrecken."281 Kißkalt unterstützte den Vorschlag Klausings, auch wenn er zur allgemeinen Heiterkeit darauf hinwies, daß man den Professoren, die mitgearbeitet haben, so viel verdanke, „daß ich es für Unrecht halten würde, den Professoren dieses Betätigungsfeld zu nehmen. " 2 8 2 Auch Heymann unterstützte die Bemerkung Klausings 2 8 3 , ansonsten blieb der Hinweis jedoch unbeachtet.
I I I . Das Aktiengesetz von 1937 Das Aktiengesetz (AktG) wurde am 30.1.1937 von Hitler vollzogen und am 4.2.1937 i m Reichsgesetzblatt veröffentlicht. 2 8 4 Die amtliche Begründung erschien am gleichen Tag i m Reichsanzeiger. 285 Trotz der vom Ausschuß für Aktienrecht der Akademie für Deutsches Recht angemeldeten Bedenken gegen die Einführung des Wortes „Rechtspersönlichkeit" in das Aktiengesetz zur Wesensbestimmung der Aktiengesellschaft, lauteten die §§ 1, 48 des A k t G 2 8 6 von 1937: § 1 Wesen der Aktiengesellschaft Die Aktiengesellschaft ist eine Gesellschaft mit eigener Rechtspersönlichkeit, deren Gesellschafter mit Einlagen auf das in Aktien zerlegte Grundkapital beteiligt sind, ohne persönlich für die Verbindlichkeiten der Gesellschaft zu haften. § 48 Rechtliche Natur der Aktiengesellschaft (1) Die Aktiengesellschaft hat eigene Rechtspersönlichkeit. (2) Für die Verbindlichkeiten der Gesellschaft haftet den Gläubigem nur das Gesellschaftsvermögen. In den Kommentierungen zum A k t G 1937 entfachte nun wie zu erwarten ein Streit darüber, welche Auffassung der Gesetzgeber mit dieser Wortwahl hatte zum Ausdruck bringen wollen. Die amtliche Begründung zum Gesetz schwieg darüber. 281
Klausing, in Schubert, a.a.O. Kißkalt, in Schubert, a.a.O. 283 Heymann, in Schubert, AktR-Protokolle, S.454f. 284 RGBl. I, 1937, S. 107-165. 285 Deutscher Reichsanzeiger und Preußischer Staatsanzeiger, 1937 (Nr. 28), S. 1 ff. 286 Soweit nicht anders gekennzeichnet, beziehen sich die folgenden Vorschriften jeweils auf das Gesetz über Aktiengesellschaften und Kommanditgesellschaften auf Aktien (Aktiengesetz) vom 30. Januar 1937 (RGB1.I, S. 107). 282
14 Stupp
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3. Kap.: Juristische Person, Kapitalgesellschaft, Treupflicht im Wandel
Klausing hielt den Ausdruck „Rechtspersönlichkeit" nun lediglich für eine unglückliche Verdeutschung des Begriffs „juristische Per son". m In den Kommentierungen ging es jedoch zunächst nicht um die Frage, was sich hinter dem Begriff der „Rechtsfähigkeit" verbarg, sondern vielmehr um die Tatsache, daß die AG als „Gesellschaft" mit eigener Rechtsfähigkeit bestimmt worden war. Einige sahen hierin den alten Streit, ob die AG Gesellschaft oder Verein sei, vom Gesetzgeber in Richtung der (Personen-)Gesellschaft entschieden. So auch der Kommentar der Rechtsanwälte Reinhard Freiherr von Godin und Hans Wilhelmi, der in der Kommentierung zu § 1 AktG 1937 ausführt: „7. Die Aktiengesellschaft ist eine Personenvereinigung, und zwar eine Gesellschaft. Die Hervorhebung ist gegenüber bisherigem Recht neu. Nach diesem bestand die nicht sehr erhebliche (vgl. Herbig DJ. 1936 S. 1716) Streitfrage, ob die Aktiengesellschaft eine Gesellschaft mit Rechtspersönlichkeit oder ein rechtsfähiger Verein sei."288
Godin/Wilhelmi räumten aber ein, daß die Frage, ob die AG Gesellschaft oder Verein sei, letztlich unerheblich bliebe, da man sich einig darüber sei, welche Vorschriften des BGB hilfsweise auf das Aktiengesellschaftsrecht anwendbar seien. Hierüber habe auch der Gesetzgeber nichts aussagen wollen: „Da das Gesetz die Aktiengesellschaft ausdrücklich als Gesellschaft mit eigener Rechtspersönlichkeit bezeichnet, hat es weder die Vorschriften des bürgerlichen Rechts über die Gesellschaft als hilfsweise anwendbar erklärt, weil es offensichtlich den Rechtsstoff erschöpfend regeln will, noch dürfte es deshalb ausgeschlossen sein, §31 BGB. hilfsweise entsprechend anzuwenden."289
Eine ähnliche Auffassung vertraten Schlegelberger und Quassowski in ihrem Kommentar. Ihre Nähe zum Reichsjustizministerium geben den Ausführungen in Bezug auf den im Gesetz zum Ausdruck kommenden Willen des Gesetzgebers ein besonderes Gewicht. Zur Einordnung der AG als Verein oder (Personen-)Gesellschaft führten sie aus: „Allgemeines § 1 bringt erstmals den Versuch einer Wesensbestimmung der AG. [...] Von einigem Wert ist aber das ausdrückliche Bekenntnis des Gesetzes zur Einordnung der AG unter dem Oberbegriff der Gesellschaft.[...] I. Die Wesensmerkmale der AG. A. Die AG als Gesellschaft 1. Im allgemeinen Unter welchen Oberbegriff das vom Gesetz als Aktiengesellschaft bezeichnete Rechtsgebilde einzuordnen sei, ist schon immer streitig gewesen. Nur vereinzelt ist die Auffassung ver287
Klausing, AktG, Einleitung, S. 38, Rn. 41: „Nachdem man aber in der neueren Lehre mancherlei keineswegs unbegründete Angriffe gegen die Begriffe Juristische Person Rechtspersönlichkeit' usw. gerichtet hat, ohne freilich bisher eine bessere rechtstechnische Bezeichnung gefunden zu haben, wäre es vielleicht zweckmäßig gewesen, im Gesetz selbst die Verdeutschung Rechtspersönlichkeit* zu vermeiden 288 Godin/Wilhelmi, AktG 1937, § 1, Anm. 1. 289 Godin/Wilhelmi, a.a.O.
Β. Aktienrechtliche Diskussion zum Wesen der Kapitalgesellschaft
211
treten worden, es handle sich, ähnlich wie bei der Stiftung, um eine rechtlich verselbständigte Vermögensmasse. Überwiegend wird die Meinung gebilligt, daß die AG eine Personenvereinigung darstellt; sehr bestritten ist, ob sie eine Gesellschaft oder ein Verein ist, die h. M. nahm bisher das letztere an. Das Gesetz geht von der gegenteiligen Meinung aus und billigt der AG ausdrücklich die Eigenschaft einer Gesellschaft zu." 290
Schlegelberger/Quassowski räumten aber ebenfalls ein, daß es ja bei der AG um eine Gesellschaft mit eigener Rechtspersönlichkeit ginge, also eben doch keine Gesellschaft „nur" im Sinne des bürgerlichen Rechts vorliege. Die Frage der juristischen Persönlichkeit habe dennoch nichts mit dem Vorliegen einer Personenvereinigung zu tun: „Freilich unterscheidet sie sich von anderen Gesellschaften, von der des BGB sowohl wie von der oHG und der KG, dadurch, daß ihr das Gesetz ausdrücklich eigene Rechtspersönlichkeit zuerkennt, sie als juristsiche Person behandelt. Wie in Anm. 2 zu § 48 ausgeführt wird, hat aber die Frage der Ausgestaltung einer Personenvereinigung zur j.P. in Wahrheit gar nichts mit ihrem inneren Wesen zu tun."291
Ebenso wie Godin/Wilhelmi stellten Schlegelberger/Quassowski für die Frage der Anwendbarkeit von Vereinsvorschriften somit wiederum auf die „eigene Rechtspersönlichkeit " der „ Gesellschaft" ab: „Die h. M. wendet auf die AG als auf einen Verein die Bestimmungen des BGB über die eingetragenen Vereine an; im Ergebnis ist das auch nach der hier vertretenen Auffassung zu billigen. Die AG ist eine mit eigener Rechtspersönlichkeit ausgestattete Personenvereinigung; naturgemäß müssen sich Bestimmungen für den ursprünglichen Fall der rechtsfähigen Personenvereinigung, den e.V., vielfach besser zur sinngemäßen Anwendung auf sie eignen, als Bestimmungen für die nicht rechtsfähige Gesellschaft. Dies gilt vor allem von Vorschriften, die nicht das Verhältnis der Gesellschafter untereinander, sondern das der rechtsfähigen Vereinigung nach außen betreffen." 292
Die Frage, ob die AG ein Verein oder eine Gesellschaft sei, war also hier zwar im Sinne der Gesellschaft bejaht worden, an den praktischen Konsequenzen änderte diese „neue Auffassung" aber nichts, die Vereinsvorschriften blieben nach wie vor anwendbar. Im Grunde hatte man nur die Begriffe ausgetauscht. Aber immerhin zeigt hier die Auffassung von Godin/Wilhelmi und Schlegelberger/Quassowski, daß eine Vermischung von Personen- und Kapitalgesellschaft ohne weiteres möglich und vielleicht vom Gesetzgeber auch so gewollt war, ohne jedoch die dogmatischen Probleme hervorzurufen, die sich nach dem früheren streng trennenden Dualismus ergeben hätten. Zum Wesen der juristischen Person heißt es im Kommentar von Schlegelberger/ Quassowski zu § 48 AktG unter Bezugnahme auf die Thesen Sieberts:
290 291 292
14*
Schlegelberger/Quassowski, AktG 1937, § 1 Rn. 1 f. Schlegelberger/Quassowski, § 1, Rn.2. Schlegelberger/Quassowski, § 1, Rn.3.
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3. Kap.: Juristische Person, Kapitalgesellschaft, Treupflicht im Wandel
„I. Zum Wesen der juristischen Person im allgemeinen Im Einklang mit der Wesensbestimmung des § 1 erkennt § 48 Abs. 1 der AG eigene Rechtspersönlichkeit zu. [...]. Im Schrifttum ist seit einiger Zeit ein lebhafter Meinungsaustausch über die Beibehaltung oder Beseitigung oder die Neugestaltung der juristischen' Person im Gange; es sei hier nur auf die Ausführungen von Siebert DJZ 1935,713 verwiesen. [...]. Die Bedeutung des Problems wird wohl auch überschätzt. Aus praktischen Gründen kann gerade im Handelsrecht nicht darauf verzichtet werden, Personenvereinigungen bestimmter Art eine besonders starke Selbständigkeit gegenüber den sie tragenden Personen zuzugestehen, [...]." 293
Wie weit eine solche rechtliche Selbständigkeit zu gehen habe, sei eine reine Zweckmäßigkeitsfrage, „ wie das Beispiel der oHG einerseits, der GmbH andererseits zeigt. " 294 Auch wandte sich der Kommentar gegen die Verquickung der Frage nach dem Begriff der juristischen Person mit derjenigen der Treupflicht: „Bei unbefangener Betrachtung hat übrigens die Frage, ob einer Personenvereinigung eigene Rechtspersönlichkeit verliehen wird, nichts mit der anderen Frage zu tun, ob zwischen den sie tragenden Personen unmittelbare Rechtsbeziehungen anzuerkennen sind [,..]." 295
Schlegelberger/Quassowski hatten sich also schon davon gelöst, daß sich eine Pflicht zur Treue der Gesellschafter untereinander nicht mit dem Wesen der juristischen Person vereinbaren ließe. Hier wird nun auch deutlich, daß die Einordnung „ Verein oder Gesellschaft " zwar für die Anwendung (vereinsrechtlicher) Vorschriften keinen Einfluß hatte, aber bei der Begründung der Treupflicht der Mitglieder untereinander eben doch eine große Rolle spielte. Wie Siebert in seinen älteren Ausführungen in der DJZ 1935, gehen Schlegelberger/Quassowski davon aus, daß Personen- und Kapitalgesellschaften „ kombinierbar " sind und öffnen dadurch das Kapitalgesellschaftsrecht für die Anwendung der Treupflicht der Mitglieder untereinander. Auch Godin/Wilhelmi klammerten den Streit um das Wesen der juristischen Person aus. Die Gesellschaft habe eigene Rechtspersönlichkeit. Was damit gemeint sei, stehe außer Zweifel. 296 Zur Treupflicht führten sie noch deutlicher als Schlegelberger/Quassowski aus, daß mit der Entscheidung des Gesetzgebers, die AG als Gesellschaft einzurichten, auch eine Entscheidung für die Treupflicht der Mitglieder untereinander gefallen sei: „2. Dagegen ist damit grundsätzlich ein bleibendes Treuverhältnis zwischen der Gesellschaft und den Gesellschaftern und auch, soweit es sich um die Ausübung der Mitgliedschaftsrechte handelt, zwischen den letzteren eingerichtet."297 293 294 295 296 297
Schlegelberger/Quassowski, § 48 Rn. 2. Schlegelberger/Quassowski, a. a. Ο. Schlegelberger/Quassowski, a. a. Ο. Godin/Wilhelmi, § 1 Anm. 4, §48 Anm. 1. Godin/Wilhelmi, § 1 Anm. 2.
Β. Aktienrechtliche Diskussion zum Wesen der Kapitalgesellschaft
213
Godin/Wilhelmi sind also ebenfalls in einer Linie mit der Auffassung Zahns und auch der älteren Auffassung zur juristischen Person von Siebert zu sehen, die für die Anwendung der Treupflicht einen Rückgriff auf § 242 BGB bzw. auf ein schuldrechtliches Verhältnis, auf einen Vertrag zwischen den Gesellschaftern, für notwendig hielten. Die Kommentierung von Schlegelberger/Quassowski erweckt im weiteren den Eindruck, sie wolle einer als unglücklich empfundenen Diskussion ein Ende bereiten, sich von dem bisher trennenden Dualismus lösen und Streitfälle unter praktischen anstelle von dogmatischen Gesichtspunkten betrachten: „Die Rechtsprechung zeigt seit vielen Jahren Ansätze, wie man, ohne den praktisch rechtstechnischen Wert der j. P. zu schmälern, zu lebensechten Ergebnissen kommen kann. Es sei nur beispielsweise auf die Entscheidungen RGZ 143, 429 und 146, 385 [...] verwiesen. Mehr und mehr kommt in der Rechtsanwendung die Erkenntnis zum Durchbruch, daß die in der Anerkennung einer juristischen Person notwendig liegende Abstraktion nicht den Blick dafür trüben darf, daß immerhin hinter der juristischen Person Menschen stehen, die sie für ihre Zwecke benutzen. Die Rechtsentwicklung ist auch auf diesem Gebiete noch völlig im Fluß. Man darf hoffen, daß sie ohne die Hilfe des Gesetzgebers zu dieser Rechtsauffassung gemäßen Ergebnissen führen wird, zumal sich allmählich allenthalben der Gedanke durchsetzt, daß es kein geeigneter Prüfstein mehr für eine Rechtsauffassung ist, ob sie sich in Begriffskategorien längst vergangener Rechtssysteme einordnen läßt; daß z.B. keine dieser Auffassung gemäße Gestaltung bei der juristischen Person daran zu scheitern braucht, daß sie dem Gegensatz zwischen societas und universitas des römischen Rechts nicht voll gerecht wird." 298
Die vom Kommentar aufgegriffenen Entscheidungen des RG waren genau diejenigen, deren „ Trennungsdenken " Siebert zu überwinden versucht hatte. Der Kommentar läßt aber erkennen, wie sehr er sich von dem gesellschaftsrechtlichen Dualismus schon gelöst hat, denn nur auf eine Annäherung oder Überschneidung der beiden Formen kann sich das Aufgreifen von dem Gegensatz „universitas " und „ societas " beziehen. Die nähere Ausgestaltung der juristischen Person solle nicht daran scheitern, daß die Grenzlinie von universitas und societas nicht eingehalten werden könne (vgl. oben Zitat). Insoweit hat sich also die Aufhebung der starren Grenzziehung zwischen juristischer Person und Personengesellschaft doch schon im Verständnis niedergeschlagen. In ähnlich „praktischer Weise " äußert sich der Kommentar des Reichsgerichtsrats Robert Teichmann und des Rechtsanwalts Walter Koehler, die sich äußerst vorsichtig an die Frage herantasten, ob die AG Gesellschaft oder Verein sei. Weil im Ergebnis klar sei, welchen Vorschriften die AG folge, vermeidet der Kommentar eine Stellungnahme, tendiert aber zum Beibehalten seiner früheren Auffassung, daß die AG ein Verein sei: „2. Die AG. ist eine Personenvereinigung mit eigener Rechtspersönlichkeit. Diese Worte gehören zusammen; man darf sie nicht auseinanderreißen. 298
Schlegelberger/Quassowski, a. a. O.
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3. Kap.: Juristische Person, Kapitalgesellschaft, Treupflicht im Wandel
a) Ausschlaggebend ist die selbständige Rechtspersönlichkeit. Die AG ist, um einem älteren Sprachgebrauch zu folgen juristische Person. [...]. b) [...]. c) Die AG. ist eine Personenvereinigung. Das Gesetz nennt sie eine Gesellschaft und die Mitglieder Gesellschafter. Das entspricht der herkömmlichen Bezeichnung (Aktiengesellschaft) und dem Sprachgebrauch, der die AG (und die GmbH.) den Handelsgesellschaften zurechnet. Eine verbreitete, ja wohl überwiegende Lehre, der auch unsere Vorauflage gefolgt war, hat in der Personenvereinigung einen Verein erblickt. In der Tat dürfte die AG einem körperschaftlichen Gebilde näherstehen als einer Gesellschaft. Indessen ist die Frage nicht von nennenswerter Bedeutung. Ob Verein oder Gesellschaft, jedenfalls folgt die AG. zunächst ihren eigenen Regeln; [...]. Überhaupt mag dahinstehen, ob das Gesetz beabsichtigt hat, mit der Fassung des § 1 Stellung zu der Frage: Verein oder Gesellschaft? zu nehmen."299
Bei Teichmann/Köhler kommt auch zum Ausdruck, daß sich bei dem neuen Gesetz vielleicht gar nicht mehr die Frage stellen würde, ob Vereins- oder Gesellschaftsregeln auf die AG anzuwenden wären, da man das neue Gesetz für nahezu lückenlos hielt und davon ausging, daß der nationalsozialistische Gesetzgeber bei der Reform an alles gedacht habe: „Zumal die heutige Neuordnung wird kaum noch Punkte offenlassen, bei denen in Frage käme, ob auf Vereins- oder auf Gesellschaftsgrundsätze zurückzugreifen sei. " 30° Auch zur Frage des Wesens der AG als juristische Person ging der Kommentar nicht auf die allgemeine Diskussion um das Wesen der Rechtsfähigkeit von Kapitalgesellschaften ein. Teichmann/Koehler differenzieren noch sehr genau zwischen der (älteren) Trennung von Kapital- und Personengesellschaft. Die AG sei Kapitalgesellschaft. 301 Dennoch wird eine Treupflicht der Aktionäre zur Gesellschaft und umgekehrt bejaht 302 ; Teichmann/Koehler gehen jedoch nicht auf die Frage einer Treupflicht der Aktionäre untereinander ein. Nachdem ausgeführt wird „ unter sich stehen die Aktionäre im Verhältnis von Vereinsgenossen; sie bilden nicht etwa eine Gesellschaft" 303, hätten Teichmann/Koehler für eine Treupflicht der Aktionäre untereinander eine Begründung in Form der Annahme einer „ ethischen Treupflicht" oder ähnliches liefern müssen, die als allgemeiner Rechtsgrundsatz von Treu und Glauben auch das Aktienrecht beherrsche. Der Kommentar schweigt jedoch zu diesem Problemkreis. Andere Kommentare hingegen sahen die AG auch weiterhin unter Ablehnung der Auffassung von Schlegelberger/Quassowski als Verein an. 304 Der Kommentar von Carl Ritter und Justus Ritter sah sich dadurch nicht gehindert, eine umfassende 299
Teichmann/Koehler, AktG 1937, § 1 Anm. 2. Teichmann/Koehler, a. a. O. 301 Teichmann/Koehler, §48 Anm. 5. 302 Teichmann/Koehler, §48 Anm. 5 a), b). 303 Teichmann/Koehler, §48 Anm. 6. 304 Gadow, AktG 1937, Großkommentar, § 1 Anm. 3; Ritter/Ritter, AktG 1937, Vorb., Anm.4; vgl. auch Hesse, S. 18ff.; Klausing, a.a.O. 300
Β. Aktienrechtliche Diskussion zum Wesen der Kapitalgesellschaft
215
Treupflicht der Aktionäre zu bejahen. „ Treu und Glauben gelten also auch im Mitgliedschaftsverhältnis" 305, ist bei Ritter/Ritter zu lesen. Im Einklang mit der bisherigen Rechtsprechung beruft sich der Kommentar auf die Abhandlungen von Klausing in der Festschrift für Schlegelberger und von Siebert in der Juristischen Wochenschrift (JW) 1935.306 Man brauche keine Gesellschaft, um ein Treueverhältnis annehmen zu können; gemeint ist dabei jedoch nur ein Treueverhältnis zwischen der AG und den Aktionären: ,,d) Die Treupflicht ist also im Mitgliedschaftsverhältnis überall wirksam. Die Gesellschaft hat sie ebensowohl wie der Aktionär."
Ritter/Ritter ist aber dennoch zurückhaltend damit, ein Treuverhältnis der Mitglieder untereinander zu bejahen. Dies war ja der (dogmatisch rechtfertigende) Grund für Godin/Wilhelmi und auch Schlegelberger/Quassowski gewesen, die annahmen, daß mit der Ausgestaltung der AG als Gesellschaft auch die Aktionäre untereinander zu Treu und Glauben verpflichtet sind. Die Annahme einer Gesellschaft lehnen Ritter/Ritter ab, lösten aber dadurch nicht das Problem, daß hiermit die Mitglieder untereinander in keinem rechtlichen Verhältnis standen. Die aus § 242 BGB als allgemeinem Rechtsgrundsatz fließende Treupflicht bezieht der Kommentar nur auf die AG einerseits und die Gesellschafter andererseits. Ebenso verhält sich der Großkommentar von Reichsgerichtsrat Wilhelm Gadow. Ihrem Wesen nach sei die AG ein Verein: „Um eine Treupflicht des Aktionärs anzunehmen, bedarf es nicht des Begriffs einer Gesellschaft. Auch ein Vereinsmitglied ist zur Treue verpflichtet (vgl. RG. 146, 395). Der Ausdruck Gesellschaft trifft daher nicht das Wesen der Sache."307
Trotzdem übersieht auch Gadow, daß die Notwendigkeit, von einer Gesellschaft auszugehen, aus dem Bedürfnis geboren worden war, eine Treupflicht der Gesellschafter untereinander anzunehmen. Gadow sagt, der Aktionär sei zur Treue verpflichtet, meint aber nur die Treue zur AG. Die Weiterentwicklung, die in der aktienrechtlichen Literatur bereits vor 1937 schon zu finden war (vgl. Dorpalen, Klausing), daß auch die Aktionäre untereinander aufgrund einer auch im Aktiengesellschaftsrecht (Vereinsrecht) geltenden „ ethischen " Treupflicht verbunden sind, hat hier in der Kommentierung zum AktG 1937 keinen Niederschlag gefunden. Die Frage des Verhältnisses der Mitglieder untereinander war somit auch nach Erlaß des Aktienrechts noch ungeklärt. Wer eine Treupflicht der Mitglieder untereinander bejahte, betonte gleichzeitig, wie Schlegelberger/Quassowski und Godin/Wilhelmi, die personengesellschaftsrechtliche Struktur der AG. 305 306 307
Ritter/Ritter, Vorb., Anm. 4 b). Ritter/Ritter, a.a.O. Gadow, § 1 Anm. 3.
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3. Kap.: Juristische Person, Kapitalgesellschaft, Treupflicht im Wandel
Zur Kommentierung des neuen Aktiengesetzes schrieb Siebert einen Beitrag in der Zeitschrift „Deutsches Recht" (DR) von 1938.308 Hierin kritisiert er die allgemeine Zurückhaltung der Kommentare bei der Frage nach der Rechtspersönlichkeit der AG, der Treupflicht der Aktionäre und bei der Frage, welche grundsätzliche systematische Stellung die AG im nationalsozialistischen Staat einnehmen solle. 309 Hinsichtlich der Auffassung von Schlegelberger/Quassowski, daß eine Treupflicht der Aktionäre auch zueinander bestehe, führte Siebert aus: „Mit Recht deutet Schlegelberger an, daß mit dieser Auffassung die bisher herrschende Lehre von der juristischen Person stark erschüttert wird. (Hierzu sind bes. die Ausführungen von Wieland, Handelsrecht I S. 398 ff. gerade vom heutigen Standpunkt aus außerordentlich lesenswert., vgl. auch Siebert, DJZ 1935, S.713ff.)." 310
C. Zusammenfassung In der aktienrechtlichen Literatur nach 1937 waren insgesamt zwei grundsätzliche Positionen vertreten. Eine Auffassung (Gadow, Ritter/Ritter), hielt an der herkömmlichen Trennung zwischen Personen- und Kapitalgesellschaften fest, gestand aber ein, daß auch innerhalb der Kapitalgesellschaften ein Treueverhältnis zwischen Gesellschafter und Gesellschaft bestand. Das Verhältnis der Gesellschafter untereinander und damit auch die juristische Person als Hindernis für die Annahme einer solchen Treupflicht wurde hier nicht problematisiert. Eine andere Auffassung, die wahrscheinlich die Intention des Gesetzgebers zum AktG 1937 besser zum Ausdruck brachte, nahm die begriffliche Trennung zwischen Personengesellschaft und Kapitalgesellschaft nicht mehr ernst, ließ eine Verbindung dieser beiden Typen zu und sah auch das Wesen der juristischen Person hierfür nicht mehr als Hinderungsgrund (so in Anlehnung an Siebert, DJZ 1935, Godin/Wilhelmi, Schlegelberger/ Quassowski). Diese Auffassung sah das Gesellschaftsrecht im Nationalsozialismus nicht vom herkömmlichen Dualismus geprägt, sondern wollte ein auf Abstufungen beruhendes einheitliches Gemeinschaftsrecht schaffen, welches des Begriffes der juristischen Person nicht mehr bedurfte (Siebert, Dorpalen, Klausing). Bestätigt sah sich diese Auffassung durch die Wortwahl des Aktiengesetzgebers, wonach die AG eine „ Gesellschaft mit eigener Rechtspersönlichkeit " war. Eine Treupflicht der Mitglieder zur AG wurde bejaht, darüber hinaus auch eine Treupflicht der Mitglieder untereinander, teils mit der Begründung einer „ethischen Treupflicht" (Dorpalen, Klausing), teils durch das Abstellen auf den Gesellschaftscharakter der AG (Zahn, Godin/Wilhelmi, Schlegelberger/Quassowski). Zur allgemeinen Diskussion um die juristische Person in den Vorkriegsjahren ist festzustellen, daß sich in der Literatur die Tendenz heraus gebildet hatte, sich von 308 309 310
Siebert, DR 1938, S. 247. Siebert, DR 1938, S.247 (S.249). Siebert, a.a.O.
C. Zusammenfassung
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dem formalen Begriff der juristischen Person zu lösen, und diese, soweit man sie noch benötigte, als konkrete „ Gestalt " zu begreifen (Siebert 1935). Weiter ging die Auffassung von Rhode und Siebert 1936, die dem nationalsozialistischen Gemeinschaftsgedanken entsprechend das Unternehmen oder den Verband selbst in den Mittelpunkt rückte, um die Beziehungen der Mitglieder untereinander vom Treuegedanken aus bestimmbar zu machen. Insoweit repräsentiert die Wortwahl des Aktiengesetzgebers eine gewisse Vereinigung der in der Literatur vorgetragenen Ideen. Die Formulierung ließ aber Interpretationsspielräume durchaus zu, wie die kontroversen Meinungen in der Kommentarliteratur zeigen. Bezüglich des zu Beginn des Kapitels erwähnten § 1 des RefE von 1939 zu einem neuen GmbH-Gesetz fällt nun die Parallele zur Diskussion der Jahre 1934-1937 und zum AktG auf, wenn es dort heißt, die GmbH sei „ eine mit eigener Rechtspersönlichkeit ausgestattete Gesellschaft" . m Bevor der RefE 1939 im 5. Kapitel in seinen Einzelheiten dargestellt und erläutert wird 312 , sollen nun im 4. Kapitel zunächst noch die Beratungen des Ausschusses für GmbH-Recht der Akademie für Deutsches Recht untersucht werden. Hier möchte ich ebenfalls das Augenmerk darauf richten, ob sich ein neues Verständnis von dem Wesen der GmbH als juristische Person gebildet hat und wie der Ausschuß die Frage der Haftungsbeschränkung im NS-Staat zu lösen gedachte.
311 312
Vgl. oben im Text, § 1 RefE 1939. Vgl. unten, Kapitel 5.
Viertes Kapitel
Die Beratungen des Ausschusses für GmbH-Recht der Akademie für Deutsches Recht, 1937-1939 Kurz nach Erlaß des neuen Aktiengesetzes von 1937 richtete Hans Frank, zu dieser Zeit Präsident der Akademie für Deutsches Recht und Reichsminister ohne Geschäftsbereich 1, einen Ausschuß für GmbH-Recht ein, dessen Vorsitz von Friedrich Klausing übernommen wurde. 2 Der Ausschuß bestand aus einer verhältnismäßig großen Teilnehmerzahl. In der ersten Sitzung vom 8. und 9. Mai 1937 gibt das Protokoll die Anwesenheit von 49 Personen an3, in den folgenden Sitzungen schwankte die Zahl zwischen 22 und 30. Die Teilnehmer kamen aus den Bereichen der Wirtschaft und der Partei, der Ministerien und zu einem kleineren Teil nur aus der Wissenschaft. Einige Vertreter der Wirtschaft waren auch schon im aktienrechtlichen Ausschuß vertreten gewesen.4 Der Ausschuß tagte im Zeitraum vom 8.6.1937 bis zum 13.1.1939 insgesamt acht mal in unregelmäßigen Abständen. Die Zusammenstellung der Diskussionspunkte wurde von Klausing in Zusammenarbeit und Rücksprache mit dem Reichsjustizministerium geleitet, wie sich unter anderem auch aus einem bislang unveröffentlichten Briefwechsel zwischen Klausing und dem seit 1931 als Staatssekretär im Reichsjustizministerium tätigen Franz Schlegelberger ergibt. 5 Zunächst soll ein Blick auf die Haltung des Ausschusses gegenüber der Frage des Beibehaltens der Haftungsbeschränkung und der GmbH geworfen werden, um zu sehen, ob sich die allgemeine Stimmung gegen die GmbH wegen ihrer angeblichen Unvereinbarkeit mit den Grundsätzen des Nationalsozialismus auch in den Ausschußsitzungen wiederfindet.
1
Vgl. bereits oben, Kapitel 1, C.IV. Vgl. Schubert, Protokolle des GmbHR-Ausschusses, Einleitung, S. VII ff. und XIV ff., dort auch zu den Biographien der Ausschußmitglieder. 3 Schubert, GmbHR-Protokolle, Einleitung S.XI und S.3f. 4 Schubert, GmbHR-Protokolle, Einleitung S.XII. 5 Akten des Bundesarchivs (BArch) Berlin, R 3001/10657, Bl. 101,102,129-135,165; vgl. hierzu auch im folgenden weiter unten, C. 2
Α. Einstellung des Ausschusses zum Beibehalten der GmbH
219
Λ. Einstellung des Ausschusses zum Beibehalten der GmbH Wie im zweiten Kapitel bereits ausgeführt wurde, hatten die Aktivitäten des nationalsozialistischen Gesetzgebers auf dem Gebiet des Umwandlungsrechts6 zur Folge, daß auf breiter Basis die Möglichkeit der Abschaffung der GmbH durch den Gesetzgeber diskutiert wurde. Ohne diese Indiz Wirkung der Umwandlungsgesetze wäre eine Diskussion in diesem Maße nicht sehr wahrscheinlich gewesen. Vor dem Hintergrund des nach der Auffassung der Literaturstimmen politisch ungewissen Schicksals der GmbH7 sollen die Ausschuß-Protokolle zunächst daraufhin betrachtet werden, ob sich die Tendenzen zur Abschaffung ab 1937 in den Diskussionen des Ausschusses weiter fortsetzten. Als der Ausschuß für GmbH-Recht der Akademie für Deutsches Recht am 8. Juni 1937 zum ersten Mal zusammentrat, schien die Diskussion um die Haftungsbeschränkung und mit ihr um das Beibehalten oder die Abschaffung der GmbH anfänglich noch offen zu sein. Darauf lassen zumindest die Begrüßungsworte des Reichsministers Frank schließen, der die Sitzung eröffnete: „[...]. Bei alledem wird aber der Ausschuß die grundsätzliche Frage zu behandeln haben, ob diese eigenartige, man möchte fast sagen, rätselvolle Assoziationsform, die sich bekanntlich als eine charakteristische Schöpfung deutscher Gesetzgebungskunst aus dem Ende des vorigen Jahrhunderts darstellt und seither geradezu einen Siegeslauf über die ganze Welt angetreten hat, für alle Zukunft beibehalten werden soll. Ich begrüße es daher lebhaft, daß der Ausschuß auf die Tagesordnung seiner ersten Sitzung die Frage »Notwendigkeit der GmbH?' gestellt hat. Sie werden hierauf in Ihren Beratungen heute und moigen sicherlich noch keine endgültige Antwort zu geben vermögen. Vielmehr wird es dazu noch einläßlicher Untersuchungen über die praktische Verwendung der GmbH, in Industrie, Handel, Verkehrswesen, Kulturwirtschaft usw. bedürfen - ganz zu schweigen von den beinahe sprichwörtlich gewordenen Mißständen und Gefahren, die sich auf diesem Gebiete unter der Herrschaft des nunmehr seit fast 50 Jahren geltenden Gesetzes herausgestellt haben."8
Diese scheinbare Offenheit war aber nur von sehr geringer Dauer. Ebenfalls in der Begrüßungsansprache wies Frank bereits auf das Ziel des Ausschusses hin: „Was wir im Endziel anstreben, ist die neue volkstümliche, wirtschaftsfördernde G.m.b.H.!"9
Wäre dies nicht erklärtes Ziel gewesen, so hätte sich die Einsetzung eines Ausschusses auch kaum gelohnt. Man kann daher aus der Tatsache an sich, daß ein Ausschuß zur Regelung des GmbH-Rechts eingesetzt wurde, schon alleine schließen, daß hierin ein Signal zur Beibehaltung der GmbH zu sehen war. In diesem Sinne sprach Frank weiter: 6 7 8 9
Vgl. hierzu ausführlich oben, Kapitel 1, C. Vgl. hierzu beispielhaft Klausing, oben, Kapitel 2, A.I. Frank, in Schubert, GmbHR-Protokolle, S. 8. Frank, in Schubert, GmbHR-Protokolle, S.9.
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4. Kap.: Die Beratungen des Ausschusses für GmbH-Recht
„Ich hoffe, dem Führer in absehbarer Zeit melden zu können, daß die Akademie für Deutsches Recht das weite Feld unserer Volksordnungen in hingebender und folgerichtiger Arbeit, unter sorgfältiger Beobachtung der rechtstatsächlichen Gegebenheiten und aller praktischen Möglichkeiten untersucht, den überkommenen Bestand an Rechtsbegriffen und Institutionen kritisch gesichtet und Vorschläge für einen nationalsozialistischen Entwurf zu einem neuen GmbH. - Gesetz ausgearbeitet hat."10
Dem gemäß formulierte Staatssekretär Schlegelberger, auf die Worte des Ministers Frank direkt eingehend: „Meine Herren! Ich kann Ihnen die Zusicherung geben, daß der Herr Reichsjustizminister und ich mit allen Kräften Ihnen helfen werden, Ihr Ziel zu erreichen. Als ersten Punkt der Tagesordnung haben Sie die Frage gestellt, ob wir die GmbH brauchen. Ich möchte die Frage so verstanden wissen, weshalb wir eine GmbH, brauchen."11
Die Marschroute war also von den Vertretern des Reichsjustizministeriums durchaus vorgegeben. Das erwartete Signal der Führung für die einzuschlagende Richtung wurde hiermit deutlich. Um so spannender wirkt die Tatsache, daß sich unter den Rednern der ersten Ausschußsitzung zu dem Thema „Die Notwendigkeit der GmbH " Großmann-Doerth befand, dessen ablehnende Haltung gegenüber der GmbH bekannt war. Daher soll zunächst, bevor ein Blick auf die einzelnen Reformvorschläge geworfen und der Frage nachzugehen sein wird, ob diese Vorschläge eher nationalsozialistisch spezifische waren oder eher allgemeine, die grundsätzliche Diskussion des Ausschusses um die Ablehnung oder Anerkennung der GmbH und des Prinzips der beschränkten Haftung im NS-Staat verfolgt werden. I. Diskussion über die beschränkte Haftung Auch wenn die beiden Eingangsreferate der ersten Sitzung vom 8. und 9. Juni 1937 noch die Überschrift trugen „Die Notwendigkeit der GmbH? " 1 2 , so war doch bereits mit Aufnahme der Arbeiten klar, daß an eine Abschaffung der GmbH wegen der Unvereinbarkeit von Nationalsozialismus und Haftungsbeschränkung ernsthaft nicht mehr zu denken war. Einzig und alleine Großmann-Doerth, der erste Redner am 8. Juni 1937, hatte das Thema seines Referates sehr ernst genommen und sich mit den kollidierenden Prinzipien stark auseinandergesetzt. Großmann-Doerth stellte in seinem Beitrag heraus, daß die unbeschränkte Haftung ein „öffentlich-rechtlicher Grundsatz zur Wahrung des Gemeinwohls im Wirtschaftsablauf " 1 3 sei. Die unbeschränkte Haftung sorge in zweierlei Beziehung für volkswirtschaftlich richtige Ver10
Frank, in Schubert, a. a. O. Schlegelberger, in Schubert, a. a. O. 12 Großmann-Doerth, in Schubert, GmbHR-Protokolle, S. lOff.; Ebbecke, in Schubert, GmbHR-Protokolle, S.28ff. 13 Großmann-Doerth, in Schubert, GmbHR-Protokolle, S. 11. 11
Α. Einstellung des Ausschusses zum Beibehalten der GmbH
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waltung des Volks Vermögens, indem sie einerseits den Eigennutz des Kreditnehmers dazu einspanne, um vorsichtige Kreditaufnahme und Kreditgewährung zu gewährleisten, und indem sie andererseits das Ausscheiden ungeeigneter Unternehmer aus dem Wirtschaftsprozeß sicherstelle. 14 Großmann-Doerth berief sich auf den Gläubigerschutz, den nur die unbeschränkte Haftung gewährleisten könne und legte auch den Zusammenhang zwischen Ausleseprinzip und unbeschränkter Haftung dar: „Da grundsätzlich keine Behörde darüber bestimmt, wer das Volksvermögen zu verwalten hat, muß auf andere Weise Gewähr dafür geschaffen werden, daß dieses Volksvermögen von fähigen Händen verwaltet wird. Das bedeutet die Notwendigkeit, Unternehmer aus dem Wirtschaftsprozeß ausscheiden zu lassen, die sich als unfähig erwiesen haben. Der Staat kann grundsätzlich nicht die Verantwortung für diese Auslese übernehmen, also muß für automatisch wirksames Ausscheiden derjenigen Unternehmer, die sich als ungeeignete Verwalter herausstellen, gesorgt werden. Dafür bietet sich in solchen automatischen Verfahren als einziger Maßstab der Erfolg. Es muß also erreicht werden, daß der erfolglose Unternehmer aus dem Wirtschaftsprozeß automatisch ausscheidet. Das einzige Mittel dazu ist die unbeschränkte Haftung, realisiert durch Zwangsvollstreckung und Konkurs oder als Druckmittel ausreichend, den Unternehmer rechtzeitig zum freiwilligen Ausscheiden zu veranlassen."15 Großmann-Doerth bildete, wie oben bereits zur Darlegung des i m wesentlichen inhaltsgleichen Aufsatzes in der Hanseatischen Rechts- und Gerichtszeitung vom August/September 1937 beschrieben 16 , einige sogenannte „ G m b H - F ä l l e d i e er den Ausschußmitgliedern in seinem Vortrag vorstellte. Es seien dies Fälle mit unübersehbarem Risiko zur Ausbeutung und Erprobung von Erfindungen 17 oder Fälle der Erbengemeinschaft 18 , bei welchen man an eine Durchbrechung des Grundsatzes von der unbeschränkten Haftung denken könne. Dennoch seien i m Grunde auch diese Fälle nicht stark genug, um ein Abweichen von der unbeschränkten Haftung zu rechtfertigen: „Nach allem dem scheint mir die Dringlichkeit der GmbH.-Fälle nicht so stark, daß ich ihretwegen auch nur diejenigen geschilderten Beeinträchtigungen des Grundsatzes der unbeschränkten Haftung in Kauf nehmen möchte, die auch bei strengster Lokalisierung unvermeidlich eintreten müßten. [...]. Ich komme also zu dem Ergebnis: I. Die GmbH.-Fälle sind einerseits nicht dringlich genug, um die Durchbrechung eines so wichtigen Grundsatzes zu rechtfertigen. II. Ihnen kann auch durch die GmbH, nur im relativ kleinen Rahmen Genüge geschehen. III. Dieser kleine Rahmen verwirklichter Haftungsbeschränkung ist ein rechtspolitisch besonders unerwünschter Ausschnitt, so daß also zu den allgemeinen Bedenken der notwendigen Nachteile jeder Durchbrechung des Grundsatzes das besondere hinzutritt, daß diese 14
Großmann-Doerth, in Schubert, a. a. O. Großmann-Doerth, in Schubert, a. a. O. Vgl. zur Besprechung der in dieser Stelle getroffenen Aussage bereits oben, Kapitel 2, D. I. 16 Vgl. oben, Kapitel 2, D.I. 17 Großmann-Doerth, in Schubert, GmbHR-Protokolle, S. 11. 18 Großmann-Doerth, in Schubert, GmbHR-Protokolle, S. 12. 15
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4. Kap.: Die Beratungen des Ausschusses für GmbH-Recht
Durchbrechung tatsächlich auf gerade besonders ungeeignetem Gebiet erfolgt und andererseits der erreichte Nutzen noch geringer ist, als er schon auf Grund allgemeiner Erwägung sich darstellt. Der durch die GmbH erreichte Nutzen steht also nicht in angemessenem Verhältnis zu den mit ihr verbundenen Nachteilen."19
Im folgenden versuchte sich Großmann-Doerth nochmals auf den entgegengesetzten Standpunkt zu stellen, um für den Fall, daß in bestimmten Situationen die GmbH doch als notwendig angesehen werden sollte, Mindestanforderungen aufzustellen, um die „Grundfehler unseres GmbH.-Gesetzes" 20 auszuschließen. Er forderte unter anderem eine Beschränkung des Anwendungsbereiches der GmbH durch Heraufsetzen des Mindestkapitals und durch Einführung eines Konzessionszwangs. Es wird deutlich, wie sehr sich die Ablehnung Großmann-Doerths gegenüber der GmbH unter dem Einfluß der nationalsozialistischen Denkweise geändert hat. Trotz Kritik an der GmbH war ihm in seinem Gutachten von 1931 die Forderung nach einem Konzessionszwang undenkbar gewesen.21 Auch die Forderung zur Abschaffung der GmbH aufgrund der Haftungsbeschränkung ist ohne den Einfluß der Ideologie nicht nachvollziehbar, vergleicht man die Einstellung Großmann-Doerths zur Haftungsbeschränkung des Einzelunternehmers und der GmbH von 1931 mit den hier 1937 gestellten Forderungen. 22 Das gesamte Referat Großmann-Doerths liest sich wie ein einziges Plädoyer gegen die Haftungsbeschränkung und damit gegen die GmbH selbst. Nach Beendigung des Vortrages bedankte sich Klausing „für das in jeder Hinsicht aufschlußreiche und eindeutige Referat" 23 und schloß die Sitzung. Am darauffolgenden Sitzungstag, den 9. Juni 1937, hielt der in der Wirtschaft tätige Justizrat Ebbecke sein Referat mit dem gleichen Thema „Notwendigkeit der GmbH?" 24, welches gegensätzlicher zu den Ausführungen Großmann-Doerths nicht hätte sein können. Ebbecke stellte zunächst heraus, daß er, im Gegensatz zu Großmann-Doerth, kein Theoretiker sei, sondern ein Praktiker. 25 Dem entsprechend bot Ebbecke auch keine ausgefeilte Theorie der Haftungsbeschränkung oder ähnliches an, sondern versuchte, die Vorzüge der Haftungsbeschränkung anhand einer Vielzahl von praktischen Fällen und Erwägungen darzustellen. Dabei vertrat er zunächst den Standpunkt, daß die Rechtsform eines Unternehmens letztlich eine untergeordnete Rolle spiele. Das wirtschaftlich Notwendige sei das Primäre und nichts sei schlimmer, als für wirtschaftliche Betätigungen einen zu engen Rahmen zu schaffen. Darüber hinaus dürfe man nicht vergessen, „daß aber für diese Mißbräu19
Großmann-Doerth, in Schubert, GmbHR-Protokolle, S. 12f. Großmann-Doerth, in Schubert, GmbHR-Protokolle, S. 15. 21 Vgl. oben, Kapitel Ι , Β . Ι . 22 Vgl. oben, Kapitel Ι , Β . Ι . 23 Klausing, in Schubert, GmbHR-Protokolle, S. 18. 24 Ebbecke, in Schubert, GmbHR-Protokolle, S.28ff. 25 Ebbecke, in Schubert, GmbHR-Protokolle, S. 28. Vgl. hierzu die weiteren Angaben bei Schubert, GmbHR-Protokolle, S. XVI, wonach Ebbecke zur Zeit der Ausschußsitzungen als Syndikus bzw. Vorstandsmitglied der Elektrische Licht- und Kraftanlagen AG Berlin tätig war. 20
Α. Einstellung des Ausschusses zum Beibehalten der GmbH
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che einer Rechtsform nicht die Rechtsform als solche verantwortlich gemacht werden kann, sondern in der Hauptsache die Moral des Unternehmers, die in einem unvorstellbar hohem Maße eine Moral der Zeit ist, beeinflußt zudem nach oben oder nach unten durch die wirtschaftliche Notlage. " 2 6 Im Hinblick auf die Erörterungen Großmann-Doerths wies Ebbecke darauf hin, daß es bei der Betrachtung der Rechtsform GmbH nicht um die theoretische Frage gehe, ob persönliche Haftung richtig sei, sondern um eine Frage der praktischen Wirtschaft. 27 Ob jemand persönlich hafte oder nicht, sei nur dann entscheidend, wenn der haftende auch über ausreichend Güter verfüge, mit welchen er haftet. Die persönliche Haftung eines Menschen sei völlig gleichgültig, wenn kein Haftungsgut vorhanden sei. Hingegen die Geschlossenheit eines haftenden Sachvermögens stelle demgegenüber eine viel wichtigere und für die Praxis entscheidendere Sache dar. Nichts sei demnach verkehrter und rückschrittlicher als die sogenannte Wohltat der beschränkten Haftung zum Privileg des Großkapitals zu machen. Den Grundsatz der Haftungsbeschränkung sah Ebbecke als richtig an, auch für die nationalsozialistische Wirtschaft. Man dürfe auch nicht immer nur einseitig zur AG schauen, auch bei der Genossenschaft beispielsweise sei die Haftung beschränkt, „[...], und es kommt überhaupt bei dieser Frage, wie ich glauben möchte, weniger auf eine Diskussion des Grundsatzes als auf die Ausgestaltung dieses anzuerkennenden Grundsatzes zu seiner praktischen Durchführung an."28
Auch in Verbindung mit der eigenen Rechtsfähigkeit eines Betriebes stehe die beschränkte Haftung für einen Ewigkeitswert des Unternehmens, welches von Generation zu Generation weiter gegeben werde, was Ebbecke wiederum anhand eines Beispiels illustrierte. Danach wandte er sich direkt an die Ausschußmitglieder: „Wenn Sie von dieser Seite des Unternehmens, wenn Sie von diesem in dem Beispiel meines Freundes, des Feilenhauers, einmal dargestellten Ewigkeitswert jeder Unternehmung, [...], ausgehen, dann werden Sie zugeben, daß dieser theoretisch vielleicht interessante Schrei nach der persönlichen Haftung, d. h. nach der Offenen Handelsgesellschaft, nach der Kommanditgesellschaft, unberechtigt ist, [...]."29
Ebbecke wandte sich auch gegen das von Großmann-Doerth immer wieder als wesentlich hervorgebrachte Argument der KreditunWürdigkeit der GmbH: „Und wenn ich hier noch ein weiteres Wort gegen Herrn Prof. Großmann-Doerth sagen darf, so ist das eins: Kredite haben diese GmbH, nie gebraucht, jedenfalls nicht von dritter Seite oder von Banken. Was heißt überhaupt Kredit? Meine Herren, wenn wir wirtschaftliche Unternehmungen von dem Gesichtspunkt aus aufbauen und gestalten wollten, daß sie möglichst viel Kredit bekommen, dann wären wir schon längst mit unserer Wirtschaft erledigt."30 26 27 28 29 30
Ebbecke, in Schubert, a. a. O. Ebbecke, in Schubert, GmbHR-Protokolle, S. 29. Ebbecke, in Schubert, a. a. O. Ebbecke, in Schubert, GmbHR-Protokolle, S. 30f. Ebbecke, in Schubert, GmbHR-Protokolle, S. 32.
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4. Kap.: Die Beratungen des Ausschusses für GmbH-Recht
Obwohl er den Theorien Großmann-Doerths widersprach, sah sich auch Ebbecke mit der Verteidigung der beschränkten Haftung durchaus in Einklang mit den Grundlagen der nationalsozialistischen Wirtschaftsordnung. So ging es hier also nicht nur um einen ideologisch geführten Streit, sondern eher um die Auslegung der Frage, was für die nationalsozialistische Wirtschaft das beste sei. So stimmte Ebbecke dem Vorbringen Großmann-Doerths durchaus zu, daß man zum Wohle der nationalsozialistischen Wirtschaft Führerpersönlichkeiten heranbilden müsse. Gerade dies erfordere aber Möglichkeiten zum Ausprobieren, wie sie nur bei überschaubarem Risiko zu finden wären: „Meine Herren, wenn es uns nicht gelingt, durch Schaffung selbständiger Gesellschaften mit eigener Rechtspersönlichkeit Zellen zu schaffen, in denen junge Menschen mit Mut, mit Energie, mit Sauberkeit des Denkens, mit verantwortlichem Charakter sich bewähren können auf einem kleinen Gebiet, so werden wir nie Unternehmerpersönlichkeiten finden, die größeren Aufgaben gewachsen sind, [...]."31
Schließlich hob Ebbecke anhand eines weiteren Beispiels noch einmal die Wichtigkeit der Haftungsbeschränkung hervor für das Unternehmen risikoreicher Geschäfte. „Meine Herren, hier ist stark der Gesichtspunkt der beschränkten Haftung zu berücksichtigen, mit Recht; denn hier wird bewußt im Interesse des Volksganzen und der Wirtschaftsautarkie ein Risiko übernommen, das einem persönlichen Unternehmer mit Haut und Haar aufzubürden, nicht verlangt werden kann."32
Ebbecke sprach sich also für den Gedanken der beschränkten Haftung und eindeutig für das Beibehalten der GmbH aus. Um Mißbräuche zu vermeiden, schlug er die persönliche Haftung in Ausnahmefällen vor, in Anlehnung an das Schweizerische Obligationenrecht. 33 Dort war die persönliche Haftung der Gesellschafter subsidiär angeordnet, für den Fall, daß das Geld nicht redlich in die GmbH hineingelangt oder unredlich wieder hinausgeflossen war. 34 Über die Notwendigkeit der GmbH ansich, so Ebbecke, könne aber überhaupt kein Streit mehr bestehen: 31
Ebbecke, in Schubert, GmbHR-Protokolle, S. 32. Ebbecke, in Schubert, GmbHR-Protokolle, S. 35. 33 Vgl. Ebbecke, in Schubert, GmbHR-Protokolle, S.37. 34 Dies wäre auch für Großmann-Doerth 1931 noch genügend gewesen, vgl. hierzu seinen Hinweis auf die §§ 802,778 des Schweizerischen ZGB bereits oben, Kapitel 1, Β. I.; Ebbecke, a. a. O., verlas nun die entsprechenden Vorschriften: „Die Gesellschafter haften nach den für die Kollektiv gesellschaft geltenden Vorschriften für alle Verbindlichkeiten solidarisch, jedoch nur bis zur Höhe des eingetragenen Stammkapitals. Sie werden von dieser Haftung in dem Maße befreit, als dieses Stammkapital eingezahlt worden ist. Diese Befreiung tritt nicht ein, wenn das Kapital durch überrreichen oder ungerechten Bezug von Gewinnbeträgen oder Zinsen vermindert worden ist. Sie sind unter sich nach Maßgabe ihrer Stammkapitalien zum Rückgriff berechtigt. Wird die Gesellschaft aufgelöst, so haben die Liquidatoren die Haftungssumme der Gesellschaftfestzustellen und einzufordern. " 32
Α. Einstellung des Ausschusses zum Beibehalten der GmbH
225
„Und wenn es vielleicht auch sehr leicht ist, den Siegeszug der GmbH, durch die Rechtsgestaltung der europäischen Wirtschaftsvölker als einen Beweis für ihre Notwendigkeit deswegen abzulehnen, daß man sagt, in diesen Völkern herrsche derselbe liberalistische Kapitalismus, den wir eben überwunden haben, so glaube ich, daß nach meinen Darlegungen grundsätzlich eine solche Ansicht falsch ist."35
Nachdem Ebbecke seinen Vortrag beendet hatte, äußerten sich die anderen Mitglieder kurz zur Frage der Haftungsbeschränkung. Ein Abschaffen dieses Grundsatzes war für die meisten so abwegig, daß sie sich gar nicht mehr auf lange Ausführungen einließen.36 Es wurde sehr schnell deutlich, daß außer Großmann-Doerth niemand für eine Abschaffung der Haftungsbeschränkung war. So schien die Problematik um die beschränkte Haftung bereits nach der ersten Sitzung entschieden. Die Vielzahl der Befürworter der GmbH und ihre Argumente waren überdeutlich. Die Diskussion flammte aber in der zweiten Sitzung vom 28.10.1937 wieder auf. Großmann-Doerth hatte sich noch einmal Gedanken gemacht; vielleicht fühlte er sich auch in die Enge getrieben, denn er versuchte nun, seinen Standpunkt zu verteidigen. Seine Meinung blieb unverändert und er hatte sich etwas überlegt, um seinen Gedanken Nachdruck zu verleihen. Er versuchte, seine Vorschläge zu untermauern, indem er darlegte, daß sie auf nationalsozialistischen Grundsätzen, ja auf den Forderungen des Führers selbst, aufbauten. Dieser Aspekt belegt wiederum den bereits an früherer Stelle herausgestellten Willen Großmann-Doerths, seine Arbeit im Dienste des Nationalsozialismus zu betreiben. 37 Meiner Meinung nach spricht aus den Worten Großmann-Doerths der Glaube an die Tatsache, daß ihm angesichts des Führerwortes niemand mehr würde widersprechen können: „Ich möchte nun die Auffassung von Herrn Ebbecke ganz kurz mit der meinen vergleichen. [...]. Wenn ich seine Theorie mit der von mir zugrunde gelegten Theorie der Notwendigkeit der unbeschränkten Haftung vergleiche, so hat meine Theorie doch unzweifelhaft den Vorzug, daß sie volkswirtschaftlich richtigist in dem Sinne, daß die unbeschränkte Haftung, wie ich das in einer eiskalten, von jeder Moral freien Rechnung dargelegt habe, zu den Grundlagen der heutigen deutschen Wirtschaftsverfassung gehört, welche bekanntlich die Initiative des einzelnen Unternehmers in den Vordergrund stellt. [...]. Vergleichen Sie doch einmal das, was hier bei uns in der Diskussion der ersten Sitzung über die unbeschränkte Haftung gesagt worden ist, mit dem, was der Führer auf dem Arbeitskongreß im Mai 1934 ausgeführt hat. Der Führer hat damals über die heutige Wirtschaftsordnung in einer so klaren Weise gesprochen wie, behaupte ich, noch niemals ein deutscher „ Der einzelne Gesellschafter kann jedoch auch nach seinem Ausscheiden aus der Gesellschaft belangt werden, wenn er selbst in Konkurs gerät oder die Gesellschaft aufgelöst oder erfolglos betrieben worden ist. " 35 Ebbecke, in Schubert, GmbHR-Protokolle, S.41. 36 Knierim, in Schubert, GmbHR-Protokolle, S.42; Schwarz, in Schubert, GmbHR-Protokolle, S.45; Breska, in Schubert, GmbHR-Protokolle, S.46, Kolb, in Schubert, GmbHR-Protokolle, S.47; Zitzlaff, in Schubert, GmbHR-Protokolle, S.48. 37 Vgl. hierzu oben, Kapitel 1, B.I. 15 Stupp
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4. Kap.: Die Beratungen des Ausschusses für GmbH-Recht
Staatsmann. Er hat damals den Arbeitern erklärt, sie möchten die Unternehmer um das Leben, das sie führen, nicht zu sehr beneiden, es handle sich da um einen harten Auslesekampf, und er hat nicht ohne Ironie einen Vergleich mit dem Beamtensein gezogen und darauf hingewiesen, daß in jenem harten Auslesekampf sehr viele Unternehmer zugrunde gingen, eben jene, die keinen Erfolg hätten; so sei es und so müsse es sein. Herr Ebbecke dagegen nennt meine Theorie die Theorie des »interessanten Schreies nach der unbeschränkten Haftung4."38 Für Großmann-Doerth bedeutete das Führerwort ein klares Eintreten für wirtschaftliche Auslese, die nur durch ein System mit unbeschränkter Haftung durchzuführen sei. Das Führerwort jedenfalls schien Großmann-Doerth ein beträchtlicher Trumpf zu sein, den er jetzt ausspielte und den er für unwiderlegbar hielt. Der Vorsitzende Klausing nahm dem Führerwort jedoch die behauptete Eindeutigkeit und machte sich die Mühe, seinerseits die Sätze Hitlers auszulegen: „Ich danke Herrn Großmann-Doerth für seine Darlegungen, möchte aber, bevor ich anderen Herren das Wort gebe, selbst folgendes bemerken: [...]. Wir müssen auch die Frage der Haftungsbeschränkung und die Frage des verantwortlichen Unternehmertums, das die wirtschaftliche Initiative entfalten soll, in dasrichtigeVerhältnis zueinander setzen, dürfen sie nicht ohne weiteres miteinander vermischen. Ich glaube, Sie haben in diesem Punkte die Darlegung unseres Führers nicht ganzrichtigaufgefaßt; die grundsätzlichen Erwägungen gingen da doch etwas in anderer Richtung. Der Führer hat gesagt, er wünsche Initiative, Verantwortlichkeit, er wünsche das Prinzip einer harten Auslese. Man kann dem nur zustimmen. Auch die Gesellschaften mit beschränkter Haftung werden nicht ewig leben, auch Gesellschaften mit beschränkter Haftung werden in Zukunft zugrunde gehen. Eine zweite Frage ist es, ob ich den Unternehmer für den Mißerfolg des Unternehmens verantwortlich mache. Eines lastet auf dem Unternehmer selbstverständlich immer, nämlich die Gefahr, daß er einmal das Unternehmen nicht mehr hat, gleichgültig, ob es sich nun um die Führung einer offenen Handelsgesellschaft oder einer GmbH, handelt, [...]. Eine zusätzlich Frage ist es, ob an die Tatsache, daß er nicht mehr Unternehmer oder Leiter des Unternehmens ist, unter Umständen irgendwelche zivilrechtlichen, strafrechtlichen oder ehrenrechtlichen Folgen zu knüpfen sind. Ich glaube also, daß Sie den grundsätzlichen Erwägungen, die durch diese Rede klangen, nicht ganz gerecht geworden sind."39 Klausing versuchte demnach, dem für ihn nur scheinbaren Gegensatz zwischen Auslese und Haftungsbeschränkung den Boden zu entziehen. Seine Meinung, wirtschaftliche Auslese sei auch mit der G m b H möglich, hängt mit dem richtigen Verständnis darüber zusammen, wessen Haftung beschränkt ist. Klausing versuchte herauszustellen, daß sich die GmbH selbst einem Ausleseprinzip j a gar nicht entzieht. Dies folgt aus der oft übersehenen Tatsache, daß die G m b H selbst sehr wohl unbeschränkt haftet, mit ihrem gesamten Vermögen. 40 Nur wenn man auf die be38 39 40
Großmann-Doerth, in Schubert, GmbHR-Protokolle, S. 123. Klausing, in Schubert, GmbHR-Protokolle, S. 125 f. Vgl. hierzu bereits die Ausführungen oben, Kapitel 1, Α. II.
Α. Einstellung des Ausschusses zum Beibehalten der GmbH
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schränkte Pflicht der Gesellschafter zur Leistung der Einlage abstellte, konnte man von einer Unvereinbarkeit mit dem Ausleseprinzip unter den Unternehmern sprechen. Klausing führte weiter aus: „[...], so kommen wir weiter und sind in keiner Weise [...] durch Grundsätze der nationalsozialistischen Weltanschauung in der Behandlung der Frage behindert: Wie schaffen wir für einen kleineren Bereich eine sogenannte GmbH., die die Mängel der Vergangenheit nach Möglichkeit vermeidet und sich im ganzen in den Rahmen unseres Unternehmertums, nämlich in den Rahmen jenes Ethos, das wir heute vom Unternehmer verlangen, einfügt?" 41 Auch Staatsrat Dr. Graf von der Stolz äußerte sich i m weiteren noch einmal kurz zu dem aufgeworfenen Hitlerzitat: „Ich bin also der Auffassung, daß die Notwendigkeit, Unternehmungen mit beschränkter Haftung einzurichten, allgemein gesprochen, heute gar nicht zu bezweifeln ist und daß man darüber hinaus auch nicht sagen kann, der Führer hätte jemals gegen Unternehmen mit beschränkter Haftung sich ausgesprochen."42 Graf von der Stolz wies noch einmal darauf hin, welche Bedeutung alleine der Einsetzung eines Ausschusses für GmbH-Recht als Signal für deren Beibehaltung zukam: „Es istrichtig,daß die von Herrn Prof. Großmann-Doerth aufgeworfene grundsätzliche Frage, ob die GmbH, nötig ist, zur Erörterung gestellt werden muß. Persönlich bin ich der Anschauung, daß sie nötig ist, freilich wird auch die gegensätzliche Anschauung vertreten. Jedenfalls dürfen wir uns nicht auf den primitiven Standpunkt stellen, zu sagen: ,Der Ausschuß ist der Ansicht, daß die ganze GmbH, nicht nötig ist. Gehen wir schnellstens auseinander! Damit haben wir unsere Aufgabe gelöst.4 Wir müssen doch mindestens die Möglichkeit einer anderen Auffassung feststellen und müssen uns darüber klar werden, wie dann eine solche GmbH, auszugestalten wäre. So ist doch letzten Endes die Einsetzung des GmbH.-Ausschusses aufzufassen. Daher meine ich, wir sollten uns über die Frage, ob die GmbH-Form nötig ist, nicht allzu lange den Kopf zerbrechen, sondern sollten zunächst davon ausgehen, daß sie nötig ist."43 M i t Ende der Sitzung am 28.10.1937 war die Diskussion um die Haftungsbeschränkung endgültig beendet. I m Verlaufe der nächsten Sitzungen blieb Großmann-Doerth sehr ruhig und meldete sich nur selten zu Wort. Interessanterweise setzte er seine beibehaltene Kritik an der G m b H später außerhalb der Ausschußsitzungen fort 4 4 , er konnte sich durch die überwiegende Meinung der Ausschußmitglieder also in keiner Weise von der Notwendigkeit der G m b H überzeugen lassen.
41 42 43 44
15*
Klausing, in Schubert, GmbHR-Protokolle, S. 127. Stolz, in Schubert, a.a.O. Stolz, in Schubert, a.a.O. Vgl. hierzu unten, Α. II.
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4. Kap.: Die Beratungen des Ausschusses für GmbH-Recht
II. Das Signal an die Öffentlichkeit: Der erste Ausschußbericht (1938) Nach Abschluß der zweiten Sitzung war somit klar, daß die GmbH und mit ihr die Haftungsbeschränkung beibehalten würde. Der Inhalt der Ausschußsitzungen blieb aber zunächst geheim. Das Signal an die Öffentlichkeit erfolgte dann durch die Abfassung und Veröffentlichung des ersten Ausschußberichtes von 1938 durch Klausing. Man muß sich vor Augen halten, daß die allgemeine Stimmung, hervorgerufen durch Umwandlungsgesetze und deren Begründungen, Kontroversen in der Literatur und die neue aktienrechtliche Gesetzgebung, gegen die GmbH sprach. Nur so ist die Überraschung 45 zu verstehen, welche die positive Einstellung zur GmbH des Ausschusses nun darstellte. Offen berichtet Klausing über das Ziel des Ausschusses, eine neue volkstümliche, wirtschaftsfördernde GmbH zu schaffen. 46 Zwar „glaubte sich der Ausschuß der Pflicht nicht entziehen zu können " 4 7 , die Frage der grundsätzlichen Notwendigkeit nochmals einläßlich zu untersuchen. Der Ausschuß sei aber zu der Überzeugung gelangt, daß die GmbH „sich im ganzen als volkswirtschaftlich unentbehrlich erwiesen hat" A%. Klausing setzte sich unter anderem auch noch einmal mit den Argumenten, die für das Beibehalten der Haftungsbeschränkung sprachen, auseinander. Die unbeschränkte Haftung habe durchaus unbestreitbar ihren hohen wirtschaftlichen und ethischen Wert. 49 Wer als gesellschaftlich Beteiligter mit seinem ganzen Privatvermögen für die Geschäftsverbindlichkeiten hafte, werde erfahrungsgemäß alles daran setzen, um das Unternehmen über schwierige Lagen hinweg zu bringen und damit auch seine Existenz zu retten. Dennoch führte Klausing aus: „So hoch nach alledem die Bedeutung des unbeschränkten Unternehmerrisikos auch einzuschätzen ist, so sind freilich mit den unvermeidlichen Wechselfällen in den persönlichen Verhältnissen der Inhaber oder Mitinhaber gar nicht selten doch sehr erhebliche Gefahren für den Bestand von an sich lebensfähigen und volkswirtschaftlich wertvollen Unternehmen und damit zugleich für das Schicksal ihrer Gefolgschaften verbunden. [...]. Im übrigen bedeutet Beschränkung des Beteiligungsrisikos, entgegen einer häufig vertretenen Auffassung, nicht notwendigerweise Risikoabwälzung, sondern gerade umgekehrt die unvermeidbare Belastung mit diesem beschränkten Risiko."50
Weiterhin führte Klausing aus: „Uebrigens sind unbeschränkte Haftung und Verantwortungsbewußtsein, gepaart mit Sachkunde im Betriebe wirtschaftlicher Unternehmen, durchaus nicht »naturgegebene4 Korrelate, wie vielfältige, Jahrhunderte alte Erfahrung lehrt. Gesunde Volksanschauung weiß sehr 45 46 47 48 49 50
Vgl. hierzu das oben bereits erwähnte Zitat Curt Fischers, Kapitel 2, Α. I. Klausing, 1. Arbeitsbericht, S. 1. Klausing, a. a. O. Klausing, 1. Arbeitsbericht, S.2. Klausing, 1. Arbeitsbericht, S. 18. Klausing, 1. Arbeitsbericht, S. 19.
Α. Einstellung des Ausschusses zum Beibehalten der GmbH
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wohl zu unterscheiden zwischen schuldlosem Mißerfolg eines Unternehmens und zurechenbarer Unfähigkeit zur Führung eines Betriebes oder gar unredlicher Geschäftsgebarung." 51
Diese aufgeführten Argumente innerhalb des Ausschußberichtes, die gegen die strikte Durchsetzung des Prinzips der unbeschränkten Haftung sprachen, veranlaßten Großmann-Doerth, nochmals zur Frage der Haftungsbeschränkung Stellung zu nehmen. Er tat dieses außerhalb der Ausschußsitzungen, in einem weiteren Aufsatz im Juniheft der Hanseatischen Rechts- und Gerichtszeitschrift von 1938. Allein die Tatsache, daß die Ausschußsitzungen ihm anscheinend kein Forum mehr zur Darlegung seiner Ideen boten, zeigt auch schon rein äußerlich, wie isoliert GroßmannDoerth mit seinen Ideen Mitte 1938 dastand. Ausdrucks weise und Sprache lassen auf einen beharrenden parteikonformen Wissenschaftler schließen, der sich völlig mißverstanden fühlt. Der 19spaltige Aufsatz ist ganz der Auseinandersetzung mit dem Ausschußbericht Klausings gewidmet, aus welchem ganze Passagen zitiert und kritisiert werden. Aber schon mit dem Titel des Aufsatzes „ Vom Kampf um die GmbH. " lag Großmann-Doerth falsch. Ein Kampf im Sinne einer lebhaften Diskussion im Ausschuß oder die Möglichkeit eines Kampfes gegen die Meinung im Ausschuß bestand Mitte 1938 schon gar nicht mehr. Dennoch hielt Großmann-Doerth an seiner Theorie von der unbeschränkten Haftung und der Auslese, die er selbst auf nationalsozialistischer Grundlage beruhend geglaubt hatte, fest: „Wenn der Ausschußbericht sagt: aus dem Bedürfnis nach Schutz des Unternehmens gegenüber Wechselfällen in den persönlichen Verhältnissen der Inhaber habe ,νοη altersher' die Haftungsbeschränkung nicht entbehrt werden können, so möchte ich glauben, daß hier von altersher genau das entgegengesetzte Bedürfnis gewirkt hat: nämlich das Privatvermögen der Inhaber vor den Wechselfällen in den Geschicken des Unternehmens zu schützen. [...]. Neu ist auch das [...] Argument des Ausschußberichts: Daß nämlich die ,Wohltat der Haftungsbeschränkung' von der Seite der Gesellschaftsgläubiger betrachtet (teilweise) Risikoabwälzung auf sie bedeute, das ist bisher unstreitig gewesen, wenn auch die GmbH.-Propaganda solche nüchternen Formulierungen nach Möglichkeit vermeidet. Der Bericht dagegen möchte dieser,häufig vertretenen Auffassung' ein Ende machen: Risikobegrenzung bedeute nicht Risikoabwälzung auf die Gläubiger, sondern gerade umgekehrt infolge der Unkündbarkeit der Beteiligung die unentrinnbare Belastung mit dem (beschränkten) Risiko. Daran istrichtig,daß der Risikobegrenzung notwendig gegenübersteht die Unkündbarkeit der Einlage. Vielleicht wird man die Möglichkeiten des Abstoßens der Beteiligung durch Veräußerung des Geschäftsanteils auf Grund der praktischen Erfahrungen etwas höher bewerten als der Ausschuß. Vor allem aber bleibt unverständlich, wieso dadurch das Wesen der Risikobeschränkung als Abwälzung des Risikos aufgehoben werden kann?"52
Es wird deutlich, daß Großmann-Doerth dem Ausschußbericht keine wesentlich neuen Argumente entgegenzusetzen vermochte. Die Kritik am Ausschußbericht beschränkte sich demnach auf die Verteidigung des eigenen Standpunktes mit den bekannten Argumenten. Auch zur Nicht-Akzeptanz des Ausleseprinzips äußerte sich Großmann-Doerth noch: 51 52
Klausing, 1. Arbeitsbericht, S.21. Großmann-Doerth, HansRGZ 1938, Sp.212.
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4. Kap.: Die Beratungen des Ausschusses für GmbH-Recht
„Ganz anders steht es mit dem [...] Einwand: Der Grundsatz der unbeschränkten Haftung unterscheide entgegen gesunder Volksanschauung nicht zwischen unverschuldetem Mißerfolg des Unternehmers und Mißerfolg infolge Unfähigkeit oder unredlicher Geschäftsführung. [...]. In der Ablehnung der Erfolgs-Auslese steckt möglicherweise ein sehr gesunder Gedanke: solange nämlich in der Wirtschaft Verluste durch falsche staatliche Wirtschaftspolitik entstehen konnten, war es keinem Unternehmer zuzumuten, für Fehler, die der Staat machte, seine Existenz herzugeben, und vor allem war diese Art der Erfolgs-Auslese wirtschaftlich sinnlos, da so verursachter Mißerfolg die Ungeeignetheit zur Verwaltung von Volksvermögen ja keineswegs beweist. In der Hauptsache aber steckt in der Verständnislosigkeit gegenüber der Erfolgs-Auslese etwas anderes und noch viel tiefer Liegendes: Unser Volk versteht seine eigene Wirtschaftsverfassung seit 100 Jahren nicht mehr, es hat sie als Idee nie aufgenommen, sondern sich von Beamten aufzwingen lassen."53 In einer Fußnote geht Großmann-Doerth auch noch einmal auf das bereits i m Ausschuß diskutierte Hitler-Zitat auf dem Arbeiterkongreß 1934 ein. GroßmannDoerth sieht es weiterhin als Beleg dafür, daß der Auslesekampf der Unternehmer notwendig ist. 5 4 Die Grundsätzlichkeit des Ausschußberichtes und damit die eigene Isolation und in einem gewissen Sinne auch das Scheitern seiner eigenen Arbeit werden von Großmann-Doerth in ihrer Reichweite durchaus erkannt: „Die Stellungnahme des Ausschußberichts gegenüber der unbeschränkten Haftung bedeutet einen Wendepunkt in der GmbH .-Diskussion von möglicherweise großer Tragweite: Bisher ist auch von den extremsten Anhängern der GmbH, immer nur gesagt worden: sie sei für bestimmte besonders gelagerte Fälle (die ,GmbH.-Fälle4) unentbehrlich; daß aber die unbeschränkte Haftung als Grundsatz aufrechtzuerhalten ist, das hat bisher niemand bestritten, von der amtlichen Begründung des GmbHG. von 1892 bis zu den gestrigen Freunden der GmbH. Mit dieser Ueberlieferung bricht der Ausschußbericht: Was hier gegen unbeschränkte Haftung und für Haftungsbeschränkung gesagt ist, hat mit irgendwelchen Besonderheiten besonderer Interessen gar nichts zu tun, sondern ist, wenn überhaupt richtig, dann immer und allgemeinrichtig.Der Ausschuß lehnt also den Grundsatz der unbeschränkten Haftung schon als Grundsatz ab. " 55 In dem Verhalten der Ausschußmitglieder und den Argumenten des Ausschußberichts und insbesondere der Führung durch das Reichsjustizministerium sah Großmann-Doerth eine politische Kehrtwende, die er für ideologisch unhaltbar hielt. Es entwickelte sich nun der anfänglich nur bedingt ideologisch geleitete Streit zu einem persönlichen Kampf des Großmann-Doerth gegen den von der Parteiführung gelenkten Ausschuß für GmbH-Recht. Großmann-Doerth hatte sich so sehr auf der wissenschaftlich ausgearbeiteten und umgesetzten Parteilinie gesehen, daß es ihm einfach ungeheuerlich vorkommen mußte, daß diese Parteilinie nun in eine entgegengesetzte Richtung lief. Wie hatte sich Großmann-Doerth bemüht, die Grundsätze der nationalsozialistischen Wirtschaft in der Theorie zur Rechtserneuerung umzusetzen. Private Initiative, Verantwortung, Auslese und unbeschränkte Haftung 53 54 55
Großmann-Doerth, HansRGZ 1938, Sp.212 (Sp.213). Vgl. Großmann-Doerth, HansRGZ 1938, Sp.212 (Sp.214), Fn. 10. Großmann-Doerth, HansRGZ 1938, Sp.212 (Sp.214f.).
Α. Einstellung des Ausschusses zum Beibehalten der GmbH
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schienen nun in die Knie zu gehen vor den wirtschaftlichen Notwendigkeiten des NS-Staates. Als theoretisch denkender Wissenschaftler hatte Großmann-Doerth einfach nicht damit gerechnet, daß die NS-Führung bereit war, wegen wirtschaftlicher Notwendigkeiten die eigene Ideologie zurück treten zu lassen. Insoweit ist Großmann-Doerth allerdings tatsächlich recht zu geben, als auch für die Öffentlichkeit der Bericht einiges an Überraschungen bereithielt. Da die Ausschußsitzungen bislang geheim gewesen waren, blieb der Öffentlichkeit nichts anderes übrig, als auf die Literatur zu schauen, in welcher die Abschaffung der GmbH lebhaft diskutiert worden war, um so die Signale des Gesetzgebers zu deuten. Wie aber hätte man die Umwandlungsaktivitäten und die Begründung zum neuen Aktiengesetz anders deuten sollen als in der Form, daß die zwangsweise Abschaffung der GmbH bevorstünde oder zumindest nicht auszuschließen war? I I I . Der zweite Ausschußbericht: Wende in der GmbH-Politik (1940) Die fast schon als Irreführung der Öffentlichkeit zu sehende politische Kehrtwende in der GmbH-Frage wurde auch von Klausing selbst, im zweiten Ausschußbericht 1940, gesehen und beschrieben. Klausing bestätigte zunächst einleitend noch einmal die Ansicht, daß der Ausschuß an der Beibehaltung der GmbH in vollem Umfange festhielt 56; die beschränkte Haftung als Prinzip stünde gleichwertig neben der unbeschränkten Haftung 57. Unter der Überschrift „ Vereinbarkeit der GmbH, mit nationalsozialistischen Anschauungen " unternahm Klausing einen Erklärungsversuch für das Verhalten des Gesetzgebers und die Vereinbarkeit von GmbH und nationalsozialistischer Wirtschaft. Klausing spricht mit einer erstaunenden großen Distanz über die Vorkommnisse der vergangenen Jahre: „1. Im Zuge der nationalsozialistischen Revolution ist zeitweilig, namentlich zu Anfang, die Auffassung verhältnismäßig weit verbreitet gewesen, daß die GmbH, mit nationalsozialistischen Anschauungen über Unternehmertum und oiganisatorische Möglichkeiten unternehmermäßiger Betätigung nicht vereinbar sei."58
Der erste Ausschußbericht habe sich bewußt darauf beschränkt, festzustellen, daß die Unvereinbarkeit der GmbH mit nationalsozialistischen Anschauungen auf einer Verkennung ihres wahren Wesens beruhe. Man müsse sich vor Verallgemeinerungen und vor allem davor hüten, eine Rechtseinrichtung als gewissermaßen vorbelastet zu bezeichnen, weil sie aus der liberalistischen und kapitalistischen Epoche stamme.59 Daraufhin wandte sich Klausing einer Erklärung von Sinn und Zweck der Umwandlungsgesetzgebung zu. Tatsächlich habe der nationalsozialistische Gesetzge56 57 58 59
Klausing, 2. Arbeitsbericht, S.7 u. 8. Klausing, 2. Arbeitsbericht, S. 19. Klausing, a. a. O. Klausing, 2. Arbeitsbericht, S.21.
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4. Kap.: Die Beratungen des Ausschusses für GmbH-Recht
ber niemals eine Beseitigung der G m b H ernsthaft ins Auge gefaßt, die Umwandlungsgesetze sollten lediglich einen Reinigungsprozeß bewirken. Daß dabei der Eindruck entstand, der nationalsozialistische Staat habe, nicht zuletzt aus ideologischen Beweggründen heraus, etwas grundsätzliches gegen die GmbH, sei unvermeidbar gewesen, aber eben falsch: „3. Gerade wenn die Staatsführung nicht beabsichtigte - dies ist offensichtlich der Fall gewesen - , die Kapitalgesellschaften und insonderheit auch die GmbH, zu beseitigen, so war doch ein Reinigungsprozeß auf diesem Gebiet dringend erforderlich. Der Staat konnte auch nicht etwa abwarten, bis sich die Gesundung unter dem Druck der öffentlichen Meinung und infolge besserer Einsicht der beteiligten Kreise von selbst vollzogen haben würde. Vielmehr schien es geboten, diese [...] Entwicklung durch gesetzgeberische und gegebenenfalls auch durch andere Maßnahmen zu beschleunigen [...]. Das war der Sinn der Umwandlungsgesetzgebung, [...]. Und zwar sollte jene Bereinigung nicht durch unmittelbaren Zwang, sondern dadurch herbeigeführt werden, daß die Beteiligten veranlaßt würden, freiwillig zu einer volkswirtschaftlich und meist auch betriebswirtschaftlich besser geeigneten Organisationsform überzugehen."60 Nachdem Klausing den Gesetzen den nach seiner Meinung gedeuteten Sinn, der den amtlichen Begründungen teilweise widerspricht 6 1 , gegeben hatte, erläuterte er, daß diese Begründungen eben vom Rest der Öffentlichkeit lediglich falsch verstanden worden seien: „Es leuchtet ohne weiteres ein, daß in den , Amtlichen Begründungen' zu den einschlägigen Gesetzen sowohl die gesamtwirtschaftlichen als auch die weltanschaulich-politischen Bedenken gegen eine mißbräuchliche oder sachlich unbegründete und gedankenlose Verwendung von Kapitalgesellschaften [...] in einem oft ins Groteske gesteigerten Übermaß möglichst eindringlich hervorgehoben werden mußten. In der Öffentlichkeit hat man hieraus vielfach den Schluß gezogen, daß AG., GmbH. usw. grundsätzlich und schlechthin unerwünscht seien, während es sich tatsächlich in der Hauptsache darum handelte, ein taktisches Ziel zu erreichen, nämlich die Umwandlung von bestimmten, ohne jeden inneren Grund in Form von Kapitalgesellschaften und namentlich auch als Einmanngesellschaft organisierten Betrieben, Vermögensverwaltungen usw. in Personengesellschaften oder Einzelunternehmen. Richtig ist allerdings, daß in den amtlichen Motivenberichten, übrigens auch in gelegentlichen Veröffentlichungen einzelner Sachbearbeiter, Meinungen und Stimmungen durchklingen, die sich aus einer ins weltanschaulich-politische hinüberspielenden Kritik an der ,anonymen Kapitalgesellschaft' erklären, mindestens aber dahin verstanden werden konnten, als ob das Endziel der Umwandlungsgesetzgebung in dieser Richtung liege."62 Sollte der Erklärungsversuch Klausings tatsächlich auf Informationen der M i n i sterien beruhen, wäre das Zitat Klausings ein Beleg dafür, daß hier der NS-Staat Stimmungen schaffen wollte, ohne seine eigentlichen Absichten zu nennen. Daß Klausing selbst derartige Belege aus dem Ministerium hatte, ist jedoch recht unwahrscheinlich. Der briefliche Kontakt zwischen Schlegelberger und Klausing 60 61 62
Klausing, 2. Arbeitsbericht, S.22f. Siehe zu den amtlichen Begründungen oben, Kapitel 1, C.I., C.II. Klausing, 2. Arbeitsbericht, S.23.
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bleibt recht verhalten und auch die Ausschußprotokolle lassen nicht darauf schließen, daß Klausing hier mehr wußte als andere. Öffentliche Aussagen diesbezüglich der im Ausschuß sitzenden Mitglieder des Ministeriums liegen kaum vor. Klausing unterstellt somit hier dem NS-Gesetzgeber, daß er absichtlich Formulierungen gewählt hatte, die „ ein ins Groteske gesteigertes Übermaß " gezeigt hätten, um „ möglichst eindringlich " zu sein. Welcher Gesetzgeber gibt einem Gesetz eine falsche Begründung bei, um möglichst eindringlich ein bestimmtes Verhalten hervorzurufen? Klausing gibt weiterhin zu, daß in den amtlichen Motiven Stimmungen durchklingen, die sich aus einer „ ins weltanschaulich-politische hinüberspielenden Kirtik u an der Kapitalgesellschaft erklären. Es spricht hier vieles dafür, daß dieser Erklärungsversuch Klausings nicht haltbar ist. Viel wahrscheinlicher erscheint es, daß die Führung in den Anfangsjahren selbst nicht wußte, was mit der GmbH passieren sollte und sich lieber alle Möglichkeiten offenhalten wollte. Die Annahme, der Nationalsozialismus habe ein von Anfang an bestehendes Konzept gehabt, das in sich schlüssig war, kann insbesondere auf dem Gebiet des Gesellschaftsrechts nicht gehalten werden. Die Tendenz Klausings, zu sagen, der Nationalsozialismus habe alles von Anfang an so geplant und wollte die Öffentlichkeit nur taktierend zu einem bestimmten Verhalten veranlassen, könnte aus der eigenen grundsätzlich positiven Einstellung Klausings zur GmbH heraus entstanden sein. Im weiteren führt Klausing sogar aus, daß durch die amtlichen Begründungen der Umwandlungsgesetze die Abschaffungsabsicht bezüglich der GmbH herausgelesen werden konnte. Verständnisvoll sagt er, es sei nur zu natürlich gewesen, „daß man die Gesamttendenz [...] vielfach dahin gedeutet hat, daß nach »nationalsozialistischer Wirtschaftsauffassung 4alle Arten von »anonymen4 Gesellschaften, die überdies anscheinend mit dem Begriff »Kapitalgesellschaft4 identifiziert werden, eigentlich abzulehnen oder nur noch »allenfalls4, d.h. für einen eng umgrenzten Kreis von Unternehmen, zu dulden seien.4463
Diese Auffassung sei dann „scheinbar " durch die Begründung zum Aktiengesetz bestätigt worden. 64 Und zwar in dem Sinne, daß sich gerade die GmbH als die im Grunde genommen unerwünschte und in die neue Zeit nicht hineingehörende Oiganisationsform darstelle. 65 Das Schicksal der GmbH, so Klausing weiter, „schien" nach diesen Auslassungen des Reichsjustizministeriums immerhin ungewiß zu sein.66 Aber Klausing behauptet, man habe „im Reichsjustizministerium eine Beseitigung der GmbH, nicht irgendwie ernsthaft ins Auge gefaßt" 61. Ob man auch zeitweilig jener früher gekennzeichneten Meinung gewesen sei, daß die deutsche Wirtschaft aus vorwiegend praktischen Rücksichten nicht auf diese Organisationsform 63 64 65 66 67
Klausing, 2. Arbeitsbericht, S.25. Vgl. oben, Kapitel 1,C.IV. Klausing, a. a. Ο. Klausing, 2. Arbeitsbericht, S.27. Klausing, a. a. O.
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4. Kap.: Die Beratungen des Ausschusses für GmbH-Recht
verzichten könne, „läßt sich nicht mehr mit Sicherheit feststellen," 68 Diese Äußerungen Klausings finden sich zu früherer Zeit auch schon in ähnlicher Form in einer der Ausschuß-Sitzungen vom 11. Dezember 1937 wieder; leider läßt sich aber auch hier nicht erkennen, ob sich Klausing auf direkte Informationen aus einem der Ministerien stützt oder nur die Aussagen Schlegelbergers in der Öffentlichkeit 69 interpretiert: „Ich darf bemerken, daß Herr Staatssekretär Schlegelberger gar keinen Zweifel darüber gelassen hat, daß er die GmbH, für notwendig hält, und die Reform in dem Sinne gestaltet wissen will, daß dieses Gebilde seine Lebensfähigkeit behält; die Neuordnung soll zwar gewissen Mißbräuchen einen kräftigen Riegel vorschieben, im übrigen aber dieser Form die Existenz in vollem Umfange sichern. Das ist eine Äußerung, die Herr Staatssekretär Schlegelberger offenbar in vollem Einvernehmen mit dem Herrn Reichsjustizminister gemacht hat. Eine Feindschaft gegen die GmbH, als solche oder die Tendenz, sie abzuschaffen, besteht im Reichsjustizministerium nicht.''70
Nach einigen weiteren Erläuterungen kommt Klausing innerhalb seines zweiten Arbeitsberichtes zu dem Ergebnis, „ daß die Staatsführung die GmbH, ebensowenig wie die AG. politisch ablehnt oder sie allgemein unter ein Ausnahmerecht mit Prohibitivcharakter glaubt stellen zu müssen. " Klausing faßt zusammen: „6. Als Ergebnis der vorstehenden Untersuchung ist festzustellen, daß die weltanschaulichpolitisch bedingten, d. h. vom nationalsozialistischen Standpunkt gegen die GmbH, als Organisationsform erhobenen oder angeblich zu erhebenden Bedenken im Grunde genommen sämtlich gegenstandslos sind."71
Interessanterweise bezeichnet Klausing seine Erläuterungen selbst als „ Untersuchungwas ein wenig im Gegensatz zum eigentlichen Anliegen seines „ Arbeitsberichtes" steht. Die aufgeführten Untersuchungen zu den amtlichen Begründungen und die dargebotenen Erklärungsversuche sind in der Tat Klausings persönliche Meinung. Insoweit erscheint der Titel „ Arbeitsbericht " in dieser Hinsicht nicht zutreffend, da er keine Zusammenfassung der Ausschußberatungen enthält. Der Bericht stellt eher einen Rechtfertigungsversuch für das Umschwenken der Führung in der GmbH-Frage dar. Nur an wenigen Stellen finden sich Überlegungen zu dem Sinn und Zweck der Umwandlungsgesetzgebung in den Ausschußprotokollen wieder. Es ist hier ebenfalls Klausing, der, ohne seine Quellen zu nennen, die Beweggründe zur Gesetzgebung beschreibt: „Wir sehen aus der Begründung des Gesetzes über die handelsrechtliche Umwandlung und über die steuerrechtliche Umwandlung, daß man die Personalgesellschaft für eine bessere Gesellschaftsform hält. Man hat sogar betont, sie sei vom nationalsozialistischen Standpunkt aus dierichtigeForm usw. 68
Klausing, a. a. O. Vgl. hierzu die oben, unter Α., erwähnten Eingangsworte Schlegelbergers zur Eröffnung der 1. Sitzung des GmbHR-Ausschusses. 70 Klausing, in Schubert, GmbHR-Protokolle, S.239. 71 Klausing, 2. Arbeitsbericht, S.37. 69
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Ebenso hat damals die Reichsschrifttumskammer auf die Umwandlung von Verlagsunternehmen in Personengesellschaften hingewirkt, weil man glaubte, daß nur dort dasjenige Maß von persönlicher Verantwortung und des persönlichen Einsatzes gegeben sei, das man aus politischen, rassischen und verwandten Gründen für die Inhaber mit Recht fordern müßte. Inzwischen hat sich aber ergeben, daß die Frage, ob eine bestimmte Organisationsform vom nationalsozialistischen Standpunkt aus erwünscht oder unerwünscht sei, nicht in der Weise gestellt werden darf, wie sie vor ein bis zwei Jahren nicht selten gestellt worden ist."72
Die Geschehnisse erscheinen im Rückblick geradezu typisch für den Nationalsozialismus. Die Anfangsjahre nach der Machtübernahme sind voll von ideologisch geleiteten Ideen. Von der Bemühung angetrieben, mit Hilfe des Nationalsozialismus eine grundsätzliche Änderung des Systems erzielen zu können, nimmt eine juristische Diskussion über ein bestimmtes Rechtsgebiet die Wendung ins politische. Die selbst aufgestellten Forderungen scheinen aber später zu hoch, da man an wirtschaftlichen Notwendigkeiten, nicht zuletzt hervorgerufen durch die Kriegsvorbereitungen, nicht vorbeikommt. In Wahrheit bestätigt Klausing hier, was für den Nationalsozialismus in den späten dreißiger Jahren gilt: Die Parteiführung war sich ihrer Linie gar nicht immer so sicher. Auch wenn man das Parteiprogramm und Hitlers „Mein Kampf " als oberste Auslegungskriterien und Forderungskataloge stets zur Hand hatte, so fanden sich hier doch tatsächlich nur wenig konkrete Ratschläge für die Umgestaltung des Gesellschaftsrechts. Neben den Säulen des Systems, wie Rasserecht, Führergrundsatz oder Verantwortungsprinzip und Gemeinnutz vor Eigennutz, gab es anfänglich nicht viel, was sich ideologisch für ein Rechtsgebiet wie das GmbH-Recht verwerten ließ. So ist der Rückgriff auf zumindest nationalsozialistisch klingende Begriffe wie „ Ausleseprinzip " und „ Geschäfts-Führung " nur allzu verständlich. Da diese Begriffe aber eben nicht vorgegeben waren, leuchtet es ein, daß Uneinigkeit über ihren Inhalt herrschte, wie der oben beschriebene Streit erkennen läßt. Von wirtschaftlichen Notwendigkeiten gedrückt, beließ man dann doch lieber zunächst alles beim alten und sah von radikalen Reformen ab. Klausings Beschreibung im zweiten Arbeitsbericht ist damit der Versuch einer nachträglichen Rechtfertigung des Verhaltens der nationalsozialistischen Führung bezüglich des ideologischen Chaos, welches sie durch die amtlichen Begründungen zu den Umwandlungsgesetzen und zum Aktiengesetz hervorgerufen hatte. Im Nachhinein werden „ taktische Gründe " von Klausing angegeben, die es erforderlich machten, zunächst mit der Abschaffung der GmbH zu drohen. Es gibt jedoch keinen Beleg dafür, daß dies stimmt. Viel wahrscheinlicher ist es demnach, daß die Führung sich in den dreißiger Jahren selbst nicht im klaren darüber war, wie sie zur GmbH stehen sollte.
72
Klausing, in Schubert, GmbHR-Protokolle, S.235.
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IV. Nutzen der GmbH für den NS-Staat Gründe für das Umschwenken der nationalsozialistischen Führung in der GmbHFrage sind spekulativ. Vielleicht stand tatsächlich „nur" eine Bereinigung des Gesellschaftsrechts von denjenigen Kapitalgesellschaften im Vordergrund, zu welchen aufgrund ihrer inneren Struktur die Form der Personengesellschaft besser paßte. Andererseits liegt aber auch die Vermutung nahe, daß der Führung bewußt wurde, wie nützlich die GmbH mit ihren Möglichkeiten der Verschleierung und Tarnung auch für die bevorstehende Kriegsvorbereitung sein könnte. Bereits Schubert weist in seiner Einleitung zu den Protokollen des Ausschusses für GmbH-Recht darauf hin, daß die Wirtschaft „im Zuge der forcierten Aufrüstung im Rahmen des Vierjahresplans bewußt vor ideologisch motivierten Änderungen der privatrechtlichen Grundlagen des Handels- und Genossenschaftsrechts verschont" wurde. 73 Diese pragmatische Haltung findet sich an verschiedenen Stellen in den Ausschußsitzungen; so erwähnt beispielsweise Klausing im Hinblick auf die Anonymitätsproblematik, „wenn wir die Verantwortlichkeit und die formale Tatsache, daß das Vermögen einer Person jederzeit zur Verfügung steht, auseinanderhalten, so kommen wir weiter und sind in keiner Weise [...] durch Grundsätze der nationalsozialistischen Weltanschauung in der Behandlung der Frage behindert: [...]". 14 Der entscheidende Vorteil der GmbH in der einsetzenden Kriegsvorbereitung lag in dem Punkt, der gerade von der ideologischen Sichtweise her am meisten angeprangert wurde, in der Anonymität. Immer wieder war in den Veröffentlichungen der die GmbH kritisierenden Fachwelt daraufhingewiesen worden, daß das Vertrauen in die GmbH auch deshalb so geschwunden war, weil diese keinerlei Pflichten zur Publizität traf. Schon Ebbecke wies in der ersten Sitzung in seinem Referat zur „Notwendigkeit der GmbH " darauf hin, daß es erforderlich sei, neben der Aktiengesellschaft die Form der GmbH gerade aufgrund der fehlenden Publizitätsvorschriften beizubehalten. Kein Kaufmann habe die Neigung, seine Bilanz, „besonders, wenn sie so herrlich aufgegliedert und so übersichtlich und wahr ist, wie das bei der Aktiengesellschaft erzwungen wird und notwendig ist", als Plakat auf dem Marktplatz seiner Stadt aufzukleben. 75 Denn seine Konkurrenz solle nicht durch eine wahrheitsgetreue Selbstauskunft Informationen über finanzielle Erfolge oder Mißerfolge haben. Ebbecke wird deutlicher, was diese Möglichkeit der Nichtveröffentlichungspflicht auch für den Staat bedeuten kann: „Ich darf darauf hinweisen, daß wir heute im Zeichen des Vierjahresplanes auch sonst die Notwendigkeit haben, solche Plakatierungen an die Öffentlichkeit zu unterlassen. Ich darf feststellen, daß heute die Form der GmbH, auf Wunsch staatlicher Stellen aus gleichem 73 74 75
Schubert, GmbHR-Protokolle, Einleitung, S.XII, Fn.36. Klausing, in Schubert, GmbHR-Protokolle, S. 127; vgl. hierzu auch schon oben, A.I. Ebbecke, in Schubert, GmbHR-Protokolle, S. 34.
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Grunde gewählt werden muß. Wir müssen, wenn wir später zu den einzelnen Fragen kommen, auf dieses Interesse unter allen Umständen Rücksicht nehmen."76
Was hier von Ebbecke angedeutet wird, wurde später im Rahmen der Diskussion über die Publizitätsvorschriften von den Ministerialvertretern offen ausgesprochen. Interessant ist in diesem Zusammenhang auch die Aufnahme des Notars Gutbrodt in den Ausschuß. Klausing wies zu Beginn der Fortsetzung der ersten Sitzung darauf hin, daß dieser „ durch Anordnung des Herrn Ministers in unseren Mitgliederkreis noch eingetreten ist" und viel mit den „GmbH.-Betrieben der nationalsozialistischen Presse" und „mit Aufgaben im Rahmen des Vierjahresplanes" zu tun habe.77 Es verwundert dann auch nicht, daß sich Gutbrodt für das Beibehalten der GmbH aussprach. Da er selbst nicht anwesend sein konnte, hatte er Klausing beauftragt, in seinem Namen „in aller Schärfe zu betonen, daß er für absolute Beibehaltung der GmbH, mit ev. notwendigen Reformen ist." 1* Das Bewußtsein, die GmbH angesichts des bevorstehenden Krieges zu brauchen, um die Aufrüstung nicht „ öffentlich " betreiben zu müssen und vor ausländischer Informierung fernzuhalten, war vorhanden und spielte auch in den Überlegungen zu einem neuen GmbH-Gesetz eine nicht zu unterschätzende Rolle. Als Beleg hierfür dienen die Ausführungen von Ministerialdirigent Quassowski in der 6. Ausschußsitzung vom 8. und 9. Juni 1938. Die Sitzung wurde von dem Referat des Vizepräsidenten der Industrie- und Handelskammer Berlin Tengelmann eingeleitet und stand unter dem Thema der Bilanzierung und Publizität. Tengelmann hielt weitreichende Kontrollen für notwendig und seine Argumentation erinnert an die im zweiten Kapitel beschriebene ideologisch beeinflußte Diskussion in der Literatur von der Einheit von Herrschaft und Haftung 79: „Wenn dem Einzelunternehmer eine weite unternehmerische Freiheit zugebilligt ist, so wird diese durch seine persönliche Haftung mit dem gesamten Vermögen bis zur Vernichtung seiner Existenzgrundlage eingeschränkt. Dieses Gegenstück fehlt jedoch bei der GmbH., so daß sich schon daraus die Notwendigkeit ergibt, Bestimmungen vorzusehen, die eine verstärkte Kontrolle ermöglichen."80
Seiner Meinung nach reichten die bestehenden Vorschriften zur Bilanzierung 81 nicht aus, da diese nur Rahmenvorschriften und als solche wahllos zusammengestellt worden seien.82 Tengelmann forderte weiterhin eine allgemeine Offenlegungspflicht gegenüber Gläubigern und der Öffentlichkeit, insbesondere eine Pflicht zur Veröffentlichung des Jahresabschlusses und des Geschäftsberichtes in 76 77 78 79 80 81 82
Ebbecke, in Schubert, a. a. O. Klausing, in Schubert, GmbHR-Protokolle, S. 18. Klausing, in Schubert, GmbHR-Protokolle, S.28. Vgl. oben, Kapitel 2, A. Tengelmann, in Schubert, GmbHR-Protokolle, S.401. Vgl. §§41,42 GmbHG, §40 HGB. Tengelmann, in Schubert, GmbHR-Protokolle, S.404.
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4. Kap.: Die Beratungen des Ausschusses für GmbH-Recht
der Presse für größere G m b H . 8 3 In der Forderung nach Publizität sah Tengelmann einen Ersatz für das grundsätzliche Beibehalten der beschränkten Haftung, worauf Richter-Brohm hinwies: „Herr Tengelmann will die Publizität der GmbH, also vor allem aus der Tatsache der Haftungsbeschränkung begründen."84 Quassowski hingegen lehnte die Einführung umfassender Vorschriften zur Publizität ab. Es ist bemerkenswert, daß ausgerechnet ein Vertreter des Ministeriums Vorschläge ablehnte, die mit dem aus der spezifisch nationalsozialistischen Literatur bekannten Zusammenhang von Herrschaft und Haftung begründet werden konnten. Quassowski entschied sich aber hier zugunsten der für den NS-Staat praktischen Notwendigkeit der Anonymität: „Ich könnte mir denken, daß ζ. B. aus nationalwirtschaftlichen oder wehrwirtschaftlichen Interessen eine Kapitalgesellschaft, die in der Form der GmbH, besteht, nicht gezwungen werden darf, der Allgemeinheit und damit auch dem Ausland Einblick in ihre Verhältnisse zu gewähren. Natürlich ließe sich auch eine Regelung denken, wonach grundsätzlich die Publizität für große Gesellschaften eingeführt werden würde, aber eine Ausnahme für gewisse Gesellschaften, bei denen ein Einblick verhindert werden soll, zugelassen werden könnte. Eine solche Regelung wäre aber wohl unbefriedigend; denn das wüßte jeder, daß bei den Gesellschaften, für die die Ausnahme gilt, aus nationalwirtschaftlichen oder wehrwirtschaftlichen Gründen etwas zu verheimlichen ist. Ich kann zu dieser Frage nicht endgültig Stellung nehmen, glaube aber, daß dieser Gesichtspunkt des nationalwirtschaftlichen und wehrwirtschaftlichen Interesses bei der Entscheidung eine große Rolle spielen wird." 85 Der Vorsitzende des Instituts der Wirtschaftsprüfer Mönckmeier griff die Ausführungen Quassowskis auf: „Sodann wurde gesagt, daß die Wehrpolitik gewisse Einwände gegen eine Publizität der GmbH, erheben könnte, wobei insbesondere darauf verwiesen wurde, daß sich die Reichsstellen in der letzten Zeit der GmbH, bedient haben, um wehrwirtschaftliche Betriebe in ihrer Rechtsnatur umzuändern. Die Fragen der Wehrpolitik sind außerordentlich beachtlich und müssen in jedem Fall auch in unseren Betrachtungen geprüft werden."86 Mönckmeier verwies jedoch darauf, daß der Ausschuß ein Gremium sei, das zur Rechtsgestaltung beitragen solle. Wohl sei es Aufgabe, die etwa zu erwartenden Einwände des Reichsluftfahrtministeriums und des Oberkommandos der Wehrmacht zu prüfen und zu berücksichtigen, die letzte Vertretung dieser wehrpolitischen Gesichtspunkte liege jedoch nicht bei dem Ausschuß, sondern bei den entsprechenden Reichsstellen. 87 Quassowski ging i m weiteren Verlauf der Diskussion noch einmal auf diese Gesichtspunkte ein: 83 84 85 86 87
Tengelmann, in Schubert, GmbHR-Protokolle, S.409. Richter-Brohm, in Schubert, GmbHR-Protokolle, S.425, Quassowski, in Schubert, a. a. O. Mönckmeier, in Schubert, GmbHR-Protokolle, S.430f. Mönckmeier, in Schubert, GmbHR-Protokolle, S.431.
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„Ich glaube, man sollte in der Frage der Publizität mehr Zurückhaltung üben. Für die kleinen Gesellschaften handelt es sich bei dieser Frage um eine Belastung mit Schreibwerk und Kosten, und es besteht immer die Gefahr, daß die Konkurrenz Einblick in die inneren Verhältnisse der Gesellschaft gewinnt. Für alle Gesellschaften, auch für die großen, ist zu berücksichtigen, daß aus nationalwirtschaftlichen und wehrwirtschaftlichen Gründen Interesse daran bestehen kann, für die GmbH, eine gewisse Geheimsphäre zu erhalten."88 Auch Rechtsanwalt Franke wies noch einmal auf die Wichtigkeit der G m b H für den NS-Staat hin: „Die Rechtsform der GmbH, ist im heutigen Wirtschaftsleben nicht zu entbehren. Sie hat sich außerordentlich stark eingebürgert und wird in neuster Zeit besonders auf dem Gebiete des Vierjahresplans und der Wehrwirtschaft häufig angewandt."89 Neben dem Aspekt der Kriegswirtschaft ist an dieser Stelle auch der Hinweis angebracht, daß die G m b H von vielen parteinahen Organisationen selbst bereits genutzt wurde. I n der Dissertation von Kurt Schaefer aus dem Jahre 1937, der die Notwendigkeit der G m b H vehement befürwortete, ist diesbezüglich zu lesen: „Es ist zunächst einmal darauf zu verweisen, daß im preußischen Gemeindefinanzgesetz vom Dezember 1933 die GmbH, ausdrücklich als für Gemeinden und Gemeindeverbände geeignete Unternehmensform genannt wird. Wäre die GmbH, tatsächlich so unnationalsozialistisch, wie man dies vielfach behauptet, so würde sie kaum in einem Gesetz, das fast ein Jahr nach der Machtübernahme herauskam, vom nationalsozialistischen Gesetzgeber ausdrücklich empfohlen worden sein. [...]. Die ablehnende Haltung gegenüber der GmbH, wird offensichtlich aber auch nicht in den Kreisen alter Nationalsozialisten geteilt, denn der »Zentralverlag der NSDAP, Franz Eher Nachf., München, Berlin4, wird ebenfalls in Form der GmbH betrieben. In diesem Verlage erscheinen u. a. die größte und bedeutendste nationalsozialistische Tageszeitung der »Völkische Beobachter4, »Der Angriff 4 oder ,Das schwarze Korps4. Des weiteren sind auch der »Reichsnährstandsverlag Berlin4 und der Verlag des »Westdeutschen Beobachters4 in der GmbH-Form organisiert. 4490 Der Staat selbst war abhängig von der GmbH, so daß deutlich wird, daß hier ein ideologischer Idealismus keinen Raum mehr gewinnen konnte. Wie bereits oben beschrieben 91 , finde ich gerade in den Äußerungen Quassowskis die These bestätigt, daß der NS-Gesetzgeber in den Anfangsjahren der Machtinhaberschaft noch nicht genau wußte, wie er sich zur GmbH-Frage stellen sollte und auch die Begründungen zu den Umwandlungsgesetzen bewußt zweideutig hielt, um die allgemeine Wirtschaft von den Kapitalgesellschaftsformen fernzuhalten. Als aber auch die Ministerien bemerkten, daß für die bevorstehenden Ereignisse die Möglichkeiten der G m b H nützlich waren, entschloss man sich, die Wirtschaftlichkeit und den Eigennutz vor die eigene Ideologie zu stellen. 88 89 90 91
Quassowski, in Schubert, GmbHR-Protokolle, S.457. Franke, in Schubert, GmbHR-Protokolle, S.461. Schaefer, S. 17 f. Vgl. oben, A.III.
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B. Auswirkungen der Diskussion um die Haftungsbeschränkung I. Spezifisch ideologische Vorschläge Der Gedanke des Prinzips der Einheit von Herrschaft und Haftung, wie es in der Literatur in fast allen Ansätzen formuliert worden war 92 , wurde in den AusschußSitzungen kaum aufgegriffen. Neben den Ausführungen Tengelmanns, die oben bereits beschrieben wurden 93, findet sich lediglich in einem Referat über die Einmanngesellschaft ein weiterer Hinweis auf die notwendige Verknüpfung von Herrschaft und Haftung. In der siebten Sitzung vom 14. Oktober 1938 führte Knierim, Vorstandsmitglied der IG-Farbenindustrie AG, aus: „Anders muß man dagegen, glaube ich, über die Frage der beschränkten Haftung denken. Hier treffen die vorhin entwickelten grundsätzlichen Bedenken in vollem Umfange zu: es fehlt an einer ratio für die Haftungsbeschränkung, wo der Unternehmer den Risikobereich der »Gesellschaft' völlig selbständig beherrscht; und die Tatsache der ungeteilten Beherrschung der Vermögenssphären zweier Rechtspersonen durch dasselbe Individuum wird zur Gefahr, wenn sie mit dem Anreiz der beschränkten Haftung ausgestattet wird." 94
Da diese Ausführungen aber erst zum Ende der Ausschuß-Sitzung gemacht wurden und nur auf die Einmanngesellschaft bezogen sind, können sie nicht als repräsentativ für die übrigen Diskussionen stehen. Ausdrücklich wurde das Herrschaftsund Haftungsprinzip in seiner dogmatischen Herleitung nicht aufgegriffen. Auch wenn aber die Haftungsbeschränkung und mit ihr die GmbH beibehalten wurde, so hatte doch die Diskussion in der Literatur um die Haftungsbeschränkung entscheidendes bewirkt und blieb durchaus nicht ohne Folgen. Im Gegenteil war sie sogar für die Entwicklung des GmbH-Rechts von großer Bedeutung, da sie meiner Meinung nach in den Köpfen der Ausschußmitglieder vorhanden war und sie in ihrer Argumentations weise beeinflußte. Bei der Betrachtung der Protokolle fällt auf, daß ein Bedürfnis vorhanden war, aufgrund der vorangegangenen Diskussionen über Wert und Nutzen der Haftungsbeschränkung das Beibehalten der GmbH rechtfertigen oder erklären und in gewissem Sinne auch ausgleichen zu müssen. Klausing verknüpfte die Bejahung der Haftungsbeschränkung mit der Frage, inwieweit jemand verantwortlich sein müßte, stellte also einen Bezug zwischen der Verantwortlichkeit und der Haftung auf, wie man es schon in der Literatur gemacht hatte. Auf das Referat von Ebbecke hin erwiderte er in der ersten Sitzung: „Sie wünschen eine echte Gesellschaft95 mit beschränkter Haftung, aber in die Haftung hineingemischt ein Stück Verantwortung. Das ist eine Idee, die ich seit langem propagiert habe. 92
Vgl. oben, Kapitel 2, A. Vgl. oben, A.IV. 94 Knierim, in Schubert, GmbHR-Protokolle, S.495. 95 Vgl. zu der Idee, daß hier mit dem Begriff „echte Gesellschaft" eine Personengesellschaft gemeint sein könnte, unten unter C. 93
Β. Auswirkungen der Diskussion um die Haftungsbeschränkung
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Es ist zu unterscheiden, ob ich mit dem ganzen Vermögen hafte oder unter gewissen Umständen nur eine Verantwortung für saubere Geschäftsführung übernehmen muß, [...]. Wenn das Vermögen durch mich in die Gesellschaft hineinkommt, muß ich darauf achten, daß es nicht unredlich wieder verschwindet; sonst darf ich mich nicht auf die beschränkte Haftung berufen. Das ist eine Idee, die unser ganzes heutiges Denken durchzieht."96
Jede sich anschließende Diskussion über Vorschriften zum Gläubigerschutz, zum Stammkapital oder zu den Gesellschafterdarlehen hatte als unterschwellige Forderung den Auftrag, die betreffenden Vorschriften als Ausgleich für das Beibehalten der Haftungsbeschränkung möglichst gläubigerschutzintensiv auszugestalten. Dies bedeutet auch, daß ohne die verschärfte Diskussion und die Abschaffungsgedanken zur NS-Zeit die Schutzmechanismen im GmbH-Recht nicht so eilig vorangetrieben worden wären. Den Ausschußmitgliedern war bewußt, daß die Öffentlichkeit und die Presse einen gewissen Druck auf die Ausschußarbeiten ausübten, da der Ruf der GmbH momentan zu schlecht war. Die GmbH sollte beibehalten werden, also mußte dafür gesorgt werden, daß durch die Ausgestaltung des GmbH-Gesetzes die GmbH ihren guten Ruf wieder erlangen würde. Auf die Meinung in der Öffentlichkeit wies beispielsweise Zitzlaff hin: „Das Gesetz muß auf jeden Fall so herauskommen, daß man in der Öffentlichkeit von vornherein das Gefühl hat: wenn die GmbH, auftritt, ist das keine Schwindelfirma. Das verlangt die öffentliche Stimme, um die wir nicht herumkommen. Es ist ganz sicher, daß man in der Öffentlichkeit früher sehr oft geglaubt hat, daß es sich bei der GmbH, unter Umständen um sehr zweifelhafte Sachen handele. Die Öffentlichkeit verlangt jetzt, daß die Gesetzgebung diesem zweifelhaften Geschäftsgebaren entgegentritt."97
Die Ausschußberatungen konzentrierten sich im folgenden in der Hauptsache um die Frage, wie man die Mißbräuche der Vergangenheit beheben und einen Ausgleich für das Beibehalten der GmbH am wirkungsvollsten erzielen konnte. Hierbei kamen verschiedene Ideen zum Tragen. Bereits in der ersten Sitzung hatte Senatspräsident Kolb aus seinen praktischen Erfahrungen als Richter heraus auf die Verbindung zwischen Haftungsbeschränkung einerseits und Sicherung des Stammkapitals andererseits hingewiesen: „Die persönliche unbeschränkte Haftung darf als Sicherheitsfaktor nicht überschätzt werden. Der Grundsatz des alt - römischen Rechts ,in partes secanto' gilt nicht mehr. Was nützt sodann unbeschränkte Haftung, wenn siefinanziell nicht ,effektuiert' werden kann. Von diesem Gesichtspunkt aus scheint mir die Haftung eines Sondervermögens, wie es in der GmbH, verkörpert sein soll, den Vorzug zu verdienen unter der Voraussetzung allerdings, daß das Gesetz scharfe und präzise Bestimmungen trifft über die Aufbringung und Erhaltung dieses Stammkapitals."98 96 97 98
Klausing, in Schubert, GmbHR-Protokolle, S.41. Zitzlaff, in Schubert, GmbHR-Protokolle, S. 211. Kolb, in Schubert, GmbHR-Protokolle, S.47.
16 Stupp
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4. Kap.: Die Beratungen des Ausschusses für GmbH-Recht
Bejahte man die Haftungsbeschränkung, so bestand das Bedürfnis, „die GmbH aus dem Verruf herauszubringen, in den sie in der öffentlichen Meinung [...] geraten ist " " , weshalb nach Ausgleichsmöglichkeiten gesucht wurde. Bei der Frage, ob Gesellschafter beispielsweise für die Auswahl sachkundiger und zuverlässiger Geschäftsführer persönlich haftbar zu machen seien, stellte Quassowski den Zusammenhang zwischen Haftungsbeschränkung und verschärfter Verantwortung als Ausgleich hierfür heraus: „Ich könnte mir schon denken, daß sich die persönliche Haftung der Gesellschafter rechtspolitisch rechtfertigen ließe als Gegengewicht für die Beschränkung der Haftung. Die beschränkte Haftung kann sich doch unter Umständen für die Gläubiger äußerst nachteilig auswirken; einen Ausgleich würde es bedeuten, wenn gegebenenfalls die Haftung zu einer unbeschränkten würde." 100
Auch bei der Diskussion um die Frage, ob eine Gründungsprüfung angestrebt werden sollte, kommt der Rechtfertigungsgedanke, von Quassowski formuliert, zum Ausdruck: „In unseren Kreisen101 ist sehr ernst der Gedanke der Einführung einer grundsätzlich obligatorischen Gründungprüfung erwogen worden, gewissermaßen als Korrelat für die beschränkte Haftung, die ja bedeutet, daß den Gläubigern als Haftungsgrundlage nur das Stammkapital zur Verfügung steht. Infolgedessen muß das Gesetz dafür soigen, daß dieses Stammkapital tatsächlich eingebracht wird." 102
Ebenso ist, wie oben bereits beschrieben 103, das gesamte Referat von Tengelmann in der 6. Ausschußsitzung vom 8. und 9. Juni 1938 von dem Gedanken der Ausgleichung der Haftungsbeschränkung durchzogen. Neben dem oben bereits abgedruckten Zitat sei noch eine andere Stelle aus dem Referat Tengelmanns erwähnt: „Aus dem Mangel des Korrelats gegenüber der unternehmerischen Freiheit, dem Verhaftetsein bis zur Vernichtung der Existenzgrundlage, erfolgt eine besondere Verantwortung gegenüber den Gläubigern und der Öffentlichkeit, die nur durch die Offenlegung der wirtschaftlichen Verhältnisse erfüllt werden kann."104
Die Arbeiten des Ausschusses standen also durchaus noch unter dem Einfluß der nachwirkenden Diskussion um Vor- und Nachteile der Haftungsbeschränkung und dem Bedürfnis nach einer Rechtfertigung dort, wo Herrschaft und Haftung auseinanderfielen. Das Bedürfnis nach einer möglichst gläubigerschutzintensiven Ausgestaltung des GmbH-Gesetzes verlieh der Diskussion ihr eigenes Gepräge. Auch wenn sich der Ausschuß eindeutig für die Rechtsform der GmbH ausgesprochen hatte, muß doch im Hinblick auf die Eingangsfrage und die Untersuchun99
Schwarz, in Schubert, GmbHR-Protokolle, S.212. Quassowski, in Schubert, GmbHR-Protokolle, S. 89. 101 Hiermit ist wahrscheinlich das Reichsjustizministerium gemeint, als dessen Vertreter Quassowski sprach. 102 Quassowski, in Schubert, GmbHR-Protokolle, S.205. 103 Vgl. oben, A.IV. 104 Tengelmann, in Schubert, GmbHR-Protokolle, S.403. 100
Β. Auswirkungen der Diskussion um die Haftungsbeschränkung
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gen des dritten Kapitels bedacht werden, welche Form von Gesellschaft hier am Ende unter dem Mantel der GmbH entstehen sollte. Konnte also schon selbst der Nationalsozialismus aus wirtschaftlichen Notwendigkeiten heraus die GmbH nicht abschaffen, so liegt im Hinblick auf die ideologische Aussage, welche durch die Umwandlungsgesetze und die Diskussion um die juristische Person getroffen wurde, die Vermutung nahe, daß die GmbH doch zumindest so weitestgehend wie möglich an das Recht der Personengesellschaften angeglichen werden sollte. Andererseits war jedoch, wie die Ergebnisse des zweiten Kapitels aufgezeigt haben, eine Tendenz in der Literatur angelegt, die GmbH nach dem Vorbild der Literatur aus der Zeit vor dem Nationalsozialismus an die AG weiter anzugleichen. Darüber hinaus sollten auch die spezifisch ideologischen Begriffe einen Einfluß auf die Reformierung der GmbH haben. Diesem Spannungsverhältnis, in welchem sich die GmbH-Reform zwischen Personen- und Kapitalgesellschaft befand, soll bei der Betrachtung der Ausschuß-Protokolle im folgenden nachgegangen werden. Dabei ist zunächst in Anlehnung an die Ergebnisse des zweiten Kapitels meiner Arbeit danach zu fragen, welche spezifisch ideologischen Vorschläge vom Ausschuß aufgegriffen wurden und welche Vorschläge in Anlehnung an das Aktiengesetz diskutiert wurden. Danach ist in Anlehnung an die Ergebnisse des dritten Kapitels der Frage nachzugehen, welche personengesellschaftsrechtlichen Elemente der Ausschuß in der neuen GmbH verwirklicht sehen wollte. Danach wird zu erkennen sein, in welche Richtung der möglichen Ausgestaltung die GmbH im Spannungsfeld zwischen AG und Personengesellschaft im Nationalsozialismus nach dem Willen des Ausschusses tendierte. 1. Ausbau des Führerprinzips Die politische Wirkung, die von dem Schlagwort des Führerprinzips ausging, wurde oben im Rahmen des zweiten Kapitels bereits beschrieben.105 Es spricht daher für sich, wenn auch in dieser Frage der Ausschuß eher zurückhaltend diskutierte; zumindest stellen sich die Beratungen in dieser Hinsicht weniger politisch dar, als man es aufgrund der vorangegangenen Literaturdiskussionen erwartet hätte. In das Aktienrecht von 1937 war das Führerprinzip bereits insoweit aufgenommen worden, als die Rechte der Generalversammlung auf wesentliche Fragen beschränkt worden waren und die Versammlung bezüglich der Geschäftsführung nur auf Anfrage des Vorstands tätig werden konnte, § 103 AktG 1 0 6 . Dieser führte die Geschäfte unter eigener Verantwortung und konnte nur aus wichtigem Grund abberufen werden, §§ 70,75 AktG. Als Gegengewicht zu seiner Verantwortung haftete der Vorstand für Obliegenheitsverletzungen, wobei er die Beweislast dafür trug, daß er sorgfältig gehandelt hatte, § 84 Abs. 2 AktG. 105 106
16*
Vgl. oben, Kapitel 2, B. Vgl. oben, Kapitel 2, B.II.
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4. Kap.: Die Beratungen des Ausschusses für GmbH-Recht
Für die GmbH hatte Klausing bereits die Meinung vertreten, daß an der bestehenden Rechtslage kaum etwas änderungsbedürftig sei. Zwar waren die Rechte der Gesellschafterversammlung in § 46 GmbHG weitgehender geregelt, als dies bei einem Vergleich mit dem neuen Aktiengesetz für die Hauptversammlung der Aktionäre zutraf. 107 Da es sich bei § 46 GmbHG aber um eine dispositive Vorschrift handelte, war eine statutarische Beschränkung der Gesellschafterrechte jederzeit möglich. Gegen Klausing hatten sich diejenigen Stimmen gewandt, die einer gesetzlichen Ausgestaltung des Führerprinzips gegenüber der nur statutarischen Möglichkeit den Vorzug gaben.108 In der ersten Sitzung des Ausschusses wies der Frankfurter Oberbürgermeister Staatsrat Krebs in seiner Begrüßungsansprache auf die Erwartungen an eine einheitliche Umsetzung des Führerprinzips im Gesellschaftsrecht hin: „Wenn wir das neue Aktienrecht betrachten und die Grundlinien prüfen, die in diesem Gesetz verankert worden sind, dann sehen wir die klare Abgrenzung nach dem Führerprinzip, kurz alle die Gedankengänge, wie sie bei uns Nationalsozialisten vertreten werden. Diese Reform auf der Grundlage der nationalsozialistischen Weltanschauung wird, wie wir gehört haben, durch die Reform des GmbH.-Gesetzes ihren Abschlußfinden. Ich darf Ihnen zu Ihrer Tätigkeit die herzlichsten Grüße der Stadt übermitteln und hoffe, daß das Gesetz in demselben Geist geschaffen wird, wie das Aktiengesetz geschaffen worden ist."109
In der 5. Sitzung vom 6. und 7. Mai 1938 hielt Ebbecke abermals ein Referat, diesmal zu dem Thema „Die Geschäftsführung der GmbH Die Thematik der Umsetzung des Führerprinzips fällt in dieser oder ähnlicher Form ausdrücklich nicht. Dies mag unter anderem auch daran liegen, daß Ebbecke als Praktiker die juristische Literatur nicht so geläufig war wie beispielsweise Klausing, der sich ja schon ausdrücklich mit dem Führerprinzip befaßt hatte. Aber auch ein konkreter Hinweis Klausings, von dem wir ja wissen, daß er um die Literaturdiskussionen wußte, fehlt. Vielleicht war aber das Schlagwort des Führerprinzips auch mittlerweile zu alltäglich geworden, als das man es extra hätte erwähnen müssen. Denn die Diskussion dieser Sitzung stand unter dem Aspekt des Vergleichs der GmbH-Reform mit der neuen Vorschrift des § 70 AktG, welche auf der Umsetzung des Führerprinzips im Aktienrecht beruhte. 110 Insoweit ist also durchaus davon auszugehen, daß allen Diskussionsteilnehmern an dieser Stelle bekannt war, daß sie hier ein auch politisch nicht einfaches Gebiet diskutierten. Ebbecke nahm die Betrachtung des § 70 AktG, wonach der Vorstand unter eigener Verantwortung die Gesellschaft so zu leiten hatte, wie das Wohl des Betriebes 107
Vgl. oben, Kapitel 2, B.III. Vgl. Crisolli, Schäfer, Lieres und Wilkau, oben, Kapitel 2, B.III. 109 Krebs, in Schubert, GmbHR-Protokolle, S.6. 110 § 70 Abs. 1 AktG: „Der Vorstand hat unter eigener Verantwortung die Gesellschaft so zu leiten, wie das Wohl des Betriebs und seiner Gefolgschaft und der gemeine Nutzen von Volk und Reich es fordern." 108
Β. Auswirkungen der Diskussion um die Haftungsbeschränkung
245
und der gemeine Nutzen von Volk und Reich es forderten, zum Ausgangspunkt seiner Betrachtungen: „Der oberste Grundsatz jeder Geschäftsführung im Dritten Reich ist die Orientierung, wie sie §70 des Aktiengesetzes für die AG. ausspricht. Es ist also eigentlich selbstverständlich, daß hiermit jede Erörterung über die Geschäftsführung anzufangen hat. Es ist nur die Frage, soll man diesen Gedankengang des § 70 überhaupt in das GmbH.-Gesetz hereinnehmen. Als ich mir das überlegte, bin ich zu der erstaunlichen Feststellung gekommen, daß dieser Gedankengang im Jahre 1934 völlig neu war und im Jahre 1938 völlig selbstverständlich geworden ist. Mit der Rechtsform jedenfalls hat dieser Gedankengang überhaupt nichts zu tun. Der Gedankengang ist heute so selbstverständlich, daß man fast zu der Ansicht kommen könnte, man braucht diesen Satz gar nicht mehr in das GmbH.-Gesetz, in das Genossenschaftsgesetz oder in ein Gesetz über irgendwelche Personalgesellschaften hereinzunehmen."111
Er wies jedoch zugleich auf den Unterschied zwischen AG und GmbH hin. Während bei der AG eine größere organisatorische Unterteilung in Generalversammlung, Aufsichtsrat, Vorstand und Aktionär vorhanden sei, schrumpfe diese Unterteilung bei der GmbH auf die wesentliche Zweiteilung von Gesellschafter und Geschäftsführer. Selbst diese Zweiteilung schrumpfe noch dahin, da in der überwiegenden Anzahl der Fälle der Gesellschafter auch Geschäftsführer sei. Wenn man daher eine dem § 70 AktG entsprechende Vorschrift in das GmbHG aufnähme, müsse man sich davor hüten, hierdurch eine Kontrastierung der Geschäftsführung zu den anderen Organen der Gesellschaft auszusprechen, weil es eine solche eben wegen der starken Identität zwischen Gesellschafter und Geschäftsführer nicht gebe. Weise eine GmbH nur wenige Gesellschafter auf, so sei es immer im Sinne aller Gesellschafter, wenn derjenige die Geschäftsführung übernehme, der einer Geschäftsidee auch am nächsten stehe, ohne dabei einer zeitlichen Begrenzung zu unterliegen. Selbst für den Fall, daß sich die Gesellschafter eines Dritten für die Geschäftsführung bedienten, „ wird man es der Gesellschaft überlassen müssen, ob und wie lange Zeit die Bestellung des Geschäftsführers erfolgen soll" 112 Eine gesetzliche Grenze von 5 Jahren Anstellungszeit, wie sie das Aktiengesetz vorsehe 113, sei daher nicht zu befürworten. Ebbecke wies abermals auf die notwendige Elastizität des GmbH-Gesetzes hin und vertrat die Meinung, den Gesellschaftern in möglichst weitgehendem Maße die Freiheit der eigenen statutarischen Rechtsgestaltung zu gewähren, Ebbecke sprach sich mithin von vornherein gegen jede zu weit gehende reglementierende gesetzliche Vorschrift aus. Ebenso sprach sich Ebbecke für ein jederzeitiges Weisungsrecht der Gesellschafter gegenüber den Geschäftsführern und für die Möglichkeit der jederzeitigen Entlassung aus; die Gesellschafter müßten in jedem Fall Herr über ihr eigenes Schicksal und über ihre eigenen Geschäfte bleiben. 114 Von der im Rahmen des Führerprinzips 111 112 113 114
Ebbecke, in Schubert, GmbHR-Protokolle, S.338. Ebbecke, in Schubert, GmbHR-Protokolle, S.338. § 75 Abs. 1 AktG; vgl. zum Abdruck dieser Vorschrift oben, Kapitel 2, Β. II. Ebbecke, in Schubert, GmbHR-Protokolle, S.339.
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4. Kap.: Die Beratungen des Ausschusses für GmbH-Recht
geforderten starken unabhängigen Führung hielt Ebbecke als Praktiker mit Blick auf die tatsächlichen Verhältnisse in der GmbH nichts, er schlug vor, „man sollte möglichst viel dispositives Recht schaffen oder, noch stärker ausgedrückt, möglichst viel den speziellen Vereinbarungen und den Bestimmungen der einzelnen Satzung überlassen " 115. Auch auf die Haftung der Geschäftsführer ging Ebbecke ein. Bei der Aktienrechtsreform hatte man den Standpunkt vertreten, daß die Kehrseite einer unabhängigen Führung in einer umfassenden Haftung liege, was sich dogmatisch wiederum mit dem Prinzip von der Einheit von Herrschaft und Haftung erklären ließ. Als Folge hafteten die Vorstandsmitglieder nach § 84 Abs. 2 AktG 1 1 6 der Gesellschaft gegenüber, wobei sie selbst die Beweislast für die ordentliche Geschäftsführung traf. Darüber hinaus haftete nach § 101 AktG aber auch derjenige, der ein Mitglied des Vorstands oder Aufsichtsrats dazu bestimmt hatte, zum Schaden der Gesellschaft zu handeln, um sich selbst einen Vorteil zu verschaffen. 117 Hierdurch war die Haftung des Vorstandsmitgliedes in gewisser Weise wieder abgeschwächt, denn falls eine Entscheidung nicht dem eigenen Verantwortungsbereich entstammte, sondern aufgrund einer Beeinflussung oder Weisung ergangen war, sollte auch die Haftung desjenigen, der diese Beeinflussung oder Weisung vorgenommen hatte, in den Vordergrund treten. Die Ersatzpflicht bestand nach § 101 Abs. 5 AktG auch gegenüber den Gläubigern der Gesellschaft. Ebbecke sprach sich gegen eine Übernahme dieser Regelung aus: „Wie soll denn nun die berühmte Haftung nach § 101 des Aktiengesetzes im GmbH.-Gesetz geregelt werden? Ich glaube, daß der § 101, so interessiert auch Herr Schlegelberger der Frage gegenübersteht, wie sich die Rechtsprechung mit dieser Bestimmung abfindet, für das GmbH.-Gesetz entbehrlich sein sollte. Der allgemeine Rechtsgrundsatz des §826 BGB. gilt für das ganze Rechtsleben, also auch für die GmbH., für die Haftung der Geschäftsführung wie der Gesellschafter und ebenso für die Haftung der Dritten, die an einem solchen Geschäft beteiligt sein könnten. Ich glaube, es liegt keine Veranlassung vor, diese Regel noch einmal im GmbH.-Gesetz zu verankern." 118
Auf eine Übernahme des § 84 Abs. 2 AktG ging Ebbecke nicht ein. Durch seinen allgemeinen Verweis auf § 826 BGB, der nach seinen Worten auch für „die Haftung der Geschäftsführung " genüge, stellte er klar, daß er auch hier eine gesetzliche Haftung der Geschäftsführer im GmbHG ablehnte. Auch bezüglich der Regelungen des Aufsichtsrats trat Ebbecke für eine möglichst flexible, durch die Satzung bestimmbare Regelung der Befugnisse ein, damit „die klare Vorherrschaft der Geschäftsinhaber" gewährleistet sei. 119 Damit rückte Ebbecke von den ursprünglichen Vorstellungen der nationalsozialistischen Ideologie, daß es einer starken „Führung " be115 116 117 118 119
Ebbecke, in Schubert, GmbHR-Protokolle, S. 341. Vgl. zum Abdruck der Vorschrift oben, Kapitel 2, Fn. 272. Vgl. zum Abdruck der Vorschrift oben, Kapitel 2, Fn. 275. Ebbecke, in Schubert, GmbHR-Protokolle, S.344f. Ebbecke, in Schubert, a. a. O.
Β. Auswirkungen der Diskussion um die Haftungsbeschränkung
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dürfe, die unabhängig von den Inhabern einer Gesellschaft die Geschäfte leiten solle, ab und trat klar ein „für die Anweisungsbefugnis der Gesellschafter gegenüber dem Geschäftsführer. " 120 Angesichts der Tatsache, daß in den meisten Fällen jedoch eine Personenidentität zwischen Gesellschafter und Geschäftsführer bestand, relativiert sich dieses „Abrücken " wiederum. Die Tendenz, die letzte Entscheidungsbefugnis in die Hände der Gesellschafter zu legen, ist in der rechtstatsächlichen Struktur der GmbH begründet, die Ebbecke als Praktiker sehr wohl im Auge hatte. In der Frage der Geschäftsführung, die eine solche des Innenverhältnisses der GmbH ist, wird daher hier bereits deutlich, daß die GmbH als der Personengesellschaft näher stehend gesehen wurde. Hätte man in einer Theorie der Kapitalgesellschaften die GmbH unabhängig von ihren rechtstatsächlichen Strukturen betrachtet, wäre eine Regelung der Geschäftsführung in Anlehnung an das Aktienrecht unumgehbar gewesen. In der Ablehnung der aktienrechtlichen Regelungen deutet sich hier aber bereits die Tendenz an, die der Ausschuß in vielen Gebieten des GmbH-Rechts verfolgt hat, und auf welche noch eingehend einzugehen sein wird 121 : Die GmbH sollte in ihrem Innenverhältnis weitestgehend an die Personengesellschaft angeglichen werden. Auch der Vertreter des Reichsjustizministeriums Friedrich sprach sich dafür aus, wegen der verschiedenen Größen, in welchen die GmbH Platz griff, der Satzung möglichst weiten Spielraum zur Regelung der Befugnisse des Geschäftsführers zu geben. Man würde „namentlich kleineren GmbH s Gewalt antun, wenn man dem Geschäftsführer eine ebenso selbständige Stellung einräumen wollte, wie das im Aktienrecht für den Vorstand geschehen ist." 122 Friedrich sprach sich jedoch für die Übernahme des § 70 AktG in das neue GmbHG aus, einfach um Mißverständnisse, die durch eine NichtÜbernahme entstehen und zu Fehlinterpretationen verleiten könnten, zu vermeiden. Im folgenden Verlauf verlagerte sich die Diskussion leider in andere Bereiche. Dadurch erscheint es aber wahrscheinlich, daß die Aussagen Ebbeckes auch die anderen Ausschußmitglieder überzeugten, da sich ansonsten bestimmt Widerstand erhoben hätte.123 Eine konsequente Durchführung des Führerprinzips, vor allem eine solche gesetzliche Regelung hierzu, wie sie in der Literatur teilweise gefordert worden war, befürwortete der Ausschuß mithin ganz und gar nicht. Im Gegenteil wollte er die 120
Ebbecke, in Schubert, GmbHR-Protokolle, S. 345. Siehe hierzu im folgenden unten, C.I. 122 Friedrich, in Schubert, GmbHR-Protokolle, S.347. 123 Leider finden sich keine Materialien darüber, in welcher Weise die Referenten für ein Thema ausgewählt wurden; interessant wäre es, zu wissen, warum ausgerechnet Ebbecke mit der Aufgabe betraut worden war, ein grundsätzliches Referat zum Thema „ Geschäftsführung " zu halten. Aus der 1. Sitzung war Ebbeckes pragmatische Haltung bekannt, und so spricht es für sich, wenn Klausing ihn - was ich für wahrscheinlich halte - für die Ausführung dieses Referats ausgewählt hätte. 121
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4. Kap.: Die Beratungen des Ausschusses für GmbH-Recht
Entscheidungs- und Anweisungsbefugnis bei der Gesellschafterversammlung belassen. Das Führerprinzip wurde damit für die GmbH abgelehnt. Es gilt aber zu bedenken, daß dies nicht aufgrund dogmatischer Erwägungen geschah; die Problematik der Führung stellte sich in der GmbH eben aufgrund der personellen Verflechtungen nicht oder doch zumindest in einem anderen Maße. Es fehlte nach den Worten Ebbeckes „ hier eben völlig jede Notwendigkeit, den Geschäftsführer der GmbH. ähnlich wie den Vorstand einer großen Aktiengesellschaft als Organ zu verselbständigen. Das ist eben kein selbständiges Organ. " 124 Durchgesetzt hatte sich demnach die schon früher von Klausing formulierte gemäßigte Auffassung, wonach gesetzliche Rahmenbestimmungen, wie sie bereits in § 46 GmbHG getroffen waren, ausreichten und bei Bedarf durch die Satzung das Prinzip einer starken und unabhängigen Geschäftsführung geregelt werden könnte. 2. Publizitätsvorschriften
gegen die Anonymität
Wie oben bereits beschrieben, scheiterte das Befürworten einer Einführung von Publizitätsvorschriften in das neue GmbH-Recht daran, daß insbesondere die Vertreter des Reichsjustizministeriums auf die rüstungspolitischen Aufgaben der GmbH hinwiesen und einer Veröffentlichung von Bilanzen und Geschäftsberichten im Zuge der Kriegsvorbereitungen skeptisch gegenüber standen.125 Damit wurde in einem wesentlichen Bereich eine Angleichung an das Aktienrecht vermieden. Die bereits bezüglich der Einführung des Führerprinzips festgestellte Tendenz, daß die GmbH nicht an das Recht der AG angeglichen werden sollte, setzte sich also auch in diesem Bereich fort. Gleichsam sprachen bei der Publizitätsfrage ganz pragmatische Gründe für die NichtÜbernahme aktienrechtlicher Regelungen und keineswegs dogmatische Bedenken. Das Bemühen um mehr Transparenz und Kontrolle und vor allen Dingen um die Wiederherstellung der Seriosität der GmbH in den Augen der Öffentlichkeit schien in diesem Bereich also keinen Boden gewinnen zu können. Zwar hatte gerade Tengelmann in seinem Referat vom 8. und 9. Juni 1938 zum Thema Rechnungswesen, insbesondere Bilanz und Publizität, als Ausgleich für das Beibehalten der Haftungsbeschränkung die Einführung einer gewissen Publizität gefordert. Auch Staatsrat Graf von der Stolz hatte an anderer Stelle bereits zu Beginn der Sitzungen auf die Notwendigkeit der Beseitigung der Anonymität hingewiesen.126 Diese Meinungen konnten sich jedoch nicht durchsetzen. Ebbek124
Ebbecke, in Schubert, GmbHR-Protokolle, S.345f. Vgl. oben, A.IV. 126 Vgl. Stolz, in Schubert, GmbHR-Protokolle, S. 127 f.: „ Was die gegnerische Einstellung zu den anonymen Gesellschaften anlangt, so ist die Ursache der Angriffe meines Erachtens nicht in der Beschränkung der Haftung zu suchen, sondern in der Tatsache der Anonymität. [...] Ich vermute, daß man bei der Gesellschaft mit beschränkter Haftung sehr weitgehend dafür sorgen muß, daß sie nicht anonym ist - hier spielt die Frage der Eintragung und der öffentlichen Kenntnis herein -, und wenn man feststellt, daß die GmbH, nicht anonym ist, wird 125
Β. Auswirkungen der Diskussion um die Haftungsbeschränkung
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ke vertrat, ebenso wie Klausing 127 , die Meinung, daß der Vorwurf, die GmbH sei eine anonyme Gesellschaft, „sachlich unbegründet" sei. 128 Kennzeichend für das Bestreben, die GmbH nicht zu sehr an die AG anzulehnen, sind auch die Ausführungen Breskas in Erwiderung auf das Referat Tengelmanns: „Ich habe schon früher immer davor gewarnt, Vorschriften des Aktiengesetzes auf die GmbH, zu übertragen. [...]. Aber wenn wir in der Publizitätsfrage ebenfalls die Vorschriften des Aktiengesetzes anwenden, kann man den Unterschied zwischen Aktiengesellschaft und GmbH, nur noch mit der Lupe entdecken, und dann würde ich mich der Ansicht von Herrn Großmann-Doerth anschließen, daß man die GmbH abschaffen sollte."129
Klausing hatte bekanntermaßen bereits vor der Zusammenkunft des Ausschusses die Auffassung vertreten, daß das Problem der Anonymität, wie es sich im Aktienrecht darstellte, bei der GmbH ohnehin nur eine untergeordnete Rolle spielte, da die Anteile nicht wertpapiermäßig verbrieft waren und ein Anteilshandel somit erschwert war. 130 Crisolli hatte diesem sein wohl durchdachtes und sehr ausführliches System der „ Geschäftsschreiben-Kundgabe " entgegen gesetzt, in welchem er forderte, daß auf Briefköpfen, usf. alle Namen sämtlicher Gesellschafter aufzulisten seien.131 Nun gab es mit der Vorschrift des § 100 AktG 1 3 2 in der Tat bereits eine Norm, die im Aktienrecht sehr an die Vorschläge Crisollis erinnerte; es drängte sich mithin die Frage nach der Aufnahme einer entsprechenden Vorschrift in das neue GmbH-Gesetz auf. Ebbecke ging hierauf in seinem Referat über „Die Geschäftsführung der GmbH " ein: „Und weil nun dem § 101 der § 100 vorangeht, der von ganz bösen Leuten als der Kernpunkt der Aktienrechtsreform bezeichnet wird, möchte ich sagen, daß es nichts schaden wird, wenn der Name des Geschäftsführers auf die Geschäftsbögen aufgedruckt wird. Selbstverständlich kann die Angabe der Gesellschafter nicht erfolgen. Das ist auch dem Grunde nach gar nicht notwendig, weil sowieso ein Verzeichnis der Gesellschafter beim Handelsregister ausliegt, das jeder Interessierte einsehen kann."133
Ebbecke orientierte sich hier also an der Vorgabe des § 100 AktG, der sich auf die Vorstandsmitglieder bezog, nicht jedoch, wie es von Crisolli formuliert worden war, auf die Kundgabe der Gesellschafter-Namen (welchen bei der AG also die Aktionäre entsprochen hätten). Deren Namensangabe auf den Briefköpfen lehnte Ebbecke ab. Im weiteren Verlauf der Diskussion äußerte Quassowski, daß es ihm beman die entsprechenden Konsequenzen in der Ausgestaltung nach den verschiedensten Richtungen ziehen müssen. " 127 Klausing, in Schubert, GmbHR-Protokolle, S.239. 128 Ebbecke, in Schubert, a. a. O. 129 Breska, in Schubert, GmbHR-Protokolle, S.422. 130 Vgl. oben, Kapitel 2, C. 131 Vgl. oben, Kapitel 2, C. 132 Zum Abdruck der Vorschrift vgl. oben, Kapitel 2, C. 1 e , in Schubert, GmbHR-Protokolle, S . 3 .
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4. Kap.: Die Beratungen des Ausschusses für GmbH-Recht
achtlich erscheine, die Namen der Gesellschafter und Geschäftsführer auf den Briefen zu erwähnen. 134 Als Richter-Brohm noch einmal darauf einging, daß ihm ebenfalls die Aufnahme der Namen der Gesellschafter wichtig erschien, erwiderte Klausing, daß man diese laufend aus dem Register erfahren könne, wenn man, wie Ebbecke ergänzte, die laufende Anzeige der Gesellschafter beim Registergericht vorschreibe. 135 Bereits in der Sitzung mit Vertretern von Familiengesellschaften vom 24. September 1937 hatte in diesem Punkt keine Einigkeit erzielt werden können. Das Protokoll gibt folgenden Verhandlungsverlauf wieder: ,JZu Punkt 3d der Tagesordnung: ,Rechnunsgwesen und Publizität: Bekanntgabe der Namen der Geschäftsführer und der Gesellschafter (?) auf den Geschäftsbriefen' erklärt Direktor Dr. Berres: Bei meiner Gesellschaft haben wir 60 Gesellschafter mit langen Namen. Die können wir nicht alle auf dem Briefbogen veröffentlichen" 136
Daraufhin stellte Klausing zusammenfassend aufgrund von Zwischenrufen fest, daß starke Bedenken gegen eine Veröffentlichung der Namen entsprechend § 100 des Aktiengesetzes bestanden. Ein ähnlicher Vorschlag, der die Veröffentlichungen auf Briefbögen betraf, wurde von dem Bankier von Breska in der vierten Ausschuß-Sitzung gemacht. Er betraf allerdings die Veröffentlichung der Höhe des Stammkapitals; von Breska trat dafür ein, eine gewisse Publizität dadurch einzuführen, „ daß die Höhe des Kapitals und die evtl. Volleinzahlung auf dem Briefbogen aufgedruckt sein müssen. Also der §100 des Aktiengesetzes hat bei mir etwas Schule gemacht. " 137 Der Vorschlag fand ebenfalls nur vereinzelt Zustimmung. Ebbecke war zunächst über den Vorschlag sehr erfreut gewesen, „weil das Streben nach Solidität darin so stark zum Ausdruck kommt. " 1 3 8 Der Vorschlag sei aber in der Praxis, insbesondere bei kleineren GmbH, nicht durchführbar. Auch Klausing wandte ein, daß die Angaben dann oft ergänzt werden müßten, was unpraktisch sei. 139 Einer der Vertreter der Wirtschaft, Breidenstein, befürwortete Breskas Vorschlag: „Den Ausführungen von Herrn Direktor Ebbecke kann ich nicht folgen., [...]. Wir müssen doch davon ausgehen, daß wir die Anonymität in gewissem Umfange auflockern wollen. Bei der Aktiengesellschaft ist es anders. Da kann sich jeder anderweitig unterrichten über die Verhältnisse."140 134 135 136 137 138 139 140
Quassowski, in Schubert, GmbHR-Protokolle, S.373. Klausing, Ebbecke, in Schubert, GmbHR-Protokolle, S.374. Schubert, GmbHR-Protokolle, S.88. Breska, in Schubert, GmbHR-Protokolle, S.259. Ebbecke, in Schubert, GmbHR-Protokolle, S.281. Klausing, in Schubert, GmbHR-Protokolle, S.283. Breidenstein, in Schubert, GmbHR-Protokolle, S.284.
Β. Auswirkungen der Diskussion um die Haftungsbeschränkung
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Klausing erwiderte hierzu, daß er es nicht richtig fände, „die GmbH, in ihrer Rechtsform dadurch wieder etwas zu stigmatisieren, daß man gerade von ihr Kapitalangabe verlangt" 141. Vorschläge zur Auflockerung und „Bekämpfung " der Anonymität konnten sich im Ausschuß also kaum durchsetzen. Die Angabe der Höhe des Stammkapitals wurde nur teilweise befürwortet. Ebenso die Angabe der Gesellschafter-Namen, was mit Praktikabilitätsgesichtspunkten begründet wurde. Lediglich die Angabe von Geschäftsführer-Namen fand allseitige Zustimmung in den Reihen der Ausschußmitglieder, wodurch eine leichte Annäherung an § 100 AktG gegeben war. Die Einführung von Bilanzierungsvorschriften wurde aber abgelehnt. Ebbecke hatte bereits dargelegt, daß seine Vorschläge von dem Standpunkt ausgingen, daß die GmbH „künftighin durchaus eine Personalgesellschaft mit beschränkter Haftung sein" solle. 142 Zum Abschluß der 5. Sitzung, in welcher Ebbekke sein Referat über die Geschäftsführung gehalten hatte, führte Klausing diesbezüglich aus: „Ich billige die Tendenz, die Herr Ebbecke vertritt, die Tendenz nämlich, daß bei der Geschäftsführung der GmbH, der Gesellschaftscharakter stark betont werden sollte."143
Die Ablehnung der Bilanzierungsvorschriften spricht insoweit, neben der wehrwirtschaftlichen Begründung, auch für eine dogmatisch begründete Grundhaltung, wonach die GmbH mehr als eine Personengesellschaft gesehen wurde. 3. Auslese der Führer Das Prinzip der Auslese war als wettbewerbstheoretischer Aspekt insbesondere von Großmann-Doerth angesprochen und immer wieder als Argument für ein Wirtschaftssystem mit unbeschränkter Haftung benutzt worden. In diesem Sinne hatte Großmann-Doerth das nach außen wirkende Prinzip der Auslese auch in seinem Referat in der ersten Ausschußsitzung vertreten. 144 Klausing hatte bereits früher in der Literatur darauf hingewiesen, daß man das Ausleseprinzip nicht als liberalistisches Prinzip der vergangenen Epoche ablehnen sollte, sondern daß man es sich durchaus auch im NS-Staat zunutze machen könne.145 Insoweit hatte sich das Prinzip in Verbindung mit seiner allgemeinen politischen Bedeutung zu einem typisch nationalsozialistischen Schlagwort entwickelt. In den Ausschußsitzungen hatte Klausing seine Meinung dann allerdings dahingehend präzisiert, daß auch mit der GmbH eine Wirtschaftsform nach dem Ausleseprinzip im Sinne des Überlebens der Tüchtigeren durchaus möglich sei, da sich die GmbH selbst ja dem Prinzip der Aus141 142 143 144 145
Klausing, in Schubert, GmbHR-Protokolle, S.287. Ebbecke, in Schubert, GmbHR-Protokolle, S.239. Klausing, in Schubert, GmbHR-Protokolle, S. 396. Vgl. oben, Α.Ι.,Α.ΙΙ. Klausing, DJZ 1935, Sp. 1135 (1140), vgl. oben, Kapitel 2, D. I.
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4. Kap.: Die Beratungen des Ausschusses für GmbH-Recht
lese gar nicht entziehe.146 Mit der Ablehnung der Gedanken Großmann-Doerths und dem grundsätzlichen Fürsprechen bezüglich der Beibehaltung der GmbH, war allerdings auch das Ausleseprinzip, wie es von Großmann-Doerth vertreten worden war, hinfällig geworden, da sich ein solches striktes Prinzip im wirtschaftlichen Sinn eben nur in einem System der unbeschränkten Haftung realisieren ließ. Daher wurde dieser Aspekt der Auslese in den Ausschußsitzungen vernachlässigt und nicht weiter diskutiert. 147 Lediglich der Diskussionspunkt der Auslese im Innenverhältnis, das heißt, die Auslese der Geschäftsführer, wurde von Klausing aufgegriffen. Die Mitglieder bezogen hierzu jedoch keine Stellung. In der Literatur hatte vor allen Dingen Crisolli bereits gefordert, daß niemand Geschäftsführer werden dürfe, wer eine Vermögensstraftat begangen oder den Offenbarungseid geleistet hatte oder über „dessen eigenes oder von ihm vertretenes Vermögen einer juristischen Person in den letzten zehn Jahren Konkurs eröffnet oder mangels Masse abgelehnt worden war". 148 Die Kontrolle hierüber hätte Crisolli gerne bei den Registerrichtern gesehen, was bereits in der Literatur auf Kritik gestoßen war. Im Anschluß an das Referat Ebbeckes zur „ Geschäftsführung " in der fünften Sitzung vom 6. und 7. Mai 1938 faßte Klausing eine Liste mit Punkten zusammen, welche unter den Ausschußmitgliedern zu diskutieren waren; hier findet sich unter der Nr. 12 der Eintrag: „Person der Geschäftsführer: Es ist vorgeschlagen worden, man sollte bestimmen, daß Geschäftsführer nicht werden dürfe, wer wegen Konkursvergehens bestraft worden sei oder wem die bürgerlichen Ehrenrechte wegen eines Wirtschaftsdeliktes aberkannt sind."149
Zu einer Diskussion dieses Punktes kam es in dieser Sitzung jedoch nicht mehr, und auch in den darauffolgenden Protokollen wird der Gedanke nicht aufgegriffen, da andere Punkte wichtiger zu sein schienen. Eine weitere Stellungnahme des Ausschusses zur „Auswahl der Führer" fehlt also. Lediglich die Haftung der Gesellschafter für eine eventuelle schlechte Auswahl der Führer wurde diskutiert. 150 Auch dieser Punkt der ideologisch spezifischen Vorschläge wurde also vom Ausschuß vernachlässigt und von praxisrelevanteren Fragen der Wirtschaftlichkeit der GmbH überlagert. 146
Klausing, in Schubert, GmbHR-Protokolle, S. 125 f., vgl. oben, A.I. Vgl. beispielsweise Senatspräsident Kolb, in Schubert, GmbHR-Protokolle, S.45: „Gewiß führt sodann die unbeschränkte Haftung zur Ausmerzung wirtschaftlich unfähiger oder ungeeigneter Elemente, bei der Einzelfirma und den Personalgesellschaften aber in der Regel auf dem Weg des Zusammenbruchs des Unternehmens, bei der GmbH. besteht dagegen die Möglichkeit, z.B. den Geschäftsführer, der sich als wenig geeignet erwiesen hat, von seinem Posten zu entfernen und auf diese Weise gerade den Zusammenbruch des Unternehmens zu vermeiden. " 148 Crisolli, NS-Handbuch, S. 1155 (S. 1163), vgl. oben, Kapitel 2, D. II. 149 Klausing, in Schubert, GmbHR-Protokolle, S. 346. 150 Großmann-Doerth, Klausing, Ebbecke, in Schubert, GmbHR-Protokolle, S. 348 ff. 147
Β. Auswirkungen der Diskussion um die Haftungsbeschränkung
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4. Ergebnis hinsichtlich des ideologischen Gehalts der Ausschußprotokolle Bezüglich der Diskussion nationalsozialistisch spezifischer Ideen, wie sie von der Literatur in den Jahren 1933 bis 1937 formuliert worden waren, ist in den Ausschußsitzungen nicht mehr viel zu verspüren. Zunächst ist hier die grundsätzliche Entscheidung für die Haftungsbeschränkung herauszustellen. Aus dieser Beibehaltung der GmbH resultierte zwar ein gewisses Rechtfertigungsbedürfnis zur Ausbildung von mehr Verantwortung als Ausgleich für die beschränkte Haftung. Auf die sich hieraus im einzelnen ergebenden Sicherungsvorschriften bezüglich der Aufbringung und Erhaltung des Stammkapitals in Anlehnung an das Aktienrecht wird im folgenden einzugehen sein. 151 Letztlich aber diskutierte die Mehrzahl der Ausschußmitglieder sehr pragmatisch an den wirtschaftlichen Bedürfnissen der GmbH orientiert. Eine gesetzliche Durchsetzung des Führerprinzips ließ sich nicht bewerkstelligen, weil, wie Ebbecke hervorgehoben hatte, die notwendige Elastizität für die GmbH sonst nicht gewährleistet würde. Publizitätsvorschriften scheiterten an den Vorgaben Quassowskis, die auf die wehrwirtschaftlich bedeutsame Geheimhaltung von Jahresbilanzen und Geschäftsberichten abstellten. Im übrigen wollte man weder bei der Ausgestaltung der Führung, noch bei der Frage nach Publizitätsvorschriften eine zu starke Anlehnung an das Aktienrecht vornehmen. Die Fragen der Führerauswahl und einer allgemeinen Auslese wurden völlig vernachlässigt. Die bewußte Abgrenzung vom Aktienrecht spielt eine zentrale Rolle in den Ausschußsitzungen. Auf die Ausnahmen, die im wesentlichen den Gläubigerschutz, also mithin die GmbH in ihrer Außenwirkung betreffen, werde ich im folgenden eingehen, bevor dann die Tendenz zur Ausgestaltung der GmbH in möglichst enger Anlehnung an die Personengesellschaften im einzelnen genauer untersucht wird. 152 II. Sicherungsvorschriften als Ausgleich zur Haftungsbeschränkung 1. Aufbringung des Stammkapitals Einigkeit herrschte unter den Ausschußmitgliedern darüber, daß viele der mit der GmbH getätigten Mißbräuche darauf zurückzuführen waren, daß die Haftungsgrundlage der Gesellschaft entweder nicht richtig aufgebracht oder unredlich wieder aus der Gesellschaft herausgeflossen war. Die Möglichkeiten des Mißbrauchs bei der Aufbringung und Erhaltung des Haftungsfonds wurden bereits im 1. Kapitel dargestellt. Angefangen bei der Sacheinlage, über die Möglichkeit der freien Bewertung und der fehlenden Kontrolle bis hin zu der Tatsache, daß die Einzahlung nur eines Viertels einer Einlage ausreichte, gab es eine Reihe von Möglichkeiten, 151 152
Vgl. im folgenden unten, II. 1. Vgl. hierzu unter C.
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4. Kap.: Die Beratungen des Ausschusses für GmbH-Recht
ein Stammkapital nach außenhin als vorhanden darzustellen, welches in Wirklichkeit nicht oder nur kaum vorhanden war. Zur Sicherung der Aufbringung des Stammkapitals diskutierte der Ausschuß im wesentlichen zwei Punkte. Zum einen sollte die Haftung der Gesellschafter für die Fälle, daß das Kapital nicht richtig aufgebracht oder eine Sacheinlage nicht richtig bewertet worden war, verschärft werden. Für diesen Bereich wäre also das Prinzip der beschränkten Haftung durchbrochen gewesen. Zum anderen war eine Gewährleistung der Aufbringung und richtigen Bewertung des Kapitals aber auch durch eine Gründungsprüfung in Anlehnung an das Aktienrecht möglich. Die sich um diese Problemkreise drehende Diskussion verdient ebenfalls ihre besondere Aufmerksamkeit unter dem Aspekt, daß hier wiederum durch das Befürworten der einen oder anderen Möglichkeit deutlich wird, daß die GmbH in dem Zwiespalt zwischen AG und oHG stand. Während die Vorschriften einer Gründungsprüfung in Anlehnung an die AG erfolgen sollten, hätte andererseits die Durchbrechung des Prinzips der beschränkten Haftung die Betonung der Gesellschafterstellung in ihrer Ähnlichkeit zu derjenigen eines oHG-Gesellschafters deutlich gemacht. Auf die Unzulänglichkeiten der geltenden Vorschriften bezüglich der Sicherung des Stammkapitals ging Klausing in der 3. Sitzung am 10. und 11. Dezember 1937 ein. Danach waren insbesondere die Regelungen bei der Aufbringung des Kapitals während des Gründungsvorganges zu lückenhaft: „Es fehlen nicht nur Vorschriften über die Haftung von Sacheinlagen, sondern es fehlt auch eine klare Feststellung, wie es mit der Haftung für die Stammeinlage überhaupt steht. Wir haben nur eine pro-rata-Haftung der Gesellschafter bei Bareinlagen. Diese Regelung ist vielfach - [...] - als unzulänglich empfunden worden. Es fehlen auch Vorschriften über die Gründerhaftung, die entbehrlich sein würden, wenn alle Gesellschafter für eine tatsächliche Aufbringung eine gesamtschuldnerische Haftung zu übernehmen hätten."153
Die Mißstände bei der Aufbringung des Stammkapitals konnten nach Klausing also auf zwei verschiedenen Wegen behoben werden. Entweder durch eine Gründungsprüfung bzw. eine Gründerhaftung oder durch eine Haftung für Sacheinlagen und eine Änderung der bestehenden pro-rata-Haftung bei Bareinlagen in eine gesamtschuldnerische persönliche Haftung der Gesellschafter. Die persönliche Haftung der Gesellschafter für die Aufbringung von Bareinlagen, als Ausnahme von der Haftungsbeschränkung, gab es bereits. Aus dem Prinzip der GmbH folgte, daß ein Gesellschafter, sobald er einmal seine Einlage geleistet hatte, grundsätzlich nicht mehr zur Haftung herangezogen werden konnte (§13 Abs. 2 GmbHG). Eine Ausnahme zu dieser Haftungsfreistellung sah das GmbHG jedoch zur Sicherung des Haftungsfonds der Gesellschaft dann vor, wenn das Kapital nicht vollständig aufgebracht worden war. Die Haftung für das nicht vollständig aufgebrachte Kapital fand ihren Ausgangspunkt in der Tatsache, daß die Stammeinlagen nicht vollständig eingezahlt werden 1
s i n
in Schubert, GmbHR-Protokolle, S . 4 .
Β. Auswirkungen der Diskussion um die Haftungsbeschränkung
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mußten, sondern bei Bareinlagen zunächst nur die Einzahlung eines Viertels der Einlage zur Gründung ausreichte, § 7 Abs. 2 GmbHG: § 7 Anmeldung zur Eintragung in das Handelsregister.
(1) [···]· (2) Die Anmeldung darf nur erfolgen, nachdem von jeder Stammeinlage, soweit nicht andere als in Geld zu leistende Einlagen auf das Stammkapital gemacht sind, ein Vierteil, mindestens aber der Betrag von zweihundertfünfzig Reichsmark eingezahlt ist.
Verzögerte sich die Einzahlung der (restlichen) Stammeinlage bei einem Gesellschafter, so konnte dieser mit seinem Geschäftsanteil nach § 21 GmbHG ausgeschlossen werden (Kaduzierung). Für den rückständigen Betrag blieb er der Gesellschaft verhaftet nach § 21 Abs. 3 GmbHG; war der Betrag nicht zu erlangen, so konnte der Geschäftsanteil im Wege öffentlicher Versteigerung verkauft werden (§ 23 GmbHG), für Verluste hafteten jedoch die übrigen Gesellschafter, wie aus § 24 GmbHG hervorging: § 24 Kollektivhaftung der Mitgesellschafter Soweit eine Stammeinlage weder von den [sie] Zahlungspflichtigen eingezogen noch durch Verkauf des Geschäftsanteils gedeckt werden kann, haben die übrigen Gesellschafter den Fehlbetrag nach Verhältnis ihrer Geschäftsanteile aufzubringen. Beiträge, welche von einzelnen Gesellschaftern nicht zu erlangen sind, werden nach dem bezeichneten Verhältnis auf die übrigen verteilt. 154
Eine solche Haftung „pro rata" barg also unter Umständen Risiken für die übrigen Gesellschafter, insbesondere für beispielsweise denjenigen Gesellschafter, der unter Aufbringung aller Vermögenswerte einen besonders großen Geschäftsanteil übernommen hatte und nun noch anteilig den ebenfalls größten Teil der fremden Stammeinlage aufbringen mußte. Der Kritikpunkt aus Gläubigersicht an dieser Regelung bestand aber darin, daß der Anspruch nur der Gesellschaft zustand, die als Gläubigerin gegen jeden einzelnen Gesellschafter nach dem Verhältnis seines Anteils vorgehen mußte. Diese in ihrer Ausgestaltung etwas umständliche pro-rata-Haftung war also eine Haftung der Gesellschafter gegenüber der GmbH, nicht gegenüber den Gläubigern der GmbH. Ebbecke hatte bereits in der ersten Sitzung auf eine Regelung des Schweizer Rechts hingewiesen, in deren Sinne er die Vorschrift des § 24 GmbHG gerne ausgebaut hätte.155 Der Rückgriff auf das wegen seines geringen Alters als fortschrittlich geltende Schweizer Recht ist für sich schon bezeichnend, da in der Schweiz die GmbH im Sinne des Oechelhäuserischen Entwurfs individualistisch in Anlehnung 154 Die Vorschrift gilt bis heute unverändert. Vgl. GmbHG, Fassung zuletzt geändert durch Handelsrechtsreformgesetz vom 22.6.1998 (BGB1.I 1998, S. 1474), das in den §§21-23 das Verfahren von Kaduzierung, Haftung der Rechtsvorgänger und Versteigerung unverändert beibehalten hat. 155 Ebbecke bezog sich ebenfalls auf § 31 Abs. 3 GmbHG, der aber die Frage der Erhaltung des Kapitals betrifft, siehe hierzu unten, II. 2.
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4. Kap.: Die Beratungen des Ausschusses für GmbH-Recht
an das Personengesellschaftsrecht aufgebaut war. 156 Die betreffende Vorschrift des § 802 Schweizer ZGB 1 5 7 lautete: „Die Gesellschafter haften nach den für die Kollektivgesellschaft geltenden Vorschriften für alle Verbindlichkeiten solidarisch, jedoch nur bis zu der Höhe des eingetragenen Stammkapitals. Sie werden von dieser Haftung in dem Maße befreit, als dieses Stammkapital eingezahlt worden ist. Diese Befreiung tritt nicht ein, wenn das Kapital durch überreichen oder ungerechten Bezug von Gewinnbeträgen oder Zinsen vermindert worden ist. Sie sind nach Maßgabe ihrer Stammanteile zum Rückgriff berechtigt."158
Der Unterschied dieser Schweizer Regelung zum geltenden GmbHG bestand - neben der solidarischen statt der pro-rata-Haftung - darin, daß die Gesellschafter direkt den Ansprüchen der Gläubiger ausgesetzt waren, statt wie nach Deutschem Recht nur der Gesellschaft gegenüber für den Einlagenbetrag haftbar zu sein. 159 Des weiteren bezog sich die Schweizer Regelung auf das gesamte Stammkapital, unabhängig von der Erbringung einer Einlage in bar oder durch Sacheinlage. Das deutsche Recht betraf nur Fälle der Haftung für das Nichteinzahlen einer Geldeinlage.160 Darüber hinaus stellte die gesamtschuldnerische Haftung eine zusätzliche Erleichterung für die Gläubiger der GmbH dar, die sich aussuchen konnten, welchen der Gesellschafter sie in voller Höhe in Anspruch nehmen würden ohne mit der Frage des Ausgleichs der Gesellschafter untereinander konfrontiert zu werden. Ebbecke wies auf die durch die solidarische Haftung hervorgerufene stärkere Bindung der Gesellschafter untereinander hin. Wer allein auf die ganze Summe hafte, werde sich seine Mitgesellschafter wegen der Rückgriffsmöglichkeit gut aussuchen. Aber auch auf die hierdurch entstehende Nähe zur oHG wies Ebbecke später hin: „Das ist der eine Vorteil der schweizerischen Regelung, und ich glaube, daß das grundsätzlich Gesunde dieser Regelung darin liegt, daß man nicht eine kleine Aktiengesellschaft konstruiert, sondern eine andere Form der Offenen Handelsgesellschaft, wobei die Haftung beschränkt ist, aber trotzdem im Prinzip die persönliche Haftung aufrechterhalten ist, [...]" 161
In der Tat bedeutete die Einführung einer solchen subsidiären persönlichen gesamtschuldnerischen Haftung einen Einschnitt in das Prinzip der beschränkten Haf156 Vgl. Steiger, Obligationenrecht, Einleitung, Rn.22: „Schon dieser erste Entwurf basierte auf den Ideen Oechelhäusers, also auf der PersonengesellschaftRn.24: „So wird [im Rahmen der Gesetzgebung, Anm. d. Verf.] eine Lösung vorgeschlagen, die, im Gegensatz zu der deutschen Gesetzgebung, auf der Personengesellschaft beruht (Entwurf Οechelhäuser), und deutlich individualistisches Gepräge trägt, in Verbindung jedoch mit aktienrechtlichen Vorschriften zum Schutze des Publikums. " 157 Vgl. bereits oben, Fn.34, ebenfalls Kapitel 1, B.I. 158 Von Ebbecke vorgestellt als Art. 180 des Schweizer Obligationenrechts von 1936, vgl. Schubert, GmbHR-Protokolle, S.37 (Ebbecke) aber auch S. 193 f. (Klausing). 159 Steiger, §778 Rn.21. 160 Vgl. zur Herausstellung der Unterschiede bei Schubert, GmbHR-Protokolle, S. 119 f. 1 e e , in Schubert, GmbHR-Protokolle, S . .
Β. Auswirkungen der Diskussion um die Haftungsbeschränkung
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tung. Obwohl die Gesellschafter ihre Einlage vollständig erbracht haben, haften sie zusätzlich für die rückständigen Beträge eines anderen Gesellschafters 162 , was also ihrem anfänglich angenommenen Haftungsrisiko (nur) in Höhe ihrer Einlage widerspricht. Gegen die Erweiterung dieser, schon nach damalig geltendem Recht bestehenden, Ausnahme vom Prinzip der Risikobegrenzung wandte sich Rechtsanwalt Dr. Schwarz: „Was die andere Frage angeht, ob Bedenken erhoben werden müssen gegen den Uebergang zur schweizerischen Solidarhaftung, so muß ich sagen, daß ich mich wundere, daß doch von einer ganzen Reihe von Herren diese Frage so unbedenklich bejaht wird. Ichfinde, daß man sich darüber im klaren sein sollte, daß man mit jedem Ausbau der §§24 und 31 des GmbH.Gesetzes, die an sich schon einen Fremdkörper darstellen, die Denaturierung der Rechtsnatur dieser auf beschränkte Haftung eingestellten Gesellschaftsform weitertreibt. [...]. Ich bin zu einem endgültigen Schluß noch nicht gekommen, aber ich wundere mich, daß so wenig Bedenken gegen diese an sich prinzipienwidrige Ausdehnung der Haftung erhoben werden, und ich habe das Gefühl, daß damit die Forderung eines Vertrauens zwischen den Gesellschaftern einer GmbH, aufgestellt wird, der die Wirklichkeit nicht gerecht werden kann, [...]." 163 Dr. Schwartz ist hier aber das einzige Ausschußmitglied, welches eine enge Anlehnung an das Personengesellschaftsrecht nicht befürwortete. Nach der Diskussion in der ersten Sitzung, setzte der Vorsitzende in der dritten Ausschußberatung vom 10. und 11.12.1937 die gesamtschuldnerische Haftung der Gesellschafter auf die Tagesordnung: „Gesamtschuldnerische Haftung sämtlicher Gesellschafter für tatsächliche Aufbringung des Stammkapitals: a) Übernahme der schweizerischen Regelung? Diese umfaßt in einer einzigen Bestimmung auch die Erhaltung des Stammkapitals (Verbot gesetzwidriger Ausschüttung). §802 Schw. ZGB. lautet: ,Die Gesellschafter haften nach den für die Kollektivgesellschaft geltenden Vorschriften (578 ff.) für alle Verbindlichkeiten der Gesellschaft solidarisch, jedoch nur bis zu der Höhe des eingetragenen Stammkapitals (773,781 Ziff.5). Sie werden von dieser Haftung in dem Maße befreit, als dieses Stammkapital einbezahlt (798) worden ist. Diese Befreiung tritt nicht ein, wenn das Stammkapital durch Rückleistung oder durch den ungerechtfertigten Bezug (806) von Gewinnbeträgen oder von Zinsen, ausgenommen Bauzinse (804) vermindert worden ist. Sie sind unter sich nach Maßgabe ihrer Stammeinlage zum Rückgriff berechtigt. [·..].' Hierdurch könnten Sonderbestimmungen der §§24, 30-32 vielleicht entbehrlich oder wesentlich vereinfacht werden. [...] oder b) Grundsätzliche Beibehaltung der Regelung im geltenden GmbHG., jedoch Ausbau des § 24: Gesamtschuldnerische Haftung an Stelle der pro-rata-Haftung? [...]." 164 162 163 164
Und ebenso für die wieder hinausgeflossenen Beträge, vgl. unten, II. 2. Schwartz, in Schubert, GmbHR-Protokolle, S.81. Klausing, in Schubert, GmbHR-Protokolle, S. 193 f.
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4. Kap.: Die Beratungen des Ausschusses für GmbH-Recht
Der Unterschied zwischen einem in den §§24, 31 Abs. 3 GmbHG geänderten Deutschen und dem Schweizer System hätte also nach wie vor nur noch in der Stellung des Anspruchsinhabers (Schweiz: neben der GmbH auch die Gläubiger selbst, Deutschland: nur die GmbH) und materiell in der Haftung für das gesamte Kapital (Schweiz: auch für Sacheinlagen) oder nur für die Geldeinlagen (Deutschland) bestanden. Über die Änderung der „pro rata" in eine gesamtschuldnerische Haftung, gleich nach welchem Modell, bestand aber Einigkeit. Auf die Tatsache, daß die Einführung einer gesamtschuldnerischen Haftung für sich genommen wiederum den Willen zur Annäherung an das Recht der Personengesellschaft zeigte, werde ich im weiteren Verlauf dieses Kapitels noch einmal zurückkommen und genauer eingehen.165 Die Vertreter des Reichsjustizministeriums hingegen bevorzugten statt der Haftungsverschärfung die Variante der amtlichen Gründungsprüfung. Ein Einstehen für die obligatorische Gründungsprüfung hatte sich im weiteren Verlauf der Beratungen des Ausschusses zunächst aus der Frage heraus entwickelt, wie eine Haftung für die Bewertung von Sacheinlagen auszugestalten sei. 166 Ebbecke sprach sich auch hier für eine Haftung aller Gesellschafter aus statt nur desjenigen, der die Einlage eingebracht hatte 167 , Klausing wies auf die Möglichkeit eines Entlastungsnachweises hin. 168 Die Frage nach dem Umfang der Verantwortlichkeit der Gesellschafter für die richtige Bewertung von Sacheinlagen hing aber naturgemäß mit der Frage nach einer Prüfung zusammen. Hierauf wies der Vertreter des Reichsjustizministeriums Amtsgerichtsrat Herbig hin: „Die Frage der Haftung der Gesellschafter ist eng mit der Frage verknüpft, ob eine Gründungsprüfung stattfindet oder nicht. Wenn die Gründung obligatorisch geprüft wird, kann man sich mit einer Verschuldenshaftung vielleicht mit umgekehrter Beweislast begnügen. Wenn aber die Gründungsprüfung nicht eingefühlt wird, dann wird man eine strenge Einstandspflicht der Mitgesellschafter einführen müssen."169
Ebbecke vertrat den Standpunkt, daß sich eine Prüfung der Richtigkeit des angegebenen Wertes einer Sacheinlage innerhalb des Gesellschafterkreises automatisch ergebe, wenn alle gemeinsam für die Bewertung dieser Einlage haften würden und lehnte daher eine staatliche Prüfung ab. Quassowski hingegen führte aus: „In unseren Kreisen ist sehr ernst der Gedanke der Einführung einer grundsätzlich obligatorischen Gründungsprüfung erwogen worden, gewissermaßen als Korrelat für die beschränkte Haftung, die ja bedeutet, daß den Gläubigern als Haftungsgrundlage nur das Stammkapital zur Verfügung steht. Infolgedessen muß das Gesetz dafür soigen, daß dieses Stammkapital tatsächlich eingebracht wird. Dafür ist die obligatorische Gründungsprüfung 165 166 167 168 169
Vgl. unten unter C. Vgl. Klausing, in Schubert, GmbHR-Protokolle, S.201. Ebbecke, in Schubert, GmbHR-Protokolle, S.204. Klausing, in Schubert, a. a. O. Herbig, in Schubert, GmbHR-Protokolle, S.202.
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am besten geeignet, weil sie ein vorbeugendes Mittel ist; die Haftung der Gesellschafter nützt den Gläubigem nichts, wenn die Gesellschafter nichts haben. Die Rücksichtnahme auf die Interessen der Gläubiger dürfte es rechtfertigen, daß das Gesetz zwingend die obligatorische Gründungsprüfung einführt." 170
Dabei sollte es sich jedoch hauptsächlich nur um die Prüfung der Sacheinlagen handeln, und auch von dieser könne der Registerrichter eine Ausnahme machen, wenn er die Erbringung einer Einlage als nachgewiesen ansehe. Auch der Ministerialvertreter und Oberlandesgerichtsrat Friedrich unterstützte Quassowskis Ansicht: „Die Ausführungen des Herrn Ebbecke führen zwangsläufig zur fakultativen Prüfung, die aber deswegen nicht ausreicht, weil sich ihrer nur die soliden Unternehmer bedienen werden. Wir wollen deshalb einen Schritt weitergehen und die obligatorische Prüfung einführen. [...] Wenn Herr Ebbecke gesagt hat, daß die Bewertung von Sacheinlagen im wesentlichen eine Sache der Gesellschafter sei, [...], so wird dabei übersehen, daß auch hier die Interessen der Gläubiger eine entscheidende Rolle spielen und berücksichtigt werden müssen. Daß es mit den Sacheinlagen nicht weiter so gehandhabt werden kann, wie bisher, beweist die Erfahrung der letzten 40 Jahre."171
Eine Verschärfung der Gründungsvorschriften hätte aber eben auch eine Anlehnung an das Aktiengesellschaftsrecht bedeutet. Die Vertreter der Wirtschaft favorisierten daher das Modell einer Haftung aller Gesellschafter für die Bewertung der Sacheinlage und eine dadurch hervorgerufene inzidente Prüfung, sowie eine persönliche gesamtschuldnerische Haftung aller Gesellschafter für die Aufbringung des Stammkapitals. Ebbecke sagte, es liege im übrigen „in der Natur der Sache, daß die Herren im Justizministerium mehr für die amtliche Prüfung sind, während ich als Unternehmer mehr für die fakultative Prüfung bin." 172 Klausing wies darauf hin, daß auch ein Nebeneinander von „Haftung für die kaufmännisch richtige Bewertung " und obligatorischer Gründungsprüfung denkbar wäre. 173 Die Diskussion verlor dann später etwas an Gewicht, als von Knierim in der 4. Sitzung vom 25. und 26.2.1938 den Vorschlag machte, bei Bargründungen Volleinzahlung der Stammeinlage zu fordern 174, was eine Aufhebung des eingangs erwähnten § 7 Abs. 2 GmbHG bedeutet hätte. Statt der bisherigen Möglichkeit, nur ein Viertel der Stammeinlage zu leisten, solle man Volleinzahlung der Anteile verlangen, wodurch sich neben einer Reihe anderer Probleme 175 auch eine Neufassung des § 24 GmbHG erübrigt hätte. Dieser Vorschlag wurde fürsprechend diskutiert. Klausing äußerte Bedenken, daß hierdurch die Gesellschafter zu Sachgründungen verleitet werden könnten.176 Würdinger und Hallstein, mit Blick auf das ähnliche franzö170 171 172 173 174 175 176
1*
Quassowski, in Schubert, GmbHR-Protokolle, S.205. Friedrich, in Schubert, GmbHR-Protokolle, S.206f. Ebbecke, in Schubert, GmbHR-Protokolle, S.207. Klausing, in Schubert, GmbHR-Protokolle, S.209. Siehe Knierim, in Schubert, GmbHR-Protokolle, S. 302. Vgl. zum Beispiel für die Anwachsung unten, unter C., 1.1. Klausing, in Schubert, a. a. Ο.
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4. Kap.: Die Beratungen des Ausschusses für GmbH-Recht
sische und ungarische Recht, stimmten jedoch zu 177 ; ebenso sah sich Ebbecke des „Beifalls der Öffentlichkeit sicher "; es sei ein „ungeheurer Beitrag zur Solidität der GmbH. ". m Auch Tewaag äußerte sich positiv und Friedrich wies auf die Erleichterung hin „für diejenigen, die die Aufgabe haben, nachher das Gesetz zu entwerfen".
m
Es blieb somit der Konflikt zwischen einer (gesamtschuldnerischen) Haftung aller Gesellschafter für die richtige Bewertung von Sacheinlagen und einer damit verbundenen automatischen Prüfung bei der Gründung gegen die von den Vertretern des Reichsjustizministeriums geforderte obligatorische Gründungsprüfung im Hinblick auf die Sicherung der Aufbringung des Stammkapitals. Mit der Entscheidung für das eine oder das andere wäre gleichzeitig auch wiederum eine Richtungsentscheidung in Annäherung an die oHG oder an die AG verbunden gewesen; aber auch ein Nebeneinander dieser beiden Vorschläge war, nach dem Hinweis Klausings, denkbar und in einem zukünftigen Gesetz in Erwägung zu ziehen. An dieser Stelle blieb also das Ergebnis der Beratungen offen. 2. Erhaltung des Stammkapitals Die Erhaltung des Stammkapitals wurde ebenfalls ausführlich in der 3. und 4. Sitzung des Ausschusses besprochen. Wer die Wohltat der Haftungsbeschränkung beanspruchen wolle, so Ebbecke180, sollte dies nur dann können, solange die Sicherheit des haftenden Sachvermögens gewährleistet sei. Nach der bisherigen Rechtslage beschränkte sich § 30 GmbHG darauf, anzuordnen, daß das zur Erhaltung des Stammkapitals erforderliche Vermögen nicht an die Gesellschafter ausgezahlt werden durfte: §30 Erhaltung des Stammkapitals - Rückzahlung von Nachschüssen (1) Das zur Erhaltung des Stammkapitals erforderliche Vermögen der Gesellschaft darf an die Gesellschafter nicht ausgezahlt werden. (2) [...].
Zur Deckung eines zu Unrecht ausgezahlten Betrages sah § 31 GmbHG, ebenso wie § 24 GmbHG bei der Aufbringung des Stammkapitals, eine pro-rata-Haftung der Mitglieder vor: §31 Rückerstattungspflicht - Haftung der Mitgesellschafter - Ersatzpflicht der Geschäftsführer (1) Zahlungen, welche den Vorschriften des § 30 zuwider geleistet sind, müssen der Gesellschaft erstattet werden. 177 178 179 180
Hallstein, in Schubert, GmbHR-Protokolle, S.303. Ebbecke, in Schubert, a. a. O. Tewaag, Friedrich, in Schubert, GmbHR-Protokolle, S. 304. Schubert, GmbHR-Protokolle, S.80.
Β. Auswirkungen der Diskussion um die Haftungsbeschränkung
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(2) [...]. (3) Ist die Erstattung von dem Empfänger nicht zu erlangen, so haften für den zu erstattenden Betrag, soweit er zur Befriedigung der Gesellschaftsgläubiger erforderlich ist, die übrigen Gesellschafter nach dem Verhältnis ihrer Geschäftsanteile. [...].
Nachdem man in der 3. Sitzung mit Hinweis auf die Schweizer Regelung bereits für die Haftung bei der Aufbringung des Kapitals eine gesamtschuldnerische Haftung vorgeschlagen hatte, sollte dieses Prinzip auch hier bei der Erhaltung des Kapitals zur Anwendung gelangen. Insoweit kann auf die oben gemachten Ausführungen verwiesen werden. Klausing äußerte sich wie folgt: „§§30ff. GmbH.-G. bestimmen bereits nach geltendem Recht, daß ungesetzliche Auszahlungen zu einer Deckungspflicht der Gesellschafter führen, und zwar ist eine interne Dekkungspflicht mit einer pro-ram-Verteilung vorgesehen. Es ist klar, daß § 30 dem von uns vorgeschlagenen neuen Prinzip der gesamtschuldnerischen Haftung angepaßt werden muß."181
Aufgrund der bereits vorangegangenen Diskussion um die Aufnahme der gesamtschuldnerischen Haftung für die Aufbringung des Kapitals war die Übernahme dieses Grundsatzes für die Gewährleistung der Sicherung des Kapitals anscheinend so selbstverständlich, daß sich niemand mehr zu diesem Komplex äußerte, was Klausing selbst auch am Ende der Sitzung bemerkte. 182 Abermals ist hier die Hinwendung zum Recht der Personengesellschaften durch die Befürwortung einer gesamtschuldnerischen Haftung zu bemerken. Über die Änderung der Haftung hinaus schlug Klausing noch die Aufnahme einer Strafandrohung vor, zur Sicherung des Verbots der gesetzeswidrigen Ausschüttung. 183 In der 4. Sitzung vom 25. und 26. Februar 1938 ergänzten Friedrich und Kolb die Haftung noch um die Ausgestaltung, daß für den gutgläubigen Gesellschafter eine Haftung entfallen solle, soweit die Ausschüttung aufgrund einer Bilanz erfolgt war. 184 Als Sonderfälle der Rückgewähr des Stammkapitals soll noch ein Blick auf die Diskussion um die angemessene Geschäftsführervergütung, die Behandlung von Gesellschafterdarlehen im Konkurs und den Erwerb eigener Anteile geworfen werden. a) Angemessenheit von Geschäftsführergehältern Die vertragliche Vereinbarung überhöhter Geschäftsführergehälter war eine Möglichkeit, durch Anhäufung von Ansprüchen des Geschäftsführers gegenüber 181 182 183 184
Klausing, in Schubert, GmbHR-Protokolle, S.244. Klausing, in Schubert, GmbHR-Protokolle, S.250. Klausing, In Schubert, GmbHR-Protokolle, S.244. Vgl. Kolb, in Schubert, GmbHR-Protokolle, S.264.
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4. Kap.: Die Beratungen des Ausschusses für GmbH-Recht
der GmbH die den Gläubigern (im Konkursfall) zustehende Haftungsmasse der Gesellschaft zu verringern. Ebbecke warf im Rahmen seines Referats über „die Geschäftsführung der GmbH" in der 5. Sitzung vom 6. und 7. Mai 1938 die Frage auf, ob „sich das GmbH.-Gesetz um die Bezüge der Geschäftsführer bekümmern" solle. 185 Dabei stand man wiederum vor der Überlegung, die Bestimmungen des Aktiengesetzes auf die GmbH zu übertragen. Das Aktiengesetz hatte in der Vorschrift des § 78 AktG eine sogenannte „ Sozialklausel " eingeführt, welche die Gehälter der Vorstandsmitglieder in folgender Weise betraf: §78 Grundsätze für die Bezüge der Vorstandsmitglieder (1) Der Aufsichtsrat hat dafür zu sorgen, daß die Gesamtbezüge der Vorstandsmitglieder (Gehälter, Gewinnbeteiligungen, Aufwandsentschädigungen, Versicherungsentgelte, Provisionen und Nebenleistungen jeder Art) in einem angemessenen Verhältnis zu den Aufgaben des einzelnen Vorstandsmitglieds und zur Lage der Gesellschaft stehen. Dies gilt sinngemäß für Ruhegehälter, Hinterbliebenenbezüge und Leistungen verwandter Art. (2) Tritt nach der Festsetzung der Gesamtbezüge der Vorstandsmitglieder eine so wesentliche Verschlechterung in den Verhältnissen der Gesellschaft ein, daß die Weitergewährung der Bezüge eine schwere Unbilligkeit für die Gesellschaft sein würde, so ist der Aufsichtsrat zu einer angemessenen Herabsetzung berechtigt. [...] (3) Wird über das Vermögen der Gesellschaft das Konkursverfahren eröffnet und kündigt der Konkursverwalter den Anstellungsvertrag eines Vorstandsmitglieds, so kann dieses Ersatz für den ihm durch die Aufhebung des Dienstverhältnisses entstehenden Schaden nur für zwei Jahre seit dem Ablauf des Dienstverhältnisses verlangen.
Ebbecke vertrat erneut den Standpunkt, daß man insbesondere die kleineren und mittleren GmbH nicht mit der Übernahme einer derartigen Vorschrift belasten solle. Bei der herrschenden häufigen Identität von Gesellschafter und Geschäftsführer und der geringen Gesellschafterzahl sei dieser Gedanke vom finanziellen Interessensstandpunkt der Gesellschafter aus gesehen überaus überflüssig und entbehrlich. Das Interesse der Öffentlichkeit daran, daß zwischen „Führung" und „Gefolgschaft" keine sozialen Spannungen durch überhöhte nicht nachprüfbare Gehälter entstehen könnten, beziehe sich nur auf die großen Aktiengesellschaften, nicht aber auf die vielen kleineren GmbH. 186 In der sich anschließende Diskussion trat zunächst Quassowski für die Übernahme des § 78 AktG ein. Er sah keinen Unterschied in der Behandlung von GmbH und AG. Durch die aktienrechtliche Vorschrift solle das soziale Moment im Aktienrecht verankert werden, was im GmbH-Recht nicht anders sein könne.187 Auch Großmann-Doerth teilte diese Auffassung: 185 186 187
Ebbecke, in Schubert, GmbHR-Protokolle, S.340. Ebbecke, in Schubert, GmbHR-Protokolle, S.341. Quassowski, in Schubert, GmbHR-Protokolle, S.349.
Β. Auswirkungen der Diskussion um die Haftungsbeschränkung
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„Ich habe nicht recht verstehen können, warum § 78 etwas speziell Aktienrechtliches sein soll, wonach die Bezüge des Vorstandes in einem angemessenen Verhältnis zur Lage der Gesellschaft stehen sollen. Ich habe Herrn Ebbecke so verstanden, daß erreicht werden soll, daß nicht eine Verbitterung der Gefolgschaft eintritt. Ich meine doch, daß § 78 den Grundsatz zum Ausdruck bringt, daß das Volksvermögenrichtigverwendet werden soll und daß es keinerichtigeVerwendung ist, wenn der Vorstand zu hoch bezahlt ist. Dieser Gesichtspunkt trifft auch für die GmbH. zu. Ich denke, man muß den § 78 logischerweise auf die GmbH. übertragen." 188 Richter-Brohm wies sodann darauf hin, daß die Vorschrift in das Aktienrecht aufgenommen worden war, weil sich die A G an den breiten Kapitalmarkt wendet, was bei der G m b H fortfalle. Baue die G m b H sich auf den Schultern nur eines wichtigen Mannes auf, so müsse man es auch der G m b H überlassen, diesen Mann anständig zu bezahlen. Die Einführung einer Begrenzung sei daher verkehrt. 1 8 9 Ebbecke und Hallstein wiesen daraufhin, daß es bei den gegebenen Strukturen i m Aufbau der G m b H letztlich für den Gesellschafter-Geschäftsführer gleichgültig sei, ob er sein Geld als Geschäftsführergehalt oder als Gewinnausschüttung für den Gesellschafter bekomme. Anders als die Aktionäre bei der A G seien die Gesellschafter der kleineren G m b H eben gar nicht schutzbedürftig. 190 Großmann-Doerth und den Vertretern des Reichsjustizministeriums kam es aber darauf an, daß die Angemessenheit der Geschäftsführergehälter gerade auch die Gläubiger einer G m b H schützen solle 1 9 1 , damit durch überhöhte Gehälter nicht die Kapitalgrundlage der G m b H angegriffen würde: „Ich sehe den § 78 anders an. Keineswegs als eine Vorschrift, um die Aktionäre zu schützen. [...] Ich glaube, daß die Gläubiger ein Interesse daran haben, daß dies nicht an die Geschäftsführer ausgeschüttet wird, und §78 schützt also auch die Gläubiger."192 „Etwas anders liegt es aber wieder, soweit § 78 dem Schutz der Gläubiger dient, ein Gedanke, [...], der aber bei der GmbH, eine außerordentliche Rolle spielt, weil hier die Aushöh188
Großmann-Doerth, in Schubert, GmbHR-Protokolle, S. 350. Richter-Brohm, in Schubert, a.a.O. 190 Ebbecke, Hallstein, in Schubert, GmbHR-Protokolle, S. 350f. 191 Vgl. hierzu auch die Ausführungen Friedrichs, in Schubert, GmbHR-Protokolle, S. 355 bezüglich des Umgangs der Rechtsprechung mit dieser Problematik: „ Wie schützt man die Gläubiger gegen überspannte Gehaltsforderungen und -entnahmen der Geschäftsführer? Hier ist einer der Hauptgefahrenpunkte der GmbH. Die Rechtsprechung versucht, auf zwei Wegen Abhilfe zu schaffen. Liegen offenbar übermäßige Entnahmen vor, so handelt es sich um verschleierte Kapitalrückzahlungen, die nach §§30,31 beurteilt werden. [...] Einen anderen Weg geht das Kammergericht bei Gesellschaften, bei denen alle Gesellschafter zugleich Geschäftsführer sind. Hier vertritt es den Standpunkt, daß eine feste Gehaltsvereinbarung überhaupt unzulässig sei, weil die Geschäftsführer zugleich Unternehmer' seien. Ist kein Reingewinn vorhanden, so hält das Kammergericht jede Gehaltsentnahme, ohne Rücksicht auf die Höhe des Betrages, für unzulässig im Sinne der §§31,32. Daß diese strenge Rechtsprechung verhältnismäßig wenig bekannt geworden ist, hängt wohl damit zusammen, daß sie sich leicht umgehen läßt. Es wird ein Strohmann hereingenommen und dann fehlt die Voraussetzung, daß alle Gesellschafter zugleich Geschäftsführer sind. " 192 Großmann-Doerth, in Schubert, GmbHR-Protokolle, S.351. 189
264
4. Kap.: Die Beratungen des Ausschusses für GmbH-Recht
lung der GmbH, durch übermäßige Bezüge oft vorgenommen ist. [...]. Man muß jedenfalls prüfen, wie man die Gläubiger davor schützt, daß durch allzu hohe Bezüge der Gesellschafter-Geschäftsführer das gebundene Kapital an sie wieder zurückfließt." 193 „Der § 78 dient übrigens zweifellos zum Schutze der Gläubiger. Insofern ist die Sachlage bei Aktiengesellschaften und GmbH.s die gleiche."194
Hallstein und Ruth machten schließlich den Vorschlag, durch Übernahme des § 78 AktG keine gesonderte Vorschrift in das GmbH-Recht einzuführen, sondern den Gedanken mit der bestehenden Vorschrift des § 30 GmbHG zu verknüpfen, da schließlich dessen Gedanke durch die Angemessenheit der Gehälter zu verwirklichen sei: „Deshalb ist es notwendig, daß eine dem § 78 entsprechende Bestimmung über Angemessenheit dieser Gesamtbezüge in das Gesetz hineinkommt, vielleicht nicht wie im Aktienrecht, aber im Zusammenhang mit §30, daß also zum mindesten gesagt wird: ,Wenn angemessene Bezüge festgesetzt sind, gilt das nicht als Kapitalrückzahlung im Sinne der §§30 und 3 1 / " 1 9 5
Quassowski wies abschließend noch einmal darauf hin, daß man wohl auch keinen Unterschied machen könne zwischen großen und kleineren GmbH, da alle Gesellschaften gleichermaßen von sozialen Pflichten betroffen seien.196 Es kommt in dieser Diskussion sehr deutlich zum Ausdruck, daß abermals die Vertreter der Wirtschaft, allen voran Ebbecke, gegen eine Reglementierung und für eine möglichst freigiebige Gestaltung des kommenden GmbH-Rechts eintraten. Die Vertreter des Reichsjustizministeriums, daneben auch Großmann-Doerth, vertraten aber die Linie, welche die Einheitlichkeit des Gesellschaftsrechts, sowie der darin vertretenen Grundsätze der nationalsozialistischen Wirtschaft betonte. Es wird hier sehr schön die Verbindung deutlich, welche zwischen den Mißbräuchen mit der GmbH, den Grundsätzen der Volkswirtschaft im Dritten Reich und der Notwendigkeit einer Vorschrift zugunsten der Gläubiger gesehen wurde. Wenn dies auch in diesem Fall eher einen Randbereich des GmbH-Rechts betraf, so ist doch zu bemerken, daß zumindest die Vertreter des Reichsjustizministeriums die Grundsätze der NS-Wirtschaft nicht völlig zugunsten der Praktikabilität und Wirtschaftlichkeit aufgeben wollten. b) Gesellschafterdarlehen im Konkurs Die 3. Sitzung des Ausschusses vom 11. Dezember 1937 sah unter der Überschrift „Erhaltung des Stammkapitals " eine Regelung zur Behandlung von Gesell193
Herbig, in Schubert, GmbHR-Protokolle, S.353. Quassowski, in Schubert, GmbHR-Protokolle, S.355. 195 Ruth, in Schubert, GmbHR-Protokolle, S.360; zu Hallstein vgl. Schubert, GmbHR-Protokolle, S.353. 196 Quassowski, in Schubert, GmbHR-Protokolle, S.357. 194
Β. Auswirkungen der Diskussion um die Haftungsbeschränkung
265
schafterdarlehen im Konkurs als Tagesordnungspunkt vor. Klausing brachte drei Vorschläge zur Diskussion ein: „3. Sicherung der Gläubiger gegen Schädigung durch Gesellschafterdarlehen: a) Zinsbeschränkung für Gesellschafterdarlehen? b) Erleichterte Anfechtung bei Rückzahlung der Darlehen im Konkurs oder bei Zahlungsunfähigkeit der Gesellschaft? c) Vorrang der Gläubigerforderung vor Gesellschafterdarlehen im Konkurs der Gesellschaft?" 197
Bereits in der ersten Sitzung hatte Ebbecke das Problem der Gesellschafterdarlehen im Konkursfall kurz angeschnitten und angeregt, diese den Gesellschafteranteilen im Konkurs gleich zu stellen, „damit nicht die Möglichkeit entsteht, daß die Gesellschafter sich als Darlehens gläubiger etwas herausholen und die Konkursquote der wirklichen Gläubiger schädigen. " 1 9 8 In der Mehrzahl der Konkurse war es den Gesellschaftern durch Beanspruchung ihrer Darlehensforderungen gegenüber der GmbH möglich, selbst als mit den übrigen Gläubigern gleichberechtigte Forderungsträger aufzutreten. In seinem Referat der ersten Sitzung erwähnte Ebbecke kurz, er persönlich sei dafür, die Gesellschafterdarlehen im Konkurs hinter die Forderungen der echten Gläubiger zurücktreten zu lassen.199 Als Anlage zu den Protokollen der ersten Sitzung findet sich ebenfalls unter anderem die Stellungnahme der Leitung eines großen Familienunternehmens aufgrund einer Umfrage bei etwa 40 GmbH. Auch hier wurde das Problem und der Regelungsbedarf der Gesellschafterdarlehen gesehen, zumindest dem Vorsitzenden Klausing waren die Stellungnahmen bekannt.200 Eine ausführliche Diskussion zur Behandlung der Gesellschafterdarlehen im Konkurs fand nun zum Ende der 3. Sitzung statt. Ebbecke gab den entscheidenden Hinweis, daß die Gleichstellung von Darlehen und Geschäftsanteil im Konkurs nicht nur der Sicherung des Stammkapitals diene, sondern gerade auch mit der Bestrebung einhergehe, die GmbH als Personengesellschaft auszugestalten: „Mein Vorschlag, den ich in der ersten Sitzung gemacht habe, daß die Gesellschafterdarlehen hinter die Forderungen fremder Gläubiger zurücktreten müssen, entsprach meiner grundsätzlichen Einstellung, daß ich die GmbH, stark als Personengesellschaft betrachte und daß man den formalen Unterschied, ob jemand das Geld als Geschäftskapital oder als Darlehen gibt, für den Fall des Konkurses nicht entscheidend sein lassen sollte."201
Die Tatsache, daß hier den Mißbräuchen vorgebeugt werden mußte, stand außer Frage, allerdings machte es etwas Schwierigkeiten, zu bestimmen, was überhaupt ein Gesellschafterdarlehen sei. Die praktische Ausgestaltung einer Vorschrift er197 198 199 200 201
Klausing, in Schubert, GmbHR-Protokolle, S. 244. Ebbecke in Schubert, GmbHR-Protokolle, S.92. Ebbecke, in Schubert, GmbHR-Protokolle, S.39. Vgl. Schubert, GmbHR-Protokolle, S. 1 lOf. Ebbecke, in Schubert, GmbHR-Protokolle, S.246.
266
4. Kap.: Die Beratungen des Ausschusses für GmbH-Recht
schien ebenfalls schwierig, nicht zuletzt deshalb, weil nicht genau zu klären war, von welchem Zeitpunkt an oder unter welchen Umständen ein Darlehen als typisches „Gesellschafterdarlehen" anzusehen war, welches hinter den Forderungen der Gläubiger zurückzutreten hatte. Ebbecke sah einen „Betrag, der eine bestimmte Zeit im Geschäft gewesen ist " 202 als unechtes Darlehen, war sich aber klar darüber, daß dies noch zu ungenau war. Er wollte eine nähere Prüfung des Formulierungsvorschlags daher dem Justizministerium überlassen. Kolb sprach sich ebenfalls für eine Anfechtungsmöglichkeit der Darlehensrückzahlung im Konkurs aus und wies darauf hin, daß die Rechtsprechung sich bislang wiederholt auf den Standpunkt gestellt habe, daß allgemein eine Vermutung gegen ein Gesellschafterdarlehen spreche. 203 Von Breska wollte die Gesellschafterdarlehen unterscheiden nach der Dauer, für die sie in der Gesellschaft verblieben, 204 was von Zitzlaff bestätigt wurde. Langfristige Darlehen seien Beteiligungen, kurzfristige dagegen nicht. 205 In dem Moment, wenn eine Gesellschaft so stünde, daß kein anderer Gläubiger ein Darlehen mehr als Geldgeschäft geben würde, sei die Geldhingabe des Gesellschafters kein Darlehen mehr, sondern eine Beteiligung. Zur Frage, wann eine Geldhingabe durch einen Gesellschafter ein echtes Darlehen und wann es eine als Darlehen getarnte Beteiligung sei, bemerkte Friedrich zum Schluß der 3. Sitzung: „Jeder ist sich gefühlsmäßig darüber klar, daß es gewisse Darlehen von Gesellschaftern gibt, die im Konkurs mit den Forderungen anderer Gläubiger nicht gleich rangieren können. [...]. Ich möchte zu der Auffassung neigen, daß Darlehen, die in Wirklichkeit die Funktion von Einlagen auf das Stammkapital erfüllen, den Forderungen der Gläubiger gegenüber zurücktreten müssen."206
Über die Schaffung einer Möglichkeit der Anfechtung war sich der Ausschuß damit einig. Lediglich die Formulierung eines Tatbestandes fiel schwer. Hier bot sich nicht die Übernahme einer aktienrechtlichen Regelung an, da der Gedanke speziell im GmbH-Recht auftauchte und ohne gesetzliches Vorbild war. Die Verhinderung von Mißbräuchen brachte durch die Anfechtungsmöglichkeit der Gesellschafterdarlehen aber die GmbH wiederum näher an das Recht der Personengesellschaften heran, indem das Darlehen wie ein Geschäftsanteil behandelt würde. Bei der oHG hätte der Beteiligte zwar ebenfalls ein Darlehen geben können, aufgrund der unbeschränkten Haftung mit dem eigenen Vermögen wäre hier jedoch der Unterschied zwischen dem eigenem Vermögen und dem der oHG nur formal vorhanden gewesen. Eine Rückzahlung des Darlehens an den Gesellschafter im Konkursfall hätte 202
Ebbecke, in Schubert, GmbHR-Protokolle, S.247. Kolb, in Schubert, a.a.O. 204 Breska, in Schubert, GmbHR-Protokolle, S.248. 205 Zitzlaff, in Schubert, GmbHR-Protokolle, S.249. 206 Friedrich, in Schubert, GmbHR-Protokolle, S.250. Vgl. die heutige Formulierung, nach welcher kapitalersetzende Gesellschafterdarlehen solche Gelder sind, die in einem Zeitpunkt gegeben wurden, zu dem ein ordentlicher Kaufmann Kapital zugeführt hätte. 203
Β. Auswirkungen der Diskussion um die Haftungsbeschränkung
267
zwar ein Absinken des Vermögens der oHG bedeutet; hierfür hatte der Gesellschafter aber wiederum einzustehen, so daß die Rückzahlung eines Darlehens für ihn letztlich ohne Interesse war. Die gleiche Rechtslage wäre nun für die GmbH gegeben gewesen, wenn man die Rückzahlung des Darlehens anfechten könnte oder das Darlehen als Geschäftsanteil behandelte. Anders betrachtet konnte man damit die Anfechtungsmöglichkeit der Darlehensrückgewährung im Konkursfalle auch als weitere Durchbrechung des Prinzips der beschränkten Haftung betrachten.
c) Erwerb eigener Anteile Mit der Ausgestaltung der GmbH als juristische Person bestand für diese formal die grundsätzliche Möglichkeit, einem ihrer Gesellschafter einen Geschäftsanteil abzukaufen. Da sie dieses nur mit den ihr zur Verfügung stehenden Mitteln, also ihrem Kapital tun konnte, war hier eine Möglichkeit gegeben, durch Verkauf des Anteils von einem Gesellschafter an die Gesellschaft selbst einen verdeckten Rückfluß der Stammeinlage an den Gesellschafter zu erreichen, wodurch die Kapitalgrundlage gefährdet war. Hatte ein Gesellschafter beispielsweise ein sehr hohes Patent als Sacheinlage eingebracht, so war der Gesellschaft zwar der Wert des Patents, nicht aber auch der reale Geldbetrag als Kapital zugeflossen. Bezahlte die Gesellschaft dem Gesellschafter nun aber den realen Kaufpreis für die durch das Patent erbrachte Einlage, so wurdenflüssige Geldmittel aus der Gesellschaft abgezogen, was die Gefahr der Benachteiligung anderer Gläubiger der GmbH mit sich brachte. Bereits § 33 GmbHG sah daher ein Verbot für die Gesellschaft vor, eigene Anteile zu erwerben, die noch nicht voll eingezahlt waren, und stellte den Erwerb voll eingezahlter Anteile durch die Gesellschaft unter das Erfordernis, daß der Erwerb aus demjenigen Vermögen erfolgte, der über das Stammkapital hinaus vorhanden war: §33 Erwerb eigener Geschäftsanteile (1) Die Gesellschaft darf eigene Geschäftsanteile, auf welche die Stammeinlage noch nicht vollständig eingezahlt ist, nicht erwerben. (2) Sie soll auch eigene Geschäftsanteile, auf welche die Stammeinlage vollständig eingezahlt ist, nicht erwerben, sofern nicht der Erwerb aus dem über den Betrag des Stammkapitals hinaus vorhandenen Vermögen geschehen kann.
Da aber trotz dieser bereits vorhandenen Regelung eine Gläubigerbenachteiligung nicht völlig auszuschließen war (§ 33 Abs. 2 GmbHG war nur eine „Soll"-Vorschrift) lautete Punkt 8 der Tagesordnung der 4. Ausschußsitzung vom 25. und 26. Februar 1938: „Der Erwerb eigener Geschäftsanteile durch die GmbH, ist weiter zu beschränken. Es empfiehlt sich, §33 GmbHG. an §65 des neuen Aktiengesetzes anzugleichen. [...]." 207 207
Schubert, GmbHR-Protokolle, S.313.
4. Kap.: Die Beratungen des Ausschusses für GmbH-Recht
268
§ 65 Abs. 1 AktG 1937 erschwerte den Erwerb eigener Aktien dahingehend, daß nur ein Erwerb von einem Zehntel des Grundkapitals, und dieses auch nur zur Abwendung eines schweren Schadens, zulässig sei. Darüber hinaus sei ein Erwerb nur unentgeltlich oder in Ausführung einer Einkaufskommission zulässig.208 Abermals wird in der Diskussion zur Übernahme dieser Vorschrift deutlich, daß auch hier der bereits an vielen anderen Stellen diskutierte Konflikt wieder auftauchte, ob man die GmbH in Annäherung zur AG reformieren oder ihr die Züge einer Personengesellschaft verleihen sollte. Im Verlaufe der Diskussion zeigte sich der Gesichtspunkt, daß ein Erwerb eigener Anteile nicht zu einer als Personengesellschaft ausgestalteten GmbH paßte. Das Institut des Erwerbs eigener Anteile ansich ließ sich nicht mit dem Bestreben vereinbaren, die GmbH künftig der Personengesellschaft anzunähern. Zitzlaff machte den grundsätzlichen Standpunkt klar: „Es ist unnatürlich, wenn die Gesellschaft, die doch einen personalistischen Einschlag hat, später selbst Gesellschafter bei sich wird. Das ist bei der GmbH, etwas Unnatürliches. [...]. Ich meine, das hat mit der GmbH., wie wir sie haben wollen, also mit einer Gesellschaft, die eine Art Personengesellschaft ist, eigentlich nichts mehr zu tun. [...]. Ich möchte zu der grundsätzlichen Seite der Sache sagen, daß man es bei der GmbH, noch mehr als bei der Aktiengesellschaft vermeiden sollte, daß Anteile von der Gesellschaft selbst erworben werden können."209
Klausing wies aber auf die Notwendigkeit bestimmter gesellschaftsrechtlicher Grundsätze hin: „Wir wollen aus der Annäherung an die Personengesellschaft kein Dogma machen. Es bleiben gewisse Gesellschaftsgrundsätze vorhanden und werden auch zur Anwendung kommen. Wir wollen außerdem Vorschriften treffen, die die persönliche Haftung über den jetzigen Zustand hinaus verstärken. Ich glaube, so muß man das Problem sehen."210
Es fragt sich, warum Klausing ein Bedürfnis dafür sah, einen solchen gesellschaftsrechtlichen Grundsatz auch für die GmbH beizubehalten. Es wurden wiederum wirtschaftliche Argumente herangezogen, um zu begründen, daß ein Erwerb eigener Anteile notwendig sein konnte. Der im Rahmen der Ausschußsitzungen dis208
§ 65 Erwerb eigener Aktien (1) Die Aktiengesellschaft darf eigene Aktien erwerben, wenn es zur Abwendung eines schweren Schadens von der Gesellschaft notwendig ist. Der Gesamtnennbetrag dieser Aktien darf zusammen mit dem Betrag anderer Aktien, die die Gesellschaft bereits zur Abwendung eines schweren Schadens erworben hat und noch besitzt, zehn vom Hundert des Grundkapitals nicht übersteigen; der Reichswirtschaftsminister kann im Einvernehmen mit dem Reichsminister der Justiz Ausnahmen zulassen. Sonst darf die Aktiengesellschaft eigene Aktien nur erwerben, wenn auf sie der Nennbetrag oder der höhere Ausgabebetrag voll geleistet ist und wenn 1. der Erwerb unentgeltlich geschieht oder 2. die Gesellschaft mit dem Erwerb eine Einkaufskommission ausführt.
[..·].
209
210
Zitzlaff, in Schubert, GmbHR-Protokolle, S.323. Klausing, in Schubert, a.a.O.
Β. Auswirkungen der Diskussion um die Haftungsbeschränkung
269
kutierte Fall für die Notwendigkeit des Erwerbs eigener Anteile war brisanter Weise gerade die „ wirtschaftliche
Notwendigkeit
jüdischen Gesellschaftern ihre GmbH-
Anteile abzukaufen. Von Breska führte aus: „Ich möchte einmal ein Beispiel, das sehr akut ist, als Ueberlegungsgrundlage geben. In einer GmbH, befinden sich 50 Prozent in jüdischem Besitz und 50 Prozent in arischem. Es kommt eine Verordnung, nach der die Kontingente der Warenfirmen gekürzt werden, wenn sich, sagen wir einmal, die Hälfte des Kapitals oder über 20% oder dergleichen in jüdischem Besitz befinden. Es muß sofort gehandelt werden, d. h. es müssen Maßnahmen getroffen werden, diesen GmbH.-Anteil schleunigst in arischen Besitz überzuführen. Es ist nicht ohne weiteres und so schnell, wie die Kontingentskürzung droht, möglich, den GmbH.-Anteil an einen Arier zu verkaufen. Die Gesellschaft entschließt sich infolgedessen, da eine ganz schwere Geschäftsschädigung droht, selbst den GmbH.-Anteil zu erwerben. Das ist ein Fall aus der Praxis, der beweist, daß bei schwerer Gefahr u. U. in dieser Weise vorgegangen werden muß. [...]. - Es ist ein Fall, der in diesen Tagen vielfach akut ist; [...]. ~" 2 1 1 „Die Frage des jüdischen Kapitalbesitzes ist von unglaublicher Wichtigkeit in einer Zeit wie heute, wo eine Milliardenumschichtung von Besitz stattfindet und in den letzten Jahren tatsächlich schon stattgefunden hat."212 „Nehmen Sie den Fall, daß die Ueberwachungsstelle oder die Fachgruppe sagt: Wenn du nicht innerhalb von 10 Tagen den Nachweis führen kannst, daß jüdisches Kapital ausschlaggebend in deiner Firma nicht vorhanden ist,findet eine Kürzung des Kontingents von 30 % statt. Dann ist die Firma vor eine schwierige Situation gestellt; [...]." 213 Anders als bei der Diskussion um die PublizitätsVorschriften 214 sprach hier die wirtschaftliche Notwendigkeit also nicht gegen die Übernahme von Vorschriften aus dem Aktienrecht, sondern gerade dafür. Man gewinnt so den Eindruck, daß die Anlehnung an eine bestimmte dogmatische Grundhaltung doch sehr vom Einzelfall abhängig gemacht wurde, um nicht zu sagen willkürlich war. Einerseits hatte man sich bemüht, die Vorschriften des Kapitalgesellschaftsrechts zu verdrängen, nun brauchte man sie, um die Rassenpolitik umsetzen zu können. Ebbecke wies auf den Zwiespalt zwischen Ideologie und wirtschaftlicher bzw. rassenpolitischer Notwendigkeit hin: „Durchdenken Sie einmal den Fall des Ausscheidens von Nichtariern. Ich will dabei absichtlich von aller juristischen Theorie einmal absehen. Man kann auf der einen Seite sagen: Mein Glaubensbekenntnis ist, daß unter gar keinen Umständen eine Rückzahlung von Kapital erfolgt. Im Falle der Not wird der Praktiker ganz klar sagen: Das ist absoluter Blödsinn! Denn wenn ihm das nicht möglich ist, gehen die Gesellschaft und damit auch die Gläubiger der Gesellschaft einfach vor die Hunde. Die Beachtung dieser Dinge ist viel wichtiger als das Lehrdogma. [...].
211 212 213 214
Breska, in Schubert, GmbHR-Protokolle, S.313f. Breska, in Schubert, GmbHR-Protokolle, S.322. Breska, in Schubert, a.a.O. Vgl. oben, 1.2.
270
4. Kap.: Die Beratungen des Ausschusses für GmbH-Recht
Denken Sie nicht immer ausschließlich an die schönen Theorien! Die Notwendigkeiten der Praxis, namentlich die Erhaltung der Arbeitsfähigkeit der GmbH., stehen gegenüber diesen theoretischen Erwägungen im Vordergrund." 215
Konnte man den Erwerb also aus wirtschaftlichen Gründen heraus nicht verbieten, so sollte er zumindest erschwert werden. Hierzu bot sich die Übernahme der aktienrechtlichen Regelung an, die 1937 neu gefaßt worden war und die Problematik bereits berücksichtigte. Die hierbei entstehende Zerrissenheit zwischen Personengesellschaft und Aktiengesellschaft war den Ausschußmitgliedern durchaus bewußt. Von Knierim führte etwa aus: „Wir sind alle bestrebt, die GmbH, anders aufzuziehen als die Aktiengesellschaft. [...]. Gewisse Grundsätze müssen wir einhalten, wenn wir das Stammkapital sichern wollen. [...]. Das Problem ist: Wie sollen Sie die Sache anders machen als im Aktienrecht, wenn Sie das Stammkapital sichern wollen? Dann wird die Sache sehr kompliziert und solchen Fällen kann man nicht schnell Rechnung tragen."216
So plädierten viele gegen die Übernahme der aktienrechtlichen Regelung, weil die GmbH eben viel personalistischer ausgestaltet werden sollte. So letztlich auch Ebbecke: „Ich möchte nur stark betonen: Primär muß die Regelung anders sein als beim Aktienrecht. Denn die GmbH, ist nicht eine Kapitalgesellschaft minderen Rechts, sondern etwas ganz anderes, und gerade wenn es eine Personengesellschaft in Form einer GmbH, ist, liegt der Fall öfter und zwingender vor, als wenn sich die GmbH, immer mehr zur Aktiengesellschaft auswächst."217 „Mir liegt in der Hauptsache daran, deutlich zu machen, auch für die Herren, die nachher mit der Gesetzgebung befaßt sind, daß wir bei einer GmbH, nicht an die Fälle des Aktienrechts denken dürfen, sondern daran, daß ganz andere Fälle möglich sind."218
Nach dieser uneinheitlichen Diskussion faßte Klausing zusammen, daß man sich also darauf einige, dem Gesetzgeber zu empfehlen, den Erwerb eigener Anteile in gewissen Fällen generalklauselartig zuzulassen.219 Danach wandten sich die Ausschußmitglieder anderen Punkten zu. So kann die Diskussion um den Erwerb eigener Anteile als Gegenbeispiel zu den bisher dargestellten Fällen dienen, in denen die wirtschaftlichen Gründe dafür benutzt worden waren, die GmbH der Personengesellschaft anzugleichen. Auch der umgekehrte Fall war also denkbar, wenn auch seltener, daß die praktischen Gründe einmal dafür sprachen, einen Grundsatz des Kapitalgesellschaftsrechts beizubehalten. 215 216 217 218 219
Ebbecke, in Schubert, GmbHR-Protokolle, S. 325. Knierim, in Schubert, GmbHR-Protokolle, S.318. Ebbecke, in Schubert, GmbHR-Protokolle, S.316. Ebbecke, in Schubert, GmbHR-Protokolle, S.317. Klausing, in Schubert, GmbHR-Protokolle, S.325.
Β. Auswirkungen der Diskussion um die Haftungsbeschränkung
3. Ergebnis bezüglich der Einführung
271
von Sicherungsvorschriften
Auch bei der Diskussion um die Sicherung der Kapitalgrundlage, welche ein teilweises Vorbild im Aktienrecht von 1937 fand, ist deutlich geworden, daß die Mehrzahl der Ausschußmitglieder, insbesondere die Vertreter der Wirtschaft, eine Übernahme aktienrechtlicher Vorschriften, scheinbar um jeden Preis, vermeiden wollten, um die GmbH nicht zu sehr an die Aktiengesellschaft anzugleichen. Selbst in einem Bereich also, der das Außenverhältnis der GmbH und damit ihre Haftungsgrundlage gegenüber den Gläubigern betraf, wandten sich die Vertreter der Wirtschaft gegen eine Reglementierung durch den Staat und traten für die Schaffung eines möglichst großen statutarischen Spielraums ein. Nur an wenigen Stellen werden noch ideologische Stimmen laut, allenfalls die Haltung der Vertreter des Reichsjustizministeriums zeigt, daß man sich noch vereinzelt für eine staatliche Kontrolle zur Verhinderung von Mißbräuchen einsetzte, wie etwa im Bereich der Gründungsprüfung bei Sacheinlagen oder der Angemessenheit der Geschäftsführergehälter. Durch die Dominanz der Wirtschaftsvertreter im Ausschuß rückte die GmbH damit immer weiter in den Bereich der Personengesellschaft; Ausnahmen hiervon ließ man wiederum nur mit Blick auf andere wirtschaftliche Notwendigkeiten, wie den Erwerb eigener Anteile, zu. Im Hinblick auf die rechtstatsächlichen Strukturen, in welchen die GmbH am häufigsten anzutreffen waren, versuchte man hier also, das Gesetz der Wirklichkeit anzupassen und dabei den wirtschaftlich größtmöglichen Spielraum zu gewähren. Die Argumente waren fast durchweg pragmatischer Art. Wenn man versucht, eine dogmatische Grundhaltung festzumachen, so kann ich dies in der Aussage tun, daß der NS-Staat, wie durch die Umwandlungsgesetzgebung usf. bereits deutlich wurde, die Personengesellschaften eindeutig bevorzugte und daher auch die GmbH in Anlehnung an ihre Entstehungsgeschichte der Personengesellschaft so weit wie möglich annähern wollte. Im Hinblick auf die Auswirkungen der Diskussionen um die Haftungsbeschränkung muß aber gesagt werden, daß die Hinwendung zur Personengesellschaft in dieser Beziehung eher auf praktischen als auf dogmatischen Argumenten beruhte. Ideologische Argumente hätten in der Wirkung der GmbH in ihrem Außenverhältnis, wie es bislang größtenteils im Vordergrund stand, eher dafür gesprochen, die GmbH an das Aktienrecht anzugleichen, indem man als Ausgleich zur Haftungsbeschränkung weitestgehende Sicherungsmaßnahmen befürwortet hätte (Gründungsprüfung, Geschäftsführergehälter), die Stellung der Geschäftsführer gestärkt und Publizitätsvorschriften eingeführt hätte. In den Betrachtungen der Protokolle ist bislang jedoch deutlich geworden, daß diese Angleichung nur in ganz wenigen Bereichen vorgenommen wurde. So führte das Abstellen auf Wirtschaftlichkeit und Nützlichkeit der GmbH gerade dazu, daß dogmatische Gedanken teilweise zurücktraten und Argumente der Praktikabilität die GmbH mehr in die Nähe der Personengesellschaft als zur Aktiengesellschaft hin rückten. Im folgenden soll untersucht werden, ob sich doch auch dogmatische Bezüge finden, welche die GmbH in das Kleid der Personengesellschaft brachten. Im 3. Kapi-
272
4. Kap.: Die Beratungen des Ausschusses für GmbH-Recht
tel ist dargestellt worden, wie auf eine sehr wissenschaftlich theoretische Weise in der Literatur versucht worden war, ein eigenes nationalsozialistisch spezifisches Verständnis vom Wesen und der Aufgabe der juristischen Person zu finden, als welche die GmbH ja trotz aller bereits befürworteten Nähe zur Personengesellschaft immer noch galt. Es soll nun betrachtet werden, inwieweit sich diese Diskussion in den Vorschlägen des Ausschusses widerspiegelt und ob sich Belege dafür finden, daß die Annäherung an die Personengesellschaft nicht nur aus Praktikabilitätsgründen erfolgte, sondern auch eine dogmatische Grundhaltung der Auschußmitglieder erkennen läßt.
C. Auswirkungen der Diskussion um die juristische Person Bezüglich der Diskussion um das Wesen der juristischen Person und das Verhältnis von Personen- und Kapitalgesellschaft ist für die Diskussion um das Aktienrecht von 1937 oben bereits festgestellt worden, daß beträchtliche Stimmen nicht mehr in den Kategorien von Personen- und Kapitalgesellschaften dachten, sondern Überschneidungen zuließen, was auch für die GmbH sehr interessant ist. Daß der Ausschuß dem Bestreben unterworfen war, die GmbH an das Personengesellschaftsrecht möglichst weitgehend anzugleichen, wurde bereits festgestellt. Es fragt sich nun, wie man dabei mit der Tatsache umging, daß die GmbH ja immer noch juristische Person war, was einer völligen Angleichung des Innenverhältnisses der GmbH an die oHG ansich widersprach. Es gilt bei der Betrachtung der Protokolle auch, die personellen Verflechtungen zwischen der nationalsozialistischen Führung und den Ausschußmitgliedern einerseits und der im 3. Kapitel besprochenen Literatur aus der Zeit von 1933-1938 andererseits zu beachten. So beispielsweise die Tatsache, daß Ministerialdirigent Quassowski als Vertreter des Reichsjustizministeriums an fast jeder Sitzung teilnahm 220 , und daß Klausing die Diskussionspunkte in Absprache mit Staatssekretär Schlegelberger erstellt hatte. Von der Tatsache ihrer Ministerialzugehörigkeit abgesehen, hatten beide, Schlegelberger und Quassowski, bereits im Rahmen der Kommentierung des Aktiengesetzes von 1937 eine bestimmte Meinung über das Wesen der juristischen Person vertreten 221, die nun auch die Arbeiten zu einem neuen GmbH-Gesetz beeinflusste. Zu der Frage der eigenen Rechtspersönlichkeit der GmbH nahm der Ausschuß direkt in keiner der Sitzungen Stellung, wie zuvor auch schon der Ausschuß für Aktienrecht diese Frage nahezu unberücksichtigt gelassen hatte.222 Die Tatsache, daß die GmbH juristische Person sei, wurde nicht diskutiert oder in Frage gestellt. Eine solche Überlegung findet sich auch weder in der Vorschlagsliste von Schlegelberger, 220 221 222
Quassowski nahm an der 4. Sitzung vom 25. und 26.2.1938 nicht teil. Vgl. zu den Auffassungen Schlegelberger/Quassowski bereits oben, Kapitel 3, B.III. Vgl. oben, Kapitel 3, B.II.
. Auswirkungen der Diskussion um die
u s s c h r n
273
noch als Tagesordnungspunkt in den Protokollen. In den Niederschriften der 7. Sitzung vom 14.10.1938 ist ein Zitat von dem, sowohl aktienrechtlich, als auch rechtshistorisch arbeitenden Professor Ruth zu lesen, in welchem er in einem Nebensatz erwähnt, daß der Begriff der juristischen Person „ neuerdings auch sehr umstritten ist" 223. Auf diesen Streit geht jedoch niemand ein. Lediglich in der ersten Sitzung vom 8. und 9. Mai 1937 wird das Gebiet der juristischen Person angerissen. Großmann-Doerth äußert sich in seinem Referat insbesondere auch über die juristische Person. Die eigene Rechtspersönlichkeit sei eine Durchbrechung des Grundsatzes, daß, wer Geschäfte treibt, sich auch zu diesen bekennen müsse und niemand anderes dazwischen schieben könne. 224 Die Rechtfertigung zur Durchbrechung dieses Grundsatzes liege bei dem Verein, der AG oder der Genossenschaft immer darin, daß die Zahl der Mitglieder zu groß sei, als daß es technisch möglich wäre, sie ohne Zusammenfassung in besonderen Rechtspersönlichkeiten am Rechtsverkehr teilhaben zu lassen. Für die GmbH falle diese Rechtfertigung aber weg. 225 Zwar gebe es einige „GmbH-Fälle ", für welche eine eigene Rechtspersönlichkeit gefordert werde, wie bei Separierungs-, Kartell- oder Konzern-GmbH. Stelle man diesen Fällen aber die Nachteile der juristischen Person gegenüber, so müßten sie zurücktreten: „Die juristische Person und insbesondere, als die am leichtesten hervorzuzaubernde, die GmbH, ist längst als Todfeind der Rechtsordnung anerkannt - [...]. Daß ein Staat im vollen Bewußtsein dieser Wirklichkeit jedem die unbeschränkte Möglichkeit gibt, durch Gründung einer GmbH, eine juristische Person hervorzuzaubern, ist schlechterdings eine Lächerlichkeit, ist des Ansehens eines Staates nicht würdig." 226
Es wird hier deutlich, daß Großmann-Doerth, wie bereits zuvor in seinen Aufsätzen 227 , die Möglichkeit der neuen oder „anderen " Definition der juristischen Person gar nicht sieht oder aufgreift. Er nimmt sowohl die juristische Person als auch die GmbH als juristische Person als vorgegeben hin und gelangt zu dem Ergebnis, daß die GmbH aufgrund dieser Ausgestaltung abzuschaffen oder staatlich zu kontrollieren sei. Ein eventuell neues in der nationalsozialistischen Ideologie wurzelndes Verständnis der juristischen Person hat sich bis 1937 also nicht in den Auffassungen von Großmann-Doerth niedergeschlagen. In dem sich anschließenden Referat von Ebbecke verteidigte dieser hingegen die rechtliche Selbständigkeit der GmbH. 228 Über die Krise des Todes einer Einzelpersönlichkeit hinweg müsse man versuchen, den einem Unternehmen innewohnenden sachlichen und fast persönlichen Ewigkeitswert zu erhalten. Die juristische Person sei nicht nur eine „ mehr oder weniger realistische oder theoretische Rechtsform " 229, 223 224 225 226 227 228 229
Ruth, in Schubert, GmbHR-Protokolle, S.498. Großmann-Doerth, in Schubert, GmbHR-Protokolle, S. 16. Großmann-Doerth, in Schubert, GmbHR-Protokolle, S. 17. Großmann-Doerth, in Schubert, a. a. O. Vgl. oben, A.I. und A.III., sowie Kapitel 1, B.I., Kapitel 2, A.I. Ebbecke, in Schubert, GmbHR-Protokolle, S. 31. Ebbecke, in Schubert, a. a. O.
18 Stupp
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4. Kap.: Die Beratungen des Ausschusses für GmbH-Recht
sondern der notwendige Ausdruck eines Ewigkeitswertes des Unternehmens, das in dieser Form betrieben werde. Auch Ebbecke geht auf den Streit über das Verständnis der juristischen Person im Nationalsozialismus nicht ein. Im Anschluß an die Tage der ersten Sitzung im Mai 1937 fand in Vorbereitung der zweiten Sitzung des Ausschusses im Oktober am 24.09.1937 eine Besprechung mit Vertretern von Familiengesellschaften statt. Hier wurde die Bedeutung der juristischen Person für die GmbH hervorgehoben. Es erscheint ein wenig ungewöhnlich, daß nach einem so großformatig und grundsätzlich klingenden Thema „Notwendigkeit der GmbH? " der ersten Sitzung als Anschlußbesprechung eine Zusammenkunft mit Vertretern der Familiengesellschaften angesetzt wurde. In Anbetracht der Vielzahl von Spezialformen wie Grundstücks-, Spekulations-, Konzern-, Kartell- oder Einmann-GmbH erwartet man hier eine Einbeziehung der zunächst als nebensächlich empfundenen Familiengesellschaften zu einem solch frühen Zeitpunkt nicht. Es ist möglich, daß die Diskussion des Themas hier bewußt gewählt wurde, um die „Notwendigkeit der GmbH " aufzuzeigen. Denn die Familiengesellschaften zeigten am deutlichsten, wie sehr durch die Verklammerung mit Hilfe der juristischen Person der Bestand eines Unternehmens beim Tod eines Mitglieds erhalten bleiben konnte. Schlegelberger ließ Klausing zwischen den ersten beiden Sitzungen vom Mai und Oktober 1937 im Sommer eine ausführliche Liste mit Punkten zukommen, die im Ausschuß diskutiert werden sollten 230 und welche Klausing mit dem Versprechen annahm, die darin enthaltenen Vorschläge zu berücksichtigen (vgl. Abdruck im Anhang).231 In diesem Diskussionspapier vom 21.06.1937 findet sich an erster Stelle unter „ / " der Hinweis auf die Frage nach der Beschränkung des Lebensgebietes der GmbH, entweder nach der Art des Betriebes oder „ nach der Richtung, ob im Hinblick auf die besondere Art der Beziehung der Gesellschafter zueinander ein berechtigtes Bedürfnis nach einer selbständigen Rechtspersönlichkeit mit beschränkter Haftung besteht. " 2 3 2 Klausing antwortete am 5. Juli 1937: „[...]. Ich werde Bedacht darauf nehmen, dass die in der Auflistung berührten Punkte im Laufe der verschiedenen Sitzungen besprochen werden. Für die nächste Vollsitzung (Oktober d.J.) ist ausser einer Behandlung der GmbH, in den verschiedenen Auslandsrechten das Thema ,Familiengesellschaften' in Verbindung mit dem unter I der Aufstellung genannten Fragen in Aussicht genommen. " 2 3 3 Vielleicht hatte man doch damit gerechnet, gewisse Kritikpunkte an der Ausgestaltung der GmbH als juristische Person noch abwehren zu müssen. Hierfür war das Beispiel der Familiengesellschaft auf jeden Fall geeignet, da es deutlich machte, wie die äußere Hülle der juristischen Person ein Unternehmen durch Zusammenhalt der Vermögensmasse über mehrere Generationen hinweg bewahren kann: 230 231 232 233
BArch Berlin, R 3001/10657, BArch Berlin, R 3001/10657, BArch Berlin, R 3001/10657, BArch Berlin, R 3001/10657,
Bl. 129-135. Bl. 165. Bl. 130. Bl. 165.
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Während bei den Personengesellschaften der Tod eines Gesellschafters aufgrund der engen Verbundenheit der Mitglieder einen Auflösungsgrund darstellte 234, der nur durch teilweise komplizierte Gesellschaftsvertragsgestaltung außer Kraft gesetzt werden konnte, bot die rechtliche Selbständigkeit eines Unternehmens die Möglichkeit der Vererblichkeit 235. Die komplizierten Gestaltungsversuche zur Umgehung der Auflösung im Todesfalle bei den Personengesellschaften seien gerade der Beleg dafür, „daß die GmbH, die richtige Gesellschaftsform für solche Fälle ist" 236. In diesem Fall sprach die nationalsozialistische Ideologie im Hinblick auf die Erhaltung der Volkswirtschaft sogar für die Ausgestaltung eines Unternehmens als juristische Person. „Gerade vom nationalsozialistischen Standpunkt aus gesehen", so der als Sachverständige an der Besprechung teilnehmende Düsseldorfer Rechtsanwalt Dr. Dünner, sei „der Bestand eines Unternehmens wichtiger [...] als das Schicksal der mit Kapital an ihm beteiligten Unternehmer." 22,1 Auch hier wird die juristische Person als Rechtsgebilde nicht in Frage gestellt. Die Diskussion innerhalb der Literatur bleibt somit in den gesamten Ausschußsitzungen unberücksichtigt, als wolle man sie nicht so recht ernst nehmen. Es findet sich ein Hinweis auf den Kommentar zum neuen AktG von Schlegelberger/Quassowski, den der ebenfalls an der Besprechung mit den Vertretern von Familiengesellschaften teilnehmende Sachverständige Thomä anbringt: „Was die GmbH in erster Linie auszeichnet, ist die Umklammerung, die die juristische Person für das in einem Unternehmen arbeitende Vermögen gibt. Es ist interessant, daß der Kommentar von Schlegelberger jetzt klipp und klar herausstellt, daß die Frage juristische oder nicht juristische Person nicht dogmatischer Natur ist, sondern eine praktische Frage." 238
Thomä hatte hier also durchaus einen Blick auf die aktienrechtliche Diskussion zum neuen AktG von 1937 geworfen. Ansonsten ist aber ein Wille zur grundlegenden Änderung des Verständnisses von der juristischen Person oder zur Aufnahme der Diskussion aus der Literatur in die Ausschußarbeiten aus den Protokollen nicht zu entnehmen. Als Begründung kann hierfür der enge Zeitplan und die Zusammensetzung des Ausschusses überwiegend aus Praktikern herangezogen werden. Quassowski als Kommentator des Aktienrechts war die Diskussion um die juristische Person zumindest bekannt, auch Professor Ruth hatte auf die Diskussion hingewiesen. Aus den Protokollen der Arbeiten des Aktienrechts-Ausschusses wissen wir ebenfalls, daß insbesondere Klausing, nun als Vorsitzender mit einigem Einfluß aus234 235
Vgl. bis dahin §727 BGB, § 131 Nr. 4 a. F. HGB. Vgl. bis dahin § 15 Abs. 1 GmbHG: „Die Geschäftsanteile sind veräußerlich und vererb-
lich
236
Dünner, in Schubert, GmbHR-Protokolle, S.59. Dünner, in Schubert, a. a. O. 238 Thomä, in Schubert, GmbHR-Protokolle, S. 64. Dies bezieht sich auf das besprochene Zitat, Schlegelberger/Qaussowski, AktG 1937, §48 Rn.2, oben, Kapitel 3, B.III. 237
1*
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4. Kap.: Die Beratungen des Ausschusses für GmbH-Recht
gestattet, die Diskussion um das Wesen der juristischen Person sehr wohl kannte. Er selbst hielt die Diskussion jedoch für „wenig fruchtbare Bemühungen gewisser Theoretiker" 129. Aus seinen eigenen Arbeiten wissen wir, daß er bemüht war, praxisrelevante Fragen in den Vordergrund zu stellen und diese auch „praktisch " zu lösen, ohne sich in dogmatische Theorien zu verirren. 240 Grundlegende Fragen der Wissenschaft konnte und wollte der Ausschuß daher wahrscheinlich nicht klären. Treffen die Protokolle somit diesbezüglich keine Aussage, so ist nun in einem zweiten Schritt zu fragen, in wie weit dem Ausschuß aber ein geändertes Verständnis von der GmbH als juristischer Person anzumerken ist. Denn trotz des Fehlens ausdrücklicher Stellungnahmen war die Diskussion ja durchaus bekannt. So kann von der Art des Umgangs mit dem Reformprojekt GmbH durchaus ein Rückschluß darauf gezogen werden, wie weit sich die Diskussion der Literatur bereits einen Platz geschaffen hatte in dem Verständnis von juristischer Person und Kapitalgesellschaften in den Anschauungen der Ausschußmitglieder. Zur Zeit der Ausschußarbeiten hatte sich das Verständnis vom Wesen der juristischen Person in der Literatur bereits dahingehend geändert, daß sie nur noch als technisches Hilfsmittel zur Zusammenfassung bestimmter Eigenschaften und zur Vereinfachung bei der Teilnahme im Rechtsverkehr gesehen wurde. Siebert (gefolgt von Klausing) hatte daher nur noch von „Rechtsverkehrsfähigkeit " gesprochen 241, Rhode hatte dem Begriff der juristischen Person jeden gestaltenden materiellrechtlichen Inhalt abgesprochen.242 Sprach man von einer juristischen Person, so war hiermit nichts mehr über das Wesen einer mit eigener Rechtsfähigkeit ausgestatteten Gesellschaft gesagt. Diese sollte vielmehr ihren eigenen Regeln unterliegen, ausgehend vom Einfluß der ideologischen Werte von Gemeinschaft und Treue. Das scharfe Trennen zwischen Personen- und Kapitalgesellschaft wurde nicht mehr eingehalten, Kombinationen waren denkbar. Insgesamt kann man von einer „ Verflachung " des dogmatischen Denkens sprechen, zugunsten einer Berufung auf die Grundprinzipien des Nationalsozialismus. Von diesem Standpunkt ausgehend fällt zunächst die Tendenz auf, die ich bereits für die GmbH in ihrem Außenverhältnis festgestellt habe und welche sich bezüglich der Gestaltung des Innenverhältnisses der GmbH nicht nur als Tendenz, sondern als Leitlinie durch die gesamten Beratungen des Ausschusses zieht: Der Ausschuß wollte die GmbH nicht (mehr) als „kleine AG " verstanden wissen, sondern sie wie eine Personengesellschaft ausgestalten, indem er ihr Innenverhältnis an das Recht der oHG annäherte. Es finden sich hierfür zahlreiche Belege, die Aussage, man wolle die GmbH der Personengesellschaft annähern, zieht sich so oder in ähnlicher Form, wie oben bereits öfter beschrieben, wie ein roter Faden durch die gesamten 239 240 241 242
Klausing, in Schubert, AktR-Protokolle, S.454, vgl. oben, Kapitel 3, B.II. Vgl. Klausing, in Festschrift Schlegelberger, S.405, vgl. oben, Kapitel 3, B.I. Vgl. oben, Kapitel 3, A.III. Vgl. oben, Kapitel 3, A.II.
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Beratungen und hat die Stellungnahmen zu vielen Rechtsproblemen mit beeinflußt. 243 Klausing stellte als Richtung fest, „die GmbH, nicht mehr als Abklatsch der Aktiengesellschaft zu organisieren, sondern bei ihr stärker den Gedanken einer Personengesellschaft mit Haftungsbeschränkung durchzuführen. Die GmbH, solle nicht mehr die kleine AG. sein, sondern für Unternehmen mit wenigen Beteiligten den Charakter einer Personengesellschaft tragen. Sie sei also ein Mittelding zwischen Personalgesellschaft und sogenannter Kapitalgesellschaft." 244
Eine eindeutige Formulierung, die GmbH sei gleichzeitig auch Personengesellschaft oder eine Diskussion hierüber, wie sie sich im Ausschuß für Aktienrecht angedeutet hatte 245 , findet sich allerdings nicht. Auf welche Art sich die vom Ausschuß angestrebte Annäherung oder gar Verbindung von Kapital- und Personengesellschaft für das Innenverhältnis der GmbH vollzog, soll im folgenden anhand von allgemein neu in das GmbH-Recht hineingetragenen personengesellschaftsrechtlichen Elementen dargestellt werden. Darüber hinaus soll im Anschluß hieran durch das Verfolgen der Diskussion um den Treuegedanken bezüglich des Verhältnisses der Gesellschafter untereinander gezeigt werden, wie der Ausschuß die Möglichkeit erkannte, im Einklang mit den in der Literatur entwickelten Ideen, die Mitglieder untereinander in ein enges Verhältnis zu setzen, welchem die formale juristische Person nicht mehr im Wege stand. Die GmbH sollte also nicht nur an die oHG angenähert werden, sondern darüber hinaus wurde das, was ihr an kapitalgesellschaftlicher Struktur formal durch die eigene Rechtspersönlichkeit blieb, durch die Begründung eines Treueverhältnisses der Gesellschafter untereinander überlagert, so daß die Tatsache der juristischen Person völlig an Bedeutung verlor. I. Annäherung von Körperschaft und Gesellschaft: Personengesellschaftsrechtliche Elemente im GmbH-Recht Die Tatsache, daß die Mitglieder einer juristischen Person zu dieser in einem (mitgliedschaftlichen) Verhältnis stehen, untereinander aber grundsätzlich keinerlei Rechtsbeziehungen pflegen, wurde vom Ausschuß nicht mehr als Hinderungsgrund angesehen, in bestimmten Fällen die Gesellschafter wie solche einer oHG zu behandeln. Dies soll anhand der Beratungen zu verschiedenen Problemkreisen verdeutlicht werden. Zum einen wurde die „Anwachsung" bei einem neu übernommenen Anteil zum alten Anteil eines Gesellschafters diskutiert, was bislang nur aus dem Personengesellschaftsrecht bekannt gewesen war. Hierdurch sollte der Anteilshandel erschwert und somit die Verbundenheit der Gesellschafter zur Gesellschaft und den 243
Vgl. Schubert, GmbHR-Protokolle, S.75 (Ebbecke), S.244 (Klausing), S.255 (Breska), S.548 (Ebbecke). 244 Klausing, in Schubert, GmbHR-Protokolle, S.244. 245 Vgl. oben, Kapitel 3, B.II.
4. Kap.: Die Beratungen des Ausschusses für GmbH-Recht
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Mitgesellschaftern gestärkt werden. Aus der gleichen Motivation heraus strebte der Ausschuß an, in den ( Ausnahme-)Fällen der persönlichen Haftung der Gesellschafter eine gesamtschuldnerische Haftung statt der bisherigen nur anteilsmäßigen Haftung einzuführen. Schließlich soll der Problemkreis der Auflösung der Gesellschaft und des Ausschlusses eines Gesellschafters aus der Gesellschaft betrachtet werden. Die bereits oben in vielen Bereichen festgestellte Hinwendung zur Personengesellschaft setzte sich also auch bezüglich der Ausgestaltung des Innenverhältnisses fort, hier befürwortete der Ausschuß aber nicht nur eine Annäherung, sondern diskutierte eindringlich die Übernahme personengesellschaftlicher Regelungen. 1. Anwachsung eines Anteils bei Neuerwerb oder Kapitalerhöhung Die Anteile an einer GmbH waren gem. § 15 Abs. 1 GmbHG veräußerlich und vererblich. Sofern ein Gesellschafter zu seinem ursprünglichen Anteil einen weiteren Anteil eines ausscheidenden anderen Gesellschafters erwerben wollte, bestimmte § 15 Abs. 2 GmbHG, daß die Geschäftsanteile ihre Selbständigkeit behielten.246 Ebenso sah § 55 Abs. 3 GmbHG die Regelung vor, daß im Falle der Stammkapitalerhöhung mit der Übernahme einer neuen Stammeinlage durch einen Gesellschafter auch ein neuer separater Geschäftsanteil erworben wurde. 247 Der Grund für die Annahme des Erwerbs eines solchen, vom alten Geschäftsanteil getrennten, neuen weiteren Geschäftsanteils (ähnlich einer neuen Aktie) lag in der unterschiedlichen rechtlichen Ausgestaltung, die die Geschäftsanteile nach dem Gesellschaftsvertrag aufweisen konnten, so daß sie eventuell ein voneinander unabhängiges Schicksal erfuhren. Die rechtliche Selbständigkeit der Anteile hatte auch Auswirkungen auf die Möglichkeit des - von dem Erfordernis der nach § 15 Abs. 3 GmbHG erforderlichen gerichtlichen oder notariellen Form abgesehen - einfachen Handels mit den einzelnen GmbH-Anteilen. Statt einer solchen Trennung erwog der Ausschuß eine Verschmelzung der Anteile, wobei ein Rückgriff auf das personengesellschaftsrechtliche Institut der Anwachsung vorgenommen wurde. 248 246
§15 Übertragung des Geschäftsanteils
(1) [·..]· (2) Erwirbt ein Gesellschafter zu seinem ursprünglichen Geschäftsanteil weitere Geschäftsanteile, so behalten dieselben ihre Selbständigkeit. 247 § 55 Erhöhung des Stammkapitals
(1) [.·.]· (2) [...]. (3) Wird von einem der Gesellschaft bereits angehörenden Gesellschafter eine Stammeinlage auf das erhöhte Kapital übernommen, so erwirbt derselbe einen weiteren Geschäftsanteil.
(4) [...].
248
Vgl. §738 BGB (i.V.m. §§ 105 Abs. 2, 161 Abs. 2 HGB):
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Beim Ausscheiden eines Gesellschafters bedeutet die Anwachsung im Personengesellschaftsrecht, daß der Anteil des ausscheidenden Gesellschafters am Gesamthandsvermögen nicht einfach herrenlos werden kann, sondern den anderen Gesellschaftern zuwächst. Die Berechtigung an den zum Gesellschaftsvermögen gehörenden Vermögensgegenständen ist dann auf die übrigen Gesellschafter beschränkt. Im Personengesellschaftsrecht handelt es sich bei der Anwachsung um eine zwingende Folge des Ausscheidens, da die Gesamthandsberechtigung eine Folge der Zugehörigkeit zur Gesellschaft ist. Es findet hierbei ein unmittelbarer Rechtsübergang statt, es sind also keine Einzelübertragungen nötig. Wegen dieser essentiellen Wirkung für die Gesamthand und der dinglichen Wirkung ist die Vorschrift der Anwachsung im Personengesellschaftsrecht auch nicht dispositiv. Diese Regeln auf die separaten Anteile der Gesellschafter einer GmbH übertragen bedeutete, daß sich der ursprüngliche Anteil eines (in der Gesellschaft verbleibenden) Gesellschafters mit dem neuen durch Anwachsung erworbenen Anteil verbindet, also ein neuer quantitativ größerer Gesamtanteil am Gesellschaftsvermögen entsteht. Eine solche Anlehnung an das Personengesellschaftsrecht war vom Ausschuß zur Betonung des personalistischen Charakters der GmbH für den Fall der Anteilsübernahme bei Kapitalerhöhung gewollt, wie aus den Beratungen hervorgeht. Diskutiert wurde die Übernahme dieses Instituts aus dem Personengesellschaftsrecht im Rahmen der 4. Ausschußsitzung vom 25. und 26.02.1938. Der Vorschlag taucht zum ersten mal auf im Referat des im Bankgewerbe tätigen Juristen Dr. Karl Wilhelm Tewaag über die „ Fragen der Mitgliedschaft in der GmbH " 2 4 9 . Das gesamte Referat ist von dem Bestreben geleitet, die Mitgliedschaft, in Abgrenzung zur Stellung des Aktionärs, streng personalistisch zu gestalten. So führt Tewaag beispielsweise zunächst zur Frage, ob man die in § 14 GmbHG angedachte Ungleichheit der Anteile zugunsten von Anteilen gleicher Größe ändern solle, aus: „Die Anteilsgleichheit würde gar zu sehr an die anonyme Kapitalgesellschaft, an die Aktie, erinnern, während bei der Zulassung ungleicher Anteile das personalgesellschaftliche Moment der GmbH, sehr viel deutlicher zum Ausdruck kommt. Man sollte es darum erhalten."250
Alsdann brachte Tewaag den Vorschlag der Anwachsung beim Erwerb eines neuen Anteils ein: „Man wird also, wie bisher, so auch in Zukunft, den Gesellschaftern das Recht zugestehen müssen, zu ihrem ursprünglichen Geschäftsanteil neue Anteile hinzuzuerwerben. Eine eingehende Prüfung aber verdient die Frage, ob ein neu hinzutretender Geschäftsanteil seine § 738 [Auseinandersetzung beim Ausscheiden] (1) Scheidet ein Gesellschafter aus der Gesellschaft aus, so wächst sein Anteil am Gesellschaftsvermögen den übrigen Gesellschaftern zu. [...]. (2) [...]. 249 Tewaag, in Schubert, GmbHR-Protokolle, S. 287 ff. 250 Tewaag, in Schubert, GmbHR-Protokolle, S.289.
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4. Kap.: Die Beratungen des Ausschusses für GmbH-Recht
Selbständigkeit behalten soll, wie das heute rechtens ist, oder ob er unter Verlust dieser Selbständigkeit dem ursprünglichen Geschäftsanteil des Erwerbers »anwachsen' und mit ihm eine Einheit bilden soll. [...]. Persönlich bin ich nach den Erfahrungen der Praxis ein Anhänger der ,Anwachsung'. Mag darin für den Handel mit Anteilen auch ein gewisses Hemmnis liegen [...], so dürfen dergleichen Gesichtspunkte für uns doch nicht maßgebend sein, wenn wir unsere gerade Linie, die Fungibilität von GmbH-Anteilen zu erschweren, halten wollen."251 Der hintergründige Wunsch der Ausschußmitglieder, auch dogmatisch hierdurch die GmbH-Gesellschafterstellung derjenigen eines oHG-Gesellschafters anzunähern, kommt in der sich an das Referat anschließenden Diskussion zum Ausdruck: „Vorsitzender 252: [...]. Die Frage, ob neu hinzutretende Geschäftsanteile ihre Selbständigkeit behalten oder dem ursprünglichen Geschäftsanteil des Erwerbers ,anwachsen' sollen, ist von Dr. Tewaag zugunsten der Anwachsung beantwortet worden. Das ist naturgemäß eine grundsätzliche Änderung, die in der Tat zum Ausdruck bringen würde, daß wir das Ganze mehr als Personengemeinschaft behandeln. [...]. Friedrich: Die Tendenz des Vorschlages ist außerordentlich begrüßenswert. Denn die Veräußerung des hinzuerworbenen Teilanteils wird dadurch erschwert. Allerdings sehe ich zwei Bedenken, [...]. Ebbecke: [...]. Ich würde, wenn ich an diesen Normalfall denke, es sehr begrüßen, wenn die Unterschiedlichkeit des a-Anteiles und des b-Anteiles dann verloren geht. [...], man könnte sagen, esfindet, Anwachsung' statt. Ich würde das für die Vereinfachung der Praxis sehr vorziehen. Das hat den großen psychologischen Wert der Betonung der Gesellschafterqualitäten. Mir liegt sehr daran, daß man bei jeder Bestimmung diesem grundlegenden Gedanken Rechnung trägt." 253 „Hallstein: [...]. Ich möchte zur Begründung dieser Lösung den Gedanken der Verstärkung des personalgesellschaftlichen Zuges, der ja auch die Anwachsungsthese trägt, anführen. [...]." 254 Obwohl sich fast alle Mitglieder für die Anwachsung aussprachen, stieß man für einige Fälle auf Schwierigkeiten in der praktischen Durchführung, wenn beispielsweise ein Anteil mit einem Pfandrecht belastet oder noch nicht voll eingezahlt wäre. Trotzdem war der Vorschlag wegen der Anlehnung an das Personengesellschaftsrecht willkommen. Bemerkenswert ist auch, daß Klausing in diesem Zusammenhang bereits von „Personengemeinschaft" spricht (vgl. oben, Zitat). Dies könnte dafür sprechen, daß das Denken statt in Kategorien von Personen- und Kapitalgesellschaften bereits vereinzelt durch das „Gemeinschaftsdenken" abgelöst worden war. 2 5 5 251
Tewaag, in Schubert, a.a.O. Den Vorsitz der Sitzung hielt Klausing, vgl. Schubert, GmbHR-Protokolle, S.253. 253 Schubert, GmbHR-Protokolle, S.296f. 254 Schubert, GmbHR-Protokolle, S.299f. 255 Vgl. hierzu die zu Beginn des 3. Kapitels aufgeworfene Frage und die amtliche Begründung zum RefE 1939, oben, Kapitel 3. 252
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Hallstein bemühte sich am Folgetag in der Fortsetzung der Beratungen um eine Lösung für die strittigen Fälle: „Die Idee, die Herr Dr. Tewaag gestern vertreten hat, daß grundsätzlich Anwachsung stattfinden sollte, hat, soweit ich sehe, im Prinzip hier allseitige Zustimmung gefunden. Die Bedenken, die von Herren des Reichsjustizministeriums dagegen geäußert worden sind, betrafen nur die Durchführung dieses Prinzips. Ich meine, daß bei einer solchen Sachlage diese Bedenken müßten ausgeräumt werden können."256
Hallstein schlug vor, die Anwachsung nur für volleingezahlte Anteile eintreten zu lassen, was allerdings mit Folgeschwierigkeiten verbunden gewesen wäre. Hieran anschließend regte v. Knierim die oben bereits dargestellte Volleinzahlung der Geschäftsanteile an 257 , was die Struktur des gesamten GmbH-Gesetzes vollständig ändern und vereinfachen sollte. Hierdurch hätten sich auch die diesbezüglichen Schwierigkeiten bei der Anwachsung automatisch erledigt: „Ich möchte noch eine grundsätzliche Frage aufwerfen, die nicht nur zu diesem Punkt gehört, sondern auch zu vielen anderen. Mir ist ein Gedanke gekommen, der allerdings so revolutionär ist, daß ich mich beinahe scheue ihn auszusprechen. Vielleicht werden Sie mir auch sofort sagen: Kommt überhaupt nicht in Frage! Aber wir stoßen bei unseren Beratungen, je länger je mehr, auf die unerhörten technischen Schwierigkeiten, die entstehen durch die Behandlung des nicht volleinbezahlten Geschäftsanteils, nämlich die Haftung der verschiedenen Kategorien bei Kapitalerhöhung, die Frage der Anwachsung, die Frage des Abandonrechts, was Herr Professor Hallstein ganzrichtigals Korrelat für die unbeschränkte Haftung vorgebracht hat. Und ich frage: Ist von Ihnen schon einmal der Gedanke wenigstens erwogen worden, ob man nicht vielleicht bei der GmbH. überhaupt die Volleinzahlung vorschreiben sollte? Sagen Sie nicht sofort: Unsinn! Auch ganz radikale Dinge sollte man sich wenigstens einmal überlegen."258
Das Bestechende an dem Vorschlag war seine Einfachheit, da sich in der Tat viele der bislang problematischen Fälle erledigt hätten. Im Gegenzug einigte man sich, auf eine Erhöhung des Stammkapitals zu verzichten, um die Volleinzahlung auch für finanzschwächere Unternehmen des Mittelstandes möglich zu machen.259 Bezüglich der Anwachsung bedeutete dies, daß man eine solche ruhigen Gewissens annehmen konnte, solange man gewisse Fälle, wie die unterschiedliche Belastung der Anteile, ausnahm. Hierdurch entschied man sich für die Übernahme eines wesentlichen Strukturelements der Personengesellschaft für die GmbH. 2. Gesamtschuldnerische Haftung der Gesellschafter Das Institut der Anwachsung bewirkte einerseits eine Erschwerung des Anteilshandels. Andererseits führte es dazu, daß die Gesellschafter an die Gesellschaft und 256 257 258 259
Hallstein, in Schubert, GmbHR-Protokolle, S.299. Vgl. oben, B.II. 1. Knierim, in Schubert, GmbHR-Protokolle, S.302. Vgl. Schubert, GmbHR-Protokolle, S.305 (Tewaag), S.307 (Kolb), S.310 (Breska).
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4. Kap.: Die Beratungen des Ausschusses für GmbH-Recht
an die übrigen Gesellschafter stärker gebunden wurden. In Haftungsfragen bemühte sich der Ausschuß ebenso, darauf hinzuwirken, daß die Gesellschafter als Gesamtschuldner zu haften hätten, um hierdurch ebenfalls einen stärkeren Zusammenhalt der Gesellschafter zu erreichen. Wie oben im Rahmen der Diskussion um die Aufbringung und den Erhalt des Stammkapitals bereits dargestellt 260, war der Ausschuß bestrebt, in den Haftungsfällen der §§ 24, 31 GmbHG, welche bislang nur eine prorata-Haftung der Gesellschafter vorsahen, die Haftung gesamtschuldnerisch auszugestalten. Im Rahmen des § 24 hatte die Diskussion etwas an Deutlichkeit verloren, weil Knierim die Volleinzahlung der Anteile vorgeschlagen hatte, weshalb das Haftungsproblem im Rahmen dieser Vorschrift bei der Aufbringung des Kapitals entfallen würde. Die pro-rata-Haftung des § 31 GmbHG trat für den Fall ein, daß das Stammkapital zwar aufgebracht, aber in seinem Bestand nicht erhalten worden war. § 30 Abs. 1 GmbHG bestimmte diesbezüglich, daß das zur Erhaltung des Stammkapitals erforderliche Vermögen der Gesellschaft nicht an die Gesellschafter ausgezahlt werden dürfe. Nach § 31 Abs. 1 GmbHG mußten entsprechende Leistungen, die entgegen § 30 GmbHG empfangen worden waren, der Gesellschaft erstattet werden. 261 War die Erstattung durch den Empfänger nicht möglich, griff die Haftungsvorschrift des § 31 Abs. 3 GmbHG: §31 [...] - Haftung der Mitgesellschafter
[.·.].
-[...]
(3) Ist die Erstattung von dem Empfänger nicht zu erlangen, so haften für den zu erstattenden Betrag, soweit er zur Befriedigung der Gesellschaftsgläubiger erforderlich ist, die übrigen Gesellschafter nach Verhältnis ihrer Geschäftsanteile. Beiträge, welche von einzelnen Gesellschaftern nicht zu erlangen sind, werden nach dem bezeichneten Verhältnis auf die übrigen verteilt.
Der Ausschuß hatte insbesondere in der ersten und der dritten Sitzung die Frage der pro-rata-Haftung diskutiert. 262 Dabei war es zunächst darum gegangen, die als unzulänglich empfundene Haftung zu verschärfen und hierdurch die Aufbringung und Sicherung des Stammkapitals zu gewährleisten. Es setzte sich aber auch der Gedanke durch, daß durch eine gesamtschuldnerische Haftung anstelle der pro-rataHaftung auch das Verhältnis der Mitglieder zueinander gestärkt würde. Hierauf hatten insbesondere Ebbecke und Klausing hingewiesen.263 Es entstanden, wie oben bereits angedeutet, Kontroversen darüber, ob man die deutschen bestehenden Vorschriften verändern solle oder lieber die von Ebbecke vorgestellte Schweizer Regelung zu übernehmen sei. Diese Diskussion sei jedoch auch hier dahingestellt, denn Einigkeit herrschte über die Einführung einer gesamtschuldnerischen Haftung statt der bisherigen pro-rata-Haftung. Im Rahmen des 260
Vgl. oben, B.II. Vgl. bereits oben, B.II.2. 262 Vgl. insbesondere Schubert, GmbHR-Protokolle, 1. Sitzung, S. 75ff., 79-81, 119f., 3. Sitzung, S. 193f., S.244. 263 Vgl. zu den Nachweisen oben, Fn. 153 (Klausing); Fn. 158 und 161 (Ebbecke). 261
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283
nach wie vor relevanten § 31 Abs. 3 GmbHG tendierte man schließlich zur Beibehaltung des deutschen Systems, wonach die einzelnen Haftungsfragen anders als in der Schweizer Generalklausel in verschiedenen Vorschriften geregelt waren (§§ 24, 31 GmbHG). Dabei wollte man aber die Haftung gesamtschuldnerisch ausgestalten. 264 Klausing formulierte dies folgendermaßen: „Trotz der Vorzüge, die die Schweizer Regelung bietet, indem sie in einer einzigen Bestimmung die ganzen Grundsätze bringt, würde ich an dem System des Deutschen GmbH.-Gesetzes festhalten und die Bestimmung in einzelne Vorschriften auflösen, [...]." 265
Die bewußte enge Anlehnung an die oHG wird hier noch einmal deutlich bei der Frage, ob man gewisse Entschuldigungsgründe anerkennen sollte für die Gesellschafter, die nun solidarisch haften müßten, obwohl sie vielleicht gar nicht darauf Einfluß nehmen konnten, daß das Gesellschaftskapital angegriffen worden war 266 oder sie ihre Gewinnanteile gutgläubig bezogen hatten.267 Die Mehrzahl der Ausschußmitglieder war für eine strenge Haftung: „Großmann-Doerth: Ich möchte davor warnen, die Haftung zu mildern. Sie bleibt eine Stimulans für die anderen Gesellschafter, besser aufzupassen. [..·]· Hallstein: Ich würde mich Herrn Großmann-Doerth anschließen. Die Strenge muß in Kauf genommen werden. Die Gesellschafter sollen sich eben um die Angelegenheiten der Gesellschaft kümmern, v. Knierim: Gesetzespolitisch ist es vielleicht ganz klug, an gewissen Stellen des GmbH.-Gesetzes ganz besonders strenge und für die Personengesellschaft zugeschnittene Bestimmungen einzubauen; denn damit wird verhindert, daß Aktiengesellschaften, um den Bestimmungen des Aktiengesetzes zu entgehen, in die GmbH.-Form gehen. Das ist die Bremse. [.·.]. Vorsitzender: Wir sind also der Auffassung, diese strenge Haftung muß aus höheren Gesichtspunkten in Kauf genommen werden."268
Auf diese Weise also wären für einen Teilbereich die Gesellschafter der GmbH untereinander sehr stark verbunden gewesen und hätten gleich den Gesellschaftern einer oHG gesamtschuldnerisch gehaftet.
264 265 266 267 268
Vgl. Schubert, GmbHR-Protokolle, S.389. Klausing, in Schubert, GmbHR-Protokolle, S. 194. Klausing, in Schubert, GmbHR-Protokolle, S.389. Knierim, in Schubert, a. a. O. Schubert, GmbHR-Protokolle, S.389 f.
284
4. Kap.: Die Beratungen des Ausschusses für GmbH-Recht
3. Zwangsweiser Ausschluß und Austritt eines Gesellschafters Auch im Bereich der Frage, ob das neue GmbH-Gesetz die Möglichkeit eines zwangsweisen Ausschlusses eines Gesellschafters zulassen solle, taucht die Anlehnung an das Personengesellschaftsrecht auf, welches in § 140 HGB die Möglichkeit der Ausschließung eines Gesellschafters vorsah. 269 In der achten Ausschußsitzung vom 12. und 13.01.1939 hielt der Frankfurter Professor Schantz ein Referat über die Auflösung, Abwicklung, Nichtigkeit, Verschmelzung und Umwandlung der GmbH. 270 In diesem Zusammenhang stellte sich unter anderem die Frage nach der Möglichkeit des Einzelausschlusses eines Gesellschafters aus der GmbH. Schantz führte aus, die „ urteilsmäßige Ausschließung eines Gesellschafters aus der Gesellschaft" beruhe immer darauf, „daß die Person des auszuschließenden Gesellschafters aus irgendeinem, mit dieser Person verbundenen wichtigen Grunde für die übrigen Gesellschafter und zugleich für die Gesellschaft selbst nicht mehr tragbar ist." 211 Entscheidend für die Anerkennung eines solchen Ausschlusses sei die Struktur der Gesellschaft und die Frage nach der persönlichen Verbundenheit der Gesellschafter untereinander. Denn die Ausschließungsklage finde ihre Rechtfertigung in der engen persönlichen Verbundenheit. Schantz erkannte die grundlegende Bedeutung der Diskussion der Ausschließungsfrage für das künftige Verständnis vom Wesen der GmbH: „Ob man diese Ausschließungsklage auf dem Rechtsgebiete der GmbH, zulassen will oder nicht, hängt demnach entscheidend von der grundsätzlichen Frage ab, ob man in der neuauszugestaltenden GmbH, die personalgesellschaftlichen Elemente für so stark dominierend hält, insbesondere die persönliche Verbundenheit der Gesellschafter für so ausschlaggebend ansieht, daß im Gegensatz zu der bisherigen gesetzlichen Regelung nunmehr die Möglichkeit einer zwangsweisen Ausschließung einer einzelnen Person aus dem Personenverbande geschaffen werden muß. Die Einstellung zu dieser Grundfrage ist bestimmend für die Beantwortung der Ausschließungsfrage." 272
Schantz selbst sah die Schaffung einer solchen Ausschließungsklage als „Loslösung von der rechtlichen Ausgestaltung der GmbH und allem Kapitalmäßigen" Die Ausschließung im Klagewege bei den Personengesellschaften finde darüber hin269
§ 140 [Ausschließung eines Gesellschafters] (1) Tritt in der Person eines Gesellschafters ein Umstand ein, der nach § 133 für die übrigen Gesellschafter das Recht begründet, die Auflösung der Gesellschaft zu verlangen, so kann vom Gericht anstatt der Auflösung die Ausschließung dieses Gesellschafters aus der Gesellschaft ausgesprochen werden, sofern die übrigen Gesellschafter dies beantragen. (2) Für die Auseinandersetzung zwischen der Gesellschaft und dem ausgeschlossenen Gesellschafter ist die Vermögenslage der Gesellschaft in dem Zeitpunkt maßgebend, in welchem die Klage auf Ausschließung erhoben ist. 270 Schantz, in Schubert, GmbHR-Protokolle, S.537. 271 Schantz, in Schubert, GmbHR-Protokolle, S. 541 f. 272 Schantz, in Schubert, GmbHR-Protokolle, S.541. 273 Schantz, in Schubert, a. a. O.
213
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aus ihre Grundlage in der Tatsache, daß die Beteiligung unveräußerlich sei. Wo hingegen, wie bei den Kapitalgesellschaften, die Beteiligung dem freien Wechsel unterliege, verliere die Ausschließungsklage einen guten Teil ihres Sinns. Schantz wußte allerdings auch, daß er mit dieser Meinung im Ausschuß in der Minderheit war: „Ich bin mir darüber im klaren, daß es durchaus in der Richtung der bisherigen Arbeiten des Ausschusses liegen und sicherlich auch von einer großen Anzahl von Ausschußmitgliedern befürwortet werden würde, entsprechend der stärkeren Betonung des personalgesellschaftlichen Charakters der GmbH, im neuen Recht die Ausschließungsklage zuzulassen."274
In Anlehnung an RGZ 101, 61 bezeichnete Schantz das Ansinnen der Ausschließungsklage als einen dem GmbHG völlig fremden Gedanken.275 Durch das Berufen auf diese Rechtsprechung von 1920 276 verschloß sich Schantz somit auch der neueren Diskussion vom Verständnis der juristischen Person, die seit der Machtergreifung begonnen hatte. Insofern bezeichnete er seine Auffassung selbst zutreffend als „vielleicht etwas veraltet und wenig neuzeitlich" 211 und zum Ende seines Vortrags hin als „recht engherzig und wenig fortschrittlich" 21*. Aber auch Ebbecke und zustimmend v. Knierim und v. Breska waren zunächst nicht unbedingt für die Schaffung einer Ausschließungsmöglichkeit, da hiermit auch die Frage der Abfindungsregelung für den ausgeschlossenen Gesellschafter einherging. Ebbecke führte in Bezug auf diese Abfindung ein Gegenargument, den „Standpunkt der Konstanz der Gesellschaft" 219 an, wobei er den Blick auf das „Staatsganze" lenkte. Konträr zur Bestrebung, die Minderheitsrechte in Anlehnung an die personenrechtliche Treupflicht besonders stark zu betonen280, formulierte Ebbecke nun, Minderheitsrechte seien so minimal wie möglich zu halten, um die GmbH zum Wohle der Volkswirtschaft vor dem Verfall zu schützen. „In einer Zeit, wo das Wohl des Ganzen über dem Wohl der Teile steht, wo der Staat letzten Endes das Kommando führt und führen muß, müssen auch individualistisch noch so sehr begründet scheinende Rechtsansprüche sogar von Gesellschaftern einer GmbH, hinter diese Forderung der Zeit zurücktreten." 281
Auf das Ausschließungsrecht übertragen bedeutete dies, daß es zum Wohle der GmbH und somit zum Besten für den Staat lieber bei dem Verbleib des Minderheitsgesellschafters in der GmbH bleiben sollte, als diese einem mit dem Ausschluß verbundenen Ausgleichsanspruch auszusetzen. Oder, und in soweit näherte sich Ebbecke eben doch der Befürwortung des Ausschließungsrechts wieder an, dieser 274 275 276 277 278 279 280 281
Schantz, in Schubert, a. a. O. Schantz, in Schubert, GmbHR-Protokolle, S.543. RGZ 101, 55, Urteil vom 7.12.1920. Schantz, in Schubert, a. a. O. Schantz, in Schubert, GmbHR-Protokolle, S.545. Knierim, in Schubert, GmbHR-Protokolle, S.552. Vgl. hierzu im folgenden unten, III. Ebbecke, in Schubert, GmbHR-Protokolle, S.548.
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4. Kap.: Die Beratungen des Ausschusses für GmbH-Recht
Ausgleichsanspruch als Äquivalent zum verlorenen Wert am Geschäftsanteil solle gering gehalten oder zu verwehren sein: „Es ist heute vom Standpunkt des Staatsganzen aus betrachtet wahrscheinlich in vielen Fällen vielrichtiger, daß dem einzelnen Gesellschafter von seinem individualistischen und privatkapitalistischen Standpunkt aus ein Unrecht geschieht, daß er nicht den vollen Wert seines Geschäftsanteils, sei es in der Gewinnquote, sei es bei einer Auszahlung seines Anteils erhält, sondern es ist viel wichtiger, daß die Gesellschaft gedeiht und daß nicht durch lediglich vom individuellen Nutzen bestimmte Dinge das Gesamtinteresse Schaden leidet. [...]. Das heißt: zu diskutieren ist nicht lediglich vom Standpunkt der Individualinteressen einer etwa vergewaltigten Minderheit, sondern von dem meines Erachtens überragenden Interesse der Gesellschaft unter der Berücksichtigung der alles übersteigenden Macht des Staatsganzen."282 I m Ergebnis bedeutete dies die Bejahung der Ausschließungsklage zur Verdeutlichung der personalistischen Struktur der GmbH, bei gleichzeitiger Beschneidung der Minderheitsrechte auf ein M i n i m u m an Ausgleichsansprüchen zur Förderung und Wahrung der Wirtschaftseinheit. M i t der Möglichkeit des Ausschlusses korrespondierend, wurde das Recht zum Austritt eines einzelnen Gesellschafters, welches ebenfalls aus dem Personengesellschaftsrecht bekannt w a r 2 8 3 , diskutiert. Schantz hielt dies ebenfalls für überflüssig, aus den gleichen Gründen heraus, die ihn zur Ablehnung des Ausschlußrechts veranlaßt hatten. Wer sich von der Gesellschaft trennen wolle, könne dies durch Veräußerung seines Anteils tun. 2 8 4 Hallstein sprach sich für die Schaffung von Aussschließungs- und Austrittsrecht aus. Er wies daraufhin, daß man ein solches benötige, gerade weil man bestrebt sei, die GmbH an die oHG anzunähern: „Was zunächst Austritt und Ausschließung anlangt, so habe ich seinerzeit für Austritt und Ausschließung gesprochen. Ich habe auch aus der heutigen Debatte keinen überzeugenden Grund gewinnen können, davon abzugehen. [...]. Ich würde aus dem bisherigen Ergebnis unserer Beratungen und aus dem ersten Bericht die Erkenntnis ziehen, daß die Notwendigkeit des stärkeren persönlichen Zusammenhalts der Gesellschafter bei weitem überwiegt. Das sollte auch Anlaß für den Gesetzgeber sein, daraus die Konsequenz zu ziehen, und eine dieser Konsequenzen ist die Übertragung personalgesellschaftlicher Gedanken auf das GmbH.-Recht."285 Quassowski faßte die Uneinigkeit des Ausschusses zusammen: 282
Ebbecke, in Schubert, GmbHR-Protokolle, S.549. §132 [Kündigung eines Gesellschafters] Die Kündigung eines Gesellschafters kann, wenn die Gesellschaft auf unbestimmte Zeit eingegangen ist, nur für den Schluß eines Geschäftsjahres erfolgen; sie muß mindestens sechs Monate vor diesem Zeitpunkte stattfinden. 284 Schantz, in Schubert, GmbHR-Protokolle, S.544. 285 Hallstein, in Schubert, GmbHR-Protokolle, S.554. 283
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„Es sind also sicherlich beachtliche Gründe, die für die Gewährung eines Austrittsrechts sprechen. Auf der anderen Seite können selbstverständlich auch Bedenken dagegen erhoben werden. Es ist da einmal die Schwierigkeit der Feststellung der Abfindung zu berücksichtigen und dann der Gemeinschaftszwang und das Gemeinschaftsband, dem sich niemand soll entziehen können. Man wird das Für und Wider abwägen müssen. Ich bin mir im Augenblick noch nicht klar, welcher Lösung der Vorzug zu geben ist."286
Es war den Ausschußmitgliedern also durchaus bewußt, daß mit der Aufnahme von Ausschließung und Austritt in das GmbHG wesentliche Bestimmungen des Personengesellschaftsrechts in das GmbH-Recht hinein getragen würden, was von der überwiegenden Zahl der Mitglieder allerdings durchaus angestrebt und befürwortet wurde. 287 4. Auflösungsklage Das geltende GmbH-Recht sah bereits die Möglichkeit einer Auflösungsklage in § 61 vor. 288 Sie konnte von Mitgliedern mit insgesamt einem Zehntel der Geschäftsanteile gegen die Gesellschaft gerichtet werden, wenn ein in der Gesellschaft liegender wichtiger Grund vorlag. Bereits vor dem erwähnten Referat von Dr. Schantz in der 8. Sitzung vom 12. und 13.1.1939 hatte sich Richter-Brohm in seinem Referat zum „ Schutz der Minderheitsgesellschafter " 2 8 9 zum Ende hin kurz der Frage der Erweiterung des § 61 GmbHG zugewandt. Eine solche hielt er jedoch im Hinblick auf den Schutz der Minderheitsgesellschafter nicht für nötig. Auch wenn der Wortlaut der Vorschrift nur einen „in der Gesellschaft" liegenden wichtigen Grund zulasse, so habe doch „ die Rechtsprechung einen Auflösungsgrund auch in persönlichen Verhältnissen der Gesellschafter " gefunden, „ wenn diese unmittelbare Rückwirkungen auf die Gesellschaft ausübten. " 290 Diese Auslegung werde von der Fassung des Gesetzes getragen, und man solle nicht ohne Not einen weiteren Auflösungsgrund schaffen, der dazu führe, daß die Gesellschaft als solche zu existieren aufhört. 286
Quassowski, in Schubert, GmbHR-Protokolle, S.557. Die Aufnahme von Regelungen zum Ausschluß und Austritt in den RefE 1939 kann somit als bewußte Entscheidung des Gesetzgebers dafür gesehen werden, daß man die GmbH auf personengesellschaftsrechtlichen Boden stellen wollte, vgl. unten, Kapitel 5, B.III. 288 § 61 Auflösungsklage aus wichtigem Grunde (1) Die Gesellschaft kann durch gerichtliches Urteil aufgelöst werden, wenn die Erreichung des Gesellschaftszwecks unmöglich wird, oder wenn andere, in den Verhältnissen der Gesellschaft liegende wichtige Gründe für die Auflösung vorhanden sind. (2) Die Klage ist gegen die Gesellschaft zurichten.Sie kann nur von den Gesellschaftern erhoben werden, deren Geschäftsanteile zusammen mindestens dem zehnten Teile des Stammkapitals entsprechen. 287
(3) [...].
289
290
Richter-Brohm, in Schubert, GmbHR-Protokolle, S.530ff. Richter-Brohm, in Schubert, GmbHR-Protokolle, S.537.
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4. Kap.: Die Beratungen des Ausschusses für GmbH-Recht
In seinem sich anschließenden Referat war auch Schantz einer Erweiterung der Auflösungsklage gegenüber nicht positiv eingestellt. Er stellte zunächst die Unterschiede zur Regelung des § 133 H G B heraus, der für die oHG jedem Gesellschafter das Recht zur Auflösungsklage bei einem beliebigen wichtigen Grund zugestand. 291 Eine Angleichung des § 61 GmbHG an die personengesellschaftsrechtliche Vorschrift hielt er jedoch nicht für nötig, obwohl er auch hier wiederum seinen zum übrigen Ausschuß gegensätzlichen Standpunkt erkannte: „Ich verkenne durchaus nicht, daß die wesentliche Verstärkung der personenrechtlichen Elemente der GmbH, durch das beabsichtigte neue Gesetz den Gedanken recht nahe legt, die Legitimation zur Erhebung der Auflösungsklage ausschließlich an die Person des Gesellschafters unabhängig von seiner Kapitalbeteiligung zu knüpfen." 292 Trotz aller personenrechtlicher Züge, die die G m b H trage, dürfe man jedoch trotzdem nicht die Rechte des einzelnen Gesellschafters von seiner Kapitalbeteiligung völlig loslösen. Auch eine Erweiterung des in der Gesellschaft liegenden wichtigen Grundes hielt er für unpassend: „Auch die Anordnung, daß der »wichtige Grund' in den »Verhältnissen der Gesellschaft' liegen muß, ist durchaus gerechtfertigt. Die GmbH, als eigene Rechtspersönlichkeit ist weit mehr als die offene Handelsgesellschaft den Gesellschaftern gegenüber verselbständigt. Es läßt sich deshalb nicht verantworten, Gründe, die nicht irgendwie, sei es auch nur mittelbar, mit den »Verhältnissen der Gesellschaft' nichts [sie] zu tun haben als Auflösungsgründe anzuerkennen."293 Es wird deutlich, wie sehr Schantz noch dem herkömmlichen trennenden Denken verhaftet war. I m Gegensatz zu den Auffassungen von Richter-Brohm und Schantz äußerten sich jedoch insbesondere die Vertreter aus dem Reichsjustizministerium, Friedrich und Quassowski, in einer anders lautenden Weise, welche die Bestrebungen des Gesetzgebers bereits deutlich werden ließ. Bezüglich des Antragsrechts führte Friedrich aus: „Ich möchte nur kurz auf die Frage eingehen, die der Herr Vorsitzende soeben angeschnitten hat. Uns schwebt bei der Ausgestaltung eine gewisse Erweiterung der Auflösungsklage vor, und zwar nach folgender Richtung. Bisher war es so: eine Minderheit von einem Zehntel konnte auf Auflösung klagen. Daraufhin konnte das Gericht nur entweder die Klage abwei291
§133 Auflösung durch gerichtliche Entscheidung (1) Auf Antrag eines Gesellschafters kann die Auflösung der Gesellschaft vor dem Ablaufe der für ihre Dauer bestimmten Zeit oder bei einer für unbestimmte Zeit eingegangenen Gesellschaft ohne Kündigung durch gerichtliche Entscheidung ausgesprochen werden, wenn ein wichtiger Grund vorliegt. (2) Ein solcher Grund ist insbesondere vorhanden, wenn ein anderer Gesellschafter eine ihm nach dem Gesellschaftsvertrag obliegende wesentliche Verpflichtung vorsätzlich oder aus grober Fahrlässigkeit verletzt oder wenn die Erfüllung einer solchen Verpflichtung unmöglich wird. (3) [...]. 292 Schantz, in Schubert, GmbHR-Protokolle, S.540. 293 Schantz, in Schubert, a.a.O.
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sen oder aber auf Auflösung der Gesellschaft erkennen, wenn es einen Grund hierfür als gegeben ansah. Damit war die Gesellschaft dann endgültig aufgelöst. Wir dachten nun daran, in das Gesetz eine Verpflichtung an das Gericht einzubauen, die Auflösungsklage, selbst wenn sie begründet ist, doch zur Abweisung zu bringen, wenn die Gesellschaft oder mit ihrer Zustimmung ein anderer Gesellschafter sich erbietet, den Anteil des auf Auflösung klagenden Gesellschafters zu einem angemessenen Wert, der vom Gericht festzustellen wäre, zu übernehmen."294 A u f diese Weise wollte man dem Gesichtspunkt der Beständigkeit des Unternehmens in seiner Existenz Rechnung tragen. Klausing brachte diese Erweiterung auf die Idee einer weiteren möglichen Angleichung an das Personengesellschaftsrecht: „Wenn man die Auflösung mit der Sicherheit umgibt, die Herr Friedrich soeben andeutete, so wäre zu erwägen, ob man bei der Minderheit von einem Zehntel als Voraussetzung für die Einreichung der Auflösungsklage bleiben muß oder ob man vielleicht sogar dem einzelnen Gesellschafter unabhängig von der Höhe des Kapitalanteils das Recht geben könnte, die Auflösungsklage zu erheben."295 Bezüglich der materiellen Voraussetzungen des wichtigen Grundes sagte Quassowski, eingehend auf die anfänglichen Worte von Richter-Brohm: „Herr Dr. Richter-Brohm hat gemeint, daß schon nach dem geltenden Recht die Voraussetzungen für die Erhebung einer Auflösungsklage darin zufinden sind, daß der einzelne Gesellschafter durch die Mehrheit vergewaltigt wird, und er meinte, daß die jetzige Fassung auch diese Fälle schon deckt und jedenfalls von der Rechtsprechung so ausgelegt wird. Ich möchte dieser Auffassung beipflichten. Aber es wird zu erwägen sein, ob man nicht diesen Gesichtspunkt auch im Wortlaut des Gesetzes zum Ausdruck bringt. Jetzt ist es so, daß nur ein wichtiger Grund in den Verhältnissen der Gesellschaft zur Auflösung berechtigt. Ich könnte mir denken, daß das Vorliegen eines wichtigen Grundes in den Verhältnissen der Gesellschaft nur den regelmäßigen Auflösungsgrund bildet, [...]." 296 Durch die Annahme eines nur regelmäßig in der Gesellschaft liegenden Auflösungsgrundes aber wäre erkennbar gewesen, daß in Ausnahmefallen auch ein in der Person des Gesellschafters liegender wichtiger Grund zur Auflösungsklage berechtigt hätte. Zusammen mit der von Klausing und Friedrich vorgeschlagenen Möglichkeit, das Auflösungsrecht jedem Gesellschafter unabhängig von seinem Kapitalanteil zuzugestehen, wäre insgesamt nun eine Übereinstimmung mit der handelsrechtlichen Vorschrift des § 133 H G B erzielt worden, was einen weiteren Schritt zur Annäherung des Innenverhältnisses der G m b H an die oHG darstellt hätte. 2 9 7
294
Friedrich, in Schubert, GmbHR-Protokolle, S.554f. Klausing, in Schubert, GmbHR-Protokolle, S.555. 296 Quassowski, in Schubert, GmbHR-Protokolle, S. 557. 297 In dieser von Friedrich/Klausing und Quassowski vorgeschlagenen Weise wurde die Vorschrift zur Auflösungsklage dann auch im RefE 1939 ausgestaltet, vgl. unten, Kapitel 5, Β. IV. und Β. VI.4. 295
19 Stupp
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4. Kap.: Die Beratungen des Ausschusses für GmbH-Recht
5. Ergebnis zur personenrechtlichen Grundlage der GmbH Die Beratungen zu den angedeuteten Problemkreisen zeigen, daß der Wille, die GmbH auf personenrechtliche Grundlagen zu stellen, trotz einigen Zögerns von der Mehrheit der Ausschußmitglieder getragen wurde. Insbesondere die Vertreter des Reichsjustizministeriums und die Praktiker machten von dem Argument, die GmbH solle keine „kleine AG " werden (bleiben), konsequent Gebrauch. Die Einwände kamen daher eher von wissenschaftlicher Seite (Prof. Schantz) oder waren doch zumindest dogmatisch begründet (Rechtsanwalt Schwartz). Die bereits oben als Ergebnis des dritten Kapitels festgestellte „ Verflachung " im dogmatischen Denken zeigt sich auch hier in der Nicht-Beachtung dieser Einwände zugunsten übergeordneter Prinzipien. Ob eine neu geordnete GmbH noch in die alten Formen gepaßt hätte oder sich an herkömmlichen Kategorien hätte messen lassen können, schien bei der Reform nicht im Vordergrund zu stehen. Während also oben im Rahmen des Ausgleichs der Haftungsbeschränkung praktische Gründe der Wirtschaft ausschlaggebend dafür gewesen waren, die GmbH an die oHG anzunähern, wird nun deutlich, daß auch eine bewußte Entscheidung zur Übernahme personengesellschaftsrechtlicher Regelungen erkennbar ist, was auf eine veränderte dogmatische Grundhaltung in der Frage der Stellung der GmbH als juristische Person schließen läßt. Zweifel daran, daß die GmbH als juristische Person eine zu starke Vebundenheit der Mitglieder untereinander nicht zulassen könne, gab es nicht; eine Überschneidung von Personen- und Kapitalgesellschaftsrecht war ohne Bedenken möglich. Dies ließ die herkömmlichen mitgliedschaftlichen Strukturen, welche man früher mit der juristischen Person verbunden hatte, völlig in den Hintergrund treten. Zwar sollte die GmbH noch eine eigene Rechtspersönlichkeit haben, es verband sich aber nicht mehr zwangsläufig ein organisatorischer Aufbau mit der Frage der juristischen Person. Die Rechtsfähigkeit stand hier nicht alternativ zur Verbundenheit der Mitglieder, sondern ließ die GmbH zu einer oHG mit eigener Rechtspersönlichkeit werden. In diesem Sinne soll nun noch ein abschließender Blick auf die Entwicklung des Treuegedankens innerhalb der Ausschußsitzungen geworfen werden. Schuf man die GmbH als Personengesellschaft, so ist es naheliegend, daß auf diese Weise auch endlich die Werte von „Gemeinschaft und Treue" in das GmbH-Recht Einzug halten konnten. Es war ja gerade der Ausgangspunkt der im dritten Kapitel dargestellten Literatur (vgl. vor allen Dingen Siebert) gewesen, daß man aufgrund der starren Trennung zwischen natürlicher und juristischer Person den Gemeinschafts- und Treuegedanken im Kapitalgesellschaftsrecht nicht verwirklicht sah, da die Mitglieder nur zur juristischen Person, nicht aber untereinander in einem verpflichtenden Rechtsverhältnis standen. Dies sah der Ausschuß in seinen Beratungen nun nicht mehr so, wie sich aus der folgenden Betrachtung der Protokolle noch einmal ergibt.
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II. Treupflicht der Gesellschafter zur GmbH: Übernahme der §§ 101,197 Abs. 2 AktG 1937? Wie vom Ausschuß für Aktienrecht diskutiert und vorgeschlagen 298, hatte das AktG von 1937 in § 101 eine Verpflichtung zum Schadensersatz für denjenigen normiert, der gesellschaftsfremde Vorteile auf Kosten der Gesellschaft erstrebt hatte. Wurden diese Vorteile durch Stimmrechtsausübung eines Aktionärs erlangt, hatte das AktG jedem anderen Aktionär die Möglichkeit zur Anfechtung eines derartig zustande gekommenen Beschlusses eingeräumt. Die Vorschriften lauteten: § 101 Handeln zum Schaden der Gesellschaft zwecks Erlangung gesellschaftsfremder teile (1) Wer zu dem Zwecke, für sich oder einen anderen gesellschaftsfremde Sondervorteile zu erlangen, vorsätzlich unter Ausnutzung seines Einflusses auf die Gesellschaft ein Mitglied des Vorstands oder des Aufsichtsrats dazu bestimmt, zum Schaden der Gesellschaft oder ihrer Aktionäre zu handeln, ist zum Schaden des daraus entstehenden Schadens verpflichtet. [..J. (7) Diese Vorschriften gelten nicht, wenn gesellschaftsfremde Sondervorteile durch Stimmrechtsausübung verfolgt werden. § 197 Anfechtungsgründe
(DU. (2) Die Anfechtung kann auch darauf gestützt werden, daß ein Aktionär mit der Stimmrechtsausübung vorsätzlich für sich oder einen Dritten gesellschaftsfremde Vorteile zum Schaden der Gesellschaft oder ihrer Aktionäre zu erlangen suchte und der Beschluß geeignet ist, diesem Zweck zu dienen [...]. § 198 Anfechtungsbefugnis (1) Zur Anfechtung ist befugt:
U; 3. im Fall des § 197 Abs. 2 jeder Aktionär; [...].
Der Aktienrechtsausschuß hatte eindeutig den Bezug herausgestellt, der zwischen einer Treupflicht des Aktionärs gegenüber der AG und dem daraus resultierenden Verbot bestand, nicht zum Schaden der Gesellschaft zu handeln.299 Diesen Bezug griff nun Richter-Brohm in der 8. Sitzung des Ausschusses vom 12. und 13. Januar 1939 für GmbH-Recht im Rahmen seines Referats zum Schutz der Minderheitsgesellschafter auf. Er ging zunächst von der Frage der Fehlerhaftigkeit eines Beschlusses aus, die gegeben sei bei der Verletzung von Individualrechten, wie dem Grundsatz der gleichmäßigen Behandlung der Gesellschafter oder der Treupflicht. Das Aktiengesetz von 1937 sei bei der Feststellung der Fehlerhaftigkeit allerdings nicht stehen geblieben, sondern habe noch weiterreichende Folgen an ein derartiges Verhalten gestellt, indem es eine Schadensersatzpflicht bei Verstößen durch Vor298
Vgl. oben, Kapitel 3, B.II. Vgl. die Ausführungen von Heymann und Kißkalt, in Schubert, AktR-Protokolle, S. 101 und 105; siehe oben, Kapitel 3, B.II. 299
19*
Vor-
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4. Kap.: Die Beratungen des Ausschusses für GmbH-Recht
standsmitglieder oder Dritte, und eine Anfechtbarkeit bei Verstoß durch einen Aktionär aufgestellt hatte: „Dabei zeigt die amtliche Begründung und auch der Kommentar von Schlegelberger-Quassowski, daß man bei diesen Bestimmungen auch an den Schutz der Minderheit gedacht hat. Man kann nun, wie unsere früheren Beratungen zeigen, durchaus geteilter Meinung darüber sein, ob diese Bestimmungen besonders glücklich sind. Nachdem wir sie nun aber im Aktienrecht haben, muß man sie m. E. wohl aus gesetzespolitischen Erwägungen in das neue GmbH.-Recht übernehmen, um der andernfalls sicherlich auftauchenden Meinung vorzugreifen, daß ihre Weglassung - argumentum e contrario - bei der GmbH, eine laxere Moral rechtfertigt, als bei der Aktiengesellschaft." 300
Stimmen, die sich gegen eine Übernahme dieser neuen aktienrechtlichen Regelungen aussprachen, finden sich nicht. 301 Überhaupt sah Richter-Brohm die Treupflicht als immanente Begrenzung des Mehrheitsprinzips: „Ein solches Prinzip [Einstimmigkeitsprinizp bei Beschlußfassungen, Anm. d. Verf.] würde jedem Querulanten eines Minderheitssplitters Tür und Tor öffnen und würde in diesem Punkte das inteme Gesellschaftsfungieren ebenso lahmlegen, wie auch sonst. [...]. Es muß aber darauf hingewiesen werden, daß ja auch in einem solchen Falle die Minderheit keineswegs etwa rechtlos ist. Auch hier kommen die allgemeinen Rechtsgrundsätze, wie Treupflicht, gleichmäßige Behandlung, usw., zur Anwendung und beschränken das Recht der Mehrheit auf das gebotene Maß." 302
Richter-Brohm setzte sich also für die Übernahme der §§101, 197 Abs. 2 AktG ein und sah darüber hinaus die Treupflicht als ständig zu beachtendes Gebot im Verhältnis der Mehrheit zur Minderheit. Da der Grad des Minderheitenschutzes somit Auskunft über die Verwirklichung des Treuegedankens, auch im Verhältnis der Mitglieder zueinander, gibt, sollen überblickartig die wichtigsten Beratungen, welche den Schutz der Minderheit vor der Mehrheit betrafen, festgehalten werden. III. Treupflicht der GmbH-Gesellschafter untereinander: Verstärkung der Minderheitsrechte als Ausdruck der Treupflicht Der Ausschuß diskutierte bezüglich der Treupflicht der Mitglieder einer GmbH untereinander nicht abstrakt die Frage, ob und wenn ja, in welcher Form eine Treupflicht der Gesellschafter untereinander besteht. Vielmehr ging er von den vorhandenen GmbH-Vorschriften aus und brachte den Gedanken der Treupflicht an den entscheidenden Stellen mit ein, wenn dieser die Ausgestaltung einer Vorschrift zu beeinflussen vermochte. Ein Rückgriff auf die Vorschrift des § 242 BGB oder die Einführung einer allgemeinen Generalklausel aufgrund einer „ethischen" Treu300 301 302
Richter-Brohm, in Schubert, GmbHR-Protokolle, S.535. Vgl. zur Aufnahme der Regelungen im RefE 1939 unten, Kapitel 5, Β. V. Richter-Brohm, in Schubert, a. a. O.
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pflicht 303 wurde - abgesehen von der Übernahme der §§ 101, 197 Abs. 2 AktG - ebenfalls nicht erwogen. Ebensowenig sind Äußerungen dogmatischer Art zu finden, in wie weit die Auffassung von der GmbH als Körperschaft oder Personengesellschaft mit der Frage des Verhältnisses der Gesellschafter untereinander zusammenhängt. Aus der Tendenz, die Minderheitsrechte möglichst umfassend zu gestalten, und aus dem offen kundgetanen Willen, die GmbH der Personengesellschaft anzunähern, kann man aber ein noch eng im Verständnis zusammenhängendes Verhältnis dieser zwei Gesichtspunkte (GmbH als Personengesellschaft und Treupflicht der Gesellschafter zueinander) erkennen. Die GmbH sollte demnach nicht nur in ihrem Innenverhältnis der oHG angenähert werden, sondern darüber hinaus sollten auch die Mitglieder, welche formal nur in einem rechtlichen (Mitgliedschafts-)Verhältnis zur der juristischen Person GmbH standen, untereinander an ein Treueverhältnis gebunden sein. Der Ausschuß geht von der Pflicht zur Treue eines jeden Gesellschafters aus und setzt diese in verschiedenen Vorschriften um. Bei den Interessenskonflikten zwischen Mehrheits- und Minderheitsgesellschaftern ist es der Gedanke der Treupflicht, der bestimmt, wo die Grenzen zwischen Mißbrauch und zulässiger Vertretung eigener Interessen liegen. Gesetzliche Ausgestaltungen von Minderheitsrechten existierten zum Zeitpunkt der Ausschußberatungen kaum. Lediglich § 61 Abs. 2 GmbHG 304 und § 66 Abs. 2 GmbHG 305 gewährten unabdingbare Minderheitsrechte. § 50 GmbHG 306 war dispositiv, ansonsten überließ §45 GmbHG 307 die Ausgestaltung dem Gesellschaftsvertag.
303 304
Vgl. hierzu die Vorschläge der Literatur oben, Kapitel 3, B.I. § 61 Auflösungsklage
(1) [...]. (2) Die Auflösungsklage ist gegen die Gesellschaft zurichten.Sie kann nur von Gesellschaftern erhoben werden, deren Geschäftsanteile zusammen mindestens dem zehnten Teile des Stammkapitals entsprechen. 305 § 66 Liquidatoren
(1) [...]. (2) Auf Antrag von Gesellschaftern, deren Geschäftsanteile zusammen mindestens dem zehnten Teile des Stammkapitals entsprechen, kann aus wichtigen Gründen die Bestellung von Liquidatoren durch das Gericht (§7 Absatz 1) erfolgen. 306 § 50 Minderheitsrechte (1) Gesellschafter, deren Geschäftsanteile zusammen mindestens dem zehnten Teile des Stammkapitals entsprechen, sind berechtigt, unter Angabe des Zwecks und der Gründe die Berufung der Versammlung zu verlangen. (2) In gleicher Weise haben die Gesellschafter das Recht, zu verlangen, daß Gegenstände zur Beschlußfassung der Versammlung angekündigt werden. (3) [...]. 307 § 45 Rechte der Gesellschafter im allgemeinen
(1) [...]. (2) In Ermangelung besonderer Bestimmungen des Gesellschaftsvertrages finden die Vorschriften der §§46 bis 51 Anwendung.
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4. Kap.: Die Beratungen des Ausschusses für GmbH-Recht
Zu Beginn seines Referats über den Schutz der Minderheitsgesellschafter hatte Richter-Brohm darauf hingewiesen, daß die mit dem Minderheitsrecht bei der GmbH zusammenhängenden Fragen von dem typischen Wesen der GmbH ausgehen müßten308: „Die GmbH., ihre Entwicklung nach innen und außen, wird - wie wir immer wieder festgestellt haben - viel mehr von der Persönlichkeit ihrer Gesellschafter getragen, als es bei der Aktiengesellschaft zutrifft. Die Beziehungen der Gesellschafter zur Gesellschaft sind engere und schwerer lösbare, damit aber auch die Beziehungen der Gesellschafter untereinander. Dieser typische Charakter der GmbH, soll auch im kommenden Recht erhalten bleiben."3(?9
Die Beratungen zur Rücksichtnahme der Mehrheitsgesellschafter gegenüber einer Minderheit betrafen vor allen Dingen die Fragen des Auskunftsrechts, der Bilanzprüfung und der Anfechtungsmöglichkeit von mehrheitlich gefaßten Gesellschafterbeschlüssen.
1. (Minderheits-)Recht auf Auskunft, Bucheinsicht, Bilanzprüfung und Anfechtung Eine gesetzliche Regelung des Auskunftsrechts oder des Rechts auf Bucheinsicht, beispielsweise zur Prüfung der Bilanz, existierte nicht. Der Gesetzgeber von 1892 hatte es abgelehnt, ein solches Recht zu normieren, da es mit einem „geordneten Geschäfts gange" innerhalb einer GmbH nicht zu vereinbaren sei. 310 Das Schrifttum forderte schon früh ein Recht auf Auskunft und Einsicht in die Bücher. 311 Dies wurde von der Rechtsprechung zunächst aber nur der Gesellschafterversammlung, als dem obersten Willensorgan der GmbH, zugebilligt. 312 Erst später ging das Reichsgericht dazu über, auch dem einzelnen Gesellschafter ein solches Auskunftsrecht zuzubilligen, wenn die Mehrheit in der Gesellschafterversammlung ohne Grund den Antrag eines einzelnen auf Auskunftserteilung abgelehnt hatte.313 Die nachgeordneten Gerichte argumentierten ähnlich. 314 Die Recht308
Richter-Brohm, in Schubert, GmbHR-Protokolle, S.530. Richter-Brohm, in Schubert, GmbHR-Protokolle, S.531. 310 Amtliche Begründung 1892, S.98. 3,1 Vgl. Hachenburg, LZ 1909, 15 (36). Vgl. weitere Literaturhinweise bei Bechtle, S. 105. 312 RG JW 1898, 15. 313 Vgl. RGZ 45, 141 (149), Urteil vom 28.10.1901: „Dem einzelnen Gesellschafter wird unter besonderen Umständen und auf Grund einer besonderen Sachlage im Einzelfalle das Recht auf Einsicht und Prüfung der Bücher auch außerhalb der Versammlungen und selbst gegen die Bestimmung des Gesellschaftsvertrages nicht versagt werden können; aber dies muß dann begründet werden. " RGZ 65,432 (435), Urteil vom 10.04.1907: „ Andererseits muß aber anerkannt werden, daß der Kläger, wenn für ihn nicht erkennbar war, wie es mit der Einzahlung der Geldeinlage von Fr. gehalten werden solle, von den Geschäftsführern Auskunft darüber verlangen konnte (vgl. Entsch. des R.G. s in Zivils. Bd. 49 S. 149), und daß, solange ihm diese, obwohl er sie verlangt hatte, vorenthalten wurde, keine Verzögerung * der Einzahlung vorlag, [...]." 309
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sprechung hielt somit grundsätzlich an der gesetzgeberischen Entscheidung fest, daß ein Auskunftsbegehren an einen Mehrheitsbeschluß gebunden war. Lediglich dort, wo sich die Ablehnung eines Begehrens eines Gesellschafters als Mißbrauch der Mehrheitsherrschaft darstellte, gewährte man dem einzelnen auch gegen den Willen der Mehrheit und ohne eine dahingehende Satzungsbestimmung ein Auskunftsrecht. 315 Im Aktiengesetz von 1937 hatte sich der Gesetzgeber auf den Vorschlag des Ausschusses für Aktienrecht hin 3 1 6 dazu entschlossen, in § 112 AktG ein umfassendes Auskunftsrecht einzuführen. Dieses stand jedem Aktionär in der Hauptversammlung zu: §112 Auskunftsrecht des Aktionärs (1) Jedem Aktionär ist auf Verlangen in der Hauptversammlung Auskunft über Angelegenheiten der Gesellschaft zu geben, die mit dem Gegenstand der Verhandlung in Zusammenhang stehen. [...]. (2) Die Auskunft hat den Grundsätzen einer gewissenhaften und getreuen Rechenschaft zu entsprechen. (3) Sie darf nur insoweit verweigert werden, wie überwiegende Belange der Gesellschaft oder eines beteiligten Unternehmens oder der gemeine Nutzen von Volk und Reich es fordern. [...].
Die Begründung zum Aktienrecht führte aus, daß das Fragerecht für den Aktionär die Grundlage für seine Stimmrechtsausübung darstelle und er daher in der Lage sein müsse, sich umfassend zu informieren. 317 Ein Recht auf Bucheinsicht erübrigte sich bei der AG, da nach den §§ 135 ff. AktG 1937 der Jahresabschluß ohnehin einer Prüfung unter Einbeziehung der Bücher und des Geschäftsberichts unterlag. Innerhalb der Beratungen des Ausschusses für GmbH-Recht tauchte die Frage des Auskunftsrechts erstmalig in der 4. Sitzung am 25. und 26.02.1938 auf. Diskutiert wurde unter anderem die Frage der Behandlung eines Gesellschafterdarlehens im Konkurs. 318 Meldete ein Gesellschafter als Gläubiger der GmbH seine 314 Becker/Schmidt, Die GmbH, 1936, S.76. Vgl. auch OLG Karlsruhe vom 10.02.1926, GmbHR 1926,228 = BadRpr. 28,102, Nr. 42: „Ein Recht zur Büchereinsicht hat der einzelne Gesellschafter grundsätzlich nicht, sofern der Gesellschaftsvertrag nichts darüber bestimmt. In Ausnahmefällen ist ein solches Recht dennoch denkbar, insbesondere, wenn sich die Mehrheit durch die Verweigerung der Einsicht eines Mißbrauches ihrer Machtstellung schuldig machen würde." Ähnlich OLG Kassel vom 13.11.1930, GmbHR 1931, 363: „Hat ein Gesellschafter, der eine erhebliche Minderheit darstellt, ein begründetes Interesse an der Einsicht der Geschäftsbücher im Zusammenhang mit der vorgelegten Bilanz, kann ihm die Einsicht nicht aus Schikane verweigert werden, auch wenn ein Recht auf Büchereinsicht nicht besonders statuiert ist." Kritisch hierzu Bing, GmbHR 1931, 349. 315 Vgl. ausführlicher hierzu Bechtle, S. 103. 316 Vgl. Schubert, AktR-Protokolle, S.436. 317 Amtliche Begründung zu § 112, vgl. Klausing, AktG, S. 96. 318 Vgl. hierzu bereits oben, B.II.2.b).
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4. Kap.: Die Beratungen des Ausschusses für GmbH-Recht
RückZahlungsforderung im Konkursfalle zur Tabelle an, so zeigte sich das Problem, daß oftmals Geschäftsführer und auch (Minderheits-)Gesellschafter gar nicht um die kapitalersetzende Eigenschaft der Darlehenshingabe oder um das Darlehen selbst gewußt hatten. Die Diskussion um die Regelung eines diesbezüglichen Auskunftsrechts drehte sich um die Frage, ob man ein allgemeines oder ein nur auf gewisse Fälle beschränktes Auskunftsrecht einführen solle. Das Streben nach größerer Transparenz und nach Nähe zur Personengesellschaft werden hier deutlich. Ebbekke forderte zunächst ein Auskunftsrecht aller Gesellschafter, allerdings nur bezüglich der erwähnten Darlehen, welches parallel zu einer Mitteilungspflicht für den darlehensgebenden Gesellschafter bestehen sollte. 319 Diesem Vorschlag stimmte Klausing zu. 320 Der als Vertreter des Reichsjustizministeriums teilnehmende Amtsgerichtsrat Herbig forderte dann ein erweitertes allgemeines Auskunftsrecht: „Eine Vorschrift über eine Auskunftspflicht im allgemeinen werden wir wohl aufnehmen müssen; denn es muß der Gesellschafter der GmbH, mindestens in demselben Maße wie der Aktionär, vermutlich weitergehend, den Geschäftsführern gegenüber ein Auskunftsrecht besitzen. Das wird man im Gesetz sagen müssen. Dann ist keine Sondervorschrift für den Fall des Darlehens notwendig."321
Wenn also schon der Gesetzgeber von 1937 für den Aktionär die Notwendigkeit eines allgemeinen Auskunftsrechts bejaht hatte, so mußte dies nach Herbig erst recht für die GmbH gelten.322 Herbig wollte sich demnach an das Aktienrecht anlehnen, also ein Auskunftsrecht für jeden Gesellschafter schaffen, welches aber auf die Gesellschafterversammlung beschränkt wäre. Der die Kontrollrechte der oHG-Gesellschafter regelnde § 118 HGB sah ein weiterreichendes Auskunftsrecht auch außerhalb der Gesellschafterversammlung vor: § 118 [Kontrollrechte der Gesellschafter] (1) Ein Gesellschafter kann, auch wenn er von der Geschäftsführung ausgeschlossen ist, sich von den Angelegenheiten der Gesellschaft persönlich unterrichten, die Handelsbücher und die Papiere der Gesellschaft einsehen und sich aus ihnen eine Bilanz anfertigen. (2) [...].
Erstaunlicherweise wandte sich Ebbecke hier gegen ein solch weitreichendes Auskunftsrecht, da in diesem Fall jeder jederzeit die Geschäfte stören könne: „Stellen Sie sich einmal vor, der Schwager, der nicht in das Geschäft hineinkommt, ist ein ekelhafter, neidischer Kerl, der sagt, die Verwandten, die in der GmbH, als Geschäftsführer arbeiten, saufen Sekt, und ich kriege nichts; ich möchte einmal wissen, was da los ist! Er schikaniert also die andern durch dauernde Fragen und Beschwerden. Bei der Gesellschaf-
319
Ebbecke, in Schubert, GmbHR-Protokolle, S.269. Klausing, in Schubert, a. a. O. 321 Herbig, in Schubert, GmbHR-Protokolle, S.270. 322 Herbig hatte im Reichsjustizministerium bereits maßgeblich an der Ausarbeitung des AktG 1937 mitgewirkt, vgl. Schubert, GmbHR-Protokolle, S.XIX. 320
. Auswirkungen der Diskussion um die
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terverSammlung sollte er sein Maul aufreißen; da gibt es dann meinetwegen Familienkrach; einmal im Jahr genügt!"323
Auch Klausing wollte ein außerhalb der Gesellschafterversammlung geltendes Auskunftsrecht nicht befürworten und sprach sich für ein allgemeines, auf die Gesellschafterversammlung beschränktes, Auskunftsrecht aus: „Beim Auskunftsrecht soll man nicht so vorgehen, daß man sagt, das ist eine Personengesellschaft mit Treuepflicht, da kann jeder Auskunft verlangen. Das geht zu weit. Man muß schon im Gesetz die Beschränkung auf die Gesellschafterversammlung festlegen und gewisse andere Fälle hervorheben, in denen das Auskunftsrecht so wichtig ist, daß man es nicht versagen kann."324
An dieser Stelle wollten die Ausschußmitglieder die Grenze zur oHG also wahren. Das Zitat Klausings ist insofern interessant, als daß es im Umkehrschluß die Bejahung der Treupflicht durch den Entwurf von 1939 belegt. Der Referentenentwurf 1939 normierte ein Auskunftsrecht des Gesellschafters zu jeder Zeit, d.h. auch außerhalb der Gesellschafterversammlung. Er ging damit also über den Vorschlag des Ausschusses weit hinaus und glich die Rechtslage dem oHG-Recht an. 325 Im weiteren Verlauf der Ausschußsitzungen schloß sich auch Tengelmann in seinem Referat über das „Rechnungswesen, insbesondere Bilanz und Publizität" in der (6.) Sitzung vom 8. und 9. Juni 1938 dem Vorschlag der Übernahme des § 112 AktG an. 326 Darüber hinaus schlug er vor, den Gesellschaftern, die zusammen mehr als 10% des Stammkapitals vertreten, ein Recht auf Bucheinsicht zu gewähren zum Zwecke der Prüfung der Jahresbilanz, der gesetzlich vorgesehen Zwischenbilanz und der Liquidationsbilanz.327 Ohne Beschränkung auf einen bestimmten Zweck befürwortete Tengelmann ein Bucheinsichts- und Prüfungsrecht für Gesellschafter, die zusammen 25 % des Stammkapitals vertraten. 328 Auch Richter-Brohm sprach sich in seinem Referat zum Minderheitenschutz in der (8.) Sitzung vom 12. und 13. Januar 1939 für die „stärker zu betonenden Rechte auf Auskunft und Bucheinsicht" 329 aus. Er schloß sich dem Vorschlag Tengelmanns an, einer Minderheit von mindestens 10% zur Prüfung der Jahresbilanz, gesetzlicher Zwischenbilanzen und der Liquidationsbilanz die Bucheinsicht zu gewähren. Die weitere Möglichkeit, einer Mehrheit von mindestens 25% die Bucheinsicht ohne Beschränkung auf Bilanzprüfungen zu gewähren, schien ihm dagegen nicht 323 324 325 326 327 328 329
Ebbecke, in Schubert, GmbHR-Protokolle, S.270. Klausing, in Schubert, a. a. Ο. Vgl. zum Auskunftsrecht in §77 Abs. 1 RefE 1939 ausführlicher unten, Kapitel 5,B. VI. 1. Tengelmann, in Schubert, GmbHR-Protokolle, S.409. Tengelmann, in Schubert, GmbHR-Protokolle, S.408. Tengelmann, in Schubert, GmbHR-Protokolle, S.409. Richter-Brohm, in Schubert, GmbHR-Protokolle, S.531.
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4. Kap.: Die Beratungen des Ausschusses für GmbH-Recht
geboten zu sein. Bezüglich des Auskunftsrechts sprach sich Richter-Brohm ebenfalls für die Übernahme des § 112 AktG 1937 aus.330 Hier sollte also nach dem Willen der Ausschußmitglieder die Grenze zur oHG gewahrt bleiben. Bei der befürworteten Übernahme der aktienrechtlichen Regelung gilt es aber zu bedenken, daß diese auch schon für das Aktienrecht eine nach 1933 geschaffene Neuerung mit personenrechtlichem Einschlag bedeutet hatte und es sich hier nicht um die Übernahme eines klassischen Grundsatzes aus dem Kapitalgesellschaftsrecht handelte. Demnach gilt es festzuhalten, daß man - was immerhin ebenfalls möglich gewesen wäre - zu einer Übernahme des § 118 HGB in den Ausschußsitzungen nicht bereit war. Neben den Rechten auf Auskunft und Bucheinsicht sprach Richter-Brohm in der 8. Sitzung des Ausschusses vom 12. und 13. Januar 1939 auch das Recht einer Minderheit an, die Bilanz prüfen zu lassen und Ansprüche aus der Geschäftsführung geltend zu machen. Er versprach sich durch das Bilanzprüfungsrecht einen wirksamen Schutz der Minderheit vor Thesaurierung und Aushungerung 331: „Darüber hinaus ist auf der Düsseldorfer Tagung [gemeint ist die 6. Sitzung des Ausschusses vom 8. und 9. Juni 1938, Anm. d. Verf.] auch bereits eingehend über die Frage der Bilanzprüfung gesprochen worden, und zwar auch unter dem Gesichtspunkt des Minderheitenschutzes.332 M. E. sollte eine größere Minderheit - 25 % - ohne weiteres berechtigt sein, den Jahresabschluß prüfen zu lassen, eine geringere Minderheit - 10% - bei begründetem Verdacht unredlicher Geschäftsführung oder erheblicher Gesetzesverstöße, über dessen Vorliegen man die Entscheidung dem Registerrichter übertragen kann."333
Um einer leichtfertigen Geltendmachung dieser Rechte vorzubeugen, müßten die Kosten der Prüfung zunächst von den Antragstellern übernommen werden, die endgültige Kostenregelung hinge dann vom Ausgang der Prüfung ab. 334 Richter-Brohm sprach sich in seinem Referat während der 8. Ausschußsitzung auch für die gesetzliche Normierung des Anfechtungsrechts von Beschlüssen der Gesellschaftsversammlung eines jeden Gesellschafters zum Schutze der Minderheit aus.335 Das GmbH-Gesetz enthielt keinerlei Bestimmungen über fehlerhafte Gesellschafterbeschlüsse. Der Gesetzgeber von 1892 hatte geglaubt, auf besondere Vorschriften über die Befugnis des einzelnen Gesellschafters, Beschlüsse durch Klage anzufechten, verzichten zu können und auf die allgemeinen Grundsätze verwie330 331 332 333 334 335
Vgl. auch zum Recht auf Bucheinsicht in §77 Abs. 1 RefE 1939 unten, Kapitel 5, Β. VI. 1. Vgl. Richter-Brohm, in Schubert, GmbHR-Protokolle, S.533. Vgl. hierzu Klausing, in Schubert, GmbHR-Protokolle, S.445. Richter-Brohm, in Schubert, GmbHR-Protokolle, S.534. Richter-Brohm, in Schubert, a. a. O. Richter-Brohm, in Schubert, GmbHR-Protokolle, S.535.
. Auswirkungen der Diskussion um die
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sen. 3 3 6 Bereits früh lehnte sich die Rechtsprechung aber an das Aktienrecht an und erkannte auch i m GmbH-Recht das Recht des Gesellschafters an, Beschlüsse der Gesellschafterversammlung anzufechten. 337 In Analogie zu § 271 H G B 3 3 8 war also das Recht des Gesellschafters bekannt, gesetzes- oder satzungswidrige Beschlüsse durch Klage gegen die Gesellschaft binnen Monatsfrist anzufechten. 339 Das Aktiengesetz von 1937 hatte aber die Anfechtungsmöglichkeiten erweitert, indem es in § 197 Abs. 2 einen neuen Anfechtungsgrund bei der mißbräuchlichen Stimmrechtsausübung zum Schaden der Gesellschaft eingeführt hatte. 3 4 0 Für eine Übernahme eines solchen Anfechtungsgrundes sprach sich auch Richter-Brohm aus. 3 4 1 Was die Anfechtungsfrist betraf, so drängte Richter-Brohm allgemein jedoch zur Vorsicht vor der Übernahme aktienrechtlicher Regeln, da diese nicht immer passend seien: „Was z. B. die Anfechtungsfrist betrifft, so hat man bisher, um einen allzu langen Schwebezustand mit den daraus entspringenden Unzuträglichkeiten zu vermeiden, eine gesetzlich nicht vorgesehene Anfechtungsfrist durch allgemeine Rechtssätze (Treupflicht, Verwirkung, stillschweigender Verzicht auf Anfechtungsrecht usw.) doch einzuführen versucht. Es ist m. E. schon deshalb notwendig, diese Lücke im Mangel konkreter Tatbestandsvoraussetzungen bei der GmbH, auszufüllen, um einer häufig nicht passenden Analogieanwendung 336 Begründung zum GmbH-Gesetz, in: Stenographische Berichte über die Verhandlungen des Reichstages, 8. Legislaturperiode, I.Sess. 1890/92, 5. Anlageband, S.3751. 337 Vgl. RGZ 49,141 (145) v. 18.10.1901: „Der einzelne Gesellschafter hat, wie das Reichsgericht wiederholt anerkannt hat, ein klagbares Recht auf Anfechtung einer durch die Mehrheit der Gesellschaft festgestellten Bilanz wegen offenbarer Verstöße gegen Gesetz oder Vertrag. " RGZ 85, 311 (313) v. 9.10.1914: „In gleicher Weise [wie bei der AG, Anm. d. Verf.] ist auch das Recht der Gesellschafter einer Gesellschaft m.b.H., gesetz- oder statutenwidrige Beschlüsse durch eine gegen die Gesellschaft gerichtete Klage anzufechten, in der Rechtsprechung stets anerkannt worden, solange diese Gesellschaftsform besteht. Es bedarf daher keiner weiteren BegründungDes weiteren RGZ 101, 160; 131, 141 (144f.); 166, 129 (131); 172, 76, (77 f.). 338 Bis zum Erlaß des AktG von 1937 lautete die maßgebliche Vorschrift im Handelsgesetzbuch: §271 (1) Ein Beschluß der Generalversammlung kann wegen Verletzung des Gesetzes oder des Gesellschaftsvertrags im Wege der Klage angefochten werden. (2) Die Klage muß binnen einem Monat erhoben werden. (3) Zur Anfechtung befugt ist jeder in der Generalversammlung erschienene Aktionär, sofern er gegen den Beschluß Widerspruch zum Protokoll erklärt hat, und jeder nicht erschienene Aktionär, sofern er zu der Generalversammlung unberechtigterweise nicht zugelassen worden ist oder sofern er die Anfechtung darauf gründet, daß die Berufung der Versammlung oder die Ankündigung des Gegenstandes der Beschlußfassung nicht gehörig erfolgt sei. [...]· 339 Strittig waren vereinzelt die formellen Voraussetzungen, beispielsweise die Anwendbarkeit der Monatsfrist des § 271 Abs. 2 HGB im GmbH-Recht, vgl. im einzelnen Becker/Schmidt, Die GmbH, 1936, S.77 und S. 173; Brodmann, GmbHG, 1924, §47 Anm.4; Crüger/Crecelsius, GmbHG, 6. Auflage 1926, §45; Groschuff, GmbHG 1936, §45 Anm.2 A. 340 Vgl. zu den Beratungen des Ausschusses für Aktienrecht Schubert, AktR-Protokolle, S.262f. (Ebbecke), S. 264 (Kißkalt), S.265 (Quassowski, Klausing). 1 e r h , in Schubert, GmbHR-Protokolle, S . 5 .
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4. Kap.: Die Beratungen des Ausschusses für GmbH-Recht
des Aktiengesetzes, die sich dann auch auf weitere Probleme allmählich erstrecken würde, vorzubeugen und damit auch in diesem Punkt der Auffassung einen Riegel vorzuschieben, daß die GmbH, schließlich zu einer verkleinerten Auflage der Aktiengesellschaft wird." 342
Auch andere Ausschußmitglieder sprachen sich für die Regelung des Anfechtungsrechts aus 343 , eine tiefergehende Diskussion blieb jedoch aus, wahrscheinlich wegen der übereinstimmenden Meinungen zu diesem Punkt. 344 2. Ergebnis hinsichtlich des Minderheitenschutzes Festzuhalten gilt, daß die Arbeiten des Ausschusses zwei Tendenzen aufweisen. Zum einen die klare Entschlossenheit, das Innenverhältnis der GmbH demjenigen der Personengesellschaften anzunähern, die GmbH also nicht mehr als verkleinerte AG anzusehen, sondern eher als oHG. Dabei ist zu bemerken, daß sich die in der Literatur vertretene Aufgabe des Trennungsdenkens zwischen Kapital- und Personengesellschaften auch in der Behandlung der GmbH in den Ausschußsitzungen wieder findet. Andererseits ist der Wille zur Verstärkung des Minderheitenschutzes deutlich geworden, als Ausdruck und unter Betonung der Treueverhältnisse zwischen Gesellschaft und Gesellschafter und zwischen den Gesellschaftern untereinander. Die Mitglieder des Ausschusses sind aber nicht wirklich bereit gewesen, die Grenzziehung zwischen Personen- und Kapitalgesellschaft völlig aufzugeben, wie beispielsweise in den Beratungen zum Ausschluß- oder Auskunftsrecht deutlich geworden ist.
D. Zusammenfassung Ernsthaft setzte sich der Ausschuß mit der Frage der Abschaffung der GmbH nicht mehr auseinander, was in der Isolation von Großmann-Doerth gipfelte. Eine theoretische Diskussion um die Haftungsbeschränkung und das Prinzip von der Einheit von Herrschaft und Haftung blieb demnach ebenso aus, wie das erwartete Aufgreifen spezifisch ideologischer Ideen aus der Literatur. Freilich sind auch die Ausschußprotokolle nicht frei von Ideologie; die Forderungen nach dem „Führerprinzip„gegen die Anonymität" und zur „Führerauswahl" blieben aber sehr verhalten und die betroffenen Problemkreise wurden durchweg pragmatisch gelöst. Die Übernahme des aktienrechtlichen Führerprinzips scheiterte an dem Willen der Angleichung der GmbH an die oHG, Publizitätsvorschriften an dem Interesse der NSFührung an der Tarnung der Kriegsvorbereitungen. Teilweise entsteht so der Ein342
Richter-Brohm, in Schubert, a. a. O. Vgl. Schubert, GmbHR-Protokolle, S.388 und S.395 (Quassowski), S.562 (Ebbecke), S.612 (Kolb, Herbig), S.616 (Klausing, Friedrich). 344 Vgl. zur Regelung des Anfechtungsrechts in den §§ 130 ff. RefE unten, Kapitel 5, B.VI.3. 343
D. Zusammenfassung
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druck, daß die dogmatischen Begründungen willkürlich sind, betrachtet man beispielsweise die Ablehnung des Führerprinzips wegen der Ähnlichkeit zum Aktienrecht einerseits und das Befürworten des Erwerbs eigener Anteile in Anlehnung an das Aktienrecht andererseits. Es ist aber deutlich geworden, daß der Wille zur Angleichung der GmbH an die Personengesellschaften ungebrochen im Vordergrund stand, was nicht zuletzt auf die hohe Anzahl und das Stimmengewicht der Praktiker im Ausschuß, allen voran Ebbecke, zurückzuführen ist. Schließlich ist diese Tendenz aber auch eingebettet in die von der NS-Führung bereits eingeleitete Bereinigung des Gesellschaftsrechts von Kapitalgesellschaften, so daß sich hier, im ganzen betrachtet, durchaus die Feststellung treffen läßt, daß die GmbH in der Zeit des Nationalsozialismus in die Rolle der Personengesellschaft gedrängt wurde. Dies geschah somit nicht nur durch Literatur und Gesetzgebung, sondern auch durch den Wirtschaftsvertreter selbst. Was einerseits durch Umwandlungsgesetzgebung und Stimmungen in der Öffentlichkeit bereits ganz real bewirkt worden war, findet sich durchaus auch in den Diskussionen zu einem neuen Gesetz wieder, welche die nun noch bestehenden GmbH in Anpassung an die Wirklichkeit in das Gewand einer Personengesellschaft kleiden wollten, welches mit dem GmbH-Gesetz von früher nur noch den Namen gemeinsam gehabt hätte. Es wird aber auch deutlich, daß die Ministerialvertreter durchaus einen stärkeren Hang zur staatlichen Kontrolle zeigen als die Vertreter der Wirtschaft dies befürworteten. Dies zeigte sich anhand der Diskussion um eine obligatorische oder fakultative Gründungsprüfung; eine Erkenntnis, die eventuell auch für den NS-Staat als typisch gesehen werden kann. Wichtiger erscheint jedoch das Fazit, daß trotz der wenigen ideologisch gefärbten Diskussionen für den unbefangenen Betrachter die grobe Leitlinie des Nationalsozialismus „ gegen die Kapitalgesellschaften " und „für die Personengesellschaften " trotz aller Ausnahmen für den unbefangenen Betrachter erhalten bleibt. Daß sich diese Leitlinie auch im Entwurf von 1939 wieder findet, soll im nächsten Kapitel dargelegt werden.
Fünftes Kapitel
Der Referentenentwurf (RefE) von 1939 als Produkt der Diskussionen und Ausschußberatungen Was sich in den Ausschußsitzungen der Akademie für deutsches Recht noch als Annäherung von körperschaftlichen und personengesellschaftsrechtlichen Elementen dargestellt hatte, vollzog der Referentenentwurf (RefE) 1939 nun mit einer Selbstverständlichkeit, die ohne die vorangegangenen Diskussionen um die Überwindung des gesellschaftsrechtlichen Dualismus, des Trennungsdenkens und die Aufgabe des herkömmlichen Verständnisses von der juristischen Person nicht möglich gewesen wäre. Der Entwurf lag im Juli 1939 vor und wurde mit Datum vom 5. August 1939 vom Reichsjustizministerium an die Reichsministerien und anderen Dienststellen zur Stellungnahme übersandt.1 Als Leiter der wirtschaftsrechtlichen Abteilung des Reichsjustizministeriums war Quassowski für den Entwurf nebst seiner amtlichen Begründung verantwortlich. Als unmittelbarer Verfasser des Entwurfs gilt der hessische OLG-Rat Wilhelm Friedrich. Die amtliche Begründung wurde von MeyerCording verfaßt, über die Einflußnahme von Schlegelberger und Quassowski liegen keine Angaben vor. 2 Einleitend weist die Begründung zum Entwurf darauf hin, daß die GmbH nach wie vor eine Mittelstellung zwischen der Aktiengesellschaft und den Personengesellschaften darstelle.3 Mit der Aktiengesellschaft habe sie nach wie vor die eigene Rechtspersönlichkeit, die Haftungsbeschränkung und das Vorhandensein eines gebundenen Vermögens gemeinsam, sei aber im übrigen von den Bindungen und starren Regelungen des Aktienrechts weitgehend befreit. Mit den Personengesellschaften teile sie die Einfachheit des organisatorischen Aufbaues und die engere Bindung der Gesellschafter an das gemeinsame Unternehmen. Auch wenn der Nationalsozialismus die Personengesellschaften besonders gefördert habe4, weil diese den natio1
Vgl. ausführlich Schubert, Entwurf 1939, Einführung, V, S. 84ff. Nach Schubert, Entwurf, Fn. 367, wurde der Entwurf versandt an Heß, Göring, an den Reichspost- und Reichsverkehrsminister, an den preußischen Finanzminister, an den Oberbefehlshaber des Heeres und der Kriegsmarine, den Reichsstatthalter im Sudetengau, sowie an verschiedene Reichskommissare; vgl. ebenfalls dort zum Begleitschreiben von Schlegelberger. 2 Vgl. auch Schubert, Entwurf, S.85. 3 Schubert, Entwurf, S. 147. 4 Gemeint sind die Bestrebungen des nationalsozialistischen Gesetzgebers, die Kapitalgesellschaften durch Vergünstigungen und steuerliche Erleichterungen zur Umwandlung in Personengesellschaften zu bewegen, vgl. hierzu ausführlich oben, Kapitel 1, C.
5. Kap.: Der Referentenentwurf (RefE) von 1939
303
nalsozialistischen Forderungen nach Verantwortung und persönlichem Einsatz in besonderem Maße gerecht werden, so seien doch in der deutschen hochentwickelten Wirtschaft die unternehmerischen Verhältnisse und Bedürfnisse zu vielgestaltig, als daß man auf die Aktiengesellschaft oder die GmbH verzichten könne. Die zwischen der Aktiengesellschaft und den Personenhandelsgesellschaften bestehende Lücke sei daher auch in Zukunft durch die GmbH auszufüllen. Allerdings bedürfe sie einer „tiefgreifenden Umgestaltung" 5. Zum Gesamtanliegen des Entwurfs führt die Begründung aus: „Diese Lücke zu schließen und das Gesetz als Ganzes wie im einzelnen an die rechts- und wirtschaftspolitischen Auffassungen der neuen Zeit anzupassen, hat sich der Entwurf zur Aufgabe gesetzt. " 6 Die Begründung weist darauf hin, daß, soweit rechtstechnisch auf Vorschriften des Aktienrechts zurückgegriffen wurde, sich dies hauptsächlich auf Vorschriften beziehe, die bereits durch die Aktienrechtsreform von 1937 an die „rechts- und wirtschaftspolitischen Forderungen der neuen Zeit" 1 angeglichen wurden. Die Übernahme aktienrechtlicher Regelungen im Entwurf spricht somit nicht gegen eine Annäherung der GmbH an das Recht der Personengesellschaften, was die Begründung noch einmal betont. Der Entwurf knüpfe an die rechtstatsächliche Entwicklung der GmbH 8 an und versuche daher, „ in den die inneren Verhältnisse der Gesellschaft regelnden Vorschriften die Züge der Personengesellschaft stärker herauszuarbeiten " 9. In den Abschnitten, die sich mit den Rechtsverhältnissen der Gesellschafter und dem verfassungsmäßigen Aufbau der Gesellschaft befassen, mache sich der Entwurf daher bewußt von dem Vorbild des Aktiengesetzes frei. 10 Zusammenfassend kann die Grundkonzeption des Entwurfs also dahingehend beschrieben werden, daß unter Beibehaltung der äußeren Merkmale der Kapitalgesellschaft das Innenleben der GmbH an die Personengesellschaft angenähert werden sollte. Der Entwurf soll kurz überblickartig mit seinen wesentlichen Neuerungen beschrieben werden, um eine erste Orientierung zu ermöglichen. Im weiteren Verlauf des Kapitels werde ich sodann auf Einzelfragen und einzelne Problemkreise des Entwurfs eingehen. Zum äußeren Aufbau des Entwurfes ist zunächst zu sagen, daß der NS-Gesetzgeber versuchte, in möglichst verständlicher Sprache das GmbH-Recht umfassend neu zu regeln. Der Entwurf besteht aus 186 Vorschriften (zum Vergleich: das geltende Recht sah nur 84 Vorschriften vor), welche in insgesamt zwölf Teile aufgegliedert sind. Um Allgemeinverständlichkeit bemüht, stellte der Entwurf im ersten Teil zunächst „Allgemeine Vorschriften" vorweg, welche das „Wesen der Gesellschaft" 5
Schubert, Entwurf, S. 148. Schubert, a. a. O. 7 Schubert, a. a. O. 8 Vgl. hierzu auch schon den Hinweis Ebbeckes auf den Entwurf von Oechelhäuser in der 1. Sitzung des Ausschusses für GmbH-Recht, in Schubert, GmbHR-Protokolle, S. 37. 9 Schubert, Entwurf, S. 149. 10 Schubert, a.a.O. 11 Vgl. hierzu unten, A. 6
11
304
5. Kap.: Der Referentenentwurf (RefE) von 1939
(§ 1), deren Leitung (§ 2), Sitz (§ 5), und Firma (§ 4) betrafen. § 2 stellte dabei den Grundsatz auf, daß die Gesellschaft so zu leiten sei, „ wie das Wohl des Betriebs und seiner Gefolgschaft und der gemeine Nutzen von Volk und Reich es fordern ". 12 Das Stammkapital (§ 6 Abs. 3) sollte mindestens 20.000,-RM betragen. Das geltende Recht hatte zwischen der Stammeinlage und dem Geschäftsanteil des Gesellschafters unterschieden. Hierbei bezeichnete die „ Stammeinlage " den von jedem Gesellschafter zu leistenden Einlagenbetrag, während der „Geschäftsanteil" die Beteiligung des Gesellschafters mit allen umfassenden gesellschaftlichen Rechten und Pflichten betraf. Der Entwurf faßte beide Begriffe einheitlich unter der neuen Bezeichnung „Stammanteil" zusammen, dessen Nennbetrag nach §6 Abs. 4 mindestens 500,-RM betragen mußte. Im Zweiten Teil (§§ 7-30) folgten Vorschriften über die „Gründung der Gesellschaft", welche einschneidende Neuregelungen brachte. Zum einen enthielt der Entwurf in den §§9, 17 Regelungen zur Sacheinlagenproblematik; darüber hinaus sah der Entwurf eine Gründungsprüfung 13 für den Fall der Gründung mit Sacheinlagen vor, § 12. Die §§ 24-26 regelten in diesem Zusammenhang die (gesamtschuldnerische) Haftung der Gründer, der für die Gründung verantwortlichen Geschäftsführer und Gründungsprüfer in umfänglicher Weise. § 16 brachte eine weitere einschneidende Neuerung, wonach Bareinlagen vor der Anmeldung der Gesellschaft zum Handelsregister nunmehr voll einzuzahlen waren. Der Dritte Teil (§§31-47) beschäftigte sich mit den „Rechtsverhältnissen der Gesellschaft und der Gesellschafter". Herauszustellen sind hier die Regelungen über den Erwerb eigener Stammanteile14 (§ 34), welcher nur zur „Abwendung eines schweren Schadens " möglich sein sollte, die Ersatzpflicht der Gesellschafter beim Empfang verbotener Leistungen15 (§ 35) und die Regelung der Gesellschafterdarlehen im Konkurs 16 (§ 36). § 46 betraf die Einmanngesellschaft, welche auch nach dem RefE 1939 zulässig blieb. 17 Für den Fall des Konkurses aber hatte der Einmanngesellschafter „den zur Befriedigung der Gesellschafts gläubiger erforderlichen, durch das Gesellschaftsvermögen nicht gedeckten Betrag zur Konkursmasse zu zahlen". Ein Anspruch aufgrund dieser persönlichen „Ausfallhaftung" zur Befriedigung der Gesellschaftsgläubiger 18 galt also nur im Konkurs und konnte nur vom Konkursverwalter geltend gemacht werden (§46 Abs. 1, Satz 2). Im Vierten Teil (§§48-86) behandelte der Entwurf in den ersten drei Abschnitten zunächst die Gesellschafter (§§48-53), sodann die Geschäftsführer (§§ 54-70) und schließlich den Aufsichtsrat (§§71-75). Die Gesellschafter blieben das oberste zur 12 13 14 15 16 17 18
Vgl. hierzu unten, C. III. Vgl. unten, C.I. Vgl. unten, C.II.4. Vgl. unten, B.II, und C.II. Vgl. unten, C.II.2. Vgl. ausführlicher unten, C.II.5. Vgl. hierzu Schubert, Entwurf, S. 168.
5. Kap.: Der Referentenentwurf (RefE) von 1939
305
Willensbildung berufene Organ der Gesellschaft. Der Entwurf griff nur an einigen Stellen reglementierend ein, ansonsten beließ er den Beteiligten viel Spielraum, durch Satzung das Innenverhältnis selbst zu bestimmen.19 § 66 stellte „ Grundsätze für die Bezüge der Geschäftsführer " auf und § 68 enthielt eine besondere Vorschrift diesbezüglich für den geschäftsführenden Gesellschafter. 20 § 58 sah die Namensangabe aller Geschäftsführer auf Geschäftsbriefen vor. 21 Die Einrichtung eines Aufsichtsrates blieb auch nach dem Entwurf fakultativ (§71). Im sich anschließenden vierten Abschnitt brachte der Entwurf die aus dem AktG 1937 bekannte Generalklausel zum Schutz der Gesellschaft gegen eine unlautere Beeinflussung ihrer Verwaltungsträger (§ 76) für den Fall des „Handelns zum Schaden der Gesellschaft zwecks Erlangung gesellschaftsfremder Vorteile"} 2 Im fünften Abschnitt traf der Entwurf Bestimmungen über die Minderheits- und Einzelrechte der Gesellschafter 23 (§§77-86). Eine Besonderheit führte der Entwurf im Fünften Teil bei der „ Rechnungslegung " (§§ 87-96) ein. Wie bisher hatten die Geschäftsführer den Jahresabschluß aufzustellen, der alsdann von den Gesellschaftern festzustellen war. Für größere Gesellschaften, solche mit einem Stammkapital über zwei Millionen Reichsmark, führte der Entwurf aber in § 95 eine Prüfung des Jahresabschlusses ein, da dies im öffentlichen Interesse geboten sei.24 Die Vorschrift verwies auf die entsprechenden Regelungen im Aktienrecht; nach § 95 Ziff. 5 waren Jahresabschluß und Geschäftsbericht beim Registergericht einzureichen und im Reichsanzeiger zu veröffentlichen. Es folgten sodann der sechste Teil zur „Änderung des Gesellschaftsvertrages, Kapitalerhöhung und Kapitalherabsetzung " (§§ 97-127), sowie ein eigener siebter Teil (§§ 128-135) zur „Nichtigkeit von Gesellschafterbeschlüssen in welchem Anfechtung und Nichtigkeit ausführlich behandelt wurden. 25 Der Entwurf lehnte sich hier an die von Rechtsprechung und Rechtslehre entwickelten Grundsätze an und glich die Rechtslage im wesentlichen der des Aktienrechts an.26 Der achte Teil betraf schließlich den „Ausschluß und Austritt von Gesellschaftern. Auflösung, Abwicklung und Nichtigkeit der Gesellschaft" 21 (§§ 136-155). Es folgten der Neunte Teil über die „ Verschmelzung " und „ Vermögensübertragung " (§§ 156-172), sowie der Zehnte Teil über „Die GmbH und Staat" (§§ 173-177). Dieser Teil sah in § 173 ein staatliche Auflösung der GmbH durch das Reichswirtschaftsgericht auf Antrag des 19
Vgl. Schubert, Entwurf, S. 169; vgl. zu dieser Abweisung vom „Führerprinzip"
unten,
C.III. 20
Vgl. hierzu ausführlich unten, C.II.3. Vgl. unten, C.IV. 22 Vgl. unten, Β. V. 23 Vgl. hierzu ausführlich unten, Β. VI. 24 Schubert, Entwurf, S. 182; vgl. hierzu auch unten, C.IV. 25 Vgl. unten, Β. VI. 3. 26 Schubert, Entwurf, S. 189. 27 Vgl. unten, B. III. zum Ausschluß und Austritt, sowie Β. IV. und Β. VI. 4. zur Auflösungsklage. 21
20 Stupp
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5. Kap.: Der Referentenentwurf (RefE) von 1939
Reichswirtschaftsministers vor, soweit eine „Gesellschaft das Gemeinwohl, namentlich durch ein Verhalten ihrer Verwaltungsträger " gefährdete. § 174 sah eine Auflösungsbefugnis für das Registergericht nach dem Verfahren des § 144 RFGG für Grundstücksverwaltungs-GmbH vor, sofern diese keine entsprechende Genehmigung besaßen. Die Vorschrift ist im Zusammenhang mit § 3 Abs. 2 des Entwurfes zu sehen, wonach „die Verwaltung und Nutzung eigener bebauter Grundstücke " nicht alleiniger oder überwiegender Gegenstand des Unternehmens sein durfte. Der Reichsminister der Justiz konnte Ausnahmen zulassen (§ 3 Abs. 2, Satz 2). Im Elften Teil (§§ 178-184) schließlich folgten eine ganze Reihe von „Strafvorschriften". § 178 stellte ganz allgemein das „Handeln zum Nachteil der Gesellschaft" unter Gefängnisstrafe, wobei nach Abs. 2 auch ein „ Verlust der bürgerlichen Ehrenrechte " drohte. Ein besonders schwerer Fall nach Abs. 3, welcher mit „Zuchthaus " belegt war, lag beispielsweise vor, „wenn die Tat das Wohl des Volkes geschädigt" hatte. Mit Gefängnis sollten aber auch bereits falsche Angaben über die Gründungsvorgänge der Gründer oder Geschäftsführer zum Zweck der Eintragung der Gesellschaft bestraft werden, § 179. Der Zwölfte Teil enthielt sodann nur noch „Schlußvorschriften" (§§ 185-186). Nach diesem Überblick zum Aufbau des Entwurfes soll im folgenden zunächst auf die grundsätzliche Einordnung der GmbH als juristische Person im gesellschaftsrechtlichen Gesamtgefüge eingegangen werden. 28 Sodann möchte ich die Art und Weise der Annäherung der GmbH betreffend ihrer inneren Ausgestaltung an das Recht der Personengesellschaften aufzeigen. 29 Anschließend werde ich noch auf einige Regelungen eingehen, welche als Auswirkung der Diskussion um die Haftungsbeschränkung in teilweiser Anlehnung an das Aktienrecht in den Entwurf aufgenommen wurden. 30
A. Wesen der GmbH als (Personen-)„Gesellschaft" und juristische Person Wie bereits zu Beginn des 3. Kapitels herausgestellt31, bezeichnete § 1 RefE 1939 die GmbH als eine „mit eigener Rechtspersönlichkeit ausgestattete Gesellschaft" § 1 Wesen der Gesellschaft mit beschränkter Haftung (1) Die Gesellschaft mit beschränkter Haftung ist eine mit eigener Rechtspersönlichkeit ausgestattete Gesellschaft, in der sich zwei oder mehr Personen zusammenschließen, um durch sie einen gemeinsamen Zweck zu fördern oder zu erreichen. 28 29 30 31 32
Im folgenden unter A. Im folgenden unter B. Im folgenden unter C. Vgl. oben, Kapitel 3. Zur selben Formulierung für die AG vgl. oben, Kapitel 3, B.III.
32
:
Α. Wesen der GmbH als (Personen-)„Gesellschaft" und juristische Person
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(2) Die Gesellschafter sind mit Einlagen auf das in Stammanteile zerlegte Stammkapital beteiligt. (3) Für die Verbindlichkeiten der Gesellschaft haftet nur das Gesellschaftsvermögen. Die Gesellschafter sind zu Leistungen über die Einlage hinaus nur verpflichtet, soweit dies ausdrücklich bestimmt ist.
Die amtliche Begründung erläuterte, daß sich daraus das Wesen der GmbH als „Personengesellschaft mit gebundenem Kapital" ergebe: „Im ersten Teil des Entwurfs sind die grundsätzlichen und für die Gesellschaft mit beschränkter Haftung besonders bedeutsamen Vorschriften zusammengefaßt. [...]. [Wesen der Gesellschaft] Aus § 1 ergibt sich das Wesen der Gesellschaft mit beschränkter Haftung als einer Personengesellschaft mit gebundenem Kapital. Das persönliche Element tritt in Absatz 1 in Erscheinung, während Absatz 2 die Kapitalgrundlage und Absatz 3 die Haftung behandeln. Durch ihren Zusammenschluß bilden die Gesellschafter, deren Zahl im Gegensatz zur Aktiengesellschaft regelmäßig nur gering sein wird, eine Gemeinschaft, die manche Ähnlichkeit mit der offenen Handelsgesellschaft aufweist." 33
Im Gegensatz zur amtlichen Begründung zum AktG 1937 findet sich hier also eine eindeutige amtliche Stellungnahme, welche die GmbH als „Personengesellschaft" bezeichnet. Nachdem der Aktiengesetzgeber von 1937 in seiner amtlichen Begründung keine Stellungnahme zur Frage über das Wesen der AG abgegeben hatte, war in der Literatur der Streit aufgekommen, ob der Gesetzgeber mit der Formulierung, die AG sei eine „Gesellschaft mit eigener Rechtspersönlichkeit" in § 1 AktG gemeint haben könne, daß die AG statt dem Vereinsrecht dem Recht der Personengesellschaften näher stünde.34 Hierbei vertrat insbesondere der von den Mitarbeitern des Reichsjustizministeriums herausgegebene Kommentar von Schlegelberger/Quassowski die Meinung, die AG sei hiermit vom Gesetzgeber als Personengesellschaft eingeordnet worden 35; eine starke Gegenmeinung behauptete jedoch das Gegenteil.36 Es können nun zwei Gründe dafür gesprochen haben, daß die amtliche Begründung zum RefE 1939 zur Frage des „ Wesens " der GmbH Stellung bezog. Zum einen könnte es sein, daß der Gesetzgeber durch die amtliche Begründung eine Diskussion, wie sie in der Aktienrechtskommentierung aufgekommen war, vermeiden und selbst nicht mißverstanden werden wollte. Hält man sich vor Augen, daß Schlegelberger als Staatssekretär im Reichsjustizministerium an der Ausarbeitung des Aktiengesetzes beteiligt war, im Kommentar Schlegelberger und Quassowski darauf33
Schubert, Entwurf, S. 151. Vgl. hierzu oben, Kapitel 3, B.III. 35 Schlegelberger/Quassowski, AktG 1937, § 1 Rn. lf.; ebenso Godin/Wilhelmi, AktG 1937, § 1 Anm. 1; vgl. oben, Kapitel 3, B.III. 36 Gadow, AktG 1937,Großkommentar, § 1 Anm.3; Ritter/Ritter, AktG 1937, Vorb., Anm.4; vgl. oben, Kapitel 3, B.III. 34
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5. Kap.: Der Referentenentwurf (RefE) von 1939
hin eine Meinung vertraten, die sich nicht unumstritten durchsetzen konnte und nun Quassowski für den Entwurf zu einem neuen GmbHG und der amtlichen Begründung verantwortlich war, erscheint dieser Gedanke plausibel. Zum anderen könnte der Grund aber auch darin liegen, daß man sich im Reichsjustizministerium, unabhängig von der Erfahrung mit dem Aktiengesetz, bezüglich der Frage nach der personenrechtlichen Struktur bei der GmbH sehr viel sicherer war, als man dies bei der AG hatte sein können. Daß die GmbH personenrechtliche Züge aufwies, war stets unumstritten gewesen, und Kritik an der Einordnung der GmbH als Personengesellschaft war von keiner Seite zu erwarten. Daneben tritt aber noch ein weiterer Aspekt. Die Diskussion um das Verständnis von der Rechtsfähigkeit von Personenverbänden und um die Überwindung des trennenden Dualismus im Gesellschaftsrecht hatte eine „ Verflachung " in der dogmatischen Denkweise bewirkt. 37 Das Denken in normativen Begriffen wurde zugunsten eines Denkens in Ordnungen und Institutionen38 aufgehoben und hatte dazu geführt, daß - und insofern hatte man dies aus der Diskussion um das Wesen der AG bereits gelernt 39 - die dogmatische Einordnung einer Gesellschaft überhaupt nicht mehr als wichtiger Gesichtspunkt im Zentrum des Interesses stand. Es besteht also nach wie vor die Möglichkeit, daß der Gesetzgeber mit der Bezeichnung „Personengesellschaft" lediglich für „jeden Volksgenossen klar erkennbar " das anerkanntermaßen vorhandene personalistische Element innerhalb der GmbH betonen wollte, ohne dabei an die Kategorien zu denken, die man aus früheren Zeiten kannte und gerade zu überwinden versuchte. Die in § 1 Abs. 1 RefE 1939 hergestellte Verbindung von juristischer Person und Personengesellschaft tritt deutlich hervor, wenn man die bisherige Vorschrift des 1939 geltenden GmbHG und die für alle Personengesellschaften geltende Vorschrift des §705 BGB betrachtet: §13 Rechtsnatur der GmbH (1) Die Gesellschaft mit beschränkter Haftung als solche hat selbständig ihre Rechte und Pflichten; sie kann Eigentum und andere dingliche Rechte an Grundstücken erwerben, vor Gericht klagen und verklagt werden.
[·..]. § 705 [Inhalt des Gesellschaftsvertrages] Durch den Gesellschaftsvertrag verpflichten sich die Gesellschafter gegenseitig, die Erreichung eines gemeinsamen Zweckes in der durch den Vertrag bestimmten Weise zu fördern, insbesondere die vereinbarten Beiträge zu leisten.
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Vgl. oben, Kapitel 3, C., Kapitel 4, C.V. Vgl. zum konkreten Ordnungsdenken oben, Kapitel 3, A.1.1. 39 Vgl. oben, Fn. 35, 36 zu den Überschneidungen der verschiedenen Meinungen. Selbst Schlegelberger/Quassowski gestanden ein, daß trotz der Bezeichnung der AG als „echte Gesellschaft" die Vereinsvorschriften anwendbar blieben. 38
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Die Aufnahme des Begriffs „Rechtspersönlichkeit " in § 1 RefE 1939, der bislang nicht ausdrücklich in § 13 GmbHG genannt worden war und gleichzeitig der fast wörtliche Anklang an § 705 BGB durch die Aufnahme der „Zweckförderung " in die neue Vorschrift zeigt auch nach außen hin, in einer leicht verständlichen („ volkstümlichen ") Sprache die Vereinigung der beiden Formen im Wesen der GmbH. Charakteristisch erscheint auch die Verwendung des Begriffs „Rechtspersönlichkeit" in Abgrenzung zu dem Begriff „juristische Person Im Rahmen des Erlasses der fast wortgleichen Vorschrift des § 1 AktG 1937 hatte Klausing in den Ausschußsitzungen des Ausschusses für Aktienrecht bereits angeführt, daß in der Wortwahl „Rechtspersönlichkeit" eine seiner Meinung nach unglückliche „ Verdeutschung " des Begriffes der juristischen Person liege.40 Eine solche bewußte Mittelstellung der GmbH hätte sich auch durch die äußerliche terminologische Verbindung der „Personengesellschaft mit gebundenem Kapital" in ein von vielen befürwortetes Gesamtsystem des Gesellschaftsrechts eingefügt, welches von einem organischen Stufenaufbau ausgehen sollte.41 Über die letzte Stufe der Personengesellschaften, die KG als „Personengesellschaft mit unbeschränkt und beschränkt haftenden Gesellschaftern tritt nun in einer nächsten Stufe die GmbH als „Personengesellschaft mit gebundenem Kapital und ausschließlich beschränkt haftenden Gesellschaftern um dann die AG als wiederum übergeordnete Stufe folgen zu lassen, in Form der „ Gesellschaft mit ausschließlich beschränkt haftenden Gesellschafterndie nach unterschiedlichen Auffassungen 42 dem Vereinsrecht oder dem Personengesellschaftsrecht nahe stand. Dadurch, daß der RefE 1939 wegen der aufkommenden Kriegsereignisse niemals Gesetz wurde und der Entwurf zunächst nur einem begrenzten Kreis zugänglich gewesen war, blieb eine Diskussion zum Verständnis der „ Rechtsfähigkeit " der GmbH oder zur GmbH als „Personengesellschaft" aus. Die im Verlaufe des Krieges erschienenen Neuauflagen der Kommentierungen zum (alten) GmbHG erwähnten die Reform Vorschläge nicht. 43 Was die Diskussion über das Verständnis der juristischen Person und des gesellschaftsrechtlichen Dualismus angeht, so erschienen noch einige allgemeinere Abhandlungen, wiederum auf dem Gebiete des Aktienrechts 44, die die Vermutung be40
Klausing, AktG 1937, Einl. S.38, Rn.41. Vgl. zu einem solchen organischen Aufbau des Gesellschaftsrechts Rhode, Juristische Person 1932, S. 136 f. mitHinweis auf Wieland, Handelsrecht, Bd. 1 (1921), S.427, oben, Kapitel 3, A.II.; Siebert, DRW 1936, 204 (259), oben, Kapitel 3, A.IIL; ähnlich Dorpalen, ZHR 102 (1936), 1 (17), Fn.42, der von den Bindungen der Gesellschafter zur Gesellschaft ausgeht und behauptet, diese seien je nach Art und Aufbau der betreffenden Gemeinschaft abgestuft, oben, Kapitel 3, Β. I.; Klausing, Festschrift Schlegelberger, S.405 (429), Fn.20, oben, Kapitel 3, Β. I. 42 Vgl. oben, Fn. 35, 36. 43 Vgl. beipielsweise Groschuff, GmbHG, 2. Aufl. 1943. 44 Fechner, Die Treubindungen des Aktionärs, 1942, vgl. S.91 ff. zur Ansicht Sieberts über die Lehre vom Unternehmen; Theis, Der Aktionär im Gemeinschaftsrecht, 1940. 41
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stätigen, daß sich der RefE 1939 in ein Gesamtgefüge einbinden läßt, welches einen Umbruch im gesellschaftsrechtlichen Denken im Nationalsozialismus hervorbrachte. Die Rechtsfähigkeit der GmbH wäre danach nur noch ein Tatbestand, welcher die Teilnahme am Rechtsverkehr erleichtert hätte. Die Bezeichnung als Personengesellschaft hätte dabei lediglich das personelle Moment unterstrichen, ohne damit dogmatisch wertende Aussagen zu treffen, so wie dies bereits in den Untersuchungen von Rhode und Siebert zur juristischen Person gefordert worden war. 45 Alfred Theis schrieb 1940 eine Arbeit zur „Rechtsstellung des Aktionärs im Gemeinschaftsrecht", die gleichzeitig ein „Beitrag zur Lehre vom Wesen der Rechtsfähigkeit menschlicher Verbände im neuen Recht " sein sollte und die Diskussion der vergangenen Jahre zusammenfaßte. 46 Theis sah es um 1940 als „mittlerweile gesicherte Rechtslage " an, daß die bestehende Rechtsordnung den abstrakten Begriff der Rechtsfähigkeit nicht mehr kenne und diese nur noch als eine Fähigkeit, am Rechtsleben teilzunehmen, anerkenne.47 Hierbei verwies er zustimmend auf Sieberts Aufsatz in der DRW 1936, in welchem Siebert den Begriff der „Rechtsverkehrsfähigkeit" eingeführt hatte.48 Theis geht selbst von der Überwindung des trennenden Dualismus innerhalb des Gesellschaftsrechts aus und stellt die „ Gemeinschaft " 4 9 in den Vordergrund. Hierbei geht er von der Aufgabe des Begriffs der „juristischen Person " aus: „Mit der Überwindung dieser Grundbegriffe des Rechtssystems des 19. Jahrhunderts durch das Gemeinschaftsdenken, das von der in engere Gemeinschaften gegliederten Volksgemeinschaft und von den in diesen Gemeinschaften wurzelnden Ordnungen seinen Ausgangspunkt nimmt, wird zugleich der Begriff der juristischen Person' alter Prägung aus dem Gemeinschaftsrecht ausgeschaltet und die bisher übliche rechtliche Klassifizierung der gesamten ,Personenvereinigungen' aufgegeben. Denn jetzt ist, und zwar in der Gemeinschaft oder in der Vereinigung, die einheitliche Grundlage gefunden, von der aus das Wesen der Rechtsfähigkeit menschlicher Verbände und damit auch das rechtliche Wesen der Aktiengesellschaft neu zu bestimmen ist. So entfällt vor allem die von der romanistischen und germanistischen Korporationslehre als notwendig erachtete und durch einen »begrifflichen Einschnitt' vorgenommene Sonderung von körperschaftlichen und lediglich vertraglichen Personenvereinigungen."50
Ähnlich äußerte sich Erich Fechner in seiner Habilitationsschrift über die „ Treubindungen des Aktionärs " von 1942: 45
Vgl. oben, Fn.41. Theis, Der Aktionär im Gemeinschaftsrecht, 1940. 47 Theis, S.68f. 48 Siebert, DRW 1936, 204, vgl. oben, Fn.41. 49 Vgl. die Begründung zum Entwurf, Schubert, Entwurf, S. 151: „Durch ihren Zusammenschluß bilden die Gesellschafter [...] eine Gemeinschaft, [...]", vgl. oben. 50 Theis, S. 78. 46
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„Aus alledem geht hervor, daß die juristische Person im modernen Recht ein relativer Begriff ist.51 Man sieht sie nur noch als »Denkform und Erklärungsmittel für bestimmte praktische Zwecke des Rechtsverkehrs'.52 [...]. Man wird daher den Verhältnissen nicht gerecht, wenn man zwischen der Aktiengesellschaft und der der bürgerlichrechtlichen Gesellschaft nahestehenden offenen Handelsgesellschaft nur das Trennende sieht und sie als kontradiktorischen Gegensatz auffaßt, bei dem die Merkmale des einen Begriffes die des anderen ausschließen. Siebert hat nachdrücklich daraufhingewiesen, wie falsch es ist, ,die Frage der Rechtsfähigkeit unter einem absoluten Entweder-Oder zu sehen'.53"54
Legt man dieses Verständnis von Theis und Fechner auch dem RefE 1939 zu einem neuen GmbHG zugrunde, so wäre es letztlich egal gewesen, ob der Gesetzgeber die GmbH als Personengesellschaft sehen wollte oder nicht, da alle trennenden Schranken bereits gefallen waren. Man hätte die GmbH zwar als Personengesellschaft „eingeordnet", jedoch war das System der hierfür notwendigen Kategorien gar nicht mehr vorhanden. Letztlich lief die Bezeichnung „Personengesellschaft" nur noch auf eine reine Beschreibung hinaus. Betrachtet man die oben wiedergegebenen Auffassungen Theis und Fechners, so mußte sich der RefE 1939 auch gar nicht weiter festlegen. Die amtliche Begründung konnte die GmbH als „Personengesellschaft mit gebundenem Kapital" bezeichnen, ohne daß daran irgendwelche dogmatische oder wertende Folgen geknüpft waren. Theis ging ebenfalls auf die Lehren Wielands und Rhodes ein und betrachtete das neue Gesellschaftsrecht von einer Stufenfolge aus. Bei Wieland sehe man, ausgehend von der Gesellschaft des bürgerlichen Rechts bis hinauf zur Aktiengesellschaft, eine durch keine begriffliche Zäsur zu trennende Stufenfolge, die bei einer näheren Betrachtung nur als eine rechtliche Abwandlung der gleichen Grundform, der Gesellschaft, erscheine.55 Zur Lehre vom Zweckvermögen nach Rhode führte Theis aus, daß es Rhode gelungen sei, den gesellschaftsrechtlichen Dualismus zu überbrücken und den auch bei Wieland noch beibehaltenen Begriff der juristischen Person aufzulösen. Durch die Rückführung aller Zweckvermögen auf als vom Menschen getragene Rechte habe er es ermöglicht, einen stufenweisen Aufbau dieser Vermögen zu folgern und gewisse Ordnungsreihen zu bilden: 56 „Durch diese Ordnung des Vermögens überwindet Rhode den durch die römischrechtliche und deutschrechtliche Korporationslehre vorausgesetzten Dualismus und stellt den zerrissenen Zusammenhang und die wesensmäßige Gleichheit der einzelnen Personenverbände 51
Fechner verweist hier auf Rhode, Juristische Person und Treuhand, 1932, S. 166; Wieland, Handelsrecht, Bd. 1 (1921), S.407; Lehmann, Allgemeiner Teil des bürgerlichen Gesetzbuches, 1933, § 11,1; Brodmann, Aktienrecht, Kommentar 1928, §210 Anm. 1. 52 Fechner verweist hier auf Klausing, Festschrift für Schlegelberger, S. 426; Siebert, DRW 1936, 204 (255); Scheuing, Soz.Prax. 1938, S.908. 53 Fechner verweist hier auf Siebert, DRW 1936, S. 255. 54 Fechner, S. 42 f. 55 Theis, S. 83. 56 Theis, S. 83 f.
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5. Kap.: Der Referentenentwurf (RefE) von 1939
wieder her. Er überwindet ferner die Scheingestalt der juristischen Person als ein dem natürlichen Menschen gleichzusetzendes neues Rechtssubjekt und ersetzt die Fiktion - [...] durch die Einheit und grundsätzliche Gleichheit des Zweckvermögens, als dessen Rechtsträger die in der Rechtsgemeinschaft zusammengeschlossenen Menschen gelten."57
Wie zuvor auch schon Siebert, kritisiert Theis jedoch an der Theorie Rhodes, daß sie die personenrechtliche Einheit des „Unternehmens" nicht erfassen könne.58 Theis zitiert Siebert, wenn er sagt, daß das „ Unternehmen im Ganzen " aber „ mehr als ein Zweckvermögen " ist. 59 Es wird hier der Anklang an die Theorie des „ Unternehmens an sich " deutlich, welche von Waither Rathenau und Fritz Haussmann für die Aktiengesellschaft zur Weimarer Zeit geprägt worden war. 60 Als dessen Vertreter gelten auch Theis, insbesondere Fechner und Siebert. Flume untersuchte deren Sichtweise bereits, welche statt der juristischen Person den Begriff des Unternehmens in den Vordergrund stellen wollte. Hierbei stellte er die Bemühungen Sieberts heraus, durch den Begriff des „ Unternehmens " die Abstraktheit der juristischen Person zu überwinden. Aber auch Flume gibt zu, daß sich lediglich Siebert gänzlich von der juristischen Person lösen wollte, während Fechner 1942 bereits das Unternehmen nur „neben" der juristischen Person als weiteren Tatbestand sah.61 Die Lehre vom „ Unternehmen an sich " sagt damit in der Tat nur bedingt etwas über das Verständnis von der GmbH als juristische Person aus und soll daher hier nicht im Vordergrund stehen. Die Kenntnis um das Vorhandensein der Diskussion erleichtert jedoch das Verständnis der hier besprochenen Quellen. Die Diskussion um das „ Unternehmen an sich " wendet sich dem Aspekt der volkswirtschaftlichen Stellung der Kapitalgesellschaft und dem Ausgleich ihrer inneren Interessen zu und zielte in ihrer ursprünglichen Form nicht auf das Überwinden der juristischen Person. Die Lehre kann auch nicht als spezifisch nationalsozialistische Sichtweise gekennzeichnet werden. Charakteristisch für die Literatur des Nationalsozialismus ist jedoch, daß auch die Theorie vom „ Unternehmen an sich welche ja nur einen Teilaspekt der Ausgestaltung des Kapitalgesellschaftsrechts betraf, zur erstrebten Überwindung des abstrakten Begriffes der juristischen Person und des gesellschaftsrechtlichen Trennungsdenkens genutzt wurde. Theis sprach sich für ein auf Stufenfolgen aufgebautes Gesellschaftsrecht aus, unter der Betonung der personellen Gemeinschaft innerhalb des „Unternehmens". Unter Berufung auf Klausing forderte er, den Begriff des „Persönlichen" wieder in die Wirtschaft einzuführen 62, und in Anlehnung an Siebert sah er das „ Unterneh57
Theis, S. 86. Vgl. zur Kritik Sieberts oben, Kapitel 3, A.III. 59 Theis, a. a. O., mit Hinweis auf Siebert, DRW 1936, 204 (258). 60 Vgl. hierzu ausführlich Flume, S.44ff.; Laux, „Die Lehre vom Unternehmen an sich", Berlin 1998; Riechers, „Das Unternehmen an sich", Tübingen 1996. 61 Flume, S. 44. 62 Theis, S. 92f., mit Hinweis auf Klausing, Festschrift Schlegelberger, S.419. 58
Α. Wesen der GmbH als (Personen-)„Gesellschaft" und juristische Person
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men " als die unterste und letzte Einheit der völkischen Wirtschaftsordnung , um so auch für die AG gemeinschaftsrechtliche Momente festzustellen. Auch Fechner wies auf die „organische Stufenfolge " des (neuen) Gesellschaftsrechts hin: „Wir denken nicht mehr in überspitzten Trennungen, sondern in Abstufungen; bei Bemühung um unverminderte Klarheit die schwerere Aufgabe. Die offene Handelsgesellschaft und die Aktiengesellschaft sind beide Zusammenschlüsse zur Verfolgung wirtschaftlicher Ziele, die zu erreichen die Kräfte des einzelnen übersteigt. Otto von Gierke hat die wesentliche Einheit aller Verbände immer wieder betont. Wieland gründet auf diesen Gedanken seine Einheitstheorie von den Handelsgesellschaften.64 Auch der herrschenden Lehre ist diese Ansicht nicht gänzlich fremd: Juristische Personen und gesamthänderische Gemeinschaften sind durch keine unüberbrückbare Kluft geschieden'.65 So ergibt sich denn ,eine nahezu lückenlose Stufenleiter von Personenverbänden von relativ geringer bis herauf zu sehr starker Verselbständigung des Verbandsbereiches'.66"67
Überträgt man diese Ansicht Theis und Fechners auf die Deutung der Auffassung zum RefE 1939 und betrachtet diesen im Lichte der vorangegangenen Literatur- und Ausschußdiskussionen der Vorkriegsjahre, so verwundert das Herausstellen der „Personengesellschaft" in der amtlichen Begründung nicht mehr. Wenn schon für die AG die Hervorhebung des personellen Gemeinschaftsdenkens anerkannt worden war, so mußte dies für die GmbH erst recht gelten. Es spricht nach alledem viel dafür, daß die Aussage des Gesetzgebers von 1939, die GmbH sei Personengesellschaft, noch nicht viel mehr über die innere Ausgestaltung besagt, als daß das personenrechtliche Element innerhalb der GmbH zu betonen sei. Auf welche Art dies im RefE 1939 seinen Ausdruck gefunden hat, soll im folgenden dargestellt werden. Festzuhalten gilt es hier aber, daß die Formulierungen im RefE 1939 Zeugnis abgeben über den Umbruch innerhalb eines von nationalsozialistischer Ideologie beeinflußten Rechtsgebietes. Das zwischen Verbänden und Gesellschaften im engeren Sinne unterscheidende Gesellschaftsrecht befand sich auf einem Weg hin zu einer vom „ Stufendenken im Gemeinschaftsrecht " geprägten Neuordnung, in dessen Entwicklungsprozeß der RefE 1939 fiel.
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Theis, S. 88. Fechner verweist hier auf Wieland, Handelsrecht, Bd. 1 (1921), S.427; Stoll, RGPrax Bd.2, S.49; Neubecker, Vereine ohne Rechtsfähigkeit, 1908, S.24. 65 Fechner verweist hier auf Ennecerus-Nipperdey, § 96, IV, Anm. 3 a. 66 Fechner verweist hier auf Feine, Die Gesellschaft mit beschränkter Haftung, 1929, S.49 und 51; Siebert, DRW 1936, 204 (255). 67 Fechner, S.43. 64
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5. Kap.: Der Referentenentwurf (RefE) von 1939
B. Personengesellschaftsrechtliche Elemente bezüglich der inneren Ausgestaltung der GmbH Getreu dem Vorschlag des Ausschusses für GmbH-Recht der Akademie für Deutsches Recht, die GmbH nicht als „ kleinere AG " auszugestalten68, sondern der Personengesellschaft anzunähern, machte der RefE 1939 von einer Reihe personengesellschaftsrechtlicher Elemente Gebrauch, mit deren Hilfe die inneren Verhältnisse der GmbH ausgestaltet werden sollten. Hierdurch wurde diese der Personengesellschaft als bevorzugte Unternehmensform des Nationalsozialismus angenähert und das personalistische Element wurde herausgestellt. Die Vorschriften gehen auf die oben behandelten Vorschläge innerhalb der Beratungen des Ausschusses für GmbH-Recht69 zurück oder lehnen sich zumindest sehr eng an diese an, wie im einzelnen aufzuzeigen sein wird. Es sollen das für die GmbH neu eingeführte Institut der Anwachsung, die gesamtschuldnerische Haftung der Gesellschafter für bestimmte Fälle, sowie die Möglichkeit des Ausschlusses und Austritts eines Gesellschafters und die Auflösungsklage betrachtet werden.
I. Anwachsung bei Übernahme eines weiteren Anteils oder Kapitalerhöhung, §§ 42 Abs. 4,108 Abs. 2 RefE Wie vom Ausschuß der Akademie für Deutsches Recht vorgeschlagen70, sah der Entwurf das Institut der „Anwachsung welches aus dem Personengesellschaftsrecht bekannt war (§ 738 BGB 71 ), nun für die Fälle innerhalb der GmbH vor, in denen ein Gesellschafter zusätzlich zu seinem bereits vorhandenen Anteil einen weiteren Anteil übernahm. Bislang war bei dem Neuerwerb eines Anteils durch einen Gesellschafter von einem anderen (ausgeschiedenen oder verstorbenen) Gesellschafter die Selbständigkeit der Anteile bestehen geblieben, ähnlich wie im Aktienrecht die Eigenständigkeit einer jeden Aktie gegeben ist. § 15 Abs. 2 GmbHG hatte bestimmt: § 15 Übertragung des Geschäftsanteils [..J. (2) Erwirbt ein Gesellschafter zu seinem ursprünglichen Geschäftsanteil weitere Geschäftsanteile, so behalten dieselben ihre Selbständigkeit.
Im Gegensatz hierzu sah der Entwurf jetzt für diesen Fall des Anteilserwerbs in § 42 Abs. 4 RefE die Anwachsung vor: 68 69 70 71
Vgl. oben, Kapitel 4, C.I. Vgl. oben, Kapitel 4, C.I. Vgl. oben, Kapitel 4, C.I.l. Zum Abdruck der Vorschrift vgl. oben, Kapitel 4, Fn. 248.
Β. Personengesellschaftsrechtliche Elemente
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§ 42 Wirkungen des Übergangs [..J. (4) Erwirbt ein Gesellschafter einen weiteren Stammanteil hinzu, so vereinigen sich die beiden Stammanteile zu einem Stammanteil. Rechte Dritter, die auf einem der Stammanteile lasten, werden durch die Vereinigung nicht berührt. Die Vereinigung tritt nicht ein, wenn der neuerworbene [sie] Stammanteil durch den Gesellschaftsvertrag mit anderen Rechten oder Pflichten als der bisherige Stammanteil ausgestattet ist. Zur Vereinigung der „ Stammanteile " 12 sah man sich nun in der Lage, weil in § 16 Abs. 1 RefE 7 3 die Volleinzahlung der Anteile, wie vom Ausschuß empfohlen 7 4 , vorgeschrieben war. Die Begründung zum Entwurf wies auf die rechtlichen Schwierigkeiten hin, die bei der Vereinigung von nicht voll eingezahlten Anteilen entstanden wären. Nachdem der Entwurf nun die Volleinzahlung verlange, „ besteht die Möglichkeit, auch für den nachträglichen Erwerb eines weiteren Anteils die Vereinigung vorzusehen und damit den Grundsatz der Einheitlichkeit der Beteiligung auch insoweit durchzuführen" 15. Darüber hinaus sei die Anwachsung ein „nicht unwillkommenes Mittel" 16, um die Veräußerung der Stammanteile zu erschweren. Diese war in § 39 Abs. 1 RefE 7 7 , wie bereits nach geltendem Recht (§ 15 Abs. 3 GmbHG), an die gerichtliche oder notarielle Form geknüpft, weshalb ein Anteilshandel ohnehin schon erschwert war. Aber auch diese Voraussetzungen einer Abtretung konnten weiter durch den Gesellschaftsvertrag ausgeschlossen, erschwert oder von der Zustimmung der Gesellschaft abhängig gemacht werden, § 38 Abs. 2 und 3 RefE 7 8 .
72
In dem Bestreben, das neue Gesetz volkstümlich auszugestalten, verwendete der RefE 1939 in § 6 Abs. 4 den einheitlichen Begriff „Stammanteil " für die beiden bis dahin gebräuchlichen Begriffe „Geschäftsanteil" (vgl. §§ 14-18, 21, 23 GmbHG) und „Stammeinlage" (vgl. §§5, 19 GmbHG), die oft zu Verwirrungen geführt hatten. 73 § 16 Leistung der Geldeinlagen (1) Soweit nicht im Gesellschaftsvertrag Sacheinlagen bedungen sind, haben die Gesellschafter den Nennbetrag der von ihnen übernommenen Stammanteile vor der Anmeldung der Gesellschaft zum Handelsregister (§ 18) voll einzuzahlen. [..J. Vgl. oben, Kapitel 4, B.II. 1. 75 Schubert, Entwurf, S. 166. 76 Schubert, a.a.O. 77 § 39 Form der Abtretung ( 1 ) Die Abtretung der Stammanteile bedarf der gerichtlichen oder notarischen Beurkundung. 74
[...].
78
§38 Übergang der Stammanteile (1) Die Stammanteile können übertragen und vererbt werden. (2) Die Abtretung der Stammanteile kann durch den Gesellschaftsvertrag ausgeschlossen oder erschwert werden. (3) Macht der Gesellschaftsvertrag die Abtretung von der Zustimmung der Gesellschaft abhängig, so wird die Zustimmung durch die Geschäftsführer erteilt, selbst wenn der Gesellschaftsvertrag einen Beschluß der Gesellschaftsversammlung fordert. Die Geschäftsführer sollen die Zustimmung nur erteilen, wenn die Gesellschafter in die Abtretung einwilligen.
5. Kap.: Der Referentenentwurf (RefE) von 1939
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Ähnliches regelte bislang § 15 Abs. 5 GmbHG, allerdings ohne die Möglichkeit eines statutarischen Verbots der Abtretung. Zur insofern engeren neuen Vorschrift führte die Begründung aus, daß man daher nach Belieben das Innenverhältnis der G m b H dem einer Personengesellschaft annähern könne: „Vielmehr kann der Gesellschaftsvertrag nach gewissen Richtungen Beschränkungen vorsehen und dadurch das Band zwischen den Gesellschaftern enger gestalten und die Gesellschaft nach den Bedürfnissen des einzelnen Falles in ihrem Aufbau stärker der Personengesellschaft angleichen. So kann der Gesellschaftsvertrag namentlich die Abtretung und damit auch die Verpfändung und die Bestellung eines Nießbrauchs am Stammanteil völlig ausschließen oder durch Aufstellung von Formerfordernissen oder in anderer Weise erschweren."79 Die Anwachsung der Anteile machte also auch nach außen hin deutlich, daß jeder Gesellschafter genau eine Beteiligung hatte und nicht über eine Anzahl von Anteilen verfügte, welche er gleich Aktien beliebig kaufen und verkaufen konnte. Hierauf wies die Begründung ebenfalls hin: „Die kapitalmäßige Stückelung der Anteilsrechte, wie sie zum Wesen der Aktiengesellschaft gehört, wird eingeschränkt und so ein weiterer Schritt zur Ausgestaltung der Gesellschaft mit beschränkter Haftung in der Richtung der Personengesellschaft getan."80 Für den Fall, daß ein Gesellschafter bei einer Kapitalerhöhung neben seinem Anteil einen weiteren Anteil erwerben wollte, sollte ebenfalls eine Anwachsung stattfinden. Bislang hatte § 55 G m b H G bestimmt: § 55 Erhöhung des Stammkapitals
[...].
(3) Wird von einem der Gesellschaft bereits angehörenden Gesellschafter eine Stammeinlage auf das erhöhte Kapital übernommen, so erwirbt derselbe einen weiteren Geschäftsanteil. § 108 RefE hingegen bestimmte nun: §108 Wirksamwerden der Kapitalerhöhung und Bekanntmachung (1) Mit der Eintragung der Durchführung der Erhöhung in das Handelsregister ist das Stammkapital erhöht. (2) Gleichzeitig erwerben die Zeichner die von ihnen gezeichneten Stammanteile. Besitzt ein Zeichner bereits einen Stammanteil, so vereinigen sich beide Stammanteile. Die Vereinigung tritt nicht ein, wenn der neue Stammanteil durch den Gesellschaftsvertrag mit anderen Rechten oder Pflichten ausgestattet ist als der bisherige Stammanteil. Die Begründung wies auch hier auf die einheitliche Gestaltung des Entwurfs hin: „Besitzt ein Zeichner bereits einen Anteil, so wirkt sich auch hier der Grundsatz der Einheitlichkeit der Beteiligung dahin aus, daß der neue Anteil dem bereits vorhandenen Anteil zuwächst (§ 108 Abs. 2 Satz 2)." 81 79 80 81
Schubert, Entwurf, S. 164. Schubert, Entwurf, S. 166. Schubert, Entwurf, S. 186.
Β. Personengesellschaftsrechtliche Elemente
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Die Beteiligung des Gesellschafters an der GmbH war also durch das Institut der Anwachsung bei Übernahme eines neuen Anteils oder bei Kapitalerhöhung der „Beteiligung " des oHG-Gesellschafters mit seinem Vermögen an der oHG gleichgestellt. Der verbleibende Unterschied lag in der summenmäßigen Begrenzung der GmbH-Beteiligung auf eben diesen einen Gesamtanteil, während der oHG-Gesellschafter mit seinem gesamten Vermögen einstand. Der Handel mit GmbH-Anteilen wurde hierdurch zusätzlich erschwert, wodurch man sich eine engere Bindung der Gesellschafter an die Gesellschaft erhoffte. II. Gesamtschuldnerische Haftung der Gesellschafter, §§24 Abs. 1, §35 Abs. 2 RefE Ähnlich wie durch die Erschwerung des Anteilshandels mittels Einführung der „ Anwachsung so sollte auch durch die eingeführte gesamtschuldnerische Haftung in Ausnahmefällen (statt einer pro-rata-Haftung) die Stärkung der Mitglieder zueinander erreicht werden. Der Entwurf griff das Bestreben der Ausschußberatungen auf, für bestimmte Teilbereiche, in denen die Gesellschafter zu haften hatten, diese Haftung nicht mehr entsprechend den Anteilen der Gesellschafter zu regeln (pro rata), sondern als gesamtschuldnerische Haftung auszugestalten.82 Dies betraf zunächst die - neu eingeführte - Gründerhaftung nach den §§ 24, 25 RefE. Die Gesellschafter, die den Gesellschaftsvertrag geschlossen hatten (Gründer, vgl. § 11 RefE 83) sollten nach § 24 Abs. 1 RefE gesamtschuldnerisch haften, sofern durch die nicht ordnungsgemäße Durchführung der Gründung der Gesellschaft ein Schaden entstanden war. Der einzelne konnte sich von der Haftung allerdings befreien 84: §24 Verantwortlichkeit der Gründer (1) Die Gründer sind der Gesellschaft für die ordnungsgemäße Durchführung der Gründung als Gesamtschuldner verantwortlich. (2) Ein Gründer ist von der Ersatzpflicht befreit, wenn er die Sorgfalt eines ordentlichen Geschäftsmannes angewendet hat.
Die vom Ausschuß vorgeschlagene gesamtschuldnerische Haftung bei der Erstattung einer verbotswidrigen Rückzahlung des Stammkapitals85 findet sich in § 35 Abs. 2 RefE 1939 wieder. Allerdings ließ der Entwurf Entschuldigungsgründe zu, die zur Ausnahme von der Haftung führen konnten, gestaltete diese also nicht ganz so streng, wie vom Ausschuß befürwortet worden war: 82
Vgl. oben, Kapitel 4, B.II. 1. und B.II.2. § 11 Gründungsbericht Sind Sacheinlagen oder Sachübernahmen bedungen, so haben die Gesellschafter, die den Gesellschaftsvertrag geschlossen haben (Gründer), und die Geschäftsführer die für die Bewertung wesentlichen Umstände schriftlich darzulegen. 84 Vgl. Schubert, Entwurf, S. 159. 85 Vgl. oben, Kapitel 4, B.II.2. 83
5. Kap.: Der Referentenentwurf (RefE) von 1939
318 § 35 Ersatzpflicht
der Gesellschafter
beim Empfang verbotener Leistungen
(1) [...]. (2) Kann die Gesellschaft eine Leistung, die aus dem zur Erhaltung des Stammkapitals notwendigen Vermögen bewirkt ist, von dem Empfänger nicht zurückerlangen, so sind ihr die übrigen der Gesellschaft im Zeitpunkt der Leistung angehörenden Gesellschafter als Gesamtschuldner zum Ersatz verpflichtet. Konnte ein Gesellschafter die Leistung trotz Anwendung der ihm zuzumutenden Sorgfalt nicht verhindern, so ist er zum Ersatz nur bis zu einem Betrage in Höhe des Nennbetrages seines Stammanteils verpflichtet, auch wenn mehrere die Ersatzpflicht begründende Leistungen bewirkt worden sind.
Die Begründung zum Entwurf stellte heraus, daß die Anordnung der Gesamtschuld zweckmäßiger und effektiv aus Sicht der Gesellschaft zur Geltendmachung der RückZahlungsansprüche sei. Die Gesellschaft wäre durch die Anordnung der gesamtschuldnerischen Haftung nun nicht mehr darauf angewiesen gewesen, alle Gesellschafter zunächst nur im Verhältnis ihrer Stammanteile zu belangen.86 Bezüglich der Haftung der Gesellschafter für die Aufbringung des Kapitals erübrigte sich nunmehr eine Haftungsanordnung, da der Entwurf die Volleinzahlung der Bareinlagen (§16 Abs. 1 RefE) vorschrieb. Die Begründung wies darauf hin, daß sich durch die Volleinzahlung auf das Verfahren der Kaduzierung, des Reihenrückgriffs und der „als letztes Mittel gedachten Kollektivhaftung der Mitgesellschafter" 87 verzichten ließe. Das Prinzip der gesamtschuldnerischen Haftung taucht des weiteren an verschiedenen anderen Stellen im Entwurf, nicht nur für die Haftung der Gesellschafter, auf. Die Gesellschafter hafteten der Gesellschaft als Gesamtschuldner für den Fall, daß dieser durch die Zurückweisung eines Sonderprüfungsantrages durch das Registergericht ein Schaden entstand (§ 82 Abs. 4 RefE) oder bei unbegründeter Anfechtung eines Gesellschafterbeschlusses (§ 134 RefE). Darüber hinaus hafteten aber auch Geschäftsführer oder Aufsichtsratsmitglieder gesamtschuldnerisch für den Fall, daß sie ihre Obliegenheiten verletzten (§§ 64 Abs. 2, 74, 165 RefE). Neben den Gründern hafteten auch die Geschäftsführer und die Gründungsprüfer für Obliegenheitsverletzungen bei der Gründung oder entsprechend bei der Nachgründung, als Gesamtschuldner (§§25 Abs. 1, 26 Abs. 1, 27 Abs. 7 RefE).
86 87
Vgl. hierzu Schubert, Entwurf, S. 162. Schubert, Entwurf, S. 157.
Β. Personengesellschaftsrechtliche Elemente
319
I I I . Zwangsweiser Ausschluß und Austritt, §§ 136 Abs. 1, 137 RefE Der erste Abschnitt (§§ 136-141 RefE) des Achten Teils 8 8 des Entwurfs lautete: „ Ausschluß, Austritt und Auflösung Der Entwurf sah in § 136 die Möglichkeit des zwangsweisen Ausschlusses eines Gesellschafters vor: §136 Ausschluß (1) Den Gesellschaftern kann durch gerichtliches Urteil die Befugnis erteilt werden, den Ausschluß eines Gesellschafters aus der Gesellschaft zu erwirken, wenn ihnen aus einem in der Person des Gesellschafters liegenden wichtigen Grund nicht zugemutet werden kann, die Gesellschaft mit ihm fortzusetzen. [..·]· M i t der Schaffung eines Ausschlußrechtes war der Entwurf auch in diesem Punkte den Forderungen des Ausschusses für GmbH-Recht nachgekommen. 89 Die Begründung zum Entwurf hob die Anlehnung an die Vorschrift des § 140 HGB, an die Ausschlußmöglichkeit i m Recht der oHG, hervor. Diese lautete: § 140 Ausschließung eines Gesellschafters Tritt in der Person eines Gesellschafters ein Umstand ein, der nach § 133 für die übrigen Gesellschafter das Recht begründet, die Auflösung der Gesellschaft zu verlangen, so kann vom Gericht anstatt der Auflösung die Ausschließung dieses Gesellschafters aus der Gesellschaft ausgesprochen werden, sofern die übrigen Gesellschafter dies beantragen. Die Begründung führte aus: „In Anlehnung an den § 140 des Handelsgesetzbuches schafft daher § 136 des Entwurfes die Möglichkeit, einen Gesellschafter aus der Gesellschaft auszuschließen, wenn den übrigen Gesellschaftern aus einem in seiner Person liegenden wichtigen Grund die Fortsetzung der Gesellschaft nicht zugemutet werden kann."90 Die Formulierung des „ in einer Person liegenden wichtigen Grundes " war vom Reichsjustizministerium absichtlich gewählt worden. Man war sich der Möglichkeiten, die eine solche Vorschrift dem Richter eröffnen konnte durchaus bewußt, wenngleich 1939 die „Problematik" der schnellen Umsetzung neuer Politik durch richterliche Auslegung an Aktualität bereits verloren hatte. Die Begründung äußerte sich in diesem Zusammenhang: „Der Ausschluß ist an keine weiteren Voraussetzungen gebunden, so daß an sich auch ein Mehrheitsgesellschafter von einer Minderheit ausgeschlossen werden kann. Nur wird in einem solchen Falle die Abfindung des Ausscheidenden häufig Schwierigkeiten bereiten. Daß diese nicht immer unüberwindbar sind, hat sich verschiedentlich bei den Maßnahmen gezeigt, die zur Entjudung der deutschen Wirtschaft durchgeführt worden sind."91 88
Achter Teil: Ausschluß und Austritt von Gesellschaftern. Auflösung, Abwicklung und Nichtigkeit der Gesellschaft (§§136 bis 155 RefE). 89 Vgl. oben, Kapitel 4, C.I.3. 90 Schubert, Entwurf, S. 192. 91 Schubert, Entwurf, S. 192.
320
5. Kap.: Der Referentenentwurf (RefE) von 1939
Das Abstellen auf die Person des Gesellschafters gab eine wirkungsvolle Handhabe, politisch unliebsame Gesellschafter loszuwerden. Die Abhängigkeit einer Rechtsfolge von Umständen, die „ in der Person " einen wichtigen Grund begründen, sind vornehmlich in den sogenannten „Notstandsgesetzen " der früheren Jahre (1933-1935) anzutreffen. Sie gaben der Rechtsprechung eine wirkungsvolle Handhabe, die Rassenpolitik des Staates schnell und effektiv umzusetzen, da ein „ in einer Person liegender wichtiger Grund" insbesondere die „Rasse aber auch die Religionszugehörigkeit oder politische Anschauung darstellen konnte. In den Akten des Reichsjustizministeriums ist durch verschiedene Eingaben belegt, daß eine solche Vorschrift in der Praxis auch von verschiedenen Gesellschaftern eindringlich zur Aufnahme in ein neues GmbH-Gesetz gefordert wurde. Bekannt sind zum Beispiel die Fälle der „Dresdner Wach- und Schließgesellschaft GmbH " 92 und des „ Verlag der Rauchwarenmarkt GmbH " 9 3 , die durch eindringliche Schreiben an das Reichsjustizministerium zu belegen versuchten, wie sehr man in der Praxis darauf angewiesen sei (z.B. wegen des Boykotts jüdischer Geschäfte), die jeweiligen jüdischen oder ausländischen Gesellschaftsanteile in „ arische Hände " gelangen zu lassen (vgl. hierzu im Anhang). Um die Gesellschaft bei einem solchen Ausschluß unerwünschter Gesellschafter im Sinne der „Kontinuität zum Wohle des Staatsganzen"94 nicht in unüberwindliche finanzielle Schwierigkeiten zu stürzen, stellte der Entwurf die Regelung der Höhe der Abfindung in das Ermessen des Gerichts: § 136 Ausschluß
(1) [...]. (2) Gibt das Gericht der Klage statt, so hat es den Betrag festzusetzen, der dem Gesellschafter als Entgelt für den Stammanteil gebührt. Es entscheidet dabei nach freiem Ermessen; doch darf es keinen geringeren als den Betrag festsetzen, den der Gesellschafter erhielte, wenn das Gesellschaftsvermögen nach den Vorschriften über die Abwicklung unter die Gesellschaft verteilt würde. U].
Die Auszahlungshöhe sollte also nach dem Ermessen der Richter im Einzelfall vom Grad des eigenen Verschuldens des Ausschlusses abhängig gemacht werden können.95 Es ist hier allerdings auch erkennbar, daß die Verklammerung, die durch die juristische Person in Bezug auf das Unternehmen hervorgerufen wird, also die Unabhängigkeit des Unternehmens von dem Wechsel der Mitglieder, etwas positives, 92 BArch Berlin, R 3001/10657, Bl.9-16 (Eingabe an die Akademie für Deutsches Recht vom 4. Februar 1935); R 3001/10657, Bl. 61-63 (Eingabe an das Reichsjustizministerium), vgl. Abdruck unten, Anhang; R 3001/10657, B1.64 (Schreiben des Sächsischen Wirtschaftsministers an die jüdische Gesellschafterin mit der Aufforderung, binnen 3 Tage rechtsverbindlich zu erklären, auf die Einflußnahme in der Gesellschaft zu verzichten). 93 BArch Berlin, R 3001/10657, B1.65, vgl. Abdruck unten, Anhang. 94 Vgl. Ebbecke, in Schubert, GmbHR-Protokolle, S.31, vgl. auch oben, Kapitel 4, B.C.3. 95 Vgl. Schubert, Entwurf, S. 193.
Β. Personengesellschaftsrechtliche Elemente
321
auch für die Wirtschaft des Nationalsozialismus nützliches darstellte. Die Begründung wies darauf hin, daß dieser Erhaltung des Unternehmens „heute, wo von der gesamten Wirtschaft im Zeichen des Vierjahresplans höchste Leistungen erwartet werden, besondere Bedeutung beigemessen werden " 9 6 müsse. Mit der Möglichkeit des zwangsweisen Ausschlusses korrespondierte das Recht des Gesellschafters, nach § 137 Abs. 1 RefE seinen Austritt durch gerichtliches Urteil zu bewirken, sofern seine schutzwürdigen Belange durch einen Machtmißbrauch der Mehrheit der Gesellschafter beeinträchtigt worden waren. § 137 Abs. 1 RefE 1939 lautete: § 137 Austritt (1) Einem Gesellschafter kann durch gerichtliches Urteil der Austritt aus der Gesellschaft bewilligt werden, wenn die Mehrheit der Gesellschafter unter Mißbrauch ihrer Machtstellung schutzwürdige Belange des Gesellschafters gröblich verletzt. Die Klage ist gegen die übrigen Gesellschafter zu richten.
Die Begründung führte im Hinblick auf die neuen Möglichkeiten von Ausschluß und Austritt aus, daß diese Ausfluß des neuen Gemeinschaftsdenkens im Nationalsozialismus seien: „Ein besonders schwerwiegendes gemeinschaftswidriges Verhalten kann zur Ausschließung eines Gesellschafters führen, während auf der anderen Seite dem einzelnen Gesellschafter die Möglichkeit zum Austritt eingeräumt wird, wenn die Mehrheit der Gesellschafter seine Belange gröblich verletzt und damit gegen den Grundsatz verstößt, daß die Gemeinschaft auch das Wohl des einzelnen zu berücksichtigen hat (§§ 136, 137)."97
Die Möglichkeiten von Ausschluß und Austritt stellen somit nicht nur personengesellschaftsrechtliche Elemente dar und belegen als solche die Annäherung des GmbH-Rechts an das Personengesellschaftsrecht, sondern sind gleichzeitig auch direkter Ausdruck der nationalsozialistischen Werte von Gemeinschaft und Treue. IV. Auflösungsklage gem. § 138 RefE Neben der Erweiterung der Auflösungsgründe in § 140 RefE sah § 138 Abs. 1 RefE die Möglichkeit einer Auflösungsklage vor. Eine solche hatte bislang auch schon § 61 GmbHG geregelt. § 138 Abs. 1 RefE ging jedoch im Hinblick auf die engere Verbundenheit der Gesellschafter weiter und ließ nicht nur Gründe, die in der Gesellschaft liegen, als wichtigen Grund für die Auflösung zu, sondern ebenfalls Gründe, die in der Person eines Gesellschafters liegen. § 61 GmbHG lautete: § 61 Auflösungsklage aus wichtigem Grunde (1) Die Gesellschaft kann durch gerichtliches Urteil aufgelöst werden, wenn die Erreichung des Gesellschaftszwecks unmöglich wird, oder wenn andere, in den Verhältnissen der Gesellschaft liegende wichtige Gründe für die Auflösung vorhanden sind. 96 97
Schubert, Entwurf, S. 192. Schubert, Entwurf, S. 151.
21 Stupp
322
5. Kap.: Der Referentenentwurf (RefE) von 1939
(2) Die Klage ist gegen die Gesellschaft zurichten.Sie kann nur von den Gesellschaftern erhoben werden, deren Geschäftsanteile zusammen mindestens dem zehnten Teile des Stammkapitals entsprechen.
(3) [...]. Im Gegensatz dazu bestimmte § 138 Abs. 1 RefE: § 138 Auflösungsklage (1) Auf die Klage eines Gesellschafters kann die Gesellschaft durch gerichtliches Urteil aufgelöst werden, wenn der Gesellschaftszweck nicht mehr erreicht werden kann, die gedeihliche Fortentwicklung der Gesellschaft nicht mehr gewährleistet oder die Auflösung aus einem anderen wichtigen Grund geboten ist. Als wichtig gilt in der Regel nur ein Grund, der in den Verhältnissen der Gesellschaft liegt. Die Klage ist gegen die übrigen Gesellschafter zu richten. [..J.
Der „in den Verhältnissen der Gesellschaft" liegende wichtige Grund sollte also hiernach nur noch den Regelfall bilden, d. h. in Ausnahmefällen wäre auch das Abstellen auf die Verhältnisse des Gesellschafters möglich gewesen. Auf diese Art der Formulierung hatte Quassowski im Ausschuß bereits hingewiesen.98 Bezeichnend ist weiterhin die Tatsache, daß die Klage nicht mehr gegen die Gesellschaft, sondern gegen die übrigen Gesellschafter zu richten war. Darüber hinaus war die Klage nicht mehr von einer Beteiligung von 10% abhängig.99 Die Begründung hob die Unterschiede zum geltenden Recht hervor und betonte die Ähnlichkeit der neuen Auflösungsklage mit derjenigen nach § 133 HGB für die oHG. 100 § 133 HGB lautete: § 133 Auflösung durch gerichtliche Entscheidung (1) Auf Antrag eines Gesellschafters kann die Auflösung der Gesellschaft vor dem Ablaufe der für ihre Dauer bestimmten Zeit oder bei einer für unbestimmte Zeit eingegangenen Gesellschaft ohne Kündigung durch gerichtliche Entscheidung ausgesprochen werden, wenn ein wichtiger Grund vorliegt. (2) Ein solcher Grund ist insbesondere vorhanden, wenn ein anderer Gesellschafter eine ihm nach dem Gesellschaftsvertrag obliegende wesentliche Verpflichtung vorsätzlich oder aus grober Fahrlässigkeit verletzt oder wenn die Erfüllung einer solchen Verpflichtung unmöglich wird.
(3) [...]. Die Begründung führte weiter aus, die durch die erschwerte Veräußerlichkeit der Anteile geschaffene verstärkte Bindung der Gesellschafter an das Unternehmen gebe der GmbH eine gewisse Ähnlichkeit mit den Personengesellschaften. Wie bei diesen ergebe sich daher ähnlich auch ein Bedürfnis nach Lösung der gesellschaftlichen Bindung, wenn der Erfolg ausbleibe. Das Recht der Personengesellschaften sehe für diesen Fall die Möglichkeit der Kündigung vor, wozu auch die in Klageform gekleidete Möglichkeit der Auflösungsklage nach § 133 HGB gehöre: 98
Vgl. oben, Kapitel 4, C.I.4. Siehe zu dieser Verstärkung der Minderheitsrechte auch unten, Β. VI. 4. 100 Schubert, Entwurf, S. 191.
99
Β. Personengesellschaftsrechtliche Elemente
323
„In Anlehnung daran erkennt das geltende Recht ebenfalls eine Klage auf Auflösung einer Gesellschaft mit beschränkter Haftung aus wichtigem Grunde [sie] und der Entwurf behält sie im § 138 Abs. 1 aus den angedeuteten Erwägungen heraus bei. Als wichtig werden im geltenden Recht nur solche Auflösungsgründe anerkannt, die in den Verhältnissen der Gesellschaft liegen. Der Entwurf läßt das nur für den Regelfall gelten und gibt damit zu erkennen, daß über die Vorschrift des geltenden Gesetzes hinaus ausnahmsweise auch Gründe aus dem persönlichen Bereich eines Gesellschafters zur Auflösung führen können. Die Klage ist insofern mehr der Auflösungsklage des § 133 des Handelsgesetzbuches angeglichen, als sie nicht mehr gegen die Gesellschaft, sondern gegen die übrigen Gesellschafter zu richten ist/ 4101
Durch das Abstellen auf einen „ in der Person eines Gesellschafters liegenden wichtigen Grund" wurde also wiederum nicht nur eine Annäherung an das Recht der Personengesellschaften erreicht, sondern auch die Möglichkeit eröffnet, politisch unliebsame Gesellschafter als Vorwand für die Auflösung einer Gesellschaft zu nehmen.
V. Treupflicht der Gesellschafter: Schadensersatz beim Erlangen gesellschaftsfremder Vorteile, § 76 Abs. 1 RefE Als weitere Annäherung der GmbH an das Recht der Personenhandelsgesellschaften soll die Treupflicht betrachtet werden. Die Treupflicht der Gesellschafter zur Gesellschaft und untereinander spielte im Entwurf eine große Rolle. Einen generalklauselartigen Niederschlag fand die Treupflicht nicht, vielmehr flöß sie in eine Reihe von Vorschriften mit ein. Dem gesamten Entwurf liegt die Auffassung zugrunde, daß eine Treupflicht der Mitglieder untereinander besteht. Dies geht wiederum aus der Begründung zum Entwurf hervor, die einleitend im Rahmen der Kommentierung zu „§ 1, Wesen der Gesellschaftfeststellt, daß die Gesellschafter eine „Gemeinschaft" 102 bilden, die der oHG gleicht: „Die persönlichen Pflichten der Gesellschafter können, [...], durch den Gesellschaftsvertrag näher ausgestaltet und erweitert werden. Darüber hinaus ist anzunehmen, daß die Gesellschafter über die in Gesetz oder Gesellschaftsvertrag unmittelbar geregelten Einzelverpflichtungen hinaus einander durch eine allgemeine Treupflicht verbunden sind, die in einzelnen Vorschriften des Entwurfs ihren Niederschlag findet." 103
Ausdrücklich zählte dann die Begründung einzelne Vorschriften auf, die aus der Anerkennung der Treupflicht der Mitglieder untereinander erwachsen waren. Hinzuweisen sei beispielsweise auf die Beschränkung der Gesellschafterbezüge bei 101 102 103
21*
Schubert, a.a.O. Schubert, Entwurf, S. 151; vgl. bereits oben, A. Schubert, a.a.O.
5. Kap.: Der Referentenentwurf (RefE) von 1939
324
schlechter wirtschaftlicher Lage (§ 68 RefE 104 ), auf die (durchgängig gesamtschuldnerische) Schadensersatzpflicht der Gesellschafter beim Erstreben ungerechtfertigter Sondervorteile (§ 76 RefE 105 ), bei unbegründetem Verlangen nach einer Sonderprüfung (§ 82 RefE 106 ) oder bei unbegründeter Anfechtungsklage (§ 134 RefE 107 ). Auch die Ausschließung eines Gesellschafters bei „schwerwiegendem gemeinschaftswidrigen Verhalten " und die Möglichkeit des Austritts (§§ 136,137 RefE 108 ) seien Ausfluß dieser Treupflicht. Somit liegt dem Entwurf durchaus eine von der nationalsozialistischen Wertvorstellung geprägte Basis zugrunde. Die äußere Hülle einer Kapitalgesellschaft in Form der juristischen Person stand der Annahme einer inneren Verbundenheit der Gesellschafter untereinander nicht mehr im Wege, weshalb die Begriffe der Gemeinschaft und Treue in Form der Treupflicht in das GmbH-Recht einfließen konnten, was sich bis in einzelne konkrete Vorschriften des Entwurfs hinein nachvollziehen läßt. Im vierten Abschnitt des Vierten Teils („ Verfassung der Gesellschaft§§ 48-86 RefE) schuf der Entwurf einen besonderen Deliktstatbestand, der die Gesellschaft dagegen schützen sollte, daß Gesellschafter oder Dritte ihren Einfluß auf die Verwaltungsträger in eigensüchtigem Interesse zum Nachteil der Gesellschaft mißbrauchten. Auf den Einfluß der Treupflicht auf das Einfügen dieser (neuen) Vorschrift hatte die Begründung zum Entwurf gleich zu Anfang verwiesen. 109 § 76 RefE lautete: 104
§68 Geschäftsführende Gesellschafter (1) Für einen Geschäftsführer, der einen Stammanteil besitzt, gelten die folgenden besonderen Vorschriften: 1. Solange das Stammkapital nicht durch das Vermögen der Gesellschaft gedeckt ist, darf dem Geschäftsführer, auch wenn ihm höhere Bezüge zugesagt sind, für seine Tätigkeit nur ein Entgelt ausgezahlt werden, das in seiner Höhe der besonderen Lage der Gesellschaft Rechnung trägt.
[».]. 105 106
Zum Wortlaut der Vorschrift vgl. unten. § 82 Kosten der Sonderprüfung. Schadensersatz
[...]. (4) Weist das Registergericht den Antrag auf Bestellung von Prüfern zurück oder ist der Antrag nach dem Ergebnis der Prüfung unbegründet, so ist der Gesellschafter der ihn gestellt hat, für den der Gesellschaft durch den Antrag entstehenden Schaden verantwortlich, wenn ihm Vorsatz oder grobe Fahrlässigkeit zur Last fällt. Mehrere Gesellschafter haften als Gesamtschuldner. 107 § 134 Urteilswirkung [..J. (2) Für einen Schaden aus unbegründeter Anfechtung sind die Kläger, denen Vorsatz oder grobe Fahrlässigkeit zur Last fällt, der Gesellschaft als Gesamtschuldner verantwortlich. 108 Vgl. oben, B.III. 109 Vgl. bereits Zitat oben, Β. V.
Β. Personengesellschaftsrechtliche Elemente
325
§ 16 Handeln zum Schaden der Gesellschaft zwecks Erlangung gesellschaftsfremder (1) Wer zu dem Zweck, für sich oder einen anderen gesellschaftsfremde Sondervorteile zu erlangen, vorsätzlich unter Ausnutzung seines Einflusses auf die Gesellschaft einen Geschäftsführer oder ein Mitglied des Aufsichtsrats dazu bestimmt, zum Schaden der Gesellschaft [...] zu handeln, ist zum Ersatz des daraus entstehenden Schadens verpflichtet. Sollte der gesellschaftsfremde Sondervorteil für einen anderen erreicht werden, so haftet auch dieser als Gesamtschuldner, wenn er die Beeinflussung vorsätzlich veranlaßt hat.
Vorteile
[..J.
Die Begründung erläuterte, daß die Vorschrift in Anlehnung an die wortgleiche Regelung des § 101 AktG 1937 110 geschaffen worden sei, und daß die Beweggründe, die zur Aufname dieser Vorschrift führten, die gleichen gewesen seien wie diejenigen, denen § 101 AktG seine Entstehung verdanke. 111 Aus den Protokollen der Arbeiten des Aktienrechtsausschusses der Akademie für Deutsches Recht ergibt sich, daß die Vorschrift aus dem Gedanken der Treupflicht des Aktionärs gegenüber der Gesellschaft heraus abgefaßt und beraten wurde. 112 In diesem Zusammenhang hatte auch der Ausschuß für GmbH-Recht eine Übernahme dieser aktienrechtlichen Regelung uneingeschränkt empfohlen. 113 Die Ersatzpflicht galt gegenüber der Gesellschaft oder ihren Gläubigern (Abs. 4). Sie sollte aber keine Anwendung finden für das Erlangen eines gesellschaftsfremden Vorteils durch Stimmrechtsausübung (Abs. 7). In diesem Fall galt die Vorschrift des § 130 Abs. 2 RefE, welche jedem Gesellschafter ein Anfechtungsrecht bezüglich eines auf diese Weise zustandegekommenen Beschlusses einräumte. 114 Eine Schadensersatzpflicht sollte sich also nicht ergeben, vielmehr wurden die übrigen Gesellschafter angehalten, die alte Rechtslage wieder herzustellen, indem sie den Beschluß aus der Welt schafften, was Sekundäransprüche überflüssig gemacht hätte. Darüber hinaus hatte der Gedanke der Treupflicht der Gesellschafter gegenüber der Gesellschaft und untereinander Einfluß auf die Ausgestaltung des Verhältnisses zwischen Minderheit und Mehrheit. Es war bereits in den Ausschußberatungen darauf hingewiesen worden, daß „die allgemeinen Rechtsgrundsätze, wie Treupflicht, [...] das Recht der Mehrheit auf das gebotene Maß" beschränkten.115 Dem110
§ 101 Handeln zum Schaden der Gesellschaft zwecks Erlangung gesellschaftsfremder Vorteile (1) Wer zu dem Zwecke, für sich oder einen anderen gesellschaftsfremde Sondervorteile zu erlangen, vorsätzlich unter Ausnutzung seines Einflusses auf die Gesellschaft ein Mitglied des Vorstands oder des Aufsichtsrats dazu bestimmt, zum Schaden der Gesellschaft oder ihrer Aktionäre zu handeln, ist zum Ersatz des daraus entstehenden Schadens verpflichtet. [..J. 111
Schubert, Entwurf, S. 177. Vgl. hierzu die Ausführungen von Hey mann, Kißkalt und Klausing in Schubert, AktRProtokolle, S. 101, 105 und S.266; vgl. auch oben, Kapitel 3, B.II. 113 Vgl. oben, Kapitel 4, C.II. 114 Vgl. hierzu ausführlicher unten, VI. 3. 115 Richter-Brohm, in Schubert, GmbHR-Protokolle, S.535; vgl. oben, Kapitel 4, C.II. 112
326
5. Kap.: Der Referentenentwurf (RefE) von 1939
entsprechend soll im folgenden ein Blick auf die Ausgestaltung der Minderheitsrechte im RefE 1939 geworfen werden.
VI. Treupflicht der Gesellschafter untereinander: Ausgestaltung der Minderheitsrechte Das geltende Recht hatte die Rechte der Minderheit bislang nur in sehr begrenztem Umfang geregelt und überließ die Ausgestaltung des Innenverhältnisses der GmbH dem Gesellschaftsvertrag. 116 Nur das Recht zur Auflösungsklage und zur Bestellung von Liquidatoren war als Recht einer Minderheit, welche zusammen mindestens 10 % der Geschäftsanteile innehatte, in den §§61 Abs. 2,66 Abs. 2 GmbHG geregelt. 117 Die darüber hinaus maßgebenden Vorschriften der §§45, 50 GmbHG lauteten: § 45 Statutarische Festlegung der Gesellschafterrechte (1) Die Rechte, welche den Gesellschaftern in den Angelegenheiten der Gesellschaft, insbesondere in bezug auf die Führung der Geschäfte zustehen, sowie die Ausübung derselben bestimmen sich, soweit nicht gesetzliche Vorschriften entgegenstehen, nach dem Gesellschaftsvertrage. (2) In Ermangelung besonderer Bestimmungen des Gesellschaftsvertrages finden die Vorschriften der §§46-51 Anwendung. § 50 Minderheitsrechte der Gesellschafter (1) Gesellschafter, deren Geschäftsanteile zusammen mindestens dem zehnten Teile des Stammkapitals entsprechen, sind berechtigt, unter Angabe des Zwecks und der Gründe die Berufung der Versammlung zu verlangen. [...].
Das einzige ausdrücklich vorgesehene Minderheitsrecht betraf also die Einberufung der Gesellschaftsversammlung, und selbst dieses Recht konnte durch Statut ausgeschlossen werden. Der Ausschuß hatte sich mit den Rechten der Minderheit auf Auskunft, Bucheinsicht, Bilanzprüfung und Anfechtung beschäftigt und diese größtenteils befürwortet. 118 Der RefE 1939 gewährte den Minderheitsrechten einen eigenen Abschnitt innerhalb des Vierten Teils über die „ Verfassung der Gesellschaft" (§§48-86). Der fünfte Abschnitt, „ Minderheits- und Einzelrechte umfaßte die §§ 77-86 RefE und regelte neben dem Einberufungsrecht das Auskunftsrecht jedes Gesellschafters und das Recht zur Sonderprüfung jedes Gesellschafters. Schon die äußere neue Einkleidung macht das Gewicht des Minderheitenschutzes deutlich:
116 117 118
Vgl. zur 1939 geltenden Rechtslage bereits oben, Kapitel4, C.III. 1. Vgl. zum Wortlaut der Vorschriften oben, Kapitel 4, Fn. 304 und Fn. 305. Vgl. oben, Kapitel 4, C.III. 1.
Β. Personengesellschaftsrechtliche Elemente
327
Fünfter Abschnitt: Minderheits- und Einzelrechte Erster Unterabschnitt: Auskunftsrecht der Gesellschafter §77 [...]. 119 Zweiter Unterabschnitt: Einberufung der Gesellschafterversammlung §78 (1) Gesellschafter, deren Stammanteile zusammen den zehnten Teil des Stammkapitals erreichen, können schriftlich unter Angabe des Zwecks und der Gründe die Einberufung einer Gesellschafterversammlung verlangen. Der Gesellschaftsvertrag kann das Recht, die Einberufung zu verlangen, an den Besitz eines geringeren Anteils am Stammkapital knüpfen. U. Dritter Unterabschnitt: Sonderprüfung §79 [...]. 120 Diese gesetzlichen Minderheitsrechte sollten auch nicht durch Gesellschaftsvertrag abdingbar sein. Die Begründung führte aus, daß der Entwurf zwar auch weiterhin die Ausgestaltung der Gesellschafterrechte in weitestem Umfang der Vereinbarung der Beteiligten überlasse. Trotzdem oder gerade deshalb könne er aber nicht darauf verzichten, „ gewisse Minderheits- und Einzelrechte festzusetzen, die durch den Gesellschaftsvertrag nicht wegbedungen werden können" 121. Insbesondere das Auskunftsrecht, die Prüfungsrechte, sowie das Recht zur Anfechtung von Gesellschafterbeschlüssen und das Recht der Minderheit zur Erhebung der Auflösungsklage sollen kurz dargestellt werden.
1. Auskunftsrecht und Bucheinsicht gem. § 77 Abs. 1 RefE Der Entwurf legte das Recht auf Auskunft und Bucheinsicht des Gesellschafters in § 77 Abs. 1, Satz 1 fest. Das geltende Recht hatte ein solches bislang nicht vorgesehen. 1 2 2 Erster Unterabschnitt: Auskunftsrecht des Gesellschafters §77 (1) Jedem Gesellschafter ist auf Verlangen Auskunft über die Angelegenheiten der Gesellschaft zu erteilen und die Einsicht der Bücher und Schriften der Gesellschaft zu gestatten. Das Verlangen darf nicht zur Unzeit gestellt werden und nicht zu einer unangemessenen Beeinträchtigung des Geschäftsbetriebs der Gesellschaft führen. (2) Die Auskunft hat den Grundsätzen einer gewissenhaften und getreuen Rechenschaft zu entsprechen. (3) Die Auskunft und die Einsicht dürfen verweigert werden, soweit überwiegende Belange der Gesellschaft oder eines beteiligten Unternehmens oder der gemeine Nutzen von Volk 119 120 121 122
Siehe unten, VI. 1. Siehe unten, VI. 2. Schubert, Entwurf, S. 178. Vgl. zur bisher geltenden Rechtslage bereits oben, Kapitel 4, C.III. 1.
328
5. Kap.: Der Referentenentwurf (RefE) von 1939
und Reich es erfordern. Ob diese Voraussetzungen vorliegen, entscheiden die Geschäftsführer nach pflichtgemäßem Ermessen. (4) Ist ein Aufsichtsrat bestellt, so kann der Gesellschaftsvertrag das Recht des Gesellschafters auf Auskunftserteilung außerhalb der Gesellschafterversammlung und auf Einsicht der Bücher und Schriften der Gesellschaft ausschließen oder beschränken.
Die Begründung zum Entwurf stellte dabei den Bezug zur Rechtsentwicklung und Begründung des Auskunftsrechts als Recht der Minderheit fest, welches sich aus der Treupflicht ergab: „Über die Frage, ob und unter welchen Voraussetzungen ein Gesellschafter die Erteilung von Auskunft fordern kann, trifft das geltende Gesetz keine Bestimmung. Doch wird in der Rechtslehre schon jetzt aus der Treupflicht der Gesellschafter ein Auskunftsrecht des einzelnen Gesellschafters hergeleitet."123
Die Begründung verwies des weiteren ausdrücklich auf die Anlehnung an das Auskunftsrecht für die Gesellschafter einer oHG nach § 118 HGB 1 2 4 und erklärte dann: „Ein derartig weitgehendes Auskunftsrecht erscheint gerechtfertigt, weil das Mitglied der Gesellschaft mit beschränkter Haftung schon im Hinblick auf die Vorschriften über die Gesamthaftung (§§35, 68 Abs. 3) in stärkerem Maße als der Aktionär darauf angewiesen ist, sich über die Angelegenheiten der Gesellschaft zu unterrichten." 125
Entscheidend bei der Ausgestaltung des Auskunftsrechts ist weiterhin, daß das Recht jedem Gesellschafter zugestanden wurde, also an keinerlei Mindestbeteiligung (beispielsweise 10 Prozent der Stammanteile) gebunden war. Für diesen Bereich war also eine bewußte enge Anlehnung an das Personengesellschaftsrecht gewählt worden. Der Entwurf ging damit über das hinaus, was der Ausschuß für GmbH-Recht gefordert hatte. Dieser hatte das Auskunftsrecht auf die Gesellschaftsversammlung beschränken wollen, wobei Klausing darauf hingewiesen hatte, daß man beim Auskunftsrecht nicht so weit gehen solle, zu sagen, „die GmbH sei eine Personengesellschaft mit Treuepflicht". 126 Der Referentenentwurf hingegen sah die GmbH als Personengesellschaft mit Treupflicht und gab daher jedem Gesellschafter jederzeit die Möglichkeit, unter den Einschränkungen des § 77 Abs. 1, Satz 2 RefE, Auskunft zu begehren. Eine weitere Einschränkung lag in §77 Abs. 3 RefE, wonach die Auskunft verweigert werden durfte, soweit überwiegende Belange der Gesellschaft, eines beteiligten Unternehmens oder „ der gemeine Nutzen von Volk und Reich es erforderten ". Diese für den Nationalsozialismus typische Formulierung erinnert ein wenig an die Bedenken, welche die Vertreter des Reichsjustizministeriums im Rahmen der Ausschußsitzungen gegen Publizitätsvorschriften geäußert hatten.127 Vielleicht lag hier eine ähnliche Erwägung zugrunde, daß 123 124 125 126 127
Schubert, Entwurf, S. 178. Zum Wortlaut des § 118 HGB vgl. bereits oben, Kapitel 4, C.III. 1.. Schubert, a.a.O. Klausing, in Schubert, GmbHR-Protokolle, S. 270, vgl. oben, Kapitel 4, C. III. 1. Vgl. oben, Kapitel 4, B.I.2.
Β. Personengesellschaftsrechtliche Elemente
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eine Auskunft im Einzelfall gegen die geheim zu haltende Aufrüstung oder Waffenproduktion sprechen konnte. Zumindest blieb hier durch diese Generalklausel ein weiter Spielraum offen, über dessen Vorliegen die Geschäftsführer allein „nach pflichtgemäßem Ermessen " entscheiden konnten.128 Und auch das Recht zur Bucheinsicht war weder, wie vom Ausschuß vorgeschlagen 129 , an einen bestimmten Zweck gebunden (Prüfung von Bilanz, gesetzlicher Zwischenbilanz oder Liquidationsbilanz), noch setzte es eine gewisse Mehrheit (10%, 25%) voraus. Auskunfts- und Einsichtsrecht waren im Entwurf also sehr weitgehend geregelt. Jeder Gesellschafter konnte sich grundsätzlich jederzeit informieren. In dieser Ausgestaltung erinnert das Innenverhältnis sehr an die inneren Verhältnisse einer Personengesellschaft. 2. Prüfungsrechte,
§§ 79, 92 RefE
Auch bei den übrigen Kontrollrechten verstärkte der Entwurf, in Anlehnung an die Vorschläge des Ausschusses130, die Minderheitsrechte. Jedem Gesellschafter wurde das unabdingbare Recht eingeräumt, Vorgänge bei der Gründung oder Geschäftsführung durch eine sogenannte „Sonderprüfung " untersuchen zu lassen. Die Vorschrift war ohne Vorbild im geltenden GmbH-Recht: Dritter Unterabschnitt: Sonderprüfung § 79 Bestellung der Prüfer (1) Jeder Gesellschafter kann verlangen, daß zur Prüfung von Vorgängen bei der Gründung oder Geschäftsführung Prüfer bestellt werden. Wird dem Verlangen nicht entsprochen, so kann auf Antrag des Gesellschafters das Registergericht Prüfer bestellen. Dem Antrag ist nur stattzugeben, wenn der Gesellschafter glaubhaft darlegt, daß der Verdacht einer Unredlichkeit oder einer groben Verletzung des Gesetzes oder des Gesellschaftsvertrages besteht. [.·.].
Des weiteren sah der Entwurf in § 92 ein Prüfungsrecht hinsichtlich des Jahresabschlusses für jeden Gesellschafter vor. Wie bisher mußten die Geschäftsführer den Jahresabschluß aufstellen, der alsdann von den Gesellschaftern festzustellen war (§ 87 RefE). Eine Verpflichtung zur jährlichen Prüfung des Abschlusses sah der Entwurf nur für große Gesellschaften vor, deren Stammkapital den Betrag von zwei Millionen Reichsmark erreichte oder überstieg (§ 95 Abs. 1, Nr. 3 RefE). Die Begründung zum Entwurf führte aus, daß bei den zahlreichen kleineren und mittleren Unternehmen die Gesellschafter in der Regel auf eine Abschlußprüfung nicht angewiesen seien, da sie der Gesellschaft weit näher stünden als die Aktionäre der Aktiengesellschaft. Mit Hilfe des in § 77 RefE besonders ausgebauten Aus128 Hierin kann man durchaus eine Stärkung der Geschäftsführer nach dem „Führerprinzip sehen, vgl. dazu weiter unten. 129 Vgl. oben, Kapitel 4, C. III. 1. 130 Vgl. oben, Kapitel 4, C.III. 1.
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5. Kap.: Der Referentenentwurf (RefE) von 1939
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kunftsrechts seien in der Regel genügend Einblicke in die Wirtschaftsführung gewährleistet. Für Fälle aber, „ in denen sich die Gesellschafter selbst auch im Wege des Auskunftsrechts nicht genügend über die Buchführung oder die Ordnungsgemäßheit des Jahresabschlusses unterrichten können " 1 3 1 , ging der Entwurf noch einen Schritt weiter und gab jedem einzelnen Gesellschafter das Recht, die Prüfung des Jahresabschlusses zu verlangen: § 92 Bestellung und Auswahl der Abschlußprüfer (1) Jeder Gesellschafter kann verlangen, daß der Jahresabschluß durch sachverständige Prüfer (Abschlußprüfer) geprüft wird. Wird seinem Verlangen nicht entsprochen, so hat auf Antrag des Gesellschafters das Registergericht Abschlußprüfer zu bestellen.!...]. (2) Hat die Gesellschaft Abschlußprüfer bestellt, so kann das Registergericht auf Antrag eines Gesellschafters andere Personen zu Abschlußprüfern bestellen; [...].
(3) [...]. (4) Die Bestellung der Abschlußprüfer durch das Registergericht kann nicht angefochten werden.
Auch für diesen Bereich wollte man davon absehen, ein bestimmtes Minderheitsrecht zumindest an einen Anteil von 10 Prozent des Stammkapitals zu binden und gewährte jedem Gesellschafter das Prüfungsrecht. Gleichzeitig diente dieses Prüfungsrecht zur Unterstützung des Auskunftsrechts in § 77 Abs. 1, Satz 1 RefE. Eine gewisse Einschränkung oder Mahnung zur Vorsicht im Umgang mit dem Sonderprüfungsrecht aus § 79 RefE enthielt, gewissermaßen als Kehrseite, die Vorschrift des § 82 Abs. 4 RefE. Danach hafteten die Gesellschafter der Gesellschaft für einen Schaden gesamtschuldnerisch, der dadurch entstand, daß sie die Sonderprüfung beantragt hatten, das Registergericht den Antrag jedoch als unbegründet zurückwies. Eine solche Einschränkung galt nicht für das Recht auf Jahresabschlußprüfung. Die hier einschlägige Vorschrift des § 93 RefE verwies in Abs. 2 auf § 82 RefE, jedoch gerade nicht auf § 82 Abs. 4 RefE. 3. Anfechtungsrecht,
§§ 130ff. RefE
Als weitere Stärkung der rechtlichen Stellung des einzelnen Gesellschafters gegenüber der Mehrheit ist das Anfechtungsrecht zu betrachten. Der Entwurf führte im Siebten Teil in den §§128 bis 135 („Nichtigkeit von Gesellschafterbeschlüssen ") ein System der Nichtigkeit und Anfechtbarkeit von Gesellschafterbeschlüssen ein, das sich an den Vorschriften des Aktienrechts orientierte. Die Begründung verwies einleitend auf die Entwicklung des Anfechtungsrechts: „Auf die Frage, in welcher Weise sich etwaige, den Gesellschafterbeschlüssen anhaftende Mängel auswirken, gibt das Gesetz keine Antwort. Diese Lücke haben jedoch Rechtsprechung und Rechtslehre durch entsprechende Anwendung der aktienrechtlichen Vorschriften über Nichtigkeit und Anfechtbarkeit von Beschlüssen ausgefüllt und der Entwurf beschrei131
Schubert, Entwurf, S. 182.
Β. Personengesellschaftsrechtliche Elemente
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tet den gleichen Weg, wenn er die von ihm getroffene Neuregelung weitgehend dem Aktienrecht angleicht."132
Die Anlehnung an das Aktienrecht bedeutete auch die Übernahme des in das AktG 1937 neu eingeführten Anfechtungsgrundes der mißbräuchlichen Stimmrechtsausübung. Der Entwurf gestaltete die Anfechtungsmöglichkeiten umfassend aus und versah sie wiederum mit einer Befugnis zur Anfechtung für den einzelnen Gesellschafter unabhängig von einer Mindestbeteiligung. Zu unterscheiden waren drei Fälle von anfechtbaren Beschlüssen: Zunächst stellte § 130 RefE den aus dem Aktienrecht auch schon vor Erlaß des AktG 1937 bekannten Anfechtungsgrund bei Gesetzes- oder Satzungsverstoß durch einen Gesellschafterbeschluß auf. Jeder in der Versammlung erschienene Gesellschafter konnte den Beschluß anfechten, sofern er bei der Beschlußfassung auch Widerspruch erhoben hatte. Ein nicht erschienener Gesellschafter konnte unter gewissen Voraussetzungen anfechten, vgl. §§130, 131 Abs. 1 RefE: § 130 Anfechtungs gründe (1) Ein Beschluß der Gesellschafter kann wegen Verletzung des Gesetzes oder des Gesellschaftsvertrags durch Klage angefochten werden.133 [...]. § 131 Anfechtungsbefugnis (1) Einen Beschluß, der in einer Gesellschafterversammlung gefaßt worden ist, kann anfechten: 1. ein in der Versammlung erschienener Gesellschafter nur, wenn er gegen den Beschluß Widerspruch erhoben hat, 2. ein in der Versammlung nicht erschienener Gesellschafter nur, wenn er zu der Versammlung zu Unrecht nicht zugelassen worden ist oder die Versammlung nicht gehörig einberufen oder der Gegenstand der Beschlußfasssung nicht gehörig angekündigt worden ist. 134 [..J.
Des weiteren konnte jeder Gesellschafter einen Beschluß anfechten, welcher durch schriftliche oder mündliche Stimmabgabe zustande gekommen war und nicht die Zustimmung des anfechtenden Gesellschafters bekommen hatte (vgl. 48 Abs. 2, 131 Abs. 2 RefE). Hierbei handelte es sich um einen, der GmbH eigenen Anfechtungsgrund, der ohne Vorbild im Aktienrecht war und sich ebenfalls mit der personenrechtlichen Struktur der GmbH erklären läßt. Aufgrund der oft geringen Gesellschafterzahl und der engen Verbundenheit der Gesellschafter (beispielsweise in einer Familien-GmbH), hatte auch schon das geltende Recht die Möglichkeit der schriftlichen Stimmabgabe statt des Abhaltens einer Gesellschafterversammlung vorgesehen. Darüber hinaus gab der Entwurf nun noch die Möglichkeit, durch Gesellschaftsvertrag das Verfahren der Stimmabgabe dadurch zu erleichtern, daß die 132 133 134
Schubert, Entwurf, S. 189. Die Vorschrift entspricht § 197 Abs. 1 AktG 1937. Die Vorschrift entspricht § 198 Abs. 1 Nr. 1 und 2 AktG 1937.
332
5. Kap.: Der Referentenentwurf (RefE) von 1939
Gesellschafter in der Satzung auf die Schriftform verzichteten und ihre Stimmen mündlich abgaben: § 48 Gesellschafterversammlung
(1) [...]. (2) Von einer Gesellschafterversammlung kann abgesehen werden, wenn sämtliche Gesellschafter sich mit der schriftlichen Abgabe der Stimmen einverstanden erklären. Der Gesellschaftsvertrag kann für die Beschlußfassung weitere Erleichterungen vorsehen. [...]. § 131 Anfechtungsbefugnis
(1) [.··]. (2) Zur Anfechtung eines Beschlusses, der ohne Abhaltung einer Gesellschafterversammlung gefaßt worden ist, ist jeder Gesellschafter befugt, der dem Beschluß nicht zugestimmt hat. [..J. Schließlich ergab sich noch das aus dem A k t G 1937 übernommene Anfechtungsrecht eines jeden Gesellschafters für den Fall, daß ein Beschluß unter einer machtmißbräuchlichen Stimmrechtsausübung zustande gekommen war und sich ein Gesellschafter hierdurch einen Vorteil zu Lasten der Gesellschaft oder der Gesellschafter verschaffen w o l l t e 1 3 5 : § 130 Anfechtungsgründe (1)U. (2) Die Anfechtung kann auch darauf gestützt werden, daß ein Gesellschafter mit der Stimmrechtsausübung vorsätzlich für sich oder einen Dritten gesellschaftsfremde Sondervorteile zum Schaden der Gesellschaft oder der Gesellschafter zu erlangen suchte und der Beschluß geeignet ist, diesem Zweck zu dienen. §76 Abs. 2 gilt sinngemäß.136 [·..]. § 131 Anfechtungsbefugnis
[...].
(3) Im Falle des § 130 Abs. 2 ist jeder Gesellschafter zur Anfechtung befugt. 137 [·..]. Die Gesellschafter waren für diesen Bereich also nicht mehr auf sekundäre Schadensersatzansprüche beschränkt (§ 76 Abs. 1 RefE sollte nach § 76 Abs. 7 RefE gerade für diesen Fall nicht zur Anwendung gelangen), sondern sie konnten rechtsgestaltend tätig werden und den alten Zustand, wie er ohne die mißbräuchliche Ausübung des Stimmrechts bestanden hätte, wieder herstellen.
135
Vgl. zur Schadensersatzregelung in § 76 Abs. 1 RefE bereits oben, Β. V.; § 76 Abs. 7 RefE (entspricht § 101 Abs. 7 AktG 1937) ist dann einschlägig: „Diese Vorschriften gelten nicht, wenn gesellschaftsfremde Sondervorteile durch Stimmrechtsausübung verfolgt werden 136 Die Vorschrift entspricht § 197 Abs. 2 AktG 1937. 137 Die Vorschrift entspricht § 198 Abs. 1, Nr. 3 AktG 1937.
C. Vorschriften als Ausgleich zur Haftungsbeschränkung
333
Der Entwurf bot somit ein ausgefeiltes System von Anfechtungsmöglichkeiten, wobei ohne Rücksicht auf die Höhe der Beteiligung jeder einzelne Gesellschafter in seinem Minderheitsrecht geschützt wurde.
4. Erweiterung
der Auflösungsklage gem. § 138 Abs. 1 RefE
Auch bezüglich der oben bereits erwähnten Erweiterung der Auflösungsklage 138 folgte der Entwurf hier dem Prinzip, den Minderheitenschutz als Ausdruck der gesellschaftsrechtlichen Treupflicht auszubauen und gab wiederum jedem einzelnen Gesellschafter unabhängig von der Höhe seiner Beteiligung das Recht, die Auflösung der Gesellschaft zu verlangen. Das geltende GmbH-Recht hatte diese Möglichkeit in § 61 Abs. 2 1 3 9 nur für Gesellschafter mit mindestens einem Zehntel Anteil am Stammkapital vorgesehen. Diese Möglichkeit erweiterte der Entwurf in § 138 Abs. 1 : § 138 Auflösungsklage (1) Auf die Klage eines Gesellschafters kann die Gesellschaft durch gerichtliches Urteil aufgelöst werden, wenn der Gesellschaftszweck nicht mehr erreicht werden kann, die gedeihliche Fortentwicklung der Gesellschaft nicht mehr gewährleistet oder die Auflösung aus einem anderen wichtigen Grund geboten ist. [...].
Nach dem oben bereits zur Auflösungsklage gesagten, stellt sich auch hier die Frage, ob nicht statt des „ Ausbaus des Minderheitenschutzes " das politisch-ideologische Bestreben im Vordergrund stand, „arischen " oder nationalsozialistisch gesinnten Minderheitsgesellschaftern eine wirkungsvolle Handhabe zur Drohung mit der Auflösung gegenüber unliebsamen Mitgesellschaftern oder zur einfachen Lossagung von Geschäftsbeziehungen an die Hand zu geben. Die Begründung zum Entwurf sagt hierzu nichts aus. Insofern ist die Änderung von der Notwendigkeit einer Beteiligung von 10 % (§ 61 Abs. 2 GmbHG) auf die Unabhängigkeit von der Größe der Beteiligung als Ausdruck der allgemeinen Bestrebung zu sehen, in jedem Fall wie im Recht der Personengesellschaften auf den einzelnen Gesellschafter statt auf die Größe einer Beteiligung abzustellen.
C. Vorschriften als Ausgleich zur Haftungsbeschränkung Mit der Übernahme der aufgezeigten Regelungen aus dem Recht der Personengesellschaften war die GmbH nach dem RefE 1939, zumindest was ihr Innenverhältnis angeht, an die oHG sehr eng angelehnt. Dies wurde durch die Ausgestaltung des Treuegedankens verstärkt, so daß durchaus zu belegen ist, daß dem Entwurf ein nationalsozialistisch eigenes Verständnis zugrunde liegt, nach welchem die GmbH138 139
Siehe oben, Β. IV. Zum Wortlaut der Vorschrift vgl. bereits oben, B.IV.
334
5. Kap.: Der Referentenentwurf (RefE) von 1939
Gesellschafter eine „Gemeinschaft" bildeten, und sie untereinander zur „Treue" verpflichtet waren. Dennoch blieb rein äußerlich die Mittelstellung der GmbH zwischen oHG und AG in mancherlei Hinsicht gewahrt, so daß die enge Anlehnung an die Personengesellschaft und die sich dahinter verbergende Ideologie oft erst auf den zweiten Blick deutlich werden. Seine Ursache findet dies zum Teil in der Diskussion um die Haftungsbeschränkung und dem daraus entstandenen Bedürfnis, als Ausgleich für das Beibehalten der GmbH Vorschriften zu schaffen, welche den Kapitalmißbrauch verhinderten. Inwieweit dies dazu führte, daß die GmbH an das Aktienrecht angenähert wurde, soll im folgenden aufgezeigt werden. Es sind dies Fälle, in denen der Staat nicht der unternehmerischen Freiheit traute, wie ζ. B. bei der amtlichen Prüfung von Sacheinlagen. Der Tendenz, die GmbH als Personengesellschaft auszugestalten, wurden auf diese Weise einige Akzente entgegengesetzt. Wie die meisten Beispiele zeigen, bleibt aber die Grundtendenz der Annäherung an das Personengesellschaftsrecht dennoch bestehen. Im Anschluß soll in diesem Rahmen auch ein Blick auf diejenigen spezifisch ideologischen Ideen geworfen werden, welche in der Literatur und im Ausschuß in diesem Zusammenhang angesprochen worden waren, wie das „Führerprinzip " und der Ruf „gegen die Anonymität". I. Aufbringung des Stammkapitals Der RefE 1939 übernahm den Vorschlag des Ausschusses, die Gesellschafter im Falle der Überbewertung von Sacheinlagen gesamtschuldnerisch haften zu lassen. 1 4 0 Insoweit diente das gesamtschuldnerische Element also nicht nur der Annäherung an das Personengesellschaftsrecht, sondern war gleichzeitig auch eine vorbeugende Sicherung zum Aufbringen des Stammkapitals. Allerdings sah der Entwurf 1939 darüber hinaus dennoch eine Gründungsprüfung für den Fall der Sacheinlagenleistung vor. Der Ausschuß hatte dies lediglich alternativ zur gesamtschuldnerischen Haftung gesehen und sich für die letztere ausgesprochen. Der Entwurf sah demgegenüber eine doppelte Sicherheit für die Aufbringung des Stammkapitals bei Sacheinlagen vor. Hierdurch entstand eine Anlehnung an das Aktienrecht, welche so vom Ausschuß nicht befürwortet worden war. 141 § 11 des Entwurfs forderte von den Gründern zunächst einen Gründungsbericht, in dem die für die Bewertung der Sacheinlagen wesentlichen Umstände näher darzulegen waren. § 12 betraf alsdann die Prüfung selbst: §12 Gründungsprüfung (1) Sollen für Sacheinlagen Stammanteile gewährt werden, deren Nennbetrag ein Viertel des Stammkapitals übersteigt, oder soll für Sachübemahmen eine den vierten Teil des 140 141
Vgl. hierzu oben, Kapitel 4, B.II. Vgl. oben, Kapitel 4, B.II. 1.
C. Vorschriften als Ausgleich zur Haftungsbeschränkung
335
Stammkapitals übersteigende Vergütung gewährt werden oder übersteigt der für Sacheinlagen und Sachübernahmen zusammen angesetzte Betrag ein Viertel des Stammkapitals, so ist durch einen oder mehrere sachverständige Prüfer (Gründungsprüfer) zu prüfen, ob die für die eingelegten oder übernommenen Gegenstände gewährten Leistungen angemessen sind. (2) Über die Prüfung ist schriftlich zu berichten. Die Begründung zum Entwurf führte aus, daß insbesondere i m Hinblick auf Gründer, die auf Täuschungen bedacht sind, die Einführung einer gesamtschuldnerischen Haftung nicht ausreichend gewesen wäre, um die Aufbringung des Kapitals zu gewährleisten. Gleichzeitig stellte die Begründung die Nähe zum Aktienrecht heraus, dessen Verfahren man in vereinfachter Form für die G m b H übernommen habe. „Der Entwurf geht aber noch einen Schritt weiter und verlangt in § 12 im Falle einer Gründung mit Sacheinlagen oder Sachübernahmen grundsätzlich die Vornahme einer Prüfung durch sachverständige Prüfer. Er übernimmt dabei, wenn auch in vereinfachter Form, das im Aktiengesetz vorgesehene Verfahren, weil die Gründungsprüfung die sicherste Gewähr dafür bietet, daß das als Geschäftsgrundlage angegebene Stammkapital auch wirklich aufgebracht wird. Der Vorschlag, statt der obligatorischen Gründungsprüfung die gesamtschuldnerische Haftung aller Gründer für die volle Erfüllung der Einlagepflicht einzuführen, die Gründer aber von der Haftung freizustellen, wenn sachverständige Prüfer die angemessene Bewertung der Sacheinlagen bestätigt haben, bietet keinen vollen Ersatz für die obligatorische Gründungsprüfung." 142 Auch i m Hinblick auf die Nachgründung sah der Entwurf, ebenfalls in Anlehnung an das Aktienrecht, eine Prüfung des Nachgründungsvorgangs in den §§28 und 29 RefE vor. 1 4 3 Dies war jedoch nur konsequent, da ansonsten die Vorschriften zur Sachgründungsprüfung einfach hätten umgangen werden können und wirkungslos gewesen wären. Den Gründungsprüfungsvorschriften wurde, wie bereits angesprochen 144 , dadurch besonderer Nachdruck verliehen, daß sämtliche an der Gründung beteiligte 142
Schubert, Entwurf, S. 156. § 28 Nachgründung (1) Verträge der Gesellschaft, nach denen sie vorhandene oder herzustellende Anlagen oder sonstige Vermögensgegenstände für eine den vierten Teil des Stammkapitals übersteigende Vergütung erwerben soll, bedürfen zu ihrer Wirksamkeit der Zustimmung der Gesellschafterversammlung und der Eintragung in das Handelsregister, wenn sie im ersten Jahr seit der Eintragung der Gesellschaft in das Handelsregister geschlossen werden; ohne die Zustimmung der Gesellschafterversammlung oder die Eintragung im Handelsregister sind auch die Rechtshandlungen zu ihrer Ausführung unwirksam. (2) Vor der Beschlußfassung der Gesellschafterversammlung haben sämtliche Geschäftsführer einen schriftlichen Bericht zu erstatten (Nachgründungsbericht). Für ihn gilt § 11 über den Gründungsbericht sinngemäß. (3) Vor der Beschlußfassung hat eine Prüfung durch einen oder mehrere Prüfer stattzufinden. §§ 12 bis 15 über die Gründungsprüfung gelten sinngemäß. 143
[..·]. (7) Für die Nachgründung gelten die §§25 bis 27 über die Ersatzansprüche der Gesellschaft bei der Gründung sinngemäß. 144 Vgl. oben, B.II.
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5. Kap.: Der Referentenentwurf (RefE) von 1939
Personen (gesamtschuldnerisch) der Gesellschaft zum Schadensersatz verpflichtet waren, für den Fall, daß die Gründung nicht ordnungsgemäß durchgeführt worden war (§§24-26 RefE 1939).
II. Erhaltung des Stammkapitals 1. Rückgewähr von Einlagen Entsprechend den Anregungen des Ausschusses145, stellte der RefE 1939 zunächst in § 32 das Verbot der Rückgewähr von Einlagen auf. Die Haftung für ungesetzlich ausgezahlte Beträge wurde in § 35 Abs. 2 des Entwurfs als gesamtschuldnerische Haftung der Gesellschafter ausgestaltet, wobei jedoch derjenige Gesellschafter, der sich entlasten konnte, nur mit einem Betrag einzustehen hatte, der dem Nennbetrag seines Stammanteils entsprach. §32 Keine Rückgewähr von Einlagen Den Gesellschaftern dürfen die Einlagen nicht zurückgewährt werden. Die Zahlung des Erwerbspreises beim zulässigen Erwerb eigener Anteile gilt nicht als Rückgewähr von Einlagen. § 35 Ersatzpflicht der Gesellschafter beim Empfang verbotener Leistungen (1) Ein Gesellschafter hat Leistungen zurückzugewähren, die er entgegen diesem Gesetz von der Gesellschaft erhalten hat. [...]. (2) Kann die Gesellschaft eine Leistung, die aus dem zur Erhaltung des Stammkapitals notwendigen Vermögen bewirkt ist, von dem Empfänger nicht zurückerlangen, so sind ihr die übrigen der Gesellschaft im Zeitpunkt der Leistung angehörenden Gesellschafter als Gesamtschuldner zum Ersatz verpflichtet. Konnte ein Gesellschafter die Leistung trotz Anwendung der ihm zuzumutenden Sorgfalt nicht verhindern, so ist er zum Ersatz nur bis zu einem Betrage in Höhe des Nennbetrages seines Stammanteils verpflichtet, auch wenn mehrere die Ersatzpflicht begründende Leistungen bewirkt worden sind.
Der Anspruch stand der Gesellschaft zu; eine Anspruchsgrundlage für die Gläubiger selbst, wie sie in Anlehnung an § 802 des Schweizerischen Zivilgesetzbuches im Ausschuß diskutiert und verworfen worden war 146 , sah der Entwurf damit in Übereinstimmung mit den Vorstellungen des Ausschusses nicht vor. Die Begründung zum Entwurf hob die kapitalsichernde Funktion der gesamtschuldnerischen Haftung hervor: „Ein wesentlicher Vorzug der Gesamthaftung besteht in ihrer vorbeugenden Wirkung. Jeder Gesellschafter wird in seinem eigensten Interesse bemüht sein, gesetzwidrigen Ausschüttungen nach Möglichkeit entgegenzutreten."147 145 146 147
Vgl. oben, Kapitel 4, B.II.2. Vgl. oben, Kapitel 4, B.II. 1.; zum Abdruck der Vorschrift vgl. oben, Kapitel 4, Fn.34. Schubert, Entwurf, S. 162.
C. Vorschriften als Ausgleich zur Haftungsbeschränkung
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Bezüglich der Erhaltung des Stammkapitals als Ausgleich für das Beibehalten der Haftungsbeschränkung ergibt sich also hier keine Kollision mit dem Bestreben, die G m b H an das Recht der Personengesellschaft anzunähern. Das Institut der gesamtschuldnerischen Haftung wirkte in zweierlei Weise, zum einen als personengesellschaftsrechtliches Element und zum anderen als vorbeugende Sicherung vor dem Kapitalabfluß als Ausgleich dafür, daß die Haftungsbeschränkung beibehalten wurde.
2. Gesellschafterdarlehen Auch für die Ausgestaltung der Behandlung eines Gesellschafterdarlehens i m Konkurs gilt, daß durch die Aufnahme einer entsprechenden Regelung i m Entwurf der Tendenz, die G m b H als Personengesellschaft auszugestalten, nicht entgegengewirkt wurde. Der Entwurf stellte nicht nur die sogenannten Gesellschafterdarlehen i m Konkurs der Beteiligung gleich (§ 36 RefE), sondern gewährte auch ein Anfechtungsrecht für abgesichelte Darlehen, die während der letzten zwei Jahre vor Konkurseröffnung zurückgezahlt worden waren (§ 37 RefE). Darüber hinaus erweiterte er die Anwendung der Vorschriften auch auf Darlehen, die zwar von einem Dritten gegeben worden waren, für die sich jedoch ein Gesellschafter verbürgt hatte: § 36 Darlehen eines Gesellschafters (1) Hat ein Gesellschafter, obwohl nach der Sachlage die Erhöhung des Stammkapitals geboten war, der Gesellschaft ein Darlehen gewährt, so kann er den Anspruch auf Rückgewähr des Darlehens im Konkurse über das Vermögen der Gesellschaft oder im Vergleichsverfahren zur Abwendung des Konkurses nicht geltend machen. [...]. (2) Der Gewährung eines Darlehens steht es gleich, wenn ein Gesellschafter gestundete Forderungen Dritter gegen die Gesellschaft erwirbt oder Forderungen, die ihm selbst gegen die Gesellschaft zustehen, stundet. (3) Die in Abs. 1 vorgesehenen Beschränkungen gelten auch gegen einen Gläubiger, der eine unter Abs. 1 oder 2 fallende Forderung eines Gesellschafers im letzten Jahr vor der Eröffnung des Konkurs- oder Vergleichsverfahrens erworben hat. (4) Hat ein Dritter, obwohl nach der Sachlage die Erhöhung des Stammkapitals geboten war, der Gesellschaft ein Darlehen gewährt, und hat ein Gesellschafter für das Darlehen eine Sicherung bestellt oder haftet er als Bürge, so kann der Darlehensgläubiger im Konkursverfahren über das Vermögen der Gesellschaft nur für den Betrag verhältnismäßige Befriedigung verlangen, mit dem er bei der Inanspruchnahme der Sicherung oder des Bürgen ausgefallen ist. [...]. (5) Forderungen, Sicherungen oder Bürgschaften des Ehegatten oder eines minderjährigen Abkömmlings eines Gesellschafters oder eines Konzernunternehmens stehen den eigenen Forderungen, Sicherungen oder Bürgschaften eines Gesellschafters gleich. §37 Anfechtung von Rechtshandlungen (1) Rechtshandlungen, die dem Gläubiger einer unter 36 Abs. 1 bis 3, Abs. 4 Satz 3 oder Abs. 5 fallenden Forderung, Sicherung oder Befriedigung gewähren, können im Konkurse über das Vermögen der Gesellschaft von dem Konkursverwalter als den Konkursgläubigem gegenüber unwirksam angefochten werden. [...]. 22 Stupp
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5. Kap.: Der Referentenentwurf (RefE) von 1939
(2) Die dem Gläubiger gewährte Befriedigung kann nicht mehr angefochten werden, wenn sie früher als zwei Jahre vor Eröffnung des Konkurses erfolgt ist. (3) Hat die Gesellschaft im Falle des § 36 Abs. 4 Satz 1 das Darlehen in den letzten zwei Jahren vor der Konkurseröffnung zurückgezahlt, so hat der Gesellschafter, der die Sicherung für das Darlehen bestellt hatte oder als Bürge haftete, der Gesellschaft den zurückgeforderten Betrag zu erstatten. [...].
In § 36 Abs. 1 RefE fällt zunächst auf, daß sich der Gesetzgeber hier nun zu einer Definition des Gesellschafterdarlehens entschlossen hatte, welche vom Ausschuß noch nicht sicher hatte genannt werden können.148 Darüber hinaus ist die Bemühung des Gesetzgebers erkennbar, möglichst vielen Fällen des denkbaren Mißbrauchs entgegen zu treten, was durch die ausführliche Regelung in § 36 RefE seinen Ausdruck gefunden hat. Die für das GmbH-Recht neue Vorschrift wirkt dabei sehr „ volksnah " und erscheint mit der Bemühung um größtmögliche Verständlichkeit formuliert. Zur Frage, wann im Einzelfall statt der Darlehenshingabe eine „Erhöhung des Stammkapitals geboten war " (vgl. § 36 Abs. 1 und Abs. 4 RefE), führte die Begründung zum Entwurf aus, daß entscheidend sein werde, ob es sich um ein langfristiges oder kurzfristiges Darlehen gehandelt habe.149 Kurzfristige Darlehen, die zur Befriedigung eines vorübergehenden saisonmäßig bedingten Kapitalmehrbedarfs oder zur Überbrückung einer geschäftsstillen Zeit bestimmt gewesen seien, sollten nicht unter die Regelung des § 36 Abs. 1 RefE fallen. 150 Durch die Gleichstellung von Beteiligung und Darlehen, sowie durch die Eingrenzungsversuche bezüglich der Frage, was genau ein Gesellschafterdarlehen sei, deckte der Entwurf viele der bisher bekannten Mißbrauchsfälle ab und sollte dazu dienen, die GmbH aus ihrem schlechten Ruf herauszubringen. Die Tendenz zur Annäherung an die Personengesellschaft wurde durch die ausführlichen Regelungen bestärkt, da die Stellung des darlehensgebenden Gesellschafters im Konkurs derjenigen eines oHG-Gesellschafters vergleichbar war. Auch dieser war nicht in der Lage, sich vor anderen Gläubigern aus dem Gesellschaftsvermögen zu befriedigen, da er den Gläubigern ohnehin persönlich haftete. 3. Geschäftsführergehälter Die Mitglieder des Ausschusses für GmbH-Recht waren sich in der Frage, ob die Gehälter der Geschäftsführer in irgendeiner Weise zu reglementieren seien, nicht einig gewesen. Insbesondere die Vertreter des Reichsjustizministeriums hatten sich für die Übernahme der neu ins Aktienrecht eingeführten Vorschrift des § 78 AktG 148
Vgl. oben, Kapitel 4, B.II.2.b). Eine ähnliche Differenzierung fand sich auch schon in den Ausschußdiskussionen, vgl. oben, Kapitel 4, B.II.2.b). 150 Schubert, Entwurf, S. 163. 149
C. Vorschriften als Ausgleich zur Haftungsbeschränkung
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1937 ausgesprochen, wonach die Gehälter der Vorstandsmitglieder in einem angemessenen Verhältnis zu ihren Aufgaben stehen sollten. 151 Die Vorschrift wurde als „Sozialklausel" im Aktienrecht gesehen, durch welche Spannungen zwischen der „Führung " und der „ Gefolgschaft " vermieden werden sollten. 152 Die Vertreter der Wirtschaft, welche vehement für die Annäherung der GmbH an die oHG eintraten und möglichst viele Regelungsbereiche der Satzungsfreiheit überlassen wollten, hatten sich gegen eine solche Vorschrift ausgesprochen. Der Entwurf regelte die Geschäftsführergehälter nun in verschiedene Richtungen. Dem Vorbild im Aktienrecht entsprechend, stellte er zunächst in §66 RefE 1939 die Forderung nach angemessenen Gehältern auf: § 66 Grundsätze für die Bezüge der Geschäftsführer (1) Die Gesamtbezüge der Geschäftsführer (Gehälter, Gewinnbeteiligungen, Aufwandsentschädigungen, Versicherungsentgelte, Provisionen und Nebenleistungen jeder Art) sollen in einem angemessenen Verhältnis zu den Aufgaben des einzelnen Geschäftsführers und zur Lage der Gesellschaft stehen. Dies gilt sinngemäß für Ruhegehälter, Hinterbliebenenbezüge und Leistungen verwandter Art. (2) Tritt nach der Festsetzung der Gesamtbezüge der Geschäftsführer eine so wesentliche Verschlechterung in den Verhältnissen der Gesellschaft ein, daß die Weitergewährung der Bezüge eine schwere Unbilligkeit für die Gesellschaft sein würde, so sind die Gesellschafter zu einer angemessenen Herabsetzung berechtigt. Durch eine derartige Maßnahme wird der Anstellungsvertrag im übrigen nicht berührt; jeder Geschäftsführer kann jedoch seinen Anstellungsvertrag für den Schluß des nächsten Kalendervierteljahres mit einer Kündigungsfrist von sechs Wochen kündigen.
Die Begründung zum Entwurf wies daraufhin, daß die Vorschrift der neuen Rechts- und Wirtschaftsauffassung Ausdruck verleihe, „ nach der sich der einzelne den Belangen der Gesamtheit unterzuordnen habe " 1 5 3 . Damit findet sich hier eine Vorschrift, die sich in einen direkten Bezug zur nationalsozialistischen Ideologie in Form des Grundsatzes „ Gemeinnutz vor Eigennutz " setzen läßt. 154 Für die Gewährung von Gewinnbeteiligungen sah der Entwurf eine besondere „Sozialwohlklausel" vor. Nach § 67 sollten auch die Gewinnbeteiligungen „in einem angemessenen Verhältnis stehen zu den Aufwendungen zugunsten der Gefolgschaft und von Einrichtungen, die dem gemeinen Wohl dienen. " Die Einhaltung dieses Gebots konnte die Staatsanwaltschaft im Klagewege erzwingen. Nach der Begründung zum Entwurf beruhte die Vorschrift, in Anlehnung an § 77 Abs. 3 des AktG 1937, auf der Erwägung, daß jeder Geschäftsführer für das gesamte Unternehmen verantwortlich sei. Die Vorschrift stelle ein „allgemeines Grundgesetz des neuzeitlichen Unternehmensrechts" dar und verleihe „den sozialpolitischen Anforde151 152 153 154
22*
§ 78 AktG, vgl. oben, auch zum Abdruck der Vorschrift, Kapitel 4, Β. II. 2. a). Vgl. oben, Kapitel 4, Β. II. 2. a). Schubert, Entwurf, S. 174. Vgl. hierzu oben, Kapitel 2, B.I., Kapitel 3, A.
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5. Kap.: Der Referentenentwurf (RefE) von 1939
rungen der neuen Zeit Ausdruck", weshalb auch die Staatsanwaltschaft über die Einhaltung der Vorschrift wachen müsse.155 Eine weitere besondere Regelung lag in § 68 RefE 1939, welche zusätzlich für die Gehälter von Geschäftsführern galt, welche gleichzeitig Gesellschafter waren. § 68 Geschäftsführende Gesellschafter (1) Für einen Geschäftsführer, der einen Stammanteil besitzt, gelten die folgenden besonderen Vorschriften: 1. Solange das Stammkapital nicht durch das Vermögen der Gesellschaft gedeckt ist, darf dem Geschäftsführer, auch wenn ihm höhere Bezüge zugesagt sind, für seine Tätigkeit nur ein Entgelt ausgezahlt werden, das in seiner Höhe der besonderen Lage der Gesellschaft Rechnung trägt. Bei der Bemessung sind neben dem Umfang der Tätigkeit des Geschäftsführers und ihrer Bedeutung für die Gesellschaft namentlich die Belange der Gesellschaftsgläubiger und ihr Interesse an der Erhaltung des Stammkapitals zu berücksichtigen. 2. Wird über das Vermögen der Gesellschaft das Konkursverfahren eröffnet, so kann der Konkursverwalter den Anstellungsvertrag des Geschäftsführers ohne Einhaltung einer Kündigungsfrist kündigen. Der Geschäftsführer kann Ersatz für den ihm durch die Aufhebung des Dienstverhältnisses entstehenden Schaden nicht verlangen; [...]. (2) Abs. 1 gilt sinngemäß für einen Geschäftsführer, dessen Ehegatte oder minderjähriger Abkömmling einen Stammanteil der Gesellschaft besitzt; [...]. (3) Für den Anspruch der Gesellschaft auf Rückgewähr einer entgegen Abs. 1 Nr. 1 und Abs. 2 geleisteten Zahlung gilt § 35 [...].
Die Begründung führte hierzu aus, daß der Neuregelung die Erfahrung zugrunde liege, daß von jeher und immer wieder versucht worden sei, das Stammkapital durch die Gehaltsbezüge der geschäftsführenden Gesellschafter auszuhöhlen. Rechtsdogmatisch werde die Neuregelung von der Erwägung getragen, „ daß der geschäftsführende Gesellschafter nicht eigentlich abhängiger Angestellter, sondern in Wahrheit Unternehmer" sei, und daß es ihm daher nicht gestattet sei, „auf dem Wege über feste Gehaltsbezüge, die der Unter nehmer Stellung wesensfremd sind, das dem Unternehmen in Gestalt des Stammkapitals gewidmete Vermögen ohne Rücksicht auf die Belange der Gläubiger an sich zu ziehen. " 156 Die Vorschriften betrafen damit also nicht nur die Erhaltung des Stammkapitals, sondern waren auch unter der Erwägung geschaffen worden, daß der Gesellschafter-Geschäftsführer ähnlich wie ein oHG-Gesellschafter, welcher im Regelfall selbst Organ der Gesellschaft war, Unternehmer sei und mit seinem Unternehmen „auf Gedeih und Verderb" verbunden war. Die oben erwähnte Anlehnung an das Aktienrecht bezüglich der Gehälter im allgemeinen spricht hier insgesamt gesehen also abermals nicht gegen das Bestreben, die GmbH als Personengesellschaft auszugestalten. Die Anlehnung an das Aktienrecht betraf hier Vorschriften, die bereits aufgrund der „Rechtserneuerung " 1937 neu in das Aktienrecht eingeführt worden waren. 155 156
Schubert, a.a.O. Schubert, a. a. O.
C. Vorschriften als Ausgleich zur Haftungsbeschränkung
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4. Erwerb eigener Anteile Bei der Diskussion um die Möglichkeit und Zulässigkeit des Erwerbs eigener Anteile hatte der Ausschuß keine einheitliche Linie finden können.157 Einerseits wollte man getreu dem Grundsatz, die GmbH an das Personengesellschaftsrecht anzugleichen, einen Erwerb eigener Anteile als Prinzip der Kapitalgesellschaften ungern zulassen. Andererseits hatte aber gerade die Rassenpolitik der Nationalsozialisten in der Vergangenheit gezeigt, daß es unter Umständen für den Bestand der Gesellschaft notwendig werden konnte, eigene Anteile zu erwerben. 158 Der RefE 1939 sah, den Anregungen des Ausschusses im wesentlichen folgend, kein Verbot des Erwerbs eigener Anteile vor, stellte diesen jedoch unter das Erfordernis der Abwendung eines schweren Schadens: § 34 Erwerb eigener Stammanteile (1) Die Gesellschaft darf eigene Stammanteile entgeltlich nur erwerben, wenn der Erwerb zur Abwendung eines schweren Schadens von der Gesellschaft notwendig ist und der Gegenwert aus dem über das Stammkapital hinaus vorhandenen Vermögen gezahlt wird. [.«].
Die Vorschrift entsprach in vielen Punkten der entsprechenden Regelung im Aktienrecht (§ 65 AktG 1937159). Ebenso wie dort war der Erwerb nur zur Abwendung eines schweren Schadens und nur aus dem über das Stammkapital hinausgehenden Vermögen möglich. Die Begründung zum Entwurf nannte als Beispiel den Fall, daß ein Gesellschafter zu einer schweren Freiheitsstrafe verurteilt worden war und eine solche besondere Lage das rasche Ausscheiden des Gesellschafters aus der Gesellschaft erfordere. 160 Mit der Regelung zum Erwerb eigener Anteile blieb ein Grundsatz der Kapitalgesellschaften im RefE 1939 erhalten. Die Tatsache, daß hier die GmbH aufgrund ihrer eigenen Rechtspersönlichkeit formal den Anteil eines Gesellschafters erwerben konnte, schien dem Gesetzgeber nunmehr willkommen, um volkswirtschaftliche Schäden abwenden zu können.
5. Haftung des Einmanngesellschafters
im Konkurs
Eine gewisse Art von „Durchgrijfshaftung" stellte §46 RefE für den Einmanngesellschafter auf. Die für das GmbH-Recht völlig neue Vorschrift betraf die Sicherung des Stammkapitals für die Gläubiger einer Einmann-GmbH im Konkurs: 161 157 158 159 160 161
Vgl. oben, Kapitel 4, B.II.2.C). Vgl. ausführlich oben, Kapitel 4, B.II.2.c). Vgl. zum Abdruck der Vorschrift oben, Kapitel 4, Fn. 208. Schubert, Entwurf, S. 161. Vgl. bereits oben, A.
5. Kap.: Der Referentenentwurf (RefE) von 1939
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§ 46 Einmanngesellschaft (1) Wird über das Vermögen einer Gesellschaft, deren Stammanteile in einer Hand vereinigt sind, das Konkursverfahren eröffnet, so hat der Gesellschafter den zur Befriedigung der Gesellschaftsgläubiger erforderlichen, durch das Gesellschaftsvermögen nicht gedeckten Betrag zur Konkursmasse zu zahlen. Der Anspruch gegen den Gesellschafter kann nur vom Konkursverwalter geltend gemacht werden. (2) Abs. 1 gilt sinngemäß, wenn ein Gesellschafter zwar nicht alle Stammanteile in seiner Hand vereinigt, aber auf die Ausübung der Rechte aus den anderen Stammanteilen auf Grund vertraglicher Abmachungen oder auf Grund rechtlicher oder wirtschaftlicher Abhängigkeit des Inhabers dieser Anteile oder in anderer Weise maßgebenden Einfluß hat.
(3) [...]. Die Begründung zum Entwurf wies zunächst darauf hin, daß die Haftungsbeschränkung privat- und volkswirtschaftlich grundsätzlich nur dann gerechtfertigt sei, wenn mehrere gemeinsam wirtschaftend tätig seien.162 Daher ließe der Entwurf auch die Gründung einer Einmann-GmbH nicht zu. Eine andere Frage sei es jedoch, was geschehen solle, wenn sich erst nachträglich alle Anteile in einer Hand vereinigten. Einen Auflösungsgrund habe man für diese Fälle nicht schaffen wollen, da ein solcher im Hinblick auf die vielen Arten der verschleierten Einmanngesellschaften nicht wirkungsvoll gewesen sei. Der Entwurf erkenne daher bei nachträglicher Vereinigung aller Anteile in einer Hand „ die so entstandene Einmanngesellschaft zwar als selbständige Rechtspersönlichkeit " an, sehe also von einer Auflösung ab, „versagt aber dem Einmanngesellschafter grundsätzlich die Berufung auf die Haftungsbeschränkung " 163. Die Haftung sei nach Art einer „Ausfallhaftung " gestaltet.164 Der Einmanngesellschafter konnte danach erst dann in Anspruch genommen werden, wenn das Konkursverfahren über das Vermögen der Gesellschaft eröffnet worden war und nur soweit, wie die Gesellschaftsgläubiger aus der Konkursmasse keine Befriedigung erlangen konnten. Der Anspruch konnte nur vom Konkursverwalter, nicht aber von den Gläubigern selbst, geltend gemacht werden, um, wie die Begründung hervorhob, einen „Wettlauf der Gläubiger bei der Zwangsvollstreckung in das Privatvermögen des Gesellschafters " zu vermeiden. 165 Aus der Formulierung des Abs. 2 der Vorschrift ist wiederum das Bestreben erkennbar, möglichst umfänglich und verständlich eine Vielzahl von denkbaren Mißbrauchs- und Anwendungsfällen zu regeln. Dem Einzelunternehmer war der Einmanngesellschafter insoweit gleichgestellt, als ein Zugriff auf sein Privatvermögen erfolgte, er also persönlich und unbeschränkt haftete. Ein Unterschied ergab sich insoweit, als er nicht den Gläubigern unmittelbar, sondern zunächst nur dem Konkursverwalter gegenüber verpflichtet war, was aber praktisch kaum einen Unterschied ausgemacht hätte. Für den Bereich der Einmanngesellschaften im Konkurs war also haftungsrechtlich die gleiche Si162 163 164 165
Schubert, Entwurf, S. 167. Schubert, Entwurf, S. 167 f. Schubert, Entwurf, S. 167. Schubert, a.a.O.
C. Vorschriften als Ausgleich zur Haftungsbeschränkung
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tuation wie bei der Haftung des Einzelunternehmers gegeben, was das GmbH-Recht abermals einen Schritt näher an die Personengesellschaft rückte.
I I I . Führerprinzip Wie bereits erwähnt, wird die ideologische Grundhaltung des Entwurfs oft erst auf einen zweiten Blick sichtbar, indem man den Zusammenhang zwischen einer aus heutiger Sicht neutral formuliert erscheinenden Vorschrift und ihrer Entstehungsgeschichte und Begründung betrachtet. Darüber hinaus wird das Auffinden eines spezifisch ideologischen Gehalts im Entwurf dadurch erschwert, daß der NSGesetzgeber davon absah, allgemeine ideologische Wertvorstellungen als einzelne Vorschriften auszuformulieren. Eine Ausnahme bildet hier § 2 RefE, welcher am Anfang des Entwurfs die Notwendigkeit der Leitung der Gesellschaft dergestalt, „ wie das Wohl des Betriebs und seiner Gefolgschaft und der gemeine Nutzen von Volk und Reich es fordert", hervorhebt. Die Vorschrift ist insoweit unmittelbarer Ausdruck des Führerprinzips, als sie die „Verantwortung nach oben" betrifft. 166 Wer die Geschäfte der GmbH leitete, mußte sich als Führer seiner verantwortlichen Stellung bewußt sein und durfte diese nicht eigennützig zu Lasten des „ Gemeinnutzes " mißbrauchen. Auch die bereits erwähnten „Sozialwohlklauseln" im Rahmen der Angemessenheit von Gehältern sind als wenige Ausnahmen anzusehen, bei welchen die Ideologie sofort sichtbar wird. 167 Auch sie sind unmittelbar Ausdruck des Führergedankens, da sie die Verantwortlichkeit der Geschäftsführer für die Kapitalsicherung und gegenüber der „Gefolgschaft" betreffen. Als beeinflußt durch das Führerprinzip kann man demnach auch diejenigen Vorschriften ansehen, welche die Haftung der Geschäftsführer verschärften oder neu begründeten. Hierunter fällt die bereits erwähnte (gesamschuldnerische) Haftung der Geschäftsführer bei der Gründung (§ 25 RefE 168 ). Auch für den Fall der ObliegenheitsVerletzung bei der Geschäftsführung sah der Entwurf eine in Anlehnung an § 84 Abs. 2 AktG 1937 169 geschaffene Haftung der Geschäftsführer vor. § 64 Abs. 2 RefE 1939 lautete: § 64 Sorgfaltspflicht und Verantwortlichkeit der Geschäftsführer (1) Die Geschäftsführer haben die Sorgfalt eines ordentlichen und gewissenhaften Geschäftsleiters anzuwenden. [...]. 166 Ygi z u r Diskussion um die Übernahme der fast wortgleichen Vorschrift des § 70 AktG 1937 im Ausschuß oben, Kapitel 4, Β. 1.1. 167 Vgl. oben, C.II.3. 168 § 25 Nr. 1 RefE 1939: „Als Gesamtschuldner mit den Gründern und den Personen, für deren Rechnung Gründer Stammanteile übernommen haben, ist der Gesellschaft zum Schadensersatz verpflichtet, wer als Geschäftsführer bei der Gründung seine Sorgfaltspflicht außer acht gelassen hat." Vgl. auch bereits oben, B.II, und C.I. 169 Vgl. zum Abdruck der Vorschrift oben, Kapitel 2, Fn. 272.
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5. Kap.: Der Referentenentwurf (RefE) von 1939
(2) Geschäftsführer, die ihre Obliegenheiten verletzen, sind der Gesellschaft zum Ersatz des daraus entstehenden Schadens als Gesamtschuldner verpflichtet. Sie haben nachzuweisen, daß sie die Sorgfalt eines ordentlichen und gewissenhaften Geschäftsleiters angewandt haben. (3) [...].
Was allerdings den Teil des Führerprinzips angeht, welcher im Gegensatz zur „ Verantwortung nach oben " mit „ Autorität nach unten " bezeichnet wurde 170 , so enthält der RefE 1939 kaum eine hierauf beruhende Vorschrift. Ein Anklang findet sich in § 77 Abs. 3 RefE, wonach die Geschäftsführer „ nach pflichtgemäßem Ermessen " darüber entscheiden sollten, ob das Auskunftsbegehren eines Gesellschafters verweigert werden darf, weil „ überwiegende Belange der Gesellschaft oder eines beteiligten Unternehmens oder der gemeine Nutzen von Volk und Reich es fordern
171
Nach den Grundsätzen des Führerprinzips wären aber weitergehende Regelungen denkbar gewesen, dergestalt, daß die Geschäftsführer, wie der Vorstand im Aktienrecht, gegenüber den Gesellschaftern gestärkt und unabhängig sind. Eine solche Vorschrift findet sich aber nicht. Bezüglich dieses Aspektes der Umsetzung des Führerprinzips im GmbH-Recht muß klar gesagt werden, daß eine solche nicht in dem Maße erfolgte, wie man sie hätte erwarten können. Nach § 59 RefE 1939 wurden die Geschäftsführer von den Gesellschaftern bestellt und konnten nach § 60 Abs. 1 RefE jederzeit abberufen werden. Sofern die Gesellschafter das Recht zur Abberufung auf Dritte übertragen hatte, konnten sie dennoch den Geschäftsführer abberufen, sofern ein wichtiger Grund vorlag, § 60 Abs. 3 RefE. Als solchen sah § 60 Abs. 5 RefE „namentlich grobe Pflichtverletzung oder Unfähigkeit zur Geschäftsführung " vor. Eine Anlehnung an § 75 Abs. 1 AktG 1937, wonach die Anstellungszeit in der Regel 5 Jahre betrug 172 , findet sich ebenfalls nicht, § 60 Abs. 6 RefE verwies bezüglich des Anstellungsvertrages nur auf die allgemeinen Vorschriften. Auch insoweit stimmt der Entwurf allerdings mit den Vorschlägen des Ausschusses überein, welcher in der Mehrheit eine Stärkung der Geschäftsführerstellung abgelehnt hatte.173 Dies aus dem einfachen Grunde, daß die Strukturen innerhalb der meisten GmbH derart angelegt waren, daß entweder ohnehin eine personelle Identität bestand, oder aber zumindest eine enge Verflechtung zwischen den Geschäftsführern und Gesellschaftern vorhanden war, aufgrund deren sich die Organe der GmbH nicht unbekannt gegenüber standen. Auf die „ vielgestaltigen Verhältnisse " bei der GmbH wies die Begründung zum Entwurf hin, die hervorhob, daß der Entwurf es den Beteiligten überlassen wolle, „ durch die Gestaltung des Gesellschaftsvertrages oder die tatsächliche Handhabung zu dem Ausgleich der inneren Kräfte zu 170 171 172 173
Vgl. oben, Kapitel 2, B.II. Vgl. hierzu bereits oben, Β. VI. 1. Vgl. zum Abdruck der Vorschrift oben, Kapitel 2, B.II. Vgl. oben, Kapitel 4,B.I.l.
C. Vorschriften als Ausgleich zur Haftungsbeschränkung
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gelangen, der am ehesten den besonderen Verhältnissen der Gesellschaft gerecht wird und den bestmöglichen Erfolg gewährleistet." 174 Danach konnte den Geschäftsführern durch Satzung eine Stellung eingeräumt werden, wie sie derjenigen des Vorstandes in der Aktiengesellschaft entsprach; andererseits konnten sich die Gesellschafter aber auch einen maßgeblichen Einfluß auf die Geschäftsführung sichern und die Geschäftsführer in weitem Umfang an Weisungen binden. Bezüglich der Stärkung der Befugnisse der Geschäftsführer folgte der Entwurf also den Vorschlägen des Ausschusses und räumte eine weite Satzungsfreiheit diesbezüglich ein, wobei aber die haftungsrechtliche Verantwortung der Geschäftsführer für Pflichtverletzungen verschärft wurde. Eine Vorschrift, wonach Geschäftsführer nicht werden dürfe, wer in der Vergangenheit wegen eines Konkursvergehens bestraft worden war oder ähnliches, wie es vom Ausschuß kurz diskutiert worden war 175 , findet sich im Entwurf nicht.
IV. Publizitätsvorschriften Auch in der Frage der Einführung von Publizitätsvorschriften lehnte sich der Entwurf an die Grundhaltung des Ausschusses für GmbH-Recht an. Dort hatten insbesondere die Vertreter des Reichsjustizministeriums davon absehen wollen, Publizitätsvorschriften einzuführen, um aus „ wehrpolitischen " Gründen eine allzu offene Umgangsweise mit den Geschäftszwecken der GmbH zu vermeiden. 176 Darüber hinaus war die Meinung vorherrschend gewesen, daß sich das Problem der Anonymität der Gesellschaftsanteile bei der GmbH nicht wirklich stelle, da diese nicht wertpapiermäßig verbrieft waren, und somit ein anonymer Handel nicht stattfand. 177 Lediglich für große Gesellschaften, deren Stammkapital 2 Millionen Reichsmark oder mehr betrug, sah § 95 Abs. 1, Nr. 5 RefE 178 , neben der Prüfung, die Veröffentlichung des Jahresabschlusses vor. Die Begründung zum Entwurf führte an, daß „die großen Gesellschaften der Öffentlichkeit erhöhte Rechenschaft" schuldeten.179 174
Schubert, Entwurf, S. 169. Vgl. oben, Kapitel 4,B.I.3. 176 Vgl. oben, Kapitel 4, A.4. 177 Vgl. hierzu Klausing, oben, Kapitel 4, B.I.2. 178 § 95 Abs. 1 Nr. 5 RefE: „Für Gesellschaften, bei denen der Nennbetrag des Stammkapitals sich am Stichtag des Jahresabschlusses auf zwei Millionen Reichsmark oder mehr beläuft, gelten folgende Vorschriften: Der Jahresabschluß und der Geschäftsbericht sind zum Handelsregister einzureichen, der Jahresabschluß ist im Deutschen Reichsanzeiger und, wenn der Gesellschaftsvertrag andere Blätter für die öffentlichen Bekanntmachungen der Gesellschaft bestimmt, auch in diesen Blättern bekannt zu machen. Für die Einreichung und Bekanntmachung gelten die §§ 143 und 144 des Aktiengesetzes sinngemäß. " 179 Schubert, Entwurf, S. 183. 175
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5. Kap.: Der Referentenentwurf (RefE) von 1939
A n neuen Publizitätsvorschriften i m weiteren Sinne sind ansonsten die Anzeigepflicht nach § 40 R e f E 1 8 0 gegenüber der Gesellschaft für den Fall eines Mitgliederwechsels zu nennen; für die Publizität i m Außenverhältnis der Gesellschaft wurde die bereits nach geltendem Recht bestehende Verpflichtung zur jährlichen Anzeige der Gesellschafterliste zum Handelsregister ausgeweitet. §41 Abs. 1 RefE forderte nunmehr die unverzügliche Anzeige jedes i m Laufe des Geschäftsjahres erfolgenden Mitgliederwechsels zum Handelsregister. 181 Damit sei, wie die Begründung betonte, „dem gelegentlich gegen die Gesellschaft mit beschränkter Haftung erhobenen Vorwurf der Anonymität des Gesellschaftskapitals der Boden entzogen" m . Ergänzt wurde dies durch die bereits auch i m Ausschuß diskutierte Verpflichtung für die Geschäftsführer zur Namensangabe auf Geschäftsbriefen in § 58 RefE: § 58 Namensangabe (1) Auf allen Geschäftsbriefen müssen die sämtlichen Geschäftsführer mit dem Familiennamen und mindestens einem ausgeschriebenen Vornamen angegeben werden. (2) Der Namensangabe bedarf es nicht: 1. bei Mitteilungen, die im Rahmen einer bestehenden Geschäftsverbindung ergehen und für die üblicherweise Formblätter [...] verwendet werden, [...], 2. bei regelmäßigen Berichten an Behörden und andere Stellen, die üblicherweise unter Verwendung von Formblättern erstattet werden, 3. auf Geschäftsbriefen, die an Empfänger im Ausland gerichtet sind. Die Vorschrift war angelehnt an § 100 A k t G 1937 1 8 3 und bildete nach der Begründung zum Entwurf „ inhaltlich eine Ergänzung zu den gegenüber der bisherigen Regelung verschärften Vorschriften des Entwurfs über die Gesellschafterliste ( § 4 1 ) " m . Durch die Regelung sollte erreicht werden, daß auch die für die Geschäftsführung der Gesellschaft verantwortlichen Personen klar nach außen in Erscheinung traten. 180
§40 Anzeige des Übergangs bei der Gesellschaft (1) Tritt ein Wechsel in der Person eines Gesellschafters ein, so ist dies im Falle der Abtretung von der Urkundsperson, in anderen Fällen vom Erwerber unverzüglich bei der Gesellschaft anzuzeigen und nachzuweisen. (2) Im Verhältnis zur Gesellschaft gilt als Gesellschafter nur, wer der Gesellschaft nach Abs. 1 unter Nachweis des Übergangs als Erwerber des Stammkapitals bezeichnet ist. (3) Der Erbe eines Gesellschafters wird durch die Anzeige allein nicht gehindert, seine Haftung nach den Vorschriften des Bürgerlichen Gesetzbuchs auf den Nachlaß zu beschränken. 181 §41 Anzeige zum Handelsregister; Gesellschafterliste (1) Die Geschäftsführer haben jeden Wechsel in der Person eines Gesellschafters unverzüglich zum Handelsregister anzuzeigen. Dabei sind Name, Vorname, Stand und Wohnort des Erwerbers und der Betrag des auf ihn entfallenden Stammanteils anzugeben. (2) Alljährlich im Monat Januar haben die Geschäftsführer eine von ihnen unterschriebene Liste aller Gesellschafter zum Handelsregister einzureichen, in der die im Abs. 1 Satz 2 geforderten Angaben enthalten sind. Ist seit Einreichung der letzten Liste keine Änderung eingetreten, so genügt die Erklärung der Geschäftsführer darüber. 182 Schubert, Entwurf, S. 166. 183 Zum Abdruck der Vorschrift vgl. oben, Kapitel 2, C. 184 Schubert, Entwurf, S. 172.
D. Zusammenfassung
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Weitere Vorschriften zur Publizität sah der Entwurf, den Anregungen des Ausschusses folgend, nicht vor.
D. Zusammenfassung Das Bestreben des Nationalsozialismus, auf einem Denken in konkreten Ordnungen aufbauend, die Werte von „Gemeinschaft" und „Treue" auch im Gesellschaftsrecht umzusetzen, hatte zu Beginn der Diskussion im Nationalsozialismus, unmittelbar nach der Machtübernahme, dazu geführt, daß der abstrakte Begriff der juristischen Person als Hindernis zur Durchsetzung der neuen Ideologie gesehen wurde. Verbunden mit einer „ Überwindung " der abstrakt-formalistischen Denkweise wurde die Wertung, die mit der Bezeichnung einer Vereinigung als juristische Person bislang verbunden gewesen war, abgestreift und die Rechtsfähigkeit einer Gesellschaft nur noch als „Rechtsverkehrsfähigkeit" (Siebert), also als ein auf die technische Funktion reduziertes Hilfsmittel gesehen. Gleichzeitig versuchte man, sich von dem herkömmlichen dualen System der Korporationen und echten Gesellschaften zu lösen und strebte unter Berufung auf deutschrechtliche Theorien (v. Gierke, Wieland) ein Stufenmodell der Gesellschaften an, das ich als „Recht der Gemeinschaften " bezeichnen möchte. In diesem Gemeinschaftsrecht sollte das Unternehmen die kleinste Zelle der Volksgemeinschaft widerspiegeln, in welchem stets die personelle Verbundenheit der Mitglieder untereinander zum Ausdruck kam. Die sich nach außen darstellende Annäherung von der GmbH an das Recht der Personengesellschaften ist aus der Sicht eines so verstandenen Systems heraus lediglich als Weiterentwicklung der Personengesellschaften zu begreifen. Die GmbH als Unternehmen umfaßte also nach nationalsozialistischem Verständnis die personenrechtliche Seite, nahm aber zusätzlich das Element der Haftungsbeschränkung (in Erweiterung der KG) und der Rechts(verkehrs-)fähigkeit als nächste Stufe in sich auf. Personengesellschaft und Kapitalgesellschaft standen sich nicht mehr einander ausschließend gegenüber, und auch die äußere Hülle der Rechts(verkehrs-)fähigkeit verdeckte nicht mehr die „ organische " Verbindung der Mitglieder untereinander. Diese allgemeine Denkweise läßt sich im Entwurf von 1939 an vielen Stellen belegen: Die GmbH sollte an das Recht der Personengesellschaft so weit wie möglich angenähert werden. Der Entwurf vollzog diese Annäherung in so vielfältiger Weise, daß das gesamte Innenleben der GmbH und das Rechtsverhältnis der Gesellschafter zueinander dem der oHG gleich kam. Für einen bestimmten Bereich des Außenverhältnisses, wie ζ. B. bei der Haftung des Einmanngesellschafters im Konkurs, trat auch hier die Annäherung an die Personengesellschaft hervor. Aus NS-Sicht lag hierin aber mehr als eine Annäherung. Der von den Ausschußmitgliedern und von der Begründung zum Entwurf und auch von mir selbst im Laufe dieser Arbeit immer wieder als „Annäherung " bezeichnete Vorgang stellt im Nationalsozialismus, rückblickend betrachtet, nur die Verwirklichung dessen dar, was in der nationalsozialistischen Literatur selbst als „Gemeinschaftsrecht aufgrund einer Stufenfolge" ent-
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5. Kap.: Der Referentenentwurf (RefE) von 1939
wickelt worden war. Das heißt, daß man überall dort, wo die GmbH die Personengesellschaft als untere Stufe in sich vereinte, die Verhältnisse der GmbH auch ebenso wie in der Personengesellschaft regeln mußte. Alle anderen genannten Angleichungen, welche in Anlehnung an das Aktienrecht vorgenommen worden waren, betrafen dann die nächst höhere Stufe, also genau denjenigen Unterschied, welcher die GmbH gegenüber der Personengesellschaft auf die nächst höhere Stufe hob. So wäre das Gesellschaftsrecht im Nationalsozialismus zu einer „Harmonisierung" der verschiedenen, sich ursprünglich ausschließenden Gesellschaftsformen gelangt, die als kleinsten gemeinsamen Nenner die „ Gemeinschaft " hatten. Was den Referentenentwurf von 1939 betrifft, so hatte ich mir zu Beginn der Arbeit das Ziel gesetzt, den Versuch zu unternehmen, zwischen spezifisch nationalsozialistischen und neutralen Vorschlägen zu unterscheiden. Im Rahmen der Literaturbetrachtungen der Vorkriegsjahre war dies noch relativ leicht gewesen, bei der Analyse des Entwurfs fiel dies ein wenig schwerer. Dies lag nicht zuletzt daran, daß der NS-Gesetzgeber nicht einfach ideologische Vorschriften formulierte und sie dem Entwurf voran stellte (§ 2 RefE stellt insoweit eine Ausnahme dar), sondern die Ideen des Nationalsozialismus an verschiedenen Stellen in die betreffenden Vorschriften mit einfließen ließ. So half aber bezüglich der Untersuchung, inwieweit der Treuegedanke den Entwurf beeinflußt hatte, beispielsweise die Begründung zum Entwurf, die ausdrücklich darauf hinwies, daß eine Treupflicht, auch der Gesellschafter untereinander, angenommen werde, und daß die in der Begründung genauer bezeichneten Vorschriften Ausdruck dieses Gedankens seien.185 Den direkten Nachweis des Gemeinschaftsdenkens oder einer Theorie über die juristische Person findet man hingegen gar nicht im Rahmen des Entwurfes. Hier bestand jedoch die Möglichkeit, aus der Entstehungsgeschichte und den vorangegangenen Diskussionen heraus ein Verständnis des Entwurfes abzuleiten, wodurch eine zunächst zufällig erscheinende Wortwahl richtig gedeutet und verstanden werden konnte. Dies gilt zum Beispiel für die Wahl des Begriffs „Rechtspersönlichkeit" in § 1 RefE 1939, oder die Erwähnung in der Begründung zum Entwurf, die GmbH sei eine „Personengesellschaft" und die Gesellschafter bildeten eine „Gemeinschaft" . m Die meiner Meinung nach vorhandene spürbare ideologische Grundhaltung des Entwurfes kann man demnach auch bei zunächst neutral erscheinenden Vorschriften erkennen, da sie ideologisch begründet wurden und aus der teilweise ideologisch geführten Diskussion heraus entstanden sind. Dies gilt für alle untersuchten Vorschriften in Anlehnung an das Personengesellschaftsrecht, wodurch sich unmittelbar das Gemeinschafts- und Treuedenken ausdrückt. Aber auch die teilweise Anlehnung an das Aktienrecht, dort wo es notwendig erschien, steht dem nicht entgegen, sondern entspricht vielmehr insoweit gerade der aus dem Gemeinschaftsrecht folgenden „neuen " Sichtweise der Gesellschaftsformen als „Stufenfolge ". Auch wenn 185 186
Schubert, Entwurf, S. 151; vgl. oben, Β. VI. Schubert, a.a.O.; vgl. oben, A.
D. Zusammenfassung
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demnach von der „ offensichtlichen " Ideologie der Literatur der Vorkriegsjahre im Entwurf ausdrücklich nicht mehr viel zu finden zu sein scheint, so konnte doch an vielen Stellen der Nachweis geführt werden, daß eine Vorschrift einer ideologisch geprägten Diskussion entsprungen ist. Der Entwurf stellt demnach das Resultat einer vom Nationalsozialismus geprägten Sichtweise des Gesellschaftsrechts dar, welcher sich objektiv betrachtet nur an wenigen Stellen direkt zur nationalsozialistischen Ideologie äußert, welcher aber seine Stellung innerhalb eines gedachten „Gemeinschaftsrechts" einnahm und die GmbH demzufolge als eine Weiterentwicklung der Personengesellschaft betrachtete.
Schlußbetrachtung Im Gesellschaftsrecht des Nationalsozialismus findet sich eine Hinwendung zu den Personengesellschaften. Zunächst drückt sich diese klar in den statistischen Zahlen aus, welche belegen, daß durch die Einführung von Umwandlungs-, Steuererleichterungs- und Löschungsgesetzen seit 1934 die Anzahl der GmbH abnahm und viele GmbH in der Form der Personengesellschaft weitergeführt wurden. Diese Umwandlungswelle betrifft vor allen Dingen den Zeitraum nach der Machtergreifung bis ungefähr 1938, in welchem das Schicksal der GmbH ungewiß war. In denselben Zeitraum fallen auch die teilweise ideologisch völlig überladenen Literaturstimmen, welche sich gegen die GmbH ansich aussprachen und ihre Abschaffung forderten. Versucht man, eine ideologische Grundhaltung „des Nationalsozialismus" zur GmbH auszumachen, sofinden sich hier - wie im 1. und 2. Kapitel dargestellt wurde - die Nachweise dafür, daß der Nationalsozialismus die GmbH für schwer vereinbar mit dem nationalsozialistischen Wirtschaftsaufbau hielt und sie daher ablehnte. Vor dem Hintergrund der Verdrängung der GmbH in den frühen Jahren nach der Machtergreifung zugunsten der Personengesellschaften entstand der RefE 1939, welcher nun seinerseits die GmbH an das Recht der oHG in sehr weiten Bereichen anglich. Diese intendierte Veränderung des GmbH-Gesetzes war ideologisch begründet. Argumente hierzu lassen sich in den Beratungen des Ausschusses für GmbH-Recht finden, welcher das Bindeglied zwischen den Literaturstimmen der frühen Jahre nach Machtergreifung und der Abfassung des RefE 1939 darstellt. Zwar sind die Beratungen nicht in der Weise ausdrücklich ideologisch geführt worden, wie dies in der Literatur der Fall gewesen war; insoweit sind die Ergebnisse der Untersuchungen des 4. Kapitels teilweise überraschend. Von der Beseitigung der GmbH nahm der Ausschuß sehr schnell Abstand und die Schlagworte des Nationalsozialismus wie das „Führerprinzip", „Gemeinnutz vor Eigennutz" oder „gegen die Anonymität" wurden sehr differenziert und abwägend betrachtet im Hinblick auf die wirtschaftlichen Notwendigkeiten; dennoch sind die überwiegende Anzahl der Vorschläge des Ausschusses zurückzuführen auf eine Gesamtdiskussion über eine neu zu schaffende „volkstümliche" GmbH, welche sich an den Werten von „ Gemeinschaft und Treue " und an dem „ Verantwortungsprinzip " orientiert und an die oHG angeglichen wird. Die Personengesellschaft war damit die bevorzugte Rechtsform innerhalb der nationalsozialistischen Wirtschaft; in ihr fanden sich der Ruf nach persönlicher Verantwortung verwirklicht, nach unbeschränkter Haftung, nach Einheit zwischen der Unternehmensleitung und dem Unternehmensbesitz, nach Offenheit im Gegensatz zur Anonymität und schließlich nach der Unternehmerpersönlichkeit.
Schlußbetrachtung
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Die „Angleichung " der GmbH an das Recht der Personengesellschaften ließ sich im Nationalsozialismus also ideologisch begründen. Erstaunlicher Weise findet ein Großteil der Reformvorschläge aber seine Entsprechung in den rechtstatsächlichen Bedürfnissen der Zeit seit der Entstehung der GmbH. Schon Oechelhäuser hatte die GmbH als oHG mit beschränkter Haftung ausgestalten wollen, und die mehr als 40 jährige Geschichte der GmbH hatte gezeigt, daß der äußere Mantel in Form des an die Aktiengesellschaft angelehnten GmbH-Gesetzes der realen Struktur der GmbH nicht entsprach. Bezüglich der Haftung der Gesellschafter für das Aufbringen der Einlagen hatte Oechelhäuser bereits eine gesamtschuldnerische Haftung vorgeschlagen. § 5 seines Entwurfes von 1884 lautete: „Die Gesellschafter haften für alle Verbindlichkeiten der Gesellschaft solidarisch, jedoch nur bis zur Höhe des eingetragenen Grundkapitals. Waren also die Einlagen nicht voll eingezahlt, so sind sämtliche Gesellschafter für alle nicht eingezahlten Beträge solidarisch verhaftet. " 1 Die Begründung zum Entwurf 1939, der an vielen Stellen die gesamtschuldnerische Haftung der Gesellschafter, Gründer oder Gründungsprüfer aufstellte, betonte aber immer wieder die „enge Verbundenheit der Mitglieder", die durch diese Art der Haftung entstehen sollte, was sich zu dieser Zeit ideologisch mit dem Verantwortungsprinzip und dem Gemeinschaftsdenken begründen ließ. Andere GmbH-Gesetze aus der damaligen Zeit hatten die GmbH ebenfalls in Anlehnung an das Recht der oHG geregelt und dabei sogar gänzlich auf die eigene Rechtsfähigkeit verzichtet, wie die Liechtensteinische Regelung von 1926 oder der Schweizerische Entwurf von 1928. Der RefE 1939 verzichtete zwar nicht auf die Rechtsfähigkeit der GmbH, sah diese aber nicht mehr als wertendes Kriterium für ein mitgliedschaftliches Verhältnis der Gesellschafter zur GmbH an, sondern regelte das Verhältnis der Gesellschafter zueinander gleich demjenigen der oHG-Gesellschafter. Als Fazit zu seiner Untersuchung des GmbH-Rechts von 1892 bis 1933 hatte Stroth festgestellt, „daß der Gesetzgeber im Jahre 1892 besser beraten gewesen wäre, entsprechend dem Wunsch der Kaufmannschaft, in Anlehnung an den Oechelhäuserischen Entwurf [...], eine nach Art der OHG ausgestaltete Personengesellschaft mit beschränkter Haftung [...] zu schaffen, [...]" 2. Es scheint nunmehr zunächst so, als habe der Gesetzgeber von 1939 genau diese Problematik erkannt und mit dem RefE 1939 - abgesehen von einigen typischen nationalsozialistischen Regelungen3 - tatsächlich lediglich das getan, was die Rechtswirklichkeit der GmbH im Wirtschaftsleben einforderte. Gleichzeitig fand diese erstrebte Veränderung in der Gesetzgebung aber statt vor dem Hintergrund der ebenfalls vorhandenen Diskussion um die Überwindung aller abstrakten Begriffe und um das Bestimmen einer Institution vom konkreten Ordnungsdenken aus. Diese „ Überwindung" habe ich insbesondere für den Begriff der 1
Oechelhäuser, abgedruckt in Wieland, Handelsrecht Bd. 2 (1931), S. 199f. und bei Schilling, Festschrift Kunze (1969), S.205. 2 Stroth, S. 144; vgl. hierzu auch bereits oben, Einleitung. 3 Zu nennen sind hier insbesondere die verschärften Strafvorschriften, „Sozialwohlklauseln usw.
352
Schlußbetrachtung
juristischen Person im 3. Kapitel dieser Arbeit darzustellen versucht. Ich halte es dabei für sehr wichtig, zu betonen, daß das Gesetzesvorhaben somit eingebettet ist in eine Zeit, die der Rechtsfähigkeit der GmbH keine wertende Bedeutung mehr beimißt, und welche die Gesellschafter als eine untereinander verbundene „ Gemeinschaft" ansieht, die den gesamten Staatsaufbau in sich trägt und widerspiegelt. Das Gesellschaftsrecht im Nationalsozialismus ist damit von dem Bestreben geprägt, die Kapitalgesellschaften nur als Weiterentwicklung zu den Personengesellschaften zu betrachten und das Gesetz vom Treuegedanken aus aufzubauen. Die GmbH sollte das Recht der Personengesellschaften umfassen und ihm noch einige GmbH-spezifische Besonderheiten hinzufügen. Auch dies ist eine speziell nationalsozialistische idologische Vorstellungsweise über den Gesamtaufbau des Gesellschaftsrechts als ein „Recht der Gemeinschaften und Abstufungen Genau hierin liegt aber der wesentliche Unterschied des RefE 1939 zu anderen Entwürfen oder Reformvorschlägen, welche die GmbH an die Personengesellschaften annähern wollten, und hierin liegt auch gerade seine Besonderheit, die sich nur aus der Betrachtung des historischen und ideologischen Umfeldes heraus ergibt. Dieser Erkenntnis würde man sich meines Erachtens verschließen, wenn man nicht den hier gewählten Versuch unternimmt, den nationalsozialistisch-spezifischen Gehalt zu erforschen. Um auf die eingangs erwähnten Worte von Schubert zurückzukommen, nach welchen man nicht immer säuberlich zwischen spezifisch nationalsozialistischen und nicht nationalsozialistischen Rechtsgedanken trennen sollte und könnte4, meine ich, daß insoweit das Herausarbeiten von spezifisch nationalsozialistischen Gedanken durchaus möglich, sinnvoll und überdies notwendig ist. Stellt die Kommentierung von Hachenburg/Ulmer beispielsweise fest, daß bei der Schaffung der GmbH-Novelle von 1980 auf eine Vielzahl von Vorschriften des RefE 1939 zurückgegriffen wurde, so ist zu fragen, ob dies aus der gleichen Motivation heraus geschehen ist, welche zur Schaffung der Vorschriften im RefE 1939 geführt hatte. Betroffen sind hier vor allen Dingen die Vorschriften zur Sachgründung (§§ 11-15 RefE 1939) und Gründerhaftung (§ 24 RefE 1939), zur Behandlung der Gesellschafterdarlehen im Konkurs (§ 36 RefE 1939) und zum Auskunfts- und Einsichtsrecht (§71 RefE), welche ihre Regelung in der GmbH-Novelle von 1980 fanden. Eine Antwort hierauf kann im Rahmen der vorliegenden Untersuchung nicht gefunden werden; das Bestreben jedenfalls, die Kapitalgrundlage zu sichern und die Minderheit zu schützen, wird beiden Reformen vordergründig gemeinsam gewesen sein; die Begründung hierzu und der ideologisch motivierte Hintergrund hat sich jedoch unterschieden.5 Es wird sich hier sozusagen das umgekehrte Prinzip zu der von Rüthers eingehend erforschten „ unbegrenzten Auslegung " wiederfinden. Genau so, wie im Nationalsozialismus eine auslegungsfähige Norm aus früherer Zeit Einfallstor für die Ideologie war und eine Vorschrift ideologisch „ uminterpre4
Schubert, Entwurf, Einleitung, S. 18; vgl. oben, Einleitung. Vgl. zur Geschichte der verschiedenen Gesetzesreformen, einschließlich des RefE 1939 und der GmbH-Novelle von 1980 ausführlich Geßler, Pro GmbH, S.91 ff.; zur Geschichte des RefE 1969 und der GmbH-Novelle von 1980 die Dissertation (1994) von Mosthaf. 5
Schlußbetrachtung
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tiert" wurde, gibt es vom NS-Gesetzgeber geschaffene (in diesem Fall nur geplante) Vorschriften, welche einen ideologisch motivierten Inhalt hatten, die aber durch das „Ablegen " dieses ideologischen Hintergrundes einen sachlich objektiv neutralen Kern behalten, der zu ihrer Verwendungsmöglichkeit im GmbH-Recht des Nachkriegsdeutschlands führt. Dem Nationalsozialismus eigen ist und bleibt die Betrachtung des gesamten Rechtslebens von den Werten der „Gemeinschaft" und „Treue" aus. Hierdurch entstanden Vorschriften, die den Minderheitenschutz ausweiteten und einerseits historisch vielleicht längst überfällig waren, andererseits aber auch im Nachhinein in den späteren Novellen Anklang fanden und in die Reformvorhaben nach dem Krieg aufgenommen wurden. Das überspitzte Abstellen auf die Treue der Gesellschafter im Gemeinschaftsrecht des Nationalsozialismus hatte meiner Meinung nach eine Art beschleunigende Wirkung für die Entwicklung eines ausgewogenen Minderheitenschutzes im Kapitalgesellschaftsrecht. 6 Durch die Betonung von „Treue und Gemeinschaft" und „Gemeinnutz vor Eigennutz" war hier der NS-Gesetzgeber tatsächlich in der Lage, als „starker Staat" Vorschriften aufzustellen, deren Entwicklung ohne den Nationalsozialismus wahrscheinlich auch, aber eben sehr viel langsamer, erfolgt wäre. Als Beispiel hierzu kann die Entwicklung der Treupflicht der Mitglieder untereinander im Kapitalgesellschaftsrecht nach dem Krieg dienen.7 In Bezug auf die Verbindung der Mitglieder einer GmbH/AG untereinander (Treupflicht, Minderheitenschutz), hat die Ideologie im Nationalsozialismus die ohnehin schon vor der Machtübernahme vorhandenen Tendenzen zur Entwicklung des Gesellschaftsrechts bestärkt. Für die GmbH behielt man die Treupflicht der Mitglieder untereinander bei, ohne nach dem Ursprung der Entwicklung zu fragen: BGHZ9, 157 (Urteil vom 1. April 1953) betraf den Fall eines Gesellschafterausschlusses „beim Vorliegen eines in seiner Person gegebenen wichtigen Grundes ". Hierfür gab es bekanntlich keine gesetzliche Handhabe, der RefE 1939 hatte in § 136 Abs. 1 versucht, eine Ausschlußmöglichkeit einzuführen. Der BGH lehnte es hier unter Berufung auf die Treupflicht der Gesellschafter untereinander ab, die Unwirksamkeit eines Ausschließungsbeschlusses festzustellen. Um die Auflösung der Gesellschaft zu vermeiden, müsse es die Möglichkeit des Ausschlusses eines Gesellschafters geben. In Abgrenzung zur Auffassung des Reichsgerichts, welches die Möglichkeit der Ausschließung als stillschweigend im Gesellschaftsvertrag vereinbart angesehen hatte8, griff der BGH auf den Grundsatz zurück, daß ein Rechtsverhältnis vorzeitig gelöst werden könne, soweit ein wichtiger Grund vorliege. Sodann führte er aus: „Daß die 6
Eine ähnliche Fragestellung für die Entwicklung des Rechtsmißbrauchsgedankens beschreibt Haferkamp in „Die heutige Rechtsmißbrauchslehre. Ergebnis nationalsozialistischen Rechtsdenkens? 7 Vgl. für die GmbH hierzu beispielsweise Raiser, ZHR 1987 (151. Band), S. 422 ff.; für die AG ζ. B. Schnorbus, JuS 1998, S. 877ff. 8 BGHZ 9, 157 (161) mit Hinweis auf RGZ 169, 330 (334), Entscheidung vom 13. August 1942. 23 Stupp
354
Schlußbetrachtung
Ausschließung eines GmbH-Gesellschafters selbst beim Schweigen der Satzung rechtlich zulässig ist, läßt sich auch aus der Treupflicht ableiten 9. Wenn auch anders als bei der offenen Handelsgesellschaft kein Gemeinschaftsverhältnis besteht und darum nicht schon hieraus die Pflicht zu gegenseitiger Treue abgeleitet werden kann, so obliegt den Gesellschaftern einer GmbH doch eine echte, nicht bloß den Grundsatz von Treu und Glauben (§242 BGB) beinhaltende Treupflicht, weil die Beziehungen des Gesellschafters zur GmbH und seinen Mitgesellschaftern nicht rein kapitalistisch, sondern auch persönlicher Art sind 10. " n Der BGH knüpfte hier ganz ausdrücklich an die Rechtsprechung des Reichsgerichts und an die Literatur des Nationalsozialismus an. Im weiteren heißt es beispielsweise in BGHZ 14, 25 (Urteil vom 9. Juni 1954): „Die Treupflicht der Gesellschafter einer GmbH ist größer und stärker als die Treupflicht der Aktionäre, da die Beziehungen der Gesellschafter einer Gesellschaft mbH untereinander und zur Gesellschaft in der Regel enger sind als dies bei der Aktiengesellschaft der Fall ist. " 12 In ausdrücklicher Weiterführung dieser frühen Rechtsprechung des BGH liest man in einem weiteren Urteil des BGH vom 5.6.1975: „[...] ist mit dem neueren Schrifttum™ jedenfalls anzuerkennen, daß nicht nur die Beziehungen zwischen Gesellschaftern und GmbH, sondern auch die der Gesellschafter untereinander von der gesellschaftsrechtlichen Treupflicht bestimmt sein können. " 14 Begründet wurde dies mit der deutlichen Nähe der inneren Verhältnisse der GmbH zu den Personengesellschaften. Es erfolgte hier also eine Übernahme des Gedankens, daß die Gesellschafter untereinander durch ein Treueverhältnis verbunden sind. Diesen Gedanken hatte der Nationalsozialismus mit Hilfe des ideologisch geprägten „Treue und Gemeinschaftsdenkens" herausgearbeitet. Ohne diese ideologisch überladene Diskussion hätte die Entwicklung der Treupflicht der GmbH-Gesellschafter untereinander wahrscheinlich länger gedauert, wie dies im Aktienrecht für das Verhältnis der Aktionäre untereinander nach dem Krieg der Fall war. Im Aktienrecht versuchte man zunächst, die „ Auswüchse " des Treuegedankens abzuschütteln. Die Entwicklung kann hier nur kurz angerissen werden. BGHZ 18, 350 (Urteil vom 27. Oktober 1955) betraf ebenfalls die Frage, ob ein Aktionär aus einer Aktiengesellschaft ausgeschlossen werden dürfe. Der BGH lehnte dies bei der AG ab: „Solange das Gesellschaftsunternehmen als eine Aktiengesellschaft betrieben wurde, war eine Ausschließung des Beklagten nicht möglich. Denn nach der Or9
Ohne Bedenken erfolgt eine direkte Anknüpfung an die Rechtsprechung des Reichsgerichts und nationalsozialistische Literatur: „Scholz, Ausschließung und Austritt und DR 1942, 1667; RG164,262; 169,334; Baumbach-Hueck, GmbHG, Einf. zu §34 Anm. 1 B". 10 Es erfolgt abermals ein Hinweis auf RG DR 1940, 2177; Baumbach-Hueck GmbHG, Anm. 2 Β vor § 13. 11 BGHZ 9, 157 (163) = NJW 1953, 780. 12 BGHZ 14, 25 (38) = NJW 1954, 1401. 13 Es folgt ein Hinweis auf Ballerstedt, Kapital, Gewinn und Ausschüttung bei Kapitalgesellschaften, S. 181 ff.; Immenga, Die personalistische Kapitalgesellschaft, S. 270ff.; Wiedemann, in: Festschrift Barz, S.568f. 14 BGH NJW 1976, 191.
Schlußbetrachtung
355
ganisation der Aktiengesellschaft bestehen zwischen den einzelnen Gesellschaftern (Aktionären) keine rechtlichen Beziehungen persönlicher Art, [...]." 15 Die Entwicklung ist aber seit Ende der 80er Jahre mit den Entscheidungen „Linotype'" l6 und „ Girmes " 1 7 von neuem auf die Anerkennung einer Treupflicht der Aktionäre untereinander gestoßen und hat damit eine interessante Entwicklung erfahren. Hierbei wirkt die Begründung gar nicht so fern von der Diskussion der Vorkriegszeit, obwohl der ideologische Hintergrund freilich ein völlig anderer ist. Unter Zustimmung der Literatur 18 kommt die Rechtsprechung nun zu dem Ergebnis, welches bereits 50 Jahre zuvor von der nationalsozialistischen Literatur unter Heranziehung des „ Treue- und Gemeinschaftsgedankens " gefordert worden war. In der Entscheidung „Linotype " erkennt der BGH zunächst die Treupflicht der Aktionäre untereinander an, beschränkt dies aber auf den Mehrheitsaktionär: „Eine gesellschaftsrechtliche Treupflicht besteht auch zwischen den Aktionären. [...] Für die AG ist der Senat zwar von dem Bestehen einer Treupflicht zwischen Gesellschaft und Gesellschaftern aus gegangen 19. Für das Verhältnis der Aktionäre untereinander hat er hingegen das Bestehen einer Treupflicht [...] verneint 20. Diese Annahme beruht auf einer Überbewertung der körperschaftlichen Struktur der AG, die zu der Vorstellung geführt hat, Rechtsbeziehungen bestünden nur zwischen der Gesellschaft und den Aktionären 21. Demgegenüber ist mit dem neueren Schrifttum 22 anzuerkennen, daß auch das Verhältnis der Mitglieder einer Korporation untereinander den Charakter einer Sonderverbindung haben kann." 23 In der Entscheidung „ Girmes " dann erstreckt der BGH die Treupflicht gegenüber den Mitaktionären auch auf den Minderheits- und Kleinaktionär. In der Aktiengesellschaft sei nicht nur der Mehrheitsaktionär dem Minderheits- oder Kleinaktionär zur Treue verpflichtet, sondern es bestehe umgekehrt auch eine Treupflicht des Minderheits- oder Kleinaktionärs gegenüber dem Mehrheitsaktionär oder gegenüber anderen Minderheits- oder Kleinaktionären. 24 In der Begründung hierzu heißt es, der Kern des Treupflichtgedankens bestehe darin, „daß dem Maß des Einflusses des Gesellschafters das Maß seiner Verantwortung mit der sich daraus ergebenden Pflicht zur Rücksichtnahme 15
BGHZ 18, 350 (365) = BGH NJW 1955, 1919. BGHZ 103,184 (194f.) = NJW 1988,1579 = LM §242 [A] BGB Nr.72; vgl. in der Folge auch BGH NJW 1992, 3167 (3171). 17 BGHZ 129, 136 (148) = NJW 1995, 1739 (1741). 18 Dreher, ZHR 157 (1993), 151 (153); Häsemeyer, ZHR 160 (1996), 109 (113); Hennrichs, AcP 195 (1995), 221 (234ff., 242ff.); Schnorbus, JuS 1998, 877 (879). 19 Es folgt ein Hinweis auf BGHZ 14, 25 (38) = NJW 1954, 1401. 20 Es folgt ein Hinweis auf BGHZ 18, 350 (365) = NJW 1955, 1919; JZ 1976, 561 (562). 21 Es folgt ein Hinweis auf Immenga, Die personalistische Kapitalgesellschaft, 1970, S.270, 271; Meyer-Landrut, in: GroßKomm. z. AktG, 3. Aufl., § 1 Anm. 35. 22 Es folgt ein Hinweis auf Lutter, JZ 1976, 225; ders., Anm. zu Senat, JZ 1976, 362; Wiedemann, § 2 1 1 b, § 8 II 3; ders., JZ 1976, 394; Karsten Schmidt, GesellschaftsR, S.437f., 610f.; Zöllner, in: Kölner Komm. z. AktG, 1985, §243 Rdnr. 195. 23 BGHZ 103, 184 (194f.) = NJW 1988, 1579 = L M §242 [A] BGB Nr. 72. 24 BGHZ 129, 136 (148) = NJW 1995, 1739 (1741). 16
23*
356
Schlußbetrachtung
auf die Interessen der Gesellschaft und die gesellschaftsbezogenen Belange der Mitglieder entspricht 25/' 26 Es scheint fast so, als werde hier letztlich die Treuepflicht mit dem „ Verantwortungsprinzip" begründet, auch ein Anklang an das „Herrschafts- und Haftungsprinzip " ist nicht zu überhören. Eine Schlußfolgerung aus der Ähnlichkeit in der Argumentationsweise zur Treupflicht damals und heute traue ich mir in diesem Rahmen nicht zu; dies ist auch nicht das Anliegen dieser Arbeit. Als Ergebnis meiner Untersuchungen möchte ich festhalten, daß der RefE 1939 für sich genommen ein eigenes Konzept und seine eigene Stellung innerhalb des „ völkischen " Systems des Nationalsozialismus aufweist, soweit man ihn als Teil eines „stufenförmigen Gemeinschaftsrechts " unter Einschränkung der Rechtsfähigkeit und Betonung der „ organischen " Verbundenheit der Mitglieder sieht. Betrachtet man die Hinwendung zum personalistischen Prinzip an sich losgelöst von der nationalsozialistisch-spezifischen Ideologie, so findet sich der Entwurf in bester Gesellschaft mit anderen ähnlich strukturierten und zur etwa gleichen Zeit entstandenen GmbH-Gesetzen (Liechtenstein, 1926, Schweizer Entwurf von 1928). Damit korrigiert der RefE 1939 obendrein die Diskrepanz zwischen dem ursprünglichen GmbHG von 1892 und der bis 1933 anzutreffenden Rechtswirklichkeit in Deutschland; er tut dies aber auf dem Boden und mit der Hilfe einer spezifisch nationalsozialistischen Sichtweise. Wichtig ist es mir, herauszustellen, daß diese losgelöste Sachlichkeit mit den spezifischen Werten des Nationalsozialismus von „ Gemeinschaft und Treue " innerhalb des Systems vom Denken in konkreten Ordnungen und unter Ablehnung alles abstrakt-formalistischen entwickelt und begründet wurde. Damit komme ich zu dem Schluß, daß der Entwurf zu seiner Zeit also keinesfalls sachlich neutral war und auch nie sein sollte, sondern ein eindeutiges Bekenntnis für den alles durchdringenden Aufbau des Rechts und der Institutionen mit den Prinzipien des Nationalsozialismus darstellt.
25 Es folgt ein Hinweis auf Zöllner, S.337 (341, 350); Zöllner, in: Kölner Komm. z. AktG, Einl. Rdnr. 169; Wiedemann, GesellschaftsR I, § 8 II 3 (S. 431); Hüffer, AktG, §53 a Rdnr. 17; ders. in: Festschr.f. Steindorff, 1990, S.59 (74); K. Schmidt, GesellschaftsR, §28 14 a; Lutter, ZHR 153 (1989), 446 (445); M. Winter, Mitgliedschaftliche Treubindungen im GmbH-Recht, 1988, S.69ff. 26 BGH, a.a.O.
Anhang
Tabelle 1
Bestand der GmbH (vgl. Kapitel 1, D.) Auflösungen
Gründungen
Überschuß
Ende 1936 im Jahre 1936
39.549 7.513
1.733
5.780
8.892
1.495
7.397
4.890
2.397
2.493
Ende 1935 im Jahre 1935
45.329
Ende 1934 im Jahre 1934 Ende 1933
Bestand
52.726 55.219
Quelle: Wirtschaft und Statistik 1939, S. 75 (bzgl. der Zahlen zur Gründung und Auflösung in den Jahren 1933 bis 1936) Wirtschaft und Statistik 1939, S.273 (bzgl. des Bestandes Ende 1936)
Anhang
358 65000,00
60000,00
55000,00
50000,00
45000,00
40000,00
35000,00
30000,00
25000,00
20000,00 1932
1933
1934
1935
1936
1937
1938
Jahr
Grafik 1: Entwicklung der Anzahl an GmbH (vgl. Kapitel 1, D.)
1939
Anhang
359
Tabelle 2
Bestand der GmbH am 31.11.1935 (vgl. Kapitel 1, D.) Zahlenmäßige Zusammenstellung der bei den einzelnen Registergerichten Gesellschaften m. b. H. auf dem Stande am 31.11.1935. " Oberlandesgerichtsbezirk Kammergericht
Gesamtsummen 12.654
Bamberg
488
Braunschweig
368
Breslau
2.020
Celle
2.097
Darmstadt
870
Dresden
3.807
Düsseldorf
4.506
Frankfurt
2.324
Hamburg
3.649
Hamm
4.649
Jena Karlsruhe Kassel
964 1.907 573
Kiel
1.062
Köln
4.420
Königsberg
598
Marienwerder
177
München
2.300
Naumburg
1.971
Nürnberg
1.025
Oldenburg
134
Rostock
316
Stettin Stuttgart Zweibrücken zus.
678 1.781 493 55.831
Quelle: BArch Berlin, R 3001/10657, Bl. 75 und Bl. 89.
eingetragenen
Anhang 7000
Grafik 2: Auswirkungen der Umwandlungs- und Löschungsgesetze (vgl. Kapitel 1, D.)
Anhang
361
Auszug aus dem Briefwechsel Schlegelberger/Klausing (vgl. Kapitel 4, C.) - BArch Berlin, R 3001/10657, Bl. 102 Reichsjustizministerium Staatssekretär Dr. Schlegelberger An Herrn Professor Dr. Klausing An der Johann Wolfgang Goethe-Universität in Frankfurt a/M.
Berlin, den II Februar 1937 Abg. 18. FEB 1937
Sehr verehrter Herr Professor! Für Jhre Mitteilung über die Bildung eines Ausschusses für das Recht der Gesellschaft mit beschränkter Haftung bei der Akademie für Deutsches Recht und über Jhre Berufung zum Vorsitzer dieses Ausschusses danke ich verbindlichst. Jch darf Jhnen zu der Berufung meinen aufrichtigen Glückwunsch aussprechen. Selbstverständlich bin ich gern bereit, die Arbeiten des Ausschusses zu fördern. Mit den verbindlichsten Empfehlungen und Heil Hitler Jhr sehr ergebener - BArch Berlin, R 3001/10657, Bl. 129 Reichsjustizministerium Berlin, den 21. Juni 1937 StS. Dr. Schlegelberger An den Vorsitzenden des Ausschusses für GmbH-Recht der Akademie für Deutsches Recht Herrn Professor Dr. Klausing Frankfurt a.M. Sehr verehrter Herr Professor! Als Material für die weiteren Verhandlungen des Ausschusses für GmbH-Recht gestatte ich mir, Jhnen in der Anlage eine zusammenfassende Aufstellung der Probleme und Fragen zu übersenden, von deren Erörterung im Rahmen des Ausschusses ich mir Erfolg und Nutzen für das Reformwerk verspreche. Jch habe in die Aufstellung alle diejenigen Fragen aufgenommen, die bereits in der ersten Sitzung des Ausschusses am 8. und 9.ds. Mts. aufgeworfen wurden und habe ergänzend eine Anzahl weiterer Gesichtspunkte stichwortartig hinzugefügt. Mit den verbindlichsten Empfehlungen und Heil Hitler Jhr sehr ergebener - BArch Berlin, R 3001/10657, Bl. 130 I. Fragen allgemeiner Art. 1. Beschränkung der GmbH.? a)Nach der Art des Betriebes (Handelsgewerbe, [unleserlich]) oder nach der Richtung, ob im Hinblick auf die besondere Art der Beziehung der Gesellschafter zueinander ein berechtigtes Bedürfnis nach einer selbständigen Rechtspersönlichkeit mit beschränkter Haftung besteht.
362
Anhang b)Jn welcher Weise soll die Beschränkung erfolgen? Konzessionspflicht, gesetzlicher Katalog der zuzulassenden Unternehmen, Negativkatalog (Grundstücksgesellschaft!?) 2. Heraufsetzung des Mindestkapitals? 3. Festsetzung eines Höchstkapitals? 4. Begrenzung der Zahl der Gesellschafter? 5. Einmanngesellschaft?
II. Maßnahmen zur Sicherung der Einbringung und der Erhaltung des Stammkapitals. 1. Gründerbericht - obligatorische Prüfung der Sachgründung einschließlich Nachgründung; Gründerverantwortlichkeit entsprechend §§39,46 AktG. - BArch, Berlin R 3001/10657, Bl. 131 Erstreckung der in § 24 festgesetzten Deckungspflicht der Gesellschafter auf die Sacheinlagen in der Weise, daß die Gesellschafter für die Einbringung und für die richtige Bewertung der Sacheinlage einzustehen haben. Beweislastregelung derart, daß sich die Gesellschafter durch Vorlage eines von einem öffentlich bestellten Wirtschaftsprüfer zur Zeit der Gründung erstatteten Gutachtens über die Angemessenheit der Bewertung entlasten können. 2. Anordnung, daß ein bestimmter Teil des gesamten Stammkapitals - abgesehen von der in § 7 Abs. 2 für den einzelnen Anteil vorgeschriebenen Mindesteinzahlung - sofort eingezahlt werden muß? Verbot [unleserlich] auf die Einlagenleistung, § 52 Akt. Ges. 3. Sicherung des RückzahlungsVerbots des § 30 durch Strafdrohung? 4. Übernahme der strengeren Bewertungsvorschriften des AktG. (vergi. § 133 AktG.)? 5. Besondere Vorschriften zur Gewährleistung der Angemessenheit der Gesamtbezüge der Geschäftsführer entsprechend § 78 AktG.? 6. Kreditgewährung an Geschäftsführer nur mit besonderer Zustimmung des Aufsichtsrats oder der Gesellschafterversammlung? - BArch, Berlin, R 3001/10657, Bl. 132 7. Beschränkung des Geschäftsverkehrs zwischen GmbH, und Gesellschafter, insbesondere Verbot der Kreditgewährung an die Gesellschafter? 8. Sollen Darlehen der Gesellschafter an die GmbH. - weil sie praktisch die Funktion des Stammkapitals erfüllen - im Konkurs der GmbH, hinter den Forderungen der übrigen Gläubiger zurücktreten? 9. Verbot der Betriebs-GmbH? 10. Erschwerung des Erwerbs eigener Anteile? 11. Verlustanzeige an Registergericht; Eintragung von Verlusten im Handelsregister? 12. Einrichtung eines Garantiekapitals (zusätzliche Haftung der Gesellschafter mit einer Haftsumme ähnlich dem Genossenschaftsrecht)? III. Erhöhung der Publizität. 1. Veröffentlichung der Bilanzen oder Einreichung beim Registergericht? Besondere Vorschriften für GmbHs mit bestimmtem Mindestumfang und KonzernGmbHs? 2. Bekanntgabe aller Namen aller Geschäftsführer auf den Geschäftsbriefen? 3. Aufdeckung etwaiger Treuhandverhältnisse und Konzernverflechtungen in der Gesell-
Anhang
363
- BArch Berlin, R 3001/10657, Bl. 133 schafterliste beim Registergericht? 4. Kennzeichnungszwang für Betriebs-G.m.b.Hs.? IV. Maßnahmen zur Erreichung einer sorgfältigen und sauberen Geschäftsführung. 1. Personen, die in den letzten zehn Jahren den Offenbarungseid geleistet haben oder über deren Vermögen das Konkursverfahren eröffnet worden ist oder die wegen Vermögensdelikte bestraft worden sind, dürfen nicht als Geschäftsführer bestellt werden. 2. Wettbewerbsverbot für die Geschäftsführer? 3. Einführung der Sozialklausel des §77 AktGes.? 4. Pflicht der Geschäftsführer zur Vorlage eines Geschäftsberichts? 5. Obligatorischer Aufsichtsrat, gegebenenfalls unter Beschränkung auf Gesellschaften mit einer gewissen Mindestzahl von Gesellschaftern? 6. Prüfungen a) obligatorische Abschlußprüfung, mindestens für GmbHs. mit bestimmtem Mindestumsatz oder für GmbHs., an denen juristische Personen beteiligt sind? b) amtliche oder ständische Prüfung, sobald Bedenken gegen die Geschäftsführung auftauchen? c) periodische Prüfung der gesamten Geschäftsführung ähnlich den Genossenschaften; Einreichung des Bestätigungsvermerks beim Registergericht? d) Sonderprüfung auf Antrag einer Minderheit der Gesellschafter. 7. Haftung der Geschäftsführer bei gröblicher - BArch Berlin, R 3001/10657, Bl. 134 Verletzung ihrer Sorgfaltspflicht auch gegenüber den Gläubigem unmittelbar entsprechend § 84 AktGes. 8. Haftung der Gesellschafter für die Auswahl sachkundiger und zuverlässiger Geschäftsführer und für deren laufende Überwachung? 9. Schadensersatzpflicht der Gesellschafter und Dritter beim Handeln zum Schaden der Gesellschaft zwecks Erlangung eines gesellschaftsfremden Sondervorteils (§101 AktGes.)? V. Ausgestaltung der Rechte der Gesellschafter. 1. Recht des einzelnen Gesellschafters auf Auskunft? 2. Verbot von Vorzugsgeschäftsanteilen mit mehrfachem Stimmrecht? 3. Anfechtung von Beschlüssen der Gesellschafterversammlung? Grenzziehung zwischen Anfechtbarkeit und Nichtigkeit. VI. Wechsel der Mitgliedschaft. Erhaltung der GmbH, bei Meinungsverschiedenheiten Gesellschafter. 1. Eintragung des Erwerbs eines Geschäftsanteils in einem beim Handelsregister zu führenden Gesellschafterbuch? Ausstattung dieses Buches mit rechtserzeugender Wirkung und öffentlichem Glauben? 2. Gesetzliches Vorkaufsrecht der übrigen Gesellschafter? 3. Konzessionspflicht für den Erwerb von Anteilen durch juristische Personen? 4. Kündigungsklage jedes Gesellschafters ohne Rücksicht auf die Höhe seines Anteils bei Vorliegen eines wichtigen Grundes; Befugnis
der
364
Anhang
- BArch Berlin, R 3001/10657, Bl. 135 der übrigen Gesellschafter, die Auflösung der GmbH, durch Abfindung des Klägers und Erwerb seines Anteils zu verhindern? 5. Befugnis der Gesellschafter, bei Vorliegen eines wichtigen Grundes auf Ausschluß eines Gesellschafters zu klagen (entsprechend der Regelung bei der offenen Handelsgesellschaft in § 140 HGB.)? VII. Wirtschaftliche oder rechtliche Umgestaltung der bestehenden GmbH. 1. Bildung einer Gewinngemeinschaft (vgl. §256 AktGes.). 2. Verpachtung des Betriebes. 3. Vereinfachte Kapitalherabsetzung zum Zwecke der Sanierung? 4. Verschmelzung mit einer anderen GmbH.? 5. Umwandlung der GmbH, in eine offene Handelsgesellschaft? 6. Verstaatlichung? 7. Fortsetzung einer aufgelösten GmbH. (vgl. §215 AktGes.)? - BArch Berlin, R 3001/10657, Bl. 165, Vorderseite AKADEMIE FÜR DEUTSCHES RECHT ÖFFENTLICH-RECHTLICHE KÖRPERSCHAFT DES REICHES Berlin W 9, Leipziger Platz 15, Fernruf A 2 Flora 7076 (Sammelnummer) Ausschuß: G.m.b.H.-Recht Professor Dr. Fr. Klausing Frankfurt a. M., den 5. Juli 1937 Rechtstatsachenforschung u. Wirtschaftsrecht Frankfurt a.M., Universität (Fernruf: 77150) K/Sch Herrn Staatssekretär Dr. Schlegelberger, Berlin W 8 Wilhelmstr. 65 Sehr verehrter Herr Staatssekretär! Für die freundliche Übersendung der Aufstellung der Fragen, die im Rahmen des GmbH.Ausschusses als Vorbereitung der Reform zweckmässigerweise zu erörtern wären, darf ich verbindlichst danken. Ich werde Bedacht darauf nehmen, dass die in der Aufstellung berührten Punkte im Laufe der verschiedenen Sitzungen besprochen werden. Für die nächste Vollsitzung (Oktober d. J.) ist ausser einer Behandlung der GmbH, in den verschiedenen Auslandsrechten das Thema „Familiengesellschaften" in Verbindung mit dem [sie] unter I der Aufstellung genannten Fragen in Aussicht genommen. Vielleicht wird man allerdings die Einmanngesellschaft noch ausscheiden müssen. Ferner möchte ich, soweit die Zeit ausreicht, mit der Besprechung Prüfungswesen (Gründungsprüfung, jährliche Pflichtprüfung) wenigstens beginnen. Für September habe ich, entsprechend den Beschlüssen in der ersten Vollsitzung, im Benehmen mit Herrn - BArch Berlin, R 3001/10657, Bl. 165, Rückseite Ministerialdirigent Quassowski eine Vorbesprechung im engeren Kreise in Berlin in Aussicht genommen, um auf diese Weise die Verhandlungen der zweiten Vollsitzung nach Möglichkeit derart vorzubereiten, dass wir trotz des verhältnismässig grossen Personenkreises zu positiven Ergebnissen gelangen.
Anhang
365
Mit verbindlichen Empfehlungen und Heil Hitler! darf ich Sie begrüssen als [unleserlich] Ihnen aufrichtigst ergebener
Eingaben an das Reichsjustizministerium (vgl. Kapitel 5, B.III.) - wiedergegebene Unterstreichungen im Text sind solche, welche sich im Original handschriftlich gemacht befinden, also vom lesenden Adressaten stammen; dies gilt nicht für ..Einschreiben"-Vermerke oder Ortsangaben (..Berlin") im Briefkopf - BArch Berlin, R 3001/10657 Der Rauchwarenmarkt Fachzeitung für RauchwarenWirtschaft S/K Einschreiben An das Reichsjustizministerium Berlin
Leipzig C 1, den 14. Januar 1936 Nikolaistr. 28/32
Wir beehren uns dem Ministerium folgendes eigebenst zu unterbreiten. Unserem Verlage gehörten eine Anzahl Nichtarier, die sich jedoch in der Minderheit befanden, als Gesellschafter an. Auf Veranlassung unseres Fachverbandes, des Reichsverbandes der deutschen Zeitschriften-Verleger e. V. mußten diese Nichtarier zum Ausscheiden aus unserer Gesellschaft veranlaßt werden. Restlos ist dies geglückt bei den in Deutschland ansässigen Nichtariern. Die verbleibenden Nichtarier haben ihren Wohnsitz und Geschäftssitz aber sämtlich im Ausland, und zwar in London und Wien. Auch besitzen sie nach unseren Ermittlungen die ausländische Staatsangehörigkeit. Wir gestatten uns nun anzufragen, ob dem Ministerium Gesetzhandhaben bekannt sind, auf Grund deren wir das Ausscheiden der betreffenden Firmen aus dem Kreise unserer Gesellschaft erzwingen könnten, um den Wünschen des Reichsverbandes der deutschen Zeitschriften· Verleger voll und ganz zu entsprechen. Die von uns bisher angestrebten Bemühungen um zwangsweises Ausscheiden haben zu einem Erfolg nicht geführt. Von Seiten unseres Rechtsanwaltes wurde insbesondere bemerkt, daß auf Grund der bestehenden Gesetzgebung es nicht ohne weiteres möglich sei, eine Kündigung der Beteiligung zu erwirken, d. h. die betreffenden nichtarischen Firmen zur Aufgabe ihrer in das Handelsregister eingetragenen Gesellschafter-Rechte zu veranlassen. Da wir annehmen, daß dem Ministerium möglicherweise aber spezielle Verordnungen vorliegen, die ein erfolgreiches Vorgehen gegen die betreffenden ausländischen Nichtarier gewährleisten, wären wir für gefällige Bekanntgabe außerordentlich dankbar. Heil Hitler Verlag der Rauchwarenmarkt G.m.b.H. Unterschrift.
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366
- BArch Berlin, R 3001/10657, B1.61 DRESDNER WACH- UND SCHLIESS-GESELLSCHAFT m. b.H. Mitglied des Reichseinheitsverbandes des Deutschen Bewachungsgewerbes e. V. An das Reichsjustizministerium Berlin W 8 Wilhelmstrasse 65 Dresden, den 14. Januar 1936 Bankstraße 13, „Wachthof" Dr. St/N Wir halten uns für verpflichtet, das Reichsjustizministerium auf eine Gesetzeslücke im G.m.b.H.-Recht aufmerksam zu machen, die sich für unser Unternehmen seit Jahren äusserst nachteilig auswirkt. Das Stammkapital unserer Gesellschaft m. b.H. beträgt 50000,-RM und befindet sich je zur Hälfte im Besitze 1.) des Kaufmanns Theodor Josef Stupp in Dresden, Bürgerwiese 16, und 2.) der Frau Selma verw. Nussbaum in Dresden, Henzestrasse 15. Die Geschäftsführung lag bis März 1933 in den Händen des Unterzeichneten, Rechtsanwalt Dr. Stupp (Sohn des unter 1. genannten Gesellschafters) und des Kaufmann Artur Braun (Schwiegersohn der unter 2. genannten Gesellschafterin). Der Geschäftsführer Braun trat im März 1933 von der Geschäftsführung zurück, die an seiner Stelle zeitweilig der Gesellschafter Stupp sen. übernahm. Gegenwärtig ist der Unterzeichnete alleiniger Geschäftsführer. - BArch Berlin; R 3001/10657, Bl. 62 Das Unternehmen ist einer der grössten deutschen Bewachungsbetriebe und hat eine Belegschaft von über 300 Mann. Den Bemühungen der jetzigen Geschäftsleitung, den durch die Gesellschafterin Nussbaum und ihren Schwiegersohn Braun vertretenen jüdischen Einfluss auf das Unternehmen zu entfernen oder auf ein Mindestmaß zu beschränken, hat Frau Nussbaum seit März 1933 den denkbar grössten Widerstand entgegengesetzt. Seit dieser Zeit hat die Gesellschafterversammlung keinerlei Beschlüsse mehr fassen können, da alle eingebrachten Anträge infolge der Stimmengleichheit beider Gesellschafter von vornherein zum Scheitern verurteilt waren. Die letzte genehmigte Bilanz der Gesellschaft ist die des Geschäftsjahres 1932. Steuererklärungen konnten seit dieser Zeit nur unter Vorbehalt abgegeben werden. Eine Einigung wird sich auch künftig nicht erzielen lassen, da die Gesellschafterin Nussbaum stets Forderungen stellt, die mit dem Interesse der Gesellschaft unter den heutigen Zeitverhältnissen unvereinbar sind. Auch über alle Anträge, welche die Bestellung, Abberufung und Entlastung von Geschäftsführern und Prokuristen zum Gegenstand hatten, liess sich aus denselben Gründen eine Einigung nicht erzielen. Auch in Zukunft ist insoweit eine Änderung des jetzigen Zustandes, infolge der widerstreitenden Interessenlage der Gesellschafter, nicht abzusehen. Die Verhältnisse wurden im Laufe der Zeit so unhaltbar, dass sich die Sächsische Regierung zu einem Eingreifen gezwungen sah. Wir gestatten uns, in der Anlage Abschrift einer Verfügung des Sächsischen Wirtschaftsministers vom 21. Mai 1935 beizufügen, aus der alles Nähere ersichtlich ist.
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367
Da die Gesellschafterin Nussbaum der im genannten Briefe enthaltenen Aufforderung der Sächsischen Regierung, auf ihren Einfluss auf die Geschäftsführung zu verzichten, nicht Folge geleistet hat, hat die für unser Unternehmen zuständige Konzessionsbehörde, der Oberbürgermeister der Landeshauptstadt Dresden, auf Antrag des Wirtschaftsministeriums ein Konzessionsentziehungsverfahren eingeleitet. - BArch Berlin, R 3001/10657, B1.63 Leider ist aber nach unseren Informationen mit einer baldigen Durchführung dieses Konzessionsentziehungsverfahrens nicht zu rechnen, so dass die Gesellschaft weiterhin mit der Gesellschafterin Nussbaum zu rechnen haben wird. Auf Grund der in den letzten Jahren gemachten Erfahrungen erscheint es aber unmöglich, die Geschäfte der Gesellschaft noch weiterhin ordnungsgemäß durchführen zu können, wenn deren oberstes Organ, die Gesellschafterversammlung, nach wie vor beschlussunfähig ist. Unsere Bitte, die wir an das Reichsjustizministeriumrichten,geht daher dahin, möglichst bald konkrete Gesetzesänderungen durchzuführen, die endlich diese Gesetzeslücke schliessen. Selbst die Gerichte, an denen die Gesellschafter unseres Unternehmens ihre Prozesse gegenseitig austragen, geben oftmals ihrer Ansicht darüber Ausdruck, dass Gesellschaften mit einem Kapitalverhältnis wie bei uns gar nicht erlaubt sein dürften. Gerade in der heutigen Zeit, in der immer wieder gefordert wird, die Verantwortungsfreudigkeit des Geschäftsführers zu festigen und das Leistungs- und Führerprinzip auch in der Wirtschaft immer mehr auszubauen, müssen Zustände, wie die bei unserer Gesellschaft vorliegenden, als ausserordentlich bedauerlich und wirtschaftsschädigend bezeichnet werden. Da das Problem als solches nicht neu ist, versagen wir es uns, Vorschläge im einzelnen zu unterbreiten. Es ist letzten Endes auch gleichgültig, ob die Änderung im Wege der Einführung des Betriebsführerstimmrecht s oder von Zwangssatzungen oder Errichtung einer neutralen Schiedsstelle oder auf ähnliche Weise erfolgt. Wichtig ist vielmehr nur, dass möglichst bald und durchgreifend geholfen wird. In diesem Sinne bitten wir eigebenst, unsere Ausführungen prüfen zu wollen und zeichnen mit Heil Hitler! Dresdener Wach- und Schliessgesellschaft m.b.H. Rechtsabteilung 1 Anlage - BArch Berlin, R 3001, 10657, B1.64 Der Sächsische Wirtschaftsminister 2. Abteilung. WJ: Gew.28 b.
Dresden, am 21.5.1935 Mit Zustellungsurkunde! An Frau Selma Nußbau m, geb. Braun, Dresden - A. 16. Henzestr. 15.
Da das Landgericht Dresden, 3. Kammer für Handelssachen, Ihnen aus formalrechtlichen Gründen massgebenden Einfluss auf die Geschäftsführung der Dresdner Wach- und Schliessgesellschaft m.b.H. zugesprochen hat, besteht die Notwendigkeit, dieser nach §53 Abs.2 und § 34 a der Reichsgewerbeordnung die Erlaubnis zur Fortführung ihres Betriebes zu entziehen;
368
Anhang
denn selbstverständlich kann weder der Wachmannschaft angesonnen werden, unter fremdstämmischer Führung ihren nicht ungefährlichen und militärische Subordination erfordernden Dienst zu verrichten, noch ist es den Kunden des Unternehmens zuzumuten, die Bewachung ihres Besitzes Angehörigen eines fremden Stammes anzuvertrauen, der nun einmal nicht das Vertrauen der deutschen Volksgenossen genießt. Schon um deswillen besitzen Sie und von Ihnen etwa als Geschäftsführer berufene Personen nicht die für die Leitung eines Bewachungsunternehmens erforderliche Zuverlässigkeit, sodass ich auf die Ihnen überdies vorgeworfenen Verfehlungen hier nicht einzugehen brauche. Ehe ich das Weitere veranlasse, und insbesondere die Übernahme des Personals und des Bewachungsdienstes durch ein anderes Unternehmen in die Wege zu leiten suche und die Öffentlichkeit über die durch das Urteil des Landgerichts geschaffene Lage aufkläre, fordere ich Sie auf, mir binnen 3 Tagen1 rechtsverbindlich zu erklären, dass Sie auf jede Einflussnahme auf die Geschäftsführung der Dresdner Wach- und Schliessgesellschaft verzichten. Ihren Mitgesellschaftern, dem Geschäftsführer Dr. Stupp und dem Vertrauensrat des Unternehmens habe ich Abschrift dieses Schreibens mitgeteilt. gez. Lenk.
1
Unterstreichung mit Maschinenschrift im Original, also vom Absender stammend.
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Begriff der „Form" 171,183 Begriff der „Gestalt" 170, 183, 186, 189, 191,217 Bilanz 39,248,297 -Veröffentlichung 118,124 - Bilanzvorschriften 28, 103, 237 Bund Deutscher NS-Juristen (BNSDJ) 189 Deutscher Juristentag 36,50,152 Dezisionismus 172 Einheit von Herrschaft und Haftung 20, 98 ff., 105 ff., 112ff., 117 ff., 121f., 123, 151, 160, 237, 240, 246 Einmanngesellschaft 27,37, 89,102,103 Fn. 30, 109, 240, 304, 341 f., 347 Familiengesellschaften 250, 274f., 331 Familien-GmbH 77 Firma 150 - deutsche 26,58 - Fortführung 61 - Firmen Wahrheit 51 - Namensfirma 26 - Sachfirma 26 Fuggergesellschaft 101 Fn. 14 Führerprinzip 34,46, 52f., 65, 82, 118f., 120, 122, 124, 125 ff., 128 ff., 131, 136ff., 140, 160, 206, 235, 243ff., 300, 334, 343 ff., 350 - Aktiengesellschaft 85,96, 131 f., 133 ff. - als Rechtsgrundsatz 136 - Betriebsverfassungsrecht 130 - Führerauslese 156ff., 160, 251 ff., 300 - Führerpersönlichkeit 224 - Führerverantwortung 131 - Mehrführerschaft 140 f.
384
arverzeichnis
Garantiekapital 39f., 107, 114, 116 Gemeinnutz vor Eigennutz 50, 96, 117, 128 f., 152 Fn. 363, 168, 235, 339, 350, 353 Gemeinschaftsgedanke 161, 166 f., 169, 183, 200, 280, 290, 310, 321, 324, 333, 347 f., 351 Gemeinwirtschaft 151 Genossenschaft 174, 181 Gesamtschuldnerische Haftung Siehe Gesellschafter Geschäftsanteil 25, 267ff., 278ff., 286, 315 Geschäftsführer 18, 106, 119, 137, 139, 150, 156f., 242, 245, 304 - Auslese 252 -Gehalt 30f., 30ff., 110, 261ff., 271, 305, 338 f. - Haftung 122 f., 246, 343 ff. Geschäftsschreiben-Kundgabe 148 f., 150f., 249 f. Gesellschafter 150, 156,243, 267, 304 - Anstellungsvertrag 140 - Anzahl 100, 138 f. - ausländische 27 - Ausschluß 278, 284ff., 314, 319ff. - Austritt 284ff., 305, 314, 319ff. - Bezüge 324 - Deckungspflicht 123 - der GmbH 18,23 - Einlagepflicht der 33 - gesamtschuldnerische Haftung 16,40, 281 ff., 314, 317ff., 334, 343,351 - Geschäftsführer 100, 109, 263, 340 - jüdische 26 f. - Mehrheits-/ Minderheits-28 f. - Privatvermögen der 30, 35 Gesellschafterdarlehen 21 Fn.34, 30f., 32, 110, 124, 264ff., 295, 304, 337f., 352 Gesellschafterliste 58, 149 ff. Gesellschafterversammlung 17,106,137, 139 - als „abgesetzter König" 140 Gesellschafts vermögen 23, 106 Gewinnauszahlung 23 Gläubigerschutz 39 f. GmbH
- Abschaffung 34, 36,44f., 49f., 59f., 103, llOf., 114f., 124, 160, 219, 222, 233, 235, 249, 350 - als zweckgebundenes Vermögen 53 f., 59 - Auflösung 40, 278, 319 ff. - Auflösungsklage 287 ff., 321 ff., 326, 333 - Ausschließungsklage 285 f. - ausländische 27, 37, 54 - Erwerb eigener Anteile 267 ff., 304, 341 - Gegner der 34 Fn. 63, 59, 102, 111, 121,125, 151 - Gläubiger der 24 - Gründung 31,40 - im Konkurs 30, 32 f., 83 - Kriegsvorbereitung 236ff., 248 -Notwendigkeit 154, 160, 220 ff., 228, 239 - Nutzen für den NS-Staat 236 ff. - Reformer der 34 Fn. 63, 59, 107, 113, 115 ff., 125 - Umwandlung der 41 - Vereinbarkeit mit NS-Anschauungen 231 - Verbot 109 - Vertretungsregeln 137 - volkstümliche 219,228,350 - „Wesen" 306 ff. - Zwang zur Abschaffung 76ff., 84, 97 - Zweck der 25,33 GmbH-Novelle 1980 21, 352 Goldbilanzverordnung 51 Gründerhaftung 21 Fn.34, 32, 124, 317 Grundstücksgesellschaften Siehe Immobilien-GmbH Gründungsprüfung 39,41, 123 f., 242, 254ff., 258, 271,304, 334 Gründungsvorschriften 107, 352 Haftungsbeschränkung 19,21,45,48,55, 81,96,98 ff., 105 ff., 112,152f., 218ff., 225 ff., 228, 253 - als Selbstzweck 48,103,111 - als „Wohltat" 45,154,223,229 - des Aktionärs 99,103,110 - Idee der 33f.,41,50
arverzeichnis Haftungsfonds Siehe Stammkapital Haftungsmasse Siehe Stammkapital Handelsregister 56, 58, 82f., 157 f.,. 255, 304 Hitlers „Mein Kampf 126, 132 Fn. 251, 133, 143, 155 Fn. 382, 235 Immobilien-GmbH 25, 68,77f., 80 Fn.304f. Inflationszeit 19, 24, 56, 157 Innenverhältnis - der GmbH 16, 100, 113, 116, 247f., 276 - der AG 51 Juristische Person 22ff., 41 ff., 64f., 84, 96 f., 130,156,158,161 ff., 267,272 ff., 306 ff., 320, 324, 348, 352 - Abschaffung 190 - als „Hilfskonstruktion"53, 163 - als „Todfeind" der Rechtsordnung 48 f. - als zweckgebundenes Vermögen 52, 162, 185 - als Zweckvermögen 163,195,311 - Anonymität 186 - aus staatsrechtlicher Sicht 186 f. - Dazwischenschieben der j.P.26,42,47, 51, 142 - deutsche Körperschaft 180 - Fiktionstheorie 177f., 187 - persona ficta 178 - reale Verbandsperson 177 f., 182, 192, 197 - Rechtsfähigkeit der 170 - Rechtsverkehrsfähigkeit 189 ff., 192, 194, 310, 347 - societas 213 - universitas 180, 182f.,213 -Unternehmen 189 ff., 197, 203, 312 - Verkehrsfähigkeit 192 - „Wesen" der 168 ff., 212f., 216., 272ff. Kaduzierung 255 Kapitalerhöhung Siehe Stammkapital Kommanditgesellschaft 87,101,110, 112f., 116, 121, 131,223, 347 Kommanditist 99f., 102, 110 Konkretes Ordnungsdenken 129 Fn. 240, 166, 170ff., 183, 193, 347, 351, 356 25 Stupp
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Konkurs 30,158f., 264ff., 295, 337, 341, 347 Konzessionszwang 37 f., 44,49f., 55, 82, 87, 111, 123, 137, 149, 155, 159, 222 Kreditpolitik der Wirtschaft 41,45,50, 110, 112, 223 Kriegsvorbereitung Siehe GmbH Lebensraumkonzept 152 Fn. 363 Leistungsprinzip 82, 151 Liberalismus 44,65,100,131,142,152f., 156f., 251 Machtergreifung 20, 24, 33,43, 51, 60, 90,153, 235, 350 Minderheitsrechte 292ff., 293 Fn. 306, 305, 325 ff., 353 - Anfechtungsrecht 298, 330ff. - Auflösungsklage 333, siehe auch GmbH - Auskunftsrecht 21 Fn. 34, 194ff., 327 ff., 352 - Bucheinsichtsrecht 294 ff., 327 ff. - der Aktionäre 51,295 Mißbrauchsfälle 24ff., 33ff., 50ff., 54f., 89,96,102,104 Fn. 37,117,127 Fn. 221, 167 Nachgründung 39ff., 117, 335 Nationalökonomie 153 Normativismus 172, 176 NS-„Rechtserneuerung" 46, 125, 340 NS -Gesetzgebung - Aktiengesetz 1937 85, 88 f., 131 ff., 146,149,209 f., 216,218,243,262,268, 270ff., 291, 195, 299, 303, 307, 309, 325, 331, 338 f., 341, 343, 344, 346 - Auflösungs- und Löschungsgesetz 1934 82ff., 89, 91, 95, 350 - Ermächtigungsgesetz 127 - Gesetz zur Ordnung der nationalen Arbeit 1934 129,141 - „Notstandsgesetze" 320 - Nürnberger Rassegesetze 96,155 Fn. 382 - Referentenentwurf 1939 125,161,297, 302 ff. - Steuererleichterungsgesetz 1934 63 f., 74, 76, 78, 82, 89, 156, 350
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arverzeichnis
- Umwandlungsgesetz 1934 60ff., 74, 76,79, 81 f., 84, 87 ff., 90f., 95,104, 115, 156,219, 228, 232, 234, 350 NS-Rassenlehre 46, 136, 125, 235, 269, 271, 345 ff. NS-Staatsaufbau 126, 162 NS-Wirtschaftsauffassung 34, 139, 142, 168, 231 NS-Wirtschaftsordnung 59,67,76,78,81, 88, 128 ff., 151 f., 154, 156, 224, 350 Nürnberger Rassegesetze Siehe NS-Gesetzgebung Offene Handelsgesellschaft 15 ff., 22,98, 100,112,120 f., 131,223,277,319,322, 328, 333 f., 347, 350 Ordoliberale Wirtschaftstheorie 103 Fn.27 Parteiprogramm der NSDAP 175 Fn. 87, 179 Fn. 115 Persönliche Verantwortung 98, 116 ff., 120 f., 145 Pflichtprüfung 114,118 Privileg Friedrichs III. 101 Publizität 15, 19, 238 ff., 297 Publizitätsvorschriften 39, 114, 123, 248 ff., 269, 271,345ff. Rechtsmißbrauchslehre 104 ff., 169 Referentenentwurf 1939 Siehe NS-Gesetzgebung Reformdiskussion - Weimarer Zeit 20 - nach dem 2. Weltkrieg 20 Fn. 30, 21 Fn.34 - zur AG 84ff., 132, 143 Regierungsentwurf 1971/73 21 Rezeption des römischen Rechts 175 Risikoabwälzung 30f., 37,41 f., 45 Sacheinlage 39,55,57,59,110,114,118, 122ff., 254ff., 258, 267, 304, 333 f. Sachgründung 21 Fn. 34, 39, 57 Scheingründung 56 Schweizerisches Recht 224, 255 ff., 261, 282 f., 336, 351,356 Selbstorganschaft 16f., 158
- bei der oHG 99 - bei der GmbH 143 Sozialdarwinismus 155 Fn. 382 Stammeinlage 16, 23, 31 - „Stammanteir'304, 315 - Volleinzahlung 38,259,281,315 Stammkapital 17,19,30,32,96,114,253, 257,317, 334 - Anhebung 137,123 - Aufbringung und Erhaltung 30ff., 39, 241, 253 ff., 260ff., 264, 318, 334, 336 ff., 341 f. - Erhöhung 27,54,278,316,338 - Veröffentlichung 250 f. Steuererleichterungsgesetz 1934 Siehe NS-Gesetzgebung Steuern 25, 47, 60, 63 f., 82 Stimmrecht 167 f., 176, 295, 325 Stufensystem des Gesellschaftsrechts 185, 197, 216, 309, 31 Iff., 347f., 352, 356 Trennungsdenken 18, 27 f., 51, 53 f., 59, 166 f., 180, 185, 199,213 Treupflicht 125, 144, 176, 182, 196, 199, 204,212,216, 323 ff., 347 - der Aktionäre 146, 195, 198 ff., 201, 215,291 - der Aktionäre untereinander 207,215 - der Gesellschafter untereinander 161, 184, 292ff., 323, 348, 353 - der Gesellschafter zur GmbH 29 - „ethische" 196,201,204,214f., 216,292 - gegenüber der Gemeinschaft 169,323 Umgehungsgeschäfte 26, 30, 47 f. Umwandlung 51, 60, 95f., 138 - Einzelrechtsnachfolge 61 - Gesamtrechtsnachfolge 62 - identitätswahrende 61 - Umwandlungswelle 89 - Zwang zur 78 ff., 86, 88 - von Inhaberaktien 144 Umwandlungsgesetz 1934 Siehe NS-Gesetzgebung
arverzeichnis Unbeschränkte Haftung 15, 23,45, 62, 70f., 98 ff., 106ff., 112, 117, 119, 123, 151, 153, 156, 221,228 Unternehmer - als Führer 131 - Auslese 154 - Initiative 47, 129, 151, 154, 156 - Verantwortlichkeit 49f., 55, 64f., 89 - Wettbewerb 47 Verantwortungsprinzip 34, 52f., 60, 67, 81,96, 98, 110,117f., 120, 122, 124, 125 ff., 142, 160, 235, 350f.
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Verschachtelung von Gesellschaften 35, 49, 66, 74, 76, 149 Vierjahresplan 236f., 239, 321 Wehrwirtschaft 238 f., 345 Weimarer Zeit 20, 28 f., 33, 124, 132 Wichtiger Grund 320,323 - Abberufung 139f., 344 - Ausschluß 319ff., 353 - Auflösungsklage 322 Wirtschaftsfreiheit, „Entartung" 106, 152 Wirtschaftsleben, „Ethisierung" 80